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Rheinisches Museum
tnr
PHILOLOGIE.
ITerausgegebeu
voll
Franz Buecheler und Hermann Usener.
Neue Folge.
Siebenundfünfzigsten Bandes erstes Heft.
I
I
Frankfurt a. M.
J. D. S a u e Γ 1 ä u d e Γ * s Verlag.
1ίίί>2.
In J. D. Saueriänder's Verlag iu Frankfurt a. M. ist
erschienen und durch alle Buchhandluns:en zu beziehen:
Das Problem ttber die Ehe
vom
philosophischen, geschichtlichen und sozialen
Gesichtspunkte
Tun
Otto Caspari,
weiland Professor der Philosophie an der rniversität Heidelberg.
a^ VIII und 126 Seiten. Preis: M. 2.—
Inhalt: I. Einleitung und Literatur. — II. Die rbersinnlich-
keitsauschauun^ der Idealisten und der Kirche über die
E)he. — III. Die Sinnlichkeitiianschattttng der Naturalisten
und Materialisten über die Ehe. — IV. Die sittenlose Ver-
wahrlosung ira Geschlechtsverkehr der civilisirten Völker. —
V. Widerspruche und Ausblicke der Parteien auf eine Lösung
des Eheproblems. — VI. Überblick über die Geschichte der
fihe und Familie unter den Culturvölkern. — VII. Die An-
schiiuuny: der Philosophen und Ethnologen über die Ehe-
gomeinschiift. — VI 11. Die ('norduung des Sexu:ilv«rkt*hrs
neben der heutigen Ehe, und die allgemeine öca:its«»rdninig
der ^fffien•* Ehe! — IX. Die Frauenbewegung und dii* Ehe-
frage. — X. Die Erziehung der Nachkommenschaft und die
freie Ehe.
Die Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft
V,m, Heft 2, schreibt darüber:
— e. CasiHtri, OttOj Das PrMem über die Khe vom philfh•
soißfiischm, geschichtlichen und sozialen Gesichtsputtki. Frank-
furt a. M., J. D. Sauerländer. lK)a. Dieses Büchlein, welchem
iichimheit der Darstellung, geschmackvolle philosophische Kon-
zentration eines gewaltigen Materials othn(»h)gischer, kirchon-
geschichtlicher, soziologischer und hvgicnischcr Kenntnisse,
namentlich aber die Ruhe der AuseinandtTsetzung nicht ab^'i-
fcprocheu werden können, wird starken und vii;l.<fitii;en Wider-
spruch hervorrufen, obwohl es dir „Elic auf Siunden** (der Pn»-
ßtitution) so abweisend geji»nul'cr tritt. \Nie dt;m sakrumentalfn
Charakter der „ewigen ", un.iufioslifhrn Einehe. Die Ευηΐιτηηι.••
des Verfassers ist: _l>ii: sittliche Freiheit di-r Eheleute in ihivr
Entscheidunir ist .11« cr^t«•, nbirr'-ii.' und ein/ii:«; Inst an/, in .ι1Ι••η
Angelffft/nhi-itiTi •ΐΐ'.> Zu.-.iniiiH'n>eiii.•* in der lAiv/ i..>. i'J•.
Rheinisches Museum
für
PHILOLOGIE
HerauBgegrebeTi
Ton
Franz Buecheler und Hermann Usener
Nene Folge
Sieben und fttnizisrster Band.
Frankfurt am Hain
J. D. Sanerländcrs Verlaj?.
1902.
'.' I^laud Stanford, Jr.
Verzeicliniss der Mitarbeiter
von Band XXXV — LVII und ihrer Beiträge von Band XLV an.
Ahrens, H. L., in Hannover f
Amsel, G., in Gross - Lichterfelde
Apelt, O., in Eisenach {49, 59. 50,
394. 55, 621. 55, 9)
Arnim, H. von, in Wien
Asbach, J., in Düsseldorf
Aubert, L. C. M., in Christ iania
Aufrecht, Th., in Bonn
Ausfeld, Α., in Baden-Baden (50,
357. 5^,435. 557. 55, 348. 5β,517)
Bannier, W., in München (54, 544.
&j, 479)
Bartbolomae, Chr., in Giessen
(45, 151)
Barwinski, B., in Deutsch -Krone
Bauer, Α., in Graz (55, H)8)
Baunack, J., in Leipzig
Becher, F., in Berlin f (45, 31«. 47 ,
639. 55, 481)
Beloch, J., in Rom (45, 4()5. 555.
49, 111. 50, 250. 54, 414)
Bergk, Th., in Bonn f
Bethe, E., in Basel {46, 511. 47 y
Wll. 48, 91. 355. 4S4. 55, 414)
Biese, Α., in Neuwied
Birt, Th., in Marburg {45, 491. 46,
152. 50, 31. 101. 51, 70. 153. 240.
468. 491. 506. 52 Suppl. 54,40.
201)
Bischoff, E. F., in Leipzig (55, 328.
54 9. 55 488)
Blas«, F., in Halle (47. 2<ii). 55,283.
54, 33. 55, 91. 341)
Hoehme, J., in Hamburg
Boor, C. de, in Breslau {45, 477.
47, 321)
Braudis, C. G., in Charlottenburg
[51, 109)
Brandt, S., in Heidelberg {47, 390)
Breysig, Α., in Berlin f (55, 157.
fif»5. 56, 55)
Brinkmann, Α., in Bonn {51, '213.
441. 5.8, β32. 54, 93. 56, 55. 57,^
482)
Bröcker, L. 0., in Hamburg f
Brugmann, K., in Leipzig (53, 630)
Brugmann, O., in Leipzig (50, 478)
Bruhn, E., in Kiel (45, 273. 48, 628.
49, 168)
Bruns, J., in Kiel f (45, 138. 223)
Buecheler, F., in Bonn (45, 159.
161.321. 46, 159. 233. 632. 48,
84. 320. 631. 4,9, 175. 51, 153.
325. 471. 638. 52, 302. 391. 53,
166. 205. 54, 1. 484. 55, 1. 56,
154. 321. 57, 315. 321)
Buermann, H.. in Berlin
Buettner, R., in Gera {55, 121)
Bugge, S., in Christiania
Bunte, B., in Leer
Buresch, K., in Athen f (4β, 193.
47, 329. 49, 424)
Busche, K., in Leer (55, 299)
Busolt, G., in Göttingen
Busse, Α., in Berlin (49, 72)
Bywater, J., in Oxford
Cauer, F., in Elberfeld (46, 244.
50, 348)
Cauer, P., in Düsseldorf (47, 74)
Cholodniak, J., in St. Petersburg
Christ, W., iu München
Christensen, Η , in Hamburg (54,
134)
Cichorius, C, in Breslau
Cohn, L., in Breslau
Conway, R. J., in Cardiff (49,480)
Corssen, P., in Berlin (51, 226)
Crönert, W., in Bonn {53, 585. 54,
593. 56, 607. 57, 285)
Crusius, 0., in Heidelberg (45, 265.
46, 318. 47, 61. 48, 152. 299.
49 299. 51, 544)
Curtius, E., in Berlin f (50, 373)
Darbishire, H. D., in Cambridge
Daub, Α., in Freiburg i. Br. f
De^ering, H., in Bonn (57, 8)
Dechent, H., in Frankfurt a. M.
IV
Yerzeichniss
Deecke, W., in Mülhausen i. E. t
Deiter, H., in Hannover
Deiters, P., in Köln (5Ö, 587)
Dessauer, H. f (56, 41β)
Diehl, E., in Miyichen {54, IV>)
Diele, H., in Berlin {46, (ilT. 49,
478. 56, 29)
Dieterich, Α., in (iiessen (46, 25.
48, 141. 275. 55, 191. 56, 77)
Dietze, J., in Hamburg [49, 21)
Dittenberger, W., in Halle (47, 324)
Doerpfeld, W., in Athen {51, 127)
Domaszewski, A. v., in Heidelberg
(45, 1. 203. 46, 599. 47, 159. 207.
48, 240. 842. 49, (512. 53, «8H.
54, 158. 311. 55, 318. 57, 50Γ,)
Dragendorff, H., in Frankfurt a. M.
(51, 281 )
Drerup, E., in München {51, 21)
Duemmler, F., in Basel f {45, 178)
Duhn, F. V., in Heidelberg
Ihincker, Α., in Kassel t
Dyroff, Α., in Freiburg i.B.(50,481)
Dziatzko, K., in Göttingen {45, G39.
46, 47. 349. 47, Γ,34. 49, 559.
54, 497. 55, 104)
Egenolff, P., in Heidelberg f (56, 284)
Ellis. R., in Oxford
Elter, Α., in Bonn (46, 112. 47, 130.
629)
Enmann, Α., in St. Petersburg (57,
517)
Enthoven, L., in Strassburg i. E.
{46, 480. 48, 472)
Eskuche, G., in Siegen (45, 2m. 3S5)
Fabricius, E., in Freiburg i. Br.
{46, 337. 589. 48, 448. 51, 45(1)
Faltin, G., in Neu-Ruppin t
Flach, II., in Hamburg f
Foerst^r, R., in Breslau {49, Uu,
168. 481. 50, m. 640. 51, 481.
5^, 144. 29G. 298. 53, 547. 55,
139. 435)
Foerster, Wilh., in Rheydt
Fränkel, Α., in Zabern
Fränkel, M., in Berlin {47, 473. 50,
233. 423. 480. 640. 57, 152, 534)
Fränkel, S., in Breslau (51, 328)
Frederking, Α., in Worms (46, 144.
52, 449)
Freudenthal, J., in Breslau
Frick, C, in Höxter {46, 106)
Friederich, B., in Hannover
Friedländer, L., in Strassburg i. E.
Fries, C, in Berlin (54, 555. 55, Im.
57, 265)
Fritze, H. v., in lierlin {55, 588)
Fritzsche, R. Α., in Giessen (57,
363)
Froehner, W., in Paris {47, 291)
Fuchs, R., in Dresden {49, 532.
50, 576. 51, 164. 52, 377. 634.
53, 49i;)
Fuhr, K., in Berlin {50, 304. 51,
45. li;4. 57, 422)
Furtwängler, Α., in München (57,
252)
Oalland, C, in Strassburg
Oardthausen, V., in Leipzig {45,
612. 46, 619. 50, 311)
Geizer. H., in Jena (48, 161)
Gercke, Α., in Greifswald {47, 319.
45, 41. 54, 404)
Gilbert, I., in Grimma {51, 471)
Gilbert, W., in Schneeberg
Gloeckner, F., in Staremberg
Gloel, H., in Wesel {47, 136)
Goebel, K., in Fulda {53, 628)
Goetz, G., in Jena
Gomperz, Th., in Wien
Graf, E., in Quedlinburg (46, 71)
Gundermann, G., in Tübingen (45,
361. 46, 489)
Gurlitt, L, in Steglitz (56, 596. 57,
337)
Gutscbmid, A. von, in Tübingen f
Haeberlin, C, in Göttingen (45, 21 .
311)
Hagen, Π., in Bern f
Haussen. F., in Santiago
Härder, Chr., in Neumünster (48,
433)
Hartfelder, K., in Heidelberg f
Haulcr, E., in Wien (54, 161)
Heerdegen, F., in Erlangen
Heidtmann, G., in Pfaffondorf
Heinze, R., in Berlin {45, 497)
llelbig, W., in Hom {55, 55)
Heldmann, Γ., in Hinteln (5^,299)
Helm, R.. in Steglitz (52, 177. 54,
111. 56, 340)
Hense, 0., in Freiburij i. Br. (45,
541. 47, 219. 49, 174. 50, 140.
53, 31H. 55, 222. 56*, 106. .305)
Heraeus, W., in Oflenbach {54,
156. 305 j
Hertling, (r. ν , in München
Hertz, M., in Breslau f
Herwerden, H. van, in Utrecht
Hettner, F., in Trier
Heydemann, H., in Halle f
Heylbut, G., in Hamburg
Hiller, E., in Halle f
der Mitarbeiter.
Hirschfeld, G., in Königsberg f
Hirichfeld, 0., in Charlottenbiirg
(51, 470. 474. 475. 52, 2,H)
Hirzel, R., in Jena (45, 419. 47, 359)
Hoerechelmann, W., in Dorpat t
Hoffmann, E., in Wien f (50, 90.
484. 48β. 51, 320. 52, 99)
Hoffmann, 0., in Breslau (5(), 474)
Holwerda, J. H., in Leiden {55^ 47H)
Holzapfel, L., in Giessen
Uosius. C, in Münster (46, 287. 577.
4Γ.462. 48, 380. 50, 28i). 51, 197)
Hoyer, R., in Kreuznach (53, 37)
Hnelsen, Chr., in Rom (45, 284.
49, 879. 629)
Hug, Α., in Zürich t
Ihm, M., in München (45,
4^,323.371.494.621.47
β35. 479. 49, 247. 316.
191. 367. 5h 315. 473.
129. 143. 205. 454. 459.
165. 495. 56, 148. 635.
Ilberg, J., in Leipzig (45,
489. 51, 165. 466. 52,
Immisch, 0., in Leipzig
ei3. 48, 290. 512. 52,
313)
622. 639.
,312. 48,
479. 50,
638. 52,
633. 53,
57, 316)
111. 47,
591)
(46, 488.
126. 54,
Jahnke, R., in Brüssel (47, 460)
Jan, C. V., in Strassburg t (46, 557)
Jeep, L., in Königsberg (51, 401.
52, 213)
Jadeich, W., in Erlangen (47, 53)
Jongblut, H., in Frankfurt a. M.
Kaerst, J., in Leipzig (52, 42, 519)
Kaibel, G., in Göttingen f
Kakridis, Th., in Athen (57, 463)
Kalbfl(>i8ch, K., in Rostock (51, 466.
53, 160)
Kalkmann, Α., in Berlin
Karo, G., in Bonn (48, 311)
Kekule von Stradonitz, R., in Berlin
Kiderlin, M., in München! (46, 9)
Kirchner, J. E., in Berlin (46, 488.
47. 550. 53, 380. 57, 476)
Klatt, M., in Berlin (45, 335)
Klebe, E., in Berlin (45, 43f;. 47,
1. 515)
Klein, J., in Bonn f
Klotz, Α , in München (56, 429. (;39)
Knaack, G., in Stettin (48, 632.
49, 310. 476. 526. 57, 166. 205)
Koch, J., in Marburg
Kock, Th., in Weimar f (45, 50. 46,
299. 48, 208. 579. 49, 1(»2. 176.
50, UOj
Koehler, ü., in Berlin (46, 1. 53,
485. 491)
Koepp, F., in Münster (48, 154.
485. 50, 268)
Koerte, Α., in Greifswald (45, 172.
52, 168. 333. 53, 160. 55, 131.
57, 625)
Koerte, G., in Rostock (53, 239)
Kopp, .Λ., in Berlin
Korsch, Th., in Moskau
Krascheninnikoff. M., in Dorpat (48,
634)
Kroll, W., in Greifswald (47, 457.
599. 50, 636. 52, 286. 338. 569.
53, hl 4. 56, 304)
Krumbacher, K., in München
Krumbholz, P., in Weimar (50, 205.
52, 237)
Kuebler, B., in Berlin (45, 485.
46, 324)
Kuhnert, Ε , in Königsberg i. P.
(4P, 37)
Kunze, R., in Grimma (53, 159. 56,
333. 57, 437)
Landgraf, G., in München (56, 310)
Lange, K., in Tübingen
Tiattes, E., in Mailand (49, 317. 57,
318)
Lehnert, G., in München (55, 112)
Leo, F., in Göttingen (52, 509. 55,
604)
Lewy, H., in Mülhausen i. E. (48,
398. 472)
Lietzmann, Π., in Bonn {57, 634)
Lindsay, W. M. (57, 196)
Loewe, G., in Göttingen t
Lommatzsch, E., in Freiburg i. B.
(52, 303)
Luckenbach, H., in Karlsruhe
Ludwich, Α., in Königsberg (45,
11. 46, 139)
Luebbert, E., iu Bonn f
Lueddecke, K., in Celle (52, 628)
Luetjohann, Chr., in Greifswald t
Lugebil, K., in St. Petersburg f
Malchin, F., in Rostock (55, 493)
Mangold, Κ , in Jena (57, 259)
Manitius, M., in Dresden (45, 153.
316.485. 46, 150.493.622.47,465.
Suppl. 48, 313. 474. 49, 170. 50,
1.52. 315. 641. 51, 160. 52, 131.
305. 53, 393. 54, 293. 56, 462.
57, 392)
Marcks, J. F., in Köln {56, 141)
Martini, E., in li^ipzig (5;?, :MH.
55, 612)
η
Yerzeichnin
Marx. F., in Leipziir (4β, 4^. *ίΟ'•.
»νί»ί. 47. 107. 50, 321•
31 an, Α.. in Rom
Meif»r, P. J., in Braanschweijr
Meister, R., in Leipzig
Mendelesohn, L., in Dorpat f
Meyer, E., in Berlin
V. Me«8, Α., in Manchen (53, 482.
56. 1671
Mollat, G., in Kassel
Müllenbach, E., in Bonn t
Möller, Γ. Fr., in Kiel {46, 320.
50, *ioi)
Maller. C. F. W., in lireslau (51, iXO.
53, 121. 54, 8S1. 526. 55, 812.
635)
Müller, H. J., in Berlin
Möller, K. K., in Jena
Münseber. K., in Breslau {54. 24H)
Muenzel, R., in Hamburg
Münzer, F., in Basi-l {53, 59(5)
Vake, B., in Dresden
Xatorp, 1'., in Marburg
Neahaus.O., in Königsberg (56% 272.
57, 474. 610,
Neumann, K. J., in Strassburg
Niedermann, M.. in Basel ^52. 505)
Niese, B., in Marburg
Nissen, H., in Bonn (45, 100. 47,
161. 49, 1. 275)
Noack, F.. in Jeua {48, 420i
Norden, E., in Breslau (48, 348.
529. 49, 194. 54, 4^,\κ 56, 473)
Oder. E., in Berlin {45. 58. 212.
637. 48, 1. 51, 52. 311)
Oehniichen, G., in München (46, 99)
Osthoff. H., in Heidelberg
Otto, Α., in Breslau
Overbeck, J., in Leipzig f
Papadopulos-Kerameus, Α., in St.
Petersburg {46, KiO. WA)
Patzig, E., in Leipzig
Paucker, C. v., in Heval t
Paul, L., in Dresden t («^^i, <»02.
57, 7(;)
Peppmüller, R., in Stralsund
Pernice, E., iu Berlin {46, 495. 626)
Peter, H., in Meibsen {57, 231)
Petersen, E., iu Rom (50, 453)
Pfleiderer, E., in Tübingen f
Pflugk-Harttung, .1. v., in Berlin
Philippi, Α., in Dresden
PlasberiT, O., in Strassburg i. Fl. (5•!^,
66.640. 54, 144. H3S)
Pokrowskij, Μ , in Moskau (5^,425;
Pomtow, Hm in Eberswalde {49y
577. 627. 5t, 329. 560. 52. 105)
Preuner, E., in Greifewald {49, 313.
362)
Prott, H. V., in Athen (52, 187.
53, 460)
Habe, H., in Hannover (47, 404.
48. 147. 49, 625. 50, 148. 241.
54, 632. 55. 154)
Radermacher. L., in Bonn {47. 569.
48. 622. 49, 1(>3. 50, 137. 475.
51, 3U. 4i>3. 596. 52, 13. 412.
624. 634. 53, 197. 54. 285. 351.
374. 638. 55. 149. 482. 56. 139.
202. 57, 137. 158. 278. 314. 47h.
640)
Raeder, J., in Kopenhagen (57, 449
Rassow, H., in Weimar
Reitzenstein, R., in Strassburg
Reuss, F., in Köln (54, 446. 56, :>i9.
57, 559)
Ribbeck, O., in Leipzig f {45. 146.
147. 313. 46. .331. :\:^S. 47, 597.
&2H. 49. 472. 50. 277. 314. 558)
Ribbeck, Wo., in Berlin f
Riese, Α., in Frankfurt a. M. (51,
637. 55, 316)
Riess, E.,in Chicago (48,307. 49. 177)
Roemer, Α., in Erlangen
Rohde. E.. in Heidelberg f {48, HO.
49, 623. (>24. 50, 1. 600)
Röscher, W. H., in Würzen {53, 169.
(>3i))
Rossbach. O., in Königsberg (46,
311. 48, 592. 52, 1. 53, 167. 629.
54, 277. 55, 641. 57, 473)
Rossberg, K., in Hildesheim
Ruehl, F., in Königsberg (4^. 14f-..
426. 47, 152. ΦίΟ. 48, 565. 49,
256. 50, 141. 5.9, 321. ii35. 54,
152. 316. 56, 508. 634)
Rvssel, V., in Zürich {48, 175. 51,
Ί. 31S. 52ίί)
Scala, R. v., in Innsbruck (45, 474)
Schaefer, Α., in Bonn f
Schanz, M., in Würzburg (50, 111.
54, 19. 55, 86)
Scheer, E., in Saarbrücken
Schepss, G., in Speier f (4S, 4H2»
Schlee, F., in Sorau (46", 1 17)
Schmid, W., in Tübingen i4S, 53.
626. 4/>, 133. 50,30X. 310. 52, 446.
57. 624)
Schmidt, B., in Freiburg i. Br. {53,
477)
Schmidt, J., iu Königsberg f {45,
der Mitarbeiter«
▼η
148. 157. 318. 482. 599. 640. 46,
11. 334. 47, 114. 325)
Schmidt, 0. Ε., in Meissen {47, 241.
53, 145. 55, 209. 55, 385)
Schmidt, W., in Helmstedt (55, 625)
Sdmiitz, W., in Köln f
Schneider, R., in Duisburg (52, 447)
Schoell, F., in Heidelberg {50, 155.
5t, 381. 55, 511. 55, 489. 57,
48. 159. 312)
Schoell, R., in München f
Schoene. Α., in Kiel {46, 153)
Schoene, H., in Charlottenburg {52,
135. 53, 432. 54, 638. 57, 627)
Schoenemann, J., in Schlawe
Schroeder, P., in London
Schubert, R., in Königsberg {53^ 98.
56, 543)
Schulten, Α., in Göttingen (50,489.
56, 120. 187. 57, 632)
Schultess, F., in Hamburg [57, 465)
Schulthess, 0., in Frauenfeld [57,
157)
Schulze, E. , in Homburg v. d. H.
Schulze, K. P., in Berlin {53, 541)
Schulze, W., in Berlin {48, 248)
Schumacher, K., in Mainz
Schwabe, L., in Tübingen
Schwartz, E., in Göttingen
Schwarz, W., in Dorsten (48, 258.
49, 353. 51, 636. 52, 463)
Seeck, 0., in Greifswald {46, 154.
48, 196. 602. 4P, 208. 630. 55, 319.
56, "ifTi. 477. 631)
Seume, H., in Hannover
Siebourg, M., in Bonn (57, 301)
Sieglin, W., in Berlin
Simeon, B., in Freiburg i. Br.
Skutsch, F., in Breslau {47, 138.
48, 303. 51, 478. 54, 483. 55, 272.
56, 638)
Solmsen, F., in Bonn (5i, 303. 55,137.
54, 345. 495. 55, 310. 56, 475. 497.
57, 328)
Sommer, F., in Basel (56', 636)
Sommer brodt, J., in Breslau
Sonny, Α., in Kiew
Speyer, J. S. , in Groningen (47, 638)
Sprengel, J. G., in Rossleben (46, 54)
Stachelscheid, Α., in London
Stahl, J. M., in Münster (46\ 250.
481. 614. 4^, 157. 45,620. 50,
382 566. 51, 157. 306. 53, 322.
54, 150. 494. 55, 152. 160. 57, 1)
Stangl, Th., in Würzburg
Stein, H., in Oldenburg (54, 4i)6.
55, 531. 56, 627)
Stengel, P., in Berlin (52, 399)
Stephan, Gh., in Kalk
Stemkopf , W., in Dortmund (47, 468.
57, 629)
Steup, J.. in Freiburg i. Br. (55,308.
56, 443)
Stich, J., in Zweibrücken
Strack, M. L., in Bonn {53, 399.
^, 161)
Sudhaus, S., in Kiel {48, 152. .321.
552. 56, 37. 307)
Susemihl, F., in Greifswald f (4ö,
326. 49, 473. 53, 448. 485. 626.
54, 631. 55, 574. 56, 313)
Swoboda,H.,inPrag(45,288.4e, 497.
49, 321. !^, 460)
Szanto, E., in Wien
Teichmüller, G., in Dorpat f
Thomas, E., in Berlin {54, 313)
Thouret, G., in Friedenau
Thurneysen, R., in Freiburg i. Br.
(55, 484. 56, 161)
Tiedke, H.. in Berlin
Tittel, K., in Leipzig (56, 404)
Toepffer, J., in Basel f {^^', 371.
49, 225)
Traube, L., in München {47, 558.
48, 284)
Trieber, C., in Frankfurt a. M.
Tümpel, C, in Neustettin {46, 528.
636)
Unger, G. F., in Würzburg
Urlichs, H. L., in Ansbach
Urlichs, L., in Würzburg f
Usener, H., in Bonn {47, 154. 414.
4P, 461. 50, 144. 55,329. 55,286.
311. 321. 480. 56, 1. 145. 174.
305. 312. 481. 640. 57, 171. 177.
320)
Viertel, Α., in Göttingen
Vliet, 1. van der, in Haarlem f
Vogel, F., in Fürth
Voigt, G., in Leipzig f
Voigt, M., in Leipzig
Vollmer, F., in München {46, 343.
51, 27. 54, 165. 637. 55, 520)
Wac))8muth, C, in Leipzig (45, 476.
46, 327. 329. 465. 552. 52, 137.
140. 461. 56, 149. 150. 215. 318)
Wackernagel, J., in Göttingen (45,
480. 48, 299. 51, 304)
Wagner, R., in Dresden (40,378. 618)
Weber, H., in Weimar
Weber, H., in Lüneburg (51, f>30)
Wecklein, N., in München
VIU
VerzeichnisB der Mitarbeiter.
Wciac, 0.> iu Eisenberg
NYoixaäokvr, F., iu Calw
NVellmami, K., in Berlin
Wouaiaud» F., in Kiel (4^,309. 52,
4t;5. W. l. 56, 113)
Werner, J,, in Lenzburg
\V wisner, P., in Bremerhaven {52, iS^)
\Vt»elfrburff, E., in Barmen t
Wevmau, Γ., in München (45, 320.
47, eiO. 50, 154. 51, 327. 52, 302.
Λ3. 3 IG)
NVitHiouiann, Α., in Bonn
Wilhelm, Α., in Athen (52, 2iH>.
56*, 571)
Wilhelm, F., in Ratibor {57, 55.
599)
Winterfeld, P. v,, in Berlin (55,
481. 57, l(i7. 549)
Woelfflin, E., in München (47, 640.
48, 312. 49, 270. 50, 152. 320.
55, 327. 57, 318)
Woerpel, G. in Kiel (57,311. 4ß0)
Wolters, P., in Würzl)urg
Wotke, C, in Wien
Wünsch, R., in Giessen (49, 91. 51,
138. 55, 144. 55, 62. 232, 56, 392.
57, 468)
Zacher, K., in Breslau (45,524)
Zangemeister, K., in Heidelberg t
(57, 166. 168. 169)
Zarncke, Ε , in Leipzig
Ziebarth, E., in Hamburg (51, 632.
53, ()3f.. 54, 488. 55, 501. 56, 157)
Ziehen, .1., in Berlin (50, 643. 51,
162. 589. 52, 293. 449. 450. 53,
270)
Ziehen, L., in Plön [54, 211. 54,
321. 57, 173. 498)
Zielinski, Th., in St. Petersburg
Zimmermann, Α., in Breslau (45,493.
50, 159. 52, 458. 54, 495. 55,
486. 487. 56, 320. 57, 636)
Zingerle, Α., in Innsbruck
Zinorerle, J., in Innsbruck (48, 299)
Zitelmann, E., in Bonn
Zurborg, H., in 2ierb8t t
Berichtigungen werden erbeten. Für mehrere sind wir Herrn
Dr. R. Klussmann in Gera zu Dank verpflichtet.
Inhalt.
Coniectaiiea. Scripeit F. Bucoheler 321
Eid Schreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik.
Von A. Brinkmann 4ö2
Τυφλός άνήρ. Von Κ. Fries 265
Ländliches Leben bei Homer und im deutseben Mittelalter.
Von M. Siebourg 301
Die Berliner Bruchstüoke der Sappho. Von F. Solmsen ... 328
üeber eine Scene des euripideiseben Orestes. Von L. Rader-
macher 278
Zu griechischen Prosaikern. Von K. Fuhr 422
Unbeachtete Strabonfragmente. Von K. Kunze 437
Herculanensische Bruchstücke einer Geschichte des Socrates »und
seiner Schule. Von W. Crö nert 285
An• dem zweiten Bande der Amherst-Papyri. Von L. Rader-
macher 137
Zn Achilles Tatius. Von F. Wilhelm 55
Analecta Theodoretiana. Scripsit J. Raeder 449
Ueber eine besondere Bedeutung von γάρ. Von J. M. Stahl 1
Ί€ρά δ€θρο. Von L. Ziehen 498
Milch und Honig. Von H. Usener 177
Der Magnet und die Athmung in antiken Theorien. Von
R . Α . F r i t ζ s c h e 363
Hellenistische Studien I. Von G. Knaack 205
Zur Ueberlieferung der Geschichte Alexanders des Grossen.
. Von F. Reuss 559
Der Vater der Sisyganibis und das Verwandtschaftsverhältniss
des Dareios ΠΙ Kodomannos zu Artaxerxes II und ΠΙ.
Von 0. Neuhaus 610
Epigraphische Beiträge. Von M. Fr änke 1 534
Die Inschrift der Aphaia aus Aigina. Von demselben 152
Zn der Inschrift der Aphaia auf Aigina. Von A. Furtwängler 252
Zwei alte Terenzprobleme. Von F. S c h öl 1 48
Zur römischen Elegie. Von F. VT ilh elm . . . 599
χ Inhalt.
Seite
Facetiae Tullianae. Von L. Gurlitt 337
Ueber den Verfasser der X libri de architectura. Von H.
Degerinf2f ^
Satzscblussstudien zur Historia Augueta. Von P. v. Winterfeld 540
De fragmentis scriptorum apud Nonium servatis. Scripsit
W. M. Lindsay l'^ö
Aus Dresdener Handschriften, Von M. Manitius 392
Die älteste Redaction der Pontificalannalen. Von A. Enmann 517
Die Epochen in Varros Werk de gente populi Romani. Von
H. Peter 281
Untersuchungen zur römischen Kaisergeschichte. Von A. von
Domaszewski 506
Kaiser Marcus Salvius Otho. Von L. Ρ au 1 76
Legionen des Orient auf Grund der Notitia dignitatum. Von
K. Mangold :^9
Μ i 8 c e I I e n.
Kritisch -Exegetisches.
Drei Deutungen. Von L. Radermacher 478
Zum I.StrassburgerArchilochos-Fragmente. VonO.Schulthess 157
Zu Sophocles Antigene 528. Von W. Schmid 624
Eine Anspielung in dem Zeushymnos des KallimachoR. Von
G. Wörpel 460
Ein Gesetz des Redners Lykurgos. Von A. Körte 625
Dionys de Lysia p. 32, 12 (p. 49() R). Von L. Radermacher 158
Ad libellum π€ρΙ ΰψους. Scripsit G. Wörpel 311
Eine Bluttversetzung bei Galen. Von H, Schöne 627
Plautus Amphitruo. Von Th. Kakridis 463
Die Verse des 'Vallegius* in der Vita Terentii. Von F. Scholl. 163
Randbemerkungen zu Horaz. Von F. Schultess 465
Zu Ciris. v. 869-377. Von R. Wünsch 468
Zu Cicero ad Q. fr. II 3. Von W. Sternkopf 629
Zu Pseudo-Sallusts Invectiva. Von F. Sc h ö 11 159
Agroecius et Plinius de Delphica. Scripsit 0. Rosnbach... 473
Zu Trogus Pompeius Prol. X. Von 0. Neuhaus 474
Zu Ammianus Marcellinus. Von K. Zangemeister 166
Zu dem sogenannten Lactantius Placidus. Von G. Knaack. I<>6
Zu Avianus. Von P. v. Winterfeld 167
Litterar historisch es.
Vir bonus dicendi peritus. Von F. Scholl 312
Vir bonus dicendi peritus. Von L. Radermac her 314
Inhalt. χι
Seite
Grammatisohes.
Μυχήνηαι. Von L. Radermaoher 640
Zu den etruskischen Monatsnamen and Zahlwörtern. Von
E. Lattes 318
Erstarrte Flexion von Ortsnamen im Latein. Von K. Zange-
meister 168
lieber die römischen bezw. italischen Personennamen, die bald
die Stammsilbe Pop(b) bald Pub(p) tragen. Von A. Zim-
mermann 636
Secas und secundus und Aehnliches. Von K. Zangemeister 169
Prodecessor. Von H. Lietzmann 634
Antiquarisch-Epigraphisches.
Das Amphiktyonen-Gesetz vom Jahre iWO. Von L. Ziehen. 173
Die Reitercenturien des Tarquinius Priscus. Von E. Wölfflin 318
Divas Alexander. Von H. Usener 171
Zu S. 183 S. Von demselben 320
Za CIA. II 996. Von J. E. Kirchner 476
fiootisches. Von Atticaster 315
Za lateinischen Inschriften. Von M. Ihm 316
Zur lex Manoiana — Pro salute imperatoris. Von λ. Schulten 632
Das Stigma in lateinischer Schrift. Von K. Zangemeister. 168
UEBER EINE BESONDERE BEDEUTUNG
VON γάρ.
In Eleons Rede bei Thukydides III 40, 4 heiest es : ^v T€
Ευνελών λίγω• π€ΐθόμ€νοι μέν έμοι τά τ€ δίκαια ές Μυτι-
ληναίους και τά Εύμφορα δμα ποιήσετε, δλλιυς hi γνόντες τοις
μ^ν ου χαριεΐσθε, υμάς hk, αυτούς μάλλον δικαιώσεσθε. εΐ γάρ
ούτοι ορθώς άπίστησαν, ύμεϊς δν ού χρεών δρχοιτε' εί δέ δή
και ού προσήκον δμως άΕιουτε τούτο bpav, παρά τό εΙκός το ι
και τούσδε Ευμφόριυς δει κολά2^εσθαι, ή παύεσθαι της αρχής καΐ
έκ του ακίνδυνου άνδραγαθί^^εσθαι. Dass hier durch γάρ weder
eine Erklärung noch eine Begründang eingeführt werden kann,
liegt auf der Hand. Denn eine begründende oder erklärende Be-
ziehung zu τά δίκαια ποιήσετε könnte man nur dann finden, wenn
man tibersetzen dürfte : ^denn η u r in dem Falle würdet ihr ohne
Befugniss herrschen, wenn die Mytilenäer mit gutem Grunde ab-
gefallen wären , was indessen der Wortlaut nicht gestattet. Eben-
so wenig ist eine solche Beziehung zu ύμας αυτούς δικαιώσεσθε
zu erkennen. Denn dass die Athener, wenn sie Eleons Rath
nicht Folge leisten, eher sich selber richten als Dank bei den
Mytilenäem finden werden, erklärt sich nicht daraus, dass die
athenische Herrschaft unberechtigt ist, wenn der Abfall der Myti-
lenäer berechtigt war (denn diese Voraussetzung und die daraus
gezogene Folgerung bestreitet Kleon), sondern aus der vorher
39, I — 4 cbarakterisirten Gesinnung der Mytilenäer und den eben-
falls vorher 39, 7 f. bezeichneten Folgen milderer Behandlung,
wie sich das ja auch daraas ergibt, dass der Inhalt des Vor-
hergehenden hier zusammengefasst wird. Noch weniger kann der
durch γάρ eingeleitete Gedanke in Beziehung gesetzt worden zu
Σύμφορα ποιήσετε oder τοις μέν ού χαριεΐσθε. Diejenigen Kriti-
ker nun, die hier an der Verbindung mit γάρ Anstoss genommen
haben, erkennen daran entweder die entstellende Hand eines Be-
arbeiters oder einen Mangel der Ausarbeitung des Verfassers
ΒΙΐΦΐιι. kiu. f. PhUol. N. F. LYU. \
2 Stahl
selbst, mit andern Worten : sie verzichten auf dessen Erklärung.
Nun findet sich aber in der folgenden Gegenrede des Diodotoe
eine Stelle, wo γάρ in ähnlichem Zusammenhange unbeanstandet
geblieben ist: 43, 4 f. χρή hl προς τά μέγιστα καΐ έν τψ τοι-
ψδ€ άίχοϋν τι ήμας πβραιτέρω προνοουντας λέγειν υμών τών
bi' ολίγου σκοπούντων, αλλιυς τε και ύπεύθυνον τήν παραίνε-
σιν έχοντας προς άνεύθυνον τήν ύμετέραν όκρόασιν. εΐ γάρ δ
τε πείσας και ό έπισπόμενος ομοίως έβλάπτοντο, σωφρονέστε-
ρον δν έκρίνετε* νυν bi προς όργήν τ^ντιν' δν τύχητε ίστιν
δτε σφαλίντες τήν του πείσαντος μίαν γνώμην ίημιουτε και ου
τάς υμετέρας αυτών, εΐ πολλαι ουσαι ζυνεΕήμαρτον. Man könnte
nun zwar daran denken hier γάρ so zu verstehen, dass b\ ολίγου
ΟΧοπούντιυν ans der Annahme des Gegentheils von δλλιυς τε . . .
άκρόασίν erklärt oder begründet würde ; allein άλλως τε . . .
άκρόασιν bezieht sich nicht allein auf bi ολίγου σκοπούντων,
sondern auf den ganzen vorhergehenden Gedanken, also auch auf
χρή . . . λέγειν, worin gerade dessen Schwergewicht liegt, was
zudem auch der Ausdruck dadurch, dass έχοντας zu ήμας ge-
hört, zur Genüge anzeigt; und so kann auch das angenommene
Gegentheil εΐ γάρ . . . έβλάπτοντο (das βλάπτεσθαι ist nämlich
die Folge der Bechenschaftspflicht) der gleichen Beziehung nicht
entbehren. Dann aber kann γάρ nicht mehr als erklärend oder
begründend verstanden werden. Fragen wir aber, welches Ge-
dankenverhältniss sich aus jener weiteren Beziehung ergibt, so
ist das folgendes : die Obliegenheit des περαιτέρω προνοεϊν würde
für die Redner nicht in demselben Masse vorhanden sein, wenn
auch für ihre Zuhörer die gleiche Rechenschaftspflicht und deren
Folgen bestünden und diese in Folge dessen mit grösserer Be-
sonnenheit urtheilten und so das zwischen den beiden bestehende
Missverhältniss bedachtsamen und vorschnellen ürtheils aufge-
hoben würde, mit anderen Worten: es wird eingeräumt, dass der
vorher ausgesprochene Gedanke in dem angenommenen Falle einer
Beschränkung unterliegt, ein Gedankenverhältniss, das sich im
Deutschen durch 'freilich' wiedergeben läset. Daraus ergibt sich
für die zweite Stelle folgende Uebersetzung: 'Es ist aber nöthig«
dass wir gegenüber den höchsten Interessen und bei einem der-
artigen Verhältnisse es uns angelegen sein lassen mit etwas wei-
terem Vorbedachte zu reden als ihr anwendet, da ihr in kurzer
Frist eure Erwägung anstellt, zumal da das Rathgeben, das uns
zusteht, der Verantwortung unterliegt gegenüber eurem Anhören»
das keiner Verantwortung unterworfen ist. Wenn freilich der-
lieber eine besondere Bedeutung von γάρ 3
jenige, der den Bath gegeben, und derjenige, der ihn befolgt hat,
gleichmässig Schaden litten, so würdet ihr mit mehr Zurückhal-
tung urtheilen ; jetzt aber straft ihr manchmal nach unglücklichem
Ausgang in der ersten besten Aufregung einzig und allein die
Ansicht des Bathgebers und nicht eure eigenen, dass sie so zahl-
reich den Fehler mit begangen haben.* Kehren wir nun zu der
angefochtenen Stelle zurück, so sehen wir, dass auch dort für
den Fall, dass die Mytilenäer im Bechte gewesen sind, eine Be-
schränkung des vorhergehenden τά bkaia ές Μυτιληναίους ποιή-
(Τ€Τ€ eingeräumt wird ; es wird dann noch hinzugefügt, welche
Noth wendigkeit sich für die Athener ergibt, wenn sie trotz der
ans dem angenommenen Falle folgenden Bechtswidrigkeit ihrer
Herrschaft diese dennoch behaupten wollen. Dem entspricht
folgende Uebersetzung : 'Mit einem Worte: ich behaupte, wenn
ihr mir folgt, so werdet ihr gerecht gegen die Mytilenäer und
zugleich vortheilhaft handeln; wenn ihr aber anders beschliesst,
so werdet ihr einerseits von ihnen keinen Dank haben, anderseits
eher euch selbst richten. Freilich wenn diese mit gutem Grunde
abgefallen sind, so würdet ihr ohne Befugnies herrschen; wenn
ihr aber dann auch ohne Berechtigung es euch herausnehmt dies
SU thun, so müsst ihr sicherlich gegen die Billigkeit auch diese
aas Bück sieht auf euren Vortheil züchtigen, oder auf die Herr-
schaft verzichten und in gefahrloser Sicherheit die Biedermänner
spielen.'
Gegen diese Erklärung der beiden Stellen könnte man
immerhin noch Zweifel hegen, wenn die angenommene Bedeutung
des γάρ sich auf sie allein stüzte. Mir stehen dafür aber auch
noch andere in ziemlicher Zahl zur Verfügung. Zunächst eine
ans Piaton, wo sich das Gedankenverhältniss auf den ersten Blick
in einfachster Weise kundgibt: Cratyl. 393 c καλώς λέγεις'
φύλαττε γάρ με μή παρακρούσωμαί σε. Denn hier wird offen-
bar in einschränkendem Sinne gegenüber dem καλώς λέγεις die
Möglichkeit zugegeben, dass Hermogenes sich durch Sokrates
hintere Licht führen läset. Ausserdem gehören hierhin folgende
Beispiele: Aesch. Pers. 460—467 (Weckl.)
άμφΐ bk
κυκλοΟντο πάσαν νήσον, ώστ' άμηχανεϊν
δποι τράποιντο. πολλά μέν γάρ έκ χερών
πέτροισιν ήράσσοντο, τονικής τ' άπό
θώμιγγος Ιοι προσπίτνοντες ώλλυσαν
τέΚος 5* έφορμηθέντες έΕ Ινός ^όθου
4 Stahl
παίουσι, κρεοκοποΟσι δυστήνων μέλη,
?ιυς απάντων έΕαπίφθειραν βίον.
Hier wird eingeräumt, dasR das κυκλοΰ(Τθαι gewiesen Schwierig-
keiten unterlag, bis diese schliesslich überwanden wurden. Antiph.
V 36 φέρε γάρ ^ή ττοτέρψ νυν χρήσονται τών λόγιυν; πότερα
φ πρώτον εΤπεν ή φ ύστερον ; κα\ πότερ' αληθή έστιν, δτ* Ιφη
με είργάσθαι το έργον ή δτ' ουκ ?φη ; ει μέν γάρ έκ του εΐκό-
τος έ^ετασθήναι δει το πράγμα, οΐ οστεροι λόγοι αληθέστεροι
φαίνονται. Gregentiber den vorher zur Wahl gestellten beiden
Alternativen wird zugestanden, dass έκ του εΙκότος nur das eine
Zeugniss als der Wahrheit mehr entsprechend in Betracht kom-
men könne. Plat. Legg. 794 c προς bk τά μαθήματα τρέπεσθαι
χρεών Ικατέρους, τους μέν δρρενας έφ' ϊππιυν διδασκάλους και
τό^ων και ακοντίων καΐ σφενδονήσεως, έάν δέ πη Ηυγχιυρώσι,
μέχρι γε μαθήσεως και τά θήλεα, και br\ τά γε μάλιστα προς
τήν τών δπλων χρείαν. το γάρ δη νυν καθεστός περί τά τοι-
αύτα αγνοείται παρά τοις πάσιν ολίγου. Nachdem die Forde-
rung erhoben ist, dass Knaben und Mädchen sich in gleichem
Waffengebrauche üben sollen, wird eingeräumt, dass gegenwärtig
in dieser Hinsicht ein Missverständniss obwalte, und zwar, wie
die folgende £rläuterung des vCv καθεστός besagt, in sofern
als nicht die linke und rechte Hand gleichmässig geübt werden.
Durch die Abweisung dieser unvollständigen üebung wird also
jene Forderung dahin näher bestimmt oder begrenzt, dass das
Ueben nicht in der gegenwärtigen Weise geschehen soll. Dem.
XX 117 ου γάρ ol μή δόντες δ μή *οόκει δεινόν είσιν ουδέν
είργασμένοι, άλλ' οΐ δόντες μέν, πάλιν b' ύστερον μηόέν εγκα-
λούντες αφαιρούμενοι, εΐ μέν γάρ τις έχει 6εΐΗαι κάκείνους ών
έδοσάν τιϋ τι αφηρημένους, συγχωρώ και υμάς ταύτό τούτο
ποιήσαι, καίτοι τουτό γ' αίσχρόν ομοίως. Durch das zweite
γάρ wird hier die Behauptung, dass diejenigen etwas Verwerf-
liches thun, die etwas verliehen haben und es später ohne Grund
wiederum entziehen, durch das Zugeständniss eingeschränkt^ dass,
wenn die Vorfahren ebenso gehandelt haben, es auch im vorlie-
genden Felle vom Redner erlaubt wird. XXI 98 καΐ τι φήσετ\
ώ άνδρες οικασταί ; και τίν' ώ προς τών θεών έΕετ' ειπείν πρό-
φασιν οικαίαν ή καλήν; δτι νή Δί* ασελγής έστι και βδελυ-
ρός, ταύτα γάρ έστι τάληθή. άλλα μισεϊν όφείλετ', άνδρες
*Αθηναϊοι, δήπου τους τοιούτους μάλλον ή σώίειν wird ge-
genüber der ironischen Ablehnung des Grundes δτι νή Δί'
ασελγής έστι και βδελυρός eingeräumt, dass das die Wahrheit
üeber eine besondere Bedeutung von γάρ 5
igt, dann aber binzagefügt, daee es eber ale Grund für das Ge-
gentbeil gelten müese. XXXIX 12 €?τ' έφ' φ θάνατον 2[ημίαν
ό νόμος λέγει, τουθ' ήμϊν άδεώς έίέαταχ πράττειν; πάνυ γε.
ου γάρ δν αυτό ποιήσαιμεν. oTba κάγώ, τό γουν κατ' έμέ.
αλλ' ού5' αΐτίαν τοιαύτης ζημίας ένίους ?χειν καλόν, έ^όν μη.
Der bier gezogenen Folgerung gegenüber wird zugestanden,
daee sie bei dem Redner und seinem Gegner nicbt praktiscb
werden würde; aber man dürfe sie darum docb nicbt bei andern
praktiscb werden lassen. XLIV 15 και γάρ εΐ τή ποιήσει Ισ-
χυρίζονται, fjv ώς έγένετο ήμεϊς οείΕομεν, . . . ττώς ου προ-
σήκει τους έγγυτάτω γένει δντας, τούτους την κληρονομίαν
κομισασθαι και υμάς μη τοις όυναμένοις άριστα παρασκευά-
σασθαι, άλλα τοις άδικουμένοις τών πολιτών βοηθεΐν ; εΐ μέν γάρ
έφ' ήμϊν ήν ώστε οείΕασι τά περί του γένους και τής διαμαρ-
τυρίας αυτής καταβήναι και μηδενός ?τι πλείονος λόγου προσ-
οεΐσθαι, σχεδόν τι τών μεγίστων ειρημένων ουκ δν ήνΐϋχλουμεν
τά πλείιυ. επειδή δέ ούτοι τοις μέν νόμοις ούκ ένισχυριοΟνται,
τψ δέ προειληφέναι τι τών πραγμάτων έκ του άνωθεν χρόνου
και τψ έμβεβατευκέναι εΙς την ούσίαν, τούτοις τεκμηρίοις
χρώμενοι φήσουσι κληρονομεϊν, αναγκαίο ν ϊσως καΐ περί
τούτιυν έστιν ειπείν. Hier wird gegenüber dem durcb ήν ώς
έγένετο ήμεΐς δείέομεν in Aussiebt gestellten Nacbweise, wie
ee bei der Adoption zugegangen sei, eingeräumt, dass darauf
verzicbtet werden könnte, wenn die Sacbe mit der Darlegung der
Verwandtschaft und der Widerlegung des gegnerisoben Erban-
spmcbs an sieb abgetban wäre ; da aber die Gegner (so wird
fortgefabren) sieb nicbt auf die Gesetze^ sondern auf die Vorweg-
nähme und den faktischen Antritt der Erbschaft stützen werden,
die eben in Folge der Adoption eingetreten sind, so ist es nöthig
aach darauf einzugeben. In Prooem. 53 wird den Athenern vor-
geworfen, dass sie sich die gegenseitigen Schmähungen der Red-
ner gefallen lassen, bei denen diese es nicbt auf das Wohl des
Staates, sondern auf ihr eigenes Interesse abgesehen haben. Dann
heisst es: κα\ γελάσαι κα\ θορυβήσαι και ποτ' έλπίσαι μετέδω-
καν ύμΐν, λαβείν δέ ή κτήσασθαι τη πόλει κυρίως αγαθόν ουδέν
δν βούλοιντο. ή γάρ δν ήμέρςι τής λίαν άρρωστίας άπαλλαγήτε,
ταύτη τούτους ούδ' όρώντες άνΟεσθε. νυν δέ δραχμή και χοΐ
και τίτταρσιν όβολοϊς ώσπερ άσθενουντα τόν δήμον διάγουσιν.
Dem ruhigen Hinnehmen jener selbstsüchtigen Schmähungen ge-
genüber wird also eingeräumt, dass, sobald sie von jener zu
grossen Schwäche befreit wären, sie nicht einmal den Anblick
eolcber Redner würden ertragen können, und dann binzu^efü^^t^
6 Stahl
daes dagegen, wie es jetzt sei, diese das Volk wie einen Kranken
behandeln dürften. In derselben Weise erscheint auch και χάρ
XXXIV 33 λ^Τ€ΐ b' ώς ή συγγραφή σωθείσης της νεώς
αυτόν άποδουναι κελεύει τά χρήματα, και γάρ ένθέσθαι τάγο-
ράσματα εΙς τήν ναυν κελεύει σε, εΐ hl μή, πεντακισχιλίας
οραχμάς άποτίνειν. σύ δέ τούτο μέν της συγγραφής ου λαμ-
βάνεις κ. τ. λ. Der Redner gibt nämlich zu, daes er im vorher-
gehenden Satze die Art und Weise, wie der Gegner sich des
Vertrages bedient, nicht genügend gekennzeichnet habe: dieser
beruft sich auf die eine Bestimmung desselben, läset dafür aber
die andere ausser Acht. Desgleichen durch τοι in betheuerndem
Sinne verstärkt XXIII 104 δτε Μιλτοκύθης άπέστη Κότυος,
συχνόν ήδη χρόνον δντος του πολέμου, και άττηλλαγμίνου μέν
Έργοφίλου, μέλλοντος b' Αύτοκλέους έκπλεΐν στρατηγού, έγρά-
φη τι παρ' ύμϊν ψήφισμα τοιούτον bi* ου Μιλτοκύθης μέν
απήλθε φοβηθείς και νομίσας ύμας ου προσέχειν αύτψ, Κότυς
V εγκρατής του τ' δρους του Ιερου και τών θησαυρών έγένετο.
καΐ γάρ τοι μετά ταυτ', ώ δνορες 'Αθηναίοι, Αύτοκλής μέν
έκρίνεθ' ώς άπολωλεκώς Μιλτοκύθην, οΐ bk χρόνοι κατά του τό
ψήφισμ' είπόντος τής γραφής έΕεληλύθεσαν, τά bi πράγματ'
άπιυλώλει τη πάλει. Der von Kotys abgefallene Miltokythes
hatte den Athenern in Aussicht gestellt, ihnen die thrakische
Halbinsel in die Hände zu spielen; aber von Eotys getäuscht er-
liessen sie ein den Miltokythes entmuthigendes Psephisma. Trotx-
dem kümmerten sie sich um diesen ihren Beschluss nicht, als
sie den Autokies vor Gericht zogen. Es wird also zugestanden,
dass das Psephisma in seiner Wirksamkeit beschränkt gewesen
und von den Athenern selbst nicht überall beachtet worden ist^.
Auch ausserhalb der attischen Litteratur erscheint γάρ in
diesem Sinne, und zwar in der pseudohippokratischen Schrift
περί τέχνης. Im Kap. 5 ist nämlich von den Ursachen die Rede,
aus denen Kranke, ohne einen Arzt zu gebrauchen, wieder ge-
sund wurden. Dann heisst es: καΐ τώ ώφελήσθαι πολλή ανάγκη
αύτοϊς έστιν έγνιυκέναι δτι ήν (τι> τό ωφέλησαν, και δτ' έβλά-
βησαν δτι ήν τι τό βλάψαν. τά γάρ τώ ώφελήσθαι και τά
τώ βεβλάρθαι ώρισμένα ού πας Ικανός γνώναι. Hier wird der
Gedanke ausgesprochen, daes solche Kranken aus dem Nutzen
^ Bei Aeschin. III 215 οοτω γάρ έστιν κ. τ. λ. vermag ich γάρ
nicht in dieser Weise zu erklären uud glaube daher, dass Blase richtig
OÖTUJ b* έστΙν hergestellt hat, indem er auf 225 verweist, wo eine Hs.
ebenfalls verkehrtes γάρ statt bi hat.
üeber eine besondere Bedeutung von ydp 7
Dothwendig erkennen müssen, dass ihnen irgend etwas genützt,
und aus dem Schaden, dass ihnen irgend etwas geschadet habe,
dh. dass es irgend eine Ursache des Nutzens und Schadens gebe,
und dem gegenüber die Beschränkung eingeräumt, dass darum doch
nicht jeder im Stande ist die heilsamen und schädlichen Mittel zu
erkennen und zu unterscheiden. Ermerius wollte hier ού tilgen; aber
Th. Gomperz in seiner bekannten Bearbeitung dieser Schrift, dem
folgend ich auch τι vor τό ώφελή(Ταν hinzugefügt habe, bemerkt
mit Recht (Sitzungeber, der Wiener Ak. 120. Bd. IX S. 124),
dase so ein verkehrter und dem vorhergehenden ού μήν ώ(Ττ€
βίοέναι δ τι ορθόν έν αύτη ?νι ή δ τι μή ορθόν widersprechen-
der Gedanke entstehe, und hat ebenso richtig die concessive
Bedeutung des γάρ erkannt, für die er jedoch nur eine einzige
Belegstelle, und zwar aus dieser Schrift selbst anführt. Nachdem
nämlich im Kap. 10 von den Organen die Rede gewesen ist,
welche der Sitz von Krankheiten sind, die weniger zu Tage
treten, wird mit dem Anfange von Kap. 11 fortgefahren: ού γάρ
1>ή όφθαλμοΐσί γ€ Ιοόντι τούτιυν τών είρημενιυν ουδέν ίστιν
eib^vai. £8 ist klar, dass eingeräumt wird, dass daraus, dass
man jene Organe kennt, noch nicht folgt, dass man auch die an
ihnen haftenden Krankheiten mit den Augen wahrnehmen könne.
Mit der besprochenen Bedeutung des γάρ ist verwandt sein
häufiger Gebrauch im Dialog, wo es Entgegnungen einleitet,
wenngleich hier nicht eine Beschränkung des vorher Gesagten,
sondern dessen Richtigkeit eingeräumt wird. So zB. Eur. Iph.
T. 538 f. DP. δλλιυς λ^κτρ' ?τημ' έν Αύλίοι. — ΙΦ. οόλια γάρ,
ώς -χέ φασιν οΐ πεπονθότες, Xen. Mem. II 1, 2 ούκουν τό μέν
βούλεαθαι σίτου δπτεσθαι . . . άμφοτέροις εΙκός παραγίγνε-
σθαι; — εΙκός γάρ, ίφη, Plat. Theaet. 187 a ΘΕΑΙ. άλλα μήν
τουτό Τ€ καλείται . , . boiäiexv. ΣΟ. ορθώς γάρ οϊει, ώ φίλε,
207 b. Phaedr. 229 a. 268 a. Soph. 231 e. Parm. 141 c. de Rep.
432 d. 433 a. 438 a. Legg. 694 e. 712 b.
Die einräumende Bedeutung des γάρ überhaupt aber wird
man sehr begreiflich finden, wenn man erwägt, dass es aus γε Spa
(ja nun) entstanden ist und dass bei Entgegnungen auch das ein-
fache γε in demselben Sinne gebraucht wird, wie sich aus dem
Vergleiche von Plat. Gorg. 451 a ορθώς γάρ οϊει mit 451 d ορ-
θώς γε λίγων σύ ergibt. Vgl. Eur. Hipp. 96. Hec. 246. El.
667. Plat. Gorg. 449 b. 470 e.
Münster. J. M. Stahl.
UEBER DEN VERFASSER DER X LIBRI DE
ARCHITECTURA
Am Schlasee einer Abhandlung über etraskiscbeD Tempel-
bau^ schrieb ich im Jahre 1897: Andere stellt sich jedoch
die Sache, wenn wir mit Ussing ( Betragt ninger over Vitr. de
archit. 1. decem, Danske Vidensk. Selsk. Skr. 6. Raekke, hi-
storisk og filosofisk Afd. IV 3) das unter dem Namen Vitravs
überlieferte Werk in das 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr. herab-
rücken müssen, indem ich damit die Möglichkeit offen liess, dass
Ussing mit seiner Datirung recht haben könnte.
Als ich so schrieb, kannte ich Ussings Buch nur erst aus
der Besprechung Wölff lins im Archiv für lat. Lexikographie' und
seiner Autorität glaubte ich damals wenigstens die Möglichkeit jener
Datirung zugeben zu müssen, die ich später, nachdem ich die
Schrift selbst kennen gelernt hatte, entschieden als falsch erkannt
habe. Es sind ja nun seither auch mancherlei Stimmen von
solchen laut geworden, die sich der Ussingschen Hypothese ent-
gegenstellten, so Krohn in der Berl. phil. Wochenschrift•.
Aitchison^ und Browne im Athenaeum^, Hultsch bei Schmidt,
Heronis opera B. I 8. LXX Anm. 1, aber auf der anderen Seite
ist auch die Zahl derer nicht gering, die wie Wölfflin dieselbe
sei es rückhaltlos, sei es in beschränktem Umfange angenommen
haben, so noch im Bullettino communale Lanciani^, der doch eigent-
lich gerade in seiner Eigenschaft als Techniker die Unzulänglich-
keit der technischen Gründe Ussings am sichersten hätte erkennen
müssen. So wird man mir denn nicht die Nothwendigkeit be-
streiten können, die durch Ussing wiederaufgegriffene Frage nach
ί Nachrichten d. k. Ges. d. Wissenechaften zu Göttingen. Phil.-
hist. Klasse 1897 Heft 2. S. 137 ff. Schlussanmerkung.
* Arch. f. lat. Lezic. X p. 301.
β Bori. phil. Woch. 1897 p. 773 ff.
* Athen. N. 3625 p. 516.
» Athen. N. 3626—27 p. 586.
* Bull. oomm. 1899. XXVH. p. 24. Anm. 2.
üeber den Verfasser der X Hbri de Architectura 9
der Anthentioität der überlieferten Antorenbezeicbnnng nocb ein-
mal gründlicbet zu yentiliren und, wie ich boffe, mit Sicberbeit
zn entscbeiden. Die persönlicbe Berecbtignng bierzn aber leite
icb aus einer nnnmebr über Sjäbrigen intensiven Beecbäftigung
mit Vitmv znm Zwecke einer neuen commentirten Auegabe ber,
zumal icb mir durcb einen längeren Aufentbalt in Italien und
eingebende Studien antiker Baureete speziell in Rom und Pompeji
das Recbt eigenen Urtbeils in diesen tecbniscben Fragen des Alter-
tbums glaube erworben zu baben.
Die Gründe, mit denen üssing operirt, sind zweierlei Art.
Einmal soll die Spracbe der X libri mancherlei Eigentbümlicb-
keiten zeigen, die dem 3. resp. 4. Jahrhundert zuzuweisen und
der Augusteisehen Zeit absolut fremd seien, während andererseits
der Yerf. derselben sich in technischen Dingen in mancherlei
Beziehung ununterrichteter erweise als z. B. Plinius; er könne
also unmöglich ein Sachverständiger gewesen sein, als der doch
der Augusteische Baumeister anzusehen sein würde. Bei mancher-
lei Berührungen zwischen Plin. und den X libri liege die Sache
so, dass die plinianischen Notizen kurz, klar und stets richtig,
dagegen die entsprechenden Stellen der architectura stets weit-
schweifig, unklar und sehr häufig direkt unrichtig seien. Man
wird zugestehen, dass, wenn wirklich durchweg sich dieses Yer-
hältniss zwischen den beiden Schriften constatiren Hesse, auch
die Scblussfolgerung Ussings unabweisbar sein würde, und be-
sonders würde der letzte Punkt entscheidende Bedeutung haben,
denn es ist selbstverständlich, dass der nicht der Fachmann sein
kann, welcher uns über solche tecbniscben Sachen Falsches und
Unsinniges berichtet, über die ein Literat vom Schlage des
Plinius sich besser unterrichtet zeigt. Dagegen würden die ersten
beiden Gründe, die Klarheit und Kürze des Ausdrucks, allein
nicht entscheidend ins Gewicht fallen, da solche Dinge mehr dem
Schriftsteller als dem Fachmann anzurechnen sein dürften, und
Vitruv recht wohl ein guter Architekt und ein schlechter Schrift-
steller zu gleicher Zeit gewesen sein könnte, und wirklich ge-
wesen ist. Im Allgemeinen wird man vielmehr geneigt sein, und
80 urtheilte man auch bisher in unserem Falle, die grössere Kürze
auf Rechnung des Ausschreibers zu setzen.
Einen ferneren Grund für die Annahme einer späten Fäl-
schung findet Ussing in dem Verbältniss zwischen Vitruv und
Atbenaeus mechanicus, den Diels^ aus sprachlichen Gründen dem
1 Sitzungsber. d. Berl. Ak. d. W. 1893. p. 111.
10 Degering
zweiten nachchristlicben Jahrhundert glaubt zuweisen zu können.
Auch hier meint Useing den Nachweis führen zu können, dass
der uns yorliegende Vitruv direkt aus dem Athenaens geschöpft
habe, also zeitlich nach ihm anzusetzen sei, während bekanntlich
erst kurz vor ihm Thiel ^ die gemeinsame Quelle beider mit
grosser Wahrscheinlichkeit in Agesistratos hat nachzuweisen ver-
sucht. Dazu fügt Ussing noch eine Reihe von solchen Stellen,
aus denen sich ergeben soll, dass Vitruv ein Fälscher gewesen
sein muss, weil er sich hier durch Ungeschicklichkeiten und An-
schauungen verriethe, die das Gepräge eines Schriftstellers einer
späten Zeit deutlich erkennen liessen.
Die ganze Schrift üssings ist abgesehen von den sprachlichen
Beobachtungen im Wesentlichen nur eine Aufarbeitung und Erweite-
rung der vergessenen und verschollenen Schrift von C. L. F. Schultz
^Untersuchungen über das Zeitalter des röm. Kriegebaum eis ters
M. Vitruvius Pollio* *. Schultz erklärte das Werk in der jetzt vor-
liegenden Form für eine Fälschung des Papstes Sylvester II, der
seinerseits eine aus dem 4. Jahrhundert stammende (namenlose?)
Compilation aus Plinius, der Epitome und Palladiue zu Grunde ge-
legt habe, üssing modifizirt diese Ansicht nur insoweit, als er die
Fälschung Sylvesters der Handschriften wegen, die zum Theil eben
älter sind, streicht, und die Datirung der Schrift 'mit sammt der
Namensfälschung in das 3. — 5. Jahrhundert n. Chr. auch durch
sprachliche Gründe zu stützen versucht, auf die Schultz weniger Ge-
wicht gelegt hatte. Die übrigen Gründe sind zum grössten Theile
die Schultz'schen oder stehen durchaus auf demselben Niveau.
Methodisch sind die beiden Schriften durchaus gleichwerthig, aber
Schultz hatte wenigstens die Entschuldigung, dass er Dilettant
und nicht Philologe vom Fach war.
Wir wollen nun im Folgenden die Ussing'schen Gründe im
Einzelnen durchgehen, wobei wir uns im Ganzen an seine Dispo-
sition anschliessen, abgesehen davon, dass wir die sprachlichen
Beobachtungen am Schlüsse behandeln werden.
Der hier zunächst vorliegende Theil wird nur das Ver-
hältniss von Plinius und Athenaens zu Vitruv behandeln, der
zweite demnächst folgende soll dann verschiedene topographische
ί Thiel. Leipz. Studien XVII. 2. 1896.
^ Herausgegeben von seinem Sohne Otto Schultz Leipz. 1856.
Die ersten Gedanken dazu entwickelte Seh. im Briefwechsel mit Ooethe
Sr Kb. Mus. 4. (1836) 329 fif.
[^Ueber den Verfasser der X libri de Arohitectura 11
Fragen, die eich an Vitrav und besonders an die Datimng seines
Werkes knüpfen, sowie die spraobhistorisohen Probleme aasfUbr-
licb behandeln, die von Ussing gegen die Echtheit desselben
Torgebracht werden, doch wird hier der Gang der üntersaobnng
im Ganzen sich freier bewegen können, da im Prinzip die Ent-
ich cid ung bereits im ersten Theile fällt.
Wir beginnen also damit, das Yerhältniss von Plinius and
Vitray zu untersuchen. Die Existenz eines Schriftstellers Vitruv
ist einmal durch das Autorenyerzeichniss des Plinius, wo er unter
den Quellen zum 16, 35. u. 36. Buch aufgeführt wird, gesichert.
Zum 31. und 33. Buche wird er dagegen nicht angeführt und
man hat somit von vornherein nicht das Recht, auch für diese
Bücher vorhandene Congruenzen als Entlehnungen anzusprechen
wir werden jedoch sehen, dass sich für das 33. Buch der Fehler
im Index nachweisen läset, der den Namen Yitruv's aus demselben
entfernte. Eine der in diesem Buche von Plinius aus dem echten
Vitruv entnommene^ Notiz über das Quinarsystem, das von Fron-
tin* ausdrücklich auf den Baumeister Vitruv zurückgeführt wird,
findet sich genau in unserm Vitruv. Ebenso wird uns durch
Servius• die Schrift eines Vitrav bezeugt, qui de architectonica
Bcripsit, das heisst also ein Bach, das dem unsrigen an Inhalt
gleich gewesen sein muss. Diese Stelle des Servius ist bislang
meiner Ansicht nach ganz falsch aufgefasst worden. Sie lautet
nach Thilo u. Hagen: Vitruvius qui de architectonica^ scripsit, cum
ab aliquo arcemur ingressu id ostium dicit ab ostando, cum ingre-
dimus aditum al) adeundo. Wenn man das freilich so auffasst, als
ob Vitruv selbst diese grammatische Erklärung der beiden Worte
gäbe, so wird man vergeblich in unserm Vitruv darnach suchen und
dann wie Schultz (der übrigens durch seine Lesung ait-dici einiger-
massen entschuldigt war) und Ussing daraus einen Beweisgrund
gegen die Echtheit des überlieferten Vitruv schmieden oder wie
Erohn ^ zur Annahme von Lücken sich genöthigt sehen, wozu wenig,
etens in solchem Umfange nach Massgabe der handschriftlichen
* Der Beweis dafür folgt später.
* FroDtin. de aquis 25.
* 8erv. ad. Verg. Aen. VI 43:
* Das braucht keineswegs der Titel zu sein, den Vitr. seinem
Werke selbst gab, sondern kann eine modernisirte Bezeichnung sein,
wie ja die Epitome den Titel in derselben Weise umbildet. Vgl. dazu
Aügustin 2 Quaestion. in Heptat. 169.
* Berl. phil. Woch. 1897 S. 773 ff.
12 Degering •
üeberlieferang gar keine Berechtigung vorliegt. Sehe man sich
doch die Worte des Servius genau an, welcher nur behauptet : 'DaS)
wodurch wir vom Eintreten abgehalten werden, nennt Vitruv
ostium von oetare, die Oeifnung dagegen, durch die wir eintreten,
nennt er aditus von adire'. Serviue giebt also nicht eine
grammatisch lexicalieche Regel aus Vitruv, sondern begründet
eine solche durch den Spachgebrauch des Vitruv. Eine Prüfung
der in unserm Texte vorkommenden Stellen von ostium ^ und
aditus^ zeigt, dass die Beobachtung absolut richtig ist, dass aleo
wenigstens Servius mit Bestimmtheit den auch uns vorliegenden
Vitruvtext vor Augen hatte, d. h. wenn nicht etwa Servius selbst
die Notiz nur von einem älteren Grammatiker übernommen hat.
Jedenfalls aber ist dieses Zeugniss nur für, nicht aber
gegen die Authenticität des unter dem Namen Vitruv's überlieferten
Buches zu verwenden und man müsste, um seine Beweiskraft
abzuschwächen, schon behaupten, dass der Fälscher bei dem Ge-
brauch der Worte aditus und ostium immer Rücksicht auf die
Serviusstelle genommen hätte, heisst das aber nicht, da dieser
Wortgebrauch durchaus nicht allgemein ist, sondern andere Schrift-
steller wie z. B. Tacitus, Ammian die Worte promiscue gebrauchen,
einem Fälscher zuviel zugemuthet? Schon damit ist eigentlich die
Echtheit unseres Vitruvtextes, wie ich meine, mit Sicherheit er-
wiesen.
Nehmen wir aber wirklich einmal mit Ussing die Unecht-
heit desselben als sicher an: Was folgt nun daraus? Es ist
durch Nohl^ festgestellt (Ussing kümmert sich freilich nicht
darum), dass Palladius seine technischen Notizen aus der Epitome
des Faventinus geschöpft hat, die ihrerseits völlig zweifellos ein
Auszug aus unserm Vitruv ist. Eingeschoben resp. hinzugefügt
sind in dieser nur im Cap. II der Abschnitt über einen Thurm
der zwölf Winde in Rom (in der Rose-Müller-Strtibingen 'sehen
Vitmvausgabe S. 288, 27—289, 4) Cap. IV die Bemerkung über
hölzerne Wasserleitungen (S. 294, 11—12), und Capitel XXVIII,
Zuthaten, die wohl als eigene Weisheit des Faventinus anzu-
sehen sind, während die Schluss-Capitel XXIX und XXX ans
anderer Quelle stammen mögen. Da nun Palladius in das
4. Jahrh. n. Chr. gehört, so kann Faventin höchstens am Ende
des dritten oder im Anfang des 4. Jahrh. seinen Auszug aas
unserm von ihm, wie die Namensnennung am Anfang beweist,
^ Vgl. Vitruv, cd. Rose u. Müller-Str. 96, 15 (142, 14. Joe).
« Das. 13, IG. 70, 9. 109, 11. 119, 19. 71, 21. 92, 5. 129, 5.
' Comment. Mommsen. pag. 64 fif.
Üeber den Verfasser der X libri de Ardutectara 13
bereite für echt gehaltenen Werke gemacbt haben. Die Fäl-
echnng könnte also epätestens in die Mitte des 3. Jabrb. datirt
werden. Was ist nnn aber inzwischen aus dem echten Yitruy
geworden, der doch Plinins vorgelegen haben mass, selbst wenn
er ihn auch, wie Ussing mit Oehmichen ^ behauptet, nicht direkt
sondern nur vergleich weise benutzt hat? Wir mtissten also an-
nehmen, dass das echte Buch Yitruvs ungefähr im 2. Jahrhundert in
Vergessenheit gerathen sei und dann ein Schwindler unter seinem
Namen im 3. Jahrhundert die Fälschung vorgenommen habe.
Diese Annahme ist aber schon an und für sich recht wenig
glaubhaft, denn wenn das echte Werk in Vergessenheit gerathen
konnte, so beweist das doch eben, dass für dasselbe kein Inter-
esse vorlag, also natürlicher Weise erst recht kein Anläse dazu
vorhanden war, ein solches Buch ganz neu zu fälschen. Die
meisten von den aus dem Alterthum in reichlicher Weise be-
kannten Fälschungen sind vielmehr, wo es sich nicht etwa um
ganz mythische Personen wie Orpheus handelt, derart, dass ein
Buch einem berühmten Schriftsteller zu seinen echten Werken
untergeschoben wurde, für das der unbekannte und unberühmte
Fälscher mit seinem eigenen Namen nicht in genügendem Maasse
das Interesse erwecken zu können glaubte. Eine Fälschung je-
doch wie diese, welche ein Interesse an der Person des Verfassers
eines einzigen Werkes voraussetzt, der seinen Ruf, wie es scheint
Dur diesem einzigen Werke verdankt, welche aber andererseits
undenkbar ist, wenn wir die Existenz dieses echten Werkes
voraussetzen müssen, hätte wohl kaum ernstlich erwogen werden
dürfen. Für Schultz lag die Sache insofern günstiger, als er
wenigstens auch die Echtheit des Plinianischen Index leugnete
und über das Verhältniss von Palladius und der Epitome nicht
unterrichtet sein konnte; für Ussing sind das grobe methodische
Fehler. Für Jemanden, der einmal die Echtheit der Plinianischen
Autorenverzeichnisse, an der ja im Ernste nicht zu zweifeln ist,
aufrecht erhält, lag es ja dann wenigstens viel näher, in dem
vorliegenden Vitruv eine üeberarbeitung des echten zu sehen.
Dieser Versuch wird von Ussing aber nicht gemacht und wir
werden sehen, dass dazu auch keine Veranlassung vorliegt.
Die Concordanzen mit Plinius, welche sich in unserem Vitruv
finden, will ussing im Anschluss an Oehmichen auf eine gemein-
same Quelle und zwar auf Varro zurückführen, wobei freilich
1 Oehmichen, Plinian. Studien 1880. S. 1.
14 Degering
Oehmieben selbst nicbt danui gedacbt bat, die Lebenszeit Vitmvs
anders als in der berkömmlicben Weise anzosetzen. üssing aber
benutzt diese Theorie nnr om das nnzweifelbafte Zengniss des
Plinins für die Ecbtbeit unseres Vitmvs ζ α entkräften, wobei ihm
freilieb entgangen ist, dass die Existenzfrage des eebten Vitravs
Ton der Oehmicben'scben Η jpotbese ja gamicbt beröbrt wird. Die
Oebmicben'scbe Annabme τοη einer nur vergleicbsweisen Benntzong
de• VitruTS könnte, was icb nicbt glaube and als falscb nacb-
weisen werde, wirklieb berechtigt sein, ohne dass damit das
Factum aus der Welt geschafft wird, dass Plinius den eebten
Vitruv doch musste Tor Augen gehabt haben. Aber wie scbon
gesagt iat diese Annabme selbst als unrichtig zu beweisen.
Oebmicben operirt hauptsächlicb mit dem Brunn^scben Be-
grilT des auctor exquisitns, den Brunn erfunden bat, um die
I>i«erepanz zwiseben der bandschriftlichen üeberlieferung in
praef. 17 ex eaguisitis aucioribus cenium und der bei weitem
grö§9eren (über 400) Anzahl von Autoren, welche die Indices
anfuhren, aufzulösen. Ich kann die Richtigkeit der Interpretation
Brunns jedoch nicbt anerkennen, da die grammatische Construction
der fiberlieferten Lesung anerklärbar bleibt; XX rerum dignarum
eora lectione Toluminum circiter II, quorum pauca admodum Stu-
diosi attingunt propter seoretum materiae, ex exquisitis auctoribus
eentum inclusimus XXXVI voluminibus, adjectis rebus plurimis
qoas aut ignoraverant priores aut postea in venerat vita, vermag icb
flicht zu erklären, denn wenn icb lectione als Abi. abs. = bei einer
lACtüre von etc. fasse, so fehlt mir das Regens za ex exquisitis
auctoribus eentum und dieses kann dann nur in der Nähe des
yerdäcbtigen eentum stecken, nehme ich aber lectione als Abi
instr.i so fehlt hierzu wiederum das regierende Wort und aueb
diMes kann icb uar an derselben Stelle suchen. So gewinne icb
abgesehen von den sachlichen Bedenken gegen eentum und gegen
die Brunn'scbe Erklärung desselben, auch von Seiten der Grammtik
9iwiui(ttnae Verdachtsmomente gegen die Richtigkeit der Üeber-
lieferung. Ueber die Art und Weise, wie nun die Stelle zu heilen
sein durfte, kann man im Zweifel sein. Man könnte et exquisitis
aui'.U^ihuM eentum schreiben, dann würden aber die exquisiti auc-
it/re» als bfisondere Klasse unter anderen uns unter den Händen
siifs/iliwiiidiin, da dann exquisitis sich auf die Thätigkeit des Ex-
ftnfplr<iiis [»««iehen mUsste, und eentum bliebe wieder saohlicb
llfiitrblttrf, oder es mlisste als unbestimmte Zahl gefasst werden;
Ueber den Verfasser der X libri de Architectura 15
vahrsclieiDlicher aber ist es mir, dass wir cenlum in cenirum za
ändern haben, sodass ex exquisitis auctoribus centrum — das
Beste and WerthvoUste, der Kern, aus den erlesensten Autoren
— als Apposition zu XX verum dignarum cura zu beziehen sein
würde. Gerade Plinius gebraucht das Wort centrum auch sonst
in der Bedeutung 'fester Kern (37, 28. 37, 120. (cf. 37,98.) 16, 198).
Ich lege jedoch keinen besonderen Werth auf diese positiven
Verbesserungsvorschläge , mir genügt es, wenn man nur die
Negation zugiebt und anerkennt, dass die von Brann dem Plinius
impatirte Unterscheidung zwischen auctores schlechthin und ex-
quisiti auctores unhaltbar ist. Solch ein schlechter Schriftsteller
ist denn doch Plinius (zumal in der Vorrede) auch nicht, dass
wir ihm zutrauen dürften, er habe einen so complicirten Gedanken-
kreis in so compendiöser dunkler und noch dazu grammatisch
anfechtbarer Form ausgedrückt. Wir müssten doch auch wohl
erwarten, dass die Indicee, die den rein äusserlichen Unterschied
zwischen römischen und fremden Schriftstellern durchführen,
irgendwie auch den Unterschied zwischen den auctores exquisiti
and den auctores erkennen Hessen, aber gerade Brunn hat doch
bewiesen, dass die Ordnung eine solche ist, die diesen Unter-
schied absolut nicht berücksichtigt.
Damit soll nun aber keineswegs etwa behauptet werden,
dass nicht gewisse Unterschiede in der Behandlung der Quellen
bei Plinius zu constatiren sein werden, sondern nur die Berech-
tigung soll bestritten werden diesen Unterschied so scharf zu
orgiren, wie das von Oehmichen geschiebt. Wir haben sicherlich
Haupt und Nebenquellen zu unterscheiden, es lassen sich ferner
spätere Einschiebsel erkennen, aber als selbstständige Quellen
haben wir alle die in den Indioes genannten Schriftsteller je für
das betreffende Buch so lange anzusehen, als sich nicht bestimmte
Corruptelen in diesen Verzeichnissen nachweisen lassen, die das
fehlerhafte Eindringen von Namen unbenutzter Autoren in den
Zusammenhang offenbaren. Wir werden einen solchen Fall weiter
unten kennen lernen.
Andererseits aber haben wir natürlich auch nicht das Recht
die Benutzung eines Autors als Quelle für irgend ein Buch an-
zunehmen, für das er in dem betreffenden Index nicht aufgeführt
wird, wenn wir nicht ebenfalls die Störung im Index nachweisen
können, die seinen Namen entfernte, in unserem Falle also müssten
wir zunächst die Benutzung Vitruvs im 31. und 33. Buche, die
Detlefsen behauptet hatte^ ablehnen.
16 Degoringf
Εβ finden sieb aber auch in den Indices gewisse Reiben
von Autoren aufgeftibrt, die unter sich im engeren Zusammen-
bang steben (äusserlicb meist kenntlicb an der alpbabetiscben
Reihenfolge), die Plinius wohl nicbt direkt benutzt haben mag,
sondern von denen er vielleicbt nur in einzelnen Fällen einzelne
Citate nachprüfte. Diese sind dann aber immer aus einer Haupt-
quelle, die natürlich später liegt als alle die übrigen, entnommen
worden; die Benutzung dieser Autoren als Quelle ist also auch
hier vorbanden, wenn auch erst durch Vermittlung. Wie Plinius
aber eine Sobri ft als seine Quelle (das beisst doch ex auctorihus)
babe bezeichnen können, die er weder direkt nocb indirekt he-
nutzt babe, sondern die nur mit ihm aus der gleichen Quelle ge-
schöpft babe, das ist mir unerklärbar und weder mit antiker noch
moderner Citirmetbode vereinbar.
Der hier eingenommene Standpunkt deckt sich im Wesent-
lichen mit dem von Münzer in seinem trefflichen Buche, Beiträge
zur Quellenkritik des Plinius, entwickelten Anschaaungen über
die Quellenbenutzung des Plinius, obwohl er noch an der Brunn-
seben Unterscheidung der Autoren festhält; nur bin ich auf
anderem Wege und auf beschränkterem Gebiete zu dem gleichen
Resultate gekommen, das er in so umfassender und eingehender
Weise begründet hat.
Wir wollen nunmehr die einzelnen von Ussing besprochenen
Stellen durchgeben. Zunächst Plinius, 16, 45. Hier sollen nach Det-
lef sen ^ die Worte excepta larice guae nee ardet nee carbonem fcicU
nee cUio modo ignis vi consumitur quam lapides aus Vitruv ent-
nommen sein. Oehmichen und mit ihm Ussing bestreiten das, und,
wie ich glaube, mit Recht, aber natürlich hat nur Oehmichen die
richtige Begründung, doch hat auch er die Sachlage nicht mit
voller Schärfe erfasst. Plinius folgt, wie er selbst § 48 sagt, in
der Glassificirung der Europäischen Bäume 'quae picem ferunt
einer römischen Quelle, ohne Zweifel Hygin, der, wie das Citat
§ 230 lehrt, über die Hölzer und ihre Verwendung Angaben ge-
macht haben muss, uud auf den auch das Brunn'scbe Indexgesetz
führt. Aus dem ganzen Zusammenhange der von 38 — 49 reicht,
kann der Satz excepta larice .... nicbt ausgeschieden werden,
auch weiss Plinius über die larix weit mehr, als er aus Vitruv
schöpfen konnte, und dass er gerade nur die Einzelheit der Scbwer-
brennbarkeit des Holzes, ohne die von jenem beigefügte fabel-
1 Philol. 31. p. 389.
Ueber den Verfasser der X libri de Architeotora 17
liafte Historie entnommen haben sollte, ist bei der Art seiner
Schriftatellerei kaum glaablicb. Andere liegt jedoch die Sache
for Hygin, für den, wenn er die Systematik des Nutzholzes geben
wollte, die Fabel unnöthig war. Wenn dagegen Ussing glaubt,
dass Plinins' Worte nee alio modo ignis vi con$t4mUur quam la-
pides etwas anderes bedeuten, als das was Vitruy mit 'nee ipsa
poiesi ordere nisi tat soicum in fornace ad cälcem coquendam aliis
lignis uraiur sagen will, so irrt er, denn lapis bezeichnet gerade
80 wie saxum in der Regel den Bau — , d.h. zu Vitruvs und Plinius'
Zeiten den Kalkstein von Tibur. £benso verkehrt ist es aber,
wenn Oehmichen einen Unterschied zwischen den Ortsangaben
des Plinius und Yitruv hat entdecken wollen, denn wenn Yitruv
sagt quae non est noia nisi in municipalibus qui sunt circa ripam
fluminis Fadi et liiora maris Hadrianij so bezeichnet er damit
garnicht die Heimath des Baumes, sondern die Zone seiner Ver-
wendung. Der Baum ist auch bei ihm ein Alpenbaum ^, der auf
dem Po und seinen Nebenflüssen thalwärts geflösst wird und so
in jene Gegenden gelangt, wo er nach Vitruv Verwendung flndet
und als Nutzholz bekannt ist.
Auch § 192 ist vielleicht nicht aus Vitruv entnommen,
Bondern es handelt sich wohl um eine allgemein bekannte Sache,
die auch von anderen Schriftstellern erwähnt wurde. Dagegen
ist von § 195 bis 198 ohne Frage Vitruv mit zu Rathe ge-
zogen. Der Zusatz von Plinius vasta haec (juniperus) in His-
pania maximeque Vaccaeis stammt aus Bocchus^ der immer für
Spanisches als Gewährsmann auftritt. Damit haben wir schon
hier und nicht erst § 216 ff. Bocchus und Vitruv dicht neben
einander, wie es der Index fordert.
Auch hier bemüht sich Ussing zu beweisen, dass Vitruv kein
Sachverständiger gewesen sei, aber auch hier beweist er nur, dass
1 Vitr. R. u. M. Str. 60, 7 ff.
^ Bocchus wird als Autor in den Indices genannt zu 6. 16. 33.
34. 37. Ausser den Citaten 16, 216 Dianatempel von Sagunt, 37, 97 car-
bunculi et in Oliponensi. 37, 127 Chryselectros repertas esse in Hispania.
37, 24 Cornelius Bocchus et in Lusitania (sei. effossum mirandi poaderis
crystallum) sind auf ihn zurückzuführen wahrscheinlich im Buch 34.
144, der Ruf von Bibilis und Turiasso als Produktionsorte guten
Eisens, ferner 149. 156—158 und 165; im 33. Buche § 67-78, die Be-
schreibung der Goldbergwerke Spaniens, denn dass sich die ganze
Auseinandersetzung auf den spanischen Bergbau bezieht, lehren § 78
und die fachtechnischen Fremdwörter, ferner § 96 f. und § 158.
BlMlii. Mu. f. PtiUol. M. F. LVII. 2
18 pegering
ihm eelbst die nöthige Eineicht in Bolcheii technieohen Fragen fehlt
Diese ist ja freilich an und für eich auch für einen Philologen kein
Erfordernies, wohl aber für Jemanden, der den Techniker so scharf
heartheilen will, als üssing den Vitruv. Der Vergleich von
Plin. 196 abietie quae pars a terra fuit, enodis est. haec qua dixi-
mns ratione fluviata ^ detoratnr atque ita sappinns vocatur, snperior
pars nodosa duriorque fnsterna, mit Vitruv U 9. 7 ex ea antem
antequam est excisa quae pars est proxima terrae [per radices
reoipiens ex proximitate humorem] enodis et liquida effioitur,
quae vero est superior [vehementia caloris eduetis in aera per
nodos ramis, praecisa alte circiter pedes XX et perdolata] propter
nodationis duritiem dioitur esse fustema. ima autem cum excisa
quadriflnviis disparatur ejecto torulo ex eadem arbore ad intestina
opera coroparatur et ita sappinea vocatur beweist, dass mit qna
diximns ratione fluviata (nicht etwa fluviata) und cum excisa
qnadrifluviis disparatur dasselhe gemeint ist. Femer ist es aher
anch sachlich ganz selhstverständlicb, dass quadriflnviis nichts
Anderes hedeuten kann als das, was Plinius im vorhergehenden
Capitel 195 im Anschluss an Theophrast V. 1, 6 — 11 mit qaa-
dripertitos habet venerum cursus hezeiohnet. Soweit hat also
Ussing Recht. Dagegen ist er schwer im Irrtum, wenn er nun
weiter behauptet, dass der Ausdruck quadriflnviis hei Vitruv
auf einem Missverständniss des Ausdrucks fluviata bei Plinins
bernhe. Ich meine mit solchen Behauptungen mtisste man ganz
besonders vorsichtig sein, denn das würde, selbst angenommen,
das Vitrnv'sche Werk stamme aus dem 4. Jahrhundert, ungefähr
dasselbe sein als wenn man behaupten wollte, dass heutzutage
ein gehildeter Mann irgend welche Ausdrücke des Simplicissimus
sollte missverstehen können. Freilich steht er mit diesem Irr-
thum nicht vereinzelt da. Auch May hoff' bezieht das qna diximns
ratione fluviata nicht auf das direkt vorhergehende, sondern auf
§ 18(5. Hier heisst es aber in denCodd.: Ugnum in longitndinem
fluiiai ntque pars fuit ah radice validius sidit. Die zweite Hand-
schriftenklasse hat für fluitat fluctuatur und einige Handschriften
quae statt que. Die Ueberliefemng ist also keinesfalls in Ordnung.
Was aber zu lesen ist, ist wenigstens sachlich sieher. Ich meine
der ganze Zusammenhang der Stelle, die von der Stmktnr und
dem Bau des Holzes handelt, kann doch nicht so plötzlich durch
etwas unterbrochen werden, was sich auf die Zubereitung des
^ So mit Recht Detleisen statt decorator.
Ueber den Verfasser der X libri de Arcbitectürä 19
Holzes bezieht, eondem es muss auch hier etwas über die Struk-
tur gegeben werden. Ich lese demnach Lignnm <cum) in longi-
tndinem flnitatur qnae pars fait ab radice, validius sidit und
übersetze: legt man das Holz der Länge nach aufs Wasser, so
taacht das Wurzelende infolge des grösseren specifischen Ge-
wichtes tiefer ein resp. sinkt unter; und es ist nun auch offen-
bar, dass hier nicht vom lignum im Allgemeinen die Rede ist,
sondern von dem gerade vorher genannten, dem Buchenholze, wir
haben also nicht nöthig mit Mayhoff in dem Satze ein späteres
Einschiebsel anzunehmen. Von dem Auslaugen des Holzes im
Meerwasser (ταριχεύει V bei Theophrast) ist also weder § 186 noch
§ 196 die Rede, in 196 auch schon deshalb nicht, weil flnviata
dasteht und nicht fluyitata. Fluviata passt nur zu quadrifluvius,
ist dieses also etwa mit vieradrig zu übersetzen, so kann jenes
nur der allgemeinere zu diesem specielleren Ausdrucke sein und
also nur geädert heissen. Dazu stimmt auch durchaus die Bil-
dung des Wortes, heisst fluvius, wie aus quadrifluvius hervorgeht,
die Saftader, so ist davon ganz richtig gebildet fluviatus mit
Saftadern versehen. Auf den Fluss d. h. auf das Wasser
gelegt könnte, wie gesagt, nur fluvitatus lauten. Somit ist also
auch hier alles in Ordnung.
Wenn Ussing Vitruv auch daraus einen Vorwurf macht,
dass er die Länge des unteren astfreien Theiles der Tanne auf
ungefähr 20 Fuss bestimmt ^ indem erfragt, ob denn alle Bäume
gleich hoch sind, so beweist das eben wieder, dass er kein Recht
hat über technische Fragen zu urtheilen. Das, was Vitruv als
Techniker bestimmt, ist eben das Minimalmass der schlag-
fähigen Bäume. Die ausführliche Auseinandersetzung, welche
Vitruv^ zu infernas und supernas giebt, bezieht sich garnicht,
wie üssing uns glauben machen möchte, auf den Wortgebrauch;
das wäre auch freilich für den römischen Leser des ersten Jahr-
hunderts überflüssig gewesen ; sondern sie giebt eine physikalische
Erklärung der Vorzüge, die jene vor dieser voraus hat, und wie
sie sich so oft bei Vitruv finden.
Plin. § 218 unterscheidet sich von Vitr. II § 9 nur durch den
Zusatz von cerasus firma und das Fortlassen von populus, salix,
tilia, vitex. Beides findet seine natürliche Erklärung. Dass zu
Vitruvs Zeiten das Kirschholz schon zu Bauzwecken verwendet
* Vitr. II 9. 7. praecisa alte circiter pedes XX.
a Vitr. II 9. 17.
20 Degering
•
worden ist, ist nicht sehr wahrscheinlich, da der Baum erst kurz
vorher in Italien durch Lucnllus eingeführt war (Plin. n. h. 15,
25. 30. Serv. ad verg. Georg. 2. v. 18) Hehn, Kulturpflanzen u.
Haueth.^ S. 349. Die Angaben über die anderen Bäume jedoch hatte
Plinius schon § 209 in anderem Zusammenbange gebracht und
deshalb hier nicht noch einmal wiederholt.
Im 31. Buche ist wie gesagt von vornherein wegen des
Fehlens des Namens im Index eine Benutzung Vitruvs nicht an-
zunehmen, jedoch wäre es verwunderlich, wenn Plinins gerade
eine Notiz über die Sache aus einer anderen Quelle übernommen
haben sollte, die nach Frontin I 25 bei vielen Leuten als die
ureigenste Erfindung Vitruvs galt, nämlich die Angabe über die
Construction und Benennung der Wasserleitungsrohre, wie sie eich
im § 58 findet und noch dazu in einer Form, welche die direkte
Entlehnung mehr als wahrscheinlich macht. Dazu kommt nun
aber noch Folgendes: Im Index zum 31. Buche steht nämlich
unter den römischen Autoren ein Polybius, und zwar zwischen
Ovid und Sornatius. £ine Benutzung Ovids kann im 31. Buche
nur bei den Notizen über die wunderbaren Quellen bis § 35 in
Frage kommen. Gleich dahinter aber trifft man auf die Stellen,
welche aus Vitruv stammen können resp. stammen müssen. Es
könnte also an dieser Stelle im Index, der übrigens hier im
31. Buche auch sonst nicht in Ordnung ist, der Name Yitmvs
als Pollione vor Polybio ausgefallen sein, wenn wir nicht viel-
mehr annehmen müssten, dass hier Polybio selbst aus Pollione
corrumpirt worden sei, und zwar dem Citat zu Liebe am Sohlusse
des 31. Buches, wo aber ebenfalls, wie mir scheint zu Unrecht,
der Name Polybius bisher unangefochten geblieben ist und wohl
Polyclitus, der ohnehin im Index vorkommt, an Stelle von Poly-
bius einzusetzen sein wird. Dass der Adressat der ooneolatio
ad Polybium, der über Homer und Yergil geschrieben hat, auch
über medicinische Dinge ein Buch verfasst habe, ist eine an-
bewiesene Behauptung^, die um so unwahrscheinlicher wird,
als Seneca in seiner consolatio, deren Abfassung in das Jahr
43 — 44 fällt, nicht die geringste Anspielung auf eine derartige
Schriftstelierei des Polybius macht, die vielmehr rein schöngeistig
war, und Polybius nicht lange nachher (47) auf Betreiben der
ί Detlefsen, Progr. v. Glückstadt 1883 S. 4.
Ueber den Yerfaeser der X libri de Architectura 21
Meeealioa, die Reibet im Jabre 48 getötet wurde, biDgericbtet
worden ist^.
Dae8 im 31. Bucbfe bereite § 36 aus Vitruv stammt, brancbt
man nicbt anzunebmen, dagegen polemisirt § 43 gegen Vitrov. Wes-
halb Oder^ meint, dass diese Polemik nicht von Plinius selbst her-
rühren könne, weiss ich nicbt ; za tief ist denn doch diese Weis-
heit gerade nicht. Man schreibt überhaupt meiner Ansicht nach
der eigenen Thätigkeit^ des Plinius viel zu wenig von dem In-
halte der Bücher zu, obwobl uns eine einfache Rechnung davon
überzeugen kann, dass der Antheil, den Plinius sich selbst zu-
rechnet, garnicht so unbeträchtlich ist. Den 20000 aus anderen
Schriftetellern laut der Vorrede entnommenen Notizen stehen
gegenüber als Summe von nur 32 Büchern gemäss der Summen-
angaben der Indices circa 34 000 res et historiae et obser vationes,
somit würden also auf die 36 Bücber circa 38000 Lemmata zu
rechnen sein, sodass Plin. selbst fast die Hälfte sich zugerechnet
haben würde. Das mag zu hoch gegriffen sein, indem vielleiobt
einige der grossen Zahlen der Indices falsch überliefert sind,
immerhin nimmt aber Plinius einen bedeutenden Theil für sich
selbst in Anspruch.
Bestimmt muss aber, von allen anderen abgesehen, § 57
ans Vitruv entnommen sein, da wir dem Plinius doch nicht
zutrauen dürfen, dass er etwas indirekt übernahm, für das,
wie wir gesehen haben, Vitruv als Erfinder galt. Die An-
nahme dagegen, dass diese Nacbricht aus einer gemeinsamen
Quelle und gar aus Varro stammen soU^, ist mit der oben ange-
führten Frontinstelle absolut unvereinbar, denn hiemach ist das
Qninarsystem erst unter Augustus von Agrippa oder Vitruv er-
funden, kann also Varro garnicht bekannt gewesen sein. Frei-
lich hilft sich Ussing wieder damit, dass er behauptet. Frontin
rede von ganz etwas anderem als Vitruv und ebenso soll auch
Plinius von Vitruv abweichen. Diese letztere Behauptung können
wir, da sie wohl von Niemandem getheilt wird, mit Stillschweigen
tibergehen, dagegen wollen wir das Verhältniss von Frontin und
Vitruv einmal näher ins Auge fassen, da sich hier die Gelegen-
heit bietet, ein interessantes Kapitel antiken Lebens zu be-
leachten.
1 Vgl. Bueoheler, Rh. Mus. 37, 327.
^ Oder, Quellensucher im Alterthum. Philol. Sappl. B. VII 1. 2
p. 2. • •
> Vgl. dazu jetzt auch Detlefsen, Untersuch. 1899. S. 13 ff.
* Oder, Quelleneuoher S. 362.
22 Degering
Vitrav sagt Folgendes VIII 6. 4: fistulae ne minns longae
pedum denum fundantur, quae si centenariae erunt^ pondne habeant
in singolas pondo MCC, si octogenariae pondo DCCCCLX, si quin-
quagenariae pondo DC, qaadragenariae pondo CCCCLXXX, tri-
cenariae pondo CCCLX, vicenariae pondo CCXL, quinum denum
pondo CLXXX, dennm pondo CXX, octonum pondo C, quinariae
pondo LX. e latitudine autem lamnaram, quot digitos habuerint,
antequam in rotundationem fiectantur, magnitndiuam ita nomina
concipiunt fistulae. namque qoae lamna fuerit digitorum quin-
quaginta cum fistula perficietur ex ea lamna, yocabitur quinqua-
genaria similiterque reliquae. Plinius stimmt damit vollkommen
überein, nur dass er in umgekehrter Reihenfolge die Rohre auf-
führt und zur Erklärung der Bezeichnung ein anderes Beispiel
(denaria) als Vitruv (quinquägenaria) wählt.
Zunächst ist nun Ussing im Anschluss natürlich an Schultz
der Meinung, Vitruv spreche von gegossenen Röhren, während
er doch ausdrücklich und zwar zweimal [lamnarum antequam in
rotundationem flectantur — und quae lamna fuerit digit. qainq.
cum fistula perficitur ex ea lamna] von der Herstellung aus
Platten spricht, und sich das fundantur natürlich nur auf die
Herstellung der Platten selbst bezieht. Diese wurden aber natür-
licherweise gegossen, was einmal durch die eingegossenen In-
schriften bewiesen wird und andererseits dadurch, dass die Alten
unsere moderne Walztechnik schwerlich schon gekannt haben,
wenigstens mtisste Ussing wohl erst den Beweis dafür liefern.
Die Herstellungstechnik ist vielmehr die, dass die Platten in der
vorgeschriebenen Grösse gegossen, dann zur Erhöhung der Dich-
tigkeit und Festigkeit gehämmert, darauf über einen runden Dorn
zusammengebogen und endlich durch eine Lötnaht geschlossen
wurden. Gegossene Blei-Rohre und zwar mit Wandstärken, welche
proportional der Druckhöhe zunehmen, wurden nur da verwendet,
wo die Leitung ein tieferes Thal zu überwinden hatte und also
demgemäss die Röhren einen stärkeren Druck auszuhalten hatten.
Den ersten Beweis dafür, dass die Alten diese Technik kannten,
verdanken wir den Untersuchungen des Herrn Regierunge- and
Baurath R. Bassel über die antike Druckwasserleitung des Be-
tilienus Varus in Alatri, der solche Röhren aufgefunden hat^.
Man nimmt nun gewöhnlich an, dass Vitruv dieses Verfahren
nicht gekannt habe, wie ich glaube mit Unrecht. Vitruv er-
ί Vgl. Centralbl. der Bauverwaltung 1882 u. Annali 1881, 204.
lieber den Verfieiseer der X libri de Arcbitectura 23
wähnt die Sache wohl, beschreibt sie aber nicht. Da, wo er
über die Anlage des venter (κοιλία) spricht, sagt er Viil 6. 6;
etiam in ventre colliquiaria^ sunt facienda, per qaae vis Spiritus
relaxetnr. Plin. hat dieselbe Nachricht in folgender Form : 31,58
in anfractu omni colliquiaria^ fieri, ubi dometurimpetus, necessariom
est. Das Wort colliqoiaria, welches durch diese Uebereinstimmung
von Yitruv und Plinius gesichert ist, kann nur von colliquesco abge-
leitet werden, das sich bekanntlich auf die Gusstechnik bezieht. Die
beiden Stellen würden also sachgemäss übersetzt lauten: In den
Partien der Leitung, wo in Folge des Gefälles und Wiederan-
eteigens ein stärkerer Druck auftritt, muss man, um den Druck
aufzunehmen, stehend gegossene Röhren mit proportional zur
Drackhöhe wachsender Wandstärke einfügen. So erklärt sich
nun auch ganz einfach eine Sache, die bisher immer besondere
Schwierigkeit gemacht hat und die natürlich auch von Schultz
und Ussing gegen den Techniker Vitruv vorgebracht worden ist
nämlich die gleichmässige Wandstärke der in der oben angeführten
Stelle erwähnten Röhren. Diese Wandstärke kann man aus den
vorliegenden Angaben ermitteln. Es ergiebt sich daraus, dass
ein Plattenetreifen von 10 Fuss Länge und der Breite eines
römiechen Digitus 12 römische Pfunde wog. Da der Digitus
aber 18,5 mm, der Fuss 296 mm und das römische Pfund 327,5 gr
beträgt, so erhalten wir also pro qcm Oberfläche ein Gewicht von,
12 . 327,5 . 1000
ττττ 7:^r;i rxgr = 71,71 gr.
18,5 . 296 . 10* ' *
Dividirt man nun diesen Betrag durch das specifische Gewicht
des Bleies =11, 376 — 11,42, so findet man die Dicke der Platten
mit 6,3 — 6,2 mm. In den Aufzeichnungen Bassels über die
pompejanische Wasserleitung, die derselbe mir in liebenswür-
digster Weise für diesen Zweck zurJYerfügung gestellt hat, findet
sich eine ganze Reihe * von Röhren der verschiedensten Kaliber
Terzelchnet, deren Wandstärke er zu circa 6 mm angiebt, stärkere
finde ich überhaupt nicht und nur einige wenige von geringerer
Plattenstärke, z. B. 2,5 mm und 4 mm, die ofi^enbar aber nicht
Wasserleitnngsrohre im strengen Sinne, sondern Abwässer- oder
Regenfallrohre waren, d. h. also Rohre, die nie mit innerem Drucke
belastet waren. Ebenso habe ich selbst Gelegenheit gehabt, eine
Reihe von solchen Röhren im Museo civico zu Bologna zu unter-
^ GH colliviaria.
• oodd. oolliquinaria. Vgl. Gundermann bei Rose Vitr.* Schlass-
anmerkung. Ich habe übrigens diese Richtigstellung selbständig uud
vorher gelonden.
^ Degering
snelien. Auch dieee eiod hst dorcbweg τοη gleicher Wandstirke,
ich fend im Durcbecbnitt circa 7J5 mm, doch waren dieeelben
innen wie aneeen mit einer starken Sinterecbicht üherzo^n, po-
daeR sich wohl für die reinen Bleirohre dieselbe Stärke von
6 3 mm ergeben wird. Eine Eigenthnmlichkeit zeigte sich jedocb,
nämlich die, dass der übergeschlagene Rand der Platten ver-
stärkt war; ich mass hier bis zn 12 mm.
Nach alle dem darf man also wohl behaupten, dass die
rleichmissige Plattenetärke von circa 6,25 mm =^ 1 römischer
sicilicQS ffir die gelötheten Wasserrohre, ganz wie Vitmv berichtet,
allgemein gebräochlich war. Diese anf den ersten Blick vielleicht
verwunderliche Thatsache findet ihre Erklärung darin, dass die
Widerftandsf&higkeit solcher Röhren ihre änssertte Grenze selbst
bei den grössten gebränchlicben Kalibern, der Centenaria mit
einem Durchmesser von 55 cm', wohl nicht in der Plattenstärke«
sondern in der Löthnaht fand, und andererseits solche Röhren
eben nur unter geringeren Druckverhältnissen Verwendung fanden,
während man dort, wo man eben über normale Druckverhältnisse
hinausgehen musste, coUiqniaria verwendete. Bassel versichert,
dass eine Inanspruchnahme solcher gelötheten Röhren mit mehr
als 5 m I>ruckhÖhe, die ungefähr einem halben Atmosphären-
druck entsprechen würde, wohl kaum bei den gewöhnlichen
antiken Leitungen überschritten worden sei. Nach einer durch
die PfAxif* gefnndenen Formel, welche im Taschenbuch des In-
genieurs (Hütte) 18β3. S. 233 mitgetheilt ist, gilt für Röhren mit
innerem Druck die Formel : b -» Va ^ | + c,
wo b die Wandstärke,
d der innere Durchmesser in cm,
ρ der innere üeberdruck i in kgr
k die zulässige Belastung > pro
(Zugfestigkeit) \ qcm,
0 (eine Constante) für Blei 5,5 mm
bedeutet. Demnach würde also eine Centenaria Vitruvs (von
der Naht abgesehen) bei einer Plattenstärke von 6,8'mm, einem
Inneren Durchmesser von 55 cm und einer zulässigen Belastung
des Bleis von 62kgr^ (Koppe, Physik 1887 S. 9) pro qcm, f^r
den Inneren iJeberdruck
1 U'w /iigf#«ti(rkeit des Bleies wird übrigens sehr Terschieden ange-
f eben m» %, IK in Meyert Convers.-L. auf mehr alt das Doppelte nämlich
IdH kfrr* fla^Jurch würde das Yerbäliniss natürlich noch ein günstigeres.
üeber den Verfasser der X libri de Architectura 25
ρ =124^^^^= 1,7225 kgr pro qcm
DD
ergeben d. b. also eine eolcbe Röbre (resp. ibre Wandnng)
würde einen mebr ale dreifacben Druck aaezabalten im Stande
sein, ale oben angenommen wurde; ob aucb die Lötbnabt dieser
Kraft gewacbeen sein würde, ist nur durcb praktiscbe Versuebe
zu entscbeiden. Jedenfalls bing bier aucb viel von dem Masse
der Sorgfalt ab, mit dem dieselbe ausgefübrt wurde.
Soviel ist aber obne Weiteres sieber, dass der Vorwurf,
welcben Sobultz und üssing gegen Vitruv erbeben, dass es un-
gereimt sei für die Röbren mit grossem und kleinem Querscbnitt
dieselbe Plattenstärke vorznscbreiben, völlig gegenstandslos ist,
und eben nur ibre Unkenntniss der Tbatsacben antiker Praxis
beweist.
s Man braucbt nun aber keineswegs anzunebmen, dass die
Vitruv'scben Gewicbtsangaben durcbans als absolute Wertbe an-
zueeben seien, sondern es scbeinen vielmebr Minimalsätze zu
sein, die er giebt. Er meint eine Quinaria von 10 Fuss Länge
soll mindestens 60 Pfd., eine Denaria mindestens 120 Pfd.
wiegen u. s. w.; denn dadurcb wird die erforderlicbe und tiblicbe
Plattenstärke von einem Digitus gewäbrleistet. Die Gleicbmässig-
keit derselben war also praktisob insofern von grossem Wertbe
als sie eine leicbte und sicbere Controlle darüber durcb das
Gewicbt ermöglicbte, ob die Röbre aucb die recbte Stärke batte.
Eine Differenz von ^/jq mm, die durcb Messung sebr scbwer zu
constatiren ist, würde für die Centenaria scbon eine Gewicbts-
differenz von 20 Pfd. ausmacben und selbst bei einer Quinaria
scbon 1 Pfd. betragen, d. b. also mit Leiobtigkeit zu constatiren
sein. Es ist also aucb bier Vitruv durcbaus der Praktiker.
leb komme nun zu dem Verbältniss zwiscben Vitruv und
Frontin tpeciell. Sobultz und mit ibm üssing bebaupten, dass
das, was Vitruv über das Quinarsystem bericbte und mit ibm und
ans ibm Plinius, die Epitome und Palladius, nicbt zu dem stimme,
was Frontin gewissermassen officiell darüber mittbeile. Um
diese Ansiebt zu prüfen, ist es notbwendig, den Gedankengang
Frontine von §24 — 31 genauer zu verfolgen. Er sagt: Die Wasser-
moduli ricbtete man zuerst ein nacb dem Digitus oder naob dem
üozenmass; der nacb dem Digitalmass bestimmte Modulus gilt
in Campanien und den meisten Orten Italiens, der nacb der
Unze bestimmte in einem Tbeile von Latium (oder wie man
sonet die vorhandene Cormptel ergänzen will) nocb beute» Mo^iv
*i DegeriDg
ODtereefaeidet zwischen Digitns qnadratne und Digitus rotandoe.
I>«f Verbältnies beider ist 14 : 11 (er rechnet also wie Vitr.
22\
Spater wurde (in Rom natürlich) ein Modulue eingeführt,
der weder von der Unze noch von einem der beiden Digiti
(rotundue und qnadratue) ausging, wie die Einen sagen dnrch
^grippa, wie die Anderen sagen dnrch die Bleirohrfabrikanten
unter der Vermittlung des Architekten Vitruv^, und gelangte in
der Stadt zu ausschliesslicher Herrschaft, derselbe (Modulus)
wurde Quinaria benannt. Und zwar behaupten die, welche seine
Erfindung dem Agrippa zuschreiben, dass er deshalb so benannt
sei, weil 5 alte moduli nunmehr zu einem Bohre zusammen-
gelegt wurden ; die aber, welche Vitruv und die Bleirohrfabrikanten
als Urheber ansehen, behaupten, der Name leite sich davon abf
dass eine Blei platte von 5 Digiten Breite, zu einer Röhre zu-
sammengebogen, gerade diesen Modulus hervorbringe. Aber das
ist doch nur eine unsichere Bestimmung, da die Innen-
seite der Platte, wenn dieselbe rund gebogen wird,
zusammengedrückt (verkürzt), die Aussenseite da-
gegen ausgezogen (verlängert) wird. Die wahrschein-
lichste Annahme ist die, dass die Quinaria nach einem Dnroh-
messer von Y4 Fingern benannt ist, und diese Erklärung passt
auch für die folgenden moduli bis zur vicenaria, indem bei jeder
höheren der Durchmesser um V4 Digitus wachst.
§ 26 folgt dann eine Bestimmung der Grössenverhältnisse
der Quinaria, Unze, Digitus quadratus und Digitus rotundus, wobei
die Quinaria als Einheit gesetzt wird.
Es wird gesetzt
Quinaria Unze^ Digitus quadr. Digit. rot.
1 Hü Ve *»/8β
1,13777... 0,83333 . . 0,63888 . .
genauer genauer genauer
1,137731 0,8145 . . 0,64
1 Modulus bedeutet hier das Nonnalmaes des an Private abge-
gebenen WasBerquantums, nicht aber die beiden oben angeführten Maas-
einheiten, vielmehr, wie aus dem Verhältnies hervorgeht, nur einen
Bruchtheil und zw»r entspricht ungefähr V4 Dig. quadr. der angre-
fnhrten Bedingung.
' Die Verl)e88erung des Polenus ist die richtigere. Frontins An-
gaben sind Näherungswcrtbe nach dem römisch-technischen Bruchsystem.
Ueber den Verfasser der X libri de Architectura 27
Im Uebrigen ivacbeen nun die (officiellen) modnii» welcbe auf
der Quinaria bernhen, von da aus auf zweierlei Weise an. £in•
mal 80, daee die Quinaria selbst multiplicirt wird, d. b. wenn in
ein und derselben liebten Rohrweite mebrere Quinarweiteu zu•
samniengefaset sind, wobei die liebte Weite wäcbst im Verbält-
nise zu der Anzahl der hinzugefügten Quinarien. Dieses System
wird dann gewöhnlich angewendet, wenn die Abgabe mehrerer
Quinarien (als das Mass des an Private abgegebenen WaRser-
quantums vergl. vorher § 25) neu bewilligt und diese, damit
nicht eine mehrfache Anbohrung der Hauptleitung nöthig wird,
in einer Rohrleitung vereinigt und zu einem Castel geleitet wird,
von dem aus die einzelnen Abnehmer jeder sein Quantum (Qui-
naria) erhält.
Das andere System hat statt, wenn der Zuwachs der Rohr-
weite nicht nach ganzen Quinarien sich berechnet, sondern nach
dem Masse ihres Durchmessers, wonach sie dann auch ihre Be-
nennung erhält und wonach sich die Grösse ihrer Aueflussmenge
regelt: z. B. die Quinaria wird zur Senaria, wenn ihr Durch-
messer um V4 Digitus wächst. Aber ihre Capacität wächst nicht
um den vollen Betrag einer Quinaria, denn die Senaria fasst
1 Vie ^ Qninaria, und in dieser Weise wachsen nach denselben
Prinzipien je durch Hinzufügen eines Vierteid igitus zum Durch-
messer, wie schon vorhin erwähnt wurde (§ 25), die Septenaria,
die Octonaria u. s. w. bis zur Vicenaria an.
Von hier ab aber tritt ein anderes Rechnungsprinzip ein,
nämlich jenes, das nach der Zahl ^ der Quadratdigiti rechnet, die
in dem Querschnitt, d. h. in der lichten Rohrweite, eines jeden
Modulus enthalten sind, und nach diesen Zahlen werden dann
die Röhren (moduli) benannt. Denn eine solche Röhre, welche
einen Querschnitt von 25 in eine Kreisfläche verwandelten^
Quadratdigiten hat, heisst eine 25er Röhre, in ähnlicher Weise
eine 30er und so der Reihe nach mit dem gleichen Zuwachs
von je 5 Quadratdigiten bis zur 120er Röhre. Bei der 20er
^ Das ist auch wieder nur ein Näherungswertb nach dem tech-
nischen Brachsystem; genau musste es heissen l^V»•
' Ussing S. 111 behauptet unter ausdrücklicher Berufung auf
diesen Paragraphen: 'Bei grösseren Massen, vicenaria bis centenum
vicenum rechnete man aber nicht nach Durchmessern sondern nach
Ereisumfängen.
' Statt coacti lese ich coactos sei. digitos quadratos viginti
qninque cf. S. 14, 25 digitus quadratus in rotundum redactus.
28 Degering
Röhre, welche auf der Grenze beider Rechnangsmethoden liegt,
treffen beide annähernd zu. Denn nach der Rechnung, welche
bei den vorangehenden (d. h. qainaria bis vicenaria) Modalen
zur Anwendung kommt, hat sie im Durchmesser ^^/4 Digiten^
(und) da nun ihr Durchmesser also 5 Digiten beträgt, so hat
sie auch gemäss der Rechnungsmethode der Moduli, welche nach-
folgen (vicenaria — centenum vicenum), einen Querschnitt, der
nur um ein ganz geringes kleiner ist als 20 Quadratdigiten '. So
wie wir hier also auseinandergesetzt haben, verhält ee eich mit
dem Röhrensystem von der Quinaria bis zur 120er Röhre, und
dieses ist dann in allen seinen Theilen consequent Ausserdem
passt es auch zu den Rohrweiten, welche durch die Ausfiihrangs-
bestimmungen unseres glorreichen und erhabenen Herrschers ge-
setzlich festgelegt worden sind. Mag man also Gonsequenz oder
Autorität von einem System verlangen, so zeichnet sich in beiden
Beziehungen das System der Ausführungsbestimmnngen vor anderen
aus. Soweit Frontin ! Aus diesen Ausführungen geht nun aber
Folgendes hervor:
Erstens: Vor der Einführung der Quinaria rechnete man
nach anderen Systemen, aber alle diese Systeme stimmen darin
überein, dass sie die Ausflussmenge nach dem Querschnitt der
Röhre bestimmen^.
Zweitens: Die Quinaria stammt aus der Augusteischen Zeit.
Drittens : Zu Frontins Zeiten wusste man den Urheber
dieses Systems nicht mehr mit Bestimmtheit zu nennen, und war
sich auch nicht mehr über den Ursprung des Systeme und seiner
Benennung klar.
Viertens: Den beiden herrschenden Aneichten über den Ur-
sprung der Benennung stellt Frontin eine dritte gegenüber und
zwar deshalb, weil es ihm darum zu thun ist, das von seinem
Gönner und Kaiser (Nerva) wohl unter Frontins eigener Mit-
* Die einzige Aenderung welche nöthig ist, ist ein et vor cum
einzusetzen.
11 24
2 Nach § 24 — -^- = 19,H43 Quadratdigiten. Nach den heutigen
π . 25
math. Rechnungsmethoden — ^ also etwas weniger: 19,63495.
^ Von der Thatsaohe, dass die Ausflussmenge auch wesentlich
von der Druckhöhe (d. h. der Höhe des Wasserspiegels über der Aus-
flusBÖffnuiig) abhängig ist, scheint das Alterthum nur eine angenügende
Vorstellung gehabt zu haben. Vgl. Frontin I 35.
Ueber den Verfasser der X libri de Architectura 29
irkung durch ein Ausfübrungegeeetz festgesetzte System als
tionell za erweisen.
Fünftens: In diesem System erscheint Altes und Neues ge-
iecbt. Neu ist der auf der Zählung von Digitalquadranten des
irchmeesers beruhende Systemabsobnitt von der Quinaria bis
ir Vicenaria, alt dagegen und auf das vor dem Augusteischen
ainarsystem übliche System der Digiti quadrati zurückgreifend
t der übrige Theil.
Um aber diese Mischung homogen zu verbinden durch das
ittelglied der 20 er Röhre, ist eben die neue Erklärung er*
nden.
Die Quinaria Frontins ist selbstverständlich genau dieselbe
8 die Yitruvsche. Dieselbe war als Normalmass für die Wasser-
)gabe an Private gesetzlich eingeführt^, und hatte sich wohl
β ausreichend erwiesen. Eine Aenderung hierin wäre also schon
egen der vielen £inzelanschlüsse, die hätten geändert werden
Ü88en, eine missliche Sache gewesen. Es geht das aber auch aus
in Worten Frontins (§ 25) hervor, denn wenn er nach den
$iden anderen Erklärungen fortfährt: maxime probabile est,
linariam dictam a diametro quinque quadrantum, so will er
tmit doch offenbar nur eine dritte Erklärung für dieselbe iden-
9che Sache geben. Zum Ueberflusse lässt sich aber auch noch
chnerisch die Identität der Yitruvschen (Augusteischen) Quinaria
it der Frontinschen nachweisen. Wenn man eine Platte rund
egt, so dass sie eine Röhre bildet, so ist der innere Durch-
eeser dieser Röhre offenbar nicht gleich der Breite der Blei-
atte dividirt durch π, sondern genau »um eine Plattenstärke
iringer, weil die Krümmungsaxe der Platte in der Mitte der-
Iben liegt und, wie Frontin (§ 25) richtig bemerkt, die äusseren
;hichten gedehnt, die inneren dagegen zusammengedrückt werden.
ie Plattenstärke haben wir aber oben auf 6,25 mm berechnet,
id da die Breite der Platte 5 Digiti beträgt, so ist also der
nere Durchmesser
= (^'--6,25)min = 23,l
mm.
ach Frontins System ist aber der innere Durchmesser ^/4 Di-
ten = 23,125 mm.
* cf. Frontin II 106. aus einem Gesetz: neve cui eorum, quibas
[ua daretur publice jus esset intra quinquaginta pedes ejus castelli
; quo «quam ducerent laxiorem fistulam subicere quam quinariam.
30 Degering.
Daza ist aber noch Folgendes zu bemerken: Die grosee
Genauigkeit, welche Frontin hier für die Kaliber der Bohrleitiingen
in Anspruch nimmt, ist de facto bei der Flerstellungeweiee der
Röhren garnicht möglich, da der Querschnitt derselben infolge
der Löthnaht kein kreisrunder war. Eine solche Genauigkeit war
nur möglich bei den Calices d. h. den (gebohrten oder ge-
gossenen) kurzen Bronzerohren, welche in die Wand eines Ga-
stelles eingelassen wurden und an die dann erst die Leitungs-
röhren anschlössen. Diese Calices mussten, wie wir durch Frontin
(Π 105) erfahren, seit Claudius geaicht werden, um absichtliche
oder unabsichtliche Uebervortheilung einzelner Wasserempfänger
auszuschliessen, und bei dieser Gelegenheit mag dann auch die
endgültige Fixirung der Quinaria auf den Durchmesser von
V4 l^igi^en stattgefunden haben, da eine Prüfung der kreisrunden
Oeffnungen der Calices natürlicherweise am leichtesten und sicher-
sten durch Messen des Durchmessers ausgeführt werden konnte.
Schultz und Ussing begehen also einen Fehler, wenn sie
dieses Aichungsprinzip auch auf das Vitruvsche System über-
tragen. Dieses war seinem Ursprung und seiner Bestimmung
nach nur ein in Rücksicht auf die Fabrikation und den Handel
der Röhren ersonnenes, während dem neuen Systeme andere
juristische Motive zu Grunde lagen, welche die gesetzliche Rege-
lung und Ueberwachung der Wasservertheilüng bezweckten. Beiden
gemeinsam war nur der gleiche Ausgangspunkt, die Quinaria.
Für die Wasservertheilüng selbst war das Vitruv'sche System
dagegen nicht sehr geeignet, dieser Vorwurf trifilt aber den ersten
Theil des offiziellen Frontin^schen Systems in dem gleichen Masse,
da sie beide auf einem gleichmässigen Zuwachs einer linearen
Grundlage (Umfang, Durchmesser) beruhen, dem nur dann ein
rechnungmässig einfacher Zuwachs des Querschnittes entspricht,
wenn der Zuwachs der linearen Grundlage einer Verdoppelung
oder Verdreifachung u. s. w. entspricht.
Es ist nun aber wunderbar, dass dieses Frontin*eche neue
System gerade da wieder aufhört, wo es eigentlich an fängt[prak tisch
verwerthbar zu werden, nämlich von der Vicenaria an, von der
aus immer in solchen Stufen von 5 zu 5 Einheiten aufgestiegen
wird, und wir gerade hier das alte vor-Vitruv'sche System in Gel-
tung sehen, das zu der Quinarie nicht in einfachem rechnerischen
Verhältniss steht. Es zeigt uns dieser Umstand recht deutlich, was
das neue System eigentlich bedeutet. Offenbar hatte die Quinaria,
allein von dem ganzen Vitruv'schen System als das Grondmaes
tJeber den Veriaseer der X libri de Architectora Sl
der Wfieeerabgabe geeetzliche Gültigkeit und Anerkennung ge-
funden, dagegen war im Uebrigen das alte Mass des Digitue qua-
dratue in Gebrauch geblieben, wenn sich auch daneben ein Usus
entwickelt hatte, nach Multiplen der Qninaria zu rechnen (of.
Front. 27). Dae neue System iet nichts weiter als ein Versuch,
diese Maessysteme mit einander zu verknüpfen, und dieser Ver-
such ist nur in recht äusserlicher Weise durchgeführt durch das
Mittelglied der Vicenaria, in der beide Systeme zufällig annähernd
zusammentrafen.
Das Vitruv'sche System, das, wie wir vorhin erörtert haben,
eigentlich nur einen handelspraktischen Werth hatte, konnte neben
diesem juristischen Masssystem, das sich auf die Aichung der
Calices bezog, ruhig nebenher bestehen und wird auch weiter be-
standen haben, denn so unpraktisch werden weder Faventin noch
Palladius gewesen sein, dass sie ihrer Quelle etwas entnahmen,
was für ihre Zeit werthlos gewesen wäre. Man sieht, es ist
auch hier kein Grund zu irgend welchen Vorwürfen gegen den
Techniker Vitruv.
Dass man S. 207, 2 mit Rose sicilico statt semipede schreiben
niusB, ist eigentlich so selbstverständlich, dass man sich wundern
muss, wie Jemand dagegen überhaupt etwas einzuwenden haben
kann ; wenn je eine Conjektur richtig war, so ist es diese. Dass
die Verderbniss alt ist, beweisen die £pitome und Palladius, die
pede semis beziehungsweise sesquipede haben. Die Erklärung,
die Ussing von der Palladiasstelle giebt, ist unmöglich, denn
sensim heisst nicht um ein Geringes sondern allmählich,
nach und nach. Ans der Epitome und aus Palladius ist eben
der Fehler nicht mehr wegzubringen, da sie ihn bereits über-
nommen hatten.
Ueber die Stellen im 33. Buche würden wir nach dem
oben begründeten Standpunkte hinweggehen können, da wir un-
bedenklich zugeben können, dass die hier vorkommenden Paral-
lelen nicht aus Vitruv stammen. Es würde auch wunderbar sein,
wenn Plinius gerade für die Farben Vitruv als Quelle benutzt haben
sollte. Plinius weiss hier auch viel mehr als Vitruv. Er kennt
zwei Arten von Minium, den Bergzinnober und die Mennige, die
durch Rösten von Bleioxyden hergestellt wird. Er weiss, dass
mit dem zweiten in Rom Schwindel getrieben wird, indem es statt
des echten Zinnobers verkauft wird. Er fällt aber trotzdem auf
dieselben Schwindelproben hinein, welche die Güte des echten
Zinnobers beweisen sollen, aber nur dür die Mennige zutrefifeni
32 Degering
und auf die auch Vitruy hineingefallen ist, der den ünterecbied
zwiechen Bergzinnober und Mennige überhaupt nicht kennt
Dass bei Plinius 121 mit invenio et caice adolterari eine
neue Quelle einsetzt und zwar dieselbe, die auch Vitruy benutzte,
liegt auf der Hand. Die Stelle bei Plinius lautet: invenio et
calce adulterari, ao simili ratione ferri oandentis lamna, ei non
sit purum (aurum codd.) deprehendi. inlito solis at^ue lunae
contactus inimicus, remedium ut pariete eiccato cera Punica cum
oleo liquefacta candens saetis inducatnr iterumque admotie gallae
(sie codd.) carbonibus inuratur ad sudorem neque, poetea cande-
lis subigatur ac deinde linteis puris, sicut et marmora niteecunt
Dem entspricht bei Yitruv: Vitiatur mininm admixta
calce. Itaqne si qui velit experiri id sine vitio esse, sie erit
faciendum. Ferrea lamna sumatur, eo minium imponatur, ad ignem
conlocetur donec lamna candescat. Cum e candore color mutatus
fuerit eritque ater, tollatur lamna ab igni et sie refrigeratum ei
restituatur in pristinum colorem, sine vitio esse probabitur, sin
autem permanserit nigro colore, eignificabit se esse vitiatum,
und die Geschichte vom Faberius scriba — at si qui sub-
tilior fuerit et voluerit expolitionem miniaceam suum colorem
retinere, cum paries expolitus et aridus fuerit, ceram punioam
igni liquefactam paulo oleo temperatam saeta inducat, deinde poetea
carbonibus in ferreo vase compositis eam ceram a proximo cum
pariete calfaciundo sudare cogat, faciatque (fiatque codd.) ut
peraequetur, deinde tunc candela linteisque puris subigat, uti eigna
marmorea nuda curantur.
Nicht Plinius ist aber der genauere, sondern Vitruv. Mennige
erhitzt, wird schwarz und wird wieder roth, so bald sie sich ab-
kühlt, ob ein Kalkzusatz irgend welcher Art stattfindet, sei
es Calciumhydrat, kohlensauer Kalk oder Gyps, das macht, wie
ich selbst probirt habe, nichts aus. Zinnober dagegen, mit oder
ohne diese Zusätze, zersetzt sich bei der Erhitzung und bildet
ein schmutzig- dunkelbraunes Pulver, das nicht wieder roth wird
beim Erkalten. Die Probe ist also offenbar nichts weiter als ein
Schwindel seitens der Mennige-Fabrikanten. Vitruv hat davon keine
Ahnung, sondern hält die Mennige wirklich für echten Zinnober,
Plinius aber, der den Unterschied kennt, da man offenbar in-
zwischen und wohl erst seit kurzer Zeit hinter diesen Fabrika-
tionsschwindel gekommen war (hoc est secundarium minium per-
quam paucis notum ΧΧΧ1Π 119) sündigt aus ürtheilslosigkeit,
wenn er trotzdem diese Schwindelproben aufnimmt
üeber den Verfasser der X libri de Architeotara 33
Aaeh im zweiten Theile kann es eich de facto nur um
Mennige /handeln, die unter Mitwirkung des Sonnenlichtes durch
die ammoniakhaltigen Ausdünstungen der Abortgruben, woran es
im Plebejerviertel Korns wohl nicht gefehlt haben wird, allmählich
zersetzt wird. Die von Vitruv und Plinins beschriebene Sohutz-
decke von Wachs ist jedenfalls als Mittel dagegen sehr zweck-
mässig. Für die Erklärung der Plinianischen Fassung! füge ich
noch hinzu, dass gallae Dativ sein muss und nicht Genetiv.
Admotis gallae carbonibus ist gleich admotis carbonibus ad gallam
nnd galla bedeutet die Haut, die Oberfläche. In dieser Be-
deutung existirt das Wort noch heute im Italienischen in sprich-
wörtlichen Redensarten siare α galla^ rimanere α galla. Es findet
sich aber auch bei Maorobius.
Die Stelle U 6 lautet folgend ermassen: Post hunc Caecina
Albinus Plauens in judicio forte amici cum molestum testem
destrnere vellet, interrogavit, quia sutorem sciebat, quo artificio
se tueretur. ille urbane respondit gallam subigo, sutorium hoc
habetur instrumentum quod non infacete in adulterii ezprobrationem
ambiguitate convertit. nam Plauens in Maevia Galla nupta male
audiebat. Macrobius kennt also das vulgäre Wort offenbar, selbst
nicht, denn das, was er davon sagt sutorium instrumenlum Jiabetur,
ist sicherlich falsch, denn für eine solche Bedeutung haben wir
sonst nicht das geringste Zeugniss ; auch passt die Construktion
des Witzwortes ja garnicht dazu — gallam subigere kann doch
nur heissen ^etwas glattstreichen d. h. entweder etwas (eine
Tinctur) auf einen Gegenstand durch Streichen glatt aufbringen
oder etwas (einen Gegenstand) durch Streichen glätten. Die
richtige Pointe des Witz wertes ergiebt sich eben erst wenn
galla die Haut, das Leder bedeutet. Mit Galläpfelsaft arbeitet
nicht der Schuster, sondern der Gerber. Wohl aber ist das
Walken des Leders eine wesentliche Beschäftigung des Schusters.
Im 35. Buche hört selbstverständlich das Capitel über das
Atramentum 41. 42 nicht zu dem aus Vitruv entnommenen Gute,
die Benutzung beginnt erst da, wo wirklich Vitruv als Autorität
in Frage kommt, nämlich bei dem Capitel über die Ziegelfabrikation
170—173.
Vitr. Π, 3, 1 codd. Plin. 35, 170 f. codd,
non enim de harenoso neque Lateres non sunt ex sabuloso
calculoso luto neque sabulonoso neque harenoso multoque minus
luto sunt duoendi quod ex calculoso ducendi solo —
bis generibus etc. (Begründung),
Kbeio. MuB. t Philol. N. V. LVU. '^
34 Degering
faciendi autem sunt ex terra sed e cretoso et albioante aut
albida cretosa sive de rubrica ex rubrica vel etiam e sabulo,
aut etiam masculo eabulone. mascnlo certe.
Die Uebereinstimmung beider Stellen ist so gross, dass wir
die handschriftliche Lesung der einen aus der anderen berichtigen
können. Bei Vitruv ist mit Rose statt sabulonoso luto, eabulone
soluto zu schreiben cf. VIII 1, denn ihm wird ein anderer sabulum
oder eabulo nachher bei Plinius und Vitruv entgegengesetzt. Bei
Plinius ist das sinnlose certe am Ende zu streichen uud dafür
hinter rubrica creta einzusetzen, das vom Rande her an falscher
Stelle eingesetzt und zu certe verderbt worden ist. rubrica allein
stehend ist der rothe Ocker, ein Farbstoff. Bei Vitruv ist zu
rubrica terra cretosa^ bei Plinius solo zu cretoso et albicante (im
Gedanken) zu ergänzen.
Wovon hier aber die Rede ist, das ist nur der ungebrannte
Ziegel, der Luftziegel und Nichts weiter. Das ganze Capitel
Vitr. 11 3 handelt nur von solchen, aber ebenso auch Plinius
170 — 173. Eine Verwechslung von gebrannten und ungebrannten
Steinen ist von Seiten Vitruvs sowohl wie von selten Pliniue'
völlig ausgeschlossen. Das Material des Palastes des Mausolus
und des Palastes der Attaliden muss also eben der Luftziegel ge-
wesen sein. Ussing freilich, obwohl er S. 113 ausdrücklich an-
erkannt hat, dass der ganze Abschnitt nur von Luftziegeln rede,
hat das auf der folgenden Seite bereite vergessen, und meint,
Plinius gehe hier (§ 171) stillschweigend zu gebrannten Steinen
über. Noch weniger thut das aber Vitruv in den entsprechenden
Partien II 8, 9 — 17, denn er setzt der latericia structura am
Schlüsse derselben ausdrücklich die structura testacea gegenüber,
deren Verwendung er hier und im Folgenden auf Pfeiler und
einen oberen Schutzrand für Luftziegelmaiiern beschränkt wissen
will, während er den Backsteinmauerbau nur mit vorsichtiger
Reserve empfiehlt. Vitruv sagt: De ipsa autem testa si sit op-
tima seu vitiosa ad structuram statim nemo potest judicare, quod
in tempestatibus et aestate (aetate Rose) in tecto cum est conlo-
cata, tunc si est iirma probatur. namque quae non fuerit ex
creta bona aut parum erit cocta, ibi se ostendit esse vitioeam
gelicidiis et pruina tacta. ergo quae non in tectis poterit pati
laborem, ea non potest in structura oneri ferendo esse firma.
quare maxime ex veteribus tegulis testa structi parietes firmitatem
poterunt habere.
Ich habe Gelegenheit gehabt, in Rom und Pompeji genauere
Üeber den Verfaseer der X libri de Architectura B5
üntersuohungen über den Umfang and die Entwickelung des
Backstein banes anzustellen and bin dabei zu dem für mich nicht
überraschenden Resultate gekommen, dass die Vitruy'schen Be-
merkungen absolut richtig sind. Wenn man dieselben freilich
mit Ussing so auffasst, als behaupte Vitruv, man solle die zu
einem Bau zu verwendenden Backsteine erst auf dem Dache deu
Unbilden der Witterung aussetzen und sie so prüfen, so wäre
das freilich eine Thorheit, die eines Architecten und Fachmannes
durchaus unwürdig wäre. Aber diese Thorheit begeht eben nicht
Vitruv sondern neuere Erklärer, wie Schultz und Ussing. Vitruv
sagt nur, dass das beste und sicherste Material für Backstein-
mauern aus alten Dachziegeln genommen würde, da diese bereits
auf ihre Festigkeit und Wetterbeständigkeit geprüft seien, während
man bei frisch gebrannten Steinen nie wissen könne, ob sie aus gutem
Material hergestellt und richtig gebrannt worden seien, also sich
haltbar erweisen würden. £r traut dem Backsteinbau also noch
nicht. So kann natürlicherweise ein Architekt cur schreiben, wenn
zu seiner Zeit wirklich der Backsteinbau ernt in ganz geringem Um-
fange zur Verwendung gelangt und es an der nöthigen Erfahrung
diesem Material gegenüber fehlte. Dass dem aber zu Augusteischer
Zeit so war, lässt sich mit Sicherheit nachweisen.
So lange man freilich die Pantheonsrotunde für agrippinisch
also augusteisch ansah, hielt es schwer, sich mit diesem Passus
abzufinden, jetzt aber wo daran kein Einsichtiger mehr glaubt,
wird man vorurtheilsfreier dieser Frage gegenüberstehen. In
Pompeji, um mit dem Sichersten zu beginnen, sind die meisten
mit Hilfe von gebrannten Ziegeln hergestellten Bauten später als
das Erdbeben. Namentlich wo es sich um ganze Wände aus
Ziegelmaterial handelt, wie beim Vespasianstempel, beim Hause
der Eumachia, den Gurien, sind diese Wände stets nach 63
zu datiren. Α elter sind in einigen wenigen Fällen Pfeiler und
Säulen oder auch Eckwandpfeiler und Thüreinfassungen. Das
Material hierzu ist aber in Pompeji ausnahmslos Dachziegel-
bruchstein, niemals besonders geformter Mauerziegelstein. Auch
die Ziegelsäulen der Basilika sind meiner Ansicht nach nicht aus
besondere geformten und dann gebrannten Steinen gebaut, sondern
die Stücke sind ebenfalls aus solchen Ziegeln znrecht geschlagen,
wie sie in der Basilika auch sonst gefunden sind, mit dem Stempel
BhTTVTT IH. Das beweist die übereinstimmende Dicke und die
absolute Regellosigkeit in der Grösse der Stücke, aus denen die
Säulen zusammengesetzt sind, die sich doch beim Gebrauche einer
Form garnicht er-
kl&ren ]ieeee. Eben-
so sind anch die
Pfeiler und Ant«n
der ZwiecbeDW&nd
Ewieohen Torhalle
und Hanptratiin λοβ
Bolchem Ziegelmate•
rial anfgeftthrt. fiaod-
otiicke nod Stücke
mit ReBten obiger lo-
Bohrift beweieen daa
mit abiolnter Sicber-
beit. Vielleicht ver-
wendete man bier
den Äbfoll, der sich
bei der Znrichtnng
dee Süalenmateriala
ergab. Wirklich ge-
formtes Ziegelmate-
rial findet eioh nnr
in den Boden lagen
nnd zwar in den Pfei-
lern and Platten der
HypokaoBten and in
den tegniae ' hamatae
1 £■ liegt keine Ter-
anlaaenug daEnror.du
überlieferte amataeB
hamatae bei Yttmr nnd
Plinioi 36 in mamma-
tae EQ corrigiren, e•
giebt iowobl hamatae
wie memmatae tega•
lae; beide Arten kann
man in den Pompe-
janer grossen Ther-
men beobachten. Die
tegulae hamatae Bind
Platten, welche an je-
der Ecke einen Zapfen
Ueber den Verfasser der X libri de Architeotara 37
und mammatae der Luftheizungen, die ja aber auch auedrücklich
als eine nene Erfindung jener Zeit bekannt eind. Eigenartig ist
das Verfahren, das man in Pompeji bei der Construction von
Bogen aus solchem Ziegelbruch angeblendet hat z. B. bei den
Backöfen.
Hier sind die seitHch aufgebogenen Ränder der Ziegel,
welche nach der oberen Untereteckeeite zu schmäler werden, in
der Vorderfläche des Bogens so neben einand ergestellt, dass ihre
keilförmige Gestalt sich in natürlicher Weise der Krümmung des
Bogens anpasst. Aber, um das noch einmal zu wiederholen, stets
fand ich nur Dachziegelbruchstücke verwendet, nie ganze Ziegel
oder gar eigens zu dem vorliegenden Zwecke geformtes Material.
Ebenso ist es aber in Rom in Augusteischer Zeit, und wenn
hier auch wohl früher als in Pompeji Mauerziegel geformt
wurden, so glaube ich doch mit aller Bestimmtheit behaupten
zu dürfen, dass auch in römischem Ziegelwerk vor der zweiten
Hälfte des 1. nachchristlichen Jahrhunderte Mauerziegel nicht
vorkommen. In Rom ist dies Verhältniss ja schwerer zu über-
sehen, weil hier von Privatbauten älterer Bauperioden eben nur
wenig übrig geblieben ist, aber wo man Reticulat mit Ziegel-
pfeilern antrifft, wie z. B. neben der nova via^ in der sogen, domus
Gelotiana und dem oberen Theile der domus Liviae, da kann man
dieses Ziegelwerk bestimmt nicht über die erste Hälfte des ersten
Jahrhunderts hinaufrtioken, und hier ist ausnahmslos dieselbe
Technik angewendet wie in Pompeji. Wann das eigentliche
Ziegelmauerwerk in Italien erfunden ist, das wird sich ohne ausge-
dehntere Untersuchungen nicht feststellen lassen. Der Entwick-
lungsgang scheint der zu sein, dass man zunächst dazu überging,
Plattenziegel ohne aufgebogenen Rand herzustellen, um der Ver-
wendung der unbequemen Randstücke überhoben zu sein, dann er-
oder Haken haben, um dessen Länge sie von der Wand abstehen, an
welcher sie mittelst Bronzenagel befestigt werden. Die tegulae mam-
matae bedeuten gegen diese bamatae einen technischen Fortschritt.
Nämlich bei der Befestigung der te^fulae hamatae konnte es leicht vor-
kommen, dass man mit einem zu kräftigen Schlage den Ziegel bei
der Befestigung auf der Wand zerbrach, da der Schlag, wie man aus
der Skizze bei a ersieht, gegen eine ununterstützte Stelle des Ziegels
geführt wurde. Diesem Debelstande begegnet die Construktion der
mammatae auf das glücklichste, da hier die Schlagstelle b durch den
Zapfen verstärkt ist.
38 Degering
fand man die Auegleichangsschichten durchlaufender und duroh-
bindender Plattenreihen. Jedenfalls aber sind die Dreieckziegel
wohl kaum früher als aus dem 2. Jahrhundert. Im Ganzen
und Grossen ist das römische Ziegelmauerwerk aber, von
Pfeilern und Gurtbögen abgesehen, die aus ganzen Platten-
ziegeln mit versetzten Fugen hergestellt werden, eigentlich
immer beim Ziegelgusswerk geblieben. Der Dreieckeziegel
verdankt aber seine Erfindung offenbar der häufigen Vier-
theilung der grossen Platten durch zwei Diagonalen, wobei man
dann vier Theile mit gleichen glatten Rändern erhielt, die sich
zur Verwendung in der Aussenfläche des Mauerwerkes eigneten.
Auf die Herleitung der Ziegeltechnik aus diesen Ursprüngen
möchte ich auch die ganz unrationelle geringe Dicke des römi-
schen Ziegelmaterials zurückführen.
Hiermit ist aber wieder einem der wichtigsten Beweisgründe
Ussings gegen den Techniker Vitruv der Boden entzogen.
Dass Vitruv in dem Abschnitt über Ziegelfabrikation von
Plinius benutzt ist, dagegen können auch die kleinen Abweichungen,
die Ussing mit Oehmichen hier conetatirt, nicht beweisend sein.
Ob bei Plinius aedis Jovis et Hereulis nach Vitruv zu scbreiben
ist oder umgekehrt bei Vitruv in aedibus Jovis et Hereulis, das
lässt sich nicht entscheiden. Et Mevaniae ist nur Conjectnr von
cod. B., für die^ da die anderen Handschriften eum aevaginae
haben, andere Conjecturen, z. B. aevi magni oder ex aevo magno
oder dergl. (cf. Vitr. vetustum), vielleicht berechtigter sind.
Im 86. Buche scheidet natürlich § 47 aus der Zahl der
£xcerpte aus, da VitruΛ' dem Index nach erst gegen den Schlnss
des Buches benutzt ist und der ganze § 47 ganz wohl eine selb-
ständige Notiz von Plinius aus der Erinnerung sein kann, zu
der er eventuell die Jahreszahl in irgend einem chronologischen
Werke nachschlug. Dagegen ist von § 176 ab ohne Zweifel Vitruv
benutzt, denn die Abweichungen, die Plinius hat, lassen sich ganz
ungezwungen durch die veränderte Stellung erklären, die der Tuff
als Baumaterial inzwischen erhalten hatte, der eigentlich nur noch
im Reticulat und in Fundament-Unterbauten Verwendung findet,
während ihn aus den Pfeilern der Travertin und das Ziegelmauer-
werk verdrängt hatten. Deshalb lässt Plinius die schlechteeten
localen Tuffsorten, die Rubrae und Pallenses, ganz fort und er-
wähnt von den anderen nur die Hauptarten.
Der Stein von Statonia ist nach den im Mnseo archeologico
zu Florenz befindlichen Sculpturen zu urtheilen ein ganz heller
Ueber den Verfasser der X libri de Architectura 39
Kalkstein, der echlechterdings nicht mit dem Albaneretein, dem
Peperin, sondern nur mit dem Travertin zu vergleichen ist;
wer hier das Versehen verursacht hat, Vitruv selbst oder der
Schreiber, das dürfte schwer zu entscheiden sein. Möglich wäre
es, dass Albanae aus Tiburtinae durch Ueberschreiben von albae
entstanden ist, sodass also zu schreiben wäre colore quemad-
modum Tiburtinae albae. Liegt aber ein Versehen von Seiten
Vitruvs vor, so war e« für PliniuB nicht unmöglich, dieses Ver-
sehen zu berichtigen.
Was Plinius § 170 vom lapis dubius sagt, ist bei Vitruv
nicht auf alle Steine überhaupt ausgedehnt, wie Ussing be-
hauptet, sondern wird ausdrücklich nur von den schlechten lo-
kalen Tnffarten, speciell den Kubrae und Pallenses, gesagt. Was
Ussing hier mag gelesen haben, weiss ich nicht; noch unver-
ständlicher aber ist seine Behandlung v. Plin. 36, 173. Vitruv VIII
14 — 15. Der Passus beginnt bei Vitruv mit den Worten: sin
autem loca dura erunt aut nimium venae penitus fuerint, tunc
signinis operibus ex tectis aut superioribus locis excipiendae sunt
copiae. Dazu schreibt Ussing Folgendes: Aber er (Vitruv) spricht
nicht von Cistemen, welche er überhaupt nicht kennt, sondern
von Brunnengraben. Es sind Brunnenwände und Böden^ welche
er mit dem erwähnten Cemeutmauerwerk bekleidet, das er opus
signinum nennt. Nachdem er dies so gut wie er es gewohnt
ist beschrieben hat, da hat er rein vergessen, worüber er ge-
sprochen hat, und während Plinius von Cisternen sagt, wie es
ganz richtig ist, utilius geminas esse ut in priore vitia considant
atque per colum in proximam transeat pura aqua, schreibt Vitruv
§ 15 gedankenlos (?): ea (was?) si duplicia aut triplicia facta
fnerint uti percolationibus transmutari possint, multo salubriorem
et suaviorem aquae usum efficient etc.
Diese Behauptungen sind geradezu ungeheuerlich und man
kann nur annehmen, dass Ussing dieselben niedergeschriebeo
hat, ohne den Vitruvtext selbst einzusehen, denn wer den oben
angeführten Satz vor Augen hat, kann unmöglich behaupten,
dass hier nicht von Cisternen die Rede sei. Der ganze Zu-
sammenhang von Capitel 12 — 15 ist folgender: Da wo keine
Quellen vorhanden, aus denen man das Wasser zur Stadt leiten
kann, da muss man andere Wege der Wasserversorgung ein-
schlagen. Einmal kann man Brunnen graben (natürlicherweise
in der Stadt selbst). Hierbei ist Vorsicht geboten, wegen der
(oamentlich in der Campagna so häufig auftretenden) giftigen
40 Degering
Brunnengase (Kohlensäure, Snmpfgas). Hat man aber den Brannen-
echacbt fertig, so mauere man ibn mit unverbundenem Manerwerk
aus. Wenn jedocb der Boden zu hart ist (oder die Gegend, in
der die Stadt liegt, zu arm an Grund wasBer) (und man also ans
diesen Gründen keine Brunnen anlegen kann), eo nehme man,
zum ultimum refugium seine Zuflucht, zum Cieternenbau, oder, wie
Yitruv sich auedrückt, dann mues man Eegenwaseer von den
Dächern oder höher gelegenen Punkten her in signinie operibus
auffangen. Der Satz ea autem — efficient ist sprachlich nnge-
schickt, sachlich aber durchaus richtig, nti percolationibus trans-
mutari possint bezieht sich nur auf triplicia. Der Satz müeete
genauer also eigentlich folgen dermassen lauten: Ea autem si
duplicia facta fnerint (aut triplicia uti percolationibus transmu-
tari possint) multo salubriorem etc. Gedankenlos ist das durch-
aus nicht, aber selbstverständlich ganz etwas anderes, als was
Plinins sagt, oder besser gesagt, es ist mehr als Pliniue giebt
Dem Plinianischen Satze: ut in priore considant atque per colum
in proximum transeat pura aqua entspricht sachlich bei Vitruv
erst der Satz: limus enim cum habuerit quo subsidat, limpidior
fiet et sine odoribus conservabit saporem. Die Anlagen, von denen
hier aber gesprochen wird, sind, um keinen Irrthum aufkommen
zu lassen, nicht etwa als Filterbassins in modernem Sinne auf-
zufassen, sondern Elärbassins, in denen sich die Sinkstoffe ab-
setzen. Auch handelt es sich bei Vitruv nicht um die Anlage
von drei solchen Bassins hintereinander, sondern um zwei neben-
einander liegende Elärbassins hinter dem einen Schöpfbassin, damit
man die ersteren abwechselnd reinigen könne. Das transmutari
wird bei Vitruv nur intransitiv verwendet, uti percolationibus
transmutari possint ist also zu übersetzen: damit man mit den
Klärbassins abwechseln könne.
Von besonderer Schwierigkeit ist die Frage nach der Stuck-
bearbeitung; Vitr. YU 3, 5 Plinius § 176 und mit ihm überein-
stimmend die Epitome § 22 und Palladius 115 reden nur von
2 Schichten Marmorstuck über den drei Sandmörtelschichten, Vi-
truv dagegen scheint auch drei Stuckschichten zu verlangen. Es
scheint deshalb zunächst, als ob hier wirklich Plinius auf eine
andere Quelle als Vitruv zurückginge; auf dieselbe Quelle müseten
dann aber auch die Epitome und Palladius über Vitruv hinweg
zurückgreifen. Das letztere ist aber doch durchaus unwahrschein-
lich, zumal die wörtliche Uebereinstimmung zwischen der Epitome
Üeber deD Verfasser der X libri de Architeotura 41
und Paladins einerseite und Vitrav andereeita bis auf den glatt
herans zu schneidenden Zusatz vollständig ist.
Epitome: inarescente induotione alterum corium
Palladius: granimarmoris ind actio cum sicoari inceperit, aliud corium
Vitrav: inarescente inductione alterum corium mediocre
Epitome:
Palladius :
Vitruv : [dirigatur. Id cum subactum fuerit et bene fricatum]
Epitome: subtilius inducatur.
Palladius: subtilius oportet imponi.
Yitruv: subtilius inducatur.
Man würde ja dem Epitomator Faventin, der doch von der
Sache selbst etwas verstehen musete, vielleicht eine solche Ver-
einfachung zutrauen können, aber dann wäre es doch wunderbar,
dass diese sachliche Vereinfachung stilistisch durch einen solch'
glatten Schnitt ausgeführt ist. So ist es mir denn nicht zweifel-
haft, dass hier im Vitruvtext von unberufener Hand ein Einschub
gemacht worden ist, und zwar glaube ich auch die Veranlassung
dazu nachweisen zu können. Die Verbindung et item zumal in der
Bedeutung ei totidem ist verdächtig, sie kommt sonst nur einmal
1255 "^or und dürfte auch dort schwerlich richtig sein, vielmehr
eiiam dafür einzusetzen oder et zu streichen sein. An der hier zu
erörternden Stelle jedoch scheint das Compendium von item aus
dem Zahlzeichen II = duobus verlesen und dadurch dann die Inter-
polation veranlasst zu sein. Dazu kommen ferner noch verschie-
dene Bedenken aus dem eingeschobenen Satze selbst. Zunächst
mediocre für mittelstark, während es sonst gering heiest, dann der
Bedeutungs Wechsel von subigere, das kurz vorher von der Bearbei-
inng der Stuckmasse in der Mörtelpfanne, hier dagegen von dem
Auftragen und dem Glattstreichen auf der Wandfläche gesagt wird.
Ich muss noch einige Worte über die Benutzung Vitruvs
durch Plinius im 36. Buche überhaupt hinzufügen. Die Be-
nutzung Vitruvs beginnt mit § 166 und reicht bis § 188 und int
nur durch reinlich auszuscheidende Zusätze erweitert.
Zunächst tragen, wie gesagt, die Eingangssätze der verän-
derten Stellung Rechnung, die der Taff als Baumaterial inzwischen
erhalten hat, dann folgt § 167 — 168 eine Auswahl ftus den von
Yitruv angeführten Gesteinssorten, zu denen am Schiasse Plinius
einige andere hinzufügt. § 170 folgt die Vorschrift über die Wet-
terprobe der schlechteren*^ Gesteinsarten.
42 Degeriiig
Mit § 171 beginnt ein neues Kapitel über die Verb&nde —
§ 172, das ohne Frage aus Vitrnv entnommen iet.
§ 173 behandelt die Anlage von Cieternen. Die Stellung
dieses Capitels zum vorigen läset sieb nur erklären, wenn man
annimmt, dass hier ein Citat auf jeden Fall angebracht werden soll,
das der Zettelkasten eben noch enthält. Der § 174 iet ans
lauter Stückchen zusammengesetzt; eine Bemerkung ans Gate, eine
Reminiscenz aus Vitruv, noch dazu nicht einmal ganz richtig, der
folgende Satz wieder anderswoher und endlich zum SchlüBS ein
Satz aus einem Mirabilienschreiber.
§ 175 ist wiederum aus Vitruv. §176 ist wohl eigene Zu-
that. § 177 wieder Vitruv bis auf die Wundergeschichte vom Crocus.
§ 178 und 179 aus Vitruv, ausgenommen der letzte Satz,
alles aber offenbar mehr als Lesefrüchte, denn als ordentliche
Citate übernommen.
§ 180 stammt aus einer medicinischen Schrift, ebenso 181.
§ 182 und 183 sind anscheinend einer griechischen Quelle ent-
nommen und der Selbstmord des Procnlejus wohl wieder eine
Zuthat von Plinius selbst. Woher § 184 und 185 stammen mögen
entzieht sich der sicheren Beurtheilung, vielleicht könnte man
hier und §180. 181 an Varro denken. Von §186 an bis 188 in-
clusive dagegen ist wieder Vitruv benutzt. Dieser giebt die
Hauptmasse, einiges wird den veränderten Zeitumständen nach
geändert, anderes hinzugefügt, manches ohne sonderlich zum
Thema in Beziehung zu stehen. Auch in der Disposition des
ganzen Passus ist keine irgendwie vernünftige Ordnung, die ein-
zelnen Notizen sind untereinander kaum harmonisch verarbeitet,
kurz man erhält ganz den Eindruck, als ob hier einmal ein Fach
der Notizensammlung gründlich ausgeschüttelt werden sollte.
Man beachte besonders, au wie wenig geeignetem Platze § 173
und § 178—179 stehen.
Wir gehen nun dazu über, das Verhältniss von Vitruv und
Athenaeus zu untersuchen. Wir können uns hier kürzer fassen, da
das Wesentliche, namentlich soweit es die einzelnen Abweichungen
zwischen Athenaeus und Vitruv betrifft, bereits von Thiel gesagt
ist und wir uns deshalb darauf hier beschränken können, die
Finwände zu entkräften, die üssing gegen Thiele Ansicht vor-
bringt, dass beiden eine gemeinsame Quelle vorgelegen habe.
Ob diese Quelle Agesistratus gewesen sei, wie Thiel mit grosser
Wahrscheinlichkeit behauptet, das mag als nicht absolut eicber
bewiesen dahingestellt sein ; dass aber Vitruv den Athenaeus
üeber den Verfasser der X libri de Architectura 43
nicht benutzt haben kann, das läset sich beweisen und ist, wie
gesagt, von Thiel bewiesen worden ^
Das was Vitrav mebr giebt als Athenaeus, sind naeb
Ussing freilich auch hier wieder müssige Zusätze und unnöthige
Umschreibungen, und wo Abweichungen zwischen beiden statt-
finden, da ist nach ibm natürlicherweise Athenaeus im Eecbt.
Man braucht aber nur einige Punkte der Ussing'scben Beweis-
führung vorzunehmen, um ihre Unhaltbarkeit einzusehen.
Vergleicht man scbon die ersten Farallelstellen Atbenaeus
p. 9 ed. Wescher mit Vitruv X 19, so finden sich hier Discre-
panzen, welche es ganz unmöglich machen anzunehmen, dass
Athenaeus die Vorlage Vitruvs sei, da Vitruv durchgängig Aus-
führlicheres und Besseres bietet als Athenaeus, dagegen anderes
übergeht, das ebensowenig Athenaeus aus eigenem Wissen seiner
Quelle wird zugesetzt haben.
Athenaeus lässt einige Soldaten der Karthager, als sie sich
an den Demolirungsarbeiten des Forts aus Mangel an Werkzeug
nicht betheiligen können, die Erfindung der Handramme machen,
aber er läset sie mit einigen Stössen mit Leichtigkeit die Mauer
auf eine weite Strecke hin niederlegen. Bei Vitruv dagegen fehlt
es den Karthagern insgesammt an den nöthigen Werkzeugen,
aber die Demolirung selbst wird vielmehr den Thatsachen ent-
sprechend so geschildert, dass die Karthager mit den Ramm-
bäomen von oben beginnend eine Quaderreihe Her Mauer nach
der andern herabwerfen. Der Zusatz ac ratione bei Vitruv mag
als überflüssig gelten, aber das Bild Vitruvs vom freihängenden
Wagebalken ist für die Schweberarame bei weitem angemessener,
als das des Athenaeus vom Jochbalken, der doch an der Deichsel
im Mittelpunkte fest sass, also gar die Bewegung nicht aus-
führen konnte, die zu dem Vergleich den Aniass gab. Nun
vollends das Folgende. Ob der Geras ein Calchedonier oder ein
Carchedonier war, ist an sich gleichgiltig, aber unwahrscheinlich
ist es, dass Vitruv ohne Grund das Garchedon seiner Quelle in
Calchedon änderte, während für Athenaeus die Veranlassung einer
Aendernng in umgekehrter Weise in dem zweimal voraufgehen-
den Garchedon allerdings vorhanden war. Sachlich ist sodann
nur das, was Vitruv über die Maschine des Geras sagt, ver-
ständig; ein Ding wie das von Athenaeus beschriebene musste
beim ersten Stoss gegen die Mauer auseinanderfliegen. Aber
^ Thiel aaO. p. 279 ff.
44 Degering
nicht allein diesee beweiet, dase es niobt Vitrny ist, der seine
Vorlage geändert hat, sondern noch vielmehr der Umetand, daee
das, was nun auf diesen Paesne folgt: Γήρας be πρώτος ό εύρων
bia την ßpabimiTa χελώνην προςηγόρευσεν = Ideo autem qnod
tardoe oonatns habnerat, teetudinem arietariam appellare coepit
eaohlich wohl zu der Yitruy^echen Faeeung des vorhergehenden
paeet, aber keinesfalls zu der des Athenaens. Was eoll man
sich denn darunter vorstellen, dass eine solche Maechinerie, wie
sie Athenaeus beschreibt und welche doch nur durch die schnelle
Bewegung auf ihren Rädern und den daraus resultirenden heftigen
Stoss wirken konnte, wegen der Langsamkeit, mit der sie vor-
wärts zu bringen war, bxä τήν βραδύτητα χελώνη =ϊ testndo
benannt wurde. Liess sich eine solche Maschine nicht kräftig,
dh. schnell vorstossen, so war sie doch eben unbranchbar. Bei
Yitruv dagegen ist alles in Ordnung. Hier ist die Maschine ein
nur schwerfällig auf Rädern fortzubewegendes grösseres Bau-
werk, dessen zerstörende Wirksamkeit aber von dieser Schwer-
fälligkeit der eigenen Fortbewegung nicht abhängt, und so ist
hierfür der Name testudo arietaria, dem im griechischen Original
eine gleiche Doppelbezeichnung κριοφόρος χελώνη entsprochen
haben wird, durchaus am Platze.
Wenn üssing S. 124 Vitruv die Unachtsamkeit vorwirft,
dass er das griechische Mindestmass , wie es bei Athenaeus
steht, έπταδάκτυλα mit semipedalia übersetze, so wirkt es
erheiternd, dass er selbst in demselben Satze semipedalia mit
sechsfingerbreit übersetzt, und dann kurz darauf übersieht, dass
im Folgenden bei Vitruv semipedalia für €ΐς S δακτύλους
συναγόμενα bei Athenaeus eintritt. Ussing scheint also den
griechisch-römischen Fuss in 12 Daktylen und Digiten einzu-
theilen. Wer aber von beiden die richtigen Masse hat, kann
meiner Ansicht nach gar nicht zweifelhaft sein; die runden
Massangaben Vitruve zeugen durchaus für den Praktiker, die
Athenaeischen, scheinbar so minutiös genauen Varianten dagegen
verrathen den philosophischen Klüngel. Zu Athen, p. 15 'Ημ€Ϊς
V έγράψαμεν πρώτον χελώνης χιυστρίδος κατασκευήν, είτα
των δλλιυν μηχανημάτων. Vitr. Χ 19. 8 Quae sunt ab Diade
de machinis scripta quibus eint comparationibus exposui; nunc
quemadmodum a praeceptoribus accepi et utilia mihi videntar
exponam, sagt üssinfr: Athenaeus forlader nu Diades, og Vitruv
naturligvis ligesaa, skgondt han aldrig har set ham; men derfor
forlader han ikke Athenaeus. Denne angiver i des Felgende
Üeber den Verfasser der X libri de Architectura 45
Philon fra Athen eom ein Eilde, Vitrnv angiver knn sine prae«
ceptoree. Ich denke, sieht man vom letzten Satze ab, so braucht
maD nur für Vitrav Athenaens und für Athenaeas Agesistratos
einzusetzen, um etwas Richtiges heraus zu bekommen, denn das
wenigstens kann keinem Zweifel unterliegen, dass bis hierher
und im Nachfolgenden Athenaeus völlig auf Agesistratus und
nicht etwa selbständig auf Diades und Philo zurückgeht. Athen.
p. 16 stelle ich folgend ermaassen her: Τούτο τό κατασκεύασμα
φησι Φίλιυν 6 'Αθηναίος χρήσιμον είναι προς τ€ τάς γινόμε-
νος €ΐς τήν προσαγαιγήν τών μηχανημάτων παρόδους καΐ
τάς παρεκτάσεις τών *στψδίιυν και τάς συγχώσεις κτλ.
Ich will nur noch eine Probe der Ussing'schen Kritik be-
leuchten. Athen. 19/20. Τό τής όρυκτρΛος χελώνης γένος τά
μέν άλλα παραπλησίως τοις πρότερον ψκονόμηται, τήν bi έμ-
προσθεν όρθήν ίχει προσαγιυγήν, δπιυς προσελθοΟσα προς τό
τείχος άπαρτίση αυτψ καΐ μη παρεισπίπτη άπό του τείχους τά
όφΐέμενα βέλη, άλλ' ασφαλώς ο1 υπορύττοντες έν αυτή δντες
έργά2[ονται . . Yitruv Χ. 19. 21. Quae autem testudines ad
fodiendum comparantur — δρυγες graece dicuntur — cetera omnia
habent uti supra scriptum est, frontes vero earum fiunt quemad-
modum anguli trigoniorum uti a muro tela cum in eas mit-
tantur non planis frontibns excipiant piagas sed ab lateribus la-
bentes, sine periculoque fodientes qui intus sunt tueantur. Us-
sing sagt dazu; Her fortaeller Oversaetteren, at denne Maskine,
som Athenaeos kalder όρυκτρις χελώνη, paa Graesk hedder δρυζ,
hvilket vel kan ^aere muligt. Men naar han i Stedet for Athe-
naeos όρθήν saetter quemadmodum anguli trigoniorum er dett«
mig aldeles uforstaaeligt. Skal Maskinen slutte taet til Mnrfladen
(άπαρτίΖΙειν), kan dens Front ikke vaere Spidsen af en Triangel.
Wie ist es nur möglich hier den Athenaeus als Vorlage des
Vitruy anzunehmen? Soll man jemandem, der ein Werk von 10
Büchern hauptsächlich aus griechischen Quellen ausschreibt, so
geringe Kenntnisse der griechischen Sprache zutrauen, dass er
einen so einfachen Satz, wie den vorliegenden nicht entsprechend
hätte übersetzen können. Ich sollte meinen, der Gedanke daran
sollte niemanden ernstlich einfallen. Das was Vitruy giebt, ist
mit dem was bei Athenaeus steht sachlich ganz unvereinbar;
aber die enge formale Verwandtschaft der Perioden weist ebenso
zwingend auf eine gemeinsame Grundlage. Den Schlüssel bietet
nne aber der Anonymus oder Hero von Byzanz bei Wescher p. 214.
Hier heisst es: ταύτας bi (χελώνας όρυκτρίοας) ή bip-
46
Dege Γ i η ßf
ρύτους €Ϊναι και κατά πρόςωπον σκεπομ^νας προσάγεσθαι
και προσεγγίεειν τψ τείχει, ή μονοπτέρους δττισθε μέν κατα-
φέρεις, κατά bt πρόσωπον τετραγώνους, και έκ πλαγίων τρα-
πε2[οεώεΐς ώς τριγώνους. Wescher giebt zu dieser Stelle an :
AppoUodor. p. 143. 1. 6 — 9. Schlägt man aber die betreffende
Stelle nach, so wird man bald finden, daes diese Beziehung
auch eachlich nur zum Theil zutrifft, während sie dem Ausdrucke
nach gar nicht so eng ist, wie das gewöhnlich zwischen dem Ano-
nymus und seinen Quellen zB. kurz darauf der Fall ist. £s ist
also zweifellos hier eine andere Quelle mit herangezogen, wo
von 2 Arten von Oryktriden die Rede war, von denen die eine,
und das ist der springende Punkt, zu der Beschreibung Yitruvs
passt. Diese Quelle kann der Lage der Sache nach wohl nur
die Hauptquelle des Anonymus, Athenaeus, gewesen sein bei
dem wir den Passus heute nicht mehr lesen. Es führt uns
also die Analyse auf die meines Wissens noch nicht so strikt
nachgewiesene Thatsacbe, dass das uns vorliegende Buch des
Athenaeue nicht in seiner ursprünglichen Gestalt, sondern nur in
einer Bearbeitung auf uns gekommen ist. Das wird zB. auch
durch folgende Stelle schlagend bewiesen:
Vit r UV.
Aries autem eius ha-
buerat longitudinem
pedum CIV. latitudine
in imo palmipedali,
crassitudine pedali,
contractu a capite in
latitudine pedis, cras-
Bitudine S—
Anonym.
Ol περΓ Ηγήτορα . . .
κριόν πηχών εκατόν
εΤκοσι κατά μήκος 4πο(-
ουν, έκ δέ πτέρνης
κατά μέν πάχος πο-
διαίον, εΙς δέ πλάτος
παλαιστών πέντ€• έπΙ
δέ τό έμπροσθεν άκρον
συνήγον αυτόν €ΐς πλά-
τος ποδιαίον καΐ πάχος
Athen.
τοΟ δέ κριοΟ τό σύμ-
παν γίγνεται μήκος
πήχεις pic, έκ δέ πτέρ-
νης πάχος μέν ποδών
β. πλάτος δέ πέντ€
παλαιστών €ΐς άκρον
δέ συνήκται αύτοΟ τό
μέν πάχος ποδιαίον, τό
δέ πλάτος τριπαλοι-
στιαΐον.
τριπάλαιστον.
Wie man sieht stimmt hier Vitruv, abgesehen von der
Längenangabe, genau mit dem Anonymus gegen Athenaeus, ein
Verhältniss, das ganz unerklärbar ist ohne die Annahme, dass
dem Anonymus der Athenaeus in anderer Gestalt vorgelegen
haben muse, als wir ihn jetzt lesen. Selbstverständlich bin ich
nicht der Ansicht, dass diese Bearbeitung das Original wesent-
lich verändert hat. Form und Stoff sind in der Hauptsache un-
verändert geblieben und die Aenderungen rein redactionelle oder
durch eingetretene handschriftliche Corruptelen bedingte Con-
jecturen. Die Zeitfrage der Autorschaft wird dadurch in keiner
Üeber den Verfasser der X libri de Architectura 47
Weise berührt und es bleibt der Diels'Rche Ansatz unangefochten
bestehen und damit natürlich auch die ganze Frage des Verhält-
nisses zwischen Vitrnv und Athenaeus. Die Methodik der Kritik
Ussings in diesem Falle ist übrigens der bezüglich des Verhält-
nisses von Plinius zu Vitruv verwendeten diametral entgegen-
gesetzt. Genügten hier ganz kleine Abweichungen, kurze Zu-
sätze und drgl. als Beweise, dass Plinius den Vitruv nicht benutzt
habe, so gentigen dort selbst die grössten und unvereinbarsten
Widersprüche nicht, seine Ansicht zu erschüttern, dass Vitruv
den Athenaeus ausgeschrieben habe.
Zum Beschlüsse des ersten Theiles meiner Untersuchungen
füge ich noch einige Verbesserungsvorschläge zu Vitruv und
Athenaeus an:
Vitr. 277, 10 = Possunt autem si opus fuerit eae machinae
ex VIII rotis esse sed ad loci naturam *uti (ita 6H) opus fuerit
temperataie; vergl. Athen. "Αυτή bi γένοιτ' δν όκτάτροχος ή
χ€λώνη• άλλα τοιαύτα μηχανήματα Οεστι μετασκευάίειν τψ
τεχνίττι έμβλέποντι €ΐς τους τόπους τών προςαγαιγών.
Vitr. 'ΐ79, 11. Item habuerat proiectura eins ex tabulis
*epibathram (arcam codd.) compactam et confixam *intra (inqua
codd.) rndentibus maioribus extentis e. q. s. arcam aus atram
ist Rest von epibatram.
Vitr. 280, 10. Itaque bis praescriptionibus si qui attendere
volnerit <et) ex varietate earum eligendo unam in comporationem
conferre. etc.
Athenaeus § 25 ist der übrigens bei Vitruv und dem Ano-
nymus fehlende Satz, der also möglicherweise erst der Zusatz
des Bearbeiters ist, wohl folgendermassen herzustellen: ^χει bk
και τταραοέρματα (codd. παραδείγματα) ii έκατίρου μέρους 6
κριός, έπ exbex (codd. έπεώή) [τά] ταϊς κάσαις παραπλήσια.
(Forte, folgt.)
Bonn. Degering.
ZWEI ALTE TERENZPROBLEME
I.
Ueber den Prolog zum Heaatontimorumenoe bat
sieb eine Fülle von Erklärungen und Vermuthungen ergoeeen,
leider mit eebr geringem Ertrag. Wiederholt wurde Alles durch-
einander geworfen, wie wir es auch in den beiden handlichsten
Ausgaben von Dziatzko und Fleckeisen vor Augen sehen. Dem
gegenüber haben die beiden neuesten Besprechungen von Leo
und Skutscb mit Recht sich des Bestandes und der Folge der
Ueberliefernng angenommen. Trotzdem die Frage noch wieder
in möglichster Kürze aufzunehmen, bin ich durch einen ähnlichen
umstand veranlasst, wie Skutsch (Philol. LIX [N. F. XIII]
p. 1 ff.), dass nämlich meine von Schanz Rom. Litteratnrgesch.
Ρ ρ. θ] mitgetheilte und bedingt gebilligte Ansicht wohl erst
durch etwas eingehendere Begründung zu allgemeinerer Erwä-
gung und hoffentlich zur Anerkennung kommen dürfte.
Nicht aufzuhalten brauche ich mich bei den viel mieshan-
delten Worten:
Ex integra graeca integram comoediam,
da endlich auch Andere auf die älteste und einfachste Erklärung
des Bembinusscholions zurückgekommen sind. Wenn aber aus
dem noch viel mehr misshandelten Verse 6:
Duplex quae ex argumento factast simplici
Skutsch wieder eine sichere Bestätigung für die Annahme der
Contamination des Stückes entnehmen zu können glaubt, so ist
bei dieser Erklärung, wie bei anderen, der Wechsel des Aus-
drucks nicht berücksichtigt: es heisst weder 'duplex quod ex ar-
gumento factumst simplici noch 'duplex quae factast ex simplici*;
und gerade dieser Wechsel, sowie die mannigfachen Anstösse bei
den bisherigen Erklärungsversuchen, haben mich darauf gebracht,
dem Worte duplex hier denselben Sinn zu vindicieren, den das
griechische διπλούς bisweilen hat, der bei Catull in der duplex
Zwei alte Terenzprobleme 49
Amathusia, bei Horaz in dem duplex Ulixes^ und in dem Verse
des Ovid Am. I 12, 27 deutlicL• vorliegt und der * durch die,
sicher auf einen archaischen Schriftsteller zurückgehende Glosse
des Placidus altriplicem: duplicemj dolosum noch eine weitere
Bestätigung, durch das Synonymum wie durch das Interpreta-
ment, gewonnen hat. Dann sagt aber der Vers über Terenz
und seine Uebersetzung gar nichts aus, sondern enthält viel-
mehr ein Urtheil des Terenz über das Originalstück des Menander
(ähnlich wie im Andriaprolog v. 10 — 12), nämlich dass es trotz
des einfachen Sujets nicht simpel sei, des Dichters Gewandtheit
offenbart *.
* Die Einwände und der andere — nicht neue — Erklärungen
versuch von Goldbacher (in den Wiener Studien XX, 1896, p. 277 f.)
»cheitem schon — aber nicht allein — an der Beziehung der Worte
'nee cursus duplicis per mare Ulixei* auf den Anfang der Odyssee,
welche durch die gleiche Beziehung der yorhergebenden W*orte auf
den Anfang der llias und die Nothwendigkeit dieser Form des echt
antiken Citates für das Verständuiss der ganzei. Strophe, ja des ganzen
Gedichtes, gesichert ist: was hier nur angedeutet werden kann.
^ Auf die unfruchtbaren, sich immer im Kreise drehenden, chro-
nologischen Hypothesen gehe ich nicht ein, und will auch auf Skutsöh's
Behauptung, dass v. 17 f. *multas contaminasse graeoas, dum facit
paucas latinas' mindestens die Verarbeitung von vier Stücken zu
zweien voraussetze, lediglich mit der Frage antworten: wie viele Male,
genau gerechnet, vorhergegangeu sein müssen, um Hyperbeln, wie
'sexcenties* zu rechtfertigen; ob — wie Wölfflin Archiv IX p. 176
sagt — 'hundertmal* gebraucht werde, 'obschon es genau gerechnet
nur siebenmal oder achtmal heissen müsste*, oder ob nicht ein Unge.
duldiger schon beim dritten oder vierten Mal behauptet, er habe
hundertmal gerufen, geklingelt oder etwas gesagt. Vollends die leb-
haften und so gern übertreibenden Kömer und Italiener werden sich
kein Gewiesen daraus machen auch für ' ein paar' zu sagen ' viele* . —
Beiläufig möchte ich noch zu dem, auch immer noch nicht zur Hube
gekommenen Andriaprolog (der sicher, und gerade nach den Schluss-
worten, zur ersten Aufführung gehört) das eine bemerken, dass der
viel besprochene Plural *in prologis scribundis* am einfachsten und
richtigsten als "pluralis generalis zu bezeichnen ist (zu übersetzen 'mit
Prologschreiben), und dass die besten Belege dafür — an Stelle des
meist angeführten, von Karsten nicht anerkannten Miberi' (vgl. Donat
zu Hec. II 1, 15 ua ) — Terenz selber und (Cato bei) Cicero bieten:
der erstere mit Eun. I 1, 3: 'men perpeti meretricum contumelias?
exclusit, revocat' (wozu Donat richtig bemerkt: 'cum uni sit iratus, de
Omnibus queritur'), der letztere Tusc. I 2 mit der Erwähnung der
Oratio Catonis, in qua obiecit ut probrum M. Nobiliori, quod is in
provinciam poetas duxisset: duxerat autem consul ille in Aetoliam, ut
50 Schon
Eid weiterer Punkt; io dem ich den neneeten Aafetellangen
von Leo ^ und Skutsch unmöglich beipflichten kann, betrifft die
Deutung der Eingangsveree :
Ne quoi sit vostrum mirum, quor partes seni
Poeta dederit, quae sunt adulescentium,
Id primum dioam, deinde quod ueni eloquar.
Daes nach dieser Ankündigung das Folgende, trotz eines
Umfange von 6 Versen nicht das erste sein soll, dass weiter
in der durchaus zusammenhängenden Partie 11 — 27 v. 11 — 15
das 'primum^ die mit nam quod^ angeknüpfte Ausführung der
mit ^deinde quod veni* angekündigte zweite Theil sein soll —
das sind Eünstlichkeiten und Yerlegenheitserklärungen, die nur
auf dem Papier dargelegt werden können, auf lebendiges Ver-
ständniss beim Anhören nie rechnen konnten und können. Leo
hat das Ungeschickte wenigstens gefühlt und nun den Dichter
dafür getadelt statt seines Interpreten. Ueberhaupt aber kann
*quod veni' eich nur auf die allgemeine Aufgabe des Prologe, das
ist die Einführung des aufzuführenden Stückes, beziehen, die
in V. 4 — 9 gegeben ist, nicht auf einen gar nicht abgegrenzten
Theil der speziellen Aufgabe des Ambivius als orator^
scimuB, Ennium'. So auch wir: 'du sollst keine Romane lesen, und
thust 68 doch', auch wenn das Verbot nur einmal überschritten ist.
Es kommt eben überall nicht auf die einzelne Person oder Sache an,
sondern auf die Art; nicht dass es Ennius war, sondern überhaupt ein
Dichter, dass eine meretrix sich solche Behandlung erlaubte, dass
Terenz sich mit einem Prologe quälen muss usw. — das drückt der
Plural aus, ganz wie der Plural von Namen = *Leute wie N. N/
1 Analecta Plautina II, 1898, p. 23.
* Die von Skutsch p. 7, 2 angeführte Parallele des Amphitruo•
prologs bietet keineswegs zu dem von ihm Gesagten ein wirkliches
Analogon, sondern bestärkt vielmehr unsere Bedenken. Dort wird
allerdings die Bitte als das erste, das Argument (die eigentliche Auf-
gabe des Prologs) als das zweite angekündigt und auch ausgeführt.
Wenn aber dort zwischen die Ankündigung und die Ausführung de«
ersten Theiles ein Intermezzo eingeschoben wird, so ist dies ganz deut-
lich als solches bezeichnet durch 'quid coulraxistis frontem?* und die
Anknüpfung des Weiteren an ein bei der dispositio gebrauchtes Wort,
während bei Terenz mit *hodie sum acturus' gerade die Ausführong
über die Aufgabe des heutigen Tages, das *quod veni*, einsetzt. Dort
folgt auch einfach 'nunc hoc me orare a vobis iussit luppiter', was
trotz des 'nunc* mit der förmlichen Aufnahme der dispositio bei Terenz
v. 10 'nunc quam ob rem has partis didicerim, paucis dabo' keine
Aehnlichkeit hat.
Zwei alte Terenzprobleme 51
Mit dieser Ab weisnng, die icb absicbtlicb nicht breiter ausführe
und belege, soll aber nun keineswegs den üblichen Umsturz- und
Umetellungs versuchen das Wort geredet sein (die noch mit Aus-
werfungen und Lückenannahmen verbanden auftreten, die ledig-
lich Folge der Umstellungswillkür sind), sondern der viel ein-
facheren und einleuchtenderen Vertauschung der Worte feinde'
und 'primum', die nicht einmal bloss auf Conjektur beruht. Als
solche haben sie längst Palmerius und Guyet vorgeschlagen, die
nur unnöthig ^ Id dicam deinde: primum q. v. e.' ordneten statt
Id deinde dicam: primum quod veni eloquar.
Natürlich ist dann vor diesem Vers stärker zu interpungiren
und ^Ne quoi sit vostrum mirum als ein prohibitives 'Ne mire-
mini' aufzufassen, nicht als Finalsatz zu dem Folgenden. Man
soll sich über das zunächst Auffallende beruhigen, die Erklärung
wird bald nachher folgen, wenn zuerst, kurz genug, die eigent-
liche Aufgabe erledigt ist.
Diese Fassung von v. 3 hat ja mittlerweile eine urkund-
liche Bestätigung gefunden in dem Bembinusscholion: ^quidam
sie exponunt: primum quod veni eloquar, deinde dicam cur partes
seni poeta d(ederit) quae sunt a^dolescentium^ . Dass hier nicht
von einer antiken Conjektur die Kede ist, zeigt der Ausdruck
* exponunt , und dass diese * Erklärung mit dem Wortlaut im
Bembinus selbst streitet, beweist gerade ihr Alter: auch bei
Donat und anderwärts beobachten wir ja nicht selten, dass das
Scholion einen andern Text voraussetzt, als die zugehörige Hand-
scbrift bietet oder aus einer solchen ins Lemma gesetzt ist ^
Dass aber die ^natürliche * Folge des 'primum — deinde statt der
1 Einen versteckteren Fall dieser Art bietet Andria v. 120 f. (II, 93 f.J.
Das immer noch von Spengel und Dziatzko bevorzugte 'Quia tum
(mihi lamentari praeter ceteras Visaet)* ruht lediglich auf dem Codex C
(und seiner Abschrift B): für die Lesart *Quae tum' spricht nicbt nur
die Uebereinstimmung des derselben Classe, wie C, aogehörigen Ρ
(auch 0 ^ Oxoniensis, olim Dunelmensis nach Hoeiug 'Americ. Jonm.
of archaeol.' VI 4 p. 310 S.) mit der besonders zu beachtenden Ciasse DG,
sondern auch die Erwägung, dass 'Quia tum' wegen des anschliessenden
'et quia ohne Weiteres aus 'Quae tum* gemacht wurde: nicht so leicht
das Umgekehrte. Keineswegs aber verlangt 'et quia' vorher 'Quia tum'
(oder bentley's 'Quae cum), da zunächst eine weitere Beobachtung des
Simo angeknüpft, dann aber mit 'et quia erat forma praeter ceteras
honesta ac liberali' ausdrücklich zurückgegriffen wird auf die vorher-
gehende Stelle 'forte unam aspicio adulescentulam forma — ' usw. Nun
steht allerdings '({uia tum mihi' bei Donat als Lemma vor '«χ.<^\3α%\Μ)
52 α ο h δ 1 1
hier erforderlicben und gerechtfertigten ^deinde — primum' einge-
echwärzt wurde, iflt ja ein für oberflächliche Betrachter und
Schreiber fast nothwendiger Vorgang. Erst nach Wiederher-
stellung des Ursprünglichen passt denn auch wirklich die Auf-
nahme mit V. 10:
Nunc quam ob rem hae partis didioerim paucis dabo.
II.
Auf den viel berufenen und durch die verschiedensten Ver-
suche heimgesuchten Anfang der berühmten Narratio in der An*
dria ^ I 1, 24 (v. 51) f. zurückzukommen, könnte sehr überflüseig
scheinen, nachdem erst jüngst Vahlen in den Abhandlungen der
Berl. Acad. d. W. 1900 eine eigene kleine Abhandlung darüber
gegeben hat im Zusammenhang seiner Untersuchungen über et
auf uä. im Versausgang bei Terenz. Allein gerade diese letzte
Erörterung erheischt eine kurze Berichtigung. Denn so viel
Triftiges und Beachtenswerthes auch dort geboten wird, so ist
es doch unzweifelhaft, dass Vahlen diesmal seine gründlichen Er-
örterungen mit einem Fehlgriff beginnt. Gleich auf der ersten
Seite bringt er das Beispiel Sosia et || Liberius vivendi als erstes
und behandelt es dann als das grundlegende an der Spitze
besonders ausführlich, mit dem Schlüsse : ^so sollte man sich,
meine ich, der Folgerung nicht entziehen, dass hier wenigstens
diese Versbildung dem Dichter sicher gehört und nicht durch
necessaria*. Dass aber ein Donat gleichfalls die Fassung mit 'Quae
tum' vor Augen hatte, beweist das vorhergeheude Scholion: 'ut nihil supra
£λλ€ΐψις Terentiana; nam uon iiecesse est subiungere duos verflus*. Aus
diesen Worten hat Klotz geschlossen, dass im Alterthum eine Vervoll-
ständigung dieser Hede durch zwei Verse unternommen worden sei,
und Umpfenbach in seinen Analecta Terentiana (Mainz 1874) p. 11
hat wirklich zwei solche Verse exempli gratia fabricirt. Allein der
genaue Sinn des 'subiungere duos versus' geht nicht auf eine Vervoll-
ständigung durch hinzugefügte Verse, sondern auf eine nähere Verbin-
dung der zwei Verse 'ut nil supra (eani), quae tum etc. (wie Wessner
auf meinen Wink in seircr Ausgabe andeutet): und daraus ergibt sich
eben auch für Donat die Lesart, und die richtig, selbständig gefaeste
Lesart 'Quae tum'.
^ Beiläufig: zu den Worten: 'Quod plerique omnes faciunt adules-
ccntuli Vt animum ad aliquod Studium adiungant aut equos Alere aut
canes ad venandum aut ad philosophos haben sich die neueren Com-
mcntare die schöne Parallelstelle entgehen lassen aus Isokrates Areo-
pagiticus 45: τους οέ βίον ίκανόν κεκτημένους π€ρΙ τήν Ιιτιτικήν καΐ
τά γυμνάσια καΐ τά κΟνηγέσια καΐ τήν φιλοσοφίαν ήνάγκασαν
Zwei alte Terenzprobleme 53
zufalligeD Irrthum oder absichtliche Ergänzung entstanden ist'
— und doch liegt hier gerade ein zufalliger Irrthum' Vahlens
und eine 'absichtliche Ergänzung der fraglichen Partikel im
Terenztext ganz sicher vor. Vahlen hat sich an den Text und
Apparat Umpfenbache gehalten, ohne die Addenda p. LXXXII
heranzuziehen, er hat auch von Spengel die erste statt der zwei-
ten Ausgabe benutzt und Bentley nicht nachgelesen : sonst würde er
vor jenem grösseren und vor weiteren, unbedeutenderen Irrthümem
bewahrt worden sein. Nun vindiciert er Sosia et den Hand-
echriften, während ümpfenbach (und Spengel mit ihm) bezeugt
* Sosia (om. et) libri ; er fügt als weiteres Zeugniss für et 'das
Lemma des Donat' hinzu, während doch längst ausgemacht ist,
daes auf die bei ümpfenbach (aus den alten Ausgaben) verzeich-
neten Lemmata gar kein Verlass ist: und thatsächlich kennt auch
die Ueberlieferung des Donat et nicht, sondern nur Ltberius.
Vahlen sagt ferner, er wisse nicht, woher Bentley Sosia ac habe,
während Bentley — allerdings nicht zu v. 24, sondern am
Sohluss seiner Anmerkung zu v. 27 — in mehreren Zeilen diese
seine Conjektur begründet, aus der dann weiterhin die öfter auf-
genommene, von Vahlen und Anderen für alte Ueberlieferung
gehaltene Lesart Sosia et gemacht wurde. Weiter bekämpft
Vahlen die von Spengel selbst in der Neubearbeitung aufgegebene
Conjektur und schreibt die von diesem dafür eingesetzte, von
Vahlen gleichfalls, und mit Grund, bekämpfte Aenderung Fleck-
eisen zu, der sie nur aufgenommen hat. Endlich lässt Vahlen
für die prosodische Schwierigkeit des Liberius vivendi fuit po-
testas die Wahl zwischen Liberjti(s) 'mit Lachmann und vi{ve)ndi
'mit Klotz': auch diese beiden Erfindungen gehören aber schon
der Zeit vor Bentley an, wie ans dessen Ausgabe zu ersehen war^,
ötoTpißciv όραιντ€ς έκ τούτων τους μέν διαφέροντας γιγνομένους, τους
bi τών πλ€(οταΓν κακών άπβχομένους, wo die gleiche Verbindung des
Pferde- und Handesports mit dem Philosophieren (eben auch als Sport,
nicht als Studium) bemerkeuswerth ist.
^ Bentley wird heutzutage leider oft überhaupt nicht mehr oder
nicht genügend gelesen, nachdem man sich über seine Einseitigkeiten
erhaben fühlt. Das zeigt sich oft zum Schaden in der Horazlitteratur,
aber auch im Terenz. So hatte Bentley längst Andr. I 1, 89 (IIB)
mit richtiger Begründung die Lesart quid id est im vorletzten Fuss
statt quid est bevorzugt: Dziatzko hat es erneuert ohne Bentleys zu
gedenken und Schlee in Wölfflins Archiv III p. 556 hat es grammatisch
weiter gestützt, dagegen den seit Bentley noch näher ausgeführten
metrischen Grund bei Seite geschoben, während hier, wie so oft, Me-
trik und Grammatik sich gegenseitig stützen.
54 Scholl Zwei alte Terenzprobleme
und für diese Zeit allein passen sie auch. Denn UberjtC bleibt
nicht nur far Terenz, sondern für die archaische Dichtung über-
haupt unerhört und unmöglich, wenn sich auch in einer seiner
Marotten Lachmann zu Lncr. 129 dieser Missgebnrt angenommen
und ihr ein Di tibi mcdefacjant (Phorm. Π 3, 47) und ähnliches
zugesellt hat, worüber längst Hitschl zu Trin. 200 und Andere
den Stab gebrochen haben. Aber auch das alte ν/(νβ)η^« wird da-
durch nicht besser und möglicher, dass sich unter Anderen Klotz,
ja zweifelnd selbst Lindsay in der Einleitung zu seiner neuen
Ausgabe der Gaptivi p. 22 dafür aussprechen: denn dass die an-
geblichen "Parallelen^ ganz anders geartet sind, auch diese Form
eine ünform ist, hat man gleichfalls längst nachgewiesen. Damit
ist aber die Fehlerhaftigkeit und Verbesserungsbedürftigkeit der
Stelle erwiesen, um so mehr, da zu dem prosodisohen Bedenken
das inhaltliche hinzukommt oder umgekehrt: und das hat ja ge-
rade Vahlen, wider Willen, aufs Neue dargethan, indem er den
nach Bentley eingebürgerten Zusatz für nothwendig erkennt. Bei
vernünftiger Behandlung werden wir aber nun natürlich nicht
eine Partikel am Versende zusetzen — auch wenn wir die Mög-
lichkeit dieser Stellung im Allgemeinen zugeben — und dann bei
lAberius weiter herumbosseln, wir werden aber ebensowenig zu
dem beliebten Gewaltmittel greifen die Worte Sosia — pofestas
hinauszuwerfen und nam is — pam antea aufeinanderklappen zu
lassen: vielmehr werden wir das Kreuz gerade vor L^>eritis
setzen und den Sitz des Fehlers da suchen, wo Vers und Ge-
dankenausdruck gleichermaassen hapern. Denn so gewiss Beut-
leys Anstoss am Comparativ gesucht und spitzfindig war, so
richtig man die Wendung liberius vivere aus Nepos Them. 1, 2
und ähnlichen Stellen belegt hat, so sicher ist doch Liberius nicht
nothwendig, und ist als Interpretament wohl verständlich : es
kann ja vivendi potestas in dem prägnanten Sinne von vivere
(für den ich der Kürze halber auf meine Bemerkung zu Persa
V. 30 verweise) bedeuten die Möglichkeit sein Leben zu genieeeen'
und eben dieser Sinn konnte, wie anderwärts durch cum laetitia
(vivere), so hier durch liberius glossirt werden. Dann aber hat
eben dies Glossem die vermisste Gedankenverbindung verdrängt,
die Bentley durch (.ac) Libera, Andere durch (et} LtberiuSf
Spengel und Fleckeisen neuerdings durch übt (oder ut) für fuü
(zugleich mit Hebung des prosodisohen Uebels) zu gewinnen
suchten, und die wir nun nur versuchsweise und beispielsweise
durch (iEt iatn) v, f. p. oder (Vbi ei) v. /. p. oder <^Simul uf)
v. f. p. oder ähnlich andeuten können. Wirklich ourieren können
wir den Vers nicht, aber wir wollen und sollen uns auch nicht
einreden lassen, er " sei gesund oder Terenz selber habe diesen
Krüppel in die Welt gesetzt.
Heidelberg. Fritz Scholl.
zu ACHILLES TATIUS
Aue den Gedankenkreisen des Platonischen 'Pbaedras' nnd
'Symposion, denen sich Xenophons^ Symposion und der Abschnitt
bei Plato De legg. VÜI c. 5 p. 835 Ε — c. 8 p. 842 Α bin-
zagesellen, bat sieb, durcb die erotiscbe Poesie jeder Gattung^
vomebmliob aber dnrcb die Liebestragödie des Enripides ^ ge-
fördert, allmählich eine popnlärpbilosopbisebe oder vielmehr
dilettantische Art der Betrachtung entwickelt, die es sich im
Gegensatz zu Piatons erhabenem Erosbilde zur Aufgabe machte,
die Natur der Liebe nach ihrer sinnlichen Seite, nach ihren
Wirkungen in. der Göttersage, in der Geschichte berühmter
Persönlichkeiten, im täglichen Leben der Menschen, ja sogar im
Thierleben gründlich zu erforschen*. Akademiker, Peripatetiker,
Stoiker, Epikureer u. a. haben das Liebesproblem in zahlreichen,
in der Regel in dialogischer Form abgefassten, zumeist περί έρω-
τος oder ερωτικός oder ερωτική τίχνη betitelten Schriften er-
örtert (vgl. die Zusammenstellung solcher Schriften bei A. W.
Winckelmann: Plutarchi Eroticus. Turici 1836 S. 96 ff.)», mit
denen die Tractate περί κάλλους (vgl. Athen. ΧΠΙ c. 11 p. 561 a
Stob. fl. 65 f. M.) und ττερί γάμου oder ähnlichen Titele (vgl.
L. Schmidt: Die Ethik der alten Griechen Π S. 187 ff.; P. Wend-
land: Quaestiones Musonianae Berol. 1886 S. 56 und besonders
das mir erst nach Einsendung dieser Abhandlung bekannt ge-
wordene Buch von K. Praechter : Hierokles der Stoiker. Leipzig
1901 S. 121 ff.) in engem Zusammenhange stehen. Hauptsächlich
im dreizehnten Buche des Athenaeus, dem ausführlichsten der uns
^ 6 σκηνικός άνατορ€υθ€ΐς φιλόσοφος, vgl. Sext. Emp. adv.
gr. p. G66 B.; Athen. IV c. 48 p. 158 e XIII c. 11 p. 561 a.
* vgl. E. Rohde : Der griechische Roman ^ S. 55 ff.
' Natürlich bedarf dieses VerzeichnisB nach den Ergebnissen der
neueren Forschung mehrfach der Berichtigung. Vgl. u. a. R. Hirzel:
Der Dialog. 131 f. 110. 283. 345 f. 373. 399. — Der bei Winckelmann
ao. zuletzt erwähnte Capito ist identisob mit dem Verfasser des
Epigramms A. P. V 67.
56 Wilhelm
erbalteDen Liebesdialoge, in Platarchs Έρατηκός ^, bei Maximne
Tyriuß Or. 24—27*, in Lucians Έpu)T€ς^ bei Stobaeus fl. 63- 79*
und ancb bei Clemens Romanus Hom. 5, 10 — 19 Recogn. X 20 ff.
und Clemens Alexandnnus Protr. c.2 p. 27 ff. P. ^ Paed. II c. 10
— 12 p. 220 ff. P. lassen sieb die Spuren dieser erotiseben Litte-
ratur verfolgen. Als eine Entartung dieser Gattung ist die scbltipf-
rige Schriftstellerei ® zu bezeicbnen, die in gegenseitiger Befrucb-
tung mit der erotiseben Komödie und Elegie der bellenistiscben
Zeit jene Liebeslebre behandelte, die uns beispielsweise in Lucians
Hetärengespräcben, im erotiseben Roman, in der Liebesepistel (so
besonders bei Aristaenetus^ im erotiseben Epigramm und in der
römiseben Elegie begegnet^, wo sie durcb Ovid in der Ars ama-
toria ibre reicbste Ausbildung gefunden bat.
Eines der beliebten ίητηματα jener 'Pbilosopbie ® scheint
nun die aus den socialen Verbältnissen Athens seit der zweiten
Hälfte des fünften Jahrhunderts begreifliche Frage gewesen zu
sein, welche der beiden Liebesarten (ίρωτες), die Weiberliebe
oder die Knabenliebe, den Vorzug verdiene. Der von den
Dichtern seit Hesiod Theog. 590 ff. eo oft wiederbolte Satz
(vgl. ua. Eur. Hipp. 616 ff. ; Aristopb. Thesm. 786 ff.), dass das
Weib ein *Ueber sei, war zu einem von weiten Kreisen ange-
nommenen Dogma geworden. Die sklavische Stellung der Frau
^ Verfasser dieser Schrift ist nach E. Graf: Commentat. Ribb.
S. 70 Plutarch der Sohn.
^ Vgl. Hobein: De Maxime Tyrio quaest. philol. selectae. Got•
tingae. 1895. S. 69.
^ Dem Lucian neuerdinge wieder abgesprochen von W. Lauer:
Lucianus num auctor dialogi "Ερωτάς existimandus sit. Beilage zum
Programm des Kgl. Friedrich- Wilhelme-Gymnasiums zu Köln 1899.
* Stobaeus citire ich, soweit er nicht in der Ausgabe von Wachs-
mutb und Hense vorliegt, nach Meineke.
» Vgl. Wendling : De peplo Aristotelico. Strassb. 1891 S. 32 ff.
70 ff. — Nach W. Christ: Phil. Studd. zu Clemens Alexandrinus
München 1900 S. 28 (= Abh. d. k. bayer. Ak. d. Wiss. I. Kl. XXI.
Bd. III. Abt. S. 482) geht der ganze Abschnitt Protr c. 2—4 auf das
Werk des Apollodor über die Götter zurück.
• Vgl. Ribbeck: Gesch. d. röra. Dichtung ^ Π 2G.).
' Vgl. Leo: Plautinische Forschungen S. 127 ff. und V. Hoelzer:
De poesi amatoria a oomicis Atticis exculta, ab elegiacis imitatione
expressa. p. I. dies, inaug. Marpurgi Catt. 1899 S. 7H ff.
β Vgl. Lucian ao. c. 31 p. 431 (φιλοσοφείν υπέρ γυναικατν);
Ach. Tat. I 12, 1 (ήμβίς μέν oöv ταΟτα έφιλοσοφοΟμ€ν π€ρΙ τοΟ
θ€θΟ sc. "Ερωτος).
Zu Achilles Tatiae 57
mit ihren auf Emancipation ^ gerichteten Bestrebungen und das
ausgebreitete Hetärenwesen dienten dazu^ diesen Glauben zu be-
festigen. Die Enabenliebe galt nach dem Beispiel massgebender
Männer länget als ein zum Vollgenusse des Lebens unentbehrliches
Element^. Mit besonderem Behagen ist das Feld der Knaben-
liebe und der Weiberliebe von dem Peripatetiker Klearchos von
Soloi in seinen von Athenaeus häufig citirten ερωτικά^ und, wie
es scheint, auch von seinem Zunftgenossen Hieronymos von
Rhodos^ behandelt worden. Wohl die meisten der Verfasser der
oben bezeichneten Schriften über die Liebe haben zu dem 'Pro-
blem* in irgend einer Weise Stellung genommen, ohne dass man
bei der klaffenden Lücke der üeberlieferung über den Stand-
punkt der einzelnen Auskunft zu geben vermöchte. Nach den
strengen Grundsätzen ernstdenkender Stoiker wie des Musonius
Rufus und unter fleissiger Benutzung der älteren, namentlich
der peripatetischen Schriften über die Liebe, wird die Contro-
verse im Ερωτικός des Plutarch zu Gunsten der Ehe ent-
schieden ^ Dagegen werden die Weiber, insbesondere die als das
'Uebel' κατ' έΕοχήν angesehenen γαμεταί, bei Athenaeus XIII
c. 7 p. 558 e ff. durch zahlreiche Zeugnisse aus der Komödie
herabgewürdigt. An den grössten Kriegen® und am Sturz ganzer
^ Vgl. J. Bruns: Frauenemancipation in Athen. Kiel 1900.
^ Plato, welcher die Knabenliebe in seinen früheren Dialogen
derartig verherrlicht Latte, dass er der Sinnlichkeit derselben ent-
schiedene Zugeständnisse machte (so auch in den kleineren Dialogen
wie Lysis und Charmides; vgl. J. Bruns: N. Jahrb. f. das klass. Alter-
thum 1900 S. 36), hat sie in den 'Gesetzen* gänzlich verworfen. —
Ueber den muthmasslichen Standpunkt des Aristot^^les vgl. Hirzel ao.
I 283. — In der πολιτ€(α des Zenon von Kition war die Männerliebe,
wenn auch nicht die grobsinnliche, empfohlen; vgl. Susemihl: Gesch.
d. griech. Litt, in der Alexandrinerzeit I 56.
β Vgl. zB. Athen. XIII c. 16 p. 564a; c. 56 p. 589d; c. 70 p. 597 a;
c. 83 p. 605d u. ö.
* Vgl. Susemihl ao. I 150.
* üeber Musonins als Quelle des Plut. im 'Ερωτικός vgl. Wend-
land ao. p. 54 ff. und dazu Wendland und Kern: ßeitr. zur Gesch. d.
griech. Phil. u. Rel. 8. 68 ff. — Gern möchte man glauben, dass Plu-
tarch in der erwähnten Schrift gegen ältere Ερωτικοί polemisiert. An
engere Beziehungen zwischen dem plutarchischen 'Ερωτικός und den
"Έρωτβς des Lucian glaubt Hirzel. Aber die ao. II 282 Anm. J ange-
führten Aehnlichkeiten gehören offenbar zum Geraeingut des nach-
platonischen erotischen Dialogs.
* Aehnlich Philo an den bei Wendland und Kern Beitr. S. 36 f.
citierten Stellen. Derselbe Gedanke schon bei Aristoph. Thesm. 785 ff.
5β Wilbelm
HioMT tngtn me die Scliold (c. 10 p. 560 b— f). Cfregen die
fftoiker, welche der Knabenliebe nnter dem Deebmantel der
S^eleoliebe bnldipen ^Tgl. Plnt. Erot. c. 5 p. 752 Α und LaciaD
Έρυττβς c. 23 p. 423), wendet eicb der Grammatiker Mjrtiloe
ebenda c. 15 p. 563 d nnd redet bis c. 20 p. 566 e von Knaben-
liebe and V 2nner«cbdnbeit, wibrend er e. 87 p. 606 a ff. an einem
Katalog icboner Fraaen den Xacbweis fnbrt, δτι oib4v dotiv
ός)βαλμών ο&ηυς €uq>pavnKOv ως γυναικός κάλλος. In Lncians
Έραιτ€ς, wo das epikureische Gepiügr ebenso dentlieb bemerk-
bar ift wie das kyniscb-etoische ^ , vertbeidigt der Korintber
Cbarikles die Weiberliebe, der Athener Kallikratidas die Ejiaben-
liebe im edlen Sinne. Der Beifall des Scbiedsricbtera Ljkinos
(^ Lncianns) gehört dem Kallikratidas.
In der Poesie hat die μούσα παιδική neben dem Motiv der
Wciberliebe von jeher ihr Ansehen behauptet. Dnrch den*Cbry-
fippos'^ des Enripides. der nicht gmnds&tslieh der Feind des
weiblichen Geschlechts (vgl. besonders Aristoph. Thesm. 544 ff.)
gewesen sein kann, für den ihn seine Zeitgenossen hielten', war
der Conflict zwischen beiden Liebesarten auf die Bohne ge-
kommen. Ans der neueren Komödie mit ihren häufigen, den
Ansftllen des Aristophanes in seinen drei Weiberkomödien an
Heftigkeit nicht nachstehenden Yerwnnschnngen des weiblichen
Geschlechts nnd des γαμεϊν (vgl. Antiphanes fr. 292 K. Ana-
xandrides fr. 52 Enbnlos fr. 116 f. Aristophon fr. 5 Alexis
fr. 262 Kenandros fr. 154. 404. 484)* sei der Μισογύνης des
Menandros (fr. 325) hervorgehoben. Von Antiphanes (fr. 181)
nnd Diphilos (fr. 58) werden im Widerspruch mit dem Zeagniss
des PInt. Qnaest. conv. VIT 8, 3 p. 712 C, nach welchem die
Knabenliebe für die via κωμψοία keinen Stoff abgab, Stücke des
Titels ΤΤαΛβροστής nnd TTaibepacTToi genannt. Die Έραττβς ή
Καλοί des Elegikers Phanokles schienen von der Knabenliebe
abzumahnend Aaf das Vorbild des Hesiod, nar dass sie von
männlichen Geliebten handelten, weisen die Ήοΐοι des Sosikrates
von Phanagoria nnd der γυναικών κατάλογος des Nikainetos.
» Vgl. Praechter so. S. 148 f.
* Tragg. Graec. fr. reo. A. Nauck* S. 632.
« Vgl. Bloch: Neue Jahrb. f. d. klass. Alt. 1901 S. 32.
^ Aehnliches in der imitircnden römischen Komödie: ygl. Ribbeck
a/>. I 78 f.
* Vifl. Susemihl ao. I 191.
Zu Achillee Tatius 59
Auch von den Dicbtern wird die Frage, ob der δρρην oder der
θήλυς ίρως der begebrenewertbere eei, verscbieden beantwortet.
Ale βπου προσή τό κάλλος, άμφΐ&έζιος bekennt eiob der sinn-
licbe Liebbaber in dem Fragment des ungenannten Dichters bei
Plut. Erot. c. 21 p. 767 Α ^. Seleukos, der Sobn des Gescbicbt-
ecbreibers Mnesiptolemos, welcher letztere am Hofe Antiocbos
des Grossen lebte, preist in zwei von Athenaeus XV c. 53
p. 697 d oitierten Asklepiadeien seiner Ιλαρά ^(Τματα die Knaben-
liebe gegenüber dem γαμεΐν. Schwankenden Sinnes ist der Epi-
grammatiker Meleagros von Gadara (A. P. V 208 ΧΠ 41. 86)•
Vor Straten von Sardes, dem talentvollen, aber lasciven Sänger
der Enabenliebe, findet das Weib natürlich keine Gnade (A. F.
Xn 7), vielmehr ist ihm das παι&οφιλεΐν wie dem Kallikratidas
bei Lucian. ao. c. 33 p. 433 bis c. 36 p. 437 ein εύρημα, welches
der vemtinftjge Mensch wie jeden andern Kulturfortschritt vor
dem unvernünftigen Thiere voraushabe: vgl. A. P. ΧΠ 245.
Der unbekannte Verfasser des Epigramms A. P. Xll 17 kommt
zu dem Ergebniss : δσον ουνατώτερος δρσην θηλυτίρης, τόσσον
χώ πόθος όΕύτερος, während Eratosthenes Scholastikos^ Α. Ρ.
V 277 und Μ. Argentariue Α. Ρ. V 116 im Sinne des Charit les
bei Lucian ao. c. 25 p. 426 und c. 27 p. 427 (vgl. Musonins
bei Stob. fl. 69, 23) für das Weib eine Lanze brechen. Mit der
Weiberliebe will sich auch Agathias A. P. V 278 begnügen,
aber A. P. V 302 verwirft er alle Liebesarten nnd findet das
Heil einzig in dem cynischen Verfahren, welches Diogenes von
Sinope nach Galen De loc. affect. VI 5 Bd. Vni 419 K. an-
gewendet haben soll. — ünt^r den diesbezüglichen Aeusserungen
römischer Dichter^ ist der Ausspruch des Ovid a. a. Π 683 f.
bemerkenswerth :
^ Naaok ao. Adesp. 355.
s Susemibl ao. I 225.
* üeber das Verh<niss des CatuU zur Knabenliebe vgl. Hamecker:
Jahrb. f. Phil. 1886 S. 273 ff., über das des Tibull: Sat. Viadr. 1896
S. 48 ff. Die Erzeugnisse der Knabenmuae beider Dichter — und das-
selbe gilt von den betreffenden Dichtungen des Horaz und Vergil —
können, weil sie sich als reine Nachahmung griechischer Muster aus-
weisen, den Glauben an eine ihnen zu Grunde liegende Realität nicht
erwecken. Bei Properz spielt die Knabenliebe so gut wie gar keine
Bolle; vgl. Birt: Rh. Mus. XXXVIII p. 215. Schon in der griechischen
μούοα παιοική wird vieles auf blosser Nachahmung älterer Vorbilder
ohne den Hintergrund des Selbsterlebten beruhen. Der erotische
Dichter glaubt sein Lesepublikum nicht vollständig zu befriedigen,
wenn er das Motiv der Knabenliebe übergeht.
60 Wilhelm
Odi concubitus, qui non ütrumque resolynnt
(Hoc est, cur pueri tangar amore miDUs).
GriecbiRcbe Epigrammenpoesien wie die oben angeführten hat
Martial gelesen und verwerthet: vgl. zB. Mart. IX 25 A. P.
ΧΠ 175. — Mart. XI 43 A. P. V 116, Lucian. ao. c. 27 p. 428.
Der Sittenprediger Juvenal, der I 2 das unnatürlicbe Treiben der
Männer verdammt, möchte in seinem ψόγος γυναιιςών 11 6, 34 ff.^
die Verbindung mit einem puer delicatus immer noch für ge-
rathener halten als mit einem der sittenlosen Weiber seiner Zeit.
^Je mehr das weibliche Geschlecht der allgemeinen Corruption
verfiel^ und je gewagter infolge dessen die eheliche Verbindung
zu sein schien, um so mehr scheint man sich mit der Frage nach
den Vürtheilen der Männerliebe oder der Weiberliebe beschäftigt
zu haben. Der letzte, der sie ausführlicher bespricht, ist Achilles
Tatius, der Homanschriftsteller. Es handelt sich um die Exourse
I 8, 1 — 9 und II 35, 3—38 (Hercher), welche nach dieser Skizze
ihres Zusammenhangs mit der vorhergehenden Sohriftstellerei in
Prosa und Poesie ein litterarhistorisches Interesse beanspruchen
dürfen, zumal sie den Niederschlag alles dessen enthalten, was
über diesen Punkt gedacht und geschrieben worden ist. Eine
kurze Inhaltsübersicht wird nicht überflüssig sein.
Eleinias, der Vetter des Romanheldeu Eleitophon, ergeht
sich, um seinen Geliebten Charikles von einer Heirath abzu-
halten, welche dieser nach dem Wunsche seines Vaters mit
einem reichen, aber hässlichen Mädchen eingehen soll, in einer
Schmährede gegen das Weibergeschlecht: durch das Weib (Pan-
dora) ist alles Uebel auf die Welt gekommen. Der Genues, den es
gewährt, ist wie der Sirenengesang, den man mit dem Leben be-
zahlt (I 8, 1. 2). Schon aus den geräuschvollen Zurüstungen
zur Hochzeit lässt sich auf die Grösse des Uebels schliessen
(§ 3). Wie viel Stoff haben die Weiber (Eriphyle, Philomele,
Stheneboia, Aerope, Prokne, Chryseis, Briseis, das Weib des
Eandaules, Helena, Penelope, Phaidra, Elytaimnestra) der Tragödie
gegeben (§ 4 — 7)! Entbehrt das Weib noch dazu der Schönheit,
so ist das Unglück doppelt (§8)^ Endlich macht das Heiratben
die Jugend blüthe des Mannes vor der Zeit verwelken (§ 9).
1 Vgl. V. 457 ff. 474 ff. mit Lucian. ao, o. 38 p. 440 bis c. 42
p. 445. Es ist die Sprache des stoischen Aretalogen.
2 ήκιστα γάρ έν γυναιΕΙν ολόκληρος άρβτή φύ€ται. Lucian. ao.
c. 50 ρ. 454.
s Vgl. Ι 7, 4.
Zu Achilles Tatius 61
Der andere Abschnitt (li 35, 3 ff.) ist ein diatribeartiger
Dialog zwischen dem erwähnten Kleitophon und dem Aegypter
Menelaos, dem Lobredner der Knabenliebe. Dessen Behauptung,
die Schönheit der Knaben sei 5ριμύτ€ρον βίς ήοονήν (§ 3), wird
von jenem mit dem Einwand bestritten, dass der Schöne dem
Liebhaber nur allzuoft mitten im Genüsse entfliehe, so dass der
Genuss unbefriedigt bleibe, wie der Durst des Tantalus (§ 4. 5).
Dagegen ist nach Menelaos der wahre Genuss eben derjenige,
der, je kürzere Zeit er währt, das Verlangen um so reger erhält
(36, l). Darum ist auch die Rose schöner als alle andern
Blumen, weil ihre Schönheit rasch entflieht. £s giebt nämlich
zwei Arten von Schönheit, die himmlische [der Knaben] und die
gemeine [der Weiber] (§ 2). Jene strebt bald zum Himmel empor,
diese verwelkt am Leibe. Zeuge jener ist Ganjmedes, der wegen
seiner Schönheit von den Göttern in den Himmel entführt und
Zeus' Mundschenk wurde (§3). Aber noch kein Weib — denn
auch mit Weibern hat Zeus Gemeinschaft gehabt — ist um ihrer
Schönheit willen in den Himmel gekommen, weder Alkmene
noch Danae noch Semele, und Hebe musste ihr Ehrenamt an
Ganymedes abtreten (§ 4). Statt dessen flndet Kleitophon, dass
die Schönheit der Weiber deswegen die himmlische sei, weil sie
nicht so schnell vergehe. Denn das Unvergängliche ist dem
Göttlichen verwandt, was sich aber ändert und vergeht, ist
sterblich und gemein (37, I j. Hat doch die Schönheit der Weiber
(Europa, Antiope, Danae) den Zeus selber vom Himmel herab-
gezogen (§ 2). Der Baub des Ganymedes war eine Vergewal-
tigung, bedauerlich und unschön zugleich (§ 3). Semele aber
ist nicht durch einen Baubvogel, sondern nach Art des Heraklee
durch Feuer in den Himmel entführt worden; aus der Verbindung
des Zeus und der Danae ging [der unter die Sterne versetzte]
Perseus hervor; Alkmene aber begnügte sich mit der Ehrung
dass Zeus um ihretwillen dreimal die Sonne nicht scheinen Hess
(§ 4). Uebrigens bieten die Umarmungen und Küsse der Weiber
ein ungleich grösseres Vergnügen als die der Knaben (§5 — 10).
Für die letzteren nimmt Menelaos das Schlusswort: die Bede,
die (Τχήματα und selbst die Schönheit der Weiber beruhen auf
nichts als auf künstlicher Verfälschung (38, 1. 2), Die Schön-
heit der Knaben aber ist durchaus natürlich (j^ 3); der liebenden
Umarmung geht die Umarmung beim Bingkampf voraus, dessen
man sich niciit zu schämen braucht und der sich zu einem Kampfe
um die Lust gestaltet (§ 4). Die Küsse der Knaben sind natür-
62 Wilhelm
lieb, und das Behagen, welohes sie einflösseD, ist ein anersätt-
liches (§ δ).
Die Weise unseres Sophisten ist die, dass er^ an eigener
Erfindung anfruchtbar, das Material mit Fleiss aus andern Schrift-
stellern, Prosaikern und Dichtern, zusammensucht, mit Vorliebe
das Pikante entlehnt, das Entlehnte mehr oder weniger vertuscht^
und es in kurzen, locker verbundenen Sätzen^ zusammenfügt.
Seine Abhängigkeit von der yorausliegenden erotischen Litteratur
geht so weit, dass er selbst die Gemeinplätze, an denen diese
Gattung überreich ist, nicht verschmäht.
Dahin gehört die Unterscheidung der Άφροοίτη ουράνια
und πάνδημος: vgl. Plato Symp. c. 8 p. 180 D Xen. Symp.
8, 9 f. Plut. Erot. c. 19 p. 764 Β Athen. XIII c. 25 p. 569 d
Lucian D. mer. 7, 1 p. 295. Nach Sokrates bei Xenophon ao.
soll die Liebe zum Körper von der gemeinen, die Liebe zur Seele
und zur Tugend von der himmlischen Aphrodite stammen. Be-
greiflicher Weise fanden die sophistischen Vertheidiger des παι-
ΟΟφίλεΐν die Seele und die Tugend nur bei den Knaben. Sie
kOnnten sich auf die Stelle in der sophistischen Rede des Pau-
sanias bei Plato ao. c. 9 p. 181 C berufen, wo der Sprössling
der himmlischen Aphrodite (mit sophistischem Gedankensprunge) '
schlechthin der Knabeneros — ό τών παί&(υν ίριυς — genannt
wird. Demnach sieht Kallikratidas bei Lucian Έρωτες c. 37
p. 438 in der Knabenliebe den Έρα*ς ουράνιος (vgl. Plat. Symp.
c. 11 p. 185 B. 0. 12 p. 187 D), während ihm die Weiberliebe
als der Έριυς νήτηος erscheint. Sein Gesinnungsgenosse Pro-
togenes bei Plutarch ao. o. 4 bedient sich dafür der Ausdrucks-
weisen Έρως αληθινός (ρ. 750 C) oder γνήσιος (ρ. 751 Α) und
Έρως θήλυς καΐ νόθος (ρ. 7''>0 F). Selbstverständlich vertritt
Menelaos bei Achilles in seiner sophistischen Argumentation die-
selbe Anschauung. Auch er unterscheidet (II 36, 2) ein κάλλος
ούράνιον und πάνοημον. Jenes, natürlich nur den Knaben, wie
dem unsterblich gewordenen Ganjmedes, eigenthtimliche κάλλος
sucht sich des sterblichen Leibes wie einer lästigen Fessel zu
entledigen, um bald in seine himmlische Heimat zurückzukehren.
Bekanntlich ist das nach Plato die Aufgabe des Philosophen:
^ Das zeigt besonders die Weise, wie er den Heliodor benutzt;
vgl. Neimke: Quaest. Heliod. Hai. Sax. 1889 S. 22 ff.
^ Nach dem rhetorischen Recept für die Stilart der άφέλ€ΐα.
Vgl. W. Schmid bei Wiesowa; Realenoycl. I Sp. 24G.
8 Vgl. G. F. Rettig: Plat. Symp. Halle 1876 II S. 132.
Zu Achilles Tatias 63
vgl. Phaedr. c. 30 p. 250 C. Pbaedo o. 9 p. 64 E. c. 10 p. 65
C — auf diese Stelle mag das 2Ιητεΐ bei Ach. p. 85, 2 zurückgehen
— c. 12 p. 67 D. c. 33 p. 82 D. E. Platonisch ist, wie man
leicht bemerkt, auch der folgende Satz (Ach. p. 85, 3), dass das
Gemeine, di• für Menelaoe das Weibliche, der £rde und dem
Leibe anhafte. Ee schwebt das vielgebrauchte Bild von der flügel-
lahmen Seele vor (Phaedr. c. 28 p. 248 C), die unvermögend
zar Gottheit emporzudringen und ihrer Schwingen beraubt zur
Erde sinkt (ίρριττται κάτω Ach. ρ. 85, 3). Desgleichen zeigt
sich der Einfluss Piatos in dem ebenfalls recht sophistisch ge-
haltenen Gegenbeweise des Kleitophon, dass das weibliche κάλλος
den grösseren Anspruch auf Unsterblichkeit habe. Hier (p. 85.
20) ist das κ ι ν ο ύ μ ε V ο ν έν φθορςί (vgl. Phaedr. c. 24 ρ,
245 C τό . . . υπ' άλλου κ ι ν ο ύ μ e ν ο'ν . . . παυλαν ίχβι
Ιωί\ς und ebd. ρ. 245 Ε πάν γάρ σώμα, φ μέν ϋιυθεν το κι-
νβΐσθαι, άψυχον) identisch mit der rasch vergänglichen Knaben-
scbönheit, deren Abnahme mit der Zeit des Bartwuchses beginnt
(vgl. A. P. ΧΠ 4. 195. Luciau. ao. c. 10 p. 407. c. 26 p. 426).
Niemandem wird es einfallen, aus der Berührung mit solchen ab-
genutzten Sätzen Piatos auf besondere Vertrautheit unseres Achilles
mit der platonischen Philosophie schliessen zu wollen. Nichts
liegt diesem Sophisten ferner als philosophische Specuiation^
Was er in seinem Bemühen attisch zu schreiben aus den Schriften
Piatos, dieses Hauptvertreters der attischen Prosa, entnommen
hat, das sind im wesentlichen nur dessen Worte und Redewen-
dungen^. Aber selbst unter diesen werden ihm gar manche nicht
direct aus Plato, sondern vielmehr erst durch Vermittlung seiner
eophietischen Vorläufer zugeflossen sein. Andere Uebereinstim-
mungen mögen, von offenkundigen Gemeinplätzen abgesehen, dar-
auf zurückzuführen sein, dass Achilles, wie sich zeigen wird,
auch die verlorene ^ ihm zeitlich näher liegende Litteratur über
Liebe, Schönheit u. dgl. verwerthet hat, für welche die erotischen
Dialoge Platos, vor allem der vielgelesene ^^Phaedrus^ und das
* Vgl. Wyttenbach in Jacobs' Ausg. des Ach. ProU. p. XIV Anm.
25; dagegen F. Passow: Vermischte Schriften S. 90 und A. Stravos-
kiadis: Achilles Tatins, ein Nachahmer des Plato, Aristoteles, Plutarch
and Aelian. Erlang. Dise. Athen 1889 S. 7 f. (eine minderwerthige Arbeit).
^ VgL H. Sexauer: Der Sprachgebrauch des Ach. Tat. Heidelb.
Dies. Karlsruhe 1899 S. 7β.
' Vgl. Norden: Die antike Kunstprosa. I 439 Anm. 4.
64 Wilhelm
'Symposion* ohne Zweifel eine ergiebige Quelle gewesen sind.
Möglicher Weise sind die eben besprochenen Stellen hierher zu
rechnen ^.
Die Verteidiger der Knabenliebe empfinden den Unterschied
zwischen dem Knaben und dem Weibe nach einer öfter vorkom-
menden Wendung nicht anders als den Gegensatz von Natur
und Kunst: άπλούστβραι παΐΙ)€ς γυναικών (Ach. ρ. 84, 11);
vgl. Strato Α. Ρ. XII 7. In dieser Hinsicht liefert ihnen den
Bauptanklagegrund gegen das weibliche Geschlecht die schon in
der Komödie (Aristophanes fr. 320 Antiphanes fr. 148 £ubulo8
fr. 98 Alexis fr. 98 Plaut. Most. 258 flf. u. ö.) so bitter ver-
spottete und von den Moralphilosophen, wie zB. von Nikostratos
in der Schrift περί γάμου bei Stob. fl. 74, 62 (vgl. Juv. II 6,
461 flf. und Clem. AI. Paed. II 10 p. 232 P.^) mit allem Nach-
druck verurtheilte τέχνχ] κομμωτική. Gegen diese Sucht der
Weiber die natürlichen Mängel durch kosmetische Mittel zu ver-
decken ziehen Protogenes bei Plut. ao. c. 4 p. 751 A, Kallikra-
tidas bei Lucian. ao. c. 3ίί ρ. 440, Menelaos bei Achilles p. 87
14 ff. mit gleicher Leidenschaftlichkeit zu Felde. Sieht man
solche Weiber sich am Morgen vom Lager erheben — so eifert
Kallikratidae bei Lucian ao. — so findet man sie hässlioher als
^ Wenige Beispiele statt vieler mögen das Gesagte illustrieren.
So soll gleich die Scene am Anfang p. 40, 8 ff. nach der im Eingang
des Phaedrus c. 5 p. 2.30 Β ausgeführt sein. Aber wie oft kehrt dieser
den Spott des Plut. Erot. c. 1 p. 749 Α herausfordernde Gemeinplatz
in der erotischen Erzählung wieder! Vgl. Lucian. "Ερωτες c. 18 p. 418.
liohde ao. S. 512 Anm. 1. — Ach. p. 49, 13 schliesst der Satz: ταΟτα
άκουσας μάθε. Aehnlich Plat. De legg. VII c. 14 p. 810 Α τοΟτο
αυτό πρώτον μάνθανε. Vgl. aber auch Lucian. ao. c. 37 p. 438 λο-
γίίου . . . τά τοιαΟτα μεταμανθάνων. — So hat man zu κάλλος
. . . δριμύτερο ν εΙς ηδονή ν (Ach. ρ. 84, 12) auf den wiederholten Ge-
brauch des AdjectivB δριμύς bei Plato hingewiesen, dagegen die einzig
passende Parallele bei Plut. ao. c. 19 p. 7(54 C ("Ερως . . . ήδίων καΐ
δριμύτερος) übersehen. — Ebensowenig ist Ach. ρ. 141, 10 ταΟτα μέν
ούν ίπαιίε σπουδή eine Nachahmung von Plat. Phaedr. c. 9 p. 234
l) δοκώ γάρ σοι παίίειν καΐ ούχΙ έσπουδακέναι; vgl. Plat. Symp.
c. 19 ρ. 197 Ε Xen. Symp. 1, 1. 4, 28 Plut. Erot. c. 3. p. 750 Α Lucian
ao. c. 1 p. 397, Hirzel ao. 1 305. — Andere Beispiele werden gele-
gpfitlich vorkommen. — Natürlich eoll hiermit nicht geleugnet werden,
dasH Achilles die landläufigen Schriften Piatos gelesen hat. Nur soll
man auch die zahlreichen Mittelglieder, die zwischen Plato und Achilles
liegen, nicht vergessen.
''^ Wohl nach Musonius.
Ζα Aohilles Tatius 65
jene Tiere, die des Morgens zu erblicken eine üble Vorbedeutang
ist. Statt des Affen, der hier gedacht ist (vgl. Lncian Psendol.
c. 17 p. 175. A. P. V 76), bedient sich Achilles p. 87, 19 f.
des Vergleichs mit der ihrer fremden Federn entblöesten Krähe
(vgl. A. P. XI 69). Und nun gar das Flechten und Färben der
Haare (Ach. p. 87, 18)1 Vgl. Lucian ao. c. 40 *p. 441; Clem.
AI. Paed. U 10 p. 232P.; Musonius πβρί κούρας bei Stob. 290,
15 ff. H. ; Prop. II 18 b Rothst. Am Weibe beruht eben alles auf
Verstellung (Ach. p. 87, 14 f.), και τά βήματα (vgl. Anaxilas
bei Athen. XIII c. 6 p. 558 d Eurip. bei Stob. fl. 73, 31 Me-
nandros ebd. 73, 43 Prop. II 9, 31 f.) καΐ τά σχήματα (zum
Auedruck vgl. Athen. VIII 13 p. 335 d; Clem. AI. Protr. c. 4
p. 53 P.; A. P. V 129). Wie anders die schlichte und echte
Schönheit der Knaben: ουκ αρδεύεται (έπάροιυν Lucian.
ao. c. 45 p. 448) μύρων όσφραΐς ovbk οολεραΐς καΐ αλ-
λ ο τ ρ i α ι ς όσμαΐς (Ach. ρ. 87, 21 f.)! Hier gemahnt die Wahl
des Adjectivs δολερός (vgl. b ό λ ιυ ν p. 87, 19) an das Epi-
gramm des aus einem παιοομανής zu einem θηλυμανής gewordenen
Bufinus A. P. V 19 (Άντι be μοι παίδων άδολου χροός ήρεσε
γύψου Χρώματα καΐ φύκους δνθος έπεισόδιον), während das
όλλοτρίοις όσμαΐς an Lucian ao. c. 38 ρ. 440 (αλλό-
τριοι κόσμοι) und Plat. Phaedr. c. 16 ρ. 239 D (άλλοτρίοις
χρώμασι και κόσμοις) erinnert. Angenehmer (ήδιον Ach. ρ.
87, 23) als alle Salben der Weiber duftet der ehrenvolle, auf
dem Ringplatz (vgl. Plut. ao. c. 4 p. 751 Α Lucian ao. c. 45
p. 448) vergossene Schweiss der Knaben (Ach. ao.) — ein Ge-
meinplatz aus Xen. Symp. 2, 3 (ελαίου bk του έν γυμνασίοις
οσμή και παροΟσα ή οίων ή μύρου γυναιΕί, και άποΟσα ποθεινο-
τέρα); nur dass an Stelle des Salbölgeruchs der Ringer nach
Vorbildern wie Plat. Phaedr. c. 16 p. 239 C (πόνων μέν αν-
δρείων και Ιδρωτών Εηρών δπειρον) und Lucian ao. c. 45
ρ. 448 (οϊ τε των εναγώνιων πόνων άποσταλάίοντες Ιδρώ-
τες) der Schweiss gesetzt ist: vgl. Α. Ρ. XII 123 und Strato
ebd. 192.
Auf Xenophon (Symp. 8, 29) geht mittelbar oder unmittel-
bar auch der Gedanke zurück, dass keines der irdischen Weiber,
mit denen Zeus verkehrte, wegen seiner Schönheit unsterblich ge-
worden ist (Ach. 85, 9). Dafür haben wir in der von Xenophon
unterlassenen Aufzählung solcher Liebschaften des Zeus — Alk-
mene, Danae, Semele (p. 85, 10 ff.) — Europa, Antiope, Danae
(p. 85, 24 ff.) — wieder einen Gemeinplatz, der in den Schriften
Rhein. Μοβ. t Philol. N. F. LVII. &
66 Wilhelm
über Liebe und Schönheit (vgl. Athen. XIII c. 20 p. 566 d
[Lacian.] Charid. c. 7 p. 622 ^ Clem. Rom. Recdgn. X c. 2i
Hom. 5, 13 f. Clem. AI. Protr. c. 2 p. 28 P.) nicht minder häufig
war, als in der erotischen Poesie (vgl. Ov. Met. VI 103 ff.
Nonnos Dion. VII 117 ff. XVI 238 ff.). Vielleicht entnahm ihn
Achilles demselben βιβλίον έρωτικόν, welches er an der Stelle
benützt hat, wo Kleitophon die Behauptung des Meneiaos, daee
alle sterblichen Frauen, denen Zeus in Liebe nahte, statt der Un-
sterblichkeit nur üblen Lohn davongetragen hätten (p. 85, 10 ff.),
zu entkräften sucht (p. 86, 3 ff.). Seine nicht besonders geschickt
benutzte Vorlage besagte, dass Zeus seine irdischen Geliebten,
wie Alkmene und Danae, in der Weise ehrte, dass er den von
ihnen geborenen Söhnen die Unsterblichkeit verlieh, dem Herakles
(vgl. Clem. AI. Protr. c. 2 p. 28 P.), indem er ihn durch Feuer
in den Himmel entführte, dem Perseus, indem er ihn unter
die Sterne versetzte: vgl. die Parallele in der Liebes-
epistel des Apion bei Clem. Rom. Hom. 5, 17 Ζευς . . . Κά-
στορα και ΤΤολυόεύκην και Έλένην Λήί>ςι χαριίόμενος έποίησεν
αστέρας• και Περσία bia Δανάη ν και... Ήρακλέα bia
Αλκμήνη ν, durch welche die kurze Frage des Kleitophon ei 6έ
Δανάης τήν λάρνακα γελςίς, πώς τον ΤΤερσέα σιιυπςΙς(Αο^
ρ. 86, 6 f.); erst völlig verständlich wird. Uebrigens ist auch
diese schon von Xenophon Symp. 8, 29 f. angedeutete Reihe un-
sterblich gewordener Männer (Kastor und Polydeukes^ Herakles,
Ganymedes, Perseus ua.) bekanntermassen ein ganz vulgärer locus
communis; es genüge, auf Cic. De n. d. 111 18, 45 Clem. AI. Protr.
c. 2 p. 26 P. und die vollständigste Aufzählung dieser Art bei
Hygin Fab. 224^ zu verweisen. Die in dem Verzeichniss der
Liebschaften des Zeus wiederholt (zB. auch Clem Rom. Hera. 5,
14) erwähnte Semele soll von Zeus, nachdem sein Blitz sie töd-
lich versengt hatte, in den Himmel erhoben worden sein: Σεμέλην
bk εις ούρανόν άνήγαγεν . . . πυρ (Ach. ρ. 86, 3 f.).
Diese Erweiterung der ursprünglichen Sage, welche nur die Ver•
1 Die Parenthese καΐ γ ά ρ γυναιΕΙ κεκοινώνηκεν 6 Ζευς
(Ach. ρ. 8Γ), 10) scheint dem gleichfalls pareuthetisch eingefügten Satz
des Charidemus c. 7 p. 622 oO γ ά ρ ανθρώπων γε ούδέσι πλην εΐ μή
τοΙς καλοί ς (sc. Ζευς ώ μ ί λ € ι) nachgebildet zu sein. — Vgl. ebd.
άναγαγειν έκ€ΐσε und άναγαγών έκεΐσε sc. εΙς ούρανόν mit
Ach. ρ. 85, 22 άνήγαγεν €ίς ούρανόν (Χβη. Syrap. 8, 30 iyu}
hi φημι . . . κοί Γανυμήδην . . . ύπό Διός εΙς "Ολυμπον άνενεχθήναι).
^ Natürlich schöpft Hygin wie Cicero aus griechischer Quelle.
Zu Aöhillee Tatioa 67
brennang zu kennen scheint (Ov. Met. III 308 f. Hygin Fab.
179 Acb. p. 85, 12), ist dem Achilles wohl aus Nonnoe, mit
dem er eich anch eonst berührt,^ geläufig gewesen: vgl. besonders
DioD. VIII 407 ff.: Ζβύς . . . φλογερήν Σεμέλην μεταναστών
εΙς πόλον δστριυν Ούρανόν οΤκον ίχουσαν ανήγαγε ...
Wo die Knabenliebe gepriesen wird, sei es von der μούσα
παιδική oder von ihren Lobrednern im erotischen Dialog, da
wird auch des schönen, von seinem Liebhaber Zeus geraubten
Ganjmedes nicht vergessen: vgl. Theogn. 1345 ff. Ibykos fr. 30
B. Plat. Phaedr. c. 36 p. 255 C Xen. Symp. 8, 30 Lucian
Έραττες c. 14 p. 413 Charid. c. 7 p. 622 A. P. XII 65. 133.
220. 221 uö. Martialis Υ 55 XI 43 uö. Achilles lässt beide
Sprecher auf die Sage Bezug nehmen, und zwar hat er sich im
Auedruck wiederholt an Lucian D. d. 5 angeschlossen: vgl.
Ach. p. 85, 14 (συνοική) Lucian ao. c. 2 p. 213 (συνοι-
κεί). — Ach. p. 85, 26 Lucian ao. c. 5 p. 215 (o l ν ο χ 0 ε ί -
το))^. Für das Motiv der Eifersucht der Here wegen des
Ganymedes, welches Lucian verarbeitet hat und welches sich
auch bei Nonnos ao. XXY 445 ff. findet, hat Achilles keine
Verwendung gehabt. Zwar ist "Ηρη (ρ. 85, 27) die Ueberlie-
ferung, aber die strenge, bis aufs Einzelne sich erstreckende
Corresponsion zwischen der Eede des Kleitophon und der voraus-
gehenden des Menelaos (man beachte besonders das in den
beiden sich entsprechenden Sätzen p. 85, 16 und p. 85, 28 nach-
drucksvoll ans Ende gestellte γυνή) macht die Aenderung "Ήβη
(Hercher)^ durchaus nothwendig. Dagegen dürfte das überlieferte
τυραννουμένψ (= einem, der vergewaltigt wird) mit Rücksicht
auf eine Stelle wie Lucian Έριυτες c. 20 p. 420 (καΐ τις δρα
πρώτος όφθαλμοΐς το αρρεν εΐοεν ώς θήλυ, ί>υοϊν θάτερον ή
τυραννικώς βιασάμενος ή πείσας πανούργως;) vor der
Lesart έσταυρα)μένψ (ρ. 86, 1) den Vorzug verdienen: ό bk
ανάρπαστος γενόμενος (zur Ausdrucksweise vgl. Plat. Phaedr.
c. 4 p. 229 C und Lucian Charon c. 17 p. 513) υβρίζεται καΐ
ίοικε τυροννουμίνψ * και το θ^αμά έστιν αϊσχιστον, μειράκιον
έ£ ονύχων κρεμάμενον. Hier hat sich Achilles gleich dem Non-
nos Dion. XXV 429 fP. an eines der zahlreichen Kunstwerke der
ι Vgl. Rohde ao. S. 474 Anm. 2.
^ Schon II 9 berührt sich Achilles mit diesem Göttergespräch
c. 2 p. 214. Dieser Liebesscherz stammt aas der Liebeslehre: vgl. Ov.
aa. I 575 f.; A. P. V. 171 ; Aristaeuetus I 25.
8 Vgl. dagegen Ach. Tat. übersetzt von F. Ast. Leipz. 1802 S. 103.
68 Wilholtti
Malerei oder Plastik erinnert, welche den Ganymedesmythne be
handelten.
Zum Beweise, dass Ganymedes um seiner Schönheit willen
in den Himmel erhoben wurde, beruft eich Achilles p. 85, 7 f.
auf dasselbe Zeugniss der Ilias ( Υ 234 f.) wie Athenaeus
XIII c• 20 p. 56 ti d. Auch für die Schönheit des Agamemnon
werden von beiden Schriftstellern (Athen. XIII c. 20 p. 566 c
Ach. p. 46, 28) Verse aus der Ilias (Γ 169 f. und Β 478) an-
geführt. Ich erkläre mir diese Uebereinstimmung, die gewiss
nicht auf Zufall beruht, aus gemeinsamer Benutzung einer jener
populärphilosophischen Schriften π€ρι κάλλους, wo diese Homer-
verse nach dem bei den Populärschriftsteliem beliebten Brauch,
ihre Darstellung mit Dichterblumen zu schmücken, oitiert gewesen
sind \ Noch beachtenswerther ist eine andere Berührung zwi-
schen Achilles und Athenaeus. Zur Begründung des Satzes, dass
das Weib ein κακόν sei (Athen. XIII c. 8 f. p. 559 f.; Ach. I
8, 2 f.), das über einzelne wie über viele das grösBte Unglück
gebracht habe, erwähnen beide das Beispiel der Chryseis, welche
die Pest im Griechenheere vor Troja verschuldete, der Briseis,
welche die Ursache der μήνις *Αχιλλέιυς war, der Helena, die
den trojanischen Krieg entzündete (Athen. XIII c. 10 p. 560 b
Ach. I 8, 5. 6), der Phaedra, die das Haus des Theeeus ver-
ödete (Athen, ao. c. 10 p. 560 c Ach. p. Ί6, 23), der Eljtä-
mnestra, die den Agamemnon tötete (Athen, ao. c. 10 p. 560 d
Ach. p. 46, 24 ; vgl. Athen, ao. c. 3 p. 556 c). Bei Achilles
findet sich ausserdem das Beispiel der £riphyle, Philomele, Sthe-
neboia, Aarope, Prokne (ao. § 4), des Weibes des Kandaules (§ 5),
der Penelope (§ 6). Mag es sich hier auch um eine traditionelle
Reihe von Beispielen handeln, die zum Tbeil wohl bis auf den
γυναικών κατάλογος des Hesiod zurückreicht, in zahlreichen
Tragödien^ behandelt ist und in der Komödie (vgl. Athen. XIII
^ In dem ganzen Abechnitt des Athenaeus von XIII c. 18 p. 564 f.
bis c. 20 p. 566 e scheint mir der £ztract solcher Litteratur π€ρΙ κάλ*
λους (vgl. c. II ρ. 561 a) vorzuliegen.
* Vgl. Nauck ao. S. 963 s.v. •Α€ρόπη, Έλ^νη, 'Εριφύλη, Κλυται-
μνήστρα, Πηνελόπη, Σθεν^βοια, Φαίδρα. Φιλομήλη und ΤΤρόκνη (vgl.
Ach. V 3. 5) kamen in den Stücken des Titels Τηρ€ύς vor (vgl. Nauck
8. V.), Χρυσηίς und Βρισηίς im Χρύσης des Sophokles. Dass die Επί-
γονοι und Φιλομήλη des Sophocles ein und dasselbe Stück gewesen
seien, vermuthet Welcker: Die griechischen Trag. p. 269 ff. Ob die
Geschichte des Weibes des Kandaules (Her. I 8 flf.) in einer Tragödie
Zn Achilles Tatius 69
c• 8 p. 559 C), in der Liebeslehre (Ov. a. a. II 373—408), in
der römischen Satire (Juv. II 6, 648 ff.), in der spätgriecbisohen
Epigrammenpoesie (A. P. IX 166) wiederkehrt, so ist doch zwi-
schen Achilles and Athenaeus eine engere Beziehung unverkenn-
bar. Nun ist es ja an sich durchaus nicht unwahrscheinlich, dass
der Sophist Achilles das Sophistenmahl des Athenaeus gelesen hat,
bei dem er auch das seltene, vom Komiker Alexis (Athen. XIII
c. 23 p. 568 a) gebrauchte Wort πρωτόπειρος (Ach. p. 86, 11.
87, 12) finden konnte, aber schon, weil die Beispiel reihe des
Achilles ausführlicher ist, möchte man eher glauben, dass beide
Autoren auch hier einer gemeinsamen Quelle, vermuthlich einer
nicht näher nachweisbaren Schrift π€ρι γάμου, gefolgt sind ^.
Dafür sprechen ausser Parallelen, wie sie Praechter ao.
8. 146 anführt (vgl. namentlich Bieron. adv. lov. 317 c mit den
Beispielen der Pasiphae, Clytaemnestra, Eriphyle und dazu F.
Book : Aristoteles Theophrastus Seneca De matrimonio Lips. 1898
8. 46. 66), die Berührungspunkte zwischen Achilles und Sto-
b a e u s in den aus der Litteratur περί γάμου und ähnlichen
Schriften excerpirten Abschnitten seines florilegium über das
γαμβΐν (67 ff.). Einige derselben, betreffend das Schminken,
Haarflechten und die Verstellungskunst des Weibes in der Eede,
sind bereits oben vermerkt worden. Dazu kommt, dass beide
Schriftsteller (Ach. p. 46, 1 f. Stob. 73, 49) dieselben hesiodei-
schen Verse 0. et D. 57 f. (vgl. Eur. Hipp, bei Stob. ebd. 23
A. P. IX 165 Ach. p. 46, 21) anführen. Sie werden in den
Schriften περί γάμου und verwandten Inhalts, die für die Sammlung
des Stobaeus noch so manches andere Dichterwort hergegeben
haben (vgl. zB. Stob. 73, 30 Lucian Έρωτες c. 38 p. 439. —
Stob. 71, 6 Plut. £rot. c. 8 p. 753 A), mehr als einmal citiert
gewesen sein. Im Anklänge an das bald darauf bei Stobaeus
73, 51 begegnende Citat aus den Επίγονοι des Sophokles ώ
παν σύ τολμήσασα^ καΐ πέρα γύναι oder an eine ähnliche
Stelle eines verlorenen Dramas heisst es Ach. p. 46, 24 ff.: ώ
behandelt war, weiss ich nicht. Man darf wohl annehmen, dass Achilles
verschiedene dieser Dramen gelesen hat.
1 Aas einer solchen Schrift scheint Athenaeus von XIII c. 10
p. 560 b bis 560 f geschöpft zu haben. Aus Schriften περί γάμου dürften
sich auch die Gitate von XIII o. 6 p. 557 e bis o. 9 p. 560 a — wenn
auch möglicher Weise erst durch Vermittlung eines älteren Sammel-
werkes — herleiten.
« Vgl. Soph. 0. C. 761 Aristoph. Nub. 375.
70 Wilhelm
πάντα τολμώσαι γυναίκες" κδν φίλώσι φονεύουσι *
κδν μη φιλώσι, φονεύουσιν. Auch die oft wiederholte, von
Kleinias bei Ach. p. 45, 30 f. (τί γάρ ήοίκησας, ϊνα πεοηθής;)
und ρ. 47, 5 (μήπιυ μοι b ο Ο λ ο ς Τ^νη) bezeichnete Aaffaesung,
dass die Ehe ^ eine Fessel sei (Plut. Erot. c. 7 p. 753 A),
durch die man zum Sklaven wird, zumal wenn die Frau über
Glücksgtiter verfügt, findet ihre Belege bei Stobaeue : vgl. Euri-
pides und Menandros ebd. 70, 4. 5. 72, 11. Die Klage des
jungen Charikles bei Ach. p. 45, 25 f., der nach einem der Ko-
mödie geläufigen und auch von Plutarch im ΈρατΓΐκός übernom-
menen Vorwurf mit einem reichen Weibe verheirathet werden soll
(έκοίόομαι ό δυστυχής τοις έκβίνης χρήμασιν, ϊνα γήμιυ πω-
λούμενος), erinnert an Menandros bei Stob. 70, 5 (αυτόν
bibu)(Tiv) und an das Bekenntnies des Demaenetus bei Plaut. As.
87 (Argentum accepi, dote Imperium vendidi). Zu dem Motiv
der reichen Frau, die obendrein noch hässlich ist (Ach. I 7, 4,
β, 8), vgl. Philippides bei Stob. 69, 8. Hiemach glaube ich,
dass sich Achilles in der Declamation des Eleinias I 8, 1 — 9 in
der Hauptsache an eine der Schriften περί γάμου angelehnt hat,
wo das Ebekapitel unter Berufung auf zahlreiche Dichterstellen
— wie etwa im * Ερωτικός des Plutarch — besprochen war *.
Auf eine solche Schrift deutet auch I 8, 3; hier werden die
lärmenden, dem Tumult des Krieges vergleichbaren Bräuche vor
der Hochzeit (zu biKXibuJV κτύπος vgl. A. P. VII 711 θυρέτρων
^ Reiches Stellenmaterial bei Lasaulx: Studien d. griech. Alter•
thums S. 374 fif.
^ Bei der Lectüre der Untersuchungen Eitere über Geschichte und
Ursprung der griechischen Florilegien (A. Elter: De gnomologiomm
graecorum historia atque origine, de Justini monarchia, de Aristobulo
Judaeo, 9 Programme der Universität Bonn 1893—1895/96 in fortlau-
fender Paginierung; Corollarium Eusebianum, ebenda 1894/95; De gnom.
graec. historia atque origine commentationis ab Eltero oonscriptae ra-
menta, ebenda 1897) kann man leicht auf die Vermuthung kommen,
dass sich auch Achilles, wie so viele Schriftsteller, eines der seit Chry-
sippos überaus häufigen Sammelwerke nach Art des florilegium des
Stobaeus bedient habe. Doch habe ich sonst keine Spuren gefunden,
die auf Benützung eines solchen Werkes durch Achilles sohliessen lassen
könnten. Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, dass der Aufiputs
der Darstellung mit Dichterstellen und dichterischen Redewendungen
echt sophistisch ist. Gar manche dieser Anklänge verdankt Achilles
seiner eigenen, keinesfalls zu unterschätzenden Belesenheit in der poe-
tischen Litteratur.
Zu Äohillee Tatius 71
. . . πάταγον. Heeyoh β. ν. κτυπίων) verspottet: Άτυχης ό
μίλλιυν γομεϊν έπι πόλεμον, 6οκώ μοι, πέμπεται (Ach. ρ. 46,
10 f.) — man hört einen Sprecher, der die Ehe mit ähnlichen
Empfindungen des Aergers hekämpft, wie sie bei Plut. ao. c. 11
p. 755 B. C dem Peisiae, dem Liebhaber des schönen Bacchon, bei
der Nachricht von dessen unter Aufbietung des ganzen lauten
Hochzeitsapparats vollzogenem Raube durch die heirathslustige
lemenodora (c. 10 p. 755 A) zugeschrieben werden. Am Schlüsse
des Abschnitts (Ach. 1 8, 9) wird dem Heirathscandidaten fol-
gende Ermahnung gegeben : μηbέ τό ανθός προ καιρού
της ήβης απόλυσης. Προς γαρ τοις δλλοις και τουτ' ίστι του
γάμου τό ατύχημα * μαραίνει τήν άκμήν. Μη, οέομαι, Χαρί-
κλ€ΐς, μήπω μοι μαρανθής* μή παραοψς βομορφον τρυγήσαι
^ ό b ο ν άμόρφψ γ ε ιυ ρ γ ψ. Die Worte sind bezeichnend für
die Arbeitsweise des Achilles, weil sie uns zeigen, wie er sich
selbst auf kurze Strecken an mehrere Muster anschliesst und das
Vorgefundene derartig in einander zu verweben weiss, dass sein
Roman in der That ^einem aus allerlei bunten Lappeti zusammen-
gestückelten Teppich' gleicht. Zu Grunde liegt der Gedanke, den
sein älterer Zeitgenosse und Landsmann Palladas in dem schon
oben citierten, ohne Zweifel nach älterem Vorbild gedichteten Epi-
gramm A. P. IX 165 mit den Worten ausdrückt: *Avbpa γαρ
έκκαίβι (sc. γυνή) ταϊς φροντίσιν ή6έ μαραίνει, Και γήρας
προπετές τή νεότητι φέρει. Gleichzeitig aber schwebt dem
Achilles Lucian Έρωτες c. 21 p. 421 vor Augen, wo der Ver-
theidiger der Weiberliebe geltend macht, dass vielmehr die un-
sinnige Männerliebe, die selbst vor Entmannung nicht zurück-
schreckt, des Mannes Jugendblüthe vor der Zeit verzehre (τό b'
έν νεότητι παραμείναν δ ν θ ο ς εΙς γήρας αυτούς μαραίνει
π ρ ό ιυ ρ ο ν). Dazu kommt der Vergleich des Geliebten mit der
Rose nach Epigrammen wie A. P. XII 58 (Rhianos) und ebd.
234 (Strato) und endlich das von Liebenden und Verheiratheten
nicht minder oft gebrauchte (Praechter ao. S. 134 f.) Bild vom
L a η d ma η η und seinem Acker (vgl. u. a. Xen. Symp. 8, 25).
Wie an der eben besprochenen Stelle, so sucht Achilles
auch II 36, 1 dadurch den Schein der Selbständigkeit zu erwecken,
dass er der Ausführung seines Gewährsmannes (Lucian Έρωτες
c. 25 p. 425) widerspricht^. In seiner Beweisführung παιοικής
χρήίΤεως πολύ τήν γυναικείαν όμείνω (Lucian ao.) geht Chari-
1 Ygl. Stravoskiadis ao. S. 9.
72 Wilhelm
klee von der Behauptung auR, daes der Genuas allemal dann um
80 reizvoller sei, je länger er anhalte: πασαν όπόλαυσιν ηγούμαι
τ€ρπνοτέραν etvai τήν χρονιιυτίραν^. Dafür setzt Mene-
laos ao. vom Standpunkt des Enabenliebhabers aus dae Wesen
des Genusses in die Flüchtigkeit und kurze Zeitdauer desselben:
ποθ€ΐνόν γάρ ae\ το άκόρεστον. Το μέν γαρ €ΐς χ ρ ή σ ι ν
χρονιώτερον τψ κόρψ μαραίνει το τβρττνόν, τό be όρπα-
ίόμενον (vgl. ρ. 84, 17) καινόν έστι κα\ μάλλον άνθει* ου γάρ
γεγηρακυΐαν* ίχ€ΐ τήν ήοονήν . . . Man erkennt (vgl. nament-
lich die Worte έπι την ύμετίραν . . . ήοονήν im Munde des
Gegners bei Lucian ao. und dazu Praechter ao. S. 149; Berl.
phil. Wochenschr. 1896 Sp. 870 Anm. 1) den Ausfluss philoso-
phischer Erörterungen über das κεφάλαιον τής ηδονής, wie sie
zwischen Epikureern und Stoikern gang und gäbe waren. Der
Liebhaber, dem sich der schamhafte Geliebte durch fortgesetzte
Flucht entzieht (Ach. p. 84, 18 ff.) und so die Qualen des Tan-
talus^ bereitet, von denen der cynische Theomnest bei Lucian
ao. c. 53 p. 456 nichts wissen will, ist bereits bei Plat. Phaedr.
c. 17. 18 p. 240 f. (vgl. Xen. Symp. 8, 23) vorgezeichnet*.
Von der Leetüre der Schrift Έρωτες ist Achilles ferner
II 37, 5 beeinilusst, wo der, nach seiner lüsternen Ausführung
p. 86, 14 ff. zu sohliessen, in den Werken des θήλυς ^ρως
gründlich bewanderte (p. 87, 11 ff.) Eleitophon mit Anwendung
der von Lucian ao. wiederholt gebrauchten Redeformel el bfc
bei (c. 27 p. 428, c. 49 p. 453 ^) eine nur massige Erfahrung
^ όΕ€Ϊα γάρ ή^ovή παραπτάσα φθάνβι πρΙν ή γνωσθήναι
π€παυμένη. An diese Worte klingt Ach. ρ. H4, 13 πώς ^ptμύτ€pov (sc.
τό κάλλος παισ{ν), είγε παρακύψαν μόνον οΙχ€ ται . . ., nur dass der
Rhetor die Auedruckeweise des Demosthenes 4, 24 τά Εενικά . . . παρα-
κύψαν τα έπ\ τόν τής πόλεως πόλεμον . . . πανταχο! μΑλλον οίχε-
τ α ι πλέοντα vorgezogen hat.
' Der Ausdruck wohl veranlasst durch Lucian ao. c. 25 p. 426
γυνή μέν oöv άπό παρθένου μέχρι ηλικίας μέσης, πρΙν ή τελέως τήν
έσχάτην |!>υτ{δα τοΟ γ ή ρ ω ς έπι^pαμεΐv, εύάγκαλον άνδράσιν όμίλημα.
' Sprichwörtlich (vj?!. Ach. ρ. 148, 14) wie die Sirenen (Ach.
p. HJ, Γ). Α. Ρ. V 1β1).
* An den von Hercher verdächtipten Worten καταλείπει γάρ δι-
ψ ui ντα (sc. ό παΙς τόν έραστήν) ist nichts zu beanstanden; vgl. Lucian
ao : Λ ι ψ ή V ύπομένειν.
^ ε( bi bi.% φιλοσόφων παισΐ πιστεύειν. Datür Ach. ρ. 56,
5 παίδες σοφών.
Ζα Achilles Tatius 73
in der Weiberliebe affectirt. Eine ähnliche όπόκρισις zeigt Theo-
mnest bei Lucian ao., indem er die Entscheidung der Frage nach
den Vorzügen der Männer- und Weiberliebe ablehnt (c. 4 p. 401
f.), obgleich er, an Liebeegenüesen aller Art förmlich übersättigt
(c. 2 p. 398 f.)» zu diesem Schiederichteramt wie keiner geeignet
Jet. Becht unerfahren stellt sich auch Charikles c. 25 p. 426 :
& b* iaiX τούτων άφανέστ€ρα, τοις πεπειρακόσιν ύμϊν
€i&evai παρίημι (vgl. Menelaos bei Ach. ρ. 86, 13 f. είρήσεταί
μοι, κ&ν μετρίως ίχω πείρας).
In brennenden Farben wird die Wollust, welche die Hetäre
bei Umarmung und Euss empfindet und einflösst, τοη Eleitophon
p. 86, 14—87, 8 (vgl. dagegen Lucian ao. c. 26 p. 426 γυναικι
bk USW. p. 427) ausgemalt. Zu έχει ρ. 86, 17 muss aus γυναικί
ρ. 86, 14 (diese Lesart empfiehlt sich statt des überlieferten
Τυναι£ί wegen Lucian ao. c. 26 p. 426 γυναικι bi und Ach.
p. 87, 14 γυναικι μέν) γυνή als Subject gedacht werden: ίχει
[γυνή] το σώμα sc. des Liebenden, ρ. 86, 18 ist περιβάλλ&ιν (das
eigentliche Wort vom Umwerfen des Oberkleides) mit dem dop-
pelten Accusativ construiert wie das Medium bei Her. I 163 und
das synonyme όμφίέννυμι = incubantem quodammodo amicit vo-
luptate (wie mit einer Hülle), p. 86, 19 bedarf das handschrift*
liehe έγγίΖει, zu dessen trai^sitivem Gebrauch Pol. VIII 6, 7
und Lucian ao. c. .53 p. 456 (χείλη προσ ε γ γ ί σ α ς χεί-
λε(Τι) zu vergleichen ist, keiner Aenderung. Nicht das Weib,
goodern, wie gesagt, die Hetäre ist es, deren aus der Liebeslehre
(vgl. Ov. a. a. III 793 ff.) geläufige Künste (γλωττίΖειν, κνίίειν,
ττεριλαμβάνείν Α. Ρ. V 129) in dieser ausgelassenen Ergiessung
(vgl. u. a. A. P. V 128) bezeichnet werden. Sie beruht, wie der
Kenner der erotischen Litteratur leicht bemerkt, bis ins Einzelne
— περιβάλλειν, οάκνειν τα φιλήματα, άνοίγειν τά φιλήματα,
όσθμαίνειν usw.; vgl. besonders Lucian D. m. 5, 3 p. 290. 5,4
p. 292 — auf blosser Nachahmung. Dieselbe sinnliche Glut er-
künsteln die Poesien des Paulus Silentiarius, an dessen Epigramm
A. P. V 272 (?χω στόματι στόμα και περί οειρήν ... βο-
σκό μ αι) Ach. ρ. 86, 22 f. (περί το του φίλουντος στόμα
βόσκεται) anklingt. Diese Kunst des KUssens, die nicht
bloss die Lippen, sondern auch die Herzen aufs innigste ver-
einigt wissen will (vgl. Plato A. P. V 78 Xen. Symp. 4, 26
A. P. V 14. 171 Favorinus bei Stob. fl. 65, 8 Longos I 18
Ach. II 7. 8. IV 8 Aristaenetus II 7 Rothstein zu Prop. I
13, 17) und zwischen künstlichen und natürlichen Küssen
74 Wilhelm
(Ach. II 38, 5), zwiechen φιλήματα bibaKra und abi'baicTa
oder anaibeirra (Longos I 17 Ach. II 37, 10), zwiechen φιλή-
ματα μακρά, ^μψοφα und μαλθακά (Paul. Sil. Α. Ρ. V
244, 1 Ach. ρ. 86, 15) so wohl zu nnterecheiden versteht, mag
einen hervorragenden Theil der in der hellenietischen Elegie ver-
arheiteten Liebeslehre gebildet haben, welcher Achilles auch sonst,
besondere aber I 9. 10 und II 4 gefolgt ist. Έβ sind die Ab-
schnitte, in denen Kleinias und Satyros in der Rolle der έρυϋτο-
bιbά(Tκαλoι dem verliebten Kleitophon die Mittel und Wege, die
Geliebte zu gewinnen, in der Weise des aus verwandten Quellen
schöpfenden Ovid an die Hand geben : vgl. Ach. p. 48, 1 6 ff.
Ov. a. a. II 345 f. — Ach. p. 48, 19 f. Ov. a. a. I 471 f. II
183 f. (Tib. 14, 17. A. P. IX 221). — Ach. p. 48, 24 ff. Ov.
a. a. I 613 f. — Ach. p. 49, 3 ff. Ov. a. a. I 609 f. — Ach.
p. 50, 1 ff. Ov. a. a. I 673 ff. — Ach. p. 60, 16 ff. Ov. a. a. I
229 ff. III 762. — Ach. p. 61, 1 ff. Ov. I 351 f. II 251 ff. —
Ach. p. 61, 10 ff. Ov. a. a. II 229. 233 ff. (Am. I 9). — Ach.
p. 61, 24. Ov. a. a. I 707 ff. — üebrigens ist auch der in der
knappen Form des αφελές ausgesprochene Gedanke Ach. p. 87
8 ff. naibujv . . . Άφpobίτη . . . αργή, #|bovης b' oub^v (vgl.
Lucian ao. c. 25 p. 426) kein anderer als der ausführlicher aus-
gesponnene bei Ovid. a. a. II 675— 684 (vgl. Charit. II 8 p. 40,
12 f. H.). Gegentiber Lucian ao. c. 53 p. 456 f., wo Theomnest
die ganze κλΐμαΕ der flbovή des παιbεpαστής von der δψις
(οφθαλμός γαρ 6bός έρωτικφ τραύματι, vgl. Plat. Phaedr. c. 36
ρ. 255 C. D Philemon fr. 138 Plutarch περί ίριυτος bei Stob.
66, 7 Musaeus 92—98 Ach. I 4, 4. 9, 4. V 13, 4) und den
πρώτα θιγήματα (vgl. Α. Ρ. XII 209) bis zur ίριυτος ακμή nach
dem Muster der Liebeslehre (vgl. Ov. a. a. II 715 ff.), aber sie
an Raffinement überbietend enthüllt, wird das sinnliche Vergnügen
der Enabenliebe von Menelaos II 38, 4. 5 mit löblicher Zurtick-
haltung vorgeführt. Doch zeigt § 4 am Schluss deutlich, daes
er sich die (Τυμπλοκή in der Palaestra nicht etwa wie Anachareis
im gleichnamigen Dialog des Lucian 1 p. 883 f. denkt, sondern
daes er das Ziel des Genusses vielmehr in der Ausschreitung des
Paidotriben bei. Strato A. P. XII 222 erblickt. An Strato und
andere Vertreter der μοΟ<Τα παώική erinnert auch der von der
SliMigkeit des KnabenkuRses handelnde Schluss (p. 87, 32 ff.)
mit dem trivialen Bilde, welches das Vergnügen des Kusses mit
dtm Oennsse des Nektars vergleicht: A. P. V 305 XU 133
Loeian D« d. 5, 3.
Zu Aohilles Tatius 75
Plato (Pbaedr., Phaedo, Symp.) und Xenophon (Symp.) —
direct und indirect verwerthet — , verlorene populärphilosophiscbe
Litteratur π€ρ\ ίριυτος, π€ρι κάλλους und π€ρι γάμου, Lucian
(besondere Έριυτες^) und Plutarcb (Erot.^), die Liebeslebre der
bellenietiecben £1egie und allerlei erotiecbe Epigrammenpoesien
(so von Strato), das sind im Weeentlicben die Muster, nacb denen
Acbillee — in Wabrbeit ein gescbickter Mueivktinstler — diese
beiden Einlagen seines Eomans zusammengearbeitet bat. Solcbe
Nacbweisungen in mögliebster Vollständigkeit darzubieten wird
für einen künftigen Erklärer dieses Autors trotz Jacobs' fleissi-
gem, aber bei weitem uicbt erscböpfendem Commentar eine Haupt-
aufgabe bilden.
Ratibor. Friedrieb Wilbelm.
1 Vgl. dagegen Robde ao. S. 481.
2 Einen Anhang zu dieser Schrift bilden die für unecht gehal-
tenen, wie es scheint, von Ach. II 12 ff. (vgl. Stravoskiadis ao. ö. 23)
benutzten ΈρωτικαΙ οιητήσ€ΐς.
KAISER MARCUS SALVIÜS OTHO
M. Salyiue Otho, der Nachfolger des Galba auf dem Throne
der Cäsaren, gehört zu denjenigen Erecheinungen, deren Charak-
terbild in der Geschichte schwankt. Und das ist begreiflich
genug. Denn in ihm zeigen sich zwei ganz yerschiedene Naturen,
die in den verschiedenen Epochen seines Lebens jede für sich
wirksam auftreten. Darum galt er schon seinen Zeitgenossen für
eine problematische Persönlichkeitf zu der die Einen eine bis-
weilen leidenschaftliche Hinneigung, die Anderen eine entschiedene
Abneigung hatten.
Seine Familie war noch nicht seit langer Zeit in die Nobi-
lität aufgenommen. Sein Vater L. Salvius Otho war zuerst in
der Familie Consul suffectus im Jahre 33 n. Chr. gewesen, und
zwar war er in diesem Consulat der Nachfolger des Galba (Suet.
Galba 6). Dieser Luc. Salvius Otho soll dem Tiberius so ähnlich
gesehen haben und so lieb gewesen sein, dass viele ihn für einen
Sohn desselben hielten (Suet. Otho 1). Der ältere Bruder des
Marcus, L. Salvius Otho Titianus, der später an der Seite desselben
während seines kurzen Regimentes eine entscheidende Rolle spielte
(Tac. h. 1,75. 77. 90. 2,23. 33. 39. 60), war im Jahre 52 zu-
sammen mit Faustus Cornelius Sulla Felix, dem Schwiegersohn
des Kaisers Claudius Consul gewesen (Tac. ann. 12, 52), dann
unter Nero im Jahre 65 Proconsul von Asien, während Cn. Ju-
lius Agricola in dieser Provinz Quästor war. Tacitus Agr. 6
stellt diesen Bruder des Marcus Otho als geldgierig und gewis-
senlos hin, der 'zu jeglicher Habgier geneigt mit der gefälligsten
Nachsicht (gegen den Quästor) eine gegenseitige Verheimlichung
der Schlechtigkeit erkauft haben würde' (in omnem aviditatem
pronus quantalibet facilitate redemturus esset mutuam dissimula-
tionem mali). Und Vitellius schonte ihn, als er nach der Schlacht
bei Betriacum Gericht über die Generale des Otho halten Hess,
weil er ihn wegen Energielosigkeit fiir ungefährlich hielt (Tac.
Kaiser Marcas Salvius Otho 77
(b. 2, 60 : Salvius Titianus .... ignavia excnsatas). Als dieser
Titianns bereite im Jabr 52 Consul wurde, war er nocb ein junger
Mann, und das läset darauf echlieseen, dass die Familie dem kai-
serlicben Hause nabe stand. So ist es erklärlicb, wie sein jüngerer
Bruder Marcus scbon von Anfang des Regimentes Nero's an unter
dessen Genossen sieb befand und sebr bald bei seiner zügellosen
Natur, die so gut zum Nero sieb scbickte, sein Vertrautester
wurde (Tac. b. 1, 13: Namque Otbo pueritiam incuriose, adole-
scentiam petulanter egerat, gratus Neroni aemulatione luxus). Das-
selbe bericbtet Plutarcb, der sieb Mm Allgemeinen bald zu Ta-
citus, bald zu Sueton neigt* und wabrscbeinlicb mit diesen für
sein Memoirenwerk Γάλβας και "Όθων eine gemeinsame Quelle
benutzt bat; ob dies Cluvius Rufus gewesen ist, wie H. Peter
früber annabm, wäbrend er jetzt den älteren Plinius anzunehmen
geneigt ist, das lässt sieb niebt mit Sicherheit feststellen (H.
Peter, die gescbicbtl. Literatur über die römische Kaiserzeit ü,
73. 275 Anm. 2). In der Zeichnung des Otbo trifft aber Plu-
tarcb Galba 19 ganz zusammen mit der des Tacitus, wenn er
sagt: τρυφη bk καΐ φίληοονίαις €ύθύς έκ -naxbiuv .... bie-
φθαρμ^νος (ό "Οθιυν). — φίλψ όέ τψ "Οθιυνι και συμβιωτή όιά
τήν άσιυτίαν έχρήτο (ό Νίρων). Diese Vertrautheit stieg, als
der £influes und die Macht der Agrippina, der Mutter Nero^s,
sank. Das geschah zu der Zeit, als Nero schon im zweiten
Jahre seines Regiments in Leidenschaft zu einer Freigelassenen,
der Akte, entbrannte. Dieses Verbältniss ward im Anfang von
Nero besondere vor seiner Mutter sehr geheim gehalten: zu den
vertraulichen Zusammenkünften mit seiner Geliebten zog er nur
zwei Mitwisser zu, den Marcus Otho und den Senecio, beides
feine junge Männer von glänzendem Aeussern, adolescentuli de-
cori, wie Tacitus ann. 12, 13 sie nennt, was allerdings nicht zu
Sueton passt, der den Otho (Otho 12) wenig stattlich, von
schlechtem Fusswerk und krummbeinig sein lässt (modicae sta-
turae et male pedatus scambusque traditur). Aber diese Tradition
mag wohl mit aus der hauptstädtischen Scandalcbronik stammen,
die Sueton so fleissig benutzt hat.
Der zweite von diesen Busenfreunden des jungen Kaisers,
Claudius Senecio, war der Sohn eines Freigelassenen des Kaisers
Claudius. Er gebüHe später zu der grossen Verschwörung des
Jahres 65, die den C. Calpurnius Piso an der Spitze und so Viele
zu Theilnehmern hatte, als der Hass gegen das Scheusal auf dem
Throne zusammenführte. Die Thatkräftigsten unter diesen waren
78 t»aul
der Tribun der Leibwächter Subrius Flavue und der Centario
Sulpicias Asper. Auch der Dichter der Pharsalia, Lucanus An-
naeusy dessen Dichterrubm Nero aus Eifersucht niederzuhalten
strebte, gehörte zu ihnen (ann. 15, 49). Was aber den Senecio,
der ann. 15, 50 unter den Ersten aufgezählt wird, die der Ver-
schwörung beitraten, hierzu bewogen hat, wird von Tacitus nicht
ausdrücklich gesagt. Indees, da es aO. heisst: diejenigen, die
zuerst die Sache in die Hand genommen, hätten bei ihren Wer-
bungen darauf hingedeutet, dass die Gräuelherrschaft des Nero
an ihrem Ende angekommen sei und hätten so den Claudius Se-
necio, den Cervarius Proculus usw. als Tfaeilnebmer der Verschwö-
rung gewonnen (ann. 15, 50 : ergo dum scelera principis et finem
adesse imperio .... inter se aut inter amicos iaciunt, adgregavere
Ülaudium Senecionem etc.), so muss man wohl annehmen, dass er
noch zur rechten Zeit das sinkende Schiff habe verlassen wollen.
Denn Rache^ etwa wegen Ungnade des Nero, hatte er nicht zu
nehmen, da ausdrücklich von Tacitus in der Erzählung von diesen
Dingen berichtet wird, dass Senecio auch zur Zeit der Verschwörang
noch im vertrauten Umgänge mit Nero gelebt, auch den Schein
der Freudschaft immer noch beibehalten habe. Dass aber nur Sinn
fürs Gemeinwohl ihn der Verschwörung zugeführt habe, wie das
von dem designierten Consul Plautius Lateranas ann. 15, 49 aas-
drücklich hervorgehoben wird, ist bei Senecio, dessen ganze Lebens-
art wollüstige Weichlichkeit war (ann. 15, 70), nicht anzunehmen.
Wir werden also richtig vermuthen, wenn wir ihn als Einen
derer ansehen, die das Ende der kaiserlichen Wirthschaft er-
kannten und bei der demnächst erwarteten Umwandlung neue
Hoffnung haben wollten, wie das so bei den meisten der Ver-
schworenen war (aO.: ceteris spes ex novis rebus petebatur). Als
die Verschwörung ans Licht gekommen und unter den Verschwo-
renen auch Senecio mit genannt worden war, leugnete er erst
lange, dann durch versprochene Straflosigkeit verleitet, nannte er,
um sein Zögern zu rechtfertigen, auch seinen besten Freund, den
Annaeus Pollio, als Mitverschworeuen. Er that da dasselbe, wie
Lucanus und Quintianus und andere erlauchte und hochangesehene
Männer thaten, Avelche noch keine Folter gefühlt hatten und
aus Schrecken davor das Liebste und ihrem Herzen Nächste ver-
riethen, ann. 15, 17: cum ingenui et viri et equites Romani se-
natoresque intacti tormentis carissima suornm quisque pignora pro-
derent. Non enim omittebant Lucanus quoque (der sogar seine
Mutter Acilia augegeben hatte) et Senecio et Quintianus passim
Raiser Marcus Salvins Otho ?9
conscioe edere. Freilich half das Alles trotz der yereprochenen
Straflosigkeit bei Nero Nichts. Er gerieth vielmehr in desto
grössere Angst, je mehr Theilnehmer genannt wurden (magis
magisque pavido Nerone, aO.)• Senecio musste in den Tod gehen
wie die andern, was er nicht ohne Würde gethan zu haben
scheint. Tacitus berichtet ann. 15, 70, er sei gestorben nicht wie
sein vergangenes wollüstiges Leben hatte annehmen lassen: Se-
necio posthac (post Annaeum Lucanum) .... non ex priore vitae
mollitia, mox reliqui coniuratornm periere.
Das also waren die beiden Basenfreunde des jungen Herr-
schers, die vertrauten Mitwisser seines Liebesgeheimnisses mit
der Akte (assumti in conscientiam, ann. 13, 12), Marcus Otho
und Claudius Senecio. Sie hatten sich ohne Wissen der Agrip-
pina, die bis dahin ihren Sohn beherrscht hatte, in sein engstes
Vertrauen eingeschlichen durch verschwenderische Ausschweifung
und zweideutige Heimlichkeiten, ann. 13, 12: penitus irrepserat
per luxum et ambigua secreta. Da diese Worte nicht blos auf
Senecio, sondern auch auf Otho gehen, so wäre wohl ir^epserant,
wie Nipperdey vermuthet, deutlicher gewesen, indessen nöthig ist
es nicht. Dagegen ist die Auslegung, die dieser Gelehrte den
ambigua secreta gibt, wohl die richtige, wenn er darunter ver-
dächtige Zusammenkünfte mit dem Kaisef sieht, wobei Akte zu-
gegen war und Otho und Senecio zugezogen wurden. Diese Zu-
sammenkünfte hielt, wie gesagt, Nero jetzt noch geheim, da die
Scheu vor der Mutter bei ihm noch nicht ganz erstorben war
und Agrippina mit Eecht von ihm als heftige Gegnerin des ver-
traulichen Verhältnisses angesehen wurde. Als sie hinter die
Sache kam, strebte sie heftig dagegen an. Indess half ihr das
bereits nichts mehr (ignara matre, dein frustra obnitente, aO.).
Das Verhältniss mit der Akte und die Busenfreundschaft mit den
beiden Bouos^ den Mitwissern jenes Geheimnisses, dauerte fort
bis zum Jahre 58, wo es plötzlich, so weit es die Akte und den
Otho betraf, ein Ende fand und zwar durch ein noch unzüchti-
geres Verhältniss, das den Anfang zu schwerem Unheil für das
gemeine Wesen machte (magnorum reipublicae malorum initium
fecit, Ann. 13, 45). Denn in dem genannten Jahre begann die
Liebschaft des Kaisers mit der Sabina Poppaea, diesem unheil-
vollsten aller Weiber, von denen die Geschichte weiss.
Sabina Poppaea war die Tochter des T. Oilius, nahm aber,
da dieser ihr Vater ohne je eine bedeutende Stellung eingenom-
men zu haben mit in den Sturz des Sejan verwickelt worden war,
80 Paul
den Namen ihres mütterlichen Grossvatere Poppaeue Sahinne an,
der durch den Glanz des Conenlats und eines Triumphs eine
grosse Berühmtheit hinterlassen hatte (ana. 13, 45). Denn Pop-
paeus Sabinus, der am Ende des Jahres 35 n. Chr. verschieden
war, war zwar, wie Tacitus ann. 6, 39 berichtet, der Herkanft
nach unbedeutend, aber durch die Freundschaft mit den Kaisern
Augustus und Tiberius zur Ehre des Consulats 9 n. Chr., und
zur Auszeichnung des Triumphs im Jahre 26 gelangt und war
mit der Gewalt über die grössten Provinzen, Mösien, Achaja,
Hacedonien, bekleidet (Tao. ann. 1, 80). Zwar sagt Tacitus ann.
6, 39, zu allen diesen Ehren sei er gekommen ohne ein beson-
deres Verdienst; er sei Nichts mehr gewesen, als dass er den
Geschäften gewachsen gewesen sei. Indessen, einen Triumphator
zum Ahn zu haben, der die thracischen Stämme niedergeschlagen
hatte, die auf den Hochgebirgen in der Wildniss unbändig ihr
Wesen trieben und sich der Aushebung nicht fügen wollten (ann.
4, 46), war doch für ein Weib, das nach Glanz und Herrschaft
strebte, ein Gewinn, den sie sich nicht entgehen lassen durfte.
So trat sie denn mit dem Namen des Günstlings zweier Kaiser
und glänzenden Triumphators in der Hauptstadt auf, ein Weib,
das Alles besass, nur keine Sittlichkeit (ann. 13, 45 : huic mn-
lieri cuncta alia fuere praeter honestum animum).
Die Mutter dieser Poppaea Sabina, die den gleichen Namen
wie sie trug und eine Tochter des Poppaeus Sabinus war, hatte
alle Frauen ihrer Zeit an Schönheit übertroffen und hatte ihren
Buhm und ihre Gestalt zugleich auf die Tochter vererbt (ann. aO.).
Aber schon diese Mutter hatte neben dem Ruhm der Schönheit
auch noch den Ruf der galanten Dame genossen. Allerdings ging
dieser Ruf von den unreinen Lippen der Kaiserin Messalina, der
Gemahlin des Claudius, aus und scheint von dieser aus Eifersucht
gegen die schöne Frau ausgegeben worden zu sein. Durch ihren
Helfershelfer, P. Suillius, einen der schändlichsten Ankläger, die
damals Rom hatte (ann. 11, 5), der ebenso käuflich als in der
Gunst des Kaisers allgewaltig war (ann. 4, 31), beschuldigte sie
die Poppaea Sabina, mit dem zweimal Consul gewesenen Valerius
Asiaticus, dem Besitzer der schönen LucuUischen Gärten im
Norden der Stadt, nach denen ihr eigenes Gelüste stand (hortis
inhians, ann. 11, 1), in Buhlschaft zu stehen und bewirkte den
Tod beider. Asiaticus wurde seinem ordentlichen Richter, dem
Senat, entzogen und im Cabinet des Kaisers in Gegenwart der
Messalina und des Suillius verhört. Kaiser Claudius war damals
Kaiser Marous Salvius Otho 81
(47 — 51 n. Chr.) zueammen mit dem heuchlerischen L. Vitelliue,
dem Vater des späteren Kaisers, Censor, und glaubte in seiner
Geistesschwäche durch eine rastlose censorische Thätigkeit seinem
Amte genügen zu müssen (ann. 11, 13). Unter solchen Umständen
war dem Beklagten von yomherein sein Urtheil gesprochen.
Zu freier Wahl des Todes aus kaiserlicher Gnade verurtheilt,
öffnete er sich die Adern (ann. 11, 2. 3). Poppaea dagegen, in
Angst versetzt durch die Messalina, die ihr durch Abgesandte
Einkerkerung drohen liess, gab sich gleichfalls selber den Tod,
(ann. aO.).
Es gehört zur Signatur jener Zeiten und ist ein Zeichen
von der Fäulniss derselben, dass diese Vorgänge von den Be-
theiligten selbst als eine Schicksalsbestimmung hingenommen
wurden. So hatte denn auch der Mann dieser Poppaea Sabina,
Cornelius Scipio, der wenige Tage nach dem Tode seiner Frau
von dem dieses Todes übrigens unkundigen Claudius zur Tafel
geladen und gefragt worden war, warum er ohne seine Gemahlin
gekommen, darauf geantwortet : sie sei ihrem Todesgescliick
verfallen (fnnctam fato, ann. 11, 2). Zu solchen Auskunftsmitteln,
die Tacitue ironisch als Ausflüsse einer feinsinnigen Mässigung,
eines elegans temperamentum bezeichnet (ann. 11, 4), musste sich
damals die Sprache der vornehmen Welt bequemen, wenn man
nicht dem gleichen Geschick wie die Opfer unterliegen wollte.
Und dazu hatte Cornelius Scipio offenbar keine Lust. Das zeigte
sich, als er bald darauf noch einmal in die Lage kam, für oder
gegen den guten Namen seiner Frau zu zeugen. Denn kurze Zeit
nach dem Tode derselben wurden zwei erlauchte Ritter, die den
Zunamen Petra führten, von dem wüsten Hetzer Suillius mit der
Anklage des Majestätsverbrechens verfolgt. Auch hinter dieser
Anklage stand Messalina (ann. 11, 4). Der wahre Grund der Ver-
folgung lag darin, dass jene Ritter ihr Haus für Zusammenkünfte
des Mneeter und der Poppaea hergegeben haben sollten. Ob das
der Fall war^ läset Tacitue zweifelhaft, wenn er ann. 11,4 sagt:
at causa necis (equitum illustrium) ex eo, quod domum suam
MDesteris et Poppaeae congressibus praebuissent. Sicher war aber
der berühmte Pantomime Mnester einer von den vielen Buhlen
der Messalina (ann. 11, 60). Nun hatte der Senat über die An-
klage gegen die Kitter zu entscheiden. Scipio, der gewesene
consul euffectus (Nipperdey, Anm. 20 zu ann. 3, 74), ebenfalls
zur Abgabe seiner Stimme aufgerufen, sagte (ann. 11, 4): 'Da
ich über Poppaea's Benehmen denke, wie alle Andern, so nehmt
Bbein. Mus. f. PhUol. N. F. LVU. 6
82 Paul
an, dase ich aaob über dasselbe stimme, wie alle Andern . Darin
nun siebt Tacitns nacb dem oben scbon oitierteu Ausdruck einen
fein ereoiinenen Mittelweg zwischen ehelicher Liebe und senatori-
Rchem Zwange: eleganti temperamento inter coniugalem et sena-
toriam necessitatem (sententiam dixit Scipio).
Wie es nun aber auch mit diesem Rufe der Buhlschaft bei
der älteren Poppaea gewesen sein mag, schaden konnte er der
Tochter zu einer Zeit nicht, wo Buhlerei vom Throne herab pri-
vilegiert war. Die Mutter hinterliess der Tochter nur ihren
'Ruhm und ihre Schönheit'. Dazu kam, dass ihr Vermögen für
die Vornehmheit ihres Hauses hinreichend genug war. Ihre
Unterhaltung war heiter angenehm, ihr Geist nicht unbedeutend.
Sittsamkeit zeigte sie nach aussen. Leichtfertigkeit war ihr
Wesen. Sie ging selten aus, und dann nur mit einem Schleier
über einen Theil ihres Gesichts. Um ihren Ruf kümmerte sie
eich gar nicht und ihren Buhlen gab sie dieselben Rechte, wie
ihren Ehemännern (maritos et adulteros non distinguens). Einer
wirklichen Liebe aber unterlag sie nie, weder eigner noch der
ihrer Verehrer (neque aifectui suo aut alieno obnoxia). Wo Ge-
winn winkte, da gab sie sich in Wollust hin (unde utilitae osten-
deretur, illuc libidinem transferebat, ann. 13, 45).
Das war das Weib, das ein ToUendeter Rouo, wie Otho
war, leicht reizen und an sich locken konnte. Denn so ist das
VerhältnisR, nicht umgekehrt, dass die Poppaea den Otho ver-
lockt hätte, wie das Hoeck, Rom. Geschichte I, 3. p. 357 an-
nimmt. Sueton (Otho 3) sagt ausdrücklich, dass Otho sie ver-
führt und so geliebt habe, dass er auch den Nero nicht als Ri-
val gleichmüthig ertragen habe. Er habe ihn sogar einmal nicht
in sein Haus hereingelassen. Dieses, den Nero ausgeschlossen
zu haben, läset Plutarch (Galba 19) allerdings nicht durch Otho,
sondern durch die Poppaea geschehen sein und es lässt sich nicht
entscheiden, wer hier recht berichtet (s. Peter, die Quellen Plu-
tarchs usw. p. 39 f.). Aber auch nach Plutarch, der vielleicht hier,
wie so oft in seinem Memoirenwerke Γάλβας και "Όθιυν, münd-
lichen Mittheilungen folgte (vgl. H. Peter, die geschichtl. Lit-
teratur usw. II, 73 f.), war Otho erst der Verführer, den Nero
dazu angetrieben hatte, ύφήκ€ (ό Νέριυν) τον Όθιυνα π€ΐρώντα
την ΤΤοππαίαν, und dann der leidenschaftlich verliebte Gatte, an
dessen Eifersucht Poppaea ihre Freude hatte (Plut. aO.). Sie
lebte damals, als Otho sie an sich zog, im Jahre 58 n. Chr., in
der Ehe mit einem römischen Ritter Ruiius Crispinus, der im
Kaiser Marcus Salvius Otho 83
Jahre 47 praefectus praetorio gewesen war und in dieser Stellung
auf Betrieb der Messalina und auf Befehl des Claudius den Va-
leriuB Asiaticus in Ketten gelegt und von Bajae nach Rom ge-
schleppt hafte (ann. 11, 1). Für diese That^ die dem Claudius wie
eine grosse Kriegsthat vorkam (citis cum militibus tarn quam op-
primendo hello Crispinum misit, ann. aO.), erhielt Crispinus 1^/a
Millionen Sesterzien (225000 M.), ausser den Ehrenzeichen
der Prätur (ann. 11, 4). Als dann Agrippina an die Stelle der
Messalina getreten war und den keines eigenen Urtheils fähigen
Kaiser (cui non iudicium, non odium erat nisi inditum et iussum,
ann. 12, 3), vollständig beherrschte, verlor Crispinus im Jahre
r^l seine Stellung als praefectus praetorio, die er mit Lusius Geta
zusammen einnahm, und zwar deshalb, weil Agrippina bei ihm
Anhänglichkeit an die Messalina und deren Kinder Britanniens
und Octavia vermuthete. Sie tiberredete darum den Claudius,
dass unter dem Befehle eines Einzigen bei der Leibwache die
strenge Zucht ernstlicher werde gehandhabt werden, und so trat
ßurruB an die Stelle der beiden Präfecten. Später, als die Ver-
schwörung gegen Nero im Jahre 65 diesem nach ihrer Entdeckung
Gelegenheit bot, alle die zu vernichten oder zu entfernen, die
er ftir seine Feinde hielt, wurde auch Ruiius Crispinus nach der
Insel Sardinien verbannt.
Obgleich er im Privatleben stand, war er doch dem Nero
verhasst, weil er die Poppaea zur Frau gehabt hatte (pellitur ....
Neroni invisus, quod Poppaeam quondam matrimonio tenuerat,
ann. 15, 71). Als dann den Nero die Angst um sein Leben, die
in Folge der aufgedeckten Verschwörung immer schreckhafter
wurde, im Jahre 66 dahin brachte, jene Ströme Blutes zu ver-
giessen, in denen Tacitus ein Strafgericht der Götter über Rom
sah (ira illa numinum in res Romanas fuit, ann. 16, 16), befand
sich auch Crispinus unter denen, die in einer Reihe den Gang
zum Tode antraten (exitus tristes et continuos, aO.). Er empfing
den Befehl zu sterben und tödtete sich selbst (accepto iussac
mortis nuntio semet interfecit, ann. 16, 17). Und wie ihm das
Geschick, der Mann der Poppaea gewesen zu sein, den Tod brachte,
80 war auch für seinen Sohn, den er von der Poppaea hatte, die
spätere Verbindung dieser mit Nero, von der wir bald erzählen
werden, die Ursache gewaltsamen Todes. Denn diesen ihren
Sohn hatte Poppaea mit in den kaiserlichen Pallast gebracht;
als er, der noch in frühem Knabenalter stand, dort einmal ein
Kinderspiel ^Fürst und Kaiser spielte, wurde die Sache dem Nero
84 Paul
hinterbracht. In seiner wahnsinnigen Angst vor möglichen Ge-
fahren, die ihm einst darch den Stiefsohn kommen hönnten, Hess
er den Knaben, während derselbe fischte, durch ihm mitgegebene
Sklaven im Meere ersäufen: Sueton, Nero 35: Privignum liu-
fium Crispinum, Poppaea natum, iropuberem adhuc, quia ferebatnr
ducatus et imperia ludere, mergendum mari, dum piscaretur,
servis ipsius demandavit (Nero). Die Mutter scheint aus der
Sache Nichts weiter gemacht zu haben.
Dieses Weib des Rufius Crispinus, das ebenso schön als ge-
wissenlos war, lockte also Otho durch sein stattliches Auftreten,
durch seine Jugend und durch sein Verhältniss zu Nero an eich,
als dessen allerbegünstigster Freund er galt (flagrantieeimue in
amicitia Neronis habebatur, ann. 13, 45). Das Letztere gab na-
türlich bei der Poppaea die Entscheidung, viel mehr als seine Ju-
gend und sein prunkvolles Leben, was ihr auch viele Andere
gewähren konnten. Aber der flagrantissimus in der kaieerlichen
Freundschaft, wie damals der Begünstigte mit einem Kraftaasdrack
in der römischen vornehmen Welt genannt wurde, konnte allein
dem dämonischen Weibe zur Herrschaft verhelfen; and so ergab
sie sich ihm, anfangs in wilder Ehe. Ihre Trennung yod Cri-
spinus muss aber wenig Schwierigkeiten gemacht haben. Denn
die Eheverbindung mit dem Otho erfolgte bald (nee mora, quin
adulterio matrimonium iungeretur, ann. 13, 46). Otho war, wie
gesagt, in die neue Gattin leidenschaftlich verliebt, und in seiner
unbesonnenen Verliebtheit pries er bei den kaiserlichen Sohwel-
gereien die Schönheit und feine Erscheinung seiner Angebeteten
vor seinem kaiserlichen Gönner und Herrn. Zwar will Tacitus
den Antrieb zu solchem Preisen nicht mit Gewissheit behaupten ;
er sagt: Otho habe ihre reizende Schönheit, formam elegantiam-
que gepriesen, sei es, weil er unbesonnen verliebt war, sei ee,
weil er den Kaiser reizen wollte und weil er glaubte, dass, wenn
sie Ein Weib zusammen besässen, auch das ein Band wäre, was
seine Macht erhöhe (si eadem femina potirentur, id quoque vin-
culum potentiam ei adiceret, aO.). Dieses inzweifelstellen der
Beweggründe Otho's zeigt nur, wie schon bei seinen Zeitge-
nossen das Urtheil über seinen Charakter ein schwankendes war.
In der That scheint aber die Preisgabe der Poppaea von Seiten
Otho's keine freiwillige gewesen zu sein. Plutarch (Galba 19)
spricht entschieden dagegen : έλθούσης bk παρ' αυτόν ώς
γαμέτης (της ΤΤοτπταίας) ούκ ήγάττα μετίχιυν, άλλ' ήσχαλλ€ μ€-
ταοιοούς (Otho). Wie sie also seine Frau geworden war, wollte
Kaiser Marcus Salvius Otho 85
er keinen zweiten Gemahl für sie, was nur auf Nero gehen kann.
Auch sein späteres Handeln gegen Nero ergiebt das, und ebenso
musste er den Nero gut genug kennen, um zu wissen, dass eine
Gemeinsamkeit desselben Weibes nicht als ein mögliches Verhält-
niss betrachtet werden konnte. Die ganze Schilderung von äem
thörichten Benehmen des Otho bei Tacitus ann. 13, 46, spricht
nicht für schlaue Berechnung, wie Hoeck aO. annimmt, sondern
ganz allein für blinde Verliebtheit. Man hörte ihn beim Auf-
stehen von der kaiserlichen Tafel oft sagen : Jetzt gehe er (sese,
dh. £r, dem dieses Glück allein bescheert sei) zu ihr, seiner
Herrlichen, seiner Schönen, die Jeder wohl sich wünsche, die
aber nur den Auserwählten beglücke (vota omnium, gaudia feli-
cium, aO.). Natürlich reizten solche Worte den Nero, der schon
früher, als er den Otho als Verführer angestellt hatte, das
schöne Weib mit lüsternen Augen betrachtet hatte {f\q ήρα
μέν 6 Νέρων Κρισπίνψ συνούσης Plut. G. 19). Es dauerte
nicht lange, da hatte Poppaea, die Nichts lieber ersehnte, bei
dem Kaiser Zutritt. Fürs Erste setzte sie sich durch Künste
der Liebkosung fest und stellte sich, als wenn sie ihrer Leiden-
schaft nicht mächtig und durch die Schönheit Nero 's gefangen
sei. Dann, als der Kaiser bereits von der heftigsten Liebe er-
fasst war, fing sie an, die Spröde zu spielen; wenn sie länger,
als eine oder zwei Nächte bei ihm bleiben sollte, sagte sie: sie
wäre doch eine verheirathete Frau, könne auch ihre Ehe nicht
aufgeben ; sie sei an Otho gefesselt durch seine ganze Art zu
sein und zu leben, worin ihm Niemand gleich komme. Er, Otho,
sei grossartig in seiner Denkweise und in seinem ganzen Auf-
treten. Man sehe bei ihm nur, was der höchsten Stellung würdig
sei. Dagegen Nero mit einer Sklavin als Beischläferin und durch
den Umgang mit einer Person wie Akte gefesselt, habe sich aus
dem gemeinen Zusammenleben eine abscheuliche und schmutzige
Lebensweise geholt (ann. 13, 46). Dass das verschlagene und
ruchlose Weib nicht umsonst so die Spröde spielte, zeigte sich
bald genug. Nero konnte es nicht länger ertragen, dass sie die
Frau eines Andern bleiben sollte. Otho verlor erst seine ver-
trauliche Günstlingsstellnng, dann wurde er auch aus der Um-
gebung und Gefolgschaft des Kaisers ausgeschieden, und zuletzt,
damit er nicht immerfort in der Stadt den Nebenbuhler des Kai-
sers spiele (ne in nrbe aemulatus ageret) wurde er über die Pro-
vinz Lusitanien gesetzt (Tao. ann. 13, 46 Plut. G. 20).
Dae Alles waren Vorgänge des Jahres 58, die wir in der
Hauptsache nach den Annalen des Tacitus dargeeteWt \ΐλ\>«ϋ. λι^
86 Paul
den Historien 1, 13 wird dae Verhältnies des Nero zur Poppaea
Sabina anders berichtet. Darnach war Poppaea schon vor der
Bekanntschaft mit Otho Maitresse des Kaisers und dieser gab sie
nur dem Otho als dem Mitwisser seiner zügellosen Ausschwei-
fungen in Verwahrung (deposuerat), und zwar für so lange, bis
Nero die Octavia, seine Frau, aus ihrer Stellung verdrängt haben
würde. Aber bald hätte er den Otho selbst in Verdficht genom-
men, dass er^s mit der Poppaea halte und hätte ihn dann unter
der Form einer Statthalterschaft in der Provinz Lusitanien be-
seitigt (suspectum in eadem Poppaea in provinciam Lusitaniam
specie legationis seposuit, h. 1, 13). Diese Darstellung muss aber
der in den Annalen weichen, da diese etwa zehn Jahre später
(116—117) als die Historien ausgegeben worden sind. Darum
setzen sie eine genauere Durchforschung der Quellen durch den
Autor voraus, die ihn zu dem anderen Berichte führte. Nur so
viel ist aus den Angaben der Historien und des Plutarchs anzu-
nehmen, dass Nero die Poppaea schon gekannt hat, ehe sie Otho's
Frau geworden war, auch dass die Poppaea bis zur Zeit, wo
Otho entfernt wurde, immerfort in dessen Hause und in Gemein-
schaft mit ihm gelebt hat und dass die Trennung von ihr seiner-
seits schwerlich eine freiwillige gewesen ist. Was das Letztere
betrifft, so geht es ausser den schon angegebenen Gründen auch
daraus hervor, dass Otho später, als er Kaiser geworden war
und im Drange der Geschäfte stand, seine Liebe zu Poppaea
nicht vergessen hat. Er liess durch Senatsbeschluss ihre Bild-
säulen wieder aufrichten, nachdem sie im Jahre 62 durch einen
Volksauflauf umgestürzt worden waren (ann. 14, 61. h. 1, 78:
ne tum quidem immemor amorum statuas Poppaeae per senatus
consultum reposuit).
Nach Lusitanien kam also Otho unter der Form einer Statt-
halterschaft (specie legationis). Da er von den hohen Aemtern
erst die Qnästur bekleidet hatte, diese Provinz aber sonst nur
von prätorisohen Legaten verwaltet wurde, so war die Bestallung
Otho*8 scheinbar eine Beförderung, der Sache nach jedoch kam
die Entfernung einer relegatio gleich (Sueton Otho 3: sepositus
est per causam legationis in Lusitaniam. Nipperdey ann. 13, 46
Anm. 8;. Natürlich hat das Otho selber am besten gcwusst (Flut.
G. 20: €ΐοώς φυγής ύποκόρκτμα καΐ παρακόλυμμα τήν αρχήν
αύτφ οι&ομένην). Aber die Kränkung rief den Mann zu seiner
ursprünglichen Kraft zurück, was immer ein Zeichen einer nicht
unbedeutenden PereÖnlichkeit ist. Von jetzt an sehen wir ihn.
Kaiser Marcus Salvios Otbo 87
den der Verlast seines Weibes nicht gleichgültig gelassen, aus
Reinem nichtigen Treiben und lüderlichen Genussleben heraus-
gehoben. Er gehört zu den Naturen, die die sinnliche Leiden-
schaft nicht unfUhig machte zu Tüchtigem und Aussergewöhn liebem.
Tacitue nennt ihn darum einen Menschen, der, ausgelassen im
Privatleben, im Amte Selbstbeherrschung zeigte, ann. 13, 46:
procax otii et poetestatis temperantior. K. Peter hat Recht, wenn
er Rom. Gesch. III, p. 379 sagt: Otho war einer der Männer,
in denen durch den Dienet niedriger Lüste Herrschsucht und
Energie nicht unterdrückt wnrden . Und auch diese Herrschsucht
war, was seine Verwaltung in Lusitanien und vor Allem sein
Scheiden aus dem Leben zeigt, nicht unedel, vgl. Sueton 0. 10.
Was speciell seine Verwaltung von Lusitanien anbetrifft, die von
58 bis 68 dauerte, so waren diese zehn Jahre für die Provinz
eine gesegnete Zeit. Er führte sein Amt, nicht wie es nach
seinem früheren wüsten Leben zu erwarten war, sondern unbe-
scholten und gewissenhaft (ann. 13, 46: non ex priore infamia,
eed integre sancteque egit). In den Historien hebt Tacitus seinen
freundlichen Sinn und sein gefälliges Wesen, seine comitas, her-
vor, eine Eigenschaft die auf den Umgang mit seinen Untergebenen
und auf seine freundliche Behandlung der Provinzialen sich bezieht.
Dasselbe liegt in den Worten des Plutarch, Otho habe sich in
seiner Provinz erwiesen ούκ άχαριν ουδέ επαχθή τοις ύττηκόοις.
Plut. G. 20. Und Sueton stimmt dem bei, wenn er (Otho 3)
sagt: provinciam administravit quaestorius per decem annos, mo-
deratione et abstinentia singulari.
Als nun Galba seinen Abfall von Nero erklärt hatte und
von seinen Truppen in Spanien am 3. April des Jahres 68 zum
Kaiser ausgerufen worden war, schloss sich M. Salvius Otho als
der Erste an ihn an. Er hatte lange auf eine solche Gelegen-
heit zur Rache gewartet wie aus Suetons Worten (0. 4) hervor-
geht : ut tandem occasio nltionis data est, conatibus Galbae pri-
mus accessit. Er war aus Lusitanien zu Galba gekommen, trat
mit ihm im Juli den Marsch nach Rom an und zeigte sich ausser-
ordentlich eifrig und thätig für dessen Sache» Er war in der
Umgebung des neuen Kriegsherrn die glänzendste Erscheinung
(inter praesentes splendidissimns, h. l, 13). Dabei brachte er be-
deotende Opfer für die ergriffene Sache, gab sogar sein goldenes
und silbernes Tafelgeschirr zum Ausmünzen her (Plut. aO.). Wenn
aber Tacitus als Motiv für seinen Uebertritt auf Galba's Seite an-
giebt, das• er von Anfang an die Hoffnung auf Adoption durch
88 Paul
den 73jährigeii Greis und damit auf Nachfolge desselben in der
Herrschaft gefasst, dieser Hoffnung auch von Tag zu Tag heftiger
nachgejagt habe (h. 1, 13), so war dieselbe dadurch begründet,
dass der grösste Theil der Soldaten ihm gewogen war (και τό
στρατιιυτικόν ήδίιυς εΤχε τόν *Όθωνα παρ' όντινοΟν δλλον άν-
αγορ€υθήναι. Plut. G. 21). Auf dem ganzen Marsche von Spanien
nach der Hauptstadt hatte er sich durch Leutseligkeit und Frei-
gebigkeit beliebt gemacht (Plut. 20). Dabei mag auch eine aber-
gläubische Zuversicht mit gesprochen haben, von der Sueton (0.
4) berichtet, der Mathematiker Seleucus, der ihm früher schon
geweissagt hatte, er werde den Nero überleben, soll nach dessen
Tode zu Otho nach Lusitanien gekommen sein und ihm geweis•
sagt haben, er werde in Kurzem Kaiser sein. Wie dem auch
sein mag, er suchte die Soldaten auf alle Weise, besonders durch
Geschenke zu gewinnen ; und er gewann sie, wie Sueton aO.
sagt, ut iam vix ullus esset, qui non et sentiret et praedicaret
solum successione imperii dignum. £s ist deshalb wohl glaublich,
wenn der Vater des Sueton, Suetonius Laetus, der den Otho gut
kannte, in Bezug auf sein späteres Verhalten versicherte, er würde
nicht mit dem Galba zusammengestossen sein, wenn er nicht fest
davon überzeugt gewesen wäre, dass sein Auslangen nach der
Krone ohne Krieg erfolgen könne, Suet. 0. 10: nee concursuram
(Othonem) cum Galba fuisse, nisi confideret, sine hello rem trän-
sigi posse. Seine Beliebtheit im Heere berechtigte ihn zu solcher
Annahme.
Auch der Hof des Nero war bereit, für ihn einzutreten als
für denjenigen, der dem Nero in ausschweifender Lebensweise ähn-
lich war (faventibus plerisque militum, prona in eum aula Neronis
ut similem, h. 1, 13). Hatte doch Otho in den Tagen der kaiser-
lichen Gunst zu jener Begleitung des Nero gehört, mit der dieser
häufig an die Mulvieche Brücke, den Sammelort zu allerhand
lüderlichem Treiben und Liebesabenteuern, ausgeschwärmt war,
um ungestört ausserhalb der Stadt daran Theil zu nehmen (Tac.
ann. 13, 47. 13, 12). So war Otho, der stattliche, ausgelassene,
junge Mann nichW blos der Vertraute des Kaisers in Liebeshän-
deln gewesen, sondern hatte auch in unbändiger Ausschweifung
mit ihm gewetteifert (Otho pueritiam incuriose, adolesoentiam pe-
tulanter egerat, gratus Neroni aemulatione luxus, Tao. h. 1, 13)•
Diese wüste Ausgelassenheit war die Eigenschaft, die ihn den
Hoflenten jetzt empfohlen machte. Indessen war, wie gesagt,
Otho nicht mehr der frühere Wüstling, der in nichtsnutzigen
Kaiser Marcus Salvius Otho 89
Dingen (incurioee) die Tage vergeudete. Wie er jetzt nach der
höcheten Stellang aaslangte, so entsprach auch dem hohen Streben
ein starker Wille (non erat Othonis mollis et corpori similis ani-
mus, h. 1, 22). Bald sollte eich das zeigen.
In den ersten Tagen des Jahres 69 (822 α. c, Tac. h. 1,
12: paucis poet kalendas ianaarias diebus) war in Rom die Nach-
richt eingetroffen, dass die Legionen des oberen Germaniens von
Galba abgefallen seien und einen andern Kaiser verlangten (h.
1, 12). Das beschleunigte die Absicht Galba's, der schon längst
mit sich und seiner Umgebung darüber zu Rathe gegangen war,
bei seinem hohen Alter sich einen Mitregenten und Nachfolger
zu wählen. Zu dieser Umgebung, seinem geheimen Cabinetsrath,
gehörten vor Allem drei für ihn verhängnissvolle Günstlinge,
die nach Sueton ihn vollständig nach ihrem Willen leiteten und
unablässig um ihn waren. Das Volk nannte sie deshalb seine
Paedagogen (Suet. G. 4: regebatur triam arbitrio, quos una et intra
Palatinm habitantes nee umquam non adhaerentes paedagogoe
valgo vocabant). Der erste derselben, der auch in ganz beson-
derer Gunst beim Imperator stand und den er jetzt, wie früher
zu seinem Legaten in Spanien, so in Rom zu seinem Mitconsiil
erwählt hatte, war Titus Vinius. Ihn traf der allgemeine Hass
am meisten, da er ein Mensch von ungemessener Begehrlichkeit
war. Der andere war Cornelius Laco, den Galba zum praefectus
praetorio an Stelle des Nymphidius Sabinus gemacht hatte, *ein
ebenso anmassender als träger Mensch ; der dritte war der Frei-
gelassene IceluB, der dem Galba zuerst die Nachricht vom Tode
des Nero und von seiner Ernennung zum Kaiser durch den Senat
nach Spanien tiberbracht hatte und den Galba dafür durch das
Geschenk des goldenen Siegelrings zum Ritter ernannt, dazu mit
dem Beinamen Marcianus ausgezeichnet hatte (Suet. G. 14).
Ale es flieh nun um die Adoption eines Erben und Nach-
folgers in der Eaiserwürde handelte, waren diese drei Günstlinge
sammt ihrem Anhang in zwei Fractionen getheilt, Titus Vinius
war der Gönner des Otho, Laco und Icelus waren anfangs we-
niger für irgend eine bestimmte Persönlichkeit und nur überhaupt
für eine andere, als die dem Vinius beliebte. Jeder von ihnen
verfolgte eben sein Interesse (h. 1, 13). Als nun am Aufstande
der obergermanischen Legionen, die zu Mainz und Vindonissa im
Canton Aargan ihre Standquartiere hatten (es wjiren die IV. Mace-
donica, die XXI. Rapax, die XXI [. Primigenia) nicht mehr zu
zweifeln war und auch bereits Berichte einliefen von dem dro-
90 Paul
henden Abfall des A. Vitellius, den Galba selbst zam Comman-
danten des unteren Germaniens ernannt hatte (k. 1, 9), da erach-
tete es Galba, der auf die in der Stadt liegenden Mannschaften
kein grosses Vertrauen hatte, für das einzige Rettungsmittel, end-
lich einen Thronfolger zu bestellen, der für sein Greisenalter
einen Ausgleich böte. Er zog zur Berathung darüber den Vinias,
den Laco, den Consul designatue Marius Celsus and den prae-
fectus urbis Ducenius Geminus herbei, obschon die Wahl der Per-
sönlichkeit bei Galba von vorherein fest stand. Sein Erkorener
war Piso Licinianus, mit dem übrigens Laco, wahrscheinlich in
Aussicht auf die ihm von Galba zugedachte Würde, eich bereits
vertraut gemacht hatte. Wenigstens ging das Gerede, Pieo sei
auf den energischen Vorschlag des Laco (Lacone instante, h. 1, 14)
gewählt worden. Wie dem auch sein mag, die Kürang war eine
gute. Denn die öffentliche Meinung über den Piso war selbst
eine sehr günstige (prospera de Pisone fama, h. aO.). War doch
dieser L. Calpumius Piso Frugi Licinianus ein Sohn des Marcus
CrasBus und der Scribonia, einer Urenkelin des Cn. Pompejus
Magnus und Adoptivsohn des L. Calpumius Frugi. Nach Antlitz
und Haltung war er von altem Schlage (vultu habituque morie
antiqui, h. 1, 14), eine ernste Natur, die von denen, die ihm nicht
besonders wohl wollten, als streng und finster hingestellt wurde.
Grade diese ernste Seite seines Charaktere, die den zuchtlosen
Hofleuten des Nero Aergerniss und Verstimmung bei dem Ge-
danken an seine Wahl als Nachfolger Nero's brachte, gab für
Galba den Ausschlag (h. aO.). Auch Plutarch hebt den recht-
schaffenen, patriotischen Sinn hervor, der den Galba bei der Wahl
seines Nachfolgers bestimmt habe, wenn er G. 21 sagt : 6 bk
Γάλβας ά€ΐ μέν ήν οήλος πρό του ιδίου το κοινόν τιθέμενος
και ίητών ούχ αύτψ θεσθαι τον ήδιστον, άλλα Ρωμαίοις τον
ώφελιμώτατον. Das« es ihm Ernst war mit dieser Wahl und
dass er Nichts als das Wohl des Staates im Auge hatte, geht
aus der Rede hervor, die er dann, als er den Piso in den Cabi-
netsrath hatte rufen lassen, an diesen hielt. £r erinnerte ihn an
seine edle Abkunft, um deren willen allein aber er ihn nicht zum
Nachfolger berufen habe. Die Hauptsache, die ihn, den durch
den Willen der Götter und Menschen auf den Kaieerthron Ge-
langten bei der Adoption bestimmt habe, sei die vorzügliche Ver-
anlagung des Piso selbst und die Vaterlandsliebe. Seine und des
Piso Ahnen hätten erst (in den Bürgerkriegen des Cäsar und
Pompejus hatte Galba^s Vater auf Seite Cäears gestanden, während
Kaiser Marcus Salvius Otho 91
Cn. Calpurnius Piso Parteigänger dee Pompejus gewesen war)
mit den Waffen um das Principat gekämpft. Nachdem er, Galba,
dieses im Kriege erlangt, biete er es jetzt dem Piso als einem
Manne des Friedens. Weiter berief er sich für die Adoption auf das
Beispiel des Augustus, nur dass dieser den Nachfolger im eig-
nen Hanse gesucht habe, er dagegen im ganzen Staat. Wie er
selbst nicht auf dem Wege der Intrigue (ambitiöse, h. 1, 15)
die Oberherrschaft erhalten habe, so wolle er auch ein durchaus
nnbestoohenes Urtheil bei der Wahl seines Nachfolgers zeigen.
Darum habe er weder einen seiner Verwandten noch seiner
Kriegskameraden ins Auge gefasst, sondern den, der wirkliche
Vorzüge vor allen andern habe. Wie des Piso Alter die wüste
Leidenschaft der Jugend hinter sich habe, so finde sich auch in
seinem Leben Nichts, was der Entschuldigung bedürfe. Habe er
bisher nur Unglück zu tragen gehabt (zwei Brüder des Piso
waren, der Eine unter Claudius, der Andere unter Nero, getödtet
worden, während Piso selbst langes Exil erlitten), so werde er
im Glücke, das mit schärferer Sonde das Herz des Mannes prüfe,
die schönen Güter des menschlichen Geistes bewahren, die Treue
den Sinn für Freundschaft und Freiheit.
In dieser grossen Rede, *aie Tacitus den Galba h. 1, 15. 16
sprechen läset, erinnert nun dieser den Piso daran, was der Herr-
scher auf dem Throne von seiner Umgebung zu erwarten habe:
Augendienerei, Schmeichelei und Selbstsucht, Mieses schlimmste
Gift für ächte Zuneigung (sua caique utilitas, pessimum veri ad-
fectus venenum). Sie beide. Er und Piso, verhandelten heute mit
einander offen und ehrlich ; alle andern hätten bei ihren Worten
nur den Fürsten im Auge; unbedingtes Jasagen ohne Herz and
Empfindung finde gegen den Herrscher statt, wer dieser auch sei
(b. 1, 15).
Wenn der ungeheure Reichekörper sich aufrecht und im
Gleichgewicht halten könnte ohne einen Lenker, so wäre ich
der Mann, mit dem der Freistaat (wieder was in den Worten: a
quo reepublica inciperet, liegen kann, ohne dass man mit Hertz
ein denuo ergänzt) seinen Anfang nehmen sollte. So aber ist es
schon länget dahin gekommen, dass weder mein Greisenalter dem
römischen Volke mehr gewähren kann, als einen guten Nachfol-
ger, noch deine Jugend mehr, als einen guten Fürsten. Er wies
dann darauf hin, dass nach dem Erlöschen des Julisch-Claudischen
Hauses wenigstens mit der Adoption des Beeten ein Ersatz für
die Freiheit gegeben sei; für die Wahl desselben gebe die Volks-
92 Paul
etimine einen Fingerzeig, wie er denn selbst, Galba, durch die
Stimme Urtheilsfähiger (ab aestimantibus) erkoren worden sei.
Pisö möge sich auch nicht erschrecken lassen, wenn bei der
jetzigen Welterschtitterung zwei Legionen (in Obergermanien) noch
nicht zur Ruhe gekommen wären. £s würde Alles ruhig werden,
wenn die Adoption bekannt würde, da der einzige Grund der Un-
zufriedenheit sein Greisenalter sei. Wenn er in Piso eine gute
Wahl getroffen, so wäre Alles gut. Zuletzt gab er seinem Er-
korenen noch als letzte Anweisung für den rechten Weg, immer
zu bedenken, was er selbst wollen oder nicht wollen wurde,
wenn ein Anderer anstatt seiner Fürst geworden wäre. Im Auge
zu behalten sei immer das, dass er nicht über Sklaven herrsche,
wie es die Völker seien, die unter Königen ständen, sondern über
Menschen, die weder volle Knechtschaft noch volle Freiheit er-
tragen könnten, (h. 1, 16).
Da Plutarch diese Rede des Galba, hätte er sie gekannt,
sicher aufgenommen hätte, weil sie seinen Helden zu adeln
scheint, so ist das Fehlen derselben bei ihm ein Zeichen, dass
Plutarch schwerlich aus Tacitus entstanden ist (s. H. Peter, die
Quellen Plutarchs usw. p. 38). Da er aber in dem Bericht, wo
er die Adoption des Piso erzählt, G. 23, in der Charakterisierung
der Personen und in der Angabe der Zeitumstände doch wieder
mit Tacitus h. 1, 14 genau übereinstimmt, so zeigt das, dass
Tacitus und Plutarch ein und dieselbe Quelle für die Berichte,
die sie gemeinsam haben, benutzt haben, wahrscheinlich den Clu-
vius Rufus (s. H. Peter aO. p. 40 f.). Wenn Peter diese Ver-
muthung wieder zurücknimmt (Die geschichtl. Litter. Π ρ. 275
Anm. 2), so will uns dafür kein rechter Grund einleuchten.
Nach der Rede Galbas, die Piso in rubiger und würdiger
Weise hinnahm und beantwortete, entschloss man sich, nicht auf
das Forum oder in den Senat zu gehen, um da die Adoption bekannt
zu machen, sondern in das Lager der Prätorianer. Das wäre
auch das Richtige gewesen, wenn Galba seine Zeit verstanden
hätte. Nicht als ob ihm die Dinge und Menschen an sich un-
verstanden gewesen wären; die oben angeführte Rede desselben
zeigt, dass er die politische Lage und den internationalen Cha-
rakter des ungeheuren Reichskolosses, der die Monarchie noth-
wendig machte, vollkommen richtig erkannte. Aber sein Staats-
männisches Handeln entsprach dem richtigen ürtheil nicht; er
folgte in der Praxis den Grundsätzen eines Mannes aus einer
Kaiser Marcus Salvius Otho 93
stolzen Patricierfamilie, nicht eines souveränen Herrn und Ge-
bieters, der sich auf seine Soldaten verläset, die er, gleichgültig
durch welche Mittel, unauflöslich an sich zu fesseln versteht.
Wie so oft bei Staatsmännern in Uebergangsperioden ging sein
theoretisches Verstehen und sein praktisches Handeln weit aus-
einander. Schon bisher war es die für die jetztigen Verhältnisse
schlecht angebrachte Sparsamkeit Galbas gewesen, die, da sie
nur als Geiz ausgelegt wurde, die Neigung der Prätorianer ihm
zu entziehen angefangen hatte. Der neronianische praefectus
praetorio Nymphidius Sabinus, der sich noch bei Lebzeiten des
Nero für Galba erklärt und zu dem Abfall der Prätorianer von
Nero das Meiste beigetragen hatte, hatte diesen, wofern sie die
Partei des Galba ergriffen, ein Geldgeschenk als ausserordent-
lichen Ehrensold (donativum), versprochen, ob mit oder ohne Ge-
heiss des Galba, lässt sich nicht bestimmt sagen. Auf jeden Fall
aber waren die schon unter Claudius und Nero an solche Geld-
geschenke gewöhnten Prätorianer (Tac. ann. XII, 41. 69) durch
dasselbe zur Huldigung für Galba bewogen worden. Galba aber
verweigerte das Geschenk mit der Bemerkung, von ihm werde
der Soldat ausgehoben, nicht gekauft (legi a se militem, non emi
h. 1, 5). Tacitas bemerkt zu diesem Worte ganz richtig, dasselbe
wäre für das Staatswohl gut gemeint gewesen, für den Galba
selbst aber höchst gefährlich, dazu auch nicht an der Zeit (vox
pro republioa honesta, ipsi anceps ; nee enim ad hanc formam
cetera erant). • Von da an sah die Garde in Galba nicht sowohl
den strengen, von den Soldaten einst gefeierten Feldherrn und
Führer, als vielmehr den alten, filzigen Geizhals, der leider an
die Stelle der glänzenden Erscheinung eines Nero getreten sei
(h., aO. vergl. Plut G. 22: κοινή γάρ ατταντες ol (Στρατευό-
μενοι τόν Γάλβαν έμίσουν ούκ άποόώόντα τήν δωρεάν). In
keinem Augenblicke aber war dieser Geiz für das Geschick der
neuen Herrschaft verhängnissvoller, als jetzt, wo man für die
Bestätigung der Adoption eines Nachfolgers im Regiment und im
Heeresbefehl die Gunst des Lagere unbedingt brauchte. Diese
Gunst wollte Galba auch jetzt nicht durch Bestechung und wer-
bende Schmeichelei erkaufen, sondern nur durch löbliche Mittel.
Die Gardetrnppen sollten sich mit der Ebre begnügen, dass sie
zuerst am Anerkennung des von ihm Gewählten angegangen
worden waren (h. 1, 17). Es sollte sich bald zeigen, welchen
verhängniss vollen Weg Galba eingeschlagen.
94 Paul
Es war der 10. Januar des Jahres 69, ein abschealicher
Regentag mit Donner, Blitz und allem Unwetter. Als Galba
mit seiner Begleitung im Lager angekommen war, sprach er vor
der ganzen versammelten Garnison mit imperatorischer Kürze,
verkündete die Adoption des Piso und erwähnte den Aufstand
der obergermanischen Legionen nur so, als ob die 4. und 22.
Legion auf Veranlassung weniger Aufruhrer sich bloss in lauten
Ausrufungen vergangen habe, in Kurzem aber zum Gehorsam zu-
rückkehren werde. Weder ein gewinnendes Wort noch ein Geld-
geschenk wurde von ihm erwähnt. Tacitus berichtet bei der Er-
zählung von diesen Vorgängen ausdrücklich h. 1, 18: Έβ steht
fest, dass die Truppen hätten gewonnen werden können durch
eine noch so kleine Freigebigkeit des allzu sparsamen Greises;
sein antikes, starres Wesen und seine allzu grosse SittenstrcDge,
der wir nicht mehr gewachsen sind, schadete seiner Sache*. Nur
die Tribunen und Centurionen und von den Soldaten die ihm
zunächst Stehenden antworteten auf die Rede des Galba Erfreu-
liches; alle andern waren niedergeschlagen und schweigsam, im
Gedenken daran, dass sie den sogar im Frieden beanspruchten
und unumgänglichen Ehrensold durch den Krieg verloren hätten
(h. aO.). 'Das Heer', sagt Plutarch G. 23, schaute feindlich und
finster darein, weil das Geschenk auch jetzt nicht ihm gegeben
ward'. Und ähnlich Sueton G. 17: perduxit (Galba Pisonem)
in castra ac pro contione adoptavit, ne tunc quidem donativi
uUa mentione facta, quo faciliorem occasionem M. Salvio
Othoni praebuit perficiendi conata. — Von dem Lager zog man
in den Senat. Auch hier hielt Galba eine einfache, kurze Rede,
der der Erfolg zur Seite stand. Ingleiehen sprach Piso freund-
lich wohlwollend. Und grade die, welche ihn nicht gewollt
hatten, huldigten ihm jetzt in übertriebener Weise; kam ee ihnen
doch darauf an, die frühere Opposition vergessen zu machen.
Diejenigen Senatoren, die keiner Partei angehörten, und das war
die Mehrzahl (medii ac plurimi, h. l, 19) hatten nur ihre
persönlichen Hoffnungen ohne alles Interesse für den Staat;
sie kamen darum dem Piso unterwürfig entgegen.
Die Annahme des Piso zum Nachfolger des alten Kaisers
hätte immerhin gut ausschlagen können, wenn sie nicht den ver-
letzt hätte, der auf diese Adoption für seine eigene Person mit
Sicherheit gerechnet und sein ganzes Thun seit dem Anschluss
an Galba darauf gerichtet hatte, selbst zur obersten Stelle empor
zu steigen, M. Salvius Otho. Für ihn war auch, wie schon be-
Kaiser Marcus Salvius Otlio 95
merkt, Titne Viniue geetimmt gewesen, das einflnssreiebste Mit-
glied im Cabinetsrath des Kaisers. Dem Galba war die Freund-
schaft des Vinius mit Otho nicht unbekannt; ja Vinius, der eine
unvermählte Tochter hatte, ward nach einem viel verbreiteten
Gerede als künftiger Schwiegervater des Otho angesehen (Tac.
h. 1, 13 Plut. G. 21). Tacitus ist aber aO. der Ansicht, dass
den Galba wirkliche Sorge für den Staat bewogen habe, von der
Adoption des Otho, der ihm zu viel von Nero hatte, abzusehen.
Auch Plutarch sagt aO.: Galba hätte hier wie immer den all-
gemeinen Nutzen im Auge gehabt: ά€ΐ μέν ήν όήλος πρό τοΟ
Ibiov το κοινόν τιθέμενος καΐ ίητών ούχ αύτψ θεσθαι τον ήδι-
στον, άλλα 'Ρωμαίοις τόν ώφελιμώτατον. Vom Otho hätte er schon
wegen seiner ungeheuren Schulden abgesehen. Nachdem also die
Wahl auf Piso gefallen war, schien nun für Otho das ganze
bisherige Mühen unnütz und vergeblich. Und wie stark war
dieses Mühen gewesen! Dass er bei seinem Anschluss an Galba
von vornherein die Absicht auf den Thron gehabt hat, ist wie
schon oben gesagt, ganz fraglos (h. 1, 13: spem adoptionis statim
conceptam acrius in dies rapiebat). Bei dem hoben Alter Galbas
war Hoffnung wie Absicht auch begründet. Deshalb hatte er
schon auf dem langen Wege von Spanien nach Rom die Neigung
der Soldaten zu gewinnen gesucht. In Reihe und Glied, auf dem
Marsche wie beim Haltmachen nannte er die Aeltesten mit ihrem
Namen, rief das Andenken an die Zeiten zurück, wo sie mit
ihm im Gefolge des Nero gewesen und nannte sie seine
Kameraden. So erneuerte er alte Bekanntschaften und suchte
neue zu machen, indem er ihnen durch Geld oder persönliche
Verwendung half. Oft Hess er dabei Klagen und zweideutige
Reden über Galba einfliessen und gebrauchte allerlei andere
Mittel zum hetzen (Tac. h. 1, 23 Plutarch G. 20).
Um nun jetzt einen Andern die Stelle einnehmen zu sehend
auf die er selbst mit so heissen Wünschen gehofiPt hatte, dazu
war Otho der Mann nicht. Vermuthet doch Tacitus, dass er
schon bei seiner Werbung um die Gunst der Soldaten nöthigen
Falls eine Gewaltthat ins Auge gefasst hatte, h. 1, 23: studia
militum iam pridem spe successionis aut paratu facinoris ad-
feetaverat. Jetzt war die Zeit gekommen, wo diese Anbahnung
der Gewaltthat ihre Ausführung finden musste ; denn glückte die
Erhebung des Piso und wurden in Folge derselben die Zustände
geordnet und ruhig, so war alle Hoffnung Otho's vereitelt. Also
musste all sein Trachten sich jetzt auf Vereitlung der Pläne
96 Paul
Galbae, dh. auf dessen Sturz richten. Und dazu drängte nicht
blos der Zorn Othos über Galba und sein Neid auf Piso, sondern
noch vieles Andere: ein Aufwand, der selbst für öineo Fürsten
belastend gewesen wäre, eine Geldknappheit, die kaum ein Privat-
mann ertragen konnte. Sueton sagt 0. 5 : *£r wandte sich zur
Gewalt, weil ihn, abgesehen davon, dass die Wahl des Pieo ihn
innerlich wurmte, die Schuldenmasse erdrückte; er machte dess
gar kein Hehl, dass er nur als Kaiser noch bestehen könne; es
sei gar kein Unterschied, ob er auf dem Schlachtfeld durch den
Feind falle, oder auf dem Forum durch seine Gläubiger'. Dabei
redete er sich selbst in Furcht hinein und spiegelte sich vor, dass
seine Person schon dem Nero allzu drückend gewesen aei. Ein
zweites Lusitanien aber mit seinem ehrenvollen Exil werde ihm
nicht wieder zu Theil werden. Wem einmal die Anwartschaft
auf den Thron von der allgemeinen Stimme zugeschrieben worden
sei, wie ihm, der bleibe dem Herrscher verdächtig und verhasst.
Auch werde ein so schroffer Charakter wie Piso eines Otho nicht
schonen. Also gelte es zu handeln und zu wagen, so lange die
Dinge noch im Fluss wären. Uebergangszeiten seien grossen
Wagnissen günstig und Ruhe sei gefährlicher als Verwegenheit.
Beim Tode, der von Natur für Alle gleich sei, sei nur der Un-
terschied, ob man bei der Nachwelt vergessen oder verherrlicht
sei. Und wenn derselbe Ausgang aus dem Leben Schuldige wie
Unschuldige erwarte, sei es des tapferen Mannes Sache, ver-
dientermassen den Untergang zu finden. Tac. h. 1, 21.
Mag Tacitus solche Gedanken dem Otho nun nach seiner
Kenntniss von der Denkweise desselben zugeschrieben haben, ohne
<la8s sie allesammt genau nach Aeusserungen desselben zu con-
trolieren waren, jedenfalls entsprechen sie der Gemüthsart Othos
wie seiner Lage und seiner Umgebung. Denn auch diejenigen
seiner Freigelassenen und seiner Sklaven, die vertraulich mit ihm
verkehrten, drängten auf ihn ein, indem sie ihm den Hof Nero's
mit seiner ungeheuren Ausschweifung, seinen Ehebrüchen und
seinem Frauenwechsel und alle andern Begierden eines Despoten
als ihm, dem Otho, gehörig hinstellten, wenn er den Muth des
Wagens habe, dagegen als für Andere bestimmt, wenn er die Hände
in den Schooss lege. Nicht minder als die Freigelassenen und
Sklaven drängten den fatalistisch gerichteten Otho die Astrologen,
diese für die Machtinhaber unzuverlässige, für die Hoffenden trü-
gerische Menschenart, die in Rom so oft verboten wurden und
sich immer wieder einnisteten (genus hominum, quod in civitate
Kaiser Marcus Salvius Otlio 97
nostra et yetabitur semper et retinebitur, b. 1, 22). Sie wollten
in den Sternen neue Umwälzungen und ein dem Otbo Gltick ver-
heissendes Jahr geseben baben. Viele eolcber Sterndeuter (ma-
tbematicos) batte eicb Poppaea gebalten ; sie waren das scblimmete
Einricbtungestück ibrer füretlicben Ebe (peseimum principalie
niatrimonii instrumentum, Tac. aO.), die ibr zu ibren gebeimen
Macbinationen dienten. Wir baben scbon von dem Seleucne be-
rieb tet, der nacb Sueton naeb Lusitanien oder Spanien gekommen
sein sollte. Es wird ja wobl nur eine Variante der Tageecbronik
sein, wenn Tacitus den Sterndeuter Ptolemaeus nennt, der den
Otbo nacb Spanien begleitet und ibm verbeissen babe, dass er
den Nero Überleben werde. Da dieser Verbeiesung der Erfolg
enteproeben batte, so überredete der Aetrolog den Otbo leicbt,
dass er zur Herrscbaft gelangen werde (Flut. G. 23). Für Otboe
abergläubiecbes Gemütb war diese Yerbeissung, die Ptolemaeus
auf Vermntbung und das allgemeine Gerede gründete, weiobes
Otboe Jugend und Galbas hobes Alter in Kecbnung zog, ein pro-
pbetiseber Aussprucb. Und Ptolemaeus liess es nicbt an sieb
feblen, nunmebr Otbo auch zum Verbrecben aufzustaobeln, wozu
ja der Uebergang vom verbreoberischen Wunscbe leicbt ist
(h. 1, 22).
Wenn wir diesen Mathematiker Ptolemaeus, den wir hier in
der Gefolgschaft des Otho finden, zu denen rechnen, die Poppaea
sich gehalten hat, so sind wir durch den Text des Tacitus dazu
berechtigt. Denn die Worte b. l, 22 : e quibus Ptolemaeus geben
auf die unmittelbar vorher erwähnten multos matbematicos der
Poppaea. Ist das nun der Fall, so ist Ptolemaeus höchst wahr-
scheinlich nach dem Tode der Poppaea zum Otbo gegangen, und
das würde ein Zeichen davon sein, dass der Zusammenbang des
Otho und der Poppaea selbst nicht durch die Vermählung dieser
mit Nero aufgehört hat, ein Zusammenhang, der dem mit seiner
Patronin vertrauten Astrologen wobl auch soweit bekannt ge-
wesen sein wird, dass Ptolemäus selbst auf günstige Aufnahme
bei Otho rechnen durfte. Da es aber multi mathematici waren^
die sich Poppaea hielt, so wird wobl auch Seleucus unter ihnen
gewesen sein, woher die Verwechslung bei Sueton leicht ent-
stehen konnte.
Vor allen Dingen galt es nun, in den Gemüthern der Sol-
daten die Unzufriedenheit lebhaft zu erbalten und wo möglich
dem angesteckten Brand immer neuen Zündstoff zuzuführen.
Hierbei ging dem Otho Maevius Pudens als höchst geeigneter
Übeln. Mua. L Pbilol. N. F. LVIL ^
98 Paul
Vermittler zur Hand. MaeviuR hatte zu der Schaar habsüchtiger
Wülltietlinge gehört, die eich zur Neronischen Zeit um den Ti•
gellinns sammeltenf dienen intriguanteeten und schmutzigsten der
vertrauten Rathgeber des Nero (Tac. h. 1, 24. 72). Maevius
kannte die geeigneten Persönlichkeiten im Heere, die durch ge*
meine Mittel zu gewinnen waren, in deren Anwendung er so
weit ging, dass er, so oft Galba bei Otho speiste, der die Wache
haltenden Cohorte Mann für Mann 500 Sestertien in Othos Namen
auszahlte als eine Gratification, die sie an Stelle der Bewirthnng
haben sollten. Otho gab sich damit den Schein, als ob er selbst
die Prätorianer als seine Gäste ansähe. Und nicht genug, dass
hiermit ein Verfahren, was Nero einst bei officiellen Diners ein-
geführt, wieder aufgenommen wurde, Otho ging so hitzig im Be-
stechen vor, dass er die Gratification bei Einzelnen noch durch
geheime Belohnungen erhöhte, da, wo es ihm darauf ankam, den
Mann sich unbedingt zu attachiren, im bedeutenden Maasse. So
schenkte er dem Cocceius Proculus, einem Gardegendarmen (spe-
culatori), der mit seinem Nachbar über die Grenzen seines Grund-
stücks im Process lag, dessen ganzes Grundstück, nachdem er ee
mit seinem Gelde erworben hatte. Laco, der Prätorianerpräfect,
der wohl die Absicht dieses ganzen Verfahrens hätte erkennen
können, war viel zu indolent, um etwas daraus zu machen (Tac.
h. 1, 24 Sueton 0. 4).
Als Hauptwerkzeug für die nunmehr scharf ine Auge ge-
fasste Gewaltthat selbst benutzte Otho den Onomastne, einen
seiner Freigelassenen (Plut. G. 24). Dieser führte ihm zunächst
einen ünterofiicier (tesserarium, Ordonnanz), Namens Barbius Pro-
culus, und einen Feldwebel (optionem), Veturius, zu. Ans dem
Gespräch, welches Otho mit diesen Beiden anknüpfte, sah er, dass
es verschmitzte und verwegene Gesellen waren. Er ertheilte
ihnen darum Geld und Versprechungen in überreichem Maasse,
um durch sie noch mehrere zu verführen. So unternahmen zwei
Soldaten subalterner Charge die ungeheure That, dem römischen
Eeiche seinen Herrn zu nehmen und ihm einen andern zu geben.
Und sie haben ihn gegeben (h. I, 25: suscepere duo manipu-
lares Imperium populi Romani transferendum, et transtnlere). In
die Verschwörung selbst wurden nur wenige gezogen. Die schon
mehr oder weniger befangenen Gemüther der übrigen wühlte man
mit verschiedenen Kunstgriffen auf. So hatte Nymphidius Sabinue
als praefectus praetorio unter Nero viele begünstigt, und um sie
an sich zu ziehen, in höhere Dienststellung aufrücken lassen.
Kaiser Marcus Salvins Otbo 99
Dieee so Beförderten bennrnliigte man damit, daee sie unter
Galbas Regiment als ebemalige Freunde des Nympbidius immer
verdäcbtig erscbeinen und in unsicberer Stellung; steben würden.
Die Masse der Andern regte man durcb Groll wegen der ver-
lorenen Auesiebt auf das so oft binaus gescbobene Geldgescbenk
auf. Endlicb gab es welcbe, die das Andenken an Nero und die
Sebnsucbt nacb der früheren Ausgelassenbeit entzündete. Einer
wie der Andere befürcbtete einen Wechsel in der dienstlicben
Stellung. So erzählt Tacitus b. 1, 25, dem hier zu folgen ist.
Sueton (0. 5) redet von fünf Gardegendarmen, denen die Sacbe
zuerst übertragen worden sei und die zehn andere^ jeder je zwei,
mit herangezogen hätten; durcb diese seien dann noch andere
geworben worden, nicbt allzu viele, weil man erwartete, dass
bei der Ausfübrung des Planes selbst sich noch eine grössere
Anzabl anscbliessen würde. Darin irrte man sich aucb nicht.
Denn die Gäbrung ergriff aucb die in der Stadt stebenden
Truppen, eine für Neuerungen stets bereite ungeheure Masse, die
nicbt gerade für eine bestimmte Person eingenommen war, aber
für den einzutreten stets fertig stand, der sieb auf ein Wagnies
einlaeeeo wollte. Es waren das die von Nero gebildete Legion
der Seeeoldaten, die legio prima classica, die dem Galba nicbt
vergass, dass er ibre Kameraden von der Flotte an der Mulvi-
scben Brücke hatte zusammen bauen lassen (b. 1, 6. 31); ferner
die vielen Trnppenabtbeilungen, die Nero aus dem germanischen
und illyriscben Heere batte ausbeben lassen, um sie gegen die
Albaner im Kaukasus, später gegen den Yindex zu gebrauchen,
und die nocb in Rom zurückgeblieben waren. Diese alle wurden
sofort entzündet, sobald sieb das Gerücht verbreitete, dass das
obergermaniscbe Heer wanke. Bei den Scblecbtgesinnten war
der Aufstand eine ausgemachte Sache, die nocb Unverführten
tbateu, als merkten sie Nichts. Als Otbo einst von einem Mable
heimkehrte, war man scbon drauf und dran, sich seiner zu be-
mäcbtigen und ihn zum Kaiser zu proclamieren, wenn man nicbt
doch das Unsichere der Nacht, die über die ganze Stadt zer-
streuten Standquartiere und die Scbwievigkeit einer Ueberein-
stimmung bei den vom Rausche Erhitzten gefürchtet hätte. So
unterblieb die Sacbe für jetzt, besonders aus Furcht, es könnte
der Erste Beste, welcber den Soldaten des pannonischen und
gennaniecben Heeres begegnete, die ja meistens den Otbo nicht
von Person kannten, von ihnen anstatt dieses erkoren werden.
Auch andere Anzeichen des ausbrechenden Aufstandes wurden in
100 Paul
Menge von den Leitern der Verecbworenen unterdrückt. Was
aber doch zq den Ohren des Galba kam, das wies Laco als ganz
unbedeutende Dinge ab, weil er unbekannt war mit dem Geiste,
der unter den Soldaten herrschte, und weil er in seinem Eigen-
sinn gegen jeden lUth, auch den besten, war, den er nicht ge-
geben hatte (h. 1, 26).
Am 15. Januar 69 opferte Galba vor dem Tempel des
Apollo, und der Opferpriester Umbricius verkündete nach den
Unglück drohenden Zeichen nahe bevorstehende NachstelluDgen
von einem Landesfeind im eigenen Haus (Tac. h. 1, 27 : hamspex
Umbricius tristia exta et instantes insidias ac domesticum hoetem
praedixit andiente Othone. Vergl. Plut. G. 24. Sueton G. 19:
haruspex identidem monuit, caveret periculum, non longe per-
cusRores abesse). Diese Weissagung lässt uns vermuthen, dass
die Pläne der Verschworenen in der Stadt gar nicht mehr so
unbekannt gewesen sein können. Für Otho, der neben dem Opfern-
den stand, war die Aussage des Opferschaners etwas Freudiges,
ein seinem Vorhaben Glück verheissender Spruch. Dennoch war
er anfangs bestürzt und wechselte nach dem glaubhaften Bericht
des Plutarch (G. 24) vor Furcht die Farbe: θορυβουμένιμ bfe
αύτψ και χρόας άμείβοντι παντοδαπάς ύπό bέoυς παμαστάς
Όνόμαατος . . . ίφη . . . Gleich darauf meldete ihm sein Frei-
gelassener Onomastus, dass er von dem Bauherrn und den Bau-
unternehmern erwartet würde. Das war das verabredete Zeichen,
dass die Soldaten zusammengetreten und die Verschworenen fertig
seien. Otho, der dem Freigelassenen folgte, gab als Ursache
seines Weggangs an, dass er ein Landhaus in der Nähe der Stadt
zu kaufen beabsichtige, was er wegen Alters einer genauen Unter-
suchung unterwerfen müsse. Auch schlug er nicht den directen
Weg nach dem Lager der Prätorianer ein, sondern ging zunächst
durch den Pallast des Tiberius nach dem Stadtviertel, wo die
Victualienhändler feil hielten (Velabrum), und erst von dort ver-
fügte er sich nach dem vergoldeten Meilenstein unterhalb des
Saturntempels. Daselbst traf er 23 Mann von der Leibgarde,
die ihn als Kaiser begrüssten. Er war über diese geringe An-
zahl besorgt, aber sie setzten ihn eilig auf einen Tragsessel und
entführten ihn mit gezockten Schwertern, um ihn nach dem Lager
zu tragen. Unterwegs schlössen sich etwa eben so viel Soldaten
an, die Einen im Einverständniss, Viele aus Neugier. So folgten
sie theils unter lautem Freudengeschrei, theils still und schwei-
gend, um sich erst nach dem Erfolge zu entscheiden. Im Lager
Kaiser Maroos Saivios Otho 101
hatte der Tribun Julius Martialis die Wache. Mochte dieser nun
durch die Ungeheuerlichkeit des so plötzlichen Verbrechens die
Besinnung verloren haben, oder mochte er befürchten, dass das
Lager echon weiter mit in die Verschwörung verstrickt und,
wenn er sich dagegen stemme, dies sein eigener Untergang sei|
er galt den Meisten als Mitverscbworener. Auch die übrigen
Tribunen und Genturionen zogen die sichere Gegenwart mit schmach-
voller Untreue den Geboten der Pflicht mit unsicherer Zukunft
vor. Und so war die Stimmung der Art, dass Wenige das
8ch mach vollste Verbrechen wagten, mehrere es wünschten, Alle
es litten (Tac. h. 1, 27. 28 Plut. G. 25 Sueton 0. 6).
Inzwischen fuhr Galba, der von allen diesen Vorgängen
nichts ahnte, in seinem Opfer fort und bestürmte immer dringen-
der mit Bitten um günstige Zeichen die Götter, die, wie Tacitus
sagt, ein bereits in andere Hände übergegangenes Regiment in
ihren Schutz genommen hatten (ignarns Interim Galba et sacris
intentus fatigabat alieni iam imperii deos, h. 1, 29). Da traf
plötzlich das Gerücht ein, es sei irgend ein Senator ins Lager
entführt worden; bald darauf hiess es, es sei Otho. Zugleich
sammelten sich aus der ganzen Stadt Leute an, wie sie grade
unterwegs sich trafen, die theils aus Furcht die Dinge über-
trieben, theils sie geringer darstellten, als sie waren, um dem
Galba und seiner Umgebung gefällig zu schmeicheln. Nun trat
dieser mit den bei ihm Befindlichen zur Berathung zusammen
und man fasste den Beschluss, die Gesinnung der Cohorte zu ver•
suchen, die grade im kaiserlichen Pallast die Wache hielt, und
zwar nicht durch Galba selbst, dessen Autorität jetzt noch nicht
in Frage gestellt, sondern für durchgreifendere Massregeln auf-
gehoben werden sollte.
Es trat also Piso oben auf die Stufen des Pallastes, und
redete die zusammengerufenen Soldaten an. Es sei dies, sagte
er, der sechste Tag (nach unserer Zählweise der fünfte), dass er
als Cäsar berufen worden sei, ohne zu wissen, ob diese Würde
zu wünschen, oder aber zu fürchten sei. Es handle sich dabei
nicht um seine Person. Er kenne das Unglück, und eben jetzt
erfahre er, dass auch das Glück nicht weniger Gefahr habe. Es
handle sich um seinen (Adoptiv•) Vater, um den Senat und um
das Reich selbst, die ihm leid thäten, wenn sie (Piso und die
Anhänger Galbas) heute ihren Untergang fänden, oder, was in
den Augen der Gutgesinnten ebenso jammervoll sei, ein Blutbad
veranstalten müssten. Die letzte Bewegung (durch die Nero ge-
102 Paul
ettirzt worden war) habe das Tröstliche gehabt, dass die Stadt
von Blutvergiessen verschont nnd der Wechsel der Regierung
ohne Bürgerkrieg bewerkstelligt worden sei ; durch die Adoption
schiene nun auch das vorgesorgt worden zu sein, dass auch nach
dem Tode des Galba die Dinge ohne Krieg sich ordneten. ' Ich
will mich nicht, so fuhr Piso fort, auf meine vornehme Gebart
und auf meinen sittlichen Charakter berufen ; man braucht, wenn
man sich mit Otbo zu vergleichen hat, nicht die Tüchtigkeit eines
edlen Mannes herbei zu ziehen. Die Laster, deren er allein sich
rühmt, haben das Reich schon zerrüttet, als er sich noch als
Freund des Kaisers aufspielte Sollte er sich durch sein äussereR
Gebahren und Auftreten oder auch durch seinen weibischen Auf-
putz die Derrschergewalt verdient haben? Die sind im Irrthuna,
bei denen üppige Verschwendung unter dem Scheine von Frei-
gebigkeit einen Eindruck macht. Dieser Mensch wird zu ver-
geuden, nicht zu schenken verstehen. Hurerei, wilde Zechgelage,
Zusammenliegen mit Weibspersonen, das sind die Dinge, die
seinen Geist beschäftigen, das sind nach ihm die Belohnungen,
die der Oberherrschaft zufallen müssen. Die geile Lust und das
Schwelgen in diesen Dingen soll sein Antheil sein; für die an-
dern alle soll das als Schmach und Schande gelten.^ Der Redner
weist weiter darauf hin, dass ein ruchlos erworbenes Regiment
nie gute Massnahmen getroffen habe. Es sei in ihrem (der Leib-
garde) Interesse, dass nicht die Schlechtesten den Kaiser machten.
Ihre Treue sei bis auf den heutigen Tag unbefleckt, sollten etwa
jetzt weniger als 30 Ueberläufer und Verräther, denen man nicht
einmal erlauben würde, sich einen Centurionen oder Tribunen zu
wählen, über den Thron verfügen? Wollten sie dieses Beispiel
zulassen? Die Frechheit würde in die Provinzen dringen, sie
selbst (Piso und die zu Galba Stehenden) würden die Folgen der
Verbrechen, die Garde aber würde der Ausgang des Bürgerkriegs
treffen. — Zuletzt versprach er ihnen ein Donativum, das wegen
Treue zu erhalten jedenfalls besser sei, als für eine ruchlose
That (h. 1, 29. 30).
Der Erfolg dieser Rede war, dass die Graduirten (specula-
tores, Leutnants und zu Ordonnanzen benutzte Feldwebel, Feld-
jäger, Gardegendarmen) sich verzogen, der Rest der Cohorte aber
den Redenden nicht abfällig anhörte und wie das in Zeiten der
Aufregung vorkommt, ohne noch einen bestimmten Entechluss zu
haben, sich unter Waffen in Reih und Glied aufstellten, mehr
aus Zufall, als aus verrätherischer Absicht und Verstellung, wie
Kaiser Marcus Salvius Otbo 103
man nachher annahm. Auch wurde der designirte Coneul Celsns
Mariue, ein treaer Anhänger des Galba, zu den noch in Rom
stehenden Detachements des illyrischen Heeres, die in der Halle
des Vipsanins Agrippa im Quartier lagen, gesandt, ebenso zwei
Hauptlente, die die Detachements der germanischen Armeecorpe
ans der Halle des Tempels der Libertas herbeiholen sollten. Der
Flottenlegion misstraute man als einer feindlich gesinnten wegen
der Abschlachtnng ihrer Kameraden, die Galba bei seinem Ein-
tritt in die Stadt hatte niederhauen lassen. In das Lager der
Prätorianer aber gingen drei Tribunen, nm zn versuchen, ob der
noch im Anfang begriffene Aufruhr durch vernünftiges Zureden
zu beugen sei. Zwei von diesen Tribunen empfingen die Soldaten
mit Drohungen, den dritten, Pompejus Longinas, packten sie und
entwaffneten ihn, weil er ihnen als Einer von Galbas Freunden,
der seinem Herrn treu ergeben war, jetzt, wo sie im Begriff
standen, von diesem abzufallen, nur um so verdächtiger war.
Die Flottenlegion schloss sich ohne Zaudern den Prätorianern
an. Den Celsus jagten die illyrischen Truppen mit drohend vor-
gehaltenen Wurfspeeren von dannen. Die germanischen Abthei-
Inngen schwankten lange; sie waren noch körperlich geschwächt
und zum Frieden gestimmt, weil Galba sie, die von Nero kurz
vor der Empörung des Vindex nach Alexandrien, wohin er selbst
sich begeben wollte, vorausgeschickt und jetzt zurückgekehrt
waren, in guter Pflege hatte halten lassen, nachdem sie durch
die lange Seefahrt stark mitgenommen worden waren (Tac. h.
1, 31 vergl. Plut. G. 25).
Schon hatte der zusammengelaufene Pöbel, unter den sich
ganze Sklavensohaften gemischt hatten, das Palatium angefüllt
und verlangte mit verworrenem Geschrei den Tod des Otho und
die Vernichtung der Verschworenen, ^gleich als wenn sie im
Clrcus oder im Theater ein kurzweiliges Schauspiel forderten.
Denn, setzt Taoitus hier hinzu, verständiges ürtheil und Sinn
für Wahrheit ist bei der Menge nicht zu suchen, die mit ganz
gleichem Eifer an ein und demselben Tage das Entgegengesetzte,
wie sich bald zeigen sollte, forderten' (h. 1, 32).
Den Galba zogen zwei Meinungen nach ganz verschiedenen
Seiten. Titus Vinius war der Ansicht, man müsse innerhalb des
Pallastes bleiben, die Sklaventrupps entgegen werfen, die Zugänge
verwahren, nicht gegen die erhitzten Empörer marschieren. Den
Uebelgesinnten solle Galba Zeit lassen zur Umkehr, den^ 'Gut-
gesinnten zur Einigung. Verbrechen wüchsen bei vomW^^m Ti^-
104 Paul
greifen , gute Pläne durch ruhiges Zuwarten. Endlich sei zu einem
Vorwärtsgehen, wenn es räthlich erscheine, die Gelegenheit ganz
dieselbe in der nächsten Zukunft, dagegen liege eine rückgängige
Bewegung, wofern man sich anders besinne, in der Macht des
Gegners (h. 1, 32). Die Meinung der Andern war für rasches
Handeln, bevor die jetzt noch schwache Bewegung der Wenigen
stark würde. Bei Zaudern und Lässigkeit werde Otho sofort
lernen, das Staatsoberhaupt zu spielen. Man solle doch nicht
warten, bis er etwa im Lager der Prätorianer Alles abgemacht
habe, aufs Forum komme und das Capitolium betrete, während
Galba aus der Ferne zuschaue, ein vortrefiflicher Herr nnd Kaiser,
der mit seinen Freunden sich nicht weiter, als bis zur Thür
wage, natürlich, um eine Belagerung auszuhalten. Das Schmach-
volle sei auch das Unsichere. Wenn es nöthig sei zu fallen, so
solle man der Gefahr entgegen gehen. Das bringe dann den
Otho in eine gehässige Stellung, ihnen selbst aber ehrenvollen
Nachruhm. So waren die Meinungen im Cabinetsrath des Kaisers.
Den Vinius, der sich der letzteren Ansicht widersetzte, griff Laco
mit Drohungen an, wobei Icelus, der einen persönlichen Uass
gegen Vinius hartnäckig zum Verderben des Reiche ausübte, ihn
anstachelte (h. 1, 34 vgl. Plut. G. 26).
Nun gab Galba sein Zaudern auf und trat denen bei, die
ihren Rath mit stolzen Worten gegeben hatten. Ehe man aber
sich zum Handeln entschloss, wurde Piso ins Lager geschickt.
Kaum hatte sich dieser entfernt, so trat das anfangs unsichere
Gerücht auf, Otho sei bei den Prätorianern getödtet worden; bald
darauf, wie das bei Lügen von so grosser Tragweite geschieht,
wollten etwelche selbst dabei gewesen sein und es gesehen haben.
Bei der freudig erregten und gedankenlosen Masse fand das leicht
Glauben. Viele waren der Ansicht, das Gerücht sei von den
Othonianern, die sich bereits unter die Menge gemischt, erfunden
und vergrössert worden, um den Galba durch die freudige Kunde
aus dem Pallaste zu locken (Sueton G. 19: extractus rumoribus
falsis, quos conspirati, ut cum in publicum elicerent, de industria
dissiparant).
Nach dem Auftreten des Gerüchtes erhob nun vollends nicht
bloss die versammelte Menge vom Bürgerstand und dem unwis-
senden niederen Volk (populus et imperita plebs) ein wüstes Bei-
fallsgeschrei, sondern auch manche von den Rittern and Sena-
toren, die sich von ihrer Furcht jetzt befreit fühlten, rissen die
Thüren des Pallastes auf, stürzten hinein und zeigten sich dem
Kaiser Marcus Salvius Otho 105
Galba, wobei sie klagten, dass sie nun um ihre Hache gekommen
seien (praereptam eibi ultionem qnerentes). Je feiger Einer war
und je weniger er bei eintretender Gefahr, wie sich bald ergab,
seinen Mann zn stehen wagte, als ein desto grösserer Zungenheld
trat er auf. Kein Mensch wusste etwas Bestimmtes, aber alle
gaben ihre Behauptungen mit voller Sicherheit, bis Galba, durch
die allgemeine üebereinstimmung der im Irrthum Befangenen
hingenommen, seinen Panzer anlegte und, da er wegen hohen
Alters und wegen seines siechen Körpers sich nicht auf den Füssen
halten konnte, von den andrängenden Haufen auf einen Tragsessel
gehoben wurde. Zn gleicher Zeit kam ein Gardegendarm, Julius
Atticus, in den Pallast gestürmt, zeigte sein blutiges Schwert
und rief: Otho sei von ihm getödtet worden. Da sagte Galba:
'Kamerad, wer hat dir das befohlen?* Auf diese Frage lässt Plu-
tarcb (G. 26) den Mann antworten: *Meine Treue und mein Eid!*
wobei die Menge ihm Beifall gerufen habe. Wenn Plutarch
diese drastische Scene allein berichtet, so ist sie darum noch
nicht unglaubhaft. Plutarch hat in seinen beiden Schriften Γάλ-
βας και "Όθιυν, die Ein Werk bilden (H. Peter, Die geschicbtl.
Litteratur über die röm. Kaiserzeit usw. Π ρ. 73 Anm. 2 ), die
Kämpfe und den Ausgang dieser beiden Kaiser ganz ebenso er-
zählt, wie Tacitus und Sueton, so dass wir die Annahme einer
gemeinsamen Quelle nicht ablehnen können (H. Peter aO. p. 73).
Wenn er nun hier und da solche Züge bringt, die die beiden an-
dern nicht berichten, so zeigt das den Memoiren-Charakter seines
Werks, in dem er sich auch auf mündliche Aussagen gestützt
hat. Wie weit diese auf Thatsächlichem beruhen, lässt sich nicht
immer mit Sicherheit erweisen. Indessen, da er die Quellen zu
seiner Kaisergeschichte unter den Gesinnungsgenossen des Taci-
teisch-Plinianischen Kreises gesucht hat (H. Peter aO. p. 75 f.),
80 ist auch kein Grund an der Wahrheit solcher anekdotenhaften
Züge zu zweifeln. Sie widersprechen den Thatsachen, bei deren
Bericht Plutarch in augenfälliger Üebereinstimmung mit Tacitus
und Sueton (G. 19) steht, keinesfalls.
Dieser Bericht selbst nun geht dahin, dass sich Galba in
seine Sänfte gesetzt habe, um sich dem Volke zu zeigen und
dem Jupiter Capitolinus zu opfern. So sei er aufs Forum ge-
kommen. Hier war also der Vorgang mit dem prahlerischen
Gardegendarmen Julius Atticus, an den Galba seine unwillige Frage
richtete. Mit dieser Frage, sagt Tacitus, habe sich Galba als
^inen Herrscher gezeigt, dem es darauf ankam, d\e i^o\d«A.\%Oc\^
Zugell oBjgkeit zu bändigen, un erschrocken bei DioViuii^^Ti^ \|^^%«^*
106 Paul
über den Scbmeichlern nnbeRtechlich (insigni animo ad coercendam
militarem licentiam, minantibue intrepidas, advereae blandientee
incorruptQs, b. 1, 35). In dieser Bericbterstattung, die, wie be-
merkt, im Weeentlicben bei allen drei Scbriftetellern, Tacitus,
Sneton und Plutarcb, gleich ist, haben wir nnr den einen, al-
lerdinge nnbedeutcnden, Unterschied noch hervorzuheben, dass
nach Tacitus Galba bereite im Begriffe gewesen sei, eioh ans dem
Pallast fortzubegeben, als ihm Julius Atticas entgegen kommt (b. 1,
35 : obvius in Palatio Julius Atticus). Aehnlich bei Sneton Gr. 19.
Nach Plntarch dagegen aO. besteigt Galba erst nach dem Auf-
treten des Gardegendarnien seine Sänfte. Bei solchen positiven
Widersprüchen ist aber immer anzunehmen, dass Tacitne den Vor-
gang so berichtet, wie er stattfand. Dio Cassius endlich verkürzt
die Erzählung 64, 6 so sehr, dass aus ihm über die Reihenfolge
Nichts zu ersehen ist. üeberhaupt werden wir diesen Autor für
unser Thema wenig heranziehen dürfen, da er, wie H. Peter
(Die geschieht]. Litt. usw. li, 92) sagt, manche Geschichte des
Effects wegen zustutzt, bald weglassend, bald ändernd und aus-
schmückend. 'Er ist mit seiner Vorlage ft'ei und sehr willkür-
lich umgesprungen* (H. Peter aO. p. 275). Nehmen wir den
Faden der Erzählung wieder auf, da wo wir ihn fallen Hessen,
indem wir uns in den Hauptstücken an Tacitus anschliessen.
Als Otho im Lager der Prätorianer angekommen war, zeigte
sich sofort, wie schwer Galba gefehlt hatte, dass er den Trappen
das Geldgeschenk nicht ausgezahlt, auf das diese gerechnet hatten
und das ihnen auch, wenn nicht von ihm selbst, doch in seinem
Namen, versprochen worden war. Dem Otho dagegen kam sein
leichtsinniges Geldverschwenden und sein glänzendes Auftreten
jetzt zu Statten. Denn Nichts anderes war es, was sofort die
Gemtither der Soldaten im Lager für ihn und seine Thronerhebung
einnahm. Sie nahmen ihn in geschlossenem Kreis in ihre Mitte
und zwar so, dass die Tribunen und Centurionen keinen Zutritt
zu ihm haben konnten; denn der gemeine Soldat glaubte ihn he-
acliützen zu müssen vor den Ofißcieren. Das ganze Lager schallte
auf allen Seiten von wildem Jubelgeschrei und fanatischem Tau-
mel wieder. Man fasste sich an den Händen, lag sich in den
Armen, sagte sich den Huldigungseid vor, man empfahl den neuen
Kaiser den'^Soldaten und die Soldaten dem neuen Kaiser. Otho
selbst führte ein für den Moment passendes, für ihn selbst aber
unwürdiges Schauspiel auf; er bezeugte mit weit vorgestreckten
Armen dem grossen Haufen die tiefste Ehrfurcht, warf ihm Kuea-
Kaiser Marcus Salvius Otho 107
bände zu und benahm sich ganz in koechtieober Weise, Alles
um den Preis der Herrschaft (nee deerat Otbo protendens
manus adorare vulgus, iacere oscula et omnia serviliter -so. fa-
cere- pro dominatione, b. 1, 36). Die ganze Flottenlegion leistete
zuerst den Hnldigungseid. Als das geschehen war, hielt Otho
vom Walle des Lagers herab, um die ihn umstehende Masse
noch mehr anzufeuern, eine Rede, worin er sie als Kameraden
ansprach und sein Schicksal als mit dem ihrigen unlösbar ver-
knüpft darstellte. 'Ich weiss nicht recht, wie ich mich Euch
vorstellen soll, sagte er ; Privatmann kann ich mich nicht nennen
da ich von Euch zum Fürsten erklärt worden bin, Kaiser aber
auch nicht, so lange noch ein Anderer diesen Titel führt; auch
was mit Euch ist, weiss ich nicht, so lange ein Zweifel besteht,
ob ihr den Oberherrn des römischen Volkes in Eurem Lager
habt oder den Feind desselben.' Er stellte ihnen vor, sie müseten
entweder zusammen untergehen oder zusammen ihr Heil ßnden.
Von Galba sei nur das Schlimmste für sie beide zu erwarten ;
das habe er an der Mulvischen Brücke gezeigt, als er ohne allen
Grund so viele Tausende habe hinschlachten lassen, denen er erst
Verzeihung versprochen. Wie er seinen Einzug in die Stadt über
ein Leichenfeld gehalten, so habe er dann zu seiner kaiserlichen
Würde nur den Ruhm hingemordeter Feldherrn und Staatsmänner
in Spanien, Gallien, Germanien (Fontejns Capito), Afrika (Clo-
dius Macer) hinzugefügt. Jede Provinz, jedes Lager sei von
Blut befleckt. Galba nenne das freilich : zur Ordnung gebracht,
wie er seine Grausamkeit Strenge, seinen Geiz Sparsamkeit, seine
Todesstrafen und Degradationen Zucht nenne. Dann wies Otho
darauf hin, wie die Vertrauten Galbas, ein Icelus und Titus Vi-
nius seit sieben Monaten nach dem Tode des Nero mehr geraubt
und schlimmer gehaust hätten, als einst die Vertrauten des Nero.
Das eine Haus des Icelus hätte schon zu der Geldspende hinge-
reicht, *die Euch nie gegeben worden ist, deren Beanspruchung
aber Euch täglich vorgeworfen wird* (una illa - des icelus - domns
snfficit donativo, quod vobis numquam datur et quotidie expro-
bratur, h. 1, 87). Zuletzt kam Otho auf Piso zu sprechen, als
einen dem Galba in unfreundlichem, grämlichem Wesen und im
Geiz sehr ähnlichen Nachfolger. Auch hätten sie, die Kameraden,
selber das auffallende Unwetter gesehen, wodurch sogar die Götter
ihren Abscheu vor dieser Adoption gezeigt hätten. Der Senat
und das römische Volk denke hierüber ganz gleich. Jetzt kommt
es auf Eure Bravheit an, bei denen alle Kraft und Stärke für
108 Paul
ehrenvolle Unternehmungen iet und ohne die auch die berrlichften
Pläne nutzlos und nichtig sind. Nicht zum Krieg* nicht zu g^
fährlichem Thun rufe ich Euch; die Waffen aller Truppen sind
mit uns. Auch nicht die Eine Cohorte in der Toga (die im
kaiserlichen Pallast wachhabende Cohorte) vertbeidigt jetzt dei
Galba, sondern sie hält ihn fest. Hat sie Euch erblickt und hit
sie meine Parole empfangen, so wird der Streit nur darüber sein,
wer bei mir am meisten zu Gute haben soll. Für Zandern iit
bei einem Unternehmen kein Platz mehr, das Dur Lob finden
kann, wenn es durchgeführt wird.^ Nach dieser Rede Hess er
das Zeughaue öffnen. Die Waffen wurden hastig herauegenommen
ohne allen militärischen Brauch und ohne die Ordnung, dass der
Prätorianer und der Legionssoldat sich durch seine Specialwaffe
(lancea-pilum) unterschieden hätte. Auch die Helme und Schilde
der Hilfetruppen wurden ohne Unterschied genommen und ohne
dass ein Vorgepetzter einzugreifen wagte (h. 1, 38).
W*ie der Aufruhr wuchs und das Stimmengeräuecb bis in
die Stadt sich vernehmlich machte, war Piso un verrichteter Sache
aus dem Lager zurückgekehrt und traf den Galba, der inzwischen
sich aus dem Palatium entfernt und das Forum erreicht hatte.
Auch Celsus Marine brachte Unerfreuliches zurück. Da riethen
die Einen in der Umgebung des Galba, ins Palatium zurückzu-
kehren, die Andern, das Capitolium zu besetzen, Manehe auch,
sich der Keduerbühne vor den Othonianern zu bem&chtigen. Die
Mehrzahl schrie nur das den Ansichten der Andern Entgegen-
gesetzte, und, wie es bei unglückseligen Maassregeln geht, als das
Beste erschien das, wozu keine Zeit mehr war. Laco soll ohne
Wissen des Galba den Mord des Titus Vinius geplant haben, sei
es, um die Soldaten zu beschwichtigen, sei es, dass er ihn im
Einverständniss mit Otho glaubte, oder endlich auch ans Haas.
Indesa zögerte er mit der Ausführung, weil nach dem Beginn des
Blutvergiessens ein Maass schwer einzuhalten war. Auch etörten
schlimme Nachrichten und das Auseinanderfliehen der nächsten
Umgebung den Plan. Der Eifer Hess auch bei denen nach, die
znerst voller Begeisterung für Galba gewesen waren (h. 1, 39).
Unterdessen wurde Galba hierhin und dorthin getrieben, je
nachdem die wogende Menge gegen ihn stiess (τοΟ φΟρείου, κα-
θάπερ έν κλύοιυνι, beOpo κάκεϊ οιαφερομένου καΐ ττυκνόν άπο-
νεύοντος, Plut. G. 26). Hallen und Tempel füllten eich von
allen Seiten : von da aus sah man sich die Sache mit an (Plut
aO.). Kein Zuruf kam aus der Mapse des Volke, der Schrecken
(
Kaiser Marcus Salvius Otho 109
lag, wie Tacitue sagt, auf allen Geeiohtern ; nach allen Seiten
hin laoBchte man mit gespanntem Ohr. Es war kein Lärm, keine
Rahe, es war ein Schweigen, wie es grosse Furcht und grosser
Ingrimm erzeugt. Inzwischen wurde dem Otho gemeldet, dass
sieb das Volk bewaffne. Da befahl er rasch vorwärts zu gehen
und die Gefahr beim Schopf zu fassen. Und so bemächtigten
sich die Soldaten, grimmig aussehend und im gestreckten Trabe
des Forums, ohne dass sie, wie Tacitus hier mit wehmüthiger
Bitterkeit bemerkt, der Anblick des Capitols, die heilige Scheu
vor den hohen Tempeln und der Gedanke an die früheren oder
späteren Herrscher von einer That abschreckten, deren Rächer
allemal der Nachfolger auf dem Thron ist. Sie beeilten sich,
ihren anbewaffneten und greisen Kaiser und Herrn zu tödten,
nicbt anders, als wollten sie den Vologeses oder Pacorus von
dem väterlichen Tbron der Arsaciden herabstossen (Tac. h. 1, 40).
Als der Schwärm der Bewaffneten in die Nähe des Galba
gelangt war, riss ein Fähndrich der ihn begleitenden Cohorte,
Atilius Yergilio, das Brustbild des Kaisers, welches in Medaillon-
form am Schafte des Feldzeichens angebracht war, herunter und
warf es auf die Erde. Auf dieses Zeichen wandten sich die
ganzen Truppen zum Otho, das Volk verliess in eiliger Flucht
das Forom; wer noch schwankte, gegen den wurden die Waffen
gezückt. Hier berichtet Plutarch G. 26: kein Mensch habe jetzt
dem Galba Hilfe geleistet ausser dem Centurionen Sempronius
Densae, der unter so vielen Tausenden allein des römischen Na-
mens werth gewesen sei. Dieser aber habe, und zwar nicht weil
er vom Galba etwas Gutes besonders erfahren gehabt, sondern
nur weil er dem Recht und Gesetz Folge geleistet, sich vor die
Sänfte gestellt, habe seinen Hauptmannsstab erhoben und den an-
drängenden Meuterern laut zugerufen, sie sollten des Herrschers
schonen. Diese aber seien mit ihm ins Handgemenge gekommen.
Da habe er sein Schwert gezogen, bis er sich tapfer wehrend
gefallen sei. und von Plutarch hat den Hergang auch Dio 64, 6
so übernommen, der damit zeigt, wie wenig selbständig er den
Ereignissen nachgeforscht hat. Denn dieses Eintreten des Sem-
pronius Densus geschieht nach Tacitus h. 1, 43 nicht für Galba,
sondern für Piso. Dadurch, dass Sempronius sich den Mord-
gesellen entgegenwirft, entkommt Piso in den Tempel der Vesta,
wo er, allerdings nur auf kurze Zeit, dem Verderben entgeht.
Hier liegt der Irrthum jedenfalls bei Plutarch, obgleich beide,
Tacitae und Plutarch, sich auch hier auf dieselbe Quelle etiitzen^
HO Paul
wie die Einleitungeworte zu der Erzählung zeigen, die bei Ta-
citus lauten: InRignem illa die virnm Semproninm Deneum noetra
aetae vidit; bei Plutarcb: öv μόνον άνδρα (seil. Sempronium)
ήλιος έπ€ΪΟ€ν έν μυριάσι τοσαύταις άΕιον τής 'Ρωμαίων ηγε-
μονίας (vergl. Η. Peter, die Quellen des Plutarcb uew. p. 39).
Plutarcb bat bier seine Quelle nur oberfläcblicb angesehen oder
es ist ihm ein Gedäcbtnissfebler untergelaufen.
Mitten auf dem Forum war das Basein des Curtias (Cnrtins
lacus), eines jener siebenhundert von den Aquäducten gespeisten
ßrunnenbecken Roms. Neben diesem Wasserbecken wurde Galba
durch die ängstliche Hast seiner Träger aus seiner Sänfte ge-
worfen um! rollte am Boden hin. Sein letztes Wort wird ver-
schieden berichtet. Tacitus erzählt h. 1, 41, dass er nach der
Aussage der Einen flehentlich gefragt habe, was er denn Schlimmes
gethan, um ein solches Schicksal zu verdienen, und um wenige
Tage gebeten habe, damit er das versprochene Geschenk an die
Truppen auszahle; die meisten aber, sagt Tacitus, hätten erzählt,
er habe seine Kehle freiwillig den Mördern dargeboten und ge-
sagt, sie sollten nur machen und zustossen, wenn das zum Nutzen
des Gemeinwesens wäre. Sueton aber lässt ihn (G. 50) nach dem
Bericht der Einen ausrufen: ^was macht ihr, Kameraden? Ich
bin Euer und Ihr seid mein !* Nach dem Bericht der Andern und
zwar der meisten hätten seine Worte so gelautet, wie Tacitus
angibt. Plutarcb theilt G. 27 nur das Eine mit: Galba habe
seine Kehle den Mördern dargeboten mit den Worten: bpaTe, €l
τούτο τψ οήμψ *Ριυμαίιυν δμεινόν έστι. Nach Dio endlich (aO.)
hätte er nur die Worte gesprochen: τι κακόν έποίησα; Den
Mördern war es jedenfalls einerlei, was er sagte. Wer ihn ge-
mordet hat, ist nicht ganz sicher; manche nennen einen Gefreiten
Terentius, andere einen gewissen Lecanius, die meisten den Ca-
murius, einen Soldaten der XV. Legion, welche ihr Standquartier
zu Vetera in Untergermanien hatte, von der aber damals eine
Abtheilung in Rom war. Die übrigen, die sich bei der schmäh-
lichen That betheiligten, zerrissen dem Gemordeten Arme und
Beine und schlugen in ihrer grausigen Wildheit noch dem ver-
stümmelten Körper Wunden (h. 1, 41).
Nachdem so römische Soldaten ihren kaiserlichen Herrn,
der unbewafi'net und hochbejahrt war (τόν γίροντα, τόν αρχιε-
ρέα, τόν αυτοκράτορα, Dio aO.) zu tödten sich beeilt hatten,
gingen sie auf Titus Yinius los. Auch bei ihm weiss man nicht,
ob die Furcht des Augenblicks seine Stimme erstickt hat^ oder
Raiser Marcus Salvios Otbo 111
ob er laut gemfen hat, es sei wider deo Befehl des Otho, ihn
zu tödten. Diee letztere bestätigt Plutarch G. 27 ; da spricht
Vinius in der Angst seines Herzens die Worte aus: άποθνήίΤκιυ
παρά την "Οθωνος γνώμην. Tacitus ist geneigt, in diesen Worten
ein Bekenntniee seiner Mitwiseenschaft an dem Complot gegen
Galba zu sehen. Έτ meint, sein Leben und sein Euf sprächen
dafür. Dass man auch in der Umgebung des Galba seine Mit-
Wissenschaft annahm, geht aus der Absicht Lacos, ihn zu tödten
hervor, die wir oben erwähnten. Vor dem von Augustus in der
Nähe der alten Rostra, an der Stelle, wo Cäsars Leiche ver-
brannt worden war, errichteten Tempel des Divus Julius sank
Titne Vinius zusammen, nachdem er zunächst in die Kniescheibe
getroffen und dann von einem Legionssoldaten durchstochen wor
den war (Tac. h. 1, 42 Piut. G. 27).
Auch Piso mnsste sterben. Wie schon erzählt, hatte zu-
erst ein Hauptmann der prätorischen Cohorte, Sempronius Densus,
den Verwundeten vor den Mördern gerettet. Dieser Centurio
war von Galba mit der Wache für Piso betraut worden. Er zog
gegen die Mordgesellen seinen Degen blank, warf sich ihnen ent-
gegen, hielt ihnen mit Entrüstung ihre Schandthat vor und for-
derte sie auf, sich gegen ihn selbst zu wenden. Dadurch machte
er es dem schon verwundeten Piso möglich, zu entfliehen. Er
entkam in den Tempel der Vesta. Dort nahm ihn mitleidig ein
Tempelsklave auf and verbarg ihn in seiner Dienstwohnung. Die
Mordgesellen kamen aber auch hierher und zwar auf speciellen
Befehl des Otho, der grade auf die Vernichtung des Piso brannte *.
Der eine von den beiden Kerlen, die ihn mordeten, war Sulpicius
Florus, ein Soldat aus einer zu Kom liegenden Abtheilung des
britannischen Heeres, der erst vor Kurzem von Galba mit dem
Bürgerrecht beschenkt worden war; der andere war Statine Mur-
cus, ein Gefreiter der Leibwache (speculator). Die beiden Kerle
zogen den Piso an den Eingang des Tempels und ermordeten ihn
da (h. 1, 43).
üeber keine Ermordung soll Otho eine grössere Freude ge-
habt haben, kein gefallenes Haupt soll er mit so unersättlichen
^ Die Textesworte h. 1, 43: cum advenere missu Othonis nomi-
natim in caedem eius ardentes Sulpicius Florus et Statine
Marens lese ich nach der Conjectur von Heinsius, der statt ardentes
ein ardentis vorschlägt. Mir scheint das nominatim und die Bemerkung
im Anfange des folgenden Gapitels über Othos grosse Freude beim
Morde des Piso diese Conjectur nothwendig zu machen.
112 Paul
Augen angeseheu haben, als dae des Pieo. Es ist ganz glaub-
lich, wafl Plutarch G. 27 erzählt: Als der Kopf des Galba dem
Otho gebracht wurde, habe er gerufen : ^ Das will nichts heissen,
Kameraden, zeigt mir das Haupt des Piso!^ Tacitus meint, der
Grund von dieser unmässigen Freude sei wohl gewesen, dass
Otho jetzt erst von aller Sorge befreit gewesen sei ; doch könne
auch der Gedanke an die in der Person des Galba geschändete
Majestät, und bei Titus Vinius an die Freun^chaft mit diesem
den Geist des Ütho mit unheimlichen Vorstellungen erfüllt haben;
dagegen bei Piso habe er geglaubt, sich nach menschlichem und
göttlichem Rechte freuen zu dürfen. Wie dem nun auch sein
mag, au keiner Stelle des Taciteischen Berichtes wird Otho in
schwärzeren Farben vom Autor gezeichnet, als in diesem Kapitel
h. 1, 44. Und diese rohe Grausamkeit zeigten auch seine Ge-
hilfen bei der wilden Orgie. Die Häupter der Gefallenen wurden
von ihnen auf Stangen geheftet und zwischen den Feldzeichen
der Cohorten neben dem Adler der Flotten legion einhergetragen.
Dabei zeigten die Mörder ihre blutigen Hände, und auch die
rühmten sich der blutigen That als einer hochpreislichen Helden-
that, die nur dabei gewesen waren oder auch nur dabei gewesen
sein wollten. Vitellius fand später nach Besiegung des Otho
mehr als 120 Bittschriften an Otho von solchen, die um eine
Belohnung eingekommen waren wegen irgend einer bemerkens-
werthen Hilfe, die sie an jenem Tage geleistet haben wollten.
Vitellius befahl diese alle zu fassen und zu tödten, nicht um dem
Galba damit eine £hre zu erweisen, sondern er that es aus po-
litischer Klugheit, um sich selbst für die Gegenwart durch ein
abschreckendes Beispiel zu sichern und für die Zukunft seinem
Nachfolger die Verpflichtung zur Rache aufzustellen. Man sieht,
das Princip ist sehr alt, nach dem die Fürsten noch heutzutage
handeln (tradito principibus more, h. 1, 44).
Senat und Volk waren wie verwandelt. Die Väter, 'als
wären sie, oder als wären die Götter andere geworden' (καθάπερ
δλλοι γεγονότες ή θεών άλλων γεγονότων, Plut. G. 28), schwuren
den Eid für Otho, der seinen eigenen Eid nicht gehalten; sie
nannten ihn Cäsar und Augustus. Alle stürzten in das Lager
der Prätorianer, einer eilte dem andern voraus, man lief um die
Wette, schmähte auf Galba, lobte die politische Einsicht der
Soldaten, küsste dem Otho inbrünstig die Hand, und je mehr das
Alles erlogen war, desto mehr that man es. Otho aber Hess
sich das gefallen, indem er die drohende Gier der Soldaten zu
Kaiser Marone Salviue Otho 113
bescli wichtigen euclite. Diese forderten den designierten Consul
Marine Celsus, der bis zuletzt dem Galba ein treuer Freund ge-
blieben war, zur Todesstrafe. Die Thatkraft und Unbescholten-
heit des Celsus waren in ihren Augen verwerfliche Dinge. Es
war klar, dass es bei ihnen auf Mord und Beute und darauf ab-
gesehen war, dass grade die Besten dem Verderben geweiht
werden sollten. Da Otho noch nicht die Autorität besass, das
Verbrechen zu verhindern, so Hess er den Marius Celsus in ver-
stelltem Zorne fesseln und entzog ihn so dem Untergange, mit
der Versicherung, dass er noch härter büssen sollte (Tac. h. 1, 45),
oder wie Plutarch G. 27 sagt, dass er noch gewisse Dinge von
ihm erfahren müsse.
Von da an ging Alles nach der Entscheidung der Soldaten
vor sich. Die wählten sich die Lagerpräfecten selbst, von denen
Einer Licinius Proculus war, bei dessen Wahl sie allerdings auf
den neuen Kaiser Rücksicht nahmen. Denn dieser Licinius Pro-
culus war bisher schon ein intimer Freund Othos gewesen, von
dem man muthmaasste, dass er dessen Pläne gefördert habe.
Den bisherigen Präfeoten Laco hingegen, der unter der Um-
gebung Galbas derjenige gewesen war, welcher dem Otho nicht
getraut hatte, liess dieser jetzt, unter dem Vorgeben der Ver-
bannung auf eine Insel, von einem Unterofficier (ab evocato)
aus dem Wege schaffen. Marcianus loelus aber, der bei Galba
in sehr hoher Gunst stehende Freigelassene und hohe Hausbe-
amte desselben, wurde als dem Sklavenstande angehörig öffent-
lich hingerichtet (h. 1, 46). üeber das Alles war bei den Sol-
daten wie in der Stadt grosse Freude. Die hohen Magistrate
wetteiferten mit dem Senat in Schmeicheleien.
Noch war das Forum besudelt mit dem Blute der Er-
mordeten, die noch in ihren Staatskleidern und mit abgeschlagenem
Haupte auf dem Platze lagen (fii τών νεκρών ακέφαλων έν
ταις υπατικαϊς έσθήσιν έρριμένων έπι τής αγοράς, Plut. G. 28),
als Otho durch sie hindurch nach dem Capitolium und von da in
den kaiserlichen Palast zog. Da angekommen gab er die Er-
laubnifis, dass die Opfer des grausigen Schlachtens begraben und
verbrannt würden. Den Piso bestattete sein Weib Veronia und
sein Bruder Scribonianus, den Titus Vinius seine Tochter Gri-
spina. Die Häupter der Ermordeten, die die Mörder abgeschlagen
hatten, um sie als Kaufgegenstände zu verwerthen, hatten von
den Angehörigen erst losgekauft werden müssen (h. 1, 47). Plu-
tarch G. 28 beschränkt diese Angabe nur auf das Haupt des
fUiein. Miu. t PhUol. N. F. LVU. %
114 Paul
ViniuB. Der Leichnam des Galba hatte längere Zeit anbeerdigt
dagelegen und war, ein Gegenstand des Hohnes, von der rohen
Menge unter dem Schutze der Nacht misshandelt worden. Zu-
letzt beerdigte ihn ein mitleidiger Sklave, Namens Argins, der
den im Stadthaushalt wichtigen Posten eines Rechnungeführers
inne hatte (dispensator Argius e primoribus servis). Auch dem
Galba hatte man das Haupt abgeschlagen; Markedenter und
Trosskneohte hatten es aufgespieset und zerstochen; so wurde es
am folgenden Tage am Grabhügel des Patrobius gefanden. So
berichtet Tacitus h. 1, 49, an den wir auch hier ans halten.
Plutarch G. 27 lässt das Haupt dem Otho gebracht und dann
von diesem den Sklaven des von Galba hingerichteten Patrobine
geschenkt werden. Da Argius den Rumpf bereits verbrannt
hatte, so fügte er das Haupt der Asche hinzu und barg beides
in einem armseligen Grabe in seinen (des Galba) Gärten^.
^ So verstehe ich die Worte in h. 1, 49: Galbae corpus, diu ne-
glectum et licentia tenebrarum plurimis ludibriis vexatum, dispensator
Argius e primoribus servis humili sepultura in privatis eius hortis con•
texit. Caput per lixas calonesque sufiixum laceratumque ante Patrobii
tumulum (libertus is Neronis punitus a Galba faerat) postera demum
die repertum et cremato iam corpori admixtum est. Hier enthalten
die Worte bis contexit das, was im Aligemeinen über die Bestattung
des Galba zu sagen war und erhalten dann noch eine nähere Aus-
führung durch das folgende caput etc. Der Herg^ang war also der: die
rohe Menge hatte mit dem Leichnam Galbas, den erst Niemand weiter
beachtet hatte, ihren Spott getrieben, einen Spott so grausiger Art,
dass er nur unter dem Schutze der Nacht vor sich gehen konnte Dabei
hatte man ihm das Haupt abgeschlagen, es aufgespieset und an den
Grabhügel des von Galba getödteten Neronischen Freigelassenen Pa-
trobius geschleppt, wo es am andern Tage gefunden wurde. Den Rumpf
dagegen hatte Argius der Verhöhnung der Menge entzogen und ver-
brannt und die Asche dann in einem armseligen Grabe geborgen.
Dann fügte er auch noch das Haupt hinzu. Man sieht aus dieser Er-
klärung, duss es durchaus nicht nötbig ist, wie Heraus nach dem Vor-
gänge von Döderlein und Halm gethan, die Worte * licentia tenebra-
rum* aus ihrer Verbindung mit 'plurimis ludibriis vexatum* loszu-
reissen, um sie durch ein Komma von diesen getrennt nach vexatum
zu setzen und so mit dem Hauptverbum contexit zu verbinden. Der
Hohn an dem Leichnam war so schauerlich, dass er nur bei Nacht ge-
trieben werden konnte. Warum soll denn da, wie jene Gelehrten wollen,
grade der mitleidige Sklave des Schutzes der Nacht bedurft haben, die
ihn, wenn anders die rohe Menge ihn am Aufnehmen des Leichnams
hätte hindern wollen, gar nicht geschützt hätte. Natürlich, da er den
Kaiser Marcus Salvias Otho 115
Dies war das Ende des Galba, im dreinndeiebsigeien Jahre
seines Lebens, eines römischen Mannes ans edlem Gesohleohty
der fünf Kaiser überlebt hatte und glücklicher gewesen war unter
der Herrschaft Anderer, als unter der eigenen. Tacitns nennt
ihn einen mittleren Geist (medium ingenium, h. 1, 49), der nicht
gerade auf Niedriges und Schlechtes gerichtet war, aber auch
nicht auf Grosses und Gutes (magis extra vitia, quam cum vir-
tutibus, aO.), der bedeutender schien, als ein Privatmann, so lange
er ein solcher war, und der nach allgemeinem Urtheil befähigt
für den Thron gewesen wäre, wenn er ihn nicht eingenommen
hätte.
üeber die Stadt, die schon voller Angst ob des entsetz-
lichen neuesten Verbrechens und in Furcht war, Otho könnte,
trotz seines milden Auftretens, in seine alte Lebensweise ver-
fallen (Dio 64, 8), kam jetzt zu allen erlebten Gräueln ein neuer
Schrecken, die Botschaft über Vitellius. Sie war schon in den
letzten Tagen vor der Ermordung des Galba in Rom ange-
kommen, aber man hatte sie unterdrückt, so dass erst die Auf-
lehnung der beiden obergermanischen Legionen, der IV. und der
Xlil. öffentlich bekannt war. Diese war, wie wir wissen, kurz
vor der Adoption des Piso dem Galba gemeldet worden, der
sie in seiner Ansprache an die Prätorianer als eine unbedeutende
Sache hingestellt hatte. Wie gross der Schrecken in der Stadt
bei der Nachricht von der Schilderhebnng des Vitellius und seiner
Proclamierung als Kaiser durch das niedergermanische Heer
war, sieht man aus der allgemeinen Trauer und aus der Sorge,
die sich des Senats, der Ritterschaft und des Volkes bemächtigte.
Denn auch in der grossen Masse, die sich sonst um die Staatn-
angelegenheiten und das gemeine Wohl nicht kümmerte, lebte
doch das Gefühl, dass in Otho und Vitellius die beiden durch
Unzucht, Trägheit und Ausschweifung aller Art Verruchtesten
aller Sterblichen vom Schicksal zur Vernichtung des Reichs aus-
erlesen seien. Man sagte sich, dass zwar auch in den vorigen
Kämpfen um das Principal die Welt fast umgekehrt worden sei.
Leichnam bei Nacht aufhob, verbrannte er ihn auch bei Nacht; zu
warten war da nicht. Aber auch zum Verbrennen brauchte er nicht
den Schutz der Nacht. Endlich ist der Begriff der licentia gar nicht
einfach der der Erlaubniss, sondern er ist dabei die Nuance eines Miss-
brauchs dieser Erlaubniss. Nun missbrauchte aber nicht der mitleidige
Argins die Nacht, wohl aber die rohe Menge. Das ist für die Stellung
der Worte entscheidend.
ηβ Paul
aber das Reich habe doch noch beim Siege eines Jalius Cäsar
und Augaetus Bestand gehabt, wie denn auch der Staat noch Be-
stand gehabt haben würde, wenn Pompejns and Bratos Sieger
geblieben wäre. Aber jetzt, für wen sollte man jetzt die Tempel \
besuchen und beten, für den Otho oder für den Yitelliae? Schien
es doch ruchlos, Gebete zu den Gitttern zu senden, wo die Wahl
yorlag zwischen zweien, von denen man nur so viel wusste, dasi
der als der schlimmere sich zeigen würde, der den Sieg davon
tragen würde (h. 1, 50).
Die Schild erhebung des Vitellius galt auch dem neuen
Throne. Und Otho wusste, dass er sich nur durch Kampf auf
ihm erhalten würde. Er konnte, wie Dio 64,7 sagt, den Fuss
nicht wieder zurückziehen, nachdem er einmal auf den Thron
gekommen war, so gern er das vielleicht gethan hätte.' Wenigstens
berichtet Sueton 0. 7 und Dio aO., dagß er in der Nacht nach
Ermordung des Galba, von schrecklichen Träumen gequält, schwer
geächzt und geseufzt habe, von dem Lager gefallen, und auf dem
Boden liegend von der herbei eilenden Wache gefunden worden
sei. Das sind freilich Zeichen bitterster Reue. Aber, wie ge-
sagt, er konnte nicht mehr zurück. Weniger, weil Vitellius
selbst auf Entscheidung durchs Schwert gedrungen hätte; auf
diesen kam es nicht weiter an. Sondern vor allen andern drängte
C. Fabius Valens, sein Legionscommandeur in Niedergermanien,
wohin Aulus Vitellius gegen Ende des Jahres 68 von Galba an
Stelle des ermordeten Statthalters Fontejus Capito gesandt worden
war. Durch das Ungestüm des Valens war Vitellius selbst erst
zur Ergreifung der Kaiserwürde fortgerissen worden (h. 1, 52);
jetzt wurde er durch ihn zum Marsch nach der Hauptstadt be-
stimmt. Mit dem gleichen Ungestüm drängte der Legions-
commandeur in Obergermanien, A. Alieuus Caecina, ein Mann von
masslosem Ehrgeiz, der noch in der Blüthe der Jugend stehend,
von Galba sein Commando erhalten hatte, dann aber des Unter-
schleife angeklagt von ihm der gerichtlichen Verfolgung Preis
gegeben worden war. Jetzt nun sucht Caecina, nachdem er sich
in die Liebe der Soldaten eingeschlichen, das Unterste zu oberst
zu kehren und schloss sich darum mit den beiden in Mainz
stehenden obergermanischen Legionen, der IV. und XXII, an
den Vitellius an (h. 1, 56). So hatten also die germanischen
Legionen zusammen den Aulus Vitellius zum Kaiser ausgerufen,
und zwar die Truppen in Niedergermanien am 2., die in Ober-
germanien am 3. Januar.
Kaiser M&rcus Salvius Otho 117
Bas Einzelne dieser Vorgänge und der Kämpfe, die sieb
nun bis zur Scblacbt bei Betriacum unter der Ftibrung oder
vielmebr unter dem Namen des Viteliias abspielten, werden wir
hier übergeben, da nur wiederzugeben wäre, was C. Peter in
seiner ^Gescbicbte Kome' p. 383 ff. und Tb. Mommsen in der
Abbandlung 'die zwei Scblacbten von Betriacum' (Hermes V
p. 161 ff.) ausfübriicb dargestellt baben. Nur das Nötbigste sei
bemerkt.
Das Vitellianiscbe Heer, zu dem sieb noeb 8000 Mann von
den in Britannien stebenden Truppen gesellt batten, bewegte
sieb in drei grossen Corps gegen Italien vorwärts. Den einen
Zug fübrte Fabius Valens^ um durcb die Cottiseben Alpen über
den Mont Cenis einzubrecben, den andern Gaecina, der auf kürzerem
Wege durcb die Pöniniscben Alpen über den grossen St. Bern-
bard zog. Das Corps des Valens bestand aus Abtbeilungen
der nntergermanisoben Legionen, der I, XV, XVI, dazu das
Gros der V. Legion, die den Beinamen Alauda fübrte. Dieses
Corps' bestand aus 40000 Mann Bewaffneten. Das des Caecina
bestand aus obergermaniscben Truppen, deren Kern die XXL Le-
gion, mit dem Beinamen Rapax, war. Es zäblte 30000 Be-
waffnete. Zu beiden Corps kamen noob germanisobe Hilfsvölker,
aus denen sieb aucb Vitellius sein eignes Heer ergänzte, welcbes
eine Stärke von 60000 Mann batte. An der Spitze dieses dritten
Corps wollte er dann mit der vollen Wucbt der Eriegsmacbt den
beiden andern folgen (b. 1, 61).
Wie gesagt, es kam niobt mebr auf die Fübrer, weder auf
Otbo nocb auf Vitellius an, ob der Bürgerkrieg von neuem toben
eollte. Das zeigt der Briefwecbsel (b. 1, 74. 75), der zwiscben
beiden anfangs stattfand und in welcbem sie sieb gegenseitig
Geld und jede Annebmlicbkeit eines verscbwenderiscben Lebens
an jedem beliebigen Orte anboten. War dieser Briefwecbsel
zuerst in versöbnlicber und gefölliger Form (mollius) gebalten
worden, so borte das bald auf und beide warfen sieb Liederlicb-
keit und scblecbte Streiebe vor, womit jeder von beiden Reobt
batte (nenter falso, b. 1 , 74). Diese gegenseitige Hencbelei war
eben so unwürdig, als die gegenseitige Verfolgung durcb Meucbel-
mörder tböricbt war. Am wenigsten konnte das die Lage der
Dinge ändern (vgl. Flut. 0. 4 Sueton 0. 7. 8 Dio 64, 10).
Das Heer des Vitellius, diese nocb von dem Siege über Vindex
berauscbten und nacb neuem Kampf und Beute lüsternen ger-
manischen Legionen, wäre aucb ebne ibn zum Kampfe geschritten.
118 Paul
Zwischen diesem Heer nnd seinem Feldberrn war ein wander-
barer Unterschied. Der Soldat drängte vorwärts, weder die
Winterszeit war für ihn ein Hinderniss, noch wollte er etwas
von Bedenken wissen, die in seinen Augen nur von den An-
hängern eines faulen Friedens erhoben werden konnten. £r
wollte nur vorwärts, nur in Italien einbrechen, auf die Haupt-
stadt marschieren. Handeln, nicht ßerathen war sein Motto (nihil
in discordiis civilibus festinatione tutius, ubi facto magis, quam
consulto opus esset, h. 1, 62). Dagegen blieb Vitellius in träger
Buhe in der alten Veteranencolonie zu Cöln sitzen und genoss
nach seiner Weise die hohe Stellung des Staatsoberhaupts im
Voraus in unersättlichem Sinnengenuss und verschwenderischen
Mahlzeiten, schon am hellen Tage berauscht und mit tlberladenem
Magen beschwert. Aber der mächtige £ifer der Soldaten trat
für den Führer ein und erfüllte auch das, was jenem obgelegen
hätte (h., aO.)• Gerüstet und des Winters gewärtig forderten sie
das Zeichen zum Aufbruch. Endlich wurde es gegeben und als
Fabius im März 69 sein Heer in Bewegung setzte, schwebte,
ein günstiges und den Soldaten hocherfreuliches Wahrzeichen,
ein Adler in ruhigem Fluge dem Heere voran (h., aO.).
Als dem Otho die drohende Gefahr nahe genug gerückt
war und auch die Versuche, erst das Heer des Gegners zum Ab-
fall zu bringen, und dann, ihn selbst durch Meuchelmord zu be-
seitigen (h. 1,74. 75), Nichts gefruchtet hatten, entschloss er sich
zum Kampfe. £r verliess Rom am 24. März 69 in einer Hal-
tung, die seiner kaiserlichen Würde entsprach. Hatte er schon
vorher seit seiner Thronbesteigung gegen Aller Erwarten alles
weichliche Nichtsthun aufgegeben, Vergnügen und üppige Schwel-
gerei fahren lassen (h. 1, 71), so schritt er jetzt seinem Heere
in eisernem Panzer als Soldat zu Fuss voraus, rauh und schlicht
wie ein einfacher, tapferer Krieger (h. 2, 11: lorica ferrea usus
et ante signa pedester, horridus, incomptus famaeque dissimilie).
In seinem Gefolge befand sich ein grosser Theil hoher Staatsbe-
amten, die er mit sich genommen hatte, nicht um sie im Kriege
zu verwenden, sondern unter dem Vorwand, sie als Gefolgschaft
um sich haben zu wollen. Unter dieser Suite war auch der
Bruder des A. Vitellius, Lucius Vitellius, dem Otho dieselbe
aufmerksame Behandlung zu Theil werden Hess, als den andern
Vornehmen und Hochgestellten. So schien er durch Thätigkeit,
durch Besonnenheit, durch rücksichtsvolles Entgegenkommen
gegen den Senat, durch milde Behandlung seiner Gegner den
Kaiser Marcas Salvios Otho 119
Übeln Ruf, den er aue früheren Zeiten mitbrachte, Lügen strafen
ZQ wollen. Gleich am zweiten Tage Reiner Herrschaft hatte er
den Marine Celsus kommen lassen nnd ihn durch freandliche Zu-
spräche für sich gewonnen, hatte im Senat milde Worte gesprochen,
hatte dem Verginius Rufus, diesem Retter des Reichs vorVindex,
das Consalat übertragen, die von Nero und Galba in hohe Aemter
Beförderten bestätigt, ältere würdevolle Personen in Priesterämter
eingesetzt, den unter Nero Verbannten, von Gälba Zurückberufenen
ihre Güter, so weit sie nicht verkauft waren, zurückgegeben.
Damit hatte er die Vornehmen und Mächtigen in Rom, die es
erst vor ihm gebangt hatte wie vor einer Raohegöttin oder einem
bösen Dämon, in eine ihm freundliche Stimmung versetzt (Plnt.
0. 1). und ebenso hatte er das Volk gewonnen durch die Be-
strafung des Tigellinus. War doch keiner von allen den Schurken
um Nero gehasster als Tigellinus; jetzt hatte er, der längst bei
der Veränderung der politischen Zustände die Rache des Volkes
gefürchtet hatte, sich nach Sinuessa in Campanien geflüchtet, wo
er auch in dieser verzweifelten Lage noch in den Umarmungen
lüderlicher Weiber Lüste suchte, nach welchen sich die Geilheit
des im Sterben zuckenden Körpers selbst noch regte. Ob-
schon Alle wussten, dass er, unheilbar krank, schreckliche Qualen
litt, wollte man doch nicht, dass er auch nur noch das Sonnen-
licht schauen sollte, das durch ihn so viele nicht mehr sahen.
In Sinuessa lag er, weil er dort im Hafen nach seiner Meinung
eich sofort einsohifiPen konnte, wenn er fliehen musste. Otho
schickte also einen Beauftragten, der ihn hinrichten sollte. Diesen
bat Tigellinus, nachdem er ihn umsonst für Freilassung zu be-
stechen versucht hatte, nur so lange mit der Execution zu warten,
bis er sich rasiert hätte. Als das ihm gewährt worden war,
schnitt er sich die Kehle durcL Abgesehen von diesem Fall
nahm Otho an Keinem eine persönliche Rache (Plut. 0. 2. 8). Nur
den Cornelius Dolabella, der als Verwandter Galbas von der
öffentlichen Meinung als dessen Adoptivsohn und Nachfolger
neben dem Otho selbst und neben Piso bezeichnet worden war,
internierte er in Aquinum (h. 1, 88). Was ihm sonst gefährlich
flcheinen konnte, befand sich eben in der Zahl des Gefolges.
Gerade aber durch diese Mitnahme so vieler vornehmer und
hochgestellter Personen wurden die Sorgen der Hauptstadt auf-
geregt; kein Stand war frei von Furcht und Gefahr, die man im
Falle eines für Otho ungünstigen Ausgangs des Bürgerkriegs
auf sich hereinbrechen sah. Die ürtheilsfähigen hatten grosse
120 Paul
Sorge um die Kube und den Bestand des Staates, die Leicht-
sinnigen dagegen trugen eich mit eitlen Hoffnungen, nnd die
grosse Zahl derer, deren Credit erschöpft war, waren munter
und guter Dinge ; fühlten sie sich doch am sichersten in unsicheren
Zeiten (h. 1, 88). In dieser Lage vertraute Otho seinem Bruder
Salvius Titianus die Ruhe der Stadt und die Sorgen des Begi-
ments an (h. 1,90). Diejenigen, welche ihm noch und zwar ans
religiösen Bedenken (die 12 heiligen Schilde waren noch nicht
an ihren Aufbewahrungsort zurück gebracht) ein längeres Ver-
weilen in Rom empfahlen, wies er energisch zurück ; alles Zögern
hielt er für gefährlich, wie man bei Nero gesehen habe. Die
Nachricht, dass Caecina die Alpen tiberschritten habe, Hess ihm
keine Ruhe mehr (h. 1, 89).
So tapfer er hier nun auch in seinem Auftreten erscheint,
so deuten doch die erwähnten Versuche, durch Unterhandlungen
und verbrecherische Massnahmen seine Stellung zu wahren, darauf
hin, dass Otho das Gefühl hatte, dass zu seiner Stellung und
deren Behauptung ihm Eines fehle, die Eigenschaft des Feldherm.
Dieses Fehlen aller Fei dherrn kraft zeigte sich verhängnissvoll
schon bei einem Ereigniss, das kurz vor seinem Auszug ans Rom
sich daselbst abgesponnen hatte. Er hatte Befehl gegeben, dass
die 17. Cohorte aus Ostia, der Hafenstadt von Rom, in die Stadt
verlegt werden solle. Ein Tribun der Prätorianer sollte für
deren Bewaffnung sorgen. Ungestört und ohne Aufmerksam-
keit im Lager zu erregen, Hess der Tribun, Varius Crispinus, die
Waffen dem Zeughaus im Lager bei Nacht entnehmen und auf
Wagen laden. Aber der Vorgang ward doch bekannt und grade
die Absichtlichkeit unvermerkter Ausführung brachte die grösste
Erregung hervor. Di« Soldaten, unter denen viele trunken waren,
wurden durch den Anblick der Waffen in Aufregung versetzt
und beschuldigten die Tribunen und Centurionen des Verraths, in-
dem sie ihnen die Absicht unterlegten, sie wollten die Sklaven
der Senatoren zur Vernichtung Othos bewaffnen. Den Varius
Crispinus, der sich dem Aufstand entgegen warf, und die strengsten
der Hauptleute tödteten sie, nahmen gewaltsam aus dem Zeug-
haus Panzer, Helme und Schilde, zückten die Schwerter, bestiegen
die Rosse und drangen in die Stadt ein nach dem kaiserlichen
Palaste hin (h. 1, 80). Dort sass Otho mit einer grossen Anzahl
vornehmer Frauen und Männer aus dem Senatorenstand beim
Gastmahl. Diese waren erschrocken und wussten nicht, woran
sie waren, ob es ein Aufstand der Soldaten oder ein vom Kaiser
Kaiser Marcus Salvius Otho 121
selbst geplanter Ueberfall sei, ob eie bleiben oder fliehen sollten.
Aengstlich waren ihre Augen auf Otbo gerichtet, der gefürchtet
wurde, während er selber fürchtete. Dieser hatte sofort die beiden
Präfecten der Prätorianer, die, wie man nach dem Berichte des
Tacitus h. 1, 81 annehmen muss, mit zur Gesellschaft gehört
hatten, zur Besänftigung der tobenden Soldaten abgeschickt und.
biess seine Gäste sich schnell entfernen, was diese mit einer un-
ziemlichen Eile thaten. Sie legten die vornehme Kleidung ab,
nahmen ihren Weg durch die Fenster und suchten, ohne irgend
eine Begleitung ihrer Sklaven, unbekannte Wohnungen auf, die
meisten bei armen Clienten. Bei ihrem Eindringen in den Palast
verwundeten die Soldaten, die den Otho zu sehen forderten, den
sich ihnen entgegenstellenden Tribun Julius Martialis und den
Legionspräfecten VitelliusSaturninus. Wafl^engetöse und Drohungen
gegen die Vorgesetzten und den Senat erdröhnten auf allen Seiten,
die Wuth der Wahnsinnigen forderte Aller Untergang, bis Otho,
der auf seinem Polster stehend die Aufständischen zum Einhalten
beschwor, sie wieder zur Ruhe brachte. Hatte er das nur mit
Mühe erreicht, so war das bei Weitem Schlimmere, dass er^s mit
Aufopferung der kaiserlichen Würde durchgesetzt hatte (contra
decus imperii .... aegre oohibuit, h. 1, 82 Plut. 0. 3).
Widerwillig und schuld bewusst kehrten die Erregten ins
Lager zurück. Dort wurden sie von den beiden Präfecten, von
^em einen, Licinius Proculus, milder, von dem andern, Plotius
Firmus, strenger angeredet. Das Ende des Vorgangs war aber,
dass jeder Soldat 5000 Sestertien erhielt. Jetzt erst wagte Otho
das Lager zu betreten, wo ihn die Tribunen und Centurionen,
nachdem sie zum Zeichen der Traner ihre Dienstabzeichen ab-
gelegt, umringten und Euhe und Sicherheit vor neuen Auftritten
verlangten. Die Prätorianer hatten selbst das Gefühl, dass dieser
Aufruhr sie geschändet; wieder zum Gehorsam bereit verlangten
sie noch obendrein die Hinrichtung der Rädelsführer ihrer eigenen
Meuterei (h. aO.). Der ganze Vorgang wäre unter einem energi-
schen Feldherrn unmöglich gewesen. Was that dagegen Otho?
Anstatt eines kräftigen Einschreitens gegen die Zügellosigkeit,
wie es die entgegengesetzten Stimmungen im[Heer möglich machten
und wie die Besten es forderten, suchte er die Gunst des ge-
meinen Mannes zu gewinnen, der ein nach unten abhängiges
Regiment mit dem Bürgerkrieg und seinen Gelegenheiten zum
Plündern liebte. Den neuen Kaiser beherrschte der Gedanke,
dass die durch Verbrechen erworbene Herrschergewalt nicht
122 Paul
plötzlich durch gute Mannszncht und die Strenge der alten Zeit
behauptet werden könne. Und so hielt er denn Tags darauf (Plut.
0. 3) eine Rede an die Meuterer, worin er ihr Vorgehen als einen
Ausbruch allzugroeeer Liebe zu seiner Person mild yemrtheilte
und eine Zügelung ihrer Tapferkeit und ein Maasshalten in der
Zuneigung gegen ihn verlangte (h. 1, 83: nimia pietas yeetra
acrius, quam considerate — sc. vos — excitavit). Jetzt, wo man in
den Krieg ginge, dürfe man nicht verlangen, dass jede Botech&ft
öffentlich kund bar gemacht, alle Pläne in Gegenwart aller be•
rathen würden. £in Soldat müsse manches ebenso gut nicht
wissen, als wissen; das bringe die Autorität des Feldherm und
die Strenge der Mannszucht mit sich. Seihst die Vorgesetzten,
Centurionen und Tribunen, müssten in vielen Fällen hlindlings
gehorchen. Wenn jeder Einzelne bei jedem Befehl fragen wolle,
dann gehe der Gehorsam zu Grunde und mit dem Gehorsam die
Heeresleitung. Sie sollten doch bedenken, dass dem Vitelline
und seinen Spiessgesellen Nichts Erwünschteres begegnen könne,
als Aufruhr und Zwietracht in ihren Reihen. Ihre Feinde
wüesten dann, dass sie, Otho und die Seinen, blind in ihr Ver-
derben hinein rennen würden. 'Das Heerwesen, Cameraden, steht
mehr auf dem Gehorsam, als auf dem Nächfragen nnd dem Be-
sprechen der Befehle des Feldherrn, und das Heer ist im Momente
der Entscheidung das tapferste, was vor der Entscheidung das
ruhigste ist. Euch gehört die Wafife und der kriegerische Sinn^
mir überlasst die Berathung und den Befehl. Euer Vergehen
war die Schuld Weniger, die Strafe wird nur zwei treffen . Und
so geschah es denn; das kriegsgerichtliehe Verfahren richtete
sich nur gegen zwei. Man sah darin freilich ein Maasshalten der
Strenge, wie denn überhaupt die Rede mit der Sohlussmalinüng:
für den Senat als das glänzendste Erbe von den Vätern einzu-
stehen, beifällig aufgenommen wurde. Wies doch der kaiserliche
Redner darauf hin, dass der hreite Pnrpurstreif des Senatskieidee
den Angeredeten selbst in Aussicht stehe (h. 1, 84: nam ut ex
vobis senatores, ita ex senatoribus principes nascuntar). Kein
Wunder also, dass die Rede beschwichtigend wirkte. Aher was
war damit gethan? Es blieb doch als Resultat, was Tacitns
h. 1, 85 sagt: "^Es wurden die für den Augenblick beruhigt, die
nicht gezügelt werden konnten (compositi ad praesens, qui
coerceri non poterant). Das war aber sicher nicht das Thun^eines
Feldherrn, dieser Mangel an durchgreifender Energie.
Und 80 war denn auch der Erfolg kein durchgreifender.
Kaiser Marcus Salvius Otho 123
Die Stadt wnrde nicht beruhigt; überall war Waffengeklirr und
kriegsmäeeigee Aaseehen. Die Soldaten waren zwar nicht zu
einem allgemeinen Krawall in hellen Haufen zusammengerottet,
aber sie trieben sich vermummt in den Häusern umher und
passten in böswilliger Absicht Allen auf, welche durch ihren
Amteadel, ihren Keichthum oder durch irgend eine besondere
Anezeichnung bösem Gerede ausgesetzt waren. Auch Vitellianer
sollten sich in der Stadt herumtreiben, um die Stimmung der
Parteien zu erforschen. Verdacht war überall, und kaum im
Schoosse der eigenen Familie lebte man ohne Angst. Man zeigte
andern Sinn und nahm andere Mienen an, um nicht bei zweifel-
haften Nachrichten den Anschein zu haben, als misstraue man,
und bei glücklichen, als freue man sich zu wenig. Auch der
Senat, für den das richtige Maass sowohl im Schweigen als im
Keden schwierig genug war, zeigte seine berüchtigte Schmeichelei.
Jeder drehte und wendete seine Worte, wie es ungefährlich er-
schien; denn Schweigen konnte für Trotz gelten, freimüthiges
Reden Verdacht erregen. Den Yitellius nannte man Landesfeind
und Vatermörder, man erging sich in landläufigen Schmähungen
wie in begründeten Vorwürfen mit lautem Schreien und lärmen-
dem Wortgepolter (h. 1, 85).
War der Senat in dem Zustande, wo er nichts Besseres
wusste, als sich zu überschreien (tumultu verborum sibi ipsi ob-
strepentes, aO.), so war die breite Masse des Volks aufgelöst in
wahnsinnige Angst. Ueberall sah man schreckende Zeichen und
Vorbedeutungen. Da sollte in der Vorhalle des Capitols die
Siegesgöttin die Zügel ihres Zweigespanns aus den Händen haben
fahren lassen. Aus der Nische des üapitolinischen Tempels, wo
die Juno stand, sollte eine Gestalt von übermenschlicher Grösse
heryorgegangen sein ; die Statue des göttlichen Julius auf der'
Tiberinsel sollte bei ganz heiterem Wetter sich von Abend nach
Morgen gedreht haben. In Etrurien sollte ein Rin^ mit Menschen-
Btimme gesprochen haben. Zu allem andern war der Tiber aus-
getreten und überschwemmte weite Strecken der Stadt, riss manche
Passanten von der Strasse weg, noch mehr aus den Werkstätten
und von ihren Lagern, die sie in ihren Miethswohnungen nicht
schnell genug hatten verlassen können, um sich in die oberen
Stockwerke zu retten. Viele von diesen Miethshäusern (insulae)
stürzten zusammen und versperrten den Zugang, so dass man
auch darin ein böses Zeichen sah, dass dem Otho, der sich zum
Ausmarech rüstete, der campus Martins und die via Flaminia,
124 Paul
die von Rom durch ganz Umbn'en führte, vereperrt war. Zur
Beruhigung der Gemüther veranstaltete Otho ein Reinignngs• und
Sühnopfer (h. 1,86. 87). Dann ergriff er seine Maseregeln und
entwarf seine Eriegspläne. Aber auch hier zeigte eich sein
Mangel an Feldherrntalent in auffälliger Weise.
Othos Streitkräfte waren dem Gegner wohl gewachsen.
Es standen zu ihm in Rom die Prätorianer und die städtischen
Gehörten, die Flottenlegion und deren noch aus dem Blutbad
des Galba an der Mulvischen Brücke übrig gebliebenen Cameraden,
ferner bedeutende Truppen abtheilungen aus dem germaDisohen
und illyrischen Heere, die noch Nero in Rom zusammengezogen
hatte, Rowie 2000 zu Soldaten erhobene Gladiatoren. Anseerdem
verfügte er über die ganze Flotte. Die Hauptstärke seines Heeres
aber bildeten die 7 Legionen in Dalmatien, Pannonien und Mösien,
die von den Provinzheeren entschieden für Otho waren (h. 2, 11).
Den Oberbefehl über diese Truppen tibergab Otho drei tüchtigen
Generalen, dem vielfach, besonders in Britannien bei Nieder-
werfung des gefährlichen Aufstandes der Briten unter der Königin
Boudicca, bewährten Suetonius Paulinus, dem Annius Gallus und
dem designierten Consul Marius Celsus. Bei der Aufnahme des
Letzteren unter seine Feldherrn zeigte Otho eine seiner hohen
Stellung würdige Klugheit. Denn es war wohl weniger die
Sucht, eine Grossmuthscene aufzuführen, die ihn bei dieser Wahl
leitete, wie das Tacitus h. 1, 71 darstellt, wenn er sagt: clemen-
tiae titulus e viro claro petebatur, sondern die Ueberzeugung,
dass er an dem Manne, der dem Galba bis zur letzten Stunde
Treue bewahrt hatte, selber einen treuen Anhänger finden würde,
wenn er ihn für sich gewinnen könnte. Deshalb hatte er ihn
wohl schon früher der Wuth der Soldaten entzogen und ihn nur
zum Scheine in Fesseln gelegt. Jetzt waren auch die Soldaten
mit der Wahl eines Mannes zufrieden, dessen Tagend sie nicht
weniger bewunderten, als sie ihr gezürnt hatten (h. 1, 71).
Hätte nun Otho sich selbst die oberste Entscheidung vor-
behalten können, so wäre Alles gut gewesen. Er setzte aber
den drei Heerführen, um sie zu überwachen, einen Mann zur
Seite, der sein besonderes Vertrauen genoss, jenen Licinius Pro-
culus, den Einen von den beiden Prätorianerpräfecten, den sich
diese selbst gewählt hatten. Diese Maassregel verdarb Allee, dt
Licinius seine Vetrauensstellung nur dazu benutzte, die Pläne der
tüchtigen Feldherrn zu verdächtigen und zu durchkreuzen (h. 1,87
Plut. 0. 7). Während die Dinge immer mehr zur Entecheidno^
Kaiser Marcus Salvias Otho 125
trieben, ging die einbeitlicbe FübruDg bei dem Otbonianiscben
Heere immer mebr verloren. Grade in dieser Lage kurz vor
and bei der entecbeidenden Scblacbt von Betriacam zeigte es
sich, wie es das Unglück des Otbo war, daes er kein Feldherr
war. Die Uneinigkeit der Otbonianiscben Führer kam schon vor
der Schlacht znm Aasbrach. Paulinas und Celsus hatten für
Aafschub der Schlacht gestimmt, bis die Legionen aus Dal'matien
und Mösien, die im Anzug waren, eingetroffen seien; Grallus war
in Folge eines Sturzes mit dem Pferde nicht dienstfähig, hatte
aber durch Boten seine Zustimmung für Paulinus und Celeus ge-
geben (h. 2, 33 Plut. 0. 8). Aber Licinius Proculns und der von
Rom herbeigerufene Bruder Othos, Titianus, standen im Kriegs-
rath jenen gegenüber (h. aO. und Plut. aO.), und Otho stellte
sich auf ihre Seite, in dem er sich durch die Schmeicheleien der
unerfahrenen Ratbgeber, die ihn auf sein Glück und seinen guten
Genius hinwiesen, bestimmen Hess. Auch dazu Hess er sich be-
stimmen, nicht auf dem Schlachtfeld gegenwärtig zu sein, wo-
gegen auch Paulinus ond Celsus Nichts einwendeten. Denn sie
wollten ihren kaiserlichen Herrn nicht den Gefahren der Schlacht
aassetzen, sondern ihn auf alle Fälle für die oberste Leitung
des Staates und Heeres bewahren. Tacitus setzt der Erzählung
dieser Vorgänge h. 2, 33 hinzu: is primus dies Othonianas partes
afflixit, 'das war der erste Unglückstag für Otho and seine Partei\
Er war dies, nicht nur weil ein bedeutender Theil der Prätorianer,
die in seiner Umgebung waren, und eine starke Eeitertrnppe mit
ihm nach Brixellum, wo er jetzt seinen Aufenthalt nahm, abzog
und der Muth des übrigen Heeres durch die Entfernung des
obersten Feldherm, dem der Soldat allein treu und ergeben war,
gebrochen wurde (vergl. Plut. 0. 10: ώσπερεί τι σώμα τής
δυνάμεως άπέκοψε), das Schlimmste war, dass Otho bei seinem
Weggange vom Heere die Befugnisse der einzelnen Corpsfübrer
onentschieden Hess. Da waren Competenzconflicte unausbleiblich
(imperia ducum in incerto reliquerat, h. 2, 33).
Nachdem nun Otho sich nach Brixellum begeben, war das
oberste Commando bei seinem Bruder Titianus, die wirkliche
Gewalt aber, vis ac potestas (h. 2, 39) bei dem Präfecten Pro-
culos. Celsus und Paulinus mussten, wenn ein Plan jener fehl
schlag, zum Deckmantel fremder Schuld dienen. Die Officiere
waren in schwankender, unsicherer Stimmung, weil sie den Rath
der besseren Generale verschmäht und die Leitung in den Händen
ganz Unfähiger sahen ; der Soldat war ernst und zum Kampf
126 Paul
aufgelegt, nur den Befehlen der Oberen gegenüber mehr zur
Kritik als zu unbedingter Befolgung geneigt. So rückte man
bie zum vierten Meilenstein nach Crem'ona zu von Betriacum aus.
Als man dort wieder über die Annahme der Schlacht, zu der
die Vitellianer nach der Vereinigung der Truppen des Gaecina
und Valens bereit waren (h. 2, 31), trotz der brieflichen For-
derungen des Otho in Zweifel war, weil die Truppen die Gegen-
wart des Kaisers verlangten (h. 2, 39), und weil Celsus und
Paulinus besonders darum vom Kampf abriethen, weil die Mann-
schaft noch vom Marsche mit schwerem Gepäck ermüdet war, so
gab ein Brief, den Otho durch einen Numidischen Expressreiter
schickte, den Ausschlag (Plut 0. 11). Mit den allerstrengeten,
im drohenden Tone abgefassten Weisungen verlangte er, ver-
stimmt und des Wartens überdrüssig, das Eintreten in die Ent-
scheidung (h. 2, 40 : rem in discrimen mitti iubebat aeger mora
et spei impatiens). Titianus und Proculus^ die im Kriegsrathe
mit ihrer Ansicht unterlegen waren, wandten sich zum Recht,
das ihnen das Obercommando verlieh, und so ging die Sohlacht
vor sich und ging verloren, so tapfer auch die Othonianischen
Truppen kämpften (h. 7, 41. 42 vergl. Plut. 0. 12). Das Un-
glück war, ihre Führer waren ohne Zuversicht und der Soldat
ihnen nicht ergeben (pavidi ducee, miles dncibus infensus, fa. 1,
41). Der Angriff der batavischen Cohorten, die zu Neros Zeit
als Hilfsvölker der XIV. Legion, der Gemina Martia Victrix bei-
gegeben worden waren (Tac. h. 1, 59) entschied die Niederlage
der Othonianer (Plut. 0. 12 Tac. h. 2, 43). Denn nachdem die
Bataver unter dem Lagerpräfecten des Heeres im unteren Ger-
manien, Varus Alfenus, die Mitte der feindlichen Reihen durch-
brochen, flohen die Othonianer nach Betriacum zu (Tac. h. 2, 44).
Betriacum, nach welchem Orte die Schlacht genannt wird, lag
nach Mommsen (aO. p. 164) zwischen Piadena und Bozzolo, ein
militärisch ungemein wichtiger Punkt, weil in die von Cremona
am nördlichen Ufer des Po hinlaufende Strasse hier die andere
von Verona kommende einfier. Auf dieser Strasse hatten sich
die Othonianer am entcheidenden Tage festgesetzt gehabt, um
den Gegner zum Schlagen zu nöthigen. Die Schlacht selbst wurde
unweit der Thore von Üremona geschlagen, heisst darum auch
bei Dio die Schlacht von Cremona. Betriacum, wo eine starke
Reserve geblieben war, lag, wie auch Tacitus h. 2, 44 angibt,
sehr weit von dem Orte der Niederlage entfernt: fugere paesim
Othoniani Betriacum petentes; immensum id spatium.
Kaiser Marcas Salvius Oiho 127
Trotz der verloreneo Schlacht wäre die Sache Othoe noch
nicht verloren gewesen. Die Prätorianer, die vor grimmiger
Wuth knirschten und hehaupteten, sie wären durch Yerrath besiegt,
so wie eine bedeutende Reserve, die noch in Betriacum stand und
noch nicht ins Treffen gekommen war, ferner die Truppen, die
Otho selbst bei Brixellum noch um sich hatte, endlich die 3 mö*
siechen Legionen, die ganz intact bei Aquileja standen, wollten
noch für ihn (kämpfen h. 2, 44. 45). ^Und was in solcher Lage
die Hauptsache ist, sie liebten den Otho\ fügt Dio 64, 12 hier
hinzu : δ T€ μίγιστον έν τοις τοιούτοις εστίν, έφίλουν τόν
Όθωνα κα\ πασαν αύτψ eövoiav, ουκ άπό τής γλώττης, άλλα
και άπό τής ψυχής €ΐχον.
Freilich sicher war der Ausgang des fortgesetzten Krieges
doch nicht. Tacitus erwähnt h. 2, 37, dass eine Anzahl von
Gewährsmännern berichteten, es hätten in beiden Heeren, dem
des Otho und dem des Vitellius, sei es aus Angst vor dem Bürger-
krieg, sei es aus Ekel vor den beiden Häuptern, deren Schand-
thaten von Tag zu Tag mehr bekannt und besprochen wurden,
sich Zweifel geltend gemacht, ob man den Streit nicht aufgeben
und in gemeinsame Berathung treten oder auch dem Senat über-
lassen solle, einen Kaiser zu wählen. Die Othonianischen Feld-
herrn hätten, nach jenen Berichterstattern, wohl auch Verzug ge-
sucht für Herbeiführung einer Entscheidung, besonders Paulinus,
der, wenn die Wahl bei dem Senat stand, bei seinem ruhmvollen
Kamen grosse Hoffnung auf den Thron gehabt hätte. Dass Pau-
linus je eine solche Möglichkeit für Beilegung des Streites ins
Auge gefasst, dazu hält Tacitus ihn für zu klug, dass es aber
der stille Herzenswunsch von Manchem gewesen sein möge, statt
des Streites Ruhe, und einen braven, rechtschaffenen Kaiser an-
statt der schlimmen, schandbaren zu haben, will er nicht leugnen.
Das ist bezeichnend für den Weitergang der Dinge und für die
Entschlüsse Othos. Denn auf ein Heer, dessen tüchtigste Männer
nicht mit ganzem Herzen bei ihrem Fürsten sind, ist in entschei-
dender Stunde nicht zu zählen. Was das Heer des Otho angeht,
so war jetzt sein tüchtigster General, Paulinus, nicht wieder ins
Lager bei Betriacum zurückgekehrt, sondern hatte es, ebenso wie
Licinius Proculus, zu betreten vermieden (Plut. 0. 13), wahr-
scheinlich aus Furcht, dass man ihn empfangen möchte, wie man
den Legaten der 13. Legion empfing, indem man ihn, Vedius
Aquila, unter Schimpfworten und Thätlichkeiten als Verräther
anschrie (h. 2, 44): more vnlgi suum quisque ffagitium aliis ob-
128 Paul
iectantee, setzt Tacitus hinzu. Titianue und Celsue waren darcb
Annius Gallus, der seit dem Sturze mit dem Pferde im Lager
zurückgeblieben war, vor der Wuth der Soldaten bewahrt wor-
den ; Annius führte den Wuthentbrannten zu Gemüthe, wie thö-
rieht nach dem Schlage ein ßlutvergiessen unter den eigenen
Leuten sei und wie alles Heil für die Besiegten in der Einigkeit
liege. Auch war die Wuth der Massen, abgesehen von den Pra•
torianern, nicht ein Ausbruch der Kampfeslust. Im Gegentbeil,
ihr Muth war, immer abgesehen von den Prätorianern, ein ge-
brochener (ceteris fractus animus, h. 2, 44). Yiie wenig Kampfes-
lust bei den Othonianern da war, zeigte sich am folgenden Tage.
Die Vitellianer hatten mit der Verfolgung eine römische Meile
vom feindlichen Lager, fünf Meilen vor Betriaoum Halt gemacht.
Am folgenden Tage nun waren auch diejenigen von den Otho-
nianern, deren Gebahren kurz vorher ein unbändiges gewesen
war, zum Nachgeben bereit. £s wurde eine Gesandtschaft zn
den Vitellianischen Führern geschickt. Diese waren zum Frie-
den geneigt und wie die Gesandten nach einiger Verzögerung
bei den Vitellianern in ihr Lager zurückkehrten, folgten diese
ihnen ebendahin. Da brachen Besiegte wie Sieger in helle Thränen
aus, beklagten in wehmüthiger Stimmung das Geschick des Bürger-
kriegs und traten in die Zelte der Brüder und Verwandten ein,
um die Verwundeten zu pflegen. Die Belohnungen, die ihnen
bisher als Frucht des Sieges entgegen gewinkt hatten, erschienen
ihnen jetzt als zweifelhafter Gewinn, sicher war ihnen nur der
Tod so vieler Angehörigen und die Trauer um sie. So schildert
Tacitus die Dinge nach der Schlacht. Plutarch (0. 13) weicht
in einzelnen Angaben ab, aber was die Stimmung der beiden
Heere betrifft, insonderheit auch die Friedensbereitschaft der
Othonianer, trifft er mit Tacitus zusammen: έπει bi π€ΐρώμ€νοι
(o\ ηγεμονικοί) έώρων τους στρατιώτας εΙρήνης &€ομένους
iboHe Κέλαω και Γάλλψ ßabiieiv και οιαλίγεσθαι τοις περί τον
Κεκίναν και Ούάλεντα. Selbst Titianus war für friedliche Ver-
ständigung gewesen, obschon nur für kurze Zeit. Es ist klar,
mit einem Heere in solcher Stimmung konnte Otho nicht mit
einiger Sicherheit der Zukunft entgegen sehen ; auf dauernden
£rfolg war nicht zu rechnen, wohl aber auf unermesslich viel
Sorge und Elend.
Da machte Otho dem Streit ein Ende durch eine That, die
mit vollem Rechte von den Alten einmüthig bewundert und ge-
priesen wird. Er erklärte, dass er durch seinen Tod der Welt
Kaiser Marcus Salvius Otho 129
den Frieden zurückgeben wolle. Unerschrocken und fest in seinem
Cntschluss hatte Otho zu Brixellum die Botschaft von der Schlacht
erwartet. Zuerst kam nur ein Gerücht von dem schweren Un-
heil, dann brachten Flüchtlinge aus der Schlacht selbst die Nach-
richt von dem verlorenen Tag. Nach Dio 64, 11 war es ein
Reiter, der dem Otho zuerst die Niederlage meldete und der von
OthoB Umgebung, die die Sache nicht glauben wollte, für einen
Flüchtling oder Feind erklärt wurde. Darauf soll er geantwortet
haben: 'wenn doch meine Nachricht falsch wäre, ο Kaiser! Grern
würde ich sterben, wärest Du nur Sieger! Jetzt aber will ich
aus dem Leben scheiden, damit ich nicht um eigener Kettung
willen geflohen zu sein scheine. Du aber fasse Deinen Ent-
schluss, was Du thun musst; denn nicht lange, so werden die
Feinde da sein.* Nach diesen Worten habe er sich getödtet.
Dieser Bericht des Dio ist nicht unglaublich, wenn man bedenkt,
dass Otho grosse Liebe bei seinen Truppen genoss. Auf den Tod
dieses Soldaten berief er sich auch, als kurz darauf die Seinen
ihn inständig und unter Thränen baten, er möge sich schonen.
^ Ich werde ihm folgen, sagte er, um in Zukunft nichts Aehnlichee
mehr zu sehen oder zu hören (Dio 64, 14). Von diesem Sol-
daten und seinem Ende berichtet auch Sueton (0. 50) und fügt
bei: Otho habe gerufen, er dürfe solche Männer nicht länger in
Gefahr stürzen.
Aber wie es sich mit dieser ersten Meldung auch verhalten
mag, unbedingt sicher ist auch nach Tacitus die treue An-
hänglichkeit der Truppen an Otho auch nach der unglücklichen
Schlacht. Die, welche ihn umgaben, riefen ihm zu: er solle
guten Muthes sein, noch seien Kräfte da, die unversehrt; sie
selbst seien zu Sieg oder Tod entschlossen. In der That sie waren
vom Taumel der Begeisterung ergriffen und wollten sich um jeden
Preis schlagen. Sie streckten die Hände nach Otho aus und um-
fassten seine Kniee. Plutarch (0. 15) berichtet von einem ge-
meinen Soldaten, der das Schwert zog und mit dem Ruf: Visse
Cäsar, so sind Alle bereit für Dich in den Tod zu gehen Γ sich
tödtete. Plotius Firmus, der andere Lagerpräfect der Prätorianer,
redete in ihn ein, er solle nicht das treueste Heer, nicht die
besten Soldaten verlassen. Es gehöre ein grösserer Muth dazu,
Unglück zu ertragen, als das Leben zu verlassen ; tapfere Männer
hielten auch im Missgeschick fest an der Hoffnung. Je nachdem
Otho solches Zureden mit einem nachgiebigen oder mit einem un-
beugsamen GesichtHausdruck aufzunehmen schien, erscholl Beifall
Bbeiii. Mos. f. PhUol. N. F. LVII, ^
130 Paul
der Umstehenden oder Seufzer. Gewiee, nach der Stimmang
dieser Soldaten, der Prätorianer, die dem Otho auf Tod und Lehen
ergehen waren (proprius Othonie miles, h. 2, 46), und nach der
der drei mösiechen Legionen, die hereits in Aquileja standen,
konnte der Krieg wieder aufgenommen werden. Auch die Heere
in i^eien, Syrien, Aegypten and Judäa waren noch für ihn, dazu
der Senat, ja sogar die Kinder und Frauen seiner Gegner, die
eich in Rom hefanden. *Aher, sagte er nach Plut. 0. 15, es ist
kein Krieg gegen einen Hannihal und Pyrrhus oder gegen die
Cimhern für Italien, sondern Römer kämpfen mit Römern, Sieger
wie Besiegte schädigen das Vaterland*. Und weil dieser Krieg
in seiner Schreckgestalt ihm so vor Augen stand (hellum atrox,
luguhre, incertura yictis et yictorihus), so war er entschlossen,
der Sache ein Ende zu machen (ipse aversus a consiliis helli,
h. 2, 46. 47 Plut. 0. 15). Er hahe gezeigt, so sagte er zu seinen
Getreuen, dass er Gltickswechsel ertragen könne. Die Kürze seiner
Regierung sei für Beurtheilung seiner Person nicht in Betracht
zu ziehen-, denn es sei schwerer ein Glück nicht zu misshrauchen,
das man nicht lange zu hahen glauhe. ^Der Bürgerkrieg ging
von Vitellius aus; dass aher nur ein Mal gekämpft wird, mit
dieser löhlichen That will ich vorangehen. Nach diesem Opfer
soll die Nachwelt den Otho schätzen. Mag Vitellius sich seines
Bruders, seines Weihes und seiner Kinder erfreuen, ich will keine
Rache und keinen Trost. Mögen Andere die Herrschaft länger
in der Hand haben. Keiner soll sie aher mit gleichem Mathe auf-
gegehen haben'. Er wolle, so sagte er weiter, nicht die Verant-
wortung auf sich nehmen, dass so viele römische Männer, so
viele ausgezeichnete Heerschaaren wiederum auf den Schlacht-
feldern blieben. Mag der Gedanke mich in den Tod begleiten,
dass ihr für mich habt sterben wollen, aber ihr sollt am Leben
bleiben ! Und nun wollen wir nicht länger zögern, ich, dass ich
euer Leben sichere, ihr, dass ihr mich kennen lernt als festen
Charakter. Mehr Über das Ende zu sagen, wäre unmänolich•
Sehet es als Beweis meines festen Sinnes an, dass ich über Nie-
mand klage. Denn Götter oder Menschen anklagen, ist Sache
dessen, der leben will' (h. 2, 47).
Darauf redete er noch die Einzelnen freundlich an: sie
sollten eilen und nicht durch längeres Verweilen den Zorn des
Siegers noch aufreizen. Das that er mit heiterem, stillem Ant-
litz und mit unerschrockenem Ausdruck in Wort und Rede (q>ai-
bp(\) κα\ καθεστώτι προσώπψ Plut. Ο. 15), wodurch er die
Kaiser Marcus Salvius Otho 131
Thränen der Seinen hemmte, die zur Stunde nicht angebracht
waren. Dann befahl er, ihnen Schiffe und Fahrzeuge zur Ab-
fahrt zu geben. Schriftliche Eingaben und Briefe, die eine Par-
teinahme für ihn oder Vorwürfe und Schmähungen gegen Vitellius
anfwieeen, vernichtete er und vertheille unter seine Freunde Geld
in sparsamer Weise, je nach Verdienet und Benöthigung. Seines
Bruders Sohn Salvius Coccejanus, der in jugendlichem Alter stand
und ängstlich und traurig war, tröstete er noch, lobte seine kind-
liche Anhänglichkeit an ihn und tadelte seine Furcht. Vitellius
werde nicht so grausam sein, dass er ihm, dem Otho, für die
Erhaltung seines ganzen Hauses mit dem schnödesten Undank
lohne. Er verdiene durch seinen freiwilligen Tod die Milde des
Siegers; wenn er gewollt hätte, so hätte er noch kämpfen können.
Er habe dem Staat das schlimmste Unheil erspart. Möge also
Salvius, der Neffe, mit starkem Muthe das Leben ergreifen und
weder je vergessen, dass ein Otho sein Oheim gewesen sei, noch
auch allzu sehr daran denken (h. 2, 48 Plut. 0. 16).
Darauf verabschiedete er Alle und wollte ein wenig ruhen,
schrieb aber erst noch zwei Billets, an seine Schwester, die er
tröstete, und an die Statilia Messalina, die Urenkelin des bei Au-
gustus in hohem Ansehen stehenden Statilius Taurus. Diese
hatte Nero nach dem Tode der Poppaea Sabina zur Frau ge-
nommen, nachdem sie schon viermal verheirathet gewesen war,
zuletzt mit Atticus Vestinus, der sie, obgleich er wusste, dass
Nero zu ihren Liebhabern gehörte, doch geheirathet hatte, wo-
durch er sich freilich den Zorn des Nero und den Tod zuzog
(Sueton Nero 35). Sie hatte den Nero tiberlebt und mag wohl
die Aufmerksamkeit des Otho als die Nachfolgerin seiner geliebten
Poppaea auf sich gezogen haben, als dieser nach zehnjähriger Ab-
wesenheit nach Rom zurückgekehrt war. Sie muss wohl schön
gewesen sein, da Otho die Absicht gefasst hatte, sie zu heirathen.
Jetzt schrieb er ihr in seinen letzten Stunden einen Brief, worin
er ihr sein Andenken und seine irdischen Ueberreste empfahl
(commendans reliquias snas et memoriam, Sueton 0. 10. Vergl.
Sievere, Stadien z. Gesch. d. röm. Kaiser p. 124).
Wie er nun so mit dem Gedanken an den Abschied vom
Leben beschäftigt war, störte ihn ein plötzlicher Lärm. Er kam
von einer wilden Aufregung der Soldaten. Sie droheten ihren
Officieren, die eben im Fortgehen begriffen waren, den Tod, wenn
sie ihren Herrn verliessen; denn eie sahen in ihrem Fortt^ehen
Verrath gegen Otho. Am hitzigsten waren sie gegen den Ver-
132 Paul
ginius Rufus erbittert, jenen Sieger über den Vindex, der sich
nur ungern nn Gralba angeechloeeen, und den Otho gleicb nach
seiner Thronbesteigung zum Consul für März und April 69 er-
nannt hatte (b. 1, 77).
Warum diese Pratorianertruppen, die nicht die früheren
germanischen Truppen des Verginius waren, hier gegen diesen
wackren Mann so erbittert waren, sagt Tacitus nicht; vvuhr-
scheinlich hielten sie ihn auch für einen Verräther, wie die an-
dern. Sie belagerten das Haus, in welchem er sich verschlossen
hielt. Da trat Otho unter sie und tadelte mit strenger Miene
und scharfen Worten die Anstifter des Aufruhrs, der nun be-
schwichtigt wurde (Flut. 0. 16). Diesen Aufruhr der Prätorianer
gegen den Verginius Rufus trennt Plutarch (0. 17) von dem
gegen die abreisenden Freunde des Otho und die Senatoren, die
bei ihm im Heere waren (0. 16). Er verlegt ihn vielmehr in
die Zeit nach dem Tode des Otho. Da hätten sie, die Präto-
rianer, erfahren, dass noch einige Senatoren da seien ; diese hätten
sie abreisen lassen, nur den Verginius Rufus nicht. Bewaffnet
seien sie in sein Haus gekommen und hätten von ihm verlangt,
er sollte entweder die Eaiserwürde oder die Gresandtschaft zn
Unterhandlungen mit dem Feinde übernehmen. Er aber, der
weder das Eine noch das Andere gewollt, sei durch eine hintere
Thür entwischt (Plut. 0. 18). Wir schliessen uns hier an Tacitus
an, der den Verginias zugleich mit den andern Freunden des
Otho bedrolit sein und durch das strenge Auftreten des Otho
entkommen läset. Ein zweimaliger Aufruhr der Soldaten lässt
sich schwerlich denken.
Nach der Stillung des Aufruhrs hatte sich Otho wieder
zurückgezogen in sein Gemach, da er seine Freunde gesichert
sah (h. 2, 49). Als dann der Tag sich. zu Ende neigte, stillte er
Hcinon Durst mit einem Trünke kalten Wassers. Darauf Hess
er sich zwei Dolche bringen und prüfte die Schärfe eines jeden,
nahm dann den Einen und legte ihn unter sein Kopfkissen. So
berichtet Tacitus h. 2, 49, und das ist jedenfalls glaubhafter,
nls waH Plutarch (0. 17) erzählt, Otho habe den Dolch in seine
Arniii geschlossen, εΙς τάς άγκάλας άναλαβών, um so mehr, als
auch Hueton (0. 11) sachlich mit Tacitus übereinstimmt, wenn
er Hagt: Otho habe die beiden Dolche auf ihre Schärfe geprüft,
und nachdem er den einen unter sein Kopfkissen gelegt, habe
«r die Thüren seines Gemachs geöffnet und sei in tiefen Schlaf
gefallen. Eine andere Ungenauigkeit Plutarchs ist auch die.
Kaiser Marcus Salvius Otho 133
daee er den Otho jene verständige Geldvertheilung erst jetzt im
Angesicht seines Todes vornehmen läset, während er sie nach
Tacitus schon früher vorgenommen, und zwar wie dieser h. 2, 48
berichtet, an seine Freunde, nicht wie Plutarch (0. 17) sagt, an
seine Sklaven.
Nachdem er nun erfahren, dass seine Freunde abgereist,
verbrachte er die Nacht ruhig, und nicht etwa schlaflos (h. 2, 49
Plot. aO.). Beim ersten Morgengrauen stiess er sich dann das
Schwert in die Brust. Plutarch aO. lässt ihn, ehe er sich das
Schwert in die Brust stiess, einen Freigelassenen rufen, mit dem
er für die abreisenden Freunde vorher alles Nöthige angeordnet
gehabt hätte ; nachdem er nun von diesem erfahren, dass sie fort
seien und jeder das Nöthige empfangen habe, habe er zu ihm
gesagt: ^So gehe denn Du nun und zeige Dich den Soldaten,
wenn Du nicht elend von ihnen getödtet werden willst, weil Du
mir zum Tode verholfen hättest'. Der Freigelassene sei da fort-
gegangen und nun habe sich Otho mit beiden Händen das
Schwert in die Brust gestossen. Diese Erzählung scheint doch
nach der Manier des Plutarch einigermaassen decoriert worden
zu sein, da Tacitus von dem Freigelassenen Nichts weiss und den
Otho die Nachricht von der Abreise der Freunde schon erhalten
läset, ehe er sich zum Schlaf niederlegte, nicht ehe er sich
tödtete. — Auf das Todesröcheln des Sterbenden waren Freige-
lassene und Sklaven mit dem Plotius Firmus, dem prätorianischen
Lagerpräfecten, ins Zimmer getreten; sie fanden nur eine einzige
Wunde an dem Entseelten. Man nahm sofort seine Bestattung
vor. Er hatte inständig gebeten, dass man ihm nicht das Haupt
abschneide und es zum Gegenstande des Gespöttes mache, wie
das in so scheusslicher Weise mit dem Haupte des Galba ge-
schehen war. Seinen Leichnam trugen die Prätorianer unter
Lobsprtichen und Thränen; die Andern bedeckten seine Wunde
und seine Hände mit heissen Küssen. Manche dieser Soldaten,
von denen Viele bei der Nachricht von seinem Tode herzuge-
strömt waren (Plut. 0. 17), tödteten sich neben dem Scheiter-
haufen, auf den man ihn gelegt hatte, und zwar nicht, wie Plu-
tarch und Tacitus h. 2, 49 ausdrücklich bemerken, weil sie den
Verlust genossenen Gutes zu betrauern gehabt hätten, oder aus
Furcht vor kommenden üebeln, sondern weil sie der gross-
herzigen That ihres Kaisers folgen wollten und aus Hingebung
für ihn (quidam militum iuxta rogum interfecere se, non noxa
ueque ob metum, ned aemulatione decoris et caritate principisj.
134 Paul
'Keinem Alleinherrscher oder König, sagt Plutarch (0. 17), scheint
eine so grenzenlose Liebe zum Herrschen inne gewohnt zu haben,
wie jenen zum Unterthänigsein. . . Auch nach seinem Tode ver-
liess sie die Sehnsucht nach ihm nimmer* (ους Τ€ μηb' απο-
θανόντος ό πόθος προυλιπεν). Und diese seine That wurde
hochgepriesen nicht blos von Einzelnen, sondern von allen Lagern,
wo Truppen von ihm standen (postea promisce Betriaci Pla-
centiae aliisque in castris celebratum id genus mortis, Tac. aO.)•
Diese Worte des Tacitus interpretiert Otto Seeck (Gesch. des
Untergangs der antiken Welt I, 366) dahin, dass, nachdem Otho
durch eigne Band gefallen, es unter seinen Truppen beinahe
zum Sport' geworden sei, 'dies Beispiel nachzuahmen*. Es ist
aber nicht nothwendig, das 'celebratum^ so zu erklären. Auch
ein Grrabmal wurde ihm errichtet von anspruchslosem Ausseben,
weil es darum gerade Dauer verhiess (Othoni sepulcrum exstruc-
tum est modicum et mansurum, Tac. h. 2, 49). Der Zusatz et man-
surum soll darauf hinweisen, dass das schlichte Denkmal den
Grimm der Machthaber nicht herausfordern konnte. Yitellius
meinte, wie er es sah : dieses Mausoleum passe für Otho (Sueton
Vit. 10). Plutarch, der es noch zu Brixellum sah, als er
mit dem Consularen Mestrius Florus, der zu den von Otho aus
Rom mitgenommenen Senatoren gehörte, über das Schlachtfeld
ging, nennt es ebenfalls ein μνήμα μίτριον (Plut. 0. 14. 18).
Es hatte als Aufschrift die Worte: ^den Manen des Marens Otho*,
wenn man mit Lobeck liest: Δαίμοσι Μάρκου *Όθιυνος, anstatt
der überlieferten Lesart: οηλιυ(Τεΐ Μ. Ό., was keinen Sinn giebt
Otho starb am 16. April 69 n. Chr., im beinahe voll-
endeten r>7. Jahre seines Lebens, am 92. Tage seiner RegieruDg.
Geboren war er im Jahre 785 u. c. (IV kal. Mai.), 32 n. Chr.
Was die letzte That des Otho, seinen freiwilligen Tod, be-
trifft, so will C. Peter Gesch. R. 111, p. 897 ihr eine gewisse
Grösse nicht absprechen, meint aber, dass die Uebers&ttigung
durch die genossenen Reize des Lebens und die Scheu vor weiteren
Anstrengungen und Gefahren einen nicht geringen Theil daran
gehabt hätten. Diese Ansicht ist schwerlich richtig, obwohl Peter
sich dafür auf Plutarch 0. 9 stützen zu können scheint, wenn
auch an dieser Stelle nur die Ungeduld Othos und sein Unge-
stüm, die Dinge durch eine Schlacht zur Entscheidung zu bringen,
aus seiner Unbekanntschaft mit Krieg und Kriegsgefahren und
seinem üppigen Genussleben von Plutarch erklärt werden soll.
Aber eine Scheu vor Anstrengungen und Gefahren, wie Peter
Kaiser Marens Salvixis Otho 135
finden will, kannte Otbo nach den Zeugnissen des Tacitus nicht.
Auch an Uebersättiganfr durch sein wildes Genussleben litt er
keineswegs. Da, wo Tacitus den Otho mit Vitellius vergleicht,
h. 2, 31, schreibt er nach dem Zeugniss der Zeitgenossen wohl
dem Vitellius Mgnavae voluptates' zu, dem Otho aber 'flagran-
tiesimae libidines , also noch immer brennende Begier nach des
Lebens Genüssen Hätten die genossenen Reize des Lebens ihm
eine Scheu vor weiteren Anstrengungen eingegeben gehabt,
Tacitus hätte nicht von seinem Tode als einem facinus egregium
sprechen können, wodurch er sich Anspruch auf dauernden Nach-
ruhm erworben habe. Es liegt Nichts vor, warum wir an dem
Grunde, den Otho selbst für seinen freiwilligen, mit der ruhigsten
Entschlossenheit gewählten Tod angiebt, zweifeln sollten. Er hielt
sein Leben für einen zu hohen Preis, um dem Bürgerkrieg kein
Ende zu machen, wenn es auf ihn ankam (h. 2. 47). Wenn auch
Plutarch der Abechiedsrede des Otho (0. 15) manche eigene Zu-
that hinzugefügt haben mag, so hat er doch sicherlich in seinem
Geiste gesprochen, wenn er ihn sagen lässt: *Wenn ich der Herr-
schaft über die Römer würdig gewesen bin, so darf ich auch
mein Leben für das Vaterland nicht schonen (b€i μ€ της έμής ψυ-
χής υπέρ τής πατρίδος άφ€ΐΟ€Ϊν). Ich sehe nicht, wie ich den
Römern mehr zum Heile sein kann, wenn ich den Sieg davon-
getragen haben werde, als ich es ihnen bin, wenn ich mich selbst
für den Frieden und die Eintracht und dafür werde hingegeben
haben, dass Italien nie wieder einen solchen Tag sieht*. Solche
Aeusserungen stimmen mit dem überein, was Sueton von seinem
eignen Vater Suetonius Laetus berichtet, der als Kriegstribun
der 13. Legion die Schlacht bei Betriacum mitmachte. Dieser
hat bald nach dem Tode des Otho seinem Sohne häufig erzählt,
dass derselbe schon als Privatmann den Bürgerkrieg so sehr
verabscheut habe, dass er einst bei einem Gastmahl, als auf das
Ende des Cassius und Brutus die Rede kam, sich vor Grausen
geschüttelt habe (ut . . . cohorruerit, 0. 10). Glaublich ist es
also, was Viele nach seinem Tode annahmen, Otho habe mehr
aas Rücksicht auf das Gemeinwesen und aus Scheu, die Herr-
schaft mit dem Opfer so vieler Menschen zu behaupten, den
Todesgedanken gefasst, als aus Verzweifiung oder aus Misstrauen
in seine Truppen, von denen noch Viele in ganz unversehrtem
Zustande gewesen seien, während Andere ganz frisch aus Dal-
matien, Pannonien und Mösien dazu gekommen wären (Sueton
0. 9).
136 Paul Kaiser Marcus Salvius Otho
Wollen wir aber das Hauptmotiv suchen, was den Otho zu
diesem Entschlnss eines heroischen Entsagens brachte, so war es
der Zweifel, ob er die Sache durchführen könne. Daher das
Gefühl, dass er schöner sterben könne, als die Herrschaft führen
(πιστ6ύσατ€ πολλάκις, βτι δύναμαι κάλλιον άποθανεΐν ή δρχειν.
Plut. Ο. 15). Eine Unsicherheit und Misstrauen in sein Feld-
herrntalent hatte ihn schliesslich dazu gebracht, der Entscheidungs-
schlacht fern zu bleiben. Auch seine Ungeduld, die er nach
allen Berichten in den letzten Tagen im höchsten Grade zeigte
(Tac. h. 2. 31. 33. 39. 40 Plut. 0. 9 Sueton 0. 9), verräth einen
grossen Mangel an Selbstvertrauen. Er hatte das bestimmte
Gefuhl, dass die Entscheidung der Dinge nicht von ihm abhing,
er vielmehr den Lauf derselben dem Zufall überlassen müsse
(μ€θ€ΐναι τά πράγματα προς τό συντυχόν), wie sein Cabinets-
secretär, der Rhetor Secundus. von ihm sagt (Plut. 0. 9). Da
war der Entschluss zu sterben für eine gross angelegte Natnr,
wie Otho war, ein sich mit Nothwendigkeit einstellender. Darum,
wenn Martial B, 32 ihn wegen seines Todes mit Cato gleich-
stellt:
Sit Cato, dum vivit, sane vel Caesare maior:
dum moritnr, numquid maior Othone fuit?
so hat er ebenso recht, als wenn er als entscheidendes Motiv
für seinen Tod ihm den Gedanken zuschreibt, er habe weiteres
Blutvergiessen verhüten und den Bürgerkrieg endigen wollen:
Cum dubitaret adhuc belli civilis Enyo
Forsitan et posset vincere mollis Otho,
Damnavit multo statnram sanguine mortem
Et fodit certa pectora nuda manu.
Paul.
AUS DEM ZWEITEN BANDE DER
AMHERST PAPYRI
Der erste Band der aus der Sammlung des Lord Amberst
veröffentlichten Papyri hatte eine wesentliche Bedeutung für
Theologen; jetzt ist in kürzester Zeit ein zweiter, glänzend aus-
gestatteter Band gefolgt, der eine reiche Fülle von allerhand Lit-
teraturresten enthält; es eröffnen ihn Classical Fragments, wie
auch sonst in den Publikationen der Engländer. Die Heraus-
geber, Bernard P. Grenfell und Arthur S. Hunt, haben wieder
ein hervorragendes Stück Arbeit geleistet, und ich meine, daRs
man ihnen für ihre Verdienste keinen besseren Dank abzustatten
im Stande ist, als indem man weitere Kreise auf diese in Deutsch-
land nur in Ausnahmen zugängliche Veröffentlichung hinweist
und durch ein paar Proben des Inhalts ein Interesse für sie zu
erwecken sucht.
Im Anfang stehen die Reste einer Tragödie, streng gebaute
Trimeter. Erkennbar ist der Schluss einer ßotenrede:
ταυτ' άγγελαιν σοΐς ου καθ' ήδονήν οόμοις
ήκιυ* σύ b\ ώναΗ, της έκ€Ϊ φρουράς ^_
φρόγΉΓ βπιυς σοι καιρίιυς Kei w—
Der Antwortende muss Hektor sein; der zunächst zum υπηρέτης
spricht:
χώρει προς οϊκους δπλα τ' έκκόμιΖέ μοι
και τήν *Αχιλλέιυς οοριάλιυτον ασπίδα.
2Euü γάρ αυτήν τήνδε καίι προβλήσομαι
Indem er fortfährt, erfüllt ihn Unruhe^; den Boten jagt er weg
als Böses vorbedentend ; trotzdem ist er bereit zu gehen ^ und den
^ καί πως τέθραυσμαι sicher. Davor etwa έγώ τ' έμαυτοΟ χε{ρον[α
γνώμην {χω nach zahlreichen euripideischeu Analogien.
2 Etwa άλλ' ουδέν ή [μέλλησις ] έλθών b\
138 Radermaoher
Kampf zn wagen. Dies τηπββ der Sinn der letzten Veree eein,
die eich leider nur ganz nneicher im Wortlant feetetellen lassen.
Aber deutlich stellt sich heraus, das« Hektor vor dem Zweikampf
mit AchilleuB redet; demnach ist der Schauplatz Troja, und
wenn er es in dieser * Röstungs'-Scene war, so muss er es ehen
im ganzen Stück gewesen sein. Das verlangt das Gesetz von
der Einheit des Ortes. Also kann von einem Drama, in dem
Achill die Hauptrolle spielt, von einem Stück wie die Μυρμι-
δόνες oder Νηρηίδες des Aischylos^, keine Rede sein.
So wie die Dinge liegen, kommt von den überlieferten
Tragödientiteln nur einer wahrhaft in Betracht, der Hektor des
Astydamas. Dieses Stück aber ist gleichfalls hochberühmt ge-
wesen, wie eine Bemerkung des Plutarch verräth; nach Welkere
Vermuthung hat es Naevius im Hector proficisoens^nachgebildet.
Wir kennen daraus nur die Worte:
δ^Ηαι κυνην μοι, πρόσπολ' ....
μή κα\ φοβηθή παις
Worte, die der gewappnete Hektor spricht, als er im Begriffe
steht, von seinem kleinen Sohne Abschied zn nehmen. Das neu
veröffentlichte Fragment scheint einer kurz vorhergehenden Scene
anzugehören *.
Anschliessen möchte ich hier den Hinweis auf Pap. XVII,
Reste einer ausführlichen Hypothesis zn dem Euripideischen
Skiron; dies Stück hat Blass durch eine Coincidenz mit Nauck
fr. 679 scharfsinnig erschlossen. Merkwürdig ist, dass Verse
daraus in der Hypothesis citirt werden :
w
πρόλογος Οέ1)€ΐ[κται* έν
Ιάμβοις. έπαιν[€ΐται bk
κα[ι π]€ρι τ[ο]υ παν[τός (ie. imprimis)
τών Ιάμβων, ου (= ubi) λίτ[€Γ
'πρόσαντες ούδεν έ[στι ....
Die Verse sind leider nicht sicher herzustellen; der Gedanke von
der Macht der Δίκη wird klar durch ähnliche £uripidei8che Sen-
tenzen.
^ Daran denken Blass und die Herausgeber.
[■ Einer Mittheilung von Dr. Crönert entnehme ich, dass H. Weil
inzwischen im Dezemberheft des Journal des Sa van ts (auf unserem Lese-
zimmer ist erst das Novemberheft zugänglich) dieselbe Ansicht ausge-
sprochen hat, und freue mich der üebereinstimmung.J
^ lieber diese Anwendung des Wortes s. Ilemsterbuys zu Lukian
1 p. 184.
Aus dem zweiten Baude der Amherst Papyri 139
Ν 17 bedeutet einen äueserst merkwürdigen Fund: nacli der
Subskription ΆρκΤτάρχου Ηροδότου ists der Rest von Excerpten
aus einem Commentar des Aristarchos zum ersten Buch Herodots *.
Elxcerpte müssen es sein, weil von Cap. 195 unmittelbar auf
C. 215 übergesprungen wird. Zu verstehen ist wenig: "δνος
Ζώς έστιν**, οίον κα\ έν τοις πλοίοις δν[οι Εύλου?]. Herodots
üeberlieferung bietet δνος Ιωός ίνεστιν; auf die Variante ist
nichts zu geben, da die Citate auch nachher ungenau sind. Erklärt
mnsste werden, warum Herodot den Zusatz Ζ,ώς für die Esel in
den Schiffen nöthig fand; es gab ja auch "hölzerne Esel", wie
man eine Zugmaschine, eine Art von Winden nannte, die, wie heut-
zufagCy so auch damals jedes Frachtschiff besessen haben muss.
Dann weiter, ohne jedes Zeichen des Uebergangs eine Glosse zu
C. 215 'fiviinrioi' ού]χ€\, [ά]λλά "αμιπ[ποι"2 iJttttoi buo [εύΐ-
άγωγοι* \μαα\ bebeμέvoι και [έπ'] αυτών τίνες όχούμ[6]νοι. οι
ήρωες τοις δρμασιν προσήλαυνον και ουτιυς άπίβαινον, οι bk
προς έλάσσοσιν δ μέν άπίβαινεν, δ bi. μένων παρείχετο την
του ηνιόχου χρείαν. Hier scheint eine Conjectur des Aristarch
vertheidigt zu werden; wir sind jetzt im Stande ihm die Bemer-
kung in Bekkers Anecd. p. 205 v. δμιππος zuzuweisend Der
Zusatz über die Eampfesweise der ήρωες verräth den Homer-
kritiker.
Dies Stück, so zerfetzt und trümmerhaft es sein mag, hat
doch insofern auch ein litterarhistorisches Interesse, als es das
erste Zengniss dafür ist, dass Aristarch sich mit Herodot kritisch
beschäftigt hat. Dass die wissenschaftliche Erklärung des Thu-
kydides in die Alexandrinerzeit hinaufreicht, hat Usener durch
Vergleich der Scholienlitteratur erschlossen. Dennoch ward nicht
ersichtlich, wie weit wir hinaufgehen dürfen. Das konnte ja
alles Didymos sein. Nun erscheint Aristarchos als Herodotkritiker
auf dem Plane. Zu glauben, dass er keine Ausgabe besorgt
habe, kann man sich nur schwer entsohliessen, und so erhält die
Anschauung, dass damals bloss Dichter edirt worden seien, einen
starken Stoss. Nur das eine wird man weiterhin annehmen
dürfen, dass die Prosaikerausgaben der ersten Alexandriner nicht
das kanonische Ansehen erlangt haben, wie ihre Dichtertexte.
Ob wir nun hier auch ein Zeugniss besitzen, das in der Frage
^ Darin auch ein neues Sophoclesfragment: Σ. έν ΤΤοιμέσΐ' ού
χαλκός ού σίδηρος απτεται χροός. ^ Ergänzuuj^ von Blase.
« Vgl. Pollux I 195. * Vgl. die Herausgeber.
140 Raderraacher
nach dem alexandriDischen Kanon zn dessen Onneten verwertbet
werden darf, wage ich nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden,
wenn ich auch meine, dass diese Frage nicht ganz so erledigt
werden kann, wie es y. Wilamowitz^ in seinen letzten Unter^
Buchungen gethan hat. Zwar dürfte er in dem einen Punkte
Recht behalten, der ihm das Wesentliche war, dass es schon frühe
nur neun Lyriker gegeben hat. Aber an bloss zehn Redner bereite
in hellenistischer Zeit zu glauben scheint mir unmöglich. Es ist
wahr, dass man grade bei der Anlage der πίνακες mit boden-
loser Oberflächlichkeit herrenloses Gut auf bekannte Namen ge-
setzt haben muss; das Verzeichniss der Dinarchreden bei Dionye
zeigt es zur Genüge. Aber dort operirt er nun doch auch mit
Leuten wie Demokleides und Menesaichmes, wie mit bekannten
Typen. In den perganienischen Verzeichnissen findet er eine Rede
des Kallikrates; in Alexandrien freilich war der Mann bereite in
der Sammlung Deinarchos untergegangen. In der grossen Ueber•
sieht am Schlüsse von de Isaeo mag er ja vieles unbesehen aus
Aelteren abgeschrieben haben; aber sollte es damals wirklich
keine Rede von Polykrates gegeben haben? Für Arietogeiton
alles zugegeben, obwohl die Annahme, dass Reden unter seinem
Namen erst nach Dionys gefälscht worden sind, nicht zwingend
erwiesen werden kann, so müssen doch Reden des Kritias exi-
stiert haben, die Herodes Atticus wieder ausgrub und zu Ehren
brachte. Und was Dionys, Harpokration und Athenaens von Py-
theas haben, stammt das etwa aus vorhellenistischer Zeit ? Auch
den Philinos citirt Harpokration. Von Polyeuktos κατά Δημά^ου
steht ein Cifat bei dem Rhetor Longinus, etwa als spätere Fäl-
schung? Es ist endlich möglich, dass die Rednernamen, die Philo-
demos neben den Zehn nennt, für ihn ein leerer Schall gewesen
sind, aber selbst wenn es damals bloss noch IL attische Redner
gab, so bedeutet die Zahl 10 immer schon eine Auswahl. Und
eine Auswahl, die zudem für Aristarchos bezeugt ist, sind die
lambographen ; diese Thatsache lässt sich nicht widerlegen durch
eine Deduktion wie die folgende: '^Skythinos? gab es den über-
haupt für das Publikum?'' Denn es müsste mindestens alsdann
noch bewiesen werden, dass es einen Mann, den es für das Publi-
kum nicht gab, für die alexandrinische Gelehrsamkeit auch nicht
gegeben habe. Es ist überflüssig darauf hinzuweisen^ wie häufig
^ V. NMlamowitz, die Textesgescbichte der griechischen Lyriker
I Excurs. (S. 64 fi".).
Aus dem zweiten Bande der Amheret Papyri 141
die wiesenschaftliche Litteraturgesohichte und das Urtheil des
Pablikume aaeeinanderfallen. Für die Tragiker ist die Aaswahl
zugegeben ; dass sie mit dem Geschmacke der Leute überein-
stimmt, beweist nicbts für andere Fälle. Bei den Lyrikern ist
es keine Auswabl ; aber was hindert anzunehmen, dass sie eben
sammt und sondere der Aufnahme in den Kanon würdig befunden
worden sind? Eine Auswahl von Epikern ist für Aristarchos und
Aristophanes bezeugt. Was nun endlich Herodotos und Thuky-
dides anbelangt, so würden sie ja in den Kanon gekommen sein,
wo und wann immer ein solcher gemacht worden ist, aber es ist
doch eine merkwürdige Erscheinung, dass wir jetzt den Aristarchos
auch als Herodotoskritiker wiederfinden, gleichwie wir intensive
Beschäftigung mit Thukydides für die Alexandriner schon länger
erweisen konnten. Kurz die Thatsachen sind diese: eine Aus-
wahl auf den verschiedensten Gebieten, bestehend schon vor
Dionys, in Verbindung mit etlichem der Name des Aristarchos
und Aristophanes unmittelbar bezeugt, anderes namenlos aber
doch vorhanden, auf einigen Gebieten auch verschiedene Ver-
zeichnisse, wie bei den P^legikern. Damit mag man sich nun ab-
finden, wie man will. Die einfachste Deutung ist doch, dass es
einen alexandrinischen Kanon gegeben habe, dass dieser Kanon
aber spätere Grammatiker nicht daran hinderte, auch den ihrigen
zu machen, indem sie, weitherziger im Urtheil, den einen oder
anderen Namen zusetzten. Dies ist meines Erachtens eine Erkläimng,
die den überlieferten Thatsachen am bequemsten Rechnung trägt.
Ein Glück ist übrigens, dass Pergamon endgültig aus der Erörte-
rung ausgeschieden zu sein scheint.
Die Abschweifung war lang, und ich kehre nunmehr zur
Sache zurück.
Papyrus XX, der von den Herausgebern ins IV. Jahrh.
p.c. gesetzt wird, enthält die Reste von Scbolien zum Artemis-
hymnus des Kallimachos; sie sind mit den erhaltenen theilweise
verwandt, aber reichhaltiger gewesen. Usener hat hierzu einige
treffliche Ergänzungen beigeeteuert : XX 2 (zu Vs. 107) ΤΗΝ
ΔΕ ΜΙΑΝ KEAAAONTOC δυνάμεθα είπεϊν το κ€λάοοντο[ς
άντι] επιθέτου και λέγειν ποταμόν *Αρκ[αοίας, ώς] κύριον ^. Zu
Vers 138 TAMOC E[CCETAI ύμν]ήσεται : AKAKHCIOC (V. 143)
» Weiter vielleicht ΑΙΝΩΙ ΕΠΙ ΘΡΗΙΚΙ Öpei Θρψ[κης : 6€νδρο]φόροι
Όλυμποι ορη. Die letzte Bemerkung geht auf 11(5 ff. (ποΟ δ' ιταμές
ΐΓ€ύκην) ; für das Lemma (Μυσψ έν Ούλύμπψ) ist in der Ueberlieferung
kein Raum.
142 Radermacher
λίγ€ται t\ έπ[ίθ€τον bia] το έν δρ€ΐ [Άκακησίψ τάς τ]ονά[ς
?χ€ΐν ή δτι] αναίτιος έστι. Zu Vers 172 ff.; ΤΤΙΤΑΝΗ πόλις
Λακεδαίμονος : [AAAC ΑΡΑΦΗΝ]ΙΔ[ΑΟ οήμ]ος 'Αττικής. Weiter
war wohl zu Vs. 178 bemerkt; ΣΤΥΜΦΑΙΙΔΕΟ Ή'.Γ€ΐριυτικοί•
δ[ρος τι Στύμφη^ θ€σ]πριυτιος. Στυμφαϊον bi δ[ρος καλ€ΐται
κα]ι ^θνος Σκυθ€ίας. Im Anscblues hieran wurde die Geschichte
der Iphigenie^ erzählt, und es ist sehr zu bedauern, daes diese
Ueberlieferung rettungslos verstümmelt ist, denn nimmt man zu-
sammen, dass bei Kallimachos von ^αφοι Στυμφαιΐοες geredet
wird, dass in dem Scholion aber immerhin noch ή bk Ιφιγένεια
ίλαφος — έκ τής έλάφου zu erkennen ist und dass ebendort
vorher die Στυμφαιΐοες, ein Στυμφαϊον δρος und ein ίθνος
Σκυθίας in zweifellosen Zusaoimenliang gebracht sind (die oben
gegebene Ergänzung ist nur ein Versuch), so ergiebt sieb als
nothwendiger Schluss, dass hier Dinge vorgetragen waren, von
denen wir sonst nichts wissen.
Am Schluss der Clasbica steht dann etwas sehr Luetiges
zu lesen, drei Babriusiabeln, die ein ägyptischer Lateinscbütze
zu übertragen unternommen hat. Dabei hat er Fehler gemacht,
so schlimm, wie sie auch heute gemacht werden, und zum Tbeii
noch schlimmer; es stecken sogar einige Räthsel in dieser latei-
nischen Uebersetzung, und so möge denn alles hier seinen Platz
finden, damit andere daran sich erfreuen oder ihren Scharfsinn
versuchen. Des bequemeren Druckes halber sind die Stücke an-
ders geordnet, als wie sie im Papyrus stehen.
αίλουρος opviv οικιης ενεδρε[υων
κορυκος οια πασσαλω απηρτηθη
τον δ' €ΐδ' αλέκτωρ πινυτος αν-
κυ[λογλωχιν
και ταυτ εκερτομησεν οΗυ φωνη-
σ[ας
πολλούς μεν οι6α θυλάκους ιδω[ν
ηδη
ουδείς οδόντας ειχεν μειΖον αίλουρου
αγροικος ηπειλησε νηιτιω τιτθη
κλαι[οντι
σίγα μη σε τω λυκω ρίψω.
1 Τύμφη bei Stephanus von ßyzanz ; doch siehe Strabon 325 C.
2 IJsener ergänzte noch: ή δέ Ιστορία ίχει, ώς μιλούσαν θύεσθαι
Ίφιγένειαν ή "Αρτεμις άρπά^ασα άιτήγαγεν εΙς Ταύρους [καΐ Ικ€ί Up€]i[a
γε]νομένη τής 'Αρτέμιδος
Aas dem zweiteo ßande der Amherst Papyri
143
λύκος b άκουσας την τε γραυν αλη-
θυ€ΐν
νομισας εμεινεν ιυς έτοιμα δειπνη-
σων
€ΐι>ς ο παις μεν εσπέρας εκοιμηθη
αυτός δε πίνων και χάνων λύκος
οντος
απήλθε ψυχραις ελπισιν ενεδρευσας
λυκαινα δ αυτόν η συνευνος ηρωτα
πως ουδέν ήλθες αράς ωε πριν
ειωθεις
ο δ
κακεινος ειπεν πως γαρ ος γυναικι
πιστεύω
αλω[πε]κ εχθραν αμπελ[ου τε και
κηπ[ο]υ
|€εν]η θελησας περιβαλε[ιν τις α]ι•
κειη
[τη]ν κερκον άψας και λίνου τι
[π]ρ[οσδησα]ς
αψηκε ςρευγειν την δ επίσκοπος
[δαιμ]ων
εις τας αρουρας του βαλοντος ωδη-
τε[ι
το πυρ φερουσαν ην δε ληϊων ωρη
και καλλεικαρπος ελπίδων πληρη[ς
ουδ ειδεν αυτού την αλωα δημητηρ
luppus autem auditus auucellam
vere dictu[m
putatus m[a|n8it quasi parata ce•
naret
dum puer quidem sero dormiseet
i]>8e porro esuriens et luppus
enectus verlo
rediuit frigiti^s) spebus frestigia-
tur (prestigiatus Blass)
luppa enim eum coniugalis inter•
rogabat
qaomod[o n]ihil tulitus uenisti 8[i]-
cut 8ole[bas
et ille [dix]it quomodo euim quis
mulieri cr[edo
bulbecula inionfortunam (Hegb. =i
• • • • •
vulpeculam importunam] binea-
ri8q[ue h]ort[i8que
peregrina uolens circomitti quis
8aeui[tia
codam su[c]cen8U8 et linei quidem
a[lli]gatu8
sinuit fu[ge]re [h]aoc speculator
genius malus
infra aruras missuro procedebat
ignem babbandam erat autem tem•
pus sectilis
et pulcheri fructus spaearum sorsus
oportet ergo serenae magis aut
inequa irasci
nee uidit eius ariis Cereris
est quidam ira oltricis quem custo-
diamus
ipsismet ipsis uocentiam ferentes
animosali[bas
Der Papyrus stammt nach Angabe der Herausgeber aus
dem Ende des dritten oder Anfang des vierten Jahrhunderts,
also der Zeit, in der Babrius besonders eifrig gelesen worden
ist^. Er fiberliefert die Fabeln in einer weit schlechteren Ge-
^ Vgl. 0. Grueius de Babrii aetate Lpz. Studien II S. 237 ff.
144 KaderiuAcher
stalt, als sie im Athoas stehen: manche AbweichaD^^, wie κΟ•
ρυκος οία für ώς θύλακος τις, erweisen sich schon durch die
Metrik als nnhaltbar. Es ist ein verwilderter Teit, wie das bei
einem Schalaator leicht vurkommeu kann. Babrias als Schul-
lektüre ist an sich nichts Merkwürdiges; aber Beachtung yerdieot
nan doch, dass er so früh als Unterlage zum Uebersetzen τe^
wendet worden ist. Etwa gleichzeitig hat Titianos ^^Aesopiam
trimetriam in lateinische Prosa übertragen^; dann hat man ja znm
GebraucL für die lernende Jngend Fabeln, griechisch nnd latei•
nisch nebeneinander, veröffentlicht, und anter den MasterstSckeii
des Dositheus stehen denn auch zwei Erzählungen in Choliamben.
Dositheus iet aber nicht der einzige, der derartiges gemacht hat.
Was wir an Resten dieser Litteraturgattung aus dem Mittel-
alter noch besitzen, wird erst klar werden, wenn es ein wirk-
liches Corpus fabularum giebt. So finden sich im Codex Pari-
sinus Graecus 425, einer Miscellanhandschrift, in der zB. der ge-
fälschte Brief des Constantinus über seine Taufe und die Werke
des llesiudos nebeneinander siehm, am Schlüsse institutiones gram•
maticae latinae-graecae ' und als deren Fortsetzung drei äsopische
Fabeln gleichfalls griechisch und lateinisch : K6pt 6ύθ φίλων και
άρκτου^, π€ρι όλώπ€κος και κιθαρωδού, περί t^euroO και ^χιως'.
Sie haben mit Dositheus nichts gemein. Zur Probe sei die mitt-
lere herausgehoben: fol. 50 περί αλώπεκος και κιθαρωδού.
άλώπηΕ εΙς οίκίαν έλθουσα κιθαρωδού και έκαστα των
αύτου σκειιων διερευνωμενη εύρε και κεφαλήν
μορμολυκίου εύφυώς κατεσκευασμενιν ήν και
αναβουσα ταΐς χερσιν, £φη ώ οΐά κεφαλή
και τδγαθον. και βέλτιον είκεφαλον ουκ έφαλον ούκ έχει.
δ μϋθος προς άνδρας μεγαλοπρεεΐς (so!) μέν
τωι σώματι κατά ψυχήν δέ αλλόκοτους
de uulpe et citaredo.
Vulpes cum in domum cuiusdam citharedi ingressa esset
quodlibet eins ex instrum indagabat et manibus
pertractabat. cumque ita indagaret capitis imaginem
iictam et adumbratam magna arte et subtili ingenio
instructam et ornatam inuenit. eamque in manibus captans
hec inquit, o, quam pulcrum et formosum caput, quod
cerebro quidem uacuum existit.
1 Γ). i. Babrius? Vgl. Crueius aaO. S. 238*.
2 Vgl. Halm f. 171.
» Vgl. Halm fab. 311.
Α OB dem zweiten Bande der Amherst t'apyri 145
hec fabnla pertinet ad homines corpore quidem
formoBos et magnos, animo autem ignauos. et inertes.
Hier ist das Latein erträglioby das Griechisch dagegen in-
zwischen um so schlechter geworden.
Den Rest der Classica übergehe ich. Es ist ein buntes
Allerlei, Stücke von einem Lexikon zu Odyssee XV* (Pap• XVIII)
und Ilias XI (Pap. XIV), aus einem grammatischen Traktat
(XXI), in dem Aristarchos citirt wird, aus Honaer, Isokrates προς
Δήμονικον und Demosthenes προς Φίλιππον β'. Ausser Isokrates,
Demosthenes und Hypereides hat man eben in Aegypten keine
attischen Redner gelesen. Dazu Papyrus XIV, das Bruchstück
einer Abhandlung überMantik, in der die Zeichen behandelt werden,
die man bei der Wahl eines Freundes beachten soll: (Τκοπουντι,
el δμεινον φίλον ποιήσασθαι τόν bepva] σκεπτεον τά σημεία,
ει έχεται του μαντευτικου τρόπου. Einiges ist nur in kärg-
lichen Trümmern erhalten, so der Rest eines Epos (? XVI ήλιου
π . . . col. 3), die Ueberbleibsel von Versen, hinter denen die
Herausgeber Aristophanes vermuthen (? XIV), endlich ein Frag-
ment, worin von sieben Wölfen (επτά λύ[κοι]), sieben Löwen
(έπτάλέθ[ντες]), von Wasser, einem Kruge (κάλπ[ις]), dem Löschen
eines Feuers und von einer Dame Namens Philinna die Rede war ;
der Zusammenhang ist unklar. Mit Papyrus XXIX beginnen die
Documents of the Ptolemaic Period, und daran schliessen sich
Funde, die bis ins 7. Jahrhundert n. C. reichen. Privates und
Amtliches, Dekrete und Entscheidungen von allerhand Würden-
trägern neben Petitionen, Pachtverträgen, Schuldscheinen, Quit-
tungen, Beschwerdeschriften und namentlich auch zahlreichen De-
nunziationen, aus denen man den Eindruck gewinnt, dass nicht
bloss Rom seine Delatoren und Athen seine Sykophanten gehabt
hat. Interessant ist auch die Bittschiift (Pap. XXXV), welche
im Jahr 132 v. C. die Priester des Soknopaios und der Isis an
den Strategen Apollonios richten ; aus schwerer Krankheit ist dieser
von dem grossen Gotte und der höchsten Göttin gerettet worden,
also ist es seine Pflicht sich dankbar zu erweisen (Z. 31 ff.).
Reich vertreten ist dann namentlich die Brieflitteratur, an deren
Spitze ein Erlass des Königs Ptolemäus Philometor aus dem
Jahr 157 v. C. genannt zu werden verdient. Man thut, wie in
ähnlichen Veröffentlichungen, so auch hier einen rechten Einblick
in das Leben und Treiben der Menschen jener Zeit
^ Vieles läset sich da noch ergänzen, wie Z. 235 εο[μηλος πολλά
πρόβατα £]χουαα, Ζ. 243 αθύρματα πα[ι]ο[ια(] uew.
Β1ι«Ιιι• Miu. f. Philol. Ν. 7. LTJL \^
14β ftadermacher
Hier giebt es noch mancherlei nachzutragen and zu berich-
tigen. Ν 38, 5 ff. hat wohl gelautet ορθώς ουν [έποίη]σας
άκουσας αυτών [έρχο]μένων [το π]ρ[ώ]τον ; es handelt eich um
zwei Boten, die in einer wichtigen Angelegenheit geschickt worden
waren und vorher zu solchem Geschäft noch keine Verwendung
gefunden hatteo. Ν 64 ist eine protokollarisch aufgenommene Ent-
scheidung des Yibius Maximus, der sich als Präfekt von Aegypten
für das Jahr 107 n. C. ausweiMt; hier ist in Zeile 7 die Frage
τίνος κσΐ τίνος υπαρχόντων; richtig und auch nicht durch Inter-
punktion zu trennen. Geradeso heisst es in einem Isäuefragment
(11 Buermann X Sauppe): εισφοράς λογίίη πόσας ; τόσας. κατά
ττόσον άργύριον είσενηνεγμένας ; κατά τόσον και τόσον
Ν 68, ϋ7 ist βασιλικός vielmehr als Eigenname zu fassen^; ee
ist ein Kollege des Ursus, der gemeint wird. Der Name ist so
selten, dass es schon die Mühe lohnt auf ihn aufmerksam zu
machen. Ν 70, 4 ist καθιστ[α]νόμενοι sicher zu verstehen, mög-
lich aber, dass der Verfasser καθιστανάμενοι geschrieben hat.
Mit α und ο in den Flexionsendungen hat man es in Aegypten
nicht so genau genommen.
Ν 76 ist der Rest eines Personalstand registers ; da läset
sich der Schluss noch ein wenig verständlicher gestalten. Σειλ-
βανός λιθοτόμος έττικεκλημένος καλαβώτης — mit dem Bei-
namen Eidechse* — , ίτι έν τή Τελέσψ γίτιυν Σαβίνι[ος] έν-
ορομαΐς (ενδρομες Pap.) έχιυν τό έργαστήριν dh. "für Woll-
mäntel (ν) habend die Werkstatt"'. Im guten Griechisch müsete ee
freilich heissen ένδρομίσιν έχων τό έργαστήριν, aber έν^ρομαΐς
steht nun einmal da, ένδρομή^ mag das Volk gesagt haben statt
des beinah gleichklingenden Wortes, das aus Juvenal (UI 103
accipit endromidem, VI 246 endromidas Tyrias) und Martial ge-
läufig ist. Weiterhin wird der Mann charakterisirt als ές τά
ΈτΓΐμάχης γείτιυν . . ατυ ιματιοττώλου. Hier ist ές τά "Επί-
μαχης Bestimmung der Richtung, und die vage Umschreibung
mit τά xat echt hellenistisch; sagt doch Aristeas zB. p. 31, 11
^ Ούέγετος έκρινε — ώς Οορσος. ούτος bk κοί έΕής Βασιλικός ^δή•
λωσαν κτλ.
* καλαβώτης für άσκαλαβώτης auch Septuag.
^ Wir wisseu sonst nur aus Plutarch de musica, dass Hiera, eine
Weise, die zum πένταθλον aufgespielt wurde, Ένορομή geheissen habe,
ένορομίς bedeutet übrigens ausserdem einen hochaufreichenden Stiefel,
und auch in diesem Sinne könnte ένορομή (* worin man läuft*) ver-
standen sein.
Ααβ dem zweiten Baocle der AmHerst Papyri 147
άνάκλασιν γαρ ίχει τα τών τόττιυν ^ Die Septuaginta hat viel
Entepreobendes. Was endlich den Namen des Mannes anbelangt,
80 ist wegen des Raumes Σαβινιανός oder Σαβινίλλος ausge-
schlossen, Σαβίνιος allein denkbar; Belege gibt der Index von
CIL. III gerade ans griechischem Gebiet in reichlicher Menge.
In Ν 77 führt sich ein Priester ein: [ου 9eXu)]v κατηγορ[ήσαι
ά]λλά όραιν τον φίσκον περιγραφόμενον ύπό Πολυδεύκους, wo
man die Verwendung des Verbums περιγράφω notiren mag; im
nämlichen Papjrus ist unten δπερ φανερόν τούτο έγένετο ganz
so richtig, wie etwa in Henoch XVII 1 έν φ οι δντες έκ6Ϊ.
Charakteristisch für die Sprache sind Formen wie βαίΤτάΗαντες
(22) όναόαιναι (24) ; ein neues Wort ist Z. 91 προσεπίτροπος,
wenn richtig Άρτταγάθης als κράτιστος του κάκου κα\ προσε-
πίτροπος bezeichnet wird. Denn möglich wäre και προς als
Adverbiale zu fassen, wie 79, 32 και προς άπό τών αρχόντων.
In Ν 78, einer Beschwerde wegen Bedrohung, scheint mir nichts
80 eicher als dass Z. 12 παντοδαπώς μου πλεονεκτεί δνθρωπος
αίύΐθάδης zu lesen ist, vgl. Ζ. 20: τοιαύτης ουν αύθαδείας έν
αύτψ οοσης. Ein ασθενής "έπαγγειλάμενος εΙς τό 2ήν έπι-
χειρή(Τειν** (Ζ. 19) wäre dem Bittsteller wohl nicht so vieler
Mühe werth erschienen. In Ν 79, 37 dürfte συσκευώρημα im
Papyrus stehen; die Herausgeber lasen (Τυ(Τκερωρημα. Das Wort
ist neu und muss dasselbe wie (Τυ(Τκευή ''List, Intrigue" bedeuten.
Das zugehörige Verbum (Τυακευωρεϊσθαι "gemeinsam Ränke
schmieden' hat Demosthenes, (Τκευώρημα desgleichen. In Ν 86
muss der Schluss lauten: επιθέματος δέ γενομένου έΗεΐναί σοι
έτέροις μεταμισθουν. έάν ουν φαίνηται, μισθώσαί μοι έπι τού-
τοις "so vermiethe mir unter diesen Bedingungen**; zweimal (in
έ^εΐναι und μισθώσαί) steht der Infinitiv an Stelle des Impera-
tivs; das ist volksthümlich, vgl. CIL. V 8772 CIG. Sie. et lt. 772.
Die Formel kehri wieder am Schluss von Ν 90 und 91, 92,
93: έάν φαίνηται, μισθώσαί, und auch dort ist sie durch vor
gesetzten Punkt abzutrennen. In Ν 117 entsprechend: έάν φαί-
νηται, κυρώσαι. έάν δέ μή κυρωθώ, ου κατασχεθήσομαι τή
ύποσχέσει. Etwas sehr Beachtenswerthes bietet dann Pap. 88
(128 p. C), da in ihm άνά in distributiver Bedeutung erscheint.
Denn das άπότακτον έκφόριον wird für drei Aecker bestimmt;
im ersten Jahr auf άνά κριθής άρτάβας οκτώ, im folgenden auf
άνα πύρου άρτάβας οκτώ. Auch die nächste Urkunde (121 η. C.)
1 Vgl. Wendland Gott. Gel. Anz. 1901, S. 784.
48 ftadermacHer
erwähnt άνά [κριθής?] άρτάβας U ήμισυ καΐ τψ Ισίόντι Γ
frei τά άπό άνατταύματος άνά πύρου SH ήμισυ κα\ τα άπό κα-
λάμης άνά αργυρίου δραχμας είκοσι di. je zwanzig Silber-
drachmen. Der beste Vergleich aus einem iitterariechen Stück
istHenochX 19 (καθ' ϊκαστον ίτος ?v μέτρον) έλαίας ποιήσει
άνά βάτους οεκα. Ueberhaupt ist dieser Sprachgebranch für
jene Zeit meines Wissens nnr im Kreise der biblischen Schrift-
stellerei geläufig: ίλαβον άνά οηνάριον καΐ αύτοι ev. Matthaei
20ι 10; και λαβέτιυσαν άνά λαμπάδα Protevangelium Jacobi
νΠ 2; ένεγκάτωσαν άνά ^oßbov ebd. VIII 3. Jetzt stellt sich
heraus, dass dies echtes Volkegriechisch ist und an fremdsprachigen
Einfluss nicht gedacht werden darf ^
Im Papyrus 92 handelt es sich um die Pacht einer Oel-
mühle, die von Pferden getrieben wird; daher (Z. 20) 6ώσω bl
και υπέρ διπλώματος ϊπ[πιυν] δύο τά κατά συνήθιαν νόμιμα,
wo über δίπλωμα die gelehrte Anmerkung^ der Herausgeber za
vergleichen ist^
^ Hier sei noch ein eklatanter FhU der Art abgethan. κατήγωρ
soll nach Schmiedel p. 85 aramäische Zustutzung von κατήγορος sein.
Thumb hat ihm weiter nichts als συνήγωρ entgegengehalten, das freiJicli
allein durch rabbinisches Schrifithum bezeugt und deshalb werthlos ist
(Gr. Sprache im Zeitalter des Hellenismus S. 126). Inzwischen fand
Deulmer (de incubutione p. 119) im Enkomium des Therapon einen
πρόσμων (IG, 9) = προσμονάριος, und verglich den Eigennamen ΤΤάρμων
bei Fick-Bechtel Gr. Personennamen p. 205. Ein besserer Beleg ist
vielleicht, dass der διάκτορος Άργειφόντης in den Scholia Townleyana
in Iliad. II p. 98, 10 Maass als διάκτωρ erscheint. Dazu διάκων für διά-
κονος, ΤΤίνδαρ für Πίνδαρος, s. Krumbacher bei Deubner aaO , wo auch
auf ngr έπίμων = επίμονος hingewiesen wird. Endlich der Name
Σίφωρ, Σίφωρος, Σύμφορος vgl. Brinkmann in dieser Ztschr. 54 S. 95
Anm. 2.
^ Dagegen muss Einspruch erhoben werden, wenn sie Ν 110, 14
den Ausdruck κατά άσφάλειαν όμολογείαν in κατά άαφάλειαν ομολογίας
ändern wollen; dem widerspricht schon καθ' όμολογίαν an derselben
Stelle im folgenden Papyrus. Also die, οΐς Ποσειδών ασφάλειας έστιν
ή βακτηρία, werden eher an κατά άσφάλειον όμολογίαν als Grundform
denken ; wenn die Papyri βραχή für βροχή, αλκή für ολκή, κάταχος für
κάτοχος und Umgekehrtes schreiben, so wird man ihnen auch ein
άσφάλειαν verzeihen (vieles der Art hat A. Dieterich im Index des
Pap. mag. s. litt, ο zusammengestellt); doch ist auch ein Femininum
άσφαλεία zu άσφάλειος sehr wohl denkbar, selbst zu ανοίκειος giebt es
άνοικεία, und so möchte man an κατ* άσφαλείαν όμολογίαν glauben.
^ Pap. 101,2 vergessen sie zu notiren, dass iπεlfür έιΗ steht, was
des Sinnes wegen nothwendig ist und daher hier kurz angemerkt sein mag.
Aus dem zweiten Bande der Amherst Papyri 149
Intereseant ist dann weiter Papyme 125, eine Rechnung
für ausgelegte Begräbnieekosten. In Zeile 5 gebort zur Maske
(πρόσωπων) wobl noch ein [€]ίμά(τιον), in 8 sind die Kosten
für ein στηθίν (= στηθίον) ziemlich hoch berechnet. Die
Herausgeber vennuthen darin einen Halsschmuck; könnte nicht
die plastisch herausgearbeitete Brust der (weiblichen) Mumie ge*
meint sein, vgl. Budge, Α Guide to the first and second Egyptian
Rooms, T. XXIV(Wiedemann)? In Ν 126 (Anfang des 2. Jahrb. n. C.)
wird die τιμή τεττάρων χουν ελαίου auf 28 Drachmen und einen
Obolen angegeben, χουν läset einen Genitiv χών neben χοών
erschliessen (vgl. άναγνούστης αναγνώστης Κ. Dieterich S. 17.
Mayser Yokalismus S. 13), der regelrecht gebildet ist (Dieterich
S. 43). Die Yerdumpfung des ω zu ου ist sehr zu beiherken.
Ν 1 30 (70 ρ. C.) Brief eines Glutas an Eudychides (so !) den
Gymnasiarchen; der Mann hat offenbar das Griechisch wie ein
Sachse gesprochen ; denn er schreibt auch τωίις für δόξης. Er
bildet eine dritte PI. Perfecti Τ€θ€λήκουσι. Zu seiner Entschul-
digung sagt er an einer Stelle: π€ρί τ€ των i€ (άρταβών) ούτε
πλην εύρων οοτε κερόν (dh. καιρόν) γνούς, άλλα μεθ' ήμίρας
δψωμαι (db. βψομαι), wo die Herausgeber richtig πλέον in
πλην suchen, aber gemeint scheint πλεΐν. In Ν 133, 9: πάρα-
γενόμενοι γάρ έκεΐ άντί[α] ένήκαν ήμεΐν οαπάνην ουκ όλίγην
και ώς ibex βρ[αχύτερο|ν mag man das ionische Adverb άντία
notieren; andere Ergänzung ist unmöglich, indem nur für einen
Buchstaben Raum. Weiter heisst es καΐ μετά πολλών κόπων
άνηκάσαμεν, der Verfasser des Briefs hat sich άναγκάΖω in
όν- όγκάΖΙω zerlegt ; er braucht sich dessen nicht zu schämen, da
die Priester des grossen Gottes Soknopaios in einer Bittschrift
vom Jahr 132 vor C. (N 35, 23) κατεγγεγύηκας schreiben; also
κατ- εγ- γυάω. Noch eine Kleinigkeit lässt sich in Ν 135' klar-
stellen. Die Herausgeber lesen: άπ[ο]λήμψη [πα]ρά'Ερμοφΐλου
κεράμου μυριάδας bvo εΙς θροτη[ν], έάν γένηται ημάς μή ύπο-
γυως άναπλεϊν. Sollte da nicht vielmehr υ statt des unleser-
lichen α stehen und εΙς θρύγην verstanden werden müssen dh.
"für die Ernte**, wie es auch der Sinn empfiehlt? Der Ersatz des
τ in τρύγη durch θ wäre nicht gerade etwas Absonderliches,
vgl. E. Dieterich S. 106, Mayser Consonantismus S. 10; an das
Schwanken der Handschriften zwischen τρυγονάω und θρυγονάω
bei Aristophanes Eccl. 94 sei nebenbei erinnert.
Ν 141 und 142 sind zwei Bittschriften wegen erlittener
ΰβρις. In 1 verklagt eine Wittwe ihren eignen Bruder und
150 Radermacher
deseen Frau, die sie halb todt geschlagen hätten. Das wird
drastisch nnd mit köstlicher üebertreibung geschildert: κατ€ν€Τ•
κόντες εΙς το έδαφος πληγοϊς ίκοναϊς με κατέκτιναν, γρόνθοις
τε και λακτίσμασιν καθ' δλιυν τιυν σωμάτων, ώς και έπι τών
δψεών μου τα οΙδήματα φαίνεται, ήμιθανή καταστήσαντες ου-
δέν ήττον και την περί έμέ έσθήτα περιεσχεισαν. Demosthenee
(κατά Κόνωνος 8) hat gleiches Missgeschick nicht lebendiger et-
zahlt. Aber der alte Bauer in Ν 142, dem Nachbarn, mit Keulen
und Schwertern bewaffnet, sein Eigenthum abgenommen, ist zum
Advokaten gegangen, weil er des Schreibens unkundig war. Und
der hat ihm ein grosses Schriftstück aufgesetzt, in dem es an
den nöthigen Schlagwörtern nicht fehlt. μεταλοφρον]οοντες τε
τώ περί αυτούς πλούτω και τή έπι τόπων τυραννίςι χρώμενοι
έμοΟ τελούντος Λποκαρπουνται, so heisst es von den Gegnern.
Was das bedeutet, versteht man erst, wenn man die Schollen tn
Demosthenes Midiana 1 heranzieht: κέχρηται τή προτά(Τει bia
τήν ποιότητα του Μειοίου* πλούσιος γαρ και μεγαλό-
φρων. οΐ bk τοιοΟτοι μείίους είσιν τών πολλών
και ώς τυραννικοί οιαβεβλη νται, vgl. zu 3: όντικρύς
bia τούτων αΐνίττεται τόν τύραννον (vonMeidias), zu7:
άίιός έστιν ώς υβριστής και τυραννικός οημοσ{<)ΐ
κολασθήναι. Dieses Stück enthält auch Gelehrtes im Wort-
schatz, έπι bk όντιλέγουσιν kann dem Zusammenhange nach nicht
für έπε\ bk ά. stehen; vielmehr muss έπι bi ^ausserdem 'bedeuten.
Das hat ja Arrian zB. Anab. II 7, 5. Bei Diodor XIII 8, 5 hat έπι
bk der alte Patmius, drei gute Handschriften geben έπει bk, was
auf dasselbe herauskommt, die übrigen έτι bk, wie im Text eteht
Zu beachten haben diese Redensart namentlich die Herausgeber
des Pansanias. Bei ihm ist I 22, 7 έπι bk allgemeine Ueber-
lieferung, wo man entweder έτι bk in den Text nimmt oder sonst-
wie sich zu helfen sucht*. V 7, 8 haben έπι bk weitaus die
meisten Handschriften; einige wenige έπειτα bk oder ?πειτα.
Das Richtige dürfte demnach έπι bk sein. Auch U 13, 4 ist ee
vielmehr in überliefertem έπεί γε enthalten, als das konjizirte
έπειτα.
Gerade die letzten Stücke der Veröffentlichung geben allerlei
Interessantes für Grammatik und Lexikographie aus. Ν 144, 22:
τό γαυνάκιον έπράθη bi' έμου σίτου άρταβών δέκα di. 'der
Pelz wurde von mir für zehn Mass Getreide verkauft\ Von
^ Vgl. Michaelis in der neusten Ansgabo z. St.
Ans dem zweiten Bande der Amherst Papyri 151
καυνάκης abgeleitet ist ein Dem. καυνάκιον, das sich in byz. Prosa
belegen läest. Merkwürdig ist nun die Erweichung des κ ζα γ,
vgl. τυββρνήτης κυβερνήτης, im Aegyptischen eben so selten,
wie das umgekehrte häufig. Aus unseren Papyri ist die Schrei-
bung άττάλαις statt άγκάλαις 150, 25 zu vergleichen, oder in
Ν 79 έγμετρηταί für έκμετρηταί. Ν 145, 4 ff. kann meines
£rachtens nichts anderes gestanden haben als: βούλομαι μ^ν
καταζιιυθήναι, ά€\ τράφ€ΐν τή (Τή θ€οσ€βειςι κα\ προσαγορεύειν
την [άν€]φάμιλλόν σου καλοκάγαθίαν. Für den Curialstil be-
zeichnend ist die Unmöglichkeit, den Angeredeten anders als in
einer Umschreibung zu nennen. Der Schluss dieses Briefes ist
absonderlich ; προσαγορεύω τήν σήν οιάθεσιν καΐ τά φίλτατά
(Του τά πάντα, hier darf man sich an Petrons topanta erinnern,
— τούτο γαρ προτάττεσθαι εδλογον [εΙ]ί)ότα περί τών αυτών
ύπαρχθήναι — dies ist beinahe gar nicht zu übersetzen, steht
aber zweifellos für εΐοότα δτι περί τών αυτών (seil, τών φιλ•
τάτιυν) έμοί υπάρχεις, was regelrecht ins Passiv versetzt so
lautet: εΐόότα δτι περί τών αυτών ύπάρχομαι (υπό σου). Ν 147,8
δσπερ έπάναγκες έκνεάσας αποκαταστήσω (seil, όρτάβας πύ-
ρου) ist έκνεάσας wohl für έκνεασάσας verschrieben ; wenigstens
ist έκνεά2!ω sonst intransitiv. So steht αγοράς für όγοράσας bei
Grenfell Hunt Hogarth 119 p. 275^ Ν 150, 20 ein Beleg für
erstarrtes πλήρης, vgl. Brinkmann in dieser Ztschr. LIV (1894)
S. 94, es ist also nichts zu emendiren. Die in Ν 153 erwähnten
yaibapia sind übrigens keine Bauern, sondern Esel; schon Du
Gange v. άείοαρος hat über das Wort alles Nothwendige gesagt,
έάν bk έκφρήσης ebd. Z. 15 dürfte die Lexikographen inter-
eesiren; da kommt ein glossematisches Wort im Jahr 592 n. C.
plötzlich zum Vorschein. Der Schreiber von 156 verwechselt die
Casus: θελήση f| σή αδελφότης boövai τόν γραμματηφόρον
(Pap. των γραμματίφοριυν) ταριχίου κυτίνια επτά ' es möge der
Herr Bruder die Gewogenheit haben, den (so !) üeberbringer des
Briefe sieben Fässchen Pöckelfisch einzuhändigen', κυτίνιον zu
κύτος ist neu.
Und nun zum Schlüsse noch ein Wunsch: dass der so
reichen und schönen Gabe bald weitere folgen mögen.
Bonn. L. Radermacher.
1 Vgl. Buecheler Rh. Mus. LYI (1901) S. 325.
DIE INSCHRIFT DER• APHAIA AUS AEGINA
ToO beivoq Κλ]€θίτα ιαρέος έόντος τάφαίαι ώι^ος
ώικο5ομ]ήθη χώ βιυμός χώλέφας ποτεποιήθη
χώ π€ρίβολο]ς π6ρι[€]ποιήθη.
Von der Inschrift der Aphaia, die uns die bairischen Aus-
grabungen auf Aegina geschenkt hahen, hat Fnrtwängler ein, wie
der mir durch seine Güte zugegangene Papierabklatsch zeigt,
vorzügliches Facsimile in den Sitzungsberichten der Mtinchener
Akademie 1901 S. 372 mitgetheilt ^. Die Ergänzung des Namens
in Zeile 1 rührt von ihm' her und schwerlich giebt es eine andre.
Indem er aber Κλεοίτα an den Anfang stellt und in Zeile 2
έττοι]ήθη liest, erreicht er, wie ihm auch nicht entging, keine
gleichmässige Kaumausfüllung : der Eigenname wäre zu kurz.
Eine solche Anordnung ist, zumal bei der grossen Sorgfalt der
schönen Schrift ganz unmöglich; sie wird corrigiert, wenn wir in
Zeile 2 ein längeres Wort, das ich gegeben habe, einsetzen und
Κλεοίτα als Bezeichnung des Vaters nehmen, dem also der Name
des Priesters voranstand ; passenc^ wäre unter vielen anderen zB.
Λυαία. Das zu Anfang der dritten Zeile verlorene Wort endete
auf Sigma, dessen Obertheil ich auf dem Abklatsch erkannt habe;
von den Vorschlägen Furtwänglers enthält zwar και τό τ€Ϊχος
die gleiche Buchstabenzahl wie mein χώ περίβολος, ist aber
wegen seiner zwei Iota dem Räume nach weniger wahrscheinlich^.
Aber das gütige Glück hat uns so viel von der kostbaren
Urkunde bewahrt, dass auf die Ergänzung wenig ankommt. Sehr
wichtig dagegen ist uns, ob Furtwängler mit Recht für ausge-
macht hält, dass der Vorgänger des uns erhaltenen Tempels und
damit auch dieser der Aphaia gehört hat.
^ Dass in Zeile 2 das X kenntlich ist, hat Furtwängler selbst
Berliner philolog. Wochenschrift 190J, 1088 nachgetragen.
^ Ich freue mich, dass Fnrtwängler meiner Ergänzung brieflich
lieigestimmt hat. — Bemerkenswerth in der Inschrift, die sicher dem
•echstcn Jahrhundert angehört, ist der frühe Schwund des Vaw von
Γοΐκος. Ebenso steht auf einem andern bei den gleichen Ausgrabungen
K(«:fundeuen Steine κήργων für καΐ "Έργων.
Die Inschrift der Aphaia aus Aegina 153
'Der Gebranoh des Wortes οΤκος oder οίκημα für den Cult-
ranm einer Gottheit ist darch mancherlei Analogien zn belegen^
sagt Furtwängler S. 373. Die beiden Worte sind sehr verschie-
den ; οίκημα, das einen ebenso allgemeinen Begriff hat wie unser
Bauwerk', ist für die Inschrift gleichgiltig ; betreffs οίκος hat
Furtwängler unzweifelhaft Recht: er führt mit der Inschrift aus
Thisbe CIGr, Sept. I 2733, in der ein οΤκος καΐ Διόνυσος,
sicher eine Aedicula mit Cultbild, geweiht wird, einen späten,
aber passenden Beleg an. Aber wir müssen den Gebrauch des
Wortes genauer festzustellen versuchen. οΤκος kann ebenso
'Haus bedeuten wie 'Gemach^ ; man sollte also erwarten, dass
ein in einem Tempelbezirk befindlicher οΤκος sowohl ein Raum
des Tempels als ein von ihm abgetrennter besonderer Raum sein
könnte. Aber die erhaltenen Inschriften^ kennen nur die zweite
Verwendung; die sichersten Belege sind folgende. Ein Εύ5ώρ€ΐος
οίκος, di. wie Gonze richtig erklärt, eine Stiftung des Eudoros,
im Heiligthum des Apollon zu Anaphe ist, da es zur Ortsbe-
stimmung dient, nothwendig ein eigner Bau (CIGr. Ins. III 248
Z. 12); CIGr, 3163 wird ein den Neraeseis in einem Nemeseion
geweihter οΤκος ausdrücklich als neben den Tempel gesetzt be-
zeichnet (τόν πορατεθέντα οΤκον). Ebenso wird man sich τόν
οίκον τόν έν τώι ίερώι, der den Priestern von Andania als Ge-
schäftslokal dient ( Di tten bergers Sylloge 653 Z. 113), nicht
innerhalb des Tempels vorstellen.
Also so weit war Furtwängler im Recht, als er den οΤκος
der Aphaia für ein selbständiges Bauwerk ansah. Aber unmög-
lich kann das Wort den Tempel bezeichnen ; niemand wird glau-
ben, dass Upoi οΤκοι nicht ein völlig synonymer Ausdruck wäre
für lepoi οΐκίαι, die wie Ulrich Köhler (Athen. Mittheil. 7, 373)
endgiltig gelehrt hat, 'Dependenzen der dabei stehenden Tempel
waren, die man ganz mit Unrecht ^ einfach für Tempel genommen
hat'. Man wende nicht ein, dass unsre positiven urkundlichen
^ Die vollständigste mir bekannte Beispielsammlung hat Conze,
Dntersuchungen auf Samothrake 141 zusammengebracht ; dazu Wend-
land und Kern, Beiträge 114. — Nicht ganz hergehörig ist die von
Furtwängler angeführte Inschrift bei Wendland und Kern S. 112 =
Kern, Inschriften von Magnesia n. 94. Da das Wohlwollen gerühmt
wird, das jemand €ΐς τόν οίκον τόν Ιερόν καΐ €ΐς τόν 6ήμον hegt, der
Begriff des οίκος also dem des 6ήμος parallel sein muss, bezeichnet
es die Genossenschaft, die in dem οίκος tagt, eine Uebertragung die
auch die modernen Sprachen vornehmen: chambre, Abgeordnetenhaus*
154 Fränkel
Zeugnisse alle viel jünger sind als die Inschrift; als nngiltig
darf sie nur betrachten wer sie durch ältere Urkunden wider-
legen kann, aber in unseren sacralen Bauinscbriften, die doch
bis hoch ins vierte Jahrhundert hinaufreichen, wird der Tempel
immer ναός genannt, niemals οίκος.
Wenn also der Aphaia ein οΤκος errichtet wird, so muei
ein Tempel in dem gleichen Temenos vorhanden gewesen sein.
Nehmen wir an, dass schon dieser Tempel der Aphaia gewidmet
war, so könnte der οίκος nur untergeordneten Zwecken der Ver-
waltung gedient haben; würde man dann seine Errichtung in
einer so monumentalen Bekundung an erster Stelle anfuhren?
Vielmehr ist die äusserste Wahrscheinlichkeit, dass unser οΤκος
den Cult der Aphaia aufnahm, dass nothwendig also die Gottheit,
die im Tempel verehrt wurde, von Aphaia verschieden war.
Welche war es ? •
Dass der Tempel nicht, wie man früher allgemein annahm,
der Athena gehörte, halte ich mit Furtwängler für unzweifelhaft;
denn der an seinem ursprünglichen Orte gefundene Grenzstein
ihres Heiligthums war gute anderthalb Stunden von unserem
Tempel entfernt^). Welche andere Gottheit sollte aber mit Aphaia
ihre Cultst'atte getheilt haben als Artemis, der sie wie Pansanias
Π 30, 3 sagt μάλκττα φίλη war, die eine Glosse des Hesych gradezn
identisch nennt; 'Αφαία* ή Δίκτυννα καΐ ^Αρτεμις?
Und dass in der That die Cultfitätte der Aphaia auf Aegina
im Temenos der Artemis war, ist überliefert. Antoninus Li-
beralis 40 erzählt έΕίκετο ή Βριτόμαρτις €ΐς Αϊγιναν έν πλοίψ
. άποβάσα έκ του πλοίου κατέφυγεν €ΐς δλσος, δθιπερ
Ιύτχ νυν αυτής το Ιερόν, κάνταυθα έγίνετο άφανής [και
ώνόμασαν αυτήν Άφαίαν*]. έν bk τφ Ιερψ της Άρτίμιόος
τόν τε ^ τόπον έν φ άφανής έγένετο ή Βριτόμαρτις αφιέρωσαν
Αιγινητοι και ώνόμασαν <αύτήv^ Άφαίαν και ιερά έπετέλεσαν
ώς θεώ. An der richtigen Benutzung dieses werthvollen Zeug-
nisses konnte Furtwängler nur das Vornrtbeil hindern, dass οΤκος
» AVolters, Athen. Mittheilungen 14. IIG.
^ Diese Worte scheint der neueste Herausgeber Martini mit Recht
eingeklammert zu haben, der sonst die Stelle wenig glücklich behandelt.
' S4) 0. Schneider: überliefert ist bi, Furtwängler sagt S. 378:
'Dass das Artemis-Heiligthum ein von dem Orte der Verehrung der
Aphaiu jxotrennter Ort war, geht mit Sicherheit aus dem gegensätzlich
gegenüber gestellten folgenden τόν bi τόιτον hervor*. Aber das an-
knüpfende bi ist doch nicht dasselbe wie άλλα.
Die Inschrift der Aphaia aus Aegina 155
deo Tempel bezeicbne. Aach Pausanias II 30, 3 sagt von der
Aphaia: ταύτην μέν θ€Ον έποίησεν "Αρτεμις.
Mir erscheinen die Gründe zwingend; es wird eingewendet
werden, dass Pausaniae das Ιερόν 'Αφαίας nennt, ohne doch den
dabei stehenden Tempel zu erwäbnen. Aber wenn dies bei an-
dern Schriftstellern Gewicht hätte, bei dem an Wunderlichkeiten
reichen Pausaniae hat es keines: es ist psychologisch leicht er-
klärlich, dass ihn, der wie bekannt ist gierig war nach Cult-
raritäten, das Interesse an der verschollenen Aphaia hinnahm
und dass er über der ausführlichen Nachricht die er von ihr gab
die Erwähnung des Haupttempels vergase. £s konnte dies um
so eher geschehen, als er zu seiner Zeit längst nicht mehr in
Gebrauch war ; der ganze Platz war, wie Furtwängler (S. 389)
sagt, früh verödet, nach den Funden schon seit dem fünften Jahr-
hundert. So kann es auch nicht in Verwunderung setzen, dass
die Agineten sich in der unteren Stadt einen zweiten Artemis-
tempel bauten, den Pausaniae II 30, 1 nennt ^.
Dass in beiden Giebelfeldern Athena die Hauptstelle ein-
nimmt, ist eine Discrepanz, die wir als belehrende Thatsache an-
zuerkennen haben; sie bleibt bestehen, wem man auch den Tempel
zuschreiben will, da er der Athena nun einmal nicht gehört hat.
Es ist doch auch verständlich, dass man an dieser bevorzugten
Stelle das Geschlecht des Landesherren Aiakos durch P.irstellung
ihrer nationalen Kriegsthaten verherrlichen wollte, und die Gott-
heit, die nach dem Bedürfniss der Giebelcomposition die Mitte
einnehmen musste, konnte dann nur eine kriegerische sein, wie
Athena•.
Wir müssen noch einmal zur Inschrift zurückkehren. Wenn
sich der Ausdruck χώ βωμός ποτεποιήθη auf die eben errichtete
Kapelle der Aphaia bezöge, wie wunderlich wäre er. Das für
ein Heiligthum wesentlichste, der Altar, wird nicht ^zugefügt*;
der οΤκος ist ohne ihn gar nicht denkbar. Die Inschrift kann
ausser von dem Hause der Aphaia von allen Theilcn des Te-
menos berichten, in dem sie aufgestellt war: es wurde dem vor-
handenen Altar der Artemis ein zweiter beigesellt. Da der Aus-
^ Unter den sehr wenigen Weihinschriften von Aegina gilt eine
neben Zeus und Athena der Artemis (LeBae, Voyage II 1G83).
^ üeber die Bedeutung der Athena im Giebel vergleiche man die
schönen Ausführungen Furtwänglers, Beschreibung der Glyptothek
S. 156 f.
15β Fränkel Die Inschrift der Aphaia aus Aegina
druck auf die Kapelle der Aphaia nicht passt, ist er eine Be-
stätigung, dass sie nicht allein stand. Unter ό έλέφας versteht
Furtwängler das elfenbeinerne Cultbild der Aphaia, für das aber
so wenig wie für ihren Altar das Verbnm angemessen wäre ; das
richtige Wort wäre Ιδρύθη. Aber wo hat 6 έλέφας diese Be-
deutung? Es ist als ^ der Elfenbeinschmuck' aufzufassen; auch
zu diesem stimmt ποτβποιήθη nicht, wenn er an dem neuen
οίκος gleich bei dessen Bau angebracht worden wäre. Also wird
auch er dem schon bestehenden Tempel hinzugefügt worden sein,
wohl seiner Thür, wie die Thür des Asklepiostempels von Epi-
dauros nach Zeile 65 der Bauinschrift reich mit Elfenbein ge-
schmückt war. Der περίβολος hat natürlich den ganzen Bezirk
umschlossen: unsere Inschrift giebt Kunde von seiner Ausge-
staltung, in der die Kapelle der Aphaia nur ein Glied war.
M. Fränkel.
MISCELLEN
Zam I. Strassbnrger Arehiloehos-Fra^ente
R. Reitzenstein, Zwei nene Fragmente der Epoden des Ar-
obilochoe, Berl. Sitzgeber. 1899 S. 857 ff. las in dem I. Frag-
mente, das die Verwünflchung eines eidbrüchigen Freundes ent-
hält und von Hör. Epod. 10 frei nachgeahmt ist, in Zeile 3 €u-
φρον€(Τ . . . und ergänzte dieses mit H. Diels zu €ύφρονέ(ΐ[τατα].
Der kalte Hohn dieser Litotes passt recht gut zum scharfen
Grundtone des Gedichtes, wirkt aber nach meinem Gefühle nicht
mehr recht, nachdem schon γυμνόν vorausgegangen ist. F. Blase,
der die Papyrusbruchstücke selber studiren konnte, sah bloss €u•
Φρον[ . . und ergänzte dies im Rhein. Mus. 55 (1900) »S. 343
zu γυμνόν €ύφρόν[ιυν βροτών]. Diese Ergänzung trifft schwer-
lich das Richtige. Der Ausdruck ist viel zu matt für dieses Ge-
dicht. Der Sinn von γυμνόν wird durch den dazugesetzten Ge-
netiv abgeschwächt; der Schiffbrüchige strandet ^nackt', nicht "^der
Hilfe wohlwollender Sterblichen bar'. Aehnliche Einwände erhob
gegen den Vorschlag von Blass auch neulich Am. Hauvette,
Revue des 6tud. grecq. 14 (1901) S. 73, ohne jedoch selber eine
Ergänzung der Stelle zu wagen.
In €ύφρον . . . ist, wenn ich mich nicht täusche, ein das
Grässliche der Situation noch steigender Ausdruck zu suchen,
dieser aber dürfte €ύφρ6ν[ης (Τκότψ] oder σκότει sein. Ich ver-
mag freilich die Verbindung βύφρόνης (Τκότος nicht zu belegen,
ßnde sie aber durchaus unanstössig. Dass bei εύφρόνη früh
jede Erinnerung an den Grundbegriff der milden, freundlichen
Nacht oder gar der Freude (ευφροσύνη) verschwunden ist, zeigt
schon Hesiods μακραι γαρ έπίρροθοι εύφρόναι είσίν (W. u. Τ.
^60 : vgl. Goettling zu Vs. 524). Wollte trotzdem jemand in
unserer Stelle diese Grundbedeutung noch durchschimmern sehen,
so wurde, mein' ich, gerade das Oxymoron, der innere Gegensatz
der Begriffe εύφρόνη und σκότος, aufs Beste zum Stilcharakter
dieser Verse des Archilochos passen.
Paläograpbisoh steht, wenigstens bei der Lesung von Blass,
der von mir vorgeschlagenen Ergänzung nichts im Wege. Da
ich in dem Facsimile bei Reitzenstein weder ec noch iu zu er-
kennen vermag, so wage ich auch nicht, mit irgend welcher
168 Miscellen
Sicherheit zu behaupten, daRS, wie mir allerdinge wahrscheinlicli
i8t, über dem ο von €υφρον der Eest eines Accentes sichtbar
eei. Ist das der Fall, so ist €ύφρον€σ[τατα] unrichtig, während
die Ergänzung €ύφρόν[ης (Τκότψ] an Wahrscheinlichkeit gewinnt.
Wenn Keitzenstein Zeile 2 des gleichen Bruchstückes πλα•
εόμενος richtig gelesen hat — Blass erklärt, das Sigma nicht
zu erkennen — so scheint mir hinter diesem Worte ein Punkt
angemesen. Mit Vers 3 beginnt ein neuer Satz, der, durch die
Parenthese ^νθα ττόλλ' όναπλήσει κακά Ι bouXiov δρτον fbujv
unterbrochen, mit ^ίγει π€πηγότ' αυτόν seinen Abschluss findet.
Ist das wirklich so "^ungeheuer hart', wie Blass aaO. S. 344 be-
hauptet? Ist etwa die Verbindung von V. 12 ταυτ' έθέλοιμ' δν
ibeiv mit V. 13 δς μ' ήδίκησε, λάζ b' έφ' όρκίοις ίβη nicht auch
hart? Die Härte der Construction darf in einem Gedichte, wie
dem vorliegenden, nicht Anstoss erregen. Uebrigens ist dae
Nachhinken von ^ίγει πεπηγότ' αυτόν durch die Epanalepsis von
αυτόν gemildert, während dieses αυτόν, wenn es auf ein ihm
näher stehendes Yerbum als Xaßotev bezogen werden müsste,
geradezu lästig wäre.
Frauenfeld (Schweiz). Otto Schulthese.
Dionyg de Lysia p. 32, 12 (p. 496 R.)
Dass der Guelferbytanus und die mit ihm verwandten inter-
polirten Handschriften (interpolirt nenne ich sie auch noch, nach-
dem Blass ^ das Gegentheil behauptet hat) im iudicium de Lysia
gelegentlich einen Text bieten, der auf den ersten Blick sich als
ganz vortrefflich empfiehlt, aber trotzdem im Widerspruch zu dem
durchgehenden Sprachgebrauch des Autors steht, habe ich Fleck.
Jahrb. 1895 S. 243 ff. an zwei Beispielen deutlich zu machen
versucht. Die Sache ist ja doch auch für die Kritik der bei
Dionys erhaltenen Lysiasreden von prinzipieller Bedeutung. Des-
halb füge ich hier einen neuen Beleg hinzu, weil sich durch ihn
auch Thalheim in seiner jüngst erschienenen Lysiasausgabe hat
täuschen lassen. S. 496 R nämlich bieten sowohl der Floren-
tinus als der Ambrosianus mit seiner Sippe: τήν iUiaöiv όπό
τών ύπ' εκείνου γραφεντιυν ποιήσομαι, eine Lesung, die selbst-
verständlich unmöglich ist. Im Guelferbytanus nebst Verwandten
dagegen steht την έΗέτασιν άπό τών ύττ' εκείνου γραφιέντων ποιή-
(Τομαι; das scheint einleuchtend, und so haben denn alle früheren
Herausgeber und neuerdings wieder Thalheim geschrieben. Aber
der feststehende Brauch fordert die Verwandlung von ύπό in
έττί, wie ich hergestellt hatte. Wenn irgend ein Schriftsteller,
80 hat Dionys seine stehenden Redensarten; schon die Zusammen-
stellungen von Sadoe könnten dies jedermann veranschaulichen*.
1 Vgl. jetzt auch Fuhr, G. G. A. 1901 S. 105.
* De Dionysii Ual. scriptis rhetoriois p. 261 (177) sq.
Miscellen 159
Also zB. de Dem. p. 976 πάρεστι τφ βουλομένψ σκοπεΐν έπ'
αυτών ποιουμίνψ τών παραδειγμάτων την έ^έτασιν, ρ. 1001
τήν άκριβεστάτην βάσανον έπι τών ομοίων ίργων λαβουσαι
{άηο sollte man hier doch wahrhaftig eher erwarten), p. 1008
πάρεστι τφ βουλομένψ σκοπεΐν έπι τής άρτίως παρατεθείσης
λ^εως ποιουμένω την έΗέτασιν vgl. de Isaeo ρ. 592. άπό
findet eich in dom Zusammenhang überhaupt meines Wissens
nirgendwo, wohl aber έπί noch als das gewöhnliche in ähnlichen
Verbindungen: vgl. έπι τών παραδειγμάτων σαφές τι ποιεϊν
de Dem. 1118, ίσται δέ τοΟτο φανερόν έπι τών παραδειγμά-
των de comp. ρ. 86, άπεδείκνυον έπι τών παραδειγμάτων
ebd. ρ. 180, άπαντα έπεΗιέναι έπι τών παραδειγμάτων ebd.
ρ. 170, έρώ δ' έπι παραδείγματος ebd. ρ. 46, ει τις αυτό έπι
παραδείγματος ϊδοι de comp. ρ. 44, σκοπεΐν έπι παραδειγμάτων
ebd. ρ. 181 ^
Bonn. L. Badermaoher.
Zu Pseado-Sallnete lavectiva
Die Invective — oder richtiger Replik — Psendo-Sallusts
gegen Cicero haben im Jahre 1898 gleichzeitig und unabhängig
von einander H. Wirz in den 'Festgaben zu Ehren Max Büdingers'
S. 89 — 116 und R. Reitzenstein im Hermes XXXIII S. 87—101
mit einem Anhang von E. Schwartz S. 101 — 108 sehr eingehend
bebandelt. Wesentliche üebereinstimmung herrscht in den bei-
derseitigen Besprechungen darin, dass die Invective nicht von
demselben Verfasser herrühren kann, wie die angebliche Replik
Ciceros — die eigentlich eine Duplik sein sollte — , und dass
die Invective sich in das Jahr 54 v. Chr. stellt, während die
'Responsio diese Zeitgrenze nicht einhält und überhaupt auf viel
spätere Abfassung hinweist, wie ja auch nur für oallust* die
Bezeugung Quintilians vorliegt. Während aber Reitzenstein und
Schwartz in lebhafter Ausführung das Pamphlet nun wirklich in
das Jahr 54 setzen, ja Schwartz sich und Anderen einreden möchte,
dass es von L. Piso herrühre, hat sich Wirz von solchen hitzi-
^ Noch an einer anderen Stelle hat Thalheim gegen den Sprach-
gebrauch des Dionys Verstössen, indem er p. 483 R (S. 23, 22 unserer
Aasg.) mit den Aelteren καΐ δή καΐ τόν Λυσίαν έν τούτοις καταριθμείται
schrieb. Wenn ich aus überlieferten καταριθμεί καΐ vielmehr κατηρίθ-
μηκ€ gemacht hatte die Aenderung ist an sich wohl nicht weniger
leicht; ein itacistiecber Fehler), so leitete mich hierbei nicht der Wunsch,
etwas anderes zu drucken, als meine Vorgänger gedruckt hatten, son-
dern vielmehr die Beobachtung, dass Dionys und Diodor zwischen
καταριθμεΐσθα{ τι und καταριθμείν τίνα iy τισι scharf unterscheiden;
damit war für unsere Stelle die Richtschnur der Behandlung gegeben
(vgl. Rhein. Mus. 1896 S. 475, wo die Beispiele stehen). Das plötzliche
Eintreten des Perfekts nach vorhergehendem Präsens hat bei Dionys
kein Bedenken; so de Din. p. 640 R: προοιμιά^εται γάρ όμο(ως έκε(νφ
καΐ 6ι' δλου τοΟ λόγου παραπλήσιος μεμένηκε.
160 Miscellen
gen üebertreibungen und sensationellen Aaf stellangen frei gehalten
und das Produkt mit Recht auf eine Linie gestellt mit des Psendo*
Antonius und Pseudo-Catilina Heden 'in toga Candida , von deren
Abfassung durch Ciceros 'obtrectatores' wir bei Asconiue lesen
(während Quintiiian die erstere, wie unser ^Sallustianum^, fSr
echt gebalten zu haben scheint), und mit ähnlichen Apokryphen^.
Dass die alten Khetoren und Rhetorschüier, wie die Historiker,
solche für bestimmte Personen und Situationen fingierte Reden
übten und verübten, ist ja bekannt genug: und so gewiss ihnen
dabei oft und leicht Anachronismen begegneten, so heisst es doch
nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die vielfach vorliegende
Thatsächlichkeit besser in die Zeit eingepasster Erzeugnisse arg
verkennen, wenn man sich gleich zu solchen Schlüssen versteigt,
wie die beiden Strassburger Collegen. Vollende die Schwarte* sohe
Hypothese ist geradezu unbegreiflich und unmöglich ^ Wenn er
sich dHfür auf die Bezeugung einer Pisonischen Schmähschrift
durch Cicero selbst beruft, so spricht ja gerade dieses Zeugniss
auf das Klarste gegen seine Ansicht: denn da ist die Rede ganz
deutlich von einer Schrift unter Piso^s Namen. Nun verstehen
wir nach dem^ was Wirz noch besser als Reitzenstein bemerkt
und belegt hat, sehr wohl, wie die Maske Sallusts, und eben
auch in jener Zeitgrenze, zu der Invective benutzt werden konnte:
wie aber Jemand die noch viel verständlichere und hervortreten-
dere Rolle des Piso dem Sallust hätte unterschieben sollen, das
ist doch mehr als dunkel und unklar. Was aber im Einzelnen
noch zur Unterstützung der Annahme dieser Autorschaft vorge-
bracht oder vielmehr mühsam zusammengesucht wird, das ist so
fadenscheinig und schleierhaft, dase der scharfsinnige Urheber der
Meinung sie vielleicht schon jetzt selber nicht mehr ernsthaft
nimmt. Jedenfalls lohnt es nicht gegen diese Windmühlen zu
kämpfen : wohl aber erscheint es angezeigt eine einzelne Stelle
zu besprechen, bei der Reitzenstein und Schwartz gänzlich in die
Irre gegangen sind, während Wirz sie zwar richtig beurtheilt,
aber nicht richtig behandelt hat.
Bei den Worten quo iure cum de exilw tuo Dyrrachio re-
distif eum insequeris hat Reitzenstein p. 88, 3 mit Recht die Ver-
suche älterer Herausgeber und Jordans, sowie Eussners Conjectur
abgewiesen und sich mit Vogel für hisequeris (nicht sequerü) ent-
^ Die sehr problematischen Versuche von Wir«, Benatzung der
Briefe Ciceros uä. nachzuweisen, lassen wir auf sich beruhn. Die lieber-
einstimmuDgen sind keineswegs so schlagend und die Lückenhaftigkeit
unserer Kenntniss, gerade was die damalige Tageslitteratur betrilTt, ist
kaum in Anschlag gebracht.
^ Als 'unwahrscheinlich' hat sie gleich Schanz in der zweiten
Auflage seiner Litteraturgeschichte bezeichnet. Auch Peter in den Ab-
handlungen der Kgl. Sachs Ges. d. W. XXI, 1901, 3 S. 175, 1 deutet
seine Skepsis gegenüber den neuen Ofl'enbarungen an. Dagegen haben
Schlee (im Jahresbericht) und Maurenbrecher (in der Anzeige von Wins)
sich beifällig geäussert.
MiBoellen 161
echieden, folgert aber plötzlich und unvermittelt ^e ο m i t (?) iet
die Annahme einer Lücke unvermeidlich' und ergänzt: (qui cum
capitis periculo amnes pro te lahores exanclavit) oder (qui pro te
capitis periculum suhiÜ^) quo iurCy cum de exilio tuo Dyrrachio
redisti, cum insequeris? Er denkt dabei an Horteueius (vgl. pro
Mil. 37), wenn auch natürlich alles unsicher sei. Man braucht
diese Periode bloss im Zusammenhang der Sätze bei Reitzeustein
selber zu lesen, um sofort zu fühlen, dass sie aus der Umgebung
volietändig herausfällt und stilwidrig ist.
Schwartz aber meint S. 105: die Erwähnung? des gewöhn-
lichen und üblichen Hafens für die Ueberfahrt nach Italien Hesse
sich zwar allenfalls daraus erklären, dass Cicero die letzten sieben
Monate seines Exils in Dyrrachium zubrachte, er möchte sie aber
doch in eine eigenthümliche Beleuchtung rücken durch den Gegen-
eatz zwischen dem verbannten Consnlaren und dem Proconsul
Makedoniens, der von demselben Hafen aus zurückgekehrt war, und
dem Cicero gerade die schmähliche Abreise von Dyrrachium bei
Nacht und Nebel vorgerückt hatte (in Pis. 93), — aber auch er
muss das für unsicher erklären, weil der Zusammenhang, in dem
der Satz stehe, wegen der schweren Verderbniss wohl immer un-
klar bleiben werde.
Nun, die Erwähnung von Dyrrachium ist nicht nur durch
die sieben Monate, sondern vor Allem durch das, was Cicero pro
Plancio 97 f. und anderwärts sagt, hinlänglich gerechtfertigt:
und gewiss hat Wirz ohne zureichenden Anlass und ohne Wahr-
scheinlichkeit Byrrachio als Glossem eingeklammert. Eine Be-
ziehung aber, wie sie Schwartz hineinlegen möcl^te, ist nicht nur
unsicher, sondern ganz unannehmbar — selbst abgesehen von
dem Ungrund seiner ganzen Hypothese — , weil auch etwas der-
artiges aus dem Charakter und Zusammenhang der ganzen Partie
vollständig herausfallen, durchaus stilwidrig sein würde.
Wie Reitzeustein an Hortensius denken konnte, ist trotz
pro. Mil. 37 unerfindlich: mit Recht sagt Wirz p. 107 es 'liege auf
der Hand' die Worte auf das Verhältniss von Cicero zu Porapejns
zu beziehen und mit Recht hat er es nicht für nöthig gehalten
dafür die bekannten Zeugnisse, wie pro Sestio 74. 104; in Pis.
35. 80 ; pro Mil. 39, anzuführen. Wenn aber Wirz für quo iure
cum schreibt quo auctore, so ist diese Aenderung zunächst äns-
serlicb ohne jede Probabiiität; sodann aber verstehen wir auch
nicht, wie in dieser Form sich der Satz anscbliessen kann an die
Worte cui in civitaie insidias fecisti, anciU^xris^^ die doch eben-
* cuiua tu ϋϋαε insidias fecisti^ (ei) ancülaris schreibt Wirz,
während Reitzenstein in dem überlieferten in civitate einen eigenthüm-
Hchen Ausdruck für *im Frieden* sehen möchte, der zugleich die Worte
de exilio vorbereiten und verschärfen solle. Das letztere ist, auch
abgesehen von der gleich in Frage zu stellenden Folge der Worte in
ciOÜate — de exilio, kaum recht verständlich ; das erstere ist nicht nur
'eigenthümlich', sondern höchst künstlich: und an diese Klauberei zu
fUi^in. Mus. f. Phllol. N. F. LVII. 11
162 Miscellen
falls ohne Weiteres und ohne Zweifel auf denselben Pompejue
drehen. Das war wohl auch der Grund, weshalb Reitzenetein von
der einfachen und wahren Erklärung der Stelle quo iure etc.
abirrte. Diese scheinbare Schwierigkeit findet aber die schnellste
Lösung und zugleich gewinnt die Frage der Herstellung des
Sinnes in jener Stelle eine entschiedene Forderung, wenn wir
wenige Zeilen später lesen : quem maxime odisti^ ei maxime oh-
sequeris. Dass die fraglichen Worte im Gegensatz zu diesen
stehen, also auch wirklich zu ihnen zu stellen sind, indem wegen
der gleichen Form insequeris nach ohsequeris der erste Satz aus-
gelassen und dann vom Hand an falscher Stelle nachgetragen
wurde, das schlägt doch in die Augen und ist um so sicherer,
als nicht nur die Formen quem — ei öbsequeris und quo (?) —
eum insequeris sich vollkommen entsprechen, sondern auch die
Verba odisti und redisti an einander anklingen (wie unmittelbar
vorher laedis^ laudas). Damit ist aber auch schon nahe gelegt,
dass dem quem — ei in der Umkehr cui — eum entsprach^ und
dass zu iure der dem odisti entsprechende Gegenbegriff aus dem
sinnlosen cum zu gewinnen ist: ich denke intumus (iTum* liegt
ja bis auf ein paar Striche in cum) oder ein Synonymum, das
beim Nachtrag der Stelle am Rand verstümmelt wurde*. Wir
lesen also: quae tibi partes rei puhUcae placent? quetn amicumj
quem inimicum hohes ? cui in civitate (? inciviWer ?) insidias feci-
sti, anciliar is; quos tyrannos appdlabas, eorum potent iae faves; qui
tibi ante optimcUes videbantur, eosdem nunc dementes ac fariosos
vocas; Vatinii causam agis^ de Sesfio male existimas; Bibulum
petuJantissimis verbis laedis^ laudas Caesarem; quem maxime odi-
sti, ei maxime öbsequeris : cui iure intumus (?) de exilio tuo Dyr-
rachio redisti^ eum insequeris; aliud sfans, aliud sedens de rt
publica sentis; his male diciSt illos odisti, lenissime transfuga, nt-
que in hac neque in illa parte fidem habens ! Ich denke die Ver-
besserung durch die Umstellung macht sich an beiden Stellen
gleichmässig geltend, und wir dürfen im Gegensatz zu Schwartz
sagen, dass wir, wenn auch nicht den ursprünglichen Wortlaut,
glauben mag noch weiter hindern, dass in hac civitate unmittelbar vor-
hergeht. Ungern möchte man aber so stark eingreifen, wie Wirz thut,
und cui ändern, um dann ei einschieben zu müssen. Vielleicht st-eckt
in incivitate ein Adverbiuin, wie incogitate oder inciviliter.
^ cui statt quo, niclit quoi, was äuBserlich, vollende vor iure, näher
läge, da auf solche Kelativformeu in der Ueberiieferung dieses Stückes
nichts hinweist und cui iure auch ohnedies, vollends nach der Verstüm-
melung des nächstfolgenden Wortes, leicht zu quo iure werden konnte.
^ Passend wäre cui iure addictus, so dass cum aus dem Reste
auf nach Ausfall von addi enstanden wäre. Darauf könnte in der re-
sponsio Cicero's hinweisen 4,11: non enim uni privatim ancillatus sum
neque mc addixi, und wenn diese Beziehung vorläge, so würde sie
dafür sprechen, dass schon dem Verfasser der responsio (Didius?) die
beiden Sätze cui — oncillaris und cui iure addictus — insequeris neben-
einander vor Augen standen, sei es bloss wegen der gleichen Beziehung,
sei es wegen der schon eingetretenen Verstellung.
MiBcellen 163
βο doch den SiDn und ZueammeDhang des hier ausführlich be-
sprochenen Satzes trotz der Verderbniss sicher und klar erfassen
können. Auch die Wiederholung von {illos) odisti nach {mcutime)
odisti fällt bei unserer Wiederherstellung kaum mehr unangenehm
auf: und schwerlich werden wir mit Wirz illos adularis oder et-
was ähnliches dafür einzusetzen veranlasst und berechtigt sein.
Aber auch dass wir die von Reitzenstein und Schwartz be-
hauptete Lückenhaftigkeit in diesem Falle anzuerkennen weder
genöthigt noch auch nur im Stande waren, hat noch weitere Be-
deutung. Denn auch anderwärts^ beruht die Annahme von Ver-
lusten, die Bezeichnung unseres Stückes als Fragment oder £x-
cerpt nur darauf, dass das Vorliegende den Ansprüchen, Vor-
stellungen und Behauptungen in jener phantasiereichen Doppel-
behandlung des Hermes nicht entspricht. Reitzenstein sagt uA.
S. 93 f., dass den Namen Sallust die Invektive erst erhalten konnte,
als dieser Theil oder diese Theile aus einer grösseren Rede
ausgelöst und isolirt waren, dass der Schlusssatz wohl einen
Theil, nicht eine vollständige Rede beenden könne,
es sei Urumöglich, dass eine Rede, welche sich selbst als
Antwort gibt *und den Redenden in Gefahr zeigt' (?), keinerlei
Vertheidigung, kein Eingehen auf die Anschuldigungen des Geg-
ners enthalte. In vollster Uebereinstimmung sagt Schwartz uA.
S. 103: 'nur die Invektive ist erhalten, die Vertheidigung ist
verloren* und zieht daraus weitere Schlüsse.
Allein die Eingangsworte stellen ja mit der wünschenswer-
thesten Deutlichkeit fest, dass der Autor lediglich auf Cicero'«
maledicta mit maledicta erwidern will: nur um 'persönliche Be-
merkungen', nicht um eine wirkliche Debatte handelt es sich in
diesem angeblichen Auszug aus einer höchst unparlamentarischen
parlamentarischen Verhandlung des Senats aus der Zeit Cicero's
und Sallusts. Wer also hier neben dem ψόγος die άττολογία
vermipst und für notbwendig verloren hält, der verlässt das Ge-
biet nicht nur der Interpretation, sondern auch der berechtigten
Divination.
Heidelberg. Fritz Scholl.
Die Verse des 'Vallegios' iD der Vita TereDtii
Üeber den Namen des Dichters der drei Verse, welche
Donat in dem Anctarium zu Suetons Vita Terentii anführt, ist
man im Unklaren und wird man ohne unerwartete Hilfe wohl
immer im Unklaren bleiben: denn die äusserlich naheliegenden
Aenderungen Val[lejgius und Vagellius empfehlen sich sachlich
* Wenn Reitzenstein S. 94, 1 schon vor ubi querar und dann
wieder vor verum ut opinor einen grösseren Ausfall *zu empfinden meint*,
so läset sich über solche EmpBndimgen natürlich nicht streiten: wer
sie nicht theilt — uhne freilich darum das Ganze loben zu wollen — ,
der wird für minder feinfühlig gelten müssen!
164 MisccUen
keineswegs und die sachlich empfehlenswertheren Valerius oder
Volcacius hahen kaum äussere Wahrscheinliohkeit.
Dem gegenüber herrscht über den Wortlaut ziemliche Ue-
bereinstimmung. Aus dem tiberlieferten (Scipionis fabulas edi-
disse Terentium Vallegius in actione aU) hae quae vocantur fabu-
lae cuiae sunt non hos qui iura populis retentibus (oder recensen-
Uhus) dabal summo honore affecius fecU fabiUas hat Ritsciil nacb
verschiedenen Anläufen hergestellt (den Eingang mit Windisch-
mann und Fleckeisen):
Tuae, Terenti, quae vocantur fabulae
Cuiae sunt ? non has iura qui populis dabat
Summo ille honore affectus fecit fabulae?
und diese Fassung haben uA. Dziatzko und Fleckeisen in ihre
Terenzausgaben, Wesener in seine im Druck befindliche Donat-
ausgabe aufgenommen ^.
Dass aber in drei Senaren eine Buchstabenänderung, zwei
Einschiebungen — die eine mit zweifelhaftem Anhalt an einer
anderen Stelle ~, eine 'Streichung und eine Umstellung vorge-
nommen sind, kann gewiss nicht das Gefühl der Sicherheit oder
auch nur der Wahrscheinlichkeit geben, wenn auch eine derartige
Yerderbniss nicht geradezu unmöglich genannt werden kann.
In diesem Fall kommen wir aber bei genauerem Zusehen
auf eine einzige ganz sichere Yerderbniss, für die allerdinge eine
einigermassen sichere Heilung kaum zu finden sein wird : im
Uebrigen lassen sich durch richtigere Auffassung der Ueberliefe•
rung Aenderungen vermeiden.
Um mit dem nächstliegenden zu beginnen, so zeigt der
zweite Vers einen entschiedenen Ueberschues, während der dritte
einen Defekt, nicht im Sinne, sondern im Metrum aufweist. Da-
raus wird einfach zu schliessen sein, dass dabat nicht ans Ende
des zweiten, sondern an den Anfang des dritten Verses gehört
und durch
Dabat, summo honore affectus fecit f&bulas
jeder Anstoss und jede Aenderung zu vermeiden ist. Wir haben
genau den gleichen Fall, wie bei der Grabschrift des Pacuvins,
in der man den ersten Vers bis vor Kurzem mit rogat schloes
und dadurch vorher und nachher zu Einrenkungen genöthigt
war, während die vor einigen Jahren ans Licht gekommene in-
1 Vgl. Ritechl Opusc. III p. 214. 268-274. Etwas abgewichen
ist Spengel in seiner Andriaausgabe p. V, indem er im letzten Vers
die alte Umstellung des Erasmus Honore summo vorzieht, im ersten
Hae läset und am Ende Terenttae zusetzt. Viel schonender ist diese
Behandlung auch nicht, und er hätte wenigstens ( TerefUia)nae q. v. f.
mit Barth schreiben sollen. Schanz aber in seiner Litteraturgeschichte
I*p. 118 f. benutzt den rein conjecturalen Vocativ Terenti in der obi-
gen Fassung zu weiteren Folgerungen, Siehe unten. Anders, aber
nicht gelinder und nicht ohne gröberen Fehler, hat Bährens FPR.
p. 280 die Verse gestaltet.
Miecellen 165
ecbrift liehe Parallele bewies, dase rogott zum folgenden Vere ge-
hörte und nur vorher eine leichte Nachbesserung zu treffen war.
Aber auch im ersten Vers hilft eine ganz ähnliche Mass-
nahme über iuae ( Terenti) statt hae oder ähnliche Gewaltmase-
regeln hinweg. Allgemein hat man in den nach Vallegius fol-
genden Worten in actione ait den Titel des Gedichtes gesucht
und dafür eine ganze Reihe von Besserungsvorschlägen ohne jede
Wahrscheinlichkeit ausgesonnen oder so künstliche Erklärungen,
wie Schanz (s. o. Anm.), der aus dem gar nicht überlieferten
Terenti auf die Form der (Gerichts)verhandlung = Actio schloss.
Schreiben wir aber — was doch gar keine wirkliche Aenderung
ist — in actioneim), so ergibt sich sofort, dass diese Worte nicht
den Titel, sondern den Anfang des Citates vor dem eingescho-
benen ait enthalten, und Scipionis — Vallegius zusammengehört mit
dem vorhergehenden: nam duos Terentios poetas fuisse scribU
Maecius,
In iotionem hae quao vocantur fdbulae
gibt einen untadeligen Vers und Sinn: die Redensart in actionem
vocare stellt sich zu den bekannten in iiis, in iudiciumy in rostra,
in certamina vocare uäm. und es wird in höchst passender Weise
die Frage als eine Verhandlung über litterarisches Eigenthum
bezeichnet, was aus ^Aotio* als Titel weder ohne Weiteres zu
entnehmen war, noch eine glaubliche Vorstellung für ein ganzes
litterarhistorisches Gedicht erwecken kann.
So bleibt nur die wirkliche und schwere Corruptel des
mittleren Verses :
Guiae sunt? non has qui iura populis retentibus (recen-
sentibus).
Ist die überlieferte Stellung qui iura richtig, so muss auf iura
ein vocalisch anlautendes Wort gefolgt sein: man könnte denken
an amplis^ so dass nach Wegfall des ü nach (iur)a aus plis ge-
lesen wurde populis und dann aus gentibus entstanden wäre re-
gentibus mit weiteren Corruptelen; oder es könnte poplis den
Vers geschlossen haben und davor ein Adjektiv von der Messung
optdeniis aus dem folgenden sinnlosen retentibus zu suchen sein.
Auch qui iura opsirepentibus Dabat wäre denkbar. Stellt man
dagegen mit Ritsohl iura qui um, so könnte populis bleiben und
entibua
dazu am Schluss etwa recens treten, aus recens die Ueberlieferung
der Handschriften erklärt werden. Das alles sind nun freilich
vage Möglichkeiten oder kritische Spielereien ; in dessen dieses
Kreuz ist ja auch bisher nur durch einen Gewaltakt entfernt
worden : und wenn auch Andere mit uns nur hier hängen bleiben
sollten, so wäre immerhin schon Erkleckliches gewonnen.
Heidelberg. Fritz Scholl.
16β Misoellen
Ζα Ammianati MareelliDve
Ammianus Marc. 30, 5 § 19: Valentinian kann sein Pferd
nicht besteigen, da es sich bäarat ; der jähzornige Kaiser befiehlt
daher, seinem Stallmeister die rechte Hand abzuhauen. Die
Worte lauten: (Valentinianus) Sit erat inmanis, dexteram stratoris
militis iussit abscidi, quae eum insilientem iumento pulsercU con-
sueiu: perissetqoe cruciabiliter innocens iuvenis, ni tribunus eta-
buli Cerealis dirum nefas cum sui periculu di8tuli8set\ So ist
überliefert. Statt 'pulserat' hat Gardthausen mit C. F. W. Müller
'pulsaraf eingesetzt; das folgende Wort war früher in der (sonst
nicht vorkommenden) Form 'consueto* beibehalten worden, während
Gardthausen dafür Kiessling's Vermuthung 'inconsulto aufgenom-
men hat. Keine dieser Aenderungen ist befriedigend. Hätte der
Strator den Kaiser geschlagen, gepufft*, wenn auch *obne Vor-
bedacht* (der Zusatz* wie gewöhnlich* ist natürlich ganz unzulässig),
so wäre er nicht innocens gewesen. Ohnehin entfernt sieb die
Aenderung 'inconsulto' recht weit von der Ueberlieferung. —
Der Kelativsatz braucht aber den Zornausbruch Valentinian*8 gar
nicht zu begründen. Charakteristisch für diesen Kaiser ist gerade,
dass er gegen den Stallmeister trotz dessen Unschuld wüthet
Es ist zu lesen fulserat consuete. Steigbügel hatte man
damals nicht; um so mehr war es üblich, dass man beim Auf-
steigen sich von Jemand mit untergehaltener Hand auf das Pferd
hinaufhelfen liess ; vgl. zB. 22, 1 ii 2 *milite, qui se (Inliannm)
insessurum equo dextra manu erexit*. Dies hatte der Stall-
meister wie gewöhnlich (consuete), so auch iu diesem Falle ge-
than. Das Adverbinm * consuete' braucht Ammian auch 23, 2 § 8.
Heidelberg. Karl Zangemeister.
Zu dem sogenaDnteii Lactantiui Placidus
Bd. LVl S. 346 A. 2 möchte R. Helm seine Vermuthung über
Ovid met. Vü 762 durch den Kommentator '[^aotantius Placidus'
stützen, *si oertum esset libri VO fabulam XXVUI ab eo Rcrip-
tam esse. Aber die ganze Partie von den Worten Cephälus
autem amoris inpcUientia (fab. XX VU) bis zum Schluss von XXVUI
hat gar keine handschriftliche Gewähr: die Ueberlieferung so-
wohl in Μ als auch in dem stark interpolirten N(eapol.) endigt
in XXVH mit altis (aliis N) se recondidü (recondit N) saltibus
und hebt erst wieder in XXIX mit Hie etim assidue Dianae
studio feras persequereiur an. Das fragliche Zwischenstück ist,
wie schon Muncker bemerkt hat, von Rainerius interpolirt. Auf
den Namen Lactantius Placidus, den die gute Ueberlieferung nicht
kennt, wird man verzichten müssen.
Stettin. Georg Knaaok.
Misccllen 167
Zu Ayianas
Die Fabeln Avians hat Lachmann ins Zeitalter der Antonine
hinanfrücken wollen, was lieut wohl nllgemein aufgegeben ist.
Aber schon die Vorrede für sich allein würde genügen, Lach-
manns Datirung zu widerlegen. Sie zeigt accentuirten Satz-
echluss^, ist also frühestens aus der zweiten Hälfte des vierten
Jahrhunderts. Freilich muss man sie nehmen, wie sie in den
Hse. überliefert ist; die Kritiker haben ihr übel mitgespielt.
Man betrachte nur den Anfang:
Duhitanfi mihi, Theodosi optirMj quonam lifferarum fitulo
nostri nominis memoriam mandaremuSy fabularum tcxtus
occurrii, quod in fiis urbane concepta falsitas deceat et
non incumbat necissitas veritatis. nam guis tecum de ora-
Hone, quis de poemate Joqueretur, cum in utroque littera-
rum genere et Atticos graeca erudiiione superes et lati'
nifäte Romanos.
Hier hat Lachmann gleich den ersten Satzschlass zerstört:
er fand in seiner ältesten Hs. den Singular mandarem^ der zu
dubitanti mihi zu passen schien, und bezog noster^ das sich nicht
wegschaffen liess, wohl auf den Verfasser und den Adressaten
zusammen : quonam litierarum tiiulo nostra nomina memoriae man-
darem. Aber nachher heisst es ja huius ergo matericte ducem
nobis Aesopum noveris und fecimus, und dazwischen sum conatus,
so dass man sieht, Avian wollte abwechseln, und dass er hier
den Plural wählte, geschah gerade um des Cursus willen.
^ Wilhelm Meyers weittragende Entdeckungen (Ooettinger ge-
lehrte Anzeigen 1893 S. 1 ff) sind zwar durch Nordens antike Kunst-
prosa in weiteren Kreisen bekannt geworden ; aber die Beachtung, die
ihnen gebührt, haben sie noch immer nicht gefunden. Was wir zu-
nächst brauchen, sind Einzel Untersuchungen spätlateinischer Prosaiker;
und hier wird 4er Satzsohluss in allen Fragen der litterarischen wie
der Textkritik ein entscheidendes Wort mitzusprechen haben. Bisher ist
wenig in dieser Richtung geschehen. Gelegentlich haben Traube im
Cassiodor und ich in den Nachträgen zu Holdere Eulogius den Satz•
scbluss verwerthet; ebenso für Fragen der mittelalterlichen Litteratur
ich mehrfach: über die Satzschlüsse der Vita Bennonis (Ezcurs zu
Soheffer-Boichorst's Abhandlung, Berliner Sitzungsber. 1901, S. 163 ff.),
über die Translatio ss. .Mexandri papae et lustini prespiteri (Neues
Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschiohtskunde XXVI
751 ff.X die vier Papstbriefe in der Briefsammlung der h. Hildegard
(Neues Archiv XXVII 237 ff.). 6 μέν θ€ρισμός πολύς, ol δέ έργάται
6λ(τοι. — Soeben erscheinen Fragmenta Burana, herausf^egeben von
W. Meyer, in der Festschrift zur Feier des l.^Oj ährigen Bestehens der
Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 1901. Aus der
Fülle seiner Untersuchungen, die allen Seiten der mittellateinischen
Philologie reichsten Gewinn bringen, sind hier zu nennen die Ab-
schnitte über den quantitireuden rhythmischen Schluss der lateinischen
Prosa (S. 154), den accentuirten rhythmischen Schluss (S. 155) und den
Nutzen der Kenntniss des rhythmischen Schlusses (S 163), nebst den
Ausgaben einzelner Proben aus dem i^uerolus (S 153), Cyprian de mor-
talitate (S. 155) und Dantes Schreiben gegen die Florentiner (S. 15t>).
188 Misoellen
Nicht besser ist es der dritten Pauße ergangen. Ee ist
völlig gewiss, daes hier falsitas und veriias auf einander berechnet
sind. Lachmann aber glaubte den Gegensatz noch schärfer faesen
zu sollen : zu falsUas, meinte er, gehöre necessifas, und dem Be-
griff des urbane conceptum entspreche die severitas] also necessUa
scveritatis. Daran hat dann Bahrens mit einer seiner graphisch
aber auch nur graphisch, bestechenden Aenderungen angekn
und nun aunh die falsitas beseitigt, die durch salsitas ersetzt^'
werden soll. Aber man darf doch billig fragen, was denn a:
der rhythmisch tadellosen Ueberlieferung auszusetzen ist: di
Fabel erfordert nicht die strenge Folgerichtigkeit der Wirklichkeit
sondern ihr Gebiet i^t anmuthige Erfindung; wie falsitdtö un
verifas, so entsprechen sich urbane con^epia und necessitas.
Auch die vierte Pause ist der Kritik zum Opfer gefallen
aus loqueretur^ das Avian gerade dem Cursus zu Liebe gesetz*
haben wird, wenn auch Worte dieser Quantität im Cursus velor
selten sind, hat Bährens contendet^ EUis loquetur machen wolle:
Alle diese Conjecturen führen fehlerhafte Schlussformen eic — m
statt der besten Sohlussform, des Cursus velox s^^, ww^v-^. I
correct sind in unserer Ueberlieferung nur zwei mittelstark
Pausen, Aesopum noveris und ridere fecimus\ beide Schlüsse sin
weder rhythmisch noch quantitirend, aber für verderbt möchte
ich sie darum nicht erklären, da der Sinn kein Bedenken wec
und das Heobachtungsgebiet zu wenig ausgedehnt ist, um eiiK.
sichere Entscheidung zuzulassen : vielmehr wird Avian eher ζ
denjenigen Vertretern des rhythmischen Satzschlusses zu stelle
sein, die hier und da Ausnahmen zulassen.
Berlin. Paul v. Winterfeld.
Erstarrte Flexion von Ortsnamen im Latein
Bekannt ist, dass das römische Strassenbuch und die Pei
tinger Strassenkarte sehr häufig die Stationsnamen nicht im N<
minativ, sondern in einem der Casus obliqui aufweisen, die di
correcte Latein auf die Frage Wo, Wohin oder Woher verwende'
Nicht minder bekannt ist, dass im Mittelalter die Flexioneforme
vieler Ortsnamen erstarrt waren und einer der bezeichneten
sus als indeclinable Benennung der Ortschaft sich festgesetzt hatti
Ich brauche nur zu erinnern an Treveris (franz. Tr^vee), Tangrü- ^
(franz. Tongres), Parisiis oder (bis ins 15. Jahrh. häufig) Parit_
sius. Manche dieser erstarrten Ablative wurden sogar allmählio
als Nominative verwendet und die Namen danach deolinirt, il
Treverim, Treveri (Ablat.); vgl. meine Bemerkungen in de
Neuen Heidelb. Jahrbb. 2 S. 14. Auch der Accusatiy des
findet sich nicht selten, zB. Abrinratas, Redonas uA. (vgl. N.
J. 2 S. 10), und für den Abi. Sing, der 2. Decl. bedaif es b
seiner Häufigkeit keiner Belege.
Miscellen 169
Dieser Erstarrunge- Vorgang läest sich aber für viel frühere
Zeit nachweisen. Dass in jenen Itinerarien die Caeue obliqui in
den meisten Fällen nicht von den mittelalterlichen Abschreibern
herrühren, lehren die vier Reise-Becher aus Vicarello (Corp. XI
n. 3281 — 3284), die im Original vorhanden sind and offenbar
der gnten Kaiserzeit angehören. Auch hier findet sich der Nomi-
nativ sehr selten. Um nur Einiges anzuführen, so braucht n. I
meist den Accusativ, daneben aber Ocriclo, Aquis Vocontiis,
Parietinis. Nr. II und III ziehen häufig den Ablativ vor, bieten
daneben aber Rigomagi (-go III), Udum, Ambrussum, Glanum,
Ticinnm (-no III), Lambrum, Helvillura, Hispalim, Haesim, Si-
teras oder Saeterras, Baeterras (-rra III). In n. IV finden sich
neben Hasta, Dertosa auch Ugiae, Obuclae, Cordubae (selbst in
der Ueberschrift *ab Hispali Cordubae*, statt 'Cordubam'), ferner
Sagunto, Ocriclo, Foro Domiti, Tarracone, aber auch Traiectum
Rhodani, Alaunium, Laamellum, Ticinum; Haesim; Baeterras,
Cnttias, Clatemas. — In allen vier Exemplaren steht Ocriculo
(Ocriclo) ; desgleichen wiegen in allen vor die Formen Baeterras
(das 'Baeterra' in n. III ist nur Schreibfehler) und Taurinis (n.
IV hat Augusta Taurin.}.
Aber auch ausserhalb der Itinerarien finden sich Belege
dieser Erscheinung und zwar aus der frühen Eaiserzeit.
In der Grabinschrift des Perigenes (Arch. Zeitung 2, 1869,
S. 30; Bonner Jahrbb. 53 S. 151; Bücheier Anthol. n. 1268;
Corp. XIII n. 6429), die in das 2., vielleicht das 1. Jahrh. ge-
setzt werden darf, steht: [iwe]tn genuit Tea[n]o Sidicino^ statt
des Nominativs 'Teanum Sidicinnm'.
Und schon in Pompeji gebrauchte der Volksmund solche ver-
steinerte Namensformen; denn meines Erachtens ist hierher zu
ziehen die Wandinschrift, die höchstwahrscheinlich zu Nero^s
Zeit angemalt wurde (hgg. von Sogliano, Notizie d. sc. 1897 S.
198 und Mau, Rom. Mitth. 1898 S. 49): iudici{t)s Aug{ust%)
felic(ifer), PtUeoloSj Aniium^ Tegeano (zwischen Nola und Nuceria ;
auf der Peut. Karte 'Teglano' verschrieben), Pompeios: hae sunt
verae colonia[e\. Hier stehen Tegeano, Puteolos, Pompeios statt
der Nominative, und es ist nicht zufällig, dass gerade diejenigen
Casus hier auftreten, die auch in den Itinerarien häufig erscheinen.
Heidelberg. Karl Zangemeister.
SECVS statt SECVNDVS und Aelmliches
In Pompejanischen Wahlprogramm en finden sich eigenthüm-
lich verkürzte Formen von Personennamen, die ich im 4. Bande
des Corpus inscr. Lat. auf S. 10 und 264 zusammengestellt habe.
Es steht dort nämlich statt Cerrinium, Postumium, Proculum, Se-
cnndüm : Cerrium (n. 483 und vermuthlich n. 95), Postium (195.
1016), Procum (1081), Secum (693. 737). Diese gemalten Pla-
kate waren schon im J. 1865, als ich in Pompeji arbeitete, längst
170 Miscellen
verechwunden wie eo viele andere, aber die Zengnisse ettitzen eich
gegenfieiti^ urd sind als glaubwürdig zu betracliten. Die letzte
Form SECVS läpßt sich jetzt auch auR Steininschriften belegen, und
damit gewinnen wir auch für die übrigen eine Bestätigung. Auf
einem zu Zahlbach bei Mainz gefundenen Grabsteine, der ohne
Zweifel aus dem ersten Jahrhundert stammt (Brambacb n. 1220;
Becker Katalog 1875 n. 197) steht seats Meres)^ dh. 'eecnndns
heres , wie Becker bereits richtig erklärt hat. Dieselbe Form
weist mir v. Domaszewski aus stadt-römischen Inschriften von
equites singulares nach: Corp. VI n. 3176. 3223. 3304, auf denen
allen zu lesen ist seci^s her{es)] sie stammen wohl aus dem
2. Jahrhundert. — Diese Kurzformen, für die sich vermuthlich
noch weitere Belege finden werden, dürfen wir schwerlicli als
graphische Abkürzungen betrachten, da diese Art der Abbreviatur,
die im Unterdrücken von Silben und Silben tbeilen aus der Wort-
mitte besteht, erst in späterer Zeit, im 3. Jahrb , auftritt {^gL
Westd. Korr.-Blatt 1885 Sp. 5). Wahrscheinlicher ist die An-
nahme, dass diese Erscheinung dem Vulgärlatein angehört und
das Volk diese vielgebrauchten Worte oder Namen in der That
also ausgesprochen hat.
Heidelberg. Karl Zangemeister.
Das Stigma in lateinischer Schrift
In der Nähe von Mainz bei Laubenheim ist im J. 190O das
Fragment eines Grabsteins zu Tage gekommen, das in paläo-
graphischer Beziehung besonderes Interesse besitzt. Herausgege-
ben ist es von Koerber im Westd. Korr.-Blatt 1901 Sp. 3, von
mir kopirt nach einem vor trefifli eben Abklatsch, den ich demsel-
ben Gelehrten verdanke ■=■■ Corp. XITI n. 6948•. In der dritten
Zeile findet sich nämlich das st des Wortes 'stipendiorum durch
das Zeichen >\^ wiedergegeben. Die Grabinschrift gehört einem
Veteran der leg. XVI an, stammt also aus der ersten Hälfte des
ersten Jahrb. nach Chr., und es ist dies meines Wissene der äl-
teste Beleg für diese Ligatur in lateinischer Schrift, vielleicht über-
haupt der älteste, wenigstens scheint sie sonst, zB. auch auf
griechischen Papyri noch nicht nachgewiesen zu sein. Unzweifel-
haft ist sie aus der griechischen Schrift in die lateinische über-
tragen ; die Schreibmeister Eoms waren ja meist Griechen. Sie
muss im 1. Jahrb. schon recht verbreitet gewesen sein, denn
drei weitere Inschriften aus Mainz und Bingen (Corp. XIII n.
6902= Brambacb 1184; n. G958 = Bramb. 1211 aus Mainz und
n. 7506 = Koerber Kat. n. 44 aus Bingen) bieten SIP. statt STIP.
und lassen errathen, dass in der Vorlage dasselbe Zeichen für
Misütillen 171
ST stand, dieses aber vom Steinmetz nicht erkannt wurde; in n.
7506 ist vielleicht nicht S, pondern diese Nota anzunehmen, wenn
auch in ungeschickter Ausführung (vgl. das Facsimile bei Koerber).
Es verdient noch besonders hervorgehoben zu werden, dass
das Zeichen für die Zahl VI nur zufällig dieselbe Form hat. £s
findet sich schon auf einem griechischen Papyrus vom J. 146 vor
Chr. (Letronne, Journal des savants 1833 S. 330 mit Facs., vgl.
Wattenbach gr. Pal., Aut. S. 8), Wachstafel vom J. 167 n. Chr.
(Corp. III n. I, abgebildet von mir auf tab. A, numeri n. 15 und
1 6) ; spätere Belege aus griechischer Schrift findet man bei Gardt-
hausen gr. Pal. 1879 S. 265, aus lateinischer Schrift in den In•
dicee zum Corpus und zu Spezialsammlungen von christlichen In-
schriften. Diese Ziffer ist ofi^enbar aus dem Digamma oder Vau,
dem eechsten Buchstaben des Alphabets, entstanden, aber dann
und zwar schon früh mit dem Stigma confundirt worden.
Heidelberg. Karl Zangemeister.
DIVVS ALEXANDER
Johannes Chrysostomos vertritt in der XXVI Homilie über
den II Brief an die Korinthier (t. X p. 624* Montf.) die euhe-
meristische Ansicht über die Entstehung des Götzendienstes:!
ουτιυ γαρ και €ΐοιυλολατρ€Ϊαι την αρχήν έκράτησαν
τιϊιν ανθρώπων υπέρ άΗίαν θαυμαίομενιυν. ουτιυς 'Αλέ-
Eavbpov τρισκαιΟ€κατον ένόμισεν eTvai θεόν
ή σύγκλητος 'Ρωμαίων, και γάρ αυτή ταύτην (viell.
<^και) ταύτην) εΤχε την ά^ίαν, χειροτονεϊν και έγκρίνειν
θ€θύς.
Montfaucon steht dieser überraschenden Nachricht rathlos gegen-
über. Wie der römische Senat dazu gekommen sein solle Ale-
zander den grossen zu einem Gotte, und gar zum Xlllten zu
erklären, versteht er nicht, und vergeblich hat er sich nach einem
bestätigenden Zeugniss umgethan (s. auch t. X praef. p. VIIj;
nur die Zahl ist ihm durchsichtig: Alexander der gr. ist den
X7/ di consenfes hinzugefügt worden. Aber der Prediger spricht
von der Befugniss des Senate, einem verdienten Kaiser nach
seinem Tode göttlichen Rang zuzuerkennen^; und wie er gleich
darauf von der Apotheose des Antinous durch Hadrian spricht,
so kann er jenes Senatsrecbt auch nur durch das Beispiel eines
römischen Herrschers veranschaulicht haben. Er spricht von
Alexander Severus. Aelius Lampridins bezeugt uns im Leben
desselben c. 63 senatus eum in deos rettulit .... dati sunt
et eodales qui Alexandrini appellati sunt, addita et festivitas
matris nomine atque ipsius, quae hodieque Romae religiosissime
^ 8. Mommsen, Römisches Staatsrecht 2, 886.
172 Miscellen
celebratnr natali eins die*. Was hiermit Lampridiae for die Con-
fltantinische Zeit bezeugt, die feierliche Begehong von Alexarden
Gebartetag, hatte auch noch über die Mitte des Jahrbonderts, nod
vermuthlich bis in die Zeit von Johannee* Predigt officielle Gel- \
tung. Der Chronograph vom J. 354 hat in seinem Kalender
(CIL I 1^ p. 274) unter dem ersten October die Notiz einge-
tragen: totalis ALEXANDRI• Circenses Missus XXIIII, wo-
durch uns denn auch der Tag bekannt ist.
Lehrreich ist nun die bestimmte Angabe, dase Alexander
(Severus) zum * dreizehnten Gotte' bezw. divus erklärt worden
sei. Wir wissen aus den Acten der fraires arvcdes^, daee die
Zahl der verehrten divi im J. 183 sich auf 16, im J. 224 aof
20 belief. Aber in diesen Zahlen sind, wie Henzene Liste der
bezeugten älteren Consecrationen (Anm. 2) zeigt, auch Kaieerinnei^^
einbegriffen. In der Anerkennung geschehener Consecrationen mue^
man bis um 224 weitherziger, oder, wenn man will, gewiseei»-^
hafter gewesen sein als ein Jahrzehnt später beim Tode des Alexand^ ^
(235). Die damals vorhandene Zahl von 12 divi nöthigt uns an.-'
zunehmen, dass in der Zwischenzeit eine Beschränkung stattg^ "
funden hatte und so Claudius wie Commodns aus der Liste
strichen waren. Diese Zahl stimmt genau zu der Cultusordnun
die bei Philocalus im Kalender vom J. 354 hervortritt und noc
im darauf folgenden Jahrhundert bei Polemius Silvius erkennbar
ist. Philocalus verzeichnet folgende Geburtstage älterer Kaiseer
vor Alexander, alle mit der ausdrücklichen Bezeugung der obli"
gaten 2 mal 12 Rennen im Circus^: divus Augastus IX k. oct.,
Vespasianus XV k. dec, divus Titus III k. ian., Nerva VI id•
nov., Traianus XIV k. oct., divus Hadrianus IX k. febr., Pia9
Antoninus XIII k. oct., divus Verus XVIII k. ian., M. Antoninns
VI k. mai., divus Pertinax k. aug., divus Severus III id. apr.
Die Mehrzahl derselben bezeugt auch Polemius Silvias; seine
Auslassungen können nur Zufälligkeitsgrnnde haben, es fehlen
bei ihm Angustus, Traianus, Antoninus Pius, wie nachher Ale-
xander. Aber er bewahrt den bei Philocalus ausgelassenen na•
talis (diti) Itüli Caesaris (IV id. iul.), den Ausgangspunkt der
römischen Kaiserverehrung*. Mit diesem ist die erforderte Zwölf-
zahl erfüllt, auf welche seit etwa 230 die älteren vor Alexander
consecrierten ^m im Cultus beschränkt waren und blieben ^ Die
^ Heuzen, Acta fratrum Arvalium p. 148 f., vgl. Mommsens Rom.
Staatsrecht 2, «3:{ Γ Anm. 1. 4
^ Ausnahmsweise 48 am 18. Sept. (Traianus) und am 8. Nov.
(Norva und Constantius).
* üeber die Cultustage s. Mommsen CIL l p. 396 (Ϊ 1* p. 321).
δ Das von Juliauus ap. in den Caesares p. 308 d ff. geschilderte
Göttcrmuhl kann für diese Frage an sich keine Beweiskraft bean-
spruchen. Aber es dient dem obigen durchaus zur Bestätigung. Clau-
dius wird zu seinen Günstlingen fortpreschickt (310b) und Commodus
gar nicht zur Versammlung zugelassen (31 2b).
Miscellen 173
von Johannes Chryeostomoe verwertbete Nachricht wird ver-
ständlich nar nnter der Annahme, daes im J. 235 allein jene
zwölf divi anerkannt waren. ü.
Das AmphiklyonenGesetz vom Jahre 380
Eins der wichtigsten vorhandenen Sakralgeeetze, dessen Her-
stellung und Erklärung aber bisher entRchieden zu kurz gekommen
sind, ist das Amphiktyonen- Gesetz vom Jahre 380^. Es wäre
vohl mehr dafür geschehen, wenn nicht die unentbehrliche Grund-
lage gefehlt hätte: die sichere Eenntniss der ursprünglichen
Zeilenlänge der Inschrift ; noch der letzte verdiente Herausgeber,
£aunack, musste ihre Berechnung für unmöglich erklären. Dabei
konnte Niemand im Zweifel darüber sein, dass der Stein selbst
ein sicheres Mittel zur Lösung der Frage zu bieten schien. Z. θ
und 9 nämlich steht hier:
το Άπόλλιυ[ν]ος του ΤΤ[υ]θίου και τας Λατός καΐ τας
*Αρτάμ[ιτος - - - -
λά καΐ τάγαθά, αΐ b' έφιορκέοιμι^ τα κακά άντΙ τών
αγαθών - - - -
Ζ. 11, 12 und 13 aber:
κατάν άίίαν μηόέ δώρα beSeioGai μη6έποκ[α]: ουτ[ιυ]ς
ύπ[ί]σχ[ο]μαΓι
τ ο (ς) 8 κ α ι τ ά ς Ά ρ τ ά μ ι τ ο ς , και €ύορκ€οντι μέμ μοι
πολλ ά καΐ αγαθά
Ιβρομνάμονας όρκιΗέιυ και τός κά[ρ]υκας τόν αυτόν δρκον
Beidemal also steht, wie die gesperrt gedruckten Worte klar zei- '
gen, dieselbe Eidesformel, deren Wortlaut sich wie von selbst er-
giebt, zB. Z. 11 und 12 folgendermassen :
κατάν άΕίαν μηδέ boipa Ο€£€ΐσθαι μηδέποκα' ουτιυς ύττί-
σχομα[ι ποί το 'Απόλλωνος το ΤΤυθίο καΐ τας Λα]-
τδς και τας Άρτάμιτος καΐ βύορκέοντι μ€μ μοι πολλά και
αγαθά, [αΐ h* έφιορκέοιμι τά κακά άντΙ τών αγαθών οόμβν.
τός bi\ ι Ιερομνάμονας κτλ.
Das scheint evident und birgt doch rücksichtlich der Zeilenlänge
einen nnheilbaren Widerspruch in sich, denn Z. 12 zählt danach
93, Z. 11 aber nur 79 Buchstaben. Nun sind kleinere Unter-
schiede in der Zeilenlänge bei nicht (Ττοιχηοόν geschriebenen In*
Schriften natürlich, aber ein Unterschied von 15 Buchstaben in
zwei dicht aufeinanderfolgenden Zeilen ist unmöglich. Noch
1 CIG. 1688, Ahrens Dial. 11 484-492, CIA. II 545, Michel Re-
cueil des luscr. Grecques 702, die sorgfältigste und eingehendste
Herausgabe jetzt von Baunack bei Collitz SGDI. 2501, wo auch die
weitere Lilteratur verzeichnet ist.
2 ΕΦΙΟΡΚΕΜΙΟΙ steht auf dem Stein mit Vertauschung der Silben.
» Der Stein hat TOYKAI ohne Zweifel für ΤΟΣ oder ΤΟΥΣ ver-
schrieben B. Baunack zu der Stelle.
174 Miscellen
sclilimmer steht es Z. 8, wo bei genau entsprechender Ergänzatig
gar nur 67 Buchstaben herauskoraraen. Man hat früher gewohn-
lich versucht, durch Einschiebung^ von unnöthigem oder gar stören-
dem Füllsel Z. 8 und II auf die Länge von 12 zu bringen,
mit Kecht hat Baunack das verschmäht, aber zu ei klären wueete
er das Schwanken zwischen 67, 79 und 93 Buchstaben auch
nicht — 'es könnte ja Z. 12 άντι τών αγαθών recht wohl fehlen,
aber auch bei dieser Annahme erhält man nichts Klares und
Evidentes' — und hält eben deshalb eine Berechnung der Zeilen-
länge überhaupt für unmöglich.
Und doch ist sie möglich, und Baunack selbst war, ohne es
zu wissen, schon auf dem einzig richtigen Weg. In der obigen
Ergänzung verträgt Z. 1 1 weder Zusatz noch Streichung, also
steckt der Fehler in Z. 12: nicht Z. 11 ist zu klein, sondern
Z. 12 ist zu gross, und es lässt sich ja auch hier, wie Baunack
selbst zugibt, ganz gut etwas streichen — es ist einfach statt
der ausführlichen Formel τά κακά άντι τών αγαθών οόμεν eine
der üblichen kürzeren zu setzen, am besten die auch in
der Labyadeninschrift B, Z. 18 vorkommende: τά κακά οόμ€ν
oder, da Ζ. 11 bei αγαθά kein Artikel stand, auch hier ohne
Artikel : al V έφιορκέοιμι, κακά δόμεν. Dann erhält man für
die ganze Zeile 12 nur noch 78 Buchstaben, was zu den 79 Buch-
staben von Z. 1 1 stimmt, und auch Zeile 8 lässt sich durch
Umstellung von ύπίίΤχομαι hinter die Götternamen leicht auf
dieselbe Zeilenlänge, nämlich 77 Buchstaben, bringen.
Wenn dieses Ergebniss überhaupt noch einer Bestätigung
bedarf, so geschieht es durch die glatte Erledigung, die jetzt
gewisse Zeilen finden. Hier waren die Ergänzungen, die der Sinn
forderte, so klar, dass sie schon von den ersten Herausgebern
eingesetzt wurden, aber da sie die vorausgesetzten grossen Zeilen
von 93 oder mehr Buchstaben nicht ausfüllten, findet eich ausser
ihnen gewöhnlich noch eine grössere Lücke in den Ausgaben an-
gedeutet. Lässt man nun diese Lücken unberücksichtigt, so er-
gibt das, was zurückbleibt, gerade die oben gefundene Zeilen-
länge; zB. erscheint Z. 20 in den Ausgaben so:
εΐλέσθίϋ του ιαρου καΐ στρατευόντων έπ' αύτός'ΑνφικτΙίονες
κατά κα τοι \αρομνάμονες - - - - έπαγγέλ] |λωντι
Ohne die Lücke zählt die Zeile mit der schon von Böckh gefun-
denen Ergänzung gerade 77 Buchstaben. Ebenso geben die eben-
falls längst als nothwendig erkannten Ergänzungen v. Z. 15 eine
Gesammtlänge von 79 Buchstaben. Endlich Z. 1, 17 und H6
zählen ohne die in iien Ausgaben vermerkten Lücken 75 Buch-
^ In Z. 11 verführte dazu auch die frühere ungenaue Lesart-:
ΥΓ. ΣΧ. M., was sich verhältiiissmässig ungezwungen ergänzen Hess zu
ύπισχόμ[€νος ομνύω ; aber wiu scliou FrÖhner bemerkte und jetzt von
Biass bestätigt wird, steht hinter dem Μ ein A, es ist also ύπίσχομαι
zu lesen, und so steht auch in der Labyadeninschrift Α Ζ. 14.
Miscellcn 175
etaben, was sich bei einer nicht (Ττοιχηδόν geschriebenen Inschrift
mit Zeilen von 77—79 Bnchstaben durchaus verträgt.
Die Frage der ursprünglichen Zeilenlänge ist also jetzt,
wie ich wohl sagen darf, sicher gelöst und damit die Grundlage
für die weitere Herstellung geschaffen. Einiges ergiebt sich fast
von selbst, zB. der Wortlaut des Paragraphen über die Ιαρά γα:
ΤΤ[ίροοος γας Ιαράς • αϊ τις τάν γαν έπΐ€ρ]|τάΖ;οιτο Sy
Άμφικτίον€ς ίάριυσαν, έπεί κ[α] ά πάροδος γίνηται άποτ[€ΐσάτιυ
τώι \apuji ] στατηρας Αιγιναίος κάτ τ[ό]
π€λ€θρον ?καστον, τοι hk \€ρομνάμ[ον€ς π€ριϊόντΐϋν τάν ίεράν
γανί Ι και π[ρασ]σόντΐϋν τόν έπιεργαίόμενον • αι hi μή περιϊεϊεν
ή μή πρ[άσσοΐ€ν, άποτεισάτω 6 μή περιϊών] | μηο' έ[κπ]ράσσων
τριάκοντα στατήρας • αΐ be κα μή άποτίνηι ό [όφ^ιίλων, ά πόλις
έ£ άς κ' εΤ 6 ίερομνάμιυν] | εΙλίσ[θω] του ιαρου και στρατευόν-
τιυν έπ' αυτός *Ανφικτ[ίονες κάτ τά κα τοι Ιερομνάμονες έπαγ-
γέλ]| λιυντι.
Dabei kommt auch vor allem die Lesung Köhlers Z. 19
Anfang pa(T(jQv, neuerdings auch von Michel ausdrücklich be-
zeugt, mit der aber bisher Niemand etwas anfangen konnte, zu
ihrem Recht.
Z. 24 — 26 lauten jetzt die Straf bestimmungen kürzer: αι
be τις τ[ός νόμος τούτους παρβαίνοι, τοι \] |αρομνάμονες ίαμι-
όντιυν δτινι κα οικαίιυι σφ[ι]ν οοκήι είμεν έπ[ιΖ[αμίωι, το b*
ήμισσον άει Ιστιυ τών]| καταγ[γε]λλόντιυν ποι τός Ιαρομνάμονας.
Auch den Paragraph über die Reparatur der Heiligthümer
glaube ich etwas fördern zu können. Er beginnt Z. 35 mit der
Bestimmung: τόν ναόν του 'Απόλλωνος του Πυθίου και τάν
αύλάν και τόν τας Α δρόμον και τάν κράναν τάν έμ-
πεόίιυι τοι ίαρομνάμονες τοι Άμφι[κτιόνων κατά τάν ΤΤυθιάόα
έκά]σταν έφακείσθιυν. Die Lücke beträgt nach dem oben ge-
wonnenen Ergebniss ungefähr 25 Buchstaben. Seit Böckh ergänzte
man bisher zu Anfang der Lücke Ά[ρτάμιτος], Baunack vermuthete,
dass ausserdem in der Lücke vielleicht der Tempel der Leto er-
wähnt war, aber dazu ist jedenfalls kein Platz. War wirklich
Artemis genannt, so kann ausserdem nur noch eine attributivisch
eingeschobene Bestimmung zu όρόμος gefolgt sein, was freilich
wenig wahrscheinlich ist, da es doch wohl nur den einen &ρόμος
wie die eine αύλά gab. Nun ist ja aber die Ergänzung 'Α[ρτά-
μίτος] keineswegs sicher, vielmehr hat Danielsson^ jüngst aus rein
sachlichen Gründen hier die Erwähnung des Tempels der Άθήνη
Προναία vermisst, der nach dem Apolloheiligthum der ange-
sehenste in Delphi gewesen zu sein scheine, und vorgeschlagen,
ihren Namen an Stelle der Artemis zu setzen. Hierfür liefert
nun das oben gewonnene Ergebniss über die ursprüngliche Zeilen-
länge eine glänzende Bestätigung. Ergänzt man nämlich : τόν
ί Indogerm. Forsch. IV (1804) S. IGT; über die 'Αθήνη Προναίοι
8. Preller-Robert, Gr. Myth. I 195.
176 Micellen
τας Ά[θαναίας τας ΤΤροναίας ναόν και τόν]|6ρόμον, βο ftlll
dies genau die Lücke ζα 77 Bachstaben aus.
Endlich: vor dieser Bestimmung stehen zu Anfang der
Zeile 35 die Buchstaben ιος, die offenbar die Endung eine•
Genetive enthalten. Ich schlage vor zu ergänzen [άκέ(Τ]ΐος, ein
Wort, das auch in der delphischen Tempel baureob η ang SÖDl
2502 Z. 62 vorkommt^, und sehe darin die Ueberechrift de•
Paragraphen, die nachher durch das Wort έφακ€ί(Τβων aufge-
nommen 'wird. Aehnlich stehen auch in der Myeterienineohiift von
Andania die Ueberschriften der einzelnen Paragraphen meist im
blossen Genetiv, in unserem Gesetz steckt vielleicht derselbe
Genetiv in dem Wort οΙκή(7ΐος Ζ. 21 und Ζ. 40 in öbiuv, vor dem
sich auch ein Interpunction.szcichen findet. Diiss sich daneben
auch ueberschriften im Nominativ finden zB. Z. 26 λΐυτίς, be-
weist nichts dagegen, wie die Parallele derselben Myeterienin*
Schrift zeigt.
Der grössere Theil der Inschrift harrt freilich aach jettt
noch der Herstellung, aber die sichere Grundlage ist jetzt doeh
vorhanden, und durch ihre Darbietung den Fachgenoseen die Arbeit
zu erleichtem, ist der Hauptzweck dieser Zeilen.
Plön. Ludwig Ziehen.
^ Καλλιτέλ€ΐ ToO μαχανώματος άκέσιος στατήρ€ς τρ€ΐς, δραχμά.
Verantwortlicher Redacteur: L. Radermachcr in ßonn.
(23. Dccember 1901.)
Verlag von Wilhelm Violet in Dresden.
Wie studiert man Philologie?
Eine Hodegetik für Jünger dieser Wissenschaft
von
Wilhelm Frennd.
Fünfte, vcrmohrt« uml verbesserte Auflage.
geh. 1 M. 50 Pf. — geb. 2 M.
Inhalt: l. Name, Bcfrriflf und l'mfans: d«ir Pbilulo^ie. — 1Γ. Die ciiiziilncii
Diso ip] inen der Philoloi^ie. — ΓίΙ. Vi»rthoiluni;r der Arbeit des Pbib>-
lop:ie-.Studirenden auf (>' Semester. — iV. J>ie Bibliothek des I^hiloloiyie-
Studirenden. — V. Die Meister der pbibdofT• Wissenschaft in alter und
neuer Zeit. — VI. Die ge^fenwärtiofen LehnT der kkssiscben Philologie
an den Hochschulen.
Triennium philologicum
o«ler
0-i*uiicl%ligfe dei• philolog^• AViwsen.sciliallten,
filr Jünger der Pbilob>irie
zur Wiederholung und Selbstprüfung
bcarb<>itct viui
Wilhelm Freund.
Zweite verbesserte und vermehrte Auflage.
Heft 1, Preis 1 M„ ist xur Ansiebt dureh alle Buchband lun^^Mi zu
beziehen, vollständige Prospccte mit Inballsan^a be gratis und franeo.
Kritische Sichtung des Stoffes, sysiomiitisehe Kintheiluug und ( irupj'irung
des>elben, durchgängige Angabc der betr. I.itftTatur, endlich sleti, Hinwoisung
auf die in den einzelnen Gebieten noeh niebt «;(;nu£rend aufgebtdlten J'artien
sind die leitenden Grundsätze bei dt>r Ausarbricung dieses ausschlirs.>»licb für
Jünger der Philologie zum Itepertorium und liepetitorium bpstimniteu
ΛVerkes.
ÜZI Jede der 6 Semester- Abtheilungen kostet 4M. — g<l•. ö M. —
uod kann auch einzeln bezogen werden.
Inhalt des ersten Heftes.
Srtte
Ueber eine besondere HedeutuDg von γάο. Von J. M. Stahl 1
Teber den Verfasser d(*r X libri de arcbitectura. Von
H. Uegering 8
Zwei alte Terenzproblemc. Von F. Seh oe 11 48
Zu Achilles Tatlus«. Von F. Wilhelm άδ
Kaiser Marcus Salyius Otho. Von L•. Paul 76
Aus dem zweiten Bande der Amherst-Papyri. Von
L. Kader mach er 137
Die Inschrift der Apliaia aus Aigiua. λ^οη Μ. Fränkel 152
Μ i s c e 1 1 e ii.
Zum 1. Strassburger Archilochos- Fragmente. Λ'οη
Ü. »Schulthess 157
hionys de L^^ia p. 32, 12 φ. 4i»B K.). Von L. Rader-
m a c b e r , 158
Zu Vseudo-Sallusts Invectiva. Von F. Sehoell . . . . 15{)
L»ie Verse des „Vallegius*' in der Vita Terentii. Von
demselben 16ä
Zu Amniianus Marcellinus. Von K. Zange me ister . . 166
Zu dem .soL'enannten Lactantius Placidus. Von (}. Knaack 166
Zu Aviiinus. Von P. von Winter f cid 167
Erstarrte Flexion von Orthnamen im Latein. Von
K. Ζ a η g e m e i s t «• r l(!S
Secus statt sccundus und Aebulichfs. Von demselben 169
I. »US Stigma in lateinischt-r Schrift. \^m demselben . 170
hiMii• .MexdiultT. λ'(•η Η. l.'sener 171
I»a- Vniphikt\"ni'iHl».rM;tz vom .lahrf- 380. Von L.Ziehen 173
I •,
». !. \ .•-• '.V
Km.'ikii:: : .». M.
1
Rheinisches Museum
fttr
PHILOLOGIE.
UerauKgegeben
Ton
Franz Buecheler und Hermann Usener.
Neue Folge.
Siebeiiundfüufzi<r.steii Bandes zweites Heft.
Frankfurt ti. M.
J. \). .s a η (ί r 1 ä ii «1 ο r ' λ V e r I a «r.
1902.
Hierbei zwri li5iii.ni>«Ii«r li• il:'i'.n von VtUMvty.YiL *: Yi\iv.«i.vv\\ \v
^feld und J. Nuuiuaun in Nuiuliiuini.
In J. D. Sauerliinder's Verlag in Frankfurt a. M. ist
erschienen und darch alle Bucbhandlunfi^cn zu beziehen:
Das Problem über die Ehe
vom
philosophisclieii, geschichtliclieii nnd sozialen
Gesichtspnnkte
Ton
Otto Caspar i,
weiland ProtVsvSor der Philosophie an der Universität Heidelberg.
8» VIII und 126 Seiten. Preis: M. 2.—
Inhalt: i. Kinleituuy^ und Literatur. — II. Die rbersinnlich-
keitsauschauun^ der Idealisten und der Kirche über die
Khe. - III Die Sinnlichkeitsanschauung der Naturalisten
und Materialisten über die Ehe. — IV. Die sittenlose \'er-
wahrlosung im Geschlecht'* verkehr der civilisirten Völker -
V. Widersprüche nnd Ausblicke der Parteien auf eine Lösung
des ICheproblems. - VI. Überblick übor die ("Jeschichte der
Khe und Familie unter den Kulturvölkern. VII. Die An-
schauung der Philosophen und Ethnologien über die Ehe-
gemeinschaft. — VIII. Dio Unordnung des cfexual Verkehrs
neben der heutigen Ehe, und die allgemeine Staatsordnung
der ^ freien' Ehe. — IX. Die Frauenbewegung und die Ehe-
frage. - X. Die Erziehung der Nachkommenschaft und die
freie Ehe
Die Zeltschrift für die gesamte Staatawissenachaft
19<K), Heft 2, schreibt darüber:
— e. Ca.yMii'i, Ottu, Das Problem nber die Khe com iHnlo'
sopitifichen^ geschiditlu-heu und sociaien (MeKtchtainnikt. Frank-
furt a. M., J. D. Sauerliintler, IHiiSi. Dieses Büchbün, welchem
Schönheit der Darstellung, gescbinackvidle philosophische Kon-
zentration eines gewaltigtiu .Materials ethnologischer, kirchen-
geschichtlicher, soziolugischer un<l hygienischer Kenntnisse,
namentlich aber die Hube der Ausiunandersetzung nicht abge-
sproeheu werden künnen, wird starken und vielseitigen Wider-
.sprucb hervorrufen, (»hwnhl e? ii«r „Ehe auf Stunden** (der Pro-
>iitutiou) so abwei.sond geü:t.inil«er tritt, wie dem sakramentalen
i h'irak»• r tler „ewig»n*. unanfli'.<liehen Einehe. Die Forderung
d••.- \ erfa.<sers ist: .Die sittliche Fri'ihfit der Eheleute in ihrer
iMit-'-li^idung i:it dl»• «•r'-te, i»berste und einzige Instanz in allen
\r;rr..j, ..i..,h»'it.en de- /li-auinien-^eii .- in der Ehe" (S. 92).
MILCH UND HONIG
Die Gegenwart des Dionysos aiif Erden äussert sieh neben
anderen Wundern dadurch, dass von selbst Milch und Honig fliesst
am die Durstenden zu laben. Von Milch fliesst der Boden und
rom Nektar der Bienen'^: so dünkt es den Bakchantinnen, wenn sie
iie Gegenwart des Gottes fühlen. Daher nach einer von Ovid
[Fast. 3, 736 ff.) erzählten Sage α Baccho mella reperta ferunt.
Schon bei der Geburt des Dionysos hebt Philostratos ^ es hervor,
läse die Erde selbst sich an seinem Schwärmen betheiligen werde,
bdem 'sie ihm gewähre Wein aus Wasserquellen zu schöpfen
Wtki Milch wie aus Brüsten bald aus einer Ackerscholle, bald
Ms einem Felsen zu ziehn^ : es läset sich nicht verkennen, dass
dieser lebendigen und eigenartigen Schilderung die Worte eines
idten Dichtere zu Grund liegen. Aus dem sprödesten Stoff ver-
mag der Gott das süsse Nass hervorzuzaubern. Um die Töchter
des Minyas zu bekehren, lässt er aus den Bäumen ihres Web-
stuhls ^Nektar und Milch' fliessen^; bei Alkman melkt er Milch
^ Eurip. Bakchen 142. Zum Folgenden verweise ich auf die mit
biDgebendem Fleiss gefertigte Schrift eines Imkers W. Robert-Tornow,
t^ apium mellisque apud ueteres significatione. Berl. 1898 und^
WHRoscher, Nektar und Ambrosia, Leipz. 1883.
* Phiiostr. iinag. 1, 14 p. 30, 23 (Ausg. des Wiener philol. Se-
minars) ή γή, ή γ€ καΐ συμβακχ€ύα€ΐ αύτφ καΐ οίνον άφύσσβιν έκ πη-
rd^ 6i(»0€t γάλα Τ€ οΐον από μαΖύϊν ^λκ€ΐν τό μέν έκ βώλου, τό δέ ^κ
' Antoninus Lib. 10 καΐ έκ τών κ€λεόντων έρρύη νέκταρ αύτφ
cal γάλα: dass hier Worte des Dichters (Nikander) bewahrt sind, ist
Jacobs zu Pbilostr. imag. ρ 317 nicht entgangen: daraus erklärt sich
dvohl, dass nicht Honig, sondern Nektar genannt wird. Bei Ovidiua
cnetam. 4, 3*)4 ff. statt dieses Wunders ein anderes, dem Tyrreuerschiff
C^Hom. hymn. 7, 38 ff.) nachgebildetes: alles Holz am Webstuhl beginnt
^u grönen und Weinlaub zu treiben.
BlMia. Miu. f. PhiloU N. F. LVII. 1^
178 üsener
auR Löwen*. So konnte Seneca (Oedip. 494 ff.) in der Schilde-
rung des Beilagere von DionyeoH und Ariadne das Wander des
Honigthau8 und der Milch etrömenden Quellen nicht fehlen laeeen
Die wunderthäcige Kraft des Gottee geht auf seine schwäime-
rischen Verehrerinnen über. Der Bote der £uripidei8chen Bak-
chen erzählt (708 ff.), wie die auf dem Kithaeron scbwärmenden
Weiber nur mit den Fingern den Boden zu schürfen brauchten
um Milch hervorzuzaubern , und wie von ihren Thyreosetäben
Honig troff. Die Vorstellung ist im IV. Jh. noch vollständig
lebendig. Die Bakchen, sagt der Sokratiker Aeschines^, pflegen,
wenn sie gotterfttUt sind, aus Orten, denen die andern Menschen
nicht einmal Wasser zu entnehmen vermögen, Milch und Honig
zu schöpfen. Und treffend lässt Piaton* seinen Sokrates sagen:
*die Bakeben schöpfen aus den Flüssen Milch und Honig in ihrer
Verzückung, aber wenn sie bei Sinnen sind, nicht.^ Das gehört
seitdem als fester Zug in das dichterische Bild des bakebischen
Jubels*^. Die Ueberschwenglichkeit Claudians vermag noch den
Hochzeitstag des Stilicbo und der Serena auch durch dies Bild^
zu verherrlichen:
ferunt mellisque locus et flumina lactis erupisse solo,
Dionysos bringt den Himmel auf die £rde hernieder. Himm-
lische Gaben müssen es sein, womit er seine Gegenwart bezeugt
In der That gilt der Honig als Speise der Götter *. Das Zeuskuäb-
lein wird auf Kreta durch iMilcb und Honig ernährt. Dem kleinen
Dionysos netzt Makris, als Hermes ihr ihn gebracht, die trockene
^ Aristides r. 4 t. I p. 49 Dind. ώςπ€ρ καΐ λ€Οντων γάλα άμέλ-'
γ€ΐν όνέθηκέ τις αύτφ Λακωνικός ποιητής dh. Alkman fr. 31 Β.
^ Aristides r. 45 t. Π ρ. 23 D. καΐ γάρ αΙ βάκχαι έπ€ώάν 6τθ€0ΐ
γένιυνται, οθ€ν οΐ δλλοι [έκ τιίιν φρβάτιυν getilgt von Jacobs zu Phi-
lostr. im. p. 31(3] ουδέ οδωρ δύνανται οδρ€ύ€σθαι, έκ€ΐναι μ^ι καΐ γάλα
άρύονται. Vgl. CFHermann Disp. de Aeschinis Socr. reliquiie (Gott.
1850) p. 23.
β PI. lou ρ 534» (ΰςπ€ρ αΐ βάκχαι άρύτονται έκ τών ποταμών
μέλι καΐ γάλα κατβχόμβναι, έμφρονβς δέ ούααι οΟ.
■^ Vgl. Horat. c. II 19, 9 f. Philostr. ν. Apollon. 6, 10 ρ. 238 Ol.
imag. 1, 18 p. 3G, 17 f. der Wiener (nach Eur. Bakch. 708 ff. ebenso
wie Vit. soph. 1, 19) Tzetzes zu Lykophron 143.
^ Claud. de consulatu Stilichonis 1, 85 p. 192 Birt.
^ PorphyrioB de antro nymph. 1<5 θβών τροφής οΟσης τοΟ μέ-
λιτος. Zeus: Kallimachos Η. auf Zeus 48 Antoninus Lib. 19 Diod. 5,
70. Dionysos: Apollon. Rh. 4, 1131 f. Achilleus: Philostr. imag. 2, 2
p. 64, 7 der Wiener. Vgl Röscher s. 30, 58. 60 f. Robert-Tomow 89 ff.
Miloh und Honig 179
Lippe mit Honig. Und den jungen Acbilleus zieht Cheiron mit
Milch, Mark and Honig auf. Wie einen Göttertrank nimmt
Pindar^^ das Gemenge von Milch und Honig, wenn er es ale
Bild für seine Dichtung gebraucht, wie ein ander Mal den Nektar.
Hier schlägt die Vorstellung ein, dass Seher und Dichter,
die Runder göttlichen Worts auf £rden, durch die Götterspeise
des Honigs, die ihnen in frühester Jugend auf wunderbare Weise
eingeflösst worden, zu ihrem hohen Berufe geweiht worden seien.
Dem neugeborenen lamos nahen zwei Schlangen 'nach der Götter
Willen' und nähren ihn sogleich ' mit dem tadellosen Safte der
Bienen' (Pind. Ol. 6, 45). Von den alten Eünderinnen der Zu-
kunft, die am Parnass hausten, den drei Schwestern θριαί^^ er-
zählt der Homerische Hymnus auf Hermes, sie flögen hin und
her um sich von Waben zu nähren : wenn der Genuss des gelben
Honigs sie in Begeisterung versetze, dann finde man sie bereit,
willföhrigen Sinnes die Wahrheit zu künden ; aber wenn ihnen
die süsse Speise der Götter entzogen werde, dann sprächen sie
Falsches, indem sie wirr durcheinander redeten. Und noch Pindar
bezeichnet (Pyth. 4, 60) die Pythia mit dem Ausdruck 'delphische
Biene' (χρησμός μ€λίσσας Δελφίνος).
Häufiger und mannigfach sind die Beziehungen, in welche
die Dichtung zu Honig und Bienen gesetzt wird. Bienen um-
schwärmen den Pindaros ^^ unmittelbar nach der Geburt; sie
bringen als Götterbotinnen ihm den begeisternden Honig. Nach
andrer Sage wandert er nach Thespiai, dem Sitz des Helikoni-
echen Musencultus, und legt sich, von der Sonnenhitze ermattet,
am Wege nieder: da kommen Bienen zum Schlafenden geflogen,
und bilden an seinen Lippen eine Honigwabe. Sophokles ^^ wurde
schon in der alten Komödie 'Biene' genannt. Auf die Lippen
des jungen Piaton Hessen sich Bienen nieder, die Süssigkeit
seiner Rede voraus zu künden ^*. ISach einer Hesiodsage, die
*o Find. Nem. 3, 77 rohe τοι πέμπιυ μ€μιτμένον μέλι λβυκφ σύν
γάλακτι, κιρναμένα δ' ίβρσ* άμφέπ€ΐ (also noch Wasser zugeraischt?),
vgl. lethm. 4, 54 έν δ' έρατεινφ μέλιτι καΐ τοι^δ€ τιμςί. Dagegen
01. 7, 7 νέκταρ χυτόν, Μοισαν δόαιν.
11 Hom. Hymnus auf Hermes 558— <i3 vgl. Baumeister z. St. p. 246.
Zum folgenden vgl. Robert-Tornow aO. p. 98-101. lU ff.
12 Philostr. imag. 2,12; die andere Sage bei Pausanias 1X23,2.
13 Schol. zu Soph. Oed. Col. 17 und Aias 1199, vgl. die Anspie-
lungen des Aristophanes in der Vita Soph. 22 p. 21^ 0. Jahn mit den
Anmerkungen (vor der Elektra).
1* Plinius n. h. 11,55 Cicero de diuin. 1 36,78 II 31,66. Ueber
180 Usener
auf Lucanue übertragen wurde, umechwärmten Bienen die Wiege
des Dichters und setzten sich zahlreich darauf nieder. ^ Die
Dichter erzählen uns', heisst es in Platons Ion (p. 534^), *das8
sie von honigströmenden Quellen in den Gärten und Waldthälern
der Musen die Lieder saugen, die sie uns bringen '. Nach oft
wiederholtem aber abgeschwächtem Bilde sammeln die Dichter
wie Bienen den süssen Honig des Liedes ein^^; alterthümlicher
klingt es, wenn die Bienen gradezu 'Vögel der Musen' genannt
werden.
Quellen oder Ströme von Milch und Honig gehören also
zur Ausstattung des Götterlandes. In dem himmlischen Jerusalem
sollen zwölf Quellen Milch und Honig strömen ^^ In einer apo-
kryphen Vision wird der Apostel Paulus in goldenem Schiffe zur
Stadt Christi gefahren : vier Flüsse umgeben die Stadt, der erste
von Honig (im Süden), der zweite von Milch (im Westen), der
dritte im Norden von Wein, der vierte im Osten von Oel; der
Honigstrom ist der Ort der Propheten, der Milchfluss der un-
schuldigen Kindlein und der reinen Seelen : Bilder vom Land der
Verheissung und vom Paradies laufen hier zusammen und sind
ins Jenseits zurück verlegt. lamos usw. lehrt uns verstehn,
warum die Propheten sich um den Honigstrom sammeln. Bei
den Griechen bricht die Vorstellung durch in einer sprichwört-
lichen Redensart ^*^. Während wir von einem Sack voll Gold
sprecheui sagte der Grieche: er hat einen Bienenkorb voll Geld
(oder Schätzen). Hier ist die alte Vorstellung des himmlischen
Schatzes ^^ beeinflusst und gefärbt durch das Bild vom himm-
Hesiod und Lucanue s. die jüngere Vita Lucani in Reifferscheids
Sueton p. 76, 1β.
« Aristoph. Vögel 749 Horat. carm. IV 2, 27 ff. Lucretias 3, 11
Lukiau in den Άλιβίς c. <i. Vffl. Varro r. r. III IB, 7 'cum Musarum
esse dicantur esse uolucres*.
le Esdra V 2, 19 (in Fritzsche's Libri apocryphi Vet. test. p. 643)
'et totidem (dh. 12) fontes flucntes lac et niel* Apocalypsis Pauli 23 ff.
in Tischendorfs Apocalypsee apocryphae p. 52 ff., lateinisch in James*
Apocrypha anecdota (Texte and studies ed. by Arm. Robinson t. II 3)
p. 24, 14. 2.5, 28 ff. Im griechischen Text wird der Milchstrora in den
Süden verlegt, es folgt der östliche (p. 54, 4 il άμφηλίου : lies άφηλ(ου)
ohne Angabe des Stoffe, dann der nördliche mit Oel.
^'^ Arietoph. Weep. 241 läset einen alten Heliasten von den Reich-
thümem, die Lachee aus Sicilien mitgebracht haben soll, sagen: σ(μ-
βλον bi φασι χρημάτων ίχβιν απαντες αυτόν.
18 S. bintfluthsagen s. 182 ff.
Milch and Honig 181
liechen Honig: der Bienenkorb ist wie seine nächsten Verwandten,
das Tischlein deck dich und der Wundersäckel des Mercurius,
des Fortunatue usw., ein unversieglioher Schatzbehälter himm-
lischen Segens. Es bedarf doch wohl auch für den mythologi-
schen Stumpfsinn keines Wortes, dass man Bienenkörbe im Alter-
thum so wenig wie heute als Geldtruhen benutzt hat.
Vom Bilde des Götterlandes sind die Vorstellungen des
Paradieseslebens oder des goldenen Zeitalters entlehnt^®. Römische
Dichter, gerade hierin gewiss von Griechen abhängig, vergessen
in ihren Schilderungen des goldenen Zeitalters so leicht nicht
dies Wunder. So Tibullus (I 3, 45):
Ipscte mella dabant quercus uUroque ferehant
ohuia securis ubera lactis oues
oder Ovidins (met. 1, 111 f.):
flumina iam lactis^ tarn flumina fiectaris ibant,
flauaque de uiridi süUabant ilice mella ^.
Auch der Traum eines wiederkehrenden Paradieses mag sich des
tief eingeprägten Bildes nicht entschlagen. Schon die alte he-
bräische Sage stattet damit das Land der Verheissung aus^^
Desgleichen Vergilius (ecl. 4, 30):
et durae quercus sudahant roscida mella.
Und Sertorius erhofft von den Inseln der Seligen, zu denen er
sich hinüberretten möchte, dass dort
mella caua manant ex ilice und
illic iniussae ueniunt ad mulctra capellae
referfque tenfa grex amicus ubera'^.
Nur etwas tiefer gestimmt, näher dem Irdischen, klingt die He-
siodische Verheissung für das Land der Gerechten, dass da auf
den Bergen die Eiche in dem \Vipfel Eicheln und in der Mitte
Bienen trage ^^ In der christlichen Litteratur zeigt sich, wie
das Mosaische Land der Verheissung einen durch hellenischen
Glauben wohl vorbereiteten Boden fand. Tn der oben schon an-
w S. ebend. 197 ff.
« Vgl. noch Ovid am. III 8, 40 Aetna v. 13 Robert-Tornow
p. 83 ff.
« Die Belege β. Sintfluths. 207, 1.
« Horat. epod. 16, 47. 49 f.
w Hesiod Werke 2:32 f. vgl. Plinius n. h. IG, 31. In der neuen
Petrus-Apokalypse c. 5 und ebenso in der Apokal. des Paulus 11
(Tiechendorfe Apoc. apocr. p. 40, lat. in Robinsons Texte and studies
Π 3 p. 14, 35) uö. ist der 'Ort der Gerechten ein himmlieclies Paradies.
182 üsener
gezogenen Apokalypse^ wird Paulus vom Engel in den zweiten
Himmel geführt, das Land der Verheissung und den Schauplatz
des tausendjährigen Gottesreichs, da sieht er einen Fluse, der von
Milch und Honig iliesst, und an seinen Ufern Palmhäume nnd
Weinstöcke von wunderbarer Fruchtbarkeit. Der Teufel, der
die h. Änthusa zum Abfall von Christus bestimmen möchte,
spricht zu ihr: * Komm und trink von dem Flusse, der Milch und
Honig strömt.' Umgekehrt äussert sich das durch die Fesse-
lung des Kronos herbeigeführte Ende des goldenen Zeitalters
für Vergilius darin, dass Juppiter mella decussit folns: der wahre,
reine Honig, wie ihn das goldene Zeitalter genossen, pflegte wie
Himmelsthau an den Blättern der Bäume zn hangen.
Der Cultusbrauch ist nur die äussere Gestaltung der Vor-
stellungen von Gott und göttlichen Dingen, die in einer Gemeinde
oder einem Volk lebendig sind. Von den Vorstellungen, die wir
eben überblickt, muss auch die Anwendung von Milch und Honig
im Cultus abhängig gewesen sein. Die wichtigste und gebräuch-
lichste fand bei dem Opfer an Todte statt. Schon Odysseas giesst
den Todten bei der dreifachen Spende, die er darbringt, auch
Gemisch von Honig und Milch in die Grube (β. unten Anm. 33).
Bis in die späte Zeit dauerte der Brauch, namentlich bei der
Todtenbeschwörung schien er unerlässlich. Honig und Milch
wurden also als Seelenspeise angesehen. Die Geister der Ent-
schlafenen wurden im seligen Jenseits wohnend gedacht, es kam
ihnen die süsse Nahrung zu, welche die Sage dorthin versetzte.
Dem Porphyrios verdanken wir die Nachricht, dass bei den
Mithrasweihen Honig verwendet wurde ^. Es geschah das bei
** In der lateinieclien Fassung der Texte and stud. Π 3 ρ. 22, 29.
Acta 8. Anthusae c. 13 in den Analecta Bollandiana t. ΧΠ p. 2β, 16.
» Verg. Georg. 1, 131. Vgl. Plinius n. h. 11, 30 f.
«β S. Robert-Tornow p. 134—146, Röscher, Nektar u. Ambr. <ίδ f.
und besonders Stengel in Fleckeisens Jahrb. 1887 8. ü53.
^ Porphyr, de antro nymph. 28 p. 75, 1^^ N.2 διό καΐ σπ^Ο€ΐν
αύταϊς (ταΐς ψυχαϊς) τους ψυχαγωγούς μέλι κ€κραμένον γάλακτι vgl.
ebend. 18 ρ. βν), 18 διό καΐ μέλιτος σπονδάς τοΙς χθον(οις ^θυον.
® Porph. de antro nymph. 15 δταν . . . τοϊς τά λεοντικά μυου-
μένοις €ίς τάς χ€ΐρας άνβ' ύδατος μέλι ν(ψασθαι έγχέωσι, καθαράς ίχ€ΐν
τάς χείρας παραγγέλλουσιν άπό παντός λυπηρού καΐ βλαπτικού καΐ μυ-
σαρού . . . ., καθα(ρουσι δέ καΐ τήν γλώτταν τφ μέλιτι άπό παντός
αμαρτωλού. (1Η) δταν δέ τφ Πέρση προσάγωσι μέλι ιίις φύλακι καρ-
πατν (?), τό φυλακτικόν έν συμβόλψ τίθενται. Vgl. Fr. Cumont, Textes
et monuments figures rel. aux myst^res de Mithra 1, 320. Üeber Rei-
ttiguDg durch Honig bezw. Ambrosia s. Röscher aO. 39 ff.
Miloh und Honig 183
den Weihungen zum vierten und fünften Grade, dem dee Löwen
und dem des Pereere. Dem künftigen Löwen wurde statt Wasser
Honig auf die Hände gegossen als Reinigungsmittel ; ' sie reinigen
aber aucli die Zunge mit dem Honig von allem Sündhaften':
die Zunge wurde also nur bestrichen mit Honig. Bei der fünften
Weihe zum Perser wurde Honig als 'erhaltendes' Mittel^• ge-
reicht: es scheint also in diesem Fall als Unsterblichkeit ge-
währende Götterspeise, wie eine Art Ambrosia gegeben worden
zu sein. Hätte uns doch Porphyrios, statt uns von der Feuer-
natur des Löwen zu unterhalten, aus seinem Pallas mehr über
den liturgischen Hergang berichtet. So bleiben uns seine An-
gaben fürs erste fremdartig.
Glücklicher Weise sind wir weit gründlicher unterrichtet
über die Anwendung, welche die alte christliche Kirche von Milch
und Honig machte. Die Akten liegen noch heute so reichlich
vor, dass wir nicht nur die liturgische Gestaltung und ihre Ge-
schichte genügend kennen, sondern auch über das Wesen der-
selben zu urtheilen vermögen.
In der christlichen Kirche wurde ehemals, und wird heute
noch bei den Kopten und Aethiopiern der Brauch beobachtet, den
Täuflingen, nachdem sie das Taufbecken verlassen, Milch und
Honig zusammengemischt darzureichen^^. Die uns erreichbar
älteste Form des Brauchs kennen wir erst seit Kurzem durch
die lateinische Bearbeitung der Dtdascalia apostolorum^ welche
Edmund Hanler aus einem Palimpsest zu Verona hervorgezogen
bat^^ Unmittelbar nach vollzogener Taufe wurden die Täuflinge
von einem Presbyter mit geweihtem Oel gesalbt und traten,
nachdem sie die Taufkleider angelegt hatten, in die Kirche. Dort
empfieng sie der Bischof, um sie unter Handauflegung mit ge-
weihtem Oel (Chrisma) zu segnen und ihnen den Kuss zu geben,
worauf sie an dem Gebet der gesammten Gemeinde theilnahmen
^ lieber erhaltende und antiseptische Kraft des Honigs s. Röscher
aO. 56 ff.
^ Hieronymus in der Altercatio Luciferiani et orthodoxi c. 8
t. Πρ. 180« yall. 'Nam et multa alia quae per traditionem in ecclesüs
obseruantur, anctoritatem sibi scriptae legis ueurpauerant, uelut in
lanacro ter caput mergitare, deinde egressos lactis et meüis prctegwtare
eoncordiam (entlehnt aus Tertullian s. Anm. '37) in infantiae significa-
tionem die dominico et omni pentecoste\ auch Anm. 40. Vgl. Martene
De antiquis ecclesiae ritibus I 1, 15 t. 3 p. 156 Muratori zu Liturgia
Romaua uetus 1,30 ff., Assemani im Codex liturgicns eccl. nniu. 3« 114.
^ Didascaliae apostolomm fragnienta Veronensia latina ed. E.
Haoler (Lipt. 1900) p. 111-3.
184 Ueener
und zum Scbluss sich am Bruderkues betheiligten. Dann wurde
das Messopfer für sie dargehracht. Es wurde dazu Brod, Wein
mit Wasser gemischt, Milch und Honig gemischt, endlich Wasser
consecriert. Alsdann belehrte der Bischof die Täuflinge über die
sacramentale Bedeutung der einzelnen Elemente, brach das Brod und
theilte es aus mit den Worten : * Das Brod des Himmels in Christo
Jesu', und der Täufling antwortete Amen. Nun stellten sich drei
Presbyter (wo ihrer so viele nicht vorhanden waren, Diaoone an
Stelle der Fehlenden) der Reihe nach auf, ein jeder mit einem
Becher versehen. Im Becher des Ersten war Wasser, der Zweite
reichte Milch (und Honig), der Dritte Wein (gemischt mit Wasser).
Also drei Becher, und von jedem musste der Täufling dreimal
kosten. Der Geistliche sprach zum ersten Schluck: 'in Gott
dem allmächtigen Vater ; zum zweiten : *ünd in unserem Herrn
Jesus Christus', und zum dritten: 'Und im heiligen Geist und
der heiligen Kirche* ^^. Auf jeden Spruch des Geistlichen ant-
wortete der Täufling Amen.
Hier ist also Milch und Honig gradezu unter die Bestandtbeile
einer zu besonderem Zweck veranstalteten Eucharistie genommen,
und um die flüssigen Elemente auf die erforderliche Dreizahl zu
bringen, hat man das Wasser, obwohl es schon im Weinkelch
enthalten war, besonders eingestellt als Symbol innerlicher Reini-
gung. Allein man würde sehr irren, wenn man diese eigenartige
Stufenfolge flüssiger Abendmahlsbestandtheile ausschliesslich durch
solche Erwägungen zu erklären glauben sollte. Alle drei, auch
der sprudelnde Quell lebendigen Wassers, waren gegeben in alter
tief gewurzelter Vorstellung; es sind die wunderbaren Erzeugnisse,
durch welche sich die Gegenwart Gottes wie einst des Dionysos
offenbart. Es sind genau dieselben drei Spenden, nur in anderer
Ordnung, welche Odysseus^^ für die Seelen der Abgeschiedenen
^ Ich entferne mich hier scheinbar vom Wortlaut der Quelle.
Dort steht p. 1 1 «-i ' et gustent qui pcrcipient de singulis (dh. von den
drei Bechern mit Wasser, Milch, Wein) ter dicente eo qui dat "In deo
patre omnipotenti'*, dicat autem qui accipit "Amen". "Et domino
lesu Christo et spiritu sancto et sancta ecclesia*'. et dicat "Amen",
ita eingulis fiat*. Es ist unmöglich ter anders als mit gusterU zu ver-
binden; dann iet es aber unerlässlich, das8 zu jedem Schluck, nicht
blos zu zweien, ein Segens wort vom Geistlichen gesprochen werde.
83 Hom. λ 2ίί f
άμφ' αύτφ (βόθρψ) bi χοήν χ€Ομην πασιν ν€κύ€ασιν,
πρώτα μελικρήτψ, μ€τέττ€ΐτα δέ ήδέι οϊνψ,
τό τρίτον αΟΘ' οδατι* έπΙ δ* Αλφιτα λ€υκά πάλυνον.
ygl κ 518 f. Nitzsoh Anm. 3, 162.
Milch und Honig 185
in die Grube giesst: Honiggemiech (dh. Milch and Honig), Wein,
zuletzt Wseser. Man müeete die Augen echlieseen, um zu ver-
kennen, daee der Brauch, deb die ^Apostellehre' schildert, nur
auf hellenischem oder hellenisiertem Boden kirchlich geworden
sein kann.
Schon in der zweiten Hälfte des Π. Jahrb. nach Chr. war
er, mindestens im Bereiche von Alezandria, in Uebung. Das be-
zeugt Clemens Alex.^, wenn er Milch als die Nahrung nach der
leiblichen Geburt, Milch und Honig als Speisung nach der gei-
stigen Wiedergeburt in Vergleichung setzt. Mit derselben Be-
stimmtheit gönnen wir behaupten, dass der ältere Verfasser des
ßarnabasbriefs die Sitte noch nicht kannte. Seine ausführliche
Erörterung 'des Landes wo Milch und Honig fliesst' (c. 6) würde
einen anderen Gang genommen haben, wenn er von der Verwen-
dung zur Taufe eine Ahnung gehabt hätte.
Es ist lehrreich zu beobachten, wie der alte Brauch all-
mählich abstirbt, richtiger gesprochen, von der Kirche abgestossen
wird. Die ägyptische und mit ihr die äthiopische Kirche hat Milch
und Honig als Bestandtbeil des den Täuflingen gespendeten
Abendmahls festgehalten. Für die ägyptische Liturgie waren die
sogenannten Regeln des Hippolytos maassgebend, die uns arabisch
und in koptischer Umarbeitung vorliegen. Hier heisst es von
den Vorgängen nach der Taufe ^^:
'Dann beginnt der Diakon zu heiligen, und der Bischof voll-
endet die Eaqharistie des Leibes und Blutes des Herrn. Ist er
damit fertig, communiciert die Gemeinde, während er an der Tafel
des Leibes und Blutes des Herrn steht und die Presbyter andere
Becher mit Milch und Honig tragen (dh. halten), um die Commu-
nicanten zu lehren, dass sie zum zweiten Male als kleine Kinder
geboren sind, da doch die kleinen Kinder an Milch und Honig
coromunicieren So gibt ihnen der Bischof vom Leibe des Ge-
salbten und spricht dazu: "Das ist der Leib Christi". Sie ant-
worten Amen. Bei denen, welchen er den Becher gibt, spricht
8* Clemens AI. paedag. I (>, 45 p. 45, 44-7 Sylb. vgl. 6, 34 p. 43,
19-21 und 6, 51 p. 47, 14.
^ Kanon des Hippolytos 19, 15 nach W. Riedel, Die Kirchen-
rechtequellen des Patriarchats Alexandrien (Leipz. 1900) S. 213, bei
Haneberg (Monach. 1870) p. 77. Vgl. Achelis in den Texten und Unter-
suchungen VI 4 S. 100 f., wo man auch eine üebersetzung der koptisch
erhaltenen (hg. von Lagarde am Scbluss seiner Aegyptiaca) Aeg. Kirchen-
ordnnng findet. Ueber den heutigen Brauch s. JMVansleb (Wansleben)
Bist, de reglise d'Alexandrie (Par. 1G77) p. 206.
186 Usener
er: *'Da8 ist das Blut Christi**. Sie antworten Amen. Darauf
commanicieren sie von der Milcb und dem Honig als Hinweis auf
die kommende Zeit and die Sössigkeit der Güter in derselben:
jene Zeit, welche nicht zur Bitterkeit zarückkehren wird, und jene
Güter, welche nicht verschwinden. So sind sie vollkommene Christen
geworden, welche man mit dem Leibe Christi genährt hat.'
Dem entsprechend schreibt die äthiopische Tauf ordnnng^ yor:
'Und darauf sollen sie von dem . . . Geheimniss (der Eucha-
ristie) empfangen . . ., sie sollen essen das Fleisch und trinken
das thenre Blut unseres Herrn und Heilands Jesu Christi. Und
darauf soll man denen, welche in Jesu Christo (wieder-)geboren
sind, Milch (und) unverfälschten (Honig) geben.*
An Stelle der drei Kelche ist eine Dreiheit der Abendmahls-
elemente tiberbanpt getreten: Brot, Wein, Milch und Honig. In
dieser Gestalt mögen die Taufbränche an die afrioanische '^ Kirche
gelangt sein. Vor der kirchlichen Wissenechaft, die allmählich
auch den Gottesdienst beeinflussen musste, konnte sich der un-
biblische Bestandtheil der Eucharistie auf die Dauer nicht
halten. Das dritte Concil von Carthago (397) schärfte die Be-
schränkung der Eucharistie auf Brot und Wein nachdrücklich ein,
und schloss in dies Verbot auch die Milch und den Honig ein,
die den Täuflingen gereicht würden^: sie hätten ihren besonderen
^ E. Trumpp, Das Taufbuch der äthiop. Kirche in den Abhandl.
der philos.- philo!. Gl. der k. Bayer. Akademie der Wissensch XIV 3
S. 182. Vgl. H. Denzinger, Ritus orientalium 1, 282.
^ Tertulljanus de corona militis 3 *dehinc ter mergitamur . . .
inde suscepti lactis et raellis concordiam praegustamus* vgl. adv. Mar•
cionem I 14 'mellis et lactis societatem qua suos infantat (Christus)*.
Die kühn gefassten Worte der ersten Stelle, die Hieronymus (oben
Anm. 30) ausschreibt, finden genügendes Verständniss nur unter der
Voraussetzung, dass Tert. Worte und Gedanken der Liturgie zusamraen-
fasst. Milch und Honig werden den Täuflingen gereicht zum Vor-
geschmack (praegustamus) der ewigen Seligkeit; die einträchtige
Mischung der beiden Flüssigkeiten wird auch im Segensspruch der
römischen Kirche (unten S. 188) hervorgehoben und gedeutet auf die
Verbindung des Irdischen und Himmlischen in Christo. Diesen letzteren
Gedanken hatte also auch die Segensformel der afticanischen Kirche.
* Conc. Carthag. III c. 24 = conc. Hippon. (397) c. 23 = cod.
canonum eccleeiae Africanae (vom J. 419) c. 37 *Vt in sacramentis cor-
poris et sanguinis domini nihil amplius ofFeratur quam ipse dominus
tradidit he. panis et uinum aquae mixtum, primitiae uero seu mel et
lac, quod uno die sollemnissimo pro infantis mysterio solet offerri,
quamuis in altari ofFeratur, suam tamen habent propriam benediotionem,
ut a sacraniento ilominici corporis aut sanguinis distinguantur* usw.
Milch und Honig 187
Segen (benedictionem) und seien der eigentlichen Commanion fern
zu halten.
Anderwärts hat man die fremdartigen Bestandtheile, falls
sie überhaupt bekannt gewesen waren, zeitig fallen lassen. Die
grossen griechischen Kirchenväter des lY Jahrh., unter denen
Kyrillos von Jerusalem in seinen Katechesen ^^ und Johannes
Chrysustomoe in ihrem Schweigen geradezu als Zeugen gelten
müssen, kennen sie nicht mehr ; auch die etwa in dieser Zeit ab-
geschlossenen Apostolischen Constitutionen (7, 43 f.) wissen nichts
davon. Und wenn Hieronymus^^ bemerkt, dass der Brauch bis
zu seiner Zeit 'in den Kirchen des Westens' beobachtet werde,
zeigt er sich zwar über die Grepflogenheiten der Aegyptischen
Kirche wenig unterrichtet, aber um so besser mit der Thatsache
vertraut, dass den Kirchen Palästinas und Syriens die Sitte fremd
war. Den Orientalen ist die Mailändische Kirche gefolgt: in
den Taufpredigten des Maximus von Turin ist keine Andeutung
von Milch und Honig mehr zu finden ; spätestens mit dem V. Jh.
war also in Oberitalien die Sitte erloschen.
Anders ist Rom vorgegangen. Das älteste römische Sacra-
mentar, das im Laufe des VI. Jh. zusammengestellte*^ sacramenta-
rium Leoninumy beginnt zwar infolge von Verstümmelung erst im
April, und hat somit die Abschnitte über die österliche Taufzeit
eingebüsst, allein es bringt unter den Formeln der Pfingsttaufe den
erwarteten Segen auf Milch und Honig *•. Ich gebe ihn seiner
Wichtigkeit halber in Uebersetzung :
' Segne, Herr, auch diese deine Geschöpfe der Quelle, des Honigs
and der Milch; tränke deine Diener aus diesem Quell unversieg-
baren Lebenswassers, das der Geist der Wahrheit ist; und nähre
pie von dieser Milch und dem Honig, gleichwie du unsern Vätern
Abraham, Isaak und Jakob zugesagt hast, sie einzuführen in das
Land der Verheissung, das Land, das da fliesst von Honig und
® Die sonst so mittheilsame Aquitanierin geht auf [die Tauf-
bräuche selbst nicht ein (Itinera Hierosolymitana ed. Geyer p. 99).
*^ Hieron. in lesaiam 55, 1 t. IV p. β44« Vall. 'qui^raos ac typus
in occidentis ecclesiis hodie usque seruatur, ut renatis in Christo uinum
lacque tribuatur'. Man hat sich unnöthiger Weise über diese Zu-
sammenstellung von Wein und Milch den Kopf zerbrochen. Mit der
Milch ist der calix lactis dh. lactis et meüis gemeint, wie^es auch in der
Didasc. apost. p. 113,28 kurzweg heisst secundus qui lac (tenet). Vgl.
Anm. 50.
*^ S. L. Duchesne, Origines du culte chrotien p. 180 ff.
*^ Muratori's Liturgia Romana uetus 1, 31H Leo Magnus ed.
Ballerini t. II p. 24.
188 üsener
Milch. Verbinde denn deine Diener, ο Herr, mit dem heiligen
Geiste, also wie hier verbunden ist Honig und Milcb, zum Zeichen,
dass himmlisches und irdisches Wesen geeinigt ist in Christo Jesu
unserem Herrn.*
Verstehen und würdigen können wir diesen Segenseprach
erst jetzt, nachdem ans die ^Apostellehre mit der ältesten Ge-
stalt des Tanfbrauchs bekannt gemacht hat. Ausser über Milch
und Honig wird der Segen auch über Quellwasser gesprochen.
Das Wasser, das dem Wein des Sacraments beigemischt ist,
wird mit dem Altarkelche geweiht*'; hier kann es sich also nur
um Wasser handeln, das besondere gereicht wird und auf gleicher
Stufe mit Milch und Honig steht. Wer etwa denken möchte,
durch Streichung des unbequemen W^orts den Anstoss zu heben**,
würde dem Spruch einen noch schwereren Schaden zufügen, in-
dem nun der ganze Satz vom Quell unversiegbaren Lebenswas-
sers vollständig zweck- und beziehungslos würde. Also wurde
damals noch zu Rom den Täuflingen das Abendmahl genau in
der Weise gereicht, wie sie die Apostellehre vorschreibt. Der
Austheilung des Brots folgte die Darreichung der drei Kelche
mit Wasser, Milch und Honig, zuletzt Wein. Es versteht sich
von selbst, da Brot und Wein als Elemente der Eucharistie für
sich consecriert wurden, dass der Inhalt der beiden anderen Kelche
besondere zu segnen war. Unwillkürlich erhebt sich die Frage,
ob dieser lateinische Text der Apostellehre in nähere Beziehung
zur römischen Kirche gesetzt werden kann (vgl. Anm. 52).
Schon das im Laufe des VH. Jh. entstandene*^ sacramen-
iarium Gelasinnum hat diesen Segensspruch, und damit jede Spur
von Milch und Honig ausgemerzt und ebenso ist er aus den
Exemplaren des sogen, sacr. Gregorianum verschwunden; die sonst
so gut unterrichteten mittelalterlichen Schriftsteller über Liturgik
beobachten, so viel mir bekannt, vollkommenes Schweigen. 'Wohl
aber kommt noch ein liturgisches Sendschreiben in Betracht, das
ein römischer Diakon des häufigen Namens Johannes an den
vir inlustris Senarius richtet*^. Der vornehme Hofmann hatte
sich unter vielem anderem auch darüber Aufklärung erbeten,
warum 'in den heiligen Kelch Milch und Honig gegossen und am
*3 Vgl. Didasc. apost. p. 112, 7 f.
** Das haben die Ballerini gethan, gestützt auf die unten S. IVH)
zu besprechenden Ritualbücher.
*δ S. Ducheane aO. 121 flf.
*6 In Mabillons Museum Italicum I 2 p. 69— 7i).
Milch and Honig 189
Ostereametag zusammen mit dem MesRopfer dargebracht werde^^'^.
Wie die Frage, so zeigt die sachkundige Antwort, dass damals
die römische Kirche den Brauch noch übte. Nach dem Obigen
kann das spätestens dem V — VI. Jh. zugetraut werden. Es war
also, wie längst anerkannt ist^ ein grober Anachronismus, wenn
Mabillon (aO. 77 f.) den Verfasser in einem Schriftsteller des
IX. Jh., dem Biographen Gregors des grossen und Freund des
Anast^sius bibliothecarius wiederfinden wollte. Sicherer war es,
von dem seltenen Namen Senarius auszugehen. Einen solchen
kennen wir als Hofbeamten Theoderichs, den Freund des Enno-
dias ^^, und in derselben Zeit sehen wir einen gelehrten Diakon
Jobannes in vertrautem Verkehr mit Boethius und Symmachus:
auf ihn hat daher bereits Rand *® unsere Schrift richtig zurück-
geführt. Die Schrift gehört also den ersten Jahrzehnten des
VT. Jh. an. Es war nicht unwichtig, die Zeit festzustellen. Wir
haben in dem Sendschreiben das urkundliche Zeugniss dafür,
dass noch damals die römische Kirche dem Täufling bei seinem
ersten Abendmahle Milch und Honig reichte. 'Hochheilig' nennt
Johannes den Kelch nicht darum, weil Milch und Honig dem
Weinkelch der Eucharistie zugegossen ^, sondern weil der Kelch,
der diese Flüssigkeiten enthielt, als Bestandtheil des Sacraments
gereicht wurde; das wird von Johannes ausdrücklich bemerkt ^^,
and seine Beantwortung der Frage ist, sogar mit wörtlichen
Anklängen, ganz auf die Andeutungen der lat. Apostellehre ge-
gründet ^*. — Rom hatte also den alten Brauch am längsten un-
verändert bewahrt, bis er um 600 (durch Gregor den gr.?) plötz-
lich wie mit oinem Federstriche abgestellt wurde.
^*' C. 12 p. 75 'quaeeistis, cur in sacratissimum calicem lac mit-
tatur et mel et paschae eabbato cum sacrificiis ofiferatur.*
^ Mommsen zu Cassiod. p. 499 vgl. Vogel zu Ennodius p. 359.
Dass Senarius nicht Arianer war, sondern zur römischen Kirche ge-
borte, zeigt das Schreiben des Johannes p. G9.
*ö E. K. Rand, Der dem Boethius zugeschriebene Traktat de fide
catholica, im XXVI. Suppl.-Band der Jahrbücher f. Philol. S. 444 f.
^ So scheint Mabillon Mus. Ital. II p. XCIX verstanden zu haben.
Clemens AI. paedag. I 6, nl p. 47, 18 S. kennt zwar eine Mischung
von Milch und^Vein, aber er weiss auch, dass dabei die Milch gerinnt.
Wein und Milch gemischt zu trinken ' a rerum natura et hominum usu
abhorret', wie W. Christ zu Pindar p. 257 richtig urtheilt.
^* Johannes aO. p. 75 *baptizatis ergo hoc sacramenti genus
offerlur' und gegen Ende 'nutriti talibus sacramentis*.
^^ Sowohl bei der aus der beiiedictio stammenden Heranziehung
190 üsener
Der Segeneepruch des sacram, Leoninum hat eich länger
erhalten als der Brauch selbst. Als der Sprach für die Taufe
überflüssig geworden war, hatte man, wie es kirchliche Benedic-
tionen für alle möglichen Lebensmittel gibt, deren Erstlinge ge-
segnet werden sollen ^^, so für Milch und Honig als alltägliche
Nahrungsmittel diesen Spruch verwerthet. In Ritualbüchern des
IX/X. Jh. ^ steht er hinter den Segenssprüohen auf das Oster-
lamm und auf andere Fleischarten. Die Umbildung hat man mit
einem sehr geringen Maass von Yerständniss und Geschick voll-
zogen ^^ Man hat einfach im ersten Satz die Erwähnung der
Wasserquelle gestrichen und im zweiten die Worte, die allzu deut-
lich auf den Becher mit Wasser hinwiesen, theils gestrichen,
theils geändert. Dass so der zweite Satz ganz sinnlos geworden,
hat den Liturgiker, der diese Operation vornahm, ebenso wenig
gestört, als dass der ganze Segen auf die Taufe abzielt. Der
Spruch war nun reif, vergessen zu werden.
Für die kirchengeschichtliche Erfahrung und die theolo-
gische Einsicht meines jungen Freunds H. Lietzmann bestand
sofort, als ich ihm den Sachverhalt dargelegt hatte, kein Zweifel
daran, dass der Gebrauch von Milch und Honig bei der Taufe
der terra repromissionis, wie bei dem Gegensatz der Bitternies (amara)
des irdischen Sündenlebens (Joh. post amara delicta and amarititdinis
lacrimas, Did. ap. p. 112, IG amara cordis dtdcia efficiens).
^ Eine sehr reichhaltige Sammlung hat vor Zeiten das Kloster
Einsiedeln veranstaltet: Manuale benedictionum rituumque ecclesiasti-
corum (ed. III 1685).
^ De diu i nie catholicae ecclesiae ofBciis . . . patrum ac scripto-
rum libri . . . per Mich. Hittorpium (Colon. 1568 fol.) p. 79i> Martin
Gerberts Monumenta ueteris liturgiae Alemannicae (1779.4) t. IIp. 219.
Muratori Lit. Rom. uet. 2, 505 f. gibt denselben Segen 'ex peraetusto
ritaali pontificali Romano membranaceo, quod exstat apud equitem
MafFeium* (p. 415). In den zahlreichen Ritoalbüohem, welche für die
Praxis der Geistlichen gedruckt worden sind, wird man den Sprach
vergeblich suchen.
^ Ich will die Sätze, auf welche es ankommt, in den beiden
Fassungen gegenüber stellen:
Sacr. Leon. Ritualbücher
Benedic domine et has tuas creaturas Benedic domine lias creaturas
fontis, roellis et lactis. et pota lactis et mellis, et pota
famulos tuos ex hoc fönte aquae famulos tuos fönte perenni,
uitae perennis,
qui est Spiritus ueritatis. et qui est Spiritus ueritatis. et
enutri eos de hoc lacte et melle .... enutri eos de hoc laote et melle ....
Milch und Honig 191
Dicht ein nreprOnglich in der ganzen Christenheit verbreiteter,
sondern wie der palästinischen, syrischen und griechischen Kirche
von Anfang an fremd, so nur der ägyptischen mit der africani-
schen und römischen gemeinsam gewesen sei, mithin in Aegypten
seine Wiege habe. So sehr ich Anfangs mich, gegen diese Anf-
fasenng sträabte, weil dem Brauch sein griechischer Urspmng
80 deutlich aufgeprägt ist, hat mir bei ruhigem Ueberblick der
'fhatsachen mehr und mehr die Richtigkeit jenes Urtheils ein-
geleuchtet. Alte und eingewurzelte symbolische Bräuche werden
nicht so leicht über Bord geworfen, namentlich nicht, wenn so
schlagende Bibelworte sie zu stützen scheinen , wie in diesem
Falle das Land der V'erheissung. Wann sollte der Osten den
Brauch aufgegeben haben, wenn er ihn wirklich besessen hatte?
Das vierte Jh., das so viel Heidnisches in die Kirche aufnahm,
war schwerlich die Zeit für diese Keinigung. Und doch ist in
der zweiten Hälfte dieses Jh. der Brauch dem Osten ganz un-
bekannt. Auf hellenischem Boden freilich muss er entstanden
sein. Aber war Aegypten nicht hellenistischer Boden? In der
That waren hier alle Voraussetzungen, und zwar in hervorragen-
dem Maasse gegeben: Aegypten war das Land, wo unter dem
Einfluee der Gnosis zuerst heidnische Elemente, fast planmässig,
in das Ghristenthum eingemischt wurden.
Wie war man darauf verfallen, den Täuflingen Milch und
Honig als Saorament zu reichen? Man hat die Erklärung des
Brauchs in der Nahrung des ersten Kindheitealters zu finden ge-
glaubt. In wiefern damit ein Stückchen Wahrheit gegeben ist,
wird sich im weiteren Verlauf herausstellen. Zur Erklärung
aber reicht das schon darum nicht aus, weil bei der Taufe Mi-
schung von Milch und Honig gereicht wird, von deren Verwen-
dung für Säuglinge natürlich kein alter Zeuge spricht. Gewöhn-
lich fasst man den Brauch als eine Uebertragung des alttesta-
mentlichen Landes der Verheissung, das von Milch und Honig
flieset'^. Sicher hängt beides enge zusammen. Aber wer den
gottesdienstlichen Ritus aus dem alttestamentlichen Wort ableitet,
verwechselt Ursache und Mittel. Das Land der Verheissung
hätte, wenn es überhaupt die Kraft besessen hätte sich in eine
liturgische Flandlung umzusetzen, allenfalls auf die Gestaltung
der letzten Oelung Einfluss üben können, dergestalt, dass dem
Sterbenden Milch und Honig wie zum Vorgeschmack der ewigen
Μ S. oben S. 181 Anm. 21.
192 Üsen'er
Seligkeit gereicht worden wäre. Aber die Kluft zwischen der
Tanfhandlung and jener Verheiseang war nicht zu ilberepringen
ohne einen vermittelnden Gredanken, der die Kraft des Anetoeees
besaes. Wir haben hier wieder ein lehrreiches Beispiel dafür,
wie überkommene, im Heidenthum wurzelnde Vorstellongen in
unpere Liturgie gestaltend eingreifen. Die biblische Parallele
bleibt so lang ein todtes Wort, als nicht eine Vorstellung jener
Art, unwillkürlich und unaufhaltsam wirkend, in dem Bibelwort
den christlichen Ausdruck zu finden lehrt.
Welche Vorstellungen dabei leiteten, lassen die alten Zeugen
des liturgischen Brauchs nicht in Zweifel. Nach den Canones
Hippolyti^"^ sollen die Täuflinge Milch und Honig geniesseo
^als Hinweis auf die kommende Zeit und die Süssigkeit der Güter
in derselben : jene Zeit, welche nicht zur Bitterkeit zurückkehren
wird, und jene Güter, welche nicht verschwinden . Oder wie
der Diakon Johannes es ausdrückt: 'Den Getauften wird darum
diese Form des Sacraments dargereicht, damit sie zur Erkenntniss
kommen, dass nur die, welchen der Leib und das Blut des Herrn
zu Theil geworden ist, das Land der Verheissung empfangen
werden, und dass sie beim Antritt der Reise dorthin wie Säug-
linge mit Milch und Honig gespeist werden'. Es ist nicht nöthig
weitere Belege zu häufen.
Wir haben oben feststellen können, dass zu den Vorstel-
lungen, womit das Götterland und, was damit wesensgleich ist^,
der Aufenthalt der Seligen, das Paradies oder der Ort des gol-
denen Zeitalters, ausgestattet wurde, seit Alters auch gehörte, dass
es ein Land sei, wo Milch und Honig fliesst. Darum kündigt
sich durch dies Wunder der Gott an, der durch seine Gegenwart
den Himmel auf Erden zaubert, Dionysos. Den Todten wird Ge-
misch aus Milch und Honig gespendet, weil den im glücklichen
Jenseits wohnenden Geistern die Speise der Götter zukommt. In
einem Zauberbuche ^®, auf das mich A. Dieterich hinweist, wird
angeordnet: 'Nimm die Milch mit dem Honig und trink davon
vor Aufgang der Sonne, dann wird etwas Göttliches in deinem
Herzen sein . Deutlicher konnte nicht gesprochen werden. Eben
" Oben S. 18(>.
^ S. Sintfluthsagen S. 197 ff.
^ Berliner Zauberpapyrus hg. von Parthey in den Abhandl. d.
Berl. Akademie imf) S. 120, 20 f. καΐ λαβών τό γάλα σύν τψ [μ^λι]τι
άπόττιε πρΙν ανατολής ηλίου, καΐ ίαταχ τι £νθ€ον έν τ^ σή καρδ(<2ΐ.
Miloh und Honig 193
diese Yoretellung musete eicb bei der Gestaltung der altcbrist-
licben Taufe wirksam erweisen. Der Christ gewinnt dnrch die
Taufe die Sohnschaft Gottes ; geboren von sterblichen Eltern,
streift er im Wasser der Tanfe das Irdische ab and wird wieder-
geboren^ zu einem Sohne Gottes, zu einem göttlichen und zur
ewigen Seligkeit berufenen Wesen. Dessen zum Zeichen wird
der Täufling mit Milch und Honig gespeisst nicht nur symbolisch
sondern auch sacramental, indem die göttliche Speise unmittelbar
das göttliche Wesen des Neugeborenen bekräftigen hilft.
Die allgemeine mythologische Vorstellung musste durch
thatsächlichen Brauch näher gelegt sein, wenn sie in den christ-
lichen Taufceremonien so sinnfällig zur Anschauung gebracht
werden sollte. Die Yermuthung ist kaum abzuweisen, dass die
Weihen griechischer Mysterien das nächste Vorbild der altchrist-
lichen Sitte gewesen seien. Wir wissen das bis jetzt noch nicht.
Auf ein anderes Vorbild können wir mit grösserer Bestimmtheit
hinweisen. Seit Schneiders Bemerkung in Böckhs Pindarcom*
mentar*® ist es oft nachgesprochen worden®^, dass es im Alter-
thnm üblich gewesen sei, Säuglinge mit Honig zu nähren. Sieht
man genauer zu, so handelt es sich um einen in der Regel ein-
maligen Akt. Man pflegte dem neugeborenen Kinde etwas Honig
in den Mund zu streichen und dann ihm abgekochten Honig ein-
zoflössen, bevor es an die Brust gelegt wurde ®^. Auch Laien
betonen es, dass Honig die allererste Nahrung des Kindes sei
und der Milch vorhergehe®'. Bei dieser verbreiteten Praxis hat
der Honig denselben Zweck wie das auf Alemannischem Gebiet
» Bei Böckh zu Pind. Ol. 6, 47 p. 158. Schneider stützt sich
&uf die gelehrte Bemerkung des Isaac Voss zum Harnabasbrief (Epi-
etolae'^genuinae s. Ignatii, Amstelod. 104β) ρ. 313.
βι CFHermann Gr. Privatalter th. 33, V> (S. 289, 5 der ΠΙ. Aufl.)
Röscher, Nektar u. Ambrosia S. 62 f.
® Soranue gynaec. 30, 86 p. 258, 12 ff. Rose vgl. Aetius Ami-
denue IV 3 f. 68^ Aid. Paulus Aegin. I 5 f. 2^ Aid. Im Hebammen-
katechiemus nach Soranus^heisst es p. 31, 1 Rose bündig: 'digito debet
mamma eius (infantis) es ipsius inlinere uel muleam tepidam instillare
et sie postera etiam lac offerre*.
« Schol. Α riet. Thesmoph. 506 ού γάλα πρότβρον τοΙς βρέφβσιν
έδ(ίκ>σαν άλλα μέλι άπολβίχειν. Μένανδρος δέ ούκ ορθώς ποΐ€ΐ τά άρ-
τίτοκα γάλακτος άπολ€{χ€ΐν Melampus-Dioraedee zu Dionysios Thr.
ρ. 35, 17 Hilg. {BAG ρ. 788, 33) und schol. Londin. p. 491, 15 H. ώς
τό μέλι πρώτιστον βρωμά έστι τοΙς βρέφβσιν (von Uhlig nachgewiesen)
Barnabasbrief 6 οτι πρώτον τό παιδίον μέλιτι, €Ϊτα γάλακτι ίωοποιβίται.
KlMüi. Μαι. t PbÜol. Ν. ¥. LVU. ^*^
194 Usener
sogenannte Eindetränkli oder Eindesäftli^. Daee aber die grie•
chisohen Aerzte dazu grade Honig wählten, hatte seinen Grund
darin, daee er ihnen durch einen in graue Vorzeit zurückreichen-
den Brauch gegeben war. Bei den Germanen*^ und vermnthlich
auch den Slaven wurde das Kind durch Einflössung von Honig
dem Licht und Leben geweiht: wer das gekostet, dem war das
Recht zum Leben feierlich und unentreissbar zuerkannt, er durfte
nicht mehr ausgesetzt oder getödtet werden. Auch für Inder und
Perser•® ist gleicher Brauch bezeugt. Für die Griechen gestattet
die erwähnte Sitte auf den alten Hintergrund zuzückzuschliessen.
Soranus findet es nöthig unter den Stoffen, die dem Kinde zu-
erst gereicht wurden, ausdrücklich Butter abzuweisen: wir finden
bei den Indern Honig mit Butter und geronnener Milch gemischt,
bei den Juden, wenn wir ans Jesaias 7, 15 schliessen dürfen,
Butter und Honig an Stelle des von Soranus empfohlenen Honigs.
So gewiss aber der indische und jüdische Brauch auf alten
Glaubensvorstellungen beruht, haben wir auch den Honig der
griechischen Sitte darauf zurückzuführen. In den Sagen von
künftigen Dichtern und Sehern, die oben (S. 1 79) berührt wurden,
hat sich die alte Anschauung erhalten. Sie begegnet, nur auf
göttliche Stufe emporgerückt, in der von Pindar (Pyth. 9, 63)
erzählten Sage, dass Hermes den eben geborenen Aristaios cur
Gaia und den Hören gebracht und diese ihm Nektar und Am-
brosia in die Lippen geträufelt und dadurch unsterblich ge-
macht hätten.
Gewiss kann in dieser Anschauung und dem daraus ent-
sprungenen Brauch ein wichtiges Vorbild für die Gestaltung der
Einweihungsriten gelegen haben, welche die alte Kirche übernahm.
Aber eben so deutlich scheidet sich bei schärferem Zusehn der dem
Neugeborenen gereichte Honig von dem Gemisch aus Milch und
Honig, wie es der Wiedergeborene empfieng. Und so werden wir
β* S. Roohholz Alem. Kinderlied' S. 282.
® S. JGrimms D. Rechtsalterthümer S. 457 f. (l* 630 ff.) vgL
Röscher aO. H8. Für die Slaven spricht die Angabe V. Grohmanns
Aberglaube und Gebräuche in Böhmen uad Mähren S. 107 n. 7(u.
Auch bei den Südslaven dürfen wir den Brauch voraussetzen nach
dem niedlichen Kolo (Talvj's Volkslieder der Serben 2, 98), auf den
schon JGrimm D. Myth. 535 hingewiesen hat: zwei Schwestern wün-
schen ein Brüderchen zu haben, putzen eiue schöne Puppe heraus, und
' stecken (ihr) Honig in den Mund und Zucker :
"Iss das doch, und fange an zu sprechen".
w Λ Kuhn Herabkunft des Feuers S. 122^ f. Anm. 1.
Milch und Honig 195
durch nneeren ümhlick gehieteriech zu dem Punkte zurückge-
führt, Yon dem wir ausgiengen. Die Wurzel des Brauchs kann
nur in den mythischen Vorstellungen vom himmlischen Land
gesucht werden, wie sie am lehhaftesten in Sage und Cultus des
Dionysos ausgeprägt waren.
Zum Schluss möge es mir verstattet sein, mit wenigen
Worten noch einmal auf die ohen (S. 182 f.) erwähnten Gebräuche
der Mithrasweihen zurückzukommen, auf die, wie ich hoffe, die
im weiteren Verlauf gemachten Beobachtungen etwas Licht werfen.
Mit der Stufe des Löwen trat der Mithras Verehrer aus dem Rang
der ' Dienenden \ dem die drei unteren Stufen (Corvus, Cryphius,
Miles) angehörten, in den Rang der *Theilnehmenden'®'^, in dem
die vier Stufen des Löwen, Persers, Sonnenläufers und Vaters
erstiegen werden konnten. Man sieht, die niedere und die höhere
Rangklasse verhielten sich etwa wie in der christlichen Kirche
die Katechumenen und die Gremeinde der Grläubigen. Begreiflich
also, dass erst bei den vier höheren Graden Weihungen sacra-
mentaler Art vorkamen. Bei dem ersten des Löwen bestand sie
in einer Reinigung; aber der Honig, mit dem die Zunge be-
strichen wurde, entspricht zu sehr der alten Sitte, durch diese
Handlung das neugeborene Kind dem Leben zu weihen, als dass
wir nicht die Deutung auf Reinigung als nachträgliche Priester-
weisheit, wie sehr sie auch in der Liturgie Ausdruck gefunden
haben mochte, nehmen müssten. Krst mit der Stufe des Löwen
war der Mithrasdiener zur Theilnahme an den Mysterien ge-
boren. Bei der Einführung in die zweite höhere Stufe wurde
Honig als Speise gereicht. Und hier kann es nach Allem, was
wir beobachtet, keinem Zweifel mehr unterliegen, dass der Honig
in seiner alten mythologischen Bedeutung als Götterspeise ge-
nommen wurde und dem neuen ' Perser' Göttlichkeit und Seligkeit
verbürgen sollte.
U.
β' S. Cumont aO. 1, 317.
DE FRAGMENTIS SCRIPTORVM APVD
NONIVM SERVATTS
In libello meo, cui titulus^Noniue Maroellus', Oxoniia. 1901
edito docui Noniam Marcellum id componenda Compendiosa Doctrina
materiem suain ex XLI librie bausisRe, quoe eodem seniper ordine
ad partes vocat:
1 GloBsano nescioqno,
2 Planto in fabulis XXI Yarronianis (hoc ordine: Amph.,
Asin., Aul., Baccb., Cist., Gas., Capt, Cnrc, Epid., MiL^
Men., Merc, Most, Pers., Peend., Poen., Rnd., Stich.,
Trin, Truc, Vid.i),
3 Luoretio,
4 Naevio in Lycurgo,
5 Accio in hie fabulis: Enrys. (Eris.), Arm. Ind., Asty.,
Gen., Ter., Alph., Amph., Melan., Epinaus., Pelop., Pboen.,
Med., Philoct., Α 1cm., Teleph.
6 Pomponio in hie : Piot., Prost., Pannnc, Papp, agr., Piscat.,
Pist., Praec. post., (?) Petit., (?) Pore,
7 Novio in hie: Füll, fer., Paed., Agric. , Zon., (?) Dec.,
(?) Gallin., (?)Ficit., (?)Tabell., (?)Sann., (?)Macc., (?)Macc.
ex., (?) Mil. Pomet., (?) Papp, praet., (?) Praec. post.,
8 Accio in bis: Epig., Meleag., Aen. ant Dec, Stas. vel
Trop. Lib., Atham., Clyt., Bacoh., Neopt., Erig., Nyet.,
Andr., Atr., Phin., Agam., (?) Antig., (?) Chrys.,
9 Lucilio in Saturarum libris 1 — XX,
10 Ennio in bis fabulis : Uect. lytr., Teleph.,
11 Turpilio in bis: Boetb., Demetr., Caneph., Deminrg., Epicl.,
Thras., Paed., Philop., Leucad., Lind., Lemn., Parater., Het.,
1 In libello meo Vidulariam (Bid.) inter Bacch. et Cist. in Nodü
exemplari fuisse dixi. Quod tarnen nunc dubito. Cf. Non. 468 M. 35.
De fragmentis scriptorum apud Nonium servatis 197
12 Paonvio in hie: Atal., Perib., Dnlor., Herrn., (?) Ilion.,
(?) Med.,
13 Cicerone in librie de Repablica,
? 14 Glossario altero,
lo Varrone in bis Menippeie: Εύρ., Έχιυ, π€ρ\ έΕαγ., Mut.
mnl., *Ανθρ., Marcop., Cygn., Sciam., Synepb., Τό έπι τή,
'Αλλ' ου, Pap. pap., Peeud. Αρ., Cosmot., öloria, Flaxtab.,
Testam., Εκατ., Peripl. I et II, Oetog., Serran., Έιυς
πότε, Deeult., Devict., Prom. libr., περί K€p., Tithon., Est
mod., Epitaph., Trihod. Trip., (?) π€ρι αίρ., (?) Vinal.,
16 Cicerone in libro Π de Deornm Natura,
17 Accio in bis fabalis: Myrm., Diom.,
18 Sallustio in lug., Hist., Cat.,
19 Afranio in bis fabulis : Vop., Priv., Fratr., Except, (?) Di-
vort., (?) Epist., (?) Susp.,
20 Cicerone in libro I de Officiie,
21 Naevio in Danae,
22 Vergilio,
23 Terentio (hoc ordine fabularum : Andr., Ad., Phorm., Hec,
Heaut., Eun.),
24 Cicerone in epistolis ad Caes. iun., in orationibue Yerrinis
et Philippicis,
25 Lucilio in librie XXVI — XXX (hoc ordine citatia: XXX
—XXVI),
26 (xloseario tertio,
27 verborum serie quadam alphabetico, quem dicunt, ordine
(ABCD— ) dispoeita,
28 adverbiorum serie eodem disposita ordine,
29 Cicerone in librie II — III de Off., Hort., Sen.,
30 Plauto in fabulis Amph., Α sin., Aul.,
31 Varrone in bis Menippeis: Marcip., Andab., L. Maen.,
Myst., Agath., Quinq., Endym., Virg. div., Geront, Parm.,
Herc. t. f., Meleagr., Ταφ. Mev., Sesqueul., (?) Hero. Soor.,
Sexag., Γνιυθ. (Je., Eum.,
32 Gellio in Noctibus Attiois,
33 Varrone in hie Menippeis: Bimarc, Man., Mod., Όν• λυρ.,
34 Cicerone in libris de Finibus,
35 Gloesario quarto,
36 Sisenna in libris III — IV Historiarum,
37 Cicerone in Oratore, et libris de Öratore,
38 Gloesario qninto.
198 Liudsay
39 Cicerone in Acad., Tuec,
40 Varrone in libro 1 de Re Bast.,
41 Varrone in librie de Vita pop. Rom., Cat. vel de IIb. ednc.
Docui porro eos fontee ea constantia a Nonio esse adbibitoe,
ut loci ex iie citati enndem ordinem in eingnlis Compendiosae
Doctrinae librie eervent atque in fontibus ipsis.
Verbi gratia, in libro IF sab littera Ρ haec iemmata ex
fönte XXX^! (Plauto in Amph. Aein. Aal.) exhibet Nonioe
(pp. 151, 152 M.):
piem cum citatione Α sin. 506
portieculns
>»
„ 515
perplexabile
»
„ 792
praesegmina
Ϊ»
Δηΐ. 312
pipnlo
>»
„ 445
picos
»
„ 701
Sequnntur haec Iemmata ex fönte XXXP (Varr. in Me-
nippeis quibusdam):
percellere cum citatione Farm.
pinsere „
Ταφ. Mev.
porcas „
Ταφ. Mev.
putidum „
Ταφ. Mev.
[paenitndinem
praebitio „
£um.
pueros „
Enm.
paxillns ,,
Eam.
Unid est cur dubitemus credere locos saturamm Ταφ. Mev.
et £um. verum ordinem non minus exhibere quam locos fabu-
larum Α sin. et Aul.?
£t. recte quidem noe ita credere demonstravi in libello supra
dicto, ubi tota res plene traotatur.
Habemus igitur regulam ad quam verus ordo fragmentorum
aliquot apud Nonium servatorum constituatur, eorum scilicet quae
Nonius ex scriptore ipso, neque ex glossario aliquo neque ex
üommentatione marginal] hausit. Qua regula usus hie in onum
coUigam ea quae citationum apud Nonium dispositio de vero
ordine fragmentorum docet. Scito igitur:
Lucilii lib. I fr. XXIX Mu. locum habere post fr. XXVIII
III XXI „ XLIII
XLV ., VI
VI (immo νΠ) XIV „ XIV (libri VTl)
De fragmentis scriptorum apud Nonium servatis
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ib. Vn fr. XIV Mu.
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De fragmentiB scriptorum Hpud Nodiub servatis 201
Sisennae üb. IV fr. 86 Pet. looam babere post fr. 60
94
103
104
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ine. 1 36 (immo libri III) „
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Ciceronis Hortene. fr. 84 Muell. loonm babere poet fr. 16
96
Rep. III § 40 Numqnam etc.
? fr. 3 Poeni etc.
(fort, libri IV.)
IV § 6 Ceneoris etc.
§ 7 Nolo etc.
§ 7 Fides etc.
£pp. ad Caes. lun. II fr. 18
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33
§ 24 Nam cum etc.
8 lib. IV.
Admiror etc.
6 Itaque etc.
7 Fidee etc.
6 Censorie etc.
fr. 17
§
Plauti* Ampb. fr. VIII (Teubn., 1893) locum babere poet fr. IX
η
Μ
XII
Bacch. XIII
Varronis Agatb. fr. VIII Bue. locum babere poet fr. I
XV
VI
VI
XXXVI
XII
XVI
XXVII
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* Non tarnen affirroare licet Bacch fr. XVII poet XVIII locum
habere. Nam ex ordine eo quem singulue particulae lemmatum in
lib. IV<^ tenent nibil certi colligitur (cf. lemma indueere, p. 330 M.).
202 Liiidsay
Varronie L. Maen. fr. IV Bne. locum habere post fr. III
Man.
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Marcip.
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XI Ribb. (1873)
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Except.
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Fratr.
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Vop.
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XVI
Pomponii Pannuc.
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VI
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VI
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IV
De fragmentis scriptorum apud Nonium servatis 203
Pomponii Piot. fr. I Ribb. locum habere post fr. Π
Π „ IV
Praec. poet.VIII „ VIT
Proet. IV „ V
V „ VIII
?Novii Paed. VI „ V
De fragmentis Varronis librornm de Vita pop. Rom. et de
Lib. edno. nondnm eatis commode editorum nihil dico. Qni ta-
rnen eornm librornm editionem parabit, ie diligenter Nonianarum
ordinem oitationnm scmtetur neoesee erit.
Neque ea indicia neglegenda qnae ordo oitationnm praebet
ad emendandoe librornm vel titnioe vel numeroe a scribis per-
peram relatoe vel ad coniirmandoe eos quos editores mntare vo-
Inemnt.
Apparet igitnr:
Lncilii lib. VI fr. XIV revera esse lib. Vli*, cnm antece-
dant dno lemmata ex lib. VH^ Itaqne legendum ap. Non. 22
M. VIL iactari (Vn. aetari codd,).
Lncilii lib. XIX fr. IX revera esse lib. XXIX ^ (sie codd.
aliqnot), cnm lemma spargere (Non. 404 M.) ex fönte Lnciliano
altero venerit.
Lncilii lib. XXVn fr. XXXIV revera esse lib. XXVO* (sie
codd : XXVI coni. M.). Quod enim lemmata (Non. 1 38 M.) ex lib.
XX VI^ seqnnntnr, id optime convenit cnm citandi more Noniano.
Lncilii lib. XXVIII fr. I vv.l~2 revera esse lib. XXIX»,
cnm lemma deferre (Non. 289 M.) inter lemmata ex lib. XXX ^
et lib. XXIX 0 stet.
Lncilii lib. XXIX fr. LXVIII revera esse lib. XXX*, cum
seqnantnr lemmata ex lib. XXX^.
Lncilii lib. XXIX fr.LII non esse libri XIX (ficcodd.), cnm lem-
ma cupiditas et cupido ex fönte Lnciliano altero haustum esse videatnr.
Lncilii lib. XXX fr. XXXV revera esse lib. XXX*, cnm prae-
cedentia et seqnentia lemmata ex eo libro sint.
Sisennae fr. 9 esse lib. III* (I vel II codd.), cnm lemma
remnlcare (Non. 57 M.), primnm lemma in serie Sisenniana, No-
nins ex sno ezemplari snmpsisse videatnr. Id autem exemplar
tantummodo libros III— IV habnit. Seqnnntur lemmata ex lib.
IIP hansta.
Sisennae fr. 104 esse lib. IV*, cnm lemma caecum (Non.
449 Μ .) inter lemmata ex libro IV° hansta stet.
Sisennae fr. 117 esse lib. III*, cnm seqnantnr lemmata ex
204 Li ndsay
Hb. IIP. Legendum igitur ap. Non. 161 M. 20 III idemque (IUI
idemqne vel III iidemqiie codd.).
Gioeronis Acad. Poet. III fr. 13 esse üb. IV* et looum post
Acad. Pr. II § 120 habere, com lemma eaultare (Non. 65 M.) ee-
quatnr doo lemmata ex Üb. IV^ baneta.
Com. pall. ine. fr. XVIII vinnulum sensi locum Turpilii esse
et aut ex Paraterusa fabula aut ex Hetaera citatnm, nisi quidem
Varronie eaturae Menippeae neecio oui aecribendnm eet. Nam prae-
cednnt lemmata vilitant^ vilicari (Non. 185 M.) ex Tarpilii Lindia
et Paraternea, sequnntur duo lemmata ex Sallnstio hauet«.
Quamvis tarnen Nonius mirnm qnantnm constantiae in or-
dine citationum servando exhibuerit^, cavendum est ne codicum
testimoninm eine debita circamspectione abiciatnr. Itaqne Schott-
mnellero non aseentior neganti illud Lucüius Satyrarum Hb, XI
ap. Non. p. 22 M. 29 (β. ν. tricones) verum esee posee, cum
lemma iricones hanc seriem Lucilianam claudat: cernuus Sat. III,
stridvrae Sat. Ι II, quiritare Sat. VI, caries Sat. VII, virosae Sat.
VII, capronae Sat. VII,, cerebrosi Sat. XV, prostomis Sat. XV,
tricones Sat. XI. Locus enim Lucilianus, qui illnd trico exhibet,
etiam in IV** capitulo Compendiosae Doctrinae apparet (β. v. len-
tum^ ^facile*, p. 338 M.), unde huc ab interpolatore neecioquo
tranelatus eeee videtur^. Nempe plus adiuvamur in confirmando
quam in abiciendo testimonio codicum. Noli igitur dubitare illud
X FJi Quicherati abicere in citatione (Lucil. XXVIII fr. XL) ma-
nifeetissime ex fönte Luoiliano altero haueta (ap. Non. 371, 16).
ad S. Andreae Scotorum. W. M. Lindeay.
' Sicui ea quae in libello meo exposui parum persuaserant, is
quaeso secum reputet, quot lemmata, quae primo aspectu a norma
dissentire videantnr, tum demum consentire intellegantur, simul atque
verus föne, unde Nonius ea hauserit, sit indagatus. Habes ap. Non. 349
M. 2 citationero (s. v. maturum) ex Accii Melanippo inter Vergilianam
et Ciceronianam (Off. III 59). Credideris ordinem interruptum, cum
illa Accii fabula longa prius quam Vergilii poemata et Ciceronis de
Officiis libri II— III vocari a Nonio ad partes soleat. Respice autem
ad p. 154 (s. v. praesente); intelleges Nonium revera hunc versum
Accianum in Glossario Adverbiorum repperisse, non in ipsa Accii fa-
bula. Cf. *Non. Marc* p. 22 (ad adfari, Nod. p. 463), p. 27 (ad paw-
periesj Non. p. 494), p. 43 (ad expetunt, Non. p. 104), p. 93 (ad /icwtt-
diliter, Non. p. 112), p. 48 (ad inpuno, Non. p. 129), etc.
2 Illud etiam velim tecum reputes, quot citationes, qu«e ordinem
interrumpere videaotur, in aliis Compendiosae Doctrinae locis repe-
riantur, ex quibus eas ab interpolatore travectas esse pateat. Velut
illa Ciceroniana' (Hort. fr. 24) quae ex Nonii p. 401 (β. ν. suhigere) tra-
vecta ordinem hoc modo interrumpit in p. 395 (s. v. seges):
SEGES est frumenti fructus. Vergilius Aen. Hb. II: in segetem . . .
austris. [Segetem, terram. M. Tullius in Hortensie: ut enim se-
getes agricolae subigunt . . . serant] Segetem etiara ipsam ter-
ram dicimus. Vergiliue, etc.
Nonne manifestum est verba ea, quae inclusi, ex adscriptione marginali
in contexturo ipsum deerrasse?
HELLENISTISCHE STUDIEN
I. Nisoe und Skylla in der hellenistischen
Dichtung.
In der kleinen nach vielen Seiten hin anregenden Schrift
*Au8 Vergils Frühzeit, in der mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit
Cornelins Gallus als Dichter der Ciris erwiesen wird, kommt der
Verfasser, Fr. Skutsch, auch auf die griechische Vorlage zu
sprechen und glaubt Heynes, zuletzt von Rohde (Gr. Rom. S. 93
A. 3) gebilligte Annahme, dass Parthenios die Quelle sei, auf
einem anderen Wege noch verstärken zu können (S. 87). Viele
Dichter, heisst es in der Ciris (46 — 53), haben behauptet, die
Skylla, die ich besingen will, sei das Meerungeheuer:
54 complures illam et magni^ Messala, poetae
• « .
loiige alia perhibent mtdatam membra figura
Scyllaeum monstro saocum infestasse voraci ;
illam esse aerumnis qwxin saepe legamus Ulixi,
Candida succinctam Ustrantihus inguina monstris,
60 Dulichias vexasse rates et gurgite in alto
deprensos nautas canibus lacerasse marinis.
sed neque Maeoniae patiuntur credere chartae
nee malus i stör um dub iis erroribus au clor*
Skutsch, der in dem malus auctor Homer erkennen will, denkt
an einen Nachklang der unehrerbietigen Aeusserungen des Parthe-
nios über den Mäoniden (Anth. Pal. VII 377^); er erklärt ferner
den vorletzten Vers so: die Sache ist unglaublich, weil sie in
den 'Mäonischen Charten steh£. Aber erstlich sind diese durch
die doppelte disjunctive Partikel deutlich von djem malus auctor
geschieden, zweitens leuchtet jedem unbefangenen Leser ein, dass
^ V. 9 ist mit Küster, dem Martini folgt, zu schreiben (ιΧιστ* άγο-
ρ€θσαι) πηλόν *06υσσ€(αν καΐ πάτον Ίλιάδα.
206 Knaack
mit dem eiodringlich wiederholten illam auf die in den vorher-
gebenden Versen angekündigte Sagenversion verwiesen wird, dh.
eben auf die Scylla Nisi, was Skutscb S. 93 f. mit unzureichen-
den Gründen bestreitet. Somit ist der malus auctor^ der Erfinder
dieses angeblichen Synkretismus, der mit bemerkenswerther
Schärfe abgewiesen wird, eine ganz bestimmte (Dichter•) Persön-
lichkeit, über dessen Werk sich zum Glück mehr ermitteln läset,
als was in diesen Versen gesagt ist. Die Berufung auf Homer,
der ja das Ungeheuer nur als Tochter der Krataiis kennt (Cir.
r>() = μ 124), hat mit den erwähnten Ausfällen des Parthenios
nichts zu schaffen. Wohl aber wird durch ein zwar längst be-
kanntes, aber jiicht nach Gebühr gewürdigtes Zeugniss das Ma-
terial vermehrt. Wenn der Dichter der Ciris alle andern Be-
richte über Skylla nicht gelten läset — die Verwandlung in einen
Fisch wird beiläufig 484 ff. abgelehnt — , seinen dagegen dem Leser
als ausgesuchte Rarität anpreist (89 ff.):
quidquid et ut quisque est tali de clade locutus,
somnia sunt: potius liceat cognoscere Cir in
atque Unam ex tnultis Scyllam non esse pucllis —
so sind wir berechtigt seine Erzählung auf ihre besondern Züge
zu prüfen. Sie gipfelt bekanntlich in der Metamorphose des
Nisos und der Skylla — uns aus Vergil (Georg. I 404 ff.) und
Ovid (Met. VIII 145 ff.) geläufig. Aber für ersteren ist, wie
Skutsch nachgewiesen, unser Gedicht die alleinige Quelle — bis
auf einen gleich zu erörternden Zug, während Ovid auf dieselbe
griechische Vorlage (Parthenios) zurückgegriffen hat. Unabhängig
von diesen tritt für die Verwandlung die Paraphrase der Όρνίθιακά
des Dionysios von Philadelphia ein (II 15 in den Poetae bucol.
et didact. p. 119 [Didot]); dies Zeugniss muss mit dem erhaltenen
Excerpt aus den Metamorphosen des Parthenios (Fr. 20 Martini,
Parthenii Nicaeni quae supersunt p. 23 = p. 270 Mein.) zusam-
mengestellt werden.
Schol. Dion. Per. 420 Dionys. *Ορνιθ.
(ergänzt durch Eustath.)
— ώς bi ΤΤαρθένιος έν ταϊς μ€-
ταμορφώσβσιν λέγει, έπεΛή
Μίνως λαβών τα Μέγαρα h\a ήοέκίρρις^ άΗίοντών
(Σκύλλης Eustath.) τής Νίσου άσεβημάτων bibuiai 6ίκην,
1
* Die falsche Orthographie wird man dem byzantinischen Para-
phrasten lassen müssen.
Rellenistieche Studien
207
θυγατρός έρασθει'σης αύτου
και άποτεμούσης της κεφαλής
του πατρός τόν μόρσιμον πλό-
καμον και ουτιυς αυτόν ττροοού-
σης, εννοηθείς ώς ή τόν πατέρα
προϊούσα ούοενός fiv ποτέ
^αόίιυς φείσαιτο, προσοήσας
αυτήν (πηοαλίψ νεώς Eust.)
€Ϊασεν αυτήν έπισύρεσθαι τή
θαλασσή (τήν προοότιν και
πατροφόντιν άφήκε σύρεσθαι
bia θαλάσσης Eust.) — δθεν
Σαρωνικός ούτος ό πόντος
εκλήθη — ?στ* είς όρνεον ή κόρη
μετεβλήθη \
δτι του Μίνωος έρασθεΐσα καΐ
τόν πορφ^ρουν του πατρός
πλόκαμον έκτεμοΟσα τήν πα-
τρίδα εϊλετο προοουναι τψ Μί-
νωι* Ö bi. τήν προοοσίαν καΐ
μετά τήν νίκην μεμψάμενος
άπεοησεν (έπέοησεν?) αυτήν
νεώς καΐ κατά τής θαλάττης
εϊασε φέρεσθαι*
Die Uebereinstimmung im
και μεταβέβληται μέν ουτιυς
εΙς όρνεον αυτή, μισείται
bk παρά πάντων όρνέιυν,
κδνάλιαίετος αυτήν θέα-
ση τ αϊ π λ α νω μένη ν, ευ-
θύς έπιθέμενος δια-
φθείρει,
erbten Abschnitt ist βο gross,
dase man die genaueren Angaben über den Vogel, welche am
Ende des Excerptee hinzatreten, unbedenklich auf dieselbe Quelle,
also auf die Metamorphosen des Parthenios, zurückführen darf.
Bestätigung gibt die lateinische Nachdichtung: wie der Anfang
des Stückes mit Cir. 52:
haec pro purpureo poenam scelerata capillo^
pro patria solvens excisa et fundUus urbe
unerkennbar zusammentrifft, so entspricht der Sohluss den letzten
Versen. Das ist wichtig für die Beurtheiluug des Verhält-
nisses zwischen Original und Bearbeitung. In denselben Zu-
sammenhang gehört aber auch die sonst nicht zu belegende An-
gabe, dass die κεΐρις von allen Vögeln mit ihrem Hass ver-
folgt werde, ein ins üebertriebene gesteigerte, aus dem unge-
selligen Wesen des Reihere (s. u.) abgeleiteter Zng^. Zu diesen
eicher auf Parthenios zurückgehenden Einzelheiten kommt noch
eine aus Vergils Georg. Γ 404—409. Hier hat der Dichter
* €στ* Martini für öti. Die Worte 68€v — εκλήθη dürfen aber
nicht getilgt werden.
2 Vgl. Ciris 517: infelix virgo nequiquam α morte recepia
incuUum solia in rupibus tocigit aevum.
208 Knaack
zwischen die arateieoben Wetterzeiohen zwei Verwandlungesagen
eingeschoben: die diltciae Thetidi alcyoncs ^ und Nisos mit Skylla.
Formell sind die Veree aus der Ciris entlehnt, ein Kompliment
für Comeline Gallus^, inhaltlich aber geben sie etwas Neues,
ein Wetterzeiohen, das in der Ciris η i ο h t steht, also wohl in
deren Vorlage vermuthet werden darf.
£8 ist kein grosser Zuwachs, der zu dem bisher bekannten
Bruchstück der Metamorphosen hinzugekommen ist, immerhin aber
ausreichend, um erkennen zu lassen, dass der Römer in seinem
Epyll keine blosse Uebersetzung aus dem Griechischen, sondern
eine freie Bearbeitung geliefert hat. Mit dieser Einschränkung
darf man die Ciris als ein Werk des bithynischen Dichters be-
trachten^. Dass dieser auch sonst noch in Einzelheiten mehr
bot, ist von vornherein wahrscheinlich, es lässt sich aber auch
aus dem höchst einseitigen Auszug des Scholiasten — der ja nur
die etymologische Deutung des Σαρωνικός κόλπος geben will —
erschliessen. An die [Jeberreichung der verhängnissvollen Locke
durch Skylla ist eine Reflexion des Minos geknüpft, die in dem
aufiullend kurzen und trockenen Bericht des lateinischen Bearbeiters
(386 ff.) fehlt^. Bei der Dürftigkeit des vorliegenden Materials
würde sich über diesen Punkt nichts Sicheres ausmachen lassen,
wenn nicht auf ihn, sowie auf andere Unebenheiten der Erzählung
von einer anderen Seite her ein Lichtstrahl fiele.
^ Sie decken sich keineswegs mit Theokr. VII 57:
άλκυόνβς γλουκαΐς Νηρηίσι τα{ τ€ μάλιστα
όρνίχων έφίλαθεν,
wie ζΒ. Morsch de graec. auctor. in Georg, a Yergilio expressis (Diss.
Halle 1878) p. 80 annimmt, sondern weisen auf eine von Ovid Met.
XI 496 zur Verknüpfung verwandte Sagen version (Ehwald z. 410).
Da nach Probus z. Verg. für die schöne Sage von Eeyx und Alkyone
Nikander Ovids Gewährsmann war, so käme dieser in Betracht. Ande-
rerseits ist zu beachten, dass nach dem von Probus neben Nikander
genannten Metamorpbosendichter Theodoros (vgl. meine Anal. Alex.
Rom. p. 54) Alkyone, die Tochter Skirons, Enkelin Polypemons (Ov.
met. YII 401), in einen Eisvogel verwandelt wurde. Also spielte die
Geschichte in der Megaris, und jene ist vielleicht mit Nisos und Skylla
verwandt.
3 Vers 404 f. geben den Α η f a η g des Gedichtes (49 und 52,
nach der Widmung) wieder, 406 — 409 sind wörtlich aus dem Schluss
hinübergenommen.
^ Vgl. im allgemeinen Merkel prolus. ad Ovid. Ibim p. 359.
^ Noch stärker drückt das Eustath. aus: τήν ιτροδότιν καΐ ira-
τροφόντιν άφήκε σύρβσθαι διά τής θαλάσσης, vgl. Cir. 419.
Hellenistische Studien 209
Die Schärfe, mit der im Prooeminm der Ciris der Dichter,
welcher die Scylla Nisi mit dem Meerangeheuer gleichsetzte, zu-
rechtgewiesen wird, lässt auf nicht geringe Verbreitung dieser
Version und auf keinen unbedeutenden Verfasser schlieesen. In
der That, wie bekannt diese Sagenform war, bezeugen wieder-,
holte Anspielungen der römischen Dichter^. Wir haben nicht
das Recht als Quelle aller das Prooemium der Ciris oder Vergil.
ecl. VI 74 (s. u.) zu vermuthen. Besondere Beachtung beansprucht
Properz IV 4, 39, da bei ihm die verliebte Tarpeja eich an ihr
griechisches Vorbild erinnert:
quid mirum in patrios Scyllam saevisse capiüos
c<mdidaque in saevos inguina versa canes.
Denn dieses Distichon ist, wie Rohde (Rom. 93, 3) treffend be-
merkt, mit lU 19, 21 zu combinieren ' :
Tuque 0 Min ο α venundata, Scylla^ figura,
tondere purpurea regna paterna coma,
hanc igittir dotem virgo desponderat hosti!
NisCj tuas porfas fraude reclusit Amor,
at vos innuptae, felicius urite taedctö:
ρ endet Cr etaea tr ac t α ρ u eil α rate,
non tarnen immerito ! Minos sedei arhiter Drei:
Victor erat quamvis, aequus in hoste fuit.
Damit sind die bedeutendsten Momente einer ganz bestimmten dich-
terischen Darstellung kurz zusammengefasst. Die Probe auf die
Richtigkeit der Rohdeschen Vermuthung gibt ein sehr wichtiges,
bisher noch nicht genügend gewerthetes^ Euripidesscholion (Hipp.
1 Propert. IV 4, 39 ff. Ovid. Am. III 12, 21 A. a. I 331 (bezeich-
nenderweise sind hier, um die scheinbare Sagencontamination zu be-
seitigen, zwei Verse später interpoliert) Her. XII 123 Fast. IV 50.
^ Skutsch S. 94 denkt an eine Vergilreminiscenz.
^ Dieses Scholion hat eine eigene Geschichte. Von Welcker Gr.
Trag. 1225, 3 sehr kurz erwähnt, war es Helbig Denkmäler und For-
schungen 1866 Sp. 196 unzugänglich ; Rohde führt es nicht auf, Skutsch
kennt es nicht, ebensowenig wie Vollgraff de Ovidii mythopoeia p. 90
(Berl. Diss. 1901), der sich unnöthigerweise über dieses mirae confusionis
documentum ereifert. A. Leuschke de metamorph, in schol. Vergilian.
fabulis p. 55 (Marburg. Diss. 1895) berührt es nur flüchtig, etwas mehr
gibt 0. Waser Skylla und Charybdis in der Litteratur u. Kunst der Grie-
chen u. Römer (Zürich 1894) S. 57. Weder Wagner noch Röscher (Mytb.
Lex. HI 426 ff.) halten es für wichtig. Dagegen spielt es in der 'so-
laren Mythologie Sieckes (de Niso et Scylla in aves mutatis, Progr.
des Berl. Friedrichs-Gymn. 1884) natürlich eine bedeutende Rolle.
Bh»in. Mm. t PhUoI. N. F. LYU. 14
210 £ η a a ο k
1200), dessen Uebereinstimmangen mit Properz im Druck her-
vorgehoben sind : — άλλοι bk φααΐν δτι έκ τής Σκύλλης τής θυ-
γατρός του Νίσου του άοελφου του ΑΙγέως και ΤΤάλλαντος.
ούτος γαρ ώκησβν €ΐς Μέγαρα έάσας τους αδελφούς μαχόμενους
π€ρ\ τής βασιλείας. κα\ ήν βΐμαρτόν μή παραληφθηναι τόν τό-
πον, έν ψ f|V ό Νϊσος, 2ως €Ϊχ€ τόν χρυσουν πλόκαμον έν τη
κεφαλή αύτου (β. u.). ό οΰν Μίνιυς στρατοπεοεύσας κατ' αυ-
τού ουκ ήουνήθη παραλαβεϊν. ή bi. θυγάτηρ αύτου Σκύλλα
θεωρήσασα τόνΜίνω έφίλησεν αυτόν και συν-
ετάΕοτο αύτψ προοουναι τήν πόλιν, εΐ λάβοι
αυτήν γυναίκα, δοέσυνέθετο. και παραγενομένη
τέμνει του τεκόντος τόν πλόκαμον και τήν πόλιν προύοωκε.
καΐ μετά τό παραλαβεϊν τήν πόλιν έλαβεν αυτήν επάνω του
πλοίου και έοησεν αυτήν εΙς τό πηοάλιον (Schwartz:
πλοϊον die Ηββ.) και έν τή θαλασσή καθήκεν και έμεινε
συρομένη έν αυτή και bia τούτο εκλήθη Σαρω-
νικόν τό πέλαγος. έκπεσοΟσα bi. έν τή θαλασσή και θη-
ρίον γενομένη τήν οίκείαν φύσιν μετέβαλεν ούοαμώς.
Hier haben wir eine einheitliche, geschlossene, in eine Me-
tamorphose auslaufende Erzählung. Und zwar wird die Königs-
tochter nicht in einen Seevogel oder Fisch, sondern in ein θηρίον,
dh. in das bekannte Ungeheuer verwandelt^ — darf man ange-
sichts der Uebereinstimmungen mit Properz daran zweifeln, dass
die Hypothesis desselben Gedichtes vorliegt, aus dem der Elegiker
die Hauptsachen entlehnte? Die Strafe Skyllas und die daran ge-
knüpfte Etymologie ist die gleiche wie bei Parthenios, aber die
Yerhandlangen der Verrätherin mit dem Landesfeinde erscheinen
hier klar und verständlich, während wir in der Ciris blosse An-
deutungen lesen (187, 413, 422), die für den Kenner der Sage
berechnet sind. Zweifler könnten auch in diesem Punkte die
Schuld auf den Bearbeiter schieben und im Original eine grössere
Ausführlichkeit annehmen. Aber zu Gunsten der vorgetragenen
Annahme spricht ein entscheidender Umstand: die verschiedene
Auffassung der Liebe zwischen Skylla und Minos. In der Ciris,
dh. bei Partbenios, fällt alles Licht auf Skylla, während Minos
fast verschwindet; in der erschlossenen Yersion ist umgekehrt
dieser die Hauptperson. Lässt schon der properzische starke
Ausdruck Minoa venundata figura den Sachverhalt ahnen, so ge-
winnen wir durch die Tarpejealegie noch mehr Anhalt, Gewiss-
1 So wird sie auch bei Palaiph. 21 und im Schol. Q zu Honi.
Od. μ 10Γ) genannt.
Hellenistieohe Studien 211
beit durch Ovid. Met. VIII 21 ff. Dieser sonst in seiner Dar-
stellung abweichend, trifft an zwei Stellen auffällig zusammen mit
Properz,
61 cur suus haec Uli reseret mea moenia Mawrs
et non noster Ämor'i
= Prop. iVfse, tuas portas fraude reclusit Amor.
Ov, 101 (von Minos)
— ut leges captis iustissimus auctor
hostihus imposuit.
= Prop. Victor erat quamvisj aequus in hoste fuit,
und dass hier eine beiden gemeinsame Quelle vorliegt, beweist
der auf eine besondere dichterische Darstellung hinweisende Nonnue
Dionys. XXy 148, der 165 ff. mit Properz und Ovid sich deckt:
Μίνιυς μέν πτολίπορθος έψ ποτ€ κάλλεϊ γυμνψ
ύσμίνης τέλος εύρε καΐ ου νίκησε σιοήρψ,
άλλα πόθψ καΐ ίριυτι.
Somit darf die Zusammengehörigkeit dieser drei Zeugen als
sicher angenommen werden. Aber es geht weiter. Denn wenn
man die stehenden Phrasen des Panopolitaners abzieht und seinen
unleidlichen Schwulst auf eine schlichte Redeweise zurückzufahren
versucht, so ergeben sich sogar in Einzelheiten unverkennbare
Uebereinstimmungen, wie folgende Zusammenstellung lehrt:
oiba μόθον Μίνωος, δν ήνυσε θήλυς Ένυώ
κεστόν έλαφρί2Ιουσα καΐ ου τελαμώνα βοείης,
ότπτότε Κύπρις έην κορυθαίολος, όττπότε Πειθώ
χάλκεον ίγχος ίπαλλε — —
ήνίκα λαψ
Νισαίψ Μεγαρήι Κυδωνιάς ίβρεμε σάλπιγΕ,
εδτε Φόβον καΐ Δεϊμον Ιοών συνάεθλον Ερώτων
ϊχνεσιν αίοομένοισιν έχάίετο χάλκεος 'Άρης
άσπίοα κουφί2Ιουσαν όπιττεύων ΆφροΜτην
καΐ ΤΤόθον αίχμάίοντα, και εύθώρηκι μαχητή
άβροχίτων έτέλεσσεν Έρως καλλίτριχα νίκην.
Σκύλλα γάρ ύπνώοντος άκερσεκόμοιο τοκήος
ήλικα πορφυρέης άπεκείρατο βότρυν έθει'ρης
και πόλιν ίπραθε πάσαν 2να τμητήρι σώήρψ
βόστρυχον άμήσασα πολισσούχοιο καρήνου,
(Es folgen die bereits oben ausgezogenen Verse.)
κορυσσομένου bk Λυαίου
ου Πόθος έπρήυνεν άκοντοφόρων μόθον Ίν6ών,
ού Παφίη κεκόρυστο συναιχμάίουσα Λυα(ΐ|ΐ
212 Knaaok
κάλλεϊ νικήσασα, μόθου τέλος ου μία κούρη
οίστρομανής χραίσμησεν έρασσαμένη Διονύσου,
ου οόλος \μ€ρΟ€ΐς —
Oyid. 24 ff:
hac iudice MinoSy
seu Caput abdiderat cristata casside penniSj
ingaleaformosus erat, seu sumpsercU aer e
fulg entern clip eum, clipeum sumpsis s e decebat.
torserat adductis hastilia lenta lacertis,
laudabat virgo iunctam cum viribus artem.
• • •
cum vero fadem dempto nudaverat aere^
purpureusque alhi stratis insignia pictis
terga premebat equi spumantiaque ora regebatf
via; suOj ν ix sa nae vir g ο Niseia comp ο s
mentis erat.
Den Eindruck des präobtigen Heitere auf das Mädchenherz
eohildert an erster Stelle und überträgt auf seine Tarpeja Pro-
perz aaO. 19:
vidii arenosis TcUium proludere campis
pictaque per flavas arma levare iubas.
öbstupuit regis facie et regalibus armis
interque oblitas eacidit urna manus^j
deren sentimentale Reflexion 37 :
itle equus, ille meos in castra reponet amores,
cui Tatius deatras collocat ipse iubas^
in den nicht minder sentimentalen Gedanken Skyllas bei Ovid 36
eine Parallele findet:
felix iaculum^ quod tangeret illCt
quaeque manu pr emer et felicia fren α ν ο c ab at.
Diese entsprechen wieder genau den Wünschen des in die spröde
Jägerin Nikaia verliebten Hirten Hymnos bei Nonn. XV 257:
αϊθ€ βέλος γβνόμην . . .
αϊθ€ βέλος Τ€νόμην θηροκτόνον, δφραμε γυμναϊς
χ€ρσΙν έλαφρίσσειβν . . .
παρθένε, κουφίίεις βέλος βλβιον, υμέτεροι γάρ
^ Zu diesem Verse vgl. Ehwalds Anmerkung,
s Ueber diesen 'alexandrinischen Kunstgriff vgl. Dilthey de Call.
Cyd. p. 55, 4.
^ Hieran sobliesst sich bedeutsam das oben angeführte Distichon.
Hellenistieohe Studien 213
Τμνου μηλονόμοιο μακάρτεροί βίσιν όιστοί,
δττι τ€ών ψαύουσιν έρωτοτόκιυν παλαμάιυν^
Εβ sind nar einzelne Züge, die wir auf diesem Wege ge-
wonnen haben, aber sie fügen sich wohl zasammen und geben
von der Darstellung des unbekannten hellenistischen Dichters (Δ)
ein ziemlich deutliches Bild^. Sein Vorbild war eine Stelle des
enripideischen ersten Hippolytos (Ovid. Her. IV 79 — 84, vgl.
Paus. II 33, 3) , wie bereits M. Mayer de Earip. mythopoeia
[Diss. Berl. 1883] 69 gesehen hat.
Wie stellt sich nun dazu Parthenios? Die Thatsache wird
angedeutet 130:
ni Scylla novo correpta furore,
Scylla, patris miseri patriaeque mventa septdcrumt
0 nimium cupidis Minoa inhiasset ocellis,
wobei die Entstehung dieser Leidenschaft durch die Rache des
beleidigten Eros hier füglich ausser Spiel bleiben darf'. An-
dererseits weisen die Verse 429 ff:
vuUu decepta pueUa
ut vidif ut perii! tU me malus a^stulit error/
non equidem ex ist ο speravi corpore passe
tcUe malum nasd: forma vel sidera /alias
unerkennbar auf die Schönheit des Ereterkönigs hin, die der
Liebesraserei des Mädchens als Folie dienen soll. Im Hinter-
grunde steht die ausführliche Schilderung, wie sie in Α zu lesen
war, oder mit andern Worten: Α wird vorausgesetzt; für den
Kenner genügten die wenigen Anspielungen. Aber damit nicht
genug: durch eine besondere Erfindung, deren Einzelheiten erst
später erörtert werden können, wird Minos noch mehr in das
rechte Licht gerückt. Das ist die Episode über Britomartis
286 ff., die im Munde ihrer Mutter Earme, die aus Kreta ver-
^ üeber dies Wunschmotiv ist Rohde Rom. 162, 4 zu vergleichen ;
einige Parallelen aus modemer Volkslitteratur gibt Biese Ztsoh. f. vgl.
Litt.-Geech. N. F. I 411—425.
^ Diese und ähnliche Zusammenstellungen würden nun freilich
ganz nutzlos sein, wenn der neueste Beurtheiler der Ovidischen Meta-
morphosen, Vollgraff p. 38 mit seinen Behauptungen Recht hätte. Allein,
je tiefer man in diese Erzählungen eindringt, desto mehr erkennt man,
dass Ovid die Gebilde der griechischen Dichtung mit unvergleichlicher
Leichtigkeit in einen Hotten Stil alfresco umgesetzt hat, wobei aller-
dings gar manche Feinheiten der Originale verloren gingen. Einer der
besten Kenner Ovids, R. Ehwald, theilt diese Ansicht.
^ Zumal da die Partie 139 — 155 verderbt zu sein scheint.
214 Κ η a a c k
trieben als Pflegerin der Skylla im megariscben Eönigepalaste
weilt, die dämonieobe Oewalt des Ereterftirsten vor Augen stellen
soll. Dieser Kunstgriff, den Helden in einem gewissen Dnnkel
zu lassen nnd die Nebenpersonen in den Vordergrund zu rücken,
ist auch sonst der bellenistiscben Dichtung nicht fremd : so er-
scheinen die Tbaten des Herakles wiedergespiegelt in den Reden
Alkmenes und Megaras bei dem Verfasser des unter den Nach-
lass des Moschos gerathenen anmuthigen EpyllsV Aber auch die
breite Schilderung der Liebesleidenscbaft in der Ciris ist nicht
das eigene Werk des Parthenios : er hat, wie v. 238 verständlich
genug angedeutet wird, die verliebte Myrrha (Anton. Lib. 34,
Ovid. Met. X 298 ff.) sich zum Vorbild und Muster genommen.
Einer eingehenden Begründung bin ich durch Kalkmann (de
Hippel. Eurip. quaestt. nov. [Bonn 1882] p. 87 sqq.) enthoben.
Es fragt sich nun, ob sich aus Ovid, der ja Α notorisch benutzt
hat, noch etwas gewinnen lässt. Trotz der sehr ähnlichen Dis-
position der Reden Skyllas' trifft er mit dem Dichter der Ciris
doch nnr in ein paar Einzelheiten zusammen. Cir. 105 wird
die Königeburg beschrieben:
stat Megara, Älc<U?K>i quondam munila läbore,
Alcaihoi Phoehtque^ deus namque adfuit Uli;
unde etiam citharae voces imitatus acutas
saepe lapis recrepat Cyllenia murmura pulsus
et veterem sonitu Phoebi testatur amorem.
Das ist untadelig gesagt und deckt sich mit einer später zu be-
sprecbenden, aus derselben megarischen Quelle stammenden Notiz
des Pausanias, so dass man diese Verse auf das Original wird
zurückführen dürfen. Die Geschichte steht auch bei Ovid 14:
regia turris erat vocalibue addüa muriSj
in quibus auratam proles Letoia fertur
deposuisse lyram: saao sonus eins inhaesit,
saepe illuc solita est ascendere filia Nisi
et petere exiguo r esonantia saxa lapillo,
tum cum pax esset; hello quoque saepe solebat
spectare ex illa rigidi certamina Martis,
^ Vgl. Wilamowitz Eurip. Herakl. I 84, 161«.
2 Ciris 257 — 282 erste Rede Skyllas (Oeständniss ihrer Liebe) «χ»
Ovid. 44-80, Selbstgespräch Skyllas (beelenkampf) ; Cir. 404—458
zweite Rede (Klagen der Geschleiften) rv> Ovid. 108—142 (Klagen der
Enttäuschten); vgl. Ganzenmüller Beiträge zur Ciris, Jahrb. f. Philol.
Suppl. XX 536 f.
Hellenistisohe Stadien 215
aber in besseren Zusammenhang mit der Person der Heldin ge-
bracht, von der Cir. 172 erzählt:
siiepe redit patrias adscendere perdita müros,
aeriasque facti cau s am sibi viser e turr e s.
Fast möchte man an eine Verbesserung des älteren Gedichtes
denken — wenn es sich überhaupt nachweisen liesse, dass Ovid
diesen Werkchen des Cornelius Gallus noch gekannt und benutzt
hat^. So müssen wir uns bescheiden den Unterschied anzuerkennen/
sei es dass er bereits im Original (A) stand, sei es dass Ovid
selbst diesen Zug spielend ausgemalt hat. üebrigens ist auch
über die Vorlage der Ciris keine Entscheidung möglich, da wir
nicht mehr wissen, in welcher Weise Parthenios das causam stbi
visere turres motivirt hatte. Etwas zuversichtlicher möchte man
über einen andern Widerspruch urtheilen. Bei Ovid 64 spricht
Skylla die Befürchtung aus :
non metuam certe, ne quis tua pectora, MinoSy
vulneret imprudens, quis enim tarn dirus, ut in te
dirigere inmitem non inscius audeat hastam?
und dass Aehnliches in Α gestanden hat, macht Propert. IV 4, 25
wahrscheinlich, wo es etwas anders gewandt ist:
saepe tulit hlnndis argentia lilia nymphis^
Romula ne faciem laederet hasta Tati,
In der Ciris dagegen ist Minos unverwundbar 268:
üle (vides) nostris qui moenibus adsidet hostis^
quem pater ipse deum sceptri donavit honore,
cui parcae tribuere nee ullo vulnere laedi
• • •
nie mea^ iUe idem oppugnai praecordia Minos.
^ So ua. Waser S. 58: Ovid und der unbekannte Verfasser der
Ciris benutzten die nämliche Fassung der Sage' — auch das ist in
dieser Verallgemeinerung falsch ~ 'ja ich habe den bestimmten Ein-
druck, dass der eine Dichter auf den andern Rücksicht genommen und
möglichst bei jenen Partien verweilte, die er bei seinem Vorgänger
entweder ganz übergangen oder bloss angedeutet fand : dies muss eine
Vergleichung der beiden ohne Weiteres lehren*. Ganzenmülier hat
mit unendlichem Fleiss eine Anzahl Stellen gesammelt, welche die Ab-
hängigkeit des Cirisdichters von Ovid beweisen sollen; kehrt man nun
auch das Verbältniss um, so ist keine wirklich beweiskräftig. Trotz-
dem hat Waser eine richtige Empfindung gehabt, man braucht nur seine
Worte auf die griechischen Quellen Α und C (Parthenios) zu beziehen.
Richtig Ribbeck Gesch. der röm. Dichtung II 355.
216 Knaack
Dieser sonst nirgends tiberlieferte Zug sieht doch wie eine Po-
lemik gegen Α aas.
Yerhältnissmässig breit mögen in Α die Verhandlungen
der Jungfrau mit dem Feinde geschildert sein, wie wir aus dem
£uripides8cholia8ten, dem die kürzeren Andeutungen Properzens
bestätigend zur Seite treten, noch zu erschliessen vermögen. Hier
wird auch die Dienerin Skyllas thätig eingegriffen haben. Ob
aber die bis zur Unverständlichkeit knappen Angaben in der
Ciris das Original treu wiedergeben oder ob in diesem die Sache
eingehender durgestellt gewesen, das entzieht sich leider unserer
Eenntniss ; wir vermögen nur zu ahnen, dass der ausführliche
Bericht in Α wieder im Hintergrunde steht.
Zeitlich folgt nun die frevelhafte That Skyllas, die sämmt-
liche Zeugen natürlich übereinstimmend erzählen ^ Nur in einem
Nebenumstand weicht Α ab: während die andern von einer pur-
purnen Locke des Fürsten reden, ist sie bei ihm golden. Diese
Angabe des Euripidesscholiasten wird von zwei Seiten bestätigt:
Prob, zu Verg. ecl. VI 74 Tzetz. Lyc. 650
(p. 23 Keil): (Chil. Π 539):
Nisi regis Megarensium crinem . . . τής Οκύλλης, ή κατ' έμέ (!)
Jiabentis aureum eundemque θυγάτηρ ή ν Ν ίσου του Μεγα-
faialem urhem Minos rea Cre- ρέως, τεμοΟσα 6έ την χρυσή ν
tensiym impugnabaU sed Scylla αύτου τρίχα και fivavbpov αύ-
Msi fUia pulcrum Minoem e τόν έργασαμένη (έν εκείνη γάρ
muris prospectavit et adamavit τή τριχι ήν αύτψ τό παν της
et dormientis crinem patris am- δυνάμεως, καθάπερ και τψ Οαμ-
putavit et hosti detulit petens ψών) άνηρέθη υπό του Μίνιυος,
praemium nup tias. at ille φ κα\ προοόωκε τόν πατέρα κτέ.
parricidamrefragatus
U χ crem ohsidium solvity quo-
niam hostem aeque manibus filiae
perdUum videbat. —
^ Sehr kurz ist der Bericht in der Ciris 387, aber hier etwa eine
andere Quelle als Parthenios anzunehmen, wozu Kalkmann p. 91 ge-
neigt scheint, geht doch nicht an : wir wissen ja nicht, was im Original
stand. Dem Nonnus XXV» 164 βόστρυχον άμήσααα πολισαούχοιο
καρήνου schwebte vielleicht noch Kallim. Fr. anon. 39 πορφυρέην
ή μ η σ ε κρέκα vor, welches mit Fr. 184 Οκύλλα γυνή κατάκασαα καΐ
ού ψύθος οονομ' Ιχουαα vor Wilamowitz (Nachr. der Gott. Ges. der
Wies. 1893, 739) bereite Toup verbunden hat; beide standen, wie wir
jetzt wissen, in der Hekale.
Hellenistieche Studien 217
Da Tzetzee im Folgenden die Schleifung Skyllas mit dem Soholion
übereinstimmend berichtet, so schöpft er wohl ans eben der-
selben mythographischen Quelle , direct vielleicht aus Schollen
zum Lykophron, die zu diesem Verse jetzt fehlen; Probus geht
auf einen mit Varianten ausgestatteten Ovidcommentar zurück '.
Nun ist auffallend, dass alle sonstigen Zeugen der Version Α
(Properz, Ovid, Nonnus) an Stelle des χρυίΤοΟς πλόκαμος die
Purpurlocke setzen. Indessen wird man aus dieser einzigen Ab-
weichung gegen die versuchte Reconstruction der Dichtung Α
keinen triftigen Einwand erheben dürfen, vielmehr den Einfluss der
Vulgata erkennen, die fast die gesammte Litteratur und die bildende
Kunst beherrscht•. Der kleine von dem Dichter vorgenommene,
für den Gang der Erzählung völlig belanglose Wechsel darf auf
Rechnung der verwandten (jüngeren ?) Sage von Pterelaos und
Komaitho gesetzt werdend
* Von den Worten petens praemium nuptias = Ovid 92 praemial
niiUa peto nisi te an bis zu Ende unverkennbar. Deshalb ist sein Be-
richt oben zur Reconstruction von Α nicht verwerthet worden.
3 Bezeichnend Tibull. I 4, β3 carmine purpurea est Nisi coma.
Stat. Silv. III 4, 84 ua.
8 Vgl. Apollod. II 51. 60 (Tzetz. Lyc. 932). Beide stellt neben-
einander Ovid Ib. 301 :
neve magis pia sit capitique parentis amica,
qttam sua vel Pterelae vel tibij Nise^ fuit.
und Dio Chrysost. 64, 341 R. (ή τύχη 6{6ωσι) ΤΤτερίλςι κόμη ν χρυσή ν,
Νίσψ ιτλόκαμον πορφυροΟν. Diese goldene oder purpurne Haarlocke
des Helden, welche sein Leben und die Wohlfahrt seines Landes ver-
bürgt, ist ein alter, in mehreren neugriechischen Märchen wiederkehren-
der Zug. So schneidet bei Hahn Griech. Märcb. II 282 (Variante aus
Syra zu No. 65) die Mutter aus Liebe zum Drakos ihrem Sohne die
drei goldenen Haare auf dem Haupte ab (ähnlich die epirotische Ver-
sion S. 284 und das kyprische Märchen bei Sakellarios Κυπριακά No. 8;
mir nur aus B. Schmidts Buch bekannt). Bei B. Schmidt Griech. Märch.
Sagen u. Volkslieder No. 11 (der Capitän Dreizehn) hat ein König drei
Haare auf der Brust (die Farbe wird nicht angegeben), die ihn un-
überwindlich machen ; sein Weib verräth ihn um Gold und schneidet sie
ihm ab: eine merkwürdige Parallele zu der ältesten Form der Skylla-
sage bei Aeschylos (s. u.). Auch in den Sagen und Märchen anderer
Völker — an Simson erinnert bereits Tzetzes — kommt Aehnlicbes vor:
Grimm KM. 29 (mit Anm.). — Dass mit dem Verlust der Locke der
Tod des Nisos besiegelt war, wird mehrmals ausdrücklich hervorge-
hoben, so von Paus. I 19, 4 (Localsage von Nisaia), Schol. Bern. Verg.
Ed VI 74 Apollod. III 210. Cornelius Gallus spielt V. 523 darauf an.
218 Knaack
Der zeitlicheΏ Folge nach iet nunmehr dae Wandgemälde von
Tor Marancio (Heibig Führer II 190 ^ jetzt bei Skutech abge-
bildet) zu nennen: Skylla, die verhängnieevolle rote (?) Locke
in der R. steht anf der Stadtmauer und blickt 'mit einem Aue-
druck, in dem sich Liebeeeehnsucht und Melancholie mischen',
nach dem Lager des Minos hinab — eine Situation, die sowohl
der in Α vorauszusetzenden Seelenstimmung als auch der in der
Giris ausgemalten angemessen erscheint. Etwas mehr läset sich
aus dem schönen pompejanischen Wandgemälde erschliessen, das
Heibig Denkmal, und Forsch. 1866 Tafel 212 veröffentlicht und
Campan. Wandgem. No. 1337 folgendermassen beschrieben hat :
'In einem Gemache sitzt auf einem mit grünem Tuche belegten
Lehnsessel ein Jüngling, Minos, mit röthlicher Ghlamys über
den Schenkeln, einen Speer in der L. Ihm gegenüber stehen
zwei weibliche Gestalten, eine Alte in grünlichem Chiton, röth-
lichem Mantel und Kopftuch, offenbar eine Amme, welche
beide Hände im Gespräch zu dem Jüngling er-
hebt^, und ein Mädchen in grauviolettem geröthetem Chiton
mit üeberwurf, mit gelösten blonden Locken, Skylla,
welche mit der R. dem Minos die rothe Locke ihres Vaters dar-
bietet. Minos wendet voll Abscheu das Haupt ab und erhebt
abwehrend die R. Hinter seinem Sessel ragen zwei männliche Fi-
guren hervor, die eine mit Helm und Schild bewehrt, mit ein-
ander im Gespräch begriffen ; Spuren einer dritten sind über ihnen
sichtbar. R. im Hintergrunde innerhalb der offenen Thür steht
die Wache, mit Helm und Schild, sehr zerstört . Die Situation
entspricht genau der Schilderung Ovids 88 ff. :
per medios hostes {meriti fiducia tanta est)
pervenit ad regem^ quem sie adfata ρ av entern est:
^stidsit Amor facinus: proles ego regia Nisi
Scylla tibi trado patriaeque meosque penates,
praemia mala peto nisi te : cape pignus amoris
purpureum crinem nee me nunc tr ädere crinem^
sed paJtrium tibi crede caputf* scelerataque dextra
munera porreait; Minos porrecta refugit —
aber hier fehlt die Amme; sie ist wohl absichtlich weggelassen,
um den Muth der 'Verbrecherin aus Liebe' stärker hervorzuheben.
Geht die Darstellung auf Parthenios zurück ? In der Ciris hilft
ja die Dienerin, nachdem sie dem Mädchen das Geständniss
^ Nur die R. ist auf der Abbildung sichtbar.
Hellenietisohe Stadien 219
abgerungen hat, die verrnohte TLat vollbringen, mitbewogen
durch selbetsiiohtige Hoffnung :
revehi quod moenia Cressa gaudeat (384) ;
das reicht aber bei weitem nicht aus, diese bedeutsame Scene
zu erklären. Man müsete zu der immerhin bedenklichen Annahme
greifen, daes der Bearbeiter sie unterschlagen hat, eine Annahme,
die sich durch die allerdings auffallende Kürze der Erzählung
386 — 388 noch nicht empfiehlt. Andererseits können wir uns die
Pflegerin bei der wichtigen Rolle, die sie in der Ciris spielt ^,
sehr wohl als ünterhändlerin zwischen der verliebten Königs-
tochter und dem feindlichen Heereskönige vorstellen. Diese Ver-.
handlungen aber waren in Α erzählt — was liegt näher als die
Mitwirkung der Vertrauten auch im letzten entscheidenden Mo-
ment anzunehmen ? Ist diese Erwägung richtig, so könnte das pom-
pejanische Bild trotz der rothen Locke auf Α zurückgehen. In-
dessen, so einfach liegt die Sache nicht, vielmehr kommt noch —
zunächst für Ovid ~ eine dritte Version (B) in Frage, die
Hygin. Fab. 198 überliefert:
Nisus,
Nisus Mortis filins^ sive ut alii dicunt Pandionis (Deionis verb.
von Muncker) filitiSy rea Megarensium in capite crinem purpureum
habuisse dicitur, c ui r esponsum fu if t am diu cum r e•
gnatur um quam diu eum crinem custodis sei.
quem Minos lovis fiUtis oppugnatum cum venisset, α Scylla Nisi
filia Vener i s impulsu est amatus, quem ut victorem faceret,
patri dormienti fatalem crinem praecidit. itaque Nisus mctus α
Minoe est. cum autem Minos Cretam rediret, eum ex fide data
rogavitf ut secum aveheret, ille neg avit Creten sanctis-
simam tan tum scelus recepturam. Uta se in mare
praecipüavit f ne (ut navem M. Schmidt) persequeretur, Nisus
autem dum filiam persequitur, in avem halia(e)eton (id est aquüam
marinam) conversus est , Scylla filia in ρ iscem, ci{r)rim
quem vocant. hodieque siquando ea avis eum piscem natantem
conspeaerU^ mittit se in aquam rapfamque unguibus düaniat.
Mit ihr beginnt bei Hygin eine Reihe von Verwandlungs-
sagen (bis 206), welche auf hellenistische Dichtungen zurück-
zugehen scheinen. Die Erzählung ist nicht ganz einheitlich, wie
die genealogische Variante zeigt, auch sonst sind Zusätze nicht
ausgeschlossen, aber als Ganzes beansprucht sie nicht nur
^ Um 80 auffallender ist, dass sie nachher ganz verschwindet.
220 Knaack
wegen der ganz eingulären Metamorphoae ^ anaer IntereaRe, zu-
mal da ibr Werth iieaerdinga bestritten worden iat. Seitdem M.
Schmidt eine weitgehende, durch die ganze Sammlung sich hin-
ziehende Benutzung der Metamorphosen Ovida zum Theil mit
Recht yermuthet hat, betrachtet man alle üebereinstimmungen
als Interpolationen. Und ao läset in unserm Falle selbst ein
sorgfältiger Forscher, wie R. Ehwald, die Worte patri dormievUi
faialem crinem praecidii aus Ovid entlehnt sein (zu 85). Das
trifft nicht zu: fatalis crinis ist Uebersetzung des μόρσιμος πλό-
καμος, und die sonstigen scheinbaren Entlehnungen sind in Wahr-
heit keine ^. Im Gegentheil: wie schon Ealkmann p. 91, 2 be-
merkt hat, weicht Hygin in verschiedenen Punkten ab oder bietet
mehr als Ovid ; er kennt den Orakelspruch, eine besondere Mo-
tivierung der Liebe Skyllas, giebt eine abweichende Verwandlung
Dazu kommt noch die Andeutung des Eheverspreohens ; dieser
Zug ist vielleicht aus einer anderen Quelle hinzugesetzt. Wer
ohne vorgefasste Meinung das Kapitel liest^ findet eine im ganzen
wohl abgeschlossene Erzählung : es ist ein Auszug des in der
Giris beiläufig erwähnten Gedichtes, das auch Ovid für seine Dar-
stellung verwerthet hat. Denn nicht nur stimmen die Worte des
zürnenden Minos 97 :
Ol te summoveantj ο nostra infamia saeclij
orhe suoy tellusque tibi pontusque negetur/^
certe ego non patiar lovis incunabulaj Creten,
qui meus est orbisj tantum contingere monstrum
durchaus mit Hygin tiberein, sondern auch das Folgende 101 — 103
und besonders 142:
fnx dixerat, insilü tmdis
consequiturque rotes faciente cupidine vires
Gnosiacaeque haeret comes insidiosa carinae
entspricht ganz der Situation in B, hierin völlig abweichend von
Α und G (Parthenios). An diesem einigermassen gesicherten Er-
gebnies wird man festhalten dtirfen ; umsomehr ist zu bedauern,
dass sich aus den allgemeinen Angaben des Mythographen für
^ Ausser der gelegentlichen Erwähnung in der Ciris 484 ff. kommt
sie nur noch bei Serv. Verg. Aen. VI 286 vor: nam et iUa Nisi stcun-
dum alio8 in avem conversa est, secundum alios in piscem.
' Zu dem letzten Worte dilaniat bemerkt Schmidt laniaret Ovid.
l c. 147. Aber hier steht laceraret.
^ Dies ist von Ovid hinzugesetzt, um bereite auf die 150 (nach
C) erzählte Verwandlung hinzuweisen.
Hellenistische Studien 221
die früheren Momente der Erzählung kein deutliches Bild ge-
winnen läset. D i e Skylla, wie sie Ovid zeichnet, selbständig pla-
nend und handelnd, scheint mit der durch die Liebesgöttin ( Ve-
neria impulsu) zum Entschluss getriebenen nicht unvereinbar zu
sein, aber ein Entscheid ist unmöglich.
Während Β für sicli steht, gehen Α und C Hand in Hand.
Nach dem bisher Ermittelten darf man annehmen, dass Parthe-
nios auch in diesem Falle der Entleiher war: er entnahm also
die Sclileifung durch das Meer und die daran geknüpfte Etymo-
logie des Οαρωνικός κόλπος der älteren Vorlage ^. Diesen für
Α und C wohl bezeugten Umstand hat der lateinische Bearbeiter
übergangen; um so breiteren Baum nehmen die ergreifenden
Klagen der Betrogenen ein, die wohl schon in C standen^. Ueber
Α wissen wir nichts, Ovid lässt (nach B?) die Enttäuschte der
entweichenden Flotte nachrufen und trifft ein paar mal in
unwesentlichen Einzelheiten (Ov. 109 «χ» Cir. 428, Ov. 127 «χ» Cir.
418 ff.) mit Gallus zusammen ^ Was endlich die Verwandlung
Skyllas betrifft, so gehen die drei Versionen völlig auseinander.
Schon vorher scheiden sich Α und C. Für die in C erzählte
Metamorphose war der Ort belanglos — daher geht die Fahrt
bis auf die Höhe von Kreta (Cir. 477) — das θηρίον dagegen
bedarf einer festen Localisierung. Der Punkt, wo die Verwand-
lung geschah, lässt sich angeben : es ist das Vorgebirge Σκύλ-
λαιον bei Hermione am Ausgang des saronischen Golfes, auf
das auch in der Cir. 472 angespielt wird. Hier wurde noch
^ Die recht ausführlich gewesen zu sein scheint, wie aus dem
£uripides8chol. zu ersehen ist: καΐ μετά τό παραλαβείν τήν πόλιν
£λαβ€ν αυτήν επάνω τοΟ πλοίου καΐ ^δησεν αυτήν εΙς τό
πηδάλιον (β. ο.) καΐ έν τή θαλασσή καθήκεν καΐ έμεινε συρομένη έν
αυτή κτέ. Die Variante bei Tzetz. κρεμασθεΐσα τής πρώρας statt
πρύμνης ist nur ein Versehen des Berichterstatters.
8 Vielleicht ist Fr. 34 Mart. ώ έμέ τήν τά περισσά hierher zu
ziehen. Gallus hat ausserdem die Klagen der verlassenen Ariadne bei
Catull stark benützt, üeber die Betrachtungen des Minos s. o.
^ Grösser ist die üebereinstiramung zwischen Cir. 190:
Nise pater, cui direpia crudeliter urbe
rix erit una »uper sedes in turribus (ütis,
fessua ubi extrticto possis considere nido,
tu quoque avis mctuerti dahit tibi filia poenas
und Ovid. 125: exige poenas
Nise pater, gaudete malis modo prodita nostris
moenia —
Liegt für beide Parthenioe vor?
222 Knaauk
später das Grab Skyllae gezeigt, wie bis auf den Sohlase über-
einstimmend Strab. VIII 373 (daraus Eustath. Dion. Per. 420
a. £.) und Pausan. II 34 , 7 berichten :
Strabo Pausan.
τό bi Οκύλλαιον το έν Ερμιόνη . . . Οκυλλαΐον (sie) άπό τής
ώνομάσθαι φασιν άπό Οκύλλης Νίσου καλούμενης θυγατρός. ώς
τής Νίσου θυγατρός, ήν έΗ γάρ 6ή τήν Νίσαιαν ό Μίνως
ίριυτος προόοΟσαν Μίνψ τήν και τα Μέγαρα elXev εκείνης
Νίσαιαν καταποντιυθήναί προδούσης, οδτε γυναίκα ßeiv
φασιν υπ' αύτου, beupo b' αυτήν έτιέφασκεν και πρόσε-
έκκυμανθεϊσα ν ταφής τυ- ταΗε τοις ΚρησΙν έκβάλ-
χεϊν. λειντήςνεώς• άποθανου-
σαν bk όπέρριψεν ές τήν
δκραν ταύτην ό κλύοιυν.
τάφον 6έ ουκ άποφαίνουσιν
αυτής, άλλα περιοφθήναι τον
νεκρόν φασι όιαφορηθέντα ύπό
των έκ θαλάσσης ορνίθων.
Natürlich verdient Strabo allen Glauben : die gegeutbeilige An-
gabe hat Pausanias oder sein Gewährsmann allein zu verantworten ^.
An diese obscure Localsage nun knüpfte der unbekannte helle-
nistische Dichter an und wagte es, die Eponyme von Οκύλλαιον
dem homerischen πέλωρ κακόν gleichzusetzen (falls er nicht
bereits eine alte Sage kannte): das war bei dem fast
kanpnischen Ansehen Homers eine Neuerung, die Aufsehen erregte
und Nachahmung fand^. Deswegen schilt ihn Cornelius Gallus in
den zu Anfang angeführten Versen einen malus auctor, den er aus
dem Maeoniden zu widerlegen versucht^. Denn dass hier die
^ Unbegreiflicherweise wollen Hitzig-Blünmer (Pausan. Bd. II 644)
im strabonischen Text vor τυχείν ein ού einschieben, nur Pausanias zu
Liebe. Die gemeinsame rationalistisch gefärbte Quelle war wohl eine
Localperiegesei die eine ziemlich junge Gestalt der Sage bot. Das
Werfen ins Wasser auch bei dem Schol. Bern. Verg. Ecl. VI 74, der
sonst die Vuigata giebt. Apollod. III 210 erzählt die Sage in bekannter
\N'ei8e, zum Schluss heisst es Μίνως δέ Μεγάρων κρατήσας καΐ τήν κό-
ρην τής πρύμνης τών ποδών έκδήσας ύποβρύχιον έπο(ησ€, das
scheint Contamination der von AC befolgten und der rationalistischen
Version.
'^ Die complures magni poetae sind wohl unter den hellenistischen
Dichtern zu suchen.
8 Ihm folgt Vergil. Ecl. VI 74
quid loquar aut Scyllam Nisis quam fama secuta est eqs.
mit leiser Aenderung.
Hellenietische Studien 223
eigene Kritik des Gallne vorliegt, erbellt aus dem Zusammen-
hang: Parthenios, der die Odyssee für *Koth* erklärte, wird wohl
anders geurtheilt haben. Mit dieser Thatsacbe müssen wir uns
begnügen: dass auch sonst noch Abweichendes in Α zu lesen
war, liegt wohl in dem Ausdruck dtU)iis erroribusK Vorbildlich
für den hellenistischen Dichter scheint die bereits von Hedyle
(Athen. VII 297b) bearbeitete anmuthige Sage von Skylla und
Glaukos gewesen zu sein '^. — Etwas näher berühren sich Β und
C: beide lassen den Vater der Jungfrau in einen Seeadler ver-
wandelt werden, und Β schildert, wie noch aus dem Auszüge zu
erkennen, recht anschaulich das Herabstossen des Raubvogels
auf seine Beute, den Fisch κίρρις^ Diese Verwandlung Skyllas
wird beiläufig erwähnt und zurückgewiesen in der Ciris 484:
sed tarnen aeternam (?) squamis vestire puellam
infidosque inier teneram committere pisces
non statuit {nimium est avidum pecus Amphitrites),
was schon 451 angedeutet war:
aequoreae pristes^ inmania corpora ponli
undique conveniunt et glauco in gurgite circum
verbere caudarum atque oris miniianiur hiaiu.
1 Weitere Schlüsse zu ziehen, mag einer anderen Gelegenheit
vorbehalten sein. H. Steuding 'Skylla ein Krake am Vorgebirge Skyl-
laion , Jahrb. f. Pbilol. 189f), 18S ff. bat aus anderen Erwägungen diese
Localisierung als die ursprüngliche angenommen. Die von ihm ver-
schmähte Etymologie von σκύλλειν {vexasse Cir. 60) scheint in Α ge-
standen zu haben: τήν ο1κ€(αν φύαιν μετέβαλεν σύδαμώς bemerkt der
Scholiaet zu Eurip. Vgl. auch Tümpel Berl. phil. Wochenschr. 1895,
993 ff. Sie fehlt bei Schmidt (Röschere Lex. IIl' Sp. G34). Es gab
auch ein Grab der Kirke auf einem der ΦαρμακοΟασαι genannten In-
selchen bei Salamis (Strab. IX 395). An dem sikelisohen Οκύλλαιον
und seiner Bewohnerin übt noch Prokop. de bell. Goth. III 27 — er
nennt sie τό θηριώδες γύναιον — eine des Interesses nicht er-
mangelnde Kritik.
2 Vgl. Rohde Rom 124. 2; Leuschke aaO. p. 39—41. Waser
S. 37 ff
8 Etym. M. p. 515, 14 κίρρις 6 Ιχθύς, επειδή κιρρός έστι τήν
Xpoidv(?j. κερίς bi biä τό έ*. In der Lilteratur kommt er in dieser
Form nur bei Oppian Hai. I 128 (κ(ρρις) und III 18S (κιρρίδα [sie])
vor, nach den Angaben Schneiders bieten die Hss. ακίρρις und ακιρρίοα.
Nach diesen Zeugnissen wird mau auch bei üygin cirris schreiben müssen.
Die Form κερίς scheint verschrieben für κηρίς, was Diphilos (Ath. VI Π
355c) einmal, Alexandros von Tralles mehrfach anführt (Schneider zu
Oppian I 128 [Straseb. 177H]) — wenn derselbe Fisch gemeint ist.
224 Knaack
Εβ liegt kein Grand vor diesen gelegentlichen Seitenblick auf einen
dichterischen Vorgänger mit der etwas schwächlich ausgefallenen
Kritik dem Parthenios abzusprechen: die Verwandtschaft der Na-
men κίρρις und Κ€ΐρις \ sowie die von beiden in ähnlicher Weise
^ Was für ein Vof^ei gemeint war, darüber war man sich bereits
im Alterthum nicht klar; ebenso schwankt die sprachliche Form. Die
richtige, indirect von Ovid bezeugte Form (150 voeatur Ciris et α
tonso est hoc nomen adepta capillo) giebt Hesycb. κ€ΐρις. 6pv€ov
Upai, ol bi αλκυόνα. £ine Spur des Richtigen liegt vielleicht noch in
dem Comment. zu Ovid Met. VIII Fab. 1 (fälschlich Lactantius Placidus
genannt) vor: — in volucrem krinen (so M, für κ€ΐριν.^) transfigurata
est. Ein anderer Artikel bei Hesych. κ{(ρ)ρις• λύχνος, Öpvcov ή "Aöui-
νις (vgl. κύρις) ist stark verkürzt, wie Etym. M. 515, 14 zeigt: κ(ρρις*
εΐ&ος Ιέρακος. ομοίως bi λέγεται 6 "Α&ωνις (fehlt bei Meister Griech.
Dial. II 309 im Kyprischen Register), παρά Λάκωαι δέ ό λύχνος. Diese
Form wurde mit κίρκος zusammengebracht: Corp. gloss. latin. II 100
Cif CMw/, Ιέρακα. ίστι bi öpvcov μεταβληθείσης τής Οκύλλης
τής Ν ίσου (Muncker: νήσου cod.), Μεγαρέως (Μεγαρέων cod.),
Νοηη. Dion. XLII 535, bei dem der άλιαίετος dem κίρκος die Beute
abjagt, folgt dieser Deutung. Sie ist indessen ebenso falsch, wie die
der Humanisten auf das Rebhuhn (Julius Sabinus bei Heyne Einleit. z.
Ciris) oder auf die Haubenlerche (Micyllus zu Ovid 151), denn Parthe-
nios hat jedenfalls einen Wasservogel gemeint, wahrscheinlich eine
Reiherart, was bereits Scaliger vermutbet. Röscher (Myth. Lex. III 431 f.)
näher zu begründen versucht hat. Und zwar passt das am meisten
hervorstechende Merkmal, der rothe vom Scheitel ausgehende Schopf,
auf den Kuhreiher, Bubulcus Ibis (Ardea bubulcus), eine in Aegypten
gemeine Species, die von dort aus öfter Südeuropa besucht (Brehm
Thierleben IV 705^). Wenn Röscher diese mit der in Griechenland
(neben Ardea cineraria) häufigen Species Ardea purpurea (A. Mommsen
Griech. Jahreszeiten III 182) identificieren will, so irrt er: die ausge-
zeichnete Abbildung und Beschreibung in dem mir durch die Gute
meines CoUegen Oberl. W. Müller zugänglich gemachten Hauptwerke
über die Vögel Mitteleuropas, Naumann Naturg. d. Vögel VI 218 — 225
(der neuen Bearbeitung) erweisen eine völlig verschiedene Art. Aber
nicht alle Züge passen auf den geselligen und verhältnissmässig zu-
traulichen Kuhreiher; das einsame Hausen und die Feindschaft mit
anderen Vögeln stimmt eher zu dem gemeinen Reiher (Brehm 695,
Naumann 196). Die Verfolgung durch den Seeadler ist sonst ge-
rade nicht bezeugt, doch hat Brehm 480 dies an dem afrikanischen
Scbreiseeadler beobachtet. Auch in der πώυγξ (Anton. Lib. 5) oder
φώυε (Ps. Aristot. bist. an. IX 18) wollen manche Erklärer eine Reiher-
art (Ardea stellaris (Rohrdommel)? purpurea? nycticorax ? Sundevall
Thierart. des Aristot. 151, vorsichtiger Aubert- Wimmer I 111) finden;
Hellenistiscbe Studien 225
und recht aaeführlich erzählte YerwandlaDgegeechichte am Schlaese
weisen auf Beziehangen zwischen Β und C, die im Einzelnen
leider nicht mehr festzustellen sind ^. In C ist die Metamorphose
mit besonders liebevollem Eingehen geschildert.
Damit ist tiber Α und Β gesagt, was irgendwie zu er-
mitteln war. Bevor wir von diesen Abschied nehmen, sei noch
ein Blick auf die kunstvolle Verknüpfung der drei Sagenformen
bei Ovid geworfen. Von der Dichtung Α ausgehend und sie in
einzelnen Zügen nachahmend, setzt, wenn das oben Dargelegte
richtig ist, mit 89 Β ein; die langen Klagen der Verschmähten
klingen an C an, auf dessen Version V. 140
pyLppinnque ampleaa recurvam
per freta longa trahar
deutlich hinweist. Wieder folgt er B, aber die Verwandlung
(mindestens Skyllas) wird im Anschluss an C erzählt^). Und
überall hat die grosse Kunst des Erzählers die Fugen des aus
drei Vorlagen zusammengesetzten Berichtes so geschickt ver-
strichen, dass der Leser zunächst eine einheitliche Geschichte vor
sich zu haben glaubt: erst die Analyse vermag die Bausteine
auszusondern. Welche Perspective auf die Quellenforschung diese
Erkenntniss eröffnet, soll hier ebenso wenig erörtert werden, wie
die jüngst mit ungleichem Erfolge behandelte Frage, ob der
Dichter diese Versionen bereite in einem ^ Handbuche' zusammen-
gestellt fand^
die daran geknüpfte Greuelgeschichte (Pauly-Wissowa Realencyklop. u.
Balis) gehört aber schwerlich hierher. — Wenn andere bei Hesycb. in
der κ€ΐρις einen Eisvogel erblickten, so sei an die von Boios behan-
delte ephesische Volkssage (Ant. Lib. 11) erinnert, wo Pandareos zum
άλια(€Τος wird, seine Gattin zum άλκυών, beide sind den Schiffern gute
Wetterpropheten (vgl. Dionys. Όρνιθ. II 1). Nahm Parthenios darauf
Bezug ?
^ Der im Wortlaut fast stimmeude Orakelspruch beweist nichts,
da er auch in Α stand: er gehört zu den festen Bestandtheilen der
inegarischen Sage. Neben der wohlverständlichea Motivierung der Liebe
Veneris impulsu erscheint der bei dem Herafeste begangene, im Ein-
zelnen noch ganz unklare 'Frever verhältnissmässig barmlos, aber ein
Vergleich ist nicht mehr möglich.
' Mit eigenartiger Prägnanz fasst Rutil. Namatian. de reditu Π
54 die Verwandlungen beider zusammen:
Niseum critiem flere ptUantur aves
wohl nach Ovid, der im Vorhergehenden berücksichtigt ist.
8 IHig lässt sich für Β und C vermuthen, da der sog. InterpQl«.iAt
Rh«in. Mus. f. Philo!. N. F. LYU, \^
226 Knaaok
Εβ bleibt Doch einiges über Parthenioe zu sagen übrig.
Seine Abhängigkeit von den Vorgängern ist im Lanfe der Unter-
sachung zur Sprache gekommen, hier sollen die bereits kurz er-
wähnten Motive, durch deren Einführung er dem allbekannten
Sagenstoffe neues Interesse zu verleihen versucht hat, auf ihre
Herkunft hin geprüft werden.
Ftlr die Belagerung der Stadt Megara durch Minos gab die
verbreitete, bei Apollodor und Ovid vorliegende Tradition die
Ermordung des Androgeos an ; in der Ciris bekriegt der Ereter-
könig die Stadt, weil sie die Zufluchtsstätte des flüchtigen Po-
lyidos geworden ist. Das ist sonst nirgends überliefert, wohl
aber kennen wir einen Aufenthalt ^des Sehers in Megara^ und
dürfen ein Zerwürfniss zwischen ihm und Minos bei den Tra-
gikern, vornehmlich bei Euripides, annehmen^. Hier wird mega-
Servii z. Verg. Ecl. VI 74 aus ähnlicher Quelle folgendes hat: Postea et
Scylla α Minoe contempta [vel\ dolore [quod contempta esset (A B) vel
(quod) quasi parricida α Minoe ad puppim religata tracta sit (C) in
avem cirim conversa est (C)]. Die bisherigen Untersuchungen von Plaehn
(de Nicandro hliieque poet. gr. ab Ovidio in met. conscr. adhib. Hal-
lenser Dias. 1882) 49 sq. und Leuschke p. 56 genügten nicht.
^ Um den Alkatboos wegen des Todschlags seines Sohnes Kalli-
polis (Paus. I 42, 6) zu entsühnen (ebd. 43, 5).
« Eurip. Polyid. Fr. 641. 643. 644. Welcker Gr. Trag. Π 772.
Schon in den Kreterinnen des Aeschylos wurde dem Seher der härteste
Tod angedroht, falls Welcker Frg. 118 richtig gedeutet hat. Auf eine
tragische ^ήαις geht eine bisher übersehene Anspielung im zweiten an-
geblich platonischen Briefe (Epistologr. graec. p. 493) : πέφυκ€ Suvt^at
€ΐς ταύτό φρόνησίς τ€ καΐ δύναμις μεγάλη, καΐ ταΟτ* βλληλ' del
διώκει καΐ Ζ^ητεί καΐ ξυγγίγνεται, dafür werden historische Belege ge-
geben — καΐ 6ή ταΟτα μιμούμενοι ο Ι π ο ι η τ α Ι Κρέοντα μέν καΐ
Τειρεσίαν συνάγουσι, ΤΤολύειδόν τε καΐ Μίνω, * Αγαμέμνονα 6έ
καΐ Νέστορα καΐ 'Οδυσσέα καΐ Παλαμήδη . . . τούταιν δέ τους μέν εΙς
διαφοράν, τους δ' εΙς φιλ{αν άλλήλοις Ιόντας, τους δέ τοτέ μέν
είςφίλίαν, τοτέ δ* εΙς διαφορά ν, καΐτά μέν όμονοοΟντας,
τά δέ διαφερομένους ^δουσιν. Agamemnon und Nestor gehen wohl auf
die Ilias (A), die übrigen Paare sind Sprecher tragischer ζήσεις in der
Antigene und dem euripideischen Palamedes, und so werden auch wohl
Polyidos und Minos aus dem Polyi4o8 des Euripides stammen; jeden-
falls war dies Drama bekannter als die Μάντεις des Sophokles und die
Kreterinnen des Aeschylos. Wenn Clem. Alex. Strom. I 399 P. in einer
Aufzählung berühmter Seher anführt ΤΤολύιδός τε έν Άργει καΐ έν
Μ ε γ ά ρ ο ι ς, οΟ μέμνηται ή τραγψδία, so darf man die letzten
Worte nicht pressen (vgl. Anm. 1). In Unfrieden scheidet Polyidos
von Kreta nach Apollod. III 20.
Hellenistieche Studien .227
rieche üeberlieferuDg vorliegen. Denn dase der Verfasser mit
der localen Sage wohl vertraut war, beweist die ganz ausge-
suchte Nachricht von dem Aufenthalte des Melampus^ und die
sonstigen eine periegetische Quelle voraussetzenden Angaben über
Stadt und Umgebung. Die früher augeführten Verse 105 — 109
stimmen fast wörtlich mit Paus. I 42, 2 τότ€ bk αυτώ (Al-
kathoos) τειχΚοντι, ώς φασιν ol Μεγαρείς, συνεργάίεταί
τε 'Απόλλων (106) και τήν κιθάραν κατίθηκεν έπ\ τόν λίθον
ήν hk τύχη βαλών τις ψηφϊδι, κατά ταύτα ούτος τε ήχησε και
κιθάρα κρουσθεΐσα (107. 108) ^, ferner entsprechen die Verse
465 ff.:
praeterit abruptas Scironis protinus arces
infestumgue suis dirae testudinis exit
spelaeum mtdtoqtie cruentas hospiie cautes
der Angabe bei Paus. I 44, 8 τάς hi . . νομίΖουσιν εναγείς
(sc. πέτρας), δτι παροικών σφίσιν ό Οκιριυν όπόσοις των Είνων
έπετύγχανεν ήφίει σφάς ές την θάλασσαν, χελώνη οέ
ύπενήχετο ταΐς πέτραις τους έκβληθέντας άρ-
πάίειν . . . (vgl. Kallim. (Hekale) Fr. 378). Wir müssen
uns begnügen, diese Uebereinstimmungen zu notieren; jede weitere
1 Cir. 112 hospitio quod ae Nisi Polyidos avito . . . texerat
würde streng genommen auf Abas (Paus. I 43, 5) zu bezichen sein, da
dieser aber mythologisch kaum in Betracht kommt, so muss Melampus
gemeint sein, der allerdings nicht für Megara selbst, sondern nur für
Aigosthena bezeugt ist (Paus. I 44, 5 und die inschriftlichen Zeugnisse
bei Koscher II 2512). Uebrigens benutzt der Gewährsmann des Par-
thenios eine abweichende Königsliste, was K. Seeliger Alkathoos und
die megarische Königsliste (Festschr. f. Overbeck S. 30) nicht genügend
hervorhebt. Dass in dieser ganzen Partie voll ausgesuchter Gelehrsam-
keit Parthenios selbst vorliegt, zeigt Y. 113, der bereits von Scaliger
zurückübersetzt ist:
Καρπάθιον φεύγων (λείπων Seal.) καΐ νάματα Καιράτεια.
* Derselben Ueberlieferung (oder dem Parthenios?) folgt der un-
bekannte Dichter Anth. Plan. 279 (εΙς τόν έν Μεγάροις κιθαριστήν
λίθον) :
Τόν με λίθον μέμνηαο τόν ήχήεντα παρ^ρπων
Νισαίην* οτε γάρ τύρσιν έτβιχοδόμει
Άλκάθοος, τότ€ Φοίβος έπωμαδόν ήρε 6ομαΐον
Ada Λυκωρείην άνθέμ€νος κιθάρην.
ίνθ€ν έγώ λυραοιδός, ύποκρούαας 6^ μ€ λεπτή
χερμά&ι τόν κόμπου μαρτυρίην κόμιααι.
Uebrigens ist dieser alte Ruhm Megaras, den schon Theogn. 773 kennt,
nur ein Reflex des thebanischen Manerbaus durch Amphion und Zethos,
228 Knaack
Yerrnnthnng über die Quelle des PartheDios wäre aueeichtelos.
Aber die Tbatsache sei hervorgehoben, dass auch einer der letzten
Vertreter hellenistischer Dichtung , eigene Erfindungen ver-
schmähend, auf die gute locale üeberlieferung zurückgreift — das
ist der Einfluss des Eallimacheischen όμάρτυρον ούοέν aeibui^.
Nicht zufrieden mit diesem Zuge hat der Dichter noch
einen zweiten eingeführt, den er an die Person Karmes, der
Pflegerin Skyllas, anknüpft:
287 0 iterum nostrae Minos inimice senectae,
semper ut aut olim nafae te pr opier eundetn
atä amor insanae luctum portaret (üumnae!
iene ego tarn lange capta atque avecta nequivi,
tamgrave servitium, tarn duros passa labores
effugerCy ut siMam exitium crudele meorum ?
(vgl. 332). Wer ist Karme und woher stammt sie? Ogygii Phoe^
nicis filia heisst sie 220, das stimmt allein zu Anton. Lib. 40
Κασσιεπείας της Άραβίου και Φοίνικος του Άγηνορος έγένετο
Κάρμη, während Paus. II 30, 3 und Diod. V 76, 3 abweichen.
Liest man weiter, so werden die kurzen Angaben Cir. 301 ff.:
unde äln fugisse ferunt et numen Äphaeae
virginis assignant^ alii quo notior esses^
Dictynam divere iuo de nomine Lunam
erst durch den Verlauf der Erzählung des Antoninus verständ-
lich. Zwar die zuletzt genannte Epiklese konnte der Dichter
aus Eallimachos (Artemishymn. 195 ff.) entnehmen:
μ^φ' δτε μαρπτομένη και δή σχεδόν ήλατο πόντον
πρηόνος H ύπάτοιο κα\ ίνθορεν εΙς άλιήιυν
δίκτυα, τά σφ' έσάυυσαν. δ θ ε ν μετέπειτα Κύοωνες
νύμφην μένΔίκτυναν, δρος b' δθεν ήλατο νύμφη
Δικταΐον καλέουσιν, an welchen die vorhergehenden
Verse: numquam tarn öbnixe fugiens Minois amores
praeceps aerii specula de montis iisses
noch unverkennbar anklingen. Dagegen wird die erstere, d i e
mit Kreta gar nichts zu thun hat, wie gesagt, erst
durch Antoninus verständlich : έκφυγοΟίΤα bi Μίνωα έΗί-
κετο ή Βριτόμαρτις εις Αϊγιναν έν πλοΐψ συν άνόρι άλιεϊ
Άνορομήοει. Als dieser sie vergewaltigen will, entflieht sie in
1 Das antiquarische Interesse des Dichters erhellt noch femer
aus den Angaben über die ΤΕΤΤιγοφορία 12(5 — 128, vgl. Studniczka
Jahrb. des arch. Inst. 1896, 274 f.
Hellen istieohe Studien 229
einen Hain und verseil windet daselbst: τόν bk τόπον, έν φ αφα-
νής έγένετο ή Βριτόμαρτις, αφιέρωσαν Αίγινήται και (αυτήν)
ώνόμασαν 'Αφαία ν και Ιερά έπετέλεσαν^. Aus dieser Ver-
gleichung darf zweierlei gefolgert werden: erstens, das Original
ist durch die Schuld des lateinischen Bearbeiters an dieser Stelle
gekürzt; zweitens, in dem von Antoninus excerpierten Bericht
haben wir seine Quelle zu sehen; die Reminiscenzen aus Kalli-
machos mag Parthenios hinzugesetzt, sie können aber ebensogut
bereits in der Vorlage gestanden haben -. Dürften wir nun in
dieser einen Abschnitt aus den έτεροιούμενα Nikanders ver-
muthen, wie 0. Schneider Nicandr. 43 sehr wahrscheinlich ge-
macht hat, so stände die Benutzung seines bedeutendsten Vor-
gängers in der Metamorphosendichtung durch Parthenios ausser
Zweifel ^ Soviel über die Person der Karme ; eine andere Frage,
wie diese Gestalt in die megarische Sage hineingekommen, lässt
eich nicht mehr beantworten, nur vermuthen darf man, dass sie
die wahrscheinlich namenlose τροφός, welche sich die leider so
wenig kenntliche Tragödie von Nisos und Skylla als Vermitt-
lerin der Botschaft an den Feind nicht wird haben entgehen
lasseii^, ersetzt hat.
^ Vgl. Paus. aaO. Bekanntlich hat Furtwängler neuerdings das
alte Heiligtbam der Aphaia wieder aufp:efuDden; die Hoffnung durch
inschriftliche Zeugnisse Beglaubigung der aiginetischen Legende zu er-
halten, ist wohl nicht ganz aussichtslos.
^ Uebere instimm ung mit Kallimacbos lässt sogar noch der Auszug
erkennen — αυτήν 16ών Μίνως καΐ έρασθείς έδίωκεν. ή bi κατέφυγε παρ*
άνδρας αλιέας, ο'ι bi αυτήν κατέδυααν εΙς τά δίκτυα καΐ ώνόμασαν έκ
τούτου Κρήτες Δ(κτυν[ν]αν καΐ ίερά προσήνεγκαν. Vgl. noch Nonn.
Dion. XXXIII 333:
δφρα νέη Βριτόμαρτις έγώ φυγόδεμνος ακούσω,
ήν ποτέ πόντος έδεκτο καΐ έμπαλιν ώπασε γαίη
ι
Κυπρι&{ων Μίνωας άφειδήαασαν ερώτων.
^ Nicht allein für diese verhaltnissmässig kleine Partie; wenn
Kalkmanns (aaO. 83) Vermuthung iu Bezug auf Anton. Lib. 34 das
Richtige trifft, so hat Parthenios aus Nikander auch die Farben für
die Liebesraserei seiner Heldin entlehnt.
* Ovid Trist. II 393 (= FTG. p. 840«) , Lukian salt. 41 ?, vgl.
Welcker Trag. 1226 f. Rohde Rom. 37, 2 (Modestinus PLM. IV 360,6
braucht man nicht zu den 'tragioi ignes' zu rechnen) ; dazu fügt Waser
8. 60 Hygin. Fab. 242 {qui se ipsi interfecerunt) und Martial. X 4, 2,
wahrscheinlich mit Recht. Dagegen bietet Sidon. ApoUin. XI 68 —
das Citat Wasers ist falsch — nur eine Ovidreminiscenz. Zu der Tra-
gödie würde das pompejanische Bild stimmen.
230 Κ η a a c k
Hinter dem Lykeion erhob sich das Denkmal des Nisos,
jedem Athener des fünften Jahrhunderte wohlbekannt ^ So konnte
der grosse Tragiker auf Verständniss seiner Hörer rechnen, wenn
er neben die Eindesmörderin Althaia die φοινία Οκύλλα stellte,
welche verblendet durch das goldene Halsband des Minos, den
lieben Vater umbrachte:
Νϊσον άθονάτας τριχός
νοσφίσασ' άπροβουλιυς
πνίονθ' ά κυνόφρων οπνψ.
κιγχάνει bi νιν 'Ερμής.
(Choeph. 602 ff. Khff.)^.
Das ist die älteste Version, doch wohl auf einen Epiker
zurückgehend, die im Keim fast alle von den Späteren weiter
ausgebildeten Züge schon enthält; vielleicht erscheint sie noch
auf einem schwarzfigurigen Vasenbilde. Die weitere Entwicklung
der Sage ist dunkel, doch hat wohl die Tragödie das wirksame
Motiv der Liebe zu dem Landesfeinde, das in verwandten Sagen
eine bedeutsame Rolle spielt, wenn nicht erfunden, so doch aus-
geführt und vertieft. Ihr folgt, in Einzelheiten vielfach variierend
und umgestaltend, die hellenistische Erzählung, deren letztet Ver-
treter noch einmal alle Momente zu einem grossartigen Seelen-
gemälde zusammenfasst, das auch in der lateinischen Nachbildung
wirkt und ergreift.
Stettin. G. Enaack.
^ Paus. I 19, 4. Die Anspielungen auf Tereus, Pandion und sein
Geschlecht in der Ciris lehren nichts Neues. Die megarische Sage
muss einmal ganz aufgearbeitet werden.
^ Die Schollen (zu GOl) kennen die spätere Sage δτι δρμον imö
Μ(νιυός φησιν €ΐληφ^αι €κύλλαν, oö 6 ι' £ρωτα, die das andere Mal
zur Erklärung des άπροβούλως verkehrt erweise herbeigezogen wird.
[Zu der oben S. 217, 8 gef?ebenen Zusammenstellung wird es dienlich
sein, eine Hinweisung auf den alten Glauben zu fügen, den Petronius 38
bezeugt: 'de nihilo crevit. modo solebat coUo suo ligna portare. sed
quomodo dicunt (ego nihil scio, sed audivi), quomincuboni pilleum
rapuisset, thessaurum invenit. U.j
DIE EPOCHEN IN VARROS WERK
DE GENTE POPVLI ROMANI
Die üeberliefeniDg über die Epochen Varroe in den vier
Büchern De gente populi Romani beschränkt sich auf wenige An-
gaben, und selbst diese führen nur zn einer widerspruchsvollen
Yorstellung. Za gründe gelegt hat man bei ihrer Besprechung
eine Stelle des Censorinns (De die nat. 21, 1), da sie eine
üebersicht über das Werk zu enthalten schien, obgleich es nicht
ausdrücklich citiert wird^). Sie lautet:
Et si origo mundi in hominum notUiam uenisset^ inde
exordium sumeremus. nunc uero id intemallum temporis
tractabOj quod Ιστορικόν Varro adpellai. hie enim tria dis-
crivnina temporum esse tradit,
primum ab hominum principio ad cataclysmum prioremy
quod propter ignorantiam uocatur δοηλον,
secundum α cataclysmo priore ad olympiadem pHmam^
quodj quia in eo multa fabulosa referuntur, μυθικόν nomi-
natur, tertium α prima Olympiade'^ ad nos, quod dicitur
Ιστορικόν» quia res in eo gestae uerls historiis continentur,
Frimum enim tempus, siue habuit inüium seu semper
fuit, certe^ quot annorum sit, non polest comprehendi.
secundum non plane quidem scitur, sed tarnen ad müle
circiter et sexcentos annos esse creditur. α priore scüicei
cataclysmo, quem dicuntlet Ogygii, adjinachi regnwm annos^
circiter CCCC^****^ hinc ad^olympiadem primam patdo plus
^ Auch H. Kettner hat in eeinen Varronischen Studien S. 38—78
die Richtigkeit der Angaben des Censorinus nicht bezweifelt, zuerst
und allein bis jetzt C. Frick (die Queüen AugiMtins im XVIII. Buche
seiner Schrift De ciuitate dei) (Progr. d. Gymn. von Höxter) S. 5, ohne
jedoch weitere Folgerungen zu ziehn.
3 So die Darmstädter Hdschr. anm sunt 0. Jahn.
" quadrigenti Darmst.
232 Peter
CCCC, guos soloSi qttamuis mythict temporis posiremos^ tarnen
quia α memoria scripto^um proximos quidam cerihis definire
noluermü. et quidem Sosihius scripsit esse CCCLXXXX F, Era-
tosthenes auteni CCCCVII, Timaeus CCCCXVII, Aretes
DXIIIIj et j. rötet er ea multi diuerse, quorum etiaw ipsa dis-
sensio incertum esse dedarat.
l)e tertio autem tempore fuit quidam aliqua inter auctores
dissensio in sex septemue tantum modo annis uersata; sed
hoc quodcumque ccdiginis Varro discussit et pro cetera sua
sagacitate nunc diuersarum ciuitatium conferens tempora^ nunc
defectus eorumque interualla retro dinumerans eruit tierum
lucemque osiendity per quam numerus certus tum annorum
modo sed et dierum perspici possit.
Wie länget geeehn worden ist, sind die Worte durcli eine
Lücke entstellt und zwar muse diese hinter der ersten Zahl
CCCC angenommen werden ; hinc bezieht eich nach dem Ausweis
der nächsten Zahlen auf das excidium Troiae, und es müssen
nach der jetzt gewöhnlichen Ergänzung von dem Inachi regnum
bis dahin 800 Jahre gerechnet gewesen sein, sodass als Epochen
herauskommen würden:
Fluth des Ogygus ca. 2376 v. Chr.,
Inachi regnum ca. 400 = ca. 1976,
Trojas Fall ca. 1200 = ca. 1176,
1. Olympiade ca. 1600 = ca. 776.
Mit dieser Rechnung würde übereinstimmen, dass Arnobius
(V 8, fr. 7 der Fragm. bist. Rom.) von der Deukalionischen
Fluth ^ bis zum Consulat des Hirtius und Pansa Yarro in De
genta populi Romani, 'noch nicht 2000 Jahre* rechnen lässt, wenn
wir diese Fluth in die Zeit des Inachus versetzen, was die Scho-
llen zu Euripides Orest. 932 ausdrücklich bezeugen.
Dagegen aber spricht Varro selbst, der De re rust. ΠΙ 1, 2 ff.,
also im J. 37/717 Theben die älteste griechische Stadt nennt,
seine Erbauung durch König Ogygus noch vor die nach ihm be-
nannte Fluth hinaufschiebt und sein Alter auf 'ungefähr 2100 Jahre'
taxiert; mögen wir das Jahr des Gesprächs (54/700) oder das der
Abfassung als Ausgangspunkt annehmen, so fällt die Fluth später
als 2154 oder 2137, also über 200 Jahre später als bei Cen-
sorinus. Auf ein noch jüngeres führt uns eine ebenfalls auf
^ Fälschlich nehmen Boissier Etüde sur Varron p. 184 u. Gruppe
Herrn. X 57 die Ogygische an; Arnobius kennt nur die des Deukfllion
unter den griechischen Fluthcn; s. unten S. 240 Anm.
Die Epochen in Varros Werk De gcnte populi Romani 233
Varro zurückgehende Angabe; denn er ist der heidnische Ge-
währsmann, dem Augustinus im 18. Buch seines Gottesstaates
folgt, und wenn dieser sagt, dass sie nach ihm (also Varro) mehr
als 300 Jahre früher stattgefunden habe als bei Eusebius und
Hieronymus (XVUI 8), so kommen wir auf die Zeit vor 2057,
da sie in deren erhaltenen Werken unter dem J. 260 Abr., d. h.
1757 V. Chr. verzeichnet ist^. Demnach kann Varro seit der
Abfassung des Werkes De gente p. R. bis zu der des landwirth-
schaftlichen seine Meinung darüber nicht geändert haben und
die Angabe b6i Ceneorinus entweder nicht aus dem ersteren
herrühren oder sie ist nicht richtig überliefert.
Zwar herrscht bekanntlich in den Ansätzen der alten griechi-
schen Chronologie die äusserste Willkür. Zahlenkünstelei und
landschaftliche Eitelkeit haben sie zustande gebracht, dann sind
nach verschiedenen Grundsätzen aufgebaute und ausgeklügelte
Systeme vielfach in einander gearbeitet worden und endlich haben
Ungenauigkeit und Flüchtigkeit der Abschreiber das Ihrige ge-
tban, um uns den Einblick in die Werkstätte der ersten Rechner
noch mehr zu erschweren.
In Varros Zeit genossen die sich bis zum J. 61 v. Chr.
erstreckenden und bald nach diesem Jahr erschienenen Χρονικά
des Kastor grosses Ansehen und mussten grade ihm bei seiner
Gestaltung des römischen Stammbaums sehr bequem liegen, da
der Grieche in Tabellenform orientalische, griechische und
römische Geschichte mit einander verbunden und über die Zer-
störung Trojas, das bisherige Endziel der griechischen Chrono-
graphen hinaus in die noch ältere Zeit Griechenlands zurück ver-
folgt hatte, um diesem ein den orientalischen Reichen gleiches
Alter zu verleihen. Je weiter daher Varro den Ursprung Roms
hinaufrückte, desto vornehmer machte er seine gens, das Vorrecht
des Adels (Liv. X 8, 8), und überbot des Nepos Chronica, die
im Anschluss an ApoUodor, den Nachfolger des Eratosthenes,
mit der Zerstörung Trojas begonnen hatten. Er citiert den
Eastor selbst in dem uns hier beschäftigenden Werke (fr. 6
meiner Sammlung der Fragm. bist. Rom. p. 230). Nun stehen
für diesen folgende Daten fest:
^ Ich \efξe hier wie überhaupt die Gleichung Abr. 1 = v. Chr. 2016
zu Grunde, ziehe also, um die Jahre seit Abraham auf vorchri etliche
zu übertragen, von 2017 ab. Difterenzen um eine Zahl sind nicht zu
vermeiden, da in den Listen des Eusebius die Zahlen nie rein gegeben
werden. S. v. Gutschroid Schriften IV 8.
234 Peter
Ogygns war ein Titane und Zeitgenosse des Belus, dee
ersten Königs der Assyrier, des Vaters des Ninus (I.), mit dem
Eastor die Angabe der Regiemngszahlen begonnen hatte (£r. 1 ff.
p. 156 ff. bei Müller in den Fragm. chronoL; vgl. J. Brandis
Commentatio de temporum Graecorum antiquissimomm rationibne,
Bonn 1857, p. 35).
Die assyrischen Könige von Ninas I. bis Kinns Π. haben
1280 Jahre regiert (Euseb. I p. 55 Seh.).
Die mit Aegialens anfangende Königsreihe von Sicyon, die
älteste in Griechenland, regierte bis Zeuxippus 959 J. (fr. 6 f.,
vgl. Geizer luL Afric, II S. 68 ff.), nach Eusebius von 2089—1129.
Die Eeihe der argivisohen Könige von Inachus bis Sthene-
lue regierte 382 J. (fr. 9—11), nach Ensebios von 1856—1474,
die der Danaiden 162 J., nach Eusebias bis 1312.
In der athenischen Königsreihe von Üecrops bis Alkmeon
(nach Ensebius 1556—744) regierten die Erechthiden (449 oder)
450 Jahre, die Neliden 52 (od. 58), die Medontiden 309 (ver-
schrieben in 209) , fr. 12 f. s. Geizer II 77. v. Gntschmid
Sehr, IV 10 ff.
Ankunft des Aeneas in Italien 1182, fr. 20 n. 19.
Gründung Roms 765 (oder 764 nach Holzapfel, Böm. Chrond.
S. 247).
Begierung der römischen Könige 244 J., fr. 19.
Mit diesen Angaben über die Regierungsdauer stimmt Euse-
bius überein, der sich auch in seiner Tabelle für den Anfang
und das Ende der Königsreihen von Sicyon (U p. 56 Seh.),
Argos (p. 15 u. 30) und Athen (p. 56) auf Kastor beruft, wes-
halb ich seine Zahlen oben mit eingestellt habe; höchstens um
wenige Jahre weicht er von ihnen ab, und wir sehen also, dass
das Gerippe zu seiner griechischen Chronologie ihm Kastor ge-
liefert hat. Eusebius hat über seinen Vorgänger Julius Afri-
canus hinwegBchreitend 'Profanquellen von ganz anderem Werth
seinen christlichen Zeitgenossen erschlossen ; dies hat uns Geizer
(aO. II 88) nachgewiesen. Darin entfernt sich Ensebius aller-
dings von Kastor, dass er die assyrische Königsreihe (von Ninus
an) weiter heruntergerückt hat. Nach seinem Gewährsmann hat
diese 1280 J. regiert, also, da er nach Brandis (aO. p. 35)
und Geizer (aaO.) ihres Reiches Untergang in das Jahr 843 setzt,
von 2123 an, wozu noch die Regierung des Belus hinzuzufügen
wäre, die Kastor wegen der Unsicherheit der Ueberlieferung in
Zahlen nicht angeben will, der sog. Excerptor Barbari, der allein
Die Epochen in Varros Werk Do gente populi Romani 235
den von Eaetor erfandenen letzten König Ninne Π. nennt, auf
62 (Gelzer I 209 flP. II 33 f.), Auguetinue (de ciu. d. XVI 17)
auf 65 beziffert. Nach Eaeebius hat dagegen Ninas I. 2059 die
Regierang angetreten^ demnach am 64 J. später als bei Kastor
(etwa um die Regiemngsdauer des Beins), Aegialeas im J. 2089,
dh. 80 Jahre vor Ninas I., and da er dies um das 15. Jahr des
Belas geschehn läset (Enseb. I 173), würde er die Regierang
des Belas aaf 45 Jahre berechnet haben (von 2013 an), wenn
hier nicht eine Verwirrung vorliegt; denn für Eusebius kommen
wir bei einem Ansatz von 62 (bez. 65) Jahren des Belus vor
2059 auf das J. 2121 (bez. 2124), also fast auf das des Kastor
für den Anfang des Ninus. Die Yermuthung drängt sich auf,
dass bei den 2123 Jahren Kastors Belus mit eingerechnet ist,
doch lege ich darauf hier kein Gewicht; für mich ist zunächst
die Hauptsache, dass, da nach ihm Ogygus ein Zeitgenosse des
Belus war, die Ogygische Fluth in die J. 2185 (od. 2188) bis
2123 oder 2121 (od. 2124) bis 2059 fallen muss, also in den
Zeitraum von 2188—2059 und dies übereinstimmt mit dem des
Yarro 2154 — 2057, und daraus folgt die Bestätigung dafür, dass
der um wenigstens 221 frühere Ansatz des Censorinus nicht
Yarronisch sein kann.
Weiter aber treffen auch die 'ungefähr 400 jährigen' Epochen
für Yarro nicht zu. Augustin, der beste Kenner unseres Werkes,
citiert es nämlich nach der Benutzung im 18. Buch noch einmal
im 22. (c. 28) und führt aus ihm folgende Worte an: Genethliaci
quidam scripaerunt esse in renascendis hominUnts quam appellant
τταλιγγενείΤίαν Graeci; hoc scripserunt confici in annis numero
quadringentis qtutdraginta, ut idem corpus et eadem aninta, quae
fuerini coniunda in homine aliquando, eadetn rursus redeant in
coniunctionem, und zwar muss Yarro seihst solche Epochen der
παλιγγ€νε(Τΐα angenommen haben; denn Augustin fährt fort Iste
Varro quidem siue Uli getiethliaci nescio qui und bezieht sich
auf die Wiedergeburt als Yarronisch am Ende des Kapitels: adsu-
mant etiam hoc de Varrone, ut ad eadem corpora redeant, in qui-
bus antea fuerunt. Sie steht auch im Einklang mit Yarros ganzer,
in Pythagoreischen Bahnen sich bewegender Geistesrichtung;
er liess sich ^Pythagarico modo nach seinem Tode in Laub von
Myrte, Olive und Pappel einhüllen (Plin. n. h. XXXY 160).
Der Name des Gründers dieser Schule war in Rom seit alters
popalär. Als zur Zeit der Samniterkriege das delphische Orakel
befahl dem weisesten Hellenen ein Standbild in Rom zu er-
236 Peter
richten, wählte man den Pythagoras (Plin. XXXIV 26. Fiat
Nama 8); Numas Einrichtungen sind schon früh mit ihm in Ver
hindung gesetzt worden (Schwegler Rom. Gesch. I 560 — 64)
Dann scheint sein etwas zurückgegangenes Ansehn von F. Nigi
dius Figulns aufgefrischt worden zu sein; Cicero loht diesen des
halh nach seinem Tode (im J. 45, Tim. 1) und findet im Römi
sehen viel Pythagoreisches (Tuso. IV 2, 3 f.). Es scheint ihm
auch nicht an Eifer gefehlt zu haben Proselyten zu machen
(s. Zeller Gesch. der gr. Phüos. ΠΙ 2» S. 94 ff.), noch der Hof-
philosoph des Augustus Arius Didymus hat über Pythagoreische
Philosophie geschrieben. So liegt es im Geiste der Zeit, daes
Eastor römische Sitten auf Pythagoras zurückführt — τά 'Ρω-
μαϊκά τοις ΤΤυθαγορικοΐς συνοικειών sagt Plutaroh quaeet. Rom.
10 — , und wenn Varro, der sich auch in dem Logistorious
Tubero de origine humana an Pythagoras angeschlossen und nach
ihm, selbst ein ^genethliactis\ über die Zeitdauer zwischen der
Empfängniss und der Geburt gehandelt (Gensor. 9), in De gente
p. R. Kastore System zugrunde gelegt hat, so hat er sich zu ihm
schon durch die Gemeinsamkeit der Anlehnung an die Pytha-
goreer hingezogen gefühlt. Wir sehen dies Verhältniss noch
durch die Bearbeitung Plutarchs in den Quaestiones Romanae
hindurchscheinen (A. Barth De lubae όμοιότη(Τΐν ρ. 24 sqq.).
Von den grossen Weltjahren und der Lehre von ihren Hoch-
sommern, den Weltbränden und ihren Wintern, den üeber-
schwemmungen (s. Usener Die Sintfitdhsagen S. 39), ist diese
Palingenesie indes zu unterscheiden. Obgleich jene besonders
von den Stoikern ausgebildet worden ist, unter denen Diogenes
das Weltjahr auf 365X1800 Jahren berechnet, andere wenigstens
nach Tausenden, so gehörte sie doch nicht zu den Fundamental-
sätzen der Schule (Zeller ΠΙ 1^ S. 554 ff.), und so hat Varro,
trotz seiner sonstigen Abhängigkeit von ihr, eine periodische Er'
neuerung der Welt in Verbindung mit der Seelenwanderung ge-
lehrt (Zeller aO. S. 154 ff.), die in viel kürzeren Zeiträumen
sich dadurch vollziehe, dass sich derselbe Geist und derselbe
Körper wieder vereinigen. Während also bei den Stoikern durch
den Einfluss der Gestirne, die mit dem Ende des grossen Welt-
jahrs, dh. nach Vollendung des Laufes des Pols des Erdäquators
um den Pol der Ekliptik, in ihre alte Stellung zurrückkehren
und die Sitten der Menschen bestimmen (Serv. z. Vergil ecl. 4, 4
uniuersa ex astrorum motu pendere manifestum est), das allmählich
sündig gewordene Menschengeschlecht wieder gebessert wird,
Die Epochen in Varros Werk De gente populi Romani 287
wird bei Varro immer nach 440 Jahren das alte , bessere
Geschlecht wiedergeboren. Wunder am Himmel oder auf Erden
haben für ihn nur die Bedeutung, dass sie den Menschen das
Ende einer Periode ankündigen, ^cumfatälis dies uenerii, cum ad-
fuerit üla necessitas iemporum oder ^cum deo uisum ordiri meliwa^
uetera finiri', wie es bei Seneca (quaest. nat. III 27 ; 28, 7) heisst,
und nur als solche Zeichen hat er die Ueberschwemmungen der
Sage für die älteste Zeit verwendet, darin dem Posidonius ent-
gegenkommend, der im Gegensatz zu Panätius an dem Weltjahr
festgehalten hatte — wer hätte sich damals seinem Einfluss ganz
entziehn können ? — , im übrigen gemäss den Lehren der etrus-
kischen Ritualbücher (Censor. 17, 5, s. 0. Müller Etr. Π S. 331 ff.
und unten S. 244 f.). Auch Kastor war ein Anhänger dieser An-
eicht; ein 'mirabile portentum' am Himmel, die Veränderung
der Farbe, Grösse, Gestalt und des Laufes der Venus, habe sich
unter Ogygus zugetragen, lässt ihn unter Berufung auf ^mathe-
maiici nobiles Varro berichten (fr. 6), offenbar in Beziehung
auf die Sintfluth.
Nun verstehn wir auch die Bedeutung der genethliaci
für die Chronographie. Nach Censorinus haben sie die für die
Menschen gefährlichen Stufenjahre festgestellt (14, 10) und das
12jährige 'Ghaldäische' Jahr nicht nur für die Beobachtung des
Laufes von Sonne und Mond wichtig genannt, sondern auch,
^qtwd in eo dicunt tempestates frugumque prouentus ac sterilitateSj
Uem morbos scduhriiatesque circumire* (18, 7). Das Volk identi-
iicierte sie mit den ^maihemcUici (Gell. I 9, 6), Gellius mit den
Chaldaeiy indem er im 1. Kapitel des 14. Buchs nach Favorinus
ausführlich ihr Treiben schildert und die Verkehrtheit geisselt,
mit der sie aus der Stellung der Gestirne bei dem Eingehn der
Ehe, der Conception und Geburt Schlüsse zögen auf den Charakter
und das Schicksal der Kinder und Kindeskinder usf. Varros
Nativitätssteller L. Tarutius aus Firmum hatte es sogar auf seine
Aufforderung gewagt, umgekehrt aus des Romulus Leben die
Stunde seiner Conception, seiner Geburt und seines Todes zu be-
rechnen (Plut. Rom. 12. S. Mommsen Rom, Chronol. 146 f.).
Die Pythagoreische Ansicht von Epochen durch Palingenesie
ist demnach als von Kastor und Varro übernommen erwiesen.
Wenigstens von Griechen stammen aber auch ihre 440jährigen
Perioden.
Die Zahl 440 ist nicht durch Zufall gewählt. Es hatte
für das menschliche Leben seit alten Zeiten die 7 eine besondere
238 Peter
Bedeatuog; schon Solon hatte das Leben in Perioden von 7 Jahren
eingetheilt, die Stnfenjahre gelten überhaupt als kritisch, be-
sonders das 63., ^qtiem uel hebdamades nouem uel septem enntades
conficumt^ (Cens. 14, 14); mit ihm hört auch bei Solon das
eigentliche Leben auf, seine 10. Periode ist nnr zum Sterben be-
stimmt. Als daher die griechische Chronographie in ihrem
Streben, das Alter ihres Volkes bis zn dem der orientalischen
zu strecken, darauf verfiel, die Geschlechter, nach denen bis da-
her die Geschichte berechnet worden war, über 33V8 (Herodot)
oder 30 Jahre (Hellanicns) bis zn einem Menschenleben auszu-
dehnen, gab man ihm eine Länge von 63 Jahren und multipli*
zirte diese Zahl« um grössere Perioden zn gewinnen, wieder mit
7 (7x63=441). C.Müller hat in seiner Sammlung der Fragmente
der griechischen Chronographen unzweifelhaft richtig den Einfluss
der Zahlen 63 und 441 oder abgerundet 440 auf die Gestaltung
der griechischen Chronographie erkannt, wenngleich er oft allzu-
gewaltsam die Ueberlieferung in dies Prokrustesbett hineinzwängt
und in der Erklärung der Zahl 63 durch Umrechnung aus Mond-
in Sonnenjahre irrt.
Varro hatte im Gegensatz zu dem goldenen, silbernen usw.
Zeitalter nach der Stelle des Censorinns, von der wir ausge-
gangen sind, die ganze Vergangenheit eingetheilt in eine dunkle
Periode (δοηλον) der Menschheit von ihrem Beginn an (auch die
Annahme ihrer zeitlichen Entstehung ist Pythagoreisch, Zeller I'
S. 302) bis zur Fluth des Ogygus, in eine mythische bis zur
ersten Olympiade und in eine historische, die zweite aber nach
dem Charakter ihrer Erdichtungen wieder in Hälften, von
denen die der ersten sich völlig frei sogar auf Kosten der Moral
der Götter bewegten, die der zweiten sie schonten und sich an
das geschichtlich Mögliche hielten (fr. 14). Femer verband er
Bom unmittelbar mit Troja und sah in dessen Zerstörung, mit
der er daher das zweite Buch scbloss (fr. 14), den Anfang einer
neuen Periode, die sich mit Roms Gründung vollendete. Zeitlich
aber bemass er diese Zeiträume nach griechischem Muster; denn
440 Jahre vor 753 führen auf 1193, das Jahr des Auszugs gegen
Troja nach Eratosthenes^, während Eastor, bei dem die Gründung
Koms in das J. 765 föUt, bis zur ersten Olympiade diese
440 Jahre herausrechnet, sei es, dass wir diese mit Geizer
^ 439 Jahre rechnet Johannes Lydus Oe magistr. I 2 ungenau von
der Ankunft des Aeneas in Italien bis zur Gründung Roms 'nach Gate
und Varro", 417 'nach Africanus, Kastor u. Eusebius*.
Die Epochen in Varros Werk De gente populi Romani 239
(II 78 f.) in das J. 767 verlegen und das der Zerptörung Trojan
annehmen, dh. 1207 nach Müller^ (1 207^7 (>7=r 440), Bei es,
daee wir als Eaetorieche Endzahl 776 und als Anfang den Beginn
der Belagerung (1216) einsetzen. Eine Bestätigung erhält die
Zahl 440 dadurch, daes bei der Annahme von zwei Perioden zu
je 440 Jahren eeit der Fluth des Ogygus bis zum Trojanischen
Krieg die erstere in das Jahr 2073 fällt (440+753=1193;
1193 + 2x440=2073), also in den von une oben (S. 232 f.) nach
Varro selbst umgrenzten Zeitraum (2154 — 2057), und auch für
Kastor ergeben sich bei der Zeitrechnung von 2x440 zu 1216 oder
1207, seinen Jahren des Trojanischen Kriegs, Zahlen (2096 oder
2087), die zu der oben festgestellten Zeit für die Ogygische Fluth
stimmen.
Es bleibt noch die genaue Feststellung der Scheidung der
zwei ersten Perioden übrig.
Die zu Anfang unserer Untersuchung abgedruckte Stelle
des Censorinus rechnet die erste von der Fluth des Ogygus
'ad Iftachi regnurn^, und da sie am natürlichsten durch die zwei
überlieferten griechischen Sagen eingeschlossen und überdies die
des Denkalion auch von dem Scholiasten des Euripides in die
Regierung des Inachus verlegt wird (s. ob. S. 232), so kann sie sehr
wohl in den lückenhaft überlieferten Worten erwähnt gewesen
sein, etwa so: ad Inachi regnum (eiusque ccUctclysmum) annos
cirdter CCCC (^computant\ hinc ad excidium Troiae amii sunt
DCCCy^, hinc ad ölympiadem primam eqs. Nach unserer obi^n
^ Gelzers Ansatz 1193 für die Zerstörung Trojas bei Kastor
(II 69) bat mich nicht überzeugt; ich halte an Müller Fragm. chron.
p. 122 sq. fest.
3 Von Gellius I 16, 3 ist ein Fragment Varros aus dem 17. oder
18. Buch der Antiquitates humanae erhalten: 'ad Rotnuli initium plus
miUe et centum annorum est*^. Unger (in diesem Museum XXXV S. 38)
deutet dies auf die Frist von der Abfassung des citierten Werkes 47/707
bis zu der ersten Gründung Roms durch den älteren Romulus (und nach
ihm Holzapfel Rom. Chrmwl. S. 112. 243). Diese Vermuthung steht
aber auf sehr schwachen Füssen; einfacher bezieht man die Zahl auf
die Vergangenheit ; von der Gründung Roms l)is zu der des argivisohen
Reiche sind es nach Eusebius 1103 Jahre; die Rechnung in De gente
p. R, (s. ob. S. 234 f.) braucht nicht auf das frühere Werk übertragen
zu werden.
• hinc — DCCG Ergänzung von 0. Jahn, annos -- computarunt
Hultsch. Durch Einsetzen von mille et trecentos als Summe (statt 1600)
und Ergänzen von D (statt 800) würde man die Angaben des Censo-
rinus den von uns als Varronisch ermittelten nähern können. Doch
310 P*te
Reehnwng wiHe ihr TuTOttisch«« Jahr 1*>:^ sein, in üeber-
eiiurtimMiiii^ Mit Ao^n^tin. ier De eiaiute dei 18, 40(= fr. 9) nach
Yarro die Aegjpter Ten des Lnehaft Tochter Isis 'ror nicht viel
mebr ab 20i» Jahren' die Se&rxft lernen UmC also, da er das
genamte Werk 426 rollendet hat, eiu^ Zeit Tor 1 574. Schwierig-
keit bereitet freilich die Angabe in fr. 13 bei demselben Anguetin
(de cio. d. XTQI 10;. das« die Den kai ionische Flnth anter dem
athenischen König Cranaos, dem Xachfolger des Cecrope, stattge-
fnnden habe; dies würde sie. wenn wir ans an die Kanones des
Knsebias halten, in die Zeit τοη 1506—1498 yerschiebcfn. In-
des sind die attischen Chronologen and Historiker bemüht ge-
wesen, den Anfang ihrer Geschichte möglichst weit zarackiadatiercD,
um nicht an Alter hinter Argos znrückxostehn ; daher haben sie
sich für das Jahr Ι79β (1020 J. ror der ersten Olympiade)
ebenfalls einen König Ogvgas erfanden, in seine Regierang die
erste Flnth verlegt and seitdem das darch sie verödete Attica
bis Cecrops 190 Jahre königslos sein lassen (Eneeb. praep.
euang. X 10, 7 u. chron. I p. 181 Seh.); Clemens von Alexandria
(ström. 121, 139; kennt sogar Schriftsteller, nach denen Cecrope
seit dem J. 2162 regiert hat^ Man darf also wohl vermnthen,
daBS bei Varro Cecrope in altere Zeit gerückt war und mit ihm
sein Sohn Cranans; es müsste denn Aagastin sich eine Ver-
wechselang haben zu schulden kommen lassen. Kastor bietet uns
für die Deukaliunische Flnth keine Stütze ; er nennt sie in unserer
U eberlief erung nirgends; wo ihn Eusebius (s. ob.) von einer
Fluth um das Jahr 1757 sprechen läest, da ist es die des
attischen Königs Ogygus, *die erste grosse* und seine Zeit-
rechnung für sie and Cecrope so ziemlich die des Eusebius; die
Differenz beträgt nur 40 Jahre. Wir haben auch hier (mit C.
Müller p. ITG) eine Vermengung verschiedener Ansichten anzu-
nehmen, da in der Praeparatio euang. Hellanicus, Philochorus,
ThalluR, Diodor und Alexander Polyhistor zusammen als Ge-
währsmänner für die Angabe, dass von dem attischen Ogygus
und seiner Fluth bis zur ersten Olympiade 1020 Jahre ver-
strichen seien, angeführt werden und darüber jedenfalls keine
üebereinstimmung unter ihnen bestanden hat; so wird öioh auch
an der zweiten Stelle des Eusebius (in der Chronik, arm. Text) das
glaube ich eher an eine Verwirrung in der lieber lief erung, also eine
Schuld des Censorinue oder seiner Vorlage, wie oben S. 232 an eine
Verwechselung der beiden Fluthen durch Arnobius bez. seiner Vorlage.
^ (lutechmid Sehr. IV 8 f. ändert allerdings die Zahlen, sodass
Cecropa in das J. 15ti2/61 zu steheu kommt.
Die £pochen in Varros Werk De genie populi Romani 241
^Designat (id) et Kastor in hisioriae epitome eodem modo nur auf
die zweite Hälfte des Absatzes beziehn, auf die Zeit des Cecrops.
Kill solcher Aufbau der Chronologie nach gewissen 2^hlen
und Zahlenreihen war für die alte Zeit, das αοηλον und das
μυθικόν, üblich gewesen, seitdem man überhaupt die überlieferten
Ereignisse auf bestimmte Zahlen festzulegen versucht hatte. In
der historischen Zeit musste natürlich nach anderen Grund-
sätzen verfahren werden. Auch die christliche Chronologie be-
tont mit Nachdruck diesen Gegensatz, Africanus (Müller Introd.
in fr, chron, p. 111 f.), Eusebius (praep. eu. X 10, 1 Μίχρι
μέν τών ολυμπιάδων ούοέν ακριβές Ιστόρηται τοις Έλλησι
πάντων συγκεχυμένων καΐ κατά μηδέν ούτοϊς τών πρό του συμ-
ςκυνούντων* α'ί ί>έ ήκρίβωνται πολλοίς, τψ μή έκ πλείστου δια-
στήματος, δια τετραετίας δέ τάς άναγραφάς αυτών ποιεϊσθαι
τους "Ελληνας, ου δή χάριν τάς ένδοΕοτάτας και μυθώδεις έπι-
λεΕάμενος Ιστορίας μέχρι της πρώτης Ολυμπιάδος έπιδρα-
μουμαι) und Hieronymus (ρ. 78 f.: Ab hoc tempore Graeca de tem-
poribiis hütoria uera creditur; nam ante hoc, ut cuique uisum est,
diuersas sententias protulerunt).
Sollte die Künstelei mit den Zahlen überhaupt fortgesetzt
werden, so konnte dies nur so geschehn, dass entweder aus fest-
stehenden Jahreszahlen auf die Bedeutung der in sie fallenden
Ereignisse geschlossen wurde oder gewissen Jahreszahlen zuliebe
Naturerscheinungen, besonders am Himmel beachtet oder erdichtet
wurden. Von beiden Systemen findet sich indes bei Varro keine
Spur. Wie der Charakter jeder genealogischen Arbeit sich ändert,
sobald sie aus dem Dunkel und Nebel der Vorzeit in das Licht
der Geschichte tritt, so auch die seine. Er hatte sich zwei Auf-
gaben gestellt, eine Chronographie der vorrömischen Völker, die
gewissermaassen in Linien den Stammbaum der gens Romana
zeichnen sollte^ und das dürftige Gerippe des μυθικόν durch
Fabeleien verhüllte — in der Weise der Verfertiger von Stamm-
bäumen römischer Familien — , und eine Entwicklung ihrer Sitten
und Cultur aus denen der älteren, einen Stammbaum auch für
sie. Das letztere giebt uns sogar Servius (fr. 21) als den alleinigen
Inhalt unserer vier Bücher an: Vn quibus dicii, quid α quaque
traxerint gente per imitaiionem . Kräh η er {De Varron. antiq. libris
p. 10), Ritschi {Opusc. HI 446 f.) u. A. haben ihm zwar eine
^ Die Idee der vier Weltreiche, die datuale schon aufgetaucht war
(8. C. Trieber Hermes XXVII S. 321— 344), scheint er mit Stillschweigen
übergangen zu haben ; sie passte nicht in das System dieses Werkes.
tUi«iii. Mae. (. Philol. N. F. LYII. \^
242 Peter
Verwechelung mit De uHa populi Romani schold gegeben, aber
mitEecbt haben ihn von diesem Vorwurf Mercklin Philol. III271
und Eettner De uita p. R, p. 25 n. Varron. Stud. S. 60 wieder
freigesprochen. Dass sich die beiden Werke, von denen das eine
unmittelbar nach dem anderen verfasst worden ist, das erstere
das private, das andere das öffentliche Leben behandelte, im In-
halt mehrfach deckten, darf bei Yarro nicht auffallen. Der Ge-
danke war ihm durch den Geist der Zeit eingegeben. In den
litterarischen Kreisen wurde damals das Verhältniss der Bömer
zu den Griechen eifrig erörtert und auf die Frage zugespitzt, ob
sie zu den εύρεταΐ oder ίηλιυται zu rechnen seiend Cicero in
den Tusoulanen (geschrieben 45 u. 44) vermittelt (I 1, 1): meam
sewper iudidum fuit omnia nostros aut inuenisse per se sapientius
quam Oraecos aut accepta ab Ulis fecisse meliora, quae quidem digna
siaiuissenty in quibus elaborarent. Die unbefangenen Griechen
hatten seit Polybius die Abhängigkeit der Kömer von anderen
A^ölkern erkannt, aber voll Bewunderung auch die Kunst, mit
der sie das von anderen £ntlehnte ihrem Wesen anzupassen und
zu bessern verstanden; dies war auch der Gesichtspunkt, von
dem aus Posidonius die römische Geschichte behandelte, und
nach seinem Vorgang, schon von seinem Lehrer Aelius Stile an-
geregt, Yarro. Darüber kann nach den Untersuchungen Wend-
lings kein Zweifel sein. Die Anlage des Werkes De gente p. R.
brachte es mit sich, dass er sich in der Schilderung desRömieohen
kurz fassen konnte. Da das zweite Buch mit dem Trojanischen
Krieg schloss, wird das dritte bis zur Gründung Roms gereicht
haben, und es blieb so für dieses selbst nur das vierte übrig;
doch konnte dies genügen, wenn er es schon vorher bei den
Mustern anderer Völker immer im Auge gehabt hatte, zumal da
er in den Antiquitatee rerum humanarum sich schon ausführlich
mit der Urgeschichte des römischen Volkes beschäftigt hatte
(Ritschi Opusc. III S. 446 f.). Die Fortführung der Chronologie
konnte er aber nicht einfach fallen lassen ; wurde doch von dem
römischen Aberglauben gewissen Zahlenunterschieden in den Jahren
besonderer Werth beigemessen ; so hatte P. Cornelius Lentulns
den Allobrogern, um sie für die Verschwörung zu gewinnen, vor-
geredet, das Jahr 63 sei das des Untergangs der Hauptstadt und
des Reichs als das zehnte nach der Freisprechung der Yestalinnen
^ S. hierüber und über das folgende Έ. Wendung *2^ Posidonm
md VarrcT Herm. XXVUI S. 335-363.
Die Epochen in Varros Werk De gente populi Eomani 243
und das zwanzigste nach dem Brande des Capitole (Cic. in
Catil. ΠΙ 4, 9).
Varro war für die damalige Zeit ein Gelehrter, auch als
Chronolog. Censorin rühmt (β. oh. S. 232), dase er durch den
Vergleich mit der Chronographie anderer Staaten und durch Be-
rechnung der früheren Finsternisse in die Zeit nach der ersten
Olympiade volles Licht gehracht (vgl. Plut. Rom. 12) und die
Ereignisse nicht nur nach Jahren, sondern sogar nach Tagen he-
rechnet hahe; Arnobius (fr. 7) spricht υοώ cur iosae eompiäationes,
durch die er den Zeitraum von der Deukalionischen Fluth bis
zum Consulat des Hirtius und Pansa gemessen habe; unter den
Gebieten, durch deren Eröffnung er sich um die Urgeschichte
Roms verdient gemacht habe, zählt Cicero im J. 45 in den ihm
gewidmeten Academica an erster Stelle auf ^aetatem patriae, de•
Scripttones temporum (I 3, 9). Es thut dieser Anerkennung weder
Eintrag, dass er die dazu erforderlichen astronomischen Kennt-
nisse nicht besessen und die Rechnungen nicht selbst ausgeführt
hat, noch dass die Ergebnisse mit dem Aufwand von Gelehrsam-
keit in keinem rechten Verhältnies standen. Er hat jedenfalls
den allein richtigen Weg eingeschlagen, indem er sich an den
auch Cicero befreundeten L. Tarutius wandte als %'w primis Chol'
daicis rationibus eruditus' (Cic. de diuin. Π 47, 98)^. Die Ein-
seitigkeit, mit der dieser von seiner Wissenschaft Gebrauch machte,
dürfen wir Varro nicht zur Last legen; sein Einfall, von den
Thaten des Romulus auf die Nativität zu schliessen mag damals
Staunen erregt haben.
Es fehlen uns, wie gesagt, genaue Zeugnisse über das System
der römischen Chronologie Varros seit der Gründung. Wir
wissen jedoch, dass er in den Antiquitates rerum humanarum, die
er kurz vorher nach mehrjähriger Arbeit abgeschlossen hatte,
sechs Bücher den Zeiten und von ihnen wieder eins den Saecula
gewidmet hat (Gruppe Herrn. X S. 52 f.). Trotz der politischen
Erregung müssen diese nach dem Tode Cäsars über die litterari-
schen Kreise hinaus ein lebhaftes Interesse auf sich gezogen haben.
Wie Octavian einen Kometen, der während der seinem
Adoptivvater zu Ehren vom 20. — 30. Juli noch im J. 44 ge-
feierten Spiele am Himmel erschien und sieben Tage sichtbar
' Auch von späteren Generationen wurde er gerühmt: έτοίΐρος
αύτοΟ (Varronis) φιλόσοφος μέν άλλως καΐ μαθηματικός, άπτόμβνος δέ
τής πβρί τόν πίνακα μεθόδου θ€ωρ(ας ^ν€κα καΐ δοκών έν αυτή περιττός
€Ϊναι Plut. Rom. V2. mathematicorum nobiUssimus Solin 1, 16.
244 Peter
blieb, zor Festigung seiner Stellung benutzte, indem er ihn als
Zeichen der Erbebung des Ermordeten unter die Götter deutete,
ist bekannt. Zugleich aber prophezeite der Haruspex Vulcatius
aus ihm die Wende Vom 9. zum 10. eaeculnm* ; dies hat Augusius
selbst in seiner Lebensbeschreibung der üeberlieferung für werth
gehalten, mit dem Zusatz (Sern. z. Verg. ecl. 9, 48, fr. 5 p. 253),
dass der Weissager erklärt habe, er werde sofort sterben, weil
er dies Geheimniss wider den Willen der Götter verrathen habe,
und sei auch während des Sprechens todt niedergesunken. So
hatte also Varro genügende Veranlassung den Stoff neu zu be-
handeln und seine Mitbürger zu belehren.
Die Hauptschwierigkeit mnsste für ihn sein, zu den griechi-
schen Si byllinischen Büchern und zu dem Einfluss der
etruskischen Weissagung Stellung zu nehmen. Die letztere
befristete das erste Saeculum einer Stadt oder eines Staates von
der Lebensdauer des am längsten lebenden unter den am Tag
der Gründung geborenen Einwohnern, das zweite .von den seit
dessen Tod am längsten lebenden usw. Die Götter selbst be-
zeichneten die für Menschen schwer sichtbaren Grenzen durch
^pcrtentdi die Haruspices beobachteten diese sorgfältig, zeichneten
sie auf, und so hatten die ersten vier etruskischen Saecula eine
Dauer von 400 Jahren gehabt, das fünfte von 123, das sechste
und siebente von je 119; im 8. stand man zu Varros Zeit, wie
Censorin, dem wir diese Nachrichten verdanken (17, 5 f.), unter
ausdrücklicher Berufung auf ihn berichtet; noch ein neuntes und
zehntes, sagt er, sei dem etruskischen Volke beschieden.
In Rom tritt uns dieser Begaff zuerst in den ludi saecu-
lares entgegen, die nach Varro in seiner Schrift De scaenicis
originüms (Censor. 17, 8) zuerst im J. 249/505 infolge vieler
^porttnta und Blitzschläge und nach Befragung der Sibyllinischen
Bücher von Staatswegen zu Ehren des Die und der Proserpina
eingesetzt wurden mit der Bestimmung der jedesmaligen Wieder-
holung der Feier nach hundert Jahren; 146/608 ist diese wirk-
lich auch, wenngleich um drei Jahre verschoben, erfolgt (s.
Mommsen Chroncl, S. 180 f. und auch Soltau Böm. Chronol.
S. 386 ff.), seitdem aber in Vergessenheit gerathen (Suet. Aug. 31.
Claud. 21); in dem fälligen Jahr 49/705 mit seinen politischen
Wirren hat niemand daran gedacht. Geblieben ist seitdem auf
die Dauer nur die offizielle Aufzeichnung der Wunder (ßemays
Ges, Äbhandl. 11 S. 307 f.), angeregt durch ihre Verbindung mit
den Saecula. Daneben aber hat Mommsen {Chrcnu S. 175 ff.)
Die Epochen in Yarros Werk De genie populi Romani 245
Doch eine asdere Säcularfeier aufgefunden, die in der Einschlagung
eines Nagele durch den höchsten Beamten der Republik in die
Wand des der Minerva geweihten Theile des Tempels des Capito-
linischen Juppiter bestand, nach seiner Vermuthung infolge einer
grossen Fest im J. 463/291 eingeführt war und für die J. 863/391
und 263/491 bezeugt ist. Betreifs der letzteren bezieht sich der
Antiquar Cincius bei Livius ΥΏΙ 3, 7 (s. Relliq. I p. CX sqq.)
auf eine ähnliche Sitte in dem etruskischen Volsinii, die ersteren
sollen von den Sibyllinischen Büchern angeordnet worden sein
(Gensor. 17, 8). Die Beeinflussung der Römer durch die etrus-
kische Haruspicin ist uralt und erstreckt sich bis in das letzte
Jahrhundert der Republik hinein. Sowohl im J. 44 gab ein
etruskischer Earuepex über das erwähnte Himmelszeichen Bescheid,
als im J. 88/666, nachdem unter anderen Wundern ein lauter,
klagender Trompetenton bei wolkenlosem, klarem Himmel allge-
mein Angst hervorgerufen hatte, sodass der Senat die 'angesehen-
sten Etrusker, die mehr als die übrigen zu wissen glaubten*, be-
fragte (Flut. Sulla 7j. Auch diesmal ging ihre Deutung auf eine
Wende der Saecula.
Für die Chronologie war dies physische, in der Zahl der
Jahre wecheelnde Saeculum, das s. ueriens oder fuUuräUy nicht
zu brauchen ^, und je weitere Zeiträume die Römer zu überblicken
sich gewöhnten, desto mehr musste sich das Bedürfniss eines
juristischen mit bestimmten Zahlen aufdrängen, also die längste
Lebenszeit ein für allemal festzulegen. In der Geschichtschreibung
bat der Consul des J. 133/621 L. Calpurnius Fiso zuerst, so
viel wir wissen, von einem solchen saeculum zu 100 Jahren ge-
sprochen (fr. 36 Bell, I p. 135; s. übr. Unger in diesem Mus.
XXXV S. 33 f.), im Öffentlichen Leben haben die Sibyllinischen
Bücher eingegriffen.
Zu diesem Nachweis müssen wir etwas weiter ausholen und
zunächst die oben citierte FlutarchRtelle schärfer ins Auge fassen.
Jene angesehenen Tusker fügten nämlich ihrer Deutung die Er-
klärung hinzu, dass es im ganzen acht nach Lebensweise und
Sitten verschiedene Geschlechter (τ^νη) gebe und dass jedem von
dem Gott eine Zahl von Zeiten bestimmt sei, die sich in d'em
Umlauf eines grossen Jahres vollende ((Τυμπεραινόμενον ένιαυ-
του μεγάλου περιόδψ). Wenn dieser (die περίοδος) ein Ende
^ Gensor. 17, 13 nostri maiores naturale saeculum quantum esset
exploratum non habebant.
246 Peter
habe, so werde von der £rde oder vom Himmel aus irgend ein
Zeichen in Bewegung gesetzt, damit es den Sachkundigen Rogleich
offenbar sei, dass Menechen mit anderen Sitten und Lebensweisen
geboren seien, die den Göttern mehr oder weniger am Herzen
liegen würden als ihre Vorgänger ; ganz besonders gebe sich dieser
Wechsel auch kund in der Weissagekunst, die in dem einen Ge-
schlecht wegen der klaren und deutlichen Götterzeichen hoch in
Ehren stehe, in einem anderen bei unsicheren und dunkelen sich
aufs Eathen legen müsse und deshalb nur geringes Ansehn ge-
niesse. Die Weisheit geht auf Varro zurück, wie das Fragment
*2)e saeculis: auditum sonum tvibae de caelo' bei Servius z. Aen. VIII
526 beweist; aber sie ist getrübt. Klarer iliesst die Quelle bei
Censorinus ( 17, 6, s. ob. S. 244). Plutarch hat erstens missverstanden,
dass im J. 88 das 8. Saculum von 10 angebrochen sei, das
'beinah letzte , wie es in der Weissagung der Vegoia (in den
Gromat. uet. p. 850 L.) heisst (Mommsen Chrmi, S. 189 f.), und
namentlich nicht römische und etruskische Saecula getrennt, die
je nach dem Volke verschieden gerechnet wurden^. Freilich
tritt diese Verkündigung in Widerspruch mit der des Vulcatius,
wenn wir die Beziehung auf £trurien bei Plutarch ergänzen ;
denn schon 44 Jahre später lässt die letztere das 10. Saeculum
beginnen, sodass das 8. und 9. durchschnittlich nur 22 Jahre
gedauert hätte, während die vorausgehenden durchschnittlich
108%, keins unter 100. Doch darf uns dieses nicht beunruhigen
(Mommsen Chron, 190); wir erkennen vielmehr daraus, welcher
Schwindel damals in Rom mit Wunderzeichen und den etruskischen
Prophezeiungen getrieben wurde und wie diese nach Belieben
auf Etrurien und Rom gedeutet wurden.
Nun musste sich unter solchen Verhältnissen, da die etrus-
kischen Saecula von einem bestimmten Anfang aus gerechnet
wurden Cquo die urbes atque ciuitates constituerentur Censor. 1 7, 5),
das gleiche Bedürfniss nach einem Anfang auch in Rom aus-
bilden; schon Valerius Antias (fr. 22 RelL 1 247) nannte jene
Säcularspiele von 249/505 die dritten und weiss von zwei älteren
in den vorausgehenden zwei Jahrhunderten (Gens. 17, 10. Zosim. Π4
^ quot numero saecula ei genti data sint Gens. aaO. Damit
fallen alle Vermuthungen A. Mommsens (Die Saectda der Etrusker)
in diesem Mus. XII S. 539—550) in sich zusammen, die von dem fal-
schen Satz ausgehn, dass alle etruskischen Zeichen und Wunder auch
Rom betroffen hätten.
Die Epochen in Varros Werk De gente populi Bomani 247
▼gl. Feetue 8. u. eaec. ludi p. 329). Bis zur Gründung der
Stadt wagte er aber nicht zurlickzugehn ; dieser Versuch ist erst
im J. 88/666 gemacht worden. Nach dem Gründungsjahr des
Fabius Pictor waren damals 660 Jahre verflossen, der Krieg mit
den Bundesgenossen und der eben entbrennende zwischen Marius
und Sulla hatten die Gemtither genugsam aufgeregt, um für
Himmelszeichen und Sühnfeste empfänglich zu sein: damals ent-
stand das von Phlegon und Zosimus überlieferte Sibyllenorakel,
das von dem ersteren ausdrücklich in seinen einleitenden Worten
(Macrob. p. 91 Keller, p. 133 in den Sibyllinischen Blättern
von Diels) in den Bundesgenossen krieg verlegt wird. Aber auch
ohne dies würden die zwei letzten Verse
καί σοι πάσα χθων Ίταλή και πάσα Λατίνων
αΐέν ύπό σκήπτροισιν έπαυχένιον Ζυγόν ΪΕει
uns dahinführen ; unrichtig beziehen Diels (aO. S. 14) und Gardt-
hausen (Äugusius I S. 1011 II 625) das Orakel auf die Säcular-
spiele des Äugustus; auch Mommsens Datierung {Epliem. epigr.
Vni p. 235) der Abfassung im Jahr 126/628 ist weniger be-
gründet. Gewiss hat es Aenderungen und Einsohiebungen nament-
lich wegen der von Äugustus angeordneten neuen Opfer erfahren,
die Vermengung jüngerer und älterer Verse ist Diels (aO. S. 15)
nicht entgangen. Für den Kern aber hat Bergk {Monum. Ancyr.
p. 76) mit dem Jahr 88 unzweifelhaft das Richtige getroffen.
Die Befragung der *^libri fatales im nächsten Jahr berichtet
Granius p. 23, 2 Bonn.; damals wurde beschlossen sie öffentlich
vorzulesen; sie verhiessen Ruhe und Frieden, wenn Cinna und
sechs Tribunen aus dem Vaterlande vertrieben würden.
Die Sibyllinischen Bücher waren nicht nur in griechischer
Sprache verfasst, auch die Bräuche, die sie vorschrieben, waren
griechisch (v. 16 des ersten Orakels πα%ας δσας πάρος βΤπα
κέλευ' Λχαιστι τάο' fpbeiv) und wurden als solche von den
Römern empfunden: et nos dicimus XV uiros Graeco ritu, non
Bomano facere, Varro de 1. 1. VIT 88; andere Stellen s. bei
Diels aO. S. 55 f. So ist denn auch in dem Säcularorakel die
Ausdehnung des Saeeulum auf 1 10 Jahre anstatt der römischen
100 griechisch, vielleicht ursprünglich ägyptisch (Gardthausen
Π 620):
Άλλ' όπότ' δν μήκιστος ϊκη χρόνος άνθρώποισι
ίΐϋής, εΙς έτίιυν εκατόν δίκα κύκλον obeuujv,
μ€μνήσθαι Τωμαϊβ — xabe πάντα κτλ. (ν. 1 ff.).
Empfohlen wurde sie durch die Einladung des Herolds zu Spielen,
24« Peter
'die keiner geeehn habe noch sehen werde^ (Suet. Cland. 21.
Mommeen Chronol. S. 182 f.) ; durch häufigeres üeberechreiten
einer Lebensdauer von 100 Jahren^ sollte sie nicht lächerlich
werden. Von der Palingenesie findet sich allerdings in dem
Orakel keine Spur — auch dies ist ein Beweis für das Alter,
wenn es eines solchen noch bedürfte; erst in der vierten
Ecloge Virgils an seinen Gönner Asinius Pollio, also im J. 40/714
tritt sie uns in der Sibyllinischen Weissagung entgegen:
Vlfima Cumaei uenit tarn carminis aelas:
magnus ab infegro saeclorum nasciiur ordo.
tarn redit et VirgOy redeunt Saturnia regna,
iam noua progenies caelo demittiiur alto, (4 — 7.)
wozu Probus (p. 9 K.) bemerkt: Cumaei carminis uel α Sibtflla,
quod Ouma/na et post quaituor saecula παλιγγ6ν€(Τίαν futuram cecinit
uel eqs.
Diese Neuerung kann nur auf die eben erschienenen vier
Bücher De getife populi Romani geschoben werden ; von Virgil
kann sie keinesfalls herrühren. Yarro, soweit nicht schon Kastor,
hat mit den griechischen Sibyllenorakeln zugleich die Palingenesie,
die zwar auch in die etruskische Lehre eingedrungen war, wenn
die Ueberlieferung nicht Verschiedenes durch einander geworfen
hat, aber doch griechischen Ursprungs war, und den etruskischen
Glauben von der Kundgebung des Endes der Saecula durch Natur*
erscheinungen zusammengearbeitet, obwohl ein solches Eintreten
der Götter mit der Fixierung der Zahl unnöthig geworden war,
und so die Voretellung von der Wiederkehr besserer und glück-
licherer Zeiten nach einer gewissen Reihe von Jahren vorbereitet,
die Virgil dichterisch weiter ausgeschmückt hat; die Bezeichnung
von (4) Weltaltern nach Metallen, des glücklichsten als aurea
aetas unter der Herrschaft des Saturn, und die Flucht der'Virgo'
aus dem heruntergekommenen Menschengeschlecht (vgl. Horat.
carm. saec. 57 fl^.) rührt schon von Hesiod her^. Unzweifelhaft
hat die Zahl 110 auf Varros ganze ältere Chronographie einen
entscheidenden Einfluse ausgeübt; HO Jahre mit der für die Pytha-
^ Servius z. Aen. IV f)53 bezeichnet 120 Jahre als die höchst-
mögliche Lebensdauer, bei Anderen bewegt sich die höchste erreichte
zwischen 110 und 120, vgl. Pliu. n. h. VII 15B ff. Cens. 17, 4 flf. Cicero
Cato m. le, β9.
^ S. E. (iraf Äd aureae aetatin fahtüam sgmbola p. 6 ff. 62.
47 ff.
Die Epochen iu Varros Werk De gente populi Romani 249
goreer und ihn wichtigen 4^ multipliciert ergeben die 440 Jahre,
die die Genethliaoi für eine Periode der Menschheit heransge-
rechnet hatten. Das erste Mal wird sie bis auf wenige Personen
durch die Ogygische Eluth vernichtet, das zweite Mal nach 440
Jahren durch die des Deukalion; ein neues Zeitalter eröffnet der
Trojanische Krieg, die Ursache der Uebersiedelung des Aeneas
nach Italien, das nächste die Gründung Roms, dessen Bestehn
schon weit in die zweite Periode hineinreicht. So stellte er,
indem er die von den Griechen aus 7 Menschengeschlechtern
(d. h. 7X63) herausgerechnete Zahl 440 nach römisch-etruskischer
Vorstellung in 4 Saecula zu je HO Jahren zerlegte, ein sich
durch die älteste Geschichte bis in die römische hinein schlingen-
des Band her und verlieh ihm von Rom aus eine göttliche Weihe.
Vor Prophezeiungen wird sich Varro bei der im J. 43 doppelt
nothwendigen Vorsicht gehütet haben, beschäftigt aber hat er
sich schon im 18. Bach der Antiquitates r. hum. mit der Frage
nach den für Rom bestimmten Saecula; dort hatte er die Meinung
eines gewissen Vettins ^in augurio non ignöbüis* mitgetheilt, dass
es, wenn die Erzählung der Historiker von den. 12 (dem Romulus
erschienenen) Geiern richtig sei, es bis auf 1200 Jahre bringen
werde, , nachdem es einmal über 120 Jahre glücklich herüberge-
kommen sei (Cens. 17, 15).
Auch aus der Verbreitung der Vorstellung von der Wieder-
kehr eines neuen Zeitalters dürfen wir darauf schliessen,
dass sie von einer gewichtigen Autorität getragen worden ist.
Virgil hatte den Glauben an sie nicht verloren, obwohl ihn die
im J. 40 ausgesprochene Hoffnung getäuscht hatte. Wie er in der
Ecloge von dem Ende der ferrea und dem Beginn der aurea aetas
gesungen hatte, so prophezeit in derAeneis (VI 791 ff.) Anchises
dem von der Sibylle in die Unterwelt geleiteten Sohn von
Augustus Cäsar ^diui genus* : ^aurea condet saecula, gut rur•
sus Lotio regnata per arua Saturno quondam\ Namentlich aber
hat es dieser selbst verstanden, sich die von Varro geschichtlich
begründete und auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Sehnsucht
seiner Römer nach einer besseren Zeit zu nutze zu machen.
Gemäss seiner Politik knüpfte Augustus äusserlich an Altes
an; seine im J. 17/737 veranstalteten Säculars ρ lele sollten
frühere fortsetzen. Die im J. 49/705 fällig gewesenen konnte er
* Vgl. de 1. 1. V 12 omnia sunt quadripertita; daher aach die
4 Bücher De gente p. E,
250 Peter
jedocli nicht brauchen; er hätte so die Erinnerung an die Bürger-
kriege wachgerufen. Er wollte auch nicht die unterirdischen
Götter und damit die zu Ende gehende Zeit feiern, an die nur
die das Festlied singenden 8X9 Knaben und Mädchen erinnerui
also die bei allen den Zorn der Unterirdischen abwendenden
Sühnfesten übliche Zahl (Diele S. 38 fip., bes. 43 fip.), vielmehr
von ihr ab in die goldene Zukunft den Blick lenken und setzte
daher Heil und Segen spendende Lichtgottheiten für jene ein
(Mommsen JSJpÄem. ep. VIII p. 237). Neu war femer die üebertra-
gung der von Varro für die Weltgeschichte erwiesenen sibyllinischen
Periode von 110 Jahren auf die Säcularspiele, von ihm ange-
deutet durch den Zug der 110 Matronen, proclamiert durch den
Festdichter (v. 21) certus undenos dedens per annos arbiß ut
cantus referatqtie ludos, bestätigt durch die Acta (Z. 25, Eph. ep.
Mll p. 228) s]acrificiuin saeculare ludosque, qui ceräenstmo ei
d[ecimo anno recutrunt]. Nach Zosimue (Π 4, 2) hatte ihm die
Bräuche der damals nocb junge Ateius Capito als Kenner des
Pontificalrechts dargelegt und erklärt (und wohl auch nach des
Kaisers Idee zurecht gemacht), die Zeit die mit der Aufsicht
über die Sibyllinischen Bücher betraute Priesterschaft ermittelt,
die schon im Jahre vorher auf seinen Befehl die schwer leserlich
gewordenen Bücher neu abgeschrieben hatte; damit kein Anderer
sie lese , giebt Cassius Dio, dem wir diese Nachricht verdanken
(54, 17, 2), als Grund an; die wahre Absicht war natürlich die,
frei mit ihnen schalten zu können. So wurden bei dieser Ge-
legenheit unter Benutzung von Hausfeiern des Yalerischen Ge-
schlechts für die Jahre 456/298, 346/408, 236/518 und 126/628,
also für einen Zeitraum von 440 Jahren von 17/737 an zurück
Säcularspiele in die Sibyllinischen Akten gefälscht, wie Mommsen
(Chronol, 185 f.) erkannt hat. Dass, worauf Gardthausen
{Augustus I 1010. U 624) grossen Werth legt, ein neuer Komet
im J. 17 den Kaiser bestimmt habe, die schon früher begonnenen
Vorbereitungen rasch abzuscbliessen, hat mich nicht überzeugen
können. Er wird bei der Wahl des Jahres seine besonderen
Gründe im Auge gehabt haben (Hirschfeld Wiener St ud. UT 104),
das Ende einer zehnjährigen Regierung, die Geburt des Lucius
Caesar und die Adoption der beiden Enkel, äusserlich brachte er
das Fest mit dem Kometen des Jahres 44 in Verbindung. Dies
erweisen deutlich zwischen den Jahren 17/737 und 15/739 ge-
schlagene Münzen des M. Sanquinius mit der Erwähnung der
Ludi eaeculares auf der einen, des Kometen des Diuus lulius auf
Die Epochen in Varros Werk De gente popoH Romani 251
der anderen Seite, and wenn andere Eometenmünzen aus den
Jahren 17 nnd 16 nehen den Spielen den Namen des Augustue
nennen, so dürfen wir aus jenen und aus Münzen mit dem Kopf
des Diuas lalius und einem Stern darüber auch hier uuf den
Kometen des Jahres 44 schlieseen^.
Augustue hat in Domitian und Septimius Severus Nachfolger
für seine Rechnung gefunden, während Claudius, Antoninus Pius
und die Philipper den Schluss der Jahrhunderte der Stadt ge-
feiert haben. Für beide Feiern hat Varro den Grund gelegt oder
wenigstens verstärkt; für die letztere, indem er dem willkürlichen
Hin- nnd Herrechnen der Griechen ein Ende machte und durch
seine Autorität ein bestimmtes Gründuugsjahr (oder zwei an ein-
ander grenzende) zu allgemeiner Anerkennung brachte, sodass
überhaupt erst eine officielle Feier möglich wurde ; für die erstere
dadurch, dass er die von den Griechen durch Summierung der
Geschlechter geschaffene Zahl 440 in Saecula theilte und die Zahl
110 mit der der Sibyllinischen Bücher verband. So hat er, zum
Tbeil nach dem Vorgange Kastors, die bis ApoUodor geltende
Rechnung mit Geschlechtern aus der römischen Litteratur ver-
drängt und der römischen Chronologie das der Eigenart seines
Volkes entsprechende Gepräge für die Zeit Heiner Dauer aufge-
drückt. Welche Marksteine er in der Geschichte des gegründeten
Rom angenommen hat, darüber auch nur Vermuthungen auszu-
sprechen, fehlt uns jeder Anhalt^ In der für ihn persönlich
kritischen Zeit des Jahres 43 wird er es vielleicht überhaupt
vermieden und sich mit der Registrierung der Ansichten Anderer»
wie er sie überhaupt liebte, begnügt haben.
St. Afra in Meissen. Hermann Peter.
1 S. Gardthausen aO. II S f)22f. — Hat etwa Aagastas die Zahl
der singenden Mädchen nnd Koaben aach nur beibehalten, um an die
27 seit dem Erscheinen des Kometen verstrichenen Jahre zu erinnern,
wie an das Saeculum von 110 Jahren durch die 110 Matronen?
3 Mommsen Chron. S. 21H ff. 185 hat das von Dionys von Hali-
karnass dem 'Senator L. Cincius (fr. 4) zugeschriebene Gründungsjahr
729 und die daraus gefolgerte Lange der Königszeit von 220 Jahren
mit dem 100 jährigen Saeculum nnd so mit Augustus in Beziehung ge-
setzt und den L. Cincius mit einem Philologen in der Zeit des Augustus
identificiert. Der durch Blitzschlag erfolgte Tod des Königs Tullus
Hostilius ist schon vor Varro in das J. 110 der St. verlegt worden.
Mommsen Chron. S. 138 f.
zu DER INSCHRIFT DER ΑΡΗ AI Α AUF
AEGINA
Die Scblüeee, zu denen M. Fränkel in seiner Besprechung
der Apbaia-Inschrift oben S. 152 — 156 gelangt, kann icb nicht
für richtig halten. Er glaubt daraus, dass das Cultlooal der
Aphaia in der Inschrift nicht ναός, sondern οΤκος genannt ist,
scbliessen zu dürfen, dass diese Göttin nicht die Besitzerin des
ganzen Heiligthums und damit des erhaltenen Tempels sowie
seiner verlorenen Vorgänger war, sondern dass Aphaia nur in
einer 'dopenden ce' wohnte, der Tempel aber einer anderen Göttin
gehörte, und zwar, wie er aus Antoninus Liberalis 40 glaubt er-
schliessen zu dürfen, der Artemis. Er geht davon aus, dass der
οίκος unserer Inschrift völlig gleicher Art sei wie jene Upal
οΐκίαι, von denen ü. Köhler in den Athen. Mittheil. VII (1882)
373 f. handelt und von denen dieser nachweist, dass sie 'zu dem
Zwecke erbaut waren, als Dependenzen der dabeistehenden Tempel
zu dienen.' Also, schliesst Fränkel, da unser οΤκος für die Aphaia
gebaut ist, gewiss aber, wie er meint, nicht *nur untergeordneten
Zwecken der Verwaltung gedient haben' kann, indem dagegen
die ^monumentale Bekundung' seiner Errichtung spräche, da der
οΤκος also 'den Cult der Aphaia anfnahm\ so sei 'nothwendig
die Gottheit, die im Tempel verehrt wurde, von Aphaia ver-
schieden' gewesen.
Fränkel scheint hier gar nicht zu ' bemerken, wie sehr er
sich mit sich selbst in Widerspruch gesetzt hat. Der οΤκος der
Aphaia ist nach ihm gleich den Köhler^schen Upai οίκι'αι, den
'Dependenzen der dabeistehenden Tempel'. Allein diese waren,
wie Köhler des genaueren ausführt, 'bestimmt, heilige Gegen-
stände, welche in den Tempeln oder sonst keinen Platz fanden,
aufzunehmen. Von den Tempeln unterscheiden sie sich dadurch,
dass sie kein Cultbild enthalten und keine Opferhandlungen in
ihnen vorgenommen werden'. So Köhler ; Beispiele solcher οΐκίαι
und οίκοι in Heiligthümern sind nach Eöhler^s Aufsatz noch
mehrere durch Inschriften bekannt geworden und sie bestätigen
Zu der Inschrift der Aphiiia auf Aegina 253
seine Definition, in oder beim Heiligtbum von Eleusie waren
nach ilen Inschriften kpai οΐκίαι als Wohnungen für die Prie-
eterinnen (Έφημ. άρχ. 1883, 119, 50 οΐκίαν τήν kpav ου ή Wpeta
οίκ€Ϊ; 126, 80 εΙς τάς ίεράς οΙκίας ταΐς ίβρείαις). ίη den Rech-
nungen von Deloe kommen mehrere οΤκοι in dem Heiligthume
vor, die in die Kategorie von ^Dependenzen der Tempel gehören,
wie der οΤκος im Sarapieion und der neben dem Isistempel; ein
οίκος hier wird nur nach dem Materiale als der von Porös, einer
als der der Andrier bezeichnet (Bull, de corr. hell. 1882, VI^
29 ff.; Dittenberger syll.» 588 Z. 155. 178. 220. 230); er war
offenbar ein Thesauros, wie denn Plutarch (de Pythiae orac. 12.
13. 14) den Thesauros der Eorinthier und den der Akanthier in
Delphi einfach οΤκος nennt. Von solcher Art war gewiss auch
der οίκος im Heiligthnm von Andania (Dittenberger syll. ^ 653,
113 εις τόν οίκον τόν έν τψ Ιερψ). Das Charakteristische und
Wesentliche, das diese οΤκοι vom Tempel unterscheidet, ist, wie
Köhler hervorgehoben hat, dass in ihnen kein üultus stattfindet.
Allein Frankel, obwohl er seine ganzen Schlüsse auf der ange-
nommenen Identität des οΤκος der Aphaia mit den von Köhler
behandelten οΐκίαι und οΤκοι aufbaut, nimmt gleichwohl an, dass
der äginetische οΤκος gebaut war zu dem Zwecke, den 'Cultus
der Aphaia aufzunehmen' (S. 154), ja er sagt (S. 155), der οΤκος
sei 'ohne den Altar gar nicht denkbar', er sei also zweifelloser
Cultraum ; auf S. 153 gibt er mir auch zu, ich habe unzweifel-
haft Hecht, wenn ich behauptete, dass der Gebrauch des Wortes
οίκος für den Cultraum einer GottheiJ; durch Analogieen zu be-
legen sei. Er gibt zu, dass die Inschrift von Thisbe CIGS. I
2733, wo ό οΤκος καΐ ό Διόνυσος, 'eine Aedicula mit Cultbild',
geweiht wird, ein zwar 'später, aber passender Beleg* sei. Hier
liegt der Widerspruch. Wenn der οίκος unserer Inschrift den
Gultraum der Aphaia bedeutet, dann ist es eben ein οίκος ganz
anderer Art als die von Köhler besprochenen οίκοι und οΐκίαι,
deren Wesen darin besteht, dass sie des Cultes entbehren. Wenn
Fränkel den äginetischen οίκος dem Culte der Aphaia bestimmt
sein lässt, dann sind alle seine Schlüsse aus der 'Dependenz -
Eigenschaft jener ganz verschiedenen Köhler*schen οΐκίαι, also
vor allem der Schluss auf eine von Aphaia verschiedene Besitzerin
des Heiligthums, gänzlich hinfällig.
Die von Köhler behandelten iepai οΐκίαΐ sind von den
Tempeln in ihrem Wesen, da sie nicht dem Cultus dienen und
kein Cultbild enthalten, durchaus verschiedene Bauten. Allein
254 Furt wandlet
der ägiDetieche οίκος der Aphaia, wenn er, wie auch Fränkel
annimmt, dem Cultae dieser Göttin diente, was war er denn
andere als ein Tempel?
£8 war im Alterthum ein häufiger Fall, daee innerhalb
eines grösseren Heiligthums sich Tempel befanden, die nicht der
Hauptgottheit, nicht dem Inhaber des ganzen Heiligthums, son-
dern anderen Gottheiten gehörten. Allein das regelmässige Wort
für einen solchen Tempel ist ναός genau wie für den Haupt-
tempel ^ Dass οίκος etwa der Ausdruck für einen Tempel jener
Art wäre, hat nie Jemand behauptet und eine solche Behauptung
wäre ja auch gänzlich grundlos.
Also nach gewöhnlichem Gebrauche müsste das Cnltlocal
der Aphaia, von dem auch nach Fränkel in unserer Inschrift die
Eede ist, ναός heissen. Der Ausdruck οίκος ist ungewöhnlich
für ein Cultlocal; allein, wie auch Fränkel zugibt, durch Ana-
logieen zu belegen. Ich hatte dabei erinnert, dass auch οίκημα
für einen dem Culte dienenden Bau, dh. Tempel verwendet vor-
kommt, wie denn Pausanias zB. das Erechtheion so nennt. Fränkel
weist gewiss mit Recht darauf hin, dass οίκημα einen allgemeineren
Begrifi^ habe, wie unser ^Bauwerk'; allein es genügt jener Ge-
brauch iminerhin zum Beweise, dass ein Tempel nicht immer nur
ναός genannt werden musste, sondern dass dazu auch eine von
οίκεΐν abgeleitete allgemeinere Bezeichnung verwendet werden
konnte. Uebrigens hatte ja, ebenso wie οίκος nicht immer einen
cultlosen, sondern auch einen Cultranm bezeichnet, auch ναός
nicht immer die letztere Bedeutung, sondern zuweilen auch die
eines cultlosen der Gottheit geweihten Thesauros (Polemon bei
Athen. XI p. 479 f.; Strabo XI p. 637 ναΐσκοι).
Anders stände die Sache natürlich, wenn sich nachweisen
Hesse, dass οίκος überhaupt niemals und unter keinen umständen
ein dem Culte dienendes Local bezeichnen könne. Dann, und
nur dann müssten wir annehmen, dass der der Aphaia gebaute
οίκος unserer Inschrift nur als Thesauros, als Priesterwohnnng
oder für Verwaltungszwecke errichtet worden wäre. Auch dann
würde natürlich jede Spur von Anhalt fehlen, als Hauptgöttin
^ Ein Beispiel, bei welchem zugleich das Wort οΐκος vorkommt,
bietet die Inschrift von Anaphe, GIG Ina. III, 248, die von dem Baue
eines ναός der Aphrodite innerhalb des Upov des Apollon handelt und
den Ort wo der Bau stattfinden soll bestimmt όιτ€ΐ ά έλα(α ά ποτ! τόν
Εύδώρ€ΐον οίκον καΐ τόν McibUciov; dies sind natürlich οίκοι der oben
besprochenen Art.
Zu der Inschtift der Aphaia auf Aegina 255
des Heiligthams eine andere als die in der Inschrift genannte
Aphaia zn vermuthen.
Allein auch abgesehen von den Analogieen, welche gestatten
οΤκος hier für den Caltraum der Aphaia zn nehmen, spricht die
ganze Art and die Fassung der Inschrift für diese Auffassung.
Die Inschrift beurkundet in feierlicher Form, dass unter dem
Priester Eleoitas (oder des Eleoitas Sohne) das Haus für die
Aphaia, dh. eben ihr, der Göttin Hans gebaut worden ist. Was
soll dies Haus der Aphaia anderes sein als ihr Tempel? Das
eigens für die Göttin selbst gebaute Haus kann nur für ihren
Cultus bestimmt sein. Anders steht die Sache mit den Weih-
inschriften, welche berichten, dass Jemand einen οΤκος der oder
jener Gottheit geweiht hat^. Man kann der Gottheit ja alles
mögliche weihen, was nicht für ihren Cultus bestimmt ist, also
auch einen οΤκος für irgendwelche Zwecke wie Aufbewahrung
von Dingen, Verwaltung, Wohnung. Bei diesen Weihinschriften
bleibt es uns also ungewiss, ob der οΤκος dem Culte oder an-
deren Zwecken diente. Die äginetische Bauurkunde ist anderer
Art; der οΤκος hier ist für die Aphaia, dh. doch für sie zur Woh-
nung, zum Cultus erbaut, nicht blos ihr geschenkt wie irgend
ein anderer Gegenstand. Und dann kommt dazu: χώ βιυμός . .
ποτεποιήθη, auch der Altar ward hinzugebaut. Dies ist ein voll-
kommen correcter Ausdruck für einen vor der Front «ines neuen
Tempels hinzugefügten neuen Altar, und durchaus nicht Wunder-
lich', wie Frank el meint. Ebenso ward bei dem neuen Tempel-
bau, der noch erhalten ist, ein neuer Altar in der Achse des
Tempels und parallel demselben vor seiner Front hinzugefügt.
Die Erwähnung des zu dem οίκος gehörigen Altares in der In-
schrift ist der unzweideutigste Beweis dafür, dass jener der Cult-
raum ist. Von dem mit dem βωμός zusammen erwähnten έλέφας
sei hier abgesehen, da seine Bedeutung nicht ohne weiteres deut-
lich ist; obwohl ich glaube, dass der Ausdruck nichts anderes
^ So die Inschrift von Samothrake, Conze Samothr. 1 41 No. 8, wo
ein οΤκος den θ€ο1ς μεγάλοις geweiht wird ; in einer Inschrift, die wahr-
scheinlich von Smyrna stammt (CIG 31 G3), wird ein οίκος den Nemeseis
geweiht. *In einer Inschrift des vierten Jahrhunderts von Astypalaia ward
nach der früheren Lesung (CIO II add. 2491 c) ein οΐκος dem Apollo
geweiht, doch ist die Lesung bezweifelt worden ; nach Hiller von Gärt-
ringen's Abschrift (CIO Im, III 185) ist . . καν sicher und, da nur
zwei Buchstaben vorangehen dürfen, ist die Ergänzung οΐ]κον unab-
weislicb.
25Ö Furtwängler
als das Elfenbeinbild bezeichnen kann. Es moRs hier in der
monumentalen Banurkunde neben οΤκος und βωμός etwae Weeent-
liches und Wichtiges gemeint sein, wie es das Cultbild war;
etwas so gänzlich Nebensächliches wie etwa Elfenbeinschmuck
an den Thüren, den Fränkel hier verstehen will, ist gewiss nicht
anzunehmen; abgesehen davon, dass die durch die Ausgrabung
erwiesenen überaus einfachen Verhältnisse des Heiligthums in der
Zeit der Inschrift prunkvollen Schmuck sehr wenig wahrschein-
lich machen. Das Elfenbein* mnss etwas Integrirendes be-
zeichnet haben. Fränkel ist der Ansicht, dass das Verbum ποτ-
εποΐήθη nicht zu einem Cultbild passe ; allein mit Unrecht: in
Olympia zB. wurde ja, wie wir jetzt genau wissen, wirklich das
neue (goldelfenbeinerne) Cultbild zu dem neuen Tempel sogar
erst längere .Zeit nach dessen Vollendung 'hinzu* gemacht, in
unserer Inschrift steht das Haus der Göttin als die Hauptsache
voran, dann folgen Altar und Bild. Ganz so würde man wohl
auch in unseren Zeiten die Banurkunde über eine neue Kirche
abfassen und den Bau voran nennen, Altar und Bilder als 'hin-
zugemacht* folgen lassen.
Nach Fränkels Erklärung der Inschrift will diese mit χώ
βωμός ποτεποιήθη sagen * es wurde dem vorhandenen Altare
der Artemis ein zweiler beigesellt'. Allein es heisst ja ό βιυμός,
der Altar, nicht βωμός; die Inschrift kennt nur den einen Altar
und unterscheidet ihn nicht von einem zweiten. Uebrigens ist
jene Annahme auch unantik gedacht. Ein vorhandener Altar
kann durch einen neuen ersetzt werden; ein neuer Altar ueben
einem vorhandenen wird aber nur einem neuen Culte, also einer
neuen Differenzierung derselben Gottheit oder einer anderen Gott-
heit haben gelten können ; einfach einen zweiten demselben Culte
dienenden Altar einem vorhandenen beizugesellen*, widerspricht,
soviel ich sehen kann, antiker Anschauung.
Also der Altar gehört zum οίκος, und dieser ist der Wohn-
raum der Aphaia. Anders scheint mir die Inschrift nicht ge-
deutet werden zu können.
Allein der Fränkerschen Annahme stehen nicht nur die
Inschrift, sondern auch noch andere wichtige Thatsachen im Wege.
Vor allem die Funde selbst. Wir haben ausser der grossen
Aphaia-Inschrift noch eine zweite gefunden, welche die Göttin
nennt (Sitzungsber. d. bayr. Akad. 1 901 S. 370) ; es ist eine
Weihung; sie steht auf dem Fragment eines flachen Opfer beckens
einer eigenen Art, wie sie eben diesem äginetisohen Heiligthom
Ζα der Inschrift der Aphain auf Aegina 257
eigen ist. Wir dürfen ohne Weiteres annehmen, dass die zahl-
reich im ganzen Heiligthum zerstreut gefundenen Reste gleicher
Becken ebenfalls zn Weihgeschenken an Aphaia gehörten und
ihrem Culte dienten. Wir haben ferner auch auf dem Fragmente
eines Marmorbeckens den wahrscheinlichen Rest einer Weihnng
an Aphaia (αφ . .) gefunden. Auch diese Marmorbecken bildeten
eine relativ bedeutende Klasse von Weihgeschenken in dem Heilig-
thum. Die wenigen sonstigen Fragmente von Weihungen ent-
halten keinen Namen einer Gottheit. Eine andere Gottheit als
Aphaia ist nirgends genannt.
Die örtlichen Verhältnisse zeigen femer deutlich, dass nur
ein Cultus hier gepflegt wurde, in alter Zeit auf sehr eng be-
grenztem Räume. Für jede der Epochen ist je nur ein grosser
Altar nachweisbar. Die Baulichkeiten der frühen Epoche, wel-
cher unsere Inschrift — schon auf Grund der Eigenart des ver-
wendeten Materiales ~ zugewiesen werden muss, müssen über-
aus einfach gewesen sein. Der οΤκος war sicherlich wirklich nur
ein Haus, eine Cella ohne Säulenumgang. Die relative Grösse
und Monumentalität der Inschrift beweist aber jedem der ört-
lichen Verhältnisse Kundigen, dass der ihr zugehörige Bau gewies
nicht eine blosse 'Dependenz eines Tempels, sondern eben der
damalige Hauptbau gewesen sein muss. Vor allem ist indees
überhaupt gar kein Platz vorhanden in dem beschränkten Raum
des alten Heiligthums, wo der von Fränkel angenommene zweite
Tempel gestanden haben sollte.
Endlich ist auch unter den bildlichen Funden nicht die ge-
ringste Spur davon, dass zwei Gottheiten hier verehrt wurden,
und nicht die geringste Spur namentlich deutet auf Artemis, die
Franke! als Hauptgottheit vermuthet. Unter den zahlreichen
Terrakotten ist keine einzige, die etwas von Artemis hätte.
Der Fränkerscheu Annahme steht ferner entgegen des Ρ a u-
sanias Zeugniss, der unser Heiligthum als das Ιερόν der
Aphaia bezeichnet und einen Tempel der Artemis nur. unten in
der Stadt kennt. Fränkel muss einen unerhörten Irrthum des
gerade in solchen Dingen genauen Periegeten annehmen. Wäre
übrigens die Aphaia nur nebenbei in einem Artemis- Heiligthum
verehrt worden, wie Fränkel meint, so würde sie wohl längst
▼or Pausanias verklungen gewesen sein. Ihr Name haftete an
dem lange schon verödeten Heiligthum aber nur, weil es wirk-
lich ihr Heiligthum und nicht das einer anderen Gottheit wie
der Artemis war.
Übeln. Mim. f. l*hlloI. N. F. LVIL 17
258 Furtwängler Zu der Inschrift der Aphaia auf Aegina
Schlieeelich beruht auch die Meinung Fränkele, bei Anto-
ninus Liberalis (c. 40) sei bezeugt, daes unser Heiligthum
der Artemis gehört habe, auf einem Irrthum, und es ist vielmehr
das Gegentheil richtig. Antoninus bezeugt, dass das Heiligthum
der Aphaia und das der Artemis verschiedene Localitäten waren,
f) hl Βριτόμαρτις άποβασα έκ τοΟ πλοίου κατέφυγεν εΙς αλσος
οθι πέρ έστι νυν αυτής τό Ιερόν, κάνταυθα έγένετο αφανής.
Hiermit ist bezeugt ein Ιερόν der Britomartis, die dann Aphaia
genannt wurde, in einem αλ(Τος auf Aegina, da wo die Legende
die Aphaia αφανής werden liess. Nachher heisst es von dem-
selben Orte τόν hk τόπον, έν φ αφανής έγένετο ή Βριτόμαρτις,
αφιέρωσαν Αίγινήται καΐ ώνόμασαν Άφάην κα\ ίερά έπετέλεσαν
ώς θεψ. Also jenen Ort wo die Β ritomartis- Aphaia yerschwaDd,
haben die Aegineten zu einem Ιερόν dieser Göttin gemacht und
ihr fortan hier geopfert. Der Ort war also vorher noch kein
Ιερόν, sondern er wurde erst dazu gemacht, und zwar nur zu
einem Ιερόν der Aphaia. Also etwas ganz anderes als was
Fränkel annimmt ist überliefert. Hätte Franke! Recht, so müsste
Antoninus sagen : Britomartis floh in das Heiligthum der Artemis
und hier erhielt auch sie dann Verehrung ; statt dessen heisst
es aber, Britomartis floh in ein &\θος, und der Ort wo sie hier
verschwand, wurde zu ihrem Ιερόν gemacht. Mit den zwischen
den beiden angeführten Sätzen stehenden, auf die erste Erwäh*
nung des Verschwindens folgenden Worten έν hi τψ ίερφ τής
'Αρτέμιδος wird ein neues anderes Local eingeführt, das nach
dem klaren Wortlaute unmöglich identificiert werden kann mit
dem Orte des Verschwindens, der von den Aegineten erst zu
einem Ιερόν, und zwar dem der Britomartis-Aphaia gemacht wird.
Das folgende τόν hk τόπον zeigt, dass nach 'Αρτέμιδος eine
Lücke in der Ueberlieferung ist, die wir nicht mehr ausfüllen
können ; die Conjectur τόν τε τόπον ist nicht zulässig, weil das
noch namenlose αλ(Τθς, in dem Britomartis verschwindet, und das
Ιερόν der Artemis eben als zwei getrennte Oertlichkeiten ange-
führt werden. Der Autor erwähnt erst das noch namenlose SK-
(Τος, den Ort des Verschwindens, dann das Ιερόν der Artemis, in
dem etwas war das leider ausgefallen ist, und kehrt dann zu dem
ersteren Orte zurück mit der Bemerkung, dass dieser zum Hei-
ligthum der nun Aphaia genannten Britomartis wurde. Das Ιερόν
der Artemis auf Aegina ist uns durch Tansanias bekannt; es lag
unten in der Stadt ; das Ιερόν der Aphaia aber haben die neuen
Ausgrabungen aufgedeckt.
A. Furtwängler.
LEGIONEN DES ORIENT
auf Grund der Notitia dignitatum
Im Orientheer, wie es uns die Notitia dignitatum über-
liefert, finden wir ungefähr 92 Legionen mit folgenden Artbe-
Zeichnungen : palatinae, comitatenses, pseudocomitatenees, ripa>
rienaes und solche ohne jede Artbezeichnung. Der Versuch, auf
Grund der Not. dignit. von den damaligen Zuständen des römi-
schen üeeres, speziell den Legionen ein Bild zu geben, beab-
sichtigt einer Lücke abzuhelfen, die in unsrer Kenntnise des
römischen Heerwesens um 400 n. Chr. deutlich hervortritt. Die
Behandlung der Legionen gliedert sich nach den 5 Artbezeich-
nungen, unter denen sie erscheinen.
A. Palatinische Legionen.
1. Artbezeichnung und Verwendung. Es sind dies,
wie schon der Name sagt, die Palast- oder Gardelegionen der
Kaiser, und wir finden sie auch, entsprechend ihrer Bezeichnung,
unter den 2 Reichsmarschällen, den ^ magistri militum praesen-
tales , im Innern des Reiches stehend, meist in Byzanz, wo sich
ja der Hof des Kaisers am meisten aufhielt. Die Stellung dieser
Legionen brachte es zweifellos mit sich, dass sie die angesehensten
Truppen waren, wie sie ja auch bei der Aufzählung der Legionen
stets an der Spitze stehn. Wir können hIso annehmen, dase diese
palatinischen Elitetruppen, in 2 Corps gegliedert, eine Art Re-
serve bildeten, aber in dem Sinne, wie dieser Begriff zu Napo*
leons I. Zeiten gebraucht wurde. In der Nähe der Hauptstadt
garnisonirend und durch die stets am Hof anwesenden Garde-
commandeure direct zur Verfügung des Kaisers stehend, waren
sie die letzten verwendbaren, aber, weil Gardelegionen, aus-
schlaggebenden Truppenkörper, die radial den bedrohten Reichs-
grenzen zugeführt werden konnten.
260 Mangold
•
2. Besondere Yerhältnisse. Die einzige Ausnahme,
wo Artbezeichnnng und Verwendung nicht übereinstimmen, ist
die palatinische Legion: Britones Seniores. Mau kann sich
diese Abweichung entstanden denken durch eine Detachirung, die
infolge zwingender Bedürfnisse nöthig geworden war; und es ist
ganz leicht möglich, dass ein Zusammenhang besteht zwischen
der drohenden Stellung Alarichs in den illyrischen Gegenden und
jener Entsendung zu dem dortigen magister militum. (Man ver-
gleiche die 3. russische Gardedivision in Warschau und die kau-
kasische Grenadierdivision.) Für die Möglichkeit, so diese Diffe-
renz auszugleichen, kann noch folgende Erscheinung als Beweis
beigebracht werden, dass nämlich Legionen, die mit .ihrer Haupt-
macht nicht in den Donaulandschaften garnisoniren, entweder dort-
hin detachiren oder zur Verfügung der magistri militum per
Thracias und per Illyricum stehen, auch wenn sie ganz am an-
deren Ende des Reiches ihr Stand lager hatten. So steht unter
dem magister militum per Thracias die in Thebais garnisonirende
comitatensische Legion I. Maximiana Thebaeorum, ferner
die in Aegypten und der Thebais stehende comitatensische IIL
Diocletiana Theba'idos. Die Diöcese Aegypten konnte
wohl auch am ehesten solche Abgaben ertragen, denn sie war
doch damals wohl am wenigsten von Feinden gefährdet. Viele
derartige Verschiebungen werden wir später noch zu erwähnen
haben.
3. Benennung der Legionen. Diese 13 orientali-
schen Palastlegionen haben folgende Namen : Britones, Nervii,
Bleikugelschleuderer, Lanzenwerfer, Daci, Scythi. Eine Legion
heisst bloss 'Die Tapferen'; eine andere, die der 'Primani% ist
wahrscheinlich identisch mit der legio I. Augusta. Schliesslich
gibt es noch 'Elfer', Undecimani.
B. Comitatensisch« Legionen.
1. Art bezeichnung und Verwendung. Nach der
Artbezeichnung zu schliessen, sind es wohl diejenigen Legionen,
die die Feldherrn ins Feld * begleiteten', was auch durch die Ver-
wendung, die sie erfahren, bestätigt wird. Sie stehen nämlich
alle (38 an der Zahl) unter den 3 magistri militum und den
duces der Grenzprovinzen. Jedoch sind die unter den dnces
stehenden Legionen nur solche, die auch unter den Truppen der
magistri aufgeführt werden. Diese Erscheinung hat wohl den
Grund, dass solche Legionen mit doppelter Commandatur zwar
Legionen des Orient 261
im Bereich dem dux unterstehenden Grenzgebietes dislocirt waren
und somit auch der dux ein gewisses Yerfügungsrecht über sie
hatte — denn ein Grenzschutz auf exponirter Linie verlangt eine
einheitliche Commandostelle, — dass sie aber jederzeit von dem
magister zu Expeditionen unter seinen Befehl zurückgenommen
werden konnten.
2. Besondere Verhältnisse. Zuerst haben wir die
Erscheinung zu verzeichnen, dass eine Legion oder ihre Theile
zweien und mehr Commandeuren unterstellt werden kann : zB.
die comitatensische Y. Macedonica, die zwar in Dacia ripensis
und Aegypten garnisonirt, aber dem magister militum per Orien-
tem unterstellt ist. Vielleicht liesse sich dieses Unicum so er-
klären, dass diese Legion ursprünglich dem magister per Orientem
unterstand, dann aus unbekannten Gründen nach Aegypten ver-
legt worden ist oder schon vorher dort garnisonirte und so auch
zu den Truppen des comes limitis Aegypti gehörte. Dieser aber
musste, wohl aus den gleichen Gründen, wie bei der L Maxi-
miana und der IIL Diooletiana (s. o. j, jetzt auch von der V. Mace-
donica zum Donauschutz detachiren. — Nach Dacia ripensis hatte
ferner die dem comes limitis Aegypti zugehörige XIILGemina
eine Abtheilung geschickt. — Dieses Beispiel und das der Π. Tra-
j a η a sind die einzigen, dass sich Grenzcommendeure in das
Commando über eine Legion theilen.
Sehr merkwürdig ist weiter das Verhältniss der X. und
XIV. Gemina, die in Pannonien unter den dortigen duces —
also im Westreich — stehen, ausserdem auch noch bei den
Truppen des magister militum per Thracias gefuhrt werden.
Diese Erscheinung und die der ΥΠ. Gemina, die in Leon in
Spanien liegt und zu den Truppen des magister per Orientem
gehört, vermag ich nicht zu erklären.
Femer gehört hierher die 11. Fla via Constantia The-
baeorum, die in Thebai's liegt und doch dem magister per
Orientem zugehört. Wenn man nicht zufällige Garnison dort
annimmt, kann man dies wohl so erklären, dass dem ägyptischen
Heer nach seinen grossen Abgaben nach der Donau von den am
nächsten stehenden, verfügbaren Truppen (und dies sind eben die
des magister per Orientem) die U. Flavia Constantia Thebaeorum
zugewiesen wurde, um die entstandenen Lücken auszufüllen.
Dies sind die ungewöhnlichen Verhältnisse, die bei oomita-
tensischen Legionen vorkommen und sich meist erklären lassen.
Im allgemeinen steht fest, dass die in grossen Massen unter den
262 Mangold
magietri militum fltehenden comitaten sieche η Legionen eine Art
Reserve zweiter Gattung bildeten, indem sie, mehr im Inneren
des Reiches stehend, jederzeit, ohne die Grenztruppen schwächen
zu müssen, zur Offensive vorgehen konnten, bei Defensive aber
die Grenzcorps verstärken und als Unterstützung bezw. Auf-
nahme hinter der Grenzlinie Stellung nehmen konnten. Drei solcher
Corps gab es : in lllyricum, Thracien und im Orient. Schon die
Vertheilnng der Legionen auf diese 3 Heere zeigt, dass die Do-
nau land Schäften damals am meisten Truppen beanspruchten: denn
dort stehen 2 'Actionscorps*, wie man sie vielleicht bezeichnen
kann, jedes einzelne stärker al« das orientalische. Jedenfalls hat
bei den comitatensischen Legionen schon in häußgerer Weise als
bei den palatinischen die Noth eine Verwendung dieser Legionen
geboten, die nicht mehr der in der Artbezeichnung angedeuteten
Verwendung entsprach.
3. Legionenamen. Ausser den schon erwähnten Namen
bei den Legionen mit besonderen Befehleverhältnissen, finden wir
noch folgende: Leute des Mars, Ballistenschützen, Germanen,
Gallier, Lanzenwerfer, Kaukasier, Leute aus den Donauland-
sohaften, Legionen mit den Namen der Diana, Minerva und
der Kaiser.
C. Psendocomitatensische Legionen.
Sie stehen wie die comitatensischen im Inneren des Landes
unter den magistri militum. Das Wort pseudocomitatensis' wird
wohl so zu erklären sein, dass diese Legionen zwar wie die co-
mitatensischen verwandt wurden, ihnen aber sonst nicht gleich-
gestellt waren. Sie kommen in der Hangordnung am Ende und
ihre Namen haben einen auxiliären Beigeschmack, der nicht voll-
gültige, echte Legionen verräth. Die Ueberlieferung sagt auch,
dass sie an Ansehen und Gehalt den übrigen Legionen nachstanden.
Jedenfalls gamisonirten sie um 400 n. Chr. nicht an der Grenze,
wie Forcellini meint.
Die legio L Italica ist hier noch zu erwähnen, die als
ripariensis unter dem dnx Moesiae IL und gleichzeitig als pseu-
docomitatensis unter dem magister militum per Orientem steht.
Die einzige Erklärung wird wohl die sein, dass sie zuerst als
pseudocomitatensis unter dem magister stand und wie so viele
andere an die Donau gesandt wurde, wo sie dann unter dem dux
als ^Uferlegion verwandt wurde, nachdem sie entweder einen
Theil im Orient zurückgelassen hatte, der natürlich pseudocomi-
Legioneu des Orient 263
tatene blieb, oder aber als peeudocomitatateneische za des ma-
gister Verfügung stand.
Die Namen dieser Legionen sind sehr oft von Städten und
Ländern abgeleitet, allein von den 9 in Illyrien haben 6 Namen
von dortigen Städten und die Vermuthung liegt nahe, dass diese
auch ihre Gamisonsorte waren. Sonst gibt es noch: 2 armeni-
sche, 2 italische, 1 parthische-Legion, Bogenschützen (!), Schleu-
derer (!), fortenses anxiliarii, Transtigritani, Ballistarii und solche
mit des Theodosius Namen.
D. Ripariensische Legionen.
Es sind dies (ausser der schon erwähnten I. Italica):
II.Herculia, XI. Claudia, I. Jovia in Scythia und Moesia Π.
Warum aber werden die in Moesia I. und Dacia ripensis gele-
genen Legionen nicht auch riparienses genannt? Irgend eine
grössere Bedeutung kann dieser Name nicht gehabt haben, viel-
leicht war es nur ein ehrender Znsatz, wofür geltend gemacht
werden kann, dass alle 4 Legionen alte, 2 sogar sehr alte Le-
gionen sind. Jedenfalls sind sie die einzigen im ganzen römi-
schen Reich, obwohl die weiter aufwärts an der Donau stehen-
den Legionen doch gradesogut diesen Namen als Artbezeichnung
verdient hätten.
£s scheint also sicher zu sein, dass ripariensis nur ein
terminus ist zur Bezeichnung der Verwendung, nicht der Art,
woraus weiter folgt, dass man ripariensis und oomitatensis nicht
von einem Gesichtspunkt aus betrachten darf, denn es sind keine
einander ausschliessende Begriffe. £s wäre ebenso falsch, das
heutige deutsche Heer in Linien-, Füsilier- und Grenz• Regimenter
eintheilen zu wollen. Sonst werden die ripariensen Legionen
etwa auf derselben Stufe mit den Pseudocomitatensen gestanden
haben (vgl. I. Italica).
C. Legionen ohne Artbezeichnnng.
Diese Legionen sind alle diejenigen, die unter den comites
und duces stehen. Und zwar untersteht jede Legion nur ihrem
Grenzcommandeur mit Ausnahme der schon erwähnten ΧΙΠ. Ge-
mina und II. Trajana Tbebaeorum. Sie sind entweder zum Schutz
der Grenze bestimmt, oder wie die II. und ΙΓΙ. Isaura zum
Schutz gegen unbotmässige Völker im Innern.
Der Verwendung nach sind sie wohl limitanei, aber diese
264 Mangold Legionen des Orient
Bezeichnung findet eich nicht. Das Wort Mimitaneae' kommt im
Orient überhaupt nicht vor und limee nur in dem Titel: comes
limitis Aegypti.
Die Verwendung der Legionen ist also folgende:
1) 2 Gardecorps, Hauptreserve unter den magistri militnm
praesentales, zur Verfügung des Kaisers, bestehend aus pa-
latinischen Legionen.
2) 8 Actionscorps unter den magistri militum per lUyricnm,
Thracias und Orientem, aus comitatensisohen und pseudoco-
mitatensiechen Legionen zusammengesetzt, im Inneren des
Reiches.
3) Die Defensivtruppen an der Reichsgrenze unter comites und
duces, bestehend aus ripariensischen Legioneu und solchen
ohne Artbezeichnung.
Jena. K. Mangold.
τυφλός ανηρ
Wie stark einet der ägyptische Einfluss auf e-riechenland
gewesen sein mass, haben aufs Neue und in höherem Grade, als
bekannt war, die Ausgrabungen in Knossos dargethan. Man wird
in Zukunft mehr, als es bisher geschehen, den Spuren jener Be-
einflussung auch in der älteren griechischen Litteratur nachgehen
müssen, und Bethe hat ja in seinem auf der Strassburger Philo•
logenversammlung gehaltenen Vortrag 'Homer und die Helden-
sage mit Recht auf die Discrepanz zwischen unserem archäolo-
gischen und unserem historisch-mythologischen Wissen hinge-
wiesen. AuchjReichel und Robert suchen die Mykenischen Burgen
und die homerischen Sagen mit einander in Einklang zu bringen.
Von Myken aus aber fuhren deutliche Cnlturpfade nach Osten
und nach Süden.
Viele Sagen erzählen uns, dass hervorragende Dichter,
Rbapsoden oder Propheten blind gewesen seien.
Τυφλός άνήρ, οίκεϊ bk. Χίψ ένι παιπαλοέσση,
του πασαι μετόπισθεν άριστεύουσιν άοώαί,
80 wird der Sänger des Delischen Apollohymnus geschildert.
Tbukydides setzt den Verfasser des Hymnos dem Homer gleich;
es ist müssig darüber zu streiten, jedenfalls war es ja ein ange-
sehener Rhapsode, der die Dichtung verfasste und der sich selbst
als blind bezeichnete. ^Quem si quis caecum genitum putat, Om-
nibus sensibus orbus est' sagt Velleius (I 5, 2) von Homer, und wie
er, dachten viele im Alterthum. Was Homer von späteren Dichtern
zu seinem Vortheil unterschied, war gerade die Kunst des^Sehens,
des künstlerischen, unbefangenen Sehens. Der weder durch ra-
tionalistiche noch durch mystische Theorieen getrübte offene Blick
für die Welt der Wirklichkeit, das ist es ja, was dem Dichter
der Odyssee eine so imponierende Stellung am Anfang der Welt-
litteratur verlieh. Sehen wir doch noch jetzt alle von ihm ge-
266 F r i e Β
schilderten Vorgänge und Zustände beim Lesen deutlich mit dem
geistigen Auge und staunen über die Anschaulichkeit, den Wirk-
liohkeitssinn, der in beiden Epen hervortritt. Cicero, Velleine
und Proklos hatten Recht, wenn sie von jener Sage nichts wissen
wollten.
Die Art, in der die Blindheit des Demodokos in der Odyssee
eingeführt wird, hat etwas antithetisch Zugespitztes, etwas Stili•
sirtes. Es ist gleichsam ein hübsches Epigramm, wenn gesagt
wird, dass die Muse dem Sänger die Augen nahm und die Lieder
gab. Odysseus staunt darüber, dass Demodokos das Schicksal
der Griechen so genau besingen könne, als habe er es selbst
gesehen oder gehört (Θ 487 ff.). Er bittet ihn nun, die Zer-
störung Trojas vorzutragen. Od. α 351 bezeichnet Telemachos
das Lied über die Heimfahrt der Griechen von Troja als das
neuste, welches immer am meisten Beifall bei den Zuhörern finde.
Jedenfalls kann dann die Zerstörung Trojas keins der ältesten
Lieder gewesen sein. Wenn nun Demodokos (Θ 500 ff.) diese
80 eindringlich und anschaulich schildert, dass Odysseus in den
tiefsten Kummer versinkt, so hat es immerhin einige Schwierig-
keit, sich einen Blinden als Schilderer der neusten Zeitgeschichte
vorzustellen. Gewiss hätte der Phäakische Sänger auch als Nicht-
blinder diese von ihm besungenen Ereignisse nicht mit eignen
Augen sehen können ; dennoch ist es nicht recht vorstellbar, dass
ein blinder greiser Sänger als epischer Schilderer einer jüngst-
vergangenen Kriegszeit seiner Aufgabe in so wirksamer Weise
gerecht wird. Doch sei dem, wie ihm sei. Die Blindheit steht
mit dem üebrigen in keinem nothwendigen Zusammenhang, sie
giebt nur Gelegenheit zu einer der Bemerkungen über den Sänger,
in denen der Dichter der Odyssee sich so wohl gefällt. Oft
genug nimmt er Gelegenheit, die Würde und Bedeutung des Sängers
hervorzuheben ; es klingt zuweilen, wie eine Aeusserung pro domo;
und in der That darf man vielleicht glauben, dass hier ein per-
sönliches Motiv hineinspielt. Der Sänger weilt am Hofe des
Fürsten, seine Harfe hängt im Palast (Od. θ 255), er lebt von
der Gunst des Herrschers (ebend. 477 ff.). Es liegt in s§inem
Interesse, die Würde seines Standes nach Möglichkeit zu erheben.
In diesem Sinne ist es vielleicht aufzufassen, wenn die Macht des
Gesanges oft in ähnlicher überschwänglicher Weise geschildert
wird. Odysseus weint bei dem Liede des Demodokos wie eine
Frau, die von dem Leichnam des Gemahls in die Gefangenschaft
fortgeschleppt wird. Penelope steigt mit zwei Jungfrauen aus
Τυφλός άνήρ 267
dem Frauengemach in den Männersaal hernieder und ersucht den
Phemios mit seinem Gesänge über die Rückkehr der troi'schen
Helden innezuhalten, er wisse ja viele andere schöne Lieder zu
singen, dieses Lied aber zerfleische immer wieder ihr Herz; sie
ertrage es nicht länger, es zu vernehmen (α 328 ff.). Das könnte
nun freilich vom Dichter auch deshalb allein eingefügt worden
sein, um die Treue der Penelope hervorzuheben. Indessen war
ja dafür längst im reichsten Maasse gesorgt ; das ganze Epos
legte Zeugniss davon ab. Dann aber erwidert Telemachos auf
die Rede der Mutter in einer Weise, die auf diese einen etwas
peinlichen, beschämenden Eindruck machen musste, den Freiern
aber auch nicht sonderlich sympathisch sein konnte, da Tele-
machos ja den Odysseus verherrlichenden Sänger in Schutz nahm.
Der einzige, der sich von der Rede des Jünglings aufs ange-
nehmste berührt fühlen konnte, war — der Sänger. Er solle
singen, wie es ihm um das Herz sei, Zeus lenke das Gemüth der
Sänger und erfülle ihre Seele mit Begeisterung. Penelope solle
nicht zürnen, der neuste Gesang erhalte stets den meisten
Beifall bei der Versammlung. Der Dichter spricht hier aus eigener
Erfahrung und zur Verherrlichung seines Standes. Penelope aber
kehrt zurück in ihre Gemächer, staunend über ihres Sohnes kluge
Bede.
Dann lobt Telemachos auch den Freiern gegenüber den
Phemios in überschwänglicher Weise (370 f.), ohne dass ein rechter
Zweck dieser Worte ersichtlich wäre. Aber nicht nur in dem
spät entstandenen ersten Buch findet sich derartiges, die Sänger
spielen ja im Gegensatz zu der älteren Ilias in dem jüngeren
Epos eine erhebliche Rolle, und das ist nicht etwa bedeutungs- '
los oder zufällig.
Phemios entgeht dem allgemeinen Blutbad durch seine klug
gewählten Worte (χ 344 ff.). Zunächst wieder die Versicherung
von der Heiligkeit des Standes, dann die an dieser Stelle und in
diesem Zusammenhang etwas unmotivierte Aeusserung :
αύτοοΛακτος S εΙμί, θεός bi μοι έν φρεσίν οϊμας
παντοίας ένίφυσεν.
Er verspricht, den Odysseus wie einen Gott besingen zu wollen
und betont, dass er nicht aus Begehrlichkeit in den Palast ge-
kommen sei. Auf fernere Fürbitte des Telemachos wird er dann
begnadigt.
Etwas Paränetisches möchte man fast aus der Stelle her-
aushören, an der Odysseus dem Demodokos das beste Stück
268 Friei
Fleiecb reichen läset, denn alle MenscheD bezeugten den Sängern
£hrfurcht, und die Muse selbst beschütze sie. Der Dichter dieses
Abschnitts stellt den Odyssens gleichsam als ein Muster für alle
Fürsten hin, aii deren Höfen sich Sänger aufhalten, und ermahnt
zur Naoheiferung eines so guten Vorbildes (Θ 474 ff.). Odj^sseue
giebt dem Demodokos dann als Thema zu weiterem Gesänge die
Geschichte vom hölzernen Pferde; er ist weniger zurückhaltend
gegen den Aöden, als Telemach α 346. Auch in dessen
Worten könnte eine Beziehung auf die Wirklichkeit liegen.
Wollte der Dichter vielleicht den oft launischen und empfindlichen
Herren eine Lection erth eilen? Hatte er etwa durch missliebige
Gesänge einmal üble Erfahrungen gesammelt, deren Wiederholung
er auf diese Weise vermeiden wollte?
Im siebzehnten Gesang (p 374 ff.) schilt Antinoos den Sau-
hirten, weil dieser den Bettler in die Stadt geführt habe. Eu-
maios antwortet nun nicht etwa, wie man es erwarten sollte, in-
dem er dem Uebermüthigen sein Unrecht vorhält, sondern er
führt aus, dass man wohl Niemanden einladen würde, als einen
der οημιθ€ρτοί,
μάντιν f| Ιητηρα κακών ή τίκτονα λούρων
ή και θέσπιν άοώόν, δ κεν τίρπησιν άείοων.
ούτοι γάρ κλητοί γε βροτών έπ' όπείρονα γαϊαν.
Durch den Zusammenhang ist diese Digression über die Sänger
usw. nicht gefordert. Der Dichter spricht offenbar in eigner und
seiner Standesgenossen Sache, die wirklich entsprechende Ant-
wort wird dem Antinoos erst von Telemachos 397 ff. gegeben.
Immer wieder findet sich in der Odyssee das Verhältniss des be-
sitzenden Herren zum hungernden Diener oder Bettler. Der
arme Landstreicher wird verspottet, streng scheidet Eumaioe
zwischen dem darbenden Fremdling und dem Sänger, der schliese•
lieh auch von der Milde seines Herren lebt. Ist es nur Zufall,
dass an so vielen Stellen der Odyssee das Elend der Bedürftig-
keit hervorgehoben wird? Die Arten des aiTxlexv bei den Reichen
werden in ρ geradezu theoretisch erörtert^. Jeglicher Tod, sagt
Euryalos (μ 341 f.) ist furchtbar, aber der schrecklichste ist der
Hungertod. Demodokos dagegen sitzt in der Mitte des Saales,
ihm werden die Speisen wie ein ehrender Tribut gereicht. Der
Aöde war eben auf die offene Hand der Mächtigen angewiesen,
^ zB. ρ 347 αΙδώς b* ούκ αγαθή κεχρημένψ άνδρΐ παρεΐναι, vgl.
[Hesiodüs Werke 317 f. und] Diphilos ού δ€Ϊ παρασιτ€!ν οντά öuodpc-
στον σφό&ρα.
Τυφλός άνήρ 269
eein berechtigtes Interesse war es, die Wohlhabenden günstig zu
stimmen. Den dreisten Bettler yerachtet er selbst, mit ihm
möchte er nichts gemein haben, aber auf seinen göttlichen Beraf
mit Recht stolz glaubt er einen Anspruch auf Unterstützung
durch die Mächtigen zu haben, ohne dadurch an Ansehen zu
verlieren.
Gerade die erwähnten Abschnitte der Odyssee sind nun
wahrscheinlich spätere Znsätze. Die Würde des Sängerberufes
sank mit dem Niedergang der epischen Kunst aber immer mehr
herab, und bei Hesiod werden Handwerker und Bettler bereits
mit den Sängern in eine Kategorie gestellt (έργ. 25 f.)^ Die
vielen Legenden, die von besonderer Gnade der Götter gegen
einzelne Sänger oder von besonderer Rettung derselben aus all-
gemeinen Gefahren oder auch von Bestrafung aller ihnen ange-
thanen Unbilden bei den Griechen im Schwange waren (Hesiod,
Ibykos, Arion ua.), dürften ebenfalls einer tendenziösen Färbung
nicht entbehren. Auch die Erzählungen über die wunderbare
Macht des Gesanges gehören vielleicht in diesen Zusammenhang.
Man denke an Orpheus (vgl. 0. Gruppes Artikel : Orpheus in Roschers
Mythologischem Lexikon Sp. 1115 ff.). Ganz ähnliche Schilde-
rungen, nur noch phantastischer und farbenreicher, finden sich
im indischen Epos, wo die Macht des Gesanges sich in einzelnen
Wirkungen documentirt, die mit dem griechischen Mythos auf
die eine oder andere Weise verwandt sein müssen. Mit dem
griechischen Sänger hat der indische übrigens auch andere Züge
gemeinsam. Auf Schritt und Tritt begegnet man im Rigveda
dem Schlussgebet des Sängers um reiche Schätze und um die
Gunst wohlhabender Beschützer. Immer wieder kehrt die Bitte
an Agni und andere Götter, dem Sänger hold zu sein, ihm Ge*
deihen und vor allem reiche Gönner zu vermitteln. Der grie-
chische Aöde, minder naiv als sein indischer College, hüllt seine
Wünsche in die Form feiner Anspielungen, wie er ja den Odys-
seus selbst in dieser Form sich einen Mantel verschaffen läset.
Die Zeiten, in denen die offene Bitte der persönlichen Ehre keinen
Abbruch bereitete, waren vorbei, man musste auf neue Mittel
sinnen.
Das Gegenstück zu dem Bilde, das die Sänger von sich und
der Würde ihres Standes entwerfen, bildet das berühmte ägyp-
1 Vgl. Arist. rhet. Π lM, 7: δμοιον hi καΐ οτι έν τοΙς Ιεροίς οΐ
πτωχοί ^δουσι καΐ όρχοΟνται. Vgl. auch das fr. des Aeiot.
270 Fries
tische Harfnerlied, ans dem man ersieht, wie unter Umständen
von Anderen über den Sänger geartheilt werden konnte. Mag
das merkwürdige Gedicht, das übrigens aus viel späterer Zeit
stammt, aber doch Rückschlüsse auf frühere Zeiten gestattet,
auch als Prodnct des Brodneides oder irgend welcher Intriguen
aufzufassen sein, es zeigt doch deutlich, wie, wenigstens im Nil-
thal; ein minder edles Glied der Sängerzunft sich benehmen
konnte, wie er durch übermässige Gefrässigkeit seinen Bauch auf-
schwellt, wie er aus schnödester Habgier den Zuhörern mit seiner
unerträglichen Stimme zusetzt usw. Man wird bei der Leetüre
des Gedichts lebhaft an die Art erinnert, wie die Freier den
Odysseus und den Iros behandeln ^, ebenso an die späteren Aus-
gestaltungen der Heraklessage, den die Komödie zum Schlemmer
machte, man denkt schliesslich an die ständige Figur des Para-
siten in der späteren Komödie, die zuerst in Sicilien bei £pi-
charm erscheint. £s ist höchst wahrscheinlich, dass von der grie-
chischen Komödie und ihren Charaktertypen sowie vom komischen
£pos der Griechen Fäden zu den komischen Darstellungen der
Aegypter hinüberführen, Dass die Aegypter über eine starke
humoristische Ader verfügten, ist bekannt. Die Sage vom Frosch-
mäusekrieg wird nicht zu trennen sein von dem ganz ähnlichen
Kriege der Katzen und Mäuse' oder der Schilderung der ver-
kehrten Welt, in der die Katzen die Mäuse bedienen^. Diese
und ähnliche Beziehungen verdienten eine genauere Un tersuchung
auch von ägyptologischer Seite her, wobei auch babylonische
Kinflüsse (Fabelelemente) zu sondiren wären. Dass übrigens der
Verfall des griechischen Sängerthums mit dem politischen Wandel
der Zeiten in Zusammenhang stand, bedarf keiner näheren Fr-
wähnung.
Auf die weite Verbreitung des Parasitentypus ^ weist ja
schon Lukian hin, wenn er περί παρασίτου c. 30, allerdings halb
scherzhaft, sagt: ή μέντοι παρασιτική . . . καΐ έν Έλλησι καΐ
βαρβάροις μία έστι καΐ κατά ταύτα καΐ ωσαύτως. UebrigeDS
ist nach Lukians nicht ganz ernst gemeinter Aussage Homer der
^ Vgl. auch ρ 219 ff. 286 ff. 345 ff σ 2 ff. ua.
2 S. Erman, Aegypten S. 686.
8 S. Zeitechr. f. Aegypt. Sprache u. Alterthumsk. 1897, S. 140.
Eine andere Version s. Zeitschrift der Bücherfreunde 1901, S. 478. Vgl.
auch über ägyptische Karikaturen 0. Keller, DieThiere des classischen
Alterthums S. 186 u. 209.
* S. 0. Ribbeck, Kolax, Abh. d. Sachs. G. d. W. 1884, 1 ff.
Τυφλός άνήρ 271
Erste, der dem Parasiten thum das Wort geredet, wenn er sagt,
es gäbe kein schöneres Leben, als wenn alle Tische gedeckt sind
und der Wein reichlich flieset usw. (l 5 fl^.). Και ώς ούχ Ικανώς
ταύτα θαυμάίιυν μάλλον τήν αύτου γνώμην ποΐ€Ϊ φανερωτέραν
€υ λέγιιιν (ι 11) Τουτό τί μοι κάλλιστον ένΐ φρεσίν εϊδεται
εΤναι. Ein wahrer Kern scheint in diesen Ausführungen ent-
halten zu sein. Im Gegensatz zu Lukian schliesst Athenäns aus
der Iliasstelle Ρ 575 ff., der Dichter habe unter dem φίλος εΐ-
λαπιναστής des Hektor ΤΤοδής einen Parasiten verstanden, der
durch einen Speerwurf des massigen Spartaners Menelaos κατά
ίιυστήρα, in den Bauch, den Wohnsitz der Schlemmerei, in ge-
ziemender Weise bestraft werde, der Dichter habe also die Para-
siten geissein wollen, eine Insinuation, die jeder thatsächlichen
Begründung entbehrt.
Für Lukians Auffassung sprechen Stellen, an denen die
Macht der γαστήρ ούλομένη beklagt wird, die den Menschen
viel Unheil bringe und
της ϊνεκεν και νήες έύΣυγοι όπλίίονται
πόντον έπ' άτρύγετον, κακά ουσμενέεσσι φέρουσαι
(ρ 287 f. vgl. ο 844 C 54). Es ist unleugbar, dass aus gewissen
Abschnitten der Odyssee eine gedrückte, verbitterte Stimmung
spricht. In den harmlosen Erzählerton der älteren Theile mischt
sich ein herber Klang, ein Hauch der Entsagung. Mitleiderre-
gende Bilder der Armuth, des Niedergangs drängen sich in die
Phantasie des Dichters. In der Ilias spielt der Gegensatz von
Arm und Beich fast keine Rolle. Der Dichter der jüngeren
Odysseetheile verhält sich zu seinen älteren Collegen wie Enri-
pides zu den früheren Tragikern. Auch er hebt das Charakte-
ristische hervor, Weiberintriguen spielen hinein, das weibliche
Element ^ überhaupt wird stärker betont, die Schlauheit, die So-
phistik der Freier, der ήττων λόγος beherrscht die Welt. Der
Sänger stellt die untadeligen Helden der früheren Generation dem
corrumpirten Adel der Gegenwart gegenüber. Begehrlich blickt
er zu ihrer Höhe, ihrem üeberfluss empor, er, der das Loos der
Bedürftigkeit so anschaulich zu schildern vermag, als kenne er
es ans eigenster Erfahrung. Der Duft festlicher Gelage dringt
ihm anlockend aus den Palästen der Herrn entgegen (p 269),
der Schall üppiger Feste schlägt an sein Ohr (ψ 148 ff.), er
1 Und zwar oft nach der schlimmen Seite hin. ρ 319 ua. leitet
über Semonides zu Euripides hinüber.
272 F Γ i e β
fühlt sich den Herren entfremdet; sie sind übermüthig gegen ihn
geworden, den durch die Ungunst der Zeiten Geschädigten. Der
Iliassänger blickt m i t seinen Helden verächtlich auf Thersites,
den armen Teufel, herab ; der Sänger der Odyssee, selbst gleich-
sam zum Thersites, zum Satiriker geworden, blickt mit dem
Bettler verächtlich und grollend zu den ihm social überlegenen
Helden empor. Er verachtet ihre Frivolität. Bitterernst 4ind
traurig klingt der Ausruf über den Herrendienst, der den
Charakter der unfrei Gewordenen herabziehe (p 319 ff.). Die auf
Rührung zugeschnittene Argosepisode zeigt, dass auch der alte
Sang nicht mehr verfing, dass neue Reize nöthig waren, um das
abgestumpftere Publikum zu fesseln, das in den Freiern so deut-
lich geschildert wird und das der Dichter zu tief studirt hat,
als dass wir an blosse Fictionen glauben könnten. Es hat et-
was für den Dichter und seine Zeit Symbolisches, wenn der Held
der Dichtung, der gewaltige Recke, in seine Heimat zurückkehrt
πτωχψ λ^υγαλίψ έναλίγκιος ήδέ γέροντι.
Um nun zum Ausgangspunkt unserer Untersuchung zurück-
zukehren, müssen wir uns zunächst zum Bewnsstsein bringen,
dass nur Demodokos bei Homer als blinder Sänger bezeichnet
wird. Phemios wird als sehend gedacht (cf. Od. χ 330 ff^.). Auch
der Sänger, welchem Agamemnon vor seiner Abfahrt die Gattin
zur Bewahrung anvertraut hatte, kann nicht blind gedacht wer-
den. Sonst hätte ihn Aigisthos nicht auf eine ferne Insel zu
ßchicken brauchen, um ungehindert durch ihn seinen Yerrath zu
üben (Od. γ 267 ff.).
Die Sänger der Odyssee hatten klare, hellsehende Augen.
Ihr Blick schweifte über Land und Meer, Farben und Formen
der wirklichen Welt prägten sich mit unauslöschlichen Zügen in
ihre Seele. * Wir dürfen,* sagt ein namhafter Vertreter der Augen-
heilkunde^, Ma unser Geist nur jene Eindrücke, welche ihm durch
die Augen zuströmen, zu dem bunten Spiel der Phantasie zu be-
nutzen vermag, die Phantasie dreist eine Tochter des Lichts
nennen und behaupten, ohne Augen giebt es keine Phanta8ie\
Freilich ist es ja nicht nöthig, an Blindgeborene zu denken, und
man kann auf Milton, Pfeffel ua. hinweisen. Allein die Odyssee
im Besonderen ist ein Reiseepos, jede Zeile der Άλκίνου άπό-
λόγοι verräth Autopsie ähnlicher Zustände und Lokalitäten. Die
^ H. Magnus, das Auge in seinen ästhetischen und culturgeschioht-
liehen Beziehungen. Breslau 187t> S. lOG.
Τυφλός άνήρ 273
frische Energie ferner, mit der Odysseue und seine Grefährten
von Abenteuer zu Abenteuer eilen, der kecke Muth dieser Ent-
deckungsfahrer, die durch Sturm und Wetter unbeirrt dahin-
Bteueri), immer wieder die Segel einspannen oder die Schiffe in
den geschickt ausgewählten Hafen ziehen, das Alles konnte nur
ein jugendkräftiger Sänger erzählen, der wohl selbst mit Hand
angelegt hatte und nun, durch das Staunen der ihm lauschenden
Menge ermuthigt, der Phantasie die Zügel schiessen Hess und zu-
weilen etwas rodomontadenhaft Erlebtes und Erdachtes ineinander-
wob. Schliesslich ist es nicht gut denkbar, dass alle Sänger,
die an der Hias und Odyssee dichteten, an demselben Uebel
litten. Das wäre ein zu merkwürdiges Spiel der Natur gewesen.
Der τυφλός όνήρ bildet doch zum Glück immer die Ausnahme,
nicht die Regel. Bergk in seiner Litteraturgeschichte meint, die
Blinden, zu jeder anderen Hantirung unfähig, hätten sich der
Sangeskunst zugewandt, und so sei die Häufigkeit blinder Aöden
leicht zu erklären. Aber die Homeriden waren keine dem Leben
erstorbenen Krüppel, und vor Allem kann wohl jeder Blinde die
technische Fertigkeit, die für den Rhapsoden nothwendig ist, er-
lernen ; dass aber gerade jene spät erblindeten Männer, die sich
der Kunst als einem Nothbehelf zuwandten, nun eben die ge-
nialen Dichter wurden, zu denen die spätesten Jahrhunderte em-
porstaunen, das ist nimmermehr wahrscheinlich. Die Kunst der
Homeriden kann nicht ein Nothbehelf, ein elender Ersatz der
Unglücklichen für einen besseren Broderwerb gewesen sein, sie
muss in den Zeiten der Blüthe, vor dem späteren Verfall, so
hoch in Ehren gestanden haben, dass η ir die Besten, die Be-
gabtesten und Gebildetsten sie ausüben konnten. Die genialen
Männer, denen wir die gewaltigsten Epen der Weltlitteratur ver-
danken, sie sind — das bedarf keines Beweises, das muss Jeden
seine eigene Begeisterung für Homer lehren — durch den Gott
in ihrem Busen zu ihrem hehren Beruf geführt worden, nicht
durch ein körperliches Gebrechen. Viele konnten das Rhapsoden-
handwerk lernen, aber wenige waren auserwählt. Später wurde
das ja anders; schon aus den später entstandenen Theilen der
Odyssee spricht ein anderer Geist. Die Sänger der Ilias und
der όπόλογοι waren als rüstige Männer mit offenem Sinn und
unbegrenzter Empfänglichkeit für die Eindrücke der Welt begabt.
Dev Dichter des zweiten Theiles der Odyssee besitzt einen engeren
Gesichtskreis, seine Gedanken streifen kaum über Ithaka hinaus.
Hier fühlt er sich heimisch; die weite Perspective, die ihm ab-
Bhefn. Mne. f. PhUol. N. F. LVII. 18
274 Fries
geht, ersetzt er durch liebevolle Detailschildeningen, die der im•
geetfime lliaedicbter wohl Terschmäbt haben wurde. Auch Sporen
des ßationaliemne treten vielleicht in dem immer wiederholten
Misetraaen gegen all die Lügenberichte hervor, die man heutzu-
tage von Wanderern aus aller Herren Lander zu hören bekomme
(λ 361 ff. ψ 217 uo.). Vielleicht legt hier der spätere Dichter an
die Prodncte des älteren Nostoedichtere den kritischen Maesstab
seines aufgeklärteren Standpunktes an. Jedenfalls läset sich die
Ansicht nicht aufrecht erhalten, dass Homer ganz hinter seinem
Gegenstande verschwinde ; bei genauer Betrachtung besonders der
jüngeren Abschnitte ergiebt sich eine erhebliche Anzahl von
Spuren subjektiver Empfindung und persönlicher Stellungnahme
zu den obwaltenden Zeitverhältnissen. Wer von letzteren ge-
nauere Kunde besässe, dem wurde vielleicht so manche Stelle,
an der wir nun achtlos vorübergehen, in ihrer tieferen, persön-
lichen Bedeutung klar werden.
Ob der Verfasser des Hymnos auf den delischen Apollo
wirklich blind war oder nicht, lässt sich nicht entscheiden. Die
Wahrscheinlichkeit spricht wohl dafür, dass Demodokos, Homer,
der Sänger von Chios, Tbamyris ua. nur der Sage nach blind
waren, die inneren Indicien sprechen gegen eine derartige An-
nahme. Nun fragt er sich, welches ist der Ursprung einer sol-
chen Sage?
Es steht fest, dass die Zahl der Blinden im Süden Europas
grösser ist, als im Norden, dass aber in Aegjpten die Zahl der
mit den verschiedensten Augenkrankheiten und auch mit Blind-
heit Behafteten grösser ist, als in jedem anderen Lande ^. Noch
jetzt soll es in ünterägypten von Blinden, Einäugigen und Trief-
äugigen wimmeln. Dass durch Napoleons ägyptische Expedition
die ägyptische Augenentzündung nach Europa verschleppt und
hier epidemisch wurde, ist eine bekannte Thatsache. Im Alter-
thum werden ähnliche Zustände geherrscht haben, zumal die sa-
nitären Verhältnisse damals auf einer weit primitiveren Stufe
standen, als heute. Der oben citirte Ophthalmologe freilich
meint, es fehle an sicheren Anhaltspunkten für eine solche An-
nahme (S. 80 if.). Nun beziehen sich aber im Papyrus Ebers
ein Zehntel sämmtlioher mitgetheilter Recepte nur auf Augen-
krankheiten ^. Hirschberg hält dem entgegen, dass bei Galen
cf. Schenkel, Bibellexikon u. Blindheit; Hirschberg, Aegypien,
Geschichtliche Studien eines Augenarztes. Leipzig 1890. S. 7G.
^ y. Oefele in Neuburger und Pageis Handbuch der Geschichte
der Medizin; Jena 1901, I 79 u. 87. Ernian, Aegypteu S. 483.
ΤυφΧός άνήρ έΤ5
dasselbe YerhältDisR obwalte. Ob dies einem alexandriniscben
£iDflas8e zuzuscbreibeo ist oder nicbt, stebt dabin ^ ; alle[ Wabr-
scbeinlicbkeit spricbt jedenfalls dafür, dass die Zabl der Blinden
in Aegypten ancb im Altertbnm eine erbeblicbe gewesen sei.
Zwei blinde Könige von Aegypten nennt Herodot (fl 111. 137).
Dem ersteren wird das Angenlicbt zur Strafe für einen Frevel
gegen den b eiligen Strom, also eine Grottbeit entzogen, wie das
ancb in vielen grieobiseben Sagen vorkommt, zB. Tbamyris, Ly-
kurgos na. Anob Stesicboros verfällt zeitweise diesem Scbicksal,
bis er sieb dnrcb eine Palinodie rettet. Diese Wunderkur er-
innert lebbaft an die epidanriscben Heilungen dureb göttlicben
EingrifiP, und man kann zwiseben diesen Fictionen kluger Priester
und der Sage von Stesicboros vielleicbt einen Zusammenbang er-
kennen. Ancb in der Bibel findet sieb die Beraubung des Augen-
licbts zur Strafe für gottloses Verbalten nicbt selten (2 Kön. 6,
18, Apostelg. 13, 11 ua.). Helena erzäblt von dem Reiobtbum
Aegyptens an Arzneien. Jeder ist dort Arzt und übertrifft alle
an Erfabrung (b 229 ff.). Aucb Herodot erzäblt viel von den
Heilkünstlem des Niltbals und dem dort berrscbenden Specialisten-
tbum. Kambyses lässt sieb den besten Augenarzt aus Aegypten
kommen (Herod. III 1). Mit besonderem Ernst, wie sonst nir-
gends, wird das Auge und die Blind beit in der Bibel bebandelt.
£s gibt im Hebräisoben 11 Wurzel werte für die verscbiedenen
Formen des normalen Sebens und 14 für das Blindsein. Das
Auge wird als der grösste Scbatz des Menseben bezeicbnet; wer
Blinde irre fübrt, verfällt besonderer Strafe *. Es ist nicbt un-
denkbar, dass bier ägyptiscbe Einwirkungen vorliegen.
Im Bucb der Ricbter wird erzäblt (16, 20 ff), wie die Pbi-
lister Simson blenden. ^ Da nun ihr Herz guter Dinge war,
spracben sie: Lasst Simson bolen, dass er vor uns spiele. Da
boleten sie Simson aus dem Grefängniss, und er spielte vor ibnen,
und sie stelleten ibn zwiseben zwo Säulen. Simson .aber spracb
zu dem Knaben, der ibn bei der Hand leitete: Lass miob, dass
ieb die Säulen taste, auf welcben das Haus stebet, dass icb mich
daran lebne. Das Haus aber war voll Männer und Weiber. Es
waren aucb der Pbilister Fürsten alle da; und auf dem Dach
1 H. Magnus, die Augenbeilkunde der Alten. Breslau 1901. S. 18 f.
tritt entsebieden für Beeinflussung der griecbiscben Medicin dureb die
ägyptiscbe ein.
> H. Ma^rnus aO. S. 24.
276 F Γ i θ β
bei dreitaueend, Mann und Weib, die da zueaben, wie Simson
spielte. Simeon aber rief den Herrn an und epraeb: Herr, Herr!
gedenke mein, and stärke miob docb, Gott, dies Mal, dass icb
für meine beiden Augen miob einst räcbe an den Pbilistern.^ Er
stürzt das Grebäude und begräbt sieb und die Pbilister unter den
Trümmern. Der entkräftete Fürst stebt seinen Peinigem erst
obnmäcbtig, dann übermäebtig gegenüber, wie Odysseus den
Freiem. Er wird zum Singen gezwungen, wie Pbemios. Er flebt
Gott um Bestrafung der Feinde für seine Blendung an, wie Po-
lypbem den Poseidon anruft (i 527 ff.). Als blinder Sänger, vom
Knaben gefübrt, erscbeint er bei allgemeiner Lustbarkeit, und
ibm lauseben Männer und Frauen. So aucb Demodokos bei den
Pbäaken.
Erman^ berichtet, daes in Aegypten vorzugsweise die Blin-
de η als Sänger benutzt wurden, es existiren Denkmäler, auf
denen wir den blinden Sänger vor seiner boben Harfe kauern
und spielen sehen. Hier ist wohl die Quelle aller Sagen vom
blinden Sänger zu finden, denn die naturgemässeste Entwicklung
ist doch die, dass ein auffälliger Zug der Mythe von dem Punkt
aus, an dem er durch tbatsäcblicbe Umstände eine äussere Be-
gründung findet, mit vielen anderen Zügen die Wanderschaft in
andere Cnlturgebiete antritt und sich da weiter entwickelt. Simson,
Demodokos, Thamyris, Xenokritos ua. sind Söhne des ägyptischen
Sängers^. Die Könige des alten Reiches warteten nicht darauf, bis
die Sage ihre Person mit einer Gloriole umgeben hatte; die Helden-
sage, deren Mittelpunkt sie waren, wurde auf ihr eignes Commando
von dem wohlbestallten Hofpoeten angefertigt oder wiederholt.
Von einem eigentlichen Epos ist bei den Aegyptern keine Rede,
das Lied des Pentaur ist kaum ein Hymnos oder eine Rhapsodie.
Lyrische, hymnenartige Verherrlichungen ohne poetische Gestal-
tung und Erfindung waren allerdings eine Aufgabe, die einem
Blinden mit Aussiebt auf Erfolg anvertraut werden konnte. Um
so widernatürlicher scheint es nun, dass der Homeride desjenigen
Organe entbehrt haben solle, dessen der wahre Epiker am schwer-
sten entrathen kann.
So hat sich denn die Sage von dem ehrwürdigen Greise,
1 Aegypten S. 342. Wilkinson, the manners and the customs of the
anoient Egyptiaus^ ed. Birch, London 1878 I, 442.
2 lieber Simeon als Helden eines Sonnenmytlms vgl. jetzt 0.
Gruppe, Griechische Mythologie und Heligionsgeschichte, S. 413 Anm. 17.
Τυφλός άνήρ 277
dem blinden Manne in nichts aufgelöst. Man hat neuerdinge
die erhaltenen Bildniese Homers auf die BesohafPenheit der an
ihnen dargestellten Augen hin untersucht^. Das Ergebnies ist,
dass 'die Erblindungsform auf vorangegangene schwere infectiöse
Schleimhauterkrankung der Augen und zwar auf die im Volks-
mund als ägyptische Augenerkrankung bekannte hindeutet, wie
sie gerade im Süden so häufig vorkommen und so häufig zur
Blindheit führen'. Der Bildhauer, der die speciell von dem ge-
nannten Gelehrten untersuchte Statue schuf, hat mit künstleri-
schem Gefühl das Richtige gefunden.
Berlin. Carl Fries.
^ H. Magnus, Die antiken Büsten des Homer, eine augenärztlich-
ästhetisohe Studie. Berlin 1896. 8. 70.
γρ:πεκ εινκ soene des euripideischen
OKESTES
Eiiripidee tiat im Orestes die überliefert«^ Snj^e nach freiem
Krmennen gestaltet und so eine Reihe neuer Situationen geschaffen.
Der Keit^hthnm bant weclisclnder Soenen Terleibt dem Stttck
aeinen besten Reiz'. Aber keine Scene giebt es, die, frei er-
fondeo, etvas ganz ADderen böte, als man sonst im Drama za
sehen gewohnt wer; vielniehr lassen sinh Überall typische Vor-
bilder nachweieen, so wie A. Dieterich bereits Tür die grosse
Schlafsccne, die das Drama eröffnet, den weiteren Znsammenliang
in einleuchtender Weise klargestellt hat* Die Dialogpartien,
' τύ ϋρϋμα τιΐν ΐπΐ βκηνής €ύ{>οκιμούντιυν «agt die ί
> Itbeiu. Mut.. 4ιί α. 25 ff.
Hypothes
üeber eine Scenc des euripid eischen Orestes 279
welche folgen, zeigen, vom techniRchen Standpunkt aus genom-
men, keine Abweichung von dem üblichen Schema. Erst gegen
Ende des Stückes wendet der Dichter frische und kräftige Far-
ben an, indem er auf eine stärkere Bühnenwirkung hinarbeitet.
Hier findet eich ein Auftritt, der auf den ersten Blick als etwas
wirklich Neues erscheint, derjenige nämlich, in welchem das Ver-
schwinden der Helena und die Gefangennahme der Hermione
dnrch Orestes und Pylades von einem phrygischen Sklaven, der
ans dem Gemetzel entkam, dem Chor erzählt wird. Das ist im
Ghnnde nichts als ein Botenbericht, und somit wäre nach der
Technik der antiken Tragödie der iambische Trimeter als das
Yersmase der Erzählung das gegebene gewesen. Statt dessen
jQiiden wir ein weit ausgesponnenes Lied in gelösten Rhythmen
nach der Weise des άρμάτειον μέλος; es muss ein Glanzstück
aufgeregter Musik gewesen sein. Diese Scene bietet jedoch nicht
blosfi ein formales, sondern auch ein stoffliches Interesse. Denn
die Erzählung des Phrygers ist so breit angelegt, die Thatsachen
eind so eigenthümlich gestaltet, dazu ist das komische Moment so
bewusst in den Vordergrund gestellt, dass es sich verlohnt,
alle diese Dinge einer schärferen Prüfung zu unterwerfen. Nach
dem Berichte des Augenzeugen entwickelt sich die Handlung
in folgender Weise.
Orest und Pylades, mit Thränen in den Augen, nähern sich
dem Sessel, auf dem Helena sitzt, lassen sich demüthig vor ihr
nieder und umschlingen wie Sohutzflehende ihr Knie. Die phry-
gischen Diener springen beunruhigt auf; sie fürchten eine List,
können sich aber über die Absichten der beiden Helden nicht
klar werden. Orest bittet die Helena, ihm zu dem uralten Herd-
81 tz seines Ahnherrn Pelops zu folgen, weil er mit ihr Geheimes
zu bereden habe. Unterdessen treibt Pylades die Dienerschaft aus
dem Saale und schliesst sie in den Kammern des Palastes ein.
Dann ziehen beide plötzlich die Schwerter, die sie bis dahin vor-
sichtig unter ihren Purpurgewändern verborgen hatten, und
fallen über Helena her ^ Auf deren Wehegeschrei befreien die
Phryger sich gewaltsam aus ihrem Gefängniss und eilen zu Hülfe,
' Ich lese 1457 ff., άμφιπορφύρων (άμφΐ πορφυρέων Hdschr.)
πέπλατν ύπό σκότου | ζίφη σπάσοντ€ς έν χβροϊν, lasse πέπλων von ύπό
σκότοι» abhängen und dies wieder von σπάσοντβς; sonst vermag ich
Conetriiction und Sinn nicht zu verstehen, άμψιπόρφυρος muss 'ringsum
purpurn* heissen ; άμψίχρυσος, <Ιμφ(τορνος eind entsprechende Bildungen
des Euripides. Vgl. ausserdem Med. b'o : π€ρ^ γάρ ήδ' ύπό σκηνής πόόα.
280 Radermacher
aber Pylades tritt ihnen entgegen, und nun in dem ausbrechenden
Kampfe zeigt sich «He üeherlegenheit der Hellenen in glänzend-
stem Lichte. Von den Asiaten fallen die einen, andere werden
verwundet, witMler andere flehen kniefällig um ihr Leben, die
Mehrzahl sucht ihr Heil in schleuniger Flucht'. Herraione, die
inzwischen ahnungslos den Saal betrat, wird Refangen, Helena da-
gegen plötzlich entrückt und so dem Todesschicksal entzogen.
Für diese weitläufig angelegte Komposition sind namentlich
drei Momente bemerkenswerth : einmal, dass Oreet und Pylades
Anfangs mit ruhiger Vorsicht ^ zu Werke gehen, von ihrer
eigentlichen Absicht nichts ahnen lassen und erst im gegebenen
Augenblick urplötzlich die Maske abwerfen. Das zweite ist der
von vorneherein scharf durchgeführte Gegensatz zwischen der
siegreichen üeherlegenheit der beiden griechischen Helden und
dem elenden Verzagen der ihnen entgegentretenden Phryger.
Drittens muss der Gesammteindruck der drastischen Schilderung
ein komischer sein ; er wird nicht bloss durch die Jammergestalt
des Erzählers verbürgt^, sondern auch durch die Art, wie das
lächerliche Benehmen der phrygischen Dienerschaft während des
Kampfes mit Behagen breit ausgemalt wird.
Diese komische Wirkung hat der Scholiast empfunden und
demnach zu Anfang der Scene bemerkt, dass hier Euripidee seine
eigenthümliche Weise aufgebe und Dinge, die ihm nicht an*
ständen, zur |Dar8tellung bringe^. Auch Aristophanee sagt in
der Hypothesie: τό όραμα κωμικιυτέραν Ιχει τήν καταστρο-
φήν, und diese Aeusserung kann nicht wörtlich genug verstanden
werden. Dass der Dichter mit Bewusstsein auf eine solche
Wirkung hinausarbeitete, beweist die folgende Scene*, eine Unter-
redung zwischen Orestes und dem Eunuchen, in der dieser jäm-
merlich um sein Leben winselt und, um sich zu retten, die frech-
sten Verdrehungen vorträgt, während Orestes, offenbar spielend,
ihn hinhält«.
^ Dieser Abschnitt ist in den Scholien merkwürdig missverstaQ-
den und auf die Kämpfe vor Ilion bezogen.
2 ippoi τας ήσυχου προνο(ας κακούργος ών, sagt der Phryger,
der damit die Art, wie Orest und Pylades vorgehen, treffend charak-
terisirt.
^ Es genügt auf die Art zu verweisen, wie er sich einführt (Vs.
1309 ff.J.
* Scholion zu Ve. 13(>9 und zu Vs. 1384.
^ Hier bemerkt der Scholiast (zu 1512) dvdSia καΐ τραγψδίας
καΐ τής Όρέστου συμφοράς τά λ€γόμ€να.
^ Vers 1527 μώρος cl 6οκ€ΐς μ€ τλήναι αήν καθαιμάίαι hipif^ ist
üeber ^inc 8cene des euripideischen Orestes 281
Sachen wir von den bezeichneten Geeichtspunkten aus nach
einem Vorbilde, dem Euripides in unserer Scene gefolgt sein
könnte, so drängt sich meines Erachtens zwingend dus Aben-
teuer des Herakles mit Busiris auf. Busiris, der Sohn des Aigyptos
und König von Aegypten, pflegte, wie Apollodoros II 5,11 erzählt,
die B'remdlinge, die in sein Land kamen, zu opfern. Und als
Herakles in seine Hand gerieth, Hess auch dieser zunächst schein-
bar ruhig und ergeben sich zum Altar führen; aber dort ange-
langt, gab er die Verstellung auf, erschlug den Busiris und rich-
tete unter seiner Gefolgschaft ein furchtbares Blutbad an.
Auf einer Caeretaner Hydria des VI. Jahrb. finden wir den
Schlussakt des Dramas dargestellt^. An der έ(Ττία liegt König
Busiris erschlagen. Davor steht der gewaltige Held Herakles,
mit der Rechten einen Menschen würgend, den seine Tracht als
Ausländer deutlich charakterisirt. Mit der Linken hat er einen
Zweiten, ebenso bekleideten, beim Beine gepackt nnd schwingt ihn
durch die Luft, um ihn am Altar zu zerschmettern ; zwei andere
hängen leblos mit der charakteristischen Kopfhaltung der Erdros-
selten in seinen gekrümmten Ellenbogen. Wieder andere stampft
er mit den Füssen nieder. Was noch lebt, sucht sich in eiligster
Flucht zu retten; einer knietauf dem Altar, einer dahinter; beide
strecken dem Helden flehend ihre Hände entgegen. Das ist alles
e0| wie es Euripides beschrei bt :
δ μέν οΐχόμενος φυγάς, δ δέ νέκυς ών,
δ δέ τραύμα φέρων, δ bk λισσόμενος
θανάτου προβολάν.
ύπό σκότον V έφεύγομεν.
νεκροί b' Ιττιπτον, (Ά b' Ιμελλον, ο1 b' ίκειντο.
Auf der Rückseite sehen wir die Leibwaclie des Busiris zu Hülfe
eilen : fünf Leute, durch Tracht und namentlich durch Kopfform
und Wollhaare als Aethiopen deutlich charakterisirt '. Sie tragen
Keulen in den Händen.
grammatisch in Ordnung (vgl. Madvig Adv. I 182), wenn man λήν dv
für τλήναι einsetzt.
^ Veröffentlicht in den Monumenti inediti VHI, 27 vgl. die
Vignette und Furtwängler in Rosohers Myth. Lexicon I 2215.
^ Die Neger sind deutlich erkennbar, dagegen in der Kampfscene
erscheinen neben ihnen auch Aegypter, durch hellere Hautfarbe,
schlichtes Haar und semitisches Profil sichtlich unterschieden. Als werth-
volle Beobachtung möchte ich übrigens hier noch eine Bemerkung
Löschckes mittheilen. Er lehnt die Darstellung der Vase als bewusst
282 Radermacher
In der so geetalteten Busirielegende kehren unverkennbar
die drei Merkmale wieder, die oben an der Seene doH Orestes
als besondere eigenthtinilich hervorgehoben worden sind. Auch
Herakles verstellt sich zunächst und macht erst im gegebenen
Augenblicke von seiner Heldenkraft Gebrauch. Zweitens wird die
Feigheit der Barbaren mit grellen Farben geschildert, drittens
zeigt bereits das Vaseubild deutlich eine komisch travestirende
Auffassung des Abenteuers. Finzelheiten bei Euripides werden
jetzt erst klar. Helena soll an der dcTria erschlagen werden ;
dieser Zug ist mit merkwürdiger Treue festgehalten. Ueberhaupt
versteht man nun erst die Umschweife der Handlung. Im Grande
lag es doch für die beiden Helden näher, gleich beim Eintritt
die Thüren des Gemaches zu schliessen und dann ohne Weiteres
niederzuschlagen, was sich drinnen fand. Man darf nicht ein-
wenden, der Saal, in dem Helena sass, sei nicht so leicht zu ver-
riegeln gewesen ; das ist ja alles Fiktion des Dichters, der gerade
so gut den Ueberfall der beiden Frauen in ein einthüriges Zimmer
verlegen konnte. Statt dessen ist die Gefangennahme der Hermione
in dem Berichte des Phrygios sogar recht unwahrscheinlich dar-
gestellt. Hat sie denn von dem Kampfgetümmel gar nichts ver-
nommen? Allein bei aller Aehnlichkeit der beiden Handlungen,
deren Verschiedenheit ihrerseits sich sofort erklärt, wenn man
erwägt, dass Euripides eine durchaus abweiojiende Sachlage ent-
sprechend ausgestaltete, fragt es sich nun doch, auf welchem Wege
ihm sein Vorbild vermittelt wurde. Die Antwort ergiebt sich,
wenn man bedenkt, dass der Busiris für die Komödie ein überaus
beliebter Vorwurf gewesen ist. Wir kennen Stücke dieses Namens
von Epicharmos, Kratinos, Antiphanes, Ephippos, Mnesimachos ^.
Hierzu kommt ein Satyrspiel des Phrynichos und eins des Euri-
pides, den somit die Geschichte stark interessirt haben muss. Etwa
in gleicher Zeit hat sich die attische Kunst des Vorwurfe bemäch-
tigt, wie mehrere erhaltene Vasenbilder bezeugend Nun mag man
travestirend an die Darstellung der Ermordung des Priamos durch
Neoptolemos an, der hierbei den kleinen Astyanax am Fusse gefasst
hat und durch die Luft schwingt (Monum. XI, 1^). Damit er^ohliesst
sich eine erhebliche Perspektive nach oben, eine Verbindungslinie bis
hinauf zum Epos.
^ Vgl Hiller v. Qärtringen in Pauly-Wissowas Realenoyclopädie
111 S. 1070.
3 Vgl. Furtwäugler in Röscher Myth. Lex. I S. 2233 und Arch.
Anz. 1892, 89.
Ueber eine ^co.W2 des euripideischen Orestes 263
wohl gerne zugeben, daes die Phantasie der attiechen Dichter and
Maler ungewöhnlich fruchtbar war, und daes ee ihnen gelungen
ßein muss, dem überlieferten Stoffe viele neue Seiten abzugewinnen ;
zuletzt musste dennoch die Fabel, immer wieder von Neuem auf-
getischt, das Publikum ermüden. Somit war es ein geschickter
Griff des Euripides, dass er das überkommene Motiv auf eine
i:eue Situation übertrug und für sie auf solchem Wege eine Gre-
staltung fand, die den Hörer unmittelbar packen musste ; denn es
ist klar, dass die Wirkung der Scene auf dieser Ausmalung beruht.
Aus dem bisher gewonnenen Ergebnisse läset sich noch
eine weitere Folgerung ableiten. Die Beobachtung des Aristo-
phanes, dass der Orest des Euripides eine 'einigermassen komi-
sche Katastrophe' habe, rückt in eine besondere Beleuchtung,
nachdem sich herausgestellt hat, dass der Dichter sich mit Be-
wnsptsein an Komödie und Satyrspiel anlehnt. Man darf folgern,
dass, wenn der Orestes einer Tetralogie angehörte, er das letzte
Stück derselben gewesen sein muss, und dass seine Schlussscenen
das Satyrepiel unmittelbar ersetzten. Die Arbeit ist derber aber
auch durchsichtiger als in der Alkestis. Dieses Stück, das an
gleicher Stelle aufgeführt worden ist und dessen Auffassung so
lange Schwierigkeit gemacht hat, ist die beste Parallele zum
Orestes und kann sein Yerständniss unmittelbar erschliessen, nur
daes hier nebenbei noch die Travestirung der Charaktere viel
allgemeiner und rücksichtsloser durchgeführt wird.
[Zusatz. Ich will die Gelegenheit nicht vorüber gehen
lassen, ohne auf eine merkwürdige Beziehung zwischen Orest-
scbolien und rhetorischer Litteratur hinzuweisen. Demetrius de
eloc. 7 sagt: τών hi μικρών κώλων κάν όεινότητι χρή(Τίς έστιν.
b€ivOT€pov γάρ τό έν όλίγψ πολύ έμψαινόμενον καΐ σφοδρότερον,
5ιό καΐ ο\ Λάκωνες βραχυλόγοι ύπό δεινότητος. και τό μέν
έπιτάσσειν σύντομον καΐ βραχύ, και πάς δεσπότης δούλψ μονο-
σύλλαβος. Dass diese Worte Beachtung gefunden haben, be-
weist das Citat in den Anonymi Prolegomena τών εύρέσεοΑ^ W
VII p. 64, 26, dessen Kenntniss ich K. Fuhr verdanke. Aber
die Worte o\ Λάκιυνες βραχυλόγοι kehren immer wieder in einer
Reihe von Scbolien, die wir zu Orest 640 ff. besitzen, die freilich
nach ihrer geschwätzigen Breite und Dürftigkeit spätes Fabrikat
sein müssen. Nur die Notiz zu 643 δ V έλαβες, τόυτου βηθέντος
αΤρουσιν ο\ ύποκριταΐ τήν χείρα beruht, wie die gleiche üeber-
lieferung im Etymol. Gud. v. άρνεΐσδαι verräth, auf alter Tradi-
tion; dass jedoch die Scholien zur Stelle einmal ausftthrlioher
2H4 Kader ni acher Ucber eine Scene des euripideischen Orestes
und ganz anders gelautet haben mtieeen, zeigt die Nachricht in
den Prolegomena Hermogenifi W VI p. 7: Ol γάρ έΗηγητσι τον
Όρέστην Εύριττίόου έΕηγούμενοι τόν ύποκρινόμενόν φασι τον
MevdXaov, του'Ορίστου πολλά λαλήσαντος, όλίγη πράξει [φασι]
κεχρήσθαι [τόν ύποκρινόμενον τόν Μενίλαον]. του γάρ Όρέστου
είπόντος ' άπόδος δσον έλαβες έμοΟ πατρός πάρα, σχηματί-
σασθαί φασι τόν Μενίλαον ήτοι τόν ύποκριτήν και άνανευσαι.
δθεν και 6 έπιφερόμενος ίαμβος, ώς άνανενευκότος του Μενελάου
νομίσαντος περί των χρημάτων τόν 'Ορέστη ν διαλέγεσθαι, επι-
φέρεται ούτως ' ου χρήματ' εΤπον. Diese Ausführungen, die
ζΒ. in Demetrius de eloc. 195 oder Seneca Briefll, 7 (vgl. Hense,
Philologus 1901 S. 387) ihr Gegenstück haben, sind für die
KenntnisR des Spiels der antiken Schauspieler von Bedeutung; es
scheint leider, dass man derartiges bei der endgültigen Redaktion
der Scholienlitteratur einfach weggeschnitten hat.]
Bonn. L. Radermaoher.
HERKULANENSISCHE BRUCHSTÜCKE
EINER GESCHICHTE DES SOKRATES
UND SEINER SCHULE
Die Rolle Nr. 495 der herkulaneneischen Bibliothek wurde
im Jahre 1830 von C. Maleeci «geöffnet. Doch die Masse war zu
spröde, als dass sie eine glatte Aufwickelang gestattete, und so
Hess der Italiener, nachdem er zwölf kleine Blätter (pezzi) los-
gelöst hatte, den Rest uneröffnet liegen. Dieses Stück, das 7 cm
im Durchmesser und 17 cm in der Länge misst, eine Schwere
aber von 210 gr besitzt, wird noch heute unter den geschlossenen
Rollentheilen aufbewahrt. Jene zwölf Blätter nun wurden in der
Folgezeit zweimal entziffert. Die Neapler Abschrift (n), von
Vincenzo Corazza angefertigt und heute unter den papiri inediti
eich vorfindend, enthält 13 frammenti auf 4 Blättern. Was die
Engländer in Oxford {o) besitzen, ist geringeren Umfangs; man
kann es jetzt in der Sammlung der Oxforder Photographien Bd.
VII Blatt 30 — 36 einsehen. Aber diese Abschriften haben darum
keinen grossen Werth, weil jene 12 pezzi noch erhalten sind.
Die auf drei Tafeln aufgespannten Reste habe ich im Frühjahr
1900 untersucht, doch nicht Buchstabe für Buchstabe, denn dazu
fehlte die Zeit. Allein bei den lesbareren Stellen ist wohl die
Hauptsache erledigt.
Es sind nur die unteren Theile der Golumnen erhalten.
Die Schrift ist fein und zierlich, von mittlerer Grösse. Auf die
Zeile gehen etwa 18 — 20 Buchstaben, am Ende finden sich häufig
die als Ftillzeiohen verwandten Häkchen ) und ^. Es sollen nun
die einzelnen pezzi vorgenommen werden^.
tav. I pezzo. 1. Sehr zerstreute Schriftreste; die einzelnen
Blattlagen sind öfter durcheinander gerathen. Die Ueberbleibsel
^ Bei der Ergänzung haben H. Diele und H. Ueener werth volle
Beiträge zur Verfügung gestellt, wofür ihnen hier mein aufrichtiger
Dank ausgesprocheu sei.
28(> C Γ 6 η θ r t
von wenigsteDs drei Colamnen lassen sich erkennen; aus der mitt-
leren stammt
lOYECOKI
EKÜA
tav. I pezzo 2. Hier berrecht dieselbe Verwirrung. Das
Stück am linken Rande (fr. 1 n) ist von sottoposti stark durch-
setzt und darum zunäcbst nicbt lesbar. Doch gehören die Zeichen
ΝΘΙΤΤ sicher zusammen (Ξα]νθιπ[ττη). Rechts liest man
APKA
οΐκί-
α ]MA
υπέρ
Aus Ξανθίππη und οΙκία läset sich folgern, dass auf diesem
Blatte von dem Familienleben 4es Sokrates die Rede war.
tav. I pezzo 3 = fr. 2 n.
. . ΗΘ
άνθρω[π
TACTEP[ Έρμιπ-
πός φη[σιν
Die rechte Hälfte der in η gezeichneten Colamne scheint
anderswohin zu gehören. Ale sottoposto findet sich noch
. . . λόγον TTE
λαβών αύτ
■ •
τήι άφωνίαι
tav. Ι pezzo 4 = fr. 3 η (VII 32 ο).
γρά]ψαν[τ .
Ι bia τήν ευ-
... αν ά]πο[σ]τήσαι. Έπει (nach ΑΙ Zwischenr.)
V Αΐ)σχίνης έωράτο πΐ€-
5 ίούμ]€νος υπό τής πενί-
ας ]""άπό του λόγου*
και έθί2:€σθαι> (nicht δανεί^εσθαι)
€]ωκράτους ΠΑ
Unter fr. 3 finden sich nun zwei weitere Blattlagen. Zu
sottoposto 1 gehört links
^ H, was in ο vor diro steht, gehört zum sottoposto. Man sieht
hingegen noch den Rest eines oberen Querstriches. Zur Sache vergl.
Diog. II (>2: φασί b* αύτώι X^tciv Οωκράτην, έιτειοήπερ έπιέ^^ετο ύπό
π€ν(ας, παρ' εαυτού δαν€{2[€σθαι ταιν αιτίων 09aipoOvTou
Herkttlanensiecbe Brochetücke einer Gesohiohte des Sokratee usw. 287
C]u)Kpa-
της ]ΙΠΑ, und rechte
bxä πα[ντός i-
κανά
έπαγ
. . OM ,
zu eottopoBto 2
TINOC
τήν χείρα
€iv φη- σ€ΐ€ν ώς
σίν ]AICCXE τραττη
νόμενος ΑΙ <* ουν ούο
tav. II pezzo 5. Hier liegen wenigstens 4 Colnmnen vor.
Links liest man
φύ]λακος>
Άθη]ναϊοι,
das Stück am rechten Ende aber = fr. 5 η (VII 33 ο). Die
Ausdehnung dieser Columne nach links ist noch nicht sicher er-
mittelt worden.
QTHC . .
ά]ναστροφη . .
\N elvai Ν . .
. . . EITH - μ€θ' έαυτοΟ
5 . . ά]παλλ[α]γής δντοσ
.... oÖKOuv, ίφη, φρον||[τι2 . . .
tav. II pezzo 6. Auch hier findet man nur verwirrte Co-
Inmnensttickchen. Was man in der Mitte oben liest, schrieben
die Neapler (fr. 5) und die Oxforder (VII 35 und VII 36, zwei-
mal!), ab. Ueber die Ausdehnung der Zeilen läset sich nach
den Abschriften nichts Bestimmtes sagen, auch der Papyrus hat
Dichte ergeben.
OYN
. . Ν ίφη κάρ5οπο[ς
. . ΗΙΡΑΦ . . . ΕΙΔ.ΗΕΑ«
ΤΟπΟΥΝΕΙΠΩ ΟΥΚΑ»
' ιταραγ€]νόμ€νος Α1[σχίνης?
' Das Ι nach Η ist über die Zeile geschrieben, es ist also iota
mutum.
' t( οΰν cTirui; oö κά[ρ6ο]ιτον; Usener unter Hinweis auf Aristoph.
Wölk. 669-680.
288 Crönert
TON και προσ€νίτκα[ς
και περίπατων
In fr. 5 scheint wie in fr. 4 eine Anekdote (^φη) erzählt
za werden.
tav. II pezzo 7. Die linke Hälfte = fr. 6 η (VII 32 ο)
ΕΧΘ
ταύτα Τ . . .
Κ . . Δ άφελ) nCNC
κομίνου b' Αί]σχίνου bia> ΛΗΜΑ
6 TAN .... TON^
πότο ΙΩΝΙΑ
tav. Π ρβζζο 8 = fr. 7 η. Die Begrenzung der Zeilen ist
unsicher.
. Δ . NON (beivov?) γάρ Τ
■ •
5 . . . και Διογ[^νης (?)
ίσκ]ιυπτον ΕΓ . . ΕΙ
. . . έν6γ[κ€ΐ]ν ΤΟΙ
tav. III pezzo 9. Das grössere Stück =^ fr. 8 η (Vll 30
und VIT 35 o). [Έρ-
μιπ]πος έ[ν
γρά]φ€ΐν
MAC . ΕΝ
άπό πρώ[τ
ΔΕ..*-ΑΡΧ[ άλ-
λα τών Ι [ ουκ άν€-
Kivbu- > κτόν γ€νίσθα[ι
ν ]στίαν αύ- ^ τον Διονύσιον
τ ! ]ΤΟΥ > τεσθαι Δίων«'
Rechts wird wohl von dem Zerwürfnis» zwischen Piaton
und Dionysios berichtet.
tav. III pezzo 10 = fr. 9 η (VII 35 ο).
ÜIECE . ΜΑ . . TINEC[E€vo-8
φώντι μ€τ[ά τ]ή[ν 'Αθηνών δλιυ-
σιν στρατ€υσ[α]μ€νιυν[ι εΙς
^ Oder ατίον.
^ Nach Δ {ων ist noch ein schwarzer Punkt oben erhalten, es
scheint also der nächste iiuchstabe weder Α noch 1 noch 0 gewesen
zu sein.
^ έπιτιμάν γάρ δοκοΟσιν έ]πΐ€ΐκώ[ς] μά[λο] τινές [Ξ€νο]φ<ΰνη
Usener.
Herkulanensisclie Bruchstücke einer Geschichte des Sokrates ü»W. 1^89
την Άσίαν, Πλάτιυνι 5[έ*
TINEC Zeile 1 ist nur in ο erhalten; vielleicht standen
zwischen C und Ξ noch Buchstaben,
tav. III pezzo 11 = fr. 10 n.
Δ . HE πολιτ[ ά
• •
ρί[σ]τη πό[λ]ις
•
λ' άκολουθ
ΜΗΝ αί5[τ]αι Ι
5 ΛΗΝΕΝ
AYTOMC . NEC
tav. ΤΙΙ pezzo 12 = fr. 11 — 13 n. Davon ist fr. 11 sehr
schlecht überliefert. Man liest OCKOYPOYC« Zeile 4 und ΠλΙά-
τωνο[ς μ]αθητώ[ν Zeile 5. fr. 12 (=V1I 34 o) ist ebenfalls
arg zertrümmert:
\ πολι[τ
*Αθη[ν]αίιυν έΗ A[. . . . άπο-
στ]άντΐϋν^ μετ' έκφ[ορας
5]έ λαμπράς ίθαψε, κ[αθ]ά[π€ρ
6 έΐμαρτύρησε ΞΕΝΟ . . ΤΕΙ*
Ob die* Ergänzungen richtig sind, muss eine Nachprüfung
lehren. Wer mag der Bestattete sein?
Aue fr. 13 (Vü 34 o) ist noch weniger zu gewinnen:
QC πο-
λ ]hi [σιυ]φρόνιυς
ΑΤΕΝΛ . . ANE
μ€τ' €ύτα]Ηίας βίττεϊν
Dazu kommt endlich ein Stückchen in o, das weder in η
noch in den heute erhaltenen Resten anzutreffen ist^ es wird
daram ein sovraposto gewesen sein. VII Bio:
Ν bt αύ[τ
... ην και μη
' . äv]bpa μαλ
ταΐς ΠΑ . ΦΘΙΝ
1 Etwa Διονύσιον κολακ€ύσοντι (üsener).
2 x)ie beiden Söhne des Xenophon, Gryllos und Diodoros, wurden
auch Διόσκουροι genannt, Diog. II 52.
• ^Ηαναστάντιυν (Usener) füllt den Raum nicht aus.
* ΞενοφΟϋν scheint nicht möglich zu sein ; • Ξενοκράτ€ΐ Usener
unter Verweisung auf die Rede des Lysias προς Ξενοκράτην (fr. 206
Sauppe).
Rhein. Mni. t Philol. N. F. LVU. '^^
290 C Γ ö η e r t
. . . γ]νώμα[ις
. . φιλ]οσοφ
ΜΕΝ/
Diese recht spärliche Ausheute, die der Papyrae hie jetzt
geliefert hat, würde kaum eine umfassendere Wiedergabe der
Schriftzeichen rechtfertigen, wenn sich nicht inzwischen ein wei-
tererj werthvollerer Bestandtheil jenes Buches gefunden hätte.
In dem Aufsätze "^Deher die Erhaltung und die Be-
handlung der herkulanensischen Bollen' (Neue Jahrb.
f. d. kl. Alterth. 1900, S. 586) habe ich zwischen den aufge-
zogenen, unter Glas gebrachten und den lose übereinander ge-
schichteten Papyri unterschieden. In der letzteren Gruppe, deren
Inhalt auf über 2000 Blätter geschätzt war, findet sich sehr
vieles, was noch nicht abgeschrieben worden ist. Davon mag
das Meiste unergiebig sein, bei genauem Zasehen aber darf man
damit rechnen, nicht unbedeutende Funde zu machen.
In der ersten Zeit meines Aufenthaltes in Neapel (4. Nov.
1899 — 1. Juni 1900) verfolgte ich den Plan, von dem ganzen
Bestand der entrollten Papyri ein sorgfältiges Yerzeichniss an-
zulegen. Nach einigen Monaten indessen zeigte mir die Mn-
seumsleitung an, dass sie selber ein neues Yerzeichnfes bearbeiten
und herausgeben lassen wollen Das bestimmte mich, von nun
an meine Sammelarbeit einzustellen und die Zeit nur noch einigen
der wichtigeren Papyri zu widmen. Aber kurz bevor diese Aen-
derung meines Arbeitsplanes eintrat, brachte mir der Zufall ein
sehr merkwürdiges Stück zu Gesicht. Luigi Gorazza, der selber
in früheren Jahren noch nach der Weise der alten disegnatori
herkulanensische Schriftreste abgezeichnet, oder besser gesagt,
abgemalt hatte — denn vom Griechischen verstand er eben ge-
rade so viel, um die Buchstaben von einander unterscheiden zu
können — , beobachtete mit wachsender Aufmerksamkeit, wie
schnell ich die Schriftzeichen zu Papier brachte. Er selbst habe,
so meinte er, dazu eine zehnmal längere Zeit nöthig gehabt. Es
war am 6. Februar 19^0, als er mir erklärte, dass das Museum
^ Das Museo Nazionale hat die Absicht, eine neue Bearbeitung
der Papyri vornehmen zu lassen (uoa reorganisazione degli studi de'
papiri Ercolanesi), vgl. S. 589 des oben angeführten Aufsatzes. Zum
Leiter dieser Arbeiten ist cav. Emidio Martini, der Direktor der
Bibliotheca nationale, bestimmt; ein Anfang indessen ist noch nicht
gemacht worden.
HerkalaneDsiache Bruchstücke einer Geeehichte des Sokrates usw. 291
gerne ans meiner Arbeitekraft Nutzen ziehen wolle. Er werde
mir noch nicht entzifferte Papyri vorlegen, and ich solle eine
sorgfältige Abschrift davon dem Papyrnsarchiv hinterlassen. Dann
öffnete er den letzten der Papyrusschränke und nahm zwei Käst-
chen heraus. In diesen fanden sich die Eeste des Papyrus 558,
einer Rolle, die als eine der letzten des ganzen Bestandes, und
zwar von L. Corazza selbst, im Jahre 1888 geöffnet worden war.
Die Aufrollung war sehr schlecht ausgefallen. Statt langer zu-
sammenhängender Blätter konnte Corazza fast nur kleine Stück-
chen ablösen, und auch in diesen liefen die einzelnen Lagen
durcheinander. Im Ganzen zählte man einen grösseren pezzo und
25 kleine. Eine Durchsicht der Reste belehrte mich nun bald,
dass ich den oberen Theil der Rolle vor mir hatte, deren andere
Hälfte in dem Papyrus 495 erhalten war. Wie schade, dass ein
so wichtiges Stück so zertrümmert vorlag! Und selbst diese we-
nigen Trümmer waren so beschaffen, dass man beim Anfassen
Gefahr lief, weitere Stückchen von den einzelnen pezzi abzu-
lösen, die dann für immer verloren waren. Hingegen war das
Vorhandene sehr leicht zu lesen, da die schöne, regelmässige
Schrift deutlich von dem Untergrunde abstach.
Zwei Abschriften fertigte ich an, von denen die eine jetzt
unter den papiri inediti liegt. Hie und da habe ich einige sovra-
posti abgehoben, um die verdeckte Schrift zu lesen. Da aber
die Masse sehr spröde war und ich mich beeilen musste, so Hess
ich noch manches zu thun übrig, um nicht durch hastige und
unvorsichtige Arbeit den Verlust noch grösser zu machen.
In den meisten der folgenden Bruchstücke lässt sich die
Ausdehnung der Zeilen nicht bestimmen. Die Punkte an der
linken Seite dienen dann dazu, die genaue Stellung der Buch-
staben zu bezeichnen. Eine Eigenthümlichkeit der Rolle sei hier
noch hervorgehoben : am oberen Rande finden sich nicht geringe
Reste von Kapitelüberschriften, vgl. pezzo 4, 8, 11, 12, 17, 26.
Diese Ueberschriften, die in der ganzen herkulanensischen Bücher-
masse allein stehen, sind für die Feststellung des Inhalts von
grösster Wichtigkeit^. Aus ihnen geht mit völliger Sicherheit
hervor, dass wir es mit einem βίος Οωκράτους zu thun haben.
^ Die Kapitelanguben sind später hinzugefügt, wie die Verschie-
denheit der Schrift darthut. Diese Schrift ist von geringem Umfang,
stark nach rechts geneigt und manchmal au die Cursive erinnernd.
Oefter findet man auch die Buchstaben untereinander verbunden. Die
292
Crönert
pezzo 1 linke:
rechte:
φησιν Α
ΜΗΝΚ/
•
. . έν ΤΤ€ΐ[ραΐ€Ϊ
. . ΠΑΝΑ
ΘΑ
. NATOIN
Τ
ΤΗ
μ]€ταλη
TÖN
.... Ο]υρα[κοσ
Bovrapoeto linke:
rechte :
ΙΟΙ
HNEC
MAP
TOI
• • •
Τράίψοντος
' ". . NEN
ού]κουν
pezzo 2 links: rechts:
μήτε ΟΟΠ (Οώπατρος?) .... Ν
Χό". . . ACA οκλής καΡ*
ΟΦ buiKcv Μ
PI ΤΑΜΕΝ
pezzo 3:
sovraposto 1 :
• .
. \ΜΑΛΑ
. HCIACQ
ι
• •
5 Ν
ΔΕΙ
.Η QTÖNO
φιλοσ]οφίαι γεν-
ηται bia
. Ν
IQNn
.TQN
5 TQNI
POCAI
■ . ■ .
. Ν
. C
10 ... •
Hand trifft man in den Randbemerkungen zu Philodems Werk ober
die akademische Schule wieder (hierüber wird die Ausgabe Meklen
das Weitere berichten); sie als manne Philodemi anzusehen, liegt kein
Grund vor. Die Rolle 558 bietet das älteste Beispiel von Kapitelüber-
schriften in Handschriften; doch wird die Entstehung dieses Bnochet
noch in frühere Zeit fallen, wie sich aus den Inhaltsangaben der In•
Schriften erkennen lässt, vgl. zB. Inschr. v. Magnesia 98 und 100 aot
dem 2. Jhdt. v. Chr. In der Ueberlieferung des Diogenes Laerlio•
sind die lemniata sehr häufig ; ihre Herkunft ist unbekannt.
1 Δι]οκλής? Vgl. Diog. II 82.
^ Nur die Grenze der Zeile nach rechts ist gfesicbert.
^ bilä μάλα [πολλής παρ]ρησ{ας ώ[μ(λ€ΐ üsener.
Herkulanensische Brucbstücke einer Geschichte des Sokratcs usw. 293
.... ΑΘΟΡ (oder OY)
. . . .
τήι άφωνίΓαι
ώμ]ίλησ€ν (üeener)
sovraposto 2:
AI hi μοι περί της ΘΑΜ (oder ΘΑΛ) ^
. . . ICCQ μέγα χω
. . . PIA κοσμήσει πα*
. . . TQI άκρ€ΐβέστ€[ρον
5 . . . δ Τ€ ποΐ€Ϊ ΚΑ (es folgt niobt C oder θ)
Ι. . . ΙΥΦΥΙ
pezzo 4:
. ΙΝΙΓ
β . ΑΓΟΙ
MENOCEX
. . ΟΤΟ
sovraposto 1:
• . . . ΛΟΙΠΕ
Ι παρά τα
.... ΝΕΑΙ
. . π]€ρι τής τρ
...... CAC0
soyraposto: 2
T€ τούτο πιθανός (wo ist der Band?)
τ]ής ευστοχίας κα
. . ος τής κατά τή[ν
. . έστησε ΔΙΥ"
. . . πό του CO (oder CR oder €Ψ)
• • • •
Oben rechts über dem Scbriftraum
findet sich Μ . YO als Rest eine Kapitel-
Überschrift. Doch ist es nicht sicher, ob
dies zu sovraposto 2 gehört.
pezzo 5 sottoposto :
Tl
ΡΓ
AN
CINA
. lEIPY (oder A)
I
pezzo 5:
κ]αΙ ΤΟΥ
Μεγα[ρ
Άθηνα»
. καΐ θο[ρικ (?)
. HCX (oder Α oderÄ)
^ Die AusdehnuDg der Zeilen l&sst sich nicht erkennen. In Zeile 2
kann vor CQ nur C oder Ε gestanden haben; die Hasta aber am An-
fange rührt wohl von einem Ν her. Diele versucht: (^ηθήσ€τ]αι bi
μοι tr€pi τής θαλ[άμης (Grotte), ής] ίσιυ μέγα χώ[μα, τά ή]ρία, κοσμήσει,
ird[Xiv έν τρί]τιυι άκρειβέστε[ρον. Vielleicht stamme ήσπερ ίσω μ^ο
χιΧιμα und ήρία κοσμήσει aus einem Epigramm, doch sei das Stück in
jedem Falle auffällig.
^ KOIM meme Abschrift, doch sieht das C in diesem Papyrus
dem I sehr ähnlich, da es in der Hauptsache aus einem langen ge-
raden Strich besteht, an den sich oben ein Häkchen ansetzt.
' κ]αϊ ToO [Εύκλεί^ου έγΐ Μεγά[ρων φοιτώντος] *Αθήνα[Σε üeener.
294 Crönert
pezzo 6:
ΠΡ
ι τι
• •
C ΠΑ
Λ ΚΑ
β Λ
sovraposto 1 :
1 ά]νγ€λλον[τ
a . . QCIN
8 • • • • ^
8 .... PI φύσις ΕΙ
. έ]πι τής νυν
10 κ]ατά δέ τήν
. αται έν Χ
eovraposto 1:
U ΟΝΗΝ
και Λ
•
16 και Τ
ΗΘΙΑ .
pezzo 7 linke:
"Λ
ΑΓΕΙ Ψ (oder Φ) 01
έκ€Ϊ]νο 5* emev
ούοετέροις ου
δ ήσαντος >
υτιυν έρασ- )
Δ (oder Ξ) ΟΥΤΟΤΕΜΙ
πά]λιν δταν bi- ^
Ν άπό χωρί[ου
10 ΙΛΑ κτίστη .
• *
ΙΛΑ κτ[ίσ-
τ ] ΟΝΟΝΛ .
AMEN '. .
σθαι και υπ .
ΙΟΕΙΙ ..... (ecbräg linke über
pezzo 7 rechts: 10 erscheint ein T)
διάθ[€σι]ν τής
HerkolanenBisohe Brachetücke einer Geschichte des Sokrates usw. 295
HIMI . . . χρήσα[σθαι τήι γρα-
φήι φ[ησιν
Λυσίου (vgl. Diog. Π 40)
6 QCA
άπολ[οτ
Λ
Δ
soTraposto : ΕΤΟΥ_
. CI
■
pezzo 8: ... τ]€λ6υτή χρήσασθαι
. . των έν αύτώι (nach ΕΝ ist ΟΝ getilgt)
. . πολ€ΐτών (vor π sind 5 Bnchet. getilgt)
. ή]ί)υνάτησαν τ€>
. . Οάτυρος^ 5' 6 Καλλα-
τιανός φησι]ν τώι Οιυκρά-
τ€ΐ ] TTOAAC άωρου (auch TOAAC ist möglich)
"Κ . προβολήν
' ΟΥ . και τά τών
10 ων τόν Οιυκρά-
τη ] . • ΒΗ /
Ι Ι Α άτητο[ς ..]!..
. . • •
""Α έπιπρα
.... έτ]κληματ
15 αΙτίας
Am oheren Rande steht ICI . KPAT, etwa τ€λ6υτ]ή Οιυκρά-
τ[ους. Von der sich rechts anschliessenden Colnmne ist nar der
Anfangshnchstahe der 4. Zeile, T, erhalten,
sovraposto: 9 OY
10 — όπως"
pezzo 9 sottoposto: i . . xP
2 συ]ναθρο{σ[ας
8 . . tqnt'
4 . . . . EAEP
Von diesen Zeilen ist 7 Φ
die Ausdehnung unbe- T[ αύ-
1 Die Heimat dee Peripatetikers (vgl. über ihn FHG. ΙΠ 159—
164, Susemihl I 498) war bislang unbekannt. Das 11. Bruchstück bei
Müller handelt von den Frauen des Sokrates, das 12. von Flaton. Es
ist recht ärgerlich, dass sich die neue Stelle so schwer Tentehen läset.
39β Crönert
kannt; die folgenden τάρκη[ς
Stücke stammen vom lo TA
linken Rande. . I
αλλά κ[αΙ
ONT
ΘΥ"
pezso 9 : έν τώι] πρώτιυι ι διατριβών
τόν Λοκρόν* Ε ΜΙ
ΤΟΝ Γ
«ΟΝ
peszo 10: ι έ]ξ 'Άκαοη[με(ας
• ■
ΤΤλάηυνι
YC τών' ΤΟ
pezzo 11: ΩΝ ...
Ν. . . .
-ΟΝ . . .
έν 6έ τώι έ]κκα[ι]ί)ε-
5 κάτιυι φησι τόν Δημή]τριον *
Πλάτω-
ν 1 ΠΛ .
ΕΝ
QN
10 IN
PQ
έκ€1
\Ε>
BovrapoBto: τό]ρας' 6' έν τώι ΜΕ
ΝΤΟΙΛΕΥΤΕ* ΤΟ
Υ πώρρω bi- Χ
1 All . ACEAE .
5 "
ΚΛ
Κ
lieber der linken Seite findet sicli die Eapitelangabe :
C . ΜΑΘΗ . AI, also Οωκράτου]ς μαθη[τ]αί.
* Vielleicht Τίμαιον, da pezzo 10 von Piaton die Rede ist (Diels).
2 τόν Φαληρέα (έν τήι Οιυκράτους άπολογίαι Diog. IX 15 u. 57)?
■ Aach etwa Μητ]ρας wäre möglich.
* ΤΟΙΛΕΥΤΕ hat der Schreiber nachträ^jlich durch Striche getilgt.
Herkalanensisohe ßrachBiücke einer Geechichte des Sokratee ubw. 297
• •
5 .
10
pezzo 13: i
pezso 12 (die Grenzen der Zeilen steben nicht fest):
AN^ δίπλωση
/. NON ποι
~PA πηλόν 6l[v]oi
. HNIQ κ[αη Τ
«
. έπιίητο[υ
. ν]ύΕΪν(?) . ΤΙ
« . . NACAEI
. "ANTQN
. . . 6ιητ
. . . αύτ
Dazu kommt über dem Scbriftraum die Ueberscbrift: απο-
φθέγματα Οιυκράτ[ους.
eovapoeto: i APAICC θρδττ[α
NANTOC bi •Ατ[τικ(?)«
. ΝΕΤΟ κοί Κ (vor ΤΟ ein Κ getilgt)
ί . . . . ΤΟΥ
ΝΤΟ . . . . C
. NQN ..... -ΟΕΦΙΘΝ
. ΙΚΑ CEINENI
ί CAPn Ν
ρβζζο 14: 1 ιυν b' άπό τ[οΟ] λαλο[υντος
(das zweite Λ aus Β yerbessert)
. σ]υντρίβουσα (Xanthippe?) TTQ
ΤΕΥΤΤΟ"
TTAC . \9
6 /τα . ΝΛΑ
ρβζζο 15 linke: ι τή]ν Άσίαv^ ΤΤλά-
τιυνα b' εΙς Οκ€]λίαν [π]λευ- (βο üsener)
σαι '. ότΊΥ . ΩΔΕ*
: ... ΜΕ
^ χλαΐν]αν? Das τρίβωνα διπλοΟν wird bei Diogenes dem Eyniker
erwähnt, Diog. VI 22.
' Ist die Stelle etwa mit Diog. II 31 : είπόντος γοΟν τίνος αύτώι
ώς €Τη *Αντισθ^ς μητρός θράιττης, σύ δ' ώιου, ?φη, οοτως άν γ€ν-
ναΐον έκ δυοΐν 'Αθηναίων γενέσθαι; (vgl. VI 1) zu verbinden?
■ Etwa Ξενοφώντα μέν €ΐς τή]ν Άσίαν (Usener).
* Πυ[θ]ώδ€ entweder von Sokrates (Diog. II 23) oder von Xeno-
phon (Anab. III le) gesagt (Utener).
298 Cronert
rechte: i YCME
πρίν
5 ΙΑΓΕ
I προσ
εΤπε
pezzo 16: ι σ]οφώτατον ΕΡΕ*
. . . ΟΦΑΙ τους
Τά]ρ Τρά[φ6ΐ
ρβιζο 17: 1 NC . CYfEN . .ACK
. . . ΟΤΙΔ
Darüber am Bande HMATA (διητ]ήματο Diele)
eottoposto: davon ist nur die Kapitelüberschrift bis jetzt gelesen:
' Οωκράτης.
pezzo 18: i ύμεΐς καΐ
"EINAT
pezzo 19: i ANT/
pezzo 20: i biJaXu€[i
pezzo 21 — 25: fast ganz unergiebig
pezzo 26: i l- τόν Λέριον
a . ΞΕΟΝ
8 ... Μ
und an anderer Stelle: β . . ΚΑ
Λ
MIKHI
μητρός
9 bia]Xu€i
Am oberen Rande die Zeichen : TOTOM (oder TOYOM).
• * ■
Die letzten Windungen des Papyrus sind noch nicht auf-
gerollt, so dass demnach der Titel des Werkes vielleicht noch
wiedergewonnen werden kann. Vor allen Dingen möchte man
gerne den Verfasser wissen. Die Hiate τήι αςχυνίαι pap. 495
pezzo 3 und pap. 558 pezzo 3, στρατευσαμένω[ι εΙς (dies ist
sicher) pap. 495 pezzo 10, τωι άκρειβέ(Ττερον pap. 558 pezzo 3
sprechen, so scheint es, gegen Philodem, und man darf darauf
aufmerksam machen, dass vier Verstösse gegen die wohlklingende
* xiva öv λέγοι σ]οφώτατον έρέ[σθαι, vgl. Diog. II 37(?).
' Vor Τ stand wohl ein N; Φ€ρ€κύδη]ν τ. Λ. Diele.
Herkalanensische Bruchstücke einer Geschichte des Sokrates usw. 299
Wortfolge bei dem kleinen Eanm, den die Reste einnehmen, um
so mehr ins Gewicht fallen, als die umfänglichen Schriften Phi-
lodems über die akademische und die stoische Schule nur sehr
wenige Hiate zeigen. Auf der andern Seite indessen weiss man
kein besseres Werk, dem man pap. 495 und 558 zutheilen könnte,
als die (Τυντα^ις φιλθ(ΤΟφιυν des Oadareners. Denn dass dieses
grosse Werk in den herkulanensischen Bollen yorhanden gewesen
sein muss, wird immer klarer. Kleinere, noch unbekannte Bruch-
stücke, darunter ein Papyrus, der die Geschichte der Epikureer
wiederzugeben scheint, sollen demnächst vorgelegt werden.
Hätten wir das Buch, dessen geringe Ueberbleibsel eben
aufgezählt worden sind, vollständig, wir gäben gerne ein ganzes
Dutzend moralischer Abhandlungen des Philodem dafür! Doch
wir haben gegründete Hoffnung, dass sich jene Ueberbleibsel noch
um wichtige Stücke vermehren lassen. Es ist darum in der
Ordnung, dass das, was noch geleistet werden kann, hier scharf
bezeichnet werde.
1) Der Papyrus 558 ist dergestalt aufgerollt, dass an
vielen Stellen zwei oder drei Lagen übereinander gerathen sind.
Ein gut Theil der sottoposti habe ich schon gelesen; vieles
bleibt noch aufzudecken, da, wie ich bemerkte, ich mich scheuen
mnsste, die Arbeit zu überstürzen. Es muss dann auch festge-
stellt werden, in welchem Zusammenhang die einzelnen pezzi
stehen. Es ist bis jetzt noch nicht gelungen, Stücke des einen
pezzo mit dem eines andern zu verbinden. Endlich ist auch der
Titel noch zu ersohliessen.
2) Die aufgerollten Theile des Papyrus 495 sind in viel
schlechterer Verfassung als die Reste der oberen Hälfte. Einmal
haben die zusammenhängenden Stücke geringeren Umfang, und
dann sind die einzelnen Columnen schwer auseinanderzuhalten.
Aber Geduld und Sorgfalt muss auch hier den Sieg davon tragen,
und man darf nicht eher ruhen, als bis man den letzten Buch-
staben erschlossen und genau in die zugehörige Golumne unter-
gebracht hat. Ich glaube, dass dann der Papyrus 495 wohl noch
einmal soviel bieten wird als heute.
3) Am Meisten ist noch von dem noch nicht aufgelösten
Rollentheile zu erhoffen. Ich vermuthe, dass darin die Reste
von mindestens 8—10 Columnen verborgen sind. Nun ist es
aber leider vorläufig mit dem Aufrollen herkulanensischer Papyri
schlecht bestellt. Die Kunst der Neapolitaner hat sich erschöpft;
sie ist immer die nämliche gewesen und hat nur an den Rollen
300 Crönert Herkulanensische Bruchstücke usw.
Ereprieesliches geleistet, deren Lagen elastisch und leicht löelicli
waren. Eine neue Kunst zu suchen, war man noch im Anfang
des vergangenen Jahrhunderts eifrig bestrebt. Dann erlahmte
der Eifer, da man doch immer nur Brocken erhielt, und weil
man sich nicht dazu verstand, die Aufmerksamkeit der techni-
schen Wissenschaften auf die Reste hinzulenken, so hat man
immer seltener die J^Ösung der schweren Aufgabe versucht. Zwar
hat einst der grosse Chemiker Liebig nach vielen Mühen einen
Papyrus zum Zwecke eines AufroUungsversuches erhalten, von
einem Erfolge aber wird nichts gemeldet. Soll man darum
mehrere hundert ungelöster Papyri aufgeben? Es ist doch besser,
man giebt noch ein paar Dutzend Bollen zu Untersuchungen hin,
als dass nun der stattliche Rest der schönen Sammlung langsam
zerfällt und vermodert. Augenblicklich ißt die Zeit nicht un-
günstig: seit cav. Emidio Martini den Auftrag erhalten hat, die
Papyri von Neuem zu ordnen und zu untersuchen, wissen wir,
dass der herkulanensische Schatz in gute Hände gelegt ist.
Möge die Zeit nicht ohne fruchtbringende Versuche dahingehen!
Ist dann auch der Rest der Rolle 495 dem Auge geöffnet,
dann wird, nachdem die Schriftzeichen aufgenommen worden sind,
der Versuch gemacht werden müssen, die getrennten Hälften
wieder zusammenzufügen. Ein wenig lässt sich schon heute ver-
binden^, aber ohne erheblichen Nutzen. Bis jetzt erkennt man
soviel, dass in der Schrift, die etwa περί Οωκράτους oder περί
τής Οωκράτους αίρέσειυς betitelt gewesen sein mag, die Schil-
derung des Lebenslaufes die Hauptsache war. Angegliedert wur-
den, wie auch in der Geschichte der Stoiker, Anekdoten (περί
Οιυκράτους οιητ]ήματα(?) Pap. 558 pezzo 17) und bemerkene-
werthe Aussprüche (αποφθέγματα Οωκράτ[ους pezzo 12). Von
Quellen werden genannt Satyros (Pap. 558 p. 8), dessen Vater-
stadt durch diese Anführung jetzt bekannt ist, und wohl noch
Hermippos (Pap. 495 p. 3 und p. 9), Diokles (Pap. 558 p. 2)
und Demetrios der Peripatetiker (p. 11); dazu kommen noch zahl-
reiche namenlose Spuren. Eine Benutzung der Hauptquelle für
Philodems Geschichte der Akademiker, der Chronika des Apollo-
doros von Athen, lässt sich bis jetzt noch nicht feststellen.
Bonn. Wilhelm Crönert.
^ τήι άφιυνίαι pap. 495 pezzo 3 und pag. 558 pezzo 3 (hier ver-
muthet Diele eine Doablette); pap. 495 pezzo 10 und pap. 558 pezzo 15,
wo ebenfalle die Worte Tncrkwürdig übereinstimmen.
LAENDLICHES LEBEN BEI HOMER UND
IM DEUTSCHEN MITTELALTER
In Homere Beschreibung vom Schild des Achilles, jenem
antiken *Lied von der Glocke\ haben in letzter Zeit besonders
die ländlichen Scenen die Aufmerksamkeit der Philologen und
Historiker erregt^. Das hat seinen Grund darin, dass heute
auch bei der Erforschung der Geschichte des Alterthums die
wirthschaftlichen und socialen Momente in den Vordergrund treten
und dazu reizen, aus jenen lebensvollen Schilderungen des Epos
eine Anschauung von den Zuständen des sog. hellenischen Mittel-
alters zu gewinnen. Dürftig genug ist freilich jene Quelle trotz
der Frische des Details, und länget hat man die vergleichende
Betrachtung ähnlicher Erscheinungen und Entwicklungen bei an-
dern Völkern als ein Ersatzmittel angewandt, um auf viele un-
gelöste Fragen eine Antwort zu erhalten. In Bezug auf die An-
fänge des griechischen Staates sagt E. Meyer Gesch. d. Alt. Π
81 Anm. : 'Ohne die Analogie, welche vor allem die germa-
nische und die semitische Entwicklung bietet, würde der Ver-
such [jene Anfänge zu schildern] undurchführbar sein . Ich war
nicht wenig überrascht, jüngst in Weisthümern des rheinischen
Mittelalters auffallende Aehnlichkeiten zu den ländlichen Zustän-
den bei Homer zu finden. Ihre Kenntniss verdanke ich in erster
Linie dem interessanten Aufsatz von K. Lamprecht: Ländliches
Dasein im 14. und 15. Jahrhundert, Westdeutsche Zeitschrift für
Geschichte und Kunst VIII (1889) 189—210.
Auf dem dritten Kreis des Prachtschildes für Achilles bildet
Hephaistos drei Scenen aus dem Landleben, zunächst die Pflüger
* E. Meyer, Geschichte des Alterthums II öfter. — R. Poehl-
mann, Aue Alterthura und Gegenwart. (IV. Die Feldgemeinschaft bei
Homer. V. Aus dem helleDischen Mittelalter.) — W. Reichel, Home-
riv5he Waffen 2 p. 152 ff. — C. Hentze, Zur Darstellung des Land-
lebens auf dem AchinesecbildeC541-r)72. Philologus LX (1901) 502 ff.
302 S i e b ο ο r g
bei der Arbeit^. Dargestellt ist ein weites Ackerfeld, dessen
fetter Boden dreimal umgewendet und dadurch locker und weich
wird 2. Viele Pflüger, von denen jedem wohl ein Theil, ein Ge-
wann des grossen Ackerfeldes zugewiesen ist, ziehen ihre Furchen
auf und ab (543 ένθα και ίνθα). am Anfang wie am £nde den
Pflug wendend, so dass da immer eine halbkreisförmige Bewegung
^ Bei der ziemlich vernachlässigten Interpretation dieser wie der
beiden folgenden Stellen gebe ich eine Paraphrase und begründe das
einzelne in den Anmerkungen.
2 C 541 ή νειός wird durchweg in Wörterbüchern und Commen-
taren unter Ergänzung von γή mit Neuland^ Neubrucht Brache wieder-
gegeben, und Brache, novale, heisst es auch späterhin. Aber nach
W. Schulze, Kuhns Ztschr. 27 (1885), 603 f. hat ή ν€ΐός etymologisch
nichts mit νέος zu thun; es bedeutet vielmehr ganz allgemein l'eZd,
Flur und gehört zu slav. nit>a (aus *neit?a) Feld, Flur, Der wurzel-
hafte Bestandtheil v€i- kehrt wieder in νειόθεν έκ κραΜηο Κ 10
νειόθι λίμνηο Φ 317, veiaipa γαοτήρ Ε 539 ua.; er bezeichnet das tief
unten gelegene, νειός ist also die für das Ackerland besonders in
Betracht kommende Niederung des Thaies und der Ebene im Gegen-
satz zu den 'Höhen* der Berge. Entscheidend ist für mich, dass an
Bämmtlichen Homerstellen (K 353, Ν 703, C 541, 547, € 127, θ 124,
ν 31) die Bedeutung Neubruchy Brache nicht gefordert wird, dagegen
Feld gut passt; sodann müsste es doch wohl bei Gleichheit mit νέος
ή νειά sc. γή heissen; vgl. ή οΙκουμένη, ή *Αττική, ή έσχαητί. — τρί-
πολος, dreimal gepflügt heisst das Feld 542, ebenso ε 127 und dar-
nach Hesiod. Theog. 971. Ameis-Hentze bemerkt dazu in Ueberein-
Stimmung mit andern: 'Man pflegte das Brachfeld dreimal zu pflügen, im
Frühling, im Sommer und im Herbst unmittelbar vor dem Säen*. In
diesem Sinne hätte das Wort hier gar keinen Zweck. Der Künstler stellt
vielmehr einen Theil des Feldes in dem durch dreimaliges Pflügen er-
reichten lockeren (μαλακήν 541) Zustand der Krume dar. Mit dem
andern Theil ist der Pflüger beschäftigt. — Vs. 547 heisst die νειός
βαθεΐα, das ergänzt εύρεΐα 542. Das Feld ist breit und tief in der
Ausdehnung. So redet der Grieche von dem βάθος τής Φάλαγγος, wir
von der Tiefe eines Hauses. Homer Τ 490 βαθέ' δγκεα οορεος, βαθεΐα
ύλη. Β 91 die Griechen kommen νεών άπό καΐ κλιοιάων | ήιόνος προ-
πάροιθε βαθείης, wo Ameis-Hentze mit Hinweis auf βαθύς κόλπος 560
tief gebuchtetes Ufer übersetzt. Die Küste des Hellespont bei Ilios ist
aber nicht eingebuchtet, sondern ziemlich grade, flach und sandig,
und nur auf einem breiten, tiefen Strand hatte das Lager Raum. Der
Dichter kennt die Gegend genau. — Ich gebe übrigens zu, dass an
unsrer Stelle νειός βαθεΐα auch auf die Tiefe der Krume, der Humus-
schicht gehen kann. Die Verbindung mit τέλοόν und die Ergänzung
in εύρεΐα l'asst mich die andre Bedeutung vorziehen.
Ländliches Leben bei Homer und im deatschen Mittelalter 303
entetebt (543 οινεύοντες). Jedesmal wenn sie am Ende das Oe-
spann umgelenkt haben (544 οτρέψαντες) und dann an den Aus-
gangspunkt, an den Weg zurückgekommen sind, dann tritt ein
Mann heran und reicht dem von der Sonne und der schweren
Arbeit durstig gewordenen einen Becher Weins. Dann geht es
wieder herauf (546 άν' δγμους) zum andern Ende ^.
541 έν 5' έτίθει νειόν μαλακήν, πίειραν δρουραν,
εύρεϊαν τρίπολον* πολλοί 5' άροτήρες έν αυτή
ίεύγεα δινεύοντες έλάοτρεον ϊνθα καΐ ϊνθα.
ο\ V οπότε οτρέψαντες ικοίατο τίλοον άρούρηο,
545 τοϊοι b' ϊπειτ' έν χέρα binoic μελιηδίος οϊνου
δόοκεν άνήρ επιών τοι bfe στρίψαοκον άν' δγμους
Ιέμενοι νειοΐο βαθείηο τέλοον Ικ&θαι.
Dass auch heute noch der griechische Bauer bei der Feldarbeit
mit Wein sich stärkt, sah ich vor drei Jahren, als wir zu meh-
reren Beisegefährten in der Umgebung von Athen das Kuppel-
grab von Menidhi suchten und nicht finden konnten: wir wandten
uns an einen im Felde grabenden Mann ; aber ehe er uns Ant-
wort gab, reichte er uns zum W^illkomm die grosse, mit Rhezinat
geflillte Flasche. Immerhin schien es mir doch stets merk-
würdig, dass jenen homerischen Pfliigern nach einem Herauf und
Herunter allemal ein Becher gereicht wurde, bis ich bei Lamp-
recht aaO. S. 203 Folgendes las: ^Bei der Landarbeit wurde gar
viel getrunken.' Zum Beweis citirt er ein Weisthum von Menz-
weiler aus dem Jahre 1429, das ich hier nach Lamprechts Wirth-
schaftsleben I 556 im Original mit den nöthigen Erläuterungen^
wiedergebe.
der selb armmann^ soll den Herren einen tag achten^ und
soll man ime und seinen pf erden und knechten gütlich tun; und
demselben ackerman soll man stellen einen eimer voll wins uf
^ 546 Tol bi sind natürlich die eben durch einen Trunk erquickten,
nicht 'andere*, wie Ameis-Hentze meint. Das Feld hat, wie jedes
Ding, zwei Enden, t^Xcov άρούρης. 544 ist der Ausgangspunkt, 547
das entgegengesetzte Ende gemeint.
^ In den das Mittelalter betreffenden Dingen hat mir mein Col-
lege Dr. P. Eschbach seine sachkundige Hilfe geliehen.
^ Der arme Mann ist der Hörige, der frohnpflichtige Bauer, der
fröndefy wie es unten p. 307 heisst: er hat selbst hier Pferd und
Knecht.
* achten, richtiger arten = pflügen.
2f04 Siebourg
iklich angewande^ und einen wiesen^ hecher άαήη^ wem es itne
und seinem knecht noU^ ist, dafs sie drinken.
Hier steht also sogar an beiden Schmalseiten des (je-
wanns ein Trank bereit. Und wie hier der Aekersmann und
seine Knechte nur trinken, wenns sie dürstet, so wirds in der
homerischen Scene auch aufzufassen sein. In der dem Dichter
Torschwebenden plastischen Gestaltnng war an einer Stelle jener
Moment abgebildet, wo einem der vielen Pflüger der Schenk am
Weg den Becher reicht. Wer wollte, konnte hier trinken, an-
geboten wnrde es ihm stets. Poehlmann^ meint irrig, der Trunk
sei dazu da, um zu lebhaftem Wetteifer anzuspornen ; Speise und
Trank bilden den Lohn des Feldarbeiters in der Zeit der Natural-
wirthschaft, Beschaffenheit und Umfang desselben werden oft ge-
nug in den deutschen Weisthümem aufs genaueste festgesetzt^
Das £ssen spielt denn auch eine wichtige Rolle in der
zweiten Scene bei Homer. Mäher und Garbenbinder, letztere von
anreichenden Knaben unterstützt, sind auf einem τέμενος βαθυ-
λήιον an der Arbeitt Der βαοιλεύς steht bei ihnen, auf den
Stab gestutzt, stille Freude ob des Erntesegens lagert auf seinem
Antlitz (ciunrfl, γηθόουνος κήρ). Im Hintergrund (άπάνευθεν
558) schlachten Herolde unter einer Eiche einen grossen Ochsen,
und Mägde mengen den Brei zum Brod- oder Kuchenbacken ^ :
sie bereiten das Essen für die Arbeitsleute.
556 βααλεύς b' έν TOici οιωττή
οκήπρον ϊχων έοτήκει έπ' δγμου γηθόουνος κήρ.
κήρυκες b' άπάνευθεν υπό δρυΐ δαϊτα πένοντο,
βουν 5* Ιερεύεαντες μέγαν δμφεπον α\ hk γυναίκες
δεϊπνον έρίθοιοιν λεύκ' άλφιτα πολλά πάλυνον.
1 Απ jeder Umwendestelle. Lexer, Mittelhochd. Wörterbuch hat
die Form anwande.
« Weieeen. » Noth thut. * aaO. p. 125.
ß Lamprecht WZ 8, 204. S. u. p. 305.
® Auch hier ist der Ausdruck wieder im einzelnen sehr genau
und plastisch anschaulich. Da die Mäher mit Sicheln (δρεπάναις 551)
arbeiten, so fassen sie mit der linken so viel, wie in die Hand geht:
das sind die αράγματα 552. Von den Knaben heisst es 555, dass sie
erst die Hand voll Aehren nehmen» ^ραγμεύοντες, diese dann auf den
linken Ellbogen legen, έν άγκαλίδεςςι φέροντες, offenbar bis er voll
ist und das dann dem Garbenbinder reichen, άοπερχές παρέχον.
"^ Autlers kann ich das λεύκ^ δλψιτα πολλά πάλυνον 560 nicht
verstehen.
Ländliches Leben bei Üomer uud im deutscheu Mittelalter 305
Damit vergleiche man nun die eingehenden Bestimmungen,
die ein Weisthum von Schönfeie in Luxemburg^ aus dem J. 1682
über das Essen der Frohnarbeiter trifft.
§ 7. It(em) ein jeder vogtey oder untertha/n wie abstehet ist
schuldig zu heu und haber mefien^ einen meder^ dahin zu steUefiy
demselben ist der herr schuldig am morgen eine mütsch^ und ein
stück käsz, zu mittag speck und erbesz, dergleichen eine suppe und
brod genug zu selben imbis und zu abend ein mütsch^ wie zu mor-
gen^ doch kein käsz,
§ 8. It, wan die frohnder kohren* schneiden, heu, haber,
wielkohren^ aufheben oder hausten^, gibt man Urnen mit ein mittags
mafUzeitj erbes oder ander speis, supp und über den andern tag
ein siil'k specks, und da man kein speck gibt, speist man ander
drcyerley speisz^ und jeder frohnder täglich zwo mütschen, wie
abstehet .... Dann wird sogar die Grösse der Mütschen genau
angegeben.
§ 9. IL wan sie heu einführen und ein gantzen tag fahren,
gibt man ihnen drey mafil ein hausmannskosten und kein mütsch.
Zum Essen und Trinken gehört Musik und Gesang: τα γάρ
τ' αναθήματα οαιτός. Sie finden wir in der dritten Scene bei
der Weinlese. Nur ein schmaler Pfad führt zu dem Weingarten "^
hin. Darauf sind fröhliche Mädchen und Jünglinge dargestellt,
die in Körben die köstliche Frucht heimtragen, die sie selbst ge-
lesen haben. Denn die Winzer bringen nach 566 allemal die
Trauben, die sie lesen, selbst zur Kelter. Mitten unter der
lustigen Schaar spielt ein Knabe liebreizend die Laute und singt
dazu mit feiner^ Stimme den Linos. Die Winzer und Winze-
rinnen klatschen mit den Händen im Takt^, mehr hüpfend als
1 Hardt, Luxemburger Weisthümer p. (370 ί.\
2 meder =: Mäher.
3 mütech = eine Art kleinen Brodes. Grimm Deutsches Wörterb.
* = Korn. δ Welche Art Korn gemeint ist, vermag ich nicht
zu eruiren. Ob die Lesung richtig ist?
® hausten = in Haufen setzen. Weigand, Deutsches Wörter-
buch^ s. V,
'* 5G5 έτΓ* αυτήν. Falsch Ameis-Hentze mit andern: 'über, d. i.
durch ihn selbst hin, den Weingarten im Gegensatz zu dem umgeben-
den Graben und Zaun.*
^ λ€πταλέη φωνή 571; sie hat noch nicht mutirt,
^ Μ^^οντβς άμαρτή 571. üeber M^^^ theilt mir F. Solmsen, der
demnächst in anderm Zusammenhang eingehender über die Geschichte
Bhein. Mos. f. PhUoi. N. F. LVII. 20
30f) Sieboarg
gehend ziehen sie daher (572 ποα οκοίροντβς ϊποντο) und singen
den Refrain, der in Juchzen und Jodeln aueklingt (572 μολπή
τ' Ιυγμψ τε). Wenn sie ihre letzten Körbe abgeliefert haben,
wird der Knabe ihnen zum Tanze aufspielen.
565. μία b' οϊη άταρπιτός ήβν έπ' αυτήν,
τή viccovTo φορήες, δτ€ τρυγόψεν άλιυήν.
παρθενικά! οέ και ήίθεοι άταλά φρονίοντες
πλεκτοΐς έν ταλάροιοι φίρον μελιηοία καρπόν.
TOiciv b' έν μέ€€οκι παις φόρμιγγι λιγείη
570 Ιμ€ρΟ€ν κιθάριίε, λίνον b' υπό καλόν äeibev
λεπταλέη φωνή* τοι bfc ^ήοοοντες άμαρτή
μολπή τ' Ιυγμψ τ€ ποα οκαίροντες ϊποντο.
An diese muntere Scene erinnert eine Bestimmung im Men-
chinger Vogtsrecht von 1441^. Die zum Rechen verpflichteten
Leute versammeln sich im Amthof auf ein Glockenzeichen; ^ die
sollen dann, so man leutety in den Amthof kommen, und mit einem
Pfeifer^ voraushin pfeifen lassen um auf die vorgenante mad,
und des abends soll er in wieder heim lassen pfeifen \ Man sieht,
wie der Gutsherr bedacht ist, den Arbeitern das Unangenehme
des Verbums und seiner wirklichen und vermeintlichen Angehörigen
za handeln beabsichtigt, mit, dase es nicht, wie Wörterbücher, Gram-
matiken, Commentare immer noch anzugeben pflegen, mit ^ήγυυμι
zerbreche^ zerreisse zusammenhängt. Vielmehr bedeutet es schlafe,
schmettere^ werfe, stürze (trans. und intrans. wie βάλλω) und ist iden-
tisch mit attisch ^άττω, gemeingriech. ^dccui. Dessen α setzt man
als Kürze an, es spricht aber alles dafür, dass es lang ist und beide
Formen sich nicht anders zu einander verhalten wie die derselben
Wurzel entstammenden att. ^αχ{α und iun. ^ηχ(η Brandung di. das
Schlagen, Schmettern der Meereswogen. Ausserhalb des Griechischen
erscheint die Wurzel ^αχ in slav. razu 'Schlag*, raziti 'schlagen mit ζ =s
,idg. gh (s. Έ. Liden, Ein baltisch-slavisches Anlautgesetz. Göteborgs
Högskolas Ärsskrift 1899 IV S. 25). — Wer das Wort in der Homer-
stelle, wie es durchweg geschieht, mit stampfen übersetzt, und durch
ποα ςκαίροντ€ς näher ausführen läset, der macht m. E. den so vor-
trefflich beschreibenden Dichter zu einem schlechten Stilisten. Da
die Füsse 572 genannt sind, so bleiben für ^ής€οντ€ς άμαρτί) nur
die Hände. Die Korbe haben die Winzer auf dem Rücken. — Anders
ist es bei Apoll. Rhod. 1, 536 fif., der ausdrücklich πέδον ^ήα€ΐν
κραιπνοΪ€ΐ rtöbeccx sagt.
^ J. Grimm, Rechtsalterthümer^ 395.
^ Der 'Pfeiff'er' ist der Musikant mit beliebigem Instrument, da-
her 'pfeifen' = aufspielen.
Ländliches Leben bei Homer und im deatschen Mittelalter 307
des Dienstes zu mildern nnd den Müden am Abend den Heim-
weg zu kürzen. Wie fröblicb ziebn unsre Soldaten selbst naeb
anstrengendem Marsch einher, wenn die Mnsik einsetzt. Weiter
gehen die Anordnungen eines Weisthums von Lindscheid im Taunus
aus dem 17. Jahrhundert^: "die iunckern sollen ein pfeyfer Jutben,
der den schnitto-n pfeyfe, und wann die sonne noch baums hoch
stehet, so sollen sie dantzen, bis es nacht wird, und soll ihnen kost
geben, die da gut und gesund sey und auch trinken, das da gut
und gesund sey, das niemand darvon schwach oder ungesund werde.^
In einem Weisthum von Schönfels ^ (Luxemburg, Mersch) aus dem
Jahre 1682 heisst es im §11: Es seyn auch dieseJbige Bollinger^
schuldig in obgemelter wies oder brüll* fünf meder zu stellen, une
auch fünf persohnen zu hausten, den welchen niederen und haiw
steren der herr den kosten^ wie denen zu Schanfels schuldig ist.
Und wan die frönder^ denselben brühl oder wies zu Morsch''
hausten oder uffheben^, ist der meyer^ zu Schönfels schuldig ein
sackpfeiffer oder sonst ein pfeiffer dahin z^ stellen,
dem der herr zu Schönfels die kosten zu geben Schuldig. Ab-
gesehen von dem Pfeifer wird jedem auch die Analogie der
zweiten homerischen Scene mit ihren Mähern und Garbenbindern
auffallen.
Die bemerkenswerthen Uebereinstimmungen, die nach dem
Vorstehenden zwischen den ländlichen Zuständen des griechischen
und deutschen Mittelalters obwalten, werden geeignet sein, das
Yerständniss der Homerstellen zu fordern. Es ist schon von
andern hervorgehoben worden, dass das Königthum mit seinen
beiden Hauptbefugnissen, der Rechtsprechung und Heerführung,
darin nicht vorkommt. Das Recht wird vor einem Schiedsrichter,
dem Wisser icxujp ^® 501 und den γέροντες gesucht, dem Heer
schreiten Ares und Athene voran. Wenn daher V. 556 der
βαοιλεύς erwähnt wird, der auf den Stab gestützt still vergnügt
1 Lamprecht Westd. Zeitschr. 8, 194. Grimm, Weisthümer IV
S. 576 § 5. Bücher, Arbeit und Rhythmus^ p. 289.
2 Hardt, Luxemburger Weisthümer p. 671.
^ Die Bauern von Rollingen bei Mersch.
^ brüll, unten brühl, ist eine sumpfige Wiese, ein Bruch.
^ Die Kost, die Speise.
® Frohnpflichtige Bauern, Hörige. ' Mersch in Luxemburg.
8 η/Ριώβη = aufladen. ® Der meyer ist der Guts Verwalter.
^^ Im deutschen Mittelalter heissen die Rechtskundigen viri pru-
dentes. Unser WeiMhum ist mit tcTUjp gleichen Namens.
308 Sicboarg
am £niteeegeii eioh weidet, so wird dae der adlige Grundherr
sein. ^ Der Titel des Herreohers (ΡάναΕ, βασιλεύς) geht auf alle
Adligen über, welche im Rath sitzen oder ein Amt bekleiden^'.
'Wie kleine Könige sitzen die Groeegrundbesitzer anf ihrem Hof'.
Jene Auffassung findet eine Stütze in den Analogieen unserer
Weisthttmer. Der βααλεύς entspricht dem Herrn, dem Janker.
Man braucht sich nicht zu wundern, dass er in der ersten und
dritten Soene fehlt und nur bei der £mte auftritt. Auch das
Essen, Trinken und Singen hat der Dichter auf die drei Scenen
yertheilt. Es wird uns eine grosse Gutswirthschaft in den ver-
schiedensten Stadien vorgeführt : dem βαοιλεύς gehört das Pflug-
land so gut, wie das Getreidefeld und der Weingarten; Herden und
Weide fehlen nicht (C 572—589). Auch auf die Vertreter der
arbeitenden Klasse fällt durch unsre Weisthümer Licht. Diese
scheiden sich bei Homer deutlich in zwei Gruppen. Zu der einen
gehören die Pflüger (542 άροτήρ€ς), Mäher (551 ; Λ 67 άμητήρες),
Garbenbin(^r (554 άμαλλοΟ€τήρ€ς) mit den Knaben, .die Mäd-
chen und Jünglinge im Weingarten (567 παρθενικά! και ήΐθεοι).
Die andere Gruppe bilden der Schenk (546), die κήρυκες (Frohn-
boten) und γυναίκες, die für das Essen sorgen (558 ff.), un4 der
Knabe, der spielt und singt, der Pfeifer (569). Diese letzteren
alle, die keine Feldarbeit verrichten, sondern die Menschen be-
dienen, sind wohl das Ingesinde des Herrenhauses, die ομαιες,
Enechte und Mägde ^. Die eigentlichen Feldarbeiter heissen 550
ίριθοι. Ueber die Etymologie des Wortes theilt mir F. Solmsen
freundlichst Folgendes mit: £-ρϊθ-ος ^Arbeiter, Lobnarbeiter' zo
aind. rädh-ycUi ^ macht fertig, bringt zu stände, gewinnt', rädh-
ayati * bringt zu stände, befriedigt'; avest. rää-aiti ^ macht zu-
recht ; serbisch räd * Arbeit' rad-iti 'arbeiten*. Das έ ist pro-
thetisch, wie fast alle ursprünglich mit r- anlautenden Wörter
einen protbetischen Vokal entwickelt haben, das Τ neben dem ü
der andern Sprachen erklärt sich aus alten Ablautverbaltnissen.
Vgl. aeol. ττώνω zu gemeingr. ττίνω*.'
Die so gewonnene Bedeutung 'Arbeiter berechtigt uns
m. £. unter den ίριθοι 550, 560, wenn auch das Wort zunächst
1 E. Meyer, GdA. II 379. Er meint, der Dichter des Schildes
werde schwerlich nach dem 8. Jahrb. gelebt haben.
« Ebend. p. 307.
^ π 140 Laertes μβτά δμώων έπΙ οίκψ irtvc καΐ ήςθ*.
^ Bezzenberger ßezz. Beitr. 4, 327. Wackernagel, Altind. Gramm.
1, 105.
Ländliofaes Leben bei Homer und im deatschen Mittelalter 309
nar von den Mähern und Bindern gebraucht wird, alle jene Feld-
arbeiter zu veretehen, aleo auch die Pflüger und Winzer. Die
ganze Situation und die Analogie unsrer Weisthümer erlauben
uns aber wohl noch etwas weiter zu gehen. Eretlioh sind da-
runter eicher nicht die freien Bauern eines Dorfes zu verstehen,
die etwa auf der gemeinsamen Feldilur ackern. Dagegen spricht,
wie schon Poehlmann ^ hervorhebt, der βααλ€ύς in der zweiten
iScene, der sich als tüchtiger Gutsbesitzer selbst um die Wirth-
schaft kümmert und das ίργα έποπτβύειν, έπΙ ίργα Ibeiv ausübt,
das der Dichter von Laertes rühmt ^. Die ίριθοι sind auch nicht
mit den θήτες^ identisch, den Knechten, die sich ohne eignes
Haus gegen Kost, Kleider und Schuhe auf bestimmte Zeit ver-
dingen^. Selbst ein 'armer Mann', ein δκληρος άνήρ, φ μή βίοτος
πολύς €Ϊη^ nimmt solche in Dienst, sie werden mit den ομώες
auf gleiche Stufe gestellt^, sie nennt Achill in der Unterwelt,
wenn er dem Odysseus das elendeste Los auf Erden bezeichnen
will 7. Gegen jene Identi^irnng spricht die ganze Art der Be-
handlung der Arbeiter sowie die Scheidung von» dem Ingesinde.
Am ersten möchte ich die fptOoi vergleichen mit dem annmannj
dem frönder unsrer Weisthümer, den hörigen Bauern, die von
ihrem Grundherrn Haus und Land zu Lehen erhalten gegen ge-
wisse Abgaben und die Verpflichtung zur Frohnarbeit an be-
stimmten Tagen. Wenn Lamprecht vom 14. und 15. Jahrh. sagt,
dass der Druck der Grundherrschaft noch nicht allzustark auf den
Schultern der Unterthanen gelastet habe, so lässt sich das Gleiche
wohl von den so lebensfrisch geschilderten patriarchalischen Zu-
ständen bei Homer vemuthen.
Noch ein kurzes Wort über die Veranstaltungen für Er-
quickung und Vergnügen in den homerischen Scenen. Hentze^
meint, es handle sich bei dem Mahl um eine besonders festliche
Bewirthung nach Abschluss der Arbeit, und auch bei der Pflüge-
scene habe der Dichter den Moment gewählt, wo die Arbeit theil-
weise beendet sei. Das ist nicht richtig. Die reichliche Bewirthung
während der ganzen Dauer des Frohndienstes bildet, wie dargelegt
1 aaO. p. 125. 3 π 140, 144.
* Ebenso urtheilt Hentze aaO. p. 508.
^ c 356 fif. bilden οΐτος έτ^ι^τανος, €Τματα und υποδήματα den Lohn.
» λ 489 ff.
^ b 644: θήτές τε δμώές τε, wo das vorgehende έοΐ αύτοΟ, die
'eignen', zu beachten ist.
' λ 489 ff. β aaO. p. 504, 506, 507.
310 Siebourg Ländliches Leben bei Homer usw.
wurde, den Entgelt, den der Grandherr zu zahlen hat: das sind
'die Kosten*. Weil man femer in jenen homerischen Bildern des
täglichen Lebens den Cult vermisst hat, will Reichel diesen
wiederfinden in der Zurüstnng des Mahles nnd bei der Weinlese.
In jenem ^ sieht er das Opfer eines Kindes und der Erstlinge
der neu gewonnenen Mehlfrncht nach glücklicher Ernte. Selbst
die Eiche Σ 558, die nach i 328 τ 297 Ε 693 Η 60 dem
Zens heilig sei, ist ihm nicht zufällig. Diese Auffassung hält
gleichfalls gegenüber den erwähnten Darlegungen über Mie
Kosten' nicht Stand. In der Winzerscene soll es sich gar um
einen Theil des natursymbolischen Dramas der Linosklage han-
deln, deren Feier in Griechenland uralt sei. Freilich von einem
'trunkenen Weinleeefest' mit einem Vorsänger, der *mit gellender
Stimme' begabt ist und von 'Tanz und Gejodel' ist hier nicht
die Rede, aber auch nicht, wie Reichel will, von Mem gemes-
senen Chortanz, der immer religiöse Grundlage hat und von der
feierlichen Phorminx begleitet wird. Reichel tibersetzt V. 570—
572 so: *der ^abe sang dazu schön den Linos mit gedämpfter
Stimme. Ihn begleiteten die andern, im Takte einfallend, mit
Gesang und Gestöhn und indem sie mit den Füssen stampften.
Ein Vergleich mit meiner Paraphrase S. 305 u. macht die verschie-
denen Irrthümer in dieser Uebertragung klar. Der Dichter sagt
so deutlich wie nur möglich, welche Scene er sich dargestellt
denkt, nicht Fest noch Tanz ^. Die Winzer und Winzerinnen
tragen (568 φίρον) ihre Körbe heim; wie der Pfeifer von
Menchingen den Wiesenarbeitern bei der Heimkehr aufspielt, so
verkürzt hier Spielen, Singen und Juchzen den Weg^; als richtiges
junges Volk, dem die Musik in die Beine fährt, legen die Leute
ihn mehr hüpfend als gehend zurück, im Vorgenuss des später
sicher folgenden Tanzes.
Bonn. M. Siebourg.
1 Homerische Waffen ^ p. 154. ^ jbij^ p, 155.
3 Bücher, Arbeit und Rhythmus ^ p. 360 übersetzt: 'Jene aber
folgen im Tanzschritt, alle zugleich mit den Füssen stampfend, unter
Gesang und Jauchzen*. Hier ist mir nicht klar, ob ^ήοοοντες άμαρτ)
oder €κα{ροντ€ς ' im Tanzschritt' heissen soll, was beides nicht anginge.
πό6€€€ΐ kann auch nicht mit ^ήοςοντες vesbunden werden. Bücher meintf
in dieser Scene gingen Arbeit und Cultus unmerklich ineinander über»
weil auch er einen Tanz darin findet.
* C 572 ίποντο sie gingen daher, nicht άμ* Ιποντο, noch αότφ-
mSCELLEN
Ad libellmn πβρί Οψους
Pag. 4, 10 (ed. Jabn-Vahlen) codex Parisinas b einsque
»melius Vaticanue a — nam ab iis in bac libelli seotione auxi-
im petendum est, cum in Parisino Ρ duo exciderint folia —
:hibent μοι bOKUJ, quod vitio laborare inde a temporibns Tollii,
imi buius particulae editorie, usque ad nostram aetatem miro
odo omnes consentiunt viri docti. Plerique, quae lenissima vi-
)tur eese medela, oum Toi Ho μοι bOK€i in textn reponebant,
[>engeliu8 έμοι οοκεΐ exprimendum curayit Quod autem con-
lit vir de rbetoribus Graecis unus omnium optima meritns lo-
im cap. 12, 4 (p. 24, 20) petitum ou κατ' &\\a bi τίνα ή
ιΟτα, έμοι boKCi, φίλτατε Τερεντιανί, eo exemplo non neces-
.rio efficitur ut nostro loco eandem formam έμοι revooemus, onm
'aesertim alibi etiam μοι boKCi in usum converterit scriptor, cf.
15, 2; 26, 15. Inde verisimillimum est auctorem libelH for-
ie μοι et έμοι promiscue usum esse. Hammerus, qui post Leon-
irdi Spengeli mortem alteram curayit rbetonim Graecorum
litionem (Lips. 1894), fortasse legendum censuit μοι boK€iv.
ilis modi iufinitivos absolutos, qui diountur, oompluries adbibet
riptor, veluti p. 9, 20. 24, 8. 68, 6. At equidem maximopere
ireor, ne nimis oonfidenter et praepropere illam elooutionem
temptaverint et inconsulte vocaverint in dubitationem editores.
am formula μοι bOKUJ ut confusione quadam verbi personaHs
»και et locutionis impersonalis boκεΐ μοι facile explicatar,
i idoneis fideque dignis defenditur testimoniis. Velat in Pla-
nis Tbeage p. 121 d traditur boKUJ γάρ μοι ταιν ήλικιωτών τι-
ς αύτου καΐ bημoτώv εΙς το δστυ καταβαίνοντες κτλ., ubi
dex Clarkianus Β et Venetus Τ bOKUJ γάρ μοι exbibent, quod
m Stepbano editores in boκεΐ mutabant; porro Lyncens apad
ihenaenm IV 3 p. 129 a έπεισβάλλουσιν αύλητpίbες καΐ μου-
ιυργοι και σαμβυκίστριαί τίνες 'Pobiai, έμοΙ μέν γυμναί boKU),
ιήν ίλεγόν τίνες κτλ. ubi Meineke nulla necessitate ίμοϊ boκεΐv
imutari iuRsit. Praeterea idem inveni apud Strabonem X p. 452
τιυνόμασαν Λευκάbα| έπώνυμον, boKiIi μοι, του Λευκάτα.
militer in Xenoph. Cyrup. V 4, 37 και σύ τ' δν έμοί, ώς γ'
οΙ bOKUJ, πάνυ χρήσιμος ειης — ne id quidem intemptatum
yirie doctis, cum Dindorfius potius boκεΐ pro boKUj ponendum
tumaverit. Denique cf. Plotini £nn. I 6, 8 ώς πού τις μύθος,
»κώ μοι, αινίττεται. Quorum locorum alins alium d^ic^xidxi ^^
312 Misoellen
tuetnr. Quodsi viri docti memores foissent unas ei corrigeretnr
locus, ceteroB quoqne corrigendoR esse, abetinuissent certe a con-
iectnris et explicationem verborani circnmepexissent.
Qnae cum ita eint, μοι boKui integram esse lectionem etatno.
Kiliae. Gaetavue Wörpel.
Vir boniis dieendi peritns
Das Wort des alten Cato vom Redner, das nächst dem nn*
vergleicblichen rem tene, verba sequentur mit Recht zn den ge-
priesensten seiner körnigen Dicta gehört, ist trotz seiner Be-
rühmtheit neuerdings verschiedenen Missverständnissen ausgesetzt
gewesen.
Zunächst hat 0. Ribbeck in seiner Geschichte der Römi-
schen Dichtung I S. 15 sich sowohl hinsichtlich des Ursprungs
als der Bedeutung des Wortes geirrt, indem er es dem c<trmen
de moribus zuwies, statt den praecepta ad filium, und indem er
übersetzte ^ein guter Mann, Sohn Marcus, ist des Wortes mächtig *|
während vielmehr eine Definition vorliegt, nach welcher der
orator ein vir bonus dieendi peritus ist. Obwohl er ausdrücklich
auf das Versehen aufmerksam gemacht war, hat er doch beide
Irrthümer in der zweiten Auflage festgehalten, ja den ersteren
in einer der wenigen Anmerkungen (S. 350 zu S. 15) auch auf den
Unterzeichneten übertragen, der an den Titel Oraclum^ auf aller-
dings unzureichender Grundlage, für die praecepta, nicht für das
Carmen^ gedacht hatte. In seinem Aufsatz über Cato, mit dem
er 1861 das Neue Schweizerische Museum eröfl^nete, hatte Ribbeok
selbst in beiden Beziehungen das Richtige gegeben. Man braucht
auch nur die testimonia bei Jordan p. 80 anzusehen, um sich
von der einfachen Wahrheit zu überzeugen : es kommt aber noch
hinzu die satirische Umkehr des Wortes durch Herennius Senecio
bei Plinius (die Jordan p. XI nachgetragen hat): und auch die
Parallele aus dem Abschnitt de agri cultura Vir bonus, Marce
Uli, colendi peritus, cuius ferramenta splendent' zeigt trotz
des dort in dem einzigen Zeugniss fehlenden 'agricola est' (oder
ähnlich) durch den Wortlaut deutlichst, dass es sich nur um
eine Definition handeln kann.
Nun hat aber weiter L. Radermacher in dieser Zeitsohrift
LIV (1899) S. 286 fi^. den Nachweis versucht und mit grosser
Zuversicht als geführt betrachtet, dass unsere Definition gar nicht
catonisch, sondern stoisch, von Cato dem Diogenes von Babylon
nachgesprochen sei: und diese Meinung ist von Schanz 'Geschichte
der Rom. Litteratur* II 2^ (1901) 8.857 angenommen und ver-
breitet worden ^.
^ Schanz nennt dafür noch von Arnim, ^Das Leben und die
Werke des Die von Prusa'S. 91. Von dieser Stelle ist allerdings jener
Aufsatz von Radermacher ausfjfegangen und er citirt sie am Anfang
und Schluss S. 28G und 292. Allein gerade die von Schanz henror-
MitcelleD 313
Wenn man bei Radermacber S. 291 die Worte liest: 'Dies
ist nicbt Catos Lebre — wolier eollte dem Alten der Gedanke
gekommen sein, das Moraliscbe so scharf zu betonen?*, so tränt
man freilich seinen Augen kaum: denn was lag dem Manne näher
und mehr am Herzen als das Moralische, der nicbt nicht nur im
Jahre 184, sondern sein ganzes Leben lang die nota censoria,
gerade in sittlicher Kicbtung, handhabte, bei jeder Gelegenheit
Moral predigte und gerade deshalb als Censorius typisch wurde?
Und nun will Radermacher gar behaupten, jenen Gedanken habe
er erst Mm Jahre 164\ also zwanzig Jahre nach seiner Gensur,
'aus dem eigenen Munde des Diogenes vernommen' bei Gelegen-
heit der berühmten Philosopbengesandtsobaft in Rom.
Zudem hat Radermacher sogar der Wendung das eigentlich
Moralische vorher halb genommen, da er sich• die Berechtigung
vindicirt *den vir bonus Quintilians im πολίτης αγαθός des Dio-
genes wiederzuerkennen . Nun können wir aber zunächst diese
Berechtigung keineswegs zugestehen. Für Cato nicht — denn
da genügt zur Widerlegung ein Vergleich der oben angeführten
Parallelstelle vom Landmann, der doch gewiss nicht als πολιτικός
όνηρ ' colendi peritus' ist: und die Annahme, dass etwa der gute
Gato den eigentlichen Sinn missverstanden und die Formel fälsch-
lich übertragen hätte, würde zwar in manchen neueren Behaup-
tungen manche Analogie finden: aber ungereimt bliebe sie doch.
Allein auch für Quintilian fällt jene Berechtigung fort: denn die
speoiell stoische Ansicht berührt dieser, mit ausdrücklicher Be-
zugnahme auf die philosopbi' (von denen er ja einmal I 1, 9
gerade den Diogenes citirt) in den Worten I prooem. § 10 'neque
enim hoc concesserim, rationem rectae bonestaeque vitae, ut qui-
flam putaverunt, ad philosophos relegandam, cum vir ille vere
civilis et publicarum privatarumque rerum administrationi ac-
commodatus, qui regere consiliis urbes, fundare legibus, emendare
iudiciis possit, non alius sit profecto quam orator . Da-
gegen die vorhergehenden Worte § 9 Oratorem autem insti-
tnimus illum perfectum, qui esse nisi vir bonus non po-
test* betonen eben jenen catonischen Satz, den Quintilian so gut
(XII 1, 1) wie der ältere Seneca, der jüngere Pliniüs und Andere
mit Stolz und Emphase dem Cato zuspricht, dessen rein morali-
schen Sinn er in verschiedenen Partien seines Lehrbuchs deutlich
kennzeichnet — und den dennoch Quintilian auch als diogenia-
nisch gekannt und schon in dem von ihm ausdrücklich heran-
gezogenen stoischen Traktat gefunden, also wohl nur aus Patrio-
tismus für catonisch erklärt haben soll.
Nun aber erst der angeblich historische Beweis, jenes 'merk-
würdige Zusammentreffen , das, wie Radermacher trumpfend be-
merkt, 'die Kette schliessen soll . Hätte Cato seine praecepta
gehobene und gebilligte, von uns bekämpfte Annahme findet sich nicht
bei Arnim, sondern nur der richtige, ja von Quintilian selbst ausge-
sprochene Theil der Behauptung.
314 Misoellen
erst nach dem von Eadermacher angegebenen Jahre 164 verfaest,
80 wäre dieser Katecbismus an den etwa dreiesigj ährigen Sohn
Marcus gerichtet gewesen. Setzen wir gar das wirkliche Jahr
jener Philoeophengesandtsohaft ein, die nach der Tradition erat
9 Jahre später stattfand, so wären diese Belehrungen höchstens
2—3 Jahre, bevor der Sohn als praetor designatus und aner-
kannter Jurist starb, an ihre Adresse gelangt. Der Adressat
wird aber wohl eher das Alter gehabt haben, in dem Ciceros
Sohn Marcus stand, da der Vater an ihn den Katechismus de
partitione oratoria richtete (Hirzel ' der Dialog * 1 S. 493, 4), als
das, in dem dieser die Schrift de officiis empfing. Keinesfalls
aber kann er so alt gewesen sein, wie Radermachers Annahme
nöthig macht. Das historifiche Argument schliesst also keines-
wegs die Kette, sondern erleuchtet lediglich, dass wir es mit einer
lookern Papierkette zu thun haben, die beim leisesten Windstose
zerreisst und zerflattert.
Wir haben aber diese ganze Deduction auch deshalb ein-
gehender bekämpft, weil sie noch allgemeiner charakteristisch ist
als ein Auswuchs jener ^trivialen, aber noch nicht trivial ge-
wordenen Wahrheit', die heute wieder so laut gepredigt wird,
die aber nicht selten mehr in ihren Auswüchsen als in ihrem ge-
sunden Kerne neu ist.
Heidelberg. Fritz Scholl.
Vir bonns dieendi peritne
Es ist mir weiter nicht betrübend, zu sehen, wie hier mit
starken Worten eine Deduction erschlagen wird, die ich bei Ge-
legenheit einer Untersuchung über Quellen des Quintilian gemacht
hatte, die zweifellos verkehrt und historisch ganz unberechtigt
ist. Nur eine kurze Bemerkung möchte ich mir erlauben. Dass
Diogenes von B. ein Philosoph war, weiss ich sehr wohl, und
die citirten Worte des Quintilian habe ich gelesen. Bei ihm
steht auch noch folgendes (Π 15, 34): Hinc eins substantiae
maxime conveniet finitio rhetoricen esse bene dieendi scienitam.
Nam et orationis omnes virtutes semel complectitur et protintts
mores etiam oratoris, cum bene dicere non possit nisi bonus. Idem
valet Chrysippi finis ille ductus a Cleanthe. Die Definition *rhe-
toricen esse bene dieendi scientiam' ist nach Sextus Empiricus
(προς Ρήτορας 6) stoisch; Chrysippus und Cleanthes, die oben
bestätigend den Reigen beschliessen, sind Stoiker; den Stoikern
war die Beredsamkeit virfus (Cic. de orat. § 159). Wenn auf
Grund dieser Sachlage jemand zur Ansicht kommt, die Definition
'orator est vir bonus dieendi peritus' könne wohl stoisch gewesen
sein, 80 ist das ein leicht verzeihlicher 'Irrtbum* ; im übrigen
kommt für die Frage der Qnintilianquellen nicht in Betracht, ob
in diesem Falle Cato dem Diogenes gefolgt ist, was ich länget
nicht mehr geglaubt habe, oder eigne Weisheit geprägt hat.
Bonn. L. Radermacher.
Miscellen 315
Bdotisches
Unter den Inschriften von Akraiphiai entdeckte Hr. Perdrizet
und veröffentlichte im Bulletin de corresp. hellonique XXIV
1900 p. 7(> ff. ein IGzeiliges stilvolles Epigramm des dritten
Jahrh. anf einen General, der böotisohes Kriegsvolk gegen des
Könige unzählbare Mannen geführt und in der Schlacht nach
18 maliger Charge seiner Reiterei den Tod gefunden. Das Ge-
dicht schliesst mit dem Appell an die jüngere Generation:
άλλα, νέοι, γίν€σθ€ κατά κλέος ώΟ€ μαχηταί,
J)b' αγαθοί ττατέρων ΑΙΣΤΕΑ [^]υ[ό]μ€νοι.
Der verdiente Herausgeber erläutert den Schluss durch die Worte
^ maintenez intact Thonneur qui a valu ä vos p^res d'gtre chantes
par les po^tes und bemerkt, dass (jicTT^a, dies Verbale schon
bei Aristophanes und Pia ton vorkomme. Und ein so ausgezeich-
neter Gelehrter wie Hr. Homolle (ebenda p. 177) findet hierin
nur das Wort λυόμενοι unbefriedigend, man erwarte vielmehr
etwas wie αύΗόμενοι, *pour augmenter les gloiree k chanter*.
Gestehe ich es nur: als altmodischer Philologe, der sich an den
kleinen Buttmann oder Herrmann oder auch keinen Mann, aber
an die Sache der Grammatik hält, war ich versucht dem böoti-
schen Dichter zuzurufen, was der Alkide dem Martial 'graece
numquid' ait 'poeta, nescis? Aber sollte nicht doch der Dichter
unschuldig sein an diesem auch für keinen Arsinoiten glaublichen
Griechisch? Denn gut und schön hätte er gesagt, ja musste er
sagen πατέρων ά(ΤΤ€α λυόμενοι» und hat der Steinmetz wirklich
das Iota, jenen Buchstaben mehr eingegraben, dann κατακλίνειν
αυτόν εΙς 'Ασκληπιού κράτιστόν έστιν, wo er die richtige Be-
handlung erfahren wird durch den weltbekannt gewordenen
Αισκλαπός.
Etwas böotisch muthet mich auch ein andres, freilich in und
für Milet auf einen milesischen General gemachtes Epigramm an
in der dankenswerthen ersten Publication durch Hrn. Wiegand in
den Sitzungsberichten der Berliner Akademie 1901 I p. 905.
Wenn ein paar Accente dem Auge misfallen oder das Verstand-
niss nicht erleichtern, sondern erschweren — so der Gesandte
€ΐς βασιλείας, nämlich der gegen Könige freimüthig aufgetreten
— das mochte zu Lobecks und Lehrs' Zeiten des Aufhebens werth
sein ; heute ist es fast gewöhnlich, und wer weiss sich so fehler-
frei, dass er splitterrichten möchte? Aber der dritte Vers jenes
Epigramms, dessen Metrik ist für Auge und Ohr, selbst ein
Βοιώτιον ους, wehethuend. Er lautet:
Κρήτη μέν στεφάνωι σε, Αίχα, και θησέος άστη
πάτρια νησαίη τ' έστεφε bia * Ρόδος.
συνςίοε Νηλείόαισιν όμαιχμία* πρώτος Ιώνων
έστησας Κρητών φύλλ' άναλεΕάμενος.
Man fragt, warum nicht συνά bk Νηλείοαισιν όμαίχμια πρώτος
κτλ.? der Sinn verlangt ferner φΟλ' ά. was vielleicht auf dem
Stein ohne Elision geschrieben oder gar in ΦΥΛΛ verschiieb^ti
die Miscellen
nnd daDD misveretanden die ganze Yerballhornung nne bescheert
hat — wenigetene finde ich keine sanftere Antwort auf das
Warum. Atticaeter.
Zu lateinischen Insebriften
I. Die Votivinsclirift an die Victoria, welche in Supinum
vicus (dem heutigen Trasaeco) am Fucinersee gefunden wurde,
CIL. I 183 (vgl. p. 555) = IX 3849, bietet ein noch ungelöstee
Räthsel. Der Wortlaut steht fest: Vccos Sttp{i)n{as)^ \ Victorie
SEINQ I dono dedct \ lubs mereto \ queistores | Sa{lvio) Magio
St(ati) f. I Pac(io) Anaiedio Si(ati f,)^. Deutungsversuche sind
nur wenige gemacht worden. * Seinq, quid signifioet ignoratur*
bemerkt Mommsen in der späteren Publikation und verweist auf
seine Anmerkung zu CIL. I 183: ^cum in lapide pro qnaestore
queistor sit, seinq fortasse cognatione coniunctum est Oum Sancus
sanqualisque vocabulis . Auch Schneider (Exempla nr. 84) denkt
an einen Gott: ' fortasse Sewo(wi)'. Wegen der Abkürzung scheint
mir ein Göttername ausgeschlossen, und auch an einen — etwa
topischen — Beinamen der Victoria. zu denken hält schwer. Ich
vermuthe, dass Signum das zu suchende Wort ist, wodurch ein
korrekter epigraphischer Text gewonnen würde, dass also SEINQ
für SEIGN steht. Für die Schreibung mit EI genügt ein Hin-
weis auf die alte Inschrift vom Nemus Dianae CIL. XIV 4270
PoubUlia Turpilia Cn. uaor hoce seignum pro Cn. filiod Dianai
doftum dedit. Belege für das vor g eingeschobene η anzuführen,
ist kaum nöthig. Schuohardt Vulgärlatein I p. 113 ff. giebt eine
Beihe von Beispielen, unter denen aber einige inschriftliche zu
streichen sind. Grut. 37, 13 singno (womit auch noch Vanicek
Etym. Wörterbuch« p. 291 operirt) erledigt sich durch CIL. HI
5876; ebenso unrichtig ist sing, bei Grut. 54, 8 (= CIL. III 5877)
und 42, 4 (CIL. VI 367*, Ligorianische Fälschung, sing, bei Grut.
Druckfehler). Dagegen liesseri sich, um von den zahlreichen
handschriftlichen Beispielen abzusehen, anführen singnifer (CIL. VI
3637), dingnissime (CIL• X\Y 13S6\ ingnes {CIL. S121), congnatus
(öfter in CIL. X) *. Schwierigkeiten bereitet nur das Q. Ob
man sich dafür auf die Schreibung eqo — eco (ego) berufen darf,
sei dahingestellt^. Ebenso bedenklich bleibt die Annahme eines
Steinmetzversehens, obwohl es nicht ausser dem Bereich der Mög-
lichkeit liegt, dass Q irrthümlich für G eingehauen ist. Eber
^ Vgl. die analoge Dedikation des Aninus veeus CIL. IX 3813.
^ Das Facsimile bei Ritschi PLME tab. 98 D ist nach einem Ab-
klatsch gefertigt. Mommsen bat den Stein revidirt und festgestellt,
dass am Schluss kein F gestanden hat.
^ Das zweimalige ingnowiniae in der Lex lulia muuicipalis (Zeile
120. 121) hält Schuohardt für etymologische Schreibung, was auch für
congnatus gelten könnte.
* CIL. XV ()159 eqo FvHfios (dazu die Anmerkung von Dressel).
X 8336, 1 eqo K(ae8o) Anctios. XV 6122 eco C. Antonios. Die Lesung
Magolnia (Schneider ur. 41 b) ist ganz dubiös (CIL. XIV 4113).
Miscellen 31?
Hesse es sich anf etymologischem Grande erklären. Wie dig-nus
von dec'ßt, so sig^num von sequ- ^^sagen' (Virum mihi Camena
insece versntum ' usw. Vanicek p. 290 f. Stolz Histor. Grramm.
p. 135. 357). Trifft das zu, so wäre SEIQN die etymologische
Schreibung ohne die phonetische Ausgleichung, 'S£INQ auf jeden
Fall ein Wechselbalg zwischen Sprech- und Schreibweise vagirend,
was aber vielleicht für alte und locale Aufzeichnung non ultra
fidem' (Bücheier).
U. In der Ephemeris epigr. VIII p. 155 nr. 624 ist die
in Segni gefundene, von Gatti (Bull. d. Inst. 1883 p. 190) ko-
pirte Votivinschrift an die Bona dea durch eine verfehlte Con-
jectur entstellt worden. Gegen Gattis Abschrift : Aurunceia Sp(uri)
J\ilia) Acte mag{isira) Bone deae tunicas duas et päUiolum rasas
caleinas [galhinas verlangte Mommsen wegen der galbina rasa
Juvenals] ei lucerna aeria d{ono) d{edit) lässt sich nichts ein-
wenden, wie bereits Bücheier (Fleckeisens Jahrb. 1886 Bd. 133
p. 113) hervorgehoben hat, trotz der Schreibung caleinas, welcher
auf der Inschrift vom Nemisee CIL. XIV 2215 die bei den La-
teinern üblichere callainam gegenübersteht (vestem siricam pur-
puream et callainam) j die auch bei Martial XIV 139 {callainwi)
überliefert ist (vgl. Plin. n. h. 37, 110 u. a. m.).
III. Unter den von Wünsch im Rhein. Mus. 1900 be-
sprochenen ^ neuen Fluchtafeln' befindet sich auch (p. 239 nr. 8)
das Bleitäfelchen aus der Nekropole von Cales, von dem Mancini
in den Atti d. R. Accad. di Napoli XII 2 Taf. III ein Facsimile
veröffentlicht hat. Wünsch hat die £^lblikation in der Ephem.
epigr. yill p. 135 nr. 529 übersehen und damit auch die von
Bücheler gegebene Erklärung, gegen die sich Stichhaltiges nicht
einwenden lässt.
IV. Die interessante, von Schulten im Hermes XXXII
p. 273 ff. ausführlich besprochene PapyrusArkunde über eine
emptio pneri aus dem Jahre 166 lehrt uns, dass die Trieren der
Misenatischen Flotte Tigris^ Liber pater, Virttis, Salus, Prom-
dentia zu einem Flottendetachement^ gehörten, welches den
Winter 165/166 im Hafen von Seleucia Fieriae verbrachte: eine
Sendung, die offenbar mit den kriegerischen Ereignissen der
Jahre 162 — 166 zusammenhängt (Mommsen R. G. Υ ρ. 406). Die
genannten Soldaten (darunter ein bucinatör principalis, vgl. den
cornicen duplicarius ex c^^eüii^en. CIL. X 3416) scheinen ander-
weitig nicht bekannt zu sein, bis auf einen, den suboptio von
der Triere Salus C. Arruntius Valens, der zum optio auf der Li-
burne Nereis avancirt sein kann. Sind die Persönlichkeiten iden-
tisch, so wären die Inschriften CIL. X 3464a und 3469 annähernd
datirt.
y. Die von einem unerfahrenen Steinmetzen eingemeisselte
Inschrift aus Athen CIL. III 6541a = Dessau 2224 lautet N.
^ actum Seleuciae Pieriae in castris in hibernis vexilkUionis clas.
pr, Misenatium. 'Yexillatio classis' auch CIL. VI 1638.
318 Miscellen
Granonius Ν. /. CAI | Illlvir \ domo Luceria centu\rio Comelei
Spin[t]eri \ lecio(ne) XIJX et Cn, Pompei \ Mac(ni) lecione secunda.
In CAI yermuthet Mommsen das Cognomen (^Ca(ult4s?\ da anch
der Beiname des Pompeias mit den drei ersten Buchetaben ab-
gekürzt wiedergegeben eei. Das Alter der Inschrift und die Ana-
logie anderer Inechriften (Dessau 2231 — 2235 ua.) scheint eher
für das Fehlen eines Cognomens zu sprechen, so dass in CAI die
Tribus zu suchen wäre. Dass es nicht die Gal{eria) sein kann,
hat Mommsen bereits angemerkt ; Luceria gehört zur Claudia (CIL.
IX p. 74), und es liegt nahe, dass CAI für CLA verhauen ist.
Halle a. d. S. M. I h m.
Die Reitercentarien des Tarqninins Priscus
Da Marquardt Rom. Staatsverwaltung II 312, Anm. 6 mit
Recht die corrupte Graniusstelle p. 4 ed. Bonn, herangezogen hat,
so ist der Wortlaut genauer festzustellen: de equitibus non omit'
lam, quos Tarquinius Ynultiplicavit{coa,etw2iQOVTl?AClPlÄT)
(Jia\ ut priores (im Gegensatze zu den Eanwes secundi etc.)
inos equos in proelium ducerent.
unrecht dagegen geschieht dem Florus, welcher I 6, 2 ge-
schrieben haben soll: sencUus maiestatem numero ampliavit et cen-
turiis tribus auocU (^equites^^ qtiatetms Ättius Nevius numerum
augeri proh^bώat. Hier ist (^equites^ Ergänzung von Pighiue,
während umgekehrt centuriis Interpolation zu dem falsch ver-
standenen tribus ist. Bekanntlich wollte der König die drei Tri-
bus vermehren, wahrscheinlich auf 6, während der Augur nur
gestattete die Zahl der Yollbürger in den einzelnen Tribne zo
erhöhen. Dies reiht sich besser an die Erweiterung des Senates,
als die Notiz über die Reiter.
Unbestreitbar* aber schrieb Florus nur, was der Leser nach
seinen eigenen Angaben über die ältere Heeresverfassung ver-
stehen konnte. Nun schreibt aber Florus I 1, 15 von Romulus:
iuventus dtpisa per tribus in equis et in armis (Reiterei und
Fussvolk) ad subita belli excubarei^ consUium rei p. penes senes
esset, qui . . , ob aetatem senatus vocabantur. Diese von Ro-
mulus errichteten Tribus wollte Tarquinius vermehren, durfte
aber nur die Etatstärke erhöhen.
München. Ed. Wölfflin.
Za den etmskiecheB Monatsnamen und Zahlwörtern
Ich erlaube mir einige Einwendungen zu der Darstellung
von Skutsch (Rhein. Mus. 56, 638) über die Identität von etr.
acale und celi mit lat. etr. Aclus (Juni) und Celius (September)
und zu den von ihm daraus gezogenen Folgerungen über den
Werth der in den Mumienbinden zu acaL• und celi beigegebeneo
Zahlwörter auszusprechen, in der Hoffnung, dass Skutsch selbst
dieselben gleich zu lösen vermöge und seine Entdeckung ydrk'^
Miscellen 319
lieh zu einem ^bio Rhodus hie salta' für die Deutung des Etruski-
sohen werde. — Beide von Skutsch citirten Stellen der Mumien-
binden echeinen mir nämlich unzertrennlich von mehreren anderen,
die ich selbst eben darum schon Saggi e Appunti intorno alT isc.
etr. della Mummia p. 165 f. zusammen behandelt habe. £s sind
überhaupt folgende, die fast alle, wie jene beiden, im Anfange
neuer Abschnitte stehn:
VIII 1 Qucte. cis\ s'aris\ wobei zu erinnern, dass s'ar (zu
dem saris sich verhält wie eis zu dem bekannten Zahlwort et)
als Zahlwort durch die Vergleichung von Fabretti Suppl. 318
tameta. sar-venas mit das. 332 iamera. eela[r]'v[ena]s und Fab.
2100*• ** tamera, eelar-velnjas und noch dazu mit Bull. Inst. 1881. 91
lulr^venas und Fab. 71 ank{ar)'venes nachgewiesen (Saggi 34),
da augenscheinlich s'ar sich zu dem bekannten Zahlwort s'a ver-
hält wie eelar zu gal; vgl. jetzt auch camp. etr. Rh. Mus. 55. 3
Z. 7 mar. zac (wie Mumienb. X 3 marem. ζαγ) zu ma^ und zal.
Nun, wenn die ganz ähnlich gebaute Stelle VI 14 celi. huQis\
zaQrumis' nach Skutsch etwa *am 20 + χ des Monats Celius\
wenn VIII 3 eslem. zaQrumis'. acale 'am 22. des Aclus', wenn
endlich Fab. P. Suppl. 388 max zaQmm '21* bedeuten, was für
ein Datum irgend eines Monats Qucte können die Zahlwörter eis'
s'aris bezeugen? Vielleicht etwa zB. 'am 5. [und] 6.* (vgl. hier
unten zu X 17 u. X 2—3)?
VI 9 za^rumsne, lusas\ was man vielleicht nach Skutsohs
Vermuthung etwa am 20. irgend eines Monats Lusa' deuten
könnte. Aber kein mögliches Monatsdatum mit Anwendung der-
selben Voraussetzungen geben mir:
IX γ 2 dem. ceälxus. lau%umneiL und X1 12 eslem» ce(ü\us\
etnam. sowohl
XI 17 Qunem. [.cialxus. et]nam. %χ, esletn. ci^XHs\ \ vanäl,
wo zwei Gruppen von Zahlwörtern durch die copulative Partikel
*X (vgl. Saggi 220 f.) vereinigt sind; in der That, da cialxus'
ceaixus dem mit ei sicher zusammenhängen, da nicht d sondern
max auch für Skutsch 'eins bedeutet, da zal zaQrum seiner Mei-
nung nach 'zwei und zwanzig*, so kann man den Zahlwörtern
dem cealxus, eslem cealxus, Tunern dalxiAS nur einen grösseren
Werth als ' zwei und dreissig* zuschreiben. £benso :
ΧΠ 10 Oi<n€m daixus. masn^ womit wenn nicht, wenigstens
dem äusseren Scheine nach, ein neuer Abschnitt, doch immer eine
neue Zeile beginnt;
X 2 — 3 cus. peQereni. dem. cealxuz. capeni \ marem, ζαχ, wo
wahrscheinlich, wie oben XI 17 zwei Zahlgruppen zusammenstehn,
da wie peQereni zu capeni passt, so marem ζαχ (vgl. ob. VIII 1
eis' saris') zu dem cealxuz ^ und desto mehr, als wie schon be-
merkt, marem an max und ζαχ an zal erinnern. Endlich
XI 14 — 16 cntnam. Qesan. fler. veives. Qezeri \ etnam. ais[fia]»
esa ίχ. huQis'. zaQrumis \\ flerxve trlin] neQuml, wo das Monats-
...
datum dasselbe ist wie bei celi (VI 14), aber der Bau ganz ver-
320 Miccllcn
schieden und der Monatsname entweder verschieden oder fehlend.
— Ueberhaupt scheint mir merkwürdig, dass von den nean Ma-
mienstellen, w(t das Wort celi vorkommt (Saggi 79 f.), es nur
in einer einzigen, dh. eben der von Skutsch benutzten (VI 14)^
in Verbindung steht mit Zahlen, dagegen in den acht anderen hat
man meistens celi SuQ (IV 14. 21 — 22. V 10. IX 18) und gerade
suianas celi swG (V 15 — IG) oder celi, erc, suQce (V 17), einmal
celi für (XI 3), und einmal celi-peti (XI 2), womit jetzt zu ver-
• • •
gleichen camp. etr. Z. 8. 28 prici-pen neben 13 price-lu-tüU•
Dagegen gleichfalls in dieser camp. etr. Urkunde Z. 25 Oji-acal,
26 Qu. sii, eei, acar (vgl. 24 xem-iai. sti. ζαΐΥ; also wabrsobeinlich
in beiden Stellen entweder Qu acal oder Qu acar ; ist aber Qu aeaU
vorzuziehen, so hätte man hier zweimal acal nach dem Zahlwort
Qu wie in den Mumienb. VIII 3 acale nach den Zahlwörtern eslem
zaQrumis*.
Zuletzt sei mir im Hinblick auf Skutschs freundliches Ge•
ständniss (Anm. 2), dass ich richtig in Fab. P. Suppi. 388 die
Lesung zilc ti purts'vavc ti immer vorgezogen habe, gestattet za^
bemerken, dass ich aber nicht in jenem Texte das Amt * ohne
Zahlangabe' erwähnt, sondern gerade in ti die Zahlangabe zu er-
kennen glaubte, was jetzt durch folgende Stellen mir immer mehr
begründet zu sein scheint, in denen die Wörter tii (vgl. mt mü^
ni nii, Qi QU, ri rii^ acri acrii^ puia puiia) und tei (vgl. % ei^ m
eifif is eiSj iser eiser^ marci marceiy Qa\8*in Qa^sein) als Zahl-
wörter erscheinen:
Not. d. Scavi 1896. 15 mit Rendic. Ist. Lomb. 1896. IIOS
— 1104 [s]ißmtinas. se{Qre), s'ieQres) \ \sv\alc[e r]%L tii^ vgl. Fab.
2124 ril IV mit 2275 rü IUI, Fab. S. Suppl. 119 avil IUI
mit 116 avils huQs usw.
Mum. XI γ 3 est. tei, vgl. X 21 esi-c. ci. halxea. Qu. esi-c.
zai; X Τ '^ ^^^• l^ncii vgl. X 22 zac. lena (Rendic. Ist. Lomb.
1900. 1383 if.). Da bis j^zt nie neben Amtstiteln etr. Zahlan-
gaben in Zififern, sondern nur in Worten vorkamen, so scheint
mir ti nach zilc purts'vavc ganz passend, und nicht verschieden
wäre meiner Meinung nach das t(f) in Fab. 2100 eisnevc, eprQneve.
t-macsirevc. t-m ezn\vak, da macstrev-c gewiss mit
lat. magister etwas zu schaffen hat.
Mailand. Elia Lattee.
Zu 8. 183 ff. Ein übersehenes Zcugniss, der LVII. Kanon des
Coucilium Trullanum von 692: "Οτι ού χρή έν τοΙς θυσιαατηρίοις μ^ι
καΐ γάλα προσφέρβσθαι (vgl. S. 186 Anm. 38), vermag an den Auf-
stellungen S. 187 und 190 f. nichts zu ändern. Möglicher Weise war
das Verbot gegen die Aegyptische Kirche gerichtet. U.
Verantwortlicher lledacteur: L. Radermacher in Bonn.
(19. März 1902.)
Verlag von Wilhelm Violet in Dresden.
Wie studiert man Philologie?
Eine Hodegetik für Jünger dieser Wissenschaft
Ton
Wilhelm Freiud.
Fünfte, Yermehrte und Yerbe3serte Auflage,
geh. 1 M. 50 Pf. — geb. 2 M.
I n'.h a 1 1 : I. Name, Betriff and Umfang der Philologie. — II. Die einzelnen
Disciplincn der Philologie. — III. Vertheilnn^ der Arbeit des Philo*
logie-Studirenden auf 6 Semester. — IV. Die Bibliothek des Philologie«
Stodirenden. ^ V. Die Meister der philolog. Wissenschaft in alter und
neuer Zeit. — VI. Die gegenwärtigen Lehrer der klassischen Philologie
an den Hochschulen.
Trienniiun philologicum
oder
0-i"undz;tkgre dex* philologr• ΛνίβββηβοΙίΑίΙβχι»
ftlr Jüiifi:er der Philologie
zur Wiederholung und SelbstprUfung
bearbeitet von
WUhelm Freund.
Zweite verbesserte und yermehrte Auflage.
Heft 1, Preis 1 M., ist zur .Ansicht durch alle Buchhandlungen z«
beziehen, vollständige Prospectc mit Inhaltsangabe gratis und franco.
i# Kritische Sichtung des Stoffes, systematische Eintheiiuug und Qruppirung
desselben, durchgängige Angabe der betr. Litteratur, endlich stete Hinweisung
auf die in den einzelnen Gebieten noch nicht genügend aufgehellten Partien
sind die leitenden Grundsätze bei der Ausarbeitung dieses ausschliesslich für
Jünger der Philologie zum Kepertorium und Bepetitorium bestimmten
Werkes.
m Jede der 6 Semester-Abtheilungen kostet 4 M. — geb. 5 M. —
and kann auch einzeln bezogen werden.
ι
Ν
\
Inhalt des zweiten Heftes.
Sefto
Milch aud Honig. Von H. U s e η e r , 177
De fragmentiü scriptornm apnd Nonium servatis. Scripsit
W. M. Lindsay 196
Hellenistische Studien. I. Von G.Knaack 205
Die Epochen in Varros Werk De gente popnli Romani. Von
HermannPeter ; 231
Zn der Inschrift der Aphaia auf Aegina. Von A. F α r t -
wängler 252
Legionen des Orient auf Grund der Notitia dignitatuui.
Von K. Mangold 259
TvtfXoq ariJQ. Von CarlFries 265
Ucber eine Scene des euripideischen Orestes. Von L.
Badermacher 278
Herknlanenslsche Brnchstüche einer Geschichte des Sokrates
and seiner Schale. Von Wilhelm Crünert. . 285 j
Ländliches Leben bei Homer und im deutschen Mittelalter.
Von M. S i e b ο u r g 301
Miscellen.
Ad libellum η^ρϊ ΰνΌυς, Scripsjt G. Wörpel 311
Vir bonus diceudi peritus Von F. S c h ö 1 1 312
Vir bonus dicendi peritus. Von L. Radermacher . . 314
Böotisches. Von Atticaster 315
Zu lateinischen Ins^ebriftcn. Von M. I h m 316
l)ie Keitercenturien des Tarquluius Prii^cus. Von E.
AVölfflin 318
Zu d(>n (>t.ruskischen Monatsnamen und Zahlwörtern. Von E.
L :i t n• s 318
/u >. λΚ) it. Von H. IJsener 320
1
u I» v«.ii Λπμ Wtii-S••! ii.ii.i'.rt ;i. M.
Rheinisches Museum
tt••
ur
HILOLOGIE.
nt»riiusir«*irflHMi
*^ •
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Franz Buecheier und Hermann Usener.
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CONIECTANEA
Ι In Horati carmiiie I 2 Tiberis Iliae se iactat axorins
amnis. adnotat Porphyrio p. 6, 12 Hold. Ilia aucfore Ennio in
amnem Tiberim iussu Amidn regis Albanoruth praecipitcUa antea
enim Anieni matrimonio iuncta est. aique hie loquitur qua^i Tiberi
potius nupserit. quibus in verbie antea enim nunc delentnr qnaei
deformata ex Anienis nomine et male iterata. at praeetare mihi
videtnr baec ratio nt qnaeratnr in litteris Ulis quod transitnm a
Tiberi ad Anienem, ab altero ad alternm flumen faciliorem red-
dat ant explicet. atque buiuR modi nnptiarum praedicari etiam
loca 8olent, έν προχοής ποταμού παρελέίατο, Pharsalum coeufd,
similia. vide igitar, Enniana ne haec fuerit memoria : in amnem
Tiberim . . . praecipitcUa Antemnis Anieni matrimonio iuncta est,
nam Antemnae dictae qmd ante amnis^ qua Anio influit in Tt-
berim^ ut Varro scripsit L.L. V 29, ante amnem, ut Serviue Aen.
Vn 631.
II In declinando nomine quod est Minos Oraeoi Latinique
sibi non conetiterunt: eatie est Homeri memoraeee vereum ή τέκε
μοι Μίνιυα και όντίθεον Ταοάμανθυν, in quo Μίνιυα Nauckiue
edidit ex Syriaco codice, at Aristopbanes et Arietarchus Mivuiv
T€ κα\ ά., vel Prisciani dicta VI 70 p. 255 H. in Ciri poemate
casus aocusativns bis legitur, in versu 132 et 367, illic a Lach-
manno restitutus sie ni Scylla ... ο nimium cupidis Minoa in^
hiasset oceUis, et tamen vir idem ibidem ubi ' sie scribendum
edixit (Lucreti p. 162) luculenter ostendit quam rarum fuerit et
minime acceptum poetis latinis' hoc synaloepbes genus in quo
prioris yooabuli paenultima littera esset vocalis longa, enumeravit
exempla quae cum omnino pauca sunt tum maximam partem a
Giris versa ea re distant, quod tres quae sibi succedunt yocalee
spondei meneuram implent (Bacchea ad beUd, Phoebea insignia),
in Ciri autem ad trochaeum redaotae sunt, itaque cum pro Mi-
noie nomine Codices si non praebeant, num dubitabimus restituere
IMieili. Miu. f. Phllol. N. F. LYU. 21
d2i b\xeche\et
qnod et mutatu faoilins est et incnndins anditn, Minon ifihiässet7
in versa 367 nulla fertur codicum discrepantia, coneentinnt omnee
in generum Minoa aucforibus extis iwigere, verum tarnen niei
falßa eftt de 132 mea opinio, hinc qnoque tolli oportet molestam
elieionem scribendo Minov, iinitatnr in multis Catullum is qui
Cirim composuit, in hoc receseißRe videtur a Catiillo qni fecerat
ad Minoa venit sedesqne superbas,
Ciris versuR 15fi h. noviRRimi editoreR ita expreRRerunt nt
doctas argutiaR eoe plane non intellexieee crednR, etiam Thilo et
Ellis quibuRcnm hoc mihi convenit nt nnllam prorRUR in librorum
scriptura litteram immutem. narrat poeta quomodo Scylla lunoniR
iras eibi concitarit, narrat et minute nt Alexandrini et implica*
tius quam clarius ut rüdes poetae, concludit si retinuisset gra-
dum puella, non futurum fuisse ut impura aram tangeret cnlpam-
que contraheret periurii, deinde subicit
etsi quis nocuisse tibi periuria credat?
causa pia est: timuit fratri te osfendere luno.
hon eRt : re vera tarnen non ob periurium Inno te punivit sed ut
zelotypa. etsi oratoria illa est coniunctio qua adnectitnr enun-
tiatum contrarium diversumve, pariter ac quamquam quid loquor ?
Scylla nutrici nil amat hie animus inquit quod opmiet amariy
in quo falsa tarnen Meat piefatis imago versu 262. 'melius quod
par Sit aman Lach mann us (Lucr. p. 58) non tam verbi oportet
vilitate oifensne, ut arbitror, quam modorum vicibus indicativi et
coniunotivi. quas primarii Augusteae aetatis poetae non admise-
rnnt, ne Ovidius quidem si nnum et alterum, utique paucissima
Ponticon exempla excipimus, in carmina induxit pronus ad gram-
maticam licentiam Propertius (qui Maecenati dicit ferar in partes
ipse fuisse tuas^ iocatus videlicet in avitum nomen Propartim),
pro viril i parte frequentissime adhibuit Aetnae scriptor non dis-
similis ei qui Cirim oecinit, nam philosophiae et poetioae studiis
uterque deditus in hac quidem plus memoriae quam ingenii prae-
stitit nobisque fniges non satis eventilatas tribuit. itaque in his
poematis scabritias stribliginesque sermonis atque expositionis, si
codicum auctoritas suppetit et analogia non deficit, conservandas
potius quam abolendas censeo. velut in Giri 312 interpolatnm
secuti librnm Laeti edunt Iiaec tum nobis gravia atque indigna
fnere, tum* mea atumna, tui cum spes integra maneret^ et vax
ista meas non4um molaverat aures: in archetypo autem erat nee
vox ista meas nondum v. α. , vere opinor, ut negativae dune
significatum negativum Intendant et conOrment, quemadmoduro
Coniectandä d^d
volgns loqni eolet neque Yarronem loqui in carmine puduit (Bi-
marco τρόπους qui non modo ignorasse me clamaf, sed omnino
omnis heroas negat nescisse), et in versa 383 poeta expreesurue
sententiam bipertitam hanc: nutrix eocia fit alamnae, cum quod
snccarrere volt amanti, tum quod revehi in patriam cupit, priue
quidera membrum a cum purticula exorditur, in posteriore autem
ad eara sie respondet non minus illa tarnen, revehi quod eqs. sed
baec bactenus : fortasse alias revertar ad Cirim, si quid mihi di-
cendnm restat post eam quam modo accepi a Leone Gottingae
publicatam commentationem amplissimam.
Scyllae metamorpbosin non praeteriit Ovidius, cuius narratio
ex fabula multo vetustiore derivata esse videtur quam unde Ver-
gilianum Carmen fluxit, ideo potissimum quod nullae apud Ovi-
dium sunt partes nutricis. baud paulum commotus sum, cum qnae
verba Ovidius Scyllae dat met. VIII 73 ignavis precibus Fortuna
rcjmgnat^ sit licet sententia minime insolita, verba tamen ad-
modum congruere videbam cum versu Sopbocleo fr. 374 ουκ f(TTi
τοις μή bpujai σύμμαχος Τύχη. hie sumptus fertur ex Minoe.
III Ocriculani in tbermis biemalibus duos fratres qui eas
restanraverunt änno 341 statuis marmoreis et compluribus titulis
bonoraverunt, quorum unus bic est CIL, XI 4095: provocati
temporis beafitudinem dd. impp. Constant[i et Constantis] Au*
gustorumque nn. volumijtatem thermarum hiemcUium Sex. Gluvms
Martinus et M, Caesolius Saturninus omnibus honoribus functi
de sua pecunia ordini seu civibus Ocricolanis ad meliorem ptdcri-
tudinem pro civica adfectione ctim augmento operi novi exercientes
adsicnaverunt et dedicaverunt. apparet dictumque est a Bormanno
non nibil pecoatum esse in ortbograpbia, velut incidi oportuit
provocati temporis beatitudine sine m, cum augmento operis novi
cum s finali, gravius tamen Vitium nullum inest, nam ad exer'
cientes quod adnotatum legimns in CIL. %lebuisse scribi excientes
conicit Hirscbfeld\ fefellit viros doctissimos verbum vetus et
rarum de quo Bentleius disputavit ad Terenti baut. I 1, 91
sumptum exercirent suom. hoc exercire ortum ab sarciendo apte
reparationis significat operam et a novis accessionibus distinguit.
et cum durässe Terentianum verbum in aevum Constantini haec
inscriptio ostendat, etiam mens mihi error reprehendendus est
qui exarturum abiudicare quondam volnerim a Q. Cicerone comm.
pet. 45 pag. 55. ceterum praeter exercire exsarcire tum etiam
alterum usurpabatnr exercire quod esset exercere, ut in giossis
^4 Boechelef
palaegtra lUn aÜüetiU se eaereiunt (lY 548, 1 Goetx.), qoa enim
coniagatione exciunt et excitus, ambiunt et ambiius copolantar,
eadem volgas ad eaercitus similesqae hoic formas satis Iritas
ifttam qooque eaereiunt adstmere coeperat.
Rescriptom imp. Conetantini Aog. et Caesarnm quo civitati
Hinpello concesfternnt nt urbR Flavia Constane vocaretar, com
Hiepellatee publice incidendtim cnrarent CIL. XI 5265, qQadra-
tarias mnltiB modifi corrnpit. velut hoc nonc fertnr eins prin-
cipirnn: omnia quidem quae humani gcneris soeietate iuentur, per-
vigilium curae cogilatione conplecfiinur^ scd provisiütitim tiofifrarum
opus tnaximns est ut universae urbes, quas in lum'mihus provin-
darum hac regionum omnium species et forma distinguitur, non
modo dignitate pristinam teneant, sed etiam ad meJiorem siaiuln
bcneficentiae nosfrae munere probeanfur. cum igiittr ifn vos Tusciae
adsererefis esse coniunctos eqs. Bormannus adnotat 'debnit eftse
fere pervigilium curarum vel pervigili curae ', tum opus mcurimum,
tom disfUiguit poefulat. primnm illnd non pnto neceeearinra, etsi
Severus in edicto de ludis saecnlaribne aliiqne pervigilem cnram
iactarunt, licet enim diremptis eyllabiR efTerre per vigilium curae
et iiitei pretari quasi άγρυττνοϋντβς ύπό φροντίδων, qnia vigilium
Varro dixit pro vigiliis et ipsae cnrae a Latinis vigilantefl vel
vigilaceR audinnt. tum opus maaimum comprobare non dubito,
haeRitavi quidem parumper propter terminationem adiectivi an
praeferrem provisionum nostrarum scopus maaimus esty quod vo-
cabulnm graecum latinitati accessit aevo Conetantini, eed hnic
nomini adiectivum ipsum minue videtur convenire. at distifiguit
rursufi non dnbito repudiare ut quo nitor eententiae ab impera-
tore expreRsae plane fuecetur: quem in humana forma ocali, eum
in provinciis urbes clariores locum tenent : sequitur ut emendemue
urbesj quarum lumlnibus provinciarum ac regionum omnium species
et forma distinguiiur, quoniam tabulam marmoream Henzenue
et Bormannufl snis ooulis inspexernnt atque ille litteris magnis
et Ratifl pnlcrie iuRcriptam narrat, hoc quarum in tabula ipaa in-
ventnm iri non audeo Rperare, Rculptorem igitur prave legendo
aut alia quacumque re transverflum actum credo mutasRe in quasin,
de proheantur autem similiter ac supra de eaereiunt dioendum
est: duplex eignificatu hie ex novicia pronuntiatione idem valet
quod provehantur, apud vetercR erat aut poterat esse prohi-
beantur.
Rrratum eRt in transcribendo et explicando titnio Tuficano
CIL. XI 5717: L. Gresio L. f. Ouf. Proculo IUI vir o) muni-
Coniectanea 325
cip{e$) et incolae merentij (luod inier cetera tempore mag%st{ralu8)
sui in kariiate olei civib(us) suis quattus libr. pr. p. et epul(um)
dedit, nam aucture Mümmseno Bormannas qtAat\ernas\ libr{(i8)
poeait et cum dubitationie eignis adiunxit pr(ppria) p{ecania)y
recte ille diffidens, nam sua pecania verbum erat huias rei pro-
prioiD, laudoque virum integre clareque teetatum ^qnattwi certom
e8t\ eicut ego olim cum de quattus disserebam in archio lex.
I p. 102 ex Tufico adlatum hoc exemplum ignoravi, ita non
miror ei etiam nunc sunt qui nimis infreqaene vocabulom igno-
rent. repeto Carmen epigr. Pompeianum (meae sylloges 931)
assibus hie bibitur^ dipundium si dederis meliora bibes, quattua si
dederis cina Fcderna bibies), unde videant, niei per ee liqueat,
quattuor asses eo verbo denotari. et pretiam olei, non numernm
libraram in Gresi elogio definiri oportoit, poetqnam Caritas olei,
nou penuria aut inopia memorata est, sicnt CIL. XI 6117 Porö-
sem prunienses Maesi liufi merita praedicant quod annona hara
frument(i) deiiario modium praestitU vel Plinius nat. h. XV 2
popnlo Romano M. Seium aedilem per totum annom olei denas
libras singulis assibas praestitisse tradit, eundem aedilem qui
in caritute asse modium populo dedit (Gic. de off. II 58). Gresins
civibus quattus, nisi fallor, Ubrae pro poriione dedit, id est libra
olei si venibat ^aere quaterno*, gratis ut staret Tuficanis fecit,
si assibus octo, ut dimidio pretio, simiiiaque ratione eadem. unde
iilo tempore solitam esse heminam olei constare colligas quattussis.
Asisii fuit neque iam apparet titulus sepulcraiis hie CIL. XI
5440; M. Pettio M, l Primigenio, paedagogo M. Petti Severi ot
Peftiat'um Procules et Seoeres, Mietnesetus patri pientissimo. sub-
scriptum est in Corpore * MIEMESETVS omues, quod nomeu
fuerit nescio". AN EM ES ET VS opinor, cuius nominis exemplum
Rt»manum iam in Tbesauro 1. lat. consignatum habes. ipsa cor-
ruptela iidem apograpbis tantum non firmat.
Pitinates Pisaurenses patrono nescimus cui CIL. XI 6035
statuam et tabulam aeream incisam littcris obfulerinU quae non
solum presentium meri[toru\m beneficia obtestcntur^ sed et preteri-
[torum . . .] ouaniur insignia. vidit lapidem et descripsit Bor-
mannns supplevitque in extremo versu rcnovantur insignia, ne
0 quidem Integra superest sed adfecta forma, subetituemus elo-
quantur,
Sentini collegium fabrum kal. luliis anni 260 convenit et
quinquennales eorum rettulerunt CIL. XI 5748 versibus 6 ss.
semper et in praeteritum ita splendidissimum n^utnerum) n{pstrum) \
326 Buecheler
conisum esse ut adfcciiotte splendoris stii in singulos I qtiosquae
condignos merentes exibeant, vd maxime | in honore adque digniiate
Memmiae Yictoriae quon\dam indoles mumoriae femine, matria nu-
meri nostri^ \ proorsus usquaeque esse provectum nomen damus \
etiiSf ut per ordinem generis sui omnes in numerum niostrum) |
patroni in collegium nostrum appcUarentur, opt(m\daque erant tU
omnes universisqme incolumes in Γ numerum nostrum videreniur,
et quoniam vir spien \didus Coretius Fuscus patronus numeri de-
heat ex\emplo pietatis parentium et' mcUris honorificientia, \ itaque
si Omnibus videretur, tabula aeream ei offerri. iam aes titulie or-
natum Fnsoo per legatos sedeoim offerri decernitur. manifeeta
Rermonie vitia alia ei adeignabimue qui rettolit scribendamve ta-
balam curavit — velat debuit dicere ant omnes in numero nostro
patroni appellarentur ant omnes patroni in collegio nostro app,,
Dunc ί)ΐς ταύτόν ήμϊν €Ϊπ€ Μαρτιάλιος — alia opifici aerario,
qui paennltimam sententiam proreue mutilayit praetermisso negli-
genter in v. 16 tali verbo quoniam Fuscus patronus numeri \nostri
demerert) debeat eaemplo eqs. haec vitia sordesque vel eunt iam
expurgata vel esse faciamae: quid est autem Memmia Victoria
quondam indoles memoriae femina? Bormannus dubitat indoles
utrum supereit ex longiore oratione an incieum eit pro inl^ustris),
quod proposuit Mommeen . in illud fortasse eo incidit quod quon-
dam et memoriae inter ee parum apte copulari credebat, et re
vera Victoria quondam indelebilis memoriae femina, ut hoc utar
exemplo, vix potuit appellari. sed quäle Mommsenus sumpeit
epitheton, tali interiecto committi ieta adgregarique potuisse non
negaverim, orationem per ee nnllo egere additamento contendo.
non ergo agnoHcemue indolis memoriae feminam, id est memoriae
dolorem ex gravi desiderio luctuque moventis? certe qui eolus hoc
vocabulum tradidisee videtur Peeudopbiloxenus sie interpretatus
est ifidolis επίπονος σπουδαίος (glose. lat. VI p. 566 Goetz.),
ut originem ei non illam quam άοόλψ sedtdo^ sed eandem cum
verbo indolesco fuisse putem. atque tum cum mulier mortua hoc
modo praedicata est, volgue coepisse etiam simpliciter dolum pro
dolore vocare notum est.
IV Cicero ad Atticum XIII 25 extr. haec scribit de epi-
etula ad Varronem praeposita Academicis poeterioribue: sed^ quaeso,
epistula mea ad Varronem vcddene tibi placuit? mcde mi sU si
umquam quicquam tarn enitar ergo at ego ne Tironi quidem dictavi,
qui iotas περιοχός persequi sclet^ sed Spintharo syUabatim, cor-
(^'ODiectanea 327
ruptoram verboruni viiu ao sententiam qui olim haec commentati
sant Muretum Boeium Graevium maxima ex parte adsecntos esse
arbitror, emeodatio vero neqae illis bene cessit neque adbac,
quantum ex Mnelleri editione et Scbichii relationibus cogoovi,
propoeita est idonea. miratar Cicero amico eaam ad Varronem
epistulam perplacnisse, adfirmat so non multnm laboris aut operae
in eam impendisee, opponit cnr placaerit causam hanc, quod sua
ipsios faerint verba omnia, nibil a librario intervereom aut inter-
mixtam. latinas graecie litterie ut permutemus snadeo ad hanc
modum: male mi sü si umquatn guicquam tarn έν ΤΤαρέργψ. at
ego — ista enim tritiseima erat looutio, Cioeroni quoque fami-
liarie (ad Q. 111 9, 3), reticentia autem in re aperta, concitata
voce minime ingrata eet.
V 'Άντ€μνα και Κρουστομίρ€ΐα Dionyeius Hai. ecribit,
Antemnaque prisco Orustutnio prior Silius graece vel poetice, nam
latine vouabantur Anfctnnae, boc unum exemplum adesto varie-
tatie centiens ueurpatae. oliln in praefatione Petronü dixi habi*
tarn esse cenam Trimalcionis in praedio eine Cuniano, Camas ta-
rnen illam coloniam non fuisae de qua convivae confabularentur
eo argumento, quod quaei rem raritate notabilem Trimalcio in
cap. 48 pronuntiat tiam Sthyllam quidem Cumis ego ipse octdis
meis vidi in ampulla pendere eqs. uberiue de loco cenae poetea
disputarunt alii qui in Cumas convenire cetera omnia recte ata-
tuerunt, argumentum autem quod contra protuleram band proba-
biliter ita elevarunt, ut in ieto enuntiato Cumis verbum quasi
interpolatum delerent. immo enim, quoniam ubi Trimalcio 8ibyllam
vidit ibi di bominesque graece loquebantur, quoniam in Aeiam
noR revocat teetie unicue qui praeter Trimalcionem miraculum
illud narrat, Sibyliam pendentem in cavea non ampullacea qui-
dem sed tamen rotunda ferrea (Ampeliue 8, 16), quoniam ^eniqne
in Asia Trimalcio puer vixit (cap. 75), Κύμην necesse est intel-
legi την της ΑιολΛος, non την έτεραν Ιταλίας, illam sane lit-
terati bomines qui bietoriae vel cborograpbian tradunt, etiam latine
Cymen ecribere solent difcriminis diligentiacque causa, sed vere
latinum vocabulum Cumas fuisee, accommodatum populo nescienti
graecam litteram et declinationem ideoque non alienum a Tri-
malcionis sermone, optime ut mibi videtur declarat alterna vice
ή Καμπανις Κύμη Cumae nominata a Latinis.
Bonnae. F. Bueobeler.
DIE BERLINER BRÜCHSTÜECKE DER
SAPPHO
Die Kunde, daes es dem Directorialaseistenten an den Kö-
niglichen Museen in Berlin Herrn Dr. W. Schubart gelungen sei
in den Papyrusbeetänden der ägyptischen Abtheilung neue Reste
der Sappho und des Alkaios zu entdecken, hatte freudige Er-
wartung bei allen denen erregt, die insbesondere die einzige
Dichterin im Herzen beschlossen tragen. Nun liegen diese Reste
in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie vom 20. Fe-
bruar 1902 (S. 195 ff.) allgemein zugänglich vor, und wir haben
dem glücklichen Finder und seinem unermüdlichen Helfer v. Wi-
lamowitz für die mühevolle Arbeit zu danken, die sie mit der
Entzifferung des schwer lesbaren und der Herstellung des viel
fach verderbten Textes geleistet haben. Es sind von Sappho
auf drei aneinander anstossenden Fetzen einer Pergamenthand-
schrift, die der Herausgeber auf Grund der Schriftzüge dem 6.
oder eher noch dem 7. Jh. n. Chr. zuweisen möchte, drei oben
und unten unvollständige, auch sonst noch in der Mitte oder am
Rande mehr oder minder stark verstümmelte Columnen mit drei
verschiedenen Gedichten, die sich durch ihre Versmaese als dem
fünften Buche angehörig erweisen. Bei Alkaios handelt es sich
um ein Papyrusstück aus dem 1. oder spätestens 2. Jahrhundert
n. Chr. ; was von der Schrift erhalten geblieben ist, sind so
schmale Streifen zweier Columnen, dass wir über die Lesung
einzelner Wörter nicht hinaus kommen, zu einem Erfassen des
Sinnes des Ganzen nicht vordringen können. Es gewährt einen
schwachen Ersatz, dass an der linken Seite der zweiten Spalte
ein Scholion so gut wie vollständig lesbar ist, das uns eine bis-
her unbekannte Thatsache aus dem Leben des Dichtere und
Parteimannes erzählt: er habe mit seinen Anhängern, deren Zahl»
wie es scheint, auf zwanzig (κ) angegeben wird, einen Anschlag
Die Berliner Bruchstücke der Sappho 329
aaf Myrsilos geplant; dieser sei aber ruchbar geworden, und eie
hätten sich dem Strafgericht durch die Flucht nach Pyrrha —
diesen Namen ergänzt v. Wilamowitz überzeugend aus ΤΤυρ[. .]v
— entzogen, eine Flucht, die als die erste bezeichnet wird.
£s wird den LeHcrn dieser Zeitschrift erwünscht sein Ge-
naueres über den Inhalt des neuen Fundes zu erfahren. Ich setze
daher zunächst die Theile der beiden ersten sapphischen Gedichte,
die eine fortlaufende Lesung erlauben, in der Fassung her, die
ihnen von Sch(ubart) und v. W(ilÄmowitz) gegeben ist, soweit
ich nicht von dieser abweichen zu sollen glaube; wo sie sich
von dem überlieferten entfernt, füge ich in der Adnotatio ohn*
weitere Kennzeichnung die handschriftliche Lesart bei. Vom
dritten Gedicht ist so wenig erhalten, dass wir auch hier zu
keiner irgendwie zusammenhängenden Vorstellung von peinem
Inhalt gelangen können.
I
τεθνάκην b' άοόλιυς θίλω*.
ά με ψισοομένα κατελίμπανεν
2 πόλλο και τόο' έέvLvεπεv•]
»ώιμ' ώς οεϊνο πεπ[όνθα]μ€ν,
6 Ψάπφ', ή μάν σ' άέκοισ' άπυλιμπάνω.«
3 τάν Ö' έγώ τάο' άμειβόμαν
»χαίροισ' ίρχεο κδμεθεν
μέμνασθ', οΤσθα γαρ ώς σε πεοήπομεν.
4 αΐ bi μη, άλλα θέων θέλω
10 δμμνασαι [....] λ[. .]ψεαι,
ιθ[. . ] κο\ κάλ' έπάσχομεν.
5 π[όλλοις γαρ στεφά]νοις ϊων
και βρ[ό5ων . . .]κίων τύλοις
και . [ ] παρ' έμοι παρεθήκαο
6 16 και π[όλλαις ύπο]θύμι5ας
πλέκ[ταις όμφ' ά]πάλαι οέραι
ανθέων έρ[άτων] πεποημέναις
7 κα\ πόλλαις . [. . . .]ς μύρω
βρενθείω β[ασιληί]ω
2 κατελιππανβν 7 καμοθεν 8 μεμναισθ* 9 θέων OeÄvSch
10 ομναισαι όμμναΐσ*, αϊ[ς άπυ]λ[€ί]ψ€αι Seh 13 τυλλοι 14 πάρε-
• • • •
θηκας 15/16 = Fragm. 46 Β* 17 πεποημμβναις vgl. κάλημμιΒΒ.
1, Vi. νόημμα 14. φίλημμι 70 und zur Erklärung Unters ζ. gr. Laut-
u. Verel, 165 f Anm. 18 πολαις 19 = Fragm. 49 B.*
WM) Solin sen
•jKi (:iuXiii|iUO Κ . L• • •
Η Ku\ (Ττρώμνίαις . . .
diTuXttv παρ|. .
ίΙΙης noOtl. , .
firXtf ό . . [. . .
\{\ ούκ Αλσος [. . .
i5 ώς π .[. . .] . ιυομεν^ [....]....
ύί θέαι ικέλαν άρι-
5 γνώτο läibe μάλιστ* ίχαινε μόλπα.
;•ί VÖV bi Λύοαισιν ένπρίπεται γυναί-
κ€σσιν ώς ποτ' οελίω
ούντος ά βροοοοάκτυλος σελάννα
Ι πάντα περρεχοισ' δστρα, φάος b' έπί-
ΐϋ σχει θάλασσαν έπ' άλμύραν
ϊσιυς και πολυανθέμοις άρούραις,
Λ ά b' έίρσα κάλα κέχυται, τεθά-
λαισι bi ßpoba κδπαλα
θρύσκα και μελίλωτος όvθεμώbης.
ίί 15 πόλλα bi ίαφίγγεος άγάναι δπι
μνάσθεισ' "Ατθώος, ιμέριυι
λέπταν τοι φρένα Kapbia βάληται.
Fuigeti noch Ueberbleibeel einer Strophe.
4 θέας θέαισ' Seh uach W 5 σεδεμαλιστ' 8 μήνα, σελάννα
durch das Metrum gefordert und von Seh mit Recht eingesetzt 9
περεχοισ 12 αδερσα 13 λεισι καπαλαι 15 2[αφογγαις oder 2[u-
φογγακ, daher läset Seh die Wahl zwischen der obigen, von W em-
pfohlenen Schreibung und πόλλα 6έ 2[άφθοτγ' αΐκ' άγάναι δπι μνάαθηις
Άτθώος, die vor jener den Yortheil haben würde, dass sie nicht zur
Annahme eines Anakoluths zwänge IG ιμερω 17 ποι
Beim Anblick dieser Ueberbleibeel, die in SchubartH Ver-
öffentlichung dnrch eine beigegebene Lichtdmcktafel veranschau-
licht sind, überschleicht einen zunächst das Gefühl der Euttäu
Beübung, dass uns das Schicksal wieder einmal nichts Ganzes ge-
gönnt hat; Brachetücke, nichts als Bruch stüi^ke! ruft man unwill-
kürlich aus. Macht man sich aber mit dem auf uns gekommenen
näher bekannt, so schwindet jenes Gefühl alsbald vor dem der
Freude über die köstlichen Stücke Poesie, die uns da wieder-
Die Berliner Bruchstücke der Sappho 331
gegeben sind, köetlicher, wie mich dünkt, und von tieferer Empfin-
dung durchweht als die ein wenig nüchterne, ecbwunglose Geleit-
ode für den Bruder, die uns vor wenigen Jahren die Oxyrhyn-
chospapyri gebracht haben. Wie wundervoll ist nicht in dem
ersten der beiden Lieder, das den Abschied einer Schülerin von
der Dichterin zum Vorwurf hat, der Unterschied in Wesen und
Fühlen der beiden Frauen charakterisiert! 'Tot sein möcbt ich
ganz gewiss Γ so ruft die Jüngere in ihrem Schmerze aus mit dem
Ueberschwange, der der Jugend so wohl ansteht, und laut wei-
nend (ψιίομενη * κλαίουσα Heeycb) fährt sie fort: *Weh mir,
wie hart ist unser Los, Sappho! Wahrlich, ungern lass ich dich!'
Die Lehrerin aber, die gewiss schon oft solch Scheiden dun
gemacht hat und die weiss, wie schnell der Mensch, zumal de-
junge, sich dank dem holden Leichtsinn, den ihm die Natur ver-
liehen, in die neuen Verhältnisse schickt, wie bald die Erinnerungen
an das frühere verblassen, antwortet gelassener: *6eh getrost und
sei meiner eingedenk ; weisst du doch, wie lieb wir dich hatten.
Wenn aber nicht, so gedenke wenigstens der Götter, in deren
Dienste wir viel Schönes genossen haben' ^. Und es folgt eine
Schilderung dieses Schönen ; die Dichterin spricht, so viel die
dürftiger werdenden Ueberreste erkennen lassen, von den Veil-
chen, den Rosenkränzen, den Blumengewinden, den duftenden
Salben, den Polstern — all das hat, wie es scheint, bei den hei-
ligen Festen im Haine der Götter seine Verwendung gefunden.
Das zweite Gedicht handelt von einer fernen Freundin, allem
Anscheine nach Atthis, die einst die anwesende Freundin, an die
die Verse gerichtet sind, gar oft mit ihrem wohlbekannten Sänge
gefeiert hat. Nun aber glänzt sie inmitten der lydischen Frauen
wie wohl, wenn die Sonne gesunken ist, der rosenrote Mond, der
alle Gestirne überstrahlt; ό βροοοοάκτυλος σ€λάννα sagt die Dich-
terin, der, wie Schubart richtig bemerkt, die Färbung vorschwebt.
^ δμμνασαι so zu betonen, dh. als Imper. Aor. Med. aufzufassen
mit der attisch-ionischen Endung, die auch für das Aeolieche gesichert
ist durch δέΗαι Alk. 56, erscheint mir natürlicher als die von Seh. be-
vorzugte Accentuation όμμνάισ' α![ς], die die Form als Inf. Aor. Act.
kennzeichnet; dabei vermiest man aber ein αέ. Die Abtrennung von
α![ς] als Relativum, die dann weiter die Aenderung des vorhergehenden
θέων in θ€Αν nach sich zieht, ist deshalb nicht unbedenklich, weil das
Relativum bei den beiden Lyrikern in der Regel durch den Demon-
strativstamm το• vertreten ist, sichere Beispiele für den echten Rclativ-
stamm sehr selten sind (Hoffmann Dial. II 557 f.). Eine befriedigende
332 Solmsen
die der Mond in warmen Nächten hat, wenn er eben über den
Horizont emporgestiegen ist, ein deutliches Zeichen, wie abge-
griffen das epische Beiwort, wie verschlissen seine Bedeutung
schon für die Sänger um die Wende des 7. und 6. Jahrhunderts
y. Chr. war, und eine wichtige Bestätigung für die von W. Schulze
Gott. gel. Anz. 1897 S. 887 ff. entwickelten Anschauungen über
das'Abhängigkeitsverhältniss, in dem die Epitheta und überhaupt
der dichterische Formel- und Wortschatz der lesbischen Lyriker
zu dem des Epos steht. Und nun findet Sappho Freude an dem
Naturbilde, das ihr vor die Seele tritt, und malt es im einzelnen
aus : sein Licht ruht über dem salzigen Meere gleichwie über
den blumenreichen Fluren, der schöne Tau ist ausgegossen^ und
es stehen in voller Biütbe die Rosen und zarten Thrysken und
der blumige Klee (θρύσκα* αγρία λάχανα Hesych; dazu ίν-
θρυσκον* λάχανον κάρψ δμοιον. φέρει bk και δνθος ώστε εϊναι
και βριυτόν και στεφανιυτόν Uesycli und in weiterer Verwandt-
schaft wohl auch θρύον, das II. Φ 351 mit λωτός und κύττειρον
als die Ui'er des Xauthos umsäumend genannt wird und der Stadt
am Alpheios in Elis θρύον Β 592, θρυόε(Τσα Λ 711 den Namen
gegeben hat, gewöhnlich als Binse ^ verstanden; vielleicht stam-
men diese Pilanzennamen von der Wurzel θρυ- 'flüstern, surren,
rauschen, lärmen* in θρέομαΐ θρόος θρϋλειυ). Wird nach dieser
Schilderung der Mondnacht, die des grössten unserer Dichter,
mag sie auch an die Tiefe des Gefühls, das seinem eigenen Liede
Ergäuzuii^^ des Versschlussee vermag ich nicht zu bieten ; eine Nachprü-
fung der Handschrift wird versuchen müssen über den in der Mitte
noch eben erkennbaren Buchstaben, in dem Seh. ein Α vermuthet, zu
grösserer Sicherheit zu kommen. — In der Schreibung des Verbal-
stammes wechselt die Handschrift zwischen Beifügung und Weglassung
des t adscriptum: μέμναισθ' I 8 (vgl. über diese Form u.). δμμνάιααι
I 10, aber μνάσθεισ* II 1β. Das steht im Einklang mit der wissen-
schaftlichen Controversc, die über diesen Punkt im Alterthum geführt
wurde und für die die Aktenstücke von Usener Fleckeisens Jhb. 91
(1865), 245 f. gesammelt sind. Das Richtige ist Beifügung im Praesens,
das mit Suffix -iokuj gebildet ist, Weglassung in den anderen Tempora,
wie die zahlreichen inscbriftlichen Belege für Μνησι- und -μνηστος be-
weisen. Dass in einem äolischen Text das stumme ι reichlich zugefügt
ist, kann um so weniger Wunder nehmen, als die Vertheidiger der Or-
thographie μιμνήισκω sich grade auf äolisches μιμν<ίισκω (μνέισκω?)
beriefen, s. Anecd. Ox. I 196, 32 f. Herodian Π 79, 34 Ltz. = Schol.
Α 7^)9 (nicht richtig aufgefasst von Hoffmann Dial. Π 421 und J. Schmidt
KZ. 37, 37 ff., dessen Annahmen ich nicht zu folgen vermag).
l)ie Berliner Örucbstücke der Sappho 333
An den Mond entströmt, nicht entfernt heranreichen, doch nicht
ganz unwürdig wäre, noch jemand es wagen wollen den 'Alten*
das Gefühl für die Natur ahzaeprechen?
Doch es ist nicht meines Amtes den Folgemngen weiter
nachzugehen, die sich aus dem schönen Funde für die Litteralur-
geschichte und für die Würdigung der Persönlichkeit der Sappho,
namentlich was ihr Verhältniss zu ihren Mädchen angeht, ziehen
lassen. Man wird es verstehen, dass mich beim Lesen der Verse,
abgesehen von dem Genüsse ihres poetischen Werthes, noch eine
besondere Frage beschäftigt hat, die Frage, wie weit durch ihre
äussere Form die Ansichten, die ich vor einem Jahre in meinen
Untersuchungen zur griech. Laut- und Verslehre 137 ff. über
das Digamma bei den beiden lesbischen Lyrikern vorgetragen
habe, bestätigt oder widerlegt werden ; sie liefen darauf hinaus,
dass das Vau im Anlaut noch durchweg vorhanden gewesen sei
und alle diejenigen Einflüsse ausübe, die es überhaupt jemals auf
griechischem Boden innerhalb des Verses auegeübt habe, dh.
überall sich wirksam erzeige ausser bei kurzen consonantisch
schliessenden Silben in der Senkung, die davor nicht durch *Po-
sition* gelängt werden. Der diesmalige Befund erhärtet zunächst
noch einmal das, was wir schon bisher über den schriftlichen
Ausdruck des Digamma in den alexandrinischen Ausgaben wussten:
vor ρ war es durch β bezeichnet, daher U 8 βροοοοάκτυλος. Π
13 ßpoba, wohl auch I 13 ßp[obujv] nach des Herausgebers Er-
gänzung: hingegen vor Vocal war F geschrieben, die Bedeutung
dieses Zeichens aber war den Schreibern späterer Jahrhunderte
unverständlich geworden, und deshalb finden wir es in unserer
Handschrift in allen in Betracht kommenden Wörtern weggelassen :
οΤσθα I 8. ίιυν Ι 12. Ικέλαν II 4. ϊσως Π 11. έρσα Π 12. δπι
II 15. €Ϊπον III 8. αοομ* III 10 ^ Den Grund dieser Verschie-
denheit habe ich aaO. S. 175 f. klarzulegen mich bemüht. Wie
steht es nun um die Wirkungen dieser Wörter auf den Auslaut
der im Verse vorhergehenden? Ohne Belang sind I 12 [στ€-
φά]νοις ϊιυν. Ι 13 και βρ[όοων]. II 8 ά βροοοδάκτυλος. II 11
Χβως und III 8 εΤπον am Versanfang. Schliessender Langdi-
phthong ist unverkürzt geblieben in άγάναι δηι II 15; danach
habe ich U 4 an Stelle des grammatisch unmöglichen Ck θέας ικέλαν,
worin das -ς, nach der Lichtdrucktafel zu schliessen, sicher zu
* Das Alkaiosfragment enthält zufällig kein mit F beginnendes
Wort.
334 Solmedti
stehen scheint, Οέ θίοΐ Ικίλαν geflchrieben, während ν. Wila-
mowitz, den die Darlegungen in meinem Buche nicht überzeugt
haben, θέακτ' eingesetzt hat; meine Aenderung ist jedenfalls
nicht tiefer greifend als die seine. II 12 hat die Handschrift
obepCTa, das Versmass fordert aber zu Beginn einen Eretikns,
und Schubart hat deshalb hinter dem b ein € eingeschaltet; ob
wir das, wie er thut, ά b' έέρ(Τα oder ά bfe fpcTa lesen, ist gleich-
gültig; vielleicht also haben wir hier einen Fall, in dem Di-
gamma die Elision eines schliessenden kurzen Vocals verhindert
hat. In be ßpoba II 13 ist kurzer Vocal in der Hebung vor
Fp- als Länge gebraucht. III 10 bildet [o]ub€V αboμ' den Vers-
anfang; das Metrum dieser Columne lässt sich bei ihrer starken
Zerstörung nicht mit Sicherheit bestimmen, scheint aber, wie
Schuhart darlegt, dem der zweiten gleich gewesen zusein; dann
kann -b€V eine Länge oder Kürze darstellen, und die letztere
würde durch meine Theorie erfordert werden. So weit stimmen
die Dinge also zu dieser. Zu widersprechen scheint ihr aber das
einzige noch übrige Beispiel eines digammirten Wortes, oTcOa
I 8, vor dem der auslautende Diphthong von μφνακτθαι elidirt
ist. Ist diese Form aber dem Zweifel so entrückt, dass an ihr
die Theorie zerschellt? Es wird auf ihre Gewähr nicht schwören
wollen, wer an der Hand der Adnotatio die U eberlief ernng mit
dem durch das Versmass oder den Sinn geforderten Text ver-
glichen und sich überzeugt hat, wie sehr dieser in jener ge-
litten hat. Ich hebe den krassesten Beleg heraus, die Ver-
drängung von σελάννα II 8 durch μήνα, das vermuthlich
ursprünglich Glossem gewesen ist oder in einem Scholion
gestanden hat, und bringe hier noch einen weiteren ähnlich
liegenden zur Sprache, den wir, glaube ich, anerkennen müssen:
I 3 έέν[ν€π€ν]. Ά η der Ergänzung έίν[ν€π€ν], sagt Schubart,
lässt sich nicht zweifeln, so unmöglich das Augment auch er-
scheint . Auch ich wüsste dies in keiner Weise zu recht-
fertigen — Pindar und Bakchylides sagen, wenn sie das Verbum
angmentiren wollen, (προσ•)ήν€π€ Pyth. 4, 97. 9, 29. Nem.
10, 79. Bacch. 14, 9 — , wüsste aber ebenso wenig etwa einen
Hiatus in TOb€ fv[v€nev] zu rechtfertigen ^ und sehe nur einen
Ausweg aus der Schwierigkeit, die Annahme dass, ähnlich wie
μήνα für σελάννα, so tob' έίννεπεν etwa für tobe είπί μοι oä.
^ Dass die HHiidschrift τόδ* €€v . . . mit Apostroph hinter dem
δ bietet, ist ohne Bedeutung.
bie Berliner firucbstücke der Sappho SSh
eiogedrungen ist. Läeet sich nun entsprechend für μέμναοΌ' eine
in MeseuDg und Bedeutung gleichwertige Form ersinnen, die jenem
den Platz geräumt haben könnte ? Der Infinitiv in imperativischer
Geltung ist an sich bei den lesbischen Lyrikern so gut möglich
wie überall in Griechenland und thatsächlich, wenn auch der
Imperativ selbst durchaus das regelmässige ist, wenigstens in
einem sicheren Beispiel zu belegen: Sa. 78, 1 B.* σύ bk ατ€-
φάνοις, ώ Δίκα, περθέσθ' έράταις φόβαισιν. Immerhin würden
wir in unserem Verse nach dem vorhergehenden Imperativ ίρχ€0
vielleicht auch von μέμναμαι eher die 2. Sg. Imp. erwarten. Wie
musste die im Altäolischen lauten? Im Urgriechischen *μέμναο
aus ν^μνα(Τθ mit regelrechter Verhauchung des d zwischen den
Vocalen. Dessen ungestörte Weiterentwickelung durch die Mittel-
stufe *μέμνηο hindurch liegt vor in ion. μέμν€θ Herodot V 105
(δέσποτα, μέμν€θ τών Αθηναίων). Herodas 4, 89. Orph. Lith.
609 Ab. uö.; vgl. 2. Sg. Ind. μέμνηαι Φ 442, woraus μφνη
(oder μφνη'?) Ο 18. Υ 188 uö. Wenn das Dorische dem μέ-
μναΟύ (Epicharm 250 Κ., kein sicheres Zeugniss für das echte
Dorisch), das Attische μέμνη(Τθ entgegensetzt, so haben diese
Formen (T wiederhergestellt gemäss der Tendenz, die zum we-
nigsten beim Attischen unser Material für die 2. Sg. Imperativi
wie Indicativi Med. der 'unthematischen' Flexionsweise deutlich
zu erkennen gestattet; vgl. übrigens schon Ψ 648 μέμνη(Ταΐ. Aus
dem Aeolischen besitzen wir zu dürftige Belege, um irgend etwas
Sicheres aussagen zu können; was wir haben, zeigt zum Theil
den fürs Urgriechische zu erschliessenden Zustand: einerseits lOGO
Sa. 1, 28, anderseits μεγαλύννεο Sa. 35, zum anderen Theil un-
ursprüngliohes Wiederaufleben des CT: fipvucTo Sa. 75. Nehmen
wir an, dass μέμναμαι sich unbeeinflusst weiter entwickelt hat
wie im Ionischen, so musste *μφνάο zu *μίμνα führen wie
urgr. hom. 'Aibäo zu *Aibfl Sa. 68, 3, Kpoviböo zu Kpovibö
Alk. 48 A.
χαίροισ* ίρχεο κδμεθεν
μίμνα, Ροϊσθα γάρ ώς σε πεοήπομβν
entspricht glatt dem, was wir brauchen, und es ist auch leicht
genug verständlich, dass diese Form, die so wenig durch eine
Endung als bestimmte Person gekennzeichnet war, sondern ledig-
lich den Stamm zu enthalten schien, sich in der Ueberlieferung
nicht behauptet hat, sondern durch den deutlicheren Infinitiv er-
setzt worden ist. Ich hoffe, dass diejenigen, die im vorigen Jahre
meinen Ausführungen zugestimmt haben, auch diesen Versuch
33β Solmsen Die Berliner ßruchstücke der Sappbd
mit dem neo ans Tageslicht getretenen zurecht zu kommen ein-
leachteod finden werden.
Zum Schlnes sei noch der Belege gedacht, die uns die neuen
Bruchstücke für die Digammaverhältnisse im Wortinneren, na-
mentlich zwischen Vocalen, gebracht haben. Iloffmann Dial. II
461 f. hat festgestellt, dass ursprünglich durch F getrennte Vo-
cale, wenn der erste von ihnen kurz war, in den Texten der
beiden Lyriker niemals contrahirt erscheinen, dagegen bei langem
ersten Vocal gelegentlich Contraction, bei Diphthong gelegentlich
Verkürzung stattfindet, und ich habe aus diesem umstände im
Verein mit gewissen anderen Thatsachen der Ueberlieferung den
Schluss gezogen, iass das F in der erstgenannten Stellung zur
Zeit des Sappho und des Alkaios noch thatsächlich vorbanden
gewesen sei (aaO. 172 f.). Die neuen Fälle fügen sich Hoff-
manne Beobachtung ohne weiteres : wir finden auf der einen
Seite άέκοκτ' 1 5. φάος II 9. οροσόεντας III 12, vielleicht auch
έέρ(Τα II 12 (β. ο.) uncontrahirt, auf der anderen zwar αελίω
II 7 uncontrahirt, aber πεποημεναις I 17 mit -o- für -Ol-. Von
Wörtern, die urgriechisch F nach Liquida oder Nasal hatten,
begegnet, abgesehen von b^pai I 16 in einem Verse, der uns
schon früher bekannt war, nur eines: κάλα I 11 und U 12. An
der ersten dieser beiden Stellen ist Kürze der Wurzelsilbe er-
forderlich, an der zweiten möglich ; auch das stimmt zu dem,
was wir sonst über die Gestalt dieses Wortes und der analogen
Fälle überhaupt bei den beiden Lyrikern wissen.
Bonn. Felix Solmsen.
FACETIAE TVLLIANAE
Was Dramann GR. IV 598 ff. über Ciceros Witz sagt, ist,
wie immer, aneserordentlioh reich an sachlicher Belehrung, nur
hätte er sich die Empörung sparen sollen. Cicero machte seine
Witze nicht für uns, sondern für seine Zeitgenossen, und diese
hatten, sofern sie nicht selbst die Zielscheibe des Spottes waren,
an ihnen, wie uns genügend bezeugt ist, ihre helle Freude. Dru-
manns Entrüstung würden sie eben so wenig verstanden haben,
wie die Bestrebungen der 'Retter Ciceros, die seine Derbheiten
versohl eiern oder weginterpretiren wollen. Cicero selbst war
stolz auf seine ganz einzige Befähigung für den Witz und durfte
es sein. Denn darin war er unbestritten der erste Mann in Rom,
dem selbst ein Cäsar mit Entzücken lauschte. Er Hess sich des-
halb nicht gefallen, dass man ihm schlechte Witze zuschrieb,
die er nicht gemacht hatte, wachte aber auch darüber, dass ihm
sein eigenes Gut nicht geraubt wurde. Ich glaube also Cicero
sogar, nicht nur der Wahrheit, zu dienen, wenn ich ihn gegen
seine zu eifrigen Freunde in Schutz nehme ^.
Das Bestreben, ihn nichts Unschickliches sagen zu lassen,
tritt gleich bei dem Briefe zu Tage, in dem sich Cicero selbst
über die Frage ausspricht, wie man sich den unanständigen Aus-
drücken gegenüber zu verhalten habe, ich meine den Brief an
Paetns, ad fam. IX 22.
Ueberliefert sind die Anfangsworte: Arno verecundiam vel
potius libertcUem loquendi. Dazu bemerkt CA. Lehmann 'Quaest.
Tüll. p. 59 f.: nihil est, quo ea quae contraria esse debent
neqne sunt, defendi possint; itaque conicitur Arno verecundiam^
tu patiuSf Wesenberg, cum vel mutare non liceat, ita locum re-
* Für die bisherigen Angaben, die nur Allbekanntes wiederholen,
bedurfte es keiner Belege. Wer diese wünscht, findet sie bei Dru-
roann aaO.
Bhoiii. Mm. t PhUol. M. F. LVU. ^
im Ouriitt
stituit verecundmmj (fu impudeniiani) vel potius ... Ne id qui-
dem plaoet, cum ego ante Arno desideretur. Kgo scribo Awo
verecundiatHy vel potius liberfatem loquendi (^odt). Es folgen Be-
lege für die Antithese anto und odi, C. F. W. Müller bemerkt
dazu ^probab.', eetat aber vorpichtiger Weise lieber im Texte vor
vel ein f. Ich glaube zeigen zu können, dass die Ueberlieferung
richtig ist : Paetue hatte in einem uns nicht erhaltenen Briefe
einen derben Ausdruck gebraucht^ und ilaran offenbar die Frage
geknüpft, ob Cicero daran auch nicht Anstoss nehme. Cicero
will ihn nun gewiss nicht verletzen — das würde er aber Ihun,
wenn wir libertat&m loquendi (odi) conjiciren — und schreibt
deshalb (5): Te adver sus me omnia andere graium est; ego servo
et servaho — sie enim adstievi — Ptafonis verecundiam. Von
dieser abschliessenden, zusammenfassenden Stelle aus ist der
ganze Brief und besonders der Eingang zu beurtheilen, der damit
in Einklang steht. Denn er heisst : *Ich bin für decenten Aus-
druck oder vielmehr, ich bin dafür, dass man sich frei (dh. jeder
nach seiner Neigung) ausdrücke*. Dass er selbst die Decenz
bewahre, bezeichnet er mehr als eine Gewöhnung, dass er
aber im Principe gegen offene Aussprache auch des Obscönen
nichts habe, das begründet er durch den Nachweis. Zeno, dessen
Verstand dabei lobend hervorgehoben wird, wie die Stoiker über-
haupt, hätten mit guten Gründen das Vorhandensein des Ge-
meinen in der Sache und im Worte geleugnet. Atqui hoc (==
lihertas loquendi) Zenotii placuit^ homini wehercule acuto, eisi Aca-
demiae nosirae cum eo magna riaa est soll doch offenbar heissen:
* Obgleich ich mehr der Akademie angehöre, obgleich die Aka-
demie mit Zeno im Streite lag, dennoch mnss ich den Standpunkt
des Zeno, der die lihertas loquendi fordert, als berechtigt aner-
kennen'. Schon die Thatsache, dass Cicero darauf diesen Staud-
punkt so eingehend begründet, beweist seine principielle Zustim-
mung. Auf die Frage aber, weshalb er selbst im Gebrauche
denn doch die verecundia bevorzuge, hat er die Antwort: *ich
bin einmal daran gewöhnt und will von der Gewöhnung nicht
lassen, obgleich ich die libertas loquendi^ das Recht des freien,
auch derben Wortes anerkenne und eigentlich lieber habe*. Das
mag zum Theil ein höfliches Entgegenkommen gegen den Stand
punkt des Paetus sein, zum Theil aber wird es Ciceros wahie
^ § 2: Qnnd tu in epintula nppeUas suo nomine, die (Pieo Frugi)
tictias *poum\
B^aoeÜae Tullianae 339
Meinung ausdrücken. Es gilt feRtzuhalten, daes libertas loquendi
an sich nicht das Aussprechen des Obscönen, sondern nur das
Recht bedeute, die Sache, die Cicero selbst tectis verbis (§ 5)
behandelt, nach Wunsch auch apertissimis zu behandeln, das Kind
beim rechten Namen zu nennen. Besonders lege ich bei meiner
Interpretation Werth auf das Wort loquendi. Cicero sagt nicht
dicendi libertas. Er spricht hier also von dem Tone in der Um-
gangssprache, im Verkehre mit Freunden, nicht von dem Tone,
den man im öffentlichen Leben einzuhalten habe. Für diesen
würde er jedenfalls im Principe möglichste Decenz als Regel
fordern, wie er bekanntlich auch im orator und in de orat. thut^
Recht miesverstanden und misshandelt hat man folgende
Stelle :
Ad fam. IX 16, 7. Quem tu mihi f popiUum, quem t de-
fiarium narras? quam tyrotarichi patinam? Die Ueberlieferung
stimmt überein in dem Worte popilium (D), nur dass MH po-
pillium bieten. Ich verstehe nicht, weshalb man, statt den Eigen-
namen Popüius anzuerkennen, der in Ciceros Schriften vielfach
vorkommt S sich mit allerlei Conjecturen gequält hat {pompüum
Rutilius , polypum Corradus, popellum Bücheier). An Popilius
scheint dabei überhaupt kein Interpret auch nur gedacht zu haben,
obgleich verwandte Stellen vorliegen zB. ad fam. IX 15, 3 Ca-
tulum mihi narras et Ula tempora Q. fr. II 1 (13), 1 iam pridem
istum canto Caesarem. Cicero weist eine Einladung des Paetus
scherzhaft mit der Bemerkung ab : mit einem Popilius als Tisch-
genossen darfst du mir nicht mehr kommen^ und begründet das
damit, dass er jetzt gewohnt sei mit ganz anderen Leuten, mit
einem Hirtius und Dolabella zu speisen : Uirtium ego et ΌοΙα-
bellam dicendi discipulos fiabeo, cenandi magistros ; puto enim . ie
audisse . . illos apud me declamitare^ me apud illos c&nitare, Ist
also die Lesart Popilium so undenkbar, dass man zu Conjecturen
* In dem Brief an Paetus (IX 21, 1) betont er aber selbst den grossen
Abstand zwischen öffentlichem und privatem Sprechen mit den Worten:
Verum tarnen quid tibi ego videor tn epistulis? nonne plebeio sermone
agere iecum ? Nee enim semper eodem modo. Quid enim aimUe habet epi'
stula aut iudicio aut contioni? Quin ipsa iudicia non solemus omnia
tractare uno modo. Privatas causaSy et eas tenues, agimus subtüius;
capitis aut famae ornatius: epistulas vero quotidianis verbis texer e solemus.
^ Besonders ist das Geschlecht der Popilius durch die Laenas
mehrfach vertreten. Am ehesten wird man hier am Popilius Laenas
augnr a. 709 denken dürfen (A. XII 13, 2} 14, 1; 17).
greifen müsste? Auch das folgende denarium^ das alle Ηββ. bieten^
hat man mit unrecht verdächtigt und dafiir ebenfalle Namen von
schlicliten Speisen eingesetzt {thi^narium Thnnfischgericlit, Rn-
tilius ; thynnum Thunfisch, Schütz ; cantharum Kanne sc• Weines,
derselbe; naritam Meerschnecke, Fr. Scholl). Mendelssohn sagt:
denarium cum Ribbeckio (fr. com.^ p. 396) tencri posse non credo,
sed hie quoque desiderari vilis alionius ribi nomen. Andresen
liest pompilum, quem thynnum, G. F. W. Müller giebt die Lesart
der Hss. mit Ereuten der Verderbniss. C. Bardt, Commentar II
S. 255 liest polypua und thynnus^ sagt aber eine sichere Her-
stellung sei unmöglich.
Sollte nicht Paetns in seinem Briefe, in dem er sich für
bankerott erklärte {tu autem quod mihi honam copiam eiures)y
scherzhaft gesagt haben, mehr als einen Denar dürfe das Diner
nicht kosten^? Er könne höchstens — und nun folgt erst die
Nennung der billigen Speise — mit einer iyrotarichi paiifia, einer
Schüssel Fischragout mit Käse^ aufwarten? Die Ueberlieferung
der epp. ad fam. erweist sich eben wieder als viel besser, als
bisher angenommen wird. Zumal wo MHD übereinstimmen, da
sollte man mit Conjecturen äusserst zurückhaltend sein. Indem
ich also die Ueberlieferung in allen Punkten halte, übersetze
ich: ^Was sagst du mir da von Popilius, was von dem Denar,
was von der Schüssel Fischragout?* woran sich trefflich an-
schliesst: facilitate mea isla /erehantur anieax ^ Meine Gntmüthig•
keit hat sich diese deine Behandlung vordem gefallen lassen*,
nunc mulcUa res est. Und darauf folgt in gleicher Reihe die
^ Es mag nicht zufällig sein, dass derselbe Paetus in einem ähn-
lichen Zusammenhang mit seinem aestimationes nach IX 18, 4 scherzend
davon gesprucben hat, dass er nicht im Stande sei oliam denariorum
implere. Das empfand auch Boeckel, 'Ciceronis epp. sel.'^* S. 3^52 zu
ep. 91 (= IX 18, 4). 'Vielleicht hatte Paetus scherzend geschrieben,
ihm bleibe so wenig Baarvermögen, dass er nicht einmal einen Topf
damit füllen könne : man denkt unwillkürlich an die quadrüibrem au•
lam aura onuetam, nach der die Aulularia bei Plautus ihren Namen hat.
Vielleicht bestand auch eine scherzhafte Zusammenstellung von dieser
oUa mit (ep. IX 16, 7) tyrotariehi patinam (Plaut. Capt. IV 2, G6 = 84i»)\
Das letzte ist falsch, aber man sieht, wie nahe Boeckel der richtigen
Erklärung kam. Zu jener Stelle bemerkt er : 'popillium .... denarium
für uns nicht recht verständlich, man erwartet den Namen einer ge-
ringen Speise'.
^ Ein noch h<Mite in Italien beliebtes, sehr schmackhaftes Gericht•
pas Recept da/.u «<[iebt uns Apicius IV *i, 137.
Facetiae TulUanae 341
Aufzählung: 1) jetzt epeiee ich mit einem Hirtius! 2) auf deine
Knauserei mit deinem Denar lasse ich mich nicht ein. Dieser
Gedanke »teckt in den Worten: Tu atdem quod mihi bonam co-
piam eiures, nihil est; tum enim^ cum rem habebas^ quaesticulis te
faciebat attentiorem^ nunc, cum tarn aequo animo bona perdas, t λολ
eo sis consilio, u/, cum me hospitio recipias^ aestimatiatiem te
aliquam putes accipere. Es ist allerlei zur Heilung der verderbten
Worte: non eo sis consilio ut vorgeschlagen worden. C. F. W.
Müller liest non eo sis censeo animo ('coni. Tüll/ p. 12), non<^esty
quody eo sis consilio Wesen berg, non eo possis consilio (juti^
Madvig ('adv. crit.' III p. 163), non (^est, quod non) eo sis con-
silio Lehmann (WS. f. kl. Phil. 1885 p. 1106 und Quaest. Tüll,
p. 91). — Der Gegensatz erfordert, dass jetzt Paetus als nicht
sparsam, sondern als freigebig dargestellt werde ^. *So lange du
Vermögen hattest, spartest du. Seitdem du gelernt hast grosse
Verluste mit gutem Humor zu ertragen, ist auch nicht zu fürchten,
dass dein Gastmahl knauserig ausfallen werde'. Wie dieser Ge-
danke, den schon C. Lehmann richtig dargestellt hat, am besten
zum Ausdrucke komme, will ich hiM* offen lassen*. 3) 'Die Art
^ C. Bardt, Commentar II S. 256 erklärt diese Stelle kurz und
treffend: *Die Bewirthung, die dir Kosten macht, musst du mit derselben
Seelenruhe leisten, mit der du die Taxe, die dich schädigt, entgegen-
nimmst, obendrein {etiam) thut der Schlag von einem Freunde weniger
weh {levior est) als von einem Schuldner*. Dort findet man auch das
Nöthige ü()er die aestimatio (e. auch Heft I S 225 zu luHa lex.)•
* Um aber meine Meinung nicht ganz zu verschweigen: ich glaubp,
dass non eo fit consilio (= non fit eo cons.) zu lesen sei, einmal, weil
fit dem vorausgehenden quciesticiilus te facid)at attentiorem genau auch
im Wortlaute entspricht {facio und fio drücken die Thätigkeit oder den
Zustand allgemein aus, die vorher durch das eigentliche Wort bezeichnet
worden sind Für diesen Gebrauch von facio s. Beispiele bei Hofmann-
Lehraann (Auegew Br. ' zu A. VH 3, 2; auch A. X. 8 A. 1 F. XVI 11,3),
sodann weil es graphisch beinahe identisch ist mit dem siSy da dieses
mit langem 8 geschrieben wurde, schliesslich weil das folgende ut putes
mir zu beweisen scheint, dass vorher nicht die zweite Person (etwa:
fum (estt quod non) eo sis consilio) gestanden habe: denn man kann
doch kaum sagen: eo sunt consiliOt ut putem^ 'ich habe die Absicht zu
glauben*. Das grenzt fast an Unsinn. Die Härte und Unklarheit dieses
Ausdruckes hat z6. auch G Bardt empfunden Er liest deshalb mit C.
F. W. Müller (Commcnt. II S. 250): non est, quod non eo sis animo, ut
putes mit Beseitigung der doppelten Negation: 'Du hast alle Veran-
lassung die Sache so anzusehn, als ob* — das reg. Verbum putes ist
342 Gurlitt
des Diners sei nicht protzenbaft in der UebcrfüUe, sundern glän-
zend und fein', was im Gegensatz zu lyroiarichi pcititia steht.
Wir haben also eine volifltändig durchgeführte Antithese, es ent-
spricht dem Popilius der Hirtitis, dem denarius die Erwähnung
des Vermögens {res)^ dem Fischragout die Angabe der ceiiae mit
Charakteristik der Speisen : ncc tarnen eas cenas quaero, uf magnac
reliquiae fiant; quod eritj magnificum sit et lautum, Memini ie
mihi Phameae cenam tiarrare: temperius fiaf, cetera eodem modo.
Dafür, dass aber tyrotarichi patina als einzige Speise genannt
war, spricht auch der Satz gegen Ende des Briefes: tu vcro —
volo enim obstergere animi tui meium — ad iyrotarichum anti-
qtium redi. Wären aber drei Speisen genannt gewtsen, wie man
durch Conjectur hineinbringen wollte, weshalb hätte dann Ciieru
hier eine und nur die letzte angeführt ? So haben wir, meine ich,
allen Grund in § 7 Popilium und denarium zu halten, wodurch
die ganze Stelle viel gedankenreicher, witziger, der Periodenban
viel einheitlicher und zugleich kunstvoller wird. Dazu kommt,
dass drei Speisen doch schon eine Art Luxus wären, während
Paetus gerade zum Ausdrucke seiner Armuth in seinem Scherze
erklärt haben wird, nur mit einem und dazu nur mit dem billig-
sten Gerichte aufwarten zu können, unsere Stelle ist also die
höchst witzige Beantwortung der Einladung des Paetus, in der
es etwa hiess: 'Sei mein Gast, lieber Cicero! Aber ich kann dazu
nur noch den biederen Popilius einladen; denn infolge der cäsari-
sehen aestimationes bin ich so verarmt, dass ich auch höchstens
einen Denar für das 'Diner* aufwenden kann. Du musst dich also
mit Fischragout begnügen'. So erhalten wir in Ciceros Antwort
einen nach Inhalt und Ausdruck vortrefflichen Text, ohne dass
auch nur ein Buchstabe der üeberlieferung angerührt wird ^
dann nicht zu übersetzen*. Putes wird aber bei dieser Lesung noch
mehr als überflüssig, weshalb sollte dann Cicero nicht gesagt haben,
non estf quod non piUes, was dasselbe kürzer und klarer besagt? Viel
angemessener ist es jedenfalls, wenn eo cotmlio auf ein anderes Subjekt,
hier auf res oder ganz allgemein auf das Impersonale 'es* bezogen wird,
welches die Absicht verfolgt, dem Paetus den Glauben beizubringen,
dass eine glänzende Bewirthung Ciceros ihm von Nutzen sein werde.
Die UebersetzuDg wird meine Absicht klarer machen: *Denn damals,
als du Vermögen hattest, machte dich das auf kleine Profite erpicht,
jetzt, da du dein Vermögen leichtiMi Sinnes preis giebst, geschieht
das (sc. Knausern) absichtlich nicht, damit du dir einbildest,
dass dir eine Bewirthung irgend eine aestimatio einbringen könnte.
^ Dettweiler, Ciceronis epp. select.^ S. 134 f, dem diese Behand•
Facetiae Tullianae 343
Ad fttin. IX 18, 3 Exiremum illud cst^ quod tu nescio an
primum putes: plures iam pavones confeci quam tu pullos colum-
binos. Tu istic ie Uateriano iure delectas^ ego me hie Hirtiano,
Veiti njitur, si vir es, et f disceam πμολεγομενας, quas quaeris;
cisi sus Minervam, t sed quomodo video, Si aestimatioues tuas
vendere non poies neqve ollam deuariorum implcre, Rowam tibi
retuigrandum est ; satius est hie cruditate quam illic fante. So
lautet die Ueberlieferung in M; in D lesen wir disce απρολεγο-
μένας. Boot (Obs. crit * p. 20) vermuthet ; disce α me προηγμένα,
weil προλεγόμενα, wie Mendelssohn zugiebt, bei Cicero und im
klassischen Griechisch nicht nachweisbar ist. Aber προηγμένα
passt dem Sinne nach nicht recht. £s bedeutet nach der Lehre
der Stoiker Dinge, die zwar nicht gut an sich (αγαθά), aber doch
diesen nahestehend und nicht verwerflich sind. Cicero nennt sie
sonst promota, producta^ praeposita, praecipua^ aber er rechnet zu
diesen niemals die gastronomischen Genüsse, auf die hier ange-
spielt wird. Für diese haben die Stoiker den verächtlichen Aus-
druck άποπροηγμένα, den Cicero in dein Briefe an Varro (ad
fani. IX 7,2) gebraucht: itaque uullum est άποπροηγμένον, quod
nun verear^ ebenso de fln. III 15 : . . piUo concedi nobis oporiere,
ut Graeco verbo utaimir, si quando minus occurret Latinum, ne hoc
'ephippiis' et ^ acratophoris* potius quam ^proegmenis* et ^apo-
proegmenis* conced<ifw\ qumnquam haec quidem ^praeposita* recte
et 'reieda* dicere licebit. Das in D erhaltene anlautende α scheint
ein Fingerzeig zu sein, dass auch in unserer Stelle von Cicero
άποπροηγμένας (sc. res), quas quaeris gestanden habe. Paetus
war ein Feinschmecker, den Cicero deshalb beständig neckt. Sich
selbst Iiezeichnet Cicero auf diesem Gebiete als Neuling. Wenn
er also den angeblich verarmten, hungernden Freund jetzt zu
sich lädt, um ihm bei sich über die reiecta einen Lehrcur-sus zu
ert heilen, so passt dazu die anschliessende Bemerkung: eisi sus
Minervam (sc. docebo). Die Stelle muss früh von einem des
Griechischen Kundigen entstellt worden sein, denn προλεγόμενος
ist nicht verschrieben, sondern schon Conjectur. Deshalb wage
ich eine Aenderung, die sieh etwus stark von der Ueberlieferung
entfernt: et disce α »ι<^β> ά<πο)προηγμίνα, quae quaeris* \ Komme
also, wenn du ein Mann bist,) und lerne von mir die Nichtig-
keiten, auf die du ausgehst, obgleich da das Schwein die Minerva
lung unserer Steile durch briefliche Mittheilung bekannt wurde, stimmt
ihr bei und hat Text und Erklärung dem entsprechend gedruckt.
344 Garlitt
[belehren mu8R] . Cicero schrei bt dies im Tusculanum (§ 1);
Paetus ist in Neapolie. Wenn nun Cicero sagt: Satius est hie
cruditate quam istic fame (rc. perire), eo bezeichnet er mit hie
nicht nur Tueculum, sondern zugleich Rom, mit istic aber Nea-
polis. Der dazwischen liegende Gedanke mnss also den Wortlaut
und Sinn haben: Si aestimationes fuas vendere non potes neque
dllam denariorum implere^ (non Neapolim sed) Romam tibi remi-
grandum est. Denn damit stimmt das Weitere Uberein : Video
te bona perdidisse: spero idem istie familiäres tuos *ich hoffe,
dass auch deine Freunde in Neapolie verarmt sind', so dass da
in Rom bleiben musst. ^Besser in Rom an verdorbenem Magen,
als in Neapolie Hungers sterben . Die Hss. bieten : sed quo-
modo Video si aestimationes (M und D ohne si), Daraue glaube
ich Ciceros Hand herstellen zu können, in dem ich schreibe: Sed
Sit quomodo video^ aestimationes usw. Cicero stellt es absichtlich
als höchst unwahrscheinlich hin, dass Paetus wieder zu Vermögen
komme, um eben den Scherz vollkommen zu machen, dass Paetus
vor dem Hangertode stehe, wenn er nicht zu ihm nach Rom-
Tusculum reise. Jeder Verzug ist also von Uebel ; * deine aesti-
mationes, sagt er, wirst du ja doch nicht los, bekommet ja dock
— quomodo video, wie ich deutlich eehe — keine Groechen wieder
in deinen Spartopf*. Quomodo video iet also gebraucht wie pr.
Rose. Am. 7 (worauf Schmalz verweist): ego contra brevem ^tostu-
lationem adfero e/, quomodo mihi persuadeo, aliquante aequiorem
(s. auch L. Mendelssohn a. 1.). Für meine Vermnthung, daee si
nicht unmittelbar vor aestimationes stand, sondern dorthin in Μ
wohl erst conjicirt worden ist, giebt D einen Anhalt, wo si über-
haupt fehlt. Dagegen sed quomodo mde(ryo (oder video) zurück -
zu beziehen auf etsi sus Minervam, und mit 8% aestimationes fort-
zufahren, wie Bengel, Baiter, Wesenberg, Boeckel ep. 91, Tyrrell-
Purser, C. F. W.Müller wollen, halte ich für eine Abschwäch ung
dee Scherzee: etsi sus Minervam und ebeneo des folgenden
Scherzee, der dadurch beeondere wirkt, dass Cicero seinem Freunde
jede Hoffnung auf pecuniären Aufschwung zu nichte macht.
Meine Lesung hatten schon Orelli und Schmalz (Jahrb. f. cl. Phil.
1891 S. 339) empfohlen.
Ad fam. IX 10, 2 glaube ich mit leichter Aendernng aus
ingentium fularum und aus cum Sophia Septume den Text: in-
gentium 5rt/arMm (Forellen) . . . cum σοφίας επιτομή und damit
einen anmuthigen Scherz hergestellt zu haben (Philol. 1900 S. 622 ff.).
Ad fam. IX 19, 1 habe ich in der Berl. phil. WS. 1900
Faoetiae Tullianae 345
Ν. 48 Sp. 1500 behandelt: ad suam lieiMet 'zu Heiner Geliebten*.
£e bedarf also auch hier keiner Gonjectur.
Ad fam. IX 20, 2: dediscendae tibi sunt sportellae (MD^,
sportulae HD^) et artolagyni iui: nos tarn t ^^ oftis iantum ha-
bemuSf ut Verrium tuum et Camillum — qua munditia homineSj
qua elegantiaf — vocare saepius audeamus. So lautet die Ueber-
lieferung. In den Ausgaben findet man statt artolagyni stets
arfolagani, den Namen einer Speise, eines Pfannkuchens, der aus
Mehl, Wein, Milch, Oel, Fett und Pfeffer bereitet wurde (Plin.
h. n. 18, 105). Griechisch heisst diese Speise άρτολάγανον
(Athen. 3 p. 113^), ist also Neutrum, wie das Simplex λάγανον,
laganum {Ceh, 2,22 und 8,7 Apic. 4, 134). Dass daneben aber
auch das Mascnlinum άρτολάγανος oder lat. ariolaganus unmög-
lich sei, kann nicht behauptet werden. Das Genus wechselt oft, so
auch in τάριχος, ου, ό und τάριχος, ους, τό (Athen. 3 ρ. 119^**).
Es sind andere Gründe, weshalb ich die Gonjectur glaube ab-
lehnen zu müssen. So oft Cicero zu Paetus kam, wurde er von
diesem mit dem tyrotarichus tractirt (ad fam. IX 16, 7 s. oben;
9 : Tu vero ad tyrotarichum antiquum redi). ^ Die Erinnerung an
diese Speise muss sich in Ciceros Seele mit der Person des Paetus
fest verbunden haben, wenn er zwei Jahre später, ad Att. XIV
16, 1 (an. 44) schreiben konnte: Ich bedachte den tyrotarichus
des Paetus mit einem Ueberfall . (C. Bardt, Comment. II S. 256.)
Wenn also Cicero den Paetus mit einer Speise hätte necken
wollen, so wäre es wohl auch in unserer Stelle das 'ewige Fiech-
ragout* {tyrotarichus antiquus) gewesen. Sodann steht artolagyni
neben sporteUae. Beide Namen müssten entweder Speisen oder
Geräthe bedeuten. Sportella ist aber keine Speise. Sporta heisst
der Korb, sportella das Körbchen (Suet. Dom. 4 Petr. 40, 3) und
als Küchengeschirr ein Geräth, in dem man Speisen leicht auf-
kochen oder braten Hess (Apic. 6, 248; 8,364 und 374). Spor-
tella war also entweder ein kleiner Herd, ein Feuerbeoken in
Korbgestalt, oder ein Gefäss, das auf dem Feuerbecken gebraucht
wurde. Man hat allein aus unserer Stelle geschlossen, dass es
ein Speisekörbchen bedeute und die darin gegebene kalte Küche,
das kalte Gericht, im Gegensatz der förmlichen Mahlzeiten'
(Georges, Wörterb.^ b. v.) und deshalb dazu ein zweites Gericht,
artolagani, durch Conjectur geschaffen. Bleiben wir bei der durch
Apicius gesicherten Deutung, dass sportella ein Kochgeräth ist,
so kann auch artolagyni keine Speise bedeutet haben. Alle drei
besten Hss. stimmen in der Schreibung dieses Wortes überein.
346 Gurlitt
Grund genug, es mit allen Mitlein zu vertheidigen. Aach zu-
gegeben, daee hier sportella das Körbchen mit seinem trocke-
nen, kalten Inhalte sei, so würde doch auch das andere Wort
schwerlich eine Speise, sondern Gleichartiges bedeuten. Nun
giebt es auch das Wort άρτολάγυνος (Polemo cp. 1: άρτολά-
γυνος πήρα, 'ein Ranzen mit Brod und Flasche' nach Passow
Handwörterb. d. gr. Sp.^ s. v. άρτ.). Es bedeutet λάιρυνος be-
kanntlich einen breitbauchigen irdenen Krug, ebenso das in der
Form vielfach wechselnde lat. Wort lagoena, lagona, laguna^ la-
gynos etc. Ärtolagynus müsste also ein Gefäss sein, in dem ßrod
bewahrt oder gebacken wurde. Dass aber ein Brodbacken auf
einem so genannten Geräthe je stattgefunden habe, ist nicht nach-
weisbar und deshalb nicht glaublich, da wir den Namen für
diese kleinen thönernen oder silbernen Backöfen mit ziemlicher
Bestimmtheit kennen. Wenigstens hat mich 0. Benndorf in seinem
Aufsatze * Altgriechisches Brod* (Eranos Vindobonensis S. 372 —
385) davon überzeu^^t, dass diese griechisch κλίβανοι hiessen;
ebenso ist clihanus im Lateinischen gebräuchlich. Es wäre dann
artölagynos ein 'Brodkrug, also wohl ein Geräth, in dem man
Brod vor Trockenheit oder Mäusen schützte, oder in dem man
es auf dem Tische servirte, etwa unseren Cakesbtichsen ent-
sprechend. Es könnte aber natürlich auch eine Art Casserolle
gewesen sein, in der man Brod oder in unserem Fall das Fisch-
ragout zu backen oder braten pflegte. Wir kennen die Benen-
nungen der zahlreichen Küchengeräthe so wenig, dass wir uns
bescheiden müssen. Jedenfalls will Cicero hier zwei bescheidene
Geräthe nennen, die bei Paetus zur Bedienung der Gäste ge-
braucht wurden, und dazu ausreichten, die aber in Vergeseenheit
kommen müsstpn, wenn Cicero mit jetzt sehr gesteigerten An-
sprüchen an die * Küche wieder sein Gast sein sollte. *An deine
CasserÖlchen und BrodbUchsen ist jetzt nicht mehr zu denken!'
so möchte ich die Stelle übersetzen und sehe mich darin bestärkt
durch das, was Cicer« weiter sagt : cum homine edaci tibi res est,
et rjui iam aliquid intellegat (όψιμαθεΐς aulem homines scis quam
insolentes sint). Bis hierher brauchten wir nur die Ueb erlief erung
zu interpretiren, jetzt aber folgt eine Textverderbniss. Man hat
schon viele aber nicht zum Ziele führende Versuche gemacht, die
Worte Nos iam f ex artis tanfum habemus sq. zu emendiren: Nos
iam arte oder ex artis ea, exquisit ae artis, exercitationis, όψαρ-
τυτικής, όψαρτυσίας — nichts konnte befriedigen. Offenbar stand
hier ein griechisches Wort, das zu sporteUae und artoUigyni eine
Facetiae Tullianae 347
Steigerang bedeutet. Beeclieidene llerrichtungen reiclien fi'ir so
verwöhnte Gäste nicht aas, es müssen grössere Mengen bereit
gehalten werden. Das führt auf die bekannte Wendung sexies
tantum (sechsmal so viel), oder da es griechisch sein soll, έΕάκις
tantumj das lateinisch geschrieben (EXAKIS) der Ueberlieferung
eacurtis nahe genug steht ^.
Im Philol. 1898 S. 403 ff. hatte ich den Versuch gemacht,
die Worte des Briefes ad Att. XVI 11, 1 Asia ea ctegre me ienui
usw., welche über Ciceros zweite Philippica handeln, in obscönem
Sinne zu erklären und zu berichtigen. Diese Behandlung hat
sehr verschiedene Aufnahme gefunden \ Nur 0. E. Schmidt hält
sie für völlig verfehlt und ist über sie wie über andere meiner
Vorschläge sittlich entrüstet (Rhein. Mus. LV, 1900, S. 407 ff.).
Während er vordem hinter asta ea einen Eigennamen suchte ^
sagt auch er jetzt mit der Bestimmtheit, die ihm eigen ist, hasta
bedeute hier dasselbe wie das griechische όβελός, das Zeichen
der Athetese . ., also asta ea aegre me tenuL 'Ich habe deinen
όβελός nur ungern stehen lassen'. Statt φαλλψ Luciliano sollen
wir malitia Luciliana lesen und uns bei der Verhältnissmässig
harmlosen Stelle jedes Gedankens an eine Obscönität enthalten.
Dem habe ich zu erwidern: Cicero bezeichnet selbst durch die
^ Ich dachte auch an έσχάρας tantum , gebe aber dem Obigen
den Vorzug, weil die Wendung sexies tantum formelhaft ist zum Aus-
drucke eines vielfach Grösseren.
« C. F. W. Müller hält sie für zutreffend, Ä. C. Clark ('the class.
sev.' XIV, 1900 p. 170) nennt meine Conjectur sine φαλλψ (cod. vaüo)
Luciliano 'brillant' ; E. Schelle sagt (Neue Philol. Rundschau XX, 1900
S. 4G9) : *Die Stelle ist durch Gurlitt aufgeklärt worden' ; 0. Piasberg
(WS. fiirklaes. Phil. XV, 1898 S. 1198): *Der Versuch sine φαλλψ Lu-
ciliano zu schreiben, vorher (h)asta (= φαλλψ) beizubehalten und in
beidem die Andeutung einer Obscönität zu sehen, deren Beseitigung
Atticus durchgesetzt hätte, sei nicht als unmöglich abzuweisen, aber
keinesfalls als sicher anzunehmen*. Ablehnender urtheilt Th. Schiebe,
'Jahreeber. zu Ciceros Briefen' in der Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen
XXV, 1899 S. 330 f., welcher asta mit Fr. Schmidt (Prgr. von Würz-
burg 1892 S. 32 f.) als όβελός περιεστιγμένος fiisst und demnach die
Worte: (ab) hasta ea aegre me tenui übersetzt: *von diesem deinem
Striche habe ich mich nur mit Mühe ferngehalten'.
8 Rhein. Mus. Bd LUX S. 233 A. 1. *So kann ich zB. den Namen
der Frau nicht herausbringen, die Cicero trotz ihrer Beziehungen zu
Antonius doch in der II. Phil. (§ 3) schonen will, ein Name, der sich
in dem ßucbstaben-Conglomerat asta ea verbirgt*.
348 Gurlitt
Soblueebemerkuiig ^moriar nisi faceic! den Inhalt seiner den Sicca
betreffenden Bemerkungen als im hoben Grade witzig. Schmidt
bleibt uns den Witz schuldig.
Hasfa = όβελός zu erklären, schien mir aus sprachlichen
Gründen unannehmbar. Wenn Cicero hätte sagen wollen: *ich
habe deinen Strich nur ungern stehen lassen , so hätte er nicht
das Pronomen βα, sondern doch wohl isia schreiben müssen. Be-
zeichnet er doch sogar in demselben Zusammenhange seine eigene,
von Atticus nur leise redigirte Rede mit den Worten : ista oratio.
Sodann wäre erst nachzuweisen, dass Cicero (enere auch mit dem
blossen abl. separationis in dem Sinne ^ sich einer Sache ent-
halten* gebraucht habe, statt mit α und abl. Die blosse Be-
hauptung, dass das zulässig sei, kann doch nicht ausreichen \
Ferner wäre erst noch zu belegen, dass Cicero und seine
Zeitgenossen hasia in dem Sinne von όβελός gebraucht haben.
Mir ist mit dieser Bedeutung bei den Lateinern nur veru und
obelus nachweisbar. Cicero selbst würde, zumal in einem Briefe
an Atticus, wahrscheinlich den griechischen Ausdruck όβελός
gebraucht haben, da er auch in einem Briefe an P. Dolabella
(ad fam. IX 10, 1) sagt: alter Äristarchus hos (versicuhs) όβελίίΐεί
Wenn man mir bestreitet, dass obscöne Gedanken hier zu Grunde
liegen, so frage ich, ob eine andere Beschimpfung (contumelia)
als eine, die auf sexuellem Gebiete liegt, da wahrscheinlicher
angenommen wird, wo es sich für Cicero um eine Verunglimpfung
des Familienlebens des C. Antonius handelte? Sicca und Septi-
mia aber waren in der unredigirten Kede Ciceros an der Stelle^
wo des Antonius erste Ehe mit der Freigelassenen Fadia und die
Kinder dieser Ehe besprochen waren, in beschimpfender Weise
genannt worden. Mehr wissen wir freilich nicht. Auch daran
halte ich fest, dass mit παίδες παίδων in scherzendem Doppel-
^ Auch sonst wird die Stelle sprachlich keineswegs gefalliger,
wenn wir Schmidt folgen. Denn wenn Cicero sagen sollte: 'Deinen
Strich habe ich nur ungern anerkannt*, so kannte er das kaum unge-
schickter thun, als mit den vorliegenden Worten. Dazu kommt, dass
Atticus nicht durch einen Strich, sondern durch ausführlichere brief-
liebe Begründung die Aenderung der Stelle gefordert hatte. Er bat
auch die Glanzstellen nicht angestrichen, sondern ausgeschrieben (δνθη
posuisti) — darin hat Piasberg aaO. S. 1198 Anm. 2 doch wohl das
Rechte angedeutet — und wird sich wohl überhaupt nicht gestattet
haben, im Originale zu corrigiren, wenn auch Cicero scherzhaft sagt,
er habe den Rothstift gefürchtet Kurz, die Sache ist nicht so klar
und einfach, wie Schmidt die Leser glauben machen will.
Facetiae Tullianae d49
sinDe gesagt werde, eretene ^80 daes es Eindeskindet T/lesen*,
zweitens, 'so dass man wisse, Kinder von Kindern . War Fadia
etwa in Wahrheit oder einem Klatsche zufolge die illegitime
Schwester des Antonius, dann aher thateächlich seine Gattin, so
konnte Cicero die Kinder dieser Ehe als παΐbες παίοιυν hezeichnen.
Doch lege ich auf diese Deutung, die auch Plashergs und Schiches
Widerspruch gefunden haben, weniger Werth. Sie würde jeden-
falls zu dem Tone und Gedankenkreise, durch den Cicero seine
politischen Gegner verfolgt, durchaus passen — 'denn der Hass
verleitete ihn, seine Pfeile in Schmutz zu tauchen* (Drumann G.
R. VI S. 606) — und wurden ebenfalls witzig die Schlussbemer-
kung moriar ttisi facetel rechtfertigen helfen. Wer also hier
keinen witzigen Sinn nachweisen kann, der hat Cicero jedenfalls
nicht verstanden. Meine Interpretation ist weder 'gewaltsam*
noch habe ich den 'Gedanken verpfeffert'. Denn erstens ist nsia
überliefert. Ich handle daher im guten Kechte des Textkritikers,
wenn ich mich bemühe, die Ueberlieferung zu halten. Zweitens
ist meine Aenderung von vallo Luciliano in φαλλψ LucUiano
graphisch bei weitem näher liegend, als irgend eine bisher, be-
sonders aber als die von Schmidt vorgeschlagene malitia Lud-
ianuj gegen die ausserdem Schiebe aaO. S. 375 (nicht eben
glücklich) geltend macht: 'sie würde einen Vorwurf gegen
Lucilius enthalten, der hier Cicero fem liegt\ Für meine
Conjectur spricht sodann das vorausgehende asia — hier schützt
eins das andere — ; es spricht dafür auch die Erfahrung, dass
griechische Worte in den Briefen sehr häufig als lateinische
verschrieben sind , so in demselben Briefe δνθη als ante ;
Schmidts Widerspruch aber, dass φαλλός sonst nirgends bei
Cicero vorkomme und in dem abstracten Sinne = Zote über-
haupt nicht belegt sei, ist doch zu nichtssagend. Oder ist etwa
die Aenderung von ante in δνθη deshalb weniger richtig, weil
sich, so viel ich sehe, dieses griechische Wort nur einmal
bei Cicero und zwar an dieser Stelle findet? Das Wort φαλλός
aber in abstractem Sinne zu nehmen, hat nicht die geringsten Be-
denken : denn es ist eine bei Dichtern und Prosaikern gleich be-
liebte Figur, das Concretum für das Abstractum zu setzen, so 08
für oratio, pectas für animus. Wem das nicht genügt, den ver-
weise ich auf die schon oben erwähnte Briefstelle, ad fam. IX
22, 2. Dass Lucilius einen derben Ton liebte und so wenig wie
Plautns vor Zoten zurückschreckte, ist bekannt, und ich kann auf
VariO (bei Nonius 201, 6) verweisen, wo es heisst: atavi nostri
350 eurlitt
cum allium ac caepe eorum verba olerenf, tarnen optitne animati
erant. Eine 'ungerechtfertigte Aburtheilung über Ciceros Charakter
wird mir mit nicht mehr Berechtigung zum Vorwarf gemacht.
Cicero giebt selbst zu, dass er sich von seinem Hasse gegen An-
tonius habe verleiten lassen, Beschimpfungen auch gegen seinen
Wohlthäter und bisherigen Freund Sicca in seine Rede aufzunehmen.
Schmidts Bemerkung: ^s ist nur gut, dass das, was wirklich in
der II. Phil steht, uns die Probe machen lässt auf den verhältniss-
mässig harmlosen Inhalt der Worte sciant παίδες uaibuiv ... cum etc.*
beweist, «lass er diese Stelle irrthümlich für den ursprünglichen
Text hält, während es doch nur der schon redigirte Text sein
kann, aus dem die contumdia entfernt ist. War in der Komödie
ein Wortspiel mit a^ita beliebt \ so musste sich jeder, der nicht
unwillkürlich Gelächter erzeugen wollte, mit dem Gebrauche
dieses Wortes vorsehen. Denn die Römer waren in solchen Dingen
sehr feinhörig^. Nahm Cicero aber einmal trotz seiner sonst —
auch nur angeblich ' — bewahrten verecundialoquendi ein Citat aus
der Komödie, einen Volks witz oder den derben Scherz eines
Freuniics in seine Briefe auf, so wusste er, was er that und
braucht deshalb von niemandem in Schutz genommen zu werden.
Das gilt also auch von der Stelle eines Briefes an P. Dolabella,
ad fam. 1X10. 3, die ich im Philol. LVIII (N. F. ΧΠ) 8. 45 ff.
unter dem Titel *Atius pigmentarius und Verwandtee' mit
zwei anderen Stellen zusammen in diesem Sinne behandelt hatte
Die Stelle lautet : Cum igitur mihi etit e^vploratum fe libenfer esse
risurimit scribam ad ie pltiribus. Te tarnen hoc scire volo, vementer
popülum sollicitum fui^se, de P. Sullae morte ante quam cerium
scierit. Nunc quaerere desierunt, quo modo perierit; satis putarit
se scirCy quod sciunt. Ego cetvroqui aequo animo fero; unum
vereoTy ne hasta Caesaris refrixcrit.
Gegen meine Behauptung, dass die letzten Worte obecönen
Sinn haben, macht 0. E. Schmidt zunächst geltend : Das wäre des-
1 Plaut. Most. 823, wo man den obscönen Sinn nicht erkannt
hat, ebensowenig wie in den Worten (327) quod mihi in manu est, die
KU erklären sind durch Ariet. nub. 734 πλην €l τό πέος έν τή b€Ϊ\^
und aus CIL. IV 1939 = Rhein. Mus. 1857 XII S. 2<J0 und Bucheler
Anthol. 231.
2 Ich erinnere an Orat. c. 45 (Quint. VIII 3); erinnere auch noch-
male an den für dieses Thema höchst lehrreichen Brief an Paetus (ad
fam IX 22).
8 Λ-τΙ. Drumann (iR. VI S. 598 ff.: ad fam. IX 22, 1; 5.
Facetiae Tdlianae 551
halb falsch, 'weil das hohe Alter des verstorbenen Sulla den
Gedanken aasscbliesse, dass er für Cäsar ein Gegenstand wol-
lüstigen Begebrens gewesen sei. Sulla starb nämlich als Greis
von 60 — 70 Jahren*. Das war mir nicht unbekannt, wie mein
Citat aus de off. Π 8, 29 (S. 46) beweist. Trotzdem meine ich,
dass sich der Scherzende, der mit dem Doppelsinne der Worte
hasta und refrigescere spielt, um die Glaubwürdigkeit oder innere
Wahrscheinlichkeit des Witzes wenig kümmerte. Dieser Witz
hatte nur den Zweck der bitteren Stimmung des Volkes gegen
den Verstorbenen, der wie wenige verhasst war, und zugleich
gegen Cäsar Luft zu machen. Wenn dabei eine leichte Möglich-
keit durchklangy dass Cäsar und Sulla jemals in wollüstigem Ver-
kehre gestanden haben könnten, so genügte das den Spottsüch-
tigen. Dass man sich den Witz in der Stadt zuraunte (fama
siissurrit)^ dass Cicero hier wohl blos den Stadtwitz kolportirt,
sohliesse ich aus ep. XV 17, 2 Caesarem putabant moleste lafurum,
verentem ne hasta refrixisset. Man muss sich zum Verständnisse
solcher Wortwitze, für die der Südländer auch heute noch grosse
Vorliebe hat, an verwandte, so an Moltkes von Bismarck er-
zählten Witz von der 'gesprengten' Brücke in Dresden erinnern
(Gedanken und Erinnerungen II S. 92). 'Wissen Sie schon',
fragte ein Römer den andern mit erheuchelter Trauer, 'dass P.
Sulla gestorben ist?' — 'Ja wohl 1 Aber was liegt daran ?^ *Nun,
die Sache ist doch ernst, ich fürchte, ne hasta Caesaris refrixerit \
Lachend gehen beide weiter, um den Witz gleich wieder dem
nächsten Bekannten vorzulegen. So schliesst auch Cicero seinen
Brief mit diesem Witze, um sich einen guten 'Abgang* zu schaffen
wie ein Schauspieler, der dazu wohl noch sein plaudite rief. £s
ist ein falscher Anspruch, dass jeder Witz der Wahrheit ent-
sprechen müsse (vgl. de orat. II 59, 240; 60, 243). Auf die
Frage, woher ich wisse, dass Cicero einen Witz machen wolle,
kann ich nur antworten: ^Von ihm selbst ^ Denn er leitet seinen
Bericht über den Tod des Sulla mit den Worten ein: 'Wenn ich
erst weiss, dass du gerne lachst, werde ich dir ausführlicher
schreiben. Aber den einen Spass sollst du doch erfahren' {te ta-
men hoc scire volo) und nun folgt der Bericht voll bitteren Hohnes.
0. £. Schmidt (S. 405) erklärt unsere beiden Stellen höchst
nüchtern: *Cicero meint, Cäsar werde über den Tod des P. Cor-
nelius Sulla betrübt sein, in der Besorgniss, die Auctionen könnten
in Stillstand kommen'. Das ist ja ungefähr der ehrbare Ge-
danke, hinter dem sich der obscöne versteckt, der eben vevbis
362 Oarlitt
tectuSy re impudentior (ad fam. IX 22, 1) ist. AehnÜch boshaft
war Ciceros Witz, mit dem er den jungen Octavian so schwer
kränkte: laudandum adoUscentem ornandum foUendum (ad fam.
XI 20, l) — ^man mnss ihn loben, ehren, — in die andere Welt
— befördern '. Dass Schmidt aber den wahren Sinn nicht wieder-
giebt, ist leicht zu erweisen : zunächst ans rein sprachlichen Grün-
den. Cicero *meint* nicht, sondern er fürchtet (vereor), er fürchtet
aber auch nicht, *die Auctionen könnten in Stillstand kommen ,
sondern (ne Jiasta refrixerU\ sie wäre erkaltet. Ebenso heisst
es ad fam. XV 17, 2 Caesar em putabant moleste laturum, verentem
ne Imsta refrixisset. Die Geschäfte des Güterverkaufes sind doch
nicht mit dem Augenblicke 'erkaltet', als Sulla starb, sondern
sie könnten, falls sich für Sulla kein ebenbürtiger Käufer finden
sollte» später einmal nachlassen. Hätte Cicero das sagen wollen,
so würde er nicht das Perfect und Plusq. gesetzt haben. Vor
allem aber spricht die politische Stimmung Ciceros gegen eine
solche Deutung. Man denke sich die Lage, als er (kurz vor dem
30. Dec. 46) den Brief ad fam. IX 10 schrieb. Cäsar stand
mit seinem Heere in Hispania und C. Vibius Pansa rüstete sich
(ad fam. XV 17,3), ihm zu folgen, um mit ihm die Pompeianer
niederzuwerfen. Wie gleichgiltig musste in so ernsten Kriegszeiten
dem Cäsar selbst, wie viel gleichgiltiger Cicero die Frage sein,
wer in Rom die Güterausschlachtung der Vernrtheilten besorge?
Für dieses schmutzige und gewinnbringende Geschäft werden sich
nur zu viele Hände bereit gefunden haben. Kann Cicero im
Ernste gesagt haben: Mch fürchte (vereor), dass Cäsars Auc-
tionen in Stillstand gerathen sind', während er in Wahrheit sich
darüber nur gefreut haben wird? Konnte ihm daran liegen, dass
Cäsar, der seine Parteigenossen bekriegte, in Rom Geldgeschäfte
mache ? Seine wahre Stimmung giebt er in demselben Briefe selbst
mit den Worten (§ 3) De Hispania novi nihil, sed expectatio
magna: rumores tristiores^ sed αδέσποτοι. Sehen wir weiter! Meine
Vermuthnng, dass Cicero in dem Briefe an Cassius in XV 17, 2
mit Attius pigmentarius spöttisch Octavian bezeichne, und dass
Cassius in demselben Sinne schreibe, Cäsar werde den P. 8alla
nicht vormissen, cum filium (= Octaviaoum) viderit, bekämpft
0. E. Schmidt mit folgenden Gründen:
Cassius sagt ganz einfach : Cäsar soll sich trösten im Hin-
blick auf den Sohn des Sulla, weil dieser dasselbe Geschäft be-
treibt, wie der Vater*.
GewisR, dae ist, >%ie ich nie gezweifelt habe, der ehrbare
Paoetiae tullianaö d5d
Gredanke, hinter dem sich wieder die Zote versteokt. Schmidt
fragt freilich: * Woher weiss Garlitt, dass Cassius eine Zote
machen will * ? Ich weiss, dass er witzig sein will, weil er auch
sonst den Tod des Snlla durchaus spöttisch und mit hissigen
Witzen behandelt. Dass er aber mit filium denselben bezeichnen
wolle, den Cicero Atius pigmentarius genannt hatte, schliesse ich
aus dem sonst von Cassius beobachteten Eingehen auf Ciceros
Gedanken :
Cicero (E. XV 17, 2) C. Cassius (E. XV 19, 3)
Hoc tu pro tua sapientia feres cuius ego mortem forti meher-
aequo animo — etiles animo tuli, —
Ckiesarem putabant moleste Ich nee tarnen Caesar . . . secto-
turum, verentem ne hasta re- rem desiderabit, cum fUtum vt-
friaisset; Mindius Marcellus et derit.
Attius pigmentarius valde gaw
dcbant se adversarium perdi-
disse.
Gegen diese Vermuthung aber, dass Cicero mit Attius pig-
mentarius und ebenso Cassius mit filius den jungen Octavian be-
zeichne, macht 0. E. Schmidt als vermeintlich durchschlagendes
Argument gelten, dass Cäsars Adoption damals noch nicht er-
folgt, geschweige in Rom bekannt gewesen sei, dass mithin mit
filius unmöglich schon Octavian gemeint sein könne. Das klingt
überzeugend, denn thatsächlich nahm Cäsar *Die Adoption des
jungen Octavian erst am 13. Sept. 45 vor (unser Brief ist aber
schon im Jan. desselben Jahres geschrieben), und auch damals
blieb die Adoption noch ein Geheimniss. Erst im Laufe des
Winters 45/44 bildete sich in der Umgebung Cäsars die Ueber-
zeugung aus, dass Octavian zum Nachfolger bestimmt sei (0. E.
Schmidt, Jun. Brutus in den Verhandl. der Görlitzer Philologen-
yers. S. 178; Gardthausen, Augustus I S. 49). Diese Bemer-
kungen sind richtig, sind mir aber nicht neu. (Ich hatte deshalb
auch nicht gesagt ^nach' der Adoption, sondern ^zur Zeit' der-
selben^). Ich nahm an und schloss eben aus unserer Stellci
^ Diesen Ausdruck hatte ich — offen gestanden — absichtlich so
unbestimmt gehalten, um die Kritik nicht auf einen Einwand hinzu-
weisen, den ich für nicht stichhaltig hielt und deshalb auch nicht selbst
erst widerlegen wollte. Dazu kommt, dass meine Deutung von Atius
pigmentarius selbst dann zu Kraft besteht, wenn man vorziehen: sollte,
füiuü hier nur auf den Sohn des Sulla zu beziehen. Ich gebe aber zu,
dass ich besser gethan hätte, meine Gründe, die hier folgen, schon im
Kheio. Mm. f. Pbilul. N. F. LVII. ^"^
354 Garlitt
daes dem Vollzüge der Adoption das Gerede gleichen Inhaltes
vorausgegangen sei. Da Cäsar keinen Leibeserben hatte, so mnes
die Frage, wer ihn beerben werde, schon früh die Gemüther
stark bewegt und die Blicke auf seinen Grossneffen gerichtet
haben. loh hiuss mich jedenfalls wundern, dass gerade Schmidt mir
eine Möglichkeit abstreitet, die er selbst annähernd schon ane-
j^esprochen und zur Grundlage einer weitblickenden Hypothese
gemacht hatte. In seinem bekannten Vortrage auf dem Görlit/er
Philologentage Έ. lunius Brutus sagt er (S. 178): 'Nach seiner
Heimkehr adoptirte den jungen Oetavian sein Oheim am 13. Sept.
in seinem Testamente (Suet. Caes. 83), und wenn dasselbe auch
geheim gehalten wurde, so verriethen doch andere Mass-
nahmen, wie zB. Octavians Entsendung nach Apollonia . . . .
Cäsar β Willen auf das deutlichste (Nicol. Damasc. 16Λ
Mit demselben Hechte nehme ich an, dass auch vor der Adoption
Cäsars Wille von seinen Neidern und Feinden geahnt oder ihm
doch untergeschoben wurde. Denn Cäsar war vor Ausbruch des
spanischen Krieges bis Ende Sept. (neue Aera) 46 in Rom (0. E.
Schmidt, Der Briefw. S. 257), Oetavian damals in seiner Um-
gebung und nur durch Krankheit verhindert, Anfang 45 mit
ins Feld zu ziehen (Nicol. Damasc. βίος Καίσαρος ο. 10), folgte
ihm aber nach, so dass er im Mai mit ihm zu Kalpe in Süd-
spanien zusammentraf (0. K, Schmidt aaO. S. 369). Es konnte
der Umgebung Cäsars nicht entgangen sein, dass Oetavian bei
Cäsar in Gunst stand, und somit ist es gewiss nicht unwahr-
scheinlich, dass man schon seit Ende 46 die Adoption Octaviane
als Vermuthung, als eine böse Ahnung, ausspracht Mehr als
eine Vermuthung braucht man auch in dem Worte cum fiHum
v^iderit, * wenn er erst einen Sohn zu sehen bekommt', nicht zu
erkennen. Als Cicero seine Bemerkung über Atius pigmentarius
schrieb, am 30. Dec. 46 oder bald darauf, war Oetavian jeden-
falls noch in Kom, ebenso Ende Jan. 45, als Cassius schrieb:
cum fUium viderit^ aber dieser wusste wohl, dass er Cäsar folgen
wolle, und mag deshalb auf die bevorstehende Begegnung an-
spielen ' wenn er einen Sohn zu sehen bekommt . Grosse Be-
gebenheiten werfen eben ihren Schatten voraus. Um nicht schon
ersten Aufsätze auszusprechen. Der Wunsch, kurz zu sein, verschuldet
oft Missverständnisse.
^ Man denke an die Geschäftigkeit, mit der Sensationsbedürftige
uns'Te Höfe umlauern, um über neue Verlobungen und dergl. Gerüchte
auszustreuen.
Facetiae taÜianae ä&6
Greeagtes zu wiederholen, verweise ich im Uebrigen auf meinen
Aufsatz im Philol. (LVIII N. F. ΧΠ S. 45 ff.) Κ Mögen andere
entscheiden, ob auf diese Hypothese Schmidts Ürtheil passt : *Ich
würde sagen, hier ist von Gurlitt alles an den Haaren herbei-
gezogen, wenn nicht auch in diesem Bilde schon ein zu grosses
Zugeständniss enthalten wäre', ob es ferner meine Schuld ist,
wenn er gestehen muss, ^dass für solche Beweisführung seine
Fassungsgabe nicht ausreiche'.
Im Weiteren wendet sich Seh. mit zutreffenden Gründen,
die aber zumeist schon von 0. Piasberg in einem Oktoberheft der
WS. f. kl. Phil. 1898 Sp. 1200 f. vorgebracht worden waren, beson-
ders gegen zwei von mir schon längst aufgegebene Conjecturen,
in denen ich von einem falschen Gedanken verleitet den Orts-
namen Astura mit leichter Aenderung für astute einsetzen wollte
(ad Att. X 6, 1 ; ad fam. Π 16, 6). Es ist eine Entstellung,
wenn Seh. meine Behandlung dieser vier (soll heissen zwei) Stellen
spöttisch als 'Probe' des von mir selbst 'so sehr betonten Con-
servativismus' hinstellt, ich übersehe nicht alle von mir schon
vorgetragenen Conjecturen, glaube aber, dass sich zu dieser
Probe* kaum eine zweite gleichartige wird nachweisen lassen^.
^ [Corr. Nachtrag: Eine Nachprüfung ist geboten, da auch Schiebe
meine Deutung unter Hinweie auf Seh. glaubte abweisen zu müssen:
Jahresbericht von 189i> (Bd. XXV S. 334 und 336) und 1901 (Bd. XXVII)
S. 258 f. Ich trage nur folgendes nach: Es mag richtig sein, dass
mit Μ sectorenif nicht mit FH sectcUorem zu lesen sei (Schmidt 8. 405).
An meiner Deutung der ganzen Stelle ändert das nichts, ja es ist ihr
vielleicht noch günstiger, weil die Antithese stärker wird. Nach Schmidt
soll Cassius sagen: *Gäsar wird den Güterausschlachter nicht vermissen,
wenn er dessen Sohn, der ebenfalls Güterausschlachter ist, sehen wird'.
Das ist allerdings sehr matt und witzlos, beabsichtigt ist deshalb wohl
die starke Antithese, 'er wird den Güterausschlachter nicht entbehren,
wenn er seinen eigenen Sohn sieht*. Seh. 'protestirt* gegen einen Ver-
dacht, dass Cicero auf eine lasterhafte Beziehung Cäsars zu Ootavian
angespielt habe. Protestirt er auch gegen Ciceros Witz advAeseentem
Jßudandum^ toUendum oder gegen Drumanns Worte (GR. III 740; VI
006): * Cicero benutzte auch das Gerüoht von einem entehrenden Umgang
zwischen Cäsar und Nicomedes, dem Könige von Bithynien, um in Briefen
und nach Sueton (Caes. 49) selbst im Senate nach seiner Weise zu
scherzen?]
' Es müsste denn ad Att. XIII 41 fin. sein, wo ich für Gros igitur,
fast quid α te commeatus conjicirt habe: α te commtUatur (Philol. LIX
N. F. Xm. 1900 S. 127). Commeatus läset sich wohl durch Hinweis
auf Plantus vertheidi^fon. An dieser Stelle aber hatte Schmidt selbst
eine Aenderung für nöthig gehalten, nämlich commeat vp (^jespeTvV
356 Gurlitt
Natürlich ist aach der Fehler, den ich an dieser Stelle gemacht
hatte, typisch^ Mit solchen Mitteln macht man die Arbeit eines
anderen verächtlich. Auch in einem dritten Falle ad Att. XYl
l5, 6f wo aber der Text anerkanntermassen verderbt ist, habe
ich fälschlich den Namen Ästura finden wollen. Aber eben so
falsch ist, was Seh. selbst bietet, indem er vorschlägt: consenii
in hac cura^ ubi sum (oder nobiscum\ ut we ea'pediam. Denn
cura, vbi sum ist nnlateinisch, wie schon Boot betont, tiobiscum
aber passt wegen des Plurals nicht zu sum und zu rne, es müsste
mecum heissen. Die üeberlieferung lautet: consenii in hac cura
uni sum, ut me expediam, was ich jetzt also lesen möchte: con-
sentim (= consentimus) hac cura ubicunque ut me expediam, quilms
autem rebus venit mihi quidem in mentemt sed certi constituere
nihil possum, priusquam te videro. Das heisst: 'Wir sind darin
einig, dass ich mich aus meiner gegenwärtigen (Geldjsorge wo
auch nur immer befreie (jeder Better soll ihm also willkommen
sein), mit welchen Mitteln das aber geschehen könne, darüber
habe ich eine Idee, kann jedoch nichts Bestimmtes festsetzen,
ehe ich dich nicht gesprochen habe .
Man darf annehmen, dass Schmidt mit denjenigen Con-
jecturen, die er zugleich mit seinem Angriffe gegen C. F. W.
Müller und mich vorträgt, sein Bestes geben will, dass wir sie
als specimen ernditionis ansehen sollen. Er wird daher nichts
dagegen haben, wenn ich sie einer eingehenden Kritik unterziehe.
Cicero schreibt ad Att. X111 48, 1 (vom 2. Aug. 45) Lepta
me rogatf ut, si quid sibi opus sit, accutram, mortuus enim Ba-
bulVius, Der Name BabulUus findet sich mehrfach belegt ^ Kr
ist besonders in Campanien, Bruttium, Lucanien häufig, verniuth-
lich oskischer Herkunft (Guarini lex. osco-lat. p. 81). Auch 5a-
buleius kommt vor CIL. VI 2, 134^3. Da nun Lepta den Tod
des BabulUus aus Puteoli meldet, da wir in Capua inschriftlich
den Namen Babullius in dieser Schreibung, in Puteoli selbst eine
Babullia nachweisen konnten, so liegt doch gewiss kein Grund
vor, an der üeberlieferung dieser Briefstelle zu zweifeln. Anders
0. E. Schmidt. Er sagt (S. 102): 'Der Name Babullius läset
sich nirgends sonst nachweisen nnd ist mir auch schon
Ϊ (IL X, I 76;}.•}, 514<): M. Balmlius, C. f. Cicero und mehrere
andere Bahtüii, 5867 Q, BabulUus, 4037 M. Babullius Restituius (Capua),
7G;j3. Wir haben Babullia VI 13454; 2156 (Puteoli) III 2, 313(5; IX 1,
4037; Babullianm IX 6ii83: X 2, .s2ii") (Capua); Baiiuria VIII, 2. ΙΓιίΚ);
Ö4Ü5; 3466; 5467; [Babajria 1590; 346«; 51. Baburius IX 47ϊί>.
Faoetiae Tullianae 357
wegen seiner Form so verdächtig, dass ich ihn für eine jener
häufigen Zusammenziehungen von Abkürzungen ansehe' . Und
nun beginnt eine kühne Combination mit den gewaltsamsten
Textverderbungen. 'Es handelt sich, fahrt nämlich Seh. fort, um
eine Erbschaft, an der Lepta und, wie es scheint, auch Cicero
betheiligt ist . Dass aber Cicero betheiligt sei, ist eine Ver-
muthung, für die nicht einmal der Schein spricht. Im Gegen-
theil, alles spricht dagegen. Wäre Cicero bedacht worden, so
würde er das doch in erster Linie dem Freunde mitgetheilt haben,
würde dann auch sein Erscheinen an dem Orte der Testaments-
regulierung nicht von dem Wunsche Leptas abhängig gemacht
haben. Lepta wünschte Ciceros Rechtebeistand. Mehr besagt
unsere Stelle auch im weiteren Verlauf nicht. Ja die Angabe:
CaescuTf opinor ex unciOy eist nihil adhuc, sed Lepta ex trienie
beweist e eilentio auf das Bestimmteste, dass Cicero in dem
Testamente eben nicht bedacht sein konnte. Nun erfahren wir
RUH einem Briefe vom 12. Aug., ad Att. XII Γ 46, dass Cicero
und Cäsar, der durch Baibus vertreten wurde, damals an einer
Erbschaft des in Puteoli verstorbenen Cluvius betheiligt waren.
Unter den Erben dieses Cluvius wird nun Lepta ebenso wenig
genannt, wie Cicero unter denen des BabuUius. Schmidt hält aber
aus dem ein/jgen (Trunde, weil beide, Cluvius und Babullius in
Puteoli gestorben zu sein scheinen — denn erwiesen ist auch
das nicht — , beide Fälle für identisch und macht diese Ver-
mutbung zum Ausgangspunkte für seine Textesänderuneren. Zu-
nächst wird uns zugemutbet statt Babullius zu lesen : pu, cluvius^
was Pn(Jteolis) Cluvius heissen soll. Man höre und staune!
'Nach dieser Erkenntniss' (!), fährt er fort, sei die Erbschafts-
regnlirung des Cluvius, die er selbst früher (^Dtr Briefw.* S. 341 f.)
ge;;eben hatte, in einigen Punkten zu berichtigen. 'Am 2. Au^
früh habe Cicero den Tod des Cluvius durch diesen Brief des
Lepta erfahren und danach an Attious XIII 48 geschrieben*. Das
ist falsch: Statt Cluvius muss es BabuUius heissen. Der Tod
des Cluvius muss ihm schon früher bekannt geworden sein, in
dem Briefe A. XIII 48 ist daher auch von ihm und seinen Folgen
gar nicht die Rede. Schmidt fahrt fort: *Im Laufe des Tages
hatte Cicero eine Besprechung mit Baibus, dem Geschäftsträger
Cäsars^; man kam überein, das» die werthvolle Hinterlassenschaft
1 Bevor Baibus in Unterhandlung wegen der Erbschaft eintrat»
wird er doch erst bei Cäsar angefragt haben, ob er gewillt sei die Erb-
schaft anzutreten. Cluvius muss also wesentlich früher als am 2. Aug.
gestorben sein.
358 Gorlitt
des Cluvias vereteigert werden sollte, sobald Cäsar zurückgekehrt
8ei. Doch kannte man zunächst noch nicht die genaueren Be-
stimmungen des Testamentes. Zum Vertreter seiner Interessen
will Cicero den Bankier Vestorius in Pnteoli wählen, vgl. ad
Att. XIII 37,4 (ebenfalls noch am 2. Aug. geschrieben): De
auctione proscribenda equidem locutus sunt cum BaJbo: placebat
sq.^ Hier wird also die Chronologie der Briefe bestimmt auf
Grund der falschen Hypothese, dass BabulUus gleich Puteölis
Cluvius sei. Ebenso wenig haltbar ist, wie gesagt, die Behaup-
tung, dass Lepta ein Erbe des Cluvius gewesen sei^. Dieser
wird auch nie als solcher genannt. Seh. aber sagt: ^Ich weise,
dass der vierte Erbe Lepta war'. Erst ^schien' es so, dann wurde
es * wahrscheinlich', gleich darauf zur 'Erkenn tniss und nun zum
* Wissen*, und damit wird dann auch der Text von ad Att. XVI
2, 1 Verbessert'. Dort heisst es: Erotem remisi citius, quam
constitueram^ ut essetj qui Hortensio t ei quia equibus quidem att
se Idibus constiiuisse, Hortensim vero impudenter. Ich habe be-
wiesen (Philol. LIX N. F. XIII 1900 S. 106 f.) und dafür die
Zustimmung von C.F.W. Müller und Th. Schiebe (aaO. S. 377),
dass für et QVIAE zu lesen sei: et OVIAE, dass es sich also
nicht um das Cluvianische Erbe handele, sondern um einen fundns
der Ovia, für den Zahlung zu leisten war. Seh., der diesen Be-
weis noch nicht kannte, macht aus der Ueberlieferung, indem
er an drei Stellen gewaltsam eingreift: qui Hordeonio et Leptae^^
quibus quidem . . . Hardeonius vero impudenter. Drei verschie-
dene Angelegenheiten also, die Nachlassenschaft des BabuUiua^
die des Cluvius und das Geschäft Ciceros mit Ovia werden von
Seh. als eine Sache behandelt und mit dieser völlig haltlosen
Hypothese werden die Briefe datirt und *emendirt*. Natürlich
ist das Ergebniss in allen Punkten verfehlt ^
^ Lepta hatte mit dem Erbe des Cluvius gar nichts zu tbon. Er
unterhandelte mit Balbas (ad Att. XIII 4β, 1) in einer anderen Ange-
legenheit, nämlich wegen einer cwratio.
« Früher hatte er (Rhein. Mus. N. F. LH 8. 237 unter Nr. 104)
statt Leptae ebenso verkehrt Plotio conjicirt (aus ad XIU 4β, 3). Plo-
Üus war auch nicht Erbe des Cluvius, sondern Agent des Baibus.
8 [Wenn neuerdings Th Schiebe (Jahresb. d. phil. Vereins XXVII
S. 258) in A. XIII 48, 1 Babuüius in Vibuüius ändern will, so ist
auch diese Conjectur durch das Vorstehende widerlegt. Auf Schicbes
sonstige Bemerkungen gegen meine (Philol. LVIII, 1899 S. 45 ff.) vor-
getragenen Deutungen und Conjecturen kann hier nicht mehr einge-
gangen werden. Zum Theil erledigen sie sich durch das bisher Gesagte.
Coirectur -N achtrag] .
Facetiae TuHianae 359
So wenig wie in den hisher bebandelten Fällen kann ich
in den folgenden die von Sebmidt behaupteten starken Abkür-
zungen bei Eigennamen erkennen. In ep. ad Att. XV 2 soll
devertissemque f dcutius in Vescmno accepi usw. verdorben sein aus
deveriisscmque arp, üs (= Arpinum versus) oder (iqui. ils (= Aqui"
num versus). Sachlich wäre dem nichts Zwingendes entgegen,
wie der Hinweis auf ad Att. XVI 10, 1 verti igitur me α Min-
turnis Arpinum versus; constitucram ut . . Aquini manerem zeigt,
aber besonders aus paläographischen Gründen halte ich diese
Aenderung für ebenso willkürlich, als Sch.s frühere (α Sinnes-
sano) . . . proficiscens α Puteolis (^Briefw/ im Neudruck \ Eine
durchschlagend sichere TiCsung ist für diese Stelle noch nicht
gefunden. Meine Vermnthung: accuhans in Vesciano halte ich
für näherliegend, jedenfalls aber möchte ich behaupten, dass so
starke Zusammenziehungen der Eigennamen bisher nicht sicher
erwiesen werden konnten. Die ^typischen Beispiele erfolgreicher
Bemühungen* in dieser Hinsicht — meist Conjecturen eigenen
Fabrikates — , die Seh. im Rhein. Mus. Bd. LIII (1898) S. 233
aufführt, sind jedenfalls nicht stichhaltig. Zunächst A. XV 3^ 1
nati = Ärpinaii ist keine absichtliche Zusammenziehung, son-
dern einfaches Abschreiber- Versehen; A. XV 24 in Nesidem (nach
Schiebe) aus his Μ und hus Z, das ich bisher für richtig hielt,
ja unabhängig von Schiebe gefunden hatte, steht doch nicht ausser
Zweifel. C. F. W. Müller hat es abgelehnt. Es könnte hier
auch eine Zeitbestimmung, wie Ä(ora) IUI,, vorliegen. Dass
A. XI 17a, l für in ematiam zu lesen: Egnaiia (Ematia?) eam hat
C. F. W. Müller und Tb. Schiebe auch nicht überzeugt. Schiebe
(aaO. S. 351 f.) macht dagegen gewichtige Bedenken geltend
und empfiehlt das von Bosius herrührende Itaque mairi eam.
A. XIII 4, 1 ist Et quidem {de Tudilano idem^ puio zu lesen,
wie C. Lehmann Qnaestt. p. 50 gezeigt und Müller anerkannt
hat, es liegt also eine Tiücke vor, nicht aber ist *aus et quidem
durch Auflösung von Abkürzungen' de Tuditano idcm herzu-
stellen. In A. XV 3 soll de malo aus de Moniano entstanden
sein. Näher liegend wäre zB. de Ma^lo = de Marcello, Denn
dass in dieser Weise abgekürzt wurde mit Nennung der zwei
ersten und der zwei letzten Buchstaben, dafür lassen sich Belege
in genügender Menge beibringend Auch de Ventidio statt de
m
* Ad fam. IX 4 ist überliefert: De Coctio mihi gratum est. Bei
einer solchen ganz zusammenhanglosen Notiz ist nur eine wtihrechein-
liohe Lösung des Rätsels möglich unter engem Anechluse an die über-
360 Gurlitt
enictio in A. XVI 2, 5 habe ich an anderer Stelle (Philo). LIX
N. F. XIII 1900 S. 98 f.) als sehr unwahrscheinlich erwiesen
und sehe, daes es auch Müller ablehnt. Kurz diese Beispiele,
welche Schmidt als sichere Belege für starke Abkürzung der
Eigennamen anführt, haben keine Beweiskraft, noch weniger seine
weiteren Versuche nach dieser Richtung hin. So soll A. XI Υ
14, 1 de Pherionum more (S. 233) entstanden sein ans de P.
Herio, num more = de i\' ansäe), Hirtii novo more. Aach das
haben Müller und Schiebe (S. 376) abgelehnt, und ich glaubte
dafür lesen zu sollen : de rheiorum more (Philol. LIX N. F.
XIII 1900 S. 109). Die Beispiele Hessen sich vermehren (Schmidt
Ehein. Mus. LIII (1898 S. 234 ff.), jedoch mag es genügen auf
Schiches Jahresber. S. 370, 376 ^ und meinen etwa gleichzeitig
erschienenen zu verweisen. Ich würde mir Sch.s Conjectnr noch
gefallen lassen, wenn an der Stelle, von der diese Betrachtung
ausgeht, A.XV 2, aqumus oder arpumus stände, wie aber acutius
aus Äquinum versus oder Ärpinum versi*s entstanden sein sollte,
dafür fehlt mir der Schlüssel und ein analoger Fall.
Sachlich bedenklich ist auch, daes man devertere in den
Briefen und an dieser Stelle zunächst doch als 'einkehren* fassen
muss. 'Seinen Weg ändern bezeichnet Cicero in A. XVI 10, 1
durch me verti oder sonst auch durch Her vertere. Viel eher
lieferten Zeichen und diese bedeuten nicht De Cocceio (Corradus, Tort,
recte* Mendelssohn) sondern De C. Oct^io = de C. Octavio, der auch ad
Att. II 1, 12, ad Qu. fr. I 1, 21 ; 2, 7 genannt wird, der Vater des
Augustus. In dem Briefe ad Att. IV 17 fin. heisst es fast el>eiiso:
Non enim te puto de lustro, quod iam desperatum est, aut de iudiciiSj
quae lege CocUa fiant, quaerere. Hier ist Coctia vermuthlich aus Cor^Ua
=s Cornelia verdorben. Denn es gab mehrere leges ComeUae (Verr. II
77. de 1. agr. III, 6. Phil. I 18 ua. siehe unter Comeliae im index no-
min, bei Baiter-Kayser). In unserem Falle handelt es sich wohl am
die lex Cornelia de pecuniis repetundis (p. Rubir. Post. 9) oder vielmehr
wegen § 2 unseres Briefes um die lex de provinciis ordinandis (ad fam.
I 9, 25; III 6, 5, 6; 10, 6). Eine lex Coctia gab es nicht. In A. XV
26, 4 vermuthete ich (Neue Jahrb. f. d. klass. AlteHh. III S. 302), dass
tiUi entstanden sei aus Tul^i = Tulliani', bin A. XUI 20, 4 mit 0. F.
W. Müller der Meinung, dass in toto die Abkürzung für in To(rqua}to
sei. Andere Beispiele findet man bei Müller. Kurz, ich kann nur solche
Abkürzungen in den Briefen anerkennen, in denen ein bestimmtes System
und Methode herrscht.
^ Diese Stelle ad Att. XV 13, 4 glaube ich durch blosse Umstel-
lung des Kommas geheilt zu haben : non qua pompa ad se, tarnen clam
venturum (Berl. phil. W. S. 1900 N. 477).
Fftcetiae Tullianae 361
glaube icb, dass Wesenberg daa Eechte trifft, wenn er sagt:
^Latet sine dabio ad cum uomine viri alionins familiaris, ut ad
Acilium (Klotz); denn auch die Wortstellang empfiehlt Schmidts
Conjectur nicht. Sie ist deshalb weit davon entfernt, für sicher
gelten zu können. — In dem Briefe ad Att. VI 1, 25 liest man
bei den neueren Herausgebern: Et Heus tu! iamne vos α Caesare
per Herodem talenia Attica L eatorsistis? Die Lesart iamne stand
nach des Bosins Angabe in Z. Wo er allein aus Ζ citirt, ist
ihm nicht ganz zu trauen (vgl. C. A. Lehmann, 'de Cic. ad Att.
epp.* p. 110), aber seine Angabe ist nicht gerade unglaublich
und gieht einen erträglichen Sinn und Ausdruck. Cäsar war ein
säumiger Zahler, es mag deshalb Cicero mit Verwunderung ge-
fragt haben: 'Schon ist es euch gelungen, das Geld aus ihm
herauszupressen?' Auch die Frageform nach Et heus tu! ist durch-
aus üblich: zB. ad fam. VII 11, 2 Sed heus tu! quid agis? ec-
quid fU?\
Die Ueberlieferung von Μ und Q^ lautet Genuarios α
Caesare^ wofür 0. £. Schmidt (S. 395 ff.) die von Turnebus em-
pfohlene Conjectur Genuae vos als allein zulässig erweisen will,
obgleich diesen Versuch C. F. W. Müller schon mit der mir
zutreffend scheinenden Bemerkung abgelehnt hatte: genuarios MC
propter tabellarios^, Genuae vos 'natürlich mit Tumebus einzu-
^ Was sonst diese Lesart iamne vos empfehlen könnte, findet man
schon in Boots Ausgabe angemerkt. Ich bin nicht ganz davon über-
zeug^. Man könnte auch denken an itane^ das sich in iamne verdorben
auch ad Att. XIV 10, 2 findet, vgl. Hofmann-Andresen * Ausgew. Briefe*,
II 3 S. 209: iamne Lorsober Us., O^PRMs] iam 0\ Ausg. des Beatus. Für
den Gebrauch von itane? und itane vero^ findet man dort ö. 108 die
Beispiele ad fam. ΧΠ 30, 1; ad Att. V 2, 2; XVI 7, 3; Phil. V 27;
VI 15; in Verr. V 77. Es wäre also möglich, dass Cicero auch hier
gesagt hätte: Et heus tu! Itane? vos α Caesare sq.
^ Wenn sich nachweisen Hesse, dass die Lesart Genuarias aus dem
Laurisheimensis stamme, dann hätte dieses Zeugniss Gewicht. Bekannt-
lich hat aber Cratander oft die Lesart jener alten Hs. in den Text, die
vulgata (aus Α ^ und Α ^) aber an den Rand gesetzt. Mir sind die edd.
Asoensianae jetzt nicht zugängig. Ehe diese nicht mit C und c vergli-
chen sind, hat C an sich keinen Werth. Denn steht in A^ ^ Genuarios
in C ebenso, aber in c Iamne vos, so ist dieses die Lesart des Laurish.
0. £. Schmidt ist doch sonst gegen C misstrauisch, weshalb nicht in
diesem Falle?
* Es genügt wohl, ein blosses Verlesen von {itanevos oder) tam-
nevos anzunehmen. War α offen geschrieben, so konnte iumne leicht
durch falsche Trennung der Striche zu Genua, und dann vos leicht zu
ios werden.
362 G u r 1 i 1 1 Facetiae Tullianae
setzen' 0. E. Schmidt 'Der Briefw/ p. 440 n. 'Prudentiue Boot',
welcher sagt: Fac id Gennae factum esse, tamen non erat, cur
hoc nomen cum vi initio qaaestionis poneretar. Schmidt bringt
als neue Stütze seiner Conjectur eine Berechnung bei, durch die
erwiesen werden soll, dass Cäsar in der Zeit, zu der die Geld-
zahlung seinerseits erfolgte, thatsächlich in der Gegend der Allo-
broger-Stadt Genava (Genf) gewesen sei. Diese Berechnung führt
natürlich nur zu Annäherungswerten, da über die Reise des He-
rodes oder £ros (wie ich lieber mit Ζ lese), über Cäsars Auf-
enthalt in der Stadt Genava, über die Weise, wie Cicero in Lao-
dicea die Kunde von dem Geldgeschäft erhielt, ob durch den
Briefboten oder den Bericht des langsamer reisenden P. Vedius,
und über anderes mehr nur Vermuthungen in Rechnung gesetzt
werden können. Aber selbst das Unbeweisbare zugegeben, dass
Eros, statt brieflich, persönlich mit Cäsar und in Genava ver-
handelt hätte, was hätte Cicero veranlassen können, gerade diesen
für den ganzen Handel gleichgiitigen Umstand so sehr zu be-
tonen? Zunächst nennt er Genava sonst nicht einmal. Käme es
bei ihm vor, so könnte es allein wie bei Cäsar b. g. I 6, 3. 7, 2
Genava, nicht Genua lauten ^. Was Gallien betrifft, so kennt
Cicero die Haedui (A. I 19, 2; VII 10, 4), und die Namen einiger
weiterer gallischer Stämme (pr. Balbo 32; pr. Qninct. 80; pr.
Font. 20; 26; ad Qu. fr. II I 8,2), von gallischen Städten ausser-
halb der Provincia nennt er nur Samarobriva (F. VII 11; 12;
16), um über den Namen zu scherzen. So ergibt sich, dass für
seine Vorstellung die Welt im Norden eigentlich schon mit den
Städten Massilia und Narbo und Tolosa abschliesst, was nörd-
licher liegt, kommt anläselich des gallischen Krieges vorüber-
gehend in seinen Gesichtskreis, kann ihn aber nicht interessiren.
So kann ich aus mannigfachen Gründen Schmidts Hoffnung nicht
theilen, 'dass der nächste Herausgeber der Atticusbriefe endlich
der bisher verschmähten Emendation {Genuae vos) zu ihrem
Rechte verhelfen werde', kann vor allen den Combinationen über
die Herkunft der He. Z, welche an diese falsche Conjectur ge-
knüpft werden, nicht den geringsten Werth beimessen, obgleich
er sie uns nun schon zum dritten Male empfiehlt. — Damit sind
Schmidts neueste Conjecturen erledigt, [die jetzt auch Schiebe
aaO. sämmtlich abgelehnt hat].
Steglitz. Ludwig Gurlitt.
^ Auch das spricht gefren die Conjectur Genuae vos, weil Getunae
vos sich noch weiter von Genuarios entfernt. Ja Cicero würde wohl
Genavaene vos geschrieben haben.
DER MAGNET UND DIE ATHMUNG
IN ANTIKEN THEORIEN
I.
Lnorez fordert za Eingang seiner Abhandlung vom Magneten
(VI 906 — 1089 Lm.) die schärfste Aufmerksamkeit des Lesers,
da mau nur auf weiten Umwegen diesem Wunder beikommen
könne (917-— 920), und findet gegen den Schluss, dass es sich
um eine ganz gewöhnliche Erscheinung handle, soweit auszuholen
also gar nicht nöthig gewesen wäre (1081 — 1083)*. In diesem
Widerspruch gewahrt Munro (notes zu v. 1089) ein Geständnies
des Unvermögens: after dwelling at inordinate length on the
early parte of this question, he hurries on at the end, and
finishes abruptly, as if he feit, what is indeed the truth, that
he had after all quite failed in Clearing up the mystery. Das
trifft aber den Ausleger, nicht den Dichter. Die erst betonte,
dann geleugnete Nothwendigkeit der ambages vermag Munro nicht
zu erklären und meint darum, Lucrez sei mit der Erklärung des
Magneten nicht fertig geworden. So kurzer Hand lässt sich der
Anstoss nicht beseitigen, und eindringende Untersuchung des Ka-
pitels scheint unumgänglich. Die Fragen nach der inneren Folge-
richtigkeit der Gedanken und nach ihrer äusseren Herkunft sind
zugleich zu stellen; Einsicht in das Wesen dichterischer Con-
ception und Analyse der Quellen müssen sich gegenseitig fördern
und zur erreichbaren Klarheit verhelfen. Auch können wir uns
der Hoffnung nicht begeben, von da aus die Stellung dieses Ab-
schnitts im sechsten Buche besser zu verstehen als es der vor-
^ Es heisst die Schwierigkeit umgehn, nicht heben, wenn Creech
den Vera 1081 nur auf die vorangehende Aufzählung bezieht: *nec
mihi fas est tarn multam operam in illis enumerandis consumere*.
Das Wort ambages findet sich bei Lucrez nur an diesen zwei Stellen.
Munro bemerkt: '108 1 comp. 919: the one eeeme almoat to be written
with nference to the other*.
364 Fritzsche
gefaesten Meiimng von dem unfertigen Zustande des Gedichtes
bisher gelang. Ich nenne diese Meinung vorgefasst, denn man-
gelnde Erkenntniss der Zusammenhänge beschuldigte lieber den
Dichter als sich selbst der Unfähigkeit, um ihn darauf durch die
Formel: * ultima manus non accessit wiederum zu entlasten.
Dem entgegnen wir, dass jene ünfertigkeit eine Hilfe Vorstellung,
keine in der Sache gegründete Voraussetzung ist. £ine bequeme
Ausflucht allzu zeitiger Beruhigung, scheidet sie aus, wo immer
Absicht und Anlage des Autors zureichende Motive gewähren^.
Mit Recht spricht Munro von 'aussergewöhnlicher Länge^
Lucrez wendet an den Magneten 184 Verse und diese Ausführ-
lichkeit gegenüber der Behandlung anderer Phänomene ist nicht
selbstverständlich. P. Rusch hat in seiner Dissertation *De Po-
sidonio Lucreti Cari auctore in carmine de rerum natura VI'
(öriphiswaldiae 1882) den Einfluss des Poseidonios bis an die
Schwelle unsres Capitels festgestellt^ nicht darüber hinaus. Bei
Seneca wird des Magneten nicht gedacht, Plinius müht sich nir-
gends ernsthaft um die Lösung des Räthsels^, es ist unwahr-
scheinlich, dass der Magnet in die Reihe der παράοοΕα gehörte,
es ist ausgeschlossen^, dass die bis v. 905 befolgte Tradition
den Dichter zu einer so umständlichen Erörterung geführt hätte.
Wie begreift sich also die Vorliebe des Lucrez gerade für
den Magneten? Wir lesen bei Cicero de div. 1 39, 86 : ' *Cur fiat
quidque, quaeris. Recte omnino; sed non nunc id agitur; fiat
necne fiat, id quaeritur. Ut si magnetem lapidem esse dicam,
qui ferrum ad se adliciat et attrahat, rationem, cur id fiat, ad-
ferre nequeam, fieri omnino neges. Quod idem facis in divi-
^ S. auch R. Heinze S. 45 seines Commentars zum dritten Bncbe.
8 Vgl. dazu Briegere Bedenken Bure. Jb. Bd .S9(1884) S. 198 flf.
* Man findet die PliniusstcUen aufgeführt in Albert Palms Schrift
Der Magnet im Alterthum* (Pg. v. Maulbronn-Stuttgart 18<)7). Ich
citire dankbar diese belesene Arbeit.
^ Die Paradoxographen berichten von Dingen und Wesen, die
der gewöhnlichen Erfahrung widerstreiten, sei es weil sie an bestimmten
Oertem haften, sei es weil sie (wie Gewohnheiten und EigenschafteD
selbst verbreiteter Thiere) dem oberflächlich llioblickenden sich ent-
ziehen. Diese Εέναι iOTopiai (Wilamowitz Antig. ^. 25) fordern gut-
gläubige Leser; der Magnet aber lag vor aller Augen. — Dass die va-
pdöoSa durch den Abschnitt über den Magneten abgeschlossen werden,
suchte Stuerenburg *i)e carm. Lucr. primo' (dies. Lips. 1874) zu er-
weisen ans dem Gebrauche der Formel quod superest. Aber Vahlen
Mb. d. Berl. Ak. 1877 S. 488 hat diese Induction widerlegt.
t)er Magnet und die Athmung in antiken Theorien S65
natione'. Der Magnet dient hier als Paradigma des mierklär-
baren und dennoch wirklichen; daRS aber Cicero dies Paradigma
nicht aufe Gerathewohl heran pgegri ff en hut, crweiet als später
Zeuge noch Pe. Alexander Aphr. (in Idelers Physici et medici
Graeci I p. 4), der den Magneten unter die δλυτα παντελώς
rechnet, θ€ψ μόνιυ γνώριμα, τψ και την τούτων ούσίαν ύπο-
στήσαντι®.
Der Anklang der Verse 910— 916 an das Gleichnisn im
platonischen Ion p. 533® ώστ' ενίοτε όρμαθός μακρός πάνυ
σιδηρών δακτυλίων έΕ αλλήλων ήρτηται* πάσι bi τούτοις έΗ
εκείνης της λίθου ή δύναμις άνήρτηται ist schon von Giovanni
Battista Pio bemerkt worden:
quippe catenam
saepe ex anellis reddit pendentibns ex se
und:
ex alioqne alius lapidis vim vinclaque noecit
An eine unmittelbare Benutznng der lonstelle wird niemand
denken, aber ihre Beziehung zur poetischen Manie leitet uns
darauf, dass jene Manie den Apologeten der Mantik eine beliebte
Parallele bot, und wir erinnern uns der Verehrung, deren Piaton
in der mittleren Stoa genoss'^. So versteht sich der Eifer des
^ Vgl. auch Psellus de lap. bei Ideler aO. 1 p. *i46 mit den
Scblu^sworten p. 247 und Plut. Coiiv. disp. II 7 p. (»41c (^o sich die
These der Unerklärbarkeit auf die Fabel von der Neutral isirung des
Magneten durch den Knoblauch zurückgezogen hat). — Bei anderer
Gelegenheit vertritt Plutarch den gleichen methodischen Grundsatz,
ebend. V 7 p. 680« τφ δέ αΙτίας άπορ€Ϊν άιηστ€ΐσθαι τήν Ιστορίαν ού
δικαίως.
^ Vgl. die Zusammenstellung der Platoncitate aus Poseidonios
ircpl μαντικής in Hartfelders Pg. über die Quellen von Ciceros zwei
Büchern de divinatione (Freibnrg 1878) S. 9 f. — Poseidonios konnte
übrigens ancb seine συμπάθ€ΐα φύσβως (vgl. C. Wachsmuth, Ansichten
der Stoiker über Mantik S. 27) durch Hinweis auf den Magneten gut
erläutern. — Die Fünfzahl der Ringe (quinque etenim licet interdnm
plaresque videre, vgl. IV 827 quinque etiam aut sex nt fieri simulacra
suerint, IV 577 sex etiam aut »eptem loca vidi reddere voces) wird im
Ion nicht benannt, Philo de mund. opif. cap. 49 (ed. L. Cohn, Berl.
18HG p. 49, 17 καΐ πέμπτος τετάρτου καΐ frcpoi) und Galen II ρ. 48 Κ.
(wo er gegen Kpikur sich wendet), erweisen aber, dass sie typisch ist.
— Es ist nicht anzunehmen, dass der Verfasser des Ion dem Enripidee
mehr vcrdiinkt als den Namen μαγνήτις. Das \on Suidas aufbehaltne
Fmgment aus dem Oineus (571 Nauck. von Matthiao K<*g^•" Bultmann
366 Fritzsche
Lncrez, die mechanische Erklärung für ein Phänomen darohztt-
fuhren, dessen ünerklärharkeit die lanten wie die lanen Ver-
theidiger des Uehernatürlichen innerhalb der Natur eben wieder
herausstellten ^.
U.
Woher nun entnimmt Lucrez seine Waffen zum Ansturm
auf diese Position des Wunderglaubens? Man denkt zunächst an
Epikur, dessen Theorie des Magnetismus Galen nat. fac. I 14
(Kühn U p. 44 ff. Helmreich [III] p, 133 ff. Usener Epi-
ourea fr. 293 p. 208 — 11) bespricht. Nach Epikur — soviel be-
sagt deutlich auch diese polemisch getrübte Darstellung — ge-
schieht die Anziehung durch ein Umfassen (π6ρΐπλέκ6(Τθαΐ) der
angeiförmig einander entsprechenden End^n (πέρας άγκιστριΣι^βς)
der beiderseitigen Atome. Lucrez erwähnt diese künstliche Er-
klärung; aber wo und wie? Ganz am Schlüsse heisst es y. 1087 — 9:
richtig gedeutet), bat eine andere Pointe als die Magnetbrncke im Ion.
Galt übrigens zur Zeit des Poscidonios der Ion für Piatons Werk, so
wäre damit noch nichts gewonnen für die Frage der Autorschaft.
^ Lucrez bekennt sich v. 908f. zur Ableitung des Wortes magnesi
vom Lande der Magneten. Handelt sich's da nur um eine populäre
Belehrung? ßuttmann Mus. d. AW. II S. 48 erklärte μαγνήτις (= μαγ-
γανήτις) von μαγγανάν (= μαγγαν€ύ€ΐν). Hat stoischer Hang zu be-
ziehungsreicher Etymologie das nämliche versucht und den Magneten
als 'Wunderstein' gezeichnet? Die Stelle des Ps. Basilius de virg. 18
(III p. 606») *Ως σίοηρον πόρρωθεν μαγνήτις τοΟτον προς έουτήν μαχ-
γανεύΕΐ (das Gleichniss ohne das Wortspiel hat auch Lncian Imag. 1)
beweist wenigstens, dass griechische Ohren den Anklang bemerkten.
— Lucrez hätte also hier gegen eine stoische Etymologie polemisirt
(vgl. übrigens Reitzenstein, Strassb. Festschrift 1901 S. 156 ff.). — Das
nebenhin — wir betrachten hier nur die Theorie des Magneten in einer
bestraimten Richtung. Zur Frage nach dem Vorkommen des Steins
und dem Wandel seiner Benennung haben Salmasins (Exe. PI.)• Fal•
couet (Mem. de l'ac. des inscr. 4 [1723] p. 613—34), Th. H. MarUn
(Mem. prds. ä l'ac. d.insc. VI[l^i60] p. 391— 411) mancherlei zusammen-
getragen, das kritischer Sichtung gewärtig bleibt. J. Klaproth *Lettre
ä M. le baron Α de Humboldt sur Tinvention de la boussole* (Paris
1834) bringt für das griechisch-römische Alterthum keinen Ertrag. In
Andry und Thourets 'Beobachtungen und Untersuchungen über den
Gebrauch des Magnets in der Heilkunst* (Uebers. Lpzg. 1785) findet
man viel Gelehrsamkeit, nützliche Hinweise bei Wilh. Waldmann im
Arch. f. Gesch. d. Med. I (1878) S. 320 ff. 381 ff. A. v. ürbaniUky
schrieb ein Unterhaltungebuch: 'Elektricität u. Magnetismus im Alter-
thüme\ Wion-Pest-Lpzg. 1887.
Der Magnet und die Athmnng in antiken Theorien Ηβΐ
£8t etiam, quasi ut anellis hamisque plicata
iuter 86 quaedam poeeint coplata teneri;
quod magie in lapide hoc fieri ferroque yidetur,
und eben die conyentionelle Verbeugung vor der Lehre des
Meistere verräth uns, daee der Schüler im übrigen ihr nicht ge^
folgt war®.
Also weder Poeeidonioe noch £pikur — die Forschung nach
der Herkunft der Lucrezischen Magneten theorie ist gleichsam
freigegeben. Unser Versuch aber wird auf eine analytische
Wiedergabe des Gedankengauges sich stützen, zumal dessen
innere Einheit und Widerspruchslosigkeit nicht ohne Weiteres
sichtbar und nicht von Anfang vorauszusetzen ist.
921 — 932: Von allen Körpern erfolgt eine stetige, oft
sinnrällige Emanation. — 936 — 958 : Alle Körper sind porös,
weil überall die Mischung der Materie und des Leeren statt-
findet. — 959 — 978: Die Wirkung der Emanationen auf ver-
schiedene Körper ist verschieden. 979 — 990: Die Gestalt und
(^apacität der leeren Räume in den Körpern ist verschieden. —
998 - 1001 : Die magnetische Anziehung ist nach diesen ali-
gemeinen Feststellungen leicht zu erklären. 1002 — 1004: Die
Emanation vom Magneten zerstreut die Luft zwischen Magnet und
Eisen. 1005 — 8: In das so entstandene Vacuum stürzen die Ema-
nationen des Eisens, denen das Eisen selbst folgt. 1009 — 1011 : Das
Eisen ist derjenige Stoff, dessen Theile am innigsten zusammen-
hangen. 1012 — 1016: Eben darum mnss der Eisenkörper seinen
® Das wesentliche dieser Theorie hat He. Schröder 'Lukroz und
Thucydidee' (Pg. v. Strassburg 1898) S. 33 f. richtig umschrieben: 'Da-
mit (nach den Grundsätzen seiner Kanonik) ein ^λκ€σθαι erfolge, fügt
Epikur zu den überkommenen Emanationen und dem Naturgesetz, dass
die Körper ihren Emanationen folgen, noch die περιπλοκή, deren Ein-
führung wiederum die άπόπαλσις fordert*. Im übrigen kann ich
Schröder nicht zustimmen. Er vermuthet (wie vor ihm Gassen di Phys.
sect. III Mbr. 1 lib. 3 cap. 4), dass Lucrez die Absicht hatte, über
Epikurs Theorie sich noch weiter zu verbreiten; ich meine, Lucrez hat
die άπόπαλαις beschwiegen, weil sie mit der vorher entwickelten Poro-
sität und Durchlässigkeit der συγκρίματα selbst für ihn sich schwer
vereinigen Hess. (Auch pflegt die Formel est etiam lange Erörterungen
nicht einzuleiten, vgl. V 715. VI 132. 295). Je sicherer die Ansicht
durchdringt, Lucrez habe nach zeitgenössischen Vorlesungen gearbeitet
(Usener, Epio. ρ XXXVl. Diele, Elementum S. 9), um so williger wird
man zugestehen, dass an peripheren Stellen des Systems aucb. fremde
Schulmeinungen einwirken kounten, wofern sie nur der superslitio Ab-
bruch thatcn.
368 ti'ritzsclie
Emanationen folgen, bie er am Magneten hängt. 1017—1021 : Das
ist eine allgemeine Erscheinung: wo immer ein Vacaum entsteht,
drängen die Körper hinein. 1022 — 1032: Die Näherung des
Eisens an den Magneten wird nach Entstehung des Vacnum durch
die Luft unterstützt, die nachdrängt auf der dem Magneten ab-
gewandten Seite. Diese Luft besetzt die Poren und treibt das
Eisen vorwärts wie der Wind das Segelschiff. 1034 — 1041:
Dasselbe bewirkt die innerhalb des Eisens — wie innerhalb aller
Körper — fluthende Luft. — 1042—1055: Es kommt auch vor,
dass das Eisen vor dem Magneten zurückweicht. Samothrakische
Ringe und Hammerschlag ^^ in eherner Schale gerathen bei Nähe-
rung eines Magneten in unstäte Bewegung; die magnetische Ema-
nation erregt die Feilspäne, weil die Emanation vom Erz die
Poren des Eisens inne hat und jener den Eintritt wehrt. 1056—
1064: Dass sich die Anziehung des Magneten nur auf das Eisen
äussert, kann nicht Wunder nehmen. Gold ist zu schwer (= zu
wenig porös), um bewegt zu werden, Holz zu porös (^s- zu
leicht), sodass die Emanation hindurchgeht, ohne Widerstand zu
finden. Das Eisen steht nach seiner Porosität (= Schwere) in
der Mitte und so begreift sich die specifische Wirkung des
Magneten. — 1065 — 1080: Die specifische Eignung des Eisens
für den Magneten hat viele Analoga: Stein-Kalk; Leim- Holz;
Wein- Wasser; Purpur-Wolle; Chrysokoll-Gold ; Erz-BleL 1084—
1086: Wo Convexes und Concaves {materies und inane) cor-
respondiren, da ist die Verbindung zweier Körper am festesten.
1087 — 1089: Solche Verbindung kann man sich auch durch Oesen
und Haken bewirkt vorstellen.
Alexander von Aphrodisias bespricht quaest. nat. et mor.
U 23, 136 f. (p. 72 f. Bruns)^^ die Magnettheorien des Empe-
dokles und des Demokrit. Beide waren dem Lucrez mittelbar
10 Bei den Samothrakischen Ringen (vgl. Plin. N. H. 33, 23 dort
Silligs Note. leid. Hisp. orig. 19, 32, Γ)) wirkt das dem Eisen ange-
gelegte Gold wie das Erz der Schale beim Hammerschlag. Hören wir
da von einem Orakelspiel, gegründet auf die von Lucrez falsch ver-
standene Polarität des Magneten, die Manetho (bei Plut. Is. et Os. 62
p. 37G»») auf Heros und Typhon symbolisirt? Propert. IV 5, 9 'Dia
velit, poterit magncs non ducere ferrum* wäre dann wörtlich zu nehmen,
vgl. noch C. 0. Müller, Orchomenos. 2. A. S. 444 Anm. 2.
^^ Diesen Tractat charakterisirt Rose Ariat. ps. p. 242. Die von
Alexander im Verfolg besprochene Lehre des Diogenes von Apollonia
(vgl. Diels Vh. d. 35. Philol.-V. [Stettin 1881] S. 106 f.) ist fBr unsere
Untersuchung ohne Belang.
tkr Magnet und die Atbmnng in antiken l*heorien 369
oder unmittelbar gewiss bekannt, nnd der Abeebnitt 1002—1021
zeigt sicbere Sparen ibres Einflusses. Empedokles lebrte die
Verdrängung der Luft durcb den magnetiscben Strom : ai μέν
γάρ τούτου άπόρροιαι τόν αέρα τόν ίτχ\ τοις τοΟ σιδήρου πό-
ροις άτπυθοΟσί τε κα\ κινουσι τόν έπιπωματίΣοντα αυτούς*
τούτου οέ χιυρισθίντος άθρόςι άπορροίςι ^εούση τόν σίοηρον
ίπ€σθαι.
Dem Demokrit gebort der Hinweis auf die dicbtere Structur
des Eisens und den Drang der Körper ins Leere : λαμβάνει τό
τήν λίθον κα\ τόν σίδηρον έΗ ομοίων ατόμων συτκεϊ(Τθαι, λεπ-
τότερων hk τήν λίθον και . . είναι άραιοτέραν τε καΐ πολυ-
κενωτίραν αυτήν είναι .... vorber: 6 Δημόκριτος hk κα\
αυτός απόρροιας τε γίνεσθαι τίθεται καΐ τά δμοια φέρεσθαι
προς τά δμοια, άλλα καΐ εΙς τό κενόν (so conjioiren für κοινόν
Palm und Diels) πάντα φέρεσθαι.
ν. 1022—1041 lässt uns diese Tradition im Stiob. Empe-
dokles und Demokrit wissen nicbts von der Beibülfe des Luft-
drucks. Wir begreifen nun, warum Lucrez im vorbergebenden
Abeebnitt einen Hauptpunkt der demokritiscben Lebre ignorirte:
das Eindringen der Magnetatome in die symmetriscben Poren
des Eisens, denn dort wäre für drängende Luft kein Platz ge-
wesen. Wir erstaunen, dass in der folgenden Erklärung des
unter magnetisober Einwirkung bewegten Hammersoblags in
eherner Scbale das Eindringen des magnetiscben aesttis in den
Eisenkörper vorausgesetzt wird. Wie löst sieb dieser Wider-
spruch ?
Bei Plutarcb Quaest. Piaton. VII 7 p. 1005^ finden wir fol-
gende Ausführung: τό b' ήλεκτρον ovbkv ίλκει τών παρακει-
μένων ώσπερ oub* ή σώηρΐτις λίθος, ούοέ προσπηοςΐ τι τού-
τοις άφ' αύτου τών πλησίον ' άλλ' ή μέν λίθος τινάς άπορροάς
έ^ίησιν εμβριθείς κα\ πνευματώδεις, αίς ό συνεχής αναστελλό-
μενος άήρ ώθεΐ τόν πρό αύτου* κάκεινος έν κύκλψ περιιών
και ύπονοστών αύθις έπι τήν κενουμίνην χώραν άποβιά2^εται
καΐ συνεφέλκεται τόν σίδηρον. Es scheint mir zweifellos, dass
die oine Quelle des Lucrez der des Plutarcb benachbart war.^
Beide Darstellungen nehmen von der empedokleisob-demokriti-
sehen Theorie ihren Ausgang, geben ihr aber eine neue Wendung
durch Einführung des äusseren Luftdrucks und Verzicht auf die
Durchdringung des Eisens mit magnetischem aestus. Bei Empe-
dokles und Demokrit ist die Emanation vom Magneten unmittel-
bare Ursache der Näherung des Eisens, bei Plutarcb und nach
BlMiD. Mim. t. PhUoL M. F. LVIL 24
870 Fritzsche
der zweiten Tradition des Lucrez mittelbare, sofern die Stärke
der Emanation den Luftdruck zur Wirksamkeit bringt ^^ Die
Vereinigung der beiden Theorien ist dem Dichter bis v. 1041
leidlich gelungen, von da an wird scheinbar die zweite Quelle
ausser Acht gelassen und die specifische Affinität von Magnet
und £isen nach der ersten, demokritischen Theorie abgehandelt.
Scheinbar. Denn Plutarch fahrt fort p. 1005^ 6 σίδηρος OÖr' δγαν
όραιός έστιν ώς Εύλον οοτ* δγαν πυκνός ώς χρυσός ή λίθος,
άλλ' ίχει πόρους και οΐμους και τραχύτητας bia τάς ανωμα-
λίας τψ αέρι συμμέτρους, ώστε μή άπολισθάνειν άλλ' ibpaiq
τισιν ένισχόμενον και άντερείσεσι περιπλοκήν σύμμετρον έχού-
σαις, ώς δν έμπαση προς τήν λίθον φερόμενος, άποβιάΣεσθαι
και προιυθεΐν τόν σίοηρον. Die Aehnlichkeit mit y. 1058 ff.
springt in die Augen, zugleich aber eine bedeutsame Abweichung.
Beide behaupten die besondere Eignung der Eisenporen gegenüber
denen des Holzes und des Goldes; bewegendes Element jedoch
ist bei Plutarch der durch den magnetischen aestus wirksam ge-
wordene Luftdruck, bei Lucrez der magnetische aestus selbst. —
Ich formulire das Ergebniss meiner Analyse: Zwei Theorien, die
des Demokrit und eine andere, die in reinerer Gestalt bei Plu-
tarch sich findet, versuchte Lucrez aufeinander abzustimmen, doch
hat er volle Harmonie nicht erreicht^*.
Epikur verstattete seinen Anhängern für die Erklärung ein-
zelner Phänomene freien Spielraum. Von dieser Lioenz macht
Lucrez im sechsten Buche den reichlichsten Gebrauch. Ihm eigen-
thümlich ist aber ein Verflechten der Theorien, die im Bereiche
der Schule angeboten wurden. Lucrez sagt ei-ei, wo di^ Schule
vel'Vel vorgesehen hatte. Die Einleitung zum Magnetcapitel (921—
^2 Ve. 1003 wird aestus ausdrücklich synonym mit semina ge-
braucht. Wir wiesen, dass es von Lucrez auch im Sinne von 'Luft-
Strom* verwandt wird — so schwankt der Inhalt des Wortes wie die
Vorstellung des Dichters.
^^ J. Woltjer, Lucretii philosophia cum fontibns comparata (Gio-
ningae 1877) p. 157 f. hat die doppelte Üeberlieferung bemerkt, docb
glaub' ich, man kommt zu besserem Scbluss, wenn man v. 1022 und
1U42 statt 1065 die Naht im Gewebe sucht. — 10J4-39 steuert Lucrez
aus eigenen Mitteln noch bei die Selbstbewegnng der Luft im Innern
des Mn;;^neten (er glaubt auch hier das Argument zu stärken und
scliwäeht es für nüchterne Betrachtung). Die Anschaunng durch•
stürmtrr Höhlen schwinjit nach, die gegenüber den Erdbeben (v. Γ»79)
uiid dem Aetna (o}54) ihn ergriflen liatte.
Der Magnet und die Aihmuiigr in antiken Theorien 371
990) ist durchauR angelegt auf eine Behandlung des Probleme
im demokritischen Sinne. Hauptsätze der atomistischen Physik
werden umständlich recapitulirt, des Luftdrucks mit keinem Worte
gedacht. Nun spricht Luorez von dem dichten Bau des Eisens,
als welcher die Anziehung vollkommen erkläre. Er sieht den
Leser noch ungläubig und ruft die Luft zu Hilfe, ohne zu be-
denken, dass er damit die Kraft des ersten Beweisgrundes schwächt.
Die Fülle der Argumente soll wirken, für ihre Geschlossenhjeit
fehlt es dem Lucrez an kritischem Scharfblick. — Sagte ich, er
habe volle Harmonie nicht erreicht, so versteht sich das von un-
serem Standpunkt — wir fordern von diesem Gedichte die Con-
sequenz eines naturwissenschaftlichen Lehrbuchs und messen den
Dichter am Massstab einer Logik, von der seine Seele nichts
ahnte. Zu dieser Poesie gehört eine rührende Naivität gegen-
über dem Satze des Widerspruchs. Die Emphase des Lucrez, in
lebhafter Zwiesprache mit dem wundergläubigen Leser, durch-
bricht den vorgezeichneten Plan, wo immer ein neues Zeugniss
zu Diensten steht. Mögen wir bemerken, dass da Eäthsel blei-
ben, dass die Erscheinung nicht erledigt ist, Lucrez fühlt sich
als Sieger und schliesslich scheint ihm der Feind der aufge-
wandten Streitmacht kaum würdig. So und nicht als eine Ca-
pitulation fasse ich die Verleugnung der ambages,
III.
Wo suchen wir die Quelle der Theorie vom Luftdruck? —
Gegen Demokrits Ansicht bestand ein Bedenken, das Alexander
von Aphrodisias aO. einem früheren Kritiker (dem Aristoteles?)
nachspricht : άλλα τό μέν τήν λίθον και τον σίοηρον Ü όμοιων
συγκ€ΐσθαι οίΕαιτ' δν τις, πώς bi και (Bruns für εΙς) τό ήλεκτρον
και τό δχυρον, δτι και έπ' εκείνων λέγει (Spengel für λέγεται)
ταύτην τήν αΐτίαν ; έτι πολλά έλκόμενα ύπό του ήλεκτρου, οΤς
πάσιν εΐ έΗ όμοιων σύγκειται, κάκεϊνα έΗ όμοιων άλλήλοις
συγκείμενα ίλκοι άλληλα.
Weiter hatte Straten (bei Simplioius in Arist. phys. p. 663, 3.
652, 21, vgL Diels Sitz.-Ber. d. Berl. Ak. 1893 S. 113 f.) die
magnetische Anziehung als Argument für das κενόν zurück-
gewiesen, da vielmehr das κενόν eine Hypothese zur Stütze der
ϊλΕις sei. Diesen Vorwurf der petitio principii spürte Epikur
und so erfand er seine Häkchen und Oesen und die άπόπαλσις
der aufprallendeo Emanationen — aber dadurch wurde ςίη
neuer Zweifel aufgeweckt — die magnetische Brücke, die nacb.
3?3 Fritzsohe
Demokrit noch yeretändlicb war, stimmte nun nicht zn Epiknre
tüfteliger Voretellang (vgl. Galen II p. 48 K.)• — Wer jedoch
die Laft als motorisches Element einführte, hednrfte nicht
mehr jener prohlematischen Symmetrie der Emanationen und
der Poren nnd hrancbte sich anch nicht mehr^^ auf den Drang
der Körper ins Leere zu berufen. Wie eine von aussen wir-
kende Kraft, die Hand des Färbers, Purpur und Wolle unlöslich
verbindet, so schiebt die Luft den Eisenring au den Magnet-
stein. Der Magnetismus verlor den Charakter spontaner Attrac-
tion und Hess sich den von Lucrez v. 1066 ff. aufgezählten Er-
scheinungen specifisoher Adhäsion angliedern. Anch die magne-
tische Brücke fügt sich ein — der Luftdruck wirkt weit genug,
um fünf und mehr Ringe aufeureihen. Hier hatte man endlich
eine mechanische Erklärung, die dem ferrvm vivum des imperi-
tum vulgus (Plin. N. H.34, 147) die Lebenskraft austrieb. Durch
den άήρ ύπονο(Ττών war jegliche ολκή ausgeschaltet, sowohl
die offenbare einer φυσική ουναμις oder οΙκ€ΐότης ποιότητος
(s. Gal. Π 206 Κ.) als die verschleierte einer φορά προς τό
κενόν. Der aber, dem Lucrez zunächst, die ολκή am radioalsten
bestritt, war Asklepiades von Bithynien ^^, s. Ghden II p. 45 f. K.
1* Der Einwand Alexanders gegen Demokrit trifft nicht die von
Plutarch aufbehaltene Theorie. Die Poren des Eisens sind nach Pla-
tarch dem άήρ angepasst, der vom Magneten herweht; das vom ge-
riebenen Bernstein ausströmende φλογοειοές ist viel schwächer als die
όπορροαΐ εμβριθές καΐ πνευματώδεις des Magneten, darum setzt der
Bernstein viel weniger Luft in Bewegung und es werden nur ganz
leichte Gegenstände zu ihm herangeführt; Dass es dazu eines Ein-
dringens der Luft in die Poren dieser κουφότατα καΐ ξηρότατο über-
haupt bedürfe» wird nicht gesagt, vielleicht genügt' sie zu bewegen der
Druck auf ihre Aussenfläche; aber selbst wenn di«*ee dem Bernstein
zufalK^nden Dinge πόρους τφ αέρι συμμέτρους hätten, würden sie auf-
einander nicht wirken wie der Bernstein auf jegliches von ihnen, weil
sie ja keine Luft in Bewegung setzen. Man sieht, wie die Einführung
der Symmetrie zwischen Poren und Luft statt zwischen Poren nnd
Emanation Schwierigkeiten beseitigt.
tA Ueber Asklepiades im allgemeinen s. C. 0. Gumpert: Asde-
piadis Bitbyni fragmenta. Vinariae 1794. K. F. Bnrdach schrieb über
Askl. und John Brown eine geistreiche Parallele (Lpzg. 1800), bedach-
tiger als die entbusiasmirten Italiener G. F. Bianohini (La med. d'AsoK
Venezia 1769) u. Ant. Cocohi (Discors. Fior. 1754, in den Disoorai e
lottere, Milano 1824. Ip. 2()7-323). Neuere Litteratur bei C. Bäumker:
Problem d. Materie S 325 Γ, Sus. mihi AI. L. G. II S. 4if8 ff., Wellmunn
in Pauly-Wisiowas R. £., dazu noch Diels im Index nominum seiner
Der Magnet und die Athroung in antiken Theorien 373
(p. 134 He.): Άσκληπιάδης bk τό T€ τής €ΐρημίνης αίτιας (de
Theorie Epiknre) άπίθανον ύπιοόμ€νος και μηοεμίαν δλλην έφΓ
οίς ύπίθ€το στοιχείοις έΗευρίσκιυν πιθανήν έπι τό μφ* δ\ως'
ίλκεσθαι λέγειν υπό μηδενός μηδέν άναισχυντήσας έτράπετο.
Galen meint (ρ. 133 He.), der Magnetismus hätte eigentlich Un-
gläuhige von der Anziehung verwandter Qualitäten überzeugen
sollen: τίς οΰν ή άδολείΤχία; ή ίνδοΕος αυτή κα\ πολυθρύλητος
λίθος ή τόν σίδηρον έπισπωμένη. τάχα γαρ Sv αυτή ποτέ
τήν ψυχήν αυτών έπισπάσαιτο πιστεύειν είναι τινας έν έκάστψ
των σωμάτων έλκτικάς τών οΙκείων ποιοτήτων δυνάμεις. Die
Verneinung solcher δυνάμεις ist das Α und Ο des asklepiadei-
fichen Systems. Asklepiades durfte die Anziehung des Eisens
nimmer zugestehen, zumal sie von den Gegnern mechanischer
Biologie als anorganisches Analogen der eigenthtimlich organischen
Kräfte verwendet wurde ^•.
Aber aus Galen erfahren wir ja nur, Asklepiades habe die
Anziehung geleugnet — dass er den Luftdruck zum Ersatz her-
beirief, wird nicht gesagt. Zwar durch die Entfernung der ολκή
wurde die Annahme eines bewegenden Elements bedingt Lässt
sich erschliessen, was sich nicht belegen lässt, dass Asklepiades
als solches Element die Luft ansprach? Longis ambagibus est
adeundum.
Ausg. des Anonymus Londinensie und S. 42 der Schrift 'Elementam*.
Well mann Pn. Schule S. 55 ff. Anm. 2. Von Asklepiades' Lehren
berichten uns die schlecht verhehlte Missganst der ihm verpflichteten
methodischen Schule (Soran-Caelins) und der keifeude Widerspruch des
Galen — nur Celsus urtheilt unbefangen. Der Klatsch, den Plinius
weiterträgt (schon liayle hat ihn abgefertigt) darf den Asklepiades
noch nicht zum Charlatan stempeln und wenn er wohl einen leidliehen
Stil schrieb, war er darum doch mehr als *un type curieax de modecin
bcau parleur* (Croiset lit. gr. V p. 300). — Wie Asklepiades durch die
Geltung des Caelius Aurelianus im M. A. herüberwirkt auf die moderne
Corpnsculartheorie, hat Kurd Lasswitx i. d. Vjsoh. f. wiss. Pbilos. ΙΠ
(1879) S. 408 ff. und an mehreren Stellen seiner Geschichte der Ato-
mistik dargelegt.
^* Auf diese Analogie — nur aus erweiterter Ansicht des Magne-
tismus, baute noch vor hundert Jahren der deutsche Naturphilosoph:
*Der allgemeine Magnetismus wird das seyn, was der Sensibilität in
der Anssenwelt entspricht, oder, dieselbe letzte Ursache, welche in der
allgemeinen Natur Ursache des allgemeinen Magnetismus ist, wird Ur-
sache der Sensibilität in der organischen Natur seyn*: so Schelling
im 'Ersten Entwurf eines Systems der Naturphilosophie*. Werke 1 Abtb.
m 8. 218.
374 F Γ i t ί 8 c h β
IV.
Bei Aetius-Plut. Plac. phil. IV 22, 2 (p.412f. Diele) wird
uns überliefert, wie Asklepiades die Atbmang erklärte. J. F. K.
Hecker in seiner Geschichte der Heilkunde, einem Werk pragma-
tischen Geistes, Bd. I S. 375 beobachtete 'einige Aehnlichkeit*
dieser Theorie mit der platonischen. Der Hinweis ist wichtig,
kann aber nicht genügen. Zudem befremdet im Gefolge Piatons
ein Arzt, den wir ganz nahe bei den Epikureern zu finden ge-
wohnt sind. Es gilt die Aehnlichkeit der Theorien genau zu
umschreiben. Wir betrachten zuerst die Athmungslehre des Piaton
nach dem Texte des Timaios p. 77 ff.^''.
Piaton handelt vom Athem im Zusammenhange mit der Er-
nährung: Das sterbliche Lebewesen ist anatomisch fertig (πάντ*
fjv τα του θνητού Σψου Ηυμπεφυκότα μίρη και μέλη 76*^ f.),
sein physiologisches Dasein ist zu gründen und zu sichern gegen
die Auflösung durch Feuer und Luft. Die Götter schufen also
die Pflanzen als Lebewesen niederer Ordnung (ακτθ' 2τ€ρον ίψον
είναι), [damit sie, von den höheren Lebewesen als Nahrung auf"
genommen, diesen stetig die durch Auflösung in Luft und Feuer
abgehende Erd- und Wassersubstanz ersetzen]. Die aufgenom-
menen Pflanzenstoife erhalten und stärken den thierischen Körper,
nachdem sie die Form des Blutes erhalten haben. Wie geschieht
diese Verwandlung der Rohstoffe in Blut und welcher Art wird
dies Blut über den ganzen Körper vertheilt? Platons Vorstellung
verharrt im Bereich der Pflanzenoultur, von der zuvor die Rede
war, und er vergleicht den thierischen Körper einem Garten, den
die Götter mit Kanälen durchziehen. Diese Kanäle sind die
Adern. Piaton nennt die beiden Rückenadem zu Seiten der
Wirbelsäule als die Hauptlinieu des Kanalsystems und bespricht
den cbiastischen Anschluss des Kopfes an den Rumpf durch die
Adern.
^^ Ich bin mir bewusst, dass jede Paraphrase platonischer Sätze
eine Vergröberung ihres Gehaltes einschliesst und besonders hier, wo
ein pliysiologiscbos Bild wie im Schattenrisse hingeworfen ist. Das
Ahnungsreiche geht verloren. Dennoch pehe ich kein anderes Mittel,
was mir deutlich schien, anderen mitzutheilen. Abweichungen meiner
Ansicht von den Commentatoren Stallbaum und Archer-Hind (Lond.
1888) habe ich nicht einzeln angegeben, auf Th. H. Martins Etades sur
leTimee de Piaton (2 voll. Paris 1841) mich häufig zu berufen war kein
Anlas«, Fz. Susemibls Bedachtsamkeit in den Noten zu seiner üebrr-
setzuug (Stuttg. 1δ5β) verdient das meiste Lob.
Der Magnet und die Athmung in antiken Theorien 375
Das Eanalbett ist ausgehoben, aber noch trocken — wie
kommt die Wasserleitung zu Stande? Der Garten nämlich, der
bewässert werden soll, Hegt oberhalb der spendenden Quelle.
Ohne Bild gesprochen, wie wird Nahrung aus der Bauchhöhle in
Blut verwandelt den Adern zugeleitet? Antwort: durch stetig
auf- und abschwebendes Feuer. Das Feuer zertheilt bei seinem
Eintritt in die Bauchhöhle Speise und Trank zu kleinsten Theil-
cheii und trägt diese Theilchen bei seinem Austritt empor, so ge-
langen sie als Blut in die Adern und fliessen dort wie durch ein
Thal ^8 durch den Körper. Wir fragen weiter: warum vollzieht
le Das Feuer leistet für die Bewegung der Flüssigkeit, was sonst
das Gefäll. Hecker aO. S. 192 sieht einen Widerspruch in der 77^ f.
vorgetragenen Gcräeslehre zu 70»*> τήν bi καροίαν δμμα τών φλεβών
καΐ πηγήν τοΟ περιφερόμενου κατά πάντα τά μέλη σφοδριΧις αίματος
είς τήν δορυφορικήν οίκησιν κατέστησαν. Ρβ. Tim. περί ψυχΑς κόσμου
C. 14 ρ. 102* schreibt: τροφά bi πΑσα άπό ^(Σας μέν τας καρδίας, πά-
γος bi τας κοιλίας επάγεται τφ σώματι. Dieser Versuch die Schwierig-
keit stilistisch zu überbrücken veifängt nicht, wenn aber W. Anton
De origiue libelli περί ψυχάς (Numburgi 1891) ρ. 396 dem Piaton zu-
schreibt : 'non cor simpliciter fontem sanguinis esse per omne corpus
manantis, sed impetu quodam manantis' (vgl. auch p. .'371) presst er
den Text (wie vor ihm Galen V p. 573 K.). Man könnte — um im
Bilde 7.U bleiben, das Herz als das Sammelbecken betrachten, von dem
die KanalliniiMi ausgehen, das selbst aber von der Bauchhöhle aus ge-
speist wird. Dann wäre das Herz Quelle der Adern, die Bauchhöhle
des Blutes. (Einer solchen Theorie scheint sich Anstot. resp. e. 14
p. 474** zu widersetzen : τοΟ b* αίματος καΐ τών φλεβών τήν αυτήν αρ-
χήν άναγκαΐον είναι.) Die Ausführung lO^ über die Lunge als Re-
gulator der Herzwärme (vgl. auch M. Wellmann: Fragmentsammluug
d. gr. Aerzte I S. 99) hat auf den Mechanismus der Athmung keinen
Bezug. Die Lunge, heisst es dort, nimmt in ihre Poren πνεΟμα und
πόμα auf und verbreitet Kühle — dadurch verschafft sie dem Herzen
in seiner Hitze Erholung (Abzug? vgl. Anm. 20) und Erleichterung.
(Ideelles Object zu ψύχουσα ist καρδία, nicht πνεΟμα und πόμα trotz
neuerer Uebersetzer. Ficinus richtig: 'ordis ardorem huiusmodi re-
spiratione et refrigerio tepefacit*). Wir erfahi'en nichts davon, dass
ή ToO πλεύμονος ib^a die Bewegung des πνεΟμα verursache. Die Lunge
ist kühl schon durch ihre Blutlosigkeit, jedenfalls kühler als das Herz.
Uebrigens soll man bei den anatomischen und physiologischen Angaben
des Timaios weder allzu ängstlich Uebcreinstimmung erdeuten noch
allzu entschieden Widersprüche betonen. Piaton *umtastet die Natur
(Goethe) und tritt von verschiedenen Seiten an die Phänomene heran,
so darf mau seine Ansichten nicht durchaus in eine Fläche rücken.
Die Vorstellung im Timaios bewegt sich mit dem Nacheinander eines
376 FritzBche
das Feuer dieee auf- and abechwebende Bewegung? Weil es der
Luft folgt, die bei dem Atbmang benannten Vorgang eben dieee
Bewegung rbytbmiecb auefübrt. So stellt Piaton ein functionelles
Verbal tnise ber zwiscben Atbem, Blutbildung, Blutumlauf. Die
Atbmung selbst wird durcb ein kunstreicbes Diagramm erläutert:
Unsern Körper umgibt eine Luftscbicbt, die wir uns der porösen
Wand eines Korbes anliegend vorstellen. Im Innern unseres
Körpers befinden sieb zwei lufterfüllte Räume, der eine in der
Lunge, der andre in der BaucbbÖble — wir nennen diese beiden
Luftbeb älter έγκύρτια, weil sie gleichsam als Körbeben in dem
grossen Korbe stehen, dessen Wandung wie gesagt von der Luft
ausserhalb umgeben ist, dessen Inneres aber, soweit die έγκύρτια
den Raum nicht einnehmen, von Feuer erfüllt ist. — Gleiches
strebt zu gleichem — die äussere Luft (κύτος του κυρτοΟ) drängt
zu den lufterfüllten έγκύρτια und umgekehrt, es erfolgt jene
rhythmische Bewegung, die wir als Ausathmen und Einathmen
zu bezeichnen pflegen. Das Feuer, zwischen έγκύρτια und κύτος
gestellt, geht der Luft nach, [je nachdem beim Ausathmen der
Anstoss von den έγκύρτια oder beim Einathmen vom κύτος her-
kommt] ^®.
Werdenden, wenn nun das Nebeneinander des Seienden in der Dar-
stellung nicht völlig harroonirt, mögen wir ein göttliches Genie nicht
verklagen.
^^ Aus dem Fraorment des galenisohen Commentars zum Timaioe
(publ. p. Ch. Daromberg Paris-Lpzg. 1848) lernte ich, daas 1) έγκύρηον
nicht mit dem Lexikographen Timaios έπΙ τής φάρυγγος zu fassen ist,
2) τό μέν τών έγκυρτίων ρ. 78^ für τά έγκύρτια steht. Im übrigen
ist dieser Gommentar durch das Streben nach anatomischer Localis!•
rung für die Charakteristik Galens wichtiger als für die Erklärung
Piatons. — κύρτος und έγκύρτια bestehen aus Luft und Feuer ; ich be-
greife also nicht, wie neueren Interpreten πλέγμα und πλ€ύμαιν iden-
tisch gilt. Anatomische Substrate sind schon um deswillen hier nicht
zu suchen, weil das Ζφον schon vorher als plastisches Gebild vollendet
war (78c). — Vielleicht darf man soviel sagen: das έγκύρηον δ(κρουν
ist Agens der Brustathmung, das andere έγκύρτιον der Bauchathmung.
— Die έγκύρτια werden in der Ausführung über die αΙτία des Athems
nicht mehr erwähnt, 19^ erscheint die warme Luft in den έγκύρτια
und das Feuer im übrigen Räume des πλέγμα als einhellige Masse.
Hieronymas Müller denkt an zwei oder gar drei Athmungstheorien
Piatons. Wer aber so scharf hiiiblickt, verschiebt das Gesichtsfeld.
— 78^ π€ρΙ τό σώμα δσον κοίλον ημών: δσον κοίλον heisst 'soweit
Platz war. Susemihl hat richtig gesehen, dass die Oberfläche des
Körpers, nicht das Innere gemeint ist.
Der Magnet und die Athniung in antiken Theorien 377
Nun begeben wir uns aus dem Gebiete der Physiologie in
das der Physik und beschreiben den empirisch festgestellten, in
seiner Bedeutung für die Erhaltung des Lebens erkannten Rhyth-
mus des Athems als eine noth wendige Bewegung von Elementen.
Piaton entwirft folgende Scala:
1) Ausathmen durch Mund nnd Nase.
2) Einathmen durch die Haut.
3) Ausathmen durch die Haut.
4) Einathmen durch Mund und Nase.
5) Ausathmen durch Mund und Nase.
Piaton öffnet der Luft zwei Pforten: 1) Mund nnd Nase
2) die Poren der Haut (bia μανών τών σαρκών 79®). Der Aus-
tritt von Luft durch die oine Pforte bewirkt jeweilig den Ein-
tritt von Luft durch die andere. Dies aber geschieht wegen des
Korror vacui (79** έπ€ΐ5ή κ€νόν ούοίν έστιν vgl. 58•). Die aus
dem Mund und der Nase ausströmende Luft verschiebt die den
Körper umgebende Luftschicht derart, dass Brust und Lunge so-
fort wieder mit Luft gefüllt werden. Die durch die Haut aus-
strömende Luft veranlasst mittels gleichartiger Schiebung das
Eindringen von Luft durch Mund und Nase. Aber wie kommt
es denn, dass wir ausathmen, jetzt durch die oine Pforte, jetzt
durch die andere?
Hier erinnern wir uns, dass unser Körper eine Wärmequelle
enthält, aus ihrem Dasein erklärte sich uns die hohe Temperatur
des Blutes. Diese Wärme strebt nach Aussen *zu dem ihr Ver-
wandten*, will sagen zu τψ του παντός τόπψ, καθ* öv ή τοΟ
πυρός €Ϊληχ€ μάλιστα φύσις, ου καΐ πλείστον δν ήθροισμίνον
€Ϊη προς δ (ρέρεται (63^ vgl. auch Martin U ρ. 273). Es bieten
sich als Ausweg abwechselnd die beiden Athmungspforten^. Nun
wissen wir aus Erfahrung, dass immer das Ausathmen dem Ein-
athmen unmittelbar folgt — also wendet sich das Warme immer
zu der Pforte, wo gerade eingeathmet wird. So verstehen wir
auch die Erwärmung der eingeathmeten Luft, die dem Wärme-
strom begegnet, die Abkühlung der ausgeathmeten, deren Wärme
eich verflüchtigt.
^ Das Feuer hat Zug an der Stelle des Lufteintritte (vgl. Plat
Tim. p. 85b, wo Archer-Hind αναπνοή als Ventilation* fasst). Diesen
'Zug' bezeichnet Theophrast de igne 23 selbst mit αναπνοή (ähnlich
Plut. de Pyth. orac. 17. p. 402« ucpl τήν άναπνοήν τοΟ νάματος). Vor-
her (78*) und später (80^) wird ja gesagt, das Feuer folgt der Luft,
beim Ausathmen nach aussen, beim Einathmen einwärts zu den Adern.
378 Fritzsche
Zwei Kräfte wirken zuearomen bei der Athmung: 1) der
Umtrieb der durch das Ausathmen in Bewegung gesetzten Luft,
2) der Auetritt uns einwohnender Wärme, jeweilig ermöglicht
durch das Dasein zweier Athmungspforten. Piaton erklärt also
79^® das Ausathmen unter der Annahme des Einathmens als ge-
gebener Thatsache und setzt Τθ*"^ das Ausathmen für das Ein-
athmen voraus. Ein drittes, das aus solchem Oirkel herausführte,
hat Piaton nicht gefunden, wahrscheinlich auch nicht gesucht,
er verlegt κινούν und κινουμενον in denselben lebenerhaltenden
Processi*.
Piatons Theorie sieht M. Wellmann von empedokleischer
Farbe deutlich durchschimmert, nur meint er, Piaton sei mit der
Annahme vom 'kreisförmigen Umschwung des Ganzen seine
eigenen Wege gewandelt^*. Das war keine Laune — Piaton
wollte hinauskommen über Enipedokles. Dessen Gleichniss von
der Klepsydra erklärt die Ursache des Beginne (τήν αΐτίαν της
<^ΡΧήζ αυτών 79°) der Athmung nicht. Dass die obere Mündung
der Klepsydra von der Hand des Mädchens geschlossen und ge-
öffnet wird, müssen wir hinnehmen. Der platonische Rotations-
^^ Aristoteles traut dem Piaton zu, dass er die uns umgebende
Luft für warm gehalten habe (de resp. 472*> 33—36). Was aber Ari-
stoteles entgegnet : τό μέν γάρ έκπνβόμβνον είναι θερμόν, τό 6' €ΐσπνε•
όμενον ψυχρόν, dns sagt ja Piaton selbst (79^): τό δέ περιυκιθέν εΙς τό
πΟρ εμπίπτον θερμαίνεται, τό δ* έΗιόν ψύχεται. Verstand Ar. θερμαί-
νεται im Sinne von calett da es doch hier calescit bedeutet? Auch da-
rin verkennt er Platons Ansicht und Absicht, dass er resp. 472b 20
einwirft: συμβαίνει bi τόΐς οΰτως οίομένοις πρότερον τήν Ικπνοήν γί-
νεσθαι τής εΙσπνοής, da doch für Piaton die zeitliche Priorität eines
der beiden respiratorischen Acte gar nicht in Frage kommt. Aristo-
teles greift fester zu, als Platons schwebende Betrachtung der Phäno-
mene verträgt [dass er aber die in der Akademie fortgebildete Respi-
rationslehre (s. u.) bekämpfe, vermuthet Daremberg (Galien-Timoe p. 52)
ohne Noth].
82 FragmentsammUing der griechischen Aerzte I S. 83 f. Ich
verweise auf die dortigen Feststellutigeti und Vermuthungen über Pla-
tons Verhältniss zur sikeliscben Aerztescbule. Die Annahme von Poren
und die Lcu^nung des leeren Baumes hat aber Piaton nicht als Wider-
spruch empfunden, da ja die Poren der Haut wegen der stetigen πε-
ρίωσις keinen Augenblick luftleer sind. — LichtenstUdt, Platons Lehren
auf dem Gebiete der Naturforschung und Heilkunde. Lpzg. 1820 dringt
nicht tief; vgl. noch B. Bothlauf: Die Physik Piatos (L Pg.
München 1887} S. 36 S. (Piaton habe die Bedeutung des Luftdrucks
im Sinne Torricellis erahnt).
Der Magnet und die Athmung in antiken Theorien 379
apparat arbeitet selbetthätig. Die physiologischen Probleme hatten
sich zugespitzt seit den Tagen des Empedokles, der auch die
Frage, ob ολκή oder nicht, in ihrer antithetischen Schärfe nicht
ahnte ^. Piaton weist noch bin auf die Schröpf köpfe und das
Schlucken, auf Höhe und Tiefe der Töne, Flieseen des Wassers,
Niederfahren der Blitze, auf Magnet und Bernstein und gelangt
zu der energischen These: πάντων τούτων ολκή μέν ουκ ίστιν
ούοβνί ποτ€ (80®)^^. In seinem schönen Buche 'Wirklichkeiten*
(Berlin 1900 S. 16) hat jüngsthin Enrd Lasewitz die Wichtigkeit
^ Hauptetelle für die Athmung bei Empedokles: Arist. resp. 7
p. 473»15 (jetzt bei Diele poet. philoe fr. p. 143 fr. 100). — Mit der
Frage der πρώτη αναπνοή hat sich Empedoklea in anderem Zusammen-
hange beschäftigt. [Aet. IV 22, 1 (41 1 D) jetzt poet. phil. fr. p. 96 n. 74]:
Das erste Einathmen geschehe» wenn der Foetus im Moment der Ge-
burt aus der umgebenden Feuchtigkeit heraustritt und die äussere Luft
in die geöffneten Gefässe eindringt. Durch natürliche Wärme, die
nach aussen strebt, werde diese eingedrungene Luft wieder ausgetrieben
und sie dringe aufs neue ein, wenn die Wärme nach innen (εντός zu
lesen mit Sturz und Bernardakis) sich zurückzieht. Plato, der im Ti-
roaios den Menschen aus der Gottheit Hand, nicht aus der Mutter
Schooss erstehen hcisst, konnte die von Empedokles angebotene em-
bryologische Begründung des ersten Athemzuges nicht übernehmen.
Die Frage der vOv κατέχουσα αναπνοή (Aet. über Emp. aO.) scheint
Empedokles durchaus gesondert von der πρώτη αναπνοή τοΟ πρώτου
2!ψου erörtert zu haben (vgrl. Plato Tim. 79» τό τής αναπνοής πάθος,
οΐόνπβρ τά νΟν έστιν, 79^ τήν bä αΐτίαν τής αρχής αυτών θ€τ^ον τήν6€).
Im allg. vgl. noch Hecker Gesch. d. Heilk. I S. 89. — Der empedo-
kleischen Klepsydra ähneln am meisten die von Ileron pueum. I p. 8, 23
Schmidt beschriebenen ψά Ιατρικά — die platonische Athmung aber
wird durch die σικύα am besten erläutert. Es wäre einmal zusammen-
hängend zu betrachten, wie der Fortschritt physikalischer öoEai in der
Wahl solcher technischer Vergleiche zu Tage tritt.
«* Vgl. Galen de plac. Hipp, et PI. VIII 8 (V p. 707 f. K., ed.
Iw. Müller p. 714 f.) Έν μέντοι τή περί αναπνοής δόζη διηνέχθη προς
αυτόν ού σμικρά, πρώτον μέν τφ διαπνοής μΑλλον α(τ{αν είπ^ν, ούκ
αναπνοής, εΤτα ουδέ ταύτης άμ^μπτως. αναιρεί γάρ όλκήν, ij προς πολλά
τών φυσικών ίργαιν ό Ιπποκράτης χρήται Wenn Galen
Tim. ρ. 32 Piatons περίωσις der προς τό κενούμενον ακολουθία des
Erasistratos gleichsetzt, ist das proleptisoh zu nehmen. Erasistratos
(vgl. Diels Sb. d. Berl. Ak 1893 S 109) fusst hier auf Stratons Lehre
vom unstetigen Vacuum. Straton beruft sich (s. Simplicius in Arist.
phys. p. 663, 3) auf Flatons Leugnung der ολκή, hat aber die 'Schie-
bung in den nächsten Kaum t hei Γ genauer durchdacht und ist dadurch
zum Zugeständniss des nicht continuirlichen Vacuum gekommen.
380 Fritzeche
jenes Satzee für die Autonomie der mechaniechen Gansalität un-
terhalb der Weltseele hervorgehoben — ein Materialist wie Askle-
piades wurde nicht untreu, wenn er in Piatons Spuren im τό
μηο' δλως ίλκβσθαι λέγειν υπό μηδενός μηοέν έτράπετο.
V.
Ich zog vorhin die Nachricht des Aetios lY 22, 2 (p. 412 f. D.)
heran zur Lehre des Asklepiades von der Athmung. Die Stelle
lautet: ^Ασκλητηάοης τόν μέν ττνεύμονα χώνης οίκην συνίστησιν,
αΐτίαν 5έ τής αναπνοής τήν έν τψ θώρακι λεπτομέρ€ΐαν υποτί-
θεται, προς ήν τόν βωθεν αέρα ^€ϊν τ€ καΐ φέρβσθαι παχυ-
μβρή όντα, πάλιν hk άπωθεΐσθαι μηκέτι του θώρακος οίου τ€
δντος μήτ' έπ€ΐσ5ίχ€σθαι μήθ' ύποστέγβιν υπολειπομένου bc
τίνος έν τφ θώρακι λεπτομερούς άε\ βραχέος (οό γαρ &παν
εκκρίνεται), προς τούτο πάλιν τό εϊσω ύπομένον τήν βαρύτητα
του έκτος άντεπεισφέρεσθαι. ταύτα 5έ ταΐς σικύαις άπεικάίει*
τήν 5έ κατά προαίρεσιν άναπνοήν γίνεσθαί φησι συναγομένων
τών έν τψ πνευμόνι λεπτότατων πόρων και των βραγχίων στε-
νουμένων τή γαρ ήμετέρςι ταυθ' υπακούει προαιρέσει. Askle-
piades hat wie Piaton nach der αΙτία, der Mechanik der Athmung
geforscht und die platonische Theorie seiner Physiologie ange-
passt. Er verwarf die eingebome Wärme, wie jede έμφυτος
ούναμις (Galen VII ρ. 615 Κ.), darum nennt er λεπτομερές"
und παχυμερές, was bei Piaton Feuer und äussere Luft heisst
— die πηγή πυρός (τό θερμότερον μάλλον) wird in dieser Ter-
minologie zu dem im Thorax zurückbleibenden λεπτομερές. —
Der Zusatz über die künstliche Athmung ergänzt die lückenhaft
überlieferte Erklärung der natürlichen. Die αναπνοή κατά προ-
αίρεσιν erfolgt durch willkürliches Zusammenziehen der feinsten
Poren in der Lunge und Verengerung der Bronchien (vgl. die
Athemgymnastik bei Galen VI p. 173 E.). Jene Contraction ver
zögert nämlich den Zutritt des λεπτομερές zum παχυμερές, es
bedarf zur Ueberfüllung des. verfügbaren Raumes einer grösseren
Masse von παχυμερές als bei der unfreiwilligen Athmung, die
Ausathmung erfolgt später, der Rhythmus wird verlangsamt.
Folgende Ansicht ergibt sich daraus für die unfreiwillige Ath-
^ Fr. Tim. Locr. p. 98« πΟρ μέν ών 6ιά τάν λεπτομερίαν διά πάν-
των ήκ€ν (vgl. was Anton aO. ρ. 213 f. zusammentragt). Im Ghiaamas
dazu ü))er8etzt Gael. Aurel. morb. acut. 1 15 (p. 4β Amman) das λεπτο-
μερές des Asklepiades geradezu mit fervor.
bet Htignei und die Athmnng in «ntiken Theorien 881
mnng: Dae im Thorax eingesessene constante λετττομερές^® ver-
bindet sich auf dem Wege durch πόροι und βράγχοι mit dem
durch den Lungentrichter ^^ eindringenden άήρ παχυμερής. Diese
Verbindung erzeugt eine Spannung des άήρ παχυμερής, der
selbst in die Structur des λεπτομερές übergeht. Sobald aber
der Raum des Thorax nicht mehr zureicht, wird die Luftmasse
nach aussen abgestossen. τό έν τφ θώρακι λεπτομερές wirkt
gleichsam explosiv ^^ Der Erwärmung der Athemluft bei Piaton
(εΙς τό πυρ εμπίπτον θερμαίνεται Tim. 79•) entspricht bei Askle-
piades die Verwandlung von άήρ παχυμερής in das λεπτομερές.
Die πλήρωαις war eine Hypothese des Herophilos ^^ Asklepiades
übernimmt sie und kann so der Berufung auf den Drang des
Feuers in dem ihm Verwandten entrathen, der Hinweis auf die
Ausdehnung der eingeathmeten Luft wiederum erspart es ihm,
eine natürliche Tendenz der Lunge zur συστολή und διαστολή
mit Herophilos anzunehmen, der πλήρακτις folgt die gewaltsame
Entleerung und nun genügt — ohne Horror vacui — die Schwere
^ Gonstant als ein quantitatives Minimum, nicht als Substanz.
^ Gampert aO. p. 70, dem andere folgen, kehrt den Trichter
uro, sodass die Röhre, der Trachea entsprechend, nach oben steht. So
ist aber das Bild nicht gemeint; Askl. denkt hier so wenig an die
Trachea wie Ps. Hippocr. de corde z. Auf. (über den vgl. Wellmann
Fragms. I S. 94 ff.) an den Oesophagus, wenn er vom Magen an-
merkt: 6 γάρ στόμαχος όκοΐον χώνος, καΐ ένδ^χ€ται τό πλήθος καΐ ασσα
προσαιρόμεθα, vgl. auch Galen II ρ. 709 Κ. III ρ. 694 Κ., wo vom
πύ€λος, dem infundtbulum cerebri, die Rede ist und Columella 3, 18
g. E., wo es von der Schnittfläche eines unten umgebogenen Setzlings
heisst: 'more infundibuli per medullam transmittit quicquid aquarum
caelestium superfluit*.
* Lionardo di Capoa ragionamento V Nap. 1689 p. 245 *ne si
dee qui tacere, che si pare, ch'Asolepiade vicino stato fosse ad avere
cognizione dell' elatere doli' aria*. Dem widerspricht Gumpert aO.
p. 71 ohne Beoht und Grund. Vgl. auch Ernst Platner p. 252 ff. seiner
an kundigen Bemerkungen zu griechischen Aerzten überreichen *Quae-
stiones pbysiologioae* (Lips. 1794), wie Sudhaus S. 147 f. und an an-
dern Stellen seines Commentars zum Aetna.
» Vgl. C. F. H. Marx Comment. Gott. vol. 8 (Druckjahr 1841)
claae. phys. p. 115 not. 1. — Aetius IV 22, 3 (p. 413 D). Das Xcirro-
μ€ρ^ς des Askl. entspannt nicht nur den tibervollen Baum, sondern ent-
leert ihn sohier. Herophilos muss die überschüssige Luft, die aus der
Lange in den Thorax trat, aus dem Thorax in die Lunge zurück und
von da nach aussen leiten, um Platz zu schaffen für die neu von aussen
eintretende Luft.
382 Fritzeche
der äu§8eren Luft zum Verfltändniss ihres Eindringens •°. Wie
gescLickt entwand sich Aeklepiades allen naturales factUtates, wie
gewandt verflocht er Ansichten des Piaton und Annahmen alexan-
drinischer Aerzte.
Das besagt uns der dürftige Bericht des Doxographen.
Galens Notizen sind besonders zu überdenken. Wir erfahren da
(III p. 466 f.), Asklepiades habe den Arterien in der Lunge —
und zwar diesen allein — eine zwiefache Bewegung y:uerkannt,
f^v τ' οίκοθεν ίχουσιν έκ τής σφβτέρας αυτών ουσίας, σφύ-
2Ιουσαι οηλονότι, και ήν έκ του τής αναπνοής ίργου, σειομένου
5ιά παντός του πνεύμονος, έπικτώνται. Das heisst doch deut-
lich : der Pulsschlag der Arterien ist eine von der Athembe-
wegung der Lunge unabhängige Erscheinung. Dazu stimmt, was
Galen VIII p. 758 K. aus des Asklepiades Schrift περί τής ανα-
πνοής και τών σφυγμών anführt: καΐ ή προκειμένη γέγραπται
λΟις, εΙς οιορισμόν αναπνοής τε και σφυγμών ίχουσα προσ-
κείμενον, ούχ £παξ, άλλα και πολλάκις γιγνομίνη κατά μίαν
είσπνοήν. Die eigne ουσία der Arterien ist keine naturalis
facultas — solche leugnete Asklepiades hier wie allenthalben
(Gal. VIII p. 755 K. ούδεμίαν ύπολαμβάνων ουναμιν ύφ' ής
ή τε καροία και αϊ άρτηρίαι κινούνται) ; die Arterien atbmen ein
wie die Lunge durch einwohnendes λεπτομερές und zudringende
Aussenlnft, auch hier erfolgt üeberfüllung und Rückkehr in den
vorigen Stand (Galen VIII p. 748 K. οϊεται γάρ ό άνήρ οδτος
και τήν καροίαν και τάς αρτηρίας οιαστέλλεσθαι πληρουμένας
πνεύματος, είσρέοντος αύταϊς bia λεπτομέρειαν, ήν εντός εαυ-
τών ίχουσιν, όταν \λ πληρωθεισών εΙς τό ίμπροσθεν ούκέτι
^ Das παχυμ€ρ^ς hielt auch Erasistratos für eine Bedingung des
Athems (Gal. III p. 540 K.); er widerstrebte der ολκή und dem θερμόν
ίμφυτον (Gal. VII ρ. 614 Κ. Sprengel Gesch. d. Arzneikde. I* 544.
Fuchs Erasistratea. dies. Lps. 1892 p. 21). Erasistratos bezeichnete die
Erfüllung der Arterien als Function des Athems (Gal. IV p. 471 K.),
Askl. die Erzeugung der Seele. Das zeigt uns den Gegensatz der In-
genia. Erasistratos war eine eminent wissenschaftliche Natur — er
suchte ohne factUtates occultae auszukommen, wo er aber zu keiner be-
friedigenden Erklärung gelangte, hat er bei der offenen Frage sich be-
scbieden, Α sei. trat mit dem Anspruch auf, alle Probleme aua seinen
Prämissen zu lösen ('che non ischivnndo malgevolezza niuna, ne si fer-
mando nella prima buccia delle cose, s^ngei^nava gecondo ogni sua
possa d'internarsi ne* piü riposti segreti della natura*: L. di Capoa aO.
p. 24.S).
Der Magnet und die Athmung in antiken Theorien 383
^έη, καταπίπτειν αδθις εις τήν ίμπροσθεν ύπάρχουσαν έαυταΐς
κατάστααιν φύσει τόν χιτώνα). Die so veranlasete Systole und
Diastole des Herzens nnd der Arterien ist der Puls nach der
Definition des Asklepiadee (Gal. VIll p. 757 K. τόν μέν σφυγ-
μόν εΤναι συστολή ν καΐ διαστολή ν καρδίας τε και αρτηριών).
Wie kommt aber das ττνεΟμα in die Arterien? Dass es
durch die Lunge zugeleitet werde, ist schwer vorstellbar, weil
ja dann die Lungenarterie nur eine einfache Bewegung ausführen
und ein Pulsschlag einem Atliemzug entsprechen würde. Es scheint
unumgänglich, dass hier die Hautathmung einsetzt ^^ Galen hat
dies Zwischenglied unterschlagen, nun bezeugt aber der Anony-
mus Londinensis 36, 48 — 38, 53, daKs Asklepiades von der εϊσ-
κρίσις εΙς ήμας ausführlich gehandelt hat. Die unmittelbare
Verbindung der beiden respiratorischen Systeme würde dann her-
gestellt durch das λεπτομερές, das aus der Tiefe des Thorax hier
durch die Lungen, dort durch Herz, Arterien und Hautporen mit
der Aussenluft immer wieder ins Vernehmen tritt, bei Athmung
und Puls stets aufs neu Agens und Product.
Asklepiades hat wie Piaton Respiration und Perspiration
^^ Die That Sachlichkeit der Haatathmung war strittig, beim Anon.
Lond. 20, 4() wird sie ausdrücklich hervorgehoben, sie wird deutlich
verneint von Seneca N. Q. VI 24, 2. (Zu dem, was Huhkopf und Eoeler
hiezu anführen, vgl. noch Ideler zu Aristot. Meteor. II 2, 14 u. Ernst
Platner aO. p. 2ϋ1 ίΓ.)ι Arohigenes glaubt die Perspiration durch Ohn-
machtszustände hysterischer Frauen besonders belegen zu müssen (vgl.
Wellmann Pneum. Schule S. 138). — W. Cruikshanks Geschichte und Be-
schreibung der einsaugenden Gefässe (hsg. von G. F. Ludwig. Lpzg.
1789) müsste für das Alterthum auf Grund philologischer und medi-
cinisüher Kenntnisse unserer Zeit neu geschrieben werden. — Den
Wendepunkt dieser Anschauungen hat Daremberg angedeutet: Ilist.
des sc. med. Ip. 151 'Quand l'anatomie eut ruine sans retour les bypo-
theses d'£mpedocle, de Diog^ne et de Democrite sur la distribution et
le role des pretendus canaux aeriens, la physiologie n'eut pas d'autre
ressonrce qne de prendre les art6re8 pour leur faire jouer le role de
ces canaux imaginaires et pour les mettre directement en rapport avec
les bronches, sans oublier cependant d'attribuer une certaine part de
respiration k la peau*. Darum mag ich auch Bäumker aO. nicht zu-
gestehn, dass Askl. von Empedokles wesentlich abhänge. Askl. hat
sich mit der Gefäsälehre des Erasistratos auseinandergesetzt und gegen
die Herophileer polemisirt. Da konnte er trotz seiner mehr beschrieenen
als erwiesenen Unkenntniss der Anatomie auf Empedokles so wenig
eich berufen wie ein moderner Physiolnpr auf einen Autor vor Leeu-
wenhoek.
384 FritSBche
unter das gleiche Gesetz gestellt, auf ihre rhythmische Beziehung
aber verzichtet. Alles in allem gewann der kluge Mann, was er
erstrebte, eine verständliche Theorie auf Grund der einfachen
Principien seiner Physiologie. Asklepiades verglich mit der Ath-
mung den Austritt ded Blutes in den Schröpfkopf, er hat also
auch für diesen locus classicus der ολκή die ολκή abgelehnt''.
Wie bei Piaton wird die (Τικύα mit der αναπνοή zusammen-
gestellt.
Ist nach unseren Ausführungen ein Einfluss der platonischen
Theorie auf die asklepiadeische höchst wahrscheinlich, so sträuben
wir uns doch gegen die Annahme directer litterarischer Ab-
hängigkeit. Der Timaios lag zwar nicht abseits der Wege da-
maliger Bildung, Poseidonioe hat ihn oommentirt, Cicero zum
Theil übersetzt, dennoch wollen wir dem vielgeschäftigen Arzte
vertiefte Platonlectüre nicht zutrauen. Wir suchen nach einem
Vermittler. Der berufene Name des Pontikers Uerakleides bietet
sich an. Neben Asklepiades begegnet er uns als Vertreter der
δναρμοι δγκοι^', Scheintod und Bedingungen des Athems hat er
im Dialog π€ρι τής δπνου erörtert^. Aber das reicht nicht
"> Das Häthsei bei Arietot. rhet. III 2 p. 1405b8 zeigt, wie nahe
das Schröpfen volksthümlicher Voretellung lag; es erscheint als eine
typische Form der ολκή, wenn Aristot. an. gen. II 4 p. 737b 32 gegen
die ^λκ€ΐν τά αΐ&οΐα φάσκοντ€ς ιΰσπερ τάς σικύας sich wendet, wenn
Olympiodor in meteor. I 13 (99» 29 ed. Stüve) ein Muthnngsverfahren
der Brunnengräber &(κην σικύας verdeutlicht, wenn Theon bei Galen
VI p. 208 K. von der heiss abgewaechenen επιφάνεια sagt, fva αΟτη
σικύας τρόπον τήν λαμβανομένην τροφήν έπισπωμένη τοΙς κεκμηκόσιν
άνηοι^ληται νεύροις; bei Themistios Anal. post. II 15 f. 13 (ρ. 95, 18
Spengel GO, 1 Wallies) sind Magnet, Bernstein und Sohröpfkopf Schul-
beispiele der άντιπ€ρ(στασις, Heron pnenro. 1 p. 10, 4 u. 16, 10 Schmidt
wird am Schröpfkopf die künstliche Erzeugung einns oontinuirlichen
Vacuom demonstrirt. Chrysipp bei Achilles p. 126 Petav. nimmt die
Anziehung durch die σικύα als Beweis dafür, δη πΟρ καΐ άήρ κου-
φότατα καΐ άνως>€ρή. Vgl noch Daremberg zu Oribas. vol. II p. 779—
81 und Wellmann Pneum. Schule S. 228 f. — Wenn Plutarch Quaest
Plat. VII 3 sagt, die Luft im Schröpfkopf werde durch die Erhitzung
weiter als die Poren des Erzes, so ist gemeint, das Volumen der Luft
werde grösser als das Volumen des Hohlraums, der vom porösen Erz
umgeben ist.
" Vj^l. Bäumker aO., Otto Voss De Heradidis P. viU et scriptis
diss. Rostochii 1896 p. 66.
β* Vgl. Hirzel Dialog I S. 323 ff. und Voss aO. p. 68 ff.
l)er Magnet und die Athmang in antiken "fheorien 385
ans; wir haben hier keinen sichern Anhalt und roüesten uns bei
einer anbestimmten Vermuthung bescheiden. Eine kaum beachtete
Anmerkung Galens deutet nach einer anderen Richtung. In seinem
Commentar zum Timaios p. 34 der Ausgabe von Daremberg lesen
wir: γίνεται τοίνυν ή τοιαύτη κίνησις ουκ ακριβής κύκλος έπΙ
τά αυτά 5ιά παντός περιφερόμενος, άλλ' ώς αυτός εΤπεν, ίνθα
και ίνθα, καΐ κατά τούτο διήνεγκεν ή του Πλάτωνος boEa τής
έΕ * Ακαδημίας, ούχ ώς 'Ερασίστρατος ίγραψεν εκείνη μέν γάρ
κατά κύκλον ακριβή 6ιά παντός περιφέρεσθαι τόν αέρα έπι τά
αυτά και ωσαύτως βούλεται, αυτή b' ου κατά κύκλον άει τόν
αυτόν, άλλ' ώς άν τις εϊποι, κατά δύο ημικύκλια έναντίως
άλλήλοις κινούμενα. — ουκ oTba, τί boEav αυτψ
τήν τής περιώσεως boHav άντι τής ολκής [ρ. 36] εϊλετο, κατά
τούτο μόνον σχεbόv άποστάς Ιπποκράτους, ότι μέν γάρ τό τής
αναπνοής, εϊτ' ίργον εϊτε πάθος χρή καλεϊν, ού γίνεται κατά
π€ρίωσιν, Ερασίστρατος ίbειεεv, έλέγΗας την Έστιαίου boEav•
Dazu ergänzend Galen Nat. fac. II 8 (U p. 111 E. III p. 182 He.)
σμικρότατός έστι τήν γνώμην (sc. Ερασίστρατος) καΐ ταπεινός
εσχάτως έν άπάσαις ταϊς άντιλογίαις, έν μέν τοις περί πίψεως
λόγοις έν bfe τοις περί τής αναπνοής
τοις περιωθεϊσθαι τόν αέρα φάσκουσιν (sc. άντιλέγων). Piatons
Theorie der Athmung ist in der Akademie (durch Hestiaios?)^
ausgebaut worden. Die platonische περίωσις ίνθα καΐ ίνθα wurde
durch eine vollständige Umdrehung ersetzt; auf welche Art und
in welcher Absicht? Eine Figur mag das Yerhältniss der beiden
Theorien verdeutlichen. Ich bezeichne mit Q die Fenerquelle
(πηγή πυρός), mit Α den Lufteintritt durch Mund und Nase,
mit Β den durch die Haut.
Α
» üeber Heetiaios vgl. Laert. Diog. III 31. Simpl. Phye. 453, 28.
Doxogr. p. 318^ 15 und p. 403»» 19. — Index Acad. phil. Hercul. ed.
S. Mekler (ßerl. 1902) p. 34.
Rbelu. Μοβ. ί. Philol. Ν. F. LYII. 25
386 Pritzsohe
Nach Piaton geht die erste Umdrehung von Q aber Α zu
B, die zweite von Q über Β zu A, dabei wirkt die Luft Schiebung
nur auf der Strecke zwischen Α und Β ; zwischen Q,—- Α und
Q-^B bewegt sich das Feuer zum συγγενές; nach der akademi-
schen Lehre geht die erste Umdrehung von Q über Α und Β
zu Q, die zweite von Q über Β und Α zu Q, das Rad wird also
nach jeder vollständigen Umdrehung an der ιτηγή πυρός wieder
zurückgedreht. Das Feuer bewegt sich nicht zu dem ihm Ver-
wandten, sondern stösst die durch Schiebung bis Q vordringende
Luft nach aussen, die von Α kommende auf dem Weg über A,
die von Β kommende auf dem Weg über B. Platons Lehre vom
Drang des Feuers zum (Τυγγενές war dem Verdachte einer ver-
hüllten ολκή ausgesetzt; man bemerkt leicht, dass die akade*
mische Correctur diesen Anstand beseitigen sollte. Uebrigens
ist die akademische Feuerqnelle nach ihrer Function dem aekle-
piadeisohen λεπτομερές noch ähnlicher als die Feuerqnelle
Platons.
Erasi Stratos, erfuhren wir durch 6alen, hat gegen die πε-
ρ{(υ(Τις polemisirt, ohne des Unterschiedes der beiden Theorien
zu achten '^ Wir brauchen also den leichtbeschwingten Auf-
klärer Asklepiades mit dem Studium des Timaios nicht zu be-
lasten. Er fand die platonisch-akademische Athmungslehre als
Discnssionsthema zubereitet in der medicinischen Litteratur. Die
von Η eck er richtig beobachtete, von uns im einzelnen beschriebene
Verwandtschaft der Athmungslehren des Piaton und des Askle-
piades lässt sich geschichtlich begreifen.
VL
Der Werth des Galencitates für unsere Untersuchung ist
damit noch nicht ausgeschöpft. Wurde die Theorie der Athmung
in der Akademie weitergebildet, so ward auch eingehende Be-
handlung des Schröpfkopfe, des Bernsteins und des Magneten er-
fordert, zumal Piaton im Timaios mit wenigen Worten über diese
Phänomene hinweggeglitten war. Wir dürfen auf solche Tradition
die Ausführungen Plutarchs in der siebenten platonischen Frage
unbedenklich beziehen. Eben dort aber fanden wir wie bei
^ Für Platons nächste Schüler, die seinen mündlichen Vortrag
noch gehört hatten, war der Timaios noch kein starrer Codex, sie
werden platonisches und eigenes nicht streng geschieden haben. Die
Verwechslung des Erasistratos braucht also nicht von Oberflächlichkeit
sich herzuschreiben.
i)er Magnet und die Athmung der antiken Theorie 38?
Lücrez den äusseren Luftdruck alR Helfer magnetischer Emana-
tion. Der Abstand der .Zeit und der Schulen von Lucrez auf-
wärts zu Piaton und abwärts zu Plutarch verwehrte uns vorhin
die litterarische Deutung des Einklangs der Lehre. Jetzt sehen
wir den Asklepiades, den Hospitanten des Epikureismus, ganz
nah der Epoche des Lucrez und seinem Kreise, durch medici-
nische Debatten denselben Akademikern verpflichtet, von denen
Plutarch abhängt. Ohne Willkür dürfen wir schliessen, dass
Asklepiades' Erklärung des Magneten έφ' οΤς ύπέθετο στοιχείοις
der plutarchischen ähnlich sah.
Also hätte Lucrez die Lehre vom Luftdruck der Schrift
des Asklepiades über Athem und Puls entnommen? Das behaupte
ich nicht — eine bescheidenere Folgerung verspricht mehr
Sicherheit und tieferen Einblick in die Absichten und Neigungen
des Dichters. Der feinhörige Giussani bemerkt zu v. 954 — 6:
^Lncrezio in quest' ultima parte del libro YI ha molto occupata
la mente della morbida vis (n'ha gik pärlato a proposito dell'
Etna e degli Äverna loca), sia percho giä pensi alla chiusa del
poema colla peste d'Atene, sia invece che questa particolare oc-
cupazione dello spirito gli abbia ispirato quella chiusa*. Wir
können die Leetüre des Lucrez nicht nachprüfen und wir sollen
bedenken, dass sein Geist nicht aus Büchern allein Nahrung ge-
zogen hat. Sind ihm aber überhaupt medicinische Erörterungen
ans Ohr geklungen, so sind ihm die Ansichten des Asklepiades
nicht fremd geblieben — denn laut genug war dieser Neuerer
auf den Markt getreten.
A. G. M. Raynaud (De Asclepiade Bithyno medico ac phi-
losopho. Thesis, Paris 1862 p. 33) meint, Lucrez habe lY 664 ff.
die Fiebertheorie des Asklepiades entlehnt : das wird sich bündig
nie erweisen lassen; uns genüge, dass medicinische Themata im
Gesichtskreise des Dichters lagen. Von dorther eher als von
rhetorischen Freunden ^^ mag auch die Pestsohildernng des Thu-
kydides ihm zugetragen worden sein. Der Zusammenhang lässt
sich nur leise und fernher bezeichnen. Jedenfalls werden wir
nicht mehr leichthin sagen, das Kapitel von den Epidemien sei
äusserlich an das vorhergehende angeschlossen. Auch beim
Magnetismus findet ein conUigium statt.
Die ausführliche Behandlung des Magneten durch Lucrez
haben wir verstanden aus der Lebhaftigkeit des Kampfes um τό
^ Wie Hb. Schröder meint, *Lakrez und Thacydides* S. 36.
388 Fritzsohe
θαυμαίόμενον π€ρι της ίλΗεως τών 'Ηρακλείων λίθων (Plat.
Tim. 80^). Der Athmung als einer physiologischen Grundfrage
hat Asklepiades eine Monographie gewidmet — es lohnte ihm
schon, dabei zu verweilen.
Ein nie beglichener Streit umbrandete im Alterthum die
Erscheinungen des Magnetismus und der Respiration, und dieser
Streit spielte sich ab im Vorhofe der Metaphysik. Die Alten
konnten die Auflösung des Magnetismus in Mechanik nicht er-
reichen, aber wenn sie τήν ivboEov ταύτην και πολυθρύλητον
λίθον (Gal. Π ρ. 44 Κ.) wieder und wieder bedachten, hat eine
sichere Ahnung sie geleitet. Denn hier waltet ein Urphänomen
— nach Goethes Worten ^^ Es war ein weiter Weg bis zur
Ansicht der modernen Physik, die Wechselwirkungen zwischen
elektrischen und magnetischen Strömen entdeckt, die Elektricität
der Optik angliedert, von dieser Position aus die Frage nach den
Eigenschaften des Aethers stellt und von ebendaher ^das Wesen
der alten Materie selbbt und ihrer innersten Eigenschaften, der
Trägheit und der Schwere* *®, zu verstehen hofft. So hat sich
die Aufgabe umgekehrt: magnetische und elektrische Kräfte, vor-
dem das X, werden nun als die gegebenen Grössen in die Glei-
chung eingestellt. Die Alten stiessen angesichts des Magneten
auf den theoretischen Ort der modernen Physik und kamen trotz
allen Suchens und Deuteins nicht darüber hinweg; dass sie aber
nicht daran vorbeigingen, erweist den Ernst und die Ehrlichkeit
ihrer Forschung. In der Discussion des Magneten hatte die me-
chanistische Polemik den Einbruch lebendigen Wesens ins Reich
des Anorganischen abzuwehren — man berennt ein feindliches
Vorwerk im eigensten Gebiet. Die Versuche hinwiederum, ohne
naturalis facultas die Athmung zu erklären, sind ein Vorstoss
der mechanistischen Naturansicht ins Centrura des organischen
88 Sprüche in Prosa Nr. 790 (Bd. 19 S. 172 Hempel). Vgl. auch
Hegels Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften §312 β (Werke
VII 1 S. 246) 'Der Magnetismus ist eine der Bestimmungen, die sich
vornehmlich darbieten mussten, als der Begriff sich in d<?r bestimmten
Natur vermuthete und die Idee einer Naturphilosophie fasste*. Hier
darf noch erwähnt werden, dass dem Entdecker des Erdmagnetismus
seine Hypothese als Bestätigung der antiken Weltseele bedeutsam schien,
s. Guil. Gilbert De magnete physiologia nova. Londini ΙβΟΟ.
lib. V cap. XII p. 210.
* Heinrich Hertz in seinem Heidelberger Vortrage, (»es. W. I
S. 354.
Der Magnet und die AthmuDg der antiken Theorie 389
Reiches*^. Ancb hier blieb ee beim Poetnlat — die Atbmung
war in Aeromecbanik nicht restloe aufzurechnen. Die heutige
Physiologie ist von V komme m<tchine wie nur irgendwann ent-
fernt: 'Je eingebender, vieleeitiger, gründlicher wir die Lebens-
erecheinnngen zu erforschen streben, desto mehr kommen wir zur
Einsicht, dass Vorgänge, die wir bereits geglaubt hatten, physi-
kalisch und chemisch erklären zu können, weit verwickelterer
Natur sind und vorläufig jeder mechanischen Erklärung spotten* *^
Wir verfeinern unsere Methoden und bereichern unsere Erfahrung
und wir gelangen wieder und wieder dahin, wo unbewaffneten
Auges und mit tastender Hand die Alten sich mühten, zu ewigen
Problemen. Cum ezcusatione itaque veteres audiendi sunt.
Ex c u r s
1. Lucrez verwendet VI 799 ff. als Beispiele gehemmter
Respiration den Tod im warmen Bade und die Kohlenoxyd Ver-
giftung. Dieselben Belege finden sich bei Galen in einer Po-
lemik gegen Erasietratos (und Asklepiades) de us. resp. lY [IV
p. 494 u. 496 K., vgl. auch de us. part. VIII 8 (111 p. 540 K.)].
Dass Lucrez und Galen auch der lebensfeindlichen Höhlenluft hier
gedenken, erhebt die Parallele über die Möglichkeit des Zufalls ^^
^ Umgekehrt stand die von Piaton Tim. p. 33c (dort Archer-
Hind*8 Note) abgelehnte Weltathmung der Pythagoreer (vgl. Boeckh,
Philolaos S. 108 ff.).
*i Gustav V. Bunge, Lehrb. d. Physiologie (Lpzg. 1901) II S. 3.
^^ Die Asclepiadea des Anonymus Lond. grenzen unmittelbar an
diese Themata. 37, 51. 38, 1 (vgl. auch Cael. Aurel. m. ac. I 15 p. 53
Am.) ist von der Wirkung des Hibergeils die Rede: τό καστόρ€ΐον
προσοισθέν τοΙς μυκτήρσι ^ώννυσι τάς δυνάμεις διεγείρον τήν ψυχήν
καΐ ivTctvov. Vorher 37, 30 vom weissen Nieswurz: καΐ μήν καΐ ό
λευκός έλλ^βορος άποθυμιώμενος γυναιΗΙν άγϋτρός γίνεται τών καταμη-
viuiv. Dazu vgl. Lucr. VI 794—6:
castoreoque gravi mulier sopita recumbit,
et manibus nitidum teneris opus efßuit ei,
tempore eo si odoratast quo meustrua solvit.
(Durch dies Emailbildchen wird Giussani an den Schluss vonCatull65
erinnert. Ich darf hinzusetzen, dass beide Dichter ein Sprichwort oder
vielmehr dessen Ausdeutung durch Grammatiker anmuthig variiren,
vgl. Festue p. 1G5, 17 M., Otto Spr. d. R. S. 231). Wenn übrigens das
Bibergeil beim Anon. überhaupt, nach Galen XIll p. 320 K. für die Stick-
anfalle Hysterisober erwecklieb scheint, nennt es Lucrez betäubend für
390 Fritzsche
Nun berichtet Caelias Aurelianae morb. acut. I 15 (p. 52 f. Am-
man) folgende Anmerkung des Asklepiades von der Wirkung der
Raute: 'AccueanR enim eoR qui rutam probaverunt adbibendam,
yitandas inquit primo gravabilee virtutes (ec. in pbrenitide),
siquidem ascensu quodam inepirationie capnt invadant et magnas
menti occaeiones alienationie eubiciant . Das passt zu Lucr.
V. 802 f. :
carbonumque gravis vis atque odor ineinuatur
quam facile in cerebrum,
und der Zusatz nisi aquam percepimue ante* widerstreitet jeden-
falls niobt den prophylaktischen Grundsätzen des Asklepiades.
Die Lesung der v. 804 f. bleibt ungewiss. Schreiben wir
mit Laohmann:
at cum membra domus percepit fervidior vis,
tum fit odor vir! plagae mactabilis instar
[oder, näher der üeberlieferung (fervida servis od. fervie), doch
künstlicher mit Munro: fervidu' nervis], so stellt sich die Ver-
muthung ein, dass Lucrez noch auf den Koblendunst bezogen
habe, was seine Quelle (wie Galen IV p. 496 K.) vom Firniss-
geruch frisch gestrichener Gemächer (τοις νειυίΤτΙ κεχρισμένοις
οΤκοις τιτάνψ) besagte. Lesen wir aber mit der Ynlgata:
at cum membra hominis percepit fervida febris
tum fit odor vini plagae mactabilis instar
(oder für homifiis mit Heinrichsen und Madvig domans), dann
hätte Lucrez von dem Streite gehört, der um des Asklepiades
Schrift περί οΤνου οόσβως entbrannt eine tippige Litteratur
emportrieb ^^. Dass nämlich Asklepiades dem Kranken auf der
Höhe des Fiebers Wein gereicht habe, wird nach Caelius*
undeutlichen Angaben von Gumpert aCT p. 123 geradezu ver-
neint, auch der scharfsinnige Le Oltf• . sagt Bist, de la m^d.
(Amsterd. 1702) Π p. 111: *I1 Paccordait aisiment k ceux qui
avaient la fievre, pourvu qu^elle eut un peu diminuo de ea pre•
mi^re violence'. Asklepiades liebte starke Ausdrucke. £r hat
erklärt: 'Wer Phrenetischen zur Ader lässt, der kann sie gleich
mit der Hand todtschlagen' (Cels. III 18 'perinde esse dixit bis
den besonderen Zustand der Katamenien (vgl. noch den bei Plin. N. H.
32, 133 miigetheilten gynäkologischen Aberglauben). 38, 37 bespricht
der Anonymus die Abkühlung beim Austritt aus warmem Bade.
^ *Qui vero postea de volumine illo disseruere, innumeri* Plin.
N. H. 23, 32. Vgl. H. Bruns, Quaestiones Asclepiadeae .... Diss. Ro-
stooh. (Parchim 1884), Wellmann im Hermes 24 S. 534 f.
Der Magnet und die Athmung in antiken Theorien 391
sangoinem mitti ac si tracidentur*. Gael. Aar. morb. acut. I 15
p. 46 Am. ^phlebotomiam etiam niliil, inqnit, ingnlatione differre
in phrenetioie'). Hallt solche Draetik wieder in der auffälligen
Wendung des Lucrez: plagae mactabilie instar?
2. Asklepiades bemerkte, dass der Ader läse Pleuritisohen
in Athen und Rom schadet, in Parinm und am Hellespont aber
zutr&glioh ist (Cael. morb. ac. Π 22 ρ. 131 Am.).
Er hatte also ein Auge für geographische Pathologie. —
Lucrez handelt von den Leiden, die bestimmten Gegenden eigen-
thümlich sind und sagt dabei v. 1114 f.:
Est elephas morbus qui propter flumina Nili
Gignitur Aegypto in media, neque praeterea usquam.
Den Historikern des Aussatzes^ gelten diese Verse als Beweis
gegen das Vorkommen der Elephantiasis ausserhalb Aegyptens
zu jener Zeit. Aber Lucrez schildert ja gleich darauf die Wan-
derung des lebensfeindlichen caelutn einer entfernten Oertliohkeit
iu unsere Gebreiten. Das Vaterland (nicht die Ausdehnung) der
Elephantiasis (und 1141 der athenischen Pest) wird mit Aegypten
bezeichnet. Wie dem auch sei, Plutaroh Conv. disp. VIII 9, 1
p. 731 citirt einen Athenodoros, έν τφ προτέρψ τών 'Επιδη-
μιών Ίστορουντα πρώτον έν τοις κατ' Άσκληπιάοην χρόνοις
ου μόνον τήν έλεφαντίασιν άλλα και τόν ύοροφόβαν έκφανή
Τ€νέ0θαι. Asklepiades bat die Elephantiasis im Abendlande zu-
erst als Arzt beobachtet, vielleicht ausführlich behandelt in seiner
Schrift περί αλωπεκίας (vgl. Galen XII p. 410 K. Gumpert aO-
p. 172 ff.)*ö.
So scheinen allenthalben gleichsam unter der litterarischen
Oberfläche Verbindungslinien durch, die zu scharfen deutlichen
Strichen auszuziehen nicht gelingt, weil Dichter gemeinhin nicht
auf Bibliotheken arbeiten und nicht wie Gelehrte citiren.
Giessen. R. A. Fritzsche.
^ Vgl. Gbr. Hensler S. 192 seines ausgezeichneten Werkes: Vom
abendländischen Auesatze Hbg. 1790. Nachher gieng das
losgelöste Lucrezcitat von Hand zu Hand.
*^ In die gleiche Betrachtung gehört der saeer ignis, den Luor.
VI 660 und 1167 beschreibt.
AUS DRESDENER HANDSCHRIFTEN
I. Scholien zn Yegetins.
Der Cod. Dresdensie De 182 enthält fol. 63—135 die £pi-
toma rei militarie des Yegetias von einer Hand aus saec. X. Die
üeberlieferung gehört zwar zu der geringeren Handechriftenklaese,
aber der Dresdeneis bietet an manchen Stellen Scholien, die we-
nigstenB zum Theil auf gute Quelle zurückgehen. Manches ist
allerdings in den Scholien durch grosse Flecke unleserlich ge-
worden und es kommen überhaupt nur die beiden ersten Bücher
in Betracht, da die Thätigkeit des Scholiasten in Bach III und
IV fast ganz aufhört und nur noch wenige Worte interpretirt
sind. Namentlich prunkt der Verfasser mit seinen Eenntniseen
im Griechischen, das theil weise vollständig falsch ^ für Erklärungen
herangezogen wird. Solche Erklärungen entsprechen häufig der
wissenschaftlichen Bildung der karolingischen Zeit und da an
einigen Stellen Paulus' (Diaconus) Auszug aus Festus benutzt
wird, so ist der Scbluss wohl nicht zu gewagt, dass der Ver-
fasser der Scholien dem θ — 9. Jahrhundert entstammt, wenn auch
manches auf ältere Grundlage zurückgeht.
Die Handschrift selbst ist von Lang in seiner Ausgabe des
Vegetius (Lips. 1885) p. XXXVII beschrieben worden, aber nur
nach Angaben von Du Rieu, nicht nach eigner Anschauung.
Zunächst besteht der ganze Dresdner Codex ans zwei Theilen,
die in der alten Michelsberger Bibliothek gesondert als 119 und
als I 20 vorhanden waren. Der zweite den Vegetius enthaltende
Tbeil hat mit jenem ersten, vom Präpositus Ragenarius dem Ma-
rienkloster zu Rheims geschenkten Tbeil keinerlei BerührungS
^ So zu p. 20, 4, wo * Mattiobarboli * aus mathesis, barin and
baleiti erklärt wird; und 59, 3, wo der Scboliast den ersten Bestand-
theil des Wortes * polipticus * mit πόλις zusammenbringt.
^ Die beiden Schriftarten sind gänzlich verschieden und fallen
zeitlich auseinander.
Aus Dresdener Handschriften 393
ausser dass er später mit ihm zusammengebunden wurde. Es ist
daher nicht richtig gewesen, dass die chronologischen Verhält-
niese des ersten Theils auf den zweiten durch Du Rieu und Lang
übertragen worden sind : der zweite Theil stammt sicher aus dem
10. Jahrhundert. Ferner ist dieser Theil nicht, wie Lang sagt,
von einer Hand durchcorrigirt worden, die auch die Soholien ge-
geschrieben habe, sondern es sind drei Correctorhände zu unter-
scheiden, deren eine allerdings mit der Hand des Scholiasten
identisch ist. Die Scholiastenhand ist von ganz anderer Sohreib-
Übung als die Hand des Schreibers, welche dick und unschön er-
scheint. Die Scholiastenhand ist sicher gleichzeitig, ja sie reprä-
sentirt sogar einen sehr alten Ductus» wie sich besonders aus dem
lang heraufgezogenen e ergiebt.
Ich lasse nun die noch deutlich erkennbaren Scholientheile
nach den Seitenzahlen der Ausgaben von Lang hier folgen; das
erste Scholion, wahrscheinlich über das Wort epitoma ist ganz
unleserlich geworden.
5, 17 procerüatem magnitudinem enormitatem longitudinem.
6, 3 desides otiosos. 6, 11 ignavos inertes. 6, 21 ineonsMiores mi-
nus prudentes. 7, 2 suppetat subveniat suffragetur. 7, 4 dimicatione
proelio. 7, 9 suh divo sub caelo aperto. 7, 12 gestare portare.
Ί, 17 papilionibus tentoriis. papiliones tcntoria dicuntur a similitudine
papilionum hoc est parvarum volatilium quas vulgo . . . mulas^ di-
eunt^. 7, 19 emergit consurgit. 7, 19 angariis angaria grece latine
compulsio dicitur. Ergo angariae sunt loca ab urbibus remota in qui-
bus milites exercere militiam compelluntur^. 7, 22 infitiandum dene-
gandum. 8, 12 alacritas velocitas fortitudo. 8, 4 dictaiuram dicta-
turam idest principatum nam dictator princeps nuncupatur^. 9, 15
denas untias unius pedis, hoc est tota longitudo pedis praeter bis duo-
decimam partem. 9, 16 alares egtUtes alares equites dicuntur qui ex
utroque latere in modum alarum dependunt. 9, IG cohor-
tibu8 cohors est multitudo peditum sive equitum armatorum, nam una
legio X cohortes habet. 10, 14 masculoHS fortibus vel nodosis.
11, 2 ducarioa^ dacarii sunt qui ducarias hoc est frenos loreos com•
^ Drei bis vier Buchstaben unleserlich.
« Cf. Isidori orig. XV 10, 3.
' Nach der falschen Lesart statt ngrariis hat der Scholiast oder
seine Quelle unter Benutzung von Vegetius' Darstellung diese Inter-
pretation gegeben, angaria compulsio vel vi coagens, Corp. gloss. lat.
ed. Götz V 491, 38.
^ Fast ganz unleserlich.
^ Gorrigirt aus dulcarios. Die richtige Lesart ist dulciarios. Das
Wort ducarius ist nicht nachweisbar, ebenso wenig ducaria.
394 Mauitius
ponunt. 11, 2 linteones linteamiDa texentes^. 11,3 ginecea gynecea
saDt domus texentium mulierum, nam gyne grece mulier latine inter-
pretatur^. ' 11, 12 Sertorto Sertorius quidam dux quem Pompeios
aequiperabat in bellico exeroitio. 11, 15 idoneutn milüem fidelem enf-
ßcientem ad militiae opus. 11, 18 stipendiis muneribne. 12,15 sub-
rogandi ordinandi. 13, 11 epitomata excerpüonee sive breviaria.
18, 12 auspieiis initiis. 13, 14 aede^ domi. 13, 20 dtaHor velodor.
14, 15 vecU fuste. 15, 5 lixas lixa est servus qni sequitur exei^
citum causa luon^. 15, 14 pcdos stipites grandee. 16, 13 adaeta im•
pulsa. 16, 15 caesa caesa est ictus caesim feriens cui oontraria est
puncta hoc est ictus punctim videlicet perforatim feriens ^ 17, 3 eon^
tubemales consocios. 19, 10 cassidibus galeris. 19, 10 eaiafraetis
catafractae sunt pectora .... tur•. 19, 15 funditOfCB fun-
ditores sunt qui ex funda lapides emittunt. 20, 1 lüyria nomen pro-
vinciae. 20, 4 Mattiobarboli perite et fortiter emittentes nam greoc
mathesis doctrina et barin forte, baiein vero emittere dicitur. 22, 16
draconarii di*acönum signa ab Apolline morte Pytbonis serpentis io•
cboata sunt^. 23,8 polit^ (Veget. pilatae) comptae expeditae. 23,37
pUleis hoc est capitum munimentis in modum galeri. 23, 27 Patmo-
nieos a Pannonia provincia nominantur. 25, 18 offieere nooere.
25, 21 impedimentorutn onerum. 26, 7 decumana Paulas dicit: decu-
mana porta appellatur quia sit magna quomodo et decumana ova di>
cuntur et decuroani fluctus qui eint roagni; nam et ovum decimom
maius nascitur et fluctus decimus fieri maximus dicitur ^. 26, 13 («-
multuaria tumultuorium (!) opus dicitur hoc est vile et rusiieum^ ....
26, 22 ligones fosoria. 26, 2J rastra a radendo dicta terra m, fst
autem dentatum instrumentum ^^. 2i), 22 qualos corbes. 27, 18 ma•
triaUae matriculae sunt legionarii milites qui tanquam matrea tyronibns
sunt instruendis 29, 5 enuckata enodata. 29, 5 oongessi oongregavi
1 Nach Servius ad Aen. VII 14.
2 Nach leid. orig. XV 6, 3.
^ So mit ε in der Handschrift statt acie.
* Pauli epitome Festi (ed. Aem. Thewrewk) p. 83 lixae qui exer-
citum secuntur quaestus gratia. lixe qui exeroitum eecontur questos
causa, Corp. Gloss. lat. IV 534, 42.
^ Stammt zum Theil aus Veget. I 12. Das Wort perforatim
ßudet sich nicht bei Georges''.
* Das Uebrige ist unleserlich.
' Isid. orig. XVIII, 3, 3. — Das Py von Pytbonis ist nioht mehr
zu lesen, sondern aus Isidor ergänzt.
^ Pauli epit. Festi ed. Thewrewk p. 50. — In der Handaohrift
ist sint magni — dicitur kaum zu lesen.
ö Das weitere ist unleserlich.
^^ Nach Isid. orig. XX 14, 9 Rastra quoque aut a radendo terram
aut a raritate dentium.
Aus Dresdener Handschriften 395
29, 6 düectu electione. 29, 12 Epyri in Epiro insola. 30, 5 Pti-
nieum Africanum. 30, 7 enervaverit infirmaverit. 30 app. 2 epithoma
exoerptio vel breviarium. digesta ordinata. 34, 12 oereati ocreae
snnt quibus crara militum in bello teguntur. 34, 13 classium classis
(c. clasis) est multitudo navium, diro tujv κάλων id est a lignis nomi-
naturK 34, 14 liburtMrum maximarum navium. 36, 6 adminieuium
auxilium. 36, 9 ferentarios ferentarii qui arma ferunt^. 37, 17
signabo monstrabci. 37, 22 dissirmdaüo neglegentia. 38, 7 inpolitiar
inomatior. 38, 15 auapiciis initiis consecrationibus. 39, 11 aquilam
formam aquilae. Von dem grossen weiteren Scholion zu aquila ist nur
noch lesbar erhalten geblieben: auspica . . . legioni .... quo ut de-
inceps militum signis committeretur'. 40, 3 enucleatim^ expresse.
40, 3 adscribendi deputandi enumerandi. 41, 12 eampometatores•^ oam-
pum metantes. 42, 1 podismum podismus est pedalis mensura qua
loca castrorum mensurantur. 42, 3 torquati. Von dem Scholion sind
nur noch die Worte zu lesen: . . . vas annonas consequebantur; es
scheint aus dem Wortlaut bei Yegetius unmittelbar hinübergenommen
zu sein. 43, 25 pr^feeti iudices vel comites legionis atque magistri.
43, 24 tessera preceptum ducis (aus Veget. II 7 p. 41, 9). 44, 12 tn-
pedimentis oneribus atque utensilibus. 45, 11 cassides galeae. 45, 14
cunicularios ounicularii sunt qui cuniculos id est foramina sub terra
efifodiunt^. 46, 8 aquilifer aquilifer est qui aquilam id est imaginem
aquilae pro signo fert in proelio. 46, 18 crisiia crista est summitas
galeae. 47, 5 papüione tentorio. 50, 9 triarii triarii sunt milites
qui in tertia acie consistunt^. 53, 9 poUpticis polipticus libor est in
quo vita urbana scribitur. 58, 16 eannis .... rba roarina vel pa-
lustris. 59, 16 technici (im Text steht scaenici) technici i. e. posi-
tores vel technici ipsi sunt boni artifices. 60, 19 arpagones arpagones
uncinulos^ vel sarculos. 61, 1 Ugones ligones fosoria dicti quasi le•
vones quod terram levant^. 61, l rutra rutrum dictum est quod eo(?)
terra eroitur vel harena^ in hnnc modum. 61, 1 cdveos canales.
^ Stammt aus Servius ad Aen. I 43.
* Pauli epit. Festi p. 60 Ferentarii auxiliares in bello a ferendo
auxilio dicti.
' Der Wortlaut ist zu ergänzen nach leid. orig. XYIII 3, 2.
* Ist durch Correctur aus enucbeati hergestellt worden.
^ Der Soholiast hat die Stelle, welche falsch interpungirt ist,
missverstanden und die beiden Worte campo metatores zu dem un-
möglichen campometatores zusammengezogen.
* Pauli epit. Festi p. 35 Cuniculum id est foramen sub terra.
^ Ist wahrscheinlich aus Veget. 1, 20 (p. 23, 12 ff.) genommen,
β Das Wort ist bei Georges nicht vorhanden.
® Isid. orig. XX 14, 11.
^^ Pauli epit. Festi p. 355 Rutrum dictum quod eo harena eruitur.
— Am Rande findet sich die Doppelzeiohnung eines Grabscheits.
396 ManitiuB
61, 1 eofinos corbes. 61, 2 dolabras dolatorias bipennes^. 61, 3 paii
fustes. 61,3 dolantur raduntur. 61,5 wittes mneas de bis omnibus
in sequentibus narrabitur. 61, 6 appeUatorias^ trudentes. 98, 17
spatas et ad püa vel belsas ^ i. e. campos. Bcutum vel peltam. 1 13, 18
aceusare fortunam hoc est malam esse fortunam. 138, 3 eratibua (c.
crotibus) oentonibus.
Man siebt ans einigen der gegebenen Erklärungen, nämlich
aae denen, welche sich verderbten Lesarten anscbliessen, daee die
Schollen nicht sehr alt sein können. Manche Scholien geben
offenbaren Unsinn ; die Worte ducarins und ducaria, perforatim
und uncinnlus scheinen sonst nicht nachweisbar zu sein. Als
Hanptqnelle hat der Scholiast den Vegetins selbst, Seryiae, leidor
und Paulus* Auszug aus Festus benutzt.
Ich schliesse hier noch eine weitere Miscelle an, die ans
derselben Handschrift, aber aus ihrem ersten in Rheims geechrie-
benen Theile stammt. Im Dresdensis De 182 folgt nämlich auf
das Itinerarium Antonini fol. 50^ unter der gemeinsamen Auf-
schrift 'Septem montes urbis Romae' die Aufzählung der sieben
Hügel Roms (der Capitolinus erscheint hier als Tarpeins) und
ein ganz kurz gehaltenes Summarium über die römischen Wasser-
leitungen. Letzteres scheint auf den ersten Blick ein Auszug
aus den betreffenden Kapiteln Frontins zu sein, der durch einige
der späteren Zeit angehörige Namen vermehrt wurde; aber die
Namen der Begründer, die hier aufgeführt werden, stimmen meist
nicht mit Frontins Ueberlieferung überein. Wenn unter Alezander
der Kaiser Severus Alexander zu verstehen ist, so würde Aure-
lian der letzte der hier genannten Kaiser sein. Dass die Aufzäh-
lung vielleicht noch aus der späteren Kaiserzeit stammt, dafür
dürfte der Umstand sprechen, dass die Herstellung der Wasser-
leitungen sämmtlicb den Herrschern oder doch Mitgliedern der
kaiserlichen Familie zugeschrieben wird, während ja aus Frontin
(de aquis urbis Romae ed. Bücheier, Lips. 1858) zum Theil ganz
anderes bekannt ist. Möglich ist auch, dass das kleine Stück
erst karolingischen Ursprungs ist, es kann aber auch ebensogut
einem früheren Jahrhundert entstammen. Unbekannt scheint das
Wort confluctio zu sein.
^ dolabra securis bipennis dolatoria, Corp. Glose. lat. II 577, 27.
^ Entstanden aus appellant turres.
^ belsa i. e. sagitta. Da Oange-Hensohel, glossarium I 643.
Aus Dresdener Handsohriften 397
Den einzelnen aquaeductue habe ich die in Betracht kom-
menden Stellen aus Frontin nach ßüchelere Ausgabe hinzugefügt,
aber, wie schon gesagt, die Angaben decken sich meist nicht mit
dem, was dort erzählt wird.
Septem montes urbis Romae.
Tarpeins, Rsqailinns, Palatinns, Celias, Aventinns, Quiri-
nalis, Viminalis.
Nunc nomina aquarum que^ usibus aetern^ urbis formarum con-
fluccionibus advectae sunt indicemus.
Claudia inventa et adducta est a Claudio C^sare (Front. I, 13 ρ 9).
Martia inventa est a Marco Agrippa (ib. I, 7 p. 5).
Traiana inventa adductaque est a Traiano Augusto.
Tepnla item a Marco Aprippa inventa deductaque est (ib. I, 9 p. 7).
lulia inventa ab Aureliano perductaque est (ib. I, 9 p. 7).
Alsiatina intem inventa perductaque est a Claudio Cesare (ib. I,
11 p. 8).
Alezandrina inventa perductaque est ab Alexandro.
Virgo inventa perductaque est ab Aprippa Cesare (ib. I, 10 p. 8).
Drusia inventa perductaque est a Druso.
Pr^ter haeo repletur etiam indigenis nimphis que admiratur
virgo Aeneam taliter Italiam dixit: Nimph^ Laurentes nimph^
genns amnibus unde est^
II. Schollen zu Statins Thebais.
Die kgl. Bibliothek in Dresden besitzt in der Handschrift
De 156 einen Band von 150 Pergamentblättern, welcher des
Statins Thebais in zwei Exemplaren enthält. Als Vorsteh blatt
der Handschrift dient die erste Seite von fol. 1 welche genaue
Auskunft Über die Abfassung und Zagehörigkeit giebt. Zunächst
findet sich hier von der Hand des Schenkgebers folgender Eintrag :
Argumentum Ovidii *
AsBotiat pugnam Tydeo primns Polinioem.
Tydea legatum docet insidiasque secundus.
Tercins Hemonidem canit et vates laniantes.
Quartns habet reges ineuntes prelia septem.
Mox Furi^ Lemni^ quinto narrantur et angnis.
1
c. Domma quarumcumque.
« Verg Aen. VÜI 71.
' e. lenni.
398 Manitius
Archemori baetum eezto Indique gerantar.
Dat (jraioe Thebie et vatem septimue umbris.
Octavo cecidit Tydene, epee fida Pelasgis.
Ypomedon nono moritnr cum Parthonopeo.
Fulmine peroueeus decimo Capaneus euperatur.
Undecimo sese perimnnt per vulnera fratree.
Argyam flentem memorat dnodenus et ignee.
Darunter Rteht von derselben Hand des 13. Jahrhunderte
die Notiz: Liber magietri Nicolai qnem contnlit eanete Marie in
Nienburg. Statine.
Hierauf folgt ein Eintrag, der sich auf die Anordnung dee
Ganzen bezieht und erst nach dem Binden gemacht werden konnte:
Statu Thebaidoe iibri duodecim. Item Statine cuius eupra
Volumen ubi primus liber cum initio eecundi deest quem defectum
inveniee in primie decem foliie voluminie auteriorie. Item defec-
tue uniue folii cum et uniuR folii ruptura in XI libro. Item de*
fectue duorum sequentium autepennltimi et ultimi foliomm, quere
omnia in volumine priori. Item que in priori deennt ut argu-
menta et gloeee vel ob decolorationem atramenti pro effigiebus
caracterum, quere in posteriori.
Sancte dei genitricis Marie sanctique Cipriani epieoopi et
martiris in Nienburg.
Religatus anno domini 1472 opera Petrorum.
Hiemach ergiebt sich als Provenienz für die Handschrift
das anhaltische Kloster Nienburg am Einflnss der Bode in die
Saale, ein altes Benedictinerkloster, welches auch mehrfache Be-
ziehungen zu geschichtlicher Litteratur aufzuweisen hat (Watten-
bach, Deutschi. Oeschichttsquellen I 353. Π 357).
Der Band ist insofern verheftet worden, als auf den ersten
Quaternio ^ von α (so nenne ich die erste Handschrift, die zweite b)
ein Quaternio von b folgt, doch so, dass er zu einem Temio aus-
geschnitten ist; er beginnt mit XI 358, dann fehlt 498 — 634,
worauf XI zu Ende geführt wird. Zwischen XU, 8 und 9 ist
ein Blatt herausgeschnitten, desgleichen fehlt ein Blatt nach 408f
doch so, dass 409—549 wirklich fehlen. Das ΧΠ. Bach endet
dann mit Vs. 687. Da nun die letzen 132 fehlenden Veme ein
Blatt ausmachen, so ist es wahrscheinlich, dass sie ehedem
fälschlich auf dem zweiten, später herausgeschnittenen Blatte
dieses Quaternio gestanden haben. Hierauf folgen nun die Lagen
^ Er reicht bis II, 52.
Ααβ dresdener Handschriften 399
von α mit II, 53 beginnend und zwar folgen auf einen Quaternio
zwei Qoinionen, darauf sieben Qaatemionen nnd ein Binio. Die
Hand des Sobenkgebers nnd Schreibers reicht bis fol. 75* Theb.
IX, 825. Den übrigen Theil bis fol. 101* dh. bis zum Ende der
Thebais (Bxplicit Staoins) hat eine jüngere Hand geschrieben,
die immer zierlicher und kleiner werdend sobliesslich von fol. 80*
an von einer grösseren, ihr sehr ähnlichen abgelöst wird. Diese
späteren Hände gehören dem 14. Jahrhundert an nnd ohne
Zweifel hat daher der Magister Nicolans seine Statiashandschrift
dem Kloster Nienburg unvollendet hinterlassen und sie ist dort
später vollendet worden. Aber auch in dem ersten Theile sind
in der Mitte verschiedene Hände erkennbar^ nämlich von fol.
35b _ 47b^ gyg^ dann setzt der frühere Schreiber wieder ein. Aber
der Abschnitt auf fol. 75* ist nicht nur an der Schrift, sondern
auch an der Erklärung des Textes zu erkennen ; während nämlich
in dem ganzen ersten Theile von der Hand des Schreibers häu-
fige Scholien und Glossen an den Rand oder übergeschrieben
sind, fehlt dies von fol. 75* an gänzlich.
Die zweite Handschrift b besitzt also den schon erwähnten
ursprünglichen in α verhefteten Quaternio nnd besteht dann aus
sieben weiteren Qnaternionen, deren letzter eigentlich ein Quinio
ist, dem zwei Blätter ausgeschnitten sind; oder vielmehr, er be-
steht ans drei Lagen und zwei einzelnen Blättern. Es beginnt
also b in dem Uesammtcodex auf fol. 9a mit seinem unvollstän-
digen Schlussquatemio, während sein wirklicher Anfang fol. 102
mit Theb. II, 268 einsetzt. Da nun im Anfange (die poetischen
Argumenta eingerechnet) 1011 Verse fehlen und der Quaternio
bei 69 Zeilen auf der Seite gegen 1100 Verse besitzt, so ist bei
dem ersten, verloren gegangenen Quaternio von b die erste Seite
des ersten Blattes unbeschrieben gewesen, wie bei α und der Text
hat erst auf fol. Ib begonnen. So hat b im Ganzen jedenfalls
neun Quaternionen gehabt, deren erster vollständig verloren ging
and deren letzter durch Ausschneiden mehrerer Blätter unvoll-
ständig geworden ist.
Nun es ist kaum zweifelhaft, welche von beiden Hand-
schriften die ältere ist. Der Schrift nach ist b unbedingt das
ältere Werk, aber α ist sorgfältiger geschrieben, da hier bei
weitem nicht soviel ganze Verse oder Verstheile ausgelassen sind,
wie in b, wo ein ungefähr gleichzeitiger Corrector sehr reichliche
Arbeit fand, erstens die Lücken auszufüllen und zweitens den Text
nach einer anderen Handschrift zu verbessern. Dieser Corrector
400 Manitius
scheint ee auch gewesen zu sein, welcher von fol. 110 an eine
nich't geringe Anzahl von Glossen, die er in jenem Tbeile von
α fand, ans dieser Handschrift nach h hinüber nahm. Diese letztere
Thätigkeit hat aber mit fol. 113 schon ihr Ende erreicht.
Es sind nun hauptsächlich die beigeschriebenen Scholien,
welche uns hier interessiren nnd zwar die ausführlicheren Stücke.
Sie weichen in beiden Handschriften von einander ab, obwohl
manche wörtlich übereinstimmen; b ist bedeutend reicher an Scho-
llen und Glossen als α, das nur für einige längere Stücke reich-
haltige Erklärung bietet. Aber beide Handschriften lassen die
Schollen mit dem 9. Buche enden, und b hat von hier an nur
noch die allerdings reichlichen Verbesserungen des Correctors
am Rande aufzuweisen, während der spätere Text von α fast un-
corrigirt geblieben ist. Die Schollen lehnen sich beiderseits meist
eng an Lactantius Placidus (ed. Jahnke, Lips. 1898) an, indem
sie entweder den vollen Text desselben oder Auszüge aus ihm
bieten. Aber in vielen Erklärungen sind unsere Scholien reich-
haltiger als Placidus und manches, was α und b haben, besitzt
Placidus überhaupt nicht. Dabei hat es nicht den Anschein, als
ob diese Erklärungen auf eigene Faust gemacht wären, da sie
sich fast sämmtlich der Erklärungsweise des Placidus ansohliessen
nnd zuweilen ein gar nicht unbeträchtliches Mehr haben, das
recht gut von jenem geschrieben sein könnte. So hat es beinahe
den Anschein, als ob hier Auszüge aus einer reicheren Placidas-
überlieferung vorlägen, als die von Jahnke benutzten Handschriften
aufweisen. Dass diese Schollen abgeschrieben und nicht etwa erst
von den Schreibern beider Handschriften hinzugesetzt sind, ergiebt
sich deutlich aus einer grossen Zahl von Versehen, wo aus Miss-
verständniss barer Unsinn steht.
Ich gebe in der folgenden Zusammenstellung nattirlioli nur
eine Auswahl der wichtigeren Stucke. Im allgemeinen sind alle
aus Placidus genommenen Bemerkungen ausgeschlossen und eolohe
nur dann aufgenommen worden, wenn α und b bedeutendere Ab-
weichungen oder Zusätze zu Placidus besitzen. Um zu bequemerer
Uebersicht zu gelangen, habe ich die in Placidus nicht vorhan-
denen Stellen, welche in a und b zugleich erscheinen für α und
für b mit abgedruckt.
1. Handschrift A.
Theb. 1 60 Spinx erat serpens in nemore Thebarum qni ignorantes sua
problemata solvere interficiebat, scilioet quod animal isset prius
Aus Dresdener Handsohriften 401
im pedibqs, postea II, deinde III. Sed Edipos ea solvit et ser-
pentem occidit dicens hoc aninial eese hominem.
200 domus cum sol ibi est per totum orbem lucet.
rV 655 Icaras^ cum pastores vineas colere docaisset et illud vinum
bibissetit, (c. bibisset), credentes se bibisse venenum interfecerunt
eum et in fossnni proiecerunt; a qao cum oanioula sua nomine
Mera roanom avulsieset ad Erigonem filiaro eins venit eamque ad
patrem duxit quapropter uterque inter sidera locatus est.
722 Ludus et atra (tristis superscr.) wicrum recolet tnhateria Ophdtem,
triateris eet festum triennale qnod Bache in anno fit, vel ideo tria-
teris dicitur quia tribus diebns celebratur.
7(i2 Tot viotimas immolabo tibi quot sunt in exercitu homines. Aehn•
lieb auch bei Lact. Plac. p. 251.
836 Ladon Peneus binomius. sanetus uterque Xantus in Creta et
Xantus apud Troiam, ideoque dixit uterque.
y 20 Multa sunt que monent nos properare ad bellum attamen qne-
cunque es sive dea sive mortaüe.
21 fatum absentiam mortis.
4.) ad hoc quod dixit Ysiphile 'quid longa exordia necto* ad hoc
Adiastus *Immo age*.
55 sotianti vel a lira Apollinis vel propter umbratas monte8(?).
58 sacrammus sacrantes aliis diis.
62 Nee vtdtu nee orine prior id est non apparens in vultu neque in
cultu qualis prius.
63 Cestan legem amoris maritalis removisse. IdcUias dictum ab op-
pido. volucres columbas que regunt currum illius.
64 erant quedam mulieres.
65 maiora quam soleat. iela ut enses lanceas, cum prius tantum sa-
gittas feiret.
. 69 mariti quia Vulcanus ibi colitur.
703 ecee hie est viva.
707 geminusque hominis et piscis.
711 Pensavit vertens in gaudia lacrimas.
714 inhoapiia sed bene hospita.
725 vuUus patuerunt.
743 Fhebe moras ne ad bella veniamus.
751 Püie Nestoris qui regnavit in Pilo et vixit per tres etates.
752 Frigiis qui tantum vixit quod mutatus. eßt in cicadam. degere
langius qnod dicit non maluisset tantum vivere et carere hoc ho-
nore quam mori puer et habere honorem.
VI 180 ferro minuit forpicibus.
188 ExclanuU crepitat. arcere a rogo.
^ In manchen Stücken bedeutend kürzer bei Lact. Plac ad
Theb. IV 655 p. 243; vgl. Hygini fab. CXXX und fast gleichlautend
Schol. Strozziaiia bei Breysig, Germanici Caesaris Aratea p. 168, 13 f.
allein. Mna. f. Philol. N. F. LVIL 26
402 Manitiue
225 Scameus angais. expectes quia in pictura ostPDditar quomodo Ca-
paneOB anguem interfecit.
229 Excüi vicini aesunt.
265 Danae hec fait filia Danai.
315 degener ülo et ille grex erat leine oredi non degener i. quia cre-
debatur non degenerare a Castalio grege i. a Pegaeo snb ouius
pede natus est Castalius fons ubi Apollo et Muse colebantnr, quod
dicit qui Pegasns stnpuit ad sibila canne i. Ai'Ollinee entie(?) in
fönte et voluit pasci cum audiret ApoUinem canentem.
321 Euiveos alter didtur £uDeo8 ab Argoo omine i. a Greca imposi-
tione vel ab Argoo omine quia greoe eu bonnm neos novus. Inter-
pretatur latine bonus novus quasi a bono novo genitue vel ab
eventu Argonautarum.
337 fratrum deorum vel levis Neptuni Plutonis.
338 sidera ducat currere faciat.
341 imane teUus an sit i. tellus [in add, c] infima an sit media.
342 mundo succincta latenti aerc circumdata inferiorum.
358 Exirema in. fUa sunt, fila vita est.
440 Fumaniemque (vel funalem superscr.) Thoan funalis dicitur qui adeo
ferus erat quod fune oportebat eum ligari.
447 pulvere quarto quarta parte cursus.
502 Schetttmque levem Cignumque proprium nomen eqni.
503 Nunc scUtem dicens ite. orbes quadrige.
530 Pacis opus scilicet cursus. sacra vocant horaines.
535 Hitmiaca harena Histmos mens est tibi Palemon filius Athamantis
suum dictus est habuisse sepulcrum et in uno quoque anno sub
honore eius iuvenes di versa certamina Indorum faciebant.
537 Ante Dymas cum esset iuvenis. secutuu eos.
551 latuitque in corpore vultus uichil valebat vultus respeotu corporis.
553 Palladios super, haustus oleum, oleo unxit se nt caro sna labilis
esset et nullus eum detineret.
562 iuxta prior iuncta ipsa forma. Uli idest vel Polinici.
569 collidunt manibus. ignea preparata ad cnrsum faciendum
570 nee opino fine excitabant se quasi cursum debuissent mox incipere
et in ipsa motione retrahebant se a cursu.
571 submiifit regtda Urnen precipitata est regula.
62(> iussus Phterelas a rege vel aliis.
i)41 Promisere manum ad hoc opus.
642 rediit ingloria quia numquam fuit ausa.
650 latus disci. eogitans in animo.
65() liorrida campi non in longitudinem sed in altitudinem.
847 thons appellat callos thoros duricia manuum. non integer deficiebat
nie Agillius.
VII 94 Liatnurare diem sacratum tibi.
% altaribus anguis Phiton, scilicet magis colatur.
Ans Dresdener Handschriften 403
97 adnatet umbra Palemonis. lAceo^ mons, ibi *sotio snbraersa Pale-
mone mater*^ i. Ino
173 Ouretas oum qnibus alias faisti.
175 defuit Argos non alius quam Argos.
180 Ligurgi Ligurgas rex Tracum t'uit qui et Bacuoi deum negavit et
vineas devastavit et dum eas exstirpavit crura sibi detruncavit.
199 tanta quiea qnanta est mihi.
:K)7 Lapdatios nepotes a Lapdaco patre Laii (lau c).
220 swpecHor fUis propter Teseum boo dicit qui eecundo delevit rege
Creunte.
221 luno queretur pro casu Greoorum omnium preter Adrastum.
257 virtute quia similis erat, procul a Driante. patemum patruele.
260 OccUee proprium nomen caterve.
268 noti efexegesis. certamina campi pro pedestri certamioe.
269 sartscu sagittas.
275 et tUmia quia. opprimit segetes. herba efexegesis iteruro.
278 promptum vel pronura i. facile.
279 tauroqite insignis Amphion.
2K0 Maete satis acte, parat quia.
282 Elieonia turba hio dat intelligi poetas etiam convenisse vel incolas
proximos fonti, et dicit Permessum et Horinum iiuvios Musis sa-
cratos.
293 concordia nostris fratribus, Etheocii et Polinici.
298 thalafHi ooncubitus cmdumqtte rudern.
304 Plus paier gaudet. olim in futuro. seneetus quia senex erit cum fjlio.
323 quem imploraret cuius opem. habebat quia magister deorum bellum
moverat.
328 Talern mirabimur qualis pater fuit.
335 Glaueus hie tangit de Glauco in piscem mutato.
348 propdlentem impetu undarum.
350 amnetnque avertere potando funditus aquam.
358 nostro cum sanguine Jupiter in specie^ aqnile E^inam vitiavit
filiam Asopi.
369 in terga comantes quorum come in terga pendent.
386 cerne Apostus phatur ad Folinicem.
469 Excüua tumultu populi.
497 venerandaque nomina vocando me matrem.
501 Quem non permoveas Quis non tunc moveretur pietate.
502 multoque ense arrois multorum.
503 misere matres que pariunt unde doleant.
521 credite matri pietatem habere desunt.
524 ab Hircanis hoc etiara a feris impetrassem.
531 cruore recepto hominis vel aniraalis.
^ Die Worte gehen auf I 14, wo Dresdensis aber mit der rich-
tigen Ueberlieferung statt 'submersa' 'casura* liest.
' c. speciem.
404 Manitins
547 tuorum qui infideles sant.
555 casira patent hac yeniat Ethiocles.
VIII 60 violentia dicit legis que data est Orpheo ne uxorem retpiciat;
fuit melior me quia fuit immutabilis.
68 Ede nefas adeo magnam ut mirentar fratres mei.
69 fratres Inppiter et Neptunus.
70 Prima odii fratres vel fac at s. adeo i. ad hanc sigterönem (?) roant
fratres. fratres Ethioclet et Polinioes.
72 atrox Tideus. hostile eaput Menalipi.
73 arceat Creon. manibw corporibus. nudis inhamatis.
76 Quere ο Tesiphone. qui fidmine ignes Capanens.
84 At tibi ο Ainphiarae. tnanes mittam qui te pnniant.
91 finitor roaxime finitor et sator.
92 At mihi noh irascaris. At mihi gut gwmdam aliie irascere pro
meritis, at mihi non irascaris, quia non promemi.
123 moveri ad pietatera.
161 timores per imaginationem.
162 tibi ο Ad raste, fades fuit doloris.
174 Heus ubi verba Grecorum ad laudem Amphiarai.
175 tdlus hiatus telluris.
223 alumpnum i. alumpnorum Bachi et Herculis.
229 manibus Europe.
231 lassam (statt lapsam) a Pamaso.
235 lampade honore. fratrum Vulcani et Martis vel Cyclopum.
255 Qualis talis est i. tara letus Edippus qualis fuit Phineus et cetera.
265 marcore ebrietate.
266 Incerteque modo modo accense modo extincte.
347 Marcidus vino fuso in sacris.
(>22 invigilare quieti i. alicui dormienti.
()94 Impetere iUum Illum in quem prius venerat, illum semper inse-
quitur.
750 Captivumqiie suem notat aprum quem ibi interfecit
766 purgavit limina quod dicit se purgavit limpha cum lampade.
IX 13 hominemque gerit human itatem
36 JHriguit pre nimio dolore, iuvenis Polinices.
30Γ) flu4:tivago Egino quia navita erat.
310 cuius naufragus unde quam minimo fiumine pericHtatur.
318 Senium defendere fame preterita reducere ad memoriatn et fame
dare indeiicientem gloriam ne pereat.
324 Letus adulantem faventem sibi.
34Γι tota in penetralia usque ad corpus.
398 non solum nepotem BCiMcet multos alios.
401 nondum Nereida portu factam deam maris.
4iU iungunt caligine videntur iungere. terras vel rippas.
434 damatus sacris ulülatibus in sacrificiis Bachi.
461 Oriona nautis tempestuosa Stella ^
^ of. scbol. Acron. ad Hör. epod. 10, 10.
Aus Dresdener Handschriflen 405
499 deniiasa supeme a summo capite.
502 Huc unde eoeurU ad hanc voraginem.
509 occumbere ferro numquid debui ferro et non aquis mori?
512 Pallas et odit quia oapat Menalipi consumpsit.
518 JBusta dabas dare te deceret. flamme quas dabant Athenieiises cor-
poribas Grecorum occiso Creonte et captia Thebis ab eis.
521 flumina nutu lovis, dedit enim signa aquis ut cessarent.
524 scopuli si*rgunt pacatio roaris.
541 Extrahit a manu sua. casside rapta.
551 ipse potentem quia vulneravit eum.
563 suus ordo quia omnia anna tua tecum habebis, quod expedit quid.
564 interea doneo illud fiat.
566 Sic anceps quia aliquando favet hinc, aliquando illinc.
589 Armaque curva suum dentes et ungnes.
595 vulnere cernit ita sibi videbatur in noote illa.
598 solo in. querenti cur hoc esset, cruentas Menadas sacerdotissas^
Bachi dicit quc ideo dicuutur Menades quia deficiunt in sensu.
605 notasque sibi. Silvas quas in noote viderat.
610 gens nspera ritu quia ibi bumana caro immolatur, quod non facio.
613 Noctis in qua fiunt sacrificia Bachi. temerata essem.
Die Scholien von b sind mit einer sehr blassen Tinte an
den Rand geschrieben. Sie haben jedenfalls vom Anfang an be>
gönnen, auf fol. 102* setzen sie sofort ein. Sie sind nngemein
zahlreich und grössere Stücke aas Placidus wechseln mit ganz
unbedeutenden Glossen ab. Wie oben sind auch hier nur die
wichtigsten und mit Placidus nicht übereinstimmenden Stücke
herausgenommen '.
II 417 sola fides hec fides quam ostendis sufficeret ad odium fratris
ostendendum.
425 pace sequestra media, inde Sequester quasi mediator duorum.
460 Cythero mons iuxta Thebas. yronioe loquitur.
463 primus sanguinis aitctor Edippus incestus fuit.
470 Bk-ectus setis sus quem misit Diana in regiouem Oenei ad vindi-
candum suum furorem.
499 superni montis sursum eminentis.
512 commercia iungere linguae disputare cum ea.
543 viduo ligno privato a ferro.
564 Pholus proprium nomeu, Pholus fuit centaurus^.
* Dies Wort ist bei Georges' nur aus Schol. Lucani VII 778 belegt.
' Die Stücke, welche auch α besitzt, habe ich am Ende durch
(α) kenntlich gemacht.
' c. oentarus.
406 Manitius
577 Ictxare catcrvam raram facere.
599 lasso Piragmone unus de XX fabrie fulminie.
626 natat vel repleta de prerupto sanguiue iutercepta voce cnm vellet
loqui vel aliter pate(t) intercepta i. ioterclusa repleta voce i. ore,
oontinene pro contento, repleto dico de prerupto eanguine.
629 Thespiades patronimioum nomen.
634 Exhaurit thoraca dolor pote8(t) dici, quod pro dolore oblitus est siii
periculi nee texit se lorica.
638 luce natantes defeotu tabentes.
639 Sistit stabilit tenet aperit. reaolvü non clausit prius ocalos qaam
▼idit ad illum mortuum.
666 Celenea a loco. Gel. ci(vitas) ubi inventus fuit usus tybie facte e
buxo. htuco buxea tybia.
677 Luxuriata fames saoiata.
680 Crudescunt er ud eliter agunt.
686 superhi quia sprevit Dianam.
688 nimiumque secundis presentium occisioDe.
689 Parce deis pete deos ut credaris.
693 decepttts ab cdite ab ullo bomine eumpto ab alite.
698 ManibtM i. infemalibus diis.
702 fumantem multitudine armatorum.
717 cruäescit crudelis aparet.
718 maffis ardentes quam tu ο Pallas.
729 qiM de qua parte templi.
732 Hie in illo templo.
738 vittas habebant nig^ras vittas et tarnen variatas niveis virgulis
quantum ad frontem.
III 20 Orantem orationem dicentem propter legatum.
27 Orion Stella tempestuosa, videtur inclinare densitate nubiom.
34 ohitus ocoidentibus astris. Theti$ uxor Occeani.
38 Äntiquas longo tempore servatas iluere.
40 gelido remeahat Eoo in primo ortu diei.
47 äbegit deduxit vel expulit.
50 harena quam sibi infudit dolemus.
61 ira fateri fuit ira illius quod pudet me fateri.
89 in ictum quia non plangit ad ictum.
99 umquam quamvis eepultura tibi interdicatur.
101 contemptum regte si vetustatem i. contempsisti regem et dedisti
exemplum quomodo ceteri contempnere debeant.
107 tacito Phebo quia propter mortem tuam tacebunt.
111 durant habitua habitus sacerdotalis.
113 servat quia iussu Etbioclis insepultus romanserat.
134 Yde proprium nomen matrone.
141 canendo carmina magica dicendo.
142 lumina oedro ut melius ardeat.
170 Penthea damat Penthea suum filium.
Aus Dresdener Handschriften 407
172 Marsippaque proprium nomen, Marpissa amica.
1K3 regia Cadmi hoc dicit propter Semelem.
185 Consedit lapea t'st. funerea arbitratus se fRram copisse.
187 Leargum quem matri abstulit.
189 Phenisse Tbebane a Fenico fratre Cadmi.
190 lacrimas expami quia ante nescivit q^od fecisset.
197 Invidiam invidos dixerunt deos
205 Begina Dirce regina The. ab Anfione et fratre suo dilaniata in
fontem mutata est.
213 tcrraqiie instemar avita i. avito sepulchro.
226 emuhis orbis clipeus i. Imitator solis rotunditate clipei vel reddens
lumen illatum.
252 luno mihi carior cunctis. templunique ampUxa quod Argas (!) est
ei dicatum.
268 adamanta dura frena vel pro herba legatar.
274 catena quibus ligati sumus a Lucano(!).
280 precando dum te precor, quasi diceret, nil pro me facis; et est
constructio per defectum.
988 Tracasque Traces quasi truoes quia ibi colitur Mars.
2tlO hepUxt reptat faota serpens.
305 Itisms iussus sum complere.
30<» legi quali ego fungor.
332 natani palearibu8 usque ad palearia.
334 despecto perfosso, deorsum pectus suum aspiciens vulneratum.
352 servatorernque Hamicum ad cffodiendum human um sanguinem.
370 feda cupido quia illic non ivi ne essem fratricida.
379 Audiiusque quia prius voluit ire quam Thideus.
38<> altus Consiliis prudens ad danda consilia.
399 velox ferro a?tper ad incidendum.
400 seducitM mente elatus a dolore.
400 tristi ad indicandam tristiciam.
438 Micone mons. Qiaroque mons. reveüi quibus revincta es.
444 Incertusque animi utrum bellaret armis.
463 temercuse quia hominis non est volare (P).
46(i gemini vates Amphoraus et Melampus.
469 IcuMvit solvit, minuit, sol enim nascens vrigida(!) aera solvit.
485 mutate nostraque nostra ori(gine) hoc dicitur secundum Pithago-
ricam sententiam qui animas hominum recedentes vel aves vel
quelibet animalia intrare asserebattP).
495 dextrisque quia a dextra parte venientibus mala omina sunt.
498 caligine mundi quia quod aliis caligo est, illi lux est.
505 Pendeai stet immobil is.
507 Vector aquila. avis unca Minerve cornis (I) vel ciconia.
516 pater pater vel ad deum vel ad me.
559 Thessiüicumqtie nefas nicromancia.
601 manu pregressus fortitudine sua.
408 Manitius
614 paUida virgo Phcmonoe*.
618 Experiar aut moriar.
625 arcana profari que vidi in monte.
628 noster ApoUo qui apud nog colitur.
630 cecos non videntes quod ad interitum vestrum tenditis.
632 nil dulce dornt Don sunt .vobis uxores neque liberi.
634 gradu rapido quia sponte non iui.
646 fixos arceo casus a diis statutos.
650 T)^entis dangor in Tirreno inventus.
651 Vota mrum meliora volantates melorum(!) viroram.
652 vanis avibus vana canentibus.
661 tibi tuto non tangam te.
662 prima ad classica cum primam sonaerant tube.
665 ventisque aut alite quia solent augures in flatibus ventorum auguria
cognoscere et in alitibus (P).
666 procul hec si mihi obvius veneria.
675 donec stetit ita bis nichil obstitit usque ad Thebas.
698 huic Olim generis pudor um enim pater filio restituatur, impro-
perebitur(!) quod est filius exulis.
705 misero nupsisse marito quia sua pauperies äuget mieerie pietatem.
707 üt timeam qui etiam per me sperat reetitui.
718 iustae moderatum consilium.
IV 8 stetit agere Dirces ab Argis usque ad Thebas ieoitBellona hastam.
20 SiASpiranda cum suspirio lugienda (!).
26 amica manus amioorum multitudo.
28 magni caiigo maris profunditas turbat eos.
35 CaUiope que prees(t] carminibus poetarum in nemore studentium.
38 Mens liausto de fönte in carminibus explioandis. rex tristis et eger
Adrastus animo et corpore.
40 adhortantes preliari volentes. Adrastus coactus a generis
47 Queque pavet ne ab illo evertatur. Caradron turbulentom fluvium.
55 Plegctonte ubi morare solebant et ubi venire solebant.
56 domos propter Tereum. Micenis propter Thiestem et Atreum.
70 laxa cervice a labore. inanibus amiis quia uon potcst bellare.
77 Ädvenere viri qui calamitatibus sunt moti.
79 multi precipuum videbatur venerunt.
85 Hiberna sub nocte qnando ad regem venit Teumesius a loco.
86 Terga leo ad magnitudinem leonis referunt.
Γ30 Ter niveum scandente itώa tres enim cristas habebat ^ vel tree iubae
cqui terno ordine positas.
135 laudatque nefas quia suos maritos occiderunt.
144 obiectus d^tinet amnem amnibus enim tollit cursum.
* Dies Scholion, das Placidus nicht hat, geht sicher auf eine noch
antike Quelle zurück.
2 c. habebit.
Aus Dresdener Handechrifben .409
152 tarnen etiam licet antiquitate sit desolata. iuvenum milituoi.
164 cubiti sedearU ubi acoubuerunt illa nocte.
1β7 molis aene olipeus eius super oorium ere coopertus erat.
1Π8 honoa clipeus. aqualet horret. triplici tribus capitibus.
190 obrtteraiqtie deum oraoula Apollinis.
199 Deposuit cuUus vel nexus monilis.
224 Malta promunctorium iuxta mare quod facit pericnlum navigantibus.
233 ooronaio propter victoriam coronam acdpit bonorabili more.
245 niveu8 rigat imber saliva equorum.
266 sinum damidem. nodia Uiberis Hispanientibus (!} balteis. irrugat
trahit in rugam.
280 puerperia parturioiones.
282 lueis vices quod diei nox obscura et nocti dies succederet.
289 Phicie Apollo a Phitone.
295 Cinosura unde fuit minor ursa Heiice (P).
340 rohore nati dicit eos duros quia non moventur suo fletu.
350 Impetus cum impetu voluntae bellandi.
355 acereseere natos quia filii super sinus patrum ascendebant, dii soie-
bant ituros ad bellum.
359 aurdum surdum sine citara ideo dicit quia manu non carmine
non(!} condebatur.
360 Boetis urbihus Boeta (I) est provincia Thebarum.
369 Accumülat Thebanis. turbatrix fama fama turbayit eos diversis
opinionibus.
370 Asopide rippa Asopus fluvius est Thebanorum.
378 correpta canistris a Bacho, canistris in quibus oblaciones erant vel
coronis factis ad modum canistrorum.
382 Ereetam propter bellum elevatum, wrbem Tbebas.
385 quatis Hismara montes Thraoie. tyrsum vooat virgam quam mi-
nistri Bacbi portabant.
386 irreptare Lygurgo dum Ligurgus vites incideret igitur crura ab•
scidit, ideo irreptare dicit.
389 Hermi de fontibus Hermisf!) est fluvius aureas trahens harenas.
390 taa progenies nos Thebani. armia in tuo sacriiicio babitis.
394 Caucason mons Asiriorum.
399 comua miscent quia invicem bella fuerunt.
404 gdatis VuUibus frigidis pro exstasi^.
406 terroribus impar noii ferens vanum terrorem.
407 tenebrasque sagaees ideo didt quia quamvis cecus tarnen omnia
captabat.
410 verum spirantibus extis vera omina (omnia c) dantibus.
423 vacuusque horror quia nullus ibi habitat.
424 lueis imago ibi quedam lux parva et pallida.
429 canum gemitua auditi quando novilunium' fit.
* Nach Georges ' nur Vulg. act. ap. 3, 10.
^ Das Wort fehlt bei Georges.
410 Mauitius
432 drcum undique fixis positis in oirouitu.
433 quieseit mittit caput super pharetram et dormit.
437 putria sanguine illoruin sanguine qui se mutuie vulueribus occidunt.
440 vana in prdia quia umbre hoc faciunt.
485 tctxo venenosa arbor est, de cuius funeree faces dioantar (^!).
503 neqiieo tolerare moram i. Don poesum diu vos expeotare.
i)06 paÜώuΫU Tartara motu ad incantationem illios.
512 frorUis opace quia senex quasi frontem umbrosam habet.
514 dici nosciqae tiviemus metu Apollinis dicit se nolle sue ^ermane
contumeliam facere nam Latonia, que est et Diana, et Proserpina
fuit soror Apollinis. Dermoygom dicit, de quo philosophi omnia
oreata asserebant, cuius nomen nullus fuit ausus nominare et illnm
solum dicebant regnare super omnes deos alios (P).
516 triplicis mundi deum celi terre et maris.
520 Panditur Elisium chaos piorum anime veniunt.
523 Plegeton qui igneus est.
524 Et Stix palus per novem oiroulos interfusa, hec suo meatu maues
discernit a superis et ideo dicit hie interflua. obstat no yeniant.
531 Vera nimis poscens veritatem excuciens.
532 penarum lucra i. penas quas aput superos lucrati sunt aliis male•
ficis factis.
537 remeabüe aaxmn Sisiphi; de Sisiplio loquitur qui vera philosophia
contempta ad volvendum saxum super unum montem oonstitatat est.
538 Fällenteaque locus propter Tantalum dicit.
555 serpens scrobibus pleuis sanguine.
575 inOidiosa caterva filiorum et filiarum.
608 alium accedit ad imhrem lactis et mellis.
660 MimaUones ministri Bachi.
681 hicmtibus arvis meridiano calore nimio apertis.
682 Stat vapor horret sol. ethera lud solem tilve.
689 fugiat liquor fontes illius silve.
691 indtUgent astra qui inter sydera locatus est.
711 adverrensque trahens velocitate sua.
722 trihateris triateris est festuro triennale quod Bacho in anno fit vel
ideo triateris dicitur quia tribus diebus celebratur (α).
762 numerumque rependam tot victimas inpendam tibi quot hominee
sunt in exercitu (α).
836 Xanctus tUerque Grete et Troie.
V 3 sonipes rapit sonipes ponitur ibi pro equite, virtntem propter
sitim perdiderat.
8 cuique ante locus antequam biberet.
41 Parque operi tanto digna videbator ab illis que merito tantnm
exercitum servasset.
45 ohtenta comis quia via stricta est comis parentibus(?) ramis arboruiD.
55 Delove sonanti lyra Apollinis.
(33 Ceston scilicet optimam partem.
80 audire ruinös quam redire et iaoere nobiscom.
Aus Dresdener Handschriften 411
92 Teumesia thicLS Thebana sacerdos fiaochi.
105 peUite sexwn muUebrem mollioiem.
106 inanes domos a maritis vaouas.
121 Bodopeia eoniux Progne que erat de Tracia.
131 gavisa Pölixo que suum animum in multas cedes natorum pro•
mittebat et cogebat alias malleres ad eadem promissa.
134 cepüsque favet dicit voluntate deoram esse factum quod cooiuges
eodem tempore advenirent quo eorum neoem tractabant.
138 melioriique federa meliores maritos.
142 Bistonidea Trace a Bistone fluvio. mariie maritate.
145 arma IndtUget pater Mars, scuta habent rotunda.
159 Caropeia coniunx Garops vir Po. (^^ Polixus).
173 Marie sub Otrisio bellum quod gesserunt in Otrisio monte Tracie.
174 ddubra vaporant templa sacrificiis.
179 nee longius umquam dicit diem perlongatum a love ne cito^ veniret
nox in qua erant occidendi, i. antea numquam tam sero apparue-
runt tenebre quam nunc.
192 Quegue iaeeni iacent iu illo loco quo pultu erat maxima. mites
mariios ut delectaret maritos.
194 adflaverat igne amoris quia perituri erant.
202 cuncto sua regncU JErinis prius furor erat unicuique.
208 Evinctum ramia Corona propter estema sacrificia.
230 impeüitque minie ut fratrem occideret. inaerit ensem illi Licaste.
232 stimuUaque flagellis magistri.
233 In mores negat ire suos in prietinam feritatem.
295 Flamina ventos. prospectem propter dimissum patrem.
296 cdumqtie retexens discooperiens.
297 dedivia in mare pendentia.
298 iuga currum vel equos.
306 Nota situ mutatione loci vel vetostate.
310 CanUcttere domw interfectis viris.
312 Spirant manes maritorum nostrorum.
320 faisi criminis asiu quia credebant me occidisse patrem.
321 regno ut crederent mihi, considere reginam constituerunt quod
mihi supplicium fuit.
323 dcos testata quia patrem occidi. fidemque quasi aliquis dicat. cur
acciperet dicit se non andere dimittere.
325 Exanque sine viribus, sine ctämine sine rege vel viris.
378 per rupes ut illi contra tempestatem laborabant.
442 se mole fereniem sicut gravis homo, quia non tales passus habuit
quales Hercules.
444 Arma cum quibus Lernam expugnavit Hercules.
460 revoMtur annus nam annus in se ipsum redit.
463 coaeti per preces Jason is.
465 Nomen avi renovo Thoantis patris mei.
^ c. scito.
412 Manitius
470 retinacula funcm. saxi. ad quod solebat ligari.
489 facinusque reposcunt cur patrem non ocoideret requinant.
494 nee regna fuvant qui(a) regina eram.
495 Ineomiiata sequor sine pedissequis^.
502 eomanti rutilanti propter flores.
506 tractuque soluto corpore extenso.
508 Limda fax octdis nigra aties erat.
509 tema agmina tres numeros dentium habuit.
5ie iacet aggere ripe tollit cursum sua magnitudine.
520 anfraetu circumvolutione.
522 fontesqiie repressoa in terra reconditos.
524 Incertusque sui pre angustia sitis' ignarue quod agat.
525 Ore supinaio elevato ut aliquem humorem recipiat. gemeniia
calore.
580 exit in orbem qui extenditar in auetralem plagam.
531 spiris intorta suis drcumflexionibus.
536 an ut inde sacer an ideo mortuus es.
543 insomnia voces tales voces emittebat.
549 notas tractu eerpcntie. viridi veetigia pueri. hosH8 propter sitim.
569 membra Giganta ad impedimentom mei.
578 Imphraniem valde tristem, animam vindictam. aris xüum et co•
gnate gemuistis.
587 8umm<n8 libavit leviter tetigit.
593 in funere primo prima invencione propter dolorem pueri.
003 in carbore eara in qua nidum feoerat.
613 Kgatis sonia non intelligentibue.
(^15 Ärgos Argo nautas.
620 Nosco deo8 Recorder que dii dixerunt mihi in somnis.
622 quo8 arguo re versa ad se d icebat.
628 Exsolvi quia dicit, ο Lempne si tibi non solvi nephas occidendo
patrem tamen modo persolvi.
629 meriti duri mali quia puerum perdidi.
640 Persei vertice de quo Perseus ad occidendam Gorgonem volavit
Aphesonto^, quia responsum fuit ei datum Tebanum bellum illius
sanguine imbuendum fore quod contigit in roorte filii; oonouciebai
Caput quia omnia adverna ibi vidit. vertice saneto Montis qui(a)
lupiter ibi colitur
651 Advehit tristatur ad sonum tubarum timens n• illuc duoeret. exe•
quias cadaver. obvia maier Euridicem.
653 pietas ignava fuit erga filium qua uxor.
()55 arva morantia cum propter longam viam.
()58 omnis fabiila Lempni qui dixit se servasse patrem falsnm.
* c. redissequis.
2 sitit in sitis carr. Die Erklärung des Soholiasten bestätigt die
aufgenommene Eroendation 'siti*. " *
» vgl. Lact. Placidus zu Theb. ΙΠ 461. 633.
Ans Dresdens Hatidschriften 413
661 Oeneiug heros Tbidens Oenii filius.
6G5 Erimansius Partonopeus a monte Argadie in quo mater eua veua-
batur.
670 ÜWM avum sanguis occidat reum ne occidatis eum quia de nostfa
progeDie est. neve indulgete furori dimittito pugnai*e.
679 Inveniat, tumutis Quasi utinam inveniamus te bic cum reverai fueri-
mus. fata gementem mortem ßlii.
682 Bebar et hostiUs venisse bost.iles vos turmas ad roeuia Thebes non
buc.
707 geminusqut Triton deus maris, piscis et bomo.
709 Thetis mare. montesque quia non erant operti fluctibns.
716 protinus Nuncim quasi diceret vix intraverat et siatim nuncius
venit Ligurgo de morte filii et processerant equites ei in auxilium.
722 Diripiunt cum impetu venerant. flentes pre gaudio. pectora mu-
tant (vel tempora) qui aliquando unus aliquandö alter osculabaturi
726 Ensibus quia lason pergens de Lempiio illie r^liqiierat duös enses,
quos illi modo portabant. humeris fi;Jiorum. lanon aparuit.
727 munere tanto ihutti felicitate.
729 Signa polo Bacbus dedit Signum in celo et audita sunt timpana.
735 indebitus armis fataliter debens.
736 Parce fata secundum ritum omnia demonstrant.
746 transgressi fata parentum quia numquam fuerunt tarn felioes nt
vos estis.
750 saerum purum, ne plangite divos noiite super deos irasci.
751 deu8 qui modo deus est. Pilie senecte {^estoris qui^ aput Pilon
mansit, ter centum annos vixit.
VI 9 pharetre victorie, Phitone enim interfeoto ab Apolline Phocenses*
pro liberacione illius pestileooie quam babuerunt de serpente Apol-
lini ludos oelebrabant.
11 qtiotiena tociens omni anno redit ad litus.
15 (üumnis de Grecia regibus.
24 querere terras eundo per pelagus.
25 Clara descriptio diei. Thitonia a (autem?) aurora (aura c).
30 MfdUplicantque sonos multiplicare faciunt. exutus Ligurg^s.
31 Vittarum quia ut sacerdos redimitus erat, squakntia pulvere sordida^
34 famülas premit ad planctum oogit. volentes plorare.
35 aivulaa remota a oadavere filii.
37 dignis VuÜibus aptis illo tempore quo luctus erat omhibus^
47 facta recensens quia omnes moriemnr.
53 vaga pasaim discurrentia.
54 teneraque cypreaao quia est funerea.
58 mcfitwris floribus quia cito defioiunt.
59 Arahum strue aromatibus et Arabiois odoribus.
,64 JAnus Linus Apollinis ^filius) qui simili morte periit a canibus» a•
matre illis oppositus qui eum occiderunt.
* c. quia.
* e. Pbocensia
414 Manitiue
69 immensa Menbra magnum corpus vel atilitas.
6üf. talie erat preparatio ro{p quamvis esset parvaa ex nimio appa-
ratu rogi.
77 In nomen honore filii. cinctusque cingrnlas.
8*2 infausti beS« propter paerum occisam. piacula peccata.
88 (His labor) aecissam undique cesam. Tempe loca amena.
94 metuencUique taxtis qaia venefica est.
96 expugnabüe robur oedrus procnmbit.
97 aiuUix ctbies qaia magna altitudine elevatur. odoro wifiere qaia
maltum ölet quando inciditur.
100 ΏαΛ gemitum tellus oadentibas arboribas.
104 cana Paks quia preest segeti dea framenti.
108 vix Signa audiia tarn cito hec omnia a silvis reoesseront. urbem
ea qae in urbe erant.
HO tue fragor milites nimiani acoensi quam in dissipatione urbis i. est
similibus piris pro morte Arcbemori.
112 auxerat ar<M pro oociso draoone.
114 teneros manes animas pueroram.
118 Siphilon apud Thebanos fuit mos liberis occisis ad Siphilon fanera
duoere.
126 Kvida BracMa propter dolorem pueri.
129 nudo de peetore pre dolore pectus nudum habebat.
134 his in finibus evi dum tarn iuvenis esses.
141 ubera mando commendo eins uberibus filium meum.
145 creditis ause quia mendacia profert quo occidit filium meum.
198 centenus übique in unaquaque turmn.
205 spirantiaqtie adhuc viventia.
229 quis beUi incognitus horror vulgares homines.
232 Enomai rex cuius'filiam Ypodamiam vicit Po1op8(!).
235 umbonibua monticulis.
236 Campum exire vetat ut protendatur in plauiciem.
238 augent maiorem faoiunt videri.
242 tantique belU quia multitudo tam magna erat.
243 nigrantes nigri unius ooloris erant matres et vituli
254 lo post iergum in vaccam mntata.
255 inocciduis visibua semper vigilantibus.
256 iUam erexerat in pristinam formam mutavcrat.
257 hospes Aurora populi orientales ad quoe venit vagando.
261 Neptunia Lora vel quia littore vel a Neptono ministrata.
262 Pelops Polops a Neptuno currili oertamine instructos fiiit.
266 Tristis Ämimone tristis quia reperta atque stuprata est a Neptuno.
265 MüUa tnonens in prindpio cursus vel in medio vel ubi i. aeqna
occasione.
300 Qaudentem propter impetratum currum. oHra insidiosa pericalosa
Scorpion et Sagittarium.
301 Noientesque teri zonas australem et septentrionalem plagam.
314 maculis internigrantibus albe nigra habentes maculas et albae.
Λαβ Dresdener Handschriften 415
317 audüo ApoÜine carmine Musarum et Phebi.
315 crcdi nee degener i. quia credebatur non degenerare aCastalio grege
1. a Pegaso sub cuius pede natus est Castalius fons ubi Apollo et
Muse colebantar, quod dicit qui Pegasus stupuit ad sibila oanne i.
Apollinee in fönte et noluit pasci cum audiret ApoUinem canere (a)
440 Fwnantemque funalem dicit quia adeo ferus erat quod fune oporte-
bat eum lig^ri (α).
535 in Hitmiaea harena in festo Palemonis. Histimos mons est ubi
Palemon filius Athamantis suum dictus est habuisse sepulcrum et
in unoquoque anno sub lionore eius iuvencs diversa certamina lu-
dorum faciebant (α).
551 latuitque in corpore vultus nichil valebat vultus respectu corporis (α)
554 fuscatur otivo oleo unxit se ut caro labilis esset et nullus detineret (α)
557 celi steUantis (vel stillantis) videntur enim ointillc stillare de astris.
5Γ>1 Proximus et forma iunota ipsa forma Yde vel Polinici.
569 iffnea Crwra preparata ad cursuro faciendum (α).
571 summisit regtda Urnen precipitata est regula. Excitnbant sc quasi cur-
sum debuissent mox incipere et ipsa mot ione retrahebant se a cursu (α).
62(i iuasm Phterehvt a rege vel ab aliis(a)..
042 rediit ingloria quia numquam fuit ausa (α).
(>50 Quod latus oogitans in animo. medie quod certius ulne quia pro-
tendebatur nsque ad mediam ulnam.
656 Ergo operum fidens quia talis erat.
657 celo dextram metitur non in longitudinem sed in altitudinem.
714 nuda de plebe prompta et expedita.
718 braehia finxit fecit flexibilia ad hoc opus.
778 effunditur iUe iotum enim passus est cadendo vel ad superiorem.
846 duris thoris apellat callos thoros duriciam manuum (α).
855 haut aliter habet se quam Tydeus.
898 Victorem ipsum Adrastum.
913 breoi tempore. fataUs significans fatum.
YII 7 axemgue nivosi Syderis septentrionalem plagam.
18 eredas beüo rediisae tarn leti peragunt ludos.
23 immeriJtaa urhes que nichil promeruerunt.
36 Tempestas etema plage frigus continuum illius.
42 Oingitur contra septentrionem. Hemo Hemus est mons Tracie.
45 Leditur obscuratur. sedem propter cruentam domum Martis.
53 Mors armata quia sola eripit vitam vel aris diversis generihus (gen-
tibus e.) occisionis. 73 Sanguinea BeUona manu soror eius.
74 diriguit visu obstupuit pavore.
83 impdlit inpellit remeantem. resides pigros.
93 triateride mtUta roultis festis.
94 Instaurere diem propter consumptum Bachium magis oolatur.
95 MaUt adire Pelops cum sacrificatur ei.
104 Dux ea Adrastus dixit.
107 geminum mare Ion i um et Egeum.
115 Silvas Silvas a !oco suo.
4Ιβ " MÄiiitius
123 Pendel sollicitum erat, fragor multitudo exercitus Anpvi.
126 An dubitent an dubitent venire.
128 Induitur qaia in diversae acies ee matavit at eoe sie mag^ deciperet.
129 metu inani quia non erant hostes. consternit deieoerit.
132 Incidit videbatur Greeis. vestigia vallis immissas est abi facta
sunt Sacra.
138 nichil flagrantibus quia oinues mori malebant quam bellum dimitterr.
147 patnos reminiscitur igncs quo fulminata est mater ima.
185 TlosiiUs Tritonis aquas Neptunus invidit Athenis quia fuerunt no•
minate Palladis nomine.
192 Taurtts vehens Europam.
198 veteres sereque ab antiquitate seriate.
221 Inno queretur pro adversitate Greconim.
239 expectatque furores Grecoe furentes.
249 Atidimua hie video tarnen non cognoscens.
255 hie hie est ille quem Diana sagittas interfecit propter PaKheno-
peum. cui nivea arma in ouius honorem.
2ββ iugis iniquis arduis vel excelsis et in quo solebat Athalanta com
procis cursu contendere. duas Athalant«s fuisse manifestam fst,
unam Archadicam etc. (P).
282 Eliconia iurba dicit propter Gallum aliosque poetas qui incanta-
bant per Eliconom, ibi vult poetas intelligi convenisse. Eliconem
et Permessum et llormium dicit iinvios Musis consecratos.
291 origine fratres ut fratres existimari poseint; fratribus essent seil.
Ethiocles et Polinices.
297 Laphitonia nimpha Laphitaon dictus est pater quem Scis nimpha
violavit, inde natus Alatreus.
304 verUltra senectus in futuro etate antecedento.
309 cdsos quadriiugos hie notat magnitudinem eius.
318 arreptia Pontibm cum collectis aquis voluit pugniri) cum Io?e.
326 Fidmineum einer em ex quo tempore fulminatus fuit, prunas vi-
veutes in se habuit.
369 in terga comantes quorum come in terga pendent (α).
377 stimtdare parem cogere ad bellum.
405 de cursibus annes sunt visi refluere quasi iu die sereno.
418 Perseos effigicm quia occidit Gorgonem.
431 Cunctantem equum intrare volentem.
452 Quis qtieat quo modo Thebe illa nocte turbatc fuerunt.
459 externos ignes quos externi subvcnientes aocendant.
465 lucemque timent diem timcbant, propter bellum tamen optabant.
469 oculosque reposcit optabat oculos ut cum filiis bellaret^ tnmultn.
475 Exangues genas senio tabentes.
478 ctmi maiestate mälorum cum multitudine' deformitatis.
* c. bellare.
^ C. multitudinem.
. Aus Dresdener Bandfcbrifteü 417
179 tnelior tarn aexus quia tunc meliorea erant illiuti filie quam filii.
L80 Preeipitantem artus velociter membra moventem.
186 tarn miesiM nuntius quem locasta miserat.
idS lacrimis gauaUntibiM tfnplet pre gaudio laorimatus est deosou-
lando eam.
>00 miserabiUa hospes miseratione dignus.
S13 vix Edipedo qui scelere notus est omnibus.
>14 Nupsi equidem iilicitum par. tales quales peperi quia ooacta.
>16 Quodsi adeo persUiS ut bellare velis cum fratre tuo de nobis trium-
phare potes interficiendo me et sorores tnas.
)22 Si vcbis cams pietatem habete de filio.
ί>27 iumid<M cohortes ad bellum paratas.
S31 gaudetque cruore recepto hominis vel animalis.
^32 fiexa Pelasgum corda dictis locastae.
^36 animum twrbante matris et sororis.
539 fidum Ethiocla fidum dicit yronice.
541 bona federa gesto propter cicatrices plagarum separatrix.
f>52 Ante hee antequam hoc fiat in castra ut te remittat.
557 medieque sorores quia int er nos et illum federa portant.
5ü2 fera temptM inermis oportunitatem quomodo Erinis posset eos ad
bellum impellere.
5βδ vastator Eoi orientalis plage.
569 Sanguinis feritatis. Indum gramen species quibus erant drcumdati.
580 animumque. priorem pristinam feritatem.
581 erumpunt argis egrediuntur per campos.
588 Corripiunt aurigam Parthonopei.
594 adducto ielo quia prius telura adducitur quam emittatur.
596 ad portas Thebanorum. utrimque ex utraque parte.
602 penetrale in interiore parte templi.
603 Bacheus qui Bachum colit. Phlegeus proprium nomen, saoerdos.
606 Äuxilio tardi quia iam mortuus erat.
609 Consilium quod locasta habuit cum Polinice.
611 preceps quia bellum cupiebat. tempore ütitur quod tempus est ad-
portavit.
615 seOus iam clamor Arg^ivorum et Thebanorum.
621 sübitis globis subito venientibus. glöbia coadunationibus.
627 rapuit nemus nimio flatu.
628 non vos longinqua que prope vos gesta sunt.
631 Horrent a cantilena deficiunt. iumvdtw tubarum sonitus. EHconia
plectra Elicon est mons consecratus Musis iuxta Thebas.
632 Sidonium Thebanum. male fidus quia duri oris non obtemi>erat
rectori.
633 Rumpentem quasi trahentem rumperet.
637 nee iam arma quia mortuus erat.
638 anima defectus uterque hominis et equi.
640 siemuntque gladiis se perimunt. aUema oorpora.
649 Bacheos cuUus Bacho sacratos.
Bhela. Mos. f. Pbllol. N. F. LYII. ^
418 Manitius
651 Bromio Bacho. mutare fwrorem ut sacra belli in bellain oonverteret.
ü52 Quem terrere queas quasi diceret neminem.
ββ3 Vociferans tangit hie quod Cadmus in Cirra responsum accepit
factorum civitatem ubi vacca procedens requiesceret. prohibete
manus populi ab eversione huius urbis.
6G6 Gens sacrata sumus quia de stirpe deorum descendimne. gener
hmc e,'it luppiter urbi propter Semelem.
6G7 Gradivusque socer propter Hermionem Martis filiam.
690 formidantibus arva biatum terre.
692 Mestus propter interitum sui vatis.
697 sanctum et venerabile quia illesum vulnere.
700 Suggerit min istrat. diesque quo scivit se moriturum.
707 tripodas laurusque sequi divinationem.
777 vetito sepülcro quia sepulturam interdixit.
805 henigna Tempestas quia faoit ab armis cessare.
822 rurstis Miscitit quia aote extiterat.
YlII 3 titrbavit manes deos inferni.
9 Needum lustraverat ut solet defunctum lustrare.
10 poste notarat fecit notaruni scribere nomen.
14 securi a penis. circumspexere fragorem non tantum sapradicti ter
rebantur.
23 iratusque omnibus umbris propter deeoensum Amphiarai.
27 cum fratre verendo scilicet Radamanto.
39 munduinque nocenteni ad regendum inferos.
44 Tytanas alios gigantes. miserumqiie patrem Satumum.
(>8 invideantque sorores non solum superi.
69 omina sunto seminaria.
72 Mandat atrox hostüe caput propter Tydeum dicit igne supremo
Arceat ut Creon.
85 subit iUe minantem quia finita eins oratione cepit loqui.
87 lam pedes defectis etjuis.
92 At mihi aliis irascere.
94 Neve ira dignare hominem ne digneris ostendere iram tuam in enm.
97 fugiat nee tristis in antrum sicut fugit pro Hercule.
105 turba recentum Umbrarum ad tuum honorem.
107 Non ignarus inii sciebam enim. turUne tumultu.
108 e milibus Jiausü accepit me.
121 Hac aderit coniunx mea, Eriphile.
125 iras suas. arma citat dentes acuit vel movet.
141 currus humus sarbet quia vivi absorbemur.
143 profunde Noctis iter per quod vates descendit* ad inferos.
149 tellus cognoscit alumpnos quia nos solum absorbet etThebanoe eervat^.
162 Quae tibi tunc fades omnis Argiva phalanx.
166 Ncc laudavit equum qui mos est revertentibus de preliie.
* Hier wie xiets c. decendit.
* c. sevat.
Aus thOsdener Bandsohriften 419
168 efflantea piagas efflatus emittentes.
170 pugnae sttasü timor pugne que crae erat futura.
174 Hetis ubi kumgcri Verba Grecorum ad laudem Anphiarai (α).
189 quis casus habet quia inaudita niorte mortuus erat.
196 mutis Delphis omnia loca in quibus colitur Apollo mutaverat.
201 cornigeri vatis nemus in Libia llanionis harenosus lupiter in mo-
dum arietis oolitar.
205 nuUa ferientur ab alite quia aves nulla dabunt responsa.
217 facilis somnus quia facile dolentes invadit.
22f) ipsaeque marcent deficiunt pre ebrietate.
222 spiramifie sonat. biixtis fistula.
229 manibusque attrita tonantis Comua Europe.
245 abaeta prius solatia esse remota.
256 stridere volttcres Arpias. ut sensit abaeias a Zeto et Galai.
259 Graiorum iacebat cohors quia anima et corpore fatigati erant.
265 voces marcore süperbe marcor proprie est raucitae vocie cum eu-
perbia.
266 Incerteque faces iam defioientes. male pervigil ignis quasi iam de-
dignabantur vigilare et faces accendere.
269 Mandavere animas mari obdormientes.
270 deus qui navigat alno Triton vel Neptunue.
285 Seque honeri negat esse parem respuendo dignum se monstrat.
286 Achimenius puer Achimenii sunt populi in Oriente, ideo dat exem-
plum de is, quia ibi regnum hereditate tenetur.
290 Caspia limina mandet ne quis suum ingrediatur regnum.
293 nee adhuc implere tyaram coronam patris.
312 0 rerum media quia medium looum tonet, in elementis unusquisque
habet sua.
332 des oro precatus ut sentiamus te orare pro nobis.
335 sctcra feram presaga quia notabo presagium vel significantia
343 fragor excitat enses ad bella sonuerunt.
319 multo laxantur cardinc scptem porte aperiuntur.
358 secretus Nilus quia ignoratur eins principium.
34)3 gradum tarde movet isti processerunt alacrus.
429 magnum et gentile tumentes seoundum virtutem gentis.
476 duos Hdiconidas filios Ethioclis.
477 Egee Veneris ab £geo mari ubi nata est.
481 Sanguis occisorum ab £mone.
533 non infensa cerebro Vülnera quia non percussit ad mortem.
548 Hdiconius Corimbus sacerdos Musarum.
556 soceros Aversatus £dipum et locastam.
558 Squalor deform itas Edipi.
559 nee peetora virginis Uli Diversa amabiliorem facit quia virgo ama-
bat eum.
5(50 inque vicem placehant ut sibi mutuo iungerentur.
564 Ceu spectetur agit ut laudem acquirat a puella quia puer erat.
610 Nee mala dicebaiit. quae iuxta in presenti erant.
420 Manitius
641 tremens Tocasta tremens nt vetula.
653 teste remoto omnibus egressis.
656 beUum ^ntegrώat Enyo soror Martis.
677 Tunc prior ridendo dixit.
702 Omnia tela vovent cum votis in eum veniont.
709 nuda era a piotura.
710 volvuntur in arma molares lapides de capite in ecutum cadebant
713 PaUada fidam quo illi favebat.
714 ceHantem lumina parma quia plorabat.
726 maximus OpUus armiger saus.
731 liUera inclinantia non valentia stare.
751 vtdJtiiqve occurrit utpote sandus.
758 plus exigit uUrix plus compulit faoere.
766 purgavit lumina limpha quod se pnrgaverit nimpba cum lampade.
IX 216 Useris umbram corpus inhumatum.
299 Stridafit Tideus quia tos eritis in humana(!).
305 cum fluctivago Egyno quia nauta erat.
461 impingit Orina(\) nautis Stella tempestuota.
748 facies rubet igne veneni quia intoxicata erat.
X 5 Panditur campus illis recedentibus.
40 frontem frontem castrorum Grecorum.
67 Caamee pelicis Semeies.
72 magni Fors dedit auxüii licet esset in tanta ambiguitate.
179 perempto Proodmus consang^initate vel virtute.
558 Luctusque Furorque luctus mulierum, furor virorum.
599 Sanguineos flammarum apices quod significat Creontem regnatumm.
631 digesta vetustas preteritum quia dea memorie.
647 horrentia terga suum et aprorum.
Soweit reichen die Erklärungen des Scholiaeteo, wenigstene
alle späteren Scholien sind nur Glossen und fast belanglos. Uebri-
gens hört die blasse Tinte des Soboliasten von b mitten im Seho-
lion zu VI 315 auf und wird dann durch eine Tinte ersetzt, die
noch dunkler ist als diejenige des Schreibers. Die Hand des
Scholiasten scheint aber dieselbe zu bleiben, nur gegen den Sohloss
hin wird sie von einer etwas grössereren und weniger gleich-
massig schreibenden Hand abgelöst, die in Lib. XI and ΧΠ
äusserst zahlreiche Correcturen des überaus schlecht werdenden
Textes anbringt und ausgelassene Verse ergänzt.
Die Scholien sind, wie man sieht, in beiden Handechriften
sehr verschieden. Manches stimmt allerdings wörtlich überein,
wie die Erklärungen zu IV 722 und 762, zu VI 315. 440. 535.
551. 553. 569. 570. 642. 650. 656. 846. VH 369.531. VIII 766.
Ans Dreadener Handsohriften 421
IX 305 and 461. Diese Stellen haben meist einen reicheren In-
halt, aber stets zeigen sich doch kleine Verschiedenheiten zwi*
sehen α und 6, so dass kaum einer ans dem anderen abgeschrieben
haben kann, sondern wohl eher eine gemeinsame Vorlage anzu-
nehmen ist.
Aus dem Vergleiche mit Lactantius Placidus ergiebt sich,
dass die Dresdener Schollen zuweilen ein nicht unbedeutendes
Mehr aufzuweisen haben. Viele grössere Stücke sind wörtlich
aus Placidus abgeschrieben — sie sind hier im Druck wegge-
blieben — andere Stellen sind aus Placidus excerpirt, aber es
findet sich doch manches, was auf ihn nicht zurückgehen kann,
wenn sein authentischer Text wirklich vorliegt. Und davon kann
einiges nicht aus dem Zusammenhange ergänzt sein, sondern muss
auf alter Grundlage fnssen. Die hauptsächlich hier in Betracht
kommenden Stellen sind folgende: α I 66. IV 695. 836. VI 321.
Vn 97. h II 599. III 429. V 524. Vfl 279. 266. 666. 667. VIII
256. 358. 656. Viele andere Stellen verrathen deutlich späten
Ursprung, aber die Hauptmasse der Erklärungen fügt sich durch-
aus dem von Placidus festgehaltenen Modus. Es ist daher, wie
schon oben hervorgehoben wurde, nicht unmöglich , dass die
Schollen des Placidus reichhaltiger gewesen sind, als sie heute
vorliegen. Oder es hat noch eine andere Scholienmasse zur The-
bais gegeben, welche mit Auszügen aus Placidus verbunden in
den Dresdenses theilweise zur Abschrift gelangt ist.
Dresden. M. Manitius.
zu GRIECHISCHEN PROSAIKERN
I. Ein paar Yerballhornongen in der Ynlgate.
Die Güte und Zuverlässigkeit einer Hs zeigt sich häafi^*
grade an fehlerhaft überlieferten Stellen: in ihr ist gewissenhaft
die Vorlage wiedergegeben, wenn sie auch unverständlich ist,
während in einem andern Zweige der üeberliefening das un-
verständliche durch eine freie Aenderung des Abschreibers so /
zureoht gestutzt ist, dass ein brauchbarer Sinn entsteht. Oft
genug ist so das Richtige gefunden, aber es ist Conjectur, keine
üeberlieferung, andererseits hat nicht selten der mittelalterliche
Gelehrte vorbeigeschossen und erst ein neuerer Kritiker hat das
Richtige getroffen. £s ist deshalb Pflicht immer wieder auf die
Ueberlieferung zurückzugehen. Das ist eine allbekannte Wahr-
heit, und doch wird sie hin und wieder vergessen. Dafür ein
paar Beispiele.
1. An der schönen Stelle in Piatos Gorgias, wo Sokrafee
schildert, wie es einem Arzt ergehen würde, der sich gegen die
Anklagen eines Koches vor einem Gerichtshof von Kindern ver-
theidigte, heiest es 522» f\ el €Ϊποι τήν άλήθειαν, 6τι ταύτα
πάντα έγώ έττοίουν, ώ παίδες, ύγιεινώς, πόσον οϊει δν άναβοήσαι
τους τοιούτους δικαστάς; Hier ist πόσον in einem Apographum
richtig geändert, BT haben όπόσον, oiei hat Τ und Β von zweiter
Hand, die erste hat ποΐ€Ϊ, dh. Plato schrieb πόσον τι otei δν
άναβοήσαι, vgl. Dem. 23, 210 πηλίκον τί ποτ' δν στβνάΕειαν
θ\ ανορες εκείνοι; wo τι erst aus Σ hinzugekommen ist. Dem
Wahren war übrigens Schanz schon nahe, er wollte όπόσον
tilgen und τι οϊει schreiben. ΤΙ ist häufig in TT verlesen und
verschrieben worden, ich erinnere nur an Sauppes schöne Emen-
dation [Lys.] 9, 16 τι V δν ίπραΕαν aus παν ?πραΕαν Χ, was der
Schreiber des Laurentianus in παν δν verballhornte. Vielleicht
ist durch eine ähnliche BesRerung auch Plat. Prot. 328* zu heilen
πολλού γαρ ποιούμαι άκηκοίναι δ άκήκοα ΤΤρωταγόρου, wo
Zu grieohisohen Prosaikern 423
man περί oder πρό einzusetzen vorgeschlagen hat; aher sollte
man nicht besser τιμώμαι schreiben? s. Grastm. 175^ πολλού τι-
μώμαι τήν παρά σοι κατάκλισιν. Doch dies ist ja nur eine
andre Möglichkeit, sicher scheint mir folgende Vermuthnng.
2. In Isokrates' Sendschreiben an den König Philipp heisst
es § 46 ηγούμαι b* ουτιυς δν σ€ μάλιστα καταμαθεϊν, εϊτ' el-
ρηνικώς είτε πολεμικώς α\ πόλεις αύται προς άλλήλας ίχουσιν,
ει οιεΗέλθοιμεν μήτε παντάπασιν απλώς μήτε λίαν ακριβώς τα
μέγιστα τών παρόντων αύταϊς, καΐ πρώτον μέν σκεψαίμεθα τα
Λακεδαιμονίων, wie seit den Zürcheru mit Γ gelesen wird. £s
wird also σκεψαίμεθα von εΐ abhängig gemacht, aber das ist
unlogisch, denn der König erkennt das Verhältniss der Städte,
wenn der Redner die gegenwärtige Lage in den Hauptpunkten
schildert, und er beginnt diese Schilderung mit κα\ πρώτον μέν,
man muss also davor stark interpungiren. Das hat auch 0.
Schneider richtig erkannt und den vor Benseier üblichen Punkt
wieder hergestellt. Aber was soll nun der Optativ? Ich kann
ihn nicht erklären, und so ist es vor vielen 100 Jahren schon einem
andern ergangen, in ΛΘ steht εκεψώμεθα (Η. Buermann, Die
handschriftliche Ueberlieferung des Isokrates, Berlin 1^85, S. 19),
was I. Bekker beibehalten hat, und stünde es in Γ, so würde
keiner Anstoss nehmen, denn οιεΕέλθοιμεν ist zwar Plnr. maiest.
und εκεψώμεθα schliesst auch Philipp mit ein, aber dieser Wechsel
findet sich auch sonst, zB. folgt 8, 18 auf πειρασόμεθα ^ώάσκειν
υμάς unmittelbar περί bi. τής εΙρήνης πρώτον οιαλεχθώμεν και
σκεψώμεθα, τί δν έν τω παρόντι γενέσθαι βουληθεϊμεν ήμϊν,
es werden also die Zuhörer eingeschlossen. Aber Γ hat εκεψαί-
μεθα, und nun erwäge man, dass der Redner den König anredet
und den nächsten Abschnitt *Αργείους τοίνυν ϊδοις δν (51), den
folgenden άλλα μην τα περί Θηβαίους ουδέ σέ λέληθεν (53)
einleitet, und ich denke, man wird mir zugeben, dass eine solche
Anrede auch hier höchst wahrscheinlich ist, also schreibe man
σκέψαι wie zB. § 58 u. 68. σκεψαίμεθα iHt demnach eine An-
gleichnng an οίεΕ^λθοιμεν, aber die andre Ueberlieferung ist
vom Richtigen weiter entfernt als Γ. Für ihn muss ich auch § 49
eintreten. liokrates schildert die traurige Lage der Lakedä-
monier: sie werden bekriegt von den Nachbarn, mit Misstrauen
behandelt von den Peloponne<<iern, gehasst von den meisten
Griechen, άγονται bk και φέρονται και τής νυκτός καΐ τής
ημέρας υπό τών οίκετών τών σφετέρων αυτών, οόοένα bk
χρόνον οιαλείπουσιν ή στρατεύοντες έπί τινας ή μαχόμενοι
424 Fuhr
προς τινας f| βοηθουντες τοις άπολλυμένοις αύτων, Γ bat aber
ού^εμίαν b* ήμέραν btaXeinouatv, was ausser Ο. Schneider keiner
aufgenommen bat. Wabrscbeinlicb nimmt man an, ήμέραν sei
ans dem yorbergebenden ημέρας entstanden, ein grade im Ur-
binas sebr bänfiges Yerseben, und bält die Uebertreibnng für za
stark, aber ούδεμίαν ήμέραν ist unzweifelhaft viel bezeichnender
und nachdrücklicher als ούόένα χρόνον und findet sich ganz ähn-
lich 7, 82 άλλήλοις κακά παρέχοντες ού^εμίαν ήμέραν διαλεί-
πομεν, nnd was die Uebertreibnng angebt, so kann man auch
Archidam. 65 όρώσι — τάς στάσεις, δς έπυνθάνοντο πρότερον
παρ' έτέροις οδσας, νυν παρ' αύτοϊς ολίγου όεΐν καθ' έκάστην
τήν ήμέραν γιγνομίνας. — Da aller guten Dinge drei sind, füge
ich aus dem Pbilippos noch eine Stelle an, wo es sieb um eine
grammatische Kleinigkeit handelt: § 64 heisst es von Eonon τά
τείχη τής πατρίδος άνώρθωσεν, vgl. 15, 319 τά τείχη τής
πατρίδος κατασκαφίντα, 20, 11 κατασκάψασαι τά τείχη τής
πατρίδος, Dein. 1, 37 τους όρθώσαντας τά τείχη της πόλεως,
Blass brauchte also nicht mit der geringem Ueberlieferung τά
τής πατρίδος zu schreiben.
3. Nicht so sicher ist mein Urtheil in folgendem Falle.
Plutarch erzählt Cam. 10 die bekannte Geschichte von dem ver-
rätberischen Schulmeister in Falerii, den die Kinder nackt und
gefesselt zurückfuhren, τόν Κάμιλλον σωτήρα κα\ πατέρα και
θεόν άνακαλουντες• ώστε μή μόνον τοις γονεΟσι τών παίδαιν
άλλα καΐ τοις άλλοις πολίταις ταυθ' όρακτι θαυμά τε και πόθον
έμπεσεΐν τής του Καμίλλου δικαιοσύνης. Stephanus bat θαυμά
τε aus θαυμάΖειν geändert, wozu man Cat. min. 64 σαφέστατη
γάρ αϊσθησις τότε παρέστη καΐ πόθος καΐ θαΟμα τής του Κά-
τωνος αρετής πάσιν όμαλώς vergleichen kann, aber τε και er-
regte mir einst (Rhein. Mus. XXXIII 584) mit Recht Bedenkeo,
nur war es damals noch nicht bekannt, dass die beste ueberliefe-
rung für diese Vita, die Seitenstetter Hs, aus der sebr viele
Stellen zu bessern sind, ταύτα ορθώς θαυμοΐσαι bietet; vgl.
Wolfg. Meyer, de codice Plutarcheo Seitenstettensi, Leipzig 1895,
S. 69; ich vermuthe, das daraus ταυτ' ορθώς θαυμάσασι πό-
θον έμπεσεΐν herzustellen ist.
4. Der Seitenstettensis verhilft uns zu einer Variante, die
W. Meyer nicht bemerkt hat. Gamillus ist wegen Unterscbleifs
angeklagt, das Volk war gereizt und zeigte offen, dass es ihn
verurtheilen werde, da versammelte er seine Freunde und die
mit ihm gedient [und kommandirt] hatten, nicht wenige an der
Zu griechischen Prosaikern 425
Zahl, τους τε φίλους και τους συστρατευσαμένους [και τους
συνάρ^αντας om. S] ουκ όλιγοΟς τό πλήθος δντας (c. 12) aber ζα
φίλους hat S (wie öfter, besonders im Pomp, und im Crassus) eine
Randbemerkung, nämlich von erster Uand (wie ich aus Autopsie
weiss) γρ πελταστάς, dh. klärlich πελάτας, womit Liv. V 32, 8
zu vergleichen ist: cum accitis domnm tribulibus et clientibuSj
quae magna pars plebis erat. In den Text wird πελάτας nicht
aufzunehmen sein, gleich im folg. ist wieder von den Freunden
die Bede, aber Beachtung verdient es sicherlich. Uebrigens liest
man πελάται nicht mit ' Becht bei Sintenis Grass. 27 : als die
Parther angreifen o\ μέν οΐκέται και πελάται πλάγιοι περιε-
λαυνοντες έτόίευον, nach Pseudo-Appian, während die Plu-
tarchhss, auch die Seitenstetter, o\ μέν Ιππόταΐ πλάγιοι haben;
das Wort ist sonst nicht eben häufig, darf aber grade deswegen
nicht angetastet werden, es ist aber auch viel anschaulicher und
klarer als o\ οΐκέται και πελάται, denn um dies richtig zu ver-
stehen, muss man sich erst erinnern, dass die Beiterei aus πελάται
τε και όουλοι bestand, c. 21. — ßeiläufig: Ages. 6 beseitigt der
Seiten stetten sie eine Interpolation : άκού(Ταντες ουν, heisst es bei
Sintenis, ol Βοιιυτάρχαι προς όργήν κινηθίντες ίπεμψαν ύπη-
ρ<έτας άπαγορεύοντες τψ Άγησιλάψ μή θύειν παρά τους νόμους
και τα πάτρια τα (so S) Βοιωτών, in S fehlt κινηθέντες, das
hinzugesetzt wurde, weil man den adverbialen Gebrauch von προς
όργήν verkannte, vgl. Alex. 71 πολλά μέν έλοιδόρησεν αυτούς
προς όργήν, wie schon Soph. El. 369 μηδέν προς όργήν.
Π. ΕΘΗΚΑΝ und ΕΔΩΚΑΝ bei den Bednern.
Bei den Bednern ist es nicht ungewöhnlich, dass sie einen
Gedanken allgemein beginnen, ihn aber nicht regelrecht zu Ende
führen, sondern sich dem grade vorliegenden Falle zuwenden,
der ihre Gedanken ganz erfdllt, zB. Lys. 31, 32 εΐ μήτηρ, ή
πέφυκε και αδικούμενη υπό τών εαυτής παίδων μάλιστα άνέχε-
σθαι . . . ένόμιΖε τούτον κδν άπό τεθνεώσης φέρειν εαυτής.
Das hat man mehrfach nicht beachtet und die leichte Incongruenz
durch Aenderungen beseitigen wollen, wie Lys. 19, 33 πώς &v
εΤεν άνθρωποι όθλιώτεροι ή εΐ τά σψέτερ* αυτών άπολωλεκότες
δοκοΐεν τά κείνων ίχειν; wo Frohberger εΤμεν, Hertlein τά
ήμέτερ* αυτών und Bauchenstein δοκοΐμεν änderte, oder Isai.
6, 53 πώς άν τις περιφανίστερον έίελεγχθείη τά ψευδή με-
μαρτυρηκώς ή ει τις αυτόν f ροιτο "Ανδρόκλεις, ττώς οίσθα Φι-
λοκτήμον' ότι οίίτε διέθετο οοτε υΐόν Χαιρίστρατον έποιήσατο* ;
426 Fuhr
wo Scheibe das erste τις tilgte. Etwas Aehnlichee liegt m. £r.
auch an einer Stelle des Andokides vor. Er vertheidigt eich in
der Friedensrede § 33 f. gegen den Einwand der Friedensfreunde,
die den Gesandten vorwerfen, es sei unrecht, dass sie nieht knft
ihrer unbeschränkten Vollmacht den Frieden abgeeelilossen hätten,
denn dem Athenischen Volk könne man nur heimlich oder durch
lUnschung helfen. Der Feldherr, sagt er dagegen, darf eich im
Krieg der Heimlichkeit und Täuschung gegen den grossen Haufen
bedienen, Gesandte aber, die über einen Frieden für Griechenland
verhandeln, dürfen das nicht, sonderir es ist eher zu loben als
zu tadeln, wenn sie mit unbedingter Vollmacht ausgesandt euch
trotzdem die Möglichkeit erneuter Erwägung verschafiPen — el-
ρήνης bk πέρι πρεσβεύοντας κοινής τοις Έλλησιν, έφ' οϊς δρ-
κοι τ€ όμοσθήσονται στήλαί τε σταθήσονται γεγραμμίναι, ταύτα
bt ούτε λαθεϊν οοτε έΗαπατήσαι δεϊν, άλλα πολύ μάλλον έπαι-
νεϊν ή ψέγειν, εΙ πεμφθέντες αυτοκράτορες (τι aild. Α, om. Q,
dem Lipsius mit Recht folgt) όποοώσουσιν ύμΐν περί αυτών
(Τκέψασθαί. Das ist denk ich ganz unanstössig, aber bei dem
Redner lesen wir anders, άπο5ώ(Τομεν, dh. er hat den allgemeinen
Gedanken verlassen und sich dem eignen Fall zugewandt, wozu
nun allerdings streng genommen das Tempus nicht mehr passt.
Blass hat deshalb άπεοώκαμεν geändert und damit eine unstatt-
hafte Form in den Text gesetzt.
Die Stellen, an denen der Plural von ίθηκα und ^buiKa bei
(ien Rednern vorkommt, hat E. R. Schulze, quaestiunculae gram-
maticae ad oratores Atticos spectantes (Progr. des Gymn. zu
Bautzen 1889J p. 22 ff. gesammelt, es fehlt nur κατέθεσαν [Dem.]
59, 30, iboeav Dem. 15, 29. 18, 195, hinzugekommen ist seit-
dem έθεσαν Hyper. g. Athenog. 21, μετέόοτε ebenda 31; bei
έθηκαν ist Aisch. 1, 13 zu streichen, dort ist mit dpg ίθεντο zu
schreiben, [Dem.] 13, 28 ist παρέοωκαν besser bezeugt. Zählt
man einfach zusammen, so ergiebt sich 3 mal ίθεμεν 1 mal έπε-
θήκαμεν, 1 ίθετε 1 άνεθήκατε, 2 1 ίθεσαν ανέθεσαν usw. 1 2 ίθη-
καν άνέθηκαν usw., 8 έοομεν u. Comp. 6 έόώκαμεν u. Comp.,
31 έοοτε usw. 12 έοώκατε, 80 ibooav 17 έδωκαν, aber diese
statistische üebersicht giebt kein klares Bild. Stutzig wird man
sofort, wenn man sieht, dass von den 49 Formen des 1. Aor. 42
auf Demosthenes und die unter seinem Namen gehenden Beden
entfallen, und sieht man des näheren zu, so findet man, dass in den
ältesten Reden (27 — 81) auf 16 Formen ohne κ nur 1 παρβοώκατε
kommt (28, 8), während in der Leptinea 3 δ>ομ€ν und β)θτ€
Zu grieohischen Prosaikern 427
6 έοώκαμεν nad έοώκατε gegenüberstehen, dh. Demosthenes
meidet inzwischeii di• Hänfang mehr als 2 Kürzen und
gebranoht deshalb lieber di« l^ormen mit κ, deren Ge-
brauch im Anfang des 4. Jahrhanderte ia der officiellen Sprache
aufkommt, sie erscheinen auf den Inschriften seit 885, •. Meister-
hans, Grammatik d. att. Inschriften 74, 3. So erklärt sich (Τυμ-
φέροντας ίθηκαν — νόμουο 24, 211, οιίθηκαν 19, 88. 20, 109.
54, 8, κατέθηκαν 24, 16, προσεθηκαν 23, 202 (bis), έοώκαμεν
20, 139, μετεδώκαμεν 23, 65, έόώκατε 2η, 84. 85. 86. 97. 120.
21, 56. 57, 6, άπεόώκατε 21, 11, παρεοώκατε 51, 8, έδωκαν 19,
190. 20, 70, έν&ωκαν 19, 76, μετέδιυκαν prooem. 53, 4, παρέ-
οιυκαν 19, 94. 36, 14. 44, und auch im Epitaphios έπέθηκαν 11
und παρέδωκαν 4, wie in der Rede von der Anordnung (XIII)
άπεόώκαμεν 3, ίοιυκαν 23. 24. παρέοιυκαν 28. 34 — dagegen
προυοοσαν 8,40. 0,56. 19, 96. Was übrig bleibt, ist wenig:
παρεοώκατε 28, 8, προυδιυκαν 20, 53, ούοένα προύοώκατε πώ-
ποτε τών φίλων 23, 112, άλλα πολιτείαν &ωκαν μόνον 23, 200.
Vielleicht sind an den beiden letzten Stellen rhythmische Erwä-
gungen massgebend gewesen, wie auch bei Hyper. f. Euxenipp
§ 9 ανεβήκατε und Epit. § 19 στ^φανον τή πατρΛι [περι]έθη-
καν (beidemal in der Klausel), der aber auch ί^ιυκαν hat Epit.
§ 16. Man darf aber auch nicht ausser Acht lassen, dass die
Rede 322 gehalten ist. In den unter Demosthenes Namen gehen-
den Reden steht 47, 2 έττέθηκαν, 59, 96 κατέθηκαν 97 άνέθηκαν,
34, 28 έπεθήκαμεν und dem entsprechend 88. c^9 έπε^ώκαμεν.
Bei den altern Rednern findet sich von τιθέναι gar keine
Form mit κ, έοώκατε bat Ant. 5, 77, άπέοωκαν Lys. 19, 7 (a.
387), άπεδώκαμεν Isai. 5, 28 (um 390), παρέδωκαν Is. 12, 106.
Während Schulze aaO. 26 die Form bei Antiphon mit Recht an-
gefochten hat, lasst er sie an den 3 andern Stellen gelten, weil
die Reden ins 4. Jabrli. gehören, und auch ich habe früher ge-
glaubt, Lysias habe άπέοιυκαν absichtlich gebraucht, um den dem
Markt und den Gerichten fremden Sprecher durch eine alterthtim-
lich-poetische Form zu charakterisiren, habe aber wohl den Werth
der üeberlieferung zu hoch geschätzt (2, 64 hat der Palatinns
μετέοιυκαν, die von ihm unabhängige andre üeberlieferung μετέ-
bcKXav, fr. 75, 6 άπέοιυσαν Μ) und billige jetzt Thalheims Aen-
derung. Isai. 5, 28 ϊσιυς έρεϊ, ώς όμολογήσαντες αύτφ άπο-
δύκτειν τα άνηλιυμένα ουκ άπεοώκαμεν ist aus grammatischen
Gründen Buermanns άποοε^ώκαμεν nöthig, vgl. zB. [Dem.] 34, 12
ώμολόγει άποδώσειν — 14 έμοι γαρ άπο^έοωκε τό χρυσίον
428 Fahr
U8W. So bleibt nur παρέ^ωκαν bei le. Panatben. 106, in dem
ftoaav 67. 171, άπ€Οοσαν 104, μετέοοσαν 94, παρέόοσαν 52.
126 stebt, icb kann deshalb an die Ricbtigkeit der Ueberliefe-
rang nicht recht glauben, der Zufall bat es allerdings eigen-
tbümlich gefügt, daes sich die Form grade in der jüngsten Rede
findet, die aus einer Zeit stammt, wo die Formen mit κ schon
häufiger sind.
Die Untersuchung lebrt also, dass die Formen mit κ sich
öfter erst bei Demostbenes von 355 an finden, lediglich infolge
des Bestrebens 3 Kürzen hintereinander zu meiden^, nebenbei
denk ich zeigt sie, dass unsere Demostbenesüberlieferung nicht
schlecht ist.
lil. Zu Philodems rbetorischen Schriften.
Philodems rhetorische Schriften verdanken ihre Auferstehung
Siegfried Sudhaus. Mit hingebendem und entsagungsvollem
Fleisse hat er scharfsinnig und gelehrt eine Ausgabe geliefert,
die allgemeine Anerkennung gefunden hat und stets von Neuem
die Bewunderung des aufmerksamen Benutzers erregen moss.
Bei ihrem Erscheinen konnte man erwarten, es werde sieb die
Aufmerksamkeit der Philologen dem jetzt erst zugängliob ge-
machten Schriftsteller in reichem Masse zuwenden, aber die Zeit*
umstände waren nicht günstig: gleichzeitig wurden ans Aegypteoe
Sande Schätze hervorgezogen, die naturgemäss mehr das Interesse
auf sieb lenkten, als die rhetorischen Ueberreste, deren Lektüre
infolge ihrer Zertrümmerung nocb weniger angenebm ist, und so
sind nur wenige Beiträge zur Herstellung erschienen. Vielleicht
hält auch mancher seine Ergänzungen und Vermuthungen am
Rande seines Exemplars verborgen. Wenn ich es meinerseits
wage, ein paar anspruchslose Bemerkungen hier zu veröffent-
lichen, so ermuthigt mich dazu das Lob, das S. Sudbaus einigen
Vermuthungen gezollt hat, die ich ibm gelegentlich mittheilte.
1 Darauf muss man bei Dem. stets aufs sorgfältigste achten,
Schulze aaO. p. 29 bei Besprechung der uncontrahirten Formen μ€(Ζονα
usw. verabsäumt es und will das fehlerhafte ßcXiiova 24, 29 οΟτ€ xcfpova
οϋτ€ β€λτ(ω νόμον aus Aks einsetzen. Beiläufig: Dem. 5, 7 el γάρ bf
Διονύσου τραγψδούς έθ€άσασθ€, άλλα μή π€ρΙ σωτηρ(ας καΐ κοινιΰν πραγ-
μάτων ήν 6 λόγος sind mir die beiden letsten Wörter seit langem ver-
dächtig, nicht wegen der Kürzen, sondern weil die Redensart ^ση
π€ρ( τίνος 'es handelt sich um* auch sonst verkannt ist, so war Lys. 12,
7 1 ού π€ρΙ πολιτείας ύμΐν £σται άλλα περί συιτηρ(ας ebenso ό λόγος in-
terpolirt.
2α griechisoben Prosaikem 429
1. Nil sine magno vita labore dedit mortalibue, aucb die
Beredsamkeit nicbt; znm Beweis kann man Themistokles an-
führen (Π 205)
τόν νυκτε
του στρατηγού π€ρι[πα-
τοΟντα καΐ καθ€ύδ[€ΐν ου-
κ έώμενον υπό του [Μιλ-
τιάοου τροπαίου.
Sudhaas ergänzt νυκτερεύοντος του στρατηγού, mir unverständ-
lich, was der Sinn verlangt ist klar, tioctu ambtUabat in pitblico
Themütocles sagt Cic. Tasc. IV 19, 44, also νύκτωρ πρό του
στρατηγίου, eine Yermuthang, die übrigens nach Sudhaus' freund-
licher Mittheilung der Papyrus in erwünschter Weise bestätigt,
er hat οτρατηγίου, wie die Photographie der Oxf. Abschrift aus-
weist. — Gleich darauf ist τόν öia τό καλώς πολιτεύεσθαι nach
ρ. 301 fr. VI wahrscheinlicher.
Von Themistokles ist auch II 188 fr. III die Rede, wie
schon V. Wilamowitz Herrn. XXXIV 636 gesehen hat. Es handelt
sich in diesen leider sehr zerstörten Stücken um die Aufgaben
des Staatsmanns, also wohl fr. III [πολι]τικοΟ, (έπίστασθαι) πάλιν
έκ μικρας ποιήσαι μέγαληv(fr. IV 10) rühmte Themistokles von sich,
Plut. Them. 2, Kim. 9. Er wird mit Sardanapalos verglichen,
dessen Spuren Sudhaus mit glänzendem Scharfsinn auch fr. U
gefunden hat in ΚΑΙΔΑΙΙΑΤΤ, eine Vermuthung, die durch das
folgende ή]μέραΐ μίαι gesichert wird, es hiess bekanntlich von
Sardanapal auf dem Denkmal bei Anchiale in Eilikien, er habe
Anchiale und Tarsos an einem Tage gebaut, Arr. Anab. Π 5, 4
aus Aristobul, vgl. Strab. XIV 672, Athen. XII 530^
2. So viel im einzelnen in der Liste der grossen Staats-
männer und Redner Π 212 f. unsicher bleibt, so stehen doch die
Namen anfangs fest: Peisistratos, Eleisthenes, Themistokles,
Perikles und dann nach dem Mann ό τήν έν ΤΤλαταια[ις μάχην
βρα]βεύσας Eimon. Wer war aber jener? nach Sudhaus Pausa-
niae, aber wo wird je von dessen Beredsamkeit gesprochen? Ich
glaube es kann nur Αριστείδης dagestanden haben; Aristeidee
findet sich Π 201 fr. XV ^ und in einer ähnlichen Aufzählung
^ Ob dort am Schluss 'Αντιφώντα zu ergänzen ist, scheint mir
firaglich, Antiphon gilt Philodem scheint es weniger als Redner denn
als Verfasser einer τέχνη I 1 87, wo Sudhane vorher aus den Bachstaben
. . Ol . υρουκκ . αι, die 0 hat, ZunrOpou καΐ gemacht hat, ich glaube
430 Fahr
bei Dio ChryR. im Anfang der 22 Rede, nicht jedoch bei Cic.
de oral. III 137 ff. Aaf Eimon folgt dann nach Sndhans Άλ]-
κι[βιάδης ό τών Λακ€δ]αι[μονί]ιυ[ν και πάντιυν] ΤΤ€λο[π]ονν[η-
σίυυν κρατήσ]ας ανα . . ., aber dieee Ergänzung ist sachlich
höchst anfechtbar und bedenklich, zumal die Lücke nicht ganz
ausgefüllt wird. Ich möchte mit aller Vorsicht zur Erwägung
stellen, ob nicht von Epameinondas die Rede war, der bei Dio
wie bei Cicero steht. Auffallend ist es, dass Solon nicht genannt
wird, der sonst nirgends fehlt und von Philodem II 201 erwähnt
wird, vgl. auch Cic. Brut. 7, 27. Das älteste Verzeichniss derart
(a. 358) steht Iso kr. 15, 231 ff.: Solon, Kleisthenes, Themistokles,
Perikles, ein paar Jahre später nennt Dem. 3 Ol. 21 Arieteides,
Nikias, Demosthenes, Perikles; später wird mit Eimon und The-
mistokles des ersten Vater Miltiades zusammengekoppelt, Doxo*
patr. VI 24 W. = Max. Plan. V 214, was wahrscheinlich auf
Plat. Gorg. 516*^ zurückgeht. — Mit Sicherheit ergänzen läset
sich bei Philodem der letzte der Reihe, nämlich Τιμόθ€θ€, wobe^
es dahingestellt bleiben muss, ob es ό μαθη]τή€ oder dKOUC]Tf|C
Ίσοκράτουο hiess.
Tiraotheos wird auch Π 178 1 b erwähnt [*Ισοκράτης πάρα]
του Κυπρ{[ου τάλαντα fJXaßev €Ϊκ[οσι και πα]ρά Τιμοθέ[ου του
Κό]νιυνοο ού[το€ £λαβ€ν αλ]λα δέκα, doch ist es fraglich, ob die
Ergänzung ganz richtig ist. Von einem so reichen Geschenk des
Timotheos wissen wir sonst nichts, nach Pseudo-Plut. 837® gab er
Isokrates aus der samischen Beute ein Talent. Es handelt sich bei
Philodem um den finanziellen Ertrag der Beredsamkeit, von De-
mosthenes wurde wohl Aelinliches berichtet wie bei Plut. Dem.
20, Pseudo-Plut. 847^, es hiess natürlich βασιλέα τόν [μέτα]ν,
vgl. II 172, 13. Hier könnte das folgende τηο vielleicht Έφΐάλτηο
zu ergänzen sein, vgl. Pseudo-Plut. aaO.
3. Manchmal lässt sich nicht verkennen, dass falsch ist, was
Sudh. im Text hat, aber eine sichere Besserung zu finden will
nicht gelingen. So ist zB. in der Anekdote I 333 unten das Impf.
C8 steckt eher Θεοδώρου darin, den Dionys an Amm. c. 2 p. 722 mit
Tlirasymachos und Antiphon zusammen nennt, und II 111, wo er mit
Korax zueammengestellt ist Es kann neben KalliBtratos (II 148 Καλ-
λιστράτου δέ τής [μέν] πολυπραγμοσύνης [ούδέπ]οτ' [έκλ]υσαμένου ver-
stehe ich nicht, etwa ουδέποτε παυσαμένου?) Aiistophon genannt ge-
wesen sein, den Sudhaus II 219 aufgespürt hat. Dahinter vermuthet
V. Wilamowitz aaO. ί>37 Κέφαλος, die allerdings unsichern Spuren . ν
. . υλθ€ weis• -η eher auf ΕΟβουλθ€ hin.
Ztt grriechischen Prosaikerü 431
^tt€X€(p€ic einnlos, der Zneammenhanf? verlangt dae Fut. (was
willst du thun?) oder das Praes. (was hast du vor?), ob aber
έτΓίχβιρεϊς wie 13 zu lesen ist, oder ob ein anderes Wort in
ΕΠΕΛΕΙΡΕΚ (G, denn Κ = IC) oder ΕΠΕΛ . . EIC (N) steckt,
das ist schwer zu sagen. Am Schluss ei wartet man eher έπΐ€τ]ά•
μενοι. Oder Π 151, 20: die Hedner, so dem Volk nicht zu
Willen sind, werden TeuSjeaOai 2[ημ[ιών καΐ 5ιαιττ]ώσειυν καΐ
[ταπ€ΐνώσ€ΐυ]ν καΐ στρ€βλ[ών καΐ τ€λ]€υτών, wo mir κακώσειυν
oder άτιμώσειυν und δημεύσεων oder φυγαδειών vorzuziehen
scheint.
4. unsicher wie Conjecturen sind natürlich alle Ergänzungen,
die einen Eingriff in die Ueberlieferung bedingen, sie können
durch eine neue Vergleichung sofort über den Haufen geworfen
werden, aber bei der Unsicherheit der Ueberlieferung muss man
öfter schon etwas wagen, zB. II 94, 4 = 130 εΐ ö' ΑΙσχίνηο
έχθρόο ών μετ' δλλων πλειόνων κα\ λέΕεωο .... ιαετονοιαν
όνεΐ5ι2Ιει, während 130, 11 θα .. αφ . οποίαν gelesen ^ird. Sud-
haus schreibt θαυμα(Τιουρτίαν, der Ueberlieferung liegt θαυμα-
τοποιίαν näher; angespielt wird auf Aisch. 3, 167 ταύτα bi. τ(
έστιν, ώ κίνα^ος; βήματα ή θαύματα; — Auch 1 197 liegt ein
Aischinescitat* vor, ού μην άλλα και τούτψ (Demosthenes) —
φιυνήν όΕεΐαν ΑΙσχίνης όνεώίΖει geht auf 2, 157 έντεινάμενος
ταύτην τήν όξεΐαν και άνόσιον φιυνήν, das folgende ποτέ hi
και μακράν^ wohl auf 2, 106 dvaßoqi παμμέγεθες Δημοσθένης.
— Aisohines bietet übrigens eine erfreuliche Bestätigung einer
Ergänzung von Sudhaus: Π 189 fr. I τόν πατίρ[α τύπτιυν] ή μή
τρέφ(υ[ν ή μή πα]ρέχιυν οίκη(Τ[ιν, das ist ein Gesetzespassue, s.
Aisch. 1, 28 'δοκιμασία' φησί '^^ητόρων έάν τις λέγη έν τψ
οήμψ τόν πατέρα τύπτων ή τήν μητέρα ή μή τρέφιυν ή μή
παρέχων οίκησιν'. Das bei Philodem sich anschliessende Wort
über Perikles ist leider verloren gegangen, ΙΙΡΕΙΛ ist wohl
Ιέρεια. — II 114, 19 in der Aufzählung der Verbrecher scheint
1 Zu 3, 158 hätte Blass Philod. I 358 anführen sollen δτι Δη-
μοσθένην ούχ ώc τους περιτρέψαντας τύϋν πορθμέιυν έκώλυ[ον] . πευθύ-
νειν άνατετραφότα τήν 'Ελλάδα, leider grade an der wichtigsten Stelle
(έπευθύνειν oder άπευθύνειν?) lückenkaft; περιτρέψαντας ist wohl freies
Citat.
^ Wenn II 203, 29 με nicht ganz sicher sein sollte, so ist es
geraten das übliche ού μακροΟ δεΐ λόγου herzustellen, μέ'χα€ \6yoc ist
unser *gn»8ses Wort*.
432 fahr
ΛΕΙΤΤΟΙΑ aaf Xumoburac hinzuführen, die auch II 144, 12 er-
wähnt werden.
5. Trotz eines EingrifiPe in die üeherlieferung ist die Her-
stellung zweifellos I 126. Aufgezählt werden die Theile der Rede
πρ]οοιμιου κα[ι ο]ι[ητήσ€ΐυ]ς καΐ πίστεων καΐ πε ωτ [. καΐ]
συγκβφαλαιώσειυς, zu lesen ist καΐ [ύ]π€[Ηαιρέσ€]ακ *, vgl. Ι 202,
1 8 προοιμίων καΐ διηγήσεων καΐ πίστεων και υπεξαιρέσεων και
επιλόγων.
Was Ι 369 der Sinn verlangt, ist klar, üeberliefert ist
be πιστ
οεων τάς μέν άτίχνου€
κοινός απάντων ύπάρ-
χειν, των b* έντεχνων κτλ.,
also των bk πίστεων, aber die überlieferten Buchstahen fügen sieb
nicht ohne Grewaltsamkeit, und doch wird man den terminue tech-
nicns einzuführen haben, den Philodem 1 126. 202. 372 braucht,
denn πιστώσεων hat m. W. keiner je dafür gesagt und τής bi
πιστώσεως, wie Theodoroe von Byzanz den 3. Theil der Rede
nannte, Plat. Phaidr. 266^ ist im Zusammenhang unmöglich. —
Dass gleich darauf Z. 13 Ιατρού^ zu schreiben ist, hat Gomperz
(s. Π praef. XXVI) schon bemerkt, vgl. 373, 3 τό εΙκός Ιατρόο
οΤοε, wo Sudhaus den Artikel nicht einzusetzen brauchte, auch
383, 7 ist oub' δν σοφόο überliefert.
I 167 col. VII [τινές ο]έ γράφοντες και τοις άι ς
καταποικίλλουσι τον λόγον, ενίοτε bk άφ' έτερων γε πραγμά-
των μεταψε ... ν τάς ονομασίας ist wohl άντιθέτοις und μετα-
φέρουσιν zu ergänzen. Zu der ganzen Stelle kann man Dion. de
Demosth. 966 vergleichen. Ob Π 95, 11 τά τε αντίθετα oder επί-
θετα zu schreihen ist, wird sich vielleicht entscheiden lassen, wenn
es daselbst gelingt das rätselhafte αϊ έπίφεσ zu lösen.
6. I 383 col. CX erhält durch die Nachvergleichung des
Papyrus (Π praef. XXIII) ein ganz andres Aussehen, obwohl
vieles recht unsicher bleibt, aber wenn Z. 5 Sudhaus ούόέ μιμοΐντο
^ περάτωσις, das Usener im Ind. s. προοίμιον vorschlägt, ist mir
unbekannt. Constant sind die Namen προοίμιον διήγησις and επίλογος,
die Benennungen der anderen Theile wechseln häufig, 8. Syrian II 12 R•
Rhet. VII G3 W (vgl. V 360) ist natürlich zu lesen άντίθεσις λύσις, ai
λ€γόμ€ναι πίστεις, 64 πίστεις, ήγουν άντίθεσις καΐ λύσις τών άντικειμένυιν.
^ Dagegen ist II 220, 30 γυναίκας προς Αν&ρα[ς σ]τασια2Ιούσας
zu lesen, vgl. 221, 23, wo Ζ. 21 cυμυcε in Ν auf συλλΟσαι führt, s.
220, 26. 222, 30.
2u griechischen t^rosaikern 4S3
τους οραπέτας lient, ro paRst dieR nicht in das Satzgefüge, die
Buchetaben cibe weisen vielmehr auf €i bk hin. Ob Z. 6 in άποκα-
λο . αιτα etwa αποκαλούμενους steckt ? 7 α . λα τιναποοσι . θεν-
• • • •
των scheint άλλα τίνα προστιθεντιυν zu sein, 384, 11 ένκαλοΰσί
τίνες, 382, 13 wird Sudhaus' Flerstellung durch den Neapolitanus
nicht bestätigt, er hat ποτενεγ | τα~, was wohl ποτ' ένεγκόνταο
beiRsen wird. Aber wo der Znsammenhang unklar ist, ist jede
Vermuthung mehr ein lusus ingenii, ich gebe nur ein paar Proben,
die vielleicht hier und da weiter helfen: I 124 oben προοιμίων —
διηγήσεων? Ι 277 fr. XIX άκριβεσ]τέραν σκεψιν? Π 8, 4 ά]κα-
[ρή]ά[νελ]οιεν; πώς b' δν άνα[ιρ]οϊεν? vgl. Π 28, 3, II 27, 2
λυμαίν[ε]σθα|ι] ? U 29 col. XXXIV 6 ύ]τ[ι]€ΐν[ο]τέρου ? Π 91 fr.
XIX δ τοιούτω συ[λλοτισμω?
7. II 67 fr. 3 heisst es ε[1 bi καί τ]ινε€ ίφησαν περι[τί-
νεσθαι] το λέγειν και ταίϊ]ς ά[σκήσεσιν], das ist doch nichts
anderes als das sprichΛvörtliche έκ του λέγειν τό λέγειν πορίίε-
ται oder τό λαλεϊν έκ του λαλεϊν (Syrian li 4 R), wie aus dem
folgenden hervorgeht άλλ' ol πλείστοι π[αρεστρέφον?1το και
τό λέγειν και κακώς έκ του λέγειν ίφασαν [περιγί]νε-
σθαι, Sudhaus' Ergänzung σπανίως scheint mir nicht angemessen,
man erwartet 'fehlerhaft' Verkehrt^ φαύλως oder πλημμελώς.
Damit haben wir das griechische Wort, das Cio. de orat. I 150
anführt: fallit eos quod audierunt dicendo homines ut dicant
efficere solere ; vere enim etiam illud dicitur perverse dicere ho-
mines perverse dicendo facillime consequi. — üebrigens findet sich
der aus Cic. de orat. I 62^ bekannte Architekt Philo auch bei
^ Die Erklärer der Bücher de oratore könnten etwas mehr aus
den Griechen zur Erläuterung beibringen, zB. heisst es bei Sorof zu I
83 atque ipsam eloquentiam, quod ex bene dicendi scientia oonstaret
'nach stoischer Moral beruht die Tugend auf dem Wissen , warum aber
fehlt die Definition der Rhetorik επιστήμη τοΟ €Ö λέγειν? So oft ich
übrigens die Cicerostelle lese, nehme ich an atque Anstoss und ver-
misse eine begründende Partikel, denn es beginnt der Beweis des stoi-
echen Satzes oratorem nisi qui sapiens esset esse neminem» es scheint
mir also nötig namque zu schreiben. Zu I 91 quasi dedita opera ne-
minem scriptorem artis ne mediocriter quidem disertum füisse sollte
auf Plato verwiesen werden, der gegen die Fechtmeister dasselbe Ar-
gument vorbringt, Lach. 183o ιΰσπερ επίτηδες ούδεΙς πώποτ* €Οδόκιμος
γέγονεν έν τφ πολέμψ άνήρ τΦν τά όπλιτικά έπιτηδευσάντων, ζπ 1 220
quid esset iracundia, fervoroe mentis an cupiditas poeniendi doloris auf
Ar ist. rhet. II 1878* 31 οργή ορε^ις μετά λύπης τιμωρίας, eine Stelle,
Hboin. Mue. f. Philol. N. F. L\U, 28
434 Fuhr
Philod. 1 192, 1 ώς και Φίλωνα τόν αρχιτέκτονα π€ρΙ τής σκ€υο•
θήκης ούτος αυτός €ΐσήγατ€ν οημηγοροΟντα. Wir wiesen leider
nicht, wer der ούτος αυτός war, ob vielleicht Demetrioe von
Phaleron ? er hatte Philo erwähnt (I 346, 1) nnd wird von Phi-
lodem in diesem Abschnitt öfter angeführt, gleich ein paar Seiten
darauf (197, 25) heisst es παρά bi τψ Φαληρεΐ λέγεται, sein
Name muss also vorhergegangen sein, wie Philodero sonst citirt
ό Δημήτριος ό Φαληρεύς έν τψ περί τής Ρητορικής oder έν
τοις περί της Ρητορικής συνγράμμασι (1 272, 4). Im Index β.
Δημήτριος hätte Sudhans ζα περί των Ισοκράτους Ι 198, 11
περιόδων hinzufügen sollen.
8. Π 6, 7 ου γαρ biopiZei λέγων 'θελήσω & καΐ ύμΐν
συμφέρει, περί ών δη καΐ πείθειν πως ίστιν' — έπει μέτριον
δν ήν, εΐ και ψευδός, άλλ' άπλως λέγειν 'πείθει, δτι ποτ' δν
βουληθή τους άκούοντας* kann ich nur verstehen, wenn ich
άλλ' απλώς λέγει ändere, vgl. II 17, G ου τοιοΟτο ö' έστιν
τό επάγγελμα, άλλ' ώς απλώς, περί ου ποτ' δν έθέλωσιν αυ-
τοί, πείσειν.
9. Wenig glücklich hat Sudhaus die 2 Stellen hehandelt,
in denen ein Wort des Demosthenes üher Phokion steht, II 102
καΐ γαρ [λέγ]εΓ 'τών έμών λόγων und 11 202, 25 δν ?φη Δη-
μοσθένης σφ τών έαυτοΟ λόγων. Den Gedanken hat
inzwischen schon ν. Wilamowitz aaO. 637 richtig gestellt und
unter Vergleichnng von Plut. Dem. 10, Phok. 5 σςκχγίόα ergänzt.
Ich hatte mir ausserdem Stoh. 87, 34 άρχεται είπεν ή τών έμών
die Pohlenz de Posidonii lihris U€pi παθών (Fleckeis. Jahrb. Soppl.
XXIV) p. 585 vor einer Conjectur bewahrt hätte, vgl. auch Hör. ep. I
2, (i9 qui non moderabitur irae, infectum volet esse, dolor quod
suaserit et mens, dum poenas odio per viro festinat inulto. — 1 209
sagt Antonius: id faciam quod in priucipio fieri in omnibus die-
putationil)U8 oportere censeo, ut quid illud sit de quo disputetur, ex-
planetur, wie ähnlich Cicero an andern Stellen. Darüber wird er von
Prantl, Geschichte der Logik I 515 hart angelassen, er spreche *die ab-
geschmackte, echulmässige Behauptung* aus, aber warum denn den guten
Cicero wegen etwas schelten, was auf seine griechiscben Quellen zu-
rückgeht? heisst es doch auch hei Plat. Phaidr. 237b π€ρΙ παντός μ(α
αρχή τοις μέλλουσι καλώς βουλεύεσθαι * €ΐδέναι b£\ π€ρΙ οΟ Αν ij ή βουλή
κτλ — Ι 58 de iure civinm generatiin in ordines aetatesque discripto
erklärt sich am besten aus Aisch. 1, 7 πρύϋτον μέν περί τής συκρροσύ•
νης τών παίδων τών ήμετέρατν ^νομοθέτησαν, καΐ διαρρήδην άπέδει&ιν,
£t χρή τόν παΐδα τόν έλ€ύθ€ρον έπιτηδεύβιν, — £π€ΐτα δεύτερον wcpl
τών μ€ΐρακ(ων, τρίτον δ' έφβξής π€ρΙ τών άλλων ηλικιών.
2α gnriechiechen Prosaikern 435
λόγιυν σφΟρα κα\ κοπίς notirt und yermnthet, daee II 202 σφΟ-
ραν εΤναι ζα lesen sei, worauf auch II 102 die Spuren φ€λυ . α
zu führen soheinen.
10. 11 141, 31 καΐ ταυθ' ώς ου κατ€[ψ€υσ]μίν' ήμ€ΐς,
άλλ' ώσττερ ίχβι λέτο[μ€ν, 6 βίος] μ€μαρτύρη[κ€ν ήμϊν] και 6
πάντ' i Χρονος ergänzt SudhauB έμφανίΖων, aher Solon
κατά τών ψευόομένιυν τόν χρόνον ένόμισε σαφίστατον ίλβγχον
βίναι Dem. 36, 27, τψ χρόνψ, δν ύμεϊς σαφέίΤτατον ίλεγχον του
αληθούς νομίσατε Lye. 19, 61, ö τ' έΕελέγχων μόνος άλάθειαν
έτήτυμον χρόνος Find. ΟΙ. Χ 53, also έλεγχων oder έΗελέγχων.
11. Einmal ist es mir glaub ich gelungen ein Bruchstück
einzuordnen, Q 278 fr. XX a. Da b col. V a. £. entspricht, muss
man a etwa col. IV a. E. oder V a. A. suchen, und es finden
sich in der That einige Spuren, die uns berechtigen, das Fr. dort
einzusetzen col. IV 32 τήν πολιτικήν = την το, zu col. V 8 βίβλψ
wird bk τή gehören, 9 λον Δημάοην = αλλαδην, 1 1 θέλοντας
= θέλον. Allerdings geht die Grleichung nicht ganz auf, καΐ
φΐλθ(Τθ lässt sich nicht unterbringen, aber eben sowenig in b μαλ-
λιυν, wie dort auch οιελέχ[θη] hinter πρόο άλλ ('Αλκιβιάοην ?)
steht.
12. Wenig befriedigt die Art und Weise, in der Sudhaus
Philodems Platocitate behandelt hat, ich meine nicht, dass er ein
paarmal vergessen hat die Stelle anzugeben (I 224, 5 Gorg. 456^,
I 261, 8 Meno 93^ ff., auch wohl II 3 col. Xil 9 u. Π 184 fr. IV
Gorg. 450®), nein dass er die Ueberlieferung bei Plato vernach-
lässigt hat. Das erste Citat steht I 2, 7 o\ bi τήν σοφίαν μόνην,
o\ bi τήν λόγον έχουσαν, φ προσφέρει & προσφέρει καθάπερ
Πλάτων, wozu Sudhaus bemerkt Gorg. 503. Als ich die Stelle
bei Schanz verglich ol αλλοι πάντες δημιουργοί βλέποντες προς
τό αυτών ίργον έκαστος ουκ εική εκλεγόμενος προσφέρει
προς τό έργον τό αύτου, glaubte ich im ersten Augenblick,
Philodem bestätige die Lesart des Vindoh. προσφέρει & προσ-
φέρει, obwohl mir richtiger erschien, was ich mir vor Jahren
beigeschrieben hatte <δ δν προσφέρη) ^» s. gleich darauf τίθησιν
δ &ν TxBfjij sah dann aber gleich, dass ja bei Philodem noch ψ
steht und erinnerte mich der bekannten Stelle 465* τέχνην αυ-
τήν (nämlich die Beredsamkeit) oö φημι είναι, άλλ^ έμπείρίαν
δτι ουκ έχει λόγον ούοένα ών προσφέρει, wie die Neueren
* Etwas weiter oben schlage ich vor τοΟτο δέ τ^νη τις εΐναι
<ώμολόγηταΓ πώς άν τις ίχοι) εΙπεΐν zu erganzen.
436 t^uhr ίΖα griechischen t'roeaikern
nach Ficinas und Comarins lesen, aber BT haben φ προ(Τφέρ€ΐ
& προ(Τφ€ρ€ΐ, und diese Lesart hatte also auch Philodem in
seinem Exemplar. Uebrigens hat auch ών προ(Τφέρ€ΐ eine Art
handschriftlicher Gewähr bei Doxop. TI 114 W.
Die Ueberlieferung in BT bestätigt Philodem noch an einer
andern Stelle: EL 177, 3 schreibt Sudhaus του] γάρ bixaiou [χά-
ριν παΐρίοιυκεν, während bei Plat. 457** gelesen wird εκείνος
γάρ έπι οικαίςι ΧΡ^ίςι παρέοιυκεν, aber οικαίςι stammt ans einem
Vindob., BT wie vulg. vor Heindorf haben blKoiou, es ist also
έπι γάρ bixaiou χρείςι nap^bu)K€V zu ergänzen. Im Anfang des
Stücks hätte Sudhaus auch getrost ου τόν biboEavra schreiben
sollen.
li 176 wird mit einigen stilistischen Aenderungen ein Stuck
ans Eallikles' Rede Gorg. 486 angeführt. Sudhaus hat, scheint
es, versäumt den Apparat nachzuschlagen, denn Z. 2 όπάγοι
haben BT, 9 war aus Plato τυχόντα aufzunehmen, 10 ist Τ€
überflüssig und 11 muss es 6av€iv &v heissen (όποθάνοις bv
Plato). Kallikles hat vorher seinen ganzen Spott ausgeschüttet
über den Mann, der sich der Philosophie widmet und sein Leben
mit 3 oder 4 jungen Leuten im Winkel (έν T^viqi) verbringt
Das erinnert mich an Philod. U 174 fr. XIV = 180 fr. Via
ιλυμηι τών έν ταϊς
. . νιαις έσκιατροφημένων
φιλοσόςκυν,
wo έπι λύμη und έν γωνίαις zu ergänzen ist, vgl. Cio. de erat.
I 57 in angulis.
Berlin. Karl Fuhr.
UNBEACHTETE STRABOFRAGMENTE
Die nmfangreiche Lücke am Hchluese des 7. Bnchee Straboe
wird von uns um so störender empfunden, als durch sie gerade
die Beschreibung von solchen Ländern betroffen ist, welche zu-
gleich in der Geschichte des Alterthums eine verhältnissmässig
wichtige Rolle spielen : Epirus, Makedonien und Thrakien. Zum
Glück ermöglichen es uns die palatinischen und vatioanischen
Excerpte (vgl. hierüber Kramers Ausgabe Bd. 11 S. 72 ff., An-
merkung), uns wenigstens in den Uauptzügen ein Bild von den
verloren gegangenen Theilen zu machen. Nach Krämers Zählung
sind es im Ganzen 58 Fragmente, welche uns durch diese beiden
Chrestomathien erhalten geblieben sind ; aber gar manches davon
verliert an selbständigem Werthe, da oftmals beide Auszüge einen
und denselben Gegenstand behandeln, anstatt — wie es für uns
Wünschenswerther wäre — sich gegenseitig zu ergänzen. Des-
halb müssen wir es mit Dank begrüssen, wenn sich Meineke nach
andern Hülfsmitteln umgesehen hat, um die Zahl der Fragmente
zu erhöhen. So finden wir denn in seiner Ausgabe noch folgende
Bruchstücke, die er den Berichten anderer Schriftsteller entnom-
men hat:
fr. 1 = Steph. Byz. Διυοώνη
„ 11• = Etym. Magn. p. 206, 6
,, 16* = Steph. Byz. Κραννών
„ 16*= Steph. Byz. Όμόλιον
„ 23*= Eustath. ad IL Β 850
,, 58» = Steph. Byz. Τετραχιυρΐται
„ 58* = Athen. XIV p. 657 f.
Alle diese von Meineke aufgenommenen Fragmente enthalten
ein namentliches Citat Strabos mit Ausnahme von fr. 1.
Doch auch dies letztere für strabonisches Gut anzusehen, wird
uns nicht unmethodisch erscheinen. Wir lesen als Strabos letzte
438 Kanse
Worte vor der Lücke (p. 329 Gas.): Κινέας b' έτι μυθιυοέστβρον . . .,
und in diesem Fragment 1 finden wir den Beriebt eben dieses
Eineas genau über denselben Gegenstand (Dodona), wie er ans
bei Stepbanus Byzantius s. v. begegnet. Mag freilieb Strabo von
Stepbanus niebt ansdrticklicb als Gewäbrsmann erwäbnt werden,
so ist es doch kaum andere möglich, als dieses Citat jenes un-
bekannten Kineas auch bei Stepbanus auf Strabo zurück zafübren,
zumal dieser ja eine Häuptquelle des Stepbanus bildet.
Ist es uns nun etwa vergönnt, zu Meinekes Strabofragmenten
noch neue zu sammeln? Diese Frage glaube ich mit 'Ja* beant-
worten zu können und zwar auf Grund des Gommentars von
Eustatbius zu Dionysius periegetes (abgedruckt in
Müllers Geographi Graeci minores Π ρ. 201 ff.). Schon länget
hat man ja den hohen Werth dieses Commentares erkannt, wel*
eher auf gewissenhafter Benutzung antiker Quellen beruht (für
die geographischen Tbeile sind Strabo, Stepbanus Byzantius, He-
rodot und Arrian excerpirt). Schon früher (Rhein. Mus. Bd. 56
p. 333 ff.) habe ich nachzuweisen gesucht, wie wir im einzelnen
verderbte Stellen Strabos an der Hand dieses Gommentars ver-
bessern können, wie also Eustatbius ein besseres Exemplar des
Strabo besessen zu haben scheint, als die erhaltenen Handschriften
darstellen. Daher lag mir die Vermutbung nahe, dass Eustatbine
nicht nur eine bessere, sondern auch eine vollständigere
Handschrift des Strabo besessen habe, welche noch nicht durch
die Lücke in Buch 7 entstellt war. Zur Gewissheit aber wird
mir diese Vermutbung erhoben durch fr. 23% in welchem wir ja
in der That der Belesenbeit des Eustatbius (nämliob seinem
Homercommentar) ein strabonisches Fragment verdanken. Ich
habe nun alle diejenigen Steilen des Dionyscommentars, in denen
irgendwie eine Erwähnung oder Beschreibung von Epirus, Ma-
kedonien und Thrakien zu vermuthen war, durchgelesen und auf
die Quellen hin geprüft, nämlich die Verse: 95; 132 — 174; 254
—260; 298—331; 378—400; 427—431; 488—496; 513—525;
538-553; 575—576; 587—590; 652-767; 793—814; 821;
863; 1088—1106. Die übrigen Stellen des weitschweifigen Gom-
mentars durchzuarbeiten, habe ich bis jetzt wenigstens unter-
lassen. Denn nach dem Ertrage der durchforschten Tbeile zu
schliessen, hätte ich aus jenen entweder gar keinen gesicherten
Erfolg erwarten dürfen oder doch nur einen solchen, der nicht
im entferntesten der aufgewandten Zeit und Mühe entsprochen
hätte. Denn so leicht auch auf der einen Seite die Quellen-
Unbeaohieie Strabofragmente 439
forschang des fiastathias erscheint, insofern als er an Hunderten
yon Stellen seine Gewährsmänner gewissenhaft mit Namen an-
führt, so giebt es doch vielleicht noch zahlreichere Stellen, wo
wir nur auf Vermuthungen angewiesen sind, weil Eustathins dort
— mehr aus Nachlässigkeit, als um mit dem Schein von Ge-
lehrsamkeit zu prunken — die Nennung seiner Quelle unterlassen
hat. Auch die sichere Thatsache, dass £uetathius von Geographen
eigentlich nur die schon oben erwähnten Schriftsteller, nämlich
Strabo, Stephanus, Herodot und Arrian ausgebeutet hat, hilft uns
nicht viel weiter. Denn die Schlussfolgerung: ^Alle geographi-
schen Stellen des Eustathius, die nicht von ihm ausdrücklich dem
Arrian, Herodot und Stephanus zugeschrieben werden oder dort
von uns nachgewiesen werden können, sind strabonisch , diese
Schlussfolgerung wäre voreilig. Wir besitzen ja leider nicht
den ganzen Stephanus und Arrian, sodass ein namenlos über-
lieferter geographischer Bericht des Eustathius ebenso gut auch
eine fehlende Stelle dieser beiden Schriftsteller wiedergeben
könnte. Doch trotz alledem gab ich die HofiPnung auf Gewinn
nicht auf. Dass ich freilich namentlich überlieferte Strabo-
fragmente entdecken würde, war mir von vornherein unwahr-
scheinlich. Das hiesse doch die Gewissenhaftigkeit eines Meineke
zu gering einschätzen (freilich s. unten eine wichtige und merk-
würdige Ausnahme). Meine Forschungsweise gründete sich nun
auf folgende Erwägung : Eustathius verarbeitet seine Quellen nicht
etwa gründlich, sondern fügt die verschiedenen Berichte lose
neben einander, sodass die Fugen für uns noch deutlich zu er-
kennen sind. Ein Beispiel genüge:
Eustathius p. 315 (Müller):
V. 1— 3 = Strab. p. 591
4 = Steph. Byz. Σηστός
5—6 = Herod. IX 114
6—11 = Strab. p. 590 f.
11—13 = Strab. p. 813
13—14 = Steph. Byz. "Άβυόος (?;
14—16 = Eustathius selbst
16—19 = Istros (bei Strabo?)
19—26 = Steph. Byz. "Άβυόος
26—32 = Eust. selbst
32—33 = Strab. fr. 51
34—37 = Strab. fr. 33 u. 36
37—44 = Eust. selbst
•440 Kunze
44—45 = Strab. ρ. 487
46 = Arrian.
Wenn nun also eine innerlich zueammenbängende
geographische Notiz des Eustathius sich zum Tbeil nachweis-
lich deckt mit einem anerkannten Strabofragraent oder
einer sonstigen Strabostelle, so wird wohl auch der andere Theil,
welcher mit jenem ein organisches Ganzes bildet, dem Strabo
entstammen. Somit besteht das Ergebniss meiner Untersuchung
mehr in der Erweiterung bekannter Strabobruchetücke als
in der Auffindung neuer Fragmente. Ja, ich habe sogar auf die
Ausbeutung aller der Stellen verzichtet, wo zwar die Art des
Inhaltes mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf Strabo als
Gewährsmann seh Hessen lässt, aber kein anderer Anhaltspunkt
vorliegt. Um nur ein Beispiel anzuführen, Strabo spricht ver-
schiedene Male (fr. 29, 31 und 82) vom toronäischen Meerbusen;
da ist doch wohl die Annahme beinahe zwingend, dass er auch
die Stadt Torone erwähnt haben wird, welche dem Meerbusen
den Namen gegeben. In unserm Strabo nun steht nichts von
Torone, dagegen lesen wir bei Eustathius p. 276, v. 13 f. die
sehr brauchbare Nachricht : ίνθα που και τόπος τις κατά πάρα•
φθοράν Τορώνη λεγόμενος. Da möchte man gern diese Worte
auf Strabo zurückführen und zwar um so lieber, als uns im
vorausgehenden — wenigstens meiner Ueberzeugung nach — ein
strabonisches Fragment vorliegt. Aber die in diesem Bruchstück
erwähnte Halbinsel Pallene und die Stadt Torone (auf der Halb-
insel Sithonia) können unmöglich bei Strabo unmittelbar neben
einander erwähnt worden sein, und es liegt uns daher hier keines-
wegs ein zusammenhängender, einheitlicher Bericht vor. So habe
ich nicht nur diese, sondern alle Stellen ausser Acht gelassen,
in denen wir nur bis zu einer Wahrscheinlichkeit, nicht aber,
gestützt auf sichere Anhaltspunkte, bis zu einem hohen Grade
von Gewissheit gelangen können.
Folgende Stellen glaube ich nunmehr als strabonisch in An-
spruch nehmen zu dürfen :
1. Eustathius (Müller) p. 268, 44— p. 269,7: φησί bk
6 αυτός Γεωγράφος και δτι ό "Ίστρος ποτέ Ματόας έλίγ^το,
δ έστι κατά "Ελληνας δσιος* και δτι πολλάκις μέν οι Σκύθαι
bf αύτου περαιούμενοι ούοέν ίπασχον, συμφοράς bi ποτέ αύ-
τοϊς έπειςπεσούσης ήρμηνεύθη Δάνουβις ή Δάνουσις, ώςπερ
του άμαρτεϊν εκείνους αιτίαν Ιχιυν (τουτέστιν αΐτιώμενος bia
Unbeachtete Strabofragmente 441
του τοιούτου ονόματος υπ' εκείνων κατά την αυτών γλακτσαν,
ώς αίτιος αύτοϊς όυςτυχίας γενόμενος). Diese von Eustathius
ausdrückliüb als Erzählung des Strabo (denn er ist κατ' έΕοχήν
ό Γεωγράφος) bezeichneten Worte würden wir bis jetzt vergeb-
lich in unsern Straboausgaben suchen. Denn der Gedanke, dass
wir uns hier in der glücklichen Lage befinden, ein namentlich
bezeugtes Strabofragment zu besitzen, scheint den Herausgebern
bisher nicht gekommen zu sein. Das mag seinen Grund darin
haben, dafts uns bei 8teph. Byz. unter Δάνουβις eine ganz ähn-
liche Angabe überliefert ist: Δάνουβις ή Δάνουσις, Ίστρος ό
ποταμός, πάλαι Ματόας καλούμενος, συμφοράς bi τοις Σκύθαις
έπιπεσούσης ούτως εκλήθη. Ματόας bk λέγεται ές τήν Ελλη-
νίδα γλώσσαν άσιος. δτι πολλάκις περαιούμενοι ούοέν έπεπόν-
θεισαν. 6 bi Δάνουσις ερμηνεύεται ώςπερ του άμαρτεϊν ίχων
αιτίαν. Anstatt nun anzunehmen, dass wie in zahlreichen andern
Fällen (man vergleiche hierüber den index scriptorum in Meinekes
Stephanusausgabe), so auch hier Stephanus von Strabo abhängig
ist, bat man bisher vermutbet, dass es sich hier bei Flustathius
um einen Schreibfehler handelt, der aus dem ursprünglichen
έθνικογράφος (dh. Stephanus) ein γεωγράφος (dh. Strabo) hat
entstehen lassen (Sernhardy: *ceterum ό αυτός Γεωγράφος niirum,
ni librariorum lapsus procndit, cum pleraque sint deprompta de
Stephano v. Δάνουβις : neque enim Strabo tale aliquid memo-
ravit. Quare videtur vetus lectio fuisse oblitterata ό έθνικο-
γράφος). Doch scheint es mir schon bedenklich, das in diesem
Commentar wenigstens kaum nachweisbare έθνικογράφος durch
Conjeotnr zu erschliessen (Eustathins citirt gewöhnlich mit den
Worten ό τά εθνικά γράψας), und zweitens würden doch dann
diese Worte ό αυτός έθνικογράφος weder zu dem vorausgehen-
den noch zu dem nachfolgenden Berichte passen, der in beiden
Fällen sich an Strabo anlehnt (p. 268 v. 43 : τόν παρά τψ Γεω-
γράφψ έτερον *Ίστρον und ρ. 269 ν. 7: λέγει bk εκείνος και
δτι τω Ίστρω παράλληλα κτλ. = Strab. ρ. 313). Deshalb hat
man auch an einen sachlichen Irrthum des Eustathius selbst ge-
dacht, der hier den Stephanus mit Strabo verwechselt habe. So
schreibt Müller, *At quae sequuntur, errorem ipsius potius Eu-
stathii esse coarguunt'. Müller ist es aber auch, der in seinen
folgenden Worten zweifelnd diejenige Ansicht andeutet, die ich
rückhaltlos für die einzig richtige erkläre, dass wir hier nämlich
ein Strabofragment vor uns haben : *Modo errorem subesse recte
statuamus. Fieri enim potest, ut nostra petita eint e Straboniani
442 Kunze
libri eeptimi parte deperdita, quam laudaverit Stephanus*. Mit
dieser Annahme lösen eich alle bisherigen Schwierigkeiten der
Erklärung am einfachsten und natürlichsten. Uebrigens können
wir aus Strab. p. 305 und p. 311 noch deutlich nachweisen, dase
Strabo in der That um derartige üebergSnge der Skythen über
die Donau nach Thrakien gewueet hat. Und die Wahrscheinlich-
keit, dass er gegen Schluss seines 7. Buches, wo er ja Thrakien
behandelt, noch einmal ausführlich auf diesen Gegenstand za
sprechen gekommen ist, wird wohl niemand yon der Hand weisen.
Die von mir eingeklammerten Worte des Eustathius (τουτέ(Ττιν
bis γενόμενος) möchte ich nicht zum Strabofragment selbst
rechnen, sondern ich sehe in ihnen nur eine Erläuterung, die
Eustathius zu den vorausgehenden Straboworten giebt Daher
fehlen auch die entsprechenden Worte bei Stephanus. Schliess-
lich sei noch beiläufig darauf hingewiesen, dass wir uns an dem
citirten Stephanusartikel eine Vorstellung von der unverstän-
digen, ja sinnlosen Art und Weise bilden können, in welcher der
Epitomator den Text des Stephanus behandelte. Es macht sich
nämlich die Umstellung der Worte (Τυμφορας bis εκλήθη (wie
auch Meineke will) hinter έπ6πόνθ6(Ταν nothwendig, nm nur
einigermassen den ursprünglichen Sinn herzustellen, was wir ja
hier an der Hand von Eustathius bequem beurtheilen können.
2. Eustathius p. 309 v. 36 = Strab. fr. 7: δτι έπι 'χέ-
—43: Κορινθίων έστι κτίσμα λωτι έν παροιμίας μέρει *TC-
ή Κέρκυρα κοί ηύΗήθη ποτέ, και λαται Κέρκυρα ταπ€ΐνα)θ€ϊσα
πολλάς πόλεις και νήσους φ- τοις πολλοίς πολέμοις = fr. 8:
κισε και ναυτικόν ίσχε πολύ, δτι ή Κέρκυρα τό παλαιόν εύ-
ώςτε και έν τφ Περσικά» πο- τυχής ήν καΐ όύναμιν ναιτπκήν
λέμψ οΐ Κερκυραίοι ναυς έΕή- πλείστην εϊχεν, άλλ' ύπό πολέ-
κοντα έπλήρωσαν, δταν τό άμ- μων τινών καΐ τυράννων έ<ρ-
φίβολον του πολέμου εύλαβού- θάρη • καΐ ύστερον ύπό Tui-
μενοι ούτε τω ΞέρΕη ούτε τή μαίων έλευθερωθεϊσα ουκ έπη-
Έλλάόι έβοήθησαν, άλλα την νέθη, άλλ' έπΙ λοιόορίςι ποροι-
βοήθειαν άνεβάλλοντο. ' Ηρη- μίαν έλαβεν ' ελευθέρα Κόρκυρα,
μώθη bk αύθις, ώς και εΙς χέε' δπου θέλεις*,
τοιαύτην παροιμίαν πεσεΐν '
* ελευθέρα Κέρκυρα, χέΓ δπου
θέλεις \
Diese beiden Angaben über die einstige Macht (von den
60 Schiffen spricht auch Herodot VII 168) und den nachmaligeo
Verfall von Korkyra ergänzen sich auf das vortheilhafteete. Einen
ünbeaGhiete Strabofragmente 443
zwingenden Beweis oafür, dass uns vom ersten bis zum letzten
Worte des Eostatbius wirklieb die Angabe des Strabo vorliegt,
sebe icb in folgendem Umstände. Die eigentlicbe Scbärfe des
iSpottverses: 'ελευθέρα Κόρκυρα, χέΙ* δπου θέλ€ΐς* wird οηβ aus
dem bis jetzt bekannten fr. 8 gar nicbt recbt klar, sondern es
muss unbedingt neben dem έλευθ6ροΟ(Τθαι aucb das έρημοΟαθαΐ
des £u8tatbius, sei es wörtlicb, sei es wenigstens dem Sinne nucb
genannt gewesen sein (das ούκ έττηνέθη in fr. 8 ist so matt
and farblos, dass es beinabe wie corrupt aussiebt). Ergänzen wir
nun fr. 7 und 8 durcb die angeführten Worte des Eustathius,
so verschärft sieb uns das Witz wort der G-riecben zu dem beissen-
den Ausspruch: 'ihr seid frei, Kerkyräer! Ihr könnt jetzt tbun,
was ihr wollt; ja, ihr könnt zB. sogar χέ2ΐ6ΐν, wo ihr wollt,
gleich mitten in der Stadt ; denn diese neuro Stadt gleicht ja über-
haupt mehr einer Einöde als einem bewohnten Orte'.
3. Eu St. p. 242, 4— 11: ίχ€ΐ = Strab. fr. 58 Anf.r δτι
γάρ άμφιβόλως ταΟτα bia τους Ελλήσποντος ούχ ομολογείται
παλαιούς, ών di μέν μόνα τά παρά πδσιν 6 αυτός, άλλο bo-
κατά Σηστόν και *Άβυοον Έλ- Εαι περί αύτου λέγονται πλείους.
λήσποντον εϊπον, οι bk και oi μέν γάρ δλην τήν ΓΤροπον-
δλην την ΓΤροποντίοα, ο'ί bk τίόα καλοΟσιν 'Ελλήσποντον,
μέρος τι αυτής το εντός Πε- οι bk μέρος τής Προποντίοος
ρίνθου ήτοι 'Ηράκλειας τφ τό εντός Περίνθου * ο1 οέ προς-
Έλλησπόντψ απένειμαν, öi bk λαμβάνουσι και τής ?£ω θα-
καί τι του Αιγαίου πελάγους λάσσης τής προς τό Αίγαϊον
τψ Έλλησπόντψ προςέθεντο* πέλαγος και τόν Μέλανα κόλ-
καθά που τάχα καΐ ^Όμηρος, πον άνεψγμένης .... μάρτυρα
δπερ και πλατύν εκείνος λέγει καΐ "Ομηρον καλούντες κτλ.
Ελλήσποντο ν.
Schon Müller hat die Thatsache, dass es sich hier um ein
ziemlich umfängliches Strabofragment handelt, richtig erkannt,
wenn er zu der Stelle des Eustathius sich äussert: ^Ducta sunt
e Strabone, cuius vide lib 7 fragm. Vatic. 57 (Meineke Ö8)\
Doch hat es Müller noch unterlassen, eine wichtige Folgerung
zu ziehen, dass wir nämlich aus Eust. das vaticanische Strabo -
bruchstück trefflich ergänzen können: Bis jetzt fehlt ja bei Strabo
die ganz uneriässlicbe Angabe, dass manche Gewährsmänner nur
die Meerenge zwischen Sestus und Abydus Hellespont nennen;
also gerade die aliergebräuchlichste Auffassung ist bei Strabo
nicht angegeben, wenn wir nicht auf Grund von Eustathius bei
Strabo zwischen (Ά μέν γάρ und δλην τήν ΓΤροποντίόα die Worte
444 Kunze
aufnehmen: <μόνα τά κατά Σηστόν και "Aßubov, οι bk και).
Da man nun ferner aus den bei Euetathiue v. 11 folgenden
Worten (τούτοις bi μη φαινόμενος άκολουθεϊν ό Διονύσιος)
deutlich erkennt, dnes er bis zu dieser Stelle nur aus oiner
Quelle geschöpft hat, so haben wir auch noch das Eomercitat
V. 10 (πλατύν εκείνος λ^γ^ι Έλλήσποντον = Hom. II. Ρ 432
und Η 86) als strabonisches £igenthum zu rechnen. Und in der
That finden wir ja im vatioaDischen Strabofragment schon zwei
andere Uomerstellen citirt, durch welche Strabo in seiner be-
kannten Weise geographische Ansichten einer spätem Zeit schon
als homerisch zu erweisen sucht (IL I 360; Δ 520 nnd Β 845).
4. Eust. ρ. 244, 5—8: Διά bi τό κακόΕενον και όύςπλοον
αύτου και τό εις Πόντον οπελθεΐν δμοιον ήν τψ εις μ^γα κακόν,
ώς και ο1 παλαιοί φασιν* δπερ μέχρι και εΙς δρτι κρατεί, και
τούτο οηλοϊ μέν και ό Γεωγράφος. Dieses ofifenbare Strabo-
citat will Müller (in seiner lateinischen Uebersetzung des Έη-
stathins) in Strabo p. 21 wiederfinden, yermuthlich in den Worten:
τους πλεοντας έκεϊσε (seil. εΙς τόν Πόντον) ομοίως εκτοπί-
ζει ν έοόκουν ώςπερ τους ίΕω στηλών έπι πολύ προϊόντας.
Doch von der Ansicht, dass τό εΙς Πόντον άπελθεϊν δμοιον ήν
τψ εις μέγα κακόν, lesen wir dort nichts» und es widerspräche
aller Wahrscheinlichkeit, dass, wenn hier wirklich nur ein un-
genaues Citat von Strabo p. 21 vorläge, bei dieser Citirung die
Fassung des £ustathius schärfer und bestimmter ausgefallen sein
sollte wie die des ausgeschriebenen Strabo selbst. Denn so ist
doch ohne Zweifel das Wertverhältniss zwischen έκτοπίΖείν und
εΙς μέγα κακόν. Nein, wenn man für diese £ustathius8telle den
erhaltenen Text des Strabo heranziehen wollte, so wäre viel eher
an Strabo p. 298 (Ende) zu denken: δπλουν είναι τότε την
θάλατταν ταύτη ν και καλεϊσθαι "ΑΕενον biä τό όυςχείμερον
και τήν αγριότητα των περιοικούντων εθνών. Doch auch
diese Stelle entspricht in einem wichtigen Punkte nicht der Dar-
stellung des Eustathius. Während nämlich dieser ausdrücklich
auch von der Gegenwart spricht (δπερ μέχρι και εΙς αρτι κρα-
τεί), gelten Strabos Worte ρ. 298 nur von der Vergangenheit
(τότε). Meiner Ueberzengung nach haben wir es auch hier —
was man bisher verkannt hat — von Anfang bis zu Ende mit
einem Rtrabonischen Fragment aus Buch 7 zu thun.
5. Eust. p.315,32— 37: Σά- = Strab. fr. 50: ibiboEi
μος θρακία, ήτις Καβείρων εΤ- τους Τρώας τά έν ΣαμοθρςΙκη
χεν ιερά, οι καΐ Κορύβαντες μυστήρια.
unbeachtete Sträbofragmente 445
έλέγοντο, και Θάσος, ήτις και fr. 51: δτι τους έν τή Σα-
χρυσία €Ϊχέ ποτ€, και τό Δά- μοθρ()Ικη τιμωμένους θεούς εΙ-
τον συνψκισε, πόλιν fvboEov ρήκασι πολλοί τους αυτούς τοις
περί τήν του Στρυμόνος πα- Καβείροις.
ραλίαν. άφ' ου παροιμίαν ο\ Strab. fr. 33 (Ende): εισι bk
παλαιοί φασι *Δάτος αγαθών', περί τόν Στρυμονικόν κόλπον
ώς τό 'αγαθών άγαθιοες\ πόλεις και ^τεραι, οίον . . .
Δάτον, δπερ καΐ άρίστην ?χει
χώραν καΐ εδκαρπον και ναυ-
πήγια και χρυσού μέταλλα • άφ'
ου και παροιμία * Δάτον αγα-
θών*, ώς καΐ 'αγαθών άγαθϊ-
οας' = fr. 36 (Anfang).
Es ist unverkennbar, dass Euetath ganz nnd gar die Er-
zählung Strabos wiedergiebt. Das Neue nun, das wir aus Eustath
als Bericht Strabos kennen lernen, besteht in der Nachricht, dass
Daton eine Colonie von Thasos ist.
6. Eust.p. 298, 11—12: άπ' = Strab. fr. 3: δτι ή πα-
αύτής καΐ *τό Διυοωναΐον χαλ- ροιμία *τό έν Δωδώνη χαλ-
κεϊον* έπι τών πολυλόγων. κίον' εντεύθεν ώνομάσθη, κτλ.
Durch Enstathius wird also das strabonische fr. 3 insofern
erweitert, als wir nunmehr erfahren, dass das Sprichwort auf
schwatzhafte Menschen angewendet wurde (hierzu siehe auch
Steph. Byz. s. v. Δωδώνη).
7. Eust. p. 314, 42—315, 1: Σηστός μέν. Λεσβίων άποι-
κος, καθο καΐ ή Μάδυτος, ώς ό Γεωγράφος φησί, Χερρο-
νησία πόλις, 'Αβύδου οιέχουσα σταοίους λ', έκ λιμένος εΙς λι-
μένα. Dass Eustath sich hier der Angaben des Strabo bedient
hat, giebt er ja selbst an, aber das Yerständniss der Stelle wird
uns insofern erschwert, als wir die Bemerkung ώς ό Γεωγράφος
φησι einerseits auf Λεσβίων άποικος beziehen können (und dann
erfahren wir aus Eustath nichts, was wir nicht schon aus Strabo
p. 591 wüssten); andererseits aber könnten diese Worte auch zu
ή Μάδυτος gehören, und dann würde dadurch für uns das stra-
bonische fr. 56 ergänzt: εΤτα Μάουτος και Σηστιάς άκρο κτλ.
Die letztere Annahme gewinnt sehr an Wahrscheinlichkeit durch
das eigene Geständniss Strabos (p. 591): περί bk Σηστού κα\
τής δλης Χερρονήσου προείπομεν έν τοις περί τής θρςίκης
τόπο ι ς, dh. Strabo hat in dem verloren gegangenen Schluss
des 7. Buches ausdrücklich über Sestos usw. berichtet.
446
Kunse
Hierzu gesellen sich nun noch einige Bruchstücke, die für
uns nur von geringer Bedeutung sind, weil ihr Inhalt nirgends
über das bisher schon Bekannte hinausgeht:
8. Eustp. 275, 30-32: κα-
λούμενοι hl ποτέ Βρίγες, είτα
μεταβάντες εΙς *Ασίαν μετέπε-
σον εΙς τό τών Φρυγών δνομα
= Ε U St. ρ. 359, 40—42 : δλλοι
bi φασι κα\ έτερους Εύριυ•
παίους εϊναί ποτέ Φρύγας, έΕ
ίιν περαιωθίντων οΐ κατά τήν
*Ασίαν έγίνοντο.
9. Eust. ρ. 276, 11 — 13:
οϊονται bi τίνες ΓΤαλλήνην λέ-
γεσθαι τήν τής Καασανορείας
χερρόνησον, τφ Αιγαίψ καΐ αυ-
τήν παρακειμένην.
= Strab. fr. 25: Βρίγες θρςι-
κών έθνος, ιΐιν τίνες διαβάντες
εΙς τήν Άσίαν Φρύγες μετιυ-
νομάσθησαν, siehe auch Strab.
ρ. 295: και ούτοΙ οΐ Φρύγες
Βρίγες είσί, θρ<|1κιόν τι ίθνος.
= Strab. fr. 27 : δτι ή Παλ-
λήνη χερρόνησος, ής έν τώ
Ισθμψ κείται ή πριν μέν ΤΤοτί-
όαια, νυν hi Κασσάνορεια,
Φλεγρα τό πριν έκαλεΐτο.
Obwohl Steph. Byz. unter Παλλήνη ganz Aehnliches ent-
hält, so muss dieser doch auf jeden Fall als etwaiger Gewährs-
mann ausscheiden, weil Eustath selbst vorher die Angaben des
Stephanus anführt (Z. 3 ff.) und mit οΤονται bi τίνες einen ge-
wissen Gegensatz aufstellt.
10. Eust. p. 261, 42—43:
ήν bi. και ό Μακεδών ήγεμών
ποτέ τής ομωνύμου χώρας,
ήτις και 'Ημαθία πρότερον έκα-
λεϊτο.
11. Eust. ρ. 32.3, 3G bis
324, Ι: ό Μέλας κόλπος . . .
τήν κλήσιν ίχων άπό ποταμού
Μέλανος . . . έκόώόντος είς
αυτόν . . . κόλπος bk Μέλας
εστίν, ώς οΐ ακριβέστεροι λέ-
γουσιν . . ., περί δν καΐ ή Αί-
νος κείται, πόλις ΑΙολική. φασι
γάρ δτι έν τφ Μέλανι κόλπψ
ή Αίνος προς τή εκβολή τοΟ
*Έβρου.
12. Eust. ρ. 241, 29—31:
του μέντοι 'Ελλησπόντου τό
στενώτατον έπταστάδιόν έστι,
= Strab. fr. 11 (Anfang):
δτι Ημαθία έκαλεϊτο πρότερον
ή νΟν Μακεδονία, ίλαβε 5έ τοδ-
νομα τούτο άπ' αρχαίου τινός
τών ηγεμόνων Μακεοόνος.
Strab. fr. 52 (Anfang): προς
τή εκβολή του "Εβρου οιστόμου
δντος πόλις Αίνος έν τψ Με-
λάνι κόλπψ κείται, κτίσμα Μι-
τυληναίιυν κα\ ΚυμαΙιυν.
= Strab. fr. 57 (Ende) : του
bfe Ελλησπόντου τό στενώτα-
τον έπταστάόιόν ψί\α\.
Unbeaobteie Strabofragmenie 447
ircpi που τήν θρςικίαν χερρό-
νησον κατά Σηστόν.
Eüstath könnte hier ja auch eine andere Straboetelle ver-
werthet baben, welcbe dieselbe Notiz bringt, nämliob p. 591 :
ενταύθα (bei Abydae) ίστι τό έπτοστάοιον δπερ ilevie Ξ^ρΕης,
aber grössere äussere Aebnlicbkeit befürwortet mehr die Ansicht,
dass wir die Worte des Eustath anf Buch 7, fr. 57 zurück-
zuführen haben. — Ob nun Eustath seine folgenden Worte (έπτα-
στάδιον bt κατά τόν Γεωγράφον ομοίως και τό τοΟ Σικελι-
κού πορθμού στενώτατον) gleich im Anschlüsse an das Voraus-
gehende im 7. Buche Strabos las oder ob es die Worte Strab.
p. 122 sind (6 προς τή Ίτολίςι πορθμός έπταστάόιος), die er
aus eigener, auserlesener Gelehrsamkeit zur Yergleichung heran-
zieht| muss natürlich dahingestellt bleiben.
Schliesslich können wir aus Strabo selbst Bruchstücke seines
7. Buches reconstruiren. Dafür ergaben sich mir folgende, nur
nebenbei gefundene Beispiele :
13. Strab. p. 443: εϊρηται έν τοις Μακεοονικοϊς,
δτι ίστι (seil, τό Όμόλιον) προς τή "Οσση κατά τήν αρχήν τής
του Πηνειού bia ταιν Τεμπών οιεκβολής. Wir könnten diese
Worte etwa als fr. 16® ansetzen.
14. In gleicher Weise wird von Strabo p. 550 eine Stelle
seiner Beschreibung Makedoniens oitirt, die für uns verloren ge-
gangen ist: ό bk. Σκήψιος οδτε τήν τούτου böEav ίοικεν άπο-
οεεάμενος οδτε τών περί τήν ΓΤαλλήνην τους Άλιίώνους ύπο-
λαβόντων, ίιν έμνήσθημεν έν τοις Μοκεόονικοϊς. Diese
Worte könnte man etwa als fr. 25* oder 27• einschieben.
15. Endlich gehört hierher die schon oben angeführte Stelle
p. 591: περί bi Σηστού καΐ τής δλης Χερρονήσου προείπομεν
έν τοις περί τής θρ(|1κης τόποις (= fr. 56).
16. Dass wir aber bei Strabo manchmal auch an solchen
Stellen Lücken anzunehmen haben, wo wir es an und für sich
kaum vermuthen würden, lehrte mich folgender Vergleich:
Eust. p. 342, 34— 39: δτι Strab. p. 495: lujOi bk άπό
περί τόν βηθέντα ϊσθμόν κείται τών κατά θάλατταν ληστηρίων,
καΐ τό μέγα φυλον τών Καμα- ακάτια έχοντες λεπτά στενά
ριτών, οί οοτιυ λέγονται άπό και κουψα, δσον ανθρώπους
πλοίιυν στρογγυλών ληστρικών, πέντε καΐ είκοσι δεχόμενα, σπα-
θίς έχρώντο, δ έκαλουντο κα- νιον bk τριάκοντα οίΕασθαι
μάραι παρ' "Ελλησιν. ήσαν bk τους πάντας δυνάμενα* κα-
448 Κ u η 2 e Unbeachtete Strabofragmente
ακάτια λ€πτά, στενά καΐ κουφά, λουσι b' αυτά οί Έλληνες κα-
άνθρώπους εις κε' beχόμ€vα, μάρας.
σπάνια bk και εΙς λ'.
Έβ ist leicht ersichtlich : die beiden Erzählungen ähneln
sich 80 auffällig, dass Eustath nnbedingt den Strabo ausgeschrieben
haben mues, nur fehlt bei letzterem bisher die Erwähnung des
Namens Καμαρΐται. Doch gewiss wird er dem Strabo auch die
Kenntniss dieses seltenen Namens yerdanken, der tiberhanpt bei
keinem griechischen Schriftsteller ausser bei Enstath nachweisbar
zu sein scheint. Wir haben daher, ohne dabei dem Vorwurfe
der Willkür zu verfallen, bei Strabo eine kleine Lücke anzu-
nehmen und etwa zu ergänzen : καλοΰσι b' αυτά ol Έλληνες
καμάρας, <άφ' ών και αυτούς λέγουσι Καμαρίτας). Εβ
bedarf kaum noch eines Hinweises, wie leicht in Folge der Aehn-
lichkeit zwischen καμάρας und Καμαρίτας die dazwischenetehen-
den Worte von einem Abschreiber weggelassen werden konnten.
Grimma. R. Kunxe.
ANALECTA THEODORETIANA
PoRteaquam vere anni 1900 libellnin, qui inRcribitur De
Theodoren Graecarum affectionum curationCy in lucera emiei» in
animo mihi erat editionem huius Theodoreti operie qnam primum
comparare. Neque tarnen mihi licuit operam meam tam celeriter
absolvere, quam speraveram. Pancis enim mensibus, poetquam
prodierat libelios mens, benevolentia viri dootiseimi meisque etu-
diie enmmo opere faventie, loanniR Mercati, certior factus sum, in
bibliotheca Vaticana etiamtam latere codicem praestantissimum
Theodoreti Corationem continentem, qui me antea in illa biblio-
theca versantem effngieset neqae omnino nmquam diligentias in-
spectuB esset. Itaque textns recensendi operam tam dia differre
constitui, quoad huias codicis ingenium penitas cognovissem.
£xita vero anni 1901 cum Romam me contulissem, codicem in-
spexi totnmqne contuli, quo factum est, ut de quaestionibus non-
nullis ad textus recensionem pertinentibus certius iam diiudicare
poesim quam antea.
Codex est Vaticanus 2249, olim Columnensis θ^^, membra*
neue in 8^°, foliorum 320, saeculi, ut videtur, decimi. Gontinet
foll. 1 — 163 varia Dionysii Areopagitae opera, fol. vero 164 in-
cipit Theodoreti Curatio, qnae codicem explet usque ad finem.
Sicut aetate praestat ceteris codicibus omnibns, quibus asservata
est Theodoreti Cnratio, ita, licet locis haud paucis neglegentia
quaedam librarii appareat, bonas tarnen scripturas tam saepe ex-
hibet, ut affirmare liceat, huius maxime auctoritate genuina Theo-
doreti verba revocari posse. Nee raro etiam confirmare mihi
videtur, quae antea disputayi; est tarnen, ubi me erraviese ex eo
edoctus sim. Quo melius intellegantur, quae infra disputabo,
primum iterare libet summam eorum, quae de ceteris codicibus
in libello supra nominato exposui.
Codicum genera tria distinxi, quorum primo praesunt Bod-
leianus Auct. E. II. 14 (signatus littera B) et Laurentianus
Bbein. Mm. f. Phllol. N. F. LYII. 29
450 Ε ft 6 d e r
X 18 (L), alteri Parisinns Coicdinianus 250 (C) et in priore operis
parte Vaticanus 626 (V), tertio Scorialeneis X. Π 15 (S). Huc
accedit mixtam genns, ad qnod pertinet imprimis Marcianue 559 (M)
et in posteriore operis parte etiam cod. V modo commemoratns.
Longe optimos habni Codices generis primi (BL), cum secundi
generis Codices (CV) mixtique (M) etiam ex parte non solom
scribendi erroribus satis multis, sed etiam interpolationibus labo-
rent ; ad tertii deniqne generis Codices (S), quamquam vitiis band
paucis inquinati eint, saepe tarnen velut ad arbitros confagiendum
esse existimavi. Hoc tarnen ex locis a me traotatis mihi apparere
yidetnr, si errores tantum scribendi spectemos, cnm CV potias
coniungendum esse codicem S, interpolationibus tarnen plerisque
vacare, quibns abundant illi.
Redeamus nunc ad codicem nostram Yaticanum 2249, quem
Κ littera signare übet. Qui quamquam, ut dixi, aetate pariter
ac bonitate ceteris praestat, nuUus tamen illorum ex eo descriptns
esse potest. Vitia enim praebet nonnnlia, quae in nullo alio co-
dice inveniuntur. Praef. 10 (p. 2, 29 Sylb.) praebet ibti και tuüv
θυσιών (καΐ τών θυσιών ibei cett), II 85 (ρ. 33, 37) cm. solue
ψυχήν, ac continuo post praebet προσονομά2!ουσι pro προσαγο-
ρεύουσι, ΠΙ 22 (ρ. 42, Ι) praebet έκάλεσαν pro ώνόμασαν, V
22 (ρ. 73, 16—17) om. solus verba έν τή κοιλίφ τής καρδίας*
οΐ bk έν τψ αϊματι * και οΐ μέν, VII 21 (ρ. 105, 42) praebet
θεραπεύων pro ιατρβΰων, VIII 4 (ρ. 111, 17 — 18) om. βοΐοβ
verba άφορώντες άλλα τόν οϊνον θαυμάϊοντες, IX 69 (ρ. 134, 40)
praebet βίον pro χρόνον.
Hie expositis alii loci afferendi sunt, nbi Κ codex solus
veram scripturam servavisse videtur. IV 53 (p. 65, 21) praebent
βςίστον απόντων τών ποιητών BLMCV, et ^ςίστον άπάντιυν τών
ποιήσ€ΐυν S, quam scripturam in codiee etiam Palatino 214 in-
venit Sylburgius, edidit autem e coniectura βςίστον όπασών τών
ποιήσεων ; veram scripturam ^ςίστον απάντων τών ποιητέων
servavit Κ. Recte etiam ήβρυσμένων praebet V 8 (ρ. 70, 45)
(ήβρυσμένων S, ήβρισμένων BL, ήκριβωμένων V et Pal. 214,
om. MC). V 14 (ρ. 71, 37) inter verba Philolai formam doricam
σάματι solus servavit (σώματι BL, σήματι MSCV et Clementis
cod. L). Denique animadvertendum est, IV 11 (p. 57, 45) eolum
eum praebere Έκφαντος, quam scripturam coniirmat Stobaeus
(Έκφατος BL•, Διόφαντος MSCV), sicut IV 12 (p. 58, 3) Mva-
Οέου (non Μνασαίου) cum Plutarcho.
Satis igitur demonstrasse mihi videor, Κ codicem, com
Analecta Theodoretiana 45χ
•
locis haud paucis propriae soripturas, bonas aliae, alias pravas,
exhibeat, nnllo modo neglegendura eese. Saepius vero accidit,
nt looiR, nbi ceteri codicee inter se diseentiunt, a Κ oodice scri-
ptura alterutra confirmetur. Itaqne quid ipse scripeerit Tbeodo-
retus, Duno certius quam antea diiudicare poesumae.
Nee dubinm esse poteet, quin ad Codices optimoe BL pro-
xime accedat codex E. Cum hnios generis oodioibos id commnne
habet, ut praefatio operis inscribatar προθειυρία (deest tarnen ini-
tium in L), cum in oeteris aut verbo ύπόθ€(Τΐς aut omnino non
inscribatur. Praeterea vitia nonnuUa maioris momenti cum illis
oommunia habet. Π 9 (ρ. 22, 37) cum BL om. αρχήν, quod
desiderari nequit, Π 24 (ρ. 25, 10) cum iisdem praebet μνημο-
νικόν pro μή μόνιμον, IV 59 (ρ. 66, 20) cum iisdem verba μ€-
γαλαυχουσιν οδτε σμικρυνόμενοι pessime transposuit post κι-
χρώμεναι, V 77 (ρ. 83, 22) cum BLM om. verba και αρετής
έφιέμεθα, VI 30 (ρ. 90, 25) cum L om. verba τής μεγίστης
πόλεως τούδε, et lacuna est in B, VII 9 (p. 103, 53) cum BL
om. verba (ΤεμνολογοΟσι και. Denique totam sectionem X 27
om. cum BL, dubium rectene.
Quamquam igitur ad BL propius accedit Κ quam ad ceteros
omnes» non tamen cum iis prorsus in unum coniciendus est ; mnlto
enim artiore vinculo illi inter se conexi sunt. Antea autem, Ε
oodice nondum adhibito, saepius locus erat dubitationi ; magno
enim aestimandi erant BL, neque tamen omnibus locis sequendi.
Nunc vero, ubi accessit auctoritas codicis K, affirmandum non est
illud quidem, hunc cum illis consentientem semper veram scripta^
ram exhibere — nam vitia quaedam, ut demonstravi, communis
habent — ; at si ceterorum codicura scriptura a Κ confirmatur,
errorem codicum BL plerumque deprehendere licet. Minatos
igitur est numerus locorum dubitationi obnoxiorum.
Exempla aflFero haec. I 54 (p. 12,9) cum SCVBrp. Μγρ.
praebet τττίλοις, non πτεροΐς, quod exhibent BLM, et quod in
illo proverbio, de quo agitur (τοις σουτου πτεροϊς ήλως), alibi
quoque invenimus. De hoc loco in dissertatione mea (p. 53) du-
bitaveram; nunc vero in codicibus BLM interpolationem subesse
potius crediderira. U 25 (p. 25, 13) manifesta corruptela codi-
cum BL τήν του τερατώδους Πυθαγόρου σοφίαν pro τήν τερα-
τώδη Πυθαγόρου σοφίαν in Κ ηοη invenitur; rectius etiam II
94 (ρ. 34, 48) αποστολική καΐ προφητική idem praebet cum
MSCV quam προφητική καΐ αποστολική BL (cf. dies, mea p. 49).
Praetulerim etiam II 101 (p. iJ5, 47) scripturam codicura KMSCY
452 R a θ d e r
όνομά2ΐ€ται (προσογορεύετοι BL). Eadem ratione errores co-
dicum BL deprebenduntur locis, qui sequuntur: III 75 (p. 49, 52)
τάς άγαλματοττοΛας pro της άγαλματοποιίος τά πλείστα, III
105 (ρ. 55, 31) φιλίαν pro bouXeiov, IV 03 (ρ. 67, 7) ουναμίνην
pro οοπανιυμένην, IX 11 (ρ. 124,40) πολιτείαν BLMV pro ήγε-
μονίαν, IX 21 (ρ. 126, 38) νομοθετών BLMV pro νόμων. Deni-
que XI 5 (ρ. 152, l^) forma eoloeca γνώσησθε a BL praebita,
qnam in diseertatione mea (p. 72) prorsue respaere ausue non
sum, a Κ non confirmatur; praebet enim γνώτε cum ceteris ple-
rieque (γνώσητε Μ).
Sunt etiam loci, ubi Κ codex cum uno vel paucis oodicibas
eorum, qui generie diverei sunt, scripturam babeat commnnem,
quae vera esse videatur. Praef. 5 (p. 1, 32) non dubito, quin
recte praebeant σοφών KS, om. autem ceteri. Etiam Praef. 13
(p. 3, 7) melior est scriptura ούοέν προγινώσκοντες, qnam prae-
bent Κ8Βγρ. Μγρ. Ογρ., quam altera scriptura a BMCV exbibita,
ούοέ μέρος γινώσκοντες, et Praef. 17 (ρ. Η, 35) ante είρημένίλΐν
bene addunt εο KM. Recte iidem et VS m. sec. V 3 (p. 69, 35)
praebent αυτήν pro αύτη, et XII 65 (p. 174,50) όρώντα poet
μαχομένας recte praebent RS soli, om. autem LM, et poet bta-
κωλύειν exbibent CL m. eec. Neque tamen semper pro vera ha-
benda est ea scriptura, quam Κ codex cum codicibus generis di-
verei communem babet. Sunt enim vitia quoque communia locie
nonnullis, eins tamen generie, ut ea de causa dubitari non liceat,
quin cum BL codicibus Κ artius cohaereat. Nam levia quaedam
vitia eiusmodi sunt, ut et hie et illic casu oriri potuerint.
I 49 (p. 11, 20) τών φιλοα;όφων τά δόγματα praebent KiS
pro τά τών φιλοσόφων δόγματα, Ι 86 (ρ. 15, 33) βοών pro
εΙπών, Ι 90 (ρ. 16, 9) ώνόμασεν KV (εϊπε S, έκάλεσε BLMC,
praecedit autem aliud έκάλεσε), V 6 (ρ. 70, 15) bia του προ-
φήτου προσενεγκών ΚΜ pro ττροσενεγκών οιά του προφήτου,
V 71 (ρ. 82, 14) λόγους KSCV pro λόχους, V1I1 17 (ρ. 113,44)
πυράν νήσας καΐ εαυτόν γε καθείς KS (καταθείς recte BL, έν
τώ ποταμώ πλησιάίοντί γε εαυτόν καθείς CV per interpolatio-
nem), IX 60 (ρ. 133, 8) om. νόμων KC, nee potest desiderari,
sed post σκυτοτόμου facile excidere potuit, IX 72 (p. 135, 2)
πόλις KSC pro πολιάς. Magie dubito de VIll 52 (p. 119,42),
ubi scriptura codicum BLMV της τών πραγμάτων βοώσης αλη-
θείας melior mihi videtur quam illa codicum KSC τής τών
πραγμάτων φωνής βοώσης, quae interpolationem ölet.
Eestant loci, ubi cum BL consentit K. Apparet antem, ei
Analectft Theodoretiftna 453
hi inter ee artine conexi »int, hie locis minus valere codicie Ε
teetimonium quam illic, ubi cum alterine generie codicibne con-
sentiat, ac locoe iam attnli, nbi iili vitia communia exhiberent.
Sed est etiam, nbi veram ecripturam tradant. Praetnli iam antea
1 21 (p. 7, 18) ecripturam codicnm BL φησί (pro φα(Τΐ) sicut
IV 67 (p. 68, 7) eornndem τερετιίόντιυν (pro κιθαριίόντων, quod
inepte dicitur de cicadie); utrubique antem Κ cum BL consentit.
Praeterea IV 70 (p. 68, 37) meliue KBLM άσπαρτος καΐ άνή-
ροτος (verba sunt Homeri ι 123) quam SCV άνήροτος και
δσπαρτος, sicut V 75 (ρ. 82, 47) meliue KBLS καταστίλλων
quam MCV κατασπών. VII Γ Γι 6 (ρ. 122, 24) scriptura codicnm
BL α\ bk τί γάμος ουκ επισταμένοι a Κ oonfirmatur (ίτι γάμους
SCV pro τί γάμος). Sed manifestum est, nnoquoqne loco rem
diligenter deliberandam esse.
Cum maltis locis non solum ipsius Theodoreti, sed eorum
quoque scriptorum, quorum verba exscripsit, Clementis maxime
et Ensebii, Codices nobis consulendi sint, hoc loco etiam illud
quaerendum est, quam bene Κ codex cum bis consentiat. Cum
vero ex ceteris codicibus BL ad dementem et Eusebium pro-
pins accedant, plura etiam ille cum iis communia habet. Quod
quamquam ad praestantiam eins comprobandam non nihil valet,
memoria tamen tenendum est, cum locis permultis magna negle-
gentia auctoree suos Theodoretus exscripserit, etiam hoc fieri po-
tuisse, ut scripturae Clementis vel Eusebii in Theodoreti Codices
per interpolationem inferrentur.
I 48 (p. 11, 14) cum LS et Eusebio recte ?χον praebet Κ
(εχόντων Β, ίχοντος Μ, ίχοντα CV), VI 23 (ρ. 89, Ι) solus
recte praebet καΐ bx] καθ' $οην (και bt] και καθ' $οην ceteri,
καΐ γάρ καθ* &bηv Clem. et Eus.), VI 43 (ρ. 93, 11) cum C et
Fiat, et Eus. praebet br\ φώμεν (Δημοφών ceteri corrupte), IX
38 (p. 129, 36) Piatonis ecripturam ατελή (του γελοίου σοφίας
1>ρ€πόμ€νος καρπόν) servavit Κ, apud Eusebium vero in δτ€ bi\
corrupta est, et ceteri Theodoreti Codices sie tradunt : δτ€ bia
BLSV, δτε br\ biä MC. Discimus ex hie locie, codicum scripturas
non nimis religiöse servandas nobis esse.
Sed est etiam, ubi Κ codex, etsi cum Theodoreti fontibus
consentiat., scripturam tamen ab illo alienam conservasse videatiir.
I 107 (p. 18, 21) in ceteris omnibus codicibne legimus τήν bk
έπιστήμην f£iv άμετάπτωτον μετά λόγου; Κ solue cum Clemente
(Strom II 2, 9. II 17, 76) υπό praebet pro μετά. Videtur e de-
mente illatum esse. VI 12 (p. 87, 4) male sequitur C et Euse-
454 Raeder
bium ούτω bfe και τό χρ€ών εΙρήσθαι praebene; recte autem BL
ούτω bi και χρεών παρά τό χρίος είρήσθαι; scilicet eic etiam
apud Eueebium scribendam est. Quomodo factum sit, at II 80
(p. 33, 8) cum CV coneentiene χρόνον praebeat K, ne8<io (λόγον
BLMS, τρόπον Plat. et Clem. et Eue.). Haec habui de codice
Vat. 2249 quae dieeererem^
In dieeertatione mea, quam antea commemoravi, soriptores
nonnulloe indicavi , qui Theodoreti Corationem exscripeerunt
(p. 65 eqq.); fuerunt autem Anaetaeiue Sinaita atque Demo, Ho-
meri interpree, quae vero apud Micbaelem Glycam Theodoreti
verba reperiuntur, ab bis sumpta esse euspicatus sum. lie, quae
tunc expoeui, quaedam addere placet.
Vidit iam GaisfordiuS; partem eorum, quae leguntur apud
Theodoretum VI 26 eqq., apud Suidam inveniri 8. v. Πλάτων,
sin vero Snidae editionem Bernhardianam consulas, non haec eo-
lum, eed etiam articuloR Σαρόανάπαλος et Σατανάς magna ex
parte a Theodoreto eumptos esse invenias. Neque tarnen exieti-
mandum CRt, Theodoreti Curationem Suidae notam fuisse. Apparet
enim, haec omnia Suidam a Georgio Monacho mutuatum esse.
Omnia, quae de PlatoniR doctrina Suidae narrat, locique ex eiae
soriptie desumpti iiedem fere verbis leguntur in Georgii Chron.
II 8 (p. 58 — 62); articuli vero Σαρόανάπαλος et Σατανάς sumpti
sunt e t 6 (p. 9—10) et II 7 (p. 55). Haec tarn manifeeta sunt,
ut pluribuB verbie opus non sit; notum autem est, permulta om-
nino Georgii apud Suidam reperiri^ Sed cum non solum Snidae
Georgium, verum etiam Georgius Theodoretum verbo tenus ex-
scripserit, factum est, ut haud raro ipsa Theodoreti verba apud
Suidam inveniantur^
^ De codicibus Theodoreti Gurationis haeo addere placet. Aaser-
vata est etiam in cod. Vaticano ürbinati 117 (saec. XV), fol. 1β9 eqq.
Evuleia autem sex quatemionibua, lacuna est a I 71 usque ad VI 37.
Hie codex affinis est codioi S, quocum praeter alia id commune habet,
ut praefatio vocetur οπόθ€σις» et ut XI 34 novus libri tilulus TTcpi
μ€τ€μψυχώσ€ως inveniatur. Praeterea initium operis usque ad I 27 in-
venitur in cod. Vaticano 1949, fragmentum exiguum in Vaticano 1898,
aliud in Athoo 4508, ut indicat Lambros in catalogo.
^ Vid. Krumbacher: Geschichte der byzantinischen Litteratur
* 566 sq.
^ Codicis Vaticani 1296, qui Suidae lexicon oontinet, primum
Aualecta Theodoretiana 455
Sed mnltis locie praeter eos, quoB indicavi, Georgius Theo-
doretnm exscripsit vel compilavit. Ego eoe afferam, qui mihi
innotuerunt ; sunt fortaeRe etiam alii, bis vero satie res demon-
stratur. I 6 (p. 9) quae de Sardanapalo tradit GeorgiuR, a Theo-
doreto XII 98—94 sumpeit. Tum vero II 6 (p. 52—53) de bar-
baris artium inventoribus Tb. I 19—20 sequitur. Dein traneit
ad pbilosopborum sententias de mundo exponendas Tb. IV 16
secutue. Anaxagoram et Pytbagoram et Platonem ab Aegyptiis
edoctos esse (p. 54), sumpRit a Tb. II 23 — 24. Sequitur ex-
positio de deorum gentium origine ; quae de ea disputat Georgine
(p. 54—55), omnia compilavit e Tb. III 7. 44. 49. 85. 23—33.
59, quae vero eequuntur de Satana (p. 55—56), sumpeit a Tb.
III 100—102. Dein (p. 58 — 57) barbarorum virtutee extollit;
utitur autem verbis Tbeodoreti V 60—75. In capite sequenti
(Π 8) agit de Piatone. Praemittuntur quaedam de atomis eumpta
a Tb. IV 10, dein vero aliorum pbilosopborum sententiae de for-
tona et fato exponuntur. Sequitur autem (p. 57 — 58) Tb. VI 14
— 15. 9. 7. V 48. 28. Ceteris pbilosopbis Platonem opponit,
qnippe qui liberum bominum arbitrium esse oontenderit Deumqne
mali cauRam esse negaverit (p. 58 — 61); verba exscripeit Tbeo-
doreti V 29—30. 33. 44-47. II 33—34. V 34—35. 37—88.
VI 26—31. Statim subiungit Platonis sententias de iudicio post
mortem futuro (p. 61 — 62); sequitur autem Tb. I 119. XI 25
— 27. Haec vero omnia Platonem in Aegypto ab Hebraeis di-
dicisse ait; addit autem verba eiusdem, quae affert Tb. II 78.
Denique iteratis, quae de falsis gentium opinionibus antea dispu-
taverat (affert autem p. 64 verba Tbeodoreti III 86), iisdem ver-
bis utens, quibus utitur Tb. VI 87 — 88, post Cbristi adventum
omnia oommutata esse contendit (p. 64).
His locis e posterioribue Cbronicorum partibus alii addendi
sunt, qui ipsi quoque a Tbeodoreto snmpti sunt. III 119 (p. 261)
de anacboretis agit iisdem verbis, quibus utitur Tb. III 92 — 93.
Transit deinde ad virtutem activam tractandam (p. 261 — 266),
Tbeodoretum ut antea exscribens (XII 4 — 7. 35—36. 30 — 31.
folium atque ultimum (fol. 55B) quaedam e Tbeodoreti Cnratione oon-
tinere ait Mercati (Giovanni Mercati: Note di letteratura biblica e
cristiana antica p. 210 sq.). At sunt re vera Georgii: fol. 1 ine. άλλα
καΐ δλλοις , des διαρρήδην ot προφήται διδάσκουσιν πα
(i e. Georg. Cbron. II 8 (ρ. ί)0 — fil)), fol. 556 ine. καταλύσβως καΐ
ίστιν φησίν , des ή προς τό οΟς ήχος έγέ (i. e. Georg.
ChroD. Π 6 (ρ. 51-53)).
456 Raeder
II 36—37. XII 43— 46. 53. 55—57). Denique IV 218 (ρ. 530 --
531) de aniinarum aeternitate ac iudicio supremo agit secutu«
Th. II 22. V 13. XI 40-41. 35.
Facile est intellegere, maxima socordia in Theodoreto ex-
ecribendo Georgium egisse. Logos Theodoreti e diversie Cura-
tionis partibus petitos alium alii subiecit, paucis commutatis vel
omissis vel de euo additis. Evenit autem, ut verba Theodoreto
apta, eibi inepta immutata reliquerit. Loquitur Theodoretus V
73 de Ismaelitis, de quibue utitur verbis oi νομάοες, o\ ήμίτ€ροι
πρόίΤχιυροί; etiam apud Georgium p. 56 legiraus oi παρ' ήμϊν
νομάδες και πρόσχιυροι; dicit Theodoretus V 72, de Persarum
ingenio testari posse, €i τις vöv πρ€σβ€ύα)ν f| στρατηγών ή
έμπορίαν τινά μετιών αύτοΐς (Τυνεγενετο; idem dicit Georgias
ρ. 56, cuius tempore Persarum regiium occiderat. Legimus apud
Georgium p. 57 : και γουν Δημόκριτος περί τούτου ουτιυς εΐ-
πεν* και γαρ τά μέν έκ θεού πάντες έχομεν, τά bk έκ τής
είμαρμίνης και τύχης και τών σμικροτάτων εκείνων σωμάτων
και προοήλως φερομένων άνω και κάτω παλλομένων και περι-
πλεκομένων τε και διισταμένων και περιφερόμενων H ανάγκης,
quae verba aliquantum mutata sumpsit a Th. VI 9; Democritum
vero ita locutum esse, non dixerat Theodoretus. Statim sub-
iungit haec verba a Th. VI 7 sumpta: άφ' ου ου μόνον πλοίι-
τον και πενίαν και ύγίειαν και νόσον και οουλείαν και έλευ-
θερίαν και πόλεμον και είρήνην οιανέμειν, άλλα και άρετήν και
κακίαν άποκληρουν ^φη, ubi illud άφ' ου, quod deest apud Theo*
doretum, nihil habet, quo respiciat; ceterum Theodoretus non
Democrito, sed Aristoteli haec verba tribuerat. Similiter quae
III 49 de Graecis narraverat Theodoretus, dicit Georgius p. 54
de Aegyptiis, nam quae praecedunt (apud Th. III 44), dicta erant
de Aegyptiis, neo melius p. 55 Romani dicuntur malos daemonas
ut deos coluisse, nam de illis non loqnitnr Th. III 59.
Accidit etiam, ut verba Theodoreti prorsus mataverit Geor-
gius vel alium sensnm iis subdiderit; plernmque enim male in-
tellexisse videtur. Sicut cum Theodoretus IV 10 de parvie illis
corporibus locutus esset, ά bia των ςκυτύγωγών εισβάλλων ό
ήλιος οείκνυσιν έν έαυτώ άνω και κάτω παλλόμενα, dicit Geor-
gius ρ. 57 : δείκνυσιν εαυτόν άνω και κάτω παλλόμενον; quam-
quam hoc fortasse librariis imputare licet. Male vero intellexit
Theodoreti verba XII 57 : και ό Σωκράτης bfe φυλάττεσθαι έκέ-
λευσε τά άναπείθοντα μη πεινώντας έσθίειν και μή διψώντας
πίνειν, quae sie reddidit ρ. 266: έτι bfe πάλιν Σωκράτης φυ-
Analecta Theodoretiana 457
λάττεσθαι σφόδρα και παρατηρεϊσθαι τήν άκρασίαν διδάσκων
?φη, μή π€ΐνώντας λίαν έσθίειν και μή διψώντας πολλά πί-
νειν. Seneus igitur plane commatatas est. Α lue locie sensu non
commulato paaca addidit de suo. Dixit Th. V 46 : ό δέ *Αρΐ(Ττο•
τίλης έτι ίαιντι τώ Πλάτωνι προφανώς άντετάΗατο; legimus
apud Georgiuro ρ. 58: Αριστοτέλης ό τάλας et προφανώς τε
και άναισχύντιυς. Infra Th. V 47: και γαρ δή την ψυχήν
εκείνου φάντος άθάνατον, ούτος Ιφη θνητήν, Georgine vero
ρ. 59: καΐ γάρ δή τήν ψυχήν εκείνου είπόντος τριμερή και
άθάνατον τε και θεοειδή, αυτός θνητήν ?φη και έπίκαιρον.
Quaerendnm est denique, quid verba genuina Theodoreti
nobis restituere conantibus excerpta Georgii valeant. Confiten-
dum est, cum ipse Georgine Theodoretnm exscripserit negle-
gentissime, ac praeterea opus illius pessime editum sit, nibil fere
enbsidii ex eo peti posse. Locis tarnen quibusdam utile erit in-
dicare, quibuscum codicibuR nostris consentiat Georgine. Tgitur
III 100 (p. 54, 23) om. Georgine verba ή θεία τραφή i^uni
KBLS, III 101 (ρ. 54, 33) exbibet του τύφου τό πάθος cum
KBL, ibid. (ρ. 54, 39) om. ό cum KBLS, VI 30 (p. 90, 2")) om.
verba τής μεγίστης πόλειυς τούδε cum KL (lacnna est in B).
Knrene antem V 75 (p. 82, 47) cum MCV praebet κατασπών, non
καταστ^λλιυν, et VI 30 (p. 90, 26) praebet γενέσθαι cum CV
(γίνεσθοι cett); praeterea antem V 30 (p. 74,37) cum KM et
Plat. et Eus. om. verba είναι αρχήν fj; ibidem vero (p. 74, ^8)
cum Plat. et Eus. praebet άνθέλκειν τοις άλλοις νεύροις ?καστον,
atque sie etiam apud Tbeodoretum ecribendum esee videtur (άν-
ΘΛκειν τοις άλλοις μετρίοις ?καστον Κ, άνθίλκειν μετρίως τών
τοις άλλοις ίκαστον μετρίως ίκαστον Μ, άνθίλκειν μετρίως
τών άλλων ίκαστον cett.).
lam in diseertatione mea (ρ. 66) annotavi, locoe Theodoreti
III 100—102, VI 30—31, VII 16-21, XII 89—94 etiam ab
Anaetaeio Sinaita execriptoe eeee. Vidimue nunc, eoedem fere
locoe (praeter VII 16 — 21) a Georgio execriptoe esse, sed plnree
etiam hie addidit. Accedit, quod locis modo indicatie, ubi co-
dicum ecripturae differunt, cum Georgio coneentit Anaetaeiue,
ac praeterea pro verbis Theodoreti VI 31 (p. 90, 37—39) και
ταύτα Ησαΐας και Ίείεκιήλ και πάντες ο\ προφήται οιαρρήδην
οιοάσκουσι exhibent illi ως [διαρρήδην Georg., και Anast.] ο\
προφήται διδάσκουσι. Quo modo explicabimne lianc congruen-
tiam inter Anaetaeium atque Georgium ? Execribere AnastaHium
Georgiue non potuit, quia locoe mnlto plnree hie exhibet, nee ei
458 R a e d e Γ
quis contendat, illa Anastaeii capita spuria esse et e Geor^rio ex•
scripta, boc ei credere possumus; nam e Georgio nemo intellegere
potest, omnia sumpta esse a Tbeodoreto, quod dieerte indicatur
apud Anastasiam. Nihil igitur relinquitar, niei nt excerpta qaae-
dam e Theodoreti Curatione iam antiquitae facta esse soBpicemar,
e quibus et Anaetasium et Georgiam sua baueisee credendam «it.
Exstat etiam fragmentum libri nuper repertum, in quo qnae-
dam inveninntur e Tbeodoreti Curatione execripta. £didit Mer-
cati in libro, quem antea commemoravimus ^, e codioe palimpeeeto
Vaticano 1853. Fragmentum eet martyrii Tropbimi, qui cum
praefecto (ήγεμόνι) aliquo altercane inducitur, ita ut a poetie et
ecriptoribns antiquis nterque arma petat. Recte vidit Mercati,
locos ecriptorum antiquorum eoedem Tropbimum afferre, qui in-
veniantur apud Tbeodoretum VI 22 — 34, Epicbarmi, Dipbiii, Pin-
dari, Platonie, Mosie, atqne ordine quoque eodem. Neqne locos
solum affert eoedem; iisdem verbie etiam ntitur Tropbimus, qui*
bu8 ipee Tbeodoretiifl, mutatiR tantum, quae res mutare iubebant,
ei excipiae discrepantias quaedam exignae. Sicut Theodoretus VI
27, allatis verbie Platonie Legg. IV p. 715 Ε — 716 Β, sie pro-
eequitur: bxa τούτιυν 6 φιλόσοφος και τόν του παντός ^€ΐΕ€
κηί)€μόνα και την έπί τινιυν Ισθ' δττη μακροθυμίαν και τήν ίν-
τευθεν τοις άνοήτοις προσγινομ^νην λώβην και τήν εΙς ύστερον
αύτοΐς έπιφερομ^νην πανωλεθρίαν. Eadem fere Tropbimus prae-
fecto : ίχεις bia τούτιυν έπιγνώναι, εΐ βουλει, και τόν τών πάν-
των κηδεμόνα και τήν έπί τίνων μακροθυμίαν ?σθ' δπτι και τήν
προσγινομένην λώβην τοις κατά σέ άνοήτοις κα\ τήν έπαχθη-
σομένην αύτοϊς πανωλεθρίαν εΙς ύστερον. Mutata eane est ver-
borum collocatio, ac praeterea verba Theodoreti coUoquio aptata
eunt (ίχεις έπιγνώναι — τοις κατά σέ άνοήτοις); cetera omnia
congruunt.
Mihi quidem dubium eege non poteet, quin is, qui marty-
riura confecit, Tbeodoretum exeeripeerit. Dubitat eane Mercati
et ex uno fönte utrumque haueiese potiue exietimat. Ar locoe,
de quibue hie agitiir, ab Eueebio eumpeit Tbeodoretue, neqne iure
obici poteet, me quoque locie quibuedam aliunde Tbeodoretum
baueieee opinatum eeee (vid. Mercati p. 221); illie enim locie,
ubi omnia Theodoreti cum Eueebianie optime congruunt, alii fonti
^ Giovanni Mercati: Note di letteratura biblica e cristiana antica
(Komae 1901), cap. 15, p. 207 sqq. ( Un' apologia antiellenica sotto
forma di martirio*).
Analecta Theodoretiana 469
Dullue relinquitur loous; nam Eusebium sexcenties exscripsit Theo-
doretus. Nee maiore iure huic eententiae obici potest, in mar-
tyrio duos locoe Homeri (E 392 — 400, Α 2^6) aflferri, qui apud
Theodoretum non inveniantür; verba enim Homeri non afferuntur
a Trophimo, eed a praefecto. Scilicet ree ita ee habet, ut uter-
qne poetarum atqne ecriptomm locis utatur, cum praefectus
ChriRtianoe Deumque eorum irrideat, Trophimus Dei providentiae
confidendum esse antiquorum testimoniis adhibitis demonntret.
Itaqne qui martyrium conscripeit, Trophimo e Theodoreti arma-
mentario tela ministravit, praefecto vero eumpsit aliunde. Neque
tarnen pro certo coniirmari poteet, ipsam Theodoretum enm legisee.
Nam cum loci e Theodoreto execripti (VI 22 — 34) iidem fere
eint, qui etiam apud Anastasium et Georgium inveniuntur, fieri
potest, ut ille quoque excerptis usus eit.
Cum palimpsestue codex , qui Trophirai martyrium con-
tinet, Omnibus Theodoreti codicibus aetate praestet (videtur eese
saeculi IX), quaerendum est denique, quidnam nobis eubeidii ad
Theodoreti textum recensendum praebeat. Sed vel ea de causa
minus praebet martyrium, quia non omnia Theodoreti verba dili-
gentissime ibi exscripta sunt. Sicut VI 23 (p. 88,51) pro Theo-
doreti verbis αληθή φιλοσοφίαν τή κωμψΜςι προ(ΤμίΗας in mar-
tyrio legimus τή κωμψοίςι φιλοσοφιαν αληθή έπιμίΗας, ibid.
(ρ. 89, 1) γνωρίίομεν pro νομίΣομεν, VI 25 (ρ. 89, 16) άκάματον
pro τταναλκή. Kursus autem in locis ab ipso Theodoreto negle-
genter e fontibus exscriptis cum eo aliquoties consentit martyrium,
ut VI 22 (p. 88, 48) uterque praebet οιαφεύγει (έκφεύγει Cle-
mens et Eusebius), VI 23 (p. 89, 1) και bi\ και καθ' ^bou mar-
tyrium cum Theodoreti Μ (^ί)ην ceteri codd., και vero posterius,
quod cum metro discrepat, om. solus Theodoreti E; και γαρ
καθ' ^οην Clem. et Eus.), ibid. (p. 89,5) ante θεός add. 6
cum Theodoreti M8. Videtur igitur ma^yrium Μ codioem magis
quam oeteros sequi, sed VI 26 (p. 89, 32) cum EL add. και post
φλέγεται, verba autem sequentia τήν ψυχήν exhibet, quae de-
sunt in M. Ceterum Μ codex non est inter optimos; quaedam
tamen vitia eius iam antiquo tempore orta esse videntur.
Quamquam igitur ad textum recensendum vel emendaodum
nihil fere adiuvamur ab iis, qui Theodoretum exscripserunt, id
ipsum tamen, quod toties exscriptus est, dignum est, quod anim-
advertamus. Apparet, Theodoretum saeculis proximis ac Byzan-
tinorum quoque aetate magis lectum esse , quam ego aliique
credidimus.
Hauniae. loann«« Β*^^^^τ«
MISCELLEN
Eine Anspielang in dem Zeushymnae des Kallinaehos
Der Kn8tehung8zeit des ersten Hyranae des Kalliniachoe
muss die neuere Forschung den immerhin noch erhehlichen Spiel-
raum zwischen den Jahren 285, 284, 281/279, 280, 278, 275.
271 und 266 lassen, ohne dass nicht gegeu jedes einzelne der
genannten Jahre gewichtige Gründe genug sprächen, die den An-
satz als mindestens zweifelhaft erscheinen Hessen. Sicher ist,
dass nur durch Feststellung von Anspielungen auf Litteratur, vor-
nehmlich aher auf aktuelle Politik und Geschichte, die dem
Dichter ein Rüstzeug seiner Muse werden, eine chronologische
Fixirung seiner Gedichte ermöglicht wird, ebenso eicher aber,
dass dies an sich gewiss richtige Verfahren durch allzu grosse
philologische Spürkraft so forcirt ist, dass die Erklärung der
Hymnen darunter gelitten hat. Um zu einem endgültigen ürtheil
über die Datirung zu gelangen, wird es noch vieler neuer Argu-
mente bedürfen; auf einen Anhaltspunkt für den I. Hymnus sollen
die nachfolgenden Zeilen hinweisen.
In dem Haupttheil des Gedichts wird Zeus als der Be-
schützer der Könige gepriesen. Nicht der der Schiffahrt Kundige,
nicht der Krieger oder Sänger sind seine Schützlinge — sie alle
sind der Fürsorge geringerer Götter anheimgestellt — sondern
die Herrscher (79 f.)
έκ 6έ Διός βασιλήες* έπε! Διός ουδέν άνάκτιυν
θειότερον. (so die Hss.).
Dies Satzgefüge hat wegen der scheinbar durch nichts motivirten
unmittelbaren Aufeinanderfolge des Wortes Διός von jeher den
Erklärern die schwersten Bedenken verursacht, und bis auf den
heutigen Tag bilden <lie8e Verse eine crux philologorum. Es
kann hier nicht der Ort sein, die zahllosen Conjecturen durch-
zugehen, welche man zur Heilung! der vermeintlich verderbten
Stelle vorgeschlagen hat; doch will ich in Kürze bemerken, dass
der (offenbar durch Bergks έπ' ουδεος veranlasste) Vorschlag
von Wilamowitz επι χθονός zu lesen, abgelehnt werden rauss:
denn abgesehen davon, dass dieser Zusatz zu farblos ist und zq
sehr den Eindruck blossen VersfüUsels machen würde, trägt er
einen ganz fremden Gedanken in den Zusammenhang hinein und
reiht vor allem die beiden Gedanken *die Könige stammen von
Miscellen 461
Zeus' und * nichts ist göttlicher als die Herrscher ohne jede Ver-
mittelung aneinander. Der einzige Ausweg zur Rechtfertigung
dieses höchst auffallenden und harten Asyndetons wäre der, einen
Gegensatz zu statuiren ; doch wird man einen solchen, wofern
die Sache nicht etwa auf Spintisirerei hinausläuft, nirgendwo zu
entdecken imstande sein. Deshalb nehme ich keinen Anstand zu
behaupten, dass eine conjunctive Partikel auf alle Fälle verlangt
werden muss, um klarzustellen, dass der Satz oubtv άνάκτιυν
Gcioxepov als Motivierung der vorangehenden These έκ bfe Διός
βα(Τιλή6ς gedacht ist. Zu gewagt scheint es mir, mit Vahlen
(Berl. Ak. 1895 p. 881 f.) dem Dichter eine überaus knappe Rede-
weise, die auch dem Sinne nach kaum genügen dürfte, vindiciren
zu wollen wie
'έκ bi Διός βασιλήες , έπ€ΐ Διός.
f von Zeus stammen die Könige, weil sie des Zeus sind').
Hierbei ist έκ bk Διός βασιλήες nicht als von Kallimachos
selber herrührend, sondern als Citat eines andern Dichtere (He-
siod Theog. 96) aufzufassen. Indess ist es m. E. nicht angängig,
das έπει Διός als selbständiges Kolon von den folgenden Worten
abzutrennen und dann mit einem harten Asyndeton fortzufahren;
überdies tritt der Gedanke έκ bk Διός βασιλήες erst in das
rechte Licht, wenn man voraussetzt, dass er von unserem Dichter
im Gegensatz zu dem von anderen Besungenen angeführt wird:
man preist den Hephaistos als Schntzgott der Schmiede, den Ares
als den der Krieger, den Phoebus als den der Sänger — nun
emphatisch : von Zeus aber stammen die Könige ab.
Ich glaube der Stelle mit Hülfe einer neuen Interpretation
beikommeu zu können^. Bekanntlich war die Dynastie der
Ptolemaeer seit Ptolemaeus Soter eine absolute Monarchie, wie
sie strenger wohl kaum gedacht werden kann. Eine tiefe EJuft
ist zwischen dem König und seinen Unterthanen befestigt, welche
weder hüben noch drüben irgend einen Uebergang bietet. Ganz
zu geschweigen von den ausserordentlich weitgehenden Hechten,
welche der jeweilige βασιλεύς in politischer Hinsicht auszuüben
in der Lage war, manifestirte sich seine unumschränkte Macht
auch nach einer anderen Seite, der des Kultus und der göttlichen
Verehrung. Es steht fest, dass die ägyptischen Könige von sich
als von Göttern redeten und sich vom Volke als Götter an-
reden und verehren Hessen zu ihren Lebzeiten nicht minder
als nach ihrem Tode. Die Form des Kults war eine drei-
fache : entweder führten sie eine Sonderexistenz als Gott und
hatten eigene Priester (so auch Philadelphos), oder sie wurden
als σύνναοι θεοί anderen Göttern aggregirt oder endlich es ward
^ Zu den folgenden Ausführungen vergl Strack Dynastie der
Ptolemaeer. — Derselbe: Griechische Titel im Ptolemaeerreich im
Rhein. Mus. .55 (1900) S. U>1 ff. — Kornemann: Zur Geschichte der
antiken Herrschorkulte, in Lehmanns Beitr. z. allen Gesch. I 1 (1901)
S. 51 ff.
462 Misoellen
ein Collegium von Königen za einem Cultae vereinigt Dieee
Consecrirung wird äueserlich zum Ausdruck gebracht und die
Könige als Götter gekennzeichnet^ indem man den sonstigen Bei-
namen und Titeln das Attribut θεός beifügte, sowie 'Sohn des
Gottes X'. Wenn wir uns nun zu der Kallimachosetelle zurück-
wenden, so sind wir, denke ich, berechtigt Hoffnung zu schöpfen,
dass der Worte έπ€\ Διός oObiv άνάκτιυν θ. eine befriedigende
Lösung harrt. Zwar findet sich der Gottestitel in den officiellen
Aktenstücken nur zu dem betreffenden Eigennamen des Königs
hinzugefügt; indess spricht dies nur scheinbar gegen meine Deu-
tung: denn obwohl der Dichter hier im Allgemeinen über die
Könige spricht, die sämmtlich Abkommen und Söhne des Zeus sind,
so ist dennoch unverkennbar, dass er schon hier ausschliesslich den
Philadelphos, den speciellen Liebling des Zeus, im Ange hat,
und an ihn allein konnten und mussten die Leser der damaligen
Zeit denken. Und zur üeberpflanzung dieses streng genommen
nur dem nomen proprium zukommenden Διός auf den Gattungs-
begriff ανακτες bedurfte es, scheint mir, nur eines einzigen
Schrittes. Dass Kallimachos statt des officiellen, farblosen θεός
den θεός κατ' έΗοχήν setzte, wer wollte sich darüber wundem,
der die Gepflogenheiten des sich in Hyperbeln bewegenden Hof-
poeten kennt? Jenes problematische Διός scheint mir also in
Anlehnung an den officiellen Titel der Könige gebraucht zu sein
und sich auf die göttliche Verehrung und den Cult zu beziehen.
Kine annähernde Uebersetznng würde vielleicht unser 'Herrscher
von Gottesgnaden bilden.
Falls meine Erklärung der Stelle der Kritik standhalten
sollte, würde es einer Aenderung des überlieferten Textes nicht
bedürfen, zugleich gewinnen wir aber für die Chronologie des
Hymnus eine Handhabe. Die neueren Papyrusfunde haben er-
geben, dass gerade der in unserem Gedichte gefeierte Plolemaioe
Philadelphos es gewesen ist, der den officiellen Königscultus in
Aegypten einführte. Im Jahre 279 decretirte er zunächst seinen
Eltern, Ptolemaios Soter und Berenike, göttliche £hren (θεο)
Σωτήρες), darauf consecrirte er 271/270 seine Schwester und
Gattin Arsinoe IL Unmittelbar nachher, vielleicht noch in dem
nämlichen Jahre, scheint er auch selber den Gottestitel ange-
nommen zu haben. £s könnte strittig erscheinen, welches dieser
3 oder richtiger 2 Ereignisse (denn die Apotheose der Arsinoe
und ihres Brudergemahls stehen in ursächlichem Zusammenhange,
worüber v. Prott Rhein. Mus. 53, 1898, p. 466) unser Hymnus
zur Voraussetzung hat, doch wird, denke ich, die Entscheidung
unschwer zu fällen sein, wenn man bedenkt, dass die 279 er-
folgte Consecrirung der Eltern weit weniger bedeutungsvoll und
epochemachend war — denn sie geschah ' offenbar in Nachahmung
der schon vorhandenen städtischen Culte von θεοί Σωτήρες,
insbesondere des athenischen für Antigenes und Demetrios* Kor-
nemann aaO. p. 70 — als die Einführung des officiellen Cultns des
lebenden Herrschers; dies ist das eigentliche Novum, and von
Miscellen 463
dieeem βο bedeutsamen Ereigniss haben wir meiner üeberzeugung
nach an der behandelten Stelle einen greifbaren Niederschlag.
Ich sehe demnach als terrainiis post quem das Jahr 270 an, und
viel später wird unser Hymnus auch kaum entstanden sein.
Kiel. Gustav Wörpel.
Plantus Amphitrno
So viel ich weiss, hat Niemand bisher über Plautus Am-
phitruo den Verdacht geäussert, dass auch diese Komödie, wie viele
andere des Plautus, eine comoedia contaminata ist ; im Gegentheil
hat man gemeint, Amphitruo, wie Bacchides Aulularia Mustellaria,
sei von den Komödien, Meren Form Plautus gelassen hat, wie
sie dem Geiste des Meisters entstiegen war, und denen er nur
in der Ausführung von Spiel und Rede die bunten Züge seines
zwischen griechisch und römisch schillernden Stiles aufgeprägt
hat* (Leo, Plaut. Forsch. 151). Doch eine weitere Untersuchung
wird vielleicht auch dieses Stück den contaminirten einreihen.
Mir wenigstens ist es am wahrscheinlichsten, dass hier eine Con-
tamination vorliegt, wenn in dem gleich auf die tiox longior, in
der Zeus cum Alcumena voluptatem capit, folgenden Tage Alkmene
geminos filios paritj obwohl alter decumo post mettse nascetur puer
quam seminatus est, alter mense septumo (vgl. Leo zu 479 ff. und
Langen, Plautinische Studien 234—237, welch letzterer eine Er-
weiterung nachplautinischer Zeit für Vers 479 — 495 annimmt).
In der zweiten Scene des ersten Actus sagt Mercurins:
Berte prospereque hoc hodie operis processit mihi: amooi α foribus
maximatn molesiiam (Sosiam), patri ut liceret tuto illam amplexarier
etc. alles richtig bis zum Vers 478. Von Vers 479 an giebt
Mercurius einen Zusatz zum Argumentum: nunc de Alcumena
dudum quod dLvimus minus, hodie Uta parkt filios geminos duos
etc. Der Zusatz an und für sich ist vielleicht nicht sehr auf-
fallend, obwohl ein ähnlicher sonst nirgends bei Plautus vor-
kommt; denn in der Cistellaria sagt die lena nicht das Argu-
mentum selbst, was nachher Auxilium erzählen soll, sondern sie
sagt nur das aus, was sie über Seleniums Abenteuer weiss. Das
Auffallende ist hier: der Zusatz trifft eben das, was im Original
nicht vorhanden gewesen zu sein scheint, die Geburt und die Ge-
burtssoenen. In der folgenden Scene (I 3) sagt Pseudo-Amphitruo
zu Alkmene, indem er von ihr Abschied nehmen und das Eaus
verlassen muss : Bene vale, Alcumena^ cura rem communem, quod
facis; atque imperce, quaeso: menses iam tibi esse acios vides:
mihi necesse est ire hinc; verum quod erit nalum tollUo, Krstene
ist es sehr fraglich, ob Pseudo-Amphitruo dies sagen dürfte,
menses iam tibi esse actos vides; auch wenn es für Amphitruo's
semen geltend war, sollte der Dichter — zugegeben, dass die
Verse 479 — 495 nicht plautinisch sind, wie Langen will — in
der ersten Scene des dritten Actus, wo er den Juppiter sagen
läset: post igitur demum faciam res palam fial atque Alcumenae
464 Misoellen
in tempore auxilium feram faciamque ut uno fetu et quod gravida
est viro ei me quod gravidast pariat sine dolorilms^ über Herkules*
Geburt vorauesageUf daes er sogleicb nacb der Empfangnise ge-
boren wird (wie Langen glauben will), dh. nicht άορί<Ττως in
tempore, sondern hodie^ zumal *da der Üerkules-Mythus ganz an-
ders klang. Wenn der Dichter weder dort (III 1) noch sonst
irgendwo etwas über Herkules' Geburt sagte, so wäre es ein
Beweis, dass die Geburt entweder natürlich oder wenigstens dass
sie so geschehen sollte, wie man darüber zu denken pflegt. Wir
glauben, wenn der Dichter den luppiter sagen läset in tempore
auxilium feram, so stellt er sich die Geburt nicht am selben
Tage, an dem er dies sagt, vor. Ausserdem wenn Alkmene der
Niederkunft nah wäre, sollte sie nichts über die bevorstehende
Geburt Pagen? Sie klagt, weil Pseudo-Amphitruo fortgehen will,
priusquam lectus ubi cuhuit concaluit locus (513) und sie l/xcri-
maniem ex abifu concinuat (529); über die Geburt kein Wort,
weder in der dritten Scene des ersten Actus, wo Juppiter zu ihr
sagt: menses iam tibi esse actos vides; mihi necesse est ire h%nc\
verum quod erit naium tollito, noch in der zweiten Scene des
zweiten Actus (Canticum). Das ist sehr sonderbar für eine Frau
die der Niederkunft so nah ist.
Da nun die Geburt nicht innerlich mit der übrigen Komödie
verbunden ist, möchten wir glauben, dass Plautus die Geburts-
scenen nicht im Original gefunden, sondern sie durch Contami-
iiation aus einem anderen Stück zugefügt hat, * um Stoff und Hand-
lung zu häufen ^ Er hat sich bemüht, diese Scenen vorzubereiten
(I 2. I 3. II 2), aber ganz äusserlich und nicht treffend. Dass
die Geburt ein dem Original fremdes Stück war,, zeigen auch die
Verse 876 ff. post igitur demum faciam res palam fiat atque Al•
cumenae in tempore atucilium feram etc., also der Betrug soll vor
der Geburt entdeckt werden. Dass es aber nicht nothwendig,
dass alles was Juppiter voraussagt, also die Geburt, in der fabala
selbst stattfinden musste, kann man nicht leugnen (vgl. Casina).
Der Dichter des Originals scheint mir den Mythus so umgeformt
zu haben, dass Alkmene vom Amphitruo im schwangeren Zn-
stande zurückgelassen wurde, als er in den Krieg zog; aus dem
Krieg kam Amphitruo drei Monate nachher zurück, und zwar
an dem gleich auf die nox longior folgenden Tage; in der iMX
longwr wurde Alkmene auch von Zeus schwanger. Die Nieder-
kunft sollte in zehn Monaten nach Amphitruos Zug und in sieben
Monaten nach dessen Rückkehr stattfinden; also nicht, wie bei
Plautus, gleich nach der Rückkehr.
Zum Schluss des Originales machte der μάντις Τ€ΐρ€(Τ{ας
oder Ζευς άπό μηχανής die ganze Geschichte klar und sagte
Herkules* Geburt voraus. Was die Bromia über die Geburt aus-
sagt, ist wahrscheinlich aus Euripides^ Alkmene abgeleitet. Auf
Euripides' Alkmene hat Plautus oder dessen Original im Badens
(v. 8β) hingedeutet. Aus der Euripideischen Tragödie ist viel-
leicht auch die von Sosia gelieferte Beechreibang der Schlacht
Misüellen 465
(ν. 203 ff.). Eine solche Schilderang im Amphitrüo hätte nur
dann Zweck, wenn Mercurius nichte üher die Schlacht und den
Sieg der Thehaner wnsete, weehalh er Sosia's ßeschreihung ex
angiportü erlaascben niueste; aber Mercurius, als Gott, wusste
alles; er hatte auch die patera aus dem versiegelten Kasten weg-
gestohlen, ohne das Siegel zu verletzen. Von Contamination
scheinen auch die Inoonsequenzen und Unwahrscheinlichkeiten
herzurühren, üher die Langen p. 91 ff. und Leo zu 880 sprechen.
Athen. Theophanes Eakridis.
Randbemwkangen zu Ht rai
Carm. III 4, 9—13
Me fabulosae Yolture in Appulo
Nutricis extra limen apud viam
Ludo fatigatumque somno
Fronde nova puerum palumbes
Texere, mirum quod foret omnibus . . .
Der Dichter betont: 'es war ein Wunder für alle Umwohner,
wie ich dort wohlbehütet schlummerte, wie ich unter heiligem
Lorbeer dalag' (Imperfect). Der Vorgang soll, wie die Zeitform
zeigt, nicht erst durch Hörensagen bekannt geworden, sondern
von vielen gesehen sein. Da durfte er auch nicht in des Waldes
tiefste Gründe verlegt werden (etwa nutricis extra limina de-
viam), sondern an eine den Bergwald durchkreuzende Strasse,
auf der am Abend Feld- und Waldarbeiter, Bewohner der Nach-
bardörfer, truppweise heimwärts ziehen und nahe am Weges-
saume den Knaben gebettet finden. Nach der mehr negativen
Ortsangabe extra nutricis limen giebt die genauere Bestimmung
apud viam anschaulich den Platz für das Spiel des Knaben und
für die zahlreichen späteren Augenzeugen ; sie stimmt zudem fast
buchstäblich überein mit dem überlieferten Apuliae. Dass damit
die nutrix 'Pullia' wieder in ihre Anonymität zurücksinkt, wird
dem Odentone nur angemessen und förderlich sein.
Carm. III 6, 21—24
Motus doceri gaudet lonicos
Matura vix et fingitur artibus
lam nunc et incestos amores
De tenero meditatur ungui.
Die überlieferte Lesart matura virgo widerstreitet, trotz
aller Rettungen, dem Postulate jedes Lesers; die neuere Erklä-
rung der Worte de tenero ungui ist nicht überzeugend. Verlangt
wird genau der obige Begriff quae vix (vixdum?) maturu est.
Auffallend erscheint beim ersten Anblick das alleinstehende, fast
substantivische matura. Sollte die Unbestimmtheit nicht beab-
sichtigt sein, da das fragliche weibliche Wesen nicht Kind, nicht
Gattin und am wenigsten passend virgo genannt werden konnte?
Der horazische Sprachgebrauch zeigt das Adjectiv und Particip
Rhein. Mut. f. Philol. N. F. LVU. dO
466 Miscellen
nicht selten in jener eelbetändigen Stellung, ohne Anlehnung an
ein Substantiv, ausser an ein gedachtes. Ars poet. 277 : qnae
canerent agerentque peruncti faecibus ora. Ode ΓΙ 7, 11: cum
fracta virtus et minaces turpe solum tetigere mento. Ode III
12,1: miserarum est. Selbst für den Singular, der ja noch
kühner erscheint, giebt es bekannte Analogien. Ode III 20, 15:
qualis aut Nireus fuit aut aquosa raptus ab Ida. Ode I 7, 9 :
plurimus in lunonis honorem aptum dioet equis Argos.
Carm. III 23, 17-20
Inmunis aram si tetigit manns,
Non cum torosa blandior hostia,
MoUivit aversos penates
Farre pio et saliente mica.
Die überlieferte Lesart suratuoea ergiebt statt eines klaren
Sinnes eine gradezu "merkwürdige Vieldeutigkeit der Beziehungen.
Da soll non zu blandior gehören, gefährdet aber auch das noch
näher stehende sumtuosa durch ein negatives Vorzeichen; hostia
soll ablat. instruni. sein, wird aber unmittelbarer als abl. com-
par. empfunden, wie in I 24, 13 Threicio blandius Orpbeo; für
den philologisch ungeschulten Leser kam ausserdem die Möglich-
keit hinzu, hostia als Nominativ aufzufassen, wie doch sogar
Bentley that; schliesslich sind bei farre pio wiederum beide Ab•
lative denkbar, der instrumentale und der comparative.
Das begleitende cum macht die Structur sofort einfach und
eindeutig: non, cum torosa hostia (si acoedat, futura) blandior.
Die Hand naht dem Altare mit einem Opferstiere: diesen Sach-
verhalt drückt das cum der Begleitung wohl sogar genauer aus,
als der instrumentalis ; und es schärft den Gegensatz zu inmanie.
In des Dichtere Vorstellung ist die hostia hier eng verbunden
mit der in V. 9 — 12 geschilderten victima, die auf üppiger Weide
für ein solches Opfer heranwächst. Diese Schilderung der voranf-
gegangenen Mästung führt eher auf einen Begriff wie torosne
hinaus, als grade auf 'kostspielig' ; die Triften auf dem Algidae
und bei Alba werden ja der Priesterschaft selbst gehören.
Schliesslich glaube ich, dass unsre Ode dem Ovid vorge-
sciiwebt hat, als er Metam. 7, 426 schrieb:
fovet ignibus aras
Munerihusque deos iniplet, feriuntque secures
Collu ioi'osa boum viuctorum cornua vUtis,
Solche Bezugnahme würde zugleich dem viel bestrittenen inmunis
zu Hülfe kommen, das ich selbst früher durch insontis ersetzen
zu sollen meinte.
Carm. I 20, 9 — 12
Caecubum et prelo domitam Caleno
Tu soles uvam : mea nee Falernae
Temperant vites neque Formiani
Pocula colles.
Das Mittelstück V. 3 — 8 ist im Verhältnies zu dem Ganzen
Miscelleij 467
dieser poetischen Kleinigkeit recht amfänglich. Es enthält also
wohl auch die Hauptsache, den Hinweis auf die Bedeutung
des Tages. Bei solcher Beziehung erst scheint das Gedicht
die oft vermisste Pointe zu erhalten. Der Anläse des verab-
redeten Zasammeiiseins ist, ähnlich wie bei III 8, ein Tag ge-
meinsamer froher Erinnerung: der Erinnerung an Mäcens Er-
rettung aus lebensgefährlicher Krankheit. Die Erinnerung haftet
an dem Tage seines damaligen ersten Wiedererscheinens in der
OefFentlichkeit, zugleich dem Tage einer grossen öffentlichen Hul-
digung. An diesem Gedenktage will Horaz den Freund bei sich
sehen. *Du würdest bei solchem Anlass Cäcuber und Trauben-
blut von Cales spenden (bei soUs ist aus V. 1 zu ergänzen potare,
aus der ganzen Situation apponere) ; mir füllen nicht diese er-
lauchten Stätten, auch nicht Falemerreben den Becher mit ihrem
Feuertrank, und ebenso wenig Formiäs Hügel. Schlichten Land-
wein wirst du bei mir trinken; aber er ist vom eigenen Wachs-
thum und sorgsam gepflegt; er ist zudem ein unmittelbarer Zeit-
genosse des denkwürdigen Ereignisses'.
Schlichter Wein ist darum nicht schlechter Wein. Das
Sabinergut ist nach seiner Lage — die wir ja nun kennen —
für den Weinbau durchaus geeignet, trotz der Seufzer des un-
geduldigen vilicus in Epist. I 14, 23. Die Schlussstrophe will
nicht sagen, dass Horaz edlere Weine nicht führe; aber sie
wachsen ihm nicht zu, er ist nicht Weingutsbesitzer Ίη Rüdes-
heim und am Johannisberg\ wie wir es mntatis mutandis dem
Mäcenas zutrauen dürfen. Die Strophe gibt nicht eine triviale
Gegenüberstellung von Reichthum und Armuth. Sie will ne-
gativ noch einmal die Pointe schärfen: 'an einem Tage von
so hochpersönlichem Werthe gebe ich von dem Eigenen, von
dem Ertrage des mir so werthen Eigenthums; so ehre ich den
am besten, der es mir zugeeignet hat\
Epist. I 18, 104. 105
Me quotiens gelidus reficit Digentia rivus,
Quem Mandela bibit rugosus frigore pagus . .
Vors übersetzt: 'die von Bergfrost schaudernde Dorfschaft '^;
Döderlein: ^das rauhe Gebirgsdorf; Kiessling: Mie vom Frost
verhutzelten Bewohner des pagus .
Wer im Thale des Anio von Tivoli nach Vicovaro wandert
oder impositus mannis behaglich hinauffährt, hat, bevor er linker
Hand in das Licenzathal einbiegt, längere Zeit den freien Aus-
blick auf das vor ihm liegende Dorf Cantalupo (Bardella), das
sich heute Mandela nennt. Zweierlei lehrt der Augenschein :
erstens dass diese Ortschaft keine rauhe Höhenlage hat, zweitens
dass ihre Bewohner nicht das Wasser der Licenza trinken. Der
Ort liegt etwa 487 m hoch, überhaupt nicht mehr in dem engeren
Licenzathale, sondern rechtsseitig ausserhalb davor; das Flüss-
chen (337 m) bleibt tief unter dem Dorfe und ziemlich entfernt
von ihm. Ob die Bewohner dieses Vorberges im Alterthum über-
468 Misoellen
haupt noch mit zum pagus Mandela zählten, bleibe dahingestellt;
Horaz meint mit dem pagus, der aus dem Flusse trinkt, jeden-
falls seine näheren Nachbarn, die Bewohner des eigentlichen,
engeren LicenzathaleF, in welchem er selbst — bei den heutigen
vigne di S. iMetro gegenüber dem Dörfchen Licenzn — • wohnte
(N. Fritsch, Neue Jahrb. f. Phil. 1895, S. 57—78). Das Klima
dieses Thaies ist aber ebenso wenig von besonderer Kühle, wie
das des sonnigen Cantalupo ( Mandela*) auf der vorgelagerten
Abflachung des ßerges. Das zeigt die Satire II 8, 10 si vacunm
tepido cepisset villula tecto; deutlicher noch der Brief I 16, 5 — 8
in dem Urtheil temperiem laudes. Folglich bezieht sich das At-
tribut mgosus frigore überhaupt nicht auf das allgemeine Klima
der Gegend, sondern nur auf die vielgepriesene Kühlung des
Flüsschens selbst. In diesem Sinne steht das Substantiv in der
Ode III 21, 10: tu frigus amabile . . tauris . . praebee. Das
Attribut rugosus aber will mit leichter Hyperbel sagen: das
Wasser der Licenza ist so kalt, dass es dem Trinkenden die
Gänsehaut verursacht. Also ^aufschauernd ob der Kälte dieses
Wassers* trinkt die Dorfschaft Mandela, dh, die Bewohner der
im oberen Licenzathale zerstreut liegenden Anwesen, aus ihrem
Fltisschen.
Ars poet. 251—259
Syllaba longa brevi subiecta vocatur iambus,
pes citus ; unde etiam trimetris accrescere iussit
nomen iambeis, cum senos redderet ictue
primus ad extremum similis sibi: nempe ita pridem,
tardior ut pauUo graviorque veniret ad aures,
spondeos stabiles in iura paterna recepit
commodus et patiens, non ut de sede secunda
cederet aut quarta socialiter; hie et in Acci
nobilibus trimetris apparet rarus ....
Gedankengang: Die lange Silbe, verbunden mit der vorauf-
gegangenen Kürze, heisst Iambus ; ein flüchtiger Fuss, weshalb
er sich auch verstärkt hat und in der iambischen Zeile dreimal
paarweise auftritt, während er eigentlich in sechs Hebungen eich
wiederholte, vom ersten bis zum letzten sich selbst ähnlich. In
solcher Absicht hat er ja von je her (nämlich ebenfalls, um
etwas gemessener und gewichtiger ins Gehör zu fallen), die nach-
haltigen Spondeen in sein väterliches Krbe aufgenommen, gefällig
und fügsam ; doch nicht so weit ging die Kameradschaft, dass er
auch den zweiten and vierten Platz geräumt hätte. An diesen
Stellen kommt der Iambus in den gepriesenen Trimetem des
Accius nur noch vereinzelt zum Vorschein*.
Hamburg. F. Schultese.
Ζπρ Cipis, v. 369—377
In seinem Buche *aus Vergils Frühzeit* hat Fr. Skutsch
den Nachweis angetreten, dass die Ciris älter ist als es die Ge-
Miscellen 469
dichte VergiU eind. Für die Begründung dieser These war neben
anderen Untersuchungen auch eine Prüfung der ganzen Verse
und Verstheile, die das Epyllion von der Skylla mit den Ge-
sängen des altissimo poeta gemeinsam hat, auf ihre Priorität hin
nothwendig. Skutsch hat diesen Vergleich auf S. 112 ff. seines
Werkes augestellt, und zu Gunsten der Giris als der Aelteren
entschieden. Dagegen ist Fr. Leo bei einer erneuten Durch-
musterung der fraglichen Stellen (Hermes XXX VI! 1902 S. 34 —
47) zu dem entgegengesetzten ürtheil gekommen. Wenn ich
es wage, in dieser Discrepanz der Meinungen das Wort zu er-
. greifen, so geschieht es nur, um für eine Stelle der Ciris, die
eich mehrfach mit Vergilischen Versen berührt, das Verfahren
noch einmal aufzunehmen, da mir die letzte Behandlung hier
nicht das Richtige zu treffen scheint.
Es ist V. 369 ff. : die Τροφός hat den Liebeskummer der
Skylla entdeckt, und ist nun im Verein mit der Königetochter
bestrebt, Nisus zu veranlassen, dass er dem feindlichen Herrscher
der Kreter den Frieden und zugleich die Hand der Skylla an-
biete. Um das zu bewirken, mues als letztes Mittel der Zauber
herhalten; das poetisch so dankbare Motiv einer μαγική πράΕις
wird in Scene gesetzt:
€tt nutrix, patula camponens sulphura testa,
370 narcissum casiamque herhas incendit olentes,
terque novena ligans triplici diversa colore
fila ter in gremium mecunC inquit ^despue^ virgo,
*de$ptie ter, virgo: numero deus impare gaudet',
inde lovi magno geminavs Stygio data sacra,
375 Sacra nee Idaeis a/nübus nee cognita CrraiSj
pergiiy Amyclaeo spargens aliarm thallo^
regis lolciacis animum defigere votis.
Zu der Ueberlieferung dieser Verse ist zu bemerken: 370
Die Hss. schwanken zwischen contundit^ was Leo aufnimmt (S. 42
Anm. 3), und incendit^ dessen sachliche Richtigkeit sich unten
ergeben wird. 371 ligani oder ligat die Hss., ligans Verbesse-
rung von 0. Ribbeck. 374 inde magno geminat iovi frigidula
Sacra die Hss., von den vielen möglichen Aendemngen empfiehlt
sich vielleicht die hier vorgeschlagene durch die geringe Ab-
weichung von der Tradition. 375 idaeis die Hss., Aeaeis die Aus-
gaben nach Heinsius. Aber diese Conjectur ist dadurch ausge-
schlossen, dass sie einen Widerspruch mit lolciacus v. 377 her-
vorrufen würde. Idaeae sind die Frauen vom kretischen Ida :
weder des Minos noch des Kisus Landsleute kennen solchen
Zauber.
In der hier ausgehobenen Stelle der Ciris sind die üeber-
einstimmungen mit Vergil gehäuft. Bei ihm lesen wir Ecl. Ell
herhas contundit olentes; ΙΪ 48 narcissum et flores iungit bene
olenHs anefhi^ tum casia; VIII 73 ferna tibi haec primum triplici
diversa colore licia circumdo; VIII 75 nvmero deus impare gau-
det; VIII 77 necte tribtis nodis ternos Amarylli colores. Hiersa
470 Miscelleu
kommt, wenn man meine Lesung von v. 374 annimmt, noch Aen.
IV 638 Sacra lovi Slygio. Dass diese Verse und Theile von
Versen zuerst von Vergil gedichtet, und dann von dem V^erfasser
der Ciris für sein Poem entlehnt seien, zeigt Leo dadurch, dass
er in diesem eine Reihe von Verstössen gegen das antike Zauber-
ritual aufweist. *Zerstossene Kräuter dienen dem Zaubertrank
. . . (bei dem) Zerstossen der Blumen und (der) Knüpfung des
Liebesknotens — nur das kann v. 371 bedeuten — . . fehlt die
kenntliche Beziehung auf <len Zweck der Handlunfr, der nicht
die Bethörung oder Bindung eines Liebhabers, sondern die Um•
Stimmung des Königs ist. Ferner: Narciss und Seidelbast er-
scheinen nirgend als magische Kräuter. lind lieh, warum zerstösst
sie herhas olcntes, dh. in diesem Falle duftende Frtihlingsblüthen,
nicht etwa Pflanzen, rleren Saft einen starken Duft verbreitet?*
Um die Berechtigung dieser Einwände zu prüfen, müssen
wir zunächst nach der Absicht der Carme fragen; denn je nach
dem Zwecke des Zaubers kann sein Ritual verschieden sein. Das
bestimmende Wort steht in v. 377 : defigere. Wir haben es also
mit einem Defixionszanber zu thun; diesem liegt, um die Worte
E. Kuhnerts (Pauly-Wissowa, Realencyclopädie IV 2374) zu ge-
brauchen, 'die Vorstellung zu Grunde,^ dass die Wirkung des
Zaubers einem durchbohrenden Stich gleicht: wie ein solcher den
Menschen lähmt, ihn des freien Gebrauchs seiner Kräfte be-
raubt, so wirkt auch der Zauber auf ihn; der Besprochene ist
dem Tode verfallen und wird so lange von Schmerz und Siech-
thum gequält, bis er si(h durch Erfüllung einer bestimmten Be-
dingung von der Wirkung der unheilvollen Zauberwaffe zu be-
freien vermag. In dem hier vorliegenden Falle soll also der
Geist des Nisus so lange gelähmt werden, bis er sich den Wün-
schen seiner Tochter bequemt; ein Zweck, der übrigens nicht er-
reicht wird, V. 378 :
null α movet stabilem fallacia Nisum.
Jede Zauberhandlung, also auch die defixw^ besteht, wenn
sie vollständig sein soll, aus mehreren Theilen. Voran geht ein
Rauchopfer (έπίθυμα), es folgt das Hauj)tstück, die Verbindung von
magischer That (πραΕις) mit magischem Wort (λόγος), begleitet
von einer Prophylaxe, die den Hexenmeister selbst vor allen bösen
Geistern schützen soll, die sein Gebet entfesselt (φυλακή της
ττράΕεως). Man kann sich von dieser stets gleich bleibenden Ein-
theilung leicht überzeugen, wenn man die Recepte durchmustert,
die uns in den Papyri magicae erhalten sind. So beginnt denn
auch hier Carme mit der Bereitung des έπίθυμα; dazu nimmt sie
als Ingredienzien Schwefel, Narzisse und Casia: hierzu, nicht
zum Zaubertrank, der in der deßxio keine Stelle hat, verwendet
sie die Blumen. Der Schwefel als heiliges Räuchermittel ist ur-
alt ; es gab eine Etymologie, die θείον als 'das Göttliche* schlecht-
hin fasste, weil es vor allem der sacralen — also auch der
zauberhaften -- Lustration diente. Als Odyssens die Freier im
Palaste erschlagen hat, ruft er der Eurykleia zu (Od. XXII 481):
Miscellen 471
oke θί€ΐον, τρηο, κακών δκος, oTce hu μοι πυρ.
Auch der Chaldäer im Philopfieude» des Lukian (S 12) be-
nutzt zu seinem Werke den Schwefel als έπίθυμα, und im Pa-
pyrus Londinensis C}(X! (Denkscbr. d. Wien. Akad. XLIl) v. 498
heisst es: λαβών θείον και νειλοκαλάμης οπερμα έπίθυε προς
τήν Οελήνην.
Wie dort die νειλοκαλάμη, wird hier von der Amme der
Skylla die Narzisse verwendet. Allerdings ist in der sonstigen
Zauberlitteratur νάρκκοος als derartiges Ingrediens nicht bezeugt,
aber daes dies nur eine zufällige Lücke in der Ueberlieferung
ifit, zeigt uns der mehrfach bestätigte Volksglaube, der sich an
diese Pflanze anknüpft. £s ist eine unheimliche, cbthonische
Blume ; die Erde hatte sie emporspriessen lassen, um Persephone
durch ihren Glanz zu bethören (Hymn. Hom. in Cer. 8): als sie
die Unterweltsblüthe pflückte, war sie dem Pluton verfallen.
Narzissen waren es daher, mit denen sich die Göttinnen von
£leusie bekränzten, Sophokles (0. C. 684) nennt sie τό μεγάλαιν
θεαϊν άρχαΐον οτεφάνιυμα. Das Fcholion zu dieser Stelle und
Eustathius (zur II. p. 87, 25 und 1173, 49) denken bei den
^grossen Göttinnen' an die Eumeniden, und stellen — ebenso
wie Plin. N. H. XXI 128 aus griechischer Quelle — einen ety-
mologischen Zusammenhang vapKiccoc άπό του ναρκαν her, δτι
του φρίττειν και ναρκαν εκιν αι όαίμονεο αϊτιαι. Ausführlicher
nennt Plutarch (Qunest. conv. 111 1 ρ. 647 Β) den Narziss αμ-
βλύ V οντά τα νεύρα και βαρύτηταο έμποιουντα ναρκώνεις. Dass
die Verwendung einer polchen Pflanze gerade hier, wo es eich
darum handelt, Geist und Körper des Nisus zu lähmen, sehr wohl
am Orte ist, wird man gerne zugeben.
Die Casia endlich wird uns auch in anderen Texten ge-
radezu als Zauberkraut genannt. In dem Leydener Papyrus W
I 17 (A. Dieterich, Abraxas S. 171) gehört sie zu den sieben
Kräutern, die als έπιθύμοτα der sieben Planetengötter verwendet
werden, und zwar ist die Kacta dem Hermes heilig; Pap. mag.
Paris, v. 1309 (Denkschriften der Wien. Akad. XXXVI) erscheint
sie ebenfalls als Bestandtheil eines έπιθυμα.
Die Schwefelstücke werden in hreiter Schale zurechtgelegt,
Narziss und Casia werden dazu gethan. Damit ist die Vorberei-
tung zum Rauchopfer vollendet, und es kann angezündet werden :
incendit ist hier ganz an seinem Platze. Ist aber der Weihrauch
erst im Brennen, so mischt sich mit dem Geruch des Schwefele
der Duft von Narzisse und Casia: daher nennt sie der Dichter
herbas olentes.
Nach dem έπίθυμα wird die eigentliche πρά^ΐς vorhereitet.
Dreimal neun Fäden von drei verschiedenen Farben werden mit
einander verknotet. Wie dadurch diese Fäden gebunden sind,
soll auch der Geist des Nisus gefesselt sein. Die Symbolik er-
klärt sich aus der griechischen Vorlage. Was den Lateinern
die defiaiOi das ist in Hellas der κατάοεομος, der Bindezanber.
Wir haben für diesen noch ein ausführliches Recept im Pap.
472 Misocllen
Par. 330: 'nimm zwei Figürcben und eine Bleitafel, ουνόήοας
τό πεταλον τοις ίιυοίοις μίτψ άπό kxoO ποιήςας αμματα
r^e\ Und zwar darf man nicht geltend machen, dase in
diesem Bindezanber das Symbol des verknoteten FadcnR nur
vorkomme, weil es ein Liebeszanber sei — er beiRBt v. 296
φίλτροκατάόεομος — , denn nicht nur der Name zeigt uns,
daes ein ligare bei jedem κατάοεομος vorkommen kann, son-
dern wir haben auch noch den directen Beweis bierfür auf
der Bleitafel CIL. VTII suppl. 12511, 14. Hier handelt es sich
um die defixio eines verhassten Gegners; da fesselt man einen
Hahn und schreibt dazu d)C ouTOC δ αλέκτωρ καταόέοβται toic
nocl και raic χέρα και τη κεφαλή!» ούτως καταόήςατε (τον
οεΐνα). Auch an unserer Stelle ist demnach das Binden der
Fäden als Vorbild der Fesselung des Nisus durchaus am Platze.
Für die dreifache Farbe der Fäden sowie für die heiligen Zahlen
3 und» 3-3-3 verweise ich auf W. Kroll, Antiker Aberglaube
(Virchow-Holtzendorflr XII 278) S. 38 f. Die Anschauung titi-
mero deus impare gaudet ist uralt: so wird denn auch hier in
der ganzen Handlung überall künstlich die ungrade Zahl her-
gestellt. Wir haben dreimal neun Fäden, drei Farben, dreifaches
Ausspucken. Daes die Ciris hierin weniger systematisch sei als
Vergil in der VIII. Ecloge, der v. 74 drei Fäden, drei Farben,
drei Umgänge hat, ist nicht ganz richtig.
Der λόγος, der die πραΗις begleitet, wird in der Cirie nur
kurz erwähnt; es sind die vota in v. 377. Dagegen ist das
φυλακτήριον ausführlicher geschildert: ter in sinum despuUur,
Das ist bekannter griechischer und italischer Brauch, um böse
Geister und schädliche Einflüsse abzuwehren. Wie der mensch-
liche Speichel zu dieser prophylaktischen Kraft kam, hat Frank
W. Nicholson dargethan {The Saliva Superstition in Classicat
Litterature, Harvard Studies VllI 1897 p. 23—40). Unter den
von ihm angeführten Belegen finden sich auch die beiden Theo-
kritstellen, die contaminirt das Vorbild der Ciris gewesen sein
könnten ^ Π 62:
καΐ λίγ' έπιφθύίοκα• το ΔίλφΛοο Ο€τία μάοοω,
und VI 39:
ibc μή βαοκανθώ bi, τρις εΐο έμόν ίτττυοα κόλπον,
ταύτα γάρ ά γραία με Κοτυταρις έΕεόίόαΗεν.
Von weiteren Einzelheiten der Zauberhandlung erfahren wir
nur noch in v. 376, dass der Altar — auch der βωμός gehört
zum magischen Apparat, s. zB. Pap. Par. 34, 37, 42 — mit
amykläischem Thailus bestreut wird. Das ist sicher die Blume
des llyakinthos gewesen; dieser stammte aus Amyklai (Preller-
Robert, Griech. Myth. I S. 248), und die nach ihm benannte,
^ Während der Correctur lese ich, dass P. Jahn dem Dichter
der Ciris die Kenntniss Theokrits abspricht (Hermes XXXVll 1902
S. K'iO), dhvT seine Ausführungen Itaben mich nicht ülierzeugt.
Miscellen 473
tranerkündende Bltitbe eignete sich sehr wohl zur Verwendung
im todtbringenden Bindezanber.
So folgt also die Hexenkunst der Carme in allem genau
den Vorschriften antiken Zauberrituale und den Vorstellungen,
die bei seiner Fixirung massgebend waren. Einen sachlichen
Anstoss irgend welcher Art wird man in v. 369 — 377 der Ciris
nicht finden, und so darf man denn auch aus dieser Partie kein
Argument für die Priorität Vergils ableiten.
Breslau. R. Wünsch.
AgroeciuB et PlinlBS de Delphiea
Delphicae (i. mensae Tel cortinae) vocabulum ut per anti-
quitatem notum erat et pervulgatum, ita postea non modo libra-
riis sed etiam philologis fraudem fecit. velut Agroecii p. 116,
15 K. haec leguntur: Cicero 'ivibeo promi utrosque, hinos habcham ,
quia JDelphica vasa paria sewper sunt, unde ipse Cicero dicebat
^scyphorum paria conplura", sed dubitare non licet quin resti-
tuenda sit codicum Bernensium 338 et 432 scriptura quia ad delfi-
cam, a qua vix differt id quod est in libro Montepessulano 306
guae ad delfica, neque enim in Ciceronis verbis a grammatico
allatis (in Verr. IV 32) quicquam invenitur de nescio quibus
vasoulis Delphicis, sed sermo est de duobus scyphis argenteis si-
gillatis, quos in abacis similibusye mensis pretiosis exponi solitos
esse constat scriptorum et artis monumentorum unanimo consensu.
similis est condicio verborum Plinii nat. bist. VII 210 Del-
phica aniiqui aeriSj qtiae esi hodie in Palatio dono principum
Minervae dicata in hiblioihecay cum inscriptione täli eqs., nisi
quod tahukif quod post Dclphica inserebatur et Welckerum huiue
musei IV (1836) p. 422 sq. permoverat ut de tabula vel lamina
Delphis Romam allata cogitaret, iam post Codices diligentius col-
latos expulsum est. iure igitur Buechelerus ibid. XXXVII (1882)
p. ^37 de tripode agi dixit et mireris Pregerum inscr. Graec.
metr. 117 tabula illud recipientem eamque Delphicae Minervae
dedicatam fuisse opinantem.
sed difficilior exietit de inscriptione huius donarii quaestio,
cuius partem priorem postquam Welckerus senarium esse per-
spexit, Mayhoffius merito sie edidit: Ναυσικράτης άνέθετο τςί
Διός κόρςι. nam propins haec absnnt a litteris traditis quam
quae alii posuernnt τή Διός κόρη et favent formis Doricis verba
proxima. gravius corrupta est posterior iuscriptionis pars et ab
aliis aliter constituta. quam sie exhibent Codices Vaticanus 3861
Parisinus 6795 Leidensis Lipsii VII :
T" (ΎΕ) ΝΔΕΚΑ (Δ£, ^F)ΊA {ίϋΕ, ^F) ΝΗΔΔΕΞΙΟΔΔΙΟ-
NOONA (ύ^Ε, ^F)E
sie Riccordianus :
Τ^ΝΑ^ΒΑΤΑΝΝΑΑΘΞΙΟΔΑΤΟΝΟΝΟΝΑΕ
in quibus emendandis qui probabiliora protulerunt (τάν οεκάταν,
ά bi 6έΗατ' ab€i νόψ Welckerus, ή b' 'Εργάνη όέίαιτο bibo-
474 Miscellen
μενον TObe Butcbeleru«) ideo et ipsi a vero aberraruDt, quod
alterum Kerariuni elficere studiierurt. al eoruni quae tradita sunt
numerus piojjius aecedit ad dactylicum et in promptu sunt aliorum
titulorum exenipla, in quibus senarii cum bexametris ve) dietichis
ita coniungantur (211, 282, 360, 450, 588, 642, 684, 798 Kai-
belii, 44, 129 Pregeri) ui fere nomina piopria dactylie non apta
iambis reserventur. boc si tenuerimus, verisimillimum videbitur
bunc tripodi hexanietium inscriptum fuisse: τάν 1)€κάταν <ταύταν),
ά b' άίχον ώνον όνασε.
Regimontii Prussorum. Otto Rossbaoh.
Ζπ Trogns Pompejns Frol. X
Im Pro). X zu den bistoriae Pbilippicae des Trogus Pom-
pejuK sind die Tbaten des Artaxerxes U. in eine Periode zusam-
mengefafist, die in Euebls Ausgabe folgen dermassen lautet: Ct
Artaxerxes Mnemon pacificatus cum Euagora rege Cyprio bellnm
Aegy ptium in urbe Ace compararit, ipse in Cadusiis victus, de•
fectores in Asia purpuratos suos persecutus, primum Dotamen
praefectum [Papblagoniae]: Papblagonon origo repetitÄ: deinde
l)raefectum Hellepponti Ariobarzanen, deinde in Syria praefectum
Armeiiiae Oronten, omnibueque (!) victis decesserit filio succee-
8ore Ocho. Es erscbeint mir unglaublicb, daes dieses ungeheuer-
liche Satzgebilde den ursprünglichen Wortlaut darstellen sollte,
und vielleicht if't es nur deshalb bisher der Aufmerksamkeit der
Kritik entgangen, weil die Verderbniss der Stelle eine sehr alte
und 80 allen Handschriften gemeinsam zu sein scheint. Die
Anomalie des Satzes liegt darin, dass 1 . die Participia victus und
persecutus unverbunden nebeneinander gestellt werden; 2. unklar
ist, ob victns dem vorhergehenden compararit oder dem folgenden
persecutus untergeordnet sein soll ; 3. den Participien ein über-
geordneter Satz völlig fehlt, da statt des erwarteten Hauptver-
bums ein mit que angeknüpfter, also coordinirter Satz folgte
Sowohl gegen die Annahme einer Subordination von victus
unter persecutus als auch gegen die einer Coordination der Par-
ticipia spricht vor allem das Fehlen des ilauptsatzee; coordinirte
Paiticipia sind überdies in den Prologen stets durch Conjunctionen
verbunden. Auch an einen substantivischen Gebrauch der Par-
ticipien 'Seine Hesiegung durch die Kadnsier; Verfolgung der
abtrünnigen Satrapen', durch den die Anknüpfung eines neuen
Satzes mit que erträglicber würde, ist nicht zu denken, denn die
zahlreichen so in den Prologen verwendeten Participia, zB.
Papblagonon origo repetita in unFerer Stelle selbst, bilden natur-
gemäss ausnahmslos selbständige Sätze und lassen stets die Er-
gänzung von est oder sunt zu, während hier die Participialcon-
strnctioiien : ipse in Cadusiis victus und defectores .... perse-
cutus sich nicht ohne Zerstörung des Satzgefüges aus demselben
herausnehmen lassen und ausserdem zwischen zwei Conjunctiven
(compararit — decesserit) stehen.
Miscellen 475
Wenn trotzdem auch beute noch die überlieferte Form des
Satzes festgehalten wird, so können die Herausgeber persecutus
unmöglich als Particip auffassen, müssen vielmehr sit dazu er-
gänzen, so dass der Satz drei Prädicate enthalten würde: compa-
rarit-persecutus (sit) — decesserit. Aber auch gegen diese Er-
klärung der Stelle erheben sich schwere Bedenken, sowohl gram-
matische als sachliche. So häufig nämlich die Auslassung der
Hülfsverba est und sunt auch in unseren Prologen ist, so findet
sich für die von sit und sint in den Prologen sonst kein Bei-
spiel. Denn Prol. IX : Ut Philippus a Perintho summotus und
XXXIV: Ut habita inter Ariarathen et Orophernem regni cer-
tamina ist, wie die Umgebung der Sätze zeigt, der Indicativ
zu ergänzen. Nimmt man aber — so suchte schon Grauert (vgl.
die Ausgabe von Duebner) die Stelle zu heilen — an, der Ver-
fasser der Prologe habe wirklich persecutus sit geschrieben und
letzteres sei nur später in den Handschriften ausgefallen, so ist
ja äuBserlicb nun der Satz in bester Ordnung, nicht so aber der
Inhalt. Denn dieser ist dann auch consequenterweise nach dem
Vorgang Duebners ^ in drei Uiiterabtheilungen zu zerlegen, deren
erste, mit compararit schliessend, die ohne persönliche Mitwirkung'
des Königs ausgefochtenen Kämpfe der Perser gegen Kypros und
Aegypten umfasst, wälirend die zweite, durch ipse eingeleitet, die
Thaten des Artaxerxes selbst in den Kriegen gegen die Kadusier
und die aufständisclien Satrapen andeutet, die dritte endlich von
seinem Tode handelt. Dadurch wird jedoch der Kadusierkrieg
von denen gegen Kypros und Aegypten scharf getrennt, dagegen
in Verbindung mit den in eine viel spätere Zeit fallenden i^atra-
penempörungen gebracht und so der Anschein erweckt, als ob
Trogus jenen Krieg zeitlich später als den 374 v. Chr. unternommenen
Feldzug gegen Aegypten^ angesetzt hätte. Nun beweisen aber
Diod. XV, 8,4; 10, 1 und Cornel. Nep. Datam. 1 klar, dass der
Feldzug gegen die Kadusier eine Reihe von Jahren vor dem
gegen Aegypten noch während des kyprischen Krieges (390 —
380 V. Chr.) stattgefunden hat, und da die Quelle des Trogus
unmöglich die umgekehrte chronologische Reihenfolge der Er-
eignisse enthalten haben kann, so erfordert die Rücksicht auf den
thatsächlichen Hergang der Dinge unzweifelhaft die engste Be-
ziehung der Worte: ipse in Cadusiis victus zum vorhergehenden
Satz: Ut Artaxerxes . . . pacificatus cum Euagora . . . bellum
Aegyptium compararit, nicht zum folgenden: defectores . . . per-
secutus, mit dem sie zeitlich und sachlich gar nichts zu thun
haben.
Wie man also auch den Wortlaut unserer Stelle dreht und
1 D. setzt hinter compararit ein Kolon, Jeep und Ruehl vorsich-
tigfr nur ein Komma, ohne dass es freilich auf letztere Weise klarer
wird, ob victus dem vorhergehenden compararit oder dem folgenden
persecutus untergeordnet ist.
^ Nur dieser kann mit deu Worten: bellum Aegyptium in urbe
Ace compararit gemeint sein. Vgl Judcicb, Kleinasiat Studien S. 1<)0£Γ.
476
Miscellen
wendet, immer bleibt er bedenklich. Da nun ferner die Prologe
sonst nirgends einen Satz von gleicher Länge und Unklarheit
bieten, vielmehr überall einfach und klar gehalten sind, so muss
in unserer Stelle noch ein Fehler verborgen sein.
Es bedarf nun, glaube ich, zu ihrer Heilung nur einer ganz
geringfügigen Aenderung, nämlich ausser dem schon von Grauert
vernmtheten eit hinter persecutus der Einechiebung von ut hinter
victus. Der Satz lautet dann: üt Artaxerxee . . . bellum Aegyp-
tium compararit, ipee in Cadusiia victus. Ut defeotoree . . . per-
eecutne s^it omnibusque victis decesserit. Mit einem Schlage ver-
schwinden so die unklare Häufung der Participien und das Ana-
koluth, und der Sinn ist nun klar und den Thatsachen ent-
sprechend. Der Ausfall des ut aber, der nach meinem Dafür-
halten die ganze Corruptel verschuldet hat, konnte ausserordent-
lich leicht und daher auch schon sehr früh durch das Znsammen-
treffen der beiden fast gleichen Silben us in victus und nt be-
wirkt werden, und es konnte dann nicht ausbleiben, dass ihm
auch das sit nach porsecutus bald in die Versenkung folgte und
das schon wegen des vorausgehenden pacißcatus später wohl
meist abgekürzt geschriebene victus in victos, victor u. dgl. ver-
dorben wurde.
Königsberg i. £r. 0. Neu haue.
Zn CIA. II 996
Auf der Burg gefundener Katalog, (ΤΤΟίχη^όν abgefasst,
aus der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts v. Chr., von Köhler
abgeschrieben. Erhalten sind zwei Golumnen, von denen die
rechtsstehende ganz fragmentarisch ist. Die linksstehende lese
ich folgendermassen ^; Abweichungen von Köhlers Lesung sind mit
* bezeichnet.
[Ίπποθωντίοος*]
ς Άντικλέους
— Α]ίσχριυνος
Άριστο]φάνης 'Αριστομήο(ου)
Keipia*]öai
.... 6]ιυρος Σμικύθου
Νικ()σ*]τρστος Νικοστράτ(ου)
Εοκο]μος Εύκομίωνος
Κόπρ*ι
10
€101
Εύβου]λί6ης Εύβούλου
Φιλι]τπτίοης Κεφαλίωνος
Ξ€ν]ότιμος Ξενοκρίτου
'Ανα*]καιής
1 |Nachtrag:lich bemerke ich, dasB die Ergänzungen in Z. 1.6. 10.
Η ohüe BegrÜLdung schon von K. Löper Athen. Mittheil. XVII 418, 1
gegeben sind.]
Miscellen 477
15 [θρά]σιυν 'Αριστοκλέους
Καλ]λί6ημος Ξενοτίμου
Άρι]στηΐοης ΈΕηκίστου
Άριστοκ]λής θρ[ά1σω[νος].
Daes dae VerzeichnisH der Hippotliontis angehört, ^eht ans Z. 14
hervor. Der einzige Demoe, der vor -καιής drei Buchstaben hat,
ist der der [Άνα]καιής. [Έρι]καιής darf nicht ergänzt werden,
da nur die Schreibung Έρικεεύς, Έρικειεύς, Έρικιεύς in den
vorchristlichen attischen Inschriften üblich ist. Von den hier
genannten Άνακαιεϊς hat Z. 15 [θρά](Τιυν 'Αριστοκλέους einen
Nachkommen in θράσιυν θράσωνος Άνακαιεύς, dem Antrag-
steriler des Volksbeschlusses zu Ehren des Zenon im J. 264,
Laert. Diog. Vll 10. Auch CIA. II 952 Θράσων Πολύευκτου
Άνακαιεύς, επιμελητής in einem Katalog Anfang des 2. Jhdts.
v.Chr. gehört zu derselben Familie. Z. 18 [*Αριστοκ]λής θρ[ά]-
σω[νος] wird ein Vetter des in Z. 15 genannten [θρά]σων 'Αρι-
στοκλέους sein. Von dem Z. 17 erwähnten [*Αρι]στηΐ6ης ΈΕη-
κέστου ist ein Bruder CIA. II lOOG [Έ]Ε[ηκία]ς Έ£η[κίστου*]
(Ι) [*Αν]ακαιεύς in einem Katalog kurz vor Mitte des 4. Jhdts.
Dieses ΈΕηκίας Sohn ist CIA. II 1177 ΈΕήκεστος (II) ΈΕηκίου
Ανακαιε[ύς] in einer VVeihinschrift eines Collegiums Mitte des
4. Jhdts. oder etwas später. Auch in der Grabschrift CIA. II
2075 haben wir einen Angehörigen dieser Familie, sofern hier
zu lesen ist: [- - η] Φίλωνος [Εύιυν]υμέιυς [θυγ]άτηρ, [ΈΕη-
κ]*ίστου f Ανα]καίυϋς [τυν]ή. Ob hier die Gattin des ΈΕή-
κεστος Ι oder des ΈΕήκεστος II gemeint ist, lässt sich nicht
sagen.
Von den [Κειριά]οαι muss Z. 7 [. . . . ο]ιυρος Σμικυθου
für einen Bruder des CIA. II 672 vorkommenden -όβιος Σμικυθου
Κειριάοης, ταμίας τών δλλων θεών im J. 37G/5 gelten. Der
Ζ. 8 genannte [Νικόσίτρατος Νικοστράτ(ου) ist identisch mit dem
in der Grabschrift CIA. II 2126 aus der Zeit von 400-350 er-
wähnten Νικόστροτος Νικοστράτου Κειριάοης.
Unter den [Κόπρ]ειοι ist Ζ. 13 [Ξεν]ότιμος Ξενοκρίτου der
Vater des CIA. 11 944 als διαιτητής um 325 v. Chr. bezeugten
Νικοτέλης Ξενοτίμου Κόττρειος. Wenn Νικοτίλης um 325 als
διαιτητής 60jähri^ ist, so ist seine ακμή um 352, die ακμή des
Vaters Xenotimos um 385 anzusetzen. In Berücksichtigung des
zuletzt genannten Jahres, zusammengehalten mit dem J. 376/5,
welchem der zu Z. 7 herangezogene -όβιος Σμικυθου Κειριάδης
zuzuweisen ist, wird man unseren Katalog CIA. II 996 etwa in
die Zeit 380 — 370 verlegen müssen.
Welchem Demos die Z. 3 — 5 erwähnten Personen angehören,
ist nicht auszumachen. Vielleicht istZ. 2 einzusetzen [Ά^Ιηνιεΐς].
Zu Z. 5 [*Αριστοφ]άνης 'Αριστομή5[ου] vgl. CIA. II 643, 6
Άρ[ιστ]ομή5ης Ά[2Ιηνιεύςν], ταμίας Ιερών χρημάτων im J. 400/399,
aus derselben Familie wie CIA. II 1006 Άριστομήοης Άριστο-
φώ[ντος] Άίηνιεύς in einem Katalog etwas vor Mitte des 4. Jhdts.
= Άριστομήόης Άίηνι(εύς), τριήραρχος in einer Seeurkunde dee
478 Miscellen
J. 356/5, CIA. II 794 d 28. Zu Z. 4 [- - - Α]ϊσχρωνος vgl.
Αϊσχριυν Mev[av6pou Άίηνΐ€ύς*], επιμελητής in einem Ver-
zeicbnisfl nach der Mitte des 2. Jhdts., CIA. IV 2,952 b 29.
Oeeeen Sohn iet Μένανδρος Αϊσ[χριυνος Ά*]ίηνιευς, ίφηβος
unter Archou Echekrates (lOl/lÜO), CIA. II 467, 141.
Berlin. Job. £. Kirchner.
Drei Deutnngen
I οή — 6εΐ).
δη pro 5ίη nilvili' mit diesen kurzen Worten faset Vablen *
Rein Urtbeil über eine Contraction zusammen, deren Existenz
zuerst Dindorf angenommen hatte.' Dabei spricht V. freilich sehr
vorsichtig über eine Aristophanesstelle, die in Betracht kommt*:
verum utut de Aristophane iudicatur et comicis, Aristoteles nee
nietri angustiis premitur neque vero Dorice scribit. Es handelt
sich um Aristophanes Frösche 265. Dionysos, von Charon übere
Wasser gerudert, ist in den berühmten Wettstreit mit den Frö-
schen verwickelt;
βρεκεκεκέξ κοά£ κοάξ*
τούτψ γαρ ου νικήσετε.
Βάτραχοι
ούοέ μήν ήμας βύ πάντως.
Διόνυσος
ουδέποτε • κεκράΗομαι γαρ
καν με δή bi* ημέρας
βρεκεκεκέέ κοάΗ κοάΗ,
έως δν υμών επικρατήσω του κοάΕ.
Die Ueberlieferung steht fest ; denn bei, das einige Handschriften
bieten, bedeutet keine Abweichung. Dazu Dindorfs Anmerkung:
Kestitui ego ex libris Ravennate et Veneto, quorum alter bfy
alter bf] habet, monosyllabam subiunctivi formam bfji, eamqoe
aliis etiani in locis poetarum oblitteratam esse exietimo, quibas
synizesin adhibuit Meinekius in Curis criticis p. 14. Dindorf ist
mit seiner Vermuthung keineswegs durchgedrungen; auch Meineke
hat später in seinem Text das überlieferte με gestrichen und κδν
bex] br ημέρας gedruckt, und das ist die gewöhnliche Lesung
aller, die weder an eine Synizese^ noch an eine (sonst nirgendwo
in dieser Form tiberlieferte) Contraction von δέη glauben.
Aber lässt sich die Ueberlieferung nicht ganz andere ver-
stehen? Muss sie vielmehr nicht anders gedeutet werden? Es
giebt doch auch ein V'erbum beuj ich fessele, binde; in der atti-
schen Gerichtssprache heisst es soviel wie unser * einkerkern*.
So auch bei den Komikern; έν Εύλω, έν κλίμακι tritt gelegent-
1 Aristoteles Poetik» S. 294. 2 Ebd. S. 208. » Sie ist
vielleicht zulässig, wenn lange Silbe vorangeht. Vgl. Kook z. St.
Miscellen 479
lieb hinzu. Sein regelrecht gebildeter Conjunctiv iRt brj^. Aleo
bat man bloss deutlich zu interpungiren:
κεκράΗομαι γαρ,
KÄv με bx} bi* ήμίρας,
βρεκεκεκέέ κοάΕ κοά£,
2ως δν υμών επικρατήσω του κοά£.
Das heisst wörtlich: Auch weun er mich für einen Tag ein-
sperrt (wegen öffentlicher Ruhestörung nämlich), so werde ich
dennoch βρεκεκεκέΗ κοά£ κοάΗ schreien, bis ich über euer κοάΗ
die Oberhand gewinne*. Dass ich bi' ημέρας richtig verbunden
habe, will ich nicht durchaus behaupten; jedenfalls gewinnt durch
die andere Auffassung des brj der Gedanke an komischer Kraft.
Gerade die Frösche zeigen ja, dass dort unten die Polizei genau
wie im Diesseits pfehandhabt wird; Dionysos selbst verfällt ihr
später in bochnothpeinlichem Verhör. Aber wen hat man sich
als Subjekt zu brj vorzustellen? Es könnte Charon sein, auf den
dann Dionysos mit dem Finger weist; als Kapitän hat er auf
seinem Schiffe Polizeigewalt. Indes mit grösserem Rechte dürfen
wir wohl übersetzen: auch wenn man mich für einen Tag ein-
sperrt', mit jener Unbestimmtheit des Subjekts, die in der alten
Sprache nicht gerade selten ist. v. Wilamowitz (Griech. Lese-
buch Erläuterungen 1 S. 23) hat neuerdings davon gehandelt*.
Gemeint ist in solchen Fällen immer *der dazu Befugte*. 6εϊ
ό οήμιος.
Fesselung in der Unterwelt als Strafe für dort begangene
Ungebühr ist zuletzt eine volksthüraliche Anschauung; auch
Theseus und Peirithoos sind im Hades gebuuilen worden, genau
wie Held Dieterich und seine Gesellen, da sie den Rosengarten
des Königs Laurin verwüsteten. Mehr über diese Dinge an an-
derer Stelle! Hier mögen die grammatischen Folgerungen ge-
nügen. Als Beweis für eine Contraction von bir] dürfen die
Aristophanesverse nicht in Betracht kommen, und damit ist aller-
dings dieser Annahme die stärkste Stütze entzogen.
II εις νέων
In dem soeben erschienenen Hefte der von der Berliner Mu-
seumsverwaltung herausgegebenen griechischen Urkunden ist
Ν 958- von einem Apollonios die Rede als von του vuvl λι-
τουργοΟντος άμφόοου Απολλώνιου εις νειυν λειτουργεΐν πάλιν
μέλλοντος. Da Wilcken εις νέων durch zugesetztes Fragezeichen
und weggelassene Prosodie als dunkel bezeichnet, so sei die
Deutung nicht verschwiegen, die mir allein berechtigt erscheint:
es steckt mit ganz gewöhnlicher und leichter itacistischer Ver-
schreibung (ω für o) είς νέον darin im Sinne von unserem *auf
ein Neues*. Die Zahl dieser Adverbialbildungen mit εΙς ist im
Griechischen ausserordentlich gross; είς άεί, εΙς αύθις, εΙς αύ-
^ Unter den einsilbigen Stämmen auf ε ist ja gerade dieser der
einzige, der zum Unterschiede von *bέ^u ich ermangele' die Contraction
überall durchführt.
2 Vgl. Külincr-Cierth, iJramm. der gr. Sprache § iif>2g (S. .35).
480 Miscellen
τίκα, εις όψε, εις ύστερον, εις αυριον, εις τήμερον sind beliebig
herausgegriffene ßeispiele, die lehren, daHS ee Rieh in der Regel
um die Verbindung von Adverbien mit der Präposition bandelt,
εις oibiov, seit ThukydideR gebräuchlich, läest eich auch so ver-
stehen und εις νέον nicht minder; denn νέον ist neben νέιυς
seit Homer Adverbinm gewesen. Dass πάλιν hinzutritt, darf eo
wenig AnstoRS erregen, wie wir an unserem * wieder von Neuem'
Anstofis nehmen, πάλιν ist bekanntlich ein Wort, das Verstär-
kung liebte; seine Stellung nach dem Begriff, zu dem es gehört,
ist echt hellenistisch. Noch sei auf die merkwürdige Bildung έν
νέψ hingewiesen, über die ich Fleckeisens Jahrb. 1895 S. 255
gehandelt habe.
III ί)έ?
Das 149. Fragment des Epicharmos steht bei Kaibel in
folgender Fassung:
— τί bk TOV εστί ; — οηλαοή τρίπους. — τί μάν έχει πό^ας
τέτορας; ουκ έστιν τρίπους, άλλ' (^έστιν) οίμαι τετράπους. —
— ίστιν δνομ' αύτψ τρίπους, τέτοράς γα μάν έχει πόδας.
Alles einleuchtend bis auf das έ(Ττιν im letzten Vers; denn die
Ueberlieferung bietet έστι b' δνομ', und das ist, meine ich, zu be-
halten. Man mag die Adversativpartikcl durch eine Ellipse erklären,
wie sie lebhaften Südländern wohl zuzutrauen ist: ^ού τρίπους
έστίν^, έ(Ττι b' δνομ' αύτψ τρίπους. Epicharm hat geeohrieben,
wie das Volk sprach; solch ein freies hi hat in seinen Gesprächen
Kpiktet, bei dem es zB. Diss. I 14, 11 heisst; Άλλ' έγώ, φησίν, ού
ούναμαι πα(Τΐν δμα τούτοις παρακολουθεϊν. — τούτο όέ^αοί
και λέγει τις, δτι ίση ν έχεις δύναμιν τψΔιί; Entsprechend liest
man in dem lateinischen Fragment des Buches Henocb (S. 138
Fl.-R.): Et timuit Lamecb, ne non ex eo natus esset nie! nontine
dei, et venit ad patrem suum Mathusalem et narravit illi omnia.
dixit Mathusalem: Jugo atitem non possum scire, nisi eamas ad
patrem nostrum Enoc. Bekannter ist eine Stelle des Petron,
cena Trimalch. c. 58: Post hoc dictum tiiton, qui ad pedee etabat,
risum iam diu compressum etiam indecenter eifudit. Qaod cum
animadvertisset adversariuR Ascylti, flexit convicium in pnemm
et *iw auiem inquit 'etiam tu rides, caepa cirrata?' Der Bedende
stellt in seinen Gedanken den Giton in einen Gegeneats χα
Ascyltus.
Bonn. L. Radermacher.
1 ]{ei Luüian vcrao bist. I 12 ist die liiterpuuction falsch: καΐ
{ίμεΐς ήρόμεθα, τίνες τε εΐεν ο1 πολέμιοι καΐ τήν αΐτίαν τής διαφοράς.
'ό hi Φαέθων', ψησίν, 'ό τών έν τψ ήλ{ψ κατοικούνταιν βασιλεύς*. £■
mu88 hoissen δ be, 'Φαέθων*, φηαίν, 'ό των έν τφ ήλίψ κατοικούντυιν
βασιλεύς*. Gewöhnlicher ist άλλα in der oben charakterisirten Ver-
WLMidun^^: Xenophon Anab. II 1,4 Epictet. Dissert. I 2,20 etc.
Verantwortlicher Kedaeteur: L. Kadermacher in Bonn.
(la. Juni 1902.)
■\
InhaltMes dritten Heftes.
Seite
Oonioctanea. Scripsit F. Bu«icJie.l«»r Ι\ϋ1
Die Berliner Bruflisiücke iWr Sappho. Von F. Rolmseii tVI^f ,
FacetijU! Tullianne. Von 1^. (iurliit 337 !
Der Ma*;iie.t und die Atlinmn^' in antiken Theorien. Von
H. Λ. Fritzbchc. 363
Aus Dresdener IlaniUehriftrn. Λ'οη Μ. Mauitius . . 302
Zu ^rieeliischen Prosaikern. Von K. Fuhr 422
l-nheaehtetft Strabolraj^niente Von II. Kunze . . . 437
Analecta Theodoreliana. Srripsit .1. Kaeder . . . 449
Μ i Η e e I 1 e 11.
Kiue Anspielung in dem Zeusliymnos des Kalliniachos.
Von (;. Wöri.el 1(50
IMautus Aini»liitrnf». Von Th. Kakridis 4(>8
liandhenierkun.i'»*n /u Horaz. Von F. Sehultess . . 465
Zu ('iri>. V. :{i>:>-;3TT. V..n K*. Wünsch 4β«
Aüroei'ius »«t IMinins de Dflplnca. S^•rip^it D. Kosshach 473
Zu rr<»;:u> I*i»nip('iii> Γγ«»!. \. V()n <>. Xeuhaus . . 474
Zu 1ΊΛ. II m:m; \m|, .l,,ii. K. Kirchner 476
Dri-i Druiii•::•• '■. \ .•υ 1. li ;ni»• Γ niai' li er 478
I
I ;.i • -ι-.ιιΊϋ'Π'ί in lioiiiu
Rheinisches Museum
Η Τ L 0 L 0 Γ4 Τ Ε.
Franz Buechelor unä Hermann Usener.
EIN SCHREIBGEBRAUCH UND SEINE
BEDEUTUNG EUER DIE TEXTKRITIK
Wie man heutzutage das, was man einem Schriftstück nach-
träglich einzufügen wünscht und doch nicht in den Context selbst
liineinschreiben möchte, auf seinem Rande einzutragen und da-
durch an den gewollten Platz zu verweisen pflegt, dass man hier
und dort einander entsprechende Zeichen setzt, so verfuhr man
auch im Alterthum und Mittelalter. Aber die Verweisungszeichen
waren nicht das einzige Mittel, das zur Orientirnng solcher Rand-
zusätze verwendet wurde, man suchte diesen Zweck auch noch
auf andere Weise zu erreichen. Ein paar Beispiele mögen den
Sachverhalt erläutern.
Theodoros Metochites sagt von Synesios S. 127 MK. f(JTi
b' ού και ν€μ€σήσαι τις δν δικαίως το της γλώσσης τταρά-
τροτΓΟν. An Stelle des letzten Wortes bietet die Handschrift,
nach der A. Mai diesen Essai zurrst veröffentlichte (Scriptorum
vett. nova collectio II S. 687), ττάτροττον, wozu am Rande ρά-
τροπον vermerkt ist. Auch damit ist ersichtlich nichts anderes
als παράτροπον gemeint, die Randbemerkung will sagen : schiebe
in πάτροπον vor τρόπον die Silbe pa ein. Das gleiche Ver-
weisungsprincip ist in einem von A. Lud wich Batrachomachie
S. 345 hervorgehobenen Falle bei einem sehr umfänglichen Nach-
trage befolgt. In der ältesten Handscihrift dieses Gedichts (Ba•
roccianus 50) stehen die Verse 209, 214, 215, 218 und 219
(άλλ* oub' ώς άπεληγεν κτέ.) in dieser Reihenfolge im Text.
Dazu notirte ein Corrector des IB. Jahrhunderts rechts neben
209: — στίχοι, wiederholte dann auf dem unteren Rande der
Seite das Zeichen: — und schrieb dazu ])aarweise die Verse 210,
211, 212, 2i:^ 2\'λ\ 21«, 217, 218, 219 αλλ' oub' ως άπεληγεν.
Wie im vorigen Beispiel τρόττον, so stellt hier der aus dem Text
Rhein. Hiu. f. Philo]. N. F. LVII. ?i\
482 ßrinkmann
wiederholte Verstfaeil das Stichwort dar, das den yoränegehen-
den Versen ihren richtigen Platz vor 219 anweist.
Dies Verfahren ist nicht erst im Mittelalter aufgekommen.
Ganz ehenso half sich der Copist des Herondas-Papyrus, als er
das Anfangswort des Verses VII 99 (Τειυυτοϋ irrthümlich aue-
gelassen hatte: er holte es in dem freien Kaume üher der Co-
lumne (40) nach und fügte ihm das Wort, vor dem es einza-
schalten ist, στατήρας, in Verbindung mit einem Verweisunge-
zeichen ^ hinzu. Aber auch wo es sich nicht um Ergänzung
fehlender, sondern um Variante oder Correctur vorhandener Text-
worte handelt, hat man sich desselben Orientirungsmittels be-
dient. ZB. in der Herculanischen Rolle von Polystratos' Schrift
περί άλογου καταφρονήσ€ΐυς liest man am Fuss der 22. Col.
die Notiz λαβείν άληθι, durch correspondirende Zeichen bezogen
auf Z. 25 άπόλαυσιν λαμβάνειν άληθινήν. Mit einer ganzen An-
zahl in gleicher Weise orientirter Randzusätze ist der Text des
von Leemans (Papyri gr. musei Lugduni-B. II 1885) und A. Die-
terich (Abraxas 1891) herausgegebenen Leydener Zauberpapyrus
W nachträglich vervollständigt. So stehen unter S. 19 (199 D.)
die Worte επικαλούμαι σε ώς ό λίψ, στάς προς τον λίβα λέγε
η II 000 υυυυ υυωιυιυο) αααααα εεεεεεε επικαλούμαι, es ist dem-
nach im Texte vor einem επικαλούμαι der Satz επικαλούμαι (5ε
— εεεεεεε einzuschieben, der durch ein nahe liegendes Versehen
übersprungen war. Nun findet sich επικαλούμαι auf dieser Seite
sebr oft, in Betracht kann jedoch nur der Abschnitt kommen, in
dem von den Winden die Rede ist, nämlich Zeile 20, 22, 24
oder 26, und unter diesen hat wieder Z. 24 die am besten be-
gründeten Ansprüche. Denn nur wenn man den Nachtrag hier
einrückt, werden die vier Winde in einer naturgemässen Reihen-
folge (OSWN) aufgeführt. Ferner sind über S. 9 (173 D.) die Worte
gesetzt είτα κυνός άστρου ανατολή ν είτα τήν τήςΟώθεως,
dh. είτα — ανατολή ν soll vor είτα τήν τής (sie) Οώθειυς Ζ. 47
eingeschaltet werden. Kurz vorher macht sich eine weitere Lücke
bei πρόθεσιν (Ζ. 45) auf den ersten Blick bemerklich. Sie wird
ausgefüllt durch die am Fuss der Seite eingetragenen Worte την
τροπήν τού κόσμου τήν καλουμίνην πρόθεσιν. Unmittelbar
über diesem Nachtrage steht ein zweiter: και τόν τής ημέρας
' Crusius liest 6 und deutet dies οίίτως, aber weder kann die
nach links sich öilnendc krumme Liuie ein ο sein, noch sind die Zeichen
darüber Spiritus und Accont.
Ein Schreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik 483
και τόν έπάναγκον αυτών ϊνα H αυτών (S. 172 D.). Er dient
zur Ergänzung von Z. 36 καΐ τόν τής ήμίρας θ€Ον, ϊνα H αυτών.
Hier sind also dem Supplement nicht nur die Worte, vor die es
gehört, sondern auch die, hinter denen es seinen Platz finden
soll, hinzugefügt. Noch mehr Sioherheitsmassregeln sind bei einer
Naohtragnng am Ende der S. 8 (192 D.) getrofi'en. Ausser voran-
und nachgestellten Stichworten finden sich noch Yerweisungs-
zeichen im Text Z. 22 άκουε μοχλέ 7, ανάβαλε γή und vor dem
Nachtrage 7 ακουε μοχλέ, εΙς bvo γενου^ κλείιυν biä τόν
αϊααϊνρυχαθ, ανάβαλε γ ή. Nur einmal werden, abgesehen von
Verweisungszeichen, zur Orientirung allein die Worte verwendet,
hinter denen der Randzusatz einzuschieben ist. Ueber S. 6 (187 D.)
steht της θεοσοφίας άνεύρετον ττοίησον τήν βίβλον, zu Ζ. 22
πλησθεις τής θεοσοφίας gehörig. Dass diesmal das Stichwort
vorausgeschickt ist, mag seinen Grund in der Rücksicht auf die
grammatische Zusammengehörigkeit und den Platz der nachzu-
tragenden Worte haben, die den Abschluss eines Textabschnittes
bilden. Immerhin dürften derartige Fälle zu den Ausnahmen
gehören. Die Regel bei Verweisungen mittelst Stich Worten war
jedenfalls, Randzusätzen die Textworte folgen zu lassen, vor
denen sie eingeschaltet werden sollen. Und es leuchtet ein, dass
diese Art von Reclameu sich in der That am besten zur Orien-
tirung eignete. So hat sich ihr Gebrauch auch nicht auf die
Verweisung von Marginalien beschränkt. Denn es liegt doch
das gleiche Prinzip zu Grunde, wenn man die Reihenfolge der
Blattlagen, Blätter oder Seiten in den Codices statt durch Zahl-
zeichen vielfach dadurch bezeichnete, dass man ihnen am
Bchluss das oder die Anfangsworte der nächstfolgenden Seite
beischrieb. Auch diese Sitte reicht bis ins Alterthum zurück.
Nicht nur der Leydener magische Papyruscodex W befolgt sie^,
eondern bereits altbabylonische Schreiber verfahren danach. So
ist die Reihenfolge der von Zimmern (Assyriolog. Bibliothek
XII 1. 1896) veröffentlichten ' Surpu' -Tafeln auf diese Weise
^ Das entspricht genau dem deutschen 'entzwei gehen*, es kann
b
daher κλβιδων, wie man das κλ€ΐων gelesene Wort gedeutet hat, un-
möglich richtig sein. Man vgl. noch S. 6, 51 (189, 13 Ό.)σχ(σον €ΐς δύο.
^ Dass es in diesem Sinne zu verstehen ist, wenn bis S. 19 (mit
einer Ausnahme) die Schlussworte jeder Seite und die Anfangsworte
der nächsten sich decken, gelit am klarsten daraus hervor, dass das
Wort Ιερατιστί, das die 8. Seite eröffnet, am Schless der 7. in beson-
derer Zeile für sich allein geschrieben ist.
484 Brinkmann
festgelegt. Die 4. Tafel zB. schliesst mit den Worten (S. 25):
*' Beschwörung. Ein böser Flach hat wie ein Dämon einen Men-
sehen befallen. Vierte Tafel Surpu. Ihrem Original gemäss ab-
geschrieben* usw. Die Worte * Beschwörung — befallen' sind dem
Anfang der 5. Tafel entnommen, sie bilden die ^Stichzeile^ die
angiebt, dass diese Tafel derjenigen unmittelbar voranzugehen
habe; die so beginnt. Aus dem Mittelalter hat sich dann diese
Verwendung der Eeclamen in Schrift und Druck weiter und
weiter vererbt, und wenn sie jetzt aus den Erzeugnissen der
modernen Drnckerpresse fast ganz verschwunden sind, leben sie
bekanntlich in der conservativen Praxis der Kanzleien noch heute
uneingeschränkt fort.
So verbreitet nun auch der Gebrauch von Stiehworten zur
Orientirung marginaler Nachträge gewesen sein muss, ist er doch
allem Anschein nach niemals zu allgemeiner oder auch nur über-
wiegender Geltung durchgedrungen. Dieser Zustand konnte aber,
ja musste fast mit Nothwendigkeit zu mancherlei Uebelständen
führen. Abschreiber, denen das Stichwort-Verfahren nicht ge-
läufig war, standen derartigen Verweisungen rathlos gegenüber
und waren genöthigt sich mit ihnen nach Massgabe ihrer Ein-
sicht und Gewissenhaftigkeit abzufinden. Wessen man sich aber
unter solchen Umständen zu versehen hat, lässt sich leicht er*
messen, wenn man bedenkt, wie viel Verwirrung überhaupt durch
unrichtige Verwerthung von Marginalien in der antiken Litteratur
angerichtet ist, wie oft Varianten und abweichende Recensionen ^,
Correcturen und Inhaltsangaben^, Glossen und Scholien, Ver-
weisungen^ und redactionelle Vermerke^, lobende oder tadelnde
1 Vgl. Blase in* Iw. Müllers Handbuch I» S. 260 f. Ueber die be-
sondere Bedeutung dieses Factors in der Aristoteles- Ueberliefening s.
namentlich L. Spengel, Abhandl. d. bayerischen Akad. VI (1852) S. 511,
Torstricks Praef. zu de anima S. XXII fi*. und Diels Abhandl. d. Berliner
Akad. 1882 S. 31 fi*.
2 Das gilt natürlich vorzugsweise von Werken wissenschaftlichen
Inhalts, zB. Rhet. ad Alex. S. 23, 20 Sp. [πόθ€ν dv τις άπολογήσαιτο]
(erkannt von VicloriusJ, Philon Mech. S. 49, 17 [πβρί τής καθόλου
τέχνης], sowie S. 94, 13, Heron Pneum. S. 12, 3 f. Seh. [μεταβάλλει
τά παχύτερα τών σωμάτων εΙς λεπτομερεστέρας ουσίας] und S. 22, 25 ff.
[διότι oi κάτω κολυμβώντες ού θλίβονται ύπό τοΟ υπεράνω Οδατος].
8 χβ, Hippocr. V S. 344 L. [τά έκ τοΟ σμικροΟ πινακιδίου σκε-
. πτέα] s. Bröcker Rhein. Mus. 40 S. 431, Alex. Aphrod. II S. 128, 22
[περί τής απορίας ταύτης καΐ έν τοίς ύστέροις εΤρηταί τι] β. Bruns,
Suidas unter Συριανός [εΙς τά Πρόκλου] β. R. Scholl Anecd. II S. 5.
* Dionys. Hai. de Isoer. S. 570 R. = 80,' 12 ÜR. [άσύναπτα] β.
Ein Sohreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik 485
Aeueserungen ^ und sonstige Notizen kritischer Leser an der ersten
besten Stelle dnrch die Abschreiber den von ihnen copirten
Texten einverleibt sind. Bereits Galen weiss in seinen Erläute-
rn ngsschrifte η zu Hippokrates ein Lied davon zu singen ^.
Nach alledem wird man daranf gefasst sein müssen in den
antiken Texten auch solche Schäden anzutreffen, die anf diesem
Wege entstanden sind. Diese Fehlerquelle ist auch nicht ganz
ohne ausdrückliche Anerkennung geblieben. So zeigte üsener
Epicurea S. XXIV f., dass einer der verschiedenen Zusätze,
durch die Diogenes Laertius III 6 und 7 seine Vorlage erweitert
hat und die dann durchweg an möglichst unpassende Stellen
gerathen sind, noch jetzt sein ürsprungszeugniss in Gestalt
des angehängten Stichworts aufweist. Es ist der Satz (§ 7)
Sadee de Dion. H. scr. rhet. S. 19 ff. und Serapion v. Thmuis S. 72, 2'
Lagarde [ανακόλουθα] s. Pitra Anall. sacra V S. 59 und Sitzungsber.
Berl. Akad. 1894 S 481, dh. * hier ist der Text unzusammenhängend*,
femer Diog. Laert. X 121 [μ€τιτέον bi έπΙ τήν έπιστολήν] u. 122 [τό
έξης* Δοκεΐ δ' αύτοΐς] s. Usener Epicurea S. XXXII ff. Im psendoplut.
Leben des Andokides steht am Schluss des von Westermann als nach•
trägriche Einlage entlarvten Excurses über den Hermenfrevel (δια τό
πρότερον ώς Κράτιππός φησι) der Vermerk [προσαμαρτών μυ-
στήρια], di., wie Dübner erkannt hat, προς *Αμαρτών μυστήρια 'setze
vorstehendes den (der Einlage unmittelbar vorhergehenden) Worten
άμαρτών μυστήρια hinzu*.
* Vgl. ua. Cobet Mnemosyne IX S. 98 ff. Es ist freilich auch
wohl hie und da Missbrauch mit solchen Annahmen getrieben. So hat
Cobet bei Julian VII S. 231» in dem Satze di ZeO πάτ€ρ ή ότι σοι
φ{λον όνομα ή Οπως όνομά2Ιεσθαι — τουτί γάρ £μοιγε ουδέν διαφέρει
— δε{κνυέ μοι τήν έπΙ σέ φέρουσαν όδόν die Worte τουτΙ γάρ έμοιγε
ουδέν διαφέρει als ironische Bandbemerkung eines Lesers getilgt. Schon
das hierbei ganz unbegreifliche γάρ hätte ihn oder Hertlein, der ihm
folgt, bedenklich machen müssen. Vollends klar wird die Verkehrtheit
der Athetese, wenn man vergleicht zum Gedanken etwa Origen. o.
Gels. V 41 und Macar. Magnes IV 21 S. 200, zum Ausdruck Method.
S. 343, δ Bonw. άπό τών στοιχείων ή ολης ή στηριγμάτων, ή βιτως
αύτοΙ βούλεσθε όνομάίειν — ουδέν γάρ διαφέρει, Aelian V. Η. Ι 25
ΑλέΗανδρος ό Φιλίππου, εΐ δέ τψ δοκεΐ ό τοΟ Διός — έμοί γάρ ουδέν
διαφέρει, Aeschines Tim. 164 όστισδηποτοΟν — ουδέν γάρ διαφέρει.
2 S. Galen XVII 1 S. 79 f., 634, 909 und sonst (vgl. Bröcker
Rhein. Mus. 40 S. 417 ff. und Blass im Handbuch Ρ S. 257 ff.), ausser-
dem Simplicius in Categ. 51^ 38 Br. δισσογραφία τις έν τούτοις συνέβη*
ουδέν γάρ 'Αριστοτέλης έκ περιττοΟ τοϊς λόγοις προστίθησιν, άλλ' ΐσως
ßu) παραγεγραμμένης τής Αλλης γραφής οΐ γράφοντες τά δύο εΙς
τό εδάφιον ένεγράψαντο.
486 Brinkmann
ττροσεϊχε Κρατύλψ le τψ Ηρακλειτείψ καΐ Έρμογένει τψ τά
ΤΤαρμ€νίοου φιλοσοφουντι, der wie das folgende, im jetzigen
Zusammenhange unverständliche ίπειτα angiebt, vor ίιτειτα μέντοι
μέλλιυν (§ 6) seinen Platz hatte finden sollen. Und Ludwich
erklärte Batrachomachie S. 345 die Tbatsache, dass sich V. 76
fast vollständig mit 69 deckt durch die Yermuthung, es seien
74 und 75 im Archetypus am Rande nachgetragen gewesen und
69 hinzugefügt, um ihre Einreihung vor diesem Verse zu ver-
anlassen. Im Allgemeinen hat man jedoch anscheinend diesem
Verweisungsmodus sowie den durch seine ünkenntniss oder Ver-
nachlässigung verursachten Irrungen nicht die gebührende Auf-
merksamkeit geschenkt. £s dürfte sich daher verlohnen dem
Gegenstande etwas näher nachzugehen und seine Wichtigkeit fur
die Ueberlieferung der antiken Litteratur an einigen charakter-
istischen Proben aufzuzeigen.
Ein bekanntes, dem Anaxagoras zugeschriebenes Wort lautet
in Jamblichs Protreptikos c. 9 nach dem Florentinus ερωτηθέντα,
τίνος δν ένεκα ϊλοιτο γενίσθαι τις και 2ήν, άποκρίνεσθαι . . .
ώς του θεάσασθαι τά ΤΓ€ρι τον ούρανόν και ττερι αυτόν δστρα
κτέ. Mit Hilfe der Parallelstellen hat Pistelli in seiner Aus-
gabe S. 51, 13 die Schlussworte verbessert zu
θ€άσασθαι [τά ττερί] τον ούρανόν και <^τά^ περί αυτόν
αστρα.
Man wird diese Corruptel schwerlich anders erklären können, als
wenn man in τά περί eine ursprünglich ausserhalb des Textet,
beigeschriebene Correctur sieht, die besagen sollte, dass vor περί
(αυτόν α(Ττρα) der Artikel irrthümlich ausgelassen sei. Ebeoso
wird man Stellen zu beurtheilen haben wie Eleomedes II 5 S. 194,
17 f. Z.
ουτιυ [πάσαν αυτήν] περιέρχεται — nämlich ή σελήνη —
περί (πασαν) αυτήν,
Heron Automat. S. 430, 9 Seh.
καΐ (άνωθεν περόνιον) οιώσαι bia τρυπηματίου του έν
τή πλευρςί και [άνωθεν περόνιον οιώσας] 5ιά της αγ-
κύλης,
und vermuthlich auch den in dieser Zeitschrift LVI S. 70 f. be-
handelten Satz der Rede Gregors an Origenes § 161
οίς εϊπερ έπείσθη. πριν φιλοσοφήσαι, προσελθεϊν το
πρώτον, (προσανείχετο) αν και ήγάπα, . . . οία 6ή μή
προκατειλημμένης της ψυχής μηοέπιυ λόγοις [προσανεί-
χετο δ ν και ήγάπα].
Ein Sohreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik 487
Zar Annahme eines verkannten Nachtrages mit doppelter Orien-
tirung drängt die XJeberlieferung in Porphyrios' Leben Plotins c. 9 :
?σχ€ bk και γυναίκας σφόδρα προσκειμενας, Γεμίναν τε,
ής και έν τή οίκίςι κατφκει, καΐ τήν ταύτης θυγατέρα,
Άμφίκλειάν τε ... [σφόδρα φιλοσοφίςι προσκει-
μίνας].
Die Schlnssworte waren wohl die Randbemerkung eines Lesers,
der an dem Ausdruck ?σχε σφόδρα προσκειμένας (*es waren
ihm sehr ergeben') mit Unrecht Anstoss nahm und — zum
Schaden des Sinnes — φιλοσοφίςι dazwischen eingeschoben
wissen wollte. Der seltenere Fall einer Verweisung durch voraus-
geschicktes Stichwort scheint dagegen bei Athenaeus XI S. 505 f.
vorzuliegen. Denn wenn Kaibel mit Eecht hergestellt hat
άλλα μην ου δύνανται Πάραλος καΐ Ξάνθιτπτος ο1 Περι-
κλέους υ\οι [τελευτήσαντες τφ λοιμφ] Πριυταγόρςι
διαλέγεσθαι, δτε <τό> δεύτερον έττεδήμησε ταϊς 'Αθήναις,
οΐ Ιτι (?) πρότερον τελευτήσαντες (τψ λοιμψ),
so ist die Verderbnies doch nur unter der Voraussetzung be-
greiflich, dass τελευτήσαντες τψ λοιμψ ein verstelltes Mar-
ginale ist, das den Ausfall von τψ λοιμψ am Satzschluss be-
richtigen sollte.
Handelt es sich in den bisher betrachteten Beispielen immer
nur um die Nachtragnng von einem oder zwei Worten, so fehlt
es auch nicht an Belegen für irrthümliche Einordnung längerer
Randzusätze dieser Art. Besonders klar tritt der Sachverhalt zu
Tage in dem biographischen Artikel des Suidas über den Ko-
miker Phrynichos. Da werden die Stücke dieses Dichters in
folgender Ordnung aufgeführt:
'Εφιάλτης, Κόννος, Κρόνος, Κιυμασται, Σάτυροι, Τρα-
γιυδοί ή Απελεύθεροι, Μονότροπος, ΜοΟσαι, Μύστης,
Ποάστριαι, Σάτυροι.
Nun kennt die Liste des cod. fistensis (Eaibel FCG. IS. 10) von
Phrynichos nur 10 Komödien, hier sind es 11, aber der Titel
Σάτυροι wird zweimal genannt und zwar das zweite Mal ohne
jedes unterscheidende Kennzeichen. Man strich daher frühzeitig
das zweite Σάτυροι als überflüssig. Allein C. Wachsmuth (Symb.
phil. Bonn. 8. 151) erkannte, dass die Verderbniss tiefer greife
und die ursprünglich durchweg alphabetische Reihenfolge der
Titel zerrissen habe, ohne dabei auf eine Erklärung ihres Ur-
sprungs einzugehn. Einmal auf diese Dinge aufmerksam geworden
488 Brinkmann
sieht man leicht, was vorgegangen. Die Titel Μονότροττος,
MoOdai, Μύστης, ΤΤοάστριαι waren ans Versehen übersprangen
und am Rande zusammen mit Σάτυροι als Stichwort nach-
getragen, zum Zeichen dass sie vor Σάτυροι in den Text ge-
hörten ^. Der nächste Copist beachtete das nicht und schob den
Nachtrag sammt seinem Stichwort kurzerhand ans Ende des
Pinax.
Nicht ganz so einfach liegt der Thatbestand bei einer Stelle
der Schrift des Alexander von Aphrodisias περί κρά(7€(υς και
αύΗή(Τ€ως. Im 11. Kapitel dieses ebenso schwierigen wie wich-
tigen Buches wird die stoische Lehre, dass Gott (das wirkende)
die Materie (das leidende Prinzip) durchdringe und gestalte,
von den verschiedensten Seiten aus beleuchtet und ad absur-
dum geführt. An seinem Schlüsse heisst es dann S. 226, 80 ff.
der Akademie- Ausgabe προς bk τούτοις ei τά κιρνάμενα άλλή-
λοις σώματα άντιπάσχειν ύπ' αλλήλων^ ανάγκη, τά bk 5Γ αλ-
λήλων χιυρουντα σώματα κιρνάται άλλήλοις, €Ϊη τ' δν δλληλα
*«* Ταύτα μέν €ΐπ€ίν προήχθην bia τους αντιλέγοντας κτέ.
Mit Recht hat der Herausgeber das Zeichen der Lücke gesetzt,
es fehlt der Nachsatz, die Schlussfolgerung: 'so ist auch Gott
mit der Materie vermischt, erfährt demnach von ihr Gegenwirkung,
leidet also oder ähnlich. Bruns hat auch bereits treffend darauf
hingewiesen, dass der hier ausgefallene Gedanke sich weiter unten
S. 227, 19 ff. vorfinde. Da stehen unvermittelt und zusammen-
hanglos zwischen zwei Sätzen, in denen von ganz anderen Dingen
die Rede ist, die Worte και ό θεός κιρνάμενος τή υλη, ei hl
τούτο, και άντιπάσχων ύπ* αυτής* οίς έπεται τό τε τον θεόν
πάσχειν και τό την υλην ποιεϊν, άλλα ταύτα — dem Sinne nach
genau das, was S. 226, 34 fehlt. Es kann daher kein Zweifel
sein, dass hier eine verschlagene Randbemerkung vorliegt, die
zur Ergänzung der Lücke am Ende des 11. Kapitels hatte dienen
sollen. Nun ist mit οίς ϊπεται τό τε τόν θεόν πάσχειν και τό
την υλην ποιεϊν die Schlussfolgerung ans Ziel gelangt, für den
Gedanken ist nichts weiter erforderlich. Immerhin besteht aber
die Möglichkeit, dass einst doch noch eine jetzt verlorene Be-
* Von hier aus eröffnet sich vielleicht auch ein Weg zu der von
Daub (Flcckeis. Jahrb. 1881 S. 264) vermissten Erklärung, wie iu den
Bios des Ophelion die Titel der diesem Komiker von Meineke (Bist,
crit. S. 415) u. A. abgesprochenen Stücke Σάτυροι, ΜοΟσαι, Μονό-
τροποι (sie) eingedrungen sein können.
Ein Schreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik 489
merknng mehr oder weniger gleichgiltigen Inhalte folgte und die
abgerieeenen Worte άλλα ταύτα ihren Anfang bildeten. Darüber
gilt ee zunächst Klarheit zu gewinnen. Der Satz, der auf die
von Bruns angezeigte Lücke folgt (S. 226, 34), beginnt mit den
Worten ταύτα μέν είπεϊν προήχθην κτέ., ihm fehlt also der un-
mittelbare Anschlüge an das vorangegangene. Hergestellt wird
die Verbindung, wenn man entweder hinter μέν ein bi\ oder oöv
einschiebt, oder aber λόγ ταύτα eine Partikel wie και oder άλλα
hinzufügt. Da nun vor ταύτα sich ohnehin die Lücke befindet,
so ist natürlich das letztere weitaus vorzuziehen. Ist dem aber
80, dann kann, da mit diesem Satze die bisherige Erörterung ab-
gebrochen wird, nur άλλα ernstlich in Frage kommen. Der auf
die Lücke folgende Satz begann also aller Wahrscheinlichkeit
nach mit άλλα ταύτα. Eben diese Worte άλλα ταύτα stehen
aber ganz abrupt am Schlues des Nachtrags, der zur Ausfüllung
jener Lücke bestimmt war und sie auch inhaltlich in vollkommen
befriedigender Weise ausfüllt. Der Nachtrag ist also in der
That am Ende vollständig und das abrupte άλλα ταύτα stellt
das ihm zur Orientirung angehängte Stichwort dar: er passt
somit genau an den auf die Lücke folgenden Satz an. Setzt
man ihn nun an dieser Stelle ein, so wäre Alles in schönster
Ordnung, wenn das jetzt vor der Lücke stehende άλληλα fehlte.
Also vor der statuirten Lücke ist ein άλληλα überflüssig, da-
hinter ein άλλα erforderlich, mit anderen Worten dies άλληλα ist
nichts anderes als das vermisste άλλα, leicht verschrieben unter
dem fortwirkenden Einflüsse der unmittelbar vorhergehenden
άλλήλιυν und άλλήλοις^. Die Entstehung des jetzigen Textes
dürfte demnach in folgender Weise vor sich gegangen sein. In
einem dem Archetypon vorausliegenden Exemplar war der Schluss
des 11. und der Anfang des 12, Kapitels geschrieben €Ϊη τ' &v|
άλλα ταύτα μέν ειττεϊν προήχθη ν κτέ. mit Auslassung von και
ό θ€Ος — ποΐ€Ϊν zwischen δν und άλλα. Diese Auslassung zog
dann die weitere Verderbnies von άλλα zu άλληλα nach sich.
Der übersprungene Satzschluss και ό θεός — ποιεΐν aber ward
am Eande nachgetragen und ihm die Anfangsworte des nächsten
Satzes άλλα ταύτα als Reclame angehängt. Wird er eingeordnet,
80 ergiebt sich folgendes :
προς bi τούτοις el τα κιρνάμενα άλλήλοις σώματα άντι-
πάσχειν υπ' αλλήλων ανάγκη (bia τούτο γάρ ούοίτερον
1 Vgl. Bd. LVI S. 72 dieser Zeitschrift.
490 Brinkmann
αυτών φθ€ίρ€ται, δτι έκάτ€ρον αυτών πάσχον ύφ' έκατέρου
έν τώ πάσχ€ΐν άντιποιεϊ), τά hk bC αλλήλων χωρουντα
σώματα κιρναται άλλήλοις, εϊη τ' δν^ | και ό θεός κιρνά-
μενος τή υλη, el οέ τούτο, και άντιπάσχιυν υπ' αυτής*
οίς ?π€ται τό τε τόν θεόν πάσχειν και τό την υλην
άλλα ταΟτα
ποιεϊν. Ι άλλ[ηλ]ά.ταϋτα μέν εΙπεΐν προήχθην 5ιά τους
αντιλέγοντας μέν Άριστοτέλει κτέ.
Wie ist aber der Nachtrag an die eo weit abgelegene Stelle ge-
rathen, an der er jetzt steht? Der Schaden ist, wie eich gezeigt
hat, jedenfalls recht alt. Nun lehren aber die griechischen Hand-
schriften des Alterthums und frühen Mittelalters*, wie die Her-
culanischen Rollen, die Papyri des Bakchylides, Herondas, Homer,
Hypereides, der Ascensio Jesaiae, die Bibelcodices nya., dass
man damals als Unterkunft für Nachträge, Varianten und ähn-
liche Notizen vorzugsweise den Baum über und unter den
Spalten oder Seiten zu benutzen pflegte^. Es dürfte sich daher
^ Dem T€ entspricht (cl δέ τοΟτο) και. Der sich zunächst dar-
bietende Gedanke, nach €ΐη τ' Äv etwa (ή ολη κιρναμένη τφ θ€φ) oder
dergleichen zu ergänzen, hält reiflicher Prüfung nicht Stich. Mit εΐη
dv beginnt Alex, mit Vorliebe den Nachsatz, zB. S. 221, 35. 222, 15.
18. 24. 22β, 23 und t€ gebraucht er oft in sehr freier Weise.
' Dasselbe g^lt, wie es scheint, von den ältesten lateinischen
Handschriften. Die Orientiruug der Randzusätze wird hier abgesehen
von den Verweisungezeichen noch dadurch bewirkt, dass man der de-
fekten Text stelle wie ihrem Supplement die litterae singulares hs (dh.
hoc supplendum oä.) beifügt, so im Plinius-Palimpsest von St. Paul
(Dziatzko Unters, über d. antike Buchwesen S. 110, vgl. Mommsen-
Studemund Analecta Liv. S. 22), und in Dichter-Handschriften auch in
der Weise, dass dem der Auslassung vorangehenden Verse ein Ä^ den
nachgetragenen Β und die folgenden Buchstaben in der Reihenfolge
des Alphabets vorgesetzt werden, zB. im Mediceus 39, 1 (s. Max Hoff-
mann S. XVII) und Vaticanus 3225 des Vergil (s. das Facsimile), viel-
leicht auch im Ambrosianus des Plautus (383^ s. Studemuuds Apo-
graphum).
^ Diese Thatsacbe hat bereite Schubart in seinen Bruchstücken
zu einer Methodologie der diplomatischen Kritik (1855) S. 84 richtig
erschlossen, erklärt und verwendet: 'Auch durch Verschulden der Ab-
schreiber konnten grössere Stücke des Textes ausfallen; bemerkte man
dies nicht, so entstand eine Lücke ; wurde es noch bei Zeiten entdeckt,
so trug man das Ausjrelassene am Rande nach, und zwar in der Regel
am oberen oder unteren Rande, weil es an dem schmäleren Seiten-
rande meist an Raum gebrach, um einen längeren Abschnitt einzu-
Ein Sohreibgebraach und seine Bedeutung für die Textkritik 491
auch im vorliegenden Falle empfehlen, mit diesem feststehenden
Gebrauch zu rechnen und nicht abstracten Möglichkeiten nach-
zujagen. Die ausgelassenen Worte waren also ursprünglich am
Fuss der Seite nachgetragen, zu der sie gehörten und wurden
später an eben dieser Stelle in den Text eingereiht.
Zu dem hier erschlossenen Vorgang liefert die genaueste
Analogie ein Abschnitt des mehrfach erwähnten Leydener Zauber-
papyrus W und zwar der in doppelter, grossentheils gleich-
lautender Fassung darin enthaltenen Kosmopoiie, die A. Dieterich
zum Ausgangspunkt seiner Abraxas-Untersuchungen genommen
hat. In der zweiten Fassung heisst es S. 12, 1 ff. (Leemanns II
S. 121, Dieterich S. 8 f.) έγίλασε τό πέμπτον (η. ό θ€Ος) καΐ
Τ€λών έστύγνασε και έφάνη Μοϊρα κατέχουσα ίυγόν, μηνύουσα
έν εαυτή τό Μκαιον €Ϊναι. An der entsprechenden Stelle der
ersten (S. 5, 7 ff.) ist aber zwischen δίκαιον und etvai folgendes
eingeschoben :
λέγ€ΐ την βάριν, έφ' ή αναβαίνει άνατ€λ[ο]λιυν τφ κόσμψ.
ίστιν hi
?φη b* αύτοϊς ό θ€Ος έΗ αμφοτέρων είναι τό οίκαιον
πάντα 6έ υπό σέ έσται τα έν κόσμψ. και πρώτη
εκλήθη οέ ονόματι άγίψ άναγραμματιίομένψ φοβερψ καΐ
φρικτφ θοριοβριαταμμαωραγγαοιυιυοαγγαρωαμματαιρβοι-
ροθ. έκάκχασε τό έκτον
ουτιυς είχε τό άντίγραφον.
Wie man sieht, besteht die Einlage, abgesehen von den Schluss-
worten, aus drei Stücken, die weder zu einander noch zu dem
Satze, in den sie eingeschoben sind, die geringste Beziehung
haben. Ihr Auftreten an dieser Stelle ist daher, wie Dieterich
(S. 9) gesehen hat, nur dann begreiflich, wenn man sie als Rand-
bemerkungen der Vorlage fasst, die der Copist von W versländ-
nisslos dem Texte einverleibte. Darauf weist auch das ihnen am
Schluss angefügte οίίτως είχε τό άντίγραφον, mit dem der
Schreiber seine Rathlosigkeit eingesteht und sich zugleich dem
Leser gegenüber aller Verantwortung entledigt. Und weiter,
tragen. Hierdurch wurde derselbe in den meisten Fällen weit von
seinem ursprünglichen Platze abgerückt, und gerieth in Ermangelung
von VerweisungBzeichen oder bei Vernachlässigung derselben von Seiten
des Abschreibers in rathlose Irre, so dass man den Ausfall entweder
da einfügte, wo sich ein passender Platz ohne Suchen darzubieten
schien, oder wo er etwa zunächst stand.' Vpl. auch Blass im Handb.
I« S. 262.
492 Brinkmann
jedes dieser drei ehemaligen Marginalien besteht aus einem in sich
geschlossenen Satze, auf den jedesmal zwei bezw. drei abge-
rissene Worte folgen: sie tragen also durchaas das Gepräge
der mit nachgestelltem Stichwort orientirten Randzusätze und
Varianten.
Was zunächst das erste von ihnen betrifft, so findet es sich
in dieser ersten Fassung der Kosmopoiie nirgends, es war daher
in der Vorlage zweifellos als Supplement gemeint, das vor einem
?(Ττιν bk in den Text aufgenommen werden sollte. Nun kommt
aber έ(Ττιν hk in dieser Partie des Papyrus wiederholt vor, es
empfiehlt sich daher, um den richtigen Platz zu ermitteln, von
der zweiten Fassung auszugehen. Hier stehen jene Worte λέγ€ΐ
— κόσμψ S. 11, 21 (Dieterich S. 6**) hinter τό bk φίΚΓικόν σου
δνομα αίγυτττιστι Άλοαβαείμ und vor 6 bk έττι της βάρβως
φανείς. Dem entspricht in der ersten Fassung S. 4, 26 (Diete-
rich S. 6•) τό bk φυσικόν σου δνομα αίγυτιτιστι Άλοαβαείμ
(γράμματα θ), κατ έστιν bi ό έττι της βάρ€ΐυς φαν€ΐς κτέ.
Man hat hier κατ und έστιν zu κάτεστιν zusammengefasst und
so ein weder sonst beglaubigtes noch an sich glaubliches Ver-
bum geschafi'en. Wie man sich aber auch mit diesem κατ mag
abzufinden haben, soviel ist unbestreitbar : genau an der Stelle,
auf welche die zweite Fassung hinführt, findet sich in der That
ein ίστιν bi, das Stichwort jenes Nachtrages. Was bedeutet
nun das räthselhafte κατ? Es kommt noch einmal im Papyrus
vor, nämlich S. 4, 2, und zwar wie aus dem beigegebenen Facsi-
mile auf Tafel Π ersichtlich ist, mit hoher gestelltem Endbuchstaben
geschrieben (κα'Τ), somit als Abbreviatur gekennzeichnet. Die
Satzgruppe, in der es da erscheint — πρώτον έφάνη φώς, αυγή,
bi' ής έστησ€ τα πάντα έγένετο bk θ€Ος. κατ. ούτοι γαρ €ΐσι.
ούτως €Ϊχ€ τό άντίγραφον^ — steht ausser jeder Verbindung mit
dem vorhergehenden, wie dem nachfolgendeu, sie ist auch äusser-
lich vom übrigen Text scharf abgetrennt. Dieser Umstand im
Verein mit dem bezeichnenden Zusatz ούτως €ΐχ€ τό αντίγραφαν
beweist aber, dass der Passus bereits in der Vorlage am Rande
stand, und zwar da die Stelle, auf die er sich bezieht (S. 4, 39 =
S. 7* 8 ff. D.), erst später folgt, ebenso wie in W am oberen Rande.
Also κατ ist Abbreviatur, es findet sich einmal an einer Stelle, zu
der ehemals eine Randbemerkung gehörte (S. 4, 27), das anderemal
in einer solchen Randbemerkung selbst (S. 4, 2), in beiden Fällen
^ Diese Zeilen sind von Dieterich unberücksichtigt gelassen.
£ίη Scbreibgebraucb und seine Bedeutung für die Textkritik 493
ist 68 ein tiberflüseiges und störendes Element, das aus dem Zu-
sammenbange vollständig berausfällt. Was liegt also näber als
den Scbluss zu zieben, dass es auf die Randbemerkung als solcbe
Bezug bat, db. irgendwie zur Verweisung dient, mitbin, da im
einen Falle das zugebörige Marginale weiter unten folgt, im an-
deren das Marginale zu einer weiter unten folgenden Stelle ge-
bort, dass es κάτυϋ zu lesen ist? In der Tbat sind derartige
Vor- und Rückverweisungen auf und von Randbemerkungen mit-
telst κάτΐϋ und άνω im Sinne von 'siebe unten' bezw. *oben' in
den antiken Manuscripten nicbts weniger als selten. So stebt
im Oxyrbynchos- Papyrus des V. Bucbes der Ilias (II S. 102)
neben V. 125 recbts κάτιυ, links ein Verweisungszeicben , am
Fuss der Colnmne ist dann der ausgelassene Vers 126 nacb-
getragen und ibm ein entsprecbendes Zeichen vor-, ein δνιυ nach-
gesetzt. In ähnlicher Weise ist verfahren in den Herculaniscben
Rollen der Rhetorik Philodems I S. 9 Sudh. (= V^ 33), II S. 133
(= VP 189), S. 185 (= X12 114), S. 245, 264, des Index Aca-
demicorum Col. 20 (Mekler S. 72 f., vgl. S. 21, 37, XIII), ferner
in den Oxyrbynchos-Papyri I S. 26 Col. II, im Codex Sinaiticus
IV 82, 92 US. Ebenso findet sich aber auch häufig umgekehrt
neben oder über eine lückenhafte Stelle ein äviü gesetzt, das auf
die am Kopf der Seite eingetragene und demgemäss mit dem
Vermerk κάτω versehene Ergänzung verweist. Im Hypereides-
Papyrus Α zB. bat der Copist zu Anfang der Euxenippea eine
Zeile ausgelassen und den Defect dann dadurch ausgeglichen,
dass er die übersprungenen Worte άλλ' fjv (Τττάνιον ib€iv über
der Columne (19) nachholte, ihnen ein κάτω anhängte und da,
wo sie im Texte fehlen (hinter Z. 2), άνω hinzufügte. Weitere
Belege liefern Volum. Hercul. X* 176, der Herondas • Papyrus
Col. 34, Oxyrb. P. I S. 42, Π S. 44, S. 100 f., Amberst P. Π
S. 24. In einigen der angeführten Beispiele ist, wie es scheint,
auch nur eins der beiden V^erweisungswörter gesetzt, in mehreren
Fällen sind sie ferner abgekürzt geschrieben, einmal, in der Hy-
pereides-Handschrift, κάτω fast genau so wie im Leidensis W.
Es ergiebt sich also nunmehr folgendes Resultat: In der Vorlage
des Leydener Zauberpapyrus stand am Rande zwischen Αλδαβαείμ,
γράμματα θ und έστιν hk ό oder im Text über dieser Stelle
(S. 4, 27 W^ = S. 6* 3 D.) das Verweisungswort κάτω, dies κάτω
bezog sich auf »He am Fuss der Seite nachgetragene Ergänzung
λ€γ€ΐ την βάριν, έφ' ή αναβαίνει ανατέλλων τω κόσμω, der
ί(Ττιν 6έ als Stichwort angeschlossen war. Die Einordnung de«
494 Brinkmann
Supplements ist mithin darcli zwiefache Orientirungsmittel fest-
gelegt und gegen alle Zweifel gesicliert.
Eine etwas andere Bewandtniss hat es mit den heiden
übrigen in W zwischen δίκαιον und €Ϊνάι (S. 5, 8 ff. = S. 9* D.)
eingesprengten Eandbemerkungen der Vorlage. Ihr Inhalt findet
sich in ganz ähnlicher Form einige Zeilen weiter im Text von
W vor. Dem einen (S. 5, 8 ff. = S. 10» D.) entspricht Z. 14 ff.:
?φη b* αύτοϊς ό θεός il τών hk μαχόμενων ό θ€Ος
άμφοτίριυν €Ϊναι το δίκαιον, έφη* ΈΕ αμφοτέρων το δίκαιον
πάντα bk υπό σέ έσται τά έν φανήσεται, πάντα δέ ύπό σέ
κόσμψ. και πρώτη ίσταιτάένκόσμψ. και πρώτη...
das andere (S. 5, 10 ff. = S. 10» D.) kehrt Z. 17 ff. wieder:
εκλήθη δέ ονόματι άγίψ άνα- ής τό όνομα άναγραμματιίό-
γραμματιίομίνψ φοβερψ και μενον μέ'χα έστιν και δγιον
φρικτψ θοριο — οιροθ. έκάκ- και ίνδοΕον. έστι δέ τούτο*
χάσε τό ϊκτον θοριο — οιροθ γραμμάτων μθ.
έκάκχασε τό Ικτον . . .
Beide hilden also im vorliegenden Exemplar nicht Ergänzungen,
sondern stellen Varianten dar. Es fragt sich allerdings, ob sie
diese Bestimmung von vornherein hatten. Denn es ist an eich
sehr Wühl denkbar, dass wie der erste, so diese beiden anderen
Theile der Einlage von S. 5 im Antigraphon ursprünglich zur
Ausfüllung von Lücken bestimmt waren, dann aber diesem Zweck
entfremdet wurden, weil nachträglich, sei es der Copist, ein Cor-
rector oder Leser nach einem anderen Exemplar die Ergänzung
im Texte selbst vornahm. Es fehlt dafür nicht an Analogien.
So ist im Herondas-Papyrus das ausgelassene Anfangswort des
Verses VII 99 ((Τεωυτου) nicht nur über der Columne ergänzt,
sondern auch dem Verse selbst nachträglich vorgesetzt, und im
Demosthenes-Fragment Amherst Papyri II S. 24 sind die Z. 5
übersprungenen Silben — γεθος δυναμε — sowohl am Kopf der
Seite wie über der lückenhaften Zeile nachgetragen. Indessen
einfacher und natürlicher erscheint doch die Annahme, dass diese
beiden ehemaligen Randbemerkungen von Haus aus als Varianten
gedacht waren ^. Zu Gunsten dieser Auffassung fällt insbeson-
^ Es liegt dann derselbe Fall vor wie in der oben S. 482 ange-
führten Stelle aus Polystratos' Schrift π. άλογου καταφρονήσεαις und
ζ Β. im Rainer-Papyrus von Xenophons Kyrupaedie V 2", 24 (Mitth. aus
der Sammlung der Pap. Erzherzog Rainer VI S. 88): neben den Text-
worten μέλον αύτοϊς Ισχιιραις δπΐ} τό μέλλον άποβήσοιτο steht ein Ver-
Ein Schreibgebrauch und seine Bedeutung für die Textkritik 495
dere der Umstand ins Gewicht, dass auch in der zweiten Version
der Kosmopoiie wenigstens die Bemerkung über den anagramma-
tischen Namen θοριο — οιροθ in doppelter Fassung gegeben ist
(S. 12, 8 ff. = S. 10*» 13 ff. D.), einmal genau in der Gestalt, wie
sie in der Einlage S. 5, 10 ff. steht, sodann wörtlich in der Form,
die sie im fortlaufenden Texte S. 5, 17 ff. hat^
Ist hier die Entscheidung immerhin nicht allen Zweifeln
entrückt, so läset sich eine andere Frage, deren Lösung noch
aussteht, mit um so grösserer Sicherheit beantworten. Von diesen
drei vom Schreiber des Leydener Zauberbuchs verkannten Rand-
bemerkungen (S. 5, 8 ff.) beziehen sich die zweite und dritte auf
nachfolgende Stellen (S. 5, 14 ff. und 17 ff.), sie standen daher
in der Vorlage jedenfalls über der Seite, zu der sie gehörten.
Die erste dagegen hatte im Antigraphon ihren Platz, wie sich
(8. 493) ergab, am Fuss der Seite, zu der sie einen Nachtrag
lieferte, und zwar ging diese Seite derjenigen unmittelbar voraus,
an deren Kopfe die beiden anderen standen. Indem sie nun der
Schreiber des Leydensis alle drei, ohne sich um ihre Bestimmung
Weisungszeichen, dies wiederholt sich unter der Columne bei einer Fuss-
note, welche die varia lectio giebt μέλον Ισχυρώς αύτοίς δπη τά νΟν
παρόντα άποβήσοιτο.
^ Ebenso ist die Notiz am Kopf der S. 4 πρΦτον έφάνη φως,
αυγή, δι' ής έστησε τά πάντα, έγένετο δέ θ€Ος zu beurtheilen. Sie
bezieht sich auf Z. 39 f. κανχάσαντος πρώτον αύτοΟ έφάνη φώς, αυγή,
καΐ διηύγασεν τά πάντα • έγένετο δέ θ€Ος κτέ. Wie früher (S. 492) ge-
zeigt, stand sie bereits in der Vorlage am oberen Rande der ent-
sprechenden Seite. Zur Orientirung waren ihr ausser dem auf die zu-
gehörige Textstelle verweisenden κάτω noch die Z. 38 in W wieder-
kehrenden Worte οδτοι γάρ cloi angeschlossen, dh. 'siehe unten die
mit ούτοι γάρ είσι beginnende Zeile* . Und hier ist auch noch das dem
κάτω des Marginale correspondirende άνω bei der zugehörigen Text-
stelle vorhanden: es ist nach Dieterichs Angabe (zu S. 1^ 8) am linken
Rande der Z. 38 ein AN beigeschrieben, das nur als άν(ω) gedeutet
werden kann. — Während nun diese Bemerkung im Antigraphon am
Kopf derjenigen Seite stand, der die 4. des Leydensis W entspricht,
so befand sich, wie früher (S. 493) ermittelt, die erste der drei Ein-
lagen S. 5, 7 ff. in der Vorlage am Fuss derselben Seite. Diese be-
gann demnach aller Wahrscheinlichkeit nach ebenda, wo in W die
S. 4 anfangt, und schloss sicher mit τό δίκαιον S. 5, 7 W, war also noch
etwas umfänglicher als die correspondirende ihrer Copie. Aus dieser
Seitenlänge dürfte dann weiterhin folgen, dass bereits die Vorlage
nicht Rollen- sondern Codexform hatte.
496 ßrinkmann
zu kümmern, an eben dem Orte, wo er sie vorfand, dem Texte
einverleibte, mussten sie naturgemäss in der Weise, wie sie eich
jetzt im Papyrus vorfinden, genau binter einander zu sieben
kommen und in eine gänzlicb fremdartige Umgebung binein ge-
ratben ^.
^ Diesen Bemerkungen zum Leydener Zauberbucb mag es ge-
stattet sein ein paar kritische Kleinigkeiten anzuschliessen. S. 1, 10
= 170, 4 D(ieterich) ist gelesen €ΐσ€λθόντος γάρ τοΟ θ€θο π€ρισσότ€ρον
(η. οΐ λύχνοι) έΕαωθήσοντα ι. Man hat daraus έΕωσθήσονται, Gau
ώσθήσονται oder έΕαπωθήσονται gemacht, ohne jede Wahrscheinlich-
keit. Geroeint ist doch 'wann der Gott erscheint, werden die Lampen
stärker brennen', also έΗαφθήσονται. Wer es für nöthig hält, ver-
gleiche zB. λύχνον έζημμένον im Pariser Zauberpapyrus Z. 67 (S. 46
Wessely). S. 1, 33 f. = ITö, 4 D. 1. τόν λόγον τΦν ώροτ€ν(αιν) τόν έν
τή Κλ€ΐδί. S. 4, 17 U. 11,7 = 4, 1δ D. 1. διά σέν (= σέ) έδοΕάσθην.
S. 7, 26 f. = 190, 20 D. 1. βοήθησον έν άνάγκσις, έλ^ησον (für έλβήμων)
έν ώραις βιαίοις. S. 15, 43 = 181, δ D. 1. έπικαλοΟμαί σ€ τόν πάντων
μ€ίΤονα. S. 18, 1 = 196, 17. D. 1. συ γάρ έΐ έγώ καΐ έγώ συ* δ έ<ά>ν
€Ϊπω δ€ϊ γβνέσθαι. Ebenso ist 9, 28 = 170, 16 D. ού έν βούληται für
έάν = δν geschrieben. Eine Form wie ένβίπω hat in dieser Sphäre
keinen Platz. Weiter heisst es dann τό γάρ δνομά σου ίχω φυλακτή-
ριον έν καρδίςι τή έμή - καΐ ού κατισχύσβι μ€ απασα σ δ ρ α Ε κινού-
μενη, OÖK άντιτάΕ€τα( μοι πάν πνβΟμα, ού δαιμόνιον κτέ. Das von D.
für das uuverstäDdliche σδραΕ eingesetzte Στύζ verstösst gleich sehr
gegen alle diplomatische Probabilität, wie es den durch den Zusammen-
hang geforderten und durch κινούμενη grewährleisteten Sinn verfehlt:
Wer den zauberkräftigen Gottesnamen im Herzen trägt, gegen den
vermögen weder lebendige Wesen von Fleisch und Blut noch Geister
und Gespenster etwas auszurichten. CAPAE ist also CAPAE dh. σάρΗ,
mit der gerade in diesem Papyrus so ungemein häufigen Vocalent-
faltung. Der Beispielsammlung D.s Fleckeiscns Jahrb. Supplementbd.
XVI S.822 sind hinzuzufügen 7, 34 u. 35= 191. 3 f. D. σ€βέσαι u. σ€-
βέσθητι, 7, 37 = 191, 7 D. φηλόΕ (= φλόΕ), 10, 11 = 174, 12 D. Αστβρου,
17, 35 = 196, β D. πολλοΟτος (= πλούτος). Dagegen ist aus seiner
Liste άνατέλολων S. 5, 7 = 9, 4 I). als Schreibfehler zu streichen, zwi-
schen gleichen Consonanten kann naturgemäss Anaptyxe nicht ein-
treten. Zum Ausdruck vgl. zB. LXX Numeri 16, 22. 27, 11 (κύριος ό)
θ€Ος τών πνβυμάτων καΐ πάσης σαρκός und die Bemerkung Deissmanns
zu den Rachegebeten von Rheneia Philol. LXI S. 256. — Auf die zahl-
reichen Stellen, an denen man mit Unrecht die Ueberlieferung an-
getastet hat (wie S. 10, 12 = 174, 12 D. κατά δυ€ΐν [für δύο) τρόπους,
freechützt durch das folgende καθότι — καΐ δτι usw. vgl. diese Zeit-
schrift LVl S. 67. 2, S. 14, 43 = 17H, 16 D. α1σθήσ€σι, S. 16, 15 =
186, 4 D. άποθαν€ίσαι für άποθαν€ΐ uam.), soll hier nicht naher ein-
gegangen werden.
Ein Schreibgebraach und seine Bedeutung ftir die Textkritik 497
Die Betrachtung aller angeführten Stellen dürfte somit für
die Ueberlieferungsgeechichte und Textkritik insbesondere folgende
Ergebnisse herausgestellt haben:
In sorgfältigen griechischen Manuscripten des Alterthums
und früheren Mittelalters werden nachträgliche Zusätze zum Text,
Varianten und ähnliche Notizen im Allgemeinen nicht im Schrift-
raum, sondern am Rande und zwar in älterer Zeit vorwiegend
am Kopf oder Fuss der Seiten eingetragen.
Die Orientirung dieser Marginalien geschieht dadurch, dass
man ihnen wie den zugehörigen Textstellen einander entsprechende
Zeichen oder die Verweisungswörter κάτω und fivui beisetzt oder
aber den Randzusätzen Stichworte hinzufügt. Häufig kommen
auch je zwei dieser Orientirungsmittel gleichzeitig zur Verwendung.
Als Reclamen benutzt man vorzugsweise das oder diejenigen
Textworte, vor denen der Leser die Nachtragung vorzunehmen
hat, sie werden also den Marginalien am Schluss angehängt.
Trotz ihrer Einfachheit und Zweckmässigkeit werden diese
G-epflogenheiten, die sich zum Theil bis ins späte Mittelalter und
weiterhin fortgepflanzt haben, oft verkannt oder vernachlässigt,
wodurch zahlreiche und nicht selten schwere Textschäden ver-
ursacht sind.
Königsberg i. Pr. A. Brinkmann.
fiUeüi. Mue. f. Phllol. N. F. LVII. 32
ΙΕΡΑ ΔΕΥΡΟ
In der bekannten Stelle über die Epidauria bei Pbiloetrat
(Leben des ApoUonios o^on Tyana IV 18, 155): fjv μέν οή 'Em-
baupiujv ήμερα, τά bi ΐπώαύρια μετά πρόρρησίν^ τε και
Ιέρεια όευρο μυεΐν Άθηναίοις πάτριον έπι QOCiq. όευτέρςι, τουτί
bk ένόμισαν 'Ασκληπιού ϊνεκα, δτι br\ έμύησαν αυτόν ήκοντα
Έπιόαυρόθεν όψέ μυστηρίων hat das Wort bevpo Schwierig-
keiten gemacht und ist wohl meist als verdorben angesehen wor-
den. Zuletzt hat A. Körte (Ath. Mitth. 21, 315 Anm.) vorge-
schlagen δεύτερον statt όευρο zu lesen. So elegant nun diese
Conjeotur in palaographischer Hinsicht ist, so wenig innere Wahr-
scheinlichkeit hat sie, da das δεύτερον neben έπι θυσ{(^ οευτέρφ
überflüssig ist^, so dass ich fast behaupten möchte: wenn δεύ-
τερον selbst überliefert wäre, müssten wir es ändern bezw. alfl
Interpolation streichen. Demgegenüber stand für mich schon
lange fest, dass δευρο überhaupt nicht zu ändern, sondern mit
dem vorausgehenden Worte zu einem Ausruf zu verbinden sei,
der als Festtagsname ebenso gebildet sei wie das bekannte &\abi
1 In der Handschrift steht πρόσρησις, aber dass die bekannte
eleusinische πρόρρησις gemeint und so auch zu schreiben ist, hat
schon Preller gesehen.
3 Man hat sich freilich auch die Interpretation dieses Ausdrucb
ohne Noth erschwert und mehr dahinter gesucht als dahinter steckt,
obwohl die einfache Erklärung dessen, was Philostrat meint, so nahe
liegt: von einer gewiesen Zeit an fand zweimal eine Yorweihe für die
grossen Mysterien statt, einmal wie immer in Agra und ausserdem —
iid θυσίςι δευτ^ρςι — an den Epidaurien. Ob diese übrigens wirklich
zugleich mit Einführung des Asklepioscultes im J. 4*20 gestiftet wur-
den, kann bezweifelt werden ; auffallend ist jedenfalls, wie Foucart mit
Recht bemerkt hat, dass die auf diese Einführung bezügliche Urkunde,
die Körte mit so glänzendem Scharfsinu hergestellt hat, mit keinem
Wort die μύησις des Asklepios erwähnt.
'Ιερά beOpo 499
μύ(Τται. Aber nicht minder war ich mir darüber klar, daee ich,
wenn diese Ansicht^ mehr als ein vielleicht richtiger Gedanke
sein sollte, schuldig sei den Namen aus dem Verlauf der Myste-
rienfeier zu erklären. Hierbei stiess ich nun aber auf unüber-
windliche Schwierigkeiten, die nicht sowohl in beOpo, als im
Worte Upeia lagen, und die deshalb ebenso für diejenigen gelten,
die den Tag einfach ιέρεια benennen, nur von ihnen nicht be-
rücksichtigt worden sind. Grosse Opfer nämlich wurden natür-
lich an den grossen Mysterien ebenso gut dargebracht wie an
jedem anderen grossen Fest, aber vergebens wird man nach einem
Tag suchen, an dem die Opferthiere selbst eine solche Rolle
spielten oder überhaupt spielen konnten, dass er danach hätte
benannt werden können, zumal mit einem so farblosen Namen
wie es Ιέρεια ist. Man braucht nur einmal zum Vergleich andere
Festtagsnamen wie die Χόες und Χύτροι der Anthesterien heran-
zuziehen, um sofort den Unterschied zwischen diesen charakter-
istischen Bezeichnungen und dem angeblichen Ιέρεια gewahr zu
werden. Was aber für das einfache Ιέρεια gilt, gilt auch für
Ιέρεια δεΟρο. Zwar kommt durch δεΟρο wenigstens Leben und
Handlung in den Namen, aber bestehen bleibt, dass die Ueber-
lieferung nichts bietet, was eine solche Bezeichnung rechtfertigen
könnte. Und so konnte ich meine ursprüngliche Ansicht, dass
alles an der Stelle in Ordnung sei, doch nicht aufrecht erhalten;
wenn ich mich nicht mit einem blossen Namen ohne realen In-
halt begnügen wollte, war der Schlues unvermeidlich, dass zwar
nicht όευρο, wohl aber das Wort Ιέρεια verdorben ist. Und ich
sah denn auch bald, dass die Heilung leicht und, wie ich hoffe,
sicher ist.
Bei Philostrat muss ein Tag gemeint sein, an dem irgend
etwas όευρο, dh. also doch nach Athen, kam oder gebracht wurde.
Nun weiss die Ueberlieferung nichts von Opferthieren, die dahin
gebracht wurden, wohl aber berichtet sie bekanntlich, dass am
14. Boedromion — das Datum steht inschriftlich fest* — durch
^ Zustimmend bereits erwähnt v. Prott, Bursians Jahresber. CII
(1899. ΠΙ) S. 114. ~ Jüngst hat auch Foucart (Les grands mystdres
d'Kletisis. Paris 1900) dieselbe Ansicht vertreten und icpcla δ€θρο als
Namen zusammen gefasst.
8 CIA III n. 5 Z. 9: δεδόχθαι τ]ώι δήμωι, προστάΕαι τώι κοσ•
μητήι τών [έφηβων κ]ατάτά αρχαία νόμιμα [δ](γ)£ΐν Έλευσΐνάδε
τού[ς έφήβ]ους τήι τρίτη ι έπΙ δέ[κα] τοΟ Βοηδρομιώνος μ€[τά τ]οο
είθισμένου σχήμα[τος] τής άμα Ιεροΐς πομπ[ής, Ί'ΐνα τήι τετράοι έιτί
&έκα πα[ραττέ]μψωσιν τά kpa μέχ[ρι] τοο Έλευσεινίου τοο ύπό [τήι π]όλ€ΐ.
500 ZiehQu
die Epheben die heiligen Bilder der Göttinnen nnd andere Cnlt-
gegenstände, die sogenannten Upd, von Elensis nach Athen ge-
leitet worden. Yon diesen also konnte es in der That heissen
Ιερά beGpo und, wenn wir nan gar in einer der über diesen
Festakt handelnden Inschriften lesen {CIÄ III 5, Dittenberger
Syll. *652): δπως δ[ν έν κόσμω άχθ]€ίη τά tepa beOpo τ'
έκ τής Έλ€υσ€Ϊνο[ς κα\ πάλιν έΕ] άστεως Έλ€υσ€ΐ[ν]άΟ€, βο
darf darin wohl geradezu eine urkundliche Bestätigung dafür ge-
sehen werden, dass bei Philostrat Ιερά δεΟρο zu schreiben und
damit also der 14. Boedromion gemeint ist. Daraus folgt dann
weiter, wenigstens bei ungezwungener Interpretation, dass die
bei Phiiostrat yorhergenannte πρόρρηΟΊς auf den 13. Boedr., und
zwar wohl auf den Abend, die nachfolgenden Epidauria auf den
15. Boedr. fallen.
Dies Ergebniss steht nun aber in scharfem Widerspruch mit
den herrschenden Anschauungen über Anordnung und Datierung
der eleusinischen Festtage, als deren Hauptvertreter heute wohl
A. Mommsen und Foucart gelten dürfen, die beide aueführlich
diese Frage behandelt haben Κ Wie dieselben die für uns in
Betracht kommenden Tage angeordnet und datiert haben, wird
am besten folgende kurze Gegenüberstellung zeigen:
MOMMSEN FOUCART
13 Boedr. Zug der Epheben nach Eleusis
14 „ Geleit d. Ιερά durch d. Eph. nach Athen
15 „ άγυρμός άγυρμός — πρόρρησις
16 „ πρόρρησις — &\abe μύσται δλ. μύσται — Ιέρεια δευρο
IAsklepieen ,^ , 17 od. 18 Έττιοαύρια.
Επιόαυρια
Wie man sieht, weichen beide in wichtigen Punkten von einander
ab, aber darin, worauf es hier ankommt, stimmen sie überein:
sie lassen beide die πρόρρη(Τΐς erst nach dem 14. Boedr., also
nach der Kinholung der Ιερά, und die Έπώαύρια nach dem 16.,
dem eicher bezeugten^ Tag des άλαδε μύσται, stattfinden, wah-
rend nach meiner Annahme jene auf den 13., diese auf den 15.
1 S. A. Mommsen, Feste d. Stadt Athen S. 205 ff., Foucart, Les
grands mysteres d^fileusis p. 91) ff.
2 S. Folyaeu. III II, 2 Plut. Phok. G und Cam. 19.
Ιερά δ€θρο &01
fallen. Es fragt sich nun, ob nicht vielleicht für die herrschende
Anechauang wichtige sachliche Grründe sprechen, denen gegenüber
das, was ich oben auf Grund der Philostratstelle ausgeführt,
trotz allem, was dafür spricht, hinfällig wird. Aber ich glaube
umgekehrt, dass die Datierung Mommsens und Foucarts schweren
Bedenken unterliegt, die durch die meinige vermieden werden.
Dabei sehe ich ganz von dem äusseren Bedenken ab, das wohl
jedem sofort in die Augen springt, dass nämlich nach jener An-
nahme Philostrat zwar den 16. Boedr. erwähnt, aber nicht mit
dem für ihn sonst bezeugten Namen &Xab€ μύ(Τται und daraus
für sie die Nothwendigkeit folgt für diesen Tag eine doppelte
Benennung anzunehmen. Wichtiger sind die in der Sache selbst
liegenden Gründe.
Was zunächst die πρόρρη(Τις betrifft, so urtheilt Foucart
insofern richtiger als Mommsen, als er sie auf den von ihm an-
genommenen ersten Tag des Festes verlegt. Denn eine πρόρ-
ρηαις muss doch, was auch ihr besonderer Inhalt sein mag, zu
Anfang des Festes stattfinden, wenn sie anders ihren Namen mit
Recht tragen soll. Aber dass nun gerade der 15. Boedromion
den Anfang des Festes bildete, ist nicht mehr als eine freilich
oft wiederholte Hypothese, die auf einer willkürlichen Auslegung
der Angaben Plutarchs (Camill. 19 u. Alex. 31) über die der
Schlacht bei Arbela vorausgehende Mondfinsterniss beruht. Da-
nach hat diese, wie wenigstens sehr wahrscheinlich^ ist, am
15. Boedr. und zwar, wie Plutarch ausdrücklich bemerkt, περί
τήν τών μυστηρίων των Άθήνησι αρχήν stattgefunden. Aber
da Plutarch das Wort περί gebraucht, sind wir doch nicht ge-
zwungen, nun gerade unbedingt den 15. selbst als den Tag der
αρχή anzusehen. Fiel der erste Tag der Mysterien auf den 14.
oder auch den 13., so konnte er doch immer noch sagen, die
Mondfinsterniss des 15. sei π€ρι τήν αρχήν gewesen. Nun fand
aber ja doch schon am 14. die feierliche Einholung der Ιερά
nach Athen statt; gehörte dieser Akt etwa nicht zum Fest? Ich
weiss nicht, ob man mir entgegnen wird, er gehöre bloss zu den
* Vorbereitungen* und das eigentliche Mysterienfest habe damit
noch nicht begonnen. Jedenfalls ist es gut, dass die Entschei-
* Dpr Vollmond an sich beweist freilich noch nicht den 15.; für
Oeminos beginnt, wie ich A. Mommsen (S. 205 Anm. 6) entnehmet die
πανσέληνος nach mittlerem Gang der Phasen am 14., nach dem schnell-
sten Gang am 13. und nach dem langsamsten erst am 15.
502 Ziehen
dang nicht von dieser Frage, die auf einen Wortetreit hinaos-
käme, abhängt; entscheidend ist vielmehr die Rücksicht auf den
Inhalt der πρόρρησις. Denn die πρόρρη(Τΐς der Mysterien ent-
hielt, wie feststeht ^, die Ausschliessung der άνοροφόνοί und der
βάρβαροι vom Feste. Sollen wir nun wirklich glauben, daet
man mit dieser Ausschliessung bis nach der Einholung der Ιερά
wartete und es ruhig geschehen Hess, dass Mörder und Barbaren
sich unter die Gemeinde drängten, die den Ιερά entgegeΏging^
und vielleicht mit den Uebrigen das Eleusinion ^ betraten? Das
scheint mir unmöglich: jene πρόρρη(Τις musste vorher stattfinden,
damit die Ιερά nicht durch die Gegenwart von Unreinen befleckt
werden konnten, dh. also am 13. Mittags oder Abende, dem Tag,
auf den auch die oben gegebene Lesung der Philoatratstelie
führte.
Nicht ganz so einfach steht es mit den Epidauria. Hier
ist ohne Zweifel A. Mommsen derjenige, der tiefer und schärfer
in die Frage und ihre Schwierigkeiten eingedrungen, zuletzt aber
doch auch nicht zu dem m. E. richtigen Schluss gekommen ist.
Das πρώτον ψευδός liegt bei ihm darin, dass er glaubt, ver-
} Isoer. Pancg. 157: Εύμολιτ(δαι bk καΐ Κήρυκες έν τή τ€λ€τή
τών μυστηρίων διά τό τούτων (Persarum) μίσος καΐ τοις άλλοις βορ
βάροις εΐργεσθαι τών i€pu)v ώσπερ τοΙς άνδροφόνοις προαγορεύουσιν ;
Schol. Arist. Ran. 369 : παρά τήν τοΟ Ιεροφάντου καΐ δςιδούχου πρόρ-
ρησιν τήν ^ν τή ποικίλη στο^ Statt der βάρβαροι steht — wohl mehr
dem Wortlaut der Formel entsprechend — bei Libanius (Corinth. IV
p. 356 R.} οστις φωνήν άσύνβτος und bei Theo Smyrnaeus (p. 22) τους
— — φωνήν άΕύν€τον ίχοντας. Foucart hält freilich auch in seinem
neuen Werke daran fest» dass hierunter diejenigen zu verstehen seieOf
deren Stimme mit einem physischen Defect behaftet war, so dasi
sie die heiligen Formen nicht nachsingen konnten, und dass die Bar-
baren als άνδροφόνοι ausgeschlossen waren. Bei der Wichtigkeit der
Sache — vor allem für die Hypothese von der ägyptischen Herkunft
der Eleusinien — wiederhole ich hier, was ich früher in den Ber. d.
Freien DButsch. Hochstifts 1899 S. 203 bemerkt, dass die Foucart'sche
Auffassung auf einer falschen Interpretation der in der oben ange-
führten Isokratesstelle stehenden Worte ιΰσπ€ρ τοις άνδροφόνοις beruht,
welche bedeuten * ebenso wie den Mördern', nicht 'comme meurtriere*;
bei dem von F. angenommenen Sinne dürfte der Artikel nicht stehen.
^ Lys. gegen Andok. 52 άπήντα τοΙς ΙεροΙς πβρί & ήσέβησβν, clcr-
ήλθ€ν €ΐς τό Έλ€υσ(νιον.
8 S d. Lysiasstelle in Anm. 2; vielleicht aber bezieht sich hier
das Betreten dos Kleusinions auch auf einen späteren Ta^.
Ιερά δ€θρο 503
pflichtet zu der Reinigung des 16. Boedr. seien nur die gewesen,
die in den Epidauria geweiht werden wollten, und daee er dem-
gemäse den Tag &\abe μύσται nur als Paraekeue der Epidauria
auffaset. Das ist aus mehr als einem Grunde unglaublich. Ein-
mal lautet der Ruf fiXabe μύσται nicht so als ob bloss ein Theil
der Mysten gemeint sei, sondern er richtet sich doch offenbar an
alle. Das verlangt auch die Sache; denn mögen auch einmal die
kleinen Mysterien als προκαθάρσις und προάγνευσις der grossen
bezeichnet werden (schol. Arist. Plut. 895) — dass die dort ge-
weihten, nachdem so viel Zeit verstrichen war, bevor sie an der
τελετή theilnabmen, sich noch einmal einer feierlichen Reinigung
unterziehen mnssten, versteht sich doch von selbst. Ja, streng
genommen verbietet uns sogar der Sprachgebrauch das &λαοε
μύ(Τται auf die zu beziehen, die erst nach dem 16. die Weihe
empfingen; denn μύαται können nur die heissen, die schon ge-
weiht sind, oder auch die gerade geweiht werden \ Eher liesse
sich also auf Grund der herrschenden Datierung behaupten, dass
die Theilnehmer der Epidaurienweihe die Reinigung des 16. über-
haupt gar nicht mitgemacht hätten. Und dass jene Datierung in
der That zu diesem bedenklichen Schluss führt, lehrt auch eine
andere, zeitliche Erwägung.
Die Anknüpfung der Epidaurienweihe an des Asklepios An-
kunft in Athen setzt die Möglichkeit voraus, dass auch derjenige,
der erst an dem Tage der Epidauria in Athen eintraf, noch die
Weihe empfangen konnte. Das trifft zunächst für Asklepios selbst
zu ; denn der Tag heisst doch wohl deshalb Epidauria, weil der
Gott an diesem Tage von Epidaurus herkam, und dass auch
später noch jene Möglichkeit vorhanden war, beweist eben Apol-
lonios von Tyana, der nach der Erzählung Philostrate an diesem
Tage in Athen eintraf und die Weihe empfing. Wenn nun aber
diese Weihe erst nach dem 16. Boedr. stattfand, so hat Asklepios
und jeder, der sich später in gleicher Lage befand, die so wich-
tige Reinigung im Meere versäumt^, und die Athener hätten doch
* Hesych. s. v. ό τών μυστηρίων μεταλαβών und das ist, soviel
ich sehe, die vorlierrschende Bedeutung; in der anderen steht es bei
Plutarch. Alk. 19: τους ö' Αλλους έτα(ρους παρ€ΐναι καΐ μυείσθαι, μύστας
προσαγορευομένους, und wiederholt in der alten eleusinischen Inschrift
CIÄ IV 1, 1 (Dittenb. Syll. a 046, Ziehen, Leg. Sacr. 3), zB. c am
Ende: τό]ς μύστας τός Έλ€[υσ1νι μυομ^]νος.
^ Man könnte einwenden, Asklepios bedürfe der Reinigung nicht,
504 Ziehen
dann so, wie sie eine nacbträgliche μύη(Τΐς einriebteten, auch eine
nachträgliche Reinigungflfeier vorsehen mtieeen. Allein davon ist
keine Spnr zn entdecken. Ich hin in der eigenthümlichen I^age
hier mit A. Mommsens eigenen Worten argumentieren zn können.
Er sagt (S. 219): 'Der Sage nach führte man ihn (den Tag der Epid.)
ein zn Gunsten des Asklepioe, der όψέ μιΚΤτηρίΐϋν^ gekommen
war. Er kam zu spät, er hatte etwas versäumt Etwa die Rei-
nigung des 16., indem er sich erst am 17. einstellte?* Die Frage
sei zu verneinen : ' Hätte es sich um Yersäumung des Reinigungs-
tages gehandelt, so würden die Athener einen zweiten Reinigungs-
tag für Asklepios gestiftet haben, aber sie stifteten die Epidan•
rienweihe. Was Asklepios versäumt hatte, war eine Weihe ; er
hätte als Neuling schon im Frühjahr (Anth.) sich einfinden und
sich zu Agra der Vorweihe der kleinen Mysterien unterziehen
müssen'. Das ist durchaus richtig; nur, scheint mir, fehlt der
richtige Schiuss: Asklepios hat nicht die Reinigung versäumt,
also — ist er auch vor der Reinigung bereits eingetrofi^en, dh.
vor dem 16. Boedromion. Auch hier also bewährt sich wie bei
der πρόρρη(Τΐς mein aus Philostrat gewonnener Ansatz, der die
Epidauria dem 15. zuweist, als der richtigere.
Es bleibt kurz die Frage zu erledigen, was an den beiden
Tagen, die jetzt zwischen dem 16. und 19. Boedr. frei sind, ge-
schah. An dem einen von ihnen fand nun ofi^enbar überhaupt
keine Feier statt, vielleicht meint ihn Aristoteles ΆΘ. ΤΤολ. 56, 4:
πομπών b' έπιμ€λ€ΐται (ό δρχιυν) της τ€ τψ Άσκληπιψ γιγνο-
μίνης δταν οίκουρώσι μύσται. Denn dass die hier erwähnte
πομπή an den Epidauria stattgefunden hat, wie meist angenommen
wird, ist durchaus nicht bewiesen und scheint mir sogar unwahr-
scheinlich ^. Jedenfalls ist die Voraussetzung berechtigt, daes
aber, was sich vielleicht der Gott sparen konnte, war für die gewöhn-
lichen Sterblichen nach ihm jedenfalls nothwendig.
^ Es ist fraglich, ob 6ψ^ wie M. meint, in Beziehung auf die
kleinen Myst. gesagt ist; es kann sich auch einfach darauf beziehen,
dass Askl. erst am 15. kam, während die Mysterieutheilnehmer sich
sonst wohl schon am 13. versammelten, weshalb dieser Tag auch
άγυρμός gehcissen haben mag; s. Hesych. unter dem Wort.
2 Der Ausdruck τής πομπής τφ Άσκληπιψ γιγνομ^ς zeigt, dass
diese π. zu Ehren des Δ. nach seinem Tempel stattfand; aber an den
Epidauria erwarten wir gerade umgekehrt Asklepios als Gast im Eleu-
sinion zu sehen, wie übrigens auch Foucart gefühlt zu haben scheint
(Grands myst. p. 119). — Was die Worte δταν olxoupukn μύσται be-
Ιερά &€θρο 505
ζ wieeben dem Zug nach dem Meere am 16. nnd dem anstrengen-
den Jakoboszuge am 19. Boedr. ein Ruhetag eingeschoben war.
Man darf wohl damit in Verbindung bringen, dase wir vom
18. Boedr. Decrete besitzen^, und daif also diesen 18. dafür in
Anspruch nehmen. Es bleibt nun noch ein Tag übrig; allein
wenn ich mich nicht sehr täusche, brauchen wir auch noch einen,
nämlich für eine Opferfeier im städtischen £Ieusinion. Freilich
wurde auch an den Epidauria dort geopfert, aber diese Feier
ging nur die an, die hier erst die Weihe empfingen, nnd es ist
doch mehr als wahrscheinlich, dass den Göttinnen, deren icpd
eigens nach Athen gebracht wurden, hier auch von der Gemeinde
selbst wie von allen Mysten zusammen und zwar nach dem 16.,
dem Tag der Reinigung, ein Opfer dargebracht wurde. Auch
die Ueberlieferung bietet hierfür Anhaltspunkte, vor allem Lysias
gegen Andokides 4: φέρε γάρ, δν νυνι 'Ανδοκίδης άθψος απαλ-
λαγή και λάχη βασιλεύς, άλλο τι ή υπέρ ημών κα\
θυσίας θύσ€ΐ κα\ €ύχάς eöEexai κατά τα πάτρια, τα μέν έν τψ
ένθάδε Έλευσινίω, τα bi έν τω Έλευσϊνι Upiu;
Völlige Gewissheit hierüber ist freilich erst von dem Fund
neuer Urkunden zu hoffen; für sicher halte ich nur, um dies zum
Schlüsse noch einmal festzustellen, die Reihenfolge: 13. Boedr.
άγυρμός mit πρόρρησις, 14. Ιερά όεΟρο, 15. Έπώαύρια, 16. &\abe
μύσται.
Plön i. Η. Ludwig Ziehen.
trifft, 80 ist mit Recht aufgefallen, dass der Artikel fehlt, den man
deshalb auch wohl eingeschoben hat. Sollte nicht vielleicht in den
Worten sich der Name des betreffenden Tages verbergen, bei dem
ebenso wie bei äXabe μύσται der Artikel weggelassen war, und den
Aristoteles möglichst getreu wiedergiebt?
1 CIA U 314. 330.
UNTERSUCHUNGEN ZUR ROE MISCHEN
KA ISERGESCHICHTE
I. Die Ermordung Garacallas.
Die Verschwörung, welche Caracallae grausamer Willkür
ein Ziel setzte, hatte sich in dem Kreise jener Officiere gebildet,
durch deren Treue der Kaiser sein Leben gesichert glaubte. Das
Haupt der Verschworenen war der Gardepräfect M. Opellius Ma-
crinus. Er wupste, dass der Kaiser seinen Tod beschlossen hatte
und nur in seiner feigen und tückischen Art zögerte, den Mord-
befehl zu erlassen. Der Tod des Kaisers allein konnte ihn noch
retten. So gewann er die Brüder und Tribunen des Prätoriume,
Aurelius Nemesianus und Aurelius Apollinaris, sowie den evocatus
lulius Martialis die gefahrvolle That zu wagen ^. Die Vita zeigt, •
dass auch andere einflussreiche Männer um die Verschwörung
wussten, und ergänzt dadurch Dio in wesentlichen Punkten. Sie
sagt: Conscii caedis fuerunt Nemesianus et frater eius ApoUinarie
Reciannsque^, qui praefectus legionis secundae Parthicae mili-
tabat et qui equitibus extraordinariis praeerat, non ignoran-
tibus Marcio Agrippa, qui classi praeerat^ et praeterea plerieqoe
^ Dio 78, 5. Herodian. 4, 13. Vita Carac. 6. Herodian erwähnt
nur den Martialis, weil er allein den Mord vollzog. Nach Dio ist
Martialis persönlich beleidigt durch die Verweigerung des Centurionates.
Herodian nennt andere Gründe: τούτου τόν döcXqpov πρό ολίγων ή쀕
ρών άνηρήκ€ΐ διαβληθίντα μέν ούκ έλεγχθ^ντα bi, αύτφ τ€ Μαρτιαλ(ψ
ένύβρισεν, Ανανδρον αυτόν καΐ άγβννή καλΦν καΐ Μακρίνου φ{λον.
Beide Begründungen können neben einander bestehen. Herodian hebt
nach seiner Weise das psychologisch Interessantere hervor. Es genügt
nicht auf die gleiche Beleidigung des Cassius Chaerea hinzuweisen, um
Herodians Angaben zu verwerfen. Auch die Tyrannen gleichen sich
in ihrem Wahnwitz.
^ Ist w-ohl nur ein Schreibfehler und der richtige Name Tric-
cianus wäre einzusetzen.
^ Hirschfeld, Untersuchungen S. 126; Mommsen Staater. Π 851.
Auch er war durch Zurücksetzungen gereizt.
Untenachangen zur römischen Kaisergeschichte 507
officialium^ impnleu Martialis. Dio bestätigt indirect die Angaben
der Vita, da er Aeliue Triccianus und Marcius Agrippa als Männer
bezeichnet, welchen Macrinus nach seiner Thronbesteigung sein
volles Vertrauen geschenkt habe^ In der Vita ist der Name des
Mannes ausgefallen, der die equites extraordinarii befehligten
Die equites extraordinarii werden nur an dieser Stelle genannt.
Aber der Name ist nach dem Gebrauche der römischen Militär-
sprache so richtig gebildet, dass er auch richtig tiberliefert sein
muss. Wer diese equites extraordinarii waren, ist unschwer zu
erkennen. Dio berichtet, dass Caracalla im Augenblicke seiner
Ermordung von einer engeren Leibwache umgeben war, die er
aus Scythen und Germanen gebildet hatte: 78, 5, 5 f. ό bk br\ Σκύ-
θης ούτος ούχ ως κα\ συμμάχων αύτψ μόνον, άλλ' ώς και φρου-
ράν αύτου τρόπον τινά έχων συνήν και γαρ Σκύθας και KeX-
τούς, ου μόνον ελευθέρους άλλα και δούλους, κα\ ανδρών και
γυναικών άφελόμενος, ώττλίκει και περί αυτόν εΤχεν, ώς και
μάλλον αύτοϊς ή^ στρατιώταις θαρσών τά τε γάρ άλλα και
έκατονταρχίαις σφάς έτίμα, λέοντας τε έκάλει.
Diese Truppe unterncheidet sich von der, ebenfalls germa-
nischen, Garde der equites singulares in wesentlichen Punkten.
Die equites singulares ergänzen sich im dritten Jahrhundert aus
den Auxilia, wie die Prätorianer aus den Legionen, während die
Σκύθαι Gothen oder Carpen^ sind. Auch gelangen die Decu-
* Officiales ist technisch correct ; aber der evocatus Martialis ge-
hört nicht zu den officialee. Vgl. lib. do castr. mun. c. 6. 7 und meinen
Commentar S. 53 und 65.
δ Dio 78, 13.
* Das lehrt der Satzban und ist von Gemoll richtig erkannt
worden.
' Der Artikel τοΙς, den Boissevain nach Reiskcs Vorschlag vor
στρατιώταις einschiebt, ist sinnwidrig. Sie sind nicht eigentlich Sol-
daten, ebenso wenig wie die, auch analog recrutirten, corporis custodes
der ersten Kaiserzeit. Vgl. Marquardt St. V. II 487.
8 Vgl. Westd Korr.-Bl. 1900, 146: honorato a divo Magno An-
tonino Augusto (scstertium) quinquaginta milia u(ummum) et viginti
quinque [et] gradum promotionis [ob] alacritateni virtu[tis adv]ersu8
hostes Ca[rpos] et res prospere et va[lide gesjtas Claudius) Nicom[ede8]
buleuta civitatis [Tyra]norum. Diese Inschrift wirft Licht auf die
Worte der Vita Carac. 5, 4 Deinde ad Orientem profectionera parans,
omisso itinere in Dacia resedit. Der Schauplatz der Kämpfe ist die Gegend
um Tyra, also das Scythenland. Deshalb kann der Witz, der dem
Helvius Pertinax das Leben kostete, Vita Carac. 10, 6 Getae 6, 6 echt sein.
508 γ. Domaszewski
rionen der equites singalares nach der Dienstordnung regel-
mässig zum Centurionat, was dagegen für die corporis custodes
mit Recht als ungewöhnlich hervorgehoben wird. Endlich sind
die equites singulares römisch organisirt und civilisirt; der Bei-
name Löwen jedoch bezeichnet die barbarische Wildheit der
^blonden Bestien . Zur Zeit des Mordes hielten diese Reiter in
unmittelbarer Nähe des Kaisers, der in seiner steten Todesangst
nur ihrer blinden Treue vertraute. Und doch hatte Martialis
mitten unter ihnen, beritten ^ seinen Platz gehabt und konnte sich
dem Kaiser nähern ohne ihren Verdacht zu erregen. Nur seine
dienstliche Stellung kann dies erklären. Er ist der praepositns der
equites extraordinarii gewesen ^^. Gerade deshalb hat Macrinus
den Martialis zum Werkzeug gewählt. Denn er ist der einzige,
der den Mord auch nur versuchen konnte.
Der Scythe, der den Mord rächte wird sofort von den beiden
mitverschworenen Tribunen getödtet, die befürchten konnten, der
sterbende Martialiß hätte sie verrathen. Denn bei Dio 78, 5, 5
ist zu lesen έκ€Ϊνον 6έ [αύτοι] ol χιλίαρχοι ώς και βοηθουντες
κατέ(ΤφαΗαν. Auch die Anwesenheit dieser beiden Tribunen des
Prätoriums kann nicht auf Zufall beruhen. Der Kaiser war nach
Herodiane Zeugniss nur mit einem kleinen Gefolge nach Carrhae
Denn aus Vita Carac. 4, 8; Herod. 4, ß, 3 folgt keineswegs, dass er
am Anfange der Regierung Caracallas ermordet wurde.
^ Das sagt Herodian ausdrücklich; aber auch aus Dios Erzählung
geht es hervor. Die Vita holt die Umstände des Mordes nach c. 7, 1,
wo Rieh die Haud des späten Scribenten in dem Anachronismus pro-
tectores verrath. Vgl. Moramsen Ephem. ep. 5, 126. Die zweite Schil-
derung c. 7, 2 ist eine schlechte Variante. Denn der Strator der dem
Kaiser das Pferd hält (Herod. 4, 13, 4) ist nicht der Mörder. Am
albernsten ist der Schlusssatz conclamatumque ab omnibus est id Mar•
tialem fecisse. Martialis That wurde nur von einem der zunächst
stehenden corporis custodes bemerkt, weil ihn der blutige Dolch ver-
rieth. Den pugio, nicht den gladius hat Martialis benutzt, weil das
Aufblitzen des Schwertes bemerkt worden wäre. Die falsche Aue-
malung der Vita ist eine unzeitige Reminiscenz an das, was Dio vom
Rufe des Volkes in Rom berichtet 78, 8, 2.
'® In der Vita ist der Name gestrichen, weil er gleich spater
wieder vorkommt. Wie sinnlos der Scribent seine Vorlage oft ver-
stümmelt, zeigt sehr deutlich Vita Severi 6, 11 wo die Auflösung der
Garde — die Hauptsache — getilgt ist. Sie ist erst c. 17, in einer
Einschaltung aus Eutrop, erwähnt.
Untersuchungen zur römischen Kaisergeschichte 509
aufgebrochen^^. Yon dem Erscheinen des Kaisern untrennbar sind
die speculatores des Prätoriums und die hastilarii der eqnitee
singulares^^. Die equites singulares werden von zwei Tribunen
befehligt ^^. Obwohl diese Tribuni bis zur Gardepräfectur empor-
steigen^*, hat sich doch nie ein solcher tribunus der equites sin-
gulares auf einer Inschrift gefunden, die die Laufbahn eines Offi-
ciers von Ritterrang verzeichnet. Ich kann mir dies nur erklären,
wenn diese Tribuni abkommanüirte Tribuni des Prätoriums waren.
Stauden die beiden Brüder Nemesianus und ApoUinaris an der
Spitze der equites singulares, so ist ihre Anwesenheit beim
Morde selbstverständlich und es ist wieder klar, warum gerade
sie mit dem Commandanten der engeren Leibwache von Macrinue
ausersehen waren. Sie sind die sichersten Werkzeuge, die er
finden konnte.
Ich hatte früher die Ansicht Mommsens^^ getheilt, dass die
Γερμανοί, welche nach Herodian *® bei der Ermordung der Kaiser
^* σύν Ιππ€θσιν oöv ολίγοις, ϊνα δή μή πάντα τόν στρατόν σκύλη,
τήν oöoiiropiav έποιβίτο.
^^ Vgl. Westd. Zeitschr. 1895, 91 ff.; ebendeshalb heissen diese
Reiter später tectores.
^8 Marquardt, Staatsv. II 491 und Annali dell' Instit. 1885,
230 ff.
** So Tattius Maximus Prosopogr. 3, 297 n. 28 und zwar inner-
halb weniger Jahre.
ΐδ St. R. II 809.
^® 8, 6, 6 άφίκτο bi αύτφ καΐ Γ€ρμανΦν ούκ όλίγη συμμαχία,
π€μφθ€ΐσα ύπ' αυτών κατ' eövoiav ήν €Τχον προς αυτόν Ανωθεν, έΕ
ούπερ ήν αυτών επιμελώς ΑρΗας. — 8, 7, 8 έπανήλθον δέ καΐ οΐ άπό
Γερμανίας έληλυθότες σύμμαχοι* έθάρρει γάρ αυτών τή εύνοίςι άτε καΐ
τοΟ έθνους επιεικώς πρότερον ΑρΕας, οτε Ιδιώτευεν. — 8, 8, 2 έλύπουν
δέ αυτούς (die Prätorianer) καΐ ο1 Γερμανοί παρόντες τψ ΜαΕίμψ €ν τε
τή 'Ρώμη διατρίβοντες ' αντιπάλους γάρ ίΕειν ήλπιίον, ει τι τολμφεν,
καΐ έφεδρεύειν αύτοίς ύπώπτευον, εϊ τινι δόλψ άποίωσθείεν, εκείνοι δέ
ατε παρόντες ί)()ΐδίως ύποκατασταΐεν • τό τε Σεβήρου υπόδειγμα, δς τους
ΤΤερτίνακα άποκτείναντας άπέίωσεν, είσήει αυτούς. — 8, 8, 5 έβούλετο
μεταπέμψασθαι τυύς Γερμανούς συμμάχους, όντας ίν 'Ρώμη, αυτάρκεις
έσομένους άντιστήναι τοΙς έπιβουλεύουσιν. — 8, 8, 7 έπεί δέ πυθόμενοι.
οΐ Γερμανοί, λαβόντες τά οπλα, ήπείγοντο ώς άμϋνοΟντες αύτοΐς. — 8, 8, 7
οΐ Γερμανοί μαθόντες άνηρημίνους τε καΐ έρριμμένους, ών χάριν ήπεί-
γοντο, ούχ έλόμενοι πόλεμον μάταιον υπέρ ανδρών τεθνηκότων, έπαν-
ήλθον ές τό εαυτών καταγώγιον.
510 ν. Domaszewski
Balbinus und Puppienus Maximus eine Rolle spielen, die equitee
singnlares des Kaisers seien, und deragemäss angenommen, Pnp-
pienus Maximus hätte als Privatmann auch das Amt eines Tri-
bnnns der equites singulares bekleidet. Aber diese Ansicht ist
unhaltbar. Nicht nur dass Herodian an allen Stellen die Vor-
stellung festhält, die Γερμανοί seien vexillationes des Rhein«
heeres^'^, treffend die Befürchtungen der Garde schildert, dass
sie das Schicksal der Garde des Commodns ereilen könnte, und
damit die letzte Ursache der £rmordung des Kaisers bezeichnet,
den rivalisirenden Corpsgeist der Truppen, am Schlüsse verwendet
er ein Wort, das die equites singulares ausschliesst. Die castra
der equites singulares können nimmermehr als καταγιυγιον be-
zeichnet werden. Dieses Wort kann nur die Nothunterkunft von
Vexillationen bedeuten, für welche die Lager der Hanptstadt
keinen Kaum boten. Genau in derselben Weise lagen die frem-
den Truppen bei Galbas Ermordung in öffentlichen Gebäuden:
Tacit. bist. 1, 31 Missus et Celsus Marius ad electos lUyrici ex-
ercitus, Vipsania in porticu tendentes. Praeceptum Amullio Se-
vere et Domitio Sabine primipilaribus, ut Germanicoa milites e
Libertatis atrio accerserent. Und von Septirains Severns £inzug
sagt die Vita 7 Tota deinde urbe milites in templis, in porticibus,
in aedibus palatinis, quasi in stabulis manserunt. Fuitque in-
gressus Severi odiosus atque terribilis, cum milites inempta di-
riperent, vastationem urbi minitantes ^^. Das καταγώγιον der
germanischen Vexillationes des Puppienus Maximus lag weit ab
' vom Kaiserpalaste, und so kam es, dass sie zu spät eintrafen,
das Leben ihres Kaisers zu retten.
II. Die Pompa an den Decennalien des Gallienns.
Zu den werth vollsten Theilen der Historia Angosta gehört
die Vita Gallien i. Dennoch besteht auch hier bei unserer ge-
^^ Die Alpenpässe waren gedeckt gegen Maximinus durch die
Armee, die sich in der Lombardei gebildet hatte. Weetd. Korr. -El.
1892, 231.
le Die IJeberlegenheit des Annalisten, der diesem Theile der Vita
Severi zu Grunde liegt, über Dio tritt hier glänzend hervor. Während
Dio nur von weissgekleidetem Publikum und Bluroenwerfen spricht,
schlägt der grosse Schriftsteller mit voller Macht den furchtbaren Ton
an, den das Erscheinen der barbarischen Garde für das lieben der
Hauptstadt bedeutete. Es ist der scbicksalssohwerste Moment in der
Geschichte Roms.
Untersuchungen zur römischen Kaisergeschichte 511
ringen Eenntniss jener Zeit völlige Unsicherheit, wie weit der
echte Grandstock durch ganz unhistorieche Interpolationen ge-
litten hat. Das merkwürdige Stück über die Decennalienfeier
des Kaisers enthält des Befremdenden genag. Und doch lasst
sich für eine Beihe von Zügen dieser Pompa zeigen, dass eine
ganz echte üeberlieferung vorliegt. Die Schilderung des Fest-
zuges beginnt mit den Worten 8, 1 iam primum inter togatos
patres et equestrem ordinem albato milite et omni populo — Ca-
pitolinm petit. Mommsen verstand die militee albati ^ von einem
weissen Festkleid der späteren Zeit und verglich Herodian 8, 7,
wo der Einzug des Maximus in das befreite Aquileia geschildert
wird : ol λευχειμονουντες και όαφνηφόροι θεών πατρίων έκαστοι
προσεκόμιίον αγάλματα — εύφήμουν τε και έφυλλοβόλουν
τον ΜάΕιμον. Der weisse Anzug des Publikums bei Festlich-
keiten ist vielmehr eine alte Vorschrift. So sagt Dio vom P^inzug
des Tiridates unter Nero 63, 4 τό μέν γαρ μίσον αυτής ό δή-
μος λευχειμονών και όαφνηφορών κατά τέλη είχε, τα b' δλλα
οΐ στρατιώται, λαμπρότατα ώπλισμένοι, ώστε καΐ τα δπλα αυ-
τών και τα σημεία άατράτττειν. Ebenso von Severus Einzug in
Rom 74, 1 καΐ ol άνθρωποι λευχειμονουντες και γανύμενοι πολλά
επευφημούν οι τε στρατιώται έν τοις δπλοις, ώσπερ έν πα-
νηγύρει τινι πομπής, έκπρεπώς άνεστρέφοντο. Auch für die
Festspiele im Theater und im Circus ist die weisse Tracht vor-
geschrieben ^ Aus Dios ZeugnisB ersieht man, dass die Soldaten
in der Pompa bewaffnet aufziehen. Wenn sie unter Gallienue
weisse Mäntel tragen, so hat dies einen ganz anderen Sinn als
bei der Plebs. Was wir darunter zu verstehen haben, lehrte
vor Kurzem eine Inschrift aus Helinpolis C. III 14387 ff. : . . .
Antonio M. f. Fab. Nasoni [(centurioni) le]g. III Cyrenaicae [(cen-
turioni) le]g. XIII ueminae honorato albata deoursione ab im-
1 St. R. III 221.
3 Martialis 14, 137 Amphitheatrali nos commendamus ab usu,
cum tegit algentes alba lacema togas. 4,2 Speotabat modo sola s inter
omnes oigris munus Horatius lacernis, cum plebs et minor ordo maxi-
musque sancto cum duce caDdidus sederet. Toto nix cecidit repente
caelo: albis spectat Horatius lacernis. 5, 23. 14, 131. Domitians
Theateredict hatte die weisse Farbe wieder eingeschärft. Dagegen
Commodus erspart dein lieben Pöbel die lästige Tracht Vita IG, β et
contra consuetudinem, paenulatos iassit spectatorcs, non togatos, ad
muiius con venire, quod funebribus solebat, ipse in pullis vestimentis
praesideoB. TertuUians heiliger Zorn gegen die römische Kleiderord-
nung richtet sich eigentlich gegen den römischen Staat.
512 ν. Domaszewski
peratore — [prirao] pilo leg. Xlil Gem. — Dieaem Cen-
turio ist die Ehre den weiseen Mantel zu tragen bereite verliehen
worden, ehe er noch zum Primipilat gelangte. Wenn man eich
hier einer Stelle des Tacitus erinnern will über den Einzug de«
Vitelliue in Rom, so wird das Wesen dieser Auszeichnung voll-
kommen klar: bist. 2, 89 ante aquilas praefecti castrorum tri-
bunique et primi centurionum, Candida veste; ceteri iuxta suam
quisque centuriam armis donisque fulgentes; et militum pha-
lerae torquesque splendebant. Das weisse Festkleid ist demnach
ein Vorrecht der Officiere von Ritterrang und wird den Cento-
rionen nur als ein Zeichen der äusseren Annäherung an die Ober-
officiere verliehen. An der Spitze der Legionen marschiren auch
in der Marschordnung Centurionen, bei Arrian. ίκτ. ρ. 81 Η.
ίπειτα τό σημ€Ϊον της π€ντ€καιΟ€κάτης q)άλαγγoς και άμφ'
αύτψ 6 ήγ€μών της φάλαγγος Ούάλης. και ό ύπαρχος και οΐ
χιλίαρχοι οίς τίτακται^ και οΐ έκατόνταρχοι οΐ τής πρώτης
(Τπ6ίρας έπκττάται. Während in Arrians Marschordnung nur die
primi ordines diesen Ehrenplatz haben, wählt Tacitus für die
decursio, den Parademarsch, mit Absicht den Ausdruck primi
centnrionum, weil er auch jene Centurionen umfaest, welche, von
niedrigerem Range, durch die albata decursio ausgezeichnet sind.
Gallienus dagegen hat allen Soldaten das Recht ertheilt in seiner
Pompa mit dem weissen Mantel der Oberofficiere aufzuziehen.
Um das zu verstehen, muss man erkennen, dass in jener Zeit
die Söhne der Centurionen bereits als equites Romani geboren
werden.
C. III 4327 M. Val. Valeriani (centurionis) leg. IUI Fla-
viae vixit an. XLII et M. Val. ülpio eq(uo) publ(ico) fil. vixit
an. VIII —
G. III 8156 lul. Victorino eq(uite) R(omano) vixit ann. V
diem uno lul. Flavianus (centurio) leg. IUI Fl(aviae) —
Die ständische Gliederung des Heeres ist hier gänzlich zer-
stört^. Das eigentliche Wesen von Gallienus Pompa erhellt er^t
^ Nicht alle Tribunen der Legion fuhren ein Commando. Der
tribunus sexmestris ist dem Stabe des Statthalters zugetheilt. Westd.
Zeitechr. 1895, 81. Vgl. auch C. XIII 3162.
* Lehrreich sind auch C. III 12388. VI 273. 2477. 3552. VIII
18Γ)95. XI 2655. XIV 2429. Eph. ep. V 1300. Cagnat an. opigr. 1894
n. 26. Den Grund auch zu diesem Verderben des Heeres hat Septi-
roius SeveruB gelegt. Die genaue Behandlung dieser Frage kann hier
nicht gegeben werden.
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• • •
Untersuchungen zur romischen Kaisergeschiohte 513
aus den Worten 8, 3 mille dacenti giadiatoree pompabiliter ornati
cum auratU vestibue matronarnm. carpenta cum mimis et omni
genere histrionum. £8 ist also thateächlicb ein Carnevalszug.
Woher er stammt erläutert die Inschrift C. VI 3744:
Descriptio fer[iarum]
quae in cohorte [. . . vig(ilum)]
Cl. Mamertino et [Nevitta]
C08S a. 362
Matronae cum carpentis
8ifon[ibue]
falci[bu8]
un[cini8]
b[alli8tis]
Die beiden seltsamsten Züge der Pompa, die matronae und die
carpenta kehren auch hier wieder. Die Pompa ist ein reines
Soldatenfest, wie man sie zu Ehren des Kaiserhauses im Lager
zu feiern pflegte ^ Der gemeine Soldat giebt den Ton an bei Gal-
lienus Decennalia^. Dennoch marschirt an der Spitze des Fest-
zuges, in grotesker Verzerrung von Roms grosser Vergangenheit,
der Kaiser als Triumphator, wobei, wie billig, die besiegten Völker
blosse Comparsen sind. 8, 5 ipse medius cum picta toga et tu*
nica palmata inter patres, nt diximus, omnibus sacerdotibus
praetextatis "^ Capitolium petit. hastae auratae altrinsecus quin-
genae, vexilla centena praeter ea, quae collegiorum erant, dra-
cones et signa templorum omniumque legionum. ibant praeterea
gentes simulatae ut Gothi, Sarmatae, Franci, Persae. Die hastae
auratae weiss ich nach ihrer technischen Bedeutung nicht zu er-
klären. Aber vielleicht bezieht sich auf sie Herodian 5, 4, 9
ώς bk έπι πολύ τόν Μακρϊνον ουκ ίβλεπον ο\ υπέρ αύτου μα-
χόμενοι ούόέ τα βασιλείας σύμβολα ~ 5, 6, 8 εϊτι πολυτελές
ανάθημα δσα τε της βασιλείας σύμβολα. Die Vexilla der Collegia
sind inschriftlich beglaubigt ®. Dass sie mitten unter den Fahnen
der Armee einherziehen, ist eine Concession an die plebs urbana
und ein Carnevalsscherz mehr. Die Dracones werden hier zum
erstenmale in unserer üeberlieferuiig genannt, während sie dem
spätrömischen Heere des 4. Jahrhunderts geläufig sind. Es sind die
^ Vgl. über diese Art κωμασία der Lager Neue Heid. Jahrb. 9, 162.
β Neue Heidelb. Jahrb. 10, 231.
' Auch das ist ein echter Zug. Mommsen St. R. 1, 4Λ f.
8 C. III 7437. 7900. 8018. 8837. Vita Aurel. 34.
Kbeln. Mna. f. Philol. N. F. LVII. 33
514 ν. Domaszewski
Fahnen reicbefremder, barbanscher Htilfsvölker zu versteben, die
in dieser Zeit einen festen Bestandtbeil des römischen Heeres zu
bilden beginnen ^.
Am Schiasse ist signa templornm omniumqne legionnm nicht
eigentlich verderbt, sondern ein Missverständnies des Autors.
In der Vorlage stand, ähnlich wie bei Herodian 4, 4» 8, τα αγάλ-
ματα και τα σημεία πάντιυν τών στρατοπέδων. Der üeber-
setzer verstand αγάλματα von Tempelstatuen, während es die
Bilder von Heeresgöttern sind. Denn eine griechische Quelle liegt
sicher zu Grunde. In der Mitte des dritten Jahrhunderts gab
es keine lateinische Historiographie mehr, der eine solche Schil-
derung entstammen könnte. Noch unter Diocletian sind die
Götterbilder des Heeres nachzuweisen ^®. Der Autor wnsst« nichts
mehr davon; er hat demnach in christlicher Zeit geschrieben ^^
Die Signa der Legionen jener Zeit sind durch die Nativi-
tätsgestirne characterisirt ^^. Ihr Auftreten in der Pompa der
Decennalien wirft Licht auf die Legionsmünzen des Gallienus^'.
Die Legionen der Münzen sind folgende. Britannien : U Augusta,
^ Unter Maximinus Thrax, Herodian 7, 8, 10; 8, 1, 3. Aurelian,
Dexippus fr. 24 Müller p. 682 u. 685, wo die Art ihres Eintrittes ins
römische Heer klar wird. Vita Probi 14, 17 = Zosimus 1, 68 (die
Contingente haben die Stärke der numeri). Vita Probi 18, 1. 2 = Zo-
simus 1, 71.
w Westd. Zeitechr. 1895, 114 Anm. 471.
** Der 80g. Trebellius Pollio hat also nicht unter Diocletian ge-
schrieben. Ein ähnlicher Anachronismus findet sich in der Vita
Getae 6 Ventum denique est usque ad seditionem urbanicianomm mi-
litum, quos non Icvi auctoritate Bassianus conipressit, tribuno eomm,
ut alii dicunt interfecto, ut alii relegato. Der Schreiber denkt sich die
Cohortes urbauae nur von einem tribunus befehligt. Das ist für uns
erst in der Zeit zwischen ol7 und 337 nachweisbar C. VI 1186 und
ist historisch nach unserer Eenntniss aufzufassen als eine Folge der
capitis deminutio, die Rom durch Constantin erlitten hat. Und doch
soll auch der sog. Spartianus unter Diocletian geschrieben haben. Ueber-
dies ist es ein Missverständniss; denn der Tribunus, der Cilo zum Tode
schleift, ist nach Dio 77, 4 ganz deutlich ein Tribunus der Prätoriaoer.
Der Irrthum, dass die urbaniciani den Cilo bedrohen, findet sich auch
Vita Carac. 4. In der Vita Carac. 2 wird die legio II Parthica als
pars militum apud Albam bezeichnet, wie die griechischen Schrift-
steller den Legionsnamen umschreiben. Vgl. Dio 78, 34; 79, 2. 4
Herodian 7, 5. Das spricht entschieden gegen eine lateinische Vorlage.
12 Arch. epigr. Mitlh. XV 191 f.
1^ Vgl. meine Schrift, die Fahnen S. 55; Cohen, Gallien.
Untersnchungen zur römischen Kaiscrgeschichte 515
XX Valeria Victrix; G-ermania: I Minerria, VIII Aagneta, ΧΧΠ
Primigenia, XXX ülpia Victrix; Raetia: III Italica ; Noricum 11
Italica; Pannonia: I Adintrix, Π Adintrix, X Gemina, XIV Ge-
rn ina. Dacia: V Macedonica, XIII Gemina. Moeeia: I Italica,
IUI Flavia, VII Claudia, XI Claudia.
. Von den britannischen Legionen stand die XX Valeria da-
mals am Bheine ^^ und wahrscheinlich die II Angusta, da eine
Inschrift unter Gallienus Vexillationen mehrerer britannische Le-
gionen in Illyricum nennt ^^ Es fehlt dagegen auf den Münzen
die 3. britannische VI Victrix, die spanische VII Gemina, alle
des Orientes und die III Augusta Africas.
Daher müsste man sich die politische Lage zur Zeit der
Decennalien so denken, dass Gallienus in den Standquartieren der
Legionen, deren Münzen er prägte, anerkannt war, dagegen den
Orient, Africa, Spanien, Britannien verloren hatte. Wenigstens
für den Westen lässt eben diese politische Lage zur Zeit der
Decennalien die Vita Gallieni erkennen. 7, 1 Contra Postumum
igitur Gallienus cum Aureolo et Claudio duce qui postea Im-
perium optinuit ^principe generis Constanti Caesaris nostri^ bellum
iniit et cum multis auxiliis Postumus iuvaretur Celticis et Fran*
cicis, in bellum cum Victorino processit, cum quo Imperium parti-
cipaverat. victrix Gallieni pars fuit pluribus proeliis eventunm
variatione decursis. Mommsen hat alle diese Kämpfe gegen
Postumus als blosse Erfindung gestrichen^®, weil keine andere
Quelle davon wisse. Das ist nicht richtig. Zonaras 12, 24 be-
richtet den 1. Krieg gegen Postumus des Jahres 261, der an
der schweren Verwundung des Gallienus scheitert , genau wie
die Vita 4, 4 — 5^''. Doch hat Mommsen selbst später den Grund-
stock der Vita Gallieni mit vollem Rechte auf Dexippus zurück-
geführt, also die beste, gleichzeitige Quelle ^^ Auch die eigen-
1* Westd. Korr.-Bl. 1898 p. 153.
15 C. III 2228. Die VI Victrix konnte nicht abberufen werden,
da sie den britannischen Wall vertheidigte.
w Rom. Gesch. V 150.
1' Auch die Angabe der Vita, dass Postumus 7 Jahre regierte,
wird richtig sein, sie zählte vom Jahre 2β1, dem Siege über Gallienus,
während Postumus auf seinen Münzen die tribunicia potestas vom
Tage seiner Usurpation rechnet. Wenn Claudius als einer der Führer
des zweiten Krieges im Jahre 268 genannt wird, so ist das sicher
richtig. Denn nur einer der vornehmsten Generale konnte später Gal-
lienus auf den Thron folgen.
18 Hermes 2.0, 255.
516 ν. Domaszewski Untersuchungen zur römischen Kaisergeschichte
thümliche Zählung der Ehrennamen sextnm pia sextum fidelie auf
den Legionsmünzen erklärt sich einfach, wenn sie im Jahre der
Decennalien geprägt sind. Spätestens im Jahre 260 führt die
Legio V Macedonicn auf einer daciechen Inschrift ^^ den Beinamen
tertium pia fidelis. Noch unter Claudius heisst die legio II
adiutrix, sextnm pia sextum fidelis^''. Die 6. Verleihung des
Ehrennamens hat also Epoche gemacht, ist im Gedächtnies ge-
hliehen, während die 7., die weit weniger Münzen nennen, ver-
gessen wurde. Das Yerhältniss der älteren Inschrift mit tertium
pia fidelis zu der jüngeren Inschrift mit sextnm pia fidelis zeigt,
dass Gallienus nach der Zahl dieser Verleihungen seine Regie-
rungejahre zählte, seit dem Zeitpunkt wo sein Yater Valerianus
zum Partherkriege ausgezogen war und er allein im Westen
herrschte. Als hald nach den Decennalien Gallien wieder ver-
loren ging, in Illyricum neue Gegenkaiser auftraten, gah Gallienus
diese Adulatio auf. Der Legionen, die ihm noch anhingen, waren
zu wenige geworden. Man sieht aus dieser Art von Münzlegenden,
dass Gallienus das einzige Fundament seiner Herrschaft in den
gemeinen Soldaten sah.
Heidelberg. y. Domaszewski.
lö C. ΠΙ 875.
» C. III 3725 a. 270.
DIE AELTESTE REDACTION DER
PONTIFICALANNALEN
Die Frage, nm welche Zeit und von wem die ältesten An-
nalen in Rom zusammengeetellt wurden, ist für die Kritik der
älteren römischen Geschichte eine Cardinalfrage, die im Grunde
noch einer hestimmten Lösung harrt. Wie bei sehr vielen Pro-
blemen der römischen Geschichte, so lässt sich auch hier, wie
wir weiter unten sehen werden, wahrnehmen, dass die klarste
Formulirung der Frage schon längst von Theodor Mommsen auf-
gestellt worden ist. Hinsichtlich der ältesten Anfänge der offi-
ciellen Historiographie Roms hat Mommsen, im Gegensatz zu den
grundlosen Leugnungen und ausweichenden ümdeutungen der
Neueren, an den kostbaren Zeugnissen Cioeros (De oratore 2, 52)
und des vielleicht aus Verrius Flaccus schöpfenden Vergilcom-
mentators zu Aen, 1, 373 festgehalten, wonach die römische
Stadtchronik ihren Ursprung aus der jährlich vom Pontifex in
der Regia ausgestellten Tafel genommen hat. Diese geweieste
Holztafel {alhum) enthielt oben die Namen der eponymen Magi-
strate und in späterer Zeit, wie es aus dem Zeugniss des Poly-
bios (bei Dionys. 1, 74) erhellt, die Jahreszahl der Stadtära.
Auf ihr merkte der Pontifex an digna memoratu dornt müifiaeque
terra marique gesta, und zwar, nach dem Vergilcommentar, per
singulos dies. Der Hauptzweck der Publication war, nach Ciceros
Worten, potestas ut esset populo cognoscendu also der, dass das
Publikum alle wichtigen Vorkommnisse erfahren konnte. Mit
Recht hat man nach dieser Seite hin die Pontificaltafel mit den
seit Cäsar publicirten u4c^a diurna verglichen ^ Einige Schwierig-
1 H. Peter, Hist. Rom. rell. p. X. Es liegt in der Natur der
Sache, dass besonders wichtige Nachrichten, deren möglichst schnelle
Verbreitung man wünschte, wie zB. die Nachricht von der trasimeni-
schen Niederlage, auch durch öfifentlichen Ausruf bekannt gemacht
wurden.
518 £Dmann
keit bietet nur die Angabe, dase die Aufzeichnung der Ereignisse
auf der Tafel per singulos dies stattgefunden habe. Sollten diese
Worte buchstäblich bedeuten, dass der Pontifex jeden Tag seine
Aufzeichnung machte, so hat man mit Recht entgegnet, dass
nicht jeden Tag des Gedächtnisses würdige (digna memoratu)
Dinge sich in der Stadt ereigneten. Andererseits gab es tief
sich dem Gedächtnisse einprägende Ereignisse, die nicht an be-
stimmte einzelne Tage gebunden waren. Hierzu gehörten zB.
Epidemien und Hungersnöthe, welche neben Finsternissen, nach
Catos (bei Gellius 2, 28, 6) freilich wohl sicher übertreibenden
Worten, den Hauptinhalt der Pontificaltafel ausmachten. Gerade
das Vorkommen von Einzeichnungen letzterer Art beweist, daes
der Zweck der Tafel war, nicht sowohl eine Tageschronik, als
vielmehr zugleich und hauptsächlich eine Jahreschronik zu liefern.
Darauf führt ja auch der Name libri annales, welchen die Zu-
sammenstellung der Tafel von jeher geführt haben muee. Der
Ausdruck per singulos dies ist also nicht übertrieben streng zu
verstehen, sondern bedeutet offenbar nur, dass die Jahrestafel
aus allmählichen Einzeichnungen entstand, die der Pontifex an
den einzelnen Tagen vornahm, sobald etwas erinnerungswürdiges
sich ereignet hatte. Hunger und Pestilenz konnten zur Auf*
Zeichnung gelangen etwa bei Gelegenheit einer zur Abwehr unter-
nommenen öffentlichen, sacralen oder administrativen Handlung ^
Eine sehr ansprechende Erklärung der Worte per singulos
dies hat 0. Seeck (Die Kalendertafel der Pontifices S. 62) zu
geben versucht. Die historische Jahrestafel sei ursprünglich ein
Kalender gewesen, auf dem der Pontifex Tag für Tag anzugeben
* Hiermit erledigt sich wohl das von Cichorius (Pauly-Wissowa
Realencycl. I, Sp. 2250) erhobene, durch Catos Worte angeregte kri-
tische Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des ciceronischen potestas
ut esset populo cognoscendi. Ein zweites Bedenken von Cichorius, dass
es keinen Sinn gehabt hätte, stadtbekannte Thatsaohen noch zur all-
gemeinen Kenntniss zu bringen, scheint mir ebenfalls nicht stichhaltig
zu sein. Selbst unsere Tageszeitungen, um von Wochen-, Monats- oder
Jahresübersichten zu schweigen, bringen häufig Nachrichten, die sich
bereits von Mund zu Mund verbreitet haben und aller Welt schon
bekannt sind. Unsere Presse würde eine ihrer Aufgaben, als voll-
ständige Chronik der Ereignisse zu dienen, schlecht erfüllen, wenn sie
in jenem Falle sich Schweigen auferlegen wollte. Was zu gegebener
Zeit allen bekannt war, kann ausserdem nach einiger Zeit wieder ver-
gessen sein, dann dient eben die Aufzeichnung zur Wiederherstellung
des Gedächtnisses.
Die älteste Redaction der Pontificalannalen 519
hätte, welches Datum man schrieb. War etwas merkwürdiges
in der Stadt vorgefallen, so fügte er dieses zum gegebenen Datum
in kürzester Form hinzu, ursprünglich weniger um einer künftigen
Geschichtschreibung vorzuarbeiten, als um das Datum durch eine
allen geläufige Erinnerung kenntlich zu machen und so innerhalb
des Kalenders gewisse Marksteine zu schaffen, von denen man
voran und rückwärts zählen konnte. Wir fügen hinzu, dass
dieser ursprünglich chronologische Zweck den von Cicero be-
zeichneten einer öffentlichen Bekanntmachung neuer Ereignisse
nicht ausschliesst, ebenso wenig wie den Zweck einer Beurkun-
dung für die Zukunft. Alle drei Dinge konnten sehr wohl Hand
in Hand gehen oder sich sehr bald eines aus dem anderen ent-
wickeln. Der natürliche Zusammenhang der Jahreschronik mit
dem Kalender wird nicht nur durch Analogien aus andern Zeiten
und Ländern bestätigt, sondern steht auch in bestem Einklänge
mit allem, was sich über die Geschichte des Pontificalcollegiums
ermitteln lässt. So ist es im höchsten Grade wahrscheinlich und
auch von Mommsen (Rom. Gesch. 1, 173) nachdrücklich behauptet
worden, dass die vielseitige und wichtige Thätigkeit jenes Priester-
collegiums sich im Lauf der Zeit entfaltet haben muss aus seiner
ursprünglichen Obliegenheit alljährlich den Kalender zu redigiren
und zu veröffentlichen. Die ursprünglichste Form der Kalender-
publication hatte sich erhalten in einem ehrwürdigen Rest, der
allmonatlich durch öffentlichen Ausruf auf dem Kapitel vom Rex
sacrorum, als dem ehemaligen Haupt des Collegiums, vollzogenen
Verkündung der Kalender und Nonen. Eine jüngere, bereite
schriftliche Form der Pnblication wäre die Kalendertafel des
Pontifex, aus welcher sich dann auf natürlichem Wege die histo-
riographische Thätigkeit des Collegiums ausgebildet hätte. Wann
jener Uebergang zur schriftlichen Bekanntmachung des Kalenders
stattgefunden hat, entzieht sich einer sicheren Bestimmung. Seeck
(aO. 72) lässt die Kalendertafel entstehen gleichzeitig mit der
regelmässigen Schaltung. Da der Schaltmonat, nach dem Zeugniss
des Macrobius (1, 13, 21) bereits in einer Gesetzurkunde der
Consuln L. Pinarius und P. Furius (282 d. St. = 472) erwähnt
war, rückt Seeck den Anfang der schriftlichen Kalenderpublication
bereits in die allerälteste Epoche der Republik. Allein aus dem
Gebrauch des Schaltmonats folgt noch nicht die Nothwendigkeit
seiner schriftlichen Publication. Im Gegentheil beweist der Aus-
druck intercalare und intercalatio unwiderleglich, dass er anfange
durch Ausruf verkündet wurde, indem die ^ Ζ wischen ausrufung'
520 Enmann
die calatio der gewöhnlichen Monate unterbrach. Für die Re-
form der Kalenderpublication, ihren üebergang zum schriftlichen
Verfahren, liegt es nahe, an diejenige Epoche zu denken, in
welcher überhaupt in Rom die alte mündliche Rechteübnng
echriftlich fixirt wurde, nämlich an die Zwölftafelgeeetzgebung,
die ja nach Mommsene Nachweis eine Ealenderreform in sich
einschloss.
Die ausgefüllten Jahrestafeln mit ihren kalendarischen und
den im Laufe der Zeit vielleicht immer reicher werdenden chro-
nikalischen Notizen wanderten, wie angenommen werden muss,
in das Archiv der Regia. Sie haben dann später das authen-
tische Material für die römische Geschichtschreibung gebildet.
Wäre uns bekannt, vom welchem Jahr an diese kostbare Samm-
lung sich bis zur Epoche der beginnenden Buchannalistik er-
halten hatte, so liesse sich damit auch der Anfangspunkt der
beglaubigten Geschichte Roms feststellen. Livius (6, 1) wusste
oder nahm als sicher an, dass die Verwüstung Roms durch die
Gallier auch die ältesten historischen Documente betroffen habe.
Selbst wenn man in der That auch den [Jmfang der damaligen
Zerstörung Roms, wie Thouret (Jahrb. für class. Philol. Suppl.
XI S. 95) erweist, auf massige Grenzen zurückführt, so werden,
nach Seecks treffender Bemerkung (aO. 8. 74), die auf dem Fo-
rum campirenden Eroberer ihr Feuerungsmaterial sicher nicht
aus den Wäldern geholt haben, so lange dicht nebenbei, in der
Regia, ein ganzer Stoss für sie unnützer Holztafeln aufgeschichtet
lag. Seit Niebuhr hat man mit Recht auf Ciceros (Rep. 1, 25)
Angabe hingewiesen, wonach die älteste Sonnenfinsterniss, welche
sich in den Pontificalannalen mit dem richtigen Tagesdatum ver-
zeichnet fand, ungefähr auf das Jahr 350 der Stadt fiel. * Hier
lag also die erste Spur gleichzeitiger chronikalischer Aufzeich-
nung vor, die entweder auf eine noch erhaltene oder unmittelbar
nach der Katastrophe aus der frischen Erinnerung der Zeit-
genossen reconstruirte Jahrestafel zurückgehen mochte. Auf den
Tafeln waren ferner die Namen der Magistrate angemerkt, also
in älterer Zeit wohl vorzugsweise die Consulnamen. Wir glauben
nun an einem anderen Orte naöhgewiesen zu haben ^, dass in der
^ Vgl. meinen Aufsatz 'Die älteste Redaotion der römischen Con-
eularfasten* (Zeitschr. für alte Geschichte Bd. I S. 93). Nachzutragen
ist, dass Matzat (R. Chron. 1, 197) und Seeck (Kalendertafel S. 77)
Spuren noch andersartiger Interpolation nachgewiesen haben, bestehend
Die älteste Redaction der Pontifioalannalen 521
älteeten, um das Jabr 300 v. Chr. erfolgten Redaction des uns
überlieferten Consnlarverzeicbniseee eine nicbt geringe Änzabl
von JabresRtellen durch willktirlicbe Interpolationen ausgefüllt
waren, die wieder bis um das Jahr 350 der Stadt reichen, also
der Epoche, von welcher an die Rnbrik der Sonnenfineternisee
in den Annalen ihren Anfang nahm. Offenbar ist der Ornnd
beider Erscheinungen ein gleicher. Es fehlte an älteren Jahres-
tafeln, und diese Lücke hat nur zam Theil aus andersartigen Auf-
zeichnungen ergänzt werden können. Diese und andere Anzeichen,
wie zB. die Thatsache, dass erst von dem Jahr 361 (393) an
zuverlässige Censuszahlen überliefert sind und sichere Kach-
richten über Coloniegründungen beginnen, führen zum gemein-
samen Schluss, dass regelmässige zeitgenössische annalistische
Aufzeichnungen erst ungefähr von der Zeit des gallischen Brandes
an in Rom vorhanden waren. Die Geschichte des fünften vor-
christlichen Jahrhunderts dürfte somit zu irgend einer gegebenen
späteren Zeit auf Grund mehr oder weniger zuverlässiger oder,
besser gesagt, unzuverlässiger Daten reconstruirt worden sein.
Der Geschichte dieser Epoche geht aber noch eine ausführliche
Erzählung der Urgeschichte der Stadt, die Königsgeschichte,
voraus. Auf einem völlig unannalistischen Gerüst aufgebaut und
allenthalben das Gepräge ätiologischer Construction verrathend,
kann sie in keinem Falle aus der einzigen für die Römer nutz-
baren Quelle echter Geschichte, der annalistischen mit den Er-
eignissen gleichzeitigen Aufzeichnung entflossen sein.
Die Geschichte Roms bis zur Epoche des pyrrhischen und
der punischen Kriege zerfällt also hinsichtlich ihres Ursprungs
und ihrer Bezeugung, wie aus dem vorhergehenden hervorgeht,
in drei ungleiche Theile. Von der Zeit um die gallische Er-
in der Wiederholung der Eponymennamen der Jahre 326—330 (428 —
424) und 338-342 (416—412) für je fünf folgende Jahre. Meine
übrigens, wie ich nachträglich sehe, schon von A. Schäfer (N. J. f. Ph.
113, 574) gemachte, aber anders erklärte Beobachtung ging dahin, dass
in die Liste der patricischen Consuln des V. Jahrhunderts v. Chr. im
ganzen 11 Volumnii, Minucii, Sempronii und Genucii eingesohwärzt
sind und dieses nicht anders als im Interesse der plebejischen Consuln
der Jahre 447—451 (307—303 v. Chr.) L. Volumnius, T. Minucius, P.
Sempronius und L. Genucius geschehen sein kann. Hieraus habe ich
geschlossen, dass unsere Redaction der Fasten etwa im Jahre 450 — 451
(304-303), im Aedilenjahr des Cn. Flavius und wahrscheinlich von
ihm selbst vorgenommen worden ist.
522 £nmann
oberung an beruhte sie auf gleichzeitig mit den Ereignissen von
den Pontifices geübter Einzeicbnung in die Jahrestafeln. Trotz
vieler Zusätze, Erweiterungen und Ausschmückungen durch die
einander folgenden Grenerationen annalistischer Bearbeiter liegt
uns über diese Periode ein zuverlässiger Grundstock echter histo-
rischer üeberlieferung vor. Der zweite Theil, die Geschichte
der Republik von dem ersten urkundlich bezeugten Consul, dem
Einweiher des kapitolinischen Tempels, M. Horatius, an bis um
das Jahr 350 d. St. entbehrte, im ganzen genommen, jener seu-
verlässigen Grundlage, der Jahrestafeln. Zu einem gewissen
Theil kann dieser Mangel ausgeglichen worden sein, theils durch
unvollständige Ueberreste chronologischer Aufzeichnung, wobei
vielleicht das Decemvirat eine gewisse Epoche gebildet hat, theils
durch anderweitiges indirect historisches Material, Familientra-
dition und jedenfalls noch manches rechtsgesohichtliche Material,
welches in den Akten und Commentarien der Priesterechaften
und Magistrate eine Zuflucht gefunden hatte. Weitaas zum
grösseren Theil aber wird die Geschichte dieser Epoche aus
ätiologisch gebundener erfindender Reconstruction geflossen sein.
Dazu kam als dritter Theil die Eönigsgesohiohte, welche völlig
dem Gebiet der ätiologischen Dichtung angehört. Trotz dieses
ungleichen Ursprungs finden wir, soweit sich die römische Ge-
schichtschreibung übersehen lässt, alle drei Theile stets mit
einander nicht bloss äusserlich verschmolzen, sondern auch in
einen durchaus unlösbaren inneren Zusammenhang gesetzt. Sie
bilden zusammengenommen eine wohlgeordnete, vollständige, von
der Gründung an beginnende Stadtgeschichte, ein Werk von dem-
selben streng folgerichtigen Aufbau, wie der Staat, dessen all-
mähliches Anwachsen von den unscheinbarsten Anfängen es schil-
dern sollte. In classischer Weise hat die Entstehung dieser
römischen Stadtgeschichte Tb. Mommsen in folgenden kurzen
Zügen skizzirt (Rom. Gesch. ^ 1, 469): *Es liegt in der Natur der
Chronik, dass sie zu der Geschichte die Vorgeschichte fügt und
wenn nicht bis auf die Entstehung von Himmel und Erde, doch
wenigstens bis auf die Entstehung der Gemeinde zurückgeführt
zu werden verlangt und es ist auch ausdrücklich bezeugt, dass
die Tafel der Pontifices das Gründungsjahr Roms angab. Da-
nach darf angenommen werden, dass das Pontificalcollegium, als
es in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts anstatt der bis-
herigen spärlichen und in der Regel wohl auf die Beamtennamen
sich beschränkenden Aufzeichnungen zu der Anlage der form-
Die älteste Redaction der Pontiflcalannalen 523
liehen Jahreschronik fortschritt, auch die zu Anfang fehlende
Geschichte der Könige Roms und ihres Sturzes hinzufügte und
indem es auf den Einweihungstag des capitolinischen Tempels,
den 13. Sept. 245 zugleich die Stiftung der Repuhlik setzte,
einen freilich nur scheinhaften Zusammenhang zwischen der zeit-
losen und der annalistischen Erzählung herstellte.' üeher die
Königsgesehichte stellte Mommsen folgendes .fest: Eine Zu-
sammenknüpfung der verschiedenen Märchen, die Feststellung
der Reihe der siehen Könige, die ohne Zweifel auf der Ge-
schiechterrechnung ruhende Ansetzung ihrer Regierungszeit ins-
gesammt auf 240 Jahre und seihst der Anfang officieller Auf-
zeichnung dieser Ansetzungen hat wahrscheinlich schon in dieser
Epoche stattgefunden : die Grundzüge der Erzählung und nament-
lich deren Quasiclironologie treten in der späteren Tradition mit
80 unwandelbarer Festigkeit auf, dass schon darum ihre Fixirung
nicht in, sondern vor die litterarische Epoche Roms gesetzt
werden muss.'
Mommsens Ansicht ging also darauf hinaus, dass im Schoosse
des Fontificalcolleginms in der ersten Hälfte des fünften Jahr-
hunderts der Stadt, also etwa um die Periode der Samniterkriege,
das vorhandene annalistische Material vereinigt und bei dieser
Gelegenheit durch die Frühgeschichte der Republik und die
Königsgeschichte nach oben hin ergänzt wurde. Dieses Anfange-
werk einer eigentlichen Geschichtschreibung darf, wie wir oben
auseinandergesetzt haben, als die älteste Redaction der römischen
Annalen bezeichnet werden, als das erste annalistische Corpus
einer Gesammtgeschichte Roms. Diese erste Fixirung der Stadt-
geschichte hat, wie Mommsen treffend hervorhebt, ein für allemal
die immer wiederkehrenden Grundzüge auch für alle weiteren
Bearbeitungen des gleichen Stoffes geliefert. Gerade deshalb ist
es für die historische Kritik von besonderer Wichtigkeit, die
durch die Bemerkungen Mommsens eingeleitete Frage nach der
näheren Beschaffenheit der ältesten Annalenredaction einer scharfen
Untersuchung zu unterziehen. Insbesondere muss sich die Frage
erheben nach einer genaueren Bestimmung der Zeit und Person
des Verfassers, endlich nach dem Umfang und der Form, welche
die ältesten Annalen muthmasslich gehabt haben.
Sehen wir uns in der neueren Litteratur über römische Ge-
schichte um, so erweist sich leider, dass Mommsens Erwägungen
auf einen wenig fruchtbaren Boden gefallen sind. Von einer
älteren Redaction der Pontificalannalen als die Annales maximi
524 Enmann
des ausgebenden zweiten Jahrhanderte y. Cbr. ist nicht die Rede,
weder bei Seeck oder Soltan, nocb bei Cicborius, Paie nnd den
vielen anderen, welche sich über die Anfänge der römiechen An-
nalietik mehr oder weniger aasfübrlich aoBgeeprochen haben.
Der Oberpontifex Muciue Scaevola stellte im Zeitalter der Grac-
eben den alten Brauch der Ausstellung der Jahrestafeln ein und
höchst wahrscheinlich war es derselbe Scaevola, der das ganze
vorhmdene Material an Tafeln und andern historischen Aufzeich-
nungen des Pontificalcollegiums einer zusammenfassenden Re-
daction unterzog und in 80 Büchern als Annales maximi heraus-
gab. Dieses Werk war also die Schlussredaotion der officiellen
Annalistik und bildete den Absohluss der gesammten historio-
graphischen Thätigkeit der Pontifices. Sieht man nun mit den
oben erwähnten Forschern in diesen Annales maximi die erste
und einzige Buchausgabe der Pontiiicalannalen, so wird man zum
Schluss genöthigt, dass die ganze ältere Annalistengeneration zu-
sammen mit Naevius, Ennius und Cato ihr Material einzeln aus
mühsamem Studium der in der Regia aufgeschichteten Jahres-
tafeln entnommen haben musste. Bei der Wiedererzählung der
Eönigsgeschichte und der Frühzeit der Republik mtieste sie dann
eine noch grössere Wunderkrah geleitet haben, als die 70 Bibel-
übersetzer, da ja für jene älteste Periode in dem Tafelarchiv
jede feste Grundlage fehlte. Gegenüber Mommsens lichtvollen
Erörterungen ist unleugbar eine bedauerliche Unklarheit über die
Anfänge der römischen Annalistik eingetreten. Anstatt der Lö-
sung des Problems der Pontiiicalchronik zeigen sich die Epigonen
der kritischen Schule eher bestrebt, die gegebenen festen Punkte
des Problems nach Möglichkeit wegzudisputiren, wodurch freilich
die schwierige Frage scheinbar am sichersten aus der Welt ge-
schafft wird. Seeck versucht zu demonstriren, dass die Annalee
maximi (und damit die Buchannalistik der Pontifices) so gut wie
gar nicht existirt haben. Cichorius lässt sie aller annalistischen
Analogie zuwider und im Widerspruch zu den klaren Worten
Ciceros ab initio verum Romanorum erst von 400 v. Chr. die Er-
zählung beginnen, wonach implicite die Königsgeschichte und ihr
organischer Zusammenhang mit der Chronik in ein nichts auf-
gelöst wird. Einer ähnlichen Auflösung unterwarfen Cichorius
und, wie es scheint, neuerdings auch Bormann die von Cicero,
Dionysios und Servius wohl bezeugte historische öffentliche Tafel-
chronik, indem diese in eine unbestimmbare Sammlung esoteri-
scher Notizen über specielle Amtshandlungen der Pontifices ver-
Die älteste Kedaction der Pontificalannalen 525
wandelt wird. Dergleichen Notizen geborten vielmehr in die
Acta oder Commentaria des Collegiums. Freilich ist nicht zu
bezweifeln , daes in diesen Gattungen des oberpriesterlicben
Schrifttbums die ätiologische Tendenz ähnlich gewuchert haben
und zur Erklärung der Anfange des Fest- und Opfercyclus, so-
wie zur Exemplificirung des geistlichen Rechts eine ähnliche
Menge von fingirten pKeudohistori sehen Erzählungen erzeugt haben
wird, wie auf dem Gebiete der politischen Stadtgeschichte. Ab-
gesehen von ihrer allgemeinen Geistesverwandtschaft mit der
Annalistik ist ans den geistlichen Commentarien sicher vieles
direct in die Annalen hineingetragen worden, um die leeren
Blätter der älteren Periode angemessen auszufüllen. Inbesondere
scheinen die δΟ Bücher der Annales maximi zu einem beträcht-
lichen Theil mit ans den Commentarien geflossener geistlicher
Fabulistik angefüllt gewesen zu sein. Für dergleichen Dinge
sind dann die Annales maximi eine reiche Quelle für die jüngere
Privatannalistik eines Tubero, Macer und Antias geworden, noch
mehr aber für die Antiquare. Es wäre aber durchaus verkehrt,
sich hiernach ein einseitiges Bild von den Anfängen der Ponti-
flcalannalen zu machen, ein Bild, in welchem gerade die in einer
unverdächtigen guten Ueberlieferung bewahrten Grundzüge ihrer
Entstehung ausgetilgt sind.
Wir halten daran fest, dass die römischen Annalen anfangs
ans jährlich wechselnden Holztafeln bestanden, welche der Ober-
pontifex nicht für die Sonderzwecke seines Collegiums, sondern
zum öffentlichen Besten, zur Bekanntmachung und Beurkundung
chronologischer, allmählich aber auch immer reicher werdender
historischer Daten abfasste. Diese zeitgenössischen, etwa vom
Jahre 400 oder höchstens ein halbes Jahrhundert früher be-
ginnenden Aufzeichnungen bildeten, in der Regia aufgehäuft,
dank ihrer äusseren Form, grosser schwerer und leicht zerstör-
barer Holztafeln, das denkbar schwierigst zu benutzende histo-
rische Archiv der Welt. Es konnte nur eine Frage der Zeit
sein, wann dieses kostbare Material in bequemerer Buchform zu-
sammengebracht und redigirt, leichterer Benutzung zugänglich
gemacht wurde. In der That begegnen wir bald nach dem zweiten
punischen Kriege in Rom bereits einer blühenden historischen
Buchlitteratur. Ihre Vertreter, Fabius Pictor, Cincius Alimentus,
Ennius, Cato erscheinen den Zeitgenossen des Augustus und auch
noch uns als die Begründer der römischen Historiographie,
pennoch setzt die Thätigkeit aller vier die bereits vollzogene
526 Enmann
Bachredaction der annalistiechen Geschichte in Verbindang mit
der Königsgeechichte voraus. Mit Recht hat Mommsen auf die
anwandelbare Festigkeit der Königsgeschichte in der ganzen rö-
mischen Litteratnr anfmerksam gemacht und deshalb ihre ein-
malige individuelle Fixirung vor den Anfang der litterarischen
Epoche Roms, also vor Fabius Pictor gesetzt. Die geringe Zahl
der Varianten in der Erzählung der ältesten Geschichte bei den
genannten vier Autoren — einige Abweichungen des Fabius
kommen dabei auf Rechnung von ihm benutzter griechischer Au-
toren — lassen au der Benutzung einer gemeinsamen Urquelle
nicht zweifeln. Das Originelle jener Autoren besteht nicht in
der Aufsuchung des ürstoffes für die alte Geschichte, sondern
in den jedem eigenen Zielen der litterarischen Bearbeitung eines
und desselben Stoffes. Fabius und Cincius gestalten daraus eine
gedrängte Uebersicht unter reicherer Berücksichtigung der Ur-
geschichte für den Geschmack de hellenistischen Publikums.
Cato wendet sich an das nationale Publikum, sucht aber seine
Bearbeitung auf die Höhe hellenistischer Wissenschaft zu bringen.
Ennius gestaltet den Stoff zu einem nationalen Epos und aus
prosaischen Annalen schafft sein Dichtergenius poetische.
Die Annales maximi sind gewiss nicht, wie Seeck haupt-
sächlich aus der geringen Zahl namentlicher Fragmente zu de-
monstriren versucht, wenig gelesen und benutzt worden. Im
Gegentheil steht ihr Erscheinen offenbar in ursächlicher Wirkung
zu dem erhöhten neuen Aufschwung der Privatannalistik des
«
sullanischen Zeitalters und dem Aufblühen einer antiquarischen
Wissenschaft in der letzten Periode der Republik. Dieser Litte-
ratnr hat dies Werk der Pontifices eine Fülle thatsächlichen
Stoffes zugeführt, ist aber von ihr, wie das ganz natürlich ist,
absorbirt und schnell der Vergessenheit überliefert worden. Es
bedarf keiner namentlichen Citate, wo wahrscheinlich jede Seite
des Livius, Dionysios, Varro und Festus umfangreiche und in-
dividuell bearbeitete indirecte und directe Fragmente jenes An-
nalenwerks darbieten. Eine parallele Wirkung aus paralleler
Ursache bietet das Aufblühen einer privaten Geschichtslitteratur
im ausgehenden Zeitalter der punischen Kriege dar. Die an der
Oberfläche nicht mehr sichtbare befruchtende Quelle kann nichts
anderes gewesen sein, als eine ältere Ausgabe der Pontifical-
annalen, die Vorgängerin der Annales maximi. Ihr äusseres
Verhältniss zu letzteren kennzeichnet sich durch das Prädicat
maximi. Die 'grosse^ erweiterte Gesammtausgabe ist an die
Die älteste Kedaction der Pontificalaimalen 527
Stelle älterer und wahrecheinlioh weit kürzerer Annalen getreten.
Theile aus der gleichen Ursache wie die maxlmif wegen der bal-
digen Abeorbirung durch die Privatannalen, theils aber gerade
durch die neue officielle vermehrte und verbesserte Publication
sind die alten Annalen einer noch gründlicheren Vergessenheit
verfallen als die des Scaevola. Diesen Todesursachen verdanken
die alten Annalen andererseits sicher auch ihr Fortleben bis in
die auf uns gekommenen letzten Ausläufer der römischen 6e-
schichtscontinuation. Es kann deshalb durchaus nicht als Ver-
messenheit betrachtet werden, wenn wir uns in der Erzählung
eines Livius oder Dionysios nach kennzeichnenden Spuren der
ältesten Annalen umsehen, welche uns Auskunft über die Zeit
und Person ihres Herausgebers an die Hand zu geben im Stande
sind. Namentlich ist dazu die Königsgeschichte geeignet, da sie
als litterarische Schöpfung am ehesten das individuelle Gepräge
einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Verfassers an sich
tragen muss.
Die Königsgeschichte ist in ihrer ursprünglichen Gestalt,
wie ich in meinem russisch geschriebenen Buch ^ Die römische
Königssage (St. Petersburg 1896)' nachzuweisen versucht habe,
ursprünglich mit der Absicht erfunden worden, in den kurzen
Biographien von sieben fingirten Königen, in der Art des Fertor
Kesius rex Aequicolorum, ätiologische Gründungsgeschichten der
sieben vornehmsten Priestercollegien Roms zu geben. Vielleicht
haben diese Biographien, wie ich vermuthe, als Einleitungen zu
einer um die Zeit des ogulnischen Gesetzes im Interesse der
Plebs angelegten officiellen Priesterliste gedient. Dann sind diese
Königsbiographien vereinigt, in chronologischer Reihenfolge ge-
ordnet und in zweiter Schicht überarbeitet worden mit Rücksicht
auf die Aetiologie der allgemeinen Entstehungsgeschichte der
Stadt und des römischen Staates, sodass jedem Könige sein be-
stimmter Antheil an der Gründung Roms zufiel. Im Gegensatz
zu den alten zeitlosen Königsbiographien wurde die neue Könige-
geschichte chronologisch fixirt und in dieser Form den streng
chronologisch geordneten Annalen der Republik angegliedert. In
der Umarbeitung und Einordnung der Königsgeschichte in die
allgemeine Geschichte Roms muss das Werk des ersten Heraus-
gebers der Annalen bestanden haben. In der ersten Hälfte des
dritten Jahrhunderts vor Chr. ist die Kunde vom Stadtgründer,
dem König Romulus, schon zu den griechischen Historikern
Kallias und Timaios gedrungen. Obgleich letzterer wahrschein-
528 Ε D mann
lieh eine Forechungereiee nach Latium, vielleicht auch nach Rom
unternommen hat, fehlte ihm noch die Eenntniss eines Grün-
dangedatume Roms aus römischer Quelle. Die erste Thatsache,
welche die vollzogene chronologische Fixirung der Gründung der
Stadt und somit auch der chronologisch fixirten Eönigsgeschichte
beweist, ist das Säcularfest vom Jahre 505 (249 v. Chr.). Hier
liegt eine Berechnung des Gründnngsdatums der Stadt vor anf
das Jahr 749 unserer Zeitrechnung. Wie wir (aO. S. 361 ff,)
gezeigt haben, war in dieser Rechnung der ältesten Annalen-
redaction auf die Eönigzeit sieben Generationen, 7 X 33^3 =
233 Jahre + 4 Interregnen (4 X 500 Tage = 2000 Tage = rund
6 Jahre), also 239 Jahre gezählt, der Anfang der Republik auf
510 V. Chr., die Vertreibung der Könige auf 511 gesetzt, wäh-
rend nach der Rechnung der Fasten des Cn. Flavius bis auf das
Jahr 304 nur 204 Jahre vom ersten Gonsuljahr an verflossen
waren, also die Gründung der Republik auf 508 v. Chr. angesetzt
war. Die Fasten waren also in der Annalenredaction, vielleicht
um die im Jahre 249 nöthigen 500 Jahre der Stadt abzurunden,
um 2 Jahresstellen vermehrt worden. Eine der letzteren dürfte
das schon von Mommsen (Rom. Forsch. 1, 111) als Interpolation
beanstandete Consularjahr 267 (= 487 v. Chr.) gewesen sein.
Der angeblich patricische Consul dieses Jahres C. Aquilius ist
sicher wohl als patricischer Ahne des plebejischen Consule 495 =
259 V. Chr. C. Aquilius eingeschoben worden, wie dieselben
Aquilier auch in die Gründungsgeschichte der Republik als Ver-
wandte des Freiheitehelden Collatinus eingeführt sind ^. Weisen
also bereits zwei Spuren auf einen Zeitgenossen des ersten pa-
nischen Krieges, der ersten Säcularspiele und des Consuls C.
Aquilius als Verfasser der Annalen hin, so zeigen sich noch
weitere Kennzeichen der Rücksichtnahme auf die Ruhmsucht der
plebejischen Nobilität der genannten Zeit. In der Geschichte
des Tarquinius Superbus (Dionys. 4, 62) tritt ein Orakelbe wahrer
M. Atilius auf, als einer der vornehmen Bürger (επιφανείς) be*
zeichnet, ein Ahnherr des berühmten Consuls M. Atilius Regulas.
Mit sichtlich ironischer Absicht sind freilich sowohl der 'vor-
nehme Orakelbewahrer Atilius, als auch die Aquilii, die angeb*
liehen patricischen Ahnen des Consuls C. Aquilius, zu ruchlosen
Verbrechern gestempelt. Offenbar that das dem Vergnügen, schon
in der alten G-eschichte vorzukommen, keinen Abbruch. Weit
^ Mommsen, Rom. Forsch. 1, 111.
Die älteste Redaction der Pontificalannalen 529
liebevoller, ja mit besonderer Audzeichnung ist in den Annalen
das Geschlecht eines dritten Consuls der Zeit des ersten pani-
schen Krieges, des Qu. Mamilius Vitulus (Consul 265 und 262
V. Chr.) bedacht worden. Octavius Mamilius aus Tusculum er-
scheint als Schwager des Königs Tarquinius, L. Mamilius aus
derselben Stadt rettet das Capitol vor dem Ueberfall des Appius
Herdonius und erhält dafür von den dankbaren Römern das
Bürgerrecht (Liv. 3, 29), als der einzige Tusculaner, dem diese
Ehre zu Theil geworden ist (Cato Orig. 1 fr. 24^. Aber nicht
bloss das Geschlecht der Mamilier, sondern auch ihre Vaterstadt
Tusculum erfreut sich einer ganz besonders liebevollen Beachtung
in den Annalen. Von keiner andern Stadt ausser Rom wird so
häufig und so eingehend berichtet, als von Tusculum und seinen
Bürgern^. Man sollte meinen, der Annalist sei ein Landsmann
der Mamilier, ein Tusculaner gewesen.
Das älteste Annalen werk war als Ausgabe des Pontifical-
collegiums äusserlich ein anonymes Werk, wie auch die späteren
Anoales maximi. Wie man aber mit Recht annimmt, dass das
Erscheinen dieser letzteren erst durch die persönliche Autorität
und die persönliche litterarische Thätigkeit des gelehrten Pontifex
Maximus P. Mucius Scaevola zu Stande gekommen ist, so läset
sich gleiches und in noch höherem Masse für die älteste Redaction
der Annalen voraussetzen. Um das historische Archiv der Regia
zum ersten Mal der OeflFentlichkeit zu übergeben, bedurfte es
eines Mannes, dem nicht bloss die Autorität eines Pontifex Maxi-
mus zu Gebote stand, sondern der besonders freisinnig den Bann
der priesterlichen Geheimnisskrämerei zu durchbrechen im Stande
war. Nicht umsonst ist in die Geschichte des Ancus Marcius
die bezeichnende Erzählung eingelegt, dass dieser König die von
Numa verfassten priesterlichen Commentarien der Oeffentlichkeit
übergab, bis die patricischen Pontifices sie nachher wieder ver-
steckten. Der Verfasser dieses historischen Präcedenzfalles, der
dem Princip der Oeffentlichkeit besonders zugeneigte Oberpon-
tifex muss selbstverständlich ein Plebejer gewesen sein. Es geht
das nicht bloss aus den Spuren seiner nahen Beziehungen zur
plebejischen Nobilität hervor, sondern auch aus der ganzen an-
i Vgl. Liv. 3, 7. 18. 42. GO; 4, 10. 27. 45-47; 5, 28; G, 25-26.
ii'o. 37; 7,11; S, 7. 14. 37. Besonders interessant ist die letztauf-
geführte Stelle, wo rühmend von der Liebe der Tusculaner zu ihrer
Vaterstadt und ihrer Einmüthigkeit erzählt wird.
Kheia. Mus. f. Pbilol. N. F. LVIL 34
530 Enmann
nalistieoheii Erzählung, welche Schritt für Schritt die Errungen•
Schäften der Plehs in ihrem grossen Kampfe um Rechtegleichheit
verfolgt. Die praktische Staatskunst muss dem ältesten Anna-
listen nahe gelegen hahen, insbesondere blickt in der Königs*
geschichte ein besonderes Interesse durch für Dinge, die die
Finanzverwaltung des Staats und den Kreis der censorischen Ge-
schäfte berühren. Dem alten FetialenkÖnig Anous Marcius sind
eine Reihe von Neugrnndungen zugewiesen, die auf den ersten
Blick jeden Zusammenhang unter einander vermissen lassen.
Blickt man aber genauer hin, so sind diese Gründungen lauter
Steuerobjecte des römischen Staates (vgl. meine ' Königssage
S. 180 ff.): der Hafen liefert das portorium maritimum, die Tiber-
brücke den Brückenzoll, die silva Maesia als Staatewald das
vectigal picariarum und Schiffsbauholz, die Salzgruben das vectigal
salinarum, die Wasserleitungsanlagen (aqua Murcia, Tnllianum,
fossae Quiritium) das vectigal pro aquae forma, die Anweisung
des Aventin zu Bauplätzen der Plebejer den Bodenzins (vectigal
Solarium). Noch näher streift an das censorische Interesse die
Sorgfalt, mit welcher der Annalist den Ursprung der grossen
öffentlichen Bauten unter seine Könige vertheilt, der Bauten, an
denen noch die Republik beständig remontirend und erweiternd
fortgebaut hat, die Kloaken, der Circus, der grosse Tempel dei
Capitols, die Stadtmauern, um nicht zu reden von der Dar-
stellung der allmählichen Bebauung der Stadthügel und -thäler.
Die Phantasie des ältesten Annalisten hat den plebejerfreundlichen
Larensobn und Fortunadiener Servius TuUius ausersehen, um für
das Uauptstück des censorischen Geschäftes den Grund legen zu
lassen. Nach dem Nachweise Mommsens (Rom. Staatsrecht 3, 245)
muss der Verfasser der Erzählung vom ersten Census des Servius
TuUius ein Censusformular vor sich gehabt haben der Zeitperiode,
wo der Werth des As dem zehnten Theil des Denars entsprach.
Diese Valuta ist nach Mommsen im Jahre 485 (269 v. Chr.) ein-
geführt worden, so dass ich hier zu meiner Freude aus Mommseus
glänzendem Forschungsresultat einen neuen Beweis dafür schöpfen
kann, dass der älteste Bearbeiter der Annalen ein Zeitgenosse
des ersten punischen Krieges war. Dem selben Verfasser ver-
danken wir vermuthlich die Reihe guter und zuverlässiger Census-
zahlen der älteren Annalen und die weniger guten, weil stark
der künstlichen Construction verdächtigen Notizen über die ältesten
Coloniegründungen.
Zu den bereits gewonnenen persönlichen Zügen fdgen wir
Die älteste Kedaction der Pontifioalaunalen 531
noch einen hinzn. Der Herauegeber der ältesten Geschichte
Korns muss ein Mann von nicht gewöhnlicher echriftstellerischer
Begabung gewesen sein. Das epische und dramatische Golorit
der Erzählung hat bekanntlich bereits Niebuhr zur Annahme hin-
gerissen, dass die älteste Geschichte Roms auf eine dichterische
Quelle zurückgehe. Mommsen (Hermes 21, 570) hat den Ver-
fasser der Tatiuslegende einen Dichter genannt, wenn auch ver-
muthlich einen derjenigen die ^ ihre Eingebungen nie aufgeschrieben
haben'. Nicht ohne Grund haben grosse Dichter der Neuzeit
von Shakespeare an sich an Stoffen, wie sie die Erzählungen von
den Horatiern und Curiatiern, Lucretia, Coriolan ua. boten, zu
herrliehen Schöpfungen begeistert. Wer war, fragen wir nun,
dieser hochbedeutende Gescbichtserzähler und Begründer der rö-
mischen Historiographie, der Freund der Aufklärung, der ple-
bejische Staatsmann und Pontifex Maximus, der Freund und
Landsmann der Mamilier von Tusculum, der Zeitgenosse des
ersten punisrhen Krieges und der ersten Säcularspiele Roms?
Hat dieser Mann in seinen Annalen der Ruhmsucht seiner Freunde,
der Mitglieder der neugebackenen plebejischen consularischen
Aristokratie, mit harmlosem Spott nachgebend, nur ihnen Ahnen
erdacht, hat er nicht ein ähnliches ironischss Denkmal sich selbst
gestiftet? Unser Blick lenkt sich unwillkürlich auf den Volks-
tribun des Jahres 274 d. St. (480 v. Chr.), Tiberius Pontificius,
dessen Thaten Livius (2, 44) und der halikarnassische Rhetor
(9, 5) gewissenhaft, ausführlich und feierlich uns darlegen. Der
alte Annalist hätte sicher kein geringes Vergnügen über diesen
Erfolg seiner witzigen Erfindung gehabt. Die edele Gens der
Pontificii, das plebejische 'Pontifexgeschlecht' ist leider mit
seinem ersten Vertreter, dem wackeren Volkstribun Tiberius, so-
fort wieder ausgestorben, vermuthlich weil es für sein hohes
Alterthum an unheilbarem Anachronismus, litt. Erst lange nach-
her, im Zeitalter des pyrrhischen und ersten punischen Krieges
tritt uns in verkehrtem Laufe der Generation der, wenn auch
nur geistige, Vater des Tiberius Pontificius entgegen. Es ist
ein wohl bekannter Tiberius Pontifex, der erste plebejische
Pontifex Maximus Tiberius Coruncanius. Aus dem Municipium
Tusculum stammend ^ hatte er sich in Rom durch seine hervor-
^ Cicero pro Plancio 8, 20 num quando vidcs Tusculanum ali-
qaem de M. Catono illo — num de Ti. Coruncanio, municipe suo, num
de tot Fulviis gloriari? Diesem bestimmten Zeugnisse widersprechen
532 Enmann
ragenden Eigenschaften den Weg zu hohen Ehren und zu grossem
Ansehen bei seinen Zeitgenossen gebahnt. Im Jahre 474 (280
V. Chr.) zum Consul gewählt zeichnete er sich im Krieg gegen
die Etrusker und den König Pyrrhos aus. Ob er selbst das
Censoramt bekleidet hat, wie viele angenommen haben, läset sich
aus der verdorbenen Stelle des Festus (p. 237 s. v. portorinm)
mit Sicherheit nicht entscheiden (vgl. De Boor Fasti censorii
S. 77). Nach dem Zeugniss Ciceros war er indessen mit den
Censoren Q. Aemilius Papus, L. Fabricus Lnscinus 478 (276) and
M'. Curius Dentatne (Censor 482 = 272) in naher Freundschaft
verbunden^. In seinem Consulat wurde ausserdem die Plebs
durch den Censor Domitius zum ersten Mal in die Abhaltung des
Lustrum eingeführt. In das PontificalcoUegium cooptirt erlangte
er darauf zwischen den Jahren 501—502 (= 253—252) die
Würde des Pontifex Maximus*, sodass unter seiner Aegide die
ersten Säcularspiele gefeiert werden konnten. Als Inhaber der
höchsten geistlichen Würde zeichnete er sich durch grosse Fröm-
migkeit und tiefe Kenntniss des geistlichen Rechte aus und be-
wies sich, den Traditionen des Collegiums zuwider, als Vorkämpfer
der Oeffentlichkeit, indem er zuerst alle geistlichen Kechtssachen
bei offenen Thüren verhandelte. Zu diesen vielen Verdiensten
liegt es uns daran, sein grossestes mehr als zweitausendjähriger
Vergessenheit zu entreissen, den Kuhm Eoms nationale Ge-
schichte und die lateinische Prosalitteratur begründet zu haben.
Dieser Ruhm gebührt dem Tiberius Coruncanius und nicht seinem
engeren Landsmann Cato, der mit Unrecht in der Schätzung der
allerdings die Worte des Kaisers Claudius bei Tacitus (Ann. 11, 24)
'neque enim ignoro lulios Alba, Coruncanios Camerio, Porcios Tusculo
— in senatum accitos*. Einen Irrthum des über Coruncanius im übrigen
so wohlunterrichteten Cicero anzunehmen, ibt unmöglich. Vielleicht
stammte das Geschlecht des Coruncanius aus Camerium und war dann
nach Tusculum übergesiedelt oder Camerium, das schon zu Catos Zeit
nicht mehr existirle und dessen Lage noch heute unbekannt ist, ge-
hörte zum Gebiete von Tusculum.
^ Cic. Lael. 11, 39 videmus Papum Aemilium C. Luscino fami-
liärem fuisse (sie a patribus accepimue) bis una consules et collegas in
oensura: tum et cum iis coniunctissimos fuisse Manium Curium et Ti.
Coruncanium.
* Epit. Livii XVIll *Tib. Coruncanius primus ex plebe pontifex
raaximus creatus est'. Die Notiz steht zwischen einer Nachricht von
der im Jahre 2h\\ erfolgten Zerstörung der Flotte und der über die
Censur des Valerius Maximus und F. Sempronius 252.
Die älteste Redaction der Pontificalannalen 533
neaeren seinen Platz eingenommen hat, nur dank dem zufälligen
Umstand, dass die nächsten Vorgänger des Cato, die ersten Be-
nutzer des grossen Annalenwerks, sich der griechischen Sprache
bedient haben. Die Annalen des Coruncanius, in den allerersten
Jahren des sechsten Jahrhunderts der Stadt entstanden, mussten
einen Schatz zeitgenössischer Erzählung über die Geschichte der
zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts geboten haben. An
diese schloss sich dann mit seiner ausführlichen Erzählung des
Zeitalters der punischen Kriege Fabius Pictor an, während das
von dem Redactor der ältesten Pontificalannalen errichtete Grund-
gerüst für alle Zeiten bestehen geblieben ist.
St. Petersburg. A. Enmann.
EPIGRAPHISCHE BEITRAEGE
I Corpus Inscriptionum Graecaram 1511.
Unter den uns erhaltenen Inschriften übertreffen nicht viele
an Wichtigkeit des Inhalts die von Böckh aus Fonrmonte Pa-
pieren veröffentlichte Corpus Inscriptionum Graecarum 1511.
Denn sie enthält eine Liste von Geld- und Naturalbeiträgen, die
den Lakedaimoniern zur Führung eines bestimmten Krieges (ποτ-
τόν πόλ€μον) von andern Staaten und von Einzelnen geleistet
worden sind, und zwar hat, wie die Yocalbezeichnung lehrt,
dieser Krieg nicht später als im fünften Jahrhundert stattgefunden.
Fourmont überliefert die Urkunde unter den tegeatischen, was
Böckh damit erklärte, dass die Lakedaimonier durch die Auf-
stellung an einem fremden, ihnen ergebenen Orte die Kunde der
ihnen zu Theil gewordenen Wohlthaten weiter verbreiten wollten ;
Röhl (Inscriptiones antiquissimae 69) schloss, dass zu Tegea der
gemeinsame Schatz der gegen die Perser verbündeten Hellenen
bewahrt worden sei. Dass der Dialekt einer öffentlichen Urkunde
der Lakedaimonier nur der lakonische sein könne, hat Ahreos
gesehen^, dass von der Schrift das gleiche gilt, Kirchhoff ', in-
dem er sagt: 'es bleibt, wenn eine andre Erklärung sich nicht
darbieten sollte, immer die Möglichkeit offen, dass das Bruchstück
verschleppt worden ist*.
Dazu brauchen wir jedoch nicht unsre Zuflucht zu nehmen;
der Stein war nicht in Tegea aufgestellt, sondern in Lakonien
und ist dort noch heute, leider arg verstümmelt, vorhanden: er
bildet zurechtgehauen den Bogen der Thüröffnung an der Kirche
des heiligen Vasilios, die etwa 2% Stunden südlich von Sparta
auf einem kleinen Hügel zwischen den Dörfern Trapezondi ond
Kydonia liegt. Lesbare Beste sind nur von den ersten zehn
1 De dialectis Π 8. 157.
2 Alphabet 2 94 f. = * 149 f.
Epigraphische Beitrage 535
Zeilen der Breitseite übrig, und auch diese sind seit Fourmonts
Zeit durch eingemeisselte Ornamente stark beeinträchtigt: links
durch ein 16 Centimeter breites mit verschiedenen Zuthaten ver-
sehenes liegendes Kreuz, rechts durch einen Kreis von 14^/2 Centi-
metern Durchmesser, in den ein zweiter eine Rosette umgebender
Kreis eingeschrieben ist. Nach der zehnten Zeile hat der hier
beginnende Bogenschnitt nur ein schmales Stück zurückgelassen,
in dem ausser einigen Schatten von Buchstaben nichts mehr
kenntlich ist. Mein Reisebegleiter im Frühjahr 1902, Herr Dr.
von Prott, hat das schwierige Geschäft vollbracht in blendender
Mittagsglut die kostbaren Reste abzuschreiben, und er hat mir
einen wohl gelungenen Papierabklatsch gemacht.
Fs ist ein sprechender Beweis, wie wenig Griechenland
epigraphisch erforscht ist, dass ein solcher Stein hart an einer
der am meisten begangenen Strassen, dem guten Fahrwege nach
Gythion, offen an einer Kirche, in deren jeder man nach Resten
des Alterthums zuerst zu suchen pflegt , so lange verborgen
bleiben konnte. Wie nützlich könnten sich rüstige junge Männer
machen, wenn sie kleinere Bezirke vollständig und bedächtig ab-
suchten; wer eine ganze Landschaft eilig durchstreifen muss,
kann unmöglich alle Seitenwege verfolgen, selbst wenn seine
Körperkräfte ihm die Vermehrung der Unbilden einer griechi-
schen Reise gestatten sollten. Auch ich hätte an der Stelle un-
seres Steines schwerlich gesucht, wenn ich nicht längst gewnsst
hätte, dass er vor 40 Jahren dort vorhanden war: Conze und
Michaelis erwähnen ihn unter genauester Ortsbeschreibung in
ihrem bekannten Reisebericht Annali delf instituto 1861 p. 50,
ohne freilich die Inschrift, die sie mit Recht als olfremente lo-
gora e corrosa bezeichnen, mitzutheilen. Aber abgeschrieben hatte
sie Michaelis: ich fand sie in seinem Tagebuche, das er mir bei
dem Beginn meiner Vorbereitungen für das peloponnesische Cor-
pus gütigst zur Verfügung gestellt hatte; von Conze rühren einige
am Rande fragweise beigefügte Lesungen her. Dass sie ihren
Schatz nicht erkanr.ten, ist natürlich; denn sie konnten zunächst
nur unter den als lakonisch veröffentlichten Inschriften suchen,
und als dies vergeblich war, mochten sie wohl nicht von einem
Steine, den sie für unbekannt hielten, eine Copie bieten, die ihnen
bei dem traurigen Zustande der Erhaltung unzulänglich und nicht
nutzbar schien. Die Leistung hätten sie dann freilich unter-
schätzt; schwerlich wäre es einem Andern besser gelungen, der
nicht die ältere Abschrift zur Hand gehabt hätte.
536 Fränkel
Wie aber ist Founnonts Ortsangabe zn erklären? Hat
er , da er vorzöge weise die Epigraphik der wabren Gegend
uiieree Steines durch seine grotesken Fälschungen za bereichern
versucht hat, sie in der Absicht gewisser ausgleichender Ge-
rechtigkeit andrerseits durch bewnsste Unwahrheit berauben
wollen, oder hat er eine grobe Fahrlässigkeit begangen? Da die
Antwort wesentlich ist für die Glaubwürdigkeit der vielen Orts-
angaben, für die wir anf ihn angewiesen sind, bat ich Herrn
Gustave Foug^res in Paris zn prüfen, ob aus der Handschrift
eine Lösnng des Problems zu gewinnen sei, und indem er mir
mit der Frenndlichkeit und sachlichen Hingabe willfahrte, durch
die er und andre seiner Landsleute eich schon früher das grösste
Verdienst um meine epigraphische Arbeit erworben haben, ist
es ihm gelungen den Sachverhalt völlig aufzuklären.
In dem von Michel Fourmonts Hand herrührenden Codex
steht die Inschrift auf Folio 220, dadurch eingereiht unter die
von Tegea, dass die Abtheilung auf ihrem Titelblatt Folio 218
* Tnscriptions de Tegee* überschrieben ist. Aber zu unsrer In-
schrift selbst so wenig wie zu einer andern auf demselben Blatt
copirten ist als ihr Ort Tegea genannt; in dem Manuscript, das
die auf Grund des andern angefertigten Keinschriften Fourmonts
enthält, ist zwar, wie Herr Henri Omont die Güte hatte mir mit-
zutheilen, ά TegSe^ beigemerkt, aber mit Bleifeder von späterer
Hand. Dies ist also gleichgiltig, ebenso dass in dem Index der
von Fourmont gesammelten Inschriften, den sein Neffe und Reise-
begleiter verfasst hat, die unsrige unter den ^ Inscripiions trouvces
ä Tegee verzeichnet ist; denn Niemand wird darin eine selb-
ständige Erinnerung suchen anstatt blindlings vorgenommener
Registrirung nach dem fertigen Codex. Aber der ursprünglicheren
Copie ist wenn auch nicht der Ort, so doch die nähere Stelle
unserer Inschrift beigeschrieben: '7)aw5 la meme eglise de St.
Bastle^ ce fragment, sur une base. Der Ausdruck setzt voraus,
dass unmittelbar oder doch kurz vorher eine Kirche des heiligen
Vasilios erwähnt sei; aber man muss bis Folio 45 zurückgehen,
ehe man eine solche findet, und zwar zu einer unter den In-
schriften von Sparta angeführten byzantinischen Urkunde. Offen-
bar hatte also das Blatt mit der Abschrift unsres Steines ur-
sprünglich seine Stelle unmittelbar hinter Folio 45 und hat sich
von da in die tegeatische Abtheihing verirrt. Das Unglück ist
vor der Anfertigung des Registers geschehen; ob die Schuld
daran Mioliel Fourmont selbst trägt oder sein Neffe oder die nn-
Epi graphische Beiträge 537
vorsichtige Hand eines Dritten, der sich mit den noch losen
Blättern beschäftigte, kann man nicht wissen, aber es steht fest,
dass die richtige Angabe Fourmonts nur durch einen Zufall ver-
dunkelt worden ist. Er hat die Inschrift ohne Zweifel in der-
selben Kirche des heiligen Vasilios gesehen, bei deren Umbau
sie nachher verwendet worden ist.
Weder oben noch links noch in Zeile 1 — 10 rechte hat seit
Fourmonts Zeit eine Verstümmelung des Steines stattgefunden;
ob aber oben und rechts der ursprüngliche Band erhalten ist,
lässt sich so lange der Stein verbaut bleibt ans äusseren Kenn-
zeichen nicht entscheiden und seine Loslösung würde, auch wenn
die Erlaubniss zu erreichen wäre, ohne grössere Kosten nicht
zu bewerkstelligen sein. Pennoch ist nicht zu zweifeln, dass
rechts der Band intakt ist. Fourmont fand nämlich auf zwei
Seiten Schrift, und zwar hat die der zweiten, die er nur als 'sur
Vautre coste* befindlich bezeichnet, nach ihrer geringen Breite
nothwendig auf einer Schmalseite gestanden ; es muss also der
anstossende Rand der vorderen Breitseite erhalten gewesen sein.
Nun ist dies links nicht der Fall, war es aber zu Fourmonts
Zeit ebenso wenig, da er hier nicht mehr Schrift giebt als wir
noch heute haben: folglich war die unbeschädigte Seite die
rechte. Die grösseren Ergänzungen sind also an die Anfänge
der Zeilen zu stellen. Die Schrift ist nicht sehr gleichmäesig,
so dass für die Zahl der fehlenden Buchstaben ein kleiner Spiel-
raum bleibt. In dem hier folgenden Herstellungsversuch sind die
heute lesbaren Buchstaben durch Unterstreichen kenntlich ge-
macht, die sonst ausser Klammern stehenden sind von Fourmont
überliefert; die übrigen nöthigen Nachweisungen über die Lesung
werden unten angefügt.
1 τοις Λακ]€δαιμονίο[ις ....
2 ακα]τίος 1)αρι(κ)ός. ΐφ€[κ]€ [Κ]αλ[λίμα-
3 χος δραι τοις Λ]ακ€δαιμονίοις ποτ[τ]όν
4 πόλεμον evveja μνας και δέκα στατέρας. ["Ε-
5 boKe τοις Λακ]€δαιμονίοις Λυίκ]€ίΙ)α Λυιός
6 ος Όλέ[νι]ος [έ]1)θ[κ€ τοις Λακ€-
7 οαιμονίοιςΐ ττοττόν πόλεμον τριερείσιν] μ[ι-
8 σθόν άργυρί]ο μνας biie και τριάκοντα. [Έδον
9 τον Χίον τοι φίλοι τοι τον [Λα-
1() κεδαιμονίον] στατερας Αιγιναιος
538 F r ä D k e 1
Z. 1 Ι-ΙΛΙΟ'Ν . . . . \0 • • Fourmont, nach
gütiger Mittheilung des Herrn Omont; CIGr. weicht etwas ah.
^ΨΙΙιΜν. Michaelis. Die Stelle ist äaseerst schwierig, aher
Protts mühsame Lesung vollkommen sicher.
Z. 2. Das auslautende Sigma des Zahlwortes, das sehr ver-
riehen ist, hat Fourmont nicht erkannt und die Lücke dafür an-
zugehen unterlassen; das Richtige vermuthet hatte Höhl. Dann
giebt Fourmont zutreflPend ΔΑΡΙΥΟΣ: der Steinmetz hat geirrt;
das Wort erkannte Böokh. Es folgt ΕΦΕΙ . . ΑΛ . ΨΟΙ bei Four-
mont, EU TIE///AM Michaelis, ΕΟΕΙΦ///ΑΛ \0 Prott, indem er
das zweite Phi als unsicher bezeichnet; es würde die Möglich-
keit einer Lesung ausschlieesen. Ich sehe auf dem Abklatsch
EC El C . ΑΛ . . \ und halte das hergestellte Verbum für sicher.
In dem auslautenden Ε stimmt Michaelis mit mir überein; davor
kann man an der senkrechten Hasta, die ganz deutlich und von
allen Zeugen gesehen ist, den Ansatz des abwärts gehenden
Striches im Winkel des Κ zu erkennen glauben. Der Sinn war
also 'gestattete zu erheben' : der Beitrag ist nicht haar ausgezahlt,
sondern auf einen Ort, an den die lakonische Streitmacht ge-
langen musste, angewiesen worden. Am Ende sehe ich klar den
Schimmer, den Fourmont und Prott als 0 auffassten, aber dies
ist ganz unsicher und eher wäre / anzunehmen, so dass, da \ die
letzte Hasta eines Μ sein dürfte, Καλλίμαχος wahrscheinlicher
ist als ΚαλλιμίΟ€ς, Καλλιμέν€ς usw.
Ζ. 4 Anfang Ξ Formont, daraus Böokh ένν]ία, und in der
That scheint von dem Epsilon vor Alpha ein Rest vorhanden.
Z. 5. ΛΥΡΕΙΔΑ Fourmont, emendirt von Böckh.
Zeile 6 ist von Fourmont ausgelassen. Die Lesung bis 0^
ist ganz sicher und Michaelis hat sie übereinstimmend; nachher
giebt dieser nichts, Prott 'eine schwache Rundung, unklar von
welchem Buchstaben ; darauf D unsicher und I *. Ich sehe auf
dem Abklatsch ' υ )l. — Dass zu Anfang der Zeile der Name
von Lykeidas' Sohn angegeben war, ist von der äussersten ün-
wahrscheinlichkeit, denn auf den etwa 11 — 12 Stellen stand noth-
wendig seine Gabe und der Anfang des Namens des Oleniere ;
das gewöhnliche ποττόν πόλεμον ist hier vollends unmöglich.
Gewiss war der eigentliche Spender Lykeidas und der Sohn konnte
ungenannt bleiben, da er nur den Beitrag abgeliefert hat; viel-
leicht hatte der Tod den Vater gehindert die geäusserte Abeicht
auszuführen. — Das Ethnikon war bei einem Fremden nothwendig
zu nennen, während es bei den lakonischen Spendern fehlt. Man
Epigraphischd Beiträge 539
könnte auch Ολέ[ρι]ος ergänzen, aber ein Beitrag aas Kreta ist
sehr viel weniger wahrscbeinlicb als einer aus dem peloponnesN
ecben Olenos.
Z. 7 Ende ΤΡΙΕΡΕΓ'ΧΜ . . Fourmont. τριήρ6[σι] Böckb;
das Ny έφ€λκυστικόν wird mit Bitten berger (Sylloge, 1. Auf-
lage n. 34), der danaob sebr wabrscbeinlicb μ[ΐ(Τθόν ergänzt bat,
hinzuzufügen sein.
Z. 8 άρτυρί]ου gab Böckb. — bu6 ist vollkommen sieber.
Z. 9. Zu Anfang reicbt für die Ergänzung τοις AaKebai-
μονίοι]ς der Raum bei weitem nicbt. Die Anelassung erklärt
sieb leicbt, da die Empfänger durcb das gleicb folgende τον
[Λακ€&αιμονίον bezeiobnet waren, welcbe Ergänzung Ditten-
bergers dadurcb nocb sicberer wird. Es war bier gewiss der
Verwendungszweck des Beitrages, den die Spender vorgeschrieben
hatten, angegeben, wie bei dem vorhergehenden Posten Z. 7/8. —
Dann hat Fourmont +ION; der erste Buchstabe bat sehr ge-
litten, doch ist Ψ, die notbwendige lakonische Form des Chi,
vollkommen sicher. Während Dittenberger gewaltsam ändern
wollte, bat also Meister (Dialekt-Inschriften 4413) richtig ange-
nommen, dass nur in der Gestalt des Buchstabens geirrt war.
Wie nahe + lag, siebt man noch heute aufs Deutlichste, und
ebenso wie der so sorgfältige Michaelis fast übereinstimmend mit
Fourmont glauben konnte F zu sehen; Conze hatte das Wahre
erkannt, indem er 'K?' beisobrieb.
Z. 10 Anfang. Die Ergänzung Λακ€&αιμονίον ist von
Dittenberger.
Der Fund unsres Steines ist durcb die Sicherheit über den
Schriftcharakter auch wertbvoll für die Feststellung der Zeit,
auf die für die historische Nutzbarkeit alles ankommt. Kirchhoif
hatte geurtbeilt, dass die MdXioi, die zweimal als Beitragende
auftreten (und zwar nach dem Ausdruck ibov TOl Μάλιοι ihre
Gemeinde), nur die Bewohner der Insel Melos sein können, und
da diese von Ol. 91, 1 — 93, 4 von attischen Kleruchen besetzt
gewesen sei, es aber wegen der nocb ganz epichorischen Schreib-
weise ^ bedenklich wäre die Urkunde unter das Ende des pelo-
ponnesischen Krieges herabzurücken, so sei sie vor Ol. 91, 1
1 Mit Recbt hält Kirchhof wie Böckb für unglaublich, dass
das in der letzten Zeile überlieferte ΧΙΛΙΟΥΣ auf dem Steine ge-
wesen sei.
540 Fränkel
(416) zu setzen; am wahrscheinlichsten sei unter dem Kriege,
ftir den die Beisteuern geleistet sind, der archidamiscbe zu ver-
stehen. Dieses auch ausdrücklich als 'keineswegs sicher* be*
zeichnete Resultat ist nicht zwingend; denn die Prämissen ge-
statten die zweite Möglichkeit, dass die Beiträge aus Melos in
der kurzen Frist zwischen der Restitution der alten Bewohner im
Jahre 405 und dem Ende des Krieges im Frühjahr 404 geleistet
worden sind. Betrachtet man aber die Schrift, so kann man
nicht glauben, dass die Aufzeichnung früher erfolgt ist als in
den. letzten Jahren des fünften Jahrhunderts: sie zeigt den Cha-
rakter des Schwankens und üeberganges, vor allem in den For-
men des My und Ny, die theils alterthümlich sind, theils gut
dem vierten Jahrhundert angehören könnten. Das geseblossene
Uauchzeichen B, das Fourmont in Zeile 5 überliefert, hat eich
in Lakonien sehr lange gehalten : es findet sich neben dem ioni-
schen Omega auf der Inschrift bei Röhl, Inscriptiones antiquis-
simae n. 83, wie auf der höchst wahrscheinlich ebendaher stam-
menden n. 82, die Dittenberger-Purgold (Inschriften von Olympia
274) mit Recht auf die Scheide des fünften und vierten Jahr-
hunderts gesetzt haben werdend Dass um diese Zeit in die
officielle Orthographie Spartas der lonismus noch nicht ein-
gedrungen war, zeigt der obere Theil der Urkunde n. 91, der
in Delos genau nach spartanischer Vorschrift aufgezeichnet ist,
und zwar nach Homolies sicherem Nachweis zwischen 403 und
397. Diesen epigraphischen Gründen hat mich die Güte des
Herrn Henri Omont in den Stand gesetzt einen sehr gewichtigen
historischen hinzuzufügen. In Zeile 21 (der früheren Zählung)
ist nämlich ΕΦΕΣΤΙΟΙ ein starkes Versehen Bekkers, während
Fourmont sowohl in der ursprünglicheren als in der ine Reine
geschriebenen Copie ΕΦΕΣΙΟΙ überliefert^. Wenn man aber auch
1 Ebenso wird n. 83 zu datiren sein, welche Urkunde Kirchhoff,
Alphabet* S. 154 erst gegen die Mitte des vierten Jahrhunderte setzt.
Sein Grund ist, dass Theta in n. 91 Zeile 2 und (5 noch die archaische
Form mit Kreuz hat; aber eine solche Einzelheit braucht nicht typisch
zu sein, sondern kann auf der beibehaltenen Gewohnheit oder dem
archaisirenden Geschmack des Ausfertigers beruhen.
3 So hatte Otfried Müller (Dorier I 181) vermuthet oder viel-
leicht auch, da er die Lesart, ohne ein Wort darüber zu sagen, nur
in der Darstellung vervverthet, durch einen sehr begreiflichen Lese-
fehler aus den Scheden des Corpus, die seine Quelle waren (s. Böckh,
Kleine Schriften 7, 251), gewonnen. Mit Recht hat Dittenberger die
Epigraphische Beitrage 541
alleDfalls meinen kann, dass den Meliern ihr damaliges Verhalten
bei dem furchtbaren Gericht dee Jahres 416 angerechnet worden
sei, wie hätten die Ephesier, die Mitglieder des attischen See-
bundes waren, vor dessen Zerfall eine Handlung so offenbarer
Rebellion wagen können, als die Beisteuer der grossen Summe
von tausend Dariken zu den Kriegemitteln des Feindes gewesen
wäre , ohne dass wir durch Thukydides von Strafmassregeln
hörten? Dagegen war die Stadt seit dem Jahre 412 den Athenern
verloren und ihre Beziehung zu der spartanischen Streitmacht
musste eine besonders nahe sein, da diese von 408 bis 406 dort
ihr Hauptquartier hatte ^. Wenn ferner Zeile 9 geflissentlich
hervorgehoben wird, dass der chiische Beitrag nicht von der Ge-
meinde, sondern von den Lakonerfreunden herrührt, so niuss er
in eine Zeit der Unruhe und Parteigährung gehören, wie die
Insel sie nach ihrem ebenfalls 412 erfolgten Abfall von Athen
durchgemacht hat^ So vereinigt sich alles zu der Sicherheit,
dass die in der Urkunde verzeichneten Beiträge in den letzten
Jahren des peioponnesischen Krieges geleistet worden sind. Aue
dieser Zeit sind uns auch solche freiwillige Beisteuern an die
Spartaner bezeugt: Lysander hat dazu die asiatischen Küsten-
städte vermocht^; vor allem aber ist für uns wichtig, dass sein
Nachfolger in der Nauarchie Kallikratidas, wie Xenophon (Hel-
lenika I, 6, 7 tf.) erzählt, angeekelt von der Nothwendigkeit bei
den Satrapen zu antichambriren und ergrimmt über die Schmach,
dass Hellenen den Barbaren um des Geldes willen schmeicheln
müssten, im Jahre 406 in einer Versammlung der Milesier, die
er berief, die Bundesgenossen zu Opfern aufforderte, worauf er
von milesischen Privaten und aus Chios erhebliche Summen er-
hielt*. Seine gerechten und starken Empfindungen, deren ein-
jetzt als richtig herausgestellte Lesung als Conjectur für unstatthaft
erklärt; Höhl hat sie als seine eigne wieder aufgestellt.
1 Vergl. Ed. Meyer, Geschichte des Alterthums IV S. 563. 631 ff.
2 Thukydides 8, 38, 3: ol bi Xloi - - ύπόπτως διακείμενοι άλλή-
λοις. Diodor 13, ()5, 3 f.
8 Diodor 13, 70, 4.
* Der in der Urkunde Z. 9 verzeichnete Beitrag aus Chios kann
schwerlich mit dem von Xenophon erwähnten identisch sein, da dieser,
fünf Drachmen auf den Mann der Schiffsbesatzung, zu erheblich war
als dass der Raum die Erj^änzung der nöthigen .\nzahl von Stateren
zuiiesse. Dasselbe gilt für die nach Thukydides S, 101 παρά τών Χίων
im Jahre 41 1 eingegangene Unterstützung, als deren Urheber man
542 Fränkel
dringliche Schilderung dnrch Xenophon den Stempel der Wahr-
heit trägt, hat Kallikratidas ohne Zweifel durch die von ihm nach
Geld entsandten Trieren in Sparta geltend machen lassen, und
hei dem Versiegen der persischen Goldquelle werden sie nicht
hloss in Milet und Chios gewirkt haben. Etwa in dieser Zeit
werden also die Beiträge geleistet sein, von denen unsere Urkunde
meldet; dass die eben von Sparta zurückgeführten Melier, die sich
erklärlicher Weise zur Betheiligung gedrängt fühlten, erst auf
der Schmalseite vet zeichnet sind, stimmt dazu, dass ihre Spenden
zu den spätesten gehört haben müssen. Die Breitseite könnte ja
etwas früher geschrieben sein, aber nach den Kriterien der Schrift
nicht wesentlich früher; so wird kaum ein Zweifel sein, dass
die Urkunde erst unmittelbar nach dem Friedensschluss als ein
Zeichen der Dankbarkeit aufgestellt wurde und dass sie uns so-
mit für die Geschichte der lakonischen Schrift einen festen chro-
nologischen Anhalt gewährt^.
überdies, wie auch wohl bei der von Xenophon Hell. 2, 1, 5 bezeugten
aus dem Jahre 405, die Gemeinde ansehen muss.
^ Otfried Müller (Dorier 1 180), dem Böckh zuzustimmen geneigt
war, wollte nicht weit von der Wahrheit unsre Urkunde in die Zeit
Lysanders setzen. — Sehr merkwürdig ist das Verfahren Röhls, der,
da die Schrift vor das Jahr 427 fallen müsse, entschlossen gleich bis
etwa in die Zeit der Schlacht bei Mykale hinaufgebt. Damals hätte
man die Spenden doch nicht an die Lakedaimonier, sondern an die
Hellenen gerichtet. Beruhen kann der ter minus ante quem nur auf
Kohls falscber Datierung der Inschrift n. 88, die in Wahrheit ins vierte
Jahrhundert gehört; s. Kircbhoff, Alphabet^ S. 154. Man sollte meinen,
für die subtile Abschätzung des Scbriftcharakters wäre die Voraus-
setzung ein starker Glaube an die Geschicklichkeit und Genauigkeit
Fourmonts, die durch die doppelte Brechung in Bekkers Abschrift und
Böckhs Typen noch wirksam geblieben wären. Dennoch ist Röhl von
solchem Glauben weit entfernt; er erhebt entrüstete Klage über Four-
monts neglegentia-y da der Stein misere exscriptus sei, habe homo Ute
uns um seinen Nutzen gebracht. Hat er uns denn nicht vielmehr die
Urkunde gerettet, und mit ihr blos in Lakonien, wo gerade man seine
Ausdauer bewundern lernt, hunderte anderer? Das arge Missverständ-
nies, dass er Reste des Alterthums geflissentlich zerstört zu haben be-
kenne, hat Boss (Archäologische Aufsätze S. 429 f.) aufgelöst; er hatte
nur nicht zugeben sollen, dass es manchmal doch geschehen sei, auf
den blossen Gemeinplatz hin, dass die Eitelkeit einen Stein allein ge-
sehen haben zu wollen vorkäme. Boss rühmt ebenda Fourmonts Ab-
schriften : ' wo ich seinen Spuren habe folgen können, ... da habe
ich ihn gewissenhaft genau befunden, selbst genauer als seine Commen-
Epigraphieclie Beitrage 543
Am Fusse dee kleinen Htigele, der das Kirchlein des hei-
ligen Yaeilioe trägt, liei;t das Fragment einer uncanellirten Säule;
in der Kirche hefindet eich ein korinthisches Kapitell. So bat
vielleicht der Hügel, wozu seine Lage sehr geeignet ist, auch
im alten Hellas ein Heiligthum getragen; aher viel wahrschein-
licher ist es, dass die Spartaner unsrem Steine denselhen Platz
angewiesen hahen, an dem sie ihre wichtigsten öffentlichen Ur-
kunden aufzustellen pflegten ^ , dass er also aus dem etwa
IY2 Stunde entfernten Amyklaion verschleppt ist.
II. Zur Aphaia-Inschrift ClPel. 1580.
Es ist ahermals Adolph Michaelis, dem ich zu danken hahe:
er hat mir für die Aphaia-lnschrift eine durch veränderte Inter-
punction zu gewinnende wesentliche Verbesserung mitgetheilt.
Er liest: . . . Όϊνος [οιίοοομ]6θ6 χό βιυμός. χόλέφας ποτ€-
ποιέθ€. [χό π€ρίβολο]ς π€ρι[€]ποιίθ6. Es leuchtet ein, dass
diese Satztheilung die wahre ist. Mit Recht urtheilt Michaelis,
dass οίκος und βωμός zusammengehörig sind und dass der In-
halt, da er nun völlig auf das eine Haus der Aphaia zu beziehen
ist, geschlossener wird. Doch ο19οοομ]ήθη passt jetzt nicht;
ich war auch vorher damit nicht völlig zufrieden, fand aber ein
andres Verbum auf έω, an das ich allein dachte, nicht. Einwand-
frei möchte Folgendes sein:
Κλ]€θίτα Ιαρέος έόντος τάφαίαι ώι9ος
έτ]έθη χώ βωμός, χώλέφας ποτεποιήθη.
και τώρ9θ]ς π€ρι[6]ποιήθη.
Die Form von τιθέναι zu Anfang von Zeile 2 wie zB. ClPel. 192;
Inscriptiones antiguiss, 314; Inschrift des erzenen Viergespanns
tatoren*. Auf unsrem Stein erkennt man noch heute in täuschenden
Zufälligkeiten Quellen seiner Fehler, so dass also schon damals die
Lesung sehr schwer gewesen sein muss, wie ja auch die letzten vierzig
Jahre darin einen merkbaren Unterschied nicht hervorgebracht haben.
Man sollte sich klar machen, was es hiess eine verriebene archaische
Urkunde zum ersten Male abzuschreiben, im Jahre 1730, wo die dia-
lektischen und epigraphisohen Eigenthümlichkeiten nicht verstanden
werden konuten, die Arbeit also zumeist eine rein mechanische sein
niusstc: da wird man auch die Auslassung einer Zeile, das schlimmste
Versehen, nicht für unverzeihlich halten.
1 Vergl. zB. Thukydides δ, 18, 10. 23, 5.
544 Fränkel
•
auf der Burg von Athen Herodot 5, 77. Zu Anfang von Zeile 3
(και το ?ρ9θζ) stünde AI auf dem Raum der breiten Buchetaben
Λ in Z. 1 und Τ in Z. 2, genau wie in dem Erhaltenen in Z. l
Ol über φ und dae zweite AI über Γ, in Z. 3 PI unter M.
Da ich zu der Inschrift nochmal« das Wort nehmen mueste;
habe ich zugleich auf die Entgegnung einzugehen, durch die Furt-
wängler oben S. 252 fiP. meine S. 152 ff. gegebenen Ausführungen
zu widerlegen gemeint hat^. Der erneuten Erörterung kommt
die feste Grundlage zu Grute, die Michaelis geschaffen hat, und
die erhobenen Einwände scheinen zu zeigen, dass es gut ist man-
ches eingehender zu begründen als ich früher für nöthig hielt.
Furtwängler fragt: 'der aeginetische οΤκος der Aphaia, wenn er
. . . dem Cultus dieser Göttin diente, was war er denn anders
als ein Tempel? Selbstverständlich war er das, aber nicht der
Haupttempel des Temenos. Furtwängler heftet sich daran, dass
Ulrich Köhler, auf den ich mich berief, für die lepoi οΤκοί den
Cult ausscbloss. Ich hätte hervorheben sollen, dass seine Be-
stimmung zu eng ist, dass er die lepoi οΤκοί zwar richtig als
^Dependenzen der dabei stehenden Tempel' definirt hat, dass
sie aber einem Cult ebenso gedient haben können wie der Ver-
waltung^; einen für den Cult bestimmten οΤκος hatte ich aus
der Inschrift CIGr. Sept. I 2233 angeführt. Wenn aber im ge-
nauen amtlichen und sacralen Gebrauch οίκος gleichbedeutend
mit ναός sein könnte, müsste es in einer unsrer vielen Bau-
inschriften dafür stehen. Worin sonst sollte aber der nothwen-
dige Bedeutungsunterschied bestanden haben als in der von Köhler
für die andre Art der Upoi οΐκοι festgestellten Inferiorität? Meint
mau, dass bei der Unterscheidung mehr auf Ausstattung und
Grösse gesehen sei, so kommt es im Allgemeinen und sicher
in unsrem Falle auf dasselbe hinaus, denn das Gebäude für den
Hauptcult unsres Temenos kann nicht eine Aedicula gewesen sein.
Man kann von zwei vaol desselben Bezirkes sprechen, wenn man
die Unterscheidung zwischen dem ursprünglichen und dem zu-
gefügten Culthause nicht betonen will ; aber der einzige Tempel
^ Auf Herwerden, Lexicon Graecum suppletorium p. 935 f. u.
* Αφαία hat Furtwänglers Polemik keinen Eindruck gemacht.
2 Ich darf die Flüchtigkeit, die ich begangen habe, damit ent-
8chuldig»in, dass ich zur «iiössten Eile gezwungen war, um meine Aus-
führungen noch im Corpus citiren zu können und dass die Jahreszeit
zur Reise nach Griechenland drängte.
Epigrapbisohe Beiträge 545
eiDes Bezirke kann in der VVeihung nicht οΤκος genannt werden.
Da jetzt durch Michaelis vollende gesichert ist, dass der οΓκος
der Aphaia ihrem Culte diente, kann der Haapttempel des Te-
menos nicht dem Gälte derselben Gottheit gedient haben. Wenn
Aphaia so gründlich in Vergessenheit gerieth, dass ihre * Legende
erst der gelehrte Nikander wieder entdeckt zu haben scheint*^,
so ist das schwer vorzustellen, wenn sie einen prachtvollen Tempel
an bevorzugter Stelle besass, leicht wenn ihr nur eine neben-
sächliche Capelle zu eigen war.
Gegen die, wie ich meine, feste philologische Thatsache,
dass οίκος nicht dasselbe ist wie ναός, können die Fundthat-
Sachen, die zufällig sind, nicht aufkommen. Die hier behandelte
Inschrift ist bis auf das kleine Fragment zur äussersten Linken
durch Verbauung gerettet; die ausserdem ganz oder fast sicher auf
Aphaia bezüglichen Steine ClPel. 1582 und 1584 sind in einer
und derselben Gegend gefunden, auch der minder sichere 1585.
Wenn höchstens drei oder vier inschriftliche Zeugnisse für Aphaia
übrig sind, so ist die Zahl zu gering um zu behaupten,
dass deren auch für Artemis übrig sein müssten. Wie gründ-
lich die Zerstörung der Inschriften in unserem Temenos war, be-
weist dass wir nach so erschöpfenden Ausgrabungen wie den
bairischen im Ganzen mit Einschluss des schon vorher vorhan-
denen Inventars ClPel. 39 nicht mehr als neun haben. Nach-
dem unser üeiligthum, wie Furtwängler (Akad. S. 389) gewiss
mit Hecht annimmt, schon seit dem Jahre 431 verödete, können
auch Weihgeschenke an Artemis in ihren unterwärts gelegenen
Tempel versetzt worden sein. Wenn Furtwängler weiter geltend
macht: 'Unter den zahlreichen Terrakotten ist keine einzige, die
etwas von Artemis hätte', so könnte auch keine auf Aphaia zu be-
ziehen sein ; denn nach dem was Furtwängler (Akad. S. 380 ff.)
über deren künstlerische Darstellung ermitteln konnte, war sie
der Artemis ähnlich. Die Terrakotten beweisen also nach keiner
Seite; aber jedenfalls ist Marmor nicht schlechter als Thon.
Nun berichtet Furtwängler (Akad. S. 380) von dem Funde einer
früharchaischen Marmorstatuette, deren * Typus auch ... in einer
Marmoretatuette ans der tiefsten Schicht am Artemision von
Fphesos erscheint . . . : die Aphaia und die ephesische Ar-
temis wurden in alter Zeit in einem und demselben . . . Typus
gebildet'. Es wird einfacher sein, auch die aeginetische Figur
^ So Furtwängler, Sitzungsber. d. Münchener Akad. 1901 S. 389.
Bhein. Maa. f. PhUol. N. F. LVIL 35
546 Fränkel
für Artemis zu nehmen und für eine erwtinecbte Bestätigung
ihres Cultes.
^Die örtlichen Verhältnisse zeigen femer deutlich, daes nur
ein Gultus hier gepflegt wurde .... Vor Allem ist gar kein
Platz vorhanden in dem beschränk ten Raum des alten Heilig-
thums, wo der . .' zweite Tempel gestanden haben sollte/ Setzt
man hier, wie es recht ist, anstatt des zweiten Tempels eine
Capelle von vielleicht sehr bescheidenen Abmessungen, so kann
die Behauptung auf hinreichender Grundlage nicht ruhen ; denn
Mas Fundament des (alten) Baues muss wohl unter dem jetzigen
Tempel stecken', heisst es in den Sitzungsberichten S. 386.
Dass an unsrer Stelle ein \ερόν 'Αφαίας sei, sagt Pausanias
völlig zutreffend, er sagt nur nicht, dass es sich im Heiligthum
der Artemis befindet, begeht also keinen 'unerhörten Irrthum ,
noch überhaupt einen Irrthum, sondern nur eine Auslassung. Ich
möchte hier ein für die Frage nach dem Inhaber unseres Temenos,
wie ich meine, wichtiges Argument nachtragen. Nach dem Zeug-
niss des Pausanias 3, 14, 2 wurde in Sparta die 'Άρτεμις AI-
γιναία in einem eignen Tempel verehrt. Die ethnische Bezeich-
nung beweist, dass Artemis die Hauptgottheit von Aegina gewesen
ist; um' einige Beispiele anzuführen, nenne ich die epidaurischen
Weihungen Άπόλλιυνι Άμυκλαίψ ClPel. 1078, Άρτίμιοι Έφεσία
η. 1193, Ασκληπιού ΤΤεργαμηνου η. 1262. Dass man aber das
Geschlecht des Landeeheroen ^ der Insel Aiakos in den Tempel-
giebeln der Hauptgottheit verherrlicht , ist verständlich, aber
nicht, dass man dafür den Tempel einer untergeordneten Heroine
gewählt hätte, deren Legende keinen Grund dafür bot. Sicher
ist auch, dass wenn der Cult der Artemis so bedeutend war, sie
nach der frühen Aufgabe, mindestens dem gänzlichen Zurück-
treten des auf der Höhe gelegenen Heiligthums einen andern
Tempel gehabt haben muss, den Pausanias erwähnt. £r nennt
2, 30, 2 als Hauptgottheit der Aegineten für seine Zeit Hekate,
die ja auch nur eine Gestalt der Artemis ist; sie hatte neben
dieser einen eignen Tempel.
Endlich Antoninus Liberalis. Durch die Absicht seines
Buches wie durch das im Codex voranstehende Argument ist
sicher, dass die uns angebende Erzählung einen Verlust erlitten
hat: es fehlt die Verwandlung der Britomartis in ein Götterbild.
Otto Schneider und Martini haben den Ausfall nach tv hk vSi
* iS. 155 ist dafür 'Landesherren' gedruckt.
Epigraphische Beiträge 547
lepiD της Άρτίμώος angeeetzt, was Furtwängler (Akad. S. 377 f.)
verwirft, indem er vermuthet, dass das Fehlende vielmehr die
Stelle des tautologiechen Zneatzee και ώνόμασαν αυτήν Άφαίαν
eingenommen hahe. Es steht fest, dass er recht hat: das Emblem
hat das Echte verdrängt; dass für Britomartis ihr Bild erschienen
sei, muss noth wendig an den Bericht von ihrem Verschwinden
angeschlossen gewesen sein. An der Stelle aber, von der Furt-
wängler mit richtigem ürtheil den einzigen in der Ueberlieferung
fehlenden Zug der Erzählung entfernt, nimmt er nun doch einen
zweiten derartigen Defect an. Das ist nur zulässig, wenn er
für ihn einen nothwendigen Inhalt aufweisen kann, und dieser
Verpflichtung genügt er nicht ; denn er kann nur sagen * was
hier (in dem Heiligthum der Artemis) auf Aphaia Bezügliches
war, ist durch die Lücke des Textes verloren'. Was soll denn
in einem fremden Heiligthum auf das Verschwinden der Bri-
tomartis Bezügliches geschehen sein? Wenn hier das Heilig-
thum der Artemis erwähnt wird, so ist zweifellos, dass es der
Schauplatz des Erzählten gewesen ist. Es ist auch offenbar,
dass dies allein zu Pausanias' Ausspruch ταύτην θεόν έττοίηοτεν
'Άρτεμις passt und dass es sich mit dem aus der Anwendung
des Wortes οΤκος in der Inschrift Ermittelten zusammenschliesst.
Da jedes Anzeichen fehlt, dass die Erzählung einen zweiten
Verlust erlitten habe, ist seine Annahme ein unerlaubtes Mittel,
um unsren Text in Ordnung zu bringen. Dem Anstoss, der an
der unvermittelten Einführung des Heiligthums der Artemis ge-
nommen werden kann, ist leicht zu begegnen, indem man die
zweifellos nothwendige Ergänzung ungefähr so gestaltet: κάν-
ταΟθα έγένετο αφανής <καΙ Ηόανον έφάνη άντ' αυτής • συνίβη)
bk έν τψ ιερψ τής 'Αρτέμιδος, τόν οέ τόπον κτλ. Dass nach
der Lücke bk und έν ihren Platz vertauscht hätten, wäre sehr
natürlich. Nachher ist jedenfalls noch ein kleiner Verlust ein-
getreten, da das Object zu ώνόμαοταν fehlt, als welches Martini
αυτήν einsetzt. Es wäre entbehrlich, wenn man άφ(εριυ(Ταν
ΑΙγινήται <αύτή) schreibt, wo der Aasfall nach dem ganz ähn-
lich auf ται auslautenden Worte leicht eintreten konnte; aus dem
Dativ des Pronomens wäre wohl der Accusativ zu entnehmen.
Doch mag der Schriftsteller sich auch nachlässig ausgedrückt
haben; wenigstens fehlt dasselbe αυτή auch am Schluss seiner
ersten Erzählung nach o\ bk θύουσιν άχρι νυν, wo freilich auch
wieder der Ausfall des Wortes vor Ίουλιήται wegen des Ho-
moioteleuton veranlasst sein kann.
548 Franke 1 Epigraphieche Beiträge
Betrachten wir nach diesen Einzelheiten noch einmal die
ganze Inschrift. 'Als Kleoitas Priester (der Artemis) war, ist der
Aphaia das Haus errichtet worden und der Altar/ Da der Altar
hesonders erwähnt wird, hat er nicht in der Aedicnla gestanden,
die das vom Himmel gefallene Culthild enthielt, sondern vor ihr im
Freien. 'Und das Elfenhein wurde hinzugefügt* Es war also
nichts Nothwendiges, sondern Schmuck; an welchem Theile des
Bauwerke er sich hefand, können wir nicht wissen; doch ist die
Yermuthung statthaft, dass er an der Thür angebracht war.
*Und das Gitter wurde herumgelegt', nm Haus und Altar von
dem übrigen Bezirk der Artemis abzusondern. Die Monumen-
talität der Inschrift war, wenn auch nicht durch die Grösse des
Baues, durch die Bedeutung ihres Inhalte begründet, meldete sie
doch von der Aufnahme einer neuen Gottheit.
Berlin. Max Frank el.
SATZSCHLUSSSTÜDIEN
ZUR fflSTORIA AÜGUSTA
I. Hadrians Autobiographie.
In der Vita üadriani beraft flieh Spartian mehrmals * auf
die Seibetbiographie dee Kaieers^, und Peter hat in sorgfältiger
Analyse der Vita die Meinung begründet ^ dass grossere Ab-
schnitte im ganzen auf diese Quelle zurückgehn. Dass Spartian
selbst die Autobiographie ausgezogen und mit einer andern Quelle
(dh. mit Marius Maximus) verglichen habe, will ihm Peter frei-
lich nicht recht zutrauen.
Hier führt der Satzsohluss^ weiter. Die Scriptores histo-
riae Augustae wenden ihn alle an; freilich wohl nicht ohne ge-
wisse individuelle Eigenheiten, die noch näher festzustellen sein
werden. Für uns genügt hier zu wissen, dass auch Spartian
durchaus den metrischen Satzschluss schreibt. Nun finden sich
aber in der Vita Hadriani nicht bloss einzelne Stellen (die schlecht
überliefert sein können), sondern ganze Abschnitte, die diesem
festen Gebrauch Spartians widersprechen. Die genaue Unter-
suchung dieser satzschlusslosen Abschnitte und der wenigen ein-
gesprengten rhythmischen Sätze oder Sätzchen ist im Interesse
der Quellenkritik nicht zu umgehn. Ich bemerke von vornherein,
dass auch in 'satzschlusslosen Abschnitten sich vereinzelte Aus-
nahmen finden und finden müssen, die aber nur die Regel be-
stätigen : auch wer nie etwas vom Satzschluss gehört hat, schreibt
^ Historicorum Romanorum firagmenta, coli. disp. reo. Peter
(Leipzig 1883), S. 324 f.
^ Die Scriptores historiae Augustae (Leipzig 1892), S. 121 ff.
^ Rhein. Mus. N. F. LVII 167, Anm. 1; hinzugekommen ist in-
zwischen Skutsch, zu Favonias Eulogius und Chalcidius, Philologus
LXl 193 ff.
550 ν. Winterfeld
mitunter correcte Schlüsse ; wir können ans nur wundern, dasi
diese zufälligen Ausnahmen nicht häufiger sind.
Zunächst die Eingangspartie, Kapitel 1 — 4.
1, 1 von einem andern als Hadrian stilisirt, aber inhaltlich
auf der Autobiographie beruhend. Die Satzschltisee Hispanien-
sibüs manatj iemp^rihüs r^sedlsse^ xps^ cömm^m^rat eämmtlich
correct.
1, 2 kaum ein Satzechlues correct: ätävüs Märyllinus ist
keine Pause; und der Jambus pflegt auch meist nur in schwä-
cheren Pausen zu stehn, nicht wie hier in der etärketen üomanl
füit. Inhaltlich ohne Zweifel aus der Autobiographie.
1, 3 — 1, 5 ebenfalls. Nur der eine Satz ingenio eiiis sie ad
ea declinapte, ut α nonmdlis Grüecülüs dlc^retur ist nach Inhalt
und^ Form dem Kaiser schwerlich zuzutrauen.
2, 1 dagegen wird von Hadrian herrühren, der sich der
echt spanischen^ Jagdlust seiner jungen Jahre auch spater nicht
geschämt haben dürfte ; das folgende quare setzt diesen Satz noth-
wendig voraus: mit dem fünfzehnten Jahre ist Hadrian nach
Spanien zurückgekehrt, hat dort seine militärische Laufbahn be-
gonnen — und ist alsbald der spanischen Nationalleidenschaft
verfallen; das sieht Trajan, er will ihn herausreissen, und ruft
ihn, da er als Spanier unter Spaniern nicht davon zu heilen wäre,
kurzer Hand aus Spanien ab. Dazu stimmt es, dass reprehen-
siönem stüdiösus ein fehlerhafter Satzschluss wäre, da nur _^,
v^w-*^ und -vi^, w— -.«^ erlaubt sind.
2, 2 sicher authentisch. Zwei der vier Satzschlüsse sind
correct, iüdicändis dätns und legiönis cr^ätus\ die beiden andern
incorrect.
2, 4 giebt sich als Gerücht {dlcitür cömp^rlsse), wozu die
rhythmisirte Form stimmt (auch ess^ cömp^riSrat),
2, 5 — 2, 8 knappe authentische Nachrichten (nur die sors
Vergiliana ausführlich) ohne Satzschluss; die paar Ausnahmen be-
weisen nichts: exercttüs mlsstts in schwacher Pause; benefictä-
riürn ünt^venit in starker Pause, aber doch mit Hiatus; zweimal
könnte * altlateinischer* Kretiker^ vorliegen: superiorem irüns-
latus (est), sörtes cönsül^ret ; der Rest widerstrebt hartnäckig.
Nur wo die paedagogi puerorutn erwähnt werden, qtws Traianus
impensiüs diUgebat, zeigt Inhalt (vgl. 4, 5) und Form, dass wir
^ KiesBÜng, Neues Schweizerisches Museum V 327 ff.
2 W. Mt'yer, Gott. gel. Auz. 1893, S. 14.
Satz8chlu888tudien zur Historia Aaga8ta 551
in dem Relativsatz ein Eineohiebsel von andrer Hand, aus skan-
daleüclitiger Zeit, vor uns haben. Und ebenso ist der Schluss-
satz quam (sortem) alii ex Sibyllinis versibus ei provenlss^ dlae-
runt natürlich auszuscheiden: wieder stimmen Inhalt und Form
zusammen.
2, 9 aus dem (natürlich nicht direct benutzten, sondern von
Marius Maximus citirten) Apollonius Syrus^ Die Satzschlüsse
imp^rn möx füttlri, manänt^ respönso^ librts suis Indtdit sämmt-
lich correct.
2, 10 aus Marius Maximus, dem soeben auch das Apollonius•
citat entnommen war. Die Satzschlüsse dem entsprechend cor-
rect: pleniOrem rMiU faventS Plötlna (was 4, l. 4 wiederkehrt),
dicit völente.
3, 1 der erste Satz ein kurzes Datum ohne Satzschlnss,
also aus der Autobiographie. Das daran angeknüpfte Histörchen
von der Verspottung seines Dialekts und seinem £ifer, den Dia-
lekt abzulegen, zeigt, wie billig, correcten Satzschlnss: pronüri'
tiäns risus (esset), und (allerdings in starker Pause) operäm dSdit.
3, 2 bereitet zunächst Schwierigkeiten. Inhaltlich ist dieser
Paragraph ohne Zweifel κ&ηζ, wie Spartian es für die zweite
Hälfte bezeugt, der Autobiographie entnommen; aber die Form
ist durchaus rhythmisch: nur zu Anfang der altlateinische Kre-
tiker senütüs cürämt; sonst familüriüs pros^cütus {est), mörtbüs
obsiSquentem, locupletlssime mün^rätum. Wörtlich herübergenom-
men ist also wohl nur das erste Grlied post quaesturam acta se-
natus curavii; die andern sind umstilisirt. Und zwar ungeschickt.
Denn Trajan wird wohl kaum den Hadriau ' wegen seiner Theil-
nahme an der kaiserlichen Trinktafel begabt haben. Der 'schrift-
stellernde Kammerdiener'^ mag die Sache nach seinem Auf-
fassungsvermögen pragmatisirt haben. £r findet bei Hadrian,
dass dieser sich den Trinkgelagen des Kaisers nicht habe ent-
ziehen können, und dann weiter, dass Trajan ihn (wohl gar bei
einem Gelage) beschenkt oder befördert habe ; da ist sein Schluse
fertig: post hoc: ergo propter hoc.
3, 4. 5 trotz des adserit nicht umstilisirt, und daher ohne
Satzschluss: man darf nur für in quo magistratu . . omen sibi
^ Für diesen völlig unbekannten Autor hat auch die Gelehrsam-
keit und der Sammelfleiss des J. A. Fabricius (Bibliotheoa Graeca, cur.
Harless, Hamburg 1790 ff., ΙΠ 162. IV 278) keinen zweiten Beleg auf-
treiben können.
^ Kiessling aaO.
552 ▼. Winterfeld
factum adseritf guod paenvlas cuniserit einsetzen owiem ei factum
estf und amisit^ so hat man den arspronglicben Wortlaut. Der
Antor ist alfK> hier zn träge gewesen, auch nur die Conseqnenz
des Citates za ziehen und den Satz zu rbythmisiren. Nor der
Hinblick auf seine Zeit unde hodieque imperatares sine paenulis
α togütis videniur zeigt wieder den Satzscbluss.
3, 6-3, 10 ans der Autobiographie; kein Satzscbloss aoseer
3, 7: qu€tre adamante gemma^ quam Trctianus α Xerva acceperatj
donatus ad spem suceessioms erectus est. Aber diese Stelle ist
verdächtig. Zwar wäre der immerhin überladene Ausdruck nicht
schlimmer als 2, 5 missus translatus est; aber es ist plump, dass
die Bedeutung der symbolischen Handlung ausdrücklich angegeben
wird. Ich meine, ad spem successionis erectus stammt nicht von
Hadrian, sondern ist späterer Einschub.
3, 11— 4, l, wo abermals die Begünstigung durch Plotina
erscheint, sind wieder gut rhythmisirt : familiäriiäs crebrüity im-
peratör^ dtctäv^raf, (empört desfinütus (est): Klatsch k la Marias
Maximus.
4, 2 glaube ich wiederum die Autobiographie zu erkennen:
der Inhalt schliesst eich ungezwungen an 3, 10 an: 'jetzt endlich
hatte die Zurücksetzung von Seiten der Freunde Trajans ein
Ende; bisher hatten ihm nur folgende nahegestanden.*
4, 3 dagegen mit dem indirecten Vorwurf der Grausamkeit
und dem Satzschlues iyrünnidis lüpsis wird ganz auszuscheiden
sein, zumal der unbedingt unechte Zwischensatz ohne eigne Pause
geblieben ist: der Ditrochäus allein Ins^cütus {est) genügt wohl
für Cicero, aber im allgemeinen nicht mehr für die Historia
Augusta.
4, 4— 4, 5 müssen gleichfalls fallen : 4, 4 enthält wieder den
favor Plotinaey 4, 5 ein Gerücht (ppinio mültä firmävit) skanda-
löser Art; natürlich dem entsprechend Satzscbluss.
4, 6 — 4, 7 erkennen wir in den satzschlusslosen Daten vom
28. und 30. Juli 118 noch einmal die Autobiographie: da hat
Hadrian die Nachricht von der officiellen Adoption und gleich
darauf vom Tode Trajans erhalten und diese Daten (nicht die,
wo die Ereignisse wirklich eingetreten waren, sondern die, wo
er die Nachricht erhielt) hat er der Berechnung seiner eignen
Regierung zu Grunde gelegt.
4, 8 — 4, 10 blosse Gerüchte über andere Adoptionspläne
Trajans. Satzschluss.
Damit sind wir bei der ersten Epoche in Hadrians Leben,
Satz8cblu888tudien zur Historia A^ngusta 553
bei Reiner Thronbesteigung, angelangt. Von hier an verläset uns
der unmittelbare Wortlaut der Autobiographie mehr und mehr ;
fast alles zeigt den metrischen Satzschluss. Wenn Peter auch
den zweiten Theil als eine für Hadrian sehr parteiische Ge-
schichte bis zum Jahre 134 charakterisirt, und nach einer Be-
merkung Plews betont, er zähle chronologisch die ersten Re-
gierungehandlungen auf, ordne aber nach Eigenschaften (was
doch Hadrian selbst ganz gewiss nicht gethan haben wird), so
stimmt dazu die Beobachtung des Satzschlusses. Von hier ab
sind fast alle Nachrichten, so weit sie überhaupt in der Auto-
biographie gestanden haben, durch das Medium des Marius Ma-
ximus benutzt, und dem entsprechend umstilisirt. Nur ganz ver-
einzelt begegnen auch noch jetzt unrhythmische Notizen; aber
sie sind selten und dann meist von geringem Umfange.
5, 1 Friedensvorsätze beim Regierungsantritt.
6, 3 Hadrian lehnt es ab, den letzten dem todten Trajan
zukommenden Triumph sich selbst zuerkennen zu lassen. Aber
die triviale Begründung ut optimus imperatar ne post mortem
quidem triumpki amitt^ret dlgmtäfem wird Zusatz sein.
6, 6 — 8 mit seinen zwar nicht geradezu fehlerhaften, aber
seltenen Schlüssen : zweimal altlateinischer Kretiker tempäs prae-
fecit und päcem cömpösüit, ferner Moesiäm petitj nur einmal und
gerade in schwacher Pause stipendiis qu^Srehatur: Dispositionen
im Orient.
6, 9 (Jneigennützigkeit bei Confiscationen.
10, 2 über sein einfaches Leben im Lager (p. 12, 4 dbis
— 12, 7 Traiani) und 10, 3 Mannszuoht (p. 12, 9 siquidem —
12, 12 abesse).
11, 2 der Feldzug nach Britannien, wo aber die letzten
Worte (mumm,) qui barbaros Romnvdsqu^ dtvtd^ret wiederum sich
nach Sinn und Form als Einschiebsel kennzeichnen.
18, 3 ff. scheint hie und da der ursprüngliche Wortlaut
durchzuschimmern: 18, 3 und 18, 5 (üneigennützigkeit bei Pro-
scriptionen und Erbschaften), ferner 18, 7 (Milderung der Sklaven-
gesetze) sind Satzschlusslos, der nächste eng anschliessende Satz
hat nur den altlateinischen Kretiker. Wie weit hier ausserdem die
wörtliche Entlehnung noch geht, wage ich nicht zu entscheiden.
19, 1 Amtsdaten, und daran angeschlossen Bemerkungen
über Bauten und Spiele im allgemeinen (19, 2), in Athen (19, 3),
in Rom (19, 4 ff.). Aber 19, 4 ist wohl Einschiebsel (scaeni-
cum avocävit), ebenso 19,5 die V^i orte post cetercts inmenHssimüs
554 ν. Winter fei d
völüptätes; der Sohlues des Kapitels (19, 6 — 19, 3) iet mindestens
nmstilisirt.
Kapitel 22 (Sorge für Recht und Brauch) ist ganx satz-
echlusslos: in 21 Zeilen finden eich nur folgende mehr oder we-
niger erlaubte Schlüsse: saepissime dMit, togZUüs pröcessity
spönt^ dltüvitj peregflnä cOntempsit^ frequent^r aüdivit, öptümls
s^nütdribus, Äfricüms dilectus {est)j also kaum ein Drittel, und
auch davon sind nur drei rein kretisch. Hier haben wir also
wieder die durch ihren knappen Stil genugsam erkennbare eatz-
schlusslose Quelle vor uns. Denn auch die beiden satzechluss-
losen Sätze 22, 12 (lacum Fucinum emisit) und 22, 14 (Hadrian
in Afrika), die Peter mit Recht hier ausgeschieden hat, sind wohl
durch das Ungeschick des Biographen an diese Stelle gerathen,
stammen aber aus der gleichen Quelle, wie der Haupttheil des
Kapitels. Dass dies die Autobiographie war, erecbeint mir
sicher; auch das printtis 22, 8 {ab epistulis et α libellis primus
equites Romanos habuit) besagt nicht, dass es dann nachher andere
Kaiser ihm nachgethan haben, sondern nur, dass es niemand vor
ihm gethan hatte.
Wer diese Abschnitte auf ihren Inhalt hin prüft, wird, von
den rhythmischen Zwischensätzen abgesehen, absolut nichts darin
finden, was nicht in der Autobiographie gestanden haben könnte ;
dagegen sehr vieles, was nur aus ihr stammen kann. Darnach
erscheint der Schluss unausweichlich: wie im übrigen Marius
Maximus die Quelle ist, so ist es für diese satzschlusslosen Ab-
schnitte die Autobiographie, und zwar wörtlich, soweit nicht etwa
eine unwillkürliche Ungenauigkeit des Benutzers, dh. nunmehr
doch wohl des Spartian selbst, oder ein Fehler der Ueberliefe-
rnng eine Ausnahme bedingen. Denn wenn wir annehmen wollten,
die Autobiographie sei nur indirect benutzt, so wäre es recht
auffällig, dass hier trotz des complicirten Weges der ursprüng-
liche Satzschlusslose Wortlaut so sorgfältig bewahrt worden ist
Freilich erhebt sich hier ein Einwand, an dem die sonst
wohlbegründete Annahme zu scheitern droht. War die Auto-
biographie Hadrians lateinisch oder griechisch geschrieben? Hören
wir, was Spartian selbst sagt, 16, 1 : famae celebris Hadrianus
tarn cupidüs fuU, ut libros vitae suae scriptos α se libertis suis
dM^rlt lltt^rätls^j iubens, ut eos suis noimnibüs pÜbUcürent; nam
et Phlegonfis Ubri Hadriani ess^ dicüntur. Darnach weiss Spar-
^ So ist der Satzschluss herzustellen: UttertUit dederit vg.
Satz8chla888tadieii zur Historia Augusta 555
tian von einer unter Phlegons Namen gebenden, also grieohiechen
Selbstbiographie des Kaisers; aber benutzt hat er nicht sie, son-
dern, so schliesse ich, eine lateinische, die Hadrian vielleicht
auch zunächst einem seiner Freigelassenen zur Veröffentlichung
übergeben hatte, bei der sich dann aber der Name des wahren
Autors durchgesetzt hatte. Aus Phlegons Schrift hätte er die
Citate Hadrianus ipse commemorat (1, 1) usw. nimmer in dieser
Form geben können, da er hier der Autorschaft des Kaisers ja
gar nicht gewiss ist. Dagegen ist Phlegon benutzt in der Vita
Saturnini des Vopiscus, c. 8 : dort zeigt der Brief Badrians ^
ziemlich sorgfältigen Satzschluss^ und die Diction ist die des
Vopiscus; ob der Brief echt ist oder nicht, kann ich hier un-
erörtert lassen : er ist jedenfalls aus dem Griechischen übersetzt,
wie noch jetzt die Worte alassontes versicolores (p. 226, 9) zeigen.
Und es ist nichts Unerhörtes, dass wir eine lateinische und eine
griechische Fassung der Selbstbiographie neben einander treffen:
das nächste Vorbild ist die Selbstbiographie des Augustus, das
Monumentum Ancyranum, bei dem freilich die doppelte Redaction
andere Gründe hatte; doch mochte der £influss dieses Vorbildes
auch auf Hadrian wirksam sein.
n. Zur Textgeschichte und Textkritik.
Die Untersuchung hat sich bis hierher ganz auf den Satz-
schluss gegründet. Ich füge nunmehr noch einige Bemerkungen
über einzelne Stellen der Historia Augusta an, die sich mit Hilfe
des Satzschlusses herstellen lassen.
Hadr. 4, 10 nee desunt qui factiön^ Plötinae mortuo iam
Traiano Hadrianum in adoptionem adscifum ess^ prödid^rint^
supposito qui pro Traiano fessa vocä loquehatur. Hier hat die
Ueberlieferung loquebatur mit Correctur in löqu^retur. Gram-
matisch richtig ist nur der Conjunctiv, und nur ihn erkennt der
Satzschluss an.
Hadr. 15, 1 amicos ditavit et quldem nön p^SdnteSf cum pe-
tenftbüs nihil negaret. Der Satzschluss verlangt ηϊΐ nPgüret,
Ebenso ist Aurel. 10, 1 curiösttäs nll riScüsai zu schreiben.
Hadr. 17, 6 zerstört parieti an der Stelle, wo Peter es mit
Kellerbauer einschiebt, den Satzschluss; es niuss wohl heissen
1 Darüber Peter S. 188 f.
^ Die Ausnahmen (p. 225, 19 vivai otiosus und p. 225, 23 otiasi
vivunt: p. 226, 1 morata civitas; p. 226, 11 convivUs adhibeas) ent-
sohuldigt die Uebersetznng.
556 ν. Winterfeld
cum quodam tempore veleranum quendam notum sibi in mäitia
dorsum ei ceteram pariem corporis (^parieti) vidissH ädflir^re.
Hadr. 18, 0 wird doch wohl der einzige Verstoss durcb eine
kleine Aenderang zu beseitigen sein: de thesauris ita cavU, «ist
qnis in suo repperisset, tps^ pöt^retur^ si quis in alienOy dimidium
dominö dar et ^ si quis in publicOy cum fisco aequabtlUer pQrtiretwr.
Die üeberlieferung hat ipse potiretur. Ebenso ist Tac. 10, 2 ne
quid per noctem sedUiönis Ör^retur zu verbessern.
Äurel. 5, 1 ist die von Lessing im Lexicon s. v. legere mit
Recht gebilligte Ergänzung multa superflua in eodem leglss^ (n^^
memini nicht bloss dem Sprachgebrauch gemäss und graphisch
elegant, sondern sie wird auch vom Satzsohluss gefordert.
Aurel. 15, 6 ist nur das vom Sprachgebranch geforderte
Futurum zulässig: sed noSy ut solemus^ hone quoque rem in m^-
dtö r^tlnquemus] vgl. 16, 3 Ver. 11, 4 Prob. 3, 3.
Aur. 19, 6 ist Cramers Aenderung falsch, die überlieferte
Lesart fata rei p., quae sunt aefernä, perqulrite richtig. Aber
weit wichtiger , von grundlegender Bedeutung für die Text-
geschichte und Kritik der Historia Augusta, ist es, dass 'post
perquirite volg. haec add.: pufrimis watrimisque pueris cürmi^n
Itidlctte: nos sumptum sacriSy nos apparatum s<icrificiiSy nos agris
ambarväliä ^nd^cem^s* So Peter im Apparat der zweiten Aus-
gabe ; in der ersten waren diese Worte ganz weggeblieben, und
ebenso hat Lessing diese zwei Sätze in seinem Lexicon bei
Seite gelassen. Aber sie sind echt, so echt oder unecht wie
die ganze lange Rede des Ulpius Silanus. Die ambarvcdia wer-
den nachher wirklich angesagt (20, 3), und entsprechend dem
ersten Satz heisst es kurz canfata carmina. Aber man wird viel-
leicht einwenden, gerade aus der späteren Stelle habe ein Ge-
lehrter der Renaissance sich den Stoff zu jenen Zusätzen geholt
Das trifft indessen nicht zu. Weder hätte er dorther die cor•
recte Erwähnung der patrimi mairimique pueri nehmen können,
noch würde er sich auf jene zwei Sätze beschränkt, sondern voll-
ständige üebereinstimmung des Geforderten und Ausgeführten
hergestellt haben. Dazu kommt nun der Satzschluss, der die
beiden beliebtesten Formen aufweist. Dass der Ditrochäns durch
iv» ersetzt wird, ist ganz in der Art des Vopiscus; vgl. zB.
gleich 19, 4 eriipisse^ und 20, 5 iracfaretis. Auch der Hiatus ist
für Yopiecus unbedenklich, der zB. 22, 1 gleichfalls in Starker
Pause sogar impermm iter ßescit schreibt. Es wird also noth-
wendig sein, dass bei der Wahl des Ersatzes ftir die Editio
SatzBchlussstudicn zur Historia Augusia 657
princepe^ auf diese Stelle besondere Rücksicht genommen wird.
Auch auf das jetzt durch einen Murbacher Katalog aus der ersten
Hälfte des neunten Jahrhunderts^ verbürgte hohe Alter des Mur-
bacensis darf hier wohl hingewiesen werden, und auf die Tbat-
sache, dass die üeberlieferung der Historia Augusta in Murbach,
wo soviel irische Handschriften lagen, und die Excerpte des Se-
dulius in dem Cusaner Florilegium^ für die Textgeschichte der
Historia Augusta schwerer wiegen müssen als die angelsächsische
Schrift des Bambergensis, dessen Bruder oder Vater in Rom ge-
wöhnliche fränkische Schrift zeigt*.
Aur. 37, 5 f. nam multi ferunt QuinHUumy fratrem Claudii,
cum in praesidio Italico esset, audita morte Claudii sumpsJss^
Imperium', verum posiea, ubi Aurelianum cömp^rit Imp^rärCj α
toto exercitü \ea\ der^lictum, cumque contra eum contionaretur nee
α miUfibüs aüdiretur, incisis sihimei venis die vicesimo imperii sui
perisse. Hier ist ea einfach zu tilgen: ΣΛ ist falsche Wieder-
holung der ersten Züge von EXEBCITV^, und man darf nicht
eum herstellen, was hier ganz überflüssig ist und den Satzschluss
verdirbt. Wie der Schluss herzustellen ist, wird sich vorläufig
nicht mit Sicherheit ausmachen lassen. Für wahrscheinlich halte
ich incisis sibimet venis, die vicesimo imp^rvl 3lc p<^rtsse. Lessinge
1 Peter in Bureians Jahresbericht LXXVH (1893 II) S. 150 ff.
2 Bloch, Strassburger Festschrift zur 46. Versammlung deutscher
Philologen und Schulmänner (1901), S. 271, Nr. 268 Vita cesarum vd
tirannorum ab Melio Adriano usque ad Carum Carinum libri VII; und
dazu meine Notiz, Neues Archiv für ältere deutsche Geschichtskunde
XXVII 527 f. Ich bin nicht im Zweifel, dass das dieselbe Murbacher
Handschrift ist, die Frobenius für die Erasmische Ausgabe von 1518 be-
nutzt hat, und auch dieselbe, aus der in der gleichen Druckerei Beatns
Rhenanus und Burer 1520 den Velleius Paterculus herausgegeben haben.
Aber wie kommen die sieben Bücher heraus? Die Üeberlieferung des
werthvollen alten Cataloges ist jung und schlecht. So ist es ganz un-
bedenklich, daraus herzustellen usque ad Carum Carinum LVII; denn
soviel sind es nach dem Index der Bamberger und der Palatinischen
Hs. (Peter I S. XIII) : L VI eiusdem Firmus, Saturnimia, Proculus et
Bonosus. L VII eiusdem Carus, Charinus et Numerianus.
^ Mommsen , Hermes XIII 298 ff. ; Traube , 0 Roma nobilis
S. 364 f.
^ Chatelain, Paleographie des classiques latins, pl. 191.
^ Viele Beispiele für die Vertauschung von Ä und X bei W.
Heraeus, Quaestiones criticae et palaeographicae de vetustissimis codi-
cibus Livianis (Berlin 1885), S. 96 f.
558 y. Winter feld Satzschlnssetudien zur Hietoria Augueta
Lexioon 8. v. imperium (S. 262^) kann zeigen, daes sui bei solchen
Datirnngen wegzubleiben pflegt; aber es wird die Darlegung dee
Sprachgebranche von ^c abzuwarten sein, ehe man ein znyer-
sichtlich es Urtheil abgeben darf.
Tac. 14, 5 werden die Worte post Interregnum prlncipes
nüncüpüii mit Unrecht seit Salmaeias gestrichen; ohne sie ist
kein rhythmischer Absohluss da.
Tac. 15, 4 hat eine kleine Interpolation yeranlasst, dem Text
mit Umstellungen oder mit der Annahme einer Lücke zu Leibe zu
gehn, während der Satzschluss lehrt, daes ein einziges Wort ge-
strichen werden muss, das hinzugefügt worden ist, weil man einen
Gräcismus nicht verstand. Ich gebe gleich die richtige Lesart
an: die Wahrsager handeln sehr klug, gleich auf tausend Jahre
im voraus zu prophezeien, quia, si post centum annos praedi-
cerefit, forte possent [eorum] deprehendi mendäciä pulttcentesy cum
via; remanere talis posstt htstöria^ dh. ^man könnte alsdann nach-
weisen, dass sie Lügen prophezeiten, während sich das Gedächt-
niss einer solchen Geschichte tausend Jahre lang gewiss nicht
lebendig hält*.
Berlin. Paul v. Winterfeld.
ZUR UEBERLIEFERUNG DER GESCHICHTE
ALEXANDERS D. GR.
Kaum eine andere Zeit ist Gegenstand so vielfacher Qnellen-
nnterfiuchangen in den letzten Jahren gewesen, als die Zeit Ale-
xanders des Grossen, gleichwohl entspricht das Ergebnise der auf-
gewandten Mühe nur in geringem Masse, nnd die Ansichten stehen
mit einander in so schroffem Widerspruche, wie kaum auf einem
anderen Gebiete der geschichtlichen Forschung. Will man zu einem
richtigen ürtheil über die üeberlieferung der Alexandergeschichte
gelangen, dann muss man mit verschiedenen Vorstellungen bre-
chen, unter deren Bann ein grosser Theil der Untersuchungen
steht, und zunächst die richtige Beantwortung verschiedener lit-
teraturgeschiohtlicher Fragen zu gewinnen suchen, ehe man die
Frage nach den in der erhaltenen Literatur benutzten Quellen
auf werfen darf. Unter den Historikern, welchen besonders weit-
gehender Einfluss auf die überkommenen Darstellungen von Ale-
xanders Regierung zugeschrieben wird, steht mit in erster Linie
der im Ausgange der Republik und zu Beginn der Eaiserzeit in
Rom lebende Alexandriner Timagenes. Glaubt doch G.Landgraf
(Berl. philol. Wochenschrift 1901 S. 410 — 14) in der von Wagner
in den Jahrbüchern f. class. Philol. Supplbd. 26 S. 91 — 167
herausgegebenen epitome rerum gestarum Alexandri Magni den
Auszug eines im 4. oder 5. Jahrhundert n. Chr. lebenden Schrift-
stellers aus einer lateinischen Bearbeitung der griechischen Ale-
xandergeschichte desselben erkennen zu dürfen. Man hat damit
ihm eine Bedeutung beigelegt, die ihm nicht zukommt, und es
dürfte angezeigt erscheinen, gegen die auf unhaltbaren Voraus-
setzungen aufgebaute Timageneshypothese Einsprache zu erheben.
1. Timagenes und die Alexanderüberlieferung.
Nur wenige unsichere Mittheilungen über die Schriften des
Timagenes sind auf uns gekommen, gering ist auch die Anzahl
560 Reuse
der Fragmente, die wir aus ihnen besitzen. Der die Aufmerk-
eamkeit auf ihn lenkte, ist kein Geringerer gewesen ale Gustav
Schwab in seiner Abhandlung de Livio et Timagene aemnlis, Stutt-
gart 1834; er sprach die Vermuthung aus, dass der bei Livine
IX 17 ff. gegen die 'levissimi ex Graecis gerichtete Tadel auf ihn
gemünzt sei. Von dieser Annahme ausgehend erklärte Gutschmid
(Rhein. Mus. Bd. 37 S. 548 ff.) die historiae Philippicae des
Trogus Pompeius für die Bearbeitung eines griechischen OrigiDal-
Werkes, dessen Verfasser Timagenes gewesen sei, eine Hypothese,
die Wachsmuth (Rhein. Mus. Bd. 46 S. 465—79) dahin modi-
ficirte, dass zwar neben Timagenes noch andere Quellen benutzt
seien, auf diesen aber eine Reihe charakteristischer £igentbüm-
lichkeiten wie die augenfällige Feindschaft gegen Rom und die
Hinneigung zu den Parthern zurückzuführen sei. Seine Sporen
in der Alexanderüberlieferung suchte dann nachzuweisen J.
Kaerst: Beiträge zur Quellenkritik des Q. Curtius Rufns Gotha
1878, Forschungen zur Geschichte Alexanders d. Gr. Stuttgart
1887, und Untersuchungen über Timagenes in Philologns Bd. 56.
Dagegen fehlte es auch nicht an Stimmen, welche sioh gegen
diese Annahme ausgesprochen haben; so erklärte E. Meyer (Gesch.
d. Alterth. U S. 23), die Hypothese, dass Trogus eine Umarbei-
tung des Timagenes sei, sei nicht erwiesen und lasse sich nicht
erweisen, und Soltau (Hermes XXIX S. 614 A. 3) glaubte, för
Livius' Diatribe keine besondere Quelle annehmen zu dürfen. Vor
allen hat aber in letzter Zeit Schwartz (Pauly-Wissowa im
Artikel Q. Curtius Rufus) gegen die Schwäbische Hypothese
scharfe Stellung genommen und mit gewichtigen Gründen ihre
Unhaltbarkeit dargethan. Von einer Alexandergesohichte des
Timagenes, so führt er aus, ist uns nichts bekannt, die erhaltenen
Fragmente weisen vielmehr ausnahmslos auf eine Diadochen-
geschichte hin. Ebenso wenig ist uns überliefert, dass er jemals
im Solde des Partherkönigs gestanden hat, wir wissen nur, dass
er sich durch gelegentlich geäusserte Bosheiten und Taktlosig-
keiten die Gunst des Augustus verscherzte. Der Vorwurf des
Livius läset sich mit weit grösserer Berechtigung auf andere
griechische Zeitgenossen beziehen, von denen Dionys. Halic
όρχ. 'Ριυμ. Ι 4, 3 schreibt: 'von den Zeitgenossen klagen die
Uebelgesinnten das Schicksal an, dass es das nichtewürdigste
aller barbarischen Völker mit den Gütern der Griechen bereichert
habe, ja einige Schriftsteller haben sich sogar erfrecht, dies
schriftlich zu hinterlassen und haben als echte Sklaven und
Zur üeberlieferung der Geschichte Alexandere d. 6r. 561
Schmeichler barhariechen Königen zu Liebe Schriften verfaeet,
die weder unparteiiech noch wahr sind.' Dies ist die Anffaesung,
die auch LiviuR bekämpft, wenn er sich gegen die nichtswürdigen
Griechen wendet, welche selbst den Parthern ihre Sympathieen
widmen nnd behaupten, das römische Volk würde schon vor dem
Namen Alexanders des Grossen gezittert haben. Dionysios kann,
darin muss man Sohwartz beistimmen, Timagenes nicht im Auge
gehabt haben, auf diesen treffen die Worte: οίς οουλευοντες καΐ
καθ' ήδονήν ομιλούντες in keiner Weise zu. Er ist im Jahre
55 V. Chr. nach Rom gekommen und ist in Italien gestorben
(Suidas έτελεύτησεν έν *Αλβάνψ, Seneca de ira III 23). Aus
der Zeit, da der Krieg zwischen Octavian und Antonius auszu-
brechen drohte, ist eine von Müller (Fr. H. Gr. Ilt S. 315 ff.)
nicht beachtete Nachricht über ihn erhalten, die auf eine ein-
flussreiche Stellung in Bom schliessen lässt; Plut. Anton, c. 72
καΐ γάρ ΆλεΗας ό Λαοοικεύς γνωρισθείς μέν έν 'Ρώμη bxä
Τιμαγένους και πλείστον * Ελλήνων δυνηθείς. Er war beliebt
bei der ganzen Bürgerschaft, selbst die spätere Ungnade bei dem
Kaiser verschloss ihm das Haus keines einzigen Römers (Seneoa
aaO.). Auf eine besonders scharf hervortretende Feindseligkeit
gegen das Römervolk lässt dies nicht schliessen; wenn er daher
als Feind der Stadt Rom bezeichnet und berichtet wird, er habe
bei einem Brande derselben sein Bedauern darüber ausgesprochen,
dass die Stadt aus ihm nur um so schöner wieder erstehen werde,
so kann dies nur eine der gelegentlich gemachten boshaften
Aeusserungen sein, wie sie damals wohl vielfach von ihm um-
liefen (Seneca ep. 91 u. Controv. 34 a quo multa improbe, sed
venuste dicta). Seine Zunge verschonte niemanden, selbst nicht
den Herrseber und das Herrscherhaus (Seneca de ira III 23 ;
Controv. 34; Plut. de adul. c. 27)^; da alle Warnungen nichts
fruchteten, verbot Augustus ihm schliesslich sein Haus. Auch
nachdem er die Freundschaft des Kaisers verscherzt hatte, zogen
seine Freunde sich von ihm nicht zurück, und dieser selbst ver-
dachte es einem Asinius Pollio in keiner Weise, dass er in per-
sönlichem Verkehr mit dem spottsüchtigeu Griechen blieb. Ans
allen Zeugnissen geht hervor, dass Timagenes im alltäglichen
^ Auch in den von Plut. quaest. conv. 1 13 citirten Worten: καΐ
προς *Αθηνόοωρον τόν φΐλόσοφον, εΐ φυσική ή προς τά έκγονα φιλο-
στοργία ist eine Beziehung auf Octavian, den Schüler des Athenodoros,
enthalten.
Bhelo. Mue. t PhiloL N. F. LVIL 36
562 R e η 8 8
Verkehr eeine Neigung zum Spott Dicht zu zügeln yeretand,
darum braucht aber noch nicht der Vorwurf des blinden Römer-
haesee, wie ihn Livins ausspricht, an seine Adresse gerichtet zu
sein. Ausser auf die von Schwartz angeführten Worte des Dio-
nysios kann auch auf eine Stelle Plutarchs hingewiesen werden,
die uns nahelegt, dass die Frage, ob Alexander, wenn er nach
Italien gekommen wäre, die Römer besiegt haben würde, damals
die Gemüther in Rom vielfach beschäftigt haben muss. In der
Rede des blinden Appius Claudius gegen den Frieden mit P^'rrhus
heisst es Plut. Pyrrh. c. 19: που γάρ υμών ό προς Απαντάς
θρυλούμενος άει λόγος, ώς, εΐ παρήν εκείνος είς Ίταλίαν ό
μέγας ΆλέΕανδρος καΐ συνηνεχθη νίοις ήμΐν και τοις πατράσιν
ημών άκμάίουσιν, ουκ &ν ύμνεϊτο νυν ανίκητος, άλλ' ή φυγ\υν
ή που πεσών ενταύθα την 'Ρώμην ένδοΕοτέραν άπέλιπε, ν^Ι.
Αρρ. Samn. c. 10, Oros. IIJ 15, 10. Diese Worte hat Plutarch
gewiss auch Dionyeios von Halikarnass entnommen, den er ja
neben Hieronymos von Kardia benutzt. Ist der Satz, dass Ale-
xander bei einem Angriff auf Rom den Ruf der ünbesiegbarkeit
eingebüsst haben würde, ein damals in allen Tonarten behandeltee
Thema gewesen, dann hat es gewiss auch an Gegenerklärungen
nicht gefehlt und es wird misslich einen bestimmten Namen für
den Uebelthäter auffinden zu wollen, über den Livius die Schale
seines Zorne ausgiesst. Damit wird der Hypothese Schwabs der
Boden entzogen, und mit dieser fallen auch alle auf ihr auf-
gebauten Combinationen zusammen.
Von Timagenes soll auch die ungünstige Beurtheilnng stam-
men, die Alexander bei Trogus und Curtius erfahrt. Diodors
ürtheil über Verfehlungen des Königs ist ein mildes, bei Trogus
und Curtius hat die mit diesem gemeinsame Vorlage (Klitarch)
durch eine Mittelquelle di. Timagenes, der Gurt. IX 5, 21 citirt
wird, eine Fassung erhalten, in der über jenen ein scharfes Ver-
dammungsurtheil ausgesprochen wird. Dieser Mittelqnelle soll
auch Livius die Thatsaehen entnehmen, mit denen er sein hartee
Urtheil über den Makedonierkönig begründet. Der Gegner, mit
dem der römische Geschichtschreiber sich auseinandersetzt, ist
sicher ein Zeitgenosse: IX 18, 9 non intellegunt se hominis res
gestas et eius iuvenie cum populi iam octingentesimum bellantie
annum rebus conferre, aber in der Annahme, dass er Alexander
ungünstig beurthellt habe, liegt ein innerer Widerspruch, Livius
hat grade das an ihm auszusetzen, dass er diesen auf Kosten der
Römer erhebt. Von den Fragmenten des Timagenes nimmt nur
Zur üeberlieferung der Geschichte Alexandere d. 6r. 563
eine (Curt. IX 5, 21) auf die Zeit Alexanderfl Bezug, ohne Zweifel
fand er indessen in dem Werke π€ρι βασιλέων oft Gelegenheit,
auf die Thätigkeit seiner Feldherrn, der Begründer neuer Dy-
nastieen, zurückzugreifen, ohne damit eine eigentliche Alexander-
geschichte zu liefern. Als Historiker genose er nach Quintilians
Zengniss (X 1, 75) Ansehen, es ist daher leicht erklärlich, wenn
gelegentlich auch Curtius sich auf das Zeugniss des ihm zeitlich
nahestehenden Schriftstellers beruft, ohne dass man deshalb tiefer-
gehende Benutzung seitens desselben annehmen darf. Auch für
die parteiische Behandlung des Königs, wie sie bei Trogus und
Curtius vorliegt, ist nicht er verantwortlich zu machen, diese
geben das Urtheil wieder, welches unter den damaligen Römern
allgemeine Geltung gewonnen hatte. Wie sie urtheilte auch Vel-
leius Paterc. II 51 magno illi Alexandro, sed sobrio neque ira•
cundo, und mit ganz besonderer Schärfe Seneca, dem vielleicht
die Darstellung von Curtius nicht unbekannt gewesen ist (ep. 59,
12 gentes ne finitimie quidem satis notas und Curt. ΥΠ 8, 5
nationem ne ünitimis quidem satis notam ; ep. 56, 9 otii vitia
negotiis discuti und Curt. ΥΠ 1, 4 otii vitia negotio discuti, vgl.
Klebe Philol. N. F. Υ S. 151 A. 2). Unersättliche Ländergier
ist die Triebfeder des Königs und lässt ihn nicht einmal an den
Grenzen Halt machen, die Hercules und Bacchus gesteckt waren
(ep. 15, 2). Glückliche Yerwegenheit schafft ihm Erfolg, aber
dem Raubthiere gleichend, das mehr mordet, als sein Hunger
verlangt, ist er der Henker seiner Freunde, eine Gotteegeissel
der eroberten Länder geworden (de benef. I 15). In wahnwitziger
Yerblendung kennt er nur das eine Ziel, der Schrecken der
Yölker zu sein, gebietet er den Lakedaimoniern• Sklavendienste
und den Athenern Schweigen. Mit Unrecht führt er den Namen
des Grossen, denn der Sieger über so viele Yölker erlag der
eigenen Leidenschaft und dem Zorne. Gegen diese Herabsetzung
des grossen Königs erhoben Widerspruch Plutarch in der durch-
aus polemisch gehaltenen Schrift π€ρΙ της ΆλεΗάνδρου τύχης
und Arrian in seiner όνάβα(Τΐς ΆλεΕάνορου. Wenn bei Curtius
das Bild Alexandere verunglimpft ist, so trägt die Schuld daran
nicht die Yorlage, die er benutzte; immer wieder bricht auch
bei ihm die Bewunderung durch, die dem Makedonier gezollt
wird, und wiederholt sieht er sich zum Zugeständniss genöthigt,
dass seines Helden Anlage von Haus aus gut und tüchtig ge-
wesen sei. Curtius ist mit einem Yorurtheil, das von vornherein
feststand, an seine Aufgabe gegangen, er wiederholt nur die
564 Reu88
Kritik, die vor ihm Liviue an dem Könige geübt hatte. Daee
die Aaedrncksweise dieses Alexanderbiographen von der des
römischen Gesohicbtscbreibers abhängig ist, ist eine schon oft
hervorgehobene Beobachtung \ dass er sich auch in seinem Ur-
theil über Alexander durch ihn hat beeinflussen lassen, ergiebt
die Vergleichung mit Liv. IX 17 — 19.
Mit Livius tbeilt Curtius die Geringschätzung der Griechen:
yill 5, 7 qui profeesionem honestissimarum artium maus cor-
ruperant moribus, vgl. IV 5,11; VIII 10,12. Die Erzählung
von Alexanders Edelmuth gegen die königlichen Frauen giebt
ihm Anläse, mit den gleichen Worten, wie jener, auf die spä-
teren Ausschreitungen des Königs hinzuweisen: Liv. IX 18, 4
referre piget . . . foeda supplicia et inter vinum et epulas caedes
amicorum, vgl. Curt. III 12, 19 sie abstinnisset inter epulas et
vinum caedibus amicorum, VIII 2,6. 8; 3,8; 4,30. An Liv.
IX 18) 1 u. 2 'de Alexandro nondum merso seoundis rebus ....
qui ei ex babitu novae fortnnae novique ut ita dicam ingenii,
quod sibi victor induerat, spectetur, Dareo magis similis quam
Alexandro in Italiam venisset' erinnern: Curt. III 12,20 sed non-
dum fortuna se animo eins superfuderat, VI 6, 5 sed cum illis
quoque mores induerat saperbiamque habitus animi insolentia
sequebatur (X 1, 40), VI 6, 10 regem viotis quam victoribui
similiorem. Von den Freunden forderte Alexander fusefallige
Verehrung : Liv. IX 18, 4 desideratas humi iacentium adulationes,
vgl. Curt. VI 6, 3 iacere humi venerabundos, VIII 5, 6. Der Tadel
über die super ba vestis mutatio kehrt bei Curt. VI 6, 4 wieder,
über die Neigung zum Trünke V 7, 1 ; X 5, 34, über den Jäh-
zorn III 12, 19; IV 2, 5; 4, 17; 6, 27; VI 2,4; VIII 5,22;
6, 1 ; X 5, 34, über die vanitas emetiendae stirpis IV 7, 25 und
30; VIII 5, 5; X 5, 33. Wie der König, ist auch das Heer
entartet: Liv. XI 18, 3 exercitum degenerantem in Perearum
mores, Curt. VIII 5, 14 ne in peregrinos extemosque ritus se
degenerare cogeres, X 5, 33; V 1, 36 u. 39. Mit trunkenem Heere
durchzog der König das eroberte Land, als hielte er einen fröh-
lichen Umzug: IX 17, 17 per quam temulento agmine comissabundus
incessit, Curt. V 7, 5 surgunt temulenti, V 7, 10 a commissabundo
rege, VIII 10, 18; IX 10, 26; 10, 28 incessisse temulentos. Um
^ Auch an der vielbesprochenen Stelle X 9, 3 *qui noctis quam
paene eupremam habuimus, novum sidus illuxit* ahmt er Liv. VI 17, 4
'noctis illins quae paene ultima atque extreva nomini Romano fiiit* nach.
Zar Ueberlieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 565
den Ruhm des Siegers herabzusetzen, werden seine Oegner yer-
ächtlich gemacht, Weiber und Eunuchen bilden ihr Gefolge: Liy.
IX 17, 16 quem mulierum ac spadonum agmen trahentem inter
purpuram atque aurum, oneratum fortunae apparatibus, praedam
verius quam hostem, Curt. III 3, 23 spadonum grex, uö.; III
2, 12 nitet purpura auroque, III 10, 9; 13 , 7. Was Liyius
vom persischen Heere behauptet, wird gelegentlich auf das Heer
Alexandere übertragen: IV 14,11 parata hostibus praeda, IX
10, 27; V 1, 6 usu didicisse . . . eadem trahentem Alexandrum,
quibus rebus antea vicisset, inferiorem fore. Wäre der König
nach Italien gekommen, hätten Perser, Inder usw. ihm mehr
Schwierigkeiten bereitet, denn Hilfe geleistet: Liy. IX 19, 5 Indos
.... maius impedimentum quam auxilium, Curt. IV 12, 9 Indi
. . . nomina yerius quam auxilia. Ueber solche Gegner siegte
er, weil er sie geringschätzte; Liy. IX 17, 16, Curt. 17 14, 3,
in einem Kampfe mit italischen Stämmen dagegen hätte er dem
Urtheil seines Oheims Alexander beistimmen mtlssen, dass er es
bisher nur mit Weibern zu thun gehabt habe: Liy. IX 19, 11;
Curt. VIII 1, 37. Mit einer einzigen Schlacht würde er den
ganzen Krieg yerloren haben : Liy. IX 19, 9 uno proelio yiotus
Alexander hello yictus esset, ein Gedanke, den bei Curtius der
Perserkönig yor der Schlacht bei Gaugamela ausspricht: IV
14, 15 et hello yioerimus, ei yicimus proelio. Dass ihm dabei
wirklich die Worte des Liyius yorsch webten, ergiebt die Ver-
gleichung yon IV 14, 18 ^quantusounque . . . yideri potest, unum
animal est' mit Liy. IX 1 8, 8 quantalibet magnitudo hominis con-
cipiatur animo, unius tamen ea magnitudo erit. Noch einmal
yerwendet er Liyianische Gedanken in einer Rede des Chari-
demus ; Livius yergleicht das makedonische Heer mit dem römi-
schen, Charidemus mit dem persischen : Liy. IX 19, 6 arma olupeus
sarissaeque illis, 19, 7 statarius uterque miles, ordines seryans,
sed illa phalanx immobilis, Curt. III 2, 13 Macedonum acies cly-
peis hastisque immobiles cuneos .... peditum stabile agmen . . .
ordines seryare didicerunt. Seine Erfolge dankte Alexander in
erster Linie dem Glücke: Liy. IX 18, 8, Curt. IV 9, 22; 16, 23;
V 5, 5; VH 7, 31; VIII 3, 1; 10, 18; IX 10, 28; X 5, 35; für
ihn stritt der Ruhm seines Namens : Liy. IX 18, 6 ; Curt. V
13, 14; IX 5, 6 pugnabat pro rege oelebrati nominis fama.
L•t demnach Curtius* ürtheil durch Liyius beeinfiusst, dann
darf man die Alexander feindliche Tendenz, welche in seiner
Darstellung zu Tage tritt, nicht als Kriterium für die Benutzung
566 R e α 8 8
«
des Timagenee verwerthen. Noch weniger ist man daza be-
rechtigt bezüglich der Partherfreandlichkeit, die man bei ihm hat
erkennen wollen. Wohl kommt der Schriftsteller wiederholt auf
dieeee Volk zu sprechen: IV 12, 11; V 7, 9; 8, 1 ; VI 2, 12, ee wäre
auch höchst auffallend, wenn er in einer Zeit, da der Gegensatz
zwischen Römern und Parthern so stark war, von den Ländern,
die später den Sitz der Partherherrschaft bildeten, hätte epreehen
wollen, ohne dieser zu gedenken, aber eine besondere Vorliebe
für die Gegner Roms läset er an keiner Stelle durchblicken.
Was Trogus betrifft, so nimmt er zweifellos einen parther-
freundlichen Standpunkt ein, doch das trifft, wie das Zengniss
des Dionysios zeigt, auf griechische Historiker zu, die wir nicht
mit Timagenes gleich setzen dürfen. Auf das Bild Alexandere,
wie es bei jenem gezeichnet wird, scheint der scharfe Ausfall
des Livius gleichfalls nicht ohne Einwirkung geblieben zu sein.
Trogus hat die Geschichte desselben gekannt, das spricht er
XXXVIIl 3, 11 aus; directe Bezugnahme auf die Alexanderepieode
(Liv. IX 17, 10 imbellem Asiam quaesisset) mag in Justin XXXVIIl
4, 7 vorliegen, wo Asien zu Italien in Gegensatz gestellt wird:
audire populos transalpinae Galliae Italiam ingressos maximis
eam plurimisque urbibus possidere et latius aliquanto solum
finium quam in Asia quae dicatur imbellis idem Galli occupa-
vissent. Hinweisen darf man daher auf die mannigfachen Con-
gruenzen, welche beide Historiker in der Alexandergeschichfe
bieten: Justin XI 6, 15 terrore nominis vicit, XII 13, 2; XI
13, 1 hortatur, spernant illam aciem auro et argento fulgentem, in
qua plus praedae quam periculi sit; XI 14, 7 felicitas regle;
ΧΠ 3, 8 habitum regum Persarum adsumit; 4, 1 a Philippe patre
illum tantum degenerasse, ut mores Persarum adsumeret; 12/2;
XU 6, 6 amicum a se occisum inter epulas et pocula; 13, 7 in-
staurata commissatione ; 14, 4 snpplicia crndeliter habita (TAv,
IX 18, 4) uä.
Nahe liegt auch die Frage, ob bei Curtius die Bekannt-
schaft mit Trogus anzunehmen ist. Eaerst glaubt sie verneinen
zu müssen und höchstens Curt. Vlll 1, 17 die Möglichkeit einer
versteckten Polemik gegen Justin XV 3, 7 einräumen zu dürfen,
andere dagegen, wie Crohn (de Trogi apud antiquoe auctoritate
Strassburg 1882) und Peteredorf (eine neue Hauptquelle des Qu.
Curtius Rufus, Hannover 1884) zählen die historiae des Trogue
zu den von Curtius benutzten Quellen. Unwahrscheinlich ist
letzteres nicht. So knüpft der Alexanderhistoriker an den Kampf
Zur üeberlieferung der Geschichte Alexandere d. Gr. 567
zwischen Makedonien! und Lakedai moniern bei Mantinea Be-
trachtangen an, die stark an das anklingen, was Trogus über den
Zusammenstoss dieser Stämme bei Sellaeia aasführt:
Justin XXVIII 4, 2 inter duas Curt. VI 1, 7—8 duarum no-
nobiliseimas gentes bellum sum- bilissimarum hello gentium exer-
mis utrimque viribus fuit, cum citus pari Marte pugnabant, La-
hi pro vetere Macedonum gloria, oedaemonii yetera, Macedones
illi non solum pro inlibata li- praesentia deoora intuebantur,
bertate, eed etiam pro salute illi pro libertate, hi pro domi-
certarent. natione pugnabant.
In gleicher Weise sprechen sich beide auch über die Herkunft
der Parther aus: Justin Π 1, ^ qui cum ipsi Parthos Bactrianos-
que condiderint, ebenso II 3, 6, und Curt. VI 2, 14 Scythae qui
Parthos condidere^ Auch die auffallenden Uebereinstimmungen
in der Alexandergeschichte sind daher wohl nicht alle aus der
Benutzung der gleichen Quelle zu erkläreni sondern verrathen
einen engeren Zusammenhang beider Darstellungen. Von solchen
seien hervorgehoben : Justin XI 8, 3 plenus pulveris ac sudorie,
Curt. III 5, 2 pulvere ac sudore simul perfusum; J. 8, 4 rigor
— C. HI 5, 2 rigere; J. 8, 8 oculos in vultus legentis intendit
— C. III 6, 9 nee a vultu legentis movit oculos; 8, 9 ut seou-
rum vidit, laetior factus est — C. III 6, 12 non securum modo,
sed etiam laetum regem feoit ; J. 15| 5 multis vulneribus con•
fossum — C. V 13, 16 multis vulneribus confossum; J. XII 5, 8
in unam cohortem contribuit — C, VEI 2, 35 in unam cohortem
secrevit; J. 6, 5 aestimatio — C. VIII 2, 1 aestimatione ; J. 6, 7
a se occisum inter epulas et pocula lugebat — C. VIII 2, 8 a
me inter epulas occissus est; J. 9, 9 trunco se adplicuit — C.
IX 5, 4 stipiti corpus adplicuit; J. 11, 5 missionem flagitabant
— C. X 2, 12 missionem postulare ooeperunt; J. 11,8 e tribu-
nali desiluit — C. X 2, 30 desiluit de tribunali^
Hat Curtius die Darstellung des Trogus eingesehen, dann
erklärt sich die Gemeinsamkeit der Verurtheilung Alexandere
1 Vgl. Justin II 12, 4; XVIII 3,*1; XXII 5,10. Sonny (Rhein.
Mus. Bd. 41 8. 473 ff.) sieht darin eine Nachahmung Vergils (Aen. I
33 Romanam condere gentem, I 277).
3 Neuhaus, Progr. d. Friedr. College zu Königsberg 1900 S. 37
A. 3 vergleicht Justin XI 15, 14 mit Gurt V 13 ut regio more cura-
tum maiorum moaumentis inferretur, übersieht aber, dass die an-
geführten Worte gar nicht Curtius angehören, sondern in einem supple-
mentum stehen.
568 Reuse
auch ohne Timagenee, die Bedentang, die man diesem für die
Alexandergeschiohte hat beimeseen wollen, kommt ihm in keiner
Weise zu. Von seiner Partherfreandlichkeit wiesen wir gar
nichts, von seiner Römerfreundschaft zu wenig, um so weit-
gebende Combinationen darauf bauen zu dürfen, wie sie vielfach
auf die spärlichen überlieferten Notizen gebaut worden sind.
2. Eratosthenes und die Alexandertiberlieferung.
In der Zueammenetellung der verschiedenen Berichte giebt
sich bei den einzelnen Autoren vielfach eine auffallende üeber-
einntimmung kund, die zu der Annahme geführt hat, Plutaroh
und Arrian hätten die oitirten Quellen nicht direct benutzt, son-
dern aas einem Sammelwerk geschöpft (Schöne). Von einer Yer-
mutbung Gutschmids, die auch Niese (Greech. d. Hellenism. Bd. I
H. 8) billigt, ausgehend, suchten Kaerst und Lüdecke (de fonti-
bui, quibuB usus Arrianus Anabasim composnit in Leipziger Stu-
dien XI) Strabo als den Verfasser desselben zu erweisen, erkläre
dieser doch selbst, die Alezandergeschichte in einem besonderen
Werke behandelt zu haben (Π S. 70). Gegen die Benutzung
eines derartigen Sammelwerks sprach sich Fränkel, die Quellen
der Alexanderhistoriker, Breslau 1883 S. 30 fip. aus, und mit ihm
ff hob auch Schwartz (Pauly - Wissowa im Artikel Arrian) den
Einwand, ein so citatenreiches Sammelwerk, in dem die einzelnen
Citate sauber geschieden gewesen seien und Arrian gleich erkannt
habe, was Aristobul und Ptolemaios ausgesagt hätten, habe nicht
existirt und könne nicht existirt haben, da nur vereinzelt citirt
werde und auch Strabo davon keine Ausnahme mache. Eine
Alexandergeschichte Straboe hat, so fährt er fort, nicht existirt,
die Worte ύπομνηματιίομένοις τάς ΆλεΗάνορου πράξεις sind
von Excerpten zu verstehen, die jener aus Alexanderscbrift-
stellem sich für seine Geographie gemacht hat Diesen Aus-
führungen kann ich mich nur anschliessen. Hätte Arrian wirk-
lich nur aus Strabo geschöpft, dann wäre nicht einzusehen, wes-
halb er in vielen Parthieen* so wenig Verwandtschaft mit Strabo
zeigt. So ist jener selbst in geographischen Dingen, die beide
Aristobul entnehmen, aneführlicher als dieser (Strabo XVI 1
8. 739 u. 740 und Arrian VII 21, 2), in der vorausgesetzteo
Alexandergeschichte konnten dieselben aber unmöglich eingehen-
der behandelt sein, als in den γεωγραφικά. Auch mehrfache Irr-
thUmer, die sich Strabo in seiner .Geographie bezüglich der Ge-
schichte Alexanders zu Schulden kommen lässt, machen die Ab-
Zur UeberlieferuDg der Geschichte Alexanders d. Or. 569
faeeung einer besonderen Schrift über diese nicht sehr wahr-
scheinlich. So vertritt er XIll S. 593 allein die Ansicht, erst
nach der Schlacht am Oranikos sei Alexander nach Ilion ge-
kommen (Arrian I 11, 7, Plat. Alex. c. 15, Diod. X7II 17, 6),
lässt den König XIY 3 S. 666 die Stadt Termessos erobern,
während nach Arrian I 28, 2 die Belagerung aufgegeben wurde, und
bezeichnet IX 5 S. 533, wenn hier nicht ό Λ€Οννατος ausgefallen
ist, Leostbenes als Oefährten Alexanders. Höchst eigenthümlich
ist XI c. 13 S. 523 die Notiz, Μηοία ^Ατροπάτιος habe seinen
Namen von Atropates erbalten , der die Unterwerfung dieses
Reiches unter die Makedonier verhindert habe und König daselbst
geworden sei, während er nach Arrian IV 18, 3 von Alexander
als Satrap dorthin geschickt wurde. Wird man daher auch von
der Benutzung Strabos durch Plutarch und Arrian absehen müssen,
so lässt sich gleichwohl eine Oemeinsamkeit verschiedener Citate
sowie der Darstellung bei den erhaltenen Schriftstellern nicht in
Abrede stellen. Um diese zu erklären, hat man festzuhalten,
dass in den benutzten Quellen schon ältere Darstellungen ver-
arbeitet waren, dazu kommt aber noch ein zweites nicht un-
wesentliches Moment. Unsere Alexanderüberlieferung ist von
einem für die spätere Zeit sehr einflussreichen Kritiker behandelt
und gesichtet worden, der Niederschlag seiner Kritik liegt mebr
oder weniger bei Strabo, Plutarcb und Arrian vor. Dies geschab
durch Eratosthenes, dem eine reiche Litteratur zu Gebote stand
(Strabo II S. 69) und der die Summe des geographischen Wissens
zog, das durch die Feldzüge Alexanders und der Diadochen er-
schlossen war (vgl. Droysen I 2 S. 396 und Niese I S. 7). Keiner
der Schriftsteller nach ihm hat sich seinem Einfluss entziehen
können, sein Urtheil ist massgebend geblieben für Strabo, Plu-
tarch und Arrian.
Auf das Zeugniss des Eratosthenes beruft sich Plutarch
(Alex. c. 3) für die Nachricht, Olympias habe ihrem Sohn das
Gebeimniss seiner göttlichen Herkunft mitgetheilt und ihn er-
mahnt, dieser stets eingedenk zu sein. Vor der Schlacht bei
Gaugamela , so laatet des Eratosthenes Erzählung bei Plut.
Alex. 31, fand im makedonischen Lager ein Zweikampf zwischen
zwei Soldaten statt, von denen einer Alexander, der andere Darins
darstellte, Alexander rüstete jenen, Philotas diesen aus. Mit ge-
spannter Aufmerksamkeit folgte das Heer dem Kampfe, der für
den Darsteller Alexanders entschieden wurde und diesem als Be-
lohnung zwölf Dörfer und ein persisches Gewand eintrug: ταΟτα
670 Reuse
οΰν 'Ερατοσθένης \στόρηκ€ν. Als Gewäbremann wird dieser
auch in der Schrift de fort. Alex. I 8 für die Behauptung ge-
nannt, dans Alexander nicht persische oder medische, sondern
eine ans beiden zusammengesetzte Tracht angenommen habe, und
diese Mittheilung wird auch Plut. Alex. c. 45 vorgetragen (vgl.
Diod. XVil 77, 5, wonach Eratostbenes aus Elitarch zu schöpfen
scheint). Aristoteles rieth dem lumig, die Griechen als Freunde
zu behandeln, den Barbaren aber zu begegnen, als seien sie nur
Thiere oder Pflanzen, dieser Rath fand weder Alexanders Beifall,
noch die Billigung des Eratostbenes, der nur die Scheidung der
Menschen nach der Tüchtigkeit oder Schlechtigkeit gelten lassen
wollte (Strabo II S. 66 = Berger frg. Π C 24). Auch dieser
Nachricht begegnen wir in der Schrift de Alex. fort. I 6. Die
Fabeleien über die Feldzüge des Dionypos und Herakles nach
Indien fanden bei dem alexandrinischen Gelehrten keinen Glauben,
ebensowenig Hess er die Verlegung der Promet heussage nach dem
indischen Kaukasos gelten: Arrian V 3 λέγει πάντα δσα ές το
θεϊον αναφέρεται έκ Μακεδόνων προς χάριν της ΆλεΗάνορου
ές τό όπέρογκον έπιφημισθήναι.* Von Eratostbenes stammt nach
Kaeret die Kritik, welche bei Plut. Alex. c. 46 an der Amazonen-
sage geübt wird, diese Vermnthung erhält ihre Bestätigung durch
Justin XL II 3, 5, der ebenfalls schon die Zeugnisse für die Be-
gegnung Alexanders mit der Amazonenkönigin in seiner Quelle
zusammengestellt fand (multi anctores prodidere). Dass diese
Quelle Eratostbenes gewesen ist, beweist die Vergleichung von
Justin XLU 3, 5 ff. mit Strabo I 8. 48 (Berger frg. I Β 8), XI
S. 523 (Berger III Β 32), XVI 746 (Berger III Β 38) und
Plinius VI 31.
So finden wir eine Reihe von Stellen, die auf Benutzung
des Eratostbenes in der erhaltenen Litteratur uns führen; wir
sind aber auch im Stande, die Kritik kennen zu lernen, die er
an den Alexanderschriftstellern und ihren Schriften übte. Die
Feldzüge Alexanders haben die geographische Eenntniss der Mit-
welt und Nachwelt erweitert, sie haben den grössten Theil Asiens
und die nördlichen Striche Europas erschlossen (Strabo I 2 S. 14
= Berger I Β 10). So kann man die Gebirgsgegend von Ariana
am besten beschreiben, wenn man den Weg darstellt, welchen
Alexander von Parthiene aus nach Baktra nahm (Strabo XV 2
S. 724). Das ist ein Eratüsthenischer Satz, den auch Plinius
wiederholt ausspricht: Π t)7; VI 15. 21. Nicht alle, welche über
den Orient mit seinen Wandern schrieben, haben sich ein nüch-
Zur Ueberlieferung der Geschichte. Alexanders d. Gr. 571
ternes Urtheil bewahrt, viele sind daher in den Verdacht der
Uebertreibung und Lüge gekommen. Den meisten Schriftstellern
ist nicht zu trauen, sie nehmen es leicht, theils um Alexandere
Ruhm noch zu mehren, theils weil der Feldzng bis zu den
äussersten Enden Asiens ging, das Entfernte aber schwer zu
widerlegen ist (Strabo XI 6 S. 507, vgl. l S, 14). Einfalt und
Fabelsucht nehmen ihnen alle Glaubwürdigkeit, Alexanders Prah-
lerei zu Liebe hat man viel Lügenhaftes vorgebracht. Man
wusste, dass der Tanais die Grenze zwischen Asien und Europa
bilde, das Stück aber vom hyrkanischen Meere bis zum Tanais
einen grossen Theil Asiens ausmache; so sann man auf ein Mittel,
dass sich wenigstens die Sage verbreite, Alexander habe auch
über diese Gegenden geherrscht. Daher zog man die mäotische
See, in welche der Tanais mündet, mit dem k aspischen Meer in
eins zusammen und behauptete, beide seien mit einander verbunden
und eins sei ein Theil des anderen. Als Beweise dafür führt
Polyklit an, dass jenseits des Tanais die Tanne wachse, die dem
oberen und östlichen Asien fremd sei, und dass das hyrkanische
Meer süsses Wasser habe und Schlangen in ihm lebten. Hier-
gegen wendet Eratostbenes, der auch andere derartige Behaup-
tungen widerlegt, ein, dass die Tanne auch in Asien vorkomme
und Alexander aus ihrem Holze eine Flotte gebaut habe (Strabo
XI S. 509). Auch mit den Erzählungen des Onesikritos war
Eratosthenes wenig einverstanden. Was er von den Baktrern
erzählt, ist nicht gut. Sie werfen die vom Alter oder durch
Krankheit Entkräfteten den Hunden vor, die geflissentlich hiezu
gehalten werden und die sie in der Landessprache Todtengräber
nennen. Ausserhalb der Stadtmauern von Baktra sieht man nur
Reinlichkeit, innen aber ist alles voll von menschlichen G-ebeinen.
Alexander schaffte diesen Brauch ab. Wenn Alexander wirklich
dergleichen traf, so weiss man nicht, was man von den persi-
schen und früheren Herrschern denken soll, was für Gebräuche
sie gehabt haben mögen (Strabo XI S. 517), vgl. de fort. Alex.
1 5. Aus der Kritik des Eratosthenes mag auch Plutarch Alex,
c. 46 stammen : Onesikritos las König Lysimachos das 4. Buch
seiner Aufzeichnungen vor, in welchem er die Begegnung Ale-
xanders mit den Amazonen darstellte, da fragte dieser lächelnd:
^wo war ich denn damals?' Unter allen Gefährten Alexanders,
welche die miterlebte Geschichte litterarisch behandelt haben,
verdient er darum am allerwenigsten Glauben. Strabo XV 1,698
'man bollte Onesikritos nicht sowohl Alexanders, als aller Fabeln
572 Reuse
ObereteaermaDD nennen. Zwar haben alle, die um Alexander
waren, eioh lieber an Wunder, als an die Wahrheit gehalten,
doch scheiiit dieser an Liebe für das Wunderbare alle übertroffen
zu haben. Uebrigens hat er auch manches Grlaubwtirdige und
Wichtige, wenn man ihm schon keinen Glauben beimisst.' Den
Vorwurf der Lüge erspart ihm daher auch Arrian VI 2, 3 nicht:
Onesikritos hat auch darin gelogen, dass er sich als Nanarohen
ausgiebt, während er doch nur Steuermann war. Nicht minder
hat er sich in seinen Berichten über Indien der üebertreibung
und Lüge verdächtig gemacht, doch ist er hier von anderen noch
überboten worden: Strabo Π S. 70 (Berger I Β 23) ^Diejenigen,
welche über Indien schrieben, haben sich als Lügner erwiesen,
vor allen Deimachos, hernach Megasthenes, Onesikritos und Nearch
und andere, die solche Albernheiten erzählen. Am wenigsten
darf man Deimachos und Megasthenes trauen. Diese sind es, die
von Langohren reden, von Leuten ohne Mund und Nase, von
Einäugigen und Langfüsslem und von Menschen mit zurück-
geschlagenen Fingern. Sie wärmten auch den homerischen Kampf
der Kraniche mit den Pygmäen, welche sie drei Spannen lang
machten, wieder auf. Sie kennen auch die goldgrabenden Ameisen,
die spitzköpfigen Pane, die Schlangen, welche Rinder und Hirsche
mit dem Geweih verschlucken, worin einer den anderen zu wider-
legen sucht, wie auch £ratosthenes sagt.^ Ihnen werden Pa-
trokles und andere, nicht unglaubwürdige Zeugen, die Eratosthenes
anführt, gegenübergestellt. Die gleichen Vorwürfe werden wieder-
holt Strabo XV S. 702 u. 711, vgl. Plin. VO 21, sie hat auch
Arrian offenbar vor Augen, wenn er V 4, 3 schreibt: υπέρ ών
έγώ oÖT€ οίστισι νόμοις οιοχρώνται έν τήΟ€ τή HuTTpoqrt
ανέγραψα ούτ€ Ιψα εΐ br\ τίνα ατοπα ή χώρα αύτοΐς εκφέρει
ovbk τους μύρμηκας τους τόν χρυσόν σφισιν εργαζομένους.
Als Motiv für die unwahren Erzählungen wird vielfach der
Wunsch Alexander zu schmeicheln vorausgesetzt. So ist es die
Schmeichelsucht der Schriftsteller, welche die Erzählung von der
Königin der Amazonen Thalestris aufgebracht hat. unter den
vielen Geschichtschreibern reden gerade die wahrheitsliebenden
nichts davon, and die, welche davon reden, stimmen nicht über-
ein. Klitarch sagt, Thalestris sei von den kaspischen Pforten
und vom Thermodon her zu Alexander mehr als 6000 Stadien
weit gekommen. Was aber, um des Königs Ruhm zu mehren,
verbreitet worden — gesetzt es stimmte alles überein — das
kennzeichnet mehr die Schmeichelsucht, als die Wahrheitsliebe
Zur üeberliefemng der Oeschiclite Alexanders d. Or. 673
derer, die es erfunden haben (Strabo XI S. 505). Ihre Unglanb-
würdigkeit giebt sich in dem Mangel an üebereinetimmnng kund.
Von denen, welche Alexander Asien unterjochen halfen, wider-
spricht oft einer dem anderen. Da sie nun über das, was sie
gesehen haben, so verschiedener Meinung sind, was soll man von
dem nach Hörensagen Berichteten halten? (Strabo XV S. 685).
Das was von Bacchus und Herakles gesagt wird, hält Megasthenes
mit einigen für wahr, die meisten anderen, darunter £rat08thenes,
für unglaubwürdig und fabelhaft (S. 687). Nach solchen Sagen
haben einige die Nysäer zu einem Volke gemacht und bei ihnen
eine Stadt Nysa, eine Gründung des Dionysos, und einen Berg
Meros angenommen, wofür sie sich auf den dortigen Epheu und
die Weinrebe berufen. Zu Nachkommen des Dionysos machen
sie auch die Oxydraken wegen der bei ihnen wachsenden Rebe,
sowie wegen der herrlichen Bacchuszüge, bei denen die Könige
unter Cymbelnklang und in prächtigen Gewändern ins Feld rücken.
Auch reden sie prunkend von einem Felsen Aornos, an dessen
Fuss der Indus vorbeiflieset und welchen Alexander beim ersten
Sturme eroberte, um nämlich diesen zu erheben, dass Herakles
dreimal an diesem Felsen angesetzt habe und dreimal zurück-
geschlagen sei. Abkömmlinge seiner Kriegsgenossen seien die
Sibier, die als Kennzeichen ihrer Abstammung noch den Brauch
hätten, sich mit Fellen zu bekleiden und Keulen zu tragen, und
diese auch den Stieren und Mauleseln aufbrennen. Unterstützt
wird diese Sage durch die vom Kaukasos und Prometheus; denn
diese haben sie vom Pontes £uxeinos hierher versetzt, weil sie
bei den Paropamisaden eine heilige Grotte fanden. Diese wiesen
sie als dan Gefängniss des Prometheus vor, hierher sei He-
rakles gekommen zur Befreiung des Prometheus, und dies sei
der Kaukasos, den die Griechen als den Ort der Anfesselung des
Prometheus bezeichneten. Dass dies Erfindungen von Schmeichlern
Alexanders sind, erhellt daraus, dass die Geschichten nicht mit
einander übereinstimmen, indem einige es wirklich erzählen, an-
dere es nicht einmal erwähnen. Denn es ist nicht wahrschein-
lich, dass so berühmte prahlerische Geschichten nicht einmal be-
kannt geworden sein sollten, oder zwar bekannt, jedoch nicht
merkwürdig genug befunden, und zwar von den glaubwürdigsten
derselben (Strabo XV S. 687). Die Herkunft dieser Ausführungen
aus Eratosthenes kann nicht zweifelhaft sein, wir finden sie genau
80 wieder Arrian Indica 2, 4 und 5, 8 — 13 und Anab. V 1 ff.
An der letzten Stelle wird c. 3, 1 dieser ausdrüeklich als Uf«
574 Reu88
beber genannt. Arrian kann die Zweifel Reines Gewäbremannes
nicht theilen and sich nicht entRchlieeeen, die Erzäblnngen über
Dionysos wenigstens preiszugeben, wenn er ancb zngiebt, dass
die Verlegung der Prometbenssage της 'AXeEavbpou fv€Ka δόξης
vorgenommen ist (V o, 3, vgl. ^, 3 τά 'AXeEavbpou αυΕοντ€ς)
und das« die Mittheilungen über Herakles' vergebliche Angriffe
auf den Aornosfelsen eitel Prahlerei sind (IV 28, 2 τον Ήρακλβα
ές κόμπον του λόγου έπιφημΚβσθαι. Ind. c. 5, 10 Μακβόονικόν
κόμπαΟ'μα*. Trotz dieses Zugeständnisses aber kann er ps sich
nicht versagen, Alexander selbst in der Rede V 25, 3 ff., die
auch noch andere Widersprüche mit der sonstigen Darstellung
aufweist (26, 1), die gleiche Prahlerei in den Mund zu legen:
26, 5 f) "Αορνος πίτρα ή τψ ^Ηρακλεϊ άνάλωτος προς ημών
ίχεταΐ. Alles, was auf die Gottheit und ihr Eingreifen von den
Makedoniern zurückgeführt wird, ist nach Eratostbenee Alexander
zu Liebe ins Masslose tibertrieben: V 3, 1 λέγει ές τό ύπέρογκον
έπιφημκτθήναι. Das ist der Wortlaut der Eratoetbeniecben Kritik,
den Strabo und Arrian festgehalten haben: IV 28, 2 έπίφημί-
ίεσθαι, 28, 4 τφ μύθψ πεφημισμένψ , V 3, 1 έπίφημισθήναι,
Strabo XVI S. 737 οΐ Μακεδόνες κατεφήμισαν, ΧνΠ 802 (ßerger
Ι Β 9) προσεπιφημισθήναι, er kehrt auch wieder bei der Be-
urtbeilung Homere: I S. 22 (Berger I Α 12) τών μύθιυν . . .
πεφημισμίνων.
Trotz dieser scharfen Verurtheilung spricht Eratosthenes
diesen Gewährsmännern nicbt alle Glaubwürdigkeit ab. Wenn
sie auch manches ans Schmeichelei hinzusetzen, so geben sie doch
auch viel Glaubwürdiges an. So sagt Ealliethenes, Alexander
habe hauptsäcblich des Ehrgeizes wegen gestrebt, zu dem Orakel
des Juppiter Ammon zu geben, da er gehört, dass aucb Persens
und Herakles dabin gegangen seien. Strabo XVII S. 814 knüpft
hieran die Erzählung des Kallistbenes über Alexanders Zug zum
Ammontempel und dessen Mittheilungen über das Orakel und die
Orakelsprticlie der Brancbiden, wobei wieder der Vorwurf der
Schmeichelei und Lüge nicht unterdrückt wird: τούτιυν κολο-
κευτικώς λεγομένων und προστραγψδεϊ bfe τούτοις 6 Καλλισθένης.
Wegen dieser Inconsequenz tadelte Hipparcbos seinen Vorgänger
bezüglich des Patrokles (Strabo Π S. 69), und in allgemeiner
Fassung ist dieser Tadel ausgesprochen Strabo I S. 47 τά μέν
έλεγχων, τά hk πιστεύων. Eratostbenee spricht gegen solche,
die offenbar Erdichtetes und Unmögliches tbeils als wirkliche
Fabel, theils als Geschichte vorbringen, was zu erwähnen nicht
Zur Üeberliefening der Geschichte Alexanders d. 6r. 575
der Mühe lohnt, weshalb er sich anf solches Geschwätz nicht
hätte einlassen sollen (Strabo I S. 62). Zu den Schriftstellern,
denen man nicht trauen kann, gehört, wie wir sehen, auch One-
sikritos, gleichwohl kann man seine Nachrichten nicht übergehen,
da er manches Glaubwürdige und Erwähnenswerthe berichtet
(Strabo XV S. 697). Wie sehr Arrian diesen Standpunkt theilt,
wird weiter unten dargelegt werden.
Der Einfluss des Eratosthenes tritt auch deutlich zu Tage
in den Auslassungen, die Strabo XVI S. 737 über die Schlacht
bei Gaugamela giebt. Da die Mak^donier Gaugamela als ein
elendes Dorf antrafen, Arbela dagegen als einen ansehnlichen
Ort, machten sie dies aU Ort der Schlacht bekannt und über-
lieferten es so den Geschichtfichreibem, vgl. Plut. Alex. c. 31.
Ausführlicher hat Arrian, der sich für Gaugamela auf das Zeug-
niss des Ptolemaios und Aristobulos beruft, den kritischen Ex-
curs des Alexandriners uns überliefert: VI 11, 4 — 6 Gaugamela
war keine Stadt, sondern ein unbekanntes Dorf mit schlecht*
klingendem Namen, deshalb trug Arbela den Ruhm davon, als
Schlachtort gewählt zu werden. Arbela lag 600 oder nach an-
derer Ueberlieferung 500 Stadien vom Schlachtfelde entfernt, mit
demselben Rechte könnte man daher die Schlacht bei Salamis
als Schlacht von Korinth oder die Schlacht bei Artemision als
Schlacht bei Aigina oder Sunion bezeichnen. Arrian bringt dies
nicht in dem die Schlacht darstellenden Abschnitte, sondern bei
Behandlung der Frage, ob Alexander im Lande der Ox}draken
oder Maller verwundet wurde, schöpft also offenbar aus einer
Quelle, die sich über die Glaubwürdigkeit der Alexander Schrift-
steller aussprach. Eben daher stammt selbstverständlich das
ganze Kapitel über die Verwundung des Königs: VI 11, 2 vieles
andere haben die Geschichtschreiber über die Verwundung ge-
schrieben und die Ueberlieferung hat es aufgenommen nach dem
Berichte derer, die zuerst gelogen haben; 11,7 das schwerste
Versehen ist aber die Rettung Alexanders durch Ptolemaios,
der nach eigenem Berichte gar nicht an jenem Kampfe theil-
genommen hat.
Auf Eratosthenes wird auch die Zusammenstellung der ver-
schiedenen Zeugnisse über den Tod des Kalanos zurückgehen, ob-
wohl Schwartz (Pauly-Wissowa: Arrian) für Strabo und Arrian
eine gemeinsame Quelle leugnet. 'Von dem Mangel an Ueber-
einstimmung bei den Schriftstellern zeugt auch das, was von
Kalanos gesagt wird. Dass er zu Alexander kam und freiwillig
576 Reuse
dnrch Feuer sieb tödtete, dann stimmen sie überein, aber nicht
in der Art und Weise' (Strabo XV 717). Strabo will verecbie-
dene Ueberliefernngen mittheilen, verspricht aber mehr als er
hält. Nachdem er die Erzählung Elitarehs (Diod. XVU 107)
vorgetragen hat, bemerkt er, nach anderer üeberlieferung eei der
Inder nicht auf ein goldenes Ruhebett gelegt worden, sondern
auf einen Holzstos in einem hölzernen, mit Blättern gefüllten
Hause, und knüpft daran den Tadel des Megasthenes gegen Ka-
lanos und dessen Anerkennung für Mandanis. Soweit stimmt
auch Arrian VII 2 und 3, 1 mit Strabo überein, wird dann aber
eingehender in der Mittheilung anderer Abweichungen über Neben-
dinge, die letzterer übergeht.
ün Wahrhaftigkeit und Uebertreibnng sind also die Fehler,
deren die grosse Menge der Alexanderschriftsteller sich schuldig
macht, sie lassen sich leiten von dem Streben, dem Könige zu
schmeicheln, um so mehr, als dieser geschmeichelt haben will,
sie kennen um so weniger Mass in ihren Fabeleien, als sie von
weit abliegenden Ländern erzählen, bei denen Niemand sie wider-
legen kann; nur der Umstand, dass sie einander widersprechen,
lässt in vielen Fällen ihre Lügen als solche erkennen. Hält
man sich an diese Grundzüge der Eratosthenisohen Kritik, dann
kann man nicht zweifelhaft sein, wem Arrian seine Ansicht
über die von ihm benutzten Quellen zu danken hat. Ueber Nie-
manden haben, so erklärt er I 1, so viele Schriftsteller geschrieben,
wie über Alexander den Grossen, bei Niemanden stehen sie aber
auch mit einander so in Widerspruch, wie bei ihm. Arrian hält
sich an Ptolemaios und Aristobulos, beide haben an des Königs
Feldzügen theilgenommen, beide aber nach des Königs Tod ge-
schrieben, für beide fiel daher der Grund zur Schmeichelei weg,
weder Zwang noch Aussicht auf Belohnung konnte sie ver-
anlassen, die Dinge anders darzustellen, als sie sich zutrugen.
Neben ihnen giebt es aber noch die Berichte anderer, die nicht
ganz unglaublich und daher der Wiedergabe nicht unwerth er-
scheinen: ου πάνττ) δττιστα, Π 12, 8 οοθ' ώς αληθή οΰτ€ ώς
πάντη δτηστα. Wo das Eingreifen der Gottheit in Frage steht,
kann Arrian dem skeptischen Eratosthenes nicht folgen, manches,
was dem natürlichen Verstände unglaublich erscheint, wird doch
begreiflich, wenn man göttliches Walten annimmt (V 1, 2). Solcher
Glauben wird freilich auf harte Probe gestellt, wenn selbst die
zuverlässigsten Gewährsmänner mit einander nicht harmoniren,
ψϊβ III 3, 5; dann mnss er auf genaue Darstellung versichten
Zur Ueberlieferung der Geschichte Alexandere d. Gr. 577
und kann nur yersichern, dase eine Gottheit dabei eingegriffen
habe, weil die Wahrscheinlichkeit dafür spreche. In solchen
Fragen hat Plutarch sich dem Standpunkt des Eratosthenes mehr
genähert, wenn er von dem Marsche Alexanders an der pamphy-
lischen Küste schreibt: AI. c. 17 ή 6έ τής Παμφυλίας πάρα-
ορομή πολλοίς γέγονε τών Ιστορικών ύττόθίσις γραφική προς
ίκπληΗιν και δγκον ώς θβίςι τινι τύχη παραχιυρήσασαν τήν
θάλασσαν Άλεζάνόρψ, während Arrian auch hier die Zweifel
an dem Walten der Gottheit für unberechtigt hält: I 16, 2 ουκ
δνβυ του θείου ^ Trägt letzterer aber auch Bedenken, hier die
Anschauungen seines Gewährsmannes zu den seinen zu machen,
so folgt er doch sicher diesem, wenn er von den ungereimten
Lügen über die Inder spricht, die sich nicht widerlegen liessen
(V 4, 3). Manche Fabeleien über diese haben Alexanders Feld-
züge als solche erwiesen, soweit nicht einige seiner Gefährten
selbst Lügen verbreitet haben, sie haben dargethan, dass die
Inder kein Geld besitzen und nicht verweichlicht in ihrer Lebens-
führung sind, dass sie hohen Körperbau und dunklere Hautfarbe
als die anderen Völker, mit Ausnahme der Aithioper, haben (V
4, 4). Das ist ein Citat aus Eratosthenes, wie die Vergleichung
mit Eustath. ad Dionys. peripl. v. 1107 (Berger fr. III Β 16)
und Strabo XV S. 690 (111 β 12) ergiebt (vgl. auch Strabo XV
5. 695 βελτίους bk — φαμέν).
In der Behandlung der Alexandergeschiohte nimmt Erato-
sthenes denselben Standpunkt ein, wie in der Homerfrage, und
darin liegt ein weiterer Beweis für unsere Annahme, dass die
Spuren der kritischen Methode, wie sie bei den späteren Histo-
rikern vorliegen, auf ihn zurückführen. Auch Homer jagt nach
Wundern (Strabo I S. 18), seine Mythen knüpfen theils an wirk-
liche Oertlichkeiten an, theils werden sie nach erdichteten Orten
verlegt (I S. 22 τών μύθων . . . πεφημισμένων). Die Meinung
derjenigen, welche behaupten, die Irrfahrt des Odysseus sei nicht
erdichtet, lässt eich durch den Mangel an Uebereinstimmung
widerlegen (έΕ αύτου του μή συμφωνεϊν έλίγχεσθαι ψευδό-
μενους). Das ist dasselbe Argument, mit dem auch die Glaub-
würdigkeit der Alexanderschriftsteller in Zweifel gezogen wird.
^ Kallisthenes, um den es sich haudelt, mag sich wohl ähnlich
ausgesproüheu haben, wie Xenophon über den Uebergaug des Kyros
über den Euphrat: Anab. I 4, 18 έ6όκει 6ή θ€ΐον cTvai καΐ σαφώς
ύποχωρήσαι τόν ποταμόν Κύρψ ώς βασιλ€ύσοντι
UheiD. Mua. f. Pbilol. Ν. F. LVIl. <57
578 Renas
Nicht anders steht es mit der Behauptung, man könne annehmen,
der Dichter hahe die Irrfahrt des Odysseus in den Westen ver-
legen wollen, hahe aher theils aus Mangel an genaueren Nach-
richten, theils mit Ahsicht seinen Vorsatz nicht ausgeführt, um
alles ins Furchthare und Wunderbare ziehen zu können (Strabo
I S. 26). Noch schärfere Fassung wird diesem Vorwurf mit des
Worten gegeben: Homer stellte besonders das Fernä als wunderbar
dar, weil er hier am leichtesten aufschneiden könne (bia τό €u-
κατάψ€υ(Ττον). Auch die Schriftsteller über Alexander nehmen
es leicht, weil der Feldzug des Königs bis zu den äussersten En-
den Asiens ging, das Entfernte aber schwer zu widerlegen ist
(XI S. 507).
Von den Schriften des Eratosthenes kann nur seine Geo-
graphie als Quelle für die späteren Darsteller der Alexander-
geschichte in Betracht kommen. Sie bestand, wie Berger S. 17
ausführt, aus drei Büchern; das erste enthielt einen kritischen
üeberblick über die Geschichte der Geographie von den ersten
Anfängen bis auf die Zeit des Verfassers, in dem zweiten wurde
eine Darstellung der leitenden Prinzipien und Fixirung der Pa-
rallelen gegeben, dem dritten war die Eintheilung und epecielle
Behandlung der οικουμένη vorbehalten. Nach Berger beschränkte
Eratosthenes sich im dritten Buche auf die Darstellung der
äusseren Umrisse der einzelnen Länder, so wie sie unter seinem
Namen bei Strabo erhalten sind, indessen dürfte er in der Mit-
theilung von geographischem Material doch weiter gegangen sein,
als Berger annimmt. So läset in Strabos Behandlung Indiens
auf Eratosthenischen Ursprung schliessen, waet XV S. 685 über
die Widersprüche bei den Schriftstellern über Alexander und
S. 688 über die Lügen der Schmeichler desselben mitgetheilt
wird. Für Benutzung des gleichen Autors auf S. 686 — 688
spricht die Vergleichung mit Arrians Indica: Megasthenes über
frühere Feldzüge nach Indien = Ind. 5, 4 — 7; Nysa = Ind. 5, 9;
Aornos = Ind. 5, 10; Sibier = Ind. 5, 12; Kaukasos = Ind.
5, 10 — 11 ; eine solche Uebereinstimmung wäre undenkbar, wenn
beide nicht diese Zusammenstellung schon vorgefunden hätten.
Zwischen den von Berger als frg. III Β 6 und III Β 12 be-
zeichneten Stücken Strabos steht ein Abschnitt, der Angaben aus
Ktesias, Onesikritos, Nearchos, Megasthenes und Deimachos ent-
hält, auch diese finden sich bis auf die Notiz aus Deimachos id
derselben Reihenfolge Arrian Ind. 3, 6 — 8 wieder; bei beiden
kann es sich nur um Herübemahrae dieser Citate aus Eratosthenes
Zur Ueberlieferung der Oesdiichte Alexandere d. Gr. 579
bandeln. Den angeführten Fragmenten entspricht im ganzen
Arrian Ind. 3, 9 — 6, 9, hier liest man die Eratosthenes (frg. III
Β 52) eigentbümliche Erklärung der Nilanech wellung (6, 7 u. 8),
seine Ansicht über die Regengüsse in Indien (6, 6), den Ver-
gleich zwischen Indien und Aetbiopien (Berger fr. III Β 16).
Strabo und Arrian (6) 8) citiren Onesikritos für das Vorkommen
der Flusspferde in den indischen Flüssen, ersterer wiederholt
seine Angabe XV S. 707 gewies nach derselben Quelle. Eben
daher ist aber auch XV S. 692 das Citat aus Nearchos ent-
nommen, das in demselben Zusammenhange auch Arrian Ind. 6, 5
steht in einer Form, die deutlich die Polemik gegen Aristobul
erkennen lässt ; οεται hk και του θέρους. Dem Auszuge aus
Eratosthenes will Strabo eine speziellere Beschreibung Indiens
nach anderen Schriftstellern folgen lassen, doch macht er sich
auch in dieser von jenem nicht frei. Was er S. 691 aus Nearchos
mittheilt, steht ausführlicher Arrian V 6, 4—6, wo in § 2 die
Eintheilnng Asiens in 4 σφραγίδες, in § 3 die Grenzen Indiens
nach Eratosthenes behandelt sind. Bei der Erklärung des Namens
in § 4 zählt er wie Nearch bei Strabo verschiedene Ebenen auf,
die von Flüssen angeschwemmt sind, und citirt wie dieser das
Wort Herodots, dass Aegypten ein Geschenk des Nil sei. Das
Citat ist von Nearchs Worten unabhängig, daher hat er es nicht
gehabt, wie ja Arrian, der Υ 4, 2 schon Ktesias angeführt hat,
hier noch auf Hekataios sich beruft (vgl. Strabo XI S. 507 ή
Κτησίφ ή'Ηροδότψ καΐ Έλλανίκψ και SXXoic τοιούτοις). Auch
für Strabo wird es daher wahrscheinlich, dass Nearch hier nicht
direckt benutzt, sondern mit Herodot aus Eratosthenes herüber-
genommen ist. Eine Nachricht aus Ktesias enthalten Strabos
Worte XV S. 700: ώστε και έφ' εκατόν σταδίους, ώς οι μή
μετριάίοντές φασιν κτλ. vgl. Arrian V 4, 2, der V 6, 8 auch
der 15 Nebenflüsse des Indus gedenkt (Strabo aaO.); auch hier
darf man daher Eratosthenes als Mittelquelle betrachten. Diesem ,
möchte ich auch Arrian V 20,8—9 zuweisen; die Bemerkung,
dass Ptolemaios nur bei dem Akesines die Breite angegeben
habe, weist deutlich auf Benutzung eines Geographen hin. Wenn
von Strabo XV S. 705 die Lebensdauer der Elefanten auf 200,
nach Onesikritos auf 300 Jahre berechnet wird, so bat auch hier
nicht er diese verschiedenen Angaben zusammengestellt, sondern
sie schon vorgefunden: Plin. VI 11 10 vivere ducenis annis et
quosdam trecenis. Aehnlioh steht es mit Strabo XV S. 705 τών
bi μυρκήκων κτλ. und Arrian Ind. 15, 4 u. 5. In einem Ab-
580 Reuse
eobnitte über die Jagden in Indien wird an die Bemerkung Ne-
arcbe» er habe die Haut von goldgrabenden Ameisen gesehen,
die Beeobreibung der letzteren, wie sie Megasthenes giebt, an•
gescblosBen, das führt zur Annahme, dass auch hier die gemein-
same Vorlage eingesehen ist. £rato8thenes wird ja als Quelle
seiner Indica von Arrian V 5, 1 ausdrücklich genannt. Seine
Kritik des Deimachos, der den Schattenwechsel im südlichen
Indien leugnete, steht Ind. c. 25, 7 — 8. Zu den Worten, welche
Strabü XV S. 720 auf das Bergersche Fragment III Β 22 folgen :
πλην φοινίκων και άκάνθης τινός και μυρίκης sei auf frg. III
Β 48 (Strabo XVI S. 767) hingewiesen : φοίνικας έχουσα ολί-
γους και άκάνθαν και μυρίκην και ορυκτά ΰοατα (ΣκΤπερ και ή
febpuJCTia, auch hier geht die Benutzung des Eratostbenes weiter,
als sie von Berger angenommen wird. Hierher werden auch
Strabos Mittbeilungen über das Klima der Landschaft Persis
(XV S. 727 wo ein Fragment aus Eratostbenes sich anschliesst)
gehören,- die Arrian Ind. 40, 2 — 5 Aufnahme gefunden haben und
hier durch die Worte: τήν hk TTepaiba τριχή νενεμήσθαι τών
ώρέιυν λόγος κατέχει von dem aus Nearoh Entnommenen ge-
schieden werden. Das Citat aus Nearchos bei Strabo XI S. 524 ,
über die Uxier, Kossäer und Marder steht auch Arrian Ind. 40, 6,
doch wird jener im 11. Buche von Strabo gar nicht genannt, und
es ist unwahrscheinlich, dass dieser ihn dort eingesehen hat, um
ihm eine Notiz über die Kossäer zu entnehmen, üeber den Tigris
handelt Erat. fr. Β III 38 (Strabo XV S. 746) und III Β 31
(ebendas.), sowie HI Β 32 (Strabo XI S. 523), letzteres hat
grösseren Umfang, als Berger ihm giebt, wie aus der völlig
gleichlautenden Darstellung des Plinius (VI 31) ersichtlich ist.
Für Strabo XVI S. 748 έν ή τιμώσι τήν Συρίαν θεόν und XVI
S. 785 Δερκετώ b' αυτήν Κτησίας λέγει ergiebt sich die Quelle
aus dem unter Eratostbenes Namen gehenden κατα(Ττερ. c. 38
. κατά τήν Βαμβύκην . . . ΔερκετοΟς ήν οΐ περί τους τόπους
οίκουντες Συρίαν θεάν ώνόμασαν. Von besonderer Bedeutung
für die Alexandergeschichte ist auch das 11. Buch Strabos, auch
in ihm hat man vieles als Eigentbum des Eratostbenes anzu-
erkennen. So gehört ihm an die Tbeilung Asiens durch einen von
Westen nach Osten streichenden Gebirgszug in eine südliche uod
nördliche Hälfte (vgl. Π S. 67, XI 12 S. 522, Arrian Ind. 2, 2,
Anab. V 5; 6, 1 — 2), die Schilderung der Fruchtbarkeit Hyr-
kaniens, die man im gleichen Wortlaut auch II S. 73 liest. Die
Vorstellung, welche Eratostbenes von dem kaspischen Meere hat,
Zur üeberlieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 581
hat Arrian Anab. V 2β, 1 und VH 16, 1—3 beeinfluset. Auf ihn
geht auch Arrian III 30, 7 — 9 zurück, nur ist die in den Worten
και τόν Τάναϊν τούτον είσΐν οΙ . . . ausgesprochene Ansicht
diejenige, welche von Eratosthenes bekämpft wird. Ebenso steht
es mit Strabo XI 8 (S. 717): Die Makedonier nannten das Ge-
birge, welches Asien scheidet, Kaukasos; im Osten schliessen
sich Paropänisos, Emodos und Imaos an (Arrian Ind. 2, 1—9,
Anab. V 5). Verwandt mit dem, was Plut. de fort. AI. I 8 aus
Eratosthenes angiebt, ist auch das, was wir Strabo XI 18 S. 526
über die medische und persische Tracht lesen.
So dürfte Eratosthenes doch in seinen Mittheilungen weiter
gegangen sein, als dies Berger zugestehen will. Spätere Be-
arbeiter der Alexandergeschichte fanden bei ihm reiches Material,
vor Allem aber fanden sie die Ueberlieferung kritisch gesichtet
und nach dem ihr zukommenden Werthe beurtheilt. Von der
Kritik, die er geübt hat, haben Strabo, Plutarch und Arrian ihr
ürtheil über die Geschichtschreiber der Feidztige Alexanders ab-
hängig gemacht.
8. Aristobul und Elitarch.
Ueber die Zeit, in welcher Klitarch geschrieben hat, und
über das Verhältniss, in welchem er zu Aristobul steht, gehen
die Ansichten auseinander. Nach Fränkel (S. 82) hat er seine
Alexandergeschichte vor diesem in den Jahren 304 — 300 v. Chr.
abgefasst und ist, wie Schwartz (Pauly-Wissowa: Aristobulos) be-
hauptet, von ihm benutzt worden. Die überlieferten ürtheile
über Aristobul lauten, von Lukians anekdotenhaften Erzählungen
abgesehen, sehr günstig, sie haben, ausser bei Schwartz, all-
gemeine Zustimmung gefunden. Letzterem dagegen ist er ein
hausbackener, nüchterner Philister, der erst spät zur Feder ge-
griffen habe, sein Werk kein wurzelechtes Gewächs, sondern nur
ein Spross an dem grossen Baum der geschichtlichen und legen-
darischen Erzählungen von Alexander. Nicht allein Nearch und
Onesikrit, sondern auch Klitarch soll der compilirende Litterat zu
Rathe gezogen und in Kleinigkeiten bekämpft haben, um die von
ihnen vertretene Gesammtanschauung doch bestehen zu lassen und
selbst zu tibernehmen. Niese (Histor. Zeitschr. Bd. 79 S. 2 A. 1)
nimmt dagegen Abhängigkeit Klitarchs von Aristobul an: 'Kli-
tarch gab für den Beinamen Soter des Ptolemaios Lagi die be-
kannte Erklärung. Nun ist aber als festgestellt anzusehen, dass
dem Ptolemaios er^t nach seinem Tode die Apotheose und der
5^ Reosi
ßeioame Soter zoerkannt worden ist; «iieeer lisfft sich erat im
2b, Jabre des Ptolemaioe II zuerst naehweisen db. 261 v. Cbr. . . .
ΑΙλο wird Klitarcb nicbt vor 260 v. Cbr. freacbrieben baben,
womit stimmt, dass er obne Zweifel den Aristobnl aos^ebig be-
nutzt bat*. Ein scbrofferer Widersprucb der Ansiebten ist nicbt
denkbar, ebensowenig aber die Lösung der Qoellenfrage, ebe die
litterariscbe Frage der Priorität des einen oder anderen Sebrift-
stellers gelöst ist. Das ürtbeil von Sebwartz eracbeint yon
voroberein als wenig wabrscbeinlicb. Aristobnl sebrieb am Ende
seines Lebens nieder, was er selbst erlebt nnd geseben batte,
dabei nabm er Bezug anf Veröffentlicbungen von Zeitgenossen,
die vor seiner Darstellung ersebienen waren, Klitarcb dagegen
ist an dem Erzählten selbst nicbt betbeiligt gewesen nnd be-
natzte das Material, das andere vor ibm beransgegeben batten;
jener wird von den Alten wegen seiner Zuverlässigkeit gerubmt,
dieser erfäbrt dagegen den scbärfsten Tadel. Der Nacbweis,
dass Klitarcb erst um 260 v. Chr. geschrieben baben kann und
Aristobnl benutzt baben muss, lässt sich aber aus den erhaltenen
Fragmenten und Berichten erbringen.
Das kaspiscbe Meer betrachteten Alexander und seine Zeit-
genossen, ebenso wie die Griechen vor ihm (Herod. I 202, Arietot.
meteor. Π 1, 10), als Binnenmeer (Diod. XVIII 5, 2, anders
Arrian V 5, 4). Da man Jaxartes mit dem Tanais gleichstellte,
kam man auf die Vermuthung, kaspisches Meer und palus Maeotis
müssten dasselbe Meer bezeichnen oder doch miteinander in Ver-
bindung stehen. Dies ist die Auffassung Polyklits, die er mit
Gründen zu erweisen suchte (Strabo XI S. 509 u. 510). Auch
von Alexander erzählt Arrian VII 16, 2, er habe beabsichtigt,
durch eine Flotte untersuchen zu lassen, ob das kaspiscbe Meer
mit dem schwarzen Meer zusammenhinge oder, ein Busen des
grossen Ozeane sei, doch giebt er, wie schon die Worte: ου γάρ
πω έΕεύρηντο αΐ άρχαι τής Κασπίας θαλάσσης beweisen, eine
Auffassung wieder, die der Zeit dee Makedonierkönigs fem lag.
Diese Untersuchung führte später im Auftrage der Könige Se-
leukos Nikator und Antiochus I Patrokles aus (Plin. VI 21), der
in dem genannten Meer einen Busen des äusseren Meeres sah
und es als möglich hinstellte, von Indien ans in dasselbe zu
segeln (Patrokles fr. 3 u. 5 b. Müller F. H. Gr. Π S. 443). Die
Autorität des Eratosthenes hat seiner AnRicht allgemeine Geltung
verschafft. Demselben Kreise gehörte auch die Vorstellung an,
dass der Isthmos zwischen kaspischem und schwarzem beziehunge*
Zur Ueberlieferung der Geschichte Alexanders d. 6r. 583
weise asowschem Meere sehr schmal sei, deshalb trag sich Se-
leakos mit dem Plane ihn durchstechen zu lassen, wurde aber
vorher von Ptolemaios Keraunos ermordet (Plin. VI 12). Damit
vergleiche man Klitaroh fr. 6 u. 7 bei Müller. Das erste lautet
bei Plinius VI 13 Irrumpit Scythico Oceano in aversa Asiae,
pluribus nominibus accolarum appellatum, celeberrimis duobns
Caspio et Hyrcanio. Non minus hoc esse quam Pontnm Euxinum
Clitarchus putat. Dass er wirklich nur die Ansicht des Patrokles
wiedergiebt, lehrt Strabo XI S. 508 ώς φησι ΤΤατροκλής, δς
και πάρισον ηγείται τό πέλαγος τούτο τψ ΤΤοντικώ. Mit den
Gelehrten und Technikern des Selenkidenhofes theilt Klitarch ^
ferner die Meinung, dass nur ein schmaler Landisthmos schwarzes
und kaspisches Meer trenne: Strabo XI S. 491 o\ b' έπι το-
σούτον συναγαγόντες τόν Ισθμόν, έφ' δσον Κλείταρχος, έπί-
κλυστον φήσας il έκατέρου του πελάγους. Klitarch muss da-
her Patrokles benutzt und nach ihm geschrieben haben, die Ab-
fassung seiner G-eschichte kann frühestens um 280 v. Chr. er-
folgt seifb.
Klitarch ist bei Diodor XVII 75 benutzt (vgl. § 7 u. frg. 8),
der über das kaspische Meer sich folgendermassen ausläset : Ale-
xander unterwarf alle Städte bis zum kaspischen Meere, das
einige hyrkanisches nennen, in ihm soll es viele grosse Schlangen
geben und mancherlei Fische, die sich in der Farbe sehr von
den unserigen unterscheiden. Auch Plut. Alex. c. 44 giebt die
Darstellung Klitarchs wieder, dies beweist ausser anderem die
mit Diod. XVIII 76, 5 und Curt. VI 5, 18 gleichlautende Er-
zählung von der Wegnahme des Bukephalas bei den Mardern
(anders Arrian V 19); er berichtet: 'Da Alexander einen Meer-
busen sah, der nicht kleiner zu sein schien, als der Pontos Eu-
xeinos, aber süsseres Wasser hatte, konnte er nichts Genaueres
über ihn erfahren, vermuthete aber, dass es ein zurückgetretener
Theil des mäotischen Sees sei , und knüpft daran die miss-
verstandene Bemerkung, dass die Naturforscher schon vor Ale-
xander (las kaspische Meer (τό Ύρκάνιον πέλαγος και Κάσπιον
όμου προ(Ταγορευόμ€νον) als einen Busen des äusseren Meeres
erkannt hätten. Diodor und Plutarch bringen Züge aus der Be-
^ loh stimme den Ausführunßfen Neumanne (Hermes XIX S. 180 ff.)
bei, doch das eine kann ich ihm nicht zugeben, dass Klitarch nur die
An^cbaauDgen der Zeitgenossen Alexanders vertrete und dass Aristobul
schon Patrokles gekannt und benutzt habe.
584 Reu8s
Schreibung Polyklite, die wir aus Strabo XI 509 kennen und die
von Eratoethenes bekämpft wurde, Plutarcb verbindet t$ie mit
den Angaben des Patrokles. Dasselbe ist der Fall bei Cnrtius
VI 4, 16—19. Man vergleiche VI 4, 18 dulcius ceteris = Flut,
c. 44 γλυκύτερον τής δλλης θαλάτης, ingentis magnitudinie ser-
pentes alit = Polyklit frg. 5, Diod. XVIl 75, 5, piscium in
eo longe diversus ab aliis color est = Diod. XVII 75, 5 ; qui-
dam Caspium, quidam Hyrcaninm appellant = Elit. fr. 6, Diod.
XVn 75, 5, Plut. 0. 44, alii sunt, qui Maeotim paludem in id
cadere pntent et argumentum afferant aqaam, quod dnlcior sit
quam cetera maria = Polyklit fr. 5, Plut. c. 44; § 19 a septen-
trione ingens in litus mare incumbit longeque agit fluotus et
magna parte exaestuans stagnat = Klitarch fr. 6 u. 7 (έπίκλυ(Ττον
φή(Τας). £t quidam credidere, non Caspium mare esse, sed ex
India in Hyreaniam cadere = Patrokles fr. 3. Bei Klitarch stand
ein längerer geographischer £xcure, der bei Curtius bis zur Cn-
verständlichkeit gekürzt ist: VI 4, 16 namque perpetua valles
iacet usque ad mare Caspium patens. Duo terrae eitls velot
bracchia excurrunt: media flexu modico sinum faoiunt lunae ma-
xime similem. Durch Eratosthenes , aus dem Patrokles und
Polyklit ja auch bei Strabo citirt werden, kann er seine Angaben
nicht erhalten haben, dem steht die Erwähnung der Amazonnm
campi (§ 17) im Wege, von welchen jener ja nichts wissen will
(Fr&nkel S. 63). So bleibt auch hier die Möglichkeit, dass Curt.
VI 4, 16 — 19 aus Klitarch entnommen ist, dass dieser also der
'compilirende Litterat * (Schwärt z) ist, der Polyklit und Patrokles
benutzt hat. So wird auch VI 2, 15 nrbs erat ea tempestate
clara Hecatompylos condita a Graecis verständlich, eine Mit•
theilung^ die in dieser Form in der Vorlage nicht gestanden
haben kann, vgl. Diod. XVH 75, 1 πλησίον τής όνομα2[ομ€νης
Έκατομττύλου. Weder Plutarcb noch Arrian erwähnen die Stadt,
und dies mit gutem Grunde^ da sie allerdings von Griechen, aber
erst von Seleukos Nikator angelegt ist (Appian Syr. c. 57). Auch
hierdnroh erweist sich Klitarch als einer späteren Zeit angehörig.
Ueber Hyrkanien sprechen Diod. XVll 57, 4 ff. (§ 7 = Klitarch
fr. 8) und Curt. VI 4, 21 u. 22, des ersteren Nachrichten über
die dortigen Feigen und Reben stehen auch Strabo II S. 73 und
XI S. 508 u. 509, nur weicht dieser in einer Zahlenangabe (έΕή-
κοντα) von jenem (δίκα) ab. An der ersten Stelle wird eine
Mittheilung über den Oxos vorgetragen, die Eratosthenes ^of
Aristobulos und Patrokles zurückführt (Strabo XI S. .500), an der
Zur üeberlieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 58«5
zweiten wird das Zeugnise Aristobuls für eine Angabe angeführt,
die auch Klitarch macht: πεύκην bk και έλάτην κα\ πίτυν μη
φύ€ΐν, τήν bh. Ίνδικήν πληθύειν τούτοις, vgl. Diod. Χ VI! 89, 4.
Strabo hat wahrscheinlich Eratoethenee benutzt, dieser aber Ari-
stobulos. Ob auch Klitarchs Darstellung daher stammt, muss
noch unentschieden bleiben, da Diodor XVII 75, 6 und Curt. VI
4, 22 auch mit Onesikritos frg. 3 (Plin. XII 18) harmoniren.
Ausgeschlossen ist freilich nicht, dass auch Aristobul diesem
folgte, sicher fand sich die gleiche Mittheilung schon in Strabos
Vorlage : U S. 73 έν bh. τοις bivbpeai σμηνουρτ€Ϊσθαι καΐ τών
φύλλων άπο^^€Ϊν μίλι, ebenso XI S. 509.
Dass bei Curtius Eratosthenische üeberlieferung vorliege,
ist angenommen worden (zB. von Fränkel S. 23), ist aber nicht
richtig. Nach VII 3, 19 — 22 theilt das Kaukasosgebirge Asien
in zwei Theile, der eine fällt nach dem kilikischen Meere usw.,
der andere nach dem kaspischen Meere, dem Araxesflusse und
den Steppen Skythiens hin ab. Mit ihm hängt das Taurosgebirge
zusammen, das in Eappadokien sich erhebt, Kilikien begrenzt
und in die armenischen Berge übergeht. So bilden die Höhen-
züge einen fortlaufenden Gebirgsrücken, von dem die Flüsse theils
nach dem rothen, theils nach dem kaspischen, theile nach dem
hyrkanischen und pontischen Meere abfliessen. Wie Curtius
dazu kommt, hier das kaspische Meer und das hyrkanische Meer
von einander zu scheiden, ist nicht ersichtlich, möglich ist, dass
er hier seine Quelle unrichtig wiedergiebt, doch werden beide ja
auch Aristot. meteor. U 1, 10 als verschiedene Meere betrachtet.
Nun hat ja bekanntlich Eratosthenes die Scheidung Aiens in zwei
Hälften durch das Taurosgebirge und seine Fortsetzung behauptet,
dennoch kann weder Curtius noch Arrian III 28, 5 von ihm ab-
hängig sein. Die vorgetragene Anschauung bestand schon vor
ihm (vgl. Diod. XVIII 5, 3), auch jene haben sie anderswoher
entnommen. Beide bezeichnen den Gebirgszug als Kaukasos und
betrachten den Tauros nur als einen Theil desselben (Arrian III
28, 5, Curt. VII 3, 20 secundae magnitudinis mons), Eratosthenes
dagegen bat für den ganzen Gebirgszug den Namen Tauros ge-
braucht: Strabo II S. 67 u. Γ)8 (Berger III A. 2 uö., Arrian
Ind. c. 3, 1 άπό του ουρεος του Ταύρου, ϊνα του Ίνί)ου α\
πηγαί). Gegen die Alexanderschriftsteller wendet er sich mit
scharfem Tadel, weil sie den Namen Kaukasos auf das indische
Gebirge übertragen haben: Strabo XI S. 505, Arrian Ind. 2,4 ff.,
dessen wird Arrian erst Anab. V 5 inne und sieht sich daher
^Ht» Reuse
•u einer Entschuldigung veranlasst (V 5, 3). Arrian hat 111
Ji8» 5 sich an Aristobul angeschlossen, für Elitarch, dem nicht
eigene Beobachtung und Erfahrung zu Gute kamen, wird das
Gleiche angenommen werden itaüssen. üeber das Land der Paro-
pamisaden haben gemeinsame üeberliefemng Diodor XVII 8, 2
und Strabo XV S. 725, wo sich auch vieles mit Curtius Ge-
meinsame (Vn 2,18; 3,1; 4,25) findet. Strabos Quelle ist
aber Dicht Klitarch, sondern Aristobul, wie Arrian An. 11128,6
ergiebt.
Benutiung des Eratosthenes durch Curtius könnte man auch
111 1. 13 aniunehmen geneigt sein, da ersterer als Westseite eine
neue Linie, die auf ungefähr 3000 Stadien bemessene Entfernung
v^>m i9$ischen Meerbusen nach Amisos einführte (Strabo Π 68,
ΓΗη» VI 2, Berger S. 157), indessen behauptet der Alexander-
biv^cr^ph doch nichts anderes, als zB. Strabo ΧΠ S. 534 lOTX
^' itknrcp χ€ρρονησου μεγάλης !σθμός ούτος, σφιγγόμενος θα-
λάτταΐς ουσί κτλ. Ebenso steht es mit Curt. V 1, 13 duo milia
«»t quingenta stadia eraensi sunt, qui amplissimum intervallum
oiroa Armeniae raontes notaverunt, genau so Diod. Uli, 1. Auch
Strabo theilt dies mit: ΧΪ S. 521 οιέχουσι bk αλλήλων a\ πηγαι
. . . περί δισχιλίους καΐ πεντακόσιους σταδίους, aber in Era-
toHthenes hat er diese Massbestimmung nicht gefunden, wie er
XVI 746 ausdrücklich ausspricht: τό μέν ουν μέχχΟΊον δ άφί-
ατανται διάστημα άπ' αλλήλων τό προς τοις δρεσίν έστΓ τούτο
b* δν 6Ϊη τό αυτό δπερ €Ϊρηκ€ν Ερατοσθένης, τό άπό θαψάκου
.... έπ\ την του Τίγριος διάβασιν . . . δισχιλίων τετρακοσίων
vgl. II S. 80. Diodor oder seine Quelle hat im zweiten Buche
Alexanderschriftsteller benutzt, unter ihnen ist auch Klitarch ge-
wesen (Jacoby, Ktesias und Diodor in Rhein. Mus. XXX S. 555 ff.)^.
1 Jacoby geht zu weit, wenn er den ganzen Abschnitt aus Klitarch
herleitet, aber auch Ktesias ist nicht direct benutzt, wie Krumbholz,
Rhein. Mus. Bd. 41 S. 321 ff, Bd. 44 S. 2H7 ff. annimmt; nach Marquart
(Phil. Suppbd. Vi S. 501 ff.) ist Agatharcbides Diodors Quelle. Wenn
W^agner (Jahrb. f. Phil. IHi^ß S. 335) diesem auch Diod. XVIII 5 zu-
weisen will, 80 kann ich ihm ebenso wenig folgen, wie Haake (Progr.
V. Hagen 1884 S. 3), der dies Eratosthenes zuschreibt. Gegen beide
spricht XVIII 5, 3 τήν Ύρκανίαν θάλατταν οΰσαν καθ' έαυτήν. Den
geographischen Abschnitt giebt Diodor hier, weil mit ihm seine neue
Quelle di. Hieronymos von Kardia einsetzte. Für diesen spricht auch
§ (i Ινδική βασιλ€ία μ€γάλη καΐ πολυάνθρωπος, womit auf das von
Saudrokotlos begründete indische Reich hingewiesen wird.
Zur Ueberlieterung der Geschichte Alexanders d. Gr. 587
Sicher ist es aber nicht zufällig, wenn Elitarch und Ari-
stobuloB hier wieder mit einander tibereinstinimen: Diod. II 11,1
= Strabo XV S. 739 μετά γάρ τους Ινδικούς ούτοι λέγονται
ί)€υτ€ρ€ύ€ΐν; denn dass Strabo letzterem folgt, ergiebt die Ver-
gleichung mit Arrian VII 2, 21 ff. Die Klitarch^sche Beschrei-
bung Babylons (Diod. II 1, 10; Curt. V 1, 24 ff.) ist dieselbe,
der wir auch bei Strabo XVI S. 738 begegnen (vgl. Diod. II 9, 4
u. 5 und Arrian VII 17, 1), doch werden XVI c. 1 ausser Era-
tosthenes nur Polyklit und Aristobul namhaft gemacht. Benutzang
Polyklits ist bei Klitarch• Curtius ausgeschloesen : V 1, 12 causa
fertilitatis est humor qui ex utroque amne manat, dagegen Πολύ-
κλειτος bl φησι μή πλημμυρεϊν τόν Εύφράτην (Strabo XVI
S. 742), wohl aber könnte sie für Aristobulos zutreffen: XVI
S. 740 πλημμυρεϊ γάρ ό Ευφράτης und Arrian VII 21, 2. Von
letzterem stammt auch Arrian VII 7, 3 δθεν και τό βνομα
Μεσοποταμία προς τών έπιχιυρίιυν κληΐίεται (Schwartz aaO.),
ihm schliesst sich Curt. V 1, 15 an. Dergleichen Bemerkungen
finden sich bei ihm mehrfach, vgl. Arrian III 30, 7 und frg. 13.
Auf ihn, nicht auf Eratosthenes, geht daher auch Curt. IV 9, 16
(genauer epit. rer. Alex. § 67) zurück, obwohl auch dieser für
den Namen Tigris dieselbe Erklärung hatte (Strabo XI S. 529,
Plin. VI 31).
Bei Aristobulos hat die Geographie besondere Berücksich-
tigung gefunden, dies machte ihn für Geographen wie Eratosthenes
als Quelle sehr schätzenswerth. Auch Elitarch hat von seiner
Darstellung der durch Alexanders Feldzüge berührten Länder
vieles sich angeeignet. Dies ist der Fall bei dem, was er über
den Fluss Eydnos schreibt: Curt. III 4,8 u. 5, 1 Cydnus . . .
quippe . . . solo puro excipitur und mediam Cydnus amnis inter-
fluit = Arrian II 4, 7 ^€i b\a μέαχ]ς της πολίως . . οΙα bxa
χώρου καθαρού ^έων, und in gleichem Masse bei seinen Angaben
über den Pasitigris, womit andere die vereinigten Flüsse der
Landschaft Susis bezeichnen (Strabo XV S. 729), und über das
Land der Uxier: Curt. V 3, 1 oritur in montibus Uxiorum =■
Strabo XV S. 729 δς έκ της ΟύΗίας και αυτός ^€Ϊ (Diod. XVII
67, 2), V 3, 3 finitima Susis est et in priraam Persidem ex-
currit, artum inter se et Susianos aditum relinquens, Diod.
XVII 67, 2 bia χώρας τραχείας = Strabo XV S. 728 παρεμ-
πίπτει γάρ τις ορεινή τραχεία και απότομος μεταΕύ τών Σου-
σίιυν και της ΤΤερσίοος, στενά έχουσα δυαπάροδα. Letzterer
deckt sich in seiner weiteren Darstellung mit Arrian III 17, 1^
588 Reuse
wo Arietobuloß benutzt ist (Fränkel S. 272). üeber das östliche
Europa und Westasien nördlich des kaspischen Meeres haben
Aristobul und Klitarch die gleichen unklaren Vorstellungen ; beide
unterscheiden zwischen europäischen und asiatischen Skythen:
Arr. III 8, 3; IV 1,1: 15, 1 ; Curt. VI 2, 13; 6, 13; VI! 4, 6.
32; 6,12; 7,2 u. 3, zwischen denen der Tanais die Grenze
bildet (Arr. III 30, 7, Curt. VU 7, 2 u. 3). Für Aristobul ist
dies verständlich, Klitarch aber tritt hierdurch in Widerspruch
mit der Aneicht des Patrokles, dass das hyrkanische Meer ein
Busen des nördlichen Weltmeers sei, er hat diese neben der älteren
Anschauung aufgenommen, ohne sie weiter zu berücksichtigen
und ohne die Identität von Tanais und Jaxartes aufzugeben : Curt.
VI 4, 19 et quidam credidere etcet. Den Zug Alexandere nach
dem Tempel Ammons hat Aristobul nach Kallisthenes erzählt
(Arrian III 3 u. Strabo XVII S. 814), desgleichen Klitarch (Diod.
XVII 49, Curt. IV 7). Bei der Schilderung der Oase Siwah ist
manches aus Herodot IV 181 selbst mit Beibehaltung des Wort-
lautes entlehnt: Arr. III 4, 5 μακρός ό χόνδρος, Herodot κατά
χόνδρους μεγάλους; Diod. XVII 50, 5 τήν πηγήν χλιαράν, He•
rod. χλιαρόν, sie muss daher auch von Kallisthenes herrühren,
der wiederholt auf jenen sich bezieht: frg. 22 auf Herod. VI 21,
frg. 38 και Καλλισθένης ήκολούθησεν αύτψ. Damit wird aber
die Vermuthung von Schwartz hinfallig, dass Arrian II Ϊ 4 aas
Klitarch geflossen sei ; die Möglichkeit ist sogar nicht aus-
geschlossen, dass diesem die Erzählung des Kallisthenes durch
Aristobul vermittelt ist.
So wenig wie Eratosthenes haben auch Agatharchides und
Artemidor ein Anrecht, unter die bei Curtius benutzten Quellen
gezählt zu werden, wie dies von Gutschmid und Kaerst geschehen
ist. Es handelt sich um die Land und Leute von Indien be-
handelnde Einleitung, welche Curt. VIII 9 der Erzählung des
indischen Feldzuges vorausgeschickt wird. Aus der Aehnlichkeit
von § 9 mit Artemidor bei Strabo XV S. 719 (Οίδάνης, boi
Curtius: Dyardanes) folgt nur, dass dieser ebenfalls Mittheilungeo
aufgenommen hat, die in der Quelle des Curtius Aufnahme ge-
funden haben, und etwas anderes ergiebt sich nicht aus der Ver*
^leichung von § 14 mit Agatharchides bei Strabo XVI S. 779.
Xearch verwarf die schon von Ktesias (Strabo aaO.) gegebene Er-
klärung des Namens 'Erythräisches Meer' aus der Farbe und
leitete diesen von einem Könige Erythras her, weiter geht die
^ittheilung von Curt. VIII 9, 14 u. X 1, 13 u. 14 nicht, dazu
Zar UeberlieferuDg der Geschichte Alexanders d. ßr. 589
braucbte er aber nicht Agatharohidee einzusehen/ Keinerlei An-
gabe findet eich bei ihm, welche erst aus späterer Zeit stammen
könnte, vielmehr weisen alle auf die Alexanderschriftsteller hin.
Wenn § 2 die üeberlieferung des Megasthenes (Arrian Ind. 3,
7 u. 8) verworfen wird, so wird von Cartioe* Quelle einer der
zahlreichen abweichenden Angaben, die Strabo XY S. 689 auf-
gezählt werden, der Vorzug gegeben ; ist Diod. II 35, 2 aus Aga-
tharchides entnommen, so kann er nicht Quelle des Curtius sein,
da er der Üeberlieferung des Megasthenes folgt. Auffallender-
weise erscheint § 10 unter den Flüssen Indiens der Ethimandus,
aber was über ihn mitgetheilt wird, läset keinen Zweifel, dass
Aristobuls Etymandros (δς biä των Ευεργετών ^έει) gemeint
ist: Arrian IV 6,6; Aristob. fr. 22. Die Nachricht, dass die
Inder auf Baumbast Schriftzeichen geschrieben haben (§ 15),
steht im Widerspruch mit Megasthenes frg. 22 (Strabo XV S. 709),
aber im Einklang mit Nearch (Strabo XV S. 717). Die Elefanten
Indiens sind nach § 17 grösser und stärker als die afrikanischen
(Diod. II 35), das licrichtet auch Onesikritos (Strabo XV S. 703).
Mit Strabo XV S. 718 ψήγματα χρυσού καταφέρειν τους ποτα-
μούς harmonirt § 18 aurum flumina vehunt, hier kann daher die
Entlehnung aus Megasthenes nicht zweifelhaft sein, aus dem auch
die Nachrichten über die kostbaren Perlen in § 19 geflossen sein
können (Arr. Ind. c. 8, 11). Zu § 21 lapilli ex auribus pendent,
bracchia quoque et lacertos auro colunt (vgl. IX 1, 29), bietet
eine Parallelstelle aus Megasthenes: Strabo XV S. 709 (Arrian
Ind. 10, 5) und S. 712 σινί)ονοφορουντα και χρυσοφορουντα
μετρίως ταΐς χερσι καΐ έν τοις ώσί, zu § 22 aus eben dem-
selben Strabo XV S. 719 κομάν bk κτλ., zu § 23 Strabo XV
S. 718, wo Aehnliches aus Klitarch berichtet wird. Für Be-
nutzung des Megasthenes sprechen mancherlei Anzeigen in § 28
und 31, gegen ihn gerichtet ist aber in § 30 die Bemerkung:
cuius (vini) Indis largus est usus. Auch an Nachrichten aus
Aristobulos fehlt es in diesem Abschnitte nicht. Die Pfeile der
Inder sind nach Nearch (frg. 7 bei Strabo XV S. 718 und Arr.
Ind. IH, 7) drei Ellen lang, nach § 28 und IX 5, 9 (namque
Indis, ut antea diximus, huius magnitudinis sagittae erant) haben
sie nur eine Länge von zwei Ellen. Letzteres ist die Üeber-
lieferung des Aristobulos frg. 28 διττήχει το£εύματι. Stammt
demnach Curt. VIII 9 aus Klitarch , so muss dieser sich an
Onesikritos, Nearch, Aristobulos und Megasthenes gehalten haben ;
für Nearch ist dies längst erkannt (vgl. fr. 14 u. 15 mit Clit,
590 Reu88
fr. 15 und Diod. XVII 90, frg. 25 mit Diod. XVII 106), für
Megasthenes ergiebt sich die ßenatznng seitens Elitarche aas
Plin. VII 2. Wenn es hier heisst: Mandorum (?) nomen eis dedit
Clitarchus et Megasthenes, so muss bei Clitarch die Erzählung
des Megasthenes, dass indische Frauen mit 7 Jahren gebären
(Megasth. fr. 24, Arrian Ind. c. 9, 7), Aufnahme gefunden haben.
Dieser kann daher erst nach Megasthenes, der in Seleukos' Auf-
trag in Indien gewesen ist, seine Geschichte Alexandere ge-
schrieben haben.
Klitarch schliesst die Reihe der Alexanderschriftsteller und
hat die endgiltige Redaction der Alexandergescbichte gegeben,
wie sie für die nächsten Jahrhunderte massgebend geblieben ist
Dies lehrt uns auch die Vergleichung der Fragmente bei den
Nachrichten , die nicht auf geographische Verhältnisse Bezug
haben. Wir sahen, dass Aristobul und Klitarch nach Kallisthenes
über den Zug Alexandere nach dem Ammontempel berichteten,
Spuren des Kallisthenes und Aristobulos lässt Justins Bericht
über die Schlacht am Granikos erkennen (XI 0, 11 ff.). Mit jenem
verlegt er das Schlachtfeld auf die campi Adrastii, vgl. Strabo
XIII S. 587 ' Αδράστειας πεδίον (frg. 20), mit diesem giebt er
die Zahl der auf makedonischer Seite gefallenen pedites auf 9 an
(XI 6, 12). Nach Aristobul bei Plut. Alex. 16 sind vom Heere
Alexanders 34 Mann, darunter 9 π€Ζ!θί gefallen, eine Ajigabe,
die durch Arrian I 16, 4 dahin ergänzt wird, dass beim ersten
Zusammenstoss 25 Keiter gefallen seien; auch die 9 Mann von
der Infanterie bedeuten nur diesen ersten Verlust. Auch über
die Ehrung der Gefallenen macht Justin XI 6, 13 die gleichen
Angaben, wie Arrian 1 16, 4 und Plut. Alex. c. 16. Aristobal
hat Kallisthenes theilweise ausgeschrieben: Callisth. frg. 23 (daza
Strabo XIII 656 über Halikarnass) vgl. mit Arr. I 23; Call,
frg. 32 vgl. mit Aristob. frg. 6; Call. fr. 36 mit Arist. fr. 9.
Was dieser von Alexanders Weg an der Küste Pamphyliens er-
zählte, ist in die Darstellung Aristobuls übergegangen (Arrian I
26, 2) und ebenso in die Klitarchs : Curt. V 3, 22 mare quoque
novum in Pamphylia iter aperuerat. Wie Kallisthenes, war auch
Onesikritos Klitarch bekannt. Bei den Kathäern stand, so er-
zählt er bei Strabo XV S. 699, die Schönheit in besonderer
Achtung, die Königswürde wurde dem Schönsten übertragen, die
Kinder wurden zwei Monate nach ihrer Geburt untersucht und
nach dem Befund am Leben erhalten oder getödtet. Das Gleiche
erzählen Diodor XVII 91, 4 und Curt. IX 1, 24 vom Lande des
Zur Ueberlieferung der Geschicbte Alexanders d. Gr, 591
Sopeithee, das von Strabo zur Kathaia gerechnet wird (Niese I
S. 136, A. 4). In gleicher Weise ist Nearchos von Klitarch be-
nutzt worden: Nearch fr. 14 πήχεων έκκαίΟ€κα, fr. 15 έκκαώεκα-
ττήχεις έχίονας, Clit. fr. 15 δφιν ττηχών έκκαΛεκα. Aristobul
polemisirt frg. 32 gegen die übertriebenen Angaben von der
G-rösse der indischen Schlangen, wobei er wohl Nearch im Auge
hat, und bezeichnet eine kleine Schlangenart als besondere ge-
fährlich. Auch seine Mittheilungen hat Klitarch, dessen frg. 15
u. 16 durch Diod. XVII 90 vervollständigt werden, verwerthet:
Arist. fr. 32 τους bi πληγέντας αίμοβ^οεϊν έκ παντός πόρου
μετά έπιυουνίας, Diod. XVII 90, 6 τον bi πληγέντα πόνοι δεινοί
συνεϊχον και ^ύσις Ιδρώτος αίματοεώους κατείχε. Zur Heilung
benutzen die Eingeborenen gewisse Wurzeln, üebereinstimmend
mit Nearch frg. 25 schildert Kleitarch den Kampf der Flotte mit
den Ungeheuern des indischen Ozeans (Diod. XVU 109). Un-
verkennbar ist die Benutzung des ersteren (frg. 20) in Klit. frg. 21•:
Oritas ab Indis Arbis fluvius disterminat (Nearch b. Sfrabo XV
S. 720). Hi nullum alium cibuni novere quam piscium, quoe
unguibus dissectos sole torreant : atque ita panem ex bis faciunt,
ut refert Clitarchus (Diod. XVII 105, 4; Curt. IX 10, 6 ff.).
Wort für Wort dieser Schilderung finden wir wieder: Arr. Ind.
24,9; 28,8 u. 9; 29,12. Ueber die Kleidung dieses Volkes
wird gesprochen : Ind. c. 24, 9 (Strabo XV S. 720) = Diod. XVU
105, 3; Curt. IX 10, 10, über die Wohnungen: Ind. 28, 16;
30, 9 ; Strabo aaü. =: Diod. XVU 105, 5. Indessen auch hier
fehlt es nicht an Zügen, die für Aristobul charakteristisch sind,
80 Strabo XV S. 721 πίτττειν bk τους δμβρους έν τοις δνιυ
μέρεσι τοις προσαρκτίοις και εγγύς τών όρων, wozu Arrian
Anab. VI 25,5 den bezeichnenden Zusatz macht: καθάπερ ούν
καΐ ή Ivbujv γή. Mit Hecht weist daher Schwartz diesem Arrian
VI 24, 4—26 zu ; selbst das Citat aus Nearchos in VI 24, 2 dürfte
aus ihm entnommen sein^ lag es doch Arrian näher, den Land-
weg Alexanders nach Aristobul darzustellen, als nach dem Be-
richte des Nearchos über seine Seefahrt. Auf jenen geht weiter-
hin aber auch Strabos Darstellung XV S. 722 προς bk. τη όπορίςι
— 723 εΙς την Καρμανίαν zurück. Erzählt wird hier die wunder-
bare Heilung des Ptolemaios, der im Lande der Oriten verwundet
war. Justin ΧΠ 10,3, Diodor XVII 103 und Curt. IX 8, 20 ff.
verlegen dieselbe nach Hamatelia, auch ist es bei ihnen eine
Schlange, die Alexander auf das heilende Kraut aufmerksam macht,
nicht ein Mann. Ueber die Zubereitung des Heilmittels sprechen
592 Reuse
eich Strabo und Diodor übereinetimmend aus: τρ(βοντα, Diod.
XVII 103, 8 τρίψας, über die Verwundung am genauesten Diodor:
τό hk σώμα κατέπλασε και πιεΐν 5ούς, wonach also Justins 'qua
in potu accepta , sowie Curtius* ^vulneri imposuit' (Strabo έτητι-
θέναι τιμ τριυθέντι) in der gemeinsamen Vorlage gestanden hat.
Die Differenz zwischen Strabo und den anderen Berichterstattern
führt darauf, dase Elitarch den Bericht des Aristobulos umgebildet
hat. (lenau dieselbe Beobachtung lässt sich bei Klitarch frg. 16
und Strabo XV S. 699 machen. Bei diesem bestrichen die in-
dischen Jäger ihre Augen mit Wasser, bei jenem mit Honig (Diod.
XVII 50, 2), bei diesem benutzen sie zum Fangen der Affen
Säcke, bei diesem Spiegel und Sandalen, aber trotz dieser Diffe-
renzen ist bei Klitarch selbst der Wortlaut der Quelle Strabos
mehrfach beibehalten worden.
Auffallend wenig Berührung mit der Erzählung Elitarche
bieten die Fragmente des Ptolemaios (Fränkel S. 247), damit er-
ledigt sich von selbst Müllers (frg. S. 74) Behauptung, Klitarcbs
Bestreben sei es gewesen, dem Könige Aegyptens zu schmeicheln.
Ebenso wenig kann man Fränkel zugeben, dass dieser sein Werk
geschrieben habe, um den Uebertreibungen Klitarcbs entgegen-
zutreten. Bei den Verlustangaben von Issos berechnet Arrian II
LI, 8 die gefallenen Perser auf 100,000 Mann, unter denen sich
10,000 Eeiter befanden; soll dies heissen: ^zu denen 10,000 Reiter
kamen', dann giebt er dieselben Zahlen, wie Diodor XVII 36,
Curt. III 11,27, Plut. AI. 20 (Justin XI 9, 10). Man betrachtet
sie als die Zahlen des Ptolemaios, doch bezieht sich sein Zeugniss
bei Arrian: ώστε \ife\ Πτολεμαίος nur auf die Worte: τους
μετά αφών — φάραγγα und er hat selbst gar keine Zahlen mit-
getheilt. Ist Ptolemaios von Klitarch nur wenig benutzt worden,
dann ist dies um so mehr mit Aristobulos der Fall gewesen.
Um von den zahlreichen Congruenzen abzusehen, welche man bei
Arrian einerseits und Diodor -Curtius- Justin andererseits auf-
gedeckt hat (vgl. Fränkel § 12), will ich hier nur noch das ge-
meinsame Gut hervorheben, das in den Fragmenten erhalten ist
Hierher gehört Aristobuls Erzählung vom Tode Parmenions bei
Strabo XV S. 724, die gleichlautend auch Diodor XVII 80 und
Curtius VII 2, 17 geben. Die Weissagung, welche Antigonos
von den Chaldäern erhielt (Arist. fr. 1), wird auch Diod. II 31, 2
mitgetheilt, hat also auch bei Klitarch gestanden. Den Inhalt
von frg. 7 liest man Justin XI 10, 2. Bei Gaugamela fand man
schriftliche Aufzeichnungen über die persische Aufstellung (frg. 12),
Zur Üeberlieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 593
daher muss Arrian III 11, 3 — 7 aue AriRtobulos stammen (Sohwartz
aaO.) ; auf diesen geht dann aber auch zaräck, was § 8 ff . über
die Aufstellang des makedonischen Heeres gesagt wird. Diodor
(XVII 57) und Curtius (IV 13,26) haben sich hier gleichfalls
an ihn angeschlossen, nur haben sie einzelne Aenderungen vor-
genommen, wie sie zB. beide schon die Abtheilung der Argyras-
piden erwähnen, deren Arrian erst VII 11, 3 gedenkt und die
nach Justin XII 7, 6 erst vor dem indischen Feldzug gebildet
worden ist. Nach Aristobul (frg. 18 u. 20) erzählen Diodor
(XVII 83, 7) und Curtius (VE 5, 19) die Gefangennahme des
Bessos, nach ihm (Arrian IV 3, 7; 6, 2) auch die Niederlage des
Menedemos (Curt. VII 7, 31), aus ihm (Arrian IV 13,5) stammt
Cart. VIII 6, 16. Eine Aenderung hat erfahren, was frg. 28*
erzählt wird, indem Curt. VIII 10, 29 (Plut. AI. c. 28, de fori.
Alex. Π 9) Alexander selbst in den Mund gelegt wird, was nach
Aristobul Aeusserung des Dioxippos ist.
Unter den Quellen Klitarchs befand sich auch Megasthenes,
von ihm stammten die von jenem übernommenen (frg. 11) Er-
zählungen über Dionysos und Herakles in Indien. Arrian V 1 ff.
hat sie nachträglich eingeschoben, nachdem er in IV die Er-
zählung schon bis zu Alexanders Ankunft am Indus geführt hatte,
er giebt V 2, 7 einen Zusatz, der vielleicht aus Elitarch stammt
(Justin XU 7, 8 und Curtius VUI 10, 16 ff.). Mit ihm stimmt
überein die Darstellung in der epit. rer. Alex. § 36-38 (ed.
Wagner in Jahrb. f. Phil. Supplbd. 26) , vgl. Ind. 1 und PluU
Alex. c. 48. Fast bei allen Schriftstellern wird der gleiche Tadel
gegen die griechischen Dichter und ihre Fabeleien über die Ge-
burt des Dionysos ausgesprochen: Diod. Π 38; Curt. VIII 10, 17;
Arrian Ind. I 7; Plin. VI 23; Pompon. Mela III 66. hei Arrian
wird angeschlossen die Kritik des Eratosthenes (V 3, 1 vgl. Ind.
c. 5). Von Aristobulos und Ptolemaios können diese Erzählungen
nicht herrühren, als (rewährsmann für sie wird Arrian Ind. c. 5, 2
ausdrücklich Megasthenes namhaft gemacht, und dasselbe ge-
schieht auch Strabo XV Ö. 687 και τά περί Ηρακλέους όέ καΐ
Διονύσου Μεγασθένης μετ' όλίγιυν πιστά ηγείται, vgl. Arr. Ind.
8, 6. Eratosthenes kritisirt bei Arrian Α nah. V 2, 4, Ind. 5,11 und
Strabo XV S. 678 die Erzählung von Herakles und den Sibiem,
die bei Curt. IX 4, 2 u. 3 Aufnahme gefunden hat.
Klitarch hat also ausgiebigen Gebrauch von der Ueber-
lieferung der ihm vorausgehenden Schriftsteller gemacht, er ist
der compilirende Litterat, der die Geschichtschreibung über
Rheio. Mus. f. Pbilol. N. F. LVII. 38
594 Rene 8
Alexander zu einem gewissen Abschluse gebracht bat. Unter
seinen Quellen stebt in erster Linie Aristobulos, der selbst nicht
unabhängig von anderen gewesen ist, vgl. auch Ühares frg. 6. 7. 8
(Arrian IV 19) und 9. Es ist daher erklärlich, dass in den ans
Klitarch abgeleiteten Berichten wiederholt auf den Widerspruch
der Gewährsmänner aufmerksam gemacht wird Diod. ΧΥΠ 22.5;
23,1; 65,5; 73,4; besondere Beachtung verdient XVÜ 65,5
εκουσίως *Αβο^λήτου . . . παράγοντος αύτψ τήν πόλιν, ώς μέν
fvioi Τ€τράφασι, προστάΗαντος Δαρείου . . ., weil die Ver-
gleichung mit Curt. V 8, 8 ^sive Darei iussu sive sua sponte' den
Beweis liefert, dass die abweichenden Angaben schon in der ge-
meinsamen Vorlage gestanden \ lieber die Lebensumstände Kli-
^archs ist uns nichts überliefert worden, abgesehen von einer
Notiz bei Diog. Laert. II 113, der zufolge er aus der Schule des
Aristoteles aus Eyrene in die des Megarensers Stilpo übergetreten
ist. Als Demetrios Poliorketes im Sommer 307 Megara eroberte,
lebte Stilpo noch in dieser Stadt, demnach müsste man annehmen,
dass auch Klitarch gegen Ende des 4. Jahrhunderte v. Chr. sein
Schüler gewesen ist. Allzugrosses G-ewicht darf man indessen
der Nachricht des Diogenes nicht beimessen, der Name Klitarch«
konnte leicht mit gleichlautenden (z6. Klearchos) verwechselt
werden. Sollte die Mittheilung aber auch auf guter Ueberlieferung
beruhen, dann kann er doch erst Jahrzehnte später mit der Ge-
schichte Alexanders sich beschäftigt haben, das ergiebt sich aus
der Benutzung des Megasthenes und Patrokles. Klitarch war
der Sohn des Historikers Deinen, über dessen Lebenszeit eben-
falls nichts bekannt ist, aus dessen Fragmenten man aber viel-
leicht auf Bekanntschaft mit der Ueberlieferung über Alexander
schliessen darf, vgl. frg. 15 bei Athen. II 67 und frg. 16 bei
Plut. Alex. 36 mit Arrian III 4, 3, frg. 3 mit Klitarch frg. 18.
Als Zeitgenossen Alexanders sieht auch Diod. II 7, 3 Klitarch
nicht an, wenn er schreibt: ώς φη(Τΐ Κτη(Τίας ό,Κνίδιος, ώς 5i
Κλείταρχος και τών ύστερον μετ' 'Αλεξάνδρου biaßavrurv und
§ 4 ίνιοι τών νεωτέρων, *die welche nach Ktesias mit Alexander
nach Asien gezogen waren', sind offenbar die Autoren, auf welche
Klitarch sich berufen hat.
^ Curt. IV lf>, 12 incertum, suone consiiio an regis imperio.
Kacrst vergleicht Arrian III 13, 3 Κ€λ€ύ€ΐ und schliesst daraus, die
Ueberuiustimmung solle absichtlich verdunkelt werden, näher liegt es,
auch hier Diflferenz in der Ueberlieferung anzunehmen.
Zar Ueberiieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 595
Nur gelegentlich iet bieher die von Wagner edirte epitome
reram Alexandri herangezogen worden; sie ist durch zahlreiche
Irrthümer des Epitomators entstellt» giebt aber, von einzelnen
fremden Zuthaten abgesehen, im ganzen in § 1 — 87 die Ueber-
iieferung Klitarchs wieder. Wagner hat in seinen Anmerkungen
sehr sorgfältig die entsprechenden Parallelstellen zusammen-
gestellt, ich kann daher davon absehen, dies noch einmal zu thun
und hervorzuheben, wie nahe die epitome der Darstellung Diodors
und des Gurtius steht. Nur einige wenige Stellen mögen hier
Besprechung finden, an denen der Epitomator von diesen abweicht
oder nur abzuweichen scheint; an eineinen Stellen glaube ich
auch den sehr verderbten Text richtiger gestalten zu können.
Wenn in § 1 Schwartz rediisse für redegisse vorschlägt, so steht
dem Diod. XVli 77, 4 entgegen, wo man ebenfalls κεκρατηκέναι
liest. Zu § 2 darf man auch auf die Worte des Klei tos bei Plut.
c. 51 την ΤΤερσικήν ίώνην και τον διάλευκον χιτώνα hinweisen,
doch mag zugleich erwähnt werden, dass c. 56 τψ Σπιθριόάτου
Είφει nicht zur Erzählung Klitarchs passt, da nach dieser nicht
Spithridates, sondern Rosoikes durch das Schwert des Kleitoe
fällt (Diod. XVH 70, 7; Gurt. VIII 1, 20). In § 3 hat man für
Gabisios nicht den Namen einer Völkerschaft herzustellen, son-
dern zu schreiben : Agrianos et hypaspistas armari iussit; in § 4
darf vor amicitiam insinuandi die Präposition in nicht fehlen.
Wagners Erklärung von in agro regio in § 9 halte ich für un-
möglich und lese in arce regia, vgl. Gurt Vü 6, 24 praesidio
inde (di. Maracanda) deiecto, Arrian IV 5, 2 o\ hi. έν Μαρα-
κάνοοις έν ακρςι φρουρούμε νοι. Der richtige Sachverhalt ergiebt
sich aus epit. 13 Graios oppugnare destitit. Auf einem Versehen,
wie sie sich der Epitomator mehrfach zu schulden kommen lässt,
beruht es, wenn er § 23 berichtet, Gattenes sei an Alexander
ausgeliefert worden, er fiel im Kampfe gegen Krateros. FiLr
castra praeterit in § 32 ist vielleicht Bactra praeterit zu lesen.
Der Aornosfelseu hatte nach Arrian IV 28, 3 einen Umfang von
200 Stadien und eine Höhe von 11 Stadien, nach Diodor XVII
85, 3 von 100 bezw. 16 Stadien, Wagner giebt es auf, ihre
Ueberiieferung mit derjenigen der epitome in Einklang zu bringen,
und schreibt in § 46 cui (statt cuiue) circuitus stadium XVII
[milia] erat in summo vertice. Die Zahl 17 soll sich unzweifel-
haft auf die Höhe beziehen, daher mag etwa: cuius circuitus
Stadium G. , altitudo XVII erat in summo vertice (vgl. Gurt.
VIII 11, 6 cuius summa in acutum cacumen exsurgunt).
69() k e u s 8
Ueber die Streitkräfte des Könige Porue hat Diod. XVII 87, 2
ganz andere Zahlen als ep. § 54 und Curt. VIII 13, Ü, aber die
Veriustangaben bei Diod. XVII 89, 2 α. 3 und epit. § 62 sind die
gleichen; die Differenz mag sich etwa so erklären, dass Diodor
nicht das Heer, das Porus folgte, sondern die gesammte Kriege-
inaoht seines Landes im Auge hat; die Zahl der Reiter wurde
freilich immer noch nicht mit Curt. VIII 14, 2 sich vereinigen
lassen, doch kann die Zahl fehlerhaft überliefert sein. Der Zahlen-
differenz bei Angabe der Elefanten in epit. § 18, Diod. XVII
93, 1, Curt. IX 2, 4 ist gleichfalls keine Bedeutung beizamessen,
Wagner findet aber auch einen Widerspruch darin, daee Alexander
nach Curtitts zuerst an den Hypanis, dann zu König Phegeos
gekommen sei, während nach der epitome dieser den Makedoniem
auf dem Marsche zu dem genannten Eluss sich anschlieset. Bei
dieser Annahme haben Curtius* Worte ad flnvium Hypanim pro-
cessit (IX 1, 35) eine unrichtige Deutung erhalten, sie sind zu
übersetzen: er rückte in der Richtung auf den Hypanis vor*.
Im folgenden § schlägt Wagner aucta für pauca vor, damit ist
wenig gebessert; vielleicht dürfte passim die ursprüngliche Les-
art sein (Plut. 62 6ιέρριψ€ν). Wie der Epitomator dazu kommt,
in § 70 den Tod eines Sohnes der Roxane zu melden, ist nicht
ersichtlich; auch hier trägt nur er, nicht seine Quelle die Ver-
antwortung für diese Nachricht. Vergebens bemüht man sich
die Worte ad Eleumezen zu erklären, ich ändere sie in: ad coe-
tum amnium oder fluminum, vgl. Curt. IK 4, 9. Schwierig ist
es, die Erzählung über Alexanders Kampf und Verwundung bei
den Mallern aus einem der bekannten Schriftsteller ableiten za
wollen, bei seiner Darstellung scheint der Verfasser der epitome
Klitarch ntcht gefolgt zu sein. Leider nennt auch Arrian VI
12, 7 ff. nicht die Vertreter der abweichenden Berichte. Die Worte
oi μέν £ύλιυ πληγέντα usw. scheinen auf Aristobulus zu gehen
(frg. 28•^), aber bei ihm wird der König erst an der Brust und
dann am Halse verwundet; ebenso muss die Deutung von § 8
auf Klitarch als zweifelhaft erscheinen, da die Worte Ευνανα-
βήναι ΆλεΕάνορψ κατά την κλίμακα όμοϋ Π€υκίστ()ΐ im Wider-
spruch mit Diod. XVII 99, 8 bi' έτερας κλίμακος προσαναβάς
und Curt. IX 5, 7 stehen. Unvereinbar mit Diodor, Cartius und
Justin ist auch die Darstellung des Kampfes bei dem Epitomator,
bei jenen springt Alexander zunächst allein in die Stadt (XVII
99, 1 καθήλατο μόνος, Justin XII 9, 5 sine ullo satellite) und
wird durch einen Schuss in die Brust verwundet, ehe die Freunde
Zur Üeberlieferung der Geschichte Alexanders d. Gr. 597
zu Hilfe kommen, bei diesem ersteigt er mit 3 Gefährten die
Mauer, springen dieselben mit ihm in die Stadt hinab, wird Leon-
natos am rechten Schenkel (Curt. IX 5, 17 cervice graviter icta),
Alexander an der Brust und dann am Halse verwundet. Das ist
die Erzählung des Aristobnlos, der Plut. Alex. c. 63 folgt: ώς
elbov αυτόν μετά buoiv υπασπιστών. Dabei finden eich auch
in der Klitarch'sohen üeberlieferung Züge, die sie mit der Er-
zählung Aristobuls gemeinsam hat, zB. Curt. IX 5, 3 forte ita
libraverat corpus, ut se pedibus exciperet, Plut. Alex. c. 63 κατά
τύχην ορθός ίστη, IX 5, 9 sagittam dnomm cubitomm. Aristo b.
frg. 28*. Auch die Vergleiohung mit Plut. de fort. Alex. I u. Π
bringt keine Klarheit ; hier kämpft Alexander zuerst allein (II
13 ώς έώριυν ?να), wird der Kampf bald ins Land der Maller
(i 2 ; II 9), bald der Oxydraken (11 13) verlegt, werden Ptole-
maios (I 2; II 13), Limnaios und Leonnatos (II 13) als Retter
des Königs genannt. Zu den hier benutzten Quellen gehört Ari-
stobulos, neben ihm sind aber auch andere, wie zB. Ptolemaios
(II 7 που ol δράκοντες) zu Rathe gezogen. Ein deutliches Bild
gewinnen wir nur von der üeberlieferung Aristobuls, darnach
scheint es unzweifelhaft zu sein, dass diese auch in der epitome
vorliegt. Der Inhalt von epit. § 79 — 84 deckt sich vollständig
mit Plut. Alex. c. 64, doch ob er von Klitaroh stammt, muss
unentschieden bleiben. Erst von § 84 an treflPen wir wieder
nachweisbar auf neine Spuren ^ Für das fehlerhafte in Ophiorum
war gewiss in ostio fluminis (finm) geschrieben, vgl. Curt. X
1, 11 insulam ostio amnis snbiectam. Ueber den Inhalt von
§ 87 flP. vgl. Wagner aaO.
Gegen den Ausgang der römischen Republik stand die
Alexandergesohichte Klitarchs in höchstem Ansehen, Sisenna hat,
so erzählt Cicero de leg. I 2, an seinem Vorbilde sich gebildet,
Caelius Rufus ihn aufs eifrigste studirt (ad famil. V 10). Diodor,
Trogus Pompeins und Curtius, welche in der nächsten Zeit die
Geschichte Alexanders behandelten, haben daher in erster Linie
ihm sich angeschlossen. Wie weit sie ihn direct benutzt haben,
soll hier nicht untersucht werden, auszuscheiden ist jedenfalls
eine Mittelquelle, welche die Darstellung Aristobuls und Klitarchs
1 Kaerst, Diseert. § 3 iet dor Aneicht, Curtius Erzählung (IX
8, 30 ff.) sei aus der bei Arrian (VI 18, 4 f.) entweder mit Absicht oder
aus MiRsverständniss umgebildet worden; auch epit. §84. 85. 86 giebt
dieselben NachrichtiiTi, wie Curtius, theilweise mit den gleichen Worten.
598 Reue 8 Zar Ueberlieferong der Geeohichte Alexanders d. Gr.
contaminirt hätte, da dieser selbst sobon die Geschichte des
ersteren zur Grandlage seiner eigenen Bearbeitung gemacht hatte.
Als Mittelqnelle muss auch Timagenes ausser Betracht gelassen
werden, von ihm können nur einleitend die Stifter der einzelnen
Dynastieen und ihre Thätigkeit unter Alexander in seiner Könige*
gesohichte behandelt worden sein. Strabo theilte mit seinen
Zeitgenossen die Werth Schätzung Klitarchs nicht, nur an 5 Stellen
seiner Geographie erwähnt er den Namen desselben; man setzte
Zweifel in seine Glaubwürdigkeit (Qnint. X 1, 75) und kehrte
zum Urtheile des Eratosthenes zurück, der Plolemaios und Ari-
stobulos vor allen anderen den Vorzug zuerkannt hatte. Seinem
Urtheile schlössen sich Arrian und theilweise auch Plutarch an,
bei beiden begegnet uns daher der Name Klitarchs an keiner ein-
zigen Stelle. Wenn man eine besondere Alexandergeschichte
Strabos annehmen zu müssen glaubte, um die zahlreichen, auf-
fallenden üebereinstimmungen bei den Letztgenannten daraus zu
erklären, so entbehrt diese Annahme der Berechtigung, Strabo,
Plutarch und Arrian sind in der Wer thbem essung und Auswahl
ihrer Quellen bestimmt durch die Kritik des grossen alexandri-
nidchen Gelehrten.
Köln. Friedrich Reuss.
ZUR ROEMISCHEN ELEGIE
1.
ünerschöpfliob ist in der römisohen Elegie das Thema der
Eifersucht. Man kennt die Leidenschaftlichkeit, mit welcher sie
sich änssert. Erbrochene Thüren, zerrissene Gewänder, zerraufte
Haare, zerschlagene und zerkratzte Gesichter — ista decent pueros
aetate et amore calentes (Ov. a. a. III 571). Süss ist es, solche
Ausbrüche der Eifersucht von der Geliebten ertragen zu dürfen
(Tib. I 6, 69 flP. — Prop. III 8, 5 flp. R. — Ov. Am. I 7, 63 ff.;
a. a. II 451 f.). Properz, der wiederholt fingirt (III 8. IV 8),
sie von Gynthia erfahren zu haben, sieht darin die sicherste
Bürgschaft für die Echtheit der Liebe, die sich durch Kämpfe
nur um so reizvoller gestaltet. 'Aei γαρ παις ήδίους a\ τών
έρώντιυν μ€θ' υβριν κολακεϊαι δοκουσιν (Aristaen. Ερ. II 14 Η.).
Er selber freilich bekennt sich über die Anwendung solcher Ro-
heit erhaben und will sie dem άγροΐκος überlassen (II 5, 21 ff.) ^,
wie Tibull dem rauhen Krieger (I 10, 65 f.). Genug, wenn der
Liebende der Geliebten den Rock zerreisst, ihr Haar verwirrt
und sie zum Weinen bringt (Tib. I 10, 61 ff. — Ov. Am. I 7,
45—48). Ovid hält Am. I 7 eine förmliche Anklagerede gegen
sich selbst, weil er es gewagt habe, der Geliebten die Haare
auszureissen und ihre Wangen blutig zu schlagen^. Siegreich
bekämpft er Am. 11 5, durch den Anblick ihrer holden Scham
gerührt, die Versuchung die Treulose zu züchtigen ^ und Am.
1 Vgl. Ribbeck Agroik. S. 32. Kock Com. Att. fr. III S. 28.
Hauptsächlich nach dieser Properzstelle ist der wilde Timanth ge-
zeichnet, von dessen Jähzorn Pausias und sein Blumenmädchen in
Goethes schöner Elegie sich unterhalten.
2 Vgl. Tib. I 6, 73 f.; Ov. Am. I 7, 1 ff. 23 ff. — Ov. a. a. II
169 ff. ; Prop. FV 5, 31 f.
8 Vgl. Tib. 1 10, 59 f.; Ov. Am. II 5, 11 f. I 7,6.
600 Wilhelm
II 7, 7 giebt er vor, den Nagel seines Mjldohens in seinen Haaren
zu verspüren, sobald er eine andere lobe*.
Die Abhängigkeit der römischen Elegiker untereinander,
insbesondere diejenige des Ovid von Tibull, soll hier nur an-
gedeutet sein, aber nicht ausführlicher besprochen werden: vgl.
Jahrb. f. Phil. 1895 S. 117 f. In der griechischen Komödie
findet sich das Motiv der Misshandlnng der Geliebten, soweit ich
sehe, zuerst bei Aristoph. Plut. 1013 ff., wo die verliebte Alte
von dem jungen Manne, der sich einst von ihr aushalten liess und
den ihr Plutos durch Ausschüttung seines Reichthums entzogen
hat, folgendes berichtet:
μυστηρίοις bk τοις μεγοίλοις όχουμ^νην
έπΙ της άμάΕης δτ€ προσέβλεψέν μέ τις,
έτυτττόμην 5ιά τουθ' δλην τήν ήμέραν.
οοτιυ σφόδρα ίηλότυττος ό νεανίσκος ήν.
Eingehend ist es von Menandros in den Komödien ΤΤερικειρομενη
(di. die Geschorene, zum Zeichen der Schmach durch Beraubung
des Kopfhaars Entstellte) und 'Ραπιίομένη verarbeitet worden^:
vgl. Huschke Anal. crit. in Anthologiam Graeoam. Jenae et
Lips. 1800 S. 171 ff. und dazu Meineke: Menandr. et Philem.
rell. p. 136 ff.; ßibbeck, Alazon S. 39; Dziatzko in: Jahrbb. f.
class. Phil. 27. Supplbd. Leipz. 1900 S. 123 ff. β. Bei Theokr.
Id. 14, 34 ff. erzählt Aischines dem Tbyonichos, wie er beim Ge-
lage seiner Geliebten Kyniske aus Eifersucht zwei Schläge ins
Gesicht versetzt habe (πύΕ έπι κόρρας Ήλασα, κδλλαν αύθις),
so dass sie auf und davon gelaufen sei, und wie ihn hinterher
die alte Liebe zu ihr gequält habe (v. 3. 50 ff.) ; vgl. Calpurnius
Ecl. 3, 28 ff. Noch belangreicher ist das Trostgedicht des Bufinus
A. P. V 41 (vgl. ebd. 43) auf eine zerbläute und herausgeworfene
treulose Schöne, dessen Anfang (Τις γυμνήν ουτιυ σε και ίΐέ-
βαλεν και fbeipev; Τίς ψυχήν λιθινην είχε και ουκ f βλέπε;)
eine gewiss nicht zufällige Aehnlichkeit mit Tib. I 10, 59 f. (A,
lapis est ferrumque, suam quicumque puellam Verberat) aufweist;
vgl. auch das proripi vias bei Tib. I 6, 72. Ferner gehört hier-
* Vgl. Tib. I β, β9 f.; Ον. Am. II 7, 7.
δ Anders war der Inhalt des Γεωργός. Vgl. Dziatzko im Rhein.
Mue. 54, 1899 S. 497 ff.; 55, 1900 S. 104 ff.
^ Eine ^απι2[ομένη καΐ π€ρικειρομένη ist die Magd der schönen
Sismonda bei Boccaccio Dec. VII 8; vgl. Landau, Die Quellen des De•
kameron2 S. 132.
Zar römischen Elegie 601
her dae Epigramm des AgathiaR Scholastikos A. P. V 220 έπί
τινι Κλεοβούλψ την παλλακήν άποκείραντι und die reuevolle
Palinodie des Paulus Sileutiarus A. P. V 248 (^Q παλάμη πάν-
τολμ€, σύ τόν παγχρύσεον ίτλης ΆπριΗ ορα^αμένη βόστρυχον
αύ€ρύ(Ται κτλ.), deren Verwandtschaft mit der oben erwähnten
ovidischen Elegie Am. I 7 unverkennbar ist. Aebnlioh wird in
Menandros' ΤΤ€ρικ€ΐρομένη die Klage des jähzornigen Polemon
gelautet haben, der nach dem Zeugniss des Philostratoe Ep. 16
nach verübter That κλάει κα\ μεταγιγνώσκει τφ φόνψ τών
τριχών.
Nach Huschke aO. haben die römischen Elegiker den Vor-
wurf der Züchtigung der Geliebten durch den eifersüchtigen Lieb-
haber direct ans Menandros entnommen. Jeder Kundige weiss,
dass die augusteischen Dichter die Dramen des Menandros gelesen
haben, und die Möglichkeit einer unmittelbaren Beeinflussung der
lateinischen Elegiker durch den griechischen Komiker muss auch
hier zugegeben werden*^. Aber die Thatsache, dass jenes Motiv
bei den spätgriechischen Epigrammatikern begegnet^, läset kaum
einen Zweifel, dass es auch in der hellenistischen Elegie, der er-
giebigen Quelle för jene®, verbreitet war und dass es, wie so
viele der den römischen Elegikern gemeinsamen Motive, haupt-
sächlich durch Vermittlung der hellenistischen Elegie, die ihrer-
seits aus der Komödie — und nicht zum wenigsten aus der me-
nandrischen — schöpfte ^®, in der römischen Elegie lüingang ge-
funden hat^i. So hat wohl auch Ovid Am. I 7, von dem Vor-
bilde des Menandros abgesehen ^^ eine Elegie aus alexandrinischer
Zeit und zwar vermuthlich die nämliche benutzt wie Paulus
Silentiarius aO., der nicht für einen Nachahmer der lateinischen
Dichter gelten darf ^^ Auf ein alexandrinisches Muster dieser
7 Vgl. Leo, Plautin. Forsch. S. 129 [und Rhein. Mus. 55, 604 ff.].
8 Vgl. auch Philoetr. Ep. 61.
ö Vgl. R. Bürger, De Ovidii carminum amatoriorum inventione
et arte. Guelf. 1901, S. 8.
^® Vgl. V. Hoelzer, De poesi amatoria a comicis atticis exculta,
ab elegiacis imitatione expressa. Pars prior. Marp. Catt. 1899.
^^ Nicht beweiskräftig hierfür ist Ov. Her. 19, 81 ff. (Acontius
anCydippe), weil Ovid hier von den lateinischen Dichtern abhängig ist.
Vgl. Zingerle, Ovidiue und sein Verhältnies zu den Vorgängern und
gleichzeitigen römischen Dichtern. 1. Theil, S. 96 f.
12 Vgl. Bürger aO. S. 23.
" Vgl. Mallet, Quaest. Prop. S. 0.
602 Wilhelm
Art dürfte ferner das Tiballische (I 10, 57 f.) Bild des Amor,
der in gemächlicher Gleichgiltigkeit zwischen den Streitenden
sitzt (vgl. Theokr. Id. 1, 32—38 und Chariton I 1, 4 Φιλόνεικος
b' έστιν 6 "Ερως και χαίρει τοις παραδόΕοις κατορθώμασιν),
zurückzuführen sein. Wird man fehlgehen, wenn man annimmt,
dass auch die komische Figur des miles gloriosue^^, der aus
Eifersucht auf geradezu barbarische Weise gegen die Geliebte
loszieht — ein solcher Barbar in Weibsgestalt ist Cjnthia bei
Prop. IV 8, 55 ff.^^ — bereits in der alexandrinischen Elegie
vorgekommen ist?^®
2.
Jahrb. f. Phil. 1892 S. 614 ff. habe ich begründet, warum
ich die Auffassung, dass sich Tibull I 2 beim Gelage befinde,
nicht theile. Mag sich das Motiv des unglücklich Liebenden,
der beim Becher unter Freunden Trost sucht, aber seine Leiden-
schaft nur noch mehr erhitzt, so dass er jammert, weint, schreit,
vor Erschöpfung einschläft und von den Genossen theils be-
mitleidet theils verlacht wird, in der hellenistischen Elegie auch
Öfter vorgefunden haben (vgl. Asklepiades A. P. ΧΠ 135. Kal-
limachos A. P. XII 134. Alkiphron 135,2. Prop. III 25, 1"),
das Tibullische Gedicht an und für sich betrachtet besagt nichts,
was die Annahme einer solchen Situation nothwendig macht ^^
Unmittelbarer » und ergreifender erscheint mir die Wirkung des
Gesanges, wenn ich mir vorstelle, dass ihn der Dichter leibhaftig
vor der Thür der Geliebten vorträgt — άνήνυτα προσκαρτερών
και θυραυλών . . . kereuuiv . . . ταΟτα δή τα μυριόλ€κτα και
συνήθη προς τά παιδικά τοις έρώσιν (Aristaen. Π 20). Nicht
als ein bloss gedachtes, sondern als ein wirkliches πάρα*
κλαυ(Τ{θυρον — nach conventioneller Art — giebt sich die
Dichtung. Der Ansicht, dass die Scene von Anfang bis zu Ende
vor Delias Thür zu denken sei, ist auch Hoelzer aO. S. 61 fi.,
1* Tib. I 10, 65 f. ; Hoelzer aO. S. 74 f.
^^ Vgl. Lukianos D. mar. 9. 15.
^^ üeber das Motiv des Erbrechens der Thür (θυροκοπήσαι) vgl.
Leo aO. S. 140 und Hoelzer aO. S. 68 f.
^"^ Risus eram positis inter convivia mensis; vgl. Leo, De Horatio
et Archilocho. S. 10 f.
^^ Auf das Argument, dass v. 1 die Anrede puer nicht enthalte,
will ich kein Gewicht mehr legen; vgl. Kallimaohos A. P. ΧΠ 51.
Meleagros A. P. V 136.
Zur römischen Elegie 603
nur dase er sich mit Rücksicht aaf die Beziehung zwischen Ko-
mödie und Elegie, wie sie in diesem Gedicht mehrfach hervor-
tritt, nach Dissens Vorgang den Dichter gleich dem Phaedromus
im Eingang des Plautinischen Curculio in Begleitung eines mit
Wein und den erforderlichen Gefässen versehenen Dienere vor-
stellt^^. Aber heisst nicht auch das, in die Elegie etwas hinein-
tragen, was die Worte des Dichters selbst, die unter allen Um-
ständen den ersten Masstab für die Erklärung abzugehen haben,
mit keiner Silbe andeuten?
Die Voraussetzung, dase der κωμάίιυν vom Becher kommt,
ist für den antiken Leser selbstverständlich. ΤΤρός μ^θην ό
έρών και προς τό έράν ό μεθύιυν έπίφορος (Heliod. III 10).
TibuU hat sich, nachdem er, es sei zu Hause im stillen Kämmer-
lein oder auswärts im Freundeskreise, umsonst versucht hat, den
Liebesgram durch Wein zu lindern (vgl. I 5, 37), vom Trank
hinweggestohlen. Da steht er, wie der verliebte Asklepiades
A. P. V 164. 167 oder Meleagros A. P. V 191 allein und ohne
Begleitung^, der Kälte der Nacht und dem Begen ausgesetzt
(v. 29 f.; Asklepiades A. P. V 167. 189), vor der Thtir der Ge-
liebten, findet aber keinen Einlass. Um diesen neuen Schmerz
zu stillen, will er sich den Wein kräftiger mischen (natürlich,
nachdem er dahin zurückgekehrt ist, wo er soeben getrunken
hat) und trinken, bis ihn tiefer Schlaf befällt, den niemand stören
soll. TTiv\ Άσκληπιάδη• τί τα δάκρυα ταύτα; τί πάσχεις; er-
muntert der liebeskranke Asklepiades Α. Ρ. ΧΠ 50 sich selbst.
So redet auch Tibull und zwar im Anklang an die Vorschrift des
Meleagros A. P. XII 49 (Ζιυροπότ€ΐ, δυσέριυς, καΐ σου φλόγα
*^ 'Venit nimirum poeta cum puero, qui vasa et vinum fert, ad
Deliae ianuam, eive ut item ac Phaedromus lenam (cf. Tib. 1 5, 47 sqq.)
sibi vino propitiam faciat, sive ut ipse cum Delia potet et accubet.
Sed magno cum dolore intellegit fores clausas et sibi infecta re domum
abeundum esse. Itaque reversurus iubet servum potioni plus meri
afifundere« ut fortiore poculo sumpto et amoris dolore vino superato
domi somnum capere possit. Sed ut plerisque amatoribus etiam Ti-
bnllo Bacchus non remedium furoris, sed 'ignis in igne* fuit. Quare
poculo epoto ad maiorem oupidinis ardorem incenditur, ita ut que-
rellas, quae inde a versu 7 sequuntur, fundat/
20 Vgl. auch Tib. I 2, 33 ff. Ob die άποκεκλειμ^νη in Grenfells
Erotic fragment in Begleitung einer Dienerin zu denken sei, ist nicht
sicher; vgl. dagegen Crusius Philol. 55, 1896 S. 367. Omni oomite
viduatus erscheint auch Thrasyllus bei Apuleius Met. VIII 10 f. an der
Thür der Geliebten.
604 Wilhelm
τάν φιλότταώα Κοιμάσει λάθας 5ωρο5ότας Βρόμιος* Ζωρο-
πότει, και πλήρ€ς άφυσσάμενος σκύφος οϊνας , Έκκρουσον
στυγεράν έκ κραόίας όόύναν)^^ und an Theogn. 469 f. (Μηδ*
€ÖbovT' έπέγειρε, Σιμιυνίόη, δν τιν' δν ημών θαιρηχθεντ' οϊνψ
μαλθακός ύπνος ?λη)^ sich selber an:
Adde merum vinoque novoe compesoe dolores,
OGcnpet ut feesi lumina victa sopor :
neu qaisquam multo percassuni tempora Baccho
excitet, infelix dum requiescit amor.
Aber Amor erweist sich mächtiger als Bacchus*^. Er kann nicht
weichen von der spröden Thür^ und stimmt nach kurzer Be-
gründung des ^ριυς ουσέριυς (ν. 5 f.) mit ν. 7 die Klage an,
die bis zum Schlüsse währt.
Delia ist wie die Lyce in dem παρακλαυ(Τίθυρον des Hör.
Ca. III 10 saevo nupta viro. Der συγκοιτος (Α. Ρ. V 191«•^)
= coniunx (Tib. I 2, 41) hat ihr strenge Keuschheitswächter be-
stellt (v. 5. 15). Die Rathschläge, wie jener betrogen werden
kann — ούχ ουτο) γαρ ευφραίνει τό φανερόν της έΕουσίας ώς
το απόρρητον τής ηδονής, παν bk τερπνότερον τό κεκλβμμένον
(Philostr. Ερ. 30; vgl. Ον. Am. Π 19, 3) — sind nichts anderes, als
die Vorschriften der von Tibull I 2, 15 flP. und in den verwandten
Partien 1 6, 5 fF. 8, 55 ff.^ verwertheten Liebeslehre der alexan-
drinischen Elegie. Vgl. Bürger aO. S. 88 ff. 127. Hier war in An-
lehnung an die erotische Tragödie (vgl. Eur. Hipp. 476 ff.) und
Komödie (vgl. Plaut. As. 756 ff.) die Anweisung gegeben, die Tbür
geräuschlos zu entriegeln und zu öffnen (Tib. 12, 10. 18; vgl. Ari-
stoph. Thesm. 487 f.; Plaut. Cure. 158 f.) 27, die Wächter zu täuschen
^^ Auf diese Stelle verweist Leo aO. S. 11. ■— Zu dem ebd. an-
geführten Verse Ov. Her. 15, 230 vgl. Philostr. Ep. ed. Boies. S. 20i).
E. Rohde, Der griechische Roman ^ S. 171, Anm. 3. Bürger aO. S. 54.
^ Durch einen alcxandrinisohen Dichter (Kallimachos) vermittelt?
vgl. Reitzenstein, Epigr. und .Skolion. S. 69 f.
2^ Dieser Conflict zwischen beiden bildet das Motiv für Lygdamus
III β; vgl. Jahrb. f. Phil. 1893 S. 709 ff.
2* Zu dem plötzlichen Umschwung der Stimmung vgl. Tib. I 2,
7-10. 5, 5-8. 9, 3-fi.
^ "Ή τιν* ίχει σύγκοιτον; vgl. Tib. Ι 6, 6 nescio quem tacita
callida nocfe fovet ίΛλλος knel ΔημοΟς θάλπεθ' ύπό χλαν{δι; Α. Ρ.
V 178).
2β Vgl. Philol. 1901 S. 586.
2*^ Die verrätherische Thür auch bei Boccaccio Dec. VIII 7.
Zur römischen Elegie 605
(v. 15. Plant. Mil. 153. 467), lautlos vom Lager anfzastebn und
fortzuschleicheD (v. 19; vgl. Tib. I 8, 59. Nonnos Dionye. XVI
265 flP.), eich durch σημεία, συνθήματα und νεύματα λα-
epibia (Tib. I 2, 21 f. Plaut. As. 784. Prop. III 8, 25 f. Mu-
saios 1 Ol-- 107. Heliod. V 4 VH 7. Ach. Tat. I 10, 4. Paul.
Sil. A. P. V 262) sogar in G-egenwart des Gatten gar trefflich
zu verständigen-® — Lieblingsthemen des aus ähnlichen Quellen
wie Tibull schöpfenden und diesen selbst nachahmenden^^ Ovid:
vgl. Am. I 4. 6»o. U 2. Γ.. 19. III 2»^ 4. a. a. I 137 f. 489 f.
597 ff. 82. III 611 — 658. Her. 16,75 ff. Wie Tibull auf die
verheirathete Delia v. 16 (audendum est: fortes adiuvat ipsa
Venus), so redet bei Eur. Hipp. 476 die Amme'^ auf Phaedra
ein (τόλμα b' έρώσα* θεός [sc. Κύπρις] έβουλήθη τά5ε), und
wie sie den Liebeszauber zu Hilfe ruft (v. 478 f. 509 f.), so
^ Hierher gehört auch das Spiel mit dem Becher (Ov. a. a. I
575 f A. P. V 171. Lukianos D. d. 5, 2 p. 214. β, 2. ρ. 217. Apuleius
Met. 11 16. Ach. Tat. II 9. Aristaen. I 25) und der Kniff, die begangene
Untreue mit constanter Keckheit abzuleugnen (Plaut. Mil. 188 ff. Me-
leagros Ä. P. V 184. Tib. I 6, 7 f. Ov. Am. II 2, 57. III 14. Boccaccio
Dec. VI 7). Hinterher beschwert sich der έρωτοδιδάσκαλος, dass er von
der Geliebten mit Hilfe der Künste, die er ihr gelehrt hat, selbst hinter•
ganzen wird: heu heu nunc premor arte mea (Tib. I H, 10). So be-
klagt sich Aristaen. I 25 die Hetäre Philainis über ihre undankbare
Schülerin, die ihr durch Anwendung des von ihr gelernten Verfahrens
den Geliebten abspenstig gemacht hat: τοιαύτα μοι παρ' αυτής τά τρο-
φεία' oÖTUj με νΟν άντιπελαργοΟσα δικαίαν άποδίδωσι χάριν.
2» Vgl. Ον. Trist. II 447 ff. (lauter Anspielungen auf Tib. I 6).
^ Flehentliche Bitte an den ianitor. Derselbe Vorwurf bei Apu-
leius Met. IX 18; vgl. Ov. Am. II 2. Andere Parallelen zwischen Ovid
und Apuleius: Ov. a. a. I 229 ff. III 7ß2; Apul. II 11 (vgl. Ach. Tat.
II 3, 3). — Ov. a. a. III 771 ff.; Apul. II 17 (vgl. Ps.-Lukianos Λούκιος
ή όνος c. 8 ρ. 576 — c. 10 ρ. 578).
81 Hierzu Bürger aO. S. 46.
82 Vgl. v. G08. Tib. I 2, 16. Die Abhängigkeit des Ovid von
hellenistischem Vorbilde erhellt besonders aus der Vergleichung mit
Ach. Tat. I 9. 10. II 4; vgl. Rh. Mus. 57, 1902 S. 74. — Den Vor-
schriften der Liebcslehre durchaus entsprechend ist übrigens auch das
Benehmen des Thrasyllus gegen die verheirathete Charite bei Apuleius
Met. VIII 2. Bemerkens werth ist die Aehnlichkeit dieser natürlich aus
dem Griechischen entlehnten Novelle mit der Erzählung bei Plut.
Amator. 22: vgl. Rohde aO. S. 590.
^ An Stelle der τροφός übernimmt in der Komödie die Kupp-
lerin die Stelle des έρωτοδώάσκαλος.
606 Wilhelm
auch Tibull (v. 41 ff.)• ^'^^ Verse 25—28»* sind zusammen-
zuhalten mit Prop. III 16, 11 — 20. Gemeinsam ist der wohl
gleichfalls aus der hellenistischen Elegie übernommene Gedanke,
dass der (treu) Liebende saorosanot ist, weil er unter dem Schutze
des Amor und der Venus steht, unangefochten wandelt er in
finstrer Nacht (vgl. Philodemus A. F. V 25), kein böses Thier
— statt der bissigen Hunde bei Prop. aO. ist bei Hör. Ca. I
22^^ «1er Wolf»® eingesetzt — kann ihn verletzen. Von der
Liebeslehre scheint Tibull auch an der Stelle abhängig zu sein,
wo er mahnt, dass die Geheimnisse der Venus zu verschweigen
sind (I 2, 33—40; vgl. Ov. a. a. II 603—612) und dass die diva
non mihi generata ponto (Sen. Phaedr. »^ 279; vgl. Tib. aO. v. 40)
an dem, der jene preisgiebt, furchtbare Rache nimmt.
Auf die besprochene Versgruppe 15 — 40 folgen die auf den
Aberglauben der Geliebten*^ berechneten Verse 41 — 58. Ueber
das Motiv des Liebeszaubers bei den römischen £legikern und
seine griechischen Quellen vgl. Philol. 1901 S. 582 '®. Allerdings
glaube ich, dass Tibull an dieser Stelle in der Hauptsache
von einer andern griechischen Leetüre als der dort bezeichneten
8* Vgl. Ov. Am. 1 6, 7-14.
^ Zum Wesen des integer vitae scelerisque parus di. mit einem
Worte des pius gehört es, dass er der Geliebten die Treue hält: vgl.
Wunder iu Jahrb. f. Pbil. 99 (1869) S. 854. Dass Horaz am Schlüsse dee
(iedichts nicht bloss die Sappho (fr. 2, 3 £f. αδυ φων€ύσας υπακούει καΐ
γελαίαας ίμερόεν), sondern auch einen bellenietischen Dichter, dem die
Stelle der Sappho vorschwebte, nachahmt, lehrt Aristaen. II 21, wo
der Jüngling der Geliebten die ganz ähnliche Schlussversicherung seiner
Liebe giebt: 2στω τοίνυν ίργον iv μόνον έπιδέΗιον έμοί φίλεΐν Δελ•
φ(δα καΐ ύπό ταύτης φιλεΐσθαι και λαλεϊν τή καλή καΐ άκούειν λαλού-
σης. Nach dem λαλεϊν des hellenistischen Vorbilds ist der Name La-
lage gebildet, wenn ihn Horaz nicht schon dort vorfand.
^ Die Begegnung mit einem wilden Thier auf einsamem Pfade
gilt als der schrecklichste der Schrecken; vgl. Semonides fr. 14. Catull.
45, 7. Dieses catullische Duett gemahnt wie das horazische Ca. III 9
an die erotisch-mimische Lyrik der Hellenisten; vgl. Grusius aO. S. 384.
Beide Gedichte handeln vom Glück des amor mutuus (Catull. aO. v. 20).
Man beachte, wie in beiden die Geliebte den Liebenden im Ausdruck
überbietet. Zum horazischen Motiv (Trennung und herzlichste Ver-
söhnung) vgl. Aristaen. I 22.
3"^ Nach dem Muster des Euripideischen Ιππόλυτος καλυπτόμενος.
^ Zum Typus der abergläubischen Hetäre vgl. ua. Lukianos D.
mer. 4, I p. 286. Alkiphron I 37. II 4, 15 f. 21.
8ö Dazu Bürger aO. S. 99 f.
Zur römisohen Elegie 607
abhängig ist. Ein oonianx, der mit Hilfe solcher Sohwarzknnst^
derartig verblendet wird, dass er an keinen Hörnerpflanzer glaubt
(v. 41. 55) und seinen Augen, die ihn in keinem andern Falle im
Stich lassen würden (v. 57 f.), selbst dann nicht traut ^^, wenn
er sein Weib mit jenem zusammen im eignen Ehebette sieht
(v. 56), das ist ein StoflP, der den Vergleich mit den pikanten
Geschichten von zauberknndigen Buhleriunen und geprellten Gatten
nahelegt, wie sie Ps.-Lukianos (Λουκιος ή δνος) und Apuleius
(Metamorphosen) erzählen*^, deren Vorgänger auf diesem Ge-
biete, Aristeides von Milet*•, Eubios ua., ihre zahlreichen Leser
in ihren dem TibuU gewiss nicht minder wie dem Ovid (Trist.
U 413 ff.) bekannt gewesenen Novellen mit ähnlichen άκόλα(Ττα
διηγήματα (Ps.-Lukianos Amor. 1) unterhalten haben. Eine solche
Novelle wird dem Tibull vorgeschwebt haben. Dieser Typus
des durch έπψ5αί (ν. 53) gebannten Ehemanns, der ού πιστεύων
τοις έαυτου όφθαλμοϊς οδθ' δτι βλέπουσιν οδθ' δτι έγρηγό-
ραίΤιν^*, zusehen muss, wie er zum Hahnrei gemacht wird, er-
innert an die Figur des geleimten Alten in der Komödie *^, die
von der Novelle nicht unbeeinflusst iet^^, und lebt in dem alten
Nikostratus der bekannten Erzählung des Boccaccio Dec. VII 9
fort: er bemerkt von dem angeblich bezauberten Birnbaum aus
*o Vgl. Boccaccio Dec. VHl 7. IX 5.
*i Vgl. Ov. Am. II 2, 57 f. Viderit ipse licet, credet tarnen ille
neganti Damnabitque oculos et sibi verba dabit.
^ Vgl. Pe.-Luk. aO. c. 4 p. 572 ff. (die Gemahlin des Hipparch,
eine μάγος &€ΐνή καΐ μάχλος, und ihre gleichgeartete Magd Palaistra);
Apuleius aO. I 8 (Meroe, saga et divina, potens caelum deponcre, ter-
ram suspendere, fontes durare, montes diluere, manes sublimare, deos
iofirmare, sidera extinguere, Tartarum ipsum inluminare; vgl. Tib. I
2, 42 ff); 1X29. IX 5 ff. (die listige Tagelöhnerfrau und ihr betrogener
Gatte; vgl. Boccaccio Dec. VII 2). IX 17 ff. (der düpirtc Rathsherr
Barbaras).
^^ Vgl. Apuleius aO. I 1. Susemihl, Gesch. d. griech. Litt, in
der Alexaudrinerzeit U 574. 700. Uohde aü. S. 584 ff.
** Ps.-Luk. aO. c. 13 p. 581. Auf das Moment der Augen-
täuschung bei der Zauberei kommt es an. Sonst hat die Stelle ihrem
Zusammenhange nach mit dem Tibullischen Passus nichts zu thun.
*δ Vgl. Ribbeck, Gesch. d. röm. Dichtung * IS. 81. Man denkt an
die Fabel des miles gloriosus, auch an Amphitruo : vgl. du Meril Poesiee
inedites du moyen äge Paris 1854, S. 354 Credere quod nihil est ali-
quid fuit Amphitryoni, Quod videt Decius credidit esse nihil und dazu
Landau aO. S. 82.
*« Vgl. Rohde aO. S. 59(;.
608 ' Wilhelm
den Ehebruch seiner Frau Lydia mit seinem Diener Pyrrbus und
ist schliesslich fest überzeugt, dass seine leiblichen Augen ihm
eine falsche Thatsache vorgespiegelt haben ^'^. Unter den v. 43 ff.
angeführten Künsten der saga scheint das aestivo convocare orbe
nives (v. 50) anderweitig nicht nachweisbar zu sein. Dase Tibull
auch hier nach griechischem Muster gearbeitet hat, verräth die
von Huschke herbeigezogene Stelle Diod. Sic. V 55, wo es von
den Teichinen heisst : λέγονται b' οΰτοι και τόητες γεγονέναι και
παράγειν δτε βούλοιντο (vgl. cum libet Tib. aO. ν. 49) νέφη
τε και δμβρους και χαλάίας, ομοίως be και χιόνα έφέλ-
κεσθαι.
Die Gruppe 59 — 64 schliesst mit einem Gemeinplatz der
erotischen Poesie (amor mutuus) : vgl. zu den von Leo PI. F. S. 130 f.
und Hoelzer aO. S. 66 f. angeführten Stellen Plaut. Mil. 100 f. Theokr.
Id. 12, 15 f. Bion 8*8. Die v. 65 ff. fingirte Persönlichkeit des
ferreus*®, der es über sich gewinnen kann, dem Liebchen Kriege-
ruhm und Beute vorzuziehen, ist in der Elegie typisch : vgl.
Prop. III 12. 20. Ganze Seh aaren von Barbaren vor
sich hertreibend, ganz in Gold und Silber gerüstet, hoch
zu Ross und dadurch vor allen kenntlich, so ist er ähnlich
dem άλα2!ών gedacht, den Lukianos D. mer. 13 nach dem Vor-
bild des Menandrischen Μισουμενος^ prahlen läset: προβΕήλασα
τών δλλιυν Ιτπτέιυν έπι του ϊππου του λευκού . . . oi Γα-
λάται^^ καίτοι άλκιμοι δντες ίτρεσαν ευθύς ώς εΐ5όν με και
ούοεις ?τΐ υπέστη (1) . . . Άλλ' έγώ τολμήσας παρήλθον ές
το μέσον ου χείρον του ΤΤαφλαγόνος ώπλισμένος, άλλα πάγ-
χρυσος και αυτός, ώστε βοή ευθύς έγένετο και παρ' ημών
και παρά τών βαρβάρων* έγνώρισαν γάρ με κάκεϊνοι ίόόντες
άπό της πέλτης μάλιστα και τών φαλάρων και του λόφου (3).
Das Gegentheil jenes ferreus ist der bei den £rotikern so oft
wiederkehrende Liebhaber, dem aller Ruhm und alle Schätze der
*'' Directe Blindheit an Stelle der Verblendung in Scheraemins
Erzählung bei Wieland, Oberon VI 36 ff.; vgl. H. Düntzer, Erläute-
rungen zu deuteehen Ciassikern II. Wielands Oberon. 2. Aufl. S. 71.
M. Koch , Das Quellenverhältnies von Wielauds Oberon. S. 55. —
üeber antiken Einfluss auf Boccaccio vgl. Landau aO. S. 288; Rohde
aO. S. 572 ff.; Gaspary, Gesch. d. ital. Litt. II 33 f.
*8 Dazu Anm. 36.
4ö Vgl. Leo, Phil. Untere. II S. 37.
«^ llibbeck, Alazon S. 36.
δΐ Dafür bei Tib. aO. v. 67 die Cilicier, wie bei Plaut. Mil. 42.
Zar römischen Elegie β09
Welt gegenüber dem traulichen Zusammenleben mit der Geliebten
nichts bedeuten (vgl. ua. Plaut. Cure. 178 ff. CatuU. 45. Me-
nandroR bei Alkiphron 11 3, 12): κδν πέτραν οΐκώμεν, €Ö olba
^Αφροοίσιον αυτήν το εονουν ποιήσειν (Glykera an Menandros
bei Alkiphr. 11 4, 10; vgl. Tib. aO. v. 74). Die ganze Reihe
V. 65 — 74 ist nichts als die ausführliche Ausmalung des^Non ego
laudari curo, mea Delia: tecum Dum modo sim, quaeso segnis
inersque vocer* der ersten Elegie (v. 57 f.). Zu dem folgenden
(v. 75 — 78) überaus oft, am anschaulichsten von Heliod. VII 9,
behandelten Gemeinplatz von den qualvollen Nächten des un-
glücklichen Liebhabers vgl. Phiiol. 1901, S. 586. Der Liebende,
der sein Leid der Verletzung der Gottheit zuschreibt (v. 79 ff.),
begegnet in der Komödie (Plaut. Gas. 617) und wird in der
alexandrinischen Elegie ebenso wenig gefehlt haben (vgl. Cydippe
an Acontius bei Ov. Her. 20, 47 ff. 177 ff.) wie der bussfertige
ουσερως (Tib. aO. v. 83 ff.), unter den hier bezeichneten αλ-
λόκοτοι προσκυνήσεις, wie sie im Δεισιδαίμων^* des Menandros
verspottet waren, habe ich das tundere poste caput sonst nirgends
belegt gefunden. Dem vorübergehenden jugendlichen Spötter ^^,
der sich an dem Unglück des Ausgeschlonsenen weidet (87) ^,
wird das Schicksal des πάλιν μειρακιευόμενος πρεσβύτης^^ pro-
phezeit (87—96), welcher nach langer Verachtung des Amor be-
kennen muss: αυχένα σοι κλίνω, Κύπρι, μεσαιπόλιος
(Paul. Sil. Α. Ρ. V 234; vgl. Tib. aO. ν. 90 poa Veneris vinclis
Rubdere colla sene m). So giebt Meleagros A. P. Xll 23 vor, die
κιυμάίοντες oft verlacht zu haben (τοις ουσέρωσι Κώμοις
ήιθέων πολλάκις έγγελάσας. vgl. Tib. aO. ν. 89 qui iuvenum
miseros lusisset amoreej, bis er sich selbst vom triumphirenden
Eros vor die Thür eines Geliebten gestellt sieht. Auf der Vorschrift
der Liebeslehre, dass, wer die Herrin gewinnen will, sich erst
die Dienerin geneigt machen muss (Ter. Heaut. 300 f. Ov. a. a.
I 351 f. II 251 ff. Ach. Tat. II 4, 2), beruht v. 94. Vgl. Bürger
aO. S. 59. Von einem solchen Gespräch zwischen einem Jüngling
und der Magd der Geliebten berichtet Aristaen. I 22^®. Zu v. 97 f.
vgl. Ov. Am. II 9.
Ratibor. Friedrich Wilhelm.
52 Nach Meinekes Vermuthuug von Plutarch in der Schrift π€ρΙ
δεισιδαιμονίας benutzt.
w Hoelzer denkt κη einen grassator nocturnue. Aber ein solcher
läset es beim blossen Spott nicht bewenden; vgl. £1. in Maec. I, 29.
^ Zu V. 88, wo freilicii die Lesart f^chwankt, ist das Trostwort
der Chryeothemis an Elektra bei Sopli. Kl. Dl•) f. verglichen worden:
τοις αύτοΐσί τοι Ούχ αυτός aUl δαιμόνων παραστατεΤ.
•»5 Hoelzer S. 87.
^ Vgl. Boccaccio Dec. 11 5.
aheiD. Μαβ. f. PhUol. Ν. F. LVII. 39
DER VATER DER SISYGAMBIS
UND DAS VERWANDTSCHAFT SVERHAELTNISS
DES DAREIOS Ul KODOMANNOS
ZU ARTAXERXES II UND lU
Bekanntlich leitete der Grosekönig Artaxerxee III Ochos
seine Regierung durch ein graueigee Blutbad ein, indem er alle
Mitglieder des Achämenidengeschlechtes und des Hofes, von denen
er in irgend einer Weise Gefahr fttr den Bestand seiner Herr-
schaft befürchten zu müssen glaubte, ohne Rücksicht auf Bluts-
verwandtschaft, Alter und Geschlecht abschlachten Hess. Von
diesem Massenmord besitzen wir in zusammenhängender Dar-
stellung der persischen Geschichte nur einen, ganz kurz und all-
gemein gehaltenen Bericht bei Justinus X 3, 1 : Hereditas regni
Ocho tradita, qui timens parem coniurationem (als die seines
Bruders Dareios gegen Artaxerxee Π gewesen war) regiam cogna-
torum caede et strage principum replet, nulla, non sanguinis, non
sexus, non aetatis misericordia permotus: scilicet ne innocentior
fratribus parricidis haberetur. Daneben erzählen aber noch zwei
andere Schriftsteller des Alterthums von einer gewaltigen Metzelei,
die jener Perserkönig unter den höchststehenden Persönlichkeiten
seiner Umgebung angerichtet habe ; ja sie geben über dieselbe
genauere Einzelheiten als sie Justin bietet, freilich beide nicht
in zusammenhängender geschichtlicher Erzählung sowie ohne An-
gabe der Zeit, in welcher die blutige Tragödie sich abspielte,
und der Umstände, durch welche sie herbeigeführt wurde. Va-
lerius Maximus berichtet in seiner Sammlung historischer Bei-
spiele (IX 2 Ext. 7) Folgendes: Apertior et taetrior alterins
Ochi cognomine Artaxerxis crudelitas, qui Atossam Fororem atque
eandem socrum vivam capite defodit et patruum cum centum
amplius filiis ao nepotibus vacua area destitutum iaculis confixit,
nulla iniuria lacessitus, sed quod in bis maximam apud Persae
Der Vater der Sy8i<Qrambi8 usw. β11
probitatis et fortitudinis landem consistere videbat. Die zweite
Stelle findet eich bei Cnrtine X 5, 23, wo auf dasselbe Ereigniss
angespielt zu werden scheint wie bei Valer. Max. Hier heisst
es: Subibat inter haec animnm (sc. Sisygambis) octoginta fratres
suos eodem die ab Ocho, saevissirao regum, trucidatos adieotum-
que stragi tot filiorum patrem.
Beziehen sich nun die Angaben des Valerius und Curtius
auf dasselbe Ereigniss, von dem Justin berichtet? Es wäre ja
immerhin nicht ganz unmöglich, dass Ochos wiederholt einen
solchen 'Aderlass' zu seiner Sicherheit für nöthig erachtet und
vollzogen hätte. Indessen dies ist sowohl an sich als wegen des
Schweigens Justins kaum glaublich, und, dass wenigstens Valerius
von dem gleich nach der Thronbesteigung des Ochos erfolgten
Blutbad spricht, das auch Justin berichtet, wird dadurch ausser
allen Zweifel gestellt, dass beide Schriftsteller dasselbe Motiv
für die ünthat des Herrschers angeben (Just.: timens pareni con-
iurationem, Valer.: quod in bis maximam apud Persas probitatis
et fortitudinis laudem consistere videbat). Da nun aber, wie ich
glaube, auch die Notiz des Curtius mit der Erzählung des Va-
lerius sich vollkommen in Einklang bringen läset, so kann es
keinem Zweifel unterliegen, dass die Angaben aller drei Schrift-
steller auf einunddenselben Vorgang sich beziehen und daher ge-
trost mit einander in gegenseitiger Ergänzung für die Darstellung
desselben combinirt werden dürfen ^. Nur eine auf den ersten
Blick sehr auffällige Abweichung zwischen Valer. und Gurt,
scheint dem im Wege zu stehen. Valer. giebt nämlich, wie wir
^ Von den neueren Darstellern der persischen Geschichte stützen
sich Spiegel, Eran. Alterthumskunde Bd. 2 S. 480 und Grote, Gesch.
Griechenlands V^ S. 544 A. 124 nur auf die Erzählung Justine. Noel-
deke, Aufsätze zur pars. Gesch. S. 75 hält die Angaben des Curtius,
die noch weiter gehenden des Valer. Max. oar nicht berücksichtigend,
für übertrieben, bezieht sie aber auf denselben Vorgang, von dem
Justin berichtet; ihm schliesst sich Judeich in Pauly-Wissowas Real-
encyklopädie u. Artaxerxes 3. Halbb. S. 1318 völlig an. Nur Droysen
(Gesch. d. Hellenismus Bd. 1 S. 57) und Justi (Gesch. d. alten Persiens
S. 137) verschmelzen, wenn sie auch ihre Quellen nicht ausdi-tioklioh
anführen, die Nachrichten aller drei Schriftsteller mit einander, wie
sowohl ihre Darstellung als namentlich der Umstand, dass sie weiter-
hin, allein unter den Modernen, sich über die nur aus Gurt. X 5, 23
und Valer. Max. IX 2 Ext. 7 zu ergründende Herkunft der Sisygambis
äussern, deutlich erkennen lassen.
ί)12 Neu hau 8
sahen, die Zahl der Ermordeten auf mehr als 100, Cart. nur
auf 80 Personen an. Aber diese Differenz verschwindet, wenn
man erwägt, dass ersterer erzählt, Ochos habe seinen Vaters-
bruder mit über 100 Söhnen und Enkeln tödten lassen {pa-
(ruum cum centum amplius filiis ac nepotibus)^ letzterer dagegen
nur von den Brüdern und dem Vater der Sisygam bis spricht
Voraussetzung hierbei ist nur, dass unter dem Vaterebruder
des Ochos bei Valer. und dem Vater der Sisygambis bei Cnrt.
dieselbe Person zu verntehen ist, und so werden wir auf die
nicht nur für die Quellenkritik, sondern auch geschichtlich wich-
tige Frage geführt: Wer war der Vater der Sisygambis und in
welchen verwandtschaftlichen Beziehungen stand der letzte Perser-
könig Dareios Rodomannos zu seinen Vorgängern Artaxerxes II
und Artaxerxes III? Die sichere Entscheidung dieser Frage wird
durch die Dürftigkeit der uns zu Gebote stehenden üeberlieferung
sehr erschwert. Abgesehen von der uns beschäftigenden Stelle
des CurtiuR findet sich nämlich nirgends die geringste Andeutung
über die Herkunft der Mutter des Dareios III; nur über des
letzteren Vater Arsanes giebt uns Diod. XVII 5, 5 die Auskunft,
dass derselbe der Sohn des Ostanes, des Bruders des Artaxerxes II
(vgl. Plut. Artax. 1), war. Von den modernen Historikern äussern
sich über das Verwandtschaftsverhältniss der Sisygambis zum
Hause der Achämeniden meines Wissens nur Droysen^ und Justin
aber in entgegengesetztem Sinne; nach ersterem war Sisygambis
eine Tochter des Artaxerxes If, nach letzterem eine Tochter des
Ostanes und Schwester und Gattin zugleich des Arsanes. Da
keiner von beiden Gelehrten die Gründe, auf die seine lieber•
Zeugung sich stützt, angegeben hat, so sei uns der Versuch ge-
stattet, selbst ZU ergründen, wie sie zu ihren Aneichten gelangt
sind und welche Anschauung die richtige ist.
Das Fundament der ganzen Untersuchung kann nur unsere
Curtinsstelle bilden, aus ihr allein kann überhaupt gefolgert wer-
den, dass Sisygambis dem Hause der Achämeniden angehört hat^
ι aaO. S. 64.
3 aaO. S. 15 vgl. 39 und Iran. Namenbuch, Marburg 1895, S. 304
vgl. 399.
Β Freilich kommen auch Stellen in Betracht, wie Diod. XVII
37, <i (Alexander redet die bei Irsos gefangene Sisygambis 'Mutter an,
versichert, sie solle ihm eine zweite Mutter sein, und läset ihr die ge-
wohnten königlichei. Ehren erweisen) und 118,3 (Sisygambis nimmt
sich Dach Alexanders Tod selbst das Leben καταθρηνήσασα .... τήν
Der Vater der Sisygambis usw. 613
Freilich giebt Gurt, kein anderes Motiv für die Blatthat des
Ochos an als seine Grransamkeit, aber durch den Vergleich mit
den Nachrichten des Justin und Valerins Maximus ergiebt sich
zum mindesten so viel, dass den Tyrannen bei der Ermordung
der Brüder der Sisygambis (und ihres Vaters?), von der Curtius
spricht, dasselbe Interesse geleitet haben muss, das ihm Valerius
und Justin in ihrer Erzählung seiner Greuel zuschreiben, dass
also die Familie der Sisygambis ein Zweig des königlichen
Hauses gewesen sein mnss. Ebenso mnss aber auch jeder weitere
Versuch, Genaueres über die Abkunft der Sisygambis zu er-
gründen, von derselben Stelle ausgehen. Alles hängt ab von
der sachgemässen Erklärung der Worte: adiectumque stragi tot
filiorum patrem* und ihrer richtigen Combination mit den anderen
uns erhaltenen auf die Verhältnisse in der königlichen Familie
bezüglichen Stellen. Nimmt man die Worte des Curtius
für sich allein, so kann er mit ihnen doch nur mei-
nen, dass nach der Ermordung seiner 80 Söhne auch
noch der Vater der Sisygambis niedergemetzelt wor-
den sei. Nun hat man jedoch — wenigstens weiss ich es mir
nicht anders zu erklären — diese Worte einerseits mit der Er-
zählung Plutarchs Artax. 30, dass Artaxerxes II aus Schmerz
über den durch die Hinterlist des Ochos bewirkten Tod seiner
beiden andern Söhne Ariaspes und Arsames gestorben sei, an-
dererseits mit Justins (X 1, 1) Angabe, dass jener König 118 Söhne
gehabt habe, in Verbindung gebracht. Beides lag nahe, da der
εαυτής έρημίαν, vgl. Juet. ΧΙΠ 1, β: quod pietatem filii in eo, quem
ut hostem timuerat, experta esset); ferner die genau mit Diod. XVII
37, 6 übereinstimmendeu Parallelerzählungen des Curtius III 12, 13 ff.,
Plutarch Alex. 21 und Justin XI 9, 12 ff. über die erste Begegnnnpr
zwischen AlexandtT und Siaygambis; die Schilderungen der hohen Ver-
ehrung, die der Eroberer stets der unglücklichen Frau zollte (Gurt. V
2, 1« ff.; 3, 12 ff.; Flut. Alex. 30), und endlich auch Curt. V 3, 13, wo
sich Sisygambis selbst als regina bezeichnet. Man könnte sagen, dass
Alexander so grosse, in den ihm von Curt. V 2, 22 in den Mund gelegten
Worten: 'Dulcissimae matri Olympiadi nomen dcbitum tibi reddo*
gipfelnde Ehren nur einer wirklich königlichen Frau, einem Gliede
des Achämonidenhauses, erwiesen haben würde. Gleichwohl geben uns
alle diese Stellen keine absolute Gewissheit darüber, ob Sisygambis
schon durch Geburt dem königlichen Hause angehört hat; alles dort
Erzählte könnte auch darin allein seine Erklärung ünden, dass sie eben
die Mutter des regierenden Herrschers war. (8. über die Stellung der
Königinmutter am persisch• π Hofe Spiegel aO. 3, 680.)
614 NeuhauB
Ausdruck: * adiectumque stragi tot filiorum patrem die Todeeart
dee Vaters der Sisygambis nicht bestimmt genug erkennen läset
und die auffällig hohe Zahl (80) seiner getödteten Söhne von
selbst die Gedanken auf Artaxerxes lenkte, der sich, wie man
aus Justin wusste, eines der Angabe des Curtius entsprechenden
Reichthums an Söhnen erfreut hatte. Έβ hätte freilich dabei
nicht vergessen werden dürfen, dass nach Valerius Maximue auch
der auf Ochos Befehl ermordete patmus desselben, also der Bruder
des Artaxerxes II, eine annähernd gleiche Zahl von Söhnen ge-
habt haben muss als letzterer nach Justin, da über 100 Söhne
und £nkel mit ihm niedergemacht wurden; ja, ich wage sogar
zu behaupten, dass die Primärquelle, auf die die Angabe des
Valerius Maximus zurückgeht, die Ziffern für die Zahl der ge-
tödteten Söhne und Enkel von einander gesondert enthalten und
für die Söhne dieselbe Ziffer - 80 — geboten hat, welche Curtius
(aus derselben Quelle) für die Zahl der ermordeten Brüder der
Sisjgambis giebt. Dazu ist wohl noch ein drittes Moment ge-
kommen, auf das Herr Prof. Justi in Marburg, dem ich über-
haupt mehrere werthvolle Fingerzeige für die Behandlung der io
Rede stehenden Frage zu danken habe, mich aufmerksam gemacht
hat, nämlich die Verwechselung des von Diod. XVII 5, 5 ge-
nannten Arsanes (in Wirklichkeit ein Bruderssohn des Arta-
xerxes Π) mit dem bei Flut. Artax. 30 erwähnten Sohn des
Artaxerxes II, Arsames. Beide Personen sind schon von den
Chronographen des Alterthums in den Königslisten wegen ihres
fast gleidh lautenden Namens sehr häufig zusammengeworfen wor-
den ^ und dasselbe ist dann von den Neueren geschehen, die da-
bei die ausdrückliche Angabe Diodors, dass Arsanes der Sohn
des Ostanes, Bruders des Artaxerxes, gewesen sei, entweder über-
sehen oder ihr keinen Glauben geschenkt haben münsen. Auf
diese Weise hat sich dann die Ansicht gebildet, dass als der
pater der Sisygambis bei Curt. Artaxerxes II anzusehen sei, die
80 ermordeten Brüder derselben zu den 118 Söhnen dieses Könige
gehörten und die Worte : adiectumque stragi tot filiorum patrem
nicht von einem gewaltsamen Tode des pater der Sisygambis zu
verstehen, sondern aus Plut. Artax. 30 zu erklären seien, kurz,
dass Sisygambis eine Tochter des Artaxerxes II sei.
^ Vgl. Justi, Iran. Nameubuch und Judeich in Pauly• Wieso was
Realenc>klop. u. Arsaues.
Der Vater der Sisygambie usw. 615
Sie findet sich ausser bei Droysen auch in Teuffels Realencyklo-
pädie^ und in der Encyklop. Britannica^.
Allein gegen diese Annahme erheben sich die schwersten
Bedenken :
1) hat, wie bereite erwähnt ist, nach der einzigen aus-
führlichen Erzählung über den Tod des Artaxerxes II, die wir
besitzen, Plut. Art. 30, Ochos bei Lebzeiten seines Vaters nur
zwei seiner Brüder, die gefürchtetsten Rivalen um die Herrschaft,
aus seinem Wege geräumt, und der Tod dieser beiden Lieblings-
söhne hat genügt den greisen König mit Kummer und Grram in
die Grube zu stürzen.
2) nach Justins ausdrücklicher Angabe hat Ochos erst nach
dem Tode seines Vaters und nach seiner Thronbesteigung die
Abschlachtung seiner zahlreichen übrigen Verwandten angeordnet.
3) ist es schon an sich ganz unglaublich, dass Ochos, so
lange sein Vater noch lebte und herrschte — denn auch nach
dem Tode des ursprünglichen Thronfolgers Dareios und des
Ariaspes wurde er nicht zum Nachfolger ausersehen, geschweige
denn zum Mitregenten erhoben, wie Plutarchs Erzählung (c. 30
vgl. 26) ausser allen Zweifel stellt — ein solches Blutbad unter
seinen Brüdern anzurichten hätte wagen dürfen.
4) würde Curtius, wenn Sisygambis wirklich eine Tochter
des Artaxerxes, demnach eine Schwester des Ochos, also die
80 Brüder, deren Ermordung durch Ochos er sie beklagen lässt,
ebenfalls Söhne desselben Königs und Brüder des Ochos gewesen
wären, sie gewiss haben sagen lassen: ihre und seine eigenen
Brüder seien von Ochos getödtet worden (octoginta fratres suoe
ipsiusque),
5) berichtet Curt. V 3, 12, dass Madates, Satrap der üxier,
mit der Tochter einer Schwester der Sisygambis vermählt und
so ein naber Verwandter des Dareios Kodomannos
gewesen 8ei. Auch hier fällt es auf, dass Curtius, wenn er wirk-
lich Sisygambis für eine Tochter des Artaxerxes II gehalten
1 Bd. 2, 866 u. Dariue. Hier wird auf Aeliane Var. Biet. XII
43 als Beleg hingewiesen, wo siel» aber nur die Worte: Ό bi τελευ-
ταίος Δαρείος ό ύπό *Αλ€Εάνδρου νικηθείς δοΟλος (so in der Ausgabe
von Hercher, alte Lesart: δούλης) ήν finden, die für alles andere eher
sprechen als dass Sisygambis eine Tochter des Artaxerxes gewesen sei,
jedenfalls aber nicht das Geringste zur Entscheidung der Frage nach
ihrem Vater beitragen können.
2 Vol. VI p. 826 u. Dariue.
Gie Neuhaud
hätte, weder den Namen ihrer Schwester genannt noch die Zu-
gehörigkeit derselben zu dem regierenden Zweige der Achäme•
niden erwähnt haben sollten Auch sollte man doch in diesem
Falle erwarten, dass der Schriftsteller nicht bloss von einer Ver-
wandtschaft des Madatee mit Dareios redete, sondern vielmehr
hervorhöbe, dass jener Satrap durch seine Heirath auch mit den
Groeskönigen Artaxerxes Π und III oder mit dem königlichen
Hause überhaupt verwandt geworden sei.
6) endlich haben, wenn Justis Vermuthung, eine Ver-
wechselung des Arsanes bei Diodor mit dem Arsamee bei Plu-
tarch habe zur Bildung der Ansicht, Sisygambis sei eine Tochter
des Artaxerxes II, mitgewirkt, richtig ist, die Gelehrten, denen
dieser Irrthum zugestossen ist, übersehen, dass in diesem Falle
der Arsanes Diodors doch zum Sohne des Artaxerxee 11 und
Bruder der Sisysambis wie des Ochos selbst würde, Dareios III
aber von väterlicher wie von mütterlicher Seite ein Enkel des
Artaxerxes II und Neffe des Ochos und damit als legitimes erb-
berechtigtes Mitglied der regierenden Linie der Achämeniden ein,
wenn auch vielleicht wegen jugendlichen Altere nicht sogleich,
ho doch für spätere Zeit dem Ochos sehr gefahrlicher und zu
fürchtender Nebenbuhler um die Herrschaft gewesen «ein würde.
Uann wäre es aber einerseits, zumal im Hinblick auf die An-
gabe des Valerius Maximus, dass der argwöhnische Tyrann seinen
Oheim sammt Söhnen und Enkeln tödten Hess, und des Justin«
dass er alle irgendwie hervorrai^enden Angehörigen des königlichen
Hauses ohne Rücksicht auf den Grad der Verwandtschaft, auf
Alter und Geschlecht hinschlachten üess, völlig rätbselhafl,
warum Ochos, der Mörder des Vaters (Arsames), den Sohn,
dessen Rache und Rivalität er mehr als die irgend eineß anderen
Prinzen zu fürchten hatte, verschont haben sollte; andererseits
aber würde alles, was Diodor, Plutarch, Justin u. A. uns über
das Jugendleben des Dareios Kodomannos und sein Emporkommen
aus niedrigen und dürftigen Verhältnissen (er soll in seiner Ju-
gend königlicher άίΐτάνοης di. Courier, Eilbote gewesen sein, ja
er wird sogar geradezu als οοΰλος bezeichnet) berichten^, völlig
unbegreiflich.
^ Dies und das vorhergehende Argument verdanke ich der Güte
des Herrn Prof. Jueti.
2 Vgl. Plut. Alex. IM u. de Alex. fort. I 1; Π Η; Diod. XVII
30,7; Just. X 3, .Ί; Curt. ΠΙ 3,2 AT.; Strabo XV 3,24; Aelian Var.
Hiet. XII 48.
Der Vater der Sisygambis usw. β17
Von welcher Seite man also auch die Annahme, Sisygambie
sei eine Tochter des Artaxerxes 11 gewesen, betrachten mag,
immer stellt sie sich als unhaltbar heraus. Ich bin daher über-
zeugt, dass Curt. X 5, 23 nicht mit Plut. Artax. 30 und Just. X
1, 1, sondern mit Valer. Max. IX 2 Kxt, 7 (sowie mit Diod. XVIJ
5,5 und Just. X 3, 1) zu combiniren und durch letztere Stellen
zu erklären ist. Nach Valer. Max. liess Ochos, wie wir wissen,
auch seinen Vatersbruder mit über 100 Söhnen und £nkeln tödten.
Dieser patruus aber ist jedenfalls kein anderer als der von Diod.
aO. genannte Ostanes, δς ήν άοελφός ΆρταΗίρΗου του Περσών
βασίλευσα ντο ς, Vater des Arsanes und Grossvater des DareioslII.
Nach Ktesias nämlich (Exe. Phot. § 49), der, wie er ver-
sichert, seine Angaben der Parysatis persönlich verdankt, hatte
diese Königin ihrem Gemahl Dareios Π 18 Kinder geschenkt, von
denen die ältesten eine Tochter, Amestris, und drei Söhne: Ar-
sakas, als König Artaxerxes genannt, Kyros und Artostes waren.
Nur die genannten und noch ein vierter jüngerer Sohn, Oxendras,
wuchsen, wie Etesias weiter berichtet, heran, während die übrigen
Kinder schon früh stHrben. Auch Plutarch Artax. 1, l (vgl. 5, 3
n. 22, 6) führt, nach seinem eigenen Zeugniss Etesias folgend,
vier Söhne des Dareios II und der Parysatis an : Arsikas, Eyros,
Ostanes und Oxathres. Auffällig erscheint es hierbei anfangs,
dass Plutarch, trotzdem er unmittelbar nachher (1, 2) dem Ktesias
betreffe des ursprünglichen Namens des Artaxerxes grössere
Glaubwürdigkeit zuerkennt als dem Deinon^, den Söhnen des
Eönigspaares Namen giebt, die zwar den von Photios aus Ktesias
entlehnten ähnlich, aber doch immerhin abweichend sind. In-
dessen diese Schwierigkeit ist leicht zu beseitigen, ohne dass wir
annehmen dürften, der Getanes und Oxathres des Plut. seien etwa
andere Brüder des Artaxerxes II als die von Phot. Artostes und
Oxendras genannten. Das ist wegen des unumstössliohen Zeug-
nisses des Etee.-Phot. § 49 völlig unmöglich. Wie der Arsikas
bei Plut. mit dem Arsakas des Phot., so ist vielmehr zweifellos
auch der Ostanes des ersteren mit dem Artostes des letzteren
und der Oxathres des ersteren mit dem Oxendras des letzteren
^'0 6* *ΑρτοΗ^ρΕης *Αρσίκας πρότ€ρον έκαλεΐτο* καίτοι Δείνων
φησίν οτι Οάρτης. 'Αλλά τόν Κτησίαν, el καΐ τδλλα μύθιυν απίθανων
καΐ παράφορων έμβ^βληκ€ν €ΐς τά βιβλία παντοδαπήν πυλαίαν, ούκ €ΐκός
έστιν άγνο€ΐν τοΰνομα τοΟ βασιλέως, παρ' φ δι^τριβ€, θ€ραπ€ύων αυτόν
καΐ γυναίκα καΐ μητέρα καΐ παΐδας.
618 Neuhaus
identisch ^ Wenn Justi in dem von ihm im Iranischen Namen-
buch S. 398 aufgeetellten Stammbaum der Achämeniden im Gegen-
satz zu seinen früheren Ausführungen (S. 40; 52) den Getanes
neben dem dritten Sohn Artostes als fünften und jüngsten Sohn
besondere rechnet, so thut er dies wohl nur, um eine absolut
vollständige, jedem Zweifel entzogene Namenliste herzustellen,
setzt sich aber dadurch in Widerspruch sowohl mit der ausdrück-
lichen Angabe des Ktes.-Phot. § 49, dass nur vier Söhne des
Dareios II und der Parysatis am Leben blieben, als auch mit
der von Flut. Artax. 1, 1 und 5, 3 gebotenen Reihenfolge der-
selben, da an beiden Stellen Ostanes als dritter Sohn vor Oxathree
genannt wird. Von diesen beiden jüngsten Söhnen des Dareis U
und der Parysatis wird endlich (Artostes-) Getanes, wie wir be-
reits wissen, noch bei Diod. XVII 5, 5, (Gxendras-) Gxathres
unter der Namensform Gxyartes bei Athenaios XIII p. 609* er-
wähnt*.
£s sind also unzweifelhaft von den 13 Kindern des Da-
reios II und der Parysatis neben Artaxerxes II nur drei Söhne
am Leben geblieben und in das Mannesaiter gelangt: Kyros,
Gstanes und Gxathres. Da nun von diesen der bei Eunaxa ge-
fallene Kyros auescheidet, so kann nur entweder Getanes oder
Gxathree der nach Valer. Max. von Gchoe getödtete patruue ge•
weeen eein. Aber auch an Gxathree kann schwerlich gedacht
werden, da eicherlich Juetie Yermuthung (Iran. Namenb. S. 232),
^ Vgl. schon Beehr, Ctes. Cnid. oper. reliqu., Frankfurt 1824,
p. 19G, der sich auf Scaliger, Emend. temp. p. 587 D, beruft, und
ebenso urtheilen in neuester Zeit Justi, Iranisches Namenbuch S. 40
vgl. 52 (u. Artostes und Austanes) und 232 (u. Ozathres) und
Judeich in Pauly-Wissowae Realencyklop. u. Artaxerxes. Während
dann Smith, Α study of Plut. life of Artax., Leipzig 1881, p. 7 die
drei Stellen in Plutarchs Artaxerxes, wo Getanes (und Gxendras) ge-
nannt werden, wegen der Abweichung der Namen von Ktes.-Phot. § 49
auf Deinen zurückführt, und Mantey: Welchen Quellen folgte Plut. in
seinem Leben des Artaxerxes?, Greiffenberg 1883, S. 3 wenigstens zu
derselben Ansicht hinneigt, weist Krumbholz, de Ctesia aliisque aucto-
ribus in Plut Artax. vita adhibitis, Eisenach 1889, p. 12 nach, dass
die von Photios gebotenen Namen Artostes und Oxendras ebenso in
den Handschriften verdorben sind wie Arsakas (vgl. über letzteren
Namen auch Noeldeke aO. S. 61 A. 1) und Plutarch die richtigen
Nameneformen aus Ktesias bewahrt hat.
2 Vgl. Schweighäuser, Ausgabe von Athen. Deipnoe. vol. Vll
p. 304 ; Justi, Iran. Namenbuch S. 232 u. Gxathres.
Der Vater der Sisygambis usw. 619
dass unter dem von Cart. III 13, 13 als Bruder des Dareioe III
bezeichneten Oxathree vielmehr unser in Rede stehender Oxathres,
der jüngste Bruder des Artaxerxes II und somit Grossonkel des
Dareioe III, zu verstehen sei, das Richtige trifft. An der ge-
nannten Stelle, wo Curtins die Gefangennahme zahlreicher vor-
nehmer persischer Frauen bei der Einnahme von Damaskos er-
zählt, heisst es: 'In eodem grege uxor quoque eiusdem Ochi fuit
Oxathrisque — frater hie erat Oarei — filia.* Da nun unmittelbar
vorher erzählt wird, dass auch drei erwachsene Töchter des Ochos
gefangen wurden (aO. § 12: *Inter quas tres fuere virgines,
Ochi, qui ante Dareum regnaverat, filiae, olim quidem ex fastigio
paterno rerum mutatione detractae, sed tum sortem earum cru-
delius adgravante fortuna'), so kann es wohl keinem Zweifel
unterliegen^ dass die hier erwähnte Gemahlin des Ochos nicht die
Mutter jener Jungfrauen gewesen sein kann, sonst würde Curtius
doch wohl die Mutter vor den Töchtern oder wenigstens mit
ihnen zusammen erwähnt haben. Vielmehr muss es sich hier um
eine andere Gattin jenes Königs handeln. Justi hat daher, wie
ich glaube, richtig die folgenden Worte 'Oxathrisque filia* als
aufs engste mit ^uxor quoque eiusdem Ochi fuit' zusammen-
gehörend mit einander verknüpft und versteht unter *Oxathris
filia' dieselbe Person, die eben als 'uxor Ochi von Curtius be-
zeichnet ist. Έβ entspricht dies sowohl dem natürlichen Sinn
und dem Öatzbau der Stelle^ als auch dem Gebrauch der Con-
junction que, welche 'solche Nomina, die als zusammengehörig
einander ergänzen und vervollständigen, also (integrirende) Theile
eines Ganzen^ verbindet^. Ungenau und unrichtig erscheint mir
dagegen Spiegels, Grotes und neuerdings B. Nieses Interpretation
der Stelle, die neben vielen anderen edlen Perserinnen die
Wittwe und Töchter des Königs Artaxerxes Ochos
und die Tochter von Dareios Bruder Oxathres in die
Gewalt der Makedonen fallen lassen f.
Ist nun aber Justis Erklärung von Gurt. III 13, 13 richtig,
ist es dann glaublich, dass eine Tochter des jüngeren
-
^ Dem erstüu Gliede des Satzes: In eodem grege uxor quoque
eiusdem Ochi fuit Oxathrisque ftlia folgt ein genau correspondirendes
zweites: et coniunx Artabazi, principis purpuratorum, nliusque, cui
Ilioneo fuit nomen.
2 Ellendt-Seyffert latein. Gramm. (25. Aufl. Berlin 1882) S. 289 § 343.
8 Vgl. Spiegel aaO. II 8.512; Grote Bd. ^2 s. 471; Niese, Gesch.
d. griech. u. makedon. Staaleu, Gotha 1893, S. 78 Δ. 3.
620 Ν eil hau 8
Bruders des Dareios ITI, des bei Gurt, und anderen Schrift-
stellern sonst oft genannten Oxathres, Gemahlin des Ochos
gewesen sein sollte? Dareios und der eben erwähnte Oxathree
waren doch Neffen jenes Königs (I)iod. XVTl 5, 5), die Tochter
des Oxathres und Gemahlin des Ochos wäre also zu-
gleich seine Grossnichte gewesen. Was für einen ge-
waltigen Altersunterschied müssten wir in diesem Falle zwischen
den beiden Ehegatten annehmen ! Ochos, Sohn des Artaxerxes II
und der Stateira, muss vor dem Jahre 400 v. Chr. geboren sein,
da letztere um dieses Jahr durch Parysatis vergiftet worden ist ',
während, da Dareios III Geburt um 380 fällt*, sein jüngerer
Bruder noch später geboren ist und sich kaum vor 360 v. Chr.
verheirathet haben kann. Wir würden also die Vermählung des
Ochos mit der Tochter des Oxathres, selbst wenn die Frühreife
orientalischer Frauen berücksichtigt wird, frühestens in eines der
Jahre 350 — 345 v. Chr. setzen können, in eine Zeit also, in der
Ochos bereits dem sechzigsten Lebensjahre sich näherte, während
die junge Frau kaum das jungfräuliche Alter erreicht hatte. Un-
möglich ist ja auch dies nicht, und Justi lässt es daher (im
Stammbaum der Achämeniden aO. S. 399) auch unentschieden,
ob jene von Curt. III 13, 13 erwähnte Gemahlin des Ochos die
Tochter des Grossoheims oder des Bruders des Dareios 111 ge-
wesen ist. Einleuchtender indessen ist , wenn überhaupt die
Worte: *uxor quoque eiusdem Ochi fuit Oxathrisque — frater
hie erat Darei — - filia' mit Recht von ihm zu einem Ganzen
zusammengefasst und von derselben Person verstanden worden
sind, jedenfalls seine Hypothese (S. 232), dass Curtius hier die
beiden Oxathres mit einander verwechselt hat und dass die ge-
fangene uxor Ochi eine Tochter des jüngsten Bruders des Ar-
taxerxes II, also eine Cousine des Ochos gewesen ist.
Ist nun aber der von Curt. III 13, 13 * frater Darei' ge-
nannte Oxathree in Wahrheit der Oheim und zugleich Schwieger-
vater des Ochos gewesen, so ist wohl wegen des letzteren Ver-
wandtschaftsverhältnisses kaum anzunehmen, dass Ochos auch ihn
habe ermorden lassen. Scheidet daher auch Oxathres aus der
Reihe der Oheime des Ochos aus, so bleibt nur Ostanes als
der patruus übrig, von dessen und seiner Söhne und
1 Ktes.-Phot. § (;i; Plut. Artax. VX Vgl. Judeich in Pauly
AViseowaa ReHlencyklop. u. Artaxerxes II.
2 Arrian. Auab. III 22, 0.
Der Vater der Sisygambis usw. 621
Enkel Ermordung Valerius Maximus IX 2 Ext. 7
8priclit, und die an eich schon nahe liegende Vermuthung, dass
der Vater und die Brüder der Sisygambie, deren Abschlachtung
Cnrt. X 5, 23 sie beklagen läset, dieselben Personen sind, von
denen Valerius spricht, wird so meines Erachtens bis zur Evidenz
gesichert. Sisygambis war also nicht eine Tochter des
Artaxerxes II, sondern seines Bruders Ostanes. Hält
man damit endlich die Angabe Diod. XVII 5, 5 zusammen, dass
Dareios ΙΠ der Sohn des Arsanes, dieser aber der des Ostanes,
des Bruders des Artaxerxes, gewesen sei, so ergibt sich, dass
Sisygambis, die Gemahlin des Arsanes, zugleich auch
seine Schwester, Dareios 111 Rodomannos aber von
mütterlicher wie von väterlicher Seite ein Gross-
neffe des Artaxerxes II und Neffe des Artaxerxes III
im zweiten Grade gewesen ist.
Freilich verhehle ich mir keinen Augenblick, dass der Be-
weis, den ich zu führen versucht habe, nicht exact genug ist,
um jeden Zweifel an der Richtigkeit meiner Behauptung, dass
Ostanes der Vater der Sisygambis sei, auszuschliessen. Denn um
nachweisen zu können, dass dieser Mann der nach Valer. Max.
von Ochos ermordete Vatersbruder sei, habe ich mit Justi die Worte
des Curt. 111 13, 13 ' uxor quoque eiusdem Ochi fuit Oxathris-
que filia' vielleicht unrichtig, jedenfalls abweichend von sehr her-
vorragenden Gelehrten erklären und den Zusatz jenes Schrift-
stellers 'frater hie erat Darei' als einen Irrthum desselben be-
zeichnen müssen. Selbst wenn dies aber mit Recht geschehen
ist, so kann immer noch gegen meine Argumentation der Ein-
wurf erhoben werden, es sei zweifelhaft, ob der Vatersbruder
des Ochos sowie dessen Söhne und Enkel, von deren Ermordung
Valer. spricht, identisch seien mit dem Vater und den Brüdern
der Sisygambis bei Curt. X 5, 23. Erwäge ich jedoch alle in
Betracht kommenden Dinge, so werde ich immer wieder zu
Justis und meiner Ueberzeagung zurückgeführt. Zunächst schliesst
der Zustand der auf uns gekommenen Ueberlieferung jedes be-
stimmtere Ergebniss als das unserige aus, und die allein neben
der unserigen noch aufgestellte Vermuthung, Sisygambis sei eine
Tochter Artaxerxes Π gewesen, hat sich als ganz unhaltbar er-
wiesen. Sodann wird durch unsere Annahme der beste Einklang
der gesammten Ueberlieferung, die uns erhalten ist, hergestellt.
Einmal finden so die drei von den Greueln des Ochos handelnden
Stellen ihre vollkommene Aufklärung, und es stellt sich heraus,
622 Neuhaus
dass sie eich auf einunddasselbe Blutbad beziehen. Zugleich
aber ist es nur bei unserer Annahme zu veretehen, wie Dareioe
dem von dem miestrauischen und grausamen König angerichteten
Blutbad entgehen konnte, und ebenso ist, was hiermit aufs engste
zusammenhängt, nur mit unserer Ansicht die bei zahlreichen oben
zusammengestellten Schriftstellern sich findende Nachricht von
den bescheidenen Verhältnissen und der niederen Stellung, in
denen Dareios in seiner Jugend sich befunden habe, zu ver-
einigen. Nur wenn er ein Spross eines fem vom Hofe lebenden
jüngeren Zweiges der Achämeniden war, nicht, wenn er der re-
gierenden Linie angehörte, ist es erklärlich, warum Ochos seine
Eltern und ihn verschonte. Seine Eltern müssen dann aus irgend
einem für uns nicht mehr erkennbaren Grunde, vielleicht, weil
auch sein Vater Arsanes schon in untergeordneter Stellung und
ausserhalb des nächsten Gesichtskreises des Ochos lebte, dem von
Curtius berichteten Schicksal ihres Vaters und ihrer Brüder ent-
gangen, und mit ihnen muss auch er selbst gerettet und in der
Verborgenheit bescheidener Verhältnisse aufgewachsen sein, bis
er sich durch seine persönliche Tüchtigkeit von dem niederen
Amte eines ά(Ττάν6ης wieder in die hohen Kreise emporschwang,
denen er, wenn man Droysens Ansicht folgt, schon durch seine
Geburt selbstverständlich angehört hätte. Ganz besonders der
Umstand endlich, dass wir durch unsere Untersuchung in dem
nach Valer. Max. ermordeten Vatersbruder des Ochos den von
Diod. XVII 5, 5 als Vater des Arsanes, des Vaters des Dareios 111,
erwähnten Ostanes wiedergefunden haben , scheint zu zeigen,
dass wir der richtigen Spur gefolgt sind, denn so wird auch
zwischen dieser Stelle und der Erzählung des Valer. ein enger
Zusammenhang hergestellt. Wenn es nun auch nie möglich sein
wird, den ganz einwandfreien Beweis zu führen, dass dieser
Ostanes auch der Vater der Sisygambis und ihrer Brüder ist,
von deren Ermordung Curtius redet, so wird doch Jeder, der
dies bestreitet, entweder annehmen müssen, dass das von Ochos
bei seinem Regierungsantritt unter seinen Verwandten angerichtete
Blutbad einen noch grässlicheren Umfang gehabt habe, als man
bisher geglaubt hat, oder dass er gar wiederholt ein so furchtbares
Verbrechen begangen habe. Beides ist gleich unwahrscheinlich.
Es scheint also, wenn wir zum Schluss die Ergebnisse un-
serer Untersuchung zusammenfassen, gewiss oder wenigstens auf
Grund aller in Betracht kommenden Verhältnisse das Glaub-
hafteste zu sein, dass:
Der Vater der Sigygambis usw. 623
1. der Vaterebrader des Ochos bei Valer. Max. IX 2 Ext. 7
dieeelbe Person ist wie der Vater der Sisygambis bei Cart.
X 5, 23;
2. an beiden Stellen auf denselben Vorgang nnd dieselben
Personen angespielt wird ;
3. Sisygambis nicht eine Tochter Artaxerxes IT, sondern
seines Bruders Getanes nnd nicht nnr Gemahlin, sondern zugleich
auch Schwester des Arsanes gewesen ist, was nichts Wunder-
bares hat, da Heirathen unter Geschwistern im persischen Königs-
hause etwas ganz Gewöhnliches waren. — Schon Perizonius
bemerkte denn auch zu Aelians Var. Hist. XII 43: '(Sisygambis),
quae vel ipsius Artaxerxis Mnemonis fuit filia vcl potius ex eins
fraire orta, vide Gurt. X 5, 23' und neuerdings zählt Judeich in
dem von ihm verfassten Artikel über Artaxerxes Π in Pauly-
Wissowas Realencykl. (2, 1317) Sisygambis unter den Töchtern
dieses Königs nicht mit auf.
Endlich möchte ich noch ganz kurz darauf hinweisen, dass
die Erzählungen des Valerius und Cuitius über die von Gchos
verübten Greuel nicht nur sachlich mit Just. X 3, 1 überein-
stimmen, sondern dass wenigstens zwischen Valerius und Justin
vielleicht eine noch engere Verbindung besteht, insofern manches
dafür zu sprechen scheint, dass Val. Max. IX 2 Ext. 7 ebenso
wie Justins Bericht dem Werke des Pompeius Trogus entlehnt ist.
Für Gurtius lässt sich deshalb Bestimmteres nicht aussprechen,
weil, was er X 5, 23 sagt, nur eine der Sisygambis in den Mund
gelegte Anspielung auf die Massenmorde des Ochos ist, diese
selbst aber in einem der verlorenen beiden ersten Bücher seiner
Alexandergeschichte erzählt waren. Da aber seine Worte an
jener Stelle, wie wir gesehen haben, mit den Angaben des Valer.
und Justin vollkommen vereinbar sind und da ferner auch sonst
zahlreiche Uebereinstimmungen zwischen ihm und Justin fest-
gestellt sind, so kann man wohl die Vermuthung wagen, dass er
dasselbe erzählt hat wie Trogus Pompeius, sei es, dass er, wie
Grohn (De Trogi Pompei apud antiquos auctoritate, Strassburg
1882) und Petersdorff (Eine neue Hauptquelle des Q. Gurtius
Rufus, Hannover 1884) behaupten, aus diesem selbst geschöpft
hat, sei es, dass beider Nachrichten auf dieselbe Quelle zurück-
gehen.
Königsberg i. Pr. Otto Neuhaus.
MISCELLEN
Ζα Sophokles Anti/^one 528
0. Hense bat in seinem Aufsatz 'Die Modificirang der
Maske in der griechischen Tragödie' (Festschr. der Universität
Freiburg z. ÖOjähr. Regierungsjubiläum des Grossherzoge Friedrich
von Baden 1902, S. 234) die sehr gewinnende Vermuthung aus-
gesprochen, dass Ismene v. 524 ff. in einer neuen, das gerötbete
Angesicht darstellenden Maske auftrete. Er sobliesst das wohl
mit Hecht aus der Ausführlichkeit, mit der ihr Gesichtsauedruck
in den Worten des Chors geschildert wird, und begründet den
Maskenwechsel mit dem seit Ismenens erstem Auftreten in ihr
vorgegangenen Gesinnungswechsel : mit den unverkennbaren
Zeugen jenes Kampfes (durch den sie sich zu dem Kntechluss^
der Antigone doch noch nachträglich beizustehen, durchgerungen),
der ihr das Blut in das Antlitz getrieben hat, Hess sie der Dichter
erscheinen, db. mit veränderter Maske.'
Die Thatsächlichkeit des Maskenwecbsels darf unbedenkli';h
zugegeben werden. Eine andere Frage aber ist: drückte die neue
Maske wirklich ein errötbendes Gesicht aus?
Ismene weint; die φιλαοελφία hat ihr Thränen in die Augen
getrieben (527). Die νεφέλη kann, wie ja auch durch τέτχΟΌύα
über jeden Zweifel erboben wird, mit gebräuchlichem Tropus
umschreibend, nichts anderes bezeichnen sollen, als eben die φι-
λάδελφα δάκρυα; vgl. Eurip. Hippel. 172 στυγνόν b' όφρύων
νέφος αύΕάνεται, welche Stelle zugleich beweist, dass auch bei
Sophokles die Worte νεφέλη οφρύων zu verbinden sind. Also
ist ύπεραιματόεν als ein Wort zu verstehen. Eine Verbindung
des ιίπερ per tmesin mit αί(Τχύνει giebt keinen befriedigenden
Sinn. So wachsen die längst geltend gemachten äethetischen
Bedenken gegen den Ausdruck an dieser Stelle. Das Gesicht
Ismenens wird gar als 'über und über blutig' bezeichnet. Dass
ein solcher Ausdruck den Sinn des Erröthens haben soll, kann
nur annehmen wer dem Dichter eine starke Geschmackelosigkeit
zutraut. Die Sache liegt aber thatsächlioh anders: das ^θος
muss, da die Thränen darauf niederfallen, den Wangen gleich-
gesetzt werden ^ die also nach richtiger Interpretation hier reicb-
^ Die Vorstellung, dass Thränen das Gesicht entstellen (αίσχύνει),
ist seit Homer (ß 37Ü; b 74i)) geläufig (Propert. 1 18, 15 et tua flendo
lumina doiectis turpia eint lacrimis).
Miscellen 625
liehe Blutspuren zeigen. Also bat sich lemene die Wangen zer-
kratzt, eine Sitte, die mit Trauer und Todtenklage ständig ver-
bunden ist. Man erinnert sieh der Worte des Choephorenchore
bei AeschyluR (v. 24 f.):
πρέπει παρηΐς φοινίοις άμυγμοΐς
δνυχος δλοκι νεοτόμψ,
der στίρνιυν πληγαι αιμασσομενιυν Soph. El. 90, der Stelle
der euripideischen Hekabe (v. 652 ff. N.) •
πολιόν τ' έπ\ κράτα μάτηρ
τέκνων θανόντιυν
τίθεται χέρα δρύπτεταί τε παρειάν,
οίαιμον όνυχα τιθέμενα σπαραγμοϊς.
Wenn nun die άμυχαι παρειών zum festen Bestand der rituellen
Todtenklage gehören, wie bezeugt ist (Luc. de luct. 12. 16), so
giebt Ismene an unserer Stelle ohne Weiteres durch ihren Auf-
zug zu erkennen, dass sie die Todtenklage um Polyneikes voll-
zogen hat, und die φιλάοελφα όάκρυα ν. 527 gelten nicht der
όοελφή Antigone, sondern dem άόελφός Polyneikes. Damit hat
sie aber etwas gethan, was von Kreon (v. 204) ausdrücklich ver-
boten war, sich also zur Mitschuldigen der Antigone, wiewohl
in einer ihren Charakter bezeichnenden mehr äusserlichen und
gefahrlosen Weise, gemacht. Als solche will sie ja eben hier
erscheinen, und so ist was sie 536 sagt, nicht geradezu erlogen,
wenn freilich auch Antigone eine solche Hetheiligung von Weitem
an dem τάφος zurückweisen muss. lemene hat ja offenbar den
κιυκυτός nicht an der Leiche des Polyneikes, sondern innerhalb
des Palastes vollbracht: Kreon meint v. 491 f. nichts anderes
als ihre Todtenklage, die diesem Verstandsmenschen wie jede
sonstige Aeusserung des πάθος (vgl. ν. β2.ί) als λύ(Τ(Τα erscheint.
Tübingen. W. Schmid,
Ein tieeetz des Redners Lykargos
In dem unter Plutarchs Namen überlieferten Leben des
Redners Lykurgos werden eine Anzahl von Gesetzen mitgetheilt,
die der eifrige Reorganisator der athenischen Finanzen und des
athenischen Cultus eingebracht hat. Das an vierter Stelle an-
geführte Gesetz (vit. X oratt. p. 842 Α = Westermann Biogr.
p. 273) Έτι 6έ ώς του Ποσειδώνος αγώνα ποιεϊν έν ΤΤειραιεϊ
κυκλίιυν χορών ουκ ίλαττον τριών, [και] δίοοσθαι τοις μέν
νικώσιν ουκ ίλαττον 6έκα μνάς, τοις bk δευτεροις οκτώ, ΐί 6έ
τοις τρίτοις κριθεΐσιν*.
Man hat, so viel ich sehe, bisher an dieser Nachricht keinen
Anstoss genommen, und die Einrichtung kyklischer Chöre für
den Poseidon ist mehrfach mit Lykurgs Priesterthum des Posei-
* Vor οίδοσθαι hat Duebner καΐ eingefügt, Reiske schlug ών vor;
μέν habe ich hinter τοις statt hinter δ{5οσθαι gestellt.
Rhein. Mus. f. PhÜol. N. F. LVII. 40
626 Misoellen
don-Erechtheu8 (vit. X oratt. 843 E) in Verbindung gebracht
worden ^. Aber der im Peiraiens verehrte Poseidon war sicher-
lich nicht der Foseidon-Erechthene der Burg, er ging also den
Priester dieses Gottes nichts weiter an, und die Poseidonchöre
lassen sich aus den Familieninteressen des Eteobutaden nicht er-
klären.
Die Nachricht will sich nun gar nicht recht mit unsern
sonstigen Kenntnissen von attischen Festen vertragen. Lyrische
Chöre werden in Attika sonst nur den beiden musischen Göttern
A'pollon und Dionysos dargebracht*, warum erhält der im Cult
so wenig hervortretende Poseidon plötzlich diese kostspielige
Ehre? Wie kommt es ferner, dass wir von Poseidonien im Pei-
raieus sonst weder durch die Schriftsteller noch durch die In-
schriften etwas erfahren? Müssten nicht wenigstens die Haut-
gelderlisten (CIA. II 741), deren Zusammenhang mit Lykurgs
Verwaltung so klar erkennbar ist, dieses von ihm verherrlichte
Fest erwähnen? Diese Fragen drängen sich auf und erwecken ein
gewisses Miästrauen gegen die Nachricht des Biographen.
Schwerlich würde ich aber eine Aenderung wagen, wenn
nicht zu dem sachlichen Anstot^s ein sprachlicher hinzukäme:
Einen Agon für Poseidon einrichten, heisst nicht αγώνα ποιεΐν
του ΤΤοσ€ΐοαινος, sondern τψ TToaeibdivi. In allen mir bekannten
Fällen wird bei ποιεΐν, συντελεΐν, τιθίναι αγώνα der Name des
Gottes im Dativ hinzugefügt, eine besonders reiche Fülle von
Beweismaterial liefern die Magnesischen Inschriften über die Ein-
setzung der Leukophryena (Kern, Inschriften von Magnesia 16 —
87), nicht weniger als 36 Mal kommen in ihnen solche Wen-
dungen vor. Mit Einfügung eines einzigen Buchstabens lassen
sich jedoch alle sprachlichen und sachlichen Schwierigkeiten be-
seitigen — es ist zu schreiben του ΤΤθ(Τεώεώνος. Im Monat Po-
seideon werden im Peiraieus Diouysien gefeiert, die sich grade
im IV. Jahrb. grosser Beliebtheit eifreuen. In den Hautgelder-
listen werden mehrfach (a G, c 15, d 7) nicht unerhebliche Be-
träge als von ihren Opfern stammend verzeichnet, und die Tempel-
verwaltung von Eleusis verwendet für sie im Jahre 329/8 (Ditten-
berger Slü.^ 587 Z. 106 und 183) genau dieselbe Summe wie
für die Lenaeen. Im Gesetze des Euegoros bei Dem. XXI 10
heisst es δταν ή πομπή ή τψ Διονύσψ έν ΤΤειραιεϊ και ot κω-
μωδοί και ot τραγψδοι, damals fehlten den peiräischen Dionysien
also noch die lyrischen Chöre, erst Lykurgos hat das Fest auch
hierin den städtischen Dionysien gleichgestellt. Nach Arist. πολ.
*Αθ. 54, 8 wird man annehmen dürfen, dass auch für diese Chöre
der Demarch des Peiraieus die Choregen bestimmte. Alles dies
fügt sich so zusammen, dass die leichte Aenderung des Textes
^ So Meier, Commeut. de vita Lyc p. XLII, A. Mommsen, Feste
der Stadt Athen S. 147.
2 R fisch nimmt auch für Panathenaeen, Prometheen und He-
phaistien chorische Agone an (Pauly-Wissowa III 24H3), schwerlich mit
Recht, vgl. Dittenberger zu SIG. 2 712 Z. 11.
Miecellen 627
wobl als gesichert gelten darf. Zweifeln kann man nur, ob der
Name des Gottes Dionysos bei Pseudo-Plutarch genannt war;
unbedingt nöthig scheint es mir niclit ihn einzusetzen, denn wenn
im Poseideon kyklische Chöre im Piraieus auftreten sollen, so ist
es für jeden Athener selbstverständlich, dass sie zum Dionysos-
fest gehören.
Greifswald. Alfred Körte.
Eine Blattversetzong bei Galen
In Galens Commentar zu der hippokrateischen Schrift περί
δρθρων steht znr Erläuterung des Satzes (c. 45; t. II p. 171, 13
Kühlewein) τούτο μεν γάρ τό προς τήν κοιλίην ^ε'πον οι σφόνου-
λοι εντός δρτιοί είσιν άλλήλοισιν Folgendes (t. XVIII Α 526
Kuhn): όποϊαι μέν ουν εισιν έκάστψ των σφονδύλιυν αΐ άττοφύ-
σεις, έπί τε τών σκελετών εϊπεν ειρημένον νυν περί τΛν σφον-
όύλων, οΟς κατά τά ένδον μ^ρη κέκληκεν άρτιους, τουτέστιν
άπηρτισμένους αυτών τε καθ' εαυτών ϊκαστον Ιν τε τη προς
αλλήλους ομιλία. Offenbar reiset hinter έπί τε τών σκελετών
der Zusammenhang ab: von Beobachtung der Wirbel an Skeletten
ist bei Hippokrates nicht die Rede, und schon die äussere Form
der Rede zeigt, dass mindestens mehrere Worte, vielleicht mehrere
Sätze fehlen, um von den anderen Verderbnissen zunächst ganz
abzusehen.
Nicht geringeren Α nstoss bietet der Al.schnitt, der den hip-
pokrateischen Worten (o. 45; t. II p. 173,9 Kühlewein^ άπό 8έ
τούτου άχρι του μεγάλου σφονδύλου του υπέρ τών έπωμίοιυν
Ιθυκύφη• ίτι δέ μάλλον οοκέει ή Ιστιν gewidmet ist. Er lautet
(Χ VIII Α 546 Κ.): ολίγον τι κατά τον θώρακα φαίνονται σιμού-
μενοι τά fvbov τών οστών οι σφόνδυλοι τό b* οπίσω μέρος
αυτών Ικανώς κυφόν φαίνεται bia τήν τής άκάνθης άπόφυσιν.
δν 6έ λέγει μέγαν σφόνδυλον υπέρ τών έπιυμίδων εϊσεσθαι και
bi' υπομνήματος έρχεται προς άνάμνησιν, έν φ περί τών οστών
έγραψα, προσαρμόίειν b' ημάς προσήκει τοίνυν τοις λεγομένοις
έκεϊνα μη bεoμέvoυς ύπ' έμου πλην ει που λέΕις έμπίπτοι χρή-
Ιουύά τίνος έΕηγήσεως, ης ένεκεν και τά τοιαύτα υπομνήματα
γράφεται, καθάπερ γε και τό έπι τη προκειμένη νυν ^ήσει.
Auch hier liegen schwere iStörungen des Zusammenhanges vor;
vor εϊσεσθαι klafft eine Lücke, und die folgenden Sätze passen,
wenn man genauer zusieht, überhaupt nicht an diese Stelle.
Welches ist denn die λέΕις χρήίουσά τίνος έΕηγήσειυς, «lie für
den in ßede stehenden Satz der hippokrateischen Schrift den An-
lass zur Commentirung gegeben halben roHV Man könnte den-
ken, Ιθυκύφη; aber dieses Wort wird ja thatsächlich gar nicht
erläutert.
Der Codex Laurentianus LXXIV 7, eine Pergamenthand•
scbrift des IX. Jahrhunderts \ führt zu einer überraschenden
Lösung der beiden Probleme.
1 Vgl. Apollonius von Kitiura (Leipzig IHOiij, Einleitung S.I— XVII.
628 Misocllen
Auf den ersten Blick freilich vermehren sich die Schwierig-
keiten nur, statt sich zu verringern ; denn der Text der Flo-
rentiner Handschrift weist noch weitergehende Störungen der
üeberlieferung auf, als der Druck. Es folgt nämlich 526, 4 auf
die Worte: όποϊαι μέν ουν eioxv έκάστψ των σφονούλων αι
αποφύσεις, άπό τε των σκελετών zunächst ein Abschnitt, der
im Druck 536, 3 mit τό στέρνον απάντων πλατύτατον beginnt
und bis 546, 10 καθάπερ τε και τό πρό της προκειμένης βή-
σεως fortläuft. Hieran schliesst sich unmittelbar 526, 4 εΤπεν
είρημένον und es geht wie im Druck weiter bis 546, 4 άπό-
φυσιν. Dann heisst es : δν hk λέγει μέγαν σφόνδυλον υπέρ των
έπωμίδων, ήτις ίστιν των του τραχήλου κατά τον αριθμόν
ϊκτον άπό τής κεφαλής. Es folgt das neue Lemma: αυτό bi
τό άρθρον του αύχένος λορδόν έστιν (ρ. 546, 11).
Mit anderen Worten : die Handschrift giebt den Abschnitt
536, 8 — 546, 5 zweimal; einmal an falscher (526, 4), das andere
Mal an richtiger Stelle (536,3). Hei -seinem ersten Auftreten
sind ihm noch 6 Zeilen angeschlossen, die im Druck an anderer
Stelle (546,5- 10) stehen ; das andere Mal wird er durch 12 Worte
vervollständigt (ήτις — κεφαλής), die im Druck ganz fehlen. Erst
mit diesem halben Satz sind die Elemente vollständig gegeben,
deren wir zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zusammen-
hangs bedürfen.
Der Hergang ist aller Wahrscheinlichkeit nach folgender
gewesen. In einer Handschrift des Galencommentars war das
innerste Doppel blatt eines Quaternionen, das den Abschnitt 536,
3 — 546, 5 (153 Zeilen des Kühn'schen Drucks) enthielt, an falsche
Stelle gerathen. £in Abschreiber copirte den Passus zunächst
da, wo er ihn fand ; dann merkte er den Irrthum und copirte
das Stück zum zweiten Mal an der richtigen Stelle, ohne jedoch
die erste Version zu tilgen. In diesem Zustand liegt die üeber-
lieferung in der Florentiner Handschrift vor.
Bei dem Versuch, das grosse Emblem auszuscheiden, ist
dann später durch ein Versehen der Abschnitt 546, 5 — 10 von
der ersten an die zweite Stelle mit hinübergeschoben worden,
und die 12 letzten Worte (ήτις — κεφαλής), deren Anschluss
vielleicht wegen der in ήτις steckenden Corruptel nicht klar
wurde, sind ganz verloren gegangen. Diese Fassung liegt in den
Drucken seit der Aldina vor.
Um den ursprünglichen Zusammenhang der Darlegung her-
zustellen, scheiden wir den doppelt vorhandenen Passus, da wo
er in der Handschrift zum ersten Mal und an falscher Stelle
auftritt, aus und schliessen uns sodann in der Anordnung der
Abschnitte vollständig, im W^ortlaut so nahe als möglich der
Üeberlieferung an. Die beiden Abschnitte des Galencommentars,
die zunächst in Frage kommen, erhalten dadurch folgende Gestalt:
I
XVIIl 525,9 ff.: Τούτο μέν γάρ τό προς τήν κοιλίην
()έπο\ ο\ σφόνδυλοι εντός άρτιοι είσιν άλλήλοισιν.
Mieoellen 629
Τών σφονούλων το μέν όπίσιυ μίρος άπόφυσιν oSeiav
Ιχει χονόρώδη κατά το π^ρας, ήν όναμάίουσιν δκανθαν, τό b'
άντικείμβνον τούτω τό πρόσω τε και εντός — έκατέρως γαρ
ονομάζεται — χόνόρω μίν επαλείφεται και αυτό, περιφερές 6'
έστι και λεΐον ούοεμίαν όΗεϊαν άπόρυσιν Ιχον oOb' όλως έΗοχήν
τίνα βραχυτάτην, ώσπερ οπίσω τε κάκ (κα\ L) των πλαγίων
ίχει. όποϊαι μέν ουν είσιν έκάστω των σφονούλων αΐ (in ras.
m. 1) αποφύσεις, άπό τε των σκελετών || 546, 5 || εϊσεσθε (εϊ-
σεσθαι L) καΐ bf υπομνήματος ίχετε (έχεται L) προς άνάμνη-
σιν, έν φ (viell. fdv] δ) περί των οστών ίγραψα (vgl. Ιί ρ. 758 Κ.),
προσαρμόζει ν b' ύμας <προσ>ήκει τοϊ<ς> νυν [τοις] λεγομένοις
έκεϊνα μη bεbεμέvoυς (bεbεμέvoις L) ύπ' έμου, πλην ει που
λέΗις (λέΗεις L) έμπίπτοι χρήίουσά τίνος (τινας L) έΗηγήσεως,
ών (ήν L) ένεκεν και τα τοιαύτα υπομνήματα γράφεται, κα-
θάπερ γε (τε L) και τό κατά τήν προκειμένην βήσιν (πρό τής
προκείμενης βήσεως L•) || ρ. 526, 4 || είπεν είρημένον περί τών
σφovbύλωv, οδς κατά τά fvbov μέρη κίκληκεν άρτιους, τουτέστιν
άπηρτισμένους αυτόν τε καθ' εαυτόν ίκαστον Ιν τε τη πρόο
αλλήλους όμιλίςι. bιότι γάρ οοτ' έΕοχή τις αύτοϊς έστιν ενταύθα
και κατά πάν άλλήλοις έφαρμόττουσιν, άρτιους αυτούς ώνό-
μασεν εΤναι προς αλλήλους οίον άπηρτισμίνως (άπηρτισμένους
L) όμιλουντας.
II
XVIII Α 545, 10 ff. (L erste, Lg zweite Fassung) : *Από bfe
τούτου άχρι του μεγάλου σφovbύλoυ του υπέρ τών έπωμίbωv
ιθυκύφη, έτι bk μάλλον boκέει (boκέειv L) ή ?στιν. ή γάρ
άκανθα κατά μέσον ύψηλοτάτας τάς έκφύσιας τών όστίων
ίχει, ένθεν bk και ένθεν έλάσσους.
'Ολίγον τι (om. L2) κατά τον θώρακα φαίνονται σιμού-
μενοι τά fvbov [έάν] (om. Lg) τών οστών (om. Lg) ο\ σφόvbυλoι.
τό b' οπίσω μίρος αυτών Ικανώς κυφόν φαίνεται (φαίνεται
κυφόν L2) bia τήν τής άκάνθης άπόφυσιν. δν bk λέγει μέγαν
σφόvbυλov υπέρ τών έπωμίbωv. εΐς τις (ήτις L) έστιν τών τοΟ
τραχήλου, κατά τόν αριθμόν έκτος (έκτον L.) άπό τής κεφαλής.
Charlotten bürg. Η. Schöne.
Zu Cicero ad Q. fr. II 3
Am 12. Februar 56 berichtete Cicero seinem in Sardinien
befindlichen Bruder über die politischen Vor^fänge seit dem Be-
ginn des Monats. Der Anfang des Briefes (II 3) lautet: Scripsi
ad te antea Buperiora; nunc cognosce, postea quae sint acta. Α
Kai. Febr. legationes in Idus Febr. reiciebantur: eo die res con-
fecta non est. Den zweiten Satz giebt die Moser* sehe Ueber-
setzung 80 wieder: 'Vom 1. Februar wurden die Gesandtschaften
auf den 13. hinausgeschoben: an diesem Tage wurde (^also) die
Sache nicht abgemacht.' Hier ist zweierlei falsch aufgefasst:
erstens ist reiciebanfur ein imperfoctum de conatu: die Audienzen
630 Miscellen
der fremden GeRandten eollten hinaut^geschoben werden, man
debattirte darüber; und zweitene ist res nicht eine beliebige an-
dere Sache, die in Folge der reiectio legationnm nicht zu Stande
kam, sondern eben die reiectio selbst: die Debatten verliefen re-
sultatlos^. Es war gewiss nicht nötbig, den überlieferten Satz
so misszuverstehen ; aber allerdings steckt meines Erachtens auch
ein Fehler in der Ufiberlieferung. Es scheint mir unzweifelhaft,
dass das Α vor Kai. Febr., als dnrch Dittographie entstanden,
zu tilgen ist. Denn es kommt Cicero gar nicht darauf an, mit-
zutheilen, dass die Audienzen vom 1. Februar auf den 13. ver-
schoben werden sollten, sondern vielmehr, dass am 1. Februar
kein Beschluss darüber zu Stande kam. Die Sache wurde näm-
lich hinterher doch perfect, wahrscheinlich gleich am 2. Februar,
jedenfalls vor dem 6., wie das folgende zeigt: zwischen die Be-
richte über die Gerichtsverhandlungen vom 2. und vom 6. Fe-
bruar schiebt Cicero den wieder auf die Senate Verhandlungen
bezüglichen Satz ein : Interim reiectis legafionibus in Idus refere-
batur de provinciis quaestorum etc. Auch diese Verhandlungen
führten zu keinem Ziel. Liest man nach meinem Vorschlage:
Kai. Febr. legationes in Idus reiciebantur: eo die res confecta
non est, so wird das reiciehanfur sofort durchsichtig, und eo die
hat nun seine deutliche Beziehung: auch die falsche Auffassung
Tnnstalls, der eo die von den Idus verstehen wollte, ist nun aus-
geschlossen. Nach der lex Gabinia vom Jahre 67 ging bekannt-
lich während des ganzen Februars die Annahme der Gesandt-
schaften allen andern Gegenständen vor: legationes in Idus Febr.
reicere ist also auch ohne die Hinzufügung eines terminus a quo
verständlich, ja der Zusatz α KaL Febr. hat sogar an unserer
Stelle, wo die Debatte über die von der Regel abweichende Ar-
beitseintheilung am 2. Februar fortgesetzt wird, etwas Schiefes.
Zudem aber spricht die ganze Anlage des Briefes für die Weg-
lassung des α: Cicero giebt seinem Bruder eine tabellarische
üebersicht über die acta der einzelnen Februartage ; an der Spitze
der verschiedenen Abschnitte steht immer das Datum, auf welches
wiederholt mit eo die Bezug genommen wird. Vgl. § 1 : A. d.
l\\l. Non. Febr. Milo adfuit .... prodict.i dies est in Vlll.
Idus Febr.; § 2 (nach der Einschiebung des^ Satzes mit Interim):
A. d. VlJI.ld. Febr. Milo adfuit .... Res in poeterum dilata
est. Clodius in Quirinalia prodixit diem; § 3: A. d. VII. Id.
Febr. senatus ad Apollinis fuit . . . eo die nihil perfectum est.
A. d. VI. Id. Febr. ad Apollinis senatus consultum est factum
.... Eo die Cato vehementer est in Pompeium invectus . . .;
§ 5: Λ. d. IUI. Id. Febr. Sestius . . est pootulatus . . . eodem
die senatus consultum factum est . . .; § 6: A. d. III. Id. Febr.
dixi pro Bestia . . .; § 7: Pridie Idus Febr. haec scripsi ante
* Beide Fehler auch bei Tyrrell, der reiciebantur mit *were put
otf * überspitzt und unter res versteht 'the question who should reston-
Ptülemy'.
Miscellei) 631
lucem. Ohne Zweifel begann also die Aufzählung der Tage nach
dem einleitenden Satze mit: Kai. Febr, legationes in Idus reicie*
bantur: eo die res confecta non est.
loh benutze die Gelegenheit, um auf eine meineR Erachtens
ganz evidente Euiendation von Gulielmus hinzuweisen, welche die
neueren Herausgeber verschmäht haben, obgleich sie durch Mad-
vigs Autorität empfohlen worden war. Nämlich in § 2 unseres
Briefes heisst es von der Rede des Pompeius für Milo: Dixit
Pompeius sive voluit; nam, ut surrexit, operae Clodianae clamo-
rem sustulerunt, idque ei perpetua oratione contigit, non modo
ut adclamatione, sed ut convicio et maiedictis impediretur. Qui
ut peroravit — nam in eo sane fortis fuit; non est deterritus ;
dixit omnia atque interdum etiam silentio, cum auctoritate pere-
gerat — - sed ut peroravit, surrexit Clodius. Dazu bemerkt Madvig
Adv. crit fll p. 194 : Quid auctoritate peregerat et quidem sae-
pius? Nihil sane, sed perfregeraf (er drang durch). Sine accu-
sativo dicitur perfringere etiam Or. 97. [Sic iam Gulielmus, cui
nemo auscultavit.] Die Aenderung ist leicht: Ausfall von FR
hinter ER. Aber dass sie auch einen vorzüglichen Sinn her-
stellt, hat man nicht erkannt. K. Lehmann (Jahresber. in der
Zeitschr. f. Gymn. 1888 p. 286) stiess sich an dem Tempus:
' Ref. hält hier ein Plusquamperf. nicht für recht möglich*. Das
scheint auf C. F. W. Müller Eindruck gemacht zu haben; denn
er lässt peregerat mit crux im Texte stehen und sagt in der
adn. crit.: ^perfregerat Gulielm., Madv. Adv., plusquamperfectum
improb. Lehmann Jahresber.' Der Einwand Lehmanns beruht'
aber offenbar auf einem Missverständniss; er hat wohl cum für
die Präposition genommen^, und dann ist allerdings das Plus-
quamperfekt anstössig. Aber cum ist die Conjunction, in itera-
tivem Sinne gebraucht^ mit Rücksicht auf das vorhergehende
interdum: manchmal herrschte sogar Stille, nämlich allemal, wenn
seine Autorität durchschlug. Für den absoluten Gebrauch des
Verbums hat Madvig eine Stelle nachgewiesen; die Redensart
auctoritate perfringere findet sich auch, vom Senate gebraucht,
in der (kritisch allerdings nicht ganz sicheren) Stelle p. red. ad
Uuir. 4, 1 0 : ut aliquando perüceretur, cum primum licuit, fre-
quentia atque auctoritate perfregit.
Dortmund. W. Sternkopf.
^ Wie Süpfie-BÖckel, welche umstellen: 'dixit omnia cum aucto-
ritate*, oderKayser, welcher vorFcblng * cum auctoritate peregit*, oder
Lambinus. der lesen wollte 'cum Huctoritate eemper egerat', oder
Tyrrell, der die Ij eher lieferung hält, aber anmerkt: tbe ohange of tense
is stränge.
^ Madvigs Frage lautet: quid auctoritate peregerat et quidem
aaepiits?
β32 Miscellen
Zar Lex Manciana — Pro salnte imperatoris
Obwohl ich die üeberzeugun^ hege, dase einem urtbeils-
fähigen Publikum wenig mit Antikritiken gedient ist — denn ee
wird sich sein Urtheil über die Berechtigung einer Kritik selbst
bilden — glaube ich doch Seecks Entgegnung (in dieser Zeit-
schrift LVI 477 f.) auf meine Kritik (ebenda LVl 120 f.) beant-
worten zu müssen, da Seeck sich und seine Leser über einen
für seine Lesung wesentlichen Punkt täuscht. Er glaubt, sich
bei seiner Lesung der Inschrift zweier bei verschiedenem Licht
aufgenommener, also sich ergänzender Photographien mit Erfolg
haben bedienen zu können ; die eine sei ihm von Dessau mit-
getheilt worden, die andere ist die der Toutain'schen Publikation
beigegebene. Dem gegenüber kann ich feststellen, dass der Stein
überhaupt nur einmal photographirt worden ist (Mittheilnng
Gaucklers), dass die von Dessau an Seeck gesandte Photographie
dieselbe ist, welche Toutain in Heliogravüre reproducirt bat.
Seeck hat sich wohl durch den verschiedenen Ton der beiden
Abdrücke täuschen lassen. Sollte aber nicht diese optische Selbst-
täuschung ein schlimmes Präjudiz für die Seeck'schen Lesungen
sein, die man weder auf dem Stein noch auf der Photographie
hat wiederfinden können? Mit den beiden verschiedenen Photo-
graphien ist es also nichts, aber bestehen bleibt immerhin die
entfernte Möglichkeit, dass Seecks Augen auf der Photographie
mehr haben lesen können als andere auf dem Stein und auf der
Photographie zu entdecken vermögen. Bei allem Respekt vor
diesen Augen - Glauben verdienen sie erst dann, wenn auch
andere noch auf dem Stein, der doch den Ausschlag geben mnse,
Seecks Lesungen wiederfinden sollten. Ich glaube nicht, dass
das geschehen wird. Wenn Seeck anführt, dass Studemund und
Löwe anerkanntermassen auf Palimpsesten mehr gelesen hätten
als ihre Vorgänger, so dürfte dieser Vergleich nicht ganz zu-
treffend sein, denn jene beiden Gelehrten hatten eben das Original
vor sich. Was würde aber Seeck sagen, wenn Jemand auf einer
Photographie seiner ambrosianischen Palimpseste mehr gelesen
haben wollte als er auf dem Original ? und doch wäre das der-
selbe Fall. Berechtigter wäre der Einwand, dass unter um-
ständen ein guter Epigraphiker auf einer Photographie mehr
lesen könne als ein schlechter auf dem Stein, aber diese Prä-
rogative wird Seeck wenigstens in diesem Falle wohl nicht in
Anspruch nehmen, da Toutain und ich den Inschriften, zumal
den afrikanischen, nicht als Neulinge gegenüber stehen.
Seeck glaubt sodann meine Lesung 'pro salute . . im-
p(eratoris) . . (lea:) data α . . procuratoribus^ als sachlich unmög-
lich nachweisen zu können und meint dazu ganz nett: 'an ihren
Früchten sollt ihr sie erkennen.* Ich fürchte, dass hier der Pfeil
auf den Schützen zurückprallt.
Seeck schreibt : * Nach Toutain und Schulten wäre das Statut
'zum Heile des Kaisers' gegeben. Liegt darin wohl Sinn und
Verstand V ' Für die Römer allerdings, denn es giebt nicht wenige
MisGcIIen 4)33
Fälle, wo sie pro saluie imperaJtoris solche an und für sich un-
gewöhnliche Weihgahen, wie e« jene lex ist, dedicirt haben.
Pro Salute imperatoris führen kaiserliche Colonen eine Mauer
(C. VIiI8777) oder andere absolut profane Anlagen auf (C. VIII
587), werden geweiht: Thermen (C. VIII 2706, 1245), tabularium
et pondera (ib. 757), cella victuaria (ib. 4615), arcus (ib. 1577,
2480) ; pro beatitudinc priftcipvm eine hasilica (ib. 8324), pro magni-
ficentia saeculi ein Getreidesy)eicher (ib. 7975); pro felicitate do-
miuorum Äugg. wird ein Fluss eingedämmt (C. ΧΠ 1690 und
1691) und pro scdute etc. ein Weg wiederhergestellt (C. XII
2343). Auch dass pro saluie imp. in Lambäsis eine schola
(Clublokal der militäriFchen Vereine) dedicirt wird (Wilmanns,
Exempla 1481) gehört hierher, denn wenn auch in der schola
das Bild des Kaisergottes ptand, ihr erster Zweck war ein pro-
faner wie der des Vereins ein profaner ist ; die religiöse Form
durfte aber nicht fehlen. Ist nun in allen diesen Fällen, wo
pro saluie imp. nicht eine der gewöhnlichen Weihgaben (Altar,
Tempel etc.), sondern ein profaner Bau dedicirt wird, jene Formel
%hne Sinn und Verstand?' Keineswegs. Zwar werden diese
Bauten nicht wie gewöhnliche Exvoto ad hoc für das Heil des
Herrschers dedicirt, sondern ihr eigentlicher Zweck war ein pro-
faner, aber nach römischem, jeden Akt des öffentlichen und
privaten Lebens auf die Götter beziehenden Empfinden, dienten
auch sie, indem sie dem von den Göttern behüteten Reich dienten,
den Göttern so gut wie Tempel und Altar, mochten also auch
sie pro Salute imp. gelobt und dedicirt werden.
Damit ist Seecks Annahme, dass die Formel pro saluie imp.
sich nur auf ein eigentliches Weihgeschenk beziehen könne, wider-
legt, denn wenn für das Heil des Kaisers Afauern und Bade-
anstalten dedicirt werden, warum nicht auch ein Domanialstatat ?
Es lässt sich aber sogar der gar nicht noth wendige Beweis er-
bringen, dass die Dedication einer Urkunde pro saluie imp.
nicht vereinzelt dasteht. In Lambaesis steht über dem Mit-
gliederverzeichniss und dem Vereinsstatut der cornicularii : pro
felicitate et incolumitaie saeculi dominorum nn. (Wilmanns 1482)
und über dem ^ album veteranorum* (ib. 1489): /. o. m. p(ro) sia-
Itäe) d. n. Äureliani Äug. Die beiden Vereine weihen also für das
Heil des Kaisera ihre Stiftungsurkunde oder halten es, wenn man
die Formel nicht so streng nehmen will, für angebracht, über
dieselbe zu setzen : ^pro salute imperatoris* . Wie man aber auch
die Formel auffassen mag, ob wörtlich, als causa volif ob formel-
haft in dem Sinne wie das griechische Τύχη αγαθή, in jedem Fall
bezieht sie sich hier auf eine Vereineurkunde, die eigentlich mit
der Salus des Kaisers wenig zu thun hat, sicherlich nicht mehr
wie jene Nutzbauten, deren Dedicatiunsurkunde ebenfalls die
üeberschrift pro saluie imp. trägt. Aber es giebt noch nähere
Analogien zu der lex Manciana; ich verdanke sie niemanden
anders als Seeck selbst. Er hat zuerst gesehen, dass es mehrere
Fälle gieht, wo Akten eines Processeieges von der siegreichen
β34 Micollen
Partei in der Form eines Exvoto deilicirt werden (Zeitachr. f.
Soz- und WirthschaftPgesch. 1898, 320). So Rteht auf dem die
lis fvUonum ( Bruns fonies p. 362) enthaltenden Stein : ' Herctdi
sacrum' und der ad txemplum legis Hadrianae gegebene Er-
läse der Procuratoren (Inechrift von Αϊη Waeeel) steht auf einer
ara legis divi Hadriani, die also ebenfalls ein Exvoto ist. Und
diefle ara legis Hadrianae wird geweiht — pro salute imp, (wie
sicher und mit Seecke Beifall hergestellt worden ist). Zwi-
Fchen der ara legis Hadrianae aber und der ara, auf der die
lex Manciana angebracht ist, also der ara legis Aiancianae, be-
steht nicht der geringste Unterschied, denn hier wie dort wird
ein Altar dedicirt, der ein Domanialgesetz trägt. Ausdrücklich
wird diese Dedication bekundet freilich nur anf der ara legis
Hadrianae (aram legis divi Hadriani Pafrochis . . proc. instituit)
aber dass auch der Stein der lex Mancianae ein £xvoto ist, zeigt
Keine Form. Warum soll also in aller Welt der Altar der lex
Manciana nicht ebenso gut pro saltUe imp, dedicirt worden sein
wie die ara legis Hadrianae? Wenn Seeck die Formel pro sa-
lute imp, . . {lex) data" — statt, wie man erwarten würde: pro
salute imp. ara inslituia et lex ad exemplum legis M, α procc.
data inlata est — nicht gefällt, so ändert das an der Tbatsache,
dass wir es hier mit einem Altar zu thun haben, also einem in
hundert Fällen pro salute imp. dedicirten Fxvoto, nicht das Ge-
ringste, und vor lex data steht pro salute so gut und so schlecht
wie vor album vcferanorum auf dem Stein von Lambaesis.
Wir haben eben aus solchen Fällen zu lernen, dass pro salute
imp. oft eine formelhafte nur in lockerem Zusammenhang mit
der eigentlichen Inechrift stehende Wendung ist, durch die man
einem an sich profanen Gegenstande , wie es eine Urkunde
oder ein Nutzbau ist, die beliebte sacrale Weihe geben wollte
— ganz so wie sich die römischen Vereine bei einem denkbar
praktischen Zweck doch gerne als Cultgenossenschaften formu-
liren. Was Seeck sonst noch vorbringt — dass die Lesung [pro
salu]te gegen die epigraphische Symmetrie Verstösse, da der
Raum vor pro grösser als der hinter salute gewesen sein würde,
heisst doch dem Verfertiger einer so erbärmlich gravirten In-
schrift, wie es die lex Manciana ist, zu viel Ehre anthun.
Göttingen. A. Schulten.
PRODECESSOR
Successori decessor inuidit heisst es in einem Fragment von
Ciceros Scauriana § 33 und auch Tacitus Agr. 7 wendet decessor
nur in einem Athem mit successor an. In officiellen Acten-
stücken der späteren Kaiserzeit begegnet dann decessor 'der Vor-
gänger * überaus häufig, un«l man hat nach Analogie von proauus
pronepos weitergebildet prodecessor 'der Vorvorgänger . So redet
Papst Simplicius öfter von prodecessor meus Ιλο Collect. Avell.
ed. Günther p. 127, 8. i:52, 7. 134,1. 138,7: es folgen auf
einander Leo Hilarius Simplicius. Symmachus in den Relationen
Miecellen β35
bezeichnet 20, 1 den Auchenius BasRue als prodecessor nwus:
dasB dieH eein Vorvorgänger war lehrt rel. 26, 2 Auchenius . . .
sticcessor eius . . . ajmd me. Von demselben als prodecessor
scheint 32, 2 die Rede zu sein, wie W. Meyer p. 27 seiner Aus-
gabe anmerkt £in Secretär der ostgothischen Kanzlei schreibt
in Cassiodors Varia IV 4 1, l decessorent prodecessoremque uestrum
und VIII 16, 6 per decessores prodecessoresque uesfros. Daneben
aber hat man das Wort als gleichbedeutend mit dem abge-
schliffenen rfecessor verwendet : in dem pro = προ fand man den
scheinbar fehlenden Begriff des *vor\ So deutlich Symmachus
rel. 25, 3, wo freilich Meyer auch Vorvorgänger* übersetzt. In
Bauangelegenheiten hat sub e^amine decessoris mei der Professor
C^'riades den Senator Auxentius verklagt: posfquitm ad cogni-
tioncm meam (des Symmachus) «<?n/Mtn cs^ hat Auxentius mit einer
Gegenklage gegen den Professor geantwortet, dieser mutua ac-
cusatione seinerseits wiedergebissen. Vor der eingesetzten ünter-
suchungscommission hat sich Auxentius aus dem Staube gemacht.
Aue Furcht vor Angriffe!} hinter seinem Rücken bittet nun Cy-
riades ut aeternitati uesfrae ef relafionem u. c. prodecessoris mei
et nunc acta sitggererem. Die Relation des prodecessor ist also
nichts anderes als das Protocoll sub e.ramine decessoris^ beide
fraglichen Worte also hier gleichbedeutend gebraucht. In einem
kaieerlichen Decret an den Proconsul von Africa Probianus bei
Augustin epist. 88, 4 (Goldb. p. 410, 4 im Apparat I) wird Aelianus
als prodecessor tuus bezeichnet. Probian ist am 25. Aug. 315 als
Proconsul Africae nachweisbar, Aelian in gleicher Stellung bis zum
25. Febr. 315: schwerlich ist ein anderer dazwischen gewesen.
Im sog. Cyrillglossar (Goetz Π 416, 14) steht 'προάρζας ante•
cessor prodecessor^ und das Muratorische Fragment bezeichnet
Z. 48 den Johannes als prodecessor des Paulus. Cbaracteristisch
ist, dase an sämmtlichen bisher behandelten Stellen die alten
Anegaben praedccessor herstellen, ein Wort, das es gar nicht
giebt. In Georges' Handwörterbuch '^ finden sich dafür folgende
Belege: 'Aügustin. de bapt. c. Donat. 11 i^ 12. 13. Symmach.
epist. X 47. Cassiodor. var. IV 14. Rutil. Namat. I 474'. Das
Caeeiodorcitat birgt einen stets weiter vererbten Druckfehler IV 14
statt IV 44: das ist die eben citirte Stelle. Symmach. epist.
X 47 ist alterthümlich für rel. 34, 8: da haben die Hss. de-
cessoris: dasselbe steht auch längst bei Rutilius. Bleiben als
einziger Beleg die Augustinstellen, wo natürlich die Mauriner
wie gewöhnlich aus prodecessor geändert haben: 11 § 12 wird
Bischof Agrippinus von Carthago prodecessor des Cyprian ge-
nannt: er hat lange vor diesem amtirt. II § \^ sind prodecessor es
die Bischöfe der Vorzeit, wie in dem Actenstück Coli. Avell.
p. 231, 20 prodecessores sanctitatis uestrae. Die praedecessio fa-
miliae, welche Du Gange aus den Gesta Tancredi bei Martene
Anecd. III 111 citirt, stammt aus einer zu jungen Handschrift
und einem zu alten Druck um Berücksichtigung zu verdienen.
Bonn. Hans Lietzmann.
eSG Miscellen
lieber die röuiiseheii bczw. italischen Personeiinamen, die bald die
Staiiinietlbe Pop(b) bald Pab(p) tragen
Hühner laest sich Iw. M. Ρ ρ. 655 f. tiher das nennte la-
teinische praenomen folgendermassen aus: Püblirxß gr. ΤΤόπλιος,
selten P/<p(liu8), alt. PöbVio. Dieselbe Abwechslang im Stamme
zeigt auch pühlicns, und hier kam Thurneysen darauf — s. Kuhns
Ztschr. Bd. 30 p. 490 f. — zwei verschiedene Adjective püblicns
und poplicuH anzunehmen, von denen eins von pubes, das andere
von pop(u)lu8 hergeleitet sei und die dann schliesslich im Ge-
brauch identisch geworden wären. Aber dieses Aushilfsmittel
versagt überall da, wo kein 1 hinter der Stammsilbe sich be-
findet, zB. bei Pop(p)ius neben Püpius, bei der tribus Popinia
— vgl. CIL. VI 1421 — neben der tribus Püpinia, bei n. g.
Popidius neben Püpidius usw.; und doch kann man eich dem Gre-
danken nicht verschliepsen, dass alle diese Eigennamen zu einander
gehören. Da nun Kretschmer — s. Einleitung in die griechische
Spr. 334 f. — aus Lall namen gebildete Personennamen in Klein-
asien in erstaunlicher Häufigkeit findet, da nach ihm die Sitte
Lallwörter zur Bildung von Personennamen anzuwenden auch bei
idg. Völkern nachweisbar ist — er führt unter andern für das
Latein Acca, Atta Appius Tatius an — , so werden wir den
Namenstamm Pop- bezw. Püp auch so entstanden uns denken
dürfen, wenn er sich unter ein bekanntes Kinderwort unterbringen
läset. Nun haben wir im Latein das c. Päpus, und von Weiter-
bildungen desselben führe ich hier nur an n. g. Päpius, Päpilius,
Päpinius, Päpirius bezw. Päpisius, c. Papo. n. p. Papsenna und
Papuleins. Diese Namen hängen doch offenbar mit dem Kindes wort
für 'Vater* zusammen. Für den Vokal a, der nach Kretschmer
p. 385 der häufigste ist in diesen Kinderworten, treten aber, wie
er selbst sagt, auch andere ein. So führt er neben Nonna Ntinna,
Nonna N/nna an usw. Demnach konnte auch im Latein neben
dem Kindesworte des Stammes päp bezw. papp — vgl. für
PsLppiue CIL. VI 23815 und V 5526 und XV 1179 — auch pöp
bezw. popp und püp bezw. pupp — Eph. Ep. VIII 501 Puppo-
nius — es geben, zumal wenn mit der Vokalveränderung auch
eine Bedeutungsveränderung verknüpft war — päpa Vater neben
püpus Sohn, Knabe. — So scheint mir auch Titus Sohn bedeutet
zu haben, während tata Vater hiess. Heisst doch im Pariser
Jargon titi heute noch ein Strassenju nge und toto nennen das
Kind die französischen Ammen. Ich will nun zuerst die Namen
mit Stamm Pöp (Popp) und dann die mit Püp anführen, so weit
sie mir eben aufgestossen sind. Entsprechend dem Appellativum
lȟpu8(a) wird es im Latein auch pop(p)us bezw. pop(p)a gegeben
haben. Denn ebenso wie jene Kinderlaute finden wir auch diese
als Eigennamen angewendet, so CIL. XIII 2297 Valeriae Poppae,
XIII 1868 Mansuetia Poppa, Bramb. n. 715 Popae matri und
CIL. IV 1119 Popum. Hierher stelle ich nun auch die Ab-
kürzung Pop., ich fasse sie also nicht als Abkürzung von Publius
Miscellen 637
bezw. Poplius, wie gewöhnlich geschieht. Wird doch auch Pupas
in der Abkürzung Pup. gebraucht, zB. bei Planta II p. 550 n. 278
(äquikuliech) steht Pup. Herenniu. und CIL. XIV 4030 P. Mae-
cilins 3 et Pup. 1. Apollonius; in der letzten Inschrift wäre doch
die Abkürzung dieselbe gewesen, wenn beidemal der Vorname
Publins bezw. Puplius gelautet hätte. Wir finden die Abkürzung
Pop. CIL. Ι 178 (inscr. Pisaurensisj T. Popaio(8) Pop. f; ferner bei
Conway § 326 b (faliskisch) Pop. Petruiies = Pupus Petronius,
und Pop. CIL. I 937 ist nicht näher zu bestimmen, weil es ganz
allein steht. Eine Weiterbildung hiezu ist das n. g. Popip)iue
bezw. Pop(p)ia ; es erscheint nicht nur im Latein, so zB. CIL.
II 5914 Popia L (f.»), VllI 7690 Rocta Poppia, Statins Popius
8aturuinu8 Inschr. von Tebessa in Algerien, CIL. III 2615 Maxi-
milla Poppia, Eph. Ep. VIII n. 1247 Sex Popius, sondern auch
im Italischen, so nach Conway § 345 (faliskisch) Popia Calitenis
und nach Planta II 506 n. 78 osk. Ni Ράρίβ = Numeri Popii.
Zum n. g. Pop(p)pius bezw. Pop(p)ia giebt es nun wieder Weiter-
bildungen, wofür ich die Belege jedoch nur bei seltenem Vor-
kommen angeben will. Besonders häufig ist die gens Pop(p)aea
bezw. Pop(p)eia — zB. CIL. VI 24701 L Popeius Sex fil. —
oder Poppea — zB. Poppeae Agrippinae CIL. VI 7638. — Die
Urform haben wir noch im CIL. 1 n. 178, wo T. Popaio(8) steht.
Ans diesem n. g. leitet sich wieder hier die gens Pop(p)aedia —
urspr. Pop(p)aidia, cf. CIL. X 8056 Q Popaidius; eine andere
Weiterbildung ist Poppaienus — cf. CIL. XI 1368 und 1381. —
Ein Deminutiv zu Pop(p)us ist Popallus — s. CIL. V 8122, 6 — ;
beide verhalten sich zu einander wie Attus zu Attalus. Weiter-
bildung hiezu ist Poppaienus CIL. XIV 3945. In dem Namen
Poppeo^^a Valeriana CIL. V 3109 sehen wir eine speciell ober-
italische Weiterbildung. Unter den Weiterbildungen ist ziemlich
häufig auch Pop(p)idius (a), die auch das Italische hat — bei
Planta n. 34. 35 (osk.) steht U Pupidiis und n. 251 (päl.) V.
Po^rfis, doch n. 167 (osk.) finden wir schon die parallele Form
Ptipdis. Auch popillus (a) finden wir als Namen, also eine Ent-
sprechung zu püpillus (a), zB. CIL. VI 2407 Valentinius Po-
pillus, XllI 2237 Popillae, vgl. auch IX 4381. Die hieraus her-
vorgehende gens Popi//ia, bei der aber auch die Form Popi/ius (a)
— vgl. zB. CIL. I 533 — ja selbst Το^ψύΓΐΛ — so CIL. VI 24809
— gebräuchlich war, ist bei den Römern bekanntlich sehr häufig
gewesen. Poplius — vgl. CIL. I 1116 — bezw. Poplia, so bei
Conway (falisk.) p. 382 n. 339 und p. 375 XI β η. 19 und J21
— merkwürdig ist, dass die Griechen fast immer ΤΤόπλιος
schreiben, nur selten ΤΤούπλιος, nie ΤΤούβλιος — bezw. Poplianus
— vgl. CIL. X 7545 — könnten synkopirte Formen zu dem
vorigen Gentilnamen in der Form Popilius sein — vgl. Manliue
neben Manilius — ; aber da sie auch zu pop(ujlu8 bezw. Popli-
cola als Koseform gezogen werden können, so bringe ich sie hier
nicht in Anschlag, ebenso wenig wie die g. Poplicia, die man
auch zu poplicus ziehen könnte. Von der tribus Popinia — statt
638 Miscellen
i\ipinia — habe ich oben schon gesprochen; in Popnia Q. 1.
Fausta — CIL. I 1062 und VI 21470 — haben wir die syii
köpirte Form dazu. Poppo häufig in CIL. XII — verhält eich
zu Poppus wie Cato zu Catus. Als Weiterbildung dazu fasse ich
die gens Pop(p)onia — vgl. zB. CIL. I 939 — und halte diete
Form nicht für verderbt aus Pomponia(ue); denn es giebt ein
paralleles Pu/;onio(s) im Faliskischen nach Conway p. 375 n. 320
XI β 23 und Pujpponius (Tibur) Eph. Ep. VIII n. 501. In Pop-
puleia T. f. CIL. IX 3820 sehen wir eine Deminutivform zo
Poppeia, die wir oben gebracht haben.
Vom Stamme Püp- führe ich hier au in seiner Anwendung
als praeti. und c. das bekannte Appellativum pupu8(a). Weiter-
bildung dazu ist das häufig vorkommende u. g. Püpius (a), ferner
die gens Pupelia — vgl. CIL. VI 28735 Pupeliae i'uftcae — , die
pens Pupenia — s. CIL. VIII 877 Quartina Pupenia — , ferner
die g. Pupidia — zB. CIL. X 8370 — , ferner die g. Pupien(i)a
— vgl. zB. CIL. VI 2i)2J23 u. J24, Die Deminutive von püpos
püpulus und püpillus kommen ebenfalls als Cognomina vor;
ich erinnere hier nur an den bekannten Orbilius Püpillus und
führe aus CIL. V 5373 P. Secundieni Pupuli an. Eine Weiter-
bildung zu Püpillus ist das n. g. Pupillius (a) — vgl. zB. CIL
Vi 25225 — . Und hierzu könnte als synkopirte Form Ptfplias
gehören — vgl. zB. Gr. Lat. K. 1 p. 321 (Diomedes) und p. 533
(Charisius) 'Puplius Cornelius Scipio — , wenn man nicht Ver-
derbung aus Füblius annehmen will. Zu Puplius haben wir aU
Weiterbildung Puplena n. g. masc. Not. d. Sc. 1897 p. 93 f., ferner
gens Publicia — zB. CIL. VI 25144, daneben umbr. puplece
Planta II n. 293 (1, 2, 3 aus Tuder) — ferner g. Puplilia — so
zB. CIL. VI 18259 — . Als weitere Abkömmlinge von Pupue(a)
bezw. n. g. Pupius (a) füge ich hier noch an Pupinus — s. CIL
3871 — , woher wieder die gens Püpinia — zB. CIL. V 5796 —
und die tribus Pupinia und der ager Pupinius entstammt, üeber
Pupponius und falisk. Puponio(8) habe ich oben schon gesprochen.
Wie sind nun die Formen mit Pob- bezw. mit Pü6- neben den
aufgeführten, die Po^^- und Püp. aufweisen, zu erklären? Erstere
haben fast alle hinter sich 1; nur CIL. VIII 5630 heisst ein
Mann P. PuMscius Fidus. Nach dem Vergleiche Faleriufi : Fa-
liscus ^ puber : pubiscus könnte man wohl auf eine Herkunft dieses
Namens von pubes (pubis) Subst. bezw. puber Adj. schliessen,
und da in dem b von pubes eine uspirata media — sei es bh,
sei es dh — stecken wird, so könnten wohl Pu/us{a) — vgl.
CIL. VI 2316 Otacilia Pufa und VllI 20178 Q, Terentius Pufus
— die italische Wurzelform des Wortes pubes aufweisen. Auch
sie sind zum n. g. weitergebildet, wie CIL. VI 2545 Sex Pufio
Quarto und XV 6641 C. Puf(i) Sec(undi) beweisen. Dazu soll
nun auch nach Conway das pälignische Poef. — p. 684 add — als
abgekürzte Form eines n. g. gehören cf. ind. V s. v. Wir haben
also in Pubiscius aller Wahrscheinlichkeit nach einen Eigennamen
mit dem Stamm von pubes (pubis), und die italischen c. Pufu8(a),
Miscellen 639
sowie das italische d. g. Pafius lassen auch auf die Existenz eines
lateinischen o. Puhus(a), sowie eines lateinischen n. g. Pubias
einen Schluss zu. Pnbu8(a) bezw. Pnbius mussten natürlich wegen
der Formähnlichkeit mit dem c. Pupus(a) bezw. dem n. g. Pupius(a)
verwechselt werden, und so hat denn im Kampf ums Dasein die
Form Pub- in den 1-Formen den Sieg davon getragen, während
sie in den Mosen den kürzern zog. Daher Publeius, Publius,
Publicius, Publilius, Publienius, Publisidia, Publinus — CIL. V
6625 — , Publinedius - s. CIL. VI 25109 —, In den l-Formen
trat nun noch als vierter Concurrent p5p(u)luR herzu. In Popli-
cola hatte sich im Latein einer von den wenigen Vollnamen mit
JS Namenstämmen erhalten, ähnlich wie in Agricola, Silvicola —
zB. Yalerius Silvicola CIL. XIII 2016 -, Horticola - zB. CIL.
VI 1530 L Val. Helvidio Prisco Horticolae c. v. — ; aber auch
die Kurzformen mit einem Stamme wurden gebraucht, so Agnus,
Silvius, Hortius — diese selbst italisch, so steht bei Planta II
n. 201 ' Mz. Hurtiis — , und Poplius. Nun konnte aber auch ans
Popilius, wie ich oben zeigte, ein Poplius sich entwickeln,
und so waren denn in den 1-Formen die von Poplicola bezw.
p5p(u)lu8 herkommenden Namen von denen mit dem Stamm
Pop nicht mehr zu unterscheiden. Da aber Pop- und Pup- neben
einander hergingen und die Püp-Formen in der 1- Weiterbildung
noch Beeinflussung von Pub- (aus pubes) erfuhren, so konnte es
vorkommen, dass desselben Wortes Namenstamm bald Popl-, bald
Fupl-, bald Pübl- lautete. Ja schliesslich schuf man nach Pübl-
neben Pübl-, analogisch zu Popl- noch ein Po61-. So gab es
denn Poplius, Püblius, Püplius; ja selbst Poblius, wie CIL. XI
6695, 73 (Perusiae) L Poblio(s). 'Es gab Poblicola — CIL. V
(4484 und 4486) — , Poplicola, Publicola; Puplicola ist mir
nicht bekannt. Es gab Poblicius, Poplicius, Publicius und Pupli-
oiue - zB. CIL. VI 25144 und XIV 490_ -, usw. Uebrigens
braucht Publicius nicht nothwendig von püblicus herzukommen,
es kann auch eine Kurzform zu Public-ola sein, grade wie Δη-
μο(Τθάς zu Δημοσθ-ένης. Schliesslich möchte ich noch bemerken,
dass Thurneysens Herleitung von püblicus aus pubes nach der
Analogie von pop-licus — K. Z. 30, 4ÖÖ f. — mir nicht ganz
einwandsfrei erscheint; gab es ja doch, wie ich eben gezeigt,
höchst wahrscheinlich die regelmässig gebildete Adjectivform
pubiscus. Konnte püplicus, später püblicus, nicht etwa das be-
zeichnet haben, was die püpuli dh. die jungen Burschen angeht?
Pubes bedeutet ja auch nur 'die junge Mannschaft', und da ist es
doch wahrscheinlicher, dass püplicus bezw. püblicus von einem
Worte mit 1 als einem ohne 1 herstamme.
Breslau. August Zimmermann.
640 MisoelIeD
Μυκήνησι
Der alte Lokativ des Plarale ist, adverbial erstarrt, in Bil-
dungen wie θύρασι *Αθήνησι Δεκελείασι Μουνυχίασι Όλυμπίασι
ΤΤεντελησι ΤΤλαταιασι Φλυήσι zum Theil bie in späte Zeit
lebendig geblieben, üblich war er namentlich bei der Bezeichnung
attischer Demen*. Dass von dem uralten Ortsnamen Μυκήναι
eine gleiche Bildung einmal existirt haben muss, ist an sich
wahiecheinlich. Steht zu θύρασι ein θύραθεν, zu ΤΤεντέλησιν
ein ΤΤεντέληθεν usw., so finden wir entsprechend Μυκήνηθεν im
antiken Epos. Aber Μυκήνησι ist, soviel ich sehe, erst durch
Conjectur zu erschliessen. In einem neuen Fragment der so-
genannten Epitome des Adamantios, das Foerster Rhein. Mus.
N. F. 55 S. 141 bekannt gemacht hat, heisst es: δνομα έρ-
γάσεται ό τοιούτος άνήρ ή φόνους συγγενών ή μίΗεις ή βρώ-
σεις άνομους και ειοωλοθύτους. όιτοϊα τα θυέστου του Πέλοπος
πάθη έν πόλει Μυκήνη και του Οίοίποοος του Λαίου έν θήβαις
και τά Θηρέως τουθρςικός λέγεται γενε'σθαι. Aber die Pariser
Handschrift, auf der das Excerpt beruht, hat die merkwürdige
Lesung όποια τά Θυέστου του TT. πάθη έμοί κινήσει και του
κτλ. Wer diese Ueberlieferung nach dem Buchstaben einschätzt,
wird in έμοΊ κινήσει nichts anderes erblicken als ein durch ita-
cistische Aussprache entstelltes Μυκήνησι.
Für die Werthung der Pariser Excerpte ist die seltene
Form, die sicher nicht von dem Epitomator stammt, sich viel-
mehr wohl schon bei Polemon fand, von nicht geringer Bedeutung.
Bonn. L. Radermacher.
^ Vgl. noch Άγγελήσι Άγρυλήσι *Αθμονήσι ΑΙΕωνήσι Άλαιττεκήσι
Αμφιτροπήσι *Ανακαίασι Άραφηνήσι Άφίδνησι Άχαρνήσι Έκαλήαι *Επι-
ηφισιασι 'Ερικείασι *Ερχιασι Κβφαλήσι Κηφισιάσι Κριώσι Κρωπιασι ΤΤβρ-
ασήσι ΤΤρασιασι ΤΤτελβασι Σφβνδαλήσι Φυλήσι.
Verantwortlicher Kedacteur: L•. Radermacher in Bonn.
(<). October 1902.)
•Ί
Register.
Achilles Tatius Kritisch- Exegeti-
sches 55 (I 8, 1-9) 60 (II 4,2)
<>09 (II 35, 3-38) 60 (II 36, 1)
71 (II 36, 2) 62 (p. 40, 8) 64^
ip. 45, 25. 30 f. p. 46, 24 f. 47, 5)
69 (p. 49, 13) 64^ (p. 84, 11) 64
(p. 84, 12) 641 (p. 85, 3) 63
(p. 85, 7 f.) 68 (p. 85, 9. 10 ff.
24 f.) 65 (p. 86, 3) 66 (p. 86,
14-87,8) 73 (p. 87,14. 18. 19 f.
21 f. 23) 65 (p. 141, 10) 64^
Adamautios Epitome 640
Aderlass 391
Aegyptiaches Harfnerlied 270
Aeiian var. hist. (XII 43) 615*. 616^
Aelius Lampridius (vita Alex. Sev.
c. 63) 171
Aelteste Redaction der Pontifical-
annalen 517 f.
Aeschines (lU 215) 6^
Aeschylus Choeph. (602 ff. Khff.)
230 Pere. (460—467 Weckl.) 3
Aetius-Plutarch Plac. phil. (IV 22, 1
p. 411 Diels) 379«8 (IV 22, 2
p. 412 D.) 374. 380
Agathias Scholastikoe ΓιΐΊ
Agesistratos 10
Agroecius de Delphica (p. 116, 15
K.) 473
Akraiphiai Inschr. (Bull, de corr.
hell. XXIV 70) 315
Alexander Aphrod. quaest. uat. et
mor. (II 23, 136 f. p. 72 f. Bruns)
368 περί κράσειυς καΐ αύΕήσειυς
(c. 11 ρ. 226, 30 ff. akad. Ausg.)
488
Alexander der Grosse, zur Ueber-
lieferung der Geschichte A. d. Gr.
559
Alexandriner, Canon d. A. 140
Prosaausgaben 139
Alkaios (48 A.) 335
Altchristliche Bräuche 183 f.
Amherst Papyri, Kritisches zum
II Bande der Amh. Pap. 137 f.
Klieiii. Muh. f. Pliilol. N. F. LVII.
AmmianuB Maroellinus, zu (HO, 5
§ 19) 166
Amphictyonen-Gesetz (a. 380) 173 f.
άμυχαΐ παρ€ΐών 624
dvd distributiv 147
Analecta Bollandiana (t. XII p. 26,
16) 182«*
Anastasius Sinaita 457
Andokides περί εΙρήνης (33 f.) 426
Anemesetus 325
Annales maximi 524
Anonyme Fragmente in den Amh.
Pap. 145
Anthologia Palat. (V 41) 600 (V
116. 208) 59 (V 220. 248) 601
(V 234) 609 (V 217 f. 302. XII 7.
17)59 (XII 23) 601. 609 (XII 49.
50) 603 (XII 41. 86. 175. 245) 59
Antiphon (V 36) 4
Antoninus Liberalis (10) 177 8 (40)
154. 228
Aphaia- Inschrift aus Aigina 152.
252. 543
Aphaia Sondergöttin, ebd.
ApoUodor (II 5, 11) 281 (III 210)
0001
ApoUonius von Tyana 498
aquaeductus 397
Archilochus- Fragment in Strass-
burg (l) Kritisches 157
AristHinotos (I 22) 609
Aristarch, Commentar zu Herodot
(Amh. Pap. 17) 139
Aristides rh. (4 t. I ρ 49 Dind.)
178* (45 t. II p. 23 Dind.) 178^
Aristobulus 581 ff.
Aristophanes, Reste in d. Amh.
Pap. 145 — vesp. (241) 180" —
av. (749j 180** — thesm. (schol. •
v. 50Γ,) 1!ι3β8 - ran. (265) 478
— Plut. 1013 ff.) 600
Ai istoteles reap. (7 p. 473» 15) 379«*
Arnobius (V 8 fr. 7 fr. hist. Rom )
232. 243
Aniaii έκταΕις (ρ. 81 Η) 512 —
41
642
Regieter.
anab. (I 1) 576 (I 16, 2) 577 (I
16,4) 590 (I 28,2) 569 (114,7)
587 (II 11, 8) 592 (Π 12, 8) 576
(in 3. 5) 576 (III 4, 5. 8, 3) 588
(III 11, 3-7) 593 (ΠΙ 17, 1) 587
(III 28, 5) 585 (III 28, 6) 586 (III
30. 7-9) 581 (IV 1, 1) 588 (IV
3, 7) 593 (IV 5, 2) 595 (IV 6. 2)
593 (IV 6,6) 589 (IV 13, 5) 593
(IV 15, 1) 588 (IV 28, 2. 4) 574
(IV 28, 3) 595 (V 1, 2) 576 (V
2, 7. 4) 593 (V 3, 1. 3) 570. 573.
574 (V 4, 2) 579 (V 4, 3. 4) 572.
577 (V 5) 585 (V 5, t. 6, 1-2)
580 (V 6, 4—6. 8. 20, 8-9) 579
(V 26, 1) 581 (V 26, 5) 574 (VI
2, 3) 572 (VI 11, 2. 4—6. 7) 575
(VI 12, 7) 596 (VI 25, 5) 591 (Vn
2, 21 ff. 7, 3) 587 (VII 11, 3)
593 (VII 16, 1-3) 581 (VII 16,
2) 582 (VII 21, 2) 587. - Indic.
(1, 7) 593 (2, 2) 580 (?, 4) 573.
585 (3, 1) 585 (3, 6-8) 578 (3.
9—6, 9) 579 (5, 2. 11) 593 (5,
4-7. 9. 10-11. 12) 578 (5,8-
13) ^73 (15,4. 5)579 (24,9)591
(25, 7—8) 580 (28, 8. 9. 16. 29,
12. 30, 9) 591 (40, 2-5. 6) 580
Arsanes 612
Artaxerxes (II u. ΙΠ) 610
Artemishymnus des Kallimachos
(Schollen) 141
Asklepiades 373
Astydamas' *Hector (?) in den Amb.
Pap. 137
Athenaeus (p. 9) 43 (19/20) 45 (§ 25)
47 Athenaeus (IV 3 p. 129») 311
(VII 297b) 223 (XI p. 479 f.) 254
(XI p. 505 f.) 487 (XIII c. 7 p. 558^
ff.) 57 (XIII c. 8 f. ρ 559 f.) 68
(XIU c. 10 p. 560b-i; c. 15 p. 563^
c. 20 p. 566« ; c. 87 p. 608» ff.)
57 (XIII p. 609») 618 (XIV p.
657 f.) 437 (XV c. 53 p. 697^) h^
Athmangslehre bei Plato 374 ff.
bei Asklepiades 380
Augustinus (de civ. Dei XVIII 10.
40) 240 (XXII 28) 235
Avianus: Fabeln-Datirung, Kriti-
sches 167 f.
Habrius in den Amh. Pap. 142
Bacchylides (14, 9) 334
Backöfen und Backsteinbau im
Alterthum 35. 37
Βασιλικός Eigenname 14<ί
Batracbomyomachia (v. 209 21i>)
481
Berliner Bruchstücke der Sappbo
328
Berliner Gr Urkunden (958«) 479
Betriacum, Schlacht bei B. 126
Bibel (2. Rom. 6. 18 Apostelg. 13,
11 Rieht. 16, 20 ff.) 275
Bienen und Honig, Beziehung zur
Dichtung 179
Blattversetzung bei Galen <>27
Bleirohre, antike 22
Blindheit Homers 274 f.
Bocchus 17
Briefe in d. Amh. Pap. 149
Buchredaction der Pont.-Ann. 525
Busirislegende 281
Gaelius Aurelianus : morb. acut. (I
15 p. 46. 52 f. Π 22 ρ. 131 Am-
man) 390 f.
Canon der Alexandriner 140
Caracallas Ermordung 506
Cassius Dio: 'Ριυμ. ίστορ. (54, Γ4,2)
250 (63, 4) 511 (64, 6) 106 (64,
7) 116 (64, 8) 115 (64, 10) 117
(64,11) 129 (64,12)127 (64,14)
129 (74, 1) 511 (78, 5, 5 ff.) 507
Gatull (45) 609
Gensorinus de die nat. (21, 1) 231
(14, 10. 17, 5) 237 (17, 10) 246
(18, 7) 237
Ζητήματα der Liebesphilosophie 56
Christlicher Cult und heidnische
Mysterien 183 f. 193
Chronologie im alten Griechenland
233
CIA (Π 545) 173» (II 996) 476 (ΠΙ
5 9) 499^
Cicero — de div. (I 39, 86) 3i>4
(U 47, 98) 243. — de off. (II 58)
325 - de fin. (III 15) 343 — de
orat. (159) 314 — Tim. (I) 236
— acad. (I 3, 9) 243 — Tusc.
(I 1, 1) 242 (IV 2. 3 f.) 236 -
pr. Rose. Am. (7) 344 — ad Att.
(IV 17) 359' (VI 1, 25i 361 (X
6, 1) 355 (XI 17a, 1) 359 (ΧΠΙ
4, 1) 359 (XIII 20, 4) 359' (ΧΠΙ
25) 326 (XIII 48, 1) 356 (XIV
14, 1) 360 (XV 2) 359 (XV 3, 1.
24) 359 (XV 26, 4) 359' (XVI 2,
5. 10, 1) 360 (XVI 11, 1) 347
(XVI 15, 6) 356 - ad faro. (II
16, 6) 355 ilX 4) 389' (IX 7, 2)
343 (IX 10, 2) .344 (IX 10, 3) 350
(IX 16, 7) 3.39 (IX 19, 1) 344 (IX
18, 3) 343 (IX 20, 2) .345 (IX 21,
1) .339' (IX 22) .337 (XV 17, 2. 19,
3) 353 ad Quintum fr. (II 3) 629
Register.
643
CIG (1511) 584 f. (1688 Ahrens
Dial. II 484-492) 1731 (3163)
153
CIGIna. (III 248) 153. 254^
GIGS (I 27aS) 253
CIL (1 I« p. 274) 172 (I 183) 316
(III 4327) 512 (III 5876) 316 illl
6541a) 317 (III 8156) 512 flll
14:^7 f.) 511 (VI 3637) 316
(VI 3744) 513 ι IX 3849) 316 (X
3464a u. 34<>9) 317 (XI 4095) 323
(XI 5265) 324 (XI 5440) 325 (XI
5717) 324 (XI 5748. 6035. 6117)
325 (XIV 2215) 317 (XIV 1386.
4270) 316
ClPel. (1580) 543
Cirie (46—53) 205 (105 f.) 214 (112,
113) 2271 (130 f.) 213 fl32) 321
(156) 322 (172) 215 (190) 221»
(220) 228 (257—282) 2142 (2β2)
322 (268) 215 (286 ff.) 213 (287 ff.
301 ff.) 228 (312) 322 (367) 321
(369-377) 468 ff. (383) 323 (387)
2161 (404-458) 214« (418 ff. 428)
221 (429 ff.) 213 (451) 223 (4(i5 ff.)
227 (471) 221 (484) 223
Cietemenbau, antiker 39
ClemeDS Alexandr. 453; Stroinat.
(I 21, 139) 240
Concilium Trullanum (can. LVII)
320
Contamination von PlautuR *Ατη-
phitruo'? 4(>3
Culttage der XII divi imperatoree
172
CurtiuB Rufus (II 6, 24) 595 (III
1, 13) 586 (III 2. 12. 13) 565
(III 3. 2 f.) 6162 (ΠΙ 3. 23) 565
(III 4,8. 5,1)587 (1115,2. 6,9.
12. 8,9)567 (11111,27) 592(111
12, 13 f.) 612» (III 12, 19. 20)5<)4
(III 13. 13) 619 (IV 2, 5. 4. 17.
6, 27. 7, 30. 50) 564 (IV 9, 16)
587 (IV 9, 22) 565 ilV 12, 9) 565
(IV 13, 26)593 (IV 14, 3. 11. 15.
18. 16, 23) 565 (Y 1, 12. 15. 24)
587 (V 1, 13) 586 (V 1, 36. 39)
564 (V 2, 18 ff.) 6128 (V 2, 22)
612» (V 3, 1) 5H7 (V3, 12) 612»
615 (V 8, 22) 590 (V 5, 5) 565
(V 7, 1. 5. 10) 564 (V 8, 8) 594
(V 13, 14) 565 (V 13, 16) 567
(VI 1,7-8) 567 (VI 2, 4) 564
iVI 2, 13) 588 (VI 2, 14) 567 (VI
'2, 15) 584 (VI 4, 16—19) 584
(VI 4, 19) 588 (VI 4, 21. 22) 584
(VI 5, 18) im (VI 6, 3. 4. 5. 10)
564 (VI 6, 13) 588 (VII 2, 17)
592 (VII 2, 35) 567 (VII 3, 19—
22) 585 (VII 4, 6. 32) 588 (VII
5, 19) 593 (VII 6, 12) 588 (VII
7, 2. 3)588 (VII 7, 31) 565 (VIII
1, 36. 39) 564 (VIII 1, 37) 566
(VIII 2, 1. 8) 567 (VIII 3, 1)565
(VIII 5, 5. 14) 564 (VIII 5, 7. 22)
564 (VIII 6, 1) 564 (VIII 6, 16)
593 (VIII 7, 5 10) 564 (VIII 9,
14) 588 (VIII 10, 16-17) 593
fVIII 10, 18) 564 f. (VIII 10, 29)
593 (VIII 13, 6. 14. 2) 596 (IX
1, 24) 590 (IX 5, 4) 567 (IX 5,
21) 563 (IX 8, 20) 591 (IX 10, 6.
10) 591 (IX 10, 26. 28) 564 (X
1, 11) 597 (X 1, 13. 14) 588 (X
2, 12. 30) 567 (X 5, 23) 611 (X
5. 33. 34) 564 (X 5, 35) 565 (X
9, 3) 5641
Dareios III Kodomannos 610 ff.
bi 480
bfji - δέη 478
Decennalien des Gallien 510
decessor 634
Demetrius de eloc. (7) 283
Demokrit 369
Demosthenes (XX 117) 4 (XXI 98)
4 (XXIII 104) 6 (XXXIV 33) 6
(XXXIX 12) 5 (XLIV 15) 5 (pro-
oem. 53) 5 προς Φίλιππον (Amh.
Pap.) 145
Dichterweihe 179
Digamma bei Sappho 333
Diodor (II 1, 10) 587 (II 7, 3) 594
(II 11, 1) 586 (II 31, 2) 592 (II
35, 2) 589 (II 38) 593 (V 55) 608
(VII 67, 2) 587 (XVH 5, 5) 612
(XVII 8, 2) 586 (XVII 30, 7) 616«
(XVII 37, 6) 6128 (XVO Siy) 592
(^XVII 50, 5) 588 (XVII 57) 593
fXVIl 57, 14 f.) 584 (XVII 65, 5)
594 (XVII 75, 1. 5) 583. 584
(XVII 75, 6) 585 (XVII 77, 4) 595
(XVII 80) 592 (XVII 83, 7) 593
(XVII 85, 3) 595 (XVII 87, 2. 89,
2) 596 (XVII 90. 6) 591 (XVII
91, 4) 590 (XVII 93, 1. 99, 1. 8)
596 fXVIl 103, 8) 591 f. (XVII
105,3. 4. 5) 591 (XVII 118. 3)
6128 (XVIII 5, 2) 582 (XVIII 76,
5) 583
Diogenes Laertins (II 113) 594
Dionysosoommentar des Eustathins
439 f.
Dionys Halioam. — άρχ. 'Ριυμ. (Ι
4, 3) 560 — de Lysia (ρ. 23, 22
644
Register.
ρ. 483 Κ.) 159^ Krit. zu (ρ. 32,
12 ρ. 496 R) 158.
Dionysos-Sage und -Cult 177 f.
Di vi imperatores (Cult tage) 172
Divus Alexander 171 f.
hoKU) μοι und boKCl μοι 311
Dresdener Handschriften 392
Eifersucht als Thema in röm. und
griechischer Elegie 599
€ΐς vcuiv = €ΐς v^ov 478
Elegie, zur röm. El. 599
Elephantiasis 391
Eleusinische Mysterien 500 f.
ένδρομή, ένδρομίς 146
Ennius bei Porphyrio (G, 12) 321
έπΙ bi adv. 150
Epicharm (fr. 149 Kaibel) 480
Έπιδαύρια 502
Epigramm (Berl. Sitzungsber. 1901
I p. 905) 315
epitome rerum Alex. 595
Epochen bei Varro „de gente po-
puli Roman i" 231 ff.
Epos (in den Amh Pap.) 145
Eratosthenes, als Geograph 569.
Fragm. (Berger I Α 12) 574
(I Β 8) 570 (Ι Β 9) 574 (Ι Β 10)
570 (Ι Β 23) 572) (II C 24) 570;
(Müller III Α 2) 585 (Berger ΠΙ
Η 6) 578 (III Β 12, 16) 577 (III Β
22. 31 . 32. 38. 48) 580 (III Β 32. 38)
570
Erfindung der Handramme 43
Erntearbeit bei Homer und im
Mittelalter 304
Έρωτ€ς (II 37, 5) 72
Erotische Epigrammenpoesie 65
Erstarrte Flexion von Ortsnamen
im Lateinischen 168 ff.
Erstickungstod 389
ίθηκαν und έδωκαν bei den Red-
nern 425 f.
Etruskieche Monatsnamen und Zahl-
wörter 318 f.
Etymologicum Magn. (p. 206, 6)
437
Eucharistische Gebräuche 184
Kuripides, über eine Scene des
Eurip. Orestes 278 — Alcestis
283-Bacchen (142) 177 Μ 708 f.)
178 — Chry8ippos58 — Electra
(ββ7) 7 — Hec. (246) 7 — Hipp.
(96)7 (476)605 (schol. z. 12()0)
210 — Iph. Taur. (538 f.) 7 —
Oreet. (schol. z. 640 f.) 283 (schol.
z. 932. 232 (schol. z. 13()9. 1384)
280* Polyd. (fr. Γ,4 1.643. 644) 2262
Eusebius praep. evang. (X 10, l)
241 (X 10, 7) 240 - ehren. (I
p. 181 Seh.) 240
Euetathins (438. 439 ad II. Β
850) 437. — Com. ad Dionys.
(p. 241, 29-31 Müller) 446
(p. 242, 4-11) 443 (p. 244,
5-8) 444 (p. 261, 42—43) 446
(p. 268, 44) 440 (p. 275, 30—32)
446 (p.276, 11— 13)446 (p. 276,
13 f.) 440 (p. 298, 11 — 12) 445
(p. 309. 36— 43) 442 (p. 314, 42—
315, 1) 445 (p. 315. 32-37) 438.
444 (p. 323, 36-324, 1)446 (p.
342, 34-39) 447 (p. 359, 40—42)
446
exercire 323
Fabeln, lateinisch griechisch 142
Facetiae bei Cicero 337
Faveutinus, epitome 12
Festus (p. 329) 247
Flexion, spätgriechische 149
Florus (I 6, 2. 1, 15) 318
Flutsage 239
Fragm enta scriptorum apud No-
nium servata 196
Frontinue, de aquis (25) 11'
γαιδάρια 151
Galba, imperator 87 f.
Galen, Blattversetzung im Comro.
zu Hipp, περί Αρθρων 627 nat.
fac. (I 14) .366 (II p.45f K.)327f.
(118; Π ρ. IHK, ΠΙ ρ. 182 He.)
385 (ΠΙ ρ. 466 f. Κ) 382 (VIII
ρ. 74S. 755. 757. 758 Κ) 382 — de
US. resp. (IV ρ. 494—496 Κ) 389
— de US. part. (VIII 8; III ρ. 540
Κ) 389 - de plac. Hipp, et PI.
(Vin8; V p. 707 f. K; ed. Iw.
Müller p. 714 f.) 379«*
Gallienus (vita S, 1) 510
Ganymedsafife 67
γάρ, über eine besondere Bedeutung
von γ. 1 f — γάρ = freilich 2 f.
— γάρ und γέ = freilich 7 —
γάρ aus γέ άρα 7 — γάρ zur
Einleitung von Entgegnungen im
Dialog 7
γαυνάκιον 150
Gellius (I 9, 6) 237 fl 16, .3) 2.W
genethXiaci 237
Georgius 457
Goldenes Zeitalter 181
Götterland und seine Ausstattung
180
Reßrister•
645
Oratn. Tractat (in den Amh. Pap.)
145
Gregor, or. ad Orig. (§ V]\) 48ö
Hadrians Autobiographie 549
Heliotior (VII 9) «09
Hercnlaneneische Bmchstüoke einer
Geschichte des Sokrates u. seiner
Schule 285 fr.
Hermes-Hymnus (558-5G3) 179^1
Hero Byzant. (Anonymus Wescher
p. 214) 45
Herodian (V 4, 9. 6,8) 513 (VH!
6, β ff.) 509^«
Herodot (Uli. 137. Π1 1)275 (IV
ISl) 588
Heron Automat, (p 430, 9 Seh.) 486
Herondas (VII 99) 482
Hesiod, Werke (232 f.) 181« ίργ.
(25) 269
Hieronymus (p. 78 f ) 241
Himmelsspeise 178
Iliütoria Augusta, Satzschlussstu-
dien zur H. Aug. 549 f.
Homer (in den Amh. Pap ) 145 —
(α 328 ff. 207 (α 351) 2<;6 (a346)
268 (α 370 f.) 267 (γ 267 f.)
272 (6 229 f.) 275 (Θ 255. 477 f.
487 f. 500 f.) 266 (Θ 474) 268
ii 527 f.) 276 (i5f. 11)271 (X26f.)
18483 (X 3ßi f.) 274 (μ 314 f.) 268
(o 344) 271 (p 319 f.) 272 (p269.
287 f.) 271 (p 347) 268^ (p 374 f.
397 f. 347) 268 (σ54)271 (χ 344 f.)
267 (χ 330 f.) 272 (ψ 148 f.) 271
(ψ 217) 274 — (Β 845 Δ 520
Η 86 1 360)444 (Ρ 432)444 (Ρ575 f.)
271 ίΣ541*ιν€ΐός)3028 (Σ541—
547)503 (Σ556-559)304 (Σ565—
572) 306
Honig 177 f.
Horatius, carm. (1 2) 321 (1 20, 9—
12) 466 (III 4, 9-13. 6, 21—24)
465 (11123,17-20)466 (IV 2,
27 ff.) 180« - epod. (16, 47. 49 f.)
181« — epist.d 18, 104. 105) 467
— ars poet. (251—259) 4()8
Hygin, fab. (198) 219
Jamblichos, protreptic. (c. 9) 486
Ί€ρά δ€θρο 49Hf.
Indisches ilpos 269
indolis 326
Infinitivus pro imperativo 147
Inschrift der Aphaia aus Aegina
152. 252. 543
Johannes Chrvsostomos (t. X p.624a
Montf.) 171
Isaios (6, 53) 425
laocrates, — προς Δημόνικον (in
den Amh. Pap.) 145 — Philippos
(8, 18. 46. 49. 51. 53) 423 (64)
424 — Archidamos (65) 424 —
Paneg. (157) 502»
Julian (VH p.231a Cobet) 485
Justin 56Hf. (s. Trogus Pompeius
bei Justin)
Juvenal 146 (12. 116, 34 ff.) 60
Kol προς 147
Kalenderpublikation 519
Kallimachos, — Artemishymnus
(195 ff.) 228 - Schol. z. Art.-II.
(in den Amh. Pap ) 141 — Zeue-
hymnus 460 (Anspielung im Z.-H.)
Kapitelüberschriften in Handschrif-
ten 2911
Karme 228 f.
Kastor, Χρονικά 233 f.
κατήγωρ etc. 148^
καθιστάνω 146
Kleomedes (Π 5 ρ. 194, 2171.) 486
Klitarch 581
Komische Scene im Euripideischen
Orest 280
Ktesias bei Photios (§ 49) 617
Κύμη 327
κυτίνιον 151
Lactantius Placidus 166. 421
Ländliches Leben bei Homer und
im deutschen Mittelalter 301 ff.
Legionen des Orient (nach der no-
titia dignitatum) 259 ff.
Lex Manciana 632
Lexikon zur Od. (XV) und II. (XI)
in den Amh. Pap. 145
Liebesproblem, — dilettantische Art
der Betrachtung des L. 55 —
Stellungnahme der Verfasser erot.
Schriften zum L. 57
Livius — (V 32, 8) 425 (VIII 3, 7)
245 (IX 17, 16) 565 (IX 17. 17)
564 (1X18, 1. 2.4) 564 ΓΙΧ 18.
6.8)565 (IX 18,9)562 (1X19,
5. 6. 7. 9. 1 1) 565 (X 1 1 8, 3) 564
Locativ auf -ησι 640
ludi saeculares 244
Luftdrucktheorie der Alten 371 f.
Luftziegel 34
Lukian — πβρί παρασίτου (c. 30»
270 — ?ραπ•€ς 58. 62 (c. 25 ρ. 425)
71 fc. 25 ρ. 426. c. 27 ρ. 427) 59
(c. 27 ρ. 428) 60 (c. 33 ρ. 433-
c. 36 ρ. 437) 59 (c. 37 ρ. 438) 62
646
Reg^ieter.
— ver. bist. (I 12) 480^ - d.
mer. (13, 1. 3) 608
Lukrez (VI 799 f,) 389 (VI 802 f.
804 f.) 390 (V! 906-1089 Lm.)
363 (VI 921-990) 370 f. (VI
1114 f.) 391
Lykurgoe Redner (Gesetz) 625
Lysias (19,33. 31,32) 425
Macrobius (p. 91 Keller) 247
Magnettheorie bei Lukrez 367 f.
Magnet und Atmung in antiken
Theorien 3(i3
Mantik (in den Amb. Pap.) 145
Martial (VI 32) 136 (1X25. XI 43)
60
Menander — bei Alkiphron (II 3,
12) 609 — Δεισιδαίμων 609 —
Μισογύνης 58
Milch und Honig in Sage α. Cultus
177 ff.
Mims 322
Mithrasweihen 182 f. 195
μοΟσα παιδική — in der Poesie und
in der νέα κωμψδία 58
Μυκήνησι 640
Nectar und Ambrosia im Götter-
lande 180
Nero 77 f. — N. und Acte 79 —
N. und Sabina Poppaea 79 f.
Nisos- und Skyllasage 205 f.
Nonius Marceil US, compend. doct.
Quellen 196 f. — de vero ordine
fr. 198 f.
Nonnu8Dionys.(XV2n7)212 (XXV
148 ff.) 211
uotitia dij?nitatum 259
οίκος in der Kultsprache 153. 252.
544
Όρνιθιακά (Dionys.) (II 15 in den
poet. bucol. et didact. p. 119
Didot) 206
Ortsnamen im Lateinischen, er-
starrte Flexion von 0. im L. 168 f.
Otho, Kaiser Marcus Salvius 7<>
Ovid. — ars amat. (I 351 f. II 251 f.)
609 (ini83f.).59f. (111571)599
— araor. (17)599 (119)609 -
fast. (3, 736 ff.) 177 - heroid. (20,
47 f. 177f.)609 - metam. (1 1 11 f.)
181 (VII 426) 466 (VIII 14 f.) 214
(Vni 21 f.^ 211 (VIII 44-80) 214^
(VIII f)4) 215 (VIII 73) 323 (VIII
101) 211 (VIII 108-142) 2143
(VIII 109. 127) 221 (VIII Ii5)22l8
(VIII 145 f.) 206
Pachtvertrag in den Amh. Pap. 1 48
Pacuvius, Grabschrift des P. 1ί)4
Paladins 12
Palingeneeie 226
ParthenioB 205. 226 f. — metam.
(fr. 2i) Martini p. 23 p. 270 Mein.)
206
Paulus Silentiarius 601
Paueanias (I 9, 4) 230^ (I 22, 7) 150
(142,2)227 (144,8)227 (II 13,4)
150 (1130,3)155 (1134,7)222
(ΙΠ 14, 2) 546 (V7,8) 150 (IX 23,
2) 179"
π€ρΙ οψους (4, 10) 31 1
Personalstandregister (in den Amh.
Pap.) 146
Petronius, cena Trimalch. (c. 48)
327
Pfitigen des Feldes bei Homer und
im deutschen Mittelalter 301
Phanocles, £ριυτ€ς ή καλο{ 58
Philodemus, rhet. Schriften 428
(12,7)435 (I 126. 167 col. VII)
432 (I 197) 431 (I 333) 430
(I 369) 432 (I 383 col. CX) 432
(II 6, 7) 434 (II 67 tr. 3) 433
(II 94, 4) 131 (II 95, 11) 432
(11102)134 (ΙΪ 114,19)431 (U
130, 11) 431 (II 141, 31) 435
(II 151, 20) 431 (II 174 fr. 14)
436 (11176.177,3) 43ίί αϊ l'i8,
!»>) 430 (II 188 fr. III) 429 (II
189 fr. I) 431 (il 202, 25) 434
(II 205) 429 (II 212 f.) 429 (11
278 fr. XX«») 435
Philostratos, — imag. (1, 44 p. 30,
23 Ausg. d. Wien. phil. Sem.) 177^
(2, 12) 17912 — vita Apollon.
Tyan. (IV 18, 155) 498
Phrynichos 487
Pindar, — Isthm. (4,54) Nem. 3,
77) 179W 01.(6.45)179 Pyth.
(4, 60) 179 (9, 63) 194
Piso als Mitregent Galbas 90
Piaton —Craty 1.(393 c) 3 — (iorg.
(451 a. d. 449 b. 470 e) 7 (522 a)
422 — Jon. (533 e) 365 (534 a)
178« — Legg. (694 e 712 b) 7
(794 c) 4 - Parm. (141 c) 7 —
Phaedo 63 — Phaedr. H.i (229 a.
268 a) 7 - Prot. (328 d) 422 -
Soph. (231 e) 7 — Symp. 63 -
Theaet. (187 a. 207 b) 7 — Theag.
(121 d) 311 - Tim. (77 ff.) 374
— de rep. (432 d. 433 a) 7
Plan tue, — Amphitruo eine co-
moed. contaminata? 4<>3 — ('as.
(617) 609 - Cure. (178 f.) 609
Register.
647
Plinius, nat, bist. (II 67) 570 (VI
12. 13) 583 (VI 15. 21) 570 (VI
21)582 (VI 23) 593 (VI 31) 570.
587 (VII 2) 590 (VII 210) 473
(VIII 10) 579 (XU 8) 585 (XV 2)
325 (XV 25. 30. 209) 20 (XVI 45.
48. 230) 16 (XVI 186) 18 (XVI
192. 195—198. 216 flf.) 17 (XVI
198) 15 (XVI 218) 19 (XXXI 20
(XXXI 36. 43. 57) 21 (XXXI 58)
23 iXXXlU)31 (XXXHl 119.121)
32 (XXXIV 26) 236 (XXXV 41.
42. 170-173) 33 (XXXV 160)
235 (XXXVI 47. 176) 38 (XXXVI
166—188) 41 f. (XXXVI 170. 173)
39 (XXXVI 176)40 (XXXVII 28.
120) 15
Plotinus, Eon. (I 6, 8) 311
Plutarch, vitae parall. : — A.ge8il. (6)
425 — Alex. (c. 3) 570 (c. 16)590
(c. 17) öTl (c. 18)616« (c. 20) 592
(c.21) 6128 (C.28) 593 (c.30) 6128.
613 (c. 31) 501 (c.31. 45.46)570
(c. 44) 583 (c. 63. 64) 597 — Auton.
(c. 1-2) 561 - Artax. (1. 1) 612.
617 - Cam. (10) 424 (19) 501
— Cato miu. (64) 424 — CraHS.
(27)425 — Galba (21-28) 90f.
— Numa (8) 236 — Otho (1—4.
7-18) 117 f. — Pyrrh. (c. 19)
562 — Rom. (12) 237 — Sulla
(7) 24;) — de fort. Alex. (I 1) 616«
(I 2) 597 (1 5) 571 (1 6. 8) 570
(117)597 (118) 616« (119)593.
;)97 (II 13) 597 — couv. disp.
(VIII 9, 1 p. 731 ) 391 - de Pyth.
orac. (12, 13, 14) 253 — Erotik.
57 (c. 4) 62 (c. 21 p. 767 A) 59 —
quaest. Piaton. (VII 7 p. Iu05b,d)
369 — quaest. Rom. (10) 236
vitae X or. (p. 824 A) 625
Poiystratos 482
Pompa, die P. an den Decennalien
des Gallienus 510
Pompcianisches Wandgemälde 218
Pontincalannalen, die älteste Re-
daction der P. 517 flF.
PontiBcaltafel• Jahreschronik 518
Pop- pub- Stammsilbe von Personen-
namen ()36
Populär-philosoph. Litt. 66
Porphyrius (p. 6, 12 Hold.) 321
(vita Peotini c. 9) 487
praedecessor 635
Priscian (VI 70 p. 255 H) 321
pro salute imperatoris 632
probeantur ,'>24
jyrodecessor 634
Properz (lU 16, 11-20) (506 (III
19,21)209 (IV 4, 25) 215 (IV 4,
39) 209
πρόρρησις 501 f.
Prosaausgaben der Alexandriner
139
προσβπίτροπος 147
Protokoll (in den Amh. Pap.) 146
Pseiido-Hippokrates , π€ρ1 τέχνης
(c.5)(> (0.11)7
Pseudo-Sallust, Invectiva 159
Ptolemaeus, Astrologe 97
Ptolemaios Philometor, Erlass dess.
in den Amh. Pap. 145
Pythagoras und Varro 23tj
quattus 325
Quinarsystem 21
Quintilian (11,9)313 (1115,34)314
(XII 1,1) 313
Rhapsodien 272
Reitercenturien des Tarquinius
Priscus 318
Römische Elegie 599
Römische Kaiser-Geschichte, Unter-
suchungen 506 fiF.
Rufinus 600
8abina Poppaea 80 f.
saeculum 245
Sänger, der S. in der Odyssee 265
Sappho, Berliner Bruchstücke 328
Abschied einer Schülerin 329 f.
An eine Freundin 330 f.
Satzschlussstudien zur historia Au-
gusta 549 f.
Säuglingspflege der Griechen 193
Scaevola 524
Schreibgebrauch u. Textkritik 481
8C(ypu8 324
Scriptores histor. Aug. 549 ff. —
vita Hadr. (S])artianus) 549 f.
(rhythm. Satzschluss) 549 f. (Quel-
len) 554 (c. 1, 1. 2. 3—5. c. 2, 1.
2. 4. 5-8) 550 (c. 2, 9. 10. c. 3,
1. 2. 3. 4. 5) 551 (c. 3, 6-10.
11-c. 4, 1 ; c. 4, 2. 3. 4—5. 6—7.
8—10)552 (c. 5, 1. c. 6, 3. i)'-^.
9. c. 10,2.3. c. 11, 2 c. 18,3.
c. 19, 1. 4. 5)553 (c. 1(5, 1. c. 22)
554 — Aurel. (5, 1) 556 (10, 1
555 (15,6. 19,6)556 (37,5f.)557
Tac. (10, 2) 556 (14, 5. 15, 4) 558
Scylla 323
secus = secundus u. ä. 169 f.
Seneca, - Oedip. (494 ff ) 178 —
quaest. nat. (11127; 28,7) 237
648
Regieter•
S«uöcio 78
^pt6W montee urbis Bomae 396
S^rviu•, ad Verg. - Aen. (VI 43)
U• I Ylll δδβ) 346. — Georg. (II
18> W - £cl. 4, 4) 236 (9, 46
fr 5 p. Ä5S) 344
S«xtu* Kmpiricu* «ρός /Ρήτορας (6)
^14
Sibvll«i«he Wwwagungen 244
Simplicitt« 5171
Swi^t^ainbi* 610
'^ΐΛ«. Hypotheeie zu Euripidee'
' Sk. m d«n Amh. Pap. 138
>^^]jMtg« 305 ff.
^^rat<« (β. Uercul. Brachst) 285 f.
N>iibodet (Antigene 528) 624 —
Sol. i. Aias (1199) 179>8 schol.
,, CVd. Col. (17) 179W
Spartianus, vita Hadriani 549
SiAtitte' Thebais 397 f.
St<»phanu8 Byzaut., Δάνουβις 441
Δω6(ύνη, Κραννών, Όμόλιον, Τβ-
τραχωρΐται 437 Τύμφη 142
ατηβ(ον 149
SUchworte 483
Stigma in der lat. Schrift 170 f.
Stobaeus 69
Strabo, — unbeachtete Fragmente
437 - (I p. 22) 574 (I p. 48) 570
(II p. 67) 580. 585 (II p. 70) 572
(II p. 73) 584 (V 3, 3) 587 (VII
fr. 3) 445 (Vll fr. 7) 442 (VII
fr. 11. 25. 27) 446 (VII fr. 33.
36) 445 (VII fr. 50) 444 (VII fr.
51) 445 (VII fr. 52. 57) 446 (VII
fr. 56) 445 (VII fr. 58) 443 (VII
p. 295) 446 (VII p. 298) 444 (VII
p. 495. 550. 591) 447 (VIII p. 373)
222 (IX 5 p. 533) 569 (X p. 452;
311 (XI p. 491. 508) 583 (XI
p. 505) 573. 585 (XI p. 507) 578
(XI ρ 509) 571. 582. 584 (XI 508j
δ^<4 (XI p.510)582 (XIp.521)5SG
iXI 12 p. 522) 580 (XI 13 p. 523)
569. 570 (XI p. 524) 580 (XI 13
p. 52()) 581 (XI 529) 587 (XI
p. 637) 254 (XI 8 p. 717) 581
(XII 534) 586 (XIII p. 593 XIV
3 p. 66()) 569 (XV p. 678. ()87)
593 (XV p. 685. 687) 573 (XV
p. ί)^s5. 688. 691 1. VOO. 705. 707)
579 (XV p. 699; 590. 592 (XV
709. 71Λ 718. 719) 589 (XV
p. 717) 576) XV p. 719) 588 (XV
p. 720. 727) 580 (XV p. 721 f.)
591 (XV p. 724)592 (XV p. 725)
m\ (XVp.72Sf. 739) 587 (XVI
p. 737) 774 f. (XVI p. 738. 740.
742) 587 (XVI p. 746) 570. 586
(XVI p. 748. 767) 580 (XVI p. 779)
588 (XVIp.785) 580(XVIIp.802.
814) 574
Straten (bei Simplicins in Arist.
phys. p. 663, 3. 652, 21) 371
Sueton, — Aug. (31) 244 — Claud.
(21) 244 — Galba (4. 6. 14. 17.
19. 20. 21. 24. 50) 76 f. — Nero
(35) 84 - Otho (1. 3. 4. 5. 6.
7. 10. 11. 12. 50) 129 ~ Vitell.
(10) 134
Suidas 487
*Surpu* -Tafeln (aseyriol. Bibl. XII
1. 1896) 483 f.
συσκευώρημα 147
Taoitus, — aun. (1 80) 80 (III 742«)
81 (IV 31. 39. 46) 80 (XI 1) 80
(XI 1. 4)83 (XI 2. 3. 4. 13. βΟ)
81 (XI 5) 80 (XU 13) 77. 83
(XII 41. 69)93 (XII 52) 7ii (XIII
12) 79. 88 (XIII 45) 79. 80. 82.
84 (XIII 46) 84. 85 (XIII 46«)
86 (XIII 47) 88 (XIV 61) 86 (XV
17. 49. 50. 70) 78 (XV 71) S:i
(XVI 16. 17) 83 — biet. (15.17)
93 (I 9. 14) 90 (I 12. 22) 89 (I
13) 77. 86 f. (I 15. 16) 91 (I 18.
19) 94 (I b. 31) 99 (I 21) 96 (I
22) 97 (I 23) 95 (I 24. 25. 72)
98 (I 26. 27) 100 (I 27. 28. 29)
101 (I 29. 30) 102 (1 31. 32) 103
(I 32. 34) 104 (I 35) 106 (i 36.
37) 107 (I 38. 39) 108 (I 40. 43;
109 (I 41)110 (I 42. 43) 111 (I
44)112 (I 45. 46. 47)113 (149)
114 f. (I 50 52. 56) 116 (l 59)
126 (1 61. 74 75)117 (162.71.
74. 75) 118 (I 75. 77. 90) 76 (I
71. 86. 81) 124 (I 77)132 (178)
86 (I 80. 89. 90) 120 (I 81. 82)
121 (I 83. 84. 85) 122 (I 88)
119 f. (II 11) 118. 124 (1123.33.
39. 60) 76 (11 31. 33. 39. 40) 136
(U31. 39. 40. 43.44)126 (II 31.
47) 135 (II 33. 39) 125 (II 37.
44. 45) 127 f. (II 46. 47) 130 (II
48) 131 (II 48. 49) 133. 134 (II
49) 132 (II 60) 77 (II 89) 512
(VII 41. 42) 126
TarquiniuB Priscus 318
Taufgebräuche 183 f. 191
Terenz, — zwei alte T. -Prob lerne
48 ff. — Hautontira.(prol. 1— 3)
50 (Bembin. schol. z. prol. 3) 51
(prol. 6) 48 (I 1,91) 323(300f.>
609 — Audria (I, 24 f.) 52
Register.
049
Textgeschichte und Textkritik 555
Theocrit (II 62 VI 39) 472 (XIV
34 ffj eOO
Theodore t 454 — *Graec. äff. cur.*
(cod. Vat. 2249) 449
Theodoros Metoch. (p. 127 M. K.)
481
Theognifl (El. 469 f.) 604
θρύγη 149
Thukydides (III 40, 4) l (111 43,
4 f.) 2
Tiberiu8 Coruncanius 531
TibuU (I 2) 602 (I 3, 45) 181 (I
10, 57 f. 65) 602
Timagenes 564
Timaios, com. Galeu. 385
Titus Vinius. 111
Totencult 182
Trogus Pompeius 623 — Krit. zu
(prol. X) 474 — Tr. Pomp, bei
Justin (11 1,3. 3,6) 567 (XI, l)
613 (X 3, 1)610 (X 3, 3) 6163 (χι
6, 11 ff.) 590 (XI 6,15) 566 (XI
8,3. 4 8. 15,5)567 (XI 9, 12 f.)
6123 (XI 10,2)592 (XI 13, 1. 14,
7) 566 (ΧΠ 3, 8. 4, 1. 6, 6. 12,
2. 13, 2. 7. 14, 4) 566 (XII 5, 8.
6,5. 7. 9,9. 11,5.8)567 (XII 7,
6. 8) 593 (XU 9, 5) 596 (XII 10,
3) 591 (XIII 1, 6) 612^ (XV 3, 7)
566 (XXVIII 4, 2) 567 (XXXVIIl
4, 7) 566 (XLII 3, 5) 570
Trophimus martyr. 458
Τύμφη 142
Τυφλός άνήρ 265
Tzetzes zu Lykopbron (650 Chil.
II 539) 216
Ueberlieferung der Gesch. Alex. d.
Gr. 559 ff.
Unbeachtete Fragmente bei Strabo
437
Untersuchungen zur röm. Kaiser-
Gesch. 506
Valeriue Maximus fact. et dict.
mem. (IX 2 Ext. 7) 610
Varro — de gente populi Romani
231 — de re rust. (III 1, 2 ff.)
232 - de 1. 1. (VII 88) 247
Vegetius, Scholien 392 f.
VaUegius, Verse des V. in der vita
Terentii 163
Velleius Paterculus (1 5, 2) 265 (II
51) 563
Verballhornungen in der Vulgate
422
Verfasser der X libri de archi-
tectura 8
Vergil, — Aen. (VI 791 ff.) 249 —
Ed. (IV 4-7) 248 (IV 30) 181
(Prob. z. VI 74 p. 23 Keil) 216
— Georg. (I 404 ff.) 206 f.
Vibius Maximus 146
Vir bonus dicendi peritus 312 f.
Vitellius, Kaiser 115
Vitruv, — de archit. (II 3, 1) 33
(II 8,9-17) 34 (U 9, 7)18 (VU
3, 5) 40 (VIII 6, 4) 22 (VIII 14—
15) 39 (X 19) 43. 45 (X 21) 45
Wandgemälde von Tor Marancio
218
Weinlese bei Homer und im deutsch.
Mittelalter 305
Xenophon, — Cyrupaed. (V 4, 37)
311 Mem. (II 1,2) 7
Zauberpapyrus (Leyden) — Kriti-
sches 496> (p. 5, 7 ff. p. 12, 1 ff.)
41^1 (p. 19, 6. 8. 9) 482
Zeushymnus, Anspielung im Z.-H.
des Kallimachos 460
Zosimus (II 4) 246
«'arl Ofovf'i. Uuivereiiutii-liucJuiiUckerci in Boiiti;
Inbalt dee νίβπβο Heftce
ΤΐΙη Kulmlhirolmui^ uiiil «liau Beiluiuuuir fUr'<Ut< TBxt-
brlllli. \'pt| tV. ftriflkAMiin
lePA ΔΕΤΡΟ. Vftn U. Xäeli•«. .---,-
IltilvMucliutiy ΐ ttor rltinlei-bi-0 KsttinttewUcItfu. Vmm
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