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Full text of "Rheinisches Museum für Philologie"

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Rheinisches  Museum 


tnr 


PHILOLOGIE. 


ITerausgegebeu 


voll 


Franz  Buecheler  und  Hermann  Usener. 


Neue  Folge. 


Siebenundfünfzigsten  Bandes  erstes  Heft. 


I 

I 

Frankfurt  a.  M. 


J.  D.  S  a  u  e  Γ 1  ä  u  d  e  Γ  *  s   Verlag. 

1ίίί>2. 


In  J.  D.  Saueriänder's  Verlag  iu  Frankfurt  a.  M.   ist 
erschienen  und  durch  alle  Buchhandluns:en  zu  beziehen: 

Das  Problem  ttber  die  Ehe 

vom 

philosophischen,  geschichtlichen  und  sozialen 

Gesichtspunkte 

Tun 

Otto  Caspari, 

weiland  Professor  der  Philosophie  an  der  rniversität  Heidelberg. 

a^  VIII  und  126  Seiten.    Preis:  M.  2.— 

Inhalt:  I.  Einleitung  und  Literatur.  —  II.  Die  rbersinnlich- 
keitsauschauun^  der  Idealisten  und  der  Kirche  über  die 
E)he.  —  III.  Die  Sinnlichkeitiianschattttng  der  Naturalisten 
und  Materialisten  über  die  Ehe.  —  IV.  Die  sittenlose  Ver- 
wahrlosung ira  Geschlechtsverkehr  der  civilisirten  Völker.  — 
V.  Widerspruche  und  Ausblicke  der  Parteien  auf  eine  Lösung 
des  Eheproblems.  —  VI.  Überblick  über  die  Geschichte  der 
fihe  und  Familie  unter  den  Culturvölkern.  —  VII.  Die  An- 
schiiuuny:  der  Philosophen  und  Ethnologen  über  die  Ehe- 
gomeinschiift.  —  VI  11.  Die  ('norduung  des  Sexu:ilv«rkt*hrs 
neben  der  heutigen  Ehe,  und  die  allgemeine  öca:its«»rdninig 
der  ^fffien•*  Ehe!  —  IX.  Die  Frauenbewegung  und  dii*  Ehe- 
frage. —  X.  Die  Erziehung  der  Nachkommenschaft  und  die 
freie  Ehe. 

Die   Zeitschrift  für   die  gesamte  Staatswissenschaft 

V,m,  Heft  2,  schreibt  darüber: 

— e.  CasiHtri,  OttOj  Das  PrMem  über  die  Khe  vom  philfh• 
soißfiischm,  geschichtlichen  und  sozialen  Gesichtsputtki.  Frank- 
furt a.  M.,  J.  D.  Sauerländer.  lK)a.  Dieses  Büchlein,  welchem 
iichimheit  der  Darstellung,  geschmackvolle  philosophische  Kon- 
zentration eines  gewaltigen  Materials  othn(»h)gischer,  kirchon- 
geschichtlicher,  soziologischer  und  hvgicnischcr  Kenntnisse, 
namentlich  aber  die  Ruhe  der  AuseinandtTsetzung  nicht  ab^'i- 
fcprocheu  werden  können,  wird  starken  und  vii;l.<fitii;en  Wider- 
spruch hervorrufen,  obwohl  es  dir  „Elic  auf  Siunden**  (der  Pn»- 
ßtitution)  so  abweisend  geji»nul'cr  tritt.  \Nie  dt;m  sakrumentalfn 
Charakter  der  „ewigen ",  un.iufioslifhrn  Einehe.  Die  Ευηΐιτηηι.•• 
des  Verfassers  ist:  _l>ii:  sittliche  Freiheit  di-r  Eheleute  in  ihivr 
Entscheidunir  ist  .11«  cr^t«•,  nbirr'-ii.'  und  ein/ii:«;  Inst  an/,  in  .ι1Ι••η 
Angelffft/nhi-itiTi  •ΐΐ'.>  Zu.-.iniiiH'n>eiii.•*  in  der  lAiv/   i..>.  i'J•. 


Rheinisches  Museum 


für 


PHILOLOGIE 


HerauBgegrebeTi 


Ton 


Franz  Buecheler  und  Hermann  Usener 


Nene  Folge 


Sieben  und  fttnizisrster  Band. 


Frankfurt  am  Hain 

J.  D.  Sanerländcrs  Verlaj?. 
1902. 


'.'  I^laud  Stanford,  Jr. 


Verzeicliniss  der  Mitarbeiter 

von  Band  XXXV — LVII  und  ihrer  Beiträge  von  Band  XLV  an. 


Ahrens,  H.  L.,  in  Hannover  f 
Amsel,  G.,   in   Gross  -  Lichterfelde 
Apelt,  O.,  in  Eisenach  {49,  59.  50, 

394.  55,  621.  55,  9) 
Arnim,  H.  von,  in  Wien 
Asbach,  J.,   in  Düsseldorf 
Aubert,    L.  C.  M.,    in    Christ iania 
Aufrecht,  Th.,  in  Bonn 
Ausfeld,  Α.,   in    Baden-Baden  (50, 

357.  5^,435.  557.  55, 348.  5β,517) 

Bannier,  W.,  in  München  (54,  544. 

&j,  479) 
Bartbolomae,     Chr.,      in     Giessen 

(45, 151) 
Barwinski,   B.,  in   Deutsch -Krone 
Bauer,  Α.,  in  Graz  (55,  H)8) 
Baunack,  J.,  in  Leipzig 
Becher,  F.,  in  Berlin  f  (45,  31«.  47 , 

639.  55,  481) 
Beloch,  J.,  in  Rom  (45,  4()5.  555. 

49,  111.  50,  250.  54,  414) 
Bergk,  Th.,    in    Bonn   f 
Bethe,  E.,  in  Basel    {46,  511.   47 y 

Wll.  48,  91.  355.  4S4.  55,  414) 
Biese,  Α.,  in  Neuwied 
Birt,  Th.,  in  Marburg  {45,  491.  46, 

152.  50,  31. 101.  51,  70. 153.  240. 

468.  491.  506.  52  Suppl.  54,40. 

201) 
Bischoff,  E.  F.,  in  Leipzig  (55,  328. 

54    9.  55    488) 
Blas«,  F.,  in  Halle  (47.  2<ii).  55,283. 

54,  33.  55,  91.  341) 
Hoehme,  J.,  in  Hamburg 
Boor,   C.  de,    in  Breslau   {45,  477. 

47,  321) 
Braudis,  C.  G.,   in  Charlottenburg 

[51,   109) 
Brandt,  S.,  in  Heidelberg  {47,  390) 
Breysig,  Α.,  in  Berlin  f  (55,    157. 

fif»5.  56,  55) 
Brinkmann,  Α.,  in   Bonn  {51,  '213. 

441.  5.8,  β32.   54,  93.  56,  55.  57,^ 

482) 


Bröcker,  L.  0.,  in  Hamburg  f 
Brugmann,  K.,  in  Leipzig  (53,  630) 
Brugmann,  O.,  in  Leipzig  (50,  478) 
Bruhn,  E.,  in  Kiel  (45,  273.  48, 628. 

49,  168) 

Bruns,  J.,  in  Kiel  f  (45,  138.  223) 

Buecheler,  F.,  in  Bonn  (45,  159. 
161.321.  46,  159.  233.  632.  48, 
84.  320.  631.  4,9,  175.  51,  153. 
325.  471.  638.  52,  302.  391.  53, 
166.  205.  54,  1.  484.  55,  1.  56, 
154.  321.    57,  315.  321) 

Buermann,  H..  in  Berlin 

Buettner,  R.,  in  Gera  {55,  121) 

Bugge,  S.,  in  Christiania 

Bunte,  B.,  in  Leer 

Buresch,  K.,  in  Athen  f  (4β,  193. 
47,  329.  49,  424) 

Busche,  K.,  in  Leer  (55,  299) 

Busolt,  G.,  in  Göttingen 

Busse,  Α.,  in  Berlin  (49,  72) 

Bywater,  J.,  in  Oxford 

Cauer,  F.,  in  Elberfeld  (46,   244. 

50,  348) 

Cauer,  P.,  in  Düsseldorf  (47,  74) 
Cholodniak,   J.,   in  St.  Petersburg 
Christ,  W.,  iu  München 
Christensen,  Η  ,   in   Hamburg  (54, 

134) 
Cichorius,  C,  in  Breslau 
Cohn,  L.,  in  Breslau 
Conway,  R.  J.,  in  Cardiff  (49,480) 
Corssen,  P.,    in  Berlin  (51,  226) 
Crönert,  W.,  in  Bonn  {53,  585.  54, 

593.  56,  607.  57,  285) 
Crusius,  0.,  in  Heidelberg  (45,  265. 

46,  318.    47,  61.    48,   152.   299. 

49  299.  51,  544) 
Curtius,  E.,   in  Berlin  f  (50,  373) 

Darbishire,    H.  D.,    in  Cambridge 
Daub,  Α.,  in  Freiburg  i.  Br.  f 
De^ering,  H.,  in  Bonn  (57,  8) 
Dechent,    H.,   in    Frankfurt    a.  M. 


IV 


Yerzeichniss 


Deecke,  W.,  in  Mülhausen  i.  E.  t 
Deiter,  H.,  in  Hannover 
Deiters,  P.,  in  Köln  (5Ö,  587) 
Dessauer,  H.  f  (56,  41β) 
Diehl,  E.,  in  Miyichen  {54,  IV>) 
Diele,  H.,  in  Berlin   {46,  (ilT.    49, 

478.  56,  29) 
Dieterich,  Α.,   in  (iiessen  (46,  25. 

48,  141.  275.  55,  191.  56,  77) 
Dietze,  J.,  in  Hamburg  [49,  21) 
Dittenberger,  W.,  in  Halle  (47, 324) 
Doerpfeld,  W.,   in  Athen  {51,  127) 
Domaszewski,  A.  v.,  in  Heidelberg 

(45, 1.  203.  46,  599.  47,  159.  207. 

48,  240.    842.   49,  (512.   53,  «8H. 

54,  158.  311.    55,  318.    57,  50Γ,) 
Dragendorff,  H.,  in  Frankfurt  a.  M. 

(51,  281 ) 
Drerup,  E.,  in  München  {51,  21) 
Duemmler,  F.,  in  Basel  f  {45,  178) 
Duhn,  F.  V.,  in  Heidelberg 
Ihincker,  Α.,  in  Kassel  t 
Dyroff,  Α.,  in  Freiburg  i.B.(50,481) 
Dziatzko,  K.,  in  Göttingen  {45,  G39. 

46,   47.  349.    47,  Γ,34.    49,   559. 

54,  497.  55,  104) 

Egenolff,  P.,  in  Heidelberg  f  (56, 284) 

Ellis.  R.,  in  Oxford 

Elter,  Α.,  in  Bonn  (46, 112.  47,  130. 

629) 
Enmann,  Α.,  in  St.  Petersburg  (57, 

517) 
Enthoven,   L.,  in  Strassburg  i.  E. 

{46,  480.    48,  472) 
Eskuche,  G.,  in  Siegen  (45,  2m.  3S5) 

Fabricius,    E.,    in  Freiburg  i.  Br. 

{46,  337.  589.  48,  448.  51,  45(1) 
Faltin,  G.,  in  Neu-Ruppin  t 
Flach,  II.,  in  Hamburg  f 
Foerst^r,   R.,  in  Breslau  {49,  Uu, 

168.  481.    50,  m.  640.    51,  481. 

5^,  144.  29G.  298.    53,  547.    55, 

139.  435) 
Foerster,  Wilh.,   in  Rheydt 
Fränkel,  Α.,  in  Zabern 
Fränkel,  M.,  in  Berlin  {47,  473.  50, 

233.  423.  480.  640.  57,  152,  534) 
Fränkel,  S.,  in  Breslau  (51,  328) 
Frederking,  Α.,  in  Worms  (46,  144. 

52,  449) 
Freudenthal,  J.,  in  Breslau 
Frick,  C,  in  Höxter   {46,  106) 
Friederich,  B.,  in  Hannover 
Friedländer,  L.,  in  Strassburg  i.  E. 
Fries,  C,  in  Berlin  (54,  555.  55,  Im. 

57,  265) 


Fritze,    H.  v.,   in  lierlin  {55,  588) 
Fritzsche,    R.  Α.,   in   Giessen  (57, 

363) 
Froehner,  W.,  in  Paris  {47,  291) 
Fuchs,   R.,   in   Dresden    {49,    532. 

50,  576.    51,  164.    52,  377.  634. 

53,  49i;) 
Fuhr,  K.,  in  Berlin  {50,  304.    51, 

45.  li;4.  57,  422) 
Furtwängler,  Α.,  in  München  (57, 

252) 
Oalland,  C,  in  Strassburg 
Oardthausen,  V.,    in    Leipzig    {45, 

612.  46,  619.  50,  311) 
Geizer.  H.,  in  Jena  (48,  161) 
Gercke,  Α.,  in  Greifswald  {47,  319. 

45,  41.  54,  404) 
Gilbert,  I.,  in  Grimma  {51,  471) 
Gilbert,  W.,  in  Schneeberg 
Gloeckner,   F.,  in  Staremberg 
Gloel,  H.,  in  Wesel  {47,  136) 
Goebel,  K.,  in  Fulda  {53,  628) 
Goetz,  G.,  in  Jena 
Gomperz,  Th.,  in  Wien 
Graf,  E.,  in  Quedlinburg  (46,  71) 
Gundermann,  G.,  in  Tübingen  (45, 

361.  46,  489) 
Gurlitt,  L,  in  Steglitz  (56, 596.  57, 

337) 
Gutscbmid,  A.  von,  in  Tübingen  f 

Haeberlin,  C,  in  Göttingen  (45,  21 . 

311) 
Hagen,  Π.,  in  Bern  f 
Haussen.  F.,  in  Santiago 
Härder,  Chr.,    in  Neumünster  (48, 

433) 
Hartfelder,  K.,  in  Heidelberg  f 
Haulcr,  E.,  in   Wien  (54,   161) 
Heerdegen,  F.,  in  Erlangen 
Heidtmann,  G.,  in  Pfaffondorf 
Heinze,  R.,  in  Berlin  {45,  497) 
llelbig,  W.,  in  Hom  {55,  55) 
Heldmann,  Γ.,  in  Hinteln  (5^,299) 
Helm,  R..  in   Steglitz  (52,  177.  54, 

111.  56,  340) 
Hense,  0.,  in  Freiburij  i.  Br.   (45, 

541.   47,  219.  49,   174.     50,  140. 

53,  31H.  55,  222.  56*,  106.  .305) 
Heraeus,    W.,    in    Oflenbach    {54, 

156.  305 j 
Hertling,  (r.  ν  ,  in  München 
Hertz,  M.,  in  Breslau  f 
Herwerden,     H.    van,    in    Utrecht 
Hettner,  F.,  in  Trier 
Heydemann,  H.,  in  Halle  f 
Heylbut,  G.,  in  Hamburg 
Hiller,  E.,  in  Halle  f 


der  Mitarbeiter. 


Hirschfeld,  G.,  in  Königsberg  f 
Hirichfeld,    0.,   in  Charlottenbiirg 

(51,  470.  474.  475.  52,  2,H) 
Hirzel,  R.,  in  Jena  (45,  419. 47, 359) 
Hoerechelmann,  W.,  in  Dorpat  t 
Hoffmann,  E.,  in  Wien  f  (50,  90. 

484.  48β.  51,  320.  52,  99) 
Hoffmann,  0.,  in  Breslau  (5(),  474) 
Holwerda,  J.  H.,  in  Leiden  {55^  47H) 
Holzapfel,  L.,  in  Giessen 
Uosius.  C,  in  Münster  (46, 287.  577. 

4Γ.462.  48, 380.  50,  28i).  51,  197) 
Hoyer,  R.,  in  Kreuznach  (53,  37) 
Hnelsen,    Chr.,    in  Rom    (45,  284. 

49,  879.  629) 
Hug,  Α.,  in  Zürich  t 


Ihm,  M.,  in  München  (45, 

4^,323.371.494.621.47 

β35.  479.  49,  247.  316. 

191.  367.  5h  315.  473. 

129.  143.  205.  454.  459. 

165.  495.  56,  148.  635. 
Ilberg,  J.,  in  Leipzig  (45, 

489.  51,  165.  466.  52, 
Immisch,  0.,  in  Leipzig 

ei3.    48,  290.  512.  52, 

313) 


622.  639. 
,312.  48, 
479.  50, 
638.  52, 
633.  53, 
57,  316) 
111.  47, 
591) 

(46,  488. 
126.  54, 


Jahnke,  R.,  in  Brüssel  (47,  460) 
Jan,  C.  V.,  in  Strassburg  t  (46, 557) 
Jeep,   L.,  in  Königsberg  (51,  401. 

52,  213) 

Jadeich,  W.,  in  Erlangen  (47,  53) 
Jongblut,   H.,   in  Frankfurt  a.  M. 

Kaerst,  J.,  in  Leipzig  (52,  42,  519) 
Kaibel,  G.,  in  Göttingen  f 
Kakridis,  Th.,  in  Athen  (57,  463) 
Kalbfl(>i8ch,  K.,  in  Rostock  (51, 466. 

53,  160) 
Kalkmann,  Α.,   in  Berlin 
Karo,  G.,  in  Bonn  (48,  311) 
Kekule  von  Stradonitz,  R.,  in  Berlin 
Kiderlin,  M.,  in  München!  (46,  9) 
Kirchner,  J.  E.,  in  Berlin  (46,  488. 

47.  550.  53,  380.  57,  476) 
Klatt,  M.,  in  Berlin  (45,  335) 
Klebe,   E.,   in   Berlin  (45,  43f;.  47, 

1.  515) 
Klein,  J.,  in  Bonn  f 
Klotz,  Α  ,  in  München  (56, 429.  (;39) 
Knaack,    G.,    in    Stettin    (48,  632. 

49,  310.  476.  526.    57,  166.  205) 
Koch,  J.,  in  Marburg 

Kock,  Th.,  in  Weimar  f  (45,  50.  46, 
299.    48,  208.  579.   49,  1(»2.  176. 

50,  UOj 


Koehler,  ü.,  in  Berlin  (46,  1.   53, 

485.  491) 
Koepp,   F.,  in   Münster  (48,    154. 

485.  50,  268) 
Koerte,  Α.,  in  Greifswald  (45,  172. 

52,  168.  333.    53,  160.    55,  131. 
57,  625) 

Koerte,  G.,  in  Rostock  (53,  239) 
Kopp,  .Λ.,  in  Berlin 
Korsch,  Th.,  in  Moskau 
Krascheninnikoff.  M.,  in  Dorpat  (48, 

634) 
Kroll,  W.,  in  Greifswald  (47,  457. 

599.  50,  636.   52,  286.  338.  569. 

53,  hl 4.  56,  304) 
Krumbacher,  K.,  in  München 
Krumbholz,  P.,  in  Weimar  (50,  205. 

52,  237) 
Kuebler,    B.,    in    Berlin    (45,  485. 

46,  324) 
Kuhnert,   Ε  ,  in  Königsberg  i.  P. 

(4P,  37) 
Kunze,  R.,  in  Grimma  (53,  159.  56, 

333.  57,  437) 

Landgraf,  G.,  in  München  (56,  310) 

Lange,  K.,  in  Tübingen 

Tiattes,  E.,  in  Mailand  (49,  317.  57, 

318) 
Lehnert,  G.,  in  München  (55,  112) 
Leo,  F.,  in  Göttingen  (52,  509.  55, 

604) 
Lewy,  H.,  in  Mülhausen  i.  E.  (48, 

398.  472) 
Lietzmann,   Π.,   in  Bonn  {57,  634) 
Lindsay,  W.  M.  (57,  196) 
Loewe,  G.,  in  Göttingen  t 
Lommatzsch,  E.,  in  Freiburg  i.  B. 

(52,  303) 
Luckenbach,  H.,  in  Karlsruhe 
Ludwich,    Α.,    in  Königsberg   (45, 

11.  46,  139) 
Luebbert,  E.,  iu  Bonn  f 
Lueddecke,  K.,  in  Celle  (52,  628) 
Luetjohann,  Chr.,  in  Greifswald  t 
Lugebil,    K.,    in   St.  Petersburg  f 

Malchin,  F.,  in  Rostock  (55,  493) 
Mangold,  Κ  ,  in  Jena  (57,  259) 
Manitius,  M.,  in  Dresden  (45,  153. 

316.485.  46, 150.493.622.47,465. 

Suppl.  48,  313.  474.  49,  170.  50, 

1.52.  315.  641.  51,  160.  52,  131. 

305.  53,  393.    54,  293.    56,  462. 

57,  392) 
Marcks,  J.  F.,  in  Köln  {56,   141) 
Martini,    E.,    in    li^ipzig   (5;?,  :MH. 

55,  612) 


η 


Yerzeichnin 


Marx.  F.,  in  Leipziir  (4β,  4^.  *ίΟ'•. 

»νί»ί.  47.  107.  50,  321• 
31  an,  Α..  in  Rom 
Meif»r,  P.  J.,  in  Braanschweijr 
Meister,  R.,  in  Leipzig 
Mendelesohn,  L.,  in  Dorpat  f 
Meyer,  E.,  in  Berlin 
V.  Me«8,  Α.,  in  Manchen  (53,  482. 

56.  1671 

Mollat,  G.,  in  Kassel 
Müllenbach,  E.,  in  Bonn  t 
Möller,   Γ.  Fr.,   in    Kiel    {46,  320. 

50,  *ioi) 
Maller.  C.  F.  W.,  in  lireslau  (51,  iXO. 

53,  121.    54,  8S1.   526.    55,  812. 

635) 
Müller,  H.  J.,  in  Berlin 
Möller,  K.  K.,  in  Jena 
Münseber.  K.,  in  Breslau  {54.  24H) 
Muenzel,  R.,  in  Hamburg 
Münzer,  F.,  in  Basi-l  {53,  59(5) 

Vake,  B.,  in  Dresden 
Xatorp,  1'.,  in  Marburg 
Neahaus.O.,  in  Königsberg  (56%  272. 

57,  474.  610, 

Neumann,    K.  J.,     in    Strassburg 
Niedermann,  M..  in  Basel  ^52.  505) 
Niese,  B.,  in  Marburg 
Nissen,  H.,   in  Bonn    (45,  100.  47, 

161.  49,  1.  275) 
Noack,  F..  in  Jeua  {48,  420i 
Norden,    E.,   in  Breslau  (48,  348. 

529.  49,  194.  54,  4^,\κ  56,  473) 

Oder.  E.,  in  Berlin    {45.  58.  212. 

637.  48,  1.  51,  52.  311) 
Oehniichen,  G.,  in  München  (46,  99) 
Osthoff.  H.,  in  Heidelberg 
Otto,  Α.,  in  Breslau 
Overbeck,  J.,  in  Leipzig  f 

Papadopulos-Kerameus,  Α.,  in  St. 

Petersburg  {46,  KiO.  WA) 
Patzig,  E.,  in  Leipzig 
Paucker,  C.  v.,  in  Heval  t 
Paul,    L.,   in  Dresden  t   («^^i,  <»02. 

57,  7(;) 
Peppmüller,  R.,  in  Stralsund 
Pernice,  E.,  iu  Berlin  {46,  495.  626) 
Peter,  H.,  in  Meibsen  {57,  231) 
Petersen,  E.,  iu  Rom  (50,  453) 
Pfleiderer,  E.,  in  Tübingen  f 
Pflugk-Harttung,    .1.   v.,   in   Berlin 
Philippi,  Α.,  in  Dresden 
PlasberiT,  O.,  in  Strassburg  i.  Fl.  (5•!^, 

66.640.  54,  144.  H3S) 
Pokrowskij,  Μ  ,  in  Moskau  (5^,425; 


Pomtow,  Hm  in  Eberswalde  {49y 
577.  627.  5t,  329.  560.  52.  105) 

Preuner,  E.,  in  Greifewald  {49,  313. 
362) 

Prott,    H.   V.,    in  Athen    (52,  187. 

53,  460) 

Habe,  H.,  in  Hannover  (47,  404. 
48.  147.    49,  625.   50,  148.  241. 

54,  632.  55.  154) 
Radermacher.  L.,  in  Bonn  {47.  569. 

48.  622.  49,  1(>3.  50,  137.  475. 
51,  3U.  4i>3.  596.  52,  13.  412. 
624.  634.  53,  197.  54.  285.  351. 
374.  638.  55.  149.  482.  56.  139. 
202.  57,  137.  158.  278.  314.  47h. 
640) 

Raeder,  J.,  in  Kopenhagen  (57,  449 
Rassow,  H.,  in  Weimar 
Reitzenstein,  R.,  in  Strassburg 
Reuss,  F.,  in  Köln  (54,  446.  56,  :>i9. 

57,  559) 
Ribbeck,  O.,  in  Leipzig  f  {45.  146. 

147.  313.    46.  .331.  :\:^S.  47,  597. 

&2H.  49.  472.  50.  277.  314.  558) 
Ribbeck,  Wo.,  in  Berlin  f 
Riese,  Α.,  in  Frankfurt  a.  M.  (51, 

637.  55,  316) 
Riess,  E.,in  Chicago  (48,307. 49. 177) 
Roemer,  Α.,  in  Erlangen 
Rohde.  E..  in  Heidelberg  f  {48,  HO. 

49,  623.  (>24.  50,  1.  600) 
Röscher,  W.  H.,  in  Würzen  {53,  169. 

(>3i)) 
Rossbach.  O.,   in  Königsberg   (46, 

311.  48,  592.  52,  1.  53,  167.  629. 

54,  277.  55,  641.  57,  473) 
Rossberg,  K.,  in  Hildesheim 
Ruehl,  F.,  in  Königsberg  (4^.  14f-.. 

426.    47,  152.  ΦίΟ.    48,  565.  49, 

256.    50,  141.  5.9,  321.   ii35.  54, 

152.  316.  56,  508.  634) 
Rvssel,  V.,  in  Zürich  {48,  175.  51, 

Ί.  31S.  52ίί) 

Scala,  R.  v.,  in  Innsbruck  (45,  474) 

Schaefer,  Α.,  in  Bonn  f 

Schanz,  M.,  in  Würzburg  (50,  111. 

54,  19.  55,  86) 
Scheer,  E.,  in  Saarbrücken 
Schepss,  G.,  in  Speier  f  (4S,  4H2» 
Schlee,  F.,  in  Sorau  (46",  1 17) 
Schmid,  W.,   in  Tübingen  i4S,  53. 

626.  4/>,  133.  50,30X.  310.  52,  446. 

57.  624) 
Schmidt,  B.,  in  Freiburg  i.  Br.  {53, 

477) 
Schmidt,   J.,  iu   Königsberg  f  {45, 


der  Mitarbeiter« 


▼η 


148.  157.  318.  482.  599.  640.  46, 
11.  334.  47,  114.  325) 
Schmidt,  0.  Ε.,  in  Meissen  {47,  241. 

53,  145.  55,  209.  55,  385) 
Schmidt,  W.,  in  Helmstedt  (55,  625) 
Sdmiitz,  W.,  in  Köln  f 
Schneider,  R.,  in  Duisburg  (52, 447) 
Schoell,  F.,  in  Heidelberg  {50, 155. 

5t,  381.    55,  511.    55,  489.    57, 

48.  159.  312) 
Schoell,  R.,  in  München  f 
Schoene.  Α.,  in  Kiel  {46,  153) 
Schoene,  H.,  in  Charlottenburg  {52, 

135.   53,  432.    54,  638.    57,  627) 
Schoenemann,  J.,  in  Schlawe 
Schroeder,  P.,  in  London 
Schubert,  R.,  in  Königsberg  {53^  98. 

56,  543) 
Schulten,  Α.,  in  Göttingen  (50,489. 

56,  120.  187.  57,  632) 
Schultess,  F.,  in  Hamburg  [57,  465) 
Schulthess,  0.,   in  Frauenfeld  [57, 

157) 
Schulze,  E. ,  in  Homburg  v.  d.  H. 
Schulze,  K.  P.,  in  Berlin  {53,  541) 
Schulze,  W.,  in  Berlin  {48,  248) 
Schumacher,  K.,  in  Mainz 
Schwabe,  L.,  in  Tübingen 
Schwartz,  E.,  in  Göttingen 
Schwarz,  W.,  in  Dorsten  (48,  258. 

49,  353.   51,  636.  52,  463) 
Seeck,  0.,  in  Greifswald  {46,  154. 

48, 196.  602.  4P,  208.  630.  55, 319. 

56,  "ifTi.  477.  631) 
Seume,  H.,  in  Hannover 
Siebourg,  M.,  in  Bonn  (57,  301) 
Sieglin,  W.,  in  Berlin 
Simeon,  B.,  in  Freiburg  i.  Br. 
Skutsch,  F.,    in  Breslau    {47,  138. 

48,  303.  51,  478.  54,  483.  55, 272. 

56,  638) 

Solmsen,  F.,  in  Bonn  (5i,  303. 55,137. 

54,  345.  495.  55,  310.  56,  475. 497. 

57,  328) 

Sommer,  F.,  in  Basel  (56',  636) 
Sommer brodt,  J.,  in  Breslau 
Sonny,  Α.,  in  Kiew 
Speyer,  J.  S. ,  in  Groningen  (47, 638) 
Sprengel,  J.  G.,  in  Rossleben  (46, 54) 
Stachelscheid,  Α.,  in  London 
Stahl,  J.  M.,  in  Münster  (46\  250. 
481.  614.    4^,  157.    45,620.   50, 
382  566.  51,  157.  306.   53,  322. 

54,  150.  494.  55,  152.  160.  57, 1) 
Stangl,  Th.,  in  Würzburg 

Stein,  H.,   in  Oldenburg  (54,  4i)6. 

55,  531.  56,  627) 

Stengel,  P.,  in  Berlin  (52,  399) 


Stephan,  Gh.,  in  Kalk 

Stemkopf ,  W.,  in  Dortmund  (47, 468. 

57,  629) 
Steup,  J..  in  Freiburg  i.  Br.  (55,308. 

56,  443) 
Stich,  J.,  in  Zweibrücken 
Strack,   M.  L.,    in  Bonn  {53,  399. 

^,  161) 
Sudhaus,  S.,  in  Kiel  {48, 152.  .321. 

552.  56,  37.  307) 
Susemihl,  F.,  in  Greifswald  f  (4ö, 

326.  49,  473.  53,  448.  485.  626. 

54,  631.  55,  574.  56,  313) 
Swoboda,H.,inPrag(45,288.4e,  497. 

49,  321.  !^,  460) 
Szanto,  E.,  in  Wien 

Teichmüller,  G.,  in  Dorpat  f 
Thomas,  E.,  in  Berlin  {54,  313) 
Thouret,  G.,  in  Friedenau 
Thurneysen,  R.,  in  Freiburg  i.  Br. 

(55,  484.  56,  161) 
Tiedke,  H..  in  Berlin 
Tittel,  K.,  in  Leipzig  (56,  404) 
Toepffer,    J.,    in  Basel  f  {^^',  371. 

49,  225) 
Traube,  L.,  in  München   {47,  558. 

48,  284) 
Trieber,  C.,  in  Frankfurt  a.  M. 
Tümpel,  C,  in  Neustettin  {46,  528. 

636) 

Unger,  G.  F.,  in  Würzburg 
Urlichs,  H.  L.,  in  Ansbach 
Urlichs,  L.,  in  Würzburg  f 
Usener,  H.,  in  Bonn  {47,  154.  414. 

4P,  461.  50,  144.  55,329.  55,286. 

311.  321.   480.    56,  1.  145.  174. 

305.  312.  481.  640.  57, 171.  177. 

320) 

Viertel,  Α.,  in  Göttingen 
Vliet,  1.  van  der,  in  Haarlem  f 
Vogel,  F.,  in  Fürth 
Voigt,  G.,  in  Leipzig  f 
Voigt,  M.,  in  Leipzig 
Vollmer,  F.,  in  München  {46,  343. 
51,  27.  54,  165.  637.  55,  520) 

Wac))8muth,  C,  in  Leipzig  (45,  476. 

46,  327.  329.  465.  552.  52,  137. 

140.  461.  56, 149.  150.  215.  318) 
Wackernagel,  J.,  in  Göttingen  (45, 

480.  48,  299.  51,  304) 
Wagner,  R.,  in  Dresden  (40,378. 618) 
Weber,  H.,  in  Weimar 
Weber,  H.,  in  Lüneburg  (51,  f>30) 
Wecklein,  N.,  in  München 


VIU 


VerzeichnisB  der  Mitarbeiter. 


Wciac,  0.>  iu  Eisenberg 
NYoixaäokvr,  F.,  iu  Calw 
NVellmami,  K.,  in  Berlin 
Wouaiaud»  F.,  in  Kiel  (4^,309.  52, 

4t;5.  W.  l.  56,  113) 
Werner,  J,,  in  Lenzburg 
\V  wisner,  P.,  in  Bremerhaven  {52, iS^) 
\Vt»elfrburff,  E.,  in  Barmen  t 
Wevmau,  Γ.,  in  München  (45,  320. 

47,  eiO.  50,  154.  51,  327.  52,  302. 
Λ3.  3 IG) 

NVitHiouiann,  Α.,  in  Bonn 
Wilhelm,  Α.,    in  Athen  (52,  2iH>. 

56*,  571) 
Wilhelm,    F.,    in  Ratibor  {57,  55. 

599) 
Winterfeld,    P.    v,,    in  Berlin  (55, 

481.  57,  l(i7.  549) 
Woelfflin,  E.,  in  München  (47, 640. 

48,  312.  49,  270.    50,  152.  320. 
55,  327.  57,  318) 

Woerpel,  G.  in  Kiel  (57,311.  4ß0) 
Wolters,  P.,  in  Würzl)urg 
Wotke,  C,  in  Wien 


Wünsch,  R.,  in  Giessen  (49,  91.  51, 
138.  55, 144.  55, 62.  232,  56,  392. 
57,  468) 


Zacher,  K.,  in  Breslau  (45,524) 
Zangemeister,  K.,  in  Heidelberg  t 

(57,  166.  168.  169) 
Zarncke,  Ε ,  in  Leipzig 
Ziebarth,  E.,  in  Hamburg  (51,  632. 

53,  ()3f..  54, 488.  55,  501.  56, 157) 
Ziehen,  .1.,  in  Berlin  (50,  643.   51, 

162.  589.  52,  293.  449.  450.  53, 

270) 
Ziehen,  L.,  in  Plön  [54,   211.  54, 

321.  57,  173.  498) 
Zielinski,   Th.,    in    St.  Petersburg 
Zimmermann,  Α.,  in  Breslau  (45,493. 

50,  159.    52,  458.    54,  495.    55, 

486.  487.  56,  320.  57,  636) 
Zingerle,  Α.,  in  Innsbruck 
Zinorerle,  J.,  in  Innsbruck  (48,  299) 
Zitelmann,  E.,  in  Bonn 
Zurborg,  H.,  in  2ierb8t  t 


Berichtigungen   werden    erbeten.     Für  mehrere  sind  wir  Herrn 
Dr.  R.  Klussmann  in  Gera  zu  Dank  verpflichtet. 


Inhalt. 


Coniectaiiea.     Scripeit  F.  Bucoheler 321 

Eid  Schreibgebrauch  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik. 

Von  A.  Brinkmann 4ö2 

Τυφλός  άνήρ.     Von  Κ.  Fries 265 

Ländliches  Leben    bei    Homer    und    im  deutseben  Mittelalter. 

Von  M.  Siebourg 301 

Die  Berliner  Bruchstüoke  der  Sappho.  Von  F.  Solmsen  ...  328 
üeber  eine  Scene  des  euripideiseben  Orestes.    Von  L.  Rader- 

macher 278 

Zu  griechischen  Prosaikern.     Von  K.  Fuhr 422 

Unbeachtete  Strabonfragmente.     Von  K.  Kunze 437 

Herculanensische  Bruchstücke  einer  Geschichte  des  Socrates  »und 

seiner  Schule.     Von  W.  Crö nert 285 

An•  dem  zweiten  Bande  der  Amherst-Papyri.    Von  L.  Rader- 
macher   137 

Zn  Achilles  Tatius.     Von  F.  Wilhelm 55 

Analecta  Theodoretiana.    Scripsit  J.  Raeder 449 

Ueber  eine  besondere  Bedeutung  von  γάρ.    Von  J.  M.  Stahl  1 

Ί€ρά  δ€θρο.     Von  L.  Ziehen 498 

Milch  und  Honig.     Von  H.  Usener 177 

Der    Magnet    und    die   Athmung    in    antiken    Theorien.    Von 

R .  Α .  F  r  i  t  ζ  s  c  h  e 363 

Hellenistische  Studien  I.     Von  G.  Knaack 205 

Zur   Ueberlieferung    der  Geschichte  Alexanders    des  Grossen. 

.    Von  F.  Reuss 559 

Der  Vater  der  Sisyganibis  und  das  Verwandtschaftsverhältniss 

des   Dareios   ΠΙ    Kodomannos    zu   Artaxerxes  II  und  ΠΙ. 

Von  0.  Neuhaus    610 

Epigraphische  Beiträge.     Von  M.  Fr änke  1 534 

Die  Inschrift  der  Aphaia  aus  Aigina.     Von  demselben 152 

Zn  der  Inschrift  der  Aphaia  auf  Aigina.    Von  A.  Furtwängler  252 

Zwei  alte  Terenzprobleme.    Von  F.  S c h  öl  1 48 

Zur  römischen  Elegie.    Von  F.  VT ilh elm  . . .    599 


χ  Inhalt. 

Seite 

Facetiae  Tullianae.    Von  L.  Gurlitt 337 

Ueber    den    Verfasser   der  X    libri    de   architectura.     Von  H. 

Degerinf2f ^ 

Satzscblussstudien  zur Historia  Augueta.  Von  P.  v.  Winterfeld  540 
De    fragmentis    scriptorum    apud   Nonium    servatis.      Scripsit 

W.  M.  Lindsay    l'^ö 

Aus  Dresdener  Handschriften,    Von  M.  Manitius 392 

Die  älteste  Redaction  der  Pontificalannalen.    Von  A.  Enmann  517 

Die  Epochen  in  Varros  Werk  de  gente  populi  Romani.     Von 

H.  Peter 281 

Untersuchungen  zur  römischen  Kaisergeschichte.    Von  A.  von 

Domaszewski 506 

Kaiser  Marcus  Salvius  Otho.     Von  L.  Ρ  au  1 76 

Legionen  des  Orient  auf  Grund  der  Notitia  dignitatum.     Von 

K.  Mangold :^9 


Μ  i  8  c  e  I  I  e  n. 

Kritisch -Exegetisches. 

Drei  Deutungen.    Von  L.  Radermacher 478 

Zum  I.StrassburgerArchilochos-Fragmente.  VonO.Schulthess  157 

Zu  Sophocles  Antigene  528.     Von  W.  Schmid 624 

Eine  Anspielung   in   dem  Zeushymnos  des  KallimachoR.     Von 

G.  Wörpel 460 

Ein  Gesetz  des  Redners  Lykurgos.     Von  A.  Körte 625 

Dionys  de  Lysia  p.  32,  12  (p.  49()  R).    Von  L.  Radermacher  158 

Ad  libellum  π€ρΙ  ΰψους.     Scripsit  G.  Wörpel 311 

Eine  Bluttversetzung  bei  Galen.     Von  H,  Schöne 627 

Plautus  Amphitruo.     Von  Th.  Kakridis 463 

Die  Verse  des  'Vallegius*  in  der  Vita Terentii.  Von  F.  Scholl.  163 

Randbemerkungen  zu  Horaz.     Von  F.  Schultess 465 

Zu  Ciris.  v.  869-377.     Von  R.  Wünsch 468 

Zu  Cicero  ad  Q.  fr.  II  3.    Von  W.  Sternkopf 629 

Zu  Pseudo-Sallusts  Invectiva.     Von  F.  Sc  h  ö  11    159 

Agroecius  et  Plinius  de  Delphica.     Scripsit  0.  Rosnbach...  473 

Zu  Trogus  Pompeius  Prol.  X.     Von  0.  Neuhaus 474 

Zu  Ammianus  Marcellinus.     Von  K.  Zangemeister 166 

Zu  dem  sogenannten  Lactantius  Placidus.     Von  G.  Knaack.  I<>6 

Zu  Avianus.     Von  P.  v.  Winterfeld 167 

Litterar  historisch  es. 

Vir  bonus  dicendi  peritus.     Von  F.  Scholl 312 

Vir  bonus  dicendi  peritus.     Von  L.  Radermac  her 314 


Inhalt.  χι 

Seite 
Grammatisohes. 

Μυχήνηαι.    Von  L.  Radermaoher 640 

Zu    den    etruskischen    Monatsnamen    and   Zahlwörtern.     Von 

E.  Lattes 318 

Erstarrte  Flexion  von  Ortsnamen  im  Latein.  Von  K.  Zange- 
meister  168 

lieber  die  römischen  bezw.  italischen  Personennamen,  die  bald 
die  Stammsilbe  Pop(b)  bald  Pub(p)  tragen.  Von  A.  Zim- 
mermann    636 

Secas  und  secundus  und  Aehnliches.     Von  K.  Zangemeister  169 

Prodecessor.    Von  H.  Lietzmann 634 

Antiquarisch-Epigraphisches. 

Das  Amphiktyonen-Gesetz  vom  Jahre  iWO.     Von  L.  Ziehen.  173 

Die  Reitercenturien  des  Tarquinius  Priscus.    Von  E.  Wölfflin  318 

Divas  Alexander.     Von  H.  Usener 171 

Zu  S.  183  S.    Von  demselben 320 

Za  CIA.  II  996.     Von  J.  E.  Kirchner 476 

fiootisches.     Von  Atticaster 315 

Za  lateinischen  Inschriften.     Von  M.  Ihm 316 

Zur  lex  Manoiana  —  Pro  salute  imperatoris.   Von  λ.  Schulten  632 

Das  Stigma  in  lateinischer  Schrift.     Von  K.  Zangemeister.  168 


UEBER  EINE  BESONDERE  BEDEUTUNG 

VON  γάρ. 


In  Eleons  Rede  bei  Thukydides  III  40,  4  heiest  es :  ^v  T€ 
Ευνελών  λίγω•  π€ΐθόμ€νοι  μέν  έμοι  τά  τ€  δίκαια  ές  Μυτι- 
ληναίους και  τά  Εύμφορα  δμα  ποιήσετε,  δλλιυς  hi  γνόντες  τοις 
μ^ν  ου  χαριεΐσθε,  υμάς  hk,  αυτούς  μάλλον  δικαιώσεσθε.  εΐ  γάρ 
ούτοι  ορθώς  άπίστησαν,  ύμεϊς  δν  ού  χρεών  δρχοιτε'  εί  δέ  δή 
και  ού  προσήκον  δμως  άΕιουτε  τούτο  bpav,  παρά  τό  εΙκός  το  ι 
και  τούσδε  Ευμφόριυς  δει  κολά2^εσθαι,  ή  παύεσθαι  της  αρχής  καΐ 
έκ  του  ακίνδυνου  άνδραγαθί^^εσθαι.  Dass  hier  durch  γάρ  weder 
eine  Erklärung  noch  eine  Begründang  eingeführt  werden  kann, 
liegt  auf  der  Hand.  Denn  eine  begründende  oder  erklärende  Be- 
ziehung zu  τά  δίκαια  ποιήσετε  könnte  man  nur  dann  finden,  wenn 
man  tibersetzen  dürfte :  ^denn  η  u  r  in  dem  Falle  würdet  ihr  ohne 
Befugniss  herrschen,  wenn  die  Mytilenäer  mit  gutem  Grunde  ab- 
gefallen wären  ,  was  indessen  der  Wortlaut  nicht  gestattet.  Eben- 
so wenig  ist  eine  solche  Beziehung  zu  ύμας  αυτούς  δικαιώσεσθε 
zu  erkennen.  Denn  dass  die  Athener,  wenn  sie  Eleons  Rath 
nicht  Folge  leisten,  eher  sich  selber  richten  als  Dank  bei  den 
Mytilenäem  finden  werden,  erklärt  sich  nicht  daraus,  dass  die 
athenische  Herrschaft  unberechtigt  ist,  wenn  der  Abfall  der  Myti- 
lenäer berechtigt  war  (denn  diese  Voraussetzung  und  die  daraus 
gezogene  Folgerung  bestreitet  Kleon),  sondern  aus  der  vorher 
39,  I — 4  cbarakterisirten  Gesinnung  der  Mytilenäer  und  den  eben- 
falls vorher  39,  7  f.  bezeichneten  Folgen  milderer  Behandlung, 
wie  sich  das  ja  auch  daraas  ergibt,  dass  der  Inhalt  des  Vor- 
hergehenden hier  zusammengefasst  wird.  Noch  weniger  kann  der 
durch  γάρ  eingeleitete  Gedanke  in  Beziehung  gesetzt  worden  zu 
Σύμφορα  ποιήσετε  oder  τοις  μέν  ού  χαριεΐσθε.  Diejenigen  Kriti- 
ker nun,  die  hier  an  der  Verbindung  mit  γάρ  Anstoss  genommen 
haben,  erkennen  daran  entweder  die  entstellende  Hand  eines  Be- 
arbeiters   oder    einen    Mangel    der   Ausarbeitung    des  Verfassers 

ΒΙΐΦΐιι.  kiu.  f.  PhUol.  N.  F.  LYU.  \ 


2  Stahl 

selbst,  mit  andern  Worten :  sie  verzichten  auf  dessen  Erklärung. 
Nun  findet  sich  aber  in  der  folgenden  Gegenrede  des  Diodotoe 
eine  Stelle,  wo  γάρ  in  ähnlichem  Zusammenhange  unbeanstandet 
geblieben  ist:  43,  4  f.  χρή  hl  προς  τά  μέγιστα  καΐ  έν  τψ  τοι- 
ψδ€  άίχοϋν  τι  ήμας  πβραιτέρω  προνοουντας  λέγειν  υμών  τών 
bi'  ολίγου  σκοπούντων,  αλλιυς  τε  και  ύπεύθυνον  τήν  παραίνε- 
σιν  έχοντας  προς  άνεύθυνον  τήν  ύμετέραν  όκρόασιν.  εΐ  γάρ  δ 
τε  πείσας  και  ό  έπισπόμενος  ομοίως  έβλάπτοντο,  σωφρονέστε- 
ρον  δν  έκρίνετε*  νυν  bi  προς  όργήν  τ^ντιν'  δν  τύχητε  ίστιν 
δτε  σφαλίντες  τήν  του  πείσαντος  μίαν  γνώμην  ίημιουτε  και  ου 
τάς  υμετέρας  αυτών,  εΐ  πολλαι  ουσαι  ζυνεΕήμαρτον.  Man  könnte 
nun  zwar  daran  denken  hier  γάρ  so  zu  verstehen,  dass  b\  ολίγου 
ΟΧοπούντιυν  ans  der  Annahme  des  Gegentheils  von  δλλιυς  τε  . . . 
άκρόασίν  erklärt  oder  begründet  würde ;  allein  άλλως  τε  .  .  . 
άκρόασιν  bezieht  sich  nicht  allein  auf  bi  ολίγου  σκοπούντων, 
sondern  auf  den  ganzen  vorhergehenden  Gedanken,  also  auch  auf 
χρή  .  .  .  λέγειν,  worin  gerade  dessen  Schwergewicht  liegt,  was 
zudem  auch  der  Ausdruck  dadurch,  dass  έχοντας  zu  ήμας  ge- 
hört, zur  Genüge  anzeigt;  und  so  kann  auch  das  angenommene 
Gegentheil  εΐ  γάρ  .  .  .  έβλάπτοντο  (das  βλάπτεσθαι  ist  nämlich 
die  Folge  der  Bechenschaftspflicht)  der  gleichen  Beziehung  nicht 
entbehren.  Dann  aber  kann  γάρ  nicht  mehr  als  erklärend  oder 
begründend  verstanden  werden.  Fragen  wir  aber,  welches  Ge- 
dankenverhältniss  sich  aus  jener  weiteren  Beziehung  ergibt,  so 
ist  das  folgendes :  die  Obliegenheit  des  περαιτέρω  προνοεϊν  würde 
für  die  Redner  nicht  in  demselben  Masse  vorhanden  sein,  wenn 
auch  für  ihre  Zuhörer  die  gleiche  Rechenschaftspflicht  und  deren 
Folgen  bestünden  und  diese  in  Folge  dessen  mit  grösserer  Be- 
sonnenheit urtheilten  und  so  das  zwischen  den  beiden  bestehende 
Missverhältniss  bedachtsamen  und  vorschnellen  ürtheils  aufge- 
hoben würde,  mit  anderen  Worten:  es  wird  eingeräumt,  dass  der 
vorher  ausgesprochene  Gedanke  in  dem  angenommenen  Falle  einer 
Beschränkung  unterliegt,  ein  Gedankenverhältniss,  das  sich  im 
Deutschen  durch  'freilich'  wiedergeben  läset.  Daraus  ergibt  sich 
für  die  zweite  Stelle  folgende  Uebersetzung:  'Es  ist  aber  nöthig« 
dass  wir  gegenüber  den  höchsten  Interessen  und  bei  einem  der- 
artigen Verhältnisse  es  uns  angelegen  sein  lassen  mit  etwas  wei- 
terem Vorbedachte  zu  reden  als  ihr  anwendet,  da  ihr  in  kurzer 
Frist  eure  Erwägung  anstellt,  zumal  da  das  Rathgeben,  das  uns 
zusteht,  der  Verantwortung  unterliegt  gegenüber  eurem  Anhören» 
das  keiner  Verantwortung  unterworfen  ist.     Wenn  freilich  der- 


lieber  eine  besondere  Bedeutung  von  γάρ  3 

jenige,  der  den  Bath  gegeben,  und  derjenige,  der  ihn  befolgt  hat, 
gleichmässig  Schaden  litten,  so  würdet  ihr  mit  mehr  Zurückhal- 
tung urtheilen ;  jetzt  aber  straft  ihr  manchmal  nach  unglücklichem 
Ausgang  in  der  ersten  besten  Aufregung  einzig  und  allein  die 
Ansicht  des  Bathgebers  und  nicht  eure  eigenen,  dass  sie  so  zahl- 
reich den  Fehler  mit  begangen  haben.*  Kehren  wir  nun  zu  der 
angefochtenen  Stelle  zurück,  so  sehen  wir,  dass  auch  dort  für 
den  Fall,  dass  die  Mytilenäer  im  Bechte  gewesen  sind,  eine  Be- 
schränkung des  vorhergehenden  τά  bkaia  ές  Μυτιληναίους  ποιή- 
(Τ€Τ€  eingeräumt  wird ;  es  wird  dann  noch  hinzugefügt,  welche 
Noth wendigkeit  sich  für  die  Athener  ergibt,  wenn  sie  trotz  der 
ans  dem  angenommenen  Falle  folgenden  Bechtswidrigkeit  ihrer 
Herrschaft  diese  dennoch  behaupten  wollen.  Dem  entspricht 
folgende  Uebersetzung :  'Mit  einem  Worte:  ich  behaupte,  wenn 
ihr  mir  folgt,  so  werdet  ihr  gerecht  gegen  die  Mytilenäer  und 
zugleich  vortheilhaft  handeln;  wenn  ihr  aber  anders  beschliesst, 
so  werdet  ihr  einerseits  von  ihnen  keinen  Dank  haben,  anderseits 
eher  euch  selbst  richten.  Freilich  wenn  diese  mit  gutem  Grunde 
abgefallen  sind,  so  würdet  ihr  ohne  Befugnies  herrschen;  wenn 
ihr  aber  dann  auch  ohne  Berechtigung  es  euch  herausnehmt  dies 
SU  thun,  so  müsst  ihr  sicherlich  gegen  die  Billigkeit  auch  diese 
aas  Bück  sieht  auf  euren  Vortheil  züchtigen,  oder  auf  die  Herr- 
schaft verzichten  und  in  gefahrloser  Sicherheit  die  Biedermänner 
spielen.' 

Gegen  diese  Erklärung  der  beiden  Stellen  könnte  man 
immerhin  noch  Zweifel  hegen,  wenn  die  angenommene  Bedeutung 
des  γάρ  sich  auf  sie  allein  stüzte.  Mir  stehen  dafür  aber  auch 
noch  andere  in  ziemlicher  Zahl  zur  Verfügung.  Zunächst  eine 
ans  Piaton,  wo  sich  das  Gedankenverhältniss  auf  den  ersten  Blick 
in  einfachster  Weise  kundgibt:  Cratyl.  393  c  καλώς  λέγεις' 
φύλαττε  γάρ  με  μή  παρακρούσωμαί  σε.  Denn  hier  wird  offen- 
bar in  einschränkendem  Sinne  gegenüber  dem  καλώς  λέγεις  die 
Möglichkeit  zugegeben,  dass  Hermogenes  sich  durch  Sokrates 
hintere  Licht  führen  läset.  Ausserdem  gehören  hierhin  folgende 
Beispiele:  Aesch.  Pers.  460—467  (Weckl.) 

άμφΐ  bk 

κυκλοΟντο  πάσαν  νήσον,  ώστ'  άμηχανεϊν 

δποι  τράποιντο.  πολλά  μέν  γάρ  έκ  χερών 

πέτροισιν  ήράσσοντο,  τονικής  τ'  άπό 

θώμιγγος  Ιοι  προσπίτνοντες  ώλλυσαν 

τέΚος  5*  έφορμηθέντες  έΕ  Ινός  ^όθου 


4  Stahl 

παίουσι,  κρεοκοποΟσι  δυστήνων  μέλη, 

?ιυς  απάντων  έΕαπίφθειραν  βίον. 
Hier  wird  eingeräumt,  dasR  das  κυκλοΰ(Τθαι  gewiesen  Schwierig- 
keiten unterlag,  bis  diese  schliesslich  überwanden  wurden.  Antiph. 
V  36  φέρε  γάρ  ^ή  ττοτέρψ  νυν  χρήσονται  τών  λόγιυν;  πότερα 
φ  πρώτον  εΤπεν  ή  φ  ύστερον ;  κα\  πότερ'  αληθή  έστιν,  δτ*  Ιφη 
με  είργάσθαι  το  έργον  ή  δτ'  ουκ  ?φη ;  ει  μέν  γάρ  έκ  του  εΐκό- 
τος  έ^ετασθήναι  δει  το  πράγμα,  οΐ  οστεροι  λόγοι  αληθέστεροι 
φαίνονται.  Gregentiber  den  vorher  zur  Wahl  gestellten  beiden 
Alternativen  wird  zugestanden,  dass  έκ  του  εΙκότος  nur  das  eine 
Zeugniss  als  der  Wahrheit  mehr  entsprechend  in  Betracht  kom- 
men könne.  Plat.  Legg.  794  c  προς  bk  τά  μαθήματα  τρέπεσθαι 
χρεών  Ικατέρους,  τους  μέν  δρρενας  έφ'  ϊππιυν  διδασκάλους  και 
τό^ων  και  ακοντίων  καΐ  σφενδονήσεως,  έάν  δέ  πη  Ηυγχιυρώσι, 
μέχρι  γε  μαθήσεως  και  τά  θήλεα,  και  br\  τά  γε  μάλιστα  προς 
τήν  τών  δπλων  χρείαν.  το  γάρ  δη  νυν  καθεστός  περί  τά  τοι- 
αύτα αγνοείται  παρά  τοις  πάσιν  ολίγου.  Nachdem  die  Forde- 
rung erhoben  ist,  dass  Knaben  und  Mädchen  sich  in  gleichem 
Waffengebrauche  üben  sollen,  wird  eingeräumt,  dass  gegenwärtig 
in  dieser  Hinsicht  ein  Missverständniss  obwalte,  und  zwar,  wie 
die  folgende  £rläuterung  des  vCv  καθεστός  besagt,  in  sofern 
als  nicht  die  linke  und  rechte  Hand  gleichmässig  geübt  werden. 
Durch  die  Abweisung  dieser  unvollständigen  üebung  wird  also 
jene  Forderung  dahin  näher  bestimmt  oder  begrenzt,  dass  das 
Ueben  nicht  in  der  gegenwärtigen  Weise  geschehen  soll.  Dem. 
XX  117  ου  γάρ  ol  μή  δόντες  δ  μή  *οόκει  δεινόν  είσιν  ουδέν 
είργασμένοι,  άλλ'  οΐ  δόντες  μέν,  πάλιν  b'  ύστερον  μηόέν  εγκα- 
λούντες αφαιρούμενοι,  εΐ  μέν  γάρ  τις  έχει  6εΐΗαι  κάκείνους  ών 
έδοσάν  τιϋ  τι  αφηρημένους,  συγχωρώ  και  υμάς  ταύτό  τούτο 
ποιήσαι,  καίτοι  τουτό  γ'  αίσχρόν  ομοίως.  Durch  das  zweite 
γάρ  wird  hier  die  Behauptung,  dass  diejenigen  etwas  Verwerf- 
liches thun,  die  etwas  verliehen  haben  und  es  später  ohne  Grund 
wiederum  entziehen,  durch  das  Zugeständniss  eingeschränkt^  dass, 
wenn  die  Vorfahren  ebenso  gehandelt  haben,  es  auch  im  vorlie- 
genden Felle  vom  Redner  erlaubt  wird.  XXI  98  καΐ  τι  φήσετ\ 
ώ  άνδρες  οικασταί ;  και  τίν'  ώ  προς  τών  θεών  έΕετ'  ειπείν  πρό- 
φασιν  οικαίαν  ή  καλήν;  δτι  νή  Δί*  ασελγής  έστι  και  βδελυ- 
ρός, ταύτα  γάρ  έστι  τάληθή.  άλλα  μισεϊν  όφείλετ',  άνδρες 
*Αθηναϊοι,  δήπου  τους  τοιούτους  μάλλον  ή  σώίειν  wird  ge- 
genüber der  ironischen  Ablehnung  des  Grundes  δτι  νή  Δί' 
ασελγής  έστι  και  βδελυρός  eingeräumt,   dass  das   die   Wahrheit 


üeber  eine  besondere  Bedeutung  von  γάρ  5 

igt,  dann  aber  binzagefügt,  daee  es  eber  ale  Grund  für  das  Ge- 
gentbeil  gelten  müese.  XXXIX  12  €?τ'  έφ'  φ  θάνατον  2[ημίαν 
ό  νόμος  λέγει,  τουθ'  ήμϊν  άδεώς  έίέαταχ  πράττειν;  πάνυ  γε. 
ου  γάρ  δν  αυτό  ποιήσαιμεν.  oTba  κάγώ,  τό  γουν  κατ'  έμέ. 
αλλ'  ού5'  αΐτίαν  τοιαύτης  ζημίας  ένίους  ?χειν  καλόν,  έ^όν  μη. 
Der  bier  gezogenen  Folgerung  gegenüber  wird  zugestanden, 
daee  sie  bei  dem  Redner  und  seinem  Gegner  nicbt  praktiscb 
werden  würde;  aber  man  dürfe  sie  darum  docb  nicbt  bei  andern 
praktiscb  werden  lassen.  XLIV  15  και  γάρ  εΐ  τή  ποιήσει  Ισ- 
χυρίζονται, fjv  ώς  έγένετο  ήμεϊς  οείΕομεν,  .  .  .  ττώς  ου  προ- 
σήκει τους  έγγυτάτω  γένει  δντας,  τούτους  την  κληρονομίαν 
κομισασθαι  και  υμάς  μη  τοις  όυναμένοις  άριστα  παρασκευά- 
σασθαι,  άλλα  τοις  άδικουμένοις  τών  πολιτών  βοηθεΐν ;  εΐ  μέν  γάρ 
έφ'  ήμϊν  ήν  ώστε  οείΕασι  τά  περί  του  γένους  και  τής  διαμαρ- 
τυρίας αυτής  καταβήναι  και  μηδενός  ?τι  πλείονος  λόγου  προσ- 
οεΐσθαι,  σχεδόν  τι  τών  μεγίστων  ειρημένων  ουκ  δν  ήνΐϋχλουμεν 
τά  πλείιυ.  επειδή  δέ  ούτοι  τοις  μέν  νόμοις  ούκ  ένισχυριοΟνται, 
τψ  δέ  προειληφέναι  τι  τών  πραγμάτων  έκ  του  άνωθεν  χρόνου 
και  τψ  έμβεβατευκέναι  εΙς  την  ούσίαν,  τούτοις  τεκμηρίοις 
χρώμενοι  φήσουσι  κληρονομεϊν,  αναγκαίο  ν  ϊσως  καΐ  περί 
τούτιυν  έστιν  ειπείν.  Hier  wird  gegenüber  dem  durcb  ήν  ώς 
έγένετο  ήμεΐς  δείέομεν  in  Aussiebt  gestellten  Nacbweise,  wie 
ee  bei  der  Adoption  zugegangen  sei,  eingeräumt,  dass  darauf 
verzicbtet  werden  könnte,  wenn  die  Sacbe  mit  der  Darlegung  der 
Verwandtschaft  und  der  Widerlegung  des  gegnerisoben  Erban- 
spmcbs  an  sieb  abgetban  wäre ;  da  aber  die  Gegner  (so  wird 
fortgefabren)  sieb  nicbt  auf  die  Gesetze^  sondern  auf  die  Vorweg- 
nähme und  den  faktischen  Antritt  der  Erbschaft  stützen  werden, 
die  eben  in  Folge  der  Adoption  eingetreten  sind,  so  ist  es  nöthig 
aach  darauf  einzugeben.  In  Prooem.  53  wird  den  Athenern  vor- 
geworfen, dass  sie  sich  die  gegenseitigen  Schmähungen  der  Red- 
ner gefallen  lassen,  bei  denen  diese  es  nicbt  auf  das  Wohl  des 
Staates,  sondern  auf  ihr  eigenes  Interesse  abgesehen  haben.  Dann 
heisst  es:  κα\  γελάσαι  κα\  θορυβήσαι  και  ποτ'  έλπίσαι  μετέδω- 
καν  ύμΐν,  λαβείν  δέ  ή  κτήσασθαι  τη  πόλει  κυρίως  αγαθόν  ουδέν 
δν  βούλοιντο.  ή  γάρ  δν  ήμέρςι  τής  λίαν  άρρωστίας  άπαλλαγήτε, 
ταύτη  τούτους  ούδ'  όρώντες  άνΟεσθε.  νυν  δέ  δραχμή  και  χοΐ 
και  τίτταρσιν  όβολοϊς  ώσπερ  άσθενουντα  τόν  δήμον  διάγουσιν. 
Dem  ruhigen  Hinnehmen  jener  selbstsüchtigen  Schmähungen  ge- 
genüber wird  also  eingeräumt,  dass,  sobald  sie  von  jener  zu 
grossen  Schwäche  befreit  wären,  sie  nicht  einmal  den  Anblick 
eolcber  Redner  würden  ertragen  können,   und   dann  binzu^efü^^t^ 


6  Stahl 

daes  dagegen,  wie  es  jetzt  sei,  diese  das  Volk  wie  einen  Kranken 
behandeln  dürften.  In  derselben  Weise  erscheint  auch  και  χάρ 
XXXIV  33  λ^Τ€ΐ  b'  ώς  ή  συγγραφή  σωθείσης  της  νεώς 
αυτόν  άποδουναι  κελεύει  τά  χρήματα,  και  γάρ  ένθέσθαι  τάγο- 
ράσματα  εΙς  τήν  ναυν  κελεύει  σε,  εΐ  hl  μή,  πεντακισχιλίας 
οραχμάς  άποτίνειν.  σύ  δέ  τούτο  μέν  της  συγγραφής  ου  λαμ- 
βάνεις κ.  τ.  λ.  Der  Redner  gibt  nämlich  zu,  daes  er  im  vorher- 
gehenden Satze  die  Art  und  Weise,  wie  der  Gegner  sich  des 
Vertrages  bedient,  nicht  genügend  gekennzeichnet  habe:  dieser 
beruft  sich  auf  die  eine  Bestimmung  desselben,  läset  dafür  aber 
die  andere  ausser  Acht.  Desgleichen  durch  τοι  in  betheuerndem 
Sinne  verstärkt  XXIII  104  δτε  Μιλτοκύθης  άπέστη  Κότυος, 
συχνόν  ήδη  χρόνον  δντος  του  πολέμου,  και  άττηλλαγμίνου  μέν 
Έργοφίλου,  μέλλοντος  b'  Αύτοκλέους  έκπλεΐν  στρατηγού,  έγρά- 
φη  τι  παρ'  ύμϊν  ψήφισμα  τοιούτον  bi*  ου  Μιλτοκύθης  μέν 
απήλθε  φοβηθείς  και  νομίσας  ύμας  ου  προσέχειν  αύτψ,  Κότυς 
V  εγκρατής  του  τ'  δρους  του  Ιερου  και  τών  θησαυρών  έγένετο. 
καΐ  γάρ  τοι  μετά  ταυτ',  ώ  δνορες  'Αθηναίοι,  Αύτοκλής  μέν 
έκρίνεθ'  ώς  άπολωλεκώς  Μιλτοκύθην,  οΐ  bk  χρόνοι  κατά  του  τό 
ψήφισμ'  είπόντος  τής  γραφής  έΕεληλύθεσαν,  τά  bi  πράγματ' 
άπιυλώλει  τη  πάλει.  Der  von  Kotys  abgefallene  Miltokythes 
hatte  den  Athenern  in  Aussicht  gestellt,  ihnen  die  thrakische 
Halbinsel  in  die  Hände  zu  spielen;  aber  von  Eotys  getäuscht  er- 
liessen  sie  ein  den  Miltokythes  entmuthigendes  Psephisma.  Trotx- 
dem  kümmerten  sie  sich  um  diesen  ihren  Beschluss  nicht,  als 
sie  den  Autokies  vor  Gericht  zogen.  Es  wird  also  zugestanden, 
dass  das  Psephisma  in  seiner  Wirksamkeit  beschränkt  gewesen 
und  von  den  Athenern  selbst  nicht  überall  beachtet  worden  ist^. 
Auch  ausserhalb  der  attischen  Litteratur  erscheint  γάρ  in 
diesem  Sinne,  und  zwar  in  der  pseudohippokratischen  Schrift 
περί  τέχνης.  Im  Kap.  5  ist  nämlich  von  den  Ursachen  die  Rede, 
aus  denen  Kranke,  ohne  einen  Arzt  zu  gebrauchen,  wieder  ge- 
sund wurden.  Dann  heisst  es:  καΐ  τώ  ώφελήσθαι  πολλή  ανάγκη 
αύτοϊς  έστιν  έγνιυκέναι  δτι  ήν  (τι>  τό  ωφέλησαν,  και  δτ'  έβλά- 
βησαν  δτι  ήν  τι  τό  βλάψαν.  τά  γάρ  τώ  ώφελήσθαι  και  τά 
τώ  βεβλάρθαι  ώρισμένα  ού  πας  Ικανός  γνώναι.  Hier  wird  der 
Gedanke  ausgesprochen,    daes  solche    Kranken    aus   dem    Nutzen 


^  Bei  Aeschin.  III  215  οοτω  γάρ  έστιν  κ.  τ.  λ.  vermag  ich  γάρ 
nicht  in  dieser  Weise  zu  erklären  uud  glaube  daher,  dass  Blase  richtig 
OÖTUJ  b*  έστΙν  hergestellt  hat,  indem  er  auf  225  verweist,  wo  eine  Hs. 
ebenfalls     verkehrtes  γάρ  statt  bi  hat. 


üeber  eine  besondere  Bedeutung  von  ydp  7 

Dothwendig  erkennen  müssen,  dass  ihnen  irgend  etwas  genützt, 
und  aus  dem  Schaden,  dass  ihnen  irgend  etwas  geschadet  habe, 
dh.  dass  es  irgend  eine  Ursache  des  Nutzens  und  Schadens  gebe, 
und  dem  gegenüber  die  Beschränkung  eingeräumt,  dass  darum  doch 
nicht  jeder  im  Stande  ist  die  heilsamen  und  schädlichen  Mittel  zu 
erkennen  und  zu  unterscheiden.  Ermerius  wollte  hier  ού  tilgen;  aber 
Th.  Gomperz  in  seiner  bekannten  Bearbeitung  dieser  Schrift,  dem 
folgend  ich  auch  τι  vor  τό  ώφελή(Ταν  hinzugefügt  habe,  bemerkt 
mit  Recht  (Sitzungeber,  der  Wiener  Ak.  120.  Bd.  IX  S.  124), 
dase  so  ein  verkehrter  und  dem  vorhergehenden  ού  μήν  ώ(Ττ€ 
βίοέναι  δ  τι  ορθόν  έν  αύτη  ?νι  ή  δ  τι  μή  ορθόν  widersprechen- 
der Gedanke  entstehe,  und  hat  ebenso  richtig  die  concessive 
Bedeutung  des  γάρ  erkannt,  für  die  er  jedoch  nur  eine  einzige 
Belegstelle,  und  zwar  aus  dieser  Schrift  selbst  anführt.  Nachdem 
nämlich  im  Kap.  10  von  den  Organen  die  Rede  gewesen  ist, 
welche  der  Sitz  von  Krankheiten  sind,  die  weniger  zu  Tage 
treten,  wird  mit  dem  Anfange  von  Kap.  11  fortgefahren:  ού  γάρ 
1>ή  όφθαλμοΐσί  γ€  Ιοόντι  τούτιυν  τών  είρημενιυν  ουδέν  ίστιν 
eib^vai.  £8  ist  klar,  dass  eingeräumt  wird,  dass  daraus,  dass 
man  jene  Organe  kennt,  noch  nicht  folgt,  dass  man  auch  die  an 
ihnen  haftenden  Krankheiten  mit  den  Augen  wahrnehmen  könne. 

Mit  der  besprochenen  Bedeutung  des  γάρ  ist  verwandt  sein 
häufiger  Gebrauch  im  Dialog,  wo  es  Entgegnungen  einleitet, 
wenngleich  hier  nicht  eine  Beschränkung  des  vorher  Gesagten, 
sondern  dessen  Richtigkeit  eingeräumt  wird.  So  zB.  Eur.  Iph. 
T.  538  f.  DP.  δλλιυς  λ^κτρ'  ?τημ'  έν  Αύλίοι.  —  ΙΦ.  οόλια  γάρ, 
ώς  -χέ  φασιν  οΐ  πεπονθότες,  Xen.  Mem.  II  1,  2  ούκουν  τό  μέν 
βούλεαθαι  σίτου  δπτεσθαι  .  .  .  άμφοτέροις  εΙκός  παραγίγνε- 
σθαι;  —  εΙκός  γάρ,  ίφη,  Plat.  Theaet.  187  a  ΘΕΑΙ.  άλλα  μήν 
τουτό  Τ€  καλείται  . ,  .  boiäiexv.  ΣΟ.  ορθώς  γάρ  οϊει,  ώ  φίλε, 
207  b.  Phaedr.  229  a.  268  a.  Soph.  231  e.  Parm.  141  c.  de  Rep. 
432  d.  433  a.  438  a.  Legg.  694  e.  712  b. 

Die  einräumende  Bedeutung  des  γάρ  überhaupt  aber  wird 
man  sehr  begreiflich  finden,  wenn  man  erwägt,  dass  es  aus  γε  Spa 
(ja  nun)  entstanden  ist  und  dass  bei  Entgegnungen  auch  das  ein- 
fache γε  in  demselben  Sinne  gebraucht  wird,  wie  sich  aus  dem 
Vergleiche  von  Plat.  Gorg.  451  a  ορθώς  γάρ  οϊει  mit  451  d  ορ- 
θώς γε  λίγων  σύ  ergibt.  Vgl.  Eur.  Hipp.  96.  Hec.  246.  El. 
667.  Plat.  Gorg.  449  b.  470  e. 

Münster.  J.  M.  Stahl. 


UEBER  DEN  VERFASSER  DER  X  LIBRI  DE 

ARCHITECTURA 


Am  Schlasee  einer  Abhandlung  über  etraskiscbeD  Tempel- 
bau^  schrieb  ich  im  Jahre  1897:  Andere  stellt  sich  jedoch 
die  Sache,  wenn  wir  mit  Ussing  ( Betragt ninger  over  Vitr.  de 
archit.  1.  decem,  Danske  Vidensk.  Selsk.  Skr.  6.  Raekke,  hi- 
storisk  og  filosofisk  Afd.  IV  3)  das  unter  dem  Namen  Vitravs 
überlieferte  Werk  in  das  3.  oder  4.  Jahrhundert  n.  Chr.  herab- 
rücken  müssen,  indem  ich  damit  die  Möglichkeit  offen  liess,  dass 
Ussing  mit  seiner  Datirung  recht  haben  könnte. 

Als  ich  so  schrieb,  kannte  ich  Ussings  Buch  nur  erst  aus 
der  Besprechung  Wölff lins  im  Archiv  für  lat.  Lexikographie'  und 
seiner  Autorität  glaubte  ich  damals  wenigstens  die  Möglichkeit  jener 
Datirung  zugeben  zu  müssen,  die  ich  später,  nachdem  ich  die 
Schrift  selbst  kennen  gelernt  hatte,  entschieden  als  falsch  erkannt 
habe.  Es  sind  ja  nun  seither  auch  mancherlei  Stimmen  von 
solchen  laut  geworden,  die  sich  der  Ussingschen  Hypothese  ent- 
gegenstellten, so  Krohn  in  der  Berl.  phil.  Wochenschrift•. 
Aitchison^  und  Browne  im  Athenaeum^,  Hultsch  bei  Schmidt, 
Heronis  opera  B.  I  8.  LXX  Anm.  1,  aber  auf  der  anderen  Seite 
ist  auch  die  Zahl  derer  nicht  gering,  die  wie  Wölfflin  dieselbe 
sei  es  rückhaltlos,  sei  es  in  beschränktem  Umfange  angenommen 
haben,  so  noch  im  Bullettino  communale  Lanciani^,  der  doch  eigent- 
lich gerade  in  seiner  Eigenschaft  als  Techniker  die  Unzulänglich- 
keit der  technischen  Gründe  Ussings  am  sichersten  hätte  erkennen 
müssen.  So  wird  man  mir  denn  nicht  die  Nothwendigkeit  be- 
streiten können,  die  durch  Ussing  wiederaufgegriffene  Frage  nach 

ί  Nachrichten  d.  k.  Ges.  d.  Wissenechaften  zu  Göttingen.  Phil.- 
hist.  Klasse  1897  Heft  2.  S.  137  ff.   Schlussanmerkung. 

*  Arch.  f.  lat.  Lezic.  X  p.  301. 

β  Bori.  phil.  Woch.  1897  p.  773  ff. 

*  Athen.  N.  3625  p.  516. 

»  Athen.  N.  3626—27  p.  586. 

*  Bull.  oomm.  1899.  XXVH.  p.  24.  Anm.  2. 


üeber  den  Verfasser  der  X  Hbri  de  Architectura  9 

der  Anthentioität  der  überlieferten  Antorenbezeicbnnng  nocb  ein- 
mal gründlicbet  zu  yentiliren  und,  wie  ich  boffe,  mit  Sicberbeit 
zn  entscbeiden.  Die  persönlicbe  Berecbtignng  bierzn  aber  leite 
icb  aus  einer  nnnmebr  über  Sjäbrigen  intensiven  Beecbäftigung 
mit  Vitmv  znm  Zwecke  einer  neuen  commentirten  Auegabe  ber, 
zumal  icb  mir  durcb  einen  längeren  Aufentbalt  in  Italien  und 
eingebende  Studien  antiker  Baureete  speziell  in  Rom  und  Pompeji 
das  Recbt  eigenen  Urtbeils  in  diesen  tecbniscben  Fragen  des  Alter- 
tbums  glaube  erworben  zu  baben. 

Die  Gründe,  mit  denen  üssing  operirt,  sind  zweierlei  Art. 
Einmal  soll  die  Spracbe  der  X  libri  mancherlei  Eigentbümlicb- 
keiten  zeigen,  die  dem  3.  resp.  4.  Jahrhundert  zuzuweisen  und 
der  Augusteisehen  Zeit  absolut  fremd  seien,  während  andererseits 
der  Yerf.  derselben  sich  in  technischen  Dingen  in  mancherlei 
Beziehung  ununterrichteter  erweise  als  z.  B.  Plinius;  er  könne 
also  unmöglich  ein  Sachverständiger  gewesen  sein,  als  der  doch 
der  Augusteische  Baumeister  anzusehen  sein  würde.  Bei  mancher- 
lei Berührungen  zwischen  Plin.  und  den  X  libri  liege  die  Sache 
so,  dass  die  plinianischen  Notizen  kurz,  klar  und  stets  richtig, 
dagegen  die  entsprechenden  Stellen  der  architectura  stets  weit- 
schweifig, unklar  und  sehr  häufig  direkt  unrichtig  seien.  Man 
wird  zugestehen,  dass,  wenn  wirklich  durchweg  sich  dieses  Yer- 
hältniss  zwischen  den  beiden  Schriften  constatiren  Hesse,  auch 
die  Scblussfolgerung  Ussings  unabweisbar  sein  würde,  und  be- 
sonders würde  der  letzte  Punkt  entscheidende  Bedeutung  haben, 
denn  es  ist  selbstverständlich,  dass  der  nicht  der  Fachmann  sein 
kann,  welcher  uns  über  solche  tecbniscben  Sachen  Falsches  und 
Unsinniges  berichtet,  über  die  ein  Literat  vom  Schlage  des 
Plinius  sich  besser  unterrichtet  zeigt.  Dagegen  würden  die  ersten 
beiden  Gründe,  die  Klarheit  und  Kürze  des  Ausdrucks,  allein 
nicht  entscheidend  ins  Gewicht  fallen,  da  solche  Dinge  mehr  dem 
Schriftsteller  als  dem  Fachmann  anzurechnen  sein  dürften,  und 
Vitruv  recht  wohl  ein  guter  Architekt  und  ein  schlechter  Schrift- 
steller zu  gleicher  Zeit  gewesen  sein  könnte,  und  wirklich  ge- 
wesen ist.  Im  Allgemeinen  wird  man  vielmehr  geneigt  sein,  und 
80  urtheilte  man  auch  bisher  in  unserem  Falle,  die  grössere  Kürze 
auf  Rechnung  des  Ausschreibers  zu  setzen. 

Einen  ferneren  Grund  für  die  Annahme  einer  späten  Fäl- 
schung findet  Ussing  in  dem  Verbältniss  zwischen  Vitruv  und 
Atbenaeus  mechanicus,  den  Diels^  aus  sprachlichen  Gründen  dem 

1  Sitzungsber.  d.  Berl.  Ak.  d.  W.  1893.  p.  111. 


10  Degering 

zweiten  nachchristlicben  Jahrhundert  glaubt  zuweisen  zu  können. 
Auch  hier  meint  Useing  den  Nachweis  führen  zu  können,  dass 
der  uns  yorliegende  Vitruv  direkt  aus  dem  Athenaens  geschöpft 
habe,  also  zeitlich  nach  ihm  anzusetzen  sei,  während  bekanntlich 
erst  kurz  vor  ihm  Thiel  ^  die  gemeinsame  Quelle  beider  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  in  Agesistratos  hat  nachzuweisen  ver- 
sucht. Dazu  fügt  Ussing  noch  eine  Reihe  von  solchen  Stellen, 
aus  denen  sich  ergeben  soll,  dass  Vitruv  ein  Fälscher  gewesen 
sein  muss,  weil  er  sich  hier  durch  Ungeschicklichkeiten  und  An- 
schauungen verriethe,  die  das  Gepräge  eines  Schriftstellers  einer 
späten  Zeit  deutlich  erkennen  liessen. 

Die  ganze  Schrift  üssings  ist  abgesehen  von  den  sprachlichen 
Beobachtungen  im  Wesentlichen  nur  eine  Aufarbeitung  und  Erweite- 
rung der  vergessenen  und  verschollenen  Schrift  von  C.  L.  F.  Schultz 
^Untersuchungen  über  das  Zeitalter  des  röm.  Kriegebaum  eis  ters 
M.  Vitruvius  Pollio*  *.  Schultz  erklärte  das  Werk  in  der  jetzt  vor- 
liegenden Form  für  eine  Fälschung  des  Papstes  Sylvester  II,  der 
seinerseits  eine  aus  dem  4.  Jahrhundert  stammende  (namenlose?) 
Compilation  aus  Plinius,  der  Epitome  und  Palladiue  zu  Grunde  ge- 
legt habe,  üssing  modifizirt  diese  Ansicht  nur  insoweit,  als  er  die 
Fälschung  Sylvesters  der  Handschriften  wegen,  die  zum  Theil  eben 
älter  sind,  streicht,  und  die  Datirung  der  Schrift  'mit  sammt  der 
Namensfälschung  in  das  3. — 5.  Jahrhundert  n.  Chr.  auch  durch 
sprachliche  Gründe  zu  stützen  versucht,  auf  die  Schultz  weniger  Ge- 
wicht gelegt  hatte.  Die  übrigen  Gründe  sind  zum  grössten  Theile 
die  Schultz'schen  oder  stehen  durchaus  auf  demselben  Niveau. 
Methodisch  sind  die  beiden  Schriften  durchaus  gleichwerthig,  aber 
Schultz  hatte  wenigstens  die  Entschuldigung,  dass  er  Dilettant 
und  nicht  Philologe  vom  Fach  war. 

Wir  wollen  nun  im  Folgenden  die  Ussing'schen  Gründe  im 
Einzelnen  durchgehen,  wobei  wir  uns  im  Ganzen  an  seine  Dispo- 
sition anschliessen,  abgesehen  davon,  dass  wir  die  sprachlichen 
Beobachtungen  am  Schlüsse  behandeln  werden. 

Der  hier  zunächst  vorliegende  Theil  wird  nur  das  Ver- 
hältniss  von  Plinius  und  Athenaens  zu  Vitruv  behandeln,  der 
zweite  demnächst  folgende  soll  dann  verschiedene  topographische 


ί  Thiel.  Leipz.  Studien  XVII.  2.  1896. 

^  Herausgegeben  von  seinem  Sohne  Otto  Schultz  Leipz.  1856. 
Die  ersten  Gedanken  dazu  entwickelte  Seh.  im  Briefwechsel  mit  Ooethe 
Sr  Kb.  Mus.  4.  (1836)  329  fif. 


[^Ueber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Arohitectura  11 

Fragen,  die  eich  an  Vitrav  und  besonders  an  die  Datimng  seines 
Werkes  knüpfen,  sowie  die  spraobhistorisohen  Probleme  aasfUbr- 
licb  behandeln,  die  von  Ussing  gegen  die  Echtheit  desselben 
Torgebracht  werden,  doch  wird  hier  der  Gang  der  üntersaobnng 
im  Ganzen  sich  freier  bewegen  können,  da  im  Prinzip  die  Ent- 
ich cid  ung  bereits  im  ersten  Theile  fällt. 

Wir  beginnen  also  damit,  das  Yerhältniss  von  Plinius  and 
Vitray  zu  untersuchen.  Die  Existenz  eines  Schriftstellers  Vitruv 
ist  einmal  durch  das  Autorenyerzeichniss  des  Plinius,  wo  er  unter 
den  Quellen  zum  16,  35.  u.  36.  Buch  aufgeführt  wird,  gesichert. 
Zum  31.  und  33.  Buche  wird  er  dagegen  nicht  angeführt  und 
man  hat  somit  von  vornherein  nicht  das  Recht,  auch  für  diese 
Bücher  vorhandene  Congruenzen  als  Entlehnungen  anzusprechen 
wir  werden  jedoch  sehen,  dass  sich  für  das  33.  Buch  der  Fehler 
im  Index  nachweisen  läset,  der  den  Namen  Yitruv's  aus  demselben 
entfernte.  Eine  der  in  diesem  Buche  von  Plinius  aus  dem  echten 
Vitruv  entnommene^  Notiz  über  das  Quinarsystem,  das  von  Fron- 
tin* ausdrücklich  auf  den  Baumeister  Vitruv  zurückgeführt  wird, 
findet  sich  genau  in  unserm  Vitruv.  Ebenso  wird  uns  durch 
Servius•  die  Schrift  eines  Vitrav  bezeugt,  qui  de  architectonica 
Bcripsit,  das  heisst  also  ein  Bach,  das  dem  unsrigen  an  Inhalt 
gleich  gewesen  sein  muss.  Diese  Stelle  des  Servius  ist  bislang 
meiner  Ansicht  nach  ganz  falsch  aufgefasst  worden.  Sie  lautet 
nach  Thilo  u.  Hagen:  Vitruvius  qui  de  architectonica^  scripsit,  cum 
ab  aliquo  arcemur  ingressu  id  ostium  dicit  ab  ostando,  cum  ingre- 
dimus  aditum  al)  adeundo.  Wenn  man  das  freilich  so  auffasst,  als 
ob  Vitruv  selbst  diese  grammatische  Erklärung  der  beiden  Worte 
gäbe,  so  wird  man  vergeblich  in  unserm  Vitruv  darnach  suchen  und 
dann  wie  Schultz  (der  übrigens  durch  seine  Lesung  ait-dici  einiger- 
massen  entschuldigt  war)  und  Ussing  daraus  einen  Beweisgrund 
gegen  die  Echtheit  des  überlieferten  Vitruv  schmieden  oder  wie 
Erohn  ^  zur  Annahme  von  Lücken  sich  genöthigt  sehen,  wozu  wenig, 
etens  in   solchem  Umfange    nach  Massgabe    der  handschriftlichen 


*  Der  Beweis  dafür  folgt  später. 

*  FroDtin.  de  aquis  25. 

*  8erv.  ad.  Verg.  Aen.  VI  43: 

*  Das  braucht  keineswegs  der  Titel  zu  sein,  den  Vitr.  seinem 
Werke  selbst  gab,  sondern  kann  eine  modernisirte  Bezeichnung  sein, 
wie  ja  die  Epitome  den  Titel  in  derselben  Weise  umbildet.  Vgl.  dazu 
Aügustin  2   Quaestion.  in  Heptat.  169. 

*  Berl.  phil.  Woch.  1897  S.  773  ff. 


12  Degering  • 

üeberlieferang  gar  keine  Berechtigung  vorliegt.  Sehe  man  sich 
doch  die  Worte  des  Servius  genau  an,  welcher  nur  behauptet :  'DaS) 
wodurch  wir  vom  Eintreten  abgehalten  werden,  nennt  Vitruv 
ostium  von  oetare,  die  Oeifnung  dagegen,  durch  die  wir  eintreten, 
nennt  er  aditus  von  adire'.  Serviue  giebt  also  nicht  eine 
grammatisch  lexicalieche  Regel  aus  Vitruv,  sondern  begründet 
eine  solche  durch  den  Spachgebrauch  des  Vitruv.  Eine  Prüfung 
der  in  unserm  Texte  vorkommenden  Stellen  von  ostium  ^  und 
aditus^  zeigt,  dass  die  Beobachtung  absolut  richtig  ist,  dass  aleo 
wenigstens  Servius  mit  Bestimmtheit  den  auch  uns  vorliegenden 
Vitruvtext  vor  Augen  hatte,  d.  h.  wenn  nicht  etwa  Servius  selbst 
die  Notiz  nur  von  einem  älteren  Grammatiker  übernommen  hat. 
Jedenfalls  aber  ist  dieses  Zeugniss  nur  für,  nicht  aber 
gegen  die  Authenticität  des  unter  dem  Namen  Vitruv's  überlieferten 
Buches  zu  verwenden  und  man  müsste,  um  seine  Beweiskraft 
abzuschwächen,  schon  behaupten,  dass  der  Fälscher  bei  dem  Ge- 
brauch der  Worte  aditus  und  ostium  immer  Rücksicht  auf  die 
Serviusstelle  genommen  hätte,  heisst  das  aber  nicht,  da  dieser 
Wortgebrauch  durchaus  nicht  allgemein  ist,  sondern  andere  Schrift- 
steller wie  z.  B.  Tacitus,  Ammian  die  Worte  promiscue  gebrauchen, 
einem  Fälscher  zuviel  zugemuthet?  Schon  damit  ist  eigentlich  die 
Echtheit  unseres  Vitruvtextes,  wie  ich  meine,  mit  Sicherheit  er- 
wiesen. 

Nehmen  wir  aber  wirklich  einmal  mit  Ussing  die  Unecht- 
heit  desselben  als  sicher  an:  Was  folgt  nun  daraus?  Es  ist 
durch  Nohl^  festgestellt  (Ussing  kümmert  sich  freilich  nicht 
darum),  dass  Palladius  seine  technischen  Notizen  aus  der  Epitome 
des  Faventinus  geschöpft  hat,  die  ihrerseits  völlig  zweifellos  ein 
Auszug  aus  unserm  Vitruv  ist.  Eingeschoben  resp.  hinzugefügt 
sind  in  dieser  nur  im  Cap.  II  der  Abschnitt  über  einen  Thurm 
der  zwölf  Winde  in  Rom  (in  der  Rose-Müller-Strtibingen 'sehen 
Vitmvausgabe  S.  288,  27—289,  4)  Cap.  IV  die  Bemerkung  über 
hölzerne  Wasserleitungen  (S.  294,  11—12),  und  Capitel  XXVIII, 
Zuthaten,  die  wohl  als  eigene  Weisheit  des  Faventinus  anzu- 
sehen sind,  während  die  Schluss-Capitel  XXIX  und  XXX  ans 
anderer  Quelle  stammen  mögen.  Da  nun  Palladius  in  das 
4.  Jahrh.  n.  Chr.  gehört,  so  kann  Faventin  höchstens  am  Ende 
des  dritten  oder  im  Anfang  des  4.  Jahrh.  seinen  Auszug  aas 
unserm  von  ihm,    wie  die  Namensnennung    am  Anfang    beweist, 

^  Vgl.  Vitruv,  cd.  Rose  u.  Müller-Str.  96,  15  (142,  14.  Joe). 
«  Das.  13,  IG.  70,  9.  109,  11.  119,  19.  71,  21.  92,  5.  129,  5. 
'  Comment.  Mommsen.  pag.  64  fif. 


Üeber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Ardutectara  13 

bereite  für  echt  gehaltenen  Werke  gemacbt  haben.  Die  Fäl- 
echnng  könnte  also  epätestens  in  die  Mitte  des  3.  Jabrb.  datirt 
werden.  Was  ist  nnn  aber  inzwischen  aus  dem  echten  Yitruy 
geworden,  der  doch  Plinins  vorgelegen  haben  mass,  selbst  wenn 
er  ihn  auch,  wie  Ussing  mit  Oehmichen  ^  behauptet,  nicht  direkt 
sondern  nur  vergleich  weise  benutzt  hat?  Wir  mtissten  also  an- 
nehmen, dass  das  echte  Buch  Yitruvs  ungefähr  im  2.  Jahrhundert  in 
Vergessenheit  gerathen  sei  und  dann  ein  Schwindler  unter  seinem 
Namen  im  3.  Jahrhundert  die  Fälschung  vorgenommen  habe. 
Diese  Annahme  ist  aber  schon  an  und  für  sich  recht  wenig 
glaubhaft,  denn  wenn  das  echte  Werk  in  Vergessenheit  gerathen 
konnte,  so  beweist  das  doch  eben,  dass  für  dasselbe  kein  Inter- 
esse  vorlag,  also  natürlicher  Weise  erst  recht  kein  Anläse  dazu 
vorhanden  war,  ein  solches  Buch  ganz  neu  zu  fälschen.  Die 
meisten  von  den  aus  dem  Alterthum  in  reichlicher  Weise  be- 
kannten Fälschungen  sind  vielmehr,  wo  es  sich  nicht  etwa  um 
ganz  mythische  Personen  wie  Orpheus  handelt,  derart,  dass  ein 
Buch  einem  berühmten  Schriftsteller  zu  seinen  echten  Werken 
untergeschoben  wurde,  für  das  der  unbekannte  und  unberühmte 
Fälscher  mit  seinem  eigenen  Namen  nicht  in  genügendem  Maasse 
das  Interesse  erwecken  zu  können  glaubte.  Eine  Fälschung  je- 
doch wie  diese,  welche  ein  Interesse  an  der  Person  des  Verfassers 
eines  einzigen  Werkes  voraussetzt,  der  seinen  Ruf,  wie  es  scheint 
Dur  diesem  einzigen  Werke  verdankt,  welche  aber  andererseits 
undenkbar  ist,  wenn  wir  die  Existenz  dieses  echten  Werkes 
voraussetzen  müssen,  hätte  wohl  kaum  ernstlich  erwogen  werden 
dürfen.  Für  Schultz  lag  die  Sache  insofern  günstiger,  als  er 
wenigstens  auch  die  Echtheit  des  Plinianischen  Index  leugnete 
und  über  das  Verhältniss  von  Palladius  und  der  Epitome  nicht 
unterrichtet  sein  konnte;  für  Ussing  sind  das  grobe  methodische 
Fehler.  Für  Jemanden,  der  einmal  die  Echtheit  der  Plinianischen 
Autorenverzeichnisse,  an  der  ja  im  Ernste  nicht  zu  zweifeln  ist, 
aufrecht  erhält,  lag  es  ja  dann  wenigstens  viel  näher,  in  dem 
vorliegenden  Vitruv  eine  üeberarbeitung  des  echten  zu  sehen. 
Dieser  Versuch  wird  von  Ussing  aber  nicht  gemacht  und  wir 
werden  sehen,  dass  dazu  auch  keine  Veranlassung  vorliegt. 

Die  Concordanzen  mit  Plinius,  welche  sich  in  unserem  Vitruv 
finden,  will  ussing  im  Anschluss  an  Oehmichen  auf  eine  gemein- 
same Quelle    und    zwar   auf  Varro    zurückführen,   wobei    freilich 


1  Oehmichen,  Plinian.  Studien  1880.  S.  1. 


14  Degering 

Oehmieben  selbst  nicbt  danui  gedacbt  bat,  die  Lebenszeit  Vitmvs 
anders  als  in  der  berkömmlicben  Weise  anzosetzen.  üssing  aber 
benutzt  diese  Theorie  nnr  om  das  nnzweifelbafte  Zengniss  des 
Plinins  für  die  Ecbtbeit  unseres  Vitmvs  ζ  α  entkräften,  wobei  ihm 
freilieb  entgangen  ist,  dass  die  Existenzfrage  des  eebten  Vitravs 
Ton  der  Oehmicben'scben  Η  jpotbese  ja  gamicbt  beröbrt  wird.  Die 
Oebmicben'scbe  Annabme  τοη  einer  nur  vergleicbsweisen  Benntzong 
de•  VitruTS  könnte,  was  icb  nicbt  glaube  and  als  falscb  nacb- 
weisen  werde,  wirklieb  berechtigt  sein,  ohne  dass  damit  das 
Factum  aus  der  Welt  geschafft  wird,  dass  Plinius  den  eebten 
Vitruv  doch  musste  Tor  Augen  gehabt  haben.  Aber  wie  scbon 
gesagt  iat  diese  Annabme  selbst  als  unrichtig  zu  beweisen. 

Oebmicben  operirt  hauptsächlicb  mit  dem  Brunn^scben  Be- 
grilT  des  auctor  exquisitns,  den  Brunn  erfunden  bat,  um  die 
I>i«erepanz  zwiseben  der  bandschriftlichen  üeberlieferung  in 
praef.  17  ex  eaguisitis  aucioribus  cenium  und  der  bei  weitem 
grö§9eren  (über  400)  Anzahl  von  Autoren,  welche  die  Indices 
anfuhren,  aufzulösen.  Ich  kann  die  Richtigkeit  der  Interpretation 
Brunns  jedoch  nicbt  anerkennen,  da  die  grammatische  Construction 

der  fiberlieferten  Lesung  anerklärbar  bleibt;  XX  rerum  dignarum 

eora  lectione  Toluminum  circiter  II,  quorum  pauca  admodum  Stu- 
diosi attingunt  propter  seoretum  materiae,  ex  exquisitis  auctoribus 
eentum  inclusimus  XXXVI  voluminibus,  adjectis  rebus  plurimis 
qoas  aut  ignoraverant  priores  aut  postea  in  venerat  vita,  vermag  icb 
flicht  zu  erklären,  denn  wenn  icb  lectione  als  Abi.  abs.  =  bei  einer 
lACtüre  von  etc.  fasse,  so  fehlt  mir  das  Regens  za  ex  exquisitis 
auctoribus  eentum  und  dieses  kann  dann  nur  in  der  Nähe  des 
yerdäcbtigen  eentum  stecken,  nehme  ich  aber  lectione  als  Abi 
instr.i  so  fehlt  hierzu  wiederum  das  regierende  Wort  und  aueb 
diMes  kann  icb  uar  an  derselben  Stelle  suchen.  So  gewinne  icb 
abgesehen  von  den  sachlichen  Bedenken  gegen  eentum  und  gegen 
die  Brunn'scbe  Erklärung  desselben,  auch  von  Seiten  der  Grammtik 
9iwiui(ttnae  Verdachtsmomente  gegen  die  Richtigkeit  der  Üeber- 
lieferung. Ueber  die  Art  und  Weise,  wie  nun  die  Stelle  zu  heilen 
sein  durfte,  kann  man  im  Zweifel  sein.  Man  könnte  et  exquisitis 
aui'.U^ihuM  eentum  schreiben,  dann  würden  aber  die  exquisiti  auc- 
it/re»  als  bfisondere  Klasse  unter  anderen  uns  unter  den  Händen 
siifs/iliwiiidiin,  da  dann  exquisitis  sich  auf  die  Thätigkeit  des  Ex- 
ftnfplr<iiis  [»««iehen  mUsste,  und  eentum  bliebe  wieder  saohlicb 
llfiitrblttrf,   oder  es  mlisste  als  unbestimmte  Zahl  gefasst  werden; 


Ueber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architectura  15 

vahrsclieiDlicher  aber  ist  es  mir,  dass  wir  cenlum  in  cenirum  za 
ändern  haben,  sodass  ex  exquisitis  auctoribus  centrum  —  das 
Beste  and  WerthvoUste,    der  Kern,  aus  den  erlesensten  Autoren 

—  als  Apposition  zu  XX  verum  dignarum  cura  zu  beziehen  sein 
würde.  Gerade  Plinius  gebraucht  das  Wort  centrum  auch  sonst 
in  der  Bedeutung  'fester  Kern  (37,  28.  37, 120.  (cf.  37,98.)  16,  198). 

Ich  lege  jedoch  keinen  besonderen  Werth  auf  diese  positiven 
Verbesserungsvorschläge ,  mir  genügt  es,  wenn  man  nur  die 
Negation  zugiebt  und  anerkennt,  dass  die  von  Brann  dem  Plinius 
impatirte  Unterscheidung  zwischen  auctores  schlechthin  und  ex- 
quisiti  auctores  unhaltbar  ist.  Solch  ein  schlechter  Schriftsteller 
ist  denn  doch  Plinius  (zumal  in  der  Vorrede)  auch  nicht,  dass 
wir  ihm  zutrauen  dürften,  er  habe  einen  so  complicirten  Gedanken- 
kreis in  so  compendiöser  dunkler  und  noch  dazu  grammatisch 
anfechtbarer  Form  ausgedrückt.  Wir  müssten  doch  auch  wohl 
erwarten,  dass  die  Indicee,  die  den  rein  äusserlichen  Unterschied 
zwischen  römischen  und  fremden  Schriftstellern  durchführen, 
irgendwie  auch  den  Unterschied  zwischen  den  auctores  exquisiti 
and  den  auctores  erkennen  Hessen,  aber  gerade  Brunn  hat  doch 
bewiesen,  dass  die  Ordnung  eine  solche  ist,  die  diesen  Unter- 
schied absolut  nicht  berücksichtigt. 

Damit  soll  nun  aber  keineswegs  etwa  behauptet  werden, 
dass  nicht  gewisse  Unterschiede  in  der  Behandlung  der  Quellen 
bei  Plinius  zu  constatiren  sein  werden,  sondern  nur  die  Berech- 
tigung soll  bestritten  werden  diesen  Unterschied  so  scharf  zu 
orgiren,  wie  das  von  Oehmichen  geschiebt.  Wir  haben  sicherlich 
Haupt  und  Nebenquellen  zu  unterscheiden,  es  lassen  sich  ferner 
spätere  Einschiebsel  erkennen,  aber  als  selbstständige  Quellen 
haben  wir  alle  die  in  den  Indioes  genannten  Schriftsteller  je  für 
das  betreffende  Buch  so  lange  anzusehen,  als  sich  nicht  bestimmte 
Corruptelen  in  diesen  Verzeichnissen  nachweisen  lassen,  die  das 
fehlerhafte  Eindringen  von  Namen  unbenutzter  Autoren  in  den 
Zusammenhang  offenbaren.  Wir  werden  einen  solchen  Fall  weiter 
unten  kennen  lernen. 

Andererseits  aber  haben  wir  natürlich  auch  nicht  das  Recht 
die  Benutzung  eines  Autors  als  Quelle  für  irgend  ein  Buch  an- 
zunehmen, für  das  er  in  dem  betreffenden  Index  nicht  aufgeführt 
wird,  wenn  wir  nicht  ebenfalls  die  Störung  im  Index  nachweisen 
können,  die  seinen  Namen  entfernte,  in  unserem  Falle  also  müssten 
wir  zunächst  die  Benutzung  Vitruvs  im  31.  und  33.  Buche,  die 
Detlefsen  behauptet  hatte^  ablehnen. 


16  Degoringf 

Εβ  finden  sieb  aber  auch  in  den  Indices  gewisse  Reiben 
von  Autoren  aufgeftibrt,  die  unter  sich  im  engeren  Zusammen- 
bang steben  (äusserlicb  meist  kenntlicb  an  der  alpbabetiscben 
Reihenfolge),  die  Plinius  wohl  nicbt  direkt  benutzt  haben  mag, 
sondern  von  denen  er  vielleicbt  nur  in  einzelnen  Fällen  einzelne 
Citate  nachprüfte.  Diese  sind  dann  aber  immer  aus  einer  Haupt- 
quelle,  die  natürlich  später  liegt  als  alle  die  übrigen,  entnommen 
worden;  die  Benutzung  dieser  Autoren  als  Quelle  ist  also  auch 
hier  vorbanden,  wenn  auch  erst  durch  Vermittlung.  Wie  Plinius 
aber  eine  Sobri  ft  als  seine  Quelle  (das  beisst  doch  ex  auctorihus) 
babe  bezeichnen  können,  die  er  weder  direkt  nocb  indirekt  he- 
nutzt  babe,  sondern  die  nur  mit  ihm  aus  der  gleichen  Quelle  ge- 
schöpft babe,  das  ist  mir  unerklärbar  und  weder  mit  antiker  noch 
moderner  Citirmetbode  vereinbar. 

Der  hier  eingenommene  Standpunkt  deckt  sich  im  Wesent- 
lichen mit  dem  von  Münzer  in  seinem  trefflichen  Buche,  Beiträge 
zur  Quellenkritik  des  Plinius,  entwickelten  Anschaaungen  über 
die  Quellenbenutzung  des  Plinius,  obwohl  er  noch  an  der  Brunn- 
seben Unterscheidung  der  Autoren  festhält;  nur  bin  ich  auf 
anderem  Wege  und  auf  beschränkterem  Gebiete  zu  dem  gleichen 
Resultate  gekommen,  das  er  in  so  umfassender  und  eingehender 
Weise  begründet  hat. 

Wir  wollen  nunmehr  die  einzelnen  von  Ussing  besprochenen 
Stellen  durchgeben.  Zunächst  Plinius,  16,  45.  Hier  sollen  nach  Det- 
lef sen  ^  die  Worte  excepta  larice  guae  nee  ardet  nee  carbonem  fcicU 
nee  cUio  modo  ignis  vi  consumitur  quam  lapides  aus  Vitruv  ent- 
nommen sein.  Oehmichen  und  mit  ihm  Ussing  bestreiten  das,  und, 
wie  ich  glaube,  mit  Recht,  aber  natürlich  hat  nur  Oehmichen  die 
richtige  Begründung,  doch  hat  auch  er  die  Sachlage  nicht  mit 
voller  Schärfe  erfasst.  Plinius  folgt,  wie  er  selbst  §  48  sagt,  in 
der  Glassificirung  der  Europäischen  Bäume  'quae  picem  ferunt 
einer  römischen  Quelle,  ohne  Zweifel  Hygin,  der,  wie  das  Citat 
§  230  lehrt,  über  die  Hölzer  und  ihre  Verwendung  Angaben  ge- 
macht haben  muss,  uud  auf  den  auch  das  Brunn'scbe  Indexgesetz 
führt.  Aus  dem  ganzen  Zusammenhange  der  von  38 — 49  reicht, 
kann  der  Satz  excepta  larice  ....  nicbt  ausgeschieden  werden, 
auch  weiss  Plinius  über  die  larix  weit  mehr,  als  er  aus  Vitruv 
schöpfen  konnte,  und  dass  er  gerade  nur  die  Einzelheit  der  Scbwer- 
brennbarkeit   des  Holzes,    ohne  die    von  jenem  beigefügte   fabel- 


1  Philol.  31.  p.  389. 


Ueber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architeotora  17 

liafte  Historie  entnommen  haben  sollte,  ist  bei  der  Art  seiner 
Schriftatellerei  kaum  glaablicb.  Andere  liegt  jedoch  die  Sache 
for  Hygin,  für  den,  wenn  er  die  Systematik  des  Nutzholzes  geben 
wollte,  die  Fabel  unnöthig  war.  Wenn  dagegen  Ussing  glaubt, 
dass  Plinins'  Worte  nee  alio  modo  ignis  vi  con$t4mUur  quam  la- 
pides  etwas  anderes  bedeuten,  als  das  was  Vitruy  mit  'nee  ipsa 
poiesi  ordere  nisi  tat  soicum  in  fornace  ad  cälcem  coquendam  aliis 
lignis  uraiur  sagen  will,  so  irrt  er,  denn  lapis  bezeichnet  gerade 
80  wie  saxum  in  der  Regel  den  Bau  — ,  d.h.  zu  Vitruvs  und  Plinius' 
Zeiten  den  Kalkstein  von  Tibur.  £benso  verkehrt  ist  es  aber, 
wenn  Oehmichen  einen  Unterschied  zwischen  den  Ortsangaben 
des  Plinius  und  Yitruv  hat  entdecken  wollen,  denn  wenn  Yitruv 
sagt  quae  non  est  noia  nisi  in  municipalibus  qui  sunt  circa  ripam 
fluminis  Fadi  et  liiora  maris  Hadrianij  so  bezeichnet  er  damit 
garnicht  die  Heimath  des  Baumes,  sondern  die  Zone  seiner  Ver- 
wendung. Der  Baum  ist  auch  bei  ihm  ein  Alpenbaum  ^,  der  auf 
dem  Po  und  seinen  Nebenflüssen  thalwärts  geflösst  wird  und  so 
in  jene  Gegenden  gelangt,  wo  er  nach  Vitruv  Verwendung  flndet 
und  als  Nutzholz  bekannt  ist. 

Auch  §  192  ist  vielleicht  nicht  aus  Vitruv  entnommen, 
Bondern  es  handelt  sich  wohl  um  eine  allgemein  bekannte  Sache, 
die  auch  von  anderen  Schriftstellern  erwähnt  wurde.  Dagegen 
ist  von  §  195  bis  198  ohne  Frage  Vitruv  mit  zu  Rathe  ge- 
zogen. Der  Zusatz  von  Plinius  vasta  haec  (juniperus)  in  His- 
pania  maximeque  Vaccaeis  stammt  aus  Bocchus^  der  immer  für 
Spanisches  als  Gewährsmann  auftritt.  Damit  haben  wir  schon 
hier  und  nicht  erst  §  216  ff.  Bocchus  und  Vitruv  dicht  neben 
einander,    wie  es   der  Index    fordert. 

Auch  hier  bemüht  sich  Ussing  zu  beweisen,  dass  Vitruv  kein 
Sachverständiger  gewesen  sei,  aber  auch  hier  beweist  er  nur,  dass 


1  Vitr.  R.  u.  M.  Str.  60,  7  ff. 

^  Bocchus  wird  als  Autor  in  den  Indices  genannt  zu  6.  16.  33. 
34. 37.  Ausser  den  Citaten  16,  216  Dianatempel  von  Sagunt,  37, 97  car- 
bunculi  et  in  Oliponensi.  37,  127  Chryselectros  repertas  esse  in  Hispania. 
37,  24  Cornelius  Bocchus  et  in  Lusitania  (sei.  effossum  mirandi  poaderis 
crystallum)  sind  auf  ihn  zurückzuführen  wahrscheinlich  im  Buch  34. 
144,  der  Ruf  von  Bibilis  und  Turiasso  als  Produktionsorte  guten 
Eisens,  ferner  149.  156—158  und  165;  im  33.  Buche  §  67-78,  die  Be- 
schreibung der  Goldbergwerke  Spaniens,  denn  dass  sich  die  ganze 
Auseinandersetzung  auf  den  spanischen  Bergbau  bezieht,  lehren  §  78 
und  die  fachtechnischen  Fremdwörter,  ferner  §  96  f.  und  §  158. 

BlMlii.  Mu.  f.  PtiUol.  M.  F.  LVII.  2 


18  pegering 

ihm  eelbst  die  nöthige  Eineicht  in  Bolcheii  technieohen  Fragen  fehlt 
Diese  ist  ja  freilich  an  und  für  eich  auch  für  einen  Philologen  kein 
Erfordernies,  wohl  aber  für  Jemanden,  der  den  Techniker  so  scharf 
heartheilen  will,  als  üssing  den  Vitruv.  Der  Vergleich  von 
Plin.  196  abietie  quae  pars  a  terra  fuit,  enodis  est.  haec  qua  dixi- 
mns  ratione  fluviata  ^  detoratnr  atque  ita  sappinns  vocatur,  snperior 
pars  nodosa  duriorque  fnsterna,  mit  Vitruv  U  9.  7  ex  ea  antem 
antequam  est  excisa  quae  pars  est  proxima  terrae  [per  radices 
reoipiens  ex  proximitate  humorem]  enodis  et  liquida  effioitur, 
quae  vero  est  superior  [vehementia  caloris  eduetis  in  aera  per 
nodos  ramis,  praecisa  alte  circiter  pedes  XX  et  perdolata]  propter 
nodationis  duritiem  dioitur  esse  fustema.  ima  autem  cum  excisa 
quadriflnviis  disparatur  ejecto  torulo  ex  eadem  arbore  ad  intestina 
opera  coroparatur  et  ita  sappinea  vocatur  beweist,  dass  mit  qna 
diximns  ratione  fluviata  (nicht  etwa  fluviata)  und  cum  excisa 
qnadrifluviis  disparatur  dasselhe  gemeint  ist.  Femer  ist  es  aher 
anch  sachlich  ganz  selhstverständlicb,  dass  quadriflnviis  nichts 
Anderes  hedeuten  kann  als  das,  was  Plinius  im  vorhergehenden 
Capitel  195  im  Anschluss  an  Theophrast  V.  1,  6 — 11  mit  qaa- 
dripertitos  habet  venerum  cursus  hezeiohnet.  Soweit  hat  also 
Ussing  Recht.  Dagegen  ist  er  schwer  im  Irrtum,  wenn  er  nun 
weiter  behauptet,  dass  der  Ausdruck  quadriflnviis  hei  Vitruv 
auf  einem  Missverständniss  des  Ausdrucks  fluviata  bei  Plinins 
bernhe.  Ich  meine  mit  solchen  Behauptungen  mtisste  man  ganz 
besonders  vorsichtig  sein,  denn  das  würde,  selbst  angenommen, 
das  Vitrnv'sche  Werk  stamme  aus  dem  4.  Jahrhundert,  ungefähr 
dasselbe  sein  als  wenn  man  behaupten  wollte,  dass  heutzutage 
ein  gehildeter  Mann  irgend  welche  Ausdrücke  des  Simplicissimus 
sollte  missverstehen  können.  Freilich  steht  er  mit  diesem  Irr- 
thum  nicht  vereinzelt  da.  Auch  May  hoff'  bezieht  das  qna  diximns 
ratione  fluviata  nicht  auf  das  direkt  vorhergehende,  sondern  auf 
§  18(5.  Hier  heisst  es  aber  in  denCodd.:  Ugnum  in  longitndinem 
fluiiai  ntque  pars  fuit  ah  radice  validius  sidit.  Die  zweite  Hand- 
schriftenklasse  hat  für  fluitat  fluctuatur  und  einige  Handschriften 
quae  statt  que.  Die  Ueberliefemng  ist  also  keinesfalls  in  Ordnung. 
Was  aber  zu  lesen  ist,  ist  wenigstens  sachlich  sieher.  Ich  meine 
der  ganze  Zusammenhang  der  Stelle,  die  von  der  Stmktnr  und 
dem  Bau  des  Holzes  handelt,  kann  doch  nicht  so  plötzlich  durch 
etwas   unterbrochen   werden,    was  sich    auf  die  Zubereitung    des 


^  So  mit  Recht  Detleisen  statt  decorator. 


Ueber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Arcbitectürä  19 

Holzes  bezieht,  eondem  es  muss  auch  hier  etwas  über  die  Struk- 
tur gegeben  werden.  Ich  lese  demnach  Lignnm  <cum)  in  longi- 
tndinem  flnitatur  qnae  pars  fait  ab  radice,  validius  sidit  und 
übersetze:  legt  man  das  Holz  der  Länge  nach  aufs  Wasser,  so 
taacht  das  Wurzelende  infolge  des  grösseren  specifischen  Ge- 
wichtes tiefer  ein  resp.  sinkt  unter;  und  es  ist  nun  auch  offen- 
bar, dass  hier  nicht  vom  lignum  im  Allgemeinen  die  Rede  ist, 
sondern  von  dem  gerade  vorher  genannten,  dem  Buchenholze,  wir 
haben  also  nicht  nöthig  mit  Mayhoff  in  dem  Satze  ein  späteres 
Einschiebsel  anzunehmen.  Von  dem  Auslaugen  des  Holzes  im 
Meerwasser  (ταριχεύει V  bei  Theophrast)  ist  also  weder  §  186  noch 
§  196  die  Rede,  in  196  auch  schon  deshalb  nicht,  weil  flnviata 
dasteht  und  nicht  fluyitata.  Fluviata  passt  nur  zu  quadrifluvius, 
ist  dieses  also  etwa  mit  vieradrig  zu  übersetzen,  so  kann  jenes 
nur  der  allgemeinere  zu  diesem  specielleren  Ausdrucke  sein  und 
also  nur  geädert  heissen.  Dazu  stimmt  auch  durchaus  die  Bil- 
dung des  Wortes,  heisst  fluvius,  wie  aus  quadrifluvius  hervorgeht, 
die  Saftader,  so  ist  davon  ganz  richtig  gebildet  fluviatus  mit 
Saftadern  versehen.  Auf  den  Fluss  d.  h.  auf  das  Wasser 
gelegt  könnte,  wie  gesagt,  nur  fluvitatus  lauten.  Somit  ist  also 
auch  hier  alles  in  Ordnung. 

Wenn  Ussing  Vitruv  auch  daraus  einen  Vorwurf  macht, 
dass  er  die  Länge  des  unteren  astfreien  Theiles  der  Tanne  auf 
ungefähr  20  Fuss  bestimmt  ^  indem  erfragt,  ob  denn  alle  Bäume 
gleich  hoch  sind,  so  beweist  das  eben  wieder,  dass  er  kein  Recht 
hat  über  technische  Fragen  zu  urtheilen.  Das,  was  Vitruv  als 
Techniker  bestimmt,  ist  eben  das  Minimalmass  der  schlag- 
fähigen Bäume.  Die  ausführliche  Auseinandersetzung,  welche 
Vitruv^  zu  infernas  und  supernas  giebt,  bezieht  sich  garnicht, 
wie  üssing  uns  glauben  machen  möchte,  auf  den  Wortgebrauch; 
das  wäre  auch  freilich  für  den  römischen  Leser  des  ersten  Jahr- 
hunderts überflüssig  gewesen ;  sondern  sie  giebt  eine  physikalische 
Erklärung  der  Vorzüge,  die  jene  vor  dieser  voraus  hat,  und  wie 
sie  sich  so  oft  bei  Vitruv  finden. 

Plin.  §  218  unterscheidet  sich  von  Vitr.  II  §  9  nur  durch  den 
Zusatz  von  cerasus  firma  und  das  Fortlassen  von  populus,  salix, 
tilia,  vitex.  Beides  findet  seine  natürliche  Erklärung.  Dass  zu 
Vitruvs  Zeiten    das  Kirschholz    schon  zu  Bauzwecken   verwendet 


*  Vitr.  II  9.  7.  praecisa  alte  circiter  pedes  XX. 
a  Vitr.  II  9.  17. 


20  Degering 

• 

worden  ist,  ist  nicht  sehr  wahrscheinlich,  da  der  Baum  erst  kurz 
vorher  in  Italien  durch  Lucnllus  eingeführt  war  (Plin.  n.  h.  15, 
25.  30.  Serv.  ad  verg.  Georg.  2.  v.  18)  Hehn,  Kulturpflanzen  u. 
Haueth.^  S.  349.  Die  Angaben  über  die  anderen  Bäume  jedoch  hatte 
Plinius  schon  §  209  in  anderem  Zusammenbange  gebracht  und 
deshalb  hier  nicht  noch  einmal  wiederholt. 

Im  31.  Buche  ist  wie  gesagt  von  vornherein  wegen  des 
Fehlens  des  Namens  im  Index  eine  Benutzung  Vitruvs  nicht  an- 
zunehmen, jedoch  wäre  es  verwunderlich,  wenn  Plinins  gerade 
eine  Notiz  über  die  Sache  aus  einer  anderen  Quelle  übernommen 
haben  sollte,  die  nach  Frontin  I  25  bei  vielen  Leuten  als  die 
ureigenste  Erfindung  Vitruvs  galt,  nämlich  die  Angabe  über  die 
Construction  und  Benennung  der  Wasserleitungsrohre,  wie  sie  eich 
im  §  58  findet  und  noch  dazu  in  einer  Form,  welche  die  direkte 
Entlehnung  mehr  als  wahrscheinlich  macht.  Dazu  kommt  nun 
aber  noch  Folgendes:  Im  Index  zum  31.  Buche  steht  nämlich 
unter  den  römischen  Autoren  ein  Polybius,  und  zwar  zwischen 
Ovid  und  Sornatius.  £ine  Benutzung  Ovids  kann  im  31.  Buche 
nur  bei  den  Notizen  über  die  wunderbaren  Quellen  bis  §  35  in 
Frage  kommen.  Gleich  dahinter  aber  trifft  man  auf  die  Stellen, 
welche  aus  Vitruv  stammen  können  resp.  stammen  müssen.  Es 
könnte  also  an  dieser  Stelle  im  Index,  der  übrigens  hier  im 
31.  Buche  auch  sonst  nicht  in  Ordnung  ist,  der  Name  Yitmvs 
als  Pollione  vor  Polybio  ausgefallen  sein,  wenn  wir  nicht  viel- 
mehr annehmen  müssten,  dass  hier  Polybio  selbst  aus  Pollione 
corrumpirt  worden  sei,  und  zwar  dem  Citat  zu  Liebe  am  Sohlusse 
des  31.  Buches,  wo  aber  ebenfalls,  wie  mir  scheint  zu  Unrecht, 
der  Name  Polybius  bisher  unangefochten  geblieben  ist  und  wohl 
Polyclitus,  der  ohnehin  im  Index  vorkommt,  an  Stelle  von  Poly- 
bius einzusetzen  sein  wird.  Dass  der  Adressat  der  ooneolatio 
ad  Polybium,  der  über  Homer  und  Yergil  geschrieben  hat,  auch 
über  medicinische  Dinge  ein  Buch  verfasst  habe,  ist  eine  an- 
bewiesene Behauptung^,  die  um  so  unwahrscheinlicher  wird, 
als  Seneca  in  seiner  consolatio,  deren  Abfassung  in  das  Jahr 
43 — 44  fällt,  nicht  die  geringste  Anspielung  auf  eine  derartige 
Schriftstelierei  des  Polybius  macht,  die  vielmehr  rein  schöngeistig 
war,    und  Polybius    nicht  lange  nachher  (47)  auf  Betreiben    der 


ί  Detlefsen,  Progr.  v.  Glückstadt  1883  S.  4. 


Ueber  den  Yerfaeser  der  X  libri  de  Architectura  21 

Meeealioa,    die   Reibet    im  Jabre  48    getötet  wurde,    biDgericbtet 
worden  ist^. 

Dae8  im  31.  Bucbfe  bereite  §  36  aus  Vitruv  stammt,  brancbt 
man  nicbt  anzunebmen,  dagegen  polemisirt  §  43  gegen  Vitrov.  Wes- 
halb Oder^  meint,  dass  diese  Polemik  nicht  von  Plinius  selbst  her- 
rühren könne,  weiss  ich  nicbt ;  za  tief  ist  denn  doch  diese  Weis- 
heit gerade  nicht.  Man  schreibt  überhaupt  meiner  Ansicht  nach 
der  eigenen  Thätigkeit^  des  Plinius  viel  zu  wenig  von  dem  In- 
halte der  Bücher  zu,  obwobl  uns  eine  einfache  Rechnung  davon 
überzeugen  kann,  dass  der  Antheil,  den  Plinius  sich  selbst  zu- 
rechnet, garnicht  so  unbeträchtlich  ist.  Den  20000  aus  anderen 
Schriftetellern  laut  der  Vorrede  entnommenen  Notizen  stehen 
gegenüber  als  Summe  von  nur  32  Büchern  gemäss  der  Summen- 
angaben der  Indices  circa  34  000  res  et  historiae  et  obser vationes, 
somit  würden  also  auf  die  36  Bücber  circa  38000  Lemmata  zu 
rechnen  sein,  sodass  Plin.  selbst  fast  die  Hälfte  sich  zugerechnet 
haben  würde.  Das  mag  zu  hoch  gegriffen  sein,  indem  vielleiobt 
einige  der  grossen  Zahlen  der  Indices  falsch  überliefert  sind, 
immerhin  nimmt  aber  Plinius  einen  bedeutenden  Theil  für  sich 
selbst  in  Anspruch. 

Bestimmt  muss  aber,  von  allen  anderen  abgesehen,  §  57 
ans  Vitruv  entnommen  sein,  da  wir  dem  Plinius  doch  nicht 
zutrauen  dürfen,  dass  er  etwas  indirekt  übernahm,  für  das, 
wie  wir  gesehen  haben,  Vitruv  als  Erfinder  galt.  Die  An- 
nahme dagegen,  dass  diese  Nacbricht  aus  einer  gemeinsamen 
Quelle  und  gar  aus  Varro  stammen  soU^,  ist  mit  der  oben  ange- 
führten Frontinstelle  absolut  unvereinbar,  denn  hiemach  ist  das 
Qninarsystem  erst  unter  Augustus  von  Agrippa  oder  Vitruv  er- 
funden, kann  also  Varro  garnicht  bekannt  gewesen  sein.  Frei- 
lich hilft  sich  Ussing  wieder  damit,  dass  er  behauptet.  Frontin 
rede  von  ganz  etwas  anderem  als  Vitruv  und  ebenso  soll  auch 
Plinius  von  Vitruv  abweichen.  Diese  letztere  Behauptung  können 
wir,  da  sie  wohl  von  Niemandem  getheilt  wird,  mit  Stillschweigen 
tibergehen,  dagegen  wollen  wir  das  Verhältniss  von  Frontin  und 
Vitruv  einmal  näher  ins  Auge  fassen,  da  sich  hier  die  Gelegen- 
heit bietet,  ein  interessantes  Kapitel  antiken  Lebens  zu  be- 
leachten. 


1  Vgl.  Bueoheler,  Rh.  Mus.  37,  327. 

^  Oder,  Quellensucher  im  Alterthum.    Philol.  Sappl.  B.  VII  1.  2 
p.  2.  •  • 

>  Vgl.  dazu  jetzt  auch  Detlefsen,  Untersuch.  1899.  S.  13  ff. 
*  Oder,  Quelleneuoher  S.  362. 


22  Degering 

Vitrav  sagt  Folgendes  VIII  6.  4:  fistulae  ne  minns  longae 
pedum  denum  fundantur,  quae  si  centenariae  erunt^  pondne  habeant 
in  singolas  pondo  MCC,  si  octogenariae  pondo  DCCCCLX,  si  quin- 
quagenariae  pondo  DC,  qaadragenariae  pondo  CCCCLXXX,  tri- 
cenariae  pondo  CCCLX,  vicenariae  pondo  CCXL,  quinum  denum 
pondo  CLXXX,  dennm  pondo  CXX,  octonum  pondo  C,  quinariae 
pondo  LX.  e  latitudine  autem  lamnaram,  quot  digitos  habuerint, 
antequam  in  rotundationem  fiectantur,  magnitndiuam  ita  nomina 
concipiunt  fistulae.  namque  qoae  lamna  fuerit  digitorum  quin- 
quaginta  cum  fistula  perficietur  ex  ea  lamna,  yocabitur  quinqua- 
genaria  similiterque  reliquae.  Plinius  stimmt  damit  vollkommen 
überein,  nur  dass  er  in  umgekehrter  Reihenfolge  die  Rohre  auf- 
führt und  zur  Erklärung  der  Bezeichnung  ein  anderes  Beispiel 
(denaria)  als  Vitruv  (quinquägenaria)  wählt. 

Zunächst  ist  nun  Ussing  im  Anschluss  natürlich  an  Schultz 
der  Meinung,  Vitruv  spreche  von  gegossenen  Röhren,  während 
er  doch  ausdrücklich  und  zwar  zweimal  [lamnarum  antequam  in 
rotundationem  flectantur  —  und  quae  lamna  fuerit  digit.  qainq. 
cum  fistula  perficitur  ex  ea  lamna]  von  der  Herstellung  aus 
Platten  spricht,  und  sich  das  fundantur  natürlich  nur  auf  die 
Herstellung  der  Platten  selbst  bezieht.  Diese  wurden  aber  natür- 
licherweise gegossen,  was  einmal  durch  die  eingegossenen  In- 
schriften bewiesen  wird  und  andererseits  dadurch,  dass  die  Alten 
unsere  moderne  Walztechnik  schwerlich  schon  gekannt  haben, 
wenigstens  mtisste  Ussing  wohl  erst  den  Beweis  dafür  liefern. 
Die  Herstellungstechnik  ist  vielmehr  die,  dass  die  Platten  in  der 
vorgeschriebenen  Grösse  gegossen,  dann  zur  Erhöhung  der  Dich- 
tigkeit und  Festigkeit  gehämmert,  darauf  über  einen  runden  Dorn 
zusammengebogen  und  endlich  durch  eine  Lötnaht  geschlossen 
wurden.  Gegossene  Blei-Rohre  und  zwar  mit  Wandstärken,  welche 
proportional  der  Druckhöhe  zunehmen,  wurden  nur  da  verwendet, 
wo  die  Leitung  ein  tieferes  Thal  zu  überwinden  hatte  und  also 
demgemäss  die  Röhren  einen  stärkeren  Druck  auszuhalten  hatten. 
Den  ersten  Beweis  dafür,  dass  die  Alten  diese  Technik  kannten, 
verdanken  wir  den  Untersuchungen  des  Herrn  Regierunge-  and 
Baurath  R.  Bassel  über  die  antike  Druckwasserleitung  des  Be- 
tilienus  Varus  in  Alatri,  der  solche  Röhren  aufgefunden  hat^. 
Man  nimmt  nun  gewöhnlich  an,  dass  Vitruv  dieses  Verfahren 
nicht    gekannt  habe,    wie  ich    glaube    mit  Unrecht.     Vitruv   er- 


ί  Vgl.  Centralbl.   der  Bauverwaltung  1882  u.  Annali  1881,  204. 


lieber  den  Verfieiseer  der  X  libri  de  Arcbitectura  23 

wähnt  die  Sache  wohl,  beschreibt  sie  aber  nicht.  Da,  wo  er 
über  die  Anlage  des  venter  (κοιλία)  spricht,  sagt  er  Viil  6.  6; 
etiam  in  ventre  colliquiaria^  sunt  facienda,  per  qaae  vis  Spiritus 
relaxetnr.  Plin.  hat  dieselbe  Nachricht  in  folgender  Form :  31,58 
in  anfractu  omni  colliquiaria^  fieri,  ubi  dometurimpetus,  necessariom 
est.  Das  Wort  colliqoiaria,  welches  durch  diese  Uebereinstimmung 
von  Yitruv  und  Plinius  gesichert  ist,  kann  nur  von  colliquesco  abge- 
leitet werden,  das  sich  bekanntlich  auf  die  Gusstechnik  bezieht.  Die 
beiden  Stellen  würden  also  sachgemäss  übersetzt  lauten:  In  den 
Partien  der  Leitung,  wo  in  Folge  des  Gefälles  und  Wiederan- 
eteigens  ein  stärkerer  Druck  auftritt,  muss  man,  um  den  Druck 
aufzunehmen,  stehend  gegossene  Röhren  mit  proportional  zur 
Drackhöhe  wachsender  Wandstärke  einfügen.  So  erklärt  sich 
nun  auch  ganz  einfach  eine  Sache,  die  bisher  immer  besondere 
Schwierigkeit  gemacht  hat  und  die  natürlich  auch  von  Schultz 
und  Ussing  gegen  den  Techniker  Vitruv  vorgebracht  worden  ist 
nämlich  die  gleichmässige  Wandstärke  der  in  der  oben  angeführten 
Stelle  erwähnten  Röhren.  Diese  Wandstärke  kann  man  aus  den 
vorliegenden  Angaben  ermitteln.  Es  ergiebt  sich  daraus,  dass 
ein  Plattenetreifen  von  10  Fuss  Länge  und  der  Breite  eines 
römiechen  Digitus  12  römische  Pfunde  wog.  Da  der  Digitus 
aber  18,5 mm,  der  Fuss  296  mm  und  das  römische  Pfund  327,5  gr 
beträgt,  so  erhalten  wir  also  pro  qcm  Oberfläche  ein  Gewicht  von, 

12  .  327,5  .  1000 

ττττ 7:^r;i rxgr  =  71,71  gr. 

18,5  .  296  .       10*  '      * 

Dividirt  man  nun  diesen  Betrag  durch  das  specifische  Gewicht 
des  Bleies  =11,  376 — 11,42,  so  findet  man  die  Dicke  der  Platten 
mit  6,3  —  6,2  mm.  In  den  Aufzeichnungen  Bassels  über  die 
pompejanische  Wasserleitung,  die  derselbe  mir  in  liebenswür- 
digster Weise  für  diesen  Zweck  zurJYerfügung  gestellt  hat,  findet 
sich  eine  ganze  Reihe  *  von  Röhren  der  verschiedensten  Kaliber 
Terzelchnet,  deren  Wandstärke  er  zu  circa  6  mm  angiebt,  stärkere 
finde  ich  überhaupt  nicht  und  nur  einige  wenige  von  geringerer 
Plattenstärke,  z.  B.  2,5  mm  und  4  mm,  die  ofi^enbar  aber  nicht 
Wasserleitnngsrohre  im  strengen  Sinne,  sondern  Abwässer-  oder 
Regenfallrohre  waren,  d.  h.  also  Rohre,  die  nie  mit  innerem  Drucke 
belastet  waren.  Ebenso  habe  ich  selbst  Gelegenheit  gehabt,  eine 
Reihe  von  solchen  Röhren  im  Museo  civico  zu  Bologna  zu  unter- 

^  GH  colliviaria. 

•  oodd.  oolliquinaria.  Vgl.  Gundermann  bei  Rose  Vitr.*  Schlass- 
anmerkung.  Ich  habe  übrigens  diese  Richtigstellung  selbständig  uud 
vorher  gelonden. 


^  Degering 

snelien.  Auch  dieee  eiod  hst  dorcbweg  τοη  gleicher  Wandstirke, 
ich  fend  im  Durcbecbnitt  circa  7J5  mm,  doch  waren  dieeelben 
innen  wie  aneeen  mit  einer  starken  Sinterecbicht  üherzo^n,  po- 
daeR  sich  wohl  für  die  reinen  Bleirohre  dieselbe  Stärke  von 
6  3  mm  ergeben  wird.  Eine  Eigenthnmlichkeit  zeigte  sich  jedocb, 
nämlich  die,  dass  der  übergeschlagene  Rand  der  Platten  ver- 
stärkt war;  ich  mass  hier  bis  zn  12  mm. 

Nach  alle  dem  darf  man  also  wohl  behaupten,  dass  die 
rleichmissige  Plattenetärke  von  circa  6,25  mm  =^  1  römischer 
sicilicQS  ffir  die  gelötheten  Wasserrohre,  ganz  wie  Vitmv  berichtet, 
allgemein  gebräochlich  war.  Diese  anf  den  ersten  Blick  vielleicht 
verwunderliche  Thatsache  findet  ihre  Erklärung  darin,  dass  die 
Widerftandsf&higkeit  solcher  Röhren  ihre  änssertte  Grenze  selbst 
bei  den  grössten  gebränchlicben  Kalibern,  der  Centenaria  mit 
einem  Durchmesser  von  55  cm',  wohl  nicht  in  der  Plattenstärke« 
sondern  in  der  Löthnaht  fand,  und  andererseits  solche  Röhren 
eben  nur  unter  geringeren  Druckverhältnissen  Verwendung  fanden, 
während  man  dort,  wo  man  eben  über  normale  Druckverhältnisse 
hinausgehen  musste,  coUiqniaria  verwendete.  Bassel  versichert, 
dass  eine  Inanspruchnahme  solcher  gelötheten  Röhren  mit  mehr 
als  5  m  I>ruckhÖhe,  die  ungefähr  einem  halben  Atmosphären- 
druck  entsprechen  würde,  wohl  kaum  bei  den  gewöhnlichen 
antiken  Leitungen  überschritten  worden  sei.  Nach  einer  durch 
die  PfAxif*  gefnndenen  Formel,  welche  im  Taschenbuch  des  In- 
genieurs (Hütte)  18β3.  S.  233  mitgetheilt  ist,  gilt  für  Röhren  mit 

innerem  Druck  die  Formel :  b  -»  Va  ^  |  +  c, 

wo  b  die  Wandstärke, 

d  der  innere  Durchmesser  in  cm, 

ρ  der  innere  üeberdruck  i  in  kgr 

k  die  zulässige  Belastung  >     pro 
(Zugfestigkeit)  \    qcm, 

0  (eine  Constante)  für  Blei  5,5  mm 
bedeutet.  Demnach  würde  also  eine  Centenaria  Vitruvs  (von 
der  Naht  abgesehen)  bei  einer  Plattenstärke  von  6,8'mm,  einem 
Inneren  Durchmesser  von  55  cm  und  einer  zulässigen  Belastung 
des  Bleis  von  62kgr^  (Koppe,  Physik  1887  S.  9)  pro  qcm,  f^r 
den  Inneren  iJeberdruck 

1  U'w  /iigf#«ti(rkeit  des  Bleies  wird  übrigens  sehr  Terschieden  ange- 
f eben  m»  %,  IK  in  Meyert  Convers.-L.  auf  mehr  alt  das  Doppelte  nämlich 
IdH  kfrr*    fla^Jurch  würde  das  Yerbäliniss  natürlich  noch  ein  günstigeres. 


üeber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architectura  25 

ρ  =124^^^^=  1,7225  kgr  pro  qcm 

DD 

ergeben  d.  b.  also  eine  eolcbe  Röbre  (resp.  ibre  Wandnng) 
würde  einen  mebr  ale  dreifacben  Druck  aaezabalten  im  Stande 
sein,  ale  oben  angenommen  wurde;  ob  aucb  die  Lötbnabt  dieser 
Kraft  gewacbeen  sein  würde,  ist  nur  durcb  praktiscbe  Versuebe 
zu  entscbeiden.  Jedenfalls  bing  bier  aucb  viel  von  dem  Masse 
der  Sorgfalt  ab,  mit  dem  dieselbe  ausgefübrt  wurde. 

Soviel  ist  aber  obne  Weiteres  sieber,  dass  der  Vorwurf, 
welcben  Sobultz  und  üssing  gegen  Vitruv  erbeben,  dass  es  un- 
gereimt sei  für  die  Röbren  mit  grossem  und  kleinem  Querscbnitt 
dieselbe  Plattenstärke  vorznscbreiben,  völlig  gegenstandslos  ist, 
und  eben  nur  ibre  Unkenntniss  der  Tbatsacben  antiker  Praxis 
beweist. 

s  Man  braucbt  nun  aber  keineswegs  anzunebmen,  dass  die 
Vitruv'scben  Gewicbtsangaben  durcbans  als  absolute  Wertbe  an- 
zueeben  seien,  sondern  es  scbeinen  vielmebr  Minimalsätze  zu 
sein,  die  er  giebt.  Er  meint  eine  Quinaria  von  10  Fuss  Länge 
soll  mindestens  60  Pfd.,  eine  Denaria  mindestens  120  Pfd. 
wiegen  u.  s.  w.;  denn  dadurcb  wird  die  erforderlicbe  und  tiblicbe 
Plattenstärke  von  einem  Digitus  gewäbrleistet.  Die  Gleicbmässig- 
keit  derselben  war  also  praktisob  insofern  von  grossem  Wertbe 
als  sie  eine  leicbte  und  sicbere  Controlle  darüber  durcb  das 
Gewicbt  ermöglicbte,  ob  die  Röbre  aucb  die  recbte  Stärke  batte. 
Eine  Differenz  von  ^/jq  mm,  die  durcb  Messung  sebr  scbwer  zu 
constatiren  ist,  würde  für  die  Centenaria  scbon  eine  Gewicbts- 
differenz  von  20  Pfd.  ausmacben  und  selbst  bei  einer  Quinaria 
scbon  1  Pfd.  betragen,  d.  b.  also  mit  Leiobtigkeit  zu  constatiren 
sein.     Es  ist  also  aucb  bier  Vitruv  durcbaus  der  Praktiker. 

leb  komme  nun  zu  dem  Verbältniss  zwiscben  Vitruv  und 
Frontin  tpeciell.  Sobultz  und  mit  ibm  üssing  bebaupten,  dass 
das,  was  Vitruv  über  das  Quinarsystem  bericbte  und  mit  ibm  und 
ans  ibm  Plinius,  die  Epitome  und  Palladius,  nicbt  zu  dem  stimme, 
was  Frontin  gewissermassen  officiell  darüber  mittbeile.  Um 
diese  Ansiebt  zu  prüfen,  ist  es  notbwendig,  den  Gedankengang 
Frontine  von  §24 — 31  genauer  zu  verfolgen.  Er  sagt:  Die  Wasser- 
moduli  ricbtete  man  zuerst  ein  nacb  dem  Digitus  oder  naob  dem 
üozenmass;  der  nacb  dem  Digitalmass  bestimmte  Modulus  gilt 
in  Campanien  und  den  meisten  Orten  Italiens,  der  nacb  der 
Unze  bestimmte  in  einem  Tbeile  von  Latium  (oder  wie  man 
sonet  die  vorhandene  Cormptel  ergänzen  will)  nocb  beute»    Mo^iv 


*i  DegeriDg 

ODtereefaeidet    zwischen  Digitns  qnadratne   und  Digitus  rotandoe. 
I>«f  Verbältnies    beider    ist    14  :  11    (er   rechnet  also    wie  Vitr. 


22\ 


Spater  wurde  (in  Rom  natürlich)  ein  Modulue  eingeführt, 
der  weder  von  der  Unze  noch  von  einem  der  beiden  Digiti 
(rotundue  und  qnadratue)  ausging,  wie  die  Einen  sagen  dnrch 
^grippa,  wie  die  Anderen  sagen  dnrch  die  Bleirohrfabrikanten 
unter  der  Vermittlung  des  Architekten  Vitruv^,  und  gelangte  in 
der  Stadt  zu  ausschliesslicher  Herrschaft,  derselbe  (Modulus) 
wurde  Quinaria  benannt.  Und  zwar  behaupten  die,  welche  seine 
Erfindung  dem  Agrippa  zuschreiben,  dass  er  deshalb  so  benannt 
sei,  weil  5  alte  moduli  nunmehr  zu  einem  Bohre  zusammen- 
gelegt wurden ;  die  aber,  welche  Vitruv  und  die  Bleirohrfabrikanten 
als  Urheber  ansehen,  behaupten,  der  Name  leite  sich  davon  abf 
dass  eine  Blei  platte  von  5  Digiten  Breite,  zu  einer  Röhre  zu- 
sammengebogen, gerade  diesen  Modulus  hervorbringe.  Aber  das 
ist  doch  nur  eine  unsichere  Bestimmung,  da  die  Innen- 
seite der  Platte,  wenn  dieselbe  rund  gebogen  wird, 
zusammengedrückt  (verkürzt),  die  Aussenseite  da- 
gegen ausgezogen  (verlängert)  wird.  Die  wahrschein- 
lichste Annahme  ist  die,  dass  die  Quinaria  nach  einem  Dnroh- 
messer  von  Y4  Fingern  benannt  ist,  und  diese  Erklärung  passt 
auch  für  die  folgenden  moduli  bis  zur  vicenaria,  indem  bei  jeder 
höheren  der  Durchmesser  um  V4  Digitus  wachst. 

§  26  folgt  dann  eine  Bestimmung  der  Grössenverhältnisse 
der  Quinaria,  Unze,  Digitus  quadratus  und  Digitus  rotundus,  wobei 
die  Quinaria  als  Einheit  gesetzt  wird. 

Es  wird  gesetzt 
Quinaria  Unze^  Digitus  quadr.  Digit.  rot. 

1  Hü  Ve  *»/8β 

1,13777...  0,83333  .  .  0,63888  .  . 

genauer  genauer  genauer 

1,137731  0,8145  .   .  0,64 

1  Modulus  bedeutet  hier  das  Nonnalmaes  des  an  Private  abge- 
gebenen WasBerquantums,  nicht  aber  die  beiden  oben  angeführten  Maas- 
einheiten, vielmehr,  wie  aus  dem  Verhältnies  hervorgeht,  nur  einen 
Bruchtheil  und  zw»r  entspricht  ungefähr  V4  Dig.  quadr.  der  angre- 
fnhrten  Bedingung. 

'  Die  Verl)e88erung  des  Polenus  ist  die  richtigere.  Frontins  An- 
gaben sind  Näherungswcrtbe  nach  dem  römisch-technischen  Bruchsystem. 


Ueber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architectura  27 

Im  Uebrigen  ivacbeen  nun  die  (officiellen)  modnii»  welcbe  auf 
der  Quinaria  bernhen,  von  da  aus  auf  zweierlei  Weise  an.  £in• 
mal  80,  daee  die  Quinaria  selbst  multiplicirt  wird,  d.  b.  wenn  in 
ein  und  derselben  liebten  Rohrweite  mebrere  Quinarweiteu  zu• 
samniengefaset  sind,  wobei  die  liebte  Weite  wäcbst  im  Verbält- 
nise  zu  der  Anzahl  der  hinzugefügten  Quinarien.  Dieses  System 
wird  dann  gewöhnlich  angewendet,  wenn  die  Abgabe  mehrerer 
Quinarien  (als  das  Mass  des  an  Private  abgegebenen  WaRser- 
quantums  vergl.  vorher  §  25)  neu  bewilligt  und  diese,  damit 
nicht  eine  mehrfache  Anbohrung  der  Hauptleitung  nöthig  wird, 
in  einer  Rohrleitung  vereinigt  und  zu  einem  Castel  geleitet  wird, 
von  dem  aus  die  einzelnen  Abnehmer  jeder  sein  Quantum  (Qui- 
naria) erhält. 

Das  andere  System  hat  statt,  wenn  der  Zuwachs  der  Rohr- 
weite nicht  nach  ganzen  Quinarien  sich  berechnet,  sondern  nach 
dem  Masse  ihres  Durchmessers,  wonach  sie  dann  auch  ihre  Be- 
nennung erhält  und  wonach  sich  die  Grösse  ihrer  Aueflussmenge 
regelt:  z.  B.  die  Quinaria  wird  zur  Senaria,  wenn  ihr  Durch- 
messer um  V4  Digitus  wächst.  Aber  ihre  Capacität  wächst  nicht 
um  den  vollen  Betrag  einer  Quinaria,  denn  die  Senaria  fasst 
1  Vie  ^  Qninaria,  und  in  dieser  Weise  wachsen  nach  denselben 
Prinzipien  je  durch  Hinzufügen  eines  Vierteid igitus  zum  Durch- 
messer, wie  schon  vorhin  erwähnt  wurde  (§  25),  die  Septenaria, 
die  Octonaria  u.  s.  w.  bis  zur  Vicenaria  an. 

Von  hier  ab  aber  tritt  ein  anderes  Rechnungsprinzip  ein, 
nämlich  jenes,  das  nach  der  Zahl  ^  der  Quadratdigiti  rechnet,  die 
in  dem  Querschnitt,  d.  h.  in  der  lichten  Rohrweite,  eines  jeden 
Modulus  enthalten  sind,  und  nach  diesen  Zahlen  werden  dann 
die  Röhren  (moduli)  benannt.  Denn  eine  solche  Röhre,  welche 
einen  Querschnitt  von  25  in  eine  Kreisfläche  verwandelten^ 
Quadratdigiten  hat,  heisst  eine  25er  Röhre,  in  ähnlicher  Weise 
eine  30er  und  so  der  Reihe  nach  mit  dem  gleichen  Zuwachs 
von    je    5  Quadratdigiten    bis   zur    120er  Röhre.     Bei    der  20er 


^  Das  ist  auch  wieder  nur  ein  Näherungswertb  nach  dem  tech- 
nischen Brachsystem;  genau  musste  es  heissen  l^V»• 

'  Ussing  S.  111  behauptet  unter  ausdrücklicher  Berufung  auf 
diesen  Paragraphen:  'Bei  grösseren  Massen,  vicenaria  bis  centenum 
vicenum  rechnete  man  aber  nicht  nach  Durchmessern  sondern  nach 
Ereisumfängen. 

'  Statt  coacti  lese  ich  coactos  sei.  digitos  quadratos  viginti 
qninque  cf.  S.  14,  25  digitus  quadratus  in  rotundum  redactus. 


28  Degering 

Röhre,  welche  auf  der  Grenze  beider  Rechnangsmethoden  liegt, 
treffen  beide  annähernd  zu.  Denn  nach  der  Rechnung,  welche 
bei  den  vorangehenden  (d.  h.  qainaria  bis  vicenaria)  Modalen 
zur  Anwendung  kommt,  hat  sie  im  Durchmesser  ^^/4  Digiten^ 
(und)  da  nun  ihr  Durchmesser  also  5  Digiten  beträgt,  so  hat 
sie  auch  gemäss  der  Rechnungsmethode  der  Moduli,  welche  nach- 
folgen (vicenaria  —  centenum  vicenum),  einen  Querschnitt,  der 
nur  um  ein  ganz  geringes  kleiner  ist  als  20  Quadratdigiten '.  So 
wie  wir  hier  also  auseinandergesetzt  haben,  verhält  ee  eich  mit 
dem  Röhrensystem  von  der  Quinaria  bis  zur  120er  Röhre,  und 
dieses  ist  dann  in  allen  seinen  Theilen  consequent  Ausserdem 
passt  es  auch  zu  den  Rohrweiten,  welche  durch  die  Ausfiihrangs- 
bestimmungen  unseres  glorreichen  und  erhabenen  Herrschers  ge- 
setzlich festgelegt  worden  sind.  Mag  man  also  Gonsequenz  oder 
Autorität  von  einem  System  verlangen,  so  zeichnet  sich  in  beiden 
Beziehungen  das  System  der  Ausführungsbestimmnngen  vor  anderen 
aus.  Soweit  Frontin !  Aus  diesen  Ausführungen  geht  nun  aber 
Folgendes  hervor: 

Erstens:  Vor  der  Einführung  der  Quinaria  rechnete  man 
nach  anderen  Systemen,  aber  alle  diese  Systeme  stimmen  darin 
überein,  dass  sie  die  Ausflussmenge  nach  dem  Querschnitt  der 
Röhre  bestimmen^. 

Zweitens:  Die  Quinaria  stammt  aus  der  Augusteischen  Zeit. 

Drittens :  Zu  Frontins  Zeiten  wusste  man  den  Urheber 
dieses  Systems  nicht  mehr  mit  Bestimmtheit  zu  nennen,  und  war 
sich  auch  nicht  mehr  über  den  Ursprung  des  Systeme  und  seiner 
Benennung  klar. 

Viertens:  Den  beiden  herrschenden  Aneichten  über  den  Ur- 
sprung der  Benennung  stellt  Frontin  eine  dritte  gegenüber  und 
zwar  deshalb,  weil  es  ihm  darum  zu  thun  ist,  das  von  seinem 
Gönner   und  Kaiser  (Nerva)    wohl    unter    Frontins    eigener   Mit- 


*  Die   einzige  Aenderung    welche  nöthig  ist,  ist  ein  et  vor  cum 

einzusetzen. 

11    24 
2  Nach  §  24  — -^-  =  19,H43  Quadratdigiten.    Nach  den  heutigen 

π .  25 
math.  Rechnungsmethoden  — ^  also  etwas  weniger:  19,63495. 

^  Von  der  Thatsaohe,  dass  die  Ausflussmenge  auch  wesentlich 
von  der  Druckhöhe  (d.  h.  der  Höhe  des  Wasserspiegels  über  der  Aus- 
flusBÖffnuiig)  abhängig  ist,  scheint  das  Alterthum  nur  eine  angenügende 
Vorstellung  gehabt  zu  haben.     Vgl.  Frontin  I  35. 


Ueber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architectura  29 

irkung  durch  ein  Ausfübrungegeeetz  festgesetzte  System  als 
tionell  za  erweisen. 

Fünftens:  In  diesem  System  erscheint  Altes  und  Neues  ge- 
iecbt.  Neu  ist  der  auf  der  Zählung  von  Digitalquadranten  des 
irchmeesers  beruhende  Systemabsobnitt  von  der  Quinaria  bis 
ir  Vicenaria,  alt  dagegen  und  auf  das  vor  dem  Augusteischen 
ainarsystem  übliche  System  der  Digiti  quadrati  zurückgreifend 
t  der  übrige  Theil. 

Um  aber  diese  Mischung  homogen  zu  verbinden  durch  das 
ittelglied  der  20  er  Röhre,  ist  eben  die  neue  Erklärung  er* 
nden. 

Die  Quinaria  Frontins  ist  selbstverständlich  genau  dieselbe 
8  die  Yitruvsche.  Dieselbe  war  als  Normalmass  für  die  Wasser- 
)gabe  an  Private  gesetzlich  eingeführt^,  und  hatte  sich  wohl 
β  ausreichend  erwiesen.  Eine  Aenderung  hierin  wäre  also  schon 
egen  der  vielen  £inzelanschlüsse,  die  hätten  geändert  werden 
Ü88en,  eine  missliche  Sache  gewesen.  Es  geht  das  aber  auch  aus 
in  Worten  Frontins  (§  25)  hervor,  denn  wenn  er  nach  den 
$iden  anderen  Erklärungen  fortfährt:  maxime  probabile  est, 
linariam  dictam  a  diametro  quinque  quadrantum,  so  will  er 
tmit  doch  offenbar  nur  eine  dritte  Erklärung  für  dieselbe  iden- 
9che  Sache  geben.  Zum  Ueberflusse  lässt  sich  aber  auch  noch 
chnerisch  die  Identität  der  Yitruvschen  (Augusteischen)  Quinaria 
it  der  Frontinschen  nachweisen.  Wenn  man  eine  Platte  rund 
egt,  so  dass  sie  eine  Röhre  bildet,  so  ist  der  innere  Durch- 
eeser  dieser  Röhre  offenbar  nicht  gleich  der  Breite  der  Blei- 
atte  dividirt  durch  π,  sondern  genau  »um  eine  Plattenstärke 
iringer,  weil  die  Krümmungsaxe  der  Platte  in  der  Mitte  der- 
Iben  liegt  und,  wie  Frontin  (§  25)  richtig  bemerkt,  die  äusseren 
;hichten  gedehnt,  die  inneren  dagegen  zusammengedrückt  werden. 
ie  Plattenstärke  haben  wir  aber  oben  auf  6,25  mm  berechnet, 
id  da  die  Breite  der  Platte  5  Digiti  beträgt,  so  ist  also  der 
nere  Durchmesser 


=  (^'--6,25)min  =  23,l 


mm. 


ach  Frontins  System    ist  aber  der  innere  Durchmesser   ^/4  Di- 
ten  =  23,125  mm. 


*  cf.  Frontin  II  106.  aus  einem  Gesetz:  neve  cui  eorum,  quibas 
[ua  daretur  publice  jus  esset  intra  quinquaginta  pedes  ejus  castelli 
;  quo  «quam  ducerent  laxiorem  fistulam  subicere  quam  quinariam. 


30  Degering. 

Daza  ist  aber  noch  Folgendes  zu  bemerken:  Die  grosee 
Genauigkeit,  welche  Frontin  hier  für  die  Kaliber  der  Bohrleitiingen 
in  Anspruch  nimmt,  ist  de  facto  bei  der  Flerstellungeweiee  der 
Röhren  garnicht  möglich,  da  der  Querschnitt  derselben  infolge 
der  Löthnaht  kein  kreisrunder  war.  Eine  solche  Genauigkeit  war 
nur  möglich  bei  den  Calices  d.  h.  den  (gebohrten  oder  ge- 
gossenen) kurzen  Bronzerohren,  welche  in  die  Wand  eines  Ga- 
stelles  eingelassen  wurden  und  an  die  dann  erst  die  Leitungs- 
röhren anschlössen.  Diese  Calices  mussten,  wie  wir  durch  Frontin 
(Π  105)  erfahren,  seit  Claudius  geaicht  werden,  um  absichtliche 
oder  unabsichtliche  Uebervortheilung  einzelner  Wasserempfänger 
auszuschliessen,  und  bei  dieser  Gelegenheit  mag  dann  auch  die 
endgültige  Fixirung  der  Quinaria  auf  den  Durchmesser  von 
V4  l^igi^en  stattgefunden  haben,  da  eine  Prüfung  der  kreisrunden 
Oeffnungen  der  Calices  natürlicherweise  am  leichtesten  und  sicher- 
sten durch  Messen   des  Durchmessers  ausgeführt  werden  konnte. 

Schultz  und  Ussing  begehen  also  einen  Fehler,  wenn  sie 
dieses  Aichungsprinzip  auch  auf  das  Vitruvsche  System  über- 
tragen. Dieses  war  seinem  Ursprung  und  seiner  Bestimmung 
nach  nur  ein  in  Rücksicht  auf  die  Fabrikation  und  den  Handel 
der  Röhren  ersonnenes,  während  dem  neuen  Systeme  andere 
juristische  Motive  zu  Grunde  lagen,  welche  die  gesetzliche  Rege- 
lung und  Ueberwachung  der  Wasservertheilüng  bezweckten.  Beiden 
gemeinsam  war  nur  der  gleiche  Ausgangspunkt,  die  Quinaria. 
Für  die  Wasservertheilüng  selbst  war  das  Vitruv'sche  System 
dagegen  nicht  sehr  geeignet,  dieser  Vorwurf  trifilt  aber  den  ersten 
Theil  des  offiziellen  Frontin^schen  Systems  in  dem  gleichen  Masse, 
da  sie  beide  auf  einem  gleichmässigen  Zuwachs  einer  linearen 
Grundlage  (Umfang,  Durchmesser)  beruhen,  dem  nur  dann  ein 
rechnungmässig  einfacher  Zuwachs  des  Querschnittes  entspricht, 
wenn  der  Zuwachs  der  linearen  Grundlage  einer  Verdoppelung 
oder  Verdreifachung  u.  s.  w.  entspricht. 

Es  ist  nun  aber  wunderbar,  dass  dieses  Frontin*eche  neue 
System  gerade  da  wieder  aufhört,  wo  es  eigentlich  an fängt[prak tisch 
verwerthbar  zu  werden,  nämlich  von  der  Vicenaria  an,  von  der 
aus  immer  in  solchen  Stufen  von  5  zu  5  Einheiten  aufgestiegen 
wird,  und  wir  gerade  hier  das  alte  vor-Vitruv'sche  System  in  Gel- 
tung sehen,  das  zu  der  Quinarie  nicht  in  einfachem  rechnerischen 
Verhältniss  steht.  Es  zeigt  uns  dieser  Umstand  recht  deutlich,  was 
das  neue  System  eigentlich  bedeutet.  Offenbar  hatte  die  Quinaria, 
allein  von  dem  ganzen  Vitruv'schen  System   als    das  Grondmaes 


tJeber  den  Veriaseer  der  X  libri  de  Architectora  Sl 

der  Wfieeerabgabe  geeetzliche  Gültigkeit  und  Anerkennung  ge- 
funden, dagegen  war  im  Uebrigen  das  alte  Mass  des  Digitue  qua- 
dratue  in  Gebrauch  geblieben,  wenn  sich  auch  daneben  ein  Usus 
entwickelt  hatte,  nach  Multiplen  der  Qninaria  zu  rechnen  (of. 
Front.  27).  Dae  neue  System  iet  nichts  weiter  als  ein  Versuch, 
diese  Maessysteme  mit  einander  zu  verknüpfen,  und  dieser  Ver- 
such ist  nur  in  recht  äusserlicher  Weise  durchgeführt  durch  das 
Mittelglied  der  Vicenaria,  in  der  beide  Systeme  zufällig  annähernd 
zusammentrafen. 

Das  Vitruv'sche  System,  das,  wie  wir  vorhin  erörtert  haben, 
eigentlich  nur  einen  handelspraktischen  Werth  hatte,  konnte  neben 
diesem  juristischen  Masssystem,  das  sich  auf  die  Aichung  der 
Calices  bezog,  ruhig  nebenher  bestehen  und  wird  auch  weiter  be- 
standen haben,  denn  so  unpraktisch  werden  weder  Faventin  noch 
Palladius  gewesen  sein,  dass  sie  ihrer  Quelle  etwas  entnahmen, 
was  für  ihre  Zeit  werthlos  gewesen  wäre.  Man  sieht,  es  ist 
auch  hier  kein  Grund  zu  irgend  welchen  Vorwürfen  gegen  den 
Techniker  Vitruv. 

Dass  man  S.  207,  2  mit  Rose  sicilico  statt  semipede  schreiben 
niusB,  ist  eigentlich  so  selbstverständlich,  dass  man  sich  wundern 
muss,  wie  Jemand  dagegen  überhaupt  etwas  einzuwenden  haben 
kann ;  wenn  je  eine  Conjektur  richtig  war,  so  ist  es  diese.  Dass 
die  Verderbniss  alt  ist,  beweisen  die  £pitome  und  Palladius,  die 
pede  semis  beziehungsweise  sesquipede  haben.  Die  Erklärung, 
die  Ussing  von  der  Palladiasstelle  giebt,  ist  unmöglich,  denn 
sensim  heisst  nicht  um  ein  Geringes  sondern  allmählich, 
nach  und  nach.  Ans  der  Epitome  und  aus  Palladius  ist  eben 
der  Fehler  nicht  mehr  wegzubringen,  da  sie  ihn  bereits  über- 
nommen hatten. 

Ueber  die  Stellen  im  33.  Buche  würden  wir  nach  dem 
oben  begründeten  Standpunkte  hinweggehen  können,  da  wir  un- 
bedenklich zugeben  können,  dass  die  hier  vorkommenden  Paral- 
lelen nicht  aus  Vitruv  stammen.  Es  würde  auch  wunderbar  sein, 
wenn  Plinius  gerade  für  die  Farben  Vitruv  als  Quelle  benutzt  haben 
sollte.  Plinius  weiss  hier  auch  viel  mehr  als  Vitruv.  Er  kennt 
zwei  Arten  von  Minium,  den  Bergzinnober  und  die  Mennige,  die 
durch  Rösten  von  Bleioxyden  hergestellt  wird.  Er  weiss,  dass 
mit  dem  zweiten  in  Rom  Schwindel  getrieben  wird,  indem  es  statt 
des  echten  Zinnobers  verkauft  wird.  Er  fällt  aber  trotzdem  auf 
dieselben  Schwindelproben  hinein,  welche  die  Güte  des  echten 
Zinnobers    beweisen  sollen,    aber  nur  dür  die  Mennige  zutrefifeni 


32  Degering 

und  auf  die  auch  Vitruy  hineingefallen  ist,  der  den  ünterecbied 
zwiechen  Bergzinnober  und  Mennige  überhaupt  nicht  kennt 

Dass  bei  Plinius  121  mit  invenio  et  caice  adolterari  eine 
neue  Quelle  einsetzt  und  zwar  dieselbe,  die  auch  Vitruy  benutzte, 
liegt  auf  der  Hand.  Die  Stelle  bei  Plinius  lautet:  invenio  et 
calce  adulterari,  ao  simili  ratione  ferri  oandentis  lamna,  ei  non 
sit  purum  (aurum  codd.)  deprehendi.  inlito  solis  at^ue  lunae 
contactus  inimicus,  remedium  ut  pariete  eiccato  cera  Punica  cum 
oleo  liquefacta  candens  saetis  inducatnr  iterumque  admotie  gallae 
(sie  codd.)  carbonibus  inuratur  ad  sudorem  neque,  poetea  cande- 
lis  subigatur  ac  deinde  linteis  puris,    sicut  et  marmora  niteecunt 

Dem  entspricht  bei  Yitruv:  Vitiatur  mininm  admixta 
calce.  Itaqne  si  qui  velit  experiri  id  sine  vitio  esse,  sie  erit 
faciendum.  Ferrea  lamna  sumatur,  eo  minium  imponatur,  ad  ignem 
conlocetur  donec  lamna  candescat.  Cum  e  candore  color  mutatus 
fuerit  eritque  ater,  tollatur  lamna  ab  igni  et  sie  refrigeratum  ei 
restituatur  in  pristinum  colorem,  sine  vitio  esse  probabitur,  sin 
autem  permanserit  nigro  colore,  eignificabit  se  esse  vitiatum, 
und  die  Geschichte  vom  Faberius  scriba  —  at  si  qui  sub- 
tilior  fuerit  et  voluerit  expolitionem  miniaceam  suum  colorem 
retinere,  cum  paries  expolitus  et  aridus  fuerit,  ceram  punioam 
igni  liquefactam  paulo  oleo  temperatam  saeta  inducat,  deinde  poetea 
carbonibus  in  ferreo  vase  compositis  eam  ceram  a  proximo  cum 
pariete  calfaciundo  sudare  cogat,  faciatque  (fiatque  codd.)  ut 
peraequetur,  deinde  tunc  candela  linteisque  puris  subigat,  uti  eigna 
marmorea  nuda  curantur. 

Nicht  Plinius  ist  aber  der  genauere,  sondern  Vitruv.  Mennige 
erhitzt,  wird  schwarz  und  wird  wieder  roth,  so  bald  sie  sich  ab- 
kühlt, ob  ein  Kalkzusatz  irgend  welcher  Art  stattfindet,  sei 
es  Calciumhydrat,  kohlensauer  Kalk  oder  Gyps,  das  macht,  wie 
ich  selbst  probirt  habe,  nichts  aus.  Zinnober  dagegen,  mit  oder 
ohne  diese  Zusätze,  zersetzt  sich  bei  der  Erhitzung  und  bildet 
ein  schmutzig- dunkelbraunes  Pulver,  das  nicht  wieder  roth  wird 
beim  Erkalten.  Die  Probe  ist  also  offenbar  nichts  weiter  als  ein 
Schwindel  seitens  der  Mennige-Fabrikanten.  Vitruv  hat  davon  keine 
Ahnung,  sondern  hält  die  Mennige  wirklich  für  echten  Zinnober, 
Plinius  aber,  der  den  Unterschied  kennt,  da  man  offenbar  in- 
zwischen und  wohl  erst  seit  kurzer  Zeit  hinter  diesen  Fabrika- 
tionsschwindel gekommen  war  (hoc  est  secundarium  minium  per- 
quam  paucis  notum  ΧΧΧ1Π  119)  sündigt  aus  ürtheilslosigkeit, 
wenn  er  trotzdem  diese  Schwindelproben  aufnimmt 


üeber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architeotara  33 

Aaeh  im  zweiten  Theile  kann  es  eich  de  facto  nur  um 
Mennige /handeln,  die  unter  Mitwirkung  des  Sonnenlichtes  durch 
die  ammoniakhaltigen  Ausdünstungen  der  Abortgruben,  woran  es 
im  Plebejerviertel  Korns  wohl  nicht  gefehlt  haben  wird,  allmählich 
zersetzt  wird.  Die  von  Vitruv  und  Plinins  beschriebene  Sohutz- 
decke  von  Wachs  ist  jedenfalls  als  Mittel  dagegen  sehr  zweck- 
mässig. Für  die  Erklärung  der  Plinianischen  Fassung!  füge  ich 
noch  hinzu,  dass  gallae  Dativ  sein  muss  und  nicht  Genetiv. 
Admotis  gallae  carbonibus  ist  gleich  admotis  carbonibus  ad  gallam 
nnd  galla  bedeutet  die  Haut,  die  Oberfläche.  In  dieser  Be- 
deutung existirt  das  Wort  noch  heute  im  Italienischen  in  sprich- 
wörtlichen Redensarten  siare  α  galla^  rimanere  α  galla.  Es  findet 
sich  aber  auch  bei  Maorobius. 

Die  Stelle  U  6  lautet  folgend ermassen:  Post  hunc  Caecina 
Albinus  Plauens  in  judicio  forte  amici  cum  molestum  testem 
destrnere  vellet,  interrogavit,  quia  sutorem  sciebat,  quo  artificio 
se  tueretur.  ille  urbane  respondit  gallam  subigo,  sutorium  hoc 
habetur  instrumentum  quod  non  infacete  in  adulterii  ezprobrationem 
ambiguitate  convertit.  nam  Plauens  in  Maevia  Galla  nupta  male 
audiebat.  Macrobius  kennt  also  das  vulgäre  Wort  offenbar,  selbst 
nicht,  denn  das,  was  er  davon  sagt  sutorium  instrumenlum  Jiabetur, 
ist  sicherlich  falsch,  denn  für  eine  solche  Bedeutung  haben  wir 
sonst  nicht  das  geringste  Zeugniss ;  auch  passt  die  Construktion 
des  Witzwortes  ja  garnicht  dazu  —  gallam  subigere  kann  doch 
nur  heissen  ^etwas  glattstreichen  d.  h.  entweder  etwas  (eine 
Tinctur)  auf  einen  Gegenstand  durch  Streichen  glatt  aufbringen 
oder  etwas  (einen  Gegenstand)  durch  Streichen  glätten.  Die 
richtige  Pointe  des  Witz  wertes  ergiebt  sich  eben  erst  wenn 
galla  die  Haut,  das  Leder  bedeutet.  Mit  Galläpfelsaft  arbeitet 
nicht  der  Schuster,  sondern  der  Gerber.  Wohl  aber  ist  das 
Walken  des  Leders  eine  wesentliche  Beschäftigung  des  Schusters. 
Im  35.  Buche  hört  selbstverständlich  das  Capitel  über  das 
Atramentum  41.  42  nicht  zu  dem  aus  Vitruv  entnommenen  Gute, 
die  Benutzung  beginnt  erst  da,  wo  wirklich  Vitruv  als  Autorität 
in  Frage  kommt,  nämlich  bei  dem  Capitel  über  die  Ziegelfabrikation 
170—173. 

Vitr.  Π,  3,  1  codd.  Plin.  35,  170  f.  codd, 

non  enim  de  harenoso  neque  Lateres  non  sunt  ex  sabuloso 

calculoso  luto  neque  sabulonoso      neque  harenoso  multoque  minus 
luto     sunt     duoendi     quod    ex      calculoso  ducendi  solo  — 
bis  generibus  etc.  (Begründung), 

Kbeio.  MuB.  t  Philol.  N.  V.  LVU.  '^ 


34  Degering 

faciendi  autem  sunt  ex  terra  sed  e  cretoso  et  albioante  aut 
albida  cretosa  sive  de  rubrica  ex  rubrica  vel  etiam  e  sabulo, 
aut  etiam  masculo  eabulone.  mascnlo  certe. 

Die  Uebereinstimmung  beider  Stellen  ist  so  gross,  dass  wir 
die  handschriftliche  Lesung  der  einen  aus  der  anderen  berichtigen 
können.  Bei  Vitruv  ist  mit  Rose  statt  sabulonoso  luto,  eabulone 
soluto  zu  schreiben  cf.  VIII  1,  denn  ihm  wird  ein  anderer  sabulum 
oder  eabulo  nachher  bei  Plinius  und  Vitruv  entgegengesetzt.  Bei 
Plinius  ist  das  sinnlose  certe  am  Ende  zu  streichen  uud  dafür 
hinter  rubrica  creta  einzusetzen,  das  vom  Rande  her  an  falscher 
Stelle  eingesetzt  und  zu  certe  verderbt  worden  ist.  rubrica  allein 
stehend  ist  der  rothe  Ocker,  ein  Farbstoff.  Bei  Vitruv  ist  zu 
rubrica  terra  cretosa^  bei  Plinius  solo  zu  cretoso  et  albicante  (im 
Gedanken)  zu  ergänzen. 

Wovon  hier  aber  die  Rede  ist,  das  ist  nur  der  ungebrannte 
Ziegel,  der  Luftziegel  und  Nichts  weiter.  Das  ganze  Capitel 
Vitr.  11  3  handelt  nur  von  solchen,  aber  ebenso  auch  Plinius 
170 — 173.  Eine  Verwechslung  von  gebrannten  und  ungebrannten 
Steinen  ist  von  Seiten  Vitruvs  sowohl  wie  von  selten  Pliniue' 
völlig  ausgeschlossen.  Das  Material  des  Palastes  des  Mausolus 
und  des  Palastes  der  Attaliden  muss  also  eben  der  Luftziegel  ge- 
wesen sein.  Ussing  freilich,  obwohl  er  S.  113  ausdrücklich  an- 
erkannt hat,  dass  der  ganze  Abschnitt  nur  von  Luftziegeln  rede, 
hat  das  auf  der  folgenden  Seite  bereite  vergessen,  und  meint, 
Plinius  gehe  hier  (§  171)  stillschweigend  zu  gebrannten  Steinen 
über.  Noch  weniger  thut  das  aber  Vitruv  in  den  entsprechenden 
Partien  II  8,  9  —  17,  denn  er  setzt  der  latericia  structura  am 
Schlüsse  derselben  ausdrücklich  die  structura  testacea  gegenüber, 
deren  Verwendung  er  hier  und  im  Folgenden  auf  Pfeiler  und 
einen  oberen  Schutzrand  für  Luftziegelmaiiern  beschränkt  wissen 
will,  während  er  den  Backsteinmauerbau  nur  mit  vorsichtiger 
Reserve  empfiehlt.  Vitruv  sagt:  De  ipsa  autem  testa  si  sit  op- 
tima seu  vitiosa  ad  structuram  statim  nemo  potest  judicare,  quod 
in  tempestatibus  et  aestate  (aetate  Rose)  in  tecto  cum  est  conlo- 
cata,  tunc  si  est  iirma  probatur.  namque  quae  non  fuerit  ex 
creta  bona  aut  parum  erit  cocta,  ibi  se  ostendit  esse  vitioeam 
gelicidiis  et  pruina  tacta.  ergo  quae  non  in  tectis  poterit  pati 
laborem,  ea  non  potest  in  structura  oneri  ferendo  esse  firma. 
quare  maxime  ex  veteribus  tegulis  testa  structi  parietes  firmitatem 
poterunt  habere. 

Ich  habe  Gelegenheit  gehabt,  in  Rom  und  Pompeji  genauere 


Üeber  den  Verfaseer  der  X  libri  de  Architectura  B5 

üntersuohungen  über  den  Umfang  and  die  Entwickelung  des 
Backstein banes  anzustellen  and  bin  dabei  zu  dem  für  mich  nicht 
überraschenden  Resultate  gekommen,  dass  die  Vitruy'schen  Be- 
merkungen absolut  richtig  sind.  Wenn  man  dieselben  freilich 
mit  Ussing  so  auffasst,  als  behaupte  Vitruv,  man  solle  die  zu 
einem  Bau  zu  verwendenden  Backsteine  erst  auf  dem  Dache  deu 
Unbilden  der  Witterung  aussetzen  und  sie  so  prüfen,  so  wäre 
das  freilich  eine  Thorheit,  die  eines  Architecten  und  Fachmannes 
durchaus  unwürdig  wäre.  Aber  diese  Thorheit  begeht  eben  nicht 
Vitruv  sondern  neuere  Erklärer,  wie  Schultz  und  Ussing.  Vitruv 
sagt  nur,  dass  das  beste  und  sicherste  Material  für  Backstein- 
mauern aus  alten  Dachziegeln  genommen  würde,  da  diese  bereits 
auf  ihre  Festigkeit  und  Wetterbeständigkeit  geprüft  seien,  während 
man  bei  frisch  gebrannten  Steinen  nie  wissen  könne,  ob  sie  aus  gutem 
Material  hergestellt  und  richtig  gebrannt  worden  seien,  also  sich 
haltbar  erweisen  würden.  £r  traut  dem  Backsteinbau  also  noch 
nicht.  So  kann  natürlicherweise  ein  Architekt  cur  schreiben,  wenn 
zu  seiner  Zeit  wirklich  der  Backsteinbau  ernt  in  ganz  geringem  Um- 
fange zur  Verwendung  gelangt  und  es  an  der  nöthigen  Erfahrung 
diesem  Material  gegenüber  fehlte.  Dass  dem  aber  zu  Augusteischer 
Zeit  so  war,  lässt  sich  mit  Sicherheit  nachweisen. 

So  lange  man  freilich  die  Pantheonsrotunde  für  agrippinisch 
also  augusteisch  ansah,  hielt  es  schwer,  sich  mit  diesem  Passus 
abzufinden,  jetzt  aber  wo  daran  kein  Einsichtiger  mehr  glaubt, 
wird  man  vorurtheilsfreier  dieser  Frage  gegenüberstehen.  In 
Pompeji,  um  mit  dem  Sichersten  zu  beginnen,  sind  die  meisten 
mit  Hilfe  von  gebrannten  Ziegeln  hergestellten  Bauten  später  als 
das  Erdbeben.  Namentlich  wo  es  sich  um  ganze  Wände  aus 
Ziegelmaterial  handelt,  wie  beim  Vespasianstempel,  beim  Hause 
der  Eumachia,  den  Gurien,  sind  diese  Wände  stets  nach  63 
zu  datiren.  Α  elter  sind  in  einigen  wenigen  Fällen  Pfeiler  und 
Säulen  oder  auch  Eckwandpfeiler  und  Thüreinfassungen.  Das 
Material  hierzu  ist  aber  in  Pompeji  ausnahmslos  Dachziegel- 
bruchstein, niemals  besonders  geformter  Mauerziegelstein.  Auch 
die  Ziegelsäulen  der  Basilika  sind  meiner  Ansicht  nach  nicht  aus 
besondere  geformten  und  dann  gebrannten  Steinen  gebaut,  sondern 
die  Stücke  sind  ebenfalls  aus  solchen  Ziegeln  znrecht  geschlagen, 
wie  sie  in  der  Basilika  auch  sonst  gefunden  sind,  mit  dem  Stempel 
BhTTVTT  IH.  Das  beweist  die  übereinstimmende  Dicke  und  die 
absolute  Regellosigkeit  in  der  Grösse  der  Stücke,  aus  denen  die 
Säulen  zusammengesetzt  sind,  die  sich  doch  beim  Gebrauche  einer 


Form  garnicht  er- 
kl&ren  ]ieeee.  Eben- 
so sind  anch  die 
Pfeiler  und  Ant«n 
der  ZwiecbeDW&nd 
Ewieohen  Torhalle 
und  Hanptratiin  λοβ 
Bolchem  Ziegelmate• 
rial  anfgeftthrt.  fiaod- 
otiicke  nod  Stücke 
mit  ReBten  obiger  lo- 
Bohrift  beweieen  daa 
mit  abiolnter  Sicber- 
beit.  Vielleicht  ver- 
wendete man  bier 
den  Äbfoll,  der  sich 
bei  der  Znrichtnng 
dee  Süalenmateriala 
ergab.  Wirklich  ge- 
formtes Ziegelmate- 
rial findet  eioh  nnr 
in  den  Boden  lagen 
nnd  zwar  in  den  Pfei- 
lern and  Platten  der 
HypokaoBten  and  in 
den  tegniae '  hamatae 

1  £■  liegt  keine  Ter- 
anlaaenug  daEnror.du 
überlieferte  amataeB 
hamatae  bei  Yttmr  nnd 
Plinioi  36  in  mamma- 
tae  EQ  corrigiren,  e• 
giebt  iowobl  hamatae 
wie  memmatae  tega• 
lae;  beide  Arten  kann 
man  in  den  Pompe- 
janer  grossen  Ther- 
men beobachten.  Die 
tegulae  hamatae  Bind 
Platten,  welche  an  je- 
der Ecke  einen  Zapfen 


Ueber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architeotara  37 

und  mammatae  der  Luftheizungen,  die  ja  aber  auch  auedrücklich 
als  eine  nene  Erfindung  jener  Zeit  bekannt  eind.  Eigenartig  ist 
das  Verfahren,  das  man  in  Pompeji  bei  der  Construction  von 
Bogen  aus  solchem  Ziegelbruch  angeblendet  hat  z.  B.  bei  den 
Backöfen. 

Hier  sind  die  seitHch  aufgebogenen  Ränder  der  Ziegel, 
welche  nach  der  oberen  Untereteckeeite  zu  schmäler  werden,  in 
der  Vorderfläche  des  Bogens  so  neben  einand ergestellt,  dass  ihre 
keilförmige  Gestalt  sich  in  natürlicher  Weise  der  Krümmung  des 
Bogens  anpasst.  Aber,  um  das  noch  einmal  zu  wiederholen,  stets 
fand  ich  nur  Dachziegelbruchstücke  verwendet,  nie  ganze  Ziegel 
oder  gar  eigens  zu  dem  vorliegenden  Zwecke  geformtes  Material. 
Ebenso  ist  es  aber  in  Rom  in  Augusteischer  Zeit,  und  wenn 
hier  auch  wohl  früher  als  in  Pompeji  Mauerziegel  geformt 
wurden,  so  glaube  ich  doch  mit  aller  Bestimmtheit  behaupten 
zu  dürfen,  dass  auch  in  römischem  Ziegelwerk  vor  der  zweiten 
Hälfte  des  1.  nachchristlichen  Jahrhunderte  Mauerziegel  nicht 
vorkommen.  In  Rom  ist  dies  Verhältniss  ja  schwerer  zu  über- 
sehen, weil  hier  von  Privatbauten  älterer  Bauperioden  eben  nur 
wenig  übrig  geblieben  ist,  aber  wo  man  Reticulat  mit  Ziegel- 
pfeilern antrifft,  wie  z.  B.  neben  der  nova  via^  in  der  sogen,  domus 
Gelotiana  und  dem  oberen  Theile  der  domus  Liviae,  da  kann  man 
dieses  Ziegelwerk  bestimmt  nicht  über  die  erste  Hälfte  des  ersten 
Jahrhunderts  hinaufrtioken,  und  hier  ist  ausnahmslos  dieselbe 
Technik  angewendet  wie  in  Pompeji.  Wann  das  eigentliche 
Ziegelmauerwerk  in  Italien  erfunden  ist,  das  wird  sich  ohne  ausge- 
dehntere Untersuchungen  nicht  feststellen  lassen.  Der  Entwick- 
lungsgang scheint  der  zu  sein,  dass  man  zunächst  dazu  überging, 
Plattenziegel  ohne  aufgebogenen  Rand  herzustellen,  um  der  Ver- 
wendung der  unbequemen  Randstücke  überhoben  zu  sein,  dann  er- 


oder  Haken  haben,  um  dessen  Länge  sie  von  der  Wand  abstehen,  an 
welcher  sie  mittelst  Bronzenagel  befestigt  werden.  Die  tegulae  mam- 
matae bedeuten  gegen  diese  bamatae  einen  technischen  Fortschritt. 
Nämlich  bei  der  Befestigung  der  te^fulae  hamatae  konnte  es  leicht  vor- 
kommen, dass  man  mit  einem  zu  kräftigen  Schlage  den  Ziegel  bei 
der  Befestigung  auf  der  Wand  zerbrach,  da  der  Schlag,  wie  man  aus 
der  Skizze  bei  a  ersieht,  gegen  eine  ununterstützte  Stelle  des  Ziegels 
geführt  wurde.  Diesem  Debelstande  begegnet  die  Construktion  der 
mammatae  auf  das  glücklichste,  da  hier  die  Schlagstelle  b  durch  den 
Zapfen  verstärkt  ist. 


38  Degering 

fand  man  die  Auegleichangsschichten  durchlaufender  und  duroh- 
bindender  Plattenreihen.  Jedenfalls  aber  sind  die  Dreieckziegel 
wohl  kaum  früher  als  aus  dem  2.  Jahrhundert.  Im  Ganzen 
und  Grossen  ist  das  römische  Ziegelmauerwerk  aber,  von 
Pfeilern  und  Gurtbögen  abgesehen,  die  aus  ganzen  Platten- 
ziegeln mit  versetzten  Fugen  hergestellt  werden,  eigentlich 
immer  beim  Ziegelgusswerk  geblieben.  Der  Dreieckeziegel 
verdankt  aber  seine  Erfindung  offenbar  der  häufigen  Vier- 
theilung der  grossen  Platten  durch  zwei  Diagonalen,  wobei  man 
dann  vier  Theile  mit  gleichen  glatten  Rändern  erhielt,  die  sich 
zur  Verwendung  in  der  Aussenfläche  des  Mauerwerkes  eigneten. 
Auf  die  Herleitung  der  Ziegeltechnik  aus  diesen  Ursprüngen 
möchte  ich  auch  die  ganz  unrationelle  geringe  Dicke  des  römi- 
schen Ziegelmaterials  zurückführen. 

Hiermit  ist  aber  wieder  einem  der  wichtigsten  Beweisgründe 
Ussings  gegen  den  Techniker  Vitruv  der  Boden  entzogen. 

Dass  Vitruv  in  dem  Abschnitt  über  Ziegelfabrikation  von 
Plinius  benutzt  ist,  dagegen  können  auch  die  kleinen  Abweichungen, 
die  Ussing  mit  Oehmichen  hier  conetatirt,  nicht  beweisend  sein. 
Ob  bei  Plinius  aedis  Jovis  et  Hereulis  nach  Vitruv  zu  scbreiben 
ist  oder  umgekehrt  bei  Vitruv  in  aedibus  Jovis  et  Hereulis,  das 
lässt  sich  nicht  entscheiden.  Et  Mevaniae  ist  nur  Conjectnr  von 
cod.  B.,  für  die^  da  die  anderen  Handschriften  eum  aevaginae 
haben,  andere  Conjecturen,  z.  B.  aevi  magni  oder  ex  aevo  magno 
oder  dergl.  (cf.  Vitr.  vetustum),  vielleicht  berechtigter  sind. 

Im  86.  Buche  scheidet  natürlich  §  47  aus  der  Zahl  der 
£xcerpte  aus,  da  VitruΛ'  dem  Index  nach  erst  gegen  den  Schlnss 
des  Buches  benutzt  ist  und  der  ganze  §  47  ganz  wohl  eine  selb- 
ständige Notiz  von  Plinius  aus  der  Erinnerung  sein  kann,  zu 
der  er  eventuell  die  Jahreszahl  in  irgend  einem  chronologischen 
Werke  nachschlug.  Dagegen  ist  von  §  176  ab  ohne  Zweifel  Vitruv 
benutzt,  denn  die  Abweichungen,  die  Plinius  hat,  lassen  sich  ganz 
ungezwungen  durch  die  veränderte  Stellung  erklären,  die  der  Tuff 
als  Baumaterial  inzwischen  erhalten  hatte,  der  eigentlich  nur  noch 
im  Reticulat  und  in  Fundament-Unterbauten  Verwendung  findet, 
während  ihn  aus  den  Pfeilern  der  Travertin  und  das  Ziegelmauer- 
werk  verdrängt  hatten.  Deshalb  lässt  Plinius  die  schlechteeten 
localen  Tuffsorten,  die  Rubrae  und  Pallenses,  ganz  fort  und  er- 
wähnt von  den  anderen  nur  die  Hauptarten. 

Der  Stein  von  Statonia  ist  nach  den  im  Mnseo  archeologico 
zu  Florenz    befindlichen  Sculpturen  zu    urtheilen   ein  ganz  heller 


Ueber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architectura  39 

Kalkstein,  der  echlechterdings  nicht  mit  dem  Albaneretein,  dem 
Peperin,  sondern  nur  mit  dem  Travertin  zu  vergleichen  ist; 
wer  hier  das  Versehen  verursacht  hat,  Vitruv  selbst  oder  der 
Schreiber,  das  dürfte  schwer  zu  entscheiden  sein.  Möglich  wäre 
es,  dass  Albanae  aus  Tiburtinae  durch  Ueberschreiben  von  albae 
entstanden  ist,  sodass  also  zu  schreiben  wäre  colore  quemad- 
modum  Tiburtinae  albae.  Liegt  aber  ein  Versehen  von  Seiten 
Vitruvs  vor,  so  war  e«  für  PliniuB  nicht  unmöglich,  dieses  Ver- 
sehen zu  berichtigen. 

Was  Plinius  §  170  vom  lapis  dubius  sagt,  ist  bei  Vitruv 
nicht  auf  alle  Steine  überhaupt  ausgedehnt,  wie  Ussing  be- 
hauptet, sondern  wird  ausdrücklich  nur  von  den  schlechten  lo- 
kalen Tnffarten,  speciell  den  Kubrae  und  Pallenses,  gesagt.  Was 
Ussing  hier  mag  gelesen  haben,  weiss  ich  nicht;  noch  unver- 
ständlicher aber  ist  seine  Behandlung  v.  Plin.  36, 173.  Vitruv  VIII 
14  — 15.  Der  Passus  beginnt  bei  Vitruv  mit  den  Worten:  sin 
autem  loca  dura  erunt  aut  nimium  venae  penitus  fuerint,  tunc 
signinis  operibus  ex  tectis  aut  superioribus  locis  excipiendae  sunt 
copiae.  Dazu  schreibt  Ussing  Folgendes:  Aber  er  (Vitruv)  spricht 
nicht  von  Cistemen,  welche  er  überhaupt  nicht  kennt,  sondern 
von  Brunnengraben.  Es  sind  Brunnenwände  und  Böden^  welche 
er  mit  dem  erwähnten  Cemeutmauerwerk  bekleidet,  das  er  opus 
signinum  nennt.  Nachdem  er  dies  so  gut  wie  er  es  gewohnt 
ist  beschrieben  hat,  da  hat  er  rein  vergessen,  worüber  er  ge- 
sprochen hat,  und  während  Plinius  von  Cisternen  sagt,  wie  es 
ganz  richtig  ist,  utilius  geminas  esse  ut  in  priore  vitia  considant 
atque  per  colum  in  proximam  transeat  pura  aqua,  schreibt  Vitruv 
§  15  gedankenlos (?):  ea  (was?)  si  duplicia  aut  triplicia  facta 
fnerint  uti  percolationibus  transmutari  possint,  multo  salubriorem 
et  suaviorem  aquae  usum   efficient  etc. 

Diese  Behauptungen  sind  geradezu  ungeheuerlich  und  man 
kann  nur  annehmen,  dass  Ussing  dieselben  niedergeschriebeo 
hat,  ohne  den  Vitruvtext  selbst  einzusehen,  denn  wer  den  oben 
angeführten  Satz  vor  Augen  hat,  kann  unmöglich  behaupten, 
dass  hier  nicht  von  Cisternen  die  Rede  sei.  Der  ganze  Zu- 
sammenhang von  Capitel  12 — 15  ist  folgender:  Da  wo  keine 
Quellen  vorhanden,  aus  denen  man  das  Wasser  zur  Stadt  leiten 
kann,  da  muss  man  andere  Wege  der  Wasserversorgung  ein- 
schlagen. Einmal  kann  man  Brunnen  graben  (natürlicherweise 
in  der  Stadt  selbst).  Hierbei  ist  Vorsicht  geboten,  wegen  der 
(oamentlich   in    der  Campagna    so    häufig    auftretenden)    giftigen 


40  Degering 

Brunnengase  (Kohlensäure,  Snmpfgas).  Hat  man  aber  den  Brannen- 
echacbt  fertig,  so  mauere  man  ibn  mit  unverbundenem  Manerwerk 
aus.  Wenn  jedocb  der  Boden  zu  hart  ist  (oder  die  Gegend,  in 
der  die  Stadt  liegt,  zu  arm  an  Grund wasBer)  (und  man  also  ans 
diesen  Gründen  keine  Brunnen  anlegen  kann),  eo  nehme  man, 
zum  ultimum  refugium  seine  Zuflucht,  zum  Cieternenbau,  oder,  wie 
Yitruv  sich  auedrückt,  dann  mues  man  Eegenwaseer  von  den 
Dächern  oder  höher  gelegenen  Punkten  her  in  signinie  operibus 
auffangen.  Der  Satz  ea  autem  —  efficient  ist  sprachlich  nnge- 
schickt,  sachlich  aber  durchaus  richtig,  nti  percolationibus  trans- 
mutari  possint  bezieht  sich  nur  auf  triplicia.  Der  Satz  müeete 
genauer  also  eigentlich  folgen dermassen  lauten:  Ea  autem  si 
duplicia  facta  fnerint  (aut  triplicia  uti  percolationibus  transmu- 
tari  possint)  multo  salubriorem  etc.  Gedankenlos  ist  das  durch- 
aus nicht,  aber  selbstverständlich  ganz  etwas  anderes,  als  was 
Plinins  sagt,  oder  besser  gesagt,  es  ist  mehr  als  Pliniue  giebt 
Dem  Plinianischen  Satze:  ut  in  priore  considant  atque  per  colum 
in  proximum  transeat  pura  aqua  entspricht  sachlich  bei  Vitruv 
erst  der  Satz:  limus  enim  cum  habuerit  quo  subsidat,  limpidior 
fiet  et  sine  odoribus  conservabit  saporem.  Die  Anlagen,  von  denen 
hier  aber  gesprochen  wird,  sind,  um  keinen  Irrthum  aufkommen 
zu  lassen,  nicht  etwa  als  Filterbassins  in  modernem  Sinne  auf- 
zufassen, sondern  Elärbassins,  in  denen  sich  die  Sinkstoffe  ab- 
setzen. Auch  handelt  es  sich  bei  Vitruv  nicht  um  die  Anlage 
von  drei  solchen  Bassins  hintereinander,  sondern  um  zwei  neben- 
einander liegende  Elärbassins  hinter  dem  einen  Schöpfbassin,  damit 
man  die  ersteren  abwechselnd  reinigen  könne.  Das  transmutari 
wird  bei  Vitruv  nur  intransitiv  verwendet,  uti  percolationibus 
transmutari  possint  ist  also  zu  übersetzen:  damit  man  mit  den 
Klärbassins  abwechseln  könne. 

Von  besonderer  Schwierigkeit  ist  die  Frage  nach  der  Stuck- 
bearbeitung; Vitr.  YU  3,  5  Plinius  §  176  und  mit  ihm  überein- 
stimmend die  Epitome  §  22  und  Palladius  115  reden  nur  von 
2  Schichten  Marmorstuck  über  den  drei  Sandmörtelschichten,  Vi- 
truv dagegen  scheint  auch  drei  Stuckschichten  zu  verlangen.  Es 
scheint  deshalb  zunächst,  als  ob  hier  wirklich  Plinius  auf  eine 
andere  Quelle  als  Vitruv  zurückginge;  auf  dieselbe  Quelle  müseten 
dann  aber  auch  die  Epitome  und  Palladius  über  Vitruv  hinweg 
zurückgreifen.  Das  letztere  ist  aber  doch  durchaus  unwahrschein- 
lich, zumal  die  wörtliche  Uebereinstimmung  zwischen  der  Epitome 


Üeber  deD  Verfasser  der  X  libri  de  Architeotura  41 

und  Paladins  einerseite  und  Vitrav  andereeita  bis   auf  den  glatt 
herans  zu  schneidenden  Zusatz  vollständig  ist. 

Epitome:  inarescente  induotione  alterum  corium 

Palladius:  granimarmoris  ind actio  cum  sicoari  inceperit,  aliud  corium 

Vitrav:  inarescente  inductione  alterum  corium  mediocre 

Epitome: 

Palladius : 

Vitruv :  [dirigatur.    Id  cum  subactum  fuerit  et  bene  fricatum] 

Epitome:  subtilius  inducatur. 

Palladius:  subtilius  oportet  imponi. 

Yitruv:  subtilius  inducatur. 

Man  würde  ja  dem  Epitomator  Faventin,  der  doch  von  der 
Sache  selbst  etwas  verstehen  musete,  vielleicht  eine  solche  Ver- 
einfachung zutrauen  können,  aber  dann  wäre  es  doch  wunderbar, 
dass  diese  sachliche  Vereinfachung  stilistisch  durch  einen  solch' 
glatten  Schnitt  ausgeführt  ist.  So  ist  es  mir  denn  nicht  zweifel- 
haft, dass  hier  im  Vitruvtext  von  unberufener  Hand  ein  Einschub 
gemacht  worden  ist,  und  zwar  glaube  ich  auch  die  Veranlassung 
dazu  nachweisen  zu  können.  Die  Verbindung  et  item  zumal  in  der 
Bedeutung  ei  totidem  ist  verdächtig,  sie  kommt  sonst  nur  einmal 
1255  "^or  und  dürfte  auch  dort  schwerlich  richtig  sein,  vielmehr 
eiiam  dafür  einzusetzen  oder  et  zu  streichen  sein.  An  der  hier  zu 
erörternden  Stelle  jedoch  scheint  das  Compendium  von  item  aus 
dem  Zahlzeichen  II  =  duobus  verlesen  und  dadurch  dann  die  Inter- 
polation veranlasst  zu  sein.  Dazu  kommen  ferner  noch  verschie- 
dene Bedenken  aus  dem  eingeschobenen  Satze  selbst.  Zunächst 
mediocre  für  mittelstark,  während  es  sonst  gering  heiest,  dann  der 
Bedeutungs Wechsel  von  subigere,  das  kurz  vorher  von  der  Bearbei- 
inng  der  Stuckmasse  in  der  Mörtelpfanne,  hier  dagegen  von  dem 
Auftragen  und  dem  Glattstreichen  auf  der  Wandfläche  gesagt  wird. 

Ich  muss  noch  einige  Worte  über  die  Benutzung  Vitruvs 
durch  Plinius  im  36.  Buche  überhaupt  hinzufügen.  Die  Be- 
nutzung Vitruvs  beginnt  mit  §  166  und  reicht  bis  §  188  und  int 
nur  durch  reinlich  auszuscheidende  Zusätze  erweitert. 

Zunächst  tragen,  wie  gesagt,  die  Eingangssätze  der  verän- 
derten Stellung  Rechnung,  die  der  Taff  als  Baumaterial  inzwischen 
erhalten  hat,  dann  folgt  §  167 — 168  eine  Auswahl  ftus  den  von 
Yitruv  angeführten  Gesteinssorten,  zu  denen  am  Schiasse  Plinius 
einige  andere  hinzufügt.  §  170  folgt  die  Vorschrift  über  die  Wet- 
terprobe der  schlechteren*^  Gesteinsarten. 


42  Degeriiig 

Mit  §  171  beginnt  ein  neues  Kapitel  über  die  Verb&nde  — 
§  172,  das  ohne  Frage  aus  Vitrnv  entnommen  iet. 

§  173  behandelt  die  Anlage  von  Cieternen.  Die  Stellung 
dieses  Capitels  zum  vorigen  läset  sieb  nur  erklären,  wenn  man 
annimmt,  dass  hier  ein  Citat  auf  jeden  Fall  angebracht  werden  soll, 
das  der  Zettelkasten  eben  noch  enthält.  Der  §  174  iet  ans 
lauter  Stückchen  zusammengesetzt;  eine  Bemerkung  ans  Gate,  eine 
Reminiscenz  aus  Vitruv,  noch  dazu  nicht  einmal  ganz  richtig,  der 
folgende  Satz  wieder  anderswoher  und  endlich  zum  SchlüBS  ein 
Satz  aus  einem  Mirabilienschreiber. 

§  175  ist  wiederum  aus  Vitruv.  §176  ist  wohl  eigene  Zu- 
that.  §  177  wieder  Vitruv  bis  auf  die  Wundergeschichte  vom  Crocus. 

§  178  und  179  aus  Vitruv,  ausgenommen  der  letzte  Satz, 
alles  aber  offenbar  mehr  als  Lesefrüchte,  denn  als  ordentliche 
Citate  übernommen. 

§  180  stammt  aus  einer  medicinischen  Schrift,  ebenso  181. 
§  182  und  183  sind  anscheinend  einer  griechischen  Quelle  ent- 
nommen und  der  Selbstmord  des  Procnlejus  wohl  wieder  eine 
Zuthat  von  Plinius  selbst.  Woher  §  184  und  185  stammen  mögen 
entzieht  sich  der  sicheren  Beurtheilung,  vielleicht  könnte  man 
hier  und  §180.  181  an  Varro  denken.  Von  §186  an  bis  188  in- 
clusive dagegen  ist  wieder  Vitruv  benutzt.  Dieser  giebt  die 
Hauptmasse,  einiges  wird  den  veränderten  Zeitumständen  nach 
geändert,  anderes  hinzugefügt,  manches  ohne  sonderlich  zum 
Thema  in  Beziehung  zu  stehen.  Auch  in  der  Disposition  des 
ganzen  Passus  ist  keine  irgendwie  vernünftige  Ordnung,  die  ein- 
zelnen Notizen  sind  untereinander  kaum  harmonisch  verarbeitet, 
kurz  man  erhält  ganz  den  Eindruck,  als  ob  hier  einmal  ein  Fach 
der  Notizensammlung  gründlich  ausgeschüttelt  werden  sollte. 
Man  beachte  besonders,  au  wie  wenig  geeignetem  Platze  §  173 
und  §  178—179  stehen. 

Wir  gehen  nun  dazu  über,  das  Verhältniss  von  Vitruv  und 
Athenaeus  zu  untersuchen.  Wir  können  uns  hier  kürzer  fassen,  da 
das  Wesentliche,  namentlich  soweit  es  die  einzelnen  Abweichungen 
zwischen  Athenaeus  und  Vitruv  betrifft,  bereits  von  Thiel  gesagt 
ist  und  wir  uns  deshalb  darauf  hier  beschränken  können,  die 
Finwände  zu  entkräften,  die  üssing  gegen  Thiele  Ansicht  vor- 
bringt, dass  beiden  eine  gemeinsame  Quelle  vorgelegen  habe. 
Ob  diese  Quelle  Agesistratus  gewesen  sei,  wie  Thiel  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  behauptet,  das  mag  als  nicht  absolut  eicber 
bewiesen  dahingestellt    sein ;    dass    aber   Vitruv    den    Athenaeus 


üeber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architectura  43 

nicht  benutzt  haben  kann,  das  läset  sich  beweisen  und  ist,  wie 
gesagt,  von  Thiel  bewiesen  worden  ^ 

Das  was  Vitrav  mebr  giebt  als  Athenaeus,  sind  naeb 
Ussing  freilich  auch  hier  wieder  müssige  Zusätze  und  unnöthige 
Umschreibungen,  und  wo  Abweichungen  zwischen  beiden  statt- 
finden, da  ist  nach  ibm  natürlicherweise  Athenaeus  im  Eecbt. 
Man  braucht  aber  nur  einige  Punkte  der  Ussing'scben  Beweis- 
führung vorzunehmen,  um  ihre  Unhaltbarkeit  einzusehen. 

Vergleicht  man  scbon  die  ersten  Farallelstellen  Atbenaeus 
p.  9  ed.  Wescher  mit  Vitruv  X  19,  so  finden  sich  hier  Discre- 
panzen,  welche  es  ganz  unmöglich  machen  anzunehmen,  dass 
Athenaeus  die  Vorlage  Vitruvs  sei,  da  Vitruv  durchgängig  Aus- 
führlicheres und  Besseres  bietet  als  Athenaeus,  dagegen  anderes 
übergeht,  das  ebensowenig  Athenaeus  aus  eigenem  Wissen  seiner 
Quelle  wird  zugesetzt  haben. 

Athenaeus  lässt  einige  Soldaten  der  Karthager,  als  sie  sich 
an  den  Demolirungsarbeiten  des  Forts  aus  Mangel  an  Werkzeug 
nicht  betheiligen  können,  die  Erfindung  der  Handramme  machen, 
aber  er  läset  sie  mit  einigen  Stössen  mit  Leichtigkeit  die  Mauer 
auf  eine  weite  Strecke  hin  niederlegen.  Bei  Vitruv  dagegen  fehlt 
es  den  Karthagern  insgesammt  an  den  nöthigen  Werkzeugen, 
aber  die  Demolirung  selbst  wird  vielmehr  den  Thatsachen  ent- 
sprechend so  geschildert,  dass  die  Karthager  mit  den  Ramm- 
bäomen  von  oben  beginnend  eine  Quaderreihe  Her  Mauer  nach 
der  andern  herabwerfen.  Der  Zusatz  ac  ratione  bei  Vitruv  mag 
als  überflüssig  gelten,  aber  das  Bild  Vitruvs  vom  freihängenden 
Wagebalken  ist  für  die  Schweberarame  bei  weitem  angemessener, 
als  das  des  Athenaeus  vom  Jochbalken,  der  doch  an  der  Deichsel 
im  Mittelpunkte  fest  sass,  also  gar  die  Bewegung  nicht  aus- 
führen konnte,  die  zu  dem  Vergleich  den  Aniass  gab.  Nun 
vollends  das  Folgende.  Ob  der  Geras  ein  Calchedonier  oder  ein 
Carchedonier  war,  ist  an  sich  gleichgiltig,  aber  unwahrscheinlich 
ist  es,  dass  Vitruv  ohne  Grund  das  Garchedon  seiner  Quelle  in 
Calchedon  änderte,  während  für  Athenaeus  die  Veranlassung  einer 
Aendernng  in  umgekehrter  Weise  in  dem  zweimal  voraufgehen- 
den Garchedon  allerdings  vorhanden  war.  Sachlich  ist  sodann 
nur  das,  was  Vitruv  über  die  Maschine  des  Geras  sagt,  ver- 
ständig; ein  Ding  wie  das  von  Athenaeus  beschriebene  musste 
beim    ersten    Stoss    gegen    die    Mauer   auseinanderfliegen.     Aber 

^  Thiel  aaO.  p.  279  ff. 


44  Degering 

nicht  allein  diesee  beweiet,  dase  es  niobt  Vitrny  ist,  der  seine 
Vorlage  geändert  hat,  sondern  noch  vielmehr  der  Umetand,  daee 
das,  was  nun  auf  diesen  Paesne  folgt:  Γήρας  be  πρώτος  ό  εύρων 
bia  την  ßpabimiTa  χελώνην  προςηγόρευσεν  =  Ideo  autem  qnod 
tardoe  oonatns  habnerat,  teetudinem  arietariam  appellare  coepit 
eaohlich  wohl  zu  der  Yitruy^echen  Faeeung  des  vorhergehenden 
paeet,  aber  keinesfalls  zu  der  des  Athenaens.  Was  eoll  man 
sich  denn  darunter  vorstellen,  dass  eine  solche  Maechinerie,  wie 
sie  Athenaeus  beschreibt  und  welche  doch  nur  durch  die  schnelle 
Bewegung  auf  ihren  Rädern  und  den  daraus  resultirenden  heftigen 
Stoss  wirken  konnte,  wegen  der  Langsamkeit,  mit  der  sie  vor- 
wärts zu  bringen  war,  bxä  τήν  βραδύτητα  χελώνη  =ϊ  testndo 
benannt  wurde.  Liess  sich  eine  solche  Maschine  nicht  kräftig, 
dh.  schnell  vorstossen,  so  war  sie  doch  eben  unbranchbar.  Bei 
Yitruv  dagegen  ist  alles  in  Ordnung.  Hier  ist  die  Maschine  ein 
nur  schwerfällig  auf  Rädern  fortzubewegendes  grösseres  Bau- 
werk, dessen  zerstörende  Wirksamkeit  aber  von  dieser  Schwer- 
fälligkeit der  eigenen  Fortbewegung  nicht  abhängt,  und  so  ist 
hierfür  der  Name  testudo  arietaria,  dem  im  griechischen  Original 
eine  gleiche  Doppelbezeichnung  κριοφόρος  χελώνη  entsprochen 
haben  wird,  durchaus  am  Platze. 

Wenn  üssing  S.  124  Vitruv  die  Unachtsamkeit  vorwirft, 
dass  er  das  griechische  Mindestmass ,  wie  es  bei  Athenaeus 
steht,  έπταδάκτυλα  mit  semipedalia  übersetze,  so  wirkt  es 
erheiternd,  dass  er  selbst  in  demselben  Satze  semipedalia  mit 
sechsfingerbreit  übersetzt,  und  dann  kurz  darauf  übersieht,  dass 
im  Folgenden  bei  Vitruv  semipedalia  für  €ΐς  S  δακτύλους 
συναγόμενα  bei  Athenaeus  eintritt.  Ussing  scheint  also  den 
griechisch-römischen  Fuss  in  12  Daktylen  und  Digiten  einzu- 
theilen.  Wer  aber  von  beiden  die  richtigen  Masse  hat,  kann 
meiner  Ansicht  nach  gar  nicht  zweifelhaft  sein;  die  runden 
Massangaben  Vitruve  zeugen  durchaus  für  den  Praktiker,  die 
Athenaeischen,  scheinbar  so  minutiös  genauen  Varianten  dagegen 
verrathen  den  philosophischen  Klüngel.  Zu  Athen,  p.  15  'Ημ€Ϊς 
V  έγράψαμεν  πρώτον  χελώνης  χιυστρίδος  κατασκευήν,  είτα 
των  δλλιυν  μηχανημάτων.  Vitr.  Χ  19.  8  Quae  sunt  ab  Diade 
de  machinis  scripta  quibus  eint  comparationibus  exposui;  nunc 
quemadmodum  a  praeceptoribus  accepi  et  utilia  mihi  videntar 
exponam,  sagt  üssinfr:  Athenaeus  forlader  nu  Diades,  og  Vitruv 
naturligvis  ligesaa,  skgondt  han  aldrig  har  set  ham;  men  derfor 
forlader    han    ikke  Athenaeus.     Denne    angiver    i   des    Felgende 


Üeber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architectura  45 

Philon  fra  Athen  eom  ein  Eilde,  Vitrnv  angiver  knn  sine  prae« 
ceptoree.  Ich  denke,  sieht  man  vom  letzten  Satze  ab,  so  braucht 
maD  nur  für  Vitrav  Athenaens  und  für  Athenaeas  Agesistratos 
einzusetzen,  um  etwas  Richtiges  heraus  zu  bekommen,  denn  das 
wenigstens  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  bis  hierher 
und  im  Nachfolgenden  Athenaeus  völlig  auf  Agesistratus  und 
nicht  etwa  selbständig  auf  Diades  und  Philo  zurückgeht.  Athen. 
p.  16  stelle  ich  folgend ermaassen  her:  Τούτο  τό  κατασκεύασμα 
φησι  Φίλιυν  6  'Αθηναίος  χρήσιμον  είναι  προς  τ€  τάς  γινόμε- 
νος €ΐς  τήν  προσαγαιγήν  τών  μηχανημάτων  παρόδους  καΐ 
τάς  παρεκτάσεις  τών  *στψδίιυν  και  τάς  συγχώσεις  κτλ. 

Ich  will  nur  noch  eine  Probe  der  Ussing'schen  Kritik  be- 
leuchten. Athen.  19/20.  Τό  τής  όρυκτρΛος  χελώνης  γένος  τά 
μέν  άλλα  παραπλησίως  τοις  πρότερον  ψκονόμηται,  τήν  bi  έμ- 
προσθεν όρθήν  ίχει  προσαγιυγήν,  δπιυς  προσελθοΟσα  προς  τό 
τείχος  άπαρτίση  αυτψ  καΐ  μη  παρεισπίπτη  άπό  του  τείχους  τά 
όφΐέμενα  βέλη,  άλλ'  ασφαλώς  ο1  υπορύττοντες  έν  αυτή  δντες 
έργά2[ονται  .  .  Yitruv  Χ.  19.  21.  Quae  autem  testudines  ad 
fodiendum  comparantur  —  δρυγες  graece  dicuntur  —  cetera  omnia 
habent  uti  supra  scriptum  est,  frontes  vero  earum  fiunt  quemad- 
modum  anguli  trigoniorum  uti  a  muro  tela  cum  in  eas  mit- 
tantur  non  planis  frontibns  excipiant  piagas  sed  ab  lateribus  la- 
bentes,  sine  periculoque  fodientes  qui  intus  sunt  tueantur.  Us- 
sing  sagt  dazu;  Her  fortaeller  Oversaetteren,  at  denne  Maskine, 
som  Athenaeos  kalder  όρυκτρις  χελώνη,  paa  Graesk  hedder  δρυζ, 
hvilket  vel  kan  ^aere  muligt.  Men  naar  han  i  Stedet  for  Athe- 
naeos όρθήν  saetter  quemadmodum  anguli  trigoniorum  er  dett« 
mig  aldeles  uforstaaeligt.  Skal  Maskinen  slutte  taet  til  Mnrfladen 
(άπαρτίΖΙειν),  kan  dens  Front  ikke  vaere  Spidsen  af  en  Triangel. 
Wie  ist  es  nur  möglich  hier  den  Athenaeus  als  Vorlage  des 
Vitruy  anzunehmen?  Soll  man  jemandem,  der  ein  Werk  von  10 
Büchern  hauptsächlich  aus  griechischen  Quellen  ausschreibt,  so 
geringe  Kenntnisse  der  griechischen  Sprache  zutrauen,  dass  er 
einen  so  einfachen  Satz,  wie  den  vorliegenden  nicht  entsprechend 
hätte  übersetzen  können.  Ich  sollte  meinen,  der  Gedanke  daran 
sollte  niemanden  ernstlich  einfallen.  Das  was  Vitruy  giebt,  ist 
mit  dem  was  bei  Athenaeus  steht  sachlich  ganz  unvereinbar; 
aber  die  enge  formale  Verwandtschaft  der  Perioden  weist  ebenso 
zwingend  auf  eine  gemeinsame  Grundlage.  Den  Schlüssel  bietet 
nne  aber  der  Anonymus  oder  Hero  von  Byzanz  bei  Wescher  p.  214. 

Hier  heisst  es:    ταύτας  bi   (χελώνας  όρυκτρίοας)    ή    bip- 


46 


Dege  Γ i η  ßf 


ρύτους  €Ϊναι  και  κατά  πρόςωπον  σκεπομ^νας  προσάγεσθαι 
και  προσεγγίεειν  τψ  τείχει,  ή  μονοπτέρους  δττισθε  μέν  κατα- 
φέρεις, κατά  bt  πρόσωπον  τετραγώνους,  και  έκ  πλαγίων  τρα- 
πε2[οεώεΐς  ώς  τριγώνους.  Wescher  giebt  zu  dieser  Stelle  an : 
AppoUodor.  p.  143.  1.  6 — 9.  Schlägt  man  aber  die  betreffende 
Stelle  nach,  so  wird  man  bald  finden,  daes  diese  Beziehung 
auch  eachlich  nur  zum  Theil  zutrifft,  während  sie  dem  Ausdrucke 
nach  gar  nicht  so  eng  ist,  wie  das  gewöhnlich  zwischen  dem  Ano- 
nymus und  seinen  Quellen  zB.  kurz  darauf  der  Fall  ist.  £s  ist 
also  zweifellos  hier  eine  andere  Quelle  mit  herangezogen,  wo 
von  2  Arten  von  Oryktriden  die  Rede  war,  von  denen  die  eine, 
und  das  ist  der  springende  Punkt,  zu  der  Beschreibung  Yitruvs 
passt.  Diese  Quelle  kann  der  Lage  der  Sache  nach  wohl  nur 
die  Hauptquelle  des  Anonymus,  Athenaeus,  gewesen  sein  bei 
dem  wir  den  Passus  heute  nicht  mehr  lesen.  Es  führt  uns 
also  die  Analyse  auf  die  meines  Wissens  noch  nicht  so  strikt 
nachgewiesene  Thatsacbe,  dass  das  uns  vorliegende  Buch  des 
Athenaeue  nicht  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt,  sondern  nur  in 
einer  Bearbeitung  auf  uns  gekommen  ist.  Das  wird  zB.  auch 
durch  folgende  Stelle  schlagend  bewiesen: 


Vit  r  UV. 

Aries  autem  eius  ha- 
buerat  longitudinem 
pedum  CIV.  latitudine 
in  imo  palmipedali, 
crassitudine  pedali, 
contractu  a  capite  in 
latitudine  pedis,  cras- 
Bitudine  S— 


Anonym. 

Ol  περΓ  Ηγήτορα  . .  . 
κριόν  πηχών  εκατόν 
εΤκοσι  κατά  μήκος  4πο(- 
ουν,  έκ  δέ  πτέρνης 
κατά  μέν  πάχος  πο- 
διαίον,  εΙς  δέ  πλάτος 
παλαιστών  πέντ€•  έπΙ 
δέ  τό  έμπροσθεν  άκρον 
συνήγον  αυτόν  €ΐς  πλά- 
τος ποδιαίον  καΐ  πάχος 


Athen. 

τοΟ  δέ  κριοΟ  τό  σύμ- 
παν γίγνεται  μήκος 
πήχεις  pic,  έκ  δέ  πτέρ- 
νης  πάχος  μέν  ποδών 
β.  πλάτος  δέ  πέντ€ 
παλαιστών  €ΐς  άκρον 
δέ  συνήκται  αύτοΟ  τό 
μέν  πάχος  ποδιαίον,  τό 
δέ  πλάτος  τριπαλοι- 
στιαΐον. 


τριπάλαιστον. 

Wie  man  sieht  stimmt  hier  Vitruv,  abgesehen  von  der 
Längenangabe,  genau  mit  dem  Anonymus  gegen  Athenaeus,  ein 
Verhältniss,  das  ganz  unerklärbar  ist  ohne  die  Annahme,  dass 
dem  Anonymus  der  Athenaeus  in  anderer  Gestalt  vorgelegen 
haben  muse,  als  wir  ihn  jetzt  lesen.  Selbstverständlich  bin  ich 
nicht  der  Ansicht,  dass  diese  Bearbeitung  das  Original  wesent- 
lich verändert  hat.  Form  und  Stoff  sind  in  der  Hauptsache  un- 
verändert geblieben  und  die  Aenderungen  rein  redactionelle  oder 
durch  eingetretene  handschriftliche  Corruptelen  bedingte  Con- 
jecturen.     Die  Zeitfrage  der  Autorschaft  wird    dadurch  in  keiner 


Üeber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architectura  47 

Weise  berührt  und  es  bleibt  der  Diels'Rche  Ansatz  unangefochten 
bestehen  und  damit  natürlich  auch  die  ganze  Frage  des  Verhält- 
nisses zwischen  Vitrnv  und  Athenaeus.  Die  Methodik  der  Kritik 
Ussings  in  diesem  Falle  ist  übrigens  der  bezüglich  des  Verhält- 
nisses von  Plinius  zu  Vitruv  verwendeten  diametral  entgegen- 
gesetzt. Genügten  hier  ganz  kleine  Abweichungen,  kurze  Zu- 
sätze und  drgl.  als  Beweise,  dass  Plinius  den  Vitruv  nicht  benutzt 
habe,  so  gentigen  dort  selbst  die  grössten  und  unvereinbarsten 
Widersprüche  nicht,  seine  Ansicht  zu  erschüttern,  dass  Vitruv 
den  Athenaeus  ausgeschrieben  habe. 

Zum  Beschlüsse  des  ersten  Theiles  meiner  Untersuchungen 
füge  ich  noch  einige  Verbesserungsvorschläge  zu  Vitruv  und 
Athenaeus  an: 

Vitr.  277,  10  =  Possunt  autem  si  opus  fuerit  eae  machinae 
ex  VIII  rotis  esse  sed  ad  loci  naturam  *uti  (ita  6H)  opus  fuerit 
temperataie;  vergl.  Athen.  "Αυτή  bi  γένοιτ'  δν  όκτάτροχος  ή 
χ€λώνη•  άλλα  τοιαύτα  μηχανήματα  Οεστι  μετασκευάίειν  τψ 
τεχνίττι  έμβλέποντι  €ΐς  τους  τόπους  τών  προςαγαιγών. 

Vitr.  'ΐ79,  11.  Item  habuerat  proiectura  eins  ex  tabulis 
*epibathram  (arcam  codd.)  compactam  et  confixam  *intra  (inqua 
codd.)  rndentibus  maioribus  extentis  e.  q.  s.  arcam  aus  atram 
ist  Rest  von  epibatram. 

Vitr.  280,  10.  Itaque  bis  praescriptionibus  si  qui  attendere 
volnerit  <et)  ex  varietate  earum  eligendo  unam  in  comporationem 
conferre.  etc. 

Athenaeus  §  25  ist  der  übrigens  bei  Vitruv  und  dem  Ano- 
nymus fehlende  Satz,  der  also  möglicherweise  erst  der  Zusatz 
des  Bearbeiters  ist,  wohl  folgendermassen  herzustellen:  ^χει  bk 
και  τταραοέρματα  (codd.  παραδείγματα)  ii  έκατίρου  μέρους  6 
κριός,  έπ   exbex  (codd.  έπεώή)  [τά]  ταϊς  κάσαις  παραπλήσια. 

(Forte,  folgt.) 

Bonn.  Degering. 


ZWEI  ALTE  TERENZPROBLEME 


I. 

Ueber  den  Prolog  zum  Heaatontimorumenoe  bat 
sieb  eine  Fülle  von  Erklärungen  und  Vermuthungen  ergoeeen, 
leider  mit  eebr  geringem  Ertrag.  Wiederholt  wurde  Alles  durch- 
einander geworfen,  wie  wir  es  auch  in  den  beiden  handlichsten 
Ausgaben  von  Dziatzko  und  Fleckeisen  vor  Augen  sehen.  Dem 
gegenüber  haben  die  beiden  neuesten  Besprechungen  von  Leo 
und  Skutscb  mit  Recht  sich  des  Bestandes  und  der  Folge  der 
Ueberliefernng  angenommen.  Trotzdem  die  Frage  noch  wieder 
in  möglichster  Kürze  aufzunehmen,  bin  ich  durch  einen  ähnlichen 
umstand  veranlasst,  wie  Skutsch  (Philol.  LIX  [N.  F.  XIII] 
p.  1  ff.),  dass  nämlich  meine  von  Schanz  Rom.  Litteratnrgesch. 
Ρ  ρ.  θ]  mitgetheilte  und  bedingt  gebilligte  Ansicht  wohl  erst 
durch  etwas  eingehendere  Begründung  zu  allgemeinerer  Erwä- 
gung und  hoffentlich  zur  Anerkennung  kommen  dürfte. 

Nicht  aufzuhalten  brauche  ich  mich  bei  den  viel  mieshan- 
delten Worten: 

Ex  integra  graeca  integram  comoediam, 
da  endlich  auch  Andere  auf  die  älteste  und  einfachste  Erklärung 
des  Bembinusscholions    zurückgekommen    sind.     Wenn   aber   aus 
dem  noch  viel  mehr  misshandelten  Verse  6: 

Duplex  quae  ex  argumento  factast  simplici 
Skutsch  wieder  eine  sichere  Bestätigung  für  die  Annahme  der 
Contamination  des  Stückes  entnehmen  zu  können  glaubt,  so  ist 
bei  dieser  Erklärung,  wie  bei  anderen,  der  Wechsel  des  Aus- 
drucks nicht  berücksichtigt:  es  heisst  weder  'duplex  quod  ex  ar- 
gumento factumst  simplici  noch  'duplex  quae  factast  ex  simplici*; 
und  gerade  dieser  Wechsel,  sowie  die  mannigfachen  Anstösse  bei 
den  bisherigen  Erklärungsversuchen,  haben  mich  darauf  gebracht, 
dem  Worte  duplex  hier  denselben  Sinn  zu  vindicieren,  den  das 
griechische  διπλούς  bisweilen  hat,    der  bei  Catull  in  der  duplex 


Zwei  alte  Terenzprobleme  49 

Amathusia,  bei  Horaz  in  dem  duplex  Ulixes^  und  in  dem  Verse 
des  Ovid  Am.  I  12,  27  deutlicL•  vorliegt  und  der  *  durch  die, 
sicher  auf  einen  archaischen  Schriftsteller  zurückgehende  Glosse 
des  Placidus  altriplicem:  duplicemj  dolosum  noch  eine  weitere 
Bestätigung,  durch  das  Synonymum  wie  durch  das  Interpreta- 
ment,  gewonnen  hat.  Dann  sagt  aber  der  Vers  über  Terenz 
und  seine  Uebersetzung  gar  nichts  aus,  sondern  enthält  viel- 
mehr ein  Urtheil  des  Terenz  über  das  Originalstück  des  Menander 
(ähnlich  wie  im  Andriaprolog  v.  10  —  12),  nämlich  dass  es  trotz 
des  einfachen  Sujets  nicht  simpel  sei,  des  Dichters  Gewandtheit 
offenbart  *. 


*  Die  Einwände  und  der  andere  —  nicht  neue  —  Erklärungen 
versuch  von  Goldbacher  (in  den  Wiener  Studien  XX,  1896,  p.  277  f.) 
»cheitem  schon  —  aber  nicht  allein  —  an  der  Beziehung  der  Worte 
'nee  cursus  duplicis  per  mare  Ulixei*  auf  den  Anfang  der  Odyssee, 
welche  durch  die  gleiche  Beziehung  der  yorhergebenden  W*orte  auf 
den  Anfang  der  llias  und  die  Nothwendigkeit  dieser  Form  des  echt 
antiken  Citates  für  das  Verständuiss  der  ganzei.  Strophe,  ja  des  ganzen 
Gedichtes,  gesichert  ist:  was  hier  nur  angedeutet  werden  kann. 

^  Auf  die  unfruchtbaren,  sich  immer  im  Kreise  drehenden,  chro- 
nologischen Hypothesen  gehe  ich  nicht  ein,  und  will  auch  auf  Skutsöh's 
Behauptung,  dass  v.  17  f.  *multas  contaminasse  graeoas,  dum  facit 
paucas  latinas'  mindestens  die  Verarbeitung  von  vier  Stücken  zu 
zweien  voraussetze,  lediglich  mit  der  Frage  antworten:  wie  viele  Male, 
genau  gerechnet,  vorhergegangeu  sein  müssen,  um  Hyperbeln,  wie 
'sexcenties*  zu  rechtfertigen;  ob  —  wie  Wölfflin  Archiv  IX  p.  176 
sagt  —  'hundertmal*  gebraucht  werde,  'obschon  es  genau  gerechnet 
nur  siebenmal  oder  achtmal  heissen  müsste*,  oder  ob  nicht  ein  Unge. 
duldiger  schon  beim  dritten  oder  vierten  Mal  behauptet,  er  habe 
hundertmal  gerufen,  geklingelt  oder  etwas  gesagt.  Vollends  die  leb- 
haften und  so  gern  übertreibenden  Kömer  und  Italiener  werden  sich 
kein  Gewiesen  daraus  machen  auch  für  '  ein  paar'  zu  sagen  '  viele* .  — 
Beiläufig  möchte  ich  noch  zu  dem,  auch  immer  noch  nicht  zur  Hube 
gekommenen  Andriaprolog  (der  sicher,  und  gerade  nach  den  Schluss- 
worten,  zur  ersten  Aufführung  gehört)  das  eine  bemerken,  dass  der 
viel  besprochene  Plural  *in  prologis  scribundis*  am  einfachsten  und 
richtigsten  als  "pluralis  generalis  zu  bezeichnen  ist  (zu  übersetzen  'mit 
Prologschreiben),  und  dass  die  besten  Belege  dafür  —  an  Stelle  des 
meist  angeführten,  von  Karsten  nicht  anerkannten  Miberi'  (vgl.  Donat 
zu  Hec.  II  1,  15  ua )  —  Terenz  selber  und  (Cato  bei)  Cicero  bieten: 
der  erstere  mit  Eun.  I  1,  3:  'men  perpeti  meretricum  contumelias? 
exclusit,  revocat'  (wozu  Donat  richtig  bemerkt:  'cum  uni  sit  iratus,  de 
Omnibus  queritur'),  der  letztere  Tusc.  I  2  mit  der  Erwähnung  der 
Oratio  Catonis,  in  qua  obiecit  ut  probrum  M.  Nobiliori,  quod  is  in 
provinciam  poetas  duxisset:  duxerat  autem  consul  ille  in  Aetoliam,  ut 


50  Schon 

Eid  weiterer  Punkt;  io  dem  ich  den  neneeten  Aafetellangen 
von  Leo  ^  und  Skutsch  unmöglich  beipflichten  kann,  betrifft  die 
Deutung  der  Eingangsveree : 

Ne  quoi  sit  vostrum  mirum,  quor  partes  seni 
Poeta  dederit,  quae  sunt  adulescentium, 
Id  primum  dioam,  deinde  quod  ueni  eloquar. 
Daes  nach  dieser  Ankündigung  das  Folgende,  trotz  eines 
Umfange  von  6  Versen  nicht  das  erste  sein  soll,  dass  weiter 
in  der  durchaus  zusammenhängenden  Partie  11 — 27  v.  11  — 15 
das  'primum^  die  mit  nam  quod^  angeknüpfte  Ausführung  der 
mit  ^deinde  quod  veni*  angekündigte  zweite  Theil  sein  soll  — 
das  sind  Eünstlichkeiten  und  Yerlegenheitserklärungen,  die  nur 
auf  dem  Papier  dargelegt  werden  können,  auf  lebendiges  Ver- 
ständniss  beim  Anhören  nie  rechnen  konnten  und  können.  Leo 
hat  das  Ungeschickte  wenigstens  gefühlt  und  nun  den  Dichter 
dafür  getadelt  statt  seines  Interpreten.  Ueberhaupt  aber  kann 
*quod  veni'  eich  nur  auf  die  allgemeine  Aufgabe  des  Prologe,  das 
ist  die  Einführung  des  aufzuführenden  Stückes,  beziehen,  die 
in  V.  4 — 9  gegeben  ist,  nicht  auf  einen  gar  nicht  abgegrenzten 
Theil  der  speziellen  Aufgabe  des  Ambivius  als  orator^ 

scimuB,  Ennium'.  So  auch  wir:  'du  sollst  keine  Romane  lesen,  und 
thust  68  doch',  auch  wenn  das  Verbot  nur  einmal  überschritten  ist. 
Es  kommt  eben  überall  nicht  auf  die  einzelne  Person  oder  Sache  an, 
sondern  auf  die  Art;  nicht  dass  es  Ennius  war,  sondern  überhaupt  ein 
Dichter,  dass  eine  meretrix  sich  solche  Behandlung  erlaubte,  dass 
Terenz  sich  mit  einem  Prologe  quälen  muss  usw.  —  das  drückt  der 
Plural  aus,  ganz  wie  der  Plural  von  Namen  =  *Leute  wie  N.  N/ 

1  Analecta  Plautina  II,  1898,  p.  23. 

*  Die  von  Skutsch  p.  7,  2  angeführte  Parallele  des  Amphitruo• 
prologs  bietet  keineswegs  zu  dem  von  ihm  Gesagten  ein  wirkliches 
Analogon,  sondern  bestärkt  vielmehr  unsere  Bedenken.  Dort  wird 
allerdings  die  Bitte  als  das  erste,  das  Argument  (die  eigentliche  Auf- 
gabe des  Prologs)  als  das  zweite  angekündigt  und  auch  ausgeführt. 
Wenn  aber  dort  zwischen  die  Ankündigung  und  die  Ausführung  de« 
ersten  Theiles  ein  Intermezzo  eingeschoben  wird,  so  ist  dies  ganz  deut- 
lich als  solches  bezeichnet  durch  'quid  coulraxistis  frontem?*  und  die 
Anknüpfung  des  Weiteren  an  ein  bei  der  dispositio  gebrauchtes  Wort, 
während  bei  Terenz  mit  *hodie  sum  acturus'  gerade  die  Ausführong 
über  die  Aufgabe  des  heutigen  Tages,  das  *quod  veni*,  einsetzt.  Dort 
folgt  auch  einfach  'nunc  hoc  me  orare  a  vobis  iussit  luppiter',  was 
trotz  des  'nunc*  mit  der  förmlichen  Aufnahme  der  dispositio  bei  Terenz 
v.  10  'nunc  quam  ob  rem  has  partis  didicerim,  paucis  dabo'  keine 
Aehnlichkeit  hat. 


Zwei  alte  Terenzprobleme  51 

Mit  dieser  Ab weisnng,  die  icb  absicbtlicb  nicht  breiter  ausführe 
und  belege,  soll  aber  nun  keineswegs  den  üblichen  Umsturz-  und 
Umetellungs versuchen  das  Wort  geredet  sein  (die  noch  mit  Aus- 
werfungen  und  Lückenannahmen  verbanden  auftreten,  die  ledig- 
lich Folge  der  Umstellungswillkür  sind),  sondern  der  viel  ein- 
facheren und  einleuchtenderen  Vertauschung  der  Worte  feinde' 
und  'primum',  die  nicht  einmal  bloss  auf  Conjektur  beruht.  Als 
solche  haben  sie  längst  Palmerius  und  Guyet  vorgeschlagen,  die 
nur  unnöthig  ^  Id  dicam  deinde:  primum  q.  v.  e.'  ordneten  statt 

Id  deinde  dicam:  primum  quod  veni  eloquar. 
Natürlich  ist  dann  vor  diesem  Vers  stärker  zu  interpungiren 
und  ^Ne  quoi  sit  vostrum  mirum  als  ein  prohibitives  'Ne  mire- 
mini'  aufzufassen,  nicht  als  Finalsatz  zu  dem  Folgenden.  Man 
soll  sich  über  das  zunächst  Auffallende  beruhigen,  die  Erklärung 
wird  bald  nachher  folgen,  wenn  zuerst,  kurz  genug,  die  eigent- 
liche Aufgabe  erledigt  ist. 

Diese  Fassung  von  v.  3  hat  ja  mittlerweile  eine  urkund- 
liche Bestätigung  gefunden  in  dem  Bembinusscholion:  ^quidam 
sie  exponunt:  primum  quod  veni  eloquar,  deinde  dicam  cur  partes 
seni  poeta  d(ederit)  quae  sunt  a^dolescentium^ .  Dass  hier  nicht 
von  einer  antiken  Conjektur  die  Kede  ist,  zeigt  der  Ausdruck 
*  exponunt ,  und  dass  diese  *  Erklärung  mit  dem  Wortlaut  im 
Bembinus  selbst  streitet,  beweist  gerade  ihr  Alter:  auch  bei 
Donat  und  anderwärts  beobachten  wir  ja  nicht  selten,  dass  das 
Scholion  einen  andern  Text  voraussetzt,  als  die  zugehörige  Hand- 
scbrift  bietet  oder  aus  einer  solchen  ins  Lemma  gesetzt  ist  ^ 
Dass  aber  die  ^natürliche  *  Folge  des  'primum  —  deinde    statt  der 


1  Einen  versteckteren  Fall  dieser  Art  bietet  Andria  v.  120  f.  (II,  93  f.J. 
Das  immer  noch  von  Spengel  und  Dziatzko  bevorzugte  'Quia  tum 
(mihi  lamentari  praeter  ceteras  Visaet)*  ruht  lediglich  auf  dem  Codex  C 
(und  seiner  Abschrift  B):  für  die  Lesart  *Quae  tum'  spricht  nicbt  nur 
die  Uebereinstimmung  des  derselben  Classe,  wie  C,  aogehörigen  Ρ 
(auch  0  ^  Oxoniensis,  olim  Dunelmensis  nach  Hoeiug  'Americ.  Jonm. 
of  archaeol.'  VI  4  p.  310  S.)  mit  der  besonders  zu  beachtenden  Ciasse  DG, 
sondern  auch  die  Erwägung,  dass  'Quia  tum'  wegen  des  anschliessenden 
'et  quia  ohne  Weiteres  aus  'Quae  tum*  gemacht  wurde:  nicht  so  leicht 
das  Umgekehrte.  Keineswegs  aber  verlangt  'et  quia'  vorher  'Quia  tum' 
(oder  bentley's  'Quae  cum),  da  zunächst  eine  weitere  Beobachtung  des 
Simo  angeknüpft,  dann  aber  mit  'et  quia  erat  forma  praeter  ceteras 
honesta  ac  liberali'  ausdrücklich  zurückgegriffen  wird  auf  die  vorher- 
gehende Stelle  'forte  unam  aspicio  adulescentulam  forma  — '  usw.  Nun 
steht  allerdings  '({uia  tum  mihi'  bei  Donat  als  Lemma  vor  '«χ.<^\3α%\Μ) 


52  α  ο  h  δ  1 1 

hier  erforderlicben  und  gerechtfertigten  ^deinde  —  primum'  einge- 
echwärzt  wurde,  iflt  ja  ein  für  oberflächliche  Betrachter  und 
Schreiber  fast  nothwendiger  Vorgang.  Erst  nach  Wiederher- 
stellung des  Ursprünglichen  passt  denn  auch  wirklich  die  Auf- 
nahme mit  V.  10: 

Nunc  quam   ob  rem  hae  partis  didioerim  paucis  dabo. 

II. 

Auf  den  viel  berufenen  und  durch  die  verschiedensten  Ver- 
suche heimgesuchten  Anfang  der  berühmten  Narratio  in  der  An* 
dria  ^  I  1,  24  (v.  51)  f.  zurückzukommen,  könnte  sehr  überflüseig 
scheinen,  nachdem  erst  jüngst  Vahlen  in  den  Abhandlungen  der 
Berl.  Acad.  d.  W.  1900  eine  eigene  kleine  Abhandlung  darüber 
gegeben  hat  im  Zusammenhang  seiner  Untersuchungen  über  et 
auf  uä.  im  Versausgang  bei  Terenz.  Allein  gerade  diese  letzte 
Erörterung  erheischt  eine  kurze  Berichtigung.  Denn  so  viel 
Triftiges  und  Beachtenswerthes  auch  dort  geboten  wird,  so  ist 
es  doch  unzweifelhaft,  dass  Vahlen  diesmal  seine  gründlichen  Er- 
örterungen mit  einem  Fehlgriff  beginnt.  Gleich  auf  der  ersten 
Seite  bringt  er  das  Beispiel  Sosia  et  ||  Liberius  vivendi  als  erstes 
und  behandelt  es  dann  als  das  grundlegende  an  der  Spitze 
besonders  ausführlich,  mit  dem  Schlüsse :  ^so  sollte  man  sich, 
meine  ich,  der  Folgerung  nicht  entziehen,  dass  hier  wenigstens 
diese  Versbildung   dem  Dichter   sicher  gehört   und   nicht  durch 


necessaria*.  Dass  aber  ein  Donat  gleichfalls  die  Fassung  mit  'Quae 
tum'  vor  Augen  hatte,  beweist  das  vorhergeheude  Scholion:  'ut  nihil  supra 
£λλ€ΐψις  Terentiana;  nam  uon  iiecesse  est  subiungere  duos  verflus*.  Aus 
diesen  Worten  hat  Klotz  geschlossen,  dass  im  Alterthum  eine  Vervoll- 
ständigung dieser  Hede  durch  zwei  Verse  unternommen  worden  sei, 
und  Umpfenbach  in  seinen  Analecta  Terentiana  (Mainz  1874)  p.  11 
hat  wirklich  zwei  solche  Verse  exempli  gratia  fabricirt.  Allein  der 
genaue  Sinn  des  'subiungere  duos  versus'  geht  nicht  auf  eine  Vervoll- 
ständigung durch  hinzugefügte  Verse,  sondern  auf  eine  nähere  Verbin- 
dung der  zwei  Verse  'ut  nil  supra  (eani),  quae  tum  etc.  (wie  Wessner 
auf  meinen  Wink  in  seircr  Ausgabe  andeutet):  und  daraus  ergibt  sich 
eben  auch  für  Donat  die  Lesart,  und  die  richtig,  selbständig  gefaeste 
Lesart  'Quae  tum'. 

^  Beiläufig:  zu  den  Worten:  'Quod  plerique  omnes  faciunt  adules- 
ccntuli  Vt  animum  ad  aliquod  Studium  adiungant  aut  equos  Alere  aut 
canes  ad  venandum  aut  ad  philosophos  haben  sich  die  neueren  Com- 
mcntare  die  schöne  Parallelstelle  entgehen  lassen  aus  Isokrates  Areo- 
pagiticus  45:  τους  οέ  βίον  ίκανόν  κεκτημένους  π€ρΙ  τήν  Ιιτιτικήν  καΐ 
τά  γυμνάσια    καΐ  τά  κΟνηγέσια    καΐ  τήν  φιλοσοφίαν  ήνάγκασαν 


Zwei  alte  Terenzprobleme  53 

zufalligeD  Irrthum  oder  absichtliche  Ergänzung  entstanden  ist' 
—  und  doch  liegt  hier  gerade  ein  zufalliger  Irrthum'  Vahlens 
und  eine  'absichtliche  Ergänzung  der  fraglichen  Partikel  im 
Terenztext  ganz  sicher  vor.  Vahlen  hat  sich  an  den  Text  und 
Apparat  Umpfenbache  gehalten,  ohne  die  Addenda  p.  LXXXII 
heranzuziehen,  er  hat  auch  von  Spengel  die  erste  statt  der  zwei- 
ten Ausgabe  benutzt  und  Bentley  nicht  nachgelesen :  sonst  würde  er 
vor  jenem  grösseren  und  vor  weiteren,  unbedeutenderen  Irrthümem 
bewahrt  worden  sein.  Nun  vindiciert  er  Sosia  et  den  Hand- 
echriften,  während  ümpfenbach  (und  Spengel  mit  ihm)  bezeugt 
*  Sosia  (om.  et)  libri ;  er  fügt  als  weiteres  Zeugniss  für  et  'das 
Lemma  des  Donat'  hinzu,  während  doch  längst  ausgemacht  ist, 
daes  auf  die  bei  ümpfenbach  (aus  den  alten  Ausgaben)  verzeich- 
neten Lemmata  gar  kein  Verlass  ist:  und  thatsächlich  kennt  auch 
die  Ueberlieferung  des  Donat  et  nicht,  sondern  nur  Ltberius. 
Vahlen  sagt  ferner,  er  wisse  nicht,  woher  Bentley  Sosia  ac  habe, 
während  Bentley  —  allerdings  nicht  zu  v.  24,  sondern  am 
Sohluss  seiner  Anmerkung  zu  v.  27  —  in  mehreren  Zeilen  diese 
seine  Conjektur  begründet,  aus  der  dann  weiterhin  die  öfter  auf- 
genommene, von  Vahlen  und  Anderen  für  alte  Ueberlieferung 
gehaltene  Lesart  Sosia  et  gemacht  wurde.  Weiter  bekämpft 
Vahlen  die  von  Spengel  selbst  in  der  Neubearbeitung  aufgegebene 
Conjektur  und  schreibt  die  von  diesem  dafür  eingesetzte,  von 
Vahlen  gleichfalls,  und  mit  Grund,  bekämpfte  Aenderung  Fleck- 
eisen zu,  der  sie  nur  aufgenommen  hat.  Endlich  lässt  Vahlen 
für  die  prosodische  Schwierigkeit  des  Liberius  vivendi  fuit  po- 
testas  die  Wahl  zwischen  Liberjti(s)  'mit  Lachmann  und  vi{ve)ndi 
'mit  Klotz':  auch  diese  beiden  Erfindungen  gehören  aber  schon 
der  Zeit  vor  Bentley  an,  wie  ans  dessen  Ausgabe  zu  ersehen  war^, 

ötoTpißciv  όραιντ€ς  έκ  τούτων  τους  μέν  διαφέροντας  γιγνομένους,  τους 
bi  τών  πλ€(οταΓν  κακών  άπβχομένους,  wo  die  gleiche  Verbindung  des 
Pferde-  und  Handesports  mit  dem  Philosophieren  (eben  auch  als  Sport, 
nicht  als  Studium)  bemerkeuswerth  ist. 

^  Bentley  wird  heutzutage  leider  oft  überhaupt  nicht  mehr  oder 
nicht  genügend  gelesen,  nachdem  man  sich  über  seine  Einseitigkeiten 
erhaben  fühlt.  Das  zeigt  sich  oft  zum  Schaden  in  der  Horazlitteratur, 
aber  auch  im  Terenz.  So  hatte  Bentley  längst  Andr.  I  1,  89  (IIB) 
mit  richtiger  Begründung  die  Lesart  quid  id  est  im  vorletzten  Fuss 
statt  quid  est  bevorzugt:  Dziatzko  hat  es  erneuert  ohne  Bentleys  zu 
gedenken  und  Schlee  in  Wölfflins  Archiv  III  p.  556  hat  es  grammatisch 
weiter  gestützt,  dagegen  den  seit  Bentley  noch  näher  ausgeführten 
metrischen  Grund  bei  Seite  geschoben,  während  hier,  wie  so  oft,  Me- 
trik und  Grammatik  sich  gegenseitig  stützen. 


54  Scholl  Zwei  alte  Terenzprobleme 

und  für  diese  Zeit  allein  passen  sie  auch.  Denn  UberjtC  bleibt 
nicht  nur  far  Terenz,  sondern  für  die  archaische  Dichtung  über- 
haupt unerhört  und  unmöglich,  wenn  sich  auch  in  einer  seiner 
Marotten  Lachmann  zu  Lncr.  129  dieser  Missgebnrt  angenommen 
und  ihr  ein  Di  tibi  mcdefacjant  (Phorm.  Π  3,  47)  und  ähnliches 
zugesellt  hat,  worüber  längst  Hitschl  zu  Trin.  200  und  Andere 
den  Stab  gebrochen  haben.  Aber  auch  das  alte  ν/(νβ)η^«  wird  da- 
durch nicht  besser  und  möglicher,  dass  sich  unter  Anderen  Klotz, 
ja  zweifelnd  selbst  Lindsay  in  der  Einleitung  zu  seiner  neuen 
Ausgabe  der  Gaptivi  p.  22  dafür  aussprechen:  denn  dass  die  an- 
geblichen "Parallelen^  ganz  anders  geartet  sind,  auch  diese  Form 
eine  ünform  ist,  hat  man  gleichfalls  längst  nachgewiesen.  Damit 
ist  aber  die  Fehlerhaftigkeit  und  Verbesserungsbedürftigkeit  der 
Stelle  erwiesen,  um  so  mehr,  da  zu  dem  prosodisohen  Bedenken 
das  inhaltliche  hinzukommt  oder  umgekehrt:  und  das  hat  ja  ge- 
rade Vahlen,  wider  Willen,  aufs  Neue  dargethan,  indem  er  den 
nach  Bentley  eingebürgerten  Zusatz  für  nothwendig  erkennt.  Bei 
vernünftiger  Behandlung  werden  wir  aber  nun  natürlich  nicht 
eine  Partikel  am  Versende  zusetzen  —  auch  wenn  wir  die  Mög- 
lichkeit dieser  Stellung  im  Allgemeinen  zugeben  —  und  dann  bei 
lAberius  weiter  herumbosseln,  wir  werden  aber  ebensowenig  zu 
dem  beliebten  Gewaltmittel  greifen  die  Worte  Sosia  —  pofestas 
hinauszuwerfen  und  nam  is  —  pam  antea  aufeinanderklappen  zu 
lassen:  vielmehr  werden  wir  das  Kreuz  gerade  vor  L^>eritis 
setzen  und  den  Sitz  des  Fehlers  da  suchen,  wo  Vers  und  Ge- 
dankenausdruck  gleichermaassen  hapern.  Denn  so  gewiss  Beut- 
leys  Anstoss  am  Comparativ  gesucht  und  spitzfindig  war,  so 
richtig  man  die  Wendung  liberius  vivere  aus  Nepos  Them.  1,  2 
und  ähnlichen  Stellen  belegt  hat,  so  sicher  ist  doch  Liberius  nicht 
nothwendig,  und  ist  als  Interpretament  wohl  verständlich :  es 
kann  ja  vivendi  potestas  in  dem  prägnanten  Sinne  von  vivere 
(für  den  ich  der  Kürze  halber  auf  meine  Bemerkung  zu  Persa 
V.  30  verweise)  bedeuten  die  Möglichkeit  sein  Leben  zu  genieeeen' 
und  eben  dieser  Sinn  konnte,  wie  anderwärts  durch  cum  laetitia 
(vivere),  so  hier  durch  liberius  glossirt  werden.  Dann  aber  hat 
eben  dies  Glossem  die  vermisste  Gedankenverbindung  verdrängt, 
die  Bentley  durch  (.ac)  Libera,  Andere  durch  (et}  LtberiuSf 
Spengel  und  Fleckeisen  neuerdings  durch  übt  (oder  ut)  für  fuü 
(zugleich  mit  Hebung  des  prosodisohen  Uebels)  zu  gewinnen 
suchten,  und  die  wir  nun  nur  versuchsweise  und  beispielsweise 
durch  (iEt  iatn)  v,  f.  p.  oder  (Vbi  ei)  v.  /.  p.  oder  <^Simul  uf) 
v.  f.  p.  oder  ähnlich  andeuten  können.  Wirklich  ourieren  können 
wir  den  Vers  nicht,  aber  wir  wollen  und  sollen  uns  auch  nicht 
einreden  lassen,  er "  sei  gesund  oder  Terenz  selber  habe  diesen 
Krüppel  in  die  Welt  gesetzt. 

Heidelberg.  Fritz  Scholl. 


zu  ACHILLES  TATIUS 


Aue  den  Gedankenkreisen  des  Platonischen  'Pbaedras'  nnd 
'Symposion,  denen  sich  Xenophons^ Symposion  und  der  Abschnitt 
bei  Plato  De  legg.  VÜI  c.  5  p.  835  Ε  —  c.  8  p.  842  Α  bin- 
zagesellen,  bat  sieb,  durcb  die  erotiscbe  Poesie  jeder  Gattung^ 
vomebmliob  aber  dnrcb  die  Liebestragödie  des  Enripides  ^  ge- 
fördert, allmählich  eine  popnlärpbilosopbisebe  oder  vielmehr 
dilettantische  Art  der  Betrachtung  entwickelt,  die  es  sich  im 
Gegensatz  zu  Piatons  erhabenem  Erosbilde  zur  Aufgabe  machte, 
die  Natur  der  Liebe  nach  ihrer  sinnlichen  Seite,  nach  ihren 
Wirkungen  in.  der  Göttersage,  in  der  Geschichte  berühmter 
Persönlichkeiten,  im  täglichen  Leben  der  Menschen,  ja  sogar  im 
Thierleben  gründlich  zu  erforschen*.  Akademiker,  Peripatetiker, 
Stoiker,  Epikureer  u.  a.  haben  das  Liebesproblem  in  zahlreichen, 
in  der  Regel  in  dialogischer  Form  abgefassten,  zumeist  περί  έρω- 
τος oder  ερωτικός  oder  ερωτική  τίχνη  betitelten  Schriften  er- 
örtert (vgl.  die  Zusammenstellung  solcher  Schriften  bei  A.  W. 
Winckelmann:  Plutarchi  Eroticus.  Turici  1836  S.  96  ff.)»,  mit 
denen  die  Tractate  περί  κάλλους  (vgl.  Athen.  ΧΠΙ  c.  11  p.  561  a 
Stob.  fl.  65  f.  M.)  und  ττερί  γάμου  oder  ähnlichen  Titele  (vgl. 
L.  Schmidt:  Die  Ethik  der  alten  Griechen  Π  S.  187  ff.;  P.  Wend- 
land: Quaestiones  Musonianae  Berol.  1886  S.  56  und  besonders 
das  mir  erst  nach  Einsendung  dieser  Abhandlung  bekannt  ge- 
wordene Buch  von  K.  Praechter :  Hierokles  der  Stoiker.  Leipzig 
1901  S.  121  ff.)  in  engem  Zusammenhange  stehen.  Hauptsächlich 
im  dreizehnten  Buche  des  Athenaeus,  dem  ausführlichsten  der  uns 


^  6  σκηνικός  άνατορ€υθ€ΐς  φιλόσοφος,  vgl.  Sext.  Emp.  adv. 
gr.  p.  G66  B.;  Athen.  IV  c.  48  p.  158  e  XIII  c.  11  p.  561  a. 

*  vgl.  E.  Rohde :  Der  griechische  Roman  ^  S.  55  ff. 

'  Natürlich  bedarf  dieses  VerzeichnisB  nach  den  Ergebnissen  der 
neueren  Forschung  mehrfach  der  Berichtigung.  Vgl.  u.  a.  R.  Hirzel: 
Der  Dialog.  131  f.  110.  283.  345  f.  373.  399.  —  Der  bei  Winckelmann 
ao.  zuletzt  erwähnte  Capito  ist  identisob  mit  dem  Verfasser  des 
Epigramms  A.  P.  V  67. 


56  Wilhelm 

erbalteDen  Liebesdialoge,  in  Platarchs  Έρατηκός  ^,  bei  Maximne 
Tyriuß  Or.  24—27*,  in  Lucians  Έpu)T€ς^  bei  Stobaeus  fl.  63-  79* 
und  ancb  bei  Clemens  Romanus  Hom.  5,  10 — 19  Recogn.  X  20  ff. 
und  Clemens  Alexandnnus  Protr.  c.2  p.  27  ff.  P.  ^  Paed.  II  c.  10 
— 12  p.  220  ff.  P.  lassen  sieb  die  Spuren  dieser  erotiseben  Litte- 
ratur  verfolgen.  Als  eine  Entartung  dieser  Gattung  ist  die  scbltipf- 
rige  Schriftstellerei  ®  zu  bezeicbnen,  die  in  gegenseitiger  Befrucb- 
tung  mit  der  erotiseben  Komödie  und  Elegie  der  bellenistiscben 
Zeit  jene  Liebeslebre  behandelte,  die  uns  beispielsweise  in  Lucians 
Hetärengespräcben,  im  erotiseben  Roman,  in  der  Liebesepistel  (so 
besonders  bei  Aristaenetus^  im  erotiseben  Epigramm  und  in  der 
römiseben  Elegie  begegnet^,  wo  sie  durcb  Ovid  in  der  Ars  ama- 
toria  ibre  reicbste  Ausbildung  gefunden  bat. 

Eines  der  beliebten  ίητηματα  jener  'Pbilosopbie  ®  scheint 
nun  die  aus  den  socialen  Verbältnissen  Athens  seit  der  zweiten 
Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  begreifliche  Frage  gewesen  zu 
sein,  welche  der  beiden  Liebesarten  (ίρωτες),  die  Weiberliebe 
oder  die  Knabenliebe,  den  Vorzug  verdiene.  Der  von  den 
Dichtern  seit  Hesiod  Theog.  590  ff.  eo  oft  wiederbolte  Satz 
(vgl.  ua.  Eur.  Hipp.  616  ff. ;  Aristopb.  Thesm.  786  ff.),  dass  das 
Weib  ein  *Ueber  sei,  war  zu  einem  von  weiten  Kreisen  ange- 
nommenen Dogma  geworden.     Die   sklavische  Stellung  der  Frau 

^  Verfasser  dieser  Schrift  ist  nach  E.  Graf:  Commentat.  Ribb. 
S.  70  Plutarch  der  Sohn. 

^  Vgl.  Hobein:  De  Maxime  Tyrio  quaest.  philol.  selectae.  Got• 
tingae.  1895.  S.  69. 

^  Dem  Lucian  neuerdinge  wieder  abgesprochen  von  W.  Lauer: 
Lucianus  num  auctor  dialogi  "Ερωτάς  existimandus  sit.  Beilage  zum 
Programm  des  Kgl.  Friedrich- Wilhelme-Gymnasiums  zu  Köln  1899. 

*  Stobaeus  citire  ich,  soweit  er  nicht  in  der  Ausgabe  von  Wachs- 
mutb  und  Hense  vorliegt,  nach  Meineke. 

»  Vgl.  Wendling :  De  peplo  Aristotelico.  Strassb.  1891  S.  32  ff. 
70  ff.  —  Nach  W.  Christ:  Phil.  Studd.  zu  Clemens  Alexandrinus 
München  1900  S.  28  (=  Abh.  d.  k.  bayer.  Ak.  d.  Wiss.  I.  Kl.  XXI. 
Bd.  III.  Abt.  S.  482)  geht  der  ganze  Abschnitt  Protr  c.  2—4  auf  das 
Werk  des  Apollodor  über  die  Götter  zurück. 

•  Vgl.  Ribbeck:  Gesch.  d.  röra.  Dichtung  ^  Π  2G.). 

'  Vgl.  Leo:  Plautinische  Forschungen  S.  127  ff.  und  V.  Hoelzer: 
De  poesi  amatoria  a  oomicis  Atticis  exculta,  ab  elegiacis  imitatione 
expressa.  p.  I.  dies,  inaug.  Marpurgi  Catt.  1899  S.  7H  ff. 

β  Vgl.  Lucian  ao.  c.  31  p.  431  (φιλοσοφείν  υπέρ  γυναικατν); 
Ach.  Tat.  I  12,  1  (ήμβίς  μέν  oöv  ταΟτα  έφιλοσοφοΟμ€ν  π€ρΙ  τοΟ 
θ€θΟ  sc.  "Ερωτος). 


Zu  Achilles  Tatiae  57 

mit  ihren  auf  Emancipation  ^  gerichteten  Bestrebungen  und  das 
ausgebreitete  Hetärenwesen  dienten  dazu^  diesen  Glauben  zu  be- 
festigen. Die  Enabenliebe  galt  nach  dem  Beispiel  massgebender 
Männer  länget  als  ein  zum  Vollgenusse  des  Lebens  unentbehrliches 
Element^.  Mit  besonderem  Behagen  ist  das  Feld  der  Knaben- 
liebe  und  der  Weiberliebe  von  dem  Peripatetiker  Klearchos  von 
Soloi  in  seinen  von  Athenaeus  häufig  citirten  ερωτικά^  und,  wie 
es  scheint,  auch  von  seinem  Zunftgenossen  Hieronymos  von 
Rhodos^  behandelt  worden.  Wohl  die  meisten  der  Verfasser  der 
oben  bezeichneten  Schriften  über  die  Liebe  haben  zu  dem  'Pro- 
blem* in  irgend  einer  Weise  Stellung  genommen,  ohne  dass  man 
bei  der  klaffenden  Lücke  der  üeberlieferung  über  den  Stand- 
punkt der  einzelnen  Auskunft  zu  geben  vermöchte.  Nach  den 
strengen  Grundsätzen  ernstdenkender  Stoiker  wie  des  Musonius 
Rufus  und  unter  fleissiger  Benutzung  der  älteren,  namentlich 
der  peripatetischen  Schriften  über  die  Liebe,  wird  die  Contro- 
verse  im  Ερωτικός  des  Plutarch  zu  Gunsten  der  Ehe  ent- 
schieden ^  Dagegen  werden  die  Weiber,  insbesondere  die  als  das 
'Uebel'    κατ'  έΕοχήν   angesehenen  γαμεταί,    bei  Athenaeus  XIII 

c.  7  p.  558  e  ff.  durch  zahlreiche  Zeugnisse  aus  der  Komödie 
herabgewürdigt.    An  den  grössten  Kriegen®  und  am  Sturz  ganzer 

^  Vgl.  J.  Bruns:  Frauenemancipation  in  Athen.     Kiel  1900. 

^  Plato,  welcher  die  Knabenliebe  in  seinen  früheren  Dialogen 
derartig  verherrlicht  Latte,  dass  er  der  Sinnlichkeit  derselben  ent- 
schiedene Zugeständnisse  machte  (so  auch  in  den  kleineren  Dialogen 
wie  Lysis  und  Charmides;  vgl.  J.  Bruns:  N.  Jahrb.  f.  das  klass.  Alter- 
thum  1900  S.  36),  hat  sie  in  den  'Gesetzen*  gänzlich  verworfen.  — 
Ueber  den  muthmasslichen  Standpunkt  des  Aristot^^les  vgl.  Hirzel  ao. 
I  283.  —  In  der  πολιτ€(α  des  Zenon  von  Kition  war  die  Männerliebe, 
wenn  auch  nicht  die  grobsinnliche,   empfohlen;    vgl.  Susemihl:    Gesch. 

d.  griech.  Litt,  in  der  Alexandrinerzeit  I  56. 

β  Vgl.  zB.  Athen.  XIII  c.  16  p.  564a;  c.  56  p.  589d;  c.  70  p.  597  a; 
c.  83  p.  605d  u.  ö. 

*  Vgl.  Susemihl  ao.  I  150. 

*  üeber  Musonins  als  Quelle  des  Plut.  im  'Ερωτικός  vgl.  Wend- 
land ao.  p.  54  ff.  und  dazu  Wendland  und  Kern:  ßeitr.  zur  Gesch.  d. 
griech.  Phil.  u.  Rel.  8.  68  ff.  —  Gern  möchte  man  glauben,  dass  Plu- 
tarch in  der  erwähnten  Schrift  gegen  ältere  Ερωτικοί  polemisiert.  An 
engere  Beziehungen  zwischen  dem  plutarchischen  'Ερωτικός  und  den 
"Έρωτβς  des  Lucian  glaubt  Hirzel.  Aber  die  ao.  II  282  Anm.  J  ange- 
führten Aehnlichkeiten  gehören  offenbar  zum  Geraeingut  des  nach- 
platonischen  erotischen  Dialogs. 

*  Aehnlich  Philo  an  den  bei  Wendland  und  Kern  Beitr.  S.  36  f. 
citierten  Stellen.  Derselbe  Gedanke  schon  bei  Aristoph.  Thesm.  785  ff. 


5β  Wilbelm 

HioMT  tngtn  me  die  Scliold  (c.  10  p.  560  b— f).  Cfregen  die 
fftoiker,  welche  der  Knabenliebe  nnter  dem  Deebmantel  der 
S^eleoliebe  bnldipen  ^Tgl.  Plnt.  Erot.  c.  5  p.  752  Α  und  LaciaD 
Έρυττβς  c.  23  p.  423),  wendet  eicb  der  Grammatiker  Mjrtiloe 
ebenda  c.  15  p.  563  d  nnd  redet  bis  c.  20  p.  566  e  von  Knaben- 
liebe  and  V 2nner«cbdnbeit,  wibrend  er  e.  87  p.  606  a  ff.  an  einem 
Katalog  icboner  Fraaen  den  Xacbweis  fnbrt,  δτι  oib4v  dotiv 
ός)βαλμών  ο&ηυς  €uq>pavnKOv  ως  γυναικός  κάλλος.  In  Lncians 
Έραιτ€ς,  wo  das  epikureische  Gepiügr  ebenso  dentlieb  bemerk- 
bar ift  wie  das  kyniscb-etoische  ^ ,  vertbeidigt  der  Korintber 
Cbarikles  die  Weiberliebe,  der  Athener  Kallikratidas  die  Ejiaben- 
liebe  im  edlen  Sinne.  Der  Beifall  des  Scbiedsricbtera  Ljkinos 
(^  Lncianns)  gehört  dem  Kallikratidas. 

In  der  Poesie  hat  die  μούσα  παιδική  neben  dem  Motiv  der 
Wciberliebe  von  jeher  ihr  Ansehen  behauptet.  Dnrch  den*Cbry- 
fippos'^  des  Enripides.  der  nicht  gmnds&tslieh  der  Feind  des 
weiblichen  Geschlechts  (vgl.  besonders  Aristoph.  Thesm.  544  ff.) 
gewesen  sein  kann,  für  den  ihn  seine  Zeitgenossen  hielten',  war 
der  Conflict  zwischen  beiden  Liebesarten  auf  die  Bohne  ge- 
kommen. Ans  der  neueren  Komödie  mit  ihren  häufigen,  den 
Ansftllen  des  Aristophanes  in  seinen  drei  Weiberkomödien  an 
Heftigkeit  nicht  nachstehenden  Yerwnnschnngen  des  weiblichen 
Geschlechts  nnd  des  γαμεϊν  (vgl.  Antiphanes  fr.  292  K.  Ana- 
xandrides  fr.  52  Enbnlos  fr.  116  f.  Aristophon  fr.  5  Alexis 
fr.  262  Kenandros  fr.  154.  404.  484)*  sei  der  Μισογύνης  des 
Menandros  (fr.  325)  hervorgehoben.  Von  Antiphanes  (fr.  181) 
nnd  Diphilos  (fr.  58)  werden  im  Widerspruch  mit  dem  Zeagniss 
des  PInt.  Qnaest.  conv.  VIT  8,  3  p.  712  C,  nach  welchem  die 
Knabenliebe  für  die  via  κωμψοία  keinen  Stoff  abgab,  Stücke  des 
Titels  ΤΤαΛβροστής  nnd  TTaibepacTToi  genannt.  Die  Έραττβς  ή 
Καλοί  des  Elegikers  Phanokles  schienen  von  der  Knabenliebe 
abzumahnend  Aaf  das  Vorbild  des  Hesiod,  nar  dass  sie  von 
männlichen  Geliebten  handelten,  weisen  die  Ήοΐοι  des  Sosikrates 
von  Phanagoria   nnd    der   γυναικών    κατάλογος    des  Nikainetos. 


»  Vgl.  Praechter  so.  S.  148  f. 

*  Tragg.  Graec.  fr.  reo.  A.  Nauck*  S.  632. 

«  Vgl.  Bloch:    Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  Alt.  1901  S.  32. 
^  Aehnliches  in  der  imitircnden  römischen  Komödie:  ygl.  Ribbeck 
a/>.  I  78  f. 

*  Vifl.  Susemihl  ao.  I  191. 


Zu  Achillee  Tatius  59 

Auch  von  den  Dicbtern  wird  die  Frage,  ob  der  δρρην  oder  der 
θήλυς  ίρως  der  begebrenewertbere  eei,  verscbieden  beantwortet. 
Ale  βπου  προσή  τό  κάλλος,  άμφΐ&έζιος  bekennt  eiob  der  sinn- 
licbe  Liebbaber  in  dem  Fragment  des  ungenannten  Dichters  bei 
Plut.  Erot.  c.  21  p.  767  Α  ^.  Seleukos,  der  Sobn  des  Gescbicbt- 
ecbreibers  Mnesiptolemos,  welcher  letztere  am  Hofe  Antiocbos 
des  Grossen  lebte,  preist  in  zwei  von  Athenaeus  XV  c.  53 
p.  697  d  oitierten  Asklepiadeien  seiner  Ιλαρά  ^(Τματα  die  Knaben- 
liebe gegenüber  dem  γαμεΐν.  Schwankenden  Sinnes  ist  der  Epi- 
grammatiker Meleagros  von  Gadara  (A.  P.  V  208  ΧΠ  41.  86)• 
Vor  Straten  von  Sardes,  dem  talentvollen,  aber  lasciven  Sänger 
der  Enabenliebe,  findet  das  Weib  natürlich  keine  Gnade  (A.  F. 
Xn  7),  vielmehr  ist  ihm  das  παι&οφιλεΐν  wie  dem  Kallikratidas 
bei  Lucian.  ao.  c.  33  p.  433  bis  c.  36  p.  437  ein  εύρημα,  welches 
der  vemtinftjge  Mensch  wie  jeden  andern  Kulturfortschritt  vor 
dem  unvernünftigen  Thiere  voraushabe:  vgl.  A.  P.  ΧΠ  245. 
Der  unbekannte  Verfasser  des  Epigramms  A.  P.  Xll  17  kommt 
zu  dem  Ergebniss :  δσον  ουνατώτερος  δρσην  θηλυτίρης,  τόσσον 
χώ  πόθος  όΕύτερος,  während  Eratosthenes  Scholastikos^  Α.  Ρ. 
V  277  und  Μ.  Argentariue  Α.  Ρ.  V  116  im  Sinne  des  Charit les 
bei  Lucian  ao.  c.  25  p.  426  und  c.  27  p.  427  (vgl.  Musonins 
bei  Stob.  fl.  69,  23)  für  das  Weib  eine  Lanze  brechen.  Mit  der 
Weiberliebe  will  sich  auch  Agathias  A.  P.  V  278  begnügen, 
aber  A.  P.  V  302  verwirft  er  alle  Liebesarten  nnd  findet  das 
Heil  einzig  in  dem  cynischen  Verfahren,  welches  Diogenes  von 
Sinope  nach  Galen  De  loc.  affect.  VI  5  Bd.  Vni  419  K.  an- 
gewendet haben  soll.  —  ünt^r  den  diesbezüglichen  Aeusserungen 
römischer  Dichter^  ist  der  Ausspruch  des  Ovid  a.  a.  Π  683  f. 
bemerkenswerth : 


^  Naaok  ao.  Adesp.  355. 

s  Susemibl  ao.  I  225. 

*  üeber  das  Verh&ltniss  des  CatuU  zur  Knabenliebe  vgl.  Hamecker: 
Jahrb.  f.  Phil.  1886  S.  273  ff.,  über  das  des  Tibull:  Sat.  Viadr.  1896 
S.  48  ff.  Die  Erzeugnisse  der  Knabenmuae  beider  Dichter  —  und  das- 
selbe gilt  von  den  betreffenden  Dichtungen  des  Horaz  und  Vergil  — 
können,  weil  sie  sich  als  reine  Nachahmung  griechischer  Muster  aus- 
weisen, den  Glauben  an  eine  ihnen  zu  Grunde  liegende  Realität  nicht 
erwecken.  Bei  Properz  spielt  die  Knabenliebe  so  gut  wie  gar  keine 
Bolle;  vgl.  Birt:  Rh.  Mus.  XXXVIII  p.  215.  Schon  in  der  griechischen 
μούοα  παιοική  wird  vieles  auf  blosser  Nachahmung  älterer  Vorbilder 
ohne  den  Hintergrund  des  Selbsterlebten  beruhen.  Der  erotische 
Dichter  glaubt  sein  Lesepublikum  nicht  vollständig  zu  befriedigen, 
wenn  er  das  Motiv  der  Knabenliebe  übergeht. 


60  Wilhelm 

Odi  concubitus,  qui  non  ütrumque  resolynnt 
(Hoc  est,  cur  pueri  tangar  amore  miDUs). 
GriecbiRcbe  Epigrammenpoesien  wie  die  oben  angeführten  hat 
Martial  gelesen  und  verwerthet:  vgl.  zB.  Mart.  IX  25  A.  P. 
ΧΠ  175.  —  Mart.  XI  43  A.  P.  V  116,  Lucian.  ao.  c.  27  p.  428. 
Der  Sittenprediger  Juvenal,  der  I  2  das  unnatürlicbe  Treiben  der 
Männer  verdammt,  möchte  in  seinem  ψόγος  γυναιιςών  11  6,  34  ff.^ 
die  Verbindung  mit  einem  puer  delicatus  immer  noch  für  ge- 
rathener  halten  als  mit  einem  der  sittenlosen  Weiber  seiner  Zeit. 
^Je  mehr  das  weibliche  Geschlecht  der  allgemeinen  Corruption 
verfiel^  und  je  gewagter  infolge  dessen  die  eheliche  Verbindung 
zu  sein  schien,  um  so  mehr  scheint  man  sich  mit  der  Frage  nach 
den  Vürtheilen  der  Männerliebe  oder  der  Weiberliebe  beschäftigt 
zu  haben.  Der  letzte,  der  sie  ausführlicher  bespricht,  ist  Achilles 
Tatius,  der  Homanschriftsteller.  Es  handelt  sich  um  die  Exourse 
I  8,  1 — 9  und  II  35,  3—38  (Hercher),  welche  nach  dieser  Skizze 
ihres  Zusammenhangs  mit  der  vorhergehenden  Sohriftstellerei  in 
Prosa  und  Poesie  ein  litterarhistorisches  Interesse  beanspruchen 
dürfen,  zumal  sie  den  Niederschlag  alles  dessen  enthalten,  was 
über  diesen  Punkt  gedacht  und  geschrieben  worden  ist.  Eine 
kurze  Inhaltsübersicht  wird  nicht  überflüssig  sein. 

Eleinias,  der  Vetter  des  Romanheldeu  Eleitophon,  ergeht 
sich,  um  seinen  Geliebten  Charikles  von  einer  Heirath  abzu- 
halten, welche  dieser  nach  dem  Wunsche  seines  Vaters  mit 
einem  reichen,  aber  hässlichen  Mädchen  eingehen  soll,  in  einer 
Schmährede  gegen  das  Weibergeschlecht:  durch  das  Weib  (Pan- 
dora)  ist  alles  Uebel  auf  die  Welt  gekommen.  Der  Genues,  den  es 
gewährt,  ist  wie  der  Sirenengesang,  den  man  mit  dem  Leben  be- 
zahlt (I  8,  1.  2).  Schon  aus  den  geräuschvollen  Zurüstungen 
zur  Hochzeit  lässt  sich  auf  die  Grösse  des  Uebels  schliessen 
(§  3).  Wie  viel  Stoff  haben  die  Weiber  (Eriphyle,  Philomele, 
Stheneboia,  Aerope,  Prokne,  Chryseis,  Briseis,  das  Weib  des 
Eandaules,  Helena,  Penelope,  Phaidra,  Elytaimnestra)  der  Tragödie 
gegeben  (§  4 — 7)!  Entbehrt  das  Weib  noch  dazu  der  Schönheit, 
so  ist  das  Unglück  doppelt  (§8)^  Endlich  macht  das  Heiratben 
die  Jugend blüthe  des  Mannes  vor  der  Zeit  verwelken  (§  9). 


1  Vgl.    V.  457  ff.  474  ff.    mit  Lucian.  ao,  o.  38  p.  440  bis  c.  42 
p.  445.     Es  ist  die  Sprache  des  stoischen  Aretalogen. 

2  ήκιστα  γάρ  έν  γυναιΕΙν    ολόκληρος   άρβτή    φύ€ται.     Lucian.  ao. 
c.  50  ρ.  454. 

s  Vgl.  Ι  7,  4. 


Zu  Achilles  Tatius  61 

Der  andere  Abschnitt  (li  35,  3  ff.)  ist  ein  diatribeartiger 
Dialog  zwischen  dem  erwähnten  Kleitophon  und  dem  Aegypter 
Menelaos,  dem  Lobredner  der  Knabenliebe.  Dessen  Behauptung, 
die  Schönheit  der  Knaben  sei  5ριμύτ€ρον  βίς  ήοονήν  (§  3),  wird 
von  jenem  mit  dem  Einwand  bestritten,  dass  der  Schöne  dem 
Liebhaber  nur  allzuoft  mitten  im  Genüsse  entfliehe,  so  dass  der 
Genuss  unbefriedigt  bleibe,  wie  der  Durst  des  Tantalus  (§  4.  5). 
Dagegen  ist  nach  Menelaos  der  wahre  Genuss  eben  derjenige, 
der,  je  kürzere  Zeit  er  währt,  das  Verlangen  um  so  reger  erhält 
(36,  l).  Darum  ist  auch  die  Rose  schöner  als  alle  andern 
Blumen,  weil  ihre  Schönheit  rasch  entflieht.  £s  giebt  nämlich 
zwei  Arten  von  Schönheit,  die  himmlische  [der  Knaben]  und  die 
gemeine  [der  Weiber]  (§  2).  Jene  strebt  bald  zum  Himmel  empor, 
diese  verwelkt  am  Leibe.  Zeuge  jener  ist  Ganjmedes,  der  wegen 
seiner  Schönheit  von  den  Göttern  in  den  Himmel  entführt  und 
Zeus'  Mundschenk  wurde  (§3).  Aber  noch  kein  Weib  —  denn 
auch  mit  Weibern  hat  Zeus  Gemeinschaft  gehabt  —  ist  um  ihrer 
Schönheit  willen  in  den  Himmel  gekommen,  weder  Alkmene 
noch  Danae  noch  Semele,  und  Hebe  musste  ihr  Ehrenamt  an 
Ganymedes  abtreten  (§  4).  Statt  dessen  flndet  Kleitophon,  dass 
die  Schönheit  der  Weiber  deswegen  die  himmlische  sei,  weil  sie 
nicht  so  schnell  vergehe.  Denn  das  Unvergängliche  ist  dem 
Göttlichen  verwandt,  was  sich  aber  ändert  und  vergeht,  ist 
sterblich  und  gemein  (37,  I  j.  Hat  doch  die  Schönheit  der  Weiber 
(Europa,  Antiope,  Danae)  den  Zeus  selber  vom  Himmel  herab- 
gezogen (§  2).  Der  Baub  des  Ganymedes  war  eine  Vergewal- 
tigung, bedauerlich  und  unschön  zugleich  (§  3).  Semele  aber 
ist  nicht  durch  einen  Baubvogel,  sondern  nach  Art  des  Heraklee 
durch  Feuer  in  den  Himmel  entführt  worden;  aus  der  Verbindung 
des  Zeus  und  der  Danae  ging  [der  unter  die  Sterne  versetzte] 
Perseus  hervor;  Alkmene  aber  begnügte  sich  mit  der  Ehrung 
dass  Zeus  um  ihretwillen  dreimal  die  Sonne  nicht  scheinen  Hess 
(§  4).  Uebrigens  bieten  die  Umarmungen  und  Küsse  der  Weiber 
ein  ungleich  grösseres  Vergnügen  als  die  der  Knaben  (§5 — 10). 
Für  die  letzteren  nimmt  Menelaos  das  Schlusswort:  die  Bede, 
die  (Τχήματα  und  selbst  die  Schönheit  der  Weiber  beruhen  auf 
nichts  als  auf  künstlicher  Verfälschung  (38,  1.  2),  Die  Schön- 
heit der  Knaben  aber  ist  durchaus  natürlich  (j^  3);  der  liebenden 
Umarmung  geht  die  Umarmung  beim  Bingkampf  voraus,  dessen 
man  sich  niciit  zu  schämen  braucht  und  der  sich  zu  einem  Kampfe 
um  die  Lust  gestaltet  (§  4).     Die  Küsse  der  Knaben  sind  natür- 


62  Wilhelm 

lieb,  und  das  Behagen,   welohes  sie  einflösseD,   ist  ein   anersätt- 
liches  (§  δ). 

Die  Weise  unseres  Sophisten  ist  die,  dass  er^  an  eigener 
Erfindung  anfruchtbar,  das  Material  mit  Fleiss  aus  andern  Schrift- 
stellern, Prosaikern  und  Dichtern,  zusammensucht,  mit  Vorliebe 
das  Pikante  entlehnt,  das  Entlehnte  mehr  oder  weniger  vertuscht^ 
und  es  in  kurzen,  locker  verbundenen  Sätzen^  zusammenfügt. 
Seine  Abhängigkeit  von  der  yorausliegenden  erotischen  Litteratur 
geht  so  weit,  dass  er  selbst  die  Gemeinplätze,  an  denen  diese 
Gattung  überreich  ist,  nicht  verschmäht. 

Dahin  gehört  die  Unterscheidung  der  Άφροοίτη  ουράνια 
und  πάνδημος:  vgl.  Plato  Symp.  c.  8  p.  180  D  Xen.  Symp. 
8,  9  f.  Plut.  Erot.  c.  19  p.  764  Β  Athen.  XIII  c.  25  p.  569  d 
Lucian  D.  mer.  7,  1  p.  295.  Nach  Sokrates  bei  Xenophon  ao. 
soll  die  Liebe  zum  Körper  von  der  gemeinen,  die  Liebe  zur  Seele 
und  zur  Tugend  von  der  himmlischen  Aphrodite  stammen.  Be- 
greiflicher Weise  fanden  die  sophistischen  Vertheidiger  des  παι- 
ΟΟφίλεΐν  die  Seele  und  die  Tugend  nur  bei  den  Knaben.  Sie 
kOnnten  sich  auf  die  Stelle  in  der  sophistischen  Rede  des  Pau- 
sanias  bei  Plato  ao.  c.  9  p.  181  C  berufen,  wo  der  Sprössling 
der  himmlischen  Aphrodite  (mit  sophistischem  Gedankensprunge) ' 
schlechthin  der  Knabeneros  —  ό  τών  παί&(υν  ίριυς  —  genannt 
wird.  Demnach  sieht  Kallikratidas  bei  Lucian  Έρωτες  c.  37 
p.  438  in  der  Knabenliebe  den  Έρα*ς  ουράνιος  (vgl.  Plat.  Symp. 
c.  11  p.  185  B.  0.  12  p.  187  D),  während  ihm  die  Weiberliebe 
als  der  Έριυς  νήτηος  erscheint.  Sein  Gesinnungsgenosse  Pro- 
togenes  bei  Plutarch  ao.  o.  4  bedient  sich  dafür  der  Ausdrucks- 
weisen Έρως  αληθινός  (ρ.  750  C)  oder  γνήσιος  (ρ.  751  Α)  und 
Έρως  θήλυς  καΐ  νόθος  (ρ.  7''>0  F).  Selbstverständlich  vertritt 
Menelaos  bei  Achilles  in  seiner  sophistischen  Argumentation  die- 
selbe Anschauung.  Auch  er  unterscheidet  (II  36,  2)  ein  κάλλος 
ούράνιον  und  πάνοημον.  Jenes,  natürlich  nur  den  Knaben,  wie 
dem  unsterblich  gewordenen  Ganjmedes,  eigenthtimliche  κάλλος 
sucht  sich  des  sterblichen  Leibes  wie  einer  lästigen  Fessel  zu 
entledigen,  um  bald  in  seine  himmlische  Heimat  zurückzukehren. 
Bekanntlich   ist   das   nach    Plato   die   Aufgabe   des    Philosophen: 

^  Das  zeigt  besonders  die  Weise,  wie  er  den  Heliodor  benutzt; 
vgl.  Neimke:  Quaest.  Heliod.  Hai.  Sax.  1889  S.  22  ff. 

^  Nach  dem  rhetorischen  Recept  für  die  Stilart  der  άφέλ€ΐα. 
Vgl.  W.  Schmid  bei  Wiesowa;  Realenoycl.  I  Sp.  24G. 

8  Vgl.  G.  F.  Rettig:  Plat.  Symp.  Halle  1876  II  S.  132. 


Zu  Achilles  Tatias  63 

vgl.  Phaedr.  c.  30  p.  250  C.  Pbaedo  o.  9  p.  64  E.  c.  10  p.  65 
C  —  auf  diese  Stelle  mag  das  2Ιητεΐ  bei  Ach.  p.  85,  2  zurückgehen 
—  c.  12  p.  67  D.  c.  33  p.  82  D.  E.  Platonisch  ist,  wie  man 
leicht  bemerkt,  auch  der  folgende  Satz  (Ach.  p.  85,  3),  dass  das 
Gemeine,  di•  für  Menelaoe  das  Weibliche,  der  £rde  und  dem 
Leibe  anhafte.  Ee  schwebt  das  vielgebrauchte  Bild  von  der  flügel- 
lahmen Seele  vor  (Phaedr.  c.  28  p.  248  C),  die  unvermögend 
zar  Gottheit  emporzudringen  und  ihrer  Schwingen  beraubt  zur 
Erde  sinkt  (ίρριττται  κάτω  Ach.  ρ.  85,  3).  Desgleichen  zeigt 
sich  der  Einfluss  Piatos  in  dem  ebenfalls  recht  sophistisch  ge- 
haltenen Gegenbeweise  des  Kleitophon,  dass  das  weibliche  κάλλος 
den  grösseren  Anspruch  auf  Unsterblichkeit  habe.  Hier  (p.  85. 
20)  ist  das  κ  ι  ν  ο  ύ  μ  ε  V  ο  ν  έν  φθορςί  (vgl.  Phaedr.  c.  24  ρ, 
245  C  τό  .  .  .  υπ'  άλλου  κ  ι  ν  ο  ύ  μ  e  ν  ο'ν  .  .  .  παυλαν  ίχβι 
Ιωί\ς  und  ebd.  ρ.  245  Ε  πάν  γάρ  σώμα,  φ  μέν  ϋιυθεν  το  κι- 
νβΐσθαι,  άψυχον)  identisch  mit  der  rasch  vergänglichen  Knaben- 
scbönheit,  deren  Abnahme  mit  der  Zeit  des  Bartwuchses  beginnt 
(vgl.  A.  P.  ΧΠ  4.  195.  Luciau.  ao.  c.  10  p.  407.  c.  26  p.  426). 
Niemandem  wird  es  einfallen,  aus  der  Berührung  mit  solchen  ab- 
genutzten Sätzen  Piatos  auf  besondere  Vertrautheit  unseres  Achilles 
mit  der  platonischen  Philosophie  schliessen  zu  wollen.  Nichts 
liegt  diesem  Sophisten  ferner  als  philosophische  Specuiation^ 
Was  er  in  seinem  Bemühen  attisch  zu  schreiben  aus  den  Schriften 
Piatos,  dieses  Hauptvertreters  der  attischen  Prosa,  entnommen 
hat,  das  sind  im  wesentlichen  nur  dessen  Worte  und  Redewen- 
dungen^. Aber  selbst  unter  diesen  werden  ihm  gar  manche  nicht 
direct  aus  Plato,  sondern  vielmehr  erst  durch  Vermittlung  seiner 
eophietischen  Vorläufer  zugeflossen  sein.  Andere  Uebereinstim- 
mungen  mögen,  von  offenkundigen  Gemeinplätzen  abgesehen,  dar- 
auf zurückzuführen  sein,  dass  Achilles,  wie  sich  zeigen  wird, 
auch  die  verlorene ^  ihm  zeitlich  näher  liegende  Litteratur  über 
Liebe,  Schönheit  u.  dgl.  verwerthet  hat,  für  welche  die  erotischen 
Dialoge  Platos,   vor  allem    der  vielgelesene  ^^Phaedrus^    und   das 


*  Vgl.  Wyttenbach  in  Jacobs'  Ausg.  des  Ach.  ProU.  p.  XIV  Anm. 
25;  dagegen  F.  Passow:  Vermischte  Schriften  S.  90  und  A.  Stravos- 
kiadis:  Achilles  Tatins,  ein  Nachahmer  des  Plato,  Aristoteles,  Plutarch 
and  Aelian.  Erlang.  Dise.  Athen  1889  S.  7  f.  (eine  minderwerthige  Arbeit). 

^  VgL  H.  Sexauer:  Der  Sprachgebrauch  des  Ach.  Tat.  Heidelb. 
Dies.  Karlsruhe  1899  S.  7β. 

'  Vgl.  Norden:  Die  antike  Kunstprosa.  I  439  Anm.  4. 


64  Wilhelm 

'Symposion*  ohne  Zweifel  eine  ergiebige  Quelle  gewesen  sind. 
Möglicher  Weise  sind  die  eben  besprochenen  Stellen  hierher  zu 
rechnen  ^. 

Die  Verteidiger  der  Knabenliebe  empfinden  den  Unterschied 
zwischen  dem  Knaben  und  dem  Weibe  nach  einer  öfter  vorkom- 
menden Wendung  nicht  anders  als  den  Gegensatz  von  Natur 
und  Kunst:  άπλούστβραι  παΐΙ)€ς  γυναικών  (Ach.  ρ.  84,  11); 
vgl.  Strato  Α.  Ρ.  XII  7.  In  dieser  Hinsicht  liefert  ihnen  den 
Bauptanklagegrund  gegen  das  weibliche  Geschlecht  die  schon  in 
der  Komödie  (Aristophanes  fr.  320  Antiphanes  fr.  148  £ubulo8 
fr.  98  Alexis  fr.  98  Plaut.  Most.  258  flf.  u.  ö.)  so  bitter  ver- 
spottete und  von  den  Moralphilosophen,  wie  zB.  von  Nikostratos 
in  der  Schrift  περί  γάμου  bei  Stob.  fl.  74,  62  (vgl.  Juv.  II  6, 
461  flf.  und  Clem.  AI.  Paed.  II  10  p.  232  P.^)  mit  allem  Nach- 
druck verurtheilte  τέχνχ]  κομμωτική.  Gegen  diese  Sucht  der 
Weiber  die  natürlichen  Mängel  durch  kosmetische  Mittel  zu  ver- 
decken ziehen  Protogenes  bei  Plut.  ao.  c.  4  p.  751  A,  Kallikra- 
tidas  bei  Lucian.  ao.  c.  3ίί  ρ.  440,  Menelaos  bei  Achilles  p.  87 
14  ff.  mit  gleicher  Leidenschaftlichkeit  zu  Felde.  Sieht  man 
solche  Weiber  sich  am  Morgen  vom  Lager  erheben  —  so  eifert 
Kallikratidae  bei  Lucian  ao.  —   so  findet  man  sie    hässlioher  als 

^  Wenige  Beispiele  statt  vieler  mögen  das  Gesagte  illustrieren. 
So  soll  gleich  die  Scene  am  Anfang  p.  40,  8  ff.  nach  der  im  Eingang 
des  Phaedrus  c.  5  p.  2.30  Β  ausgeführt  sein.  Aber  wie  oft  kehrt  dieser 
den  Spott  des  Plut.  Erot.  c.  1  p.  749  Α  herausfordernde  Gemeinplatz 
in  der  erotischen  Erzählung  wieder!  Vgl.  Lucian.  "Ερωτες  c.  18  p.  418. 
liohde  ao.  S.  512  Anm.  1.  —  Ach.  p.  49,  13  schliesst  der  Satz:  ταΟτα 
άκουσας  μάθε.  Aehnlich  Plat.  De  legg.  VII  c.  14  p.  810  Α  τοΟτο 
αυτό  πρώτον  μάνθανε.  Vgl.  aber  auch  Lucian.  ao.  c.  37  p.  438  λο- 
γίίου  .  .  .  τά  τοιαΟτα  μεταμανθάνων.  —  So  hat  man  zu  κάλλος 
. . .  δριμύτερο  ν  εΙς  ηδονή  ν  (Ach.  ρ.  84,  12)  auf  den  wiederholten  Ge- 
brauch des  AdjectivB  δριμύς  bei  Plato  hingewiesen,  dagegen  die  einzig 
passende  Parallele  bei  Plut.  ao.  c.  19  p.  7(54  C  ("Ερως  .  .  .  ήδίων  καΐ 
δριμύτερος)  übersehen.  —  Ebensowenig  ist  Ach.  ρ.  141,  10  ταΟτα  μέν 
ούν  ίπαιίε  σπουδή  eine  Nachahmung  von  Plat.  Phaedr.  c.  9  p.  234 
l)  δοκώ  γάρ  σοι  παίίειν  καΐ  ούχΙ  έσπουδακέναι;  vgl.  Plat.  Symp. 
c.  19  ρ.  197  Ε  Xen.  Symp.  1,  1.  4,  28  Plut.  Erot.  c.  3.  p.  750  Α  Lucian 
ao.  c.  1  p.  397,  Hirzel  ao.  1  305.  —  Andere  Beispiele  werden  gele- 
gpfitlich  vorkommen.  —  Natürlich  eoll  hiermit  nicht  geleugnet  werden, 
dasH  Achilles  die  landläufigen  Schriften  Piatos  gelesen  hat.  Nur  soll 
man  auch  die  zahlreichen  Mittelglieder,  die  zwischen  Plato  und  Achilles 
liegen,  nicht  vergessen. 

''^  Wohl  nach  Musonius. 


Ζα  Aohilles  Tatius  65 

jene  Tiere,  die  des  Morgens  zu  erblicken  eine  üble  Vorbedeutang 
ist.  Statt  des  Affen,  der  hier  gedacht  ist  (vgl.  Lncian  Psendol. 
c.  17  p.  175.  A.  P.  V  76),  bedient  sich  Achilles  p.  87,  19  f. 
des  Vergleichs  mit  der  ihrer  fremden  Federn  entblöesten  Krähe 
(vgl.  A.  P.  XI  69).  Und  nun  gar  das  Flechten  und  Färben  der 
Haare  (Ach.  p.  87,  18)1  Vgl.  Lucian  ao.  c.  40  *p.  441;  Clem. 
AI.  Paed.  U  10  p.  232P.;  Musonius  πβρί  κούρας  bei  Stob.  290, 
15  ff.  H. ;  Prop.  II  18  b  Rothst.  Am  Weibe  beruht  eben  alles  auf 
Verstellung  (Ach.  p.  87,  14  f.),  και  τά  βήματα  (vgl.  Anaxilas 
bei  Athen.  XIII  c.  6  p.  558  d  Eurip.  bei  Stob.  fl.  73,  31  Me- 
nandros  ebd.  73,  43  Prop.  II  9,  31  f.)  καΐ  τά  σχήματα  (zum 
Auedruck  vgl.  Athen.  VIII  13  p.  335  d;  Clem.  AI.  Protr.  c.  4 
p.  53  P.;  A.  P.  V  129).  Wie  anders  die  schlichte  und  echte 
Schönheit  der  Knaben:  ουκ  αρδεύεται  (έπάροιυν  Lucian. 
ao.  c.  45  p.  448)  μύρων  όσφραΐς  ovbk  οολεραΐς  καΐ  αλ- 
λ ο  τ  ρ  i  α  ι  ς  όσμαΐς  (Ach.  ρ.  87,  21  f.)!  Hier  gemahnt  die  Wahl 
des  Adjectivs  δολερός  (vgl.  b  ό  λ  ιυ  ν  p.  87,  19)  an  das  Epi- 
gramm des  aus  einem  παιοομανής  zu  einem  θηλυμανής  gewordenen 
Bufinus  A.  P.  V  19  (Άντι  be  μοι  παίδων  άδολου  χροός  ήρεσε 
γύψου  Χρώματα  καΐ  φύκους  δνθος  έπεισόδιον),  während  das 
όλλοτρίοις  όσμαΐς  an  Lucian  ao.  c.  38  ρ.  440  (αλλό- 
τριοι κόσμοι)  und  Plat.  Phaedr.  c.  16  ρ.  239  D  (άλλοτρίοις 
χρώμασι  και  κόσμοις)  erinnert.  Angenehmer  (ήδιον  Ach.  ρ. 
87,  23)  als  alle  Salben  der  Weiber  duftet  der  ehrenvolle,  auf 
dem  Ringplatz  (vgl.  Plut.  ao.  c.  4  p.  751  Α  Lucian  ao.  c.  45 
p.  448)  vergossene  Schweiss  der  Knaben  (Ach.  ao.)  —  ein  Ge- 
meinplatz aus  Xen.  Symp.  2,  3  (ελαίου  bk  του  έν  γυμνασίοις 
οσμή  και  παροΟσα  ή  οίων  ή  μύρου  γυναιΕί,  και  άποΟσα  ποθεινο- 
τέρα);  nur  dass  an  Stelle  des  Salbölgeruchs  der  Ringer  nach 
Vorbildern  wie  Plat.  Phaedr.  c.  16  p.  239  C  (πόνων  μέν  αν- 
δρείων και  Ιδρωτών  Εηρών  δπειρον)  und  Lucian  ao.  c.  45 
ρ.  448  (οϊ  τε  των  εναγώνιων  πόνων  άποσταλάίοντες  Ιδρώ- 
τες) der  Schweiss  gesetzt  ist:  vgl.  Α.  Ρ.  XII  123  und  Strato 
ebd.  192. 

Auf  Xenophon  (Symp.  8,  29)  geht  mittelbar  oder  unmittel- 
bar auch  der  Gedanke  zurück,  dass  keines  der  irdischen  Weiber, 
mit  denen  Zeus  verkehrte,  wegen  seiner  Schönheit  unsterblich  ge- 
worden ist  (Ach.  85,  9).  Dafür  haben  wir  in  der  von  Xenophon 
unterlassenen  Aufzählung  solcher  Liebschaften  des  Zeus  —  Alk- 
mene,  Danae,  Semele  (p.  85,  10  ff.)  —  Europa,  Antiope,  Danae 
(p.  85,  24  ff.)  —  wieder  einen  Gemeinplatz,  der  in  den  Schriften 

Rhein.  Μοβ.  t  Philol.  N.  F.  LVII.  & 


66  Wilhelm 

über  Liebe  und  Schönheit  (vgl.  Athen.  XIII  c.  20  p.  566  d 
[Lacian.]  Charid.  c.  7  p.  622  ^  Clem.  Rom.  Recdgn.  X  c.  2i 
Hom.  5,  13  f.  Clem.  AI.  Protr.  c.  2  p.  28  P.)  nicht  minder  häufig 
war,  als  in  der  erotischen  Poesie  (vgl.  Ov.  Met.  VI  103  ff. 
Nonnos  Dion.  VII  117  ff.  XVI  238  ff.).  Vielleicht  entnahm  ihn 
Achilles  demselben  βιβλίον  έρωτικόν,  welches  er  an  der  Stelle 
benützt  hat,  wo  Kleitophon  die  Behauptung  des  Meneiaos,  daee 
alle  sterblichen  Frauen,  denen  Zeus  in  Liebe  nahte,  statt  der  Un- 
sterblichkeit nur  üblen  Lohn  davongetragen  hätten  (p.  85,  10  ff.), 
zu  entkräften  sucht  (p.  86,  3  ff.).  Seine  nicht  besonders  geschickt 
benutzte  Vorlage  besagte,  dass  Zeus  seine  irdischen  Geliebten, 
wie  Alkmene  und  Danae,  in  der  Weise  ehrte,  dass  er  den  von 
ihnen  geborenen  Söhnen  die  Unsterblichkeit  verlieh,  dem  Herakles 
(vgl.  Clem.  AI.  Protr.  c.  2  p.  28  P.),  indem  er  ihn  durch  Feuer 
in  den  Himmel  entführte,  dem  Perseus,  indem  er  ihn  unter 
die  Sterne  versetzte:  vgl.  die  Parallele  in  der  Liebes- 
epistel  des  Apion  bei  Clem.  Rom.  Hom.  5,  17  Ζευς  .  .  .  Κά- 
στορα και  ΤΤολυόεύκην  και  Έλένην  Λήί>ςι  χαριίόμενος  έποίησεν 
αστέρας•  και  Περσία  bia  Δανάη  ν  και...  Ήρακλέα  bia 
Αλκμήνη  ν,  durch  welche  die  kurze  Frage  des  Kleitophon  ei  6έ 
Δανάης  τήν  λάρνακα  γελςίς,  πώς  τον  ΤΤερσέα  σιιυπςΙς(Αο^ 
ρ.  86,  6  f.);  erst  völlig  verständlich  wird.  Uebrigens  ist  auch 
diese  schon  von  Xenophon  Symp.  8,  29  f.  angedeutete  Reihe  un- 
sterblich gewordener  Männer  (Kastor  und  Polydeukes^  Herakles, 
Ganymedes,  Perseus  ua.)  bekanntermassen  ein  ganz  vulgärer  locus 
communis;  es  genüge,  auf  Cic.  De  n.  d.  111  18,  45  Clem.  AI.  Protr. 
c.  2  p.  26  P.  und  die  vollständigste  Aufzählung  dieser  Art  bei 
Hygin  Fab.  224^  zu  verweisen.  Die  in  dem  Verzeichniss  der 
Liebschaften  des  Zeus  wiederholt  (zB.  auch  Clem  Rom.  Hera.  5, 
14)  erwähnte  Semele  soll  von  Zeus,  nachdem  sein  Blitz  sie  töd- 
lich versengt  hatte,  in  den  Himmel  erhoben  worden  sein:  Σεμέλην 
bk  εις  ούρανόν  άνήγαγεν  .  .  .  πυρ  (Ach.  ρ.  86,  3  f.). 
Diese  Erweiterung  der  ursprünglichen  Sage,  welche  nur  die  Ver• 


1  Die  Parenthese  καΐ  γ  ά  ρ  γυναιΕΙ  κεκοινώνηκεν  6  Ζευς 
(Ach.  ρ.  8Γ),  10)  scheint  dem  gleichfalls  pareuthetisch  eingefügten  Satz 
des  Charidemus  c.  7  p.  622  oO  γ  ά  ρ  ανθρώπων  γε  ούδέσι  πλην  εΐ  μή 
τοΙς  καλοί  ς  (sc.  Ζευς  ώ  μ  ί  λ  €  ι)  nachgebildet  zu  sein.  —  Vgl.  ebd. 
άναγαγειν  έκ€ΐσε  und  άναγαγών  έκεΐσε  sc.  εΙς  ούρανόν  mit 
Ach.  ρ.  85,  22  άνήγαγεν  €ίς  ούρανόν  (Χβη.  Syrap.  8,  30  iyu} 
hi  φημι .  .  .  κοί  Γανυμήδην  .  .  .  ύπό  Διός  εΙς  "Ολυμπον  άνενεχθήναι). 

^  Natürlich  schöpft  Hygin  wie  Cicero  aus  griechischer  Quelle. 


Zu  Aöhillee  Tatioa  67 

brennang  zu  kennen  scheint  (Ov.  Met.  III  308  f.  Hygin  Fab. 
179  Acb.  p.  85,  12),  ist  dem  Achilles  wohl  aus  Nonnoe,  mit 
dem  er  eich  anch  eonst  berührt,^  geläufig  gewesen:  vgl.  besonders 
DioD.  VIII  407  ff.:  Ζβύς  .  .  .  φλογερήν  Σεμέλην  μεταναστών 
εΙς  πόλον  δστριυν  Ούρανόν  οΤκον  ίχουσαν  ανήγαγε  ... 
Wo  die  Knabenliebe  gepriesen  wird,  sei  es  von  der  μούσα 
παιδική  oder  von  ihren  Lobrednern  im  erotischen  Dialog,  da 
wird  auch  des  schönen,  von  seinem  Liebhaber  Zeus  geraubten 
Ganjmedes  nicht  vergessen:  vgl.  Theogn.  1345  ff.  Ibykos  fr.  30 
B.  Plat.  Phaedr.  c.  36  p.  255  C  Xen.  Symp.  8,  30  Lucian 
Έραττες  c.  14  p.  413  Charid.  c.  7  p.  622  A.  P.  XII  65.  133. 
220.  221  uö.  Martialis  Υ  55  XI  43  uö.  Achilles  lässt  beide 
Sprecher  auf  die  Sage  Bezug  nehmen,  und  zwar  hat  er  sich  im 
Auedruck  wiederholt  an  Lucian  D.  d.  5  angeschlossen:  vgl. 
Ach.  p.  85,  14  (συνοική)  Lucian  ao.  c.  2  p.  213  (συνοι- 
κεί). —  Ach.  p.  85,  26  Lucian  ao.  c.  5  p.  215  (o  l  ν  ο  χ  0  ε  ί  - 
το))^.  Für  das  Motiv  der  Eifersucht  der  Here  wegen  des 
Ganymedes,  welches  Lucian  verarbeitet  hat  und  welches  sich 
auch  bei  Nonnos  ao.  XXY  445  ff.  findet,  hat  Achilles  keine 
Verwendung  gehabt.  Zwar  ist  "Ηρη  (ρ.  85,  27)  die  Ueberlie- 
ferung,  aber  die  strenge,  bis  aufs  Einzelne  sich  erstreckende 
Corresponsion  zwischen  der  Eede  des  Kleitophon  und  der  voraus- 
gehenden des  Menelaos  (man  beachte  besonders  das  in  den 
beiden  sich  entsprechenden  Sätzen  p.  85,  16  und  p.  85,  28  nach- 
drucksvoll  ans  Ende  gestellte  γυνή)  macht  die  Aenderung  "Ήβη 
(Hercher)^  durchaus  nothwendig.  Dagegen  dürfte  das  überlieferte 
τυραννουμένψ  (=  einem,  der  vergewaltigt  wird)  mit  Rücksicht 
auf  eine  Stelle  wie  Lucian  Έριυτες  c.  20  p.  420  (καΐ  τις  δρα 
πρώτος  όφθαλμοΐς  το  αρρεν  εΐοεν  ώς  θήλυ,  ί>υοϊν  θάτερον  ή 
τυραννικώς  βιασάμενος  ή  πείσας  πανούργως;)  vor  der 
Lesart  έσταυρα)μένψ  (ρ.  86,  1)  den  Vorzug  verdienen:  ό  bk 
ανάρπαστος  γενόμενος  (zur  Ausdrucksweise  vgl.  Plat.  Phaedr. 
c.  4  p.  229  C  und  Lucian  Charon  c.  17  p.  513)  υβρίζεται  καΐ 
ίοικε  τυροννουμίνψ  *  και  το  θ^αμά  έστιν  αϊσχιστον,  μειράκιον 
έ£  ονύχων  κρεμάμενον.  Hier  hat  sich  Achilles  gleich  dem  Non- 
nos Dion.  XXV  429  fP.  an  eines  der  zahlreichen  Kunstwerke  der 


ι  Vgl.  Rohde  ao.  S.  474  Anm.  2. 

^  Schon  II  9  berührt  sich  Achilles  mit  diesem  Göttergespräch 
c.  2  p.  214.  Dieser  Liebesscherz  stammt  aas  der  Liebeslehre:  vgl.  Ov. 
aa.  I  575  f.;  A.  P.  V.  171 ;  Aristaeuetus  I  25. 

8  Vgl.  dagegen  Ach.  Tat.  übersetzt  von  F.  Ast.  Leipz.  1802  S.  103. 


68  Wilholtti 

Malerei  oder  Plastik  erinnert,  welche  den  Ganymedesmythne  be 
handelten. 

Zum  Beweise,  dass  Ganymedes  um  seiner  Schönheit  willen 
in  den  Himmel  erhoben  wurde,  beruft  eich  Achilles  p.  85,  7  f. 
auf  dasselbe  Zeugniss  der  Ilias  ( Υ  234  f.)  wie  Athenaeus 
XIII  c•  20  p.  56 ti  d.  Auch  für  die  Schönheit  des  Agamemnon 
werden  von  beiden  Schriftstellern  (Athen.  XIII  c.  20  p.  566  c 
Ach.  p.  46,  28)  Verse  aus  der  Ilias  (Γ  169  f.  und  Β  478)  an- 
geführt. Ich  erkläre  mir  diese  Uebereinstimmung,  die  gewiss 
nicht  auf  Zufall  beruht,  aus  gemeinsamer  Benutzung  einer  jener 
populärphilosophischen  Schriften  π€ρι  κάλλους,  wo  diese  Homer- 
verse  nach  dem  bei  den  Populärschriftsteliem  beliebten  Brauch, 
ihre  Darstellung  mit  Dichterblumen  zu  schmücken,  oitiert  gewesen 
sind  \  Noch  beachtenswerther  ist  eine  andere  Berührung  zwi- 
schen Achilles  und  Athenaeus.  Zur  Begründung  des  Satzes,  dass 
das  Weib  ein  κακόν  sei  (Athen.  XIII  c.  8  f.  p.  559  f.;  Ach.  I 
8,  2  f.),  das  über  einzelne  wie  über  viele  das  grösBte  Unglück 
gebracht  habe,  erwähnen  beide  das  Beispiel  der  Chryseis,  welche 
die  Pest  im  Griechenheere  vor  Troja  verschuldete,  der  Briseis, 
welche  die  Ursache  der  μήνις  *Αχιλλέιυς  war,  der  Helena,  die 
den  trojanischen  Krieg  entzündete  (Athen.  XIII  c.  10  p.  560  b 
Ach.  I  8,  5.  6),  der  Phaedra,  die  das  Haus  des  Theeeus  ver- 
ödete (Athen,  ao.  c.  10  p.  560  c  Ach.  p.  Ί6,  23),  der  Eljtä- 
mnestra,  die  den  Agamemnon  tötete  (Athen,  ao.  c.  10  p.  560  d 
Ach.  p.  46,  24 ;  vgl.  Athen,  ao.  c.  3  p.  556  c).  Bei  Achilles 
findet  sich  ausserdem  das  Beispiel  der  £riphyle,  Philomele,  Sthe- 
neboia,  Aarope,  Prokne  (ao.  §  4),  des  Weibes  des  Kandaules  (§  5), 
der  Penelope  (§  6).  Mag  es  sich  hier  auch  um  eine  traditionelle 
Reihe  von  Beispielen  handeln,  die  zum  Tbeil  wohl  bis  auf  den 
γυναικών  κατάλογος  des  Hesiod  zurückreicht,  in  zahlreichen 
Tragödien^  behandelt  ist  und  in  der  Komödie  (vgl.  Athen.  XIII 


^  In  dem  ganzen  Abechnitt  des  Athenaeus  von  XIII  c.  18  p.  564  f. 
bis  c.  20  p.  566  e  scheint  mir  der  £ztract  solcher  Litteratur  π€ρΙ  κάλ* 
λους  (vgl.  c.  II  ρ.  561  a)  vorzuliegen. 

*  Vgl.  Nauck  ao.  S.  963  s.v.  •Α€ρόπη,  Έλ^νη,  'Εριφύλη,  Κλυται- 
μνήστρα, Πηνελόπη,  Σθεν^βοια,  Φαίδρα.  Φιλομήλη  und  ΤΤρόκνη  (vgl. 
Ach.  V  3.  5)  kamen  in  den  Stücken  des  Titels  Τηρ€ύς  vor  (vgl.  Nauck 
8.  V.),  Χρυσηίς  und  Βρισηίς  im  Χρύσης  des  Sophokles.  Dass  die  Επί- 
γονοι und  Φιλομήλη  des  Sophocles  ein  und  dasselbe  Stück  gewesen 
seien,  vermuthet  Welcker:  Die  griechischen  Trag.  p.  269  ff.  Ob  die 
Geschichte  des  Weibes  des  Kandaules   (Her.  I  8  flf.)  in  einer  Tragödie 


Zn  Achilles  Tatius  69 

c•  8  p.  559  C),  in  der  Liebeslehre  (Ov.  a.  a.  II  373—408),  in 
der  römischen  Satire  (Juv.  II  6,  648  ff.),  in  der  spätgriecbisohen 
Epigrammenpoesie  (A.  P.  IX  166)  wiederkehrt,  so  ist  doch  zwi- 
schen Achilles  and  Athenaeus  eine  engere  Beziehung  unverkenn- 
bar. Nun  ist  es  ja  an  sich  durchaus  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
der  Sophist  Achilles  das  Sophistenmahl  des  Athenaeus  gelesen  hat, 
bei  dem  er  auch  das  seltene,  vom  Komiker  Alexis  (Athen.  XIII 
c.  23  p.  568  a)  gebrauchte  Wort  πρωτόπειρος  (Ach.  p.  86,  11. 
87,  12)  finden  konnte,  aber  schon,  weil  die  Beispiel  reihe  des 
Achilles  ausführlicher  ist,  möchte  man  eher  glauben,  dass  beide 
Autoren  auch  hier  einer  gemeinsamen  Quelle,  vermuthlich  einer 
nicht  näher  nachweisbaren  Schrift  π€ρι  γάμου,  gefolgt  sind  ^. 

Dafür  sprechen  ausser  Parallelen,  wie  sie  Praechter  ao. 
8.  146  anführt  (vgl.  namentlich  Bieron.  adv.  lov.  317  c  mit  den 
Beispielen  der  Pasiphae,  Clytaemnestra,  Eriphyle  und  dazu  F. 
Book :  Aristoteles  Theophrastus  Seneca  De  matrimonio  Lips.  1898 
8.  46.  66),  die  Berührungspunkte  zwischen  Achilles  und  Sto- 
b  a  e  u  s  in  den  aus  der  Litteratur  περί  γάμου  und  ähnlichen 
Schriften  excerpirten  Abschnitten  seines  florilegium  über  das 
γαμβΐν  (67  ff.).  Einige  derselben,  betreffend  das  Schminken, 
Haarflechten  und  die  Verstellungskunst  des  Weibes  in  der  Eede, 
sind  bereits  oben  vermerkt  worden.  Dazu  kommt,  dass  beide 
Schriftsteller  (Ach.  p.  46,  1  f.  Stob.  73,  49)  dieselben  hesiodei- 
schen  Verse  0.  et  D.  57  f.  (vgl.  Eur.  Hipp,  bei  Stob.  ebd.  23 
A.  P.  IX  165  Ach.  p.  46,  21)  anführen.  Sie  werden  in  den 
Schriften  περί  γάμου  und  verwandten  Inhalts,  die  für  die  Sammlung 
des  Stobaeus  noch  so  manches  andere  Dichterwort  hergegeben 
haben  (vgl.  zB.  Stob.  73,  30  Lucian  Έρωτες  c.  38  p.  439.  — 
Stob.  71,  6  Plut.  £rot.  c.  8  p.  753  A),  mehr  als  einmal  citiert 
gewesen  sein.  Im  Anklänge  an  das  bald  darauf  bei  Stobaeus 
73,  51  begegnende  Citat  aus  den  Επίγονοι  des  Sophokles  ώ 
παν  σύ  τολμήσασα^  καΐ  πέρα  γύναι  oder  an  eine  ähnliche 
Stelle  eines  verlorenen  Dramas  heisst  es  Ach.  p.  46,  24  ff.:    ώ 


behandelt  war,  weiss  ich  nicht.  Man  darf  wohl  annehmen,  dass  Achilles 
verschiedene  dieser  Dramen  gelesen  hat. 

1  Aas  einer  solchen  Schrift  scheint  Athenaeus  von  XIII  c.  10 
p.  560  b  bis  560  f  geschöpft  zu  haben.  Aus  Schriften  περί  γάμου  dürften 
sich  auch  die  Gitate  von  XIII  o.  6  p.  557  e  bis  o.  9  p.  560  a  —  wenn 
auch  möglicher  Weise  erst  durch  Vermittlung  eines  älteren  Sammel- 
werkes —  herleiten. 

«  Vgl.  Soph.  0.  C.  761    Aristoph.  Nub.  375. 


70  Wilhelm 

πάντα  τολμώσαι  γυναίκες"  κδν  φίλώσι  φονεύουσι * 
κδν  μη  φιλώσι,  φονεύουσιν.  Auch  die  oft  wiederholte,  von 
Kleinias  bei  Ach.  p.  45,  30  f.  (τί  γάρ  ήοίκησας,  ϊνα  πεοηθής;) 
und  ρ.  47,  5  (μήπιυ  μοι  b  ο  Ο  λ  ο  ς  Τ^νη)  bezeichnete  Aaffaesung, 
dass  die  Ehe  ^  eine  Fessel  sei  (Plut.  Erot.  c.  7  p.  753  A), 
durch  die  man  zum  Sklaven  wird,  zumal  wenn  die  Frau  über 
Glücksgtiter  verfügt,  findet  ihre  Belege  bei  Stobaeue  :  vgl.  Euri- 
pides  und  Menandros  ebd.  70,  4.  5.  72,  11.  Die  Klage  des 
jungen  Charikles  bei  Ach.  p.  45,  25  f.,  der  nach  einem  der  Ko- 
mödie geläufigen  und  auch  von  Plutarch  im  ΈρατΓΐκός  übernom- 
menen Vorwurf  mit  einem  reichen  Weibe  verheirathet  werden  soll 
(έκοίόομαι  ό  δυστυχής  τοις  έκβίνης  χρήμασιν,  ϊνα  γήμιυ  πω- 
λούμενος), erinnert  an  Menandros  bei  Stob.  70,  5  (αυτόν 
bibu)(Tiv)  und  an  das  Bekenntnies  des  Demaenetus  bei  Plaut.  As. 
87  (Argentum  accepi,  dote  Imperium  vendidi).  Zu  dem  Motiv 
der  reichen  Frau,  die  obendrein  noch  hässlich  ist  (Ach.  I  7,  4, 
β,  8),  vgl.  Philippides  bei  Stob.  69,  8.  Hiemach  glaube  ich, 
dass  sich  Achilles  in  der  Declamation  des  Eleinias  I  8,  1  —  9  in 
der  Hauptsache  an  eine  der  Schriften  περί  γάμου  angelehnt  hat, 
wo  das  Ebekapitel  unter  Berufung  auf  zahlreiche  Dichterstellen 
—  wie  etwa  im  *  Ερωτικός  des  Plutarch  —  besprochen  war  *. 
Auf  eine  solche  Schrift  deutet  auch  I  8,  3;  hier  werden  die 
lärmenden,  dem  Tumult  des  Krieges  vergleichbaren  Bräuche  vor 
der  Hochzeit  (zu  biKXibuJV  κτύπος  vgl.  A.  P.  VII  711  θυρέτρων 


^  Reiches  Stellenmaterial  bei  Lasaulx:  Studien  d.  griech.  Alter• 
thums  S.  374  fif. 

^  Bei  der  Lectüre  der  Untersuchungen  Eitere  über  Geschichte  und 
Ursprung  der  griechischen  Florilegien  (A.  Elter:  De  gnomologiomm 
graecorum  historia  atque  origine,  de  Justini  monarchia,  de  Aristobulo 
Judaeo,  9  Programme  der  Universität  Bonn  1893—1895/96  in  fortlau- 
fender Paginierung;  Corollarium  Eusebianum,  ebenda  1894/95;  De  gnom. 
graec.  historia  atque  origine  commentationis  ab  Eltero  oonscriptae  ra- 
menta,  ebenda  1897)  kann  man  leicht  auf  die  Vermuthung  kommen, 
dass  sich  auch  Achilles,  wie  so  viele  Schriftsteller,  eines  der  seit  Chry- 
sippos  überaus  häufigen  Sammelwerke  nach  Art  des  florilegium  des 
Stobaeus  bedient  habe.  Doch  habe  ich  sonst  keine  Spuren  gefunden, 
die  auf  Benützung  eines  solchen  Werkes  durch  Achilles  sohliessen  lassen 
könnten.  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  daran  erinnert,  dass  der  Aufiputs 
der  Darstellung  mit  Dichterstellen  und  dichterischen  Redewendungen 
echt  sophistisch  ist.  Gar  manche  dieser  Anklänge  verdankt  Achilles 
seiner  eigenen,  keinesfalls  zu  unterschätzenden  Belesenheit  in  der  poe- 
tischen Litteratur. 


Zu  Äohillee  Tatius  71 

.  .  .  πάταγον.  Heeyoh  β.  ν.  κτυπίων)  verspottet:  Άτυχης  ό 
μίλλιυν  γομεϊν  έπι  πόλεμον,  6οκώ  μοι,  πέμπεται  (Ach.  ρ.  46, 
10  f.)  —  man  hört  einen  Sprecher,  der  die  Ehe  mit  ähnlichen 
Empfindungen  des  Aergers  hekämpft,  wie  sie  bei  Plut.  ao.  c.  11 
p.  755  B.  C  dem  Peisiae,  dem  Liebhaber  des  schönen  Bacchon,  bei 
der  Nachricht  von  dessen  unter  Aufbietung  des  ganzen  lauten 
Hochzeitsapparats  vollzogenem  Raube  durch  die  heirathslustige 
lemenodora  (c.  10  p.  755  A)  zugeschrieben  werden.  Am  Schlüsse 
des  Abschnitts  (Ach.  1  8,  9)  wird  dem  Heirathscandidaten  fol- 
gende Ermahnung  gegeben :  μηbέ  τό  ανθός  προ  καιρού 
της  ήβης  απόλυσης.  Προς  γαρ  τοις  δλλοις  και  τουτ'  ίστι  του 
γάμου  τό  ατύχημα  *  μαραίνει  τήν  άκμήν.  Μη,  οέομαι,  Χαρί- 
κλ€ΐς,  μήπω  μοι  μαρανθής*  μή  παραοψς  βομορφον  τρυγήσαι 
^  ό  b  ο  ν  άμόρφψ  γ  ε  ιυ  ρ  γ  ψ.  Die  Worte  sind  bezeichnend  für 
die  Arbeitsweise  des  Achilles,  weil  sie  uns  zeigen,  wie  er  sich 
selbst  auf  kurze  Strecken  an  mehrere  Muster  anschliesst  und  das 
Vorgefundene  derartig  in  einander  zu  verweben  weiss,  dass  sein 
Roman  in  der  That  ^einem  aus  allerlei  bunten  Lappeti  zusammen- 
gestückelten Teppich'  gleicht.  Zu  Grunde  liegt  der  Gedanke,  den 
sein  älterer  Zeitgenosse  und  Landsmann  Palladas  in  dem  schon 
oben  citierten,  ohne  Zweifel  nach  älterem  Vorbild  gedichteten  Epi- 
gramm A.  P.  IX  165  mit  den  Worten  ausdrückt:  *Avbpa  γαρ 
έκκαίβι  (sc.  γυνή)  ταϊς  φροντίσιν  ή6έ  μαραίνει,  Και  γήρας 
προπετές  τή  νεότητι  φέρει.  Gleichzeitig  aber  schwebt  dem 
Achilles  Lucian  Έρωτες  c.  21  p.  421  vor  Augen,  wo  der  Ver- 
theidiger  der  Weiberliebe  geltend  macht,  dass  vielmehr  die  un- 
sinnige Männerliebe,  die  selbst  vor  Entmannung  nicht  zurück- 
schreckt, des  Mannes  Jugendblüthe  vor  der  Zeit  verzehre  (τό  b' 
έν  νεότητι  παραμείναν  δ  ν  θ  ο  ς  εΙς  γήρας  αυτούς  μαραίνει 
π  ρ  ό  ιυ  ρ  ο  ν).  Dazu  kommt  der  Vergleich  des  Geliebten  mit  der 
Rose  nach  Epigrammen  wie  A.  P.  XII  58  (Rhianos)  und  ebd. 
234  (Strato)  und  endlich  das  von  Liebenden  und  Verheiratheten 
nicht  minder  oft  gebrauchte  (Praechter  ao.  S.  134  f.)  Bild  vom 
L  a  η  d  ma  η  η  und  seinem  Acker  (vgl.  u.  a.  Xen.  Symp.  8,  25). 
Wie  an  der  eben  besprochenen  Stelle,  so  sucht  Achilles 
auch  II  36,  1  dadurch  den  Schein  der  Selbständigkeit  zu  erwecken, 
dass  er  der  Ausführung  seines  Gewährsmannes  (Lucian  Έρωτες 
c.  25  p.  425)  widerspricht^.  In  seiner  Beweisführung  παιοικής 
χρήίΤεως  πολύ  τήν   γυναικείαν  όμείνω  (Lucian  ao.)  geht  Chari- 


1  Ygl.  Stravoskiadis  ao.  S.  9. 


72  Wilhelm 

klee  von  der  Behauptung  auR,  daes  der  Genuas  allemal  dann  um 
80  reizvoller  sei,  je  länger  er  anhalte:  πασαν  όπόλαυσιν  ηγούμαι 
τ€ρπνοτέραν  etvai  τήν  χρονιιυτίραν^.  Dafür  setzt  Mene- 
laos  ao.  vom  Standpunkt  des  Enabenliebhabers  aus  dae  Wesen 
des  Genusses  in  die  Flüchtigkeit  und  kurze  Zeitdauer  desselben: 
ποθ€ΐνόν  γάρ  ae\  το  άκόρεστον.  Το  μέν  γαρ  €ΐς  χ  ρ  ή  σ  ι  ν 
χρονιώτερον  τψ  κόρψ  μαραίνει  το  τβρττνόν,  τό  be  όρπα- 
ίόμενον  (vgl.  ρ.  84,  17)  καινόν  έστι  κα\  μάλλον  άνθει*  ου  γάρ 
γεγηρακυΐαν*  ίχ€ΐ  τήν  ήοονήν  .  .  .  Man  erkennt  (vgl.  nament- 
lich die  Worte  έπι  την  ύμετίραν  .  .  .  ήοονήν  im  Munde  des 
Gegners  bei  Lucian  ao.  und  dazu  Praechter  ao.  S.  149;  Berl. 
phil.  Wochenschr.  1896  Sp.  870  Anm.  1)  den  Ausfluss  philoso- 
phischer Erörterungen  über  das  κεφάλαιον  τής  ηδονής,  wie  sie 
zwischen  Epikureern  und  Stoikern  gang  und  gäbe  waren.  Der 
Liebhaber,  dem  sich  der  schamhafte  Geliebte  durch  fortgesetzte 
Flucht  entzieht  (Ach.  p.  84,  18  ff.)  und  so  die  Qualen  des  Tan- 
talus^  bereitet,  von  denen  der  cynische  Theomnest  bei  Lucian 
ao.  c.  53  p.  456  nichts  wissen  will,  ist  bereits  bei  Plat.  Phaedr. 
c.  17.   18  p.  240  f.  (vgl.  Xen.  Symp.  8,  23)  vorgezeichnet*. 

Von  der  Leetüre  der  Schrift  Έρωτες  ist  Achilles  ferner 
II  37,  5  beeinilusst,  wo  der,  nach  seiner  lüsternen  Ausführung 
p.  86,  14  ff.  zu  sohliessen,  in  den  Werken  des  θήλυς  ^ρως 
gründlich  bewanderte  (p.  87,  11  ff.)  Eleitophon  mit  Anwendung 
der  von  Lucian  ao.  wiederholt  gebrauchten  Redeformel  el  bfc 
bei   (c.   27  p.  428,  c.  49  p.  453  ^)    eine  nur   massige  Erfahrung 


^  όΕ€Ϊα  γάρ  ή^ovή  παραπτάσα  φθάνβι  πρΙν  ή  γνωσθήναι 
π€παυμένη.  An  diese  Worte  klingt  Ach.  ρ.  H4,  13  πώς  ^ptμύτ€pov  (sc. 
τό  κάλλος  παισ{ν),  είγε  παρακύψαν  μόνον  οΙχ€  ται  .  .  .,  nur  dass  der 
Rhetor  die  Auedruckeweise  des  Demosthenes  4,  24  τά  Εενικά  .  .  .  παρα- 
κύψαν τα  έπ\  τόν  τής  πόλεως  πόλεμον  .  .  .  πανταχο!  μΑλλον  οίχε- 
τ  α  ι  πλέοντα  vorgezogen  hat. 

'  Der  Ausdruck  wohl  veranlasst  durch  Lucian  ao.  c.  25  p.  426 
γυνή  μέν  oöv  άπό  παρθένου  μέχρι  ηλικίας  μέσης,  πρΙν  ή  τελέως  τήν 
έσχάτην  |!>υτ{δα  τοΟ  γ  ή  ρ  ω  ς  έπι^pαμεΐv,  εύάγκαλον  άνδράσιν  όμίλημα. 

'  Sprichwörtlich  (vj?!.  Ach.  ρ.  148,  14)  wie  die  Sirenen  (Ach. 
p.  HJ,  Γ).  Α.  Ρ.  V  1β1). 

*  An  den  von  Hercher  verdächtipten  Worten  καταλείπει  γάρ  δι- 
ψ  ui  ντα  (sc.  ό  παΙς  τόν  έραστήν)  ist  nichts  zu  beanstanden;  vgl.  Lucian 
ao  :  Λ  ι  ψ  ή  V  ύπομένειν. 

^  ε(  bi  bi.%  φιλοσόφων  παισΐ  πιστεύειν.  Datür  Ach.  ρ.  56, 
5  παίδες  σοφών. 


Ζα  Achilles  Tatius  73 

in  der  Weiberliebe  affectirt.  Eine  ähnliche  όπόκρισις  zeigt  Theo- 
mnest  bei  Lucian  ao.,  indem  er  die  Entscheidung  der  Frage  nach 
den  Vorzügen  der  Männer-  und  Weiberliebe  ablehnt  (c.  4  p.  401 
f.),  obgleich  er,  an  Liebeegenüesen  aller  Art  förmlich  übersättigt 
(c.  2  p.  398  f.)»  zu  diesem  Schiederichteramt  wie  keiner  geeignet 
Jet.  Becht  unerfahren  stellt  sich  auch  Charikles  c.  25  p.  426 : 
&  b*  iaiX  τούτων  άφανέστ€ρα,  τοις  πεπειρακόσιν  ύμϊν 
€i&evai  παρίημι  (vgl.  Menelaos  bei  Ach.  ρ.  86,  13  f.  είρήσεταί 
μοι,  κ&ν  μετρίως  ίχω  πείρας). 

In  brennenden  Farben  wird  die  Wollust,  welche  die  Hetäre 
bei  Umarmung  und  Euss  empfindet  und  einflösst,  τοη  Eleitophon 
p.  86,  14—87,  8  (vgl.  dagegen  Lucian  ao.  c.  26  p.  426  γυναικι 
bk  USW.  p.  427)  ausgemalt.    Zu  έχει  ρ.  86,  17  muss  aus  γυναικί 
ρ.  86,  14    (diese  Lesart    empfiehlt    sich    statt    des   überlieferten 
Τυναι£ί    wegen  Lucian  ao.  c.  26    p.  426    γυναικι    bi    und    Ach. 
p.  87,  14  γυναικι  μέν)   γυνή  als  Subject  gedacht    werden:    ίχει 
[γυνή]  το  σώμα  sc.  des  Liebenden,   ρ.  86,  18  ist  περιβάλλ&ιν  (das 
eigentliche  Wort  vom  Umwerfen  des  Oberkleides)  mit  dem  dop- 
pelten Accusativ  construiert  wie  das  Medium  bei  Her.  I  163  und 
das  synonyme  όμφίέννυμι  =  incubantem  quodammodo  amicit  vo- 
luptate  (wie  mit  einer  Hülle),  p.  86,   19   bedarf  das  handschrift* 
liehe   έγγίΖει,    zu    dessen   trai^sitivem   Gebrauch   Pol.   VIII  6,  7 
und    Lucian    ao.    c.    .53    p.   456    (χείλη     προσ  ε  γ  γ  ί  σ  α  ς    χεί- 
λε(Τι)    zu    vergleichen   ist,    keiner  Aenderung.     Nicht  das  Weib, 
goodern,  wie  gesagt,  die  Hetäre  ist  es,  deren  aus  der  Liebeslehre 
(vgl.  Ov.  a.  a.  III  793  ff.)  geläufige  Künste  (γλωττίΖειν,   κνίίειν, 
ττεριλαμβάνείν  Α.  Ρ.   V  129)  in  dieser  ausgelassenen  Ergiessung 
(vgl.  u.  a.  A.  P.  V  128)  bezeichnet  werden.    Sie  beruht,  wie  der 
Kenner  der  erotischen  Litteratur  leicht  bemerkt,  bis  ins  Einzelne 
—    περιβάλλειν,  οάκνειν  τα  φιλήματα,   άνοίγειν   τά    φιλήματα, 
όσθμαίνειν  usw.;    vgl.  besonders  Lucian  D.  m.  5,  3  p.  290.  5,4 
p.  292  —  auf  blosser  Nachahmung.    Dieselbe  sinnliche  Glut  er- 
künsteln die  Poesien  des  Paulus  Silentiarius,  an  dessen  Epigramm 
A.  P.  V  272  (?χω  στόματι  στόμα    και   περί   οειρήν  ...  βο- 
σκό μ  αι)  Ach.  ρ.  86,  22  f.  (περί  το  του  φίλουντος  στόμα 
βόσκεται)  anklingt.      Diese    Kunst    des    KUssens,    die    nicht 
bloss    die   Lippen,   sondern  auch   die   Herzen    aufs    innigste   ver- 
einigt   wissen    will   (vgl.   Plato  A.  P.  V  78    Xen.    Symp.  4,  26 
A.  P.  V   14.    171     Favorinus    bei    Stob.  fl.  65,  8    Longos  I  18 
Ach.    II   7.    8.    IV  8    Aristaenetus   II  7    Rothstein    zu    Prop.  I 
13,    17)    und    zwischen     künstlichen    und     natürlichen     Küssen 


74  Wilhelm 

(Ach.  II  38,  5),  zwiechen  φιλήματα  bibaKra  und  abi'baicTa 
oder  anaibeirra  (Longos  I  17  Ach.  II  37,  10),  zwiechen  φιλή- 
ματα μακρά,  ^μψοφα  und  μαλθακά  (Paul.  Sil.  Α.  Ρ.  V 
244,  1  Ach.  ρ.  86,  15)  so  wohl  zu  nnterecheiden  versteht,  mag 
einen  hervorragenden  Theil  der  in  der  hellenietischen  Elegie  ver- 
arheiteten  Liebeslehre  gebildet  haben,  welcher  Achilles  auch  sonst, 
besondere  aber  I  9.  10  und  II  4  gefolgt  ist.  Έβ  sind  die  Ab- 
schnitte, in  denen  Kleinias  und  Satyros  in  der  Rolle  der  έρυϋτο- 
bιbά(Tκαλoι  dem  verliebten  Kleitophon  die  Mittel  und  Wege,  die 
Geliebte  zu  gewinnen,  in  der  Weise  des  aus  verwandten  Quellen 
schöpfenden  Ovid  an  die  Hand  geben  :  vgl.  Ach.  p.  48,  1 6  ff. 
Ov.  a.  a.  II  345  f.  —  Ach.  p.  48,  19  f.  Ov.  a.  a.  I  471  f.  II 
183  f.  (Tib.  14,  17.  A.  P.  IX  221).  —  Ach.  p.  48,  24  ff.  Ov. 
a.  a.  I  613  f.  —  Ach.  p.  49,  3  ff.  Ov.  a.  a.  I  609  f.  —  Ach. 
p.  50,  1  ff.  Ov.  a.  a.  I  673  ff.  —  Ach.  p.  60,  16  ff.  Ov.  a.  a.  I 
229  ff.  III  762.  —  Ach.  p.  61,  1  ff.  Ov.  I  351  f.  II  251  ff.  — 
Ach.  p.  61,  10  ff.  Ov.  a.  a.  II  229.  233  ff.  (Am.  I  9).  —  Ach. 
p.  61,  24.  Ov.  a.  a.  I  707  ff.  —  üebrigens  ist  auch  der  in  der 
knappen  Form  des  αφελές  ausgesprochene  Gedanke  Ach.  p.  87 
8  ff.  naibujv  .  .  .  Άφpobίτη  .  .  .  αργή,  #|bovης  b'  oub^v  (vgl. 
Lucian  ao.  c.  25  p.  426)  kein  anderer  als  der  ausführlicher  aus- 
gesponnene  bei  Ovid.  a.  a.  II  675—  684  (vgl.  Charit.  II  8  p.  40, 
12  f.  H.).  Gegentiber  Lucian  ao.  c.  53  p.  456  f.,  wo  Theomnest 
die  ganze  κλΐμαΕ  der  flbovή  des  παιbεpαστής  von  der  δψις 
(οφθαλμός  γαρ  6bός  έρωτικφ  τραύματι,  vgl.  Plat.  Phaedr.  c.  36 
ρ.  255  C.  D  Philemon  fr.  138  Plutarch  περί  ίριυτος  bei  Stob. 
66,  7  Musaeus  92—98  Ach.  I  4,  4.  9,  4.  V  13,  4)  und  den 
πρώτα  θιγήματα  (vgl.  Α.  Ρ.  XII  209)  bis  zur  ίριυτος  ακμή  nach 
dem  Muster  der  Liebeslehre  (vgl.  Ov.  a.  a.  II  715  ff.),  aber  sie 
an  Raffinement  überbietend  enthüllt,  wird  das  sinnliche  Vergnügen 
der  Enabenliebe  von  Menelaos  II  38,  4.  5  mit  löblicher  Zurtick- 
haltung  vorgeführt.  Doch  zeigt  §  4  am  Schluss  deutlich,  daes 
er  sich  die  (Τυμπλοκή  in  der  Palaestra  nicht  etwa  wie  Anachareis 
im  gleichnamigen  Dialog  des  Lucian  1  p.  883  f.  denkt,  sondern 
daes  er  das  Ziel  des  Genusses  vielmehr  in  der  Ausschreitung  des 
Paidotriben  bei. Strato  A.  P.  XII  222  erblickt.  An  Strato  und 
andere  Vertreter  der  μοΟ<Τα  παώική  erinnert  auch  der  von  der 
SliMigkeit  des  KnabenkuRses  handelnde  Schluss  (p.  87,  32  ff.) 
mit  dem  trivialen  Bilde,  welches  das  Vergnügen  des  Kusses  mit 
dtm  Oennsse  des  Nektars  vergleicht:  A.  P.  V  305  XU  133 
Loeian  D«  d.  5,  3. 


Zu  Aohilles  Tatius  75 

Plato  (Pbaedr.,  Phaedo,  Symp.)  und  Xenophon  (Symp.)  — 
direct  und  indirect  verwerthet  — ,  verlorene  populärphilosophiscbe 
Litteratur  π€ρ\  ίριυτος,  π€ρι  κάλλους  und  π€ρι  γάμου,  Lucian 
(besondere  Έριυτες^)  und  Plutarcb  (Erot.^),  die  Liebeslebre  der 
bellenietiecben  £1egie  und  allerlei  erotiecbe  Epigrammenpoesien 
(so  von  Strato),  das  sind  im  Weeentlicben  die  Muster,  nacb  denen 
Acbillee  —  in  Wabrbeit  ein  gescbickter  Mueivktinstler  —  diese 
beiden  Einlagen  seines  Eomans  zusammengearbeitet  bat.  Solcbe 
Nacbweisungen  in  mögliebster  Vollständigkeit  darzubieten  wird 
für  einen  künftigen  Erklärer  dieses  Autors  trotz  Jacobs'  fleissi- 
gem,  aber  bei  weitem  uicbt  erscböpfendem  Commentar  eine  Haupt- 
aufgabe bilden. 

Ratibor.  Friedrieb  Wilbelm. 


1  Vgl.  dagegen  Robde  ao.  S.  481. 

2  Einen  Anhang  zu  dieser  Schrift  bilden  die  für  unecht  gehal- 
tenen, wie  es  scheint,  von  Ach.  II  12  ff.  (vgl.  Stravoskiadis  ao.  ö.  23) 
benutzten  ΈρωτικαΙ  οιητήσ€ΐς. 


KAISER  MARCUS  SALVIÜS  OTHO 


M.  Salyiue  Otho,  der  Nachfolger  des  Galba  auf  dem  Throne 
der  Cäsaren,  gehört  zu  denjenigen  Erecheinungen,  deren  Charak- 
terbild in  der  Geschichte  schwankt.  Und  das  ist  begreiflich 
genug.  Denn  in  ihm  zeigen  sich  zwei  ganz  yerschiedene  Naturen, 
die  in  den  verschiedenen  Epochen  seines  Lebens  jede  für  sich 
wirksam  auftreten.  Darum  galt  er  schon  seinen  Zeitgenossen  für 
eine  problematische  Persönlichkeitf  zu  der  die  Einen  eine  bis- 
weilen leidenschaftliche  Hinneigung,  die  Anderen  eine  entschiedene 
Abneigung  hatten. 

Seine  Familie  war  noch  nicht  seit  langer  Zeit  in  die  Nobi- 
lität  aufgenommen.  Sein  Vater  L.  Salvius  Otho  war  zuerst  in 
der  Familie  Consul  suffectus  im  Jahre  33  n.  Chr.  gewesen,  und 
zwar  war  er  in  diesem  Consulat  der  Nachfolger  des  Galba  (Suet. 
Galba  6).  Dieser  Luc.  Salvius  Otho  soll  dem  Tiberius  so  ähnlich 
gesehen  haben  und  so  lieb  gewesen  sein,  dass  viele  ihn  für  einen 
Sohn  desselben  hielten  (Suet.  Otho  1).  Der  ältere  Bruder  des 
Marcus,  L.  Salvius  Otho  Titianus,  der  später  an  der  Seite  desselben 
während  seines  kurzen  Regimentes  eine  entscheidende  Rolle  spielte 
(Tac.  h.  1,75.  77.  90.  2,23.  33.  39.  60),  war  im  Jahre  52  zu- 
sammen mit  Faustus  Cornelius  Sulla  Felix,  dem  Schwiegersohn 
des  Kaisers  Claudius  Consul  gewesen  (Tac.  ann.  12,  52),  dann 
unter  Nero  im  Jahre  65  Proconsul  von  Asien,  während  Cn.  Ju- 
lius Agricola  in  dieser  Provinz  Quästor  war.  Tacitus  Agr.  6 
stellt  diesen  Bruder  des  Marcus  Otho  als  geldgierig  und  gewis- 
senlos hin,  der  'zu  jeglicher  Habgier  geneigt  mit  der  gefälligsten 
Nachsicht  (gegen  den  Quästor)  eine  gegenseitige  Verheimlichung 
der  Schlechtigkeit  erkauft  haben  würde'  (in  omnem  aviditatem 
pronus  quantalibet  facilitate  redemturus  esset  mutuam  dissimula- 
tionem  mali).  Und  Vitellius  schonte  ihn,  als  er  nach  der  Schlacht 
bei  Betriacum  Gericht  über  die  Generale  des  Otho  halten  Hess, 
weil  er  ihn  wegen  Energielosigkeit  fiir  ungefährlich  hielt  (Tac. 


Kaiser  Marcas  Salvius  Otho  77 

(b.  2, 60 :  Salvius  Titianus  ....  ignavia  excnsatas).     Als  dieser 
Titianns  bereite  im  Jabr  52  Consul  wurde,  war  er  nocb  ein  junger 
Mann,  und  das  läset  darauf  echlieseen,  dass  die  Familie  dem  kai- 
serlicben  Hause  nabe  stand.    So  ist  es  erklärlicb,  wie  sein  jüngerer 
Bruder  Marcus  scbon  von  Anfang  des  Regimentes  Nero's  an  unter 
dessen  Genossen  sieb  befand  und  sebr  bald  bei  seiner  zügellosen 
Natur,    die   so   gut  zum  Nero    sieb    scbickte,    sein  Vertrautester 
wurde  (Tac.  b.  1,   13:  Namque  Otbo  pueritiam  incuriose,   adole- 
scentiam  petulanter  egerat,  gratus  Neroni  aemulatione  luxus).  Das- 
selbe   bericbtet  Plutarcb,   der  sieb  Mm   Allgemeinen  bald  zu  Ta- 
citus,    bald  zu    Sueton    neigt*    und    wabrscbeinlicb  mit  diesen  für 
sein  Memoirenwerk  Γάλβας  και  "Όθων  eine    gemeinsame   Quelle 
benutzt   bat;    ob  dies  Cluvius  Rufus  gewesen  ist,    wie  H.  Peter 
früber  annabm,  wäbrend  er  jetzt  den  älteren  Plinius  anzunehmen 
geneigt    ist,    das    lässt    sieb  niebt  mit  Sicherheit    feststellen  (H. 
Peter,   die   gescbicbtl.  Literatur  über  die  römische  Kaiserzeit  ü, 
73.  275  Anm.  2).     In    der  Zeichnung  des   Otbo    trifft  aber  Plu- 
tarcb Galba  19    ganz    zusammen    mit  der   des  Tacitus,    wenn  er 
sagt:   τρυφη  bk   καΐ  φίληοονίαις  €ύθύς    έκ   -naxbiuv  ....  bie- 
φθαρμ^νος  (ό  "Οθιυν).  —  φίλψ  όέ  τψ  "Οθιυνι  και  συμβιωτή  όιά 
τήν  άσιυτίαν  έχρήτο   (ό  Νίρων).     Diese   Vertrautheit   stieg,    als 
der  £influes   und   die  Macht   der  Agrippina,  der  Mutter  Nero^s, 
sank.      Das    geschah    zu    der  Zeit,    als  Nero   schon    im    zweiten 
Jahre  seines  Regiments  in  Leidenschaft  zu  einer  Freigelassenen, 
der  Akte,  entbrannte.     Dieses  Verbältniss  ward  im   Anfang  von 
Nero  besondere  vor  seiner  Mutter  sehr  geheim  gehalten:  zu  den 
vertraulichen  Zusammenkünften  mit  seiner  Geliebten  zog  er  nur 
zwei  Mitwisser   zu,   den  Marcus  Otho    und    den    Senecio,    beides 
feine  junge  Männer  von  glänzendem  Aeussern,   adolescentuli  de- 
cori,  wie  Tacitus  ann.  12,  13  sie  nennt,  was  allerdings  nicht  zu 
Sueton    passt,    der    den    Otho    (Otho    12)    wenig    stattlich,    von 
schlechtem  Fusswerk   und  krummbeinig  sein  lässt    (modicae  sta- 
turae  et  male  pedatus  scambusque  traditur).    Aber  diese  Tradition 
mag  wohl  mit  aus  der  hauptstädtischen  Scandalcbronik  stammen, 
die  Sueton  so  fleissig  benutzt  hat. 

Der  zweite  von  diesen  Busenfreunden  des  jungen  Kaisers, 
Claudius  Senecio,  war  der  Sohn  eines  Freigelassenen  des  Kaisers 
Claudius.  Er  gebüHe  später  zu  der  grossen  Verschwörung  des 
Jahres  65,  die  den  C.  Calpurnius  Piso  an  der  Spitze  und  so  Viele 
zu  Theilnehmern  hatte,  als  der  Hass  gegen  das  Scheusal  auf  dem 
Throne  zusammenführte.   Die  Thatkräftigsten  unter  diesen  waren 


78  t»aul 

der  Tribun  der  Leibwächter  Subrius  Flavue  und  der  Centario 
Sulpicias  Asper.  Auch  der  Dichter  der  Pharsalia,  Lucanus  An- 
naeusy  dessen  Dichterrubm  Nero  aus  Eifersucht  niederzuhalten 
strebte,  gehörte  zu  ihnen  (ann.  15,  49).  Was  aber  den  Senecio, 
der  ann.  15,  50  unter  den  Ersten  aufgezählt  wird,  die  der  Ver- 
schwörung beitraten,  hierzu  bewogen  hat,  wird  von  Tacitus  nicht 
ausdrücklich  gesagt.  Indees,  da  es  aO.  heisst:  diejenigen,  die 
zuerst  die  Sache  in  die  Hand  genommen,  hätten  bei  ihren  Wer- 
bungen darauf  hingedeutet,  dass  die  Gräuelherrschaft  des  Nero 
an  ihrem  Ende  angekommen  sei  und  hätten  so  den  Claudius  Se- 
necio, den  Cervarius  Proculus  usw.  als  Tfaeilnebmer  der  Verschwö- 
rung gewonnen  (ann.  15,  50  :  ergo  dum  scelera  principis  et  finem 
adesse  imperio  ....  inter  se  aut  inter  amicos  iaciunt,  adgregavere 
Ülaudium  Senecionem  etc.),  so  muss  man  wohl  annehmen,  dass  er 
noch  zur  rechten  Zeit  das  sinkende  Schiff  habe  verlassen  wollen. 
Denn  Rache^  etwa  wegen  Ungnade  des  Nero,  hatte  er  nicht  zu 
nehmen,  da  ausdrücklich  von  Tacitus  in  der  Erzählung  von  diesen 
Dingen  berichtet  wird,  dass  Senecio  auch  zur  Zeit  der  Verschwörang 
noch  im  vertrauten  Umgänge  mit  Nero  gelebt,  auch  den  Schein 
der  Freudschaft  immer  noch  beibehalten  habe.  Dass  aber  nur  Sinn 
fürs  Gemeinwohl  ihn  der  Verschwörung  zugeführt  habe,  wie  das 
von  dem  designierten  Consul  Plautius  Lateranas  ann.  15,  49  aas- 
drücklich  hervorgehoben  wird,  ist  bei  Senecio,  dessen  ganze  Lebens- 
art wollüstige  Weichlichkeit  war  (ann.  15,  70),  nicht  anzunehmen. 
Wir  werden  also  richtig  vermuthen,  wenn  wir  ihn  als  Einen 
derer  ansehen,  die  das  Ende  der  kaiserlichen  Wirthschaft  er- 
kannten und  bei  der  demnächst  erwarteten  Umwandlung  neue 
Hoffnung  haben  wollten,  wie  das  so  bei  den  meisten  der  Ver- 
schworenen war  (aO.:  ceteris  spes  ex  novis  rebus  petebatur).  Als 
die  Verschwörung  ans  Licht  gekommen  und  unter  den  Verschwo- 
renen auch  Senecio  mit  genannt  worden  war,  leugnete  er  erst 
lange,  dann  durch  versprochene  Straflosigkeit  verleitet,  nannte  er, 
um  sein  Zögern  zu  rechtfertigen,  auch  seinen  besten  Freund,  den 
Annaeus  Pollio,  als  Mitverschworeuen.  Er  that  da  dasselbe,  wie 
Lucanus  und  Quintianus  und  andere  erlauchte  und  hochangesehene 
Männer  thaten,  Avelche  noch  keine  Folter  gefühlt  hatten  und 
aus  Schrecken  davor  das  Liebste  und  ihrem  Herzen  Nächste  ver- 
riethen,  ann.  15,  17:  cum  ingenui  et  viri  et  equites  Romani  se- 
natoresque  intacti  tormentis  carissima  suornm  quisque  pignora  pro- 
derent.  Non  enim  omittebant  Lucanus  quoque  (der  sogar  seine 
Mutter  Acilia  augegeben    hatte)   et  Senecio  et  Quintianus  passim 


Raiser  Marcus  Salvins  Otho  ?9 

conscioe  edere.  Freilich  half  das  Alles  trotz  der  yereprochenen 
Straflosigkeit  bei  Nero  Nichts.  Er  gerieth  vielmehr  in  desto 
grössere  Angst,  je  mehr  Theilnehmer  genannt  wurden  (magis 
magisque  pavido  Nerone,  aO.)•  Senecio  musste  in  den  Tod  gehen 
wie  die  andern,  was  er  nicht  ohne  Würde  gethan  zu  haben 
scheint.  Tacitus  berichtet  ann.  15,  70,  er  sei  gestorben  nicht  wie 
sein  vergangenes  wollüstiges  Leben  hatte  annehmen  lassen:  Se- 
necio posthac  (post  Annaeum  Lucanum)  ....  non  ex  priore  vitae 
mollitia,  mox  reliqui  coniuratornm  periere. 

Das  also  waren  die  beiden  Basenfreunde  des  jungen  Herr- 
schers, die  vertrauten  Mitwisser  seines  Liebesgeheimnisses  mit 
der  Akte  (assumti  in  conscientiam,  ann.  13,  12),  Marcus  Otho 
und  Claudius  Senecio.  Sie  hatten  sich  ohne  Wissen  der  Agrip- 
pina,  die  bis  dahin  ihren  Sohn  beherrscht  hatte,  in  sein  engstes 
Vertrauen  eingeschlichen  durch  verschwenderische  Ausschweifung 
und  zweideutige  Heimlichkeiten,  ann.  13,  12:  penitus  irrepserat 
per  luxum  et  ambigua  secreta.  Da  diese  Worte  nicht  blos  auf 
Senecio,  sondern  auch  auf  Otho  gehen,  so  wäre  wohl  ir^epserant, 
wie  Nipperdey  vermuthet,  deutlicher  gewesen,  indessen  nöthig  ist 
es  nicht.  Dagegen  ist  die  Auslegung,  die  dieser  Gelehrte  den 
ambigua  secreta  gibt,  wohl  die  richtige,  wenn  er  darunter  ver- 
dächtige Zusammenkünfte  mit  dem  Kaisef  sieht,  wobei  Akte  zu- 
gegen war  und  Otho  und  Senecio  zugezogen  wurden.  Diese  Zu- 
sammenkünfte hielt,  wie  gesagt,  Nero  jetzt  noch  geheim,  da  die 
Scheu  vor  der  Mutter  bei  ihm  noch  nicht  ganz  erstorben  war 
und  Agrippina  mit  Eecht  von  ihm  als  heftige  Gegnerin  des  ver- 
traulichen Verhältnisses  angesehen  wurde.  Als  sie  hinter  die 
Sache  kam,  strebte  sie  heftig  dagegen  an.  Indess  half  ihr  das 
bereits  nichts  mehr  (ignara  matre,  dein  frustra  obnitente,  aO.). 
Das  Verhältniss  mit  der  Akte  und  die  Busenfreundschaft  mit  den 
beiden  Bouos^  den  Mitwissern  jenes  Geheimnisses,  dauerte  fort 
bis  zum  Jahre  58,  wo  es  plötzlich,  so  weit  es  die  Akte  und  den 
Otho  betraf,  ein  Ende  fand  und  zwar  durch  ein  noch  unzüchti- 
geres Verhältniss,  das  den  Anfang  zu  schwerem  Unheil  für  das 
gemeine  Wesen  machte  (magnorum  reipublicae  malorum  initium 
fecit,  Ann.  13,  45).  Denn  in  dem  genannten  Jahre  begann  die 
Liebschaft  des  Kaisers  mit  der  Sabina  Poppaea,  diesem  unheil- 
vollsten aller  Weiber,  von  denen  die  Geschichte  weiss. 

Sabina  Poppaea  war  die  Tochter  des  T.  Oilius,  nahm  aber, 
da  dieser  ihr  Vater  ohne  je  eine  bedeutende  Stellung  eingenom- 
men zu  haben  mit  in  den  Sturz  des  Sejan  verwickelt  worden  war, 


80  Paul 

den  Namen  ihres  mütterlichen  Grossvatere  Poppaeue  Sahinne  an, 
der  durch  den  Glanz  des  Conenlats  und  eines  Triumphs  eine 
grosse  Berühmtheit  hinterlassen  hatte  (ana.  13,  45).  Denn  Pop- 
paeus  Sabinus,  der  am  Ende  des  Jahres  35  n.  Chr.  verschieden 
war,  war  zwar,  wie  Tacitus  ann.  6,  39  berichtet,  der  Herkanft 
nach  unbedeutend,  aber  durch  die  Freundschaft  mit  den  Kaisern 
Augustus  und  Tiberius  zur  Ehre  des  Consulats  9  n.  Chr.,  und 
zur  Auszeichnung  des  Triumphs  im  Jahre  26  gelangt  und  war 
mit  der  Gewalt  über  die  grössten  Provinzen,  Mösien,  Achaja, 
Hacedonien,  bekleidet  (Tao.  ann.  1,  80).  Zwar  sagt  Tacitus  ann. 
6,  39,  zu  allen  diesen  Ehren  sei  er  gekommen  ohne  ein  beson- 
deres Verdienst;  er  sei  Nichts  mehr  gewesen,  als  dass  er  den 
Geschäften  gewachsen  gewesen  sei.  Indessen,  einen  Triumphator 
zum  Ahn  zu  haben,  der  die  thracischen  Stämme  niedergeschlagen 
hatte,  die  auf  den  Hochgebirgen  in  der  Wildniss  unbändig  ihr 
Wesen  trieben  und  sich  der  Aushebung  nicht  fügen  wollten  (ann. 
4,  46),  war  doch  für  ein  Weib,  das  nach  Glanz  und  Herrschaft 
strebte,  ein  Gewinn,  den  sie  sich  nicht  entgehen  lassen  durfte. 
So  trat  sie  denn  mit  dem  Namen  des  Günstlings  zweier  Kaiser 
und  glänzenden  Triumphators  in  der  Hauptstadt  auf,  ein  Weib, 
das  Alles  besass,  nur  keine  Sittlichkeit  (ann.  13,  45  :  huic  mn- 
lieri  cuncta  alia  fuere  praeter  honestum  animum). 

Die  Mutter  dieser  Poppaea  Sabina,  die  den  gleichen  Namen 
wie  sie  trug  und  eine  Tochter  des  Poppaeus  Sabinus  war,  hatte 
alle  Frauen  ihrer  Zeit  an  Schönheit  übertroffen  und  hatte  ihren 
Buhm  und  ihre  Gestalt  zugleich  auf  die  Tochter  vererbt  (ann.  aO.). 
Aber  schon  diese  Mutter  hatte  neben  dem  Ruhm  der  Schönheit 
auch  noch  den  Ruf  der  galanten  Dame  genossen.  Allerdings  ging 
dieser  Ruf  von  den  unreinen  Lippen  der  Kaiserin  Messalina,  der 
Gemahlin  des  Claudius,  aus  und  scheint  von  dieser  aus  Eifersucht 
gegen  die  schöne  Frau  ausgegeben  worden  zu  sein.  Durch  ihren 
Helfershelfer,  P.  Suillius,  einen  der  schändlichsten  Ankläger,  die 
damals  Rom  hatte  (ann.  11,  5),  der  ebenso  käuflich  als  in  der 
Gunst  des  Kaisers  allgewaltig  war  (ann.  4,  31),  beschuldigte  sie 
die  Poppaea  Sabina,  mit  dem  zweimal  Consul  gewesenen  Valerius 
Asiaticus,  dem  Besitzer  der  schönen  LucuUischen  Gärten  im 
Norden  der  Stadt,  nach  denen  ihr  eigenes  Gelüste  stand  (hortis 
inhians,  ann.  11,  1),  in  Buhlschaft  zu  stehen  und  bewirkte  den 
Tod  beider.  Asiaticus  wurde  seinem  ordentlichen  Richter,  dem 
Senat,  entzogen  und  im  Cabinet  des  Kaisers  in  Gegenwart  der 
Messalina  und  des  Suillius  verhört.     Kaiser  Claudius  war  damals 


Kaiser  Marous  Salvius  Otho  81 

(47 — 51  n.  Chr.)  zueammen  mit  dem  heuchlerischen  L.  Vitelliue, 
dem  Vater  des  späteren  Kaisers,  Censor,  und  glaubte  in  seiner 
Geistesschwäche  durch  eine  rastlose  censorische  Thätigkeit  seinem 
Amte  genügen  zu  müssen  (ann.  11,  13).  Unter  solchen  Umständen 
war  dem  Beklagten  von  yomherein  sein  Urtheil  gesprochen. 
Zu  freier  Wahl  des  Todes  aus  kaiserlicher  Gnade  verurtheilt, 
öffnete  er  sich  die  Adern  (ann.  11,  2.  3).  Poppaea  dagegen,  in 
Angst  versetzt  durch  die  Messalina,  die  ihr  durch  Abgesandte 
Einkerkerung  drohen  liess,  gab  sich  gleichfalls  selber  den  Tod, 
(ann.  aO.). 

Es  gehört  zur  Signatur  jener  Zeiten  und  ist  ein  Zeichen 
von  der  Fäulniss  derselben,  dass  diese  Vorgänge  von  den  Be- 
theiligten selbst  als  eine  Schicksalsbestimmung  hingenommen 
wurden.  So  hatte  denn  auch  der  Mann  dieser  Poppaea  Sabina, 
Cornelius  Scipio,  der  wenige  Tage  nach  dem  Tode  seiner  Frau 
von  dem  dieses  Todes  übrigens  unkundigen  Claudius  zur  Tafel 
geladen  und  gefragt  worden  war,  warum  er  ohne  seine  Gemahlin 
gekommen,  darauf  geantwortet :  sie  sei  ihrem  Todesgescliick 
verfallen  (fnnctam  fato,  ann.  11,  2).  Zu  solchen  Auskunftsmitteln, 
die  Tacitue  ironisch  als  Ausflüsse  einer  feinsinnigen  Mässigung, 
eines  elegans  temperamentum  bezeichnet  (ann.  11,  4),  musste  sich 
damals  die  Sprache  der  vornehmen  Welt  bequemen,  wenn  man 
nicht  dem  gleichen  Geschick  wie  die  Opfer  unterliegen  wollte. 
Und  dazu  hatte  Cornelius  Scipio  offenbar  keine  Lust.  Das  zeigte 
sich,  als  er  bald  darauf  noch  einmal  in  die  Lage  kam,  für  oder 
gegen  den  guten  Namen  seiner  Frau  zu  zeugen.  Denn  kurze  Zeit 
nach  dem  Tode  derselben  wurden  zwei  erlauchte  Ritter,  die  den 
Zunamen  Petra  führten,  von  dem  wüsten  Hetzer  Suillius  mit  der 
Anklage  des  Majestätsverbrechens  verfolgt.  Auch  hinter  dieser 
Anklage  stand  Messalina  (ann.  11,  4).  Der  wahre  Grund  der  Ver- 
folgung lag  darin,  dass  jene  Ritter  ihr  Haus  für  Zusammenkünfte 
des  Mneeter  und  der  Poppaea  hergegeben  haben  sollten.  Ob  das 
der  Fall  war^  läset  Tacitue  zweifelhaft,  wenn  er  ann.  11,4  sagt: 
at  causa  necis  (equitum  illustrium)  ex  eo,  quod  domum  suam 
MDesteris  et  Poppaeae  congressibus  praebuissent.  Sicher  war  aber 
der  berühmte  Pantomime  Mnester  einer  von  den  vielen  Buhlen 
der  Messalina  (ann.  11,  60).  Nun  hatte  der  Senat  über  die  An- 
klage gegen  die  Kitter  zu  entscheiden.  Scipio,  der  gewesene 
consul  euffectus  (Nipperdey,  Anm.  20  zu  ann.  3,  74),  ebenfalls 
zur  Abgabe  seiner  Stimme  aufgerufen,  sagte  (ann.  11,  4):  'Da 
ich  über  Poppaea's  Benehmen  denke,  wie  alle  Andern,  so  nehmt 

Bbein.  Mus.  f.  PhUol.  N.  F.  LVU.  6 


82  Paul 

an,  dase  ich  aaob  über  dasselbe  stimme,  wie  alle  Andern .  Darin 
nun  siebt  Tacitns  nacb  dem  oben  scbon  oitierteu  Ausdruck  einen 
fein  ereoiinenen  Mittelweg  zwischen  ehelicher  Liebe  und  senatori- 
Rchem  Zwange:  eleganti  temperamento  inter  coniugalem  et  sena- 
toriam  necessitatem  (sententiam  dixit  Scipio). 

Wie  es  nun  aber  auch  mit  diesem  Rufe  der  Buhlschaft  bei 
der  älteren  Poppaea  gewesen  sein  mag,  schaden  konnte  er  der 
Tochter  zu  einer  Zeit  nicht,  wo  Buhlerei  vom  Throne  herab  pri- 
vilegiert war.  Die  Mutter  hinterliess  der  Tochter  nur  ihren 
'Ruhm  und  ihre  Schönheit'.  Dazu  kam,  dass  ihr  Vermögen  für 
die  Vornehmheit  ihres  Hauses  hinreichend  genug  war.  Ihre 
Unterhaltung  war  heiter  angenehm,  ihr  Geist  nicht  unbedeutend. 
Sittsamkeit  zeigte  sie  nach  aussen.  Leichtfertigkeit  war  ihr 
Wesen.  Sie  ging  selten  aus,  und  dann  nur  mit  einem  Schleier 
über  einen  Theil  ihres  Gesichts.  Um  ihren  Ruf  kümmerte  sie 
eich  gar  nicht  und  ihren  Buhlen  gab  sie  dieselben  Rechte,  wie 
ihren  Ehemännern  (maritos  et  adulteros  non  distinguens).  Einer 
wirklichen  Liebe  aber  unterlag  sie  nie,  weder  eigner  noch  der 
ihrer  Verehrer  (neque  aifectui  suo  aut  alieno  obnoxia).  Wo  Ge- 
winn winkte,  da  gab  sie  sich  in  Wollust  hin  (unde  utilitae  osten- 
deretur,  illuc  libidinem  transferebat,  ann.   13,  45). 

Das  war  das  Weib,  das  ein  ToUendeter  Rouo,  wie  Otho 
war,  leicht  reizen  und  an  sich  locken  konnte.  Denn  so  ist  das 
VerhältnisR,  nicht  umgekehrt,  dass  die  Poppaea  den  Otho  ver- 
lockt hätte,  wie  das  Hoeck,  Rom.  Geschichte  I,  3.  p.  357  an- 
nimmt. Sueton  (Otho  3)  sagt  ausdrücklich,  dass  Otho  sie  ver- 
führt und  so  geliebt  habe,  dass  er  auch  den  Nero  nicht  als  Ri- 
val  gleichmüthig  ertragen  habe.  Er  habe  ihn  sogar  einmal  nicht 
in  sein  Haus  hereingelassen.  Dieses,  den  Nero  ausgeschlossen 
zu  haben,  läset  Plutarch  (Galba  19)  allerdings  nicht  durch  Otho, 
sondern  durch  die  Poppaea  geschehen  sein  und  es  lässt  sich  nicht 
entscheiden,  wer  hier  recht  berichtet  (s.  Peter,  die  Quellen  Plu- 
tarchs  usw.  p.  39  f.).  Aber  auch  nach  Plutarch,  der  vielleicht  hier, 
wie  so  oft  in  seinem  Memoirenwerke  Γάλβας  και  "Όθιυν,  münd- 
lichen Mittheilungen  folgte  (vgl.  H.  Peter,  die  geschichtl.  Lit- 
teratur  usw.  II,  73  f.),  war  Otho  erst  der  Verführer,  den  Nero 
dazu  angetrieben  hatte,  ύφήκ€  (ό  Νέριυν)  τον  Όθιυνα  π€ΐρώντα 
την  ΤΤοππαίαν,  und  dann  der  leidenschaftlich  verliebte  Gatte,  an 
dessen  Eifersucht  Poppaea  ihre  Freude  hatte  (Plut.  aO.).  Sie 
lebte  damals,  als  Otho  sie  an  sich  zog,  im  Jahre  58  n.  Chr.,  in 
der  Ehe  mit  einem   römischen    Ritter    Ruiius  Crispinus,    der  im 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  83 

Jahre  47  praefectus  praetorio  gewesen  war  und  in  dieser  Stellung 
auf  Betrieb  der  Messalina  und  auf  Befehl  des  Claudius  den  Va- 
leriuB  Asiaticus  in  Ketten  gelegt  und  von  Bajae  nach  Rom  ge- 
schleppt hafte  (ann.  11,  1).  Für  diese  That^  die  dem  Claudius  wie 
eine  grosse  Kriegsthat  vorkam  (citis  cum  militibus  tarn  quam  op- 
primendo  hello  Crispinum  misit,  ann.  aO.),  erhielt  Crispinus  1^/a 
Millionen  Sesterzien  (225000  M.),  ausser  den  Ehrenzeichen 
der  Prätur  (ann.  11,  4).  Als  dann  Agrippina  an  die  Stelle  der 
Messalina  getreten  war  und  den  keines  eigenen  Urtheils  fähigen 
Kaiser  (cui  non  iudicium,  non  odium  erat  nisi  inditum  et  iussum, 
ann.  12,  3),  vollständig  beherrschte,  verlor  Crispinus  im  Jahre 
r^l  seine  Stellung  als  praefectus  praetorio,  die  er  mit  Lusius  Geta 
zusammen  einnahm,  und  zwar  deshalb,  weil  Agrippina  bei  ihm 
Anhänglichkeit  an  die  Messalina  und  deren  Kinder  Britanniens 
und  Octavia  vermuthete.  Sie  tiberredete  darum  den  Claudius, 
dass  unter  dem  Befehle  eines  Einzigen  bei  der  Leibwache  die 
strenge  Zucht  ernstlicher  werde  gehandhabt  werden,  und  so  trat 
ßurruB  an  die  Stelle  der  beiden  Präfecten.  Später,  als  die  Ver- 
schwörung gegen  Nero  im  Jahre  65  diesem  nach  ihrer  Entdeckung 
Gelegenheit  bot,  alle  die  zu  vernichten  oder  zu  entfernen,  die 
er  ftir  seine  Feinde  hielt,  wurde  auch  Ruiius  Crispinus  nach  der 
Insel  Sardinien  verbannt. 

Obgleich  er  im  Privatleben  stand,  war  er  doch  dem  Nero 
verhasst,  weil  er  die  Poppaea  zur  Frau  gehabt  hatte  (pellitur  .... 
Neroni  invisus,  quod  Poppaeam  quondam  matrimonio  tenuerat, 
ann.  15,  71).  Als  dann  den  Nero  die  Angst  um  sein  Leben,  die 
in  Folge  der  aufgedeckten  Verschwörung  immer  schreckhafter 
wurde,  im  Jahre  66  dahin  brachte,  jene  Ströme  Blutes  zu  ver- 
giessen,  in  denen  Tacitus  ein  Strafgericht  der  Götter  über  Rom 
sah  (ira  illa  numinum  in  res  Romanas  fuit,  ann.  16,  16),  befand 
sich  auch  Crispinus  unter  denen,  die  in  einer  Reihe  den  Gang 
zum  Tode  antraten  (exitus  tristes  et  continuos,  aO.).  Er  empfing 
den  Befehl  zu  sterben  und  tödtete  sich  selbst  (accepto  iussac 
mortis  nuntio  semet  interfecit,  ann.  16,  17).  Und  wie  ihm  das 
Geschick,  der  Mann  der  Poppaea  gewesen  zu  sein,  den  Tod  brachte, 
80  war  auch  für  seinen  Sohn,  den  er  von  der  Poppaea  hatte,  die 
spätere  Verbindung  dieser  mit  Nero,  von  der  wir  bald  erzählen 
werden,  die  Ursache  gewaltsamen  Todes.  Denn  diesen  ihren 
Sohn  hatte  Poppaea  mit  in  den  kaiserlichen  Pallast  gebracht; 
als  er,  der  noch  in  frühem  Knabenalter  stand,  dort  einmal  ein 
Kinderspiel  ^Fürst  und  Kaiser    spielte,  wurde  die  Sache  dem  Nero 


84  Paul 

hinterbracht.  In  seiner  wahnsinnigen  Angst  vor  möglichen  Ge- 
fahren, die  ihm  einst  darch  den  Stiefsohn  kommen  hönnten,  Hess 
er  den  Knaben,  während  derselbe  fischte,  durch  ihm  mitgegebene 
Sklaven  im  Meere  ersäufen:  Sueton,  Nero  35:  Privignum  liu- 
fium  Crispinum,  Poppaea  natum,  iropuberem  adhuc,  quia  ferebatnr 
ducatus  et  imperia  ludere,  mergendum  mari,  dum  piscaretur, 
servis  ipsius  demandavit  (Nero).  Die  Mutter  scheint  aus  der 
Sache  Nichts  weiter  gemacht  zu  haben. 

Dieses  Weib  des  Rufius  Crispinus,  das  ebenso  schön  als  ge- 
wissenlos war,  lockte  also  Otho  durch  sein  stattliches  Auftreten, 
durch  seine  Jugend  und  durch  sein  Verhältniss  zu  Nero  an  eich, 
als  dessen  allerbegünstigster  Freund  er  galt  (flagrantieeimue  in 
amicitia  Neronis  habebatur,  ann.  13,  45).  Das  Letztere  gab  na- 
türlich bei  der  Poppaea  die  Entscheidung,  viel  mehr  als  seine  Ju- 
gend und  sein  prunkvolles  Leben,  was  ihr  auch  viele  Andere 
gewähren  konnten.  Aber  der  flagrantissimus  in  der  kaieerlichen 
Freundschaft,  wie  damals  der  Begünstigte  mit  einem  Kraftaasdrack 
in  der  römischen  vornehmen  Welt  genannt  wurde,  konnte  allein 
dem  dämonischen  Weibe  zur  Herrschaft  verhelfen;  and  so  ergab 
sie  sich  ihm,  anfangs  in  wilder  Ehe.  Ihre  Trennung  yod  Cri- 
spinus  muss  aber  wenig  Schwierigkeiten  gemacht  haben.  Denn 
die  Eheverbindung  mit  dem  Otho  erfolgte  bald  (nee  mora,  quin 
adulterio  matrimonium  iungeretur,  ann.  13,  46).  Otho  war,  wie 
gesagt,  in  die  neue  Gattin  leidenschaftlich  verliebt,  und  in  seiner 
unbesonnenen  Verliebtheit  pries  er  bei  den  kaiserlichen  Sohwel- 
gereien  die  Schönheit  und  feine  Erscheinung  seiner  Angebeteten 
vor  seinem  kaiserlichen  Gönner  und  Herrn.  Zwar  will  Tacitus 
den  Antrieb  zu  solchem  Preisen  nicht  mit  Gewissheit  behaupten ; 
er  sagt:  Otho  habe  ihre  reizende  Schönheit,  formam  elegantiam- 
que  gepriesen,  sei  es,  weil  er  unbesonnen  verliebt  war,  sei  ee, 
weil  er  den  Kaiser  reizen  wollte  und  weil  er  glaubte,  dass,  wenn 
sie  Ein  Weib  zusammen  besässen,  auch  das  ein  Band  wäre,  was 
seine  Macht  erhöhe  (si  eadem  femina  potirentur,  id  quoque  vin- 
culum  potentiam  ei  adiceret,  aO.).  Dieses  inzweifelstellen  der 
Beweggründe  Otho's  zeigt  nur,  wie  schon  bei  seinen  Zeitge- 
nossen das  Urtheil  über  seinen  Charakter  ein  schwankendes  war. 
In  der  That  scheint  aber  die  Preisgabe  der  Poppaea  von  Seiten 
Otho's  keine  freiwillige  gewesen  zu  sein.  Plutarch  (Galba  19) 
spricht  entschieden  dagegen :  έλθούσης  bk  παρ'  αυτόν  ώς 
γαμέτης  (της  ΤΤοτπταίας)  ούκ  ήγάττα  μετίχιυν,  άλλ'  ήσχαλλ€  μ€- 
ταοιοούς  (Otho).    Wie  sie  also  seine  Frau  geworden  war,  wollte 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  85 

er  keinen  zweiten  Gemahl  für  sie,  was  nur  auf  Nero  gehen  kann. 
Auch  sein  späteres  Handeln  gegen  Nero  ergiebt  das,  und  ebenso 
musste  er  den  Nero  gut  genug  kennen,  um  zu  wissen,  dass  eine 
Gemeinsamkeit  desselben  Weibes  nicht  als  ein  mögliches  Verhält- 
niss  betrachtet  werden  konnte.  Die  ganze  Schilderung  von  äem 
thörichten  Benehmen  des  Otho  bei  Tacitus  ann.  13,  46,  spricht 
nicht  für  schlaue  Berechnung,  wie  Hoeck  aO.  annimmt,  sondern 
ganz  allein  für  blinde  Verliebtheit.  Man  hörte  ihn  beim  Auf- 
stehen von  der  kaiserlichen  Tafel  oft  sagen :  Jetzt  gehe  er  (sese, 
dh.  £r,  dem  dieses  Glück  allein  bescheert  sei)  zu  ihr,  seiner 
Herrlichen,  seiner  Schönen,  die  Jeder  wohl  sich  wünsche,  die 
aber  nur  den  Auserwählten  beglücke  (vota  omnium,  gaudia  feli- 
cium,  aO.).  Natürlich  reizten  solche  Worte  den  Nero,  der  schon 
früher,  als  er  den  Otho  als  Verführer  angestellt  hatte,  das 
schöne  Weib  mit  lüsternen  Augen  betrachtet  hatte  {f\q  ήρα 
μέν  6  Νέρων  Κρισπίνψ  συνούσης  Plut.  G.  19).  Es  dauerte 
nicht  lange,  da  hatte  Poppaea,  die  Nichts  lieber  ersehnte,  bei 
dem  Kaiser  Zutritt.  Fürs  Erste  setzte  sie  sich  durch  Künste 
der  Liebkosung  fest  und  stellte  sich,  als  wenn  sie  ihrer  Leiden- 
schaft nicht  mächtig  und  durch  die  Schönheit  Nero 's  gefangen 
sei.  Dann,  als  der  Kaiser  bereits  von  der  heftigsten  Liebe  er- 
fasst  war,  fing  sie  an,  die  Spröde  zu  spielen;  wenn  sie  länger, 
als  eine  oder  zwei  Nächte  bei  ihm  bleiben  sollte,  sagte  sie:  sie 
wäre  doch  eine  verheirathete  Frau,  könne  auch  ihre  Ehe  nicht 
aufgeben ;  sie  sei  an  Otho  gefesselt  durch  seine  ganze  Art  zu 
sein  und  zu  leben,  worin  ihm  Niemand  gleich  komme.  Er,  Otho, 
sei  grossartig  in  seiner  Denkweise  und  in  seinem  ganzen  Auf- 
treten. Man  sehe  bei  ihm  nur,  was  der  höchsten  Stellung  würdig 
sei.  Dagegen  Nero  mit  einer  Sklavin  als  Beischläferin  und  durch 
den  Umgang  mit  einer  Person  wie  Akte  gefesselt,  habe  sich  aus 
dem  gemeinen  Zusammenleben  eine  abscheuliche  und  schmutzige 
Lebensweise  geholt  (ann.  13,  46).  Dass  das  verschlagene  und 
ruchlose  Weib  nicht  umsonst  so  die  Spröde  spielte,  zeigte  sich 
bald  genug.  Nero  konnte  es  nicht  länger  ertragen,  dass  sie  die 
Frau  eines  Andern  bleiben  sollte.  Otho  verlor  erst  seine  ver- 
trauliche Günstlingsstellnng,  dann  wurde  er  auch  aus  der  Um- 
gebung und  Gefolgschaft  des  Kaisers  ausgeschieden,  und  zuletzt, 
damit  er  nicht  immerfort  in  der  Stadt  den  Nebenbuhler  des  Kai- 
sers spiele  (ne  in  nrbe  aemulatus  ageret)  wurde  er  über  die  Pro- 
vinz Lusitanien  gesetzt  (Tao.  ann.  13,  46  Plut.  G.  20). 

Dae  Alles  waren  Vorgänge  des  Jahres  58,  die  wir   in   der 
Hauptsache  nach  den  Annalen  des  Tacitus  dargeeteWt  \ΐλ\>«ϋ.  λι^ 


86  Paul 

den  Historien  1,  13  wird  dae  Verhältnies  des  Nero  zur  Poppaea 
Sabina  anders  berichtet.  Darnach  war  Poppaea  schon  vor  der 
Bekanntschaft  mit  Otho  Maitresse  des  Kaisers  und  dieser  gab  sie 
nur  dem  Otho  als  dem  Mitwisser  seiner  zügellosen  Ausschwei- 
fungen in  Verwahrung  (deposuerat),  und  zwar  für  so  lange,  bis 
Nero  die  Octavia,  seine  Frau,  aus  ihrer  Stellung  verdrängt  haben 
würde.  Aber  bald  hätte  er  den  Otho  selbst  in  Verdficht  genom- 
men, dass  er^s  mit  der  Poppaea  halte  und  hätte  ihn  dann  unter 
der  Form  einer  Statthalterschaft  in  der  Provinz  Lusitanien  be- 
seitigt (suspectum  in  eadem  Poppaea  in  provinciam  Lusitaniam 
specie  legationis  seposuit,  h.  1,  13).  Diese  Darstellung  muss  aber 
der  in  den  Annalen  weichen,  da  diese  etwa  zehn  Jahre  später 
(116—117)  als  die  Historien  ausgegeben  worden  sind.  Darum 
setzen  sie  eine  genauere  Durchforschung  der  Quellen  durch  den 
Autor  voraus,  die  ihn  zu  dem  anderen  Berichte  führte.  Nur  so 
viel  ist  aus  den  Angaben  der  Historien  und  des  Plutarchs  anzu- 
nehmen, dass  Nero  die  Poppaea  schon  gekannt  hat,  ehe  sie  Otho's 
Frau  geworden  war,  auch  dass  die  Poppaea  bis  zur  Zeit,  wo 
Otho  entfernt  wurde,  immerfort  in  dessen  Hause  und  in  Gemein- 
schaft mit  ihm  gelebt  hat  und  dass  die  Trennung  von  ihr  seiner- 
seits schwerlich  eine  freiwillige  gewesen  ist.  Was  das  Letztere 
betrifft,  so  geht  es  ausser  den  schon  angegebenen  Gründen  auch 
daraus  hervor,  dass  Otho  später,  als  er  Kaiser  geworden  war 
und  im  Drange  der  Geschäfte  stand,  seine  Liebe  zu  Poppaea 
nicht  vergessen  hat.  Er  liess  durch  Senatsbeschluss  ihre  Bild- 
säulen wieder  aufrichten,  nachdem  sie  im  Jahre  62  durch  einen 
Volksauflauf  umgestürzt  worden  waren  (ann.  14,  61.  h.  1,  78: 
ne  tum  quidem  immemor  amorum  statuas  Poppaeae  per  senatus 
consultum  reposuit). 

Nach  Lusitanien  kam  also  Otho  unter  der  Form  einer  Statt- 
halterschaft (specie  legationis).  Da  er  von  den  hohen  Aemtern 
erst  die  Qnästur  bekleidet  hatte,  diese  Provinz  aber  sonst  nur 
von  prätorisohen  Legaten  verwaltet  wurde,  so  war  die  Bestallung 
Otho*8  scheinbar  eine  Beförderung,  der  Sache  nach  jedoch  kam 
die  Entfernung  einer  relegatio  gleich  (Sueton  Otho  3:  sepositus 
est  per  causam  legationis  in  Lusitaniam.  Nipperdey  ann.  13,  46 
Anm.  8;.  Natürlich  hat  das  Otho  selber  am  besten  gcwusst  (Flut. 
G.  20:  €ΐοώς  φυγής  ύποκόρκτμα  καΐ  παρακόλυμμα  τήν  αρχήν 
αύτφ  οι&ομένην).  Aber  die  Kränkung  rief  den  Mann  zu  seiner 
ursprünglichen  Kraft  zurück,  was  immer  ein  Zeichen  einer  nicht 
unbedeutenden  PereÖnlichkeit  ist.     Von  jetzt   an    sehen  wir  ihn. 


Kaiser  Marcus  Salvios  Otbo  87 

den  der  Verlast  seines  Weibes  nicht  gleichgültig  gelassen,  aus 
Reinem  nichtigen  Treiben  und  lüderlichen  Genussleben  heraus- 
gehoben. Er  gehört  zu  den  Naturen,  die  die  sinnliche  Leiden- 
schaft nicht  unfUhig  machte  zu  Tüchtigem  und  Aussergewöhn liebem. 
Tacitue  nennt  ihn  darum  einen  Menschen,  der,  ausgelassen  im 
Privatleben,  im  Amte  Selbstbeherrschung  zeigte,  ann.  13,  46: 
procax  otii  et  poetestatis  temperantior.  K.  Peter  hat  Recht,  wenn 
er  Rom.  Gesch.  III,  p.  379  sagt:  Otho  war  einer  der  Männer, 
in  denen  durch  den  Dienet  niedriger  Lüste  Herrschsucht  und 
Energie  nicht  unterdrückt  wnrden  .  Und  auch  diese  Herrschsucht 
war,  was  seine  Verwaltung  in  Lusitanien  und  vor  Allem  sein 
Scheiden  aus  dem  Leben  zeigt,  nicht  unedel,  vgl.  Sueton  0.  10. 
Was  speciell  seine  Verwaltung  von  Lusitanien  anbetrifft,  die  von 
58  bis  68  dauerte,  so  waren  diese  zehn  Jahre  für  die  Provinz 
eine  gesegnete  Zeit.  Er  führte  sein  Amt,  nicht  wie  es  nach 
seinem  früheren  wüsten  Leben  zu  erwarten  war,  sondern  unbe- 
scholten und  gewissenhaft  (ann.  13,  46:  non  ex  priore  infamia, 
eed  integre  sancteque  egit).  In  den  Historien  hebt  Tacitus  seinen 
freundlichen  Sinn  und  sein  gefälliges  Wesen,  seine  comitas,  her- 
vor, eine  Eigenschaft  die  auf  den  Umgang  mit  seinen  Untergebenen 
und  auf  seine  freundliche  Behandlung  der  Provinzialen  sich  bezieht. 
Dasselbe  liegt  in  den  Worten  des  Plutarch,  Otho  habe  sich  in 
seiner  Provinz  erwiesen  ούκ  άχαριν  ουδέ  επαχθή  τοις  ύττηκόοις. 
Plut.  G.  20.  Und  Sueton  stimmt  dem  bei,  wenn  er  (Otho  3) 
sagt:  provinciam  administravit  quaestorius  per  decem  annos,  mo- 
deratione  et  abstinentia  singulari. 

Als  nun  Galba  seinen  Abfall  von  Nero  erklärt  hatte  und 
von  seinen  Truppen  in  Spanien  am  3.  April  des  Jahres  68  zum 
Kaiser  ausgerufen  worden  war,  schloss  sich  M.  Salvius  Otho  als 
der  Erste  an  ihn  an.  Er  hatte  lange  auf  eine  solche  Gelegen- 
heit zur  Rache  gewartet  wie  aus  Suetons  Worten  (0.  4)  hervor- 
geht :  ut  tandem  occasio  nltionis  data  est,  conatibus  Galbae  pri- 
mus  accessit.  Er  war  aus  Lusitanien  zu  Galba  gekommen,  trat 
mit  ihm  im  Juli  den  Marsch  nach  Rom  an  und  zeigte  sich  ausser- 
ordentlich eifrig  und  thätig  für  dessen  Sache»  Er  war  in  der 
Umgebung  des  neuen  Kriegsherrn  die  glänzendste  Erscheinung 
(inter  praesentes  splendidissimns,  h.  l,  13).  Dabei  brachte  er  be- 
deotende  Opfer  für  die  ergriffene  Sache,  gab  sogar  sein  goldenes 
und  silbernes  Tafelgeschirr  zum  Ausmünzen  her  (Plut.  aO.).  Wenn 
aber  Tacitus  als  Motiv  für  seinen  Uebertritt  auf  Galba's  Seite  an- 
giebt,  das•  er  von  Anfang  an  die  Hoffnung  auf  Adoption  durch 


88  Paul 

den  73jährigeii  Greis  und  damit  auf  Nachfolge  desselben  in  der 
Herrschaft  gefasst,  dieser  Hoffnung  auch  von  Tag  zu  Tag  heftiger 
nachgejagt  habe  (h.  1,  13),  so  war  dieselbe  dadurch  begründet, 
dass  der  grösste  Theil  der  Soldaten  ihm  gewogen  war  (και  τό 
στρατιιυτικόν  ήδίιυς  εΤχε  τόν  *Όθωνα  παρ'  όντινοΟν  δλλον  άν- 
αγορ€υθήναι.  Plut.  G.  21).  Auf  dem  ganzen  Marsche  von  Spanien 
nach  der  Hauptstadt  hatte  er  sich  durch  Leutseligkeit  und  Frei- 
gebigkeit beliebt  gemacht  (Plut.  20).  Dabei  mag  auch  eine  aber- 
gläubische Zuversicht  mit  gesprochen  haben,  von  der  Sueton  (0. 
4)  berichtet,  der  Mathematiker  Seleucus,  der  ihm  früher  schon 
geweissagt  hatte,  er  werde  den  Nero  überleben,  soll  nach  dessen 
Tode  zu  Otho  nach  Lusitanien  gekommen  sein  und  ihm  geweis• 
sagt  haben,  er  werde  in  Kurzem  Kaiser  sein.  Wie  dem  auch 
sein  mag,  er  suchte  die  Soldaten  auf  alle  Weise,  besonders  durch 
Geschenke  zu  gewinnen ;  und  er  gewann  sie,  wie  Sueton  aO. 
sagt,  ut  iam  vix  ullus  esset,  qui  non  et  sentiret  et  praedicaret 
solum  successione  imperii  dignum.  £s  ist  deshalb  wohl  glaublich, 
wenn  der  Vater  des  Sueton,  Suetonius  Laetus,  der  den  Otho  gut 
kannte,  in  Bezug  auf  sein  späteres  Verhalten  versicherte,  er  würde 
nicht  mit  dem  Galba  zusammengestossen  sein,  wenn  er  nicht  fest 
davon  überzeugt  gewesen  wäre,  dass  sein  Auslangen  nach  der 
Krone  ohne  Krieg  erfolgen  könne,  Suet.  0.  10:  nee  concursuram 
(Othonem)  cum  Galba  fuisse,  nisi  confideret,  sine  hello  rem  trän- 
sigi  posse.  Seine  Beliebtheit  im  Heere  berechtigte  ihn  zu  solcher 
Annahme. 

Auch  der  Hof  des  Nero  war  bereit,  für  ihn  einzutreten  als 
für  denjenigen,  der  dem  Nero  in  ausschweifender  Lebensweise  ähn- 
lich war  (faventibus  plerisque  militum,  prona  in  eum  aula  Neronis 
ut  similem,  h.  1,  13).  Hatte  doch  Otho  in  den  Tagen  der  kaiser- 
lichen Gunst  zu  jener  Begleitung  des  Nero  gehört,  mit  der  dieser 
häufig  an  die  Mulvieche  Brücke,  den  Sammelort  zu  allerhand 
lüderlichem  Treiben  und  Liebesabenteuern,  ausgeschwärmt  war, 
um  ungestört  ausserhalb  der  Stadt  daran  Theil  zu  nehmen  (Tac. 
ann.  13,  47.  13,  12).  So  war  Otho,  der  stattliche,  ausgelassene, 
junge  Mann  nichW  blos  der  Vertraute  des  Kaisers  in  Liebeshän- 
deln  gewesen,  sondern  hatte  auch  in  unbändiger  Ausschweifung 
mit  ihm  gewetteifert  (Otho  pueritiam  incuriose,  adolesoentiam  pe- 
tulanter  egerat,  gratus  Neroni  aemulatione  luxus,  Tao.  h.  1,  13)• 
Diese  wüste  Ausgelassenheit  war  die  Eigenschaft,  die  ihn  den 
Hoflenten  jetzt  empfohlen  machte.  Indessen  war,  wie  gesagt, 
Otho  nicht    mehr    der    frühere   Wüstling,    der    in    nichtsnutzigen 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  89 

Dingen  (incurioee)  die  Tage  vergeudete.  Wie  er  jetzt  nach  der 
höcheten  Stellang  aaslangte,  so  entsprach  auch  dem  hohen  Streben 
ein  starker  Wille  (non  erat  Othonis  mollis  et  corpori  similis  ani- 
mus,  h.  1,  22).     Bald  sollte  eich  das  zeigen. 

In  den  ersten  Tagen  des  Jahres  69  (822  α.  c,  Tac.  h.  1, 
12:  paucis  poet  kalendas  ianaarias  diebus)  war  in  Rom  die  Nach- 
richt eingetroffen,  dass  die  Legionen  des  oberen  Germaniens  von 
Galba  abgefallen  seien  und  einen  andern  Kaiser  verlangten  (h. 
1,  12).  Das  beschleunigte  die  Absicht  Galba's,  der  schon  längst 
mit  sich  und  seiner  Umgebung  darüber  zu  Rathe  gegangen  war, 
bei  seinem  hohen  Alter  sich  einen  Mitregenten  und  Nachfolger 
zu  wählen.  Zu  dieser  Umgebung,  seinem  geheimen  Cabinetsrath, 
gehörten  vor  Allem  drei  für  ihn  verhängnissvolle  Günstlinge, 
die  nach  Sueton  ihn  vollständig  nach  ihrem  Willen  leiteten  und 
unablässig  um  ihn  waren.  Das  Volk  nannte  sie  deshalb  seine 
Paedagogen  (Suet.  G.  4:  regebatur  triam  arbitrio,  quos  una  et  intra 
Palatinm  habitantes  nee  umquam  non  adhaerentes  paedagogoe 
valgo  vocabant).  Der  erste  derselben,  der  auch  in  ganz  beson- 
derer Gunst  beim  Imperator  stand  und  den  er  jetzt,  wie  früher 
zu  seinem  Legaten  in  Spanien,  so  in  Rom  zu  seinem  Mitconsiil 
erwählt  hatte,  war  Titus  Vinius.  Ihn  traf  der  allgemeine  Hass 
am  meisten,  da  er  ein  Mensch  von  ungemessener  Begehrlichkeit 
war.  Der  andere  war  Cornelius  Laco,  den  Galba  zum  praefectus 
praetorio  an  Stelle  des  Nymphidius  Sabinus  gemacht  hatte,  *ein 
ebenso  anmassender  als  träger  Mensch  ;  der  dritte  war  der  Frei- 
gelassene IceluB,  der  dem  Galba  zuerst  die  Nachricht  vom  Tode 
des  Nero  und  von  seiner  Ernennung  zum  Kaiser  durch  den  Senat 
nach  Spanien  tiberbracht  hatte  und  den  Galba  dafür  durch  das 
Geschenk  des  goldenen  Siegelrings  zum  Ritter  ernannt,  dazu  mit 
dem  Beinamen  Marcianus  ausgezeichnet  hatte  (Suet.  G.  14). 

Ale  es  flieh  nun  um  die  Adoption  eines  Erben  und  Nach- 
folgers in  der  Eaiserwürde  handelte,  waren  diese  drei  Günstlinge 
sammt  ihrem  Anhang  in  zwei  Fractionen  getheilt,  Titus  Vinius 
war  der  Gönner  des  Otho,  Laco  und  Icelus  waren  anfangs  we- 
niger für  irgend  eine  bestimmte  Persönlichkeit  und  nur  überhaupt 
für  eine  andere,  als  die  dem  Vinius  beliebte.  Jeder  von  ihnen 
verfolgte  eben  sein  Interesse  (h.  1,  13).  Als  nun  am  Aufstande 
der  obergermanischen  Legionen,  die  zu  Mainz  und  Vindonissa  im 
Canton  Aargan  ihre  Standquartiere  hatten  (es  wjiren  die  IV.  Mace- 
donica,  die  XXI.  Rapax,  die  XXI [.  Primigenia)  nicht  mehr  zu 
zweifeln    war   und    auch  bereits  Berichte   einliefen  von  dem  dro- 


90  Paul 

henden  Abfall  des  A.  Vitellius,  den  Galba  selbst  zam  Comman- 
danten  des  unteren  Germaniens  ernannt  hatte  (k.  1,  9),  da  erach- 
tete es  Galba,  der  auf  die  in  der  Stadt  liegenden  Mannschaften 
kein  grosses  Vertrauen  hatte,  für  das  einzige  Rettungsmittel,  end- 
lich einen  Thronfolger  zu  bestellen,  der  für  sein  Greisenalter 
einen  Ausgleich  böte.  Er  zog  zur  Berathung  darüber  den  Vinias, 
den  Laco,  den  Consul  designatue  Marius  Celsus  and  den  prae- 
fectus  urbis  Ducenius  Geminus  herbei,  obschon  die  Wahl  der  Per- 
sönlichkeit bei  Galba  von  vorherein  fest  stand.  Sein  Erkorener 
war  Piso  Licinianus,  mit  dem  übrigens  Laco,  wahrscheinlich  in 
Aussicht  auf  die  ihm  von  Galba  zugedachte  Würde,  eich  bereits 
vertraut  gemacht  hatte.  Wenigstens  ging  das  Gerede,  Pieo  sei 
auf  den  energischen  Vorschlag  des  Laco  (Lacone  instante,  h.  1,  14) 
gewählt  worden.  Wie  dem  auch  sein  mag,  die  Kürang  war  eine 
gute.  Denn  die  öffentliche  Meinung  über  den  Piso  war  selbst 
eine  sehr  günstige  (prospera  de  Pisone  fama,  h.  aO.).  War  doch 
dieser  L.  Calpumius  Piso  Frugi  Licinianus  ein  Sohn  des  Marcus 
CrasBus  und  der  Scribonia,  einer  Urenkelin  des  Cn.  Pompejus 
Magnus  und  Adoptivsohn  des  L.  Calpumius  Frugi.  Nach  Antlitz 
und  Haltung  war  er  von  altem  Schlage  (vultu  habituque  morie 
antiqui,  h.  1,  14),  eine  ernste  Natur,  die  von  denen,  die  ihm  nicht 
besonders  wohl  wollten,  als  streng  und  finster  hingestellt  wurde. 
Grade  diese  ernste  Seite  seines  Charaktere,  die  den  zuchtlosen 
Hofleuten  des  Nero  Aergerniss  und  Verstimmung  bei  dem  Ge- 
danken an  seine  Wahl  als  Nachfolger  Nero's  brachte,  gab  für 
Galba  den  Ausschlag  (h.  aO.).  Auch  Plutarch  hebt  den  recht- 
schaffenen, patriotischen  Sinn  hervor,  der  den  Galba  bei  der  Wahl 
seines  Nachfolgers  bestimmt  habe,  wenn  er  G.  21  sagt :  6  bk 
Γάλβας  ά€ΐ  μέν  ήν  οήλος  πρό  του  ιδίου  το  κοινόν  τιθέμενος 
και  ίητών  ούχ  αύτψ  θεσθαι  τον  ήδιστον,  άλλα  Ρωμαίοις  τον 
ώφελιμώτατον.  Das«  es  ihm  Ernst  war  mit  dieser  Wahl  und 
dass  er  Nichts  als  das  Wohl  des  Staates  im  Auge  hatte,  geht 
aus  der  Rede  hervor,  die  er  dann,  als  er  den  Piso  in  den  Cabi- 
netsrath  hatte  rufen  lassen,  an  diesen  hielt.  £r  erinnerte  ihn  an 
seine  edle  Abkunft,  um  deren  willen  allein  aber  er  ihn  nicht  zum 
Nachfolger  berufen  habe.  Die  Hauptsache,  die  ihn,  den  durch 
den  Willen  der  Götter  und  Menschen  auf  den  Kaieerthron  Ge- 
langten bei  der  Adoption  bestimmt  habe,  sei  die  vorzügliche  Ver- 
anlagung des  Piso  selbst  und  die  Vaterlandsliebe.  Seine  und  des 
Piso  Ahnen  hätten  erst  (in  den  Bürgerkriegen  des  Cäsar  und 
Pompejus  hatte  Galba^s  Vater  auf  Seite  Cäears  gestanden,  während 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  91 

Cn.  Calpurnius  Piso  Parteigänger  dee  Pompejus  gewesen  war) 
mit  den  Waffen  um  das  Principat  gekämpft.  Nachdem  er,  Galba, 
dieses  im  Kriege  erlangt,  biete  er  es  jetzt  dem  Piso  als  einem 
Manne  des  Friedens.  Weiter  berief  er  sich  für  die  Adoption  auf  das 
Beispiel  des  Augustus,  nur  dass  dieser  den  Nachfolger  im  eig- 
nen Hanse  gesucht  habe,  er  dagegen  im  ganzen  Staat.  Wie  er 
selbst  nicht  auf  dem  Wege  der  Intrigue  (ambitiöse,  h.  1,  15) 
die  Oberherrschaft  erhalten  habe,  so  wolle  er  auch  ein  durchaus 
nnbestoohenes  Urtheil  bei  der  Wahl  seines  Nachfolgers  zeigen. 
Darum  habe  er  weder  einen  seiner  Verwandten  noch  seiner 
Kriegskameraden  ins  Auge  gefasst,  sondern  den,  der  wirkliche 
Vorzüge  vor  allen  andern  habe.  Wie  des  Piso  Alter  die  wüste 
Leidenschaft  der  Jugend  hinter  sich  habe,  so  finde  sich  auch  in 
seinem  Leben  Nichts,  was  der  Entschuldigung  bedürfe.  Habe  er 
bisher  nur  Unglück  zu  tragen  gehabt  (zwei  Brüder  des  Piso 
waren,  der  Eine  unter  Claudius,  der  Andere  unter  Nero,  getödtet 
worden,  während  Piso  selbst  langes  Exil  erlitten),  so  werde  er 
im  Glücke,  das  mit  schärferer  Sonde  das  Herz  des  Mannes  prüfe, 
die  schönen  Güter  des  menschlichen  Geistes  bewahren,  die  Treue 
den  Sinn  für  Freundschaft  und  Freiheit. 

In  dieser  grossen  Rede,  *aie  Tacitus  den  Galba  h.  1, 15.  16 
sprechen  läset,  erinnert  nun  dieser  den  Piso  daran,  was  der  Herr- 
scher auf  dem  Throne  von  seiner  Umgebung  zu  erwarten  habe: 
Augendienerei,  Schmeichelei  und  Selbstsucht,  Mieses  schlimmste 
Gift  für  ächte  Zuneigung  (sua  caique  utilitas,  pessimum  veri  ad- 
fectus  venenum).  Sie  beide.  Er  und  Piso,  verhandelten  heute  mit 
einander  offen  und  ehrlich ;  alle  andern  hätten  bei  ihren  Worten 
nur  den  Fürsten  im  Auge;  unbedingtes  Jasagen  ohne  Herz  and 
Empfindung  finde  gegen  den  Herrscher  statt,  wer  dieser  auch  sei 
(b.  1,  15). 

Wenn  der  ungeheure  Reichekörper  sich  aufrecht  und  im 
Gleichgewicht  halten  könnte  ohne  einen  Lenker,  so  wäre  ich 
der  Mann,  mit  dem  der  Freistaat  (wieder  was  in  den  Worten:  a 
quo  reepublica  inciperet,  liegen  kann,  ohne  dass  man  mit  Hertz 
ein  denuo  ergänzt)  seinen  Anfang  nehmen  sollte.  So  aber  ist  es 
schon  länget  dahin  gekommen,  dass  weder  mein  Greisenalter  dem 
römischen  Volke  mehr  gewähren  kann,  als  einen  guten  Nachfol- 
ger, noch  deine  Jugend  mehr,  als  einen  guten  Fürsten.  Er  wies 
dann  darauf  hin,  dass  nach  dem  Erlöschen  des  Julisch-Claudischen 
Hauses  wenigstens  mit  der  Adoption  des  Beeten  ein  Ersatz  für 
die  Freiheit  gegeben  sei;  für  die  Wahl  desselben  gebe  die  Volks- 


92  Paul 

etimine  einen  Fingerzeig,  wie  er  denn  selbst,  Galba,  durch  die 
Stimme  Urtheilsfähiger  (ab  aestimantibus)  erkoren  worden  sei. 
Pisö  möge  sich  auch  nicht  erschrecken  lassen,  wenn  bei  der 
jetzigen  Welterschtitterung  zwei  Legionen  (in  Obergermanien)  noch 
nicht  zur  Ruhe  gekommen  wären.  £s  würde  Alles  ruhig  werden, 
wenn  die  Adoption  bekannt  würde,  da  der  einzige  Grund  der  Un- 
zufriedenheit sein  Greisenalter  sei.  Wenn  er  in  Piso  eine  gute 
Wahl  getroffen,  so  wäre  Alles  gut.  Zuletzt  gab  er  seinem  Er- 
korenen noch  als  letzte  Anweisung  für  den  rechten  Weg,  immer 
zu  bedenken,  was  er  selbst  wollen  oder  nicht  wollen  wurde, 
wenn  ein  Anderer  anstatt  seiner  Fürst  geworden  wäre.  Im  Auge 
zu  behalten  sei  immer  das,  dass  er  nicht  über  Sklaven  herrsche, 
wie  es  die  Völker  seien,  die  unter  Königen  ständen,  sondern  über 
Menschen,  die  weder  volle  Knechtschaft  noch  volle  Freiheit  er- 
tragen könnten,  (h.  1,  16). 

Da  Plutarch  diese  Rede  des  Galba,  hätte  er  sie  gekannt, 
sicher  aufgenommen  hätte,  weil  sie  seinen  Helden  zu  adeln 
scheint,  so  ist  das  Fehlen  derselben  bei  ihm  ein  Zeichen,  dass 
Plutarch  schwerlich  aus  Tacitus  entstanden  ist  (s.  H.  Peter,  die 
Quellen  Plutarchs  usw.  p.  38).  Da  er  aber  in  dem  Bericht,  wo 
er  die  Adoption  des  Piso  erzählt,  G.  23,  in  der  Charakterisierung 
der  Personen  und  in  der  Angabe  der  Zeitumstände  doch  wieder 
mit  Tacitus  h.  1,  14  genau  übereinstimmt,  so  zeigt  das,  dass 
Tacitus  und  Plutarch  ein  und  dieselbe  Quelle  für  die  Berichte, 
die  sie  gemeinsam  haben,  benutzt  haben,  wahrscheinlich  den  Clu- 
vius  Rufus  (s.  H.  Peter  aO.  p.  40  f.).  Wenn  Peter  diese  Ver- 
muthung  wieder  zurücknimmt  (Die  geschichtl.  Litter.  Π  ρ.  275 
Anm.  2),  so   will  uns  dafür  kein  rechter  Grund  einleuchten. 

Nach  der  Rede  Galbas,  die  Piso  in  rubiger  und  würdiger 
Weise  hinnahm  und  beantwortete,  entschloss  man  sich,  nicht  auf 
das  Forum  oder  in  den  Senat  zu  gehen,  um  da  die  Adoption  bekannt 
zu  machen,  sondern  in  das  Lager  der  Prätorianer.  Das  wäre 
auch  das  Richtige  gewesen,  wenn  Galba  seine  Zeit  verstanden 
hätte.  Nicht  als  ob  ihm  die  Dinge  und  Menschen  an  sich  un- 
verstanden gewesen  wären;  die  oben  angeführte  Rede  desselben 
zeigt,  dass  er  die  politische  Lage  und  den  internationalen  Cha- 
rakter des  ungeheuren  Reichskolosses,  der  die  Monarchie  noth- 
wendig  machte,  vollkommen  richtig  erkannte.  Aber  sein  Staats- 
männisches  Handeln  entsprach  dem  richtigen  ürtheil  nicht;  er 
folgte    in    der  Praxis    den  Grundsätzen    eines   Mannes  aus  einer 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  93 

stolzen  Patricierfamilie,  nicht  eines  souveränen  Herrn  und  Ge- 
bieters, der  sich  auf  seine  Soldaten  verläset,  die  er,  gleichgültig 
durch  welche  Mittel,  unauflöslich  an  sich  zu  fesseln  versteht. 
Wie  so  oft  bei  Staatsmännern  in  Uebergangsperioden  ging  sein 
theoretisches  Verstehen  und  sein  praktisches  Handeln  weit  aus- 
einander. Schon  bisher  war  es  die  für  die  jetztigen  Verhältnisse 
schlecht  angebrachte  Sparsamkeit  Galbas  gewesen,  die,  da  sie 
nur  als  Geiz  ausgelegt  wurde,  die  Neigung  der  Prätorianer  ihm 
zu  entziehen  angefangen  hatte.  Der  neronianische  praefectus 
praetorio  Nymphidius  Sabinus,  der  sich  noch  bei  Lebzeiten  des 
Nero  für  Galba  erklärt  und  zu  dem  Abfall  der  Prätorianer  von 
Nero  das  Meiste  beigetragen  hatte,  hatte  diesen,  wofern  sie  die 
Partei  des  Galba  ergriffen,  ein  Geldgeschenk  als  ausserordent- 
lichen Ehrensold  (donativum),  versprochen,  ob  mit  oder  ohne  Ge- 
heiss  des  Galba,  lässt  sich  nicht  bestimmt  sagen.  Auf  jeden  Fall 
aber  waren  die  schon  unter  Claudius  und  Nero  an  solche  Geld- 
geschenke gewöhnten  Prätorianer  (Tac.  ann.  XII,  41.  69)  durch 
dasselbe  zur  Huldigung  für  Galba  bewogen  worden.  Galba  aber 
verweigerte  das  Geschenk  mit  der  Bemerkung,  von  ihm  werde 
der  Soldat  ausgehoben,  nicht  gekauft  (legi  a  se  militem,  non  emi 
h.  1,  5).  Tacitas  bemerkt  zu  diesem  Worte  ganz  richtig,  dasselbe 
wäre  für  das  Staatswohl  gut  gemeint  gewesen,  für  den  Galba 
selbst  aber  höchst  gefährlich,  dazu  auch  nicht  an  der  Zeit  (vox 
pro  republioa  honesta,  ipsi  anceps ;  nee  enim  ad  hanc  formam 
cetera  erant).  •  Von  da  an  sah  die  Garde  in  Galba  nicht  sowohl 
den  strengen,  von  den  Soldaten  einst  gefeierten  Feldherrn  und 
Führer,  als  vielmehr  den  alten,  filzigen  Geizhals,  der  leider  an 
die  Stelle  der  glänzenden  Erscheinung  eines  Nero  getreten  sei 
(h.,  aO.  vergl.  Plut  G.  22:  κοινή  γάρ  ατταντες  ol  (Στρατευό- 
μενοι τόν  Γάλβαν  έμίσουν  ούκ  άποόώόντα  τήν  δωρεάν).  In 
keinem  Augenblicke  aber  war  dieser  Geiz  für  das  Geschick  der 
neuen  Herrschaft  verhängnissvoller,  als  jetzt,  wo  man  für  die 
Bestätigung  der  Adoption  eines  Nachfolgers  im  Regiment  und  im 
Heeresbefehl  die  Gunst  des  Lagere  unbedingt  brauchte.  Diese 
Gunst  wollte  Galba  auch  jetzt  nicht  durch  Bestechung  und  wer- 
bende Schmeichelei  erkaufen,  sondern  nur  durch  löbliche  Mittel. 
Die  Gardetrnppen  sollten  sich  mit  der  Ebre  begnügen,  dass  sie 
zuerst  am  Anerkennung  des  von  ihm  Gewählten  angegangen 
worden  waren  (h.  1,  17).  Es  sollte  sich  bald  zeigen,  welchen 
verhängniss vollen  Weg  Galba  eingeschlagen. 


94  Paul 

Es  war    der   10.  Januar    des  Jahres  69,    ein    abschealicher 
Regentag    mit  Donner,    Blitz    und    allem    Unwetter.     Als  Galba 
mit  seiner  Begleitung  im  Lager  angekommen  war,  sprach  er  vor 
der   ganzen    versammelten    Garnison    mit  imperatorischer  Kürze, 
verkündete  die  Adoption    des  Piso  und    erwähnte    den  Aufstand 
der    obergermanischen  Legionen   nur   so,    als   ob  die  4.  und   22. 
Legion  auf  Veranlassung  weniger  Aufruhrer  sich  bloss  in  lauten 
Ausrufungen  vergangen  habe,  in  Kurzem  aber  zum  Gehorsam  zu- 
rückkehren werde.    Weder  ein  gewinnendes  Wort  noch  ein  Geld- 
geschenk wurde  von  ihm  erwähnt.    Tacitus  berichtet  bei  der  Er- 
zählung von  diesen  Vorgängen  ausdrücklich  h.  1,  18:    Έβ  steht 
fest,    dass  die  Truppen    hätten  gewonnen    werden   können    durch 
eine  noch  so    kleine  Freigebigkeit  des   allzu   sparsamen  Greises; 
sein  antikes,  starres  Wesen  und  seine  allzu  grosse  SittenstrcDge, 
der  wir  nicht  mehr  gewachsen  sind,  schadete  seiner  Sache*.     Nur 
die  Tribunen    und  Centurionen    und    von    den  Soldaten    die   ihm 
zunächst  Stehenden  antworteten    auf  die  Rede  des  Galba  Erfreu- 
liches;   alle  andern  waren  niedergeschlagen  und  schweigsam,   im 
Gedenken  daran,    dass  sie  den    sogar  im  Frieden    beanspruchten 
und  unumgänglichen  Ehrensold  durch  den  Krieg  verloren  hätten 
(h.  aO.).  'Das  Heer',  sagt  Plutarch  G.  23,  schaute  feindlich    und 
finster  darein,    weil  das  Geschenk    auch  jetzt  nicht  ihm  gegeben 
ward'.     Und    ähnlich    Sueton    G.   17:    perduxit  (Galba  Pisonem) 
in    castra    ac  pro    contione    adoptavit,    ne  tunc    quidem    donativi 
uUa     mentione     facta,      quo    faciliorem    occasionem    M.    Salvio 
Othoni  praebuit  perficiendi  conata.    —   Von  dem  Lager  zog  man 
in  den  Senat.     Auch  hier  hielt  Galba  eine  einfache,  kurze  Rede, 
der  der  Erfolg  zur  Seite  stand.     Ingleiehen   sprach  Piso  freund- 
lich   wohlwollend.     Und    grade    die,    welche    ihn    nicht    gewollt 
hatten,  huldigten  ihm  jetzt  in  übertriebener  Weise;  kam  ee  ihnen 
doch    darauf   an,    die    frühere  Opposition    vergessen    zu  machen. 
Diejenigen  Senatoren,  die  keiner  Partei  angehörten,  und  das  war 
die    Mehrzahl    (medii    ac    plurimi,    h.  l,  19)    hatten    nur    ihre 
persönlichen    Hoffnungen    ohne     alles    Interesse    für    den    Staat; 
sie  kamen  darum  dem  Piso  unterwürfig  entgegen. 

Die  Annahme  des  Piso  zum  Nachfolger  des  alten  Kaisers 
hätte  immerhin  gut  ausschlagen  können,  wenn  sie  nicht  den  ver- 
letzt hätte,  der  auf  diese  Adoption  für  seine  eigene  Person  mit 
Sicherheit  gerechnet  und  sein  ganzes  Thun  seit  dem  Anschluss 
an  Galba  darauf  gerichtet  hatte,  selbst  zur  obersten  Stelle  empor 
zu  steigen,  M.  Salvius  Otho.     Für  ihn  war  auch,  wie  schon  be- 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otlio  95 

merkt,  Titne  Viniue  geetimmt  gewesen,  das  einflnssreiebste  Mit- 
glied im  Cabinetsrath  des  Kaisers.  Dem  Galba  war  die  Freund- 
schaft des  Vinius  mit  Otho  nicht  unbekannt;  ja  Vinius,  der  eine 
unvermählte  Tochter  hatte,  ward  nach  einem  viel  verbreiteten 
Gerede  als  künftiger  Schwiegervater  des  Otho  angesehen  (Tac. 
h.  1,  13  Plut.  G.  21).  Tacitus  ist  aber  aO.  der  Ansicht,  dass 
den  Galba  wirkliche  Sorge  für  den  Staat  bewogen  habe,  von  der 
Adoption  des  Otho,  der  ihm  zu  viel  von  Nero  hatte,  abzusehen. 
Auch  Plutarch  sagt  aO.:  Galba  hätte  hier  wie  immer  den  all- 
gemeinen Nutzen  im  Auge  gehabt:  ά€ΐ  μέν  ήν  όήλος  πρό  τοΟ 
Ibiov  το  κοινόν  τιθέμενος  καΐ  ίητών  ούχ  αύτψ  θεσθαι  τον  ήδι- 
στον, άλλα  'Ρωμαίοις  τόν  ώφελιμώτατον.  Vom  Otho  hätte  er  schon 
wegen  seiner  ungeheuren  Schulden  abgesehen.  Nachdem  also  die 
Wahl  auf  Piso  gefallen  war,  schien  nun  für  Otho  das  ganze 
bisherige  Mühen  unnütz  und  vergeblich.  Und  wie  stark  war 
dieses  Mühen  gewesen!  Dass  er  bei  seinem  Anschluss  an  Galba 
von  vornherein  die  Absicht  auf  den  Thron  gehabt  hat,  ist  wie 
schon  oben  gesagt,  ganz  fraglos  (h.  1,  13:  spem  adoptionis  statim 
conceptam  acrius  in  dies  rapiebat).  Bei  dem  hoben  Alter  Galbas 
war  Hoffnung  wie  Absicht  auch  begründet.  Deshalb  hatte  er 
schon  auf  dem  langen  Wege  von  Spanien  nach  Rom  die  Neigung 
der  Soldaten  zu  gewinnen  gesucht.  In  Reihe  und  Glied,  auf  dem 
Marsche  wie  beim  Haltmachen  nannte  er  die  Aeltesten  mit  ihrem 
Namen,  rief  das  Andenken  an  die  Zeiten  zurück,  wo  sie  mit 
ihm  im  Gefolge  des  Nero  gewesen  und  nannte  sie  seine 
Kameraden.  So  erneuerte  er  alte  Bekanntschaften  und  suchte 
neue  zu  machen,  indem  er  ihnen  durch  Geld  oder  persönliche 
Verwendung  half.  Oft  Hess  er  dabei  Klagen  und  zweideutige 
Reden  über  Galba  einfliessen  und  gebrauchte  allerlei  andere 
Mittel  zum  hetzen  (Tac.  h.  1,  23  Plutarch  G.  20). 

Um  nun  jetzt  einen  Andern  die  Stelle  einnehmen  zu  sehend 
auf  die  er  selbst  mit  so  heissen  Wünschen  gehofiPt  hatte,  dazu 
war  Otho  der  Mann  nicht.  Vermuthet  doch  Tacitus,  dass  er 
schon  bei  seiner  Werbung  um  die  Gunst  der  Soldaten  nöthigen 
Falls  eine  Gewaltthat  ins  Auge  gefasst  hatte,  h.  1,  23:  studia 
militum  iam  pridem  spe  successionis  aut  paratu  facinoris  ad- 
feetaverat.  Jetzt  war  die  Zeit  gekommen,  wo  diese  Anbahnung 
der  Gewaltthat  ihre  Ausführung  finden  musste ;  denn  glückte  die 
Erhebung  des  Piso  und  wurden  in  Folge  derselben  die  Zustände 
geordnet  und  ruhig,  so  war  alle  Hoffnung  Otho's  vereitelt.  Also 
musste    all   sein  Trachten    sich    jetzt    auf  Vereitlung    der  Pläne 


96  Paul 

Galbae,  dh.  auf  dessen  Sturz  richten.  Und  dazu  drängte  nicht 
blos  der  Zorn  Othos  über  Galba  und  sein  Neid  auf  Piso,  sondern 
noch  vieles  Andere:  ein  Aufwand,  der  selbst  für  öineo  Fürsten 
belastend  gewesen  wäre,  eine  Geldknappheit,  die  kaum  ein  Privat- 
mann ertragen  konnte.  Sueton  sagt  0.  5 :  *£r  wandte  sich  zur 
Gewalt,  weil  ihn,  abgesehen  davon,  dass  die  Wahl  des  Pieo  ihn 
innerlich  wurmte,  die  Schuldenmasse  erdrückte;  er  machte  dess 
gar  kein  Hehl,  dass  er  nur  als  Kaiser  noch  bestehen  könne;  es 
sei  gar  kein  Unterschied,  ob  er  auf  dem  Schlachtfeld  durch  den 
Feind  falle,  oder  auf  dem  Forum  durch  seine  Gläubiger'.  Dabei 
redete  er  sich  selbst  in  Furcht  hinein  und  spiegelte  sich  vor,  dass 
seine  Person  schon  dem  Nero  allzu  drückend  gewesen  aei.  Ein 
zweites  Lusitanien  aber  mit  seinem  ehrenvollen  Exil  werde  ihm 
nicht  wieder  zu  Theil  werden.  Wem  einmal  die  Anwartschaft 
auf  den  Thron  von  der  allgemeinen  Stimme  zugeschrieben  worden 
sei,  wie  ihm,  der  bleibe  dem  Herrscher  verdächtig  und  verhasst. 
Auch  werde  ein  so  schroffer  Charakter  wie  Piso  eines  Otho  nicht 
schonen.  Also  gelte  es  zu  handeln  und  zu  wagen,  so  lange  die 
Dinge  noch  im  Fluss  wären.  Uebergangszeiten  seien  grossen 
Wagnissen  günstig  und  Ruhe  sei  gefährlicher  als  Verwegenheit. 
Beim  Tode,  der  von  Natur  für  Alle  gleich  sei,  sei  nur  der  Un- 
terschied, ob  man  bei  der  Nachwelt  vergessen  oder  verherrlicht 
sei.  Und  wenn  derselbe  Ausgang  aus  dem  Leben  Schuldige  wie 
Unschuldige  erwarte,  sei  es  des  tapferen  Mannes  Sache,  ver- 
dientermassen  den  Untergang  zu  finden.  Tac.  h.   1,  21. 

Mag  Tacitus  solche  Gedanken  dem  Otho  nun  nach  seiner 
Kenntniss  von  der  Denkweise  desselben  zugeschrieben  haben,  ohne 
<la8s  sie  allesammt  genau  nach  Aeusserungen  desselben  zu  con- 
trolieren  waren,  jedenfalls  entsprechen  sie  der  Gemüthsart  Othos 
wie  seiner  Lage  und  seiner  Umgebung.  Denn  auch  diejenigen 
seiner  Freigelassenen  und  seiner  Sklaven,  die  vertraulich  mit  ihm 
verkehrten,  drängten  auf  ihn  ein,  indem  sie  ihm  den  Hof  Nero's 
mit  seiner  ungeheuren  Ausschweifung,  seinen  Ehebrüchen  und 
seinem  Frauenwechsel  und  alle  andern  Begierden  eines  Despoten 
als  ihm,  dem  Otho,  gehörig  hinstellten,  wenn  er  den  Muth  des 
Wagens  habe,  dagegen  als  für  Andere  bestimmt,  wenn  er  die  Hände 
in  den  Schooss  lege.  Nicht  minder  als  die  Freigelassenen  und 
Sklaven  drängten  den  fatalistisch  gerichteten  Otho  die  Astrologen, 
diese  für  die  Machtinhaber  unzuverlässige,  für  die  Hoffenden  trü- 
gerische Menschenart,  die  in  Rom  so  oft  verboten  wurden  und 
sich  immer  wieder   einnisteten   (genus  hominum,  quod  in  civitate 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otlio  97 

nostra  et  yetabitur  semper  et  retinebitur,  b.  1,  22).  Sie  wollten 
in  den  Sternen  neue  Umwälzungen  und  ein  dem  Otbo  Gltick  ver- 
heissendes  Jahr  geseben  baben.  Viele  eolcber  Sterndeuter  (ma- 
tbematicos)  batte  eicb  Poppaea  gebalten ;  sie  waren  das  scblimmete 
Einricbtungestück  ibrer  füretlicben  Ebe  (peseimum  principalie 
niatrimonii  instrumentum,  Tac.  aO.),  die  ibr  zu  ibren  gebeimen 
Macbinationen  dienten.  Wir  baben  scbon  von  dem  Seleucne  be- 
rieb tet,  der  nacb  Sueton  naeb  Lusitanien  oder  Spanien  gekommen 
sein  sollte.  Es  wird  ja  wobl  nur  eine  Variante  der  Tageecbronik 
sein,  wenn  Tacitus  den  Sterndeuter  Ptolemaeus  nennt,  der  den 
Otbo  nacb  Spanien  begleitet  und  ibm  verbeissen  babe,  dass  er 
den  Nero  Überleben  werde.  Da  dieser  Verbeiesung  der  Erfolg 
enteproeben  batte,  so  überredete  der  Aetrolog  den  Otbo  leicbt, 
dass  er  zur  Herrscbaft  gelangen  werde  (Flut.  G.  23).  Für  Otboe 
abergläubiecbes  Gemütb  war  diese  Yerbeissung,  die  Ptolemaeus 
auf  Vermntbung  und  das  allgemeine  Gerede  gründete,  weiobes 
Otboe  Jugend  und  Galbas  hobes  Alter  in  Kecbnung  zog,  ein  pro- 
pbetiseber  Aussprucb.  Und  Ptolemaeus  liess  es  nicbt  an  sieb 
feblen,  nunmebr  Otbo  auch  zum  Verbrecben  aufzustaobeln,  wozu 
ja  der  Uebergang  vom  verbreoberischen  Wunscbe  leicbt  ist 
(h.  1,  22). 

Wenn  wir  diesen  Mathematiker  Ptolemaeus,  den  wir  hier  in 
der  Gefolgschaft  des  Otho  finden,  zu  denen  rechnen,  die  Poppaea 
sich  gehalten  hat,  so  sind  wir  durch  den  Text  des  Tacitus  dazu 
berechtigt.  Denn  die  Worte  b.  l,  22  :  e  quibus  Ptolemaeus  geben 
auf  die  unmittelbar  vorher  erwähnten  multos  matbematicos  der 
Poppaea.  Ist  das  nun  der  Fall,  so  ist  Ptolemaeus  höchst  wahr- 
scheinlich nach  dem  Tode  der  Poppaea  zum  Otbo  gegangen,  und 
das  würde  ein  Zeichen  davon  sein,  dass  der  Zusammenbang  des 
Otho  und  der  Poppaea  selbst  nicht  durch  die  Vermählung  dieser 
mit  Nero  aufgehört  hat,  ein  Zusammenhang,  der  dem  mit  seiner 
Patronin  vertrauten  Astrologen  wobl  auch  soweit  bekannt  ge- 
wesen sein  wird,  dass  Ptolemäus  selbst  auf  günstige  Aufnahme 
bei  Otho  rechnen  durfte.  Da  es  aber  multi  mathematici  waren^ 
die  sich  Poppaea  hielt,  so  wird  wobl  auch  Seleucus  unter  ihnen 
gewesen  sein,  woher  die  Verwechslung  bei  Sueton  leicht  ent- 
stehen konnte. 

Vor  allen  Dingen  galt  es  nun,  in  den  Gemüthern  der  Sol- 
daten die  Unzufriedenheit  lebhaft  zu  erbalten  und  wo  möglich 
dem  angesteckten  Brand  immer  neuen  Zündstoff  zuzuführen. 
Hierbei  ging   dem  Otho  Maevius   Pudens   als  höchst    geeigneter 

Übeln.  Mua.  L  Pbilol.  N.  F.  LVIL  ^ 


98  Paul 

Vermittler  zur  Hand.  MaeviuR  hatte  zu  der  Schaar  habsüchtiger 
Wülltietlinge  gehört,  die  eich  zur  Neronischen  Zeit  um  den  Ti• 
gellinns  sammeltenf  dienen  intriguanteeten  und  schmutzigsten  der 
vertrauten  Rathgeber  des  Nero  (Tac.  h.  1,  24.  72).  Maevius 
kannte  die  geeigneten  Persönlichkeiten  im  Heere,  die  durch  ge* 
meine  Mittel  zu  gewinnen  waren,  in  deren  Anwendung  er  so 
weit  ging,  dass  er,  so  oft  Galba  bei  Otho  speiste,  der  die  Wache 
haltenden  Cohorte  Mann  für  Mann  500  Sestertien  in  Othos  Namen 
auszahlte  als  eine  Gratification,  die  sie  an  Stelle  der  Bewirthnng 
haben  sollten.  Otho  gab  sich  damit  den  Schein,  als  ob  er  selbst 
die  Prätorianer  als  seine  Gäste  ansähe.  Und  nicht  genug,  dass 
hiermit  ein  Verfahren,  was  Nero  einst  bei  officiellen  Diners  ein- 
geführt, wieder  aufgenommen  wurde,  Otho  ging  so  hitzig  im  Be- 
stechen vor,  dass  er  die  Gratification  bei  Einzelnen  noch  durch 
geheime  Belohnungen  erhöhte,  da,  wo  es  ihm  darauf  ankam,  den 
Mann  sich  unbedingt  zu  attachiren,  im  bedeutenden  Maasse.  So 
schenkte  er  dem  Cocceius  Proculus,  einem  Gardegendarmen  (spe- 
culatori),  der  mit  seinem  Nachbar  über  die  Grenzen  seines  Grund- 
stücks im  Process  lag,  dessen  ganzes  Grundstück,  nachdem  er  ee 
mit  seinem  Gelde  erworben  hatte.  Laco,  der  Prätorianerpräfect, 
der  wohl  die  Absicht  dieses  ganzen  Verfahrens  hätte  erkennen 
können,  war  viel  zu  indolent,  um  etwas  daraus  zu  machen  (Tac. 
h.  1,  24  Sueton  0.  4). 

Als  Hauptwerkzeug  für  die  nunmehr  scharf  ine  Auge  ge- 
fasste  Gewaltthat  selbst  benutzte  Otho  den  Onomastne,  einen 
seiner  Freigelassenen  (Plut.  G.  24).  Dieser  führte  ihm  zunächst 
einen  ünterofiicier  (tesserarium,  Ordonnanz),  Namens  Barbius  Pro- 
culus, und  einen  Feldwebel  (optionem),  Veturius,  zu.  Ans  dem 
Gespräch,  welches  Otho  mit  diesen  Beiden  anknüpfte,  sah  er,  dass 
es  verschmitzte  und  verwegene  Gesellen  waren.  Er  ertheilte 
ihnen  darum  Geld  und  Versprechungen  in  überreichem  Maasse, 
um  durch  sie  noch  mehrere  zu  verführen.  So  unternahmen  zwei 
Soldaten  subalterner  Charge  die  ungeheure  That,  dem  römischen 
Eeiche  seinen  Herrn  zu  nehmen  und  ihm  einen  andern  zu  geben. 
Und  sie  haben  ihn  gegeben  (h.  I,  25:  suscepere  duo  manipu- 
lares  Imperium  populi  Romani  transferendum,  et  transtnlere).  In 
die  Verschwörung  selbst  wurden  nur  wenige  gezogen.  Die  schon 
mehr  oder  weniger  befangenen  Gemüther  der  übrigen  wühlte  man 
mit  verschiedenen  Kunstgriffen  auf.  So  hatte  Nymphidius  Sabinue 
als  praefectus  praetorio  unter  Nero  viele  begünstigt,  und  um  sie 
an  sich  zu   ziehen,    in    höhere    Dienststellung    aufrücken    lassen. 


Kaiser  Marcus  Salvins  Otbo  99 

Dieee  so  Beförderten  bennrnliigte  man  damit,  daee  sie  unter 
Galbas  Regiment  als  ebemalige  Freunde  des  Nympbidius  immer 
verdäcbtig  erscbeinen  und  in  unsicberer  Stellung;  steben  würden. 
Die  Masse  der  Andern  regte  man  durcb  Groll  wegen  der  ver- 
lorenen Auesiebt  auf  das  so  oft  binaus  gescbobene  Geldgescbenk 
auf.  Endlicb  gab  es  welcbe,  die  das  Andenken  an  Nero  und  die 
Sebnsucbt  nacb  der  früheren  Ausgelassenbeit  entzündete.  Einer 
wie  der  Andere  befürcbtete  einen  Wechsel  in  der  dienstlicben 
Stellung.  So  erzählt  Tacitus  b.  1,  25,  dem  hier  zu  folgen  ist. 
Sueton  (0.  5)  redet  von  fünf  Gardegendarmen,  denen  die  Sacbe 
zuerst  übertragen  worden  sei  und  die  zehn  andere^  jeder  je  zwei, 
mit  herangezogen  hätten;  durcb  diese  seien  dann  noch  andere 
geworben  worden,  nicbt  allzu  viele,  weil  man  erwartete,  dass 
bei  der  Ausfübrung  des  Planes  selbst  sich  noch  eine  grössere 
Anzabl  anscbliessen  würde.  Darin  irrte  man  sich  aucb  nicht. 
Denn  die  Gäbrung  ergriff  aucb  die  in  der  Stadt  stebenden 
Truppen,  eine  für  Neuerungen  stets  bereite  ungeheure  Masse,  die 
nicbt  gerade  für  eine  bestimmte  Person  eingenommen  war,  aber 
für  den  einzutreten  stets  fertig  stand,  der  sieb  auf  ein  Wagnies 
einlaeeeo  wollte.  Es  waren  das  die  von  Nero  gebildete  Legion 
der  Seeeoldaten,  die  legio  prima  classica,  die  dem  Galba  nicbt 
vergass,  dass  er  ibre  Kameraden  von  der  Flotte  an  der  Mulvi- 
scben  Brücke  hatte  zusammen  bauen  lassen  (b.  1,  6.  31);  ferner 
die  vielen  Trnppenabtbeilungen,  die  Nero  aus  dem  germanischen 
und  illyriscben  Heere  batte  ausbeben  lassen,  um  sie  gegen  die 
Albaner  im  Kaukasus,  später  gegen  den  Yindex  zu  gebrauchen, 
und  die  nocb  in  Rom  zurückgeblieben  waren.  Diese  alle  wurden 
sofort  entzündet,  sobald  sieb  das  Gerücht  verbreitete,  dass  das 
obergermaniscbe  Heer  wanke.  Bei  den  Scblecbtgesinnten  war 
der  Aufstand  eine  ausgemachte  Sache,  die  nocb  Unverführten 
tbateu,  als  merkten  sie  Nichts.  Als  Otbo  einst  von  einem  Mable 
heimkehrte,  war  man  scbon  drauf  und  dran,  sich  seiner  zu  be- 
mäcbtigen  und  ihn  zum  Kaiser  zu  proclamieren,  wenn  man  nicbt 
doch  das  Unsichere  der  Nacht,  die  über  die  ganze  Stadt  zer- 
streuten Standquartiere  und  die  Scbwievigkeit  einer  Ueberein- 
stimmung  bei  den  vom  Rausche  Erhitzten  gefürchtet  hätte.  So 
unterblieb  die  Sacbe  für  jetzt,  besonders  aus  Furcht,  es  könnte 
der  Erste  Beste,  welcber  den  Soldaten  des  pannonischen  und 
gennaniecben  Heeres  begegnete,  die  ja  meistens  den  Otbo  nicht 
von  Person  kannten,  von  ihnen  anstatt  dieses  erkoren  werden. 
Auch  andere  Anzeichen  des  ausbrechenden  Aufstandes  wurden  in 


100  Paul 

Menge  von  den  Leitern  der  Verecbworenen  unterdrückt.  Was 
aber  doch  zq  den  Ohren  des  Galba  kam,  das  wies  Laco  als  ganz 
unbedeutende  Dinge  ab,  weil  er  unbekannt  war  mit  dem  Geiste, 
der  unter  den  Soldaten  herrschte,  und  weil  er  in  seinem  Eigen- 
sinn gegen  jeden  lUth,  auch  den  besten,  war,  den  er  nicht  ge- 
geben hatte    (h.  1,  26). 

Am    15.  Januar  69    opferte    Galba    vor    dem  Tempel    des 
Apollo,    und  der  Opferpriester  Umbricius    verkündete    nach    den 
Unglück  drohenden  Zeichen    nahe    bevorstehende  NachstelluDgen 
von  einem  Landesfeind  im  eigenen  Haus    (Tac.  h.  1,  27 :  hamspex 
Umbricius  tristia  exta  et  instantes  insidias  ac  domesticum  hoetem 
praedixit   andiente  Othone.     Vergl.  Plut.  G.  24.     Sueton  G.   19: 
haruspex  identidem  monuit,   caveret  periculum,    non    longe    per- 
cusRores  abesse).     Diese  Weissagung  lässt    uns   vermuthen,    dass 
die  Pläne  der  Verschworenen    in    der  Stadt    gar  nicht    mehr  so 
unbekannt  gewesen  sein  können.   Für  Otho,  der  neben  dem  Opfern- 
den stand,  war  die  Aussage  des  Opferschaners   etwas  Freudiges, 
ein  seinem  Vorhaben  Glück  verheissender  Spruch.     Dennoch  war 
er  anfangs  bestürzt  und  wechselte  nach  dem  glaubhaften  Bericht 
des  Plutarch  (G.  24)  vor    Furcht    die  Farbe:    θορυβουμένιμ    bfe 
αύτψ   και  χρόας   άμείβοντι   παντοδαπάς  ύπό   bέoυς  παμαστάς 
Όνόμαατος  .  .  .  ίφη  .  .  .    Gleich  darauf  meldete  ihm  sein  Frei- 
gelassener Onomastus,  dass  er  von  dem  Bauherrn  und  den  Bau- 
unternehmern erwartet  würde.     Das  war  das  verabredete  Zeichen, 
dass  die  Soldaten  zusammengetreten  und  die  Verschworenen  fertig 
seien.     Otho,    der    dem  Freigelassenen    folgte,    gab    als  Ursache 
seines   Weggangs  an,  dass  er  ein  Landhaus  in  der  Nähe  der  Stadt 
zu  kaufen  beabsichtige,   was  er  wegen  Alters  einer  genauen  Unter- 
suchung unterwerfen  müsse.     Auch  schlug  er  nicht  den  directen 
Weg  nach  dem  Lager  der  Prätorianer  ein,  sondern  ging  zunächst 
durch    den  Pallast  des  Tiberius   nach   dem  Stadtviertel,    wo    die 
Victualienhändler  feil  hielten  (Velabrum),  und  erst  von  dort  ver- 
fügte er  sich  nach    dem    vergoldeten  Meilenstein    unterhalb    des 
Saturntempels.     Daselbst   traf    er  23  Mann    von    der  Leibgarde, 
die  ihn  als  Kaiser   begrüssten.     Er   war   über  diese  geringe  An- 
zahl besorgt,  aber  sie  setzten  ihn  eilig  auf  einen  Tragsessel  und 
entführten  ihn  mit  gezockten  Schwertern,  um  ihn  nach  dem  Lager 
zu  tragen.     Unterwegs  schlössen  sich  etwa  eben  so  viel  Soldaten 
an,  die  Einen  im  Einverständniss,  Viele  aus  Neugier.     So  folgten 
sie  theils  unter  lautem  Freudengeschrei,   theils  still  und  schwei- 
gend, um  sich  erst  nach  dem  Erfolge  zu  entscheiden.     Im  Lager 


Kaiser  Maroos  Saivios  Otho  101 

hatte  der  Tribun  Julius  Martialis  die  Wache.  Mochte  dieser  nun 
durch  die  Ungeheuerlichkeit  des  so  plötzlichen  Verbrechens  die 
Besinnung  verloren  haben,  oder  mochte  er  befürchten,  dass  das 
Lager  echon  weiter  mit  in  die  Verschwörung  verstrickt  und, 
wenn  er  sich  dagegen  stemme,  dies  sein  eigener  Untergang  sei| 
er  galt  den  Meisten  als  Mitverscbworener.  Auch  die  übrigen 
Tribunen  und  Genturionen  zogen  die  sichere  Gegenwart  mit  schmach- 
voller Untreue  den  Geboten  der  Pflicht  mit  unsicherer  Zukunft 
vor.  Und  so  war  die  Stimmung  der  Art,  dass  Wenige  das 
8ch  mach  vollste  Verbrechen  wagten,  mehrere  es  wünschten,  Alle 
es  litten  (Tac.  h.  1,  27.  28   Plut.  G.  25    Sueton  0.  6). 

Inzwischen  fuhr  Galba,  der  von  allen  diesen  Vorgängen 
nichts  ahnte,  in  seinem  Opfer  fort  und  bestürmte  immer  dringen- 
der mit  Bitten  um  günstige  Zeichen  die  Götter,  die,  wie  Tacitus 
sagt,  ein  bereits  in  andere  Hände  übergegangenes  Regiment  in 
ihren  Schutz  genommen  hatten  (ignarns  Interim  Galba  et  sacris 
intentus  fatigabat  alieni  iam  imperii  deos,  h.  1,  29).  Da  traf 
plötzlich  das  Gerücht  ein,  es  sei  irgend  ein  Senator  ins  Lager 
entführt  worden;  bald  darauf  hiess  es,  es  sei  Otho.  Zugleich 
sammelten  sich  aus  der  ganzen  Stadt  Leute  an,  wie  sie  grade 
unterwegs  sich  trafen,  die  theils  aus  Furcht  die  Dinge  über- 
trieben, theils  sie  geringer  darstellten,  als  sie  waren,  um  dem 
Galba  und  seiner  Umgebung  gefällig  zu  schmeicheln.  Nun  trat 
dieser  mit  den  bei  ihm  Befindlichen  zur  Berathung  zusammen 
und  man  fasste  den  Beschluss,  die  Gesinnung  der  Cohorte  zu  ver• 
suchen,  die  grade  im  kaiserlichen  Pallast  die  Wache  hielt,  und 
zwar  nicht  durch  Galba  selbst,  dessen  Autorität  jetzt  noch  nicht 
in  Frage  gestellt,  sondern  für  durchgreifendere  Massregeln  auf- 
gehoben werden  sollte. 

Es  trat  also  Piso  oben  auf  die  Stufen  des  Pallastes,  und 
redete  die  zusammengerufenen  Soldaten  an.  Es  sei  dies,  sagte 
er,  der  sechste  Tag  (nach  unserer  Zählweise  der  fünfte),  dass  er 
als  Cäsar  berufen  worden  sei,  ohne  zu  wissen,  ob  diese  Würde 
zu  wünschen,  oder  aber  zu  fürchten  sei.  Es  handle  sich  dabei 
nicht  um  seine  Person.  Er  kenne  das  Unglück,  und  eben  jetzt 
erfahre  er,  dass  auch  das  Glück  nicht  weniger  Gefahr  habe.  Es 
handle  sich  um  seinen  (Adoptiv•)  Vater,  um  den  Senat  und  um 
das  Reich  selbst,  die  ihm  leid  thäten,  wenn  sie  (Piso  und  die 
Anhänger  Galbas)  heute  ihren  Untergang  fänden,  oder,  was  in 
den  Augen  der  Gutgesinnten  ebenso  jammervoll  sei,  ein  Blutbad 
veranstalten  müssten.     Die  letzte  Bewegung  (durch  die  Nero  ge- 


102  Paul 

ettirzt  worden  war)  habe  das  Tröstliche  gehabt,  dass  die  Stadt 
von  Blutvergiessen  verschont  nnd  der  Wechsel  der  Regierung 
ohne  Bürgerkrieg  bewerkstelligt  worden  sei ;  durch  die  Adoption 
schiene  nun  auch  das  vorgesorgt  worden  zu  sein,  dass  auch  nach 
dem  Tode  des  Galba  die  Dinge  ohne  Krieg  sich  ordneten.  '  Ich 
will  mich  nicht,  so  fuhr  Piso  fort,  auf  meine  vornehme  Gebart 
und  auf  meinen  sittlichen  Charakter  berufen ;  man  braucht,  wenn 
man  sich  mit  Otbo  zu  vergleichen  hat,  nicht  die  Tüchtigkeit  eines 
edlen  Mannes  herbei  zu  ziehen.  Die  Laster,  deren  er  allein  sich 
rühmt,  haben  das  Reich  schon  zerrüttet,  als  er  sich  noch  als 
Freund  des  Kaisers  aufspielte  Sollte  er  sich  durch  sein  äussereR 
Gebahren  und  Auftreten  oder  auch  durch  seinen  weibischen  Auf- 
putz die  Derrschergewalt  verdient  haben?  Die  sind  im  Irrthuna, 
bei  denen  üppige  Verschwendung  unter  dem  Scheine  von  Frei- 
gebigkeit einen  Eindruck  macht.  Dieser  Mensch  wird  zu  ver- 
geuden,  nicht  zu  schenken  verstehen.  Hurerei,  wilde  Zechgelage, 
Zusammenliegen  mit  Weibspersonen,  das  sind  die  Dinge,  die 
seinen  Geist  beschäftigen,  das  sind  nach  ihm  die  Belohnungen, 
die  der  Oberherrschaft  zufallen  müssen.  Die  geile  Lust  und  das 
Schwelgen  in  diesen  Dingen  soll  sein  Antheil  sein;  für  die  an- 
dern alle  soll  das  als  Schmach  und  Schande  gelten.^  Der  Redner 
weist  weiter  darauf  hin,  dass  ein  ruchlos  erworbenes  Regiment 
nie  gute  Massnahmen  getroffen  habe.  Es  sei  in  ihrem  (der  Leib- 
garde) Interesse,  dass  nicht  die  Schlechtesten  den  Kaiser  machten. 
Ihre  Treue  sei  bis  auf  den  heutigen  Tag  unbefleckt,  sollten  etwa 
jetzt  weniger  als  30  Ueberläufer  und  Verräther,  denen  man  nicht 
einmal  erlauben  würde,  sich  einen  Centurionen  oder  Tribunen  zu 
wählen,  über  den  Thron  verfügen?  Wollten  sie  dieses  Beispiel 
zulassen?  Die  Frechheit  würde  in  die  Provinzen  dringen,  sie 
selbst  (Piso  und  die  zu  Galba  Stehenden)  würden  die  Folgen  der 
Verbrechen,  die  Garde  aber  würde  der  Ausgang  des  Bürgerkriegs 
treffen.  —  Zuletzt  versprach  er  ihnen  ein  Donativum,  das  wegen 
Treue  zu  erhalten  jedenfalls  besser  sei,  als  für  eine  ruchlose 
That  (h.  1,  29.  30). 

Der  Erfolg  dieser  Rede  war,  dass  die  Graduirten  (specula- 
tores,  Leutnants  und  zu  Ordonnanzen  benutzte  Feldwebel,  Feld- 
jäger, Gardegendarmen)  sich  verzogen,  der  Rest  der  Cohorte  aber 
den  Redenden  nicht  abfällig  anhörte  und  wie  das  in  Zeiten  der 
Aufregung  vorkommt,  ohne  noch  einen  bestimmten  Entechluss  zu 
haben,  sich  unter  Waffen  in  Reih  und  Glied  aufstellten,  mehr 
aus  Zufall,  als  aus  verrätherischer  Absicht  und  Verstellung,  wie 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otbo  103 

man  nachher  annahm.  Auch  wurde  der  designirte  Coneul  Celsns 
Mariue,  ein  treaer  Anhänger  des  Galba,  zu  den  noch  in  Rom 
stehenden  Detachements  des  illyrischen  Heeres,  die  in  der  Halle 
des  Vipsanins  Agrippa  im  Quartier  lagen,  gesandt,  ebenso  zwei 
Hauptlente,  die  die  Detachements  der  germanischen  Armeecorpe 
ans  der  Halle  des  Tempels  der  Libertas  herbeiholen  sollten.  Der 
Flottenlegion  misstraute  man  als  einer  feindlich  gesinnten  wegen 
der  Abschlachtnng  ihrer  Kameraden,  die  Galba  bei  seinem  Ein- 
tritt in  die  Stadt  hatte  niederhauen  lassen.  In  das  Lager  der 
Prätorianer  aber  gingen  drei  Tribunen,  nm  zn  versuchen,  ob  der 
noch  im  Anfang  begriffene  Aufruhr  durch  vernünftiges  Zureden 
zu  beugen  sei.  Zwei  von  diesen  Tribunen  empfingen  die  Soldaten 
mit  Drohungen,  den  dritten,  Pompejus  Longinas,  packten  sie  und 
entwaffneten  ihn,  weil  er  ihnen  als  Einer  von  Galbas  Freunden, 
der  seinem  Herrn  treu  ergeben  war,  jetzt,  wo  sie  im  Begriff 
standen,  von  diesem  abzufallen,  nur  um  so  verdächtiger  war. 
Die  Flottenlegion  schloss  sich  ohne  Zaudern  den  Prätorianern 
an.  Den  Celsus  jagten  die  illyrischen  Truppen  mit  drohend  vor- 
gehaltenen Wurfspeeren  von  dannen.  Die  germanischen  Abthei- 
Inngen  schwankten  lange;  sie  waren  noch  körperlich  geschwächt 
und  zum  Frieden  gestimmt,  weil  Galba  sie,  die  von  Nero  kurz 
vor  der  Empörung  des  Vindex  nach  Alexandrien,  wohin  er  selbst 
sich  begeben  wollte,  vorausgeschickt  und  jetzt  zurückgekehrt 
waren,  in  guter  Pflege  hatte  halten  lassen,  nachdem  sie  durch 
die  lange  Seefahrt  stark  mitgenommen  worden  waren  (Tac.  h. 
1,  31  vergl.  Plut.  G.  25). 

Schon  hatte  der  zusammengelaufene  Pöbel,  unter  den  sich 
ganze  Sklavensohaften  gemischt  hatten,  das  Palatium  angefüllt 
und  verlangte  mit  verworrenem  Geschrei  den  Tod  des  Otho  und 
die  Vernichtung  der  Verschworenen,  ^gleich  als  wenn  sie  im 
Clrcus  oder  im  Theater  ein  kurzweiliges  Schauspiel  forderten. 
Denn,  setzt  Taoitus  hier  hinzu,  verständiges  ürtheil  und  Sinn 
für  Wahrheit  ist  bei  der  Menge  nicht  zu  suchen,  die  mit  ganz 
gleichem  Eifer  an  ein  und  demselben  Tage  das  Entgegengesetzte, 
wie  sich  bald  zeigen  sollte,  forderten'  (h.   1,  32). 

Den  Galba  zogen  zwei  Meinungen  nach  ganz  verschiedenen 
Seiten.  Titus  Vinius  war  der  Ansicht,  man  müsse  innerhalb  des 
Pallastes  bleiben,  die  Sklaventrupps  entgegen  werfen,  die  Zugänge 
verwahren,  nicht  gegen  die  erhitzten  Empörer  marschieren.  Den 
Uebelgesinnten  solle  Galba  Zeit  lassen  zur  Umkehr,  den^ 'Gut- 
gesinnten zur  Einigung.    Verbrechen  wüchsen  bei  vomW^^m  Ti^- 


104  Paul 

greifen ,  gute  Pläne  durch  ruhiges  Zuwarten.  Endlich  sei  zu  einem 
Vorwärtsgehen,  wenn  es  räthlich  erscheine,  die  Gelegenheit  ganz 
dieselbe  in  der  nächsten  Zukunft,  dagegen  liege  eine  rückgängige 
Bewegung,  wofern  man  sich  anders  besinne,  in  der  Macht  des 
Gegners  (h.  1,  32).  Die  Meinung  der  Andern  war  für  rasches 
Handeln,  bevor  die  jetzt  noch  schwache  Bewegung  der  Wenigen 
stark  würde.  Bei  Zaudern  und  Lässigkeit  werde  Otho  sofort 
lernen,  das  Staatsoberhaupt  zu  spielen.  Man  solle  doch  nicht 
warten,  bis  er  etwa  im  Lager  der  Prätorianer  Alles  abgemacht 
habe,  aufs  Forum  komme  und  das  Capitolium  betrete,  während 
Galba  aus  der  Ferne  zuschaue,  ein  vortrefiflicher  Herr  nnd  Kaiser, 
der  mit  seinen  Freunden  sich  nicht  weiter,  als  bis  zur  Thür 
wage,  natürlich,  um  eine  Belagerung  auszuhalten.  Das  Schmach- 
volle sei  auch  das  Unsichere.  Wenn  es  nöthig  sei  zu  fallen,  so 
solle  man  der  Gefahr  entgegen  gehen.  Das  bringe  dann  den 
Otho  in  eine  gehässige  Stellung,  ihnen  selbst  aber  ehrenvollen 
Nachruhm.  So  waren  die  Meinungen  im  Cabinetsrath  des  Kaisers. 
Den  Vinius,  der  sich  der  letzteren  Ansicht  widersetzte,  griff  Laco 
mit  Drohungen  an,  wobei  Icelus,  der  einen  persönlichen  Uass 
gegen  Vinius  hartnäckig  zum  Verderben  des  Reiche  ausübte,  ihn 
anstachelte  (h.  1,  34  vgl.  Plut.  G.  26). 

Nun  gab  Galba  sein  Zaudern  auf  und  trat  denen  bei,  die 
ihren  Rath  mit  stolzen  Worten  gegeben  hatten.  Ehe  man  aber 
sich  zum  Handeln  entschloss,  wurde  Piso  ins  Lager  geschickt. 
Kaum  hatte  sich  dieser  entfernt,  so  trat  das  anfangs  unsichere 
Gerücht  auf,  Otho  sei  bei  den  Prätorianern  getödtet  worden;  bald 
darauf,  wie  das  bei  Lügen  von  so  grosser  Tragweite  geschieht, 
wollten  etwelche  selbst  dabei  gewesen  sein  und  es  gesehen  haben. 
Bei  der  freudig  erregten  und  gedankenlosen  Masse  fand  das  leicht 
Glauben.  Viele  waren  der  Ansicht,  das  Gerücht  sei  von  den 
Othonianern,  die  sich  bereits  unter  die  Menge  gemischt,  erfunden 
und  vergrössert  worden,  um  den  Galba  durch  die  freudige  Kunde 
aus  dem  Pallaste  zu  locken  (Sueton  G.  19:  extractus  rumoribus 
falsis,  quos  conspirati,  ut  cum  in  publicum  elicerent,  de  industria 
dissiparant). 

Nach  dem  Auftreten  des  Gerüchtes  erhob  nun  vollends  nicht 
bloss  die  versammelte  Menge  vom  Bürgerstand  und  dem  unwis- 
senden niederen  Volk  (populus  et  imperita  plebs)  ein  wüstes  Bei- 
fallsgeschrei, sondern  auch  manche  von  den  Rittern  and  Sena- 
toren, die  sich  von  ihrer  Furcht  jetzt  befreit  fühlten,  rissen  die 
Thüren  des  Pallastes    auf,   stürzten  hinein  und   zeigten   sich  dem 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  105 

Galba,  wobei  sie  klagten,  dass  sie  nun  um  ihre  Hache  gekommen 
seien  (praereptam  eibi  ultionem  qnerentes).  Je  feiger  Einer  war 
und  je  weniger  er  bei  eintretender  Gefahr,  wie  sich  bald  ergab, 
seinen  Mann  zn  stehen  wagte,  als  ein  desto  grösserer  Zungenheld 
trat  er  auf.  Kein  Mensch  wusste  etwas  Bestimmtes,  aber  alle 
gaben  ihre  Behauptungen  mit  voller  Sicherheit,  bis  Galba,  durch 
die  allgemeine  üebereinstimmung  der  im  Irrthum  Befangenen 
hingenommen,  seinen  Panzer  anlegte  und,  da  er  wegen  hohen 
Alters  und  wegen  seines  siechen  Körpers  sich  nicht  auf  den  Füssen 
halten  konnte,  von  den  andrängenden  Haufen  auf  einen  Tragsessel 
gehoben  wurde.  Zn  gleicher  Zeit  kam  ein  Gardegendarm,  Julius 
Atticus,  in  den  Pallast  gestürmt,  zeigte  sein  blutiges  Schwert 
und  rief:  Otho  sei  von  ihm  getödtet  worden.  Da  sagte  Galba: 
'Kamerad,  wer  hat  dir  das  befohlen?*  Auf  diese  Frage  lässt  Plu- 
tarcb  (G.  26)  den  Mann  antworten:  *Meine  Treue  und  mein  Eid!* 
wobei  die  Menge  ihm  Beifall  gerufen  habe.  Wenn  Plutarch 
diese  drastische  Scene  allein  berichtet,  so  ist  sie  darum  noch 
nicht  unglaubhaft.  Plutarch  hat  in  seinen  beiden  Schriften  Γάλ- 
βας  και  "Όθιυν,  die  Ein  Werk  bilden  (H.  Peter,  Die  geschicbtl. 
Litteratur  über  die  röm.  Kaiserzeit  usw.  Π  ρ.  73  Anm.  2  ),  die 
Kämpfe  und  den  Ausgang  dieser  beiden  Kaiser  ganz  ebenso  er- 
zählt, wie  Tacitus  und  Sueton,  so  dass  wir  die  Annahme  einer 
gemeinsamen  Quelle  nicht  ablehnen  können  (H.  Peter  aO.  p.  73). 
Wenn  er  nun  hier  und  da  solche  Züge  bringt,  die  die  beiden  an- 
dern nicht  berichten,  so  zeigt  das  den  Memoiren-Charakter  seines 
Werks,  in  dem  er  sich  auch  auf  mündliche  Aussagen  gestützt 
hat.  Wie  weit  diese  auf  Thatsächlichem  beruhen,  lässt  sich  nicht 
immer  mit  Sicherheit  erweisen.  Indessen,  da  er  die  Quellen  zu 
seiner  Kaisergeschichte  unter  den  Gesinnungsgenossen  des  Taci- 
teisch-Plinianischen  Kreises  gesucht  hat  (H.  Peter  aO.  p.  75  f.), 
80  ist  auch  kein  Grund  an  der  Wahrheit  solcher  anekdotenhaften 
Züge  zu  zweifeln.  Sie  widersprechen  den  Thatsachen,  bei  deren 
Bericht  Plutarch  in  augenfälliger  Üebereinstimmung  mit  Tacitus 
und  Sueton  (G.  19)  steht,  keinesfalls. 

Dieser  Bericht  selbst  nun  geht  dahin,  dass  sich  Galba  in 
seine  Sänfte  gesetzt  habe,  um  sich  dem  Volke  zu  zeigen  und 
dem  Jupiter  Capitolinus  zu  opfern.  So  sei  er  aufs  Forum  ge- 
kommen. Hier  war  also  der  Vorgang  mit  dem  prahlerischen 
Gardegendarmen  Julius  Atticus,  an  den  Galba  seine  unwillige  Frage 
richtete.  Mit  dieser  Frage,  sagt  Tacitus,  habe  sich  Galba  als 
^inen  Herrscher  gezeigt,  dem  es  darauf  ankam,  d\e  i^o\d«A.\%Oc\^ 
Zugell oBjgkeit  zu  bändigen,  un erschrocken  bei  DioViuii^^Ti^  \|^^%«^* 


106  Paul 

über  den  Scbmeichlern  nnbeRtechlich  (insigni  animo  ad  coercendam 
militarem  licentiam,  minantibue  intrepidas,  advereae  blandientee 
incorruptQs,  b.  1,  35).  In  dieser  Bericbterstattung,  die,  wie  be- 
merkt, im  Weeentlicben  bei  allen  drei  Scbriftetellern,  Tacitus, 
Sneton  und  Plutarcb,  gleich  ist,  haben  wir  nnr  den  einen,  al- 
lerdinge nnbedeutcnden,  Unterschied  noch  hervorzuheben,  dass 
nach  Tacitus  Galba  bereite  im  Begriffe  gewesen  sei,  eioh  ans  dem 
Pallast  fortzubegeben,  als  ihm  Julius  Atticas  entgegen  kommt  (b.  1, 
35 :  obvius  in  Palatio  Julius  Atticus).  Aehnlich  bei  Sneton  Gr.  19. 
Nach  Plntarch  dagegen  aO.  besteigt  Galba  erst  nach  dem  Auf- 
treten des  Gardegendarnien  seine  Sänfte.  Bei  solchen  positiven 
Widersprüchen  ist  aber  immer  anzunehmen,  dass  Tacitne  den  Vor- 
gang so  berichtet,  wie  er  stattfand.  Dio  Cassius  endlich  verkürzt 
die  Erzählung  64,  6  so  sehr,  dass  aus  ihm  über  die  Reihenfolge 
Nichts  zu  ersehen  ist.  üeberhaupt  werden  wir  diesen  Autor  für 
unser  Thema  wenig  heranziehen  dürfen,  da  er,  wie  H.  Peter 
(Die  geschieht].  Litt.  usw.  li,  92)  sagt,  manche  Geschichte  des 
Effects  wegen  zustutzt,  bald  weglassend,  bald  ändernd  und  aus- 
schmückend. 'Er  ist  mit  seiner  Vorlage  ft'ei  und  sehr  willkür- 
lich umgesprungen*  (H.  Peter  aO.  p.  275).  Nehmen  wir  den 
Faden  der  Erzählung  wieder  auf,  da  wo  wir  ihn  fallen  Hessen, 
indem  wir  uns  in  den  Hauptstücken  an  Tacitus  anschliessen. 

Als  Otho  im  Lager  der  Prätorianer  angekommen  war,  zeigte 
sich  sofort,  wie  schwer  Galba  gefehlt  hatte,  dass  er  den  Trappen 
das  Geldgeschenk  nicht  ausgezahlt,  auf  das  diese  gerechnet  hatten 
und  das  ihnen  auch,  wenn  nicht  von  ihm  selbst,  doch  in  seinem 
Namen,  versprochen  worden  war.  Dem  Otho  dagegen  kam  sein 
leichtsinniges  Geldverschwenden  und  sein  glänzendes  Auftreten 
jetzt  zu  Statten.  Denn  Nichts  anderes  war  es,  was  sofort  die 
Gemtither  der  Soldaten  im  Lager  für  ihn  und  seine  Thronerhebung 
einnahm.  Sie  nahmen  ihn  in  geschlossenem  Kreis  in  ihre  Mitte 
und  zwar  so,  dass  die  Tribunen  und  Centurionen  keinen  Zutritt 
zu  ihm  haben  konnten;  denn  der  gemeine  Soldat  glaubte  ihn  he- 
acliützen  zu  müssen  vor  den  Ofißcieren.  Das  ganze  Lager  schallte 
auf  allen  Seiten  von  wildem  Jubelgeschrei  und  fanatischem  Tau- 
mel wieder.  Man  fasste  sich  an  den  Händen,  lag  sich  in  den 
Armen,  sagte  sich  den  Huldigungseid  vor,  man  empfahl  den  neuen 
Kaiser  den'^Soldaten  und  die  Soldaten  dem  neuen  Kaiser.  Otho 
selbst  führte  ein  für  den  Moment  passendes,  für  ihn  selbst  aber 
unwürdiges  Schauspiel  auf;  er  bezeugte  mit  weit  vorgestreckten 
Armen  dem  grossen  Haufen  die  tiefste  Ehrfurcht,  warf  ihm  Kuea- 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  107 

bände  zu  und  benahm  sich  ganz  in  koechtieober  Weise,  Alles 
um  den  Preis  der  Herrschaft  (nee  deerat  Otbo  protendens 
manus  adorare  vulgus,  iacere  oscula  et  omnia  serviliter  -so.  fa- 
cere-  pro  dominatione,  b.  1,  36).  Die  ganze  Flottenlegion  leistete 
zuerst  den  Hnldigungseid.  Als  das  geschehen  war,  hielt  Otho 
vom  Walle  des  Lagers  herab,  um  die  ihn  umstehende  Masse 
noch  mehr  anzufeuern,  eine  Rede,  worin  er  sie  als  Kameraden 
ansprach  und  sein  Schicksal  als  mit  dem  ihrigen  unlösbar  ver- 
knüpft darstellte.  'Ich  weiss  nicht  recht,  wie  ich  mich  Euch 
vorstellen  soll,  sagte  er ;  Privatmann  kann  ich  mich  nicht  nennen 
da  ich  von  Euch  zum  Fürsten  erklärt  worden  bin,  Kaiser  aber 
auch  nicht,  so  lange  noch  ein  Anderer  diesen  Titel  führt;  auch 
was  mit  Euch  ist,  weiss  ich  nicht,  so  lange  ein  Zweifel  besteht, 
ob  ihr  den  Oberherrn  des  römischen  Volkes  in  Eurem  Lager 
habt  oder  den  Feind  desselben.'  Er  stellte  ihnen  vor,  sie  müseten 
entweder  zusammen  untergehen  oder  zusammen  ihr  Heil  ßnden. 
Von  Galba  sei  nur  das  Schlimmste  für  sie  beide  zu  erwarten ; 
das  habe  er  an  der  Mulvischen  Brücke  gezeigt,  als  er  ohne  allen 
Grund  so  viele  Tausende  habe  hinschlachten  lassen,  denen  er  erst 
Verzeihung  versprochen.  Wie  er  seinen  Einzug  in  die  Stadt  über 
ein  Leichenfeld  gehalten,  so  habe  er  dann  zu  seiner  kaiserlichen 
Würde  nur  den  Ruhm  hingemordeter  Feldherrn  und  Staatsmänner 
in  Spanien,  Gallien,  Germanien  (Fontejns  Capito),  Afrika  (Clo- 
dius  Macer)  hinzugefügt.  Jede  Provinz,  jedes  Lager  sei  von 
Blut  befleckt.  Galba  nenne  das  freilich :  zur  Ordnung  gebracht, 
wie  er  seine  Grausamkeit  Strenge,  seinen  Geiz  Sparsamkeit,  seine 
Todesstrafen  und  Degradationen  Zucht  nenne.  Dann  wies  Otho 
darauf  hin,  wie  die  Vertrauten  Galbas,  ein  Icelus  und  Titus  Vi- 
nius  seit  sieben  Monaten  nach  dem  Tode  des  Nero  mehr  geraubt 
und  schlimmer  gehaust  hätten,  als  einst  die  Vertrauten  des  Nero. 
Das  eine  Haus  des  Icelus  hätte  schon  zu  der  Geldspende  hinge- 
reicht, *die  Euch  nie  gegeben  worden  ist,  deren  Beanspruchung 
aber  Euch  täglich  vorgeworfen  wird*  (una  illa  -  des  icelus  -  domns 
snfficit  donativo,  quod  vobis  numquam  datur  et  quotidie  expro- 
bratur,  h.  1,  87).  Zuletzt  kam  Otho  auf  Piso  zu  sprechen,  als 
einen  dem  Galba  in  unfreundlichem,  grämlichem  Wesen  und  im 
Geiz  sehr  ähnlichen  Nachfolger.  Auch  hätten  sie,  die  Kameraden, 
selber  das  auffallende  Unwetter  gesehen,  wodurch  sogar  die  Götter 
ihren  Abscheu  vor  dieser  Adoption  gezeigt  hätten.  Der  Senat 
und  das  römische  Volk  denke  hierüber  ganz  gleich.  Jetzt  kommt 
es  auf  Eure  Bravheit  an,    bei   denen    alle  Kraft  und  Stärke  für 


108  Paul 

ehrenvolle  Unternehmungen  iet  und  ohne  die  auch  die  berrlichften 
Pläne  nutzlos  und  nichtig  sind.     Nicht  zum  Krieg*    nicht  zu  g^ 
fährlichem  Thun  rufe   ich   Euch;    die  Waffen  aller  Truppen  sind 
mit    uns.     Auch    nicht    die   Eine  Cohorte    in    der  Toga  (die  im 
kaiserlichen  Pallast    wachhabende  Cohorte)  vertbeidigt  jetzt  dei 
Galba,  sondern  sie  hält  ihn  fest.     Hat  sie  Euch  erblickt  und  hit 
sie  meine  Parole  empfangen,  so  wird  der  Streit  nur  darüber  sein, 
wer  bei  mir  am  meisten    zu  Gute  haben   soll.     Für  Zandern  iit 
bei  einem  Unternehmen    kein  Platz    mehr,    das    Dur  Lob    finden 
kann,   wenn  es  durchgeführt    wird.^     Nach    dieser  Rede   Hess  er 
das  Zeughaue  öffnen.    Die  Waffen  wurden  hastig  herauegenommen 
ohne  allen  militärischen  Brauch  und  ohne  die  Ordnung,  dass  der 
Prätorianer  und  der  Legionssoldat   sich  durch  seine  Specialwaffe 
(lancea-pilum)  unterschieden  hätte.     Auch  die  Helme  und  Schilde 
der  Hilfetruppen    wurden   ohne  Unterschied  genommen  und  ohne 
dass  ein  Vorgepetzter  einzugreifen  wagte  (h.  1,  38). 

W*ie  der  Aufruhr  wuchs  und  das  Stimmengeräuecb  bis  in 
die  Stadt  sich  vernehmlich  machte,  war  Piso  un verrichteter  Sache 
aus  dem  Lager  zurückgekehrt  und  traf  den  Galba,  der  inzwischen 
sich  aus  dem  Palatium  entfernt  und  das  Forum  erreicht  hatte. 
Auch  Celsus  Marine  brachte  Unerfreuliches  zurück.  Da  riethen 
die  Einen  in  der  Umgebung  des  Galba,  ins  Palatium  zurückzu- 
kehren, die  Andern,  das  Capitolium  zu  besetzen,  Manehe  auch, 
sich  der  Keduerbühne  vor  den  Othonianern  zu  bem&chtigen.  Die 
Mehrzahl  schrie  nur  das  den  Ansichten  der  Andern  Entgegen- 
gesetzte, und,  wie  es  bei  unglückseligen  Maassregeln  geht,  als  das 
Beste  erschien  das,  wozu  keine  Zeit  mehr  war.  Laco  soll  ohne 
Wissen  des  Galba  den  Mord  des  Titus  Vinius  geplant  haben,  sei 
es,  um  die  Soldaten  zu  beschwichtigen,  sei  es,  dass  er  ihn  im 
Einverständniss  mit  Otho  glaubte,  oder  endlich  auch  ans  Haas. 
Indesa  zögerte  er  mit  der  Ausführung,  weil  nach  dem  Beginn  des 
Blutvergiessens  ein  Maass  schwer  einzuhalten  war.  Auch  etörten 
schlimme  Nachrichten  und  das  Auseinanderfliehen  der  nächsten 
Umgebung  den  Plan.  Der  Eifer  Hess  auch  bei  denen  nach,  die 
znerst  voller  Begeisterung  für  Galba   gewesen  waren  (h.  1,  39). 

Unterdessen  wurde  Galba  hierhin  und  dorthin  getrieben,  je 
nachdem  die  wogende  Menge  gegen  ihn  stiess  (τοΟ  φΟρείου,  κα- 
θάπερ  έν  κλύοιυνι,  beOpo  κάκεϊ  οιαφερομένου  καΐ  ττυκνόν  άπο- 
νεύοντος,  Plut.  G.  26).  Hallen  und  Tempel  füllten  eich  von 
allen  Seiten :  von  da  aus  sah  man  sich  die  Sache  mit  an  (Plut 
aO.).     Kein  Zuruf  kam   aus  der  Mapse  des  Volke,  der  Schrecken 


( 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  109 

lag,  wie  Tacitue  sagt,  auf  allen  Geeiohtern ;  nach  allen  Seiten 
hin  laoBchte  man  mit  gespanntem  Ohr.  Es  war  kein  Lärm,  keine 
Rahe,  es  war  ein  Schweigen,  wie  es  grosse  Furcht  und  grosser 
Ingrimm  erzeugt.  Inzwischen  wurde  dem  Otho  gemeldet,  dass 
sieb  das  Volk  bewaffne.  Da  befahl  er  rasch  vorwärts  zu  gehen 
und  die  Gefahr  beim  Schopf  zu  fassen.  Und  so  bemächtigten 
sich  die  Soldaten,  grimmig  aussehend  und  im  gestreckten  Trabe 
des  Forums,  ohne  dass  sie,  wie  Tacitus  hier  mit  wehmüthiger 
Bitterkeit  bemerkt,  der  Anblick  des  Capitols,  die  heilige  Scheu 
vor  den  hohen  Tempeln  und  der  Gedanke  an  die  früheren  oder 
späteren  Herrscher  von  einer  That  abschreckten,  deren  Rächer 
allemal  der  Nachfolger  auf  dem  Thron  ist.  Sie  beeilten  sich, 
ihren  anbewaffneten  und  greisen  Kaiser  und  Herrn  zu  tödten, 
nicbt  anders,  als  wollten  sie  den  Vologeses  oder  Pacorus  von 
dem  väterlichen  Tbron  der  Arsaciden  herabstossen  (Tac.  h.  1,  40). 
Als  der  Schwärm  der  Bewaffneten  in  die  Nähe  des  Galba 
gelangt  war,  riss  ein  Fähndrich  der  ihn  begleitenden  Cohorte, 
Atilius  Yergilio,  das  Brustbild  des  Kaisers,  welches  in  Medaillon- 
form am  Schafte  des  Feldzeichens  angebracht  war,  herunter  und 
warf  es  auf  die  Erde.  Auf  dieses  Zeichen  wandten  sich  die 
ganzen  Truppen  zum  Otho,  das  Volk  verliess  in  eiliger  Flucht 
das  Forom;  wer  noch  schwankte,  gegen  den  wurden  die  Waffen 
gezückt.  Hier  berichtet  Plutarch  G.  26:  kein  Mensch  habe  jetzt 
dem  Galba  Hilfe  geleistet  ausser  dem  Centurionen  Sempronius 
Densae,  der  unter  so  vielen  Tausenden  allein  des  römischen  Na- 
mens werth  gewesen  sei.  Dieser  aber  habe,  und  zwar  nicht  weil 
er  vom  Galba  etwas  Gutes  besonders  erfahren  gehabt,  sondern 
nur  weil  er  dem  Recht  und  Gesetz  Folge  geleistet,  sich  vor  die 
Sänfte  gestellt,  habe  seinen  Hauptmannsstab  erhoben  und  den  an- 
drängenden Meuterern  laut  zugerufen,  sie  sollten  des  Herrschers 
schonen.  Diese  aber  seien  mit  ihm  ins  Handgemenge  gekommen. 
Da  habe  er  sein  Schwert  gezogen,  bis  er  sich  tapfer  wehrend 
gefallen  sei.  und  von  Plutarch  hat  den  Hergang  auch  Dio  64,  6 
so  übernommen,  der  damit  zeigt,  wie  wenig  selbständig  er  den 
Ereignissen  nachgeforscht  hat.  Denn  dieses  Eintreten  des  Sem- 
pronius Densus  geschieht  nach  Tacitus  h.  1,  43  nicht  für  Galba, 
sondern  für  Piso.  Dadurch,  dass  Sempronius  sich  den  Mord- 
gesellen entgegenwirft,  entkommt  Piso  in  den  Tempel  der  Vesta, 
wo  er,  allerdings  nur  auf  kurze  Zeit,  dem  Verderben  entgeht. 
Hier  liegt  der  Irrthum  jedenfalls  bei  Plutarch,  obgleich  beide, 
Tacitae  und  Plutarch,  sich  auch  hier  auf  dieselbe  Quelle  etiitzen^ 


HO  Paul 

wie  die  Einleitungeworte  zu  der  Erzählung  zeigen,  die  bei  Ta- 
citus  lauten:  InRignem  illa  die  virnm  Semproninm  Deneum  noetra 
aetae  vidit;  bei  Plutarcb:  öv  μόνον  άνδρα  (seil.  Sempronium) 
ήλιος  έπ€ΪΟ€ν  έν  μυριάσι  τοσαύταις  άΕιον  τής  'Ρωμαίων  ηγε- 
μονίας (vergl.  Η.  Peter,  die  Quellen  des  Plutarcb  uew.  p.  39). 
Plutarcb  bat  bier  seine  Quelle  nur  oberfläcblicb  angesehen  oder 
es  ist  ihm  ein  Gedäcbtnissfebler  untergelaufen. 

Mitten  auf  dem  Forum  war  das  Basein  des  Curtias  (Cnrtins 
lacus),  eines  jener  siebenhundert  von  den  Aquäducten  gespeisten 
ßrunnenbecken  Roms.  Neben  diesem  Wasserbecken  wurde  Galba 
durch  die  ängstliche  Hast  seiner  Träger  aus  seiner  Sänfte  ge- 
worfen um!  rollte  am  Boden  hin.  Sein  letztes  Wort  wird  ver- 
schieden berichtet.  Tacitus  erzählt  h.  1,  41,  dass  er  nach  der 
Aussage  der  Einen  flehentlich  gefragt  habe,  was  er  denn  Schlimmes 
gethan,  um  ein  solches  Schicksal  zu  verdienen,  und  um  wenige 
Tage  gebeten  habe,  damit  er  das  versprochene  Geschenk  an  die 
Truppen  auszahle;  die  meisten  aber,  sagt  Tacitus,  hätten  erzählt, 
er  habe  seine  Kehle  freiwillig  den  Mördern  dargeboten  und  ge- 
sagt, sie  sollten  nur  machen  und  zustossen,  wenn  das  zum  Nutzen 
des  Gemeinwesens  wäre.  Sueton  aber  lässt  ihn  (G.  50)  nach  dem 
Bericht  der  Einen  ausrufen:  ^was  macht  ihr,  Kameraden?  Ich 
bin  Euer  und  Ihr  seid  mein  !*  Nach  dem  Bericht  der  Andern  und 
zwar  der  meisten  hätten  seine  Worte  so  gelautet,  wie  Tacitus 
angibt.  Plutarcb  theilt  G.  27  nur  das  Eine  mit:  Galba  habe 
seine  Kehle  den  Mördern  dargeboten  mit  den  Worten:  bpaTe,  €l 
τούτο  τψ  οήμψ  *Ριυμαίιυν  δμεινόν  έστι.  Nach  Dio  endlich  (aO.) 
hätte  er  nur  die  Worte  gesprochen:  τι  κακόν  έποίησα;  Den 
Mördern  war  es  jedenfalls  einerlei,  was  er  sagte.  Wer  ihn  ge- 
mordet hat,  ist  nicht  ganz  sicher;  manche  nennen  einen  Gefreiten 
Terentius,  andere  einen  gewissen  Lecanius,  die  meisten  den  Ca- 
murius,  einen  Soldaten  der  XV.  Legion,  welche  ihr  Standquartier 
zu  Vetera  in  Untergermanien  hatte,  von  der  aber  damals  eine 
Abtheilung  in  Rom  war.  Die  übrigen,  die  sich  bei  der  schmäh- 
lichen That  betheiligten,  zerrissen  dem  Gemordeten  Arme  und 
Beine  und  schlugen  in  ihrer  grausigen  Wildheit  noch  dem  ver- 
stümmelten Körper  Wunden  (h.   1,  41). 

Nachdem  so  römische  Soldaten  ihren  kaiserlichen  Herrn, 
der  unbewafi'net  und  hochbejahrt  war  (τόν  γίροντα,  τόν  αρχιε- 
ρέα, τόν  αυτοκράτορα,  Dio  aO.)  zu  tödten  sich  beeilt  hatten, 
gingen  sie  auf  Titus  Yinius  los.  Auch  bei  ihm  weiss  man  nicht, 
ob  die  Furcht  des  Augenblicks   seine  Stimme  erstickt  hat^   oder 


Raiser  Marcus  Salvios  Otbo  111 

ob  er  laut  gemfen  hat,  es  sei  wider  deo  Befehl  des  Otho,  ihn 
zu  tödten.  Diee  letztere  bestätigt  Plutarch  G.  27 ;  da  spricht 
Vinius  in  der  Angst  seines  Herzens  die  Worte  aus:  άποθνήίΤκιυ 
παρά  την  "Οθωνος  γνώμην.  Tacitus  ist  geneigt,  in  diesen  Worten 
ein  Bekenntniee  seiner  Mitwiseenschaft  an  dem  Complot  gegen 
Galba  zu  sehen.  Έτ  meint,  sein  Leben  und  sein  Euf  sprächen 
dafür.  Dass  man  auch  in  der  Umgebung  des  Galba  seine  Mit- 
Wissenschaft  annahm,  geht  aus  der  Absicht  Lacos,  ihn  zu  tödten 
hervor,  die  wir  oben  erwähnten.  Vor  dem  von  Augustus  in  der 
Nähe  der  alten  Rostra,  an  der  Stelle,  wo  Cäsars  Leiche  ver- 
brannt worden  war,  errichteten  Tempel  des  Divus  Julius  sank 
Titne  Vinius  zusammen,  nachdem  er  zunächst  in  die  Kniescheibe 
getroffen  und  dann  von  einem  Legionssoldaten  durchstochen  wor 
den  war  (Tac.  h.  1,  42  Piut.  G.  27). 

Auch  Piso  mnsste  sterben.  Wie  schon  erzählt,  hatte  zu- 
erst ein  Hauptmann  der  prätorischen  Cohorte,  Sempronius  Densus, 
den  Verwundeten  vor  den  Mördern  gerettet.  Dieser  Centurio 
war  von  Galba  mit  der  Wache  für  Piso  betraut  worden.  Er  zog 
gegen  die  Mordgesellen  seinen  Degen  blank,  warf  sich  ihnen  ent- 
gegen, hielt  ihnen  mit  Entrüstung  ihre  Schandthat  vor  und  for- 
derte sie  auf,  sich  gegen  ihn  selbst  zu  wenden.  Dadurch  machte 
er  es  dem  schon  verwundeten  Piso  möglich,  zu  entfliehen.  Er 
entkam  in  den  Tempel  der  Vesta.  Dort  nahm  ihn  mitleidig  ein 
Tempelsklave  auf  and  verbarg  ihn  in  seiner  Dienstwohnung.  Die 
Mordgesellen  kamen  aber  auch  hierher  und  zwar  auf  speciellen 
Befehl  des  Otho,  der  grade  auf  die  Vernichtung  des  Piso  brannte  *. 
Der  eine  von  den  beiden  Kerlen,  die  ihn  mordeten,  war  Sulpicius 
Florus,  ein  Soldat  aus  einer  zu  Kom  liegenden  Abtheilung  des 
britannischen  Heeres,  der  erst  vor  Kurzem  von  Galba  mit  dem 
Bürgerrecht  beschenkt  worden  war;  der  andere  war  Statine  Mur- 
cus,  ein  Gefreiter  der  Leibwache  (speculator).  Die  beiden  Kerle 
zogen  den  Piso  an  den  Eingang  des  Tempels  und  ermordeten  ihn 
da  (h.  1,  43). 

üeber  keine  Ermordung  soll  Otho  eine  grössere  Freude  ge- 
habt haben,  kein    gefallenes  Haupt  soll  er  mit  so  unersättlichen 


^  Die  Textesworte  h.  1,  43:   cum  advenere  missu  Othonis  nomi- 

natim    in   caedem    eius    ardentes  Sulpicius  Florus et  Statine 

Marens  lese  ich  nach  der  Conjectur  von  Heinsius,  der  statt  ardentes 
ein  ardentis  vorschlägt.  Mir  scheint  das  nominatim  und  die  Bemerkung 
im  Anfange  des  folgenden  Gapitels  über  Othos  grosse  Freude  beim 
Morde  des  Piso  diese  Conjectur  nothwendig  zu  machen. 


112  Paul 

Augen  angeseheu  haben,    als    dae   des  Pieo.     Es  ist  ganz  glaub- 
lich, wafl  Plutarch  G.  27  erzählt:    Als  der  Kopf  des  Galba  dem 
Otho  gebracht  wurde,  habe  er  gerufen :  ^  Das  will  nichts  heissen, 
Kameraden,  zeigt  mir  das  Haupt  des  Piso!^     Tacitus  meint,  der 
Grund  von  dieser   unmässigen  Freude    sei    wohl  gewesen,    dass 
Otho  jetzt  erst  von  aller  Sorge  befreit  gewesen  sei ;  doch  könne 
auch  der  Gedanke  an  die   in  der  Person    des  Galba   geschändete 
Majestät,    und    bei  Titus  Vinius  an  die  Freun^chaft    mit  diesem 
den  Geist  des  Ütho  mit  unheimlichen  Vorstellungen  erfüllt  haben; 
dagegen  bei  Piso  habe  er  geglaubt,  sich  nach  menschlichem  und 
göttlichem  Rechte  freuen   zu  dürfen.     Wie    dem    nun    auch    sein 
mag,    au    keiner  Stelle   des  Taciteischen  Berichtes  wird  Otho  in 
schwärzeren  Farben  vom  Autor  gezeichnet,  als  in  diesem  Kapitel 
h.   1,  44.     Und  diese  rohe  Grausamkeit    zeigten   auch   seine  Ge- 
hilfen bei  der  wilden  Orgie.    Die  Häupter  der  Gefallenen  wurden 
von   ihnen    auf  Stangen   geheftet   und   zwischen    den  Feldzeichen 
der  Cohorten  neben  dem  Adler  der  Flotten legion  einhergetragen. 
Dabei    zeigten  die  Mörder  ihre   blutigen  Hände,    und    auch    die 
rühmten  sich  der  blutigen  That  als  einer  hochpreislichen  Helden- 
that,  die  nur  dabei  gewesen  waren  oder  auch  nur  dabei  gewesen 
sein   wollten.     Vitellius   fand  später    nach   Besiegung    des    Otho 
mehr  als  120  Bittschriften   an   Otho    von    solchen,  die   um   eine 
Belohnung    eingekommen  waren   wegen    irgend  einer  bemerkens- 
werthen  Hilfe,    die    sie  an  jenem  Tage   geleistet  haben  wollten. 
Vitellius  befahl  diese  alle  zu  fassen  und  zu  tödten,  nicht  um  dem 
Galba  damit  eine  £hre  zu  erweisen,  sondern  er  that  es  aus    po- 
litischer Klugheit,   um  sich    selbst  für  die  Gegenwart    durch  ein 
abschreckendes  Beispiel  zu  sichern   und    für  die  Zukunft    seinem 
Nachfolger  die  Verpflichtung  zur  Rache  aufzustellen.     Man  sieht, 
das  Princip   ist  sehr  alt,    nach   dem  die  Fürsten  noch  heutzutage 
handeln  (tradito  principibus  more,  h.  1,  44). 

Senat  und  Volk  waren  wie  verwandelt.  Die  Väter,  'als 
wären  sie,  oder  als  wären  die  Götter  andere  geworden'  (καθάπερ 
δλλοι  γεγονότες  ή  θεών  άλλων  γεγονότων,  Plut.  G.  28),  schwuren 
den  Eid  für  Otho,  der  seinen  eigenen  Eid  nicht  gehalten;  sie 
nannten  ihn  Cäsar  und  Augustus.  Alle  stürzten  in  das  Lager 
der  Prätorianer,  einer  eilte  dem  andern  voraus,  man  lief  um  die 
Wette,  schmähte  auf  Galba,  lobte  die  politische  Einsicht  der 
Soldaten,  küsste  dem  Otho  inbrünstig  die  Hand,  und  je  mehr  das 
Alles  erlogen  war,  desto  mehr  that  man  es.  Otho  aber  Hess 
sich  das  gefallen,  indem    er   die  drohende  Gier  der  Soldaten    zu 


Kaiser  Marone  Salviue  Otho  113 

bescli wichtigen  euclite.  Diese  forderten  den  designierten  Consul 
Marine  Celsus,  der  bis  zuletzt  dem  Galba  ein  treuer  Freund  ge- 
blieben war,  zur  Todesstrafe.  Die  Thatkraft  und  Unbescholten- 
heit des  Celsus  waren  in  ihren  Augen  verwerfliche  Dinge.  Es 
war  klar,  dass  es  bei  ihnen  auf  Mord  und  Beute  und  darauf  ab- 
gesehen war,  dass  grade  die  Besten  dem  Verderben  geweiht 
werden  sollten.  Da  Otho  noch  nicht  die  Autorität  besass,  das 
Verbrechen  zu  verhindern,  so  Hess  er  den  Marius  Celsus  in  ver- 
stelltem Zorne  fesseln  und  entzog  ihn  so  dem  Untergange,  mit 
der  Versicherung,  dass  er  noch  härter  büssen  sollte  (Tac.  h.  1,  45), 
oder  wie  Plutarch  G.  27  sagt,  dass  er  noch  gewisse  Dinge  von 
ihm  erfahren  müsse. 

Von  da  an  ging  Alles  nach  der  Entscheidung  der  Soldaten 
vor  sich.  Die  wählten  sich  die  Lagerpräfecten  selbst,  von  denen 
Einer  Licinius  Proculus  war,  bei  dessen  Wahl  sie  allerdings  auf 
den  neuen  Kaiser  Rücksicht  nahmen.  Denn  dieser  Licinius  Pro- 
culus war  bisher  schon  ein  intimer  Freund  Othos  gewesen,  von 
dem  man  muthmaasste,  dass  er  dessen  Pläne  gefördert  habe. 
Den  bisherigen  Präfeoten  Laco  hingegen,  der  unter  der  Um- 
gebung Galbas  derjenige  gewesen  war,  welcher  dem  Otho  nicht 
getraut  hatte,  liess  dieser  jetzt,  unter  dem  Vorgeben  der  Ver- 
bannung auf  eine  Insel,  von  einem  Unterofficier  (ab  evocato) 
aus  dem  Wege  schaffen.  Marcianus  loelus  aber,  der  bei  Galba 
in  sehr  hoher  Gunst  stehende  Freigelassene  und  hohe  Hausbe- 
amte desselben,  wurde  als  dem  Sklavenstande  angehörig  öffent- 
lich hingerichtet  (h.  1,  46).  üeber  das  Alles  war  bei  den  Sol- 
daten wie  in  der  Stadt  grosse  Freude.  Die  hohen  Magistrate 
wetteiferten  mit  dem  Senat  in  Schmeicheleien. 

Noch  war  das  Forum  besudelt  mit  dem  Blute  der  Er- 
mordeten, die  noch  in  ihren  Staatskleidern  und  mit  abgeschlagenem 
Haupte  auf  dem  Platze  lagen  (fii  τών  νεκρών  ακέφαλων  έν 
ταις  υπατικαϊς  έσθήσιν  έρριμένων  έπι  τής  αγοράς,  Plut.  G.  28), 
als  Otho  durch  sie  hindurch  nach  dem  Capitolium  und  von  da  in 
den  kaiserlichen  Palast  zog.  Da  angekommen  gab  er  die  Er- 
laubnifis,  dass  die  Opfer  des  grausigen  Schlachtens  begraben  und 
verbrannt  würden.  Den  Piso  bestattete  sein  Weib  Veronia  und 
sein  Bruder  Scribonianus,  den  Titus  Vinius  seine  Tochter  Gri- 
spina.  Die  Häupter  der  Ermordeten,  die  die  Mörder  abgeschlagen 
hatten,  um  sie  als  Kaufgegenstände  zu  verwerthen,  hatten  von 
den  Angehörigen  erst  losgekauft  werden  müssen  (h.  1, 47).  Plu- 
tarch G.  28    beschränkt  diese  Angabe    nur    auf   das  Haupt    des 

fUiein.  Miu.  t  PhUol.  N.  F.  LVU.  % 


114  Paul 

ViniuB.  Der  Leichnam  des  Galba  hatte  längere  Zeit  anbeerdigt 
dagelegen  und  war,  ein  Gegenstand  des  Hohnes,  von  der  rohen 
Menge  unter  dem  Schutze  der  Nacht  misshandelt  worden.  Zu- 
letzt beerdigte  ihn  ein  mitleidiger  Sklave,  Namens  Argins,  der 
den  im  Stadthaushalt  wichtigen  Posten  eines  Rechnungeführers 
inne  hatte  (dispensator  Argius  e  primoribus  servis).  Auch  dem 
Galba  hatte  man  das  Haupt  abgeschlagen;  Markedenter  und 
Trosskneohte  hatten  es  aufgespieset  und  zerstochen;  so  wurde  es 
am  folgenden  Tage  am  Grabhügel  des  Patrobius  gefanden.  So 
berichtet  Tacitus  h.  1,  49,  an  den  wir  auch  hier  ans  halten. 
Plutarch  G.  27  lässt  das  Haupt  dem  Otho  gebracht  und  dann 
von  diesem  den  Sklaven  des  von  Galba  hingerichteten  Patrobine 
geschenkt  werden.  Da  Argius  den  Rumpf  bereits  verbrannt 
hatte,  so  fügte  er  das  Haupt  der  Asche  hinzu  und  barg  beides 
in  einem  armseligen  Grabe  in  seinen  (des  Galba)  Gärten^. 


^  So  verstehe  ich  die  Worte  in  h.  1,  49:  Galbae  corpus,  diu  ne- 
glectum  et  licentia  tenebrarum  plurimis  ludibriis  vexatum,  dispensator 
Argius  e  primoribus  servis  humili  sepultura  in  privatis  eius  hortis  con• 
texit.  Caput  per  lixas  calonesque  sufiixum  laceratumque  ante  Patrobii 
tumulum  (libertus  is  Neronis  punitus  a  Galba  faerat)  postera  demum 
die  repertum  et  cremato  iam  corpori  admixtum  est.  Hier  enthalten 
die  Worte  bis  contexit  das,  was  im  Aligemeinen  über  die  Bestattung 
des  Galba  zu  sagen  war  und  erhalten  dann  noch  eine  nähere  Aus- 
führung durch  das  folgende  caput  etc.  Der  Herg^ang  war  also  der:  die 
rohe  Menge  hatte  mit  dem  Leichnam  Galbas,  den  erst  Niemand  weiter 
beachtet  hatte,  ihren  Spott  getrieben,  einen  Spott  so  grausiger  Art, 
dass  er  nur  unter  dem  Schutze  der  Nacht  vor  sich  gehen  konnte  Dabei 
hatte  man  ihm  das  Haupt  abgeschlagen,  es  aufgespieset  und  an  den 
Grabhügel  des  von  Galba  getödteten  Neronischen  Freigelassenen  Pa- 
trobius geschleppt,  wo  es  am  andern  Tage  gefunden  wurde.  Den  Rumpf 
dagegen  hatte  Argius  der  Verhöhnung  der  Menge  entzogen  und  ver- 
brannt und  die  Asche  dann  in  einem  armseligen  Grabe  geborgen. 
Dann  fügte  er  auch  noch  das  Haupt  hinzu.  Man  sieht  aus  dieser  Er- 
klärung, duss  es  durchaus  nicht  nötbig  ist,  wie  Heraus  nach  dem  Vor- 
gänge von  Döderlein  und  Halm  gethan,  die  Worte  *  licentia  tenebra- 
rum* aus  ihrer  Verbindung  mit  'plurimis  ludibriis  vexatum*  loszu- 
reissen,  um  sie  durch  ein  Komma  von  diesen  getrennt  nach  vexatum 
zu  setzen  und  so  mit  dem  Hauptverbum  contexit  zu  verbinden.  Der 
Hohn  an  dem  Leichnam  war  so  schauerlich,  dass  er  nur  bei  Nacht  ge- 
trieben werden  konnte.  Warum  soll  denn  da,  wie  jene  Gelehrten  wollen, 
grade  der  mitleidige  Sklave  des  Schutzes  der  Nacht  bedurft  haben,  die 
ihn,  wenn  anders  die  rohe  Menge  ihn  am  Aufnehmen  des  Leichnams 
hätte  hindern  wollen,  gar  nicht  geschützt  hätte.    Natürlich,  da  er  den 


Kaiser  Marcus  Salvias  Otho  115 

Dies  war  das  Ende  des  Galba,  im  dreinndeiebsigeien  Jahre 
seines  Lebens,  eines  römischen  Mannes  ans  edlem  Gesohleohty 
der  fünf  Kaiser  überlebt  hatte  und  glücklicher  gewesen  war  unter 
der  Herrschaft  Anderer,  als  unter  der  eigenen.  Tacitns  nennt 
ihn  einen  mittleren  Geist  (medium  ingenium,  h.  1,  49),  der  nicht 
gerade  auf  Niedriges  und  Schlechtes  gerichtet  war,  aber  auch 
nicht  auf  Grosses  und  Gutes  (magis  extra  vitia,  quam  cum  vir- 
tutibus,  aO.),  der  bedeutender  schien,  als  ein  Privatmann,  so  lange 
er  ein  solcher  war,  und  der  nach  allgemeinem  Urtheil  befähigt 
für  den  Thron  gewesen  wäre,  wenn  er  ihn  nicht  eingenommen 
hätte. 

üeber  die  Stadt,  die  schon  voller  Angst  ob  des  entsetz- 
lichen neuesten  Verbrechens  und  in  Furcht  war,  Otho  könnte, 
trotz  seines  milden  Auftretens,  in  seine  alte  Lebensweise  ver- 
fallen (Dio  64,  8),  kam  jetzt  zu  allen  erlebten  Gräueln  ein  neuer 
Schrecken,  die  Botschaft  über  Vitellius.  Sie  war  schon  in  den 
letzten  Tagen  vor  der  Ermordung  des  Galba  in  Rom  ange- 
kommen, aber  man  hatte  sie  unterdrückt,  so  dass  erst  die  Auf- 
lehnung der  beiden  obergermanischen  Legionen,  der  IV.  und  der 
Xlil.  öffentlich  bekannt  war.  Diese  war,  wie  wir  wissen,  kurz 
vor  der  Adoption  des  Piso  dem  Galba  gemeldet  worden,  der 
sie  in  seiner  Ansprache  an  die  Prätorianer  als  eine  unbedeutende 
Sache  hingestellt  hatte.  Wie  gross  der  Schrecken  in  der  Stadt 
bei  der  Nachricht  von  der  Schilderhebnng  des  Vitellius  und  seiner 
Proclamierung  als  Kaiser  durch  das  niedergermanische  Heer 
war,  sieht  man  aus  der  allgemeinen  Trauer  und  aus  der  Sorge, 
die  sich  des  Senats,  der  Ritterschaft  und  des  Volkes  bemächtigte. 
Denn  auch  in  der  grossen  Masse,  die  sich  sonst  um  die  Staatn- 
angelegenheiten  und  das  gemeine  Wohl  nicht  kümmerte,  lebte 
doch  das  Gefühl,  dass  in  Otho  und  Vitellius  die  beiden  durch 
Unzucht,  Trägheit  und  Ausschweifung  aller  Art  Verruchtesten 
aller  Sterblichen  vom  Schicksal  zur  Vernichtung  des  Reichs  aus- 
erlesen seien.  Man  sagte  sich,  dass  zwar  auch  in  den  vorigen 
Kämpfen  um  das  Principal  die  Welt  fast  umgekehrt  worden  sei. 


Leichnam  bei  Nacht  aufhob,  verbrannte  er  ihn  auch  bei  Nacht;  zu 
warten  war  da  nicht.  Aber  auch  zum  Verbrennen  brauchte  er  nicht 
den  Schutz  der  Nacht.  Endlich  ist  der  Begriff  der  licentia  gar  nicht 
einfach  der  der  Erlaubniss,  sondern  er  ist  dabei  die  Nuance  eines  Miss- 
brauchs  dieser  Erlaubniss.  Nun  missbrauchte  aber  nicht  der  mitleidige 
Argins  die  Nacht,  wohl  aber  die  rohe  Menge.  Das  ist  für  die  Stellung 
der  Worte  entscheidend. 


ηβ  Paul 

aber  das  Reich  habe  doch  noch  beim  Siege  eines  Jalius  Cäsar 
und  Augaetus  Bestand  gehabt,  wie  denn  auch  der  Staat  noch  Be- 
stand gehabt  haben  würde,  wenn  Pompejns  and  Bratos  Sieger 
geblieben  wäre.  Aber  jetzt,  für  wen  sollte  man  jetzt  die  Tempel  \ 
besuchen  und  beten,  für  den  Otho  oder  für  den  Yitelliae?  Schien 
es  doch  ruchlos,  Gebete  zu  den  Gitttern  zu  senden,  wo  die  Wahl 
yorlag  zwischen  zweien,  von  denen  man  nur  so  viel  wusste,  dasi 
der  als  der  schlimmere  sich  zeigen  würde,  der  den  Sieg  davon 
tragen  würde  (h.  1,  50). 

Die  Schild erhebung  des  Vitellius  galt  auch  dem  neuen 
Throne.  Und  Otho  wusste,  dass  er  sich  nur  durch  Kampf  auf 
ihm  erhalten  würde.  Er  konnte,  wie  Dio  64,7  sagt,  den  Fuss 
nicht  wieder  zurückziehen,  nachdem  er  einmal  auf  den  Thron 
gekommen  war,  so  gern  er  das  vielleicht  gethan  hätte.'  Wenigstens 
berichtet  Sueton  0.  7  und  Dio  aO.,  dagß  er  in  der  Nacht  nach 
Ermordung  des  Galba,  von  schrecklichen  Träumen  gequält,  schwer 
geächzt  und  geseufzt  habe,  von  dem  Lager  gefallen,  und  auf  dem 
Boden  liegend  von  der  herbei  eilenden  Wache  gefunden  worden 
sei.  Das  sind  freilich  Zeichen  bitterster  Reue.  Aber,  wie  ge- 
sagt, er  konnte  nicht  mehr  zurück.  Weniger,  weil  Vitellius 
selbst  auf  Entscheidung  durchs  Schwert  gedrungen  hätte;  auf 
diesen  kam  es  nicht  weiter  an.  Sondern  vor  allen  andern  drängte 
C.  Fabius  Valens,  sein  Legionscommandeur  in  Niedergermanien, 
wohin  Aulus  Vitellius  gegen  Ende  des  Jahres  68  von  Galba  an 
Stelle  des  ermordeten  Statthalters  Fontejus  Capito  gesandt  worden 
war.  Durch  das  Ungestüm  des  Valens  war  Vitellius  selbst  erst 
zur  Ergreifung  der  Kaiserwürde  fortgerissen  worden  (h.  1,  52); 
jetzt  wurde  er  durch  ihn  zum  Marsch  nach  der  Hauptstadt  be- 
stimmt. Mit  dem  gleichen  Ungestüm  drängte  der  Legions- 
commandeur in  Obergermanien,  A.  Alieuus  Caecina,  ein  Mann  von 
masslosem  Ehrgeiz,  der  noch  in  der  Blüthe  der  Jugend  stehend, 
von  Galba  sein  Commando  erhalten  hatte,  dann  aber  des  Unter- 
schleife  angeklagt  von  ihm  der  gerichtlichen  Verfolgung  Preis 
gegeben  worden  war.  Jetzt  nun  sucht  Caecina,  nachdem  er  sich 
in  die  Liebe  der  Soldaten  eingeschlichen,  das  Unterste  zu  oberst 
zu  kehren  und  schloss  sich  darum  mit  den  beiden  in  Mainz 
stehenden  obergermanischen  Legionen,  der  IV.  und  XXII,  an 
den  Vitellius  an  (h.  1,  56).  So  hatten  also  die  germanischen 
Legionen  zusammen  den  Aulus  Vitellius  zum  Kaiser  ausgerufen, 
und  zwar  die  Truppen  in  Niedergermanien  am  2.,  die  in  Ober- 
germanien am  3.  Januar. 


Kaiser  M&rcus  Salvius  Otho  117 

Bas  Einzelne  dieser  Vorgänge  und  der  Kämpfe,  die  sieb 
nun  bis  zur  Scblacbt  bei  Betriacum  unter  der  Ftibrung  oder 
vielmebr  unter  dem  Namen  des  Viteliias  abspielten,  werden  wir 
hier  übergeben,  da  nur  wiederzugeben  wäre,  was  C.  Peter  in 
seiner  ^Gescbicbte  Kome'  p.  383  ff.  und  Tb.  Mommsen  in  der 
Abbandlung  'die  zwei  Scblacbten  von  Betriacum'  (Hermes  V 
p.  161  ff.)  ausfübriicb  dargestellt  baben.  Nur  das  Nötbigste  sei 
bemerkt. 

Das  Vitellianiscbe  Heer,  zu  dem  sieb  noeb  8000  Mann  von 
den  in  Britannien  stebenden  Truppen  gesellt  batten,  bewegte 
sieb  in  drei  grossen  Corps  gegen  Italien  vorwärts.  Den  einen 
Zug  fübrte  Fabius  Valens^  um  durcb  die  Cottiseben  Alpen  über 
den  Mont  Cenis  einzubrecben,  den  andern  Gaecina,  der  auf  kürzerem 
Wege  durcb  die  Pöniniscben  Alpen  über  den  grossen  St.  Bern- 
bard  zog.  Das  Corps  des  Valens  bestand  aus  Abtbeilungen 
der  nntergermanisoben  Legionen,  der  I,  XV,  XVI,  dazu  das 
Gros  der  V.  Legion,  die  den  Beinamen  Alauda  fübrte.  Dieses 
Corps'  bestand  aus  40000  Mann  Bewaffneten.  Das  des  Caecina 
bestand  aus  obergermaniscben  Truppen,  deren  Kern  die  XXL  Le- 
gion, mit  dem  Beinamen  Rapax,  war.  Es  zäblte  30000  Be- 
waffnete. Zu  beiden  Corps  kamen  noob  germanisobe  Hilfsvölker, 
aus  denen  sieb  aucb  Vitellius  sein  eignes  Heer  ergänzte,  welcbes 
eine  Stärke  von  60000  Mann  batte.  An  der  Spitze  dieses  dritten 
Corps  wollte  er  dann  mit  der  vollen  Wucbt  der  Eriegsmacbt  den 
beiden  andern  folgen  (b.  1,  61). 

Wie  gesagt,  es  kam  niobt  mebr  auf  die  Fübrer,  weder  auf 
Otbo  nocb  auf  Vitellius  an,  ob  der  Bürgerkrieg  von  neuem  toben 
eollte.  Das  zeigt  der  Briefwecbsel  (b.  1,  74.  75),  der  zwiscben 
beiden  anfangs  stattfand  und  in  welcbem  sie  sieb  gegenseitig 
Geld  und  jede  Annebmlicbkeit  eines  verscbwenderiscben  Lebens 
an  jedem  beliebigen  Orte  anboten.  War  dieser  Briefwecbsel 
zuerst  in  versöbnlicber  und  gefölliger  Form  (mollius)  gebalten 
worden,  so  borte  das  bald  auf  und  beide  warfen  sieb  Liederlicb- 
keit  und  scblecbte  Streiebe  vor,  womit  jeder  von  beiden  Reobt 
batte  (nenter  falso,  b.  1 ,  74).  Diese  gegenseitige  Hencbelei  war 
eben  so  unwürdig,  als  die  gegenseitige  Verfolgung  durcb  Meucbel- 
mörder  tböricbt  war.  Am  wenigsten  konnte  das  die  Lage  der 
Dinge  ändern  (vgl.  Flut.  0.  4  Sueton  0.  7.  8  Dio  64,  10). 
Das  Heer  des  Vitellius,  diese  nocb  von  dem  Siege  über  Vindex 
berauscbten  und  nacb  neuem  Kampf  und  Beute  lüsternen  ger- 
manischen Legionen,  wäre  aucb  ebne  ibn  zum  Kampfe  geschritten. 


118  Paul 

Zwischen  diesem  Heer  nnd  seinem  Feldberrn  war  ein  wander- 
barer Unterschied.  Der  Soldat  drängte  vorwärts,  weder  die 
Winterszeit  war  für  ihn  ein  Hinderniss,  noch  wollte  er  etwas 
von  Bedenken  wissen,  die  in  seinen  Augen  nur  von  den  An- 
hängern eines  faulen  Friedens  erhoben  werden  konnten.  £r 
wollte  nur  vorwärts,  nur  in  Italien  einbrechen,  auf  die  Haupt- 
stadt marschieren.  Handeln,  nicht  ßerathen  war  sein  Motto  (nihil 
in  discordiis  civilibus  festinatione  tutius,  ubi  facto  magis,  quam 
consulto  opus  esset,  h.  1,  62).  Dagegen  blieb  Vitellius  in  träger 
Buhe  in  der  alten  Veteranencolonie  zu  Cöln  sitzen  und  genoss 
nach  seiner  Weise  die  hohe  Stellung  des  Staatsoberhaupts  im 
Voraus  in  unersättlichem  Sinnengenuss  und  verschwenderischen 
Mahlzeiten,  schon  am  hellen  Tage  berauscht  und  mit  tlberladenem 
Magen  beschwert.  Aber  der  mächtige  £ifer  der  Soldaten  trat 
für  den  Führer  ein  und  erfüllte  auch  das,  was  jenem  obgelegen 
hätte  (h.,  aO.)•  Gerüstet  und  des  Winters  gewärtig  forderten  sie 
das  Zeichen  zum  Aufbruch.  Endlich  wurde  es  gegeben  und  als 
Fabius  im  März  69  sein  Heer  in  Bewegung  setzte,  schwebte, 
ein  günstiges  und  den  Soldaten  hocherfreuliches  Wahrzeichen, 
ein  Adler  in  ruhigem  Fluge  dem  Heere  voran  (h.,  aO.). 

Als  dem  Otho  die  drohende  Gefahr  nahe  genug  gerückt 
war  und  auch  die  Versuche,  erst  das  Heer  des  Gegners  zum  Ab- 
fall zu  bringen,  und  dann,  ihn  selbst  durch  Meuchelmord  zu  be- 
seitigen (h.  1,74.  75),  Nichts  gefruchtet  hatten,  entschloss  er  sich 
zum  Kampfe.  £r  verliess  Rom  am  24.  März  69  in  einer  Hal- 
tung, die  seiner  kaiserlichen  Würde  entsprach.  Hatte  er  schon 
vorher  seit  seiner  Thronbesteigung  gegen  Aller  Erwarten  alles 
weichliche  Nichtsthun  aufgegeben,  Vergnügen  und  üppige  Schwel- 
gerei fahren  lassen  (h.  1,  71),  so  schritt  er  jetzt  seinem  Heere 
in  eisernem  Panzer  als  Soldat  zu  Fuss  voraus,  rauh  und  schlicht 
wie  ein  einfacher,  tapferer  Krieger  (h.  2,  11:  lorica  ferrea  usus 
et  ante  signa  pedester,  horridus,  incomptus  famaeque  dissimilie). 
In  seinem  Gefolge  befand  sich  ein  grosser  Theil  hoher  Staatsbe- 
amten, die  er  mit  sich  genommen  hatte,  nicht  um  sie  im  Kriege 
zu  verwenden,  sondern  unter  dem  Vorwand,  sie  als  Gefolgschaft 
um  sich  haben  zu  wollen.  Unter  dieser  Suite  war  auch  der 
Bruder  des  A.  Vitellius,  Lucius  Vitellius,  dem  Otho  dieselbe 
aufmerksame  Behandlung  zu  Theil  werden  Hess,  als  den  andern 
Vornehmen  und  Hochgestellten.  So  schien  er  durch  Thätigkeit, 
durch  Besonnenheit,  durch  rücksichtsvolles  Entgegenkommen 
gegen    den  Senat,    durch    milde   Behandlung   seiner  Gegner   den 


Kaiser  Marcas  Salvios  Otho  119 

Übeln  Ruf,  den  er  aue  früheren  Zeiten  mitbrachte,  Lügen  strafen 
ZQ  wollen.  Gleich  am  zweiten  Tage  Reiner  Herrschaft  hatte  er 
den  Marine  Celsus  kommen  lassen  nnd  ihn  durch  freandliche  Zu- 
spräche für  sich  gewonnen,  hatte  im  Senat  milde  Worte  gesprochen, 
hatte  dem  Verginius  Rufus,  diesem  Retter  des  Reichs  vorVindex, 
das  Consalat  übertragen,  die  von  Nero  und  Galba  in  hohe  Aemter 
Beförderten  bestätigt,  ältere  würdevolle  Personen  in  Priesterämter 
eingesetzt,  den  unter  Nero  Verbannten,  von  Gälba  Zurückberufenen 
ihre  Güter,  so  weit  sie  nicht  verkauft  waren,  zurückgegeben. 
Damit  hatte  er  die  Vornehmen  und  Mächtigen  in  Rom,  die  es 
erst  vor  ihm  gebangt  hatte  wie  vor  einer  Raohegöttin  oder  einem 
bösen  Dämon,  in  eine  ihm  freundliche  Stimmung  versetzt  (Plnt. 
0.  1).  und  ebenso  hatte  er  das  Volk  gewonnen  durch  die  Be- 
strafung des  Tigellinus.  War  doch  keiner  von  allen  den  Schurken 
um  Nero  gehasster  als  Tigellinus;  jetzt  hatte  er,  der  längst  bei 
der  Veränderung  der  politischen  Zustände  die  Rache  des  Volkes 
gefürchtet  hatte,  sich  nach  Sinuessa  in  Campanien  geflüchtet,  wo 
er  auch  in  dieser  verzweifelten  Lage  noch  in  den  Umarmungen 
lüderlicher  Weiber  Lüste  suchte,  nach  welchen  sich  die  Geilheit 
des  im  Sterben  zuckenden  Körpers  selbst  noch  regte.  Ob- 
schon  Alle  wussten,  dass  er,  unheilbar  krank,  schreckliche  Qualen 
litt,  wollte  man  doch  nicht,  dass  er  auch  nur  noch  das  Sonnen- 
licht schauen  sollte,  das  durch  ihn  so  viele  nicht  mehr  sahen. 
In  Sinuessa  lag  er,  weil  er  dort  im  Hafen  nach  seiner  Meinung 
eich  sofort  einsohifiPen  konnte,  wenn  er  fliehen  musste.  Otho 
schickte  also  einen  Beauftragten,  der  ihn  hinrichten  sollte.  Diesen 
bat  Tigellinus,  nachdem  er  ihn  umsonst  für  Freilassung  zu  be- 
stechen versucht  hatte,  nur  so  lange  mit  der  Execution  zu  warten, 
bis  er  sich  rasiert  hätte.  Als  das  ihm  gewährt  worden  war, 
schnitt  er  sich  die  Kehle  durcL  Abgesehen  von  diesem  Fall 
nahm  Otho  an  Keinem  eine  persönliche  Rache  (Plut.  0.  2.  8).  Nur 
den  Cornelius  Dolabella,  der  als  Verwandter  Galbas  von  der 
öffentlichen  Meinung  als  dessen  Adoptivsohn  und  Nachfolger 
neben  dem  Otho  selbst  und  neben  Piso  bezeichnet  worden  war, 
internierte  er  in  Aquinum  (h.  1,  88).  Was  ihm  sonst  gefährlich 
flcheinen  konnte,  befand  sich  eben  in  der  Zahl  des  Gefolges. 
Gerade  aber  durch  diese  Mitnahme  so  vieler  vornehmer  und 
hochgestellter  Personen  wurden  die  Sorgen  der  Hauptstadt  auf- 
geregt; kein  Stand  war  frei  von  Furcht  und  Gefahr,  die  man  im 
Falle  eines  für  Otho  ungünstigen  Ausgangs  des  Bürgerkriegs 
auf  sich    hereinbrechen    sah.     Die  ürtheilsfähigen    hatten  grosse 


120  Paul 

Sorge  um  die  Kube  und  den  Bestand  des  Staates,  die  Leicht- 
sinnigen dagegen  trugen  eich  mit  eitlen  Hoffnungen,  nnd  die 
grosse  Zahl  derer,  deren  Credit  erschöpft  war,  waren  munter 
und  guter  Dinge ;  fühlten  sie  sich  doch  am  sichersten  in  unsicheren 
Zeiten  (h.  1,  88).  In  dieser  Lage  vertraute  Otho  seinem  Bruder 
Salvius  Titianus  die  Ruhe  der  Stadt  und  die  Sorgen  des  Begi- 
ments  an  (h.  1,90).  Diejenigen,  welche  ihm  noch  und  zwar  ans 
religiösen  Bedenken  (die  12  heiligen  Schilde  waren  noch  nicht 
an  ihren  Aufbewahrungsort  zurück  gebracht)  ein  längeres  Ver- 
weilen in  Rom  empfahlen,  wies  er  energisch  zurück ;  alles  Zögern 
hielt  er  für  gefährlich,  wie  man  bei  Nero  gesehen  habe.  Die 
Nachricht,  dass  Caecina  die  Alpen  tiberschritten  habe,  Hess  ihm 
keine  Ruhe  mehr  (h.   1,  89). 

So  tapfer  er  hier  nun  auch  in  seinem  Auftreten  erscheint, 
so  deuten  doch  die  erwähnten  Versuche,  durch  Unterhandlungen 
und  verbrecherische  Massnahmen  seine  Stellung  zu  wahren,  darauf 
hin,  dass  Otho  das  Gefühl  hatte,  dass  zu  seiner  Stellung  und 
deren  Behauptung  ihm  Eines  fehle,  die  Eigenschaft  des  Feldherm. 
Dieses  Fehlen  aller  Fei dherrn kraft  zeigte  sich  verhängnissvoll 
schon  bei  einem  Ereigniss,  das  kurz  vor  seinem  Auszug  ans  Rom 
sich  daselbst  abgesponnen  hatte.  Er  hatte  Befehl  gegeben,  dass 
die  17.  Cohorte  aus  Ostia,  der  Hafenstadt  von  Rom,  in  die  Stadt 
verlegt  werden  solle.  Ein  Tribun  der  Prätorianer  sollte  für 
deren  Bewaffnung  sorgen.  Ungestört  und  ohne  Aufmerksam- 
keit im  Lager  zu  erregen,  Hess  der  Tribun,  Varius  Crispinus,  die 
Waffen  dem  Zeughaus  im  Lager  bei  Nacht  entnehmen  und  auf 
Wagen  laden.  Aber  der  Vorgang  ward  doch  bekannt  und  grade 
die  Absichtlichkeit  unvermerkter  Ausführung  brachte  die  grösste 
Erregung  hervor.  Di«  Soldaten,  unter  denen  viele  trunken  waren, 
wurden  durch  den  Anblick  der  Waffen  in  Aufregung  versetzt 
und  beschuldigten  die  Tribunen  und  Centurionen  des  Verraths,  in- 
dem sie  ihnen  die  Absicht  unterlegten,  sie  wollten  die  Sklaven 
der  Senatoren  zur  Vernichtung  Othos  bewaffnen.  Den  Varius 
Crispinus,  der  sich  dem  Aufstand  entgegen  warf,  und  die  strengsten 
der  Hauptleute  tödteten  sie,  nahmen  gewaltsam  aus  dem  Zeug- 
haus Panzer,  Helme  und  Schilde,  zückten  die  Schwerter,  bestiegen 
die  Rosse  und  drangen  in  die  Stadt  ein  nach  dem  kaiserlichen 
Palaste  hin  (h.  1,  80).  Dort  sass  Otho  mit  einer  grossen  Anzahl 
vornehmer  Frauen  und  Männer  aus  dem  Senatorenstand  beim 
Gastmahl.  Diese  waren  erschrocken  und  wussten  nicht,  woran 
sie  waren,  ob  es  ein  Aufstand  der  Soldaten  oder  ein  vom  Kaiser 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  121 

selbst  geplanter  Ueberfall  sei,  ob  eie  bleiben  oder  fliehen  sollten. 
Aengstlich  waren  ihre  Augen  auf  Otbo  gerichtet,  der  gefürchtet 
wurde,  während  er  selber  fürchtete.  Dieser  hatte  sofort  die  beiden 
Präfecten  der  Prätorianer,  die,  wie  man  nach  dem  Berichte  des 
Tacitus  h.  1,  81  annehmen  muss,  mit  zur  Gesellschaft  gehört 
hatten,  zur  Besänftigung  der  tobenden  Soldaten  abgeschickt  und. 
biess  seine  Gäste  sich  schnell  entfernen,  was  diese  mit  einer  un- 
ziemlichen Eile  thaten.  Sie  legten  die  vornehme  Kleidung  ab, 
nahmen  ihren  Weg  durch  die  Fenster  und  suchten,  ohne  irgend 
eine  Begleitung  ihrer  Sklaven,  unbekannte  Wohnungen  auf,  die 
meisten  bei  armen  Clienten.  Bei  ihrem  Eindringen  in  den  Palast 
verwundeten  die  Soldaten,  die  den  Otho  zu  sehen  forderten,  den 
sich  ihnen  entgegenstellenden  Tribun  Julius  Martialis  und  den 
Legionspräfecten  VitelliusSaturninus.  Wafl^engetöse  und  Drohungen 
gegen  die  Vorgesetzten  und  den  Senat  erdröhnten  auf  allen  Seiten, 
die  Wuth  der  Wahnsinnigen  forderte  Aller  Untergang,  bis  Otho, 
der  auf  seinem  Polster  stehend  die  Aufständischen  zum  Einhalten 
beschwor,  sie  wieder  zur  Ruhe  brachte.  Hatte  er  das  nur  mit 
Mühe  erreicht,  so  war  das  bei  Weitem  Schlimmere,  dass  er^s  mit 
Aufopferung  der  kaiserlichen  Würde  durchgesetzt  hatte  (contra 
decus  imperii  ....  aegre  oohibuit,  h.   1,  82  Plut.  0.  3). 

Widerwillig  und  schuld bewusst  kehrten  die  Erregten  ins 
Lager  zurück.  Dort  wurden  sie  von  den  beiden  Präfecten,  von 
^em  einen,  Licinius  Proculus,  milder,  von  dem  andern,  Plotius 
Firmus,  strenger  angeredet.  Das  Ende  des  Vorgangs  war  aber, 
dass  jeder  Soldat  5000  Sestertien  erhielt.  Jetzt  erst  wagte  Otho 
das  Lager  zu  betreten,  wo  ihn  die  Tribunen  und  Centurionen, 
nachdem  sie  zum  Zeichen  der  Traner  ihre  Dienstabzeichen  ab- 
gelegt, umringten  und  Euhe  und  Sicherheit  vor  neuen  Auftritten 
verlangten.  Die  Prätorianer  hatten  selbst  das  Gefühl,  dass  dieser 
Aufruhr  sie  geschändet;  wieder  zum  Gehorsam  bereit  verlangten 
sie  noch  obendrein  die  Hinrichtung  der  Rädelsführer  ihrer  eigenen 
Meuterei  (h.  aO.).  Der  ganze  Vorgang  wäre  unter  einem  energi- 
schen Feldherrn  unmöglich  gewesen.  Was  that  dagegen  Otho? 
Anstatt  eines  kräftigen  Einschreitens  gegen  die  Zügellosigkeit, 
wie  es  die  entgegengesetzten  Stimmungen  im[Heer  möglich  machten 
und  wie  die  Besten  es  forderten,  suchte  er  die  Gunst  des  ge- 
meinen Mannes  zu  gewinnen,  der  ein  nach  unten  abhängiges 
Regiment  mit  dem  Bürgerkrieg  und  seinen  Gelegenheiten  zum 
Plündern  liebte.  Den  neuen  Kaiser  beherrschte  der  Gedanke, 
dass    die     durch    Verbrechen     erworbene    Herrschergewalt    nicht 


122  Paul 

plötzlich  durch  gute  Mannszncht  und  die  Strenge  der  alten  Zeit 
behauptet  werden  könne.  Und  so  hielt  er  denn  Tags  darauf  (Plut. 
0.  3)  eine  Rede  an  die  Meuterer,  worin  er  ihr  Vorgehen  als  einen 
Ausbruch  allzugroeeer  Liebe  zu  seiner  Person  mild  yemrtheilte 
und  eine  Zügelung  ihrer  Tapferkeit  und  ein  Maasshalten  in  der 
Zuneigung  gegen  ihn  verlangte  (h.  1,  83:  nimia  pietas  yeetra 
acrius,  quam  considerate  —  sc.  vos  —  excitavit).  Jetzt,  wo  man  in 
den  Krieg  ginge,  dürfe  man  nicht  verlangen,  dass  jede  Botech&ft 
öffentlich  kund  bar  gemacht,  alle  Pläne  in  Gegenwart  aller  be• 
rathen  würden.  £in  Soldat  müsse  manches  ebenso  gut  nicht 
wissen,  als  wissen;  das  bringe  die  Autorität  des  Feldherm  und 
die  Strenge  der  Mannszucht  mit  sich.  Seihst  die  Vorgesetzten, 
Centurionen  und  Tribunen,  müssten  in  vielen  Fällen  hlindlings 
gehorchen.  Wenn  jeder  Einzelne  bei  jedem  Befehl  fragen  wolle, 
dann  gehe  der  Gehorsam  zu  Grunde  und  mit  dem  Gehorsam  die 
Heeresleitung.  Sie  sollten  doch  bedenken,  dass  dem  Vitelline 
und  seinen  Spiessgesellen  Nichts  Erwünschteres  begegnen  könne, 
als  Aufruhr  und  Zwietracht  in  ihren  Reihen.  Ihre  Feinde 
wüesten  dann,  dass  sie,  Otho  und  die  Seinen,  blind  in  ihr  Ver- 
derben hinein  rennen  würden.  'Das  Heerwesen,  Cameraden,  steht 
mehr  auf  dem  Gehorsam,  als  auf  dem  Nächfragen  nnd  dem  Be- 
sprechen der  Befehle  des  Feldherrn,  und  das  Heer  ist  im  Momente 
der  Entscheidung  das  tapferste,  was  vor  der  Entscheidung  das 
ruhigste  ist.  Euch  gehört  die  Wafife  und  der  kriegerische  Sinn^ 
mir  überlasst  die  Berathung  und  den  Befehl.  Euer  Vergehen 
war  die  Schuld  Weniger,  die  Strafe  wird  nur  zwei  treffen .  Und 
so  geschah  es  denn;  das  kriegsgerichtliehe  Verfahren  richtete 
sich  nur  gegen  zwei.  Man  sah  darin  freilich  ein  Maasshalten  der 
Strenge,  wie  denn  überhaupt  die  Rede  mit  der  Sohlussmalinüng: 
für  den  Senat  als  das  glänzendste  Erbe  von  den  Vätern  einzu- 
stehen, beifällig  aufgenommen  wurde.  Wies  doch  der  kaiserliche 
Redner  darauf  hin,  dass  der  hreite  Pnrpurstreif  des  Senatskieidee 
den  Angeredeten  selbst  in  Aussicht  stehe  (h.  1,  84:  nam  ut  ex 
vobis  senatores,  ita  ex  senatoribus  principes  nascuntar).  Kein 
Wunder  also,  dass  die  Rede  beschwichtigend  wirkte.  Aher  was 
war  damit  gethan?  Es  blieb  doch  als  Resultat,  was  Tacitns 
h.  1,  85  sagt:  "^Es  wurden  die  für  den  Augenblick  beruhigt,  die 
nicht  gezügelt  werden  konnten  (compositi  ad  praesens,  qui 
coerceri  non  poterant).  Das  war  aber  sicher  nicht  das  Thun^eines 
Feldherrn,  dieser  Mangel  an  durchgreifender  Energie. 

Und  80    war   denn  auch    der  Erfolg   kein   durchgreifender. 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  123 

Die  Stadt  wnrde  nicht  beruhigt;  überall  war  Waffengeklirr  und 
kriegsmäeeigee  Aaseehen.  Die  Soldaten  waren  zwar  nicht  zu 
einem  allgemeinen  Krawall  in  hellen  Haufen  zusammengerottet, 
aber  sie  trieben  sich  vermummt  in  den  Häusern  umher  und 
passten  in  böswilliger  Absicht  Allen  auf,  welche  durch  ihren 
Amteadel,  ihren  Keichthum  oder  durch  irgend  eine  besondere 
Anezeichnung  bösem  Gerede  ausgesetzt  waren.  Auch  Vitellianer 
sollten  sich  in  der  Stadt  herumtreiben,  um  die  Stimmung  der 
Parteien  zu  erforschen.  Verdacht  war  überall,  und  kaum  im 
Schoosse  der  eigenen  Familie  lebte  man  ohne  Angst.  Man  zeigte 
andern  Sinn  und  nahm  andere  Mienen  an,  um  nicht  bei  zweifel- 
haften Nachrichten  den  Anschein  zu  haben,  als  misstraue  man, 
und  bei  glücklichen,  als  freue  man  sich  zu  wenig.  Auch  der 
Senat,  für  den  das  richtige  Maass  sowohl  im  Schweigen  als  im 
Keden  schwierig  genug  war,  zeigte  seine  berüchtigte  Schmeichelei. 
Jeder  drehte  und  wendete  seine  Worte,  wie  es  ungefährlich  er- 
schien; denn  Schweigen  konnte  für  Trotz  gelten,  freimüthiges 
Reden  Verdacht  erregen.  Den  Yitellius  nannte  man  Landesfeind 
und  Vatermörder,  man  erging  sich  in  landläufigen  Schmähungen 
wie  in  begründeten  Vorwürfen  mit  lautem  Schreien  und  lärmen- 
dem Wortgepolter  (h.  1,  85). 

War  der  Senat  in  dem  Zustande,  wo  er  nichts  Besseres 
wusste,  als  sich  zu  überschreien  (tumultu  verborum  sibi  ipsi  ob- 
strepentes,  aO.),  so  war  die  breite  Masse  des  Volks  aufgelöst  in 
wahnsinnige  Angst.  Ueberall  sah  man  schreckende  Zeichen  und 
Vorbedeutungen.  Da  sollte  in  der  Vorhalle  des  Capitols  die 
Siegesgöttin  die  Zügel  ihres  Zweigespanns  aus  den  Händen  haben 
fahren  lassen.  Aus  der  Nische  des  üapitolinischen  Tempels,  wo 
die  Juno  stand,  sollte  eine  Gestalt  von  übermenschlicher  Grösse 
heryorgegangen  sein ;  die  Statue  des  göttlichen  Julius  auf  der' 
Tiberinsel  sollte  bei  ganz  heiterem  Wetter  sich  von  Abend  nach 
Morgen  gedreht  haben.  In  Etrurien  sollte  ein  Rin^  mit  Menschen- 
Btimme  gesprochen  haben.  Zu  allem  andern  war  der  Tiber  aus- 
getreten und  überschwemmte  weite  Strecken  der  Stadt,  riss  manche 
Passanten  von  der  Strasse  weg,  noch  mehr  aus  den  Werkstätten 
und  von  ihren  Lagern,  die  sie  in  ihren  Miethswohnungen  nicht 
schnell  genug  hatten  verlassen  können,  um  sich  in  die  oberen 
Stockwerke  zu  retten.  Viele  von  diesen  Miethshäusern  (insulae) 
stürzten  zusammen  und  versperrten  den  Zugang,  so  dass  man 
auch  darin  ein  böses  Zeichen  sah,  dass  dem  Otho,  der  sich  zum 
Ausmarech   rüstete,    der  campus  Martins    und    die  via  Flaminia, 


124  Paul 

die  von  Rom  durch  ganz  Umbn'en  führte,  vereperrt  war.  Zur 
Beruhigung  der  Gemüther  veranstaltete  Otho  ein  Reinignngs•  und 
Sühnopfer  (h.  1,86.  87).  Dann  ergriff  er  seine  Maseregeln  und 
entwarf  seine  Eriegspläne.  Aber  auch  hier  zeigte  eich  sein 
Mangel  an  Feldherrntalent  in  auffälliger  Weise. 

Othos  Streitkräfte  waren  dem  Gegner  wohl  gewachsen. 
Es  standen  zu  ihm  in  Rom  die  Prätorianer  und  die  städtischen 
Gehörten,  die  Flottenlegion  und  deren  noch  aus  dem  Blutbad 
des  Galba  an  der  Mulvischen  Brücke  übrig  gebliebenen  Cameraden, 
ferner  bedeutende  Truppen abtheilungen  aus  dem  germaDisohen 
und  illyrischen  Heere,  die  noch  Nero  in  Rom  zusammengezogen 
hatte,  Rowie  2000  zu  Soldaten  erhobene  Gladiatoren.  Anseerdem 
verfügte  er  über  die  ganze  Flotte.  Die  Hauptstärke  seines  Heeres 
aber  bildeten  die  7  Legionen  in  Dalmatien,  Pannonien  und  Mösien, 
die  von  den  Provinzheeren  entschieden  für  Otho  waren  (h.  2,  11). 
Den  Oberbefehl  über  diese  Truppen  tibergab  Otho  drei  tüchtigen 
Generalen,  dem  vielfach,  besonders  in  Britannien  bei  Nieder- 
werfung des  gefährlichen  Aufstandes  der  Briten  unter  der  Königin 
Boudicca,  bewährten  Suetonius  Paulinus,  dem  Annius  Gallus  und 
dem  designierten  Consul  Marius  Celsus.  Bei  der  Aufnahme  des 
Letzteren  unter  seine  Feldherrn  zeigte  Otho  eine  seiner  hohen 
Stellung  würdige  Klugheit.  Denn  es  war  wohl  weniger  die 
Sucht,  eine  Grossmuthscene  aufzuführen,  die  ihn  bei  dieser  Wahl 
leitete,  wie  das  Tacitus  h.  1,  71  darstellt,  wenn  er  sagt:  clemen- 
tiae  titulus  e  viro  claro  petebatur,  sondern  die  Ueberzeugung, 
dass  er  an  dem  Manne,  der  dem  Galba  bis  zur  letzten  Stunde 
Treue  bewahrt  hatte,  selber  einen  treuen  Anhänger  finden  würde, 
wenn  er  ihn  für  sich  gewinnen  könnte.  Deshalb  hatte  er  ihn 
wohl  schon  früher  der  Wuth  der  Soldaten  entzogen  und  ihn  nur 
zum  Scheine  in  Fesseln  gelegt.  Jetzt  waren  auch  die  Soldaten 
mit  der  Wahl  eines  Mannes  zufrieden,  dessen  Tagend  sie  nicht 
weniger  bewunderten,  als  sie  ihr  gezürnt  hatten  (h.   1,  71). 

Hätte  nun  Otho  sich  selbst  die  oberste  Entscheidung  vor- 
behalten können,  so  wäre  Alles  gut  gewesen.  Er  setzte  aber 
den  drei  Heerführen,  um  sie  zu  überwachen,  einen  Mann  zur 
Seite,  der  sein  besonderes  Vertrauen  genoss,  jenen  Licinius  Pro- 
culus,  den  Einen  von  den  beiden  Prätorianerpräfecten,  den  sich 
diese  selbst  gewählt  hatten.  Diese  Maassregel  verdarb  Allee,  dt 
Licinius  seine  Vetrauensstellung  nur  dazu  benutzte,  die  Pläne  der 
tüchtigen  Feldherrn  zu  verdächtigen  und  zu  durchkreuzen  (h.  1,87 
Plut.  0.  7).     Während  die  Dinge  immer  mehr  zur  Entecheidno^ 


Kaiser  Marcus  Salvias  Otho  125 

trieben,  ging  die  einbeitlicbe  FübruDg  bei  dem  Otbonianiscben 
Heere  immer  mebr  verloren.  Grade  in  dieser  Lage  kurz  vor 
and  bei  der  entecbeidenden  Scblacbt  von  Betriacam  zeigte  es 
sich,  wie  es  das  Unglück  des  Otbo  war,  daes  er  kein  Feldherr 
war.  Die  Uneinigkeit  der  Otbonianiscben  Führer  kam  schon  vor 
der  Schlacht  znm  Aasbrach.  Paulinas  und  Celsus  hatten  für 
Aafschub  der  Schlacht  gestimmt,  bis  die  Legionen  aus  Dal'matien 
und  Mösien,  die  im  Anzug  waren,  eingetroffen  seien;  Grallus  war 
in  Folge  eines  Sturzes  mit  dem  Pferde  nicht  dienstfähig,  hatte 
aber  durch  Boten  seine  Zustimmung  für  Paulinus  und  Celeus  ge- 
geben (h.  2,  33  Plut.  0.  8).  Aber  Licinius  Proculns  und  der  von 
Rom  herbeigerufene  Bruder  Othos,  Titianus,  standen  im  Kriegs- 
rath  jenen  gegenüber  (h.  aO.  und  Plut.  aO.),  und  Otho  stellte 
sich  auf  ihre  Seite,  in  dem  er  sich  durch  die  Schmeicheleien  der 
unerfahrenen  Ratbgeber,  die  ihn  auf  sein  Glück  und  seinen  guten 
Genius  hinwiesen,  bestimmen  Hess.  Auch  dazu  Hess  er  sich  be- 
stimmen, nicht  auf  dem  Schlachtfeld  gegenwärtig  zu  sein,  wo- 
gegen auch  Paulinus  ond  Celsus  Nichts  einwendeten.  Denn  sie 
wollten  ihren  kaiserlichen  Herrn  nicht  den  Gefahren  der  Schlacht 
aassetzen,  sondern  ihn  auf  alle  Fälle  für  die  oberste  Leitung 
des  Staates  und  Heeres  bewahren.  Tacitus  setzt  der  Erzählung 
dieser  Vorgänge  h.  2,  33  hinzu:  is  primus  dies  Othonianas  partes 
afflixit,  'das  war  der  erste  Unglückstag  für  Otho  and  seine  Partei\ 
Er  war  dies,  nicht  nur  weil  ein  bedeutender  Theil  der  Prätorianer, 
die  in  seiner  Umgebung  waren,  und  eine  starke  Eeitertrnppe  mit 
ihm  nach  Brixellum,  wo  er  jetzt  seinen  Aufenthalt  nahm,  abzog 
und  der  Muth  des  übrigen  Heeres  durch  die  Entfernung  des 
obersten  Feldherm,  dem  der  Soldat  allein  treu  und  ergeben  war, 
gebrochen  wurde  (vergl.  Plut.  0.  10:  ώσπερεί  τι  σώμα  τής 
δυνάμεως  άπέκοψε),  das  Schlimmste  war,  dass  Otho  bei  seinem 
Weggange  vom  Heere  die  Befugnisse  der  einzelnen  Corpsfübrer 
onentschieden  Hess.  Da  waren  Competenzconflicte  unausbleiblich 
(imperia  ducum  in  incerto  reliquerat,  h.  2,  33). 

Nachdem  nun  Otho  sich  nach  Brixellum  begeben,  war  das 
oberste  Commando  bei  seinem  Bruder  Titianus,  die  wirkliche 
Gewalt  aber,  vis  ac  potestas  (h.  2,  39)  bei  dem  Präfecten  Pro- 
culos.  Celsus  und  Paulinus  mussten,  wenn  ein  Plan  jener  fehl 
schlag,  zum  Deckmantel  fremder  Schuld  dienen.  Die  Officiere 
waren  in  schwankender,  unsicherer  Stimmung,  weil  sie  den  Rath 
der  besseren  Generale  verschmäht  und  die  Leitung  in  den  Händen 
ganz  Unfähiger   sahen ;    der  Soldat  war    ernst   und    zum   Kampf 


126  Paul 

aufgelegt,  nur  den  Befehlen  der  Oberen  gegenüber  mehr  zur 
Kritik  als  zu  unbedingter  Befolgung  geneigt.  So  rückte  man 
bie  zum  vierten  Meilenstein  nach  Crem'ona  zu  von  Betriacum  aus. 
Als  man  dort  wieder  über  die  Annahme  der  Schlacht,  zu  der 
die  Vitellianer  nach  der  Vereinigung  der  Truppen  des  Gaecina 
und  Valens  bereit  waren  (h.  2,  31),  trotz  der  brieflichen  For- 
derungen des  Otho  in  Zweifel  war,  weil  die  Truppen  die  Gegen- 
wart des  Kaisers  verlangten  (h.  2,  39),  und  weil  Celsus  und 
Paulinus  besonders  darum  vom  Kampf  abriethen,  weil  die  Mann- 
schaft noch  vom  Marsche  mit  schwerem  Gepäck  ermüdet  war,  so 
gab  ein  Brief,  den  Otho  durch  einen  Numidischen  Expressreiter 
schickte,  den  Ausschlag  (Plut  0.  11).  Mit  den  allerstrengeten, 
im  drohenden  Tone  abgefassten  Weisungen  verlangte  er,  ver- 
stimmt und  des  Wartens  überdrüssig,  das  Eintreten  in  die  Ent- 
scheidung (h.  2,  40  :  rem  in  discrimen  mitti  iubebat  aeger  mora 
et  spei  impatiens).  Titianus  und  Proculus^  die  im  Kriegsrathe 
mit  ihrer  Ansicht  unterlegen  waren,  wandten  sich  zum  Recht, 
das  ihnen  das  Obercommando  verlieh,  und  so  ging  die  Sohlacht 
vor  sich  und  ging  verloren,  so  tapfer  auch  die  Othonianischen 
Truppen  kämpften  (h.  7,  41.  42  vergl.  Plut.  0.  12).  Das  Un- 
glück war,  ihre  Führer  waren  ohne  Zuversicht  und  der  Soldat 
ihnen  nicht  ergeben  (pavidi  ducee,  miles  dncibus  infensus,  fa.  1, 
41).  Der  Angriff  der  batavischen  Cohorten,  die  zu  Neros  Zeit 
als  Hilfsvölker  der  XIV.  Legion,  der  Gemina  Martia  Victrix  bei- 
gegeben worden  waren  (Tac.  h.  1,  59)  entschied  die  Niederlage 
der  Othonianer  (Plut.  0.  12  Tac.  h.  2,  43).  Denn  nachdem  die 
Bataver  unter  dem  Lagerpräfecten  des  Heeres  im  unteren  Ger- 
manien, Varus  Alfenus,  die  Mitte  der  feindlichen  Reihen  durch- 
brochen, flohen  die  Othonianer  nach  Betriacum  zu  (Tac.  h.  2,  44). 
Betriacum,  nach  welchem  Orte  die  Schlacht  genannt  wird,  lag 
nach  Mommsen  (aO.  p.  164)  zwischen  Piadena  und  Bozzolo,  ein 
militärisch  ungemein  wichtiger  Punkt,  weil  in  die  von  Cremona 
am  nördlichen  Ufer  des  Po  hinlaufende  Strasse  hier  die  andere 
von  Verona  kommende  einfier.  Auf  dieser  Strasse  hatten  sich 
die  Othonianer  am  entcheidenden  Tage  festgesetzt  gehabt,  um 
den  Gegner  zum  Schlagen  zu  nöthigen.  Die  Schlacht  selbst  wurde 
unweit  der  Thore  von  Üremona  geschlagen,  heisst  darum  auch 
bei  Dio  die  Schlacht  von  Cremona.  Betriacum,  wo  eine  starke 
Reserve  geblieben  war,  lag,  wie  auch  Tacitus  h.  2,  44  angibt, 
sehr  weit  von  dem  Orte  der  Niederlage  entfernt:  fugere  paesim 
Othoniani  Betriacum  petentes;  immensum  id  spatium. 


Kaiser  Marcas  Salvius  Oiho  127 

Trotz  der  verloreneo  Schlacht  wäre  die  Sache  Othoe  noch 
nicht  verloren  gewesen.  Die  Prätorianer,  die  vor  grimmiger 
Wuth  knirschten  und  hehaupteten,  sie  wären  durch  Yerrath  besiegt, 
so  wie  eine  bedeutende  Reserve,  die  noch  in  Betriacum  stand  und 
noch  nicht  ins  Treffen  gekommen  war,  ferner  die  Truppen,  die 
Otho  selbst  bei  Brixellum  noch  um  sich  hatte,  endlich  die  3  mö* 
siechen  Legionen,  die  ganz  intact  bei  Aquileja  standen,  wollten 
noch  für  ihn  (kämpfen  h.  2,  44.  45).  ^Und  was  in  solcher  Lage 
die  Hauptsache  ist,  sie  liebten  den  Otho\  fügt  Dio  64,  12  hier 
hinzu :  δ  T€  μίγιστον  έν  τοις  τοιούτοις  εστίν,  έφίλουν  τόν 
Όθωνα  κα\  πασαν  αύτψ  eövoiav,  ουκ  άπό  τής  γλώττης,  άλλα 
και  άπό  τής  ψυχής  €ΐχον. 

Freilich  sicher  war  der  Ausgang  des  fortgesetzten  Krieges 
doch  nicht.  Tacitus  erwähnt  h.  2,  37,  dass  eine  Anzahl  von 
Gewährsmännern  berichteten,  es  hätten  in  beiden  Heeren,  dem 
des  Otho  und  dem  des  Vitellius,  sei  es  aus  Angst  vor  dem  Bürger- 
krieg, sei  es  aus  Ekel  vor  den  beiden  Häuptern,  deren  Schand- 
thaten  von  Tag  zu  Tag  mehr  bekannt  und  besprochen  wurden, 
sich  Zweifel  geltend  gemacht,  ob  man  den  Streit  nicht  aufgeben 
und  in  gemeinsame  Berathung  treten  oder  auch  dem  Senat  über- 
lassen solle,  einen  Kaiser  zu  wählen.  Die  Othonianischen  Feld- 
herrn hätten,  nach  jenen  Berichterstattern,  wohl  auch  Verzug  ge- 
sucht für  Herbeiführung  einer  Entscheidung,  besonders  Paulinus, 
der,  wenn  die  Wahl  bei  dem  Senat  stand,  bei  seinem  ruhmvollen 
Kamen  grosse  Hoffnung  auf  den  Thron  gehabt  hätte.  Dass  Pau- 
linus je  eine  solche  Möglichkeit  für  Beilegung  des  Streites  ins 
Auge  gefasst,  dazu  hält  Tacitus  ihn  für  zu  klug,  dass  es  aber 
der  stille  Herzenswunsch  von  Manchem  gewesen  sein  möge,  statt 
des  Streites  Ruhe,  und  einen  braven,  rechtschaffenen  Kaiser  an- 
statt der  schlimmen,  schandbaren  zu  haben,  will  er  nicht  leugnen. 
Das  ist  bezeichnend  für  den  Weitergang  der  Dinge  und  für  die 
Entschlüsse  Othos.  Denn  auf  ein  Heer,  dessen  tüchtigste  Männer 
nicht  mit  ganzem  Herzen  bei  ihrem  Fürsten  sind,  ist  in  entschei- 
dender Stunde  nicht  zu  zählen.  Was  das  Heer  des  Otho  angeht, 
so  war  jetzt  sein  tüchtigster  General,  Paulinus,  nicht  wieder  ins 
Lager  bei  Betriacum  zurückgekehrt,  sondern  hatte  es,  ebenso  wie 
Licinius  Proculus,  zu  betreten  vermieden  (Plut.  0.  13),  wahr- 
scheinlich aus  Furcht,  dass  man  ihn  empfangen  möchte,  wie  man 
den  Legaten  der  13.  Legion  empfing,  indem  man  ihn,  Vedius 
Aquila,  unter  Schimpfworten  und  Thätlichkeiten  als  Verräther 
anschrie  (h.  2,  44):    more  vnlgi  suum  quisque  ffagitium  aliis  ob- 


128  Paul 

iectantee,  setzt  Tacitus  hinzu.  Titianue  und  Celsue  waren  darcb 
Annius  Gallus,  der  seit  dem  Sturze  mit  dem  Pferde  im  Lager 
zurückgeblieben  war,  vor  der  Wuth  der  Soldaten  bewahrt  wor- 
den ;  Annius  führte  den  Wuthentbrannten  zu  Gemüthe,  wie  thö- 
rieht  nach  dem  Schlage  ein  ßlutvergiessen  unter  den  eigenen 
Leuten  sei  und  wie  alles  Heil  für  die  Besiegten  in  der  Einigkeit 
liege.  Auch  war  die  Wuth  der  Massen,  abgesehen  von  den  Pra• 
torianern,  nicht  ein  Ausbruch  der  Kampfeslust.  Im  Gegentbeil, 
ihr  Muth  war,  immer  abgesehen  von  den  Prätorianern,  ein  ge- 
brochener (ceteris  fractus  animus,  h.  2,  44).  Yiie  wenig  Kampfes- 
lust bei  den  Othonianern  da  war,  zeigte  sich  am  folgenden  Tage. 
Die  Vitellianer  hatten  mit  der  Verfolgung  eine  römische  Meile 
vom  feindlichen  Lager,  fünf  Meilen  vor  Betriaoum  Halt  gemacht. 
Am  folgenden  Tage  nun  waren  auch  diejenigen  von  den  Otho- 
nianern, deren  Gebahren  kurz  vorher  ein  unbändiges  gewesen 
war,  zum  Nachgeben  bereit.  £s  wurde  eine  Gesandtschaft  zn 
den  Vitellianischen  Führern  geschickt.  Diese  waren  zum  Frie- 
den geneigt  und  wie  die  Gesandten  nach  einiger  Verzögerung 
bei  den  Vitellianern  in  ihr  Lager  zurückkehrten,  folgten  diese 
ihnen  ebendahin.  Da  brachen  Besiegte  wie  Sieger  in  helle  Thränen 
aus,  beklagten  in  wehmüthiger  Stimmung  das  Geschick  des  Bürger- 
kriegs und  traten  in  die  Zelte  der  Brüder  und  Verwandten  ein, 
um  die  Verwundeten  zu  pflegen.  Die  Belohnungen,  die  ihnen 
bisher  als  Frucht  des  Sieges  entgegen  gewinkt  hatten,  erschienen 
ihnen  jetzt  als  zweifelhafter  Gewinn,  sicher  war  ihnen  nur  der 
Tod  so  vieler  Angehörigen  und  die  Trauer  um  sie.  So  schildert 
Tacitus  die  Dinge  nach  der  Schlacht.  Plutarch  (0.  13)  weicht 
in  einzelnen  Angaben  ab,  aber  was  die  Stimmung  der  beiden 
Heere  betrifft,  insonderheit  auch  die  Friedensbereitschaft  der 
Othonianer,  trifft  er  mit  Tacitus  zusammen:  έπει  bi  π€ΐρώμ€νοι 

(o\  ηγεμονικοί)  έώρων  τους  στρατιώτας  εΙρήνης  &€ομένους 

iboHe  Κέλαω  και  Γάλλψ  ßabiieiv  και  οιαλίγεσθαι  τοις  περί  τον 
Κεκίναν  και  Ούάλεντα.  Selbst  Titianus  war  für  friedliche  Ver- 
ständigung gewesen,  obschon  nur  für  kurze  Zeit.  Es  ist  klar, 
mit  einem  Heere  in  solcher  Stimmung  konnte  Otho  nicht  mit 
einiger  Sicherheit  der  Zukunft  entgegen  sehen ;  auf  dauernden 
£rfolg  war  nicht  zu  rechnen,  wohl  aber  auf  unermesslich  viel 
Sorge  und  Elend. 

Da  machte  Otho  dem  Streit  ein  Ende  durch  eine  That,  die 
mit  vollem  Rechte  von  den  Alten  einmüthig  bewundert  und  ge- 
priesen wird.     Er  erklärte,  dass  er    durch   seinen  Tod    der  Welt 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  129 

den  Frieden  zurückgeben  wolle.  Unerschrocken  und  fest  in  seinem 
Cntschluss  hatte  Otho  zu  Brixellum  die  Botschaft  von  der  Schlacht 
erwartet.  Zuerst  kam  nur  ein  Gerücht  von  dem  schweren  Un- 
heil, dann  brachten  Flüchtlinge  aus  der  Schlacht  selbst  die  Nach- 
richt von  dem  verlorenen  Tag.  Nach  Dio  64,  11  war  es  ein 
Reiter,  der  dem  Otho  zuerst  die  Niederlage  meldete  und  der  von 
OthoB  Umgebung,  die  die  Sache  nicht  glauben  wollte,  für  einen 
Flüchtling  oder  Feind  erklärt  wurde.  Darauf  soll  er  geantwortet 
haben:  'wenn  doch  meine  Nachricht  falsch  wäre,  ο  Kaiser!  Grern 
würde  ich  sterben,  wärest  Du  nur  Sieger!  Jetzt  aber  will  ich 
aus  dem  Leben  scheiden,  damit  ich  nicht  um  eigener  Kettung 
willen  geflohen  zu  sein  scheine.  Du  aber  fasse  Deinen  Ent- 
schluss,  was  Du  thun  musst;  denn  nicht  lange,  so  werden  die 
Feinde  da  sein.*  Nach  diesen  Worten  habe  er  sich  getödtet. 
Dieser  Bericht  des  Dio  ist  nicht  unglaublich,  wenn  man  bedenkt, 
dass  Otho  grosse  Liebe  bei  seinen  Truppen  genoss.  Auf  den  Tod 
dieses  Soldaten  berief  er  sich  auch,  als  kurz  darauf  die  Seinen 
ihn  inständig  und  unter  Thränen  baten,  er  möge  sich  schonen. 
^  Ich  werde  ihm  folgen,  sagte  er,  um  in  Zukunft  nichts  Aehnlichee 
mehr  zu  sehen  oder  zu  hören  (Dio  64,  14).  Von  diesem  Sol- 
daten und  seinem  Ende  berichtet  auch  Sueton  (0.  50)  und  fügt 
bei:  Otho  habe  gerufen,  er  dürfe  solche  Männer  nicht  länger  in 
Gefahr  stürzen. 

Aber  wie  es  sich  mit  dieser  ersten  Meldung  auch  verhalten 
mag,  unbedingt  sicher  ist  auch  nach  Tacitus  die  treue  An- 
hänglichkeit der  Truppen  an  Otho  auch  nach  der  unglücklichen 
Schlacht.  Die,  welche  ihn  umgaben,  riefen  ihm  zu:  er  solle 
guten  Muthes  sein,  noch  seien  Kräfte  da,  die  unversehrt;  sie 
selbst  seien  zu  Sieg  oder  Tod  entschlossen.  In  der  That  sie  waren 
vom  Taumel  der  Begeisterung  ergriffen  und  wollten  sich  um  jeden 
Preis  schlagen.  Sie  streckten  die  Hände  nach  Otho  aus  und  um- 
fassten  seine  Kniee.  Plutarch  (0.  15)  berichtet  von  einem  ge- 
meinen Soldaten,  der  das  Schwert  zog  und  mit  dem  Ruf:  Visse 
Cäsar,  so  sind  Alle  bereit  für  Dich  in  den  Tod  zu  gehen  Γ  sich 
tödtete.  Plotius  Firmus,  der  andere  Lagerpräfect  der  Prätorianer, 
redete  in  ihn  ein,  er  solle  nicht  das  treueste  Heer,  nicht  die 
besten  Soldaten  verlassen.  Es  gehöre  ein  grösserer  Muth  dazu, 
Unglück  zu  ertragen,  als  das  Leben  zu  verlassen ;  tapfere  Männer 
hielten  auch  im  Missgeschick  fest  an  der  Hoffnung.  Je  nachdem 
Otho  solches  Zureden  mit  einem  nachgiebigen  oder  mit  einem  un- 
beugsamen GesichtHausdruck  aufzunehmen  schien,  erscholl  Beifall 

Bbeiii.  Mos.  f.  PhUol.  N.  F.  LVII,  ^ 


130  Paul 

der  Umstehenden  oder  Seufzer.  Gewiee,  nach  der  Stimmang 
dieser  Soldaten,  der  Prätorianer,  die  dem  Otho  auf  Tod  und  Lehen 
ergehen  waren  (proprius  Othonie  miles,  h.  2,  46),  und  nach  der 
der  drei  mösiechen  Legionen,  die  hereits  in  Aquileja  standen, 
konnte  der  Krieg  wieder  aufgenommen  werden.  Auch  die  Heere 
in  i^eien,  Syrien,  Aegypten  and  Judäa  waren  noch  für  ihn,  dazu 
der  Senat,  ja  sogar  die  Kinder  und  Frauen  seiner  Gegner,  die 
eich  in  Rom  hefanden.  *Aher,  sagte  er  nach  Plut.  0.  15,  es  ist 
kein  Krieg  gegen  einen  Hannihal  und  Pyrrhus  oder  gegen  die 
Cimhern  für  Italien,  sondern  Römer  kämpfen  mit  Römern,  Sieger 
wie  Besiegte  schädigen  das  Vaterland*.  Und  weil  dieser  Krieg 
in  seiner  Schreckgestalt  ihm  so  vor  Augen  stand  (hellum  atrox, 
luguhre,  incertura  yictis  et  yictorihus),  so  war  er  entschlossen, 
der  Sache  ein  Ende  zu  machen  (ipse  aversus  a  consiliis  helli, 
h.  2,  46.  47  Plut.  0.  15).  Er  hahe  gezeigt,  so  sagte  er  zu  seinen 
Getreuen,  dass  er  Gltickswechsel  ertragen  könne.  Die  Kürze  seiner 
Regierung  sei  für  Beurtheilung  seiner  Person  nicht  in  Betracht 
zu  ziehen-,  denn  es  sei  schwerer  ein  Glück  nicht  zu  misshrauchen, 
das  man  nicht  lange  zu  hahen  glauhe.  ^Der  Bürgerkrieg  ging 
von  Vitellius  aus;  dass  aher  nur  ein  Mal  gekämpft  wird,  mit 
dieser  löhlichen  That  will  ich  vorangehen.  Nach  diesem  Opfer 
soll  die  Nachwelt  den  Otho  schätzen.  Mag  Vitellius  sich  seines 
Bruders,  seines  Weihes  und  seiner  Kinder  erfreuen,  ich  will  keine 
Rache  und  keinen  Trost.  Mögen  Andere  die  Herrschaft  länger 
in  der  Hand  haben.  Keiner  soll  sie  aher  mit  gleichem  Mathe  auf- 
gegehen  haben'.  Er  wolle,  so  sagte  er  weiter,  nicht  die  Verant- 
wortung auf  sich  nehmen,  dass  so  viele  römische  Männer,  so 
viele  ausgezeichnete  Heerschaaren  wiederum  auf  den  Schlacht- 
feldern blieben.  Mag  der  Gedanke  mich  in  den  Tod  begleiten, 
dass  ihr  für  mich  habt  sterben  wollen,  aber  ihr  sollt  am  Leben 
bleiben !  Und  nun  wollen  wir  nicht  länger  zögern,  ich,  dass  ich 
euer  Leben  sichere,  ihr,  dass  ihr  mich  kennen  lernt  als  festen 
Charakter.  Mehr  Über  das  Ende  zu  sagen,  wäre  unmänolich• 
Sehet  es  als  Beweis  meines  festen  Sinnes  an,  dass  ich  über  Nie- 
mand klage.  Denn  Götter  oder  Menschen  anklagen,  ist  Sache 
dessen,  der  leben  will'  (h.  2,  47). 

Darauf  redete  er  noch  die  Einzelnen  freundlich  an:  sie 
sollten  eilen  und  nicht  durch  längeres  Verweilen  den  Zorn  des 
Siegers  noch  aufreizen.  Das  that  er  mit  heiterem,  stillem  Ant- 
litz und  mit  unerschrockenem  Ausdruck  in  Wort  und  Rede  (q>ai- 
bp(\)  κα\  καθεστώτι   προσώπψ    Plut.  Ο.  15),    wodurch    er   die 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  131 

Thränen  der  Seinen  hemmte,  die  zur  Stunde  nicht  angebracht 
waren.  Dann  befahl  er,  ihnen  Schiffe  und  Fahrzeuge  zur  Ab- 
fahrt zu  geben.  Schriftliche  Eingaben  und  Briefe,  die  eine  Par- 
teinahme für  ihn  oder  Vorwürfe  und  Schmähungen  gegen  Vitellius 
anfwieeen,  vernichtete  er  und  vertheille  unter  seine  Freunde  Geld 
in  sparsamer  Weise,  je  nach  Verdienet  und  Benöthigung.  Seines 
Bruders  Sohn  Salvius  Coccejanus,  der  in  jugendlichem  Alter  stand 
und  ängstlich  und  traurig  war,  tröstete  er  noch,  lobte  seine  kind- 
liche Anhänglichkeit  an  ihn  und  tadelte  seine  Furcht.  Vitellius 
werde  nicht  so  grausam  sein,  dass  er  ihm,  dem  Otho,  für  die 
Erhaltung  seines  ganzen  Hauses  mit  dem  schnödesten  Undank 
lohne.  Er  verdiene  durch  seinen  freiwilligen  Tod  die  Milde  des 
Siegers;  wenn  er  gewollt  hätte,  so  hätte  er  noch  kämpfen  können. 
Er  habe  dem  Staat  das  schlimmste  Unheil  erspart.  Möge  also 
Salvius,  der  Neffe,  mit  starkem  Muthe  das  Leben  ergreifen  und 
weder  je  vergessen,  dass  ein  Otho  sein  Oheim  gewesen  sei,  noch 
auch  allzu  sehr  daran  denken  (h.  2,  48  Plut.  0.  16). 

Darauf  verabschiedete  er  Alle  und  wollte  ein  wenig  ruhen, 
schrieb  aber  erst  noch  zwei  Billets,  an  seine  Schwester,  die  er 
tröstete,  und  an  die  Statilia  Messalina,  die  Urenkelin  des  bei  Au- 
gustus  in  hohem  Ansehen  stehenden  Statilius  Taurus.  Diese 
hatte  Nero  nach  dem  Tode  der  Poppaea  Sabina  zur  Frau  ge- 
nommen, nachdem  sie  schon  viermal  verheirathet  gewesen  war, 
zuletzt  mit  Atticus  Vestinus,  der  sie,  obgleich  er  wusste,  dass 
Nero  zu  ihren  Liebhabern  gehörte,  doch  geheirathet  hatte,  wo- 
durch er  sich  freilich  den  Zorn  des  Nero  und  den  Tod  zuzog 
(Sueton  Nero  35).  Sie  hatte  den  Nero  tiberlebt  und  mag  wohl 
die  Aufmerksamkeit  des  Otho  als  die  Nachfolgerin  seiner  geliebten 
Poppaea  auf  sich  gezogen  haben,  als  dieser  nach  zehnjähriger  Ab- 
wesenheit nach  Rom  zurückgekehrt  war.  Sie  muss  wohl  schön 
gewesen  sein,  da  Otho  die  Absicht  gefasst  hatte,  sie  zu  heirathen. 
Jetzt  schrieb  er  ihr  in  seinen  letzten  Stunden  einen  Brief,  worin 
er  ihr  sein  Andenken  und  seine  irdischen  Ueberreste  empfahl 
(commendans  reliquias  snas  et  memoriam,  Sueton  0.  10.  Vergl. 
Sievere,  Stadien  z.  Gesch.  d.  röm.  Kaiser  p.  124). 

Wie  er  nun  so  mit  dem  Gedanken  an  den  Abschied  vom 
Leben  beschäftigt  war,  störte  ihn  ein  plötzlicher  Lärm.  Er  kam 
von  einer  wilden  Aufregung  der  Soldaten.  Sie  droheten  ihren 
Officieren,  die  eben  im  Fortgehen  begriffen  waren,  den  Tod,  wenn 
sie  ihren  Herrn  verliessen;  denn  eie  sahen  in  ihrem  Fortt^ehen 
Verrath  gegen   Otho.     Am  hitzigsten  waren  sie  gegen  den  Ver- 


132  Paul 

ginius  Rufus  erbittert,  jenen  Sieger  über  den  Vindex,  der  sich 
nur  ungern  nn  Gralba  angeechloeeen,  und  den  Otho  gleicb  nach 
seiner  Thronbesteigung  zum  Consul  für  März  und  April  69  er- 
nannt hatte  (b.   1,  77). 

Warum  diese  Pratorianertruppen,  die  nicht  die  früheren 
germanischen  Truppen  des  Verginius  waren,  hier  gegen  diesen 
wackren  Mann  so  erbittert  waren,  sagt  Tacitus  nicht;  vvuhr- 
scheinlich  hielten  sie  ihn  auch  für  einen  Verräther,  wie  die  an- 
dern. Sie  belagerten  das  Haus,  in  welchem  er  sich  verschlossen 
hielt.  Da  trat  Otho  unter  sie  und  tadelte  mit  strenger  Miene 
und  scharfen  Worten  die  Anstifter  des  Aufruhrs,  der  nun  be- 
schwichtigt wurde  (Flut.  0.  16).  Diesen  Aufruhr  der  Prätorianer 
gegen  den  Verginius  Rufus  trennt  Plutarch  (0.  17)  von  dem 
gegen  die  abreisenden  Freunde  des  Otho  und  die  Senatoren,  die 
bei  ihm  im  Heere  waren  (0.  16).  Er  verlegt  ihn  vielmehr  in 
die  Zeit  nach  dem  Tode  des  Otho.  Da  hätten  sie,  die  Präto- 
rianer, erfahren,  dass  noch  einige  Senatoren  da  seien ;  diese  hätten 
sie  abreisen  lassen,  nur  den  Verginius  Rufus  nicht.  Bewaffnet 
seien  sie  in  sein  Haus  gekommen  und  hätten  von  ihm  verlangt, 
er  sollte  entweder  die  Eaiserwürde  oder  die  Gresandtschaft  zn 
Unterhandlungen  mit  dem  Feinde  übernehmen.  Er  aber,  der 
weder  das  Eine  noch  das  Andere  gewollt,  sei  durch  eine  hintere 
Thür  entwischt  (Plut.  0.  18).  Wir  schliessen  uns  hier  an  Tacitus 
an,  der  den  Verginias  zugleich  mit  den  andern  Freunden  des 
Otho  bedrolit  sein  und  durch  das  strenge  Auftreten  des  Otho 
entkommen  läset.  Ein  zweimaliger  Aufruhr  der  Soldaten  lässt 
sich  schwerlich  denken. 

Nach    der  Stillung    des  Aufruhrs    hatte    sich  Otho    wieder 
zurückgezogen    in    sein  Gemach,    da   er    seine  Freunde  gesichert 
sah  (h.  2,  49).    Als  dann  der  Tag  sich. zu  Ende  neigte,  stillte  er 
Hcinon  Durst    mit    einem  Trünke    kalten   Wassers.     Darauf    Hess 
er  sich  zwei  Dolche  bringen  und  prüfte  die  Schärfe  eines  jeden, 
nahm  dann   den  Einen  und  legte  ihn  unter  sein  Kopfkissen.     So 
berichtet    Tacitus    h.  2,  49,    und    das  ist   jedenfalls  glaubhafter, 
nls  waH  Plutarch  (0.  17)  erzählt,  Otho  habe  den  Dolch  in  seine 
Arniii  geschlossen,  εΙς  τάς  άγκάλας  άναλαβών,  um  so  mehr,  als 
auch   Hueton    (0.    11)    sachlich    mit  Tacitus  übereinstimmt,    wenn 
er  Hagt:    Otho  habe  die  beiden   Dolche  auf  ihre  Schärfe  geprüft, 
und  nachdem    er  den    einen  unter    sein   Kopfkissen  gelegt,   habe 
«r  die  Thüren    seines  Gemachs  geöffnet    und  sei  in  tiefen  Schlaf 
gefallen.     Eine    andere    Ungenauigkeit    Plutarchs    ist    auch    die. 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  133 

daee  er  den  Otho  jene  verständige  Geldvertheilung  erst  jetzt  im 
Angesicht  seines  Todes  vornehmen  läset,  während  er  sie  nach 
Tacitus  schon  früher  vorgenommen,  und  zwar  wie  dieser  h.  2,  48 
berichtet,  an  seine  Freunde,  nicht  wie  Plutarch  (0.  17)  sagt,  an 
seine  Sklaven. 

Nachdem  er  nun  erfahren,  dass  seine  Freunde  abgereist, 
verbrachte  er  die  Nacht  ruhig,  und  nicht  etwa  schlaflos  (h.  2, 49 
Plot.  aO.).  Beim  ersten  Morgengrauen  stiess  er  sich  dann  das 
Schwert  in  die  Brust.  Plutarch  aO.  lässt  ihn,  ehe  er  sich  das 
Schwert  in  die  Brust  stiess,  einen  Freigelassenen  rufen,  mit  dem 
er  für  die  abreisenden  Freunde  vorher  alles  Nöthige  angeordnet 
gehabt  hätte ;  nachdem  er  nun  von  diesem  erfahren,  dass  sie  fort 
seien  und  jeder  das  Nöthige  empfangen  habe,  habe  er  zu  ihm 
gesagt:  ^So  gehe  denn  Du  nun  und  zeige  Dich  den  Soldaten, 
wenn  Du  nicht  elend  von  ihnen  getödtet  werden  willst,  weil  Du 
mir  zum  Tode  verholfen  hättest'.  Der  Freigelassene  sei  da  fort- 
gegangen und  nun  habe  sich  Otho  mit  beiden  Händen  das 
Schwert  in  die  Brust  gestossen.  Diese  Erzählung  scheint  doch 
nach  der  Manier  des  Plutarch  einigermaassen  decoriert  worden 
zu  sein,  da  Tacitus  von  dem  Freigelassenen  Nichts  weiss  und  den 
Otho  die  Nachricht  von  der  Abreise  der  Freunde  schon  erhalten 
läset,  ehe  er  sich  zum  Schlaf  niederlegte,  nicht  ehe  er  sich 
tödtete.  —  Auf  das  Todesröcheln  des  Sterbenden  waren  Freige- 
lassene und  Sklaven  mit  dem  Plotius  Firmus,  dem  prätorianischen 
Lagerpräfecten,  ins  Zimmer  getreten;  sie  fanden  nur  eine  einzige 
Wunde  an  dem  Entseelten.  Man  nahm  sofort  seine  Bestattung 
vor.  Er  hatte  inständig  gebeten,  dass  man  ihm  nicht  das  Haupt 
abschneide  und  es  zum  Gegenstande  des  Gespöttes  mache,  wie 
das  in  so  scheusslicher  Weise  mit  dem  Haupte  des  Galba  ge- 
schehen war.  Seinen  Leichnam  trugen  die  Prätorianer  unter 
Lobsprtichen  und  Thränen;  die  Andern  bedeckten  seine  Wunde 
und  seine  Hände  mit  heissen  Küssen.  Manche  dieser  Soldaten, 
von  denen  Viele  bei  der  Nachricht  von  seinem  Tode  herzuge- 
strömt waren  (Plut.  0.  17),  tödteten  sich  neben  dem  Scheiter- 
haufen, auf  den  man  ihn  gelegt  hatte,  und  zwar  nicht,  wie  Plu- 
tarch und  Tacitus  h.  2,  49  ausdrücklich  bemerken,  weil  sie  den 
Verlust  genossenen  Gutes  zu  betrauern  gehabt  hätten,  oder  aus 
Furcht  vor  kommenden  üebeln,  sondern  weil  sie  der  gross- 
herzigen That  ihres  Kaisers  folgen  wollten  und  aus  Hingebung 
für  ihn  (quidam  militum  iuxta  rogum  interfecere  se,  non  noxa 
ueque  ob  metum,    ned  aemulatione  decoris  et   caritate  principisj. 


134  Paul 

'Keinem  Alleinherrscher  oder  König,  sagt  Plutarch  (0.  17),  scheint 
eine  so  grenzenlose  Liebe  zum  Herrschen  inne  gewohnt  zu  haben, 
wie  jenen  zum  Unterthänigsein.  .  .  Auch  nach  seinem  Tode  ver- 
liess  sie  die  Sehnsucht  nach  ihm  nimmer*  (ους  Τ€  μηb'  απο- 
θανόντος ό  πόθος  προυλιπεν).  Und  diese  seine  That  wurde 
hochgepriesen  nicht  blos  von  Einzelnen,  sondern  von  allen  Lagern, 
wo  Truppen  von  ihm  standen  (postea  promisce  Betriaci  Pla- 
centiae  aliisque  in  castris  celebratum  id  genus  mortis,  Tac.  aO.)• 
Diese  Worte  des  Tacitus  interpretiert  Otto  Seeck  (Gesch.  des 
Untergangs  der  antiken  Welt  I,  366)  dahin,  dass,  nachdem  Otho 
durch  eigne  Band  gefallen,  es  unter  seinen  Truppen  beinahe 
zum  Sport'  geworden  sei,  'dies  Beispiel  nachzuahmen*.  Es  ist 
aber  nicht  nothwendig,  das  'celebratum^  so  zu  erklären.  Auch 
ein  Grrabmal  wurde  ihm  errichtet  von  anspruchslosem  Ausseben, 
weil  es  darum  gerade  Dauer  verhiess  (Othoni  sepulcrum  exstruc- 
tum  est  modicum  et  mansurum,  Tac.  h.  2,  49).  Der  Zusatz  et  man- 
surum  soll  darauf  hinweisen,  dass  das  schlichte  Denkmal  den 
Grimm  der  Machthaber  nicht  herausfordern  konnte.  Yitellius 
meinte,  wie  er  es  sah :  dieses  Mausoleum  passe  für  Otho  (Sueton 
Vit.  10).  Plutarch,  der  es  noch  zu  Brixellum  sah,  als  er 
mit  dem  Consularen  Mestrius  Florus,  der  zu  den  von  Otho  aus 
Rom  mitgenommenen  Senatoren  gehörte,  über  das  Schlachtfeld 
ging,  nennt  es  ebenfalls  ein  μνήμα  μίτριον  (Plut.  0.  14.  18). 
Es  hatte  als  Aufschrift  die  Worte:  ^den  Manen  des  Marens  Otho*, 
wenn  man  mit  Lobeck  liest:  Δαίμοσι  Μάρκου  *Όθιυνος,  anstatt 
der  überlieferten  Lesart:  οηλιυ(Τεΐ  Μ. Ό.,  was  keinen  Sinn  giebt 

Otho  starb  am  16.  April  69  n.  Chr.,  im  beinahe  voll- 
endeten r>7.  Jahre  seines  Lebens,  am  92.  Tage  seiner  RegieruDg. 
Geboren  war   er   im  Jahre   785  u.  c.   (IV  kal.  Mai.),  32  n.  Chr. 

Was  die  letzte  That  des  Otho,  seinen  freiwilligen  Tod,  be- 
trifft, so  will  C.  Peter  Gesch.  R.  111,  p.  897  ihr  eine  gewisse 
Grösse  nicht  absprechen,  meint  aber,  dass  die  Uebers&ttigung 
durch  die  genossenen  Reize  des  Lebens  und  die  Scheu  vor  weiteren 
Anstrengungen  und  Gefahren  einen  nicht  geringen  Theil  daran 
gehabt  hätten.  Diese  Ansicht  ist  schwerlich  richtig,  obwohl  Peter 
sich  dafür  auf  Plutarch  0.  9  stützen  zu  können  scheint,  wenn 
auch  an  dieser  Stelle  nur  die  Ungeduld  Othos  und  sein  Unge- 
stüm, die  Dinge  durch  eine  Schlacht  zur  Entscheidung  zu  bringen, 
aus  seiner  Unbekanntschaft  mit  Krieg  und  Kriegsgefahren  und 
seinem  üppigen  Genussleben  von  Plutarch  erklärt  werden  soll. 
Aber    eine  Scheu    vor   Anstrengungen    und  Gefahren,    wie  Peter 


Kaiser  Marens  Salvixis  Otho  135 

finden  will,  kannte  Otbo  nach  den  Zeugnissen  des  Tacitus  nicht. 
Auch  an  Uebersättiganfr  durch  sein  wildes  Genussleben  litt  er 
keineswegs.  Da,  wo  Tacitus  den  Otho  mit  Vitellius  vergleicht, 
h.  2,  31,  schreibt  er  nach  dem  Zeugniss  der  Zeitgenossen  wohl 
dem  Vitellius  Mgnavae  voluptates'  zu,  dem  Otho  aber  'flagran- 
tiesimae  libidines ,  also  noch  immer  brennende  Begier  nach  des 
Lebens  Genüssen  Hätten  die  genossenen  Reize  des  Lebens  ihm 
eine  Scheu  vor  weiteren  Anstrengungen  eingegeben  gehabt, 
Tacitus  hätte  nicht  von  seinem  Tode  als  einem  facinus  egregium 
sprechen  können,  wodurch  er  sich  Anspruch  auf  dauernden  Nach- 
ruhm erworben  habe.  Es  liegt  Nichts  vor,  warum  wir  an  dem 
Grunde,  den  Otho  selbst  für  seinen  freiwilligen,  mit  der  ruhigsten 
Entschlossenheit  gewählten  Tod  angiebt,  zweifeln  sollten.  Er  hielt 
sein  Leben  für  einen  zu  hohen  Preis,  um  dem  Bürgerkrieg  kein 
Ende  zu  machen,  wenn  es  auf  ihn  ankam  (h.  2.  47).  Wenn  auch 
Plutarch  der  Abechiedsrede  des  Otho  (0.  15)  manche  eigene  Zu- 
that  hinzugefügt  haben  mag,  so  hat  er  doch  sicherlich  in  seinem 
Geiste  gesprochen,  wenn  er  ihn  sagen  lässt:  *Wenn  ich  der  Herr- 
schaft über  die  Römer  würdig  gewesen  bin,  so  darf  ich  auch 
mein  Leben  für  das  Vaterland  nicht  schonen  (b€i  μ€  της  έμής  ψυ- 
χής υπέρ  τής  πατρίδος  άφ€ΐΟ€Ϊν).  Ich  sehe  nicht,  wie  ich  den 
Römern  mehr  zum  Heile  sein  kann,  wenn  ich  den  Sieg  davon- 
getragen haben  werde,  als  ich  es  ihnen  bin,  wenn  ich  mich  selbst 
für  den  Frieden  und  die  Eintracht  und  dafür  werde  hingegeben 
haben,  dass  Italien  nie  wieder  einen  solchen  Tag  sieht*.  Solche 
Aeusserungen  stimmen  mit  dem  überein,  was  Sueton  von  seinem 
eignen  Vater  Suetonius  Laetus  berichtet,  der  als  Kriegstribun 
der  13.  Legion  die  Schlacht  bei  Betriacum  mitmachte.  Dieser 
hat  bald  nach  dem  Tode  des  Otho  seinem  Sohne  häufig  erzählt, 
dass  derselbe  schon  als  Privatmann  den  Bürgerkrieg  so  sehr 
verabscheut  habe,  dass  er  einst  bei  einem  Gastmahl,  als  auf  das 
Ende  des  Cassius  und  Brutus  die  Rede  kam,  sich  vor  Grausen 
geschüttelt  habe  (ut  .  .  .  cohorruerit,  0.  10).  Glaublich  ist  es 
also,  was  Viele  nach  seinem  Tode  annahmen,  Otho  habe  mehr 
aas  Rücksicht  auf  das  Gemeinwesen  und  aus  Scheu,  die  Herr- 
schaft mit  dem  Opfer  so  vieler  Menschen  zu  behaupten,  den 
Todesgedanken  gefasst,  als  aus  Verzweifiung  oder  aus  Misstrauen 
in  seine  Truppen,  von  denen  noch  Viele  in  ganz  unversehrtem 
Zustande  gewesen  seien,  während  Andere  ganz  frisch  aus  Dal- 
matien,  Pannonien  und  Mösien  dazu  gekommen  wären  (Sueton 
0.  9). 


136  Paul  Kaiser  Marcus  Salvius  Otho 

Wollen  wir  aber  das  Hauptmotiv  suchen,  was  den  Otho  zu 
diesem  Entschlnss  eines  heroischen  Entsagens  brachte,  so  war  es 
der  Zweifel,  ob  er  die  Sache  durchführen  könne.  Daher  das 
Gefühl,  dass  er  schöner  sterben  könne,  als  die  Herrschaft  führen 
(πιστ6ύσατ€  πολλάκις,  βτι  δύναμαι  κάλλιον  άποθανεΐν  ή  δρχειν. 
Plut.  Ο.  15).  Eine  Unsicherheit  und  Misstrauen  in  sein  Feld- 
herrntalent hatte  ihn  schliesslich  dazu  gebracht,  der  Entscheidungs- 
schlacht fern  zu  bleiben.  Auch  seine  Ungeduld,  die  er  nach 
allen  Berichten  in  den  letzten  Tagen  im  höchsten  Grade  zeigte 
(Tac.  h.  2.  31.  33.  39.  40  Plut.  0.  9  Sueton  0.  9),  verräth  einen 
grossen  Mangel  an  Selbstvertrauen.  Er  hatte  das  bestimmte 
Gefuhl,  dass  die  Entscheidung  der  Dinge  nicht  von  ihm  abhing, 
er  vielmehr  den  Lauf  derselben  dem  Zufall  überlassen  müsse 
(μ€θ€ΐναι  τά  πράγματα  προς  τό  συντυχόν),  wie  sein  Cabinets- 
secretär,  der  Rhetor  Secundus.  von  ihm  sagt  (Plut.  0.  9).  Da 
war  der  Entschluss  zu  sterben  für  eine  gross  angelegte  Natnr, 
wie  Otho  war,  ein  sich  mit  Nothwendigkeit  einstellender.  Darum, 
wenn  Martial  B,  32  ihn  wegen  seines  Todes  mit  Cato  gleich- 
stellt: 

Sit  Cato,  dum  vivit,  sane  vel  Caesare  maior: 
dum  moritnr,  numquid  maior  Othone  fuit? 
so  hat    er  ebenso    recht,    als   wenn  er   als  entscheidendes  Motiv 
für  seinen  Tod    ihm   den  Gedanken  zuschreibt,    er  habe  weiteres 
Blutvergiessen  verhüten  und  den  Bürgerkrieg  endigen  wollen: 
Cum  dubitaret  adhuc  belli  civilis  Enyo 
Forsitan  et  posset  vincere  mollis  Otho, 
Damnavit  multo  statnram  sanguine  mortem 
Et  fodit  certa  pectora  nuda  manu. 

Paul. 


AUS  DEM  ZWEITEN  BANDE  DER 
AMHERST  PAPYRI 


Der  erste  Band  der  aus  der  Sammlung  des  Lord  Amberst 
veröffentlichten  Papyri  hatte  eine  wesentliche  Bedeutung  für 
Theologen;  jetzt  ist  in  kürzester  Zeit  ein  zweiter,  glänzend  aus- 
gestatteter Band  gefolgt,  der  eine  reiche  Fülle  von  allerhand  Lit- 
teraturresten  enthält;  es  eröffnen  ihn  Classical  Fragments,  wie 
auch  sonst  in  den  Publikationen  der  Engländer.  Die  Heraus- 
geber, Bernard  P.  Grenfell  und  Arthur  S.  Hunt,  haben  wieder 
ein  hervorragendes  Stück  Arbeit  geleistet,  und  ich  meine,  daRs 
man  ihnen  für  ihre  Verdienste  keinen  besseren  Dank  abzustatten 
im  Stande  ist,  als  indem  man  weitere  Kreise  auf  diese  in  Deutsch- 
land nur  in  Ausnahmen  zugängliche  Veröffentlichung  hinweist 
und  durch  ein  paar  Proben  des  Inhalts  ein  Interesse  für  sie  zu 
erwecken  sucht. 

Im  Anfang  stehen  die  Reste  einer  Tragödie,  streng  gebaute 
Trimeter.     Erkennbar  ist  der  Schluss  einer  ßotenrede: 

ταυτ'  άγγελαιν  σοΐς  ου  καθ'  ήδονήν  οόμοις 

ήκιυ*  σύ  b\  ώναΗ,  της  έκ€Ϊ  φρουράς  ^_ 

φρόγΉΓ  βπιυς  σοι  καιρίιυς  Kei  w— 
Der  Antwortende  muss  Hektor  sein;  der  zunächst  zum  υπηρέτης 
spricht: 

χώρει  προς  οϊκους  δπλα  τ'  έκκόμιΖέ  μοι 

και  τήν  *Αχιλλέιυς  οοριάλιυτον  ασπίδα. 

2Euü  γάρ  αυτήν  τήνδε  καίι  προβλήσομαι 
Indem  er  fortfährt,  erfüllt  ihn  Unruhe^;    den  Boten  jagt  er  weg 
als  Böses  vorbedentend ;  trotzdem  ist  er  bereit  zu  gehen  ^  und  den 


^  καί  πως  τέθραυσμαι  sicher.    Davor  etwa  έγώ  τ'  έμαυτοΟ  χε{ρον[α 
γνώμην  {χω  nach  zahlreichen  euripideischeu  Analogien. 
2  Etwa  άλλ'   ουδέν  ή  [μέλλησις ]  έλθών  b\ 


138  Radermaoher 

Kampf  zn  wagen.  Dies  τηπββ  der  Sinn  der  letzten  Veree  eein, 
die  eich  leider  nur  ganz  nneicher  im  Wortlant  feetetellen  lassen. 
Aber  deutlich  stellt  sich  heraus,  das«  Hektor  vor  dem  Zweikampf 
mit  AchilleuB  redet;  demnach  ist  der  Schauplatz  Troja,  und 
wenn  er  es  in  dieser  *  Röstungs'-Scene  war,  so  muss  er  es  ehen 
im  ganzen  Stück  gewesen  sein.  Das  verlangt  das  Gesetz  von 
der  Einheit  des  Ortes.  Also  kann  von  einem  Drama,  in  dem 
Achill  die  Hauptrolle  spielt,  von  einem  Stück  wie  die  Μυρμι- 
δόνες oder  Νηρηίδες  des  Aischylos^,  keine  Rede  sein. 

So  wie  die  Dinge  liegen,  kommt  von  den  überlieferten 
Tragödientiteln  nur  einer  wahrhaft  in  Betracht,  der  Hektor  des 
Astydamas.  Dieses  Stück  aber  ist  gleichfalls  hochberühmt  ge- 
wesen, wie  eine  Bemerkung  des  Plutarch  verräth;  nach  Welkere 
Vermuthung  hat  es  Naevius  im  Hector  proficisoens^nachgebildet. 
Wir  kennen  daraus  nur  die  Worte: 

δ^Ηαι  κυνην  μοι,  πρόσπολ'   .... 
μή  κα\  φοβηθή  παις 
Worte,  die  der  gewappnete  Hektor   spricht,    als    er    im  Begriffe 
steht,  von  seinem  kleinen  Sohne  Abschied  zn  nehmen.     Das  neu 
veröffentlichte  Fragment  scheint  einer  kurz  vorhergehenden  Scene 
anzugehören  *. 

Anschliessen  möchte  ich  hier  den  Hinweis  auf  Pap.  XVII, 
Reste  einer  ausführlichen  Hypothesis  zn  dem  Euripideischen 
Skiron;  dies  Stück  hat  Blass  durch  eine  Coincidenz  mit  Nauck 
fr.  679  scharfsinnig  erschlossen.  Merkwürdig  ist,  dass  Verse 
daraus  in  der  Hypothesis  citirt  werden  : 

w 

πρόλογος  Οέ1)€ΐ[κται*  έν 

Ιάμβοις.  έπαιν[€ΐται  bk 

κα[ι  π]€ρι  τ[ο]υ  παν[τός  (ie.  imprimis) 

τών  Ιάμβων,  ου  (=  ubi)  λίτ[€Γ 

'πρόσαντες  ούδεν  έ[στι  .... 
Die  Verse  sind  leider  nicht  sicher  herzustellen;  der  Gedanke  von 
der  Macht  der  Δίκη  wird  klar  durch  ähnliche  £uripidei8che  Sen- 
tenzen. 


^  Daran  denken  Blass  und  die  Herausgeber. 

[■  Einer  Mittheilung  von  Dr.  Crönert  entnehme  ich,  dass  H.  Weil 
inzwischen  im  Dezemberheft  des  Journal  des  Sa  van  ts  (auf  unserem  Lese- 
zimmer ist  erst  das  Novemberheft  zugänglich)  dieselbe  Ansicht  ausge- 
sprochen hat,  und  freue  mich  der  üebereinstimmung.J 

^  lieber  diese  Anwendung  des  Wortes  s.  Ilemsterbuys  zu  Lukian 
1  p.  184. 


Aus  dem  zweiten  Baude  der  Amherst  Papyri  139 

Ν  17  bedeutet  einen  äueserst  merkwürdigen  Fund:  nacli  der 
Subskription  ΆρκΤτάρχου  Ηροδότου  ists  der  Rest  von  Excerpten 
aus  einem  Commentar  des  Aristarchos  zum  ersten  Buch  Herodots  *. 
Elxcerpte  müssen  es  sein,  weil  von  Cap.  195  unmittelbar  auf 
C.  215  übergesprungen  wird.  Zu  verstehen  ist  wenig:  "δνος 
Ζώς  έστιν**,  οίον  κα\  έν  τοις  πλοίοις  δν[οι  Εύλου?].  Herodots 
üeberlieferung  bietet  δνος  Ιωός  ίνεστιν;  auf  die  Variante  ist 
nichts  zu  geben,  da  die  Citate  auch  nachher  ungenau  sind.  Erklärt 
mnsste  werden,  warum  Herodot  den  Zusatz  Ζ,ώς  für  die  Esel  in 
den  Schiffen  nöthig  fand;  es  gab  ja  auch  "hölzerne  Esel",  wie 
man  eine  Zugmaschine,  eine  Art  von  Winden  nannte,  die,  wie  heut- 
zufagCy  so  auch  damals  jedes  Frachtschiff  besessen  haben  muss. 
Dann  weiter,  ohne  jedes  Zeichen  des  Uebergangs  eine  Glosse  zu 
C.  215  'fiviinrioi' ού]χ€\,  [ά]λλά  "αμιπ[ποι"2  iJttttoi  buo  [εύΐ- 

άγωγοι*  \μαα\  bebeμέvoι  και  [έπ']  αυτών  τίνες  όχούμ[6]νοι.  οι 
ήρωες  τοις  δρμασιν  προσήλαυνον  και  ουτιυς  άπίβαινον,  οι  bk 
προς  έλάσσοσιν  δ  μέν  άπίβαινεν,  δ  bi.  μένων  παρείχετο  την 
του  ηνιόχου  χρείαν.  Hier  scheint  eine  Conjectur  des  Aristarch 
vertheidigt  zu  werden;  wir  sind  jetzt  im  Stande  ihm  die  Bemer- 
kung in  Bekkers  Anecd.  p.  205  v.  δμιππος  zuzuweisend  Der 
Zusatz  über  die  Eampfesweise  der  ήρωες  verräth  den  Homer- 
kritiker. 

Dies  Stück,  so  zerfetzt  und  trümmerhaft  es  sein  mag,  hat 
doch  insofern  auch  ein  litterarhistorisches  Interesse,  als  es  das 
erste  Zengniss  dafür  ist,  dass  Aristarch  sich  mit  Herodot  kritisch 
beschäftigt  hat.  Dass  die  wissenschaftliche  Erklärung  des  Thu- 
kydides  in  die  Alexandrinerzeit  hinaufreicht,  hat  Usener  durch 
Vergleich  der  Scholienlitteratur  erschlossen.  Dennoch  ward  nicht 
ersichtlich,  wie  weit  wir  hinaufgehen  dürfen.  Das  konnte  ja 
alles  Didymos  sein.  Nun  erscheint  Aristarchos  als  Herodotkritiker 
auf  dem  Plane.  Zu  glauben,  dass  er  keine  Ausgabe  besorgt 
habe,  kann  man  sich  nur  schwer  entsohliessen,  und  so  erhält  die 
Anschauung,  dass  damals  bloss  Dichter  edirt  worden  seien,  einen 
starken  Stoss.  Nur  das  eine  wird  man  weiterhin  annehmen 
dürfen,  dass  die  Prosaikerausgaben  der  ersten  Alexandriner  nicht 
das  kanonische  Ansehen  erlangt  haben,  wie  ihre  Dichtertexte. 
Ob  wir  nun   hier  auch  ein  Zeugniss  besitzen,    das    in  der  Frage 


^  Darin  auch  ein  neues   Sophoclesfragment:    Σ.  έν  ΤΤοιμέσΐ'    ού 
χαλκός  ού  σίδηρος  απτεται  χροός.  ^  Ergänzuuj^  von  Blase. 

«  Vgl.  Pollux  I  195.  *  Vgl.  die  Herausgeber. 


140  Raderraacher 

nach  dem  alexandriDischen  Kanon  zn  dessen  Onneten  verwertbet 
werden  darf,  wage  ich  nicht  mit  Bestimmtheit  zu  entscheiden, 
wenn  ich  auch  meine,  dass  diese  Frage  nicht  ganz  so  erledigt 
werden  kann,  wie  es  y.  Wilamowitz^  in  seinen  letzten  Unter^ 
Buchungen  gethan  hat.  Zwar  dürfte  er  in  dem  einen  Punkte 
Recht  behalten,  der  ihm  das  Wesentliche  war,  dass  es  schon  frühe 
nur  neun  Lyriker  gegeben  hat.  Aber  an  bloss  zehn  Redner  bereite 
in  hellenistischer  Zeit  zu  glauben  scheint  mir  unmöglich.  Es  ist 
wahr,  dass  man  grade  bei  der  Anlage  der  πίνακες  mit  boden- 
loser Oberflächlichkeit  herrenloses  Gut  auf  bekannte  Namen  ge- 
setzt haben  muss;  das  Verzeichniss  der  Dinarchreden  bei  Dionye 
zeigt  es  zur  Genüge.  Aber  dort  operirt  er  nun  doch  auch  mit 
Leuten  wie  Demokleides  und  Menesaichmes,  wie  mit  bekannten 
Typen.  In  den  perganienischen  Verzeichnissen  findet  er  eine  Rede 
des  Kallikrates;  in  Alexandrien  freilich  war  der  Mann  bereite  in 
der  Sammlung  Deinarchos  untergegangen.  In  der  grossen  Ueber• 
sieht  am  Schlüsse  von  de  Isaeo  mag  er  ja  vieles  unbesehen  aus 
Aelteren  abgeschrieben  haben;  aber  sollte  es  damals  wirklich 
keine  Rede  von  Polykrates  gegeben  haben?  Für  Arietogeiton 
alles  zugegeben,  obwohl  die  Annahme,  dass  Reden  unter  seinem 
Namen  erst  nach  Dionys  gefälscht  worden  sind,  nicht  zwingend 
erwiesen  werden  kann,  so  müssen  doch  Reden  des  Kritias  exi- 
stiert haben,  die  Herodes  Atticus  wieder  ausgrub  und  zu  Ehren 
brachte.  Und  was  Dionys,  Harpokration  und  Athenaens  von  Py- 
theas  haben,  stammt  das  etwa  aus  vorhellenistischer  Zeit  ?  Auch 
den  Philinos  citirt  Harpokration.  Von  Polyeuktos  κατά  Δημά^ου 
steht  ein  Cifat  bei  dem  Rhetor  Longinus,  etwa  als  spätere  Fäl- 
schung? Es  ist  endlich  möglich,  dass  die  Rednernamen,  die  Philo- 
demos  neben  den  Zehn  nennt,  für  ihn  ein  leerer  Schall  gewesen 
sind,  aber  selbst  wenn  es  damals  bloss  noch  IL  attische  Redner 
gab,  so  bedeutet  die  Zahl  10  immer  schon  eine  Auswahl.  Und 
eine  Auswahl,  die  zudem  für  Aristarchos  bezeugt  ist,  sind  die 
lambographen ;  diese  Thatsache  lässt  sich  nicht  widerlegen  durch 
eine  Deduktion  wie  die  folgende:  '^Skythinos?  gab  es  den  über- 
haupt für  das  Publikum?''  Denn  es  müsste  mindestens  alsdann 
noch  bewiesen  werden,  dass  es  einen  Mann,  den  es  für  das  Publi- 
kum nicht  gab,  für  die  alexandrinische  Gelehrsamkeit  auch  nicht 
gegeben  habe.     Es  ist  überflüssig  darauf  hinzuweisen^  wie  häufig 

^  V.  NMlamowitz,  die  Textesgescbichte  der  griechischen  Lyriker 
I    Excurs.  (S.  64  fi".). 


Aus  dem  zweiten  Bande  der  Amheret  Papyri  141 

die  wiesenschaftliche  Litteraturgesohichte  und  das  Urtheil  des 
Pablikume  aaeeinanderfallen.  Für  die  Tragiker  ist  die  Aaswahl 
zugegeben ;  dass  sie  mit  dem  Geschmacke  der  Leute  überein- 
stimmt, beweist  nicbts  für  andere  Fälle.  Bei  den  Lyrikern  ist 
es  keine  Auswabl ;  aber  was  hindert  anzunehmen,  dass  sie  eben 
sammt  und  sondere  der  Aufnahme  in  den  Kanon  würdig  befunden 
worden  sind?  Eine  Auswahl  von  Epikern  ist  für  Aristarchos  und 
Aristophanes  bezeugt.  Was  nun  endlich  Herodotos  und  Thuky- 
dides  anbelangt,  so  würden  sie  ja  in  den  Kanon  gekommen  sein, 
wo  und  wann  immer  ein  solcher  gemacht  worden  ist,  aber  es  ist 
doch  eine  merkwürdige  Erscheinung,  dass  wir  jetzt  den  Aristarchos 
auch  als  Herodotoskritiker  wiederfinden,  gleichwie  wir  intensive 
Beschäftigung  mit  Thukydides  für  die  Alexandriner  schon  länger 
erweisen  konnten.  Kurz  die  Thatsachen  sind  diese:  eine  Aus- 
wahl auf  den  verschiedensten  Gebieten,  bestehend  schon  vor 
Dionys,  in  Verbindung  mit  etlichem  der  Name  des  Aristarchos 
und  Aristophanes  unmittelbar  bezeugt,  anderes  namenlos  aber 
doch  vorhanden,  auf  einigen  Gebieten  auch  verschiedene  Ver- 
zeichnisse, wie  bei  den  P^legikern.  Damit  mag  man  sich  nun  ab- 
finden, wie  man  will.  Die  einfachste  Deutung  ist  doch,  dass  es 
einen  alexandrinischen  Kanon  gegeben  habe,  dass  dieser  Kanon 
aber  spätere  Grammatiker  nicht  daran  hinderte,  auch  den  ihrigen 
zu  machen,  indem  sie,  weitherziger  im  Urtheil,  den  einen  oder 
anderen  Namen  zusetzten.  Dies  ist  meines  Erachtens  eine  Erkläimng, 
die  den  überlieferten  Thatsachen  am  bequemsten  Rechnung  trägt. 
Ein  Glück  ist  übrigens,  dass  Pergamon  endgültig  aus  der  Erörte- 
rung ausgeschieden  zu  sein  scheint. 

Die  Abschweifung  war  lang,  und  ich  kehre  nunmehr  zur 
Sache  zurück. 

Papyrus  XX,  der  von  den  Herausgebern  ins  IV.  Jahrh. 
p.c.  gesetzt  wird,  enthält  die  Reste  von  Scbolien  zum  Artemis- 
hymnus des  Kallimachos;  sie  sind  mit  den  erhaltenen  theilweise 
verwandt,  aber  reichhaltiger  gewesen.  Usener  hat  hierzu  einige 
treffliche  Ergänzungen  beigeeteuert :  XX  2  (zu  Vs.  107)  ΤΗΝ 
ΔΕ  ΜΙΑΝ  KEAAAONTOC  δυνάμεθα  είπεϊν  το  κ€λάοοντο[ς 
άντι]  επιθέτου  και  λέγειν  ποταμόν  *Αρκ[αοίας,  ώς]  κύριον  ^.  Zu 
Vers  138  TAMOC  E[CCETAI  ύμν]ήσεται :  AKAKHCIOC  (V.  143) 

»  Weiter  vielleicht  ΑΙΝΩΙ  ΕΠΙ  ΘΡΗΙΚΙ  Öpei  Θρψ[κης :  6€νδρο]φόροι 
Όλυμποι  ορη.  Die  letzte  Bemerkung  geht  auf  11(5  ff.  (ποΟ  δ'  ιταμές 
ΐΓ€ύκην) ;  für  das  Lemma  (Μυσψ  έν  Ούλύμπψ)  ist  in  der  Ueberlieferung 
kein  Raum. 


142  Radermacher 

λίγ€ται  t\  έπ[ίθ€τον  bia]  το  έν  δρ€ΐ  [Άκακησίψ  τάς  τ]ονά[ς 
?χ€ΐν  ή  δτι]  αναίτιος  έστι.  Zu  Vers  172  ff.;  ΤΤΙΤΑΝΗ  πόλις 
Λακεδαίμονος :  [AAAC  ΑΡΑΦΗΝ]ΙΔ[ΑΟ  οήμ]ος  'Αττικής.   Weiter 

war  wohl  zu  Vs.  178  bemerkt;  ΣΤΥΜΦΑΙΙΔΕΟ  Ή'.Γ€ΐριυτικοί• 
δ[ρος  τι  Στύμφη^  θ€σ]πριυτιος.  Στυμφαϊον  bi  δ[ρος  καλ€ΐται 
κα]ι  ^θνος  Σκυθ€ίας.  Im  Anscblues  hieran  wurde  die  Geschichte 
der  Iphigenie^  erzählt,  und  es  ist  sehr  zu  bedauern,  daes  diese 
Ueberlieferung  rettungslos  verstümmelt  ist,  denn  nimmt  man  zu- 
sammen, dass  bei  Kallimachos  von  ^αφοι  Στυμφαιΐοες  geredet 
wird,  dass  in  dem  Scholion  aber  immerhin  noch  ή  bk  Ιφιγένεια 
ίλαφος  —  έκ  τής  έλάφου  zu  erkennen  ist  und  dass  ebendort 
vorher  die  Στυμφαιΐοες,  ein  Στυμφαϊον  δρος  und  ein  ίθνος 
Σκυθίας  in  zweifellosen  Zusaoimenliang  gebracht  sind  (die  oben 
gegebene  Ergänzung  ist  nur  ein  Versuch),  so  ergiebt  sieb  als 
nothwendiger  Schluss,  dass  hier  Dinge  vorgetragen  waren,  von 
denen  wir  sonst  nichts  wissen. 

Am  Schluss  der  Clasbica  steht  dann  etwas  sehr  Luetiges 
zu  lesen,  drei  Babriusiabeln,  die  ein  ägyptischer  Lateinscbütze 
zu  übertragen  unternommen  hat.  Dabei  hat  er  Fehler  gemacht, 
so  schlimm,  wie  sie  auch  heute  gemacht  werden,  und  zum  Tbeii 
noch  schlimmer;  es  stecken  sogar  einige  Räthsel  in  dieser  latei- 
nischen Uebersetzung,  und  so  möge  denn  alles  hier  seinen  Platz 
finden,  damit  andere  daran  sich  erfreuen  oder  ihren  Scharfsinn 
versuchen.  Des  bequemeren  Druckes  halber  sind  die  Stücke  an- 
ders geordnet,  als  wie  sie  im  Papyrus  stehen. 

αίλουρος   opviv  οικιης   ενεδρε[υων 
κορυκος  οια  πασσαλω  απηρτηθη 
τον    δ'   €ΐδ'  αλέκτωρ   πινυτος   αν- 

κυ[λογλωχιν 
και  ταυτ  εκερτομησεν  οΗυ  φωνη- 

σ[ας 
πολλούς  μεν  οι6α  θυλάκους  ιδω[ν 

ηδη 
ουδείς  οδόντας  ειχεν  μειΖον  αίλουρου 
αγροικος    ηπειλησε    νηιτιω    τιτθη 

κλαι[οντι 
σίγα  μη  σε  τω  λυκω  ρίψω. 


1  Τύμφη   bei  Stephanus  von  ßyzanz ;   doch  siehe  Strabon  325  C. 

2  IJsener  ergänzte  noch:  ή  δέ  Ιστορία  ίχει,  ώς  μιλούσαν  θύεσθαι 
Ίφιγένειαν  ή  "Αρτεμις  άρπά^ασα  άιτήγαγεν  εΙς  Ταύρους  [καΐ  Ικ€ί  Up€]i[a 
γε]νομένη  τής  'Αρτέμιδος 


Aas  dem  zweiteo  ßande  der  Amherst  Papyri 


143 


λύκος  b   άκουσας  την  τε  γραυν  αλη- 

θυ€ΐν 

νομισας  εμεινεν  ιυς  έτοιμα  δειπνη- 

σων 

€ΐι>ς  ο  παις  μεν  εσπέρας  εκοιμηθη 

αυτός  δε  πίνων  και  χάνων   λύκος 

οντος 

απήλθε  ψυχραις  ελπισιν  ενεδρευσας 

λυκαινα  δ  αυτόν  η  συνευνος  ηρωτα 

πως  ουδέν   ήλθες  αράς    ωε    πριν 

ειωθεις 

ο  δ 
κακεινος  ειπεν  πως  γαρ  ος  γυναικι 

πιστεύω 

αλω[πε]κ  εχθραν  αμπελ[ου   τε  και 

κηπ[ο]υ 

|€εν]η  θελησας  περιβαλε[ιν  τις  α]ι• 

κειη 
[τη]ν   κερκον   άψας   και  λίνου    τι 

[π]ρ[οσδησα]ς 
αψηκε    ςρευγειν    την  δ   επίσκοπος 

[δαιμ]ων 
εις  τας  αρουρας  του  βαλοντος  ωδη- 

τε[ι 
το  πυρ  φερουσαν  ην  δε  ληϊων  ωρη 

και  καλλεικαρπος  ελπίδων  πληρη[ς 
ουδ  ειδεν  αυτού  την  αλωα  δημητηρ 


luppus    autem    auditus    auucellam 

vere  dictu[m 
putatus  m[a|n8it   quasi   parata  ce• 

naret 
dum  puer   quidem  sero   dormiseet 
i]>8e    porro    esuriens    et     luppus 

enectus  verlo 
rediuit  frigiti^s)  spebus   frestigia- 

tur  (prestigiatus  Blass) 
luppa  enim  eum  coniugalis   inter• 

rogabat 
qaomod[o  n]ihil  tulitus  uenisti  8[i]- 

cut  8ole[bas 

et  ille  [dix]it  quomodo  euim  quis 

mulieri  cr[edo 

bulbecula  inionfortunam  (Hegb.  =i 

•    •  •     •  • 

vulpeculam  importunam]  binea- 
ri8q[ue  h]ort[i8que 
peregrina    uolens    circomitti    quis 

8aeui[tia 
codam  su[c]cen8U8  et  linei  quidem 

a[lli]gatu8 
sinuit   fu[ge]re    [h]aoc    speculator 

genius  malus 
infra  aruras  missuro  procedebat 

ignem  babbandam  erat  autem  tem• 

pus  sectilis 
et  pulcheri  fructus  spaearum  sorsus 
oportet    ergo    serenae    magis    aut 

inequa  irasci 
nee  uidit  eius  ariis  Cereris 
est  quidam  ira  oltricis  quem  custo- 

diamus 
ipsismet   ipsis   uocentiam  ferentes 

animosali[bas 


Der  Papyrus  stammt  nach  Angabe  der  Herausgeber  aus 
dem  Ende  des  dritten  oder  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts, 
also  der  Zeit,  in  der  Babrius  besonders  eifrig  gelesen  worden 
ist^.     Er  fiberliefert    die  Fabeln    in   einer  weit  schlechteren  Ge- 


^  Vgl.  0.  Grueius  de  Babrii  aetate  Lpz.  Studien  II  S.  237  ff. 


144  KaderiuAcher 

stalt,  als  sie  im  Athoas  stehen:  manche  AbweichaD^^,  wie  κΟ• 
ρυκος  οία  für  ώς  θύλακος  τις,  erweisen  sich  schon  durch  die 
Metrik  als  nnhaltbar.  Es  ist  ein  verwilderter  Teit,  wie  das  bei 
einem  Schalaator  leicht  vurkommeu  kann.  Babrias  als  Schul- 
lektüre  ist  an  sich  nichts  Merkwürdiges;  aber  Beachtung  yerdieot 
nan  doch,  dass  er  so  früh  als  Unterlage  zum  Uebersetzen  τe^ 
wendet  worden  ist.  Etwa  gleichzeitig  hat  Titianos  ^^Aesopiam 
trimetriam  in  lateinische  Prosa  übertragen^;  dann  hat  man  ja  znm 
GebraucL  für  die  lernende  Jngend  Fabeln,  griechisch  nnd  latei• 
nisch  nebeneinander,  veröffentlicht,  und  anter  den  MasterstSckeii 
des  Dositheus  stehen  denn  auch  zwei  Erzählungen  in  Choliamben. 
Dositheus  iet  aber  nicht  der  einzige,  der  derartiges  gemacht  hat. 
Was  wir  an  Resten  dieser  Litteraturgattung  aus  dem  Mittel- 
alter noch  besitzen,  wird  erst  klar  werden,  wenn  es  ein  wirk- 
liches Corpus  fabularum  giebt.  So  finden  sich  im  Codex  Pari- 
sinus Graecus  425,  einer  Miscellanhandschrift,  in  der  zB.  der  ge- 
fälschte Brief  des  Constantinus  über  seine  Taufe  und  die  Werke 
des  llesiudos  nebeneinander  siehm,  am  Schlüsse  institutiones  gram• 
maticae  latinae-graecae '  und  als  deren  Fortsetzung  drei  äsopische 
Fabeln  gleichfalls  griechisch  und  lateinisch :  K6pt  6ύθ  φίλων  και 
άρκτου^,  π€ρι  όλώπ€κος  και  κιθαρωδού,  περί  t^euroO  και  ^χιως'. 
Sie  haben  mit  Dositheus  nichts  gemein.  Zur  Probe  sei  die  mitt- 
lere herausgehoben:  fol.  50  περί  αλώπεκος  και  κιθαρωδού. 

άλώπηΕ  εΙς  οίκίαν  έλθουσα  κιθαρωδού  και  έκαστα  των 

αύτου  σκειιων  διερευνωμενη  εύρε  και  κεφαλήν 

μορμολυκίου  εύφυώς  κατεσκευασμενιν  ήν  και 

αναβουσα  ταΐς  χερσιν,  £φη  ώ  οΐά  κεφαλή 

και  τδγαθον.  και  βέλτιον  είκεφαλον  ουκ  έφαλον  ούκ  έχει. 

δ  μϋθος  προς  άνδρας  μεγαλοπρεεΐς  (so!)  μέν 

τωι  σώματι  κατά  ψυχήν  δέ  αλλόκοτους 

de  uulpe  et  citaredo. 
Vulpes  cum  in  domum  cuiusdam  citharedi  ingressa  esset 
quodlibet  eins  ex  instrum  indagabat  et  manibus 
pertractabat.  cumque  ita  indagaret  capitis  imaginem 
iictam  et  adumbratam  magna  arte  et  subtili  ingenio 
instructam  et  ornatam  inuenit.   eamque  in  manibus  captans 
hec  inquit,  o,  quam  pulcrum  et  formosum  caput,  quod 
cerebro  quidem  uacuum  existit. 

1  Γ).  i.  Babrius?  Vgl.  Crueius  aaO.  S.  238*. 

2  Vgl.  Halm  f.  171. 

»  Vgl.  Halm  fab.  311. 


Α  OB  dem  zweiten  Bande  der  Amherst  t'apyri  145 

hec  fabnla  pertinet  ad  homines  corpore  quidem 
formoBos  et  magnos,  animo  autem  ignauos.  et  inertes. 

Hier  ist  das  Latein  erträglioby  das  Griechisch  dagegen  in- 
zwischen um  so  schlechter  geworden. 

Den  Rest  der  Classica  übergehe  ich.  Es  ist  ein  buntes 
Allerlei,  Stücke  von  einem  Lexikon  zu  Odyssee  XV*  (Pap•  XVIII) 
und  Ilias  XI  (Pap.  XIV),  aus  einem  grammatischen  Traktat 
(XXI),  in  dem  Aristarchos  citirt  wird,  aus  Honaer,  Isokrates  προς 
Δήμονικον  und  Demosthenes  προς  Φίλιππον  β'.  Ausser  Isokrates, 
Demosthenes  und  Hypereides  hat  man  eben  in  Aegypten  keine 
attischen  Redner  gelesen.  Dazu  Papyrus  XIV,  das  Bruchstück 
einer  Abhandlung  überMantik,  in  der  die  Zeichen  behandelt  werden, 
die  man  bei  der  Wahl  eines  Freundes  beachten  soll:  (Τκοπουντι, 
el  δμεινον  φίλον  ποιήσασθαι  τόν  bepva]  σκεπτεον  τά  σημεία, 
ει  έχεται  του  μαντευτικου  τρόπου.  Einiges  ist  nur  in  kärg- 
lichen Trümmern  erhalten,  so  der  Rest  eines  Epos  (?  XVI  ήλιου 
π  .  .  .  col.  3),  die  Ueberbleibsel  von  Versen,  hinter  denen  die 
Herausgeber  Aristophanes  vermuthen  (?  XIV),  endlich  ein  Frag- 
ment, worin  von  sieben  Wölfen  (επτά  λύ[κοι]),  sieben  Löwen 
(έπτάλέθ[ντες]),  von  Wasser,  einem  Kruge  (κάλπ[ις]),  dem  Löschen 
eines  Feuers  und  von  einer  Dame  Namens  Philinna  die  Rede  war ; 
der  Zusammenhang  ist  unklar.  Mit  Papyrus  XXIX  beginnen  die 
Documents  of  the  Ptolemaic  Period,  und  daran  schliessen  sich 
Funde,  die  bis  ins  7.  Jahrhundert  n.  C.  reichen.  Privates  und 
Amtliches,  Dekrete  und  Entscheidungen  von  allerhand  Würden- 
trägern neben  Petitionen,  Pachtverträgen,  Schuldscheinen,  Quit- 
tungen, Beschwerdeschriften  und  namentlich  auch  zahlreichen  De- 
nunziationen, aus  denen  man  den  Eindruck  gewinnt,  dass  nicht 
bloss  Rom  seine  Delatoren  und  Athen  seine  Sykophanten  gehabt 
hat.  Interessant  ist  auch  die  Bittschiift  (Pap.  XXXV),  welche 
im  Jahr  132  v.  C.  die  Priester  des  Soknopaios  und  der  Isis  an 
den  Strategen  Apollonios  richten ;  aus  schwerer  Krankheit  ist  dieser 
von  dem  grossen  Gotte  und  der  höchsten  Göttin  gerettet  worden, 
also  ist  es  seine  Pflicht  sich  dankbar  zu  erweisen  (Z.  31  ff.). 
Reich  vertreten  ist  dann  namentlich  die  Brieflitteratur,  an  deren 
Spitze  ein  Erlass  des  Königs  Ptolemäus  Philometor  aus  dem 
Jahr  157  v.  C.  genannt  zu  werden  verdient.  Man  thut,  wie  in 
ähnlichen  Veröffentlichungen,  so  auch  hier  einen  rechten  Einblick 
in  das  Leben  und  Treiben  der  Menschen  jener  Zeit 


^  Vieles  läset  sich  da  noch  ergänzen,  wie  Z.  235  εο[μηλος  πολλά 
πρόβατα  £]χουαα,  Ζ.  243  αθύρματα  πα[ι]ο[ια(]  uew. 

Β1ι«Ιιι•  Miu.  f.  Philol.  Ν.  7.  LTJL  \^ 


14β  ftadermacher 

Hier  giebt  es  noch  mancherlei  nachzutragen  and  zu  berich- 
tigen. Ν  38,  5  ff.  hat  wohl  gelautet  ορθώς  ουν  [έποίη]σας 
άκουσας  αυτών  [έρχο]μένων  [το  π]ρ[ώ]τον ;  es  handelt  eich  um 
zwei  Boten,  die  in  einer  wichtigen  Angelegenheit  geschickt  worden 
waren  und  vorher  zu  solchem  Geschäft  noch  keine  Verwendung 
gefunden  hatteo.  Ν  64  ist  eine  protokollarisch  aufgenommene  Ent- 
scheidung des  Yibius  Maximus,  der  sich  als  Präfekt  von  Aegypten 
für  das  Jahr  107  n.  C.  ausweiMt;  hier  ist  in  Zeile  7  die  Frage 
τίνος  κσΐ  τίνος  υπαρχόντων;  richtig  und  auch  nicht  durch  Inter- 
punktion zu  trennen.  Geradeso  heisst  es  in  einem  Isäuefragment 
(11  Buermann  X  Sauppe):  εισφοράς  λογίίη  πόσας ;  τόσας.  κατά 
ττόσον  άργύριον  είσενηνεγμένας ;  κατά  τόσον  και  τόσον 
Ν  68,  ϋ7  ist  βασιλικός  vielmehr  als  Eigenname  zu  fassen^;  ee 
ist  ein  Kollege  des  Ursus,  der  gemeint  wird.  Der  Name  ist  so 
selten,  dass  es  schon  die  Mühe  lohnt  auf  ihn  aufmerksam  zu 
machen.  Ν  70,  4  ist  καθιστ[α]νόμενοι  sicher  zu  verstehen,  mög- 
lich aber,  dass  der  Verfasser  καθιστανάμενοι  geschrieben  hat. 
Mit  α  und  ο  in  den  Flexionsendungen  hat  man  es  in  Aegypten 
nicht  so  genau  genommen. 

Ν  76  ist  der  Rest  eines  Personalstand registers ;  da  läset 
sich  der  Schluss  noch  ein  wenig  verständlicher  gestalten.  Σειλ- 
βανός  λιθοτόμος  έττικεκλημένος  καλαβώτης  —  mit  dem  Bei- 
namen Eidechse*  — ,  ίτι  έν  τή  Τελέσψ  γίτιυν  Σαβίνι[ος]  έν- 
ορομαΐς  (ενδρομες  Pap.)  έχιυν  τό  έργαστήριν  dh.  "für  Woll- 
mäntel (ν)  habend  die  Werkstatt"'.  Im  guten  Griechisch  müsete  ee 
freilich  heissen  ένδρομίσιν  έχων  τό  έργαστήριν,  aber  έν^ρομαΐς 
steht  nun  einmal  da,  ένδρομή^  mag  das  Volk  gesagt  haben  statt 
des  beinah  gleichklingenden  Wortes,  das  aus  Juvenal  (UI  103 
accipit  endromidem,  VI  246  endromidas  Tyrias)  und  Martial  ge- 
läufig ist.  Weiterhin  wird  der  Mann  charakterisirt  als  ές  τά 
ΈτΓΐμάχης  γείτιυν  .  .  ατυ  ιματιοττώλου.  Hier  ist  ές  τά  "Επί- 
μαχης Bestimmung  der  Richtung,  und  die  vage  Umschreibung 
mit  τά  xat  echt    hellenistisch;    sagt  doch  Aristeas  zB.  p.  31,  11 


^  Ούέγετος  έκρινε  —  ώς  Οορσος.  ούτος  bk  κοί  έΕής  Βασιλικός  ^δή• 
λωσαν  κτλ. 

*  καλαβώτης  für  άσκαλαβώτης  auch  Septuag. 

^  Wir  wisseu  sonst  nur  aus  Plutarch  de  musica,  dass  Hiera,  eine 
Weise,  die  zum  πένταθλον  aufgespielt  wurde,  Ένορομή  geheissen  habe, 
ένορομίς  bedeutet  übrigens  ausserdem  einen  hochaufreichenden  Stiefel, 
und  auch  in  diesem  Sinne  könnte  ένορομή  (* worin  man  läuft*)  ver- 
standen sein. 


Ααβ  dem  zweiten  Baocle  der  AmHerst  Papyri  147 

άνάκλασιν  γαρ  ίχει  τα  τών  τόττιυν  ^  Die  Septuaginta  hat  viel 
Entepreobendes.  Was  endlich  den  Namen  des  Mannes  anbelangt, 
80  ist  wegen  des  Raumes  Σαβινιανός  oder  Σαβινίλλος  ausge- 
schlossen, Σαβίνιος  allein  denkbar;  Belege  gibt  der  Index  von 
CIL.  III  gerade  ans  griechischem  Gebiet  in  reichlicher  Menge. 
In  Ν  77  führt  sich  ein  Priester  ein:  [ου  9eXu)]v  κατηγορ[ήσαι 
ά]λλά  όραιν  τον  φίσκον  περιγραφόμενον  ύπό  Πολυδεύκους,  wo 
man  die  Verwendung  des  Verbums  περιγράφω  notiren  mag;  im 
nämlichen  Papjrus  ist  unten  δπερ  φανερόν  τούτο  έγένετο  ganz 
so  richtig,  wie  etwa  in  Henoch  XVII  1  έν  φ  οι  δντες  έκ6Ϊ. 
Charakteristisch  für  die  Sprache  sind  Formen  wie  βαίΤτάΗαντες 
(22)  όναόαιναι  (24)  ;  ein  neues  Wort  ist  Z.  91  προσεπίτροπος, 
wenn  richtig  Άρτταγάθης  als  κράτιστος  του  κάκου  κα\  προσε- 
πίτροπος  bezeichnet  wird.  Denn  möglich  wäre  και  προς  als 
Adverbiale  zu  fassen,  wie  79,  32  και  προς  άπό  τών  αρχόντων. 
In  Ν  78,  einer  Beschwerde  wegen  Bedrohung,  scheint  mir  nichts 
80  eicher  als  dass  Z.  12  παντοδαπώς  μου  πλεονεκτεί  δνθρωπος 
αίύΐθάδης  zu  lesen  ist,  vgl.  Ζ.  20:  τοιαύτης  ουν  αύθαδείας  έν 

αύτψ  οοσης.  Ein  ασθενής  "έπαγγειλάμενος  εΙς  τό  2ήν  έπι- 
χειρή(Τειν**  (Ζ.  19)  wäre  dem  Bittsteller  wohl  nicht  so  vieler 
Mühe  werth  erschienen.  In  Ν  79,  37  dürfte  συσκευώρημα  im 
Papyrus  stehen;  die  Herausgeber  lasen  (Τυ(Τκερωρημα.    Das  Wort 

ist  neu  und  muss  dasselbe  wie  (Τυ(Τκευή  ''List,  Intrigue"  bedeuten. 
Das  zugehörige  Verbum  (Τυακευωρεϊσθαι  "gemeinsam  Ränke 
schmieden'  hat  Demosthenes,  (Τκευώρημα  desgleichen.  In  Ν  86 
muss  der  Schluss  lauten:  επιθέματος  δέ  γενομένου  έΗεΐναί  σοι 
έτέροις  μεταμισθουν.  έάν  ουν  φαίνηται,  μισθώσαί  μοι  έπι  τού- 
τοις "so  vermiethe  mir  unter  diesen  Bedingungen**;  zweimal  (in 
έ^εΐναι  und  μισθώσαί)  steht  der  Infinitiv  an  Stelle  des  Impera- 
tivs; das  ist  volksthümlich,  vgl.  CIL.  V  8772  CIG.  Sie.  et  lt.  772. 
Die  Formel  kehri  wieder  am  Schluss  von  Ν  90  und  91,  92, 
93:  έάν  φαίνηται,  μισθώσαί,  und  auch  dort  ist  sie  durch  vor 
gesetzten  Punkt  abzutrennen.  In  Ν  117  entsprechend:  έάν  φαί- 
νηται, κυρώσαι.  έάν  δέ  μή  κυρωθώ,  ου  κατασχεθήσομαι  τή 
ύποσχέσει.  Etwas  sehr  Beachtenswerthes  bietet  dann  Pap.  88 
(128  p.  C),  da  in  ihm  άνά  in  distributiver  Bedeutung  erscheint. 
Denn  das  άπότακτον  έκφόριον  wird  für  drei  Aecker  bestimmt; 
im  ersten  Jahr  auf  άνά  κριθής  άρτάβας  οκτώ,  im  folgenden  auf 
άνα  πύρου  άρτάβας  οκτώ.    Auch  die  nächste  Urkunde  (121  η.  C.) 


1  Vgl.  Wendland  Gott.  Gel.  Anz.  1901,  S.  784. 


48  ftadermacHer 

erwähnt  άνά  [κριθής?]  άρτάβας  U  ήμισυ  καΐ  τψ  Ισίόντι  Γ 
frei  τά  άπό  άνατταύματος  άνά  πύρου  SH  ήμισυ  κα\  τα  άπό  κα- 
λάμης άνά  αργυρίου  δραχμας  είκοσι  di.  je  zwanzig  Silber- 
drachmen. Der  beste  Vergleich  aus  einem  iitterariechen  Stück 
istHenochX  19  (καθ'  ϊκαστον  ίτος  ?v  μέτρον)  έλαίας  ποιήσει 
άνά  βάτους  οεκα.  Ueberhaupt  ist  dieser  Sprachgebranch  für 
jene  Zeit  meines  Wissens  nnr  im  Kreise  der  biblischen  Schrift- 
stellerei  geläufig:  ίλαβον  άνά  οηνάριον  καΐ  αύτοι  ev.  Matthaei 
20ι  10;  και  λαβέτιυσαν  άνά  λαμπάδα  Protevangelium  Jacobi 
νΠ  2;  ένεγκάτωσαν  άνά  ^oßbov  ebd.  VIII  3.  Jetzt  stellt  sich 
heraus,  dass  dies  echtes  Volkegriechisch  ist  und  an  fremdsprachigen 
Einfluss  nicht  gedacht  werden  darf  ^ 

Im  Papyrus  92  handelt  es  sich  um  die  Pacht  einer  Oel- 
mühle,  die  von  Pferden  getrieben  wird;  daher  (Z.  20)  6ώσω  bl 
και  υπέρ  διπλώματος  ϊπ[πιυν]  δύο  τά  κατά  συνήθιαν  νόμιμα, 
wo  über  δίπλωμα  die  gelehrte  Anmerkung^  der  Herausgeber  za 
vergleichen  ist^ 

^  Hier  sei  noch  ein  eklatanter  FhU  der  Art  abgethan.  κατήγωρ 
soll  nach  Schmiedel  p.  85  aramäische  Zustutzung  von  κατήγορος  sein. 
Thumb  hat  ihm  weiter  nichts  als  συνήγωρ  entgegengehalten,  das  freiJicli 
allein  durch  rabbinisches  Schrifithum  bezeugt  und  deshalb  werthlos  ist 
(Gr.  Sprache  im  Zeitalter  des  Hellenismus  S.  126).  Inzwischen  fand 
Deulmer  (de  incubutione  p.  119)  im  Enkomium  des  Therapon  einen 
πρόσμων  (IG,  9)  =  προσμονάριος,  und  verglich  den  Eigennamen  ΤΤάρμων 
bei  Fick-Bechtel  Gr.  Personennamen  p.  205.  Ein  besserer  Beleg  ist 
vielleicht,  dass  der  διάκτορος  Άργειφόντης  in  den  Scholia  Townleyana 
in  Iliad.  II  p.  98,  10  Maass  als  διάκτωρ  erscheint.  Dazu  διάκων  für  διά- 
κονος, ΤΤίνδαρ  für  Πίνδαρος,  s.  Krumbacher  bei  Deubner  aaO ,  wo  auch 
auf  ngr  έπίμων  =  επίμονος  hingewiesen  wird.  Endlich  der  Name 
Σίφωρ,  Σίφωρος,  Σύμφορος  vgl.  Brinkmann  in  dieser  Ztschr.  54  S.  95 
Anm.  2. 

^  Dagegen  muss  Einspruch  erhoben  werden,  wenn  sie  Ν  110,  14 
den  Ausdruck  κατά  άσφάλειαν  όμολογείαν  in  κατά  άαφάλειαν  ομολογίας 
ändern  wollen;  dem  widerspricht  schon  καθ'  όμολογίαν  an  derselben 
Stelle  im  folgenden  Papyrus.  Also  die,  οΐς  Ποσειδών  ασφάλειας  έστιν 
ή  βακτηρία,  werden  eher  an  κατά  άσφάλειον  όμολογίαν  als  Grundform 
denken ;  wenn  die  Papyri  βραχή  für  βροχή,  αλκή  für  ολκή,  κάταχος  für 
κάτοχος  und  Umgekehrtes  schreiben,  so  wird  man  ihnen  auch  ein 
άσφάλειαν  verzeihen  (vieles  der  Art  hat  A.  Dieterich  im  Index  des 
Pap.  mag.  s.  litt,  ο  zusammengestellt);  doch  ist  auch  ein  Femininum 
άσφαλεία  zu  άσφάλειος  sehr  wohl  denkbar,  selbst  zu  ανοίκειος  giebt  es 
άνοικεία,  und  so  möchte  man  an  κατ*  άσφαλείαν  όμολογίαν  glauben. 

^  Pap.  101,2  vergessen  sie  zu  notiren,  dass  iπεlfür  έιΗ  steht,  was 
des  Sinnes  wegen  nothwendig  ist  und  daher  hier  kurz  angemerkt  sein  mag. 


Aus  dem  zweiten  Bande  der  Amherst  Papyri  149 

Intereseant  ist  dann  weiter  Papyme  125,  eine  Rechnung 
für  ausgelegte  Begräbnieekosten.  In  Zeile  5  gebort  zur  Maske 
(πρόσωπων)  wobl  noch  ein  [€]ίμά(τιον),  in  8  sind  die  Kosten 
für  ein  στηθίν  (=  στηθίον)  ziemlich  hoch  berechnet.  Die 
Herausgeber  vennuthen  darin  einen  Halsschmuck;  könnte  nicht 
die  plastisch  herausgearbeitete  Brust  der  (weiblichen)  Mumie  ge* 
meint  sein,  vgl.  Budge,  Α  Guide  to  the  first  and  second  Egyptian 
Rooms,  T.  XXIV(Wiedemann)?  In  Ν  126  (Anfang  des  2.  Jahrb.  n.  C.) 
wird  die  τιμή  τεττάρων  χουν  ελαίου  auf  28  Drachmen  und  einen 
Obolen  angegeben,  χουν  läset  einen  Genitiv  χών  neben  χοών 
erschliessen  (vgl.  άναγνούστης  αναγνώστης  Κ.  Dieterich  S.  17. 
Mayser  Yokalismus  S.  13),  der  regelrecht  gebildet  ist  (Dieterich 
S.  43).  Die  Yerdumpfung  des  ω  zu  ου  ist  sehr  zu  beiherken. 
Ν  1 30  (70  ρ.  C.)  Brief  eines  Glutas  an  Eudychides  (so !)  den 
Gymnasiarchen;  der  Mann  hat  offenbar  das  Griechisch  wie  ein 
Sachse  gesprochen ;  denn  er  schreibt  auch  τωίις  für  δόξης.  Er 
bildet  eine  dritte  PI.  Perfecti  Τ€θ€λήκουσι.  Zu  seiner  Entschul- 
digung sagt  er  an  einer  Stelle:  π€ρί  τ€  των  i€  (άρταβών)  ούτε 
πλην  εύρων  οοτε  κερόν  (dh.  καιρόν)  γνούς,  άλλα  μεθ'  ήμίρας 
δψωμαι  (db.  βψομαι),  wo  die  Herausgeber  richtig  πλέον  in 
πλην  suchen,  aber  gemeint  scheint  πλεΐν.  In  Ν  133,  9:  πάρα- 
γενόμενοι  γάρ  έκεΐ  άντί[α]  ένήκαν  ήμεΐν  οαπάνην  ουκ  όλίγην 
και  ώς  ibex  βρ[αχύτερο|ν  mag  man  das  ionische  Adverb  άντία 
notieren;  andere  Ergänzung  ist  unmöglich,  indem  nur  für  einen 
Buchstaben  Raum.  Weiter  heisst  es  καΐ  μετά  πολλών  κόπων 
άνηκάσαμεν,  der  Verfasser  des  Briefs  hat  sich  άναγκάΖω  in 
όν-  όγκάΖΙω  zerlegt ;  er  braucht  sich  dessen  nicht  zu  schämen,  da 
die  Priester  des  grossen  Gottes  Soknopaios  in  einer  Bittschrift 
vom  Jahr  132  vor  C.  (N  35,  23)  κατεγγεγύηκας  schreiben;  also 
κατ- εγ- γυάω.  Noch  eine  Kleinigkeit  lässt  sich  in  Ν  135'  klar- 
stellen. Die  Herausgeber  lesen:  άπ[ο]λήμψη  [πα]ρά'Ερμοφΐλου 
κεράμου  μυριάδας  bvo  εΙς  θροτη[ν],  έάν  γένηται  ημάς  μή  ύπο- 
γυως  άναπλεϊν.  Sollte  da  nicht  vielmehr  υ  statt  des  unleser- 
lichen α  stehen  und  εΙς  θρύγην  verstanden  werden  müssen  dh. 
"für  die  Ernte**,  wie  es  auch  der  Sinn  empfiehlt?  Der  Ersatz  des 
τ  in  τρύγη  durch  θ  wäre  nicht  gerade  etwas  Absonderliches, 
vgl.  E.  Dieterich  S.  106,  Mayser  Consonantismus  S.  10;  an  das 
Schwanken  der  Handschriften  zwischen  τρυγονάω  und  θρυγονάω 
bei  Aristophanes  Eccl.  94  sei  nebenbei  erinnert. 

Ν  141  und  142  sind  zwei  Bittschriften  wegen  erlittener 
ΰβρις.     In  1    verklagt    eine   Wittwe    ihren    eignen    Bruder    und 


150  Radermacher 

deseen  Frau,    die   sie  halb    todt    geschlagen    hätten.     Das    wird 
drastisch  nnd  mit  köstlicher  üebertreibung  geschildert:  κατ€ν€Τ• 
κόντες  εΙς  το  έδαφος  πληγοϊς  ίκοναϊς  με  κατέκτιναν,  γρόνθοις 
τε  και  λακτίσμασιν  καθ'  δλιυν  τιυν  σωμάτων,  ώς  και  έπι  τών 
δψεών  μου  τα  οΙδήματα  φαίνεται,  ήμιθανή  καταστήσαντες  ου- 
δέν ήττον  και  την  περί  έμέ  έσθήτα  περιεσχεισαν.     Demosthenee 
(κατά  Κόνωνος  8)  hat  gleiches  Missgeschick  nicht  lebendiger  et- 
zahlt.     Aber  der  alte  Bauer  in  Ν  142,  dem  Nachbarn,  mit  Keulen 
und  Schwertern  bewaffnet,  sein  Eigenthum  abgenommen,  ist  zum 
Advokaten  gegangen,  weil  er  des  Schreibens  unkundig  war.    Und 
der  hat  ihm  ein  grosses  Schriftstück    aufgesetzt,    in    dem    es  an 
den  nöthigen  Schlagwörtern  nicht  fehlt.     μεταλοφρον]οοντες  τε 
τώ  περί  αυτούς  πλούτω  και  τή  έπι  τόπων  τυραννίςι  χρώμενοι 
έμοΟ  τελούντος  Λποκαρπουνται,   so  heisst  es  von   den  Gegnern. 
Was  das  bedeutet,  versteht  man   erst,  wenn  man  die  Schollen  tn 
Demosthenes  Midiana  1  heranzieht:    κέχρηται   τή   προτά(Τει  bia 
τήν    ποιότητα  του  Μειοίου*  πλούσιος   γαρ   και    μεγαλό- 
φρων.     οΐ    bk   τοιοΟτοι   μείίους    είσιν   τών   πολλών 
και  ώς  τυραννικοί  οιαβεβλη νται,  vgl.  zu  3:  όντικρύς 
bia  τούτων  αΐνίττεται  τόν  τύραννον  (vonMeidias),  zu7: 
άίιός  έστιν  ώς  υβριστής   και   τυραννικός   οημοσ{<)ΐ 
κολασθήναι.     Dieses  Stück   enthält   auch  Gelehrtes   im  Wort- 
schatz,   έπι  bk  όντιλέγουσιν  kann  dem  Zusammenhange  nach  nicht 
für  έπε\  bk  ά.  stehen;  vielmehr  muss  έπι  bi  ^ausserdem 'bedeuten. 
Das  hat  ja  Arrian  zB.  Anab.  II  7,  5.    Bei  Diodor  XIII  8,  5  hat  έπι 
bk  der  alte  Patmius,  drei  gute  Handschriften  geben  έπει  bk,  was 
auf  dasselbe  herauskommt,  die  übrigen  έτι  bk,  wie  im  Text  eteht 
Zu  beachten  haben  diese  Redensart   namentlich    die  Herausgeber 
des  Pansanias.     Bei   ihm   ist  I  22,  7    έπι   bk   allgemeine  Ueber- 
lieferung,  wo  man  entweder  έτι  bk  in  den  Text  nimmt  oder  sonst- 
wie sich  zu  helfen   sucht*.     V  7,  8   haben  έπι    bk    weitaus   die 
meisten    Handschriften;    einige    wenige    έπειτα    bk    oder    ?πειτα. 
Das  Richtige  dürfte  demnach  έπι  bk  sein.     Auch  U  13,  4  ist  ee 
vielmehr  in  überliefertem    έπεί   γε    enthalten,    als  das    konjizirte 
έπειτα. 

Gerade  die  letzten  Stücke  der  Veröffentlichung  geben  allerlei 
Interessantes  für  Grammatik  und  Lexikographie  aus.  Ν  144,  22: 
τό  γαυνάκιον  έπράθη  bi'  έμου  σίτου  άρταβών  δέκα  di.  'der 
Pelz    wurde    von    mir  für  zehn  Mass  Getreide  verkauft\     Von 


^  Vgl.  Michaelis  in  der  neusten  Ansgabo  z.  St. 


Ans  dem  zweiten  Bande  der  Amherst  Papyri  151 

καυνάκης  abgeleitet  ist  ein  Dem.  καυνάκιον,  das  sich  in  byz.  Prosa 
belegen  läest.  Merkwürdig  ist  nun  die  Erweichung  des  κ  ζα  γ, 
vgl.  τυββρνήτης  κυβερνήτης,  im  Aegyptischen  eben  so  selten, 
wie  das  umgekehrte  häufig.  Aus  unseren  Papyri  ist  die  Schrei- 
bung άττάλαις  statt  άγκάλαις  150,  25  zu  vergleichen,  oder  in 
Ν  79  έγμετρηταί  für  έκμετρηταί.  Ν  145,  4  ff.  kann  meines 
£rachtens  nichts  anderes  gestanden  haben  als:  βούλομαι  μ^ν 
καταζιιυθήναι,  ά€\  τράφ€ΐν  τή  (Τή  θ€οσ€βειςι  κα\  προσαγορεύειν 
την  [άν€]φάμιλλόν  σου  καλοκάγαθίαν.  Für  den  Curialstil  be- 
zeichnend ist  die  Unmöglichkeit,  den  Angeredeten  anders  als  in 
einer  Umschreibung  zu  nennen.  Der  Schluss  dieses  Briefes  ist 
absonderlich  ;  προσαγορεύω  τήν  σήν  οιάθεσιν  καΐ  τά  φίλτατά 
(Του  τά  πάντα,  hier  darf  man  sich  an  Petrons  topanta  erinnern, 
—  τούτο  γαρ  προτάττεσθαι  εδλογον  [εΙ]ί)ότα  περί  τών  αυτών 
ύπαρχθήναι  —  dies  ist  beinahe  gar  nicht  zu  übersetzen,  steht 
aber  zweifellos  für  εΐοότα  δτι  περί  τών  αυτών  (seil,  τών  φιλ• 
τάτιυν)  έμοί  υπάρχεις,  was  regelrecht  ins  Passiv  versetzt  so 
lautet:  εΐόότα  δτι  περί  τών  αυτών  ύπάρχομαι  (υπό  σου).  Ν  147,8 
δσπερ  έπάναγκες  έκνεάσας  αποκαταστήσω  (seil,  όρτάβας  πύ- 
ρου) ist  έκνεάσας  wohl  für  έκνεασάσας  verschrieben ;  wenigstens 
ist  έκνεά2!ω  sonst  intransitiv.  So  steht  αγοράς  für  όγοράσας  bei 
Grenfell  Hunt  Hogarth  119  p.  275^  Ν  150,  20  ein  Beleg  für 
erstarrtes  πλήρης,  vgl.  Brinkmann  in  dieser  Ztschr.  LIV  (1894) 
S.  94,  es  ist  also  nichts  zu  emendiren.  Die  in  Ν  153  erwähnten 
yaibapia  sind  übrigens  keine  Bauern,  sondern  Esel;  schon  Du 
Gange  v.  άείοαρος  hat  über  das  Wort  alles  Nothwendige  gesagt, 
έάν  bk  έκφρήσης  ebd.  Z.  15  dürfte  die  Lexikographen  inter- 
eesiren;  da  kommt  ein  glossematisches  Wort  im  Jahr  592  n.  C. 
plötzlich  zum  Vorschein.  Der  Schreiber  von  156  verwechselt  die 
Casus:  θελήση  f|  σή  αδελφότης  boövai  τόν  γραμματηφόρον 
(Pap.  των  γραμματίφοριυν)  ταριχίου  κυτίνια  επτά  '  es  möge  der 
Herr  Bruder  die  Gewogenheit  haben,  den  (so !)  üeberbringer  des 
Briefe  sieben  Fässchen  Pöckelfisch  einzuhändigen',  κυτίνιον  zu 
κύτος  ist  neu. 

Und    nun    zum  Schlüsse    noch    ein  Wunsch:    dass    der    so 
reichen  und  schönen  Gabe  bald  weitere  folgen  mögen. 

Bonn.  L.  Radermacher. 


1  Vgl.  Buecheler  Rh.  Mus.  LYI  (1901)  S.  325. 


DIE  INSCHRIFT  DER•  APHAIA  AUS  AEGINA 


ToO  beivoq  Κλ]€θίτα  ιαρέος  έόντος  τάφαίαι  ώι^ος 
ώικο5ομ]ήθη  χώ  βιυμός  χώλέφας  ποτεποιήθη 
χώ  π€ρίβολο]ς  π6ρι[€]ποιήθη. 
Von  der  Inschrift  der  Aphaia,  die  uns  die  bairischen  Aus- 
grabungen auf  Aegina  geschenkt  hahen,  hat  Fnrtwängler  ein,  wie 
der    mir    durch    seine  Güte    zugegangene  Papierabklatsch    zeigt, 
vorzügliches  Facsimile  in    den  Sitzungsberichten    der    Mtinchener 
Akademie  1901  S.  372  mitgetheilt  ^.     Die  Ergänzung  des  Namens 
in  Zeile  1    rührt  von  ihm'  her  und  schwerlich  giebt  es  eine  andre. 
Indem    er    aber  Κλεοίτα   an    den  Anfang    stellt    und   in  Zeile  2 
έττοι]ήθη  liest,  erreicht  er,    wie  ihm   auch    nicht    entging,    keine 
gleichmässige  Kaumausfüllung :    der    Eigenname    wäre    zu    kurz. 
Eine  solche  Anordnung  ist,    zumal  bei  der  grossen  Sorgfalt  der 
schönen  Schrift  ganz  unmöglich;  sie  wird  corrigiert,  wenn  wir  in 
Zeile  2  ein  längeres  Wort,  das  ich  gegeben  habe,  einsetzen  und 
Κλεοίτα  als  Bezeichnung  des  Vaters  nehmen,  dem  also  der  Name 
des  Priesters  voranstand ;  passenc^  wäre  unter  vielen  anderen  zB. 
Λυαία.     Das  zu  Anfang  der  dritten  Zeile  verlorene  Wort  endete 
auf  Sigma,  dessen  Obertheil  ich  auf  dem  Abklatsch  erkannt  habe; 
von  den  Vorschlägen  Furtwänglers  enthält  zwar    και    τό  τ€Ϊχος 
die    gleiche  Buchstabenzahl    wie    mein   χώ  περίβολος,    ist    aber 
wegen  seiner  zwei  Iota  dem  Räume  nach  weniger  wahrscheinlich^. 
Aber  das  gütige  Glück  hat  uns  so  viel  von  der  kostbaren 
Urkunde   bewahrt,  dass  auf  die  Ergänzung  wenig  ankommt.  Sehr 
wichtig  dagegen  ist  uns,    ob  Furtwängler  mit  Recht    für    ausge- 
macht hält,  dass  der  Vorgänger  des  uns  erhaltenen  Tempels  und 
damit  auch  dieser  der  Aphaia  gehört  hat. 

^  Dass  in  Zeile  2  das  X  kenntlich  ist,  hat  Furtwängler  selbst 
Berliner  philolog.  Wochenschrift  190J,  1088  nachgetragen. 

^  Ich  freue  mich,  dass  Fnrtwängler  meiner  Ergänzung  brieflich 
lieigestimmt  hat.  —  Bemerkenswerth  in  der  Inschrift,  die  sicher  dem 
•echstcn  Jahrhundert  angehört,  ist  der  frühe  Schwund  des  Vaw  von 
Γοΐκος.  Ebenso  steht  auf  einem  andern  bei  den  gleichen  Ausgrabungen 
K(«:fundeuen  Steine  κήργων  für  καΐ  "Έργων. 


Die  Inschrift  der  Aphaia  aus  Aegina  153 

'Der  Gebranoh  des  Wortes  οΤκος  oder  οίκημα  für  den  Cult- 
ranm  einer  Gottheit  ist  darch  mancherlei  Analogien  zn  belegen^ 
sagt  Furtwängler  S.  373.  Die  beiden  Worte  sind  sehr  verschie- 
den ;  οίκημα,  das  einen  ebenso  allgemeinen  Begriff  hat  wie  unser 
Bauwerk',  ist  für  die  Inschrift  gleichgiltig  ;  betreffs  οίκος  hat 
Furtwängler  unzweifelhaft  Recht:  er  führt  mit  der  Inschrift  aus 
Thisbe  CIGr,  Sept.  I  2733,  in  der  ein  οΤκος  καΐ  Διόνυσος, 
sicher  eine  Aedicula  mit  Cultbild,  geweiht  wird,  einen  späten, 
aber  passenden  Beleg  an.  Aber  wir  müssen  den  Gebrauch  des 
Wortes  genauer  festzustellen  versuchen.  οΤκος  kann  ebenso 
'Haus  bedeuten  wie  'Gemach^ ;  man  sollte  also  erwarten,  dass 
ein  in  einem  Tempelbezirk  befindlicher  οΤκος  sowohl  ein  Raum 
des  Tempels  als  ein  von  ihm  abgetrennter  besonderer  Raum  sein 
könnte.  Aber  die  erhaltenen  Inschriften^  kennen  nur  die  zweite 
Verwendung;  die  sichersten  Belege  sind  folgende.  Ein  Εύ5ώρ€ΐος 
οίκος,  di.  wie  Gonze  richtig  erklärt,  eine  Stiftung  des  Eudoros, 
im  Heiligthum  des  Apollon  zu  Anaphe  ist,  da  es  zur  Ortsbe- 
stimmung dient,  nothwendig  ein  eigner  Bau  (CIGr.  Ins.  III  248 
Z.  12);  CIGr,  3163  wird  ein  den  Neraeseis  in  einem  Nemeseion 
geweihter  οΤκος  ausdrücklich  als  neben  den  Tempel  gesetzt  be- 
zeichnet (τόν  πορατεθέντα  οΤκον).  Ebenso  wird  man  sich  τόν 
οίκον  τόν  έν  τώι  ίερώι,  der  den  Priestern  von  Andania  als  Ge- 
schäftslokal dient  ( Di tten bergers  Sylloge  653  Z.  113),  nicht 
innerhalb  des  Tempels  vorstellen. 

Also  so  weit  war  Furtwängler  im  Recht,  als  er  den  οΤκος 
der  Aphaia  für  ein  selbständiges  Bauwerk  ansah.  Aber  unmög- 
lich kann  das  Wort  den  Tempel  bezeichnen ;  niemand  wird  glau- 
ben, dass  Upoi  οΤκοι  nicht  ein  völlig  synonymer  Ausdruck  wäre 
für  lepoi  οΐκίαι,  die  wie  Ulrich  Köhler  (Athen.  Mittheil.  7,  373) 
endgiltig  gelehrt  hat,  'Dependenzen  der  dabei  stehenden  Tempel 
waren,  die  man  ganz  mit  Unrecht  ^  einfach  für  Tempel  genommen 
hat'.     Man  wende  nicht  ein,    dass    unsre   positiven    urkundlichen 


^  Die  vollständigste  mir  bekannte  Beispielsammlung  hat  Conze, 
Dntersuchungen  auf  Samothrake  141  zusammengebracht ;  dazu  Wend- 
land und  Kern,  Beiträge  114.  —  Nicht  ganz  hergehörig  ist  die  von 
Furtwängler  angeführte  Inschrift  bei  Wendland  und  Kern  S.  112  = 
Kern,  Inschriften  von  Magnesia  n.  94.  Da  das  Wohlwollen  gerühmt 
wird,  das  jemand  €ΐς  τόν  οίκον  τόν  Ιερόν  καΐ  €ΐς  τόν  6ήμον  hegt,  der 
Begriff  des  οίκος  also  dem  des  6ήμος  parallel  sein  muss,  bezeichnet 
es  die  Genossenschaft,  die  in  dem  οίκος  tagt,  eine  Uebertragung  die 
auch  die  modernen  Sprachen  vornehmen:  chambre,  Abgeordnetenhaus* 


154  Fränkel 

Zeugnisse  alle  viel  jünger  sind  als  die  Inschrift;  als  nngiltig 
darf  sie  nur  betrachten  wer  sie  durch  ältere  Urkunden  wider- 
legen kann,  aber  in  unseren  sacralen  Bauinscbriften,  die  doch 
bis  hoch  ins  vierte  Jahrhundert  hinaufreichen,  wird  der  Tempel 
immer  ναός  genannt,  niemals  οίκος. 

Wenn  also  der  Aphaia  ein  οΤκος  errichtet  wird,  so  muei 
ein  Tempel  in  dem  gleichen  Temenos  vorhanden  gewesen  sein. 
Nehmen  wir  an,  dass  schon  dieser  Tempel  der  Aphaia  gewidmet 
war,  so  könnte  der  οίκος  nur  untergeordneten  Zwecken  der  Ver- 
waltung gedient  haben;  würde  man  dann  seine  Errichtung  in 
einer  so  monumentalen  Bekundung  an  erster  Stelle  anfuhren? 
Vielmehr  ist  die  äusserste  Wahrscheinlichkeit,  dass  unser  οΤκος 
den  Cult  der  Aphaia  aufnahm,  dass  nothwendig  also  die  Gottheit, 
die  im  Tempel  verehrt  wurde,  von  Aphaia  verschieden  war. 
Welche  war  es  ?  • 

Dass  der  Tempel  nicht,  wie  man  früher  allgemein  annahm, 
der  Athena  gehörte,  halte  ich  mit  Furtwängler  für  unzweifelhaft; 
denn  der  an  seinem  ursprünglichen  Orte  gefundene  Grenzstein 
ihres  Heiligthums  war  gute  anderthalb  Stunden  von  unserem 
Tempel  entfernt^).  Welche  andere  Gottheit  sollte  aber  mit  Aphaia 
ihre  Cultst'atte  getheilt  haben  als  Artemis,  der  sie  wie  Pansanias 
Π  30,  3  sagt  μάλκττα  φίλη  war,  die  eine  Glosse  des  Hesych  gradezn 
identisch  nennt;  'Αφαία*  ή  Δίκτυννα  καΐ  ^Αρτεμις? 

Und  dass  in  der  That  die  Cultfitätte  der  Aphaia  auf  Aegina 
im  Temenos  der  Artemis  war,  ist  überliefert.  Antoninus  Li- 
beralis 40  erzählt  έΕίκετο   ή  Βριτόμαρτις  €ΐς  Αϊγιναν  έν  πλοίψ 

.  άποβάσα  έκ  του  πλοίου  κατέφυγεν  €ΐς  δλσος,  δθιπερ 

Ιύτχ  νυν  αυτής  το  Ιερόν,  κάνταυθα  έγίνετο  άφανής  [και 
ώνόμασαν  αυτήν  Άφαίαν*].  έν  bk  τφ  Ιερψ  της  Άρτίμιόος 
τόν  τε  ^  τόπον  έν  φ  άφανής  έγένετο  ή  Βριτόμαρτις  αφιέρωσαν 
Αιγινητοι  και  ώνόμασαν  <αύτήv^  Άφαίαν  και  ιερά  έπετέλεσαν 
ώς  θεώ.  An  der  richtigen  Benutzung  dieses  werthvollen  Zeug- 
nisses konnte  Furtwängler  nur  das  Vornrtbeil  hindern,  dass  οΤκος 


»  AVolters,  Athen.  Mittheilungen  14.  IIG. 

^  Diese  Worte  scheint  der  neueste  Herausgeber  Martini  mit  Recht 
eingeklammert  zu  haben,  der  sonst  die  Stelle  wenig  glücklich  behandelt. 

'  S4)  0.  Schneider:  überliefert  ist  bi,  Furtwängler  sagt  S.  378: 
'Dass  das  Artemis-Heiligthum  ein  von  dem  Orte  der  Verehrung  der 
Aphaiu  jxotrennter  Ort  war,  geht  mit  Sicherheit  aus  dem  gegensätzlich 
gegenüber  gestellten  folgenden  τόν  bi  τόιτον  hervor*.  Aber  das  an- 
knüpfende bi  ist  doch  nicht  dasselbe  wie  άλλα. 


Die  Inschrift  der  Aphaia  aus  Aegina  155 

deo  Tempel  bezeicbne.  Aach  Pausanias  II  30,  3  sagt  von  der 
Aphaia:  ταύτην  μέν  θ€Ον  έποίησεν  "Αρτεμις. 

Mir  erscheinen  die  Gründe  zwingend;  es  wird  eingewendet 
werden,  dass  Pausaniae  das  Ιερόν 'Αφαίας  nennt,  ohne  doch  den 
dabei  stehenden  Tempel  zu  erwäbnen.  Aber  wenn  dies  bei  an- 
dern Schriftstellern  Gewicht  hätte,  bei  dem  an  Wunderlichkeiten 
reichen  Pausaniae  hat  es  keines:  es  ist  psychologisch  leicht  er- 
klärlich, dass  ihn,  der  wie  bekannt  ist  gierig  war  nach  Cult- 
raritäten,  das  Interesse  an  der  verschollenen  Aphaia  hinnahm 
und  dass  er  über  der  ausführlichen  Nachricht  die  er  von  ihr  gab 
die  Erwähnung  des  Haupttempels  vergase.  £s  konnte  dies  um 
so  eher  geschehen,  als  er  zu  seiner  Zeit  längst  nicht  mehr  in 
Gebrauch  war  ;  der  ganze  Platz  war,  wie  Furtwängler  (S.  389) 
sagt,  früh  verödet,  nach  den  Funden  schon  seit  dem  fünften  Jahr- 
hundert. So  kann  es  auch  nicht  in  Verwunderung  setzen,  dass 
die  Agineten  sich  in  der  unteren  Stadt  einen  zweiten  Artemis- 
tempel bauten,  den  Pausaniae  II  30,  1  nennt  ^. 

Dass  in  beiden  Giebelfeldern  Athena  die  Hauptstelle  ein- 
nimmt, ist  eine  Discrepanz,  die  wir  als  belehrende  Thatsache  an- 
zuerkennen haben;  sie  bleibt  bestehen,  wem  man  auch  den  Tempel 
zuschreiben  will,  da  er  der  Athena  nun  einmal  nicht  gehört  hat. 
Es  ist  doch  auch  verständlich,  dass  man  an  dieser  bevorzugten 
Stelle  das  Geschlecht  des  Landesherren  Aiakos  durch  P.irstellung 
ihrer  nationalen  Kriegsthaten  verherrlichen  wollte,  und  die  Gott- 
heit, die  nach  dem  Bedürfniss  der  Giebelcomposition  die  Mitte 
einnehmen  musste,  konnte  dann  nur  eine  kriegerische  sein,  wie 
Athena•. 

Wir  müssen  noch  einmal  zur  Inschrift  zurückkehren.  Wenn 
sich  der  Ausdruck  χώ  βωμός  ποτεποιήθη  auf  die  eben  errichtete 
Kapelle  der  Aphaia  bezöge,  wie  wunderlich  wäre  er.  Das  für 
ein  Heiligthum  wesentlichste,  der  Altar,  wird  nicht  ^zugefügt*; 
der  οΤκος  ist  ohne  ihn  gar  nicht  denkbar.  Die  Inschrift  kann 
ausser  von  dem  Hause  der  Aphaia  von  allen  Theilcn  des  Te- 
menos  berichten,  in  dem  sie  aufgestellt  war:  es  wurde  dem  vor- 
handenen  Altar  der  Artemis  ein  zweiter  beigesellt.     Da  der  Aus- 


^  Unter  den  sehr  wenigen  Weihinschriften  von  Aegina  gilt  eine 
neben  Zeus  und  Athena  der  Artemis  (LeBae,  Voyage  II  1G83). 

^  üeber  die  Bedeutung  der  Athena  im  Giebel  vergleiche  man  die 
schönen  Ausführungen  Furtwänglers,  Beschreibung  der  Glyptothek 
S.  156  f. 


15β  Fränkel  Die  Inschrift  der  Aphaia  aus  Aegina 

druck  auf  die  Kapelle  der  Aphaia  nicht  passt,  ist  er  eine  Be- 
stätigung, dass  sie  nicht  allein  stand.  Unter  ό  έλέφας  versteht 
Furtwängler  das  elfenbeinerne  Cultbild  der  Aphaia,  für  das  aber 
so  wenig  wie  für  ihren  Altar  das  Verbnm  angemessen  wäre ;  das 
richtige  Wort  wäre  Ιδρύθη.  Aber  wo  hat  6  έλέφας  diese  Be- 
deutung? Es  ist  als  ^  der  Elfenbeinschmuck'  aufzufassen;  auch 
zu  diesem  stimmt  ποτβποιήθη  nicht,  wenn  er  an  dem  neuen 
οίκος  gleich  bei  dessen  Bau  angebracht  worden  wäre.  Also  wird 
auch  er  dem  schon  bestehenden  Tempel  hinzugefügt  worden  sein, 
wohl  seiner  Thür,  wie  die  Thür  des  Asklepiostempels  von  Epi- 
dauros  nach  Zeile  65  der  Bauinschrift  reich  mit  Elfenbein  ge- 
schmückt war.  Der  περίβολος  hat  natürlich  den  ganzen  Bezirk 
umschlossen:  unsere  Inschrift  giebt  Kunde  von  seiner  Ausge- 
staltung, in  der  die  Kapelle  der  Aphaia  nur  ein  Glied  war. 

M.  Fränkel. 


MISCELLEN 


Zam  I.  Strassbnrger  Arehiloehos-Fra^ente 

R.  Reitzenstein,  Zwei  nene  Fragmente  der  Epoden  des  Ar- 
obilochoe,  Berl.  Sitzgeber.  1899  S.  857  ff.  las  in  dem  I.  Frag- 
mente, das  die  Verwünflchung  eines  eidbrüchigen  Freundes  ent- 
hält und  von  Hör.  Epod.  10  frei  nachgeahmt  ist,  in  Zeile  3  €u- 
φρον€(Τ  . .  .  und  ergänzte  dieses  mit  H.  Diels  zu  €ύφρονέ(ΐ[τατα]. 
Der  kalte  Hohn  dieser  Litotes  passt  recht  gut  zum  scharfen 
Grundtone  des  Gedichtes,  wirkt  aber  nach  meinem  Gefühle  nicht 
mehr  recht,  nachdem  schon  γυμνόν  vorausgegangen  ist.  F.  Blase, 
der  die  Papyrusbruchstücke  selber  studiren  konnte,  sah  bloss  €u• 
Φρον[  .  .  und  ergänzte  dies  im  Rhein.  Mus.  55  (1900)  »S.  343 
zu  γυμνόν  €ύφρόν[ιυν  βροτών].  Diese  Ergänzung  trifft  schwer- 
lich das  Richtige.  Der  Ausdruck  ist  viel  zu  matt  für  dieses  Ge- 
dicht. Der  Sinn  von  γυμνόν  wird  durch  den  dazugesetzten  Ge- 
netiv abgeschwächt;  der  Schiffbrüchige  strandet  ^nackt',  nicht  "^der 
Hilfe  wohlwollender  Sterblichen  bar'.  Aehnliche  Einwände  erhob 
gegen  den  Vorschlag  von  Blass  auch  neulich  Am.  Hauvette, 
Revue  des  6tud.  grecq.  14  (1901)  S.  73,  ohne  jedoch  selber  eine 
Ergänzung  der  Stelle  zu  wagen. 

In  €ύφρον  .  .  .  ist,  wenn  ich  mich  nicht  täusche,  ein  das 
Grässliche  der  Situation  noch  steigender  Ausdruck  zu  suchen, 
dieser  aber  dürfte  €ύφρ6ν[ης  (Τκότψ]  oder  σκότει  sein.  Ich  ver- 
mag freilich  die  Verbindung  βύφρόνης  (Τκότος  nicht  zu  belegen, 
ßnde  sie  aber  durchaus  unanstössig.  Dass  bei  εύφρόνη  früh 
jede  Erinnerung  an  den  Grundbegriff  der  milden,  freundlichen 
Nacht  oder  gar  der  Freude  (ευφροσύνη)  verschwunden  ist,  zeigt 
schon  Hesiods  μακραι  γαρ  έπίρροθοι  εύφρόναι  είσίν  (W.  u.  Τ. 
^60 :  vgl.  Goettling  zu  Vs.  524).  Wollte  trotzdem  jemand  in 
unserer  Stelle  diese  Grundbedeutung  noch  durchschimmern  sehen, 
so  wurde,  mein'  ich,  gerade  das  Oxymoron,  der  innere  Gegensatz 
der  Begriffe  εύφρόνη  und  σκότος,  aufs  Beste  zum  Stilcharakter 
dieser  Verse  des  Archilochos  passen. 

Paläograpbisoh  steht,  wenigstens  bei  der  Lesung  von  Blass, 
der  von  mir  vorgeschlagenen  Ergänzung  nichts  im  Wege.  Da 
ich  in  dem  Facsimile  bei  Reitzenstein  weder  ec  noch  iu  zu  er- 
kennen vermag,    so   wage  ich   auch   nicht,    mit   irgend    welcher 


168  Miscellen 

Sicherheit  zu  behaupten,  daRS,  wie  mir  allerdinge  wahrscheinlicli 
i8t,  über  dem  ο  von  €υφρον  der  Eest  eines  Accentes  sichtbar 
eei.  Ist  das  der  Fall,  so  ist  €ύφρον€σ[τατα]  unrichtig,  während 
die  Ergänzung  €ύφρόν[ης  (Τκότψ]  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnt. 
Wenn  Keitzenstein  Zeile  2  des  gleichen  Bruchstückes  πλα• 
εόμενος  richtig  gelesen  hat  —  Blass  erklärt,  das  Sigma  nicht 
zu  erkennen  —  so  scheint  mir  hinter  diesem  Worte  ein  Punkt 
angemesen.  Mit  Vers  3  beginnt  ein  neuer  Satz,  der,  durch  die 
Parenthese  ^νθα  ττόλλ'  όναπλήσει  κακά  Ι  bouXiov  δρτον  fbujv 
unterbrochen,  mit  ^ίγει  π€πηγότ'  αυτόν  seinen  Abschluss  findet. 
Ist  das  wirklich  so  "^ungeheuer  hart',  wie  Blass  aaO.  S.  344  be- 
hauptet? Ist  etwa  die  Verbindung  von  V.  12  ταυτ'  έθέλοιμ'  δν 
ibeiv  mit  V.  13  δς  μ'  ήδίκησε,  λάζ  b'  έφ'  όρκίοις  ίβη  nicht  auch 
hart?  Die  Härte  der  Construction  darf  in  einem  Gedichte,  wie 
dem  vorliegenden,  nicht  Anstoss  erregen.  Uebrigens  ist  dae 
Nachhinken  von  ^ίγει  πεπηγότ'  αυτόν  durch  die  Epanalepsis  von 
αυτόν  gemildert,  während  dieses  αυτόν,  wenn  es  auf  ein  ihm 
näher  stehendes  Yerbum  als  Xaßotev  bezogen  werden  müsste, 
geradezu  lästig  wäre. 

Frauenfeld  (Schweiz).  Otto  Schulthese. 


Dionyg  de  Lysia  p.  32,  12  (p.  496  R.) 

Dass  der  Guelferbytanus  und  die  mit  ihm  verwandten  inter- 
polirten  Handschriften  (interpolirt  nenne  ich  sie  auch  noch,  nach- 
dem Blass  ^  das  Gegentheil  behauptet  hat)  im  iudicium  de  Lysia 
gelegentlich  einen  Text  bieten,  der  auf  den  ersten  Blick  sich  als 
ganz  vortrefflich  empfiehlt,  aber  trotzdem  im  Widerspruch  zu  dem 
durchgehenden  Sprachgebrauch  des  Autors  steht,  habe  ich  Fleck. 
Jahrb.  1895  S.  243  ff.  an  zwei  Beispielen  deutlich  zu  machen 
versucht.  Die  Sache  ist  ja  doch  auch  für  die  Kritik  der  bei 
Dionys  erhaltenen  Lysiasreden  von  prinzipieller  Bedeutung.  Des- 
halb füge  ich  hier  einen  neuen  Beleg  hinzu,  weil  sich  durch  ihn 
auch  Thalheim  in  seiner  jüngst  erschienenen  Lysiasausgabe  hat 
täuschen  lassen.  S.  496  R  nämlich  bieten  sowohl  der  Floren- 
tinus  als  der  Ambrosianus  mit  seiner  Sippe:  τήν  iUiaöiv  όπό 
τών  ύπ'  εκείνου  γραφεντιυν  ποιήσομαι,  eine  Lesung,  die  selbst- 
verständlich unmöglich  ist.  Im  Guelferbytanus  nebst  Verwandten 
dagegen  steht  την  έΗέτασιν  άπό  τών  ύττ'  εκείνου  γραφιέντων  ποιή- 
(Τομαι;  das  scheint  einleuchtend,  und  so  haben  denn  alle  früheren 
Herausgeber  und  neuerdings  wieder  Thalheim  geschrieben.  Aber 
der  feststehende  Brauch  fordert  die  Verwandlung  von  ύπό  in 
έττί,  wie  ich  hergestellt  hatte.  Wenn  irgend  ein  Schriftsteller, 
80  hat  Dionys  seine  stehenden  Redensarten;  schon  die  Zusammen- 
stellungen von  Sadoe  könnten  dies  jedermann  veranschaulichen*. 


1  Vgl.  jetzt  auch  Fuhr,  G.  G.  A.  1901  S.  105. 

*  De  Dionysii  Ual.  scriptis  rhetoriois  p.  261  (177)  sq. 


Miscellen  159 

Also  zB.  de  Dem.  p.  976  πάρεστι  τφ  βουλομένψ  σκοπεΐν  έπ' 
αυτών  ποιουμίνψ  τών  παραδειγμάτων  την  έ^έτασιν,  ρ.  1001 
τήν  άκριβεστάτην  βάσανον  έπι  τών  ομοίων  ίργων  λαβουσαι 
{άηο  sollte  man  hier  doch  wahrhaftig  eher  erwarten),  p.  1008 
πάρεστι  τφ  βουλομένψ  σκοπεΐν  έπι  τής  άρτίως  παρατεθείσης 
λ^εως  ποιουμένω  την  έΗέτασιν  vgl.  de  Isaeo  ρ.  592.  άπό 
findet  eich  in  dom  Zusammenhang  überhaupt  meines  Wissens 
nirgendwo,  wohl  aber  έπί  noch  als  das  gewöhnliche  in  ähnlichen 
Verbindungen:  vgl.  έπι  τών  παραδειγμάτων  σαφές  τι  ποιεϊν 
de  Dem.  1118,  ίσται  δέ  τοΟτο  φανερόν  έπι  τών  παραδειγμά- 
των de  comp.  ρ.  86,  άπεδείκνυον  έπι  τών  παραδειγμάτων 
ebd.  ρ.  180,  άπαντα  έπεΗιέναι  έπι  τών  παραδειγμάτων  ebd. 
ρ.  170,  έρώ  δ'  έπι  παραδείγματος  ebd.  ρ.  46,  ει  τις  αυτό  έπι 
παραδείγματος  ϊδοι  de  comp.  ρ.  44,  σκοπεΐν  έπι  παραδειγμάτων 
ebd.  ρ.  181  ^ 

Bonn.  L.  Badermaoher. 


Zu  Pseado-Sallnete  lavectiva 

Die  Invective  —  oder  richtiger  Replik  —  Psendo-Sallusts 
gegen  Cicero  haben  im  Jahre  1898  gleichzeitig  und  unabhängig 
von  einander  H.  Wirz  in  den  'Festgaben  zu  Ehren  Max  Büdingers' 
S.  89  —  116  und  R.  Reitzenstein  im  Hermes  XXXIII  S.  87—101 
mit  einem  Anhang  von  E.  Schwartz  S.  101  —  108  sehr  eingehend 
bebandelt.  Wesentliche  üebereinstimmung  herrscht  in  den  bei- 
derseitigen Besprechungen  darin,  dass  die  Invective  nicht  von 
demselben  Verfasser  herrühren  kann,  wie  die  angebliche  Replik 
Ciceros  —  die  eigentlich  eine  Duplik  sein  sollte  — ,  und  dass 
die  Invective  sich  in  das  Jahr  54  v.  Chr.  stellt,  während  die 
'Responsio  diese  Zeitgrenze  nicht  einhält  und  überhaupt  auf  viel 
spätere  Abfassung  hinweist,  wie  ja  auch  nur  für  oallust*  die 
Bezeugung  Quintilians  vorliegt.  Während  aber  Reitzenstein  und 
Schwartz  in  lebhafter  Ausführung  das  Pamphlet  nun  wirklich  in 
das  Jahr  54  setzen,  ja  Schwartz  sich  und  Anderen  einreden  möchte, 
dass  es  von  L.  Piso  herrühre,   hat  sich   Wirz  von  solchen  hitzi- 


^  Noch  an  einer  anderen  Stelle  hat  Thalheim  gegen  den  Sprach- 
gebrauch des  Dionys  Verstössen,  indem  er  p.  483  R  (S.  23,  22  unserer 
Aasg.)  mit  den  Aelteren  καΐ  δή  καΐ  τόν  Λυσίαν  έν  τούτοις  καταριθμείται 
schrieb.  Wenn  ich  aus  überlieferten  καταριθμεί  καΐ  vielmehr  κατηρίθ- 
μηκ€  gemacht  hatte  die  Aenderung  ist  an  sich  wohl  nicht  weniger 
leicht;  ein  itacistiecber  Fehler),  so  leitete  mich  hierbei  nicht  der  Wunsch, 
etwas  anderes  zu  drucken,  als  meine  Vorgänger  gedruckt  hatten,  son- 
dern vielmehr  die  Beobachtung,  dass  Dionys  und  Diodor  zwischen 
καταριθμεΐσθα{  τι  und  καταριθμείν  τίνα  iy  τισι  scharf  unterscheiden; 
damit  war  für  unsere  Stelle  die  Richtschnur  der  Behandlung  gegeben 
(vgl.  Rhein.  Mus.  1896  S.  475,  wo  die  Beispiele  stehen).  Das  plötzliche 
Eintreten  des  Perfekts  nach  vorhergehendem  Präsens  hat  bei  Dionys 
kein  Bedenken;  so  de  Din.  p.  640  R:  προοιμιά^εται  γάρ  όμο(ως  έκε(νφ 
καΐ  6ι'  δλου  τοΟ  λόγου  παραπλήσιος  μεμένηκε. 


160  Miscellen 

gen  üebertreibungen  und  sensationellen  Aaf stellangen  frei  gehalten 
und  das  Produkt  mit  Recht  auf  eine  Linie  gestellt  mit  des  Psendo* 
Antonius  und  Pseudo-Catilina  Heden  'in  toga  Candida ,  von  deren 
Abfassung  durch  Ciceros  'obtrectatores'  wir  bei  Asconiue  lesen 
(während  Quintiiian  die  erstere,  wie  unser  ^Sallustianum^,  fSr 
echt  gebalten  zu  haben  scheint),  und  mit  ähnlichen  Apokryphen^. 
Dass  die  alten  Khetoren  und  Rhetorschüier,  wie  die  Historiker, 
solche  für  bestimmte  Personen  und  Situationen  fingierte  Reden 
übten  und  verübten,  ist  ja  bekannt  genug:  und  so  gewiss  ihnen 
dabei  oft  und  leicht  Anachronismen  begegneten,  so  heisst  es  doch 
nicht  nur  die  Möglichkeit,  sondern  auch  die  vielfach  vorliegende 
Thatsächlichkeit  besser  in  die  Zeit  eingepasster  Erzeugnisse  arg 
verkennen,  wenn  man  sich  gleich  zu  solchen  Schlüssen  versteigt, 
wie  die  beiden  Strassburger  Collegen.  Vollende  die  Schwarte* sohe 
Hypothese  ist  geradezu  unbegreiflich  und  unmöglich  ^  Wenn  er 
sich  dHfür  auf  die  Bezeugung  einer  Pisonischen  Schmähschrift 
durch  Cicero  selbst  beruft,  so  spricht  ja  gerade  dieses  Zeugniss 
auf  das  Klarste  gegen  seine  Ansicht:  denn  da  ist  die  Rede  ganz 
deutlich  von  einer  Schrift  unter  Piso^s  Namen.  Nun  verstehen 
wir  nach  dem^  was  Wirz  noch  besser  als  Reitzenstein  bemerkt 
und  belegt  hat,  sehr  wohl,  wie  die  Maske  Sallusts,  und  eben 
auch  in  jener  Zeitgrenze,  zu  der  Invective  benutzt  werden  konnte: 
wie  aber  Jemand  die  noch  viel  verständlichere  und  hervortreten- 
dere  Rolle  des  Piso  dem  Sallust  hätte  unterschieben  sollen,  das 
ist  doch  mehr  als  dunkel  und  unklar.  Was  aber  im  Einzelnen 
noch  zur  Unterstützung  der  Annahme  dieser  Autorschaft  vorge- 
bracht oder  vielmehr  mühsam  zusammengesucht  wird,  das  ist  so 
fadenscheinig  und  schleierhaft,  dase  der  scharfsinnige  Urheber  der 
Meinung  sie  vielleicht  schon  jetzt  selber  nicht  mehr  ernsthaft 
nimmt.  Jedenfalls  lohnt  es  nicht  gegen  diese  Windmühlen  zu 
kämpfen :  wohl  aber  erscheint  es  angezeigt  eine  einzelne  Stelle 
zu  besprechen,  bei  der  Reitzenstein  und  Schwartz  gänzlich  in  die 
Irre  gegangen  sind,  während  Wirz  sie  zwar  richtig  beurtheilt, 
aber  nicht  richtig  behandelt  hat. 

Bei  den  Worten  quo  iure  cum  de  exilw  tuo  Dyrrachio  re- 
distif  eum  insequeris  hat  Reitzenstein  p.  88,  3  mit  Recht  die  Ver- 
suche älterer  Herausgeber  und  Jordans,  sowie  Eussners  Conjectur 
abgewiesen  und  sich  mit  Vogel  für  hisequeris  (nicht  sequerü)  ent- 


^  Die  sehr  problematischen  Versuche  von  Wir«,  Benatzung  der 
Briefe  Ciceros  uä.  nachzuweisen,  lassen  wir  auf  sich  beruhn.  Die  lieber- 
einstimmuDgen  sind  keineswegs  so  schlagend  und  die  Lückenhaftigkeit 
unserer  Kenntniss,  gerade  was  die  damalige  Tageslitteratur  betrilTt,  ist 
kaum  in  Anschlag  gebracht. 

^  Als  'unwahrscheinlich'  hat  sie  gleich  Schanz  in  der  zweiten 
Auflage  seiner  Litteraturgeschichte  bezeichnet.  Auch  Peter  in  den  Ab- 
handlungen der  Kgl.  Sachs  Ges.  d.  W.  XXI,  1901,  3  S.  175,  1  deutet 
seine  Skepsis  gegenüber  den  neuen  Ofl'enbarungen  an.  Dagegen  haben 
Schlee  (im  Jahresbericht)  und  Maurenbrecher  (in  der  Anzeige  von  Wins) 
sich  beifällig  geäussert. 


MiBoellen  161 

echieden,  folgert  aber  plötzlich  und  unvermittelt  ^e  ο  m  i  t  (?)  iet 
die  Annahme  einer  Lücke  unvermeidlich'  und  ergänzt:  (qui  cum 
capitis  periculo  amnes  pro  te  lahores  exanclavit)  oder  (qui  pro  te 
capitis  periculum  suhiÜ^)  quo  iurCy  cum  de  exilio  tuo  Dyrrachio 
redisti,  cum  insequeris?  Er  denkt  dabei  an  Horteueius  (vgl.  pro 
Mil.  37),  wenn  auch  natürlich  alles  unsicher  sei.  Man  braucht 
diese  Periode  bloss  im  Zusammenhang  der  Sätze  bei  Reitzeustein 
selber  zu  lesen,  um  sofort  zu  fühlen,  dass  sie  aus  der  Umgebung 
volietändig  herausfällt  und  stilwidrig  ist. 

Schwartz  aber  meint  S.  105:  die  Erwähnung?  des  gewöhn- 
lichen und  üblichen  Hafens  für  die  Ueberfahrt  nach  Italien  Hesse 
sich  zwar  allenfalls  daraus  erklären,  dass  Cicero  die  letzten  sieben 
Monate  seines  Exils  in  Dyrrachium  zubrachte,  er  möchte  sie  aber 
doch  in  eine  eigenthümliche  Beleuchtung  rücken  durch  den  Gegen- 
eatz  zwischen  dem  verbannten  Consnlaren  und  dem  Proconsul 
Makedoniens,  der  von  demselben  Hafen  aus  zurückgekehrt  war,  und 
dem  Cicero  gerade  die  schmähliche  Abreise  von  Dyrrachium  bei 
Nacht  und  Nebel  vorgerückt  hatte  (in  Pis.  93),  —  aber  auch  er 
muss  das  für  unsicher  erklären,  weil  der  Zusammenhang,  in  dem 
der  Satz  stehe,  wegen  der  schweren  Verderbniss  wohl  immer  un- 
klar bleiben  werde. 

Nun,  die  Erwähnung  von  Dyrrachium  ist  nicht  nur  durch 
die  sieben  Monate,  sondern  vor  Allem  durch  das,  was  Cicero  pro 
Plancio  97  f.  und  anderwärts  sagt,  hinlänglich  gerechtfertigt: 
und  gewiss  hat  Wirz  ohne  zureichenden  Anlass  und  ohne  Wahr- 
scheinlichkeit Byrrachio  als  Glossem  eingeklammert.  Eine  Be- 
ziehung aber,  wie  sie  Schwartz  hineinlegen  möcl^te,  ist  nicht  nur 
unsicher,  sondern  ganz  unannehmbar  —  selbst  abgesehen  von 
dem  Ungrund  seiner  ganzen  Hypothese  — ,  weil  auch  etwas  der- 
artiges aus  dem  Charakter  und  Zusammenhang  der  ganzen  Partie 
vollständig  herausfallen,  durchaus  stilwidrig  sein  würde. 

Wie  Reitzeustein  an  Hortensius  denken  konnte,  ist  trotz 
pro.  Mil.  37  unerfindlich:  mit  Recht  sagt  Wirz  p.  107  es  'liege  auf 
der  Hand'  die  Worte  auf  das  Verhältniss  von  Cicero  zu  Porapejns 
zu  beziehen  und  mit  Recht  hat  er  es  nicht  für  nöthig  gehalten 
dafür  die  bekannten  Zeugnisse,  wie  pro  Sestio  74.  104;  in  Pis. 
35.  80 ;  pro  Mil.  39,  anzuführen.  Wenn  aber  Wirz  für  quo  iure 
cum  schreibt  quo  auctore,  so  ist  diese  Aenderung  zunächst  äns- 
serlicb  ohne  jede  Probabiiität;  sodann  aber  verstehen  wir  auch 
nicht,  wie  in  dieser  Form  sich  der  Satz  anscbliessen  kann  an  die 
Worte  cui  in  civitaie  insidias  fecisti,   anciU^xris^^  die  doch    eben- 


*  cuiua  tu  ϋϋαε  insidias  fecisti^  (ei)  ancülaris  schreibt  Wirz, 
während  Reitzenstein  in  dem  überlieferten  in  civitate  einen  eigenthüm- 
Hchen  Ausdruck  für  *im  Frieden*  sehen  möchte,  der  zugleich  die  Worte 
de  exilio  vorbereiten  und  verschärfen  solle.  Das  letztere  ist,  auch 
abgesehen  von  der  gleich  in  Frage  zu  stellenden  Folge  der  Worte  in 
ciOÜate  —  de  exilio,  kaum  recht  verständlich ;  das  erstere  ist  nicht  nur 
'eigenthümlich',  sondern  höchst  künstlich:  und  an  diese  Klauberei  zu 

fUi^in.  Mus.  f.  Phllol.  N.  F.  LVII.  11 


162  Miscellen 

falls  ohne  Weiteres  und  ohne  Zweifel  auf  denselben  Pompejue 
drehen.  Das  war  wohl  auch  der  Grund,  weshalb  Reitzenetein  von 
der  einfachen  und  wahren  Erklärung  der  Stelle  quo  iure  etc. 
abirrte.  Diese  scheinbare  Schwierigkeit  findet  aber  die  schnellste 
Lösung  und  zugleich  gewinnt  die  Frage  der  Herstellung  des 
Sinnes  in  jener  Stelle  eine  entschiedene  Forderung,  wenn  wir 
wenige  Zeilen  später  lesen :  quem  maxime  odisti^  ei  maxime  oh- 
sequeris.  Dass  die  fraglichen  Worte  im  Gegensatz  zu  diesen 
stehen,  also  auch  wirklich  zu  ihnen  zu  stellen  sind,  indem  wegen 
der  gleichen  Form  insequeris  nach  ohsequeris  der  erste  Satz  aus- 
gelassen und  dann  vom  Hand  an  falscher  Stelle  nachgetragen 
wurde,  das  schlägt  doch  in  die  Augen  und  ist  um  so  sicherer, 
als  nicht  nur  die  Formen  quem  —  ei  öbsequeris  und  quo  (?)  — 
eum  insequeris  sich  vollkommen  entsprechen,  sondern  auch  die 
Verba  odisti  und  redisti  an  einander  anklingen  (wie  unmittelbar 
vorher  laedis^  laudas).  Damit  ist  aber  auch  schon  nahe  gelegt, 
dass  dem  quem  —  ei  in  der  Umkehr  cui  —  eum  entsprach^  und 
dass  zu  iure  der  dem  odisti  entsprechende  Gegenbegriff  aus  dem 
sinnlosen  cum  zu  gewinnen  ist:  ich  denke  intumus  (iTum*  liegt 
ja  bis  auf  ein  paar  Striche  in  cum)  oder  ein  Synonymum,  das 
beim  Nachtrag  der  Stelle  am  Rand  verstümmelt  wurde*.  Wir 
lesen  also:  quae  tibi  partes  rei  puhUcae  placent?  quetn  amicumj 
quem  inimicum  hohes  ?  cui  in  civitate  (?  inciviWer  ?)  insidias  feci- 
sti,  anciliar is;  quos  tyrannos  appdlabas,  eorum  potent iae  faves;  qui 
tibi  ante  optimcUes  videbantur,  eosdem  nunc  dementes  ac  fariosos 
vocas;  Vatinii  causam  agis^  de  Sesfio  male  existimas;  Bibulum 
petuJantissimis  verbis  laedis^  laudas  Caesarem;  quem  maxime  odi- 
sti, ei  maxime  öbsequeris :  cui  iure  intumus  (?)  de  exilio  tuo  Dyr- 
rachio  redisti^  eum  insequeris;  aliud  sfans,  aliud  sedens  de  rt 
publica  sentis;  his  male  diciSt  illos  odisti,  lenissime  transfuga,  nt- 
que  in  hac  neque  in  illa  parte  fidem  habens !  Ich  denke  die  Ver- 
besserung durch  die  Umstellung  macht  sich  an  beiden  Stellen 
gleichmässig  geltend,  und  wir  dürfen  im  Gegensatz  zu  Schwartz 
sagen,    dass  wir,   wenn  auch  nicht  den  ursprünglichen    Wortlaut, 


glauben  mag  noch  weiter  hindern,  dass  in  hac  civitate  unmittelbar  vor- 
hergeht. Ungern  möchte  man  aber  so  stark  eingreifen,  wie  Wirz  thut, 
und  cui  ändern,  um  dann  ei  einschieben  zu  müssen.  Vielleicht  st-eckt 
in  incivitate  ein  Adverbiuin,  wie  incogitate  oder  inciviliter. 

^  cui  statt  quo,  niclit  quoi,  was  äuBserlich,  vollende  vor  iure,  näher 
läge,  da  auf  solche  Kelativformeu  in  der  Ueberiieferung  dieses  Stückes 
nichts  hinweist  und  cui  iure  auch  ohnedies,  vollends  nach  der  Verstüm- 
melung des  nächstfolgenden  Wortes,  leicht  zu  quo  iure  werden  konnte. 

^  Passend  wäre  cui  iure  addictus,  so  dass  cum  aus  dem  Reste 
auf  nach  Ausfall  von  addi  enstanden  wäre.  Darauf  könnte  in  der  re- 
sponsio  Cicero's  hinweisen  4,11:  non  enim  uni  privatim  ancillatus  sum 
neque  mc  addixi,  und  wenn  diese  Beziehung  vorläge,  so  würde  sie 
dafür  sprechen,  dass  schon  dem  Verfasser  der  responsio  (Didius?)  die 
beiden  Sätze  cui  —  oncillaris  und  cui  iure  addictus  —  insequeris  neben- 
einander vor  Augen  standen,  sei  es  bloss  wegen  der  gleichen  Beziehung, 
sei  es  wegen  der  schon  eingetretenen  Verstellung. 


MiBcellen  163 

βο  doch  den  SiDn  und  ZueammeDhang  des  hier  ausführlich  be- 
sprochenen Satzes  trotz  der  Verderbniss  sicher  und  klar  erfassen 
können.  Auch  die  Wiederholung  von  {illos)  odisti  nach  {mcutime) 
odisti  fällt  bei  unserer  Wiederherstellung  kaum  mehr  unangenehm 
auf:  und  schwerlich  werden  wir  mit  Wirz  illos  adularis  oder  et- 
was ähnliches  dafür  einzusetzen  veranlasst  und  berechtigt  sein. 

Aber  auch  dass  wir  die  von  Reitzenstein  und  Schwartz  be- 
hauptete Lückenhaftigkeit  in  diesem  Falle  anzuerkennen  weder 
genöthigt  noch  auch  nur  im  Stande  waren,  hat  noch  weitere  Be- 
deutung. Denn  auch  anderwärts^  beruht  die  Annahme  von  Ver- 
lusten, die  Bezeichnung  unseres  Stückes  als  Fragment  oder  £x- 
cerpt  nur  darauf,  dass  das  Vorliegende  den  Ansprüchen,  Vor- 
stellungen und  Behauptungen  in  jener  phantasiereichen  Doppel- 
behandlung des  Hermes  nicht  entspricht.  Reitzenstein  sagt  uA. 
S.  93  f.,  dass  den  Namen  Sallust  die  Invektive  erst  erhalten  konnte, 
als  dieser  Theil  oder  diese  Theile  aus  einer  grösseren  Rede 
ausgelöst  und  isolirt  waren,  dass  der  Schlusssatz  wohl  einen 
Theil,  nicht  eine  vollständige  Rede  beenden  könne, 
es  sei  Urumöglich,  dass  eine  Rede,  welche  sich  selbst  als 
Antwort  gibt  *und  den  Redenden  in  Gefahr  zeigt'  (?),  keinerlei 
Vertheidigung,  kein  Eingehen  auf  die  Anschuldigungen  des  Geg- 
ners enthalte.  In  vollster  Uebereinstimmung  sagt  Schwartz  uA. 
S.  103:  'nur  die  Invektive  ist  erhalten,  die  Vertheidigung  ist 
verloren*  und  zieht  daraus  weitere  Schlüsse. 

Allein  die  Eingangsworte  stellen  ja  mit  der  wünschenswer- 
thesten  Deutlichkeit  fest,  dass  der  Autor  lediglich  auf  Cicero'« 
maledicta  mit  maledicta  erwidern  will:  nur  um  'persönliche  Be- 
merkungen', nicht  um  eine  wirkliche  Debatte  handelt  es  sich  in 
diesem  angeblichen  Auszug  aus  einer  höchst  unparlamentarischen 
parlamentarischen  Verhandlung  des  Senats  aus  der  Zeit  Cicero's 
und  Sallusts.  Wer  also  hier  neben  dem  ψόγος  die  άττολογία 
vermipst  und  für  notbwendig  verloren  hält,  der  verlässt  das  Ge- 
biet nicht  nur  der  Interpretation,  sondern  auch  der  berechtigten 
Divination. 

Heidelberg.  Fritz  Scholl. 


Die  Verse  des  'Vallegios'  iD  der  Vita  TereDtii 

Üeber  den  Namen  des  Dichters  der  drei  Verse,  welche 
Donat  in  dem  Anctarium  zu  Suetons  Vita  Terentii  anführt,  ist 
man  im  Unklaren  und  wird  man  ohne  unerwartete  Hilfe  wohl 
immer  im  Unklaren  bleiben:  denn  die  äusserlich  naheliegenden 
Aenderungen    Val[lejgius  und   Vagellius  empfehlen   sich   sachlich 


*  Wenn  Reitzenstein  S.  94,  1  schon  vor  ubi  querar  und  dann 
wieder  vor  verum  ut  opinor  einen  grösseren  Ausfall  *zu  empfinden  meint*, 
so  läset  sich  über  solche  EmpBndimgen  natürlich  nicht  streiten:  wer 
sie  nicht  theilt  —  uhne  freilich  darum  das  Ganze  loben  zu  wollen  — , 
der  wird  für  minder  feinfühlig  gelten  müssen! 


164  MisccUen 

keineswegs  und  die  sachlich    empfehlenswertheren    Valerius  oder 
Volcacius  hahen  kaum  äussere  Wahrscheinliohkeit. 

Dem  gegenüber  herrscht  über  den  Wortlaut  ziemliche  Ue- 
bereinstimmung.  Aus  dem  tiberlieferten  (Scipionis  fabulas  edi- 
disse  Terentium  Vallegius  in  actione  aU)  hae  quae  vocantur  fabu- 
lae  cuiae  sunt  non  hos  qui  iura  populis  retentibus  (oder  recensen- 
Uhus)  dabal  summo  honore  affecius  fecU  fabiUas  hat  Ritsciil  nacb 
verschiedenen  Anläufen  hergestellt  (den  Eingang  mit  Windisch- 
mann  und  Fleckeisen): 

Tuae,  Terenti,  quae  vocantur  fabulae 
Cuiae  sunt  ?  non  has  iura  qui  populis  dabat 
Summo  ille  honore  affectus  fecit  fabulae? 
und    diese  Fassung   haben  uA.  Dziatzko  und  Fleckeisen    in    ihre 
Terenzausgaben,    Wesener   in    seine  im  Druck  befindliche  Donat- 
ausgabe aufgenommen  ^. 

Dass  aber  in  drei  Senaren  eine  Buchstabenänderung,  zwei 
Einschiebungen  —  die  eine  mit  zweifelhaftem  Anhalt  an  einer 
anderen  Stelle  ~,  eine  'Streichung  und  eine  Umstellung  vorge- 
nommen sind,  kann  gewiss  nicht  das  Gefühl  der  Sicherheit  oder 
auch  nur  der  Wahrscheinlichkeit  geben,  wenn  auch  eine  derartige 
Yerderbniss  nicht  geradezu  unmöglich  genannt  werden  kann. 

In  diesem  Fall  kommen  wir  aber  bei  genauerem  Zusehen 
auf  eine  einzige  ganz  sichere  Yerderbniss,  für  die  allerdinge  eine 
einigermassen  sichere  Heilung  kaum  zu  finden  sein  wird :  im 
Uebrigen  lassen  sich  durch  richtigere  Auffassung  der  Ueberliefe• 
rung  Aenderungen  vermeiden. 

Um  mit  dem  nächstliegenden  zu  beginnen,  so  zeigt  der 
zweite  Vers  einen  entschiedenen  Ueberschues,  während  der  dritte 
einen  Defekt,  nicht  im  Sinne,  sondern  im  Metrum  aufweist.  Da- 
raus wird  einfach  zu  schliessen  sein,  dass  dabat  nicht  ans  Ende 
des  zweiten,  sondern  an  den  Anfang  des  dritten  Verses  gehört 
und  durch 

Dabat,  summo  honore  affectus  fecit  f&bulas 

jeder  Anstoss  und  jede  Aenderung  zu  vermeiden  ist.  Wir  haben 
genau  den  gleichen  Fall,  wie  bei  der  Grabschrift  des  Pacuvins, 
in  der  man  den  ersten  Vers  bis  vor  Kurzem  mit  rogat  schloes 
und  dadurch  vorher  und  nachher  zu  Einrenkungen  genöthigt 
war,   während  die  vor  einigen  Jahren   ans  Licht  gekommene  in- 


1  Vgl.  Ritechl  Opusc.  III  p.  214.  268-274.  Etwas  abgewichen 
ist  Spengel  in  seiner  Andriaausgabe  p.  V,  indem  er  im  letzten  Vers 
die  alte  Umstellung  des  Erasmus  Honore  summo  vorzieht,  im  ersten 
Hae  läset  und  am  Ende  Terenttae  zusetzt.  Viel  schonender  ist  diese 
Behandlung  auch  nicht,  und  er  hätte  wenigstens  ( TerefUia)nae  q.  v.  f. 
mit  Barth  schreiben  sollen.  Schanz  aber  in  seiner  Litteraturgeschichte 
I*p.  118  f.  benutzt  den  rein  conjecturalen  Vocativ  Terenti  in  der  obi- 
gen Fassung  zu  weiteren  Folgerungen,  Siehe  unten.  Anders,  aber 
nicht  gelinder  und  nicht  ohne  gröberen  Fehler,  hat  Bährens  FPR. 
p.  280  die  Verse  gestaltet. 


Miecellen  165 

ecbrift liehe  Parallele  bewies,  dase  rogott  zum  folgenden  Vere  ge- 
hörte   und  nur  vorher  eine  leichte  Nachbesserung  zu  treffen  war. 

Aber  auch  im  ersten  Vers  hilft  eine  ganz  ähnliche  Mass- 
nahme über  iuae  (  Terenti)  statt  hae  oder  ähnliche  Gewaltmase- 
regeln hinweg.  Allgemein  hat  man  in  den  nach  Vallegius  fol- 
genden Worten  in  actione  ait  den  Titel  des  Gedichtes  gesucht 
und  dafür  eine  ganze  Reihe  von  Besserungsvorschlägen  ohne  jede 
Wahrscheinlichkeit  ausgesonnen  oder  so  künstliche  Erklärungen, 
wie  Schanz  (s.  o.  Anm.),  der  aus  dem  gar  nicht  überlieferten 
Terenti  auf  die  Form  der  (Gerichts)verhandlung  =  Actio  schloss. 
Schreiben  wir  aber  —  was  doch  gar  keine  wirkliche  Aenderung 
ist  —  in  actioneim),  so  ergibt  sich  sofort,  dass  diese  Worte  nicht 
den  Titel,  sondern  den  Anfang  des  Citates  vor  dem  eingescho- 
benen ait  enthalten,  und  Scipionis —  Vallegius  zusammengehört  mit 
dem  vorhergehenden:  nam  duos  Terentios  poetas  fuisse  scribU 
Maecius, 

In  iotionem  hae  quao  vocantur  fdbulae 
gibt  einen  untadeligen  Vers  und  Sinn:  die  Redensart  in  actionem 
vocare  stellt  sich  zu  den  bekannten  in  iiis,  in  iudiciumy  in  rostra, 
in  certamina  vocare  uäm.  und  es  wird  in  höchst  passender  Weise 
die  Frage  als  eine  Verhandlung  über  litterarisches  Eigenthum 
bezeichnet,  was  aus  ^Aotio*  als  Titel  weder  ohne  Weiteres  zu 
entnehmen  war,  noch  eine  glaubliche  Vorstellung  für  ein  ganzes 
litterarhistorisches  Gedicht  erwecken  kann. 

So  bleibt  nur  die  wirkliche  und  schwere  Corruptel  des 
mittleren  Verses : 

Guiae  sunt?   non  has  qui  iura  populis  retentibus  (recen- 

sentibus). 
Ist  die  überlieferte  Stellung  qui  iura  richtig,  so  muss  auf  iura 
ein  vocalisch  anlautendes  Wort  gefolgt  sein:  man  könnte  denken 
an  amplis^  so  dass  nach  Wegfall  des  ü  nach  (iur)a  aus  plis  ge- 
lesen wurde  populis  und  dann  aus  gentibus  entstanden  wäre  re- 
gentibus  mit  weiteren  Corruptelen;  oder  es  könnte  poplis  den 
Vers  geschlossen  haben  und  davor  ein  Adjektiv  von  der  Messung 
optdeniis  aus  dem  folgenden  sinnlosen  retentibus  zu  suchen  sein. 
Auch  qui  iura  opsirepentibus  Dabat  wäre  denkbar.  Stellt  man 
dagegen  mit  Ritsohl  iura  qui  um,  so  könnte  populis  bleiben  und 

entibua 
dazu  am  Schluss  etwa  recens  treten,  aus  recens  die  Ueberlieferung 
der  Handschriften  erklärt  werden.  Das  alles  sind  nun  freilich 
vage  Möglichkeiten  oder  kritische  Spielereien ;  in  dessen  dieses 
Kreuz  ist  ja  auch  bisher  nur  durch  einen  Gewaltakt  entfernt 
worden :  und  wenn  auch  Andere  mit  uns  nur  hier  hängen  bleiben 
sollten,  so  wäre  immerhin  schon  Erkleckliches  gewonnen. 

Heidelberg.  Fritz  Scholl. 


16β  Misoellen 

Ζα  Ammianati  MareelliDve 

Ammianus  Marc.  30,  5  §  19:  Valentinian  kann  sein  Pferd 
nicht  besteigen,  da  es  sich  bäarat ;  der  jähzornige  Kaiser  befiehlt 
daher,  seinem  Stallmeister  die  rechte  Hand  abzuhauen.  Die 
Worte  lauten:  (Valentinianus)  Sit  erat  inmanis,  dexteram  stratoris 
militis  iussit  abscidi,  quae  eum  insilientem  iumento  pulsercU  con- 
sueiu:  perissetqoe  cruciabiliter  innocens  iuvenis,  ni  tribunus  eta- 
buli  Cerealis  dirum  nefas  cum  sui  periculu  di8tuli8set\  So  ist 
überliefert.  Statt  'pulserat'  hat  Gardthausen  mit  C.  F.  W.  Müller 
'pulsaraf  eingesetzt;  das  folgende  Wort  war  früher  in  der  (sonst 
nicht  vorkommenden)  Form  'consueto*  beibehalten  worden,  während 
Gardthausen  dafür  Kiessling's  Vermuthung  'inconsulto  aufgenom- 
men hat.  Keine  dieser  Aenderungen  ist  befriedigend.  Hätte  der 
Strator  den  Kaiser  geschlagen,  gepufft*,  wenn  auch  *obne  Vor- 
bedacht* (der  Zusatz* wie  gewöhnlich*  ist  natürlich  ganz  unzulässig), 
so  wäre  er  nicht  innocens  gewesen.  Ohnehin  entfernt  sieb  die 
Aenderung  'inconsulto'  recht  weit  von  der  Ueberlieferung.  — 
Der  Kelativsatz  braucht  aber  den  Zornausbruch  Valentinian*8  gar 
nicht  zu  begründen.  Charakteristisch  für  diesen  Kaiser  ist  gerade, 
dass  er  gegen  den  Stallmeister  trotz  dessen  Unschuld  wüthet 
Es  ist  zu  lesen  fulserat  consuete.  Steigbügel  hatte  man 
damals  nicht;  um  so  mehr  war  es  üblich,  dass  man  beim  Auf- 
steigen sich  von  Jemand  mit  untergehaltener  Hand  auf  das  Pferd 
hinaufhelfen  liess ;  vgl.  zB.  22,  1  ii  2  *milite,  qui  se  (Inliannm) 
insessurum  equo  dextra  manu  erexit*.  Dies  hatte  der  Stall- 
meister wie  gewöhnlich  (consuete),  so  auch  iu  diesem  Falle  ge- 
than.    Das  Adverbinm  *  consuete'  braucht  Ammian  auch  23,  2  §  8. 

Heidelberg.  Karl   Zangemeister. 


Zu  dem  sogenaDnteii  Lactantiui  Placidus 

Bd.  LVl  S.  346  A.  2  möchte  R.  Helm  seine  Vermuthung  über 
Ovid  met.  Vü  762  durch  den  Kommentator  '[^aotantius  Placidus' 
stützen,  *si  oertum  esset  libri  VO  fabulam  XXVUI  ab  eo  Rcrip- 
tam  esse.  Aber  die  ganze  Partie  von  den  Worten  Cephälus 
autem  amoris  inpcUientia  (fab.  XX  VU)  bis  zum  Schluss  von  XXVUI 
hat  gar  keine  handschriftliche  Gewähr:  die  Ueberlieferung  so- 
wohl in  Μ  als  auch  in  dem  stark  interpolirten  N(eapol.)  endigt 
in  XXVH  mit  altis  (aliis  N)  se  recondidü  (recondit  N)  saltibus 
und  hebt  erst  wieder  in  XXIX  mit  Hie  etim  assidue  Dianae 
studio  feras  persequereiur  an.  Das  fragliche  Zwischenstück  ist, 
wie  schon  Muncker  bemerkt  hat,  von  Rainerius  interpolirt.  Auf 
den  Namen  Lactantius  Placidus,  den  die  gute  Ueberlieferung  nicht 
kennt,  wird  man  verzichten  müssen. 

Stettin.  Georg  Knaaok. 


Misccllen  167 

Zu  Ayianas 

Die  Fabeln  Avians  hat  Lachmann  ins  Zeitalter  der  Antonine 
hinanfrücken  wollen,  was  lieut  wohl  nllgemein  aufgegeben  ist. 
Aber  schon  die  Vorrede  für  sich  allein  würde  genügen,  Lach- 
manns Datirung  zu  widerlegen.  Sie  zeigt  accentuirten  Satz- 
echluss^,  ist  also  frühestens  aus  der  zweiten  Hälfte  des  vierten 
Jahrhunderts.  Freilich  muss  man  sie  nehmen,  wie  sie  in  den 
Hse.  überliefert  ist;  die  Kritiker  haben  ihr  übel  mitgespielt. 
Man  betrachte  nur  den  Anfang: 

Duhitanfi  mihi,  Theodosi  optirMj  quonam  lifferarum  fitulo 

nostri  nominis  memoriam  mandaremuSy  fabularum   tcxtus 

occurrii,   quod  in  fiis  urbane  concepta   falsitas    deceat    et 

non  incumbat  necissitas  veritatis.  nam  guis  tecum  de  ora- 

Hone,  quis  de  poemate  Joqueretur,  cum  in  utroque  littera- 

rum  genere  et  Atticos  graeca  erudiiione   superes   et  lati' 

nifäte  Romanos. 

Hier  hat  Lachmann  gleich    den  ersten  Satzschlass  zerstört: 

er  fand  in    seiner  ältesten  Hs.    den  Singular  mandarem^    der    zu 

dubitanti  mihi  zu  passen  schien,  und  bezog  noster^  das  sich  nicht 

wegschaffen    liess,    wohl    auf    den  Verfasser  und  den  Adressaten 

zusammen :  quonam  litierarum  tiiulo  nostra  nomina  memoriae  man- 

darem.     Aber    nachher  heisst    es  ja  huius    ergo    matericte   ducem 

nobis  Aesopum  noveris  und  fecimus,  und  dazwischen  sum  conatus, 

so  dass  man  sieht,    Avian  wollte    abwechseln,    und  dass  er  hier 

den  Plural  wählte,  geschah  gerade  um  des  Cursus  willen. 


^  Wilhelm  Meyers  weittragende  Entdeckungen  (Ooettinger  ge- 
lehrte Anzeigen  1893  S.  1  ff)  sind  zwar  durch  Nordens  antike  Kunst- 
prosa in  weiteren  Kreisen  bekannt  geworden ;  aber  die  Beachtung,  die 
ihnen  gebührt,  haben  sie  noch  immer  nicht  gefunden.  Was  wir  zu- 
nächst brauchen,  sind  Einzel  Untersuchungen  spätlateinischer  Prosaiker; 
und  hier  wird  4er  Satzsohluss  in  allen  Fragen  der  litterarischen  wie 
der  Textkritik  ein  entscheidendes  Wort  mitzusprechen  haben.  Bisher  ist 
wenig  in  dieser  Richtung  geschehen.  Gelegentlich  haben  Traube  im 
Cassiodor  und  ich  in  den  Nachträgen  zu  Holdere  Eulogius  den  Satz• 
scbluss  verwerthet;  ebenso  für  Fragen  der  mittelalterlichen  Litteratur 
ich  mehrfach:  über  die  Satzschlüsse  der  Vita  Bennonis  (Ezcurs  zu 
Soheffer-Boichorst's  Abhandlung,  Berliner  Sitzungsber.  1901,  S.  163  ff.), 
über  die  Translatio  ss.  .Mexandri  papae  et  lustini  prespiteri  (Neues 
Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschiohtskunde  XXVI 
751  ff.X  die  vier  Papstbriefe  in  der  Briefsammlung  der  h.  Hildegard 
(Neues  Archiv  XXVII  237  ff.).  6  μέν  θ€ρισμός  πολύς,  ol  δέ  έργάται 
6λ(τοι.  —  Soeben  erscheinen  Fragmenta  Burana,  herausf^egeben  von 
W.  Meyer,  in  der  Festschrift  zur  Feier  des  l.^Oj ährigen  Bestehens  der 
Königl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen  1901.  Aus  der 
Fülle  seiner  Untersuchungen,  die  allen  Seiten  der  mittellateinischen 
Philologie  reichsten  Gewinn  bringen,  sind  hier  zu  nennen  die  Ab- 
schnitte über  den  quantitireuden  rhythmischen  Schluss  der  lateinischen 
Prosa  (S.  154),  den  accentuirten  rhythmischen  Schluss  (S.  155)  und  den 
Nutzen  der  Kenntniss  des  rhythmischen  Schlusses  (S  163),  nebst  den 
Ausgaben  einzelner  Proben  aus  dem  i^uerolus  (S  153),  Cyprian  de  mor- 
talitate  (S.  155)  und  Dantes  Schreiben  gegen  die  Florentiner  (S.  15t>). 


188  Misoellen 

Nicht    besser   ist  es   der    dritten  Pauße    ergangen.     Ee    ist 
völlig  gewiss,  daes  hier  falsitas  und  veriias  auf  einander  berechnet 
sind.    Lachmann  aber  glaubte  den  Gegensatz  noch  schärfer  faesen 
zu  sollen :   zu  falsUas,  meinte  er,  gehöre  necessifas,  und  dem  Be- 
griff des  urbane  conceptum  entspreche  die  severitas]  also  necessUa 
scveritatis.     Daran    hat  dann    Bahrens  mit  einer  seiner  graphisch 
aber  auch  nur  graphisch,  bestechenden  Aenderungen    angekn 
und    nun  aunh    die   falsitas  beseitigt,  die    durch    salsitas   ersetzt^' 
werden    soll.     Aber  man    darf  doch    billig  fragen,    was  denn  a: 
der   rhythmisch    tadellosen    Ueberlieferung    auszusetzen   ist:    di 
Fabel  erfordert  nicht  die  strenge  Folgerichtigkeit  der  Wirklichkeit 
sondern    ihr  Gebiet    i^t    anmuthige  Erfindung;    wie  falsitdtö   un 
verifas,  so  entsprechen  sich  urbane  con^epia  und  necessitas. 

Auch  die    vierte  Pause  ist  der  Kritik  zum  Opfer  gefallen 
aus    loqueretur^    das  Avian  gerade   dem  Cursus  zu  Liebe  gesetz* 
haben  wird,  wenn  auch  Worte  dieser  Quantität  im  Cursus  velor 
selten  sind,  hat  Bährens  contendet^   EUis  loquetur  machen  wolle: 

Alle  diese  Conjecturen  führen  fehlerhafte  Schlussformen  eic — m 
statt  der  besten  Sohlussform,  des  Cursus  velox  s^^,  ww^v-^.    I 
correct    sind    in    unserer   Ueberlieferung    nur    zwei    mittelstark 
Pausen,  Aesopum  noveris  und  ridere  fecimus\  beide  Schlüsse  sin 
weder  rhythmisch    noch  quantitirend,    aber  für  verderbt  möchte 
ich  sie  darum  nicht  erklären,    da  der  Sinn  kein  Bedenken  wec 
und  das  Heobachtungsgebiet    zu    wenig  ausgedehnt  ist,    um  eiiK. 
sichere  Entscheidung  zuzulassen  :    vielmehr    wird  Avian  eher  ζ 
denjenigen   Vertretern    des  rhythmischen  Satzschlusses   zu   stelle 
sein,  die  hier    und  da  Ausnahmen  zulassen. 

Berlin.  Paul  v.  Winterfeld. 


Erstarrte  Flexion  von  Ortsnamen  im  Latein 

Bekannt  ist,  dass  das  römische  Strassenbuch  und  die  Pei 
tinger  Strassenkarte  sehr  häufig  die  Stationsnamen  nicht  im   N< 
minativ,   sondern  in  einem  der  Casus   obliqui  aufweisen,    die  di 
correcte  Latein  auf  die  Frage  Wo,  Wohin  oder  Woher  verwende' 
Nicht  minder  bekannt  ist,  dass  im  Mittelalter  die  Flexioneforme 
vieler  Ortsnamen  erstarrt  waren  und  einer  der   bezeichneten 
sus  als  indeclinable  Benennung  der  Ortschaft  sich  festgesetzt  hatti 
Ich  brauche  nur  zu  erinnern  an  Treveris  (franz.  Tr^vee),  Tangrü-  ^ 
(franz.    Tongres),    Parisiis  oder  (bis  ins  15.  Jahrh.  häufig)  Parit_ 
sius.    Manche  dieser  erstarrten  Ablative  wurden  sogar  allmählio 
als   Nominative  verwendet  und  die   Namen   danach  deolinirt,    il 
Treverim,    Treveri    (Ablat.);    vgl.    meine    Bemerkungen    in    de 
Neuen  Heidelb.  Jahrbb.  2  S.  14.     Auch  der  Accusatiy  des 
findet  sich  nicht  selten,  zB.  Abrinratas,  Redonas  uA.  (vgl.  N. 
J.  2  S.  10),   und  für  den  Abi.  Sing,  der    2.  Decl.  bedaif  es  b 
seiner  Häufigkeit  keiner  Belege. 


Miscellen  169 

Dieser  Erstarrunge- Vorgang  läest  sich  aber  für  viel  frühere 
Zeit  nachweisen.  Dass  in  jenen  Itinerarien  die  Caeue  obliqui  in 
den  meisten  Fällen  nicht  von  den  mittelalterlichen  Abschreibern 
herrühren,  lehren  die  vier  Reise-Becher  aus  Vicarello  (Corp.  XI 
n.  3281  —  3284),  die  im  Original  vorhanden  sind  and  offenbar 
der  gnten  Kaiserzeit  angehören.  Auch  hier  findet  sich  der  Nomi- 
nativ sehr  selten.  Um  nur  Einiges  anzuführen,  so  braucht  n.  I 
meist  den  Accusativ,  daneben  aber  Ocriclo,  Aquis  Vocontiis, 
Parietinis.  Nr.  II  und  III  ziehen  häufig  den  Ablativ  vor,  bieten 
daneben  aber  Rigomagi  (-go  III),  Udum,  Ambrussum,  Glanum, 
Ticinnm  (-no  III),  Lambrum,  Helvillura,  Hispalim,  Haesim,  Si- 
teras  oder  Saeterras,  Baeterras  (-rra  III).  In  n.  IV  finden  sich 
neben  Hasta,  Dertosa  auch  Ugiae,  Obuclae,  Cordubae  (selbst  in 
der  Ueberschrift  *ab  Hispali  Cordubae*,  statt  'Cordubam'),  ferner 
Sagunto,  Ocriclo,  Foro  Domiti,  Tarracone,  aber  auch  Traiectum 
Rhodani,  Alaunium,  Laamellum,  Ticinum;  Haesim;  Baeterras, 
Cnttias,  Clatemas.  —  In  allen  vier  Exemplaren  steht  Ocriculo 
(Ocriclo) ;  desgleichen  wiegen  in  allen  vor  die  Formen  Baeterras 
(das  'Baeterra'  in  n.  III  ist  nur  Schreibfehler)  und  Taurinis  (n. 
IV  hat  Augusta  Taurin.}. 

Aber  auch  ausserhalb  der  Itinerarien  finden  sich  Belege 
dieser  Erscheinung  und  zwar  aus  der  frühen  Eaiserzeit. 

In  der  Grabinschrift  des  Perigenes  (Arch.  Zeitung  2,  1869, 
S.  30;  Bonner  Jahrbb.  53  S.  151;  Bücheier  Anthol.  n.  1268; 
Corp.  XIII  n.  6429),  die  in  das  2.,  vielleicht  das  1.  Jahrh.  ge- 
setzt werden  darf,  steht:  [iwe]tn  genuit  Tea[n]o  Sidicino^  statt 
des  Nominativs  'Teanum  Sidicinnm'. 

Und  schon  in  Pompeji  gebrauchte  der  Volksmund  solche  ver- 
steinerte Namensformen;  denn  meines  Erachtens  ist  hierher  zu 
ziehen  die  Wandinschrift,  die  höchstwahrscheinlich  zu  Nero^s 
Zeit  angemalt  wurde  (hgg.  von  Sogliano,  Notizie  d.  sc.  1897  S. 
198  und  Mau,  Rom.  Mitth.  1898  S.  49):  iudici{t)s  Aug{ust%) 
felic(ifer),  PtUeoloSj  Aniium^  Tegeano  (zwischen  Nola  und  Nuceria ; 
auf  der  Peut.  Karte  'Teglano'  verschrieben),  Pompeios:  hae  sunt 
verae  colonia[e\.  Hier  stehen  Tegeano,  Puteolos,  Pompeios  statt 
der  Nominative,  und  es  ist  nicht  zufällig,  dass  gerade  diejenigen 
Casus  hier  auftreten,  die  auch  in  den  Itinerarien  häufig  erscheinen. 

Heidelberg.  Karl  Zangemeister. 


SECVS  statt  SECVNDVS  und  Aelmliches 

In  Pompejanischen  Wahlprogramm en  finden  sich  eigenthüm- 
lich  verkürzte  Formen  von  Personennamen,  die  ich  im  4.  Bande 
des  Corpus  inscr.  Lat.  auf  S.  10  und  264  zusammengestellt  habe. 
Es  steht  dort  nämlich  statt  Cerrinium,  Postumium,  Proculum,  Se- 
cnndüm :  Cerrium  (n.  483  und  vermuthlich  n.  95),  Postium  (195. 
1016),  Procum  (1081),  Secum  (693.  737).  Diese  gemalten  Pla- 
kate waren  schon  im  J.  1865,  als  ich  in  Pompeji  arbeitete,  längst 


170  Miscellen 

verechwunden  wie  eo  viele  andere,  aber  die  Zengnisse  ettitzen  eich 
gegenfieiti^  urd  sind  als  glaubwürdig  zu  betracliten.  Die  letzte 
Form  SECVS  läpßt  sich  jetzt  auch  auR  Steininschriften  belegen,  und 
damit  gewinnen  wir  auch  für  die  übrigen  eine  Bestätigung.  Auf 
einem  zu  Zahlbach  bei  Mainz  gefundenen  Grabsteine,  der  ohne 
Zweifel  aus  dem  ersten  Jahrhundert  stammt  (Brambacb  n.  1220; 
Becker  Katalog  1875  n.  197)  steht  seats  Meres)^  dh.  'eecnndns 
heres ,  wie  Becker  bereits  richtig  erklärt  hat.  Dieselbe  Form 
weist  mir  v.  Domaszewski  aus  stadt-römischen  Inschriften  von 
equites  singulares  nach:  Corp.  VI  n.  3176.  3223.  3304,  auf  denen 
allen  zu  lesen  ist  seci^s  her{es)]  sie  stammen  wohl  aus  dem 
2.  Jahrhundert.  —  Diese  Kurzformen,  für  die  sich  vermuthlich 
noch  weitere  Belege  finden  werden,  dürfen  wir  schwerlicli  als 
graphische  Abkürzungen  betrachten,  da  diese  Art  der  Abbreviatur, 
die  im  Unterdrücken  von  Silben  und  Silben tbeilen  aus  der  Wort- 
mitte besteht,  erst  in  späterer  Zeit,  im  3.  Jahrb  ,  auftritt  {^gL 
Westd.  Korr.-Blatt  1885  Sp.  5).  Wahrscheinlicher  ist  die  An- 
nahme, dass  diese  Erscheinung  dem  Vulgärlatein  angehört  und 
das  Volk  diese  vielgebrauchten  Worte  oder  Namen  in  der  That 
also  ausgesprochen  hat. 

Heidelberg.  Karl  Zangemeister. 


Das  Stigma  in  lateinischer  Schrift 

In  der  Nähe  von  Mainz  bei  Laubenheim  ist  im  J.  190O  das 
Fragment  eines  Grabsteins  zu  Tage  gekommen,  das  in  paläo- 
graphischer  Beziehung  besonderes  Interesse  besitzt.  Herausgege- 
ben ist  es  von  Koerber  im  Westd.  Korr.-Blatt  1901  Sp.  3,  von 
mir  kopirt  nach  einem  vor trefifli eben  Abklatsch,  den  ich  demsel- 
ben Gelehrten  verdanke  ■=■■  Corp.  XITI  n.  6948•.  In  der  dritten 
Zeile  findet  sich  nämlich  das  st  des  Wortes  'stipendiorum    durch 


das  Zeichen    >\^       wiedergegeben.   Die  Grabinschrift  gehört  einem 


Veteran  der  leg.  XVI  an,  stammt  also  aus  der  ersten  Hälfte  des 
ersten  Jahrb.  nach  Chr.,  und  es  ist  dies  meines  Wissene  der  äl- 
teste Beleg  für  diese  Ligatur  in  lateinischer  Schrift,  vielleicht  über- 
haupt der  älteste,  wenigstens  scheint  sie  sonst,  zB.  auch  auf 
griechischen  Papyri  noch  nicht  nachgewiesen  zu  sein.  Unzweifel- 
haft ist  sie  aus  der  griechischen  Schrift  in  die  lateinische  über- 
tragen ;  die  Schreibmeister  Eoms  waren  ja  meist  Griechen.  Sie 
muss  im  1.  Jahrb.  schon  recht  verbreitet  gewesen  sein,  denn 
drei  weitere  Inschriften  aus  Mainz  und  Bingen  (Corp.  XIII  n. 
6902=  Brambacb  1184;  n.  G958  =  Bramb.  1211  aus  Mainz  und 
n.  7506  =  Koerber  Kat.  n.  44  aus  Bingen)  bieten  SIP.  statt  STIP. 
und    lassen    errathen,    dass  in   der  Vorlage  dasselbe  Zeichen  für 


Misütillen  171 

ST  stand,  dieses  aber  vom  Steinmetz  nicht  erkannt  wurde;  in  n. 
7506  ist  vielleicht  nicht  S,  pondern  diese  Nota  anzunehmen,  wenn 
auch  in  ungeschickter  Ausführung  (vgl.  das  Facsimile  bei  Koerber). 
Es  verdient  noch  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  dass 
das  Zeichen  für  die  Zahl  VI  nur  zufällig  dieselbe  Form  hat.  £s 
findet  sich  schon  auf  einem  griechischen  Papyrus  vom  J.  146  vor 
Chr.  (Letronne,  Journal  des  savants  1833  S.  330  mit  Facs.,  vgl. 
Wattenbach  gr.  Pal.,  Aut.  S.  8),  Wachstafel  vom  J.  167  n.  Chr. 
(Corp.  III  n.  I,  abgebildet  von  mir  auf  tab.  A,  numeri  n.  15  und 
1 6) ;  spätere  Belege  aus  griechischer  Schrift  findet  man  bei  Gardt- 
hausen  gr.  Pal.  1879  S.  265,  aus  lateinischer  Schrift  in  den  In• 
dicee  zum  Corpus  und  zu  Spezialsammlungen  von  christlichen  In- 
schriften. Diese  Ziffer  ist  ofi^enbar  aus  dem  Digamma  oder  Vau, 
dem  eechsten  Buchstaben  des  Alphabets,  entstanden,  aber  dann 
und  zwar  schon  früh  mit  dem  Stigma  confundirt  worden. 

Heidelberg.  Karl  Zangemeister. 


DIVVS  ALEXANDER 

Johannes  Chrysostomos  vertritt  in  der  XXVI  Homilie  über 
den  II  Brief  an  die  Korinthier  (t.  X  p.  624*  Montf.)  die  euhe- 
meristische  Ansicht  über  die  Entstehung  des  Götzendienstes:! 

ουτιυ  γαρ  και  €ΐοιυλολατρ€Ϊαι  την  αρχήν  έκράτησαν 
τιϊιν  ανθρώπων  υπέρ  άΗίαν  θαυμαίομενιυν.  ουτιυς  'Αλέ- 
Eavbpov  τρισκαιΟ€κατον  ένόμισεν  eTvai  θεόν 
ή  σύγκλητος  'Ρωμαίων,  και  γάρ  αυτή  ταύτην  (viell. 
<^και)  ταύτην)  εΤχε  την  ά^ίαν,  χειροτονεϊν  και  έγκρίνειν 
θ€θύς. 

Montfaucon  steht  dieser  überraschenden  Nachricht  rathlos  gegen- 
über. Wie  der  römische  Senat  dazu  gekommen  sein  solle  Ale- 
zander den  grossen  zu  einem  Gotte,  und  gar  zum  Xlllten  zu 
erklären,  versteht  er  nicht,  und  vergeblich  hat  er  sich  nach  einem 
bestätigenden  Zeugniss  umgethan  (s.  auch  t.  X  praef.  p.  VIIj; 
nur  die  Zahl  ist  ihm  durchsichtig:  Alexander  der  gr.  ist  den 
X7/  di  consenfes  hinzugefügt  worden.  Aber  der  Prediger  spricht 
von  der  Befugniss  des  Senate,  einem  verdienten  Kaiser  nach 
seinem  Tode  göttlichen  Rang  zuzuerkennen^;  und  wie  er  gleich 
darauf  von  der  Apotheose  des  Antinous  durch  Hadrian  spricht, 
so  kann  er  jenes  Senatsrecbt  auch  nur  durch  das  Beispiel  eines 
römischen  Herrschers  veranschaulicht  haben.  Er  spricht  von 
Alexander  Severus.  Aelius  Lampridins  bezeugt  uns  im  Leben 
desselben  c.  63  senatus  eum  in  deos  rettulit  ....  dati  sunt 
et  eodales  qui  Alexandrini  appellati  sunt,  addita  et  festivitas 
matris  nomine  atque  ipsius,    quae  hodieque  Romae  religiosissime 


^  8.  Mommsen,  Römisches  Staatsrecht  2,  886. 


172  Miscellen 

celebratnr  natali  eins  die*.  Was  hiermit  Lampridiae  for  die  Con- 
fltantinische  Zeit  bezeugt,  die  feierliche  Begehong  von  Alexarden 
Gebartetag,  hatte  auch  noch  über  die  Mitte  des  Jahrbonderts,  nod 
vermuthlich  bis  in  die  Zeit  von  Johannee*  Predigt  officielle  Gel-  \ 
tung.  Der  Chronograph  vom  J.  354  hat  in  seinem  Kalender 
(CIL  I  1^  p.  274)  unter  dem  ersten  October  die  Notiz  einge- 
tragen: totalis  ALEXANDRI•  Circenses  Missus  XXIIII,  wo- 
durch uns  denn  auch  der  Tag  bekannt  ist. 

Lehrreich  ist  nun    die    bestimmte  Angabe,    dase  Alexander 
(Severus)    zum   *  dreizehnten  Gotte'  bezw.  divus  erklärt  worden 
sei.     Wir  wissen  aus  den  Acten    der  fraires  arvcdes^,    daee    die 
Zahl   der   verehrten  divi   im  J.   183  sich    auf  16,  im  J.  224  aof 
20  belief.     Aber  in    diesen  Zahlen   sind,   wie  Henzene  Liste  der 
bezeugten  älteren  Consecrationen  (Anm.  2)  zeigt,  auch  Kaieerinnei^^ 
einbegriffen.  In  der  Anerkennung  geschehener  Consecrationen  mue^ 
man  bis  um  224  weitherziger,    oder,    wenn  man  will,  gewiseei»-^ 
hafter  gewesen  sein  als  ein  Jahrzehnt  später  beim  Tode  des  Alexand^  ^ 
(235).     Die  damals  vorhandene  Zahl  von  12  divi  nöthigt  uns  an.-' 
zunehmen,   dass  in  der  Zwischenzeit   eine  Beschränkung    stattg^  " 
funden  hatte    und  so  Claudius  wie  Commodns  aus  der  Liste 
strichen  waren.     Diese  Zahl  stimmt  genau  zu  der  Cultusordnun 
die  bei  Philocalus  im  Kalender  vom  J.  354  hervortritt  und  noc 
im  darauf  folgenden  Jahrhundert  bei  Polemius  Silvius  erkennbar 
ist.     Philocalus  verzeichnet   folgende  Geburtstage   älterer  Kaiseer 
vor  Alexander,    alle  mit  der  ausdrücklichen  Bezeugung  der  obli" 
gaten  2  mal  12  Rennen  im  Circus^:    divus  Augastus  IX  k.  oct., 
Vespasianus  XV  k.  dec,    divus    Titus  III   k.  ian.,    Nerva  VI  id• 
nov.,   Traianus  XIV  k.  oct.,    divus  Hadrianus  IX  k.  febr.,    Pia9 
Antoninus  XIII  k.  oct.,  divus  Verus  XVIII  k.  ian.,  M.  Antoninns 
VI  k.  mai.,    divus    Pertinax  k.  aug.,    divus  Severus  III  id.  apr. 
Die  Mehrzahl    derselben    bezeugt    auch    Polemius  Silvias;    seine 
Auslassungen  können    nur  Zufälligkeitsgrnnde    haben,    es  fehlen 
bei   ihm  Angustus,  Traianus,    Antoninus  Pius,   wie  nachher  Ale- 
xander.    Aber  er  bewahrt   den  bei   Philocalus  ausgelassenen  na• 
talis  (diti)  Itüli  Caesaris  (IV  id.   iul.),    den   Ausgangspunkt    der 
römischen  Kaiserverehrung*.    Mit  diesem  ist  die  erforderte  Zwölf- 
zahl erfüllt,  auf  welche  seit  etwa  230  die  älteren  vor  Alexander 
consecrierten  ^m  im  Cultus  beschränkt  waren  und  blieben  ^    Die 


^  Heuzen,  Acta  fratrum  Arvalium  p.  148  f.,  vgl.  Mommsens  Rom. 
Staatsrecht  2,  «3:{  Γ  Anm.  1.  4 

^  Ausnahmsweise  48  am  18.  Sept.  (Traianus)  und  am  8.  Nov. 
(Norva  und  Constantius). 

*  üeber  die  Cultustage  s.  Mommsen  CIL  l  p.  396  (Ϊ  1*  p.  321). 

δ  Das  von  Juliauus  ap.  in  den  Caesares  p.  308 d  ff.  geschilderte 
Göttcrmuhl  kann  für  diese  Frage  an  sich  keine  Beweiskraft  bean- 
spruchen. Aber  es  dient  dem  obigen  durchaus  zur  Bestätigung.  Clau- 
dius wird  zu  seinen  Günstlingen  fortpreschickt  (310b)  und  Commodus 
gar  nicht  zur  Versammlung  zugelassen  (31 2b). 


Miscellen  173 

von  Johannes  Chryeostomoe  verwertbete  Nachricht  wird  ver- 
ständlich nar  nnter  der  Annahme,  daes  im  J.  235  allein  jene 
zwölf  divi  anerkannt  waren.  ü. 


Das  AmphiklyonenGesetz  vom  Jahre  380 

Eins  der  wichtigsten  vorhandenen  Sakralgeeetze,  dessen  Her- 
stellung und  Erklärung  aber  bisher  entRchieden  zu  kurz  gekommen 
sind,  ist  das  Amphiktyonen- Gesetz  vom  Jahre  380^.  Es  wäre 
vohl  mehr  dafür  geschehen,  wenn  nicht  die  unentbehrliche  Grund- 
lage gefehlt  hätte:  die  sichere  Eenntniss  der  ursprünglichen 
Zeilenlänge  der  Inschrift ;  noch  der  letzte  verdiente  Herausgeber, 
£aunack,  musste  ihre  Berechnung  für  unmöglich  erklären.  Dabei 
konnte  Niemand  im  Zweifel  darüber  sein,  dass  der  Stein  selbst 
ein  sicheres  Mittel  zur  Lösung  der  Frage  zu  bieten  schien.  Z.  θ 
und  9  nämlich  steht  hier: 

το  Άπόλλιυ[ν]ος  του  ΤΤ[υ]θίου  και  τας  Λατός  καΐ  τας 

*Αρτάμ[ιτος  -  -  -  - 
λά  καΐ  τάγαθά,   αΐ  b'  έφιορκέοιμι^   τα  κακά  άντΙ  τών 

αγαθών  -  -  -  - 
Ζ.   11,  12  und  13  aber: 

κατάν    άίίαν    μηόέ    δώρα    beSeioGai    μη6έποκ[α]:    ουτ[ιυ]ς 

ύπ[ί]σχ[ο]μαΓι 

τ  ο  (ς)  8  κ  α  ι  τ  ά  ς  Ά  ρ  τ  ά  μ  ι  τ  ο  ς ,  και  €ύορκ€οντι  μέμ  μοι 

πολλ ά  καΐ  αγαθά 

Ιβρομνάμονας  όρκιΗέιυ  και  τός  κά[ρ]υκας  τόν  αυτόν  δρκον 

Beidemal  also  steht,  wie  die  gesperrt  gedruckten  Worte  klar  zei-  ' 
gen,  dieselbe  Eidesformel,  deren  Wortlaut  sich  wie  von  selbst  er- 
giebt,  zB.  Z.   11  und  12  folgendermassen : 

κατάν  άΕίαν  μηδέ  boipa  Ο€£€ΐσθαι  μηδέποκα'  ουτιυς  ύττί- 
σχομα[ι  ποί  το  'Απόλλωνος  το  ΤΤυθίο  καΐ  τας  Λα]- 

τδς  και  τας  Άρτάμιτος  καΐ  βύορκέοντι  μ€μ  μοι  πολλά  και 
αγαθά,  [αΐ  h*  έφιορκέοιμι  τά  κακά  άντΙ  τών  αγαθών  οόμβν. 
τός  bi\  ι  Ιερομνάμονας  κτλ. 

Das  scheint  evident  und  birgt  doch  rücksichtlich  der  Zeilenlänge 
einen  nnheilbaren  Widerspruch  in  sich,  denn  Z.  12  zählt  danach 
93,  Z.  11  aber  nur  79  Buchstaben.  Nun  sind  kleinere  Unter- 
schiede in  der  Zeilenlänge  bei  nicht  (Ττοιχηοόν  geschriebenen  In* 
Schriften  natürlich,  aber  ein  Unterschied  von  15  Buchstaben  in 
zwei    dicht    aufeinanderfolgenden    Zeilen    ist    unmöglich.      Noch 


1  CIG.  1688,  Ahrens  Dial.  11  484-492,  CIA.  II  545,  Michel  Re- 
cueil  des  luscr.  Grecques  702,  die  sorgfältigste  und  eingehendste 
Herausgabe  jetzt  von  Baunack  bei  Collitz  SGDI.  2501,  wo  auch  die 
weitere  Lilteratur  verzeichnet  ist. 

2  ΕΦΙΟΡΚΕΜΙΟΙ  steht  auf  dem  Stein  mit  Vertauschung  der  Silben. 
»  Der  Stein   hat  TOYKAI  ohne  Zweifel  für  ΤΟΣ  oder  ΤΟΥΣ  ver- 
schrieben B.  Baunack  zu  der  Stelle. 


174  Miscellen 

sclilimmer  steht  es  Z.  8,  wo  bei  genau  entsprechender  Ergänzatig 
gar  nur  67  Buchstaben  herauskoraraen.  Man  hat  früher  gewohn- 
lich versucht,  durch  Einschiebung^  von  unnöthigem  oder  gar  stören- 
dem Füllsel  Z.  8  und  II  auf  die  Länge  von  12  zu  bringen, 
mit  Kecht  hat  Baunack  das  verschmäht,  aber  zu  ei klären  wueete 
er  das  Schwanken  zwischen  67,  79  und  93  Buchstaben  auch 
nicht  —  'es  könnte  ja  Z.  12  άντι  τών  αγαθών  recht  wohl  fehlen, 
aber  auch  bei  dieser  Annahme  erhält  man  nichts  Klares  und 
Evidentes'  —  und  hält  eben  deshalb  eine  Berechnung  der  Zeilen- 
länge überhaupt  für  unmöglich. 

Und  doch  ist  sie  möglich,  und  Baunack  selbst  war,  ohne  es 
zu  wissen,  schon  auf  dem  einzig  richtigen  Weg.  In  der  obigen 
Ergänzung  verträgt  Z.  1 1  weder  Zusatz  noch  Streichung,  also 
steckt  der  Fehler  in  Z.  12:  nicht  Z.  11  ist  zu  klein,  sondern 
Z.  12  ist  zu  gross,  und  es  lässt  sich  ja  auch  hier,  wie  Baunack 
selbst  zugibt,  ganz  gut  etwas  streichen  —  es  ist  einfach  statt 
der  ausführlichen  Formel  τά  κακά  άντι  τών  αγαθών  οόμεν  eine 
der  üblichen  kürzeren  zu  setzen,  am  besten  die  auch  in 
der  Labyadeninschrift  B,  Z.  18  vorkommende:  τά  κακά  οόμ€ν 
oder,  da  Ζ.  11  bei  αγαθά  kein  Artikel  stand,  auch  hier  ohne 
Artikel :  al  V  έφιορκέοιμι,  κακά  δόμεν.  Dann  erhält  man  für 
die  ganze  Zeile  12  nur  noch  78  Buchstaben,  was  zu  den  79  Buch- 
staben von  Z.  1 1  stimmt,  und  auch  Zeile  8  lässt  sich  durch 
Umstellung  von  ύπίίΤχομαι  hinter  die  Götternamen  leicht  auf 
dieselbe  Zeilenlänge,  nämlich   77   Buchstaben,  bringen. 

Wenn  dieses  Ergebniss  überhaupt  noch  einer  Bestätigung 
bedarf,  so  geschieht  es  durch  die  glatte  Erledigung,  die  jetzt 
gewisse  Zeilen  finden.  Hier  waren  die  Ergänzungen,  die  der  Sinn 
forderte,  so  klar,  dass  sie  schon  von  den  ersten  Herausgebern 
eingesetzt  wurden,  aber  da  sie  die  vorausgesetzten  grossen  Zeilen 
von  93  oder  mehr  Buchstaben  nicht  ausfüllten,  findet  eich  ausser 
ihnen  gewöhnlich  noch  eine  grössere  Lücke  in  den  Ausgaben  an- 
gedeutet. Lässt  man  nun  diese  Lücken  unberücksichtigt,  so  er- 
gibt das,  was  zurückbleibt,  gerade  die  oben  gefundene  Zeilen- 
länge; zB.  erscheint  Z.  20  in  den  Ausgaben  so: 

εΐλέσθίϋ  του  ιαρου  καΐ  στρατευόντων  έπ'  αύτός'ΑνφικτΙίονες 
κατά  κα  τοι  \αρομνάμονες  -  -  -  -  έπαγγέλ]  |λωντι 

Ohne  die  Lücke  zählt  die  Zeile  mit  der  schon  von  Böckh  gefun- 
denen Ergänzung  gerade  77  Buchstaben.  Ebenso  geben  die  eben- 
falls längst  als  nothwendig  erkannten  Ergänzungen  v.  Z.  15  eine 
Gesammtlänge  von  79  Buchstaben.  Endlich  Z.  1,  17  und  H6 
zählen  ohne  die  in  iien  Ausgaben    vermerkten  Lücken  75  Buch- 


^  In  Z.  11  verführte  dazu  auch  die  frühere  ungenaue  Lesart-: 
ΥΓ.  ΣΧ.  M.,  was  sich  verhältiiissmässig  ungezwungen  ergänzen  Hess  zu 
ύπισχόμ[€νος  ομνύω ;  aber  wiu  scliou  FrÖhner  bemerkte  und  jetzt  von 
Biass  bestätigt  wird,  steht  hinter  dem  Μ  ein  A,  es  ist  also  ύπίσχομαι 
zu  lesen,  und  so  steht  auch  in  der  Labyadeninschrift  Α  Ζ.  14. 


Miscellcn  175 

etaben,  was  sich  bei  einer  nicht  (Ττοιχηδόν  geschriebenen  Inschrift 
mit  Zeilen  von  77—79  Bnchstaben  durchaus  verträgt. 

Die  Frage  der  ursprünglichen  Zeilenlänge  ist  also  jetzt, 
wie  ich  wohl  sagen  darf,  sicher  gelöst  und  damit  die  Grundlage 
für  die  weitere  Herstellung  geschaffen.  Einiges  ergiebt  sich  fast 
von  selbst,  zB.  der  Wortlaut  des  Paragraphen  über  die  Ιαρά  γα: 

ΤΤ[ίροοος  γας  Ιαράς  •  αϊ  τις  τάν  γαν  έπΐ€ρ]|τάΖ;οιτο  Sy 
Άμφικτίον€ς  ίάριυσαν,  έπεί  κ[α]  ά  πάροδος  γίνηται  άποτ[€ΐσάτιυ 

τώι   \apuji ]  στατηρας    Αιγιναίος    κάτ    τ[ό] 

π€λ€θρον  ?καστον,  τοι  hk  \€ρομνάμ[ον€ς  π€ριϊόντΐϋν  τάν  ίεράν 
γανί  Ι  και  π[ρασ]σόντΐϋν  τόν  έπιεργαίόμενον  •  αι  hi  μή  περιϊεϊεν 
ή  μή  πρ[άσσοΐ€ν,  άποτεισάτω  6  μή  περιϊών]  |  μηο'  έ[κπ]ράσσων 
τριάκοντα  στατήρας  •  αΐ  be  κα  μή  άποτίνηι  ό  [όφ^ιίλων,  ά  πόλις 
έ£  άς  κ'  εΤ  6  ίερομνάμιυν]  |  εΙλίσ[θω]  του  ιαρου  και  στρατευόν- 
τιυν  έπ'  αυτός  *Ανφικτ[ίονες  κάτ  τά  κα  τοι  Ιερομνάμονες  έπαγ- 
γέλ]|  λιυντι. 

Dabei  kommt  auch  vor  allem  die  Lesung  Köhlers  Z.  19 
Anfang  pa(T(jQv,  neuerdings  auch  von  Michel  ausdrücklich  be- 
zeugt, mit  der  aber  bisher  Niemand  etwas  anfangen  konnte,  zu 
ihrem  Recht. 

Z.  24 — 26  lauten  jetzt  die  Straf bestimmungen  kürzer:  αι 
be  τις  τ[ός  νόμος  τούτους  παρβαίνοι,  τοι  \]  |αρομνάμονες  ίαμι- 
όντιυν  δτινι  κα  οικαίιυι  σφ[ι]ν  οοκήι  είμεν  έπ[ιΖ[αμίωι,  το  b* 
ήμισσον  άει  Ιστιυ  τών]|  καταγ[γε]λλόντιυν  ποι  τός  Ιαρομνάμονας. 

Auch  den  Paragraph  über  die  Reparatur  der  Heiligthümer 
glaube  ich  etwas  fördern  zu  können.  Er  beginnt  Z.  35  mit  der 
Bestimmung:   τόν    ναόν   του  'Απόλλωνος   του  Πυθίου  και  τάν 

αύλάν  και  τόν  τας  Α δρόμον  και  τάν  κράναν  τάν  έμ- 

πεόίιυι  τοι  ίαρομνάμονες  τοι  Άμφι[κτιόνων  κατά  τάν  ΤΤυθιάόα 
έκά]σταν  έφακείσθιυν.  Die  Lücke  beträgt  nach  dem  oben  ge- 
wonnenen Ergebniss  ungefähr  25  Buchstaben.  Seit  Böckh  ergänzte 
man  bisher  zu  Anfang  der  Lücke  Ά[ρτάμιτος],  Baunack  vermuthete, 
dass  ausserdem  in  der  Lücke  vielleicht  der  Tempel  der  Leto  er- 
wähnt war,  aber  dazu  ist  jedenfalls  kein  Platz.  War  wirklich 
Artemis  genannt,  so  kann  ausserdem  nur  noch  eine  attributivisch 
eingeschobene  Bestimmung  zu  όρόμος  gefolgt  sein,  was  freilich 
wenig  wahrscheinlich  ist,  da  es  doch  wohl  nur  den  einen  &ρόμος 
wie  die  eine  αύλά  gab.  Nun  ist  ja  aber  die  Ergänzung  'Α[ρτά- 
μίτος]  keineswegs  sicher,  vielmehr  hat  Danielsson^  jüngst  aus  rein 
sachlichen  Gründen  hier  die  Erwähnung  des  Tempels  der  Άθήνη 
Προναία  vermisst,  der  nach  dem  Apolloheiligthum  der  ange- 
sehenste in  Delphi  gewesen  zu  sein  scheine,  und  vorgeschlagen, 
ihren  Namen  an  Stelle  der  Artemis  zu  setzen.  Hierfür  liefert 
nun  das  oben  gewonnene  Ergebniss  über  die  ursprüngliche  Zeilen- 
länge eine   glänzende    Bestätigung.     Ergänzt   man    nämlich :   τόν 


ί  Indogerm.  Forsch.  IV  (1804)  S.  IGT;  über  die  'Αθήνη  Προναίοι 
8.  Preller-Robert,  Gr.  Myth.  I  195. 


176  Micellen 

τας  Ά[θαναίας  τας  ΤΤροναίας  ναόν  και  τόν]|6ρόμον,  βο  ftlll 
dies  genau  die  Lücke  ζα  77  Bachstaben  aus. 

Endlich:  vor  dieser  Bestimmung  stehen  zu  Anfang  der 
Zeile  35  die  Buchstaben  ιος,  die  offenbar  die  Endung  eine• 
Genetive  enthalten.  Ich  schlage  vor  zu  ergänzen  [άκέ(Τ]ΐος,  ein 
Wort,  das  auch  in  der  delphischen  Tempel baureob η ang  SÖDl 
2502  Z.  62  vorkommt^,  und  sehe  darin  die  Ueberechrift  de• 
Paragraphen,  die  nachher  durch  das  Wort  έφακ€ί(Τβων  aufge- 
nommen 'wird.  Aehnlich  stehen  auch  in  der  Myeterienineohiift  von 
Andania  die  Ueberschriften  der  einzelnen  Paragraphen  meist  im 
blossen  Genetiv,  in  unserem  Gesetz  steckt  vielleicht  derselbe 
Genetiv  in  dem  Wort  οΙκή(7ΐος  Ζ.  21  und  Ζ.  40  in  öbiuv,  vor  dem 
sich  auch  ein  Interpunction.szcichen  findet.  Diiss  sich  daneben 
auch  ueberschriften  im  Nominativ  finden  zB.  Z.  26  λΐυτίς,  be- 
weist nichts  dagegen,  wie  die  Parallele  derselben  Myeterienin* 
Schrift  zeigt. 

Der  grössere  Theil  der  Inschrift  harrt  freilich  aach  jettt 
noch  der  Herstellung,  aber  die  sichere  Grundlage  ist  jetzt  doeh 
vorhanden,  und  durch  ihre  Darbietung  den  Fachgenoseen  die  Arbeit 
zu  erleichtem,  ist  der  Hauptzweck  dieser  Zeilen. 

Plön.  Ludwig  Ziehen. 


^  Καλλιτέλ€ΐ  ToO  μαχανώματος  άκέσιος  στατήρ€ς  τρ€ΐς,  δραχμά. 


Verantwortlicher  Redacteur:  L.  Radermachcr  in  ßonn. 

(23.  Dccember  1901.) 


Verlag  von  Wilhelm  Violet  in  Dresden. 

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lop:ie-.Studirenden  auf  (>' Semester.  —  iV.  J>ie  Bibliothek  des  I^hiloloiyie- 
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des>elben,  durchgängige  Angabc  der  betr.  I.itftTatur,  endlich  sleti,  Hinwoisung 
auf  die  in  den  einzelnen  Gebieten  noeh  niebt  «;(;nu£rend  aufgebtdlten  J'artien 
sind  die  leitenden  Grundsätze  bei  dt>r  Ausarbricung  dieses  ausschlirs.>»licb  für 
Jünger  der  Philologie  zum  Itepertorium  und  liepetitorium  bpstimniteu 
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uod  kann  auch  einzeln  bezogen  werden. 


Inhalt  des  ersten  Heftes. 

Srtte 

Ueber  eine  besondere  HedeutuDg  von  γάο.  Von  J.  M.  Stahl  1 
Teber   den   Verfasser  d(*r   X   libri  de   arcbitectura.    Von 

H.  Uegering 8 

Zwei  alte  Terenzproblemc.    Von  F.  Seh oe  11 48 

Zu  Achilles  Tatlus«.    Von  F.  Wilhelm άδ 

Kaiser  Marcus  Salyius  Otho.    Von  L•.  Paul 76 

Aus     dem     zweiten    Bande     der    Amherst-Papyri.       Von 

L.  Kader  mach  er 137 

Die  Inschrift  der  Apliaia  aus  Aigiua.    λ^οη  Μ.  Fränkel  152 

Μ  i  s  c  e  1 1  e  ii. 

Zum     1.    Strassburger    Archilochos- Fragmente.      Λ'οη 

Ü.  »Schulthess 157 

hionys   de   L^^ia   p.  32,   12  φ.  4i»B  K.).    Von  L.  Rader- 

m  a  c  b  e  r , 158 

Zu  Vseudo-Sallusts  Invectiva.  Von  F.  Sehoell  .  .  .  .  15{) 
L»ie   Verse   des   „Vallegius*'   in    der  Vita   Terentii.     Von 

demselben         16ä 

Zu  Amniianus  Marcellinus.    Von  K.  Zange me ister   .    .  166 

Zu  dem  .soL'enannten  Lactantius  Placidus.    Von  (}.  Knaack  166 

Zu  Aviiinus.     Von  P.    von   Winter f cid 167 

Erstarrte    Flexion    von    Orthnamen    im    Latein.      Von 

K.   Ζ  a  η  g  e  m  e  i  s  t  «•  r l(!S 

Secus  statt  sccundus   und  Aebulichfs.    Von  demselben  169 

I. »US  Stigma  in   lateinischt-r  Schrift.    \^m  demselben    .  170 

hiMii•  .MexdiultT.     λ'(•η  Η.   l.'sener 171 

I»a-    Vniphikt\"ni'iHl».rM;tz  vom  .lahrf- 380.    Von  L.Ziehen  173 


I  •, 


».  !.      \    .•-•      '.V 


Km.'ikii:: :   .».  M. 


1 


Rheinisches  Museum 


fttr 


PHILOLOGIE. 


UerauKgegeben 


Ton 


Franz  Buecheler  und  Hermann  Usener. 


Neue  Folge. 


Siebeiiundfüufzi<r.steii  Bandes    zweites  Heft. 


Frankfurt  ti.  M. 
J.   \).  .s  a  η  (ί  r  1  ä  ii  «1  ο  r '  λ    V  e  r  I  a  «r. 

1902. 


Hierbei   zwri    li5iii.ni>«Ii«r    li•  il:'i'.n    von    VtUMvty.YiL  *:  Yi\iv.«i.vv\\  \v 
^feld  und  J.  Nuuiuaun  in  Nuiuliiuini. 


In  J.  D.  Sauerliinder's  Verlag  in  Frankfurt  a.  M.   ist 
erschienen  und  darch  alle  Bucbhandlunfi^cn  zu  beziehen: 

Das  Problem  über  die  Ehe 

vom 

philosophisclieii,  geschichtliclieii  nnd  sozialen 

Gesichtspnnkte 

Ton 

Otto  Caspar i, 

weiland  ProtVsvSor  der  Philosophie  an  der  Universität  Heidelberg. 

8»  VIII  und  126  Seiten.    Preis:  M.  2.— 

Inhalt:  i.  Kinleituuy^  und  Literatur.  —  II.  Die  rbersinnlich- 
keitsauschauun^  der  Idealisten  und  der  Kirche  über  die 
Khe.  -  III  Die  Sinnlichkeitsanschauung  der  Naturalisten 
und  Materialisten  über  die  Ehe.  —  IV.  Die  sittenlose  \'er- 
wahrlosung  im  Geschlecht'* verkehr  der  civilisirten  Völker  - 
V.  Widersprüche  nnd  Ausblicke  der  Parteien  auf  eine  Lösung 
des  ICheproblems.  -  VI.  Überblick  übor  die  ("Jeschichte  der 
Khe  und  Familie  unter  den  Kulturvölkern.  VII.  Die  An- 
schauung der  Philosophen  und  Ethnologien  über  die  Ehe- 
gemeinschaft.  —  VIII.  Dio  Unordnung  des  cfexual Verkehrs 
neben  der  heutigen  Ehe,  und  die  allgemeine  Staatsordnung 
der  ^ freien'  Ehe.  —  IX.  Die  Frauenbewegung  und  die  Ehe- 
frage. -  X.  Die  Erziehung  der  Nachkommenschaft  und  die 
freie  Ehe 

Die   Zeltschrift  für   die  gesamte  Staatawissenachaft 
19<K),  Heft  2,  schreibt  darüber: 

— e.  Ca.yMii'i,  Ottu,  Das  Problem  nber  die  Khe  com  iHnlo' 
sopitifichen^  geschiditlu-heu  und  sociaien  (MeKtchtainnikt.  Frank- 
furt a.  M.,  J.  D.  Sauerliintler,  IHiiSi.  Dieses  Büchbün,  welchem 
Schönheit  der  Darstellung,  gescbinackvidle  philosophische  Kon- 
zentration eines  gewaltigtiu  .Materials  ethnologischer,  kirchen- 
geschichtlicher, soziolugischer  un<l  hygienischer  Kenntnisse, 
namentlich  aber  die  Hube  der  Ausiunandersetzung  nicht  abge- 
sproeheu  werden  künnen,  wird  starken  und  vielseitigen  Wider- 
.sprucb  hervorrufen,  (»hwnhl  e?  ii«r  „Ehe  auf  Stunden**  (der  Pro- 
>iitutiou)  so  abwei.sond  geü:t.inil«er  tritt,  wie  dem  sakramentalen 
i  h'irak»•  r  tler  „ewig»n*.  unanfli'.<liehen  Einehe.  Die  Forderung 
d••.-  \  erfa.<sers  ist:  .Die  sittliche  Fri'ihfit  der  Eheleute  in  ihrer 
iMit-'-li^idung  i:it  dl»•  «•r'-te,  i»berste  und  einzige  Instanz  in  allen 
\r;rr..j,  ..i..,h»'it.en  de-  /li-auinien-^eii .-  in  der  Ehe"  (S.  92). 


MILCH  UND  HONIG 


Die  Gegenwart  des  Dionysos  aiif  Erden  äussert  sieh  neben 
anderen  Wundern  dadurch,  dass  von  selbst  Milch  und  Honig  fliesst 
am  die  Durstenden  zu  laben.  Von  Milch  fliesst  der  Boden  und 
rom  Nektar  der  Bienen'^:  so  dünkt  es  den  Bakchantinnen,  wenn  sie 
iie  Gegenwart  des  Gottes  fühlen.  Daher  nach  einer  von  Ovid 
[Fast.  3,  736  ff.)  erzählten  Sage  α  Baccho  mella  reperta  ferunt. 
Schon  bei  der  Geburt  des  Dionysos  hebt  Philostratos  ^  es  hervor, 
läse  die  Erde  selbst  sich  an  seinem  Schwärmen  betheiligen  werde, 
bdem  'sie  ihm  gewähre  Wein  aus  Wasserquellen  zu  schöpfen 
Wtki  Milch  wie  aus  Brüsten  bald  aus  einer  Ackerscholle,  bald 
Ms  einem  Felsen  zu  ziehn^ :  es  läset  sich  nicht  verkennen,  dass 
dieser  lebendigen  und  eigenartigen  Schilderung  die  Worte  eines 
idten  Dichtere  zu  Grund  liegen.  Aus  dem  sprödesten  Stoff  ver- 
mag der  Gott  das  süsse  Nass  hervorzuzaubern.  Um  die  Töchter 
des  Minyas  zu  bekehren,  lässt  er  aus  den  Bäumen  ihres  Web- 
stuhls ^Nektar  und  Milch'  fliessen^;  bei  Alkman  melkt  er  Milch 


^  Eurip.  Bakchen  142.    Zum  Folgenden  verweise  ich  auf  die  mit 
biDgebendem  Fleiss  gefertigte  Schrift  eines  Imkers  W.  Robert-Tornow, 
t^   apium    mellisque    apud    ueteres    significatione.      Berl.    1898    und^ 
WHRoscher,  Nektar  und  Ambrosia,  Leipz.  1883. 

*  Phiiostr.  iinag.  1,  14  p.  30,  23  (Ausg.  des  Wiener  philol.  Se- 
minars) ή  γή,  ή  γ€  καΐ  συμβακχ€ύα€ΐ  αύτφ  καΐ  οίνον  άφύσσβιν  έκ  πη- 
rd^  6i(»0€t    γάλα  Τ€  οΐον  από  μαΖύϊν  ^λκ€ΐν  τό  μέν  έκ  βώλου,  τό  δέ  ^κ 

'  Antoninus  Lib.  10  καΐ  έκ  τών  κ€λεόντων  έρρύη  νέκταρ  αύτφ 
cal  γάλα:  dass  hier  Worte  des  Dichters  (Nikander)  bewahrt  sind,  ist 
Jacobs  zu  Pbilostr.  imag.  ρ  317  nicht  entgangen:  daraus  erklärt  sich 
dvohl,  dass  nicht  Honig,  sondern  Nektar  genannt  wird.  Bei  Ovidiua 
cnetam.  4,  3*)4  ff.  statt  dieses  Wunders  ein  anderes,  dem  Tyrreuerschiff 
C^Hom.  hymn.  7,  38  ff.)  nachgebildetes:  alles  Holz  am  Webstuhl  beginnt 
^u  grönen  und  Weinlaub  zu  treiben. 

BlMia.  Miu.  f.  PhiloU  N.  F.  LVII.  1^ 


178  üsener 

auR  Löwen*.  So  konnte  Seneca  (Oedip.  494  ff.)  in  der  Schilde- 
rung des  Beilagere  von  DionyeoH  und  Ariadne  das  Wander  des 
Honigthau8  und  der  Milch  etrömenden  Quellen  nicht  fehlen  laeeen 
Die  wunderthäcige  Kraft  des  Gottee  geht  auf  seine  schwäime- 
rischen  Verehrerinnen  über.  Der  Bote  der  £uripidei8chen  Bak- 
chen  erzählt  (708  ff.),  wie  die  auf  dem  Kithaeron  scbwärmenden 
Weiber  nur  mit  den  Fingern  den  Boden  zu  schürfen  brauchten 
um  Milch  hervorzuzaubern ,  und  wie  von  ihren  Thyreosetäben 
Honig  troff.  Die  Vorstellung  ist  im  IV.  Jh.  noch  vollständig 
lebendig.  Die  Bakchen,  sagt  der  Sokratiker  Aeschines^,  pflegen, 
wenn  sie  gotterfttUt  sind,  aus  Orten,  denen  die  andern  Menschen 
nicht  einmal  Wasser  zu  entnehmen  vermögen,  Milch  und  Honig 
zu  schöpfen.  Und  treffend  lässt  Piaton*  seinen  Sokrates  sagen: 
*die  Bakeben  schöpfen  aus  den  Flüssen  Milch  und  Honig  in  ihrer 
Verzückung,  aber  wenn  sie  bei  Sinnen  sind,  nicht.^  Das  gehört 
seitdem  als  fester  Zug  in  das  dichterische  Bild  des  bakebischen 
Jubels*^.  Die  Ueberschwenglichkeit  Claudians  vermag  noch  den 
Hochzeitstag  des  Stilicbo  und  der  Serena  auch  durch  dies  Bild^ 
zu  verherrlichen: 

ferunt  mellisque  locus  et  flumina  lactis  erupisse  solo, 
Dionysos  bringt  den  Himmel  auf  die  £rde  hernieder.  Himm- 
lische Gaben  müssen  es  sein,  womit  er  seine  Gegenwart  bezeugt 
In  der  That  gilt  der  Honig  als  Speise  der  Götter  *.  Das  Zeuskuäb- 
lein  wird  auf  Kreta  durch  iMilcb  und  Honig  ernährt.  Dem  kleinen 
Dionysos  netzt  Makris,  als  Hermes  ihr  ihn  gebracht,  die  trockene 


^  Aristides  r.  4  t.  I  p.  49  Dind.  ώςπ€ρ  καΐ  λ€Οντων  γάλα    άμέλ-' 
γ€ΐν  όνέθηκέ  τις  αύτφ  Λακωνικός  ποιητής  dh.  Alkman  fr.  31  Β. 

^  Aristides  r.  45  t.  Π  ρ.  23  D.  καΐ  γάρ  αΙ  βάκχαι  έπ€ώάν  6τθ€0ΐ 
γένιυνται,  οθ€ν  οΐ  δλλοι  [έκ  τιίιν  φρβάτιυν  getilgt  von  Jacobs  zu  Phi- 
lostr.  im.  p.  31(3]  ουδέ  οδωρ  δύνανται  οδρ€ύ€σθαι,  έκ€ΐναι  μ^ι  καΐ  γάλα 
άρύονται.  Vgl.  CFHermann  Disp.  de  Aeschinis  Socr.  reliquiie  (Gott. 
1850)  p.  23. 

β  PI.  lou  ρ  534»  (ΰςπ€ρ  αΐ  βάκχαι  άρύτονται  έκ  τών  ποταμών 
μέλι  καΐ  γάλα  κατβχόμβναι,  έμφρονβς  δέ  ούααι  οΟ. 

■^  Vgl.  Horat.  c.  II  19,  9  f.  Philostr.  ν.  Apollon.  6,  10  ρ.  238  Ol. 
imag.  1,  18  p.  3G,  17  f.  der  Wiener  (nach  Eur.  Bakch.  708  ff.  ebenso 
wie  Vit.  soph.  1,  19)  Tzetzes  zu  Lykophron  143. 

^  Claud.  de  consulatu  Stilichonis  1,  85  p.  192  Birt. 

^  PorphyrioB  de  antro  nymph.  1<5  θβών  τροφής  οΟσης  τοΟ  μέ- 
λιτος. Zeus:  Kallimachos  Η.  auf  Zeus  48  Antoninus  Lib.  19  Diod.  5, 
70.  Dionysos:  Apollon.  Rh.  4,  1131  f.  Achilleus:  Philostr.  imag.  2, 2 
p.  64,  7  der  Wiener.    Vgl  Röscher  s.  30,  58.  60  f.    Robert-Tomow  89  ff. 


Miloh  und  Honig  179 

Lippe  mit  Honig.  Und  den  jungen  Acbilleus  zieht  Cheiron  mit 
Milch,  Mark  and  Honig  auf.  Wie  einen  Göttertrank  nimmt 
Pindar^^  das  Gemenge  von  Milch  und  Honig,  wenn  er  es  ale 
Bild  für  seine  Dichtung  gebraucht,  wie  ein  ander  Mal  den  Nektar. 

Hier  schlägt  die  Vorstellung  ein,  dass  Seher  und  Dichter, 
die  Runder  göttlichen  Worts  auf  £rden,  durch  die  Götterspeise 
des  Honigs,  die  ihnen  in  frühester  Jugend  auf  wunderbare  Weise 
eingeflösst  worden,  zu  ihrem  hohen  Berufe  geweiht  worden  seien. 
Dem  neugeborenen  lamos  nahen  zwei  Schlangen  'nach  der  Götter 
Willen'  und  nähren  ihn  sogleich  '  mit  dem  tadellosen  Safte  der 
Bienen'  (Pind.  Ol.  6,  45).  Von  den  alten  Eünderinnen  der  Zu- 
kunft, die  am  Parnass  hausten,  den  drei  Schwestern  θριαί^^  er- 
zählt der  Homerische  Hymnus  auf  Hermes,  sie  flögen  hin  und 
her  um  sich  von  Waben  zu  nähren :  wenn  der  Genuss  des  gelben 
Honigs  sie  in  Begeisterung  versetze,  dann  finde  man  sie  bereit, 
willföhrigen  Sinnes  die  Wahrheit  zu  künden ;  aber  wenn  ihnen 
die  süsse  Speise  der  Götter  entzogen  werde,  dann  sprächen  sie 
Falsches,  indem  sie  wirr  durcheinander  redeten.  Und  noch  Pindar 
bezeichnet  (Pyth.  4,  60)  die  Pythia  mit  dem  Ausdruck  'delphische 
Biene'  (χρησμός  μ€λίσσας  Δελφίνος). 

Häufiger  und  mannigfach  sind  die  Beziehungen,  in  welche 
die  Dichtung  zu  Honig  und  Bienen  gesetzt  wird.  Bienen  um- 
schwärmen den  Pindaros  ^^  unmittelbar  nach  der  Geburt;  sie 
bringen  als  Götterbotinnen  ihm  den  begeisternden  Honig.  Nach 
andrer  Sage  wandert  er  nach  Thespiai,  dem  Sitz  des  Helikoni- 
echen  Musencultus,  und  legt  sich,  von  der  Sonnenhitze  ermattet, 
am  Wege  nieder:  da  kommen  Bienen  zum  Schlafenden  geflogen, 
und  bilden  an  seinen  Lippen  eine  Honigwabe.  Sophokles ^^  wurde 
schon  in  der  alten  Komödie  'Biene'  genannt.  Auf  die  Lippen 
des  jungen  Piaton  Hessen  sich  Bienen  nieder,  die  Süssigkeit 
seiner  Rede  voraus  zu  künden   ^*.     ISach   einer  Hesiodsage,    die 


*o  Find.  Nem.  3,  77  rohe  τοι  πέμπιυ  μ€μιτμένον  μέλι  λβυκφ  σύν 
γάλακτι,  κιρναμένα  δ'  ίβρσ*  άμφέπ€ΐ  (also  noch  Wasser  zugeraischt?), 
vgl.  lethm.  4,  54  έν  δ'  έρατεινφ  μέλιτι  καΐ  τοι^δ€  τιμςί.  Dagegen 
01.  7,  7  νέκταρ  χυτόν,  Μοισαν  δόαιν. 

11  Hom.  Hymnus  auf  Hermes  558— <i3  vgl.  Baumeister  z.  St.  p.  246. 
Zum  folgenden  vgl.  Robert-Tornow  aO.  p.  98-101.  lU  ff. 

12  Philostr.  imag.  2,12;  die  andere  Sage  bei  Pausanias  1X23,2. 

13  Schol.  zu  Soph.  Oed.  Col.  17  und  Aias  1199,  vgl.  die  Anspie- 
lungen des  Aristophanes  in  der  Vita  Soph.  22  p.  21^  0.  Jahn  mit  den 
Anmerkungen  (vor  der  Elektra). 

1*  Plinius  n.  h.  11,55  Cicero  de  diuin.  1  36,78  II  31,66.    Ueber 


180  Usener 

auf  Lucanue  übertragen  wurde,  umechwärmten  Bienen  die  Wiege 
des  Dichters  und  setzten  sich  zahlreich  darauf  nieder.  ^  Die 
Dichter  erzählen  uns',  heisst  es  in  Platons  Ion  (p.  534^),  *das8 
sie  von  honigströmenden  Quellen  in  den  Gärten  und  Waldthälern 
der  Musen  die  Lieder  saugen,  die  sie  uns  bringen '.  Nach  oft 
wiederholtem  aber  abgeschwächtem  Bilde  sammeln  die  Dichter 
wie  Bienen  den  süssen  Honig  des  Liedes  ein^^;  alterthümlicher 
klingt  es,  wenn  die  Bienen  gradezu  'Vögel  der  Musen'  genannt 
werden. 

Quellen  oder  Ströme  von  Milch  und  Honig  gehören  also 
zur  Ausstattung  des  Götterlandes.  In  dem  himmlischen  Jerusalem 
sollen  zwölf  Quellen  Milch  und  Honig  strömen  ^^  In  einer  apo- 
kryphen Vision  wird  der  Apostel  Paulus  in  goldenem  Schiffe  zur 
Stadt  Christi  gefahren :  vier  Flüsse  umgeben  die  Stadt,  der  erste 
von  Honig  (im  Süden),  der  zweite  von  Milch  (im  Westen),  der 
dritte  im  Norden  von  Wein,  der  vierte  im  Osten  von  Oel;  der 
Honigstrom  ist  der  Ort  der  Propheten,  der  Milchfluss  der  un- 
schuldigen Kindlein  und  der  reinen  Seelen :  Bilder  vom  Land  der 
Verheissung  und  vom  Paradies  laufen  hier  zusammen  und  sind 
ins  Jenseits  zurück  verlegt.  lamos  usw.  lehrt  uns  verstehn, 
warum  die  Propheten  sich  um  den  Honigstrom  sammeln.  Bei 
den  Griechen  bricht  die  Vorstellung  durch  in  einer  sprichwört- 
lichen Redensart  ^*^.  Während  wir  von  einem  Sack  voll  Gold 
sprecheui  sagte  der  Grieche:  er  hat  einen  Bienenkorb  voll  Geld 
(oder  Schätzen).  Hier  ist  die  alte  Vorstellung  des  himmlischen 
Schatzes  ^^  beeinflusst    und    gefärbt    durch    das  Bild  vom  himm- 


Hesiod    und    Lucanue   s.    die    jüngere    Vita    Lucani   in    Reifferscheids 
Sueton  p.  76,  1β. 

«  Aristoph.  Vögel  749  Horat.  carm.  IV  2,  27  ff.  Lucretias  3,  11 
Lukiau  in  den  Άλιβίς  c.  <i.  Vffl.  Varro  r.  r.  III  IB,  7  'cum  Musarum 
esse  dicantur  esse  uolucres*. 

le  Esdra  V  2,  19  (in  Fritzsche's  Libri  apocryphi  Vet.  test.  p.  643) 
'et  totidem  (dh.  12)  fontes  flucntes  lac  et  niel*  Apocalypsis  Pauli  23  ff. 
in  Tischendorfs  Apocalypsee  apocryphae  p.  52  ff.,  lateinisch  in  James* 
Apocrypha  anecdota  (Texte  and  studies  ed.  by  Arm.  Robinson  t.  II  3) 
p.  24,  14.  2.5,  28  ff.  Im  griechischen  Text  wird  der  Milchstrora  in  den 
Süden  verlegt,  es  folgt  der  östliche  (p.  54,  4  il  άμφηλίου :  lies  άφηλ(ου) 
ohne  Angabe  des  Stoffe,  dann  der  nördliche  mit  Oel. 

^'^  Arietoph.  Weep.  241  läset  einen  alten  Heliasten  von  den  Reich- 
thümem,  die  Lachee  aus  Sicilien  mitgebracht  haben  soll,  sagen:  σ(μ- 
βλον  bi  φασι  χρημάτων  ίχβιν  απαντες  αυτόν. 

18  S.  bintfluthsagen  s.  182  ff. 


Milch  and  Honig  181 

liechen  Honig:  der  Bienenkorb  ist  wie  seine  nächsten  Verwandten, 
das  Tischlein  deck  dich  und  der  Wundersäckel  des  Mercurius, 
des  Fortunatue  usw.,  ein  unversieglioher  Schatzbehälter  himm- 
lischen Segens.  Es  bedarf  doch  wohl  auch  für  den  mythologi- 
schen Stumpfsinn  keines  Wortes,  dass  man  Bienenkörbe  im  Alter- 
thum  so  wenig  wie  heute  als  Geldtruhen  benutzt  hat. 

Vom  Bilde  des  Götterlandes  sind  die  Vorstellungen  des 
Paradieseslebens  oder  des  goldenen  Zeitalters  entlehnt^®.  Römische 
Dichter,  gerade  hierin  gewiss  von  Griechen  abhängig,  vergessen 
in  ihren  Schilderungen  des  goldenen  Zeitalters  so  leicht  nicht 
dies   Wunder.     So  Tibullus  (I  3,  45): 

Ipscte  mella  dabant  quercus  uUroque  ferehant 
ohuia  securis  ubera  lactis  oues 
oder  Ovidins  (met.  1,  111   f.): 

flumina  iam  lactis^  tarn  flumina  fiectaris  ibant, 
flauaque  de  uiridi  süUabant  ilice  mella  ^. 
Auch  der  Traum  eines  wiederkehrenden  Paradieses  mag  sich  des 
tief  eingeprägten  Bildes  nicht   entschlagen.     Schon    die   alte    he- 
bräische Sage    stattet    damit    das    Land    der  Verheissung    aus^^ 
Desgleichen  Vergilius  (ecl.  4,  30): 

et  durae  quercus  sudahant  roscida  mella. 
Und  Sertorius  erhofft  von    den  Inseln   der  Seligen,   zu  denen    er 
sich  hinüberretten  möchte,  dass  dort 

mella  caua  manant  ex  ilice  und 

illic  iniussae  ueniunt  ad  mulctra  capellae 

referfque  tenfa  grex  amicus  ubera'^. 

Nur  etwas  tiefer  gestimmt,  näher  dem  Irdischen,  klingt  die  He- 

siodische  Verheissung  für  das  Land  der  Gerechten,  dass  da    auf 

den  Bergen  die  Eiche  in  dem  \Vipfel  Eicheln  und  in   der  Mitte 

Bienen  trage  ^^     In    der    christlichen   Litteratur   zeigt   sich,    wie 

das    Mosaische    Land    der  Verheissung  einen    durch   hellenischen 

Glauben  wohl  vorbereiteten  Boden  fand.     Tn  der  oben  schon  an- 


w  S.  ebend.  197  ff. 

«  Vgl.  noch  Ovid  am.  III  8,  40  Aetna  v.  13  Robert-Tornow 
p.  83  ff. 

«  Die  Belege  β.  Sintfluths.  207,  1. 

«  Horat.  epod.  16,  47.  49  f. 

w  Hesiod  Werke  2:32  f.  vgl.  Plinius  n.  h.  IG,  31.  In  der  neuen 
Petrus-Apokalypse  c.  5  und  ebenso  in  der  Apokal.  des  Paulus  11 
(Tiechendorfe  Apoc.  apocr.  p.  40,  lat.  in  Robinsons  Texte  and  studies 
Π  3  p.  14, 35)  uö.  ist  der  'Ort  der  Gerechten    ein  himmlieclies  Paradies. 


182  üsener 

gezogenen  Apokalypse^  wird  Paulus  vom  Engel  in  den  zweiten 
Himmel  geführt,  das  Land  der  Verheissung  und  den  Schauplatz 
des  tausendjährigen  Gottesreichs,  da  sieht  er  einen  Fluse,  der  von 
Milch  und  Honig  iliesst,  und  an  seinen  Ufern  Palmhäume  nnd 
Weinstöcke  von  wunderbarer  Fruchtbarkeit.  Der  Teufel,  der 
die  h.  Änthusa  zum  Abfall  von  Christus  bestimmen  möchte, 
spricht  zu  ihr:  *  Komm  und  trink  von  dem  Flusse,  der  Milch  und 
Honig  strömt.'  Umgekehrt  äussert  sich  das  durch  die  Fesse- 
lung des  Kronos  herbeigeführte  Ende  des  goldenen  Zeitalters 
für  Vergilius  darin,  dass  Juppiter  mella  decussit  folns:  der  wahre, 
reine  Honig,  wie  ihn  das  goldene  Zeitalter  genossen,  pflegte  wie 
Himmelsthau  an  den  Blättern  der  Bäume  zn  hangen. 

Der  Cultusbrauch  ist  nur  die  äussere  Gestaltung  der  Vor- 
stellungen von  Gott  und  göttlichen  Dingen,  die  in  einer  Gemeinde 
oder  einem  Volk  lebendig  sind.  Von  den  Vorstellungen,  die  wir 
eben  überblickt,  muss  auch  die  Anwendung  von  Milch  und  Honig 
im  Cultus  abhängig  gewesen  sein.  Die  wichtigste  und  gebräuch- 
lichste fand  bei  dem  Opfer  an  Todte  statt.  Schon  Odysseas  giesst 
den  Todten  bei  der  dreifachen  Spende,  die  er  darbringt,  auch 
Gemisch  von  Honig  und  Milch  in  die  Grube  (β.  unten  Anm.  33). 
Bis  in  die  späte  Zeit  dauerte  der  Brauch,  namentlich  bei  der 
Todtenbeschwörung  schien  er  unerlässlich.  Honig  und  Milch 
wurden  also  als  Seelenspeise  angesehen.  Die  Geister  der  Ent- 
schlafenen wurden  im  seligen  Jenseits  wohnend  gedacht,  es  kam 
ihnen  die  süsse  Nahrung  zu,   welche  die  Sage  dorthin  versetzte. 

Dem  Porphyrios  verdanken  wir  die  Nachricht,  dass  bei  den 
Mithrasweihen  Honig  verwendet  wurde  ^.     Es  geschah    das    bei 

**  In  der  lateinieclien  Fassung  der  Texte  and  stud.  Π  3  ρ.  22, 29. 
Acta  8.  Anthusae  c.  13  in    den  Analecta  Bollandiana  t.  ΧΠ  p.  2β,  16. 

»  Verg.  Georg.  1,  131.    Vgl.  Plinius  n.  h.  11,  30  f. 

«β  S.  Robert-Tornow  p.  134—146,  Röscher,  Nektar  u.  Ambr.  <ίδ  f. 
und  besonders  Stengel  in  Fleckeisens  Jahrb.  1887  8.  ü53. 

^  Porphyr,  de  antro  nymph.  28  p.  75,  1^^  N.2  διό  καΐ  σπ^Ο€ΐν 
αύταϊς  (ταΐς  ψυχαϊς)  τους  ψυχαγωγούς  μέλι  κ€κραμένον  γάλακτι  vgl. 
ebend.  18  ρ.  βν),  18  διό  καΐ  μέλιτος  σπονδάς  τοΙς  χθον(οις  ^θυον. 

®  Porph.  de  antro  nymph.  15  δταν  .  .  .  τοϊς  τά  λεοντικά  μυου- 
μένοις  €ίς  τάς  χ€ΐρας  άνβ'  ύδατος  μέλι  ν(ψασθαι  έγχέωσι,  καθαράς  ίχ€ΐν 
τάς  χείρας  παραγγέλλουσιν  άπό  παντός  λυπηρού  καΐ  βλαπτικού  καΐ  μυ- 
σαρού .  .  .  .,  καθα(ρουσι  δέ  καΐ  τήν  γλώτταν  τφ  μέλιτι  άπό  παντός 
αμαρτωλού.  (1Η)  δταν  δέ  τφ  Πέρση  προσάγωσι  μέλι  ιίις  φύλακι  καρ- 
πατν  (?),  τό  φυλακτικόν  έν  συμβόλψ  τίθενται.  Vgl.  Fr.  Cumont,  Textes 
et  monuments  figures  rel.  aux  myst^res  de  Mithra  1,  320.  Üeber  Rei- 
ttiguDg  durch  Honig  bezw.  Ambrosia  s.  Röscher  aO.  39  ff. 


Miloh  und  Honig  183 

den  Weihungen  zum  vierten  und  fünften  Grade,  dem  dee  Löwen 
und  dem  des  Pereere.  Dem  künftigen  Löwen  wurde  statt  Wasser 
Honig  auf  die  Hände  gegossen  als  Reinigungsmittel ;  '  sie  reinigen 
aber  aucli  die  Zunge  mit  dem  Honig  von  allem  Sündhaften': 
die  Zunge  wurde  also  nur  bestrichen  mit  Honig.  Bei  der  fünften 
Weihe  zum  Perser  wurde  Honig  als  'erhaltendes'  Mittel^•  ge- 
reicht: es  scheint  also  in  diesem  Fall  als  Unsterblichkeit  ge- 
währende Götterspeise,  wie  eine  Art  Ambrosia  gegeben  worden 
zu  sein.  Hätte  uns  doch  Porphyrios,  statt  uns  von  der  Feuer- 
natur des  Löwen  zu  unterhalten,  aus  seinem  Pallas  mehr  über 
den  liturgischen  Hergang  berichtet.  So  bleiben  uns  seine  An- 
gaben fürs  erste  fremdartig. 

Glücklicher  Weise  sind  wir  weit  gründlicher  unterrichtet 
über  die  Anwendung,  welche  die  alte  christliche  Kirche  von  Milch 
und  Honig  machte.  Die  Akten  liegen  noch  heute  so  reichlich 
vor,  dass  wir  nicht  nur  die  liturgische  Gestaltung  und  ihre  Ge- 
schichte genügend  kennen,  sondern  auch  über  das  Wesen  der- 
selben zu  urtheilen  vermögen. 

In  der  christlichen  Kirche  wurde  ehemals,  und  wird  heute 
noch  bei  den  Kopten  und  Aethiopiern  der  Brauch  beobachtet,  den 
Täuflingen,  nachdem  sie  das  Taufbecken  verlassen,  Milch  und 
Honig  zusammengemischt  darzureichen^^.  Die  uns  erreichbar 
älteste  Form  des  Brauchs  kennen  wir  erst  seit  Kurzem  durch 
die  lateinische  Bearbeitung  der  Dtdascalia  apostolorum^  welche 
Edmund  Hanler  aus  einem  Palimpsest  zu  Verona  hervorgezogen 
bat^^  Unmittelbar  nach  vollzogener  Taufe  wurden  die  Täuflinge 
von  einem  Presbyter  mit  geweihtem  Oel  gesalbt  und  traten, 
nachdem  sie  die  Taufkleider  angelegt  hatten,  in  die  Kirche.  Dort 
empfieng  sie  der  Bischof,  um  sie  unter  Handauflegung  mit  ge- 
weihtem Oel  (Chrisma)  zu  segnen  und  ihnen  den  Kuss  zu  geben, 
worauf  sie  an  dem  Gebet  der  gesammten  Gemeinde  theilnahmen 

^  lieber  erhaltende  und  antiseptische  Kraft  des  Honigs  s.  Röscher 
aO.  56  ff. 

^  Hieronymus  in  der  Altercatio  Luciferiani  et  orthodoxi  c.  8 
t.  Πρ.  180«  yall.  'Nam  et  multa  alia  quae  per  traditionem  in  ecclesüs 
obseruantur,  anctoritatem  sibi  scriptae  legis  ueurpauerant,  uelut  in 
lanacro  ter  caput  mergitare,  deinde  egressos  lactis  et  meüis  prctegwtare 
eoncordiam  (entlehnt  aus  Tertullian  s.  Anm.  '37)  in  infantiae  significa- 
tionem  die  dominico  et  omni  pentecoste\  auch  Anm.  40.  Vgl.  Martene 
De  antiquis  ecclesiae  ritibus  I  1,  15  t.  3  p.  156  Muratori  zu  Liturgia 
Romaua  uetus  1,30  ff.,  Assemani  im  Codex   liturgicns  eccl.  nniu.  3«  114. 

^  Didascaliae  apostolomm  fragnienta  Veronensia  latina  ed.  E. 
Haoler  (Lipt.  1900)  p.  111-3. 


184  Ueener 

und  zum  Scbluss  sich  am  Bruderkues  betheiligten.  Dann  wurde 
das  Messopfer  für  sie  dargehracht.  Es  wurde  dazu  Brod,  Wein 
mit  Wasser  gemischt,  Milch  und  Honig  gemischt,  endlich  Wasser 
consecriert.  Alsdann  belehrte  der  Bischof  die  Täuflinge  über  die 
sacramentale  Bedeutung  der  einzelnen  Elemente,  brach  das  Brod  und 
theilte  es  aus  mit  den  Worten :  *  Das  Brod  des  Himmels  in  Christo 
Jesu',  und  der  Täufling  antwortete  Amen.  Nun  stellten  sich  drei 
Presbyter  (wo  ihrer  so  viele  nicht  vorhanden  waren,  Diaoone  an 
Stelle  der  Fehlenden)  der  Reihe  nach  auf,  ein  jeder  mit  einem 
Becher  versehen.  Im  Becher  des  Ersten  war  Wasser,  der  Zweite 
reichte  Milch  (und  Honig),  der  Dritte  Wein  (gemischt  mit  Wasser). 
Also  drei  Becher,  und  von  jedem  musste  der  Täufling  dreimal 
kosten.  Der  Geistliche  sprach  zum  ersten  Schluck:  'in  Gott 
dem  allmächtigen  Vater  ;  zum  zweiten :  *ünd  in  unserem  Herrn 
Jesus  Christus',  und  zum  dritten:  'Und  im  heiligen  Geist  und 
der  heiligen  Kirche*  ^^.  Auf  jeden  Spruch  des  Geistlichen  ant- 
wortete der  Täufling  Amen. 

Hier  ist  also  Milch  und  Honig  gradezu  unter  die  Bestandtbeile 
einer  zu  besonderem  Zweck  veranstalteten  Eucharistie  genommen, 
und  um  die  flüssigen  Elemente  auf  die  erforderliche  Dreizahl  zu 
bringen,  hat  man  das  Wasser,  obwohl  es  schon  im  Weinkelch 
enthalten  war,  besonders  eingestellt  als  Symbol  innerlicher  Reini- 
gung. Allein  man  würde  sehr  irren,  wenn  man  diese  eigenartige 
Stufenfolge  flüssiger  Abendmahlsbestandtheile  ausschliesslich  durch 
solche  Erwägungen  zu  erklären  glauben  sollte.  Alle  drei,  auch 
der  sprudelnde  Quell  lebendigen  Wassers,  waren  gegeben  in  alter 
tief  gewurzelter  Vorstellung;  es  sind  die  wunderbaren  Erzeugnisse, 
durch  welche  sich  die  Gegenwart  Gottes  wie  einst  des  Dionysos 
offenbart.  Es  sind  genau  dieselben  drei  Spenden,  nur  in  anderer 
Ordnung,  welche  Odysseus^^  für   die  Seelen  der  Abgeschiedenen 

^  Ich  entferne  mich  hier  scheinbar  vom  Wortlaut  der  Quelle. 
Dort  steht  p.  1 1  «-i  '  et  gustent  qui  pcrcipient  de  singulis  (dh.  von  den 
drei  Bechern  mit  Wasser,  Milch,  Wein)  ter  dicente  eo  qui  dat  "In  deo 
patre  omnipotenti'*,  dicat  autem  qui  accipit  "Amen".  "Et  domino 
lesu  Christo  et  spiritu  sancto  et  sancta  ecclesia*'.  et  dicat  "Amen", 
ita  eingulis  fiat*.  Es  ist  unmöglich  ter  anders  als  mit  gusterU  zu  ver- 
binden; dann  iet  es  aber  unerlässlich,  das8  zu  jedem  Schluck,  nicht 
blos  zu  zweien,  ein  Segens  wort  vom  Geistlichen  gesprochen  werde. 
83  Hom.  λ  2ίί  f 

άμφ'  αύτφ  (βόθρψ)  bi  χοήν  χ€Ομην  πασιν  ν€κύ€ασιν, 
πρώτα  μελικρήτψ,  μ€τέττ€ΐτα  δέ  ήδέι  οϊνψ, 
τό  τρίτον  αΟΘ'  οδατι*  έπΙ  δ*  Αλφιτα  λ€υκά  πάλυνον. 
ygl  κ  518  f.  Nitzsoh  Anm.  3,  162. 


Milch  und  Honig  185 

in  die  Grube  giesst:  Honiggemiech  (dh.  Milch  and  Honig),  Wein, 
zuletzt  Wseser.  Man  müeete  die  Augen  echlieseen,  um  zu  ver- 
kennen, daee  der  Brauch,  deb  die  ^Apostellehre'  schildert,  nur 
auf  hellenischem  oder  hellenisiertem  Boden  kirchlich  geworden 
sein   kann. 

Schon  in  der  zweiten  Hälfte  des  Π.  Jahrb.  nach  Chr.  war 
er,  mindestens  im  Bereiche  von  Alezandria,  in  Uebung.  Das  be- 
zeugt Clemens  Alex.^,  wenn  er  Milch  als  die  Nahrung  nach  der 
leiblichen  Geburt,  Milch  und  Honig  als  Speisung  nach  der  gei- 
stigen Wiedergeburt  in  Vergleichung  setzt.  Mit  derselben  Be- 
stimmtheit gönnen  wir  behaupten,  dass  der  ältere  Verfasser  des 
ßarnabasbriefs  die  Sitte  noch  nicht  kannte.  Seine  ausführliche 
Erörterung  'des  Landes  wo  Milch  und  Honig  fliesst'  (c.  6)  würde 
einen  anderen  Gang  genommen  haben,  wenn  er  von  der  Verwen- 
dung zur  Taufe  eine  Ahnung  gehabt  hätte. 

Es  ist  lehrreich  zu  beobachten,  wie  der  alte  Brauch  all- 
mählich abstirbt,  richtiger  gesprochen,  von  der  Kirche  abgestossen 
wird.  Die  ägyptische  und  mit  ihr  die  äthiopische  Kirche  hat  Milch 
und  Honig  als  Bestandtbeil  des  den  Täuflingen  gespendeten 
Abendmahls  festgehalten.  Für  die  ägyptische  Liturgie  waren  die 
sogenannten  Regeln  des  Hippolytos  maassgebend,  die  uns  arabisch 
und  in   koptischer   Umarbeitung    vorliegen.     Hier   heisst  es    von 

den  Vorgängen  nach  der  Taufe  ^^: 

'Dann  beginnt  der  Diakon  zu  heiligen,  und  der  Bischof  voll- 
endet die  Eaqharistie  des  Leibes  und  Blutes  des  Herrn.  Ist  er 
damit  fertig,  communiciert  die  Gemeinde,  während  er  an  der  Tafel 
des  Leibes  und  Blutes  des  Herrn  steht  und  die  Presbyter  andere 
Becher  mit  Milch  und  Honig  tragen  (dh.  halten),  um  die  Commu- 
nicanten  zu  lehren,  dass  sie  zum  zweiten  Male  als  kleine  Kinder 
geboren  sind,  da  doch  die  kleinen  Kinder  an  Milch  und  Honig 
coromunicieren So  gibt  ihnen  der  Bischof  vom  Leibe  des  Ge- 
salbten und  spricht  dazu:  "Das  ist  der  Leib  Christi".  Sie  ant- 
worten Amen.     Bei  denen,    welchen    er    den  Becher   gibt,   spricht 

8*  Clemens  AI.  paedag.  I  (>,  45  p.  45, 44-7  Sylb.  vgl.  6,  34  p.  43, 
19-21  und  6,  51  p.  47,  14. 

^  Kanon  des  Hippolytos  19,  15  nach  W.  Riedel,  Die  Kirchen- 
rechtequellen  des  Patriarchats  Alexandrien  (Leipz.  1900)  S.  213,  bei 
Haneberg  (Monach.  1870)  p.  77.  Vgl.  Achelis  in  den  Texten  und  Unter- 
suchungen VI  4  S.  100  f.,  wo  man  auch  eine  üebersetzung  der  koptisch 
erhaltenen  (hg.  von  Lagarde  am  Scbluss  seiner  Aegyptiaca)  Aeg.  Kirchen- 
ordnnng  findet.  Ueber  den  heutigen  Brauch  s.  JMVansleb  (Wansleben) 
Bist,  de  reglise  d'Alexandrie  (Par.  1G77)  p.  206. 


186  Usener 

er:   *'Da8   ist   das    Blut  Christi**.    Sie   antworten   Amen.    Darauf 
commanicieren  sie  von  der  Milcb  und  dem  Honig  als  Hinweis  auf 
die  kommende  Zeit    and    die  Sössigkeit    der  Güter   in   derselben: 
jene  Zeit,  welche  nicht  zur  Bitterkeit  zarückkehren  wird,  und  jene 
Güter,  welche  nicht  verschwinden.  So  sind  sie  vollkommene  Christen 
geworden,  welche  man  mit  dem  Leibe  Christi  genährt  hat.' 
Dem  entsprechend  schreibt  die  äthiopische  Tauf ordnnng^  yor: 
'Und    darauf  sollen   sie   von  dem  .  .  .  Geheimniss  (der  Eucha- 
ristie) empfangen  .  .  .,    sie   sollen  essen  das  Fleisch    und   trinken 
das    thenre  Blut   unseres  Herrn    und  Heilands  Jesu  Christi.    Und 
darauf  soll  man   denen,    welche  in  Jesu  Christo  (wieder-)geboren 
sind,  Milch  (und)  unverfälschten  (Honig)  geben.* 
An  Stelle  der  drei  Kelche  ist  eine  Dreiheit  der  Abendmahls- 
elemente tiberbanpt  getreten:   Brot,  Wein,  Milch  und  Honig.   In 
dieser  Gestalt  mögen  die  Taufbränche  an  die  afrioanische '^  Kirche 
gelangt  sein.     Vor  der  kirchlichen  Wissenechaft,    die   allmählich 
auch  den  Gottesdienst  beeinflussen  musste,    konnte    sich  der  un- 
biblische   Bestandtheil     der    Eucharistie    auf    die    Dauer    nicht 
halten.     Das    dritte  Concil    von  Carthago  (397)  schärfte  die  Be- 
schränkung der  Eucharistie  auf  Brot  und  Wein  nachdrücklich  ein, 
und    schloss    in   dies  Verbot  auch  die  Milch  und  den  Honig  ein, 
die  den  Täuflingen  gereicht  würden^:  sie  hätten  ihren  besonderen 


^  E.  Trumpp,  Das  Taufbuch  der  äthiop.  Kirche  in  den  Abhandl. 
der  philos.- philo!.  Gl.  der  k.  Bayer.  Akademie  der  Wissensch  XIV  3 
S.  182.    Vgl.  H.  Denzinger,  Ritus  orientalium  1,  282. 

^  Tertulljanus  de  corona  militis  3  *dehinc  ter  mergitamur  .  .  . 
inde  suscepti  lactis  et  raellis  concordiam  praegustamus*  vgl.  adv.  Mar• 
cionem  I  14  'mellis  et  lactis  societatem  qua  suos  infantat  (Christus)*. 
Die  kühn  gefassten  Worte  der  ersten  Stelle,  die  Hieronymus  (oben 
Anm.  30)  ausschreibt,  finden  genügendes  Verständniss  nur  unter  der 
Voraussetzung,  dass  Tert.  Worte  und  Gedanken  der  Liturgie  zusamraen- 
fasst.  Milch  und  Honig  werden  den  Täuflingen  gereicht  zum  Vor- 
geschmack (praegustamus)  der  ewigen  Seligkeit;  die  einträchtige 
Mischung  der  beiden  Flüssigkeiten  wird  auch  im  Segensspruch  der 
römischen  Kirche  (unten  S.  188)  hervorgehoben  und  gedeutet  auf  die 
Verbindung  des  Irdischen  und  Himmlischen  in  Christo.  Diesen  letzteren 
Gedanken  hatte  also  auch  die  Segensformel  der  afticanischen  Kirche. 

*  Conc.  Carthag.  III  c.  24  =  conc.  Hippon.  (397)  c.  23  =  cod. 
canonum  eccleeiae  Africanae  (vom  J.  419)  c.  37  *Vt  in  sacramentis  cor- 
poris et  sanguinis  domini  nihil  amplius  ofFeratur  quam  ipse  dominus 
tradidit  he.  panis  et  uinum  aquae  mixtum,  primitiae  uero  seu  mel  et 
lac,  quod  uno  die  sollemnissimo  pro  infantis  mysterio  solet  offerri, 
quamuis  in  altari  ofFeratur,  suam  tamen  habent  propriam  benediotionem, 
ut  a  sacraniento  ilominici  corporis  aut  sanguinis  distinguantur*  usw. 


Milch  und  Honig  187 

Segen  (benedictionem)  und  seien  der  eigentlichen  Commanion  fern 
zu  halten. 

Anderwärts  hat  man  die  fremdartigen  Bestandtheile,  falls 
sie  überhaupt  bekannt  gewesen  waren,  zeitig  fallen  lassen.  Die 
grossen  griechischen  Kirchenväter  des  lY  Jahrh.,  unter  denen 
Kyrillos  von  Jerusalem  in  seinen  Katechesen ^^  und  Johannes 
Chrysustomoe  in  ihrem  Schweigen  geradezu  als  Zeugen  gelten 
müssen,  kennen  sie  nicht  mehr ;  auch  die  etwa  in  dieser  Zeit  ab- 
geschlossenen Apostolischen  Constitutionen  (7,  43  f.)  wissen  nichts 
davon.  Und  wenn  Hieronymus^^  bemerkt,  dass  der  Brauch  bis 
zu  seiner  Zeit  'in  den  Kirchen  des  Westens'  beobachtet  werde, 
zeigt  er  sich  zwar  über  die  Grepflogenheiten  der  Aegyptischen 
Kirche  wenig  unterrichtet,  aber  um  so  besser  mit  der  Thatsache 
vertraut,  dass  den  Kirchen  Palästinas  und  Syriens  die  Sitte  fremd 
war.  Den  Orientalen  ist  die  Mailändische  Kirche  gefolgt:  in 
den  Taufpredigten  des  Maximus  von  Turin  ist  keine  Andeutung 
von  Milch  und  Honig  mehr  zu  finden ;  spätestens  mit  dem  V.  Jh. 
war  also  in  Oberitalien  die  Sitte  erloschen. 

Anders  ist  Rom  vorgegangen.  Das  älteste  römische  Sacra- 
mentar,  das  im  Laufe  des  VI.  Jh.  zusammengestellte*^  sacramenta- 
rium  Leoninumy  beginnt  zwar  infolge  von  Verstümmelung  erst  im 
April,  und  hat  somit  die  Abschnitte  über  die  österliche  Taufzeit 
eingebüsst,  allein  es  bringt  unter  den  Formeln  der  Pfingsttaufe  den 
erwarteten  Segen  auf  Milch  und  Honig  *•.  Ich  gebe  ihn  seiner 
Wichtigkeit  halber  in  Uebersetzung : 

'  Segne,  Herr,  auch  diese  deine  Geschöpfe  der  Quelle,  des  Honigs 
and  der  Milch;  tränke  deine  Diener  aus  diesem  Quell  unversieg- 
baren Lebenswassers,  das  der  Geist  der  Wahrheit  ist;  und  nähre 
pie  von  dieser  Milch  und  dem  Honig,  gleichwie  du  unsern  Vätern 
Abraham,  Isaak  und  Jakob  zugesagt  hast,  sie  einzuführen  in  das 
Land   der  Verheissung,    das  Land,  das    da  fliesst    von  Honig  und 

®  Die  sonst  so  mittheilsame  Aquitanierin  geht  auf  [die  Tauf- 
bräuche selbst  nicht  ein  (Itinera  Hierosolymitana  ed.  Geyer  p.  99). 

*^  Hieron.  in  lesaiam  55,  1  t.  IV  p.  β44«  Vall.  'qui^raos  ac  typus 
in  occidentis  ecclesiis  hodie  usque  seruatur,  ut  renatis  in  Christo  uinum 
lacque  tribuatur'.  Man  hat  sich  unnöthiger  Weise  über  diese  Zu- 
sammenstellung von  Wein  und  Milch  den  Kopf  zerbrochen.  Mit  der 
Milch  ist  der  calix  lactis  dh.  lactis  et  meüis  gemeint,  wie^es  auch  in  der 
Didasc.  apost.  p.  113,28  kurzweg  heisst  secundus  qui  lac  (tenet).  Vgl. 
Anm.  50. 

*^  S.  L.  Duchesne,  Origines  du  culte  chrotien  p.  180  ff. 

*^  Muratori's  Liturgia  Romana  uetus  1,  31H  Leo  Magnus  ed. 
Ballerini  t.  II  p.  24. 


188  üsener 

Milch.  Verbinde  denn  deine  Diener,  ο  Herr,  mit  dem  heiligen 
Geiste,  also  wie  hier  verbunden  ist  Honig  und  Milcb,  zum  Zeichen, 
dass  himmlisches  und  irdisches  Wesen  geeinigt  ist  in  Christo  Jesu 
unserem  Herrn.* 
Verstehen  und  würdigen  können  wir  diesen  Segenseprach 
erst  jetzt,  nachdem  ans  die  ^Apostellehre  mit  der  ältesten  Ge- 
stalt des  Tanfbrauchs  bekannt  gemacht  hat.  Ausser  über  Milch 
und  Honig  wird  der  Segen  auch  über  Quellwasser  gesprochen. 
Das  Wasser,  das  dem  Wein  des  Sacraments  beigemischt  ist, 
wird  mit  dem  Altarkelche  geweiht*';  hier  kann  es  sich  also  nur 
um  Wasser  handeln,  das  besondere  gereicht  wird  und  auf  gleicher 
Stufe  mit  Milch  und  Honig  steht.  Wer  etwa  denken  möchte, 
durch  Streichung  des  unbequemen  W^orts  den  Anstoss  zu  heben**, 
würde  dem  Spruch  einen  noch  schwereren  Schaden  zufügen,  in- 
dem nun  der  ganze  Satz  vom  Quell  unversiegbaren  Lebenswas- 
sers vollständig  zweck-  und  beziehungslos  würde.  Also  wurde 
damals  noch  zu  Rom  den  Täuflingen  das  Abendmahl  genau  in 
der  Weise  gereicht,  wie  sie  die  Apostellehre  vorschreibt.  Der 
Austheilung  des  Brots  folgte  die  Darreichung  der  drei  Kelche 
mit  Wasser,  Milch  und  Honig,  zuletzt  Wein.  Es  versteht  sich 
von  selbst,  da  Brot  und  Wein  als  Elemente  der  Eucharistie  für 
sich  consecriert  wurden,  dass  der  Inhalt  der  beiden  anderen  Kelche 
besondere  zu  segnen  war.  Unwillkürlich  erhebt  sich  die  Frage, 
ob  dieser  lateinische  Text  der  Apostellehre  in  nähere  Beziehung 
zur  römischen  Kirche  gesetzt  werden  kann  (vgl.  Anm.  52). 

Schon  das  im  Laufe  des  VH.  Jh.  entstandene*^  sacramen- 
iarium  Gelasinnum  hat  diesen  Segensspruch,  und  damit  jede  Spur 
von  Milch  und  Honig  ausgemerzt  und  ebenso  ist  er  aus  den 
Exemplaren  des  sogen,  sacr.  Gregorianum  verschwunden;  die  sonst 
so  gut  unterrichteten  mittelalterlichen  Schriftsteller  über  Liturgik 
beobachten,  so  viel  mir  bekannt,  vollkommenes  Schweigen.  'Wohl 
aber  kommt  noch  ein  liturgisches  Sendschreiben  in  Betracht,  das 
ein  römischer  Diakon  des  häufigen  Namens  Johannes  an  den 
vir  inlustris  Senarius  richtet*^.  Der  vornehme  Hofmann  hatte 
sich  unter  vielem  anderem  auch  darüber  Aufklärung  erbeten, 
warum  'in  den  heiligen  Kelch  Milch  und  Honig  gegossen  und  am 

*3  Vgl.  Didasc.  apost.  p.  112,  7  f. 

**  Das  haben  die  Ballerini  gethan,  gestützt  auf  die  unten  S.   IVH) 
zu  besprechenden  Ritualbücher. 
*δ  S.  Ducheane  aO.  121  flf. 
*6  In  Mabillons  Museum  Italicum  I  2  p.  69— 7i). 


Milch  and  Honig  189 

Ostereametag  zusammen  mit  dem  MesRopfer  dargebracht  werde^^'^. 
Wie  die  Frage,  so  zeigt  die  sachkundige  Antwort,  dass  damals 
die  römische  Kirche  den  Brauch  noch  übte.  Nach  dem  Obigen 
kann  das  spätestens  dem  V — VI.  Jh.  zugetraut  werden.  Es  war 
also,  wie  längst  anerkannt  ist^  ein  grober  Anachronismus,  wenn 
Mabillon  (aO.  77  f.)  den  Verfasser  in  einem  Schriftsteller  des 
IX.  Jh.,  dem  Biographen  Gregors  des  grossen  und  Freund  des 
Anast^sius  bibliothecarius  wiederfinden  wollte.  Sicherer  war  es, 
von  dem  seltenen  Namen  Senarius  auszugehen.  Einen  solchen 
kennen  wir  als  Hofbeamten  Theoderichs,  den  Freund  des  Enno- 
dias ^^,  und  in  derselben  Zeit  sehen  wir  einen  gelehrten  Diakon 
Jobannes  in  vertrautem  Verkehr  mit  Boethius  und  Symmachus: 
auf  ihn  hat  daher  bereits  Rand  *®  unsere  Schrift  richtig  zurück- 
geführt. Die  Schrift  gehört  also  den  ersten  Jahrzehnten  des 
VT.  Jh.  an.  Es  war  nicht  unwichtig,  die  Zeit  festzustellen.  Wir 
haben  in  dem  Sendschreiben  das  urkundliche  Zeugniss  dafür, 
dass  noch  damals  die  römische  Kirche  dem  Täufling  bei  seinem 
ersten  Abendmahle  Milch  und  Honig  reichte.  'Hochheilig'  nennt 
Johannes  den  Kelch  nicht  darum,  weil  Milch  und  Honig  dem 
Weinkelch  der  Eucharistie  zugegossen  ^,  sondern  weil  der  Kelch, 
der  diese  Flüssigkeiten  enthielt,  als  Bestandtheil  des  Sacraments 
gereicht  wurde;  das  wird  von  Johannes  ausdrücklich  bemerkt ^^, 
and  seine  Beantwortung  der  Frage  ist,  sogar  mit  wörtlichen 
Anklängen,  ganz  auf  die  Andeutungen  der  lat.  Apostellehre  ge- 
gründet ^*.  —  Rom  hatte  also  den  alten  Brauch  am  längsten  un- 
verändert bewahrt,  bis  er  um  600  (durch  Gregor  den  gr.?)  plötz- 
lich wie  mit  oinem  Federstriche  abgestellt  wurde. 


^*'  C.  12  p.  75  'quaeeistis,  cur  in  sacratissimum  calicem  lac  mit- 
tatur  et  mel  et  paschae  eabbato  cum  sacrificiis  ofiferatur.* 

^  Mommsen  zu  Cassiod.  p.  499  vgl.  Vogel  zu  Ennodius  p.  359. 
Dass  Senarius  nicht  Arianer  war,  sondern  zur  römischen  Kirche  ge- 
borte, zeigt  das  Schreiben  des  Johannes  p.  G9. 

*ö  E.  K.  Rand,  Der  dem  Boethius  zugeschriebene  Traktat  de  fide 
catholica,  im  XXVI.  Suppl.-Band  der  Jahrbücher  f.  Philol.  S.  444  f. 

^  So  scheint  Mabillon  Mus.  Ital.  II  p.  XCIX  verstanden  zu  haben. 
Clemens  AI.  paedag.  I  6,  nl  p.  47,  18  S.  kennt  zwar  eine  Mischung 
von  Milch  und^Vein,  aber  er  weiss  auch,  dass  dabei  die  Milch  gerinnt. 
Wein  und  Milch  gemischt  zu  trinken  '  a  rerum  natura  et  hominum  usu 
abhorret',  wie  W.  Christ  zu  Pindar  p.  257  richtig  urtheilt. 

^*  Johannes  aO.  p.  75  *baptizatis  ergo  hoc  sacramenti  genus 
offerlur'  und  gegen  Ende  'nutriti  talibus  sacramentis*. 

^^  Sowohl   bei  der  aus  der  beiiedictio   stammenden  Heranziehung 


190  üsener 

Der  Segeneepruch  des  sacram,  Leoninum  hat  eich  länger 
erhalten  als  der  Brauch  selbst.  Als  der  Sprach  für  die  Taufe 
überflüssig  geworden  war,  hatte  man,  wie  es  kirchliche  Benedic- 
tionen  für  alle  möglichen  Lebensmittel  gibt,  deren  Erstlinge  ge- 
segnet werden  sollen  ^^,  so  für  Milch  und  Honig  als  alltägliche 
Nahrungsmittel  diesen  Spruch  verwerthet.  In  Ritualbüchern  des 
IX/X.  Jh.  ^  steht  er  hinter  den  Segenssprüohen  auf  das  Oster- 
lamm  und  auf  andere  Fleischarten.  Die  Umbildung  hat  man  mit 
einem  sehr  geringen  Maass  von  Yerständniss  und  Geschick  voll- 
zogen ^^  Man  hat  einfach  im  ersten  Satz  die  Erwähnung  der 
Wasserquelle  gestrichen  und  im  zweiten  die  Worte,  die  allzu  deut- 
lich auf  den  Becher  mit  Wasser  hinwiesen,  theils  gestrichen, 
theils  geändert.  Dass  so  der  zweite  Satz  ganz  sinnlos  geworden, 
hat  den  Liturgiker,  der  diese  Operation  vornahm,  ebenso  wenig 
gestört,  als  dass  der  ganze  Segen  auf  die  Taufe  abzielt.  Der 
Spruch  war  nun  reif,  vergessen  zu  werden. 

Für  die  kirchengeschichtliche  Erfahrung  und  die  theolo- 
gische Einsicht  meines  jungen  Freunds  H.  Lietzmann  bestand 
sofort,  als  ich  ihm  den  Sachverhalt  dargelegt  hatte,  kein  Zweifel 
daran,    dass    der  Gebrauch  von  Milch  und  Honig  bei  der  Taufe 


der  terra  repromissionis,  wie  bei  dem  Gegensatz  der  Bitternies  (amara) 
des  irdischen  Sündenlebens  (Joh.  post  amara  delicta  and  amarititdinis 
lacrimas,  Did.  ap.  p.  112,  IG  amara  cordis  dtdcia  efficiens). 

^  Eine  sehr  reichhaltige  Sammlung  hat  vor  Zeiten  das  Kloster 
Einsiedeln  veranstaltet:  Manuale  benedictionum  rituumque  ecclesiasti- 
corum  (ed.  III  1685). 

^  De  diu i nie  catholicae  ecclesiae  ofBciis  .  .  .  patrum  ac  scripto- 
rum  libri  .  .  .  per  Mich.  Hittorpium  (Colon.  1568  fol.)  p.  79i>  Martin 
Gerberts  Monumenta  ueteris  liturgiae  Alemannicae  (1779.4)  t.  IIp.  219. 
Muratori  Lit.  Rom.  uet.  2, 505  f.  gibt  denselben  Segen  'ex  peraetusto 
ritaali  pontificali  Romano  membranaceo,  quod  exstat  apud  equitem 
MafFeium*  (p.  415).  In  den  zahlreichen  Ritoalbüohem,  welche  für  die 
Praxis  der  Geistlichen  gedruckt  worden  sind,  wird  man  den  Sprach 
vergeblich  suchen. 

^  Ich  will  die  Sätze,  auf  welche  es  ankommt,  in  den  beiden 
Fassungen  gegenüber  stellen: 

Sacr.  Leon.  Ritualbücher 

Benedic  domine  et  has  tuas  creaturas     Benedic  domine  lias  creaturas 
fontis,  roellis  et  lactis.  et  pota         lactis  et  mellis,  et  pota 
famulos  tuos  ex  hoc  fönte  aquae      famulos  tuos  fönte  perenni, 

uitae  perennis, 
qui  est  Spiritus  ueritatis.    et  qui  est  Spiritus  ueritatis.  et 

enutri  eos  de  hoc  lacte  et  melle ....      enutri  eos  de  hoc  laote  et  melle  .... 


Milch  und  Honig  191 

Dicht  ein  nreprOnglich  in  der  ganzen  Christenheit  verbreiteter, 
sondern  wie  der  palästinischen,  syrischen  und  griechischen  Kirche 
von  Anfang  an  fremd,  so  nur  der  ägyptischen  mit  der  africani- 
schen  und  römischen  gemeinsam  gewesen  sei,  mithin  in  Aegypten 
seine  Wiege  habe.  So  sehr  ich  Anfangs  mich,  gegen  diese  Anf- 
fasenng  sträabte,  weil  dem  Brauch  sein  griechischer  Urspmng 
80  deutlich  aufgeprägt  ist,  hat  mir  bei  ruhigem  Ueberblick  der 
'fhatsachen  mehr  und  mehr  die  Richtigkeit  jenes  Urtheils  ein- 
geleuchtet. Alte  und  eingewurzelte  symbolische  Bräuche  werden 
nicht  so  leicht  über  Bord  geworfen,  namentlich  nicht,  wenn  so 
schlagende  Bibelworte  sie  zu  stützen  scheinen ,  wie  in  diesem 
Falle  das  Land  der  V'erheissung.  Wann  sollte  der  Osten  den 
Brauch  aufgegeben  haben,  wenn  er  ihn  wirklich  besessen  hatte? 
Das  vierte  Jh.,  das  so  viel  Heidnisches  in  die  Kirche  aufnahm, 
war  schwerlich  die  Zeit  für  diese  Keinigung.  Und  doch  ist  in 
der  zweiten  Hälfte  dieses  Jh.  der  Brauch  dem  Osten  ganz  un- 
bekannt. Auf  hellenischem  Boden  freilich  muss  er  entstanden 
sein.  Aber  war  Aegypten  nicht  hellenistischer  Boden?  In  der 
That  waren  hier  alle  Voraussetzungen,  und  zwar  in  hervorragen- 
dem Maasse  gegeben:  Aegypten  war  das  Land,  wo  unter  dem 
Einfluee  der  Gnosis  zuerst  heidnische  Elemente,  fast  planmässig, 
in  das  Ghristenthum  eingemischt  wurden. 

Wie  war  man  darauf  verfallen,  den  Täuflingen  Milch  und 
Honig  als  Saorament  zu  reichen?  Man  hat  die  Erklärung  des 
Brauchs  in  der  Nahrung  des  ersten  Kindheitealters  zu  finden  ge- 
glaubt. In  wiefern  damit  ein  Stückchen  Wahrheit  gegeben  ist, 
wird  sich  im  weiteren  Verlauf  herausstellen.  Zur  Erklärung 
aber  reicht  das  schon  darum  nicht  aus,  weil  bei  der  Taufe  Mi- 
schung von  Milch  und  Honig  gereicht  wird,  von  deren  Verwen- 
dung für  Säuglinge  natürlich  kein  alter  Zeuge  spricht.  Gewöhn- 
lich fasst  man  den  Brauch  als  eine  Uebertragung  des  alttesta- 
mentlichen  Landes  der  Verheissung,  das  von  Milch  und  Honig 
flieset'^.  Sicher  hängt  beides  enge  zusammen.  Aber  wer  den 
gottesdienstlichen  Ritus  aus  dem  alttestamentlichen  Wort  ableitet, 
verwechselt  Ursache  und  Mittel.  Das  Land  der  Verheissung 
hätte,  wenn  es  überhaupt  die  Kraft  besessen  hätte  sich  in  eine 
liturgische  Flandlung  umzusetzen,  allenfalls  auf  die  Gestaltung 
der  letzten  Oelung  Einfluss  üben  können,  dergestalt,  dass  dem 
Sterbenden  Milch  und  Honig  wie  zum  Vorgeschmack  der  ewigen 

Μ  S.  oben  S.  181  Anm.  21. 


192  Üsen'er 

Seligkeit  gereicht  worden  wäre.  Aber  die  Kluft  zwischen  der 
Tanfhandlung  and  jener  Verheiseang  war  nicht  zu  ilberepringen 
ohne  einen  vermittelnden  Gredanken,  der  die  Kraft  des  Anetoeees 
besaes.  Wir  haben  hier  wieder  ein  lehrreiches  Beispiel  dafür, 
wie  überkommene,  im  Heidenthum  wurzelnde  Vorstellongen  in 
unpere  Liturgie  gestaltend  eingreifen.  Die  biblische  Parallele 
bleibt  so  lang  ein  todtes  Wort,  als  nicht  eine  Vorstellung  jener 
Art,  unwillkürlich  und  unaufhaltsam  wirkend,  in  dem  Bibelwort 
den  christlichen  Ausdruck  zu  finden  lehrt. 

Welche  Vorstellungen  dabei  leiteten,  lassen  die  alten  Zeugen 
des  liturgischen  Brauchs  nicht  in  Zweifel.  Nach  den  Canones 
Hippolyti^"^  sollen  die  Täuflinge  Milch  und  Honig  geniesseo 
^als  Hinweis  auf  die  kommende  Zeit  und  die  Süssigkeit  der  Güter 
in  derselben :  jene  Zeit,  welche  nicht  zur  Bitterkeit  zurückkehren 
wird,  und  jene  Güter,  welche  nicht  verschwinden .  Oder  wie 
der  Diakon  Johannes  es  ausdrückt:  'Den  Getauften  wird  darum 
diese  Form  des  Sacraments  dargereicht,  damit  sie  zur  Erkenntniss 
kommen,  dass  nur  die,  welchen  der  Leib  und  das  Blut  des  Herrn 
zu  Theil  geworden  ist,  das  Land  der  Verheissung  empfangen 
werden,  und  dass  sie  beim  Antritt  der  Reise  dorthin  wie  Säug- 
linge mit  Milch  und  Honig  gespeist  werden'.  Es  ist  nicht  nöthig 
weitere  Belege  zu  häufen. 

Wir  haben  oben  feststellen  können,  dass  zu  den  Vorstel- 
lungen, womit  das  Götterland  und,  was  damit  wesensgleich  ist^, 
der  Aufenthalt  der  Seligen,  das  Paradies  oder  der  Ort  des  gol- 
denen Zeitalters,  ausgestattet  wurde,  seit  Alters  auch  gehörte,  dass 
es  ein  Land  sei,  wo  Milch  und  Honig  fliesst.  Darum  kündigt 
sich  durch  dies  Wunder  der  Gott  an,  der  durch  seine  Gegenwart 
den  Himmel  auf  Erden  zaubert,  Dionysos.  Den  Todten  wird  Ge- 
misch aus  Milch  und  Honig  gespendet,  weil  den  im  glücklichen 
Jenseits  wohnenden  Geistern  die  Speise  der  Götter  zukommt.  In 
einem  Zauberbuche ^®,  auf  das  mich  A.  Dieterich  hinweist,  wird 
angeordnet:  'Nimm  die  Milch  mit  dem  Honig  und  trink  davon 
vor  Aufgang  der  Sonne,  dann  wird  etwas  Göttliches  in  deinem 
Herzen  sein  .    Deutlicher  konnte  nicht  gesprochen  werden.    Eben 


"  Oben  S.  18(>. 

^  S.  Sintfluthsagen  S.  197  ff. 

^  Berliner  Zauberpapyrus  hg.  von  Parthey  in  den  Abhandl.  d. 
Berl.  Akademie  imf)  S.  120,  20  f.  καΐ  λαβών  τό  γάλα  σύν  τψ  [μ^λι]τι 
άπόττιε  πρΙν  ανατολής  ηλίου,  καΐ  ίαταχ  τι  £νθ€ον  έν  τ^  σή  καρδ(<2ΐ. 


Miloh  und  Honig  193 

diese  Yoretellung  musete  eicb  bei  der  Gestaltung  der  altcbrist- 
licben  Taufe  wirksam  erweisen.  Der  Christ  gewinnt  dnrch  die 
Taufe  die  Sohnschaft  Gottes ;  geboren  von  sterblichen  Eltern, 
streift  er  im  Wasser  der  Tanfe  das  Irdische  ab  and  wird  wieder- 
geboren^  zu  einem  Sohne  Gottes,  zu  einem  göttlichen  und  zur 
ewigen  Seligkeit  berufenen  Wesen.  Dessen  zum  Zeichen  wird 
der  Täufling  mit  Milch  und  Honig  gespeisst  nicht  nur  symbolisch 
sondern  auch  sacramental,  indem  die  göttliche  Speise  unmittelbar 
das  göttliche  Wesen  des  Neugeborenen  bekräftigen  hilft. 

Die  allgemeine  mythologische  Vorstellung  musste  durch 
thatsächlichen  Brauch  näher  gelegt  sein,  wenn  sie  in  den  christ- 
lichen Taufceremonien  so  sinnfällig  zur  Anschauung  gebracht 
werden  sollte.  Die  Yermuthung  ist  kaum  abzuweisen,  dass  die 
Weihen  griechischer  Mysterien  das  nächste  Vorbild  der  altchrist- 
lichen Sitte  gewesen  seien.  Wir  wissen  das  bis  jetzt  noch  nicht. 
Auf  ein  anderes  Vorbild  können  wir  mit  grösserer  Bestimmtheit 
hinweisen.  Seit  Schneiders  Bemerkung  in  Böckhs  Pindarcom* 
mentar*®  ist  es  oft  nachgesprochen  worden®^,  dass  es  im  Alter- 
thnm  üblich  gewesen  sei,  Säuglinge  mit  Honig  zu  nähren.  Sieht 
man  genauer  zu,  so  handelt  es  sich  um  einen  in  der  Regel  ein- 
maligen Akt.  Man  pflegte  dem  neugeborenen  Kinde  etwas  Honig 
in  den  Mund  zu  streichen  und  dann  ihm  abgekochten  Honig  ein- 
zoflössen,  bevor  es  an  die  Brust  gelegt  wurde  ®^.  Auch  Laien 
betonen  es,  dass  Honig  die  allererste  Nahrung  des  Kindes  sei 
und  der  Milch  vorhergehe®'.  Bei  dieser  verbreiteten  Praxis  hat 
der  Honig  denselben  Zweck   wie   das  auf  Alemannischem  Gebiet 


»  Bei  Böckh  zu  Pind.  Ol.  6,  47  p.  158.  Schneider  stützt  sich 
&uf  die  gelehrte  Bemerkung  des  Isaac  Voss  zum  Harnabasbrief  (Epi- 
etolae'^genuinae  s.  Ignatii,  Amstelod.  104β)  ρ.  313. 

βι  CFHermann  Gr.  Privatalter th.  33,  V>  (S.  289,  5  der  ΠΙ.  Aufl.) 
Röscher,  Nektar  u.  Ambrosia  S.  62  f. 

®  Soranue  gynaec.  30,  86  p.  258,  12  ff.  Rose  vgl.  Aetius  Ami- 
denue  IV  3  f.  68^  Aid.  Paulus  Aegin.  I  5  f.  2^  Aid.  Im  Hebammen- 
katechiemus  nach  Soranus^heisst  es  p.  31, 1  Rose  bündig:  'digito  debet 
mamma  eius  (infantis)  es  ipsius  inlinere  uel  muleam  tepidam  instillare 
et  sie  postera  etiam  lac  offerre*. 

«  Schol.  Α  riet.  Thesmoph.  506  ού  γάλα  πρότβρον  τοΙς  βρέφβσιν 
έδ(ίκ>σαν  άλλα  μέλι  άπολβίχειν.  Μένανδρος  δέ  ούκ  ορθώς  ποΐ€ΐ  τά  άρ- 
τίτοκα  γάλακτος  άπολ€{χ€ΐν  Melampus-Dioraedee  zu  Dionysios  Thr. 
ρ.  35,  17  Hilg.  {BAG  ρ.  788,  33)  und  schol.  Londin.  p.  491,  15  H.  ώς 
τό  μέλι  πρώτιστον  βρωμά  έστι  τοΙς  βρέφβσιν  (von  Uhlig  nachgewiesen) 
Barnabasbrief  6  οτι  πρώτον  τό  παιδίον  μέλιτι,  €Ϊτα  γάλακτι  ίωοποιβίται. 

KlMüi.  Μαι.  t  PbÜol.  Ν.  ¥.  LVU.  ^*^ 


194  Usener 

sogenannte  Eindetränkli  oder  Eindesäftli^.  Daee  aber  die  grie• 
chisohen  Aerzte  dazu  grade  Honig  wählten,  hatte  seinen  Grund 
darin,  daee  er  ihnen  durch  einen  in  graue  Vorzeit  zurückreichen- 
den Brauch  gegeben  war.  Bei  den  Germanen*^  und  vermnthlich 
auch  den  Slaven  wurde  das  Kind  durch  Einflössung  von  Honig 
dem  Licht  und  Leben  geweiht:  wer  das  gekostet,  dem  war  das 
Recht  zum  Leben  feierlich  und  unentreissbar  zuerkannt,  er  durfte 
nicht  mehr  ausgesetzt  oder  getödtet  werden.  Auch  für  Inder  und 
Perser•®  ist  gleicher  Brauch  bezeugt.  Für  die  Griechen  gestattet 
die  erwähnte  Sitte  auf  den  alten  Hintergrund  zuzückzuschliessen. 
Soranus  findet  es  nöthig  unter  den  Stoffen,  die  dem  Kinde  zu- 
erst gereicht  wurden,  ausdrücklich  Butter  abzuweisen:  wir  finden 
bei  den  Indern  Honig  mit  Butter  und  geronnener  Milch  gemischt, 
bei  den  Juden,  wenn  wir  ans  Jesaias  7,  15  schliessen  dürfen, 
Butter  und  Honig  an  Stelle  des  von  Soranus  empfohlenen  Honigs. 
So  gewiss  aber  der  indische  und  jüdische  Brauch  auf  alten 
Glaubensvorstellungen  beruht,  haben  wir  auch  den  Honig  der 
griechischen  Sitte  darauf  zurückzuführen.  In  den  Sagen  von 
künftigen  Dichtern  und  Sehern,  die  oben  (S.  1 79)  berührt  wurden, 
hat  sich  die  alte  Anschauung  erhalten.  Sie  begegnet,  nur  auf 
göttliche  Stufe  emporgerückt,  in  der  von  Pindar  (Pyth.  9,  63) 
erzählten  Sage,  dass  Hermes  den  eben  geborenen  Aristaios  cur 
Gaia  und  den  Hören  gebracht  und  diese  ihm  Nektar  und  Am- 
brosia in  die  Lippen  geträufelt  und  dadurch  unsterblich  ge- 
macht hätten. 

Gewiss  kann  in  dieser  Anschauung  und  dem  daraus  ent- 
sprungenen Brauch  ein  wichtiges  Vorbild  für  die  Gestaltung  der 
Einweihungsriten  gelegen  haben,  welche  die  alte  Kirche  übernahm. 
Aber  eben  so  deutlich  scheidet  sich  bei  schärferem  Zusehn  der  dem 
Neugeborenen  gereichte  Honig  von  dem  Gemisch  aus  Milch  und 
Honig,  wie  es  der  Wiedergeborene  empfieng.    Und  so  werden  wir 

β*  S.  Roohholz  Alem.  Kinderlied'  S.  282. 

®  S.  JGrimms  D.  Rechtsalterthümer  S.  457  f.  (l*  630  ff.)  vgL 
Röscher  aO.  H8.  Für  die  Slaven  spricht  die  Angabe  V.  Grohmanns 
Aberglaube  und  Gebräuche  in  Böhmen  uad  Mähren  S.  107  n.  7(u. 
Auch  bei  den  Südslaven  dürfen  wir  den  Brauch  voraussetzen  nach 
dem  niedlichen  Kolo  (Talvj's  Volkslieder  der  Serben  2,  98),  auf  den 
schon  JGrimm  D.  Myth.  535  hingewiesen  hat:  zwei  Schwestern  wün- 
schen ein  Brüderchen  zu  haben,  putzen  eiue  schöne  Puppe  heraus,  und 
'  stecken  (ihr)  Honig  in  den  Mund  und  Zucker : 
"Iss  das  doch,  und  fange  an  zu  sprechen". 

w  Λ  Kuhn  Herabkunft  des  Feuers  S.  122^  f.  Anm.  1. 


Milch  und  Honig  195 

durch  nneeren  ümhlick  gehieteriech  zu  dem  Punkte  zurückge- 
führt, Yon  dem  wir  ausgiengen.  Die  Wurzel  des  Brauchs  kann 
nur  in  den  mythischen  Vorstellungen  vom  himmlischen  Land 
gesucht  werden,  wie  sie  am  lehhaftesten  in  Sage  und  Cultus  des 
Dionysos  ausgeprägt  waren. 

Zum  Schluss  möge  es  mir  verstattet  sein,  mit  wenigen 
Worten  noch  einmal  auf  die  ohen  (S.  182  f.)  erwähnten  Gebräuche 
der  Mithrasweihen  zurückzukommen,  auf  die,  wie  ich  hoffe,  die 
im  weiteren  Verlauf  gemachten  Beobachtungen  etwas  Licht  werfen. 
Mit  der  Stufe  des  Löwen  trat  der  Mithras Verehrer  aus  dem  Rang 
der  '  Dienenden  \  dem  die  drei  unteren  Stufen  (Corvus,  Cryphius, 
Miles)  angehörten,  in  den  Rang  der  *Theilnehmenden'®'^,  in  dem 
die  vier  Stufen  des  Löwen,  Persers,  Sonnenläufers  und  Vaters 
erstiegen  werden  konnten.  Man  sieht,  die  niedere  und  die  höhere 
Rangklasse  verhielten  sich  etwa  wie  in  der  christlichen  Kirche 
die  Katechumenen  und  die  Gremeinde  der  Grläubigen.  Begreiflich 
also,  dass  erst  bei  den  vier  höheren  Graden  Weihungen  sacra- 
mentaler  Art  vorkamen.  Bei  dem  ersten  des  Löwen  bestand  sie 
in  einer  Reinigung;  aber  der  Honig,  mit  dem  die  Zunge  be- 
strichen wurde,  entspricht  zu  sehr  der  alten  Sitte,  durch  diese 
Handlung  das  neugeborene  Kind  dem  Leben  zu  weihen,  als  dass 
wir  nicht  die  Deutung  auf  Reinigung  als  nachträgliche  Priester- 
weisheit, wie  sehr  sie  auch  in  der  Liturgie  Ausdruck  gefunden 
haben  mochte,  nehmen  müssten.  Krst  mit  der  Stufe  des  Löwen 
war  der  Mithrasdiener  zur  Theilnahme  an  den  Mysterien  ge- 
boren. Bei  der  Einführung  in  die  zweite  höhere  Stufe  wurde 
Honig  als  Speise  gereicht.  Und  hier  kann  es  nach  Allem,  was 
wir  beobachtet,  keinem  Zweifel  mehr  unterliegen,  dass  der  Honig 
in  seiner  alten  mythologischen  Bedeutung  als  Götterspeise  ge- 
nommen wurde  und  dem  neuen  '  Perser'  Göttlichkeit  und  Seligkeit 

verbürgen  sollte. 

U. 


β'  S.  Cumont  aO.  1,  317. 


DE  FRAGMENTIS  SCRIPTORVM  APVD 

NONIVM  SERVATTS 


In  libello  meo,  cui  titulus^Noniue  Maroellus',  Oxoniia.  1901 
edito  docui  Noniam  Marcellum  id  componenda  Compendiosa  Doctrina 
materiem  suain  ex  XLI  librie  bausisRe,  quoe  eodem  seniper  ordine 
ad  partes  vocat: 

1  GloBsano  nescioqno, 

2  Planto  in  fabulis  XXI  Yarronianis  (hoc  ordine:  Amph., 
Asin.,  Aul.,  Baccb.,  Cist.,  Gas.,  Capt,  Cnrc,  Epid.,  MiL^ 
Men.,  Merc,  Most,  Pers.,  Peend.,  Poen.,  Rnd.,  Stich., 
Trin,  Truc,  Vid.i), 

3  Luoretio, 

4  Naevio  in  Lycurgo, 

5  Accio  in  hie  fabulis:  Enrys.  (Eris.),  Arm.  Ind.,  Asty., 
Gen.,  Ter.,  Alph.,  Amph.,  Melan.,  Epinaus.,  Pelop.,  Pboen., 
Med.,  Philoct.,  Α  1cm.,  Teleph. 

6  Pomponio  in  hie :  Piot.,  Prost.,  Pannnc,  Papp,  agr.,  Piscat., 
Pist.,  Praec.  post.,  (?)  Petit.,  (?)  Pore, 

7  Novio  in  hie:  Füll,  fer.,  Paed.,  Agric. ,  Zon.,  (?)  Dec., 
(?)  Gallin.,  (?)Ficit.,  (?)Tabell.,  (?)Sann.,  (?)Macc.,  (?)Macc. 
ex.,  (?)  Mil.  Pomet.,  (?)  Papp,  praet.,  (?)  Praec.  post., 

8  Accio  in  bis:  Epig.,  Meleag.,  Aen.  ant  Dec,  Stas.  vel 
Trop.  Lib.,  Atham.,  Clyt.,  Bacoh.,  Neopt.,  Erig.,  Nyet., 
Andr.,  Atr.,  Phin.,  Agam.,  (?)  Antig.,  (?)  Chrys., 

9  Lucilio  in  Saturarum  libris  1 — XX, 

10  Ennio  in  bis  fabulis  :  Uect.  lytr.,  Teleph., 

11  Turpilio  in  bis:  Boetb.,  Demetr.,  Caneph.,  Deminrg.,  Epicl., 
Thras.,  Paed.,  Philop.,  Leucad.,  Lind.,  Lemn.,  Parater.,  Het., 


1  In  libello  meo  Vidulariam  (Bid.)  inter  Bacch.  et  Cist.  in  Nodü 
exemplari  fuisse  dixi.     Quod  tarnen  nunc  dubito.     Cf.  Non.  468  M.  35. 


De  fragmentis  scriptorum  apud  Nonium  servatis  197 

12  Paonvio  in  hie:  Atal.,  Perib.,  Dnlor.,  Herrn.,  (?)  Ilion., 
(?)  Med., 

13  Cicerone  in  librie  de  Repablica, 
?  14  Glossario  altero, 

lo  Varrone  in  bis  Menippeie:  Εύρ.,  Έχιυ,  π€ρ\  έΕαγ.,  Mut. 
mnl.,  *Ανθρ.,  Marcop.,  Cygn.,  Sciam.,  Synepb.,  Τό  έπι  τή, 
'Αλλ'  ου,  Pap.  pap.,  Peeud.  Αρ.,  Cosmot.,  öloria,  Flaxtab., 
Testam.,  Εκατ.,  Peripl.  I  et  II,  Oetog.,  Serran.,  Έιυς 
πότε,  Deeult.,  Devict.,  Prom.  libr.,  περί  K€p.,  Tithon.,  Est 
mod.,  Epitaph.,  Trihod.  Trip.,  (?)  π€ρι  αίρ.,  (?)  Vinal., 

16  Cicerone  in   libro  Π  de  Deornm  Natura, 

17  Accio  in  bis  fabalis:  Myrm.,  Diom., 

18  Sallustio  in  lug.,  Hist.,  Cat., 

19  Afranio  in  bis  fabulis  :  Vop.,  Priv.,  Fratr.,  Except,  (?)  Di- 
vort., (?)  Epist.,  (?)  Susp., 

20  Cicerone  in  libro  I  de  Officiie, 

21  Naevio  in  Danae, 

22  Vergilio, 

23  Terentio  (hoc  ordine  fabularum :  Andr.,  Ad.,  Phorm.,  Hec, 
Heaut.,   Eun.), 

24  Cicerone  in  epistolis  ad  Caes.  iun.,  in  orationibue  Yerrinis 
et  Philippicis, 

25  Lucilio  in  librie  XXVI — XXX  (hoc  ordine  citatia:  XXX 
—XXVI), 

26  (xloseario  tertio, 

27  verborum  serie  quadam  alphabetico,  quem  dicunt,  ordine 
(ABCD— )  dispoeita, 

28  adverbiorum  serie  eodem  disposita  ordine, 

29  Cicerone  in  librie  II — III  de  Off.,  Hort.,  Sen., 

30  Plauto  in  fabulis  Amph.,  Α  sin.,  Aul., 

31  Varrone  in  bis  Menippeis:  Marcip.,  Andab.,  L.  Maen., 
Myst.,  Agath.,  Quinq.,  Endym.,  Virg.  div.,  Geront,  Parm., 
Herc.  t.  f.,  Meleagr.,  Ταφ.  Mev.,  Sesqueul.,  (?)  Hero.  Soor., 
Sexag.,  Γνιυθ.  (Je.,  Eum., 

32  Gellio  in  Noctibus  Attiois, 

33  Varrone  in  hie  Menippeis:  Bimarc,  Man.,  Mod.,  Όν•  λυρ., 

34  Cicerone  in  libris  de  Finibus, 

35  Gloesario  quarto, 

36  Sisenna  in  libris  III — IV  Historiarum, 

37  Cicerone  in  Oratore,  et  libris  de  Öratore, 

38  Gloesario  qninto. 


198  Liudsay 

39  Cicerone  in  Acad.,  Tuec, 

40  Varrone  in  libro  1  de  Re  Bast., 

41  Varrone  in  librie  de  Vita  pop.  Rom.,  Cat.  vel  de  IIb.  ednc. 

Docui  porro  eos  fontee  ea  constantia  a  Nonio  esse  adbibitoe, 
ut  loci  ex  iie  citati  enndem  ordinem  in  eingnlis  Compendiosae 
Doctrinae  librie  eervent  atque  in  fontibus  ipsis. 

Verbi  gratia,  in  libro  IF  sab  littera  Ρ  haec  iemmata  ex 
fönte  XXX^!  (Plauto  in  Amph.  Aein.  Aal.)  exhibet  Nonioe 
(pp.   151,   152  M.): 

piem  cum  citatione  Α  sin.  506 


portieculns 

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„       515 

perplexabile 

» 

„       792 

praesegmina 

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Δηΐ.  312 

pipnlo 

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„     445 

picos 

» 

„     701 

Sequnntur  haec  Iemmata   ex    fönte    XXXP    (Varr.   in   Me- 
nippeis  quibusdam): 

percellere  cum  citatione  Farm. 


pinsere                „ 

Ταφ.  Mev. 

porcas                 „ 

Ταφ.  Mev. 

putidum              „ 

Ταφ.  Mev. 

[paenitndinem 

praebitio             „ 

£um. 

pueros                „ 

Enm. 

paxillns               ,, 

Eam. 

Unid  est  cur  dubitemus  credere  locos  saturamm  Ταφ.  Mev. 
et  £um.  verum  ordinem  non  minus  exhibere  quam  locos  fabu- 
larum  Α  sin.  et  Aul.? 

£t.  recte  quidem  noe  ita  credere  demonstravi  in  libello  supra 
dicto,  ubi  tota  res  plene  traotatur. 

Habemus  igitur  regulam  ad  quam  verus  ordo  fragmentorum 
aliquot  apud  Nonium  servatorum  constituatur,  eorum  scilicet  quae 
Nonius  ex  scriptore  ipso,  neque  ex  glossario  aliquo  neque  ex 
üommentatione  marginal]  hausit.  Qua  regula  usus  hie  in  onum 
coUigam  ea  quae  citationum  apud  Nonium  dispositio  de  vero 
ordine  fragmentorum  docet.     Scito  igitur: 

Lucilii  lib.     I  fr.   XXIX  Mu.  locum  habere  post  fr.  XXVIII 
III  XXI  „  XLIII 

XLV  .,  VI 

VI  (immo  νΠ)  XIV  „  XIV  (libri  VTl) 


De  fragmentis  scriptorum  apud  Nonium  servatis 


199 


ib.  Vn  fr.     XIV   Mu. 

looum  habere 

poet  fr.            XI 

VIII 

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libri  XXIX  (immo  XXVIII) 

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XXX  libri  XXIX 

(immo 

libri  XXIX) 

XVIII 

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Lucilii  lib.  XXIX  fr.  XXXIV  Mu. 

locum  habere  poet 

fr,    XLII 

LVII 

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libri  XXVIII 

(immo  XXIX) 

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libri  XXIX  (immo  XXX) 

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?  ino.  (immo  libri  VUI)  XUV 

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XI  libri  VIII 

Sinennae  lib.  III  fr.  14  Pet. 

locum  habere  poet  fr.     88 

18 

V 

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83 

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81 

De  fragmentiB  scriptorum  Hpud  Nodiub  servatis  201 

Sisennae  üb.  IV  fr.  86  Pet.    looam  babere  post  fr.    60 


94 
103 
104 
107 
110 
118 
122 
ine.  1 36  (immo  libri  III)   „ 


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104 
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118 
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107 

17 


Ciceronis  Hortene.  fr.  84  Muell.  loonm  babere  poet  fr.  16 


96 

Rep.  III  §  40  Numqnam  etc. 

?  fr.    3  Poeni  etc. 
(fort,  libri  IV.) 

IV  §  6  Ceneoris  etc. 

§  7  Nolo  etc. 

§  7  Fides  etc. 

£pp.  ad  Caes.  lun.  II  fr.  18 


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33 

§  24  Nam  cum  etc. 

8  lib.  IV. 
Admiror  etc. 

6  Itaque  etc. 

7  Fidee  etc. 
6  Censorie  etc. 

fr.  17 


§ 


Plauti*  Ampb.  fr.  VIII  (Teubn.,  1893)  locum  babere  poet  fr.  IX 


η 


Μ 


XII 
Bacch.  XIII 

Varronis   Agatb.  fr.  VIII  Bue.    locum  babere  poet  fr.    I 

XV 

VI 

VI 

XXXVI 

XII 

XVI 

XXVII 

XXVIII 

XL 

XXX 

IV 

• 

V 

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π 

IV 


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V 


Bimaro. 

X 

XII 

Hecat. 

V 

Enm. 

XII 

XIII 

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XXX 

XL 

XLV 

XLVin 

Geront. 

V 

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Γνωθ. 

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Herc.  t. 

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*  Non  tarnen  affirroare  licet  Bacch  fr.  XVII  poet  XVIII  locum 
habere.  Nam  ex  ordine  eo  quem  singulue  particulae  lemmatum  in 
lib.  IV<^    tenent   nibil  certi  colligitur  (cf.  lemma  indueere,  p.  330  M.). 


202  Liiidsay 

Varronie  L.  Maen.  fr.  IV  Bne.    locum  habere  post  fr.  III 


Man. 

XIV 

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X 

Marcip. 

I 

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VIII 

III 

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II 

IV 

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VI 

VII 

99 

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XVI 

99 

I 

Mod. 

IX 

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I 

XVIII 

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XII 

Όν.  λυρ. 

V 

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IV 

XI 

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XV 

XVI 

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XX 

Pap.  pap. 

IX 

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X 

X 

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XU 

Seequeal. 

XXI 

Μ 

XVI 

Sexag. 

III 

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X 

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XX 

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IV 

Ταφ.  M€\ 

f.    IV 

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II 

VIII 

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XIV 

11 

IX 

XVI 

V 

XIV 

XX 

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ΧΠ 

Naevii  Lycurg.     fr 

.  XIV  Ribb.  (1871) 

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X 

£nnii  Heot.  Lytr. 

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11 

IV• 

?  Teleph. 

I 

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?  Pacuvii  Med. 

XXII 

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XXI 

Teuc. 

XI 

1» 

XIX 

Accii        Λ  lern. 

IV 

» 

III 

Eurye. 

VI 

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I 

Med. 

IX 

11 

XIV 

Meleag. 

IV 

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XVII 

Phoen. 

III 

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ΧΠ 

Telepb. 

XV 

11 

IX 

PAfranii  Epist.  fr. 

XI  Ribb.  (1873) 

l> 

X 

Except. 

VIII 

1» 

VI 

Fratr. 

X 

J> 

XI 

XIV 

11 

IV 

Vop. 

XXV 

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XVI 

Pomponii  Pannuc. 

III 

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VI 

IV 

l> 

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VI 

*} 

IV 

De  fragmentis  scriptorum  apud  Nonium  servatis  203 

Pomponii  Piot.       fr.         I  Ribb.  locum  habere  post  fr.    Π 

Π  „  IV 

Praec.  poet.VIII  „  VIT 

Proet.  IV  „  V 

V  „  VIII 

?Novii      Paed.  VI  „  V 

De  fragmentis  Varronis  librornm  de  Vita  pop.  Rom.  et  de 
Lib.  edno.  nondnm  eatis  commode  editorum  nihil  dico.  Qni  ta- 
rnen eornm  librornm  editionem  parabit,  ie  diligenter  Nonianarum 
ordinem  oitationnm  scmtetur  neoesee  erit. 

Neque  ea  indicia  neglegenda  qnae  ordo  oitationnm  praebet 
ad  emendandoe  librornm  vel  titnioe  vel  numeroe  a  scribis  per- 
peram  relatoe  vel  ad  coniirmandoe  eos  quos  editores  mntare  vo- 
Inemnt. 

Apparet  igitnr: 

Lncilii  lib.  VI  fr.  XIV  revera  esse  lib.  Vli*,  cnm  antece- 
dant  dno  lemmata  ex  lib.  VH^  Itaqne  legendum  ap.  Non.  22 
M.   VIL  iactari  (Vn.  aetari  codd,). 

Lncilii  lib.  XIX  fr.  IX  revera  esse  lib.  XXIX ^  (sie  codd. 
aliqnot),  cnm  lemma  spargere  (Non.  404  M.)  ex  fönte  Lnciliano 
altero  venerit. 

Lncilii  lib.  XXVn  fr.  XXXIV  revera  esse  lib.  XXVO*  (sie 
codd :  XXVI  coni.  M.).  Quod  enim  lemmata  (Non.  1 38  M.)  ex  lib. 
XX VI^  seqnnntnr,    id  optime  convenit  cnm  citandi  more  Noniano. 

Lncilii  lib.  XXVIII  fr.  I  vv.l~2  revera  esse  lib.  XXIX», 
cnm  lemma  deferre  (Non.  289  M.)  inter  lemmata  ex  lib.  XXX  ^ 
et  lib.  XXIX  0  stet. 

Lncilii  lib.  XXIX  fr.  LXVIII  revera  esse  lib.  XXX*,  cum 
seqnantnr  lemmata  ex  lib.  XXX^. 

Lncilii  lib.  XXIX  fr.LII  non  esse  libri  XIX  (ficcodd.),  cnm  lem- 
ma cupiditas  et  cupido  ex  fönte  Lnciliano  altero  haustum  esse  videatnr. 

Lncilii  lib.  XXX  fr.  XXXV  revera  esse  lib.  XXX*,  cnm  prae- 
cedentia  et  seqnentia  lemmata  ex  eo  libro  sint. 

Sisennae  fr.  9  esse  lib.  III*  (I  vel  II  codd.),  cnm  lemma 
remnlcare  (Non.  57  M.),  primnm  lemma  in  serie  Sisenniana,  No- 
nins  ex  sno  ezemplari  snmpsisse  videatnr.  Id  autem  exemplar 
tantummodo  libros  III— IV  habnit.  Seqnnntur  lemmata  ex  lib. 
IIP  hansta. 

Sisennae  fr.  104  esse  lib.  IV*,  cnm  lemma  caecum  (Non. 
449  Μ .)  inter  lemmata  ex  libro  IV°    hansta  stet. 

Sisennae  fr.  117  esse  lib.  III*,    cnm  seqnantnr  lemmata  ex 


204  Li  ndsay 

Hb.  IIP.  Legendum  igitur  ap.  Non.  161  M.  20  III  idemque  (IUI 
idemqne  vel  III  iidemqiie  codd.). 

Gioeronis  Acad.  Poet.  III  fr.  13  esse  üb.  IV*  et  looum  post 
Acad.  Pr.  II  §  120  habere,  com  lemma  eaultare  (Non.  65  M.)  ee- 
quatnr  doo  lemmata  ex  Üb.  IV^  baneta. 

Com.  pall.  ine.  fr.  XVIII  vinnulum  sensi  locum  Turpilii  esse 
et  aut  ex  Paraterusa  fabula  aut  ex  Hetaera  citatnm,  nisi  quidem 
Varronie  eaturae  Menippeae  neecio  oui  aecribendnm  eet.  Nam  prae- 
cednnt  lemmata  vilitant^  vilicari  (Non.  185  M.)  ex  Tarpilii  Lindia 
et  Paraternea,  sequnntur  duo  lemmata  ex  Sallnstio  hauet«. 

Quamvis  tarnen  Nonius  mirnm  qnantnm  constantiae  in  or- 
dine  citationum  servando  exhibuerit^,  cavendum  est  ne  codicum 
testimoninm  eine  debita  circamspectione  abiciatnr.  Itaqne  Schott- 
mnellero  non  aseentior  neganti  illud  Lucüius  Satyrarum  Hb,  XI 
ap.  Non.  p.  22  M.  29  (β.  ν.  tricones)  verum  esee  posee,  cum 
lemma  iricones  hanc  seriem  Lucilianam  claudat:  cernuus  Sat.  III, 
stridvrae  Sat.  Ι II,  quiritare  Sat.  VI,  caries  Sat.  VII,  virosae  Sat. 
VII,  capronae  Sat.  VII,,  cerebrosi  Sat.  XV,  prostomis  Sat.  XV, 
tricones  Sat.  XI.  Locus  enim  Lucilianus,  qui  illnd  trico  exhibet, 
etiam  in  IV**  capitulo  Compendiosae  Doctrinae  apparet  (β.  v.  len- 
tum^  ^facile*,  p.  338  M.),  unde  huc  ab  interpolatore  neecioquo 
tranelatus  eeee  videtur^.  Nempe  plus  adiuvamur  in  confirmando 
quam  in  abiciendo  testimonio  codicum.  Noli  igitur  dubitare  illud 
X  FJi  Quicherati  abicere  in  citatione  (Lucil.  XXVIII  fr.  XL)  ma- 
nifeetissime  ex  fönte  Luoiliano  altero  haueta  (ap.  Non.  371,  16). 

ad  S.  Andreae  Scotorum.  W.  M.  Lindeay. 


'  Sicui  ea  quae  in  libello  meo  exposui  parum  persuaserant,  is 
quaeso  secum  reputet,  quot  lemmata,  quae  primo  aspectu  a  norma 
dissentire  videantnr,  tum  demum  consentire  intellegantur,  simul  atque 
verus  föne,  unde  Nonius  ea  hauserit,  sit  indagatus.  Habes  ap.  Non.  349 
M.  2  citationero  (s.  v.  maturum)  ex  Accii  Melanippo  inter  Vergilianam 
et  Ciceronianam  (Off.  III  59).  Credideris  ordinem  interruptum,  cum 
illa  Accii  fabula  longa  prius  quam  Vergilii  poemata  et  Ciceronis  de 
Officiis  libri  II— III  vocari  a  Nonio  ad  partes  soleat.  Respice  autem 
ad  p.  154  (s.  v.  praesente);  intelleges  Nonium  revera  hunc  versum 
Accianum  in  Glossario  Adverbiorum  repperisse,  non  in  ipsa  Accii  fa- 
bula. Cf.  *Non.  Marc*  p.  22  (ad  adfari,  Nod.  p.  463),  p.  27  (ad  paw- 
periesj  Non.  p.  494),  p.  43  (ad  expetunt,  Non.  p.  104),  p.  93  (ad  /icwtt- 
diliter,  Non.  p.  112),  p.  48  (ad  inpuno,  Non.  p.  129),  etc. 

2  Illud  etiam  velim  tecum  reputes,  quot  citationes,  qu«e  ordinem 
interrumpere  videaotur,  in  aliis  Compendiosae  Doctrinae  locis  repe- 
riantur,  ex  quibus  eas  ab  interpolatore  travectas  esse  pateat.  Velut 
illa  Ciceroniana'  (Hort.  fr.  24)  quae  ex  Nonii  p.  401  (β.  ν.  suhigere)  tra- 
vecta  ordinem  hoc  modo  interrumpit  in  p.  395  (s.  v.  seges): 

SEGES  est  frumenti  fructus.  Vergilius  Aen.  Hb.  II:  in  segetem  . . . 
austris.  [Segetem,  terram.  M.  Tullius  in  Hortensie:  ut  enim  se- 
getes  agricolae  subigunt  .  .  .  serant]  Segetem  etiara  ipsam  ter- 
ram dicimus.  Vergiliue,  etc. 
Nonne  manifestum  est  verba  ea,  quae  inclusi,  ex  adscriptione  marginali 
in  contexturo  ipsum  deerrasse? 


HELLENISTISCHE  STUDIEN 


I.    Nisoe  und  Skylla  in  der  hellenistischen 

Dichtung. 

In  der  kleinen  nach  vielen  Seiten  hin  anregenden  Schrift 
*Au8  Vergils  Frühzeit,  in  der  mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit 
Cornelins  Gallus  als  Dichter  der  Ciris  erwiesen  wird,  kommt  der 
Verfasser,  Fr.  Skutsch,  auch  auf  die  griechische  Vorlage  zu 
sprechen  und  glaubt  Heynes,  zuletzt  von  Rohde  (Gr.  Rom.  S.  93 
A.  3)  gebilligte  Annahme,  dass  Parthenios  die  Quelle  sei,  auf 
einem  anderen  Wege  noch  verstärken  zu  können  (S.  87).  Viele 
Dichter,  heisst  es  in  der  Ciris  (46 — 53),  haben  behauptet,  die 
Skylla,  die  ich  besingen  will,  sei  das  Meerungeheuer: 

54     complures  illam  et  magni^  Messala,  poetae 

•  «  . 

loiige  alia  perhibent  mtdatam  membra  figura 

Scyllaeum  monstro  saocum  infestasse  voraci  ; 

illam  esse  aerumnis  qwxin  saepe  legamus   Ulixi, 

Candida  succinctam  Ustrantihus  inguina  monstris, 
60  Dulichias  vexasse  rates  et  gurgite  in  alto 

deprensos  nautas  canibus  lacerasse  marinis. 

sed  neque  Maeoniae  patiuntur  credere  chartae 

nee  malus  i  stör  um  dub  iis  erroribus  au  clor* 
Skutsch,  der  in  dem  malus  auctor  Homer  erkennen  will,  denkt 
an  einen  Nachklang  der  unehrerbietigen  Aeusserungen  des  Parthe- 
nios über  den  Mäoniden  (Anth.  Pal.  VII  377^);  er  erklärt  ferner 
den  vorletzten  Vers  so:  die  Sache  ist  unglaublich,  weil  sie  in 
den  'Mäonischen  Charten  steh£.  Aber  erstlich  sind  diese  durch 
die  doppelte  disjunctive  Partikel  deutlich  von  djem  malus  auctor 
geschieden,  zweitens  leuchtet  jedem  unbefangenen  Leser  ein,  dass 


^  V.  9  ist  mit  Küster,  dem  Martini  folgt,  zu  schreiben  (ιΧιστ*  άγο- 
ρ€θσαι)  πηλόν  *06υσσ€(αν  καΐ  πάτον  Ίλιάδα. 


206  Knaack 

mit  dem  eiodringlich  wiederholten  illam  auf  die  in  den  vorher- 
gebenden Versen  angekündigte  Sagenversion  verwiesen  wird,  dh. 
eben  auf  die  Scylla  Nisi,  was  Skutscb  S.  93  f.  mit  unzureichen- 
den Gründen  bestreitet.  Somit  ist  der  malus  auctor^  der  Erfinder 
dieses  angeblichen  Synkretismus,  der  mit  bemerkenswerther 
Schärfe  abgewiesen  wird,  eine  ganz  bestimmte  (Dichter•)  Persön- 
lichkeit, über  dessen  Werk  sich  zum  Glück  mehr  ermitteln  läset, 
als  was  in  diesen  Versen  gesagt  ist.  Die  Berufung  auf  Homer, 
der  ja  das  Ungeheuer  nur  als  Tochter  der  Krataiis  kennt  (Cir. 
r>()  =  μ  124),  hat  mit  den  erwähnten  Ausfällen  des  Parthenios 
nichts  zu  schaffen.  Wohl  aber  wird  durch  ein  zwar  längst  be- 
kanntes, aber  jiicht  nach  Gebühr  gewürdigtes  Zeugniss  das  Ma- 
terial vermehrt.  Wenn  der  Dichter  der  Ciris  alle  andern  Be- 
richte über  Skylla  nicht  gelten  läset  —  die  Verwandlung  in  einen 
Fisch  wird  beiläufig  484  ff.  abgelehnt  — ,  seinen  dagegen  dem  Leser 
als  ausgesuchte  Rarität  anpreist  (89  ff.): 

quidquid  et  ut  quisque  est  tali  de  clade  locutus, 
somnia  sunt:  potius  liceat  cognoscere  Cir  in 
atque  Unam  ex  tnultis  Scyllam  non  esse  pucllis  — 
so  sind  wir  berechtigt  seine  Erzählung  auf  ihre  besondern  Züge 
zu  prüfen.  Sie  gipfelt  bekanntlich  in  der  Metamorphose  des 
Nisos  und  der  Skylla  —  uns  aus  Vergil  (Georg.  I  404  ff.)  und 
Ovid  (Met.  VIII  145  ff.)  geläufig.  Aber  für  ersteren  ist,  wie 
Skutsch  nachgewiesen,  unser  Gedicht  die  alleinige  Quelle  —  bis 
auf  einen  gleich  zu  erörternden  Zug,  während  Ovid  auf  dieselbe 
griechische  Vorlage  (Parthenios)  zurückgegriffen  hat.  Unabhängig 
von  diesen  tritt  für  die  Verwandlung  die  Paraphrase  der  Όρνίθιακά 
des  Dionysios  von  Philadelphia  ein  (II  15  in  den  Poetae  bucol. 
et  didact.  p.  119  [Didot]);  dies  Zeugniss  muss  mit  dem  erhaltenen 
Excerpt  aus  den  Metamorphosen  des  Parthenios  (Fr.  20  Martini, 
Parthenii  Nicaeni  quae  supersunt  p.  23  =  p.  270  Mein.)  zusam- 
mengestellt werden. 

Schol.  Dion.  Per.  420  Dionys.  *Ορνιθ. 

(ergänzt  durch  Eustath.) 
—  ώς  bi  ΤΤαρθένιος  έν  ταϊς  μ€- 
ταμορφώσβσιν    λέγει,     έπεΛή 

Μίνως  λαβών  τα  Μέγαρα  h\a  ήοέκίρρις^  άΗίοντών 
(Σκύλλης  Eustath.)  τής  Νίσου     άσεβημάτων  bibuiai  6ίκην, 

1 

*  Die  falsche  Orthographie  wird  man  dem  byzantinischen  Para- 
phrasten  lassen  müssen. 


Rellenistieche  Studien 


207 


θυγατρός  έρασθει'σης  αύτου 
και  άποτεμούσης  της  κεφαλής 
του  πατρός  τόν  μόρσιμον  πλό- 
καμον  και  ουτιυς  αυτόν  ττροοού- 
σης,  εννοηθείς  ώς  ή  τόν  πατέρα 
προϊούσα  ούοενός  fiv  ποτέ 
^αόίιυς  φείσαιτο,  προσοήσας 
αυτήν  (πηοαλίψ  νεώς  Eust.) 
€Ϊασεν  αυτήν  έπισύρεσθαι  τή 
θαλασσή  (τήν  προοότιν  και 
πατροφόντιν  άφήκε  σύρεσθαι 
bia  θαλάσσης  Eust.)  —  δθεν 
Σαρωνικός  ούτος  ό  πόντος 
εκλήθη  —  ?στ*  είς  όρνεον  ή  κόρη 
μετεβλήθη  \ 


δτι  του  Μίνωος  έρασθεΐσα  καΐ 
τόν  πορφ^ρουν  του  πατρός 
πλόκαμον  έκτεμοΟσα  τήν  πα- 
τρίδα εϊλετο  προοουναι  τψ  Μί- 
νωι*  Ö  bi.  τήν  προοοσίαν  καΐ 
μετά  τήν  νίκην  μεμψάμενος 
άπεοησεν  (έπέοησεν?)  αυτήν 
νεώς  καΐ  κατά  τής  θαλάττης 
εϊασε  φέρεσθαι* 


Die  Uebereinstimmung    im 


και  μεταβέβληται  μέν  ουτιυς 
εΙς  όρνεον  αυτή,  μισείται 
bk  παρά  πάντων  όρνέιυν, 
κδνάλιαίετος  αυτήν  θέα- 
ση τ  αϊ  π  λ  α  νω  μένη  ν,  ευ- 
θύς έπιθέμενος  δια- 
φθείρει, 
erbten  Abschnitt    ist    βο  gross, 


dase  man  die  genaueren  Angaben  über  den  Vogel,  welche  am 
Ende  des  Excerptee  hinzatreten,  unbedenklich  auf  dieselbe  Quelle, 
also  auf  die  Metamorphosen  des  Parthenios,  zurückführen  darf. 
Bestätigung  gibt  die  lateinische  Nachdichtung:  wie  der  Anfang 
des  Stückes  mit  Cir.  52: 

haec  pro  purpureo  poenam  scelerata  capillo^ 
pro  patria  solvens  excisa  et  fundUus  urbe 
unerkennbar  zusammentrifft,  so  entspricht  der  Sohluss  den  letzten 
Versen.  Das  ist  wichtig  für  die  Beurtheiluug  des  Verhält- 
nisses zwischen  Original  und  Bearbeitung.  In  denselben  Zu- 
sammenhang gehört  aber  auch  die  sonst  nicht  zu  belegende  An- 
gabe, dass  die  κεΐρις  von  allen  Vögeln  mit  ihrem  Hass  ver- 
folgt werde,  ein  ins  üebertriebene  gesteigerte,  aus  dem  unge- 
selligen Wesen  des  Reihere  (s.  u.)  abgeleiteter  Zng^.  Zu  diesen 
eicher  auf  Parthenios  zurückgehenden  Einzelheiten  kommt  noch 
eine   aus    Vergils    Georg.  Γ  404—409.      Hier    hat    der    Dichter 

*  €στ*  Martini  für  öti.     Die  Worte  68€v  —  εκλήθη  dürfen   aber 
nicht  getilgt  werden. 

2  Vgl.  Ciris  517:    infelix  virgo  nequiquam  α  morte  recepia 

incuUum  solia  in  rupibus  tocigit  aevum. 


208  Knaack 

zwischen  die  arateieoben  Wetterzeiohen  zwei  Verwandlungesagen 
eingeschoben:  die  diltciae  Thetidi  alcyoncs  ^  und  Nisos  mit  Skylla. 
Formell  sind  die  Veree  aus  der  Ciris  entlehnt,  ein  Kompliment 
für  Comeline  Gallus^,  inhaltlich  aber  geben  sie  etwas  Neues, 
ein  Wetterzeiohen,  das  in  der  Ciris  η  i  ο  h  t  steht,  also  wohl  in 
deren  Vorlage  vermuthet  werden  darf. 

£8  ist  kein  grosser  Zuwachs,  der  zu  dem  bisher  bekannten 
Bruchstück  der  Metamorphosen  hinzugekommen  ist,  immerhin  aber 
ausreichend,  um  erkennen  zu  lassen,  dass  der  Römer  in  seinem 
Epyll  keine  blosse  Uebersetzung  aus  dem  Griechischen,  sondern 
eine  freie  Bearbeitung  geliefert  hat.  Mit  dieser  Einschränkung 
darf  man  die  Ciris  als  ein  Werk  des  bithynischen  Dichters  be- 
trachten^. Dass  dieser  auch  sonst  noch  in  Einzelheiten  mehr 
bot,  ist  von  vornherein  wahrscheinlich,  es  lässt  sich  aber  auch 
aus  dem  höchst  einseitigen  Auszug  des  Scholiasten  —  der  ja  nur 
die  etymologische  Deutung  des  Σαρωνικός  κόλπος  geben  will  — 
erschliessen.  An  die  [Jeberreichung  der  verhängnissvollen  Locke 
durch  Skylla  ist  eine  Reflexion  des  Minos  geknüpft,  die  in  dem 
aufiullend  kurzen  und  trockenen  Bericht  des  lateinischen  Bearbeiters 
(386  ff.)  fehlt^.  Bei  der  Dürftigkeit  des  vorliegenden  Materials 
würde  sich  über  diesen  Punkt  nichts  Sicheres  ausmachen  lassen, 
wenn  nicht  auf  ihn,  sowie  auf  andere  Unebenheiten  der  Erzählung 
von  einer  anderen  Seite  her  ein  Lichtstrahl  fiele. 

^  Sie  decken  sich  keineswegs  mit  Theokr.  VII  57: 
άλκυόνβς  γλουκαΐς  Νηρηίσι  τα{  τ€  μάλιστα 
όρνίχων  έφίλαθεν, 
wie  ζΒ.  Morsch  de  graec.  auctor.  in  Georg,  a  Yergilio  expressis  (Diss. 
Halle  1878)    p.  80  annimmt,    sondern   weisen  auf  eine  von  Ovid  Met. 
XI  496    zur   Verknüpfung   verwandte    Sagen version    (Ehwald    z.    410). 
Da  nach  Probus  z.  Verg.  für  die  schöne  Sage  von  Eeyx  und  Alkyone 
Nikander  Ovids  Gewährsmann  war,  so  käme  dieser  in  Betracht.    Ande- 
rerseits ist  zu  beachten,    dass   nach   dem  von  Probus  neben  Nikander 
genannten  Metamorpbosendichter  Theodoros  (vgl.  meine   Anal.   Alex. 
Rom.  p. 54)  Alkyone,  die  Tochter  Skirons,  Enkelin  Polypemons  (Ov. 
met.  YII  401),  in  einen  Eisvogel  verwandelt  wurde.     Also   spielte    die 
Geschichte  in  der  Megaris,  und  jene  ist  vielleicht  mit  Nisos  und  Skylla 
verwandt. 

3  Vers  404  f.  geben  den  Α  η  f  a  η  g  des  Gedichtes  (49  und  52, 
nach  der  Widmung)  wieder,  406 — 409  sind  wörtlich  aus  dem  Schluss 
hinübergenommen. 

^  Vgl.  im  allgemeinen  Merkel  prolus.  ad  Ovid.  Ibim  p.  359. 

^  Noch  stärker  drückt  das  Eustath.  aus:  τήν  ιτροδότιν  καΐ  ira- 
τροφόντιν  άφήκε  σύρβσθαι  διά  τής  θαλάσσης,  vgl.  Cir.  419. 


Hellenistische  Studien  209 

Die  Schärfe,  mit  der  im  Prooeminm  der  Ciris  der  Dichter, 
welcher  die  Scylla  Nisi  mit  dem  Meerangeheuer  gleichsetzte,  zu- 
rechtgewiesen wird,  lässt  auf  nicht  geringe  Verbreitung  dieser 
Version  und  auf  keinen  unbedeutenden  Verfasser  schlieesen.  In 
der  That,  wie  bekannt  diese  Sagenform  war,  bezeugen  wieder-, 
holte  Anspielungen  der  römischen  Dichter^.  Wir  haben  nicht 
das  Recht  als  Quelle  aller  das  Prooemium  der  Ciris  oder  Vergil. 
ecl.  VI  74  (s.  u.)  zu  vermuthen.  Besondere  Beachtung  beansprucht 
Properz  IV  4,  39,  da  bei  ihm  die  verliebte  Tarpeja  eich  an  ihr 
griechisches  Vorbild  erinnert: 

quid  mirum  in  patrios  Scyllam  saevisse  capiüos 
c<mdidaque  in  saevos  inguina  versa  canes. 
Denn  dieses  Distichon  ist,    wie  Rohde  (Rom.  93,  3)  treffend  be- 
merkt, mit  lU  19,  21  zu  combinieren ' : 

Tuque  0  Min  ο  α  venundata,  Scylla^  figura, 

tondere  purpurea  regna  paterna  coma, 
hanc  igittir  dotem  virgo  desponderat  hosti! 

NisCj  tuas  porfas  fraude  reclusit  Amor, 
at  vos  innuptae,  felicius  urite  taedctö: 

ρ  endet  Cr  etaea  tr  ac  t  α  ρ  u  eil  α  rate, 
non  tarnen  immerito  !  Minos  sedei  arhiter  Drei: 
Victor  erat  quamvis,  aequus  in  hoste  fuit. 
Damit  sind  die  bedeutendsten  Momente  einer  ganz  bestimmten  dich- 
terischen Darstellung  kurz  zusammengefasst.     Die  Probe  auf  die 
Richtigkeit  der  Rohdeschen  Vermuthung  gibt  ein  sehr  wichtiges, 
bisher  noch  nicht  genügend  gewerthetes^  Euripidesscholion  (Hipp. 


1  Propert.  IV  4, 39  ff.  Ovid.  Am.  III  12,  21  A.  a.  I  331  (bezeich- 
nenderweise sind  hier,  um  die  scheinbare  Sagencontamination  zu  be- 
seitigen, zwei  Verse  später  interpoliert)  Her.  XII  123  Fast.  IV  50. 

^  Skutsch  S.  94  denkt  an  eine  Vergilreminiscenz. 

^  Dieses  Scholion  hat  eine  eigene  Geschichte.  Von  Welcker  Gr. 
Trag.  1225,  3  sehr  kurz  erwähnt,  war  es  Helbig  Denkmäler  und  For- 
schungen 1866  Sp.  196  unzugänglich ;  Rohde  führt  es  nicht  auf,  Skutsch 
kennt  es  nicht,  ebensowenig  wie  Vollgraff  de  Ovidii  mythopoeia  p.  90 
(Berl.  Diss.  1901),  der  sich  unnöthigerweise  über  dieses  mirae  confusionis 
documentum  ereifert.  A.  Leuschke  de  metamorph,  in  schol.  Vergilian. 
fabulis  p.  55  (Marburg.  Diss.  1895)  berührt  es  nur  flüchtig,  etwas  mehr 
gibt  0.  Waser  Skylla  und  Charybdis  in  der  Litteratur  u.  Kunst  der  Grie- 
chen u.  Römer  (Zürich  1894)  S.  57.  Weder  Wagner  noch  Röscher  (Mytb. 
Lex.  HI  426  ff.)  halten  es  für  wichtig.  Dagegen  spielt  es  in  der  'so- 
laren Mythologie  Sieckes  (de  Niso  et  Scylla  in  aves  mutatis,  Progr. 
des  Berl.  Friedrichs-Gymn.  1884)  natürlich  eine  bedeutende  Rolle. 

Bh»in.  Mm.  t  PhUoI.  N.  F.  LYU.  14 


210  £  η  a  a  ο  k 

1200),  dessen  Uebereinstimmangen  mit  Properz  im  Druck  her- 
vorgehoben sind :  —  άλλοι  bk  φααΐν  δτι  έκ  τής  Σκύλλης  τής  θυ- 
γατρός  του  Νίσου  του  άοελφου  του  ΑΙγέως  και  ΤΤάλλαντος. 
ούτος  γαρ  ώκησβν  €ΐς  Μέγαρα  έάσας  τους  αδελφούς  μαχόμενους 
π€ρ\  τής  βασιλείας.  κα\  ήν  βΐμαρτόν  μή  παραληφθηναι  τόν  τό- 
πον, έν  ψ  f|V  ό  Νϊσος,  2ως  €Ϊχ€  τόν  χρυσουν  πλόκαμον  έν  τη 
κεφαλή  αύτου  (β.  u.).  ό  οΰν  Μίνιυς  στρατοπεοεύσας  κατ'  αυ- 
τού ουκ  ήουνήθη  παραλαβεϊν.  ή  bi.  θυγάτηρ  αύτου  Σκύλλα 
θεωρήσασα  τόνΜίνω  έφίλησεν  αυτόν  και  συν- 
ετάΕοτο  αύτψ  προοουναι  τήν  πόλιν,  εΐ  λάβοι 
αυτήν  γυναίκα,  δοέσυνέθετο.  και  παραγενομένη 
τέμνει  του  τεκόντος  τόν  πλόκαμον  και  τήν  πόλιν  προύοωκε. 
καΐ  μετά  τό  παραλαβεϊν  τήν  πόλιν  έλαβεν  αυτήν  επάνω  του 
πλοίου  και  έοησεν  αυτήν  εΙς  τό  πηοάλιον  (Schwartz: 
πλοϊον  die  Ηββ.)  και  έν  τή  θαλασσή  καθήκεν  και  έμεινε 
συρομένη  έν  αυτή  και  bia  τούτο  εκλήθη  Σαρω- 
νικόν  τό  πέλαγος.  έκπεσοΟσα  bi.  έν  τή  θαλασσή  και  θη- 
ρίον  γενομένη  τήν  οίκείαν  φύσιν  μετέβαλεν  ούοαμώς. 

Hier  haben  wir  eine  einheitliche,  geschlossene,  in  eine  Me- 
tamorphose auslaufende  Erzählung.  Und  zwar  wird  die  Königs- 
tochter nicht  in  einen  Seevogel  oder  Fisch,  sondern  in  ein  θηρίον, 
dh.  in  das  bekannte  Ungeheuer  verwandelt^  —  darf  man  ange- 
sichts der  Uebereinstimmungen  mit  Properz  daran  zweifeln,  dass 
die  Hypothesis  desselben  Gedichtes  vorliegt,  aus  dem  der  Elegiker 
die  Hauptsachen  entlehnte?  Die  Strafe  Skyllas  und  die  daran  ge- 
knüpfte Etymologie  ist  die  gleiche  wie  bei  Parthenios,  aber  die 
Yerhandlangen  der  Verrätherin  mit  dem  Landesfeinde  erscheinen 
hier  klar  und  verständlich,  während  wir  in  der  Ciris  blosse  An- 
deutungen lesen  (187,  413,  422),  die  für  den  Kenner  der  Sage 
berechnet  sind.  Zweifler  könnten  auch  in  diesem  Punkte  die 
Schuld  auf  den  Bearbeiter  schieben  und  im  Original  eine  grössere 
Ausführlichkeit  annehmen.  Aber  zu  Gunsten  der  vorgetragenen 
Annahme  spricht  ein  entscheidender  Umstand:  die  verschiedene 
Auffassung  der  Liebe  zwischen  Skylla  und  Minos.  In  der  Ciris, 
dh.  bei  Partbenios,  fällt  alles  Licht  auf  Skylla,  während  Minos 
fast  verschwindet;  in  der  erschlossenen  Yersion  ist  umgekehrt 
dieser  die  Hauptperson.  Lässt  schon  der  properzische  starke 
Ausdruck  Minoa  venundata  figura  den  Sachverhalt  ahnen,  so  ge- 
winnen wir  durch  die  Tarpejealegie  noch    mehr  Anhalt,  Gewiss- 

1  So  wird  sie  auch  bei  Palaiph.  21  und  im  Schol.  Q  zu  Honi. 
Od.  μ  10Γ)  genannt. 


Hellenistieohe  Studien  211 

beit  durch  Ovid.  Met.  VIII  21  ff.  Dieser  sonst  in  seiner  Dar- 
stellung abweichend,  trifft  an  zwei  Stellen  auffällig  zusammen  mit 
Properz, 

61  cur  suus  haec  Uli  reseret  mea  moenia  Mawrs 
et  non  noster  Ämor'i 
=  Prop.  iVfse,  tuas  portas  fraude  reclusit  Amor. 
Ov,  101  (von  Minos) 

—  ut  leges  captis  iustissimus  auctor 
hostihus  imposuit. 
=  Prop.  Victor  erat  quamvisj  aequus  in  hoste  fuit, 
und  dass  hier  eine  beiden  gemeinsame   Quelle    vorliegt,    beweist 
der  auf  eine  besondere  dichterische  Darstellung  hinweisende  Nonnue 
Dionys.  XXy  148,  der  165  ff.  mit  Properz  und  Ovid  sich  deckt: 
Μίνιυς  μέν  πτολίπορθος  έψ  ποτ€  κάλλεϊ  γυμνψ 
ύσμίνης  τέλος  εύρε  καΐ  ου  νίκησε  σιοήρψ, 
άλλα  πόθψ  καΐ  ίριυτι. 
Somit     darf    die    Zusammengehörigkeit    dieser    drei    Zeugen    als 
sicher  angenommen  werden.     Aber  es  geht  weiter.     Denn   wenn 
man  die  stehenden  Phrasen  des  Panopolitaners  abzieht  und  seinen 
unleidlichen  Schwulst  auf  eine  schlichte  Redeweise  zurückzufahren 
versucht,    so  ergeben   sich  sogar    in  Einzelheiten  unverkennbare 
Uebereinstimmungen,  wie  folgende  Zusammenstellung  lehrt: 
oiba  μόθον  Μίνωος,  δν  ήνυσε  θήλυς  Ένυώ 
κεστόν  έλαφρί2Ιουσα  καΐ  ου  τελαμώνα  βοείης, 
ότπτότε  Κύπρις  έην  κορυθαίολος,  όττπότε  Πειθώ 
χάλκεον  ίγχος  ίπαλλε  —  — 

ήνίκα  λαψ 
Νισαίψ  Μεγαρήι  Κυδωνιάς  ίβρεμε  σάλπιγΕ, 
εδτε  Φόβον  καΐ  Δεϊμον  Ιοών  συνάεθλον  Ερώτων 
ϊχνεσιν  αίοομένοισιν  έχάίετο  χάλκεος  'Άρης 
άσπίοα  κουφί2Ιουσαν  όπιττεύων  ΆφροΜτην 
καΐ  ΤΤόθον  αίχμάίοντα,  και  εύθώρηκι  μαχητή 
άβροχίτων  έτέλεσσεν  Έρως  καλλίτριχα  νίκην. 
Σκύλλα  γάρ  ύπνώοντος  άκερσεκόμοιο  τοκήος 
ήλικα  πορφυρέης  άπεκείρατο  βότρυν  έθει'ρης 
και  πόλιν  ίπραθε  πάσαν  2να  τμητήρι  σώήρψ 
βόστρυχον  άμήσασα  πολισσούχοιο  καρήνου, 

(Es  folgen  die  bereits  oben  ausgezogenen  Verse.) 

κορυσσομένου  bk  Λυαίου 

ου  Πόθος  έπρήυνεν  άκοντοφόρων  μόθον  Ίν6ών, 
ού  Παφίη  κεκόρυστο  συναιχμάίουσα  Λυα(ΐ|ΐ 


212  Knaaok 

κάλλεϊ  νικήσασα,  μόθου  τέλος  ου  μία  κούρη 
οίστρομανής  χραίσμησεν  έρασσαμένη  Διονύσου, 
ου  οόλος  \μ€ρΟ€ΐς  — 
Oyid.  24  ff: 

hac  iudice  MinoSy 
seu  Caput  abdiderat  cristata  casside  penniSj 
ingaleaformosus  erat,  seu  sumpsercU  aer e 
fulg  entern  clip  eum,  clipeum  sumpsis  s  e  decebat. 
torserat  adductis  hastilia  lenta  lacertis, 
laudabat  virgo  iunctam  cum  viribus  artem. 
•  •  • 

cum  vero  fadem  dempto  nudaverat  aere^ 
purpureusque  alhi  stratis  insignia  pictis 
terga  premebat  equi  spumantiaque  ora  regebatf 
via;  suOj  ν  ix  sa  nae  vir  g  ο  Niseia  comp  ο s 
mentis  erat. 

Den  Eindruck  des  präobtigen  Heitere  auf  das  Mädchenherz 
eohildert  an  erster  Stelle  und  überträgt  auf  seine  Tarpeja  Pro- 
perz  aaO.  19: 

vidii  arenosis  TcUium  proludere  campis 

pictaque  per  flavas  arma  levare  iubas. 
öbstupuit  regis  facie  et  regalibus  armis 
interque  oblitas  eacidit  urna  manus^j 
deren  sentimentale  Reflexion  37 : 

itle  equus,  ille  meos  in  castra  reponet  amores, 
cui  Tatius  deatras  collocat  ipse  iubas^ 
in  den  nicht  minder  sentimentalen  Gedanken  Skyllas  bei  Ovid  36 
eine  Parallele  findet: 

felix  iaculum^  quod  tangeret  illCt 
quaeque  manu  pr  emer  et  felicia  fren  α  ν  ο  c  ab  at. 
Diese  entsprechen  wieder  genau  den  Wünschen  des  in  die  spröde 
Jägerin  Nikaia  verliebten  Hirten  Hymnos  bei  Nonn.  XV  257: 

αϊθ€  βέλος  γβνόμην  .  .  . 

αϊθ€  βέλος  Τ€νόμην  θηροκτόνον,  δφραμε  γυμναϊς 

χ€ρσΙν  έλαφρίσσειβν  .  .  . 

παρθένε,  κουφίίεις  βέλος  βλβιον,  υμέτεροι  γάρ 


^  Zu  diesem  Verse  vgl.  Ehwalds  Anmerkung, 
s  Ueber  diesen  'alexandrinischen   Kunstgriff  vgl.  Dilthey  de  Call. 
Cyd.  p.  55,  4. 

^  Hieran  sobliesst  sich  bedeutsam  das  oben  angeführte  Distichon. 


Hellenistieohe  Studien  213 

Τμνου  μηλονόμοιο  μακάρτεροί  βίσιν  όιστοί, 
δττι  τ€ών  ψαύουσιν  έρωτοτόκιυν  παλαμάιυν^ 

Εβ  sind  nar  einzelne  Züge,  die  wir  auf  diesem  Wege  ge- 
wonnen haben,  aber  sie  fügen  sich  wohl  zasammen  und  geben 
von  der  Darstellung  des  unbekannten  hellenistischen  Dichters  (Δ) 
ein  ziemlich  deutliches  Bild^.  Sein  Vorbild  war  eine  Stelle  des 
enripideischen  ersten  Hippolytos  (Ovid.  Her.  IV  79  —  84,  vgl. 
Paus.  II  33,  3) ,  wie  bereits  M.  Mayer  de  Earip.  mythopoeia 
[Diss.  Berl.   1883]   69  gesehen  hat. 

Wie  stellt  sich  nun  dazu  Parthenios?  Die  Thatsache  wird 
angedeutet  130: 

ni  Scylla  novo  correpta  furore, 
Scylla,  patris  miseri  patriaeque  mventa  septdcrumt 
0  nimium  cupidis  Minoa  inhiasset  ocellis, 
wobei    die  Entstehung  dieser  Leidenschaft  durch   die  Rache  des 
beleidigten  Eros   hier    füglich    ausser  Spiel  bleiben    darf'.     An- 
dererseits weisen  die  Verse  429  ff: 

vuUu  decepta  pueUa 
ut  vidif  ut  perii!    tU  me  malus  a^stulit  error/ 
non  equidem  ex  ist  ο  speravi  corpore  passe 
tcUe  malum  nasd:  forma  vel  sidera  /alias 
unerkennbar    auf   die  Schönheit   des  Ereterkönigs    hin,    die    der 
Liebesraserei  des  Mädchens  als  Folie    dienen    soll.     Im    Hinter- 
grunde steht  die  ausführliche  Schilderung,  wie  sie  in  Α  zu  lesen 
war,  oder   mit  andern  Worten:    Α  wird  vorausgesetzt;    für  den 
Kenner  genügten  die  wenigen  Anspielungen.     Aber   damit   nicht 
genug:  durch  eine   besondere  Erfindung,    deren  Einzelheiten  erst 
später  erörtert  werden   können,    wird  Minos   noch   mehr  in   das 
rechte   Licht   gerückt.      Das    ist    die    Episode   über    Britomartis 
286  ff.,   die  im  Munde  ihrer  Mutter  Earme,    die  aus  Kreta  ver- 

^  üeber  dies  Wunschmotiv  ist  Rohde  Rom.  162,  4  zu  vergleichen ; 
einige  Parallelen  aus  modemer  Volkslitteratur  gibt  Biese  Ztsoh.  f.  vgl. 
Litt.-Geech.  N.  F.  I  411—425. 

^  Diese  und  ähnliche  Zusammenstellungen  würden  nun  freilich 
ganz  nutzlos  sein,  wenn  der  neueste  Beurtheiler  der  Ovidischen  Meta- 
morphosen, Vollgraff  p.  38  mit  seinen  Behauptungen  Recht  hätte.  Allein, 
je  tiefer  man  in  diese  Erzählungen  eindringt,  desto  mehr  erkennt  man, 
dass  Ovid  die  Gebilde  der  griechischen  Dichtung  mit  unvergleichlicher 
Leichtigkeit  in  einen  Hotten  Stil  alfresco  umgesetzt  hat,  wobei  aller- 
dings gar  manche  Feinheiten  der  Originale  verloren  gingen.  Einer  der 
besten  Kenner  Ovids,  R.  Ehwald,  theilt  diese  Ansicht. 

^  Zumal  da  die  Partie  139 — 155  verderbt  zu  sein  scheint. 


214  Κ  η  a  a  c  k 

trieben  als  Pflegerin  der  Skylla  im  megariscben  Eönigepalaste 
weilt,  die  dämonieobe  Oewalt  des  Ereterftirsten  vor  Augen  stellen 
soll.  Dieser  Kunstgriff,  den  Helden  in  einem  gewissen  Dnnkel 
zu  lassen  nnd  die  Nebenpersonen  in  den  Vordergrund  zu  rücken, 
ist  auch  sonst  der  bellenistiscben  Dichtung  nicht  fremd :  so  er- 
scheinen die  Tbaten  des  Herakles  wiedergespiegelt  in  den  Reden 
Alkmenes  und  Megaras  bei  dem  Verfasser  des  unter  den  Nach- 
lass  des  Moschos  gerathenen  anmuthigen  EpyllsV  Aber  auch  die 
breite  Schilderung  der  Liebesleidenscbaft  in  der  Ciris  ist  nicht 
das  eigene  Werk  des  Parthenios :  er  hat,  wie  v.  238  verständlich 
genug  angedeutet  wird,  die  verliebte  Myrrha  (Anton.  Lib.  34, 
Ovid.  Met.  X  298  ff.)  sich  zum  Vorbild  und  Muster  genommen. 
Einer  eingehenden  Begründung  bin  ich  durch  Kalkmann  (de 
Hippel.  Eurip.  quaestt.  nov.  [Bonn  1882]  p.  87  sqq.)  enthoben. 
Es  fragt  sich  nun,  ob  sich  aus  Ovid,  der  ja  Α  notorisch  benutzt 
hat,  noch  etwas  gewinnen  lässt.  Trotz  der  sehr  ähnlichen  Dis- 
position der  Reden  Skyllas'  trifft  er  mit  dem  Dichter  der  Ciris 
doch  nnr  in  ein  paar  Einzelheiten  zusammen.  Cir.  105  wird 
die  Königeburg  beschrieben: 

stat  Megara,  Älc<U?K>i  quondam  munila  läbore, 
Alcaihoi  Phoehtque^  deus  namque  adfuit  Uli; 
unde  etiam  citharae  voces  imitatus  acutas 
saepe  lapis  recrepat  Cyllenia  murmura  pulsus 
et  veterem  sonitu  Phoebi  testatur  amorem. 
Das  ist  untadelig  gesagt  und  deckt  sich  mit  einer  später  zu  be- 
sprecbenden,  aus  derselben  megarischen  Quelle  stammenden  Notiz 
des  Pausanias,   so  dass  man    diese  Verse  auf  das  Original  wird 
zurückführen  dürfen.    Die  Geschichte  steht  auch  bei  Ovid   14: 
regia  turris  erat  vocalibue  addüa  muriSj 
in  quibus  auratam  proles  Letoia  fertur 
deposuisse  lyram:  saao  sonus  eins  inhaesit, 
saepe  illuc  solita  est  ascendere  filia  Nisi 
et  petere  exiguo  r  esonantia  saxa  lapillo, 
tum  cum  pax  esset;  hello  quoque  saepe  solebat 
spectare  ex  illa  rigidi  certamina  Martis, 


^  Vgl.  Wilamowitz  Eurip.  Herakl.  I  84,  161«. 

2  Ciris  257 — 282  erste  Rede  Skyllas  (Oeständniss  ihrer  Liebe)  «χ» 
Ovid.  44-80,  Selbstgespräch  Skyllas  (beelenkampf) ;  Cir.  404—458 
zweite  Rede  (Klagen  der  Geschleiften)  rv>  Ovid.  108—142  (Klagen  der 
Enttäuschten);  vgl.  Ganzenmüller  Beiträge  zur  Ciris,  Jahrb.  f.  Philol. 
Suppl.  XX  536  f. 


Hellenistisohe  Stadien  215 

aber  in  besseren  Zusammenhang  mit  der  Person  der  Heldin  ge- 
bracht, von  der  Cir.  172  erzählt: 

siiepe  redit  patrias  adscendere  perdita  müros, 
aeriasque  facti  cau  s am  sibi  viser  e  turr  e  s. 
Fast    möchte    man   an   eine    Verbesserung    des  älteren  Gedichtes 
denken  —  wenn  es  sich  überhaupt  nachweisen  liesse,  dass  Ovid 
diesen  Werkchen  des  Cornelius  Gallus  noch  gekannt  und  benutzt 
hat^.  So  müssen  wir  uns  bescheiden  den  Unterschied  anzuerkennen/ 
sei  es  dass  er  bereits    im  Original  (A)  stand,   sei  es    dass   Ovid 
selbst  diesen  Zug  spielend    ausgemalt  hat.     üebrigens    ist    auch 
über  die   Vorlage  der  Ciris  keine  Entscheidung  möglich,  da  wir 
nicht  mehr  wissen,  in  welcher  Weise  Parthenios  das  causam  stbi 
visere  turres  motivirt   hatte.    Etwas  zuversichtlicher  möchte  man 
über  einen  andern  Widerspruch   urtheilen.     Bei  Ovid  64  spricht 
Skylla  die  Befürchtung  aus : 

non  metuam  certe,  ne  quis  tua  pectora,  MinoSy 
vulneret  imprudens,  quis  enim  tarn  dirus,  ut  in  te 
dirigere  inmitem  non  inscius  audeat  hastam? 
und  dass  Aehnliches  in  Α  gestanden  hat,  macht  Propert.  IV  4,  25 
wahrscheinlich,  wo  es  etwas  anders  gewandt  ist: 
saepe  tulit  hlnndis  argentia  lilia  nymphis^ 

Romula  ne  faciem  laederet  hasta  Tati, 
In  der  Ciris  dagegen  ist  Minos  unverwundbar  268: 

üle  (vides)  nostris  qui  moenibus  adsidet  hostis^ 

quem  pater  ipse  deum  sceptri  donavit  honore, 

cui  parcae  tribuere  nee  ullo  vulnere  laedi 

•     •     • 

nie  mea^  iUe  idem  oppugnai  praecordia  Minos. 


^  So  ua.  Waser  S.  58:  Ovid  und  der  unbekannte  Verfasser  der 
Ciris  benutzten  die  nämliche  Fassung  der  Sage'  —  auch  das  ist  in 
dieser  Verallgemeinerung  falsch  ~  'ja  ich  habe  den  bestimmten  Ein- 
druck, dass  der  eine  Dichter  auf  den  andern  Rücksicht  genommen  und 
möglichst  bei  jenen  Partien  verweilte,  die  er  bei  seinem  Vorgänger 
entweder  ganz  übergangen  oder  bloss  angedeutet  fand :  dies  muss  eine 
Vergleichung  der  beiden  ohne  Weiteres  lehren*.  Ganzenmülier  hat 
mit  unendlichem  Fleiss  eine  Anzahl  Stellen  gesammelt,  welche  die  Ab- 
hängigkeit des  Cirisdichters  von  Ovid  beweisen  sollen;  kehrt  man  nun 
auch  das  Verbältniss  um,  so  ist  keine  wirklich  beweiskräftig.  Trotz- 
dem hat  Waser  eine  richtige  Empfindung  gehabt,  man  braucht  nur  seine 
Worte  auf  die  griechischen  Quellen  Α  und  C  (Parthenios)  zu  beziehen. 
Richtig  Ribbeck  Gesch.  der  röm.  Dichtung  II  355. 


216  Knaack 

Dieser  sonst   nirgends   tiberlieferte  Zug  sieht  doch  wie  eine   Po- 
lemik gegen  Α  aas. 

Yerhältnissmässig  breit  mögen  in  Α  die  Verhandlungen 
der  Jungfrau  mit  dem  Feinde  geschildert  sein,  wie  wir  aus  dem 
£uripides8cholia8ten,  dem  die  kürzeren  Andeutungen  Properzens 
bestätigend  zur  Seite  treten,  noch  zu  erschliessen  vermögen.  Hier 
wird  auch  die  Dienerin  Skyllas  thätig  eingegriffen  haben.  Ob 
aber  die  bis  zur  Unverständlichkeit  knappen  Angaben  in  der 
Ciris  das  Original  treu  wiedergeben  oder  ob  in  diesem  die  Sache 
eingehender  durgestellt  gewesen,  das  entzieht  sich  leider  unserer 
Eenntniss ;  wir  vermögen  nur  zu  ahnen,  dass  der  ausführliche 
Bericht  in  Α  wieder  im  Hintergrunde  steht. 

Zeitlich  folgt  nun  die  frevelhafte  That  Skyllas,  die  sämmt- 
liche  Zeugen  natürlich  übereinstimmend  erzählen  ^  Nur  in  einem 
Nebenumstand  weicht  Α  ab:  während  die  andern  von  einer  pur- 
purnen Locke  des  Fürsten  reden,  ist  sie  bei  ihm  golden.  Diese 
Angabe  des  Euripidesscholiasten  wird  von  zwei  Seiten  bestätigt: 
Prob,  zu  Verg.  ecl.  VI  74  Tzetz.  Lyc.  650 

(p.  23  Keil):  (Chil.  Π  539): 

Nisi  regis  Megarensium  crinem     .  .  .  τής  Οκύλλης,  ή  κατ'  έμέ  (!) 
Jiabentis    aureum    eundemque     θυγάτηρ  ή  ν  Ν  ίσου  του  Μεγα- 
faialem   urhem  Minos  rea  Cre-     ρέως,  τεμοΟσα  6έ  την  χρυσή  ν 
tensiym  impugnabaU    sed  Scylla     αύτου  τρίχα  και  fivavbpov  αύ- 
Msi    fUia    pulcrum    Minoem  e     τόν  έργασαμένη  (έν  εκείνη  γάρ 
muris  prospectavit   et   adamavit     τή  τριχι  ήν  αύτψ  τό  παν  της 
et  dormientis  crinem  patris  am-     δυνάμεως,  καθάπερ  και  τψ  Οαμ- 
putavit  et  hosti  detulit  petens     ψών)  άνηρέθη  υπό  του  Μίνιυος, 
praemium  nup  tias.    at  ille     φ  κα\  προοόωκε  τόν  πατέρα  κτέ. 
parricidamrefragatus 
U  χ  crem  ohsidium  solvity  quo- 
niam  hostem  aeque  manibus  filiae 
perdUum  videbat.  — 


^  Sehr  kurz  ist  der  Bericht  in  der  Ciris  387,  aber  hier  etwa  eine 
andere  Quelle  als  Parthenios  anzunehmen,  wozu  Kalkmann  p.  91  ge- 
neigt scheint,  geht  doch  nicht  an :  wir  wissen  ja  nicht,  was  im  Original 
stand.  Dem  Nonnus  XXV»  164  βόστρυχον  άμήσααα  πολισαούχοιο 
καρήνου  schwebte  vielleicht  noch  Kallim.  Fr.  anon.  39  πορφυρέην 
ή  μ  η  σ  ε  κρέκα  vor,  welches  mit  Fr.  184  Οκύλλα  γυνή  κατάκασαα  καΐ 
ού  ψύθος  οονομ'  Ιχουαα  vor  Wilamowitz  (Nachr.  der  Gott.  Ges.  der 
Wies.  1893,  739)  bereite  Toup  verbunden  hat;  beide  standen,  wie  wir 
jetzt  wissen,  in  der  Hekale. 


Hellenistieche  Studien  217 

Da  Tzetzee  im  Folgenden  die  Schleifung  Skyllas  mit  dem  Soholion 
übereinstimmend  berichtet,  so  schöpft  er  wohl  ans  eben  der- 
selben mythographischen  Quelle ,  direct  vielleicht  aus  Schollen 
zum  Lykophron,  die  zu  diesem  Verse  jetzt  fehlen;  Probus  geht 
auf  einen  mit  Varianten  ausgestatteten  Ovidcommentar  zurück  '. 
Nun  ist  auffallend,  dass  alle  sonstigen  Zeugen  der  Version  Α 
(Properz,  Ovid,  Nonnus)  an  Stelle  des  χρυίΤοΟς  πλόκαμος  die 
Purpurlocke  setzen.  Indessen  wird  man  aus  dieser  einzigen  Ab- 
weichung gegen  die  versuchte  Reconstruction  der  Dichtung  Α 
keinen  triftigen  Einwand  erheben  dürfen,  vielmehr  den  Einfluss  der 
Vulgata  erkennen,  die  fast  die  gesammte  Litteratur  und  die  bildende 
Kunst  beherrscht•.  Der  kleine  von  dem  Dichter  vorgenommene, 
für  den  Gang  der  Erzählung  völlig  belanglose  Wechsel  darf  auf 
Rechnung  der  verwandten  (jüngeren  ?)  Sage  von  Pterelaos  und 
Komaitho  gesetzt  werdend 


*  Von  den  Worten  petens  praemium  nuptias  =  Ovid  92  praemial 
niiUa  peto  nisi  te  an  bis  zu  Ende  unverkennbar.  Deshalb  ist  sein  Be- 
richt oben  zur  Reconstruction  von  Α  nicht  verwerthet  worden. 

3  Bezeichnend  Tibull.  I  4,  β3  carmine  purpurea  est  Nisi  coma. 
Stat.  Silv.  III  4,  84  ua. 

8  Vgl.  Apollod.  II  51.  60  (Tzetz.  Lyc.  932).  Beide  stellt  neben- 
einander Ovid  Ib.  301  : 

neve  magis  pia  sit  capitique  parentis  amica, 
qttam  sua  vel  Pterelae  vel  tibij  Nise^  fuit. 
und  Dio  Chrysost.  64,  341  R.  (ή  τύχη  6{6ωσι)  ΤΤτερίλςι  κόμη  ν  χρυσή  ν, 
Νίσψ  ιτλόκαμον  πορφυροΟν.  Diese  goldene  oder  purpurne  Haarlocke 
des  Helden,  welche  sein  Leben  und  die  Wohlfahrt  seines  Landes  ver- 
bürgt, ist  ein  alter,  in  mehreren  neugriechischen  Märchen  wiederkehren- 
der Zug.  So  schneidet  bei  Hahn  Griech.  Märcb.  II  282  (Variante  aus 
Syra  zu  No.  65)  die  Mutter  aus  Liebe  zum  Drakos  ihrem  Sohne  die 
drei  goldenen  Haare  auf  dem  Haupte  ab  (ähnlich  die  epirotische  Ver- 
sion S.  284  und  das  kyprische  Märchen  bei  Sakellarios  Κυπριακά  No.  8; 
mir  nur  aus  B.  Schmidts  Buch  bekannt).  Bei  B.  Schmidt  Griech.  Märch. 
Sagen  u.  Volkslieder  No.  11  (der  Capitän  Dreizehn)  hat  ein  König  drei 
Haare  auf  der  Brust  (die  Farbe  wird  nicht  angegeben),  die  ihn  un- 
überwindlich machen ;  sein  Weib  verräth  ihn  um  Gold  und  schneidet  sie 
ihm  ab:  eine  merkwürdige  Parallele  zu  der  ältesten  Form  der  Skylla- 
sage  bei  Aeschylos  (s.  u.).  Auch  in  den  Sagen  und  Märchen  anderer 
Völker  —  an  Simson  erinnert  bereits  Tzetzes  —  kommt  Aehnlicbes  vor: 
Grimm  KM.  29  (mit  Anm.).  —  Dass  mit  dem  Verlust  der  Locke  der 
Tod  des  Nisos  besiegelt  war,  wird  mehrmals  ausdrücklich  hervorge- 
hoben, so  von  Paus.  I  19,  4  (Localsage  von  Nisaia),  Schol.  Bern.  Verg. 
Ed  VI  74  Apollod.  III  210.    Cornelius  Gallus  spielt  V.  523  darauf  an. 


218  Knaack 

Der  zeitlicheΏ  Folge  nach  iet  nunmehr  dae  Wandgemälde  von 
Tor  Marancio  (Heibig  Führer  II  190  ^  jetzt  bei  Skutech  abge- 
bildet) zu  nennen:  Skylla,  die  verhängnieevolle  rote  (?)  Locke 
in  der  R.  steht  anf  der  Stadtmauer  und  blickt  'mit  einem  Aue- 
druck, in  dem  sich  Liebeeeehnsucht  und  Melancholie  mischen', 
nach  dem  Lager  des  Minos  hinab  —  eine  Situation,  die  sowohl 
der  in  Α  vorauszusetzenden  Seelenstimmung  als  auch  der  in  der 
Giris  ausgemalten  angemessen  erscheint.  Etwas  mehr  läset  sich 
aus  dem  schönen  pompejanischen  Wandgemälde  erschliessen,  das 
Heibig  Denkmal,  und  Forsch.  1866  Tafel  212  veröffentlicht  und 
Campan.  Wandgem.  No.  1337  folgendermassen  beschrieben  hat : 
'In  einem  Gemache  sitzt  auf  einem  mit  grünem  Tuche  belegten 
Lehnsessel  ein  Jüngling,  Minos,  mit  röthlicher  Ghlamys  über 
den  Schenkeln,  einen  Speer  in  der  L.  Ihm  gegenüber  stehen 
zwei  weibliche  Gestalten,  eine  Alte  in  grünlichem  Chiton,  röth- 
lichem  Mantel  und  Kopftuch,  offenbar  eine  Amme,  welche 
beide  Hände  im  Gespräch  zu  dem  Jüngling  er- 
hebt^, und  ein  Mädchen  in  grauviolettem  geröthetem  Chiton 
mit  üeberwurf,  mit  gelösten  blonden  Locken,  Skylla, 
welche  mit  der  R.  dem  Minos  die  rothe  Locke  ihres  Vaters  dar- 
bietet. Minos  wendet  voll  Abscheu  das  Haupt  ab  und  erhebt 
abwehrend  die  R.  Hinter  seinem  Sessel  ragen  zwei  männliche  Fi- 
guren hervor,  die  eine  mit  Helm  und  Schild  bewehrt,  mit  ein- 
ander im  Gespräch  begriffen  ;  Spuren  einer  dritten  sind  über  ihnen 
sichtbar.  R.  im  Hintergrunde  innerhalb  der  offenen  Thür  steht 
die  Wache,  mit  Helm  und  Schild,  sehr  zerstört .  Die  Situation 
entspricht  genau  der  Schilderung  Ovids  88  ff.  : 

per  medios  hostes  {meriti  fiducia  tanta  est) 
pervenit  ad  regem^  quem  sie  adfata  ρ av entern  est: 
^stidsit  Amor  facinus:  proles  ego  regia  Nisi 
Scylla  tibi  trado  patriaeque  meosque  penates, 
praemia  mala  peto  nisi  te :  cape  pignus  amoris 
purpureum  crinem  nee  me  nunc  tr ädere  crinem^ 
sed  paJtrium  tibi  crede  caputf*  scelerataque  dextra 
munera  porreait;  Minos  porrecta  refugit  — 
aber  hier  fehlt  die  Amme;  sie  ist  wohl  absichtlich  weggelassen, 
um  den  Muth  der  'Verbrecherin  aus  Liebe'   stärker  hervorzuheben. 
Geht  die  Darstellung   auf  Parthenios   zurück  ?   In  der  Ciris  hilft 
ja    die     Dienerin,    nachdem    sie  dem    Mädchen    das    Geständniss 

^  Nur  die  R.  ist  auf  der  Abbildung  sichtbar. 


Hellenietisohe  Stadien  219 

abgerungen    hat,    die    verrnohte   TLat    vollbringen,    mitbewogen 
durch  selbetsiiohtige  Hoffnung : 

revehi  quod  moenia  Cressa  gaudeat  (384) ; 
das  reicht  aber  bei  weitem  nicht  aus,  diese  bedeutsame  Scene 
zu  erklären.  Man  müsete  zu  der  immerhin  bedenklichen  Annahme 
greifen,  daes  der  Bearbeiter  sie  unterschlagen  hat,  eine  Annahme, 
die  sich  durch  die  allerdings  auffallende  Kürze  der  Erzählung 
386 — 388  noch  nicht  empfiehlt.  Andererseits  können  wir  uns  die 
Pflegerin  bei  der  wichtigen  Rolle,  die  sie  in  der  Ciris  spielt  ^, 
sehr  wohl  als  ünterhändlerin  zwischen  der  verliebten  Königs- 
tochter und  dem  feindlichen  Heereskönige  vorstellen.  Diese  Ver-. 
handlungen  aber  waren  in  Α  erzählt  —  was  liegt  näher  als  die 
Mitwirkung  der  Vertrauten  auch  im  letzten  entscheidenden  Mo- 
ment anzunehmen  ?  Ist  diese  Erwägung  richtig,  so  könnte  das  pom- 
pejanische  Bild  trotz  der  rothen  Locke  auf  Α  zurückgehen.  In- 
dessen, so  einfach  liegt  die  Sache  nicht,  vielmehr  kommt  noch  — 
zunächst  für  Ovid  ~  eine  dritte  Version  (B)  in  Frage,  die 
Hygin.  Fab.  198  überliefert: 

Nisus, 

Nisus  Mortis  filins^  sive  ut  alii  dicunt  Pandionis  (Deionis  verb. 
von  Muncker)  filitiSy  rea  Megarensium  in  capite  crinem  purpureum 
habuisse  dicitur,  c  ui  r  esponsum  fu if  t  am  diu  cum  r  e• 
gnatur  um  quam  diu  eum  crinem  custodis  sei. 
quem  Minos  lovis  fiUtis  oppugnatum  cum  venisset,  α  Scylla  Nisi 
filia  Vener  i s  impulsu  est  amatus,  quem  ut  victorem  faceret, 
patri  dormienti  fatalem  crinem  praecidit.  itaque  Nisus  mctus  α 
Minoe  est.  cum  autem  Minos  Cretam  rediret,  eum  ex  fide  data 
rogavitf  ut  secum  aveheret,  ille  neg avit  Creten  sanctis- 
simam  tan  tum  scelus  recepturam.  Uta  se  in  mare 
praecipüavit  f  ne  (ut  navem  M.  Schmidt)  persequeretur,  Nisus 
autem  dum  filiam  persequitur,  in  avem  halia(e)eton  (id  est  aquüam 
marinam)  conversus  est ,  Scylla  filia  in  ρ  iscem,  ci{r)rim 
quem  vocant.  hodieque  siquando  ea  avis  eum  piscem  natantem 
conspeaerU^  mittit  se  in  aquam  rapfamque  unguibus  düaniat. 

Mit  ihr  beginnt  bei  Hygin  eine  Reihe  von  Verwandlungs- 
sagen (bis  206),  welche  auf  hellenistische  Dichtungen  zurück- 
zugehen scheinen.  Die  Erzählung  ist  nicht  ganz  einheitlich,  wie 
die  genealogische  Variante  zeigt,  auch  sonst  sind  Zusätze  nicht 
ausgeschlossen,    aber    als    Ganzes   beansprucht    sie    nicht  nur 


^  Um  80  auffallender  ist,  dass  sie  nachher  ganz  verschwindet. 


220  Knaack 

wegen  der  ganz  eingulären  Metamorphoae  ^  anaer  IntereaRe,  zu- 
mal da  ibr  Werth  iieaerdinga  bestritten  worden  iat.  Seitdem  M. 
Schmidt  eine  weitgehende,  durch  die  ganze  Sammlung  sich  hin- 
ziehende Benutzung  der  Metamorphosen  Ovida  zum  Theil  mit 
Recht  yermuthet  hat,  betrachtet  man  alle  üebereinstimmungen 
als  Interpolationen.  Und  ao  läset  in  unserm  Falle  selbst  ein 
sorgfältiger  Forscher,  wie  R.  Ehwald,  die  Worte  patri  dormievUi 
faialem  crinem  praecidii  aus  Ovid  entlehnt  sein  (zu  85).  Das 
trifft  nicht  zu:  fatalis  crinis  ist  Uebersetzung  des  μόρσιμος  πλό- 
καμος, und  die  sonstigen  scheinbaren  Entlehnungen  sind  in  Wahr- 
heit keine  ^.  Im  Gegentheil:  wie  schon  Ealkmann  p.  91,  2  be- 
merkt hat,  weicht  Hygin  in  verschiedenen  Punkten  ab  oder  bietet 
mehr  als  Ovid  ;  er  kennt  den  Orakelspruch,  eine  besondere  Mo- 
tivierung der  Liebe  Skyllas,  giebt  eine  abweichende  Verwandlung 
Dazu  kommt  noch  die  Andeutung  des  Eheverspreohens ;  dieser 
Zug  ist  vielleicht  aus  einer  anderen  Quelle  hinzugesetzt.  Wer 
ohne  vorgefasste  Meinung  das  Kapitel  liest^  findet  eine  im  ganzen 
wohl  abgeschlossene  Erzählung :  es  ist  ein  Auszug  des  in  der 
Giris  beiläufig  erwähnten  Gedichtes,  das  auch  Ovid  für  seine  Dar- 
stellung verwerthet  hat.  Denn  nicht  nur  stimmen  die  Worte  des 
zürnenden  Minos  97  : 

Ol  te  summoveantj  ο  nostra  infamia  saeclij 
orhe  suoy  tellusque  tibi  pontusque  negetur/^ 
certe  ego  non  patiar  lovis  incunabulaj  Creten, 
qui  meus  est  orbisj  tantum  contingere  monstrum 
durchaus  mit  Hygin  tiberein,  sondern  auch  das  Folgende  101 — 103 
und  besonders  142: 

fnx  dixerat,  insilü  tmdis 
consequiturque  rotes  faciente  cupidine  vires 
Gnosiacaeque  haeret  comes  insidiosa  carinae 
entspricht  ganz  der  Situation  in  B,  hierin  völlig  abweichend  von 
Α  und  G  (Parthenios).    An  diesem  einigermassen  gesicherten  Er- 
gebnies wird  man   festhalten  dtirfen  ;  umsomehr  ist  zu  bedauern, 
dass   sich    aus   den    allgemeinen  Angaben    des  Mythographen  für 


^  Ausser  der  gelegentlichen  Erwähnung  in  der  Ciris  484  ff.  kommt 
sie  nur  noch  bei  Serv.  Verg.  Aen.  VI  286  vor:  nam  et  iUa  Nisi  stcun- 
dum  alio8  in  avem  conversa  est,  secundum  alios  in  piscem. 

'  Zu  dem  letzten  Worte  dilaniat  bemerkt  Schmidt  laniaret  Ovid. 
l  c.  147.    Aber  hier  steht  laceraret. 

^  Dies  ist  von  Ovid  hinzugesetzt,  um  bereite  auf  die  150  (nach 
C)  erzählte  Verwandlung  hinzuweisen. 


Hellenistische  Studien  221 

die  früheren  Momente  der  Erzählung  kein  deutliches  Bild  ge- 
winnen läset.  D  i  e  Skylla,  wie  sie  Ovid  zeichnet,  selbständig  pla- 
nend und  handelnd,  scheint  mit  der  durch  die  Liebesgöttin  ( Ve- 
neria impulsu)  zum  Entschluss  getriebenen  nicht  unvereinbar  zu 
sein,  aber  ein  Entscheid  ist  unmöglich. 

Während  Β  für  sicli  steht,  gehen  Α  und  C  Hand  in  Hand. 
Nach  dem  bisher  Ermittelten  darf  man  annehmen,  dass  Parthe- 
nios  auch  in  diesem  Falle  der  Entleiher  war:  er  entnahm  also 
die  Sclileifung  durch  das  Meer  und  die  daran  geknüpfte  Etymo- 
logie des  Οαρωνικός  κόλπος  der  älteren  Vorlage  ^.  Diesen  für 
Α  und  C  wohl  bezeugten  Umstand  hat  der  lateinische  Bearbeiter 
übergangen;  um  so  breiteren  Baum  nehmen  die  ergreifenden 
Klagen  der  Betrogenen  ein,  die  wohl  schon  in  C  standen^.  Ueber 
Α  wissen  wir  nichts,  Ovid  lässt  (nach  B?)  die  Enttäuschte  der 
entweichenden  Flotte  nachrufen  und  trifft  ein  paar  mal  in 
unwesentlichen  Einzelheiten  (Ov.  109  «χ»  Cir.  428,  Ov.  127  «χ»  Cir. 
418  ff.)  mit  Gallus  zusammen ^  Was  endlich  die  Verwandlung 
Skyllas  betrifft,  so  gehen  die  drei  Versionen  völlig  auseinander. 
Schon  vorher  scheiden  sich  Α  und  C.  Für  die  in  C  erzählte 
Metamorphose  war  der  Ort  belanglos  —  daher  geht  die  Fahrt 
bis  auf  die  Höhe  von  Kreta  (Cir.  477)  —  das  θηρίον  dagegen 
bedarf  einer  festen  Localisierung.  Der  Punkt,  wo  die  Verwand- 
lung geschah,  lässt  sich  angeben  :  es  ist  das  Vorgebirge  Σκύλ- 
λαιον  bei  Hermione  am  Ausgang  des  saronischen  Golfes,  auf 
das    auch  in  der  Cir.  472    angespielt   wird.     Hier    wurde    noch 


^  Die  recht  ausführlich  gewesen  zu  sein  scheint,  wie  aus  dem 
£uripides8chol.  zu  ersehen  ist:  καΐ  μετά  τό  παραλαβείν  τήν  πόλιν 
£λαβ€ν  αυτήν  επάνω  τοΟ  πλοίου  καΐ  ^δησεν  αυτήν  εΙς  τό 
πηδάλιον  (β.  ο.)  καΐ  έν  τή  θαλασσή  καθήκεν  καΐ  έμεινε  συρομένη  έν 
αυτή  κτέ.  Die  Variante  bei  Tzetz.  κρεμασθεΐσα  τής  πρώρας  statt 
πρύμνης  ist  nur  ein  Versehen  des  Berichterstatters. 

8  Vielleicht   ist  Fr.  34  Mart.  ώ  έμέ  τήν  τά  περισσά   hierher   zu 
ziehen.     Gallus  hat  ausserdem  die  Klagen  der  verlassenen  Ariadne  bei 
Catull  stark  benützt,     üeber  die  Betrachtungen  des  Minos  s.  o. 
^  Grösser  ist  die  üebereinstiramung  zwischen  Cir.  190: 
Nise  pater,  cui  direpia  crudeliter  urbe 
rix  erit  una  »uper  sedes  in  turribus  (ütis, 
fessua  ubi  extrticto  possis  considere  nido, 
tu  quoque  avis  mctuerti  dahit  tibi  filia  poenas 
und  Ovid.  125:  exige  poenas 

Nise  pater,  gaudete  malis  modo  prodita  nostris 
moenia  — 
Liegt  für  beide  Parthenioe  vor? 


222  Knaauk 

später  das  Grab  Skyllae  gezeigt,  wie  bis  auf  den  Sohlase  über- 
einstimmend Strab.  VIII  373  (daraus  Eustath.  Dion.  Per.  420 
a.  £.)  und  Pausan.  II  34 ,  7  berichten : 

Strabo  Pausan. 

τό  bi  Οκύλλαιον  το  έν  Ερμιόνη  .  .  .  Οκυλλαΐον  (sie)  άπό  τής 
ώνομάσθαι  φασιν  άπό  Οκύλλης  Νίσου  καλούμενης  θυγατρός.  ώς 
τής  Νίσου  θυγατρός,  ήν  έΗ  γάρ  6ή  τήν  Νίσαιαν  ό  Μίνως 
ίριυτος  προόοΟσαν  Μίνψ  τήν  και  τα  Μέγαρα  elXev  εκείνης 
Νίσαιαν  καταποντιυθήναί  προδούσης,  οδτε  γυναίκα  ßeiv 
φασιν  υπ'  αύτου,  beupo  b'  αυτήν  έτιέφασκεν  και  πρόσε- 
έκκυμανθεϊσα  ν  ταφής  τυ-  ταΗε  τοις  ΚρησΙν  έκβάλ- 
χεϊν.  λειντήςνεώς•  άποθανου- 

σαν  bk  όπέρριψεν  ές  τήν 
δκραν  ταύτην  ό  κλύοιυν. 
τάφον    6έ    ουκ    άποφαίνουσιν 
αυτής,   άλλα  περιοφθήναι  τον 
νεκρόν  φασι  όιαφορηθέντα  ύπό 
των  έκ  θαλάσσης  ορνίθων. 
Natürlich  verdient  Strabo  allen  Glauben :   die  gegeutbeilige  An- 
gabe hat  Pausanias  oder  sein  Gewährsmann  allein  zu  verantworten  ^. 
An  diese  obscure  Localsage  nun    knüpfte   der  unbekannte  helle- 
nistische Dichter  an  und  wagte  es,  die  Eponyme  von  Οκύλλαιον 
dem   homerischen  πέλωρ   κακόν  gleichzusetzen  (falls  er  nicht 
bereits  eine    alte    Sage  kannte):    das    war    bei    dem   fast 
kanpnischen  Ansehen  Homers  eine  Neuerung,  die  Aufsehen  erregte 
und  Nachahmung  fand^.  Deswegen  schilt  ihn  Cornelius  Gallus  in 
den  zu  Anfang  angeführten  Versen  einen  malus  auctor,  den  er  aus 
dem   Maeoniden    zu   widerlegen    versucht^.     Denn   dass   hier  die 

^  Unbegreiflicherweise  wollen  Hitzig-Blünmer  (Pausan.  Bd.  II  644) 
im  strabonischen  Text  vor  τυχείν  ein  ού  einschieben,  nur  Pausanias  zu 
Liebe.  Die  gemeinsame  rationalistisch  gefärbte  Quelle  war  wohl  eine 
Localperiegesei  die  eine  ziemlich  junge  Gestalt  der  Sage  bot.  Das 
Werfen  ins  Wasser  auch  bei  dem  Schol.  Bern.  Verg.  Ecl.  VI  74,  der 
sonst  die  Vuigata  giebt.  Apollod.  III  210  erzählt  die  Sage  in  bekannter 
\N'ei8e,  zum  Schluss  heisst  es  Μίνως  δέ  Μεγάρων  κρατήσας  καΐ  τήν  κό- 
ρην  τής  πρύμνης  τών  ποδών  έκδήσας  ύποβρύχιον  έπο(ησ€,  das 
scheint  Contamination  der  von  AC  befolgten  und  der  rationalistischen 
Version. 

'^  Die  complures  magni  poetae  sind  wohl  unter  den  hellenistischen 
Dichtern  zu  suchen. 

8  Ihm  folgt  Vergil.  Ecl.  VI  74 
quid  loquar  aut  Scyllam  Nisis  quam  fama  secuta  est  eqs. 
mit  leiser  Aenderung. 


Hellenietische  Studien  223 

eigene  Kritik  des  Gallne  vorliegt,   erbellt  aus  dem  Zusammen- 
hang: Parthenios,  der  die  Odyssee  für  *Koth*  erklärte,  wird  wohl 
anders  geurtheilt  haben.     Mit   dieser  Thatsacbe    müssen  wir  uns 
begnügen:    dass    auch    sonst  noch   Abweichendes   in  Α  zu  lesen 
war,  liegt  wohl  in  dem  Ausdruck  dtU)iis  erroribusK    Vorbildlich 
für    den   hellenistischen   Dichter    scheint    die  bereits  von   Hedyle 
(Athen.  VII  297b)  bearbeitete    anmuthige    Sage  von  Skylla  und 
Glaukos  gewesen  zu  sein  '^.  —  Etwas  näher  berühren  sich  Β  und 
C:  beide   lassen   den  Vater   der  Jungfrau  in  einen  Seeadler  ver- 
wandelt werden,  und  Β  schildert,  wie  noch  aus  dem  Auszüge  zu 
erkennen,    recht   anschaulich    das   Herabstossen    des    Raubvogels 
auf  seine  Beute,  den  Fisch  κίρρις^    Diese  Verwandlung  Skyllas 
wird  beiläufig  erwähnt  und  zurückgewiesen  in  der  Ciris  484: 
sed  tarnen  aeternam  (?)  squamis  vestire  puellam 
infidosque  inier  teneram  committere  pisces 
non  statuit  {nimium  est  avidum  pecus  Amphitrites), 
was  schon  451  angedeutet  war: 

aequoreae  pristes^  inmania  corpora  ponli 
undique  conveniunt  et  glauco  in  gurgite  circum 
verbere  caudarum  atque  oris  miniianiur  hiaiu. 


1  Weitere  Schlüsse  zu  ziehen,  mag  einer  anderen  Gelegenheit 
vorbehalten  sein.  H.  Steuding  'Skylla  ein  Krake  am  Vorgebirge  Skyl- 
laion ,  Jahrb.  f.  Pbilol.  189f),  18S  ff.  bat  aus  anderen  Erwägungen  diese 
Localisierung  als  die  ursprüngliche  angenommen.  Die  von  ihm  ver- 
schmähte Etymologie  von  σκύλλειν  {vexasse  Cir.  60)  scheint  in  Α  ge- 
standen zu  haben:  τήν  ο1κ€(αν  φύαιν  μετέβαλεν  σύδαμώς  bemerkt  der 
Scholiaet  zu  Eurip.  Vgl.  auch  Tümpel  Berl.  phil.  Wochenschr.  1895, 
993  ff.  Sie  fehlt  bei  Schmidt  (Röschere  Lex.  IIl'  Sp.  G34).  Es  gab 
auch  ein  Grab  der  Kirke  auf  einem  der  ΦαρμακοΟασαι  genannten  In- 
selchen  bei  Salamis  (Strab.  IX  395).  An  dem  sikelisohen  Οκύλλαιον 
und  seiner  Bewohnerin  übt  noch  Prokop.  de  bell.  Goth.  III  27  —  er 
nennt  sie  τό  θηριώδες  γύναιον  —  eine  des  Interesses  nicht  er- 
mangelnde Kritik. 

2  Vgl.  Rohde  Rom  124.  2;  Leuschke  aaO.  p.  39—41.  Waser 
S.  37  ff 

8  Etym.  M.  p.  515,  14  κίρρις  6  Ιχθύς,  επειδή  κιρρός  έστι  τήν 
Xpoidv(?j.  κερίς  bi  biä  τό  έ*.  In  der  Lilteratur  kommt  er  in  dieser 
Form  nur  bei  Oppian  Hai.  I  128  (κ(ρρις)  und  III  18S  (κιρρίδα  [sie]) 
vor,  nach  den  Angaben  Schneiders  bieten  die  Hss.  ακίρρις  und  ακιρρίοα. 
Nach  diesen  Zeugnissen  wird  mau  auch  bei  üygin  cirris  schreiben  müssen. 
Die  Form  κερίς  scheint  verschrieben  für  κηρίς,  was  Diphilos  (Ath.  VI  Π 
355c)  einmal,  Alexandros  von  Tralles  mehrfach  anführt  (Schneider  zu 
Oppian  I  128  [Straseb.  177H])  —  wenn  derselbe  Fisch  gemeint  ist. 


224  Knaack 

Εβ  liegt  kein  Grand  vor  diesen  gelegentlichen  Seitenblick  auf  einen 
dichterischen  Vorgänger  mit  der  etwas  schwächlich  ausgefallenen 
Kritik  dem  Parthenios  abzusprechen:  die  Verwandtschaft  der  Na- 
men κίρρις  und  Κ€ΐρις  \  sowie  die  von  beiden  in  ähnlicher  Weise 


^  Was  für  ein  Vof^ei  gemeint  war,  darüber  war  man  sich  bereits 
im  Alterthum  nicht  klar;  ebenso  schwankt  die  sprachliche  Form.  Die 
richtige,  indirect  von  Ovid  bezeugte  Form  (150  voeatur  Ciris  et  α 
tonso  est  hoc  nomen  adepta  capillo)  giebt  Hesycb.  κ€ΐρις.  6pv€ov 
Upai,  ol  bi  αλκυόνα.  £ine  Spur  des  Richtigen  liegt  vielleicht  noch  in 
dem  Comment.  zu  Ovid  Met.  VIII  Fab.  1  (fälschlich  Lactantius  Placidus 
genannt)  vor:  —  in  volucrem  krinen  (so  M,  für  κ€ΐριν.^)  transfigurata 
est.  Ein  anderer  Artikel  bei  Hesych.  κ{(ρ)ρις•  λύχνος,  Öpvcov  ή  "Aöui- 
νις  (vgl.  κύρις)  ist  stark  verkürzt,  wie  Etym.  M.  515,  14  zeigt:  κ(ρρις* 
εΐ&ος  Ιέρακος.  ομοίως  bi  λέγεται  6  "Α&ωνις  (fehlt  bei  Meister  Griech. 
Dial.  II 309  im  Kyprischen  Register),  παρά  Λάκωαι  δέ  ό  λύχνος.  Diese 
Form  wurde  mit  κίρκος  zusammengebracht:  Corp.  gloss.  latin.  II  100 
Cif CMw/,  Ιέρακα.  ίστι  bi  öpvcov  μεταβληθείσης  τής  Οκύλλης 
τής  Ν  ίσου  (Muncker:  νήσου  cod.),  Μεγαρέως  (Μεγαρέων  cod.), 
Νοηη.  Dion.  XLII  535,  bei  dem  der  άλιαίετος  dem  κίρκος  die  Beute 
abjagt,  folgt  dieser  Deutung.  Sie  ist  indessen  ebenso  falsch,  wie  die 
der  Humanisten  auf  das  Rebhuhn  (Julius  Sabinus  bei  Heyne  Einleit.  z. 
Ciris)  oder  auf  die  Haubenlerche  (Micyllus  zu  Ovid  151),  denn  Parthe- 
nios hat  jedenfalls  einen  Wasservogel  gemeint,  wahrscheinlich  eine 
Reiherart,  was  bereits  Scaliger  vermutbet.  Röscher  (Myth.  Lex.  III  431  f.) 
näher  zu  begründen  versucht  hat.  Und  zwar  passt  das  am  meisten 
hervorstechende  Merkmal,  der  rothe  vom  Scheitel  ausgehende  Schopf, 
auf  den  Kuhreiher,  Bubulcus  Ibis  (Ardea  bubulcus),  eine  in  Aegypten 
gemeine  Species,  die  von  dort  aus  öfter  Südeuropa  besucht  (Brehm 
Thierleben  IV  705^).  Wenn  Röscher  diese  mit  der  in  Griechenland 
(neben  Ardea  cineraria)  häufigen  Species  Ardea  purpurea  (A.  Mommsen 
Griech.  Jahreszeiten  III  182)  identificieren  will,  so  irrt  er:  die  ausge- 
zeichnete Abbildung  und  Beschreibung  in  dem  mir  durch  die  Gute 
meines  CoUegen  Oberl.  W.  Müller  zugänglich  gemachten  Hauptwerke 
über  die  Vögel  Mitteleuropas,  Naumann  Naturg.  d.  Vögel  VI  218 — 225 
(der  neuen  Bearbeitung)  erweisen  eine  völlig  verschiedene  Art.  Aber 
nicht  alle  Züge  passen  auf  den  geselligen  und  verhältnissmässig  zu- 
traulichen Kuhreiher;  das  einsame  Hausen  und  die  Feindschaft  mit 
anderen  Vögeln  stimmt  eher  zu  dem  gemeinen  Reiher  (Brehm  695, 
Naumann  196).  Die  Verfolgung  durch  den  Seeadler  ist  sonst  ge- 
rade nicht  bezeugt,  doch  hat  Brehm  480  dies  an  dem  afrikanischen 
Scbreiseeadler  beobachtet.  Auch  in  der  πώυγξ  (Anton.  Lib.  5)  oder 
φώυε  (Ps.  Aristot.  bist.  an.  IX  18)  wollen  manche  Erklärer  eine  Reiher- 
art (Ardea  stellaris  (Rohrdommel)?  purpurea?  nycticorax  ?  Sundevall 
Thierart.  des  Aristot.  151,  vorsichtiger  Aubert- Wimmer  I  111)  finden; 


Hellenistiscbe  Studien  225 

und  recht  aaeführlich  erzählte  YerwandlaDgegeechichte  am  Schlaese 
weisen  auf  Beziehangen  zwischen  Β  und  C,  die  im  Einzelnen 
leider  nicht  mehr  festzustellen  sind  ^.  In  C  ist  die  Metamorphose 
mit  besonders  liebevollem   Eingehen  geschildert. 

Damit  ist  tiber  Α  und  Β  gesagt,  was  irgendwie  zu  er- 
mitteln war.  Bevor  wir  von  diesen  Abschied  nehmen,  sei  noch 
ein  Blick  auf  die  kunstvolle  Verknüpfung  der  drei  Sagenformen 
bei  Ovid  geworfen.  Von  der  Dichtung  Α  ausgehend  und  sie  in 
einzelnen  Zügen  nachahmend,  setzt,  wenn  das  oben  Dargelegte 
richtig  ist,  mit  89  Β  ein;  die  langen  Klagen  der  Verschmähten 
klingen  an  C  an,  auf  dessen  Version  V.   140 

pyLppinnque  ampleaa  recurvam 
per  freta  longa  trahar 
deutlich  hinweist.  Wieder  folgt  er  B,  aber  die  Verwandlung 
(mindestens  Skyllas)  wird  im  Anschluss  an  C  erzählt^).  Und 
überall  hat  die  grosse  Kunst  des  Erzählers  die  Fugen  des  aus 
drei  Vorlagen  zusammengesetzten  Berichtes  so  geschickt  ver- 
strichen, dass  der  Leser  zunächst  eine  einheitliche  Geschichte  vor 
sich  zu  haben  glaubt:  erst  die  Analyse  vermag  die  Bausteine 
auszusondern.  Welche  Perspective  auf  die  Quellenforschung  diese 
Erkenntniss  eröffnet,  soll  hier  ebenso  wenig  erörtert  werden,  wie 
die  jüngst  mit  ungleichem  Erfolge  behandelte  Frage,  ob  der 
Dichter  diese  Versionen  bereite  in  einem  ^  Handbuche'  zusammen- 
gestellt fand^ 


die  daran  geknüpfte  Greuelgeschichte  (Pauly-Wissowa  Realencyklop.  u. 
Balis)  gehört  aber  schwerlich  hierher.  —  Wenn  andere  bei  Hesycb.  in 
der  κ€ΐρις  einen  Eisvogel  erblickten,  so  sei  an  die  von  Boios  behan- 
delte ephesische  Volkssage  (Ant.  Lib.  11)  erinnert,  wo  Pandareos  zum 
άλια(€Τος  wird,  seine  Gattin  zum  άλκυών,  beide  sind  den  Schiffern  gute 
Wetterpropheten  (vgl.  Dionys.  Όρνιθ.  II  1).  Nahm  Parthenios  darauf 
Bezug  ? 

^  Der  im  Wortlaut  fast  stimmeude  Orakelspruch  beweist  nichts, 
da  er  auch  in  Α  stand:  er  gehört  zu  den  festen  Bestandtheilen  der 
inegarischen  Sage.  Neben  der  wohlverständlichea  Motivierung  der  Liebe 
Veneris  impulsu  erscheint  der  bei  dem  Herafeste  begangene,  im  Ein- 
zelnen noch  ganz  unklare  'Frever  verhältnissmässig  barmlos,  aber  ein 
Vergleich  ist  nicht  mehr  möglich. 

'  Mit  eigenartiger  Prägnanz   fasst   Rutil.  Namatian.  de  reditu  Π 
54  die  Verwandlungen  beider  zusammen: 

Niseum  critiem  flere  ptUantur  aves 
wohl  nach  Ovid,  der  im  Vorhergehenden  berücksichtigt  ist. 

8  IHig  lässt  sich  für  Β  und  C  vermuthen,  da  der  sog.  InterpQl«.iAt 

Rh«in.  Mus.  f.  Philo!.  N.  F.  LYU,  \^ 


226  Knaaok 

Εβ  bleibt  Doch  einiges  über  Parthenioe  zu  sagen  übrig. 
Seine  Abhängigkeit  von  den  Vorgängern  ist  im  Lanfe  der  Unter- 
sachung  zur  Sprache  gekommen,  hier  sollen  die  bereits  kurz  er- 
wähnten Motive,  durch  deren  Einführung  er  dem  allbekannten 
Sagenstoffe  neues  Interesse  zu  verleihen  versucht  hat,  auf  ihre 
Herkunft  hin  geprüft  werden. 

Ftlr  die  Belagerung  der  Stadt  Megara  durch  Minos  gab  die 
verbreitete,  bei  Apollodor  und  Ovid  vorliegende  Tradition  die 
Ermordung  des  Androgeos  an ;  in  der  Ciris  bekriegt  der  Ereter- 
könig  die  Stadt,  weil  sie  die  Zufluchtsstätte  des  flüchtigen  Po- 
lyidos  geworden  ist.  Das  ist  sonst  nirgends  überliefert,  wohl 
aber  kennen  wir  einen  Aufenthalt  ^des  Sehers  in  Megara^  und 
dürfen  ein  Zerwürfniss  zwischen  ihm  und  Minos  bei  den  Tra- 
gikern, vornehmlich  bei  Euripides,  annehmen^.    Hier  wird  mega- 


Servii  z.  Verg.  Ecl.  VI  74  aus  ähnlicher  Quelle  folgendes  hat:  Postea  et 
Scylla  α  Minoe  contempta  [vel\  dolore  [quod  contempta  esset  (A  B)  vel 
(quod)  quasi  parricida  α  Minoe  ad  puppim  religata  tracta  sit  (C)  in 
avem  cirim  conversa  est  (C)].  Die  bisherigen  Untersuchungen  von  Plaehn 
(de  Nicandro  hliieque  poet.  gr.  ab  Ovidio  in  met.  conscr.  adhib.  Hal- 
lenser Dias.  1882)  49  sq.  und  Leuschke  p.  56  genügten  nicht. 

^  Um  den  Alkatboos  wegen  des  Todschlags  seines  Sohnes  Kalli- 
polis  (Paus.  I  42,  6)  zu  entsühnen  (ebd.  43,  5). 

«  Eurip.  Polyid.  Fr.  641.  643.  644.  Welcker  Gr.  Trag.  Π  772. 
Schon  in  den  Kreterinnen  des  Aeschylos  wurde  dem  Seher  der  härteste 
Tod  angedroht,  falls  Welcker  Frg.  118  richtig  gedeutet  hat.  Auf  eine 
tragische  ^ήαις  geht  eine  bisher  übersehene  Anspielung  im  zweiten  an- 
geblich platonischen  Briefe  (Epistologr.  graec.  p.  493) :  πέφυκ€  Suvt^at 
€ΐς  ταύτό  φρόνησίς  τ€  καΐ  δύναμις  μεγάλη,  καΐ  ταΟτ*  βλληλ'  del 
διώκει  καΐ  Ζ^ητεί  καΐ  ξυγγίγνεται,  dafür  werden  historische  Belege  ge- 
geben —  καΐ  6ή  ταΟτα  μιμούμενοι  ο  Ι  π  ο  ι  η  τ  α  Ι  Κρέοντα  μέν  καΐ 
Τειρεσίαν  συνάγουσι,  ΤΤολύειδόν  τε  καΐ  Μίνω,  *  Αγαμέμνονα  6έ 
καΐ  Νέστορα  καΐ  'Οδυσσέα  καΐ  Παλαμήδη  .  .  .  τούταιν  δέ  τους  μέν  εΙς 
διαφοράν,  τους  δ'  εΙς  φιλ{αν  άλλήλοις  Ιόντας,  τους  δέ  τοτέ  μέν 
είςφίλίαν,  τοτέ  δ*  εΙς  διαφορά  ν,  καΐτά  μέν  όμονοοΟντας, 
τά  δέ  διαφερομένους  ^δουσιν.  Agamemnon  und  Nestor  gehen  wohl  auf 
die  Ilias  (A),  die  übrigen  Paare  sind  Sprecher  tragischer  ζήσεις  in  der 
Antigene  und  dem  euripideischen  Palamedes,  und  so  werden  auch  wohl 
Polyidos  und  Minos  aus  dem  Polyi4o8  des  Euripides  stammen;  jeden- 
falls war  dies  Drama  bekannter  als  die  Μάντεις  des  Sophokles  und  die 
Kreterinnen  des  Aeschylos.  Wenn  Clem.  Alex.  Strom.  I  399  P.  in  einer 
Aufzählung  berühmter  Seher  anführt  ΤΤολύιδός  τε  έν  Άργει  καΐ  έν 
Μ  ε  γ  ά  ρ  ο  ι  ς,  οΟ  μέμνηται  ή  τραγψδία,  so  darf  man  die  letzten 
Worte  nicht  pressen  (vgl.  Anm.  1).  In  Unfrieden  scheidet  Polyidos 
von  Kreta  nach  Apollod.  III  20. 


Hellenistieche  Studien  .227 

rieche  üeberlieferuDg  vorliegen.  Denn  dase  der  Verfasser  mit 
der  localen  Sage  wohl  vertraut  war,  beweist  die  ganz  ausge- 
suchte Nachricht  von  dem  Aufenthalte  des  Melampus^  und  die 
sonstigen  eine  periegetische  Quelle  voraussetzenden  Angaben  über 
Stadt  und  Umgebung.  Die  früher  augeführten  Verse  105 — 109 
stimmen  fast  wörtlich  mit  Paus.  I  42,  2  τότ€  bk  αυτώ  (Al- 
kathoos)  τειχΚοντι,  ώς  φασιν  ol  Μεγαρείς,  συνεργάίεταί 
τε  'Απόλλων  (106)  και  τήν  κιθάραν  κατίθηκεν  έπ\  τόν  λίθον 
ήν  hk  τύχη  βαλών  τις  ψηφϊδι,  κατά  ταύτα  ούτος  τε  ήχησε  και 
κιθάρα  κρουσθεΐσα  (107.  108)  ^,  ferner  entsprechen  die  Verse 
465  ff.: 

praeterit  abruptas  Scironis  protinus  arces 
infestumgue  suis  dirae  testudinis  exit 
spelaeum  mtdtoqtie  cruentas  hospiie  cautes 
der    Angabe    bei   Paus.  I  44,  8    τάς   hi  .  .  νομίΖουσιν    εναγείς 
(sc.  πέτρας),  δτι  παροικών  σφίσιν  ό  Οκιριυν  όπόσοις  των  Είνων 
έπετύγχανεν    ήφίει    σφάς    ές   την    θάλασσαν,     χελώνη    οέ 
ύπενήχετο  ταΐς    πέτραις  τους  έκβληθέντας  άρ- 
πάίειν  .  .  .   (vgl.  Kallim.   (Hekale)   Fr.    378).       Wir  müssen 
uns  begnügen,  diese  Uebereinstimmungen  zu  notieren;  jede  weitere 


1  Cir.  112  hospitio  quod  ae  Nisi  Polyidos  avito  .  .  .  texerat 
würde  streng  genommen  auf  Abas  (Paus.  I  43,  5)  zu  bezichen  sein,  da 
dieser  aber  mythologisch  kaum  in  Betracht  kommt,  so  muss  Melampus 
gemeint  sein,  der  allerdings  nicht  für  Megara  selbst,  sondern  nur  für 
Aigosthena  bezeugt  ist  (Paus.  I  44,  5  und  die  inschriftlichen  Zeugnisse 
bei  Koscher  II  2512).  Uebrigens  benutzt  der  Gewährsmann  des  Par- 
thenios  eine  abweichende  Königsliste,  was  K.  Seeliger  Alkathoos  und 
die  megarische  Königsliste  (Festschr.  f.  Overbeck  S.  30)  nicht  genügend 
hervorhebt.  Dass  in  dieser  ganzen  Partie  voll  ausgesuchter  Gelehrsam- 
keit Parthenios  selbst  vorliegt,  zeigt  Y.  113,  der  bereits  von  Scaliger 
zurückübersetzt  ist: 

Καρπάθιον  φεύγων  (λείπων  Seal.)  καΐ  νάματα  Καιράτεια. 
*  Derselben  Ueberlieferung  (oder  dem  Parthenios?)  folgt  der  un- 
bekannte Dichter    Anth.  Plan.  279   (εΙς   τόν   έν    Μεγάροις    κιθαριστήν 
λίθον) : 

Τόν  με  λίθον  μέμνηαο  τόν  ήχήεντα  παρ^ρπων 

Νισαίην*  οτε  γάρ  τύρσιν  έτβιχοδόμει 
Άλκάθοος,  τότ€  Φοίβος  έπωμαδόν  ήρε  6ομαΐον 

Ada  Λυκωρείην  άνθέμ€νος  κιθάρην. 
ίνθ€ν  έγώ  λυραοιδός,  ύποκρούαας  6^  μ€  λεπτή 
χερμά&ι  τόν  κόμπου  μαρτυρίην  κόμιααι. 
Uebrigens  ist  dieser  alte  Ruhm  Megaras,  den  schon  Theogn.  773  kennt, 
nur  ein  Reflex  des  thebanischen  Manerbaus  durch  Amphion  und  Zethos, 


228  Knaack 

Yerrnnthnng  über  die  Quelle  des  PartheDios  wäre  aueeichtelos. 
Aber  die  Tbatsache  sei  hervorgehoben,  dass  auch  einer  der  letzten 
Vertreter  hellenistischer  Dichtung ,  eigene  Erfindungen  ver- 
schmähend, auf  die  gute  locale  üeberlieferung  zurückgreift  —  das 
ist  der  Einfluss  des  Eallimacheischen  όμάρτυρον  ούοέν  aeibui^. 
Nicht  zufrieden  mit  diesem  Zuge  hat  der  Dichter  noch 
einen  zweiten  eingeführt,  den  er  an  die  Person  Karmes,  der 
Pflegerin  Skyllas,  anknüpft: 

287  0  iterum  nostrae  Minos  inimice  senectae, 

semper  ut  aut  olim  nafae  te  pr  opier  eundetn 
atä  amor  insanae  luctum  portaret  (üumnae! 
iene  ego  tarn  lange  capta  atque  avecta  nequivi, 
tamgrave  servitium,  tarn  duros  passa  labores 
effugerCy  ut  siMam  exitium  crudele  meorum  ? 
(vgl.  332).    Wer  ist  Karme  und  woher  stammt  sie?  Ogygii  Phoe^ 
nicis  filia  heisst   sie  220,    das    stimmt    allein   zu  Anton.  Lib.  40 
Κασσιεπείας  της  Άραβίου  και  Φοίνικος  του  Άγηνορος  έγένετο 
Κάρμη,    während   Paus.  II  30,  3  und  Diod.  V  76,  3  abweichen. 
Liest  man  weiter,    so  werden   die  kurzen  Angaben  Cir.  301  ff.: 
unde  äln  fugisse  ferunt  et  numen  Äphaeae 
virginis  assignant^  alii  quo  notior  esses^ 
Dictynam  divere  iuo  de  nomine  Lunam 
erst  durch  den  Verlauf  der  Erzählung    des  Antoninus    verständ- 
lich.    Zwar   die   zuletzt    genannte   Epiklese    konnte    der  Dichter 
aus  Eallimachos  (Artemishymn.   195  ff.)  entnehmen: 

μ^φ'  δτε  μαρπτομένη    και  δή  σχεδόν  ήλατο  πόντον 
πρηόνος  H  ύπάτοιο  κα\  ίνθορεν  εΙς  άλιήιυν 
δίκτυα,  τά  σφ'  έσάυυσαν.  δ  θ  ε  ν  μετέπειτα  Κύοωνες 
νύμφην  μένΔίκτυναν,  δρος  b'  δθεν  ήλατο  νύμφη 
Δικταΐον  καλέουσιν,   an  welchen  die  vorhergehenden 
Verse:    numquam  tarn  öbnixe  fugiens  Minois  amores 

praeceps  aerii  specula  de  montis  iisses 
noch  unverkennbar  anklingen.  Dagegen  wird  die  erstere,  d  i  e 
mit  Kreta  gar  nichts  zu  thun  hat,  wie  gesagt,  erst 
durch  Antoninus  verständlich :  έκφυγοΟίΤα  bi  Μίνωα  έΗί- 
κετο  ή  Βριτόμαρτις  εις  Αϊγιναν  έν  πλοΐψ  συν  άνόρι  άλιεϊ 
Άνορομήοει.     Als  dieser  sie  vergewaltigen  will,    entflieht  sie  in 


1  Das  antiquarische  Interesse  des  Dichters  erhellt  noch  femer 
aus  den  Angaben  über  die  ΤΕΤΤιγοφορία  12(5 — 128,  vgl.  Studniczka 
Jahrb.  des  arch.  Inst.  1896,  274  f. 


Hellen istieohe  Studien  229 

einen  Hain  und  verseil  windet  daselbst:  τόν  bk  τόπον,  έν  φ  αφα- 
νής έγένετο  ή  Βριτόμαρτις,  αφιέρωσαν  Αίγινήται  και  (αυτήν) 
ώνόμασαν  'Αφαία ν  και  Ιερά  έπετέλεσαν^.  Aus  dieser  Ver- 
gleichung  darf  zweierlei  gefolgert  werden:  erstens,  das  Original 
ist  durch  die  Schuld  des  lateinischen  Bearbeiters  an  dieser  Stelle 
gekürzt;  zweitens,  in  dem  von  Antoninus  excerpierten  Bericht 
haben  wir  seine  Quelle  zu  sehen;  die  Reminiscenzen  aus  Kalli- 
machos  mag  Parthenios  hinzugesetzt,  sie  können  aber  ebensogut 
bereits  in  der  Vorlage  gestanden  haben  -.  Dürften  wir  nun  in 
dieser  einen  Abschnitt  aus  den  έτεροιούμενα  Nikanders  ver- 
muthen,  wie  0.  Schneider  Nicandr.  43  sehr  wahrscheinlich  ge- 
macht hat,  so  stände  die  Benutzung  seines  bedeutendsten  Vor- 
gängers in  der  Metamorphosendichtung  durch  Parthenios  ausser 
Zweifel  ^  Soviel  über  die  Person  der  Karme ;  eine  andere  Frage, 
wie  diese  Gestalt  in  die  megarische  Sage  hineingekommen,  lässt 
eich  nicht  mehr  beantworten,  nur  vermuthen  darf  man,  dass  sie 
die  wahrscheinlich  namenlose  τροφός,  welche  sich  die  leider  so 
wenig  kenntliche  Tragödie  von  Nisos  und  Skylla  als  Vermitt- 
lerin der  Botschaft  an  den  Feind  nicht  wird  haben  entgehen 
lasseii^,  ersetzt  hat. 

^  Vgl.  Paus.  aaO.  Bekanntlich  hat  Furtwängler  neuerdings  das 
alte  Heiligtbam  der  Aphaia  wieder  aufp:efuDden;  die  Hoffnung  durch 
inschriftliche  Zeugnisse  Beglaubigung  der  aiginetischen  Legende  zu  er- 
halten, ist  wohl  nicht  ganz  aussichtslos. 

^  Uebere instimm  ung  mit  Kallimacbos  lässt  sogar  noch  der  Auszug 
erkennen  —  αυτήν  16ών  Μίνως  καΐ  έρασθείς  έδίωκεν.  ή  bi  κατέφυγε  παρ* 
άνδρας  αλιέας,  ο'ι  bi  αυτήν  κατέδυααν  εΙς  τά  δίκτυα  καΐ  ώνόμασαν  έκ 
τούτου  Κρήτες  Δ(κτυν[ν]αν  καΐ  ίερά  προσήνεγκαν.  Vgl.  noch  Nonn. 
Dion.  XXXIII  333: 

δφρα  νέη  Βριτόμαρτις  έγώ  φυγόδεμνος  ακούσω, 
ήν  ποτέ  πόντος  έδεκτο  καΐ  έμπαλιν  ώπασε  γαίη 

ι 

Κυπρι&{ων  Μίνωας  άφειδήαασαν  ερώτων. 

^  Nicht  allein  für  diese  verhaltnissmässig  kleine  Partie;  wenn 
Kalkmanns  (aaO.  83)  Vermuthung  iu  Bezug  auf  Anton.  Lib.  34  das 
Richtige  trifft,  so  hat  Parthenios  aus  Nikander  auch  die  Farben  für 
die  Liebesraserei  seiner  Heldin  entlehnt. 

*  Ovid  Trist.  II  393  (=  FTG.  p.  840«) ,  Lukian  salt.  41  ?,  vgl. 
Welcker  Trag.  1226  f.  Rohde  Rom.  37,  2  (Modestinus  PLM.  IV  360,6 
braucht  man  nicht  zu  den  'tragioi  ignes'  zu  rechnen) ;  dazu  fügt  Waser 
8.  60  Hygin.  Fab.  242  {qui  se  ipsi  interfecerunt)  und  Martial.  X  4,  2, 
wahrscheinlich  mit  Recht.  Dagegen  bietet  Sidon.  ApoUin.  XI  68  — 
das  Citat  Wasers  ist  falsch  —  nur  eine  Ovidreminiscenz.  Zu  der  Tra- 
gödie würde  das  pompejanische  Bild  stimmen. 


230  Κ  η  a  a  c  k 

Hinter  dem  Lykeion  erhob  sich  das  Denkmal  des  Nisos, 
jedem  Athener  des  fünften  Jahrhunderte  wohlbekannt  ^  So  konnte 
der  grosse  Tragiker  auf  Verständniss  seiner  Hörer  rechnen,  wenn 
er  neben  die  Eindesmörderin  Althaia  die  φοινία  Οκύλλα  stellte, 
welche  verblendet  durch  das  goldene  Halsband  des  Minos,  den 
lieben  Vater  umbrachte: 

Νϊσον  άθονάτας  τριχός 

νοσφίσασ'  άπροβουλιυς 

πνίονθ'  ά  κυνόφρων  οπνψ. 

κιγχάνει  bi  νιν  'Ερμής. 
(Choeph.  602  ff.  Khff.)^. 

Das  ist  die  älteste  Version,  doch  wohl  auf  einen  Epiker 
zurückgehend,  die  im  Keim  fast  alle  von  den  Späteren  weiter 
ausgebildeten  Züge  schon  enthält;  vielleicht  erscheint  sie  noch 
auf  einem  schwarzfigurigen  Vasenbilde.  Die  weitere  Entwicklung 
der  Sage  ist  dunkel,  doch  hat  wohl  die  Tragödie  das  wirksame 
Motiv  der  Liebe  zu  dem  Landesfeinde,  das  in  verwandten  Sagen 
eine  bedeutsame  Rolle  spielt,  wenn  nicht  erfunden,  so  doch  aus- 
geführt und  vertieft.  Ihr  folgt,  in  Einzelheiten  vielfach  variierend 
und  umgestaltend,  die  hellenistische  Erzählung,  deren  letztet  Ver- 
treter noch  einmal  alle  Momente  zu  einem  grossartigen  Seelen- 
gemälde zusammenfasst,  das  auch  in  der  lateinischen  Nachbildung 
wirkt  und  ergreift. 

Stettin.  G.  Enaack. 


^  Paus.  I  19, 4.  Die  Anspielungen  auf  Tereus,  Pandion  und  sein 
Geschlecht  in  der  Ciris  lehren  nichts  Neues.  Die  megarische  Sage 
muss  einmal  ganz  aufgearbeitet  werden. 

^  Die  Schollen  (zu  GOl)  kennen  die  spätere  Sage  δτι  δρμον  imö 
Μ(νιυός  φησιν  €ΐληφ^αι  €κύλλαν,  oö  6  ι'  £ρωτα,  die  das  andere  Mal 
zur  Erklärung  des  άπροβούλως  verkehrt  erweise  herbeigezogen  wird. 
[Zu  der  oben  S.  217,  8  gef?ebenen  Zusammenstellung  wird  es  dienlich 
sein,  eine  Hinweisung  auf  den  alten  Glauben  zu  fügen,  den  Petronius  38 
bezeugt:  'de  nihilo  crevit.  modo  solebat  coUo  suo  ligna  portare.  sed 
quomodo  dicunt  (ego  nihil  scio,  sed  audivi),  quomincuboni  pilleum 
rapuisset,  thessaurum  invenit.     U.j 


DIE  EPOCHEN  IN  VARROS  WERK 
DE  GENTE  POPVLI  ROMANI 


Die  üeberliefeniDg  über  die  Epochen  Varroe  in  den  vier 
Büchern  De  gente  populi  Romani  beschränkt  sich  auf  wenige  An- 
gaben, und  selbst  diese  führen  nur  zn  einer  widerspruchsvollen 
Yorstellung.  Za  gründe  gelegt  hat  man  bei  ihrer  Besprechung 
eine  Stelle  des  Censorinns  (De  die  nat.  21,  1),  da  sie  eine 
üebersicht  über  das  Werk  zu  enthalten  schien,  obgleich  es  nicht 
ausdrücklich  citiert  wird^).     Sie  lautet: 

Et  si  origo  mundi  in  hominum  notUiam  uenisset^  inde 
exordium  sumeremus.  nunc  uero  id  intemallum  temporis 
tractabOj  quod  Ιστορικόν  Varro  adpellai.  hie  enim  tria  dis- 
crivnina  temporum  esse  tradit, 

primum  ab  hominum  principio  ad  cataclysmum  prioremy 
quod  propter  ignorantiam  uocatur  δοηλον, 

secundum  α  cataclysmo  priore  ad  olympiadem  pHmam^ 
quodj  quia  in  eo  multa  fabulosa  referuntur,  μυθικόν  nomi- 
natur,  tertium  α  prima  Olympiade'^  ad  nos,  quod  dicitur 
Ιστορικόν»  quia  res  in  eo  gestae  uerls  historiis  continentur, 
Frimum  enim  tempus,  siue  habuit  inüium  seu  semper 
fuit,  certe^  quot  annorum  sit,  non  polest  comprehendi. 

secundum  non  plane  quidem  scitur,  sed  tarnen  ad  müle 
circiter  et  sexcentos  annos  esse  creditur.  α  priore  scüicei 
cataclysmo,  quem  dicuntlet Ogygii,  adjinachi  regnwm  annos^ 
circiter  CCCC^****^  hinc  ad^olympiadem  primam  patdo  plus 


^  Auch  H.  Kettner  hat  in  eeinen  Varronischen  Studien  S.  38—78 
die  Richtigkeit  der  Angaben  des  Censorinus  nicht  bezweifelt,  zuerst 
und  allein  bis  jetzt  C.  Frick  (die  Queüen  AugiMtins  im  XVIII.  Buche 
seiner  Schrift  De  ciuitate  dei)  (Progr.  d.  Gymn.  von  Höxter)  S.  5,  ohne 
jedoch  weitere  Folgerungen  zu  ziehn. 

3  So  die  Darmstädter  Hdschr.  anm  sunt  0.  Jahn. 

"  quadrigenti  Darmst. 


232  Peter 

CCCC,  guos  soloSi  qttamuis  mythict  temporis  posiremos^  tarnen 
quia  α  memoria  scripto^um  proximos  quidam  cerihis  definire 
noluermü.  et  quidem  Sosihius  scripsit  esse  CCCLXXXX  F,  Era- 
tosthenes  auteni  CCCCVII,  Timaeus  CCCCXVII,  Aretes 
DXIIIIj  et  j. rötet  er  ea  multi  diuerse,  quorum  etiaw  ipsa  dis- 
sensio  incertum  esse  dedarat. 

l)e  tertio  autem  tempore  fuit  quidam  aliqua  inter  auctores 
dissensio  in  sex  septemue  tantum  modo  annis  uersata;  sed 
hoc  quodcumque  ccdiginis  Varro  discussit  et  pro  cetera  sua 
sagacitate  nunc  diuersarum  ciuitatium  conferens  tempora^  nunc 
defectus  eorumque  interualla  retro  dinumerans  eruit  tierum 
lucemque  osiendity  per  quam  numerus  certus  tum  annorum 
modo  sed  et  dierum  perspici  possit. 

Wie  länget  geeehn  worden  ist,  sind  die  Worte  durcli  eine 
Lücke  entstellt  und  zwar  muse  diese  hinter  der  ersten  Zahl 
CCCC  angenommen  werden ;  hinc  bezieht  eich  nach  dem  Ausweis 
der  nächsten  Zahlen  auf  das  excidium  Troiae,  und  es  müssen 
nach  der  jetzt  gewöhnlichen  Ergänzung  von  dem  Inachi  regnum 
bis  dahin  800  Jahre  gerechnet  gewesen  sein,  sodass  als  Epochen 
herauskommen  würden: 

Fluth  des  Ogygus  ca.  2376  v.  Chr., 

Inachi   regnum    ca.  400      =   ca.   1976, 
Trojas  Fall         ca.   1200  =  ca.    1176, 
1.  Olympiade      ca.  1600  =  ca.      776. 
Mit  dieser  Rechnung  würde  übereinstimmen,  dass  Arnobius 
(V  8,  fr.  7    der  Fragm.    bist.  Rom.)     von     der    Deukalionischen 
Fluth  ^    bis    zum  Consulat  des   Hirtius    und    Pansa  Yarro    in  De 
genta  populi  Romani,  'noch  nicht  2000  Jahre*  rechnen  lässt,  wenn 
wir  diese  Fluth  in   die  Zeit  des  Inachus  versetzen,  was  die  Scho- 
llen zu  Euripides  Orest.  932  ausdrücklich  bezeugen. 

Dagegen  aber  spricht  Varro  selbst,  der  De  re  rust.  ΠΙ  1,  2  ff., 
also  im  J.  37/717  Theben  die  älteste  griechische  Stadt  nennt, 
seine  Erbauung  durch  König  Ogygus  noch  vor  die  nach  ihm  be- 
nannte Fluth  hinaufschiebt  und  sein  Alter  auf  'ungefähr  2100  Jahre' 
taxiert;  mögen  wir  das  Jahr  des  Gesprächs  (54/700)  oder  das  der 
Abfassung  als  Ausgangspunkt  annehmen,  so  fällt  die  Fluth  später 
als  2154  oder  2137,  also  über  200  Jahre  später  als  bei  Cen- 
sorinus.     Auf   ein  noch    jüngeres    führt  uns   eine     ebenfalls    auf 


^  Fälschlich  nehmen  Boissier  Etüde  sur  Varron  p.  184  u.  Gruppe 
Herrn.  X  57  die  Ogygische  an;  Arnobius  kennt  nur  die  des  Deukfllion 
unter  den  griechischen  Fluthcn;  s.  unten  S.  240  Anm. 


Die  Epochen  in  Varros  Werk  De  gcnte  populi  Romani         233 

Varro  zurückgehende  Angabe;  denn  er  ist  der  heidnische  Ge- 
währsmann, dem  Augustinus  im  18.  Buch  seines  Gottesstaates 
folgt,  und  wenn  dieser  sagt,  dass  sie  nach  ihm  (also  Varro)  mehr 
als  300  Jahre  früher  stattgefunden  habe  als  bei  Eusebius  und 
Hieronymus  (XVUI  8),  so  kommen  wir  auf  die  Zeit  vor  2057, 
da  sie  in  deren  erhaltenen  Werken  unter  dem  J.  260  Abr.,  d.  h. 
1757  V.  Chr.  verzeichnet  ist^.  Demnach  kann  Varro  seit  der 
Abfassung  des  Werkes  De  gente  p.  R.  bis  zu  der  des  landwirth- 
schaftlichen  seine  Meinung  darüber  nicht  geändert  haben  und 
die  Angabe  b6i  Ceneorinus  entweder  nicht  aus  dem  ersteren 
herrühren  oder  sie  ist  nicht  richtig  überliefert. 

Zwar  herrscht  bekanntlich  in  den  Ansätzen  der  alten  griechi- 
schen Chronologie  die  äusserste  Willkür.  Zahlenkünstelei  und 
landschaftliche  Eitelkeit  haben  sie  zustande  gebracht,  dann  sind 
nach  verschiedenen  Grundsätzen  aufgebaute  und  ausgeklügelte 
Systeme  vielfach  in  einander  gearbeitet  worden  und  endlich  haben 
Ungenauigkeit  und  Flüchtigkeit  der  Abschreiber  das  Ihrige  ge- 
tban,  um  uns  den  Einblick  in  die  Werkstätte  der  ersten  Rechner 
noch  mehr  zu  erschweren. 

In  Varros  Zeit  genossen  die  sich  bis  zum  J.  61  v.  Chr. 
erstreckenden  und  bald  nach  diesem  Jahr  erschienenen  Χρονικά 
des  Kastor  grosses  Ansehen  und  mussten  grade  ihm  bei  seiner 
Gestaltung  des  römischen  Stammbaums  sehr  bequem  liegen,  da 
der  Grieche  in  Tabellenform  orientalische,  griechische  und 
römische  Geschichte  mit  einander  verbunden  und  über  die  Zer- 
störung Trojas,  das  bisherige  Endziel  der  griechischen  Chrono- 
graphen hinaus  in  die  noch  ältere  Zeit  Griechenlands  zurück  ver- 
folgt hatte,  um  diesem  ein  den  orientalischen  Reichen  gleiches 
Alter  zu  verleihen.  Je  weiter  daher  Varro  den  Ursprung  Roms 
hinaufrückte,  desto  vornehmer  machte  er  seine  gens,  das  Vorrecht 
des  Adels  (Liv.  X  8,  8),  und  überbot  des  Nepos  Chronica,  die 
im  Anschluss  an  ApoUodor,  den  Nachfolger  des  Eratosthenes, 
mit  der  Zerstörung  Trojas  begonnen  hatten.  Er  citiert  den 
Eastor  selbst  in  dem  uns  hier  beschäftigenden  Werke  (fr.  6 
meiner  Sammlung  der  Fragm.  bist.  Rom.  p.  230).  Nun  stehen 
für  diesen  folgende  Daten  fest: 

^  Ich  \efξe  hier  wie  überhaupt  die  Gleichung  Abr.  1  =  v.  Chr.  2016 
zu  Grunde,  ziehe  also,  um  die  Jahre  seit  Abraham  auf  vorchri etliche 
zu  übertragen,  von  2017  ab.  Difterenzen  um  eine  Zahl  sind  nicht  zu 
vermeiden,  da  in  den  Listen  des  Eusebius  die  Zahlen  nie  rein  gegeben 
werden.     S.  v.  Gutschroid  Schriften  IV  8. 


234  Peter 

Ogygns  war  ein  Titane  und  Zeitgenosse  des  Belus,  dee 
ersten  Königs  der  Assyrier,  des  Vaters  des  Ninus  (I.),  mit  dem 
Eastor  die  Angabe  der  Regiemngszahlen  begonnen  hatte  (£r.  1  ff. 
p.  156  ff.  bei  Müller  in  den  Fragm.  chronoL;  vgl.  J.  Brandis 
Commentatio  de  temporum  Graecorum  antiquissimomm  rationibne, 
Bonn  1857,  p.  35). 

Die  assyrischen  Könige  von  Ninas  I.  bis  Kinns  Π.  haben 
1280  Jahre  regiert  (Euseb.  I  p.  55  Seh.). 

Die  mit  Aegialens  anfangende  Königsreihe  von  Sicyon,  die 
älteste  in  Griechenland,  regierte  bis  Zeuxippus  959  J.  (fr.  6  f., 
vgl.  Geizer  luL  Afric,  II S.  68  ff.),  nach  Eusebius  von  2089—1129. 

Die  Eeihe  der  argivisohen  Könige  von  Inachus  bis  Sthene- 
lue  regierte  382  J.  (fr.  9—11),  nach  Ensebios  von  1856—1474, 
die  der  Danaiden   162  J.,  nach  Eusebias  bis  1312. 

In  der  athenischen  Königsreihe  von  Üecrops  bis  Alkmeon 
(nach  Ensebius  1556—744)  regierten  die  Erechthiden  (449  oder) 
450  Jahre,  die  Neliden  52  (od.  58),  die  Medontiden  309  (ver- 
schrieben in  209) ,  fr.  12  f.  s.  Geizer  II  77.  v.  Gntschmid 
Sehr,  IV  10  ff. 

Ankunft  des  Aeneas  in  Italien  1182,  fr.  20  n.  19. 

Gründung  Roms  765  (oder  764  nach  Holzapfel,  Böm.  Chrond. 
S.  247). 

Begierung  der  römischen  Könige  244  J.,  fr.  19. 

Mit  diesen  Angaben  über  die  Regierungsdauer  stimmt  Euse- 
bius überein,  der  sich  auch  in  seiner  Tabelle  für  den  Anfang 
und  das  Ende  der  Königsreihen  von  Sicyon  (U  p.  56  Seh.), 
Argos  (p.  15  u.  30)  und  Athen  (p.  56)  auf  Kastor  beruft,  wes- 
halb ich  seine  Zahlen  oben  mit  eingestellt  habe;  höchstens  um 
wenige  Jahre  weicht  er  von  ihnen  ab,  und  wir  sehen  also,  dass 
das  Gerippe  zu  seiner  griechischen  Chronologie  ihm  Kastor  ge- 
liefert hat.  Eusebius  hat  über  seinen  Vorgänger  Julius  Afri- 
canus  hinwegBchreitend  'Profanquellen  von  ganz  anderem  Werth 
seinen  christlichen  Zeitgenossen  erschlossen  ;  dies  hat  uns  Geizer 
(aO.  II  88)  nachgewiesen.  Darin  entfernt  sich  Ensebius  aller- 
dings von  Kastor,  dass  er  die  assyrische  Königsreihe  (von  Ninus 
an)  weiter  heruntergerückt  hat.  Nach  seinem  Gewährsmann  hat 
diese  1280  J.  regiert,  also,  da  er  nach  Brandis  (aO.  p.  35) 
und  Geizer  (aaO.)  ihres  Reiches  Untergang  in  das  Jahr  843  setzt, 
von  2123  an,  wozu  noch  die  Regierung  des  Belus  hinzuzufügen 
wäre,  die  Kastor  wegen  der  Unsicherheit  der  Ueberlieferung  in 
Zahlen  nicht  angeben  will,  der  sog.  Excerptor  Barbari,  der  allein 


Die  Epochen  in  Varros  Werk  Do  gente  populi  Romani        235 

den  von  Eaetor  erfandenen  letzten  König  Ninne  Π.  nennt,  auf 
62  (Gelzer  I  209  flP.  II  33  f.),  Auguetinue  (de  ciu.  d.  XVI  17) 
auf  65  beziffert.  Nach  Eaeebius  hat  dagegen  Ninas  I.  2059  die 
Regierang  angetreten^  demnach  am  64  J.  später  als  bei  Kastor 
(etwa  um  die  Regiemngsdauer  des  Beins),  Aegialeas  im  J.  2089, 
dh.  80  Jahre  vor  Ninas  I.,  and  da  er  dies  um  das  15.  Jahr  des 
Belas  geschehn  läset  (Enseb.  I  173),  würde  er  die  Regierang 
des  Belas  aaf  45  Jahre  berechnet  haben  (von  2013  an),  wenn 
hier  nicht  eine  Verwirrung  vorliegt;  denn  für  Eusebius  kommen 
wir  bei  einem  Ansatz  von  62  (bez.  65)  Jahren  des  Belus  vor 
2059  auf  das  J.  2121  (bez.  2124),  also  fast  auf  das  des  Kastor 
für  den  Anfang  des  Ninus.  Die  Yermuthung  drängt  sich  auf, 
dass  bei  den  2123  Jahren  Kastors  Belus  mit  eingerechnet  ist, 
doch  lege  ich  darauf  hier  kein  Gewicht;  für  mich  ist  zunächst 
die  Hauptsache,  dass,  da  nach  ihm  Ogygus  ein  Zeitgenosse  des 
Belus  war,  die  Ogygische  Fluth  in  die  J.  2185  (od.  2188)  bis 
2123  oder  2121  (od.  2124)  bis  2059  fallen  muss,  also  in  den 
Zeitraum  von  2188—2059  und  dies  übereinstimmt  mit  dem  des 
Yarro  2154 — 2057,  und  daraus  folgt  die  Bestätigung  dafür,  dass 
der  um  wenigstens  221  frühere  Ansatz  des  Censorinus  nicht 
Yarronisch  sein  kann. 

Weiter  aber  treffen  auch  die  'ungefähr  400  jährigen'  Epochen 
für  Yarro  nicht  zu.  Augustin,  der  beste  Kenner  unseres  Werkes, 
citiert  es  nämlich  nach  der  Benutzung  im  18.  Buch  noch  einmal 
im  22.  (c.  28)  und  führt  aus  ihm  folgende  Worte  an:  Genethliaci 
quidam  scripaerunt  esse  in  renascendis  hominUnts  quam  appellant 
τταλιγγενείΤίαν  Graeci;  hoc  scripserunt  confici  in  annis  numero 
quadringentis  qtutdraginta,  ut  idem  corpus  et  eadem  aninta,  quae 
fuerini  coniunda  in  homine  aliquando,  eadetn  rursus  redeant  in 
coniunctionem,  und  zwar  muss  Yarro  seihst  solche  Epochen  der 
παλιγγ€νε(Τΐα  angenommen  haben;  denn  Augustin  fährt  fort  Iste 
Varro  quidem  siue  Uli  getiethliaci  nescio  qui  und  bezieht  sich 
auf  die  Wiedergeburt  als  Yarronisch  am  Ende  des  Kapitels:  adsu- 
mant  etiam  hoc  de  Varrone,  ut  ad  eadem  corpora  redeant,  in  qui- 
bus  antea  fuerunt.  Sie  steht  auch  im  Einklang  mit  Yarros  ganzer, 
in  Pythagoreischen  Bahnen  sich  bewegender  Geistesrichtung; 
er  liess  sich  ^Pythagarico  modo  nach  seinem  Tode  in  Laub  von 
Myrte,  Olive  und  Pappel  einhüllen  (Plin.  n.  h.  XXXY  160). 
Der  Name  des  Gründers  dieser  Schule  war  in  Rom  seit  alters 
popalär.  Als  zur  Zeit  der  Samniterkriege  das  delphische  Orakel 
befahl    dem    weisesten    Hellenen    ein   Standbild   in   Rom    zu    er- 


236  Peter 

richten,  wählte  man  den  Pythagoras  (Plin.  XXXIV  26.  Fiat 
Nama  8);  Numas  Einrichtungen  sind  schon  früh  mit  ihm  in  Ver 
hindung  gesetzt  worden  (Schwegler  Rom.  Gesch.  I  560 — 64) 
Dann  scheint  sein  etwas  zurückgegangenes  Ansehn  von  F.  Nigi 
dius  Figulns  aufgefrischt  worden  zu  sein;  Cicero  loht  diesen  des 
halh  nach  seinem  Tode  (im  J.  45,  Tim.  1)  und  findet  im  Römi 
sehen  viel  Pythagoreisches  (Tuso.  IV  2,  3  f.).  Es  scheint  ihm 
auch  nicht  an  Eifer  gefehlt  zu  haben  Proselyten  zu  machen 
(s.  Zeller  Gesch.  der  gr.  Phüos.  ΠΙ  2»  S.  94  ff.),  noch  der  Hof- 
philosoph des  Augustus  Arius  Didymus  hat  über  Pythagoreische 
Philosophie  geschrieben.  So  liegt  es  im  Geiste  der  Zeit,  daes 
Eastor  römische  Sitten  auf  Pythagoras  zurückführt  —  τά  'Ρω- 
μαϊκά τοις  ΤΤυθαγορικοΐς  συνοικειών  sagt  Plutaroh  quaeet.  Rom. 
10  — ,  und  wenn  Varro,  der  sich  auch  in  dem  Logistorious 
Tubero  de  origine  humana  an  Pythagoras  angeschlossen  und  nach 
ihm,  selbst  ein  ^genethliactis\  über  die  Zeitdauer  zwischen  der 
Empfängniss  und  der  Geburt  gehandelt  (Gensor.  9),  in  De  gente 
p.  R.  Kastore  System  zugrunde  gelegt  hat,  so  hat  er  sich  zu  ihm 
schon  durch  die  Gemeinsamkeit  der  Anlehnung  an  die  Pytha- 
goreer  hingezogen  gefühlt.  Wir  sehen  dies  Verhältniss  noch 
durch  die  Bearbeitung  Plutarchs  in  den  Quaestiones  Romanae 
hindurchscheinen  (A.  Barth  De  lubae  όμοιότη(Τΐν  ρ.  24  sqq.). 

Von  den  grossen  Weltjahren  und  der  Lehre  von  ihren  Hoch- 
sommern, den  Weltbränden  und  ihren  Wintern,  den  üeber- 
schwemmungen  (s.  Usener  Die  Sintfitdhsagen  S.  39),  ist  diese 
Palingenesie  indes  zu  unterscheiden.  Obgleich  jene  besonders 
von  den  Stoikern  ausgebildet  worden  ist,  unter  denen  Diogenes 
das  Weltjahr  auf  365X1800  Jahren  berechnet,  andere  wenigstens 
nach  Tausenden,  so  gehörte  sie  doch  nicht  zu  den  Fundamental- 
sätzen der  Schule  (Zeller  ΠΙ  1^  S.  554  ff.),  und  so  hat  Varro, 
trotz  seiner  sonstigen  Abhängigkeit  von  ihr,  eine  periodische  Er' 
neuerung  der  Welt  in  Verbindung  mit  der  Seelenwanderung  ge- 
lehrt (Zeller  aO.  S.  154  ff.),  die  in  viel  kürzeren  Zeiträumen 
sich  dadurch  vollziehe,  dass  sich  derselbe  Geist  und  derselbe 
Körper  wieder  vereinigen.  Während  also  bei  den  Stoikern  durch 
den  Einfluss  der  Gestirne,  die  mit  dem  Ende  des  grossen  Welt- 
jahrs, dh.  nach  Vollendung  des  Laufes  des  Pols  des  Erdäquators 
um  den  Pol  der  Ekliptik,  in  ihre  alte  Stellung  zurrückkehren 
und  die  Sitten  der  Menschen  bestimmen  (Serv.  z.  Vergil  ecl.  4,  4 
uniuersa  ex  astrorum  motu  pendere  manifestum  est),  das  allmählich 
sündig    gewordene    Menschengeschlecht    wieder   gebessert    wird, 


Die  Epochen  in  Varros  Werk  De  gente  populi  Romani        287 

wird  bei  Varro  immer  nach  440  Jahren  das  alte ,  bessere 
Geschlecht  wiedergeboren.  Wunder  am  Himmel  oder  auf  Erden 
haben  für  ihn  nur  die  Bedeutung,  dass  sie  den  Menschen  das 
Ende  einer  Periode  ankündigen,  ^cumfatälis  dies  uenerii,  cum  ad- 
fuerit  üla  necessitas  iemporum  oder  ^cum  deo  uisum  ordiri  meliwa^ 
uetera  finiri',  wie  es  bei  Seneca  (quaest.  nat.  III  27 ;  28, 7)  heisst, 
und  nur  als  solche  Zeichen  hat  er  die  Ueberschwemmungen  der 
Sage  für  die  älteste  Zeit  verwendet,  darin  dem  Posidonius  ent- 
gegenkommend, der  im  Gegensatz  zu  Panätius  an  dem  Weltjahr 
festgehalten  hatte  —  wer  hätte  sich  damals  seinem  Einfluss  ganz 
entziehn  können  ?  — ,  im  übrigen  gemäss  den  Lehren  der  etrus- 
kischen  Ritualbücher  (Censor.  17,  5,  s.  0.  Müller  Etr.  Π  S.  331  ff. 
und  unten  S.  244  f.).  Auch  Kastor  war  ein  Anhänger  dieser  An- 
eicht; ein  'mirabile  portentum'  am  Himmel,  die  Veränderung 
der  Farbe,  Grösse,  Gestalt  und  des  Laufes  der  Venus,  habe  sich 
unter  Ogygus  zugetragen,  lässt  ihn  unter  Berufung  auf  ^mathe- 
maiici  nobiles  Varro  berichten  (fr.  6),  offenbar  in  Beziehung 
auf  die  Sintfluth. 

Nun  verstehn  wir  auch  die  Bedeutung  der  genethliaci 
für  die  Chronographie.  Nach  Censorinus  haben  sie  die  für  die 
Menschen  gefährlichen  Stufenjahre  festgestellt  (14,  10)  und  das 
12jährige  'Ghaldäische'  Jahr  nicht  nur  für  die  Beobachtung  des 
Laufes  von  Sonne  und  Mond  wichtig  genannt,  sondern  auch, 
^qtwd  in  eo  dicunt  tempestates  frugumque  prouentus  ac  sterilitateSj 
Uem  morbos  scduhriiatesque  circumire*  (18,  7).  Das  Volk  identi- 
iicierte  sie  mit  den  ^maihemcUici  (Gell.  I  9,  6),  Gellius  mit  den 
Chaldaeiy  indem  er  im  1.  Kapitel  des  14.  Buchs  nach  Favorinus 
ausführlich  ihr  Treiben  schildert  und  die  Verkehrtheit  geisselt, 
mit  der  sie  aus  der  Stellung  der  Gestirne  bei  dem  Eingehn  der 
Ehe,  der  Conception  und  Geburt  Schlüsse  zögen  auf  den  Charakter 
und  das  Schicksal  der  Kinder  und  Kindeskinder  usf.  Varros 
Nativitätssteller  L.  Tarutius  aus  Firmum  hatte  es  sogar  auf  seine 
Aufforderung  gewagt,  umgekehrt  aus  des  Romulus  Leben  die 
Stunde  seiner  Conception,  seiner  Geburt  und  seines  Todes  zu  be- 
rechnen (Plut.  Rom.  12.  S.  Mommsen  Rom,  Chronol.  146  f.). 

Die  Pythagoreische  Ansicht  von  Epochen  durch  Palingenesie 
ist  demnach  als  von  Kastor  und  Varro  übernommen  erwiesen. 
Wenigstens  von  Griechen  stammen  aber  auch  ihre  440jährigen 
Perioden. 

Die  Zahl  440  ist  nicht  durch  Zufall  gewählt.  Es  hatte 
für  das  menschliche  Leben  seit  alten  Zeiten  die  7  eine  besondere 


238  Peter 

Bedeatuog;  schon  Solon  hatte  das  Leben  in  Perioden  von  7  Jahren 
eingetheilt,  die  Stnfenjahre  gelten  überhaupt  als  kritisch,  be- 
sonders das  63.,  ^qtiem  uel  hebdamades  nouem  uel  septem  enntades 
conficumt^  (Cens.  14,  14);  mit  ihm  hört  auch  bei  Solon  das 
eigentliche  Leben  auf,  seine  10.  Periode  ist  nnr  zum  Sterben  be- 
stimmt. Als  daher  die  griechische  Chronographie  in  ihrem 
Streben,  das  Alter  ihres  Volkes  bis  zn  dem  der  orientalischen 
zu  strecken,  darauf  verfiel,  die  Geschlechter,  nach  denen  bis  da- 
her die  Geschichte  berechnet  worden  war,  über  33V8  (Herodot) 
oder  30  Jahre  (Hellanicns)  bis  zn  einem  Menschenleben  auszu- 
dehnen, gab  man  ihm  eine  Länge  von  63  Jahren  und  multipli* 
zirte  diese  Zahl«  um  grössere  Perioden  zn  gewinnen,  wieder  mit 
7  (7x63=441).  C.Müller  hat  in  seiner  Sammlung  der  Fragmente 
der  griechischen  Chronographen  unzweifelhaft  richtig  den  Einfluss 
der  Zahlen  63  und  441  oder  abgerundet  440  auf  die  Gestaltung 
der  griechischen  Chronographie  erkannt,  wenngleich  er  oft  allzu- 
gewaltsam die  Ueberlieferung  in  dies  Prokrustesbett  hineinzwängt 
und  in  der  Erklärung  der  Zahl  63  durch  Umrechnung  aus  Mond- 
in Sonnenjahre  irrt. 

Varro  hatte  im  Gegensatz  zu  dem  goldenen,  silbernen  usw. 
Zeitalter  nach  der  Stelle  des  Censorinns,  von  der  wir  ausge- 
gangen sind,  die  ganze  Vergangenheit  eingetheilt  in  eine  dunkle 
Periode  (δοηλον)  der  Menschheit  von  ihrem  Beginn  an  (auch  die 
Annahme  ihrer  zeitlichen  Entstehung  ist  Pythagoreisch,  Zeller  I' 
S.  302)  bis  zur  Fluth  des  Ogygus,  in  eine  mythische  bis  zur 
ersten  Olympiade  und  in  eine  historische,  die  zweite  aber  nach 
dem  Charakter  ihrer  Erdichtungen  wieder  in  Hälften,  von 
denen  die  der  ersten  sich  völlig  frei  sogar  auf  Kosten  der  Moral 
der  Götter  bewegten,  die  der  zweiten  sie  schonten  und  sich  an 
das  geschichtlich  Mögliche  hielten  (fr.  14).  Femer  verband  er 
Bom  unmittelbar  mit  Troja  und  sah  in  dessen  Zerstörung,  mit 
der  er  daher  das  zweite  Buch  scbloss  (fr.  14),  den  Anfang  einer 
neuen  Periode,  die  sich  mit  Roms  Gründung  vollendete.  Zeitlich 
aber  bemass  er  diese  Zeiträume  nach  griechischem  Muster;  denn 
440  Jahre  vor  753  führen  auf  1193,  das  Jahr  des  Auszugs  gegen 
Troja  nach  Eratosthenes^,  während  Eastor,  bei  dem  die  Gründung 
Koms  in  das  J.  765  föUt,  bis  zur  ersten  Olympiade  diese 
440    Jahre    herausrechnet,    sei    es,    dass    wir    diese    mit    Geizer 


^  439  Jahre  rechnet  Johannes  Lydus  Oe  magistr.  I  2  ungenau  von 
der  Ankunft  des  Aeneas  in  Italien  bis  zur  Gründung  Roms  'nach  Gate 
und  Varro",  417  'nach  Africanus,  Kastor  u.  Eusebius*. 


Die  Epochen  in  Varros  Werk  De  gente  populi  Romani        239 

(II  78  f.)  in  das  J.  767  verlegen  und  das  der  Zerptörung  Trojan 
annehmen,  dh.  1207  nach  Müller^  (1 207^7 (>7=r 440),  Bei  es, 
daee  wir  als  Eaetorieche  Endzahl  776  und  als  Anfang  den  Beginn 
der  Belagerung  (1216)  einsetzen.  Eine  Bestätigung  erhält  die 
Zahl  440  dadurch,  daes  bei  der  Annahme  von  zwei  Perioden  zu 
je  440  Jahren  eeit  der  Fluth  des  Ogygus  bis  zum  Trojanischen 
Krieg  die  erstere  in  das  Jahr  2073  fällt  (440+753=1193; 
1193  +  2x440=2073),  also  in  den  von  une  oben  (S.  232  f.)  nach 
Varro  selbst  umgrenzten  Zeitraum  (2154 — 2057),  und  auch  für 
Kastor  ergeben  sich  bei  der  Zeitrechnung  von  2x440  zu  1216  oder 
1207,  seinen  Jahren  des  Trojanischen  Kriegs,  Zahlen  (2096  oder 
2087),  die  zu  der  oben  festgestellten  Zeit  für  die  Ogygische  Fluth 
stimmen. 

Es  bleibt  noch  die  genaue  Feststellung  der  Scheidung  der 
zwei  ersten  Perioden  übrig. 

Die  zu  Anfang  unserer  Untersuchung  abgedruckte  Stelle 
des  Censorinus  rechnet  die  erste  von  der  Fluth  des  Ogygus 
'ad  Iftachi  regnurn^,  und  da  sie  am  natürlichsten  durch  die  zwei 
überlieferten  griechischen  Sagen  eingeschlossen  und  überdies  die 
des  Denkalion  auch  von  dem  Scholiasten  des  Euripides  in  die 
Regierung  des  Inachus  verlegt  wird  (s.  ob.  S.  232),  so  kann  sie  sehr 
wohl  in  den  lückenhaft  überlieferten  Worten  erwähnt  gewesen 
sein,  etwa  so:  ad  Inachi  regnum  (eiusque  ccUctclysmum)  annos 
cirdter  CCCC  (^computant\  hinc  ad  excidium  Troiae  amii  sunt 
DCCCy^,  hinc  ad  ölympiadem  primam  eqs.    Nach  unserer  obi^n 

^  Gelzers  Ansatz  1193  für  die  Zerstörung  Trojas  bei  Kastor 
(II  69)  bat  mich  nicht  überzeugt;  ich  halte  an  Müller  Fragm.  chron. 
p.  122  sq.  fest. 

3  Von  Gellius  I  16,  3  ist  ein  Fragment  Varros  aus  dem  17.  oder 
18.  Buch  der  Antiquitates  humanae  erhalten:  'ad  Rotnuli  initium  plus 
miUe  et  centum  annorum  est*^.  Unger  (in  diesem  Museum  XXXV  S.  38) 
deutet  dies  auf  die  Frist  von  der  Abfassung  des  citierten  Werkes  47/707 
bis  zu  der  ersten  Gründung  Roms  durch  den  älteren  Romulus  (und  nach 
ihm  Holzapfel  Rom.  Chrmwl.  S.  112.  243).  Diese  Vermuthung  steht 
aber  auf  sehr  schwachen  Füssen;  einfacher  bezieht  man  die  Zahl  auf 
die  Vergangenheit ;  von  der  Gründung  Roms  l)is  zu  der  des  argivisohen 
Reiche  sind  es  nach  Eusebius  1103  Jahre;  die  Rechnung  in  De  gente 
p.  R,  (s.  ob.  S.  234  f.)  braucht  nicht  auf  das  frühere  Werk  übertragen 
zu  werden. 

•  hinc  —  DCCG  Ergänzung  von  0.  Jahn,  annos  --  computarunt 
Hultsch.  Durch  Einsetzen  von  mille  et  trecentos  als  Summe  (statt  1600) 
und  Ergänzen  von  D  (statt  800)  würde  man  die  Angaben  des  Censo- 
rinus den  von  uns  als  Varronisch    ermittelten    nähern    können.     Doch 


310  P*te 

Reehnwng    wiHe    ihr    TuTOttisch««  Jahr    1*>:^    sein,    in  üeber- 
eiiurtimMiiii^  Mit  Ao^n^tin.  ier  De  eiaiute  dei  18,  40(=  fr.  9)  nach 
Yarro  die  Aegjpter  Ten  des  Lnehaft  Tochter  Isis  'ror  nicht  viel 
mebr  ab  20i»  Jahren'  die  Se&rxft  lernen  UmC    also,    da  er  das 
genamte  Werk  426  rollendet  hat,  eiu^  Zeit  Tor  1 574.    Schwierig- 
keit bereitet  freilich  die  Angabe  in  fr.  13  bei  demselben  Anguetin 
(de  cio.  d.  XTQI  10;.  das«  die  Den kai ionische  Flnth  anter  dem 
athenischen  König  Cranaos,  dem  Xachfolger  des  Cecrope,  stattge- 
fnnden  habe;  dies  würde  sie.  wenn  wir  ans  an  die  Kanones  des 
Knsebias  halten,    in  die  Zeit   τοη  1506—1498  yerschiebcfn.     In- 
des   sind    die  attischen  Chronologen    and  Historiker  bemüht  ge- 
wesen, den  Anfang  ihrer  Geschichte  möglichst  weit  zarackiadatiercD, 
um  nicht  an   Alter  hinter  Argos  znrückxostehn ;  daher  haben  sie 
sich    für    das   Jahr  Ι79β    (1020  J.    ror    der    ersten    Olympiade) 
ebenfalls  einen  König  Ogvgas  erfanden,    in   seine  Regierang  die 
erste  Flnth    verlegt    and  seitdem    das  darch    sie  verödete  Attica 
bis    Cecrops    190   Jahre     königslos    sein    lassen    (Eneeb.    praep. 
euang.  X  10,  7  u.  chron.  I  p.  181  Seh.);  Clemens  von  Alexandria 
(ström.  121,  139;  kennt  sogar  Schriftsteller,  nach  denen  Cecrope 
seit  dem  J.  2162  regiert  hat^     Man  darf  also  wohl  vermnthen, 
daBS  bei  Varro  Cecrope  in  altere  Zeit  gerückt  war  und  mit  ihm 
sein   Sohn   Cranans;    es    müsste    denn   Aagastin    sich    eine  Ver- 
wechselang  haben  zu  schulden  kommen  lassen.    Kastor  bietet  uns 
für  die  Deukaliunische  Flnth  keine  Stütze ;  er  nennt  sie  in  unserer 
U eberlief erung    nirgends;    wo    ihn    Eusebius    (s.  ob.)    von    einer 
Fluth    um    das   Jahr   1757    sprechen    läest,    da    ist   es    die    des 
attischen  Königs  Ogygus,    *die    erste    grosse*    und  seine  Zeit- 
rechnung für  sie  and  Cecrope  so  ziemlich  die  des  Eusebius;   die 
Differenz    beträgt  nur    40  Jahre.     Wir  haben   auch  hier  (mit  C. 
Müller  p.  ITG)    eine  Vermengung  verschiedener  Ansichten  anzu- 
nehmen,   da  in    der  Praeparatio    euang.   Hellanicus,    Philochorus, 
ThalluR,    Diodor    und    Alexander   Polyhistor    zusammen    als   Ge- 
währsmänner   für  die  Angabe,    dass    von    dem    attischen  Ogygus 
und    seiner  Fluth    bis    zur    ersten    Olympiade    1020  Jahre    ver- 
strichen   seien,    angeführt    werden    und    darüber  jedenfalls  keine 
üebereinstimmung  unter  ihnen  bestanden  hat;  so  wird  öioh  auch 
an  der  zweiten  Stelle  des  Eusebius  (in  der  Chronik,  arm.  Text)  das 

glaube    ich  eher  an  eine  Verwirrung  in    der  lieber  lief  erung,    also  eine 

Schuld   des  Censorinue    oder  seiner  Vorlage,    wie  oben  S.  232  an  eine 

Verwechselung  der  beiden  Fluthen  durch  Arnobius  bez.  seiner  Vorlage. 

^  (lutechmid  Sehr.  IV  8  f.    ändert   allerdings  die  Zahlen,    sodass 

Cecropa  in  das  J.  15ti2/61  zu  steheu  kommt. 


Die  £pochen  in  Varros  Werk  De  genie  populi  Romani        241 

^Designat  (id)  et  Kastor  in  hisioriae  epitome  eodem  modo   nur  auf 
die  zweite  Hälfte  des  Absatzes  beziehn,  auf  die  Zeit  des  Cecrops. 

Kill  solcher  Aufbau  der  Chronologie  nach  gewissen  2^hlen 
und  Zahlenreihen  war  für  die  alte  Zeit,  das  αοηλον  und  das 
μυθικόν,  üblich  gewesen,  seitdem  man  überhaupt  die  überlieferten 
Ereignisse  auf  bestimmte  Zahlen  festzulegen  versucht  hatte.  In 
der  historischen  Zeit  musste  natürlich  nach  anderen  Grund- 
sätzen verfahren  werden.  Auch  die  christliche  Chronologie  be- 
tont mit  Nachdruck  diesen  Gegensatz,  Africanus  (Müller  Introd. 
in  fr,  chron,  p.  111  f.),  Eusebius  (praep.  eu.  X  10,  1  Μίχρι 
μέν  τών  ολυμπιάδων  ούοέν  ακριβές  Ιστόρηται  τοις  Έλλησι 
πάντων  συγκεχυμένων  καΐ  κατά  μηδέν  ούτοϊς  τών  πρό  του  συμ- 
ςκυνούντων*  α'ί  ί>έ  ήκρίβωνται  πολλοίς,  τψ  μή  έκ  πλείστου  δια- 
στήματος, δια  τετραετίας  δέ  τάς  άναγραφάς  αυτών  ποιεϊσθαι 
τους  "Ελληνας,  ου  δή  χάριν  τάς  ένδοΕοτάτας  και  μυθώδεις  έπι- 
λεΕάμενος  Ιστορίας  μέχρι  της  πρώτης  Ολυμπιάδος  έπιδρα- 
μουμαι)  und  Hieronymus  (ρ.  78  f.:  Ab  hoc  tempore  Graeca  de  tem- 
poribiis  hütoria  uera  creditur;  nam  ante  hoc,  ut  cuique  uisum  est, 
diuersas  sententias  protulerunt). 

Sollte  die  Künstelei  mit  den  Zahlen  überhaupt  fortgesetzt 
werden,  so  konnte  dies  nur  so  geschehn,  dass  entweder  aus  fest- 
stehenden Jahreszahlen  auf  die  Bedeutung  der  in  sie  fallenden 
Ereignisse  geschlossen  wurde  oder  gewissen  Jahreszahlen  zuliebe 
Naturerscheinungen,  besonders  am  Himmel  beachtet  oder  erdichtet 
wurden.  Von  beiden  Systemen  findet  sich  indes  bei  Varro  keine 
Spur.  Wie  der  Charakter  jeder  genealogischen  Arbeit  sich  ändert, 
sobald  sie  aus  dem  Dunkel  und  Nebel  der  Vorzeit  in  das  Licht 
der  Geschichte  tritt,  so  auch  die  seine.  Er  hatte  sich  zwei  Auf- 
gaben gestellt,  eine  Chronographie  der  vorrömischen  Völker,  die 
gewissermaassen  in  Linien  den  Stammbaum  der  gens  Romana 
zeichnen  sollte^  und  das  dürftige  Gerippe  des  μυθικόν  durch 
Fabeleien  verhüllte  —  in  der  Weise  der  Verfertiger  von  Stamm- 
bäumen römischer  Familien  — ,  und  eine  Entwicklung  ihrer  Sitten 
und  Cultur  aus  denen  der  älteren,  einen  Stammbaum  auch  für 
sie.  Das  letztere  giebt  uns  sogar  Servius  (fr.  21)  als  den  alleinigen 
Inhalt  unserer  vier  Bücher  an:  Vn  quibus  dicii,  quid  α  quaque 
traxerint  gente  per  imitaiionem .  Kräh  η  er  {De  Varron.  antiq.  libris 
p.  10),   Ritschi  {Opusc.  HI  446  f.)    u.  A.    haben  ihm    zwar  eine 

^  Die  Idee  der  vier  Weltreiche,  die  datuale  schon  aufgetaucht  war 
(8.  C.  Trieber  Hermes  XXVII  S.  321— 344),  scheint  er  mit  Stillschweigen 
übergangen   zu  haben ;    sie  passte  nicht   in  das  System   dieses  Werkes. 

tUi«iii.  Mae.  (.  Philol.  N.  F.  LYII.  \^ 


242  Peter 

Verwechelung   mit  De  uHa  populi  Romani    schold  gegeben,  aber 
mitEecbt  haben  ihn  von  diesem  Vorwurf  Mercklin  Philol.  III271 
und  Eettner  De  uita  p.  R,  p.  25  n.   Varron.  Stud.  S.  60  wieder 
freigesprochen.    Dass  sich  die  beiden  Werke,  von  denen  das  eine 
unmittelbar    nach  dem    anderen  verfasst   worden  ist,    das  erstere 
das  private,  das  andere  das  öffentliche  Leben  behandelte,   im  In- 
halt mehrfach  deckten,  darf  bei  Yarro  nicht  auffallen.     Der  Ge- 
danke   war    ihm  durch    den  Geist   der  Zeit  eingegeben.     In  den 
litterarischen  Kreisen   wurde   damals  das  Verhältniss  der  Bömer 
zu  den  Griechen  eifrig  erörtert  und  auf  die  Frage  zugespitzt,  ob 
sie  zu    den   εύρεταΐ  oder  ίηλιυται    zu  rechnen  seiend     Cicero  in 
den  Tusoulanen  (geschrieben  45  u.  44)  vermittelt  (I  1,  1):  meam 
sewper  iudidum  fuit  omnia  nostros  aut  inuenisse  per  se  sapientius 
quam  Oraecos  aut  accepta  ab  Ulis  fecisse  meliora,  quae  quidem  digna 
siaiuissenty    in    quibus   elaborarent.     Die    unbefangenen    Griechen 
hatten    seit  Polybius    die  Abhängigkeit  der  Kömer  von  anderen 
A^ölkern  erkannt,    aber  voll  Bewunderung    auch   die  Kunst,    mit 
der  sie  das  von  anderen  £ntlehnte  ihrem  Wesen  anzupassen  und 
zu   bessern    verstanden;    dies  war    auch  der  Gesichtspunkt,    von 
dem    aus    Posidonius    die    römische  Geschichte    behandelte,    und 
nach  seinem  Vorgang,  schon  von  seinem  Lehrer  Aelius  Stile  an- 
geregt, Yarro.     Darüber    kann  nach   den  Untersuchungen  Wend- 
lings  kein  Zweifel  sein.    Die  Anlage  des  Werkes  De  gente  p.  R. 
brachte  es  mit  sich,  dass  er  sich  in  der  Schilderung  desRömieohen 
kurz  fassen  konnte.     Da  das  zweite  Buch   mit  dem  Trojanischen 
Krieg  schloss,  wird   das  dritte  bis  zur  Gründung  Roms  gereicht 
haben,    und  es   blieb  so  für    dieses  selbst   nur  das  vierte  übrig; 
doch  konnte    dies  genügen,    wenn    er  es    schon    vorher    bei  den 
Mustern  anderer  Völker  immer  im  Auge  gehabt  hatte,  zumal  da 
er  in   den  Antiquitatee  rerum  humanarum   sich  schon  ausführlich 
mit    der    Urgeschichte    des    römischen   Volkes    beschäftigt    hatte 
(Ritschi  Opusc.  III  S.  446  f.).     Die  Fortführung  der  Chronologie 
konnte  er  aber  nicht  einfach  fallen  lassen ;  wurde  doch  von  dem 
römischen  Aberglauben  gewissen  Zahlenunterschieden  in  den  Jahren 
besonderer  Werth    beigemessen ;    so    hatte  P.  Cornelius  Lentulns 
den  Allobrogern,  um  sie  für  die  Verschwörung  zu  gewinnen,  vor- 
geredet, das  Jahr  63  sei  das  des  Untergangs  der  Hauptstadt  und 
des  Reichs  als  das  zehnte  nach  der  Freisprechung  der  Yestalinnen 


^  S.  hierüber  und  über  das  folgende  Έ.  Wendung  *2^  Posidonm 
md  VarrcT  Herm.  XXVUI  S.  335-363. 


Die  Epochen  in  Varros  Werk  De  gente  populi  Eomani        243 

und  das  zwanzigste  nach  dem  Brande  des  Capitole  (Cic.  in 
Catil.  ΠΙ  4,  9). 

Varro  war  für  die  damalige  Zeit  ein  Gelehrter,  auch  als 
Chronolog.  Censorin  rühmt  (β.  oh.  S.  232),  dase  er  durch  den 
Vergleich  mit  der  Chronographie  anderer  Staaten  und  durch  Be- 
rechnung der  früheren  Finsternisse  in  die  Zeit  nach  der  ersten 
Olympiade  volles  Licht  gehracht  (vgl.  Plut.  Rom.  12)  und  die 
Ereignisse  nicht  nur  nach  Jahren,  sondern  sogar  nach  Tagen  he- 
rechnet  hahe;  Arnobius  (fr.  7)  spricht  υοώ  cur iosae  eompiäationes, 
durch  die  er  den  Zeitraum  von  der  Deukalionischen  Fluth  bis 
zum  Consulat  des  Hirtius  und  Pansa  gemessen  habe;  unter  den 
Gebieten,  durch  deren  Eröffnung  er  sich  um  die  Urgeschichte 
Roms  verdient  gemacht  habe,  zählt  Cicero  im  J.  45  in  den  ihm 
gewidmeten  Academica  an  erster  Stelle  auf  ^aetatem  patriae,  de• 
Scripttones  temporum  (I  3,  9).  Es  thut  dieser  Anerkennung  weder 
Eintrag,  dass  er  die  dazu  erforderlichen  astronomischen  Kennt- 
nisse nicht  besessen  und  die  Rechnungen  nicht  selbst  ausgeführt 
hat,  noch  dass  die  Ergebnisse  mit  dem  Aufwand  von  Gelehrsam- 
keit in  keinem  rechten  Verhältnies  standen.  Er  hat  jedenfalls 
den  allein  richtigen  Weg  eingeschlagen,  indem  er  sich  an  den 
auch  Cicero  befreundeten  L.  Tarutius  wandte  als  %'w  primis  Chol' 
daicis  rationibus  eruditus'  (Cic.  de  diuin.  Π  47,  98)^.  Die  Ein- 
seitigkeit, mit  der  dieser  von  seiner  Wissenschaft  Gebrauch  machte, 
dürfen  wir  Varro  nicht  zur  Last  legen;  sein  Einfall,  von  den 
Thaten  des  Romulus  auf  die  Nativität  zu  schliessen  mag  damals 
Staunen  erregt  haben. 

Es  fehlen  uns,  wie  gesagt,  genaue  Zeugnisse  über  das  System 
der  römischen  Chronologie  Varros  seit  der  Gründung.  Wir 
wissen  jedoch,  dass  er  in  den  Antiquitates  rerum  humanarum,  die 
er  kurz  vorher  nach  mehrjähriger  Arbeit  abgeschlossen  hatte, 
sechs  Bücher  den  Zeiten  und  von  ihnen  wieder  eins  den  Saecula 
gewidmet  hat  (Gruppe  Herrn.  X  S.  52  f.).  Trotz  der  politischen 
Erregung  müssen  diese  nach  dem  Tode  Cäsars  über  die  litterari- 
schen Kreise  hinaus  ein  lebhaftes  Interesse  auf  sich  gezogen  haben. 

Wie  Octavian  einen  Kometen,  der  während  der  seinem 
Adoptivvater  zu  Ehren  vom  20. — 30.  Juli  noch  im  J.  44  ge- 
feierten Spiele    am  Himmel    erschien    und    sieben  Tage   sichtbar 

'  Auch  von  späteren  Generationen  wurde  er  gerühmt:  έτοίΐρος 
αύτοΟ  (Varronis)  φιλόσοφος  μέν  άλλως  καΐ  μαθηματικός,  άπτόμβνος  δέ 
τής  πβρί  τόν  πίνακα  μεθόδου  θ€ωρ(ας  ^ν€κα  καΐ  δοκών  έν  αυτή  περιττός 
€Ϊναι  Plut.  Rom.  V2.  mathematicorum  nobiUssimus  Solin  1,  16. 


244  Peter 

blieb,  zor  Festigung  seiner  Stellung  benutzte,  indem  er  ihn  als 
Zeichen  der  Erbebung  des  Ermordeten  unter  die  Götter  deutete, 
ist  bekannt.  Zugleich  aber  prophezeite  der  Haruspex  Vulcatius 
aus  ihm  die  Wende  Vom  9.  zum  10.  eaeculnm* ;  dies  hat  Augusius 
selbst  in  seiner  Lebensbeschreibung  der  üeberlieferung  für  werth 
gehalten,  mit  dem  Zusatz  (Sern.  z.  Verg.  ecl.  9,  48,  fr.  5  p.  253), 
dass  der  Weissager  erklärt  habe,  er  werde  sofort  sterben,  weil 
er  dies  Geheimniss  wider  den  Willen  der  Götter  verrathen  habe, 
und  sei  auch  während  des  Sprechens  todt  niedergesunken.  So 
hatte  also  Varro  genügende  Veranlassung  den  Stoff  neu  zu  be- 
handeln und  seine  Mitbürger  zu  belehren. 

Die  Hauptschwierigkeit  mnsste  für  ihn  sein,  zu  den  griechi- 
schen Si  byllinischen  Büchern  und  zu  dem  Einfluss  der 
etruskischen  Weissagung  Stellung  zu  nehmen.  Die  letztere 
befristete  das  erste  Saeculum  einer  Stadt  oder  eines  Staates  von 
der  Lebensdauer  des  am  längsten  lebenden  unter  den  am  Tag 
der  Gründung  geborenen  Einwohnern,  das  zweite  .von  den  seit 
dessen  Tod  am  längsten  lebenden  usw.  Die  Götter  selbst  be- 
zeichneten die  für  Menschen  schwer  sichtbaren  Grenzen  durch 
^pcrtentdi  die  Haruspices  beobachteten  diese  sorgfältig,  zeichneten 
sie  auf,  und  so  hatten  die  ersten  vier  etruskischen  Saecula  eine 
Dauer  von  400  Jahren  gehabt,  das  fünfte  von  123,  das  sechste 
und  siebente  von  je  119;  im  8.  stand  man  zu  Varros  Zeit,  wie 
Censorin,  dem  wir  diese  Nachrichten  verdanken  (17,  5  f.),  unter 
ausdrücklicher  Berufung  auf  ihn  berichtet;  noch  ein  neuntes  und 
zehntes,  sagt  er,  sei  dem  etruskischen  Volke  beschieden. 

In  Rom  tritt  uns  dieser  Begaff  zuerst  in  den  ludi  saecu- 
lares  entgegen,  die  nach  Varro  in  seiner  Schrift  De  scaenicis 
originüms  (Censor.  17,  8)  zuerst  im  J.  249/505  infolge  vieler 
^porttnta  und  Blitzschläge  und  nach  Befragung  der  Sibyllinischen 
Bücher  von  Staatswegen  zu  Ehren  des  Die  und  der  Proserpina 
eingesetzt  wurden  mit  der  Bestimmung  der  jedesmaligen  Wieder- 
holung der  Feier  nach  hundert  Jahren;  146/608  ist  diese  wirk- 
lich auch,  wenngleich  um  drei  Jahre  verschoben,  erfolgt  (s. 
Mommsen  Chroncl,  S.  180  f.  und  auch  Soltau  Böm.  Chronol. 
S.  386  ff.),  seitdem  aber  in  Vergessenheit  gerathen  (Suet.  Aug.  31. 
Claud.  21);  in  dem  fälligen  Jahr  49/705  mit  seinen  politischen 
Wirren  hat  niemand  daran  gedacht.  Geblieben  ist  seitdem  auf 
die  Dauer  nur  die  offizielle  Aufzeichnung  der  Wunder  (ßemays 
Ges,  Äbhandl.  11  S.  307  f.),  angeregt  durch  ihre  Verbindung  mit 
den    Saecula.     Daneben    aber   hat   Mommsen   {Chrcnu  S.  175  ff.) 


Die  Epochen  in  Yarros  Werk  De  genie  populi  Romani        245 

Doch  eine  asdere  Säcularfeier  aufgefunden,  die  in  der  Einschlagung 
eines  Nagele  durch  den  höchsten  Beamten  der  Republik  in  die 
Wand  des  der  Minerva  geweihten  Theile  des  Tempels  des  Capito- 
linischen  Juppiter  bestand,  nach  seiner  Vermuthung  infolge  einer 
grossen  Fest  im  J.  463/291  eingeführt  war  und  für  die  J.  863/391 
und  263/491  bezeugt  ist.  Betreifs  der  letzteren  bezieht  sich  der 
Antiquar  Cincius  bei  Livius  ΥΏΙ  3,  7  (s.  Relliq.  I  p.  CX  sqq.) 
auf  eine  ähnliche  Sitte  in  dem  etruskischen  Volsinii,  die  ersteren 
sollen  von  den  Sibyllinischen  Büchern  angeordnet  worden  sein 
(Gensor.  17,  8).  Die  Beeinflussung  der  Römer  durch  die  etrus- 
kische  Haruspicin  ist  uralt  und  erstreckt  sich  bis  in  das  letzte 
Jahrhundert  der  Republik  hinein.  Sowohl  im  J.  44  gab  ein 
etruskischer  Earuepex  über  das  erwähnte  Himmelszeichen  Bescheid, 
als  im  J.  88/666,  nachdem  unter  anderen  Wundern  ein  lauter, 
klagender  Trompetenton  bei  wolkenlosem,  klarem  Himmel  allge- 
mein Angst  hervorgerufen  hatte,  sodass  der  Senat  die  'angesehen- 
sten Etrusker,  die  mehr  als  die  übrigen  zu  wissen  glaubten*,  be- 
fragte (Flut.  Sulla  7j.  Auch  diesmal  ging  ihre  Deutung  auf  eine 
Wende  der  Saecula. 

Für  die  Chronologie  war  dies  physische,  in  der  Zahl  der 
Jahre  wecheelnde  Saeculum,  das  s.  ueriens  oder  fuUuräUy  nicht 
zu  brauchen  ^,  und  je  weitere  Zeiträume  die  Römer  zu  überblicken 
sich  gewöhnten,  desto  mehr  musste  sich  das  Bedürfniss  eines 
juristischen  mit  bestimmten  Zahlen  aufdrängen,  also  die  längste 
Lebenszeit  ein  für  allemal  festzulegen.  In  der  Geschichtschreibung 
bat  der  Consul  des  J.  133/621  L.  Calpurnius  Fiso  zuerst,  so 
viel  wir  wissen,  von  einem  solchen  saeculum  zu  100  Jahren  ge- 
sprochen (fr.  36  Bell,  I  p.  135;  s.  übr.  Unger  in  diesem  Mus. 
XXXV  S.  33  f.),  im  Öffentlichen  Leben  haben  die  Sibyllinischen 
Bücher  eingegriffen. 

Zu  diesem  Nachweis  müssen  wir  etwas  weiter  ausholen  und 
zunächst  die  oben  citierte  FlutarchRtelle  schärfer  ins  Auge  fassen. 
Jene  angesehenen  Tusker  fügten  nämlich  ihrer  Deutung  die  Er- 
klärung hinzu,  dass  es  im  ganzen  acht  nach  Lebensweise  und 
Sitten  verschiedene  Geschlechter  (τ^νη)  gebe  und  dass  jedem  von 
dem  Gott  eine  Zahl  von  Zeiten  bestimmt  sei,  die  sich  in  d'em 
Umlauf  eines  grossen  Jahres  vollende  ((Τυμπεραινόμενον  ένιαυ- 
του  μεγάλου  περιόδψ).     Wenn    dieser   (die  περίοδος)    ein  Ende 


^  Gensor.  17,  13  nostri  maiores   naturale  saeculum  quantum  esset 
exploratum  non  habebant. 


246  Peter 

habe,  so  werde  von  der  £rde  oder  vom  Himmel  aus  irgend  ein 
Zeichen  in  Bewegung  gesetzt,  damit  es  den  Sachkundigen  Rogleich 
offenbar  sei,  dass  Menechen  mit  anderen  Sitten  und  Lebensweisen 
geboren  seien,  die  den  Göttern  mehr  oder  weniger  am  Herzen 
liegen  würden  als  ihre  Vorgänger ;  ganz  besonders  gebe  sich  dieser 
Wechsel  auch  kund  in  der  Weissagekunst,  die  in  dem  einen  Ge- 
schlecht wegen  der  klaren  und  deutlichen  Götterzeichen  hoch  in 
Ehren  stehe,  in  einem  anderen  bei  unsicheren  und  dunkelen  sich 
aufs  Eathen  legen  müsse  und  deshalb  nur  geringes  Ansehn  ge- 
niesse.  Die  Weisheit  geht  auf  Varro  zurück,  wie  das  Fragment 
*2)e  saeculis:  auditum  sonum  tvibae  de  caelo'  bei  Servius  z.  Aen.  VIII 
526  beweist;  aber  sie  ist  getrübt.  Klarer  iliesst  die  Quelle  bei 
Censorinus  ( 17, 6,  s.  ob.  S.  244).  Plutarch  hat  erstens  missverstanden, 
dass  im  J.  88  das  8.  Saculum  von  10  angebrochen  sei,  das 
'beinah  letzte  ,  wie  es  in  der  Weissagung  der  Vegoia  (in  den 
Gromat.  uet.  p.  850  L.)  heisst  (Mommsen  Chrmi,  S.  189  f.),  und 
namentlich  nicht  römische  und  etruskische  Saecula  getrennt,  die 
je  nach  dem  Volke  verschieden  gerechnet  wurden^.  Freilich 
tritt  diese  Verkündigung  in  Widerspruch  mit  der  des  Vulcatius, 
wenn  wir  die  Beziehung  auf  £trurien  bei  Plutarch  ergänzen ; 
denn  schon  44  Jahre  später  lässt  die  letztere  das  10.  Saeculum 
beginnen,  sodass  das  8.  und  9.  durchschnittlich  nur  22  Jahre 
gedauert  hätte,  während  die  vorausgehenden  durchschnittlich 
108%,  keins  unter  100.  Doch  darf  uns  dieses  nicht  beunruhigen 
(Mommsen  Chron,  190);  wir  erkennen  vielmehr  daraus,  welcher 
Schwindel  damals  in  Rom  mit  Wunderzeichen  und  den  etruskischen 
Prophezeiungen  getrieben  wurde  und  wie  diese  nach  Belieben 
auf  Etrurien  und  Rom  gedeutet  wurden. 

Nun  musste  sich  unter  solchen  Verhältnissen,  da  die  etrus- 
kischen Saecula  von  einem  bestimmten  Anfang  aus  gerechnet 
wurden  Cquo  die  urbes  atque  ciuitates  constituerentur  Censor.  1 7,  5), 
das  gleiche  Bedürfniss  nach  einem  Anfang  auch  in  Rom  aus- 
bilden; schon  Valerius  Antias  (fr.  22  RelL  1  247)  nannte  jene 
Säcularspiele  von  249/505  die  dritten  und  weiss  von  zwei  älteren 
in  den  vorausgehenden  zwei  Jahrhunderten  (Gens.  17, 10.  Zosim.  Π4 


^  quot  numero  saecula  ei  genti  data  sint  Gens.  aaO.  Damit 
fallen  alle  Vermuthungen  A.  Mommsens  (Die  Saectda  der  Etrusker) 
in  diesem  Mus.  XII  S.  539—550)  in  sich  zusammen,  die  von  dem  fal- 
schen Satz  ausgehn,  dass  alle  etruskischen  Zeichen  und  Wunder  auch 
Rom  betroffen  hätten. 


Die  Epochen  in  Varros  Werk  De  gente  populi  Bomani        247 

▼gl.  Feetue  8.  u.  eaec.  ludi  p.  329).  Bis  zur  Gründung  der 
Stadt  wagte  er  aber  nicht  zurlickzugehn ;  dieser  Versuch  ist  erst 
im  J.  88/666  gemacht  worden.  Nach  dem  Gründungsjahr  des 
Fabius  Pictor  waren  damals  660  Jahre  verflossen,  der  Krieg  mit 
den  Bundesgenossen  und  der  eben  entbrennende  zwischen  Marius 
und  Sulla  hatten  die  Gemtither  genugsam  aufgeregt,  um  für 
Himmelszeichen  und  Sühnfeste  empfänglich  zu  sein:  damals  ent- 
stand das  von  Phlegon  und  Zosimus  überlieferte  Sibyllenorakel, 
das  von  dem  ersteren  ausdrücklich  in  seinen  einleitenden  Worten 
(Macrob.  p.  91  Keller,  p.  133  in  den  Sibyllinischen  Blättern 
von  Diels)  in  den  Bundesgenossen  krieg  verlegt  wird.  Aber  auch 
ohne  dies  würden  die  zwei  letzten  Verse 

καί  σοι  πάσα  χθων  Ίταλή  και  πάσα  Λατίνων 
αΐέν  ύπό  σκήπτροισιν  έπαυχένιον  Ζυγόν  ΪΕει 
uns  dahinführen ;  unrichtig  beziehen  Diels  (aO.  S.  14)  und  Gardt- 
hausen  (Äugusius  I  S.  1011  II  625)  das  Orakel  auf  die  Säcular- 
spiele  des  Äugustus;  auch  Mommsens  Datierung  {Epliem.  epigr. 
Vni  p.  235)  der  Abfassung  im  Jahr  126/628  ist  weniger  be- 
gründet. Gewiss  hat  es  Aenderungen  und  Einsohiebungen  nament- 
lich wegen  der  von  Äugustus  angeordneten  neuen  Opfer  erfahren, 
die  Vermengung  jüngerer  und  älterer  Verse  ist  Diels  (aO.  S.  15) 
nicht  entgangen.  Für  den  Kern  aber  hat  Bergk  {Monum.  Ancyr. 
p.  76)  mit  dem  Jahr  88  unzweifelhaft  das  Richtige  getroffen. 
Die  Befragung  der  *^libri  fatales  im  nächsten  Jahr  berichtet 
Granius  p.  23,  2  Bonn.;  damals  wurde  beschlossen  sie  öffentlich 
vorzulesen;  sie  verhiessen  Ruhe  und  Frieden,  wenn  Cinna  und 
sechs  Tribunen  aus  dem  Vaterlande  vertrieben  würden. 

Die  Sibyllinischen  Bücher  waren  nicht  nur  in  griechischer 
Sprache  verfasst,  auch  die  Bräuche,  die  sie  vorschrieben,  waren 
griechisch  (v.  16  des  ersten  Orakels  πα%ας  δσας  πάρος  βΤπα 
κέλευ'  Λχαιστι  τάο'  fpbeiv)  und  wurden  als  solche  von  den 
Römern  empfunden:  et  nos  dicimus  XV  uiros  Graeco  ritu,  non 
Bomano  facere,  Varro  de  1.  1.  VIT  88;  andere  Stellen  s.  bei 
Diels  aO.  S.  55  f.  So  ist  denn  auch  in  dem  Säcularorakel  die 
Ausdehnung  des  Saeeulum  auf  1 10  Jahre  anstatt  der  römischen 
100  griechisch,  vielleicht  ursprünglich  ägyptisch  (Gardthausen 
Π  620): 

Άλλ'  όπότ'  δν  μήκιστος  ϊκη  χρόνος  άνθρώποισι 
ίΐϋής,  εΙς  έτίιυν  εκατόν  δίκα  κύκλον  obeuujv, 
μ€μνήσθαι  Τωμαϊβ  —  xabe  πάντα  κτλ.  (ν.  1  ff.). 
Empfohlen  wurde  sie  durch  die  Einladung  des  Herolds  zu  Spielen, 


24«  Peter 

'die    keiner   geeehn    habe   noch    sehen    werde^    (Suet.    Cland.  21. 
Mommeen    Chronol.  S.  182  f.) ;    durch    häufigeres    üeberechreiten 
einer  Lebensdauer    von    100  Jahren^    sollte   sie    nicht   lächerlich 
werden.      Von    der    Palingenesie    findet    sich    allerdings    in    dem 
Orakel  keine  Spur  —  auch    dies  ist    ein  Beweis   für    das  Alter, 
wenn    es     eines     solchen     noch     bedürfte;     erst    in    der    vierten 
Ecloge  Virgils  an  seinen  Gönner  Asinius  Pollio,  also  im  J.  40/714 
tritt  sie  uns  in  der  Sibyllinischen  Weissagung  entgegen: 
Vlfima  Cumaei  uenit  tarn  carminis  aelas: 
magnus  ab  infegro  saeclorum  nasciiur  ordo. 
tarn  redit  et   VirgOy  redeunt  Saturnia  regna, 
iam  noua  progenies  caelo  demittiiur  alto,  (4 — 7.) 
wozu   Probus  (p.  9  K.)  bemerkt:  Cumaei  carminis  uel  α  Sibtflla, 
quod  Ouma/na  et  post  quaituor  saecula  παλιγγ6ν€(Τίαν  futuram  cecinit 
uel  eqs. 

Diese  Neuerung  kann  nur  auf  die  eben  erschienenen  vier 
Bücher  De  getife  populi  Romani  geschoben  werden ;  von  Virgil 
kann  sie  keinesfalls  herrühren.  Yarro,  soweit  nicht  schon  Kastor, 
hat  mit  den  griechischen  Sibyllenorakeln  zugleich  die  Palingenesie, 
die  zwar  auch  in  die  etruskische  Lehre  eingedrungen  war,  wenn 
die  Ueberlieferung  nicht  Verschiedenes  durch  einander  geworfen 
hat,  aber  doch  griechischen  Ursprungs  war,  und  den  etruskischen 
Glauben  von  der  Kundgebung  des  Endes  der  Saecula  durch  Natur* 
erscheinungen  zusammengearbeitet,  obwohl  ein  solches  Eintreten 
der  Götter  mit  der  Fixierung  der  Zahl  unnöthig  geworden  war, 
und  so  die  Voretellung  von  der  Wiederkehr  besserer  und  glück- 
licherer Zeiten  nach  einer  gewissen  Reihe  von  Jahren  vorbereitet, 
die  Virgil  dichterisch  weiter  ausgeschmückt  hat;  die  Bezeichnung 
von  (4)  Weltaltern  nach  Metallen,  des  glücklichsten  als  aurea 
aetas  unter  der  Herrschaft  des  Saturn,  und  die  Flucht  der'Virgo' 
aus  dem  heruntergekommenen  Menschengeschlecht  (vgl.  Horat. 
carm.  saec.  57  fl^.)  rührt  schon  von  Hesiod  her^.  Unzweifelhaft 
hat  die  Zahl  110  auf  Varros  ganze  ältere  Chronographie  einen 
entscheidenden  Einfluse  ausgeübt;  HO  Jahre  mit  der  für  die  Pytha- 


^  Servius  z.  Aen.  IV  f)53  bezeichnet  120  Jahre  als  die  höchst- 
mögliche Lebensdauer,  bei  Anderen  bewegt  sich  die  höchste  erreichte 
zwischen  110  und  120,  vgl.  Pliu.  n.  h.  VII  15B  ff.  Cens.  17,  4  flf.  Cicero 
Cato  m.  le,  β9. 

^  S.  E.  (iraf  Äd  aureae  aetatin  fahtüam  sgmbola  p.  6  ff.  62. 
47  ff. 


Die  Epochen  iu  Varros  Werk  De  gente  populi  Romani        249 

goreer  und  ihn  wichtigen  4^  multipliciert  ergeben  die  440  Jahre, 
die  die  Genethliaoi  für  eine  Periode  der  Menschheit  heransge- 
rechnet  hatten.  Das  erste  Mal  wird  sie  bis  auf  wenige  Personen 
durch  die  Ogygische  Eluth  vernichtet,  das  zweite  Mal  nach  440 
Jahren  durch  die  des  Deukalion;  ein  neues  Zeitalter  eröffnet  der 
Trojanische  Krieg,  die  Ursache  der  Uebersiedelung  des  Aeneas 
nach  Italien,  das  nächste  die  Gründung  Roms,  dessen  Bestehn 
schon  weit  in  die  zweite  Periode  hineinreicht.  So  stellte  er, 
indem  er  die  von  den  Griechen  aus  7  Menschengeschlechtern 
(d.  h.  7X63)  herausgerechnete  Zahl  440  nach  römisch-etruskischer 
Vorstellung  in  4  Saecula  zu  je  HO  Jahren  zerlegte,  ein  sich 
durch  die  älteste  Geschichte  bis  in  die  römische  hinein  schlingen- 
des Band  her  und  verlieh  ihm  von  Rom  aus  eine  göttliche  Weihe. 
Vor  Prophezeiungen  wird  sich  Varro  bei  der  im  J.  43  doppelt 
nothwendigen  Vorsicht  gehütet  haben,  beschäftigt  aber  hat  er 
sich  schon  im  18.  Bach  der  Antiquitates  r.  hum.  mit  der  Frage 
nach  den  für  Rom  bestimmten  Saecula;  dort  hatte  er  die  Meinung 
eines  gewissen  Vettins  ^in  augurio  non  ignöbüis*  mitgetheilt,  dass 
es,  wenn  die  Erzählung  der  Historiker  von  den.  12  (dem  Romulus 
erschienenen)  Geiern  richtig  sei,  es  bis  auf  1200  Jahre  bringen 
werde, ,  nachdem  es  einmal  über  120  Jahre  glücklich  herüberge- 
kommen sei  (Cens.  17,  15). 

Auch  aus  der  Verbreitung  der  Vorstellung  von  der  Wieder- 
kehr eines  neuen  Zeitalters  dürfen  wir  darauf  schliessen, 
dass  sie  von  einer  gewichtigen  Autorität  getragen  worden  ist. 
Virgil  hatte  den  Glauben  an  sie  nicht  verloren,  obwohl  ihn  die 
im  J.  40  ausgesprochene  Hoffnung  getäuscht  hatte.  Wie  er  in  der 
Ecloge  von  dem  Ende  der  ferrea  und  dem  Beginn  der  aurea  aetas 
gesungen  hatte,  so  prophezeit  in  derAeneis  (VI  791  ff.)  Anchises 
dem  von  der  Sibylle  in  die  Unterwelt  geleiteten  Sohn  von 
Augustus  Cäsar  ^diui  genus* :  ^aurea  condet  saecula,  gut  rur• 
sus  Lotio  regnata  per  arua  Saturno  quondam\  Namentlich  aber 
hat  es  dieser  selbst  verstanden,  sich  die  von  Varro  geschichtlich 
begründete  und  auf  ein  bestimmtes  Ziel  gerichtete  Sehnsucht 
seiner  Römer  nach  einer  besseren  Zeit  zu  nutze  zu  machen. 

Gemäss  seiner  Politik  knüpfte  Augustus  äusserlich  an  Altes 
an;  seine  im  J.  17/737  veranstalteten  Säculars ρ lele  sollten 
frühere  fortsetzen.    Die  im  J.  49/705   fällig  gewesenen  konnte  er 


*  Vgl.  de  1.  1.  V  12   omnia  sunt  quadripertita;   daher  aach   die 
4  Bücher  De  gente  p.  E, 


250  Peter 

jedocli  nicht  brauchen;  er  hätte  so  die  Erinnerung  an  die  Bürger- 
kriege wachgerufen.  Er  wollte  auch  nicht  die  unterirdischen 
Götter  und  damit  die  zu  Ende  gehende  Zeit  feiern,  an  die  nur 
die  das  Festlied  singenden  8X9  Knaben  und  Mädchen  erinnerui 
also  die  bei  allen  den  Zorn  der  Unterirdischen  abwendenden 
Sühnfesten  übliche  Zahl  (Diele  S.  38  fip.,  bes.  43  fip.),  vielmehr 
von  ihr  ab  in  die  goldene  Zukunft  den  Blick  lenken  und  setzte 
daher  Heil  und  Segen  spendende  Lichtgottheiten  für  jene  ein 
(Mommsen  JSJpÄem.  ep.  VIII  p.  237).  Neu  war  femer  die  üebertra- 
gung  der  von  Varro  für  die  Weltgeschichte  erwiesenen  sibyllinischen 
Periode  von  110  Jahren  auf  die  Säcularspiele,  von  ihm  ange- 
deutet durch  den  Zug  der  110  Matronen,  proclamiert  durch  den 
Festdichter  (v.  21)  certus  undenos  dedens  per  annos  arbiß  ut 
cantus  referatqtie  ludos,  bestätigt  durch  die  Acta  (Z.  25,  Eph.  ep. 
Mll  p.  228)  s]acrificiuin  saeculare  ludosque,  qui  ceräenstmo  ei 
d[ecimo  anno  recutrunt].  Nach  Zosimue  (Π  4,  2)  hatte  ihm  die 
Bräuche  der  damals  nocb  junge  Ateius  Capito  als  Kenner  des 
Pontificalrechts  dargelegt  und  erklärt  (und  wohl  auch  nach  des 
Kaisers  Idee  zurecht  gemacht),  die  Zeit  die  mit  der  Aufsicht 
über  die  Sibyllinischen  Bücher  betraute  Priesterschaft  ermittelt, 
die  schon  im  Jahre  vorher  auf  seinen  Befehl  die  schwer  leserlich 
gewordenen  Bücher  neu  abgeschrieben  hatte;  damit  kein  Anderer 
sie  lese ,  giebt  Cassius  Dio,  dem  wir  diese  Nachricht  verdanken 
(54,  17,  2),  als  Grund  an;  die  wahre  Absicht  war  natürlich  die, 
frei  mit  ihnen  schalten  zu  können.  So  wurden  bei  dieser  Ge- 
legenheit unter  Benutzung  von  Hausfeiern  des  Yalerischen  Ge- 
schlechts für  die  Jahre  456/298,  346/408,  236/518  und  126/628, 
also  für  einen  Zeitraum  von  440  Jahren  von  17/737  an  zurück 
Säcularspiele  in  die  Sibyllinischen  Akten  gefälscht,  wie  Mommsen 
(Chronol,  185  f.)  erkannt  hat.  Dass,  worauf  Gardthausen 
{Augustus  I  1010.  U  624)  grossen  Werth  legt,  ein  neuer  Komet 
im  J.  17  den  Kaiser  bestimmt  habe,  die  schon  früher  begonnenen 
Vorbereitungen  rasch  abzuscbliessen,  hat  mich  nicht  überzeugen 
können.  Er  wird  bei  der  Wahl  des  Jahres  seine  besonderen 
Gründe  im  Auge  gehabt  haben  (Hirschfeld  Wiener  St ud.  UT  104), 
das  Ende  einer  zehnjährigen  Regierung,  die  Geburt  des  Lucius 
Caesar  und  die  Adoption  der  beiden  Enkel,  äusserlich  brachte  er 
das  Fest  mit  dem  Kometen  des  Jahres  44  in  Verbindung.  Dies 
erweisen  deutlich  zwischen  den  Jahren  17/737  und  15/739  ge- 
schlagene Münzen  des  M.  Sanquinius  mit  der  Erwähnung  der 
Ludi  eaeculares  auf  der  einen,  des  Kometen  des  Diuus  lulius  auf 


Die  Epochen  in  Varros  Werk  De  gente  popoH  Romani        251 

der  anderen  Seite,  and  wenn  andere  Eometenmünzen  aus  den 
Jahren  17  nnd  16  nehen  den  Spielen  den  Namen  des  Augustue 
nennen,  so  dürfen  wir  aus  jenen  und  aus  Münzen  mit  dem  Kopf 
des  Diuas  lalius  und  einem  Stern  darüber  auch  hier  uuf  den 
Kometen  des  Jahres  44  schlieseen^. 

Augustue  hat  in  Domitian  und  Septimius  Severus  Nachfolger 
für  seine  Rechnung  gefunden,  während  Claudius,  Antoninus  Pius 
und  die  Philipper  den  Schluss  der  Jahrhunderte  der  Stadt  ge- 
feiert haben.  Für  beide  Feiern  hat  Varro  den  Grund  gelegt  oder 
wenigstens  verstärkt;  für  die  letztere,  indem  er  dem  willkürlichen 
Hin-  nnd  Herrechnen  der  Griechen  ein  Ende  machte  und  durch 
seine  Autorität  ein  bestimmtes  Gründuugsjahr  (oder  zwei  an  ein- 
ander grenzende)  zu  allgemeiner  Anerkennung  brachte,  sodass 
überhaupt  erst  eine  officielle  Feier  möglich  wurde ;  für  die  erstere 
dadurch,  dass  er  die  von  den  Griechen  durch  Summierung  der 
Geschlechter  geschaffene  Zahl  440  in  Saecula  theilte  und  die  Zahl 
110  mit  der  der  Sibyllinischen  Bücher  verband.  So  hat  er,  zum 
Tbeil  nach  dem  Vorgange  Kastors,  die  bis  ApoUodor  geltende 
Rechnung  mit  Geschlechtern  aus  der  römischen  Litteratur  ver- 
drängt und  der  römischen  Chronologie  das  der  Eigenart  seines 
Volkes  entsprechende  Gepräge  für  die  Zeit  Heiner  Dauer  aufge- 
drückt. Welche  Marksteine  er  in  der  Geschichte  des  gegründeten 
Rom  angenommen  hat,  darüber  auch  nur  Vermuthungen  auszu- 
sprechen, fehlt  uns  jeder  Anhalt^  In  der  für  ihn  persönlich 
kritischen  Zeit  des  Jahres  43  wird  er  es  vielleicht  überhaupt 
vermieden  und  sich  mit  der  Registrierung  der  Ansichten  Anderer» 
wie  er  sie  überhaupt  liebte,  begnügt  haben. 

St.  Afra  in  Meissen.  Hermann  Peter. 


1  S.  Gardthausen  aO.  II  S  f)22f.  —  Hat  etwa  Aagastas  die  Zahl 
der  singenden  Mädchen  nnd  Koaben  aach  nur  beibehalten,  um  an  die 
27  seit  dem  Erscheinen  des  Kometen  verstrichenen  Jahre  zu  erinnern, 
wie  an  das  Saeculum  von  110  Jahren  durch  die  110  Matronen? 

3  Mommsen  Chron.  S.  21H  ff.  185  hat  das  von  Dionys  von  Hali- 
karnass  dem  'Senator  L.  Cincius  (fr.  4)  zugeschriebene  Gründungsjahr 
729  und  die  daraus  gefolgerte  Lange  der  Königszeit  von  220  Jahren 
mit  dem  100 jährigen  Saeculum  nnd  so  mit  Augustus  in  Beziehung  ge- 
setzt und  den  L.  Cincius  mit  einem  Philologen  in  der  Zeit  des  Augustus 
identificiert.  Der  durch  Blitzschlag  erfolgte  Tod  des  Königs  Tullus 
Hostilius  ist  schon  vor  Varro  in  das  J.  110  der  St.  verlegt  worden. 
Mommsen  Chron.  S.  138  f. 


zu  DER  INSCHRIFT  DER  ΑΡΗ  AI  Α  AUF 

AEGINA 


Die  Scblüeee,  zu  denen  M.  Fränkel  in  seiner  Besprechung 
der  Apbaia-Inschrift  oben  S.  152  —  156  gelangt,  kann  icb  nicht 
für  richtig  halten.  Er  glaubt  daraus,  dass  das  Cultlooal  der 
Aphaia  in  der  Inschrift  nicht  ναός,  sondern  οΤκος  genannt  ist, 
scbliessen  zu  dürfen,  dass  diese  Göttin  nicht  die  Besitzerin  des 
ganzen  Heiligthums  und  damit  des  erhaltenen  Tempels  sowie 
seiner  verlorenen  Vorgänger  war,  sondern  dass  Aphaia  nur  in 
einer  'dopenden ce'  wohnte,  der  Tempel  aber  einer  anderen  Göttin 
gehörte,  und  zwar,  wie  er  aus  Antoninus  Liberalis  40  glaubt  er- 
schliessen  zu  dürfen,  der  Artemis.  Er  geht  davon  aus,  dass  der 
οίκος  unserer  Inschrift  völlig  gleicher  Art  sei  wie  jene  Upal 
οΐκίαι,  von  denen  ü.  Köhler  in  den  Athen.  Mittheil.  VII  (1882) 
373  f.  handelt  und  von  denen  dieser  nachweist,  dass  sie  'zu  dem 
Zwecke  erbaut  waren,  als  Dependenzen  der  dabeistehenden  Tempel 
zu  dienen.'  Also,  schliesst  Fränkel,  da  unser  οΤκος  für  die  Aphaia 
gebaut  ist,  gewiss  aber,  wie  er  meint,  nicht  *nur  untergeordneten 
Zwecken  der  Verwaltung  gedient  haben'  kann,  indem  dagegen 
die  ^monumentale  Bekundung'  seiner  Errichtung  spräche,  da  der 
οΤκος  also  'den  Cult  der  Aphaia  anfnahm\  so  sei  'nothwendig 
die  Gottheit,  die  im  Tempel  verehrt  wurde,  von  Aphaia  ver- 
schieden' gewesen. 

Fränkel  scheint  hier  gar  nicht  zu '  bemerken,  wie  sehr  er 
sich  mit  sich  selbst  in  Widerspruch  gesetzt  hat.  Der  οΤκος  der 
Aphaia  ist  nach  ihm  gleich  den  Köhler^schen  Upai  οίκι'αι,  den 
'Dependenzen  der  dabeistehenden  Tempel'.  Allein  diese  waren, 
wie  Köhler  des  genaueren  ausführt,  'bestimmt,  heilige  Gegen- 
stände, welche  in  den  Tempeln  oder  sonst  keinen  Platz  fanden, 
aufzunehmen.  Von  den  Tempeln  unterscheiden  sie  sich  dadurch, 
dass  sie  kein  Cultbild  enthalten  und  keine  Opferhandlungen  in 
ihnen  vorgenommen  werden'.  So  Köhler ;  Beispiele  solcher  οΐκίαι 
und  οίκοι  in  Heiligthümern  sind  nach  Eöhler^s  Aufsatz  noch 
mehrere  durch  Inschriften  bekannt   geworden  und   sie  bestätigen 


Zu  der  Inschrift  der  Aphiiia  auf  Aegina  253 

seine  Definition,  in  oder  beim  Heiligtbum  von  Eleusie  waren 
nach  ilen  Inschriften  kpai  οΐκίαι  als  Wohnungen  für  die  Prie- 
eterinnen  (Έφημ.  άρχ.  1883,  119,  50  οΐκίαν  τήν  kpav  ου  ή  Wpeta 
οίκ€Ϊ;  126,  80  εΙς  τάς  ίεράς  οΙκίας  ταΐς  ίβρείαις).  ίη  den  Rech- 
nungen von  Deloe  kommen  mehrere  οΤκοι  in  dem  Heiligthume 
vor,  die  in  die  Kategorie  von  ^Dependenzen  der  Tempel  gehören, 
wie  der  οΤκος  im  Sarapieion  und  der  neben  dem  Isistempel;  ein 
οίκος  hier  wird  nur  nach  dem  Materiale  als  der  von  Porös,  einer 
als  der  der  Andrier  bezeichnet  (Bull,  de  corr.  hell.  1882,  VI^ 
29  ff.;  Dittenberger  syll.»  588  Z.  155.  178.  220.  230);  er  war 
offenbar  ein  Thesauros,  wie  denn  Plutarch  (de  Pythiae  orac.  12. 
13.  14)  den  Thesauros  der  Eorinthier  und  den  der  Akanthier  in 
Delphi  einfach  οΤκος  nennt.  Von  solcher  Art  war  gewiss  auch 
der  οίκος  im  Heiligthnm  von  Andania  (Dittenberger  syll.  ^  653, 
113  εις  τόν  οίκον  τόν  έν  τψ  Ιερψ).  Das  Charakteristische  und 
Wesentliche,  das  diese  οΤκοι  vom  Tempel  unterscheidet,  ist,  wie 
Köhler  hervorgehoben  hat,  dass  in  ihnen  kein  üultus  stattfindet. 
Allein  Frankel,  obwohl  er  seine  ganzen  Schlüsse  auf  der  ange- 
nommenen Identität  des  οΤκος  der  Aphaia  mit  den  von  Köhler 
behandelten  οΐκίαι  und  οΤκοι  aufbaut,  nimmt  gleichwohl  an,  dass 
der  äginetische  οΤκος  gebaut  war  zu  dem  Zwecke,  den  'Cultus 
der  Aphaia  aufzunehmen'  (S.  154),  ja  er  sagt  (S.  155),  der  οΤκος 
sei  'ohne  den  Altar  gar  nicht  denkbar',  er  sei  also  zweifelloser 
Cultraum ;  auf  S.  153  gibt  er  mir  auch  zu,  ich  habe  unzweifel- 
haft Hecht,  wenn  ich  behauptete,  dass  der  Gebrauch  des  Wortes 
οίκος  für  den  Cultraum  einer  GottheiJ;  durch  Analogieen  zu  be- 
legen sei.  Er  gibt  zu,  dass  die  Inschrift  von  Thisbe  CIGS.  I 
2733,  wo  ό  οΤκος  καΐ  ό  Διόνυσος,  'eine  Aedicula  mit  Cultbild', 
geweiht  wird,  ein  zwar  'später,  aber  passender  Beleg*  sei.  Hier 
liegt  der  Widerspruch.  Wenn  der  οίκος  unserer  Inschrift  den 
Gultraum  der  Aphaia  bedeutet,  dann  ist  es  eben  ein  οίκος  ganz 
anderer  Art  als  die  von  Köhler  besprochenen  οίκοι  und  οΐκίαι, 
deren  Wesen  darin  besteht,  dass  sie  des  Cultes  entbehren.  Wenn 
Fränkel  den  äginetischen  οίκος  dem  Culte  der  Aphaia  bestimmt 
sein  lässt,  dann  sind  alle  seine  Schlüsse  aus  der  'Dependenz  - 
Eigenschaft  jener  ganz  verschiedenen  Köhler*schen  οΐκίαι,  also 
vor  allem  der  Schluss  auf  eine  von  Aphaia  verschiedene  Besitzerin 
des  Heiligthums,  gänzlich  hinfällig. 

Die  von  Köhler  behandelten  iepai  οΐκίαΐ  sind  von  den 
Tempeln  in  ihrem  Wesen,  da  sie  nicht  dem  Cultus  dienen  und 
kein    Cultbild   enthalten,   durchaus  verschiedene  Bauten.     Allein 


254  Furt  wandlet 

der  ägiDetieche  οίκος  der  Aphaia,  wenn  er,  wie  auch  Fränkel 
annimmt,  dem  Cultae  dieser  Göttin  diente,  was  war  er  denn 
andere  als  ein  Tempel? 

£8  war  im  Alterthum  ein  häufiger  Fall,  daee  innerhalb 
eines  grösseren  Heiligthums  sich  Tempel  befanden,  die  nicht  der 
Hauptgottheit,  nicht  dem  Inhaber  des  ganzen  Heiligthums,  son- 
dern anderen  Gottheiten  gehörten.  Allein  das  regelmässige  Wort 
für  einen  solchen  Tempel  ist  ναός  genau  wie  für  den  Haupt- 
tempel ^  Dass  οίκος  etwa  der  Ausdruck  für  einen  Tempel  jener 
Art  wäre,  hat  nie  Jemand  behauptet  und  eine  solche  Behauptung 
wäre  ja  auch  gänzlich  grundlos. 

Also  nach  gewöhnlichem  Gebrauche  müsste  das  Cnltlocal 
der  Aphaia,  von  dem  auch  nach  Fränkel  in  unserer  Inschrift  die 
Eede  ist,  ναός  heissen.  Der  Ausdruck  οίκος  ist  ungewöhnlich 
für  ein  Cultlocal;  allein,  wie  auch  Fränkel  zugibt,  durch  Ana- 
logieen  zu  belegen.  Ich  hatte  dabei  erinnert,  dass  auch  οίκημα 
für  einen  dem  Culte  dienenden  Bau,  dh.  Tempel  verwendet  vor- 
kommt, wie  denn  Pausanias  zB.  das  Erechtheion  so  nennt.  Fränkel 
weist  gewiss  mit  Recht  darauf  hin,  dass  οίκημα  einen  allgemeineren 
Begrifi^  habe,  wie  unser  ^Bauwerk';  allein  es  genügt  jener  Ge- 
brauch iminerhin  zum  Beweise,  dass  ein  Tempel  nicht  immer  nur 
ναός  genannt  werden  musste,  sondern  dass  dazu  auch  eine  von 
οίκεΐν  abgeleitete  allgemeinere  Bezeichnung  verwendet  werden 
konnte.  Uebrigens  hatte  ja,  ebenso  wie  οίκος  nicht  immer  einen 
cultlosen,  sondern  auch  einen  Cultranm  bezeichnet,  auch  ναός 
nicht  immer  die  letztere  Bedeutung,  sondern  zuweilen  auch  die 
eines  cultlosen  der  Gottheit  geweihten  Thesauros  (Polemon  bei 
Athen.  XI  p.  479  f.;  Strabo  XI  p.  637  ναΐσκοι). 

Anders  stände  die  Sache  natürlich,  wenn  sich  nachweisen 
Hesse,  dass  οίκος  überhaupt  niemals  und  unter  keinen  umständen 
ein  dem  Culte  dienendes  Local  bezeichnen  könne.  Dann,  und 
nur  dann  müssten  wir  annehmen,  dass  der  der  Aphaia  gebaute 
οίκος  unserer  Inschrift  nur  als  Thesauros,  als  Priesterwohnnng 
oder  für  Verwaltungszwecke  errichtet  worden  wäre.  Auch  dann 
würde  natürlich   jede  Spur    von  Anhalt  fehlen,    als  Hauptgöttin 

^  Ein  Beispiel,  bei  welchem  zugleich  das  Wort  οΐκος  vorkommt, 
bietet  die  Inschrift  von  Anaphe,  GIG  Ina.  III,  248,  die  von  dem  Baue 
eines  ναός  der  Aphrodite  innerhalb  des  Upov  des  Apollon  handelt  und 
den  Ort  wo  der  Bau  stattfinden  soll  bestimmt  όιτ€ΐ  ά  έλα(α  ά  ποτ!  τόν 
Εύδώρ€ΐον  οίκον  καΐ  τόν  McibUciov;  dies  sind  natürlich  οίκοι  der  oben 
besprochenen  Art. 


Zu  der  Inschtift  der  Aphaia  auf  Aegina  255 

des  Heiligthams    eine    andere    als  die  in  der  Inschrift    genannte 
Aphaia  zn  vermuthen. 

Allein  auch  abgesehen  von  den  Analogieen,  welche  gestatten 
οΤκος  hier  für  den  Caltraum  der  Aphaia  zn  nehmen,  spricht  die 
ganze  Art  and  die  Fassung  der  Inschrift  für  diese  Auffassung. 
Die  Inschrift  beurkundet  in  feierlicher  Form,  dass  unter  dem 
Priester  Eleoitas  (oder  des  Eleoitas  Sohne)  das  Haus  für  die 
Aphaia,  dh.  eben  ihr,  der  Göttin  Hans  gebaut  worden  ist.  Was 
soll  dies  Haus  der  Aphaia  anderes  sein  als  ihr  Tempel?  Das 
eigens  für  die  Göttin  selbst  gebaute  Haus  kann  nur  für  ihren 
Cultus  bestimmt  sein.  Anders  steht  die  Sache  mit  den  Weih- 
inschriften, welche  berichten,  dass  Jemand  einen  οΤκος  der  oder 
jener  Gottheit  geweiht  hat^.  Man  kann  der  Gottheit  ja  alles 
mögliche  weihen,  was  nicht  für  ihren  Cultus  bestimmt  ist,  also 
auch  einen  οΤκος  für  irgendwelche  Zwecke  wie  Aufbewahrung 
von  Dingen,  Verwaltung,  Wohnung.  Bei  diesen  Weihinschriften 
bleibt  es  uns  also  ungewiss,  ob  der  οΤκος  dem  Culte  oder  an- 
deren Zwecken  diente.  Die  äginetische  Bauurkunde  ist  anderer 
Art;  der  οΤκος  hier  ist  für  die  Aphaia,  dh.  doch  für  sie  zur  Woh- 
nung, zum  Cultus  erbaut,  nicht  blos  ihr  geschenkt  wie  irgend 
ein  anderer  Gegenstand.  Und  dann  kommt  dazu:  χώ  βιυμός  .  . 
ποτεποιήθη,  auch  der  Altar  ward  hinzugebaut.  Dies  ist  ein  voll- 
kommen correcter  Ausdruck  für  einen  vor  der  Front  «ines  neuen 
Tempels  hinzugefügten  neuen  Altar,  und  durchaus  nicht  Wunder- 
lich', wie  Frank el  meint.  Ebenso  ward  bei  dem  neuen  Tempel- 
bau,  der  noch  erhalten  ist,  ein  neuer  Altar  in  der  Achse  des 
Tempels  und  parallel  demselben  vor  seiner  Front  hinzugefügt. 
Die  Erwähnung  des  zu  dem  οίκος  gehörigen  Altares  in  der  In- 
schrift ist  der  unzweideutigste  Beweis  dafür,  dass  jener  der  Cult- 
raum  ist.  Von  dem  mit  dem  βωμός  zusammen  erwähnten  έλέφας 
sei  hier  abgesehen,  da  seine  Bedeutung  nicht  ohne  weiteres  deut- 
lich ist;    obwohl    ich  glaube,    dass  der  Ausdruck  nichts  anderes 


^  So  die  Inschrift  von  Samothrake,  Conze  Samothr.  1 41  No.  8,  wo 
ein  οΤκος  den  θ€ο1ς  μεγάλοις  geweiht  wird ;  in  einer  Inschrift,  die  wahr- 
scheinlich von  Smyrna  stammt  (CIG  31 G3),  wird  ein  οίκος  den  Nemeseis 
geweiht.  *In  einer  Inschrift  des  vierten  Jahrhunderts  von  Astypalaia  ward 
nach  der  früheren  Lesung  (CIO  II  add.  2491  c)  ein  οΐκος  dem  Apollo 
geweiht,  doch  ist  die  Lesung  bezweifelt  worden ;  nach  Hiller  von  Gärt- 
ringen's  Abschrift  (CIO  Im,  III  185)  ist  .  .  καν  sicher  und,  da  nur 
zwei  Buchstaben  vorangehen  dürfen,  ist  die  Ergänzung  οΐ]κον  unab- 
weislicb. 


25Ö  Furtwängler 

als  das  Elfenbeinbild  bezeichnen  kann.  Es  moRs  hier  in  der 
monumentalen  Banurkunde  neben  οΤκος  und  βωμός  etwae  Weeent- 
liches  und  Wichtiges  gemeint  sein,  wie  es  das  Cultbild  war; 
etwas  so  gänzlich  Nebensächliches  wie  etwa  Elfenbeinschmuck 
an  den  Thüren,  den  Fränkel  hier  verstehen  will,  ist  gewiss  nicht 
anzunehmen;  abgesehen  davon,  dass  die  durch  die  Ausgrabung 
erwiesenen  überaus  einfachen  Verhältnisse  des  Heiligthums  in  der 
Zeit  der  Inschrift  prunkvollen  Schmuck  sehr  wenig  wahrschein- 
lich machen.  Das  Elfenbein*  mnss  etwas  Integrirendes  be- 
zeichnet haben.  Fränkel  ist  der  Ansicht,  dass  das  Verbum  ποτ- 
εποΐήθη  nicht  zu  einem  Cultbild  passe ;  allein  mit  Unrecht:  in 
Olympia  zB.  wurde  ja,  wie  wir  jetzt  genau  wissen,  wirklich  das 
neue  (goldelfenbeinerne)  Cultbild  zu  dem  neuen  Tempel  sogar 
erst  längere  .Zeit  nach  dessen  Vollendung  'hinzu*  gemacht,  in 
unserer  Inschrift  steht  das  Haus  der  Göttin  als  die  Hauptsache 
voran,  dann  folgen  Altar  und  Bild.  Ganz  so  würde  man  wohl 
auch  in  unseren  Zeiten  die  Banurkunde  über  eine  neue  Kirche 
abfassen  und  den  Bau  voran  nennen,  Altar  und  Bilder  als  'hin- 
zugemacht*  folgen  lassen. 

Nach  Fränkels  Erklärung  der  Inschrift  will  diese  mit  χώ 
βωμός  ποτεποιήθη  sagen  *  es  wurde  dem  vorhandenen  Altare 
der  Artemis  ein  zweiler  beigesellt'.  Allein  es  heisst  ja  ό  βιυμός, 
der  Altar,  nicht  βωμός;  die  Inschrift  kennt  nur  den  einen  Altar 
und  unterscheidet  ihn  nicht  von  einem  zweiten.  Uebrigens  ist 
jene  Annahme  auch  unantik  gedacht.  Ein  vorhandener  Altar 
kann  durch  einen  neuen  ersetzt  werden;  ein  neuer  Altar  ueben 
einem  vorhandenen  wird  aber  nur  einem  neuen  Culte,  also  einer 
neuen  Differenzierung  derselben  Gottheit  oder  einer  anderen  Gott- 
heit haben  gelten  können ;  einfach  einen  zweiten  demselben  Culte 
dienenden  Altar  einem  vorhandenen  beizugesellen*,  widerspricht, 
soviel  ich  sehen  kann,  antiker  Anschauung. 

Also  der  Altar  gehört  zum  οίκος,  und  dieser  ist  der  Wohn- 
raum der  Aphaia.  Anders  scheint  mir  die  Inschrift  nicht  ge- 
deutet werden  zu  können. 

Allein  der  Fränkerschen  Annahme  stehen  nicht  nur  die 
Inschrift,  sondern  auch  noch  andere  wichtige  Thatsachen  im  Wege. 

Vor  allem  die  Funde  selbst.  Wir  haben  ausser  der  grossen 
Aphaia-Inschrift  noch  eine  zweite  gefunden,  welche  die  Göttin 
nennt  (Sitzungsber.  d.  bayr.  Akad.  1 901  S.  370) ;  es  ist  eine 
Weihung;  sie  steht  auf  dem  Fragment  eines  flachen  Opfer beckens 
einer  eigenen  Art,   wie  sie  eben  diesem  äginetisohen  Heiligthom 


Ζα  der  Inschrift  der  Aphain  auf  Aegina  257 

eigen  ist.  Wir  dürfen  ohne  Weiteres  annehmen,  dass  die  zahl- 
reich im  ganzen  Heiligthum  zerstreut  gefundenen  Reste  gleicher 
Becken  ebenfalls  zn  Weihgeschenken  an  Aphaia  gehörten  und 
ihrem  Culte  dienten.  Wir  haben  ferner  auch  auf  dem  Fragmente 
eines  Marmorbeckens  den  wahrscheinlichen  Rest  einer  Weihnng 
an  Aphaia  (αφ  .  .)  gefunden.  Auch  diese  Marmorbecken  bildeten 
eine  relativ  bedeutende  Klasse  von  Weihgeschenken  in  dem  Heilig- 
thum. Die  wenigen  sonstigen  Fragmente  von  Weihungen  ent- 
halten keinen  Namen  einer  Gottheit.  Eine  andere  Gottheit  als 
Aphaia  ist  nirgends  genannt. 

Die  örtlichen  Verhältnisse  zeigen  femer  deutlich,  dass  nur 
ein  Cultus  hier  gepflegt  wurde,  in  alter  Zeit  auf  sehr  eng  be- 
grenztem Räume.  Für  jede  der  Epochen  ist  je  nur  ein  grosser 
Altar  nachweisbar.  Die  Baulichkeiten  der  frühen  Epoche,  wel- 
cher unsere  Inschrift  —  schon  auf  Grund  der  Eigenart  des  ver- 
wendeten Materiales  ~  zugewiesen  werden  muss,  müssen  über- 
aus einfach  gewesen  sein.  Der  οΤκος  war  sicherlich  wirklich  nur 
ein  Haus,  eine  Cella  ohne  Säulenumgang.  Die  relative  Grösse 
und  Monumentalität  der  Inschrift  beweist  aber  jedem  der  ört- 
lichen Verhältnisse  Kundigen,  dass  der  ihr  zugehörige  Bau  gewies 
nicht  eine  blosse  'Dependenz  eines  Tempels,  sondern  eben  der 
damalige  Hauptbau  gewesen  sein  muss.  Vor  allem  ist  indees 
überhaupt  gar  kein  Platz  vorhanden  in  dem  beschränkten  Raum 
des  alten  Heiligthums,  wo  der  von  Fränkel  angenommene  zweite 
Tempel  gestanden  haben  sollte. 

Endlich  ist  auch  unter  den  bildlichen  Funden  nicht  die  ge- 
ringste Spur  davon,  dass  zwei  Gottheiten  hier  verehrt  wurden, 
und  nicht  die  geringste  Spur  namentlich  deutet  auf  Artemis,  die 
Franke!  als  Hauptgottheit  vermuthet.  Unter  den  zahlreichen 
Terrakotten  ist  keine  einzige,  die  etwas  von  Artemis  hätte. 

Der  Fränkerscheu  Annahme  steht  ferner  entgegen  des  Ρ  a  u- 
sanias  Zeugniss,  der  unser  Heiligthum  als  das  Ιερόν  der 
Aphaia  bezeichnet  und  einen  Tempel  der  Artemis  nur.  unten  in 
der  Stadt  kennt.  Fränkel  muss  einen  unerhörten  Irrthum  des 
gerade  in  solchen  Dingen  genauen  Periegeten  annehmen.  Wäre 
übrigens  die  Aphaia  nur  nebenbei  in  einem  Artemis- Heiligthum 
verehrt  worden,  wie  Fränkel  meint,  so  würde  sie  wohl  längst 
▼or  Pausanias  verklungen  gewesen  sein.  Ihr  Name  haftete  an 
dem  lange  schon  verödeten  Heiligthum  aber  nur,  weil  es  wirk- 
lich ihr  Heiligthum  und  nicht  das  einer  anderen  Gottheit  wie 
der  Artemis  war. 

Übeln.  Mim.  f.  l*hlloI.  N.  F.  LVIL  17 


258     Furtwängler  Zu  der  Inschrift  der  Aphaia  auf  Aegina 

Schlieeelich  beruht  auch  die  Meinung  Fränkele,  bei  Anto- 
ninus  Liberalis  (c.  40)  sei  bezeugt,    daes    unser    Heiligthum 
der  Artemis  gehört  habe,  auf  einem  Irrthum,  und  es  ist  vielmehr 
das  Gegentheil  richtig.     Antoninus  bezeugt,  dass  das  Heiligthum 
der  Aphaia  und  das  der  Artemis  verschiedene  Localitäten  waren, 
f)  hl  Βριτόμαρτις  άποβασα  έκ  τοΟ  πλοίου  κατέφυγεν  εΙς  αλσος 
οθι  πέρ  έστι  νυν  αυτής  τό  Ιερόν,  κάνταυθα   έγένετο  αφανής. 
Hiermit  ist  bezeugt  ein  Ιερόν  der  Britomartis,    die  dann  Aphaia 
genannt  wurde,  in  einem  αλ(Τος  auf  Aegina,  da  wo  die  Legende 
die  Aphaia  αφανής    werden   liess.     Nachher  heisst  es  von  dem- 
selben Orte  τόν  hk  τόπον,  έν  φ  αφανής  έγένετο  ή  Βριτόμαρτις, 
αφιέρωσαν  Αίγινήται  καΐ  ώνόμασαν  Άφάην  κα\  ίερά  έπετέλεσαν 
ώς  θεψ.    Also  jenen  Ort  wo  die  Β ritomartis- Aphaia  yerschwaDd, 
haben  die  Aegineten  zu  einem  Ιερόν  dieser  Göttin  gemacht  und 
ihr   fortan    hier  geopfert.     Der    Ort   war  also  vorher  noch  kein 
Ιερόν,    sondern    er    wurde  erst  dazu  gemacht,    und  zwar  nur  zu 
einem  Ιερόν    der  Aphaia.      Also    etwas   ganz    anderes    als    was 
Fränkel  annimmt  ist  überliefert.    Hätte  Franke!  Recht,  so  müsste 
Antoninus  sagen  :  Britomartis  floh  in  das  Heiligthum  der  Artemis 
und  hier  erhielt   auch  sie   dann  Verehrung ;    statt    dessen    heisst 
es  aber,  Britomartis  floh  in  ein  &\θος,  und  der  Ort  wo  sie  hier 
verschwand,   wurde  zu    ihrem  Ιερόν  gemacht.    Mit  den  zwischen 
den  beiden  angeführten  Sätzen    stehenden,    auf  die  erste  Erwäh* 
nung   des   Verschwindens    folgenden  Worten  έν  hi  τψ  ίερφ  τής 
'Αρτέμιδος  wird  ein   neues  anderes   Local   eingeführt,    das    nach 
dem    klaren  Wortlaute    unmöglich   identificiert  werden  kann  mit 
dem  Orte   des  Verschwindens,  der    von    den   Aegineten    erst    zu 
einem  Ιερόν,  und  zwar  dem  der  Britomartis-Aphaia  gemacht  wird. 
Das    folgende    τόν   hk   τόπον   zeigt,   dass  nach  'Αρτέμιδος  eine 
Lücke   in    der  Ueberlieferung  ist,    die    wir  nicht  mehr  ausfüllen 
können ;  die  Conjectur  τόν  τε  τόπον  ist  nicht  zulässig,  weil  das 
noch  namenlose  αλ(Τθς,  in  dem  Britomartis  verschwindet,  und  das 
Ιερόν  der   Artemis  eben  als  zwei  getrennte  Oertlichkeiten   ange- 
führt werden.     Der  Autor  erwähnt  erst  das  noch  namenlose  SK- 
(Τος,  den  Ort  des  Verschwindens,  dann  das  Ιερόν  der  Artemis,  in 
dem  etwas  war  das  leider  ausgefallen  ist,  und  kehrt  dann  zu  dem 
ersteren  Orte  zurück  mit  der  Bemerkung,   dass  dieser  zum  Hei- 
ligthum der  nun  Aphaia  genannten  Britomartis  wurde.    Das  Ιερόν 
der  Artemis  auf  Aegina  ist  uns  durch  Tansanias  bekannt;  es  lag 
unten  in  der  Stadt ;  das  Ιερόν  der  Aphaia  aber  haben  die  neuen 
Ausgrabungen  aufgedeckt. 

A.  Furtwängler. 


LEGIONEN  DES  ORIENT 

auf  Grund  der  Notitia  dignitatum 


Im  Orientheer,  wie  es  uns  die  Notitia  dignitatum  über- 
liefert, finden  wir  ungefähr  92  Legionen  mit  folgenden  Artbe- 
Zeichnungen :  palatinae,  comitatenses,  pseudocomitatenees,  ripa> 
rienaes  und  solche  ohne  jede  Artbezeichnung.  Der  Versuch,  auf 
Grund  der  Not.  dignit.  von  den  damaligen  Zuständen  des  römi- 
schen üeeres,  speziell  den  Legionen  ein  Bild  zu  geben,  beab- 
sichtigt einer  Lücke  abzuhelfen,  die  in  unsrer  Kenntnise  des 
römischen  Heerwesens  um  400  n.  Chr.  deutlich  hervortritt.  Die 
Behandlung  der  Legionen  gliedert  sich  nach  den  5  Artbezeich- 
nungen, unter  denen  sie  erscheinen. 

A.  Palatinische  Legionen. 

1.  Artbezeichnung  und  Verwendung.  Es  sind  dies, 
wie  schon  der  Name  sagt,  die  Palast-  oder  Gardelegionen  der 
Kaiser,  und  wir  finden  sie  auch,  entsprechend  ihrer  Bezeichnung, 
unter  den  2  Reichsmarschällen,  den  ^  magistri  militum  praesen- 
tales  ,  im  Innern  des  Reiches  stehend,  meist  in  Byzanz,  wo  sich 
ja  der  Hof  des  Kaisers  am  meisten  aufhielt.  Die  Stellung  dieser 
Legionen  brachte  es  zweifellos  mit  sich,  dass  sie  die  angesehensten 
Truppen  waren,  wie  sie  ja  auch  bei  der  Aufzählung  der  Legionen 
stets  an  der  Spitze  stehn.  Wir  können  hIso  annehmen,  dase  diese 
palatinischen  Elitetruppen,  in  2  Corps  gegliedert,  eine  Art  Re- 
serve bildeten,  aber  in  dem  Sinne,  wie  dieser  Begriff  zu  Napo* 
leons  I.  Zeiten  gebraucht  wurde.  In  der  Nähe  der  Hauptstadt 
garnisonirend  und  durch  die  stets  am  Hof  anwesenden  Garde- 
commandeure  direct  zur  Verfügung  des  Kaisers  stehend,  waren 
sie  die  letzten  verwendbaren,  aber,  weil  Gardelegionen,  aus- 
schlaggebenden Truppenkörper,  die  radial  den  bedrohten  Reichs- 
grenzen  zugeführt  werden  konnten. 


260  Mangold 

• 

2.  Besondere  Yerhältnisse.  Die  einzige  Ausnahme, 
wo  Artbezeichnnng  und  Verwendung  nicht  übereinstimmen,  ist 
die  palatinische  Legion:  Britones  Seniores.  Mau  kann  sich 
diese  Abweichung  entstanden  denken  durch  eine  Detachirung,  die 
infolge  zwingender  Bedürfnisse  nöthig  geworden  war;  und  es  ist 
ganz  leicht  möglich,  dass  ein  Zusammenhang  besteht  zwischen 
der  drohenden  Stellung  Alarichs  in  den  illyrischen  Gegenden  und 
jener  Entsendung  zu  dem  dortigen  magister  militum.  (Man  ver- 
gleiche die  3.  russische  Gardedivision  in  Warschau  und  die  kau- 
kasische Grenadierdivision.)  Für  die  Möglichkeit,  so  diese  Diffe- 
renz auszugleichen,  kann  noch  folgende  Erscheinung  als  Beweis 
beigebracht  werden,  dass  nämlich  Legionen,  die  mit  .ihrer  Haupt- 
macht nicht  in  den  Donaulandschaften  garnisoniren,  entweder  dort- 
hin detachiren  oder  zur  Verfügung  der  magistri  militum  per 
Thracias  und  per  Illyricum  stehen,  auch  wenn  sie  ganz  am  an- 
deren Ende  des  Reiches  ihr  Stand lager  hatten.  So  steht  unter 
dem  magister  militum  per  Thracias  die  in  Thebais  garnisonirende 
comitatensische  Legion  I.  Maximiana  Thebaeorum,  ferner 
die  in  Aegypten  und  der  Thebais  stehende  comitatensische  IIL 
Diocletiana  Theba'idos.  Die  Diöcese  Aegypten  konnte 
wohl  auch  am  ehesten  solche  Abgaben  ertragen,  denn  sie  war 
doch  damals  wohl  am  wenigsten  von  Feinden  gefährdet.  Viele 
derartige  Verschiebungen  werden  wir  später  noch  zu  erwähnen 
haben. 

3.  Benennung  der  Legionen.  Diese  13  orientali- 
schen Palastlegionen  haben  folgende  Namen :  Britones,  Nervii, 
Bleikugelschleuderer,  Lanzenwerfer,  Daci,  Scythi.  Eine  Legion 
heisst  bloss  'Die  Tapferen';  eine  andere,  die  der  'Primani%  ist 
wahrscheinlich  identisch  mit  der  legio  I.  Augusta.  Schliesslich 
gibt  es  noch  'Elfer',  Undecimani. 

B.  Comitatensisch«  Legionen. 

1.  Art  bezeichnung  und  Verwendung.  Nach  der 
Artbezeichnung  zu  schliessen,  sind  es  wohl  diejenigen  Legionen, 
die  die  Feldherrn  ins  Feld  *  begleiteten',  was  auch  durch  die  Ver- 
wendung, die  sie  erfahren,  bestätigt  wird.  Sie  stehen  nämlich 
alle  (38  an  der  Zahl)  unter  den  3  magistri  militum  und  den 
duces  der  Grenzprovinzen.  Jedoch  sind  die  unter  den  dnces 
stehenden  Legionen  nur  solche,  die  auch  unter  den  Truppen  der 
magistri  aufgeführt  werden.  Diese  Erscheinung  hat  wohl  den 
Grund,    dass    solche   Legionen   mit  doppelter  Commandatur  zwar 


Legionen  des  Orient  261 

im  Bereich  dem  dux  unterstehenden  Grenzgebietes  dislocirt  waren 
und  somit  auch  der  dux  ein  gewisses  Yerfügungsrecht  über  sie 
hatte  —  denn  ein  Grenzschutz  auf  exponirter  Linie  verlangt  eine 
einheitliche  Commandostelle,  —  dass  sie  aber  jederzeit  von  dem 
magister  zu  Expeditionen  unter  seinen  Befehl  zurückgenommen 
werden  konnten. 

2.  Besondere  Verhältnisse.  Zuerst  haben  wir  die 
Erscheinung  zu  verzeichnen,  dass  eine  Legion  oder  ihre  Theile 
zweien  und  mehr  Commandeuren  unterstellt  werden  kann :  zB. 
die  comitatensische  Y.  Macedonica,  die  zwar  in  Dacia  ripensis 
und  Aegypten  garnisonirt,  aber  dem  magister  militum  per  Orien- 
tem  unterstellt  ist.  Vielleicht  liesse  sich  dieses  Unicum  so  er- 
klären, dass  diese  Legion  ursprünglich  dem  magister  per  Orientem 
unterstand,  dann  aus  unbekannten  Gründen  nach  Aegypten  ver- 
legt worden  ist  oder  schon  vorher  dort  garnisonirte  und  so  auch 
zu  den  Truppen  des  comes  limitis  Aegypti  gehörte.  Dieser  aber 
musste,  wohl  aus  den  gleichen  Gründen,  wie  bei  der  L  Maxi- 
miana  und  der  IIL  Diooletiana  (s.  o.  j,  jetzt  auch  von  der  V.  Mace- 
donica  zum  Donauschutz  detachiren.  —  Nach  Dacia  ripensis  hatte 
ferner  die  dem  comes  limitis  Aegypti  zugehörige  XIILGemina 
eine  Abtheilung  geschickt.  —  Dieses  Beispiel  und  das  der  Π.  Tra- 
j  a  η  a  sind  die  einzigen,  dass  sich  Grenzcommendeure  in  das 
Commando  über  eine  Legion  theilen. 

Sehr  merkwürdig  ist  weiter  das  Verhältniss  der  X.  und 
XIV.  Gemina,  die  in  Pannonien  unter  den  dortigen  duces  — 
also  im  Westreich  —  stehen,  ausserdem  auch  noch  bei  den 
Truppen  des  magister  militum  per  Thracias  gefuhrt  werden. 
Diese  Erscheinung  und  die  der  ΥΠ.  Gemina,  die  in  Leon  in 
Spanien  liegt  und  zu  den  Truppen  des  magister  per  Orientem 
gehört,  vermag  ich  nicht  zu  erklären. 

Femer  gehört  hierher  die  11.  Fla  via  Constantia  The- 
baeorum,  die  in  Thebai's  liegt  und  doch  dem  magister  per 
Orientem  zugehört.  Wenn  man  nicht  zufällige  Garnison  dort 
annimmt,  kann  man  dies  wohl  so  erklären,  dass  dem  ägyptischen 
Heer  nach  seinen  grossen  Abgaben  nach  der  Donau  von  den  am 
nächsten  stehenden,  verfügbaren  Truppen  (und  dies  sind  eben  die 
des  magister  per  Orientem)  die  U.  Flavia  Constantia  Thebaeorum 
zugewiesen  wurde,  um  die  entstandenen  Lücken  auszufüllen. 

Dies  sind  die  ungewöhnlichen  Verhältnisse,  die  bei  oomita- 
tensischen  Legionen  vorkommen  und  sich  meist  erklären  lassen. 
Im  allgemeinen  steht  fest,  dass  die  in  grossen  Massen  unter  den 


262  Mangold 

magietri  militum  fltehenden  comitaten  sieche  η  Legionen  eine  Art 
Reserve  zweiter  Gattung  bildeten,  indem  sie,  mehr  im  Inneren 
des  Reiches  stehend,  jederzeit,  ohne  die  Grenztruppen  schwächen 
zu  müssen,  zur  Offensive  vorgehen  konnten,  bei  Defensive  aber 
die  Grenzcorps  verstärken  und  als  Unterstützung  bezw.  Auf- 
nahme hinter  der  Grenzlinie  Stellung  nehmen  konnten.  Drei  solcher 
Corps  gab  es :  in  lllyricum,  Thracien  und  im  Orient.  Schon  die 
Vertheilnng  der  Legionen  auf  diese  3  Heere  zeigt,  dass  die  Do- 
nau land  Schäften  damals  am  meisten  Truppen  beanspruchten:  denn 
dort  stehen  2  'Actionscorps*,  wie  man  sie  vielleicht  bezeichnen 
kann,  jedes  einzelne  stärker  al«  das  orientalische.  Jedenfalls  hat 
bei  den  comitatensischen  Legionen  schon  in  häußgerer  Weise  als 
bei  den  palatinischen  die  Noth  eine  Verwendung  dieser  Legionen 
geboten,  die  nicht  mehr  der  in  der  Artbezeichnung  angedeuteten 
Verwendung  entsprach. 

3.  Legionenamen.  Ausser  den  schon  erwähnten  Namen 
bei  den  Legionen  mit  besonderen  Befehleverhältnissen,  finden  wir 
noch  folgende:  Leute  des  Mars,  Ballistenschützen,  Germanen, 
Gallier,  Lanzenwerfer,  Kaukasier,  Leute  aus  den  Donauland- 
sohaften,  Legionen  mit  den  Namen  der  Diana,  Minerva  und 
der  Kaiser. 

C.  Psendocomitatensische  Legionen. 

Sie  stehen  wie  die  comitatensischen  im  Inneren  des  Landes 
unter  den  magistri  militum.  Das  Wort  pseudocomitatensis'  wird 
wohl  so  zu  erklären  sein,  dass  diese  Legionen  zwar  wie  die  co- 
mitatensischen verwandt  wurden,  ihnen  aber  sonst  nicht  gleich- 
gestellt waren.  Sie  kommen  in  der  Hangordnung  am  Ende  und 
ihre  Namen  haben  einen  auxiliären  Beigeschmack,  der  nicht  voll- 
gültige, echte  Legionen  verräth.  Die  Ueberlieferung  sagt  auch, 
dass  sie  an  Ansehen  und  Gehalt  den  übrigen  Legionen  nachstanden. 
Jedenfalls  gamisonirten  sie  um  400  n.  Chr.  nicht  an  der  Grenze, 
wie  Forcellini  meint. 

Die  legio  L  Italica  ist  hier  noch  zu  erwähnen,  die  als 
ripariensis  unter  dem  dnx  Moesiae  IL  und  gleichzeitig  als  pseu- 
docomitatensis  unter  dem  magister  militum  per  Orientem  steht. 
Die  einzige  Erklärung  wird  wohl  die  sein,  dass  sie  zuerst  als 
pseudocomitatensis  unter  dem  magister  stand  und  wie  so  viele 
andere  an  die  Donau  gesandt  wurde,  wo  sie  dann  unter  dem  dux 
als  ^Uferlegion  verwandt  wurde,  nachdem  sie  entweder  einen 
Theil  im  Orient  zurückgelassen  hatte,  der  natürlich  pseudocomi- 


Legioneu  des  Orient  263 

tatene  blieb,    oder   aber  als  peeudocomitatateneische    za   des  ma- 
gister  Verfügung  stand. 

Die  Namen  dieser  Legionen  sind  sehr  oft  von  Städten  und 
Ländern  abgeleitet,  allein  von  den  9  in  Illyrien  haben  6  Namen 
von  dortigen  Städten  und  die  Vermuthung  liegt  nahe,  dass  diese 
auch  ihre  Gamisonsorte  waren.  Sonst  gibt  es  noch:  2  armeni- 
sche, 2  italische,  1  parthische-Legion,  Bogenschützen  (!),  Schleu- 
derer (!),  fortenses  anxiliarii,  Transtigritani,  Ballistarii  und  solche 
mit  des  Theodosius  Namen. 

D.  Ripariensische  Legionen. 

Es  sind  dies  (ausser  der  schon  erwähnten  I.  Italica): 
II.Herculia,  XI.  Claudia,  I.  Jovia  in  Scythia  und  Moesia  Π. 
Warum  aber  werden  die  in  Moesia  I.  und  Dacia  ripensis  gele- 
genen Legionen  nicht  auch  riparienses  genannt?  Irgend  eine 
grössere  Bedeutung  kann  dieser  Name  nicht  gehabt  haben,  viel- 
leicht war  es  nur  ein  ehrender  Znsatz,  wofür  geltend  gemacht 
werden  kann,  dass  alle  4  Legionen  alte,  2  sogar  sehr  alte  Le- 
gionen sind.  Jedenfalls  sind  sie  die  einzigen  im  ganzen  römi- 
schen Reich,  obwohl  die  weiter  aufwärts  an  der  Donau  stehen- 
den Legionen  doch  gradesogut  diesen  Namen  als  Artbezeichnung 
verdient  hätten. 

£s  scheint  also  sicher  zu  sein,  dass  ripariensis  nur  ein 
terminus  ist  zur  Bezeichnung  der  Verwendung,  nicht  der  Art, 
woraus  weiter  folgt,  dass  man  ripariensis  und  oomitatensis  nicht 
von  einem  Gesichtspunkt  aus  betrachten  darf,  denn  es  sind  keine 
einander  ausschliessende  Begriffe.  £s  wäre  ebenso  falsch,  das 
heutige  deutsche  Heer  in  Linien-,  Füsilier-  und  Grenz• Regimenter 
eintheilen  zu  wollen.  Sonst  werden  die  ripariensen  Legionen 
etwa  auf  derselben  Stufe  mit  den  Pseudocomitatensen  gestanden 
haben  (vgl.  I.  Italica). 

C.  Legionen  ohne  Artbezeichnnng. 

Diese  Legionen  sind  alle  diejenigen,  die  unter  den  comites 
und  duces  stehen.  Und  zwar  untersteht  jede  Legion  nur  ihrem 
Grenzcommandeur  mit  Ausnahme  der  schon  erwähnten  ΧΙΠ.  Ge- 
mina  und  II.  Trajana  Tbebaeorum.  Sie  sind  entweder  zum  Schutz 
der  Grenze  bestimmt,  oder  wie  die  II.  und  ΙΓΙ.  Isaura  zum 
Schutz  gegen  unbotmässige  Völker  im  Innern. 

Der  Verwendung  nach  sind   sie   wohl  limitanei,   aber  diese 


264  Mangold  Legionen  des  Orient 

Bezeichnung  findet  eich  nicht.  Das  Wort  Mimitaneae'  kommt  im 
Orient  überhaupt  nicht  vor  und  limee  nur  in  dem  Titel:  comes 
limitis  Aegypti. 

Die  Verwendung  der  Legionen  ist  also  folgende: 

1)  2  Gardecorps,  Hauptreserve  unter  den  magistri  militnm 
praesentales,  zur  Verfügung  des  Kaisers,  bestehend  aus  pa- 
latinischen  Legionen. 

2)  8  Actionscorps  unter  den  magistri  militum  per  lUyricnm, 
Thracias  und  Orientem,  aus  comitatensisohen  und  pseudoco- 
mitatensiechen  Legionen  zusammengesetzt,  im  Inneren  des 
Reiches. 

3)  Die  Defensivtruppen  an  der  Reichsgrenze  unter  comites  und 
duces,  bestehend  aus  ripariensischen  Legioneu  und  solchen 
ohne  Artbezeichnung. 

Jena.  K.  Mangold. 


τυφλός  ανηρ 


Wie  stark  einet  der  ägyptische  Einfluss  auf  e-riechenland 
gewesen  sein  mass,  haben  aufs  Neue  und  in  höherem  Grade,  als 
bekannt  war,  die  Ausgrabungen  in  Knossos  dargethan.  Man  wird 
in  Zukunft  mehr,  als  es  bisher  geschehen,  den  Spuren  jener  Be- 
einflussung auch  in  der  älteren  griechischen  Litteratur  nachgehen 
müssen,  und  Bethe  hat  ja  in  seinem  auf  der  Strassburger  Philo• 
logenversammlung  gehaltenen  Vortrag  'Homer  und  die  Helden- 
sage mit  Recht  auf  die  Discrepanz  zwischen  unserem  archäolo- 
gischen und  unserem  historisch-mythologischen  Wissen  hinge- 
wiesen. AuchjReichel  und  Robert  suchen  die  Mykenischen  Burgen 
und  die  homerischen  Sagen  mit  einander  in  Einklang  zu  bringen. 
Von  Myken  aus  aber  fuhren  deutliche  Cnlturpfade  nach  Osten 
und  nach  Süden. 

Viele  Sagen  erzählen  uns,  dass  hervorragende  Dichter, 
Rbapsoden  oder  Propheten  blind  gewesen  seien. 

Τυφλός  άνήρ,  οίκεϊ  bk.  Χίψ  ένι  παιπαλοέσση, 
του  πασαι  μετόπισθεν  άριστεύουσιν  άοώαί, 
80  wird  der  Sänger  des  Delischen  Apollohymnus  geschildert. 
Tbukydides  setzt  den  Verfasser  des  Hymnos  dem  Homer  gleich; 
es  ist  müssig  darüber  zu  streiten,  jedenfalls  war  es  ja  ein  ange- 
sehener Rhapsode,  der  die  Dichtung  verfasste  und  der  sich  selbst 
als  blind  bezeichnete.  ^Quem  si  quis  caecum  genitum  putat,  Om- 
nibus sensibus  orbus  est'  sagt  Velleius  (I  5,  2)  von  Homer,  und  wie 
er,  dachten  viele  im  Alterthum.  Was  Homer  von  späteren  Dichtern 
zu  seinem  Vortheil  unterschied,  war  gerade  die  Kunst  des^Sehens, 
des  künstlerischen,  unbefangenen  Sehens.  Der  weder  durch  ra- 
tionalistiche  noch  durch  mystische  Theorieen  getrübte  offene  Blick 
für  die  Welt  der  Wirklichkeit,  das  ist  es  ja,  was  dem  Dichter 
der  Odyssee  eine  so  imponierende  Stellung  am  Anfang  der  Welt- 
litteratur  verlieh.     Sehen  wir  doch  noch  jetzt  alle  von  ihm  ge- 


266  F  r  i  e  Β 

schilderten  Vorgänge  und  Zustände  beim  Lesen  deutlich  mit  dem 
geistigen  Auge  und  staunen  über  die  Anschaulichkeit,  den  Wirk- 
liohkeitssinn,  der  in  beiden  Epen  hervortritt.  Cicero,  Velleine 
und  Proklos  hatten  Recht,  wenn  sie  von  jener  Sage  nichts  wissen 
wollten. 

Die  Art,  in  der  die  Blindheit  des  Demodokos  in  der  Odyssee 
eingeführt  wird,  hat  etwas  antithetisch  Zugespitztes,  etwas  Stili• 
sirtes.     Es   ist   gleichsam   ein  hübsches  Epigramm,  wenn  gesagt 
wird,  dass  die  Muse  dem  Sänger  die  Augen  nahm  und  die  Lieder 
gab.     Odysseus   staunt   darüber,    dass  Demodokos   das  Schicksal 
der  Griechen  so  genau    besingen  könne,    als    habe    er   es  selbst 
gesehen  oder  gehört  (Θ  487  ff.).    Er  bittet  ihn  nun,  die  Zer- 
störung Trojas   vorzutragen.     Od.   α  351  bezeichnet  Telemachos 
das  Lied  über  die    Heimfahrt    der   Griechen   von   Troja    als   das 
neuste,  welches  immer  am  meisten  Beifall  bei  den  Zuhörern  finde. 
Jedenfalls    kann    dann  die  Zerstörung  Trojas    keins   der   ältesten 
Lieder   gewesen   sein.     Wenn    nun    Demodokos  (Θ  500  ff.)   diese 
80  eindringlich  und  anschaulich   schildert,    dass   Odysseus  in  den 
tiefsten  Kummer  versinkt,  so  hat  es  immerhin  einige  Schwierig- 
keit, sich  einen  Blinden  als  Schilderer  der  neusten  Zeitgeschichte 
vorzustellen.   Gewiss  hätte  der  Phäakische  Sänger  auch  als  Nicht- 
blinder   diese    von   ihm    besungenen    Ereignisse  nicht  mit  eignen 
Augen  sehen  können ;  dennoch  ist  es  nicht  recht  vorstellbar,  dass 
ein    blinder  greiser  Sänger  als    epischer  Schilderer  einer  jüngst- 
vergangenen   Kriegszeit    seiner    Aufgabe  in  so  wirksamer  Weise 
gerecht  wird.     Doch  sei  dem,  wie  ihm  sei.     Die  Blindheit  steht 
mit  dem  üebrigen  in  keinem    nothwendigen   Zusammenhang,    sie 
giebt  nur  Gelegenheit  zu  einer  der  Bemerkungen  über  den  Sänger, 
in    denen    der  Dichter   der  Odyssee    sich    so    wohl  gefällt.     Oft 
genug  nimmt  er  Gelegenheit,  die  Würde  und  Bedeutung  des  Sängers 
hervorzuheben ;  es  klingt  zuweilen,  wie  eine  Aeusserung  pro  domo; 
und  in  der  That  darf  man  vielleicht  glauben,  dass  hier  ein  per- 
sönliches   Motiv    hineinspielt.     Der    Sänger    weilt    am   Hofe  des 
Fürsten,  seine  Harfe  hängt  im  Palast   (Od.  θ  255),    er  lebt  von 
der  Gunst  des  Herrschers  (ebend.  477  ff.).     Es    liegt  in    s§inem 
Interesse,  die  Würde  seines  Standes  nach  Möglichkeit  zu  erheben. 
In  diesem  Sinne  ist  es  vielleicht  aufzufassen,  wenn  die  Macht  des 
Gesanges    oft    in   ähnlicher  überschwänglicher  Weise  geschildert 
wird.     Odysseus    weint    bei  dem  Liede  des  Demodokos  wie  eine 
Frau,  die  von  dem  Leichnam  des  Gemahls  in  die  Gefangenschaft 
fortgeschleppt    wird.     Penelope    steigt    mit  zwei  Jungfrauen  aus 


Τυφλός  άνήρ  267 

dem  Frauengemach  in  den  Männersaal  hernieder  und  ersucht  den 
Phemios  mit  seinem  Gesänge  über  die  Rückkehr  der  troi'schen 
Helden  innezuhalten,  er  wisse  ja  viele  andere  schöne  Lieder  zu 
singen,  dieses  Lied  aber  zerfleische  immer  wieder  ihr  Herz;  sie 
ertrage  es  nicht  länger,  es  zu  vernehmen  (α  328  ff.).  Das  könnte 
nun  freilich  vom  Dichter  auch  deshalb  allein  eingefügt  worden 
sein,  um  die  Treue  der  Penelope  hervorzuheben.  Indessen  war 
ja  dafür  längst  im  reichsten  Maasse  gesorgt ;  das  ganze  Epos 
legte  Zeugniss  davon  ab.  Dann  aber  erwidert  Telemachos  auf 
die  Rede  der  Mutter  in  einer  Weise,  die  auf  diese  einen  etwas 
peinlichen,  beschämenden  Eindruck  machen  musste,  den  Freiern 
aber  auch  nicht  sonderlich  sympathisch  sein  konnte,  da  Tele- 
machos ja  den  Odysseus  verherrlichenden  Sänger  in  Schutz  nahm. 
Der  einzige,  der  sich  von  der  Rede  des  Jünglings  aufs  ange- 
nehmste berührt  fühlen  konnte,  war  —  der  Sänger.  Er  solle 
singen,  wie  es  ihm  um  das  Herz  sei,  Zeus  lenke  das  Gemüth  der 
Sänger  und  erfülle  ihre  Seele  mit  Begeisterung.  Penelope  solle 
nicht  zürnen,  der  neuste  Gesang  erhalte  stets  den  meisten 
Beifall  bei  der  Versammlung.  Der  Dichter  spricht  hier  aus  eigener 
Erfahrung  und  zur  Verherrlichung  seines  Standes.  Penelope  aber 
kehrt  zurück  in  ihre  Gemächer,  staunend  über  ihres  Sohnes  kluge 
Bede. 

Dann  lobt  Telemachos  auch  den  Freiern  gegenüber  den 
Phemios  in  überschwänglicher  Weise  (370  f.),  ohne  dass  ein  rechter 
Zweck  dieser  Worte  ersichtlich  wäre.  Aber  nicht  nur  in  dem 
spät  entstandenen  ersten  Buch  findet  sich  derartiges,  die  Sänger 
spielen  ja  im  Gegensatz  zu  der  älteren  Ilias  in  dem  jüngeren 
Epos  eine  erhebliche  Rolle,  und  das  ist  nicht  etwa  bedeutungs-  ' 
los  oder  zufällig. 

Phemios  entgeht  dem  allgemeinen  Blutbad  durch  seine  klug 
gewählten  Worte  (χ  344  ff.).  Zunächst  wieder  die  Versicherung 
von  der  Heiligkeit  des  Standes,  dann  die  an  dieser  Stelle  und  in 
diesem  Zusammenhang  etwas   unmotivierte  Aeusserung : 

αύτοοΛακτος  S  εΙμί,  θεός  bi  μοι  έν  φρεσίν  οϊμας 

παντοίας  ένίφυσεν. 
Er  verspricht,  den  Odysseus  wie  einen  Gott  besingen  zu  wollen 
und  betont,    dass  er  nicht  aus  Begehrlichkeit  in  den  Palast  ge- 
kommen sei.    Auf  fernere  Fürbitte  des  Telemachos  wird  er  dann 
begnadigt. 

Etwas  Paränetisches  möchte  man  fast  aus  der  Stelle  her- 
aushören,   an    der  Odysseus    dem    Demodokos    das    beste    Stück 


268  Friei 

Fleiecb  reichen  läset,  denn  alle  MenscheD  bezeugten  den  Sängern 
£hrfurcht,  und  die  Muse  selbst  beschütze  sie.  Der  Dichter  dieses 
Abschnitts  stellt  den  Odyssens  gleichsam  als  ein  Muster  für  alle 
Fürsten  hin,  aii  deren  Höfen  sich  Sänger  aufhalten,  und  ermahnt 
zur  Naoheiferung  eines  so  guten  Vorbildes  (Θ  474  ff.).  Odj^sseue 
giebt  dem  Demodokos  dann  als  Thema  zu  weiterem  Gesänge  die 
Geschichte  vom  hölzernen  Pferde;  er  ist  weniger  zurückhaltend 
gegen  den  Aöden,  als  Telemach  α  346.  Auch  in  dessen 
Worten  könnte  eine  Beziehung  auf  die  Wirklichkeit  liegen. 
Wollte  der  Dichter  vielleicht  den  oft  launischen  und  empfindlichen 
Herren  eine  Lection  erth eilen?  Hatte  er  etwa  durch  missliebige 
Gesänge  einmal  üble  Erfahrungen  gesammelt,  deren  Wiederholung 
er  auf  diese  Weise  vermeiden  wollte? 

Im  siebzehnten  Gesang  (p  374  ff.)  schilt  Antinoos  den  Sau- 
hirten, weil  dieser  den  Bettler  in  die  Stadt  geführt  habe.  Eu- 
maios  antwortet  nun  nicht  etwa,  wie  man  es  erwarten  sollte,  in- 
dem er  dem  Uebermüthigen  sein  Unrecht  vorhält,  sondern  er 
führt  aus,  dass  man  wohl  Niemanden  einladen  würde,  als  einen 
der  οημιθ€ρτοί, 

μάντιν  f|  Ιητηρα  κακών  ή  τίκτονα  λούρων 
ή  και  θέσπιν  άοώόν,  δ  κεν  τίρπησιν  άείοων. 
ούτοι  γάρ  κλητοί  γε  βροτών  έπ'  όπείρονα  γαϊαν. 
Durch    den  Zusammenhang  ist  diese  Digression  über  die  Sänger 
usw.  nicht  gefordert.    Der  Dichter  spricht  offenbar  in  eigner  und 
seiner  Standesgenossen   Sache,    die   wirklich    entsprechende  Ant- 
wort wird    dem  Antinoos   erst  von  Telemachos  397  ff.  gegeben. 
Immer  wieder  findet  sich  in  der  Odyssee  das  Verhältniss  des  be- 
sitzenden   Herren    zum    hungernden    Diener    oder    Bettler.     Der 
arme    Landstreicher    wird    verspottet,    streng    scheidet    Eumaioe 
zwischen  dem  darbenden  Fremdling  und  dem  Sänger,  der  schliese• 
lieh  auch  von  der  Milde  seines  Herren  lebt.     Ist  es  nur  Zufall, 
dass  an  so  vielen  Stellen  der  Odyssee  das  Elend  der  Bedürftig- 
keit hervorgehoben  wird?   Die  Arten  des  aiTxlexv  bei  den  Reichen 
werden  in  ρ  geradezu  theoretisch  erörtert^.    Jeglicher  Tod,  sagt 
Euryalos  (μ  341  f.)  ist  furchtbar,  aber  der  schrecklichste  ist  der 
Hungertod.     Demodokos    dagegen    sitzt  in   der  Mitte  des  Saales, 
ihm  werden  die  Speisen  wie  ein  ehrender  Tribut  gereicht.     Der 
Aöde  war  eben  auf  die  offene  Hand   der  Mächtigen  angewiesen, 

^  zB.  ρ  347  αΙδώς  b*  ούκ  αγαθή  κεχρημένψ  άνδρΐ  παρεΐναι,  vgl. 
[Hesiodüs  Werke  317  f.  und]  Diphilos  ού  δ€Ϊ  παρασιτ€!ν  οντά  öuodpc- 
στον  σφό&ρα. 


Τυφλός  άνήρ  269 

eein  berechtigtes  Interesse  war  es,  die  Wohlhabenden  günstig  zu 
stimmen.  Den  dreisten  Bettler  yerachtet  er  selbst,  mit  ihm 
möchte  er  nichts  gemein  haben,  aber  auf  seinen  göttlichen  Beraf 
mit  Recht  stolz  glaubt  er  einen  Anspruch  auf  Unterstützung 
durch  die  Mächtigen  zu  haben,  ohne  dadurch  an  Ansehen  zu 
verlieren. 

Gerade  die  erwähnten  Abschnitte  der  Odyssee  sind  nun 
wahrscheinlich  spätere  Znsätze.  Die  Würde  des  Sängerberufes 
sank  mit  dem  Niedergang  der  epischen  Kunst  aber  immer  mehr 
herab,  und  bei  Hesiod  werden  Handwerker  und  Bettler  bereits 
mit  den  Sängern  in  eine  Kategorie  gestellt  (έργ.  25  f.)^  Die 
vielen  Legenden,  die  von  besonderer  Gnade  der  Götter  gegen 
einzelne  Sänger  oder  von  besonderer  Rettung  derselben  aus  all- 
gemeinen Gefahren  oder  auch  von  Bestrafung  aller  ihnen  ange- 
thanen  Unbilden  bei  den  Griechen  im  Schwange  waren  (Hesiod, 
Ibykos,  Arion  ua.),  dürften  ebenfalls  einer  tendenziösen  Färbung 
nicht  entbehren.  Auch  die  Erzählungen  über  die  wunderbare 
Macht  des  Gesanges  gehören  vielleicht  in  diesen  Zusammenhang. 
Man  denke  an  Orpheus  (vgl.  0.  Gruppes  Artikel :  Orpheus  in  Roschers 
Mythologischem  Lexikon  Sp.  1115  ff.).  Ganz  ähnliche  Schilde- 
rungen, nur  noch  phantastischer  und  farbenreicher,  finden  sich 
im  indischen  Epos,  wo  die  Macht  des  Gesanges  sich  in  einzelnen 
Wirkungen  documentirt,  die  mit  dem  griechischen  Mythos  auf 
die  eine  oder  andere  Weise  verwandt  sein  müssen.  Mit  dem 
griechischen  Sänger  hat  der  indische  übrigens  auch  andere  Züge 
gemeinsam.  Auf  Schritt  und  Tritt  begegnet  man  im  Rigveda 
dem  Schlussgebet  des  Sängers  um  reiche  Schätze  und  um  die 
Gunst  wohlhabender  Beschützer.  Immer  wieder  kehrt  die  Bitte 
an  Agni  und  andere  Götter,  dem  Sänger  hold  zu  sein,  ihm  Ge* 
deihen  und  vor  allem  reiche  Gönner  zu  vermitteln.  Der  grie- 
chische Aöde,  minder  naiv  als  sein  indischer  College,  hüllt  seine 
Wünsche  in  die  Form  feiner  Anspielungen,  wie  er  ja  den  Odys- 
seus  selbst  in  dieser  Form  sich  einen  Mantel  verschaffen  läset. 
Die  Zeiten,  in  denen  die  offene  Bitte  der  persönlichen  Ehre  keinen 
Abbruch  bereitete,  waren  vorbei,  man  musste  auf  neue  Mittel 
sinnen. 

Das  Gegenstück  zu  dem  Bilde,  das  die  Sänger  von  sich  und 
der  Würde  ihres  Standes  entwerfen,    bildet   das  berühmte  ägyp- 


1  Vgl.  Arist.  rhet.  Π  lM,  7:    δμοιον   hi  καΐ  οτι  έν  τοΙς  Ιεροίς  οΐ 
πτωχοί  ^δουσι  καΐ  όρχοΟνται.    Vgl.  auch  das  fr.  des  Aeiot. 


270  Fries 

tische  Harfnerlied,    ans  dem  man  ersieht,    wie  unter  Umständen 
von  Anderen  über  den  Sänger   geartheilt   werden    konnte.     Mag 
das  merkwürdige  Gedicht,    das    übrigens    aus   viel  späterer  Zeit 
stammt,   aber    doch  Rückschlüsse    auf    frühere  Zeiten    gestattet, 
auch  als  Prodnct  des  Brodneides   oder   irgend  welcher  Intriguen 
aufzufassen  sein,  es  zeigt  doch  deutlich,  wie,  wenigstens  im  Nil- 
thal;   ein    minder    edles    Glied    der    Sängerzunft   sich    benehmen 
konnte,  wie  er  durch  übermässige  Gefrässigkeit  seinen  Bauch  auf- 
schwellt, wie  er  aus  schnödester  Habgier  den  Zuhörern  mit  seiner 
unerträglichen  Stimme  zusetzt  usw.     Man  wird    bei  der    Leetüre 
des  Gedichts    lebhaft    an   die  Art    erinnert,    wie    die  Freier  den 
Odysseus  und  den  Iros  behandeln  ^,    ebenso  an  die  späteren  Aus- 
gestaltungen der  Heraklessage,  den  die  Komödie  zum  Schlemmer 
machte,  man  denkt  schliesslich    an  die   ständige  Figur  des  Para- 
siten in  der   späteren  Komödie,    die    zuerst    in   Sicilien   bei  £pi- 
charm  erscheint.  £s  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  von  der  grie- 
chischen Komödie  und  ihren  Charaktertypen  sowie  vom  komischen 
£pos    der  Griechen  Fäden    zu  den    komischen  Darstellungen  der 
Aegypter  hinüberführen,     Dass   die  Aegypter    über    eine    starke 
humoristische  Ader  verfügten,  ist  bekannt.    Die  Sage  vom  Frosch- 
mäusekrieg  wird  nicht  zu   trennen  sein  von  dem  ganz  ähnlichen 
Kriege    der  Katzen    und  Mäuse'  oder    der  Schilderung   der  ver- 
kehrten Welt,    in    der   die  Katzen  die  Mäuse    bedienen^.     Diese 
und  ähnliche  Beziehungen  verdienten  eine  genauere  Un  tersuchung 
auch    von  ägyptologischer    Seite    her,    wobei    auch    babylonische 
Kinflüsse  (Fabelelemente)  zu  sondiren  wären.    Dass  übrigens  der 
Verfall  des  griechischen  Sängerthums  mit  dem  politischen  Wandel 
der  Zeiten  in  Zusammenhang  stand,    bedarf   keiner    näheren  Fr- 
wähnung. 

Auf  die  weite  Verbreitung  des  Parasitentypus ^  weist  ja 
schon  Lukian  hin,  wenn  er  περί  παρασίτου  c.  30,  allerdings  halb 
scherzhaft,  sagt:  ή  μέντοι  παρασιτική  .  .  .  καΐ  έν  Έλλησι  καΐ 
βαρβάροις  μία  έστι  καΐ  κατά  ταύτα  καΐ  ωσαύτως.  UebrigeDS 
ist  nach  Lukians  nicht  ganz  ernst  gemeinter  Aussage  Homer  der 


^  Vgl.  auch  ρ  219  ff.  286  ff.  345  ff  σ  2  ff.  ua. 

2  S.  Erman,  Aegypten  S.  686. 

8  S.  Zeitechr.  f.  Aegypt.  Sprache  u.  Alterthumsk.  1897,  S.  140. 
Eine  andere  Version  s.  Zeitschrift  der  Bücherfreunde  1901,  S.  478.  Vgl. 
auch  über  ägyptische  Karikaturen  0.  Keller,  DieThiere  des  classischen 
Alterthums  S.  186  u.  209. 

*  S.  0.  Ribbeck,  Kolax,  Abh.  d.  Sachs.  G.  d.  W.  1884,  1  ff. 


Τυφλός  άνήρ  271 

Erste,  der  dem  Parasiten thum  das  Wort  geredet,  wenn  er  sagt, 
es  gäbe  kein  schöneres  Leben,  als  wenn  alle  Tische  gedeckt  sind 
und  der  Wein  reichlich  flieset  usw.  (l  5  fl^.).  Και  ώς  ούχ  Ικανώς 
ταύτα  θαυμάίιυν  μάλλον  τήν  αύτου  γνώμην  ποΐ€Ϊ  φανερωτέραν 
€υ  λέγιιιν  (ι  11)  Τουτό  τί  μοι  κάλλιστον  ένΐ  φρεσίν  εϊδεται 
εΤναι.  Ein  wahrer  Kern  scheint  in  diesen  Ausführungen  ent- 
halten zu  sein.  Im  Gegensatz  zu  Lukian  schliesst  Athenäns  aus 
der  Iliasstelle  Ρ  575  ff.,  der  Dichter  habe  unter  dem  φίλος  εΐ- 
λαπιναστής  des  Hektor  ΤΤοδής  einen  Parasiten  verstanden,  der 
durch  einen  Speerwurf  des  massigen  Spartaners  Menelaos  κατά 
ίιυστήρα,  in  den  Bauch,  den  Wohnsitz  der  Schlemmerei,  in  ge- 
ziemender Weise  bestraft  werde,  der  Dichter  habe  also  die  Para- 
siten geissein  wollen,  eine  Insinuation,  die  jeder  thatsächlichen 
Begründung  entbehrt. 

Für  Lukians  Auffassung  sprechen  Stellen,  an  denen  die 
Macht  der  γαστήρ  ούλομένη  beklagt  wird,  die  den  Menschen 
viel  Unheil  bringe  und 

της  ϊνεκεν  και  νήες  έύΣυγοι  όπλίίονται 
πόντον  έπ'  άτρύγετον,  κακά  ουσμενέεσσι  φέρουσαι 
(ρ  287  f.  vgl.  ο  844  C  54).  Es  ist  unleugbar,  dass  aus  gewissen 
Abschnitten  der  Odyssee  eine  gedrückte,  verbitterte  Stimmung 
spricht.  In  den  harmlosen  Erzählerton  der  älteren  Theile  mischt 
sich  ein  herber  Klang,  ein  Hauch  der  Entsagung.  Mitleiderre- 
gende Bilder  der  Armuth,  des  Niedergangs  drängen  sich  in  die 
Phantasie  des  Dichters.  In  der  Ilias  spielt  der  Gegensatz  von 
Arm  und  Beich  fast  keine  Rolle.  Der  Dichter  der  jüngeren 
Odysseetheile  verhält  sich  zu  seinen  älteren  Collegen  wie  Enri- 
pides  zu  den  früheren  Tragikern.  Auch  er  hebt  das  Charakte- 
ristische hervor,  Weiberintriguen  spielen  hinein,  das  weibliche 
Element  ^  überhaupt  wird  stärker  betont,  die  Schlauheit,  die  So- 
phistik  der  Freier,  der  ήττων  λόγος  beherrscht  die  Welt.  Der 
Sänger  stellt  die  untadeligen  Helden  der  früheren  Generation  dem 
corrumpirten  Adel  der  Gegenwart  gegenüber.  Begehrlich  blickt 
er  zu  ihrer  Höhe,  ihrem  üeberfluss  empor,  er,  der  das  Loos  der 
Bedürftigkeit  so  anschaulich  zu  schildern  vermag,  als  kenne  er 
es  ans  eigenster  Erfahrung.  Der  Duft  festlicher  Gelage  dringt 
ihm  anlockend  aus  den  Palästen  der  Herrn  entgegen  (p  269), 
der   Schall    üppiger   Feste    schlägt   an   sein  Ohr  (ψ  148  ff.),    er 


1  Und  zwar  oft  nach  der  schlimmen  Seite  hin.     ρ  319  ua.  leitet 
über  Semonides  zu  Euripides  hinüber. 


272  F  Γ  i  e  β 

fühlt  sich  den  Herren  entfremdet;  sie  sind  übermüthig  gegen  ihn 
geworden,  den  durch  die  Ungunst  der  Zeiten  Geschädigten.  Der 
Iliassänger  blickt  m  i  t  seinen  Helden  verächtlich  auf  Thersites, 
den  armen  Teufel,  herab ;  der  Sänger  der  Odyssee,  selbst  gleich- 
sam zum  Thersites,  zum  Satiriker  geworden,  blickt  mit  dem 
Bettler  verächtlich  und  grollend  zu  den  ihm  social  überlegenen 
Helden  empor.  Er  verachtet  ihre  Frivolität.  Bitterernst  4ind 
traurig  klingt  der  Ausruf  über  den  Herrendienst,  der  den 
Charakter  der  unfrei  Gewordenen  herabziehe  (p  319  ff.).  Die  auf 
Rührung  zugeschnittene  Argosepisode  zeigt,  dass  auch  der  alte 
Sang  nicht  mehr  verfing,  dass  neue  Reize  nöthig  waren,  um  das 
abgestumpftere  Publikum  zu  fesseln,  das  in  den  Freiern  so  deut- 
lich geschildert  wird  und  das  der  Dichter  zu  tief  studirt  hat, 
als  dass  wir  an  blosse  Fictionen  glauben  könnten.  Es  hat  et- 
was für  den  Dichter  und  seine  Zeit  Symbolisches,  wenn  der  Held 
der  Dichtung,  der  gewaltige  Recke,  in  seine  Heimat  zurückkehrt 
πτωχψ  λ^υγαλίψ  έναλίγκιος  ήδέ  γέροντι. 

Um  nun  zum  Ausgangspunkt  unserer  Untersuchung  zurück- 
zukehren, müssen  wir  uns  zunächst  zum  Bewnsstsein  bringen, 
dass  nur  Demodokos  bei  Homer  als  blinder  Sänger  bezeichnet 
wird.  Phemios  wird  als  sehend  gedacht  (cf.  Od.  χ  330  ff^.).  Auch 
der  Sänger,  welchem  Agamemnon  vor  seiner  Abfahrt  die  Gattin 
zur  Bewahrung  anvertraut  hatte,  kann  nicht  blind  gedacht  wer- 
den. Sonst  hätte  ihn  Aigisthos  nicht  auf  eine  ferne  Insel  zu 
ßchicken  brauchen,  um  ungehindert  durch  ihn  seinen  Yerrath  zu 
üben  (Od.  γ  267  ff.). 

Die  Sänger  der  Odyssee  hatten  klare,  hellsehende  Augen. 
Ihr  Blick  schweifte  über  Land  und  Meer,  Farben  und  Formen 
der  wirklichen  Welt  prägten  sich  mit  unauslöschlichen  Zügen  in 
ihre  Seele.  *  Wir  dürfen,*  sagt  ein  namhafter  Vertreter  der  Augen- 
heilkunde^, Ma  unser  Geist  nur  jene  Eindrücke,  welche  ihm  durch 
die  Augen  zuströmen,  zu  dem  bunten  Spiel  der  Phantasie  zu  be- 
nutzen vermag,  die  Phantasie  dreist  eine  Tochter  des  Lichts 
nennen  und  behaupten,  ohne  Augen  giebt  es  keine  Phanta8ie\ 
Freilich  ist  es  ja  nicht  nöthig,  an  Blindgeborene  zu  denken,  und 
man  kann  auf  Milton,  Pfeffel  ua.  hinweisen.  Allein  die  Odyssee 
im  Besonderen  ist  ein  Reiseepos,  jede  Zeile  der  Άλκίνου  άπό- 
λόγοι  verräth  Autopsie  ähnlicher  Zustände  und  Lokalitäten.    Die 


^  H.  Magnus,  das  Auge  in  seinen  ästhetischen  und  culturgeschioht- 
liehen  Beziehungen.     Breslau  187t>  S.  lOG. 


Τυφλός  άνήρ  273 

frische  Energie  ferner,  mit  der  Odysseue  und  seine  Grefährten 
von  Abenteuer  zu  Abenteuer  eilen,  der  kecke  Muth  dieser  Ent- 
deckungsfahrer, die  durch  Sturm  und  Wetter  unbeirrt  dahin- 
Bteueri),  immer  wieder  die  Segel  einspannen  oder  die  Schiffe  in 
den  geschickt  ausgewählten  Hafen  ziehen,  das  Alles  konnte  nur 
ein  jugendkräftiger  Sänger  erzählen,  der  wohl  selbst  mit  Hand 
angelegt  hatte  und  nun,  durch  das  Staunen  der  ihm  lauschenden 
Menge  ermuthigt,  der  Phantasie  die  Zügel  schiessen  Hess  und  zu- 
weilen etwas  rodomontadenhaft  Erlebtes  und  Erdachtes  ineinander- 
wob.  Schliesslich  ist  es  nicht  gut  denkbar,  dass  alle  Sänger, 
die  an  der  Hias  und  Odyssee  dichteten,  an  demselben  Uebel 
litten.  Das  wäre  ein  zu  merkwürdiges  Spiel  der  Natur  gewesen. 
Der  τυφλός  όνήρ  bildet  doch  zum  Glück  immer  die  Ausnahme, 
nicht  die  Regel.  Bergk  in  seiner  Litteraturgeschichte  meint,  die 
Blinden,  zu  jeder  anderen  Hantirung  unfähig,  hätten  sich  der 
Sangeskunst  zugewandt,  und  so  sei  die  Häufigkeit  blinder  Aöden 
leicht  zu  erklären.  Aber  die  Homeriden  waren  keine  dem  Leben 
erstorbenen  Krüppel,  und  vor  Allem  kann  wohl  jeder  Blinde  die 
technische  Fertigkeit,  die  für  den  Rhapsoden  nothwendig  ist,  er- 
lernen ;  dass  aber  gerade  jene  spät  erblindeten  Männer,  die  sich 
der  Kunst  als  einem  Nothbehelf  zuwandten,  nun  eben  die  ge- 
nialen Dichter  wurden,  zu  denen  die  spätesten  Jahrhunderte  em- 
porstaunen, das  ist  nimmermehr  wahrscheinlich.  Die  Kunst  der 
Homeriden  kann  nicht  ein  Nothbehelf,  ein  elender  Ersatz  der 
Unglücklichen  für  einen  besseren  Broderwerb  gewesen  sein,  sie 
muss  in  den  Zeiten  der  Blüthe,  vor  dem  späteren  Verfall,  so 
hoch  in  Ehren  gestanden  haben,  dass  η  ir  die  Besten,  die  Be- 
gabtesten und  Gebildetsten  sie  ausüben  konnten.  Die  genialen 
Männer,  denen  wir  die  gewaltigsten  Epen  der  Weltlitteratur  ver- 
danken, sie  sind  —  das  bedarf  keines  Beweises,  das  muss  Jeden 
seine  eigene  Begeisterung  für  Homer  lehren  —  durch  den  Gott 
in  ihrem  Busen  zu  ihrem  hehren  Beruf  geführt  worden,  nicht 
durch  ein  körperliches  Gebrechen.  Viele  konnten  das  Rhapsoden- 
handwerk lernen,  aber  wenige  waren  auserwählt.  Später  wurde 
das  ja  anders;  schon  aus  den  später  entstandenen  Theilen  der 
Odyssee  spricht  ein  anderer  Geist.  Die  Sänger  der  Ilias  und 
der  όπόλογοι  waren  als  rüstige  Männer  mit  offenem  Sinn  und 
unbegrenzter  Empfänglichkeit  für  die  Eindrücke  der  Welt  begabt. 
Dev  Dichter  des  zweiten  Theiles  der  Odyssee  besitzt  einen  engeren 
Gesichtskreis,  seine  Gedanken  streifen  kaum  über  Ithaka  hinaus. 
Hier   fühlt  er  sich  heimisch;  die    weite  Perspective,  die  ihm  ab- 

Bhefn.  Mne.  f.  PhUol.  N.  F.  LVII.  18 


274  Fries 

geht,  ersetzt  er  durch  liebevolle  Detailschildeningen,  die  der  im• 
geetfime  lliaedicbter  wohl  Terschmäbt  haben  wurde.  Auch  Sporen 
des  ßationaliemne  treten  vielleicht  in  dem  immer  wiederholten 
Misetraaen  gegen  all  die  Lügenberichte  hervor,  die  man  heutzu- 
tage von  Wanderern  aus  aller  Herren  Lander  zu  hören  bekomme 
(λ  361  ff.  ψ  217  uo.).  Vielleicht  legt  hier  der  spätere  Dichter  an 
die  Prodncte  des  älteren  Nostoedichtere  den  kritischen  Maesstab 
seines  aufgeklärteren  Standpunktes  an.  Jedenfalls  läset  sich  die 
Ansicht  nicht  aufrecht  erhalten,  dass  Homer  ganz  hinter  seinem 
Gegenstande  verschwinde  ;  bei  genauer  Betrachtung  besonders  der 
jüngeren  Abschnitte  ergiebt  sich  eine  erhebliche  Anzahl  von 
Spuren  subjektiver  Empfindung  und  persönlicher  Stellungnahme 
zu  den  obwaltenden  Zeitverhältnissen.  Wer  von  letzteren  ge- 
nauere Kunde  besässe,  dem  wurde  vielleicht  so  manche  Stelle, 
an  der  wir  nun  achtlos  vorübergehen,  in  ihrer  tieferen,  persön- 
lichen Bedeutung  klar  werden. 

Ob  der  Verfasser  des  Hymnos  auf  den  delischen  Apollo 
wirklich  blind  war  oder  nicht,  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Die 
Wahrscheinlichkeit  spricht  wohl  dafür,  dass  Demodokos,  Homer, 
der  Sänger  von  Chios,  Tbamyris  ua.  nur  der  Sage  nach  blind 
waren,  die  inneren  Indicien  sprechen  gegen  eine  derartige  An- 
nahme. Nun  fragt  er  sich,  welches  ist  der  Ursprung  einer  sol- 
chen Sage? 

Es  steht  fest,  dass  die  Zahl  der  Blinden  im  Süden  Europas 
grösser  ist,  als  im  Norden,  dass  aber  in  Aegjpten  die  Zahl  der 
mit  den  verschiedensten  Augenkrankheiten  und  auch  mit  Blind- 
heit Behafteten  grösser  ist,  als  in  jedem  anderen  Lande  ^.  Noch 
jetzt  soll  es  in  ünterägypten  von  Blinden,  Einäugigen  und  Trief- 
äugigen wimmeln.  Dass  durch  Napoleons  ägyptische  Expedition 
die  ägyptische  Augenentzündung  nach  Europa  verschleppt  und 
hier  epidemisch  wurde,  ist  eine  bekannte  Thatsache.  Im  Alter- 
thum  werden  ähnliche  Zustände  geherrscht  haben,  zumal  die  sa- 
nitären Verhältnisse  damals  auf  einer  weit  primitiveren  Stufe 
standen,  als  heute.  Der  oben  citirte  Ophthalmologe  freilich 
meint,  es  fehle  an  sicheren  Anhaltspunkten  für  eine  solche  An- 
nahme (S.  80  if.).  Nun  beziehen  sich  aber  im  Papyrus  Ebers 
ein  Zehntel  sämmtlioher  mitgetheilter  Recepte  nur  auf  Augen- 
krankheiten ^.     Hirschberg  hält    dem    entgegen,    dass    bei  Galen 

cf.  Schenkel,  Bibellexikon  u.  Blindheit;  Hirschberg,  Aegypien, 
Geschichtliche  Studien  eines  Augenarztes.     Leipzig  1890.  S.  7G. 

^  y.  Oefele  in  Neuburger  und  Pageis  Handbuch    der  Geschichte 
der  Medizin;  Jena  1901,  I  79  u.  87.    Ernian,  Aegypteu  S.  483. 


ΤυφΧός  άνήρ  έΤ5 

dasselbe  YerhältDisR  obwalte.  Ob  dies  einem  alexandriniscben 
£iDflas8e  zuzuscbreibeo  ist  oder  nicbt,  stebt  dabin  ^ ;  alle[  Wabr- 
scbeinlicbkeit  spricbt  jedenfalls  dafür,  dass  die  Zabl  der  Blinden 
in  Aegypten  ancb  im  Altertbnm  eine  erbeblicbe  gewesen  sei. 
Zwei  blinde  Könige  von  Aegypten  nennt  Herodot  (fl  111.  137). 
Dem  ersteren  wird  das  Angenlicbt  zur  Strafe  für  einen  Frevel 
gegen  den  b eiligen  Strom,  also  eine  Grottbeit  entzogen,  wie  das 
ancb  in  vielen  grieobiseben  Sagen  vorkommt,  zB.  Tbamyris,  Ly- 
kurgos  na.  Anob  Stesicboros  verfällt  zeitweise  diesem  Scbicksal, 
bis  er  sieb  dnrcb  eine  Palinodie  rettet.  Diese  Wunderkur  er- 
innert lebbaft  an  die  epidanriscben  Heilungen  dureb  göttlicben 
EingrifiP,  und  man  kann  zwiseben  diesen  Fictionen  kluger  Priester 
und  der  Sage  von  Stesicboros  vielleicbt  einen  Zusammenbang  er- 
kennen. Ancb  in  der  Bibel  findet  sieb  die  Beraubung  des  Augen- 
licbts  zur  Strafe  für  gottloses  Verbalten  nicbt  selten  (2  Kön.  6, 
18,  Apostelg.  13,  11  ua.).  Helena  erzäblt  von  dem  Reiobtbum 
Aegyptens  an  Arzneien.  Jeder  ist  dort  Arzt  und  übertrifft  alle 
an  Erfabrung  (b  229  ff.).  Aucb  Herodot  erzäblt  viel  von  den 
Heilkünstlem  des  Niltbals  und  dem  dort  berrscbenden  Specialisten- 
tbum.  Kambyses  lässt  sieb  den  besten  Augenarzt  aus  Aegypten 
kommen  (Herod.  III  1).  Mit  besonderem  Ernst,  wie  sonst  nir- 
gends, wird  das  Auge  und  die  Blind beit  in  der  Bibel  bebandelt. 
£s  gibt  im  Hebräisoben  11  Wurzel  werte  für  die  verscbiedenen 
Formen  des  normalen  Sebens  und  14  für  das  Blindsein.  Das 
Auge  wird  als  der  grösste  Scbatz  des  Menseben  bezeicbnet;  wer 
Blinde  irre  fübrt,  verfällt  besonderer  Strafe  *.  Es  ist  nicbt  un- 
denkbar, dass  bier  ägyptiscbe  Einwirkungen  vorliegen. 

Im  Bucb  der  Ricbter  wird  erzäblt  (16,  20  ff),  wie  die  Pbi- 
lister  Simson  blenden.  ^  Da  nun  ihr  Herz  guter  Dinge  war, 
spracben  sie:  Lasst  Simson  bolen,  dass  er  vor  uns  spiele.  Da 
boleten  sie  Simson  aus  dem  Grefängniss,  und  er  spielte  vor  ibnen, 
und  sie  stelleten  ibn  zwiseben  zwo  Säulen.  Simson  .aber  spracb 
zu  dem  Knaben,  der  ibn  bei  der  Hand  leitete:  Lass  miob,  dass 
ieb  die  Säulen  taste,  auf  welcben  das  Haus  stebet,  dass  icb  mich 
daran  lebne.  Das  Haus  aber  war  voll  Männer  und  Weiber.  Es 
waren  aucb  der  Pbilister  Fürsten   alle  da;    und    auf   dem  Dach 


1  H.  Magnus,  die  Augenbeilkunde  der  Alten.  Breslau  1901.  S.  18  f. 
tritt  entsebieden  für  Beeinflussung  der  griecbiscben  Medicin  dureb  die 
ägyptiscbe  ein. 

>  H.  Ma^rnus  aO.  S.  24. 


276  F  Γ  i  θ  β 

bei  dreitaueend,  Mann  und  Weib,  die  da  zueaben,  wie  Simson 
spielte.  Simeon  aber  rief  den  Herrn  an  und  epraeb:  Herr,  Herr! 
gedenke  mein,  and  stärke  miob  docb,  Gott,  dies  Mal,  dass  icb 
für  meine  beiden  Augen  miob  einst  räcbe  an  den  Pbilistern.^  Er 
stürzt  das  Grebäude  und  begräbt  sieb  und  die  Pbilister  unter  den 
Trümmern.  Der  entkräftete  Fürst  stebt  seinen  Peinigem  erst 
obnmäcbtig,  dann  übermäebtig  gegenüber,  wie  Odysseus  den 
Freiem.  Er  wird  zum  Singen  gezwungen,  wie  Pbemios.  Er  flebt 
Gott  um  Bestrafung  der  Feinde  für  seine  Blendung  an,  wie  Po- 
lypbem  den  Poseidon  anruft  (i  527  ff.).  Als  blinder  Sänger,  vom 
Knaben  gefübrt,  erscbeint  er  bei  allgemeiner  Lustbarkeit,  und 
ibm  lauseben  Männer  und  Frauen.  So  aucb  Demodokos  bei  den 
Pbäaken. 

Erman^  berichtet,  daes  in  Aegypten  vorzugsweise  die  Blin- 
de η  als  Sänger  benutzt  wurden,  es  existiren  Denkmäler,  auf 
denen  wir  den  blinden  Sänger  vor  seiner  boben  Harfe  kauern 
und  spielen  sehen.  Hier  ist  wohl  die  Quelle  aller  Sagen  vom 
blinden  Sänger  zu  finden,  denn  die  naturgemässeste  Entwicklung 
ist  doch  die,  dass  ein  auffälliger  Zug  der  Mythe  von  dem  Punkt 
aus,  an  dem  er  durch  tbatsäcblicbe  Umstände  eine  äussere  Be- 
gründung findet,  mit  vielen  anderen  Zügen  die  Wanderschaft  in 
andere  Cnlturgebiete  antritt  und  sich  da  weiter  entwickelt.  Simson, 
Demodokos,  Thamyris,  Xenokritos  ua.  sind  Söhne  des  ägyptischen 
Sängers^.  Die  Könige  des  alten  Reiches  warteten  nicht  darauf,  bis 
die  Sage  ihre  Person  mit  einer  Gloriole  umgeben  hatte;  die  Helden- 
sage, deren  Mittelpunkt  sie  waren,  wurde  auf  ihr  eignes  Commando 
von  dem  wohlbestallten  Hofpoeten  angefertigt  oder  wiederholt. 
Von  einem  eigentlichen  Epos  ist  bei  den  Aegyptern  keine  Rede, 
das  Lied  des  Pentaur  ist  kaum  ein  Hymnos  oder  eine  Rhapsodie. 
Lyrische,  hymnenartige  Verherrlichungen  ohne  poetische  Gestal- 
tung und  Erfindung  waren  allerdings  eine  Aufgabe,  die  einem 
Blinden  mit  Aussiebt  auf  Erfolg  anvertraut  werden  konnte.  Um 
so  widernatürlicher  scheint  es  nun,  dass  der  Homeride  desjenigen 
Organe  entbehrt  haben  solle,  dessen  der  wahre  Epiker  am  schwer- 
sten entrathen  kann. 

So  hat  sich  denn  die  Sage    von    dem    ehrwürdigen  Greise, 


1  Aegypten  S.  342.  Wilkinson,  the  manners  and  the  customs  of  the 
anoient  Egyptiaus^  ed.  Birch,  London  1878  I,  442. 

2  lieber   Simeon    als  Helden     eines  Sonnenmytlms    vgl.  jetzt  0. 
Gruppe,  Griechische  Mythologie  und  Heligionsgeschichte,  S.  413  Anm.  17. 


Τυφλός  άνήρ  277 

dem  blinden  Manne  in  nichts  aufgelöst.  Man  hat  neuerdinge 
die  erhaltenen  Bildniese  Homers  auf  die  BesohafPenheit  der  an 
ihnen  dargestellten  Augen  hin  untersucht^.  Das  Ergebnies  ist, 
dass  'die  Erblindungsform  auf  vorangegangene  schwere  infectiöse 
Schleimhauterkrankung  der  Augen  und  zwar  auf  die  im  Volks- 
mund  als  ägyptische  Augenerkrankung  bekannte  hindeutet,  wie 
sie  gerade  im  Süden  so  häufig  vorkommen  und  so  häufig  zur 
Blindheit  führen'.  Der  Bildhauer,  der  die  speciell  von  dem  ge- 
nannten Gelehrten  untersuchte  Statue  schuf,  hat  mit  künstleri- 
schem Gefühl  das  Richtige  gefunden. 

Berlin.  Carl  Fries. 


^  H.  Magnus,  Die  antiken  Büsten  des  Homer,  eine  augenärztlich- 
ästhetisohe  Studie.    Berlin  1896.  8.  70. 


γρ:πεκ  εινκ  soene  des  euripideischen 

OKESTES 


Eiiripidee  tiat  im  Orestes  die  überliefert«^  Snj^e  nach  freiem 
Krmennen  gestaltet  und  so  eine  Reihe  neuer  Situationen  geschaffen. 
Der  Keit^hthnm  bant  weclisclnder  Soenen  Terleibt  dem  Stttck 
aeinen  besten  Reiz'.  Aber  keine  Scene  giebt  es,  die,  frei  er- 
fondeo,  etvas  ganz  ADderen  böte,  als  man  sonst  im  Drama  za 
sehen  gewohnt  wer;  vielniehr  lassen  sinh  Überall  typische  Vor- 
bilder nachweieen,  so  wie  A.  Dieterich  bereits  Tür  die  grosse 
Schlafsccne,  die  das  Drama  eröffnet,  den  weiteren  Znsammenliang 
in    einleuchtender    Weise    klargestellt    hat*      Die    Dialogpartien, 


'  τύ  ϋρϋμα  τιΐν  ΐπΐ  βκηνής  €ύ{>οκιμούντιυν  «agt  die  ί 
>  Itbeiu.  Mut..  4ιί  α.  25  ff. 


Hypothes 


üeber  eine  Scenc  des  euripid eischen  Orestes  279 

welche  folgen,    zeigen,    vom   techniRchen  Standpunkt  aus  genom- 
men, keine  Abweichung  von  dem  üblichen  Schema.     Erst  gegen 
Ende  des  Stückes   wendet  der   Dichter  frische  und   kräftige   Far- 
ben an,    indem   er  auf  eine  stärkere  Bühnenwirkung   hinarbeitet. 
Hier  findet  eich  ein  Auftritt,  der  auf  den  ersten  Blick  als  etwas 
wirklich  Neues  erscheint,  derjenige  nämlich,  in  welchem  das  Ver- 
schwinden   der  Helena    und    die    Gefangennahme    der    Hermione 
dnrch  Orestes  und  Pylades  von  einem  phrygischen  Sklaven,  der 
ans  dem  Gemetzel  entkam,  dem  Chor  erzählt  wird.     Das  ist  im 
Ghnnde   nichts   als    ein    Botenbericht,    und   somit   wäre  nach  der 
Technik   der  antiken   Tragödie   der    iambische  Trimeter  als    das 
Yersmase    der   Erzählung    das    gegebene    gewesen.     Statt  dessen 
jQiiden    wir   ein   weit   ausgesponnenes  Lied  in  gelösten  Rhythmen 
nach  der  Weise  des  άρμάτειον  μέλος;    es   muss   ein  Glanzstück 
aufgeregter  Musik  gewesen  sein.     Diese  Scene  bietet  jedoch  nicht 
blosfi  ein  formales,  sondern  auch  ein  stoffliches  Interesse.     Denn 
die  Erzählung  des  Phrygers  ist  so  breit  angelegt,  die  Thatsachen 
eind  so  eigenthümlich  gestaltet,  dazu  ist  das  komische  Moment  so 
bewusst   in    den    Vordergrund   gestellt,    dass    es    sich    verlohnt, 
alle  diese  Dinge  einer  schärferen  Prüfung  zu  unterwerfen.     Nach 
dem  Berichte    des    Augenzeugen   entwickelt    sich    die    Handlung 
in  folgender  Weise. 

Orest  und  Pylades,  mit  Thränen  in  den  Augen,  nähern  sich 
dem  Sessel,  auf  dem  Helena  sitzt,  lassen  sich  demüthig  vor  ihr 
nieder  und  umschlingen  wie  Sohutzflehende  ihr  Knie.  Die  phry- 
gischen Diener  springen  beunruhigt  auf;  sie  fürchten  eine  List, 
können  sich  aber  über  die  Absichten  der  beiden  Helden  nicht 
klar  werden.  Orest  bittet  die  Helena,  ihm  zu  dem  uralten  Herd- 
81  tz  seines  Ahnherrn  Pelops  zu  folgen,  weil  er  mit  ihr  Geheimes 
zu  bereden  habe.  Unterdessen  treibt  Pylades  die  Dienerschaft  aus 
dem  Saale  und  schliesst  sie  in  den  Kammern  des  Palastes  ein. 
Dann  ziehen  beide  plötzlich  die  Schwerter,  die  sie  bis  dahin  vor- 
sichtig unter  ihren  Purpurgewändern  verborgen  hatten,  und 
fallen  über  Helena  her  ^  Auf  deren  Wehegeschrei  befreien  die 
Phryger  sich  gewaltsam  aus  ihrem  Gefängniss  und  eilen  zu  Hülfe, 


'  Ich  lese  1457  ff.,  άμφιπορφύρων  (άμφΐ  πορφυρέων  Hdschr.) 
πέπλατν  ύπό  σκότου  |  ζίφη  σπάσοντ€ς  έν  χβροϊν,  lasse  πέπλων  von  ύπό 
σκότοι»  abhängen  und  dies  wieder  von  σπάσοντβς;  sonst  vermag  ich 
Conetriiction  und  Sinn  nicht  zu  verstehen,  άμψιπόρφυρος  muss  'ringsum 
purpurn*  heissen ;  άμψίχρυσος,  <Ιμφ(τορνος  eind  entsprechende  Bildungen 
des  Euripides.    Vgl.  ausserdem  Med.  b'o :  π€ρ^  γάρ  ήδ'  ύπό  σκηνής  πόόα. 


280  Radermacher 

aber  Pylades  tritt  ihnen  entgegen,  und  nun  in  dem  ausbrechenden 
Kampfe  zeigt  sich  «He  üeherlegenheit  der  Hellenen  in  glänzend- 
stem Lichte.  Von  den  Asiaten  fallen  die  einen,  andere  werden 
verwundet,  witMler  andere  flehen  kniefällig  um  ihr  Leben,  die 
Mehrzahl  sucht  ihr  Heil  in  schleuniger  Flucht'.  Herraione,  die 
inzwischen  ahnungslos  den  Saal  betrat,  wird  Refangen,  Helena  da- 
gegen  plötzlich   entrückt  und   so  dem  Todesschicksal  entzogen. 

Für  diese  weitläufig  angelegte  Komposition  sind  namentlich 
drei  Momente  bemerkenswerth :  einmal,  dass  Oreet  und  Pylades 
Anfangs  mit  ruhiger  Vorsicht ^  zu  Werke  gehen,  von  ihrer 
eigentlichen  Absicht  nichts  ahnen  lassen  und  erst  im  gegebenen 
Augenblick  urplötzlich  die  Maske  abwerfen.  Das  zweite  ist  der 
von  vorneherein  scharf  durchgeführte  Gegensatz  zwischen  der 
siegreichen  üeherlegenheit  der  beiden  griechischen  Helden  und 
dem  elenden  Verzagen  der  ihnen  entgegentretenden  Phryger. 
Drittens  muss  der  Gesammteindruck  der  drastischen  Schilderung 
ein  komischer  sein ;  er  wird  nicht  bloss  durch  die  Jammergestalt 
des  Erzählers  verbürgt^,  sondern  auch  durch  die  Art,  wie  das 
lächerliche  Benehmen  der  phrygischen  Dienerschaft  während  des 
Kampfes  mit  Behagen  breit  ausgemalt  wird. 

Diese  komische  Wirkung  hat  der  Scholiast  empfunden  und 
demnach  zu  Anfang  der  Scene  bemerkt,  dass  hier  Euripidee  seine 
eigenthümliche  Weise  aufgebe  und  Dinge,  die  ihm  nicht  an* 
ständen,  zur  |Dar8tellung  bringe^.  Auch  Aristophanee  sagt  in 
der  Hypothesie:  τό  όραμα  κωμικιυτέραν  Ιχει  τήν  καταστρο- 
φήν,  und  diese  Aeusserung  kann  nicht  wörtlich  genug  verstanden 
werden.  Dass  der  Dichter  mit  Bewusstsein  auf  eine  solche 
Wirkung  hinausarbeitete,  beweist  die  folgende  Scene*,  eine  Unter- 
redung zwischen  Orestes  und  dem  Eunuchen,  in  der  dieser  jäm- 
merlich um  sein  Leben  winselt  und,  um  sich  zu  retten,  die  frech- 
sten Verdrehungen  vorträgt,  während  Orestes,  offenbar  spielend, 
ihn  hinhält«. 


^  Dieser  Abschnitt  ist  in  den  Scholien  merkwürdig  missverstaQ- 
den  und  auf  die  Kämpfe  vor  Ilion  bezogen. 

2  ippoi  τας  ήσυχου  προνο(ας  κακούργος  ών,  sagt  der  Phryger, 
der  damit  die  Art,  wie  Orest  und  Pylades  vorgehen,  treffend  charak- 
terisirt. 

^  Es  genügt  auf  die  Art  zu  verweisen,  wie  er  sich  einführt  (Vs. 
1309  ff.J. 

*    Scholion  zu  Ve.  13(>9  und  zu  Vs.  1384. 

^  Hier  bemerkt  der  Scholiast  (zu  1512)  dvdSia  καΐ  τραγψδίας 
καΐ  τής  Όρέστου  συμφοράς  τά  λ€γόμ€να. 

^  Vers  1527  μώρος  cl  6οκ€ΐς  μ€  τλήναι  αήν  καθαιμάίαι  hipif^  ist 


üeber  ^inc  8cene  des  euripideischen  Orestes  281 

Sachen  wir  von  den  bezeichneten  Geeichtspunkten  aus  nach 
einem  Vorbilde,  dem  Euripides  in  unserer  Scene  gefolgt  sein 
könnte,  so  drängt  sich  meines  Erachtens  zwingend  dus  Aben- 
teuer des  Herakles  mit  Busiris  auf.  Busiris,  der  Sohn  des  Aigyptos 
und  König  von  Aegypten,  pflegte,  wie  Apollodoros  II  5,11  erzählt, 
die  B'remdlinge,  die  in  sein  Land  kamen,  zu  opfern.  Und  als 
Herakles  in  seine  Hand  gerieth,  Hess  auch  dieser  zunächst  schein- 
bar ruhig  und  ergeben  sich  zum  Altar  führen;  aber  dort  ange- 
langt, gab  er  die  Verstellung  auf,  erschlug  den  Busiris  und  rich- 
tete unter  seiner  Gefolgschaft  ein  furchtbares  Blutbad  an. 

Auf  einer  Caeretaner  Hydria  des  VI.  Jahrb.  finden  wir  den 
Schlussakt  des  Dramas  dargestellt^.  An  der  έ(Ττία  liegt  König 
Busiris  erschlagen.  Davor  steht  der  gewaltige  Held  Herakles, 
mit  der  Rechten  einen  Menschen  würgend,  den  seine  Tracht  als 
Ausländer  deutlich  charakterisirt.  Mit  der  Linken  hat  er  einen 
Zweiten,  ebenso  bekleideten,  beim  Beine  gepackt  nnd  schwingt  ihn 
durch  die  Luft,  um  ihn  am  Altar  zu  zerschmettern ;  zwei  andere 
hängen  leblos  mit  der  charakteristischen  Kopfhaltung  der  Erdros- 
selten in  seinen  gekrümmten  Ellenbogen.  Wieder  andere  stampft 
er  mit  den  Füssen  nieder.  Was  noch  lebt,  sucht  sich  in  eiligster 
Flucht  zu  retten;  einer  knietauf  dem  Altar,  einer  dahinter;  beide 
strecken  dem  Helden  flehend  ihre  Hände  entgegen.  Das  ist  alles 
e0|  wie  es  Euripides    beschrei  bt : 

δ  μέν  οΐχόμενος  φυγάς,  δ  δέ  νέκυς  ών, 

δ  δέ  τραύμα  φέρων,  δ  bk  λισσόμενος 

θανάτου  προβολάν. 

ύπό  σκότον  V  έφεύγομεν. 

νεκροί  b'  Ιττιπτον,  (Ά  b'  Ιμελλον,  ο1  b'  ίκειντο. 
Auf  der  Rückseite  sehen  wir  die  Leibwaclie  des  Busiris  zu  Hülfe 
eilen :  fünf  Leute,    durch  Tracht  und  namentlich  durch  Kopfform 
und  Wollhaare  als  Aethiopen  deutlich  charakterisirt '.   Sie  tragen 
Keulen  in  den  Händen. 


grammatisch  in  Ordnung  (vgl.  Madvig  Adv.  I  182),  wenn  man  λήν  dv 
für  τλήναι  einsetzt. 

^  Veröffentlicht  in  den  Monumenti  inediti  VHI,  27  vgl.  die 
Vignette  und  Furtwängler  in  Rosohers  Myth.  Lexicon  I  2215. 

^  Die  Neger  sind  deutlich  erkennbar,  dagegen  in  der  Kampfscene 
erscheinen  neben  ihnen  auch  Aegypter,  durch  hellere  Hautfarbe, 
schlichtes  Haar  und  semitisches  Profil  sichtlich  unterschieden.  Als  werth- 
volle  Beobachtung  möchte  ich  übrigens  hier  noch  eine  Bemerkung 
Löschckes  mittheilen.     Er  lehnt  die  Darstellung  der  Vase  als  bewusst 


282  Radermacher 

In  der  so  geetalteten  Busirielegende  kehren  unverkennbar 
die  drei  Merkmale  wieder,  die  oben  an  der  Seene  doH  Orestes 
als  besondere  eigenthtinilich  hervorgehoben  worden  sind.  Auch 
Herakles  verstellt  sich  zunächst  und  macht  erst  im  gegebenen 
Augenblicke  von  seiner  Heldenkraft  Gebrauch.  Zweitens  wird  die 
Feigheit  der  Barbaren  mit  grellen  Farben  geschildert,  drittens 
zeigt  bereits  das  Vaseubild  deutlich  eine  komisch  travestirende 
Auffassung  des  Abenteuers.  Finzelheiten  bei  Euripides  werden 
jetzt  erst  klar.  Helena  soll  an  der  dcTria  erschlagen  werden ; 
dieser  Zug  ist  mit  merkwürdiger  Treue  festgehalten.  Ueberhaupt 
versteht  man  nun  erst  die  Umschweife  der  Handlung.  Im  Grande 
lag  es  doch  für  die  beiden  Helden  näher,  gleich  beim  Eintritt 
die  Thüren  des  Gemaches  zu  schliessen  und  dann  ohne  Weiteres 
niederzuschlagen,  was  sich  drinnen  fand.  Man  darf  nicht  ein- 
wenden, der  Saal,  in  dem  Helena  sass,  sei  nicht  so  leicht  zu  ver- 
riegeln gewesen ;  das  ist  ja  alles  Fiktion  des  Dichters,  der  gerade 
so  gut  den  Ueberfall  der  beiden  Frauen  in  ein  einthüriges  Zimmer 
verlegen  konnte.  Statt  dessen  ist  die  Gefangennahme  der  Hermione 
in  dem  Berichte  des  Phrygios  sogar  recht  unwahrscheinlich  dar- 
gestellt. Hat  sie  denn  von  dem  Kampfgetümmel  gar  nichts  ver- 
nommen? Allein  bei  aller  Aehnlichkeit  der  beiden  Handlungen, 
deren  Verschiedenheit  ihrerseits  sich  sofort  erklärt,  wenn  man 
erwägt,  dass  Euripides  eine  durchaus  abweiojiende  Sachlage  ent- 
sprechend ausgestaltete,  fragt  es  sich  nun  doch,  auf  welchem  Wege 
ihm  sein  Vorbild  vermittelt  wurde.  Die  Antwort  ergiebt  sich, 
wenn  man  bedenkt,  dass  der  Busiris  für  die  Komödie  ein  überaus 
beliebter  Vorwurf  gewesen  ist.  Wir  kennen  Stücke  dieses  Namens 
von  Epicharmos,  Kratinos,  Antiphanes,  Ephippos,  Mnesimachos  ^. 
Hierzu  kommt  ein  Satyrspiel  des  Phrynichos  und  eins  des  Euri- 
pides, den  somit  die  Geschichte  stark  interessirt  haben  muss.  Etwa 
in  gleicher  Zeit  hat  sich  die  attische  Kunst  des  Vorwurfe  bemäch- 
tigt, wie  mehrere  erhaltene  Vasenbilder  bezeugend    Nun  mag  man 


travestirend  an  die  Darstellung  der  Ermordung  des  Priamos  durch 
Neoptolemos  an,  der  hierbei  den  kleinen  Astyanax  am  Fusse  gefasst 
hat  und  durch  die  Luft  schwingt  (Monum.  XI,  1^).  Damit  er^ohliesst 
sich  eine  erhebliche  Perspektive  nach  oben,  eine  Verbindungslinie  bis 
hinauf  zum  Epos. 

^  Vgl  Hiller  v.  Qärtringen  in  Pauly-Wissowas  Realenoyclopädie 
111  S.  1070. 

3  Vgl.  Furtwäugler  in  Röscher  Myth.  Lex.  I  S.  2233  und  Arch. 
Anz.  1892,  89. 


Ueber  eine  ^co.W2  des  euripideischen  Orestes  263 

wohl  gerne  zugeben,  daes  die  Phantasie  der  attiechen  Dichter  and 
Maler  ungewöhnlich  fruchtbar  war,  und  daes  ee  ihnen  gelungen 
ßein  muss,  dem  überlieferten  Stoffe  viele  neue  Seiten  abzugewinnen ; 
zuletzt  musste  dennoch  die  Fabel,  immer  wieder  von  Neuem  auf- 
getischt, das  Publikum  ermüden.  Somit  war  es  ein  geschickter 
Griff  des  Euripides,  dass  er  das  überkommene  Motiv  auf  eine 
i:eue  Situation  übertrug  und  für  sie  auf  solchem  Wege  eine  Gre- 
staltung  fand,  die  den  Hörer  unmittelbar  packen  musste ;  denn  es 
ist  klar,  dass  die  Wirkung  der  Scene  auf  dieser  Ausmalung  beruht. 

Aus  dem  bisher  gewonnenen  Ergebnisse  läset  sich  noch 
eine  weitere  Folgerung  ableiten.  Die  Beobachtung  des  Aristo- 
phanes,  dass  der  Orest  des  Euripides  eine  'einigermassen  komi- 
sche Katastrophe'  habe,  rückt  in  eine  besondere  Beleuchtung, 
nachdem  sich  herausgestellt  hat,  dass  der  Dichter  sich  mit  Be- 
wnsptsein  an  Komödie  und  Satyrspiel  anlehnt.  Man  darf  folgern, 
dass,  wenn  der  Orestes  einer  Tetralogie  angehörte,  er  das  letzte 
Stück  derselben  gewesen  sein  muss,  und  dass  seine  Schlussscenen 
das  Satyrepiel  unmittelbar  ersetzten.  Die  Arbeit  ist  derber  aber 
auch  durchsichtiger  als  in  der  Alkestis.  Dieses  Stück,  das  an 
gleicher  Stelle  aufgeführt  worden  ist  und  dessen  Auffassung  so 
lange  Schwierigkeit  gemacht  hat,  ist  die  beste  Parallele  zum 
Orestes  und  kann  sein  Yerständniss  unmittelbar  erschliessen,  nur 
daes  hier  nebenbei  noch  die  Travestirung  der  Charaktere  viel 
allgemeiner  und  rücksichtsloser  durchgeführt  wird. 

[Zusatz.  Ich  will  die  Gelegenheit  nicht  vorüber  gehen 
lassen,  ohne  auf  eine  merkwürdige  Beziehung  zwischen  Orest- 
scbolien  und  rhetorischer  Litteratur  hinzuweisen.  Demetrius  de 
eloc.  7  sagt:  τών  hi  μικρών  κώλων  κάν  όεινότητι  χρή(Τίς  έστιν. 
b€ivOT€pov  γάρ  τό  έν  όλίγψ  πολύ  έμψαινόμενον  καΐ  σφοδρότερον, 
5ιό  καΐ  ο\  Λάκωνες  βραχυλόγοι  ύπό  δεινότητος.  και  τό  μέν 
έπιτάσσειν  σύντομον  καΐ  βραχύ,  και  πάς  δεσπότης  δούλψ  μονο- 
σύλλαβος. Dass  diese  Worte  Beachtung  gefunden  haben,  be- 
weist das  Citat  in  den  Anonymi  Prolegomena  τών  εύρέσεοΑ^  W 
VII  p.  64,  26,  dessen  Kenntniss  ich  K.  Fuhr  verdanke.  Aber 
die  Worte  o\  Λάκιυνες  βραχυλόγοι  kehren  immer  wieder  in  einer 
Reihe  von  Scbolien,  die  wir  zu  Orest  640  ff.  besitzen,  die  freilich 
nach  ihrer  geschwätzigen  Breite  und  Dürftigkeit  spätes  Fabrikat 
sein  müssen.  Nur  die  Notiz  zu  643  δ  V  έλαβες,  τόυτου  βηθέντος 
αΤρουσιν  ο\  ύποκριταΐ  τήν  χείρα  beruht,  wie  die  gleiche  üeber- 
lieferung  im  Etymol.  Gud.  v.  άρνεΐσδαι  verräth,  auf  alter  Tradi- 
tion;   dass  jedoch    die  Scholien   zur  Stelle  einmal  ausftthrlioher 


2H4     Kader ni acher  Ucber  eine  Scene  des  euripideischen  Orestes 

und  ganz  anders  gelautet  haben  mtieeen,  zeigt  die  Nachricht  in 
den  Prolegomena  Hermogenifi  W  VI  p.  7:  Ol  γάρ  έΗηγητσι  τον 
Όρέστην  Εύριττίόου  έΕηγούμενοι  τόν  ύποκρινόμενόν  φασι  τον 
MevdXaov,  του'Ορίστου  πολλά  λαλήσαντος,  όλίγη  πράξει  [φασι] 
κεχρήσθαι  [τόν  ύποκρινόμενον  τόν  Μενίλαον].  του  γάρ  Όρέστου 
είπόντος  '  άπόδος  δσον  έλαβες  έμοΟ  πατρός  πάρα,  σχηματί- 
σασθαί  φασι  τόν  Μενίλαον  ήτοι  τόν  ύποκριτήν  και  άνανευσαι. 
δθεν  και  6  έπιφερόμενος  ίαμβος,  ώς  άνανενευκότος  του  Μενελάου 
νομίσαντος  περί  των  χρημάτων  τόν 'Ορέστη ν  διαλέγεσθαι,  επι- 
φέρεται ούτως  '  ου  χρήματ'  εΤπον.  Diese  Ausführungen,  die 
ζΒ.  in  Demetrius  de  eloc.  195  oder  Seneca  Briefll,  7  (vgl.  Hense, 
Philologus  1901  S.  387)  ihr  Gegenstück  haben,  sind  für  die 
KenntnisR  des  Spiels  der  antiken  Schauspieler  von  Bedeutung;  es 
scheint  leider,  dass  man  derartiges  bei  der  endgültigen  Redaktion 
der  Scholienlitteratur  einfach  weggeschnitten  hat.] 

Bonn.  L.  Radermaoher. 


HERKULANENSISCHE  BRUCHSTÜCKE 

EINER  GESCHICHTE  DES  SOKRATES 

UND  SEINER  SCHULE 


Die  Rolle  Nr.  495  der  herkulaneneischen  Bibliothek  wurde 
im  Jahre  1830  von  C.  Maleeci  «geöffnet.  Doch  die  Masse  war  zu 
spröde,  als  dass  sie  eine  glatte  Aufwickelang  gestattete,  und  so 
Hess  der  Italiener,  nachdem  er  zwölf  kleine  Blätter  (pezzi)  los- 
gelöst hatte,  den  Rest  uneröffnet  liegen.  Dieses  Stück,  das  7  cm 
im  Durchmesser  und  17  cm  in  der  Länge  misst,  eine  Schwere 
aber  von  210  gr  besitzt,  wird  noch  heute  unter  den  geschlossenen 
Rollentheilen  aufbewahrt.  Jene  zwölf  Blätter  nun  wurden  in  der 
Folgezeit  zweimal  entziffert.  Die  Neapler  Abschrift  (n),  von 
Vincenzo  Corazza  angefertigt  und  heute  unter  den  papiri  inediti 
eich  vorfindend,  enthält  13  frammenti  auf  4  Blättern.  Was  die 
Engländer  in  Oxford  {o)  besitzen,  ist  geringeren  Umfangs;  man 
kann  es  jetzt  in  der  Sammlung  der  Oxforder  Photographien  Bd. 
VII  Blatt  30 — 36  einsehen.  Aber  diese  Abschriften  haben  darum 
keinen  grossen  Werth,  weil  jene  12  pezzi  noch  erhalten  sind. 
Die  auf  drei  Tafeln  aufgespannten  Reste  habe  ich  im  Frühjahr 
1900  untersucht,  doch  nicht  Buchstabe  für  Buchstabe,  denn  dazu 
fehlte  die  Zeit.  Allein  bei  den  lesbareren  Stellen  ist  wohl  die 
Hauptsache  erledigt. 

Es  sind  nur  die  unteren  Theile  der  Golumnen  erhalten. 
Die  Schrift  ist  fein  und  zierlich,  von  mittlerer  Grösse.  Auf  die 
Zeile  gehen  etwa  18 — 20  Buchstaben,  am  Ende  finden  sich  häufig 
die  als  Ftillzeiohen  verwandten  Häkchen  )  und  ^.  Es  sollen  nun 
die  einzelnen  pezzi  vorgenommen  werden^. 

tav.  I  pezzo.  1.  Sehr  zerstreute  Schriftreste;  die  einzelnen 
Blattlagen  sind  öfter  durcheinander  gerathen.    Die  Ueberbleibsel 

^  Bei  der  Ergänzung  haben  H.  Diele  und  H.  Ueener  werth volle 
Beiträge  zur  Verfügung  gestellt,  wofür  ihnen  hier  mein  aufrichtiger 
Dank  ausgesprocheu  sei. 


28(>  C  Γ  6  η  θ  r  t 

von  wenigsteDs  drei  Colamnen  lassen  sich  erkennen;  aus  der  mitt- 
leren stammt 

lOYECOKI 

EKÜA 
tav.  I  pezzo  2.     Hier  berrecht   dieselbe   Verwirrung.     Das 
Stück  am  linken  Rande  (fr.  1  n)  ist  von  sottoposti  stark  durch- 
setzt und  darum  zunäcbst  nicbt  lesbar.    Doch  gehören  die  Zeichen 
ΝΘΙΤΤ  sicher  zusammen  (Ξα]νθιπ[ττη).  Rechts  liest  man 

APKA 

οΐκί- 

α ]MA 

υπέρ 

Aus  Ξανθίππη  und  οΙκία  läset  sich  folgern,  dass  auf  diesem 
Blatte  von  dem  Familienleben  4es  Sokrates  die  Rede  war. 

tav.  I  pezzo  3  =  fr.  2  n. 
.  .  ΗΘ 
άνθρω[π 
TACTEP[ Έρμιπ- 

πός  φη[σιν 

Die  rechte  Hälfte  der  in  η  gezeichneten  Colamne  scheint 
anderswohin  zu  gehören.     Ale  sottoposto  findet  sich  noch 

.  .  .  λόγον  TTE 
λαβών  αύτ 

■  • 

τήι  άφωνίαι 

tav.  Ι  pezzo  4  =  fr.  3  η  (VII  32  ο). 

γρά]ψαν[τ  . 

Ι  bia  τήν  ευ- 

...  αν  ά]πο[σ]τήσαι.  Έπει  (nach  ΑΙ  Zwischenr.) 

V  Αΐ)σχίνης  έωράτο  πΐ€- 
5  ίούμ]€νος  υπό  τής  πενί- 
ας   ]""άπό  του  λόγου* 

και  έθί2:€σθαι>  (nicht  δανεί^εσθαι) 

€]ωκράτους  ΠΑ 

Unter  fr.  3  finden  sich  nun  zwei  weitere  Blattlagen.  Zu 
sottoposto  1   gehört  links 

^  H,  was  in  ο  vor  diro  steht,  gehört  zum  sottoposto.  Man  sieht 
hingegen  noch  den  Rest  eines  oberen  Querstriches.  Zur  Sache  vergl. 
Diog.  II  (>2:  φασί  b*  αύτώι  X^tciv  Οωκράτην,  έιτειοήπερ  έπιέ^^ετο  ύπό 
π€ν(ας,  παρ'  εαυτού  δαν€{2[€σθαι  ταιν  αιτίων  09aipoOvTou 


Herkttlanensiecbe  Brochetücke  einer  Gesohiohte  des  Sokratee  usw.  287 

C]u)Kpa- 

της ]ΙΠΑ,  und  rechte 

bxä  πα[ντός i- 

κανά 

έπαγ 

.  .  OM  , 

zu  eottopoBto  2 


TINOC 

τήν  χείρα 

€iv  φη-  σ€ΐ€ν  ώς 


σίν ]AICCXE  τραττη 

νόμενος  ΑΙ  <*        ουν  ούο 

tav.  II  pezzo  5.  Hier  liegen  wenigstens  4  Colnmnen  vor. 
Links  liest  man 

φύ]λακος> 

Άθη]ναϊοι, 

das  Stück  am  rechten  Ende  aber  =  fr.  5  η  (VII  33  ο).  Die 
Ausdehnung  dieser  Columne  nach  links  ist  noch  nicht  sicher  er- 
mittelt worden. 

QTHC  .  . 

ά]ναστροφη  .  . 

\N  elvai  Ν  .  . 

.  .  .  EITH  -  μ€θ'  έαυτοΟ 
5  .  .  ά]παλλ[α]γής  δντοσ 

....  oÖKOuv,  ίφη,  φρον||[τι2  .  .  . 

tav.  II  pezzo  6.  Auch  hier  findet  man  nur  verwirrte  Co- 
Inmnensttickchen.  Was  man  in  der  Mitte  oben  liest,  schrieben 
die  Neapler  (fr.  5)  und  die  Oxforder  (VII  35  und  VII  36,  zwei- 
mal!), ab.  Ueber  die  Ausdehnung  der  Zeilen  läset  sich  nach 
den  Abschriften  nichts  Bestimmtes  sagen,  auch  der  Papyrus  hat 
Dichte  ergeben. 

OYN 

.  .  Ν  ίφη  κάρ5οπο[ς 

.  .  ΗΙΡΑΦ  .  .  .  ΕΙΔ.ΗΕΑ« 
ΤΟπΟΥΝΕΙΠΩ      ΟΥΚΑ» 


'  ιταραγ€]νόμ€νος  Α1[σχίνης? 

'  Das  Ι  nach  Η  ist  über  die  Zeile  geschrieben,   es   ist  also  iota 
mutum. 

'  t(  οΰν  cTirui;  oö  κά[ρ6ο]ιτον;  Usener  unter  Hinweis  auf  Aristoph. 

Wölk.  669-680. 


288  Crönert 

TON  και  προσ€νίτκα[ς 
και  περίπατων 
In  fr.  5  scheint  wie  in  fr.  4    eine  Anekdote   (^φη)  erzählt 
za  werden. 

tav.  II  pezzo  7.     Die    linke  Hälfte  =  fr.  6  η   (VII  32  ο) 

ΕΧΘ 

ταύτα  Τ  .  .  . 

Κ  .  .  Δ  άφελ)       nCNC 

κομίνου  b'  Αί]σχίνου  bia>  ΛΗΜΑ 

6 TAN  ....  TON^ 

πότο      ΙΩΝΙΑ  

tav.  Π  ρβζζο  8  =  fr.  7  η.  Die  Begrenzung  der  Zeilen  ist 
unsicher. 

.  Δ  .  NON  (beivov?)  γάρ  Τ 

■  • 

5  .  .  .  και  Διογ[^νης  (?) 
ίσκ]ιυπτον  ΕΓ  .  .  ΕΙ 

.  .  .  έν6γ[κ€ΐ]ν  ΤΟΙ 
tav.  III  pezzo  9.      Das   grössere    Stück  =^  fr.  8  η    (Vll  30 
und  VIT  35  o).  [Έρ- 

μιπ]πος  έ[ν 
γρά]φ€ΐν 
MAC  .  ΕΝ 
άπό  πρώ[τ 

ΔΕ..*-ΑΡΧ[ άλ- 
λα τών  Ι  [ ουκ  άν€- 

Kivbu-  >  κτόν  γ€νίσθα[ι 

ν ]στίαν  αύ-  ^  τον  Διονύσιον 

τ !  ]ΤΟΥ  >  τεσθαι  Δίων«' 

Rechts  wird  wohl  von  dem  Zerwürfnis»  zwischen  Piaton 
und  Dionysios  berichtet. 

tav.  III  pezzo  10  =  fr.  9  η  (VII  35  ο). 

ÜIECE  .  ΜΑ  .  .  TINEC[E€vo-8 

φώντι  μ€τ[ά  τ]ή[ν  'Αθηνών  δλιυ- 

σιν  στρατ€υσ[α]μ€νιυν[ι  εΙς 

^  Oder  ατίον. 

^  Nach  Δ  {ων  ist  noch  ein  schwarzer  Punkt  oben  erhalten,  es 
scheint  also  der  nächste  iiuchstabe  weder  Α  noch  1  noch  0  gewesen 
zu  sein. 

^  έπιτιμάν  γάρ  δοκοΟσιν  έ]πΐ€ΐκώ[ς]  μά[λο]  τινές  [Ξ€νο]φ<ΰνη 
Usener. 


Herkulanensisclie  Bruchstücke  einer  Geschichte  des  Sokrates  ü»W.  1^89 

την  Άσίαν,  Πλάτιυνι  5[έ* 
TINEC    Zeile  1  ist  nur  in   ο  erhalten;    vielleicht  standen 
zwischen  C  und  Ξ  noch  Buchstaben, 
tav.  III  pezzo  11  =  fr.  10  n. 

Δ  .  HE  πολιτ[ ά 

•  • 

ρί[σ]τη  πό[λ]ις 

• 

λ'  άκολουθ 
ΜΗΝ  αί5[τ]αι  Ι 

5  ΛΗΝΕΝ 
AYTOMC  .  NEC 

tav.  ΤΙΙ  pezzo  12  =  fr.  11 — 13  n.     Davon  ist  fr.  11  sehr 

schlecht  überliefert.  Man  liest  OCKOYPOYC«  Zeile  4  und  ΠλΙά- 

τωνο[ς   μ]αθητώ[ν    Zeile  5.     fr.  12    (=V1I  34  o)   ist   ebenfalls 
arg  zertrümmert: 

\  πολι[τ 

*Αθη[ν]αίιυν  έΗ  A[.  .  .  .  άπο- 

στ]άντΐϋν^  μετ'  έκφ[ορας 

5]έ  λαμπράς  ίθαψε,  κ[αθ]ά[π€ρ 

6  έΐμαρτύρησε  ΞΕΝΟ  .  .  ΤΕΙ* 

Ob  die* Ergänzungen   richtig  sind,   muss  eine  Nachprüfung 

lehren.  Wer  mag  der  Bestattete  sein? 

Aue  fr.  13  (Vü  34  o)  ist  noch  weniger  zu  gewinnen: 

QC  πο- 

λ ]hi  [σιυ]φρόνιυς 

ΑΤΕΝΛ  .  .  ANE 

μ€τ'  €ύτα]Ηίας  βίττεϊν 

Dazu   kommt  endlich  ein  Stückchen  in  o,   das    weder  in  η 

noch    in    den   heute    erhaltenen    Resten    anzutreffen   ist^    es   wird 

daram  ein  sovraposto  gewesen  sein.  VII  Bio: 

Ν  bt  αύ[τ 

...  ην  και  μη 

'  .  äv]bpa  μαλ 
ταΐς  ΠΑ  .  ΦΘΙΝ 

1  Etwa  Διονύσιον  κολακ€ύσοντι  (üsener). 

2  x)ie  beiden  Söhne  des  Xenophon,  Gryllos  und  Diodoros,  wurden 
auch  Διόσκουροι  genannt,  Diog.  II  52. 

•  ^Ηαναστάντιυν  (Usener)  füllt  den  Raum  nicht  aus. 

*  ΞενοφΟϋν  scheint  nicht  möglich  zu  sein ;  •  Ξενοκράτ€ΐ  Usener 
unter  Verweisung  auf  die  Rede  des  Lysias  προς  Ξενοκράτην  (fr.  206 
Sauppe). 

Rhein.  Mni.  t  Philol.  N.  F.  LVU.  '^^ 


290  C  Γ  ö  η  e  r  t 

.  .  .  γ]νώμα[ις 

.  .  φιλ]οσοφ 
ΜΕΝ/ 

Diese  recht  spärliche  Ausheute,  die  der  Papyrae  hie  jetzt 
geliefert  hat,  würde  kaum  eine  umfassendere  Wiedergabe  der 
Schriftzeichen  rechtfertigen,  wenn  sich  nicht  inzwischen  ein  wei- 
tererj  werthvollerer  Bestandtheil  jenes  Buches  gefunden  hätte. 

In  dem  Aufsätze  "^Deher  die  Erhaltung  und  die  Be- 
handlung der  herkulanensischen  Bollen'  (Neue  Jahrb. 
f.  d.  kl.  Alterth.  1900,  S.  586)  habe  ich  zwischen  den  aufge- 
zogenen, unter  Glas  gebrachten  und  den  lose  übereinander  ge- 
schichteten Papyri  unterschieden.  In  der  letzteren  Gruppe,  deren 
Inhalt  auf  über  2000  Blätter  geschätzt  war,  findet  sich  sehr 
vieles,  was  noch  nicht  abgeschrieben  worden  ist.  Davon  mag 
das  Meiste  unergiebig  sein,  bei  genauem  Zasehen  aber  darf  man 
damit  rechnen,  nicht  unbedeutende  Funde  zu  machen. 

In  der  ersten  Zeit  meines  Aufenthaltes  in  Neapel  (4.  Nov. 
1899 — 1.  Juni  1900)  verfolgte  ich  den  Plan,  von  dem  ganzen 
Bestand  der  entrollten  Papyri  ein  sorgfältiges  Yerzeichniss  an- 
zulegen. Nach  einigen  Monaten  indessen  zeigte  mir  die  Mn- 
seumsleitung  an,  dass  sie  selber  ein  neues  Yerzeichnfes  bearbeiten 
und  herausgeben  lassen  wollen  Das  bestimmte  mich,  von  nun 
an  meine  Sammelarbeit  einzustellen  und  die  Zeit  nur  noch  einigen 
der  wichtigeren  Papyri  zu  widmen.  Aber  kurz  bevor  diese  Aen- 
derung  meines  Arbeitsplanes  eintrat,  brachte  mir  der  Zufall  ein 
sehr  merkwürdiges  Stück  zu  Gesicht.  Luigi  Gorazza,  der  selber 
in  früheren  Jahren  noch  nach  der  Weise  der  alten  disegnatori 
herkulanensische  Schriftreste  abgezeichnet,  oder  besser  gesagt, 
abgemalt  hatte  —  denn  vom  Griechischen  verstand  er  eben  ge- 
rade so  viel,  um  die  Buchstaben  von  einander  unterscheiden  zu 
können  — ,  beobachtete  mit  wachsender  Aufmerksamkeit,  wie 
schnell  ich  die  Schriftzeichen  zu  Papier  brachte.  Er  selbst  habe, 
so  meinte  er,  dazu  eine  zehnmal  längere  Zeit  nöthig  gehabt.  Es 
war  am  6.  Februar  19^0,  als  er  mir  erklärte,  dass  das  Museum 


^  Das  Museo  Nazionale  hat  die  Absicht,  eine  neue  Bearbeitung 
der  Papyri  vornehmen  zu  lassen  (uoa  reorganisazione  degli  studi  de' 
papiri  Ercolanesi),  vgl.  S.  589  des  oben  angeführten  Aufsatzes.  Zum 
Leiter  dieser  Arbeiten  ist  cav.  Emidio  Martini,  der  Direktor  der 
Bibliotheca  nationale,  bestimmt;  ein  Anfang  indessen  ist  noch  nicht 
gemacht  worden. 


HerkalaneDsiache  Bruchstücke  einer  Geeehichte  des  Sokrates  usw.    291 

gerne  ans  meiner  Arbeitekraft  Nutzen  ziehen  wolle.  Er  werde 
mir  noch  nicht  entzifferte  Papyri  vorlegen,  and  ich  solle  eine 
sorgfältige  Abschrift  davon  dem  Papyrnsarchiv  hinterlassen.  Dann 
öffnete  er  den  letzten  der  Papyrusschränke  und  nahm  zwei  Käst- 
chen heraus.  In  diesen  fanden  sich  die  Eeste  des  Papyrus  558, 
einer  Rolle,  die  als  eine  der  letzten  des  ganzen  Bestandes,  und 
zwar  von  L.  Corazza  selbst,  im  Jahre  1888  geöffnet  worden  war. 
Die  Aufrollung  war  sehr  schlecht  ausgefallen.  Statt  langer  zu- 
sammenhängender Blätter  konnte  Corazza  fast  nur  kleine  Stück- 
chen ablösen,  und  auch  in  diesen  liefen  die  einzelnen  Lagen 
durcheinander.  Im  Ganzen  zählte  man  einen  grösseren  pezzo  und 
25  kleine.  Eine  Durchsicht  der  Reste  belehrte  mich  nun  bald, 
dass  ich  den  oberen  Theil  der  Rolle  vor  mir  hatte,  deren  andere 
Hälfte  in  dem  Papyrus  495  erhalten  war.  Wie  schade,  dass  ein 
so  wichtiges  Stück  so  zertrümmert  vorlag!  Und  selbst  diese  we- 
nigen Trümmer  waren  so  beschaffen,  dass  man  beim  Anfassen 
Gefahr  lief,  weitere  Stückchen  von  den  einzelnen  pezzi  abzu- 
lösen, die  dann  für  immer  verloren  waren.  Hingegen  war  das 
Vorhandene  sehr  leicht  zu  lesen,  da  die  schöne,  regelmässige 
Schrift  deutlich  von  dem  Untergrunde  abstach. 

Zwei  Abschriften  fertigte  ich  an,  von  denen  die  eine  jetzt 
unter  den  papiri  inediti  liegt.  Hie  und  da  habe  ich  einige  sovra- 
posti  abgehoben,  um  die  verdeckte  Schrift  zu  lesen.  Da  aber 
die  Masse  sehr  spröde  war  und  ich  mich  beeilen  musste,  so  Hess 
ich  noch  manches  zu  thun  übrig,  um  nicht  durch  hastige  und 
unvorsichtige  Arbeit  den   Verlust  noch  grösser  zu  machen. 

In  den  meisten  der  folgenden  Bruchstücke  lässt  sich  die 
Ausdehnung  der  Zeilen  nicht  bestimmen.  Die  Punkte  an  der 
linken  Seite  dienen  dann  dazu,  die  genaue  Stellung  der  Buch- 
staben zu  bezeichnen.  Eine  Eigenthümlichkeit  der  Rolle  sei  hier 
noch  hervorgehoben :  am  oberen  Rande  finden  sich  nicht  geringe 
Reste  von  Kapitelüberschriften,  vgl.  pezzo  4,  8,  11,  12,  17,  26. 
Diese  Ueberschriften,  die  in  der  ganzen  herkulanensischen  Bücher- 
masse  allein  stehen,  sind  für  die  Feststellung  des  Inhalts  von 
grösster  Wichtigkeit^.  Aus  ihnen  geht  mit  völliger  Sicherheit 
hervor,   dass  wir  es  mit  einem  βίος  Οωκράτους  zu  thun  haben. 


^  Die  Kapitelanguben  sind  später  hinzugefügt,  wie  die  Verschie- 
denheit der  Schrift  darthut.  Diese  Schrift  ist  von  geringem  Umfang, 
stark  nach  rechts  geneigt  und  manchmal  au  die  Cursive  erinnernd. 
Oefter  findet  man  auch  die  Buchstaben  untereinander  verbunden.    Die 


292 


Crönert 

pezzo  1  linke: 

rechte: 

φησιν  Α 
ΜΗΝΚ/ 

• 

.  .  έν  ΤΤ€ΐ[ραΐ€Ϊ 
.  .  ΠΑΝΑ 

ΘΑ 

.  NATOIN 

Τ 
ΤΗ 

μ]€ταλη 
TÖN 

....  Ο]υρα[κοσ 

Bovrapoeto  linke: 

rechte : 

ΙΟΙ 

HNEC 

MAP 
TOI 

•         •   • 

Τράίψοντος 

' ".  .  NEN 

ού]κουν 

pezzo  2  links:  rechts: 

μήτε  ΟΟΠ (Οώπατρος?)         ....  Ν 

Χό".  .  .  ACA οκλής  καΡ* 

ΟΦ buiKcv  Μ 

PI ΤΑΜΕΝ 


pezzo  3: 


sovraposto   1  : 


•  . 


.  \ΜΑΛΑ 

.  HCIACQ 

ι 

•             • 

5 Ν 

ΔΕΙ 

.Η QTÖNO 

φιλοσ]οφίαι  γεν- 
ηται  bia 


.  Ν 

IQNn 

.TQN 
5  TQNI 
POCAI 

■     .     ■    . 

.  Ν 
.  C 

10   ...    • 


Hand  trifft  man  in  den  Randbemerkungen  zu  Philodems  Werk  ober 
die  akademische  Schule  wieder  (hierüber  wird  die  Ausgabe  Meklen 
das  Weitere  berichten);  sie  als  manne  Philodemi  anzusehen,  liegt  kein 
Grund  vor.  Die  Rolle  558  bietet  das  älteste  Beispiel  von  Kapitelüber- 
schriften in  Handschriften;  doch  wird  die  Entstehung  dieses  Bnochet 
noch  in  frühere  Zeit  fallen,  wie  sich  aus  den  Inhaltsangaben  der  In• 
Schriften  erkennen  lässt,  vgl.  zB.  Inschr.  v.  Magnesia  98  und  100  aot 
dem  2.  Jhdt.  v.  Chr.  In  der  Ueberlieferung  des  Diogenes  Laerlio• 
sind  die  lemniata  sehr    häufig ;  ihre  Herkunft   ist  unbekannt. 

1  Δι]οκλής?  Vgl.  Diog.  II  82. 

^  Nur  die  Grenze  der  Zeile  nach  rechts  ist  gfesicbert. 

^  bilä  μάλα  [πολλής  παρ]ρησ{ας  ώ[μ(λ€ΐ  üsener. 


Herkulanensische  Brucbstücke  einer  Geschichte  des  Sokratcs  usw.    293 


....  ΑΘΟΡ  (oder  OY) 

.  .  . . 

τήι  άφωνίΓαι 
ώμ]ίλησ€ν  (üeener) 

sovraposto  2: 
AI  hi  μοι  περί  της  ΘΑΜ  (oder  ΘΑΛ)  ^ 

.  .  .  ICCQ  μέγα  χω 
.  .  .  PIA  κοσμήσει  πα* 

.  .  .  TQI  άκρ€ΐβέστ€[ρον 

5  .  .  .  δ  Τ€  ποΐ€Ϊ  ΚΑ  (es  folgt  niobt  C  oder  θ) 

Ι.  .  .  ΙΥΦΥΙ 


pezzo  4: 
.  ΙΝΙΓ 

β  .  ΑΓΟΙ 

MENOCEX 

.  .  ΟΤΟ 

sovraposto  1: 
•  .  .  .  ΛΟΙΠΕ 
Ι  παρά  τα 
....  ΝΕΑΙ 
.  .  π]€ρι  τής  τρ 

......  CAC0 


soyraposto:  2 
T€  τούτο  πιθανός  (wo  ist  der  Band?) 

τ]ής  ευστοχίας  κα 
.  .  ος  τής  κατά  τή[ν 
.  .  έστησε  ΔΙΥ" 

.  .  .  πό  του  CO  (oder  CR  oder  €Ψ) 

•    •  •  • 

Oben    rechts    über    dem  Scbriftraum 
findet  sich  Μ  .  YO  als  Rest  eine  Kapitel- 

Überschrift.     Doch  ist  es  nicht  sicher,   ob 
dies  zu  sovraposto  2  gehört. 


pezzo  5  sottoposto : 
Tl 
ΡΓ 
AN 
CINA 
.  lEIPY  (oder  A) 


I 


pezzo  5: 


κ]αΙ  ΤΟΥ 
Μεγα[ρ 

Άθηνα» 

.  καΐ  θο[ρικ  (?) 

.  HCX  (oder  Α  oderÄ) 


^  Die  AusdehnuDg  der  Zeilen  l&sst  sich  nicht  erkennen.  In  Zeile  2 
kann  vor  CQ  nur  C  oder  Ε  gestanden  haben;  die  Hasta  aber  am  An- 
fange rührt  wohl  von  einem  Ν  her.  Diele  versucht:  (^ηθήσ€τ]αι  bi 
μοι  tr€pi  τής  θαλ[άμης  (Grotte),  ής]  ίσιυ  μέγα  χώ[μα,  τά  ή]ρία,  κοσμήσει, 
ird[Xiv  έν  τρί]τιυι  άκρειβέστε[ρον.  Vielleicht  stamme  ήσπερ  ίσω  μ^ο 
χιΧιμα  und  ήρία  κοσμήσει  aus  einem  Epigramm,  doch  sei  das  Stück  in 
jedem  Falle  auffällig. 

^  KOIM  meme  Abschrift,  doch  sieht  das  C  in  diesem  Papyrus 
dem  I  sehr  ähnlich,  da  es  in  der  Hauptsache  aus  einem  langen  ge- 
raden Strich  besteht,  an  den  sich  oben  ein  Häkchen  ansetzt. 

'  κ]αϊ  ToO  [Εύκλεί^ου  έγΐ  Μεγά[ρων  φοιτώντος]  *Αθήνα[Σε  üeener. 


294  Crönert 

pezzo  6: 


ΠΡ 

ι         τι 

•  • 

C  ΠΑ 

Λ  ΚΑ 


β  Λ 


sovraposto  1 : 
1  ά]νγ€λλον[τ 
a  .  .  QCIN 

8    •    •    •    •    ^ 

8  ....  PI  φύσις  ΕΙ 
.  έ]πι  τής  νυν 

10  κ]ατά  δέ  τήν 
.  αται  έν  Χ 

eovraposto  1: 


U  ΟΝΗΝ 

και  Λ 

• 

16  και  Τ 
ΗΘΙΑ  . 


pezzo  7  linke: 
"Λ 


ΑΓΕΙ Ψ  (oder  Φ)  01 

έκ€Ϊ]νο  5*  emev 

ούοετέροις  ου 

δ ήσαντος  > 

υτιυν  έρασ-  ) 

Δ  (oder  Ξ)  ΟΥΤΟΤΕΜΙ 

πά]λιν  δταν  bi-  ^ 

Ν  άπό  χωρί[ου 

10 ΙΛΑ  κτίστη  . 

•  * 

ΙΛΑ  κτ[ίσ- 

τ ]  ΟΝΟΝΛ  . 

AMEN  '.  . 

σθαι  και  υπ  . 

ΙΟΕΙΙ  .....    (ecbräg  linke  über 

pezzo  7  rechts:  10  erscheint  ein  T) 

διάθ[€σι]ν  τής 


HerkolanenBisohe  Brachetücke  einer  Geschichte  des  Sokrates  usw.    295 

HIMI  .  .  .  χρήσα[σθαι  τήι  γρα- 

φήι  φ[ησιν 

Λυσίου  (vgl.  Diog.  Π  40) 

6  QCA 

άπολ[οτ 

Λ 

Δ 

soTraposto :  ΕΤΟΥ_ 

.  CI 

■ 

pezzo  8:     ...  τ]€λ6υτή  χρήσασθαι 

.  .  των  έν  αύτώι  (nach  ΕΝ  ist  ΟΝ  getilgt) 
.  .  πολ€ΐτών  (vor  π  sind  5  Bnchet.  getilgt) 
.  ή]ί)υνάτησαν  τ€> 

.  .  Οάτυρος^  5'  6  Καλλα- 
τιανός  φησι]ν  τώι  Οιυκρά- 

τ€ΐ ]  TTOAAC  άωρου  (auch  TOAAC  ist  möglich) 

"Κ  .  προβολήν 

'  ΟΥ  .  και  τά  τών 

10 ων  τόν  Οιυκρά- 

τη ]    .  •  ΒΗ  / 

Ι  Ι  Α  άτητο[ς  ..]!.. 

.  .  •  • 

""Α  έπιπρα 

....  έτ]κληματ 

15 αΙτίας 

Am  oheren  Rande  steht  ICI  .  KPAT,  etwa  τ€λ6υτ]ή  Οιυκρά- 

τ[ους.    Von  der  sich  rechts  anschliessenden  Colnmne  ist  nar  der 
Anfangshnchstahe  der  4.  Zeile,  T,  erhalten, 
sovraposto:  9  OY 

10  — όπως" 
pezzo  9  sottoposto:  i  .  .  xP 

2  συ]ναθρο{σ[ας 

8  .  .  tqnt' 

4  .  .  .  .  EAEP 

Von  diesen  Zeilen  ist       7  Φ 
die  Ausdehnung  unbe-         T[ αύ- 

1  Die  Heimat  dee  Peripatetikers  (vgl.  über  ihn  FHG.  ΙΠ  159— 
164,  Susemihl  I  498)  war  bislang  unbekannt.  Das  11.  Bruchstück  bei 
Müller  handelt  von  den  Frauen  des  Sokrates,  das  12.  von  Flaton.  Es 
ist  recht  ärgerlich,  dass  sich  die  neue  Stelle  so  schwer  Tentehen  läset. 


39β  Crönert 

kannt;    die    folgenden         τάρκη[ς 
Stücke    stammen    vom      lo  TA 
linken  Rande.  .  I 

αλλά  κ[αΙ 

ONT 

ΘΥ" 
pezso  9 :     έν  τώι]  πρώτιυι  ι  διατριβών 

τόν  Λοκρόν*       Ε ΜΙ 

ΤΟΝ  Γ 

«ΟΝ 

peszo  10:    ι  έ]ξ 'Άκαοη[με(ας 

•  ■ 

ΤΤλάηυνι 
YC  τών'  ΤΟ 
pezzo  11:       ΩΝ  ... 

Ν.  .  .  . 

-ΟΝ  .  .  . 

έν  6έ  τώι  έ]κκα[ι]ί)ε- 

5  κάτιυι  φησι  τόν  Δημή]τριον  * 
Πλάτω- 
ν   1  ΠΛ  . 

ΕΝ 

QN 

10 IN 

PQ 

έκ€1 

\Ε> 

BovrapoBto:     τό]ρας'  6'  έν  τώι  ΜΕ 

ΝΤΟΙΛΕΥΤΕ*  ΤΟ 

Υ  πώρρω  bi-  Χ 

1  All .  ACEAE  . 

5 " 

ΚΛ 
Κ 

lieber  der  linken  Seite  findet  sicli  die  Eapitelangabe : 
C  .  ΜΑΘΗ  .  AI,  also  Οωκράτου]ς  μαθη[τ]αί. 

*  Vielleicht  Τίμαιον,  da  pezzo  10  von  Piaton  die  Rede  ist  (Diels). 
2  τόν  Φαληρέα  (έν  τήι  Οιυκράτους  άπολογίαι  Diog.  IX  15  u.  57)? 
■  Aach  etwa  Μητ]ρας  wäre  möglich. 

*  ΤΟΙΛΕΥΤΕ  hat  der  Schreiber  nachträ^jlich  durch  Striche  getilgt. 


Herkalanensisohe  ßrachBiücke  einer  Geechichte  des  Sokratee  ubw.    297 


•  • 


5  . 


10 


pezzo  13:       i 


pezso  12  (die  Grenzen  der  Zeilen  steben  nicht  fest): 

AN^  δίπλωση 
/.  NON  ποι 

~PA  πηλόν  6l[v]oi 
.  HNIQ  κ[αη  Τ 

« 

.  έπιίητο[υ 

.  ν]ύΕΪν(?)  .  ΤΙ 
«  .  .  NACAEI 
. "ANTQN 
.  . .  6ιητ 
.  .  .  αύτ 

Dazu  kommt  über  dem  Scbriftraum  die  Ueberscbrift:  απο- 
φθέγματα Οιυκράτ[ους. 

eovapoeto:    i  APAICC  θρδττ[α 

NANTOC  bi  •Ατ[τικ(?)« 

.  ΝΕΤΟ  κοί  Κ  (vor  ΤΟ  ein  Κ  getilgt) 
ί  .  .  .  .  ΤΟΥ 

ΝΤΟ  .  .  .  .  C 

.  NQN  .....  -ΟΕΦΙΘΝ 

.  ΙΚΑ CEINENI 

ί  CAPn Ν 

ρβζζο  14:     1  ιυν  b'  άπό  τ[οΟ]  λαλο[υντος 

(das  zweite  Λ  aus  Β  yerbessert) 
.  σ]υντρίβουσα  (Xanthippe?)  TTQ 

ΤΕΥΤΤΟ" 

TTAC  .  \9 
6  /τα  .  ΝΛΑ 
ρβζζο  15  linke:    ι τή]ν  Άσίαv^  ΤΤλά- 

τιυνα  b'  εΙς  Οκ€]λίαν  [π]λευ-  (βο  üsener) 

σαι '.  ότΊΥ  .  ΩΔΕ* 

:  ...  ΜΕ 

^  χλαΐν]αν?  Das  τρίβωνα  διπλοΟν  wird  bei  Diogenes  dem  Eyniker 
erwähnt,  Diog.  VI  22. 

'  Ist  die  Stelle  etwa  mit  Diog.  II  31 :  είπόντος  γοΟν  τίνος  αύτώι 
ώς  €Τη  *Αντισθ^ς  μητρός  θράιττης,  σύ  δ'  ώιου,  ?φη,  οοτως  άν  γ€ν- 
ναΐον  έκ  δυοΐν  'Αθηναίων  γενέσθαι;  (vgl.  VI  1)  zu  verbinden? 

■  Etwa  Ξενοφώντα  μέν  €ΐς  τή]ν  Άσίαν  (Usener). 

*  Πυ[θ]ώδ€  entweder  von  Sokrates  (Diog.  II  23)  oder  von  Xeno- 
phon  (Anab.  III  le)  gesagt  (Utener). 


298  Cronert 

rechte:  i YCME 

πρίν 


5  ΙΑΓΕ 

I  προσ 
εΤπε 
pezzo  16:    ι  σ]οφώτατον  ΕΡΕ* 

.  .  .  ΟΦΑΙ  τους 

Τά]ρ  Τρά[φ6ΐ 

ρβιζο  17:    1  NC  .  CYfEN  .  .ACK 

.  .  .  ΟΤΙΔ 
Darüber  am  Bande  HMATA  (διητ]ήματο  Diele) 

eottoposto:  davon  ist  nur  die  Kapitelüberschrift  bis  jetzt  gelesen: 

'  Οωκράτης. 
pezzo  18:     i  ύμεΐς  καΐ 

"EINAT 
pezzo  19:     i  ANT/ 

pezzo  20:     i  biJaXu€[i 

pezzo  21 — 25:  fast  ganz  unergiebig 

pezzo  26:     i  l-  τόν  Λέριον 

a  .  ΞΕΟΝ 

8  ...  Μ 

und  an  anderer  Stelle:      β  .  .  ΚΑ 

Λ 
MIKHI 

μητρός 

9  bia]Xu€i 

Am  oberen  Rande  die  Zeichen  :  TOTOM  (oder  TOYOM). 

•  *      ■ 

Die  letzten  Windungen  des  Papyrus  sind  noch  nicht  auf- 
gerollt, so  dass  demnach  der  Titel  des  Werkes  vielleicht  noch 
wiedergewonnen  werden  kann.  Vor  allen  Dingen  möchte  man 
gerne  den  Verfasser  wissen.  Die  Hiate  τήι  αςχυνίαι  pap.  495 
pezzo  3    und    pap.  558  pezzo  3,   στρατευσαμένω[ι  εΙς  (dies  ist 

sicher)  pap.  495  pezzo  10,  τωι  άκρειβέ(Ττερον  pap.  558  pezzo  3 
sprechen,  so  scheint  es,  gegen  Philodem,  und  man  darf  darauf 
aufmerksam  machen,  dass  vier  Verstösse  gegen  die  wohlklingende 


*  xiva  öv  λέγοι  σ]οφώτατον  έρέ[σθαι,  vgl.  Diog.  II  37(?). 
'  Vor  Τ  stand  wohl  ein  N;  Φ€ρ€κύδη]ν  τ.  Λ.  Diele. 


Herkalanensische  Bruchstücke  einer  Geschichte  des  Sokrates  usw.    299 

Wortfolge  bei  dem  kleinen  Eanm,  den  die  Reste  einnehmen,  um 
so  mehr  ins  Gewicht  fallen,  als  die  umfänglichen  Schriften  Phi- 
lodems  über  die  akademische  und  die  stoische  Schule  nur  sehr 
wenige  Hiate  zeigen.  Auf  der  andern  Seite  indessen  weiss  man 
kein  besseres  Werk,  dem  man  pap.  495  und  558  zutheilen  könnte, 
als  die  (Τυντα^ις  φιλθ(ΤΟφιυν  des  Oadareners.  Denn  dass  dieses 
grosse  Werk  in  den  herkulanensischen  Bollen  yorhanden  gewesen 
sein  muss,  wird  immer  klarer.  Kleinere,  noch  unbekannte  Bruch- 
stücke, darunter  ein  Papyrus,  der  die  Geschichte  der  Epikureer 
wiederzugeben  scheint,  sollen  demnächst  vorgelegt  werden. 

Hätten  wir  das  Buch,  dessen  geringe  Ueberbleibsel  eben 
aufgezählt  worden  sind,  vollständig,  wir  gäben  gerne  ein  ganzes 
Dutzend  moralischer  Abhandlungen  des  Philodem  dafür!  Doch 
wir  haben  gegründete  Hoffnung,  dass  sich  jene  Ueberbleibsel  noch 
um  wichtige  Stücke  vermehren  lassen.  Es  ist  darum  in  der 
Ordnung,  dass  das,  was  noch  geleistet  werden  kann,  hier  scharf 
bezeichnet  werde. 

1)  Der  Papyrus  558  ist  dergestalt  aufgerollt,  dass  an 
vielen  Stellen  zwei  oder  drei  Lagen  übereinander  gerathen  sind. 
Ein  gut  Theil  der  sottoposti  habe  ich  schon  gelesen;  vieles 
bleibt  noch  aufzudecken,  da,  wie  ich  bemerkte,  ich  mich  scheuen 
mnsste,  die  Arbeit  zu  überstürzen.  Es  muss  dann  auch  festge- 
stellt werden,  in  welchem  Zusammenhang  die  einzelnen  pezzi 
stehen.  Es  ist  bis  jetzt  noch  nicht  gelungen,  Stücke  des  einen 
pezzo  mit  dem  eines  andern  zu  verbinden.  Endlich  ist  auch  der 
Titel  noch  zu  ersohliessen. 

2)  Die  aufgerollten  Theile  des  Papyrus  495  sind  in  viel 
schlechterer  Verfassung  als  die  Reste  der  oberen  Hälfte.  Einmal 
haben  die  zusammenhängenden  Stücke  geringeren  Umfang,  und 
dann  sind  die  einzelnen  Columnen  schwer  auseinanderzuhalten. 
Aber  Geduld  und  Sorgfalt  muss  auch  hier  den  Sieg  davon  tragen, 
und  man  darf  nicht  eher  ruhen,  als  bis  man  den  letzten  Buch- 
staben erschlossen  und  genau  in  die  zugehörige  Golumne  unter- 
gebracht hat.  Ich  glaube,  dass  dann  der  Papyrus  495  wohl  noch 
einmal  soviel  bieten  wird  als  heute. 

3)  Am  Meisten  ist  noch  von  dem  noch  nicht  aufgelösten 
Rollentheile  zu  erhoffen.  Ich  vermuthe,  dass  darin  die  Reste 
von  mindestens  8—10  Columnen  verborgen  sind.  Nun  ist  es 
aber  leider  vorläufig  mit  dem  Aufrollen  herkulanensischer  Papyri 
schlecht  bestellt.  Die  Kunst  der  Neapolitaner  hat  sich  erschöpft; 
sie  ist  immer  die  nämliche  gewesen    und  hat  nur  an  den  Rollen 


300  Crönert  Herkulanensische  Bruchstücke  usw. 

Ereprieesliches  geleistet,  deren  Lagen  elastisch  und  leicht  löelicli 
waren.  Eine  neue  Kunst  zu  suchen,  war  man  noch  im  Anfang 
des  vergangenen  Jahrhunderts  eifrig  bestrebt.  Dann  erlahmte 
der  Eifer,  da  man  doch  immer  nur  Brocken  erhielt,  und  weil 
man  sich  nicht  dazu  verstand,  die  Aufmerksamkeit  der  techni- 
schen Wissenschaften  auf  die  Reste  hinzulenken,  so  hat  man 
immer  seltener  die  J^Ösung  der  schweren  Aufgabe  versucht.  Zwar 
hat  einst  der  grosse  Chemiker  Liebig  nach  vielen  Mühen  einen 
Papyrus  zum  Zwecke  eines  AufroUungsversuches  erhalten,  von 
einem  Erfolge  aber  wird  nichts  gemeldet.  Soll  man  darum 
mehrere  hundert  ungelöster  Papyri  aufgeben?  Es  ist  doch  besser, 
man  giebt  noch  ein  paar  Dutzend  Bollen  zu  Untersuchungen  hin, 
als  dass  nun  der  stattliche  Rest  der  schönen  Sammlung  langsam 
zerfällt  und  vermodert.  Augenblicklich  ißt  die  Zeit  nicht  un- 
günstig: seit  cav.  Emidio  Martini  den  Auftrag  erhalten  hat,  die 
Papyri  von  Neuem  zu  ordnen  und  zu  untersuchen,  wissen  wir, 
dass  der  herkulanensische  Schatz  in  gute  Hände  gelegt  ist. 
Möge  die  Zeit  nicht  ohne  fruchtbringende  Versuche  dahingehen! 

Ist  dann  auch  der  Rest  der  Rolle  495  dem  Auge  geöffnet, 
dann  wird,  nachdem  die  Schriftzeichen  aufgenommen  worden  sind, 
der  Versuch  gemacht  werden  müssen,  die  getrennten  Hälften 
wieder  zusammenzufügen.  Ein  wenig  lässt  sich  schon  heute  ver- 
binden^, aber  ohne  erheblichen  Nutzen.  Bis  jetzt  erkennt  man 
soviel,  dass  in  der  Schrift,  die  etwa  περί  Οωκράτους  oder  περί 
τής  Οωκράτους  αίρέσειυς  betitelt  gewesen  sein  mag,  die  Schil- 
derung des  Lebenslaufes  die  Hauptsache  war.  Angegliedert  wur- 
den, wie  auch  in  der  Geschichte  der  Stoiker,  Anekdoten  (περί 
Οιυκράτους  οιητ]ήματα(?)  Pap.  558  pezzo  17)  und  bemerkene- 
werthe  Aussprüche  (αποφθέγματα  Οωκράτ[ους  pezzo  12).  Von 
Quellen  werden  genannt  Satyros  (Pap.  558  p.  8),  dessen  Vater- 
stadt durch  diese  Anführung  jetzt  bekannt  ist,  und  wohl  noch 
Hermippos  (Pap.  495  p.  3  und  p.  9),  Diokles  (Pap.  558  p.  2) 
und  Demetrios  der  Peripatetiker  (p.  11);  dazu  kommen  noch  zahl- 
reiche namenlose  Spuren.  Eine  Benutzung  der  Hauptquelle  für 
Philodems  Geschichte  der  Akademiker,  der  Chronika  des  Apollo- 
doros  von  Athen,  lässt  sich  bis  jetzt  noch  nicht  feststellen. 

Bonn.  Wilhelm  Crönert. 


^  τήι  άφιυνίαι  pap.  495  pezzo  3  und  pag.  558  pezzo  3  (hier  ver- 
muthet  Diele  eine  Doablette);  pap.  495  pezzo  10  und  pap.  558  pezzo  15, 
wo  ebenfalle  die  Worte  Tncrkwürdig  übereinstimmen. 


LAENDLICHES  LEBEN  BEI  HOMER  UND 
IM  DEUTSCHEN  MITTELALTER 


In  Homere  Beschreibung  vom  Schild  des  Achilles,  jenem 
antiken  *Lied  von  der  Glocke\  haben  in  letzter  Zeit  besonders 
die  ländlichen  Scenen  die  Aufmerksamkeit  der  Philologen  und 
Historiker  erregt^.  Das  hat  seinen  Grund  darin,  dass  heute 
auch  bei  der  Erforschung  der  Geschichte  des  Alterthums  die 
wirthschaftlichen  und  socialen  Momente  in  den  Vordergrund  treten 
und  dazu  reizen,  aus  jenen  lebensvollen  Schilderungen  des  Epos 
eine  Anschauung  von  den  Zuständen  des  sog.  hellenischen  Mittel- 
alters zu  gewinnen.  Dürftig  genug  ist  freilich  jene  Quelle  trotz 
der  Frische  des  Details,  und  länget  hat  man  die  vergleichende 
Betrachtung  ähnlicher  Erscheinungen  und  Entwicklungen  bei  an- 
dern Völkern  als  ein  Ersatzmittel  angewandt,  um  auf  viele  un- 
gelöste Fragen  eine  Antwort  zu  erhalten.  In  Bezug  auf  die  An- 
fänge des  griechischen  Staates  sagt  E.  Meyer  Gesch.  d.  Alt.  Π 
81  Anm. :  'Ohne  die  Analogie,  welche  vor  allem  die  germa- 
nische und  die  semitische  Entwicklung  bietet,  würde  der  Ver- 
such [jene  Anfänge  zu  schildern]  undurchführbar  sein  .  Ich  war 
nicht  wenig  überrascht,  jüngst  in  Weisthümern  des  rheinischen 
Mittelalters  auffallende  Aehnlichkeiten  zu  den  ländlichen  Zustän- 
den bei  Homer  zu  finden.  Ihre  Kenntniss  verdanke  ich  in  erster 
Linie  dem  interessanten  Aufsatz  von  K.  Lamprecht:  Ländliches 
Dasein  im  14.  und  15.  Jahrhundert,  Westdeutsche  Zeitschrift  für 
Geschichte  und  Kunst  VIII  (1889)  189—210. 

Auf  dem  dritten  Kreis  des  Prachtschildes  für  Achilles  bildet 
Hephaistos  drei  Scenen  aus  dem  Landleben,  zunächst  die  Pflüger 


*  E.  Meyer,  Geschichte  des  Alterthums  II  öfter.  —  R.  Poehl- 
mann,  Aue  Alterthura  und  Gegenwart.  (IV.  Die  Feldgemeinschaft  bei 
Homer.  V.  Aus  dem  helleDischen  Mittelalter.)  —  W.  Reichel,  Home- 
riv5he  Waffen  2  p.  152  ff.  —  C.  Hentze,  Zur  Darstellung  des  Land- 
lebens auf  dem  AchinesecbildeC541-r)72.    Philologus  LX  (1901)  502  ff. 


302  S  i  e  b  ο  ο  r  g 

bei  der  Arbeit^.  Dargestellt  ist  ein  weites  Ackerfeld,  dessen 
fetter  Boden  dreimal  umgewendet  und  dadurch  locker  und  weich 
wird 2.  Viele  Pflüger,  von  denen  jedem  wohl  ein  Theil,  ein  Ge- 
wann des  grossen  Ackerfeldes  zugewiesen  ist,  ziehen  ihre  Furchen 
auf  und  ab  (543  ένθα  και  ίνθα).  am  Anfang  wie  am  £nde  den 
Pflug  wendend,  so  dass  da  immer  eine  halbkreisförmige  Bewegung 


^  Bei  der  ziemlich  vernachlässigten  Interpretation  dieser  wie  der 
beiden  folgenden  Stellen  gebe  ich  eine  Paraphrase  und  begründe  das 
einzelne  in  den  Anmerkungen. 

2  C  541  ή  νειός  wird  durchweg  in  Wörterbüchern  und  Commen- 
taren  unter  Ergänzung  von  γή  mit  Neuland^  Neubrucht  Brache  wieder- 
gegeben, und  Brache,  novale,  heisst  es  auch  späterhin.  Aber  nach 
W.  Schulze,  Kuhns  Ztschr.  27  (1885),  603  f.  hat  ή  ν€ΐός  etymologisch 
nichts  mit  νέος  zu  thun;  es  bedeutet  vielmehr  ganz  allgemein  l'eZd, 
Flur  und  gehört  zu  slav.  nit>a  (aus  *neit?a)  Feld,  Flur,  Der  wurzel- 
hafte Bestandtheil  v€i-  kehrt  wieder  in  νειόθεν  έκ  κραΜηο  Κ  10 
νειόθι  λίμνηο  Φ  317,  veiaipa  γαοτήρ  Ε  539  ua.;  er  bezeichnet  das  tief 
unten  gelegene,  νειός  ist  also  die  für  das  Ackerland  besonders  in 
Betracht  kommende  Niederung  des  Thaies  und  der  Ebene  im  Gegen- 
satz zu  den  'Höhen*  der  Berge.  Entscheidend  ist  für  mich,  dass  an 
Bämmtlichen  Homerstellen  (K  353,  Ν  703,  C  541,  547,  €  127,  θ  124, 
ν  31)  die  Bedeutung  Neubruchy  Brache  nicht  gefordert  wird,  dagegen 
Feld  gut  passt;  sodann  müsste  es  doch  wohl  bei  Gleichheit  mit  νέος 
ή  νειά  sc.  γή  heissen;  vgl.  ή  οΙκουμένη,  ή  *Αττική,  ή  έσχαητί.  —  τρί- 
πολος,  dreimal  gepflügt  heisst  das  Feld  542,  ebenso  ε  127  und  dar- 
nach Hesiod.  Theog.  971.  Ameis-Hentze  bemerkt  dazu  in  Ueberein- 
Stimmung  mit  andern:  'Man  pflegte  das  Brachfeld  dreimal  zu  pflügen,  im 
Frühling,  im  Sommer  und  im  Herbst  unmittelbar  vor  dem  Säen*.  In 
diesem  Sinne  hätte  das  Wort  hier  gar  keinen  Zweck.  Der  Künstler  stellt 
vielmehr  einen  Theil  des  Feldes  in  dem  durch  dreimaliges  Pflügen  er- 
reichten lockeren  (μαλακήν  541)  Zustand  der  Krume  dar.  Mit  dem 
andern  Theil  ist  der  Pflüger  beschäftigt.  —  Vs.  547  heisst  die  νειός 
βαθεΐα,  das  ergänzt  εύρεΐα  542.  Das  Feld  ist  breit  und  tief  in  der 
Ausdehnung.  So  redet  der  Grieche  von  dem  βάθος  τής  Φάλαγγος,  wir 
von  der  Tiefe  eines  Hauses.  Homer  Τ  490  βαθέ'  δγκεα  οορεος,  βαθεΐα 
ύλη.  Β  91  die  Griechen  kommen  νεών  άπό  καΐ  κλιοιάων  |  ήιόνος  προ- 
πάροιθε  βαθείης,  wo  Ameis-Hentze  mit  Hinweis  auf  βαθύς  κόλπος  560 
tief  gebuchtetes  Ufer  übersetzt.  Die  Küste  des  Hellespont  bei  Ilios  ist 
aber  nicht  eingebuchtet,  sondern  ziemlich  grade,  flach  und  sandig, 
und  nur  auf  einem  breiten,  tiefen  Strand  hatte  das  Lager  Raum.  Der 
Dichter  kennt  die  Gegend  genau.  —  Ich  gebe  übrigens  zu,  dass  an 
unsrer  Stelle  νειός  βαθεΐα  auch  auf  die  Tiefe  der  Krume,  der  Humus- 
schicht gehen  kann.  Die  Verbindung  mit  τέλοόν  und  die  Ergänzung 
in  εύρεΐα  l'asst  mich  die  andre  Bedeutung  vorziehen. 


Ländliches  Leben  bei  Homer  und  im  deatschen  Mittelalter     303 

entetebt  (543  οινεύοντες).  Jedesmal  wenn  sie  am  Ende  das  Oe- 
spann  umgelenkt  haben  (544  οτρέψαντες)  und  dann  an  den  Aus- 
gangspunkt, an  den  Weg  zurückgekommen  sind,  dann  tritt  ein 
Mann  heran  und  reicht  dem  von  der  Sonne  und  der  schweren 
Arbeit  durstig  gewordenen  einen  Becher  Weins.  Dann  geht  es 
wieder  herauf  (546  άν'  δγμους)  zum  andern  Ende  ^. 

541  έν  5'  έτίθει  νειόν  μαλακήν,  πίειραν  δρουραν, 
εύρεϊαν  τρίπολον*  πολλοί  5'  άροτήρες  έν  αυτή 
ίεύγεα  δινεύοντες  έλάοτρεον  ϊνθα  καΐ  ϊνθα. 
ο\  V  οπότε  οτρέψαντες  ικοίατο  τίλοον  άρούρηο, 

545  τοϊοι  b'  ϊπειτ'  έν  χέρα  binoic  μελιηδίος  οϊνου 
δόοκεν  άνήρ  επιών  τοι  bfe  στρίψαοκον  άν'  δγμους 
Ιέμενοι  νειοΐο  βαθείηο  τέλοον  Ικ&θαι. 

Dass  auch  heute  noch  der  griechische  Bauer  bei  der  Feldarbeit 
mit  Wein  sich  stärkt,  sah  ich  vor  drei  Jahren,  als  wir  zu  meh- 
reren Beisegefährten  in  der  Umgebung  von  Athen  das  Kuppel- 
grab von  Menidhi  suchten  und  nicht  finden  konnten:  wir  wandten 
uns  an  einen  im  Felde  grabenden  Mann ;  aber  ehe  er  uns  Ant- 
wort gab,  reichte  er  uns  zum  W^illkomm  die  grosse,  mit  Rhezinat 
geflillte  Flasche.  Immerhin  schien  es  mir  doch  stets  merk- 
würdig, dass  jenen  homerischen  Pfliigern  nach  einem  Herauf  und 
Herunter  allemal  ein  Becher  gereicht  wurde,  bis  ich  bei  Lamp- 
recht aaO.  S.  203  Folgendes  las:  ^Bei  der  Landarbeit  wurde  gar 
viel  getrunken.'  Zum  Beweis  citirt  er  ein  Weisthum  von  Menz- 
weiler  aus  dem  Jahre  1429,  das  ich  hier  nach  Lamprechts  Wirth- 
schaftsleben  I  556  im  Original  mit  den  nöthigen  Erläuterungen^ 
wiedergebe. 

der  selb  armmann^  soll  den  Herren  einen  tag  achten^  und 
soll  man  ime  und  seinen  pf erden  und  knechten  gütlich  tun;  und 
demselben   ackerman   soll  man   stellen  einen  eimer   voll  wins    uf 


^  546  Tol  bi  sind  natürlich  die  eben  durch  einen  Trunk  erquickten, 
nicht  'andere*,  wie  Ameis-Hentze  meint.  Das  Feld  hat,  wie  jedes 
Ding,  zwei  Enden,  t^Xcov  άρούρης.  544  ist  der  Ausgangspunkt,  547 
das  entgegengesetzte  Ende  gemeint. 

^  In  den  das  Mittelalter  betreffenden  Dingen  hat  mir  mein  Col- 
lege Dr.  P.  Eschbach  seine  sachkundige  Hilfe  geliehen. 

^  Der  arme  Mann  ist  der  Hörige,  der  frohnpflichtige  Bauer,  der 
fröndefy  wie  es  unten  p.  307  heisst:  er  hat  selbst  hier  Pferd  und 
Knecht. 

*  achten,  richtiger  arten  =  pflügen. 


2f04  Siebourg 

iklich  angewande^  und  einen   wiesen^  hecher  άαήη^   wem  es  itne 
und  seinem  knecht  noU^  ist,  dafs  sie  drinken. 

Hier  steht  also  sogar  an  beiden  Schmalseiten  des  (je- 
wanns  ein  Trank  bereit.  Und  wie  hier  der  Aekersmann  und 
seine  Knechte  nur  trinken,  wenns  sie  dürstet,  so  wirds  in  der 
homerischen  Scene  auch  aufzufassen  sein.  In  der  dem  Dichter 
Torschwebenden  plastischen  Gestaltnng  war  an  einer  Stelle  jener 
Moment  abgebildet,  wo  einem  der  vielen  Pflüger  der  Schenk  am 
Weg  den  Becher  reicht.  Wer  wollte,  konnte  hier  trinken,  an- 
geboten wnrde  es  ihm  stets.  Poehlmann^  meint  irrig,  der  Trunk 
sei  dazu  da,  um  zu  lebhaftem  Wetteifer  anzuspornen ;  Speise  und 
Trank  bilden  den  Lohn  des  Feldarbeiters  in  der  Zeit  der  Natural- 
wirthschaft,  Beschaffenheit  und  Umfang  desselben  werden  oft  ge- 
nug in  den  deutschen  Weisthümem   aufs    genaueste  festgesetzt^ 

Das  £ssen  spielt  denn  auch  eine  wichtige  Rolle  in  der 
zweiten  Scene  bei  Homer.  Mäher  und  Garbenbinder,  letztere  von 
anreichenden  Knaben  unterstützt,  sind  auf  einem  τέμενος  βαθυ- 
λήιον  an  der  Arbeitt  Der  βαοιλεύς  steht  bei  ihnen,  auf  den 
Stab  gestutzt,  stille  Freude  ob  des  Erntesegens  lagert  auf  seinem 
Antlitz  (ciunrfl,  γηθόουνος  κήρ).  Im  Hintergrund  (άπάνευθεν 
558)  schlachten  Herolde  unter  einer  Eiche  einen  grossen  Ochsen, 
und  Mägde  mengen  den  Brei  zum  Brod-  oder  Kuchenbacken  ^ : 
sie  bereiten  das  Essen  für  die  Arbeitsleute. 

556  βααλεύς  b'  έν  TOici  οιωττή 

οκήπρον  ϊχων  έοτήκει  έπ'  δγμου  γηθόουνος  κήρ. 
κήρυκες  b'  άπάνευθεν  υπό  δρυΐ  δαϊτα  πένοντο, 
βουν  5*  Ιερεύεαντες  μέγαν  δμφεπον  α\  hk  γυναίκες 
δεϊπνον  έρίθοιοιν  λεύκ'  άλφιτα  πολλά  πάλυνον. 


1  Απ  jeder  Umwendestelle.  Lexer,  Mittelhochd.  Wörterbuch  hat 
die  Form  anwande. 

«  Weieeen.  »  Noth  thut.  *  aaO.  p.  125. 

ß  Lamprecht  WZ  8,  204.    S.  u.  p.  305. 

®  Auch  hier  ist  der  Ausdruck  wieder  im  einzelnen  sehr  genau 
und  plastisch  anschaulich.  Da  die  Mäher  mit  Sicheln  (δρεπάναις  551) 
arbeiten,  so  fassen  sie  mit  der  linken  so  viel,  wie  in  die  Hand  geht: 
das  sind  die  αράγματα  552.  Von  den  Knaben  heisst  es  555,  dass  sie 
erst  die  Hand  voll  Aehren  nehmen»  ^ραγμεύοντες,  diese  dann  auf  den 
linken  Ellbogen  legen,  έν  άγκαλίδεςςι  φέροντες,  offenbar  bis  er  voll 
ist  und  das  dann  dem  Garbenbinder  reichen,  άοπερχές  παρέχον. 

"^  Autlers  kann  ich  das  λεύκ^  δλψιτα  πολλά  πάλυνον  560  nicht 
verstehen. 


Ländliches  Leben  bei  Üomer  uud  im  deutscheu  Mittelalter      305 

Damit  vergleiche  man  nun  die  eingehenden  Bestimmungen, 
die  ein  Weisthum  von  Schönfeie  in  Luxemburg^  aus  dem  J.  1682 
über  das  Essen  der  Frohnarbeiter  trifft. 

§  7.  It(em)  ein  jeder  vogtey  oder  untertha/n  wie  abstehet  ist 
schuldig  zu  heu  und  haber  mefien^  einen  meder^  dahin  zu  steUefiy 
demselben  ist  der  herr  schuldig  am  morgen  eine  mütsch^  und  ein 
stück  käsz,  zu  mittag  speck  und  erbesz,  dergleichen  eine  suppe  und 
brod  genug  zu  selben  imbis  und  zu  abend  ein  mütsch^  wie  zu  mor- 
gen^ doch  kein  käsz, 

§  8.  It,  wan  die  frohnder  kohren*  schneiden,  heu,  haber, 
wielkohren^  aufheben  oder  hausten^,  gibt  man  Urnen  mit  ein  mittags 
mafUzeitj  erbes  oder  ander  speis,  supp  und  über  den  andern  tag 
ein  siil'k  specks,  und  da  man  kein  speck  gibt,  speist  man  ander 
drcyerley  speisz^  und  jeder  frohnder  täglich  zwo  mütschen,  wie 
abstehet  ....  Dann  wird  sogar  die  Grösse  der  Mütschen  genau 
angegeben. 

§  9.  IL  wan  sie  heu  einführen  und  ein  gantzen  tag  fahren, 
gibt  man  ihnen  drey  mafil  ein  hausmannskosten  und  kein  mütsch. 

Zum  Essen  und  Trinken  gehört  Musik  und  Gesang:  τα  γάρ 
τ'  αναθήματα  οαιτός.  Sie  finden  wir  in  der  dritten  Scene  bei 
der  Weinlese.  Nur  ein  schmaler  Pfad  führt  zu  dem  Weingarten  "^ 
hin.  Darauf  sind  fröhliche  Mädchen  und  Jünglinge  dargestellt, 
die  in  Körben  die  köstliche  Frucht  heimtragen,  die  sie  selbst  ge- 
lesen haben.  Denn  die  Winzer  bringen  nach  566  allemal  die 
Trauben,  die  sie  lesen,  selbst  zur  Kelter.  Mitten  unter  der 
lustigen  Schaar  spielt  ein  Knabe  liebreizend  die  Laute  und  singt 
dazu  mit  feiner^  Stimme  den  Linos.  Die  Winzer  und  Winze- 
rinnen klatschen    mit    den  Händen  im  Takt^,    mehr  hüpfend  als 


1  Hardt,  Luxemburger  Weisthümer  p.  (370  ί.\ 

2  meder  =:  Mäher. 

3  mütech  =  eine  Art  kleinen  Brodes.    Grimm  Deutsches  Wörterb. 
*  =  Korn.         δ  Welche  Art  Korn  gemeint  ist,  vermag  ich  nicht 

zu  eruiren.     Ob  die  Lesung  richtig  ist? 

®  hausten  =  in  Haufen  setzen.  Weigand,  Deutsches  Wörter- 
buch^  s.  V, 

'*  5G5  έτΓ*  αυτήν.  Falsch  Ameis-Hentze  mit  andern:  'über,  d.  i. 
durch  ihn  selbst  hin,  den  Weingarten  im  Gegensatz  zu  dem  umgeben- 
den Graben  und  Zaun.* 

^  λ€πταλέη  φωνή  571;  sie  hat  noch  nicht  mutirt, 

^  Μ^^οντβς  άμαρτή  571.  üeber  M^^^  theilt  mir  F.  Solmsen,  der 
demnächst  in  anderm  Zusammenhang  eingehender  über  die  Geschichte 
Bhein.  Mos.  f.  PhUoi.  N.  F.  LVII.  20 


30f)  Sieboarg 

gehend  ziehen  sie  daher  (572  ποα  οκοίροντβς  ϊποντο)  und  singen 
den  Refrain,  der  in  Juchzen  und  Jodeln  aueklingt  (572  μολπή 
τ'  Ιυγμψ  τε).  Wenn  sie  ihre  letzten  Körbe  abgeliefert  haben, 
wird  der  Knabe  ihnen  zum  Tanze  aufspielen. 

565.  μία  b'  οϊη  άταρπιτός  ήβν  έπ'  αυτήν, 

τή  viccovTo  φορήες,  δτ€  τρυγόψεν  άλιυήν. 
παρθενικά!  οέ  και  ήίθεοι  άταλά  φρονίοντες 
πλεκτοΐς  έν  ταλάροιοι  φίρον  μελιηοία  καρπόν. 
TOiciv  b'  έν  μέ€€οκι  παις  φόρμιγγι  λιγείη 

570  Ιμ€ρΟ€ν  κιθάριίε,  λίνον  b'  υπό  καλόν  äeibev 
λεπταλέη  φωνή*  τοι  bfc  ^ήοοοντες  άμαρτή 
μολπή  τ'  Ιυγμψ  τ€  ποα  οκαίροντες  ϊποντο. 

An  diese  muntere  Scene  erinnert  eine  Bestimmung  im  Men- 
chinger  Vogtsrecht  von  1441^.  Die  zum  Rechen  verpflichteten 
Leute  versammeln  sich  im  Amthof  auf  ein  Glockenzeichen;  ^ die 
sollen  dann,  so  man  leutety  in  den  Amthof  kommen,  und  mit  einem 
Pfeifer^  voraushin  pfeifen  lassen  um  auf  die  vorgenante  mad, 
und  des  abends  soll  er  in  wieder  heim  lassen  pfeifen  \  Man  sieht, 
wie  der  Gutsherr  bedacht   ist,    den  Arbeitern  das  Unangenehme 


des  Verbums    und  seiner  wirklichen    und    vermeintlichen  Angehörigen 
za  handeln  beabsichtigt,    mit,  dase  es  nicht,  wie  Wörterbücher,  Gram- 
matiken,   Commentare    immer  noch  anzugeben   pflegen,    mit   ^ήγυυμι 
zerbreche^   zerreisse   zusammenhängt.      Vielmehr    bedeutet    es    schlafe, 
schmettere^  werfe,  stürze  (trans.  und  intrans.  wie  βάλλω)  und    ist  iden- 
tisch   mit  attisch    ^άττω,   gemeingriech.  ^dccui.     Dessen    α   setzt  man 
als  Kürze  an,  es  spricht  aber  alles  dafür,    dass  es  lang  ist   und    beide 
Formen  sich  nicht    anders    zu    einander    verhalten    wie   die    derselben 
Wurzel   entstammenden   att.    ^αχ{α  und    iun.  ^ηχ(η  Brandung   di.  das 
Schlagen,  Schmettern   der   Meereswogen.     Ausserhalb    des    Griechischen 
erscheint  die  Wurzel  ^αχ  in  slav.  razu  'Schlag*,  raziti  'schlagen  mit  ζ  =s 
,idg.  gh  (s.  Έ.  Liden,    Ein  baltisch-slavisches    Anlautgesetz.    Göteborgs 
Högskolas  Ärsskrift  1899  IV  S.  25).   —    Wer  das  Wort  in  der  Homer- 
stelle,  wie  es  durchweg  geschieht,    mit  stampfen  übersetzt,  und  durch 
ποα  ςκαίροντ€ς  näher    ausführen    läset,    der   macht  m.  E.  den  so  vor- 
trefflich   beschreibenden    Dichter    zu    einem    schlechten    Stilisten.      Da 
die  Füsse    572  genannt   sind,    so    bleiben   für   ^ής€οντ€ς    άμαρτί)    nur 
die  Hände.    Die  Korbe  haben  die  Winzer  auf  dem  Rücken.     —  Anders 
ist   es    bei   Apoll.    Rhod.  1,  536  fif.,    der    ausdrücklich  πέδον   ^ήα€ΐν 
κραιπνοΪ€ΐ  rtöbeccx  sagt. 

^  J.  Grimm,  Rechtsalterthümer^  395. 

^  Der  'Pfeiff'er'  ist  der  Musikant  mit  beliebigem  Instrument,  da- 
her 'pfeifen'  =  aufspielen. 


Ländliches  Leben  bei  Homer  und  im  deatschen  Mittelalter      307 

des  Dienstes  zu  mildern  nnd  den  Müden  am  Abend  den  Heim- 
weg zu  kürzen.  Wie  fröblicb  ziebn  unsre  Soldaten  selbst  naeb 
anstrengendem  Marsch  einher,  wenn  die  Mnsik  einsetzt.  Weiter 
gehen  die  Anordnungen  eines  Weisthums  von  Lindscheid  im  Taunus 
aus  dem  17.  Jahrhundert^:  "die  iunckern  sollen  ein  pfeyfer  Jutben, 
der  den  schnitto-n  pfeyfe,  und  wann  die  sonne  noch  baums  hoch 
stehet,  so  sollen  sie  dantzen,  bis  es  nacht  wird,  und  soll  ihnen  kost 
geben,  die  da  gut  und  gesund  sey  und  auch  trinken,  das  da  gut 
und  gesund  sey,  das  niemand  darvon  schwach  oder  ungesund  werde.^ 
In  einem  Weisthum  von  Schönfels ^  (Luxemburg,  Mersch)  aus  dem 
Jahre  1682  heisst  es  im  §11:  Es  seyn  auch  dieseJbige  Bollinger^ 
schuldig  in  obgemelter  wies  oder  brüll*  fünf  meder  zu  stellen,  une 
auch  fünf  persohnen  zu  hausten,  den  welchen  niederen  und  haiw 
steren  der  herr  den  kosten^  wie  denen  zu  Schanfels  schuldig  ist. 
Und  wan  die  frönder^  denselben  brühl  oder  wies  zu  Morsch'' 
hausten  oder  uffheben^,  ist  der  meyer^  zu  Schönfels  schuldig  ein 
sackpfeiffer  oder  sonst  ein  pfeiffer  dahin  z^  stellen, 
dem  der  herr  zu  Schönfels  die  kosten  zu  geben  Schuldig.  Ab- 
gesehen von  dem  Pfeifer  wird  jedem  auch  die  Analogie  der 
zweiten  homerischen  Scene  mit  ihren  Mähern  und  Garbenbindern 
auffallen. 

Die  bemerkenswerthen  Uebereinstimmungen,  die  nach  dem 
Vorstehenden  zwischen  den  ländlichen  Zuständen  des  griechischen 
und  deutschen  Mittelalters  obwalten,  werden  geeignet  sein,  das 
Yerständniss  der  Homerstellen  zu  fordern.  Es  ist  schon  von 
andern  hervorgehoben  worden,  dass  das  Königthum  mit  seinen 
beiden  Hauptbefugnissen,  der  Rechtsprechung  und  Heerführung, 
darin  nicht  vorkommt.  Das  Recht  wird  vor  einem  Schiedsrichter, 
dem  Wisser  icxujp  ^®  501  und  den  γέροντες  gesucht,  dem  Heer 
schreiten  Ares  und  Athene  voran.  Wenn  daher  V.  556  der 
βαοιλεύς  erwähnt  wird,  der  auf  den  Stab  gestützt  still  vergnügt 


1  Lamprecht   Westd.  Zeitschr.  8,  194.     Grimm,    Weisthümer  IV 
S.  576  §  5.     Bücher,  Arbeit  und  Rhythmus^  p.  289. 

2  Hardt,  Luxemburger  Weisthümer  p.  671. 
^  Die  Bauern  von  Rollingen  bei  Mersch. 

^  brüll,  unten  brühl,  ist  eine  sumpfige  Wiese,  ein  Bruch. 
^  Die  Kost,  die  Speise. 

®  Frohnpflichtige  Bauern,  Hörige.  '  Mersch  in  Luxemburg. 

8  η/Ριώβη  =  aufladen.  ®  Der  meyer  ist  der  Guts  Verwalter. 

^^  Im  deutschen  Mittelalter  heissen  die  Rechtskundigen  viri  pru- 
dentes.    Unser  WeiMhum  ist  mit  tcTUjp  gleichen  Namens. 


308  Sicboarg 

am  £niteeegeii  eioh  weidet,  so  wird  dae  der  adlige  Grundherr 
sein.  ^  Der  Titel  des  Herreohers  (ΡάναΕ,  βασιλεύς)  geht  auf  alle 
Adligen  über,  welche  im  Rath  sitzen  oder  ein  Amt  bekleiden^'. 
'Wie  kleine  Könige  sitzen  die  Groeegrundbesitzer  anf  ihrem  Hof'. 
Jene  Auffassung  findet  eine  Stütze  in  den  Analogieen  unserer 
Weisthttmer.  Der  βααλεύς  entspricht  dem  Herrn,  dem  Janker. 
Man  braucht  sich  nicht  zu  wundern,  dass  er  in  der  ersten  und 
dritten  Soene  fehlt  und  nur  bei  der  £mte  auftritt.  Auch  das 
Essen,  Trinken  und  Singen  hat  der  Dichter  auf  die  drei  Scenen 
yertheilt.  Es  wird  uns  eine  grosse  Gutswirthschaft  in  den  ver- 
schiedensten Stadien  vorgeführt :  dem  βαοιλεύς  gehört  das  Pflug- 
land so  gut,  wie  das  Getreidefeld  und  der  Weingarten;  Herden  und 
Weide  fehlen  nicht  (C  572—589).  Auch  auf  die  Vertreter  der 
arbeitenden  Klasse  fällt  durch  unsre  Weisthümer  Licht.  Diese 
scheiden  sich  bei  Homer  deutlich  in  zwei  Gruppen.  Zu  der  einen 
gehören  die  Pflüger  (542  άροτήρ€ς),  Mäher  (551 ;  Λ  67  άμητήρες), 
Garbenbin(^r  (554  άμαλλοΟ€τήρ€ς)  mit  den  Knaben,  .die  Mäd- 
chen und  Jünglinge  im  Weingarten  (567  παρθενικά!  και  ήΐθεοι). 
Die  andere  Gruppe  bilden  der  Schenk  (546),  die  κήρυκες  (Frohn- 
boten)  und  γυναίκες,  die  für  das  Essen  sorgen  (558  ff.),  un4  der 
Knabe,  der  spielt  und  singt,  der  Pfeifer  (569).  Diese  letzteren 
alle,  die  keine  Feldarbeit  verrichten,  sondern  die  Menschen  be- 
dienen, sind  wohl  das  Ingesinde  des  Herrenhauses,  die  ομαιες, 
Enechte  und  Mägde  ^.  Die  eigentlichen  Feldarbeiter  heissen  550 
ίριθοι.  Ueber  die  Etymologie  des  Wortes  theilt  mir  F.  Solmsen 
freundlichst  Folgendes  mit:  £-ρϊθ-ος  ^Arbeiter,  Lobnarbeiter'  zo 
aind.  rädh-ycUi  ^  macht  fertig,  bringt  zu  stände,  gewinnt',  rädh- 
ayati  *  bringt  zu  stände,  befriedigt';  avest.  rää-aiti  ^  macht  zu- 
recht ;  serbisch  räd  *  Arbeit'  rad-iti  'arbeiten*.  Das  έ  ist  pro- 
thetisch,  wie  fast  alle  ursprünglich  mit  r-  anlautenden  Wörter 
einen  protbetischen  Vokal  entwickelt  haben,  das  Τ  neben  dem  ü 
der  andern  Sprachen  erklärt  sich  aus  alten  Ablautverbaltnissen. 
Vgl.  aeol.  ττώνω  zu  gemeingr.  ττίνω*.' 

Die  so  gewonnene  Bedeutung  'Arbeiter  berechtigt  uns 
m.  £.  unter  den  ίριθοι  550,  560,  wenn  auch  das  Wort  zunächst 

1  E.  Meyer,  GdA.  II  379.  Er  meint,  der  Dichter  des  Schildes 
werde  schwerlich  nach  dem  8.  Jahrb.  gelebt  haben. 

«  Ebend.  p.  307. 

^  π  140  Laertes  μβτά  δμώων  έπΙ  οίκψ  irtvc  καΐ  ήςθ*. 

^  Bezzenberger  ßezz.  Beitr.  4, 327.  Wackernagel,  Altind.  Gramm. 
1,  105. 


Ländliofaes  Leben  bei  Homer  und  im  deatschen  Mittelalter      309 

nar  von  den  Mähern  und  Bindern  gebraucht  wird,  alle  jene  Feld- 
arbeiter zu  veretehen,  aleo  auch  die  Pflüger  und  Winzer.  Die 
ganze  Situation  und  die  Analogie  unsrer  Weisthümer  erlauben 
uns  aber  wohl  noch  etwas  weiter  zu  gehen.  Eretlioh  sind  da- 
runter eicher  nicht  die  freien  Bauern  eines  Dorfes  zu  verstehen, 
die  etwa  auf  der  gemeinsamen  Feldilur  ackern.  Dagegen  spricht, 
wie  schon  Poehlmann  ^  hervorhebt,  der  βααλ€ύς  in  der  zweiten 
iScene,  der  sich  als  tüchtiger  Gutsbesitzer  selbst  um  die  Wirth- 
schaft  kümmert  und  das  ίργα  έποπτβύειν,  έπΙ  ίργα  Ibeiv  ausübt, 
das  der  Dichter  von  Laertes  rühmt  ^.  Die  ίριθοι  sind  auch  nicht 
mit  den  θήτες^  identisch,  den  Knechten,  die  sich  ohne  eignes 
Haus  gegen  Kost,  Kleider  und  Schuhe  auf  bestimmte  Zeit  ver- 
dingen^. Selbst  ein  'armer  Mann',  ein  δκληρος  άνήρ,  φ  μή  βίοτος 
πολύς  €Ϊη^  nimmt  solche  in  Dienst,  sie  werden  mit  den  ομώες 
auf  gleiche  Stufe  gestellt^,  sie  nennt  Achill  in  der  Unterwelt, 
wenn  er  dem  Odysseus  das  elendeste  Los  auf  Erden  bezeichnen 
will  7.  Gegen  jene  Identi^irnng  spricht  die  ganze  Art  der  Be- 
handlung der  Arbeiter  sowie  die  Scheidung  von»  dem  Ingesinde. 
Am  ersten  möchte  ich  die  fptOoi  vergleichen  mit  dem  annmannj 
dem  frönder  unsrer  Weisthümer,  den  hörigen  Bauern,  die  von 
ihrem  Grundherrn  Haus  und  Land  zu  Lehen  erhalten  gegen  ge- 
wisse Abgaben  und  die  Verpflichtung  zur  Frohnarbeit  an  be- 
stimmten Tagen.  Wenn  Lamprecht  vom  14.  und  15.  Jahrh.  sagt, 
dass  der  Druck  der  Grundherrschaft  noch  nicht  allzustark  auf  den 
Schultern  der  Unterthanen  gelastet  habe,  so  lässt  sich  das  Gleiche 
wohl  von  den  so  lebensfrisch  geschilderten  patriarchalischen  Zu- 
ständen bei  Homer  vemuthen. 

Noch  ein  kurzes  Wort  über  die  Veranstaltungen  für  Er- 
quickung und  Vergnügen  in  den  homerischen  Scenen.  Hentze^ 
meint,  es  handle  sich  bei  dem  Mahl  um  eine  besonders  festliche 
Bewirthung  nach  Abschluss  der  Arbeit,  und  auch  bei  der  Pflüge- 
scene  habe  der  Dichter  den  Moment  gewählt,  wo  die  Arbeit  theil- 
weise  beendet  sei.  Das  ist  nicht  richtig.  Die  reichliche  Bewirthung 
während  der  ganzen  Dauer  des  Frohndienstes  bildet,  wie  dargelegt 


1  aaO.  p.  125.  3  π  140,  144. 

*  Ebenso  urtheilt  Hentze  aaO.  p.  508. 

^  c  356  fif.  bilden  οΐτος  έτ^ι^τανος,  €Τματα  und  υποδήματα  den  Lohn. 
»  λ  489  ff. 

^  b  644:  θήτές  τε  δμώές  τε,    wo  das  vorgehende  έοΐ  αύτοΟ,   die 
'eignen',  zu  beachten  ist. 

'  λ  489  ff.  β  aaO.  p.  504,  506,  507. 


310  Siebourg  Ländliches  Leben  bei  Homer  usw. 

wurde,  den  Entgelt,  den  der  Grandherr  zu  zahlen  hat:  das  sind 
'die  Kosten*.  Weil  man  femer  in  jenen  homerischen  Bildern  des 
täglichen  Lebens  den  Cult  vermisst  hat,  will  Reichel  diesen 
wiederfinden  in  der  Zurüstnng  des  Mahles  nnd  bei  der  Weinlese. 
In  jenem  ^  sieht  er  das  Opfer  eines  Kindes  und  der  Erstlinge 
der  neu  gewonnenen  Mehlfrncht  nach  glücklicher  Ernte.  Selbst 
die  Eiche  Σ  558,  die  nach  i  328  τ  297  Ε  693  Η  60  dem 
Zens  heilig  sei,  ist  ihm  nicht  zufällig.  Diese  Auffassung  hält 
gleichfalls  gegenüber  den  erwähnten  Darlegungen  über  Mie 
Kosten'  nicht  Stand.  In  der  Winzerscene  soll  es  sich  gar  um 
einen  Theil  des  natursymbolischen  Dramas  der  Linosklage  han- 
deln, deren  Feier  in  Griechenland  uralt  sei.  Freilich  von  einem 
'trunkenen  Weinleeefest'  mit  einem  Vorsänger,  der  *mit  gellender 
Stimme'  begabt  ist  und  von  'Tanz  und  Gejodel'  ist  hier  nicht 
die  Rede,  aber  auch  nicht,  wie  Reichel  will,  von  Mem  gemes- 
senen Chortanz,  der  immer  religiöse  Grundlage  hat  und  von  der 
feierlichen  Phorminx  begleitet  wird.  Reichel  tibersetzt  V.  570— 
572  so:  *der  ^abe  sang  dazu  schön  den  Linos  mit  gedämpfter 
Stimme.  Ihn  begleiteten  die  andern,  im  Takte  einfallend,  mit 
Gesang  und  Gestöhn  und  indem  sie  mit  den  Füssen  stampften. 
Ein  Vergleich  mit  meiner  Paraphrase  S.  305  u.  macht  die  verschie- 
denen Irrthümer  in  dieser  Uebertragung  klar.  Der  Dichter  sagt 
so  deutlich  wie  nur  möglich,  welche  Scene  er  sich  dargestellt 
denkt,  nicht  Fest  noch  Tanz  ^.  Die  Winzer  und  Winzerinnen 
tragen  (568  φίρον)  ihre  Körbe  heim;  wie  der  Pfeifer  von 
Menchingen  den  Wiesenarbeitern  bei  der  Heimkehr  aufspielt,  so 
verkürzt  hier  Spielen,  Singen  und  Juchzen  den  Weg^;  als  richtiges 
junges  Volk,  dem  die  Musik  in  die  Beine  fährt,  legen  die  Leute 
ihn  mehr  hüpfend  als  gehend  zurück,  im  Vorgenuss  des  später 
sicher  folgenden  Tanzes. 

Bonn.  M.  Siebourg. 


1  Homerische  Waffen  ^  p.  154.        ^  jbij^  p,  155. 

3  Bücher,  Arbeit  und  Rhythmus  ^  p.  360  übersetzt:  'Jene  aber 
folgen  im  Tanzschritt,  alle  zugleich  mit  den  Füssen  stampfend,  unter 
Gesang  und  Jauchzen*.  Hier  ist  mir  nicht  klar,  ob  ^ήοοοντες  άμαρτ) 
oder  €κα{ροντ€ς  '  im  Tanzschritt'  heissen  soll,  was  beides  nicht  anginge. 
πό6€€€ΐ  kann  auch  nicht  mit  ^ήοςοντες  vesbunden  werden.  Bücher  meintf 
in  dieser  Scene  gingen  Arbeit  und  Cultus  unmerklich  ineinander  über» 
weil  auch  er  einen  Tanz  darin  findet. 

*  C  572  ίποντο  sie  gingen  daher,   nicht  άμ*  Ιποντο,   noch  αότφ- 


mSCELLEN 


Ad  libellmn  πβρί  Οψους 

Pag.  4,  10  (ed.  Jabn-Vahlen)  codex  Parisinas  b  einsque 
»melius  Vaticanue  a  —  nam  ab  iis  in  bac  libelli  seotione  auxi- 
im  petendum  est,  cum  in  Parisino  Ρ  duo  exciderint  folia  — 
:hibent  μοι  bOKUJ,  quod  vitio  laborare  inde  a  temporibns  Tollii, 
imi  buius  particulae  editorie,  usque  ad  nostram  aetatem  miro 
odo  omnes  consentiunt  viri  docti.  Plerique,  quae  lenissima  vi- 
)tur  eese  medela,  oum  Toi  Ho  μοι  bOK€i  in  textn  reponebant, 
[>engeliu8  έμοι  οοκεΐ  exprimendum  curayit  Quod  autem  con- 
lit  vir  de  rbetoribus  Graecis  unus  omnium  optima  meritns  lo- 
im  cap.  12,  4  (p.  24,  20)  petitum  ou  κατ'  &\\a  bi  τίνα  ή 
ιΟτα,  έμοι  boKCi,  φίλτατε  Τερεντιανί,  eo  exemplo  non  neces- 
.rio  efficitur  ut  nostro  loco  eandem  formam  έμοι  revooemus,  onm 
'aesertim  alibi  etiam  μοι  boKCi  in  usum  converterit  scriptor,  cf. 
15,  2;  26,  15.  Inde  verisimillimum  est  auctorem  libelH  for- 
ie  μοι  et  έμοι  promiscue  usum  esse.  Hammerus,  qui  post  Leon- 
irdi  Spengeli  mortem  alteram  curayit  rbetonim  Graecorum 
litionem  (Lips.  1894),  fortasse  legendum  censuit  μοι  boK€iv. 
ilis  modi  iufinitivos  absolutos,  qui  diountur,  oompluries  adbibet 
riptor,  veluti  p.  9,  20.  24,  8.  68,  6.  At  equidem  maximopere 
ireor,  ne  nimis  oonfidenter  et  praepropere  illam  elooutionem 
temptaverint  et  inconsulte  vocaverint  in  dubitationem  editores. 
am  formula  μοι  bOKUJ  ut  confusione  quadam  verbi  personaHs 
»και  et  locutionis  impersonalis  boκεΐ  μοι  facile  explicatar, 
i  idoneis  fideque  dignis  defenditur  testimoniis.  Velat  in  Pla- 
nis  Tbeage  p.  121  d  traditur  boKUJ  γάρ  μοι  ταιν  ήλικιωτών  τι- 
ς αύτου  καΐ  bημoτώv  εΙς  το  δστυ  καταβαίνοντες  κτλ.,  ubi 
dex  Clarkianus  Β  et  Venetus  Τ  bOKUJ  γάρ  μοι  exbibent,  quod 
m  Stepbano  editores  in  boκεΐ  mutabant;  porro  Lyncens  apad 
ihenaenm  IV  3  p.  129  a  έπεισβάλλουσιν  αύλητpίbες  καΐ  μου- 
ιυργοι  και  σαμβυκίστριαί  τίνες  'Pobiai,  έμοΙ  μέν  γυμναί  boKU), 
ιήν  ίλεγόν  τίνες  κτλ.  ubi  Meineke  nulla  necessitate  ίμοϊ  boκεΐv 
imutari  iuRsit.  Praeterea  idem  inveni  apud  Strabonem  X  p.  452 
τιυνόμασαν  Λευκάbα|  έπώνυμον,  boKiIi  μοι,  του  Λευκάτα. 
militer  in  Xenoph.  Cyrup.  V  4,  37  και  σύ  τ'  δν  έμοί,  ώς  γ' 
οΙ  bOKUJ,  πάνυ  χρήσιμος  ειης  —  ne  id  quidem  intemptatum 
yirie  doctis,  cum  Dindorfius  potius  boκεΐ  pro  boKUj  ponendum 
tumaverit.  Denique  cf.  Plotini  £nn.  I  6,  8  ώς  πού  τις  μύθος, 
»κώ  μοι,  αινίττεται.     Quorum   locorum  alins  alium  d^ic^xidxi  ^^ 


312  Misoellen 

tuetnr.  Quodsi  viri  docti  memores  foissent  unas  ei  corrigeretnr 
locus,  ceteroB  quoqne  corrigendoR  esse,  abetinuissent  certe  a  con- 
iectnris  et  explicationem  verborani  circnmepexissent. 

Qnae  cum  ita  eint,  μοι  boKui  integram  esse  lectionem  etatno. 

Kiliae.  Gaetavue  Wörpel. 


Vir  boniis  dieendi  peritns 

Das  Wort  des  alten  Cato  vom  Redner,  das  nächst  dem  nn* 
vergleicblichen  rem  tene,  verba  sequentur  mit  Recht  zn  den  ge- 
priesensten  seiner  körnigen  Dicta  gehört,  ist  trotz  seiner  Be- 
rühmtheit neuerdings  verschiedenen  Missverständnissen  ausgesetzt 
gewesen. 

Zunächst  hat  0.  Ribbeck  in  seiner  Geschichte  der  Römi- 
schen Dichtung  I  S.  15  sich  sowohl  hinsichtlich  des  Ursprungs 
als  der  Bedeutung  des  Wortes  geirrt,  indem  er  es  dem  c<trmen 
de  moribus  zuwies,  statt  den  praecepta  ad  filium,  und  indem  er 
übersetzte  ^ein  guter  Mann,  Sohn  Marcus,  ist  des  Wortes  mächtig *| 
während  vielmehr  eine  Definition  vorliegt,  nach  welcher  der 
orator  ein  vir  bonus  dieendi  peritus  ist.  Obwohl  er  ausdrücklich 
auf  das  Versehen  aufmerksam  gemacht  war,  hat  er  doch  beide 
Irrthümer  in  der  zweiten  Auflage  festgehalten,  ja  den  ersteren 
in  einer  der  wenigen  Anmerkungen  (S.  350  zu  S.  15)  auch  auf  den 
Unterzeichneten  übertragen,  der  an  den  Titel  Oraclum^  auf  aller- 
dings unzureichender  Grundlage,  für  die  praecepta,  nicht  für  das 
Carmen^  gedacht  hatte.  In  seinem  Aufsatz  über  Cato,  mit  dem 
er  1861  das  Neue  Schweizerische  Museum  eröfl^nete,  hatte  Ribbeok 
selbst  in  beiden  Beziehungen  das  Richtige  gegeben.  Man  braucht 
auch  nur  die  testimonia  bei  Jordan  p.  80  anzusehen,  um  sich 
von  der  einfachen  Wahrheit  zu  überzeugen :  es  kommt  aber  noch 
hinzu  die  satirische  Umkehr  des  Wortes  durch  Herennius  Senecio 
bei  Plinius  (die  Jordan  p.  XI  nachgetragen  hat):  und  auch  die 
Parallele  aus  dem  Abschnitt  de  agri  cultura  Vir  bonus,  Marce 
Uli,  colendi  peritus,  cuius  ferramenta  splendent'  zeigt  trotz 
des  dort  in  dem  einzigen  Zeugniss  fehlenden  'agricola  est'  (oder 
ähnlich)  durch  den  Wortlaut  deutlichst,  dass  es  sich  nur  um 
eine  Definition  handeln  kann. 

Nun  hat  aber  weiter  L.  Radermacher  in  dieser  Zeitsohrift 
LIV  (1899)  S.  286  fi^.  den  Nachweis  versucht  und  mit  grosser 
Zuversicht  als  geführt  betrachtet,  dass  unsere  Definition  gar  nicht 
catonisch,  sondern  stoisch,  von  Cato  dem  Diogenes  von  Babylon 
nachgesprochen  sei:  und  diese  Meinung  ist  von  Schanz  'Geschichte 
der  Rom.  Litteratur*  II  2^  (1901)  8.857  angenommen  und  ver- 
breitet worden  ^. 


^  Schanz  nennt  dafür  noch  von  Arnim,  ^Das  Leben  und  die 
Werke  des  Die  von  Prusa'S.  91.  Von  dieser  Stelle  ist  allerdings  jener 
Aufsatz  von  Radermacher  ausfjfegangen  und  er  citirt  sie  am  Anfang 
und  Schluss  S.  28G  und  292.    Allein    gerade   die   von  Schanz   henror- 


MitcelleD  313 

Wenn  man  bei  Radermacber  S.  291  die  Worte  liest:  'Dies 
ist  nicbt  Catos  Lebre  —  wolier  eollte  dem  Alten  der  Gedanke 
gekommen  sein,  das  Moraliscbe  so  scharf  zu  betonen?*,  so  tränt 
man  freilich  seinen  Augen  kaum:  denn  was  lag  dem  Manne  näher 
und  mehr  am  Herzen  als  das  Moralische,  der  nicbt  nicht  nur  im 
Jahre  184,  sondern  sein  ganzes  Leben  lang  die  nota  censoria, 
gerade  in  sittlicher  Kicbtung,  handhabte,  bei  jeder  Gelegenheit 
Moral  predigte  und  gerade  deshalb  als  Censorius  typisch  wurde? 
Und  nun  will  Radermacher  gar  behaupten,  jenen  Gedanken  habe 
er  erst  Mm  Jahre  164\  also  zwanzig  Jahre  nach  seiner  Gensur, 
'aus  dem  eigenen  Munde  des  Diogenes  vernommen'  bei  Gelegen- 
heit der  berühmten  Philosopbengesandtsobaft  in   Rom. 

Zudem  hat  Radermacher  sogar  der  Wendung  das  eigentlich 
Moralische  vorher  halb  genommen,  da  er  sich•  die  Berechtigung 
vindicirt  *den  vir  bonus  Quintilians  im  πολίτης  αγαθός  des  Dio- 
genes wiederzuerkennen  .  Nun  können  wir  aber  zunächst  diese 
Berechtigung  keineswegs  zugestehen.  Für  Cato  nicht  —  denn 
da  genügt  zur  Widerlegung  ein  Vergleich  der  oben  angeführten 
Parallelstelle  vom  Landmann,  der  doch  gewiss  nicht  als  πολιτικός 
όνηρ  '  colendi  peritus'  ist:  und  die  Annahme,  dass  etwa  der  gute 
Gato  den  eigentlichen  Sinn  missverstanden  und  die  Formel  fälsch- 
lich übertragen  hätte,  würde  zwar  in  manchen  neueren  Behaup- 
tungen manche  Analogie  finden:  aber  ungereimt  bliebe  sie  doch. 
Allein  auch  für  Quintilian  fällt  jene  Berechtigung  fort:  denn  die 
speoiell  stoische  Ansicht  berührt  dieser,  mit  ausdrücklicher  Be- 
zugnahme auf  die  philosopbi'  (von  denen  er  ja  einmal  I  1,  9 
gerade  den  Diogenes  citirt)  in  den  Worten  I  prooem.  §  10  'neque 
enim  hoc  concesserim,  rationem  rectae  bonestaeque  vitae,  ut  qui- 
flam  putaverunt,  ad  philosophos  relegandam,  cum  vir  ille  vere 
civilis  et  publicarum  privatarumque  rerum  administrationi  ac- 
commodatus,  qui  regere  consiliis  urbes,  fundare  legibus,  emendare 
iudiciis  possit,  non  alius  sit  profecto  quam  orator  .  Da- 
gegen die  vorhergehenden  Worte  §  9  Oratorem  autem  insti- 
tnimus  illum  perfectum,  qui  esse  nisi  vir  bonus  non  po- 
test*  betonen  eben  jenen  catonischen  Satz,  den  Quintilian  so  gut 
(XII  1,  1)  wie  der  ältere  Seneca,  der  jüngere  Pliniüs  und  Andere 
mit  Stolz  und  Emphase  dem  Cato  zuspricht,  dessen  rein  morali- 
schen Sinn  er  in  verschiedenen  Partien  seines  Lehrbuchs  deutlich 
kennzeichnet  —  und  den  dennoch  Quintilian  auch  als  diogenia- 
nisch  gekannt  und  schon  in  dem  von  ihm  ausdrücklich  heran- 
gezogenen stoischen  Traktat  gefunden,  also  wohl  nur  aus  Patrio- 
tismus für  catonisch  erklärt  haben  soll. 

Nun  aber  erst  der  angeblich  historische  Beweis,  jenes  'merk- 
würdige Zusammentreffen  ,  das,  wie  Radermacher  trumpfend  be- 
merkt, 'die  Kette  schliessen   soll .     Hätte    Cato    seine   praecepta 


gehobene  und  gebilligte,  von  uns  bekämpfte  Annahme  findet  sich  nicht 
bei  Arnim,  sondern  nur  der  richtige,  ja  von  Quintilian  selbst  ausge- 
sprochene Theil  der  Behauptung. 


314  Misoellen 

erst  nach  dem  von  Eadermacher  angegebenen  Jahre  164  verfaest, 
80  wäre  dieser  Katecbismus  an  den  etwa  dreiesigj ährigen  Sohn 
Marcus  gerichtet  gewesen.  Setzen  wir  gar  das  wirkliche  Jahr 
jener  Philoeophengesandtsohaft  ein,  die  nach  der  Tradition  erat 
9  Jahre  später  stattfand,  so  wären  diese  Belehrungen  höchstens 
2—3  Jahre,  bevor  der  Sohn  als  praetor  designatus  und  aner- 
kannter Jurist  starb,  an  ihre  Adresse  gelangt.  Der  Adressat 
wird  aber  wohl  eher  das  Alter  gehabt  haben,  in  dem  Ciceros 
Sohn  Marcus  stand,  da  der  Vater  an  ihn  den  Katechismus  de 
partitione  oratoria  richtete  (Hirzel  '  der  Dialog  *  1  S.  493,  4),  als 
das,  in  dem  dieser  die  Schrift  de  officiis  empfing.  Keinesfalls 
aber  kann  er  so  alt  gewesen  sein,  wie  Radermachers  Annahme 
nöthig  macht.  Das  historifiche  Argument  schliesst  also  keines- 
wegs die  Kette,  sondern  erleuchtet  lediglich,  dass  wir  es  mit  einer 
lookern  Papierkette  zu  thun  haben,  die  beim  leisesten  Windstose 
zerreisst  und  zerflattert. 

Wir  haben  aber  diese  ganze  Deduction  auch  deshalb  ein- 
gehender bekämpft,  weil  sie  noch  allgemeiner  charakteristisch  ist 
als  ein  Auswuchs  jener  ^trivialen,  aber  noch  nicht  trivial  ge- 
wordenen Wahrheit',  die  heute  wieder  so  laut  gepredigt  wird, 
die  aber  nicht  selten  mehr  in  ihren  Auswüchsen  als  in  ihrem  ge- 
sunden Kerne  neu  ist. 

Heidelberg.  Fritz  Scholl. 


Vir  bonns  dieendi  peritne 

Es  ist  mir  weiter  nicht  betrübend,  zu  sehen,  wie  hier  mit 
starken  Worten  eine  Deduction  erschlagen  wird,  die  ich  bei  Ge- 
legenheit einer  Untersuchung  über  Quellen  des  Quintilian  gemacht 
hatte,  die  zweifellos  verkehrt  und  historisch  ganz  unberechtigt 
ist.  Nur  eine  kurze  Bemerkung  möchte  ich  mir  erlauben.  Dass 
Diogenes  von  B.  ein  Philosoph  war,  weiss  ich  sehr  wohl,  und 
die  citirten  Worte  des  Quintilian  habe  ich  gelesen.  Bei  ihm 
steht  auch  noch  folgendes  (Π  15,  34):  Hinc  eins  substantiae 
maxime  conveniet  finitio  rhetoricen  esse  bene  dieendi  scienitam. 
Nam  et  orationis  omnes  virtutes  semel  complectitur  et  protintts 
mores  etiam  oratoris,  cum  bene  dicere  non  possit  nisi  bonus.  Idem 
valet  Chrysippi  finis  ille  ductus  a  Cleanthe.  Die  Definition  *rhe- 
toricen  esse  bene  dieendi  scientiam'  ist  nach  Sextus  Empiricus 
(προς  Ρήτορας  6)  stoisch;  Chrysippus  und  Cleanthes,  die  oben 
bestätigend  den  Reigen  beschliessen,  sind  Stoiker;  den  Stoikern 
war  die  Beredsamkeit  virfus  (Cic.  de  orat.  §  159).  Wenn  auf 
Grund  dieser  Sachlage  jemand  zur  Ansicht  kommt,  die  Definition 
'orator  est  vir  bonus  dieendi  peritus'  könne  wohl  stoisch  gewesen 
sein,  80  ist  das  ein  leicht  verzeihlicher  'Irrtbum* ;  im  übrigen 
kommt  für  die  Frage  der  Qnintilianquellen  nicht  in  Betracht,  ob 
in  diesem  Falle  Cato  dem  Diogenes  gefolgt  ist,  was  ich  länget 
nicht  mehr  geglaubt  habe,  oder  eigne  Weisheit  geprägt  hat. 

Bonn.  L.  Radermacher. 


Miscellen  315 


Bdotisches 


Unter  den  Inschriften  von  Akraiphiai  entdeckte  Hr.  Perdrizet 
und  veröffentlichte  im  Bulletin  de  corresp.  hellonique  XXIV 
1900  p.  7(>  ff.  ein  IGzeiliges  stilvolles  Epigramm  des  dritten 
Jahrh.  anf  einen  General,  der  böotisohes  Kriegsvolk  gegen  des 
Könige  unzählbare  Mannen  geführt  und  in  der  Schlacht  nach 
18  maliger  Charge  seiner  Reiterei  den  Tod  gefunden.  Das  Ge- 
dicht schliesst  mit  dem  Appell  an  die  jüngere  Generation: 

άλλα,  νέοι,  γίν€σθ€  κατά  κλέος  ώΟ€  μαχηταί, 
J)b'  αγαθοί  ττατέρων  ΑΙΣΤΕΑ  [^]υ[ό]μ€νοι. 

Der  verdiente  Herausgeber  erläutert  den  Schluss  durch  die  Worte 
^  maintenez  intact  Thonneur  qui  a  valu  ä  vos  p^res  d'gtre  chantes 
par  les  po^tes  und  bemerkt,  dass  (jicTT^a,  dies  Verbale  schon 
bei  Aristophanes  und  Pia  ton  vorkomme.  Und  ein  so  ausgezeich- 
neter Gelehrter  wie  Hr.  Homolle  (ebenda  p.  177)  findet  hierin 
nur  das  Wort  λυόμενοι  unbefriedigend,  man  erwarte  vielmehr 
etwas  wie  αύΗόμενοι,  *pour  augmenter  les  gloiree  k  chanter*. 
Gestehe  ich  es  nur:  als  altmodischer  Philologe,  der  sich  an  den 
kleinen  Buttmann  oder  Herrmann  oder  auch  keinen  Mann,  aber 
an  die  Sache  der  Grammatik  hält,  war  ich  versucht  dem  böoti- 
schen  Dichter  zuzurufen,  was  der  Alkide  dem  Martial  'graece 
numquid'  ait  'poeta,  nescis?  Aber  sollte  nicht  doch  der  Dichter 
unschuldig  sein  an  diesem  auch  für  keinen  Arsinoiten  glaublichen 
Griechisch?  Denn  gut  und  schön  hätte  er  gesagt,  ja  musste  er 
sagen  πατέρων  ά(ΤΤ€α  λυόμενοι»  und  hat  der  Steinmetz  wirklich 
das  Iota,  jenen  Buchstaben  mehr  eingegraben,  dann  κατακλίνειν 
αυτόν  εΙς  'Ασκληπιού  κράτιστόν  έστιν,  wo  er  die  richtige  Be- 
handlung erfahren  wird  durch  den  weltbekannt  gewordenen 
Αισκλαπός. 

Etwas  böotisch  muthet  mich  auch  ein  andres,  freilich  in  und 
für  Milet  auf  einen  milesischen  General  gemachtes  Epigramm  an 
in  der  dankenswerthen  ersten  Publication  durch  Hrn.  Wiegand  in 
den  Sitzungsberichten  der  Berliner  Akademie  1901  I  p.  905. 
Wenn  ein  paar  Accente  dem  Auge  misfallen  oder  das  Verstand- 
niss  nicht  erleichtern,  sondern  erschweren  —  so  der  Gesandte 
€ΐς  βασιλείας,  nämlich  der  gegen  Könige  freimüthig  aufgetreten 
—  das  mochte  zu  Lobecks  und  Lehrs'  Zeiten  des  Aufhebens  werth 
sein ;  heute  ist  es  fast  gewöhnlich,  und  wer  weiss  sich  so  fehler- 
frei, dass  er  splitterrichten  möchte?  Aber  der  dritte  Vers  jenes 
Epigramms,  dessen  Metrik  ist  für  Auge  und  Ohr,  selbst  ein 
Βοιώτιον  ους,  wehethuend.     Er  lautet: 

Κρήτη  μέν  στεφάνωι  σε,  Αίχα,  και  θησέος  άστη 
πάτρια  νησαίη  τ'  έστεφε  bia  *  Ρόδος. 

συνςίοε  Νηλείόαισιν  όμαιχμία*  πρώτος  Ιώνων 
έστησας  Κρητών  φύλλ'  άναλεΕάμενος. 

Man  fragt,  warum  nicht  συνά  bk  Νηλείοαισιν  όμαίχμια  πρώτος 
κτλ.?  der  Sinn  verlangt  ferner  φΟλ'  ά.  was  vielleicht  auf  dem 
Stein  ohne  Elision  geschrieben   oder  gar  in  ΦΥΛΛ  verschiieb^ti 


die  Miscellen 

nnd  daDD  misveretanden  die  ganze  Yerballhornung  nne  bescheert 
hat  —  wenigetene  finde  ich  keine  sanftere  Antwort  auf  das 
Warum.  Atticaeter. 


Zu  lateinischen  Insebriften 

I.  Die  Votivinsclirift  an  die  Victoria,  welche  in  Supinum 
vicus  (dem  heutigen  Trasaeco)  am  Fucinersee  gefunden  wurde, 
CIL.  I  183  (vgl.  p.  555)  =  IX  3849,  bietet  ein  noch  ungelöstee 
Räthsel.  Der  Wortlaut  steht  fest:  Vccos  Sttp{i)n{as)^  \  Victorie 
SEINQ  I  dono  dedct  \  lubs  mereto  \  queistores  |  Sa{lvio)  Magio 
St(ati)  f.  I  Pac(io)  Anaiedio  Si(ati  f,)^.  Deutungsversuche  sind 
nur  wenige  gemacht  worden.  *  Seinq,  quid  signifioet  ignoratur* 
bemerkt  Mommsen  in  der  späteren  Publikation  und  verweist  auf 
seine  Anmerkung  zu  CIL.  I  183:  ^cum  in  lapide  pro  qnaestore 
queistor  sit,  seinq  fortasse  cognatione  coniunctum  est  Oum  Sancus 
sanqualisque  vocabulis  .  Auch  Schneider  (Exempla  nr.  84)  denkt 
an  einen  Gott:  '  fortasse  Sewo(wi)'.  Wegen  der  Abkürzung  scheint 
mir  ein  Göttername  ausgeschlossen,  und  auch  an  einen  —  etwa 
topischen  —  Beinamen  der  Victoria. zu  denken  hält  schwer.  Ich 
vermuthe,  dass  Signum  das  zu  suchende  Wort  ist,  wodurch  ein 
korrekter  epigraphischer  Text  gewonnen  würde,  dass  also  SEINQ 
für  SEIGN  steht.  Für  die  Schreibung  mit  EI  genügt  ein  Hin- 
weis auf  die  alte  Inschrift  vom  Nemus  Dianae  CIL.  XIV  4270 
PoubUlia  Turpilia  Cn.  uaor  hoce  seignum  pro  Cn.  filiod  Dianai 
doftum  dedit.  Belege  für  das  vor  g  eingeschobene  η  anzuführen, 
ist  kaum  nöthig.  Schuohardt  Vulgärlatein  I  p.  113  ff.  giebt  eine 
Beihe  von  Beispielen,  unter  denen  aber  einige  inschriftliche  zu 
streichen  sind.  Grut.  37,  13  singno  (womit  auch  noch  Vanicek 
Etym.  Wörterbuch«  p.  291  operirt)  erledigt  sich  durch  CIL.  HI 
5876;  ebenso  unrichtig  ist  sing,  bei  Grut.  54,  8  (=  CIL.  III  5877) 
und  42,  4  (CIL.  VI  367*,  Ligorianische  Fälschung,  sing,  bei  Grut. 
Druckfehler).  Dagegen  liesseri  sich,  um  von  den  zahlreichen 
handschriftlichen  Beispielen  abzusehen,  anführen  singnifer  (CIL.  VI 
3637),  dingnissime  (CIL•  X\Y  13S6\  ingnes  {CIL.  S121),  congnatus 
(öfter  in  CIL.  X)  *.  Schwierigkeiten  bereitet  nur  das  Q.  Ob 
man  sich  dafür  auf  die  Schreibung  eqo  —  eco  (ego)  berufen  darf, 
sei  dahingestellt^.  Ebenso  bedenklich  bleibt  die  Annahme  eines 
Steinmetzversehens,  obwohl  es  nicht  ausser  dem  Bereich  der  Mög- 
lichkeit   liegt,    dass  Q  irrthümlich   für  G  eingehauen   ist.     Eber 


^  Vgl.  die  analoge  Dedikation  des  Aninus  veeus  CIL.  IX  3813. 

^  Das  Facsimile  bei  Ritschi  PLME  tab.  98  D  ist  nach  einem  Ab- 
klatsch gefertigt.  Mommsen  bat  den  Stein  revidirt  und  festgestellt, 
dass  am  Schluss  kein  F  gestanden  hat. 

^  Das  zweimalige  ingnowiniae  in  der  Lex  lulia  muuicipalis  (Zeile 
120.  121)  hält  Schuohardt  für  etymologische  Schreibung,  was  auch  für 
congnatus  gelten  könnte. 

*  CIL.  XV  ()159  eqo  FvHfios  (dazu  die  Anmerkung  von  Dressel). 
X  8336,  1  eqo  K(ae8o)  Anctios.  XV  6122  eco  C.  Antonios.  Die  Lesung 
Magolnia  (Schneider  ur.  41  b)  ist  ganz  dubiös  (CIL.  XIV  4113). 


Miscellen  31? 

Hesse  es  sich  anf  etymologischem  Grande  erklären.  Wie  dig-nus 
von  dec'ßt,  so  sig^num  von  sequ-  ^^sagen'  (Virum  mihi  Camena 
insece  versntum '  usw.  Vanicek  p.  290  f.  Stolz  Histor.  Grramm. 
p.  135.  357).  Trifft  das  zu,  so  wäre  SEIQN  die  etymologische 
Schreibung  ohne  die  phonetische  Ausgleichung,  'S£INQ  auf  jeden 
Fall  ein  Wechselbalg  zwischen  Sprech-  und  Schreibweise  vagirend, 
was  aber  vielleicht  für  alte  und  locale  Aufzeichnung  non  ultra 
fidem'  (Bücheier). 

U.  In  der  Ephemeris  epigr.  VIII  p.  155  nr.  624  ist  die 
in  Segni  gefundene,  von  Gatti  (Bull.  d.  Inst.  1883  p.  190)  ko- 
pirte  Votivinschrift  an  die  Bona  dea  durch  eine  verfehlte  Con- 
jectur  entstellt  worden.  Gegen  Gattis  Abschrift :  Aurunceia  Sp(uri) 
J\ilia)  Acte  mag{isira)  Bone  deae  tunicas  duas  et  päUiolum  rasas 
caleinas  [galhinas  verlangte  Mommsen  wegen  der  galbina  rasa 
Juvenals]  ei  lucerna  aeria  d{ono)  d{edit)  lässt  sich  nichts  ein- 
wenden, wie  bereits  Bücheier  (Fleckeisens  Jahrb.  1886  Bd.  133 
p.  113)  hervorgehoben  hat,  trotz  der  Schreibung  caleinas,  welcher 
auf  der  Inschrift  vom  Nemisee  CIL.  XIV  2215  die  bei  den  La- 
teinern üblichere  callainam  gegenübersteht  (vestem  siricam  pur- 
puream  et  callainam) j  die  auch  bei  Martial  XIV  139  {callainwi) 
überliefert  ist  (vgl.  Plin.  n.  h.  37,  110  u.  a.  m.). 

III.  Unter  den  von  Wünsch  im  Rhein.  Mus.  1900  be- 
sprochenen ^ neuen  Fluchtafeln'  befindet  sich  auch  (p.  239  nr.  8) 
das  Bleitäfelchen  aus  der  Nekropole  von  Cales,  von  dem  Mancini 
in  den  Atti  d.  R.  Accad.  di  Napoli  XII  2  Taf.  III  ein  Facsimile 
veröffentlicht  hat.  Wünsch  hat  die  £^lblikation  in  der  Ephem. 
epigr.  yill  p.  135  nr.  529  übersehen  und  damit  auch  die  von 
Bücheler  gegebene  Erklärung,  gegen  die  sich  Stichhaltiges  nicht 
einwenden  lässt. 

IV.  Die  interessante,  von  Schulten  im  Hermes  XXXII 
p.  273  ff.  ausführlich  besprochene  PapyrusArkunde  über  eine 
emptio  pneri  aus  dem  Jahre  166  lehrt  uns,  dass  die  Trieren  der 
Misenatischen  Flotte  Tigris^  Liber  pater,  Virttis,  Salus,  Prom- 
dentia  zu  einem  Flottendetachement^  gehörten,  welches  den 
Winter  165/166  im  Hafen  von  Seleucia  Fieriae  verbrachte:  eine 
Sendung,  die  offenbar  mit  den  kriegerischen  Ereignissen  der 
Jahre  162 — 166  zusammenhängt  (Mommsen  R.  G.  Υ  ρ.  406).  Die 
genannten  Soldaten  (darunter  ein  bucinatör  principalis,  vgl.  den 
cornicen  duplicarius  ex  c^^eüii^en.  CIL.  X  3416)  scheinen  ander- 
weitig nicht  bekannt  zu  sein,  bis  auf  einen,  den  suboptio  von 
der  Triere  Salus  C.  Arruntius  Valens,  der  zum  optio  auf  der  Li- 
burne  Nereis  avancirt  sein  kann.  Sind  die  Persönlichkeiten  iden- 
tisch, so  wären  die  Inschriften  CIL.  X  3464a  und  3469  annähernd 
datirt. 

y.  Die  von  einem  unerfahrenen  Steinmetzen  eingemeisselte 
Inschrift    aus  Athen  CIL.  III  6541a  =  Dessau  2224    lautet    N. 


^  actum  Seleuciae  Pieriae  in  castris  in  hibernis  vexilkUionis  clas. 
pr,  Misenatium.    'Yexillatio  classis'  auch  CIL.  VI  1638. 


318  Miscellen 

Granonius  Ν.  /.  CAI  |  Illlvir  \  domo  Luceria  centu\rio  Comelei 
Spin[t]eri  \  lecio(ne)  XIJX  et  Cn,  Pompei  \  Mac(ni)  lecione  secunda. 
In  CAI  yermuthet  Mommsen  das  Cognomen  (^Ca(ult4s?\  da  anch 
der  Beiname  des  Pompeias  mit  den  drei  ersten  Buchetaben  ab- 
gekürzt wiedergegeben  eei.  Das  Alter  der  Inschrift  und  die  Ana- 
logie anderer  Inechriften  (Dessau  2231  —  2235  ua.)  scheint  eher 
für  das  Fehlen  eines  Cognomens  zu  sprechen,  so  dass  in  CAI  die 
Tribus  zu  suchen  wäre.  Dass  es  nicht  die  Gal{eria)  sein  kann, 
hat  Mommsen  bereits  angemerkt ;  Luceria  gehört  zur  Claudia  (CIL. 
IX  p.  74),  und  es  liegt  nahe,  dass  CAI  für  CLA  verhauen  ist. 
Halle  a.  d.  S.  M.  I  h  m. 


Die  Reitercentarien  des  Tarqninins  Priscus 

Da  Marquardt  Rom.  Staatsverwaltung  II  312,  Anm.  6  mit 
Recht  die  corrupte  Graniusstelle  p.  4  ed.  Bonn,  herangezogen  hat, 
so  ist  der  Wortlaut  genauer  festzustellen:  de  equitibus  non  omit' 
lam,  quos  Tarquinius  Ynultiplicavit{coa,etw2iQOVTl?AClPlÄT) 
(Jia\  ut  priores  (im  Gegensatze  zu  den  Eanwes  secundi  etc.) 
inos  equos  in  proelium  ducerent. 

unrecht  dagegen  geschieht  dem  Florus,  welcher  I  6,  2  ge- 
schrieben haben  soll:  sencUus  maiestatem  numero  ampliavit  et  cen- 
turiis  tribus  auocU  (^equites^^  qtiatetms  Ättius  Nevius  numerum 
augeri  proh^bώat.  Hier  ist  (^equites^  Ergänzung  von  Pighiue, 
während  umgekehrt  centuriis  Interpolation  zu  dem  falsch  ver- 
standenen tribus  ist.  Bekanntlich  wollte  der  König  die  drei  Tri- 
bus vermehren,  wahrscheinlich  auf  6,  während  der  Augur  nur 
gestattete  die  Zahl  der  Yollbürger  in  den  einzelnen  Tribne  zo 
erhöhen.  Dies  reiht  sich  besser  an  die  Erweiterung  des  Senates, 
als  die  Notiz  über  die  Reiter. 

Unbestreitbar*  aber  schrieb  Florus  nur,  was  der  Leser  nach 
seinen  eigenen  Angaben  über  die  ältere  Heeresverfassung  ver- 
stehen konnte.  Nun  schreibt  aber  Florus  I  1, 15  von  Romulus: 
iuventus  dtpisa  per  tribus  in  equis  et  in  armis  (Reiterei  und 
Fussvolk)  ad  subita  belli  excubarei^  consUium  rei  p.  penes  senes 
esset,  qui  .  .  ,  ob  aetatem  senatus  vocabantur.  Diese  von  Ro- 
mulus errichteten  Tribus  wollte  Tarquinius  vermehren,  durfte 
aber  nur  die  Etatstärke  erhöhen. 

München.  Ed.  Wölfflin. 


Za  den  etmskiecheB  Monatsnamen  und  Zahlwörtern 

Ich  erlaube  mir  einige  Einwendungen  zu  der  Darstellung 
von  Skutsch  (Rhein.  Mus.  56,  638)  über  die  Identität  von  etr. 
acale  und  celi  mit  lat.  etr.  Aclus  (Juni)  und  Celius  (September) 
und  zu  den  von  ihm  daraus  gezogenen  Folgerungen  über  den 
Werth  der  in  den  Mumienbinden  zu  acaL•  und  celi  beigegebeneo 
Zahlwörter  auszusprechen,  in  der  Hoffnung,  dass  Skutsch  selbst 
dieselben    gleich    zu  lösen  vermöge  und  seine  Entdeckung  ydrk'^ 


Miscellen  319 

lieh  zu  einem  ^bio  Rhodus  hie  salta'  für  die  Deutung  des  Etruski- 
sohen  werde.  —  Beide  von  Skutsch  citirten  Stellen  der  Mumien- 
binden  echeinen  mir  nämlich  unzertrennlich  von  mehreren  anderen, 
die  ich  selbst  eben  darum  schon  Saggi  e  Appunti  intorno  alT  isc. 
etr.  della  Mummia  p.  165  f.  zusammen  behandelt  habe.  £s  sind 
überhaupt  folgende,  die  fast  alle,  wie  jene  beiden,  im  Anfange 
neuer  Abschnitte  stehn: 

VIII  1  Qucte.  cis\  s'aris\  wobei  zu  erinnern,  dass  s'ar  (zu 
dem  saris  sich  verhält  wie  eis  zu  dem  bekannten  Zahlwort  et) 
als  Zahlwort  durch  die  Vergleichung  von  Fabretti  Suppl.  318 
tameta.    sar-venas  mit  das.   332  iamera.  eela[r]'v[ena]s  und   Fab. 

2100*•  **  tamera,  eelar-velnjas  und  noch  dazu  mit  Bull.  Inst.  1881.  91 

lulr^venas  und  Fab.  71  ank{ar)'venes  nachgewiesen  (Saggi  34), 
da  augenscheinlich  s'ar  sich  zu  dem  bekannten  Zahlwort  s'a  ver- 
hält wie  eelar  zu  gal;  vgl.  jetzt  auch  camp.  etr.  Rh.  Mus.  55.  3 
Z.  7  mar.  zac  (wie  Mumienb.  X  3  marem.  ζαγ)  zu  ma^  und  zal. 
Nun,  wenn  die  ganz  ähnlich  gebaute  Stelle  VI  14  celi.  huQis\ 
zaQrumis'  nach  Skutsch  etwa  *am  20  +  χ  des  Monats  Celius\ 
wenn  VIII  3  eslem.  zaQrumis'.  acale  'am  22.  des  Aclus',  wenn 
endlich  Fab.  P.  Suppl.  388  max  zaQmm  '21*  bedeuten,  was  für 
ein  Datum  irgend  eines  Monats  Qucte  können  die  Zahlwörter  eis' 
s'aris  bezeugen?  Vielleicht  etwa  zB.  'am  5.  [und]  6.*  (vgl.  hier 
unten  zu  X  17  u.  X  2—3)? 

VI  9  za^rumsne,  lusas\  was  man  vielleicht  nach  Skutsohs 
Vermuthung  etwa  am  20.  irgend  eines  Monats  Lusa'  deuten 
könnte.  Aber  kein  mögliches  Monatsdatum  mit  Anwendung  der- 
selben Voraussetzungen  geben  mir: 

IX  γ  2  dem.  ceälxus.  lau%umneiL  und  X1 12  eslem»  ce(ü\us\ 
etnam.  sowohl 

XI  17  Qunem.  [.cialxus.  et]nam.   %χ,  esletn.  ci^XHs\  \  vanäl, 

wo  zwei  Gruppen  von  Zahlwörtern  durch  die  copulative  Partikel 
*X  (vgl.  Saggi  220  f.)  vereinigt  sind;  in  der  That,  da  cialxus' 
ceaixus  dem  mit  ei  sicher  zusammenhängen,  da  nicht  d  sondern 
max  auch  für  Skutsch  'eins  bedeutet,  da  zal  zaQrum  seiner  Mei- 
nung nach  'zwei  und  zwanzig*,  so  kann  man  den  Zahlwörtern 
dem  cealxus,  eslem  cealxus,  Tunern  dalxiAS  nur  einen  grösseren 
Werth  als  '  zwei  und  dreissig*   zuschreiben.     £benso : 

ΧΠ  10  Oi<n€m  daixus.  masn^  womit  wenn  nicht,  wenigstens 
dem  äusseren  Scheine  nach,  ein  neuer  Abschnitt,  doch  immer  eine 
neue  Zeile  beginnt; 

X  2 — 3  cus.  peQereni.  dem.  cealxuz.  capeni  \  marem,  ζαχ,  wo 

wahrscheinlich,  wie  oben  XI  17  zwei  Zahlgruppen  zusammenstehn, 
da  wie  peQereni  zu  capeni  passt,  so  marem  ζαχ  (vgl.  ob.  VIII  1 
eis'  saris')  zu  dem  cealxuz ^  und  desto  mehr,  als  wie  schon  be- 
merkt, marem  an  max  und  ζαχ  an  zal  erinnern.     Endlich 

XI  14 — 16  cntnam.  Qesan.  fler.  veives.  Qezeri  \  etnam.  ais[fia]» 

esa  ίχ.  huQis'.  zaQrumis  \\  flerxve  trlin]  neQuml,  wo  das  Monats- 

... 

datum  dasselbe  ist  wie  bei  celi  (VI  14),  aber  der  Bau  ganz  ver- 


320  Miccllcn 

schieden  und  der  Monatsname  entweder  verschieden  oder  fehlend. 
—  Ueberhaupt  scheint  mir  merkwürdig,  dass  von  den  nean  Ma- 
mienstellen,  w(t  das  Wort  celi  vorkommt  (Saggi  79  f.),  es  nur 
in  einer  einzigen,  dh.  eben  der  von  Skutsch  benutzten  (VI  14)^ 
in  Verbindung  steht  mit  Zahlen,  dagegen  in  den  acht  anderen  hat 
man  meistens  celi  SuQ  (IV  14.  21  —  22.  V  10.  IX  18)  und  gerade 
suianas  celi  swG  (V  15 — IG)  oder  celi,  erc,  suQce  (V  17),  einmal 
celi  für  (XI  3),  und  einmal  celi-peti  (XI  2),    womit  jetzt  zu  ver- 

•  •  • 

gleichen  camp.  etr.  Z.  8.  28  prici-pen  neben  13  price-lu-tüU• 
Dagegen  gleichfalls  in  dieser  camp.  etr.  Urkunde  Z.  25  Oji-acal, 
26  Qu.  sii,  eei,  acar  (vgl.  24  xem-iai.  sti.  ζαΐΥ;  also  wabrsobeinlich 

in  beiden  Stellen  entweder  Qu  acal  oder  Qu  acar ;  ist  aber  Qu  aeaU 
vorzuziehen,  so  hätte  man  hier  zweimal  acal  nach  dem  Zahlwort 
Qu  wie  in  den  Mumienb.  VIII  3  acale  nach  den  Zahlwörtern  eslem 
zaQrumis*. 

Zuletzt  sei  mir  im  Hinblick  auf  Skutschs  freundliches  Ge• 
ständniss  (Anm.  2),  dass  ich  richtig  in  Fab.  P.  Suppi.  388  die 
Lesung  zilc  ti  purts'vavc  ti  immer  vorgezogen  habe,  gestattet  za^ 
bemerken,  dass  ich  aber  nicht  in  jenem  Texte  das  Amt  *  ohne 
Zahlangabe'  erwähnt,  sondern  gerade  in  ti  die  Zahlangabe  zu  er- 
kennen glaubte,  was  jetzt  durch  folgende  Stellen  mir  immer  mehr 
begründet  zu  sein  scheint,  in  denen  die  Wörter  tii  (vgl.  mt  mü^ 
ni  nii,  Qi  QU,  ri  rii^  acri  acrii^  puia  puiia)  und  tei  (vgl.  %  ei^  m 
eifif  is  eiSj  iser  eiser^  marci  marceiy  Qa\8*in  Qa^sein)  als  Zahl- 
wörter erscheinen: 

Not.  d.  Scavi  1896.  15  mit  Rendic.  Ist.  Lomb.  1896.  IIOS 
— 1104  [s]ißmtinas.    se{Qre),  s'ieQres)  \  \sv\alc[e  r]%L  tii^  vgl.  Fab. 

2124  ril  IV  mit  2275  rü  IUI,  Fab.  S.  Suppl.  119  avil  IUI 
mit  116  avils  huQs  usw. 

Mum.  XI  γ  3  est.  tei,  vgl.  X  21  esi-c.  ci.  halxea.  Qu.  esi-c. 
zai;  X  Τ  '^  ^^^•  l^ncii  vgl.  X  22  zac.  lena  (Rendic.  Ist.  Lomb. 
1900.  1383  if.).  Da  bis  j^zt  nie  neben  Amtstiteln  etr.  Zahlan- 
gaben in  Zififern,  sondern  nur  in  Worten  vorkamen,  so  scheint 
mir  ti  nach  zilc  purts'vavc  ganz  passend,  und  nicht  verschieden 
wäre  meiner  Meinung  nach  das  t(f)  in  Fab.  2100  eisnevc,  eprQneve. 

t-macsirevc.  t-m ezn\vak,  da  macstrev-c  gewiss  mit 

lat.  magister  etwas  zu  schaffen  hat. 

Mailand.  Elia  Lattee. 


Zu  8.  183  ff.  Ein  übersehenes  Zcugniss,  der  LVII.  Kanon  des 
Coucilium  Trullanum  von  692:  "Οτι  ού  χρή  έν  τοΙς  θυσιαατηρίοις  μ^ι 
καΐ  γάλα  προσφέρβσθαι  (vgl.  S.  186  Anm.  38),  vermag  an  den  Auf- 
stellungen S.  187  und  190  f.  nichts  zu  ändern.  Möglicher  Weise  war 
das  Verbot  gegen  die  Aegyptische  Kirche  gerichtet.  U. 


Verantwortlicher  lledacteur:   L.  Radermacher  in  Bonn. 

(19.  März  1902.) 


Verlag  von  Wilhelm  Violet  in  Dresden. 


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i#  Kritische  Sichtung  des  Stoffes,  systematische  Eintheiiuug  und  Qruppirung 
desselben,  durchgängige  Angabe  der  betr.  Litteratur,  endlich  stete  Hinweisung 
auf  die  in  den  einzelnen  Gebieten  noch  nicht  genügend  aufgehellten  Partien 
sind  die  leitenden  Grundsätze  bei  der  Ausarbeitung  dieses  ausschliesslich  für 
Jünger  der  Philologie  zum  Kepertorium  und  Bepetitorium  bestimmten 
Werkes. 

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and  kann  auch  einzeln  bezogen  werden. 


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Ν 

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Inhalt  des  zweiten  Heftes. 

Sefto 

Milch  aud  Honig.    Von  H.  U  s  e  η  e  r ,     177 

De  fragmentiü  scriptornm  apnd  Nonium  servatis.    Scripsit 

W.  M.  Lindsay 196 

Hellenistische  Studien.  I.    Von  G.Knaack 205 

Die  Epochen  in  Varros  Werk  De  gente  popnli  Romani.   Von 

HermannPeter ;    231 

Zn  der  Inschrift  der  Aphaia  auf  Aegina.    Von  A.  F  α  r  t  - 

wängler 252 

Legionen   des  Orient  auf  Grund  der  Notitia  dignitatuui. 

Von  K.  Mangold 259 

TvtfXoq  ariJQ.    Von  CarlFries 265 

Ucber   eine   Scene   des    euripideischen    Orestes.      Von    L. 

Badermacher 278 

Herknlanenslsche  Brnchstüche  einer  Geschichte  des  Sokrates 

and  seiner  Schale.    Von  Wilhelm  Crünert.    .    285     j 

Ländliches  Leben  bei  Homer  und  im  deutschen  Mittelalter. 

Von  M.  S  i  e  b  ο  u  r  g 301 


Miscellen. 

Ad  libellum  η^ρϊ  ΰνΌυς,    Scripsjt  G.  Wörpel 311 

Vir  bonus  diceudi  peritus    Von  F.  S  c  h  ö  1 1 312 

Vir  bonus  dicendi  peritus.    Von  L.  Radermacher    .     .  314 

Böotisches.    Von  Atticaster 315 

Zu  lateinischen  Ins^ebriftcn.    Von  M.  I  h  m 316 

l)ie     Keitercenturien    des    Tarquluius    Prii^cus.      Von    E. 

AVölfflin 318 

Zu  d(>n  (>t.ruskischen  Monatsnamen  und  Zahlwörtern.    Von  E. 

L  :i  t  n•  s 318 

/u  >.  λΚ)  it.     Von  H.  IJsener 320 


1 


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Rheinisches  Museum 


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HILOLOGIE. 


nt»riiusir«*irflHMi 


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Franz  Buecheier  und  Hermann  Usener. 


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CONIECTANEA 


Ι  In  Horati  carmiiie  I  2  Tiberis  Iliae  se  iactat  axorins 
amnis.  adnotat  Porphyrio  p.  6,  12  Hold.  Ilia  aucfore  Ennio  in 
amnem  Tiberim  iussu  Amidn  regis  Albanoruth  praecipitcUa  antea 
enim  Anieni  matrimonio  iuncta  est.  aique  hie  loquitur  qua^i  Tiberi 
potius  nupserit.  quibus  in  verbie  antea  enim  nunc  delentnr  qnaei 
deformata  ex  Anienis  nomine  et  male  iterata.  at  praeetare  mihi 
videtnr  baec  ratio  nt  qnaeratnr  in  litteris  Ulis  quod  transitnm  a 
Tiberi  ad  Anienem,  ab  altero  ad  alternm  flumen  faciliorem  red- 
dat  ant  explicet.  atque  buiuR  modi  nnptiarum  praedicari  etiam 
loca  8olent,  έν  προχοής  ποταμού  παρελέίατο,  Pharsalum  coeufd, 
similia.  vide  igitar,  Enniana  ne  haec  fuerit  memoria :  in  amnem 
Tiberim  .  .  .  praecipitcUa  Antemnis  Anieni  matrimonio  iuncta  est, 
nam  Antemnae  dictae  qmd  ante  amnis^  qua  Anio  influit  in  Tt- 
berim^  ut  Varro  scripsit  L.L.  V  29,  ante  amnem,  ut  Serviue  Aen. 
Vn  631. 

II  In  declinando  nomine  quod  est  Minos  Oraeoi  Latinique 
sibi  non  conetiterunt:  eatie  est  Homeri  memoraeee  vereum  ή  τέκε 
μοι  Μίνιυα  και  όντίθεον  Ταοάμανθυν,  in  quo  Μίνιυα  Nauckiue 
edidit  ex  Syriaco  codice,  at  Aristopbanes  et  Arietarchus  Mivuiv 
T€  κα\  ά.,  vel  Prisciani  dicta  VI  70  p.  255  H.  in  Ciri  poemate 
casus  aocusativns  bis  legitur,  in  versu  132  et  367,  illic  a  Lach- 
manno  restitutus  sie  ni  Scylla  ...  ο  nimium  cupidis  Minoa  in^ 
hiasset  oceUis,  et  tamen  vir  idem  ibidem  ubi  '  sie  scribendum 
edixit  (Lucreti  p.  162)  luculenter  ostendit  quam  rarum  fuerit  et 
minime  acceptum  poetis  latinis'  hoc  synaloepbes  genus  in  quo 
prioris  yooabuli  paenultima  littera  esset  vocalis  longa,  enumeravit 
exempla  quae  cum  omnino  pauca  sunt  tum  maximam  partem  a 
Giris  versa  ea  re  distant,  quod  tres  quae  sibi  succedunt  yocalee 
spondei  meneuram  implent  (Bacchea  ad  beUd,  Phoebea  insignia), 
in  Ciri  autem  ad  trochaeum  redaotae  sunt,  itaque  cum  pro  Mi- 
noie  nomine  Codices  si  non  praebeant,  num  dubitabimus  restituere 

IMieili.  Miu.  f.  Phllol.  N.  F.  LYU.  21 


d2i  b\xeche\et 

qnod  et  mutatu  faoilins  est  et  incnndins  anditn,  Minon  ifihiässet7 
in  versa  367  nulla  fertur  codicum  discrepantia,  coneentinnt  omnee 
in  generum  Minoa  aucforibus  extis  iwigere,  verum  tarnen  niei 
falßa  eftt  de  132  mea  opinio,  hinc  qnoque  tolli  oportet  molestam 
elieionem  scribendo  Minov,  iinitatnr  in  multis  Catullum  is  qui 
Cirim  composuit,  in  hoc  receseißRe  videtur  a  Catiillo  qni  fecerat 
ad  Minoa  venit  sedesqne  superbas, 

Ciris  versuR  15fi  h.  noviRRimi  editoreR  ita  expreRRerunt  nt 
doctas  argutiaR  eoe  plane  non  intellexieee  crednR,  etiam  Thilo  et 
Ellis  quibuRcnm  hoc  mihi  convenit  nt  nnllam  prorRUR  in  librorum 
scriptura  litteram  immutem.  narrat  poeta  quomodo  Scylla  lunoniR 
iras  eibi  concitarit,  narrat  et  minute  nt  Alexandrini  et  implica* 
tius  quam  clarius  ut  rüdes  poetae,  concludit  si  retinuisset  gra- 
dum  puella,  non  futurum  fuisse  ut  impura  aram  tangeret  cnlpam- 
que  contraheret  periurii,  deinde  subicit 

etsi  quis  nocuisse  tibi  periuria  credat? 
causa  pia  est:  timuit  fratri  te  osfendere  luno. 
hon  eRt :  re  vera  tarnen  non  ob  periurium  Inno  te  punivit  sed  ut 
zelotypa.    etsi  oratoria   illa  est    coniunctio    qua   adnectitnr   enun- 
tiatum  contrarium  diversumve,  pariter  ac  quamquam  quid  loquor  ? 

Scylla  nutrici  nil  amat  hie  animus  inquit  quod  opmiet  amariy 
in  quo  falsa  tarnen  Meat  piefatis  imago  versu  262.  'melius  quod 
par  Sit  aman  Lach  mann  us  (Lucr.  p.  58)  non  tam  verbi  oportet 
vilitate  oifensne,  ut  arbitror,  quam  modorum  vicibus  indicativi  et 
coniunotivi.  quas  primarii  Augusteae  aetatis  poetae  non  admise- 
rnnt,  ne  Ovidius  quidem  si  nnum  et  alterum,  utique  paucissima 
Ponticon  exempla  excipimus,  in  carmina  induxit  pronus  ad  gram- 
maticam  licentiam  Propertius  (qui  Maecenati  dicit  ferar  in  partes 
ipse  fuisse  tuas^  iocatus  videlicet  in  avitum  nomen  Propartim), 
pro  viril i  parte  frequentissime  adhibuit  Aetnae  scriptor  non  dis- 
similis  ei  qui  Cirim  oecinit,  nam  philosophiae  et  poetioae  studiis 
uterque  deditus  in  hac  quidem  plus  memoriae  quam  ingenii  prae- 
stitit  nobisque  fniges  non  satis  eventilatas  tribuit.  itaque  in  his 
poematis  scabritias  stribliginesque  sermonis  atque  expositionis,  si 
codicum  auctoritas  suppetit  et  analogia  non  deficit,  conservandas 
potius  quam  abolendas  censeo.  velut  in  Giri  312  interpolatnm 
secuti  librnm  Laeti  edunt  Iiaec  tum  nobis  gravia  atque  indigna 
fnere,  tum*  mea  atumna,  tui  cum  spes  integra  maneret^  et  vax 
ista  meas  non4um  molaverat  aures:  in  archetypo  autem  erat  nee 
vox  ista  meas  nondum  v.  α. ,  vere  opinor,  ut  negativae  dune 
significatum    negativum  Intendant   et    conOrment,    quemadmoduro 


Coniectandä  d^d 

volgns  loqni  eolet  neque  Yarronem  loqui  in  carmine  puduit  (Bi- 
marco  τρόπους  qui  non  modo  ignorasse  me  clamaf,  sed  omnino 
omnis  heroas  negat  nescisse),  et  in  versa  383  poeta  expreesurue 
sententiam  bipertitam  hanc:  nutrix  eocia  fit  alamnae,  cum  quod 
snccarrere  volt  amanti,  tum  quod  revehi  in  patriam  cupit,  priue 
quidera  membrum  a  cum  purticula  exorditur,  in  posteriore  autem 
ad  eara  sie  respondet  non  minus  illa  tarnen,  revehi  quod  eqs.  sed 
baec  bactenus :  fortasse  alias  revertar  ad  Cirim,  si  quid  mihi  di- 
cendnm  restat  post  eam  quam  modo  accepi  a  Leone  Gottingae 
publicatam  commentationem  amplissimam. 

Scyllae  metamorpbosin  non  praeteriit  Ovidius,  cuius  narratio 
ex  fabula  multo  vetustiore  derivata  esse  videtur  quam  unde  Ver- 
gilianum  Carmen  fluxit,  ideo  potissimum  quod  nullae  apud  Ovi- 
dium  sunt  partes  nutricis.  baud  paulum  commotus  sum,  cum  qnae 
verba  Ovidius  Scyllae  dat  met.  VIII  73  ignavis  precibus  Fortuna 
rcjmgnat^  sit  licet  sententia  minime  insolita,  verba  tamen  ad- 
modum  congruere  videbam  cum  versu  Sopbocleo  fr.  374  ουκ  f(TTi 
τοις  μή  bpujai  σύμμαχος  Τύχη.  hie  sumptus  fertur  ex  Minoe. 

III  Ocriculani  in  tbermis  biemalibus  duos  fratres  qui  eas 
restanraverunt  änno  341  statuis  marmoreis  et  compluribus  titulis 
bonoraverunt,  quorum  unus  bic  est  CIL,  XI  4095:  provocati 
temporis  beafitudinem  dd.  impp.  Constant[i  et  Constantis]  Au* 
gustorumque  nn.  volumijtatem  thermarum  hiemcUium  Sex.  Gluvms 
Martinus  et  M,  Caesolius  Saturninus  omnibus  honoribus  functi 
de  sua  pecunia  ordini  seu  civibus  Ocricolanis  ad  meliorem  ptdcri- 
tudinem  pro  civica  adfectione  ctim  augmento  operi  novi  exercientes 
adsicnaverunt  et  dedicaverunt.  apparet  dictumque  est  a  Bormanno 
non  nibil  pecoatum  esse  in  ortbograpbia,  velut  incidi  oportuit 
provocati  temporis  beatitudine  sine  m,  cum  augmento  operis  novi 
cum  s  finali,  gravius  tamen  Vitium  nullum  inest,  nam  ad  exer' 
cientes  quod  adnotatum  legimns  in  CIL.  %lebuisse  scribi  excientes 
conicit  Hirscbfeld\  fefellit  viros  doctissimos  verbum  vetus  et 
rarum  de  quo  Bentleius  disputavit  ad  Terenti  baut.  I  1,  91 
sumptum  exercirent  suom.  hoc  exercire  ortum  ab  sarciendo  apte 
reparationis  significat  operam  et  a  novis  accessionibus  distinguit. 
et  cum  durässe  Terentianum  verbum  in  aevum  Constantini  haec 
inscriptio  ostendat,  etiam  mens  mihi  error  reprehendendus  est 
qui  exarturum  abiudicare  quondam  volnerim  a  Q.  Cicerone  comm. 
pet.  45  pag.  55.  ceterum  praeter  exercire  exsarcire  tum  etiam 
alterum  usurpabatnr  exercire  quod  esset  exercere,    ut    in   giossis 


^4  Boechelef 

palaegtra  lUn  aÜüetiU  se  eaereiunt  (lY  548,  1  Goetx.),  qoa  enim 
coniagatione  exciunt  et  excitus,  ambiunt  et  ambiius  copolantar, 
eadem  volgas  ad  eaercitus  similesqae  hoic  formas  satis  Iritas 
ifttam  qooque  eaereiunt  adstmere  coeperat. 

Rescriptom  imp.  Conetantini  Aog.  et  Caesarnm  quo  civitati 
Hinpello  concesfternnt  nt  urbR  Flavia  Constane  vocaretar,  com 
Hiepellatee  publice  incidendtim  cnrarent  CIL.  XI  5265,  qQadra- 
tarias  mnltiB  modifi  corrnpit.  velut  hoc  nonc  fertnr  eins  prin- 
cipirnn:  omnia  quidem  quae  humani  gcneris  soeietate  iuentur,  per- 
vigilium  curae  cogilatione  conplecfiinur^  scd  provisiütitim  tiofifrarum 
opus  tnaximns  est  ut  universae  urbes,  quas  in  lum'mihus  provin- 
darum  hac  regionum  omnium  species  et  forma  distinguitur,  non 
modo  dignitate  pristinam  teneant,  sed  etiam  ad  meJiorem  siaiuln 
bcneficentiae  nosfrae  munere  probeanfur.  cum  igiittr  ifn  vos  Tusciae 
adsererefis  esse  coniunctos  eqs.  Bormannus  adnotat  'debnit  eftse 
fere  pervigilium  curarum  vel  pervigili  curae ',  tum  opus  mcurimum, 
tom  disfUiguit  poefulat.  primnm  illnd  non  pnto  neceeearinra,  etsi 
Severus  in  edicto  de  ludis  saecnlaribne  aliiqne  pervigilem  cnram 
iactarunt,  licet  enim  diremptis  eyllabiR  efTerre  per  vigilium  curae 
et  iiitei  pretari  quasi  άγρυττνοϋντβς  ύπό  φροντίδων,  qnia  vigilium 
Varro  dixit  pro  vigiliis  et  ipsae  cnrae  a  Latinis  vigilantefl  vel 
vigilaceR  audinnt.  tum  opus  maaimum  comprobare  non  dubito, 
haeRitavi  quidem  parumper  propter  terminationem  adiectivi  an 
praeferrem  provisionum  nostrarum  scopus  maaimus  esty  quod  vo- 
cabulnm  graecum  latinitati  accessit  aevo  Conetantini,  eed  hnic 
nomini  adiectivum  ipsum  minue  videtur  convenire.  at  distifiguit 
rursufi  non  dnbito  repudiare  ut  quo  nitor  eententiae  ab  impera- 
tore  expreRsae  plane  fuecetur:  quem  in  humana  forma  ocali,  eum 
in  provinciis  urbes  clariores  locum  tenent :  sequitur  ut  emendemue 
urbesj  quarum  lumlnibus  provinciarum  ac  regionum  omnium  species 
et  forma  distinguiiur,  quoniam  tabulam  marmoream  Henzenue 
et  Bormannufl  snis  ooulis  inspexernnt  atque  ille  litteris  magnis 
et  Ratifl  pnlcrie  iuRcriptam  narrat,  hoc  quarum  in  tabula  ipaa  in- 
ventnm  iri  non  audeo  Rperare,  Rculptorem  igitur  prave  legendo 
aut  alia  quacumque  re  transverflum  actum  credo  mutasRe  in  quasin, 
de  proheantur  autem  similiter  ac  supra  de  eaereiunt  dioendum 
est:  duplex  eignificatu  hie  ex  novicia  pronuntiatione  idem  valet 
quod  provehantur,  apud  vetercR  erat  aut  poterat  esse  prohi- 
beantur. 

Rrratum    eRt  in  transcribendo  et  explicando  titnio  Tuficano 
CIL.  XI  5717:    L.  Gresio  L.  f.  Ouf.  Proculo  IUI  vir  o)  muni- 


Coniectanea  325 

cip{e$)  et  incolae  merentij  (luod  inier  cetera  tempore  mag%st{ralu8) 
sui  in  kariiate  olei  civib(us)  suis  quattus  libr.  pr.  p.  et  epul(um) 
dedit,  nam  aucture  Mümmseno  Bormannas  qtAat\ernas\  libr{(i8) 
poeait  et  cum  dubitationie  eignis  adiunxit  pr(ppria)  p{ecania)y 
recte  ille  diffidens,  nam  sua  pecania  verbum  erat  huias  rei  pro- 
prioiD,  laudoque  virum  integre  clareque  teetatum  ^qnattwi  certom 
e8t\  eicut  ego  olim  cum  de  quattus  disserebam  in  archio  lex. 
I  p.  102  ex  Tufico  adlatum  hoc  exemplum  ignoravi,  ita  non 
miror  ei  etiam  nunc  sunt  qui  nimis  infreqaene  vocabulom  igno- 
rent.  repeto  Carmen  epigr.  Pompeianum  (meae  sylloges  931) 
assibus  hie  bibitur^  dipundium  si  dederis  meliora  bibes,  quattua  si 
dederis  cina  Fcderna  bibies),  unde  videant,  niei  per  ee  liqueat, 
quattuor  asses  eo  verbo  denotari.  et  pretiam  olei,  non  numernm 
libraram  in  Gresi  elogio  definiri  oportoit,  poetqnam  Caritas  olei, 
nou  penuria  aut  inopia  memorata  est,  sicnt  CIL.  XI  6117  Porö- 
sem prunienses  Maesi  liufi  merita  praedicant  quod  annona  hara 
frument(i)  deiiario  modium  praestitU  vel  Plinius  nat.  h.  XV  2 
popnlo  Romano  M.  Seium  aedilem  per  totum  annom  olei  denas 
libras  singulis  assibas  praestitisse  tradit,  eundem  aedilem  qui 
in  caritute  asse  modium  populo  dedit  (Gic.  de  off.  II  58).  Gresins 
civibus  quattus,  nisi  fallor,  Ubrae  pro  poriione  dedit,  id  est  libra 
olei  si  venibat  ^aere  quaterno*,  gratis  ut  staret  Tuficanis  fecit, 
si  assibus  octo,  ut  dimidio  pretio,  simiiiaque  ratione  eadem.  unde 
iilo  tempore  solitam  esse  heminam  olei  constare  colligas  quattussis. 

Asisii  fuit  neque  iam  apparet  titulus  sepulcraiis  hie  CIL.  XI 
5440;  M.  Pettio  M,  l  Primigenio,  paedagogo  M.  Petti  Severi  ot 
Peftiat'um  Procules  et  Seoeres,  Mietnesetus  patri  pientissimo.  sub- 
scriptum  est  in  Corpore  *  MIEMESETVS  omues,  quod  nomeu 
fuerit  nescio".  AN  EM  ES  ET  VS  opinor,  cuius  nominis  exemplum 
Rt»manum  iam  in  Tbesauro  1.  lat.  consignatum  habes.  ipsa  cor- 
ruptela  iidem  apograpbis  tantum  non  firmat. 

Pitinates  Pisaurenses  patrono  nescimus  cui  CIL.  XI  6035 
statuam  et  tabulam  aeream  incisam  littcris  obfulerinU  quae  non 
solum  presentium  meri[toru\m  beneficia  obtestcntur^  sed  et  preteri- 
[torum  .  .  .]  ouaniur  insignia.  vidit  lapidem  et  descripsit  Bor- 
mannns  supplevitque  in  extremo  versu  rcnovantur  insignia,  ne 
0  quidem  Integra  superest  sed  adfecta  forma,  subetituemus  elo- 
quantur, 

Sentini  collegium  fabrum  kal.  luliis  anni  260  convenit  et 
quinquennales  eorum  rettulerunt  CIL.  XI  5748  versibus  6  ss. 
semper  et  in  praeteritum  ita  splendidissimum  n^utnerum)  n{pstrum)  \ 


326  Buecheler 

conisum  esse  ut  adfcciiotte  splendoris  stii  in  singulos  I  qtiosquae 
condignos  merentes  exibeant,  vd  maxime  |  in  honore  adque  digniiate 
Memmiae  Yictoriae  quon\dam  indoles  mumoriae  femine,  matria  nu- 
meri  nostri^  \  proorsus  usquaeque  esse  provectum  nomen  damus  \ 
etiiSf  ut  per  ordinem  generis  sui  omnes  in  numerum  niostrum)  | 
patroni  in  collegium  nostrum  appcUarentur,  opt(m\daque  erant  tU 
omnes  universisqme  incolumes  in  Γ  numerum  nostrum  videreniur, 
et  quoniam  vir  spien  \didus  Coretius  Fuscus  patronus  numeri  de- 
heat  ex\emplo  pietatis  parentium  et'  mcUris  honorificientia,  \  itaque 
si  Omnibus  videretur,  tabula  aeream  ei  offerri.  iam  aes  titulie  or- 
natum  Fnsoo  per  legatos  sedeoim  offerri  decernitur.  manifeeta 
Rermonie  vitia  alia  ei  adeignabimue  qui  rettolit  scribendamve  ta- 
balam  curavit  —  velat  debuit  dicere  ant  omnes  in  numero  nostro 
patroni  appellarentur  ant  omnes  patroni  in  collegio  nostro  app,, 
Dunc  ί)ΐς  ταύτόν  ήμϊν  €Ϊπ€  Μαρτιάλιος  —  alia  opifici  aerario, 
qui  paennltimam  sententiam  proreue  mutilayit  praetermisso  negli- 
genter  in  v.  16  tali  verbo  quoniam  Fuscus  patronus  numeri  \nostri 
demerert)  debeat  eaemplo  eqs.  haec  vitia  sordesque  vel  eunt  iam 
expurgata  vel  esse  faciamae:  quid  est  autem  Memmia  Victoria 
quondam  indoles  memoriae  femina?  Bormannus  dubitat  indoles 
utrum  supereit  ex  longiore  oratione  an  incieum  eit  pro  inl^ustris), 
quod  proposuit  Mommeen  .  in  illud  fortasse  eo  incidit  quod  quon- 
dam et  memoriae  inter  ee  parum  apte  copulari  credebat,  et  re 
vera  Victoria  quondam  indelebilis  memoriae  femina,  ut  hoc  utar 
exemplo,  vix  potuit  appellari.  sed  quäle  Mommsenus  sumpeit 
epitheton,  tali  interiecto  committi  ieta  adgregarique  potuisse  non 
negaverim,  orationem  per  ee  nnllo  egere  additamento  contendo. 
non  ergo  agnoHcemue  indolis  memoriae  feminam,  id  est  memoriae 
dolorem  ex  gravi  desiderio  luctuque  moventis?  certe  qui  eolus  hoc 
vocabulum  tradidisee  videtur  Peeudopbiloxenus  sie  interpretatus 
est  ifidolis  επίπονος  σπουδαίος  (glose.  lat.  VI  p.  566  Goetz.), 
ut  originem  ei  non  illam  quam  άοόλψ  sedtdo^  sed  eandem  cum 
verbo  indolesco  fuisse  putem.  atque  tum  cum  mulier  mortua  hoc 
modo  praedicata  est,  volgue  coepisse  etiam  simpliciter  dolum  pro 
dolore  vocare  notum  est. 

IV  Cicero  ad  Atticum  XIII  25  extr.  haec  scribit  de  epi- 
etula  ad  Varronem  praeposita  Academicis  poeterioribue:  sed^  quaeso, 
epistula  mea  ad  Varronem  vcddene  tibi  placuit?  mcde  mi  sU  si 
umquam  quicquam  tarn  enitar  ergo  at  ego  ne  Tironi  quidem  dictavi, 
qui  iotas  περιοχός  persequi  sclet^  sed  Spintharo  syUabatim,   cor- 


(^'ODiectanea  327 

ruptoram  verboruni  viiu  ao  sententiam  qui  olim  haec  commentati 
sant  Muretum  Boeium  Graevium  maxima  ex  parte  adsecntos  esse 
arbitror,  emeodatio  vero  neqae  illis  bene  cessit  neque  adbac, 
quantum  ex  Mnelleri  editione  et  Scbichii  relationibus  cogoovi, 
propoeita  est  idonea.  miratar  Cicero  amico  eaam  ad  Varronem 
epistulam  perplacnisse,  adfirmat  so  non  multnm  laboris  aut  operae 
in  eam  impendisee,  opponit  cnr  placaerit  causam  hanc,  quod  sua 
ipsios  faerint  verba  omnia,  nibil  a  librario  intervereom  aut  inter- 
mixtam.  latinas  graecie  litterie  ut  permutemus  snadeo  ad  hanc 
modum:  male  mi  sü  si  umquatn  guicquam  tarn  έν  ΤΤαρέργψ.  at 
ego  —  ista  enim  tritiseima  erat  looutio,  Cioeroni  quoque  fami- 
liarie  (ad  Q.  111  9,  3),  reticentia  autem  in  re  aperta,  concitata 
voce  minime  ingrata  eet. 

V  'Άντ€μνα  και  Κρουστομίρ€ΐα  Dionyeius  Hai.  ecribit, 
Antemnaque  prisco  Orustutnio  prior  Silius  graece  vel  poetice,  nam 
latine  vouabantur  Anfctnnae,  boc  unum  exemplum  adesto  varie- 
tatie  centiens  ueurpatae.  oliln  in  praefatione  Petronü  dixi  habi* 
tarn  esse  cenam  Trimalcionis  in  praedio  eine  Cuniano,  Camas  ta- 
rnen illam  coloniam  non  fuisae  de  qua  convivae  confabularentur 
eo  argumento,  quod  quaei  rem  raritate  notabilem  Trimalcio  in 
cap.  48  pronuntiat  tiam  Sthyllam  quidem  Cumis  ego  ipse  octdis 
meis  vidi  in  ampulla  pendere  eqs.  uberiue  de  loco  cenae  poetea 
disputarunt  alii  qui  in  Cumas  convenire  cetera  omnia  recte  ata- 
tuerunt,  argumentum  autem  quod  contra  protuleram  band  proba- 
biliter  ita  elevarunt,  ut  in  ieto  enuntiato  Cumis  verbum  quasi 
interpolatum  delerent.  immo  enim,  quoniam  ubi  Trimalcio  8ibyllam 
vidit  ibi  di  bominesque  graece  loquebantur,  quoniam  in  Aeiam 
noR  revocat  teetie  unicue  qui  praeter  Trimalcionem  miraculum 
illud  narrat,  Sibyliam  pendentem  in  cavea  non  ampullacea  qui- 
dem sed  tamen  rotunda  ferrea  (Ampeliue  8,  16),  quoniam  ^eniqne 
in  Asia  Trimalcio  puer  vixit  (cap.  75),  Κύμην  necesse  est  intel- 
legi  την  της  ΑιολΛος,  non  την  έτεραν  Ιταλίας,  illam  sane  lit- 
terati  bomines  qui  bietoriae  vel  cborograpbian  tradunt,  etiam  latine 
Cymen  ecribere  solent  difcriminis  diligentiacque  causa,  sed  vere 
latinum  vocabulum  Cumas  fuisee,  accommodatum  populo  nescienti 
graecam  litteram  et  declinationem  ideoque  non  alienum  a  Tri- 
malcionis sermone,  optime  ut  mibi  videtur  declarat  alterna  vice 
ή  Καμπανις  Κύμη  Cumae  nominata  a  Latinis. 

Bonnae.  F.  Bueobeler. 


DIE  BERLINER  BRÜCHSTÜECKE  DER 

SAPPHO 


Die  Kunde,  daes  es  dem  Directorialaseistenten  an   den   Kö- 
niglichen Museen  in  Berlin  Herrn  Dr.  W.  Schubart  gelungen  sei 
in  den  Papyrusbeetänden  der  ägyptischen  Abtheilung  neue  Reste 
der  Sappho  und    des  Alkaios   zu    entdecken,    hatte    freudige  Er- 
wartung bei   allen   denen    erregt,    die    insbesondere    die    einzige 
Dichterin  im  Herzen  beschlossen  tragen.    Nun  liegen  diese  Reste 
in    den   Sitzungsberichten    der   Berliner   Akademie    vom  20.  Fe- 
bruar 1902  (S.  195  ff.)  allgemein  zugänglich  vor,  und  wir  haben 
dem  glücklichen  Finder  und  seinem  unermüdlichen  Helfer  v.  Wi- 
lamowitz  für  die   mühevolle  Arbeit   zu   danken,    die   sie  mit  der 
Entzifferung  des  schwer   lesbaren   und  der  Herstellung  des  viel 
fach    verderbten  Textes    geleistet    haben.     Es    sind    von  Sappho 
auf  drei    aneinander    anstossenden  Fetzen    einer   Pergamenthand- 
schrift,   die    der  Herausgeber  auf  Grund  der  Schriftzüge  dem  6. 
oder  eher   noch  dem  7.  Jh.  n.  Chr.  zuweisen  möchte,  drei  oben 
und  unten  unvollständige,  auch  sonst  noch  in  der  Mitte  oder  am 
Rande  mehr  oder  minder  stark  verstümmelte  Columnen  mit  drei 
verschiedenen  Gedichten,  die  sich  durch  ihre  Versmaese  als  dem 
fünften  Buche  angehörig  erweisen.     Bei  Alkaios  handelt  es  sich 
um  ein  Papyrusstück  aus  dem  1.  oder  spätestens  2.  Jahrhundert 
n.  Chr. ;    was  von   der  Schrift    erhalten    geblieben    ist,    sind    so 
schmale  Streifen    zweier   Columnen,    dass   wir    über    die  Lesung 
einzelner  Wörter  nicht  hinaus  kommen,    zu   einem  Erfassen    des 
Sinnes  des  Ganzen  nicht  vordringen   können.     Es  gewährt  einen 
schwachen  Ersatz,    dass   an   der  linken  Seite  der  zweiten  Spalte 
ein  Scholion  so  gut  wie  vollständig  lesbar  ist,  das  uns  eine  bis- 
her   unbekannte    Thatsache    aus    dem    Leben    des    Dichtere    und 
Parteimannes  erzählt:  er  habe  mit  seinen  Anhängern,  deren  Zahl» 
wie  es  scheint,   auf  zwanzig  (κ)  angegeben  wird,  einen  Anschlag 


Die  Berliner  Bruchstücke  der  Sappho  329 

aaf  Myrsilos  geplant;  dieser  sei  aber  ruchbar  geworden,  und  eie 
hätten  sich  dem  Strafgericht  durch  die  Flucht  nach  Pyrrha  — 
diesen  Namen  ergänzt  v.  Wilamowitz  überzeugend  aus  ΤΤυρ[.  .]v 
—  entzogen,  eine  Flucht,  die  als  die  erste  bezeichnet  wird. 

£s  wird  den  LeHcrn  dieser  Zeitschrift  erwünscht  sein  Ge- 
naueres über  den  Inhalt  des  neuen  Fundes  zu  erfahren.  Ich  setze 
daher  zunächst  die  Theile  der  beiden  ersten  sapphischen  Gedichte, 
die  eine  fortlaufende  Lesung  erlauben,  in  der  Fassung  her,  die 
ihnen  von  Sch(ubart)  und  v.  W(ilÄmowitz)  gegeben  ist,  soweit 
ich  nicht  von  dieser  abweichen  zu  sollen  glaube;  wo  sie  sich 
von  dem  überlieferten  entfernt,  füge  ich  in  der  Adnotatio  ohn* 
weitere  Kennzeichnung  die  handschriftliche  Lesart  bei.  Vom 
dritten  Gedicht  ist  so  wenig  erhalten,  dass  wir  auch  hier  zu 
keiner  irgendwie  zusammenhängenden  Vorstellung  von  peinem 
Inhalt  gelangen  können. 

I 

τεθνάκην  b'  άοόλιυς  θίλω*. 
ά  με  ψισοομένα  κατελίμπανεν 

2  πόλλο  και  τόο'  έέvLvεπεv•] 
»ώιμ'  ώς  οεϊνο  πεπ[όνθα]μ€ν, 

6  Ψάπφ',  ή  μάν  σ'  άέκοισ'  άπυλιμπάνω.« 

3  τάν  Ö'  έγώ  τάο'  άμειβόμαν 
»χαίροισ'  ίρχεο  κδμεθεν 

μέμνασθ',  οΤσθα  γαρ  ώς  σε  πεοήπομεν. 

4  αΐ  bi  μη,  άλλα  θέων  θέλω 
10  δμμνασαι  [....]  λ[.  .]ψεαι, 

ιθ[.  . ]  κο\  κάλ'  έπάσχομεν. 

5  π[όλλοις  γαρ  στεφά]νοις  ϊων 
και  βρ[ό5ων  .  .  .]κίων  τύλοις 

και  .  [ ]  παρ'  έμοι  παρεθήκαο 

6  16  και  π[όλλαις  ύπο]θύμι5ας 

πλέκ[ταις  όμφ'  ά]πάλαι  οέραι 
ανθέων  έρ[άτων]  πεποημέναις 

7  κα\  πόλλαις  .  [.  .  .  .]ς  μύρω 
βρενθείω  β[ασιληί]ω 

2  κατελιππανβν       7  καμοθεν       8  μεμναισθ*       9  θέων   OeÄvSch 
10  ομναισαι    όμμναΐσ*,  αϊ[ς  άπυ]λ[€ί]ψ€αι  Seh        13  τυλλοι        14  πάρε- 

•  •  •  • 

θηκας  15/16  =  Fragm.  46  Β*  17  πεποημμβναις vgl.  κάλημμιΒΒ. 
1,  Vi.  νόημμα  14.  φίλημμι  70  und  zur  Erklärung  Unters  ζ.  gr.  Laut- 
u.  Verel,  165  f  Anm.       18  πολαις       19  =  Fragm.  49  B.* 


WM)  Solin  sen 

•jKi  (:iuXiii|iUO  Κ   .    L•    •   • 

Η  Ku\  (Ττρώμνίαις  . .  . 

diTuXttv  παρ|.  . 
ίΙΙης  noOtl.  ,  . 

firXtf  ό  .  .  [.  .  . 
\{\  ούκ  Αλσος  [.  .  . 

i5  ώς  π  .[.  .  .]  .  ιυομεν^  [....].... 

ύί  θέαι  ικέλαν  άρι- 
5  γνώτο  läibe  μάλιστ*  ίχαινε  μόλπα. 
;•ί  VÖV  bi  Λύοαισιν  ένπρίπεται  γυναί- 

κ€σσιν  ώς  ποτ'  οελίω 

ούντος  ά  βροοοοάκτυλος  σελάννα 
Ι  πάντα  περρεχοισ'  δστρα,  φάος  b'  έπί- 

ΐϋ  σχει  θάλασσαν  έπ'  άλμύραν 

ϊσιυς  και  πολυανθέμοις  άρούραις, 
Λ  ά  b'  έίρσα  κάλα  κέχυται,  τεθά- 

λαισι  bi  ßpoba  κδπαλα 

θρύσκα  και  μελίλωτος  όvθεμώbης. 
ίί  15  πόλλα  bi  ίαφίγγεος  άγάναι  δπι 

μνάσθεισ'  "Ατθώος,  ιμέριυι 

λέπταν  τοι  φρένα  Kapbia  βάληται. 
Fuigeti  noch  Ueberbleibeel  einer  Strophe. 

4  θέας  θέαισ'  Seh  uach  W  5  σεδεμαλιστ'  8  μήνα,  σελάννα 
durch  das  Metrum  gefordert  und  von  Seh  mit  Recht  eingesetzt  9 
περεχοισ  12  αδερσα  13  λεισι  καπαλαι  15  2[αφογγαις  oder  2[u- 
φογγακ,  daher  läset  Seh  die  Wahl  zwischen  der  obigen,  von  W  em- 
pfohlenen Schreibung  und  πόλλα  6έ  2[άφθοτγ'  αΐκ'  άγάναι  δπι  μνάαθηις 
Άτθώος,  die  vor  jener  den  Yortheil  haben  würde,  dass  sie  nicht  zur 
Annahme  eines  Anakoluths  zwänge       IG  ιμερω       17  ποι 

Beim  Anblick  dieser  Ueberbleibeel,  die  in  SchubartH  Ver- 
öffentlichung dnrch  eine  beigegebene  Lichtdmcktafel  veranschau- 
licht sind,  überschleicht  einen  zunächst  das  Gefühl  der  Euttäu 
Beübung,  dass  uns  das  Schicksal  wieder  einmal  nichts  Ganzes  ge- 
gönnt hat;  Brachetücke,  nichts  als  Bruch stüi^ke!  ruft  man  unwill- 
kürlich aus.  Macht  man  sich  aber  mit  dem  auf  uns  gekommenen 
näher  bekannt,  so  schwindet  jenes  Gefühl  alsbald  vor  dem  der 
Freude    über   die  köstlichen  Stücke  Poesie,  die    uns    da  wieder- 


Die  Berliner  Bruchstücke  der  Sappho  331 

gegeben  sind,  köetlicher,  wie  mich  dünkt,  und  von  tieferer  Empfin- 
dung durchweht  als  die  ein  wenig  nüchterne,  ecbwunglose  Geleit- 
ode  für  den  Bruder,  die  uns  vor  wenigen  Jahren  die  Oxyrhyn- 
chospapyri  gebracht  haben.  Wie  wundervoll  ist  nicht  in  dem 
ersten  der  beiden  Lieder,  das  den  Abschied  einer  Schülerin  von 
der  Dichterin  zum  Vorwurf  hat,  der  Unterschied  in  Wesen  und 
Fühlen  der  beiden  Frauen  charakterisiert!  'Tot  sein  möcbt  ich 
ganz  gewiss  Γ  so  ruft  die  Jüngere  in  ihrem  Schmerze  aus  mit  dem 
Ueberschwange,  der  der  Jugend  so  wohl  ansteht,  und  laut  wei- 
nend (ψιίομενη  *  κλαίουσα  Heeycb)  fährt  sie  fort:  *Weh  mir, 
wie  hart  ist  unser  Los,  Sappho!  Wahrlich,  ungern  lass  ich  dich!' 
Die  Lehrerin  aber,  die  gewiss  schon  oft  solch  Scheiden  dun 
gemacht  hat  und  die  weiss,  wie  schnell  der  Mensch,  zumal  de- 
junge,  sich  dank  dem  holden  Leichtsinn,  den  ihm  die  Natur  ver- 
liehen, in  die  neuen  Verhältnisse  schickt,  wie  bald  die  Erinnerungen 
an  das  frühere  verblassen,  antwortet  gelassener:  *6eh  getrost  und 
sei  meiner  eingedenk ;  weisst  du  doch,  wie  lieb  wir  dich  hatten. 
Wenn  aber  nicht,  so  gedenke  wenigstens  der  Götter,  in  deren 
Dienste  wir  viel  Schönes  genossen  haben' ^.  Und  es  folgt  eine 
Schilderung  dieses  Schönen  ;  die  Dichterin  spricht,  so  viel  die 
dürftiger  werdenden  Ueberreste  erkennen  lassen,  von  den  Veil- 
chen, den  Rosenkränzen,  den  Blumengewinden,  den  duftenden 
Salben,  den  Polstern  —  all  das  hat,  wie  es  scheint,  bei  den  hei- 
ligen Festen  im  Haine  der  Götter  seine  Verwendung  gefunden. 
Das  zweite  Gedicht  handelt  von  einer  fernen  Freundin,  allem 
Anscheine  nach  Atthis,  die  einst  die  anwesende  Freundin,  an  die 
die  Verse  gerichtet  sind,  gar  oft  mit  ihrem  wohlbekannten  Sänge 
gefeiert  hat.  Nun  aber  glänzt  sie  inmitten  der  lydischen  Frauen 
wie  wohl,  wenn  die  Sonne  gesunken  ist,  der  rosenrote  Mond,  der 
alle  Gestirne  überstrahlt;  ό  βροοοοάκτυλος  σ€λάννα  sagt  die  Dich- 
terin, der,  wie  Schubart  richtig  bemerkt,  die  Färbung  vorschwebt. 


^  δμμνασαι  so  zu  betonen,  dh.  als  Imper.  Aor.  Med.  aufzufassen 
mit  der  attisch-ionischen  Endung,  die  auch  für  das  Aeolieche  gesichert 
ist  durch  δέΗαι  Alk.  56,  erscheint  mir  natürlicher  als  die  von  Seh.  be- 
vorzugte Accentuation  όμμνάισ'  α![ς],  die  die  Form  als  Inf.  Aor.  Act. 
kennzeichnet;  dabei  vermiest  man  aber  ein  αέ.  Die  Abtrennung  von 
α![ς]  als  Relativum,  die  dann  weiter  die  Aenderung  des  vorhergehenden 
θέων  in  θ€Αν  nach  sich  zieht,  ist  deshalb  nicht  unbedenklich,  weil  das 
Relativum  bei  den  beiden  Lyrikern  in  der  Regel  durch  den  Demon- 
strativstamm  το•  vertreten  ist,  sichere  Beispiele  für  den  echten  Rclativ- 
stamm  sehr  selten  sind  (Hoffmann  Dial.  II  557  f.).    Eine  befriedigende 


332  Solmsen 

die  der  Mond  in  warmen  Nächten  hat,  wenn  er  eben  über  den 
Horizont  emporgestiegen  ist,  ein  deutliches  Zeichen,  wie  abge- 
griffen das  epische  Beiwort,  wie  verschlissen  seine  Bedeutung 
schon  für  die  Sänger  um  die  Wende  des  7.  und  6.  Jahrhunderts 
y.  Chr.  war,  und  eine  wichtige  Bestätigung  für  die  von  W.  Schulze 
Gott.  gel.  Anz.  1897  S.  887  ff.  entwickelten  Anschauungen  über 
das'Abhängigkeitsverhältniss,  in  dem  die  Epitheta  und  überhaupt 
der  dichterische  Formel-  und  Wortschatz  der  lesbischen  Lyriker 
zu  dem  des  Epos  steht.  Und  nun  findet  Sappho  Freude  an  dem 
Naturbilde,  das  ihr  vor  die  Seele  tritt,  und  malt  es  im  einzelnen 
aus :  sein  Licht  ruht  über  dem  salzigen  Meere  gleichwie  über 
den  blumenreichen  Fluren,  der  schöne  Tau  ist  ausgegossen^  und 
es  stehen  in  voller  Biütbe  die  Rosen  und  zarten  Thrysken  und 
der  blumige  Klee  (θρύσκα*  αγρία  λάχανα  Hesych;  dazu  ίν- 
θρυσκον*  λάχανον  κάρψ  δμοιον.  φέρει  bk  και  δνθος  ώστε  εϊναι 
και  βριυτόν  και  στεφανιυτόν  Uesycli  und  in  weiterer  Verwandt- 
schaft wohl  auch  θρύον,  das  II.  Φ  351  mit  λωτός  und  κύττειρον 
als  die  Ui'er  des  Xauthos  umsäumend  genannt  wird  und  der  Stadt 
am  Alpheios  in  Elis  θρύον  Β  592,  θρυόε(Τσα  Λ  711  den  Namen 
gegeben  hat,  gewöhnlich  als  Binse ^  verstanden;  vielleicht  stam- 
men diese  Pilanzennamen  von  der  Wurzel  θρυ-  'flüstern,  surren, 
rauschen,  lärmen*  in  θρέομαΐ  θρόος  θρϋλειυ).  Wird  nach  dieser 
Schilderung  der  Mondnacht,  die  des  grössten  unserer  Dichter, 
mag  sie  auch  an  die  Tiefe  des  Gefühls,  das  seinem  eigenen  Liede 


Ergäuzuii^^  des  Versschlussee  vermag  ich  nicht  zu  bieten ;  eine  Nachprü- 
fung der  Handschrift  wird  versuchen  müssen  über  den  in  der  Mitte 
noch  eben  erkennbaren  Buchstaben,  in  dem  Seh.  ein  Α  vermuthet,  zu 
grösserer  Sicherheit  zu  kommen.  —  In  der  Schreibung  des  Verbal- 
stammes wechselt  die  Handschrift  zwischen  Beifügung  und  Weglassung 
des  t  adscriptum:  μέμναισθ'  I  8  (vgl.  über  diese  Form  u.).  δμμνάιααι 
I  10,  aber  μνάσθεισ*  II  1β.  Das  steht  im  Einklang  mit  der  wissen- 
schaftlichen Controversc,  die  über  diesen  Punkt  im  Alterthum  geführt 
wurde  und  für  die  die  Aktenstücke  von  Usener  Fleckeisens  Jhb.  91 
(1865),  245  f.  gesammelt  sind.  Das  Richtige  ist  Beifügung  im  Praesens, 
das  mit  Suffix  -iokuj  gebildet  ist,  Weglassung  in  den  anderen  Tempora, 
wie  die  zahlreichen  inscbriftlichen  Belege  für  Μνησι-  und  -μνηστος  be- 
weisen. Dass  in  einem  äolischen  Text  das  stumme  ι  reichlich  zugefügt 
ist,  kann  um  so  weniger  Wunder  nehmen,  als  die  Vertheidiger  der  Or- 
thographie μιμνήισκω  sich  grade  auf  äolisches  μιμν<ίισκω  (μνέισκω?) 
beriefen,  s.  Anecd.  Ox.  I  196,  32  f.  Herodian  Π  79,  34  Ltz.  =  Schol. 
Α  7^)9  (nicht  richtig  aufgefasst  von  Hoffmann  Dial.  Π  421  und  J.  Schmidt 
KZ.  37,  37  ff.,  dessen  Annahmen  ich  nicht  zu  folgen  vermag). 


l)ie  Berliner  Örucbstücke  der  Sappho  333 

An  den  Mond  entströmt,  nicht  entfernt  heranreichen,  doch  nicht 
ganz  unwürdig  wäre,  noch  jemand  es  wagen  wollen  den  'Alten* 
das  Gefühl  für  die  Natur  ahzaeprechen? 

Doch  es  ist  nicht  meines  Amtes  den  Folgemngen  weiter 
nachzugehen,  die  sich  aus  dem  schönen  Funde  für  die  Litteralur- 
geschichte  und  für  die  Würdigung  der  Persönlichkeit  der  Sappho, 
namentlich  was  ihr  Verhältniss  zu  ihren  Mädchen  angeht,  ziehen 
lassen.  Man  wird  es  verstehen,  dass  mich  beim  Lesen  der  Verse, 
abgesehen  von  dem  Genüsse  ihres  poetischen  Werthes,  noch  eine 
besondere  Frage  beschäftigt  hat,  die  Frage,  wie  weit  durch  ihre 
äussere  Form  die  Ansichten,  die  ich  vor  einem  Jahre  in  meinen 
Untersuchungen  zur  griech.  Laut-  und  Verslehre  137  ff.  über 
das  Digamma  bei  den  beiden  lesbischen  Lyrikern  vorgetragen 
habe,  bestätigt  oder  widerlegt  werden  ;  sie  liefen  darauf  hinaus, 
dass  das  Vau  im  Anlaut  noch  durchweg  vorhanden  gewesen  sei 
und  alle  diejenigen  Einflüsse  ausübe,  die  es  überhaupt  jemals  auf 
griechischem  Boden  innerhalb  des  Verses  auegeübt  habe,  dh. 
überall  sich  wirksam  erzeige  ausser  bei  kurzen  consonantisch 
schliessenden  Silben  in  der  Senkung,  die  davor  nicht  durch  *Po- 
sition*  gelängt  werden.  Der  diesmalige  Befund  erhärtet  zunächst 
noch  einmal  das,  was  wir  schon  bisher  über  den  schriftlichen 
Ausdruck  des  Digamma  in  den  alexandrinischen  Ausgaben  wussten: 
vor  ρ  war  es  durch  β  bezeichnet,  daher  U  8  βροοοοάκτυλος.  Π 
13  ßpoba,  wohl  auch  I  13  ßp[obujv]  nach  des  Herausgebers  Er- 
gänzung: hingegen  vor  Vocal  war  F  geschrieben,  die  Bedeutung 
dieses  Zeichens  aber  war  den  Schreibern  späterer  Jahrhunderte 
unverständlich  geworden,  und  deshalb  finden  wir  es  in  unserer 
Handschrift  in  allen  in  Betracht  kommenden  Wörtern  weggelassen : 
οΤσθα  I  8.  ίιυν  Ι  12.  Ικέλαν  II  4.  ϊσως  Π  11.  έρσα  Π  12.  δπι 
II  15.  €Ϊπον  III  8.  αοομ*  III  10  ^  Den  Grund  dieser  Verschie- 
denheit habe  ich  aaO.  S.  175  f.  klarzulegen  mich  bemüht.  Wie 
steht  es  nun  um  die  Wirkungen  dieser  Wörter  auf  den  Auslaut 
der  im  Verse  vorhergehenden?  Ohne  Belang  sind  I  12  [στ€- 
φά]νοις  ϊιυν.  Ι  13  και  βρ[όοων].  II  8  ά  βροοοδάκτυλος.  II  11 
Χβως  und  III  8  εΤπον  am  Versanfang.  Schliessender  Langdi- 
phthong ist  unverkürzt  geblieben  in  άγάναι  δηι  II  15;  danach 
habe  ich  U  4  an  Stelle  des  grammatisch  unmöglichen  Ck  θέας  ικέλαν, 
worin  das  -ς,   nach  der  Lichtdrucktafel   zu  schliessen,   sicher  zu 


*  Das  Alkaiosfragment   enthält   zufällig  kein  mit  F  beginnendes 
Wort. 


334  Solmedti 

stehen  scheint,  Οέ  θίοΐ  Ικίλαν  geflchrieben,  während  ν.  Wila- 
mowitz,  den  die  Darlegungen  in  meinem  Buche  nicht  überzeugt 
haben,  θέακτ'  eingesetzt  hat;  meine  Aenderung  ist  jedenfalls 
nicht  tiefer  greifend  als  die  seine.  II  12  hat  die  Handschrift 
obepCTa,  das  Versmass  fordert  aber  zu  Beginn  einen  Eretikns, 
und  Schubart  hat  deshalb  hinter  dem  b  ein  €  eingeschaltet;  ob 
wir  das,  wie  er  thut,  ά  b'  έέρ(Τα  oder  ά  bfe  fpcTa  lesen,  ist  gleich- 
gültig; vielleicht  also  haben  wir  hier  einen  Fall,  in  dem  Di- 
gamma  die  Elision  eines  schliessenden  kurzen  Vocals  verhindert 
hat.  In  be  ßpoba  II  13  ist  kurzer  Vocal  in  der  Hebung  vor 
Fp-  als  Länge  gebraucht.  III  10  bildet  [o]ub€V  αboμ'  den  Vers- 
anfang; das  Metrum  dieser  Columne  lässt  sich  bei  ihrer  starken 
Zerstörung  nicht  mit  Sicherheit  bestimmen,  scheint  aber,  wie 
Schuhart  darlegt,  dem  der  zweiten  gleich  gewesen  zusein;  dann 
kann  -b€V  eine  Länge  oder  Kürze  darstellen,  und  die  letztere 
würde  durch  meine  Theorie  erfordert  werden.  So  weit  stimmen 
die  Dinge  also  zu  dieser.  Zu  widersprechen  scheint  ihr  aber  das 
einzige  noch  übrige  Beispiel  eines  digammirten  Wortes,  oTcOa 
I  8,  vor  dem  der  auslautende  Diphthong  von  μφνακτθαι  elidirt 
ist.  Ist  diese  Form  aber  dem  Zweifel  so  entrückt,  dass  an  ihr 
die  Theorie  zerschellt?  Es  wird  auf  ihre  Gewähr  nicht  schwören 
wollen,  wer  an  der  Hand  der  Adnotatio  die  U eberlief ernng  mit 
dem  durch  das  Versmass  oder  den  Sinn  geforderten  Text  ver- 
glichen und  sich  überzeugt  hat,  wie  sehr  dieser  in  jener  ge- 
litten hat.  Ich  hebe  den  krassesten  Beleg  heraus,  die  Ver- 
drängung von  σελάννα  II  8  durch  μήνα,  das  vermuthlich 
ursprünglich  Glossem  gewesen  ist  oder  in  einem  Scholion 
gestanden  hat,  und  bringe  hier  noch  einen  weiteren  ähnlich 
liegenden  zur  Sprache,  den  wir,  glaube  ich,  anerkennen  müssen: 
I  3  έέν[ν€π€ν].  Ά  η  der  Ergänzung  έίν[ν€π€ν],  sagt  Schubart, 
lässt  sich  nicht  zweifeln,  so  unmöglich  das  Augment  auch  er- 
scheint .  Auch  ich  wüsste  dies  in  keiner  Weise  zu  recht- 
fertigen —  Pindar  und  Bakchylides  sagen,  wenn  sie  das  Verbum 
angmentiren  wollen,  (προσ•)ήν€π€  Pyth.  4,  97.  9,  29.  Nem. 
10,  79.  Bacch.  14,  9 — ,  wüsste  aber  ebenso  wenig  etwa  einen 
Hiatus  in  TOb€  fv[v€nev]  zu  rechtfertigen  ^  und  sehe  nur  einen 
Ausweg  aus  der  Schwierigkeit,  die  Annahme  dass,  ähnlich  wie 
μήνα  für  σελάννα,  so  tob'  έίννεπεν  etwa  für  tobe  είπί  μοι  oä. 


^  Dass  die  HHiidschrift  τόδ*  €€v  .  .  .  mit  Apostroph  hinter  dem 
δ  bietet,  ist  ohne  Bedeutung. 


bie  Berliner  firucbstücke  der  Sappho  SSh 

eiogedrungen  ist.    Läeet  sich  nun  entsprechend  für  μέμναοΌ'  eine 
in  MeseuDg  und  Bedeutung  gleichwertige  Form  ersinnen,  die  jenem 
den   Platz  geräumt  haben  könnte  ?  Der  Infinitiv  in  imperativischer 
Geltung  ist  an  sich  bei  den   lesbischen  Lyrikern  so  gut  möglich 
wie   überall  in  Griechenland    und    thatsächlich,    wenn    auch    der 
Imperativ    selbst    durchaus    das   regelmässige    ist,    wenigstens  in 
einem  sicheren  Beispiel  zu    belegen:    Sa.  78,  1     B.*  σύ  bk  ατ€- 
φάνοις,  ώ  Δίκα,  περθέσθ'  έράταις  φόβαισιν.     Immerhin  würden 
wir  in  unserem  Verse  nach  dem  vorhergehenden  Imperativ  ίρχ€0 
vielleicht  auch  von  μέμναμαι  eher  die  2.  Sg.  Imp.  erwarten.  Wie 
musste  die  im   Altäolischen  lauten?   Im  Urgriechischen   *μέμναο 
aus  ν^μνα(Τθ  mit  regelrechter  Verhauchung  des  d  zwischen  den 
Vocalen.    Dessen  ungestörte  Weiterentwickelung  durch  die  Mittel- 
stufe *μέμνηο  hindurch  liegt  vor  in  ion.  μέμν€θ  Herodot  V  105 
(δέσποτα,  μέμν€θ  τών  Αθηναίων).     Herodas  4,  89.  Orph.  Lith. 
609  Ab.  uö.;    vgl.    2.  Sg.   Ind.   μέμνηαι  Φ  442,    woraus    μφνη 
(oder  μφνη'?)  Ο  18.    Υ  188  uö.     Wenn    das  Dorische  dem  μέ- 
μναΟύ   (Epicharm  250  Κ.,    kein  sicheres  Zeugniss  für  das  echte 
Dorisch),    das  Attische   μέμνη(Τθ   entgegensetzt,    so    haben   diese 
Formen  (T  wiederhergestellt  gemäss    der  Tendenz,    die    zum    we- 
nigsten beim  Attischen  unser  Material  für  die  2.  Sg.  Imperativi 
wie  Indicativi  Med.    der   'unthematischen'  Flexionsweise  deutlich 
zu  erkennen  gestattet;  vgl.  übrigens  schon  Ψ  648  μέμνη(Ταΐ.  Aus 
dem  Aeolischen  besitzen  wir  zu  dürftige  Belege,  um  irgend  etwas 
Sicheres   aussagen    zu   können;   was  wir  haben,    zeigt  zum  Theil 
den  fürs  Urgriechische  zu  erschliessenden  Zustand:  einerseits  lOGO 
Sa.  1,  28,  anderseits  μεγαλύννεο  Sa.  35,  zum  anderen  Theil  un- 
ursprüngliohes   Wiederaufleben  des  CT:   fipvucTo  Sa.  75.     Nehmen 
wir  an,   dass    μέμναμαι  sich  unbeeinflusst  weiter   entwickelt   hat 
wie  im    Ionischen,    so    musste   *μφνάο   zu    *μίμνα  führen    wie 
urgr.  hom.  'Aibäo    zu  *Aibfl    Sa.    68,  3,    Kpoviböo   zu   Kpovibö 
Alk.  48  A. 

χαίροισ*  ίρχεο  κδμεθεν 
μίμνα,  Ροϊσθα  γάρ  ώς  σε  πεοήπομβν 
entspricht  glatt  dem,  was  wir  brauchen,  und  es  ist  auch  leicht 
genug  verständlich,  dass  diese  Form,  die  so  wenig  durch  eine 
Endung  als  bestimmte  Person  gekennzeichnet  war,  sondern  ledig- 
lich den  Stamm  zu  enthalten  schien,  sich  in  der  Ueberlieferung 
nicht  behauptet  hat,  sondern  durch  den  deutlicheren  Infinitiv  er- 
setzt worden  ist.  Ich  hoffe,  dass  diejenigen,  die  im  vorigen  Jahre 
meinen    Ausführungen    zugestimmt    haben,    auch    diesen  Versuch 


33β  Solmsen  Die  Berliner  ßruchstücke  der  Sappbd 

mit  dem  neo  ans  Tageslicht  getretenen   zurecht  zu  kommen   ein- 
leachteod  finden  werden. 

Zum  Schlnes  sei  noch  der  Belege  gedacht,  die  uns  die  neuen 
Bruchstücke  für  die  Digammaverhältnisse  im  Wortinneren,  na- 
mentlich zwischen  Vocalen,  gebracht  haben.  Iloffmann  Dial.  II 
461  f.  hat  festgestellt,  dass  ursprünglich  durch  F  getrennte  Vo- 
cale,  wenn  der  erste  von  ihnen  kurz  war,  in  den  Texten  der 
beiden  Lyriker  niemals  contrahirt  erscheinen,  dagegen  bei  langem 
ersten  Vocal  gelegentlich  Contraction,  bei  Diphthong  gelegentlich 
Verkürzung  stattfindet,  und  ich  habe  aus  diesem  umstände  im 
Verein  mit  gewissen  anderen  Thatsachen  der  Ueberlieferung  den 
Schluss  gezogen,  iass  das  F  in  der  erstgenannten  Stellung  zur 
Zeit  des  Sappho  und  des  Alkaios  noch  thatsächlich  vorbanden 
gewesen  sei  (aaO.  172  f.).  Die  neuen  Fälle  fügen  sich  Hoff- 
manne  Beobachtung  ohne  weiteres :  wir  finden  auf  der  einen 
Seite  άέκοκτ'  1  5.  φάος  II  9.  οροσόεντας  III  12,  vielleicht  auch 
έέρ(Τα  II  12  (β.  ο.)  uncontrahirt,  auf  der  anderen  zwar  αελίω 
II  7  uncontrahirt,  aber  πεποημεναις  I  17  mit  -o-  für  -Ol-.  Von 
Wörtern,  die  urgriechisch  F  nach  Liquida  oder  Nasal  hatten, 
begegnet,  abgesehen  von  b^pai  I  16  in  einem  Verse,  der  uns 
schon  früher  bekannt  war,  nur  eines:  κάλα  I  11  und  U  12.  An 
der  ersten  dieser  beiden  Stellen  ist  Kürze  der  Wurzelsilbe  er- 
forderlich, an  der  zweiten  möglich ;  auch  das  stimmt  zu  dem, 
was  wir  sonst  über  die  Gestalt  dieses  Wortes  und  der  analogen 
Fälle  überhaupt  bei  den  beiden  Lyrikern  wissen. 

Bonn.  Felix  Solmsen. 


FACETIAE  TVLLIANAE 


Was  Dramann  GR.  IV  598  ff.  über  Ciceros  Witz  sagt,  ist, 
wie  immer,  aneserordentlioh  reich  an  sachlicher  Belehrung,  nur 
hätte  er  sich  die  Empörung  sparen  sollen.  Cicero  machte  seine 
Witze  nicht  für  uns,  sondern  für  seine  Zeitgenossen,  und  diese 
hatten,  sofern  sie  nicht  selbst  die  Zielscheibe  des  Spottes  waren, 
an  ihnen,  wie  uns  genügend  bezeugt  ist,  ihre  helle  Freude.  Dru- 
manns  Entrüstung  würden  sie  eben  so  wenig  verstanden  haben, 
wie  die  Bestrebungen  der  'Retter  Ciceros,  die  seine  Derbheiten 
versohl  eiern  oder  weginterpretiren  wollen.  Cicero  selbst  war 
stolz  auf  seine  ganz  einzige  Befähigung  für  den  Witz  und  durfte 
es  sein.  Denn  darin  war  er  unbestritten  der  erste  Mann  in  Rom, 
dem  selbst  ein  Cäsar  mit  Entzücken  lauschte.  Er  Hess  sich  des- 
halb nicht  gefallen,  dass  man  ihm  schlechte  Witze  zuschrieb, 
die  er  nicht  gemacht  hatte,  wachte  aber  auch  darüber,  dass  ihm 
sein  eigenes  Gut  nicht  geraubt  wurde.  Ich  glaube  also  Cicero 
sogar,  nicht  nur  der  Wahrheit,  zu  dienen,  wenn  ich  ihn  gegen 
seine  zu  eifrigen  Freunde  in  Schutz  nehme  ^. 

Das  Bestreben,  ihn  nichts  Unschickliches  sagen  zu  lassen, 
tritt  gleich  bei  dem  Briefe  zu  Tage,  in  dem  sich  Cicero  selbst 
über  die  Frage  ausspricht,  wie  man  sich  den  unanständigen  Aus- 
drücken gegenüber  zu  verhalten  habe,  ich  meine  den  Brief  an 
Paetns,  ad  fam.  IX  22. 

Ueberliefert  sind  die  Anfangsworte:  Arno  verecundiam  vel 
potius  libertcUem  loquendi.  Dazu  bemerkt  CA.  Lehmann 'Quaest. 
Tüll.  p.  59  f.:  nihil  est,  quo  ea  quae  contraria  esse  debent 
neqne  sunt,  defendi  possint;  itaque  conicitur  Arno  verecundiam^ 
tu  patiuSf  Wesenberg,   cum   vel  mutare  non  liceat,    ita  locum  re- 

*  Für  die  bisherigen  Angaben,  die  nur  Allbekanntes  wiederholen, 
bedurfte  es  keiner  Belege.  Wer  diese  wünscht,  findet  sie  bei  Dru- 
roann  aaO. 

Bhoiii.  Mm.  t  PhUol.  M.  F.  LVU.  ^ 


im  Ouriitt 

stituit  verecundmmj  (fu  impudeniiani)  vel  potius  ...  Ne  id  qui- 
dem  plaoet,  cum  ego  ante  Arno  desideretur.  Kgo  scribo  Awo 
verecundiatHy  vel  potius  liberfatem  loquendi  (^odt).  Es  folgen  Be- 
lege für  die  Antithese  anto  und  odi,  C.  F.  W.  Müller  bemerkt 
dazu  ^probab.',  eetat  aber  vorpichtiger  Weise  lieber  im  Texte  vor 
vel  ein  f.  Ich  glaube  zeigen  zu  können,  dass  die  Ueberlieferung 
richtig  ist :  Paetue  hatte  in  einem  uns  nicht  erhaltenen  Briefe 
einen  derben  Ausdruck  gebraucht^  und  ilaran  offenbar  die  Frage 
geknüpft,  ob  Cicero  daran  auch  nicht  Anstoss  nehme.  Cicero 
will  ihn  nun  gewiss  nicht  verletzen  —  das  würde  er  aber  Ihun, 
wenn  wir  libertat&m  loquendi  (odi)  conjiciren  —  und  schreibt 
deshalb  (5):  Te  adver sus  me  omnia  andere  graium  est;  ego  servo 
et  servaho  —  sie  enim  adstievi  —  Ptafonis  verecundiam.  Von 
dieser  abschliessenden,  zusammenfassenden  Stelle  aus  ist  der 
ganze  Brief  und  besonders  der  Eingang  zu  beurtheilen,  der  damit 
in  Einklang  steht.  Denn  er  heisst :  *Ich  bin  für  decenten  Aus- 
druck oder  vielmehr,  ich  bin  dafür,  dass  man  sich  frei  (dh.  jeder 
nach  seiner  Neigung)  ausdrücke*.  Dass  er  selbst  die  Decenz 
bewahre,  bezeichnet  er  mehr  als  eine  Gewöhnung,  dass  er 
aber  im  Principe  gegen  offene  Aussprache  auch  des  Obscönen 
nichts  habe,  das  begründet  er  durch  den  Nachweis.  Zeno,  dessen 
Verstand  dabei  lobend  hervorgehoben  wird,  wie  die  Stoiker  über- 
haupt, hätten  mit  guten  Gründen  das  Vorhandensein  des  Ge- 
meinen in  der  Sache  und  im  Worte  geleugnet.  Atqui  hoc  (== 
lihertas  loquendi)  Zenotii  placuit^  homini  wehercule  acuto,  eisi  Aca- 
demiae  nosirae  cum  eo  magna  riaa  est  soll  doch  offenbar  heissen: 
*  Obgleich  ich  mehr  der  Akademie  angehöre,  obgleich  die  Aka- 
demie mit  Zeno  im  Streite  lag,  dennoch  mnss  ich  den  Standpunkt 
des  Zeno,  der  die  lihertas  loquendi  fordert,  als  berechtigt  aner- 
kennen'. Schon  die  Thatsache,  dass  Cicero  darauf  diesen  Staud- 
punkt so  eingehend  begründet,  beweist  seine  principielle  Zustim- 
mung. Auf  die  Frage  aber,  weshalb  er  selbst  im  Gebrauche 
denn  doch  die  verecundia  bevorzuge,  hat  er  die  Antwort:  *ich 
bin  einmal  daran  gewöhnt  und  will  von  der  Gewöhnung  nicht 
lassen,  obgleich  ich  die  libertas  loquendi^  das  Recht  des  freien, 
auch  derben  Wortes  anerkenne  und  eigentlich  lieber  habe*.  Das 
mag  zum  Theil  ein  höfliches  Entgegenkommen  gegen  den  Stand 
punkt    des  Paetus  sein,    zum  Theil  aber  wird  es  Ciceros    wahie 


^  §  2:  Qnnd  tu  in  epintula  nppeUas  suo  nomine,  die  (Pieo  Frugi) 
tictias  *poum\ 


B^aoeÜae  Tullianae  339 

Meinung  ausdrücken.  Es  gilt  feRtzuhalten,  daes  libertas  loquendi 
an  sich  nicht  das  Aussprechen  des  Obscönen,  sondern  nur  das 
Recht  bedeute,  die  Sache,  die  Cicero  selbst  tectis  verbis  (§  5) 
behandelt,  nach  Wunsch  auch  apertissimis  zu  behandeln,  das  Kind 
beim  rechten  Namen  zu  nennen.  Besonders  lege  ich  bei  meiner 
Interpretation  Werth  auf  das  Wort  loquendi.  Cicero  sagt  nicht 
dicendi  libertas.  Er  spricht  hier  also  von  dem  Tone  in  der  Um- 
gangssprache, im  Verkehre  mit  Freunden,  nicht  von  dem  Tone, 
den  man  im  öffentlichen  Leben  einzuhalten  habe.  Für  diesen 
würde  er  jedenfalls  im  Principe  möglichste  Decenz  als  Regel 
fordern,  wie  er  bekanntlich  auch  im  orator  und  in  de  orat.  thut^ 

Recht  miesverstanden  und  misshandelt  hat  man  folgende 
Stelle : 

Ad  fam.  IX  16,  7.  Quem  tu  mihi  f  popiUum,  quem  t  de- 
fiarium  narras?  quam  tyrotarichi  patinam?  Die  Ueberlieferung 
stimmt  überein  in  dem  Worte  popilium  (D),  nur  dass  MH  po- 
pillium  bieten.  Ich  verstehe  nicht,  weshalb  man,  statt  den  Eigen- 
namen Popüius  anzuerkennen,  der  in  Ciceros  Schriften  vielfach 
vorkommt S  sich  mit  allerlei  Conjecturen  gequält  hat  {pompüum 
Rutilius ,  polypum  Corradus,  popellum  Bücheier).  An  Popilius 
scheint  dabei  überhaupt  kein  Interpret  auch  nur  gedacht  zu  haben, 
obgleich  verwandte  Stellen  vorliegen  zB.  ad  fam.  IX  15,  3  Ca- 
tulum  mihi  narras  et  Ula  tempora  Q.  fr.  II  1  (13),  1  iam  pridem 
istum  canto  Caesarem.  Cicero  weist  eine  Einladung  des  Paetus 
scherzhaft  mit  der  Bemerkung  ab :  mit  einem  Popilius  als  Tisch- 
genossen darfst  du  mir  nicht  mehr  kommen^  und  begründet  das 
damit,  dass  er  jetzt  gewohnt  sei  mit  ganz  anderen  Leuten,  mit 
einem  Hirtius  und  Dolabella  zu  speisen :  Uirtium  ego  et  ΌοΙα- 
bellam  dicendi  discipulos  fiabeo,  cenandi  magistros ;  puto  enim .  ie 
audisse  .  .  illos  apud  me  declamitare^  me  apud  illos  c&nitare,  Ist 
also  die  Lesart  Popilium  so  undenkbar,  dass  man  zu  Conjecturen 


*  In  dem  Brief  an  Paetus  (IX  21,  1)  betont  er  aber  selbst  den  grossen 
Abstand  zwischen  öffentlichem  und  privatem  Sprechen  mit  den  Worten: 
Verum  tarnen  quid  tibi  ego  videor  tn  epistulis?  nonne  plebeio  sermone 
agere  iecum  ?  Nee  enim  semper  eodem  modo.  Quid  enim  aimUe  habet  epi' 
stula  aut  iudicio  aut  contioni?  Quin  ipsa  iudicia  non  solemus  omnia 
tractare  uno  modo.  Privatas  causaSy  et  eas  tenues,  agimus  subtüius; 
capitis  aut  famae  ornatius:  epistulas  vero  quotidianis  verbis  texer e  solemus. 

^  Besonders  ist  das  Geschlecht  der  Popilius  durch  die  Laenas 
mehrfach  vertreten.  Am  ehesten  wird  man  hier  am  Popilius  Laenas 
augnr  a.  709  denken  dürfen  (A.  XII  13,  2}  14,  1;  17). 


greifen  müsste?  Auch  das  folgende  denarium^  das  alle  Ηββ.  bieten^ 
hat  man  mit  unrecht  verdächtigt  und  dafiir  ebenfalle  Namen  von 
schlicliten  Speisen  eingesetzt  {thi^narium  Thnnfischgericlit,  Rn- 
tilius ;  thynnum  Thunfisch,  Schütz ;  cantharum  Kanne  sc•  Weines, 
derselbe;  naritam  Meerschnecke,  Fr.  Scholl).  Mendelssohn  sagt: 
denarium  cum  Ribbeckio  (fr.  com.^  p.  396)  tencri  posse  non  credo, 
sed  hie  quoque  desiderari  vilis  alionius  ribi  nomen.  Andresen 
liest  pompilum,  quem  thynnum,  G.  F.  W.  Müller  giebt  die  Lesart 
der  Hss.  mit  Ereuten  der  Verderbniss.  C.  Bardt,  Commentar  II 
S.  255  liest  polypua  und  thynnus^  sagt  aber  eine  sichere  Her- 
stellung sei  unmöglich. 

Sollte  nicht  Paetns  in  seinem  Briefe,  in  dem  er  sich  für 
bankerott  erklärte  {tu  autem  quod  mihi  honam  copiam  eiures)y 
scherzhaft  gesagt  haben,  mehr  als  einen  Denar  dürfe  das  Diner 
nicht  kosten^?  Er  könne  höchstens  —  und  nun  folgt  erst  die 
Nennung  der  billigen  Speise  —  mit  einer  iyrotarichi  paiifia,  einer 
Schüssel  Fischragout  mit  Käse^  aufwarten?  Die  Ueberlieferung 
der  epp.  ad  fam.  erweist  sich  eben  wieder  als  viel  besser,  als 
bisher  angenommen  wird.  Zumal  wo  MHD  übereinstimmen,  da 
sollte  man  mit  Conjecturen  äusserst  zurückhaltend  sein.  Indem 
ich  also  die  Ueberlieferung  in  allen  Punkten  halte,  übersetze 
ich:  ^Was  sagst  du  mir  da  von  Popilius,  was  von  dem  Denar, 
was  von  der  Schüssel  Fischragout?*  woran  sich  trefflich  an- 
schliesst:  facilitate  mea  isla  /erehantur  anieax  ^  Meine  Gntmüthig• 
keit  hat  sich  diese  deine  Behandlung  vordem  gefallen  lassen*, 
nunc  mulcUa  res  est.     Und    darauf   folgt   in    gleicher  Reihe   die 


^  Es  mag  nicht  zufällig  sein,  dass  derselbe  Paetus  in  einem  ähn- 
lichen Zusammenhang  mit  seinem  aestimationes  nach  IX  18,  4  scherzend 
davon  gesprucben  hat,  dass  er  nicht  im  Stande  sei  oliam  denariorum 
implere.  Das  empfand  auch  Boeckel,  'Ciceronis  epp.  sel.'^*  S.  3^52  zu 
ep.  91  (=  IX  18,  4).  'Vielleicht  hatte  Paetus  scherzend  geschrieben, 
ihm  bleibe  so  wenig  Baarvermögen,  dass  er  nicht  einmal  einen  Topf 
damit  füllen  könne :  man  denkt  unwillkürlich  an  die  quadrüibrem  au• 
lam  aura  onuetam,  nach  der  die  Aulularia  bei  Plautus  ihren  Namen  hat. 
Vielleicht  bestand  auch  eine  scherzhafte  Zusammenstellung  von  dieser 
oUa  mit  (ep.  IX  16,  7)  tyrotariehi  patinam  (Plaut.  Capt.  IV  2,  G6  =  84i»)\ 
Das  letzte  ist  falsch,  aber  man  sieht,  wie  nahe  Boeckel  der  richtigen 
Erklärung  kam.  Zu  jener  Stelle  bemerkt  er :  'popillium  ....  denarium 
für  uns  nicht  recht  verständlich,  man  erwartet  den  Namen  einer  ge- 
ringen Speise'. 

^  Ein  noch  h<Mite  in  Italien  beliebtes,  sehr  schmackhaftes  Gericht• 
pas  Recept  da/.u  «<[iebt  uns  Apicius  IV  *i,  137. 


Facetiae  TulUanae  341 

Aufzählung:  1)  jetzt  epeiee  ich  mit  einem  Hirtius!  2)  auf  deine 
Knauserei  mit  deinem  Denar  lasse  ich  mich  nicht  ein.  Dieser 
Gedanke  »teckt  in  den  Worten:  Tu  atdem  quod  mihi  bonam  co- 
piam  eiures,  nihil  est;  tum  enim^  cum  rem  habebas^  quaesticulis  te 
faciebat  attentiorem^  nunc,  cum  tarn  aequo  animo  bona  perdas,  t  λολ 
eo  sis  consilio,  u/,  cum  me  hospitio  recipias^  aestimatiatiem  te 
aliquam  putes  accipere.  Es  ist  allerlei  zur  Heilung  der  verderbten 
Worte:  non  eo  sis  consilio  ut  vorgeschlagen  worden.  C.  F.  W. 
Müller  liest  non  eo  sis  censeo  animo  ('coni.  Tüll/  p.  12),  non<^esty 
quody  eo  sis  consilio  Wesen berg,  non  eo  possis  consilio  (juti^ 
Madvig  ('adv.  crit.'  III  p.  163),  non  (^est,  quod  non)  eo  sis  con- 
silio Lehmann  (WS.  f.  kl.  Phil.  1885  p.  1106  und  Quaest.  Tüll, 
p.  91).  —  Der  Gegensatz  erfordert,  dass  jetzt  Paetus  als  nicht 
sparsam,  sondern  als  freigebig  dargestellt  werde  ^.  *So  lange  du 
Vermögen  hattest,  spartest  du.  Seitdem  du  gelernt  hast  grosse 
Verluste  mit  gutem  Humor  zu  ertragen,  ist  auch  nicht  zu  fürchten, 
dass  dein  Gastmahl  knauserig  ausfallen  werde'.  Wie  dieser  Ge- 
danke, den  schon  C.  Lehmann  richtig  dargestellt  hat,  am  besten 
zum  Ausdrucke  komme,  will  ich  hiM*  offen  lassen*.    3)  'Die  Art 


^  C.  Bardt,  Commentar  II  S.  256  erklärt  diese  Stelle  kurz  und 
treffend:  *Die  Bewirthung,  die  dir  Kosten  macht,  musst  du  mit  derselben 
Seelenruhe  leisten,  mit  der  du  die  Taxe,  die  dich  schädigt,  entgegen- 
nimmst, obendrein  {etiam)  thut  der  Schlag  von  einem  Freunde  weniger 
weh  {levior  est)  als  von  einem  Schuldner*.  Dort  findet  man  auch  das 
Nöthige  ü()er  die  aestimatio  (e.  auch  Heft  I  S   225  zu  luHa  lex.)• 

*  Um  aber  meine  Meinung  nicht  ganz  zu  verschweigen:  ich  glaubp, 
dass  non  eo  fit  consilio  (=  non  fit  eo  cons.)  zu  lesen  sei,  einmal,  weil 
fit  dem  vorausgehenden  quciesticiilus  te  facid)at  attentiorem  genau  auch 
im  Wortlaute  entspricht  {facio  und  fio  drücken  die  Thätigkeit  oder  den 
Zustand  allgemein  aus,  die  vorher  durch  das  eigentliche  Wort  bezeichnet 
worden  sind  Für  diesen  Gebrauch  von  facio  s.  Beispiele  bei  Hofmann- 
Lehraann  (Auegew  Br.  '  zu  A.  VH  3, 2;  auch  A.  X.  8  A.  1  F.  XVI  11,3), 
sodann  weil  es  graphisch  beinahe  identisch  ist  mit  dem  siSy  da  dieses 
mit  langem  8  geschrieben  wurde,  schliesslich  weil  das  folgende  ut  putes 
mir  zu  beweisen  scheint,  dass  vorher  nicht  die  zweite  Person  (etwa: 
fum  (estt  quod  non)  eo  sis  consilio)  gestanden  habe:  denn  man  kann 
doch  kaum  sagen:  eo  sunt  consiliOt  ut  putem^  'ich  habe  die  Absicht  zu 
glauben*.  Das  grenzt  fast  an  Unsinn.  Die  Härte  und  Unklarheit  dieses 
Ausdruckes  hat  z6.  auch  G  Bardt  empfunden  Er  liest  deshalb  mit  C. 
F.  W.  Müller  (Commcnt.  II  S.  250):  non  est,  quod  non  eo  sis  animo,  ut 
putes  mit  Beseitigung  der  doppelten  Negation:  'Du  hast  alle  Veran- 
lassung die  Sache  so  anzusehn,    als  ob*  —  das  reg.  Verbum  putes  ist 


342  Gurlitt 

des  Diners  sei  nicht  protzenbaft  in  der  UebcrfüUe,  sundern  glän- 
zend und  fein',  was  im  Gegensatz  zu  lyroiarichi  pcititia  steht. 
Wir  haben  also  eine  volifltändig  durchgeführte  Antithese,  es  ent- 
spricht dem  Popilius  der  Hirtitis,  dem  denarius  die  Erwähnung 
des  Vermögens  {res)^  dem  Fischragout  die  Angabe  der  ceiiae  mit 
Charakteristik  der  Speisen :  ncc  tarnen  eas  cenas  quaero,  uf  magnac 
reliquiae  fiant;  quod  eritj  magnificum  sit  et  lautum,  Memini  ie 
mihi  Phameae  cenam  tiarrare:  temperius  fiaf,  cetera  eodem  modo. 
Dafür,  dass  aber  tyrotarichi  patina  als  einzige  Speise  genannt 
war,  spricht  auch  der  Satz  gegen  Ende  des  Briefes:  tu  vcro  — 
volo  enim  obstergere  animi  tui  meium  —  ad  iyrotarichum  anti- 
qtium  redi.  Wären  aber  drei  Speisen  genannt  gewtsen,  wie  man 
durch  Conjectur  hineinbringen  wollte,  weshalb  hätte  dann  Ciieru 
hier  eine  und  nur  die  letzte  angeführt  ?  So  haben  wir,  meine  ich, 
allen  Grund  in  §  7  Popilium  und  denarium  zu  halten,  wodurch 
die  ganze  Stelle  viel  gedankenreicher,  witziger,  der  Periodenban 
viel  einheitlicher  und  zugleich  kunstvoller  wird.  Dazu  kommt, 
dass  drei  Speisen  doch  schon  eine  Art  Luxus  wären,  während 
Paetus  gerade  zum  Ausdrucke  seiner  Armuth  in  seinem  Scherze 
erklärt  haben  wird,  nur  mit  einem  und  dazu  nur  mit  dem  billig- 
sten Gerichte  aufwarten  zu  können,  unsere  Stelle  ist  also  die 
höchst  witzige  Beantwortung  der  Einladung  des  Paetus,  in  der 
es  etwa  hiess:  'Sei  mein  Gast,  lieber  Cicero!  Aber  ich  kann  dazu 
nur  noch  den  biederen  Popilius  einladen;  denn  infolge  der  cäsari- 
sehen  aestimationes  bin  ich  so  verarmt,  dass  ich  auch  höchstens 
einen  Denar  für  das  'Diner*  aufwenden  kann.  Du  musst  dich  also 
mit  Fischragout  begnügen'.  So  erhalten  wir  in  Ciceros  Antwort 
einen  nach  Inhalt  und  Ausdruck  vortrefflichen  Text,  ohne  dass 
auch  nur  ein  Buchstabe  der  üeberlieferung  angerührt  wird  ^ 


dann  nicht  zu  übersetzen*.  Putes  wird  aber  bei  dieser  Lesung  noch 
mehr  als  überflüssig,  weshalb  sollte  dann  Cicero  nicht  gesagt  haben, 
non  estf  quod  non  piUes,  was  dasselbe  kürzer  und  klarer  besagt?  Viel 
angemessener  ist  es  jedenfalls,  wenn  eo  cotmlio  auf  ein  anderes  Subjekt, 
hier  auf  res  oder  ganz  allgemein  auf  das  Impersonale  'es*  bezogen  wird, 
welches  die  Absicht  verfolgt,  dem  Paetus  den  Glauben  beizubringen, 
dass  eine  glänzende  Bewirthung  Ciceros  ihm  von  Nutzen  sein  werde. 
Die  UebersetzuDg  wird  meine  Absicht  klarer  machen:  *Denn  damals, 
als  du  Vermögen  hattest,  machte  dich  das  auf  kleine  Profite  erpicht, 
jetzt,  da  du  dein  Vermögen  leichtiMi  Sinnes  preis  giebst,  geschieht 
das  (sc.  Knausern)  absichtlich  nicht,  damit  du  dir  einbildest, 
dass  dir  eine  Bewirthung  irgend  eine  aestimatio  einbringen  könnte. 
^  Dettweiler,  Ciceronis  epp.  select.^  S.  134  f,  dem  diese  Behand• 


Facetiae  Tullianae  343 

Ad  fttin.  IX  18,  3  Exiremum  illud  cst^  quod  tu  nescio  an 
primum  putes:  plures  iam  pavones  confeci  quam  tu  pullos  colum- 
binos.  Tu  istic  ie  Uateriano  iure  delectas^  ego  me  hie  Hirtiano, 
Veiti  njitur,  si  vir  es,  et  f  disceam  πμολεγομενας,  quas  quaeris; 
cisi  sus  Minervam,  t  sed  quomodo  video,  Si  aestimatioues  tuas 
vendere  non  poies  neqve  ollam  deuariorum  implcre,  Rowam  tibi 
retuigrandum  est ;  satius  est  hie  cruditate  quam  illic  fante.  So 
lautet  die  Ueberlieferung  in  M;  in  D  lesen  wir  disce  απρολεγο- 
μένας.  Boot  (Obs.  crit  *  p.  20)  vermuthet ;  disce  α  me  προηγμένα, 
weil  προλεγόμενα,  wie  Mendelssohn  zugiebt,  bei  Cicero  und  im 
klassischen  Griechisch  nicht  nachweisbar  ist.  Aber  προηγμένα 
passt  dem  Sinne  nach  nicht  recht.  £s  bedeutet  nach  der  Lehre 
der  Stoiker  Dinge,  die  zwar  nicht  gut  an  sich  (αγαθά),  aber  doch 
diesen  nahestehend  und  nicht  verwerflich  sind.  Cicero  nennt  sie 
sonst  promota,  producta^  praeposita,  praecipua^  aber  er  rechnet  zu 
diesen  niemals  die  gastronomischen  Genüsse,  auf  die  hier  ange- 
spielt wird.  Für  diese  haben  die  Stoiker  den  verächtlichen  Aus- 
druck άποπροηγμένα,  den  Cicero  in  dein  Briefe  an  Varro  (ad 
fani.  IX  7,2)  gebraucht:  itaque  uullum  est  άποπροηγμένον,  quod 
nun  verear^  ebenso  de  fln.  III  15 :  .  .  piUo  concedi  nobis  oporiere, 
ut  Graeco  verbo  utaimir,  si  quando  minus  occurret  Latinum,  ne  hoc 
'ephippiis'  et  ^ acratophoris*  potius  quam  ^proegmenis*  et  ^apo- 
proegmenis*  conced<ifw\  qumnquam  haec  quidem  ^praeposita*  recte 
et  'reieda*  dicere  licebit.  Das  in  D  erhaltene  anlautende  α  scheint 
ein  Fingerzeig  zu  sein,  dass  auch  in  unserer  Stelle  von  Cicero 
άποπροηγμένας  (sc.  res),  quas  quaeris  gestanden  habe.  Paetus 
war  ein  Feinschmecker,  den  Cicero  deshalb  beständig  neckt.  Sich 
selbst  Iiezeichnet  Cicero  auf  diesem  Gebiete  als  Neuling.  Wenn 
er  also  den  angeblich  verarmten,  hungernden  Freund  jetzt  zu 
sich  lädt,  um  ihm  bei  sich  über  die  reiecta  einen  Lehrcur-sus  zu 
ert heilen,  so  passt  dazu  die  anschliessende  Bemerkung:  eisi  sus 
Minervam  (sc.  docebo).  Die  Stelle  muss  früh  von  einem  des 
Griechischen  Kundigen  entstellt  worden  sein,  denn  προλεγόμενος 
ist  nicht  verschrieben,  sondern  schon  Conjectur.  Deshalb  wage 
ich  eine  Aenderung,  die  sieh  etwus  stark  von  der  Ueberlieferung 
entfernt:  et  disce  α  »ι<^β>  ά<πο)προηγμίνα,  quae  quaeris*  \ Komme 
also,  wenn  du  ein  Mann  bist,)  und  lerne  von  mir  die  Nichtig- 
keiten, auf  die  du  ausgehst,  obgleich  da  das  Schwein  die  Minerva 


lung  unserer  Steile  durch  briefliche  Mittheilung  bekannt  wurde,  stimmt 
ihr  bei  und  hat  Text  und  Erklärung  dem  entsprechend  gedruckt. 


344  Garlitt 

[belehren  mu8R]  .  Cicero  schrei bt  dies  im  Tusculanum  (§  1); 
Paetus  ist  in  Neapolie.  Wenn  nun  Cicero  sagt:  Satius  est  hie 
cruditate  quam  istic  fame  (rc.  perire),  eo  bezeichnet  er  mit  hie 
nicht  nur  Tueculum,  sondern  zugleich  Rom,  mit  istic  aber  Nea- 
polis.  Der  dazwischen  liegende  Gedanke  mnss  also  den  Wortlaut 
und  Sinn  haben:  Si  aestimationes  fuas  vendere  non  potes  neque 
dllam  denariorum  implere^  (non  Neapolim  sed)  Romam  tibi  remi- 
grandum  est.  Denn  damit  stimmt  das  Weitere  Uberein :  Video 
te  bona  perdidisse:  spero  idem  istie  familiäres  tuos  *ich  hoffe, 
dass  auch  deine  Freunde  in  Neapolie  verarmt  sind',  so  dass  da 
in  Rom  bleiben  musst.  ^Besser  in  Rom  an  verdorbenem  Magen, 
als  in  Neapolie  Hungers  sterben  .  Die  Hss.  bieten :  sed  quo- 
modo  Video  si  aestimationes  (M  und  D  ohne  si),  Daraue  glaube 
ich  Ciceros  Hand  herstellen  zu  können,  in  dem  ich  schreibe:  Sed 
Sit  quomodo  video^  aestimationes  usw.  Cicero  stellt  es  absichtlich 
als  höchst  unwahrscheinlich  hin,  dass  Paetus  wieder  zu  Vermögen 
komme,  um  eben  den  Scherz  vollkommen  zu  machen,  dass  Paetus 
vor  dem  Hangertode  stehe,  wenn  er  nicht  zu  ihm  nach  Rom- 
Tusculum  reise.  Jeder  Verzug  ist  also  von  Uebel ;  *  deine  aesti- 
mationes, sagt  er,  wirst  du  ja  doch  nicht  los,  bekommet  ja  dock 
—  quomodo  video,  wie  ich  deutlich  eehe  —  keine  Groechen  wieder 
in  deinen  Spartopf*.  Quomodo  video  iet  also  gebraucht  wie  pr. 
Rose.  Am.  7  (worauf  Schmalz  verweist):  ego  contra  brevem  ^tostu- 
lationem  adfero  e/,  quomodo  mihi  persuadeo,  aliquante  aequiorem 
(s.  auch  L.  Mendelssohn  a.  1.).  Für  meine  Vermnthung,  daee  si 
nicht  unmittelbar  vor  aestimationes  stand,  sondern  dorthin  in  Μ 
wohl  erst  conjicirt  worden  ist,  giebt  D  einen  Anhalt,  wo  si  über- 
haupt fehlt.  Dagegen  sed  quomodo  mde(ryo  (oder  video)  zurück - 
zu  beziehen  auf  etsi  sus  Minervam,  und  mit  8%  aestimationes  fort- 
zufahren, wie  Bengel,  Baiter,  Wesenberg,  Boeckel  ep.  91,  Tyrrell- 
Purser,  C.  F.  W.Müller  wollen,  halte  ich  für  eine  Abschwäch ung 
dee  Scherzee:  etsi  sus  Minervam  und  ebeneo  des  folgenden 
Scherzee,  der  dadurch  beeondere  wirkt,  dass  Cicero  seinem  Freunde 
jede  Hoffnung  auf  pecuniären  Aufschwung  zu  nichte  macht. 
Meine  Lesung  hatten  schon  Orelli  und  Schmalz  (Jahrb.  f.  cl.  Phil. 
1891  S.  339)  empfohlen. 

Ad  fam.  IX  10,  2  glaube  ich  mit  leichter  Aendernng  aus 
ingentium  fularum  und  aus  cum  Sophia  Septume  den  Text:  in- 
gentium  5rt/arMm  (Forellen)  .  .  .  cum  σοφίας  επιτομή  und  damit 
einen  anmuthigen  Scherz  hergestellt  zu  haben  (Philol.  1900 S. 622  ff.). 

Ad  fam.  IX  19,  1  habe  ich  in  der  Berl.  phil.  WS.  1900 


Faoetiae  Tullianae  345 

Ν.   48  Sp.  1500  behandelt:  ad  suam  lieiMet  'zu  Heiner  Geliebten*. 
£e  bedarf  also  auch  hier  keiner  Gonjectur. 

Ad  fam.  IX  20,  2:  dediscendae  tibi  sunt  sportellae  (MD^, 
sportulae  HD^)  et  artolagyni  iui:  nos  tarn  t  ^^  oftis  iantum  ha- 
bemuSf  ut  Verrium  tuum  et  Camillum  —  qua  munditia  homineSj 
qua  elegantiaf  —  vocare  saepius  audeamus.  So  lautet  die  Ueber- 
lieferung.  In  den  Ausgaben  findet  man  statt  artolagyni  stets 
arfolagani,  den  Namen  einer  Speise,  eines  Pfannkuchens,  der  aus 
Mehl,  Wein,  Milch,  Oel,  Fett  und  Pfeffer  bereitet  wurde  (Plin. 
h.  n.  18,  105).  Griechisch  heisst  diese  Speise  άρτολάγανον 
(Athen.  3  p.  113^),  ist  also  Neutrum,  wie  das  Simplex  λάγανον, 
laganum  {Ceh,  2,22  und  8,7  Apic.  4, 134).  Dass  daneben  aber 
auch  das  Mascnlinum  άρτολάγανος  oder  lat.  ariolaganus  unmög- 
lich sei,  kann  nicht  behauptet  werden.  Das  Genus  wechselt  oft,  so 
auch  in  τάριχος,  ου,  ό  und  τάριχος,  ους,  τό  (Athen.  3  ρ.  119^**). 
Es  sind  andere  Gründe,  weshalb  ich  die  Gonjectur  glaube  ab- 
lehnen zu  müssen.  So  oft  Cicero  zu  Paetus  kam,  wurde  er  von 
diesem  mit  dem  tyrotarichus  tractirt  (ad  fam.  IX  16,  7  s.  oben; 
9 :  Tu  vero  ad  tyrotarichum  antiquum  redi).  ^  Die  Erinnerung  an 
diese  Speise  muss  sich  in  Ciceros  Seele  mit  der  Person  des  Paetus 
fest  verbunden  haben,  wenn  er  zwei  Jahre  später,  ad  Att.  XIV 
16,  1  (an.  44)  schreiben  konnte:  Ich  bedachte  den  tyrotarichus 
des  Paetus  mit  einem  Ueberfall  .  (C.  Bardt,  Comment.  II  S.  256.) 
Wenn  also  Cicero  den  Paetus  mit  einer  Speise  hätte  necken 
wollen,  so  wäre  es  wohl  auch  in  unserer  Stelle  das  'ewige  Fiech- 
ragout*  {tyrotarichus  antiquus)  gewesen.  Sodann  steht  artolagyni 
neben  sporteUae.  Beide  Namen  müssten  entweder  Speisen  oder 
Geräthe  bedeuten.  Sportella  ist  aber  keine  Speise.  Sporta  heisst 
der  Korb,  sportella  das  Körbchen  (Suet.  Dom.  4  Petr.  40,  3)  und 
als  Küchengeschirr  ein  Geräth,  in  dem  man  Speisen  leicht  auf- 
kochen oder  braten  Hess  (Apic.  6,  248;  8,364  und  374).  Spor- 
tella war  also  entweder  ein  kleiner  Herd,  ein  Feuerbeoken  in 
Korbgestalt,  oder  ein  Gefäss,  das  auf  dem  Feuerbecken  gebraucht 
wurde.  Man  hat  allein  aus  unserer  Stelle  geschlossen,  dass  es 
ein  Speisekörbchen  bedeute  und  die  darin  gegebene  kalte  Küche, 
das  kalte  Gericht,  im  Gegensatz  der  förmlichen  Mahlzeiten' 
(Georges,  Wörterb.^  b.  v.)  und  deshalb  dazu  ein  zweites  Gericht, 
artolagani,  durch  Conjectur  geschaffen.  Bleiben  wir  bei  der  durch 
Apicius  gesicherten  Deutung,  dass  sportella  ein  Kochgeräth  ist, 
so  kann  auch  artolagyni  keine  Speise  bedeutet  haben.  Alle  drei 
besten  Hss.  stimmen    in  der  Schreibung    dieses  Wortes    überein. 


346  Gurlitt 

Grund  genug,  es  mit  allen  Mitlein  zu  vertheidigen.  Aach  zu- 
gegeben, daee  hier  sportella  das  Körbchen  mit  seinem  trocke- 
nen, kalten  Inhalte  sei,  so  würde  doch  auch  das  andere  Wort 
schwerlich  eine  Speise,  sondern  Gleichartiges  bedeuten.  Nun 
giebt  es  auch  das  Wort  άρτολάγυνος  (Polemo  cp.  1:  άρτολά- 
γυνος  πήρα,  'ein  Ranzen  mit  Brod  und  Flasche'  nach  Passow 
Handwörterb.  d.  gr.  Sp.^  s.  v.  άρτ.).  Es  bedeutet  λάιρυνος  be- 
kanntlich einen  breitbauchigen  irdenen  Krug,  ebenso  das  in  der 
Form  vielfach  wechselnde  lat.  Wort  lagoena,  lagona,  laguna^  la- 
gynos  etc.  Ärtolagynus  müsste  also  ein  Gefäss  sein,  in  dem  ßrod 
bewahrt  oder  gebacken  wurde.  Dass  aber  ein  Brodbacken  auf 
einem  so  genannten  Geräthe  je  stattgefunden  habe,  ist  nicht  nach- 
weisbar und  deshalb  nicht  glaublich,  da  wir  den  Namen  für 
diese  kleinen  thönernen  oder  silbernen  Backöfen  mit  ziemlicher 
Bestimmtheit  kennen.  Wenigstens  hat  mich  0.  Benndorf  in  seinem 
Aufsatze  *  Altgriechisches  Brod*  (Eranos  Vindobonensis  S.  372 — 
385)  davon  überzeu^^t,  dass  diese  griechisch  κλίβανοι  hiessen; 
ebenso  ist  clihanus  im  Lateinischen  gebräuchlich.  Es  wäre  dann 
artölagynos  ein  'Brodkrug,  also  wohl  ein  Geräth,  in  dem  man 
Brod  vor  Trockenheit  oder  Mäusen  schützte,  oder  in  dem  man 
es  auf  dem  Tische  servirte,  etwa  unseren  Cakesbtichsen  ent- 
sprechend. Es  könnte  aber  natürlich  auch  eine  Art  Casserolle 
gewesen  sein,  in  der  man  Brod  oder  in  unserem  Fall  das  Fisch- 
ragout zu  backen  oder  braten  pflegte.  Wir  kennen  die  Benen- 
nungen der  zahlreichen  Küchengeräthe  so  wenig,  dass  wir  uns 
bescheiden  müssen.  Jedenfalls  will  Cicero  hier  zwei  bescheidene 
Geräthe  nennen,  die  bei  Paetus  zur  Bedienung  der  Gäste  ge- 
braucht wurden,  und  dazu  ausreichten,  die  aber  in  Vergeseenheit 
kommen  müsstpn,  wenn  Cicero  mit  jetzt  sehr  gesteigerten  An- 
sprüchen an  die  *  Küche  wieder  sein  Gast  sein  sollte.  *An  deine 
CasserÖlchen  und  BrodbUchsen  ist  jetzt  nicht  mehr  zu  denken!' 
so  möchte  ich  die  Stelle  übersetzen  und  sehe  mich  darin  bestärkt 
durch  das,  was  Cicer«  weiter  sagt :  cum  homine  edaci  tibi  res  est, 
et  rjui  iam  aliquid  intellegat  (όψιμαθεΐς  aulem  homines  scis  quam 
insolentes  sint).  Bis  hierher  brauchten  wir  nur  die  Ueb erlief erung 
zu  interpretiren,  jetzt  aber  folgt  eine  Textverderbniss.  Man  hat 
schon  viele  aber  nicht  zum  Ziele  führende  Versuche  gemacht,  die 
Worte  Nos  iam  f  ex  artis  tanfum  habemus  sq.  zu  emendiren:  Nos 
iam  arte  oder  ex  artis  ea,  exquisit ae  artis,  exercitationis,  όψαρ- 
τυτικής,  όψαρτυσίας  —  nichts  konnte  befriedigen.  Offenbar  stand 
hier  ein  griechisches  Wort,  das  zu  sporteUae  und  artoUigyni  eine 


Facetiae  Tullianae  347 

Steigerang  bedeutet.  Beeclieidene  llerrichtungen  reiclien  fi'ir  so 
verwöhnte  Gäste  nicht  aas,  es  müssen  grössere  Mengen  bereit 
gehalten  werden.  Das  führt  auf  die  bekannte  Wendung  sexies 
tantum  (sechsmal  so  viel),  oder  da  es  griechisch  sein  soll,  έΕάκις 
tantumj  das  lateinisch  geschrieben  (EXAKIS)  der  Ueberlieferung 
eacurtis  nahe  genug  steht  ^. 

Im  Philol.  1898  S.  403  ff.  hatte  ich  den  Versuch  gemacht, 
die  Worte  des  Briefes  ad  Att.  XVI  11,  1  Asia  ea  ctegre  me  ienui 
usw.,  welche  über  Ciceros  zweite  Philippica  handeln,  in  obscönem 
Sinne  zu  erklären  und  zu  berichtigen.  Diese  Behandlung  hat 
sehr  verschiedene  Aufnahme  gefunden  \  Nur  0.  E.  Schmidt  hält 
sie  für  völlig  verfehlt  und  ist  über  sie  wie  über  andere  meiner 
Vorschläge  sittlich  entrüstet  (Rhein.  Mus.  LV,  1900,  S.  407  ff.). 

Während  er  vordem  hinter  asta  ea  einen  Eigennamen  suchte  ^ 
sagt  auch  er  jetzt  mit  der  Bestimmtheit,  die  ihm  eigen  ist,  hasta 
bedeute  hier  dasselbe  wie  das  griechische  όβελός,  das  Zeichen 
der  Athetese  .  .,  also  asta  ea  aegre  me  tenuL  'Ich  habe  deinen 
όβελός  nur  ungern  stehen  lassen'.  Statt  φαλλψ  Luciliano  sollen 
wir  malitia  Luciliana  lesen  und  uns  bei  der  Verhältnissmässig 
harmlosen  Stelle  jedes  Gedankens  an  eine  Obscönität  enthalten. 
Dem    habe   ich  zu  erwidern:    Cicero  bezeichnet  selbst  durch  die 


^  Ich  dachte  auch  an  έσχάρας  tantum ,  gebe  aber  dem  Obigen 
den  Vorzug,  weil  die  Wendung  sexies  tantum  formelhaft  ist  zum  Aus- 
drucke eines  vielfach  Grösseren. 

«  C.  F.  W.  Müller  hält  sie  für  zutreffend,  Ä.  C.  Clark  ('the  class. 
sev.'  XIV,  1900  p.  170)  nennt  meine  Conjectur  sine  φαλλψ  (cod. vaüo) 
Luciliano  'brillant' ;  E.  Schelle  sagt  (Neue  Philol.  Rundschau  XX,  1900 
S.  4G9) :  *Die  Stelle  ist  durch  Gurlitt  aufgeklärt  worden' ;  0.  Piasberg 
(WS.  fiirklaes.  Phil.  XV,  1898  S.  1198):  *Der  Versuch  sine  φαλλψ  Lu- 
ciliano zu  schreiben,  vorher  (h)asta  (=  φαλλψ)  beizubehalten  und  in 
beidem  die  Andeutung  einer  Obscönität  zu  sehen,  deren  Beseitigung 
Atticus  durchgesetzt  hätte,  sei  nicht  als  unmöglich  abzuweisen,  aber 
keinesfalls  als  sicher  anzunehmen*.  Ablehnender  urtheilt  Th.  Schiebe, 
'Jahreeber.  zu  Ciceros  Briefen'  in  der  Zeitschr.  f.  d.  Gymnasialwesen 
XXV,  1899  S.  330  f.,  welcher  asta  mit  Fr.  Schmidt  (Prgr.  von  Würz- 
burg 1892  S.  32  f.)  als  όβελός  περιεστιγμένος  fiisst  und  demnach  die 
Worte:  (ab)  hasta  ea  aegre  me  tenui  übersetzt:  *von  diesem  deinem 
Striche  habe  ich  mich  nur  mit  Mühe  ferngehalten'. 

8  Rhein.  Mus.  Bd  LUX  S.  233  A.  1.  *So  kann  ich  zB.  den  Namen 
der  Frau  nicht  herausbringen,  die  Cicero  trotz  ihrer  Beziehungen  zu 
Antonius  doch  in  der  II.  Phil.  (§  3)  schonen  will,  ein  Name,  der  sich 
in  dem  ßucbstaben-Conglomerat  asta  ea  verbirgt*. 


348  Gurlitt 

Soblueebemerkuiig  ^moriar  nisi  faceic!  den  Inhalt  seiner  den  Sicca 
betreffenden  Bemerkungen  als  im  hoben  Grade  witzig.  Schmidt 
bleibt  uns  den  Witz  schuldig. 

Hasfa  =  όβελός  zu  erklären,  schien  mir  aus  sprachlichen 
Gründen  unannehmbar.  Wenn  Cicero  hätte  sagen  wollen:  *ich 
habe  deinen  Strich  nur  ungern  stehen  lassen  ,  so  hätte  er  nicht 
das  Pronomen  βα,  sondern  doch  wohl  isia  schreiben  müssen.  Be- 
zeichnet er  doch  sogar  in  demselben  Zusammenhange  seine  eigene, 
von  Atticus  nur  leise  redigirte  Rede  mit  den  Worten :  ista  oratio. 
Sodann  wäre  erst  nachzuweisen,  dass  Cicero  (enere  auch  mit  dem 
blossen  abl.  separationis  in  dem  Sinne  ^  sich  einer  Sache  ent- 
halten* gebraucht  habe,  statt  mit  α  und  abl.  Die  blosse  Be- 
hauptung, dass  das  zulässig  sei,  kann  doch  nicht  ausreichen  \ 

Ferner  wäre  erst  noch  zu  belegen,  dass  Cicero  und  seine 
Zeitgenossen  hasia  in  dem  Sinne  von  όβελός  gebraucht  haben. 
Mir  ist  mit  dieser  Bedeutung  bei  den  Lateinern  nur  veru  und 
obelus  nachweisbar.  Cicero  selbst  würde,  zumal  in  einem  Briefe 
an  Atticus,  wahrscheinlich  den  griechischen  Ausdruck  όβελός 
gebraucht  haben,  da  er  auch  in  einem  Briefe  an  P.  Dolabella 
(ad  fam.  IX  10,  1)  sagt:  alter  Äristarchus  hos  (versicuhs)  όβελίίΐεί 
Wenn  man  mir  bestreitet,  dass  obscöne  Gedanken  hier  zu  Grunde 
liegen,  so  frage  ich,  ob  eine  andere  Beschimpfung  (contumelia) 
als  eine,  die  auf  sexuellem  Gebiete  liegt,  da  wahrscheinlicher 
angenommen  wird,  wo  es  sich  für  Cicero  um  eine  Verunglimpfung 
des  Familienlebens  des  C.  Antonius  handelte?  Sicca  und  Septi- 
mia  aber  waren  in  der  unredigirten  Kede  Ciceros  an  der  Stelle^ 
wo  des  Antonius  erste  Ehe  mit  der  Freigelassenen  Fadia  und  die 
Kinder  dieser  Ehe  besprochen  waren,  in  beschimpfender  Weise 
genannt  worden.  Mehr  wissen  wir  freilich  nicht.  Auch  daran 
halte  ich  fest,    dass  mit  παίδες  παίδων  in  scherzendem  Doppel- 

^  Auch  sonst  wird  die  Stelle  sprachlich  keineswegs  gefalliger, 
wenn  wir  Schmidt  folgen.  Denn  wenn  Cicero  sagen  sollte:  'Deinen 
Strich  habe  ich  nur  ungern  anerkannt*,  so  kannte  er  das  kaum  unge- 
schickter thun,  als  mit  den  vorliegenden  Worten.  Dazu  kommt,  dass 
Atticus  nicht  durch  einen  Strich,  sondern  durch  ausführlichere  brief- 
liebe Begründung  die  Aenderung  der  Stelle  gefordert  hatte.  Er  bat 
auch  die  Glanzstellen  nicht  angestrichen,  sondern  ausgeschrieben  (δνθη 
posuisti)  —  darin  hat  Piasberg  aaO.  S.  1198  Anm.  2  doch  wohl  das 
Rechte  angedeutet  —  und  wird  sich  wohl  überhaupt  nicht  gestattet 
haben,  im  Originale  zu  corrigiren,  wenn  auch  Cicero  scherzhaft  sagt, 
er  habe  den  Rothstift  gefürchtet  Kurz,  die  Sache  ist  nicht  so  klar 
und  einfach,  wie  Schmidt  die  Leser  glauben  machen  will. 


Facetiae  Tullianae  d49 

sinDe  gesagt  werde,  eretene  ^80  daes  es  Eindeskindet  T/lesen*, 
zweitens,  'so  dass  man  wisse,  Kinder  von  Kindern .  War  Fadia 
etwa  in  Wahrheit  oder  einem  Klatsche  zufolge  die  illegitime 
Schwester  des  Antonius,  dann  aher  thateächlich  seine  Gattin,  so 
konnte  Cicero  die  Kinder  dieser  Ehe  als  παΐbες  παίοιυν  hezeichnen. 
Doch  lege  ich  auf  diese  Deutung,  die  auch  Plashergs  und  Schiches 
Widerspruch  gefunden  haben,  weniger  Werth.  Sie  würde  jeden- 
falls zu  dem  Tone  und  Gedankenkreise,  durch  den  Cicero  seine 
politischen  Gegner  verfolgt,  durchaus  passen  —  'denn  der  Hass 
verleitete  ihn,  seine  Pfeile  in  Schmutz  zu  tauchen*  (Drumann  G. 
R.  VI  S.  606)  —  und  wurden  ebenfalls  witzig  die  Schlussbemer- 
kung moriar  ttisi  facetel  rechtfertigen  helfen.  Wer  also  hier 
keinen  witzigen  Sinn  nachweisen  kann,  der  hat  Cicero  jedenfalls 
nicht  verstanden.  Meine  Interpretation  ist  weder  'gewaltsam* 
noch  habe  ich  den  'Gedanken  verpfeffert'.  Denn  erstens  ist  nsia 
überliefert.  Ich  handle  daher  im  guten  Kechte  des  Textkritikers, 
wenn  ich  mich  bemühe,  die  Ueberlieferung  zu  halten.  Zweitens 
ist  meine  Aenderung  von  vallo  Luciliano  in  φαλλψ  LucUiano 
graphisch  bei  weitem  näher  liegend,  als  irgend  eine  bisher,  be- 
sonders aber  als  die  von  Schmidt  vorgeschlagene  malitia  Lud- 
ianuj  gegen  die  ausserdem  Schiebe  aaO.  S.  375  (nicht  eben 
glücklich)  geltend  macht:  'sie  würde  einen  Vorwurf  gegen 
Lucilius  enthalten,  der  hier  Cicero  fem  liegt\  Für  meine 
Conjectur  spricht  sodann  das  vorausgehende  asia  —  hier  schützt 
eins  das  andere  —  ;  es  spricht  dafür  auch  die  Erfahrung,  dass 
griechische  Worte  in  den  Briefen  sehr  häufig  als  lateinische 
verschrieben  sind ,  so  in  demselben  Briefe  δνθη  als  ante ; 
Schmidts  Widerspruch  aber,  dass  φαλλός  sonst  nirgends  bei 
Cicero  vorkomme  und  in  dem  abstracten  Sinne  =  Zote  über- 
haupt nicht  belegt  sei,  ist  doch  zu  nichtssagend.  Oder  ist  etwa 
die  Aenderung  von  ante  in  δνθη  deshalb  weniger  richtig,  weil 
sich,  so  viel  ich  sehe,  dieses  griechische  Wort  nur  einmal 
bei  Cicero  und  zwar  an  dieser  Stelle  findet?  Das  Wort  φαλλός 
aber  in  abstractem  Sinne  zu  nehmen,  hat  nicht  die  geringsten  Be- 
denken :  denn  es  ist  eine  bei  Dichtern  und  Prosaikern  gleich  be- 
liebte Figur,  das  Concretum  für  das  Abstractum  zu  setzen,  so  08 
für  oratio,  pectas  für  animus.  Wem  das  nicht  genügt,  den  ver- 
weise ich  auf  die  schon  oben  erwähnte  Briefstelle,  ad  fam.  IX 
22,  2.  Dass  Lucilius  einen  derben  Ton  liebte  und  so  wenig  wie 
Plautns  vor  Zoten  zurückschreckte,  ist  bekannt,  und  ich  kann  auf 
VariO  (bei  Nonius  201,  6)  verweisen,  wo  es  heisst:    atavi  nostri 


350  eurlitt 

cum  allium  ac  caepe  eorum  verba  olerenf,  tarnen  optitne  animati 
erant.  Eine  'ungerechtfertigte  Aburtheilung  über  Ciceros  Charakter 
wird  mir  mit  nicht  mehr  Berechtigung  zum  Vorwarf  gemacht. 
Cicero  giebt  selbst  zu,  dass  er  sich  von  seinem  Hasse  gegen  An- 
tonius habe  verleiten  lassen,  Beschimpfungen  auch  gegen  seinen 
Wohlthäter  und  bisherigen  Freund  Sicca  in  seine  Rede  aufzunehmen. 
Schmidts  Bemerkung:  ^s  ist  nur  gut,  dass  das,  was  wirklich  in 
der  II.  Phil  steht,  uns  die  Probe  machen  lässt  auf  den  verhältniss- 
mässig  harmlosen  Inhalt  der  Worte  sciant  παίδες  uaibuiv  ...  cum  etc.* 
beweist,  «lass  er  diese  Stelle  irrthümlich  für  den  ursprünglichen 
Text  hält,  während  es  doch  nur  der  schon  redigirte  Text  sein 
kann,  aus  dem  die  contumdia  entfernt  ist.  War  in  der  Komödie 
ein  Wortspiel  mit  a^ita  beliebt  \  so  musste  sich  jeder,  der  nicht 
unwillkürlich  Gelächter  erzeugen  wollte,  mit  dem  Gebrauche 
dieses  Wortes  vorsehen.  Denn  die  Römer  waren  in  solchen  Dingen 
sehr  feinhörig^.  Nahm  Cicero  aber  einmal  trotz  seiner  sonst  — 
auch  nur  angeblich  '  —  bewahrten  verecundialoquendi  ein  Citat  aus 
der  Komödie,  einen  Volks witz  oder  den  derben  Scherz  eines 
Freuniics  in  seine  Briefe  auf,  so  wusste  er,  was  er  that  und 
braucht  deshalb  von  niemandem  in  Schutz  genommen  zu  werden. 
Das  gilt  also  auch  von  der  Stelle  eines  Briefes  an  P.  Dolabella, 
ad  fam.  1X10.  3,  die  ich  im  Philol.  LVIII  (N.  F.  ΧΠ)  8.  45  ff. 
unter  dem  Titel  *Atius  pigmentarius  und  Verwandtee'  mit 
zwei  anderen  Stellen  zusammen  in  diesem  Sinne  behandelt  hatte 
Die  Stelle  lautet :  Cum  igitur  mihi  etit  e^vploratum  fe  libenfer  esse 
risurimit  scribam  ad  ie  pltiribus.  Te  tarnen  hoc  scire  volo,  vementer 
popülum  sollicitum  fui^se,  de  P.  Sullae  morte  ante  quam  cerium 
scierit.  Nunc  quaerere  desierunt,  quo  modo  perierit;  satis  putarit 
se  scirCy  quod  sciunt.  Ego  cetvroqui  aequo  animo  fero;  unum 
vereoTy  ne  hasta  Caesaris  refrixcrit. 

Gegen  meine  Behauptung,  dass  die   letzten  Worte  obecönen 
Sinn  haben,  macht  0.  E.  Schmidt  zunächst  geltend :  Das  wäre  des- 


1  Plaut.  Most.  823,  wo  man  den  obscönen  Sinn  nicht  erkannt 
hat,  ebensowenig  wie  in  den  Worten  (327)  quod  mihi  in  manu  est,  die 
KU  erklären  sind  durch  Ariet.  nub.  734  πλην  €l  τό  πέος  έν  τή  b€Ϊ\^ 
und  aus  CIL.  IV  1939  =  Rhein.  Mus.  1857  XII  S.  2<J0  und  Bucheler 
Anthol.  231. 

2  Ich  erinnere  an  Orat.  c.  45  (Quint.  VIII  3);  erinnere  auch  noch- 
male  an  den  für  dieses  Thema  höchst  lehrreichen  Brief  an  Paetus  (ad 
fam    IX  22). 

8  Λ-τΙ.  Drumann  (iR.  VI  S.  598  ff.:  ad  fam.  IX  22,  1;  5. 


Facetiae  Tdlianae  551 

halb  falsch,    'weil  das  hohe  Alter    des    verstorbenen  Sulla    den 
Gedanken  aasscbliesse,    dass   er  für  Cäsar    ein  Gegenstand    wol- 
lüstigen Begebrens  gewesen  sei.     Sulla    starb  nämlich  als  Greis 
von  60 — 70  Jahren*.     Das  war  mir  nicht  unbekannt,   wie  mein 
Citat  aus  de  off.  Π  8,  29  (S.  46)  beweist.     Trotzdem  meine  ich, 
dass  sich    der  Scherzende,    der  mit  dem  Doppelsinne  der  Worte 
hasta  und  refrigescere  spielt,  um  die  Glaubwürdigkeit  oder  innere 
Wahrscheinlichkeit  des   Witzes    wenig    kümmerte.     Dieser  Witz 
hatte    nur  den  Zweck    der   bitteren  Stimmung  des  Volkes  gegen 
den  Verstorbenen,    der  wie  wenige  verhasst    war,    und    zugleich 
gegen  Cäsar  Luft  zu  machen.     Wenn  dabei  eine  leichte  Möglich- 
keit durchklangy  dass  Cäsar  und  Sulla  jemals  in  wollüstigem  Ver- 
kehre gestanden  haben   könnten,    so    genügte  das  den  Spottsüch- 
tigen.    Dass    man   sich    den  Witz  in    der  Stadt    zuraunte  (fama 
siissurrit)^   dass  Cicero  hier  wohl  blos    den  Stadtwitz  kolportirt, 
sohliesse  ich  aus  ep.  XV  17,  2  Caesarem  putabant  moleste  lafurum, 
verentem  ne  hasta  refrixisset.     Man  muss  sich  zum  Verständnisse 
solcher  Wortwitze,  für  die  der  Südländer  auch  heute  noch  grosse 
Vorliebe    hat,    an  verwandte,    so    an  Moltkes    von  Bismarck  er- 
zählten Witz  von  der  'gesprengten'   Brücke  in  Dresden  erinnern 
(Gedanken    und  Erinnerungen  II    S.  92).     'Wissen    Sie   schon', 
fragte  ein  Römer  den  andern  mit   erheuchelter  Trauer,    'dass  P. 
Sulla  gestorben  ist?'  —  'Ja  wohl  1  Aber  was  liegt  daran ?^  *Nun, 
die  Sache  ist  doch  ernst,  ich  fürchte,  ne  hasta  Caesaris  refrixerit  \ 
Lachend   gehen    beide  weiter,    um  den  Witz  gleich    wieder    dem 
nächsten  Bekannten  vorzulegen.    So  schliesst  auch  Cicero  seinen 
Brief  mit  diesem  Witze,  um  sich  einen  guten  'Abgang*  zu  schaffen 
wie  ein  Schauspieler,   der  dazu  wohl  noch  sein  plaudite  rief.    £s 
ist    ein    falscher   Anspruch,    dass    jeder  Witz   der  Wahrheit  ent- 
sprechen   müsse  (vgl.  de  orat.  II  59,  240;    60,  243).      Auf   die 
Frage,  woher  ich  wisse,    dass  Cicero  einen  Witz    machen  wolle, 
kann  ich  nur  antworten:  ^Von  ihm  selbst ^    Denn  er  leitet  seinen 
Bericht  über  den  Tod  des  Sulla  mit  den  Worten  ein:  'Wenn  ich 
erst  weiss,    dass  du  gerne    lachst,    werde   ich    dir    ausführlicher 
schreiben.    Aber  den  einen  Spass  sollst  du  doch  erfahren'  {te  ta- 
men  hoc  scire  volo)  und  nun  folgt  der  Bericht  voll  bitteren  Hohnes. 
0.   £.  Schmidt  (S.  405)    erklärt    unsere    beiden    Stellen   höchst 
nüchtern:  *Cicero  meint,  Cäsar  werde  über  den  Tod  des  P.  Cor- 
nelius Sulla  betrübt  sein,  in  der  Besorgniss,  die  Auctionen  könnten 
in  Stillstand    kommen'.     Das    ist    ja    ungefähr   der   ehrbare  Ge- 
danke,   hinter  dem  sich  der    obscöne  versteckt,    der    eben  vevbis 


362  Oarlitt 

tectuSy  re  impudentior  (ad  fam.  IX  22,  1)  ist.  AehnÜch  boshaft 
war  Ciceros  Witz,  mit  dem  er  den  jungen  Octavian  so  schwer 
kränkte:  laudandum  adoUscentem  ornandum  foUendum  (ad  fam. 
XI  20,  l)  —  ^man  mnss  ihn  loben,  ehren,  —  in  die  andere  Welt 
—  befördern '.  Dass  Schmidt  aber  den  wahren  Sinn  nicht  wieder- 
giebt,  ist  leicht  zu  erweisen :  zunächst  ans  rein  sprachlichen  Grün- 
den. Cicero  *meint*  nicht,  sondern  er  fürchtet  (vereor),  er  fürchtet 
aber  auch  nicht,  *die  Auctionen  könnten  in  Stillstand  kommen  , 
sondern  (ne  Jiasta  refrixerU\  sie  wäre  erkaltet.  Ebenso  heisst 
es  ad  fam.  XV  17,  2  Caesar em  putabant  moleste  laturum,  verentem 
ne  Imsta  refrixisset.  Die  Geschäfte  des  Güterverkaufes  sind  doch 
nicht  mit  dem  Augenblicke  'erkaltet',  als  Sulla  starb,  sondern 
sie  könnten,  falls  sich  für  Sulla  kein  ebenbürtiger  Käufer  finden 
sollte»  später  einmal  nachlassen.  Hätte  Cicero  das  sagen  wollen, 
so  würde  er  nicht  das  Perfect  und  Plusq.  gesetzt  haben.  Vor 
allem  aber  spricht  die  politische  Stimmung  Ciceros  gegen  eine 
solche  Deutung.  Man  denke  sich  die  Lage,  als  er  (kurz  vor  dem 
30.  Dec.  46)  den  Brief  ad  fam.  IX  10  schrieb.  Cäsar  stand 
mit  seinem  Heere  in  Hispania  und  C.  Vibius  Pansa  rüstete  sich 
(ad  fam.  XV  17,3),  ihm  zu  folgen,  um  mit  ihm  die  Pompeianer 
niederzuwerfen.  Wie  gleichgiltig  musste  in  so  ernsten  Kriegszeiten 
dem  Cäsar  selbst,  wie  viel  gleichgiltiger  Cicero  die  Frage  sein, 
wer  in  Rom  die  Güterausschlachtung  der  Vernrtheilten  besorge? 
Für  dieses  schmutzige  und  gewinnbringende  Geschäft  werden  sich 
nur  zu  viele  Hände  bereit  gefunden  haben.  Kann  Cicero  im 
Ernste  gesagt  haben:  Mch  fürchte  (vereor),  dass  Cäsars  Auc- 
tionen in  Stillstand  gerathen  sind',  während  er  in  Wahrheit  sich 
darüber  nur  gefreut  haben  wird?  Konnte  ihm  daran  liegen,  dass 
Cäsar,  der  seine  Parteigenossen  bekriegte,  in  Rom  Geldgeschäfte 
mache  ?  Seine  wahre  Stimmung  giebt  er  in  demselben  Briefe  selbst 
mit  den  Worten  (§  3)  De  Hispania  novi  nihil,  sed  expectatio 
magna:  rumores  tristiores^  sed  αδέσποτοι.  Sehen  wir  weiter!  Meine 
Vermuthnng,  dass  Cicero  in  dem  Briefe  an  Cassius  in  XV  17,  2 
mit  Attius  pigmentarius  spöttisch  Octavian  bezeichne,  und  dass 
Cassius  in  demselben  Sinne  schreibe,  Cäsar  werde  den  P.  8alla 
nicht  vormissen,  cum  filium  (=  Octaviaoum)  viderit,  bekämpft 
0.  E.  Schmidt  mit  folgenden  Gründen: 

Cassius  sagt  ganz  einfach :  Cäsar  soll  sich  trösten  im  Hin- 
blick auf  den  Sohn  des  Sulla,  weil  dieser  dasselbe  Geschäft  be- 
treibt, wie  der  Vater*. 

GewisR,  dae  ist,    >%ie  ich  nie  gezweifelt  habe,    der  ehrbare 


Paoetiae  tullianaö  d5d 

Gredanke,  hinter  dem  sich  wieder  die  Zote  versteokt.  Schmidt 
fragt  freilich:  *  Woher  weiss  Garlitt,  dass  Cassius  eine  Zote 
machen  will  *  ?  Ich  weiss,  dass  er  witzig  sein  will,  weil  er  auch 
sonst  den  Tod  des  Snlla  durchaus  spöttisch  und  mit  hissigen 
Witzen  behandelt.  Dass  er  aber  mit  filium  denselben  bezeichnen 
wolle,  den  Cicero  Atius  pigmentarius  genannt  hatte,  schliesse  ich 
aus  dem  sonst  von  Cassius  beobachteten  Eingehen  auf  Ciceros 
Gedanken : 

Cicero  (E.  XV  17,  2)  C.  Cassius  (E.  XV  19,  3) 

Hoc  tu  pro  tua  sapientia  feres         cuius  ego  mortem  forti  meher- 
aequo  animo  —  etiles  animo  tuli,  — 

Ckiesarem  putabant  moleste  Ich         nee  tarnen  Caesar  .  .  .  secto- 
turum,   verentem   ne  hasta    re-     rem  desiderabit,   cum  fUtum  vt- 
friaisset;  Mindius  Marcellus  et     derit. 
Attius  pigmentarius  valde  gaw 
dcbant    se    adversarium   perdi- 
disse. 

Gegen  diese  Vermuthung  aber,  dass  Cicero  mit  Attius  pig- 
mentarius und  ebenso  Cassius  mit  filius  den  jungen  Octavian  be- 
zeichne, macht  0.  E.  Schmidt  als  vermeintlich  durchschlagendes 
Argument  gelten,  dass  Cäsars  Adoption  damals  noch  nicht  er- 
folgt, geschweige  in  Rom  bekannt  gewesen  sei,  dass  mithin  mit 
filius  unmöglich  schon  Octavian  gemeint  sein  könne.  Das  klingt 
überzeugend,  denn  thatsächlich  nahm  Cäsar  *Die  Adoption  des 
jungen  Octavian  erst  am  13.  Sept.  45  vor  (unser  Brief  ist  aber 
schon  im  Jan.  desselben  Jahres  geschrieben),  und  auch  damals 
blieb  die  Adoption  noch  ein  Geheimniss.  Erst  im  Laufe  des 
Winters  45/44  bildete  sich  in  der  Umgebung  Cäsars  die  Ueber- 
zeugung  aus,  dass  Octavian  zum  Nachfolger  bestimmt  sei  (0.  E. 
Schmidt,  Jun.  Brutus  in  den  Verhandl.  der  Görlitzer  Philologen- 
yers.  S.  178;  Gardthausen,  Augustus  I  S.  49).  Diese  Bemer- 
kungen sind  richtig,  sind  mir  aber  nicht  neu.  (Ich  hatte  deshalb 
auch  nicht  gesagt  ^nach'  der  Adoption,  sondern  ^zur  Zeit'  der- 
selben^).    Ich  nahm    an    und   schloss    eben    aus    unserer  Stellci 

^  Diesen  Ausdruck  hatte  ich  —  offen  gestanden  —  absichtlich  so 
unbestimmt  gehalten,  um  die  Kritik  nicht  auf  einen  Einwand  hinzu- 
weisen, den  ich  für  nicht  stichhaltig  hielt  und  deshalb  auch  nicht  selbst 
erst  widerlegen  wollte.  Dazu  kommt,  dass  meine  Deutung  von  Atius 
pigmentarius  selbst  dann  zu  Kraft  besteht,  wenn  man  vorziehen:  sollte, 
füiuü  hier  nur  auf  den  Sohn  des  Sulla  zu  beziehen.  Ich  gebe  aber  zu, 
dass  ich  besser  gethan  hätte,  meine  Gründe,  die  hier  folgen,  schon  im 

Kheio.  Mm.  f.  Pbilul.  N.  F.  LVII.  ^"^ 


354  Garlitt 

daes  dem  Vollzüge  der  Adoption  das  Gerede  gleichen  Inhaltes 
vorausgegangen  sei.  Da  Cäsar  keinen  Leibeserben  hatte,  so  mnes 
die  Frage,  wer  ihn  beerben  werde,  schon  früh  die  Gemüther 
stark  bewegt  und  die  Blicke  auf  seinen  Grossneffen  gerichtet 
haben.  loh  hiuss  mich  jedenfalls  wundern,  dass  gerade  Schmidt  mir 
eine  Möglichkeit  abstreitet,  die  er  selbst  annähernd  schon  ane- 
j^esprochen  und  zur  Grundlage  einer  weitblickenden  Hypothese 
gemacht  hatte.  In  seinem  bekannten  Vortrage  auf  dem  Görlit/er 
Philologentage  Έ.  lunius  Brutus  sagt  er  (S.  178):  'Nach  seiner 
Heimkehr  adoptirte  den  jungen  Oetavian  sein  Oheim  am  13.  Sept. 
in  seinem  Testamente  (Suet.  Caes.  83),  und  wenn  dasselbe  auch 
geheim  gehalten  wurde,  so  verriethen  doch  andere  Mass- 
nahmen, wie  zB.  Octavians  Entsendung  nach  Apollonia  .  .  .  . 
Cäsar  β  Willen  auf  das  deutlichste  (Nicol.  Damasc.  16Λ 
Mit  demselben  Hechte  nehme  ich  an,  dass  auch  vor  der  Adoption 
Cäsars  Wille  von  seinen  Neidern  und  Feinden  geahnt  oder  ihm 
doch  untergeschoben  wurde.  Denn  Cäsar  war  vor  Ausbruch  des 
spanischen  Krieges  bis  Ende  Sept.  (neue  Aera)  46  in  Rom  (0.  E. 
Schmidt,  Der  Briefw.  S.  257),  Oetavian  damals  in  seiner  Um- 
gebung und  nur  durch  Krankheit  verhindert,  Anfang  45  mit 
ins  Feld  zu  ziehen  (Nicol.  Damasc.  βίος  Καίσαρος  ο.  10),  folgte 
ihm  aber  nach,  so  dass  er  im  Mai  mit  ihm  zu  Kalpe  in  Süd- 
spanien zusammentraf  (0.  K,  Schmidt  aaO.  S.  369).  Es  konnte 
der  Umgebung  Cäsars  nicht  entgangen  sein,  dass  Oetavian  bei 
Cäsar  in  Gunst  stand,  und  somit  ist  es  gewiss  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  man  schon  seit  Ende  46  die  Adoption  Octaviane 
als  Vermuthung,  als  eine  böse  Ahnung,  ausspracht  Mehr  als 
eine  Vermuthung  braucht  man  auch  in  dem  Worte  cum  fiHum 
v^iderit,  *  wenn  er  erst  einen  Sohn  zu  sehen  bekommt',  nicht  zu 
erkennen.  Als  Cicero  seine  Bemerkung  über  Atius  pigmentarius 
schrieb,  am  30.  Dec.  46  oder  bald  darauf,  war  Oetavian  jeden- 
falls noch  in  Kom,  ebenso  Ende  Jan.  45,  als  Cassius  schrieb: 
cum  fUium  viderit^  aber  dieser  wusste  wohl,  dass  er  Cäsar  folgen 
wolle,  und  mag  deshalb  auf  die  bevorstehende  Begegnung  an- 
spielen '  wenn  er  einen  Sohn  zu  sehen  bekommt  .  Grosse  Be- 
gebenheiten werfen  eben  ihren  Schatten  voraus.    Um  nicht  schon 


ersten  Aufsätze  auszusprechen.     Der  Wunsch,  kurz  zu  sein,  verschuldet 
oft  Missverständnisse. 

^  Man  denke  an  die  Geschäftigkeit,  mit  der  Sensationsbedürftige 
uns'Te  Höfe  umlauern,  um  über  neue  Verlobungen  und  dergl.  Gerüchte 
auszustreuen. 


Facetiae  taÜianae  ä&6 

Greeagtes  zu  wiederholen,  verweise  ich  im  Uebrigen  auf  meinen 
Aufsatz  im  Philol.  (LVIII  N.  F.  ΧΠ  S.  45  ff.)  Κ  Mögen  andere 
entscheiden,  ob  auf  diese  Hypothese  Schmidts  Ürtheil  passt :  *Ich 
würde  sagen,  hier  ist  von  Gurlitt  alles  an  den  Haaren  herbei- 
gezogen, wenn  nicht  auch  in  diesem  Bilde  schon  ein  zu  grosses 
Zugeständniss  enthalten  wäre',  ob  es  ferner  meine  Schuld  ist, 
wenn  er  gestehen  muss,  ^dass  für  solche  Beweisführung  seine 
Fassungsgabe  nicht  ausreiche'. 

Im  Weiteren  wendet  sich  Seh.  mit  zutreffenden  Gründen, 
die  aber  zumeist  schon  von  0.  Piasberg  in  einem  Oktoberheft  der 
WS.  f.  kl.  Phil.  1898  Sp.  1200  f.  vorgebracht  worden  waren,  beson- 
ders gegen  zwei  von  mir  schon  längst  aufgegebene  Conjecturen, 
in  denen  ich  von  einem  falschen  Gedanken  verleitet  den  Orts- 
namen Astura  mit  leichter  Aenderung  für  astute  einsetzen  wollte 
(ad  Att.  X  6,  1 ;  ad  fam.  Π  16,  6).  Es  ist  eine  Entstellung, 
wenn  Seh.  meine  Behandlung  dieser  vier  (soll  heissen  zwei)  Stellen 
spöttisch  als  'Probe'  des  von  mir  selbst  'so  sehr  betonten  Con- 
servativismus'  hinstellt,  ich  übersehe  nicht  alle  von  mir  schon 
vorgetragenen  Conjecturen,  glaube  aber,  dass  sich  zu  dieser 
Probe*  kaum    eine  zweite  gleichartige   wird  nachweisen  lassen^. 

^  [Corr.  Nachtrag:  Eine  Nachprüfung  ist  geboten,  da  auch  Schiebe 
meine  Deutung  unter  Hinweie  auf  Seh.  glaubte  abweisen  zu  müssen: 
Jahresbericht  von  189i>  (Bd.  XXV  S.  334  und  336)  und  1901  (Bd.  XXVII) 
S.  258  f.  Ich  trage  nur  folgendes  nach:  Es  mag  richtig  sein,  dass 
mit  Μ  sectorenif  nicht  mit  FH  sectcUorem  zu  lesen  sei  (Schmidt  8.  405). 
An  meiner  Deutung  der  ganzen  Stelle  ändert  das  nichts,  ja  es  ist  ihr 
vielleicht  noch  günstiger,  weil  die  Antithese  stärker  wird.  Nach  Schmidt 
soll  Cassius  sagen:  *Gäsar  wird  den  Güterausschlachter  nicht  vermissen, 
wenn  er  dessen  Sohn,  der  ebenfalls  Güterausschlachter  ist,  sehen  wird'. 
Das  ist  allerdings  sehr  matt  und  witzlos,  beabsichtigt  ist  deshalb  wohl 
die  starke  Antithese,  'er  wird  den  Güterausschlachter  nicht  entbehren, 
wenn  er  seinen  eigenen  Sohn  sieht*.  Seh.  'protestirt*  gegen  einen  Ver- 
dacht, dass  Cicero  auf  eine  lasterhafte  Beziehung  Cäsars  zu  Ootavian 
angespielt  habe.  Protestirt  er  auch  gegen  Ciceros  Witz  advAeseentem 
Jßudandum^  toUendum  oder  gegen  Drumanns  Worte  (GR.  III  740;  VI 
006):  *  Cicero  benutzte  auch  das  Gerüoht  von  einem  entehrenden  Umgang 
zwischen  Cäsar  und  Nicomedes,  dem  Könige  von  Bithynien,  um  in  Briefen 
und  nach  Sueton  (Caes.  49)  selbst  im  Senate  nach  seiner  Weise  zu 
scherzen?] 

'  Es  müsste  denn  ad  Att.  XIII  41  fin.  sein,  wo  ich  für  Gros  igitur, 
fast  quid  α  te  commeatus  conjicirt  habe:  α  te  commtUatur  (Philol.  LIX 
N.  F.  Xm.  1900  S.  127).  Commeatus  läset  sich  wohl  durch  Hinweis 
auf  Plantus  vertheidi^fon.  An  dieser  Stelle  aber  hatte  Schmidt  selbst 
eine  Aenderung  für  nöthig  gehalten,  nämlich  commeat  vp  (^jespeTvV 


356  Gurlitt 

Natürlich  ist  aach  der  Fehler,  den  ich  an  dieser  Stelle  gemacht 
hatte,  typisch^  Mit  solchen  Mitteln  macht  man  die  Arbeit  eines 
anderen  verächtlich.  Auch  in  einem  dritten  Falle  ad  Att.  XYl 
l5,  6f  wo  aber  der  Text  anerkanntermassen  verderbt  ist,  habe 
ich  fälschlich  den  Namen  Ästura  finden  wollen.  Aber  eben  so 
falsch  ist,  was  Seh.  selbst  bietet,  indem  er  vorschlägt:  consenii 
in  hac  cura^  ubi  sum  (oder  nobiscum\  ut  we  ea'pediam.  Denn 
cura,  vbi  sum  ist  nnlateinisch,  wie  schon  Boot  betont,  tiobiscum 
aber  passt  wegen  des  Plurals  nicht  zu  sum  und  zu  rne,  es  müsste 
mecum  heissen.  Die  üeberlieferung  lautet:  consenii  in  hac  cura 
uni  sum,  ut  me  expediam,  was  ich  jetzt  also  lesen  möchte:  con- 
sentim  (=  consentimus)  hac  cura  ubicunque  ut  me  expediam,  quilms 
autem  rebus  venit  mihi  quidem  in  mentemt  sed  certi  constituere 
nihil  possum,  priusquam  te  videro.  Das  heisst:  'Wir  sind  darin 
einig,  dass  ich  mich  aus  meiner  gegenwärtigen  (Geldjsorge  wo 
auch  nur  immer  befreie  (jeder  Better  soll  ihm  also  willkommen 
sein),  mit  welchen  Mitteln  das  aber  geschehen  könne,  darüber 
habe  ich  eine  Idee,  kann  jedoch  nichts  Bestimmtes  festsetzen, 
ehe  ich  dich  nicht  gesprochen  habe  . 

Man  darf  annehmen,  dass  Schmidt  mit  denjenigen  Con- 
jecturen,  die  er  zugleich  mit  seinem  Angriffe  gegen  C.  F.  W. 
Müller  und  mich  vorträgt,  sein  Bestes  geben  will,  dass  wir  sie 
als  specimen  ernditionis  ansehen  sollen.  Er  wird  daher  nichts 
dagegen  haben,  wenn  ich  sie  einer  eingehenden  Kritik  unterziehe. 

Cicero  schreibt  ad  Att.  X111  48,  1  (vom  2.  Aug.  45)  Lepta 
me  rogatf  ut,  si  quid  sibi  opus  sit,  accutram,  mortuus  enim  Ba- 
bulVius,  Der  Name  BabulUus  findet  sich  mehrfach  belegt  ^  Kr 
ist  besonders  in  Campanien,  Bruttium,  Lucanien  häufig,  verniuth- 
lich  oskischer  Herkunft  (Guarini  lex.  osco-lat.  p.  81).  Auch  5a- 
buleius  kommt  vor  CIL.  VI  2,  134^3.  Da  nun  Lepta  den  Tod 
des  BabulUus  aus  Puteoli  meldet,  da  wir  in  Capua  inschriftlich 
den  Namen  Babullius  in  dieser  Schreibung,  in  Puteoli  selbst  eine 
Babullia  nachweisen  konnten,  so  liegt  doch  gewiss  kein  Grund 
vor,  an  der  üeberlieferung  dieser  Briefstelle  zu  zweifeln.  Anders 
0.  E.  Schmidt.  Er  sagt  (S.  102):  'Der  Name  Babullius  läset 
sich  nirgends    sonst   nachweisen    nnd    ist  mir  auch  schon 


Ϊ  (IL  X,  I  76;}.•},  514<):  M.  Balmlius,  C.  f.  Cicero  und  mehrere 
andere  Bahtüii,  5867  Q,  BabulUus,  4037  M.  Babullius  Restituius  (Capua), 
7G;j3.  Wir  haben  Babullia  VI  13454;  2156  (Puteoli)  III  2,  313(5;  IX  1, 
4037;  Babullianm  IX  6ii83:  X  2,  .s2ii")  (Capua);  Baiiuria  VIII,  2.  ΙΓιίΚ); 
Ö4Ü5;  3466;  5467;  [Babajria   1590;  346«;  51.  Baburius  IX  47ϊί>. 


Faoetiae  Tullianae  357 

wegen  seiner  Form  so  verdächtig,  dass  ich  ihn  für  eine  jener 
häufigen  Zusammenziehungen  von  Abkürzungen  ansehe' .  Und 
nun  beginnt  eine  kühne  Combination  mit  den  gewaltsamsten 
Textverderbungen.  'Es  handelt  sich,  fahrt  nämlich  Seh.  fort,  um 
eine  Erbschaft,  an  der  Lepta  und,  wie  es  scheint,  auch  Cicero 
betheiligt  ist  .  Dass  aber  Cicero  betheiligt  sei,  ist  eine  Ver- 
muthung,  für  die  nicht  einmal  der  Schein  spricht.  Im  Gegen- 
theil,  alles  spricht  dagegen.  Wäre  Cicero  bedacht  worden,  so 
würde  er  das  doch  in  erster  Linie  dem  Freunde  mitgetheilt  haben, 
würde  dann  auch  sein  Erscheinen  an  dem  Orte  der  Testaments- 
regulierung nicht  von  dem  Wunsche  Leptas  abhängig  gemacht 
haben.  Lepta  wünschte  Ciceros  Rechtebeistand.  Mehr  besagt 
unsere  Stelle  auch  im  weiteren  Verlauf  nicht.  Ja  die  Angabe: 
CaescuTf  opinor  ex  unciOy  eist  nihil  adhuc,  sed  Lepta  ex  trienie 
beweist  e  eilentio  auf  das  Bestimmteste,  dass  Cicero  in  dem 
Testamente  eben  nicht  bedacht  sein  konnte.  Nun  erfahren  wir 
RUH  einem  Briefe  vom  12.  Aug.,  ad  Att.  XII Γ  46,  dass  Cicero 
und  Cäsar,  der  durch  Baibus  vertreten  wurde,  damals  an  einer 
Erbschaft  des  in  Puteoli  verstorbenen  Cluvius  betheiligt  waren. 
Unter  den  Erben  dieses  Cluvius  wird  nun  Lepta  ebenso  wenig 
genannt,  wie  Cicero  unter  denen  des  BabuUius.  Schmidt  hält  aber 
aus  dem  ein/jgen  (Trunde,  weil  beide,  Cluvius  und  Babullius  in 
Puteoli  gestorben  zu  sein  scheinen  —  denn  erwiesen  ist  auch 
das  nicht  —  ,  beide  Fälle  für  identisch  und  macht  diese  Ver- 
mutbung  zum  Ausgangspunkte  für  seine  Textesänderuneren.  Zu- 
nächst wird  uns  zugemutbet  statt  Babullius  zu  lesen :  pu,  cluvius^ 
was  Pn(Jteolis)  Cluvius  heissen  soll.  Man  höre  und  staune! 
'Nach  dieser  Erkenntniss' (!),  fährt  er  fort,  sei  die  Erbschafts- 
regnlirung  des  Cluvius,  die  er  selbst  früher  (^Dtr  Briefw.*  S.  341  f.) 
ge;;eben  hatte,  in  einigen  Punkten  zu  berichtigen.  'Am  2.  Au^ 
früh  habe  Cicero  den  Tod  des  Cluvius  durch  diesen  Brief  des 
Lepta  erfahren  und  danach  an  Attious  XIII  48  geschrieben*.  Das 
ist  falsch:  Statt  Cluvius  muss  es  BabuUius  heissen.  Der  Tod 
des  Cluvius  muss  ihm  schon  früher  bekannt  geworden  sein,  in 
dem  Briefe  A.  XIII  48  ist  daher  auch  von  ihm  und  seinen  Folgen 
gar  nicht  die  Rede.  Schmidt  fahrt  fort:  *Im  Laufe  des  Tages 
hatte  Cicero  eine  Besprechung  mit  Baibus,  dem  Geschäftsträger 
Cäsars^;  man  kam  überein,  das»  die  werthvolle  Hinterlassenschaft 

1  Bevor  Baibus  in  Unterhandlung  wegen  der  Erbschaft  eintrat» 
wird  er  doch  erst  bei  Cäsar  angefragt  haben,  ob  er  gewillt  sei  die  Erb- 
schaft anzutreten.  Cluvius  muss  also  wesentlich  früher  als  am  2.  Aug. 
gestorben  sein. 


358  Gorlitt 

des  Cluvias  vereteigert  werden  sollte,  sobald  Cäsar  zurückgekehrt 
8ei.     Doch  kannte    man    zunächst  noch  nicht  die    genaueren  Be- 
stimmungen   des  Testamentes.     Zum  Vertreter    seiner  Interessen 
will  Cicero    den  Bankier  Vestorius    in   Pnteoli    wählen,    vgl.  ad 
Att.  XIII  37,4  (ebenfalls    noch    am    2.  Aug.  geschrieben):    De 
auctione  proscribenda  equidem  locutus   sunt  cum  BaJbo:   placebat 
sq.^     Hier  wird    also  die  Chronologie   der   Briefe    bestimmt   auf 
Grund    der   falschen    Hypothese,    dass  BabulUus    gleich  Puteölis 
Cluvius  sei.     Ebenso  wenig  haltbar  ist,  wie  gesagt,  die  Behaup- 
tung,   dass  Lepta    ein    Erbe  des  Cluvius   gewesen    sei^.     Dieser 
wird  auch  nie  als  solcher  genannt.     Seh.  aber  sagt:  ^Ich  weise, 
dass  der  vierte  Erbe  Lepta  war'.    Erst  ^schien'  es  so,  dann  wurde 
es  *  wahrscheinlich',  gleich  darauf  zur  'Erkenn  tniss   und  nun  zum 
*  Wissen*,  und  damit  wird  dann  auch  der  Text  von  ad  Att.  XVI 
2,  1  Verbessert'.      Dort   heisst   es:    Erotem  remisi  citius,    quam 
constitueram^   ut  essetj  qui  Hortensio  t  ei  quia  equibus  quidem  att 
se  Idibus  constiiuisse,  Hortensim  vero  impudenter.     Ich  habe  be- 
wiesen (Philol.  LIX  N.  F.  XIII  1900  S.  106  f.)  und    dafür    die 
Zustimmung  von  C.F.W.  Müller  und  Th.  Schiebe  (aaO.  S.  377), 
dass  für  et  QVIAE  zu  lesen  sei:    et  OVIAE,   dass   es  sich  also 
nicht  um  das  Cluvianische  Erbe  handele,  sondern  um  einen  fundns 
der  Ovia,  für  den  Zahlung  zu  leisten  war.    Seh.,  der  diesen  Be- 
weis noch  nicht    kannte,    macht  aus    der  Ueberlieferung,    indem 
er  an  drei  Stellen  gewaltsam  eingreift:  qui  Hordeonio  et  Leptae^^ 
quibus  quidem  .  .  .  Hardeonius   vero  impudenter.     Drei  verschie- 
dene Angelegenheiten    also,    die  Nachlassenschaft   des  BabuUiua^ 
die  des  Cluvius  und    das  Geschäft  Ciceros    mit  Ovia  werden  von 
Seh.  als   eine  Sache    behandelt   und   mit  dieser  völlig  haltlosen 
Hypothese    werden    die  Briefe  datirt   und  *emendirt*.     Natürlich 
ist  das  Ergebniss  in  allen  Punkten  verfehlt ^ 

^  Lepta  hatte  mit  dem  Erbe  des  Cluvius  gar  nichts  zu  tbon.  Er 
unterhandelte  mit  Balbas  (ad  Att.  XIII  4β,  1)  in  einer  anderen  Ange- 
legenheit, nämlich  wegen  einer  cwratio. 

«  Früher  hatte  er  (Rhein.  Mus.  N.  F.  LH  8.  237  unter  Nr.  104) 
statt  Leptae  ebenso  verkehrt  Plotio  conjicirt  (aus  ad  XIU  4β,  3).  Plo- 
Üus  war  auch  nicht  Erbe  des  Cluvius,  sondern  Agent  des  Baibus. 

8  [Wenn  neuerdings  Th  Schiebe  (Jahresb.  d.  phil.  Vereins  XXVII 
S.  258)  in  A.  XIII  48,  1  Babuüius  in  Vibuüius  ändern  will,  so  ist 
auch  diese  Conjectur  durch  das  Vorstehende  widerlegt.  Auf  Schicbes 
sonstige  Bemerkungen  gegen  meine  (Philol.  LVIII,  1899  S.  45  ff.)  vor- 
getragenen Deutungen  und  Conjecturen  kann  hier  nicht  mehr  einge- 
gangen werden.  Zum  Theil  erledigen  sie  sich  durch  das  bisher  Gesagte. 
Coirectur  -N  achtrag] . 


Facetiae  TuHianae  359 

So  wenig  wie  in  den  hisher  bebandelten  Fällen  kann  ich 
in  den  folgenden  die  von  Sebmidt  behaupteten  starken  Abkür- 
zungen bei  Eigennamen  erkennen.  In  ep.  ad  Att.  XV  2  soll 
devertissemque  f  dcutius  in  Vescmno  accepi  usw.  verdorben  sein  aus 
deveriisscmque  arp,  üs  (=  Arpinum  versus)  oder  (iqui.  ils  (=  Aqui" 
num  versus).  Sachlich  wäre  dem  nichts  Zwingendes  entgegen, 
wie  der  Hinweis  auf  ad  Att.  XVI  10,  1  verti  igitur  me  α  Min- 
turnis  Arpinum  versus;  constitucram  ut  .  .  Aquini  manerem  zeigt, 
aber  besonders  aus  paläographischen  Gründen  halte  ich  diese 
Aenderung  für  ebenso  willkürlich,  als  Sch.s  frühere  (α  Sinnes- 
sano)  .  .  .  proficiscens  α  Puteolis  (^Briefw/  im  Neudruck  \  Eine 
durchschlagend  sichere  TiCsung  ist  für  diese  Stelle  noch  nicht 
gefunden.  Meine  Vermnthung:  accuhans  in  Vesciano  halte  ich 
für  näherliegend,  jedenfalls  aber  möchte  ich  behaupten,  dass  so 
starke  Zusammenziehungen  der  Eigennamen  bisher  nicht  sicher 
erwiesen  werden  konnten.  Die  ^typischen  Beispiele  erfolgreicher 
Bemühungen*  in  dieser  Hinsicht  —  meist  Conjecturen  eigenen 
Fabrikates  — ,  die  Seh.  im  Rhein.  Mus.  Bd.  LIII  (1898)  S.  233 
aufführt,  sind  jedenfalls  nicht  stichhaltig.  Zunächst  A.  XV  3^  1 
nati  =  Ärpinaii  ist  keine  absichtliche  Zusammenziehung,  son- 
dern einfaches  Abschreiber- Versehen;  A.  XV  24  in  Nesidem  (nach 
Schiebe)  aus  his  Μ  und  hus  Z,  das  ich  bisher  für  richtig  hielt, 
ja  unabhängig  von  Schiebe  gefunden  hatte,  steht  doch  nicht  ausser 
Zweifel.  C.  F.  W.  Müller  hat  es  abgelehnt.  Es  könnte  hier 
auch  eine  Zeitbestimmung,  wie  Ä(ora)  IUI,,  vorliegen.  Dass 
A.  XI  17a,  l  für  in  ematiam  zu  lesen:  Egnaiia  (Ematia?)  eam  hat 
C.  F.  W.  Müller  und  Tb.  Schiebe  auch  nicht  überzeugt.  Schiebe 
(aaO.  S.  351  f.)  macht  dagegen  gewichtige  Bedenken  geltend 
und  empfiehlt  das  von  Bosius  herrührende  Itaque  mairi  eam. 
A.  XIII  4,  1  ist  Et  quidem  {de  Tudilano  idem^  puio  zu  lesen, 
wie  C.  Lehmann  Qnaestt.  p.  50  gezeigt  und  Müller  anerkannt 
hat,  es  liegt  also  eine  Tiücke  vor,  nicht  aber  ist  *aus  et  quidem 
durch  Auflösung  von  Abkürzungen'  de  Tuditano  idcm  herzu- 
stellen. In  A.  XV  3  soll  de  malo  aus  de  Moniano  entstanden 
sein.  Näher  liegend  wäre  zB.  de  Ma^lo  =  de  Marcello,  Denn 
dass  in  dieser  Weise  abgekürzt  wurde  mit  Nennung  der  zwei 
ersten  und  der  zwei  letzten  Buchstaben,  dafür  lassen  sich  Belege 
in   genügender    Menge    beibringend     Auch    de   Ventidio    statt  de 

m 

*  Ad  fam.  IX  4  ist  überliefert:  De  Coctio  mihi  gratum  est.  Bei 
einer  solchen  ganz  zusammenhanglosen  Notiz  ist  nur  eine  wtihrechein- 
liohe  Lösung  des  Rätsels  möglich  unter  engem  Anechluse  an  die  über- 


360  Gurlitt 

enictio  in  A.  XVI  2,  5  habe  ich  an  anderer  Stelle  (Philo).  LIX 
N.  F.  XIII  1900  S.  98  f.)  als  sehr  unwahrscheinlich  erwiesen 
und  sehe,  daes  es  auch  Müller  ablehnt.  Kurz  diese  Beispiele, 
welche  Schmidt  als  sichere  Belege  für  starke  Abkürzung  der 
Eigennamen  anführt,  haben  keine  Beweiskraft,  noch  weniger  seine 
weiteren  Versuche  nach  dieser  Richtung  hin.  So  soll  A.  XI Υ 
14,  1  de  Pherionum  more  (S.  233)  entstanden  sein  ans  de  P. 
Herio,  num  more  =  de  i\' ansäe),  Hirtii  novo  more.  Aach  das 
haben  Müller  und  Schiebe  (S.  376)  abgelehnt,  und  ich  glaubte 
dafür  lesen  zu  sollen :  de  rheiorum  more  (Philol.  LIX  N.  F. 
XIII  1900  S.  109).  Die  Beispiele  Hessen  sich  vermehren  (Schmidt 
Ehein.  Mus.  LIII  (1898  S.  234  ff.),  jedoch  mag  es  genügen  auf 
Schiches  Jahresber.  S.  370,  376  ^  und  meinen  etwa  gleichzeitig 
erschienenen  zu  verweisen.  Ich  würde  mir  Sch.s  Conjectnr  noch 
gefallen  lassen,    wenn  an  der  Stelle,    von  der  diese  Betrachtung 

ausgeht,  A.XV  2,  aqumus  oder  arpumus  stände,  wie  aber  acutius 
aus  Äquinum  versus  oder  Ärpinum  versi*s  entstanden  sein  sollte, 
dafür  fehlt  mir  der  Schlüssel  und  ein  analoger  Fall. 

Sachlich  bedenklich  ist  auch,  daes  man  devertere  in  den 
Briefen  und  an  dieser  Stelle  zunächst  doch  als  'einkehren*  fassen 
muss.  'Seinen  Weg  ändern  bezeichnet  Cicero  in  A.  XVI  10,  1 
durch    me  verti    oder  sonst   auch    durch  Her  vertere.     Viel    eher 

lieferten  Zeichen  und  diese  bedeuten  nicht  De  Cocceio  (Corradus,  Tort, 
recte*  Mendelssohn)  sondern  De  C.  Oct^io  =  de  C.  Octavio,  der  auch  ad 
Att.  II  1,  12,  ad  Qu.  fr.  I  1,  21 ;  2,  7  genannt  wird,  der  Vater  des 
Augustus.  In  dem  Briefe  ad  Att.  IV  17  fin.  heisst  es  fast  el>eiiso: 
Non  enim  te  puto  de  lustro,  quod  iam  desperatum  est,  aut  de  iudiciiSj 
quae  lege  CocUa  fiant,  quaerere.  Hier  ist  Coctia  vermuthlich  aus  Cor^Ua 
=s  Cornelia  verdorben.  Denn  es  gab  mehrere  leges  ComeUae  (Verr.  II 
77.  de  1.  agr.  III,  6.  Phil.  I  18  ua.  siehe  unter  Comeliae  im  index  no- 
min, bei  Baiter-Kayser).  In  unserem  Falle  handelt  es  sich  wohl  am 
die  lex  Cornelia  de  pecuniis  repetundis  (p.  Rubir.  Post.  9)  oder  vielmehr 
wegen  §  2  unseres  Briefes  um  die  lex  de  provinciis  ordinandis  (ad  fam. 
I  9,  25;  III  6,  5,  6;  10,  6).  Eine  lex  Coctia  gab  es  nicht.  In  A.  XV 
26,  4  vermuthete  ich  (Neue  Jahrb.  f.  d.  klass.  AlteHh.  III  S.  302),  dass 
tiUi  entstanden  sei  aus  Tul^i  =  Tulliani',  bin  A.  XUI  20,  4  mit  0.  F. 
W.  Müller  der  Meinung,  dass  in  toto  die  Abkürzung  für  in  To(rqua}to 
sei.  Andere  Beispiele  findet  man  bei  Müller.  Kurz,  ich  kann  nur  solche 
Abkürzungen  in  den  Briefen  anerkennen,  in  denen  ein  bestimmtes  System 
und  Methode  herrscht. 

^  Diese  Stelle  ad  Att.  XV  13,  4  glaube  ich  durch  blosse  Umstel- 
lung des  Kommas  geheilt  zu  haben :  non  qua  pompa  ad  se,  tarnen  clam 
venturum  (Berl.  phil.  W.  S.  1900  N.  477). 


Fftcetiae  Tullianae  361 

glaube  icb,  dass  Wesenberg  daa  Eechte  trifft,  wenn  er  sagt: 
^Latet  sine  dabio  ad  cum  uomine  viri  alionins  familiaris,  ut  ad 
Acilium  (Klotz);  denn  auch  die  Wortstellang  empfiehlt  Schmidts 
Conjectur  nicht.  Sie  ist  deshalb  weit  davon  entfernt,  für  sicher 
gelten  zu  können.  —  In  dem  Briefe  ad  Att.  VI  1,  25  liest  man 
bei  den  neueren  Herausgebern:  Et  Heus  tu!  iamne  vos  α  Caesare 
per  Herodem  talenia  Attica  L  eatorsistis?  Die  Lesart  iamne  stand 
nach  des  Bosins  Angabe  in  Z.  Wo  er  allein  aus  Ζ  citirt,  ist 
ihm  nicht  ganz  zu  trauen  (vgl.  C.  A.  Lehmann,  'de  Cic.  ad  Att. 
epp.*  p.  110),  aber  seine  Angabe  ist  nicht  gerade  unglaublich 
und  gieht  einen  erträglichen  Sinn  und  Ausdruck.  Cäsar  war  ein 
säumiger  Zahler,  es  mag  deshalb  Cicero  mit  Verwunderung  ge- 
fragt haben:  'Schon  ist  es  euch  gelungen,  das  Geld  aus  ihm 
herauszupressen?'  Auch  die  Frageform  nach  Et  heus  tu!  ist  durch- 
aus üblich:  zB.  ad  fam.  VII  11,  2  Sed  heus  tu!  quid  agis?  ec- 
quid  fU?\ 

Die  Ueberlieferung  von  Μ  und  Q^  lautet  Genuarios  α 
Caesare^  wofür  0.  £.  Schmidt  (S.  395  ff.)  die  von  Turnebus  em- 
pfohlene Conjectur  Genuae  vos  als  allein  zulässig  erweisen  will, 
obgleich  diesen  Versuch  C.  F.  W.  Müller  schon  mit  der  mir 
zutreffend  scheinenden  Bemerkung  abgelehnt  hatte:  genuarios  MC 
propter  tabellarios^,  Genuae  vos  'natürlich   mit  Tumebus    einzu- 

^  Was  sonst  diese  Lesart  iamne  vos  empfehlen  könnte,  findet  man 
schon  in  Boots  Ausgabe  angemerkt.  Ich  bin  nicht  ganz  davon  über- 
zeug^. Man  könnte  auch  denken  an  itane^  das  sich  in  iamne  verdorben 
auch  ad  Att.  XIV  10,  2  findet,  vgl.  Hofmann-Andresen  *  Ausgew.  Briefe*, 
II 3  S.  209:  iamne  Lorsober  Us.,  O^PRMs]  iam  0\  Ausg.  des  Beatus.  Für 
den  Gebrauch  von  itane?  und  itane  vero^  findet  man  dort  ö.  108  die 
Beispiele  ad  fam.  ΧΠ  30,  1;  ad  Att.  V  2,  2;  XVI  7,  3;  Phil.  V  27; 
VI  15;  in  Verr.  V  77.  Es  wäre  also  möglich,  dass  Cicero  auch  hier 
gesagt  hätte:  Et  heus  tu!  Itane?  vos  α  Caesare  sq. 

^  Wenn  sich  nachweisen  Hesse,  dass  die  Lesart  Genuarias  aus  dem 
Laurisheimensis  stamme,  dann  hätte  dieses  Zeugniss  Gewicht.  Bekannt- 
lich hat  aber  Cratander  oft  die  Lesart  jener  alten  Hs.  in  den  Text,  die 
vulgata  (aus  Α  ^  und  Α  ^)  aber  an  den  Rand  gesetzt.  Mir  sind  die  edd. 
Asoensianae  jetzt  nicht  zugängig.  Ehe  diese  nicht  mit  C  und  c  vergli- 
chen sind,  hat  C  an  sich  keinen  Werth.  Denn  steht  in  A^  ^  Genuarios 
in  C  ebenso,  aber  in  c  Iamne  vos,  so  ist  dieses  die  Lesart  des  Laurish. 
0.  £.  Schmidt  ist  doch  sonst  gegen  C  misstrauisch,  weshalb  nicht  in 
diesem  Falle? 

*  Es  genügt  wohl,  ein  blosses  Verlesen  von  {itanevos  oder)  tam- 
nevos  anzunehmen.  War  α  offen  geschrieben,  so  konnte  iumne  leicht 
durch  falsche  Trennung  der  Striche  zu  Genua,  und  dann  vos  leicht  zu 
ios  werden. 


362  G  u  r  1  i  1 1  Facetiae  Tullianae 

setzen'  0.  E.  Schmidt  'Der  Briefw/  p.  440  n.  'Prudentiue  Boot', 
welcher  sagt:  Fac  id  Gennae  factum  esse,  tamen  non  erat,  cur 
hoc  nomen  cum  vi  initio  qaaestionis  poneretar.  Schmidt  bringt 
als  neue  Stütze  seiner  Conjectur  eine  Berechnung  bei,  durch  die 
erwiesen  werden  soll,  dass  Cäsar  in  der  Zeit,  zu  der  die  Geld- 
zahlung seinerseits  erfolgte,  thatsächlich  in  der  Gegend  der  Allo- 
broger-Stadt  Genava  (Genf)  gewesen  sei.  Diese  Berechnung  führt 
natürlich  nur  zu  Annäherungswerten,  da  über  die  Reise  des  He- 
rodes  oder  £ros  (wie  ich  lieber  mit  Ζ  lese),  über  Cäsars  Auf- 
enthalt in  der  Stadt  Genava,  über  die  Weise,  wie  Cicero  in  Lao- 
dicea  die  Kunde  von  dem  Geldgeschäft  erhielt,  ob  durch  den 
Briefboten  oder  den  Bericht  des  langsamer  reisenden  P.  Vedius, 
und  über  anderes  mehr  nur  Vermuthungen  in  Rechnung  gesetzt 
werden  können.  Aber  selbst  das  Unbeweisbare  zugegeben,  dass 
Eros,  statt  brieflich,  persönlich  mit  Cäsar  und  in  Genava  ver- 
handelt hätte,  was  hätte  Cicero  veranlassen  können,  gerade  diesen 
für  den  ganzen  Handel  gleichgiitigen  Umstand  so  sehr  zu  be- 
tonen? Zunächst  nennt  er  Genava  sonst  nicht  einmal.  Käme  es 
bei  ihm  vor,  so  könnte  es  allein  wie  bei  Cäsar  b.  g.  I  6, 3.  7,  2 
Genava,  nicht  Genua  lauten  ^.  Was  Gallien  betrifft,  so  kennt 
Cicero  die  Haedui  (A.  I  19,  2;  VII 10,  4),  und  die  Namen  einiger 
weiterer  gallischer  Stämme  (pr.  Balbo  32;  pr.  Qninct.  80;  pr. 
Font.  20;  26;  ad  Qu.  fr.  II I  8,2),  von  gallischen  Städten  ausser- 
halb der  Provincia  nennt  er  nur  Samarobriva  (F.  VII  11;  12; 
16),  um  über  den  Namen  zu  scherzen.  So  ergibt  sich,  dass  für 
seine  Vorstellung  die  Welt  im  Norden  eigentlich  schon  mit  den 
Städten  Massilia  und  Narbo  und  Tolosa  abschliesst,  was  nörd- 
licher liegt,  kommt  anläselich  des  gallischen  Krieges  vorüber- 
gehend in  seinen  Gesichtskreis,  kann  ihn  aber  nicht  interessiren. 
So  kann  ich  aus  mannigfachen  Gründen  Schmidts  Hoffnung  nicht 
theilen,  'dass  der  nächste  Herausgeber  der  Atticusbriefe  endlich 
der  bisher  verschmähten  Emendation  {Genuae  vos)  zu  ihrem 
Rechte  verhelfen  werde',  kann  vor  allen  den  Combinationen  über 
die  Herkunft  der  He.  Z,  welche  an  diese  falsche  Conjectur  ge- 
knüpft werden,  nicht  den  geringsten  Werth  beimessen,  obgleich 
er  sie  uns  nun  schon  zum  dritten  Male  empfiehlt.  —  Damit  sind 
Schmidts  neueste  Conjecturen  erledigt,  [die  jetzt  auch  Schiebe 
aaO.  sämmtlich  abgelehnt  hat]. 

Steglitz.  Ludwig  Gurlitt. 

^  Auch  das  spricht  gefren  die  Conjectur  Genuae  vos,  weil  Getunae 
vos  sich  noch  weiter  von  Genuarios  entfernt.  Ja  Cicero  würde  wohl 
Genavaene  vos  geschrieben  haben. 


DER  MAGNET  UND  DIE  ATHMUNG 
IN  ANTIKEN  THEORIEN 


I. 

Lnorez  fordert  za  Eingang  seiner  Abhandlung  vom  Magneten 
(VI  906 — 1089  Lm.)  die  schärfste  Aufmerksamkeit  des  Lesers, 
da  mau  nur  auf  weiten  Umwegen  diesem  Wunder  beikommen 
könne  (917-— 920),  und  findet  gegen  den  Schluss,  dass  es  sich 
um  eine  ganz  gewöhnliche  Erscheinung  handle,  soweit  auszuholen 
also  gar  nicht  nöthig  gewesen  wäre  (1081  — 1083)*.  In  diesem 
Widerspruch  gewahrt  Munro  (notes  zu  v.  1089)  ein  Geständnies 
des  Unvermögens:  after  dwelling  at  inordinate  length  on  the 
early  parte  of  this  question,  he  hurries  on  at  the  end,  and 
finishes  abruptly,  as  if  he  feit,  what  is  indeed  the  truth,  that 
he  had  after  all  quite  failed  in  Clearing  up  the  mystery.  Das 
trifft  aber  den  Ausleger,  nicht  den  Dichter.  Die  erst  betonte, 
dann  geleugnete  Nothwendigkeit  der  ambages  vermag  Munro  nicht 
zu  erklären  und  meint  darum,  Lucrez  sei  mit  der  Erklärung  des 
Magneten  nicht  fertig  geworden.  So  kurzer  Hand  lässt  sich  der 
Anstoss  nicht  beseitigen,  und  eindringende  Untersuchung  des  Ka- 
pitels scheint  unumgänglich.  Die  Fragen  nach  der  inneren  Folge- 
richtigkeit der  Gedanken  und  nach  ihrer  äusseren  Herkunft  sind 
zugleich  zu  stellen;  Einsicht  in  das  Wesen  dichterischer  Con- 
ception  und  Analyse  der  Quellen  müssen  sich  gegenseitig  fördern 
und  zur  erreichbaren  Klarheit  verhelfen.  Auch  können  wir  uns 
der  Hoffnung  nicht  begeben,  von  da  aus  die  Stellung  dieses  Ab- 
schnitts im  sechsten  Buche  besser  zu  verstehen   als   es  der  vor- 


^  Es  heisst  die  Schwierigkeit  umgehn,  nicht  heben,  wenn  Creech 
den  Vera  1081  nur  auf  die  vorangehende  Aufzählung  bezieht:  *nec 
mihi  fas  est  tarn  multam  operam  in  illis  enumerandis  consumere*. 
Das  Wort  ambages  findet  sich  bei  Lucrez  nur  an  diesen  zwei  Stellen. 
Munro  bemerkt:  '108 1  comp.  919:  the  one  eeeme  almoat  to  be  written 
with  nference  to  the  other*. 


364  Fritzsche 

gefaesten  Meiimng  von  dem  unfertigen  Zustande  des  Gedichtes 
bisher  gelang.  Ich  nenne  diese  Meinung  vorgefasst,  denn  man- 
gelnde Erkenntniss  der  Zusammenhänge  beschuldigte  lieber  den 
Dichter  als  sich  selbst  der  Unfähigkeit,  um  ihn  darauf  durch  die 
Formel:  *  ultima  manus  non  accessit  wiederum  zu  entlasten. 
Dem  entgegnen  wir,  dass  jene  ünfertigkeit  eine  Hilfe  Vorstellung, 
keine  in  der  Sache  gegründete  Voraussetzung  ist.  £ine  bequeme 
Ausflucht  allzu  zeitiger  Beruhigung,  scheidet  sie  aus,  wo  immer 
Absicht   und  Anlage  des  Autors   zureichende  Motive   gewähren^. 

Mit  Recht  spricht  Munro  von  'aussergewöhnlicher  Länge^ 
Lucrez  wendet  an  den  Magneten  184  Verse  und  diese  Ausführ- 
lichkeit gegenüber  der  Behandlung  anderer  Phänomene  ist  nicht 
selbstverständlich.  P.  Rusch  hat  in  seiner  Dissertation  *De  Po- 
sidonio  Lucreti  Cari  auctore  in  carmine  de  rerum  natura  VI' 
(öriphiswaldiae  1882)  den  Einfluss  des  Poseidonios  bis  an  die 
Schwelle  unsres  Capitels  festgestellt^  nicht  darüber  hinaus.  Bei 
Seneca  wird  des  Magneten  nicht  gedacht,  Plinius  müht  sich  nir- 
gends ernsthaft  um  die  Lösung  des  Räthsels^,  es  ist  unwahr- 
scheinlich, dass  der  Magnet  in  die  Reihe  der  παράοοΕα  gehörte, 
es  ist  ausgeschlossen^,  dass  die  bis  v.  905  befolgte  Tradition 
den  Dichter  zu  einer  so  umständlichen  Erörterung  geführt  hätte. 

Wie  begreift  sich  also  die  Vorliebe  des  Lucrez  gerade  für 
den  Magneten?  Wir  lesen  bei  Cicero  de  div.  1  39,  86 : '  *Cur  fiat 
quidque,  quaeris.  Recte  omnino;  sed  non  nunc  id  agitur;  fiat 
necne  fiat,  id  quaeritur.  Ut  si  magnetem  lapidem  esse  dicam, 
qui  ferrum  ad  se  adliciat  et  attrahat,  rationem,  cur  id  fiat,  ad- 
ferre    nequeam,    fieri    omnino    neges.     Quod   idem   facis  in  divi- 


^  S.  auch  R.  Heinze  S.  45  seines  Commentars  zum  dritten  Bncbe. 

8  Vgl.  dazu  Briegere  Bedenken  Bure.  Jb.   Bd  .S9(1884)  S.  198  flf. 

*  Man  findet  die  PliniusstcUen  aufgeführt  in  Albert  Palms  Schrift 
Der  Magnet  im  Alterthum*  (Pg.  v.  Maulbronn-Stuttgart  18<)7).  Ich 
citire  dankbar  diese  belesene  Arbeit. 

^  Die  Paradoxographen  berichten  von  Dingen  und  Wesen,  die 
der  gewöhnlichen  Erfahrung  widerstreiten,  sei  es  weil  sie  an  bestimmten 
Oertem  haften,  sei  es  weil  sie  (wie  Gewohnheiten  und  EigenschafteD 
selbst  verbreiteter  Thiere)  dem  oberflächlich  llioblickenden  sich  ent- 
ziehen. Diese  Εέναι  iOTopiai  (Wilamowitz  Antig.  ^.  25)  fordern  gut- 
gläubige Leser;  der  Magnet  aber  lag  vor  aller  Augen.  —  Dass  die  va- 
pdöoSa  durch  den  Abschnitt  über  den  Magneten  abgeschlossen  werden, 
suchte  Stuerenburg  *i)e  carm.  Lucr.  primo'  (dies.  Lips.  1874)  zu  er- 
weisen ans  dem  Gebrauche  der  Formel  quod  superest.  Aber  Vahlen 
Mb.  d.  Berl.  Ak.  1877  S.  488  hat  diese  Induction  widerlegt. 


t)er  Magnet  und  die  Athmung  in  antiken  Theorien  S65 

natione'.  Der  Magnet  dient  hier  als  Paradigma  des  mierklär- 
baren  und  dennoch  wirklichen;  daRS  aber  Cicero  dies  Paradigma 
nicht  aufe  Gerathewohl  heran pgegri ff en  hut,  crweiet  als  später 
Zeuge  noch  Pe.  Alexander  Aphr.  (in  Idelers  Physici  et  medici 
Graeci  I  p.  4),  der  den  Magneten  unter  die  δλυτα  παντελώς 
rechnet,  θ€ψ  μόνιυ  γνώριμα,  τψ  και  την  τούτων  ούσίαν  ύπο- 
στήσαντι®. 

Der  Anklang  der  Verse  910—  916  an  das  Gleichnisn  im 
platonischen  Ion  p.  533®  ώστ'  ενίοτε  όρμαθός  μακρός  πάνυ 
σιδηρών  δακτυλίων  έΕ  αλλήλων  ήρτηται*  πάσι  bi  τούτοις  έΗ 
εκείνης  της  λίθου  ή  δύναμις  άνήρτηται  ist  schon  von  Giovanni 
Battista  Pio  bemerkt   worden: 

quippe  catenam 
saepe  ex  anellis  reddit  pendentibns  ex  se 
und: 

ex  alioqne  alius  lapidis  vim  vinclaque  noecit 
An  eine  unmittelbare  Benutznng  der  lonstelle  wird  niemand 
denken,  aber  ihre  Beziehung  zur  poetischen  Manie  leitet  uns 
darauf,  dass  jene  Manie  den  Apologeten  der  Mantik  eine  beliebte 
Parallele  bot,  und  wir  erinnern  uns  der  Verehrung,  deren  Piaton 
in  der  mittleren  Stoa  genoss'^.     So   versteht    sich    der  Eifer   des 


^  Vgl.  auch  Psellus  de  lap.  bei  Ideler  aO.  1  p.  *i46  mit  den 
Scblu^sworten  p.  247  und  Plut.  Coiiv.  disp.  II  7  p.  (»41c  (^o  sich  die 
These  der  Unerklärbarkeit  auf  die  Fabel  von  der  Neutral isirung  des 
Magneten  durch  den  Knoblauch  zurückgezogen  hat).  —  Bei  anderer 
Gelegenheit  vertritt  Plutarch  den  gleichen  methodischen  Grundsatz, 
ebend.  V  7  p.  680«  τφ  δέ  αΙτίας  άπορ€Ϊν  άιηστ€ΐσθαι  τήν  Ιστορίαν  ού 
δικαίως. 

^  Vgl.  die  Zusammenstellung  der  Platoncitate  aus  Poseidonios 
ircpl  μαντικής  in  Hartfelders  Pg.  über  die  Quellen  von  Ciceros  zwei 
Büchern  de  divinatione  (Freibnrg  1878)  S.  9  f.  —  Poseidonios  konnte 
übrigens  ancb  seine  συμπάθ€ΐα  φύσβως  (vgl.  C.  Wachsmuth,  Ansichten 
der  Stoiker  über  Mantik  S.  27)  durch  Hinweis  auf  den  Magneten  gut 
erläutern.  —  Die  Fünfzahl  der  Ringe  (quinque  etenim  licet  interdnm 
plaresque  videre,  vgl.  IV  827  quinque  etiam  aut  sex  nt  fieri  simulacra 
suerint,  IV  577  sex  etiam  aut  »eptem  loca  vidi  reddere  voces)  wird  im 
Ion  nicht  benannt,  Philo  de  mund.  opif.  cap.  49  (ed.  L.  Cohn,  Berl. 
18HG  p.  49,  17  καΐ  πέμπτος  τετάρτου  καΐ  frcpoi)  und  Galen  II  ρ.  48  Κ. 
(wo  er  gegen  Kpikur  sich  wendet),  erweisen  aber,  dass  sie  typisch  ist. 
—  Es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  der  Verfasser  des  Ion  dem  Enripidee 
mehr  vcrdiinkt  als  den  Namen  μαγνήτις.  Das  \on  Suidas  aufbehaltne 
Fmgment  aus  dem  Oineus  (571  Nauck.  von  Matthiao  K<*g^•"  Bultmann 


366  Fritzsche 

Lncrez,  die  mechanische  Erklärung  für  ein  Phänomen  darohztt- 
fuhren,  dessen  ünerklärharkeit  die  lanten  wie  die  lanen  Ver- 
theidiger  des  Uehernatürlichen  innerhalb  der  Natur  eben  wieder 
herausstellten  ^. 

U. 

Woher  nun  entnimmt  Lucrez  seine  Waffen  zum  Ansturm 
auf  diese  Position  des  Wunderglaubens?  Man  denkt  zunächst  an 
Epikur,  dessen  Theorie  des  Magnetismus  Galen  nat.  fac.  I  14 
(Kühn  U  p.  44  ff.  Helmreich  [III]  p,  133  ff.  Usener  Epi- 
ourea  fr.  293  p.  208 — 11)  bespricht.  Nach  Epikur  —  soviel  be- 
sagt deutlich  auch  diese  polemisch  getrübte  Darstellung  —  ge- 
schieht die  Anziehung  durch  ein  Umfassen  (π6ρΐπλέκ6(Τθαΐ)  der 
angeiförmig  einander  entsprechenden  End^n  (πέρας  άγκιστριΣι^βς) 
der  beiderseitigen  Atome.  Lucrez  erwähnt  diese  künstliche  Er- 
klärung; aber  wo  und  wie?  Ganz  am  Schlüsse  heisst  es  y.  1087 — 9: 


richtig  gedeutet),  bat  eine  andere  Pointe  als  die  Magnetbrncke  im  Ion. 
Galt  übrigens  zur  Zeit  des  Poscidonios  der  Ion  für  Piatons  Werk,  so 
wäre  damit  noch  nichts  gewonnen  für  die  Frage  der  Autorschaft. 

^  Lucrez  bekennt  sich  v.  908f.  zur  Ableitung  des  Wortes  magnesi 
vom  Lande  der  Magneten.  Handelt  sich's  da  nur  um  eine  populäre 
Belehrung?  ßuttmann  Mus.  d.  AW.  II  S.  48  erklärte  μαγνήτις  (=  μαγ- 
γανήτις)  von  μαγγανάν  (=  μαγγαν€ύ€ΐν).  Hat  stoischer  Hang  zu  be- 
ziehungsreicher Etymologie  das  nämliche  versucht  und  den  Magneten 
als  'Wunderstein'  gezeichnet?  Die  Stelle  des  Ps.  Basilius  de  virg.  18 
(III  p.  606»)  *Ως  σίοηρον  πόρρωθεν  μαγνήτις  τοΟτον  προς  έουτήν  μαχ- 
γανεύΕΐ  (das  Gleichniss  ohne  das  Wortspiel  hat  auch  Lncian  Imag.  1) 
beweist  wenigstens,  dass  griechische  Ohren  den  Anklang  bemerkten. 
—  Lucrez  hätte  also  hier  gegen  eine  stoische  Etymologie  polemisirt 
(vgl.  übrigens  Reitzenstein,  Strassb.  Festschrift  1901  S.  156  ff.).  —  Das 
nebenhin  —  wir  betrachten  hier  nur  die  Theorie  des  Magneten  in  einer 
bestraimten  Richtung.  Zur  Frage  nach  dem  Vorkommen  des  Steins 
und  dem  Wandel  seiner  Benennung  haben  Salmasins  (Exe.  PI.)•  Fal• 
couet  (Mem.  de  l'ac.  des  inscr.  4  [1723]  p.  613—34),  Th.  H.  MarUn 
(Mem.  prds.  ä  l'ac.  d.insc.  VI[l^i60]  p.  391— 411)  mancherlei  zusammen- 
getragen, das  kritischer  Sichtung  gewärtig  bleibt.  J.  Klaproth  *Lettre 
ä  M.  le  baron  Α  de  Humboldt  sur  Tinvention  de  la  boussole*  (Paris 
1834)  bringt  für  das  griechisch-römische  Alterthum  keinen  Ertrag.  In 
Andry  und  Thourets  'Beobachtungen  und  Untersuchungen  über  den 
Gebrauch  des  Magnets  in  der  Heilkunst*  (Uebers.  Lpzg.  1785)  findet 
man  viel  Gelehrsamkeit,  nützliche  Hinweise  bei  Wilh.  Waldmann  im 
Arch.  f.  Gesch.  d.  Med.  I  (1878)  S.  320  ff.  381  ff.  A.  v.  ürbaniUky 
schrieb  ein  Unterhaltungebuch:  'Elektricität  u.  Magnetismus  im  Alter- 
thüme\  Wion-Pest-Lpzg.  1887. 


Der  Magnet  und  die  Athmnng  in  antiken  Theorien  Ηβΐ 

£8t  etiam,  quasi  ut  anellis  hamisque  plicata 
iuter  86  quaedam  poeeint  coplata  teneri; 
quod  magie  in  lapide  hoc  fieri  ferroque  yidetur, 
und    eben    die    conyentionelle    Verbeugung    vor    der    Lehre    des 
Meistere  verräth  uns,  daee  der  Schüler  im  übrigen  ihr  nicht  ge^ 
folgt  war®. 

Also  weder  Poeeidonioe  noch  £pikur  —  die  Forschung  nach 
der  Herkunft  der  Lucrezischen  Magneten theorie  ist  gleichsam 
freigegeben.  Unser  Versuch  aber  wird  auf  eine  analytische 
Wiedergabe  des  Gedankengauges  sich  stützen,  zumal  dessen 
innere  Einheit  und  Widerspruchslosigkeit  nicht  ohne  Weiteres 
sichtbar  und  nicht  von  Anfang  vorauszusetzen  ist. 

921 — 932:  Von  allen  Körpern  erfolgt  eine  stetige,  oft 
sinnrällige  Emanation.  —  936 — 958 :  Alle  Körper  sind  porös, 
weil  überall  die  Mischung  der  Materie  und  des  Leeren  statt- 
findet. —  959  —  978:  Die  Wirkung  der  Emanationen  auf  ver- 
schiedene Körper  ist  verschieden.  979 — 990:  Die  Gestalt  und 
(^apacität  der  leeren  Räume  in  den  Körpern  ist  verschieden.  — 
998  - 1001 :  Die  magnetische  Anziehung  ist  nach  diesen  ali- 
gemeinen Feststellungen  leicht  zu  erklären.  1002 — 1004:  Die 
Emanation  vom  Magneten  zerstreut  die  Luft  zwischen  Magnet  und 
Eisen.  1005  —  8:  In  das  so  entstandene  Vacuum  stürzen  die  Ema- 
nationen des  Eisens,  denen  das  Eisen  selbst  folgt.  1009 — 1011 :  Das 
Eisen  ist  derjenige  Stoff,  dessen  Theile  am  innigsten  zusammen- 
hangen.   1012 — 1016:  Eben  darum  mnss  der  Eisenkörper  seinen 

®  Das  wesentliche  dieser  Theorie  hat  He.  Schröder  'Lukroz  und 
Thucydidee'  (Pg.  v.  Strassburg  1898)  S.  33  f.  richtig  umschrieben:  'Da- 
mit (nach  den  Grundsätzen  seiner  Kanonik)  ein  ^λκ€σθαι  erfolge,  fügt 
Epikur  zu  den  überkommenen  Emanationen  und  dem  Naturgesetz,  dass 
die  Körper  ihren  Emanationen  folgen,  noch  die  περιπλοκή,  deren  Ein- 
führung wiederum  die  άπόπαλσις  fordert*.  Im  übrigen  kann  ich 
Schröder  nicht  zustimmen.  Er  vermuthet  (wie  vor  ihm  Gassen di  Phys. 
sect.  III  Mbr.  1  lib.  3  cap.  4),  dass  Lucrez  die  Absicht  hatte,  über 
Epikurs  Theorie  sich  noch  weiter  zu  verbreiten;  ich  meine,  Lucrez  hat 
die  άπόπαλαις  beschwiegen,  weil  sie  mit  der  vorher  entwickelten  Poro- 
sität und  Durchlässigkeit  der  συγκρίματα  selbst  für  ihn  sich  schwer 
vereinigen  Hess.  (Auch  pflegt  die  Formel  est  etiam  lange  Erörterungen 
nicht  einzuleiten,  vgl.  V  715.  VI  132.  295).  Je  sicherer  die  Ansicht 
durchdringt,  Lucrez  habe  nach  zeitgenössischen  Vorlesungen  gearbeitet 
(Usener,  Epio.  ρ  XXXVl.  Diele,  Elementum  S.  9),  um  so  williger  wird 
man  zugestehen,  dass  an  peripheren  Stellen  des  Systems  aucb.  fremde 
Schulmeinungen  einwirken  kounten,  wofern  sie  nur  der  superslitio  Ab- 
bruch thatcn. 


368  ti'ritzsclie 

Emanationen  folgen,  bie  er  am  Magneten  hängt.  1017—1021 :  Das 
ist  eine  allgemeine  Erscheinung:  wo  immer  ein  Vacaum  entsteht, 
drängen  die  Körper  hinein.  1022  —  1032:  Die  Näherung  des 
Eisens  an  den  Magneten  wird  nach  Entstehung  des  Vacnum  durch 
die  Luft  unterstützt,  die  nachdrängt  auf  der  dem  Magneten  ab- 
gewandten Seite.  Diese  Luft  besetzt  die  Poren  und  treibt  das 
Eisen  vorwärts  wie  der  Wind  das  Segelschiff.  1034 — 1041: 
Dasselbe  bewirkt  die  innerhalb  des  Eisens  —  wie  innerhalb  aller 
Körper  —  fluthende  Luft.  —  1042—1055:  Es  kommt  auch  vor, 
dass  das  Eisen  vor  dem  Magneten  zurückweicht.  Samothrakische 
Ringe  und  Hammerschlag ^^  in  eherner  Schale  gerathen  bei  Nähe- 
rung eines  Magneten  in  unstäte  Bewegung;  die  magnetische  Ema- 
nation erregt  die  Feilspäne,  weil  die  Emanation  vom  Erz  die 
Poren  des  Eisens  inne  hat  und  jener  den  Eintritt  wehrt.  1056— 
1064:  Dass  sich  die  Anziehung  des  Magneten  nur  auf  das  Eisen 
äussert,  kann  nicht  Wunder  nehmen.  Gold  ist  zu  schwer  (=  zu 
wenig  porös),  um  bewegt  zu  werden,  Holz  zu  porös  (^s-  zu 
leicht),  sodass  die  Emanation  hindurchgeht,  ohne  Widerstand  zu 
finden.  Das  Eisen  steht  nach  seiner  Porosität  (=  Schwere)  in 
der  Mitte  und  so  begreift  sich  die  specifische  Wirkung  des 
Magneten.  —  1065 — 1080:  Die  specifische  Eignung  des  Eisens 
für  den  Magneten  hat  viele  Analoga:  Stein-Kalk;  Leim- Holz; 
Wein- Wasser;  Purpur-Wolle;  Chrysokoll-Gold ;  Erz-BleL  1084— 
1086:  Wo  Convexes  und  Concaves  {materies  und  inane)  cor- 
respondiren,  da  ist  die  Verbindung  zweier  Körper  am  festesten. 
1087 — 1089:  Solche  Verbindung  kann  man  sich  auch  durch  Oesen 
und  Haken  bewirkt  vorstellen. 

Alexander  von  Aphrodisias  bespricht  quaest.  nat.  et  mor. 
U  23,  136  f.  (p.  72  f.  Bruns)^^  die  Magnettheorien  des  Empe- 
dokles  und    des  Demokrit.     Beide   waren    dem  Lucrez    mittelbar 

10  Bei  den  Samothrakischen  Ringen  (vgl.  Plin.  N.  H.  33,  23  dort 
Silligs  Note.  leid.  Hisp.  orig.  19,  32,  Γ))  wirkt  das  dem  Eisen  ange- 
gelegte  Gold  wie  das  Erz  der  Schale  beim  Hammerschlag.  Hören  wir 
da  von  einem  Orakelspiel,  gegründet  auf  die  von  Lucrez  falsch  ver- 
standene Polarität  des  Magneten,  die  Manetho  (bei  Plut.  Is.  et  Os.  62 
p.  37G»»)  auf  Heros  und  Typhon  symbolisirt?  Propert.  IV  5,  9  'Dia 
velit,  poterit  magncs  non  ducere  ferrum*  wäre  dann  wörtlich  zu  nehmen, 
vgl.  noch  C.  0.  Müller,  Orchomenos.    2.  A.  S.  444  Anm.  2. 

^^  Diesen  Tractat  charakterisirt  Rose  Ariat.  ps.  p.  242.  Die  von 
Alexander  im  Verfolg  besprochene  Lehre  des  Diogenes  von  Apollonia 
(vgl.  Diels  Vh.  d.  35.  Philol.-V.  [Stettin  1881]  S.  106  f.)  ist  fBr  unsere 
Untersuchung  ohne  Belang. 


tkr  Magnet  und  die  Atbmnng  in  antiken  l*heorien  369 

oder  unmittelbar  gewiss  bekannt,  nnd  der  Abeebnitt  1002—1021 
zeigt  sicbere  Sparen  ibres  Einflusses.  Empedokles  lebrte  die 
Verdrängung  der  Luft  durcb  den  magnetiscben  Strom :  ai  μέν 
γάρ  τούτου  άπόρροιαι  τόν  αέρα  τόν  ίτχ\  τοις  τοΟ  σιδήρου  πό- 
ροις  άτπυθοΟσί  τε  κα\  κινουσι  τόν  έπιπωματίΣοντα  αυτούς* 
τούτου  οέ  χιυρισθίντος  άθρόςι  άπορροίςι  ^εούση  τόν  σίοηρον 
ίπ€σθαι. 

Dem  Demokrit  gebort  der  Hinweis  auf  die  dicbtere  Structur 
des  Eisens  und  den  Drang  der  Körper  ins  Leere :  λαμβάνει  τό 
τήν  λίθον  κα\  τόν  σίδηρον  έΗ  ομοίων  ατόμων  συτκεϊ(Τθαι,  λεπ- 
τότερων hk  τήν  λίθον  και  .  .  είναι  άραιοτέραν  τε  καΐ  πολυ- 
κενωτίραν  αυτήν  είναι  ....  vorber:  6  Δημόκριτος  hk  κα\ 
αυτός  απόρροιας  τε  γίνεσθαι  τίθεται  καΐ  τά  δμοια  φέρεσθαι 
προς  τά  δμοια,  άλλα  καΐ  εΙς  τό  κενόν  (so  conjioiren  für  κοινόν 
Palm  und  Diels)  πάντα  φέρεσθαι. 

ν.  1022—1041  lässt  uns  diese  Tradition  im  Stiob.  Empe- 
dokles und  Demokrit  wissen  nicbts  von  der  Beibülfe  des  Luft- 
drucks. Wir  begreifen  nun,  warum  Lucrez  im  vorbergebenden 
Abeebnitt  einen  Hauptpunkt  der  demokritiscben  Lebre  ignorirte: 
das  Eindringen  der  Magnetatome  in  die  symmetriscben  Poren 
des  Eisens,  denn  dort  wäre  für  drängende  Luft  kein  Platz  ge- 
wesen. Wir  erstaunen,  dass  in  der  folgenden  Erklärung  des 
unter  magnetisober  Einwirkung  bewegten  Hammersoblags  in 
eherner  Scbale  das  Eindringen  des  magnetiscben  aesttis  in  den 
Eisenkörper  vorausgesetzt  wird.  Wie  löst  sieb  dieser  Wider- 
spruch ? 

Bei  Plutarcb  Quaest.  Piaton.  VII  7  p.  1005^  finden  wir  fol- 
gende Ausführung:  τό  b'  ήλεκτρον  ovbkv  ίλκει  τών  παρακει- 
μένων ώσπερ  oub*  ή  σώηρΐτις  λίθος,  ούοέ  προσπηοςΐ  τι  τού- 
τοις άφ'  αύτου  τών  πλησίον '  άλλ'  ή  μέν  λίθος  τινάς  άπορροάς 
έ^ίησιν  εμβριθείς  κα\  πνευματώδεις,  αίς  ό  συνεχής  αναστελλό- 
μενος άήρ  ώθεΐ  τόν  πρό  αύτου*  κάκεινος  έν  κύκλψ  περιιών 
και  ύπονοστών  αύθις  έπι  τήν  κενουμίνην  χώραν  άποβιά2^εται 
καΐ  συνεφέλκεται  τόν  σίδηρον.  Es  scheint  mir  zweifellos,  dass 
die  oine  Quelle  des  Lucrez  der  des  Plutarcb  benachbart  war.^ 
Beide  Darstellungen  nehmen  von  der  empedokleisob-demokriti- 
sehen  Theorie  ihren  Ausgang,  geben  ihr  aber  eine  neue  Wendung 
durch  Einführung  des  äusseren  Luftdrucks  und  Verzicht  auf  die 
Durchdringung  des  Eisens  mit  magnetischem  aestus.  Bei  Empe- 
dokles und  Demokrit  ist  die  Emanation  vom  Magneten  unmittel- 
bare Ursache   der  Näherung  des  Eisens,   bei  Plutarcb   und  nach 

BlMiD.  Mim.  t.  PhUoL  M.  F.  LVIL  24 


870  Fritzsche 

der  zweiten  Tradition  des  Lucrez  mittelbare,  sofern  die  Stärke 
der  Emanation  den  Luftdruck  zur  Wirksamkeit  bringt  ^^  Die 
Vereinigung  der  beiden  Theorien  ist  dem  Dichter  bis  v.  1041 
leidlich  gelungen,  von  da  an  wird  scheinbar  die  zweite  Quelle 
ausser  Acht  gelassen  und  die  specifische  Affinität  von  Magnet 
und  £isen  nach  der  ersten,  demokritischen  Theorie  abgehandelt. 
Scheinbar.  Denn  Plutarch  fahrt  fort  p.  1005^  6  σίδηρος  OÖr'  δγαν 
όραιός  έστιν  ώς  Εύλον  οοτ*  δγαν  πυκνός  ώς  χρυσός  ή  λίθος, 
άλλ'  ίχει  πόρους  και  οΐμους  και  τραχύτητας  bia  τάς  ανωμα- 
λίας τψ  αέρι  συμμέτρους,  ώστε  μή  άπολισθάνειν  άλλ'  ibpaiq 
τισιν  ένισχόμενον  και  άντερείσεσι  περιπλοκήν  σύμμετρον  έχού- 
σαις,  ώς  δν  έμπαση  προς  τήν  λίθον  φερόμενος,  άποβιάΣεσθαι 
και  προιυθεΐν  τόν  σίοηρον.  Die  Aehnlichkeit  mit  y.  1058  ff. 
springt  in  die  Augen,  zugleich  aber  eine  bedeutsame  Abweichung. 
Beide  behaupten  die  besondere  Eignung  der  Eisenporen  gegenüber 
denen  des  Holzes  und  des  Goldes;  bewegendes  Element  jedoch 
ist  bei  Plutarch  der  durch  den  magnetischen  aestus  wirksam  ge- 
wordene Luftdruck,  bei  Lucrez  der  magnetische  aestus  selbst.  — 
Ich  formulire  das  Ergebniss  meiner  Analyse:  Zwei  Theorien,  die 
des  Demokrit  und  eine  andere,  die  in  reinerer  Gestalt  bei  Plu- 
tarch sich  findet,  versuchte  Lucrez  aufeinander  abzustimmen,  doch 
hat  er  volle  Harmonie  nicht  erreicht^*. 

Epikur  verstattete  seinen  Anhängern  für  die  Erklärung  ein- 
zelner Phänomene  freien  Spielraum.  Von  dieser  Lioenz  macht 
Lucrez  im  sechsten  Buche  den  reichlichsten  Gebrauch.  Ihm  eigen- 
thümlich  ist  aber  ein  Verflechten  der  Theorien,  die  im  Bereiche 
der  Schule  angeboten  wurden.  Lucrez  sagt  ei-ei,  wo  di^  Schule 
vel'Vel  vorgesehen  hatte.    Die  Einleitung  zum  Magnetcapitel  (921— 


^2  Ve.  1003  wird  aestus  ausdrücklich  synonym  mit  semina  ge- 
braucht. Wir  wiesen,  dass  es  von  Lucrez  auch  im  Sinne  von  'Luft- 
Strom*  verwandt  wird  —  so  schwankt  der  Inhalt  des  Wortes  wie  die 
Vorstellung  des  Dichters. 

^^  J.  Woltjer,  Lucretii  philosophia  cum  fontibns  comparata  (Gio- 
ningae  1877)  p.  157  f.  hat  die  doppelte  Üeberlieferung  bemerkt,  docb 
glaub'  ich,  man  kommt  zu  besserem  Scbluss,  wenn  man  v.  1022  und 
1U42  statt  1065  die  Naht  im  Gewebe  sucht.  —  10J4-39  steuert  Lucrez 
aus  eigenen  Mitteln  noch  bei  die  Selbstbewegnng  der  Luft  im  Innern 
des  Mn;;^neten  (er  glaubt  auch  hier  das  Argument  zu  stärken  und 
scliwäeht  es  für  nüchterne  Betrachtung).  Die  Anschaunng  durch• 
stürmtrr  Höhlen  schwinjit  nach,  die  gegenüber  den  Erdbeben  (v.  Γ»79) 
uiid  dem  Aetna  (o}54)  ihn  ergriflen  liatte. 


Der  Magnet  und  die  Aihmuiigr  in  antiken  Theorien  371 

990)  ist  durchauR  angelegt  auf  eine  Behandlung  des  Probleme 
im  demokritischen  Sinne.  Hauptsätze  der  atomistischen  Physik 
werden  umständlich  recapitulirt,  des  Luftdrucks  mit  keinem  Worte 
gedacht.  Nun  spricht  Luorez  von  dem  dichten  Bau  des  Eisens, 
als  welcher  die  Anziehung  vollkommen  erkläre.  Er  sieht  den 
Leser  noch  ungläubig  und  ruft  die  Luft  zu  Hilfe,  ohne  zu  be- 
denken, dass  er  damit  die  Kraft  des  ersten  Beweisgrundes  schwächt. 
Die  Fülle  der  Argumente  soll  wirken,  für  ihre  Geschlossenhjeit 
fehlt  es  dem  Lucrez  an  kritischem  Scharfblick.  —  Sagte  ich,  er 
habe  volle  Harmonie  nicht  erreicht,  so  versteht  sich  das  von  un- 
serem Standpunkt  —  wir  fordern  von  diesem  Gedichte  die  Con- 
sequenz  eines  naturwissenschaftlichen  Lehrbuchs  und  messen  den 
Dichter  am  Massstab  einer  Logik,  von  der  seine  Seele  nichts 
ahnte.  Zu  dieser  Poesie  gehört  eine  rührende  Naivität  gegen- 
über dem  Satze  des  Widerspruchs.  Die  Emphase  des  Lucrez,  in 
lebhafter  Zwiesprache  mit  dem  wundergläubigen  Leser,  durch- 
bricht den  vorgezeichneten  Plan,  wo  immer  ein  neues  Zeugniss 
zu  Diensten  steht.  Mögen  wir  bemerken,  dass  da  Eäthsel  blei- 
ben, dass  die  Erscheinung  nicht  erledigt  ist,  Lucrez  fühlt  sich 
als  Sieger  und  schliesslich  scheint  ihm  der  Feind  der  aufge- 
wandten Streitmacht  kaum  würdig.  So  und  nicht  als  eine  Ca- 
pitulation  fasse  ich  die  Verleugnung  der  ambages, 

III. 

Wo  suchen  wir  die  Quelle  der  Theorie  vom  Luftdruck?  — 
Gegen  Demokrits  Ansicht  bestand  ein  Bedenken,  das  Alexander 
von  Aphrodisias  aO.  einem  früheren  Kritiker  (dem  Aristoteles?) 
nachspricht :  άλλα  τό  μέν  τήν  λίθον  και  τον  σίοηρον  Ü  όμοιων 
συγκ€ΐσθαι  οίΕαιτ'  δν  τις,  πώς  bi  και  (Bruns  für  εΙς)  τό  ήλεκτρον 
και  τό  δχυρον,  δτι  και  έπ'  εκείνων  λέγει  (Spengel  für  λέγεται) 
ταύτην  τήν  αΐτίαν ;  έτι  πολλά  έλκόμενα  ύπό  του  ήλεκτρου,  οΤς 
πάσιν  εΐ  έΗ  όμοιων  σύγκειται,  κάκεϊνα  έΗ  όμοιων  άλλήλοις 
συγκείμενα  ίλκοι  άλληλα. 

Weiter  hatte  Straten  (bei  Simplioius  in  Arist.  phys.  p.  663,  3. 
652,  21,  vgL  Diels  Sitz.-Ber.  d.  Berl.  Ak.  1893  S.  113  f.)  die 
magnetische  Anziehung  als  Argument  für  das  κενόν  zurück- 
gewiesen, da  vielmehr  das  κενόν  eine  Hypothese  zur  Stütze  der 
ϊλΕις  sei.  Diesen  Vorwurf  der  petitio  principii  spürte  Epikur 
und  so  erfand  er  seine  Häkchen  und  Oesen  und  die  άπόπαλσις 
der  aufprallendeo  Emanationen  —  aber  dadurch  wurde  ςίη 
neuer  Zweifel   aufgeweckt  —   die    magnetische  Brücke,   die  nacb. 


3?3  Fritzsohe 

Demokrit  noch  yeretändlicb  war,  stimmte  nun  nicht  zn  Epiknre 
tüfteliger  Voretellang    (vgl.  Galen  II  p.  48  K.)•  —    Wer  jedoch 
die    Laft    als    motorisches    Element    einführte,    hednrfte    nicht 
mehr   jener   prohlematischen    Symmetrie    der    Emanationen    und 
der    Poren  nnd  hrancbte  sich  anch  nicht  mehr^^  auf  den  Drang 
der  Körper    ins  Leere    zu    berufen.      Wie  eine   von  aussen   wir- 
kende Kraft,  die  Hand  des  Färbers,  Purpur  und  Wolle  unlöslich 
verbindet,    so    schiebt    die  Luft    den  Eisenring   au    den  Magnet- 
stein.    Der  Magnetismus  verlor  den  Charakter  spontaner  Attrac- 
tion  und  Hess  sich  den  von  Lucrez  v.  1066  ff.  aufgezählten  Er- 
scheinungen specifisoher  Adhäsion  angliedern.     Anch  die  magne- 
tische Brücke  fügt  sich  ein  —  der  Luftdruck  wirkt  weit  genug, 
um  fünf  und  mehr  Ringe  aufeureihen.     Hier   hatte   man  endlich 
eine  mechanische  Erklärung,  die  dem  ferrvm  vivum  des  imperi- 
tum  vulgus  (Plin.  N.  H.34,  147)  die  Lebenskraft  austrieb.    Durch 
den    άήρ    ύπονο(Ττών  war  jegliche    ολκή    ausgeschaltet,    sowohl 
die  offenbare  einer  φυσική    ουναμις   oder  οΙκ€ΐότης   ποιότητος 
(s.  Gal.  Π  206  Κ.)  als    die    verschleierte    einer   φορά  προς  τό 
κενόν.    Der  aber,  dem  Lucrez  zunächst,  die  ολκή  am  radioalsten 
bestritt,  war  Asklepiades  von  Bithynien  ^^,  s.  Ghden  II  p.  45  f.  K. 

1*  Der  Einwand  Alexanders  gegen  Demokrit  trifft  nicht  die  von 
Plutarch  aufbehaltene  Theorie.  Die  Poren  des  Eisens  sind  nach  Pla- 
tarch  dem  άήρ  angepasst,  der  vom  Magneten  herweht;  das  vom  ge- 
riebenen Bernstein  ausströmende  φλογοειοές  ist  viel  schwächer  als  die 
όπορροαΐ  εμβριθές  καΐ  πνευματώδεις  des  Magneten,  darum  setzt  der 
Bernstein  viel  weniger  Luft  in  Bewegung  und  es  werden  nur  ganz 
leichte  Gegenstände  zu  ihm  herangeführt;  Dass  es  dazu  eines  Ein- 
dringens der  Luft  in  die  Poren  dieser  κουφότατα  καΐ  ξηρότατο  über- 
haupt bedürfe»  wird  nicht  gesagt,  vielleicht  genügt'  sie  zu  bewegen  der 
Druck  auf  ihre  Aussenfläche;  aber  selbst  wenn  di«*ee  dem  Bernstein 
zufalK^nden  Dinge  πόρους  τφ  αέρι  συμμέτρους  hätten,  würden  sie  auf- 
einander nicht  wirken  wie  der  Bernstein  auf  jegliches  von  ihnen,  weil 
sie  ja  keine  Luft  in  Bewegung  setzen.  Man  sieht,  wie  die  Einführung 
der  Symmetrie  zwischen  Poren  und  Luft  statt  zwischen  Poren  nnd 
Emanation  Schwierigkeiten  beseitigt. 

tA  Ueber  Asklepiades  im  allgemeinen  s.  C.  0.  Gumpert:  Asde- 
piadis  Bitbyni  fragmenta.  Vinariae  1794.  K.  F.  Bnrdach  schrieb  über 
Askl.  und  John  Brown  eine  geistreiche  Parallele  (Lpzg.  1800),  bedach- 
tiger als  die  entbusiasmirten  Italiener  G.  F.  Bianohini  (La  med.  d'AsoK 
Venezia  1769)  u.  Ant.  Cocohi  (Discors.  Fior.  1754,  in  den  Disoorai  e 
lottere,  Milano  1824.  Ip.  2()7-323).  Neuere  Litteratur  bei  C.  Bäumker: 
Problem  d.  Materie  S  325  Γ,  Sus.  mihi  AI.  L.  G.  II  S.  4if8  ff.,  Wellmunn 
in  Pauly-Wisiowas  R.  £.,   dazu    noch  Diels  im  Index  nominum   seiner 


Der  Magnet  und  die  Athroung  in  antiken  Theorien  373 

(p.  134  He.):  Άσκληπιάδης  bk  τό  T€  τής  €ΐρημίνης  αίτιας  (de 
Theorie  Epiknre)  άπίθανον  ύπιοόμ€νος  και  μηοεμίαν  δλλην  έφΓ 
οίς  ύπίθ€το  στοιχείοις  έΗευρίσκιυν  πιθανήν  έπι  τό  μφ*  δ\ως' 
ίλκεσθαι  λέγειν  υπό  μηδενός  μηδέν  άναισχυντήσας  έτράπετο. 
Galen  meint  (ρ.  133  He.),  der  Magnetismus  hätte  eigentlich  Un- 
gläuhige  von  der  Anziehung  verwandter  Qualitäten  überzeugen 
sollen:  τίς  οΰν  ή  άδολείΤχία;  ή  ίνδοΕος  αυτή  κα\  πολυθρύλητος 
λίθος  ή  τόν  σίδηρον  έπισπωμένη.  τάχα  γαρ  Sv  αυτή  ποτέ 
τήν  ψυχήν  αυτών  έπισπάσαιτο  πιστεύειν  είναι  τινας  έν  έκάστψ 
των  σωμάτων  έλκτικάς  τών  οΙκείων  ποιοτήτων  δυνάμεις.  Die 
Verneinung  solcher  δυνάμεις  ist  das  Α  und  Ο  des  asklepiadei- 
fichen  Systems.  Asklepiades  durfte  die  Anziehung  des  Eisens 
nimmer  zugestehen,  zumal  sie  von  den  Gegnern  mechanischer 
Biologie  als  anorganisches  Analogen  der  eigenthtimlich  organischen 
Kräfte  verwendet  wurde  ^•. 

Aber  aus  Galen  erfahren  wir  ja  nur,  Asklepiades  habe  die 
Anziehung  geleugnet  —  dass  er  den  Luftdruck  zum  Ersatz  her- 
beirief, wird  nicht  gesagt.  Zwar  durch  die  Entfernung  der  ολκή 
wurde  die  Annahme  eines  bewegenden  Elements  bedingt  Lässt 
sich  erschliessen,  was  sich  nicht  belegen  lässt,  dass  Asklepiades 
als  solches  Element  die  Luft  ansprach?  Longis  ambagibus  est 
adeundum. 


Ausg.  des  Anonymus  Londinensie  und  S.  42  der  Schrift  'Elementam*. 
Well  mann  Pn.  Schule  S.  55  ff.  Anm.  2.  Von  Asklepiades'  Lehren 
berichten  uns  die  schlecht  verhehlte  Missganst  der  ihm  verpflichteten 
methodischen  Schule  (Soran-Caelins)  und  der  keifeude  Widerspruch  des 
Galen  —  nur  Celsus  urtheilt  unbefangen.  Der  Klatsch,  den  Plinius 
weiterträgt  (schon  liayle  hat  ihn  abgefertigt)  darf  den  Asklepiades 
noch  nicht  zum  Charlatan  stempeln  und  wenn  er  wohl  einen  leidliehen 
Stil  schrieb,  war  er  darum  doch  mehr  als  *un  type  curieax  de  modecin 
bcau  parleur*  (Croiset  lit.  gr.  V  p.  300).  —  Wie  Asklepiades  durch  die 
Geltung  des  Caelius  Aurelianus  im  M.  A.  herüberwirkt  auf  die  moderne 
Corpnsculartheorie,  hat  Kurd  Lasswitx  i.  d.  Vjsoh.  f.  wiss.  Pbilos.  ΙΠ 
(1879)  S.  408  ff.  und  an  mehreren  Stellen  seiner  Geschichte  der  Ato- 
mistik dargelegt. 

^*  Auf  diese  Analogie  —  nur  aus  erweiterter  Ansicht  des  Magne- 
tismus, baute  noch  vor  hundert  Jahren  der  deutsche  Naturphilosoph: 
*Der  allgemeine  Magnetismus  wird  das  seyn,  was  der  Sensibilität  in 
der  Anssenwelt  entspricht,  oder,  dieselbe  letzte  Ursache,  welche  in  der 
allgemeinen  Natur  Ursache  des  allgemeinen  Magnetismus  ist,  wird  Ur- 
sache der  Sensibilität  in  der  organischen  Natur  seyn*:  so  Schelling 
im  'Ersten  Entwurf  eines  Systems  der  Naturphilosophie*.  Werke  1  Abtb. 
m  8.  218. 


374  F  Γ  i  t  ί  8  c  h  β 

IV. 

Bei  Aetius-Plut.  Plac.  phil.  IV  22,  2  (p.412f.  Diele)  wird 
uns  überliefert,  wie  Asklepiades  die  Atbmang  erklärte.  J.  F.  K. 
Hecker  in  seiner  Geschichte  der  Heilkunde,  einem  Werk  pragma- 
tischen Geistes,  Bd.  I  S.  375  beobachtete  'einige  Aehnlichkeit* 
dieser  Theorie  mit  der  platonischen.  Der  Hinweis  ist  wichtig, 
kann  aber  nicht  genügen.  Zudem  befremdet  im  Gefolge  Piatons 
ein  Arzt,  den  wir  ganz  nahe  bei  den  Epikureern  zu  finden  ge- 
wohnt sind.  Es  gilt  die  Aehnlichkeit  der  Theorien  genau  zu 
umschreiben.  Wir  betrachten  zuerst  die  Athmungslehre  des  Piaton 
nach  dem  Texte  des  Timaios  p.  77  ff.^''. 

Piaton  handelt  vom  Athem  im  Zusammenhange  mit  der  Er- 
nährung: Das  sterbliche  Lebewesen  ist  anatomisch  fertig  (πάντ* 
fjv  τα  του  θνητού  Σψου  Ηυμπεφυκότα  μίρη  και  μέλη  76*^  f.), 
sein  physiologisches  Dasein  ist  zu  gründen  und  zu  sichern  gegen 
die  Auflösung  durch  Feuer  und  Luft.  Die  Götter  schufen  also 
die  Pflanzen  als  Lebewesen  niederer  Ordnung  (ακτθ'  2τ€ρον  ίψον 
είναι),  [damit  sie,  von  den  höheren  Lebewesen  als  Nahrung  auf" 
genommen,  diesen  stetig  die  durch  Auflösung  in  Luft  und  Feuer 
abgehende  Erd-  und  Wassersubstanz  ersetzen].  Die  aufgenom- 
menen Pflanzenstoife  erhalten  und  stärken  den  thierischen  Körper, 
nachdem  sie  die  Form  des  Blutes  erhalten  haben.  Wie  geschieht 
diese  Verwandlung  der  Rohstoffe  in  Blut  und  welcher  Art  wird 
dies  Blut  über  den  ganzen  Körper  vertheilt?  Platons  Vorstellung 
verharrt  im  Bereich  der  Pflanzenoultur,  von  der  zuvor  die  Rede 
war,  und  er  vergleicht  den  thierischen  Körper  einem  Garten,  den 
die  Götter  mit  Kanälen  durchziehen.  Diese  Kanäle  sind  die 
Adern.  Piaton  nennt  die  beiden  Rückenadem  zu  Seiten  der 
Wirbelsäule  als  die  Hauptlinieu  des  Kanalsystems  und  bespricht 
den  cbiastischen  Anschluss  des  Kopfes  an  den  Rumpf  durch  die 
Adern. 


^^  Ich  bin  mir  bewusst,  dass  jede  Paraphrase  platonischer  Sätze 
eine  Vergröberung  ihres  Gehaltes  einschliesst  und  besonders  hier,  wo 
ein  pliysiologiscbos  Bild  wie  im  Schattenrisse  hingeworfen  ist.  Das 
Ahnungsreiche  geht  verloren.  Dennoch  pehe  ich  kein  anderes  Mittel, 
was  mir  deutlich  schien,  anderen  mitzutheilen.  Abweichungen  meiner 
Ansicht  von  den  Commentatoren  Stallbaum  und  Archer-Hind  (Lond. 
1888)  habe  ich  nicht  einzeln  angegeben,  auf  Th.  H.  Martins  Etades  sur 
leTimee  de  Piaton  (2  voll.  Paris  1841)  mich  häufig  zu  berufen  war  kein 
Anlas«,  Fz.  Susemibls  Bedachtsamkeit  in  den  Noten  zu  seiner  üebrr- 
setzuug  (Stuttg.  1δ5β)  verdient  das  meiste  Lob. 


Der  Magnet  und  die  Athmung  in  antiken  Theorien  375 

Das  Eanalbett  ist  ausgehoben,  aber  noch  trocken  —  wie 
kommt  die  Wasserleitung  zu  Stande?  Der  Garten  nämlich,  der 
bewässert  werden  soll,  Hegt  oberhalb  der  spendenden  Quelle. 
Ohne  Bild  gesprochen,  wie  wird  Nahrung  aus  der  Bauchhöhle  in 
Blut  verwandelt  den  Adern  zugeleitet?  Antwort:  durch  stetig 
auf-  und  abschwebendes  Feuer.  Das  Feuer  zertheilt  bei  seinem 
Eintritt  in  die  Bauchhöhle  Speise  und  Trank  zu  kleinsten  Theil- 
cheii  und  trägt  diese  Theilchen  bei  seinem  Austritt  empor,  so  ge- 
langen sie  als  Blut  in  die  Adern  und  fliessen  dort  wie  durch  ein 
Thal ^8  durch  den  Körper.     Wir  fragen  weiter:  warum  vollzieht 


le  Das  Feuer  leistet  für  die  Bewegung  der  Flüssigkeit,  was  sonst 
das  Gefäll.  Hecker  aO.  S.  192  sieht  einen  Widerspruch  in  der  77^  f. 
vorgetragenen  Gcräeslehre  zu  70»*>  τήν  bi  καροίαν  δμμα  τών  φλεβών 
καΐ  πηγήν  τοΟ  περιφερόμενου  κατά  πάντα  τά  μέλη  σφοδριΧις  αίματος 
είς  τήν  δορυφορικήν  οίκησιν  κατέστησαν.  Ρβ.  Tim.  περί  ψυχΑς  κόσμου 
C.  14  ρ.  102*  schreibt:  τροφά  bi  πΑσα  άπό  ^(Σας  μέν  τας  καρδίας,  πά- 
γος bi  τας  κοιλίας  επάγεται  τφ  σώματι.  Dieser  Versuch  die  Schwierig- 
keit stilistisch  zu  überbrücken  veifängt  nicht,  wenn  aber  W.  Anton 
De  origiue  libelli  περί  ψυχάς  (Numburgi  1891)  ρ.  396  dem  Piaton  zu- 
schreibt :  'non  cor  simpliciter  fontem  sanguinis  esse  per  omne  corpus 
manantis,  sed  impetu  quodam  manantis'  (vgl.  auch  p.  .'371)  presst  er 
den  Text  (wie  vor  ihm  Galen  V  p.  573  K.).  Man  könnte  —  um  im 
Bilde  7.U  bleiben,  das  Herz  als  das  Sammelbecken  betrachten,  von  dem 
die  KanalliniiMi  ausgehen,  das  selbst  aber  von  der  Bauchhöhle  aus  ge- 
speist wird.  Dann  wäre  das  Herz  Quelle  der  Adern,  die  Bauchhöhle 
des  Blutes.  (Einer  solchen  Theorie  scheint  sich  Anstot.  resp.  e.  14 
p.  474**  zu  widersetzen :  τοΟ  b*  αίματος  καΐ  τών  φλεβών  τήν  αυτήν  αρ- 
χήν άναγκαΐον  είναι.)  Die  Ausführung  lO^  über  die  Lunge  als  Re- 
gulator der  Herzwärme  (vgl.  auch  M.  Wellmann:  Fragmentsammluug 
d.  gr.  Aerzte  I  S.  99)  hat  auf  den  Mechanismus  der  Athmung  keinen 
Bezug.  Die  Lunge,  heisst  es  dort,  nimmt  in  ihre  Poren  πνεΟμα  und 
πόμα  auf  und  verbreitet  Kühle  —  dadurch  verschafft  sie  dem  Herzen 
in  seiner  Hitze  Erholung  (Abzug?  vgl.  Anm.  20)  und  Erleichterung. 
(Ideelles  Object  zu  ψύχουσα  ist  καρδία,  nicht  πνεΟμα  und  πόμα  trotz 
neuerer  Uebersetzer.  Ficinus  richtig:  'ordis  ardorem  huiusmodi  re- 
spiratione  et  refrigerio  tepefacit*).  Wir  erfahi'en  nichts  davon,  dass 
ή  ToO  πλεύμονος  ib^a  die  Bewegung  des  πνεΟμα  verursache.  Die  Lunge 
ist  kühl  schon  durch  ihre  Blutlosigkeit,  jedenfalls  kühler  als  das  Herz. 
Uebrigens  soll  man  bei  den  anatomischen  und  physiologischen  Angaben 
des  Timaios  weder  allzu  ängstlich  Uebcreinstimmung  erdeuten  noch 
allzu  entschieden  Widersprüche  betonen.  Piaton  *umtastet  die  Natur 
(Goethe)  und  tritt  von  verschiedenen  Seiten  an  die  Phänomene  heran, 
so  darf  mau  seine  Ansichten  nicht  durchaus  in  eine  Fläche  rücken. 
Die  Vorstellung  im  Timaios   bewegt  sich  mit  dem  Nacheinander  eines 


376  FritzBche 

das  Feuer  dieee  auf-  and  abechwebende  Bewegung?  Weil  es  der 
Luft  folgt,  die  bei  dem  Atbmang  benannten  Vorgang  eben  dieee 
Bewegung  rbytbmiecb  auefübrt.  So  stellt  Piaton  ein  functionelles 
Verbal tnise  ber  zwiscben  Atbem,  Blutbildung,  Blutumlauf.  Die 
Atbmung  selbst  wird  durcb  ein  kunstreicbes  Diagramm  erläutert: 
Unsern  Körper  umgibt  eine  Luftscbicbt,  die  wir  uns  der  porösen 
Wand  eines  Korbes  anliegend  vorstellen.  Im  Innern  unseres 
Körpers  befinden  sieb  zwei  lufterfüllte  Räume,  der  eine  in  der 
Lunge,  der  andre  in  der  BaucbbÖble  —  wir  nennen  diese  beiden 
Luftbeb  älter  έγκύρτια,  weil  sie  gleichsam  als  Körbeben  in  dem 
grossen  Korbe  stehen,  dessen  Wandung  wie  gesagt  von  der  Luft 
ausserhalb  umgeben  ist,  dessen  Inneres  aber,  soweit  die  έγκύρτια 
den  Raum  nicht  einnehmen,  von  Feuer  erfüllt  ist.  —  Gleiches 
strebt  zu  gleichem  —  die  äussere  Luft  (κύτος  του  κυρτοΟ)  drängt 
zu  den  lufterfüllten  έγκύρτια  und  umgekehrt,  es  erfolgt  jene 
rhythmische  Bewegung,  die  wir  als  Ausathmen  und  Einathmen 
zu  bezeichnen  pflegen.  Das  Feuer,  zwischen  έγκύρτια  und  κύτος 
gestellt,  geht  der  Luft  nach,  [je  nachdem  beim  Ausathmen  der 
Anstoss  von  den  έγκύρτια  oder  beim  Einathmen  vom  κύτος  her- 
kommt] ^®. 


Werdenden,  wenn  nun  das  Nebeneinander  des  Seienden  in  der  Dar- 
stellung nicht  völlig  harroonirt,  mögen  wir  ein  göttliches  Genie  nicht 
verklagen. 

^^  Aus  dem  Fraorment  des  galenisohen  Commentars  zum  Timaioe 
(publ.  p.  Ch.  Daromberg  Paris-Lpzg.  1848)  lernte  ich,  daas  1)  έγκύρηον 
nicht  mit  dem  Lexikographen  Timaios  έπΙ  τής  φάρυγγος  zu  fassen  ist, 
2)  τό  μέν  τών  έγκυρτίων  ρ.  78^  für  τά  έγκύρτια  steht.  Im  übrigen 
ist  dieser  Gommentar  durch  das  Streben  nach  anatomischer  Localis!• 
rung  für  die  Charakteristik  Galens  wichtiger  als  für  die  Erklärung 
Piatons.  —  κύρτος  und  έγκύρτια  bestehen  aus  Luft  und  Feuer ;  ich  be- 
greife also  nicht,  wie  neueren  Interpreten  πλέγμα  und  πλ€ύμαιν  iden- 
tisch gilt.  Anatomische  Substrate  sind  schon  um  deswillen  hier  nicht 
zu  suchen,  weil  das  Ζφον  schon  vorher  als  plastisches  Gebild  vollendet 
war  (78c).  —  Vielleicht  darf  man  soviel  sagen:  das  έγκύρηον  δ(κρουν 
ist  Agens  der  Brustathmung,  das  andere  έγκύρτιον  der  Bauchathmung. 

—  Die  έγκύρτια  werden  in  der  Ausführung  über  die  αΙτία  des  Athems 
nicht  mehr  erwähnt,  19^  erscheint  die  warme  Luft  in  den  έγκύρτια 
und  das  Feuer  im  übrigen  Räume  des  πλέγμα  als  einhellige  Masse. 
Hieronymas  Müller  denkt  an  zwei  oder  gar  drei  Athmungstheorien 
Piatons.     Wer   aber   so    scharf   hiiiblickt,   verschiebt    das  Gesichtsfeld. 

—  78^  π€ρΙ  τό  σώμα  δσον  κοίλον  ημών:  δσον  κοίλον  heisst  'soweit 
Platz  war.  Susemihl  hat  richtig  gesehen,  dass  die  Oberfläche  des 
Körpers,  nicht  das  Innere  gemeint  ist. 


Der  Magnet  und  die  Athniung  in  antiken  Theorien  377 

Nun  begeben  wir  uns  aus  dem  Gebiete  der  Physiologie  in 
das  der  Physik  und  beschreiben  den  empirisch  festgestellten,  in 
seiner  Bedeutung  für  die  Erhaltung  des  Lebens  erkannten  Rhyth- 
mus des  Athems  als  eine  noth wendige  Bewegung  von  Elementen. 
Piaton  entwirft  folgende  Scala: 

1)  Ausathmen  durch  Mund  nnd  Nase. 

2)  Einathmen  durch  die  Haut. 

3)  Ausathmen  durch  die  Haut. 

4)  Einathmen  durch  Mund  und  Nase. 

5)  Ausathmen  durch  Mund  und  Nase. 

Piaton  öffnet  der  Luft  zwei  Pforten:  1)  Mund  nnd  Nase 
2)  die  Poren  der  Haut  (bia  μανών  τών  σαρκών  79®).  Der  Aus- 
tritt von  Luft  durch  die  oine  Pforte  bewirkt  jeweilig  den  Ein- 
tritt von  Luft  durch  die  andere.  Dies  aber  geschieht  wegen  des 
Korror  vacui  (79**  έπ€ΐ5ή  κ€νόν  ούοίν  έστιν  vgl.  58•).  Die  aus 
dem  Mund  und  der  Nase  ausströmende  Luft  verschiebt  die  den 
Körper  umgebende  Luftschicht  derart,  dass  Brust  und  Lunge  so- 
fort wieder  mit  Luft  gefüllt  werden.  Die  durch  die  Haut  aus- 
strömende Luft  veranlasst  mittels  gleichartiger  Schiebung  das 
Eindringen  von  Luft  durch  Mund  und  Nase.  Aber  wie  kommt 
es  denn,  dass  wir  ausathmen,  jetzt  durch  die  oine  Pforte,  jetzt 
durch  die  andere? 

Hier  erinnern  wir  uns,  dass  unser  Körper  eine  Wärmequelle 
enthält,  aus  ihrem  Dasein  erklärte  sich  uns  die  hohe  Temperatur 
des  Blutes.  Diese  Wärme  strebt  nach  Aussen  *zu  dem  ihr  Ver- 
wandten*, will  sagen  zu  τψ  του  παντός  τόπψ,  καθ*  öv  ή  τοΟ 
πυρός  €Ϊληχ€  μάλιστα  φύσις,  ου  καΐ  πλείστον  δν  ήθροισμίνον 
€Ϊη  προς  δ  (ρέρεται  (63^  vgl.  auch  Martin  U  ρ.  273).  Es  bieten 
sich  als  Ausweg  abwechselnd  die  beiden  Athmungspforten^.  Nun 
wissen  wir  aus  Erfahrung,  dass  immer  das  Ausathmen  dem  Ein- 
athmen unmittelbar  folgt  —  also  wendet  sich  das  Warme  immer 
zu  der  Pforte,  wo  gerade  eingeathmet  wird.  So  verstehen  wir 
auch  die  Erwärmung  der  eingeathmeten  Luft,  die  dem  Wärme- 
strom  begegnet,  die  Abkühlung  der  ausgeathmeten,  deren  Wärme 
eich  verflüchtigt. 

^  Das  Feuer  hat  Zug  an  der  Stelle  des  Lufteintritte  (vgl.  Plat 
Tim.  p.  85b,  wo  Archer-Hind  αναπνοή  als  Ventilation*  fasst).  Diesen 
'Zug'  bezeichnet  Theophrast  de  igne  23  selbst  mit  αναπνοή  (ähnlich 
Plut.  de  Pyth.  orac.  17.  p.  402«  ucpl  τήν  άναπνοήν  τοΟ  νάματος).  Vor- 
her (78*)  und  später  (80^)  wird  ja  gesagt,  das  Feuer  folgt  der  Luft, 
beim  Ausathmen  nach  aussen,  beim  Einathmen  einwärts  zu  den  Adern. 


378  Fritzsche 

Zwei  Kräfte  wirken  zuearomen  bei  der  Athmung:  1)  der 
Umtrieb  der  durch  das  Ausathmen  in  Bewegung  gesetzten  Luft, 
2)  der  Auetritt  uns  einwohnender  Wärme,  jeweilig  ermöglicht 
durch  das  Dasein  zweier  Athmungspforten.  Piaton  erklärt  also 
79^®  das  Ausathmen  unter  der  Annahme  des  Einathmens  als  ge- 
gebener Thatsache  und  setzt  Τθ*"^  das  Ausathmen  für  das  Ein- 
athmen  voraus.  Ein  drittes,  das  aus  solchem  Oirkel  herausführte, 
hat  Piaton  nicht  gefunden,  wahrscheinlich  auch  nicht  gesucht, 
er  verlegt  κινούν  und  κινουμενον  in  denselben  lebenerhaltenden 
Processi*. 

Piatons  Theorie  sieht  M.  Wellmann  von  empedokleischer 
Farbe  deutlich  durchschimmert,  nur  meint  er,  Piaton  sei  mit  der 
Annahme  vom  'kreisförmigen  Umschwung  des  Ganzen  seine 
eigenen  Wege  gewandelt^*.  Das  war  keine  Laune  —  Piaton 
wollte  hinauskommen  über  Enipedokles.  Dessen  Gleichniss  von 
der  Klepsydra  erklärt  die  Ursache  des  Beginne  (τήν  αΐτίαν  της 
<^ΡΧήζ  αυτών  79°)  der  Athmung  nicht.  Dass  die  obere  Mündung 
der  Klepsydra  von  der  Hand  des  Mädchens  geschlossen  und  ge- 
öffnet wird,   müssen  wir  hinnehmen.     Der  platonische  Rotations- 


^^  Aristoteles  traut  dem  Piaton  zu,  dass  er  die  uns  umgebende 
Luft  für  warm  gehalten  habe  (de  resp.  472*>  33—36).  Was  aber  Ari- 
stoteles entgegnet :  τό  μέν  γάρ  έκπνβόμβνον  είναι  θερμόν,  τό  6'  €ΐσπνε• 
όμενον  ψυχρόν,  dns  sagt  ja  Piaton  selbst  (79^):  τό  δέ  περιυκιθέν  εΙς  τό 
πΟρ  εμπίπτον  θερμαίνεται,  τό  δ*  έΗιόν  ψύχεται.  Verstand  Ar.  θερμαί- 
νεται im  Sinne  von  calett  da  es  doch  hier  calescit  bedeutet?  Auch  da- 
rin verkennt  er  Platons  Ansicht  und  Absicht,  dass  er  resp.  472b  20 
einwirft:  συμβαίνει  bi  τόΐς  οΰτως  οίομένοις  πρότερον  τήν  Ικπνοήν  γί- 
νεσθαι  τής  εΙσπνοής,  da  doch  für  Piaton  die  zeitliche  Priorität  eines 
der  beiden  respiratorischen  Acte  gar  nicht  in  Frage  kommt.  Aristo- 
teles greift  fester  zu,  als  Platons  schwebende  Betrachtung  der  Phäno- 
mene verträgt  [dass  er  aber  die  in  der  Akademie  fortgebildete  Respi- 
rationslehre  (s.  u.)  bekämpfe,  vermuthet  Daremberg  (Galien-Timoe  p.  52) 
ohne  Noth]. 

82  FragmentsammUing  der  griechischen  Aerzte  I  S.  83  f.  Ich 
verweise  auf  die  dortigen  Feststellutigeti  und  Vermuthungen  über  Pla- 
tons Verhältniss  zur  sikeliscben  Aerztescbule.  Die  Annahme  von  Poren 
und  die  Lcu^nung  des  leeren  Baumes  hat  aber  Piaton  nicht  als  Wider- 
spruch empfunden,  da  ja  die  Poren  der  Haut  wegen  der  stetigen  πε- 
ρίωσις  keinen  Augenblick  luftleer  sind.  —  LichtenstUdt,  Platons  Lehren 
auf  dem  Gebiete  der  Naturforschung  und  Heilkunde.    Lpzg.  1820  dringt 

nicht    tief;    vgl.  noch  B.  Bothlauf:    Die  Physik  Piatos (L  Pg. 

München  1887}  S.  36  S.  (Piaton  habe  die  Bedeutung  des  Luftdrucks 
im  Sinne  Torricellis  erahnt). 


Der  Magnet  und  die  Athmung  in  antiken  Theorien  379 

apparat  arbeitet  selbetthätig.  Die  physiologischen  Probleme  hatten 
sich  zugespitzt  seit  den  Tagen  des  Empedokles,  der  auch  die 
Frage,  ob  ολκή  oder  nicht,  in  ihrer  antithetischen  Schärfe  nicht 
ahnte  ^.  Piaton  weist  noch  bin  auf  die  Schröpf  köpfe  und  das 
Schlucken,  auf  Höhe  und  Tiefe  der  Töne,  Flieseen  des  Wassers, 
Niederfahren  der  Blitze,  auf  Magnet  und  Bernstein  und  gelangt 
zu  der  energischen  These:  πάντων  τούτων  ολκή  μέν  ουκ  ίστιν 
ούοβνί  ποτ€  (80®)^^.  In  seinem  schönen  Buche  'Wirklichkeiten* 
(Berlin  1900  S.  16)  hat  jüngsthin  Enrd  Lasewitz  die  Wichtigkeit 


^  Hauptetelle  für  die  Athmung  bei  Empedokles:  Arist.  resp.  7 
p.  473»15  (jetzt  bei  Diele  poet.  philoe  fr.  p.  143  fr.  100).  —  Mit  der 
Frage  der  πρώτη  αναπνοή  hat  sich  Empedoklea  in  anderem  Zusammen- 
hange beschäftigt.  [Aet.  IV  22, 1  (41 1  D)  jetzt  poet.  phil.  fr.  p.  96  n.  74]: 
Das  erste  Einathmen  geschehe»  wenn  der  Foetus  im  Moment  der  Ge- 
burt aus  der  umgebenden  Feuchtigkeit  heraustritt  und  die  äussere  Luft 
in  die  geöffneten  Gefässe  eindringt.  Durch  natürliche  Wärme,  die 
nach  aussen  strebt,  werde  diese  eingedrungene  Luft  wieder  ausgetrieben 
und  sie  dringe  aufs  neue  ein,  wenn  die  Wärme  nach  innen  (εντός  zu 
lesen  mit  Sturz  und  Bernardakis)  sich  zurückzieht.  Plato,  der  im  Ti- 
roaios  den  Menschen  aus  der  Gottheit  Hand,  nicht  aus  der  Mutter 
Schooss  erstehen  hcisst,  konnte  die  von  Empedokles  angebotene  em- 
bryologische Begründung  des  ersten  Athemzuges  nicht  übernehmen. 
Die  Frage  der  vOv  κατέχουσα  αναπνοή  (Aet.  über  Emp.  aO.)  scheint 
Empedokles  durchaus  gesondert  von  der  πρώτη  αναπνοή  τοΟ  πρώτου 
2!ψου  erörtert  zu  haben  (vgrl.  Plato  Tim.  79»  τό  τής  αναπνοής  πάθος, 
οΐόνπβρ  τά  νΟν  έστιν,  79^  τήν  bä  αΐτίαν  τής  αρχής  αυτών  θ€τ^ον  τήν6€). 
Im  allg.  vgl.  noch  Hecker  Gesch.  d.  Heilk.  I  S.  89.  —  Der  empedo- 
kleischen  Klepsydra  ähneln  am  meisten  die  von  Ileron  pueum.  I  p.  8, 23 
Schmidt  beschriebenen  ψά  Ιατρικά  —  die  platonische  Athmung  aber 
wird  durch  die  σικύα  am  besten  erläutert.  Es  wäre  einmal  zusammen- 
hängend zu  betrachten,  wie  der  Fortschritt  physikalischer  öoEai  in  der 
Wahl  solcher  technischer  Vergleiche  zu  Tage  tritt. 

«*  Vgl.  Galen  de  plac.  Hipp,  et  PI.  VIII  8  (V  p.  707  f.  K.,  ed. 
Iw.  Müller  p.  714  f.)  Έν  μέντοι  τή  περί  αναπνοής  δόζη  διηνέχθη  προς 
αυτόν  ού  σμικρά,  πρώτον  μέν  τφ  διαπνοής  μΑλλον  α(τ{αν  είπ^ν,  ούκ 
αναπνοής,  εΤτα  ουδέ  ταύτης  άμ^μπτως.  αναιρεί  γάρ  όλκήν,  ij  προς  πολλά 

τών   φυσικών   ίργαιν    ό  Ιπποκράτης    χρήται Wenn  Galen 

Tim.  ρ.  32  Piatons  περίωσις  der  προς  τό  κενούμενον  ακολουθία  des 
Erasistratos  gleichsetzt,  ist  das  proleptisoh  zu  nehmen.  Erasistratos 
(vgl.  Diels  Sb.  d.  Berl.  Ak  1893  S  109)  fusst  hier  auf  Stratons  Lehre 
vom  unstetigen  Vacuum.  Straton  beruft  sich  (s.  Simplicius  in  Arist. 
phys.  p.  663,  3)  auf  Flatons  Leugnung  der  ολκή,  hat  aber  die  'Schie- 
bung in  den  nächsten  Kaum t hei  Γ  genauer  durchdacht  und  ist  dadurch 
zum  Zugeständniss  des  nicht  continuirlichen  Vacuum  gekommen. 


380  Fritzeche 

jenes  Satzee  für  die  Autonomie  der  mechaniechen  Gansalität  un- 
terhalb der  Weltseele  hervorgehoben  —  ein  Materialist  wie  Askle- 
piades  wurde  nicht  untreu,  wenn  er  in  Piatons  Spuren  im  τό 
μηο'  δλως  ίλκβσθαι  λέγειν  υπό  μηδενός  μηοέν  έτράπετο. 

V. 

Ich  zog  vorhin  die  Nachricht  des  Aetios  lY  22,  2  (p.  412  f.  D.) 
heran  zur  Lehre  des  Asklepiades  von  der  Athmung.     Die  Stelle 
lautet:  ^Ασκλητηάοης  τόν  μέν  ττνεύμονα  χώνης  οίκην  συνίστησιν, 
αΐτίαν  5έ  τής  αναπνοής  τήν  έν  τψ  θώρακι  λεπτομέρ€ΐαν  υποτί- 
θεται,   προς    ήν  τόν  βωθεν  αέρα  ^€ϊν  τ€  καΐ  φέρβσθαι  παχυ- 
μβρή  όντα,    πάλιν  hk  άπωθεΐσθαι  μηκέτι  του  θώρακος  οίου  τ€ 
δντος  μήτ'  έπ€ΐσ5ίχ€σθαι  μήθ'  ύποστέγβιν  υπολειπομένου   bc 
τίνος  έν  τφ  θώρακι   λεπτομερούς   άε\   βραχέος  (οό  γαρ  &παν 
εκκρίνεται),  προς  τούτο  πάλιν  τό  εϊσω  ύπομένον  τήν  βαρύτητα 
του  έκτος  άντεπεισφέρεσθαι.  ταύτα  5έ  ταΐς  σικύαις  άπεικάίει* 
τήν  5έ  κατά  προαίρεσιν  άναπνοήν  γίνεσθαί  φησι  συναγομένων 
τών  έν  τψ  πνευμόνι  λεπτότατων  πόρων  και  των  βραγχίων  στε- 
νουμένων  τή  γαρ  ήμετέρςι  ταυθ'  υπακούει  προαιρέσει.     Askle- 
piades hat  wie  Piaton  nach  der  αΙτία,  der  Mechanik  der  Athmung 
geforscht  und    die    platonische  Theorie   seiner  Physiologie  ange- 
passt.     Er  verwarf   die  eingebome  Wärme,    wie   jede    έμφυτος 
ούναμις  (Galen  VII  ρ.  615  Κ.),    darum    nennt  er   λεπτομερές" 
und  παχυμερές,    was   bei  Piaton  Feuer  und   äussere  Luft   heisst 
—  die  πηγή  πυρός  (τό  θερμότερον  μάλλον)  wird  in  dieser  Ter- 
minologie   zu  dem  im  Thorax  zurückbleibenden   λεπτομερές.  — 
Der  Zusatz  über  die  künstliche  Athmung  ergänzt  die  lückenhaft 
überlieferte  Erklärung  der  natürlichen.     Die  αναπνοή  κατά  προ- 
αίρεσιν erfolgt  durch  willkürliches  Zusammenziehen  der  feinsten 
Poren    in    der   Lunge    und  Verengerung  der  Bronchien  (vgl.  die 
Athemgymnastik  bei  Galen  VI  p.  173  E.).     Jene  Contraction  ver 
zögert   nämlich  den  Zutritt  des  λεπτομερές  zum  παχυμερές,   es 
bedarf  zur  Ueberfüllung  des. verfügbaren  Raumes  einer  grösseren 
Masse  von  παχυμερές  als  bei   der  unfreiwilligen  Athmung,   die 
Ausathmung    erfolgt    später,    der    Rhythmus    wird    verlangsamt. 
Folgende  Ansicht  ergibt  sich  daraus   für   die  unfreiwillige  Ath- 


^  Fr.  Tim.  Locr.  p.  98«  πΟρ  μέν  ών  6ιά  τάν  λεπτομερίαν  διά  πάν- 
των ήκ€ν  (vgl.  was  Anton  aO.  ρ.  213  f.  zusammentragt).  Im  Ghiaamas 
dazu  ü))er8etzt  Gael.  Aurel.  morb.  acut.  1  15  (p.  4β  Amman)  das  λεπτο- 
μερές des  Asklepiades  geradezu  mit  fervor. 


bet  Htignei  und  die  Athmnng  in  «ntiken  Theorien  881 

mnng:  Dae  im  Thorax  eingesessene  constante  λετττομερές^®  ver- 
bindet sich  auf  dem  Wege  durch  πόροι  und  βράγχοι  mit  dem 
durch  den  Lungentrichter  ^^  eindringenden  άήρ  παχυμερής.  Diese 
Verbindung  erzeugt  eine  Spannung  des  άήρ  παχυμερής,  der 
selbst  in  die  Structur  des  λεπτομερές  übergeht.  Sobald  aber 
der  Raum  des  Thorax  nicht  mehr  zureicht,  wird  die  Luftmasse 
nach  aussen  abgestossen.  τό  έν  τφ  θώρακι  λεπτομερές  wirkt 
gleichsam  explosiv  ^^  Der  Erwärmung  der  Athemluft  bei  Piaton 
(εΙς  τό  πυρ  εμπίπτον  θερμαίνεται  Tim.  79•)  entspricht  bei  Askle- 
piades  die  Verwandlung  von  άήρ  παχυμερής  in  das  λεπτομερές. 
Die  πλήρωαις  war  eine  Hypothese  des  Herophilos  ^^  Asklepiades 
übernimmt  sie  und  kann  so  der  Berufung  auf  den  Drang  des 
Feuers  in  dem  ihm  Verwandten  entrathen,  der  Hinweis  auf  die 
Ausdehnung  der  eingeathmeten  Luft  wiederum  erspart  es  ihm, 
eine  natürliche  Tendenz  der  Lunge  zur  συστολή  und  διαστολή 
mit  Herophilos  anzunehmen,  der  πλήρακτις  folgt  die  gewaltsame 
Entleerung  und  nun  genügt  —  ohne  Horror  vacui  —  die  Schwere 

^  Gonstant  als  ein  quantitatives  Minimum,  nicht  als  Substanz. 

^  Gampert  aO.  p.  70,  dem  andere  folgen,  kehrt  den  Trichter 
uro,  sodass  die  Röhre,  der  Trachea  entsprechend,  nach  oben  steht.  So 
ist  aber  das  Bild  nicht  gemeint;  Askl.  denkt  hier  so  wenig  an  die 
Trachea  wie  Ps.  Hippocr.  de  corde  z.  Auf.  (über  den  vgl.  Wellmann 
Fragms.  I  S.  94  ff.)  an  den  Oesophagus,  wenn  er  vom  Magen  an- 
merkt: 6  γάρ  στόμαχος  όκοΐον  χώνος,  καΐ  ένδ^χ€ται  τό  πλήθος  καΐ  ασσα 
προσαιρόμεθα,  vgl.  auch  Galen  II  ρ.  709  Κ.  III  ρ.  694  Κ.,  wo  vom 
πύ€λος,  dem  infundtbulum  cerebri,  die  Rede  ist  und  Columella  3,  18 
g.  E.,  wo  es  von  der  Schnittfläche  eines  unten  umgebogenen  Setzlings 
heisst:  'more  infundibuli  per  medullam  transmittit  quicquid  aquarum 
caelestium  superfluit*. 

*  Lionardo  di  Capoa  ragionamento  V  Nap.  1689  p.  245  *ne  si 
dee  qui  tacere,  che  si  pare,  ch'Asolepiade  vicino  stato  fosse  ad  avere 
cognizione  dell'  elatere  doli'  aria*.  Dem  widerspricht  Gumpert  aO. 
p.  71  ohne  Beoht  und  Grund.  Vgl.  auch  Ernst  Platner  p.  252  ff.  seiner 
an  kundigen  Bemerkungen  zu  griechischen  Aerzten  überreichen  *Quae- 
stiones  pbysiologioae*  (Lips.  1794),  wie  Sudhaus  S.  147  f.  und  an  an- 
dern Stellen  seines  Commentars  zum  Aetna. 

»  Vgl.  C.  F.  H.  Marx  Comment.  Gott.  vol.  8  (Druckjahr  1841) 
claae.  phys.  p.  115  not.  1.  —  Aetius  IV  22,  3  (p.  413  D).  Das  Xcirro- 
μ€ρ^ς  des  Askl.  entspannt  nicht  nur  den  tibervollen  Baum,  sondern  ent- 
leert ihn  sohier.  Herophilos  muss  die  überschüssige  Luft,  die  aus  der 
Lange  in  den  Thorax  trat,  aus  dem  Thorax  in  die  Lunge  zurück  und 
von  da  nach  aussen  leiten,  um  Platz  zu  schaffen  für  die  neu  von  aussen 
eintretende  Luft. 


382  Fritzeche 

der  äu§8eren  Luft  zum  Verfltändniss  ihres  Eindringens  •°.  Wie 
gescLickt  entwand  sich  Aeklepiades  allen  naturales  factUtates,  wie 
gewandt  verflocht  er  Ansichten  des  Piaton  und  Annahmen  alexan- 
drinischer  Aerzte. 

Das  besagt  uns  der  dürftige  Bericht  des  Doxographen. 
Galens  Notizen  sind  besonders  zu  überdenken.  Wir  erfahren  da 
(III  p.  466  f.),  Asklepiades  habe  den  Arterien  in  der  Lunge  — 
und  zwar  diesen  allein  —  eine  zwiefache  Bewegung  y:uerkannt, 
f^v  τ'  οίκοθεν  ίχουσιν  έκ  τής  σφβτέρας  αυτών  ουσίας,  σφύ- 
2Ιουσαι  οηλονότι,  και  ήν  έκ  του  τής  αναπνοής  ίργου,  σειομένου 
5ιά  παντός  του  πνεύμονος,  έπικτώνται.  Das  heisst  doch  deut- 
lich :  der  Pulsschlag  der  Arterien  ist  eine  von  der  Athembe- 
wegung  der  Lunge  unabhängige  Erscheinung.  Dazu  stimmt,  was 
Galen  VIII  p.  758  K.  aus  des  Asklepiades  Schrift  περί  τής  ανα- 
πνοής και  τών  σφυγμών  anführt:  καΐ  ή  προκειμένη  γέγραπται 
λΟις,  εΙς  οιορισμόν  αναπνοής  τε  και  σφυγμών  ίχουσα  προσ- 
κείμενον,  ούχ  £παξ,  άλλα  και  πολλάκις  γιγνομίνη  κατά  μίαν 
είσπνοήν.  Die  eigne  ουσία  der  Arterien  ist  keine  naturalis 
facultas  —  solche  leugnete  Asklepiades  hier  wie  allenthalben 
(Gal.  VIII  p.  755  K.  ούδεμίαν  ύπολαμβάνων  ουναμιν  ύφ'  ής 
ή  τε  καροία  και  αϊ  άρτηρίαι  κινούνται) ;  die  Arterien  atbmen  ein 
wie  die  Lunge  durch  einwohnendes  λεπτομερές  und  zudringende 
Aussenlnft,  auch  hier  erfolgt  üeberfüllung  und  Rückkehr  in  den 
vorigen  Stand  (Galen  VIII  p.  748  K.  οϊεται  γάρ  ό  άνήρ  οδτος 
και  τήν  καροίαν  και  τάς  αρτηρίας  οιαστέλλεσθαι  πληρουμένας 
πνεύματος,  είσρέοντος  αύταϊς  bia  λεπτομέρειαν,  ήν  εντός  εαυ- 
τών ίχουσιν,    όταν   \λ   πληρωθεισών  εΙς  τό  ίμπροσθεν  ούκέτι 


^  Das  παχυμ€ρ^ς  hielt  auch  Erasistratos  für  eine  Bedingung  des 
Athems  (Gal.  III  p.  540  K.);  er  widerstrebte  der  ολκή  und  dem  θερμόν 
ίμφυτον  (Gal.  VII  ρ.  614  Κ.  Sprengel  Gesch.  d.  Arzneikde.  I*  544. 
Fuchs  Erasistratea.  dies.  Lps.  1892  p.  21).  Erasistratos  bezeichnete  die 
Erfüllung  der  Arterien  als  Function  des  Athems  (Gal.  IV  p.  471  K.), 
Askl.  die  Erzeugung  der  Seele.  Das  zeigt  uns  den  Gegensatz  der  In- 
genia.  Erasistratos  war  eine  eminent  wissenschaftliche  Natur  —  er 
suchte  ohne  factUtates  occultae  auszukommen,  wo  er  aber  zu  keiner  be- 
friedigenden Erklärung  gelangte,  hat  er  bei  der  offenen  Frage  sich  be- 
scbieden,  Α  sei.  trat  mit  dem  Anspruch  auf,  alle  Probleme  aua  seinen 
Prämissen  zu  lösen  ('che  non  ischivnndo  malgevolezza  niuna,  ne  si  fer- 
mando  nella  prima  buccia  delle  cose,  s^ngei^nava  gecondo  ogni  sua 
possa  d'internarsi  ne*  piü  riposti  segreti  della  natura*:  L.  di  Capoa  aO. 
p.  24.S). 


Der  Magnet  und  die  Athmung  in  antiken  Theorien  383 

^έη,  καταπίπτειν  αδθις  εις  τήν  ίμπροσθεν  ύπάρχουσαν  έαυταΐς 
κατάστααιν  φύσει  τόν  χιτώνα).  Die  so  veranlasete  Systole  und 
Diastole  des  Herzens  nnd  der  Arterien  ist  der  Puls  nach  der 
Definition  des  Asklepiadee  (Gal.  VIll  p.  757  K.  τόν  μέν  σφυγ- 
μόν  εΤναι  συστολή  ν    καΐ  διαστολή  ν  καρδίας  τε  και  αρτηριών). 

Wie  kommt  aber  das  ττνεΟμα  in  die  Arterien?  Dass  es 
durch  die  Lunge  zugeleitet  werde,  ist  schwer  vorstellbar,  weil 
ja  dann  die  Lungenarterie  nur  eine  einfache  Bewegung  ausführen 
und  ein  Pulsschlag  einem  Atliemzug  entsprechen  würde.  Es  scheint 
unumgänglich,  dass  hier  die  Hautathmung  einsetzt ^^  Galen  hat 
dies  Zwischenglied  unterschlagen,  nun  bezeugt  aber  der  Anony- 
mus Londinensis  36,  48  —  38,  53,  daKs  Asklepiades  von  der  εϊσ- 
κρίσις  εΙς  ήμας  ausführlich  gehandelt  hat.  Die  unmittelbare 
Verbindung  der  beiden  respiratorischen  Systeme  würde  dann  her- 
gestellt durch  das  λεπτομερές,  das  aus  der  Tiefe  des  Thorax  hier 
durch  die  Lungen,  dort  durch  Herz,  Arterien  und  Hautporen  mit 
der  Aussenluft  immer  wieder  ins  Vernehmen  tritt,  bei  Athmung 
und   Puls  stets  aufs  neu  Agens  und  Product. 

Asklepiades    hat   wie    Piaton  Respiration    und   Perspiration 


^^  Die  That Sachlichkeit  der  Haatathmung  war  strittig,  beim  Anon. 
Lond.  20,  4()  wird  sie  ausdrücklich  hervorgehoben,  sie  wird  deutlich 
verneint  von  Seneca  N.  Q.  VI  24, 2.  (Zu  dem,  was  Huhkopf  und  Eoeler 
hiezu  anführen,  vgl.  noch  Ideler  zu  Aristot.  Meteor.  II  2,  14  u.  Ernst 
Platner  aO.  p.  2ϋ1  ίΓ.)ι  Arohigenes  glaubt  die  Perspiration  durch  Ohn- 
machtszustände  hysterischer  Frauen  besonders  belegen  zu  müssen  (vgl. 
Wellmann  Pneum.  Schule  S.  138).  —  W.  Cruikshanks  Geschichte  und  Be- 
schreibung der  einsaugenden  Gefässe  (hsg.  von  G.  F.  Ludwig.  Lpzg. 
1789)  müsste  für  das  Alterthum  auf  Grund  philologischer  und  medi- 
cinisüher  Kenntnisse  unserer  Zeit  neu  geschrieben  werden.  —  Den 
Wendepunkt  dieser  Anschauungen  hat  Daremberg  angedeutet:  Ilist. 
des  sc.  med.  Ip.  151  'Quand  l'anatomie  eut  ruine  sans  retour  les  bypo- 
theses  d'£mpedocle,  de  Diog^ne  et  de  Democrite  sur  la  distribution  et 
le  role  des  pretendus  canaux  aeriens,  la  physiologie  n'eut  pas  d'autre 
ressonrce  qne  de  prendre  les  art6re8  pour  leur  faire  jouer  le  role  de 
ces  canaux  imaginaires  et  pour  les  mettre  directement  en  rapport  avec 
les  bronches,  sans  oublier  cependant  d'attribuer  une  certaine  part  de 
respiration  k  la  peau*.  Darum  mag  ich  auch  Bäumker  aO.  nicht  zu- 
gestehn,  dass  Askl.  von  Empedokles  wesentlich  abhänge.  Askl.  hat 
sich  mit  der  Gefäsälehre  des  Erasistratos  auseinandergesetzt  und  gegen 
die  Herophileer  polemisirt.  Da  konnte  er  trotz  seiner  mehr  beschrieenen 
als  erwiesenen  Unkenntniss  der  Anatomie  auf  Empedokles  so  wenig 
eich  berufen  wie  ein  moderner  Physiolnpr  auf  einen  Autor  vor  Leeu- 
wenhoek. 


384  FritSBche 

unter  das  gleiche  Gesetz  gestellt,  auf  ihre  rhythmische  Beziehung 
aber  verzichtet.  Alles  in  allem  gewann  der  kluge  Mann,  was  er 
erstrebte,  eine  verständliche  Theorie  auf  Grund  der  einfachen 
Principien  seiner  Physiologie.  Asklepiades  verglich  mit  der  Ath- 
mung  den  Austritt  ded  Blutes  in  den  Schröpfkopf,  er  hat  also 
auch  für  diesen  locus  classicus  der  ολκή  die  ολκή  abgelehnt''. 
Wie  bei  Piaton  wird  die  (Τικύα  mit  der  αναπνοή  zusammen- 
gestellt. 

Ist  nach  unseren  Ausführungen  ein  Einfluss  der  platonischen 
Theorie  auf  die  asklepiadeische  höchst  wahrscheinlich,  so  sträuben 
wir  uns  doch  gegen  die  Annahme  directer  litterarischer  Ab- 
hängigkeit. Der  Timaios  lag  zwar  nicht  abseits  der  Wege  da- 
maliger Bildung,  Poseidonioe  hat  ihn  oommentirt,  Cicero  zum 
Theil  übersetzt,  dennoch  wollen  wir  dem  vielgeschäftigen  Arzte 
vertiefte  Platonlectüre  nicht  zutrauen.  Wir  suchen  nach  einem 
Vermittler.  Der  berufene  Name  des  Pontikers  Uerakleides  bietet 
sich  an.  Neben  Asklepiades  begegnet  er  uns  als  Vertreter  der 
δναρμοι  δγκοι^',  Scheintod  und  Bedingungen  des  Athems  hat  er 
im  Dialog  π€ρι  τής   δπνου    erörtert^.     Aber    das   reicht    nicht 


">  Das  Häthsei  bei  Arietot.  rhet.  III  2  p.  1405b8  zeigt,  wie  nahe 
das  Schröpfen  volksthümlicher  Voretellung  lag;  es  erscheint  als  eine 
typische  Form  der  ολκή,  wenn  Aristot.  an.  gen.  II  4  p.  737b  32  gegen 
die  ^λκ€ΐν  τά  αΐ&οΐα  φάσκοντ€ς  ιΰσπερ  τάς  σικύας  sich  wendet,  wenn 
Olympiodor  in  meteor.  I  13  (99»  29  ed.  Stüve)  ein  Muthnngsverfahren 
der  Brunnengräber  &(κην  σικύας  verdeutlicht,  wenn  Theon  bei  Galen 
VI  p.  208  K.  von  der  heiss  abgewaechenen  επιφάνεια  sagt,  fva  αΟτη 
σικύας  τρόπον  τήν  λαμβανομένην  τροφήν  έπισπωμένη  τοΙς  κεκμηκόσιν 
άνηοι^ληται  νεύροις;  bei  Themistios  Anal.  post.  II  15  f.  13  (ρ.  95,  18 
Spengel  GO,  1  Wallies)  sind  Magnet,  Bernstein  und  Sohröpfkopf  Schul- 
beispiele der  άντιπ€ρ(στασις,  Heron  pnenro.  1  p.  10,  4  u.  16,  10  Schmidt 
wird  am  Schröpfkopf  die  künstliche  Erzeugung  einns  oontinuirlichen 
Vacuom  demonstrirt.  Chrysipp  bei  Achilles  p.  126  Petav.  nimmt  die 
Anziehung  durch  die  σικύα  als  Beweis  dafür,  δη  πΟρ  καΐ  άήρ  κου- 
φότατα καΐ  άνως>€ρή.  Vgl  noch  Daremberg  zu  Oribas.  vol.  II  p.  779— 
81  und  Wellmann  Pneum.  Schule  S.  228  f.  —  Wenn  Plutarch  Quaest 
Plat.  VII  3  sagt,  die  Luft  im  Schröpfkopf  werde  durch  die  Erhitzung 
weiter  als  die  Poren  des  Erzes,  so  ist  gemeint,  das  Volumen  der  Luft 
werde  grösser  als  das  Volumen  des  Hohlraums,  der  vom  porösen  Erz 
umgeben  ist. 

"  Vj^l.  Bäumker  aO.,  Otto  Voss  De  Heradidis  P.  viU  et  scriptis 
diss.  Rostochii  1896  p.  66. 

β*  Vgl.  Hirzel  Dialog  I  S.  323  ff.  und  Voss  aO.  p.  68  ff. 


l)er  Magnet  und  die  Athmang  in  antiken  "fheorien  385 

ans;  wir  haben  hier  keinen  sichern  Anhalt  und  roüesten  uns  bei 
einer  anbestimmten  Vermuthung  bescheiden.  Eine  kaum  beachtete 
Anmerkung  Galens  deutet  nach  einer  anderen  Richtung.  In  seinem 
Commentar  zum  Timaios  p.  34  der  Ausgabe  von  Daremberg  lesen 
wir:  γίνεται  τοίνυν  ή  τοιαύτη  κίνησις  ουκ  ακριβής  κύκλος  έπΙ 
τά  αυτά  5ιά  παντός  περιφερόμενος,  άλλ'  ώς  αυτός  εΤπεν,  ίνθα 
και  ίνθα,  καΐ  κατά  τούτο  διήνεγκεν  ή  του  Πλάτωνος  boEa  τής 
έΕ  *  Ακαδημίας,  ούχ  ώς  'Ερασίστρατος  ίγραψεν  εκείνη  μέν  γάρ 
κατά  κύκλον  ακριβή  6ιά  παντός  περιφέρεσθαι  τόν  αέρα  έπι  τά 
αυτά  και  ωσαύτως  βούλεται,  αυτή  b'  ου  κατά  κύκλον  άει  τόν 
αυτόν,   άλλ'  ώς  άν   τις    εϊποι,   κατά    δύο   ημικύκλια   έναντίως 

άλλήλοις  κινούμενα.     — ουκ  oTba,  τί  boEav  αυτψ 

τήν  τής  περιώσεως  boHav  άντι  τής  ολκής  [ρ.  36]  εϊλετο,  κατά 
τούτο  μόνον  σχεbόv  άποστάς  Ιπποκράτους,  ότι  μέν  γάρ  τό  τής 
αναπνοής,  εϊτ'  ίργον  εϊτε  πάθος  χρή  καλεϊν,  ού  γίνεται  κατά 
π€ρίωσιν,  Ερασίστρατος  ίbειεεv,  έλέγΗας  την  Έστιαίου  boEav• 
Dazu  ergänzend  Galen  Nat.  fac.  II  8  (U  p.  111  E.  III  p.  182  He.) 
σμικρότατός  έστι  τήν  γνώμην  (sc.  Ερασίστρατος)  καΐ  ταπεινός 
εσχάτως  έν  άπάσαις  ταϊς  άντιλογίαις,  έν  μέν  τοις  περί  πίψεως 

λόγοις έν  bfe  τοις   περί   τής   αναπνοής 

τοις  περιωθεϊσθαι  τόν  αέρα  φάσκουσιν  (sc.  άντιλέγων).  Piatons 
Theorie  der  Athmung  ist  in  der  Akademie  (durch  Hestiaios?)^ 
ausgebaut  worden.  Die  platonische  περίωσις  ίνθα  καΐ  ίνθα  wurde 
durch  eine  vollständige  Umdrehung  ersetzt;  auf  welche  Art  und 
in  welcher  Absicht?  Eine  Figur  mag  das  Yerhältniss  der  beiden 
Theorien  verdeutlichen.  Ich  bezeichne  mit  Q  die  Fenerquelle 
(πηγή  πυρός),  mit  Α  den  Lufteintritt  durch  Mund  und  Nase, 
mit  Β  den  durch  die  Haut. 

Α 


»  üeber  Heetiaios  vgl.  Laert.  Diog.  III  31.  Simpl.  Phye.  453,  28. 
Doxogr.  p.  318^  15  und  p.  403»»  19.  —  Index  Acad.  phil.  Hercul.  ed. 
S.  Mekler  (ßerl.  1902)  p.  34. 

Rbelu.  Μοβ.  ί.  Philol.  Ν.  F.  LYII.  25 


386  Pritzsohe 

Nach  Piaton  geht  die  erste  Umdrehung  von  Q  aber  Α  zu 
B,  die  zweite  von  Q  über  Β  zu  A,  dabei  wirkt  die  Luft  Schiebung 
nur  auf  der  Strecke  zwischen  Α  und  Β ;  zwischen  Q,—-  Α  und 
Q-^B  bewegt  sich  das  Feuer  zum  συγγενές;  nach  der  akademi- 
schen Lehre  geht  die  erste  Umdrehung  von  Q  über  Α  und  Β 
zu  Q,  die  zweite  von  Q  über  Β  und  Α  zu  Q,  das  Rad  wird  also 
nach  jeder  vollständigen  Umdrehung  an  der  ιτηγή  πυρός  wieder 
zurückgedreht.  Das  Feuer  bewegt  sich  nicht  zu  dem  ihm  Ver- 
wandten, sondern  stösst  die  durch  Schiebung  bis  Q  vordringende 
Luft  nach  aussen,  die  von  Α  kommende  auf  dem  Weg  über  A, 
die  von  Β  kommende  auf  dem  Weg  über  B.  Platons  Lehre  vom 
Drang  des  Feuers  zum  (Τυγγενές  war  dem  Verdachte  einer  ver- 
hüllten ολκή  ausgesetzt;  man  bemerkt  leicht,  dass  die  akade* 
mische  Correctur  diesen  Anstand  beseitigen  sollte.  Uebrigens 
ist  die  akademische  Feuerqnelle  nach  ihrer  Function  dem  aekle- 
piadeisohen  λεπτομερές  noch  ähnlicher  als  die  Feuerqnelle 
Platons. 

Erasi Stratos,  erfuhren  wir  durch  6alen,  hat  gegen  die  πε- 
ρ{(υ(Τις  polemisirt,  ohne  des  Unterschiedes  der  beiden  Theorien 
zu  achten '^  Wir  brauchen  also  den  leichtbeschwingten  Auf- 
klärer Asklepiades  mit  dem  Studium  des  Timaios  nicht  zu  be- 
lasten. Er  fand  die  platonisch-akademische  Athmungslehre  als 
Discnssionsthema  zubereitet  in  der  medicinischen  Litteratur.  Die 
von  Η  eck  er  richtig  beobachtete,  von  uns  im  einzelnen  beschriebene 
Verwandtschaft  der  Athmungslehren  des  Piaton  und  des  Askle- 
piades lässt  sich  geschichtlich  begreifen. 

VL 

Der  Werth  des  Galencitates  für  unsere  Untersuchung  ist 
damit  noch  nicht  ausgeschöpft.  Wurde  die  Theorie  der  Athmung 
in  der  Akademie  weitergebildet,  so  ward  auch  eingehende  Be- 
handlung des  Schröpfkopfe,  des  Bernsteins  und  des  Magneten  er- 
fordert, zumal  Piaton  im  Timaios  mit  wenigen  Worten  über  diese 
Phänomene  hinweggeglitten  war.  Wir  dürfen  auf  solche  Tradition 
die  Ausführungen  Plutarchs  in  der  siebenten  platonischen  Frage 
unbedenklich    beziehen.      Eben    dort   aber  fanden    wir   wie    bei 


^  Für  Platons  nächste  Schüler,  die  seinen  mündlichen  Vortrag 
noch  gehört  hatten,  war  der  Timaios  noch  kein  starrer  Codex,  sie 
werden  platonisches  und  eigenes  nicht  streng  geschieden  haben.  Die 
Verwechslung  des  Erasistratos  braucht  also  nicht  von  Oberflächlichkeit 
sich  herzuschreiben. 


i)er  Magnet  und  die  Athmung  der  antiken  Theorie  38? 

Lücrez  den  äusseren  Luftdruck  alR  Helfer  magnetischer  Emana- 
tion. Der  Abstand  der  .Zeit  und  der  Schulen  von  Lucrez  auf- 
wärts zu  Piaton  und  abwärts  zu  Plutarch  verwehrte  uns  vorhin 
die  litterarische  Deutung  des  Einklangs  der  Lehre.  Jetzt  sehen 
wir  den  Asklepiades,  den  Hospitanten  des  Epikureismus,  ganz 
nah  der  Epoche  des  Lucrez  und  seinem  Kreise,  durch  medici- 
nische  Debatten  denselben  Akademikern  verpflichtet,  von  denen 
Plutarch  abhängt.  Ohne  Willkür  dürfen  wir  schliessen,  dass 
Asklepiades'  Erklärung  des  Magneten  έφ'  οΤς  ύπέθετο  στοιχείοις 
der  plutarchischen  ähnlich  sah. 

Also  hätte  Lucrez  die  Lehre  vom  Luftdruck  der  Schrift 
des  Asklepiades  über  Athem  und  Puls  entnommen?  Das  behaupte 
ich  nicht  —  eine  bescheidenere  Folgerung  verspricht  mehr 
Sicherheit  und  tieferen  Einblick  in  die  Absichten  und  Neigungen 
des  Dichters.  Der  feinhörige  Giussani  bemerkt  zu  v.  954 — 6: 
^Lncrezio  in  quest'  ultima  parte  del  libro  YI  ha  molto  occupata 
la  mente  della  morbida  vis  (n'ha  gik  pärlato  a  proposito  dell' 
Etna  e  degli  Äverna  loca),  sia  percho  giä  pensi  alla  chiusa  del 
poema  colla  peste  d'Atene,  sia  invece  che  questa  particolare  oc- 
cupazione  dello  spirito  gli  abbia  ispirato  quella  chiusa*.  Wir 
können  die  Leetüre  des  Lucrez  nicht  nachprüfen  und  wir  sollen 
bedenken,  dass  sein  Geist  nicht  aus  Büchern  allein  Nahrung  ge- 
zogen hat.  Sind  ihm  aber  überhaupt  medicinische  Erörterungen 
ans  Ohr  geklungen,  so  sind  ihm  die  Ansichten  des  Asklepiades 
nicht  fremd  geblieben  —  denn  laut  genug  war  dieser  Neuerer 
auf  den  Markt  getreten. 

A.  G.  M.  Raynaud  (De  Asclepiade  Bithyno  medico  ac  phi- 
losopho.  Thesis,  Paris  1862  p.  33)  meint,  Lucrez  habe  lY  664  ff. 
die  Fiebertheorie  des  Asklepiades  entlehnt :  das  wird  sich  bündig 
nie  erweisen  lassen;  uns  genüge,  dass  medicinische  Themata  im 
Gesichtskreise  des  Dichters  lagen.  Von  dorther  eher  als  von 
rhetorischen  Freunden  ^^  mag  auch  die  Pestsohildernng  des  Thu- 
kydides  ihm  zugetragen  worden  sein.  Der  Zusammenhang  lässt 
sich  nur  leise  und  fernher  bezeichnen.  Jedenfalls  werden  wir 
nicht  mehr  leichthin  sagen,  das  Kapitel  von  den  Epidemien  sei 
äusserlich  an  das  vorhergehende  angeschlossen.  Auch  beim 
Magnetismus  findet  ein  conUigium  statt. 

Die  ausführliche  Behandlung  des  Magneten  durch  Lucrez 
haben  wir  verstanden  aus  der  Lebhaftigkeit  des  Kampfes  um  τό 


^  Wie  Hb.  Schröder  meint,  *Lakrez  und  Thacydides*  S.  36. 


388  Fritzsohe 

θαυμαίόμενον  π€ρι  της  ίλΗεως  τών  'Ηρακλείων  λίθων  (Plat. 
Tim.  80^).  Der  Athmung  als  einer  physiologischen  Grundfrage 
hat  Asklepiades  eine  Monographie  gewidmet  —  es  lohnte  ihm 
schon,  dabei  zu  verweilen. 

Ein  nie  beglichener  Streit  umbrandete  im  Alterthum  die 
Erscheinungen  des  Magnetismus  und  der  Respiration,  und  dieser 
Streit  spielte  sich  ab  im  Vorhofe  der  Metaphysik.  Die  Alten 
konnten  die  Auflösung  des  Magnetismus  in  Mechanik  nicht  er- 
reichen, aber  wenn  sie  τήν  ivboEov  ταύτην  και  πολυθρύλητον 
λίθον  (Gal.  Π  ρ.  44  Κ.)  wieder  und  wieder  bedachten,  hat  eine 
sichere  Ahnung  sie  geleitet.  Denn  hier  waltet  ein  Urphänomen 
—  nach  Goethes  Worten  ^^  Es  war  ein  weiter  Weg  bis  zur 
Ansicht  der  modernen  Physik,  die  Wechselwirkungen  zwischen 
elektrischen  und  magnetischen  Strömen  entdeckt,  die  Elektricität 
der  Optik  angliedert,  von  dieser  Position  aus  die  Frage  nach  den 
Eigenschaften  des  Aethers  stellt  und  von  ebendaher  ^das  Wesen 
der  alten  Materie  selbbt  und  ihrer  innersten  Eigenschaften,  der 
Trägheit  und  der  Schwere*  *®,  zu  verstehen  hofft.  So  hat  sich 
die  Aufgabe  umgekehrt:  magnetische  und  elektrische  Kräfte,  vor- 
dem das  X,  werden  nun  als  die  gegebenen  Grössen  in  die  Glei- 
chung eingestellt.  Die  Alten  stiessen  angesichts  des  Magneten 
auf  den  theoretischen  Ort  der  modernen  Physik  und  kamen  trotz 
allen  Suchens  und  Deuteins  nicht  darüber  hinweg;  dass  sie  aber 
nicht  daran  vorbeigingen,  erweist  den  Ernst  und  die  Ehrlichkeit 
ihrer  Forschung.  In  der  Discussion  des  Magneten  hatte  die  me- 
chanistische Polemik  den  Einbruch  lebendigen  Wesens  ins  Reich 
des  Anorganischen  abzuwehren  —  man  berennt  ein  feindliches 
Vorwerk  im  eigensten  Gebiet.  Die  Versuche  hinwiederum,  ohne 
naturalis  facultas  die  Athmung  zu  erklären,  sind  ein  Vorstoss 
der    mechanistischen    Naturansicht   ins  Centrura    des  organischen 


88  Sprüche  in  Prosa  Nr.  790  (Bd.  19  S.  172  Hempel).  Vgl.  auch 
Hegels  Encyclopädie  der  philosophischen  Wissenschaften  §312  β  (Werke 
VII  1  S.  246)  'Der  Magnetismus  ist  eine  der  Bestimmungen,  die  sich 
vornehmlich  darbieten  mussten,  als  der  Begriff  sich  in  d<?r  bestimmten 
Natur  vermuthete  und  die  Idee  einer  Naturphilosophie  fasste*.  Hier 
darf  noch  erwähnt  werden,  dass  dem  Entdecker  des  Erdmagnetismus 
seine  Hypothese  als  Bestätigung  der  antiken  Weltseele  bedeutsam  schien, 

s.  Guil.  Gilbert  De  magnete physiologia  nova.    Londini  ΙβΟΟ. 

lib.  V  cap.  XII  p.  210. 

*  Heinrich  Hertz  in  seinem  Heidelberger  Vortrage,  (»es.  W.  I 
S.  354. 


Der  Magnet  und  die  AthmuDg  der  antiken  Theorie  389 

Reiches*^.  Ancb  hier  blieb  ee  beim  Poetnlat  —  die  Atbmung 
war  in  Aeromecbanik  nicht  restloe  aufzurechnen.  Die  heutige 
Physiologie  ist  von  V komme  m<tchine  wie  nur  irgendwann  ent- 
fernt: 'Je  eingebender,  vieleeitiger,  gründlicher  wir  die  Lebens- 
erecheinnngen  zu  erforschen  streben,  desto  mehr  kommen  wir  zur 
Einsicht,  dass  Vorgänge,  die  wir  bereits  geglaubt  hatten,  physi- 
kalisch und  chemisch  erklären  zu  können,  weit  verwickelterer 
Natur  sind  und  vorläufig  jeder  mechanischen  Erklärung  spotten* *^ 
Wir  verfeinern  unsere  Methoden  und  bereichern  unsere  Erfahrung 
und  wir  gelangen  wieder  und  wieder  dahin,  wo  unbewaffneten 
Auges  und  mit  tastender  Hand  die  Alten  sich  mühten,  zu  ewigen 
Problemen.     Cum  ezcusatione  itaque  veteres  audiendi  sunt. 


Ex  c  u  r  s 

1.  Lucrez  verwendet  VI  799  ff.  als  Beispiele  gehemmter 
Respiration  den  Tod  im  warmen  Bade  und  die  Kohlenoxyd  Ver- 
giftung. Dieselben  Belege  finden  sich  bei  Galen  in  einer  Po- 
lemik gegen  Erasietratos  (und  Asklepiades)  de  us.  resp.  lY  [IV 
p.  494  u.  496  K.,  vgl.  auch  de  us.  part.  VIII  8  (111  p.  540  K.)]. 
Dass  Lucrez  und  Galen  auch  der  lebensfeindlichen  Höhlenluft  hier 
gedenken,  erhebt  die  Parallele  über  die  Möglichkeit  des  Zufalls ^^ 


^  Umgekehrt  stand  die  von  Piaton  Tim.  p.  33c  (dort  Archer- 
Hind*8  Note)  abgelehnte  Weltathmung  der  Pythagoreer  (vgl.  Boeckh, 
Philolaos  S.  108  ff.). 

*i  Gustav  V.  Bunge,   Lehrb.    d.  Physiologie  (Lpzg.  1901)  II  S.  3. 

^^  Die  Asclepiadea  des  Anonymus  Lond.  grenzen  unmittelbar  an 
diese  Themata.  37,  51.  38,  1  (vgl.  auch  Cael.  Aurel.  m.  ac.  I  15  p.  53 
Am.)  ist  von  der  Wirkung  des  Hibergeils  die  Rede:  τό  καστόρ€ΐον 
προσοισθέν  τοΙς  μυκτήρσι  ^ώννυσι  τάς  δυνάμεις  διεγείρον  τήν  ψυχήν 
καΐ  ivTctvov.  Vorher  37,  30  vom  weissen  Nieswurz:  καΐ  μήν  καΐ  ό 
λευκός  έλλ^βορος  άποθυμιώμενος  γυναιΗΙν  άγϋτρός  γίνεται  τών  καταμη- 
viuiv.     Dazu  vgl.  Lucr.  VI  794—6: 

castoreoque  gravi  mulier  sopita  recumbit, 
et  manibus  nitidum  teneris  opus  efßuit  ei, 
tempore  eo  si  odoratast  quo  meustrua  solvit. 
(Durch  dies  Emailbildchen  wird  Giussani  an  den  Schluss  vonCatull65 
erinnert.     Ich  darf  hinzusetzen,  dass  beide  Dichter  ein  Sprichwort  oder 
vielmehr   dessen  Ausdeutung    durch  Grammatiker   anmuthig    variiren, 
vgl.  Festue  p.  1G5,  17  M.,  Otto  Spr.  d.  R.  S.  231).    Wenn  übrigens  das 
Bibergeil  beim  Anon.  überhaupt,  nach  Galen  XIll  p.  320  K.  für  die  Stick- 
anfalle Hysterisober  erwecklieb  scheint,  nennt  es  Lucrez  betäubend  für 


390  Fritzsche 

Nun  berichtet  Caelias  Aurelianae  morb.  acut.  I  15  (p.  52  f.  Am- 
man) folgende  Anmerkung  des  Asklepiades  von  der  Wirkung  der 
Raute:  'AccueanR  enim  eoR  qui  rutam  probaverunt  adbibendam, 
yitandas  inquit  primo  gravabilee  virtutes  (ec.  in  pbrenitide), 
siquidem  ascensu  quodam  inepirationie  capnt  invadant  et  magnas 
menti  occaeiones  alienationie  eubiciant .  Das  passt  zu  Lucr. 
V.  802  f. : 

carbonumque  gravis  vis  atque  odor  ineinuatur 
quam  facile  in  cerebrum, 
und   der  Zusatz     nisi  aquam  percepimue  ante*   widerstreitet  jeden- 
falls niobt  den  prophylaktischen  Grundsätzen  des  Asklepiades. 

Die  Lesung  der  v.  804  f.  bleibt  ungewiss.     Schreiben  wir 
mit  Laohmann: 

at  cum  membra  domus  percepit  fervidior  vis, 
tum  fit  odor  vir!  plagae  mactabilis  instar 
[oder,    näher  der  üeberlieferung  (fervida  servis  od.  fervie),   doch 
künstlicher  mit  Munro:    fervidu'  nervis],    so  stellt  sich  die  Ver- 
muthung   ein,    dass  Lucrez    noch    auf   den  Koblendunst    bezogen 
habe,  was  seine  Quelle  (wie  Galen  IV  p.  496  K.)  vom  Firniss- 
geruch   frisch  gestrichener  Gemächer  (τοις  νειυίΤτΙ  κεχρισμένοις 
οΤκοις  τιτάνψ)  besagte.     Lesen  wir  aber  mit  der  Ynlgata: 
at  cum  membra  hominis  percepit  fervida  febris 
tum  fit  odor  vini  plagae  mactabilis  instar 
(oder    für  homifiis    mit  Heinrichsen    und  Madvig  domans),    dann 
hätte  Lucrez  von  dem  Streite   gehört,    der    um   des  Asklepiades 
Schrift    περί    οΤνου    οόσβως    entbrannt     eine    tippige    Litteratur 
emportrieb ^^.     Dass  nämlich  Asklepiades  dem  Kranken    auf  der 
Höhe    des    Fiebers    Wein    gereicht    habe,     wird    nach    Caelius* 
undeutlichen  Angaben    von    Gumpert  aCT  p.  123   geradezu   ver- 
neint,   auch    der    scharfsinnige    Le   Oltf• .  sagt  Bist,  de   la  m^d. 
(Amsterd.  1702)  Π  p.  111:    *I1  Paccordait  aisiment   k  ceux  qui 
avaient  la  fievre,    pourvu  qu^elle  eut  un  peu  diminuo  de  ea  pre• 
mi^re  violence'.     Asklepiades    liebte   starke  Ausdrucke.     £r  hat 
erklärt:  'Wer  Phrenetischen  zur  Ader  lässt,  der  kann  sie  gleich 
mit  der  Hand  todtschlagen'  (Cels.  III  18  'perinde  esse  dixit  bis 


den  besonderen  Zustand  der  Katamenien  (vgl.  noch  den  bei  Plin.  N.  H. 
32,  133  miigetheilten  gynäkologischen  Aberglauben).  38,  37  bespricht 
der  Anonymus  die  Abkühlung  beim  Austritt  aus  warmem  Bade. 

^  *Qui  vero  postea  de  volumine  illo  disseruere,  innumeri*  Plin. 
N.  H.  23,  32.  Vgl.  H.  Bruns,  Quaestiones  Asclepiadeae  ....  Diss.  Ro- 
stooh.  (Parchim  1884),   Wellmann  im  Hermes  24   S.  534  f. 


Der  Magnet  und  die  Athmung  in  antiken  Theorien  391 

sangoinem  mitti  ac  si  tracidentur*.  Gael.  Aar.  morb.  acut.  I  15 
p.  46  Am.  ^phlebotomiam  etiam  niliil,  inqnit,  ingnlatione  differre 
in  phrenetioie').  Hallt  solche  Draetik  wieder  in  der  auffälligen 
Wendung  des  Lucrez:  plagae  mactabilie  instar? 

2.  Asklepiades  bemerkte,  dass  der  Ader  läse  Pleuritisohen 
in  Athen  und  Rom  schadet,  in  Parinm  und  am  Hellespont  aber 
zutr&glioh  ist  (Cael.  morb.  ac.  Π  22  ρ.  131  Am.). 

Er  hatte  also  ein  Auge  für  geographische  Pathologie.  — 
Lucrez  handelt  von  den  Leiden,  die  bestimmten  Gegenden  eigen- 
thümlich  sind  und  sagt  dabei  v.  1114  f.: 

Est  elephas  morbus  qui  propter  flumina  Nili 
Gignitur  Aegypto  in  media,  neque  praeterea  usquam. 
Den  Historikern  des  Aussatzes^  gelten  diese  Verse  als  Beweis 
gegen  das  Vorkommen  der  Elephantiasis  ausserhalb  Aegyptens 
zu  jener  Zeit.  Aber  Lucrez  schildert  ja  gleich  darauf  die  Wan- 
derung des  lebensfeindlichen  caelutn  einer  entfernten  Oertliohkeit 
iu  unsere  Gebreiten.  Das  Vaterland  (nicht  die  Ausdehnung)  der 
Elephantiasis  (und  1141  der  athenischen  Pest)  wird  mit  Aegypten 
bezeichnet.  Wie  dem  auch  sei,  Plutaroh  Conv.  disp.  VIII  9,  1 
p.  731  citirt  einen  Athenodoros,  έν  τφ  προτέρψ  τών  'Επιδη- 
μιών Ίστορουντα  πρώτον  έν  τοις  κατ'  Άσκληπιάοην  χρόνοις 
ου  μόνον  τήν  έλεφαντίασιν  άλλα  και  τόν  ύοροφόβαν  έκφανή 
Τ€νέ0θαι.  Asklepiades  bat  die  Elephantiasis  im  Abendlande  zu- 
erst als  Arzt  beobachtet,  vielleicht  ausführlich  behandelt  in  seiner 
Schrift  περί  αλωπεκίας  (vgl.  Galen  XII  p.  410  K.  Gumpert  aO- 
p.  172  ff.)*ö. 

So  scheinen  allenthalben  gleichsam  unter  der  litterarischen 
Oberfläche  Verbindungslinien  durch,  die  zu  scharfen  deutlichen 
Strichen  auszuziehen  nicht  gelingt,  weil  Dichter  gemeinhin  nicht 
auf  Bibliotheken  arbeiten  und  nicht  wie  Gelehrte  citiren. 

Giessen.  R.  A.  Fritzsche. 


^  Vgl.  Gbr.  Hensler  S.  192  seines  ausgezeichneten  Werkes:  Vom 

abendländischen    Auesatze Hbg.  1790.     Nachher   gieng   das 

losgelöste  Lucrezcitat  von  Hand  zu  Hand. 

*^  In  die  gleiche  Betrachtung  gehört  der  saeer  ignis,  den  Luor. 
VI  660  und  1167  beschreibt. 


AUS  DRESDENER  HANDSCHRIFTEN 


I.  Scholien  zn  Yegetins. 

Der  Cod.  Dresdensie  De  182  enthält  fol.  63—135  die  £pi- 
toma  rei  militarie  des  Yegetias  von  einer  Hand  aus  saec.  X.  Die 
üeberlieferung  gehört  zwar  zu  der  geringeren  Handechriftenklaese, 
aber  der  Dresdeneis  bietet  an  manchen  Stellen  Scholien,  die  we- 
nigstenB  zum  Theil  auf  gute  Quelle  zurückgehen.  Manches  ist 
allerdings  in  den  Scholien  durch  grosse  Flecke  unleserlich  ge- 
worden und  es  kommen  überhaupt  nur  die  beiden  ersten  Bücher 
in  Betracht,  da  die  Thätigkeit  des  Scholiasten  in  Bach  III  und 
IV  fast  ganz  aufhört  und  nur  noch  wenige  Worte  interpretirt 
sind.  Namentlich  prunkt  der  Verfasser  mit  seinen  Eenntniseen 
im  Griechischen,  das  theil  weise  vollständig  falsch  ^  für  Erklärungen 
herangezogen  wird.  Solche  Erklärungen  entsprechen  häufig  der 
wissenschaftlichen  Bildung  der  karolingischen  Zeit  und  da  an 
einigen  Stellen  Paulus'  (Diaconus)  Auszug  aus  Festus  benutzt 
wird,  so  ist  der  Scbluss  wohl  nicht  zu  gewagt,  dass  der  Ver- 
fasser der  Scholien  dem  θ — 9.  Jahrhundert  entstammt,  wenn  auch 
manches  auf  ältere  Grundlage  zurückgeht. 

Die  Handschrift  selbst  ist  von  Lang  in  seiner  Ausgabe  des 
Vegetius  (Lips.  1885)  p.  XXXVII  beschrieben  worden,  aber  nur 
nach  Angaben  von  Du  Rieu,  nicht  nach  eigner  Anschauung. 
Zunächst  besteht  der  ganze  Dresdner  Codex  ans  zwei  Theilen, 
die  in  der  alten  Michelsberger  Bibliothek  gesondert  als  119  und 
als  I  20  vorhanden  waren.  Der  zweite  den  Vegetius  enthaltende 
Tbeil  hat  mit  jenem  ersten,  vom  Präpositus  Ragenarius  dem  Ma- 
rienkloster  zu   Rheims   geschenkten  Tbeil   keinerlei   BerührungS 

^  So  zu  p.  20,  4,  wo  *  Mattiobarboli  *  aus  mathesis,  barin  and 
baleiti  erklärt  wird;  und  59,  3,  wo  der  Scboliast  den  ersten  Bestand- 
theil  des  Wortes  *  polipticus  *  mit  πόλις  zusammenbringt. 

^  Die  beiden  Schriftarten  sind  gänzlich  verschieden  und  fallen 
zeitlich  auseinander. 


Aus  Dresdener  Handschriften  393 

ausser  dass  er  später  mit  ihm  zusammengebunden  wurde.  Es  ist 
daher  nicht  richtig  gewesen,  dass  die  chronologischen  Verhält- 
niese des  ersten  Theils  auf  den  zweiten  durch  Du  Rieu  und  Lang 
übertragen  worden  sind :  der  zweite  Theil  stammt  sicher  aus  dem 

10.  Jahrhundert.  Ferner  ist  dieser  Theil  nicht,  wie  Lang  sagt, 
von  einer  Hand  durchcorrigirt  worden,  die  auch  die  Soholien  ge- 
geschrieben habe,  sondern  es  sind  drei  Correctorhände  zu  unter- 
scheiden, deren  eine  allerdings  mit  der  Hand  des  Scholiasten 
identisch  ist.  Die  Scholiastenhand  ist  von  ganz  anderer  Sohreib- 
Übung  als  die  Hand  des  Schreibers,  welche  dick  und  unschön  er- 
scheint. Die  Scholiastenhand  ist  sicher  gleichzeitig,  ja  sie  reprä- 
sentirt  sogar  einen  sehr  alten  Ductus»  wie  sich  besonders  aus  dem 
lang  heraufgezogenen  e  ergiebt. 

Ich  lasse  nun  die  noch  deutlich  erkennbaren  Scholientheile 
nach  den  Seitenzahlen  der  Ausgaben  von  Lang  hier  folgen;  das 
erste  Scholion,  wahrscheinlich  über  das  Wort  epitoma  ist  ganz 
unleserlich  geworden. 

5,  17  procerüatem  magnitudinem  enormitatem  longitudinem. 
6,  3  desides  otiosos.  6,  11  ignavos  inertes.  6,  21  ineonsMiores  mi- 
nus prudentes.  7,  2  suppetat  subveniat  suffragetur.  7,  4  dimicatione 
proelio.  7,  9  suh  divo  sub  caelo  aperto.  7,  12  gestare  portare. 
Ί,  17  papilionibus  tentoriis.  papiliones  tcntoria  dicuntur  a  similitudine 
papilionum  hoc  est  parvarum  volatilium  quas  vulgo  .  .  .  mulas^  di- 
eunt^.  7,  19  emergit  consurgit.  7,  19  angariis  angaria  grece  latine 
compulsio  dicitur.  Ergo  angariae  sunt  loca  ab  urbibus  remota  in  qui- 
bus  milites  exercere  militiam  compelluntur^.  7,  22  infitiandum  dene- 
gandum.  8,  12  alacritas  velocitas  fortitudo.  8,  4  dictaiuram  dicta- 
turam  idest  principatum  nam  dictator  princeps  nuncupatur^.  9,  15 
denas  untias  unius  pedis,  hoc  est  tota  longitudo  pedis  praeter  bis  duo- 
decimam  partem.      9,  16  alares  egtUtes  alares  equites  dicuntur  qui  ex 

utroque  latere  in  modum  alarum dependunt.      9,  IG  cohor- 

tibu8  cohors  est  multitudo  peditum  sive  equitum  armatorum,  nam  una 
legio  X  cohortes  habet.        10,  14  masculoHS  fortibus  vel  nodosis. 

11,  2  ducarioa^  dacarii  sunt  qui  ducarias  hoc  est   frenos   loreos    com• 


^  Drei  bis  vier  Buchstaben  unleserlich. 

«  Cf.  Isidori  orig.  XV  10,  3. 

'  Nach  der  falschen  Lesart  statt  ngrariis  hat  der  Scholiast  oder 
seine  Quelle  unter  Benutzung  von  Vegetius'  Darstellung  diese  Inter- 
pretation gegeben,  angaria  compulsio  vel  vi  coagens,  Corp.  gloss.  lat. 
ed.  Götz  V  491,  38. 

^  Fast  ganz  unleserlich. 

^  Gorrigirt  aus  dulcarios.  Die  richtige  Lesart  ist  dulciarios.  Das 
Wort  ducarius  ist  nicht  nachweisbar,  ebenso  wenig  ducaria. 


394  Mauitius 

ponunt.  11,  2  linteones  linteamiDa  texentes^.  11,3  ginecea  gynecea 
saDt  domus  texentium  mulierum,  nam  gyne  grece  mulier  latine  inter- 
pretatur^.  '  11,  12  Sertorto  Sertorius  quidam  dux  quem  Pompeios 
aequiperabat  in  bellico  exeroitio.  11,  15  idoneutn  milüem  fidelem  enf- 
ßcientem  ad  militiae  opus.  11,  18  stipendiis  muneribne.  12,15  sub- 
rogandi  ordinandi.  13,  11  epitomata  excerpüonee  sive  breviaria. 
18, 12  auspieiis  initiis.       13,  14  aede^  domi.      13,  20  dtaHor  velodor. 

14,  15  vecU  fuste.  15,  5  lixas  lixa  est  servus  qni  sequitur  exei^ 
citum  causa  luon^.  15,  14  pcdos  stipites  grandee.  16,  13  adaeta  im• 
pulsa.  16,  15  caesa  caesa  est  ictus  caesim  feriens  cui  oontraria  est 
puncta  hoc  est  ictus  punctim  videlicet  perforatim  feriens ^  17, 3  eon^ 
tubemales  consocios.        19,  10  cassidibus  galeris.        19,  10  eaiafraetis 

catafractae  sunt pectora  ....  tur•.       19,  15  funditOfCB  fun- 

ditores  sunt  qui  ex  funda  lapides  emittunt.  20,  1  lüyria  nomen  pro- 
vinciae.  20,  4  Mattiobarboli  perite  et  fortiter  emittentes  nam  greoc 
mathesis  doctrina  et  barin  forte,  baiein  vero  emittere  dicitur.  22, 16 
draconarii  di*acönum  signa  ab  Apolline  morte  Pytbonis  serpentis  io• 
cboata  sunt^.  23,8  polit^  (Veget.  pilatae)  comptae  expeditae.  23,37 
pUleis  hoc  est  capitum  munimentis  in  modum  galeri.  23,  27  Patmo- 
nieos  a  Pannonia  provincia  nominantur.  25,  18  offieere  nooere. 
25,  21  impedimentorutn  onerum.  26,  7  decumana  Paulas  dicit:  decu- 
mana  porta  appellatur  quia  sit  magna  quomodo  et  decumana  ova  di> 
cuntur  et  decuroani  fluctus  qui  eint  roagni;  nam  et  ovum  decimom 
maius  nascitur  et  fluctus  decimus  fieri  maximus  dicitur ^.  26,  13  («- 
multuaria  tumultuorium (!)  opus  dicitur  hoc  est  vile  et  rusiieum^  .... 

26,  22  ligones  fosoria.  26,  2J  rastra  a  radendo  dicta  terra m,  fst 
autem  dentatum  instrumentum  ^^.  2i),  22  qualos  corbes.  27,  18  ma• 
triaUae  matriculae  sunt  legionarii  milites  qui  tanquam  matrea  tyronibns 
sunt  instruendis       29,  5  enuckata  enodata.      29,  5  oongessi  oongregavi 


1  Nach  Servius  ad  Aen.  VII  14. 

2  Nach  leid.  orig.  XV  6,  3. 

^  So  mit  ε  in  der  Handschrift  statt  acie. 

*  Pauli  epitome  Festi  (ed.  Aem.  Thewrewk)  p.  83  lixae  qui  exer- 
citum  secuntur  quaestus  gratia.  lixe  qui  exeroitum  eecontur  questos 
causa,  Corp.  Gloss.  lat.  IV  534,  42. 

^  Stammt  zum  Theil  aus  Veget.  I  12.  Das  Wort  perforatim 
ßudet  sich  nicht  bei  Georges''. 

*  Das  Uebrige  ist  unleserlich. 

'  Isid.  orig.  XVIII,  3, 3.  —  Das  Py  von  Pytbonis  ist  nioht  mehr 
zu  lesen,  sondern  aus  Isidor  ergänzt. 

^  Pauli  epit.  Festi  ed.  Thewrewk  p.  50.  —  In  der  Handaohrift 
ist  sint  magni  —  dicitur  kaum  zu  lesen. 

ö  Das  weitere  ist  unleserlich. 

^^  Nach  Isid.  orig.  XX  14,  9  Rastra  quoque  aut  a  radendo  terram 
aut  a  raritate  dentium. 


Aus  Dresdener  Handschriften  395 

29,  6  düectu  electione.  29,  12  Epyri  in  Epiro  insola.  30, 5  Pti- 
nieum  Africanum.  30, 7  enervaverit  infirmaverit.  30  app.  2  epithoma 
exoerptio  vel  breviarium.  digesta  ordinata.  34,  12  oereati  ocreae 
snnt  quibus  crara  militum  in  bello  teguntur.  34,  13  classium  classis 
(c.  clasis)  est  multitudo  navium,  diro  tujv  κάλων  id  est  a  lignis  nomi- 
naturK  34,  14  liburtMrum  maximarum  navium.  36,  6  adminieuium 
auxilium.  36,  9  ferentarios  ferentarii  qui  arma  ferunt^.  37,  17 
signabo  monstrabci.  37,  22  dissirmdaüo  neglegentia.  38, 7  inpolitiar 
inomatior.  38,  15  auapiciis  initiis  consecrationibus.  39,  11  aquilam 
formam  aquilae.  Von  dem  grossen  weiteren  Scholion  zu  aquila  ist  nur 
noch  lesbar  erhalten  geblieben:  auspica  .  .  .  legioni  ....  quo  ut  de- 
inceps  militum  signis  committeretur'.  40,  3  enucleatim^  expresse. 
40, 3  adscribendi  deputandi  enumerandi.  41, 12  eampometatores•^  oam- 
pum  metantes.  42,  1  podismum  podismus  est  pedalis  mensura  qua 
loca  castrorum  mensurantur.  42, 3  torquati.  Von  dem  Scholion  sind 
nur  noch  die  Worte  zu  lesen:  .  .  .  vas  annonas  consequebantur;  es 
scheint  aus  dem  Wortlaut  bei  Yegetius  unmittelbar  hinübergenommen 
zu  sein.  43,  25  pr^feeti  iudices  vel  comites  legionis  atque  magistri. 
43,  24  tessera  preceptum  ducis  (aus  Veget.  II  7  p.  41,  9).  44,  12  tn- 
pedimentis  oneribus  atque  utensilibus.  45, 11  cassides  galeae.  45, 14 
cunicularios  ounicularii  sunt  qui  cuniculos  id  est  foramina  sub  terra 
efifodiunt^.  46,  8  aquilifer  aquilifer  est  qui  aquilam  id  est  imaginem 
aquilae  pro  signo  fert  in  proelio.  46,  18  crisiia  crista  est  summitas 
galeae.  47,  5  papüione  tentorio.  50,  9  triarii  triarii  sunt  milites 
qui  in  tertia  acie  consistunt^.  53,  9  poUpticis  polipticus  libor  est  in 
quo  vita  urbana  scribitur.  58,  16  eannis  ....  rba  roarina  vel  pa- 
lustris. 59,  16  technici  (im  Text  steht  scaenici)  technici  i.  e.  posi- 
tores  vel  technici  ipsi  sunt  boni  artifices.  60, 19  arpagones  arpagones 
uncinulos^  vel  sarculos.  61,  1  Ugones  ligones  fosoria  dicti  quasi  le• 
vones  quod  terram  levant^.  61,  l  rutra  rutrum  dictum  est  quod  eo(?) 
terra  eroitur  vel  harena^  in  hnnc  modum.        61,  1  cdveos  canales. 


^  Stammt  aus  Servius  ad  Aen.  I  43. 

*  Pauli  epit.  Festi  p.  60  Ferentarii  auxiliares  in  bello  a  ferendo 
auxilio  dicti. 

'  Der  Wortlaut  ist  zu  ergänzen  nach  leid.  orig.  XYIII  3,  2. 

*  Ist  durch  Correctur  aus  enucbeati  hergestellt  worden. 

^  Der  Soholiast  hat  die  Stelle,  welche  falsch  interpungirt  ist, 
missverstanden  und  die  beiden  Worte  campo  metatores  zu  dem  un- 
möglichen campometatores  zusammengezogen. 

*  Pauli  epit.  Festi  p.  35  Cuniculum  id  est  foramen  sub  terra. 

^  Ist   wahrscheinlich   aus  Veget.  1,  20  (p.  23,  12  ff.)  genommen, 
β  Das  Wort  ist  bei  Georges  nicht  vorhanden. 
®  Isid.  orig.  XX  14,  11. 

^^  Pauli  epit.  Festi  p.  355  Rutrum  dictum  quod  eo  harena  eruitur. 
—  Am  Rande  findet  sich  die  Doppelzeiohnung  eines  Grabscheits. 


396  ManitiuB 

61, 1  eofinos  corbes.  61,  2  dolabras  dolatorias  bipennes^.  61,  3  paii 
fustes.  61,3  dolantur  raduntur.  61,5  wittes  mneas  de  bis  omnibus 
in  sequentibus  narrabitur.  61,  6  appeUatorias^  trudentes.  98,  17 
spatas  et  ad  püa  vel  belsas  ^  i.  e.  campos.  Bcutum  vel  peltam.  1 13, 18 
aceusare  fortunam  hoc  est  malam  esse  fortunam.  138,  3  eratibua  (c. 
crotibus)  oentonibus. 

Man  siebt  ans  einigen  der  gegebenen  Erklärungen,  nämlich 
aae  denen,  welche  sich  verderbten  Lesarten  anscbliessen,  daee  die 
Schollen  nicht  sehr  alt  sein  können.  Manche  Scholien  geben 
offenbaren  Unsinn ;  die  Worte  ducarins  und  ducaria,  perforatim 
und  uncinnlus  scheinen  sonst  nicht  nachweisbar  zu  sein.  Als 
Hanptqnelle  hat  der  Scholiast  den  Vegetins  selbst,  Seryiae,  leidor 
und  Paulus*  Auszug  aus  Festus  benutzt. 


Ich  schliesse  hier  noch  eine  weitere  Miscelle  an,  die  ans 
derselben  Handschrift,  aber  aus  ihrem  ersten  in  Rheims  geechrie- 
benen  Theile  stammt.  Im  Dresdensis  De  182  folgt  nämlich  auf 
das  Itinerarium  Antonini  fol.  50^  unter  der  gemeinsamen  Auf- 
schrift 'Septem  montes  urbis  Romae'  die  Aufzählung  der  sieben 
Hügel  Roms  (der  Capitolinus  erscheint  hier  als  Tarpeins)  und 
ein  ganz  kurz  gehaltenes  Summarium  über  die  römischen  Wasser- 
leitungen. Letzteres  scheint  auf  den  ersten  Blick  ein  Auszug 
aus  den  betreffenden  Kapiteln  Frontins  zu  sein,  der  durch  einige 
der  späteren  Zeit  angehörige  Namen  vermehrt  wurde;  aber  die 
Namen  der  Begründer,  die  hier  aufgeführt  werden,  stimmen  meist 
nicht  mit  Frontins  Ueberlieferung  überein.  Wenn  unter  Alezander 
der  Kaiser  Severus  Alexander  zu  verstehen  ist,  so  würde  Aure- 
lian  der  letzte  der  hier  genannten  Kaiser  sein.  Dass  die  Aufzäh- 
lung vielleicht  noch  aus  der  späteren  Kaiserzeit  stammt,  dafür 
dürfte  der  Umstand  sprechen,  dass  die  Herstellung  der  Wasser- 
leitungen sämmtlicb  den  Herrschern  oder  doch  Mitgliedern  der 
kaiserlichen  Familie  zugeschrieben  wird,  während  ja  aus  Frontin 
(de  aquis  urbis  Romae  ed.  Bücheier,  Lips.  1858)  zum  Theil  ganz 
anderes  bekannt  ist.  Möglich  ist  auch,  dass  das  kleine  Stück 
erst  karolingischen  Ursprungs  ist,  es  kann  aber  auch  ebensogut 
einem  früheren  Jahrhundert  entstammen.  Unbekannt  scheint  das 
Wort  confluctio  zu  sein. 


^  dolabra  securis  bipennis  dolatoria,  Corp.  Glose.  lat.  II  577,  27. 

^  Entstanden  aus  appellant  turres. 

^  belsa  i.  e.  sagitta.  Da  Oange-Hensohel,  glossarium  I  643. 


Aus  Dresdener  Handsohriften  397 

Den  einzelnen  aquaeductue  habe  ich  die  in  Betracht  kom- 
menden Stellen  aus  Frontin  nach  ßüchelere  Ausgabe  hinzugefügt, 
aber,  wie  schon  gesagt,  die  Angaben  decken  sich  meist  nicht  mit 
dem,  was  dort  erzählt  wird. 

Septem  montes  urbis  Romae. 

Tarpeins,    Rsqailinns,   Palatinns,    Celias,    Aventinns,  Quiri- 
nalis,  Viminalis. 
Nunc  nomina  aquarum  que^  usibus  aetern^  urbis  formarum  con- 

fluccionibus  advectae  sunt  indicemus. 
Claudia  inventa  et  adducta  est  a  Claudio  C^sare  (Front.  I,  13  ρ   9). 
Martia  inventa  est  a  Marco  Agrippa  (ib.  I,  7  p.  5). 
Traiana  inventa  adductaque  est  a  Traiano  Augusto. 
Tepnla  item  a  Marco  Aprippa  inventa  deductaque  est  (ib.  I,  9  p.  7). 
lulia  inventa  ab  Aureliano  perductaque  est  (ib.   I,  9  p.  7). 
Alsiatina    intem   inventa  perductaque  est  a  Claudio  Cesare  (ib.  I, 

11  p.  8). 
Alezandrina  inventa  perductaque  est  ab  Alexandro. 
Virgo  inventa  perductaque  est  ab  Aprippa  Cesare  (ib.  I,  10  p.  8). 
Drusia  inventa  perductaque  est  a  Druso. 

Pr^ter  haeo  repletur  etiam  indigenis  nimphis  que  admiratur 
virgo  Aeneam  taliter  Italiam  dixit:  Nimph^  Laurentes  nimph^ 
genns  amnibus  unde  est^ 


II.  Schollen  zu  Statins  Thebais. 

Die  kgl.  Bibliothek  in  Dresden  besitzt  in  der  Handschrift 
De  156  einen  Band  von  150  Pergamentblättern,  welcher  des 
Statins  Thebais  in  zwei  Exemplaren  enthält.  Als  Vorsteh blatt 
der  Handschrift  dient  die  erste  Seite  von  fol.  1  welche  genaue 
Auskunft  Über  die  Abfassung  und  Zagehörigkeit  giebt.  Zunächst 
findet  sich  hier  von  der  Hand  des  Schenkgebers  folgender  Eintrag : 

Argumentum  Ovidii    * 
AsBotiat  pugnam  Tydeo  primns  Polinioem. 
Tydea  legatum  docet  insidiasque  secundus. 
Tercins  Hemonidem  canit  et  vates  laniantes. 
Quartns  habet  reges  ineuntes  prelia  septem. 
Mox  Furi^  Lemni^  quinto  narrantur  et  angnis. 


1 


c.  Domma  quarumcumque. 
«  Verg    Aen.  VÜI  71. 
'  e.  lenni. 


398  Manitius 

Archemori  baetum  eezto  Indique  gerantar. 

Dat  (jraioe  Thebie  et  vatem  septimue  umbris. 

Octavo  cecidit  Tydene,  epee  fida  Pelasgis. 

Ypomedon  nono  moritnr  cum  Parthonopeo. 

Fulmine  peroueeus  decimo  Capaneus  euperatur. 

Undecimo  sese  perimnnt  per  vulnera  fratree. 

Argyam  flentem  memorat  dnodenus  et  ignee. 
Darunter  Rteht  von   derselben  Hand    des    13.  Jahrhunderte 
die  Notiz:  Liber  magietri  Nicolai  qnem  contnlit  eanete  Marie  in 
Nienburg.  Statine. 

Hierauf  folgt  ein  Eintrag,  der  sich  auf  die  Anordnung  dee 
Ganzen  bezieht  und  erst  nach  dem  Binden  gemacht  werden  konnte: 
Statu  Thebaidoe  iibri  duodecim.  Item  Statine  cuius  eupra 
Volumen  ubi  primus  liber  cum  initio  eecundi  deest  quem  defectum 
inveniee  in  primie  decem  foliie  voluminie  auteriorie.  Item  defec- 
tue  uniue  folii  cum  et  uniuR  folii  ruptura  in  XI  libro.  Item  de* 
fectue  duorum  sequentium  autepennltimi  et  ultimi  foliomm,  quere 
omnia  in  volumine  priori.  Item  que  in  priori  deennt  ut  argu- 
menta et  gloeee  vel  ob  decolorationem  atramenti  pro  effigiebus 
caracterum,  quere  in  posteriori. 

Sancte   dei   genitricis  Marie  sanctique   Cipriani   epieoopi  et 
martiris  in  Nienburg. 

Religatus  anno  domini  1472  opera  Petrorum. 
Hiemach  ergiebt  sich  als  Provenienz  für  die  Handschrift 
das  anhaltische  Kloster  Nienburg  am  Einflnss  der  Bode  in  die 
Saale,  ein  altes  Benedictinerkloster,  welches  auch  mehrfache  Be- 
ziehungen zu  geschichtlicher  Litteratur  aufzuweisen  hat  (Watten- 
bach, Deutschi.  Oeschichttsquellen  I  353.  Π  357). 

Der  Band  ist  insofern  verheftet  worden,  als  auf  den  ersten 
Quaternio  ^  von  α  (so  nenne  ich  die  erste  Handschrift,  die  zweite  b) 
ein  Quaternio  von  b  folgt,  doch  so,  dass  er  zu  einem  Temio  aus- 
geschnitten ist;  er  beginnt  mit  XI  358,  dann  fehlt  498 — 634, 
worauf  XI  zu  Ende  geführt  wird.  Zwischen  XU,  8  und  9  ist 
ein  Blatt  herausgeschnitten,  desgleichen  fehlt  ein  Blatt  nach  408f 
doch  so,  dass  409—549  wirklich  fehlen.  Das  ΧΠ.  Bach  endet 
dann  mit  Vs.  687.  Da  nun  die  letzen  132  fehlenden  Veme  ein 
Blatt  ausmachen,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass  sie  ehedem 
fälschlich  auf  dem  zweiten,  später  herausgeschnittenen  Blatte 
dieses  Quaternio  gestanden  haben.     Hierauf  folgen  nun  die  Lagen 

^  Er  reicht  bis  II,  52. 


Ααβ  dresdener  Handschriften  399 

von  α  mit  II,  53  beginnend  und  zwar  folgen  auf  einen  Quaternio 
zwei  Qoinionen,  darauf  sieben  Qaatemionen  nnd  ein  Binio.  Die 
Hand  des  Sobenkgebers  nnd  Schreibers  reicht  bis  fol.  75*  Theb. 
IX,  825.  Den  übrigen  Theil  bis  fol.  101*  dh.  bis  zum  Ende  der 
Thebais  (Bxplicit  Staoins)  hat  eine  jüngere  Hand  geschrieben, 
die  immer  zierlicher  und  kleiner  werdend  sobliesslich  von  fol. 80* 
an  von  einer  grösseren,  ihr  sehr  ähnlichen  abgelöst  wird.  Diese 
späteren  Hände  gehören  dem  14.  Jahrhundert  an  nnd  ohne 
Zweifel  hat  daher  der  Magister  Nicolans  seine  Statiashandschrift 
dem  Kloster  Nienburg  unvollendet  hinterlassen  und  sie  ist  dort 
später  vollendet  worden.  Aber  auch  in  dem  ersten  Theile  sind 
in  der  Mitte  verschiedene  Hände  erkennbar^  nämlich  von  fol. 
35b _  47b^  gyg^  dann  setzt  der  frühere  Schreiber  wieder  ein.  Aber 
der  Abschnitt  auf  fol.  75*  ist  nicht  nur  an  der  Schrift,  sondern 
auch  an  der  Erklärung  des  Textes  zu  erkennen ;  während  nämlich 
in  dem  ganzen  ersten  Theile  von  der  Hand  des  Schreibers  häu- 
fige Scholien  und  Glossen  an  den  Rand  oder  übergeschrieben 
sind,  fehlt  dies  von  fol.  75*  an  gänzlich. 

Die  zweite  Handschrift  b  besitzt  also  den  schon  erwähnten 
ursprünglichen  in  α  verhefteten  Quaternio  nnd  besteht  dann  aus 
sieben  weiteren  Qnaternionen,  deren  letzter  eigentlich  ein  Quinio 
ist,  dem  zwei  Blätter  ausgeschnitten  sind;  oder  vielmehr,  er  be- 
steht ans  drei  Lagen  und  zwei  einzelnen  Blättern.  Es  beginnt 
also  b  in  dem  Uesammtcodex  auf  fol.  9a  mit  seinem  unvollstän- 
digen Schlussquatemio,  während  sein  wirklicher  Anfang  fol.  102 
mit  Theb.  II,  268  einsetzt.  Da  nun  im  Anfange  (die  poetischen 
Argumenta  eingerechnet)  1011  Verse  fehlen  und  der  Quaternio 
bei  69  Zeilen  auf  der  Seite  gegen  1100  Verse  besitzt,  so  ist  bei 
dem  ersten,  verloren  gegangenen  Quaternio  von  b  die  erste  Seite 
des  ersten  Blattes  unbeschrieben  gewesen,  wie  bei  α  und  der  Text 
hat  erst  auf  fol.  Ib  begonnen.  So  hat  b  im  Ganzen  jedenfalls 
neun  Quaternionen  gehabt,  deren  erster  vollständig  verloren  ging 
and  deren  letzter  durch  Ausschneiden  mehrerer  Blätter  unvoll- 
ständig geworden  ist. 

Nun  es  ist  kaum  zweifelhaft,  welche  von  beiden  Hand- 
schriften die  ältere  ist.  Der  Schrift  nach  ist  b  unbedingt  das 
ältere  Werk,  aber  α  ist  sorgfältiger  geschrieben,  da  hier  bei 
weitem  nicht  soviel  ganze  Verse  oder  Verstheile  ausgelassen  sind, 
wie  in  b,  wo  ein  ungefähr  gleichzeitiger  Corrector  sehr  reichliche 
Arbeit  fand,  erstens  die  Lücken  auszufüllen  und  zweitens  den  Text 
nach  einer  anderen  Handschrift  zu  verbessern.    Dieser  Corrector 


400  Manitius 

scheint  ee  auch  gewesen  zu  sein,  welcher  von  fol.  110  an  eine 
nich't  geringe  Anzahl  von  Glossen,  die  er  in  jenem  Tbeile  von 
α  fand,  ans  dieser  Handschrift  nach  h  hinüber  nahm.  Diese  letztere 
Thätigkeit  hat  aber  mit  fol.  113  schon  ihr  Ende  erreicht. 

Es  sind  nun  hauptsächlich  die  beigeschriebenen  Scholien, 
welche  uns  hier  interessiren  nnd  zwar  die  ausführlicheren  Stücke. 
Sie  weichen  in  beiden  Handschriften  von  einander  ab,  obwohl 
manche  wörtlich  übereinstimmen;  b  ist  bedeutend  reicher  an  Scho- 
llen und  Glossen  als  α,  das  nur  für  einige  längere  Stücke  reich- 
haltige Erklärung  bietet.  Aber  beide  Handschriften  lassen  die 
Schollen  mit  dem  9.  Buche  enden,  und  b  hat  von  hier  an  nur 
noch  die  allerdings  reichlichen  Verbesserungen  des  Correctors 
am  Rande  aufzuweisen,  während  der  spätere  Text  von  α  fast  un- 
corrigirt  geblieben  ist.  Die  Schollen  lehnen  sich  beiderseits  meist 
eng  an  Lactantius  Placidus  (ed.  Jahnke,  Lips.  1898)  an,  indem 
sie  entweder  den  vollen  Text  desselben  oder  Auszüge  aus  ihm 
bieten.  Aber  in  vielen  Erklärungen  sind  unsere  Scholien  reich- 
haltiger als  Placidus  und  manches,  was  α  und  b  haben,  besitzt 
Placidus  überhaupt  nicht.  Dabei  hat  es  nicht  den  Anschein,  als 
ob  diese  Erklärungen  auf  eigene  Faust  gemacht  wären,  da  sie 
sich  fast  sämmtlich  der  Erklärungsweise  des  Placidus  ansohliessen 
nnd  zuweilen  ein  gar  nicht  unbeträchtliches  Mehr  haben,  das 
recht  gut  von  jenem  geschrieben  sein  könnte.  So  hat  es  beinahe 
den  Anschein,  als  ob  hier  Auszüge  aus  einer  reicheren  Placidas- 
überlieferung  vorlägen,  als  die  von  Jahnke  benutzten  Handschriften 
aufweisen.  Dass  diese  Schollen  abgeschrieben  und  nicht  etwa  erst 
von  den  Schreibern  beider  Handschriften  hinzugesetzt  sind,  ergiebt 
sich  deutlich  aus  einer  grossen  Zahl  von  Versehen,  wo  aus  Miss- 
verständniss  barer  Unsinn  steht. 

Ich  gebe  in  der  folgenden  Zusammenstellung  nattirlioli  nur 
eine  Auswahl  der  wichtigeren  Stucke.  Im  allgemeinen  sind  alle 
aus  Placidus  genommenen  Bemerkungen  ausgeschlossen  und  eolohe 
nur  dann  aufgenommen  worden,  wenn  α  und  b  bedeutendere  Ab- 
weichungen oder  Zusätze  zu  Placidus  besitzen.  Um  zu  bequemerer 
Uebersicht  zu  gelangen,  habe  ich  die  in  Placidus  nicht  vorhan- 
denen Stellen,  welche  in  a  und  b  zugleich  erscheinen  für  α  und 
für  b  mit  abgedruckt. 


1.  Handschrift  A. 

Theb.  1 60  Spinx  erat  serpens  in  nemore  Thebarum  qni  ignorantes  sua 
problemata  solvere  interficiebat,    scilioet  quod   animal   isset   prius 


Aus  Dresdener  Handsohriften  401 

im  pedibqs,   postea  II,  deinde  III.    Sed  Edipos   ea  solvit  et  ser- 

pentem  occidit  dicens  hoc  aninial  eese  hominem. 
200  domus  cum  sol  ibi  est  per  totum  orbem  lucet. 
rV  655  Icaras^  cum  pastores  vineas   colere   docaisset  et   illud   vinum 

bibissetit,  (c.  bibisset),  credentes  se   bibisse  venenum   interfecerunt 

eum  et  in  fossnni  proiecerunt;    a  qao    cum    oanioula   sua   nomine 

Mera  roanom  avulsieset  ad  Erigonem  filiaro  eins  venit  eamque  ad 

patrem  duxit  quapropter  uterque  inter  sidera  locatus  est. 
722  Ludus  et  atra  (tristis  superscr.)  wicrum  recolet  tnhateria  Ophdtem, 

triateris  eet  festum  triennale  qnod  Bache  in  anno  fit,  vel  ideo  tria- 

teris  dicitur  quia  tribus  diebns  celebratur. 
7(i2  Tot  viotimas  immolabo  tibi  quot  sunt  in  exercitu  homines.    Aehn• 

lieb  auch  bei  Lact.  Plac.  p.  251. 
836  Ladon   Peneus   binomius.     sanetus   uterque   Xantus    in    Creta   et 

Xantus  apud  Troiam,  ideoque  dixit  uterque. 
y  20  Multa  sunt   que   monent  nos  properare  ad  bellum  attamen  qne- 

cunque  es  sive  dea  sive  mortaüe. 
21  fatum  absentiam  mortis. 
4.)  ad  hoc   quod  dixit  Ysiphile  'quid    longa   exordia    necto*  ad    hoc 

Adiastus  *Immo  age*. 
55  sotianti  vel  a  lira  Apollinis  vel  propter  umbratas  monte8(?). 
58  sacrammus  sacrantes  aliis  diis. 

62  Nee  vtdtu  nee  orine  prior  id  est  non  apparens  in  vultu    neque    in 
cultu  qualis  prius. 

63  Cestan  legem   amoris   maritalis  removisse.    IdcUias  dictum  ab  op- 
pido.    volucres  columbas  que  regunt  currum  illius. 

64  erant  quedam  mulieres. 

65  maiora  quam  soleat.     iela  ut  enses  lanceas,  cum  prius  tantum  sa- 
gittas  feiret. 

.  69  mariti  quia  Vulcanus  ibi  colitur. 
703  ecee  hie  est  viva. 
707  geminusque  hominis  et  piscis. 
711  Pensavit  vertens  in  gaudia  lacrimas. 
714  inhoapiia  sed  bene  hospita. 
725  vuUus  patuerunt. 
743  Fhebe  moras  ne  ad  bella  veniamus. 

751  Püie  Nestoris  qui  regnavit  in  Pilo  et  vixit  per  tres  etates. 

752  Frigiis  qui  tantum  vixit  quod  mutatus.  eßt  in  cicadam.  degere 
langius  qnod  dicit  non  maluisset  tantum  vivere  et  carere  hoc  ho- 
nore  quam  mori  puer  et  habere  honorem. 

VI  180  ferro  minuit  forpicibus. 

188  ExclanuU  crepitat.    arcere  a  rogo. 


^  In  manchen  Stücken  bedeutend  kürzer  bei  Lact.  Plac  ad 
Theb.  IV  655  p.  243;  vgl.  Hygini  fab.  CXXX  und  fast  gleichlautend 
Schol.  Strozziaiia  bei  Breysig,  Germanici  Caesaris  Aratea  p.   168,  13  f. 

allein.  Mna.  f.  Philol.  N.  F.  LVIL  26 


402  Manitiue 

225  Scameus  angais.  expectes  quia  in  pictura  ostPDditar  quomodo  Ca- 
paneOB  anguem  interfecit. 

229  Excüi  vicini  aesunt. 

265  Danae  hec  fait  filia  Danai. 

315  degener  ülo  et  ille  grex  erat  leine  oredi  non  degener  i.  quia  cre- 
debatur  non  degenerare  a  Castalio  grege  i.  a  Pegaeo  snb  ouius 
pede  natus  est  Castalius  fons  ubi  Apollo  et  Muse  colebantnr,  quod 
dicit  qui  Pegasns  stnpuit  ad  sibila  canne  i.  Ai'Ollinee  entie(?)  in 
fönte  et  voluit  pasci  cum  audiret  ApoUinem  canentem. 

321  Euiveos  alter  didtur  £uDeo8  ab  Argoo  omine  i.  a  Greca  imposi- 
tione  vel  ab  Argoo  omine  quia  greoe  eu  bonnm  neos  novus.  Inter- 
pretatur  latine  bonus  novus  quasi  a  bono  novo  genitue  vel  ab 
eventu  Argonautarum. 

337  fratrum  deorum  vel  levis  Neptuni  Plutonis. 

338  sidera  ducat  currere  faciat. 

341  imane  teUus  an  sit  i.  tellus  [in  add,  c]  infima  an  sit  media. 

342  mundo  succincta  latenti  aerc  circumdata  inferiorum. 
358  Exirema  in.  fUa  sunt,    fila  vita  est. 

440  Fumaniemque  (vel  funalem  superscr.)  Thoan  funalis  dicitur  qui  adeo 

ferus  erat  quod  fune  oportebat  eum  ligari. 
447  pulvere  quarto  quarta  parte  cursus. 

502  Schetttmque  levem  Cignumque  proprium  nomen  eqni. 

503  Nunc  scUtem  dicens  ite.    orbes  quadrige. 

530  Pacis  opus  scilicet  cursus.    sacra  vocant  horaines. 

535  Hitmiaca  harena  Histmos  mens  est  tibi  Palemon  filius  Athamantis 
suum  dictus  est  habuisse  sepulcrum  et  in  uno  quoque  anno  sub 
honore  eius  iuvenes  di versa  certamina  Indorum  faciebant. 

537  Ante  Dymas  cum  esset  iuvenis.    secutuu  eos. 

551  latuitque  in  corpore  vultus   uichil  valebat  vultus  respeotu  corporis. 

553  Palladios  super,  haustus  oleum,  oleo  unxit  se  nt  caro  sna  labilis 
esset  et  nullus  eum  detineret. 

562  iuxta  prior  iuncta  ipsa  forma.     Uli  idest  vel  Polinici. 

569  collidunt  manibus.    ignea  preparata  ad  cnrsum  faciendum 

570  nee  opino  fine  excitabant  se  quasi  cursum  debuissent  mox  incipere 
et  in  ipsa  motione  retrahebant  se  a  cursu. 

571  submiifit  regtda  Urnen  precipitata  est  regula. 
62(>  iussus  Phterelas  a  rege  vel  aliis. 

i)41  Promisere  manum  ad  hoc  opus. 

642  rediit  ingloria  quia  numquam  fuit  ausa. 

650  latus  disci.    eogitans  in  animo. 

65()  liorrida  campi  non  in  longitudinem  sed  in  altitudinem. 

847  thons  appellat  callos  thoros  duricia  manuum.  non  integer  deficiebat 

nie  Agillius. 
VII  94  Liatnurare  diem  sacratum  tibi. 
%  altaribus  anguis  Phiton,  scilicet  magis  colatur. 


Ans  Dresdener  Handschriften  403 

97  adnatet  umbra  Palemonis.    lAceo^  mons,   ibi  *sotio  snbraersa  Pale- 

mone  mater*^  i.  Ino 
173  Ouretas  oum  qnibus  alias  faisti. 
175  defuit  Argos  non  alius  quam  Argos. 
180  Ligurgi  Ligurgas  rex  Tracum  t'uit  qui  et  Bacuoi  deum  negavit  et 

vineas  devastavit  et  dum  eas  exstirpavit  crura  sibi  detruncavit. 
199  tanta  quiea  qnanta  est  mihi. 
:K)7  Lapdatios  nepotes  a  Lapdaco  patre  Laii  (lau  c). 

220  swpecHor  fUis  propter  Teseum  boo  dicit  qui  eecundo  delevit  rege 
Creunte. 

221  luno  queretur  pro  casu  Greoorum  omnium  preter  Adrastum. 
257  virtute  quia  similis  erat,    procul  a  Driante.    patemum  patruele. 
260  OccUee  proprium  nomen  caterve. 

268  noti  efexegesis.   certamina  campi  pro  pedestri  certamioe. 

269  sartscu  sagittas. 

275  et  tUmia  quia.  opprimit  segetes.   herba  efexegesis  iteruro. 

278  promptum  vel  pronura  i.  facile. 

279  tauroqite  insignis  Amphion. 
2K0  Maete  satis  acte,  parat  quia. 

282  Elieonia  turba  hio  dat  intelligi  poetas  etiam  convenisse  vel  incolas 

proximos  fonti,   et  dicit  Permessum  et  Horinum  iiuvios  Musis  sa- 

cratos. 
293  concordia  nostris  fratribus,  Etheocii  et  Polinici. 
298  thalafHi  ooncubitus    cmdumqtte  rudern. 

304  Plus  paier  gaudet.  olim  in  futuro.   seneetus  quia  senex  erit  cum  fjlio. 
323  quem  imploraret  cuius  opem.    habebat  quia  magister  deorum  bellum 

moverat. 
328  Talern  mirabimur  qualis  pater  fuit. 
335  Glaueus  hie  tangit  de  Glauco  in  piscem  mutato. 
348  propdlentem  impetu  undarum. 
350  amnetnque  avertere  potando  funditus  aquam. 
358  nostro   cum  sanguine   Jupiter   in    specie^  aqnile   E^inam    vitiavit 

filiam  Asopi. 
369  in  terga  comantes  quorum  come  in  terga  pendent. 
386  cerne  Apostus  phatur  ad  Folinicem. 
469  Excüua  tumultu  populi. 
497  venerandaque  nomina  vocando  me  matrem. 

501  Quem  non  permoveas  Quis  non  tunc  moveretur  pietate. 

502  multoque  ense  arrois  multorum. 

503  misere  matres  que  pariunt  unde  doleant. 
521  credite  matri  pietatem  habere  desunt. 

524  ab  Hircanis  hoc  etiara  a  feris  impetrassem. 
531  cruore  recepto  hominis  vel  aniraalis. 


^  Die  Worte  gehen  auf  I  14,  wo  Dresdensis    aber    mit  der  rich- 
tigen Ueberlieferung  statt  'submersa'  'casura*  liest. 
'  c.  speciem. 


404  Manitins 

547  tuorum  qui  infideles  sant. 

555  casira  patent  hac  yeniat  Ethiocles. 

VIII  60  violentia  dicit  legis  que  data  est  Orpheo  ne  uxorem  retpiciat; 
fuit  melior  me  quia  fuit  immutabilis. 

68  Ede  nefas  adeo  magnam  ut  mirentar  fratres  mei. 

69  fratres  Inppiter  et  Neptunus. 

70  Prima  odii  fratres  vel  fac  at  s.  adeo  i.  ad  hanc  sigterönem  (?)  roant 
fratres.   fratres  Ethioclet  et  Polinioes. 

72  atrox  Tideus.    hostile  eaput  Menalipi. 

73  arceat  Creon.    manibw  corporibus.     nudis  inhamatis. 
76  Quere  ο  Tesiphone.    qui  fidmine  ignes  Capanens. 

84  At  tibi  ο  Ainphiarae.     tnanes  mittam  qui  te  pnniant. 

91  finitor  roaxime  finitor  et  sator. 

92  At  mihi  noh  irascaris.    At  mihi   gut   gwmdam   aliie   irascere  pro 
meritis,  at  mihi  non  irascaris,  quia  non  promemi. 

123  moveri  ad  pietatera. 

161  timores  per  imaginationem. 

162  tibi  ο  Ad  raste,    fades  fuit  doloris. 

174  Heus  ubi  verba  Grecorum  ad  laudem  Amphiarai. 

175  tdlus  hiatus  telluris. 

223  alumpnum  i.  alumpnorum  Bachi  et  Herculis. 

229  manibus  Europe. 

231  lassam  (statt  lapsam)  a  Pamaso. 

235  lampade  honore.     fratrum  Vulcani  et  Martis  vel  Cyclopum. 

255  Qualis  talis  est  i.  tara  letus  Edippus  qualis  fuit  Phineus  et  cetera. 

265  marcore  ebrietate. 

266  Incerteque  modo  modo  accense  modo  extincte. 
347  Marcidus  vino  fuso  in  sacris. 

(>22  invigilare  quieti  i.  alicui  dormienti. 

()94  Impetere  iUum  Illum   in  quem  prius   venerat,    illum  semper   inse- 

quitur. 
750  Captivumqiie  suem  notat  aprum  quem  ibi  interfecit 
766  purgavit  limina  quod  dicit  se  purgavit  limpha  cum  lampade. 

IX  13  hominemque  gerit  human itatem 

36  JHriguit  pre  nimio  dolore,     iuvenis  Polinices. 
30Γ)  flu4:tivago  Egino  quia  navita  erat. 

310  cuius  naufragus  unde  quam  minimo  fiumine  pericHtatur. 
318  Senium  defendere  fame  preterita   reducere   ad   memoriatn   et    fame 

dare  indeiicientem  gloriam  ne  pereat. 
324  Letus  adulantem  faventem  sibi. 
34Γι  tota  in  penetralia  usque  ad  corpus. 
398  non  solum  nepotem  BCiMcet  multos  alios. 
401  nondum  Nereida  portu  factam  deam  maris. 
4iU  iungunt  caligine  videntur  iungere.     terras  vel  rippas. 
434  damatus  sacris  ulülatibus  in  sacrificiis  Bachi. 
461  Oriona  nautis  tempestuosa  Stella ^ 

^  of.  scbol.  Acron.  ad  Hör.  epod.  10,  10. 


Aus  Dresdener  Handschriflen  405 

499  deniiasa  supeme  a  summo  capite. 

502  Huc  unde  eoeurU  ad  hanc  voraginem. 

509  occumbere  ferro  numquid  debui  ferro  et  non  aquis  mori? 

512  Pallas  et  odit  quia  oapat  Menalipi  consumpsit. 

518  JBusta  dabas  dare  te  deceret.   flamme  quas  dabant  Athenieiises  cor- 

poribas  Grecorum  occiso  Creonte  et  captia  Thebis  ab  eis. 
521  flumina  nutu  lovis,  dedit  enim  signa  aquis  ut  cessarent. 
524  scopuli  si*rgunt  pacatio  roaris. 
541  Extrahit  a  manu  sua.    casside  rapta. 
551  ipse  potentem  quia  vulneravit  eum. 

563  suus  ordo  quia  omnia  anna  tua  tecum  habebis,  quod  expedit  quid. 

564  interea  doneo  illud  fiat. 

566  Sic  anceps  quia  aliquando  favet  hinc,  aliquando  illinc. 

589  Armaque  curva  suum  dentes  et  ungnes. 

595  vulnere  cernit  ita  sibi  videbatur  in  noote  illa. 

598  solo  in.   querenti   cur  hoc   esset,    cruentas  Menadas  sacerdotissas^ 

Bachi  dicit  quc  ideo  dicuutur  Menades  quia  deficiunt  in  sensu. 
605  notasque  sibi.     Silvas  quas  in  noote  viderat. 

610  gens  nspera  ritu  quia  ibi  bumana  caro  immolatur,  quod  non  facio. 
613  Noctis  in  qua  fiunt  sacrificia  Bachi.    temerata  essem. 


Die  Scholien  von  b  sind  mit  einer  sehr  blassen  Tinte  an 
den  Rand  geschrieben.  Sie  haben  jedenfalls  vom  Anfang  an  be> 
gönnen,  auf  fol.  102*  setzen  sie  sofort  ein.  Sie  sind  nngemein 
zahlreich  und  grössere  Stücke  aas  Placidus  wechseln  mit  ganz 
unbedeutenden  Glossen  ab.  Wie  oben  sind  auch  hier  nur  die 
wichtigsten  und  mit  Placidus  nicht  übereinstimmenden  Stücke 
herausgenommen  '. 

II  417  sola  fides  hec  fides  quam   ostendis   sufficeret   ad   odium   fratris 

ostendendum. 
425  pace  sequestra  media,    inde  Sequester  quasi  mediator  duorum. 
460  Cythero  mons  iuxta  Thebas.    yronioe  loquitur. 
463  primus  sanguinis  aitctor  Edippus  incestus  fuit. 
470  Bk-ectus  setis  sus  quem    misit  Diana    in  regiouem  Oenei  ad  vindi- 

candum  suum  furorem. 
499  superni  montis  sursum  eminentis. 
512  commercia  iungere  linguae  disputare  cum  ea. 
543  viduo  ligno  privato  a  ferro. 
564  Pholus  proprium  nomeu,  Pholus  fuit  centaurus^. 


*  Dies  Wort  ist  bei  Georges'  nur  aus  Schol.  Lucani  VII  778  belegt. 
'  Die  Stücke,    welche  auch  α  besitzt,    habe  ich  am  Ende  durch 
(α)  kenntlich  gemacht. 
'  c.  oentarus. 


406  Manitius 

577  Ictxare  catcrvam  raram  facere. 

599  lasso  Piragmone  unus  de  XX  fabrie  fulminie. 

626  natat  vel  repleta  de  prerupto  sanguiue  iutercepta  voce  cnm  vellet 
loqui  vel  aliter  pate(t)  intercepta  i.  ioterclusa  repleta  voce  i.  ore, 
oontinene  pro  contento,  repleto  dico  de  prerupto  eanguine. 

629  Thespiades  patronimioum  nomen. 

634  Exhaurit  thoraca  dolor  pote8(t)  dici,  quod  pro  dolore  oblitus  est  siii 
periculi  nee  texit  se  lorica. 

638  luce  natantes  defeotu  tabentes. 

639  Sistit  stabilit  tenet  aperit.  reaolvü  non  clausit  prius  ocalos  qaam 
▼idit  ad  illum  mortuum. 

666  Celenea  a  loco.    Gel.  ci(vitas)  ubi  inventus    fuit  usus  tybie  facte  e 

buxo.    htuco  buxea  tybia. 
677  Luxuriata  fames  saoiata. 
680  Crudescunt  er ud eliter  agunt. 
686  superhi  quia  sprevit  Dianam. 

688  nimiumque  secundis  presentium  occisioDe. 

689  Parce  deis  pete  deos  ut  credaris. 

693  decepttts  ab  cdite  ab  ullo  bomine  eumpto  ab  alite. 

698  ManibtM  i.  infemalibus  diis. 

702  fumantem  multitudine  armatorum. 

717  cruäescit  crudelis  aparet. 

718  maffis  ardentes  quam  tu  ο  Pallas. 
729  qiM  de  qua  parte  templi. 

732  Hie  in  illo  templo. 

738  vittas  habebant    nig^ras   vittas    et   tarnen    variatas   niveis    virgulis 

quantum  ad  frontem. 
III  20  Orantem  orationem  dicentem  propter  legatum. 

27  Orion  Stella  tempestuosa,  videtur  inclinare  densitate  nubiom. 

34  ohitus  ocoidentibus  astris.     Theti$  uxor  Occeani. 

38  Äntiquas  longo  tempore  servatas  iluere. 

40  gelido  remeahat  Eoo  in  primo  ortu  diei. 

47  äbegit  deduxit  vel  expulit. 

50  harena  quam  sibi  infudit  dolemus. 

61  ira  fateri  fuit  ira  illius  quod  pudet  me  fateri. 

89  in  ictum  quia  non  plangit  ad  ictum. 

99  umquam  quamvis  eepultura  tibi  interdicatur. 
101  contemptum  regte   si    vetustatem   i.  contempsisti   regem   et  dedisti 

exemplum  quomodo  ceteri  contempnere  debeant. 
107  tacito  Phebo  quia  propter  mortem  tuam  tacebunt. 
111  durant  habitua  habitus  sacerdotalis. 
113  servat  quia  iussu  Etbioclis  insepultus  romanserat. 
134  Yde  proprium  nomen  matrone. 

141  canendo  carmina  magica  dicendo. 

142  lumina  oedro  ut  melius  ardeat. 

170  Penthea  damat  Penthea  suum  filium. 


Aus  Dresdener  Handschriften  407 

172  Marsippaque  proprium  nomen,  Marpissa  amica. 

1K3  regia  Cadmi  hoc  dicit  propter  Semelem. 

185  Consedit  lapea  t'st.    funerea  arbitratus  se  fRram  copisse. 

187  Leargum  quem  matri  abstulit. 

189  Phenisse  Tbebane  a  Fenico  fratre  Cadmi. 

190  lacrimas  expami  quia  ante  nescivit  q^od  fecisset. 
197  Invidiam  invidos  dixerunt  deos 

205  Begina  Dirce  regina  The.    ab  Anfione  et  fratre   suo   dilaniata   in 

fontem  mutata  est. 
213  tcrraqiie  instemar  avita  i.  avito  sepulchro. 
226  emuhis  orbis  clipeus  i.  Imitator  solis  rotunditate  clipei  vel  reddens 

lumen  illatum. 
252  luno  mihi  carior  cunctis.    templunique  ampUxa  quod  Argas  (!)  est 

ei  dicatum. 
268  adamanta  dura  frena  vel  pro  herba  legatar. 
274  catena  quibus  ligati  sumus  a  Lucano(!). 
280  precando  dum  te  precor,  quasi  diceret,    nil  pro   me    facis;    et   est 

constructio  per  defectum. 
988  Tracasque  Traces  quasi  truoes  quia  ibi  colitur  Mars. 
2tlO  hepUxt  reptat  faota  serpens. 
305  Itisms  iussus  sum  complere. 
30<»  legi  quali  ego  fungor. 
332  natani  palearibu8  usque  ad  palearia. 

334  despecto  perfosso,  deorsum  pectus  suum  aspiciens  vulneratum. 
352  servatorernque  Hamicum  ad  cffodiendum  human  um  sanguinem. 
370  feda  cupido  quia  illic  non  ivi  ne  essem  fratricida. 
379  Audiiusque  quia  prius  voluit  ire  quam  Thideus. 
38<>  altus  Consiliis  prudens  ad  danda  consilia. 

399  velox  ferro  a?tper  ad  incidendum. 

400  seducitM  mente  elatus  a  dolore. 
400  tristi  ad  indicandam  tristiciam. 

438  Micone  mons.    Qiaroque  mons.   reveüi  quibus  revincta  es. 

444  Incertusque  animi  utrum  bellaret  armis. 

463  temercuse  quia  hominis  non  est  volare  (P). 

46(i  gemini  vates  Amphoraus  et  Melampus. 

469  IcuMvit  solvit,  minuit,  sol  enim  nascens  vrigida(!)  aera  solvit. 

485  mutate  nostraque   nostra   ori(gine)  hoc    dicitur  secundum  Pithago- 

ricam  sententiam    qui    animas   hominum    recedentes    vel    aves    vel 

quelibet  animalia  intrare  asserebattP). 
495  dextrisque  quia  a  dextra  parte  venientibus  mala  omina  sunt. 
498  caligine  mundi  quia  quod  aliis  caligo  est,  illi  lux  est. 
505  Pendeai  stet  immobil  is. 

507  Vector  aquila.    avis  unca  Minerve  cornis  (I)  vel  ciconia. 
516  pater  pater  vel  ad  deum  vel  ad  me. 
559  Thessiüicumqtie  nefas  nicromancia. 
601  manu  pregressus  fortitudine  sua. 


408  Manitius 

614  paUida  virgo  Phcmonoe*. 

618  Experiar  aut  moriar. 

625  arcana  profari  que  vidi  in  monte. 

628  noster  ApoUo  qui  apud  nog  colitur. 

630  cecos  non  videntes  quod  ad  interitum  vestrum  tenditis. 

632  nil  dulce  dornt  Don  sunt  .vobis  uxores  neque  liberi. 

634  gradu  rapido  quia  sponte  non  iui. 

646  fixos  arceo  casus  a  diis  statutos. 

650  T)^entis  dangor  in  Tirreno  inventus. 

651  Vota  mrum  meliora  volantates  melorum(!)  viroram. 

652  vanis  avibus  vana  canentibus. 

661  tibi  tuto  non  tangam  te. 

662  prima  ad  classica  cum  primam  sonaerant  tube. 

665  ventisque  aut  alite  quia  solent  augures  in  flatibus  ventorum  auguria 
cognoscere  et  in  alitibus  (P). 

666  procul  hec  si  mihi  obvius  veneria. 

675  donec  stetit  ita  bis  nichil  obstitit  usque  ad  Thebas. 

698  huic  Olim  generis  pudor  um  enim    pater    filio    restituatur,    impro- 

perebitur(!)  quod  est  filius  exulis. 
705  misero  nupsisse  marito  quia  sua  pauperies  äuget  mieerie  pietatem. 
707   üt  timeam  qui  etiam  per  me  sperat  reetitui. 
718  iustae  moderatum  consilium. 
IV  8  stetit  agere  Dirces  ab  Argis  usque  ad  Thebas  ieoitBellona  hastam. 

20  SiASpiranda  cum  suspirio  lugienda  (!). 

26  amica  manus  amioorum  multitudo. 

28  magni  caiigo  maris  profunditas  turbat  eos. 

35  CaUiope  que  prees(t]  carminibus  poetarum  in  nemore  studentium. 

38  Mens  liausto  de  fönte  in  carminibus  explioandis.    rex  tristis  et  eger 
Adrastus  animo  et  corpore. 

40  adhortantes  preliari  volentes.    Adrastus  coactus  a  generis 

47  Queque  pavet  ne  ab  illo  evertatur.    Caradron  turbulentom  fluvium. 

55  Plegctonte  ubi  morare  solebant  et  ubi  venire  solebant. 

56  domos  propter  Tereum.  Micenis  propter  Thiestem  et  Atreum. 
70  laxa  cervice  a  labore.  inanibus  amiis  quia  uon  potcst  bellare. 
77  Ädvenere  viri  qui  calamitatibus  sunt  moti. 

79  multi  precipuum  videbatur  venerunt. 

85  Hiberna  sub  nocte  qnando  ad  regem  venit     Teumesius  a  loco. 

86  Terga  leo  ad  magnitudinem  leonis  referunt. 

Γ30  Ter  niveum  scandente  itώa  tres  enim  cristas  habebat  ^  vel  tree  iubae 

cqui  terno  ordine  positas. 
135  laudatque  nefas  quia  suos  maritos  occiderunt. 
144  obiectus  d^tinet  amnem  amnibus  enim  tollit  cursum. 


*  Dies  Scholion,  das  Placidus  nicht  hat,  geht  sicher  auf  eine  noch 
antike  Quelle  zurück. 
2  c.  habebit. 


Aus   Dresdener  Handechrifben  .409 

152  tarnen  etiam  licet  antiquitate  sit  desolata.    iuvenum  milituoi. 

164  cubiti  sedearU  ubi  acoubuerunt  illa  nocte. 

1β7  molis  aene  olipeus  eius  super  oorium  ere  coopertus  erat. 

1Π8  honoa  clipeus.   aqualet  horret.   triplici  tribus  capitibus. 

190  obrtteraiqtie  deum  oraoula  Apollinis. 

199  Deposuit  cuUus  vel  nexus  monilis. 

224  Malta  promunctorium  iuxta  mare  quod  facit  pericnlum  navigantibus. 

233  ooronaio  propter  victoriam  coronam  acdpit  bonorabili  more. 

245  niveu8  rigat  imber  saliva  equorum. 

266  sinum  damidem.    nodia  Uiberis  Hispanientibus  (!}  balteis.    irrugat 

trahit  in  rugam. 
280  puerperia  parturioiones. 

282  lueis  vices  quod  diei  nox  obscura  et  nocti  dies  succederet. 
289  Phicie  Apollo  a  Phitone. 
295  Cinosura  unde  fuit  minor  ursa  Heiice  (P). 
340  rohore  nati  dicit  eos  duros  quia  non  moventur  suo  fletu. 
350  Impetus  cum  impetu  voluntae  bellandi. 
355  acereseere  natos  quia  filii  super  sinus  patrum  ascendebant,  dii  soie- 

bant  ituros  ad  bellum. 

359  aurdum  surdum  sine   citara   ideo   dicit   quia   manu    non   carmine 
non(!}  condebatur. 

360  Boetis  urbihus  Boeta  (I)  est  provincia  Thebarum. 

369  Accumülat  Thebanis.   turbatrix  fama  fama  turbayit  eos   diversis 
opinionibus. 

370  Asopide  rippa  Asopus  fluvius  est  Thebanorum. 

378  correpta  canistris  a  Bacho,  canistris  in  quibus  oblaciones  erant  vel 

coronis  factis  ad  modum  canistrorum. 
382  Ereetam  propter  bellum  elevatum,    wrbem  Tbebas. 

385  quatis  Hismara  montes  Thraoie.    tyrsum   vooat  virgam   quam  mi- 
nistri  Bacbi  portabant. 

386  irreptare  Lygurgo  dum  Ligurgus  vites  incideret    igitur   crura   ab• 
scidit,  ideo  irreptare  dicit. 

389  Hermi  de  fontibus  Hermisf!)  est  fluvius  aureas  trahens  harenas. 

390  taa  progenies  nos  Thebani.     armia  in  tuo  sacriiicio  babitis. 
394  Caucason  mons  Asiriorum. 

399  comua  miscent  quia  invicem  bella  fuerunt. 
404  gdatis  VuUibus  frigidis  pro  exstasi^. 

406  terroribus  impar  noii  ferens  vanum  terrorem. 

407  tenebrasque  sagaees  ideo  didt   quia   quamvis   cecus   tarnen   omnia 
captabat. 

410  verum  spirantibus  extis  vera  omina  (omnia  c)  dantibus. 

423  vacuusque  horror  quia  nullus  ibi  habitat. 

424  lueis  imago  ibi  quedam  lux  parva  et  pallida. 
429  canum  gemitua  auditi  quando  novilunium'  fit. 


*  Nach  Georges  '  nur  Vulg.  act.  ap.  3,  10. 
^  Das  Wort  fehlt  bei  Georges. 


410  Mauitius 

432  drcum  undique  fixis  positis  in  oirouitu. 

433  quieseit  mittit  caput  super  pharetram  et  dormit. 

437  putria  sanguine  illoruin  sanguine  qui  se  mutuie  vulueribus  occidunt. 

440  vana  in  prdia  quia  umbre  hoc  faciunt. 

485  tctxo  venenosa  arbor  est,  de  cuius  funeree  faces  dioantar  (^!). 

503  neqiieo  tolerare  moram  i.  Don  poesum  diu  vos  expeotare. 

i)06  paÜώuΫU  Tartara  motu  ad  incantationem  illios. 

512  frorUis  opace  quia  senex  quasi  frontem  umbrosam  habet. 

514  dici  nosciqae  tiviemus  metu  Apollinis  dicit  se  nolle  sue  ^ermane 
contumeliam  facere  nam  Latonia,  que  est  et  Diana,  et  Proserpina 
fuit  soror  Apollinis.  Dermoygom  dicit,  de  quo  philosophi  omnia 
oreata  asserebant,  cuius  nomen  nullus  fuit  ausus  nominare  et  illnm 
solum  dicebant  regnare  super  omnes  deos  alios  (P). 

516  triplicis  mundi  deum  celi  terre  et  maris. 

520  Panditur  Elisium  chaos  piorum  anime  veniunt. 

523  Plegeton  qui  igneus  est. 

524  Et  Stix  palus  per  novem  oiroulos  interfusa,  hec  suo  meatu  maues 
discernit  a  superis  et  ideo  dicit  hie  interflua.    obstat  no  yeniant. 

531  Vera  nimis  poscens  veritatem  excuciens. 

532  penarum  lucra  i.  penas  quas  aput  superos  lucrati  sunt  aliis  male• 
ficis  factis. 

537  remeabüe  aaxmn  Sisiphi;  de  Sisiplio  loquitur  qui  vera  philosophia 
contempta  ad  volvendum  saxum  super  unum  montem  oonstitatat  est. 

538  Fällenteaque  locus  propter  Tantalum  dicit. 
555  serpens  scrobibus  pleuis  sanguine. 

575  inOidiosa  caterva  filiorum  et  filiarum. 
608  alium  accedit  ad  imhrem  lactis  et  mellis. 
660  MimaUones  ministri  Bachi. 

681  hicmtibus  arvis  meridiano  calore  nimio  apertis. 

682  Stat  vapor  horret  sol.     ethera  lud  solem  tilve. 
689  fugiat  liquor  fontes  illius  silve. 

691  indtUgent  astra  qui  inter  sydera  locatus  est. 

711  adverrensque  trahens  velocitate  sua. 

722  trihateris  triateris  est  festuro  triennale  quod  Bacho  in  anno  fit  vel 

ideo  triateris  dicitur  quia  tribus  diebus  celebratur  (α). 
762  numerumque  rependam  tot  victimas   inpendam    tibi    quot    hominee 

sunt  in  exercitu  (α). 
836  Xanctus  tUerque  Grete  et  Troie. 

V  3  sonipes  rapit  sonipes   ponitur   ibi    pro    equite,   virtntem    propter 
sitim  perdiderat. 
8  cuique  ante  locus  antequam  biberet. 
41  Parque  operi  tanto  digna  videbator   ab   illis   que   merito   tantnm 

exercitum  servasset. 
45  ohtenta  comis  quia  via  stricta  est  comis  parentibus(?)  ramis  arboruiD. 
55  Delove  sonanti  lyra  Apollinis. 
(33  Ceston  scilicet  optimam  partem. 
80  audire  ruinös  quam  redire  et  iaoere  nobiscom. 


Aus  Dresdener  Handschriften  411 

92  Teumesia  thicLS  Thebana  sacerdos  fiaochi. 

105  peUite  sexwn  muUebrem  mollioiem. 

106  inanes  domos  a  maritis  vaouas. 

121  Bodopeia  eoniux  Progne  que  erat  de  Tracia. 

131  gavisa  Pölixo  que  suum  animum  in    multas   cedes   natorum   pro• 

mittebat  et  cogebat  alias  malleres  ad  eadem  promissa. 
134  cepüsque  favet  dicit  voluntate  deoram  esse  factum   quod   cooiuges 

eodem  tempore  advenirent  quo  eorum  neoem  tractabant. 
138  melioriique  federa  meliores  maritos. 
142  Bistonidea  Trace  a  Bistone  fluvio.    mariie  maritate. 
145  arma  IndtUget  pater  Mars,  scuta  habent  rotunda. 
159  Caropeia  coniunx  Garops  vir  Po.  (^^  Polixus). 

173  Marie  sub  Otrisio  bellum  quod  gesserunt  in  Otrisio  monte  Tracie. 

174  ddubra  vaporant  templa  sacrificiis. 

179  nee  longius  umquam  dicit  diem  perlongatum  a  love  ne  cito^  veniret 
nox  in  qua  erant  occidendi,  i.  antea  numquam  tam  sero  apparue- 
runt  tenebre  quam  nunc. 

192  Quegue  iaeeni  iacent  iu  illo  loco  quo  pultu  erat  maxima.  mites 
mariios  ut  delectaret  maritos. 

194  adflaverat  igne  amoris  quia  perituri  erant. 

202  cuncto  sua  regncU  JErinis  prius  furor  erat  unicuique. 

208  Evinctum  ramia  Corona  propter  estema  sacrificia. 

230  impeüitque  minie  ut  fratrem  occideret.    inaerit  ensem  illi  Licaste. 

232  stimuUaque  flagellis  magistri. 

233  In  mores  negat  ire  suos  in  prietinam  feritatem. 

295  Flamina  ventos.    prospectem  propter  dimissum  patrem. 

296  cdumqtie  retexens  discooperiens. 

297  dedivia  in  mare  pendentia. 

298  iuga  currum  vel  equos. 

306  Nota  situ  mutatione  loci  vel  vetostate. 
310  CanUcttere  domw  interfectis  viris. 
312  Spirant  manes  maritorum  nostrorum. 

320  faisi  criminis  asiu  quia  credebant  me  occidisse  patrem. 

321  regno  ut  crederent  mihi,  considere  reginam  constituerunt  quod 
mihi  supplicium  fuit. 

323  dcos  testata  quia  patrem  occidi.    fidemque  quasi  aliquis  dicat.  cur 

acciperet  dicit  se  non  andere  dimittere. 
325  Exanque  sine  viribus,    sine  ctämine  sine  rege  vel  viris. 
378  per  rupes  ut  illi  contra  tempestatem  laborabant. 
442  se  mole  fereniem  sicut  gravis  homo,   quia  non  tales  passus  habuit 

quales  Hercules. 
444  Arma  cum  quibus  Lernam  expugnavit  Hercules. 
460  revoMtur  annus  nam  annus  in  se  ipsum  redit. 
463  coaeti  per  preces  Jason is. 
465  Nomen  avi  renovo  Thoantis  patris  mei. 

^  c.  scito. 


412  Manitius 

470  retinacula  funcm.    saxi.  ad  quod  solebat  ligari. 

489  facinusque  reposcunt  cur  patrem  non  ocoideret  requinant. 

494  nee  regna  fuvant  qui(a)  regina  eram. 

495  Ineomiiata  sequor  sine  pedissequis^. 
502  eomanti  rutilanti  propter  flores. 
506  tractuque  soluto  corpore  extenso. 

508  Limda  fax  octdis  nigra  aties  erat. 

509  tema  agmina  tres  numeros  dentium  habuit. 
5ie  iacet  aggere  ripe  tollit  cursum  sua  magnitudine. 
520  anfraetu  circumvolutione. 

522  fontesqiie  repressoa  in  terra  reconditos. 

524  Incertusque  sui  pre  angustia  sitis'  ignarue  quod  agat. 

525  Ore   supinaio   elevato    ut   aliquem    humorem     recipiat.    gemeniia 
calore. 

580  exit  in  orbem  qui  extenditar  in  auetralem  plagam. 

531  spiris  intorta  suis  drcumflexionibus. 

536  an  ut  inde  sacer  an  ideo  mortuus  es. 

543  insomnia  voces  tales  voces  emittebat. 

549  notas  tractu  eerpcntie.    viridi  veetigia  pueri.    hosH8  propter  sitim. 

569  membra  Giganta  ad  impedimentom  mei. 

578  Imphraniem  valde  tristem,    animam  vindictam.    aris  xüum  et  co• 

gnate  gemuistis. 
587  8umm<n8  libavit  leviter  tetigit. 

593  in  funere  primo  prima  invencione  propter  dolorem  pueri. 
003  in  carbore  eara  in  qua  nidum  feoerat. 
613  Kgatis  sonia  non  intelligentibue. 
(^15  Ärgos  Argo  nautas. 

620  Nosco  deo8  Recorder  que  dii  dixerunt  mihi  in  somnis. 
622  quo8  arguo  re versa  ad  se  d icebat. 

628  Exsolvi  quia  dicit,  ο  Lempne  si  tibi  non  solvi  nephas  occidendo 
patrem  tamen  modo  persolvi. 

629  meriti  duri  mali  quia  puerum  perdidi. 

640  Persei  vertice  de  quo  Perseus  ad  occidendam  Gorgonem  volavit 
Aphesonto^,  quia  responsum  fuit  ei  datum  Tebanum  bellum  illius 
sanguine  imbuendum  fore  quod  contigit  in  roorte  filii;  oonouciebai 
Caput  quia  omnia  adverna  ibi  vidit.  vertice  saneto  Montis  qui(a) 
lupiter  ibi  colitur 

651  Advehit  tristatur  ad  sonum  tubarum  timens  n•  illuc  duoeret.  exe• 
quias  cadaver.    obvia  maier  Euridicem. 

653  pietas  ignava  fuit  erga  filium  qua  uxor. 

()55  arva  morantia  cum  propter  longam  viam. 

()58  omnis  fabiila  Lempni  qui  dixit  se  servasse  patrem  falsnm. 

*  c.  redissequis. 

2  sitit  in  sitis  carr.    Die  Erklärung  des  Soholiasten  bestätigt  die 
aufgenommene  Eroendation  'siti*.  "  * 

»  vgl.  Lact.  Placidus  zu  Theb.  ΙΠ  461.  633. 


Ans  Dresdens  Hatidschriften  413 

661  Oeneiug  heros  Tbidens  Oenii  filius. 

6G5  Erimansius  Partonopeus  a  monte  Argadie  in  quo  mater  eua  veua- 
batur. 

670  ÜWM  avum  sanguis  occidat  reum  ne  occidatis  eum  quia  de  nostfa 
progeDie  est.    neve  indulgete  furori  dimittito  pugnai*e. 

679  Inveniat,  tumutis  Quasi  utinam  inveniamus  te  bic  cum  reverai  fueri- 
mus.  fata  gementem  mortem  ßlii. 

682  Bebar  et  hostiUs  venisse  bost.iles  vos  turmas  ad  roeuia  Thebes  non 
buc. 

707  geminusqut  Triton  deus  maris,  piscis  et  bomo. 

709  Thetis  mare.     montesque  quia  non  erant  operti  fluctibns. 

716  protinus  Nuncim  quasi  diceret  vix  intraverat  et  siatim  nuncius 
venit  Ligurgo  de  morte  filii  et  processerant  equites  ei  in  auxilium. 

722  Diripiunt  cum  impetu  venerant.  flentes  pre  gaudio.  pectora  mu- 
tant (vel  tempora)  qui  aliquando  unus  aliquandö  alter  osculabaturi 

726  Ensibus  quia  lason  pergens  de  Lempiio  illie  r^liqiierat  duös  enses, 
quos  illi  modo  portabant.    humeris  fi;Jiorum.    lanon  aparuit. 

727  munere  tanto  ihutti  felicitate. 

729  Signa  polo  Bacbus  dedit  Signum  in  celo  et  audita  sunt  timpana. 

735  indebitus  armis  fataliter  debens. 

736  Parce  fata  secundum  ritum  omnia  demonstrant. 

746  transgressi  fata  parentum  quia  numquam  fuerunt  tarn  felioes  nt 
vos  estis. 

750  saerum  purum,    ne  plangite  divos  noiite  super  deos  irasci. 

751  deu8  qui  modo  deus  est.  Pilie  senecte  {^estoris  qui^  aput  Pilon 
mansit,  ter  centum  annos  vixit. 

VI   9  pharetre  victorie,  Phitone  enim  interfeoto  ab  Apolline  Phocenses* 
pro  liberacione  illius  pestileooie  quam  babuerunt  de  serpente  Apol- 
lini ludos  oelebrabant. 
11  qtiotiena  tociens  omni  anno  redit  ad  litus. 
15  (üumnis  de  Grecia  regibus. 

24  querere  terras  eundo  per  pelagus. 

25  Clara  descriptio  diei.     Thitonia  a  (autem?)  aurora  (aura  c). 

30  MfdUplicantque  sonos  multiplicare  faciunt.  exutus  Ligurg^s. 

31  Vittarum  quia  ut  sacerdos  redimitus  erat,   squakntia  pulvere  sordida^ 

34  famülas  premit    ad  planctum  oogit.    volentes  plorare. 

35  aivulaa  remota  a  oadavere  filii. 

37  dignis  VuÜibus  aptis  illo  tempore  quo  luctus  erat  omhibus^ 
47  facta  recensens  quia  omnes  moriemnr. 

53  vaga  pasaim  discurrentia. 

54  teneraque  cypreaao  quia  est  funerea. 

58  mcfitwris  floribus  quia  cito  defioiunt. 

59  Arahum  strue  aromatibus  et  Arabiois  odoribus. 

,64  JAnus  Linus  Apollinis  ^filius)  qui  simili  morte  periit  a  canibus»  a• 
matre  illis  oppositus  qui  eum  occiderunt. 

*  c.  quia. 

*  e.  Pbocensia 


414  Manitiue 

69  immensa  Menbra  magnum  corpus  vel  atilitas. 

6üf.  talie  erat  preparatio  ro{p  quamvis  esset  parvaa  ex  nimio  appa- 

ratu  rogi. 
77  In  nomen  honore  filii.    cinctusque  cingrnlas. 
8*2  infausti  beS«  propter  paerum  occisam.    piacula  peccata. 
88  (His  labor)  aecissam  undique  cesam.     Tempe  loca  amena. 
94  metuencUique  taxtis  qaia  venefica  est. 

96  expugnabüe  robur  oedrus  procnmbit. 

97  aiuUix  ctbies  qaia  magna  altitudine   elevatur.    odoro  wifiere   qaia 
maltum  ölet  quando  inciditur. 

100  ΏαΛ  gemitum  tellus  oadentibas  arboribas. 

104  cana  Paks  quia  preest  segeti  dea  framenti. 

108  vix  Signa  audiia   tarn  cito  hec  omnia  a  silvis  reoesseront.     urbem 

ea  qae  in  urbe  erant. 
HO  tue  fragor  milites  nimiani  acoensi  quam  in  dissipatione  urbis  i.  est 

similibus  piris  pro  morte  Arcbemori. 
112  auxerat  ar<M  pro  oociso  draoone. 
114  teneros  manes  animas  pueroram. 
118  Siphilon  apud  Thebanos  fuit  mos  liberis  occisis  ad  Siphilon  fanera 

duoere. 
126  Kvida  BracMa  propter  dolorem  pueri. 
129  nudo  de  peetore  pre  dolore  pectus  nudum  habebat. 
134  his  in  finibus  evi  dum  tarn  iuvenis  esses. 
141  ubera  mando  commendo  eins  uberibus  filium  meum. 
145  creditis  ause  quia  mendacia  profert  quo  occidit  filium  meum. 
198  centenus  übique  in  unaquaque  turmn. 
205  spirantiaqtie  adhuc  viventia. 
229  quis  beUi  incognitus  horror  vulgares  homines. 
232  Enomai  rex  cuius'filiam  Ypodamiam  vicit  Po1op8(!). 

235  umbonibua  monticulis. 

236  Campum  exire  vetat  ut  protendatur  in  plauiciem. 
238  augent  maiorem  faoiunt  videri. 

242  tantique  belU  quia  multitudo  tam  magna  erat. 

243  nigrantes  nigri  unius  ooloris  erant  matres  et  vituli 

254  lo  post  iergum  in  vaccam  mntata. 

255  inocciduis  visibua  semper  vigilantibus. 

256  iUam  erexerat  in  pristinam  formam  mutavcrat. 

257  hospes  Aurora  populi  orientales  ad  quoe  venit  vagando. 

261  Neptunia  Lora  vel  quia  littore  vel  a  Neptono  ministrata. 

262  Pelops  Polops  a  Neptuno  currili  oertamine  instructos  fiiit. 

266  Tristis  Ämimone  tristis  quia  reperta  atque  stuprata  est  a  Neptuno. 
265  MüUa  tnonens  in  prindpio  cursus  vel    in    medio   vel   ubi  i.  aeqna 
occasione. 

300  Qaudentem  propter  impetratum  currum.   oHra  insidiosa  pericalosa 
Scorpion  et  Sagittarium. 

301  Noientesque  teri  zonas  australem  et  septentrionalem  plagam. 
314  maculis  internigrantibus  albe  nigra  habentes  maculas  et  albae. 


Λαβ  Dresdener  Handschriften  415 

317  audüo  ApoÜine  carmine  Musarum  et  Phebi. 

315  crcdi  nee  degener  i.  quia  credebatur  non  degenerare  aCastalio  grege 

1.  a  Pegaso  sub  cuius  pede  natus  est  Castalius  fons  ubi  Apollo  et 

Muse  colebantar,  quod  dicit  qui  Pegasus  stupuit  ad  sibila  oanne  i. 

Apollinee  in  fönte  et  noluit  pasci  cum  audiret  ApoUinem  canere  (a) 
440  Fwnantemque  funalem  dicit  quia  adeo  ferus  erat  quod  fune  oporte- 

bat  eum  lig^ri  (α). 
535  in  Hitmiaea  harena  in  festo  Palemonis.    Histimos   mons   est   ubi 

Palemon   filius  Athamantis  suum  dictus  est  habuisse  sepulcrum  et 

in  unoquoque  anno  sub  lionore  eius  iuvencs  diversa  certamina  lu- 

dorum  faciebant  (α). 
551  latuitque  in  corpore  vultus  nichil  valebat  vultus  respectu  corporis  (α) 
554  fuscatur  otivo  oleo  unxit  se  ut  caro  labilis  esset  et  nullus  detineret  (α) 
557  celi  steUantis  (vel  stillantis)  videntur  enim  ointillc  stillare  de  astris. 
5Γ>1  Proximus  et  forma  iunota  ipsa  forma  Yde  vel  Polinici. 
569  iffnea  Crwra  preparata  ad  cursuro  faciendum  (α). 
571  summisit  regtda  Urnen  precipitata  est  regula.  Excitnbant  sc  quasi  cur- 

sum  debuissent  mox  incipere  et  ipsa  mot  ione  retrahebant  se  a  cursu  (α). 
62(i  iuasm  Phterehvt  a  rege  vel  ab  aliis(a).. 
042  rediit  ingloria  quia  numquam  fuit  ausa  (α). 
(>50  Quod  latus  oogitans  in  animo.    medie  quod  certius  ulne   quia   pro- 

tendebatur  nsque  ad  mediam  ulnam. 

656  Ergo  operum  fidens  quia  talis  erat. 

657  celo  dextram  metitur  non  in  longitudinem  sed  in  altitudinem. 
714  nuda  de  plebe  prompta  et  expedita. 

718  braehia  finxit  fecit  flexibilia  ad  hoc  opus. 

778  effunditur  iUe  iotum  enim  passus  est  cadendo  vel  ad  superiorem. 

846  duris  thoris  apellat  callos  thoros  duriciam  manuum  (α). 

855  haut  aliter  habet  se  quam  Tydeus. 

898  Victorem  ipsum  Adrastum. 

913  breoi  tempore.   fataUs  significans  fatum. 

YII  7  axemgue  nivosi  Syderis  septentrionalem  plagam. 

18  eredas  beüo  rediisae  tarn  leti  peragunt  ludos. 

23  immeriJtaa  urhes  que  nichil  promeruerunt. 

36  Tempestas  etema  plage  frigus  continuum  illius. 

42  Oingitur  contra  septentrionem.     Hemo  Hemus  est  mons  Tracie. 

45  Leditur  obscuratur.    sedem  propter  cruentam  domum  Martis. 

53  Mors  armata  quia  sola  eripit  vitam  vel  aris  diversis  generihus  (gen- 
tibus  e.)  occisionis.  73  Sanguinea  BeUona  manu  soror  eius. 

74  diriguit  visu  obstupuit  pavore. 

83  impdlit  inpellit  remeantem.    resides  pigros. 

93  triateride  mtUta  roultis  festis. 

94  Instaurere  diem  propter  consumptum  Bachium  magis  oolatur. 

95  MaUt  adire  Pelops  cum  sacrificatur  ei. 
104  Dux  ea  Adrastus  dixit. 

107  geminum  mare  Ion i um  et  Egeum. 
115  Silvas  Silvas  a  !oco  suo. 


4Ιβ  "  MÄiiitius 

123  Pendel  sollicitum  erat,    fragor  multitudo  exercitus  Anpvi. 

126  An  dubitent  an  dubitent  venire. 

128  Induitur  qaia  in  diversae  acies  ee  matavit  at  eoe  sie  mag^  deciperet. 

129  metu  inani  quia  non  erant  hostes.     consternit  deieoerit. 

132  Incidit  videbatur  Greeis.    vestigia   vallis   immissas    est    abi   facta 

sunt  Sacra. 
138  nichil  flagrantibus  quia  oinues  mori  malebant  quam  bellum  dimitterr. 
147  patnos  reminiscitur  igncs  quo  fulminata  est  mater  ima. 
185  TlosiiUs  Tritonis  aquas  Neptunus  invidit  Athenis   quia  fuerunt  no• 

minate  Palladis  nomine. 
192  Taurtts  vehens  Europam. 
198  veteres  sereque  ab  antiquitate  seriate. 
221  Inno  queretur  pro  adversitate  Greconim. 
239  expectatque  furores  Grecoe  furentes. 
249  Atidimua  hie  video  tarnen  non  cognoscens. 
255  hie  hie  est  ille  quem  Diana  sagittas  interfecit   propter  PaKheno- 

peum.    cui  nivea  arma  in  ouius  honorem. 
2ββ  iugis  iniquis  arduis  vel  excelsis  et  in  quo   solebat  Athalanta  com 

procis  cursu  contendere.     duas  Athalant«s  fuisse    manifestam    fst, 

unam  Archadicam  etc.  (P). 
282  Eliconia  iurba  dicit  propter  Gallum  aliosque  poetas   qui   incanta- 

bant  per  Eliconom,  ibi  vult  poetas  intelligi  convenisse.     Eliconem 

et  Permessum  et  llormium  dicit  iinvios  Musis  consecratos. 
291  origine  fratres  ut  fratres  existimari  poseint;    fratribus  essent  seil. 

Ethiocles  et  Polinices. 
297  Laphitonia   nimpha  Laphitaon  dictus  est  pater  quem  Scis  nimpha 

violavit,  inde  natus  Alatreus. 
304  verUltra  senectus  in  futuro  etate  antecedento. 
309  cdsos  quadriiugos  hie  notat  magnitudinem  eius. 
318  arreptia  Pontibm  cum  collectis  aquis  voluit  pugniri)  cum  Io?e. 
326  Fidmineum  einer em  ex  quo    tempore   fulminatus    fuit,    prunas   vi- 

veutes  in  se  habuit. 
369  in  terga  comantes  quorum  come  in  terga  pendent  (α). 
377  stimtdare  parem  cogere  ad  bellum. 
405  de  cursibus  annes  sunt  visi  refluere  quasi  iu  die  sereno. 
418  Perseos  effigicm  quia  occidit  Gorgonem. 
431  Cunctantem  equum  intrare  volentem. 
452  Quis  qtieat  quo  modo  Thebe  illa  nocte  turbatc  fuerunt. 
459  externos  ignes  quos  externi  subvcnientes  aocendant. 
465  lucemque  timent  diem  timcbant,  propter  bellum  tamen  optabant. 
469  oculosque  reposcit  optabat  oculos  ut  cum  filiis  bellaret^  tnmultn. 
475  Exangues  genas  senio  tabentes. 
478  ctmi  maiestate  mälorum  cum  multitudine'  deformitatis. 


*  c.  bellare. 

^  C.  multitudinem. 


.  Aus  Dresdener  Bandfcbrifteü  417 

179  tnelior  tarn  aexus  quia  tunc  meliorea  erant  illiuti  filie  quam  filii. 

L80  Preeipitantem  artus  velociter  membra  moventem. 

186  tarn  miesiM  nuntius  quem  locasta  miserat. 

idS  lacrimis    gauaUntibiM    tfnplet   pre    gaudio   laorimatus   est   deosou- 

lando  eam. 
>00  miserabiUa  hospes  miseratione  dignus. 
S13  vix  Edipedo  qui  scelere  notus  est  omnibus. 
>14  Nupsi  equidem  iilicitum  par.    tales  quales  peperi  quia  ooacta. 
>16  Quodsi  adeo  persUiS  ut  bellare  velis  cum  fratre  tuo  de  nobis  trium- 

phare  potes  interficiendo  me  et  sorores  tnas. 
)22  Si  vcbis  cams  pietatem  habete  de  filio. 
ί>27  iumid<M  cohortes  ad  bellum  paratas. 
S31  gaudetque  cruore  recepto  hominis  vel  animalis. 
^32  fiexa  Pelasgum  corda  dictis  locastae. 
^36  animum  twrbante  matris  et  sororis. 
539  fidum  Ethiocla  fidum  dicit  yronice. 
541  bona  federa  gesto  propter  cicatrices  plagarum  separatrix. 
f>52  Ante  hee  antequam  hoc  fiat  in  castra  ut  te  remittat. 
557  medieque  sorores  quia  int  er  nos  et  illum  federa  portant. 
5ü2  fera  temptM  inermis  oportunitatem  quomodo  Erinis  posset  eos   ad 

bellum  impellere. 
5βδ  vastator  Eoi  orientalis  plage. 
569  Sanguinis  feritatis.    Indum  gramen  species  quibus  erant  drcumdati. 

580  animumque.  priorem  pristinam  feritatem. 

581  erumpunt  argis  egrediuntur  per  campos. 
588  Corripiunt  aurigam  Parthonopei. 

594  adducto  ielo  quia  prius  telura  adducitur  quam  emittatur. 
596  ad  portas  Thebanorum.    utrimque  ex  utraque  parte. 

602  penetrale  in  interiore  parte  templi. 

603  Bacheus  qui  Bachum  colit.    Phlegeus  proprium  nomen,  saoerdos. 
606  Äuxilio  tardi  quia  iam  mortuus  erat. 

609  Consilium  quod  locasta  habuit  cum  Polinice. 

611  preceps  quia  bellum  cupiebat.   tempore  ütitur  quod  tempus  est  ad- 

portavit. 
615  seOus  iam  clamor  Arg^ivorum  et  Thebanorum. 
621  sübitis  globis  subito  venientibus.    glöbia  coadunationibus. 

627  rapuit  nemus  nimio  flatu. 

628  non  vos  longinqua  que  prope  vos  gesta  sunt. 

631  Horrent  a  cantilena  deficiunt.    iumvdtw  tubarum  sonitus.   EHconia 
plectra  Elicon  est  mons  consecratus  Musis  iuxta  Thebas. 

632  Sidonium  Thebanum.   male   fidus  quia  duri   oris   non   obtemi>erat 
rectori. 

633  Rumpentem  quasi  trahentem  rumperet. 

637  nee  iam  arma  quia  mortuus  erat. 

638  anima  defectus  uterque  hominis  et  equi. 

640  siemuntque  gladiis  se  perimunt.     aUema  oorpora. 
649  Bacheos  cuUus  Bacho  sacratos. 

Bhela.  Mos.  f.  Pbllol.  N.  F.  LYII.  ^ 


418  Manitius 

651  Bromio  Bacho.    mutare  fwrorem  ut  sacra  belli  in  bellain  oonverteret. 
ü52  Quem  terrere  queas  quasi  diceret  neminem. 

ββ3  Vociferans  tangit   hie   quod  Cadmus    in  Cirra   responsum    accepit 
factorum   civitatem    ubi   vacca   procedens   requiesceret.    prohibete 
manus  populi  ab  eversione  huius  urbis. 
6G6  Gens  sacrata  sumus  quia   de   stirpe   deorum    descendimne.    gener 

hmc  e,'it  luppiter  urbi  propter  Semelem. 
6G7  Gradivusque  socer  propter  Hermionem  Martis  filiam. 
690  formidantibus  arva  biatum  terre. 
692  Mestus  propter  interitum  sui  vatis. 
697  sanctum  et  venerabile  quia  illesum  vulnere. 
700  Suggerit  min  istrat.    diesque  quo  scivit  se  moriturum. 
707  tripodas  laurusque  sequi  divinationem. 
777  vetito  sepülcro  quia  sepulturam  interdixit. 
805  henigna  Tempestas  quia  faoit  ab  armis  cessare. 
822  rurstis  Miscitit  quia  aote  extiterat. 
YlII  3  titrbavit  manes  deos  inferni. 
9  Needum  lustraverat  ut  solet  defunctum  lustrare. 

10  poste  notarat  fecit  notaruni   scribere  nomen. 

14  securi  a  penis.  circumspexere  fragorem   non  tantum  sapradicti  ter 
rebantur. 

23  iratusque  omnibus  umbris  propter  deeoensum  Amphiarai. 

27  cum  fratre  verendo  scilicet  Radamanto. 

39  munduinque  nocenteni  ad  regendum  inferos. 

44  Tytanas  alios  gigantes.    miserumqiie  patrem  Satumum. 

(>8  invideantque  sorores  non  solum  superi. 

69  omina  sunto  seminaria. 

72  Mandat  atrox  hostüe  caput  propter  Tydeum    dicit    igne  supremo 
Arceat  ut  Creon. 

85  subit  iUe  minantem  quia  finita  eins  oratione  cepit  loqui. 

87  lam  pedes  defectis  etjuis. 

92  At  mihi  aliis  irascere. 

94  Neve  ira  dignare  hominem  ne  digneris  ostendere  iram  tuam  in  enm. 

97  fugiat  nee  tristis  in  antrum  sicut  fugit  pro  Hercule. 
105  turba  recentum   Umbrarum  ad  tuum  honorem. 

107  Non  ignarus  inii  sciebam  enim.    turUne  tumultu. 

108  e  milibus  Jiausü  accepit  me. 

121  Hac  aderit  coniunx  mea,  Eriphile. 

125  iras  suas.    arma  citat  dentes  acuit  vel  movet. 

141  currus  humus  sarbet  quia  vivi  absorbemur. 

143  profunde  Noctis  iter  per  quod  vates  descendit*  ad  inferos. 

149  tellus  cognoscit  alumpnos  quia  nos  solum  absorbet  etThebanoe  eervat^. 

162  Quae  tibi  tunc  fades  omnis  Argiva  phalanx. 

166  Ncc  laudavit  equum  qui  mos  est  revertentibus  de  preliie. 


*  Hier  wie  xiets  c.  decendit. 

*  c.  sevat. 


Aus  thOsdener  Bandsohriften  419 

168  efflantea  piagas  efflatus  emittentes. 

170  pugnae  sttasü  timor  pugne  que  crae  erat  futura. 

174  Hetis  ubi  kumgcri  Verba  Grecorum  ad  laudem  Anphiarai  (α). 

189  quis  casus  habet  quia  inaudita  niorte  mortuus  erat. 

196  mutis  Delphis  omnia  loca  in  quibus  colitur  Apollo  mutaverat. 

201  cornigeri  vatis  nemus  in  Libia  llanionis  harenosus  lupiter   in   mo- 

dum  arietis  oolitar. 
205  nuUa  ferientur  ab  alite  quia  aves  nulla  dabunt  responsa. 
217  facilis  somnus  quia  facile  dolentes  invadit. 
22f)  ipsaeque  marcent  deficiunt  pre  ebrietate. 
222  spiramifie  sonat.    biixtis  fistula. 
229  manibusque  attrita  tonantis  Comua  Europe. 
245  abaeta  prius  solatia  esse  remota. 

256  stridere  volttcres  Arpias.    ut  sensit  abaeias  a  Zeto  et  Galai. 
259  Graiorum  iacebat  cohors  quia  anima  et  corpore  fatigati  erant. 

265  voces  marcore  süperbe  marcor   proprie   est   raucitae    vocie  cum  eu- 
perbia. 

266  Incerteque  faces  iam  defioientes.    male  pervigil  ignis  quasi  iam  de- 
dignabantur  vigilare  et  faces  accendere. 

269  Mandavere  animas  mari  obdormientes. 

270  deus  qui  navigat  alno  Triton  vel  Neptunue. 

285  Seque  honeri  negat  esse  parem  respuendo  dignum  se  monstrat. 

286  Achimenius  puer  Achimenii  sunt  populi  in  Oriente,  ideo  dat  exem- 
plum  de  is,  quia  ibi  regnum  hereditate  tenetur. 

290  Caspia  limina  mandet  ne  quis  suum  ingrediatur  regnum. 

293  nee  adhuc  implere  tyaram  coronam  patris. 

312  0  rerum  media  quia  medium  looum  tonet,  in  elementis  unusquisque 

habet  sua. 
332  des  oro  precatus  ut  sentiamus  te  orare  pro  nobis. 
335  sctcra  feram  presaga  quia  notabo  presagium  vel  significantia 
343  fragor  excitat  enses  ad  bella  sonuerunt. 
319  multo  laxantur  cardinc  scptem  porte  aperiuntur. 
358  secretus  Nilus  quia  ignoratur  eins  principium. 
34)3  gradum  tarde  movet  isti  processerunt  alacrus. 
429  magnum  et  gentile  tumentes  seoundum  virtutem  gentis. 

476  duos  Hdiconidas  filios  Ethioclis. 

477  Egee  Veneris  ab  £geo  mari  ubi  nata  est. 
481  Sanguis  occisorum  ab  £mone. 

533  non  infensa  cerebro  Vülnera  quia  non  percussit  ad  mortem. 
548  Hdiconius  Corimbus  sacerdos  Musarum. 
556  soceros  Aversatus  £dipum  et  locastam. 

558  Squalor  deform itas  Edipi. 

559  nee  peetora  virginis  Uli  Diversa  amabiliorem  facit  quia  virgo  ama- 
bat  eum. 

5(50  inque  vicem  placehant  ut  sibi  mutuo  iungerentur. 

564  Ceu  spectetur  agit  ut  laudem  acquirat  a  puella  quia  puer  erat. 

610  Nee  mala  dicebaiit.    quae  iuxta  in  presenti  erant. 


420  Manitius 

641  tremens  Tocasta  tremens  nt  vetula. 

653  teste  remoto  omnibus  egressis. 

656  beUum  ^ntegrώat  Enyo  soror  Martis. 

677  Tunc  prior  ridendo  dixit. 

702  Omnia  tela  vovent  cum  votis  in  eum  veniont. 

709  nuda  era  a  piotura. 

710  volvuntur  in  arma  molares  lapides  de  capite  in  ecutum  cadebant 

713  PaUada  fidam  quo  illi  favebat. 

714  ceHantem  lumina  parma  quia  plorabat. 
726  maximus  OpUus  armiger  saus. 

731  liUera  inclinantia  non  valentia  stare. 

751  vtdJtiiqve  occurrit  utpote  sandus. 

758  plus  exigit  uUrix  plus  compulit  faoere. 

766  purgavit  lumina  limpha  quod  se  pnrgaverit  nimpba  cum  lampade. 

IX  216  Useris  umbram  corpus  inhumatum. 

299  Stridafit  Tideus  quia  tos  eritis  in  humana(!). 
305  cum  fluctivago  Egyno  quia  nauta  erat. 
461  impingit  Orina(\)  nautis  Stella  tempestuota. 
748  facies  rubet  igne  veneni  quia  intoxicata  erat. 

X  5  Panditur  campus  illis  recedentibus. 
40  frontem  frontem  castrorum  Grecorum. 
67  Caamee  pelicis  Semeies. 

72  magni  Fors  dedit  auxüii  licet  esset  in  tanta  ambiguitate. 
179  perempto  Proodmus  consang^initate  vel  virtute. 
558  Luctusque  Furorque  luctus  mulierum,  furor  virorum. 
599  Sanguineos  flammarum  apices  quod  significat  Creontem  regnatumm. 
631  digesta  vetustas  preteritum  quia  dea  memorie. 
647  horrentia  terga  suum  et  aprorum. 


Soweit  reichen  die  Erklärungen  des  Scholiaeteo,  wenigstene 
alle  späteren  Scholien  sind  nur  Glossen  und  fast  belanglos.  Uebri- 
gens  hört  die  blasse  Tinte  des  Soboliasten  von  b  mitten  im  Seho- 
lion  zu  VI  315  auf  und  wird  dann  durch  eine  Tinte  ersetzt,  die 
noch  dunkler  ist  als  diejenige  des  Schreibers.  Die  Hand  des 
Scholiasten  scheint  aber  dieselbe  zu  bleiben,  nur  gegen  den  Sohloss 
hin  wird  sie  von  einer  etwas  grössereren  und  weniger  gleich- 
massig  schreibenden  Hand  abgelöst,  die  in  Lib.  XI  and  ΧΠ 
äusserst  zahlreiche  Correcturen  des  überaus  schlecht  werdenden 
Textes  anbringt  und  ausgelassene  Verse  ergänzt. 

Die  Scholien  sind,  wie  man  sieht,  in  beiden  Handechriften 
sehr  verschieden.  Manches  stimmt  allerdings  wörtlich  überein, 
wie  die  Erklärungen  zu  IV  722  und  762,  zu  VI  315.  440.  535. 
551.  553.  569.  570.  642.  650.  656.  846.  VH  369.531.  VIII  766. 


Ans  Dreadener  Handsohriften  421 

IX  305  and  461.  Diese  Stellen  haben  meist  einen  reicheren  In- 
halt, aber  stets  zeigen  sich  doch  kleine  Verschiedenheiten  zwi* 
sehen  α  und  6,  so  dass  kaum  einer  ans  dem  anderen  abgeschrieben 
haben  kann,  sondern  wohl  eher  eine  gemeinsame  Vorlage  anzu- 
nehmen ist. 

Aus  dem  Vergleiche  mit  Lactantius  Placidus  ergiebt  sich, 
dass  die  Dresdener  Schollen  zuweilen  ein  nicht  unbedeutendes 
Mehr  aufzuweisen  haben.  Viele  grössere  Stücke  sind  wörtlich 
aus  Placidus  abgeschrieben  —  sie  sind  hier  im  Druck  wegge- 
blieben —  andere  Stellen  sind  aus  Placidus  excerpirt,  aber  es 
findet  sich  doch  manches,  was  auf  ihn  nicht  zurückgehen  kann, 
wenn  sein  authentischer  Text  wirklich  vorliegt.  Und  davon  kann 
einiges  nicht  aus  dem  Zusammenhange  ergänzt  sein,  sondern  muss 
auf  alter  Grundlage  fnssen.  Die  hauptsächlich  hier  in  Betracht 
kommenden  Stellen  sind  folgende:  α  I  66.  IV  695.  836.  VI  321. 
Vn  97.  h  II  599.  III  429.  V  524.  Vfl  279.  266.  666.  667.  VIII 
256.  358.  656.  Viele  andere  Stellen  verrathen  deutlich  späten 
Ursprung,  aber  die  Hauptmasse  der  Erklärungen  fügt  sich  durch- 
aus dem  von  Placidus  festgehaltenen  Modus.  Es  ist  daher,  wie 
schon  oben  hervorgehoben  wurde,  nicht  unmöglich ,  dass  die 
Schollen  des  Placidus  reichhaltiger  gewesen  sind,  als  sie  heute 
vorliegen.  Oder  es  hat  noch  eine  andere  Scholienmasse  zur  The- 
bais  gegeben,  welche  mit  Auszügen  aus  Placidus  verbunden  in 
den  Dresdenses  theilweise  zur  Abschrift  gelangt  ist. 

Dresden.  M.  Manitius. 


zu  GRIECHISCHEN  PROSAIKERN 


I.    Ein    paar  Yerballhornongen   in   der   Ynlgate. 

Die  Güte  und  Zuverlässigkeit  einer  Hs  zeigt  sich  häafi^* 
grade  an  fehlerhaft  überlieferten  Stellen:  in  ihr  ist  gewissenhaft 
die  Vorlage  wiedergegeben,  wenn  sie  auch  unverständlich  ist, 
während  in  einem  andern  Zweige  der  üeberliefening  das  un- 
verständliche durch  eine  freie  Aenderung  des  Abschreibers  so  / 
zureoht  gestutzt  ist,  dass  ein  brauchbarer  Sinn  entsteht.  Oft 
genug  ist  so  das  Richtige  gefunden,  aber  es  ist  Conjectur,  keine 
üeberlieferung,  andererseits  hat  nicht  selten  der  mittelalterliche 
Gelehrte  vorbeigeschossen  und  erst  ein  neuerer  Kritiker  hat  das 
Richtige  getroffen.  £s  ist  deshalb  Pflicht  immer  wieder  auf  die 
Ueberlieferung  zurückzugehen.  Das  ist  eine  allbekannte  Wahr- 
heit, und  doch  wird  sie  hin  und  wieder  vergessen.  Dafür  ein 
paar  Beispiele. 

1.  An  der  schönen  Stelle  in  Piatos  Gorgias,  wo  Sokrafee 
schildert,  wie  es  einem  Arzt  ergehen  würde,  der  sich  gegen  die 
Anklagen  eines  Koches  vor  einem  Gerichtshof  von  Kindern  ver- 
theidigte,  heiest  es  522»  f\  el  €Ϊποι  τήν  άλήθειαν,  6τι  ταύτα 
πάντα  έγώ  έττοίουν,  ώ  παίδες,  ύγιεινώς,  πόσον  οϊει  δν  άναβοήσαι 
τους  τοιούτους  δικαστάς;  Hier  ist  πόσον  in  einem  Apographum 
richtig  geändert,  BT  haben  όπόσον,  oiei  hat  Τ  und  Β  von  zweiter 
Hand,  die  erste  hat  ποΐ€Ϊ,  dh.  Plato  schrieb  πόσον  τι  otei  δν 
άναβοήσαι,  vgl.  Dem.  23,  210  πηλίκον  τί  ποτ'  δν  στβνάΕειαν 
θ\  ανορες  εκείνοι;  wo  τι  erst  aus  Σ  hinzugekommen  ist.  Dem 
Wahren  war  übrigens  Schanz  schon  nahe,  er  wollte  όπόσον 
tilgen  und  τι  οϊει  schreiben.  ΤΙ  ist  häufig  in  TT  verlesen  und 
verschrieben  worden,  ich  erinnere  nur  an  Sauppes  schöne  Emen- 
dation  [Lys.]  9,  16  τι  V  δν  ίπραΕαν  aus  παν  ?πραΕαν  Χ,  was  der 
Schreiber  des  Laurentianus  in  παν  δν  verballhornte.  Vielleicht 
ist  durch  eine  ähnliche  BesRerung  auch  Plat.  Prot.  328*  zu  heilen 
πολλού    γαρ    ποιούμαι  άκηκοίναι    δ    άκήκοα  ΤΤρωταγόρου,   wo 


Zu  grieohisohen  Prosaikern  423 

man  περί  oder  πρό  einzusetzen  vorgeschlagen  hat;  aher  sollte 
man  nicht  besser  τιμώμαι  schreiben?  s.  Grastm.  175^  πολλού  τι- 
μώμαι  τήν  παρά  σοι  κατάκλισιν.  Doch  dies  ist  ja  nur  eine 
andre  Möglichkeit,  sicher  scheint  mir  folgende  Vermuthnng. 

2.  In  Isokrates'  Sendschreiben  an  den  König  Philipp  heisst 
es  §  46  ηγούμαι  b*  ουτιυς  δν  σ€  μάλιστα  καταμαθεϊν,  εϊτ'  el- 
ρηνικώς  είτε  πολεμικώς  α\  πόλεις  αύται  προς  άλλήλας  ίχουσιν, 
ει  οιεΗέλθοιμεν  μήτε  παντάπασιν  απλώς  μήτε  λίαν  ακριβώς  τα 
μέγιστα  τών  παρόντων  αύταϊς,  καΐ  πρώτον  μέν  σκεψαίμεθα  τα 
Λακεδαιμονίων,  wie  seit  den  Zürcheru  mit  Γ  gelesen  wird.  £s 
wird  also  σκεψαίμεθα  von  εΐ  abhängig  gemacht,  aber  das  ist 
unlogisch,  denn  der  König  erkennt  das  Verhältniss  der  Städte, 
wenn  der  Redner  die  gegenwärtige  Lage  in  den  Hauptpunkten 
schildert,  und  er  beginnt  diese  Schilderung  mit  κα\  πρώτον  μέν, 
man  muss  also  davor  stark  interpungiren.  Das  hat  auch  0. 
Schneider  richtig  erkannt  und  den  vor  Benseier  üblichen  Punkt 
wieder  hergestellt.  Aber  was  soll  nun  der  Optativ?  Ich  kann 
ihn  nicht  erklären,  und  so  ist  es  vor  vielen  100  Jahren  schon  einem 
andern  ergangen,  in  ΛΘ  steht  εκεψώμεθα  (Η.  Buermann,  Die 
handschriftliche  Ueberlieferung  des  Isokrates,  Berlin  1^85,  S.  19), 
was  I.  Bekker  beibehalten  hat,  und  stünde  es  in  Γ,  so  würde 
keiner  Anstoss  nehmen,  denn  οιεΕέλθοιμεν  ist  zwar  Plnr.  maiest. 
und  εκεψώμεθα  schliesst  auch  Philipp  mit  ein,  aber  dieser  Wechsel 
findet  sich  auch  sonst,  zB.  folgt  8,  18  auf  πειρασόμεθα  ^ώάσκειν 
υμάς  unmittelbar  περί  bi.  τής  εΙρήνης  πρώτον  οιαλεχθώμεν  και 
σκεψώμεθα,  τί  δν  έν  τω  παρόντι  γενέσθαι  βουληθεϊμεν  ήμϊν, 
es  werden  also  die  Zuhörer  eingeschlossen.  Aber  Γ  hat  εκεψαί- 
μεθα,  und  nun  erwäge  man,  dass  der  Redner  den  König  anredet 
und  den  nächsten  Abschnitt  *Αργείους  τοίνυν  ϊδοις  δν  (51),  den 
folgenden  άλλα  μην  τα  περί  Θηβαίους  ουδέ  σέ  λέληθεν  (53) 
einleitet,  und  ich  denke,  man  wird  mir  zugeben,  dass  eine  solche 
Anrede  auch  hier  höchst  wahrscheinlich  ist,  also  schreibe  man 
σκέψαι  wie  zB.  §  58  u.  68.  σκεψαίμεθα  iHt  demnach  eine  An- 
gleichnng  an  οίεΕ^λθοιμεν,  aber  die  andre  Ueberlieferung  ist 
vom  Richtigen  weiter  entfernt  als  Γ.  Für  ihn  muss  ich  auch  §  49 
eintreten.  liokrates  schildert  die  traurige  Lage  der  Lakedä- 
monier:  sie  werden  bekriegt  von  den  Nachbarn,  mit  Misstrauen 
behandelt  von  den  Peloponne<<iern,  gehasst  von  den  meisten 
Griechen,  άγονται  bk  και  φέρονται  και  τής  νυκτός  καΐ  τής 
ημέρας  υπό  τών  οίκετών  τών  σφετέρων  αυτών,  οόοένα  bk 
χρόνον  οιαλείπουσιν   ή    στρατεύοντες  έπί   τινας   ή   μαχόμενοι 


424  Fuhr 

προς  τινας  f|  βοηθουντες  τοις  άπολλυμένοις  αύτων,  Γ  bat  aber 
ού^εμίαν  b*  ήμέραν  btaXeinouatv,  was  ausser  Ο.  Schneider  keiner 
aufgenommen  bat.  Wabrscbeinlicb  nimmt  man  an,  ήμέραν  sei 
ans  dem  yorbergebenden  ημέρας  entstanden,  ein  grade  im  Ur- 
binas  sebr  bänfiges  Yerseben,  und  bält  die  Uebertreibnng  für  za 
stark,  aber  ούδεμίαν  ήμέραν  ist  unzweifelhaft  viel  bezeichnender 
und  nachdrücklicher  als  ούόένα  χρόνον  und  findet  sich  ganz  ähn- 
lich 7,  82  άλλήλοις  κακά  παρέχοντες  ού^εμίαν  ήμέραν  διαλεί- 
πομεν,  nnd  was  die  Uebertreibnng  angebt,  so  kann  man  auch 
Archidam.  65  όρώσι  —  τάς  στάσεις,  δς  έπυνθάνοντο  πρότερον 
παρ'  έτέροις  οδσας,  νυν  παρ'  αύτοϊς  ολίγου  όεΐν  καθ'  έκάστην 
τήν  ήμέραν  γιγνομίνας.  —  Da  aller  guten  Dinge  drei  sind,  füge 
ich  aus  dem  Pbilippos  noch  eine  Stelle  an,  wo  es  sieb  um  eine 
grammatische  Kleinigkeit  handelt:  §  64  heisst  es  von  Eonon  τά 
τείχη  τής  πατρίδος  άνώρθωσεν,  vgl.  15,  319  τά  τείχη  τής 
πατρίδος  κατασκαφίντα,  20,  11  κατασκάψασαι  τά  τείχη  τής 
πατρίδος,  Dein.  1,  37  τους  όρθώσαντας  τά  τείχη  της  πόλεως, 
Blass  brauchte  also  nicht  mit  der  geringem  Ueberlieferung  τά 
τής  πατρίδος  zu  schreiben. 

3.  Nicht  so  sicher  ist  mein  Urtheil  in  folgendem  Falle. 
Plutarch  erzählt  Cam.  10  die  bekannte  Geschichte  von  dem  ver- 
rätberischen  Schulmeister  in  Falerii,  den  die  Kinder  nackt  und 
gefesselt  zurückfuhren,  τόν  Κάμιλλον  σωτήρα  κα\  πατέρα  και 
θεόν  άνακαλουντες•  ώστε  μή  μόνον  τοις  γονεΟσι  τών  παίδαιν 
άλλα  καΐ  τοις  άλλοις  πολίταις  ταυθ'  όρακτι  θαυμά  τε  και  πόθον 
έμπεσεΐν  τής  του  Καμίλλου  δικαιοσύνης.  Stephanus  bat  θαυμά 
τε  aus  θαυμάΖειν  geändert,  wozu  man  Cat.  min.  64  σαφέστατη 
γάρ  αϊσθησις  τότε  παρέστη  καΐ  πόθος  καΐ  θαΟμα  τής  του  Κά- 
τωνος αρετής  πάσιν  όμαλώς  vergleichen  kann,  aber  τε  και  er- 
regte mir  einst  (Rhein.  Mus.  XXXIII  584)  mit  Recht  Bedenkeo, 
nur  war  es  damals  noch  nicht  bekannt,  dass  die  beste  ueberliefe- 
rung für  diese  Vita,  die  Seitenstetter  Hs,  aus  der  sebr  viele 
Stellen  zu  bessern  sind,  ταύτα  ορθώς  θαυμοΐσαι  bietet;  vgl. 
Wolfg.  Meyer,  de  codice  Plutarcheo  Seitenstettensi,  Leipzig  1895, 
S.  69;  ich  vermuthe,  das  daraus  ταυτ'  ορθώς  θαυμάσασι  πό- 
θον έμπεσεΐν  herzustellen  ist. 

4.  Der  Seitenstettensis  verhilft  uns  zu  einer  Variante,  die 
W.  Meyer  nicht  bemerkt  hat.  Gamillus  ist  wegen  Unterscbleifs 
angeklagt,  das  Volk  war  gereizt  und  zeigte  offen,  dass  es  ihn 
verurtheilen  werde,  da  versammelte  er  seine  Freunde  und  die 
mit  ihm  gedient    [und  kommandirt]  hatten,    nicht  wenige  an  der 


Zu  griechischen  Prosaikern  425 

Zahl,  τους  τε  φίλους  και  τους  συστρατευσαμένους  [και  τους 
συνάρ^αντας  om.  S]  ουκ  όλιγοΟς  τό  πλήθος  δντας  (c.  12)  aber  ζα 
φίλους  hat  S  (wie  öfter,  besonders  im  Pomp,  und  im  Crassus)  eine 
Randbemerkung,  nämlich  von  erster  Uand  (wie  ich  aus  Autopsie 
weiss)  γρ  πελταστάς,  dh.  klärlich  πελάτας,  womit  Liv.  V  32,  8 
zu  vergleichen  ist:  cum  accitis  domnm  tribulibus  et  clientibuSj 
quae  magna  pars  plebis  erat.  In  den  Text  wird  πελάτας  nicht 
aufzunehmen  sein,  gleich  im  folg.  ist  wieder  von  den  Freunden 
die  Bede,  aber  Beachtung  verdient  es  sicherlich.  Uebrigens  liest 
man  πελάται  nicht  mit '  Becht  bei  Sintenis  Grass.  27 :  als  die 
Parther  angreifen  o\  μέν  οΐκέται  και  πελάται  πλάγιοι  περιε- 
λαυνοντες  έτόίευον,  nach  Pseudo-Appian,  während  die  Plu- 
tarchhss,  auch  die  Seitenstetter,  o\  μέν  Ιππόταΐ  πλάγιοι  haben; 
das  Wort  ist  sonst  nicht  eben  häufig,  darf  aber  grade  deswegen 
nicht  angetastet  werden,  es  ist  aber  auch  viel  anschaulicher  und 
klarer  als  o\  οΐκέται  και  πελάται,  denn  um  dies  richtig  zu  ver- 
stehen, muss  man  sich  erst  erinnern,  dass  die  Beiterei  aus  πελάται 
τε  και  όουλοι  bestand,  c.  21.  —  ßeiläufig:  Ages.  6  beseitigt  der 
Seiten stetten sie  eine  Interpolation :  άκού(Ταντες  ουν,  heisst  es  bei 
Sintenis,  ol  Βοιιυτάρχαι  προς  όργήν  κινηθίντες  ίπεμψαν  ύπη- 
ρ<έτας  άπαγορεύοντες  τψ  Άγησιλάψ  μή  θύειν  παρά  τους  νόμους 
και  τα  πάτρια  τα  (so  S)  Βοιωτών,  in  S  fehlt  κινηθέντες,  das 
hinzugesetzt  wurde,  weil  man  den  adverbialen  Gebrauch  von  προς 
όργήν  verkannte,  vgl.  Alex.  71  πολλά  μέν  έλοιδόρησεν  αυτούς 
προς  όργήν,  wie  schon  Soph.  El.  369  μηδέν  προς  όργήν. 

Π.  ΕΘΗΚΑΝ  und  ΕΔΩΚΑΝ  bei  den  Bednern. 

Bei  den  Bednern  ist  es  nicht  ungewöhnlich,  dass  sie  einen 
Gedanken  allgemein  beginnen,  ihn  aber  nicht  regelrecht  zu  Ende 
führen,  sondern  sich  dem  grade  vorliegenden  Falle  zuwenden, 
der  ihre  Gedanken  ganz  erfdllt,  zB.  Lys.  31,  32  εΐ  μήτηρ,  ή 
πέφυκε  και  αδικούμενη  υπό  τών  εαυτής  παίδων  μάλιστα  άνέχε- 
σθαι .  .  .  ένόμιΖε  τούτον  κδν  άπό  τεθνεώσης  φέρειν  εαυτής. 
Das  hat  man  mehrfach  nicht  beachtet  und  die  leichte  Incongruenz 
durch  Aenderungen  beseitigen  wollen,  wie  Lys.  19,  33  πώς  &v 
εΤεν  άνθρωποι  όθλιώτεροι  ή  εΐ  τά  σψέτερ*  αυτών  άπολωλεκότες 
δοκοΐεν  τά  κείνων  ίχειν;  wo  Frohberger  εΤμεν,  Hertlein  τά 
ήμέτερ*  αυτών  und  Bauchenstein  δοκοΐμεν  änderte,  oder  Isai. 
6,  53  πώς  άν  τις  περιφανίστερον  έίελεγχθείη  τά  ψευδή  με- 
μαρτυρηκώς  ή  ει  τις  αυτόν  f ροιτο  "Ανδρόκλεις,  ττώς  οίσθα  Φι- 
λοκτήμον'  ότι  οίίτε  διέθετο  οοτε  υΐόν  Χαιρίστρατον  έποιήσατο* ; 


426  Fuhr 

wo  Scheibe  das  erste  τις  tilgte.  Etwas  Aehnlichee  liegt  m.  £r. 
auch  an  einer  Stelle  des  Andokides  vor.  Er  vertheidigt  eich  in 
der  Friedensrede  §  33  f.  gegen  den  Einwand  der  Friedensfreunde, 
die  den  Gesandten  vorwerfen,  es  sei  unrecht,  dass  sie  nieht  knft 
ihrer  unbeschränkten  Vollmacht  den  Frieden  abgeeelilossen  hätten, 
denn  dem  Athenischen  Volk  könne  man  nur  heimlich  oder  durch 
lUnschung  helfen.  Der  Feldherr,  sagt  er  dagegen,  darf  eich  im 
Krieg  der  Heimlichkeit  und  Täuschung  gegen  den  grossen  Haufen 
bedienen,  Gesandte  aber,  die  über  einen  Frieden  für  Griechenland 
verhandeln,  dürfen  das  nicht,  sonderir  es  ist  eher  zu  loben  als 
zu  tadeln,  wenn  sie  mit  unbedingter  Vollmacht  ausgesandt  euch 
trotzdem  die  Möglichkeit  erneuter  Erwägung  verschafiPen  —  el- 
ρήνης  bk  πέρι  πρεσβεύοντας  κοινής  τοις  Έλλησιν,  έφ'  οϊς  δρ- 
κοι  τ€  όμοσθήσονται  στήλαί  τε  σταθήσονται  γεγραμμίναι,  ταύτα 
bt  ούτε  λαθεϊν  οοτε  έΗαπατήσαι  δεϊν,  άλλα  πολύ  μάλλον  έπαι- 
νεϊν  ή  ψέγειν,  εΙ  πεμφθέντες  αυτοκράτορες  (τι  aild.  Α,  om.  Q, 
dem  Lipsius  mit  Recht  folgt)  όποοώσουσιν  ύμΐν  περί  αυτών 
(Τκέψασθαί.  Das  ist  denk  ich  ganz  unanstössig,  aber  bei  dem 
Redner  lesen  wir  anders,  άπο5ώ(Τομεν,  dh.  er  hat  den  allgemeinen 
Gedanken  verlassen  und  sich  dem  eignen  Fall  zugewandt,  wozu 
nun  allerdings  streng  genommen  das  Tempus  nicht  mehr  passt. 
Blass  hat  deshalb  άπεοώκαμεν  geändert  und  damit  eine  unstatt- 
hafte Form  in  den  Text  gesetzt. 

Die  Stellen,  an  denen  der  Plural  von  ίθηκα  und  ^buiKa  bei 
(ien  Rednern  vorkommt,  hat  E.  R.  Schulze,  quaestiunculae  gram- 
maticae  ad  oratores  Atticos  spectantes  (Progr.  des  Gymn.  zu 
Bautzen  1889J  p.  22  ff.  gesammelt,  es  fehlt  nur  κατέθεσαν  [Dem.] 
59,  30,  iboeav  Dem.  15,  29.  18,  195,  hinzugekommen  ist  seit- 
dem έθεσαν  Hyper.  g.  Athenog.  21,  μετέόοτε  ebenda  31;  bei 
έθηκαν  ist  Aisch.  1,  13  zu  streichen,  dort  ist  mit  dpg  ίθεντο  zu 
schreiben,  [Dem.]  13,  28  ist  παρέοωκαν  besser  bezeugt.  Zählt 
man  einfach  zusammen,  so  ergiebt  sich  3  mal  ίθεμεν  1  mal  έπε- 
θήκαμεν,  1  ίθετε  1  άνεθήκατε,  2 1  ίθεσαν  ανέθεσαν  usw.  1 2  ίθη- 
καν  άνέθηκαν  usw.,  8  έοομεν  u.  Comp.  6  έόώκαμεν  u.  Comp., 
31  έοοτε  usw.  12  έοώκατε,  80  ibooav  17  έδωκαν,  aber  diese 
statistische  üebersicht  giebt  kein  klares  Bild.  Stutzig  wird  man 
sofort,  wenn  man  sieht,  dass  von  den  49  Formen  des  1.  Aor.  42 
auf  Demosthenes  und  die  unter  seinem  Namen  gehenden  Beden 
entfallen,  und  sieht  man  des  näheren  zu,  so  findet  man,  dass  in  den 
ältesten  Reden  (27 — 81)  auf  16  Formen  ohne  κ  nur  1  παρβοώκατε 
kommt    (28,  8),    während   in    der  Leptinea    3  δ>ομ€ν  und  β)θτ€ 


Zu  grieohischen  Prosaikern  427 

6  έοώκαμεν  nad  έοώκατε  gegenüberstehen,  dh.  Demosthenes 
meidet  inzwischeii  di•  Hänfang  mehr  als  2  Kürzen  und 
gebranoht  deshalb  lieber  di«  l^ormen  mit  κ,  deren  Ge- 
brauch im  Anfang  des  4.  Jahrhanderte  ia  der  officiellen  Sprache 
aufkommt,  sie  erscheinen  auf  den  Inschriften  seit  885,  •.  Meister- 
hans,  Grammatik  d.  att.  Inschriften  74,  3.  So  erklärt  sich  (Τυμ- 
φέροντας  ίθηκαν  —  νόμουο  24,  211,  οιίθηκαν  19,  88.  20,  109. 
54,  8,  κατέθηκαν  24,  16,  προσεθηκαν  23,  202  (bis),  έοώκαμεν 
20, 139,  μετεδώκαμεν  23,  65,  έόώκατε  2η,  84.  85.  86.  97.  120. 
21,  56.  57,  6,  άπεόώκατε  21,  11,  παρεοώκατε  51,  8,  έδωκαν  19, 
190.  20,  70,  έν&ωκαν  19,  76,  μετέδιυκαν  prooem.  53,  4,  παρέ- 
οιυκαν  19,  94.  36,  14.  44,  und  auch  im  Epitaphios  έπέθηκαν  11 
und  παρέδωκαν  4,  wie  in  der  Rede  von  der  Anordnung  (XIII) 
άπεόώκαμεν  3,  ίοιυκαν  23.  24.  παρέοιυκαν  28.  34  —  dagegen 
προυοοσαν  8,40.  0,56.  19,  96.  Was  übrig  bleibt,  ist  wenig: 
παρεοώκατε  28,  8,  προυδιυκαν  20,  53,  ούοένα  προύοώκατε  πώ- 
ποτε  τών  φίλων  23,  112,  άλλα  πολιτείαν  &ωκαν  μόνον  23,  200. 
Vielleicht  sind  an  den  beiden  letzten  Stellen  rhythmische  Erwä- 
gungen massgebend  gewesen,  wie  auch  bei  Hyper.  f.  Euxenipp 
§  9  ανεβήκατε  und  Epit.  §  19  στ^φανον  τή  πατρΛι  [περι]έθη- 
καν  (beidemal  in  der  Klausel),  der  aber  auch  ί^ιυκαν  hat  Epit. 
§  16.  Man  darf  aber  auch  nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  die 
Rede  322  gehalten  ist.  In  den  unter  Demosthenes  Namen  gehen- 
den Reden  steht  47,  2  έττέθηκαν,  59,  96  κατέθηκαν  97  άνέθηκαν, 
34,  28  έπεθήκαμεν  und  dem  entsprechend  88.  c^9  έπε^ώκαμεν. 
Bei  den  altern  Rednern  findet  sich  von  τιθέναι  gar  keine 
Form  mit  κ,  έοώκατε  bat  Ant.  5,  77,  άπέοωκαν  Lys.  19,  7  (a. 
387),  άπεδώκαμεν  Isai.  5,  28  (um  390),  παρέδωκαν  Is.  12,  106. 
Während  Schulze  aaO.  26  die  Form  bei  Antiphon  mit  Recht  an- 
gefochten hat,  lasst  er  sie  an  den  3  andern  Stellen  gelten,  weil 
die  Reden  ins  4.  Jabrli.  gehören,  und  auch  ich  habe  früher  ge- 
glaubt, Lysias  habe  άπέοιυκαν  absichtlich  gebraucht,  um  den  dem 
Markt  und  den  Gerichten  fremden  Sprecher  durch  eine  alterthtim- 
lich-poetische  Form  zu  charakterisiren,  habe  aber  wohl  den  Werth 
der  üeberlieferung  zu  hoch  geschätzt  (2,  64  hat  der  Palatinns 
μετέοιυκαν,  die  von  ihm  unabhängige  andre  üeberlieferung  μετέ- 
bcKXav,  fr.  75,  6  άπέοιυσαν  Μ)  und  billige  jetzt  Thalheims  Aen- 
derung.  Isai.  5,  28  ϊσιυς  έρεϊ,  ώς  όμολογήσαντες  αύτφ  άπο- 
δύκτειν  τα  άνηλιυμένα  ουκ  άπεοώκαμεν  ist  aus  grammatischen 
Gründen  Buermanns  άποοε^ώκαμεν  nöthig,  vgl.  zB.  [Dem.]  34,  12 
ώμολόγει    άποδώσειν    —    14  έμοι  γαρ  άπο^έοωκε  τό   χρυσίον 


428  Fahr 

U8W.  So  bleibt  nur  παρέ^ωκαν  bei  le.  Panatben.  106,  in  dem 
ftoaav  67.  171,  άπ€Οοσαν  104,  μετέοοσαν  94,  παρέόοσαν  52. 
126  stebt,  icb  kann  deshalb  an  die  Ricbtigkeit  der  Ueberliefe- 
rang  nicht  recht  glauben,  der  Zufall  bat  es  allerdings  eigen- 
tbümlich  gefügt,  daes  sich  die  Form  grade  in  der  jüngsten  Rede 
findet,  die  aus  einer  Zeit  stammt,  wo  die  Formen  mit  κ  schon 
häufiger  sind. 

Die  Untersuchung  lebrt  also,  dass  die  Formen  mit  κ  sich 
öfter  erst  bei  Demostbenes  von  355  an  finden,  lediglich  infolge 
des  Bestrebens  3  Kürzen  hintereinander  zu  meiden^,  nebenbei 
denk  ich  zeigt  sie,  dass  unsere  Demostbenesüberlieferung  nicht 
schlecht  ist. 

lil.  Zu  Philodems  rbetorischen  Schriften. 

Philodems  rhetorische  Schriften  verdanken  ihre  Auferstehung 
Siegfried  Sudhaus.  Mit  hingebendem  und  entsagungsvollem 
Fleisse  hat  er  scharfsinnig  und  gelehrt  eine  Ausgabe  geliefert, 
die  allgemeine  Anerkennung  gefunden  hat  und  stets  von  Neuem 
die  Bewunderung  des  aufmerksamen  Benutzers  erregen  moss. 
Bei  ihrem  Erscheinen  konnte  man  erwarten,  es  werde  sieb  die 
Aufmerksamkeit  der  Philologen  dem  jetzt  erst  zugängliob  ge- 
machten Schriftsteller  in  reichem  Masse  zuwenden,  aber  die  Zeit* 
umstände  waren  nicht  günstig:  gleichzeitig  wurden  ans  Aegypteoe 
Sande  Schätze  hervorgezogen,  die  naturgemäss  mehr  das  Interesse 
auf  sieb  lenkten,  als  die  rhetorischen  Ueberreste,  deren  Lektüre 
infolge  ihrer  Zertrümmerung  nocb  weniger  angenebm  ist,  und  so 
sind  nur  wenige  Beiträge  zur  Herstellung  erschienen.  Vielleicht 
hält  auch  mancher  seine  Ergänzungen  und  Vermuthungen  am 
Rande  seines  Exemplars  verborgen.  Wenn  ich  es  meinerseits 
wage,  ein  paar  anspruchslose  Bemerkungen  hier  zu  veröffent- 
lichen, so  ermuthigt  mich  dazu  das  Lob,  das  S.  Sudbaus  einigen 
Vermuthungen  gezollt  hat,  die  ich  ibm  gelegentlich  mittheilte. 

1  Darauf  muss  man  bei  Dem.  stets  aufs  sorgfältigste  achten, 
Schulze  aaO.  p.  29  bei  Besprechung  der  uncontrahirten  Formen  μ€(Ζονα 
usw.  verabsäumt  es  und  will  das  fehlerhafte  ßcXiiova  24,  29  οΟτ€  xcfpova 
οϋτ€  β€λτ(ω  νόμον  aus  Aks  einsetzen.  Beiläufig:  Dem.  5,  7  el  γάρ  bf 
Διονύσου  τραγψδούς  έθ€άσασθ€,  άλλα  μή  π€ρΙ  σωτηρ(ας  καΐ  κοινιΰν  πραγ- 
μάτων ήν  6  λόγος  sind  mir  die  beiden  letsten  Wörter  seit  langem  ver- 
dächtig, nicht  wegen  der  Kürzen,  sondern  weil  die  Redensart  ^ση 
π€ρ(  τίνος  'es  handelt  sich  um*  auch  sonst  verkannt  ist,  so  war  Lys.  12, 
7 1  ού  π€ρΙ  πολιτείας  ύμΐν  £σται  άλλα  περί  συιτηρ(ας  ebenso  ό  λόγος  in- 
terpolirt. 


2α  griechisoben  Prosaikem  429 

1.  Nil  sine  magno  vita  labore  dedit  mortalibue,  aucb  die 
Beredsamkeit  nicbt;  znm  Beweis  kann  man  Themistokles  an- 
führen (Π  205) 

τόν  νυκτε 
του  στρατηγού  π€ρι[πα- 

τοΟντα  καΐ  καθ€ύδ[€ΐν  ου- 
κ έώμενον  υπό  του  [Μιλ- 
τιάοου  τροπαίου. 

Sudhaas  ergänzt  νυκτερεύοντος  του  στρατηγού,  mir  unverständ- 
lich, was  der  Sinn  verlangt  ist  klar,  tioctu  ambtUabat  in  pitblico 
Themütocles  sagt  Cic.  Tasc.  IV  19,  44,  also  νύκτωρ  πρό  του 
στρατηγίου,  eine  Yermuthang,  die  übrigens  nach  Sudhaus'  freund- 
licher Mittheilung  der  Papyrus  in  erwünschter  Weise  bestätigt, 
er  hat  οτρατηγίου,  wie  die  Photographie  der  Oxf.  Abschrift  aus- 
weist. —  Gleich  darauf  ist  τόν  öia  τό  καλώς  πολιτεύεσθαι  nach 
ρ.  301  fr.  VI  wahrscheinlicher. 

Von  Themistokles  ist  auch  II  188  fr.  III  die  Rede,  wie 
schon  V.  Wilamowitz  Herrn.  XXXIV  636  gesehen  hat.  Es  handelt 
sich  in  diesen  leider  sehr  zerstörten  Stücken  um  die  Aufgaben 
des  Staatsmanns,  also  wohl  fr.  III  [πολι]τικοΟ,  (έπίστασθαι)  πάλιν 
έκ  μικρας  ποιήσαι  μέγαληv(fr.  IV  10)  rühmte  Themistokles  von  sich, 
Plut.  Them.  2,  Kim.  9.  Er  wird  mit  Sardanapalos  verglichen, 
dessen  Spuren  Sudhaus  mit  glänzendem  Scharfsinn  auch  fr.  U 
gefunden  hat  in  ΚΑΙΔΑΙΙΑΤΤ,  eine  Vermuthung,  die  durch  das 
folgende  ή]μέραΐ  μίαι  gesichert  wird,  es  hiess  bekanntlich  von 
Sardanapal  auf  dem  Denkmal  bei  Anchiale  in  Eilikien,  er  habe 
Anchiale  und  Tarsos  an  einem  Tage  gebaut,  Arr.  Anab.  Π  5,  4 
aus  Aristobul,  vgl.  Strab.  XIV  672,  Athen.  XII  530^ 

2.  So  viel  im  einzelnen  in  der  Liste  der  grossen  Staats- 
männer und  Redner  Π  212  f.  unsicher  bleibt,  so  stehen  doch  die 
Namen  anfangs  fest:  Peisistratos,  Eleisthenes,  Themistokles, 
Perikles  und  dann  nach  dem  Mann  ό  τήν  έν  ΤΤλαταια[ις  μάχην 
βρα]βεύσας  Eimon.  Wer  war  aber  jener?  nach  Sudhaus  Pausa- 
niae,  aber  wo  wird  je  von  dessen  Beredsamkeit  gesprochen?  Ich 
glaube  es  kann  nur  Αριστείδης  dagestanden  haben;  Aristeidee 
findet  sich    Π  201  fr.  XV  ^  und  in   einer  ähnlichen  Aufzählung 


^  Ob  dort  am  Schluss  'Αντιφώντα  zu  ergänzen  ist,  scheint  mir 
firaglich,  Antiphon  gilt  Philodem  scheint  es  weniger  als  Redner  denn 
als  Verfasser  einer  τέχνη  I  1 87,  wo  Sudhane  vorher  aus  den  Bachstaben 
.  .  Ol  .  υρουκκ  .  αι,  die  0  hat,  ZunrOpou  καΐ  gemacht  hat,   ich  glaube 


430  Fahr 

bei  Dio  ChryR.  im  Anfang  der  22  Rede,  nicht  jedoch  bei  Cic. 
de  oral.  III  137  ff.  Aaf  Eimon  folgt  dann  nach  Sndhans  Άλ]- 
κι[βιάδης  ό  τών  Λακ€δ]αι[μονί]ιυ[ν  και  πάντιυν]  ΤΤ€λο[π]ονν[η- 
σίυυν  κρατήσ]ας  ανα  .  .  .,  aber  dieee  Ergänzung  ist  sachlich 
höchst  anfechtbar  und  bedenklich,  zumal  die  Lücke  nicht  ganz 
ausgefüllt  wird.  Ich  möchte  mit  aller  Vorsicht  zur  Erwägung 
stellen,  ob  nicht  von  Epameinondas  die  Rede  war,  der  bei  Dio 
wie  bei  Cicero  steht.  Auffallend  ist  es,  dass  Solon  nicht  genannt 
wird,  der  sonst  nirgends  fehlt  und  von  Philodem  II  201  erwähnt 
wird,  vgl.  auch  Cic.  Brut.  7,  27.  Das  älteste  Verzeichniss  derart 
(a.  358)  steht  Iso kr.  15,  231  ff.:  Solon,  Kleisthenes,  Themistokles, 
Perikles,  ein  paar  Jahre  später  nennt  Dem.  3  Ol.  21  Arieteides, 
Nikias,  Demosthenes,  Perikles;  später  wird  mit  Eimon  und  The- 
mistokles des  ersten  Vater  Miltiades  zusammengekoppelt,  Doxo* 
patr.  VI  24  W.  =  Max.  Plan.  V  214,  was  wahrscheinlich  auf 
Plat.  Gorg.  516*^  zurückgeht.  —  Mit  Sicherheit  ergänzen  läset 
sich  bei  Philodem  der  letzte  der  Reihe,  nämlich  Τιμόθ€θ€,  wobe^ 
es  dahingestellt  bleiben  muss,  ob  es  ό  μαθη]τή€  oder  dKOUC]Tf|C 
Ίσοκράτουο  hiess. 

Tiraotheos  wird  auch  Π  178  1  b  erwähnt  [*Ισοκράτης  πάρα] 
του  Κυπρ{[ου  τάλαντα  fJXaßev  €Ϊκ[οσι  και  πα]ρά  Τιμοθέ[ου  του 
Κό]νιυνοο  ού[το€  £λαβ€ν  αλ]λα  δέκα,  doch  ist  es  fraglich,  ob  die 
Ergänzung  ganz  richtig  ist.  Von  einem  so  reichen  Geschenk  des 
Timotheos  wissen  wir  sonst  nichts,  nach  Pseudo-Plut.  837®  gab  er 
Isokrates  aus  der  samischen  Beute  ein  Talent.  Es  handelt  sich  bei 
Philodem  um  den  finanziellen  Ertrag  der  Beredsamkeit,  von  De- 
mosthenes wurde  wohl  Aelinliches  berichtet  wie  bei  Plut.  Dem. 
20,  Pseudo-Plut.  847^,  es  hiess  natürlich  βασιλέα  τόν  [μέτα]ν, 
vgl.  II  172,  13.  Hier  könnte  das  folgende  τηο  vielleicht Έφΐάλτηο 
zu  ergänzen  sein,  vgl.  Pseudo-Plut.  aaO. 

3.  Manchmal  lässt  sich  nicht  verkennen,  dass  falsch  ist,  was 
Sudh.  im  Text  hat,  aber  eine  sichere  Besserung  zu  finden  will 
nicht  gelingen.    So  ist  zB.  in  der  Anekdote  I  333  unten  das  Impf. 


C8  steckt  eher  Θεοδώρου  darin,  den  Dionys  an  Amm.  c.  2  p.  722  mit 
Tlirasymachos  und  Antiphon  zusammen  nennt,  und  II  111,  wo  er  mit 
Korax  zueammengestellt  ist  Es  kann  neben  KalliBtratos  (II  148  Καλ- 
λιστράτου δέ  τής  [μέν]  πολυπραγμοσύνης  [ούδέπ]οτ'  [έκλ]υσαμένου  ver- 

stehe  ich  nicht,  etwa  ουδέποτε  παυσαμένου?)  Aiistophon  genannt  ge- 
wesen sein,  den  Sudhaus  II  219  aufgespürt  hat.  Dahinter  vermuthet 
V.  Wilamowitz  aaO.  ί>37  Κέφαλος,  die  allerdings  unsichern  Spuren  .  ν 
.  .  υλθ€  weis• -η  eher  auf  ΕΟβουλθ€  hin. 


Ztt  grriechischen  Prosaikerü  431 

^tt€X€(p€ic  einnlos,  der  Zneammenhanf?  verlangt  dae  Fut.  (was 
willst  du  thun?)  oder  das  Praes.  (was  hast  du  vor?),  ob  aber 
έτΓίχβιρεϊς  wie  13  zu  lesen  ist,  oder  ob  ein  anderes  Wort  in 
ΕΠΕΛΕΙΡΕΚ  (G,  denn  Κ  =  IC)  oder  ΕΠΕΛ  .  .  EIC  (N)  steckt, 
das  ist  schwer  zu  sagen.  Am  Schluss  ei  wartet  man  eher  έπΐ€τ]ά• 
μενοι.  Oder  Π  151,  20:  die  Hedner,  so  dem  Volk  nicht  zu 
Willen  sind,  werden  TeuSjeaOai  2[ημ[ιών  καΐ  5ιαιττ]ώσειυν  καΐ 
[ταπ€ΐνώσ€ΐυ]ν  καΐ  στρ€βλ[ών  καΐ  τ€λ]€υτών,  wo  mir  κακώσειυν 
oder  άτιμώσειυν  und  δημεύσεων  oder  φυγαδειών  vorzuziehen 
scheint. 

4.  unsicher  wie  Conjecturen  sind  natürlich  alle  Ergänzungen, 
die  einen  Eingriff  in  die  Ueberlieferung  bedingen,  sie  können 
durch  eine  neue  Vergleichung  sofort  über  den  Haufen  geworfen 
werden,  aber  bei  der  Unsicherheit  der  Ueberlieferung  muss  man 
öfter  schon  etwas  wagen,  zB.  II  94,  4  =  130  εΐ  ö'  ΑΙσχίνηο 
έχθρόο  ών  μετ'  δλλων  πλειόνων  κα\  λέΕεωο  ....  ιαετονοιαν 

όνεΐ5ι2Ιει,  während  130,  11  θα  ..  αφ  .  οποίαν  gelesen  ^ird.  Sud- 
haus schreibt  θαυμα(Τιουρτίαν,  der  Ueberlieferung  liegt  θαυμα- 
τοποιίαν  näher;  angespielt  wird  auf  Aisch.  3,  167  ταύτα  bi.  τ( 
έστιν,  ώ  κίνα^ος;  βήματα  ή  θαύματα;  —  Auch  1  197  liegt  ein 
Aischinescitat*  vor,  ού  μην  άλλα  και  τούτψ  (Demosthenes)  — 
φιυνήν  όΕεΐαν  ΑΙσχίνης  όνεώίΖει  geht  auf  2,  157  έντεινάμενος 
ταύτην  τήν  όξεΐαν  και  άνόσιον  φιυνήν,  das  folgende  ποτέ  hi 
και  μακράν^  wohl  auf  2,  106  dvaßoqi  παμμέγεθες  Δημοσθένης. 
—  Aisohines  bietet  übrigens  eine  erfreuliche  Bestätigung  einer 
Ergänzung  von  Sudhaus:  Π  189  fr.  I  τόν  πατίρ[α  τύπτιυν]  ή  μή 
τρέφ(υ[ν  ή  μή  πα]ρέχιυν  οίκη(Τ[ιν,  das  ist  ein  Gesetzespassue,  s. 
Aisch.  1,  28  'δοκιμασία'  φησί  '^^ητόρων  έάν  τις  λέγη  έν  τψ 
οήμψ  τόν  πατέρα  τύπτων  ή  τήν  μητέρα  ή  μή  τρέφιυν  ή  μή 
παρέχων  οίκησιν'.  Das  bei  Philodem  sich  anschliessende  Wort 
über    Perikles    ist    leider  verloren    gegangen,    ΙΙΡΕΙΛ    ist   wohl 

Ιέρεια.  —   II  114,  19  in  der  Aufzählung  der  Verbrecher  scheint 


1  Zu  3,  158  hätte  Blass  Philod.  I  358  anführen  sollen  δτι  Δη- 
μοσθένην  ούχ  ώc  τους  περιτρέψαντας  τύϋν  πορθμέιυν  έκώλυ[ον]  .  πευθύ- 
νειν  άνατετραφότα  τήν  'Ελλάδα,  leider  grade  an  der  wichtigsten  Stelle 
(έπευθύνειν  oder  άπευθύνειν?)  lückenkaft;  περιτρέψαντας  ist  wohl  freies 
Citat. 

^  Wenn  II  203,  29  με  nicht  ganz  sicher  sein  sollte,  so  ist  es 
geraten  das  übliche  ού  μακροΟ  δεΐ  λόγου  herzustellen,  μέ'χα€  \6yoc  ist 
unser  *gn»8ses   Wort*. 


432  fahr 

ΛΕΙΤΤΟΙΑ  aaf  Xumoburac  hinzuführen,  die  auch  II  144,  12  er- 
wähnt werden. 

5.  Trotz  eines  EingrifiPe  in  die  üeherlieferung  ist  die  Her- 
stellung zweifellos  I  126.    Aufgezählt  werden  die  Theile  der  Rede 

πρ]οοιμιου  κα[ι  ο]ι[ητήσ€ΐυ]ς  καΐ  πίστεων  καΐ  πε ωτ  [.  καΐ] 

συγκβφαλαιώσειυς,  zu  lesen  ist  καΐ  [ύ]π€[Ηαιρέσ€]ακ  *,  vgl.  Ι  202, 
1 8  προοιμίων  καΐ  διηγήσεων  καΐ  πίστεων  και  υπεξαιρέσεων  και 
επιλόγων. 

Was  Ι  369  der  Sinn  verlangt,  ist  klar,  üeberliefert  ist 

be  πιστ 

οεων  τάς  μέν  άτίχνου€ 

κοινός  απάντων  ύπάρ- 

χειν,  των  b*  έντεχνων  κτλ., 
also  των  bk  πίστεων,  aber  die  überlieferten  Buchstahen  fügen  sieb 
nicht  ohne  Grewaltsamkeit,  und  doch  wird  man  den  terminue  tech- 
nicns  einzuführen  haben,  den  Philodem  1  126.  202.  372  braucht, 
denn  πιστώσεων  hat  m.  W.  keiner  je  dafür  gesagt  und  τής  bi 
πιστώσεως,  wie  Theodoroe  von  Byzanz  den  3.  Theil  der  Rede 
nannte,  Plat.  Phaidr.  266^  ist  im  Zusammenhang  unmöglich.  — 
Dass  gleich  darauf  Z.  13  Ιατρού^  zu  schreiben  ist,  hat  Gomperz 
(s.  Π  praef.  XXVI)  schon  bemerkt,  vgl.  373,  3  τό  εΙκός  Ιατρόο 
οΤοε,  wo  Sudhaus  den  Artikel  nicht  einzusetzen  brauchte,  auch 
383,  7  ist  oub'  δν  σοφόο  überliefert. 

I  167  col.  VII  [τινές  ο]έ  γράφοντες  και  τοις  άι ς 

καταποικίλλουσι  τον  λόγον,  ενίοτε  bk  άφ'  έτερων  γε  πραγμά- 
των μεταψε  ...  ν  τάς  ονομασίας  ist  wohl  άντιθέτοις  und  μετα- 
φέρουσιν  zu  ergänzen.  Zu  der  ganzen  Stelle  kann  man  Dion.  de 
Demosth.  966  vergleichen.  Ob  Π  95,  11  τά  τε  αντίθετα  oder  επί- 
θετα zu  schreihen  ist,  wird  sich  vielleicht  entscheiden  lassen,  wenn 
es  daselbst  gelingt  das  rätselhafte  αϊ  έπίφεσ  zu  lösen. 

6.  I  383  col.  CX  erhält  durch  die  Nachvergleichung  des 
Papyrus  (Π  praef.  XXIII)  ein  ganz  andres  Aussehen,  obwohl 
vieles  recht  unsicher  bleibt,  aber  wenn  Z.  5  Sudhaus  ούόέ  μιμοΐντο 

^  περάτωσις,  das  Usener  im  Ind.  s.  προοίμιον  vorschlägt,  ist  mir 
unbekannt.  Constant  sind  die  Namen  προοίμιον  διήγησις  and  επίλογος, 
die  Benennungen  der  anderen  Theile  wechseln  häufig,  8.  Syrian  II 12  R• 
Rhet.  VII G3  W  (vgl.  V  360)  ist  natürlich  zu  lesen  άντίθεσις  λύσις,  ai 
λ€γόμ€ναι  πίστεις,  64  πίστεις,  ήγουν  άντίθεσις  καΐ  λύσις  τών  άντικειμένυιν. 

^  Dagegen  ist  II  220,  30  γυναίκας  προς  Αν&ρα[ς  σ]τασια2Ιούσας 
zu  lesen,  vgl.  221,  23,  wo  Ζ.  21  cυμυcε  in  Ν  auf  συλλΟσαι  führt,  s. 
220,  26.   222,  30. 


2u  griechischen  t^rosaikern  4S3 

τους  οραπέτας  lient,  ro  paRst  dieR  nicht  in  das  Satzgefüge,  die 
Buchetaben  cibe  weisen  vielmehr  auf  €i  bk  hin.     Ob  Z.  6  in  άποκα- 

λο  .  αιτα  etwa  αποκαλούμενους  steckt  ?  7  α  .  λα  τιναποοσι  .  θεν- 

•    •    •  • 

των  scheint  άλλα  τίνα  προστιθεντιυν  zu  sein,  384,  11  ένκαλοΰσί 
τίνες,  382,  13  wird  Sudhaus'  Flerstellung  durch  den  Neapolitanus 
nicht  bestätigt,  er  hat  ποτενεγ  |  τα~,  was  wohl  ποτ'  ένεγκόνταο 
beiRsen  wird.  Aber  wo  der  Znsammenhang  unklar  ist,  ist  jede 
Vermuthung  mehr  ein  lusus  ingenii,  ich  gebe  nur  ein  paar  Proben, 
die  vielleicht  hier  und  da  weiter  helfen:  I  124  oben  προοιμίων  — 
διηγήσεων?  Ι  277  fr.  XIX  άκριβεσ]τέραν  σκεψιν?  Π  8,  4  ά]κα- 
[ρή]ά[νελ]οιεν;    πώς  b'  δν  άνα[ιρ]οϊεν?  vgl.  Π  28,  3,  II  27,  2 

λυμαίν[ε]σθα|ι]  ?  U  29  col.  XXXIV  6  ύ]τ[ι]€ΐν[ο]τέρου  ?  Π  91  fr. 

XIX  δ  τοιούτω  συ[λλοτισμω? 

7.  II  67  fr.  3  heisst  es  ε[1  bi  καί  τ]ινε€  ίφησαν  περι[τί- 
νεσθαι]  το  λέγειν  και  ταίϊ]ς  ά[σκήσεσιν],  das  ist  doch  nichts 
anderes  als  das  sprichΛvörtliche  έκ  του  λέγειν  τό  λέγειν  πορίίε- 
ται  oder  τό  λαλεϊν  έκ  του  λαλεϊν  (Syrian  li  4  R),  wie  aus  dem 
folgenden  hervorgeht  άλλ'    ol    πλείστοι  π[αρεστρέφον?1το    και 

τό  λέγειν και  κακώς  έκ  του  λέγειν  ίφασαν    [περιγί]νε- 

σθαι,  Sudhaus'  Ergänzung  σπανίως  scheint  mir  nicht  angemessen, 
man  erwartet  'fehlerhaft'  Verkehrt^  φαύλως  oder  πλημμελώς. 
Damit  haben  wir  das  griechische  Wort,  das  Cio.  de  orat.  I  150 
anführt:  fallit  eos  quod  audierunt  dicendo  homines  ut  dicant 
efficere  solere ;  vere  enim  etiam  illud  dicitur  perverse  dicere  ho- 
mines perverse  dicendo  facillime  consequi.  —  üebrigens  findet  sich 
der  aus  Cic.  de  orat.  I  62^  bekannte   Architekt  Philo    auch    bei 


^  Die  Erklärer  der  Bücher  de  oratore  könnten  etwas  mehr  aus 
den  Griechen  zur  Erläuterung  beibringen,  zB.  heisst  es  bei  Sorof  zu  I 
83  atque  ipsam  eloquentiam,  quod  ex  bene  dicendi  scientia  oonstaret 
'nach  stoischer  Moral  beruht  die  Tugend  auf  dem  Wissen ,  warum  aber 
fehlt  die  Definition  der  Rhetorik  επιστήμη  τοΟ  €Ö  λέγειν?  So  oft  ich 
übrigens  die  Cicerostelle  lese,  nehme  ich  an  atque  Anstoss  und  ver- 
misse eine  begründende  Partikel,  denn  es  beginnt  der  Beweis  des  stoi- 
echen  Satzes  oratorem  nisi  qui  sapiens  esset  esse  neminem»  es  scheint 
mir  also  nötig  namque  zu  schreiben.  Zu  I  91  quasi  dedita  opera  ne- 
minem scriptorem  artis  ne  mediocriter  quidem  disertum  füisse  sollte 
auf  Plato  verwiesen  werden,  der  gegen  die  Fechtmeister  dasselbe  Ar- 
gument vorbringt,  Lach.  183o  ιΰσπερ  επίτηδες  ούδεΙς  πώποτ*  €Οδόκιμος 
γέγονεν  έν  τφ  πολέμψ  άνήρ  τΦν  τά  όπλιτικά  έπιτηδευσάντων,  ζπ  1 220 
quid  esset  iracundia,  fervoroe  mentis  an  cupiditas  poeniendi  doloris  auf 
Ar  ist.  rhet.  II  1878*  31   οργή  ορε^ις  μετά  λύπης  τιμωρίας,  eine  Stelle, 

Hboin.  Mue.  f.  Philol.  N.  F.  L\U,  28 


434  Fuhr 

Philod.  1 192,  1  ώς  και  Φίλωνα  τόν  αρχιτέκτονα  π€ρΙ  τής  σκ€υο• 
θήκης  ούτος  αυτός  €ΐσήγατ€ν  οημηγοροΟντα.  Wir  wiesen  leider 
nicht,  wer  der  ούτος  αυτός  war,  ob  vielleicht  Demetrioe  von 
Phaleron  ?  er  hatte  Philo  erwähnt  (I  346,  1)  nnd  wird  von  Phi- 
lodem in  diesem  Abschnitt  öfter  angeführt,  gleich  ein  paar  Seiten 
darauf  (197,  25)  heisst  es  παρά  bi  τψ  Φαληρεΐ  λέγεται,  sein 
Name  muss  also  vorhergegangen  sein,  wie  Philodero  sonst  citirt 
ό  Δημήτριος  ό  Φαληρεύς  έν  τψ  περί  τής  Ρητορικής  oder  έν 
τοις  περί  της  Ρητορικής  συνγράμμασι  (1  272,  4).  Im  Index  β. 
Δημήτριος  hätte  Sudhans  ζα  περί  των  Ισοκράτους  Ι  198,  11 
περιόδων  hinzufügen   sollen. 

8.  Π  6,  7  ου  γαρ  biopiZei  λέγων  'θελήσω  &  καΐ  ύμΐν 
συμφέρει,  περί  ών  δη  καΐ  πείθειν  πως  ίστιν'  —  έπει  μέτριον 
δν  ήν,  εΐ  και  ψευδός,  άλλ'  άπλως  λέγειν  'πείθει,  δτι  ποτ'  δν 
βουληθή  τους  άκούοντας*  kann  ich  nur  verstehen,  wenn  ich 
άλλ'  απλώς  λέγει  ändere,  vgl.  II  17,  G  ου  τοιοΟτο  ö'  έστιν 
τό  επάγγελμα,  άλλ'  ώς  απλώς,  περί  ου  ποτ'  δν  έθέλωσιν  αυ- 
τοί, πείσειν. 

9.  Wenig  glücklich  hat  Sudhaus  die  2  Stellen  hehandelt, 
in  denen  ein  Wort  des  Demosthenes  üher  Phokion  steht,  II  102 
καΐ  γαρ  [λέγ]εΓ  'τών  έμών  λόγων  und  11  202,  25  δν  ?φη  Δη- 
μοσθένης σφ τών  έαυτοΟ   λόγων.     Den  Gedanken   hat 

inzwischen  schon  ν.  Wilamowitz  aaO.  637  richtig  gestellt  und 
unter  Vergleichnng  von  Plut.  Dem.  10,  Phok.  5  σςκχγίόα  ergänzt. 
Ich  hatte  mir  ausserdem  Stoh.  87,  34  άρχεται  είπεν  ή  τών  έμών 


die  Pohlenz  de  Posidonii  lihris  U€pi  παθών  (Fleckeis.  Jahrb.  Soppl. 
XXIV)  p.  585  vor  einer  Conjectur  bewahrt  hätte,  vgl.  auch  Hör.  ep.  I 
2,  (i9  qui  non  moderabitur  irae,  infectum  volet  esse,  dolor  quod 
suaserit  et  mens,  dum  poenas  odio  per  viro  festinat  inulto.  —  1  209 
sagt  Antonius:  id  faciam  quod  in  priucipio  fieri  in  omnibus  die- 
putationil)U8  oportere  censeo,  ut  quid  illud  sit  de  quo  disputetur,  ex- 
planetur,  wie  ähnlich  Cicero  an  andern  Stellen.  Darüber  wird  er  von 
Prantl,  Geschichte  der  Logik  I  515  hart  angelassen,  er  spreche  *die  ab- 
geschmackte, echulmässige  Behauptung*  aus,  aber  warum  denn  den  guten 
Cicero  wegen  etwas  schelten,  was  auf  seine  griechiscben  Quellen  zu- 
rückgeht? heisst  es  doch  auch  hei  Plat.  Phaidr.  237b  π€ρΙ  παντός  μ(α 
αρχή  τοις  μέλλουσι  καλώς  βουλεύεσθαι  *  €ΐδέναι  b£\  π€ρΙ  οΟ  Αν  ij  ή  βουλή 
κτλ  —  Ι  58  de  iure  civinm  generatiin  in  ordines  aetatesque  discripto 
erklärt  sich  am  besten  aus  Aisch.  1,  7  πρύϋτον  μέν  περί  τής  συκρροσύ• 
νης  τών  παίδων  τών  ήμετέρατν  ^νομοθέτησαν,  καΐ  διαρρήδην  άπέδει&ιν, 
£t  χρή  τόν  παΐδα  τόν  έλ€ύθ€ρον  έπιτηδεύβιν,  —  £π€ΐτα  δεύτερον  wcpl 
τών  μ€ΐρακ(ων,  τρίτον  δ'  έφβξής  π€ρΙ  τών  άλλων  ηλικιών. 


2α  gnriechiechen  Prosaikern  435 

λόγιυν  σφΟρα  κα\  κοπίς  notirt  und  yermnthet,  daee  II  202  σφΟ- 
ραν  εΤναι  ζα  lesen  sei,  worauf  auch  II  102  die  Spuren  φ€λυ  .  α 
zu  führen  soheinen. 

10.  11  141,  31  καΐ  ταυθ'  ώς  ου  κατ€[ψ€υσ]μίν'  ήμ€ΐς, 
άλλ'  ώσττερ  ίχβι  λέτο[μ€ν,  6  βίος]   μ€μαρτύρη[κ€ν  ήμϊν]  και  6 

πάντ'  i Χρονος  ergänzt  SudhauB  έμφανίΖων,  aher  Solon 

κατά  τών  ψευόομένιυν  τόν  χρόνον  ένόμισε  σαφίστατον  ίλβγχον 
βίναι  Dem.  36,  27,  τψ  χρόνψ,  δν  ύμεϊς  σαφέίΤτατον  ίλεγχον  του 
αληθούς  νομίσατε  Lye.  19,  61,  ö  τ'  έΕελέγχων  μόνος  άλάθειαν 
έτήτυμον  χρόνος  Find.  ΟΙ.  Χ  53,  also  έλεγχων  oder  έΗελέγχων. 

11.  Einmal  ist  es  mir  glaub  ich  gelungen  ein  Bruchstück 
einzuordnen,  Q  278  fr.  XX  a.  Da  b  col.  V  a.  £.  entspricht,  muss 
man  a  etwa  col.  IV  a.  E.  oder  V  a.  A.  suchen,  und  es  finden 
sich  in  der  That  einige  Spuren,  die  uns  berechtigen,  das  Fr.  dort 
einzusetzen  col.  IV  32  τήν  πολιτικήν  =  την  το,  zu  col.  V  8  βίβλψ 
wird  bk  τή  gehören,  9  λον  Δημάοην  =  αλλαδην,  1 1  θέλοντας 
=  θέλον.  Allerdings  geht  die  Grleichung  nicht  ganz  auf,  καΐ 
φΐλθ(Τθ  lässt  sich  nicht  unterbringen,  aber  eben  sowenig  in  b  μαλ- 
λιυν,  wie  dort  auch  οιελέχ[θη]  hinter  πρόο  άλλ  ('Αλκιβιάοην  ?) 
steht. 

12.  Wenig  befriedigt  die  Art  und  Weise,  in  der  Sudhaus 
Philodems  Platocitate  behandelt  hat,  ich  meine  nicht,  dass  er  ein 
paarmal  vergessen  hat  die  Stelle  anzugeben  (I  224,  5  Gorg.  456^, 
I  261,  8  Meno  93^  ff.,  auch  wohl  II  3  col.  Xil  9  u.  Π  184  fr.  IV 
Gorg.  450®),  nein  dass  er  die  Ueberlieferung  bei  Plato  vernach- 
lässigt hat.  Das  erste  Citat  steht  I  2,  7  o\  bi  τήν  σοφίαν  μόνην, 
o\  bi  τήν  λόγον  έχουσαν,  φ  προσφέρει  &  προσφέρει  καθάπερ 
Πλάτων,  wozu  Sudhaus  bemerkt  Gorg.  503.  Als  ich  die  Stelle 
bei  Schanz  verglich  ol  αλλοι  πάντες  δημιουργοί  βλέποντες  προς 

τό  αυτών  ίργον  έκαστος  ουκ  εική  εκλεγόμενος  προσφέρει 

προς  τό  έργον  τό  αύτου,  glaubte  ich  im  ersten  Augenblick, 
Philodem  bestätige  die  Lesart  des  Vindoh.  προσφέρει  &  προσ- 
φέρει, obwohl  mir  richtiger  erschien,  was  ich  mir  vor  Jahren 
beigeschrieben  hatte  <δ  δν  προσφέρη)  ^»  s.  gleich  darauf  τίθησιν 
δ  &ν  TxBfjij  sah  dann  aber  gleich,  dass  ja  bei  Philodem  noch  ψ 
steht  und  erinnerte  mich  der  bekannten  Stelle  465*  τέχνην  αυ- 
τήν (nämlich  die  Beredsamkeit)  oö  φημι  είναι,  άλλ^  έμπείρίαν 
δτι  ουκ  έχει  λόγον    ούοένα  ών  προσφέρει,    wie  die  Neueren 


*  Etwas  weiter  oben   schlage  ich   vor   τοΟτο  δέ  τ^νη  τις  εΐναι 
<ώμολόγηταΓ  πώς  άν  τις  ίχοι)  εΙπεΐν  zu  erganzen. 


436  t^uhr  ίΖα  griechischen  t'roeaikern 

nach  Ficinas  und  Comarins  lesen,  aber  BT  haben  φ  προ(Τφέρ€ΐ 
&  προ(Τφ€ρ€ΐ,  und  diese  Lesart  hatte  also  auch  Philodem  in 
seinem  Exemplar.  Uebrigens  hat  auch  ών  προ(Τφέρ€ΐ  eine  Art 
handschriftlicher  Gewähr  bei  Doxop.  TI  114  W. 

Die  Ueberlieferung  in  BT  bestätigt  Philodem  noch  an  einer 
andern  Stelle:  EL  177,  3  schreibt  Sudhaus  του]  γάρ  bixaiou  [χά- 
ριν παΐρίοιυκεν,  während  bei  Plat.  457**  gelesen  wird  εκείνος 
γάρ  έπι  οικαίςι  ΧΡ^ίςι  παρέοιυκεν,  aber  οικαίςι  stammt  ans  einem 
Vindob.,  BT  wie  vulg.  vor  Heindorf  haben  blKoiou,  es  ist  also 
έπι  γάρ  bixaiou  χρείςι  nap^bu)K€V  zu  ergänzen.  Im  Anfang  des 
Stücks  hätte  Sudhaus  auch  getrost  ου  τόν  biboEavra  schreiben 
sollen. 

li  176  wird  mit  einigen  stilistischen  Aenderungen  ein  Stuck 
ans  Eallikles'  Rede  Gorg.  486  angeführt.  Sudhaus  hat,  scheint 
es,  versäumt  den  Apparat  nachzuschlagen,  denn  Z.  2  όπάγοι 
haben  BT,  9  war  aus  Plato  τυχόντα  aufzunehmen,  10  ist  Τ€ 
überflüssig  und  11  muss  es  6av€iv  &v  heissen  (όποθάνοις  bv 
Plato).  Kallikles  hat  vorher  seinen  ganzen  Spott  ausgeschüttet 
über  den  Mann,  der  sich  der  Philosophie  widmet  und  sein  Leben 
mit  3  oder  4  jungen  Leuten  im  Winkel  (έν  T^viqi)  verbringt 
Das  erinnert  mich  an  Philod.  U   174  fr.  XIV  =  180  fr.   Via 

ιλυμηι  τών  έν  ταϊς 

.  .  νιαις  έσκιατροφημένων 

φιλοσόςκυν, 
wo  έπι  λύμη  und  έν  γωνίαις  zu  ergänzen  ist,  vgl.  Cio.  de  erat. 
I  57  in  angulis. 

Berlin.  Karl  Fuhr. 


UNBEACHTETE  STRABOFRAGMENTE 


Die  nmfangreiche  Lücke  am  Hchluese  des  7.  Bnchee  Straboe 
wird  von  uns  um  so  störender  empfunden,  als  durch  sie  gerade 
die  Beschreibung  von  solchen  Ländern  betroffen  ist,  welche  zu- 
gleich in  der  Geschichte  des  Alterthums  eine  verhältnissmässig 
wichtige  Rolle  spielen :  Epirus,  Makedonien  und  Thrakien.  Zum 
Glück  ermöglichen  es  uns  die  palatinischen  und  vatioanischen 
Excerpte  (vgl.  hierüber  Kramers  Ausgabe  Bd.  11  S.  72  ff.,  An- 
merkung), uns  wenigstens  in  den  Uauptzügen  ein  Bild  von  den 
verloren  gegangenen  Theilen  zu  machen.  Nach  Krämers  Zählung 
sind  es  im  Ganzen  58  Fragmente,  welche  uns  durch  diese  beiden 
Chrestomathien  erhalten  geblieben  sind ;  aber  gar  manches  davon 
verliert  an  selbständigem  Werthe,  da  oftmals  beide  Auszüge  einen 
und  denselben  Gegenstand  behandeln,  anstatt  —  wie  es  für  uns 
Wünschenswerther  wäre  —  sich  gegenseitig  zu  ergänzen.  Des- 
halb müssen  wir  es  mit  Dank  begrüssen,  wenn  sich  Meineke  nach 
andern  Hülfsmitteln  umgesehen  hat,  um  die  Zahl  der  Fragmente 
zu  erhöhen.  So  finden  wir  denn  in  seiner  Ausgabe  noch  folgende 
Bruchstücke,  die  er  den  Berichten  anderer  Schriftsteller  entnom- 
men hat: 

fr.      1    =  Steph.  Byz.  Διυοώνη 

„     11•  =  Etym.  Magn.  p.  206,  6 

,,     16*  =  Steph.  Byz.  Κραννών 

„     16*=  Steph.  Byz.  Όμόλιον 

„     23*=  Eustath.  ad  IL  Β  850 

,,     58»  =  Steph.  Byz.  Τετραχιυρΐται 

„     58*  =   Athen.  XIV  p.  657  f. 

Alle  diese  von  Meineke  aufgenommenen  Fragmente  enthalten 

ein    namentliches    Citat    Strabos    mit  Ausnahme    von    fr.    1. 

Doch  auch  dies    letztere  für   strabonisches  Gut  anzusehen,    wird 

uns  nicht  unmethodisch  erscheinen.   Wir  lesen  als  Strabos  letzte 


438  Kanse 

Worte  vor  der  Lücke  (p.  329  Gas.):  Κινέας  b'  έτι  μυθιυοέστβρον . . ., 
und  in  diesem  Fragment  1  finden  wir  den  Beriebt  eben  dieses 
Eineas  genau  über  denselben  Gegenstand  (Dodona),  wie  er  ans 
bei  Stepbanus  Byzantius  s.  v.  begegnet.  Mag  freilieb  Strabo  von 
Stepbanus  niebt  ansdrticklicb  als  Gewäbrsmann  erwäbnt  werden, 
so  ist  es  doch  kaum  andere  möglich,  als  dieses  Citat  jenes  un- 
bekannten Kineas  auch  bei  Stepbanus  auf  Strabo  zurück zafübren, 
zumal  dieser  ja  eine  Häuptquelle  des  Stepbanus  bildet. 

Ist  es  uns  nun  etwa  vergönnt,  zu  Meinekes  Strabofragmenten 
noch  neue  zu  sammeln?  Diese  Frage  glaube  ich  mit  'Ja*  beant- 
worten zu  können  und  zwar  auf  Grund  des  Gommentars  von 
Eustatbius  zu  Dionysius  periegetes  (abgedruckt  in 
Müllers  Geographi  Graeci  minores  Π  ρ.  201  ff.).  Schon  länget 
hat  man  ja  den  hohen  Werth  dieses  Commentares  erkannt,  wel* 
eher  auf  gewissenhafter  Benutzung  antiker  Quellen  beruht  (für 
die  geographischen  Tbeile  sind  Strabo,  Stepbanus  Byzantius,  He- 
rodot  und  Arrian  excerpirt).  Schon  früher  (Rhein.  Mus.  Bd.  56 
p.  333  ff.)  habe  ich  nachzuweisen  gesucht,  wie  wir  im  einzelnen 
verderbte  Stellen  Strabos  an  der  Hand  dieses  Gommentars  ver- 
bessern können,  wie  also  Eustatbius  ein  besseres  Exemplar  des 
Strabo  besessen  zu  haben  scheint,  als  die  erhaltenen  Handschriften 
darstellen.  Daher  lag  mir  die  Vermutbung  nahe,  dass  Eustatbine 
nicht  nur  eine  bessere,  sondern  auch  eine  vollständigere 
Handschrift  des  Strabo  besessen  habe,  welche  noch  nicht  durch 
die  Lücke  in  Buch  7  entstellt  war.  Zur  Gewissheit  aber  wird 
mir  diese  Vermutbung  erhoben  durch  fr.  23%  in  welchem  wir  ja 
in  der  That  der  Belesenbeit  des  Eustatbius  (nämliob  seinem 
Homercommentar)  ein  strabonisches  Fragment  verdanken.  Ich 
habe  nun  alle  diejenigen  Steilen  des  Dionyscommentars,  in  denen 
irgendwie  eine  Erwähnung  oder  Beschreibung  von  Epirus,  Ma- 
kedonien und  Thrakien  zu  vermuthen  war,  durchgelesen  und  auf 
die  Quellen  hin  geprüft,  nämlich  die  Verse:  95;  132 — 174;  254 
—260;  298—331;  378—400;  427—431;  488—496;  513—525; 
538-553;  575—576;  587—590;  652-767;  793—814;  821; 
863;  1088—1106.  Die  übrigen  Stellen  des  weitschweifigen  Gom- 
mentars durchzuarbeiten,  habe  ich  bis  jetzt  wenigstens  unter- 
lassen. Denn  nach  dem  Ertrage  der  durchforschten  Tbeile  zu 
schliessen,  hätte  ich  aus  jenen  entweder  gar  keinen  gesicherten 
Erfolg  erwarten  dürfen  oder  doch  nur  einen  solchen,  der  nicht 
im  entferntesten  der  aufgewandten  Zeit  und  Mühe  entsprochen 
hätte.     Denn   so   leicht    auch    auf   der    einen  Seite   die  Quellen- 


Unbeaohieie  Strabofragmente  439 

forschang  des  fiastathias  erscheint,  insofern  als  er  an  Hunderten 
yon  Stellen  seine  Gewährsmänner  gewissenhaft  mit  Namen  an- 
führt, so  giebt  es  doch  vielleicht  noch  zahlreichere  Stellen,  wo 
wir  nur  auf  Vermuthungen  angewiesen  sind,  weil  Eustathins  dort 
—  mehr  aus  Nachlässigkeit,  als  um  mit  dem  Schein  von  Ge- 
lehrsamkeit zu  prunken  —  die  Nennung  seiner  Quelle  unterlassen 
hat.  Auch  die  sichere  Thatsache,  dass  £uetathius  von  Geographen 
eigentlich  nur  die  schon  oben  erwähnten  Schriftsteller,  nämlich 
Strabo,  Stephanus,  Herodot  und  Arrian  ausgebeutet  hat,  hilft  uns 
nicht  viel  weiter.  Denn  die  Schlussfolgerung:  ^Alle  geographi- 
schen Stellen  des  Eustathius,  die  nicht  von  ihm  ausdrücklich  dem 
Arrian,  Herodot  und  Stephanus  zugeschrieben  werden  oder  dort 
von  uns  nachgewiesen  werden  können,  sind  strabonisch  ,  diese 
Schlussfolgerung  wäre  voreilig.  Wir  besitzen  ja  leider  nicht 
den  ganzen  Stephanus  und  Arrian,  sodass  ein  namenlos  über- 
lieferter geographischer  Bericht  des  Eustathius  ebenso  gut  auch 
eine  fehlende  Stelle  dieser  beiden  Schriftsteller  wiedergeben 
könnte.  Doch  trotz  alledem  gab  ich  die  HofiPnung  auf  Gewinn 
nicht  auf.  Dass  ich  freilich  namentlich  überlieferte  Strabo- 
fragmente entdecken  würde,  war  mir  von  vornherein  unwahr- 
scheinlich. Das  hiesse  doch  die  Gewissenhaftigkeit  eines  Meineke 
zu  gering  einschätzen  (freilich  s.  unten  eine  wichtige  und  merk- 
würdige Ausnahme).  Meine  Forschungsweise  gründete  sich  nun 
auf  folgende  Erwägung :  Eustathius  verarbeitet  seine  Quellen  nicht 
etwa  gründlich,  sondern  fügt  die  verschiedenen  Berichte  lose 
neben  einander,  sodass  die  Fugen  für  uns  noch  deutlich  zu  er- 
kennen sind.     Ein  Beispiel  genüge: 

Eustathius  p.  315  (Müller): 
V.  1— 3  =  Strab.  p.  591 

4  =  Steph.  Byz.  Σηστός 
5—6  =  Herod.  IX  114 
6—11  =  Strab.  p.  590  f. 

11—13  =  Strab.  p.  813 

13—14  =  Steph.  Byz.  "Άβυόος  (?; 

14—16  =  Eustathius  selbst 

16—19  =  Istros  (bei  Strabo?) 

19—26  =  Steph.  Byz.  "Άβυόος 

26—32  =  Eust.  selbst 

32—33  =  Strab.  fr.  51 

34—37  =  Strab.  fr.  33  u.  36 

37—44  =  Eust.  selbst 


•440  Kunze 

44—45  =  Strab.  ρ.  487 
46  =  Arrian. 
Wenn  nun  also  eine  innerlich  zueammenbängende 
geographische  Notiz  des  Eustathius  sich  zum  Tbeil  nachweis- 
lich deckt  mit  einem  anerkannten  Strabofragraent  oder 
einer  sonstigen  Strabostelle,  so  wird  wohl  auch  der  andere  Theil, 
welcher  mit  jenem  ein  organisches  Ganzes  bildet,  dem  Strabo 
entstammen.  Somit  besteht  das  Ergebniss  meiner  Untersuchung 
mehr  in  der  Erweiterung  bekannter  Strabobruchetücke  als 
in  der  Auffindung  neuer  Fragmente.  Ja,  ich  habe  sogar  auf  die 
Ausbeutung  aller  der  Stellen  verzichtet,  wo  zwar  die  Art  des 
Inhaltes  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  auf  Strabo  als 
Gewährsmann  seh  Hessen  lässt,  aber  kein  anderer  Anhaltspunkt 
vorliegt.  Um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  Strabo  spricht  ver- 
schiedene Male  (fr.  29,  31  und  82)  vom  toronäischen  Meerbusen; 
da  ist  doch  wohl  die  Annahme  beinahe  zwingend,  dass  er  auch 
die  Stadt  Torone  erwähnt  haben  wird,  welche  dem  Meerbusen 
den  Namen  gegeben.  In  unserm  Strabo  nun  steht  nichts  von 
Torone,  dagegen  lesen  wir  bei  Eustathius  p.  276,  v.  13  f.  die 
sehr  brauchbare  Nachricht :  ίνθα  που  και  τόπος  τις  κατά  πάρα• 
φθοράν  Τορώνη  λεγόμενος.  Da  möchte  man  gern  diese  Worte 
auf  Strabo  zurückführen  und  zwar  um  so  lieber,  als  uns  im 
vorausgehenden  —  wenigstens  meiner  Ueberzeugung  nach  —  ein 
strabonisches  Fragment  vorliegt.  Aber  die  in  diesem  Bruchstück 
erwähnte  Halbinsel  Pallene  und  die  Stadt  Torone  (auf  der  Halb- 
insel Sithonia)  können  unmöglich  bei  Strabo  unmittelbar  neben 
einander  erwähnt  worden  sein,  und  es  liegt  uns  daher  hier  keines- 
wegs ein  zusammenhängender,  einheitlicher  Bericht  vor.  So  habe 
ich  nicht  nur  diese,  sondern  alle  Stellen  ausser  Acht  gelassen, 
in  denen  wir  nur  bis  zu  einer  Wahrscheinlichkeit,  nicht  aber, 
gestützt  auf  sichere  Anhaltspunkte,  bis  zu  einem  hohen  Grade 
von  Gewissheit  gelangen  können. 

Folgende  Stellen  glaube  ich  nunmehr  als  strabonisch  in  An- 
spruch  nehmen  zu  dürfen : 

1.  Eustathius  (Müller)  p.  268,  44— p.  269,7:  φησί  bk 
6  αυτός  Γεωγράφος  και  δτι  ό  "Ίστρος  ποτέ  Ματόας  έλίγ^το, 
δ  έστι  κατά  "Ελληνας  δσιος*  και  δτι  πολλάκις  μέν  οι  Σκύθαι 
bf  αύτου  περαιούμενοι  ούοέν  ίπασχον,  συμφοράς  bi  ποτέ  αύ- 
τοϊς  έπειςπεσούσης  ήρμηνεύθη  Δάνουβις  ή  Δάνουσις,  ώςπερ 
του  άμαρτεϊν  εκείνους  αιτίαν  Ιχιυν  (τουτέστιν   αΐτιώμενος  bia 


Unbeachtete  Strabofragmente  441 

του  τοιούτου  ονόματος  υπ'  εκείνων  κατά  την  αυτών  γλακτσαν, 
ώς  αίτιος  αύτοϊς  όυςτυχίας  γενόμενος).  Diese  von  Eustathius 
ausdrückliüb  als  Erzählung  des  Strabo  (denn  er  ist  κατ'  έΕοχήν 
ό  Γεωγράφος)  bezeichneten  Worte  würden  wir  bis  jetzt  vergeb- 
lich in  unsern  Straboausgaben  suchen.  Denn  der  Gedanke,  dass 
wir  uns  hier  in  der  glücklichen  Lage  befinden,  ein  namentlich 
bezeugtes  Strabofragment  zu  besitzen,  scheint  den  Herausgebern 
bisher  nicht  gekommen  zu  sein.  Das  mag  seinen  Grund  darin 
haben,  dafts  uns  bei  8teph.  Byz.  unter  Δάνουβις  eine  ganz  ähn- 
liche Angabe  überliefert  ist:  Δάνουβις  ή  Δάνουσις,  Ίστρος  ό 
ποταμός,  πάλαι  Ματόας  καλούμενος,  συμφοράς  bi  τοις  Σκύθαις 
έπιπεσούσης  ούτως  εκλήθη.  Ματόας  bk  λέγεται  ές  τήν  Ελλη- 
νίδα γλώσσαν  άσιος.  δτι  πολλάκις  περαιούμενοι  ούοέν  έπεπόν- 
θεισαν.  6  bi  Δάνουσις  ερμηνεύεται  ώςπερ  του  άμαρτεϊν  ίχων 
αιτίαν.  Anstatt  nun  anzunehmen,  dass  wie  in  zahlreichen  andern 
Fällen  (man  vergleiche  hierüber  den  index  scriptorum  in  Meinekes 
Stephanusausgabe),  so  auch  hier  Stephanus  von  Strabo  abhängig 
ist,  bat  man  bisher  vermutbet,  dass  es  sich  hier  bei  Flustathius 
um  einen  Schreibfehler  handelt,  der  aus  dem  ursprünglichen 
έθνικογράφος  (dh.  Stephanus)  ein  γεωγράφος  (dh.  Strabo)  hat 
entstehen  lassen  (Sernhardy:  *ceterum  ό  αυτός  Γεωγράφος  niirum, 
ni  librariorum  lapsus  procndit,  cum  pleraque  sint  deprompta  de 
Stephano  v.  Δάνουβις :  neque  enim  Strabo  tale  aliquid  memo- 
ravit.  Quare  videtur  vetus  lectio  fuisse  oblitterata  ό  έθνικο- 
γράφος). Doch  scheint  es  mir  schon  bedenklich,  das  in  diesem 
Commentar  wenigstens  kaum  nachweisbare  έθνικογράφος  durch 
Conjeotnr  zu  erschliessen  (Eustathins  citirt  gewöhnlich  mit  den 
Worten  ό  τά  εθνικά  γράψας),  und  zweitens  würden  doch  dann 
diese  Worte  ό  αυτός  έθνικογράφος  weder  zu  dem  vorausgehen- 
den noch  zu  dem  nachfolgenden  Berichte  passen,  der  in  beiden 
Fällen  sich  an  Strabo  anlehnt  (p.  268  v.  43 :  τόν  παρά  τψ  Γεω- 
γράφψ  έτερον  *Ίστρον  und  ρ.  269  ν.  7:  λέγει  bk  εκείνος  και 
δτι  τω  Ίστρω  παράλληλα  κτλ.  =  Strab.  ρ.  313).  Deshalb  hat 
man  auch  an  einen  sachlichen  Irrthum  des  Eustathius  selbst  ge- 
dacht, der  hier  den  Stephanus  mit  Strabo  verwechselt  habe.  So 
schreibt  Müller,  *At  quae  sequuntur,  errorem  ipsius  potius  Eu- 
stathii  esse  coarguunt'.  Müller  ist  es  aber  auch,  der  in  seinen 
folgenden  Worten  zweifelnd  diejenige  Ansicht  andeutet,  die  ich 
rückhaltlos  für  die  einzig  richtige  erkläre,  dass  wir  hier  nämlich 
ein  Strabofragment  vor  uns  haben :  *Modo  errorem  subesse  recte 
statuamus.     Fieri  enim  potest,  ut  nostra  petita  eint  e  Straboniani 


442  Kunze 

libri  eeptimi  parte  deperdita,  quam  laudaverit  Stephanus*.  Mit 
dieser  Annahme  lösen  eich  alle  bisherigen  Schwierigkeiten  der 
Erklärung  am  einfachsten  und  natürlichsten.  Uebrigens  können 
wir  aus  Strab.  p.  305  und  p.  311  noch  deutlich  nachweisen,  dase 
Strabo  in  der  That  um  derartige  üebergSnge  der  Skythen  über 
die  Donau  nach  Thrakien  gewueet  hat.  Und  die  Wahrscheinlich- 
keit, dass  er  gegen  Schluss  seines  7.  Buches,  wo  er  ja  Thrakien 
behandelt,  noch  einmal  ausführlich  auf  diesen  Gegenstand  za 
sprechen  gekommen  ist,  wird  wohl  niemand  yon  der  Hand  weisen. 
Die  von  mir  eingeklammerten  Worte  des  Eustathius  (τουτέ(Ττιν 
bis  γενόμενος)  möchte  ich  nicht  zum  Strabofragment  selbst 
rechnen,  sondern  ich  sehe  in  ihnen  nur  eine  Erläuterung,  die 
Eustathius  zu  den  vorausgehenden  Straboworten  giebt  Daher 
fehlen  auch  die  entsprechenden  Worte  bei  Stephanus.  Schliess- 
lich sei  noch  beiläufig  darauf  hingewiesen,  dass  wir  uns  an  dem 
citirten  Stephanusartikel  eine  Vorstellung  von  der  unverstän- 
digen, ja  sinnlosen  Art  und  Weise  bilden  können,  in  welcher  der 
Epitomator  den  Text  des  Stephanus  behandelte.  Es  macht  sich 
nämlich  die  Umstellung  der  Worte  (Τυμφορας  bis  εκλήθη  (wie 
auch  Meineke  will)  hinter  έπ6πόνθ6(Ταν  nothwendig,  nm  nur 
einigermassen  den  ursprünglichen  Sinn  herzustellen,  was  wir  ja 
hier  an  der  Hand  von  Eustathius  bequem  beurtheilen  können. 

2.  Eustathius  p.  309  v.  36  =  Strab.  fr.  7:   δτι  έπι  'χέ- 

—43:   Κορινθίων   έστι  κτίσμα     λωτι   έν  παροιμίας  μέρει  *TC- 
ή  Κέρκυρα  κοί  ηύΗήθη  ποτέ,  και     λαται    Κέρκυρα    ταπ€ΐνα)θ€ϊσα 
πολλάς  πόλεις  και  νήσους  φ-     τοις  πολλοίς  πολέμοις  =  fr.  8: 
κισε  και  ναυτικόν  ίσχε  πολύ,     δτι  ή  Κέρκυρα  τό  παλαιόν  εύ- 
ώςτε  και  έν  τφ  Περσικά»  πο-     τυχής  ήν  καΐ  όύναμιν  ναιτπκήν 
λέμψ  οΐ  Κερκυραίοι  ναυς  έΕή-     πλείστην  εϊχεν,  άλλ'  ύπό  πολέ- 
κοντα  έπλήρωσαν,  δταν  τό  άμ-     μων  τινών  καΐ  τυράννων  έ<ρ- 
φίβολον  του  πολέμου  εύλαβού-     θάρη  •   καΐ   ύστερον   ύπό  Tui- 
μενοι  ούτε  τω  ΞέρΕη  ούτε  τή     μαίων  έλευθερωθεϊσα  ουκ  έπη- 
Έλλάόι  έβοήθησαν,  άλλα  την     νέθη,  άλλ'  έπΙ  λοιόορίςι  ποροι- 
βοήθειαν   άνεβάλλοντο.    '  Ηρη-     μίαν  έλαβεν '  ελευθέρα  Κόρκυρα, 
μώθη    bk   αύθις,    ώς   και    εΙς     χέε'  δπου  θέλεις*, 
τοιαύτην     παροιμίαν    πεσεΐν ' 
*  ελευθέρα  Κέρκυρα,  χέΓ  δπου 
θέλεις  \ 

Diese  beiden  Angaben  über  die  einstige  Macht  (von  den 
60  Schiffen  spricht  auch  Herodot  VII  168)  und  den  nachmaligeo 
Verfall  von  Korkyra  ergänzen  sich  auf  das  vortheilhafteete.    Einen 


ünbeaGhiete  Strabofragmente  443 

zwingenden  Beweis  oafür,  dass  uns  vom  ersten  bis  zum  letzten 
Worte  des  Eostatbius  wirklieb  die  Angabe  des  Strabo  vorliegt, 
sebe  icb  in  folgendem  Umstände.  Die  eigentlicbe  Scbärfe  des 
iSpottverses:  'ελευθέρα  Κόρκυρα,  χέΙ*  δπου  θέλ€ΐς*  wird  οηβ  aus 
dem  bis  jetzt  bekannten  fr.  8  gar  nicbt  recbt  klar,  sondern  es 
muss  unbedingt  neben  dem  έλευθ6ροΟ(Τθαι  aucb  das  έρημοΟαθαΐ 
des  £u8tatbius,  sei  es  wörtlicb,  sei  es  wenigstens  dem  Sinne  nucb 
genannt  gewesen  sein  (das  ούκ  έττηνέθη  in  fr.  8  ist  so  matt 
and  farblos,  dass  es  beinabe  wie  corrupt  aussiebt).  Ergänzen  wir 
nun  fr.  7  und  8  durcb  die  angeführten  Worte  des  Eustathius, 
so  verschärft  sieb  uns  das  Witz  wort  der  G-riecben  zu  dem  beissen- 
den  Ausspruch:  'ihr  seid  frei,  Kerkyräer!  Ihr  könnt  jetzt  tbun, 
was  ihr  wollt;  ja,  ihr  könnt  zB.  sogar  χέ2ΐ6ΐν,  wo  ihr  wollt, 
gleich  mitten  in  der  Stadt ;  denn  diese  neuro  Stadt  gleicht  ja  über- 
haupt mehr  einer  Einöde  als  einem  bewohnten  Orte'. 

3.  Eu St.  p.  242,  4— 11:  ίχ€ΐ  =   Strab.   fr.  58    Anf.r    δτι 

γάρ  άμφιβόλως  ταΟτα  bia  τους  Ελλήσποντος  ούχ  ομολογείται 
παλαιούς,  ών  di  μέν  μόνα  τά  παρά  πδσιν  6  αυτός,  άλλο  bo- 
κατά  Σηστόν  και  *Άβυοον  Έλ-  Εαι  περί  αύτου  λέγονται  πλείους. 
λήσποντον  εϊπον,  οι  bk  και  oi  μέν  γάρ  δλην  τήν  ΓΤροπον- 
δλην  την  ΓΤροποντίοα,  ο'ί  bk  τίόα  καλοΟσιν  'Ελλήσποντον, 
μέρος  τι  αυτής  το  εντός  Πε-  οι  bk  μέρος  τής  Προποντίοος 
ρίνθου  ήτοι  'Ηράκλειας  τφ  τό  εντός  Περίνθου  *  ο1  οέ  προς- 
Έλλησπόντψ  απένειμαν,  öi  bk  λαμβάνουσι  και  τής  ?£ω  θα- 
καί  τι  του  Αιγαίου  πελάγους  λάσσης  τής  προς  τό  Αίγαϊον 
τψ  Έλλησπόντψ  προςέθεντο*  πέλαγος  και  τόν  Μέλανα  κόλ- 
καθά  που  τάχα  καΐ  ^Όμηρος,  πον  άνεψγμένης  ....  μάρτυρα 
δπερ  και  πλατύν  εκείνος  λέγει  καΐ  "Ομηρον  καλούντες  κτλ. 
Ελλήσποντο  ν. 

Schon  Müller  hat  die  Thatsache,  dass  es  sich  hier  um  ein 
ziemlich  umfängliches  Strabofragment  handelt,  richtig  erkannt, 
wenn  er  zu  der  Stelle  des  Eustathius  sich  äussert:  ^Ducta  sunt 
e  Strabone,  cuius  vide  lib  7  fragm.  Vatic.  57  (Meineke  Ö8)\ 
Doch  hat  es  Müller  noch  unterlassen,  eine  wichtige  Folgerung 
zu  ziehen,  dass  wir  nämlich  aus  Eust.  das  vaticanische  Strabo - 
bruchstück  trefflich  ergänzen  können:  Bis  jetzt  fehlt  ja  bei  Strabo 
die  ganz  uneriässlicbe  Angabe,  dass  manche  Gewährsmänner  nur 
die  Meerenge  zwischen  Sestus  und  Abydus  Hellespont  nennen; 
also  gerade  die  aliergebräuchlichste  Auffassung  ist  bei  Strabo 
nicht  angegeben,  wenn  wir  nicht  auf  Grund  von  Eustathius  bei 
Strabo  zwischen  (Ά  μέν  γάρ  und  δλην  τήν  ΓΤροποντίόα  die  Worte 


444  Kunze 

aufnehmen:  <μόνα  τά  κατά  Σηστόν  και  "Aßubov,  οι  bk  και). 
Da  man  nun  ferner  aus  den  bei  Euetathiue  v.  11  folgenden 
Worten  (τούτοις  bi  μη  φαινόμενος  άκολουθεϊν  ό  Διονύσιος) 
deutlich  erkennt,  dnes  er  bis  zu  dieser  Stelle  nur  aus  oiner 
Quelle  geschöpft  hat,  so  haben  wir  auch  noch  das  Eomercitat 
V.  10  (πλατύν  εκείνος  λ^γ^ι  Έλλήσποντον  =  Hom.  II.  Ρ  432 
und  Η  86)  als  strabonisches  £igenthum  zu  rechnen.  Und  in  der 
That  finden  wir  ja  im  vatioaDischen  Strabofragment  schon  zwei 
andere  Uomerstellen  citirt,  durch  welche  Strabo  in  seiner  be- 
kannten Weise  geographische  Ansichten  einer  spätem  Zeit  schon 
als  homerisch  zu  erweisen  sucht  (IL  I  360;  Δ  520  nnd  Β  845). 
4.  Eust.  ρ.  244,  5—8:  Διά  bi  τό  κακόΕενον  και  όύςπλοον 
αύτου  και  τό  εις  Πόντον  οπελθεΐν  δμοιον  ήν  τψ  εις  μ^γα  κακόν, 
ώς  και  ο1  παλαιοί  φασιν*  δπερ  μέχρι  και  εΙς  δρτι  κρατεί,  και 
τούτο  οηλοϊ  μέν  και  ό  Γεωγράφος.  Dieses  ofifenbare  Strabo- 
citat  will  Müller  (in  seiner  lateinischen  Uebersetzung  des  Έη- 
stathins)  in  Strabo  p.  21  wiederfinden,  yermuthlich  in  den  Worten: 
τους  πλεοντας  έκεϊσε  (seil.  εΙς  τόν  Πόντον)  ομοίως  εκτοπί- 
ζει ν  έοόκουν  ώςπερ  τους  ίΕω  στηλών  έπι  πολύ  προϊόντας. 
Doch  von  der  Ansicht,  dass  τό  εΙς  Πόντον  άπελθεϊν  δμοιον  ήν 
τψ  εις  μέγα  κακόν,  lesen  wir  dort  nichts»  und  es  widerspräche 
aller  Wahrscheinlichkeit,  dass,  wenn  hier  wirklich  nur  ein  un- 
genaues Citat  von  Strabo  p.  21  vorläge,  bei  dieser  Citirung  die 
Fassung  des  £ustathius  schärfer  und  bestimmter  ausgefallen  sein 
sollte  wie  die  des  ausgeschriebenen  Strabo  selbst.  Denn  so  ist 
doch  ohne  Zweifel  das  Wertverhältniss  zwischen  έκτοπίΖείν  und 
εΙς  μέγα  κακόν.  Nein,  wenn  man  für  diese  £ustathius8telle  den 
erhaltenen  Text  des  Strabo  heranziehen  wollte,  so  wäre  viel  eher 
an  Strabo  p.  298  (Ende)  zu  denken:  δπλουν  είναι  τότε  την 
θάλατταν  ταύτη  ν  και  καλεϊσθαι  "ΑΕενον  biä  τό  όυςχείμερον 
και  τήν  αγριότητα  των  περιοικούντων  εθνών.  Doch  auch 
diese  Stelle  entspricht  in  einem  wichtigen  Punkte  nicht  der  Dar- 
stellung des  Eustathius.  Während  nämlich  dieser  ausdrücklich 
auch  von  der  Gegenwart  spricht  (δπερ  μέχρι  και  εΙς  αρτι  κρα- 
τεί), gelten  Strabos  Worte  ρ.  298  nur  von  der  Vergangenheit 
(τότε).  Meiner  Ueberzengung  nach  haben  wir  es  auch  hier  — 
was  man  bisher  verkannt  hat  —  von  Anfang  bis  zu  Ende  mit 
einem  Rtrabonischen  Fragment  aus  Buch  7  zu  thun. 

5.  Eust.  p.315,32— 37:  Σά-  =   Strab.    fr.    50:    ibiboEi 

μος  θρακία,  ήτις  Καβείρων  εΤ-     τους  Τρώας  τά  έν  ΣαμοθρςΙκη 
χεν   ιερά,   οι   καΐ   Κορύβαντες     μυστήρια. 


unbeachtete  Sträbofragmente  445 

έλέγοντο,  και  Θάσος,  ήτις  και  fr.  51:  δτι  τους  έν  τή  Σα- 
χρυσία  €Ϊχέ  ποτ€,  και  τό  Δά-  μοθρ()Ικη  τιμωμένους  θεούς  εΙ- 
τον  συνψκισε,  πόλιν  fvboEov  ρήκασι  πολλοί  τους  αυτούς  τοις 
περί  τήν  του  Στρυμόνος  πα-  Καβείροις. 
ραλίαν.  άφ'  ου  παροιμίαν  ο\  Strab.  fr.  33  (Ende):  εισι  bk 
παλαιοί  φασι  *Δάτος  αγαθών',  περί  τόν  Στρυμονικόν  κόλπον 
ώς  τό  'αγαθών  άγαθιοες\  πόλεις   και    ^τεραι,   οίον  .  .  . 

Δάτον,  δπερ  καΐ  άρίστην  ?χει 
χώραν  καΐ  εδκαρπον  και  ναυ- 
πήγια  και  χρυσού  μέταλλα  •  άφ' 
ου  και  παροιμία  *  Δάτον  αγα- 
θών*, ώς  καΐ  'αγαθών  άγαθϊ- 
οας'  =  fr.  36  (Anfang). 

Es  ist  unverkennbar,  dass  Euetath  ganz  nnd  gar  die  Er- 
zählung Strabos  wiedergiebt.  Das  Neue  nun,  das  wir  aus  Eustath 
als  Bericht  Strabos  kennen  lernen,  besteht  in  der  Nachricht,  dass 
Daton  eine  Colonie  von  Thasos  ist. 

6.  Eust.p.  298, 11—12:  άπ'  =  Strab.  fr.  3:  δτι  ή  πα- 
αύτής  καΐ  *τό  Διυοωναΐον  χαλ-  ροιμία  *τό  έν  Δωδώνη  χαλ- 
κεϊον*  έπι  τών  πολυλόγων.  κίον'  εντεύθεν  ώνομάσθη,  κτλ. 

Durch  Enstathius  wird  also  das  strabonische  fr.  3  insofern 
erweitert,  als  wir  nunmehr  erfahren,  dass  das  Sprichwort  auf 
schwatzhafte  Menschen  angewendet  wurde  (hierzu  siehe  auch 
Steph.  Byz.  s.  v.  Δωδώνη). 

7.  Eust.  p.  314,  42—315,  1:  Σηστός  μέν.  Λεσβίων  άποι- 
κος, καθο  καΐ  ή  Μάδυτος,  ώς  ό  Γεωγράφος  φησί,  Χερρο- 
νησία  πόλις,  'Αβύδου  οιέχουσα  σταοίους  λ',  έκ  λιμένος  εΙς  λι- 
μένα. Dass  Eustath  sich  hier  der  Angaben  des  Strabo  bedient 
hat,  giebt  er  ja  selbst  an,  aber  das  Yerständniss  der  Stelle  wird 
uns  insofern  erschwert,  als  wir  die  Bemerkung  ώς  ό  Γεωγράφος 
φησι  einerseits  auf  Λεσβίων  άποικος  beziehen  können  (und  dann 
erfahren  wir  aus  Eustath  nichts,  was  wir  nicht  schon  aus  Strabo 
p.  591  wüssten);  andererseits  aber  könnten  diese  Worte  auch  zu 
ή  Μάδυτος  gehören,  und  dann  würde  dadurch  für  uns  das  stra- 
bonische fr.  56  ergänzt:  εΤτα  Μάουτος  και  Σηστιάς  άκρο  κτλ. 
Die  letztere  Annahme  gewinnt  sehr  an  Wahrscheinlichkeit  durch 
das  eigene  Geständniss  Strabos  (p.  591):  περί  bk  Σηστού  κα\ 
τής  δλης  Χερρονήσου  προείπομεν  έν  τοις  περί  τής  θρςίκης 
τόπο  ι  ς,  dh.  Strabo  hat  in  dem  verloren  gegangenen  Schluss 
des  7.  Buches  ausdrücklich  über  Sestos  usw.  berichtet. 


446 


Kunse 


Hierzu  gesellen  sich  nun  noch  einige  Bruchstücke,  die  für 
uns  nur  von  geringer  Bedeutung  sind,  weil  ihr  Inhalt  nirgends 
über  das  bisher  schon  Bekannte  hinausgeht: 


8.  Eustp.  275,  30-32:  κα- 
λούμενοι hl  ποτέ  Βρίγες,  είτα 
μεταβάντες  εΙς  *Ασίαν  μετέπε- 
σον  εΙς  τό  τών  Φρυγών  δνομα 
=  Ε  U  St.  ρ.  359,  40—42 :  δλλοι 
bi  φασι  κα\  έτερους  Εύριυ• 
παίους  εϊναί  ποτέ  Φρύγας,  έΕ 
ίιν  περαιωθίντων  οΐ  κατά  τήν 
*Ασίαν  έγίνοντο. 

9.  Eust.  ρ.  276,  11  —  13: 
οϊονται  bi  τίνες  ΓΤαλλήνην  λέ- 
γεσθαι  τήν  τής  Καασανορείας 
χερρόνησον,  τφ  Αιγαίψ  καΐ  αυ- 
τήν παρακειμένην. 


=  Strab.  fr.  25:  Βρίγες  θρςι- 
κών  έθνος,  ιΐιν  τίνες  διαβάντες 
εΙς  τήν  Άσίαν  Φρύγες  μετιυ- 
νομάσθησαν,  siehe  auch  Strab. 
ρ.  295:  και  ούτοΙ  οΐ  Φρύγες 
Βρίγες  είσί,  θρ<|1κιόν  τι  ίθνος. 


=  Strab.  fr.  27 :  δτι  ή  Παλ- 
λήνη χερρόνησος,  ής  έν  τώ 
Ισθμψ  κείται  ή  πριν  μέν  ΤΤοτί- 
όαια,  νυν  hi  Κασσάνορεια, 
Φλεγρα  τό  πριν  έκαλεΐτο. 


Obwohl  Steph.  Byz.  unter  Παλλήνη  ganz  Aehnliches  ent- 
hält, so  muss  dieser  doch  auf  jeden  Fall  als  etwaiger  Gewährs- 
mann ausscheiden,  weil  Eustath  selbst  vorher  die  Angaben  des 
Stephanus  anführt  (Z.  3  ff.)  und  mit  οΤονται  bi  τίνες  einen  ge- 
wissen Gegensatz  aufstellt. 


10.  Eust.  p.  261,  42—43: 
ήν  bi.  και  ό  Μακεδών  ήγεμών 
ποτέ  τής  ομωνύμου  χώρας, 
ήτις  και 'Ημαθία  πρότερον  έκα- 
λεϊτο. 

11.  Eust.  ρ.  32.3,  3G  bis 
324,  Ι:  ό  Μέλας  κόλπος  .  .  . 
τήν  κλήσιν  ίχων  άπό  ποταμού 
Μέλανος  .  .  .  έκόώόντος  είς 
αυτόν  .  .  .  κόλπος  bk  Μέλας 
εστίν,  ώς  οΐ  ακριβέστεροι  λέ- 
γουσιν  .  .  .,  περί  δν  καΐ  ή  Αί- 
νος κείται,  πόλις  ΑΙολική.  φασι 
γάρ  δτι  έν  τφ  Μέλανι  κόλπψ 
ή  Αίνος  προς  τή  εκβολή  τοΟ 
*Έβρου. 

12.  Eust.  ρ.  241,  29—31: 
του  μέντοι  'Ελλησπόντου  τό 
στενώτατον  έπταστάδιόν  έστι, 


=  Strab.  fr.  11  (Anfang): 
δτι  Ημαθία  έκαλεϊτο  πρότερον 
ή  νΟν  Μακεδονία,  ίλαβε  5έ  τοδ- 
νομα  τούτο  άπ'  αρχαίου  τινός 
τών  ηγεμόνων  Μακεοόνος. 

Strab.  fr.  52  (Anfang):  προς 
τή  εκβολή  του  "Εβρου  οιστόμου 
δντος  πόλις  Αίνος  έν  τψ  Με- 
λάνι κόλπψ  κείται,  κτίσμα  Μι- 
τυληναίιυν  κα\  ΚυμαΙιυν. 


=  Strab.  fr.  57  (Ende) :  του 
bfe  Ελλησπόντου  τό  στενώτα- 
τον έπταστάόιόν  ψί\α\. 


Unbeaobteie  Strabofragmenie  447 

ircpi  που  τήν  θρςικίαν  χερρό- 
νησον  κατά  Σηστόν. 

Eüstath  könnte  hier  ja  auch  eine  andere  Straboetelle  ver- 
werthet  baben,  welcbe  dieselbe  Notiz  bringt,  nämliob  p.  591  : 
ενταύθα  (bei  Abydae)  ίστι  τό  έπτοστάοιον  δπερ  ilevie  Ξ^ρΕης, 
aber  grössere  äussere  Aebnlicbkeit  befürwortet  mehr  die  Ansicht, 
dass  wir  die  Worte  des  Eustath  anf  Buch  7,  fr.  57  zurück- 
zuführen haben.  —  Ob  nun  Eustath  seine  folgenden  Worte  (έπτα- 
στάδιον  bt  κατά  τόν  Γεωγράφον  ομοίως  και  τό  τοΟ  Σικελι- 
κού πορθμού  στενώτατον)  gleich  im  Anschlüsse  an  das  Voraus- 
gehende im  7.  Buche  Strabos  las  oder  ob  es  die  Worte  Strab. 
p.  122  sind  (6  προς  τή  Ίτολίςι  πορθμός  έπταστάόιος),  die  er 
aus  eigener,  auserlesener  Gelehrsamkeit  zur  Yergleichung  heran- 
zieht|  muss  natürlich  dahingestellt  bleiben. 

Schliesslich  können  wir  aus  Strabo  selbst  Bruchstücke  seines 
7.  Buches  reconstruiren.  Dafür  ergaben  sich  mir  folgende,  nur 
nebenbei  gefundene  Beispiele : 

13.  Strab.  p.  443:  εϊρηται  έν  τοις  Μακεοονικοϊς, 
δτι  ίστι  (seil,  τό  Όμόλιον)  προς  τή  "Οσση  κατά  τήν  αρχήν  τής 
του  Πηνειού  bia  ταιν  Τεμπών  οιεκβολής.  Wir  könnten  diese 
Worte  etwa  als  fr.  16®  ansetzen. 

14.  In  gleicher  Weise  wird  von  Strabo  p.  550  eine  Stelle 
seiner  Beschreibung  Makedoniens  oitirt,  die  für  uns  verloren  ge- 
gangen ist:  ό  bk.  Σκήψιος  οδτε  τήν  τούτου  böEav  ίοικεν  άπο- 
οεεάμενος  οδτε  τών  περί  τήν  ΓΤαλλήνην  τους  Άλιίώνους  ύπο- 
λαβόντων,  ίιν  έμνήσθημεν  έν  τοις  Μοκεόονικοϊς.  Diese 
Worte  könnte  man  etwa  als  fr.  25*  oder  27•  einschieben. 

15.  Endlich  gehört  hierher  die  schon  oben  angeführte  Stelle 
p.  591:  περί  bi  Σηστού  καΐ  τής  δλης  Χερρονήσου  προείπομεν 
έν  τοις  περί  τής  θρ(|1κης  τόποις  (=  fr.  56). 

16.  Dass  wir  aber  bei  Strabo  manchmal  auch  an  solchen 
Stellen  Lücken  anzunehmen  haben,  wo  wir  es  an  und  für  sich 
kaum  vermuthen  würden,  lehrte  mich  folgender  Vergleich: 

Eust.  p.  342,  34— 39:  δτι  Strab.  p.  495:  lujOi  bk  άπό 
περί  τόν  βηθέντα  ϊσθμόν  κείται  τών  κατά  θάλατταν  ληστηρίων, 
καΐ  τό  μέγα  φυλον  τών  Καμα-  ακάτια  έχοντες  λεπτά  στενά 
ριτών,  οί  οοτιυ  λέγονται  άπό  και  κουψα,  δσον  ανθρώπους 
πλοίιυν  στρογγυλών  ληστρικών,  πέντε  καΐ  είκοσι  δεχόμενα,  σπα- 
θίς έχρώντο,  δ  έκαλουντο  κα-  νιον  bk  τριάκοντα  οίΕασθαι 
μάραι  παρ'  "Ελλησιν.  ήσαν  bk  τους    πάντας    δυνάμενα*    κα- 


448  Κ  u  η  2  e  Unbeachtete  Strabofragmente 

ακάτια  λ€πτά,  στενά  καΐ  κουφά,     λουσι  b'  αυτά  οί  Έλληνες  κα- 
άνθρώπους   εις    κε'  beχόμ€vα,     μάρας. 
σπάνια  bk  και  εΙς  λ'. 

Έβ  ist  leicht  ersichtlich :  die  beiden  Erzählungen  ähneln 
sich  80  auffällig,  dass  Eustath  nnbedingt  den  Strabo  ausgeschrieben 
haben  mues,  nur  fehlt  bei  letzterem  bisher  die  Erwähnung  des 
Namens  Καμαρΐται.  Doch  gewiss  wird  er  dem  Strabo  auch  die 
Kenntniss  dieses  seltenen  Namens  yerdanken,  der  tiberhanpt  bei 
keinem  griechischen  Schriftsteller  ausser  bei  Enstath  nachweisbar 
zu  sein  scheint.  Wir  haben  daher,  ohne  dabei  dem  Vorwurfe 
der  Willkür  zu  verfallen,  bei  Strabo  eine  kleine  Lücke  anzu- 
nehmen und  etwa  zu  ergänzen :  καλοΰσι  b'  αυτά  ol  Έλληνες 
καμάρας,  <άφ'  ών  και  αυτούς  λέγουσι  Καμαρίτας).  Εβ 
bedarf  kaum  noch  eines  Hinweises,  wie  leicht  in  Folge  der  Aehn- 
lichkeit  zwischen  καμάρας  und  Καμαρίτας  die  dazwischenetehen- 
den   Worte  von  einem  Abschreiber  weggelassen  werden  konnten. 

Grimma.  R.  Kunxe. 


ANALECTA  THEODORETIANA 


PoRteaquam  vere  anni  1900  libellnin,  qui  inRcribitur  De 
Theodoren  Graecarum  affectionum  curationCy  in  lucera  emiei»  in 
animo  mihi  erat  editionem  huius  Theodoreti  operie  qnam  primum 
comparare.  Neque  tarnen  mihi  licuit  operam  meam  tam  celeriter 
absolvere,  quam  speraveram.  Pancis  enim  mensibus,  poetquam 
prodierat  libelios  mens,  benevolentia  viri  dootiseimi  meisque  etu- 
diie  enmmo  opere  faventie,  loanniR  Mercati,  certior  factus  sum,  in 
bibliotheca  Vaticana  etiamtam  latere  codicem  praestantissimum 
Theodoreti  Corationem  continentem,  qui  me  antea  in  illa  biblio- 
theca versantem  effngieset  neqae  omnino  nmquam  diligentias  in- 
spectuB  esset.  Itaque  textns  recensendi  operam  tam  dia  differre 
constitui,  quoad  huias  codicis  ingenium  penitas  cognovissem. 
£xita  vero  anni  1901  cum  Romam  me  contulissem,  codicem  in- 
spexi  totnmqne  contuli,  quo  factum  est,  ut  de  quaestionibus  non- 
nullis  ad  textus  recensionem  pertinentibus  certius  iam  diiudicare 
poesim  quam  antea. 

Codex  est  Vaticanus  2249,  olim  Columnensis  θ^^,  membra* 
neue  in  8^°,  foliorum  320,  saeculi,  ut  videtur,  decimi.  Gontinet 
foll.  1 — 163  varia  Dionysii  Areopagitae  opera,  fol.  vero  164  in- 
cipit  Theodoreti  Curatio,  qnae  codicem  explet  usque  ad  finem. 
Sicut  aetate  praestat  ceteris  codicibus  omnibns,  quibus  asservata 
est  Theodoreti  Cnratio,  ita,  licet  locis  haud  paucis  neglegentia 
quaedam  librarii  appareat,  bonas  tarnen  scripturas  tam  saepe  ex- 
hibet,  ut  affirmare  liceat,  huius  maxime  auctoritate  genuina  Theo- 
doreti verba  revocari  posse.  Nee  raro  etiam  confirmare  mihi 
videtur,  quae  antea  disputayi;  est  tarnen,  ubi  me  erraviese  ex  eo 
edoctus  sim.  Quo  melius  intellegantur,  quae  infra  disputabo, 
primum  iterare  libet  summam  eorum,  quae  de  ceteris  codicibus 
in  libello  supra  nominato  exposui. 

Codicum  genera  tria  distinxi,  quorum  primo  praesunt  Bod- 
leianus    Auct.    E.    II.    14   (signatus    littera   B)    et    Laurentianus 

Bbein.  Mm.  f.  Phllol.  N.  F.  LYII.  29 


450  Ε  ft  6  d  e  r 

X  18  (L),  alteri  Parisinns  Coicdinianus  250  (C)  et  in  priore  operis 
parte  Vaticanus  626  (V),  tertio  Scorialeneis  X.  Π  15  (S).  Huc 
accedit  mixtam  genns,  ad  qnod  pertinet  imprimis  Marcianue  559  (M) 
et  in  posteriore  operis  parte  etiam  cod.  V  modo  commemoratns. 
Longe  optimos  habni  Codices  generis  primi  (BL),  cum  secundi 
generis  Codices  (CV)  mixtique  (M)  etiam  ex  parte  non  solom 
scribendi  erroribus  satis  multis,  sed  etiam  interpolationibus  labo- 
rent ;  ad  tertii  deniqne  generis  Codices  (S),  quamquam  vitiis  band 
paucis  inquinati  eint,  saepe  tarnen  velut  ad  arbitros  confagiendum 
esse  existimavi.  Hoc  tarnen  ex  locis  a  me  traotatis  mihi  apparere 
yidetnr,  si  errores  tantum  scribendi  spectemos,  cnm  CV  potias 
coniungendum  esse  codicem  S,  interpolationibus  tarnen  plerisque 
vacare,  quibns  abundant  illi. 

Redeamus  nunc  ad  codicem  nostram  Yaticanum  2249,  quem 
Κ  littera  signare  übet.  Qui  quamquam,  ut  dixi,  aetate  pariter 
ac  bonitate  ceteris  praestat,  nuUus  tamen  illorum  ex  eo  descriptns 
esse  potest.  Vitia  enim  praebet  nonnnlia,  quae  in  nullo  alio  co- 
dice  inveniuntur.  Praef.  10  (p.  2,  29  Sylb.)  praebet  ibti  και  tuüv 
θυσιών  (καΐ  τών  θυσιών  ibei  cett),  II  85  (ρ.  33,  37)  cm.  solue 
ψυχήν,  ac  continuo  post  praebet  προσονομά2!ουσι  pro  προσαγο- 
ρεύουσι,  ΠΙ  22  (ρ.  42,  Ι)  praebet  έκάλεσαν  pro  ώνόμασαν,  V 
22  (ρ.  73,  16—17)  om.  solus  verba  έν  τή  κοιλίφ  τής  καρδίας* 
οΐ  bk  έν  τψ  αϊματι  *  και  οΐ  μέν,  VII  21  (ρ.  105,  42)  praebet 
θεραπεύων  pro  ιατρβΰων,  VIII  4  (ρ.  111,  17 — 18)  om.  βοΐοβ 
verba  άφορώντες  άλλα  τόν  οϊνον  θαυμάϊοντες,  IX  69  (ρ.  134,  40) 
praebet  βίον  pro  χρόνον. 

Hie  expositis  alii  loci  afferendi  sunt,  nbi  Κ  codex  solus 
veram  scripturam  servavisse  videtur.  IV  53  (p.  65,  21)  praebent 
βςίστον  απόντων  τών  ποιητών  BLMCV,  et  ^ςίστον  άπάντιυν  τών 
ποιήσ€ΐυν  S,  quam  scripturam  in  codiee  etiam  Palatino  214  in- 
venit  Sylburgius,  edidit  autem  e  coniectura  βςίστον  όπασών  τών 
ποιήσεων ;  veram  scripturam  ^ςίστον  απάντων  τών  ποιητέων 
servavit  Κ.  Recte  etiam  ήβρυσμένων  praebet  V  8  (ρ.  70,  45) 
(ήβρυσμένων  S,  ήβρισμένων  BL,  ήκριβωμένων  V  et  Pal.  214, 
om.  MC).  V  14  (ρ.  71,  37)  inter  verba  Philolai  formam  doricam 
σάματι  solus  servavit  (σώματι  BL,  σήματι  MSCV  et  Clementis 
cod.  L).  Denique  animadvertendum  est,  IV  11  (p.  57,  45)  eolum 
eum  praebere  Έκφαντος,  quam  scripturam  coniirmat  Stobaeus 
(Έκφατος  BL•,  Διόφαντος  MSCV),  sicut  IV  12  (p.  58,  3)  Mva- 
Οέου  (non  Μνασαίου)  cum  Plutarcho. 

Satis    igitur   demonstrasse    mihi    videor,    Κ  codicem,    com 


Analecta  Theodoretiana  45χ 

• 

locis  haud  paucis  propriae  soripturas,  bonas  aliae,  alias  pravas, 
exhibeat,  nnllo  modo  neglegendura  eese.  Saepius  vero  accidit, 
nt  looiR,  nbi  ceteri  codicee  inter  se  diseentiunt,  a  Κ  oodice  scri- 
ptura  alterutra  confirmetur.  Itaqne  quid  ipse  scripeerit  Tbeodo- 
retus,  Duno  certius  quam  antea  diiudicare  poesumae. 

Nee  dubinm  esse  poteet,  quin  ad  Codices  optimoe  BL  pro- 
xime  accedat  codex  E.  Cum  hnios  generis  oodioibos  id  commnne 
habet,  ut  praefatio  operis  inscribatar  προθειυρία  (deest  tarnen  ini- 
tium  in  L),  cum  in  oeteris  aut  verbo  ύπόθ€(Τΐς  aut  omnino  non 
inscribatur.  Praeterea  vitia  nonnuUa  maioris  momenti  cum  illis 
oommunia  habet.  Π  9  (ρ.  22,  37)  cum  BL  om.  αρχήν,  quod 
desiderari  nequit,  Π  24  (ρ.  25,  10)  cum  iisdem  praebet  μνημο- 
νικόν  pro  μή  μόνιμον,  IV  59  (ρ.  66,  20)  cum  iisdem  verba  μ€- 
γαλαυχουσιν  οδτε  σμικρυνόμενοι  pessime  transposuit  post  κι- 
χρώμεναι,  V  77  (ρ.  83,  22)  cum  BLM  om.  verba  και  αρετής 
έφιέμεθα,  VI  30  (ρ.  90,  25)  cum  L  om.  verba  τής  μεγίστης 
πόλεως  τούδε,  et  lacuna  est  in  B,  VII  9  (p.  103,  53)  cum  BL 
om.  verba  (ΤεμνολογοΟσι  και.  Denique  totam  sectionem  X  27 
om.  cum  BL,  dubium  rectene. 

Quamquam  igitur  ad  BL  propius  accedit  Κ  quam  ad  ceteros 
omnes»  non  tamen  cum  iis  prorsus  in  unum  coniciendus  est ;  mnlto 
enim  artiore  vinculo  illi  inter  se  conexi  sunt.  Antea  autem,  Ε 
oodice  nondum  adhibito,  saepius  locus  erat  dubitationi ;  magno 
enim  aestimandi  erant  BL,  neque  tamen  omnibus  locis  sequendi. 
Nunc  vero,  ubi  accessit  auctoritas  codicis  K,  affirmandum  non  est 
illud  quidem,  hunc  cum  illis  consentientem  semper  veram  scripta^ 
ram  exhibere  —  nam  vitia  quaedam,  ut  demonstravi,  communis 
habent  — ;  at  si  ceterorum  codicura  scriptura  a  Κ  confirmatur, 
errorem  codicum  BL  plerumque  deprehendere  licet.  Minatos 
igitur  est  numerus  locorum  dubitationi  obnoxiorum. 

Exempla  aflFero  haec.  I  54  (p.  12,9)  cum  SCVBrp.  Μγρ. 
praebet  τττίλοις,  non  πτεροΐς,  quod  exhibent  BLM,  et  quod  in 
illo  proverbio,  de  quo  agitur  (τοις  σουτου  πτεροϊς  ήλως),  alibi 
quoque  invenimus.  De  hoc  loco  in  dissertatione  mea  (p.  53)  du- 
bitaveram;  nunc  vero  in  codicibus  BLM  interpolationem  subesse 
potius  crediderira.  U  25  (p.  25,  13)  manifesta  corruptela  codi- 
cum BL  τήν  του  τερατώδους  Πυθαγόρου  σοφίαν  pro  τήν  τερα- 
τώδη Πυθαγόρου  σοφίαν  in  Κ  ηοη  invenitur;  rectius  etiam  II 
94  (ρ.  34,  48)  αποστολική  καΐ  προφητική  idem  praebet  cum 
MSCV  quam  προφητική  καΐ  αποστολική  BL  (cf.  dies,  mea  p.  49). 
Praetulerim  etiam  II  101  (p.  iJ5,  47)  scripturam  codicura  KMSCY 


452  R  a  θ  d  e  r 

όνομά2ΐ€ται  (προσογορεύετοι  BL).  Eadem  ratione  errores  co- 
dicum  BL  deprebenduntur  locis,  qui  sequuntur:  III  75  (p.  49,  52) 
τάς  άγαλματοττοΛας  pro  της  άγαλματοποιίος  τά  πλείστα,  III 
105  (ρ.  55,  31)  φιλίαν  pro  bouXeiov,  IV  03  (ρ.  67,  7)  ουναμίνην 
pro  οοπανιυμένην,  IX  11  (ρ.  124,40)  πολιτείαν  BLMV  pro  ήγε- 
μονίαν,  IX  21  (ρ.  126,  38)  νομοθετών  BLMV  pro  νόμων.  Deni- 
que  XI  5  (ρ.  152,  l^)  forma  eoloeca  γνώσησθε  a  BL  praebita, 
qnam  in  diseertatione  mea  (p.  72)  prorsue  respaere  ausue  non 
sum,  a  Κ  non  confirmatur;  praebet  enim  γνώτε  cum  ceteris  ple- 
rieque  (γνώσητε  Μ). 

Sunt  etiam  loci,  ubi  Κ  codex  cum  uno  vel  paucis  oodicibas 
eorum,  qui  generie  diverei  sunt,  scripturam  babeat  commnnem, 
quae  vera  esse  videatur.  Praef.  5  (p.  1,  32)  non  dubito,  quin 
recte  praebeant  σοφών  KS,  om.  autem  ceteri.  Etiam  Praef.  13 
(p.  3,  7)  melior  est  scriptura  ούοέν  προγινώσκοντες,  qnam  prae- 
bent  Κ8Βγρ.  Μγρ.  Ογρ.,  quam  altera  scriptura  a  BMCV  exbibita, 
ούοέ  μέρος  γινώσκοντες,  et  Praef.  17  (ρ.  Η,  35)  ante  είρημένίλΐν 
bene  addunt  εο  KM.  Recte  iidem  et  VS  m.  sec.  V  3  (p.  69,  35) 
praebent  αυτήν  pro  αύτη,  et  XII  65  (p.  174,50)  όρώντα  poet 
μαχομένας  recte  praebent  RS  soli,  om.  autem  LM,  et  poet  bta- 
κωλύειν  exbibent  CL  m.  eec.  Neque  tamen  semper  pro  vera  ha- 
benda  est  ea  scriptura,  quam  Κ  codex  cum  codicibus  generis  di- 
verei communem  babet.  Sunt  enim  vitia  quoque  communia  locie 
nonnullis,  eins  tamen  generie,  ut  ea  de  causa  dubitari  non  liceat, 
quin  cum  BL  codicibus  Κ  artius  cohaereat.  Nam  levia  quaedam 
vitia  eiusmodi  sunt,  ut  et  hie  et  illic  casu  oriri  potuerint. 

I  49  (p.  11,  20)  τών  φιλοα;όφων  τά  δόγματα  praebent  KiS 
pro  τά  τών  φιλοσόφων  δόγματα,  Ι  86  (ρ.  15,  33)  βοών  pro 
εΙπών,  Ι  90  (ρ.  16,  9)  ώνόμασεν  KV  (εϊπε  S,  έκάλεσε  BLMC, 
praecedit  autem  aliud  έκάλεσε),  V  6  (ρ.  70,  15)  bia  του  προ- 
φήτου προσενεγκών  ΚΜ  pro  ττροσενεγκών  οιά  του  προφήτου, 
V  71  (ρ.  82,  14)  λόγους  KSCV  pro  λόχους,  V1I1  17  (ρ.  113,44) 
πυράν  νήσας  καΐ  εαυτόν  γε  καθείς  KS  (καταθείς  recte  BL,  έν 
τώ  ποταμώ  πλησιάίοντί  γε  εαυτόν  καθείς  CV  per  interpolatio- 
nem),  IX  60  (ρ.  133,  8)  om.  νόμων  KC,  nee  potest  desiderari, 
sed  post  σκυτοτόμου  facile  excidere  potuit,  IX  72  (p.  135,  2) 
πόλις  KSC  pro  πολιάς.  Magie  dubito  de  VIll  52  (p.  119,42), 
ubi  scriptura  codicum  BLMV  της  τών  πραγμάτων  βοώσης  αλη- 
θείας melior  mihi  videtur  quam  illa  codicum  KSC  τής  τών 
πραγμάτων  φωνής  βοώσης,  quae  interpolationem  ölet. 

Eestant  loci,  ubi  cum  BL  consentit  K.     Apparet  antem,  ei 


Analectft  Theodoretiftna  453 

hi  inter  ee  artine  conexi  »int,  hie  locis  minus  valere  codicie  Ε 
teetimonium  quam  illic,  ubi  cum  alterine  generie  codicibne  con- 
sentiat,  ac  locoe  iam  attnli,  nbi  iili  vitia  communia  exhiberent. 
Sed  est  etiam,  nbi  veram  ecripturam  tradant.  Praetnli  iam  antea 
1  21  (p.  7,  18)  ecripturam  codicnm  BL  φησί  (pro  φα(Τΐ)  sicut 
IV  67  (p.  68,  7)  eornndem  τερετιίόντιυν  (pro  κιθαριίόντων,  quod 
inepte  dicitur  de  cicadie);  utrubique  antem  Κ  cum  BL  consentit. 
Praeterea  IV  70  (p.  68,  37)  meliue  KBLM  άσπαρτος  καΐ  άνή- 
ροτος  (verba  sunt  Homeri  ι  123)  quam  SCV  άνήροτος  και 
δσπαρτος,  sicut  V  75  (ρ.  82,  47)  meliue  KBLS  καταστίλλων 
quam  MCV  κατασπών.  VII Γ  Γι 6  (ρ.  122,  24)  scriptura  codicnm 
BL  α\  bk  τί  γάμος  ουκ  επισταμένοι  a  Κ  oonfirmatur  (ίτι  γάμους 
SCV  pro  τί  γάμος).  Sed  manifestum  est,  nnoquoqne  loco  rem 
diligenter  deliberandam  esse. 

Cum  maltis  locis  non  solum  ipsius  Theodoreti,  sed  eorum 
quoque  scriptorum,  quorum  verba  exscripsit,  Clementis  maxime 
et  Ensebii,  Codices  nobis  consulendi  sint,  hoc  loco  etiam  illud 
quaerendum  est,  quam  bene  Κ  codex  cum  bis  consentiat.  Cum 
vero  ex  ceteris  codicibus  BL  ad  dementem  et  Eusebium  pro- 
pins  accedant,  plura  etiam  ille  cum  iis  communia  habet.  Quod 
quamquam  ad  praestantiam  eins  comprobandam  non  nihil  valet, 
memoria  tamen  tenendum  est,  cum  locis  permultis  magna  negle- 
gentia  auctoree  suos  Theodoretus  exscripserit,  etiam  hoc  fieri  po- 
tuisse,  ut  scripturae  Clementis  vel  Eusebii  in  Theodoreti  Codices 
per  interpolationem  inferrentur. 

I  48  (p.  11,  14)  cum  LS  et  Eusebio  recte  ?χον  praebet  Κ 
(εχόντων  Β,  ίχοντος  Μ,  ίχοντα  CV),  VI  23  (ρ.  89,  Ι)  solus 
recte  praebet  καΐ  bx]  καθ'  $οην  (και  bt]  και  καθ'  $οην  ceteri, 
καΐ  γάρ  καθ*  &bηv  Clem.  et  Eus.),  VI  43  (ρ.  93,  11)  cum  C  et 
Fiat,  et  Eus.  praebet  br\  φώμεν  (Δημοφών  ceteri  corrupte),  IX 
38  (p.  129,  36)  Piatonis  ecripturam  ατελή  (του  γελοίου  σοφίας 
1>ρ€πόμ€νος  καρπόν)  servavit  Κ,  apud  Eusebium  vero  in  δτ€  bi\ 
corrupta  est,  et  ceteri  Theodoreti  Codices  sie  tradunt :  δτ€  bia 
BLSV,  δτε  br\  biä  MC.  Discimus  ex  hie  locie,  codicum  scripturas 
non  nimis  religiöse  servandas  nobis  esse. 

Sed  est  etiam,  ubi  Κ  codex,  etsi  cum  Theodoreti  fontibus 
consentiat.,  scripturam  tamen  ab  illo  alienam  conservasse  videatiir. 
I  107  (p.  18,  21)  in  ceteris  omnibus  codicibne  legimus  τήν  bk 
έπιστήμην  f£iv  άμετάπτωτον  μετά  λόγου;  Κ  solue  cum  Clemente 
(Strom  II  2,  9.  II  17,  76)  υπό  praebet  pro  μετά.  Videtur  e  de- 
mente illatum   esse.     VI  12  (p.  87,  4)  male   sequitur  C  et  Euse- 


454  Raeder 

bium  ούτω  bfe  και  τό  χρ€ών  εΙρήσθαι  praebene;  recte  autem  BL 
ούτω  bi  και  χρεών  παρά  τό  χρίος  είρήσθαι;  scilicet  eic  etiam 
apud  Eueebium  scribendam  est.  Quomodo  factum  sit,  at  II  80 
(p.  33,  8)  cum  CV  coneentiene  χρόνον  praebeat  K,  ne8<io  (λόγον 
BLMS,  τρόπον  Plat.  et  Clem.  et  Eue.).  Haec  habui  de  codice 
Vat.  2249  quae  dieeererem^ 


In  dieeertatione  mea,  quam  antea  commemoravi,  soriptores 
nonnulloe  indicavi ,  qui  Theodoreti  Corationem  exscripeerunt 
(p.  65  eqq.);  fuerunt  autem  Anaetaeiue  Sinaita  atque  Demo,  Ho- 
meri  interpree,  quae  vero  apud  Micbaelem  Glycam  Theodoreti 
verba  reperiuntur,  ab  bis  sumpta  esse  euspicatus  sum.  lie,  quae 
tunc  expoeui,  quaedam  addere  placet. 

Vidit  iam  GaisfordiuS;  partem  eorum,  quae  leguntur  apud 
Theodoretum  VI  26  eqq.,  apud  Suidam  inveniri  8.  v.  Πλάτων, 
sin  vero  Snidae  editionem  Bernhardianam  consulas,  non  haec  eo- 
lum,  eed  etiam  articuloR  Σαρόανάπαλος  et  Σατανάς  magna  ex 
parte  a  Theodoreto  eumptos  esse  invenias.  Neque  tarnen  exieti- 
mandum  CRt,  Theodoreti  Curationem  Suidae  notam  fuisse.  Apparet 
enim,  haec  omnia  Suidam  a  Georgio  Monacho  mutuatum  esse. 
Omnia,  quae  de  PlatoniR  doctrina  Suidae  narrat,  locique  ex  eiae 
soriptie  desumpti  iiedem  fere  verbis  leguntur  in  Georgii  Chron. 
II  8  (p.  58 — 62);  articuli  vero  Σαρόανάπαλος  et  Σατανάς  sumpti 
sunt  e  t  6  (p.  9—10)  et  II  7  (p.  55).  Haec  tarn  manifeeta  sunt, 
ut  pluribuB  verbie  opus  non  sit;  notum  autem  est,  permulta  om- 
nino  Georgii  apud  Suidam  reperiri^  Sed  cum  non  solum  Snidae 
Georgium,  verum  etiam  Georgius  Theodoretum  verbo  tenus  ex- 
scripserit,  factum  est,  ut  haud  raro  ipsa  Theodoreti  verba  apud 
Suidam  inveniantur^ 


^  De  codicibus  Theodoreti  Gurationis  haeo  addere  placet.    Aaser- 

vata  est  etiam  in  cod.  Vaticano  ürbinati  117  (saec.  XV),  fol.  1β9  eqq. 

Evuleia  autem  sex  quatemionibua,    lacuna  est  a  I  71  usque  ad  VI  37. 

Hie  codex  affinis  est  codioi  S,  quocum  praeter  alia  id  commune  habet, 

ut   praefatio    vocetur  οπόθ€σις»    et   ut  XI  34  novus    libri   tilulus  TTcpi 

μ€τ€μψυχώσ€ως  inveniatur.    Praeterea  initium  operis  usque  ad  I  27  in- 

venitur  in  cod.  Vaticano  1949,  fragmentum  exiguum  in  Vaticano  1898, 

aliud  in  Athoo  4508,  ut  indicat  Lambros  in  catalogo. 

^  Vid.    Krumbacher:    Geschichte    der    byzantinischen    Litteratur 
*  566  sq. 

^  Codicis  Vaticani   1296,    qui  Suidae    lexicon    oontinet,   primum 


Aualecta  Theodoretiana  455 

Sed  mnltis  locie  praeter  eos,  quoB  indicavi,  Georgius  Theo- 
doretnm  exscripsit  vel  compilavit.  Ego  eoe  afferam,  qui  mihi 
innotuerunt ;  sunt  fortaeRe  etiam  alii,  bis  vero  satie  res  demon- 
stratur.  I  6  (p.  9)  quae  de  Sardanapalo  tradit  GeorgiuR,  a  Theo- 
doreto  XII  98—94  sumpeit.  Tum  vero  II  6  (p.  52—53)  de  bar- 
baris  artium  inventoribus  Tb.  I  19—20  sequitur.  Dein  traneit 
ad  pbilosopborum  sententias  de  mundo  exponendas  Tb.  IV  16 
secutue.  Anaxagoram  et  Pytbagoram  et  Platonem  ab  Aegyptiis 
edoctos  esse  (p.  54),  sumpRit  a  Tb.  II  23 — 24.  Sequitur  ex- 
positio  de  deorum  gentium  origine ;  quae  de  ea  disputat  Georgine 
(p.  54—55),  omnia  compilavit  e  Tb.  III  7.  44.  49.  85.  23—33. 
59,  quae  vero  eequuntur  de  Satana  (p.  55—56),  sumpeit  a  Tb. 
III  100—102.  Dein  (p.  58  —  57)  barbarorum  virtutee  extollit; 
utitur  autem  verbis  Tbeodoreti  V  60—75.  In  capite  sequenti 
(Π  8)  agit  de  Piatone.  Praemittuntur  quaedam  de  atomis  eumpta 
a  Tb.  IV  10,  dein  vero  aliorum  pbilosopborum  sententiae  de  for- 
tona  et  fato  exponuntur.  Sequitur  autem  (p.  57  —  58)  Tb.  VI  14 
— 15.  9.  7.  V  48.  28.  Ceteris  pbilosopbis  Platonem  opponit, 
qnippe  qui  liberum  bominum  arbitrium  esse  oontenderit  Deumqne 
mali  cauRam  esse  negaverit  (p.  58 — 61);  verba  exscripeit  Tbeo- 
doreti V  29—30.  33.  44-47.  II  33—34.  V  34—35.  37—88. 
VI  26—31.  Statim  subiungit  Platonis  sententias  de  iudicio  post 
mortem  futuro  (p.  61 — 62);  sequitur  autem  Tb.  I  119.  XI  25 
—  27.  Haec  vero  omnia  Platonem  in  Aegypto  ab  Hebraeis  di- 
dicisse  ait;  addit  autem  verba  eiusdem,  quae  affert  Tb.  II  78. 
Denique  iteratis,  quae  de  falsis  gentium  opinionibus  antea  dispu- 
taverat  (affert  autem  p.  64  verba  Tbeodoreti  III  86),  iisdem  ver- 
bis utens,  quibus  utitur  Tb.  VI  87 — 88,  post  Cbristi  adventum 
omnia  oommutata  esse  contendit  (p.  64). 

His  locis  e  posterioribue  Cbronicorum  partibus  alii  addendi 
sunt,  qui  ipsi  quoque  a  Tbeodoreto  snmpti  sunt.  III  119  (p.  261) 
de  anacboretis  agit  iisdem  verbis,  quibus  utitur  Tb.  III  92  —  93. 
Transit  deinde  ad  virtutem  activam  tractandam  (p.  261  —  266), 
Tbeodoretum    ut    antea    exscribens  (XII   4 — 7.  35—36.  30 — 31. 


folium  atque  ultimum  (fol.  55B)  quaedam  e  Tbeodoreti  Cnratione  oon- 
tinere  ait  Mercati  (Giovanni  Mercati:  Note  di  letteratura  biblica  e 
cristiana  antica  p.  210  sq.).     At  sunt  re  vera  Georgii:  fol.  1  ine.  άλλα 

καΐ  δλλοις ,    des διαρρήδην  ot  προφήται   διδάσκουσιν  πα 

(i    e.  Georg.  Cbron.   II  8   (ρ.  ί)0 — fil)),    fol.   556    ine.    καταλύσβως    καΐ 

ίστιν  φησίν ,  des ή  προς  τό  οΟς  ήχος  έγέ  (i.  e.  Georg. 

ChroD.  Π  6  (ρ.  51-53)). 


456  Raeder 

II  36—37.  XII  43— 46.  53.  55—57).  Denique  IV  218  (ρ.  530 -- 
531)  de  aniinarum  aeternitate  ac  iudicio  supremo  agit  secutu« 
Th.  II  22.    V  13.    XI  40-41.  35. 

Facile  est  intellegere,  maxima  socordia  in  Theodoreto  ex- 
ecribendo  Georgium  egisse.  Logos  Theodoreti  e  diversie  Cura- 
tionis  partibus  petitos  alium  alii  subiecit,  paucis  commutatis  vel 
omissis  vel  de  euo  additis.  Evenit  autem,  ut  verba  Theodoreto 
apta,  eibi  inepta  immutata  reliquerit.  Loquitur  Theodoretus  V 
73  de  Ismaelitis,  de  quibue  utitur  verbis  oi  νομάοες,  o\  ήμίτ€ροι 
πρόίΤχιυροί;  etiam  apud  Georgium  p.  56  legiraus  oi  παρ'  ήμϊν 
νομάδες  και  πρόσχιυροι;  dicit  Theodoretus  V  72,  de  Persarum 
ingenio  testari  posse,  €i  τις  vöv  πρ€σβ€ύα)ν  f|  στρατηγών  ή 
έμπορίαν  τινά  μετιών  αύτοΐς  (Τυνεγενετο;  idem  dicit  Georgias 
ρ.  56,  cuius  tempore  Persarum  regiium  occiderat.  Legimus  apud 
Georgium  p.  57 :  και  γουν  Δημόκριτος  περί  τούτου  ουτιυς  εΐ- 
πεν*  και  γαρ  τά  μέν  έκ  θεού  πάντες  έχομεν,  τά  bk  έκ  τής 
είμαρμίνης  και  τύχης  και  τών  σμικροτάτων  εκείνων  σωμάτων 
και  προοήλως  φερομένων  άνω  και  κάτω  παλλομένων  και  περι- 
πλεκομένων  τε  και  διισταμένων  και  περιφερόμενων  H  ανάγκης, 
quae  verba  aliquantum  mutata  sumpsit  a  Th.  VI  9;  Democritum 
vero  ita  locutum  esse,  non  dixerat  Theodoretus.  Statim  sub- 
iungit  haec  verba  a  Th.  VI  7  sumpta:  άφ'  ου  ου  μόνον  πλοίι- 
τον  και  πενίαν  και  ύγίειαν  και  νόσον  και  οουλείαν  και  έλευ- 
θερίαν  και  πόλεμον  και  είρήνην  οιανέμειν,  άλλα  και  άρετήν  και 
κακίαν  άποκληρουν  ^φη,  ubi  illud  άφ'  ου,  quod  deest  apud  Theo* 
doretum,  nihil  habet,  quo  respiciat;  ceterum  Theodoretus  non 
Democrito,    sed  Aristoteli   haec  verba    tribuerat.     Similiter   quae 

III  49  de  Graecis  narraverat  Theodoretus,  dicit  Georgius  p.  54 
de  Aegyptiis,  nam  quae  praecedunt  (apud  Th.  III  44),  dicta  erant 
de  Aegyptiis,  neo  melius  p.  55  Romani  dicuntur  malos  daemonas 
ut  deos  coluisse,  nam  de  illis  non  loqnitnr  Th.  III  59. 

Accidit  etiam,  ut  verba  Theodoreti  prorsus  mataverit  Geor- 
gius vel  alium  sensnm  iis  subdiderit;  plernmque  enim  male  in- 
tellexisse  videtur.  Sicut  cum  Theodoretus  IV  10  de  parvie  illis 
corporibus  locutus  esset,  ά  bia  των  ςκυτύγωγών  εισβάλλων  ό 
ήλιος  οείκνυσιν  έν  έαυτώ  άνω  και  κάτω  παλλόμενα,  dicit  Geor- 
gius ρ.  57 :  δείκνυσιν  εαυτόν  άνω  και  κάτω  παλλόμενον;  quam- 
quam  hoc  fortasse  librariis  imputare  licet.  Male  vero  intellexit 
Theodoreti  verba  XII  57 :  και  ό  Σωκράτης  bfe  φυλάττεσθαι  έκέ- 
λευσε  τά  άναπείθοντα  μη  πεινώντας  έσθίειν  και  μή  διψώντας 
πίνειν,    quae  sie  reddidit   ρ.  266:    έτι  bfe  πάλιν  Σωκράτης  φυ- 


Analecta  Theodoretiana  457 

λάττεσθαι  σφόδρα  και  παρατηρεϊσθαι  τήν  άκρασίαν  διδάσκων 
?φη,  μή  π€ΐνώντας  λίαν  έσθίειν  και  μή  διψώντας  πολλά  πί- 
νειν.  Seneus  igitur  plane  commatatas  est.  Α  lue  locie  sensu  non 
commulato  paaca  addidit  de  suo.  Dixit  Th.  V  46 :  ό  δέ  *Αρΐ(Ττο• 
τίλης  έτι  ίαιντι  τώ  Πλάτωνι  προφανώς  άντετάΗατο;  legimus 
apud  Georgiuro  ρ.  58:  Αριστοτέλης  ό  τάλας  et  προφανώς  τε 
και  άναισχύντιυς.  Infra  Th.  V  47:  και  γαρ  δή  την  ψυχήν 
εκείνου  φάντος  άθάνατον,  ούτος  Ιφη  θνητήν,  Georgine  vero 
ρ.  59:  καΐ  γάρ  δή  τήν  ψυχήν  εκείνου  είπόντος  τριμερή  και 
άθάνατον  τε  και  θεοειδή,  αυτός  θνητήν  ?φη  και  έπίκαιρον. 

Quaerendnm  est  denique,  quid  verba  genuina  Theodoreti 
nobis  restituere  conantibus  excerpta  Georgii  valeant.  Confiten- 
dum  est,  cum  ipse  Georgine  Theodoretnm  exscripserit  negle- 
gentissime,  ac  praeterea  opus  illius  pessime  editum  sit,  nibil  fere 
enbsidii  ex  eo  peti  posse.  Locis  tarnen  quibusdam  utile  erit  in- 
dicare,  quibuscum  codicibuR  nostris  consentiat  Georgine.  Tgitur 
III  100  (p.  54,  23)  om.  Georgine  verba  ή  θεία  τραφή  i^uni 
KBLS,  III  101  (ρ.  54,  33)  exbibet  του  τύφου  τό  πάθος  cum 
KBL,  ibid.  (ρ.  54,  39)  om.  ό  cum  KBLS,  VI  30  (p.  90,  2"))  om. 
verba  τής  μεγίστης  πόλειυς  τούδε  cum  KL  (lacnna  est  in  B). 
Knrene  antem  V  75  (p.  82,  47)  cum  MCV  praebet  κατασπών,  non 
καταστ^λλιυν,  et  VI  30  (p.  90,  26)  praebet  γενέσθαι  cum  CV 
(γίνεσθοι  cett);  praeterea  antem  V  30  (p.  74,37)  cum  KM  et 
Plat.  et  Eus.  om.  verba  είναι  αρχήν  fj;  ibidem  vero  (p.  74,  ^8) 
cum  Plat.  et  Eus.  praebet  άνθέλκειν  τοις  άλλοις  νεύροις  ?καστον, 
atque  sie  etiam  apud  Tbeodoretum  ecribendum  esee  videtur  (άν- 
ΘΛκειν  τοις  άλλοις  μετρίοις  ?καστον  Κ,  άνθίλκειν  μετρίως  τών 
τοις  άλλοις  ίκαστον  μετρίως  ίκαστον  Μ,  άνθίλκειν  μετρίως 
τών  άλλων  ίκαστον  cett.). 

lam  in  diseertatione  mea  (ρ.  66)  annotavi,  locoe  Theodoreti 
III  100—102,  VI  30—31,  VII  16-21,  XII  89—94  etiam  ab 
Anaetaeio  Sinaita  execriptoe  eeee.  Vidimue  nunc,  eoedem  fere 
locoe  (praeter  VII  16 — 21)  a  Georgio  execriptoe  esse,  sed  plnree 
etiam  hie  addidit.  Accedit,  quod  locis  modo  indicatie,  ubi  co- 
dicum  ecripturae  differunt,  cum  Georgio  coneentit  Anaetaeiue, 
ac  praeterea  pro  verbis  Theodoreti  VI  31  (p.  90,  37—39)  και 
ταύτα  Ησαΐας  και  Ίείεκιήλ  και  πάντες  ο\  προφήται  οιαρρήδην 
οιοάσκουσι  exhibent  illi  ως  [διαρρήδην  Georg.,  και  Anast.]  ο\ 
προφήται  διδάσκουσι.  Quo  modo  explicabimne  lianc  congruen- 
tiam  inter  Anaetaeium  atque  Georgium  ?  Execribere  AnastaHium 
Georgiue  non  potuit,  quia  locoe  mnlto  plnree  hie  exhibet,  nee  ei 


458  R  a  e  d  e  Γ 

quis  contendat,  illa  Anastaeii  capita  spuria  esse  et  e  Geor^rio  ex• 
scripta,  boc  ei  credere  possumus;  nam  e  Georgio  nemo  intellegere 
potest,  omnia  sumpta  esse  a  Tbeodoreto,  quod  dieerte  indicatur 
apud  Anastasiam.  Nihil  igitur  relinquitar,  niei  nt  excerpta  qaae- 
dam  e  Theodoreti  Curatione  iam  antiquitae  facta  esse  soBpicemar, 
e  quibus  et  Anaetasium  et  Georgiam  sua  baueisee  credendam  «it. 

Exstat  etiam  fragmentum  libri  nuper  repertum,  in  quo  qnae- 
dam  inveninntur  e  Tbeodoreti  Curatione  execripta.  £didit  Mer- 
cati  in  libro,  quem  antea  commemoravimus  ^,  e  codioe  palimpeeeto 
Vaticano  1853.  Fragmentum  eet  martyrii  Tropbimi,  qui  cum 
praefecto  (ήγεμόνι)  aliquo  altercane  inducitur,  ita  ut  a  poetie  et 
ecriptoribns  antiquis  nterque  arma  petat.  Recte  vidit  Mercati, 
locos  ecriptorum  antiquorum  eoedem  Tropbimum  afferre,  qui  in- 
veniantur  apud  Tbeodoretum  VI  22 — 34,  Epicbarmi,  Dipbiii,  Pin- 
dari,  Platonie,  Mosie,  atqne  ordine  quoque  eodem.  Neqne  locos 
solum  affert  eoedem;  iisdem  verbie  etiam  ntitur  Tropbimus,  qui* 
bu8  ipee  Tbeodoretiifl,  mutatiR  tantum,  quae  res  mutare  iubebant, 
ei  excipiae  discrepantias  quaedam  exignae.  Sicut  Theodoretus  VI 
27,  allatis  verbie  Platonie  Legg.  IV  p.  715  Ε — 716  Β,  sie  pro- 
eequitur:  bxa  τούτιυν  6  φιλόσοφος  και  τόν  του  παντός  ^€ΐΕ€ 
κηί)€μόνα  και  την  έπί  τινιυν  Ισθ'  δττη  μακροθυμίαν  και  τήν  ίν- 
τευθεν  τοις  άνοήτοις  προσγινομ^νην  λώβην  και  τήν  εΙς  ύστερον 
αύτοΐς  έπιφερομ^νην  πανωλεθρίαν.  Eadem  fere  Tropbimus  prae- 
fecto :  ίχεις  bia  τούτιυν  έπιγνώναι,  εΐ  βουλει,  και  τόν  τών  πάν- 
των κηδεμόνα  και  τήν  έπί  τίνων  μακροθυμίαν  ?σθ'  δπτι  και  τήν 
προσγινομένην  λώβην  τοις  κατά  σέ  άνοήτοις  κα\  τήν  έπαχθη- 
σομένην  αύτοϊς  πανωλεθρίαν  εΙς  ύστερον.  Mutata  eane  est  ver- 
borum  collocatio,  ac  praeterea  verba  Theodoreti  coUoquio  aptata 
eunt  (ίχεις  έπιγνώναι  —  τοις  κατά  σέ  άνοήτοις);  cetera  omnia 
congruunt. 

Mihi  quidem  dubium  eege  non  poteet,  quin  is,  qui  marty- 
riura  confecit,  Tbeodoretum  exeeripeerit.  Dubitat  eane  Mercati 
et  ex  uno  fönte  utrumque  haueiese  potiue  exietimat.  Ar  locoe, 
de  quibue  hie  agitiir,  ab  Eueebio  eumpeit  Tbeodoretue,  neqne  iure 
obici  poteet,  me  quoque  locie  quibuedam  aliunde  Tbeodoretum 
baueieee  opinatum  eeee  (vid.  Mercati  p.  221);  illie  enim  locie, 
ubi  omnia  Theodoreti  cum  Eueebianie  optime  congruunt,  alii  fonti 

^  Giovanni  Mercati:  Note  di  letteratura  biblica  e  cristiana  antica 
(Komae  1901),  cap.  15,  p.  207  sqq.  (  Un'  apologia  antiellenica  sotto 
forma  di  martirio*). 


Analecta  Theodoretiana  469 

Dullue  relinquitur  loous;  nam  Eusebium  sexcenties  exscripsit  Theo- 
doretus.  Nee  maiore  iure  huic  eententiae  obici  potest,  in  mar- 
tyrio  duos  locoe  Homeri  (E  392 — 400,  Α  2^6)  aflferri,  qui  apud 
Theodoretum  non  inveniantür;  verba  enim  Homeri  non  afferuntur 
a  Trophimo,  eed  a  praefecto.  Scilicet  ree  ita  ee  habet,  ut  uter- 
qne  poetarum  atqne  ecriptomm  locis  utatur,  cum  praefectus 
ChriRtianoe  Deumque  eorum  irrideat,  Trophimus  Dei  providentiae 
confidendum  esse  antiquorum  testimoniis  adhibitis  demonntret. 
Itaqne  qui  martyrium  conscripeit,  Trophimo  e  Theodoreti  arma- 
mentario  tela  ministravit,  praefecto  vero  eumpsit  aliunde.  Neque 
tarnen  pro  certo  coniirmari  poteet,  ipsam  Theodoretum  enm  legisee. 
Nam  cum  loci  e  Theodoreto  execripti  (VI  22 — 34)  iidem  fere 
eint,  qui  etiam  apud  Anastasium  et  Georgium  inveniuntur,  fieri 
potest,  ut  ille  quoque  excerptis  usus  eit. 

Cum  palimpsestue  codex ,  qui  Trophirai  martyrium  con- 
tinet,  Omnibus  Theodoreti  codicibus  aetate  praestet  (videtur  eese 
saeculi  IX),  quaerendum  est  denique,  quidnam  nobis  eubeidii  ad 
Theodoreti  textum  recensendum  praebeat.  Sed  vel  ea  de  causa 
minus  praebet  martyrium,  quia  non  omnia  Theodoreti  verba  dili- 
gentissime  ibi  exscripta  sunt.  Sicut  VI  23  (p.  88,51)  pro  Theo- 
doreti verbis  αληθή  φιλοσοφίαν  τή  κωμψΜςι  προ(ΤμίΗας  in  mar- 
tyrio  legimus  τή  κωμψοίςι  φιλοσοφιαν  αληθή  έπιμίΗας,  ibid. 
(ρ.  89,  1)  γνωρίίομεν  pro  νομίΣομεν,  VI  25  (ρ.  89,  16)  άκάματον 
pro  τταναλκή.  Kursus  autem  in  locis  ab  ipso  Theodoreto  negle- 
genter  e  fontibus  exscriptis  cum  eo  aliquoties  consentit  martyrium, 
ut  VI  22  (p.  88,  48)  uterque  praebet  οιαφεύγει  (έκφεύγει  Cle- 
mens et  Eusebius),  VI  23  (p.  89,  1)  και  bi\  και  καθ'  ^bou  mar- 
tyrium cum  Theodoreti  Μ  (^ί)ην  ceteri  codd.,  και  vero  posterius, 
quod  cum  metro  discrepat,  om.  solus  Theodoreti  E;  και  γαρ 
καθ'  ^οην  Clem.  et  Eus.),  ibid.  (p.  89,5)  ante  θεός  add.  6 
cum  Theodoreti  M8.  Videtur  igitur  ma^yrium  Μ  codioem  magis 
quam  oeteros  sequi,  sed  VI  26  (p.  89,  32)  cum  EL  add.  και  post 
φλέγεται,  verba  autem  sequentia  τήν  ψυχήν  exhibet,  quae  de- 
sunt  in  M.  Ceterum  Μ  codex  non  est  inter  optimos;  quaedam 
tamen  vitia  eius  iam  antiquo  tempore  orta  esse  videntur. 

Quamquam  igitur  ad  textum  recensendum  vel  emendaodum 
nihil  fere  adiuvamur  ab  iis,  qui  Theodoretum  exscripserunt,  id 
ipsum  tamen,  quod  toties  exscriptus  est,  dignum  est,  quod  anim- 
advertamus.  Apparet,  Theodoretum  saeculis  proximis  ac  Byzan- 
tinorum  quoque  aetate  magis  lectum  esse ,  quam  ego  aliique 
credidimus. 

Hauniae.  loann««  Β*^^^^τ« 


MISCELLEN 


Eine  Anspielang  in  dem  Zeushymnae  des  Kallinaehos 

Der  Kn8tehung8zeit  des  ersten  Hyranae  des  Kalliniachoe 
muss  die  neuere  Forschung  den  immerhin  noch  erhehlichen  Spiel- 
raum zwischen  den  Jahren  285,  284,  281/279,  280,  278,  275. 
271  und  266  lassen,  ohne  dass  nicht  gegeu  jedes  einzelne  der 
genannten  Jahre  gewichtige  Gründe  genug  sprächen,  die  den  An- 
satz als  mindestens  zweifelhaft  erscheinen  Hessen.  Sicher  ist, 
dass  nur  durch  Feststellung  von  Anspielungen  auf  Litteratur,  vor- 
nehmlich aher  auf  aktuelle  Politik  und  Geschichte,  die  dem 
Dichter  ein  Rüstzeug  seiner  Muse  werden,  eine  chronologische 
Fixirung  seiner  Gedichte  ermöglicht  wird,  ebenso  eicher  aber, 
dass  dies  an  sich  gewiss  richtige  Verfahren  durch  allzu  grosse 
philologische  Spürkraft  so  forcirt  ist,  dass  die  Erklärung  der 
Hymnen  darunter  gelitten  hat.  Um  zu  einem  endgültigen  ürtheil 
über  die  Datirung  zu  gelangen,  wird  es  noch  vieler  neuer  Argu- 
mente bedürfen;  auf  einen  Anhaltspunkt  für  den  I.  Hymnus  sollen 
die  nachfolgenden  Zeilen  hinweisen. 

In  dem  Haupttheil  des  Gedichts  wird  Zeus  als  der  Be- 
schützer der  Könige  gepriesen.  Nicht  der  der  Schiffahrt  Kundige, 
nicht  der  Krieger  oder  Sänger  sind  seine  Schützlinge  —  sie  alle 
sind  der  Fürsorge  geringerer  Götter  anheimgestellt  —  sondern 
die   Herrscher  (79  f.) 

έκ  6έ  Διός  βασιλήες*  έπε!  Διός  ουδέν  άνάκτιυν 

θειότερον.  (so  die  Hss.). 
Dies  Satzgefüge  hat  wegen  der  scheinbar  durch  nichts  motivirten 
unmittelbaren  Aufeinanderfolge  des  Wortes  Διός  von  jeher  den 
Erklärern  die  schwersten  Bedenken  verursacht,  und  bis  auf  den 
heutigen  Tag  bilden  <lie8e  Verse  eine  crux  philologorum.  Es 
kann  hier  nicht  der  Ort  sein,  die  zahllosen  Conjecturen  durch- 
zugehen, welche  man  zur  Heilung!  der  vermeintlich  verderbten 
Stelle  vorgeschlagen  hat;  doch  will  ich  in  Kürze  bemerken,  dass 
der  (offenbar  durch  Bergks  έπ'  ουδεος  veranlasste)  Vorschlag 
von  Wilamowitz  επι  χθονός  zu  lesen,  abgelehnt  werden  rauss: 
denn  abgesehen  davon,  dass  dieser  Zusatz  zu  farblos  ist  und  zq 
sehr  den  Eindruck  blossen  VersfüUsels  machen  würde,  trägt  er 
einen  ganz  fremden  Gedanken  in  den  Zusammenhang  hinein  und 
reiht  vor  allem  die  beiden  Gedanken    *die  Könige   stammen  von 


Miscellen  461 

Zeus'  und  *  nichts  ist  göttlicher  als  die  Herrscher  ohne  jede  Ver- 
mittelung  aneinander.  Der  einzige  Ausweg  zur  Rechtfertigung 
dieses  höchst  auffallenden  und  harten  Asyndetons  wäre  der,  einen 
Gegensatz  zu  statuiren ;  doch  wird  man  einen  solchen,  wofern 
die  Sache  nicht  etwa  auf  Spintisirerei  hinausläuft,  nirgendwo  zu 
entdecken  imstande  sein.  Deshalb  nehme  ich  keinen  Anstand  zu 
behaupten,  dass  eine  conjunctive  Partikel  auf  alle  Fälle  verlangt 
werden  muss,  um  klarzustellen,  dass  der  Satz  oubtv  άνάκτιυν 
Gcioxepov  als  Motivierung  der  vorangehenden  These  έκ  bfe  Διός 
βα(Τιλή6ς  gedacht  ist.  Zu  gewagt  scheint  es  mir,  mit  Vahlen 
(Berl.  Ak.  1895  p.  881  f.)  dem  Dichter  eine  überaus  knappe  Rede- 
weise, die  auch  dem  Sinne  nach  kaum  genügen  dürfte,  vindiciren 
zu  wollen   wie 

'έκ  bi  Διός  βασιλήες ,  έπ€ΐ  Διός. 

f  von  Zeus  stammen  die  Könige,  weil  sie  des  Zeus  sind'). 
Hierbei  ist  έκ  bk  Διός  βασιλήες  nicht  als  von  Kallimachos 
selber  herrührend,  sondern  als  Citat  eines  andern  Dichtere  (He- 
siod  Theog.  96)  aufzufassen.  Indess  ist  es  m.  E.  nicht  angängig, 
das  έπει  Διός  als  selbständiges  Kolon  von  den  folgenden  Worten 
abzutrennen  und  dann  mit  einem  harten  Asyndeton  fortzufahren; 
überdies  tritt  der  Gedanke  έκ  bk  Διός  βασιλήες  erst  in  das 
rechte  Licht,  wenn  man  voraussetzt,  dass  er  von  unserem  Dichter 
im  Gegensatz  zu  dem  von  anderen  Besungenen  angeführt  wird: 
man  preist  den  Hephaistos  als  Schntzgott  der  Schmiede,  den  Ares 
als  den  der  Krieger,  den  Phoebus  als  den  der  Sänger  —  nun 
emphatisch :  von  Zeus  aber  stammen  die  Könige  ab. 

Ich  glaube  der  Stelle  mit  Hülfe  einer  neuen  Interpretation 
beikommeu  zu  können^.  Bekanntlich  war  die  Dynastie  der 
Ptolemaeer  seit  Ptolemaeus  Soter  eine  absolute  Monarchie,  wie 
sie  strenger  wohl  kaum  gedacht  werden  kann.  Eine  tiefe  EJuft 
ist  zwischen  dem  König  und  seinen  Unterthanen  befestigt,  welche 
weder  hüben  noch  drüben  irgend  einen  Uebergang  bietet.  Ganz 
zu  geschweigen  von  den  ausserordentlich  weitgehenden  Hechten, 
welche  der  jeweilige  βασιλεύς  in  politischer  Hinsicht  auszuüben 
in  der  Lage  war,  manifestirte  sich  seine  unumschränkte  Macht 
auch  nach  einer  anderen  Seite,  der  des  Kultus  und  der  göttlichen 
Verehrung.  Es  steht  fest,  dass  die  ägyptischen  Könige  von  sich 
als  von  Göttern  redeten  und  sich  vom  Volke  als  Götter  an- 
reden und  verehren  Hessen  zu  ihren  Lebzeiten  nicht  minder 
als  nach  ihrem  Tode.  Die  Form  des  Kults  war  eine  drei- 
fache :  entweder  führten  sie  eine  Sonderexistenz  als  Gott  und 
hatten  eigene  Priester  (so  auch  Philadelphos),  oder  sie  wurden 
als  σύνναοι  θεοί  anderen  Göttern  aggregirt  oder  endlich  es  ward 


^  Zu  den  folgenden  Ausführungen  vergl  Strack  Dynastie  der 
Ptolemaeer.  —  Derselbe:  Griechische  Titel  im  Ptolemaeerreich  im 
Rhein.  Mus.  .55  (1900)  S.  U>1  ff.  —  Kornemann:  Zur  Geschichte  der 
antiken  Herrschorkulte,  in  Lehmanns  Beitr.  z.  allen  Gesch.  I  1  (1901) 
S.  51  ff. 


462  Misoellen 

ein  Collegium  von  Königen  za  einem  Cultae  vereinigt  Dieee 
Consecrirung  wird  äueserlich  zum  Ausdruck  gebracht  und  die 
Könige  als  Götter  gekennzeichnet^  indem  man  den  sonstigen  Bei- 
namen und  Titeln  das  Attribut  θεός  beifügte,  sowie  'Sohn  des 
Gottes  X'.  Wenn  wir  uns  nun  zu  der  Kallimachosetelle  zurück- 
wenden, so  sind  wir,  denke  ich,  berechtigt  Hoffnung  zu  schöpfen, 
dass  der  Worte  έπ€\  Διός  oObiv  άνάκτιυν  θ.  eine  befriedigende 
Lösung  harrt.  Zwar  findet  sich  der  Gottestitel  in  den  officiellen 
Aktenstücken  nur  zu  dem  betreffenden  Eigennamen  des  Königs 
hinzugefügt;  indess  spricht  dies  nur  scheinbar  gegen  meine  Deu- 
tung: denn  obwohl  der  Dichter  hier  im  Allgemeinen  über  die 
Könige  spricht,  die  sämmtlich  Abkommen  und  Söhne  des  Zeus  sind, 
so  ist  dennoch  unverkennbar,  dass  er  schon  hier  ausschliesslich  den 
Philadelphos,  den  speciellen  Liebling  des  Zeus,  im  Ange  hat, 
und  an  ihn  allein  konnten  und  mussten  die  Leser  der  damaligen 
Zeit  denken.  Und  zur  üeberpflanzung  dieses  streng  genommen 
nur  dem  nomen  proprium  zukommenden  Διός  auf  den  Gattungs- 
begriff ανακτες  bedurfte  es,  scheint  mir,  nur  eines  einzigen 
Schrittes.  Dass  Kallimachos  statt  des  officiellen,  farblosen  θεός 
den  θεός  κατ'  έΗοχήν  setzte,  wer  wollte  sich  darüber  wundem, 
der  die  Gepflogenheiten  des  sich  in  Hyperbeln  bewegenden  Hof- 
poeten kennt?  Jenes  problematische  Διός  scheint  mir  also  in 
Anlehnung  an  den  officiellen  Titel  der  Könige  gebraucht  zu  sein 
und  sich  auf  die  göttliche  Verehrung  und  den  Cult  zu  beziehen. 
Kine  annähernde  Uebersetznng  würde  vielleicht  unser  'Herrscher 
von  Gottesgnaden    bilden. 

Falls  meine  Erklärung  der  Stelle  der  Kritik  standhalten 
sollte,  würde  es  einer  Aenderung  des  überlieferten  Textes  nicht 
bedürfen,  zugleich  gewinnen  wir  aber  für  die  Chronologie  des 
Hymnus  eine  Handhabe.  Die  neueren  Papyrusfunde  haben  er- 
geben, dass  gerade  der  in  unserem  Gedichte  gefeierte  Plolemaioe 
Philadelphos  es  gewesen  ist,  der  den  officiellen  Königscultus  in 
Aegypten  einführte.  Im  Jahre  279  decretirte  er  zunächst  seinen 
Eltern,  Ptolemaios  Soter  und  Berenike,  göttliche  £hren  (θεο) 
Σωτήρες),  darauf  consecrirte  er  271/270  seine  Schwester  und 
Gattin  Arsinoe  IL  Unmittelbar  nachher,  vielleicht  noch  in  dem 
nämlichen  Jahre,  scheint  er  auch  selber  den  Gottestitel  ange- 
nommen zu  haben.  £s  könnte  strittig  erscheinen,  welches  dieser 
3  oder  richtiger  2  Ereignisse  (denn  die  Apotheose  der  Arsinoe 
und  ihres  Brudergemahls  stehen  in  ursächlichem  Zusammenhange, 
worüber  v.  Prott  Rhein.  Mus.  53,  1898,  p.  466)  unser  Hymnus 
zur  Voraussetzung  hat,  doch  wird,  denke  ich,  die  Entscheidung 
unschwer  zu  fällen  sein,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  279  er- 
folgte Consecrirung  der  Eltern  weit  weniger  bedeutungsvoll  und 
epochemachend  war  —  denn  sie  geschah  '  offenbar  in  Nachahmung 
der  schon  vorhandenen  städtischen  Culte  von  θεοί  Σωτήρες, 
insbesondere  des  athenischen  für  Antigenes  und  Demetrios*  Kor- 
nemann  aaO.  p.  70  —  als  die  Einführung  des  officiellen  Cultns  des 
lebenden  Herrschers;  dies  ist  das  eigentliche  Novum,  and  von 


Miscellen  463 

dieeem  βο  bedeutsamen  Ereigniss  haben  wir  meiner  üeberzeugung 
nach    an    der    behandelten  Stelle    einen    greifbaren  Niederschlag. 
Ich  sehe  demnach  als  terrainiis  post  quem  das  Jahr  270  an,  und 
viel  später  wird  unser  Hymnus  auch  kaum  entstanden  sein. 
Kiel.  Gustav  Wörpel. 


Plantus  Amphitrno 

So  viel  ich  weiss,  hat  Niemand  bisher  über  Plautus  Am- 
phitruo  den  Verdacht  geäussert,  dass  auch  diese  Komödie,  wie  viele 
andere  des  Plautus,  eine  comoedia  contaminata  ist ;  im  Gegentheil 
hat  man  gemeint,  Amphitruo,  wie  Bacchides  Aulularia  Mustellaria, 
sei  von  den  Komödien,  Meren  Form  Plautus  gelassen  hat,  wie 
sie  dem  Geiste  des  Meisters  entstiegen  war,  und  denen  er  nur 
in  der  Ausführung  von  Spiel  und  Rede  die  bunten  Züge  seines 
zwischen  griechisch  und  römisch  schillernden  Stiles  aufgeprägt 
hat*  (Leo,  Plaut.  Forsch.  151).  Doch  eine  weitere  Untersuchung 
wird  vielleicht  auch  dieses  Stück  den  contaminirten  einreihen. 
Mir  wenigstens  ist  es  am  wahrscheinlichsten,  dass  hier  eine  Con- 
tamination  vorliegt,  wenn  in  dem  gleich  auf  die  tiox  longior,  in 
der  Zeus  cum  Alcumena  voluptatem  capit,  folgenden  Tage  Alkmene 
geminos  filios  paritj  obwohl  alter  decumo  post  mettse  nascetur  puer 
quam  seminatus  est,  alter  mense  septumo  (vgl.  Leo  zu  479  ff.  und 
Langen,  Plautinische  Studien  234—237,  welch  letzterer  eine  Er- 
weiterung   nachplautinischer  Zeit    für  Vers  479 — 495  annimmt). 

In  der  zweiten  Scene  des  ersten  Actus  sagt  Mercurins: 
Berte  prospereque  hoc  hodie  operis  processit  mihi:  amooi  α  foribus 
maximatn  molesiiam  (Sosiam),  patri  ut  liceret  tuto  illam  amplexarier 
etc.  alles  richtig  bis  zum  Vers  478.  Von  Vers  479  an  giebt 
Mercurius  einen  Zusatz  zum  Argumentum:  nunc  de  Alcumena 
dudum  quod  dLvimus  minus,  hodie  Uta  parkt  filios  geminos  duos 
etc.  Der  Zusatz  an  und  für  sich  ist  vielleicht  nicht  sehr  auf- 
fallend, obwohl  ein  ähnlicher  sonst  nirgends  bei  Plautus  vor- 
kommt; denn  in  der  Cistellaria  sagt  die  lena  nicht  das  Argu- 
mentum selbst,  was  nachher  Auxilium  erzählen  soll,  sondern  sie 
sagt  nur  das  aus,  was  sie  über  Seleniums  Abenteuer  weiss.  Das 
Auffallende  ist  hier:  der  Zusatz  trifft  eben  das,  was  im  Original 
nicht  vorhanden  gewesen  zu  sein  scheint,  die  Geburt  und  die  Ge- 
burtssoenen.  In  der  folgenden  Scene  (I  3)  sagt  Pseudo-Amphitruo 
zu  Alkmene,  indem  er  von  ihr  Abschied  nehmen  und  das  Eaus 
verlassen  muss :  Bene  vale,  Alcumena^  cura  rem  communem,  quod 
facis;  atque  imperce,  quaeso:  menses  iam  tibi  esse  acios  vides: 
mihi  necesse  est  ire  hinc;  verum  quod  erit  nalum  tollUo,  Krstene 
ist  es  sehr  fraglich,  ob  Pseudo-Amphitruo  dies  sagen  dürfte, 
menses  iam  tibi  esse  actos  vides;  auch  wenn  es  für  Amphitruo's 
semen  geltend  war,  sollte  der  Dichter  —  zugegeben,  dass  die 
Verse  479 — 495  nicht  plautinisch  sind,  wie  Langen  will  —  in 
der  ersten  Scene  des  dritten  Actus,  wo  er  den  Juppiter  sagen 
läset:  post  igitur  demum  faciam  res  palam  fial  atque  Alcumenae 


464  Misoellen 

in  tempore  auxilium  feram  faciamque  ut  uno  fetu  et  quod  gravida 
est  viro  ei  me  quod  gravidast  pariat  sine  dolorilms^  über  Herkules* 
Geburt  vorauesageUf  daes  er  sogleicb  nacb  der  Empfangnise  ge- 
boren wird  (wie  Langen  glauben  will),  dh.  nicht  άορί<Ττως  in 
tempore,  sondern  hodie^  zumal  *da  der  Üerkules-Mythus  ganz  an- 
ders klang.  Wenn  der  Dichter  weder  dort  (III  1)  noch  sonst 
irgendwo  etwas  über  Herkules'  Geburt  sagte,  so  wäre  es  ein 
Beweis,  dass  die  Geburt  entweder  natürlich  oder  wenigstens  dass 
sie  so  geschehen  sollte,  wie  man  darüber  zu  denken  pflegt.  Wir 
glauben,  wenn  der  Dichter  den  luppiter  sagen  läset  in  tempore 
auxilium  feram,  so  stellt  er  sich  die  Geburt  nicht  am  selben 
Tage,  an  dem  er  dies  sagt,  vor.  Ausserdem  wenn  Alkmene  der 
Niederkunft  nah  wäre,  sollte  sie  nichts  über  die  bevorstehende 
Geburt  Pagen?  Sie  klagt,  weil  Pseudo-Amphitruo  fortgehen  will, 
priusquam  lectus  ubi  cuhuit  concaluit  locus  (513)  und  sie  l/xcri- 
maniem  ex  abifu  concinuat  (529);  über  die  Geburt  kein  Wort, 
weder  in  der  dritten  Scene  des  ersten  Actus,  wo  Juppiter  zu  ihr 
sagt:  menses  iam  tibi  esse  actos  vides;  mihi  necesse  est  ire  h%nc\ 
verum  quod  erit  naium  tollito,  noch  in  der  zweiten  Scene  des 
zweiten  Actus  (Canticum).  Das  ist  sehr  sonderbar  für  eine  Frau 
die  der   Niederkunft  so  nah  ist. 

Da  nun  die  Geburt  nicht  innerlich  mit  der  übrigen  Komödie 
verbunden  ist,  möchten  wir  glauben,  dass  Plautus  die  Geburts- 
scenen  nicht  im  Original  gefunden,  sondern  sie  durch  Contami- 
iiation  aus  einem  anderen  Stück  zugefügt  hat,  *  um  Stoff  und  Hand- 
lung zu  häufen  ^  Er  hat  sich  bemüht,  diese  Scenen  vorzubereiten 
(I  2.  I  3.  II  2),  aber  ganz  äusserlich  und  nicht  treffend.  Dass 
die  Geburt  ein  dem  Original  fremdes  Stück  war,,  zeigen  auch  die 
Verse  876  ff.  post  igitur  demum  faciam  res  palam  fiat  atque  Al• 
cumenae  in  tempore  atucilium  feram  etc.,  also  der  Betrug  soll  vor 
der  Geburt  entdeckt  werden.  Dass  es  aber  nicht  nothwendig, 
dass  alles  was  Juppiter  voraussagt,  also  die  Geburt,  in  der  fabala 
selbst  stattfinden  musste,  kann  man  nicht  leugnen  (vgl.  Casina). 
Der  Dichter  des  Originals  scheint  mir  den  Mythus  so  umgeformt 
zu  haben,  dass  Alkmene  vom  Amphitruo  im  schwangeren  Zn- 
stande zurückgelassen  wurde,  als  er  in  den  Krieg  zog;  aus  dem 
Krieg  kam  Amphitruo  drei  Monate  nachher  zurück,  und  zwar 
an  dem  gleich  auf  die  nox  longior  folgenden  Tage;  in  der  iMX 
longwr  wurde  Alkmene  auch  von  Zeus  schwanger.  Die  Nieder- 
kunft sollte  in  zehn  Monaten  nach  Amphitruos  Zug  und  in  sieben 
Monaten  nach  dessen  Rückkehr  stattfinden;  also  nicht,  wie  bei 
Plautus,  gleich  nach  der  Rückkehr. 

Zum  Schluss  des  Originales  machte  der  μάντις  Τ€ΐρ€(Τ{ας 
oder  Ζευς  άπό  μηχανής  die  ganze  Geschichte  klar  und  sagte 
Herkules*  Geburt  voraus.  Was  die  Bromia  über  die  Geburt  aus- 
sagt, ist  wahrscheinlich  aus  Euripides^  Alkmene  abgeleitet.  Auf 
Euripides'  Alkmene  hat  Plautus  oder  dessen  Original  im  Badens 
(v.  8β)  hingedeutet.  Aus  der  Euripideischen  Tragödie  ist  viel- 
leicht   auch    die  von  Sosia  gelieferte  Beechreibang  der  Schlacht 


Misüellen  465 

(ν.  203  ff.).  Eine  solche  Schilderang  im  Amphitrüo  hätte  nur 
dann  Zweck,  wenn  Mercurius  nichte  üher  die  Schlacht  und  den 
Sieg  der  Thehaner  wnsete,  weehalh  er  Sosia's  ßeschreihung  ex 
angiportü  erlaascben  niueste;  aber  Mercurius,  als  Gott,  wusste 
alles;  er  hatte  auch  die  patera  aus  dem  versiegelten  Kasten  weg- 
gestohlen, ohne  das  Siegel  zu  verletzen.  Von  Contamination 
scheinen  auch  die  Inoonsequenzen  und  Unwahrscheinlichkeiten 
herzurühren,  üher  die  Langen  p.  91  ff.  und  Leo  zu  880  sprechen. 

Athen.  Theophanes  Eakridis. 


Randbemwkangen  zu  Ht rai 

Carm.  III  4,  9—13 

Me  fabulosae  Yolture  in  Appulo 

Nutricis  extra  limen  apud  viam 
Ludo  fatigatumque  somno 

Fronde  nova  puerum  palumbes 

Texere,  mirum  quod  foret  omnibus  .  .  . 
Der  Dichter  betont:  'es  war  ein  Wunder  für  alle  Umwohner, 
wie  ich  dort  wohlbehütet  schlummerte,  wie  ich  unter  heiligem 
Lorbeer  dalag'  (Imperfect).  Der  Vorgang  soll,  wie  die  Zeitform 
zeigt,  nicht  erst  durch  Hörensagen  bekannt  geworden,  sondern 
von  vielen  gesehen  sein.  Da  durfte  er  auch  nicht  in  des  Waldes 
tiefste  Gründe  verlegt  werden  (etwa  nutricis  extra  limina  de- 
viam),  sondern  an  eine  den  Bergwald  durchkreuzende  Strasse, 
auf  der  am  Abend  Feld-  und  Waldarbeiter,  Bewohner  der  Nach- 
bardörfer, truppweise  heimwärts  ziehen  und  nahe  am  Weges- 
saume  den  Knaben  gebettet  finden.  Nach  der  mehr  negativen 
Ortsangabe  extra  nutricis  limen  giebt  die  genauere  Bestimmung 
apud  viam  anschaulich  den  Platz  für  das  Spiel  des  Knaben  und 
für  die  zahlreichen  späteren  Augenzeugen ;  sie  stimmt  zudem  fast 
buchstäblich  überein  mit  dem  überlieferten  Apuliae.  Dass  damit 
die  nutrix  'Pullia'  wieder  in  ihre  Anonymität  zurücksinkt,  wird 
dem  Odentone  nur  angemessen  und  förderlich  sein. 

Carm.  III  6,  21—24 
Motus  doceri  gaudet  lonicos 
Matura  vix  et  fingitur  artibus 
lam  nunc  et  incestos  amores 
De  tenero  meditatur  ungui. 
Die    überlieferte  Lesart    matura    virgo    widerstreitet,    trotz 
aller  Rettungen,  dem  Postulate   jedes  Lesers;  die  neuere  Erklä- 
rung der  Worte  de  tenero  ungui  ist  nicht  überzeugend.    Verlangt 
wird    genau    der    obige  Begriff  quae  vix  (vixdum?)  maturu  est. 
Auffallend  erscheint  beim  ersten  Anblick  das  alleinstehende,  fast 
substantivische    matura.     Sollte  die  Unbestimmtheit   nicht   beab- 
sichtigt sein,  da  das  fragliche  weibliche  Wesen  nicht  Kind,  nicht 
Gattin  und  am  wenigsten  passend  virgo  genannt  werden  konnte? 
Der  horazische  Sprachgebrauch   zeigt    das  Adjectiv  und  Particip 

Rhein.  Mut.  f.  Philol.  N.  F.  LVU.  dO 


466  Miscellen 

nicht  selten  in  jener  eelbetändigen  Stellung,  ohne  Anlehnung  an 
ein  Substantiv,  ausser  an  ein  gedachtes.  Ars  poet.  277 :  qnae 
canerent  agerentque  peruncti  faecibus  ora.  Ode  ΓΙ  7,  11:  cum 
fracta  virtus  et  minaces  turpe  solum  tetigere  mento.  Ode  III 
12,1:  miserarum  est.  Selbst  für  den  Singular,  der  ja  noch 
kühner  erscheint,  giebt  es  bekannte  Analogien.  Ode  III  20,  15: 
qualis  aut  Nireus  fuit  aut  aquosa  raptus  ab  Ida.  Ode  I  7,  9 : 
plurimus  in  lunonis  honorem  aptum  dioet  equis  Argos. 

Carm.  III  23,  17-20 
Inmunis  aram  si  tetigit  manns, 
Non  cum  torosa  blandior  hostia, 
MoUivit  aversos  penates 

Farre   pio  et  saliente  mica. 

Die  überlieferte  Lesart  suratuoea  ergiebt  statt  eines  klaren 
Sinnes  eine  gradezu  "merkwürdige  Vieldeutigkeit  der  Beziehungen. 
Da  soll  non  zu  blandior  gehören,  gefährdet  aber  auch  das  noch 
näher  stehende  sumtuosa  durch  ein  negatives  Vorzeichen;  hostia 
soll  ablat.  instruni.  sein,  wird  aber  unmittelbarer  als  abl.  com- 
par.  empfunden,  wie  in  I  24,  13  Threicio  blandius  Orpbeo;  für 
den  philologisch  ungeschulten  Leser  kam  ausserdem  die  Möglich- 
keit hinzu,  hostia  als  Nominativ  aufzufassen,  wie  doch  sogar 
Bentley  that;  schliesslich  sind  bei  farre  pio  wiederum  beide  Ab• 
lative  denkbar,  der  instrumentale  und  der  comparative. 

Das  begleitende  cum  macht  die  Structur  sofort  einfach  und 
eindeutig:  non,  cum  torosa  hostia  (si  acoedat,  futura)  blandior. 
Die  Hand  naht  dem  Altare  mit  einem  Opferstiere:  diesen  Sach- 
verhalt drückt  das  cum  der  Begleitung  wohl  sogar  genauer  aus, 
als  der  instrumentalis ;  und  es  schärft  den  Gegensatz  zu  inmanie. 
In  des  Dichtere  Vorstellung  ist  die  hostia  hier  eng  verbunden 
mit  der  in  V.  9  — 12  geschilderten  victima,  die  auf  üppiger  Weide 
für  ein  solches  Opfer  heranwächst.  Diese  Schilderung  der  voranf- 
gegangenen  Mästung  führt  eher  auf  einen  Begriff  wie  torosne 
hinaus,  als  grade  auf 'kostspielig' ;  die  Triften  auf  dem  Algidae 
und  bei  Alba  werden  ja  der  Priesterschaft  selbst  gehören. 

Schliesslich  glaube  ich,  dass  unsre  Ode  dem  Ovid  vorge- 
sciiwebt  hat,   als  er  Metam.  7,  426  schrieb: 

fovet  ignibus  aras 
Munerihusque  deos  iniplet,  feriuntque  secures 
Collu  ioi'osa  boum  viuctorum  cornua  vUtis, 
Solche  Bezugnahme  würde  zugleich  dem  viel  bestrittenen  inmunis 
zu   Hülfe  kommen,    das  ich  selbst   früher  durch  insontis  ersetzen 
zu  sollen  meinte. 

Carm.  I  20,  9  — 12 
Caecubum  et  prelo  domitam  Caleno 
Tu  soles  uvam :  mea  nee  Falernae 
Temperant  vites  neque  Formiani 
Pocula  colles. 
Das  Mittelstück  V.  3  — 8  ist  im  Verhältnies  zu  dem  Ganzen 


Miscelleij  467 

dieser  poetischen  Kleinigkeit  recht  amfänglich.  Es  enthält  also 
wohl  auch  die  Hauptsache,  den  Hinweis  auf  die  Bedeutung 
des  Tages.  Bei  solcher  Beziehung  erst  scheint  das  Gedicht 
die  oft  vermisste  Pointe  zu  erhalten.  Der  Anläse  des  verab- 
redeten Zasammeiiseins  ist,  ähnlich  wie  bei  III  8,  ein  Tag  ge- 
meinsamer froher  Erinnerung:  der  Erinnerung  an  Mäcens  Er- 
rettung aus  lebensgefährlicher  Krankheit.  Die  Erinnerung  haftet 
an  dem  Tage  seines  damaligen  ersten  Wiedererscheinens  in  der 
OefFentlichkeit,  zugleich  dem  Tage  einer  grossen  öffentlichen  Hul- 
digung. An  diesem  Gedenktage  will  Horaz  den  Freund  bei  sich 
sehen.  *Du  würdest  bei  solchem  Anlass  Cäcuber  und  Trauben- 
blut von  Cales  spenden  (bei  soUs  ist  aus  V.  1  zu  ergänzen  potare, 
aus  der  ganzen  Situation  apponere) ;  mir  füllen  nicht  diese  er- 
lauchten Stätten,  auch  nicht  Falemerreben  den  Becher  mit  ihrem 
Feuertrank,  und  ebenso  wenig  Formiäs  Hügel.  Schlichten  Land- 
wein wirst  du  bei  mir  trinken;  aber  er  ist  vom  eigenen  Wachs- 
thum  und  sorgsam  gepflegt;  er  ist  zudem  ein  unmittelbarer  Zeit- 
genosse des  denkwürdigen   Ereignisses'. 

Schlichter  Wein  ist  darum  nicht  schlechter  Wein.  Das 
Sabinergut  ist  nach  seiner  Lage  —  die  wir  ja  nun  kennen  — 
für  den  Weinbau  durchaus  geeignet,  trotz  der  Seufzer  des  un- 
geduldigen vilicus  in  Epist.  I  14,  23.  Die  Schlussstrophe  will 
nicht  sagen,  dass  Horaz  edlere  Weine  nicht  führe;  aber  sie 
wachsen  ihm  nicht  zu,  er  ist  nicht  Weingutsbesitzer  Ίη  Rüdes- 
heim und  am  Johannisberg\  wie  wir  es  mntatis  mutandis  dem 
Mäcenas  zutrauen  dürfen.  Die  Strophe  gibt  nicht  eine  triviale 
Gegenüberstellung  von  Reichthum  und  Armuth.  Sie  will  ne- 
gativ noch  einmal  die  Pointe  schärfen:  'an  einem  Tage  von 
so  hochpersönlichem  Werthe  gebe  ich  von  dem  Eigenen,  von 
dem  Ertrage  des  mir  so  werthen  Eigenthums;  so  ehre  ich  den 
am  besten,  der  es  mir  zugeeignet  hat\ 

Epist.  I  18,  104.  105 

Me  quotiens  gelidus  reficit  Digentia  rivus, 
Quem  Mandela  bibit  rugosus  frigore  pagus  .  . 

Vors  übersetzt:  'die  von  Bergfrost  schaudernde  Dorfschaft '^; 
Döderlein:  ^das  rauhe  Gebirgsdorf;  Kiessling:  Mie  vom  Frost 
verhutzelten  Bewohner  des  pagus  . 

Wer  im  Thale  des  Anio  von  Tivoli  nach  Vicovaro  wandert 
oder  impositus  mannis  behaglich  hinauffährt,  hat,  bevor  er  linker 
Hand  in  das  Licenzathal  einbiegt,  längere  Zeit  den  freien  Aus- 
blick auf  das  vor  ihm  liegende  Dorf  Cantalupo  (Bardella),  das 
sich  heute  Mandela  nennt.  Zweierlei  lehrt  der  Augenschein  : 
erstens  dass  diese  Ortschaft  keine  rauhe  Höhenlage  hat,  zweitens 
dass  ihre  Bewohner  nicht  das  Wasser  der  Licenza  trinken.  Der 
Ort  liegt  etwa  487  m  hoch,  überhaupt  nicht  mehr  in  dem  engeren 
Licenzathale,  sondern  rechtsseitig  ausserhalb  davor;  das  Flüss- 
chen  (337  m)  bleibt  tief  unter  dem  Dorfe  und  ziemlich  entfernt 
von  ihm.     Ob  die  Bewohner  dieses  Vorberges  im  Alterthum  über- 


468  Misoellen 

haupt  noch  mit  zum  pagus  Mandela  zählten,  bleibe  dahingestellt; 
Horaz  meint  mit  dem  pagus,  der  aus  dem  Flusse  trinkt,  jeden- 
falls seine  näheren  Nachbarn,  die  Bewohner  des  eigentlichen, 
engeren  LicenzathaleF,  in  welchem  er  selbst  —  bei  den  heutigen 
vigne  di  S.  iMetro  gegenüber  dem  Dörfchen  Licenzn  — •  wohnte 
(N.  Fritsch,  Neue  Jahrb.  f.  Phil.  1895,  S.  57—78).  Das  Klima 
dieses  Thaies  ist  aber  ebenso  wenig  von  besonderer  Kühle,  wie 
das  des  sonnigen  Cantalupo  (  Mandela*)  auf  der  vorgelagerten 
Abflachung  des  ßerges.  Das  zeigt  die  Satire  II  8,  10  si  vacunm 
tepido  cepisset  villula  tecto;  deutlicher  noch  der  Brief  I  16,  5 — 8 
in  dem  Urtheil  temperiem  laudes.  Folglich  bezieht  sich  das  At- 
tribut mgosus  frigore  überhaupt  nicht  auf  das  allgemeine  Klima 
der  Gegend,  sondern  nur  auf  die  vielgepriesene  Kühlung  des 
Flüsschens  selbst.  In  diesem  Sinne  steht  das  Substantiv  in  der 
Ode  III  21,  10:  tu  frigus  amabile  .  .  tauris  .  .  praebee.  Das 
Attribut  rugosus  aber  will  mit  leichter  Hyperbel  sagen:  das 
Wasser  der  Licenza  ist  so  kalt,  dass  es  dem  Trinkenden  die 
Gänsehaut  verursacht.  Also  ^aufschauernd  ob  der  Kälte  dieses 
Wassers*  trinkt  die  Dorfschaft  Mandela,  dh,  die  Bewohner  der 
im  oberen  Licenzathale  zerstreut  liegenden  Anwesen,  aus  ihrem 
Fltisschen. 

Ars  poet.  251—259 
Syllaba  longa  brevi  subiecta  vocatur  iambus, 
pes  citus ;  unde  etiam  trimetris  accrescere  iussit 
nomen  iambeis,  cum  senos  redderet  ictue 
primus  ad  extremum  similis  sibi:  nempe  ita  pridem, 
tardior  ut  pauUo  graviorque  veniret  ad  aures, 
spondeos  stabiles  in  iura  paterna  recepit 
commodus  et  patiens,  non  ut  de  sede  secunda 
cederet  aut  quarta  socialiter;  hie  et  in  Acci 
nobilibus  trimetris   apparet  rarus  .... 
Gedankengang:  Die  lange  Silbe,  verbunden  mit  der  vorauf- 
gegangenen  Kürze,    heisst  Iambus ;    ein  flüchtiger  Fuss,  weshalb 
er  sich  auch   verstärkt  hat   und  in  der  iambischen  Zeile  dreimal 
paarweise  auftritt,  während  er  eigentlich  in  sechs  Hebungen  eich 
wiederholte,  vom  ersten  bis  zum  letzten  sich  selbst  ähnlich.     In 
solcher    Absicht    hat    er   ja    von  je   her   (nämlich    ebenfalls,  um 
etwas  gemessener  und  gewichtiger  ins  Gehör  zu  fallen),  die  nach- 
haltigen Spondeen  in  sein  väterliches  Krbe  aufgenommen,  gefällig 
und  fügsam ;  doch  nicht  so  weit  ging  die  Kameradschaft,  dass  er 
auch   den  zweiten    and  vierten   Platz  geräumt  hätte.    An  diesen 
Stellen    kommt    der  Iambus  in  den  gepriesenen  Trimetem    des 
Accius  nur  noch  vereinzelt  zum  Vorschein*. 

Hamburg.  F.  Schultese. 


Ζπρ  Cipis,  v.  369—377 

In    seinem     Buche    *aus  Vergils    Frühzeit*    hat  Fr.  Skutsch 
den   Nachweis  angetreten,  dass  die  Ciris  älter  ist  als  es  die  Ge- 


Miscellen  469 

dichte  VergiU  eind.  Für  die  Begründung  dieser  These  war  neben 
anderen  Untersuchungen  auch  eine  Prüfung  der  ganzen  Verse 
und  Verstheile,  die  das  Epyllion  von  der  Skylla  mit  den  Ge- 
sängen des  altissimo  poeta  gemeinsam  hat,  auf  ihre  Priorität  hin 
nothwendig.  Skutsch  hat  diesen  Vergleich  auf  S.  112  ff.  seines 
Werkes  augestellt,  und  zu  Gunsten  der  Giris  als  der  Aelteren 
entschieden.  Dagegen  ist  Fr.  Leo  bei  einer  erneuten  Durch- 
musterung der  fraglichen  Stellen  (Hermes  XXX VI!  1902  S.  34  — 
47)  zu  dem  entgegengesetzten  ürtheil  gekommen.  Wenn  ich 
es  wage,  in  dieser  Discrepanz  der  Meinungen  das  Wort  zu  er- 
.  greifen,  so  geschieht  es  nur,  um  für  eine  Stelle  der  Ciris,  die 
eich  mehrfach  mit  Vergilischen  Versen  berührt,  das  Verfahren 
noch  einmal  aufzunehmen,  da  mir  die  letzte  Behandlung  hier 
nicht  das  Richtige  zu  treffen  scheint. 

Es  ist  V.  369  ff. :  die  Τροφός  hat  den  Liebeskummer  der 
Skylla  entdeckt,  und  ist  nun  im  Verein  mit  der  Königetochter 
bestrebt,  Nisus  zu  veranlassen,  dass  er  dem  feindlichen  Herrscher 
der  Kreter  den  Frieden  und  zugleich  die  Hand  der  Skylla  an- 
biete. Um  das  zu  bewirken,  mues  als  letztes  Mittel  der  Zauber 
herhalten;  das  poetisch  so  dankbare  Motiv  einer  μαγική  πράΕις 
wird  in  Scene  gesetzt: 

€tt  nutrix,  patula  camponens  sulphura  testa, 
370  narcissum  casiamque  herhas  incendit  olentes, 
terque  novena  ligans  triplici  diversa  colore 
fila    ter  in  gremium  mecunC  inquit  ^despue^  virgo, 
*de$ptie  ter,  virgo:  numero  deus  impare  gaudet', 
inde  lovi  magno  geminavs  Stygio  data  sacra, 
375  Sacra  nee  Idaeis  a/nübus  nee  cognita  CrraiSj 
pergiiy  Amyclaeo  spargens  aliarm  thallo^ 
regis  lolciacis  animum  defigere  votis. 
Zu  der  Ueberlieferung   dieser  Verse  ist  zu  bemerken:    370 
Die  Hss.  schwanken  zwischen  contundit^  was  Leo  aufnimmt  (S.  42 
Anm.  3),    und   incendit^    dessen   sachliche  Richtigkeit  sich   unten 
ergeben  wird.     371  ligani   oder  ligat   die  Hss.,   ligans  Verbesse- 
rung   von  0.  Ribbeck.     374  inde    magno  geminat   iovi  frigidula 
Sacra  die  Hss.,   von  den  vielen  möglichen  Aendemngen  empfiehlt 
sich   vielleicht   die    hier  vorgeschlagene    durch    die    geringe   Ab- 
weichung von  der  Tradition.    375  idaeis  die  Hss.,  Aeaeis  die  Aus- 
gaben   nach  Heinsius.     Aber   diese  Conjectur  ist  dadurch  ausge- 
schlossen,   dass  sie  einen   Widerspruch  mit  lolciacus  v.  377  her- 
vorrufen würde.     Idaeae  sind  die  Frauen  vom  kretischen  Ida : 
weder    des   Minos    noch    des    Kisus    Landsleute    kennen    solchen 
Zauber. 

In  der  hier  ausgehobenen  Stelle  der  Ciris  sind  die  üeber- 
einstimmungen  mit  Vergil  gehäuft.  Bei  ihm  lesen  wir  Ecl.  Ell 
herhas  contundit  olentes;  ΙΪ  48  narcissum  et  flores  iungit  bene 
olenHs  anefhi^  tum  casia;  VIII  73  ferna  tibi  haec  primum  triplici 
diversa  colore  licia  circumdo;  VIII  75  nvmero  deus  impare  gau- 
det;   VIII  77  necte  tribtis  nodis  ternos  Amarylli  colores.     Hiersa 


470  Miscelleu 

kommt,  wenn  man  meine  Lesung  von  v.  374  annimmt,  noch  Aen. 
IV  638  Sacra  lovi  Slygio.  Dass  diese  Verse  und  Theile  von 
Versen  zuerst  von  Vergil  gedichtet,  und  dann  von  dem  V^erfasser 
der  Ciris  für  sein  Poem  entlehnt  seien,  zeigt  Leo  dadurch,  dass 
er  in  diesem  eine  Reihe  von  Verstössen  gegen  das  antike  Zauber- 
ritual aufweist.  *Zerstossene  Kräuter  dienen  dem  Zaubertrank 
.  .  .  (bei  dem)  Zerstossen  der  Blumen  und  (der)  Knüpfung  des 
Liebesknotens  —  nur  das  kann  v.  371  bedeuten  —  .  .  fehlt  die 
kenntliche  Beziehung  auf  <len  Zweck  der  Handlunfr,  der  nicht 
die  Bethörung  oder  Bindung  eines  Liebhabers,  sondern  die  Um• 
Stimmung  des  Königs  ist.  Ferner:  Narciss  und  Seidelbast  er- 
scheinen nirgend  als  magische  Kräuter.  lind  lieh,  warum  zerstösst 
sie  herhas  olcntes,  dh.  in  diesem  Falle  duftende  Frtihlingsblüthen, 
nicht  etwa  Pflanzen,    rleren  Saft  einen    starken    Duft  verbreitet?* 

Um  die  Berechtigung  dieser  Einwände  zu  prüfen,  müssen 
wir  zunächst  nach  der  Absicht  der  Carme  fragen;  denn  je  nach 
dem  Zwecke  des  Zaubers  kann  sein  Ritual  verschieden  sein.  Das 
bestimmende  Wort  steht  in  v.  377 :  defigere.  Wir  haben  es  also 
mit  einem  Defixionszanber  zu  thun;  diesem  liegt,  um  die  Worte 
E.  Kuhnerts  (Pauly-Wissowa,  Realencyclopädie  IV  2374)  zu  ge- 
brauchen, 'die  Vorstellung  zu  Grunde,^  dass  die  Wirkung  des 
Zaubers  einem  durchbohrenden  Stich  gleicht:  wie  ein  solcher  den 
Menschen  lähmt,  ihn  des  freien  Gebrauchs  seiner  Kräfte  be- 
raubt, so  wirkt  auch  der  Zauber  auf  ihn;  der  Besprochene  ist 
dem  Tode  verfallen  und  wird  so  lange  von  Schmerz  und  Siech- 
thum  gequält,  bis  er  si(h  durch  Erfüllung  einer  bestimmten  Be- 
dingung von  der  Wirkung  der  unheilvollen  Zauberwaffe  zu  be- 
freien vermag.  In  dem  hier  vorliegenden  Falle  soll  also  der 
Geist  des  Nisus  so  lange  gelähmt  werden,  bis  er  sich  den  Wün- 
schen seiner  Tochter  bequemt;  ein  Zweck,  der  übrigens  nicht  er- 
reicht wird,  V.  378 : 

null  α  movet  stabilem  fallacia  Nisum. 

Jede  Zauberhandlung,  also  auch  die  defixw^  besteht,  wenn 
sie  vollständig  sein  soll,  aus  mehreren  Theilen.  Voran  geht  ein 
Rauchopfer  (έπίθυμα),  es  folgt  das  Hauj)tstück,  die  Verbindung  von 
magischer  That  (πραΕις)  mit  magischem  Wort  (λόγος),  begleitet 
von  einer  Prophylaxe,  die  den  Hexenmeister  selbst  vor  allen  bösen 
Geistern  schützen  soll,  die  sein  Gebet  entfesselt  (φυλακή  της 
ττράΕεως).  Man  kann  sich  von  dieser  stets  gleich  bleibenden  Ein- 
theilung  leicht  überzeugen,  wenn  man  die  Recepte  durchmustert, 
die  uns  in  den  Papyri  magicae  erhalten  sind.  So  beginnt  denn 
auch  hier  Carme  mit  der  Bereitung  des  έπίθυμα;  dazu  nimmt  sie 
als  Ingredienzien  Schwefel,  Narzisse  und  Casia:  hierzu,  nicht 
zum  Zaubertrank,  der  in  der  deßxio  keine  Stelle  hat,  verwendet 
sie  die  Blumen.  Der  Schwefel  als  heiliges  Räuchermittel  ist  ur- 
alt ;  es  gab  eine  Etymologie,  die  θείον  als  'das  Göttliche*  schlecht- 
hin fasste,  weil  es  vor  allem  der  sacralen  —  also  auch  der 
zauberhaften  --  Lustration  diente.  Als  Odyssens  die  Freier  im 
Palaste  erschlagen  hat,  ruft  er  der  Eurykleia  zu  (Od.  XXII  481): 


Miscellen  471 

oke  θί€ΐον,  τρηο,  κακών  δκος,  oTce  hu  μοι  πυρ. 

Auch  der  Chaldäer  im  Philopfieude»  des  Lukian  (S  12)  be- 
nutzt zu  seinem  Werke  den  Schwefel  als  έπίθυμα,  und  im  Pa- 
pyrus Londinensis  C}(X!  (Denkscbr.  d.  Wien.  Akad.  XLIl)  v.  498 
heisst  es:  λαβών  θείον  και  νειλοκαλάμης  οπερμα  έπίθυε  προς 
τήν  Οελήνην. 

Wie  dort  die  νειλοκαλάμη,  wird  hier  von  der  Amme  der 
Skylla  die  Narzisse  verwendet.  Allerdings  ist  in  der  sonstigen 
Zauberlitteratur  νάρκκοος  als  derartiges  Ingrediens  nicht  bezeugt, 
aber  daes  dies  nur  eine  zufällige  Lücke  in  der  Ueberlieferung 
ifit,  zeigt  uns  der  mehrfach  bestätigte  Volksglaube,  der  sich  an 
diese  Pflanze  anknüpft.  £s  ist  eine  unheimliche,  cbthonische 
Blume ;  die  Erde  hatte  sie  emporspriessen  lassen,  um  Persephone 
durch  ihren  Glanz  zu  bethören  (Hymn.  Hom.  in  Cer.  8):  als  sie 
die  Unterweltsblüthe  pflückte,  war  sie  dem  Pluton  verfallen. 
Narzissen  waren  es  daher,  mit  denen  sich  die  Göttinnen  von 
£leusie  bekränzten,  Sophokles  (0.  C.  684)  nennt  sie  τό  μεγάλαιν 
θεαϊν  άρχαΐον  οτεφάνιυμα.  Das  Fcholion  zu  dieser  Stelle  und 
Eustathius  (zur  II.  p.  87,  25  und  1173,  49)  denken  bei  den 
^grossen  Göttinnen'  an  die  Eumeniden,  und  stellen  —  ebenso 
wie  Plin.  N.  H.  XXI  128  aus  griechischer  Quelle  —  einen  ety- 
mologischen Zusammenhang  vapKiccoc  άπό  του  ναρκαν  her,  δτι 
του  φρίττειν  και  ναρκαν  εκιν  αι  όαίμονεο  αϊτιαι.  Ausführlicher 
nennt  Plutarch  (Qunest.  conv.  111  1  ρ.  647  Β)  den  Narziss  αμ- 
βλύ V  οντά  τα  νεύρα  και  βαρύτηταο  έμποιουντα  ναρκώνεις.  Dass 
die  Verwendung  einer  polchen  Pflanze  gerade  hier,  wo  es  eich 
darum  handelt,  Geist  und  Körper  des  Nisus  zu  lähmen,  sehr  wohl 
am  Orte  ist,  wird  man  gerne  zugeben. 

Die  Casia  endlich  wird  uns  auch  in  anderen  Texten  ge- 
radezu als  Zauberkraut  genannt.  In  dem  Leydener  Papyrus  W 
I  17  (A.  Dieterich,  Abraxas  S.  171)  gehört  sie  zu  den  sieben 
Kräutern,  die  als  έπιθύμοτα  der  sieben  Planetengötter  verwendet 
werden,  und  zwar  ist  die  Kacta  dem  Hermes  heilig;  Pap.  mag. 
Paris,  v.  1309  (Denkschriften  der  Wien.  Akad.  XXXVI)  erscheint 
sie  ebenfalls  als  Bestandtheil   eines  έπιθυμα. 

Die  Schwefelstücke  werden  in  hreiter  Schale  zurechtgelegt, 
Narziss  und  Casia  werden  dazu  gethan.  Damit  ist  die  Vorberei- 
tung zum  Rauchopfer  vollendet,  und  es  kann  angezündet  werden : 
incendit  ist  hier  ganz  an  seinem  Platze.  Ist  aber  der  Weihrauch 
erst  im  Brennen,  so  mischt  sich  mit  dem  Geruch  des  Schwefele 
der  Duft  von  Narzisse  und  Casia:  daher  nennt  sie  der  Dichter 
herbas  olentes. 

Nach  dem  έπίθυμα  wird  die  eigentliche  πρά^ΐς  vorhereitet. 
Dreimal  neun  Fäden  von  drei  verschiedenen  Farben  werden  mit 
einander  verknotet.  Wie  dadurch  diese  Fäden  gebunden  sind, 
soll  auch  der  Geist  des  Nisus  gefesselt  sein.  Die  Symbolik  er- 
klärt sich  aus  der  griechischen  Vorlage.  Was  den  Lateinern 
die  defiaiOi  das  ist  in  Hellas  der  κατάοεομος,  der  Bindezanber. 
Wir     haben    für    diesen    noch    ein  ausführliches  Recept  im    Pap. 


472  Misocllen 

Par.  330:  'nimm  zwei  Figürcben  und  eine  Bleitafel,  ουνόήοας 
τό  πεταλον  τοις  ίιυοίοις  μίτψ  άπό  kxoO  ποιήςας  αμματα 
r^e\  Und  zwar  darf  man  nicht  geltend  machen,  dase  in 
diesem  Bindezanber  das  Symbol  des  verknoteten  FadcnR  nur 
vorkomme,  weil  es  ein  Liebeszanber  sei  —  er  beiRBt  v.  296 
φίλτροκατάόεομος  — ,  denn  nicht  nur  der  Name  zeigt  uns, 
daes  ein  ligare  bei  jedem  κατάοεομος  vorkommen  kann,  son- 
dern wir  haben  auch  noch  den  directen  Beweis  bierfür  auf 
der  Bleitafel  CIL.  VTII  suppl.  12511,  14.  Hier  handelt  es  sich 
um  die  defixio  eines  verhassten  Gegners;  da  fesselt  man  einen 
Hahn  und  schreibt  dazu  d)C  ouTOC  δ  αλέκτωρ  καταόέοβται  toic 
nocl  και  raic  χέρα  και  τη  κεφαλή!»  ούτως  καταόήςατε  (τον 
οεΐνα).  Auch  an  unserer  Stelle  ist  demnach  das  Binden  der 
Fäden  als  Vorbild  der  Fesselung  des  Nisus  durchaus  am  Platze. 
Für  die  dreifache  Farbe  der  Fäden  sowie  für  die  heiligen  Zahlen 
3  und»  3-3-3  verweise  ich  auf  W.  Kroll,  Antiker  Aberglaube 
(Virchow-Holtzendorflr  XII  278)  S.  38  f.  Die  Anschauung  titi- 
mero  deus  impare  gaudet  ist  uralt:  so  wird  denn  auch  hier  in 
der  ganzen  Handlung  überall  künstlich  die  ungrade  Zahl  her- 
gestellt. Wir  haben  dreimal  neun  Fäden,  drei  Farben,  dreifaches 
Ausspucken.  Daes  die  Ciris  hierin  weniger  systematisch  sei  als 
Vergil  in  der  VIII.  Ecloge,  der  v.  74  drei  Fäden,  drei  Farben, 
drei  Umgänge  hat,  ist  nicht  ganz  richtig. 

Der  λόγος,  der  die  πραΗις  begleitet,  wird  in  der  Cirie  nur 
kurz  erwähnt;  es  sind  die  vota  in  v.  377.  Dagegen  ist  das 
φυλακτήριον  ausführlicher  geschildert:  ter  in  sinum  despuUur, 
Das  ist  bekannter  griechischer  und  italischer  Brauch,  um  böse 
Geister  und  schädliche  Einflüsse  abzuwehren.  Wie  der  mensch- 
liche Speichel  zu  dieser  prophylaktischen  Kraft  kam,  hat  Frank 
W.  Nicholson  dargethan  {The  Saliva  Superstition  in  Classicat 
Litterature,  Harvard  Studies  VllI  1897  p.  23—40).  Unter  den 
von  ihm  angeführten  Belegen  finden  sich  auch  die  beiden  Theo- 
kritstellen,  die  contaminirt  das  Vorbild  der  Ciris  gewesen  sein 
könnten  ^  Π  62: 

καΐ  λίγ'  έπιφθύίοκα•  το  ΔίλφΛοο  Ο€τία  μάοοω, 
und  VI  39: 

ibc  μή  βαοκανθώ  bi,  τρις  εΐο  έμόν  ίτττυοα  κόλπον, 
ταύτα  γάρ  ά  γραία  με  Κοτυταρις  έΕεόίόαΗεν. 
Von  weiteren  Einzelheiten  der  Zauberhandlung  erfahren  wir 
nur  noch  in  v.  376,  dass  der  Altar  —  auch  der  βωμός  gehört 
zum  magischen  Apparat,  s.  zB.  Pap.  Par.  34,  37,  42  —  mit 
amykläischem  Thailus  bestreut  wird.  Das  ist  sicher  die  Blume 
des  llyakinthos  gewesen;  dieser  stammte  aus  Amyklai  (Preller- 
Robert,    Griech.  Myth.  I  S.  248),    und   die  nach    ihm    benannte, 


^  Während  der  Correctur  lese  ich,  dass  P.  Jahn  dem  Dichter 
der  Ciris  die  Kenntniss  Theokrits  abspricht  (Hermes  XXXVll  1902 
S.  K'iO),  dhvT  seine  Ausführungen  Itaben  mich  nicht  ülierzeugt. 


Miscellen  473 

tranerkündende  Bltitbe  eignete  sich  sehr  wohl  zur  Verwendung 
im  todtbringenden  Bindezanber. 

So  folgt  also  die  Hexenkunst  der  Carme  in  allem  genau 
den  Vorschriften  antiken  Zauberrituale  und  den  Vorstellungen, 
die  bei  seiner  Fixirung  massgebend  waren.  Einen  sachlichen 
Anstoss  irgend  welcher  Art  wird  man  in  v.  369 — 377  der  Ciris 
nicht  finden,  und  so  darf  man  denn  auch  aus  dieser  Partie  kein 
Argument  für  die  Priorität  Vergils  ableiten. 

Breslau.  R.  Wünsch. 


AgroeciuB  et  PlinlBS  de  Delphiea 

Delphicae  (i.  mensae  Tel  cortinae)  vocabulum  ut  per  anti- 
quitatem  notum  erat  et  pervulgatum,  ita  postea  non  modo  libra- 
riis  sed  etiam  philologis  fraudem  fecit.  velut  Agroecii  p.  116, 
15  K.  haec  leguntur:  Cicero 'ivibeo  promi  utrosque,  hinos  habcham  , 
quia  JDelphica  vasa  paria  sewper  sunt,  unde  ipse  Cicero  dicebat 
^scyphorum  paria  conplura",  sed  dubitare  non  licet  quin  resti- 
tuenda  sit  codicum  Bernensium  338  et  432  scriptura  quia  ad  delfi- 
cam,  a  qua  vix  differt  id  quod  est  in  libro  Montepessulano  306 
guae  ad  delfica,  neque  enim  in  Ciceronis  verbis  a  grammatico 
allatis  (in  Verr.  IV  32)  quicquam  invenitur  de  nescio  quibus 
vasoulis  Delphicis,  sed  sermo  est  de  duobus  scyphis  argenteis  si- 
gillatis,  quos  in  abacis  similibusye  mensis  pretiosis  exponi  solitos 
esse  constat  scriptorum  et  artis  monumentorum  unanimo  consensu. 

similis  est  condicio  verborum  Plinii  nat.  bist.  VII  210  Del- 
phica  aniiqui  aeriSj  qtiae  esi  hodie  in  Palatio  dono  principum 
Minervae  dicata  in  hiblioihecay  cum  inscriptione  täli  eqs.,  nisi 
quod  tahukif  quod  post  Dclphica  inserebatur  et  Welckerum  huiue 
musei  IV  (1836)  p.  422  sq.  permoverat  ut  de  tabula  vel  lamina 
Delphis  Romam  allata  cogitaret,  iam  post  Codices  diligentius  col- 
latos  expulsum  est.  iure  igitur  Buechelerus  ibid.  XXXVII  (1882) 
p.  ^37  de  tripode  agi  dixit  et  mireris  Pregerum  inscr.  Graec. 
metr.  117  tabula  illud  recipientem  eamque  Delphicae  Minervae 
dedicatam  fuisse  opinantem. 

sed  difficilior  exietit  de  inscriptione  huius  donarii  quaestio, 
cuius  partem  priorem  postquam  Welckerus  senarium  esse  per- 
spexit,  Mayhoffius  merito  sie  edidit:  Ναυσικράτης  άνέθετο  τςί 
Διός  κόρςι.  nam  propins  haec  absnnt  a  litteris  traditis  quam 
quae  alii  posuernnt  τή  Διός  κόρη  et  favent  formis  Doricis  verba 
proxima.  gravius  corrupta  est  posterior  iuscriptionis  pars  et  ab 
aliis  aliter  constituta.  quam  sie  exhibent  Codices  Vaticanus  3861 
Parisinus  6795  Leidensis  Lipsii  VII : 
T"  (ΎΕ)  ΝΔΕΚΑ  (Δ£,  ^F)ΊA  {ίϋΕ, ^F)  ΝΗΔΔΕΞΙΟΔΔΙΟ- 

NOONA  (ύ^Ε,  ^F)E 
sie  Riccordianus : 

Τ^ΝΑ^ΒΑΤΑΝΝΑΑΘΞΙΟΔΑΤΟΝΟΝΟΝΑΕ 
in  quibus  emendandis  qui  probabiliora   protulerunt  (τάν  οεκάταν, 
ά  bi  6έΗατ'  ab€i  νόψ  Welckerus,   ή  b'  'Εργάνη    όέίαιτο    bibo- 


474  Miscellen 

μενον  TObe  Butcbeleru«)  ideo  et  ipsi  a  vero  aberraruDt,  quod 
alterum  Kerariuni  elficere  studiierurt.  al  eoruni  quae  tradita  sunt 
numerus  piojjius  aecedit  ad  dactylicum  et  in  promptu  sunt  aliorum 
titulorum  exenipla,  in  quibus  senarii  cum  bexametris  ve)  dietichis 
ita  coniungantur  (211,  282,  360,  450,  588,  642,  684,  798  Kai- 
belii,  44,  129  Pregeri)  ui  fere  nomina  piopria  dactylie  non  apta 
iambis  reserventur.  boc  si  tenuerimus,  verisimillimum  videbitur 
bunc  tripodi  hexanietium  inscriptum  fuisse:  τάν  1)€κάταν  <ταύταν), 
ά  b'  άίχον  ώνον  όνασε. 

Regimontii  Prussorum.  Otto  Rossbaoh. 


Ζπ  Trogns  Pompejns  Frol.  X 

Im  Pro).  X  zu  den  bistoriae  Pbilippicae  des  Trogus  Pom- 
pejuK  sind  die  Tbaten  des  Artaxerxes  U.  in  eine  Periode  zusam- 
mengefafist,  die  in  Euebls  Ausgabe  folgen dermassen  lautet:  Ct 
Artaxerxes  Mnemon  pacificatus  cum  Euagora  rege  Cyprio  bellnm 
Aegy ptium  in  urbe  Ace  compararit,  ipse  in  Cadusiis  victus,  de• 
fectores  in  Asia  purpuratos  suos  persecutus,  primum  Dotamen 
praefectum  [Papblagoniae]:  Papblagonon  origo  repetitÄ:  deinde 
l)raefectum  Hellepponti  Ariobarzanen,  deinde  in  Syria  praefectum 
Armeiiiae  Oronten,  omnibueque  (!)  victis  decesserit  filio  succee- 
8ore  Ocho.  Es  erscbeint  mir  unglaublicb,  daes  dieses  ungeheuer- 
liche Satzgebilde  den  ursprünglichen  Wortlaut  darstellen  sollte, 
und  vielleicht  if't  es  nur  deshalb  bisher  der  Aufmerksamkeit  der 
Kritik  entgangen,  weil  die  Verderbniss  der  Stelle  eine  sehr  alte 
und  80  allen  Handschriften  gemeinsam  zu  sein  scheint.  Die 
Anomalie  des  Satzes  liegt  darin,  dass  1 .  die  Participia  victus  und 
persecutus  unverbunden  nebeneinander  gestellt  werden;  2.  unklar 
ist,  ob  victns  dem  vorhergehenden  compararit  oder  dem  folgenden 
persecutus  untergeordnet  sein  soll ;  3.  den  Participien  ein  über- 
geordneter Satz  völlig  fehlt,  da  statt  des  erwarteten  Hauptver- 
bums  ein  mit  que  angeknüpfter,  also  coordinirter  Satz  folgte 

Sowohl  gegen  die  Annahme  einer  Subordination  von  victus 
unter  persecutus  als  auch  gegen  die  einer  Coordination  der  Par- 
ticipia spricht  vor  allem  das  Fehlen  des  ilauptsatzee;  coordinirte 
Paiticipia  sind  überdies  in  den  Prologen  stets  durch  Conjunctionen 
verbunden.  Auch  an  einen  substantivischen  Gebrauch  der  Par- 
ticipien 'Seine  Hesiegung  durch  die  Kadnsier;  Verfolgung  der 
abtrünnigen  Satrapen',  durch  den  die  Anknüpfung  eines  neuen 
Satzes  mit  que  erträglicber  würde,  ist  nicht  zu  denken,  denn  die 
zahlreichen  so  in  den  Prologen  verwendeten  Participia,  zB. 
Papblagonon  origo  repetita  in  unFerer  Stelle  selbst,  bilden  natur- 
gemäss  ausnahmslos  selbständige  Sätze  und  lassen  stets  die  Er- 
gänzung von  est  oder  sunt  zu,  während  hier  die  Participialcon- 
strnctioiien  :  ipse  in  Cadusiis  victus  und  defectores  ....  perse- 
cutus sich  nicht  ohne  Zerstörung  des  Satzgefüges  aus  demselben 
herausnehmen  lassen  und  ausserdem  zwischen  zwei  Conjunctiven 
(compararit — decesserit)  stehen. 


Miscellen  475 

Wenn  trotzdem  auch  beute  noch  die  überlieferte  Form  des 
Satzes  festgehalten  wird,  so  können  die  Herausgeber  persecutus 
unmöglich  als  Particip  auffassen,  müssen  vielmehr  sit  dazu  er- 
gänzen, so  dass  der  Satz  drei  Prädicate  enthalten  würde:  compa- 
rarit-persecutus  (sit)  —  decesserit.  Aber  auch  gegen  diese  Er- 
klärung der  Stelle  erheben  sich  schwere  Bedenken,  sowohl  gram- 
matische als  sachliche.  So  häufig  nämlich  die  Auslassung  der 
Hülfsverba  est  und  sunt  auch  in  unseren  Prologen  ist,  so  findet 
sich  für  die  von  sit  und  sint  in  den  Prologen  sonst  kein  Bei- 
spiel. Denn  Prol.  IX :  Ut  Philippus  a  Perintho  summotus  und 
XXXIV:  Ut  habita  inter  Ariarathen  et  Orophernem  regni  cer- 
tamina  ist,  wie  die  Umgebung  der  Sätze  zeigt,  der  Indicativ 
zu  ergänzen.  Nimmt  man  aber  —  so  suchte  schon  Grauert  (vgl. 
die  Ausgabe  von  Duebner)  die  Stelle  zu  heilen  —  an,  der  Ver- 
fasser der  Prologe  habe  wirklich  persecutus  sit  geschrieben  und 
letzteres  sei  nur  später  in  den  Handschriften  ausgefallen,  so  ist 
ja  äuBserlicb  nun  der  Satz  in  bester  Ordnung,  nicht  so  aber  der 
Inhalt.  Denn  dieser  ist  dann  auch  consequenterweise  nach  dem 
Vorgang  Duebners  ^  in  drei  Uiiterabtheilungen  zu  zerlegen,  deren 
erste,  mit  compararit  schliessend,  die  ohne  persönliche  Mitwirkung' 
des  Königs  ausgefochtenen  Kämpfe  der  Perser  gegen  Kypros  und 
Aegypten  umfasst,  wälirend  die  zweite,  durch  ipse  eingeleitet,  die 
Thaten  des  Artaxerxes  selbst  in  den  Kriegen  gegen  die  Kadusier 
und  die  aufständisclien  Satrapen  andeutet,  die  dritte  endlich  von 
seinem  Tode  handelt.  Dadurch  wird  jedoch  der  Kadusierkrieg 
von  denen  gegen  Kypros  und  Aegypten  scharf  getrennt,  dagegen 
in  Verbindung  mit  den  in  eine  viel  spätere  Zeit  fallenden  i^atra- 
penempörungen  gebracht  und  so  der  Anschein  erweckt,  als  ob 
Trogus  jenen  Krieg  zeitlich  später  als  den  374  v.  Chr.  unternommenen 
Feldzug  gegen  Aegypten^  angesetzt  hätte.  Nun  beweisen  aber 
Diod.  XV,  8,4;  10,  1  und  Cornel.  Nep.  Datam.  1  klar,  dass  der 
Feldzug  gegen  die  Kadusier  eine  Reihe  von  Jahren  vor  dem 
gegen  Aegypten  noch  während  des  kyprischen  Krieges  (390 — 
380  V.  Chr.)  stattgefunden  hat,  und  da  die  Quelle  des  Trogus 
unmöglich  die  umgekehrte  chronologische  Reihenfolge  der  Er- 
eignisse enthalten  haben  kann,  so  erfordert  die  Rücksicht  auf  den 
thatsächlichen  Hergang  der  Dinge  unzweifelhaft  die  engste  Be- 
ziehung der  Worte:  ipse  in  Cadusiis  victus  zum  vorhergehenden 
Satz:  Ut  Artaxerxes  .  .  .  pacificatus  cum  Euagora  .  .  .  bellum 
Aegyptium  compararit,  nicht  zum  folgenden:  defectores  .  .  .  per- 
secutus, mit  dem  sie  zeitlich  und  sachlich  gar  nichts  zu  thun 
haben. 

Wie  man  also  auch  den  Wortlaut  unserer  Stelle  dreht  und 


1  D.  setzt  hinter  compararit  ein  Kolon,  Jeep  und  Ruehl  vorsich- 
tigfr  nur  ein  Komma,  ohne  dass  es  freilich  auf  letztere  Weise  klarer 
wird,  ob  victus  dem  vorhergehenden  compararit  oder  dem  folgenden 
persecutus  untergeordnet  ist. 

^  Nur  dieser  kann  mit  deu  Worten:  bellum  Aegyptium  in  urbe 
Ace  compararit  gemeint  sein.  Vgl  Judcicb,  Kleinasiat  Studien  S.  1<)0£Γ. 


476 


Miscellen 


wendet,  immer  bleibt  er  bedenklich.  Da  nun  ferner  die  Prologe 
sonst  nirgends  einen  Satz  von  gleicher  Länge  und  Unklarheit 
bieten,  vielmehr  überall  einfach  und  klar  gehalten  sind,  so  muss 
in  unserer  Stelle  noch  ein   Fehler  verborgen  sein. 

Es  bedarf  nun,  glaube  ich,  zu  ihrer  Heilung  nur  einer  ganz 
geringfügigen  Aenderung,  nämlich  ausser  dem  schon  von  Grauert 
vernmtheten  eit  hinter  persecutus  der  Einechiebung  von  ut  hinter 
victus.  Der  Satz  lautet  dann:  üt  Artaxerxee  .  .  .  bellum  Aegyp- 
tium  compararit,  ipee  in  Cadusiia  victus.  Ut  defeotoree  .  .  .  per- 
eecutne  s^it  omnibusque  victis  decesserit.  Mit  einem  Schlage  ver- 
schwinden so  die  unklare  Häufung  der  Participien  und  das  Ana- 
koluth,  und  der  Sinn  ist  nun  klar  und  den  Thatsachen  ent- 
sprechend. Der  Ausfall  des  ut  aber,  der  nach  meinem  Dafür- 
halten die  ganze  Corruptel  verschuldet  hat,  konnte  ausserordent- 
lich leicht  und  daher  auch  schon  sehr  früh  durch  das  Znsammen- 
treffen der  beiden  fast  gleichen  Silben  us  in  victus  und  nt  be- 
wirkt werden,  und  es  konnte  dann  nicht  ausbleiben,  dass  ihm 
auch  das  sit  nach  porsecutus  bald  in  die  Versenkung  folgte  und 
das  schon  wegen  des  vorausgehenden  pacißcatus  später  wohl 
meist  abgekürzt  geschriebene  victus  in  victos,  victor  u.  dgl.  ver- 
dorben wurde. 

Königsberg  i.  £r.  0.  Neu  haue. 


Zn  CIA.  II  996 

Auf  der  Burg  gefundener  Katalog,  (ΤΤΟίχη^όν  abgefasst, 
aus  der  ersten  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  v.  Chr.,  von  Köhler 
abgeschrieben.  Erhalten  sind  zwei  Golumnen,  von  denen  die 
rechtsstehende  ganz  fragmentarisch  ist.  Die  linksstehende  lese 
ich  folgendermassen  ^;  Abweichungen  von  Köhlers  Lesung  sind  mit 
*  bezeichnet. 

[Ίπποθωντίοος*] 

ς  Άντικλέους 

—  Α]ίσχριυνος 

Άριστο]φάνης  'Αριστομήο(ου) 

Keipia*]öai 

....  6]ιυρος  Σμικύθου 

Νικ()σ*]τρστος  Νικοστράτ(ου) 

Εοκο]μος  Εύκομίωνος 

Κόπρ*ι 


10 


€101 

Εύβου]λί6ης  Εύβούλου 
Φιλι]τπτίοης  Κεφαλίωνος 
Ξ€ν]ότιμος  Ξενοκρίτου 
'Ανα*]καιής 


1  |Nachtrag:lich  bemerke  ich,  dasB  die  Ergänzungen  in  Z.  1.6.  10. 
Η  ohüe  BegrÜLdung  schon  von  K.  Löper  Athen.  Mittheil.  XVII  418, 1 
gegeben  sind.] 


Miscellen  477 

15  [θρά]σιυν  'Αριστοκλέους 
Καλ]λί6ημος  Ξενοτίμου 
Άρι]στηΐοης  ΈΕηκίστου 
Άριστοκ]λής  θρ[ά1σω[νος]. 

Daes  dae  VerzeichnisH  der  Hippotliontis  angehört,  ^eht  ans  Z.  14 
hervor.  Der  einzige  Demoe,  der  vor  -καιής  drei  Buchstaben  hat, 
ist  der  der  [Άνα]καιής.  [Έρι]καιής  darf  nicht  ergänzt  werden, 
da  nur  die  Schreibung  Έρικεεύς,  Έρικειεύς,  Έρικιεύς  in  den 
vorchristlichen  attischen  Inschriften  üblich  ist.  Von  den  hier 
genannten  Άνακαιεϊς  hat  Z.  15  [θρά](Τιυν  'Αριστοκλέους  einen 
Nachkommen  in  θράσιυν  θράσωνος  Άνακαιεύς,  dem  Antrag- 
steriler  des  Volksbeschlusses  zu  Ehren  des  Zenon  im  J.  264, 
Laert.  Diog.  Vll  10.  Auch  CIA.  II  952  Θράσων  Πολύευκτου 
Άνακαιεύς,  επιμελητής  in  einem  Katalog  Anfang  des  2.  Jhdts. 
v.Chr.  gehört  zu  derselben  Familie.  Z.  18  [*Αριστοκ]λής  θρ[ά]- 
σω[νος]  wird  ein  Vetter  des  in  Z.  15  genannten  [θρά]σων  'Αρι- 
στοκλέους sein.  Von  dem  Z.  17  erwähnten  [*Αρι]στηΐ6ης  ΈΕη- 
κέστου  ist  ein  Bruder  CIA.  II  lOOG  [Έ]Ε[ηκία]ς  Έ£η[κίστου*] 
(Ι)  [*Αν]ακαιεύς  in  einem  Katalog  kurz  vor  Mitte  des  4.  Jhdts. 
Dieses  ΈΕηκίας  Sohn  ist  CIA.  II  1177  ΈΕήκεστος  (II)  ΈΕηκίου 
Ανακαιε[ύς]  in  einer  VVeihinschrift  eines  Collegiums  Mitte  des 
4.  Jhdts.  oder  etwas  später.  Auch  in  der  Grabschrift  CIA.  II 
2075  haben  wir  einen  Angehörigen  dieser  Familie,  sofern  hier 
zu  lesen  ist:  [-  -  η]  Φίλωνος  [Εύιυν]υμέιυς  [θυγ]άτηρ,  [ΈΕη- 
κ]*ίστου  f  Ανα]καίυϋς  [τυν]ή.  Ob  hier  die  Gattin  des  ΈΕή- 
κεστος  Ι  oder  des  ΈΕήκεστος  II  gemeint  ist,  lässt  sich  nicht 
sagen. 

Von  den  [Κειριά]οαι  muss  Z.  7  [.  .  .  .  ο]ιυρος  Σμικυθου 
für  einen  Bruder  des  CIA.  II  672  vorkommenden  -όβιος  Σμικυθου 
Κειριάοης,  ταμίας  τών  δλλων  θεών  im  J.  37G/5  gelten.  Der 
Ζ.  8  genannte  [Νικόσίτρατος  Νικοστράτ(ου)  ist  identisch  mit  dem 
in  der  Grabschrift  CIA.  II  2126  aus  der  Zeit  von  400-350  er- 
wähnten Νικόστροτος  Νικοστράτου  Κειριάοης. 

Unter  den  [Κόπρ]ειοι  ist  Ζ.  13  [Ξεν]ότιμος  Ξενοκρίτου  der 
Vater  des  CIA.  11  944  als  διαιτητής  um  325  v.  Chr.  bezeugten 
Νικοτέλης  Ξενοτίμου  Κόττρειος.  Wenn  Νικοτίλης  um  325  als 
διαιτητής  60jähri^  ist,  so  ist  seine  ακμή  um  352,  die  ακμή  des 
Vaters  Xenotimos  um  385  anzusetzen.  In  Berücksichtigung  des 
zuletzt  genannten  Jahres,  zusammengehalten  mit  dem  J.  376/5, 
welchem  der  zu  Z.  7  herangezogene  -όβιος  Σμικυθου  Κειριάδης 
zuzuweisen  ist,  wird  man  unseren  Katalog  CIA.  II  996  etwa  in 
die  Zeit  380 — 370  verlegen  müssen. 

Welchem  Demos  die  Z.  3  — 5  erwähnten  Personen  angehören, 
ist  nicht  auszumachen.  Vielleicht  istZ.  2  einzusetzen  [Ά^Ιηνιεΐς]. 
Zu  Z.  5  [*Αριστοφ]άνης  'Αριστομή5[ου]  vgl.  CIA.  II  643,  6 
Άρ[ιστ]ομή5ης  Ά[2Ιηνιεύςν],  ταμίας  Ιερών  χρημάτων  im  J.  400/399, 
aus  derselben  Familie  wie  CIA.  II  1006  Άριστομήοης  Άριστο- 
φώ[ντος]  Άίηνιεύς  in  einem  Katalog  etwas  vor  Mitte  des  4.  Jhdts. 
=  Άριστομήόης  Άίηνι(εύς),  τριήραρχος  in  einer  Seeurkunde  dee 


478  Miscellen 


J.  356/5,  CIA.  II  794  d  28.  Zu  Z.  4  [-  -  -  Α]ϊσχρωνος  vgl. 
Αϊσχριυν  Mev[av6pou  Άίηνΐ€ύς*],  επιμελητής  in  einem  Ver- 
zeicbnisfl  nach  der  Mitte  des  2.  Jhdts.,  CIA.  IV  2,952  b  29. 
Oeeeen  Sohn  iet  Μένανδρος  Αϊσ[χριυνος  Ά*]ίηνιευς,  ίφηβος 
unter  Archou  Echekrates  (lOl/lÜO),  CIA.  II  467,  141. 

Berlin.  Job.  £.  Kirchner. 


Drei  Deutnngen 

I    οή  —  6εΐ). 

δη  pro  5ίη  nilvili'  mit  diesen  kurzen  Worten  faset  Vablen  * 
Rein  Urtbeil  über  eine  Contraction  zusammen,  deren  Existenz 
zuerst  Dindorf  angenommen  hatte.'  Dabei  spricht  V.  freilich  sehr 
vorsichtig  über  eine  Aristophanesstelle,  die  in  Betracht  kommt*: 
verum  utut  de  Aristophane  iudicatur  et  comicis,  Aristoteles  nee 
nietri  angustiis  premitur  neque  vero  Dorice  scribit.  Es  handelt 
sich  um  Aristophanes  Frösche  265.  Dionysos,  von  Charon  übere 
Wasser  gerudert,  ist  in  den  berühmten  Wettstreit  mit  den  Frö- 
schen verwickelt; 

βρεκεκεκέξ  κοά£  κοάξ* 
τούτψ  γαρ  ου  νικήσετε. 

Βάτραχοι 
ούοέ  μήν  ήμας  βύ  πάντως. 

Διόνυσος 
ουδέποτε  •  κεκράΗομαι  γαρ 
καν  με  δή  bi*  ημέρας 
βρεκεκεκέέ  κοάΗ  κοάΗ, 
έως  δν  υμών  επικρατήσω  του  κοάΕ. 

Die  Ueberlieferung  steht  fest ;  denn  bei,  das  einige  Handschriften 
bieten,  bedeutet  keine  Abweichung.  Dazu  Dindorfs  Anmerkung: 
Kestitui  ego  ex  libris  Ravennate  et  Veneto,  quorum  alter  bfy 
alter  bf]  habet,  monosyllabam  subiunctivi  formam  bfji,  eamqoe 
aliis  etiani  in  locis  poetarum  oblitteratam  esse  exietimo,  quibas 
synizesin  adhibuit  Meinekius  in  Curis  criticis  p.  14.  Dindorf  ist 
mit  seiner  Vermuthung  keineswegs  durchgedrungen;  auch  Meineke 
hat  später  in  seinem  Text  das  überlieferte  με  gestrichen  und  κδν 
bex]  br  ημέρας  gedruckt,  und  das  ist  die  gewöhnliche  Lesung 
aller,  die  weder  an  eine  Synizese^  noch  an  eine  (sonst  nirgendwo 
in  dieser  Form  tiberlieferte)  Contraction  von  δέη  glauben. 

Aber  lässt  sich  die  Ueberlieferung  nicht  ganz  andere  ver- 
stehen? Muss  sie  vielmehr  nicht  anders  gedeutet  werden?  Es 
giebt  doch  auch  ein  V'erbum  beuj  ich  fessele,  binde;  in  der  atti- 
schen Gerichtssprache  heisst  es  soviel  wie  unser  *  einkerkern*. 
So  auch  bei  den  Komikern;    έν  Εύλω,  έν  κλίμακι  tritt  gelegent- 


1  Aristoteles  Poetik»  S.  294.  2  Ebd.  S.  208.  »  Sie  ist 

vielleicht  zulässig,  wenn  lange  Silbe  vorangeht.    Vgl.  Kook  z.  St. 


Miscellen  479 

lieb  hinzu.     Sein  regelrecht  gebildeter  Conjunctiv  iRt  brj^.     Aleo 
bat  man  bloss  deutlich  zu  interpungiren: 

κεκράΗομαι  γαρ, 
KÄv  με  bx}  bi*  ήμίρας, 
βρεκεκεκέέ  κοάΕ  κοά£, 
2ως  δν  υμών  επικρατήσω  του  κοά£. 
Das  heisst  wörtlich:  Auch  weun  er  mich  für  einen  Tag  ein- 
sperrt (wegen  öffentlicher  Ruhestörung  nämlich),  so  werde  ich 
dennoch  βρεκεκεκέΗ  κοά£  κοάΗ  schreien,  bis  ich  über  euer  κοάΗ 
die  Oberhand  gewinne*.  Dass  ich  bi'  ημέρας  richtig  verbunden 
habe,  will  ich  nicht  durchaus  behaupten;  jedenfalls  gewinnt  durch 
die  andere  Auffassung  des  brj  der  Gedanke  an  komischer  Kraft. 
Gerade  die  Frösche  zeigen  ja,  dass  dort  unten  die  Polizei  genau 
wie  im  Diesseits  pfehandhabt  wird;  Dionysos  selbst  verfällt  ihr 
später  in  bochnothpeinlichem  Verhör.  Aber  wen  hat  man  sich 
als  Subjekt  zu  brj  vorzustellen?  Es  könnte  Charon  sein,  auf  den 
dann  Dionysos  mit  dem  Finger  weist;  als  Kapitän  hat  er  auf 
seinem  Schiffe  Polizeigewalt.  Indes  mit  grösserem  Rechte  dürfen 
wir  wohl  übersetzen:  auch  wenn  man  mich  für  einen  Tag  ein- 
sperrt', mit  jener  Unbestimmtheit  des  Subjekts,  die  in  der  alten 
Sprache  nicht  gerade  selten  ist.  v.  Wilamowitz  (Griech.  Lese- 
buch Erläuterungen  1  S.  23)  hat  neuerdings  davon  gehandelt*. 
Gemeint  ist  in  solchen  Fällen  immer  *der  dazu  Befugte*.  6εϊ 
ό  οήμιος. 

Fesselung  in  der  Unterwelt  als  Strafe  für  dort  begangene 
Ungebühr  ist  zuletzt  eine  volksthüraliche  Anschauung;  auch 
Theseus  und  Peirithoos  sind  im  Hades  gebuuilen  worden,  genau 
wie  Held  Dieterich  und  seine  Gesellen,  da  sie  den  Rosengarten 
des  Königs  Laurin  verwüsteten.  Mehr  über  diese  Dinge  an  an- 
derer Stelle!  Hier  mögen  die  grammatischen  Folgerungen  ge- 
nügen. Als  Beweis  für  eine  Contraction  von  bir]  dürfen  die 
Aristophanesverse  nicht  in  Betracht  kommen,  und  damit  ist  aller- 
dings dieser  Annahme  die  stärkste  Stütze  entzogen. 

II  εις  νέων 
In  dem  soeben  erschienenen  Hefte  der  von  der  Berliner  Mu- 
seumsverwaltung  herausgegebenen  griechischen  Urkunden  ist 
Ν  958-  von  einem  Apollonios  die  Rede  als  von  του  vuvl  λι- 
τουργοΟντος  άμφόοου  Απολλώνιου  εις  νειυν  λειτουργεΐν  πάλιν 
μέλλοντος.  Da  Wilcken  εις  νέων  durch  zugesetztes  Fragezeichen 
und  weggelassene  Prosodie  als  dunkel  bezeichnet,  so  sei  die 
Deutung  nicht  verschwiegen,  die  mir  allein  berechtigt  erscheint: 
es  steckt  mit  ganz  gewöhnlicher  und  leichter  itacistischer  Ver- 
schreibung  (ω  für  o)  είς  νέον  darin  im  Sinne  von  unserem  *auf 
ein  Neues*.  Die  Zahl  dieser  Adverbialbildungen  mit  εΙς  ist  im 
Griechischen  ausserordentlich  gross;   είς  άεί,   εΙς  αύθις,  εΙς  αύ- 

^  Unter  den  einsilbigen  Stämmen  auf  ε  ist  ja  gerade  dieser  der 
einzige,  der  zum  Unterschiede  von  *bέ^u  ich  ermangele'  die  Contraction 
überall  durchführt. 

2  Vgl.  Külincr-Cierth,  iJramm.  der  gr.  Sprache  §  iif>2g  (S.  .35). 


480  Miscellen 

τίκα,  εις  όψε,  εις  ύστερον,  εις  αυριον,  εις  τήμερον  sind  beliebig 
herausgegriffene  ßeispiele,  die  lehren,  daHS  ee  Rieh  in  der  Regel 
um  die  Verbindung  von  Adverbien  mit  der  Präposition  bandelt, 
εις  oibiov,  seit  ThukydideR  gebräuchlich,  läest  eich  auch  so  ver- 
stehen und  εις  νέον  nicht  minder;  denn  νέον  ist  neben  νέιυς 
seit  Homer  Adverbinm  gewesen.  Dass  πάλιν  hinzutritt,  darf  eo 
wenig  AnstoRS  erregen,  wie  wir  an  unserem  *  wieder  von  Neuem' 
Anstofis  nehmen,  πάλιν  ist  bekanntlich  ein  Wort,  das  Verstär- 
kung liebte;  seine  Stellung  nach  dem  Begriff,  zu  dem  es  gehört, 
ist  echt  hellenistisch.  Noch  sei  auf  die  merkwürdige  Bildung  έν 
νέψ  hingewiesen,  über  die  ich  Fleckeisens  Jahrb.  1895  S.  255 
gehandelt  habe. 

III  ί)έ? 

Das  149.  Fragment    des  Epicharmos    steht    bei    Kaibel    in 
folgender  Fassung: 

—  τί  bk  TOV  εστί ;  —  οηλαοή  τρίπους.  —  τί  μάν  έχει  πό^ας 
τέτορας;  ουκ  έστιν  τρίπους,  άλλ'  (^έστιν)  οίμαι  τετράπους.  — 

—  ίστιν  δνομ'  αύτψ  τρίπους,  τέτοράς  γα  μάν  έχει  πόδας. 
Alles  einleuchtend  bis  auf  das  έ(Ττιν  im  letzten  Vers;  denn  die 
Ueberlieferung  bietet  έστι  b'  δνομ',  und  das  ist,  meine  ich,  zu  be- 
halten. Man  mag  die  Adversativpartikcl  durch  eine  Ellipse  erklären, 
wie  sie  lebhaften  Südländern  wohl  zuzutrauen  ist:  ^ού  τρίπους 
έστίν^,  έ(Ττι  b'  δνομ'  αύτψ  τρίπους.  Epicharm  hat  geeohrieben, 
wie  das  Volk  sprach;  solch  ein  freies  hi  hat  in  seinen  Gesprächen 
Kpiktet,  bei  dem  es  zB.  Diss.  I  14,  11  heisst;  Άλλ'  έγώ,  φησίν,  ού 
ούναμαι  πα(Τΐν  δμα  τούτοις  παρακολουθεϊν.  —  τούτο  όέ^αοί 
και  λέγει  τις,  δτι  ίση  ν  έχεις  δύναμιν  τψΔιί;  Entsprechend  liest 
man  in  dem  lateinischen  Fragment  des  Buches  Henocb  (S.  138 
Fl.-R.):  Et  timuit  Lamecb,  ne  non  ex  eo  natus  esset  nie!  nontine 
dei,  et  venit  ad  patrem  suum  Mathusalem  et  narravit  illi  omnia. 
dixit  Mathusalem:  Jugo  atitem  non  possum  scire,  nisi  eamas  ad 
patrem  nostrum  Enoc.  Bekannter  ist  eine  Stelle  des  Petron, 
cena  Trimalch.  c.  58:  Post  hoc  dictum  tiiton,  qui  ad  pedee  etabat, 
risum  iam  diu  compressum  etiam  indecenter  eifudit.  Qaod  cum 
animadvertisset  adversariuR  Ascylti,  flexit  convicium  in  pnemm 
et  *iw  auiem  inquit  'etiam  tu  rides,  caepa  cirrata?'  Der  Bedende 
stellt  in  seinen  Gedanken  den  Giton  in  einen  Gegeneats  χα 
Ascyltus. 

Bonn.  L.  Radermacher. 


1  ]{ei  Luüian  vcrao  bist.  I  12  ist  die  liiterpuuction  falsch:  καΐ 
{ίμεΐς  ήρόμεθα,  τίνες  τε  εΐεν  ο1  πολέμιοι  καΐ  τήν  αΐτίαν  τής  διαφοράς. 
'ό  hi  Φαέθων',  ψησίν,  'ό  τών  έν  τψ  ήλ{ψ  κατοικούνταιν  βασιλεύς*.  £■ 
mu88  hoissen  δ  be,  'Φαέθων*,  φηαίν,  'ό  των  έν  τφ  ήλίψ  κατοικούντυιν 
βασιλεύς*.  Gewöhnlicher  ist  άλλα  in  der  oben  charakterisirten  Ver- 
WLMidun^^:  Xenophon  Anab.  II  1,4  Epictet.  Dissert.  I  2,20  etc. 

Verantwortlicher  Kedaeteur:    L.  Kadermacher  in  Bonn. 

(la.  Juni  1902.) 


■\ 


InhaltMes  dritten  Heftes. 

Seite 
Oonioctanea.    Scripsit  F.  Bu«icJie.l«»r Ι\ϋ1 

Die  Berliner  Bruflisiücke  iWr  Sappho.    Von  F.  Rolmseii    tVI^f    , 

FacetijU!  Tullianne.     Von  1^.  (iurliit 337     ! 


Der  Ma*;iie.t  und  die  Atlinmn^'  in  antiken  Theorien.   Von 

H.  Λ.  Fritzbchc. 363 

Aus  Dresdener  IlaniUehriftrn.    Λ'οη  Μ.  Mauitius  .     .  302 

Zu  ^rieeliischen  Prosaikern.     Von  K.  Fuhr 422 

l-nheaehtetft  Strabolraj^niente     Von  II.  Kunze    .     .     .  437 

Analecta  Theodoreliana.    Srripsit  .1.  Kaeder  .    .     .  449 


Μ  i  Η  e  e  I  1  e  11. 

Kiue  Anspielung  in  dem  Zeusliymnos  des  Kalliniachos. 

Von  (;.  Wöri.el 1(50 

IMautus  Aini»liitrnf».    Von  Th.  Kakridis 4(>8 

liandhenierkun.i'»*n  /u  Horaz.     Von  F.  Sehultess    .     .  465 

Zu  ('iri>.  V.  :{i>:>-;3TT.     V..n  K*.  Wünsch 4β« 

Aüroei'ius  »«t  IMinins  de  Dflplnca.    S^•rip^it  D.  Kosshach  473 

Zu    rr<»;:u>  I*i»nip('iii>  Γγ«»!.  \.     V()n  <>.  Xeuhaus     .     .  474 

Zu  1ΊΛ.  II  m:m;      \m|,  .l,,ii.  K.  Kirchner 476 

Dri-i   Druiii•::•• '■.     \  .•υ   1.    li  ;ni»• Γ niai' li  er 478 


I 


I  ;.i  •  -ι-.ιιΊϋ'Π'ί  in  lioiiiu 


Rheinisches  Museum 


Η  Τ  L  0  L  0  Γ4  Τ  Ε. 


Franz  Buechelor  unä  Hermann  Usener. 


EIN  SCHREIBGEBRAUCH  UND  SEINE 
BEDEUTUNG  EUER  DIE  TEXTKRITIK 


Wie  man  heutzutage  das,  was  man  einem  Schriftstück  nach- 
träglich einzufügen  wünscht  und  doch  nicht  in  den  Context  selbst 
liineinschreiben  möchte,  auf  seinem  Rande  einzutragen  und  da- 
durch an  den  gewollten  Platz  zu  verweisen  pflegt,  dass  man  hier 
und  dort  einander  entsprechende  Zeichen  setzt,  so  verfuhr  man 
auch  im  Alterthum  und  Mittelalter.  Aber  die  Verweisungszeichen 
waren  nicht  das  einzige  Mittel,  das  zur  Orientirnng  solcher  Rand- 
zusätze verwendet  wurde,  man  suchte  diesen  Zweck  auch  noch 
auf  andere  Weise  zu  erreichen.  Ein  paar  Beispiele  mögen  den 
Sachverhalt  erläutern. 

Theodoros  Metochites  sagt  von  Synesios  S.  127  MK.  f(JTi 
b'  ού  και  ν€μ€σήσαι  τις  δν  δικαίως  το  της  γλώσσης  τταρά- 
τροτΓΟν.  An  Stelle  des  letzten  Wortes  bietet  die  Handschrift, 
nach  der  A.  Mai  diesen  Essai  zurrst  veröffentlichte  (Scriptorum 
vett.  nova  collectio  II  S.  687),  ττάτροττον,  wozu  am  Rande  ρά- 
τροπον  vermerkt  ist.  Auch  damit  ist  ersichtlich  nichts  anderes 
als  παράτροπον  gemeint,  die  Randbemerkung  will  sagen :  schiebe 
in  πάτροπον  vor  τρόπον  die  Silbe  pa  ein.  Das  gleiche  Ver- 
weisungsprincip  ist  in  einem  von  A.  Lud  wich  Batrachomachie 
S.  345  hervorgehobenen  Falle  bei  einem  sehr  umfänglichen  Nach- 
trage befolgt.  In  der  ältesten  Handscihrift  dieses  Gedichts  (Ba• 
roccianus  50)  stehen  die  Verse  209,  214,  215,  218  und  219 
(άλλ*  oub'  ώς  άπεληγεν  κτέ.)  in  dieser  Reihenfolge  im  Text. 
Dazu  notirte  ein  Corrector  des  IB.  Jahrhunderts  rechts  neben 
209:  —  στίχοι,  wiederholte  dann  auf  dem  unteren  Rande  der 
Seite  das  Zeichen:  —  und  schrieb  dazu  ])aarweise  die  Verse  210, 
211,  212,  2i:^  2\'λ\  21«,  217,  218,  219  αλλ'  oub'  ως  άπεληγεν. 
Wie  im  vorigen  Beispiel  τρόττον,  so  stellt  hier  der  aus  dem  Text 

Rhein.  Hiu.  f.  Philo].  N.  F.  LVII.  ?i\ 


482  ßrinkmann 

wiederholte  Verstfaeil  das  Stichwort   dar,   das   den    yoränegehen- 
den  Versen  ihren  richtigen  Platz  vor  219  anweist. 

Dies  Verfahren  ist  nicht  erst  im  Mittelalter  aufgekommen. 
Ganz  ehenso  half  sich  der  Copist   des  Herondas-Papyrus,   als  er 
das  Anfangswort  des  Verses  VII  99   (Τειυυτοϋ   irrthümlich   aue- 
gelassen hatte:    er    holte    es  in  dem  freien  Kaume  üher  der  Co- 
lumne  (40)  nach  und  fügte  ihm  das  Wort,    vor    dem    es    einza- 
schalten   ist,  στατήρας,    in  Verbindung   mit  einem  Verweisunge- 
zeichen ^    hinzu.     Aber    auch    wo    es    sich   nicht   um  Ergänzung 
fehlender,  sondern  um  Variante  oder  Correctur  vorhandener  Text- 
worte handelt,    hat    man    sich  desselben  Orientirungsmittels    be- 
dient.    ZB.  in  der  Herculanischen  Rolle  von  Polystratos'  Schrift 
περί   άλογου  καταφρονήσ€ΐυς    liest    man    am  Fuss  der  22.  Col. 
die  Notiz  λαβείν  άληθι,  durch  correspondirende  Zeichen  bezogen 
auf  Z.  25  άπόλαυσιν  λαμβάνειν  άληθινήν.    Mit  einer  ganzen  An- 
zahl in  gleicher  Weise  orientirter  Randzusätze   ist  der  Text  des 
von  Leemans  (Papyri  gr.  musei  Lugduni-B.  II  1885)  und  A.  Die- 
terich (Abraxas  1891)  herausgegebenen  Leydener  Zauberpapyrus 
W  nachträglich  vervollständigt.     So  stehen  unter  S.  19  (199  D.) 
die  Worte  επικαλούμαι  σε  ώς  ό  λίψ,  στάς  προς  τον  λίβα  λέγε 
η  II 000  υυυυ  υυωιυιυο)  αααααα  εεεεεεε  επικαλούμαι,  es  ist  dem- 
nach im  Texte  vor  einem  επικαλούμαι  der  Satz  επικαλούμαι  (5ε 
—  εεεεεεε  einzuschieben,  der  durch  ein  nahe  liegendes  Versehen 
übersprungen  war.     Nun  findet  sich  επικαλούμαι  auf  dieser  Seite 
sebr  oft,  in  Betracht  kann  jedoch  nur  der  Abschnitt  kommen,  in 
dem    von    den    Winden   die  Rede   ist,    nämlich  Zeile  20,  22,  24 
oder  26,    und  unter    diesen    hat  wieder  Z.  24  die  am  besten  be- 
gründeten Ansprüche.     Denn  nur   wenn    man  den  Nachtrag  hier 
einrückt,  werden  die  vier  Winde  in  einer  naturgemässen  Reihen- 
folge (OSWN)  aufgeführt.  Ferner  sind  über  S.  9  (173  D.)  die  Worte 
gesetzt  είτα  κυνός  άστρου  ανατολή  ν  είτα  τήν  τήςΟώθεως, 
dh.  είτα  — ανατολή  ν   soll    vor  είτα  τήν  τής  (sie)  Οώθειυς  Ζ.  47 
eingeschaltet  werden.     Kurz  vorher  macht  sich  eine  weitere  Lücke 
bei  πρόθεσιν  (Ζ.  45)  auf  den  ersten  Blick  bemerklich.    Sie  wird 
ausgefüllt  durch  die  am  Fuss  der  Seite  eingetragenen  Worte  την 
τροπήν  τού  κόσμου  τήν  καλουμίνην   πρόθεσιν.     Unmittelbar 
über  diesem  Nachtrage  steht  ein  zweiter:  και  τόν  τής  ημέρας 

'  Crusius  liest  6  und  deutet  dies  οίίτως,  aber  weder  kann  die 
nach  links  sich  öilnendc  krumme  Liuie  ein  ο  sein,  noch  sind  die  Zeichen 
darüber  Spiritus  und  Accont. 


Ein  Schreibgebrauch  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik   483 

και  τόν  έπάναγκον  αυτών  ϊνα  H  αυτών (S.  172  D.).  Er  dient 
zur  Ergänzung  von  Z.  36  καΐ  τόν  τής  ήμίρας  θ€Ον,  ϊνα  H  αυτών. 
Hier  sind  also  dem  Supplement  nicht  nur  die  Worte,  vor  die  es 
gehört,  sondern  auch  die,  hinter  denen  es  seinen  Platz  finden 
soll,  hinzugefügt.  Noch  mehr  Sioherheitsmassregeln  sind  bei  einer 
Naohtragnng  am  Ende  der  S.  8  (192  D.)  getrofi'en.  Ausser  voran- 
und  nachgestellten  Stichworten  finden  sich  noch  Yerweisungs- 
zeichen  im  Text  Z.  22  άκουε  μοχλέ  7,  ανάβαλε  γή  und  vor  dem 
Nachtrage  7  ακουε  μοχλέ,  εΙς  bvo  γενου^  κλείιυν  biä  τόν 
αϊααϊνρυχαθ,  ανάβαλε  γ  ή.  Nur  einmal  werden,  abgesehen  von 
Verweisungszeichen,  zur  Orientirung  allein  die  Worte  verwendet, 
hinter  denen  der  Randzusatz  einzuschieben  ist.  Ueber  S.  6  (187  D.) 
steht  της  θεοσοφίας  άνεύρετον  ττοίησον  τήν  βίβλον,  zu  Ζ.  22 
πλησθεις  τής  θεοσοφίας  gehörig.  Dass  diesmal  das  Stichwort 
vorausgeschickt  ist,  mag  seinen  Grund  in  der  Rücksicht  auf  die 
grammatische  Zusammengehörigkeit  und  den  Platz  der  nachzu- 
tragenden Worte  haben,  die  den  Abschluss  eines  Textabschnittes 
bilden.  Immerhin  dürften  derartige  Fälle  zu  den  Ausnahmen 
gehören.  Die  Regel  bei  Verweisungen  mittelst  Stich  Worten  war 
jedenfalls,  Randzusätzen  die  Textworte  folgen  zu  lassen,  vor 
denen  sie  eingeschaltet  werden  sollen.  Und  es  leuchtet  ein,  dass 
diese  Art  von  Reclameu  sich  in  der  That  am  besten  zur  Orien- 
tirung eignete.  So  hat  sich  ihr  Gebrauch  auch  nicht  auf  die 
Verweisung  von  Marginalien  beschränkt.  Denn  es  liegt  doch 
das  gleiche  Prinzip  zu  Grunde,  wenn  man  die  Reihenfolge  der 
Blattlagen,  Blätter  oder  Seiten  in  den  Codices  statt  durch  Zahl- 
zeichen vielfach  dadurch  bezeichnete,  dass  man  ihnen  am 
Bchluss  das  oder  die  Anfangsworte  der  nächstfolgenden  Seite 
beischrieb.  Auch  diese  Sitte  reicht  bis  ins  Alterthum  zurück. 
Nicht  nur  der  Leydener  magische  Papyruscodex  W  befolgt  sie^, 
eondern  bereits  altbabylonische  Schreiber  verfahren  danach.  So 
ist  die  Reihenfolge  der  von  Zimmern  (Assyriolog.  Bibliothek 
XII   1.    1896)    veröffentlichten   '  Surpu' -Tafeln    auf   diese    Weise 

^  Das  entspricht  genau  dem  deutschen  'entzwei  gehen*,  es  kann 

b 
daher  κλβιδων,  wie  man  das  κλ€ΐων  gelesene  Wort  gedeutet  hat,  un- 
möglich richtig  sein.  Man  vgl.  noch  S.  6,  51  (189, 13  Ό.)σχ(σον  €ΐς  δύο. 
^  Dass  es  in  diesem  Sinne  zu  verstehen  ist,  wenn  bis  S.  19  (mit 
einer  Ausnahme)  die  Schlussworte  jeder  Seite  und  die  Anfangsworte 
der  nächsten  sich  decken,  gelit  am  klarsten  daraus  hervor,  dass  das 
Wort  Ιερατιστί,  das  die  8.  Seite  eröffnet,  am  Schless  der  7.  in  beson- 
derer Zeile  für  sich  allein  geschrieben  ist. 


484  Brinkmann 

festgelegt.  Die  4.  Tafel  zB.  schliesst  mit  den  Worten  (S.  25): 
*'  Beschwörung.  Ein  böser  Flach  hat  wie  ein  Dämon  einen  Men- 
sehen  befallen.  Vierte  Tafel  Surpu.  Ihrem  Original  gemäss  ab- 
geschrieben* usw.  Die  Worte  *  Beschwörung — befallen'  sind  dem 
Anfang  der  5.  Tafel  entnommen,  sie  bilden  die  ^Stichzeile^  die 
angiebt,  dass  diese  Tafel  derjenigen  unmittelbar  voranzugehen 
habe;  die  so  beginnt.  Aus  dem  Mittelalter  hat  sich  dann  diese 
Verwendung  der  Eeclamen  in  Schrift  und  Druck  weiter  und 
weiter  vererbt,  und  wenn  sie  jetzt  aus  den  Erzeugnissen  der 
modernen  Drnckerpresse  fast  ganz  verschwunden  sind,  leben  sie 
bekanntlich  in  der  conservativen  Praxis  der  Kanzleien  noch  heute 
uneingeschränkt  fort. 

So  verbreitet  nun  auch  der  Gebrauch  von  Stiehworten  zur 
Orientirung  marginaler  Nachträge  gewesen  sein  muss,  ist  er  doch 
allem  Anschein  nach  niemals  zu  allgemeiner  oder  auch  nur  über- 
wiegender Geltung  durchgedrungen.  Dieser  Zustand  konnte  aber, 
ja  musste  fast  mit  Nothwendigkeit  zu  mancherlei  Uebelständen 
führen.  Abschreiber,  denen  das  Stichwort-Verfahren  nicht  ge- 
läufig war,  standen  derartigen  Verweisungen  rathlos  gegenüber 
und  waren  genöthigt  sich  mit  ihnen  nach  Massgabe  ihrer  Ein- 
sicht und  Gewissenhaftigkeit  abzufinden.  Wessen  man  sich  aber 
unter  solchen  Umständen  zu  versehen  hat,  lässt  sich  leicht  er* 
messen,  wenn  man  bedenkt,  wie  viel  Verwirrung  überhaupt  durch 
unrichtige  Verwerthung  von  Marginalien  in  der  antiken  Litteratur 
angerichtet  ist,  wie  oft  Varianten  und  abweichende  Recensionen  ^, 
Correcturen  und  Inhaltsangaben^,  Glossen  und  Scholien,  Ver- 
weisungen^ und  redactionelle  Vermerke^,    lobende  oder  tadelnde 

1  Vgl.  Blase  in*  Iw.  Müllers  Handbuch  I»  S.  260  f.  Ueber  die  be- 
sondere Bedeutung  dieses  Factors  in  der  Aristoteles- Ueberliefening  s. 
namentlich  L.  Spengel,  Abhandl.  d.  bayerischen  Akad.  VI  (1852)  S.  511, 
Torstricks  Praef.  zu  de  anima  S.  XXII  fi*.  und  Diels  Abhandl.  d.  Berliner 
Akad.  1882  S.  31  fi*. 

2  Das  gilt  natürlich  vorzugsweise  von  Werken  wissenschaftlichen 
Inhalts,  zB.  Rhet.  ad  Alex.  S.  23,  20  Sp.  [πόθ€ν  dv  τις  άπολογήσαιτο] 
(erkannt  von  VicloriusJ,  Philon  Mech.  S.  49,  17  [πβρί  τής  καθόλου 
τέχνης],  sowie  S.  94,  13,  Heron  Pneum.  S.  12,  3  f.  Seh.  [μεταβάλλει 
τά  παχύτερα  τών  σωμάτων  εΙς  λεπτομερεστέρας  ουσίας]  und  S.  22,  25  ff. 
[διότι  oi  κάτω  κολυμβώντες  ού  θλίβονται  ύπό  τοΟ  υπεράνω  Οδατος]. 

8  χβ,  Hippocr.  V  S.  344  L.   [τά  έκ  τοΟ  σμικροΟ  πινακιδίου  σκε- 
.  πτέα]  s.  Bröcker    Rhein.  Mus.  40  S.  431,  Alex.  Aphrod.  II  S.  128,  22 
[περί  τής  απορίας    ταύτης    καΐ    έν    τοίς    ύστέροις  εΤρηταί  τι]  β.  Bruns, 
Suidas  unter  Συριανός  [εΙς  τά  Πρόκλου]  β.  R.  Scholl  Anecd.  II  S.  5. 

*  Dionys.  Hai.  de  Isoer.  S.  570  R.  =  80,'  12  ÜR.  [άσύναπτα]   β. 


Ein  Sohreibgebrauch  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik     485 

Aeueserungen  ^  und  sonstige  Notizen  kritischer  Leser  an  der  ersten 
besten  Stelle  dnrch  die  Abschreiber  den  von  ihnen  copirten 
Texten  einverleibt  sind.  Bereits  Galen  weiss  in  seinen  Erläute- 
rn ngsschrifte  η  zu  Hippokrates  ein  Lied  davon  zu  singen  ^. 

Nach  alledem  wird  man  daranf  gefasst  sein  müssen  in  den 
antiken  Texten  auch  solche  Schäden  anzutreffen,  die  anf  diesem 
Wege  entstanden  sind.  Diese  Fehlerquelle  ist  auch  nicht  ganz 
ohne  ausdrückliche  Anerkennung  geblieben.  So  zeigte  üsener 
Epicurea  S.  XXIV  f.,  dass  einer  der  verschiedenen  Zusätze, 
durch  die  Diogenes  Laertius  III  6  und  7  seine  Vorlage  erweitert 
hat  und  die  dann  durchweg  an  möglichst  unpassende  Stellen 
gerathen  sind,  noch  jetzt  sein  ürsprungszeugniss  in  Gestalt 
des    angehängten    Stichworts    aufweist.      Es    ist   der    Satz  (§  7) 


Sadee  de  Dion.  H.  scr.  rhet.  S.  19  ff.  und  Serapion  v.  Thmuis  S.  72, 2' 
Lagarde  [ανακόλουθα]  s.  Pitra  Anall.  sacra  V  S.  59  und  Sitzungsber. 
Berl.  Akad.  1894  S  481,  dh.  *  hier  ist  der  Text  unzusammenhängend*, 
femer  Diog.  Laert.  X  121  [μ€τιτέον  bi  έπΙ  τήν  έπιστολήν]  u.  122  [τό 
έξης*  Δοκεΐ  δ'  αύτοΐς]  s.  Usener  Epicurea  S.  XXXII  ff.  Im  psendoplut. 
Leben  des  Andokides  steht  am  Schluss  des  von  Westermann  als  nach• 
trägriche  Einlage  entlarvten  Excurses  über  den  Hermenfrevel  (δια  τό 
πρότερον ώς  Κράτιππός  φησι)  der  Vermerk  [προσαμαρτών  μυ- 
στήρια], di.,  wie  Dübner  erkannt  hat,  προς  *Αμαρτών  μυστήρια  'setze 
vorstehendes  den  (der  Einlage  unmittelbar  vorhergehenden)  Worten 
άμαρτών  μυστήρια  hinzu*. 

*  Vgl.  ua.  Cobet  Mnemosyne  IX  S.  98  ff.  Es  ist  freilich  auch 
wohl  hie  und  da  Missbrauch  mit  solchen  Annahmen  getrieben.  So  hat 
Cobet  bei  Julian  VII  S.  231»  in  dem  Satze  di  ZeO  πάτ€ρ  ή  ότι  σοι 
φ{λον  όνομα  ή  Οπως  όνομά2Ιεσθαι  —  τουτί  γάρ  £μοιγε  ουδέν  διαφέρει 
—  δε{κνυέ  μοι  τήν  έπΙ  σέ  φέρουσαν  όδόν  die  Worte  τουτΙ  γάρ  έμοιγε 
ουδέν  διαφέρει  als  ironische  Bandbemerkung  eines  Lesers  getilgt.  Schon 
das  hierbei  ganz  unbegreifliche  γάρ  hätte  ihn  oder  Hertlein,  der  ihm 
folgt,  bedenklich  machen  müssen.  Vollends  klar  wird  die  Verkehrtheit 
der  Athetese,  wenn  man  vergleicht  zum  Gedanken  etwa  Origen.  o. 
Gels.  V  41  und  Macar.  Magnes  IV  21  S.  200,  zum  Ausdruck  Method. 
S.  343,  δ  Bonw.  άπό  τών  στοιχείων  ή  ολης  ή  στηριγμάτων,  ή  βιτως 
αύτοΙ  βούλεσθε  όνομάίειν  —  ουδέν  γάρ  διαφέρει,  Aelian  V.  Η.  Ι  25 
ΑλέΗανδρος  ό  Φιλίππου,  εΐ  δέ  τψ  δοκεΐ  ό  τοΟ  Διός  —  έμοί  γάρ  ουδέν 
διαφέρει,  Aeschines  Tim.  164  όστισδηποτοΟν  —  ουδέν  γάρ  διαφέρει. 

2  S.  Galen  XVII  1  S.  79  f.,  634,  909  und  sonst  (vgl.  Bröcker 
Rhein.  Mus.  40  S.  417  ff.  und  Blass  im  Handbuch  Ρ  S.  257  ff.),  ausser- 
dem Simplicius  in  Categ.  51^  38  Br.  δισσογραφία  τις  έν  τούτοις  συνέβη* 
ουδέν  γάρ  'Αριστοτέλης  έκ  περιττοΟ  τοϊς  λόγοις  προστίθησιν,  άλλ'  ΐσως 
ßu)  παραγεγραμμένης  τής  Αλλης  γραφής  οΐ  γράφοντες  τά  δύο  εΙς 
τό  εδάφιον  ένεγράψαντο. 


486  Brinkmann 


ττροσεϊχε  Κρατύλψ  le  τψ  Ηρακλειτείψ  καΐ  Έρμογένει  τψ  τά 
ΤΤαρμ€νίοου  φιλοσοφουντι,  der  wie  das  folgende,  im  jetzigen 
Zusammenhange  unverständliche  ίπειτα  angiebt,  vor  ίιτειτα  μέντοι 
μέλλιυν  (§  6)  seinen  Platz  hatte  finden  sollen.  Und  Ludwich 
erklärte  Batrachomachie  S.  345  die  Tbatsache,  dass  sich  V.  76 
fast  vollständig  mit  69  deckt  durch  die  Yermuthung,  es  seien 
74  und  75  im  Archetypus  am  Rande  nachgetragen  gewesen  und 
69  hinzugefügt,  um  ihre  Einreihung  vor  diesem  Verse  zu  ver- 
anlassen. Im  Allgemeinen  hat  man  jedoch  anscheinend  diesem 
Verweisungsmodus  sowie  den  durch  seine  ünkenntniss  oder  Ver- 
nachlässigung verursachten  Irrungen  nicht  die  gebührende  Auf- 
merksamkeit geschenkt.  £s  dürfte  sich  daher  verlohnen  dem 
Gegenstande  etwas  näher  nachzugehen  und  seine  Wichtigkeit  fur 
die  Ueberlieferung  der  antiken  Litteratur  an  einigen  charakter- 
istischen Proben  aufzuzeigen. 

Ein  bekanntes,  dem  Anaxagoras  zugeschriebenes  Wort  lautet 
in  Jamblichs  Protreptikos  c.  9  nach  dem  Florentinus  ερωτηθέντα, 
τίνος  δν  ένεκα  ϊλοιτο  γενίσθαι  τις  και  2ήν,  άποκρίνεσθαι  .  .  . 
ώς  του  θεάσασθαι  τά  ΤΓ€ρι  τον  ούρανόν  και  ττερι  αυτόν  δστρα 
κτέ.  Mit  Hilfe  der  Parallelstellen  hat  Pistelli  in  seiner  Aus- 
gabe S.  51,  13  die  Schlussworte  verbessert  zu 

θ€άσασθαι  [τά  ττερί]  τον  ούρανόν  και  <^τά^  περί  αυτόν 

αστρα. 
Man  wird  diese  Corruptel  schwerlich  anders  erklären  können,  als 
wenn  man  in  τά  περί  eine  ursprünglich  ausserhalb  des  Textet, 
beigeschriebene  Correctur  sieht,  die  besagen  sollte,  dass  vor  περί 
(αυτόν  α(Ττρα)  der  Artikel  irrthümlich  ausgelassen  sei.  Ebeoso 
wird  man  Stellen  zu  beurtheilen  haben  wie  Eleomedes  II  5  S.  194, 
17  f.  Z. 

ουτιυ  [πάσαν  αυτήν]  περιέρχεται  —  nämlich  ή  σελήνη  — 
περί  (πασαν)  αυτήν, 
Heron  Automat.  S.  430,  9  Seh. 

καΐ  (άνωθεν  περόνιον)   οιώσαι  bia  τρυπηματίου    του   έν 
τή  πλευρςί  και  [άνωθεν  περόνιον  οιώσας]  5ιά  της  αγ- 
κύλης, 
und  vermuthlich  auch  den  in  dieser  Zeitschrift  LVI  S.  70  f.  be- 
handelten Satz  der  Rede  Gregors  an  Origenes  §   161 

οίς  εϊπερ  έπείσθη.  πριν  φιλοσοφήσαι,  προσελθεϊν  το 
πρώτον,  (προσανείχετο)  αν  και  ήγάπα,  .  .  .  οία  6ή  μή 
προκατειλημμένης  της  ψυχής  μηοέπιυ  λόγοις  [προσανεί- 
χετο  δ  ν  και  ήγάπα]. 


Ein  Sohreibgebrauch  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik    487 

Zar  Annahme  eines  verkannten  Nachtrages  mit  doppelter  Orien- 
tirung  drängt  die  XJeberlieferung  in  Porphyrios'  Leben  Plotins  c.  9 : 
?σχ€  bk  και  γυναίκας  σφόδρα  προσκειμενας,  Γεμίναν  τε, 
ής  και  έν  τή  οίκίςι  κατφκει,  καΐ  τήν  ταύτης  θυγατέρα, 
Άμφίκλειάν  τε  ...  [σφόδρα  φιλοσοφίςι  προσκει- 
μίνας]. 

Die  Schlnssworte  waren  wohl  die  Randbemerkung  eines  Lesers, 
der  an  dem  Ausdruck  ?σχε  σφόδρα  προσκειμένας  (*es  waren 
ihm  sehr  ergeben')  mit  Unrecht  Anstoss  nahm  und  —  zum 
Schaden  des  Sinnes  —  φιλοσοφίςι  dazwischen  eingeschoben 
wissen  wollte.  Der  seltenere  Fall  einer  Verweisung  durch  voraus- 
geschicktes Stichwort  scheint  dagegen  bei  Athenaeus  XI  S.  505  f. 
vorzuliegen.     Denn  wenn  Kaibel  mit  Eecht  hergestellt  hat 

άλλα  μην  ου  δύνανται  Πάραλος  καΐ  Ξάνθιτπτος  ο1  Περι- 
κλέους υ\οι  [τελευτήσαντες  τφ  λοιμφ]  Πριυταγόρςι 
διαλέγεσθαι,  δτε  <τό>  δεύτερον  έττεδήμησε  ταϊς  'Αθήναις, 
οΐ  Ιτι  (?)  πρότερον  τελευτήσαντες  (τψ  λοιμψ), 

so  ist  die  Verderbnies  doch  nur  unter  der  Voraussetzung  be- 
greiflich, dass  τελευτήσαντες  τψ  λοιμψ  ein  verstelltes  Mar- 
ginale ist,  das  den  Ausfall  von  τψ  λοιμψ  am  Satzschluss  be- 
richtigen sollte. 

Handelt  es  sich  in  den  bisher  betrachteten  Beispielen  immer 
nur  um  die  Nachtragnng  von  einem  oder  zwei  Worten,  so  fehlt 
es  auch  nicht  an  Belegen  für  irrthümliche  Einordnung  längerer 
Randzusätze  dieser  Art.  Besonders  klar  tritt  der  Sachverhalt  zu 
Tage  in  dem  biographischen  Artikel  des  Suidas  über  den  Ko- 
miker Phrynichos.  Da  werden  die  Stücke  dieses  Dichters  in 
folgender  Ordnung  aufgeführt: 

'Εφιάλτης,  Κόννος,  Κρόνος,  Κιυμασται,  Σάτυροι,  Τρα- 
γιυδοί  ή  Απελεύθεροι,  Μονότροπος,  ΜοΟσαι,  Μύστης, 
Ποάστριαι,  Σάτυροι. 

Nun  kennt  die  Liste  des  cod.  fistensis  (Eaibel  FCG.  IS.  10)  von 
Phrynichos  nur  10  Komödien,  hier  sind  es  11,  aber  der  Titel 
Σάτυροι  wird  zweimal  genannt  und  zwar  das  zweite  Mal  ohne 
jedes  unterscheidende  Kennzeichen.  Man  strich  daher  frühzeitig 
das  zweite  Σάτυροι  als  überflüssig.  Allein  C.  Wachsmuth  (Symb. 
phil.  Bonn.  8.  151)  erkannte,  dass  die  Verderbniss  tiefer  greife 
und  die  ursprünglich  durchweg  alphabetische  Reihenfolge  der 
Titel  zerrissen  habe,  ohne  dabei  auf  eine  Erklärung  ihres  Ur- 
sprungs einzugehn.    Einmal  auf  diese  Dinge  aufmerksam  geworden 


488  Brinkmann 

sieht  man  leicht,  was  vorgegangen.  Die  Titel  Μονότροττος, 
MoOdai,  Μύστης,  ΤΤοάστριαι  waren  ans  Versehen  übersprangen 
und  am  Rande  zusammen  mit  Σάτυροι  als  Stichwort  nach- 
getragen, zum  Zeichen  dass  sie  vor  Σάτυροι  in  den  Text  ge- 
hörten ^.  Der  nächste  Copist  beachtete  das  nicht  und  schob  den 
Nachtrag  sammt  seinem  Stichwort  kurzerhand  ans  Ende  des 
Pinax. 

Nicht  ganz  so  einfach  liegt  der  Thatbestand  bei  einer  Stelle 
der  Schrift  des  Alexander  von  Aphrodisias  περί  κρά(7€(υς  και 
αύΗή(Τ€ως.  Im  11.  Kapitel  dieses  ebenso  schwierigen  wie  wich- 
tigen Buches  wird  die  stoische  Lehre,  dass  Gott  (das  wirkende) 
die  Materie  (das  leidende  Prinzip)  durchdringe  und  gestalte, 
von  den  verschiedensten  Seiten  aus  beleuchtet  und  ad  absur- 
dum geführt.  An  seinem  Schlüsse  heisst  es  dann  S.  226,  80  ff. 
der  Akademie- Ausgabe  προς  bk  τούτοις  ei  τά  κιρνάμενα  άλλή- 
λοις  σώματα  άντιπάσχειν  ύπ'  αλλήλων^  ανάγκη,  τά  bk  5Γ  αλ- 
λήλων χιυρουντα  σώματα  κιρνάται  άλλήλοις,  €Ϊη  τ'  δν  δλληλα 
*«*  Ταύτα  μέν  €ΐπ€ίν  προήχθην  bia  τους  αντιλέγοντας  κτέ. 
Mit  Recht  hat  der  Herausgeber  das  Zeichen  der  Lücke  gesetzt, 
es  fehlt  der  Nachsatz,  die  Schlussfolgerung:  'so  ist  auch  Gott 
mit  der  Materie  vermischt,  erfährt  demnach  von  ihr  Gegenwirkung, 
leidet  also  oder  ähnlich.  Bruns  hat  auch  bereits  treffend  darauf 
hingewiesen,  dass  der  hier  ausgefallene  Gedanke  sich  weiter  unten 
S.  227,  19  ff.  vorfinde.  Da  stehen  unvermittelt  und  zusammen- 
hanglos zwischen  zwei  Sätzen,  in  denen  von  ganz  anderen  Dingen 
die  Rede  ist,  die  Worte  και  ό  θεός  κιρνάμενος  τή  υλη,  ei  hl 
τούτο,  και  άντιπάσχων  ύπ*  αυτής*  οίς  έπεται  τό  τε  τον  θεόν 
πάσχειν  και  τό  την  υλην  ποιεϊν,  άλλα  ταύτα  —  dem  Sinne  nach 
genau  das,  was  S.  226,  34  fehlt.  Es  kann  daher  kein  Zweifel 
sein,  dass  hier  eine  verschlagene  Randbemerkung  vorliegt,  die 
zur  Ergänzung  der  Lücke  am  Ende  des  11.  Kapitels  hatte  dienen 
sollen.  Nun  ist  mit  οίς  ϊπεται  τό  τε  τόν  θεόν  πάσχειν  και  τό 
την  υλην  ποιεϊν  die  Schlussfolgerung  ans  Ziel  gelangt,  für  den 
Gedanken  ist  nichts  weiter  erforderlich.  Immerhin  besteht  aber 
die  Möglichkeit,    dass    einst   doch  noch  eine  jetzt  verlorene  Be- 


*  Von  hier  aus  eröffnet  sich  vielleicht  auch  ein  Weg  zu  der  von 
Daub  (Flcckeis.  Jahrb.  1881  S.  264)  vermissten  Erklärung,  wie  iu  den 
Bios  des  Ophelion  die  Titel  der  diesem  Komiker  von  Meineke  (Bist, 
crit.  S.  415)  u.  A.  abgesprochenen  Stücke  Σάτυροι,  ΜοΟσαι,  Μονό- 
τροποι  (sie)  eingedrungen  sein  können. 


Ein  Schreibgebrauch  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik     489 

merknng  mehr  oder  weniger  gleichgiltigen  Inhalte  folgte  und  die 
abgerieeenen  Worte  άλλα  ταύτα  ihren  Anfang  bildeten.  Darüber 
gilt  ee  zunächst  Klarheit  zu  gewinnen.  Der  Satz,  der  auf  die 
von  Bruns  angezeigte  Lücke  folgt  (S.  226,  34),  beginnt  mit  den 
Worten  ταύτα  μέν  είπεϊν  προήχθην  κτέ.,  ihm  fehlt  also  der  un- 
mittelbare Anschlüge  an  das  vorangegangene.  Hergestellt  wird 
die  Verbindung,  wenn  man  entweder  hinter  μέν  ein  bi\  oder  oöv 
einschiebt,  oder  aber  λόγ  ταύτα  eine  Partikel  wie  και  oder  άλλα 
hinzufügt.  Da  nun  vor  ταύτα  sich  ohnehin  die  Lücke  befindet, 
so  ist  natürlich  das  letztere  weitaus  vorzuziehen.  Ist  dem  aber 
80,  dann  kann,  da  mit  diesem  Satze  die  bisherige  Erörterung  ab- 
gebrochen wird,  nur  άλλα  ernstlich  in  Frage  kommen.  Der  auf 
die  Lücke  folgende  Satz  begann  also  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  mit  άλλα  ταύτα.  Eben  diese  Worte  άλλα  ταύτα  stehen 
aber  ganz  abrupt  am  Schlues  des  Nachtrags,  der  zur  Ausfüllung 
jener  Lücke  bestimmt  war  und  sie  auch  inhaltlich  in  vollkommen 
befriedigender  Weise  ausfüllt.  Der  Nachtrag  ist  also  in  der 
That  am  Ende  vollständig  und  das  abrupte  άλλα  ταύτα  stellt 
das  ihm  zur  Orientirung  angehängte  Stichwort  dar:  er  passt 
somit  genau  an  den  auf  die  Lücke  folgenden  Satz  an.  Setzt 
man  ihn  nun  an  dieser  Stelle  ein,  so  wäre  Alles  in  schönster 
Ordnung,  wenn  das  jetzt  vor  der  Lücke  stehende  άλληλα  fehlte. 
Also  vor  der  statuirten  Lücke  ist  ein  άλληλα  überflüssig,  da- 
hinter ein  άλλα  erforderlich,  mit  anderen  Worten  dies  άλληλα  ist 
nichts  anderes  als  das  vermisste  άλλα,  leicht  verschrieben  unter 
dem  fortwirkenden  Einflüsse  der  unmittelbar  vorhergehenden 
άλλήλιυν  und  άλλήλοις^.  Die  Entstehung  des  jetzigen  Textes 
dürfte  demnach  in  folgender  Weise  vor  sich  gegangen  sein.  In 
einem  dem  Archetypon  vorausliegenden  Exemplar  war  der  Schluss 
des  11.  und  der  Anfang  des  12,  Kapitels  geschrieben  €Ϊη  τ'  &v| 
άλλα  ταύτα  μέν  ειττεϊν  προήχθη  ν  κτέ.  mit  Auslassung  von  και 
ό  θ€Ος  —  ποΐ€Ϊν  zwischen  δν  und  άλλα.  Diese  Auslassung  zog 
dann  die  weitere  Verderbnies  von  άλλα  zu  άλληλα  nach  sich. 
Der  übersprungene  Satzschluss  και  ό  θεός  —  ποιεΐν  aber  ward 
am  Eande  nachgetragen  und  ihm  die  Anfangsworte  des  nächsten 
Satzes  άλλα  ταύτα  als  Reclame  angehängt.  Wird  er  eingeordnet, 
80  ergiebt  sich  folgendes : 

προς  bi  τούτοις    el  τα  κιρνάμενα  άλλήλοις  σώματα  άντι- 
πάσχειν  υπ'  αλλήλων  ανάγκη    (bia  τούτο   γάρ   ούοίτερον 


1  Vgl.  Bd.  LVI  S.  72  dieser  Zeitschrift. 


490  Brinkmann 

αυτών  φθ€ίρ€ται,  δτι  έκάτ€ρον  αυτών  πάσχον  ύφ'  έκατέρου 
έν  τώ  πάσχ€ΐν  άντιποιεϊ),  τά  hk  bC  αλλήλων  χωρουντα 
σώματα  κιρναται  άλλήλοις,  εϊη  τ'  δν^  |  και  ό  θεός  κιρνά- 
μενος  τή  υλη,  el  οέ  τούτο,  και  άντιπάσχιυν  υπ'  αυτής* 
οίς  ?π€ται  τό  τε   τόν    θεόν   πάσχειν   και   τό  την    υλην 

άλλα      ταΟτα 


ποιεϊν.    Ι  άλλ[ηλ]ά.ταϋτα  μέν   εΙπεΐν  προήχθην   5ιά  τους 

αντιλέγοντας  μέν  Άριστοτέλει  κτέ. 
Wie  ist  aber  der  Nachtrag  an  die  eo  weit  abgelegene  Stelle  ge- 
rathen,  an  der  er  jetzt  steht?  Der  Schaden  ist,  wie  eich  gezeigt 
hat,  jedenfalls  recht  alt.  Nun  lehren  aber  die  griechischen  Hand- 
schriften des  Alterthums  und  frühen  Mittelalters*,  wie  die  Her- 
culanischen  Rollen,  die  Papyri  des  Bakchylides,  Herondas,  Homer, 
Hypereides,  der  Ascensio  Jesaiae,  die  Bibelcodices  nya.,  dass 
man  damals  als  Unterkunft  für  Nachträge,  Varianten  und  ähn- 
liche Notizen  vorzugsweise  den  Baum  über  und  unter  den 
Spalten  oder  Seiten  zu  benutzen  pflegte^.     Es  dürfte  sich  daher 


^  Dem  T€  entspricht  (cl  δέ  τοΟτο)  και.  Der  sich  zunächst  dar- 
bietende Gedanke,  nach  €ΐη  τ'  Äv  etwa  (ή  ολη  κιρναμένη  τφ  θ€φ)  oder 
dergleichen  zu  ergänzen,  hält  reiflicher  Prüfung  nicht  Stich.  Mit  εΐη 
dv  beginnt  Alex,  mit  Vorliebe  den  Nachsatz,  zB.  S.  221,  35.  222,  15. 
18.  24.    22β,  23  und  t€  gebraucht  er  oft  in  sehr  freier  Weise. 

'  Dasselbe  g^lt,  wie  es  scheint,  von  den  ältesten  lateinischen 
Handschriften.  Die  Orientiruug  der  Randzusätze  wird  hier  abgesehen 
von  den  Verweisungezeichen  noch  dadurch  bewirkt,  dass  man  der  de- 
fekten Text  stelle  wie  ihrem  Supplement  die  litterae  singulares  hs  (dh. 
hoc  supplendum  oä.)  beifügt,  so  im  Plinius-Palimpsest  von  St.  Paul 
(Dziatzko  Unters,  über  d.  antike  Buchwesen  S.  110,  vgl.  Mommsen- 
Studemund  Analecta  Liv.  S.  22),  und  in  Dichter-Handschriften  auch  in 
der  Weise,  dass  dem  der  Auslassung  vorangehenden  Verse  ein  Ä^  den 
nachgetragenen  Β  und  die  folgenden  Buchstaben  in  der  Reihenfolge 
des  Alphabets  vorgesetzt  werden,  zB.  im  Mediceus  39, 1  (s.  Max  Hoff- 
mann S.  XVII)  und  Vaticanus  3225  des  Vergil  (s.  das  Facsimile),  viel- 
leicht auch  im  Ambrosianus  des  Plautus  (383^  s.  Studemuuds  Apo- 
graphum). 

^  Diese  Thatsacbe  hat  bereite  Schubart  in  seinen  Bruchstücken 
zu  einer  Methodologie  der  diplomatischen  Kritik  (1855)  S.  84  richtig 
erschlossen,  erklärt  und  verwendet:  'Auch  durch  Verschulden  der  Ab- 
schreiber konnten  grössere  Stücke  des  Textes  ausfallen;  bemerkte  man 
dies  nicht,  so  entstand  eine  Lücke ;  wurde  es  noch  bei  Zeiten  entdeckt, 
so  trug  man  das  Ausjrelassene  am  Rande  nach,  und  zwar  in  der  Regel 
am  oberen  oder  unteren  Rande,  weil  es  an  dem  schmäleren  Seiten- 
rande meist  an  Raum  gebrach,   um   einen   längeren  Abschnitt   einzu- 


Ein  Sohreibgebraach  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik     491 

auch  im  vorliegenden  Falle  empfehlen,  mit  diesem  feststehenden 
Gebrauch  zu  rechnen  und  nicht  abstracten  Möglichkeiten  nach- 
zujagen. Die  ausgelassenen  Worte  waren  also  ursprünglich  am 
Fuss  der  Seite  nachgetragen,  zu  der  sie  gehörten  und  wurden 
später  an  eben  dieser  Stelle  in  den  Text  eingereiht. 

Zu  dem  hier  erschlossenen  Vorgang  liefert  die  genaueste 
Analogie  ein  Abschnitt  des  mehrfach  erwähnten  Leydener  Zauber- 
papyrus W  und  zwar  der  in  doppelter,  grossentheils  gleich- 
lautender Fassung  darin  enthaltenen  Kosmopoiie,  die  A.  Dieterich 
zum  Ausgangspunkt  seiner  Abraxas-Untersuchungen  genommen 
hat.  In  der  zweiten  Fassung  heisst  es  S.  12,  1  ff.  (Leemanns  II 
S.  121,  Dieterich  S.  8  f.)  έγίλασε  τό  πέμπτον  (η.  ό  θ€Ος)  καΐ 
Τ€λών  έστύγνασε  και  έφάνη  Μοϊρα  κατέχουσα  ίυγόν,  μηνύουσα 
έν  εαυτή  τό  Μκαιον  €Ϊναι.  An  der  entsprechenden  Stelle  der 
ersten  (S.  5,  7  ff.)  ist  aber  zwischen  δίκαιον  und  etvai  folgendes 
eingeschoben : 

λέγ€ΐ  την  βάριν,  έφ'  ή  αναβαίνει  άνατ€λ[ο]λιυν  τφ  κόσμψ. 
ίστιν  hi 

?φη    b*  αύτοϊς    ό    θ€Ος    έΗ  αμφοτέρων   είναι  τό  οίκαιον 
πάντα  6έ  υπό  σέ  έσται  τα  έν  κόσμψ.    και  πρώτη 
εκλήθη  οέ  ονόματι  άγίψ  άναγραμματιίομένψ   φοβερψ  καΐ 
φρικτφ      θοριοβριαταμμαωραγγαοιυιυοαγγαρωαμματαιρβοι- 
ροθ.    έκάκχασε  τό  έκτον 
ουτιυς  είχε  τό  άντίγραφον. 
Wie  man  sieht,  besteht  die  Einlage,  abgesehen  von  den  Schluss- 
worten,  aus  drei  Stücken,    die    weder    zu  einander  noch  zu  dem 
Satze,    in    den   sie    eingeschoben    sind,    die    geringste  Beziehung 
haben.     Ihr  Auftreten  an  dieser  Stelle   ist    daher,    wie  Dieterich 
(S.  9)  gesehen  hat,  nur  dann  begreiflich,  wenn  man  sie  als  Rand- 
bemerkungen der  Vorlage  fasst,  die  der  Copist  von  W  versländ- 
nisslos  dem  Texte  einverleibte.     Darauf  weist  auch  das  ihnen  am 
Schluss   angefügte    οίίτως    είχε    τό    άντίγραφον,    mit   dem    der 
Schreiber   seine  Rathlosigkeit   eingesteht  und  sich   zugleich  dem 
Leser    gegenüber    aller  Verantwortung    entledigt.      Und    weiter, 


tragen.  Hierdurch  wurde  derselbe  in  den  meisten  Fällen  weit  von 
seinem  ursprünglichen  Platze  abgerückt,  und  gerieth  in  Ermangelung 
von  VerweisungBzeichen  oder  bei  Vernachlässigung  derselben  von  Seiten 
des  Abschreibers  in  rathlose  Irre,  so  dass  man  den  Ausfall  entweder 
da  einfügte,  wo  sich  ein  passender  Platz  ohne  Suchen  darzubieten 
schien,  oder  wo  er  etwa  zunächst  stand.'  Vpl.  auch  Blass  im  Handb. 
I«  S.  262. 


492  Brinkmann 

jedes  dieser  drei  ehemaligen  Marginalien  besteht  aus  einem  in  sich 
geschlossenen  Satze,  auf  den  jedesmal  zwei  bezw.  drei  abge- 
rissene Worte  folgen:  sie  tragen  also  durchaas  das  Gepräge 
der  mit  nachgestelltem  Stichwort  orientirten  Randzusätze  und 
Varianten. 

Was  zunächst  das  erste  von  ihnen  betrifft,  so  findet  es  sich 
in  dieser  ersten  Fassung  der  Kosmopoiie  nirgends,  es  war  daher 
in  der  Vorlage  zweifellos  als  Supplement  gemeint,  das  vor  einem 
?(Ττιν  bk  in  den  Text  aufgenommen  werden  sollte.  Nun  kommt 
aber  έ(Ττιν  hk  in  dieser  Partie  des  Papyrus  wiederholt  vor,  es 
empfiehlt  sich  daher,  um  den  richtigen  Platz  zu  ermitteln,  von 
der  zweiten  Fassung  auszugehen.  Hier  stehen  jene  Worte  λέγ€ΐ 
—  κόσμψ  S.  11,  21  (Dieterich  S.  6**)  hinter  τό  bk  φίΚΓικόν  σου 
δνομα  αίγυτττιστι  Άλοαβαείμ  und  vor  6  bk  έττι  της  βάρβως 
φανείς.  Dem  entspricht  in  der  ersten  Fassung  S.  4,  26  (Diete- 
rich S.  6•)  τό  bk  φυσικόν  σου  δνομα  αίγυτιτιστι  Άλοαβαείμ 
(γράμματα  θ),  κατ  έστιν  bi  ό  έττι  της  βάρ€ΐυς  φαν€ΐς  κτέ. 
Man  hat  hier  κατ  und  έστιν  zu  κάτεστιν  zusammengefasst  und 
so  ein  weder  sonst  beglaubigtes  noch  an  sich  glaubliches  Ver- 
bum  geschafi'en.  Wie  man  sich  aber  auch  mit  diesem  κατ  mag 
abzufinden  haben,  soviel  ist  unbestreitbar :  genau  an  der  Stelle, 
auf  welche  die  zweite  Fassung  hinführt,  findet  sich  in  der  That 
ein  ίστιν  bi,  das  Stichwort  jenes  Nachtrages.  Was  bedeutet 
nun  das  räthselhafte  κατ?  Es  kommt  noch  einmal  im  Papyrus 
vor,  nämlich  S.  4,  2,  und  zwar  wie  aus  dem  beigegebenen  Facsi- 
mile  auf  Tafel  Π  ersichtlich  ist,  mit  hoher  gestelltem  Endbuchstaben 
geschrieben  (κα'Τ),  somit  als  Abbreviatur  gekennzeichnet.  Die 
Satzgruppe,  in  der  es  da  erscheint  —  πρώτον  έφάνη  φώς,  αυγή, 
bi'  ής  έστησ€  τα  πάντα  έγένετο  bk  θ€Ος.  κατ.  ούτοι  γαρ  €ΐσι. 
ούτως  €Ϊχ€  τό  άντίγραφον^  —  steht  ausser  jeder  Verbindung  mit 
dem  vorhergehenden,  wie  dem  nachfolgendeu,  sie  ist  auch  äusser- 
lich  vom  übrigen  Text  scharf  abgetrennt.  Dieser  Umstand  im 
Verein  mit  dem  bezeichnenden  Zusatz  ούτως  €ΐχ€  τό  αντίγραφαν 
beweist  aber,  dass  der  Passus  bereits  in  der  Vorlage  am  Rande 
stand,  und  zwar  da  die  Stelle,  auf  die  er  sich  bezieht  (S.  4,  39  = 
S.  7*  8  ff.  D.),  erst  später  folgt,  ebenso  wie  in  W  am  oberen  Rande. 
Also  κατ  ist  Abbreviatur,  es  findet  sich  einmal  an  einer  Stelle,  zu 
der  ehemals  eine  Randbemerkung  gehörte  (S.  4,  27),  das  anderemal 
in  einer  solchen  Randbemerkung  selbst  (S.  4,  2),  in  beiden  Fällen 


^  Diese  Zeilen  sind  von  Dieterich  unberücksichtigt  gelassen. 


£ίη  Scbreibgebraucb  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik     493 

ist  68  ein  tiberflüseiges  und  störendes  Element,  das  aus  dem  Zu- 
sammenbange  vollständig  berausfällt.  Was  liegt  also  näber  als 
den  Scbluss  zu  zieben,  dass  es  auf  die  Randbemerkung  als  solcbe 
Bezug  bat,  db.  irgendwie  zur  Verweisung  dient,  mitbin,  da  im 
einen  Falle  das  zugebörige  Marginale  weiter  unten  folgt,  im  an- 
deren das  Marginale  zu  einer  weiter  unten  folgenden  Stelle  ge- 
bort, dass  es  κάτυϋ  zu  lesen  ist?  In  der  Tbat  sind  derartige 
Vor-  und  Rückverweisungen  auf  und  von  Randbemerkungen  mit- 
telst κάτΐϋ  und  άνω  im  Sinne  von  'siebe  unten'  bezw.  *oben'  in 
den  antiken  Manuscripten  nicbts  weniger  als  selten.  So  stebt 
im  Oxyrbynchos- Papyrus  des  V.  Bucbes  der  Ilias  (II  S.  102) 
neben  V.  125  recbts  κάτιυ,  links  ein  Verweisungszeicben ,  am 
Fuss  der  Colnmne  ist  dann  der  ausgelassene  Vers  126  nacb- 
getragen  und  ibm  ein  entsprecbendes  Zeichen  vor-,  ein  δνιυ  nach- 
gesetzt. In  ähnlicher  Weise  ist  verfahren  in  den  Herculaniscben 
Rollen  der  Rhetorik  Philodems  I  S.  9  Sudh.  (=  V^  33),  II  S.  133 
(=  VP  189),  S.  185  (=  X12  114),  S.  245,  264,  des  Index  Aca- 
demicorum  Col.  20  (Mekler  S.  72  f.,  vgl.  S.  21,  37,  XIII),  ferner 
in  den  Oxyrbynchos-Papyri  I  S.  26  Col.  II,  im  Codex  Sinaiticus 
IV  82,  92  US.  Ebenso  findet  sich  aber  auch  häufig  umgekehrt 
neben  oder  über  eine  lückenhafte  Stelle  ein  äviü  gesetzt,  das  auf 
die  am  Kopf  der  Seite  eingetragene  und  demgemäss  mit  dem 
Vermerk  κάτω  versehene  Ergänzung  verweist.  Im  Hypereides- 
Papyrus  Α  zB.  bat  der  Copist  zu  Anfang  der  Euxenippea  eine 
Zeile  ausgelassen  und  den  Defect  dann  dadurch  ausgeglichen, 
dass  er  die  übersprungenen  Worte  άλλ'  fjv  (Τττάνιον  ib€iv  über 
der  Columne  (19)  nachholte,  ihnen  ein  κάτω  anhängte  und  da, 
wo  sie  im  Texte  fehlen  (hinter  Z.  2),  άνω  hinzufügte.  Weitere 
Belege  liefern  Volum.  Hercul.  X*  176,  der  Herondas  •  Papyrus 
Col.  34,  Oxyrb.  P.  I  S.  42,  Π  S.  44,  S.  100  f.,  Amberst  P.  Π 
S.  24.  In  einigen  der  angeführten  Beispiele  ist,  wie  es  scheint, 
auch  nur  eins  der  beiden  V^erweisungswörter  gesetzt,  in  mehreren 
Fällen  sind  sie  ferner  abgekürzt  geschrieben,  einmal,  in  der  Hy- 
pereides-Handschrift,  κάτω  fast  genau  so  wie  im  Leidensis  W. 
Es  ergiebt  sich  also  nunmehr  folgendes  Resultat:  In  der  Vorlage 
des  Leydener  Zauberpapyrus  stand  am  Rande  zwischen  Αλδαβαείμ, 
γράμματα  θ  und  έστιν  hk  ό  oder  im  Text  über  dieser  Stelle 
(S.  4,  27  W^  =  S.  6*  3  D.)  das  Verweisungswort  κάτω,  dies  κάτω 
bezog  sich  auf  »He  am  Fuss  der  Seite  nachgetragene  Ergänzung 
λ€γ€ΐ  την  βάριν,  έφ'  ή  αναβαίνει  ανατέλλων  τω  κόσμω,  der 
ί(Ττιν  6έ  als  Stichwort  angeschlossen  war.     Die  Einordnung  de« 


494  Brinkmann 

Supplements  ist  mithin  darcli  zwiefache  Orientirungsmittel  fest- 
gelegt und  gegen  alle  Zweifel  gesicliert. 

Eine  etwas  andere  Bewandtniss  hat  es  mit  den  heiden 
übrigen  in  W  zwischen  δίκαιον  und  €Ϊνάι  (S.  5,  8  ff.  =  S.  9*  D.) 
eingesprengten  Eandbemerkungen  der  Vorlage.  Ihr  Inhalt  findet 
sich  in  ganz  ähnlicher  Form  einige  Zeilen  weiter  im  Text  von 
W  vor.     Dem  einen  (S.  5,  8  ff.  =  S.  10»  D.)  entspricht  Z.  14  ff.: 

?φη    b*    αύτοϊς    ό     θεός     il  τών    hk    μαχόμενων    ό    θ€Ος 

άμφοτίριυν    €Ϊναι    το    δίκαιον,  έφη*  ΈΕ  αμφοτέρων  το  δίκαιον 

πάντα  bk  υπό  σέ  έσται  τά  έν  φανήσεται,   πάντα  δέ   ύπό  σέ 

κόσμψ.    και  πρώτη  ίσταιτάένκόσμψ.  και  πρώτη... 

das  andere  (S.  5,  10  ff.  =  S.  10»  D.)  kehrt  Z.  17  ff.  wieder: 

εκλήθη  δέ  ονόματι  άγίψ  άνα-  ής  τό  όνομα  άναγραμματιίό- 
γραμματιίομίνψ  φοβερψ  και  μενον  μέ'χα  έστιν  και  δγιον 
φρικτψ  θοριο  —  οιροθ.  έκάκ-  και  ίνδοΕον.  έστι  δέ  τούτο* 
χάσε  τό  ϊκτον  θοριο  —  οιροθ  γραμμάτων  μθ. 

έκάκχασε  τό  Ικτον  .  .  . 
Beide  hilden  also  im  vorliegenden  Exemplar  nicht  Ergänzungen, 
sondern  stellen  Varianten  dar.  Es  fragt  sich  allerdings,  ob  sie 
diese  Bestimmung  von  vornherein  hatten.  Denn  es  ist  an  eich 
sehr  Wühl  denkbar,  dass  wie  der  erste,  so  diese  beiden  anderen 
Theile  der  Einlage  von  S.  5  im  Antigraphon  ursprünglich  zur 
Ausfüllung  von  Lücken  bestimmt  waren,  dann  aber  diesem  Zweck 
entfremdet  wurden,  weil  nachträglich,  sei  es  der  Copist,  ein  Cor- 
rector  oder  Leser  nach  einem  anderen  Exemplar  die  Ergänzung 
im  Texte  selbst  vornahm.  Es  fehlt  dafür  nicht  an  Analogien. 
So  ist  im  Herondas-Papyrus  das  ausgelassene  Anfangswort  des 
Verses  VII  99  ((Τεωυτου)  nicht  nur  über  der  Columne  ergänzt, 
sondern  auch  dem  Verse  selbst  nachträglich  vorgesetzt,  und  im 
Demosthenes-Fragment  Amherst  Papyri  II  S.  24  sind  die  Z.  5 
übersprungenen  Silben  —  γεθος  δυναμε  —  sowohl  am  Kopf  der 
Seite  wie  über  der  lückenhaften  Zeile  nachgetragen.  Indessen 
einfacher  und  natürlicher  erscheint  doch  die  Annahme,  dass  diese 
beiden  ehemaligen  Randbemerkungen  von  Haus  aus  als  Varianten 
gedacht  waren  ^.     Zu  Gunsten   dieser  Auffassung   fällt  insbeson- 


^  Es  liegt  dann  derselbe  Fall  vor  wie  in  der  oben  S.  482  ange- 
führten Stelle  aus  Polystratos'  Schrift  π.  άλογου  καταφρονήσεαις  und 
ζ  Β.  im  Rainer-Papyrus  von  Xenophons  Kyrupaedie  V  2",  24  (Mitth.  aus 
der  Sammlung  der  Pap.  Erzherzog  Rainer  VI  S.  88):  neben  den  Text- 
worten μέλον  αύτοϊς  Ισχιιραις  δπΐ}  τό  μέλλον  άποβήσοιτο  steht  ein  Ver- 


Ein  Schreibgebrauch  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik     495 

dere  der  Umstand  ins  Gewicht,  dass  auch  in  der  zweiten  Version 
der  Kosmopoiie  wenigstens  die  Bemerkung  über  den  anagramma- 
tischen Namen  θοριο  —  οιροθ  in  doppelter  Fassung  gegeben  ist 
(S.  12,  8  ff.  =  S.  10*»  13  ff.  D.),  einmal  genau  in  der  Gestalt,  wie 
sie  in  der  Einlage  S.  5, 10  ff.  steht,  sodann  wörtlich  in  der  Form, 
die  sie  im  fortlaufenden  Texte  S.  5,  17  ff.  hat^ 

Ist  hier  die  Entscheidung  immerhin  nicht  allen  Zweifeln 
entrückt,  so  läset  sich  eine  andere  Frage,  deren  Lösung  noch 
aussteht,  mit  um  so  grösserer  Sicherheit  beantworten.  Von  diesen 
drei  vom  Schreiber  des  Leydener  Zauberbuchs  verkannten  Rand- 
bemerkungen (S.  5,  8  ff.)  beziehen  sich  die  zweite  und  dritte  auf 
nachfolgende  Stellen  (S.  5,  14  ff.  und  17  ff.),  sie  standen  daher 
in  der  Vorlage  jedenfalls  über  der  Seite,  zu  der  sie  gehörten. 
Die  erste  dagegen  hatte  im  Antigraphon  ihren  Platz,  wie  sich 
(8.  493)  ergab,  am  Fuss  der  Seite,  zu  der  sie  einen  Nachtrag 
lieferte,  und  zwar  ging  diese  Seite  derjenigen  unmittelbar  voraus, 
an  deren  Kopfe  die  beiden  anderen  standen.  Indem  sie  nun  der 
Schreiber  des  Leydensis  alle  drei,  ohne  sich  um  ihre  Bestimmung 


Weisungszeichen,  dies  wiederholt  sich  unter  der  Columne  bei  einer  Fuss- 
note,  welche  die  varia  lectio  giebt  μέλον  Ισχυρώς  αύτοίς  δπη  τά  νΟν 
παρόντα  άποβήσοιτο. 

^  Ebenso  ist  die  Notiz  am  Kopf  der  S.  4  πρΦτον  έφάνη  φως, 
αυγή,  δι'  ής  έστησε  τά  πάντα,  έγένετο  δέ  θ€Ος  zu  beurtheilen.  Sie 
bezieht  sich  auf  Z.  39  f.  κανχάσαντος  πρώτον  αύτοΟ  έφάνη  φώς,  αυγή, 
καΐ  διηύγασεν  τά  πάντα  •  έγένετο  δέ  θ€Ος  κτέ.  Wie  früher  (S.  492)  ge- 
zeigt, stand  sie  bereits  in  der  Vorlage  am  oberen  Rande  der  ent- 
sprechenden Seite.  Zur  Orientirung  waren  ihr  ausser  dem  auf  die  zu- 
gehörige Textstelle  verweisenden  κάτω  noch  die  Z.  38  in  W  wieder- 
kehrenden Worte  οδτοι  γάρ  cloi  angeschlossen,  dh.  'siehe  unten  die 
mit  ούτοι  γάρ  είσι  beginnende  Zeile* .  Und  hier  ist  auch  noch  das  dem 
κάτω  des  Marginale  correspondirende  άνω  bei  der  zugehörigen  Text- 
stelle vorhanden:  es  ist  nach  Dieterichs  Angabe  (zu  S.  1^  8)  am  linken 
Rande  der  Z.  38  ein  AN  beigeschrieben,  das  nur  als  άν(ω)  gedeutet 
werden  kann.  —  Während  nun  diese  Bemerkung  im  Antigraphon  am 
Kopf  derjenigen  Seite  stand,  der  die  4.  des  Leydensis  W  entspricht, 
so  befand  sich,  wie  früher  (S.  493)  ermittelt,  die  erste  der  drei  Ein- 
lagen S.  5,  7  ff.  in  der  Vorlage  am  Fuss  derselben  Seite.  Diese  be- 
gann demnach  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ebenda,  wo  in  W  die 
S.  4  anfangt,  und  schloss  sicher  mit  τό  δίκαιον  S.  5,  7  W,  war  also  noch 
etwas  umfänglicher  als  die  correspondirende  ihrer  Copie.  Aus  dieser 
Seitenlänge  dürfte  dann  weiterhin  folgen,  dass  bereits  die  Vorlage 
nicht  Rollen-  sondern  Codexform  hatte. 


496  ßrinkmann 

zu  kümmern,  an  eben  dem  Orte,  wo  er  sie  vorfand,  dem  Texte 
einverleibte,  mussten  sie  naturgemäss  in  der  Weise,  wie  sie  eich 
jetzt  im  Papyrus  vorfinden,  genau  binter  einander  zu  sieben 
kommen  und  in  eine  gänzlicb  fremdartige  Umgebung  binein  ge- 
ratben  ^. 


^  Diesen  Bemerkungen  zum  Leydener  Zauberbucb  mag  es  ge- 
stattet sein  ein  paar  kritische  Kleinigkeiten  anzuschliessen.  S.  1,  10 
=  170, 4  D(ieterich)  ist  gelesen  €ΐσ€λθόντος  γάρ  τοΟ  θ€θο  π€ρισσότ€ρον 
(η.  οΐ  λύχνοι)  έΕαωθήσοντα  ι.  Man  hat  daraus  έΕωσθήσονται,  Gau 
ώσθήσονται  oder  έΕαπωθήσονται  gemacht,  ohne  jede  Wahrscheinlich- 
keit. Geroeint  ist  doch  'wann  der  Gott  erscheint,  werden  die  Lampen 
stärker  brennen',  also  έΗαφθήσονται.  Wer  es  für  nöthig  hält,  ver- 
gleiche zB.  λύχνον  έζημμένον  im  Pariser  Zauberpapyrus  Z.  67  (S.  46 
Wessely).  S.  1,  33  f.  =  ITö,  4  D.  1.  τόν  λόγον  τΦν  ώροτ€ν(αιν)  τόν  έν 
τή  Κλ€ΐδί.  S.  4,  17  U.  11,7  =  4,  1δ  D.  1.  διά  σέν  (=  σέ)  έδοΕάσθην. 
S.  7, 26 f.  =  190,  20  D.  1.  βοήθησον  έν  άνάγκσις,  έλ^ησον  (für  έλβήμων) 
έν  ώραις  βιαίοις.  S.  15, 43  =  181,  δ  D.  1.  έπικαλοΟμαί  σ€  τόν  πάντων 
μ€ίΤονα.  S.  18,  1  =  196,  17. D.  1.  συ  γάρ  έΐ  έγώ  καΐ  έγώ  συ*  δ  έ<ά>ν 
€Ϊπω  δ€ϊ  γβνέσθαι.  Ebenso  ist  9,  28  =  170,  16  D.  ού  έν  βούληται  für 
έάν  =  δν  geschrieben.  Eine  Form  wie  ένβίπω  hat  in  dieser  Sphäre 
keinen  Platz.  Weiter  heisst  es  dann  τό  γάρ  δνομά  σου  ίχω  φυλακτή- 
ριον  έν  καρδίςι  τή  έμή  -  καΐ  ού  κατισχύσβι  μ€  απασα  σ  δ  ρ  α  Ε  κινού- 
μενη, OÖK  άντιτάΕ€τα(  μοι  πάν  πνβΟμα,  ού  δαιμόνιον  κτέ.  Das  von  D. 
für  das  uuverstäDdliche  σδραΕ  eingesetzte  Στύζ  verstösst  gleich  sehr 
gegen  alle  diplomatische  Probabilität,  wie  es  den  durch  den  Zusammen- 
hang geforderten  und  durch  κινούμενη  grewährleisteten  Sinn  verfehlt: 
Wer  den  zauberkräftigen  Gottesnamen  im  Herzen  trägt,  gegen  den 
vermögen  weder  lebendige  Wesen  von  Fleisch  und  Blut  noch  Geister 
und  Gespenster  etwas  auszurichten.  CAPAE  ist  also  CAPAE  dh.  σάρΗ, 
mit  der  gerade  in  diesem  Papyrus  so  ungemein  häufigen  Vocalent- 
faltung.  Der  Beispielsammlung  D.s  Fleckeiscns  Jahrb.  Supplementbd. 
XVI  S.822  sind  hinzuzufügen  7,  34  u.  35=  191.  3  f.  D.  σ€βέσαι  u.  σ€- 
βέσθητι,  7,  37  =  191,  7  D.  φηλόΕ  (=  φλόΕ),  10,  11  =  174,  12  D.  Αστβρου, 
17,  35  =  196,  β  D.  πολλοΟτος  (=  πλούτος).  Dagegen  ist  aus  seiner 
Liste  άνατέλολων  S.  5,  7  =  9,  4  I).  als  Schreibfehler  zu  streichen,  zwi- 
schen gleichen  Consonanten  kann  naturgemäss  Anaptyxe  nicht  ein- 
treten. Zum  Ausdruck  vgl.  zB.  LXX  Numeri  16,  22.  27,  11  (κύριος  ό) 
θ€Ος  τών  πνβυμάτων  καΐ  πάσης  σαρκός  und  die  Bemerkung  Deissmanns 
zu  den  Rachegebeten  von  Rheneia  Philol.  LXI  S.  256.  —  Auf  die  zahl- 
reichen Stellen,  an  denen  man  mit  Unrecht  die  Ueberlieferung  an- 
getastet hat  (wie  S.  10,  12  =  174,  12  D.  κατά  δυ€ΐν  [für  δύο)  τρόπους, 
freechützt  durch  das  folgende  καθότι  —  καΐ  δτι  usw.  vgl.  diese  Zeit- 
schrift LVl  S.  67.  2,  S.  14,  43  =  17H,  16  D.  α1σθήσ€σι,  S.  16,  15  = 
186, 4  D.  άποθαν€ίσαι  für  άποθαν€ΐ  uam.),  soll  hier  nicht  naher  ein- 
gegangen werden. 


Ein  Schreibgebraach  und  seine  Bedeutung  ftir  die  Textkritik    497 

Die  Betrachtung  aller  angeführten  Stellen  dürfte  somit  für 
die  Ueberlieferungsgeechichte  und  Textkritik  insbesondere  folgende 
Ergebnisse  herausgestellt  haben: 

In  sorgfältigen  griechischen  Manuscripten  des  Alterthums 
und  früheren  Mittelalters  werden  nachträgliche  Zusätze  zum  Text, 
Varianten  und  ähnliche  Notizen  im  Allgemeinen  nicht  im  Schrift- 
raum, sondern  am  Rande  und  zwar  in  älterer  Zeit  vorwiegend 
am  Kopf  oder  Fuss  der  Seiten  eingetragen. 

Die  Orientirung  dieser  Marginalien  geschieht  dadurch,  dass 
man  ihnen  wie  den  zugehörigen  Textstellen  einander  entsprechende 
Zeichen  oder  die  Verweisungswörter  κάτω  und  fivui  beisetzt  oder 
aber  den  Randzusätzen  Stichworte  hinzufügt.  Häufig  kommen 
auch  je  zwei  dieser  Orientirungsmittel  gleichzeitig  zur  Verwendung. 

Als  Reclamen  benutzt  man  vorzugsweise  das  oder  diejenigen 
Textworte,  vor  denen  der  Leser  die  Nachtragung  vorzunehmen 
hat,  sie  werden  also  den  Marginalien  am  Schluss  angehängt. 

Trotz  ihrer  Einfachheit  und  Zweckmässigkeit  werden  diese 
G-epflogenheiten,  die  sich  zum  Theil  bis  ins  späte  Mittelalter  und 
weiterhin  fortgepflanzt  haben,  oft  verkannt  oder  vernachlässigt, 
wodurch  zahlreiche  und  nicht  selten  schwere  Textschäden  ver- 
ursacht sind. 

Königsberg  i.  Pr.  A.  Brinkmann. 


fiUeüi.  Mue.  f.  Phllol.  N.  F.  LVII.  32 


ΙΕΡΑ  ΔΕΥΡΟ 


In  der  bekannten  Stelle  über  die  Epidauria  bei  Pbiloetrat 
(Leben  des  ApoUonios  o^on  Tyana  IV  18,  155):  fjv  μέν  οή  'Em- 
baupiujv  ήμερα,  τά  bi  ΐπώαύρια  μετά  πρόρρησίν^  τε  και 
Ιέρεια  όευρο  μυεΐν  Άθηναίοις  πάτριον  έπι  QOCiq.  όευτέρςι,  τουτί 
bk  ένόμισαν  'Ασκληπιού  ϊνεκα,  δτι  br\  έμύησαν  αυτόν  ήκοντα 
Έπιόαυρόθεν  όψέ  μυστηρίων  hat  das  Wort  bevpo  Schwierig- 
keiten gemacht  und  ist  wohl  meist  als  verdorben  angesehen  wor- 
den. Zuletzt  hat  A.  Körte  (Ath.  Mitth.  21,  315  Anm.)  vorge- 
schlagen δεύτερον  statt  όευρο  zu  lesen.  So  elegant  nun  diese 
Conjeotur  in  palaographischer  Hinsicht  ist,  so  wenig  innere  Wahr- 
scheinlichkeit hat  sie,  da  das  δεύτερον  neben  έπι  θυσ{(^  οευτέρφ 
überflüssig  ist^,  so  dass  ich  fast  behaupten  möchte:  wenn  δεύ- 
τερον selbst  überliefert  wäre,  müssten  wir  es  ändern  bezw.  alfl 
Interpolation  streichen.  Demgegenüber  stand  für  mich  schon 
lange  fest,  dass  δευρο  überhaupt  nicht  zu  ändern,  sondern  mit 
dem  vorausgehenden  Worte  zu  einem  Ausruf  zu  verbinden  sei, 
der  als  Festtagsname  ebenso  gebildet  sei  wie  das  bekannte  &\abi 


1  In  der  Handschrift  steht  πρόσρησις,  aber  dass  die  bekannte 
eleusinische  πρόρρησις  gemeint  und  so  auch  zu  schreiben  ist,  hat 
schon  Preller  gesehen. 

3  Man  hat  sich  freilich  auch  die  Interpretation  dieses  Ausdrucb 
ohne  Noth  erschwert  und  mehr  dahinter  gesucht  als  dahinter  steckt, 
obwohl  die  einfache  Erklärung  dessen,  was  Philostrat  meint,  so  nahe 
liegt:  von  einer  gewiesen  Zeit  an  fand  zweimal  eine  Yorweihe  für  die 
grossen  Mysterien  statt,  einmal  wie  immer  in  Agra  und  ausserdem  — 
iid  θυσίςι  δευτ^ρςι  —  an  den  Epidaurien.  Ob  diese  übrigens  wirklich 
zugleich  mit  Einführung  des  Asklepioscultes  im  J.  4*20  gestiftet  wur- 
den, kann  bezweifelt  werden ;  auffallend  ist  jedenfalls,  wie  Foucart  mit 
Recht  bemerkt  hat,  dass  die  auf  diese  Einführung  bezügliche  Urkunde, 
die  Körte  mit  so  glänzendem  Scharfsinu  hergestellt  hat,  mit  keinem 
Wort  die  μύησις  des  Asklepios  erwähnt. 


'Ιερά  beOpo  499 

μύ(Τται.  Aber  nicht  minder  war  ich  mir  darüber  klar,  daee  ich, 
wenn  diese  Ansicht^  mehr  als  ein  vielleicht  richtiger  Gedanke 
sein  sollte,  schuldig  sei  den  Namen  aus  dem  Verlauf  der  Myste- 
rienfeier zu  erklären.  Hierbei  stiess  ich  nun  aber  auf  unüber- 
windliche Schwierigkeiten,  die  nicht  sowohl  in  beOpo,  als  im 
Worte  Upeia  lagen,  und  die  deshalb  ebenso  für  diejenigen  gelten, 
die  den  Tag  einfach  ιέρεια  benennen,  nur  von  ihnen  nicht  be- 
rücksichtigt worden  sind.  Grosse  Opfer  nämlich  wurden  natür- 
lich an  den  grossen  Mysterien  ebenso  gut  dargebracht  wie  an 
jedem  anderen  grossen  Fest,  aber  vergebens  wird  man  nach  einem 
Tag  suchen,  an  dem  die  Opferthiere  selbst  eine  solche  Rolle 
spielten  oder  überhaupt  spielen  konnten,  dass  er  danach  hätte 
benannt  werden  können,  zumal  mit  einem  so  farblosen  Namen 
wie  es  Ιέρεια  ist.  Man  braucht  nur  einmal  zum  Vergleich  andere 
Festtagsnamen  wie  die  Χόες  und  Χύτροι  der  Anthesterien  heran- 
zuziehen, um  sofort  den  Unterschied  zwischen  diesen  charakter- 
istischen Bezeichnungen  und  dem  angeblichen  Ιέρεια  gewahr  zu 
werden.  Was  aber  für  das  einfache  Ιέρεια  gilt,  gilt  auch  für 
Ιέρεια  δεΟρο.  Zwar  kommt  durch  δεΟρο  wenigstens  Leben  und 
Handlung  in  den  Namen,  aber  bestehen  bleibt,  dass  die  Ueber- 
lieferung  nichts  bietet,  was  eine  solche  Bezeichnung  rechtfertigen 
könnte.  Und  so  konnte  ich  meine  ursprüngliche  Ansicht,  dass 
alles  an  der  Stelle  in  Ordnung  sei,  doch  nicht  aufrecht  erhalten; 
wenn  ich  mich  nicht  mit  einem  blossen  Namen  ohne  realen  In- 
halt begnügen  wollte,  war  der  Schlues  unvermeidlich,  dass  zwar 
nicht  όευρο,  wohl  aber  das  Wort  Ιέρεια  verdorben  ist.  Und  ich 
sah  denn  auch  bald,  dass  die  Heilung  leicht  und,  wie  ich  hoffe, 
sicher  ist. 

Bei  Philostrat  muss  ein  Tag  gemeint  sein,  an  dem  irgend 
etwas  όευρο,  dh.  also  doch  nach  Athen,  kam  oder  gebracht  wurde. 
Nun  weiss  die  Ueberlieferung  nichts  von  Opferthieren,  die  dahin 
gebracht  wurden,  wohl  aber  berichtet  sie  bekanntlich,  dass  am 
14.  Boedromion   —  das  Datum  steht  inschriftlich  fest*  —  durch 


^  Zustimmend  bereits  erwähnt  v.  Prott,  Bursians  Jahresber.  CII 
(1899.  ΠΙ)  S.  114.  ~  Jüngst  hat  auch  Foucart  (Les  grands  mystdres 
d'Kletisis.  Paris  1900)  dieselbe  Ansicht  vertreten  und  icpcla  δ€θρο  als 
Namen  zusammen gefasst. 

8  CIA  III  n.  5  Z.  9:  δεδόχθαι  τ]ώι  δήμωι,  προστάΕαι  τώι  κοσ• 
μητήι  τών  [έφηβων  κ]ατάτά  αρχαία  νόμιμα  [δ](γ)£ΐν  Έλευσΐνάδε 
τού[ς  έφήβ]ους  τήι  τρίτη  ι  έπΙ  δέ[κα]  τοΟ  Βοηδρομιώνος  μ€[τά  τ]οο 
είθισμένου  σχήμα[τος]  τής  άμα  Ιεροΐς  πομπ[ής,  Ί'ΐνα  τήι  τετράοι  έιτί 
&έκα  πα[ραττέ]μψωσιν  τά  kpa  μέχ[ρι]  τοο  Έλευσεινίου  τοο  ύπό  [τήι  π]όλ€ΐ. 


500  ZiehQu 

die  Epheben  die  heiligen  Bilder  der  Göttinnen  nnd  andere  Cnlt- 
gegenstände,  die  sogenannten  Upd,  von  Elensis  nach  Athen  ge- 
leitet worden.  Yon  diesen  also  konnte  es  in  der  That  heissen 
Ιερά  beGpo  und,  wenn  wir  nan  gar  in  einer  der  über  diesen 
Festakt  handelnden  Inschriften  lesen  {CIÄ  III  5,  Dittenberger 
Syll.  *652):  δπως  δ[ν  έν  κόσμω  άχθ]€ίη  τά  tepa  beOpo  τ' 
έκ  τής  Έλ€υσ€Ϊνο[ς  κα\  πάλιν  έΕ]  άστεως  Έλ€υσ€ΐ[ν]άΟ€,  βο 
darf  darin  wohl  geradezu  eine  urkundliche  Bestätigung  dafür  ge- 
sehen werden,  dass  bei  Philostrat  Ιερά  δεΟρο  zu  schreiben  und 
damit  also  der  14.  Boedromion  gemeint  ist.  Daraus  folgt  dann 
weiter,  wenigstens  bei  ungezwungener  Interpretation,  dass  die 
bei  Phiiostrat  yorhergenannte  πρόρρηΟΊς  auf  den  13.  Boedr.,  und 
zwar  wohl  auf  den  Abend,  die  nachfolgenden  Epidauria  auf  den 
15.  Boedr.  fallen. 

Dies  Ergebniss  steht  nun  aber  in  scharfem  Widerspruch  mit 
den  herrschenden  Anschauungen  über  Anordnung  und  Datierung 
der  eleusinischen  Festtage,  als  deren  Hauptvertreter  heute  wohl 
A.  Mommsen  und  Foucart  gelten  dürfen,  die  beide  aueführlich 
diese  Frage  behandelt  haben  Κ  Wie  dieselben  die  für  uns  in 
Betracht  kommenden  Tage  angeordnet  und  datiert  haben,  wird 
am  besten  folgende  kurze  Gegenüberstellung  zeigen: 

MOMMSEN  FOUCART 

13  Boedr.  Zug  der  Epheben  nach  Eleusis 

14  „  Geleit  d.  Ιερά  durch  d.  Eph.  nach  Athen 

15  „  άγυρμός  άγυρμός  —  πρόρρησις 

16  „  πρόρρησις  —  &\abe  μύσται       δλ.  μύσται  — Ιέρεια  δευρο 

IAsklepieen  ,^         ,  17  od.  18  Έττιοαύρια. 

Επιόαυρια 

Wie  man  sieht,  weichen  beide  in  wichtigen  Punkten  von  einander 
ab,  aber  darin,  worauf  es  hier  ankommt,  stimmen  sie  überein: 
sie  lassen  beide  die  πρόρρη(Τΐς  erst  nach  dem  14.  Boedr.,  also 
nach  der  Kinholung  der  Ιερά,  und  die  Έπώαύρια  nach  dem  16., 
dem  eicher  bezeugten^  Tag  des  άλαδε  μύσται,  stattfinden,  wah- 
rend nach  meiner  Annahme  jene  auf  den   13.,    diese  auf  den  15. 


1  S.  A.  Mommsen,  Feste  d.  Stadt  Athen  S.  205  ff.,  Foucart,  Les 
grands  mysteres  d^fileusis  p.  91)  ff. 

2  S.  Folyaeu.  III  II,  2    Plut.   Phok.  G  und  Cam.  19. 


Ιερά  δ€θρο  &01 

fallen.  Es  fragt  sich  nun,  ob  nicht  vielleicht  für  die  herrschende 
Anechauang  wichtige  sachliche  Grründe  sprechen,  denen  gegenüber 
das,  was  ich  oben  auf  Grund  der  Philostratstelle  ausgeführt, 
trotz  allem,  was  dafür  spricht,  hinfällig  wird.  Aber  ich  glaube 
umgekehrt,  dass  die  Datierung  Mommsens  und  Foucarts  schweren 
Bedenken  unterliegt,  die  durch  die  meinige  vermieden  werden. 
Dabei  sehe  ich  ganz  von  dem  äusseren  Bedenken  ab,  das  wohl 
jedem  sofort  in  die  Augen  springt,  dass  nämlich  nach  jener  An- 
nahme Philostrat  zwar  den  16.  Boedr.  erwähnt,  aber  nicht  mit 
dem  für  ihn  sonst  bezeugten  Namen  &Xab€  μύ(Τται  und  daraus 
für  sie  die  Nothwendigkeit  folgt  für  diesen  Tag  eine  doppelte 
Benennung  anzunehmen.  Wichtiger  sind  die  in  der  Sache  selbst 
liegenden  Gründe. 

Was  zunächst  die  πρόρρη(Τις  betrifft,  so  urtheilt  Foucart 
insofern  richtiger  als  Mommsen,  als  er  sie  auf  den  von  ihm  an- 
genommenen ersten  Tag  des  Festes  verlegt.  Denn  eine  πρόρ- 
ρηαις  muss  doch,  was  auch  ihr  besonderer  Inhalt  sein  mag,  zu 
Anfang  des  Festes  stattfinden,  wenn  sie  anders  ihren  Namen  mit 
Recht  tragen  soll.  Aber  dass  nun  gerade  der  15.  Boedromion 
den  Anfang  des  Festes  bildete,  ist  nicht  mehr  als  eine  freilich 
oft  wiederholte  Hypothese,  die  auf  einer  willkürlichen  Auslegung 
der  Angaben  Plutarchs  (Camill.  19  u.  Alex.  31)  über  die  der 
Schlacht  bei  Arbela  vorausgehende  Mondfinsterniss  beruht.  Da- 
nach hat  diese,  wie  wenigstens  sehr  wahrscheinlich^  ist,  am 
15.  Boedr.  und  zwar,  wie  Plutarch  ausdrücklich  bemerkt,  περί 
τήν  τών  μυστηρίων  των  Άθήνησι  αρχήν  stattgefunden.  Aber 
da  Plutarch  das  Wort  περί  gebraucht,  sind  wir  doch  nicht  ge- 
zwungen, nun  gerade  unbedingt  den  15.  selbst  als  den  Tag  der 
αρχή  anzusehen.  Fiel  der  erste  Tag  der  Mysterien  auf  den  14. 
oder  auch  den  13.,  so  konnte  er  doch  immer  noch  sagen,  die 
Mondfinsterniss  des  15.  sei  π€ρι  τήν  αρχήν  gewesen.  Nun  fand 
aber  ja  doch  schon  am  14.  die  feierliche  Einholung  der  Ιερά 
nach  Athen  statt;  gehörte  dieser  Akt  etwa  nicht  zum  Fest?  Ich 
weiss  nicht,  ob  man  mir  entgegnen  wird,  er  gehöre  bloss  zu  den 
*  Vorbereitungen*  und  das  eigentliche  Mysterienfest  habe  damit 
noch  nicht  begonnen.     Jedenfalls  ist  es  gut,   dass   die  Entschei- 


*  Dpr  Vollmond  an  sich  beweist  freilich  noch  nicht  den  15.;  für 
Oeminos  beginnt,  wie  ich  A.  Mommsen  (S.  205  Anm.  6)  entnehmet  die 
πανσέληνος  nach  mittlerem  Gang  der  Phasen  am  14.,  nach  dem  schnell- 
sten Gang  am  13.  und  nach  dem  langsamsten  erst  am  15. 


502  Ziehen 

dang  nicht  von  dieser  Frage,  die  auf  einen  Wortetreit  hinaos- 
käme,  abhängt;  entscheidend  ist  vielmehr  die  Rücksicht  auf  den 
Inhalt  der  πρόρρησις.  Denn  die  πρόρρη(Τΐς  der  Mysterien  ent- 
hielt, wie  feststeht  ^,  die  Ausschliessung  der  άνοροφόνοί  und  der 
βάρβαροι  vom  Feste.  Sollen  wir  nun  wirklich  glauben,  daet 
man  mit  dieser  Ausschliessung  bis  nach  der  Einholung  der  Ιερά 
wartete  und  es  ruhig  geschehen  Hess,  dass  Mörder  und  Barbaren 
sich  unter  die  Gemeinde  drängten,  die  den  Ιερά  entgegeΏging^ 
und  vielleicht  mit  den  Uebrigen  das  Eleusinion  ^  betraten?  Das 
scheint  mir  unmöglich:  jene  πρόρρη(Τις  musste  vorher  stattfinden, 
damit  die  Ιερά  nicht  durch  die  Gegenwart  von  Unreinen  befleckt 
werden  konnten,  dh.  also  am  13.  Mittags  oder  Abende,  dem  Tag, 
auf  den  auch  die  oben  gegebene  Lesung  der  Philoatratstelie 
führte. 

Nicht  ganz  so  einfach  steht  es  mit  den  Epidauria.  Hier 
ist  ohne  Zweifel  A.  Mommsen  derjenige,  der  tiefer  und  schärfer 
in  die  Frage  und  ihre  Schwierigkeiten  eingedrungen,  zuletzt  aber 
doch  auch  nicht  zu  dem  m.  E.  richtigen  Schluss  gekommen  ist. 
Das  πρώτον  ψευδός  liegt  bei   ihm   darin,    dass  er   glaubt,    ver- 


}  Isoer.  Pancg.  157:  Εύμολιτ(δαι  bk  καΐ  Κήρυκες  έν  τή  τ€λ€τή 
τών  μυστηρίων  διά  τό  τούτων  (Persarum)  μίσος  καΐ  τοις  άλλοις  βορ 
βάροις  εΐργεσθαι  τών  i€pu)v  ώσπερ  τοΙς  άνδροφόνοις  προαγορεύουσιν ; 
Schol.  Arist.  Ran.  369 :  παρά  τήν  τοΟ  Ιεροφάντου  καΐ  δςιδούχου  πρόρ- 
ρησιν  τήν  ^ν  τή  ποικίλη  στο^  Statt  der  βάρβαροι  steht  —  wohl  mehr 
dem  Wortlaut  der  Formel  entsprechend  —  bei  Libanius  (Corinth.  IV 
p.  356  R.}  οστις  φωνήν  άσύνβτος  und  bei  Theo  Smyrnaeus  (p.  22)  τους 
—  —  φωνήν  άΕύν€τον  ίχοντας.  Foucart  hält  freilich  auch  in  seinem 
neuen  Werke  daran  fest»  dass  hierunter  diejenigen  zu  verstehen  seieOf 
deren  Stimme  mit  einem  physischen  Defect  behaftet  war,  so  dasi 
sie  die  heiligen  Formen  nicht  nachsingen  konnten,  und  dass  die  Bar- 
baren als  άνδροφόνοι  ausgeschlossen  waren.  Bei  der  Wichtigkeit  der 
Sache  —  vor  allem  für  die  Hypothese  von  der  ägyptischen  Herkunft 
der  Eleusinien  —  wiederhole  ich  hier,  was  ich  früher  in  den  Ber.  d. 
Freien  DButsch.  Hochstifts  1899  S.  203  bemerkt,  dass  die  Foucart'sche 
Auffassung  auf  einer  falschen  Interpretation  der  in  der  oben  ange- 
führten Isokratesstelle  stehenden  Worte  ιΰσπ€ρ  τοις  άνδροφόνοις  beruht, 
welche  bedeuten  *  ebenso  wie  den  Mördern',  nicht  'comme  meurtriere*; 
bei  dem  von  F.  angenommenen  Sinne  dürfte  der  Artikel  nicht  stehen. 

^  Lys.  gegen  Andok.  52  άπήντα  τοΙς  ΙεροΙς  πβρί  &  ήσέβησβν,  clcr- 
ήλθ€ν  €ΐς  τό  Έλ€υσ(νιον. 

8  S  d.  Lysiasstelle  in  Anm.  2;  vielleicht  aber  bezieht  sich  hier 
das  Betreten  dos  Kleusinions  auch  auf  einen  späteren  Ta^. 


Ιερά  δ€θρο  503 

pflichtet  zu  der  Reinigung  des  16.  Boedr.  seien  nur  die  gewesen, 
die  in  den  Epidauria  geweiht  werden  wollten,  und  daee  er  dem- 
gemäse  den  Tag  &\abe  μύσται  nur  als  Paraekeue  der  Epidauria 
auffaset.  Das  ist  aus  mehr  als  einem  Grunde  unglaublich.  Ein- 
mal lautet  der  Ruf  fiXabe  μύσται  nicht  so  als  ob  bloss  ein  Theil 
der  Mysten  gemeint  sei,  sondern  er  richtet  sich  doch  offenbar  an 
alle.  Das  verlangt  auch  die  Sache;  denn  mögen  auch  einmal  die 
kleinen  Mysterien  als  προκαθάρσις  und  προάγνευσις  der  grossen 
bezeichnet  werden  (schol.  Arist.  Plut.  895)  —  dass  die  dort  ge- 
weihten, nachdem  so  viel  Zeit  verstrichen  war,  bevor  sie  an  der 
τελετή  theilnabmen,  sich  noch  einmal  einer  feierlichen  Reinigung 
unterziehen  mnssten,  versteht  sich  doch  von  selbst.  Ja,  streng 
genommen  verbietet  uns  sogar  der  Sprachgebrauch  das  &λαοε 
μύ(Τται  auf  die  zu  beziehen,  die  erst  nach  dem  16.  die  Weihe 
empfingen;  denn  μύαται  können  nur  die  heissen,  die  schon  ge- 
weiht sind,  oder  auch  die  gerade  geweiht  werden  \  Eher  liesse 
sich  also  auf  Grund  der  herrschenden  Datierung  behaupten,  dass 
die  Theilnehmer  der  Epidaurienweihe  die  Reinigung  des  16.  über- 
haupt gar  nicht  mitgemacht  hätten.  Und  dass  jene  Datierung  in 
der  That  zu  diesem  bedenklichen  Schluss  führt,  lehrt  auch  eine 
andere,  zeitliche  Erwägung. 

Die  Anknüpfung  der  Epidaurienweihe  an  des  Asklepios  An- 
kunft in  Athen  setzt  die  Möglichkeit  voraus,  dass  auch  derjenige, 
der  erst  an  dem  Tage  der  Epidauria  in  Athen  eintraf,  noch  die 
Weihe  empfangen  konnte.  Das  trifft  zunächst  für  Asklepios  selbst 
zu  ;  denn  der  Tag  heisst  doch  wohl  deshalb  Epidauria,  weil  der 
Gott  an  diesem  Tage  von  Epidaurus  herkam,  und  dass  auch 
später  noch  jene  Möglichkeit  vorhanden  war,  beweist  eben  Apol- 
lonios  von  Tyana,  der  nach  der  Erzählung  Philostrate  an  diesem 
Tage  in  Athen  eintraf  und  die  Weihe  empfing.  Wenn  nun  aber 
diese  Weihe  erst  nach  dem  16.  Boedr.  stattfand,  so  hat  Asklepios 
und  jeder,  der  sich  später  in  gleicher  Lage  befand,  die  so  wich- 
tige Reinigung  im  Meere  versäumt^,  und  die  Athener  hätten  doch 


*  Hesych.  s.  v.  ό  τών  μυστηρίων  μεταλαβών  und  das  ist,  soviel 
ich  sehe,  die  vorlierrschende  Bedeutung;  in  der  anderen  steht  es  bei 
Plutarch.  Alk.  19:  τους  ö'  Αλλους  έτα(ρους  παρ€ΐναι  καΐ  μυείσθαι,  μύστας 
προσαγορευομένους,  und  wiederholt  in  der  alten  eleusinischen  Inschrift 
CIÄ  IV  1,  1  (Dittenb.  Syll.  a  046,  Ziehen,  Leg.  Sacr.  3),  zB.  c  am 
Ende:  τό]ς  μύστας  τός  Έλ€[υσ1νι  μυομ^]νος. 

^  Man  könnte  einwenden,  Asklepios  bedürfe  der  Reinigung  nicht, 


504  Ziehen 

dann  so,  wie  sie  eine  nacbträgliche  μύη(Τΐς  einriebteten,  auch  eine 
nachträgliche  Reinigungflfeier  vorsehen  mtieeen.  Allein  davon  ist 
keine  Spnr  zn  entdecken.  Ich  hin  in  der  eigenthümlichen  I^age 
hier  mit  A.  Mommsens  eigenen  Worten  argumentieren  zn  können. 
Er  sagt  (S.  219):  'Der  Sage  nach  führte  man  ihn  (den  Tag  der  Epid.) 
ein  zn  Gunsten  des  Asklepioe,  der  όψέ  μιΚΤτηρίΐϋν^  gekommen 
war.  Er  kam  zu  spät,  er  hatte  etwas  versäumt  Etwa  die  Rei- 
nigung des  16.,  indem  er  sich  erst  am  17.  einstellte?*  Die  Frage 
sei  zu  verneinen :  '  Hätte  es  sich  um  Yersäumung  des  Reinigungs- 
tages  gehandelt,  so  würden  die  Athener  einen  zweiten  Reinigungs- 
tag für  Asklepios  gestiftet  haben,  aber  sie  stifteten  die  Epidan• 
rienweihe.  Was  Asklepios  versäumt  hatte,  war  eine  Weihe ;  er 
hätte  als  Neuling  schon  im  Frühjahr  (Anth.)  sich  einfinden  und 
sich  zu  Agra  der  Vorweihe  der  kleinen  Mysterien  unterziehen 
müssen'.  Das  ist  durchaus  richtig;  nur,  scheint  mir,  fehlt  der 
richtige  Schiuss:  Asklepios  hat  nicht  die  Reinigung  versäumt, 
also  —  ist  er  auch  vor  der  Reinigung  bereits  eingetrofi^en,  dh. 
vor  dem  16.  Boedromion.  Auch  hier  also  bewährt  sich  wie  bei 
der  πρόρρη(Τΐς  mein  aus  Philostrat  gewonnener  Ansatz,  der  die 
Epidauria  dem  15.  zuweist,  als  der  richtigere. 

Es  bleibt  kurz  die  Frage  zu  erledigen,  was  an  den  beiden 
Tagen,  die  jetzt  zwischen  dem  16.  und  19.  Boedr.  frei  sind,  ge- 
schah. An  dem  einen  von  ihnen  fand  nun  ofi^enbar  überhaupt 
keine  Feier  statt,  vielleicht  meint  ihn  Aristoteles  ΆΘ.  ΤΤολ.  56,  4: 
πομπών  b'  έπιμ€λ€ΐται  (ό  δρχιυν)  της  τ€  τψ  Άσκληπιψ  γιγνο- 
μίνης  δταν  οίκουρώσι  μύσται.  Denn  dass  die  hier  erwähnte 
πομπή  an  den  Epidauria  stattgefunden  hat,  wie  meist  angenommen 
wird,  ist  durchaus  nicht  bewiesen  und  scheint  mir  sogar  unwahr- 
scheinlich ^.     Jedenfalls    ist    die  Voraussetzung   berechtigt,    daes 


aber,  was  sich  vielleicht  der  Gott  sparen  konnte,  war  für  die  gewöhn- 
lichen Sterblichen  nach  ihm  jedenfalls  nothwendig. 

^  Es  ist  fraglich,  ob  6ψ^  wie  M.  meint,  in  Beziehung  auf  die 
kleinen  Myst.  gesagt  ist;  es  kann  sich  auch  einfach  darauf  beziehen, 
dass  Askl.  erst  am  15.  kam,  während  die  Mysterieutheilnehmer  sich 
sonst  wohl  schon  am  13.  versammelten,  weshalb  dieser  Tag  auch 
άγυρμός  gehcissen  haben  mag;  s.  Hesych.  unter  dem  Wort. 

2  Der  Ausdruck  τής  πομπής  τφ  Άσκληπιψ  γιγνομ^ς  zeigt,  dass 
diese  π.  zu  Ehren  des  Δ.  nach  seinem  Tempel  stattfand;  aber  an  den 
Epidauria  erwarten  wir  gerade  umgekehrt  Asklepios  als  Gast  im  Eleu- 
sinion  zu  sehen,  wie  übrigens  auch  Foucart  gefühlt  zu  haben  scheint 
(Grands  myst.  p.  119).  —  Was  die  Worte   δταν  olxoupukn  μύσται  be- 


Ιερά  &€θρο  505 

ζ  wieeben  dem  Zug  nach  dem  Meere  am  16.  nnd  dem  anstrengen- 
den Jakoboszuge  am  19.  Boedr.  ein  Ruhetag  eingeschoben  war. 
Man  darf  wohl  damit  in  Verbindung  bringen,  dase  wir  vom 
18.  Boedr.  Decrete  besitzen^,  und  daif  also  diesen  18.  dafür  in 
Anspruch  nehmen.  Es  bleibt  nun  noch  ein  Tag  übrig;  allein 
wenn  ich  mich  nicht  sehr  täusche,  brauchen  wir  auch  noch  einen, 
nämlich  für  eine  Opferfeier  im  städtischen  £Ieusinion.  Freilich 
wurde  auch  an  den  Epidauria  dort  geopfert,  aber  diese  Feier 
ging  nur  die  an,  die  hier  erst  die  Weihe  empfingen,  nnd  es  ist 
doch  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  den  Göttinnen,  deren  icpd 
eigens  nach  Athen  gebracht  wurden,  hier  auch  von  der  Gemeinde 
selbst  wie  von  allen  Mysten  zusammen  und  zwar  nach  dem  16., 
dem  Tag  der  Reinigung,  ein  Opfer  dargebracht  wurde.  Auch 
die  Ueberlieferung  bietet  hierfür  Anhaltspunkte,  vor  allem  Lysias 
gegen  Andokides  4:  φέρε  γάρ,  δν  νυνι  'Ανδοκίδης  άθψος  απαλ- 
λαγή   και  λάχη  βασιλεύς,   άλλο  τι  ή  υπέρ  ημών    κα\ 

θυσίας  θύσ€ΐ  κα\  €ύχάς  eöEexai  κατά  τα  πάτρια,  τα  μέν  έν  τψ 
ένθάδε  Έλευσινίω,  τα  bi  έν  τω  Έλευσϊνι  Upiu; 

Völlige  Gewissheit  hierüber  ist  freilich  erst  von  dem  Fund 
neuer  Urkunden  zu  hoffen;  für  sicher  halte  ich  nur,  um  dies  zum 
Schlüsse  noch  einmal  festzustellen,  die  Reihenfolge:  13.  Boedr. 
άγυρμός  mit  πρόρρησις,  14.  Ιερά  όεΟρο,  15.  Έπώαύρια,  16.  &\abe 
μύσται. 

Plön  i.  Η.  Ludwig  Ziehen. 


trifft,  80  ist  mit  Recht  aufgefallen,  dass  der  Artikel  fehlt,  den  man 
deshalb  auch  wohl  eingeschoben  hat.  Sollte  nicht  vielleicht  in  den 
Worten  sich  der  Name  des  betreffenden  Tages  verbergen,  bei  dem 
ebenso  wie  bei  äXabe  μύσται  der  Artikel  weggelassen  war,  und  den 
Aristoteles  möglichst  getreu  wiedergiebt? 
1  CIA  U  314.  330. 


UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ROE MISCHEN 

KA ISERGESCHICHTE 


I.    Die  Ermordung  Garacallas. 

Die  Verschwörung,  welche  Caracallae  grausamer  Willkür 
ein  Ziel  setzte,  hatte  sich  in  dem  Kreise  jener  Officiere  gebildet, 
durch  deren  Treue  der  Kaiser  sein  Leben  gesichert  glaubte.  Das 
Haupt  der  Verschworenen  war  der  Gardepräfect  M.  Opellius  Ma- 
crinus.  Er  wupste,  dass  der  Kaiser  seinen  Tod  beschlossen  hatte 
und  nur  in  seiner  feigen  und  tückischen  Art  zögerte,  den  Mord- 
befehl zu  erlassen.  Der  Tod  des  Kaisers  allein  konnte  ihn  noch 
retten.  So  gewann  er  die  Brüder  und  Tribunen  des  Prätoriume, 
Aurelius  Nemesianus  und  Aurelius  Apollinaris,  sowie  den  evocatus 
lulius  Martialis  die  gefahrvolle  That  zu  wagen  ^.  Die  Vita  zeigt,  • 
dass  auch  andere  einflussreiche  Männer  um  die  Verschwörung 
wussten,  und  ergänzt  dadurch  Dio  in  wesentlichen  Punkten.  Sie 
sagt:  Conscii  caedis  fuerunt  Nemesianus  et  frater  eius  ApoUinarie 
Reciannsque^,  qui  praefectus  legionis  secundae  Parthicae  mili- 
tabat  et  qui  equitibus  extraordinariis  praeerat,  non  ignoran- 
tibus  Marcio  Agrippa,  qui  classi  praeerat^  et  praeterea  plerieqoe 


^  Dio  78,  5.  Herodian.  4, 13.  Vita  Carac.  6.  Herodian  erwähnt 
nur  den  Martialis,  weil  er  allein  den  Mord  vollzog.  Nach  Dio  ist 
Martialis  persönlich  beleidigt  durch  die  Verweigerung  des  Centurionates. 
Herodian  nennt  andere  Gründe:  τούτου  τόν  döcXqpov  πρό  ολίγων  ή쀕 
ρών  άνηρήκ€ΐ  διαβληθίντα  μέν  ούκ  έλεγχθ^ντα  bi,  αύτφ  τ€  Μαρτιαλ(ψ 
ένύβρισεν,  Ανανδρον  αυτόν  καΐ  άγβννή  καλΦν  καΐ  Μακρίνου  φ{λον. 
Beide  Begründungen  können  neben  einander  bestehen.  Herodian  hebt 
nach  seiner  Weise  das  psychologisch  Interessantere  hervor.  Es  genügt 
nicht  auf  die  gleiche  Beleidigung  des  Cassius  Chaerea  hinzuweisen,  um 
Herodians  Angaben  zu  verwerfen.  Auch  die  Tyrannen  gleichen  sich 
in  ihrem  Wahnwitz. 

^  Ist  w-ohl  nur  ein  Schreibfehler  und  der  richtige  Name  Tric- 
cianus  wäre  einzusetzen. 

^  Hirschfeld,  Untersuchungen  S.  126;  Mommsen  Staater.  Π  851. 
Auch  er  war  durch  Zurücksetzungen  gereizt. 


Untenachangen  zur  römischen  Kaisergeschichte  507 

officialium^  impnleu  Martialis.  Dio  bestätigt  indirect  die  Angaben 
der  Vita,  da  er  Aeliue  Triccianus  und  Marcius  Agrippa  als  Männer 
bezeichnet,  welchen  Macrinus  nach  seiner  Thronbesteigung  sein 
volles  Vertrauen  geschenkt  habe^  In  der  Vita  ist  der  Name  des 
Mannes  ausgefallen,  der  die  equites  extraordinarii  befehligten 
Die  equites  extraordinarii  werden  nur  an  dieser  Stelle  genannt. 
Aber  der  Name  ist  nach  dem  Gebrauche  der  römischen  Militär- 
sprache  so  richtig  gebildet,  dass  er  auch  richtig  tiberliefert  sein 
muss.  Wer  diese  equites  extraordinarii  waren,  ist  unschwer  zu 
erkennen.  Dio  berichtet,  dass  Caracalla  im  Augenblicke  seiner 
Ermordung  von  einer  engeren  Leibwache  umgeben  war,  die  er 
aus  Scythen  und  Germanen  gebildet  hatte:  78,  5,  5  f.  ό  bk  br\  Σκύ- 
θης  ούτος  ούχ  ως  κα\  συμμάχων  αύτψ  μόνον,  άλλ'  ώς  και  φρου- 
ράν  αύτου  τρόπον  τινά  έχων  συνήν  και  γαρ  Σκύθας  και  KeX- 
τούς,  ου  μόνον  ελευθέρους  άλλα  και  δούλους,  κα\  ανδρών  και 
γυναικών  άφελόμενος,  ώττλίκει  και  περί  αυτόν  εΤχεν,  ώς  και 
μάλλον  αύτοϊς  ή^  στρατιώταις  θαρσών  τά  τε  γάρ  άλλα  και 
έκατονταρχίαις  σφάς  έτίμα,  λέοντας  τε  έκάλει. 

Diese  Truppe  unterncheidet  sich  von  der,  ebenfalls  germa- 
nischen, Garde  der  equites  singulares  in  wesentlichen  Punkten. 
Die  equites  singulares  ergänzen  sich  im  dritten  Jahrhundert  aus 
den  Auxilia,  wie  die  Prätorianer  aus  den  Legionen,  während  die 
Σκύθαι   Gothen    oder  Carpen^  sind.     Auch    gelangen    die  Decu- 


*  Officiales  ist  technisch  correct ;  aber  der  evocatus  Martialis  ge- 
hört nicht  zu  den  officialee.  Vgl.  lib.  do  castr.  mun.  c.  6.  7  und  meinen 
Commentar  S.  53  und  65. 

δ  Dio  78,  13. 

*  Das  lehrt  der  Satzban  und  ist  von  Gemoll  richtig  erkannt 
worden. 

'  Der  Artikel  τοΙς,  den  Boissevain  nach  Reiskcs  Vorschlag  vor 
στρατιώταις  einschiebt,  ist  sinnwidrig.  Sie  sind  nicht  eigentlich  Sol- 
daten, ebenso  wenig  wie  die,  auch  analog  recrutirten,  corporis  custodes 
der  ersten  Kaiserzeit.     Vgl.  Marquardt  St.  V.  II  487. 

8  Vgl.  Westd  Korr.-Bl.  1900,  146:  honorato  a  divo  Magno  An- 
tonino  Augusto  (scstertium)  quinquaginta  milia  u(ummum)  et  viginti 
quinque  [et]  gradum  promotionis  [ob]  alacritateni  virtu[tis  adv]ersu8 
hostes  Ca[rpos]  et  res  prospere  et  va[lide  gesjtas  Claudius)  Nicom[ede8] 
buleuta  civitatis  [Tyra]norum.  Diese  Inschrift  wirft  Licht  auf  die 
Worte  der  Vita  Carac.  5,  4  Deinde  ad  Orientem  profectionera  parans, 
omisso  itinere  in  Dacia  resedit.  Der  Schauplatz  der  Kämpfe  ist  die  Gegend 
um  Tyra,  also  das  Scythenland.  Deshalb  kann  der  Witz,  der  dem 
Helvius  Pertinax  das  Leben  kostete,  Vita  Carac.  10,  6  Getae  6,  6  echt  sein. 


508  γ.  Domaszewski 

rionen  der  equites  singalares  nach  der  Dienstordnung  regel- 
mässig zum  Centurionat,  was  dagegen  für  die  corporis  custodes 
mit  Recht  als  ungewöhnlich  hervorgehoben  wird.  Endlich  sind 
die  equites  singulares  römisch  organisirt  und  civilisirt;  der  Bei- 
name Löwen  jedoch  bezeichnet  die  barbarische  Wildheit  der 
^blonden  Bestien  .  Zur  Zeit  des  Mordes  hielten  diese  Reiter  in 
unmittelbarer  Nähe  des  Kaisers,  der  in  seiner  steten  Todesangst 
nur  ihrer  blinden  Treue  vertraute.  Und  doch  hatte  Martialis 
mitten  unter  ihnen,  beritten  ^  seinen  Platz  gehabt  und  konnte  sich 
dem  Kaiser  nähern  ohne  ihren  Verdacht  zu  erregen.  Nur  seine 
dienstliche  Stellung  kann  dies  erklären.  Er  ist  der  praepositns  der 
equites  extraordinarii  gewesen  ^^.  Gerade  deshalb  hat  Macrinus 
den  Martialis  zum  Werkzeug  gewählt.  Denn  er  ist  der  einzige, 
der  den  Mord  auch  nur  versuchen  konnte. 

Der  Scythe,  der  den  Mord  rächte  wird  sofort  von  den  beiden 
mitverschworenen  Tribunen  getödtet,  die  befürchten  konnten,  der 
sterbende  Martialiß  hätte  sie  verrathen.  Denn  bei  Dio  78,  5,  5 
ist  zu  lesen  έκ€Ϊνον  6έ  [αύτοι]  ol  χιλίαρχοι  ώς  και  βοηθουντες 
κατέ(ΤφαΗαν.  Auch  die  Anwesenheit  dieser  beiden  Tribunen  des 
Prätoriums  kann  nicht  auf  Zufall  beruhen.  Der  Kaiser  war  nach 
Herodiane  Zeugniss  nur  mit  einem  kleinen  Gefolge  nach  Carrhae 


Denn  aus  Vita  Carac.  4,  8;    Herod.  4,  ß,  3  folgt   keineswegs,    dass    er 
am  Anfange  der  Regierung  Caracallas  ermordet  wurde. 

^  Das  sagt  Herodian  ausdrücklich;  aber  auch  aus  Dios  Erzählung 
geht  es  hervor.  Die  Vita  holt  die  Umstände  des  Mordes  nach  c.  7, 1, 
wo  Rieh  die  Haud  des  späten  Scribenten  in  dem  Anachronismus  pro- 
tectores  verrath.  Vgl.  Moramsen  Ephem.  ep.  5,  126.  Die  zweite  Schil- 
derung c.  7,  2  ist  eine  schlechte  Variante.  Denn  der  Strator  der  dem 
Kaiser  das  Pferd  hält  (Herod.  4,  13,  4)  ist  nicht  der  Mörder.  Am 
albernsten  ist  der  Schlusssatz  conclamatumque  ab  omnibus  est  id  Mar• 
tialem  fecisse.  Martialis  That  wurde  nur  von  einem  der  zunächst 
stehenden  corporis  custodes  bemerkt,  weil  ihn  der  blutige  Dolch  ver- 
rieth.  Den  pugio,  nicht  den  gladius  hat  Martialis  benutzt,  weil  das 
Aufblitzen  des  Schwertes  bemerkt  worden  wäre.  Die  falsche  Aue- 
malung  der  Vita  ist  eine  unzeitige  Reminiscenz  an  das,  was  Dio  vom 
Rufe  des  Volkes  in  Rom  berichtet  78,  8,  2. 

'®  In  der  Vita  ist  der  Name  gestrichen,  weil  er  gleich  spater 
wieder  vorkommt.  Wie  sinnlos  der  Scribent  seine  Vorlage  oft  ver- 
stümmelt, zeigt  sehr  deutlich  Vita  Severi  6,  11  wo  die  Auflösung  der 
Garde  —  die  Hauptsache  —  getilgt  ist.  Sie  ist  erst  c.  17,  in  einer 
Einschaltung  aus  Eutrop,  erwähnt. 


Untersuchungen  zur  römischen  Kaisergeschichte  509 

aufgebrochen^^.  Yon  dem  Erscheinen  des  Kaisern  untrennbar  sind 
die  speculatores  des  Prätoriums  und  die  hastilarii  der  eqnitee 
singulares^^.  Die  equites  singulares  werden  von  zwei  Tribunen 
befehligt ^^.  Obwohl  diese  Tribuni  bis  zur  Gardepräfectur  empor- 
steigen^*, hat  sich  doch  nie  ein  solcher  tribunus  der  equites  sin- 
gulares auf  einer  Inschrift  gefunden,  die  die  Laufbahn  eines  Offi- 
ciers  von  Ritterrang  verzeichnet.  Ich  kann  mir  dies  nur  erklären, 
wenn  diese  Tribuni  abkommanüirte  Tribuni  des  Prätoriums  waren. 
Stauden  die  beiden  Brüder  Nemesianus  und  ApoUinaris  an  der 
Spitze  der  equites  singulares,  so  ist  ihre  Anwesenheit  beim 
Morde  selbstverständlich  und  es  ist  wieder  klar,  warum  gerade 
sie  mit  dem  Commandanten  der  engeren  Leibwache  von  Macrinue 
ausersehen  waren.  Sie  sind  die  sichersten  Werkzeuge,  die  er 
finden  konnte. 


Ich  hatte  früher  die  Ansicht  Mommsens^^  getheilt,  dass  die 
Γερμανοί,  welche  nach  Herodian  *®  bei  der  Ermordung  der  Kaiser 


^*  σύν  Ιππ€θσιν  oöv  ολίγοις,  ϊνα  δή  μή  πάντα  τόν  στρατόν  σκύλη, 
τήν  oöoiiropiav  έποιβίτο. 

^^  Vgl.  Westd.  Zeitschr.  1895,  91  ff.;    ebendeshalb  heissen   diese 
Reiter  später  tectores. 

^8  Marquardt,    Staatsv.    II   491    und   Annali    dell'    Instit.    1885, 
230  ff. 

**  So  Tattius  Maximus  Prosopogr.  3,  297  n.  28  und  zwar  inner- 
halb weniger  Jahre. 

ΐδ  St.  R.  II  809. 

^®  8,  6,  6  άφίκτο  bi  αύτφ  καΐ  Γ€ρμανΦν  ούκ  όλίγη  συμμαχία, 
π€μφθ€ΐσα  ύπ'  αυτών  κατ'  eövoiav  ήν  €Τχον  προς  αυτόν  Ανωθεν,  έΕ 
ούπερ  ήν  αυτών  επιμελώς  ΑρΗας.  —  8,  7,  8  έπανήλθον  δέ  καΐ  οΐ  άπό 
Γερμανίας  έληλυθότες  σύμμαχοι*  έθάρρει  γάρ  αυτών  τή  εύνοίςι  άτε  καΐ 
τοΟ  έθνους  επιεικώς  πρότερον  ΑρΕας,  οτε  Ιδιώτευεν.  —  8,  8,  2  έλύπουν 
δέ  αυτούς  (die  Prätorianer)  καΐ  ο1  Γερμανοί  παρόντες  τψ  ΜαΕίμψ  €ν  τε 
τή  'Ρώμη  διατρίβοντες '  αντιπάλους  γάρ  ίΕειν  ήλπιίον,  ει  τι  τολμφεν, 
καΐ  έφεδρεύειν  αύτοίς  ύπώπτευον,  εϊ  τινι  δόλψ  άποίωσθείεν,  εκείνοι  δέ 
ατε  παρόντες  ί)()ΐδίως  ύποκατασταΐεν  •  τό  τε  Σεβήρου  υπόδειγμα,  δς  τους 
ΤΤερτίνακα  άποκτείναντας  άπέίωσεν,  είσήει  αυτούς.  —  8,  8,  5  έβούλετο 
μεταπέμψασθαι  τυύς  Γερμανούς  συμμάχους,  όντας  ίν  'Ρώμη,  αυτάρκεις 
έσομένους  άντιστήναι  τοΙς  έπιβουλεύουσιν.  —  8,  8,  7  έπεί  δέ  πυθόμενοι. 
οΐ  Γερμανοί,  λαβόντες  τά  οπλα,  ήπείγοντο  ώς  άμϋνοΟντες  αύτοΐς.  —  8,  8, 7 
οΐ  Γερμανοί  μαθόντες  άνηρημίνους  τε  καΐ  έρριμμένους,  ών  χάριν  ήπεί- 
γοντο, ούχ  έλόμενοι  πόλεμον  μάταιον  υπέρ  ανδρών  τεθνηκότων,  έπαν- 
ήλθον ές  τό  εαυτών  καταγώγιον. 


510  ν.  Domaszewski 

Balbinus  und  Puppienus  Maximus  eine  Rolle  spielen,  die  equitee 
singnlares  des  Kaisers  seien,  und  deragemäss  angenommen,  Pnp- 
pienus  Maximus  hätte  als  Privatmann  auch  das  Amt  eines  Tri- 
bnnns  der  equites  singulares  bekleidet.  Aber  diese  Ansicht  ist 
unhaltbar.  Nicht  nur  dass  Herodian  an  allen  Stellen  die  Vor- 
stellung festhält,  die  Γερμανοί  seien  vexillationes  des  Rhein« 
heeres^'^,  treffend  die  Befürchtungen  der  Garde  schildert,  dass 
sie  das  Schicksal  der  Garde  des  Commodns  ereilen  könnte,  und 
damit  die  letzte  Ursache  der  £rmordung  des  Kaisers  bezeichnet, 
den  rivalisirenden  Corpsgeist  der  Truppen,  am  Schlüsse  verwendet 
er  ein  Wort,  das  die  equites  singulares  ausschliesst.  Die  castra 
der  equites  singulares  können  nimmermehr  als  καταγιυγιον  be- 
zeichnet werden.  Dieses  Wort  kann  nur  die  Nothunterkunft  von 
Vexillationen  bedeuten,  für  welche  die  Lager  der  Hanptstadt 
keinen  Kaum  boten.  Genau  in  derselben  Weise  lagen  die  frem- 
den Truppen  bei  Galbas  Ermordung  in  öffentlichen  Gebäuden: 
Tacit.  bist.  1,  31  Missus  et  Celsus  Marius  ad  electos  lUyrici  ex- 
ercitus,  Vipsania  in  porticu  tendentes.  Praeceptum  Amullio  Se- 
vere et  Domitio  Sabine  primipilaribus,  ut  Germanicoa  milites  e 
Libertatis  atrio  accerserent.  Und  von  Septirains  Severns  £inzug 
sagt  die  Vita  7  Tota  deinde  urbe  milites  in  templis,  in  porticibus, 
in  aedibus  palatinis,  quasi  in  stabulis  manserunt.  Fuitque  in- 
gressus  Severi  odiosus  atque  terribilis,  cum  milites  inempta  di- 
riperent,  vastationem  urbi  minitantes  ^^.  Das  καταγώγιον  der 
germanischen  Vexillationes  des  Puppienus  Maximus  lag  weit  ab 
'  vom  Kaiserpalaste,  und  so  kam  es,  dass  sie  zu  spät  eintrafen, 
das  Leben  ihres  Kaisers  zu  retten. 

II.    Die  Pompa  an  den  Decennalien  des  Gallienns. 

Zu  den  werth vollsten  Theilen  der  Historia  Angosta  gehört 
die  Vita  Gallien i.     Dennoch    besteht   auch   hier   bei   unserer  ge- 


^^  Die  Alpenpässe  waren  gedeckt  gegen  Maximinus  durch  die 
Armee,  die  sich  in  der  Lombardei  gebildet  hatte.  Weetd.  Korr. -El. 
1892,  231. 

le  Die  IJeberlegenheit  des  Annalisten,  der  diesem  Theile  der  Vita 
Severi  zu  Grunde  liegt,  über  Dio  tritt  hier  glänzend  hervor.  Während 
Dio  nur  von  weissgekleidetem  Publikum  und  Bluroenwerfen  spricht, 
schlägt  der  grosse  Schriftsteller  mit  voller  Macht  den  furchtbaren  Ton 
an,  den  das  Erscheinen  der  barbarischen  Garde  für  das  lieben  der 
Hauptstadt  bedeutete.  Es  ist  der  scbicksalssohwerste  Moment  in  der 
Geschichte  Roms. 


Untersuchungen  zur  römischen  Kaisergeschichte  511 

ringen  Eenntniss   jener  Zeit  völlige  Unsicherheit,    wie   weit  der 
echte  Grandstock    durch   ganz   unhistorieche   Interpolationen    ge- 
litten   hat.     Das    merkwürdige  Stück    über    die  Decennalienfeier 
des  Kaisers  enthält  des  Befremdenden   genag.     Und    doch    lasst 
sich  für  eine  Beihe  von  Zügen  dieser  Pompa  zeigen,    dass    eine 
ganz  echte  üeberlieferung   vorliegt.     Die   Schilderung    des  Fest- 
zuges   beginnt   mit  den  Worten  8,  1  iam   primum   inter    togatos 
patres  et  equestrem  ordinem  albato  milite  et  omni  populo  —  Ca- 
pitolinm  petit.    Mommsen  verstand  die  militee  albati  ^  von  einem 
weissen  Festkleid  der  späteren  Zeit  und  verglich  Herodian  8,  7, 
wo  der  Einzug  des  Maximus  in  das  befreite  Aquileia  geschildert 
wird :  ol  λευχειμονουντες  και  όαφνηφόροι  θεών  πατρίων  έκαστοι 
προσεκόμιίον    αγάλματα    —   εύφήμουν   τε    και    έφυλλοβόλουν 
τον  ΜάΕιμον.     Der    weisse  Anzug    des  Publikums    bei  Festlich- 
keiten ist  vielmehr  eine  alte  Vorschrift.    So  sagt  Dio  vom  P^inzug 
des  Tiridates  unter  Nero  63,  4  τό  μέν  γαρ  μίσον  αυτής  ό  δή- 
μος λευχειμονών  και  όαφνηφορών  κατά  τέλη  είχε,   τα  b'  δλλα 
οΐ  στρατιώται,  λαμπρότατα  ώπλισμένοι,  ώστε  καΐ  τα  δπλα  αυ- 
τών και  τα  σημεία  άατράτττειν.     Ebenso  von  Severus  Einzug  in 
Rom  74, 1  καΐ  ol  άνθρωποι  λευχειμονουντες  και  γανύμενοι  πολλά 
επευφημούν  οι  τε  στρατιώται  έν   τοις  δπλοις,   ώσπερ  έν  πα- 
νηγύρει   τινι  πομπής,   έκπρεπώς  άνεστρέφοντο.     Auch   für  die 
Festspiele  im  Theater  und  im  Circus  ist  die  weisse  Tracht  vor- 
geschrieben ^     Aus  Dios  ZeugnisB  ersieht  man,  dass  die  Soldaten 
in  der  Pompa   bewaffnet    aufziehen.     Wenn    sie    unter  Gallienue 
weisse  Mäntel  tragen,    so  hat  dies   einen  ganz  anderen  Sinn   als 
bei  der  Plebs.     Was  wir  darunter    zu    verstehen    haben,    lehrte 
vor  Kurzem  eine  Inschrift  aus  Helinpolis  C.  III  14387  ff. :  .  .  . 
Antonio  M.  f.  Fab.  Nasoni  [(centurioni)  le]g.  III  Cyrenaicae  [(cen- 
turioni)  le]g.  XIII  ueminae  honorato   albata    deoursione    ab    im- 

1  St.  R.  III  221. 

3  Martialis  14,  137  Amphitheatrali  nos  commendamus  ab  usu, 
cum  tegit  algentes  alba  lacema  togas.  4,2  Speotabat  modo  sola s  inter 
omnes  oigris  munus  Horatius  lacernis,  cum  plebs  et  minor  ordo  maxi- 
musque  sancto  cum  duce  caDdidus  sederet.  Toto  nix  cecidit  repente 
caelo:  albis  spectat  Horatius  lacernis.  5,  23.  14,  131.  Domitians 
Theateredict  hatte  die  weisse  Farbe  wieder  eingeschärft.  Dagegen 
Commodus  erspart  dein  lieben  Pöbel  die  lästige  Tracht  Vita  IG,  β  et 
contra  consuetudinem,  paenulatos  iassit  spectatorcs,  non  togatos,  ad 
muiius  con venire,  quod  funebribus  solebat,  ipse  in  pullis  vestimentis 
praesideoB.  TertuUians  heiliger  Zorn  gegen  die  römische  Kleiderord- 
nung richtet  sich  eigentlich  gegen  den  römischen  Staat. 


512  ν.  Domaszewski 

peratore —  [prirao]  pilo  leg.  Xlil  Gem.  —  Dieaem  Cen- 

turio  ist  die  Ehre  den  weiseen  Mantel  zu  tragen  bereite  verliehen 
worden,  ehe  er  noch  zum  Primipilat  gelangte.  Wenn  man  eich 
hier  einer  Stelle  des  Tacitus  erinnern  will  über  den  Einzug  de« 
Vitelliue  in  Rom,  so  wird  das  Wesen  dieser  Auszeichnung  voll- 
kommen klar:  bist.  2,  89  ante  aquilas  praefecti  castrorum  tri- 
bunique  et  primi  centurionum,  Candida  veste;  ceteri  iuxta  suam 
quisque  centuriam  armis  donisque  fulgentes;  et  militum  pha- 
lerae  torquesque  splendebant.  Das  weisse  Festkleid  ist  demnach 
ein  Vorrecht  der  Officiere  von  Ritterrang  und  wird  den  Cento- 
rionen  nur  als  ein  Zeichen  der  äusseren  Annäherung  an  die  Ober- 
officiere  verliehen.  An  der  Spitze  der  Legionen  marschiren  auch 
in  der  Marschordnung  Centurionen,  bei  Arrian.  ίκτ.  ρ.  81  Η. 
ίπειτα  τό  σημ€Ϊον  της  π€ντ€καιΟ€κάτης  q)άλαγγoς  και  άμφ' 
αύτψ  6  ήγ€μών  της  φάλαγγος  Ούάλης.  και  ό  ύπαρχος  και  οΐ 
χιλίαρχοι  οίς  τίτακται^  και  οΐ  έκατόνταρχοι  οΐ  τής  πρώτης 
(Τπ6ίρας  έπκττάται.  Während  in  Arrians  Marschordnung  nur  die 
primi  ordines  diesen  Ehrenplatz  haben,  wählt  Tacitus  für  die 
decursio,  den  Parademarsch,  mit  Absicht  den  Ausdruck  primi 
centnrionum,  weil  er  auch  jene  Centurionen  umfaest,  welche,  von 
niedrigerem  Range,  durch  die  albata  decursio  ausgezeichnet  sind. 
Gallienus  dagegen  hat  allen  Soldaten  das  Recht  ertheilt  in  seiner 
Pompa  mit  dem  weissen  Mantel  der  Oberofficiere  aufzuziehen. 
Um  das  zu  verstehen,  muss  man  erkennen,  dass  in  jener  Zeit 
die  Söhne  der  Centurionen  bereits  als  equites  Romani  geboren 
werden. 

C.  III  4327  M.  Val.  Valeriani  (centurionis)  leg.  IUI  Fla- 
viae  vixit  an.  XLII  et  M.  Val.  ülpio  eq(uo)  publ(ico)  fil.  vixit 
an.  VIII  — 

G.  III  8156  lul.  Victorino  eq(uite)  R(omano)  vixit  ann.  V 
diem  uno  lul.  Flavianus  (centurio)  leg.  IUI  Fl(aviae)  — 

Die  ständische  Gliederung  des  Heeres  ist  hier  gänzlich  zer- 
stört^.    Das  eigentliche  Wesen  von  Gallienus  Pompa  erhellt  er^t 


^  Nicht  alle  Tribunen  der  Legion  fuhren  ein  Commando.  Der 
tribunus  sexmestris  ist  dem  Stabe  des  Statthalters  zugetheilt.  Westd. 
Zeitechr.  1895,  81.     Vgl.  auch  C.  XIII  3162. 

*  Lehrreich  sind  auch  C.  III  12388.  VI  273.  2477.  3552.  VIII 
18Γ)95.  XI  2655.  XIV  2429.  Eph.  ep.  V  1300.  Cagnat  an.  opigr.  1894 
n.  26.  Den  Grund  auch  zu  diesem  Verderben  des  Heeres  hat  Septi- 
roius  SeveruB  gelegt.  Die  genaue  Behandlung  dieser  Frage  kann  hier 
nicht  gegeben  werden. 


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Untersuchungen  zur  romischen  Kaisergeschiohte  513 

aus  den  Worten  8,  3  mille  dacenti  giadiatoree  pompabiliter  ornati 
cum  auratU  vestibue  matronarnm.  carpenta  cum  mimis  et  omni 
genere  histrionum.  £8  ist  also  thateächlicb  ein  Carnevalszug. 
Woher  er  stammt  erläutert  die  Inschrift  C.  VI  3744: 

Descriptio  fer[iarum] 

quae  in  cohorte  [.  .  .  vig(ilum)] 

Cl.  Mamertino  et  [Nevitta] 

C08S  a.  362 

Matronae  cum  carpentis 
8ifon[ibue] 
falci[bu8] 
un[cini8] 
b[alli8tis] 

Die  beiden  seltsamsten  Züge  der  Pompa,  die  matronae  und  die 
carpenta  kehren  auch  hier  wieder.  Die  Pompa  ist  ein  reines 
Soldatenfest,  wie  man  sie  zu  Ehren  des  Kaiserhauses  im  Lager 
zu  feiern  pflegte  ^  Der  gemeine  Soldat  giebt  den  Ton  an  bei  Gal- 
lienus  Decennalia^.  Dennoch  marschirt  an  der  Spitze  des  Fest- 
zuges, in  grotesker  Verzerrung  von  Roms  grosser  Vergangenheit, 
der  Kaiser  als  Triumphator,  wobei,  wie  billig,  die  besiegten  Völker 
blosse  Comparsen  sind.  8,  5  ipse  medius  cum  picta  toga  et  tu* 
nica  palmata  inter  patres,  nt  diximus,  omnibus  sacerdotibus 
praetextatis  "^  Capitolium  petit.  hastae  auratae  altrinsecus  quin- 
genae,  vexilla  centena  praeter  ea,  quae  collegiorum  erant,  dra- 
cones  et  signa  templorum  omniumque  legionum.  ibant  praeterea 
gentes  simulatae  ut  Gothi,  Sarmatae,  Franci,  Persae.  Die  hastae 
auratae  weiss  ich  nach  ihrer  technischen  Bedeutung  nicht  zu  er- 
klären. Aber  vielleicht  bezieht  sich  auf  sie  Herodian  5,  4,  9 
ώς  bk  έπι  πολύ  τόν  Μακρϊνον  ουκ  ίβλεπον  ο\  υπέρ  αύτου  μα- 
χόμενοι ούόέ  τα  βασιλείας  σύμβολα  ~  5,  6,  8  εϊτι  πολυτελές 
ανάθημα  δσα  τε  της  βασιλείας  σύμβολα.  Die  Vexilla  der  Collegia 
sind  inschriftlich  beglaubigt  ®.  Dass  sie  mitten  unter  den  Fahnen 
der  Armee  einherziehen,  ist  eine  Concession  an  die  plebs  urbana 
und  ein  Carnevalsscherz  mehr.  Die  Dracones  werden  hier  zum 
erstenmale  in  unserer  üeberlieferuiig  genannt,  während  sie  dem 
spätrömischen  Heere  des  4.  Jahrhunderts  geläufig  sind.  Es  sind  die 


^  Vgl.  über  diese  Art  κωμασία  der  Lager  Neue  Heid.  Jahrb.  9,  162. 
β  Neue  Heidelb.  Jahrb.  10,  231. 

'  Auch  das  ist  ein  echter  Zug.     Mommsen  St.  R.  1,  4Λ  f. 
8  C.  III  7437.  7900.  8018.  8837.    Vita  Aurel.  34. 

Kbeln.  Mna.  f.  Philol.  N.  F.  LVII.  33 


514  ν.  Domaszewski 

Fahnen  reicbefremder,  barbanscher  Htilfsvölker  zu  versteben,  die 
in  dieser  Zeit  einen  festen  Bestandtbeil  des  römischen  Heeres  zu 
bilden  beginnen  ^. 

Am  Schiasse  ist  signa  templornm  omniumqne  legionnm  nicht 
eigentlich  verderbt,  sondern  ein  Missverständnies  des  Autors. 
In  der  Vorlage  stand,  ähnlich  wie  bei  Herodian  4,  4»  8,  τα  αγάλ- 
ματα και  τα  σημεία  πάντιυν  τών  στρατοπέδων.  Der  üeber- 
setzer  verstand  αγάλματα  von  Tempelstatuen,  während  es  die 
Bilder  von  Heeresgöttern  sind.  Denn  eine  griechische  Quelle  liegt 
sicher  zu  Grunde.  In  der  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  gab 
es  keine  lateinische  Historiographie  mehr,  der  eine  solche  Schil- 
derung entstammen  könnte.  Noch  unter  Diocletian  sind  die 
Götterbilder  des  Heeres  nachzuweisen  ^®.  Der  Autor  wnsst«  nichts 
mehr  davon;    er  hat   demnach  in  christlicher  Zeit  geschrieben ^^ 

Die  Signa  der  Legionen  jener  Zeit  sind  durch  die  Nativi- 
tätsgestirne  characterisirt  ^^.  Ihr  Auftreten  in  der  Pompa  der 
Decennalien  wirft  Licht  auf  die  Legionsmünzen  des  Gallienus^'. 
Die  Legionen  der  Münzen  sind  folgende.    Britannien :  U  Augusta, 


^  Unter  Maximinus  Thrax,  Herodian  7,  8,  10;  8,  1,  3.  Aurelian, 
Dexippus  fr.  24  Müller  p.  682  u.  685,  wo  die  Art  ihres  Eintrittes  ins 
römische  Heer  klar  wird.  Vita  Probi  14,  17  =  Zosimus  1,  68  (die 
Contingente  haben  die  Stärke  der  numeri).  Vita  Probi  18,  1.  2  =  Zo- 
simus  1,  71. 

w  Westd.  Zeitechr.  1895,  114  Anm.  471. 

**  Der  80g.  Trebellius  Pollio  hat  also  nicht  unter  Diocletian  ge- 
schrieben. Ein  ähnlicher  Anachronismus  findet  sich  in  der  Vita 
Getae  6  Ventum  denique  est  usque  ad  seditionem  urbanicianomm  mi- 
litum,  quos  non  Icvi  auctoritate  Bassianus  conipressit,  tribuno  eomm, 
ut  alii  dicunt  interfecto,  ut  alii  relegato.  Der  Schreiber  denkt  sich  die 
Cohortes  urbauae  nur  von  einem  tribunus  befehligt.  Das  ist  für  uns 
erst  in  der  Zeit  zwischen  ol7  und  337  nachweisbar  C.  VI  1186  und 
ist  historisch  nach  unserer  Eenntniss  aufzufassen  als  eine  Folge  der 
capitis  deminutio,  die  Rom  durch  Constantin  erlitten  hat.  Und  doch 
soll  auch  der  sog.  Spartianus  unter  Diocletian  geschrieben  haben.  Ueber- 
dies  ist  es  ein  Missverständniss;  denn  der  Tribunus,  der  Cilo  zum  Tode 
schleift,  ist  nach  Dio  77,  4  ganz  deutlich  ein  Tribunus  der  Prätoriaoer. 
Der  Irrthum,  dass  die  urbaniciani  den  Cilo  bedrohen,  findet  sich  auch 
Vita  Carac.  4.  In  der  Vita  Carac.  2  wird  die  legio  II  Parthica  als 
pars  militum  apud  Albam  bezeichnet,  wie  die  griechischen  Schrift- 
steller den  Legionsnamen  umschreiben.  Vgl.  Dio  78,  34;  79,  2.  4 
Herodian  7,  5.    Das  spricht  entschieden  gegen  eine  lateinische  Vorlage. 

12  Arch.  epigr.  Mitlh.  XV  191  f. 

1^  Vgl.  meine  Schrift,  die  Fahnen  S.  55;  Cohen,  Gallien. 


Untersnchungen  zur  römischen  Kaiscrgeschichte  515 

XX  Valeria  Victrix;  G-ermania:  I  Minerria,  VIII  Aagneta,  ΧΧΠ 
Primigenia,  XXX  ülpia  Victrix;  Raetia:  III  Italica ;  Noricum  11 
Italica;  Pannonia:  I  Adintrix,  Π  Adintrix,  X  Gemina,  XIV  Ge- 
rn ina.  Dacia:  V  Macedonica,  XIII  Gemina.  Moeeia:  I  Italica, 
IUI  Flavia,  VII  Claudia,  XI  Claudia. 

.  Von  den  britannischen  Legionen  stand  die  XX  Valeria  da- 
mals am  Bheine  ^^  und  wahrscheinlich  die  II  Angusta,  da  eine 
Inschrift  unter  Gallienus  Vexillationen  mehrerer  britannische  Le- 
gionen in  Illyricum  nennt ^^  Es  fehlt  dagegen  auf  den  Münzen 
die  3.  britannische  VI  Victrix,  die  spanische  VII  Gemina,  alle 
des  Orientes  und  die  III  Augusta  Africas. 

Daher  müsste  man  sich  die  politische  Lage  zur  Zeit  der 
Decennalien  so  denken,  dass  Gallienus  in  den  Standquartieren  der 
Legionen,  deren  Münzen  er  prägte,  anerkannt  war,  dagegen  den 
Orient,  Africa,  Spanien,  Britannien  verloren  hatte.  Wenigstens 
für  den  Westen  lässt  eben  diese  politische  Lage  zur  Zeit  der 
Decennalien  die  Vita  Gallieni  erkennen.  7,  1  Contra  Postumum 
igitur  Gallienus  cum  Aureolo  et  Claudio  duce  qui  postea  Im- 
perium optinuit  ^principe  generis  Constanti  Caesaris  nostri^  bellum 
iniit  et  cum  multis  auxiliis  Postumus  iuvaretur  Celticis  et  Fran* 
cicis,  in  bellum  cum  Victorino  processit,  cum  quo  Imperium  parti- 
cipaverat.  victrix  Gallieni  pars  fuit  pluribus  proeliis  eventunm 
variatione  decursis.  Mommsen  hat  alle  diese  Kämpfe  gegen 
Postumus  als  blosse  Erfindung  gestrichen^®,  weil  keine  andere 
Quelle  davon  wisse.  Das  ist  nicht  richtig.  Zonaras  12,  24  be- 
richtet den  1.  Krieg  gegen  Postumus  des  Jahres  261,  der  an 
der  schweren  Verwundung  des  Gallienus  scheitert ,  genau  wie 
die  Vita  4,  4 — 5^''.  Doch  hat  Mommsen  selbst  später  den  Grund- 
stock der  Vita  Gallieni  mit  vollem  Rechte  auf  Dexippus  zurück- 
geführt, also  die  beste,  gleichzeitige  Quelle  ^^     Auch  die  eigen- 

1*  Westd.  Korr.-Bl.  1898  p.  153. 

15  C.  III  2228.  Die  VI  Victrix  konnte  nicht  abberufen  werden, 
da  sie  den  britannischen  Wall  vertheidigte. 

w  Rom.  Gesch.  V  150. 

1'  Auch  die  Angabe  der  Vita,  dass  Postumus  7  Jahre  regierte, 
wird  richtig  sein,  sie  zählte  vom  Jahre  2β1,  dem  Siege  über  Gallienus, 
während  Postumus  auf  seinen  Münzen  die  tribunicia  potestas  vom 
Tage  seiner  Usurpation  rechnet.  Wenn  Claudius  als  einer  der  Führer 
des  zweiten  Krieges  im  Jahre  268  genannt  wird,  so  ist  das  sicher 
richtig.  Denn  nur  einer  der  vornehmsten  Generale  konnte  später  Gal- 
lienus auf  den  Thron  folgen. 

18  Hermes  2.0,  255. 


516    ν.  Domaszewski  Untersuchungen  zur  römischen  Kaisergeschichte 

thümliche  Zählung  der  Ehrennamen  sextnm  pia  sextum  fidelie  auf 
den  Legionsmünzen  erklärt  sich  einfach,  wenn  sie  im  Jahre  der 
Decennalien  geprägt  sind.  Spätestens  im  Jahre  260  führt  die 
Legio  V  Macedonicn  auf  einer  daciechen  Inschrift  ^^  den  Beinamen 
tertium  pia  fidelis.  Noch  unter  Claudius  heisst  die  legio  II 
adiutrix,  sextnm  pia  sextum  fidelis^''.  Die  6.  Verleihung  des 
Ehrennamens  hat  also  Epoche  gemacht,  ist  im  Gedächtnies  ge- 
hliehen, während  die  7.,  die  weit  weniger  Münzen  nennen,  ver- 
gessen wurde.  Das  Yerhältniss  der  älteren  Inschrift  mit  tertium 
pia  fidelis  zu  der  jüngeren  Inschrift  mit  sextnm  pia  fidelis  zeigt, 
dass  Gallienus  nach  der  Zahl  dieser  Verleihungen  seine  Regie- 
rungejahre zählte,  seit  dem  Zeitpunkt  wo  sein  Yater  Valerianus 
zum  Partherkriege  ausgezogen  war  und  er  allein  im  Westen 
herrschte.  Als  hald  nach  den  Decennalien  Gallien  wieder  ver- 
loren ging,  in  Illyricum  neue  Gegenkaiser  auftraten,  gah  Gallienus 
diese  Adulatio  auf.  Der  Legionen,  die  ihm  noch  anhingen,  waren 
zu  wenige  geworden.  Man  sieht  aus  dieser  Art  von  Münzlegenden, 
dass  Gallienus  das  einzige  Fundament  seiner  Herrschaft  in  den 
gemeinen  Soldaten  sah. 

Heidelberg.  y.  Domaszewski. 


lö  C.  ΠΙ  875. 

»  C.  III  3725  a.  270. 


DIE  AELTESTE  REDACTION  DER 
PONTIFICALANNALEN 


Die  Frage,  nm  welche  Zeit  und  von  wem  die  ältesten  An- 
nalen  in  Rom  zusammengeetellt  wurden,  ist  für  die  Kritik  der 
älteren  römischen  Geschichte  eine  Cardinalfrage,  die  im  Grunde 
noch  einer  hestimmten  Lösung  harrt.  Wie  bei  sehr  vielen  Pro- 
blemen der  römischen  Geschichte,  so  lässt  sich  auch  hier,  wie 
wir  weiter  unten  sehen  werden,  wahrnehmen,  dass  die  klarste 
Formulirung  der  Frage  schon  längst  von  Theodor  Mommsen  auf- 
gestellt worden  ist.  Hinsichtlich  der  ältesten  Anfänge  der  offi- 
ciellen  Historiographie  Roms  hat  Mommsen,  im  Gegensatz  zu  den 
grundlosen  Leugnungen  und  ausweichenden  ümdeutungen  der 
Neueren,  an  den  kostbaren  Zeugnissen  Cioeros  (De  oratore  2,  52) 
und  des  vielleicht  aus  Verrius  Flaccus  schöpfenden  Vergilcom- 
mentators  zu  Aen,  1,  373  festgehalten,  wonach  die  römische 
Stadtchronik  ihren  Ursprung  aus  der  jährlich  vom  Pontifex  in 
der  Regia  ausgestellten  Tafel  genommen  hat.  Diese  geweieste 
Holztafel  {alhum)  enthielt  oben  die  Namen  der  eponymen  Magi- 
strate und  in  späterer  Zeit,  wie  es  aus  dem  Zeugniss  des  Poly- 
bios  (bei  Dionys.  1,  74)  erhellt,  die  Jahreszahl  der  Stadtära. 
Auf  ihr  merkte  der  Pontifex  an  digna  memoratu  dornt  müifiaeque 
terra  marique  gesta,  und  zwar,  nach  dem  Vergilcommentar,  per 
singulos  dies.  Der  Hauptzweck  der  Publication  war,  nach  Ciceros 
Worten,  potestas  ut  esset  populo  cognoscendu  also  der,  dass  das 
Publikum  alle  wichtigen  Vorkommnisse  erfahren  konnte.  Mit 
Recht  hat  man  nach  dieser  Seite  hin  die  Pontificaltafel  mit  den 
seit  Cäsar  publicirten  u4c^a  diurna  verglichen  ^    Einige  Schwierig- 


1  H.  Peter,  Hist.  Rom.  rell.  p.  X.  Es  liegt  in  der  Natur  der 
Sache,  dass  besonders  wichtige  Nachrichten,  deren  möglichst  schnelle 
Verbreitung  man  wünschte,  wie  zB.  die  Nachricht  von  der  trasimeni- 
schen  Niederlage,  auch  durch  öfifentlichen  Ausruf  bekannt  gemacht 
wurden. 


518  £Dmann 

keit  bietet  nur  die  Angabe,  dase  die  Aufzeichnung  der  Ereignisse 
auf  der  Tafel  per  singulos  dies  stattgefunden  habe.  Sollten  diese 
Worte  buchstäblich  bedeuten,  dass  der  Pontifex  jeden  Tag  seine 
Aufzeichnung  machte,  so  hat  man  mit  Recht  entgegnet,  dass 
nicht  jeden  Tag  des  Gedächtnisses  würdige  (digna  memoratu) 
Dinge  sich  in  der  Stadt  ereigneten.  Andererseits  gab  es  tief 
sich  dem  Gedächtnisse  einprägende  Ereignisse,  die  nicht  an  be- 
stimmte einzelne  Tage  gebunden  waren.  Hierzu  gehörten  zB. 
Epidemien  und  Hungersnöthe,  welche  neben  Finsternissen,  nach 
Catos  (bei  Gellius  2,  28,  6)  freilich  wohl  sicher  übertreibenden 
Worten,  den  Hauptinhalt  der  Pontificaltafel  ausmachten.  Gerade 
das  Vorkommen  von  Einzeichnungen  letzterer  Art  beweist,  daes 
der  Zweck  der  Tafel  war,  nicht  sowohl  eine  Tageschronik,  als 
vielmehr  zugleich  und  hauptsächlich  eine  Jahreschronik  zu  liefern. 
Darauf  führt  ja  auch  der  Name  libri  annales,  welchen  die  Zu- 
sammenstellung der  Tafel  von  jeher  geführt  haben  muee.  Der 
Ausdruck  per  singulos  dies  ist  also  nicht  übertrieben  streng  zu 
verstehen,  sondern  bedeutet  offenbar  nur,  dass  die  Jahrestafel 
aus  allmählichen  Einzeichnungen  entstand,  die  der  Pontifex  an 
den  einzelnen  Tagen  vornahm,  sobald  etwas  erinnerungswürdiges 
sich  ereignet  hatte.  Hunger  und  Pestilenz  konnten  zur  Auf* 
Zeichnung  gelangen  etwa  bei  Gelegenheit  einer  zur  Abwehr  unter- 
nommenen öffentlichen,  sacralen  oder  administrativen  Handlung  ^ 
Eine  sehr  ansprechende  Erklärung  der  Worte  per  singulos 
dies  hat  0.  Seeck  (Die  Kalendertafel  der  Pontifices  S.  62)  zu 
geben  versucht.  Die  historische  Jahrestafel  sei  ursprünglich  ein 
Kalender  gewesen,  auf  dem  der  Pontifex  Tag  für  Tag  anzugeben 


*  Hiermit  erledigt  sich  wohl  das  von  Cichorius  (Pauly-Wissowa 
Realencycl.  I,  Sp.  2250)  erhobene,  durch  Catos  Worte  angeregte  kri- 
tische Bedenken  gegen  die  Glaubwürdigkeit  des  ciceronischen  potestas 
ut  esset  populo  cognoscendi.  Ein  zweites  Bedenken  von  Cichorius,  dass 
es  keinen  Sinn  gehabt  hätte,  stadtbekannte  Thatsaohen  noch  zur  all- 
gemeinen Kenntniss  zu  bringen,  scheint  mir  ebenfalls  nicht  stichhaltig 
zu  sein.  Selbst  unsere  Tageszeitungen,  um  von  Wochen-,  Monats-  oder 
Jahresübersichten  zu  schweigen,  bringen  häufig  Nachrichten,  die  sich 
bereits  von  Mund  zu  Mund  verbreitet  haben  und  aller  Welt  schon 
bekannt  sind.  Unsere  Presse  würde  eine  ihrer  Aufgaben,  als  voll- 
ständige Chronik  der  Ereignisse  zu  dienen,  schlecht  erfüllen,  wenn  sie 
in  jenem  Falle  sich  Schweigen  auferlegen  wollte.  Was  zu  gegebener 
Zeit  allen  bekannt  war,  kann  ausserdem  nach  einiger  Zeit  wieder  ver- 
gessen sein,  dann  dient  eben  die  Aufzeichnung  zur  Wiederherstellung 
des  Gedächtnisses. 


Die  älteste  Redaction  der  Pontificalannalen  519 

hätte,  welches  Datum  man  schrieb.  War  etwas  merkwürdiges 
in  der  Stadt  vorgefallen,  so  fügte  er  dieses  zum  gegebenen  Datum 
in  kürzester  Form  hinzu,  ursprünglich  weniger  um  einer  künftigen 
Geschichtschreibung  vorzuarbeiten,  als  um  das  Datum  durch  eine 
allen  geläufige  Erinnerung  kenntlich  zu  machen  und  so  innerhalb 
des  Kalenders  gewisse  Marksteine  zu  schaffen,  von  denen  man 
voran  und  rückwärts  zählen  konnte.  Wir  fügen  hinzu,  dass 
dieser  ursprünglich  chronologische  Zweck  den  von  Cicero  be- 
zeichneten einer  öffentlichen  Bekanntmachung  neuer  Ereignisse 
nicht  ausschliesst,  ebenso  wenig  wie  den  Zweck  einer  Beurkun- 
dung für  die  Zukunft.  Alle  drei  Dinge  konnten  sehr  wohl  Hand 
in  Hand  gehen  oder  sich  sehr  bald  eines  aus  dem  anderen  ent- 
wickeln. Der  natürliche  Zusammenhang  der  Jahreschronik  mit 
dem  Kalender  wird  nicht  nur  durch  Analogien  aus  andern  Zeiten 
und  Ländern  bestätigt,  sondern  steht  auch  in  bestem  Einklänge 
mit  allem,  was  sich  über  die  Geschichte  des  Pontificalcollegiums 
ermitteln  lässt.  So  ist  es  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich  und 
auch  von  Mommsen  (Rom.  Gesch.  1,  173)  nachdrücklich  behauptet 
worden,  dass  die  vielseitige  und  wichtige  Thätigkeit  jenes  Priester- 
collegiums  sich  im  Lauf  der  Zeit  entfaltet  haben  muss  aus  seiner 
ursprünglichen  Obliegenheit  alljährlich  den  Kalender  zu  redigiren 
und  zu  veröffentlichen.  Die  ursprünglichste  Form  der  Kalender- 
publication  hatte  sich  erhalten  in  einem  ehrwürdigen  Rest,  der 
allmonatlich  durch  öffentlichen  Ausruf  auf  dem  Kapitel  vom  Rex 
sacrorum,  als  dem  ehemaligen  Haupt  des  Collegiums,  vollzogenen 
Verkündung  der  Kalender  und  Nonen.  Eine  jüngere,  bereite 
schriftliche  Form  der  Pnblication  wäre  die  Kalendertafel  des 
Pontifex,  aus  welcher  sich  dann  auf  natürlichem  Wege  die  histo- 
riographische  Thätigkeit  des  Collegiums  ausgebildet  hätte.  Wann 
jener  Uebergang  zur  schriftlichen  Bekanntmachung  des  Kalenders 
stattgefunden  hat,  entzieht  sich  einer  sicheren  Bestimmung.  Seeck 
(aO.  72)  lässt  die  Kalendertafel  entstehen  gleichzeitig  mit  der 
regelmässigen  Schaltung.  Da  der  Schaltmonat,  nach  dem  Zeugniss 
des  Macrobius  (1,  13,  21)  bereits  in  einer  Gesetzurkunde  der 
Consuln  L.  Pinarius  und  P.  Furius  (282  d.  St.  =  472)  erwähnt 
war,  rückt  Seeck  den  Anfang  der  schriftlichen  Kalenderpublication 
bereits  in  die  allerälteste  Epoche  der  Republik.  Allein  aus  dem 
Gebrauch  des  Schaltmonats  folgt  noch  nicht  die  Nothwendigkeit 
seiner  schriftlichen  Publication.  Im  Gegentheil  beweist  der  Aus- 
druck intercalare  und  intercalatio  unwiderleglich,  dass  er  anfange 
durch  Ausruf  verkündet  wurde,   indem    die  ^  Ζ  wischen  ausrufung' 


520  Enmann 

die  calatio  der  gewöhnlichen  Monate  unterbrach.  Für  die  Re- 
form der  Kalenderpublication,  ihren  üebergang  zum  schriftlichen 
Verfahren,  liegt  es  nahe,  an  diejenige  Epoche  zu  denken,  in 
welcher  überhaupt  in  Rom  die  alte  mündliche  Rechteübnng 
echriftlich  fixirt  wurde,  nämlich  an  die  Zwölftafelgeeetzgebung, 
die  ja  nach  Mommsene  Nachweis  eine  Ealenderreform  in  sich 
einschloss. 

Die  ausgefüllten  Jahrestafeln  mit  ihren  kalendarischen  und 
den  im  Laufe  der  Zeit  vielleicht  immer  reicher  werdenden  chro- 
nikalischen Notizen  wanderten,  wie  angenommen  werden  muss, 
in  das  Archiv  der  Regia.  Sie  haben  dann  später  das  authen- 
tische Material  für  die  römische  Geschichtschreibung  gebildet. 
Wäre  uns  bekannt,  vom  welchem  Jahr  an  diese  kostbare  Samm- 
lung sich  bis  zur  Epoche  der  beginnenden  Buchannalistik  er- 
halten hatte,  so  liesse  sich  damit  auch  der  Anfangspunkt  der 
beglaubigten  Geschichte  Roms  feststellen.  Livius  (6,  1)  wusste 
oder  nahm  als  sicher  an,  dass  die  Verwüstung  Roms  durch  die 
Gallier  auch  die  ältesten  historischen  Documente  betroffen  habe. 
Selbst  wenn  man  in  der  That  auch  den  [Jmfang  der  damaligen 
Zerstörung  Roms,  wie  Thouret  (Jahrb.  für  class.  Philol.  Suppl. 
XI  S.  95)  erweist,  auf  massige  Grenzen  zurückführt,  so  werden, 
nach  Seecks  treffender  Bemerkung  (aO.  8.  74),  die  auf  dem  Fo- 
rum campirenden  Eroberer  ihr  Feuerungsmaterial  sicher  nicht 
aus  den  Wäldern  geholt  haben,  so  lange  dicht  nebenbei,  in  der 
Regia,  ein  ganzer  Stoss  für  sie  unnützer  Holztafeln  aufgeschichtet 
lag.  Seit  Niebuhr  hat  man  mit  Recht  auf  Ciceros  (Rep.  1,  25) 
Angabe  hingewiesen,  wonach  die  älteste  Sonnenfinsterniss,  welche 
sich  in  den  Pontificalannalen  mit  dem  richtigen  Tagesdatum  ver- 
zeichnet fand,  ungefähr  auf  das  Jahr  350  der  Stadt  fiel.  *  Hier 
lag  also  die  erste  Spur  gleichzeitiger  chronikalischer  Aufzeich- 
nung vor,  die  entweder  auf  eine  noch  erhaltene  oder  unmittelbar 
nach  der  Katastrophe  aus  der  frischen  Erinnerung  der  Zeit- 
genossen reconstruirte  Jahrestafel  zurückgehen  mochte.  Auf  den 
Tafeln  waren  ferner  die  Namen  der  Magistrate  angemerkt,  also 
in  älterer  Zeit  wohl  vorzugsweise  die  Consulnamen.  Wir  glauben 
nun  an  einem  anderen  Orte  naöhgewiesen  zu  haben  ^,  dass  in  der 


^  Vgl.  meinen  Aufsatz  'Die  älteste  Redaotion  der  römischen  Con- 
eularfasten*  (Zeitschr.  für  alte  Geschichte  Bd.  I  S.  93).  Nachzutragen 
ist,  dass  Matzat  (R.  Chron.  1,  197)  und  Seeck  (Kalendertafel  S.  77) 
Spuren  noch  andersartiger  Interpolation  nachgewiesen  haben,  bestehend 


Die  älteste  Redaction  der  Pontifioalannalen  521 

älteeten,  um  das  Jabr  300  v.  Chr.  erfolgten  Redaction  des  uns 
überlieferten  Consnlarverzeicbniseee  eine  nicbt  geringe  Änzabl 
von  JabresRtellen  durch  willktirlicbe  Interpolationen  ausgefüllt 
waren,  die  wieder  bis  um  das  Jahr  350  der  Stadt  reichen,  also 
der  Epoche,  von  welcher  an  die  Rnbrik  der  Sonnenfineternisee 
in  den  Annalen  ihren  Anfang  nahm.  Offenbar  ist  der  Ornnd 
beider  Erscheinungen  ein  gleicher.  Es  fehlte  an  älteren  Jahres- 
tafeln, und  diese  Lücke  hat  nur  zam  Theil  aus  andersartigen  Auf- 
zeichnungen ergänzt  werden  können.  Diese  und  andere  Anzeichen, 
wie  zB.  die  Thatsache,  dass  erst  von  dem  Jahr  361  (393)  an 
zuverlässige  Censuszahlen  überliefert  sind  und  sichere  Kach- 
richten über  Coloniegründungen  beginnen,  führen  zum  gemein- 
samen Schluss,  dass  regelmässige  zeitgenössische  annalistische 
Aufzeichnungen  erst  ungefähr  von  der  Zeit  des  gallischen  Brandes 
an  in  Rom  vorhanden  waren.  Die  Geschichte  des  fünften  vor- 
christlichen Jahrhunderts  dürfte  somit  zu  irgend  einer  gegebenen 
späteren  Zeit  auf  Grund  mehr  oder  weniger  zuverlässiger  oder, 
besser  gesagt,  unzuverlässiger  Daten  reconstruirt  worden  sein. 
Der  Geschichte  dieser  Epoche  geht  aber  noch  eine  ausführliche 
Erzählung  der  Urgeschichte  der  Stadt,  die  Königsgeschichte, 
voraus.  Auf  einem  völlig  unannalistischen  Gerüst  aufgebaut  und 
allenthalben  das  Gepräge  ätiologischer  Construction  verrathend, 
kann  sie  in  keinem  Falle  aus  der  einzigen  für  die  Römer  nutz- 
baren Quelle  echter  Geschichte,  der  annalistischen  mit  den  Er- 
eignissen gleichzeitigen  Aufzeichnung  entflossen  sein. 

Die  Geschichte  Roms  bis  zur  Epoche  des  pyrrhischen  und 
der  punischen  Kriege  zerfällt  also  hinsichtlich  ihres  Ursprungs 
und  ihrer  Bezeugung,  wie  aus  dem  vorhergehenden  hervorgeht, 
in  drei    ungleiche  Theile.     Von    der  Zeit    um    die    gallische  Er- 

in  der  Wiederholung  der  Eponymennamen  der  Jahre  326—330  (428 — 
424)  und  338-342  (416—412)  für  je  fünf  folgende  Jahre.  Meine 
übrigens,  wie  ich  nachträglich  sehe,  schon  von  A.  Schäfer  (N.  J.  f.  Ph. 
113,  574)  gemachte,  aber  anders  erklärte  Beobachtung  ging  dahin,  dass 
in  die  Liste  der  patricischen  Consuln  des  V.  Jahrhunderts  v.  Chr.  im 
ganzen  11  Volumnii,  Minucii,  Sempronii  und  Genucii  eingesohwärzt 
sind  und  dieses  nicht  anders  als  im  Interesse  der  plebejischen  Consuln 
der  Jahre  447—451  (307—303  v.  Chr.)  L.  Volumnius,  T.  Minucius,  P. 
Sempronius  und  L.  Genucius  geschehen  sein  kann.  Hieraus  habe  ich 
geschlossen,  dass  unsere  Redaction  der  Fasten  etwa  im  Jahre  450 — 451 
(304-303),  im  Aedilenjahr  des  Cn.  Flavius  und  wahrscheinlich  von 
ihm  selbst  vorgenommen  worden  ist. 


522  £nmann 

oberung  an  beruhte  sie  auf  gleichzeitig  mit  den  Ereignissen  von 
den  Pontifices  geübter  Einzeicbnung  in  die  Jahrestafeln.  Trotz 
vieler  Zusätze,  Erweiterungen  und  Ausschmückungen  durch  die 
einander  folgenden  Grenerationen  annalistischer  Bearbeiter  liegt 
uns  über  diese  Periode  ein  zuverlässiger  Grundstock  echter  histo- 
rischer üeberlieferung  vor.  Der  zweite  Theil,  die  Geschichte 
der  Republik  von  dem  ersten  urkundlich  bezeugten  Consul,  dem 
Einweiher  des  kapitolinischen  Tempels,  M.  Horatius,  an  bis  um 
das  Jahr  350  d.  St.  entbehrte,  im  ganzen  genommen,  jener  seu- 
verlässigen  Grundlage,  der  Jahrestafeln.  Zu  einem  gewissen 
Theil  kann  dieser  Mangel  ausgeglichen  worden  sein,  theils  durch 
unvollständige  Ueberreste  chronologischer  Aufzeichnung,  wobei 
vielleicht  das  Decemvirat  eine  gewisse  Epoche  gebildet  hat,  theils 
durch  anderweitiges  indirect  historisches  Material,  Familientra- 
dition und  jedenfalls  noch  manches  rechtsgesohichtliche  Material, 
welches  in  den  Akten  und  Commentarien  der  Priesterechaften 
und  Magistrate  eine  Zuflucht  gefunden  hatte.  Weitaas  zum 
grösseren  Theil  aber  wird  die  Geschichte  dieser  Epoche  aus 
ätiologisch  gebundener  erfindender  Reconstruction  geflossen  sein. 
Dazu  kam  als  dritter  Theil  die  Eönigsgesohiohte,  welche  völlig 
dem  Gebiet  der  ätiologischen  Dichtung  angehört.  Trotz  dieses 
ungleichen  Ursprungs  finden  wir,  soweit  sich  die  römische  Ge- 
schichtschreibung übersehen  lässt,  alle  drei  Theile  stets  mit 
einander  nicht  bloss  äusserlich  verschmolzen,  sondern  auch  in 
einen  durchaus  unlösbaren  inneren  Zusammenhang  gesetzt.  Sie 
bilden  zusammengenommen  eine  wohlgeordnete,  vollständige,  von 
der  Gründung  an  beginnende  Stadtgeschichte,  ein  Werk  von  dem- 
selben streng  folgerichtigen  Aufbau,  wie  der  Staat,  dessen  all- 
mähliches Anwachsen  von  den  unscheinbarsten  Anfängen  es  schil- 
dern sollte.  In  classischer  Weise  hat  die  Entstehung  dieser 
römischen  Stadtgeschichte  Tb.  Mommsen  in  folgenden  kurzen 
Zügen  skizzirt  (Rom.  Gesch.  ^  1,  469):  *Es  liegt  in  der  Natur  der 
Chronik,  dass  sie  zu  der  Geschichte  die  Vorgeschichte  fügt  und 
wenn  nicht  bis  auf  die  Entstehung  von  Himmel  und  Erde,  doch 
wenigstens  bis  auf  die  Entstehung  der  Gemeinde  zurückgeführt 
zu  werden  verlangt  und  es  ist  auch  ausdrücklich  bezeugt,  dass 
die  Tafel  der  Pontifices  das  Gründungsjahr  Roms  angab.  Da- 
nach darf  angenommen  werden,  dass  das  Pontificalcollegium,  als 
es  in  der  ersten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  anstatt  der  bis- 
herigen spärlichen  und  in  der  Regel  wohl  auf  die  Beamtennamen 
sich  beschränkenden  Aufzeichnungen   zu  der  Anlage    der    form- 


Die  älteste  Redaction  der  Pontiflcalannalen  523 

liehen  Jahreschronik  fortschritt,  auch  die  zu  Anfang  fehlende 
Geschichte  der  Könige  Roms  und  ihres  Sturzes  hinzufügte  und 
indem  es  auf  den  Einweihungstag  des  capitolinischen  Tempels, 
den  13.  Sept.  245  zugleich  die  Stiftung  der  Repuhlik  setzte, 
einen  freilich  nur  scheinhaften  Zusammenhang  zwischen  der  zeit- 
losen und  der  annalistischen  Erzählung  herstellte.'  üeher  die 
Königsgesehichte  stellte  Mommsen  folgendes  .fest:  Eine  Zu- 
sammenknüpfung der  verschiedenen  Märchen,  die  Feststellung 
der  Reihe  der  siehen  Könige,  die  ohne  Zweifel  auf  der  Ge- 
schiechterrechnung  ruhende  Ansetzung  ihrer  Regierungszeit  ins- 
gesammt  auf  240  Jahre  und  seihst  der  Anfang  officieller  Auf- 
zeichnung dieser  Ansetzungen  hat  wahrscheinlich  schon  in  dieser 
Epoche  stattgefunden :  die  Grundzüge  der  Erzählung  und  nament- 
lich deren  Quasiclironologie  treten  in  der  späteren  Tradition  mit 
80  unwandelbarer  Festigkeit  auf,  dass  schon  darum  ihre  Fixirung 
nicht  in,  sondern  vor  die  litterarische  Epoche  Roms  gesetzt 
werden  muss.' 

Mommsens  Ansicht  ging  also  darauf  hinaus,  dass  im  Schoosse 
des  Fontificalcolleginms  in  der  ersten  Hälfte  des  fünften  Jahr- 
hunderts der  Stadt,  also  etwa  um  die  Periode  der  Samniterkriege, 
das  vorhandene  annalistische  Material  vereinigt  und  bei  dieser 
Gelegenheit  durch  die  Frühgeschichte  der  Republik  und  die 
Königsgeschichte  nach  oben  hin  ergänzt  wurde.  Dieses  Anfange- 
werk einer  eigentlichen  Geschichtschreibung  darf,  wie  wir  oben 
auseinandergesetzt  haben,  als  die  älteste  Redaction  der  römischen 
Annalen  bezeichnet  werden,  als  das  erste  annalistische  Corpus 
einer  Gesammtgeschichte  Roms.  Diese  erste  Fixirung  der  Stadt- 
geschichte hat,  wie  Mommsen  treffend  hervorhebt,  ein  für  allemal 
die  immer  wiederkehrenden  Grundzüge  auch  für  alle  weiteren 
Bearbeitungen  des  gleichen  Stoffes  geliefert.  Gerade  deshalb  ist 
es  für  die  historische  Kritik  von  besonderer  Wichtigkeit,  die 
durch  die  Bemerkungen  Mommsens  eingeleitete  Frage  nach  der 
näheren  Beschaffenheit  der  ältesten  Annalenredaction  einer  scharfen 
Untersuchung  zu  unterziehen.  Insbesondere  muss  sich  die  Frage 
erheben  nach  einer  genaueren  Bestimmung  der  Zeit  und  Person 
des  Verfassers,  endlich  nach  dem  Umfang  und  der  Form,  welche 
die  ältesten  Annalen   muthmasslich  gehabt  haben. 

Sehen  wir  uns  in  der  neueren  Litteratur  über  römische  Ge- 
schichte um,  so  erweist  sich  leider,  dass  Mommsens  Erwägungen 
auf  einen  wenig  fruchtbaren  Boden  gefallen  sind.  Von  einer 
älteren  Redaction   der  Pontificalannalen   als    die  Annales  maximi 


524  Enmann 

des  ausgebenden  zweiten  Jahrhanderte  y.  Cbr.  ist  nicht  die  Rede, 
weder  bei  Seeck  oder  Soltan,  nocb  bei  Cicborius,  Paie  nnd  den 
vielen  anderen,  welche  sich  über  die  Anfänge  der  römiechen  An- 
nalietik  mehr  oder  weniger  aasfübrlich  aoBgeeprochen  haben. 
Der  Oberpontifex  Muciue  Scaevola  stellte  im  Zeitalter  der  Grac- 
eben  den  alten  Brauch  der  Ausstellung  der  Jahrestafeln  ein  und 
höchst  wahrscheinlich  war  es  derselbe  Scaevola,  der  das  ganze 
vorhmdene  Material  an  Tafeln  und  andern  historischen  Aufzeich- 
nungen des  Pontificalcollegiums  einer  zusammenfassenden  Re- 
daction  unterzog  und  in  80  Büchern  als  Annales  maximi  heraus- 
gab. Dieses  Werk  war  also  die  Schlussredaotion  der  officiellen 
Annalistik  und  bildete  den  Absohluss  der  gesammten  historio- 
graphischen  Thätigkeit  der  Pontifices.  Sieht  man  nun  mit  den 
oben  erwähnten  Forschern  in  diesen  Annales  maximi  die  erste 
und  einzige  Buchausgabe  der  Pontiiicalannalen,  so  wird  man  zum 
Schluss  genöthigt,  dass  die  ganze  ältere  Annalistengeneration  zu- 
sammen mit  Naevius,  Ennius  und  Cato  ihr  Material  einzeln  aus 
mühsamem  Studium  der  in  der  Regia  aufgeschichteten  Jahres- 
tafeln  entnommen  haben  musste.  Bei  der  Wiedererzählung  der 
Eönigsgeschichte  und  der  Frühzeit  der  Republik  mtieste  sie  dann 
eine  noch  grössere  Wunderkrah  geleitet  haben,  als  die  70  Bibel- 
übersetzer, da  ja  für  jene  älteste  Periode  in  dem  Tafelarchiv 
jede  feste  Grundlage  fehlte.  Gegenüber  Mommsens  lichtvollen 
Erörterungen  ist  unleugbar  eine  bedauerliche  Unklarheit  über  die 
Anfänge  der  römischen  Annalistik  eingetreten.  Anstatt  der  Lö- 
sung des  Problems  der  Pontiiicalchronik  zeigen  sich  die  Epigonen 
der  kritischen  Schule  eher  bestrebt,  die  gegebenen  festen  Punkte 
des  Problems  nach  Möglichkeit  wegzudisputiren,  wodurch  freilich 
die  schwierige  Frage  scheinbar  am  sichersten  aus  der  Welt  ge- 
schafft wird.  Seeck  versucht  zu  demonstriren,  dass  die  Annalee 
maximi  (und  damit  die  Buchannalistik  der  Pontifices)  so  gut  wie 
gar  nicht  existirt  haben.  Cichorius  lässt  sie  aller  annalistischen 
Analogie  zuwider  und  im  Widerspruch  zu  den  klaren  Worten 
Ciceros  ab  initio  verum  Romanorum  erst  von  400  v.  Chr.  die  Er- 
zählung beginnen,  wonach  implicite  die  Königsgeschichte  und  ihr 
organischer  Zusammenhang  mit  der  Chronik  in  ein  nichts  auf- 
gelöst wird.  Einer  ähnlichen  Auflösung  unterwarfen  Cichorius 
und,  wie  es  scheint,  neuerdings  auch  Bormann  die  von  Cicero, 
Dionysios  und  Servius  wohl  bezeugte  historische  öffentliche  Tafel- 
chronik, indem  diese  in  eine  unbestimmbare  Sammlung  esoteri- 
scher Notizen  über  specielle  Amtshandlungen  der  Pontifices  ver- 


Die  älteste  Kedaction  der  Pontificalannalen  525 

wandelt  wird.  Dergleichen  Notizen  geborten  vielmehr  in  die 
Acta  oder  Commentaria  des  Collegiums.  Freilich  ist  nicht  zu 
bezweifeln ,  daes  in  diesen  Gattungen  des  oberpriesterlicben 
Schrifttbums  die  ätiologische  Tendenz  ähnlich  gewuchert  haben 
und  zur  Erklärung  der  Anfange  des  Fest-  und  Opfercyclus,  so- 
wie zur  Exemplificirung  des  geistlichen  Rechts  eine  ähnliche 
Menge  von  fingirten  pKeudohistori  sehen  Erzählungen  erzeugt  haben 
wird,  wie  auf  dem  Gebiete  der  politischen  Stadtgeschichte.  Ab- 
gesehen von  ihrer  allgemeinen  Geistesverwandtschaft  mit  der 
Annalistik  ist  ans  den  geistlichen  Commentarien  sicher  vieles 
direct  in  die  Annalen  hineingetragen  worden,  um  die  leeren 
Blätter  der  älteren  Periode  angemessen  auszufüllen.  Inbesondere 
scheinen  die  δΟ  Bücher  der  Annales  maximi  zu  einem  beträcht- 
lichen Theil  mit  ans  den  Commentarien  geflossener  geistlicher 
Fabulistik  angefüllt  gewesen  zu  sein.  Für  dergleichen  Dinge 
sind  dann  die  Annales  maximi  eine  reiche  Quelle  für  die  jüngere 
Privatannalistik  eines  Tubero,  Macer  und  Antias  geworden,  noch 
mehr  aber  für  die  Antiquare.  Es  wäre  aber  durchaus  verkehrt, 
sich  hiernach  ein  einseitiges  Bild  von  den  Anfängen  der  Ponti- 
flcalannalen  zu  machen,  ein  Bild,  in  welchem  gerade  die  in  einer 
unverdächtigen  guten  Ueberlieferung  bewahrten  Grundzüge  ihrer 
Entstehung  ausgetilgt  sind. 

Wir  halten  daran  fest,  dass  die  römischen  Annalen  anfangs 
ans  jährlich  wechselnden  Holztafeln  bestanden,  welche  der  Ober- 
pontifex  nicht  für  die  Sonderzwecke  seines  Collegiums,  sondern 
zum  öffentlichen  Besten,  zur  Bekanntmachung  und  Beurkundung 
chronologischer,  allmählich  aber  auch  immer  reicher  werdender 
historischer  Daten  abfasste.  Diese  zeitgenössischen,  etwa  vom 
Jahre  400  oder  höchstens  ein  halbes  Jahrhundert  früher  be- 
ginnenden Aufzeichnungen  bildeten,  in  der  Regia  aufgehäuft, 
dank  ihrer  äusseren  Form,  grosser  schwerer  und  leicht  zerstör- 
barer Holztafeln,  das  denkbar  schwierigst  zu  benutzende  histo- 
rische Archiv  der  Welt.  Es  konnte  nur  eine  Frage  der  Zeit 
sein,  wann  dieses  kostbare  Material  in  bequemerer  Buchform  zu- 
sammengebracht und  redigirt,  leichterer  Benutzung  zugänglich 
gemacht  wurde.  In  der  That  begegnen  wir  bald  nach  dem  zweiten 
punischen  Kriege  in  Rom  bereits  einer  blühenden  historischen 
Buchlitteratur.  Ihre  Vertreter,  Fabius  Pictor,  Cincius  Alimentus, 
Ennius,  Cato  erscheinen  den  Zeitgenossen  des  Augustus  und  auch 
noch  uns  als  die  Begründer  der  römischen  Historiographie, 
pennoch    setzt  die  Thätigkeit  aller   vier    die    bereits    vollzogene 


526  Enmann 

Bachredaction  der  annalistiechen  Geschichte  in  Verbindang  mit 
der  Königsgeechichte  voraus.  Mit  Recht  hat  Mommsen  auf  die 
anwandelbare  Festigkeit  der  Königsgeschichte  in  der  ganzen  rö- 
mischen Litteratnr  anfmerksam  gemacht  und  deshalb  ihre  ein- 
malige individuelle  Fixirung  vor  den  Anfang  der  litterarischen 
Epoche  Roms,  also  vor  Fabius  Pictor  gesetzt.  Die  geringe  Zahl 
der  Varianten  in  der  Erzählung  der  ältesten  Geschichte  bei  den 
genannten  vier  Autoren  —  einige  Abweichungen  des  Fabius 
kommen  dabei  auf  Rechnung  von  ihm  benutzter  griechischer  Au- 
toren —  lassen  au  der  Benutzung  einer  gemeinsamen  Urquelle 
nicht  zweifeln.  Das  Originelle  jener  Autoren  besteht  nicht  in 
der  Aufsuchung  des  ürstoffes  für  die  alte  Geschichte,  sondern 
in  den  jedem  eigenen  Zielen  der  litterarischen  Bearbeitung  eines 
und  desselben  Stoffes.  Fabius  und  Cincius  gestalten  daraus  eine 
gedrängte  Uebersicht  unter  reicherer  Berücksichtigung  der  Ur- 
geschichte für  den  Geschmack  de  hellenistischen  Publikums. 
Cato  wendet  sich  an  das  nationale  Publikum,  sucht  aber  seine 
Bearbeitung  auf  die  Höhe  hellenistischer  Wissenschaft  zu  bringen. 
Ennius  gestaltet  den  Stoff  zu  einem  nationalen  Epos  und  aus 
prosaischen  Annalen  schafft  sein  Dichtergenius  poetische. 

Die  Annales  maximi  sind  gewiss  nicht,  wie  Seeck  haupt- 
sächlich aus  der  geringen  Zahl  namentlicher  Fragmente  zu  de- 
monstriren  versucht,  wenig  gelesen  und  benutzt  worden.  Im 
Gegentheil  steht  ihr  Erscheinen  offenbar  in  ursächlicher  Wirkung 
zu    dem    erhöhten    neuen  Aufschwung    der   Privatannalistik    des 

« 

sullanischen  Zeitalters  und  dem  Aufblühen  einer  antiquarischen 
Wissenschaft  in  der  letzten  Periode  der  Republik.  Dieser  Litte- 
ratnr hat  dies  Werk  der  Pontifices  eine  Fülle  thatsächlichen 
Stoffes  zugeführt,  ist  aber  von  ihr,  wie  das  ganz  natürlich  ist, 
absorbirt  und  schnell  der  Vergessenheit  überliefert  worden.  Es 
bedarf  keiner  namentlichen  Citate,  wo  wahrscheinlich  jede  Seite 
des  Livius,  Dionysios,  Varro  und  Festus  umfangreiche  und  in- 
dividuell bearbeitete  indirecte  und  directe  Fragmente  jenes  An- 
nalenwerks  darbieten.  Eine  parallele  Wirkung  aus  paralleler 
Ursache  bietet  das  Aufblühen  einer  privaten  Geschichtslitteratur 
im  ausgehenden  Zeitalter  der  punischen  Kriege  dar.  Die  an  der 
Oberfläche  nicht  mehr  sichtbare  befruchtende  Quelle  kann  nichts 
anderes  gewesen  sein,  als  eine  ältere  Ausgabe  der  Pontifical- 
annalen,  die  Vorgängerin  der  Annales  maximi.  Ihr  äusseres 
Verhältniss  zu  letzteren  kennzeichnet  sich  durch  das  Prädicat 
maximi.     Die   'grosse^    erweiterte    Gesammtausgabe    ist    an    die 


Die  älteste  Kedaction  der  Pontificalaimalen  527 

Stelle  älterer  und  wahrecheinlioh  weit  kürzerer  Annalen  getreten. 
Theile  aus  der  gleichen  Ursache  wie  die  maxlmif  wegen  der  bal- 
digen Abeorbirung  durch  die  Privatannalen,  theils  aber  gerade 
durch  die  neue  officielle  vermehrte  und  verbesserte  Publication 
sind  die  alten  Annalen  einer  noch  gründlicheren  Vergessenheit 
verfallen  als  die  des  Scaevola.  Diesen  Todesursachen  verdanken 
die  alten  Annalen  andererseits  sicher  auch  ihr  Fortleben  bis  in 
die  auf  uns  gekommenen  letzten  Ausläufer  der  römischen  6e- 
schichtscontinuation.  Es  kann  deshalb  durchaus  nicht  als  Ver- 
messenheit betrachtet  werden,  wenn  wir  uns  in  der  Erzählung 
eines  Livius  oder  Dionysios  nach  kennzeichnenden  Spuren  der 
ältesten  Annalen  umsehen,  welche  uns  Auskunft  über  die  Zeit 
und  Person  ihres  Herausgebers  an  die  Hand  zu  geben  im  Stande 
sind.  Namentlich  ist  dazu  die  Königsgeschichte  geeignet,  da  sie 
als  litterarische  Schöpfung  am  ehesten  das  individuelle  Gepräge 
einer  bestimmten  Zeit  und  eines  bestimmten  Verfassers  an  sich 
tragen  muss. 

Die  Königsgeschichte  ist  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt, 
wie  ich  in  meinem  russisch  geschriebenen  Buch  ^  Die  römische 
Königssage  (St.  Petersburg  1896)'  nachzuweisen  versucht  habe, 
ursprünglich  mit  der  Absicht  erfunden  worden,  in  den  kurzen 
Biographien  von  sieben  fingirten  Königen,  in  der  Art  des  Fertor 
Kesius  rex  Aequicolorum,  ätiologische  Gründungsgeschichten  der 
sieben  vornehmsten  Priestercollegien  Roms  zu  geben.  Vielleicht 
haben  diese  Biographien,  wie  ich  vermuthe,  als  Einleitungen  zu 
einer  um  die  Zeit  des  ogulnischen  Gesetzes  im  Interesse  der 
Plebs  angelegten  officiellen  Priesterliste  gedient.  Dann  sind  diese 
Königsbiographien  vereinigt,  in  chronologischer  Reihenfolge  ge- 
ordnet und  in  zweiter  Schicht  überarbeitet  worden  mit  Rücksicht 
auf  die  Aetiologie  der  allgemeinen  Entstehungsgeschichte  der 
Stadt  und  des  römischen  Staates,  sodass  jedem  Könige  sein  be- 
stimmter Antheil  an  der  Gründung  Roms  zufiel.  Im  Gegensatz 
zu  den  alten  zeitlosen  Königsbiographien  wurde  die  neue  Könige- 
geschichte chronologisch  fixirt  und  in  dieser  Form  den  streng 
chronologisch  geordneten  Annalen  der  Republik  angegliedert.  In 
der  Umarbeitung  und  Einordnung  der  Königsgeschichte  in  die 
allgemeine  Geschichte  Roms  muss  das  Werk  des  ersten  Heraus- 
gebers der  Annalen  bestanden  haben.  In  der  ersten  Hälfte  des 
dritten  Jahrhunderts  vor  Chr.  ist  die  Kunde  vom  Stadtgründer, 
dem  König  Romulus,  schon  zu  den  griechischen  Historikern 
Kallias  und  Timaios  gedrungen.     Obgleich  letzterer  wahrschein- 


528  Ε  D  mann 

lieh  eine  Forechungereiee  nach  Latium,  vielleicht  auch  nach  Rom 
unternommen    hat,    fehlte    ihm    noch   die  Eenntniss  eines  Grün- 
dangedatume  Roms  aus  römischer  Quelle.     Die    erste  Thatsache, 
welche  die  vollzogene  chronologische  Fixirung  der  Gründung  der 
Stadt  und  somit  auch  der  chronologisch  fixirten  Eönigsgeschichte 
beweist,  ist  das  Säcularfest  vom  Jahre  505  (249  v.  Chr.).    Hier 
liegt  eine  Berechnung  des  Gründnngsdatums    der  Stadt    vor    anf 
das  Jahr  749   unserer   Zeitrechnung.     Wie    wir  (aO.  S.  361   ff,) 
gezeigt    haben,    war    in   dieser  Rechnung    der    ältesten  Annalen- 
redaction    auf    die  Eönigzeit    sieben  Generationen,    7  X  33^3  = 
233  Jahre  +  4  Interregnen  (4  X  500  Tage  =  2000  Tage  =  rund 
6  Jahre),  also  239  Jahre  gezählt,  der  Anfang  der  Republik   auf 
510  V.  Chr.,  die  Vertreibung  der   Könige  auf  511  gesetzt,  wäh- 
rend nach  der  Rechnung  der  Fasten  des  Cn.  Flavius  bis  auf  das 
Jahr  304  nur  204  Jahre    vom    ersten  Gonsuljahr    an    verflossen 
waren,  also  die  Gründung  der  Republik  auf  508  v.  Chr.  angesetzt 
war.     Die  Fasten  waren  also  in  der  Annalenredaction,  vielleicht 
um  die  im  Jahre  249  nöthigen  500  Jahre  der  Stadt  abzurunden, 
um  2  Jahresstellen  vermehrt  worden.     Eine  der  letzteren  dürfte 
das  schon  von  Mommsen  (Rom.  Forsch.  1,  111)  als  Interpolation 
beanstandete    Consularjahr   267    (=  487  v.  Chr.)   gewesen    sein. 
Der   angeblich   patricische    Consul  dieses   Jahres  C.  Aquilius  ist 
sicher  wohl  als  patricischer  Ahne  des  plebejischen  Consule  495  = 
259  V.  Chr.    C.  Aquilius    eingeschoben    worden,     wie    dieselben 
Aquilier  auch  in  die  Gründungsgeschichte  der  Republik  als  Ver- 
wandte des  Freiheitehelden  Collatinus  eingeführt  sind  ^.     Weisen 
also    bereits  zwei  Spuren  auf  einen  Zeitgenossen  des  ersten  pa- 
nischen Krieges,    der    ersten    Säcularspiele    und    des  Consuls  C. 
Aquilius    als  Verfasser  der  Annalen    hin,    so    zeigen    sich    noch 
weitere  Kennzeichen  der  Rücksichtnahme  auf  die  Ruhmsucht  der 
plebejischen    Nobilität    der    genannten  Zeit.     In    der    Geschichte 
des  Tarquinius  Superbus  (Dionys.  4,  62)  tritt  ein  Orakelbe  wahrer 
M.  Atilius  auf,  als  einer  der  vornehmen  Bürger  (επιφανείς)  be* 
zeichnet,  ein  Ahnherr  des  berühmten  Consuls  M.  Atilius  Regulas. 
Mit  sichtlich    ironischer  Absicht  sind    freilich    sowohl    der  'vor- 
nehme   Orakelbewahrer  Atilius,  als  auch  die  Aquilii,  die  angeb* 
liehen  patricischen  Ahnen  des  Consuls  C.  Aquilius,  zu  ruchlosen 
Verbrechern  gestempelt.    Offenbar  that  das  dem  Vergnügen,  schon 
in   der   alten  G-eschichte    vorzukommen,   keinen   Abbruch.     Weit 


^  Mommsen,  Rom.  Forsch.  1,  111. 


Die  älteste  Redaction  der  Pontificalannalen  529 

liebevoller,  ja  mit  besonderer  Audzeichnung  ist  in  den  Annalen 
das  Geschlecht  eines  dritten  Consuls  der  Zeit  des  ersten  pani- 
schen Krieges,  des  Qu.  Mamilius  Vitulus  (Consul  265  und  262 
V.  Chr.)  bedacht  worden.  Octavius  Mamilius  aus  Tusculum  er- 
scheint als  Schwager  des  Königs  Tarquinius,  L.  Mamilius  aus 
derselben  Stadt  rettet  das  Capitol  vor  dem  Ueberfall  des  Appius 
Herdonius  und  erhält  dafür  von  den  dankbaren  Römern  das 
Bürgerrecht  (Liv.  3,  29),  als  der  einzige  Tusculaner,  dem  diese 
Ehre  zu  Theil  geworden  ist  (Cato  Orig.  1  fr.  24^.  Aber  nicht 
bloss  das  Geschlecht  der  Mamilier,  sondern  auch  ihre  Vaterstadt 
Tusculum  erfreut  sich  einer  ganz  besonders  liebevollen  Beachtung 
in  den  Annalen.  Von  keiner  andern  Stadt  ausser  Rom  wird  so 
häufig  und  so  eingehend  berichtet,  als  von  Tusculum  und  seinen 
Bürgern^.  Man  sollte  meinen,  der  Annalist  sei  ein  Landsmann 
der  Mamilier,  ein  Tusculaner  gewesen. 

Das  älteste  Annalen  werk  war  als  Ausgabe  des  Pontifical- 
collegiums  äusserlich  ein  anonymes  Werk,  wie  auch  die  späteren 
Anoales  maximi.  Wie  man  aber  mit  Recht  annimmt,  dass  das 
Erscheinen  dieser  letzteren  erst  durch  die  persönliche  Autorität 
und  die  persönliche  litterarische  Thätigkeit  des  gelehrten  Pontifex 
Maximus  P.  Mucius  Scaevola  zu  Stande  gekommen  ist,  so  läset 
sich  gleiches  und  in  noch  höherem  Masse  für  die  älteste  Redaction 
der  Annalen  voraussetzen.  Um  das  historische  Archiv  der  Regia 
zum  ersten  Mal  der  OeflFentlichkeit  zu  übergeben,  bedurfte  es 
eines  Mannes,  dem  nicht  bloss  die  Autorität  eines  Pontifex  Maxi- 
mus zu  Gebote  stand,  sondern  der  besonders  freisinnig  den  Bann 
der  priesterlichen  Geheimnisskrämerei  zu  durchbrechen  im  Stande 
war.  Nicht  umsonst  ist  in  die  Geschichte  des  Ancus  Marcius 
die  bezeichnende  Erzählung  eingelegt,  dass  dieser  König  die  von 
Numa  verfassten  priesterlichen  Commentarien  der  Oeffentlichkeit 
übergab,  bis  die  patricischen  Pontifices  sie  nachher  wieder  ver- 
steckten. Der  Verfasser  dieses  historischen  Präcedenzfalles,  der 
dem  Princip  der  Oeffentlichkeit  besonders  zugeneigte  Oberpon- 
tifex  muss  selbstverständlich  ein  Plebejer  gewesen  sein.  Es  geht 
das  nicht  bloss  aus  den  Spuren  seiner  nahen  Beziehungen  zur 
plebejischen  Nobilität  hervor,    sondern  auch  aus  der  ganzen  an- 


i  Vgl.  Liv.  3,  7.  18.  42.  GO;  4,  10.  27.  45-47;  5,  28;  G,  25-26. 
ii'o.  37;  7,11;  S,  7.  14.  37.  Besonders  interessant  ist  die  letztauf- 
geführte Stelle,  wo  rühmend  von  der  Liebe  der  Tusculaner  zu  ihrer 
Vaterstadt  und  ihrer  Einmüthigkeit  erzählt  wird. 

Kheia.  Mus.  f.  Pbilol.  N.  F.  LVIL  34 


530  Enmann 

nalistieoheii  Erzählung,  welche  Schritt  für  Schritt  die  Errungen• 
Schäften  der  Plehs  in  ihrem  grossen  Kampfe  um  Rechtegleichheit 
verfolgt.  Die  praktische  Staatskunst  muss  dem  ältesten  Anna- 
listen nahe  gelegen  hahen,  insbesondere  blickt  in  der  Königs* 
geschichte  ein  besonderes  Interesse  durch  für  Dinge,  die  die 
Finanzverwaltung  des  Staats  und  den  Kreis  der  censorischen  Ge- 
schäfte berühren.  Dem  alten  FetialenkÖnig  Anous  Marcius  sind 
eine  Reihe  von  Neugrnndungen  zugewiesen,  die  auf  den  ersten 
Blick  jeden  Zusammenhang  unter  einander  vermissen  lassen. 
Blickt  man  aber  genauer  hin,  so  sind  diese  Gründungen  lauter 
Steuerobjecte  des  römischen  Staates  (vgl.  meine  '  Königssage 
S.  180  ff.):  der  Hafen  liefert  das  portorium  maritimum,  die  Tiber- 
brücke den  Brückenzoll,  die  silva  Maesia  als  Staatewald  das 
vectigal  picariarum  und  Schiffsbauholz,  die  Salzgruben  das  vectigal 
salinarum,  die  Wasserleitungsanlagen  (aqua  Murcia,  Tnllianum, 
fossae  Quiritium)  das  vectigal  pro  aquae  forma,  die  Anweisung 
des  Aventin  zu  Bauplätzen  der  Plebejer  den  Bodenzins  (vectigal 
Solarium).  Noch  näher  streift  an  das  censorische  Interesse  die 
Sorgfalt,  mit  welcher  der  Annalist  den  Ursprung  der  grossen 
öffentlichen  Bauten  unter  seine  Könige  vertheilt,  der  Bauten,  an 
denen  noch  die  Republik  beständig  remontirend  und  erweiternd 
fortgebaut  hat,  die  Kloaken,  der  Circus,  der  grosse  Tempel  dei 
Capitols,  die  Stadtmauern,  um  nicht  zu  reden  von  der  Dar- 
stellung der  allmählichen  Bebauung  der  Stadthügel  und  -thäler. 
Die  Phantasie  des  ältesten  Annalisten  hat  den  plebejerfreundlichen 
Larensobn  und  Fortunadiener  Servius  TuUius  ausersehen,  um  für 
das  Uauptstück  des  censorischen  Geschäftes  den  Grund  legen  zu 
lassen.  Nach  dem  Nachweise  Mommsens  (Rom.  Staatsrecht  3,  245) 
muss  der  Verfasser  der  Erzählung  vom  ersten  Census  des  Servius 
TuUius  ein  Censusformular  vor  sich  gehabt  haben  der  Zeitperiode, 
wo  der  Werth  des  As  dem  zehnten  Theil  des  Denars  entsprach. 
Diese  Valuta  ist  nach  Mommsen  im  Jahre  485  (269  v.  Chr.)  ein- 
geführt worden,  so  dass  ich  hier  zu  meiner  Freude  aus  Mommseus 
glänzendem  Forschungsresultat  einen  neuen  Beweis  dafür  schöpfen 
kann,  dass  der  älteste  Bearbeiter  der  Annalen  ein  Zeitgenosse 
des  ersten  punischen  Krieges  war.  Dem  selben  Verfasser  ver- 
danken wir  vermuthlich  die  Reihe  guter  und  zuverlässiger  Census- 
zahlen  der  älteren  Annalen  und  die  weniger  guten,  weil  stark 
der  künstlichen  Construction  verdächtigen  Notizen  über  die  ältesten 
Coloniegründungen. 

Zu  den  bereits  gewonnenen   persönlichen  Zügen    fdgen   wir 


Die  älteste  Kedaction  der  Pontifioalaunalen  531 

noch  einen  hinzn.  Der  Herauegeber  der  ältesten  Geschichte 
Korns  muss  ein  Mann  von  nicht  gewöhnlicher  echriftstellerischer 
Begabung  gewesen  sein.  Das  epische  und  dramatische  Golorit 
der  Erzählung  hat  bekanntlich  bereits  Niebuhr  zur  Annahme  hin- 
gerissen, dass  die  älteste  Geschichte  Roms  auf  eine  dichterische 
Quelle  zurückgehe.  Mommsen  (Hermes  21,  570)  hat  den  Ver- 
fasser der  Tatiuslegende  einen  Dichter  genannt,  wenn  auch  ver- 
muthlich  einen  derjenigen  die  ^  ihre  Eingebungen  nie  aufgeschrieben 
haben'.  Nicht  ohne  Grund  haben  grosse  Dichter  der  Neuzeit 
von  Shakespeare  an  sich  an  Stoffen,  wie  sie  die  Erzählungen  von 
den  Horatiern  und  Curiatiern,  Lucretia,  Coriolan  ua.  boten,  zu 
herrliehen  Schöpfungen  begeistert.  Wer  war,  fragen  wir  nun, 
dieser  hochbedeutende  Gescbichtserzähler  und  Begründer  der  rö- 
mischen Historiographie,  der  Freund  der  Aufklärung,  der  ple- 
bejische Staatsmann  und  Pontifex  Maximus,  der  Freund  und 
Landsmann  der  Mamilier  von  Tusculum,  der  Zeitgenosse  des 
ersten  punisrhen  Krieges  und  der  ersten  Säcularspiele  Roms? 
Hat  dieser  Mann  in  seinen  Annalen  der  Ruhmsucht  seiner  Freunde, 
der  Mitglieder  der  neugebackenen  plebejischen  consularischen 
Aristokratie,  mit  harmlosem  Spott  nachgebend,  nur  ihnen  Ahnen 
erdacht,  hat  er  nicht  ein  ähnliches  ironischss  Denkmal  sich  selbst 
gestiftet?  Unser  Blick  lenkt  sich  unwillkürlich  auf  den  Volks- 
tribun des  Jahres  274  d.  St.  (480  v.  Chr.),  Tiberius  Pontificius, 
dessen  Thaten  Livius  (2,  44)  und  der  halikarnassische  Rhetor 
(9,  5)  gewissenhaft,  ausführlich  und  feierlich  uns  darlegen.  Der 
alte  Annalist  hätte  sicher  kein  geringes  Vergnügen  über  diesen 
Erfolg  seiner  witzigen  Erfindung  gehabt.  Die  edele  Gens  der 
Pontificii,  das  plebejische  'Pontifexgeschlecht'  ist  leider  mit 
seinem  ersten  Vertreter,  dem  wackeren  Volkstribun  Tiberius,  so- 
fort wieder  ausgestorben,  vermuthlich  weil  es  für  sein  hohes 
Alterthum  an  unheilbarem  Anachronismus,  litt.  Erst  lange  nach- 
her, im  Zeitalter  des  pyrrhischen  und  ersten  punischen  Krieges 
tritt  uns  in  verkehrtem  Laufe  der  Generation  der,  wenn  auch 
nur  geistige,  Vater  des  Tiberius  Pontificius  entgegen.  Es  ist 
ein  wohl  bekannter  Tiberius  Pontifex,  der  erste  plebejische 
Pontifex  Maximus  Tiberius  Coruncanius.  Aus  dem  Municipium 
Tusculum  stammend  ^  hatte  er  sich  in  Rom  durch  seine  hervor- 


^  Cicero  pro  Plancio  8,  20  num  quando  vidcs  Tusculanum  ali- 
qaem  de  M.  Catono  illo  —  num  de  Ti.  Coruncanio,  municipe  suo,  num 
de  tot  Fulviis   gloriari?    Diesem   bestimmten   Zeugnisse  widersprechen 


532  Enmann 

ragenden  Eigenschaften  den  Weg  zu  hohen  Ehren  und  zu  grossem 
Ansehen  bei  seinen  Zeitgenossen  gebahnt.  Im  Jahre  474  (280 
V.  Chr.)  zum  Consul  gewählt  zeichnete  er  sich  im  Krieg  gegen 
die  Etrusker  und  den  König  Pyrrhos  aus.  Ob  er  selbst  das 
Censoramt  bekleidet  hat,  wie  viele  angenommen  haben,  läset  sich 
aus  der  verdorbenen  Stelle  des  Festus  (p.  237  s.  v.  portorinm) 
mit  Sicherheit  nicht  entscheiden  (vgl.  De  Boor  Fasti  censorii 
S.  77).  Nach  dem  Zeugniss  Ciceros  war  er  indessen  mit  den 
Censoren  Q.  Aemilius  Papus,  L.  Fabricus  Lnscinus  478  (276)  and 
M'.  Curius  Dentatne  (Censor  482  =  272)  in  naher  Freundschaft 
verbunden^.  In  seinem  Consulat  wurde  ausserdem  die  Plebs 
durch  den  Censor  Domitius  zum  ersten  Mal  in  die  Abhaltung  des 
Lustrum  eingeführt.  In  das  PontificalcoUegium  cooptirt  erlangte 
er  darauf  zwischen  den  Jahren  501—502  (=  253—252)  die 
Würde  des  Pontifex  Maximus*,  sodass  unter  seiner  Aegide  die 
ersten  Säcularspiele  gefeiert  werden  konnten.  Als  Inhaber  der 
höchsten  geistlichen  Würde  zeichnete  er  sich  durch  grosse  Fröm- 
migkeit und  tiefe  Kenntniss  des  geistlichen  Rechte  aus  und  be- 
wies sich,  den  Traditionen  des  Collegiums  zuwider,  als  Vorkämpfer 
der  Oeffentlichkeit,  indem  er  zuerst  alle  geistlichen  Kechtssachen 
bei  offenen  Thüren  verhandelte.  Zu  diesen  vielen  Verdiensten 
liegt  es  uns  daran,  sein  grossestes  mehr  als  zweitausendjähriger 
Vergessenheit  zu  entreissen,  den  Kuhm  Eoms  nationale  Ge- 
schichte und  die  lateinische  Prosalitteratur  begründet  zu  haben. 
Dieser  Ruhm  gebührt  dem  Tiberius  Coruncanius  und  nicht  seinem 
engeren  Landsmann  Cato,  der  mit  Unrecht  in  der  Schätzung  der 


allerdings  die  Worte  des  Kaisers  Claudius  bei  Tacitus  (Ann.  11,  24) 
'neque  enim  ignoro  lulios  Alba,  Coruncanios  Camerio,  Porcios  Tusculo 
—  in  senatum  accitos*.  Einen  Irrthum  des  über  Coruncanius  im  übrigen 
so  wohlunterrichteten  Cicero  anzunehmen,  ibt  unmöglich.  Vielleicht 
stammte  das  Geschlecht  des  Coruncanius  aus  Camerium  und  war  dann 
nach  Tusculum  übergesiedelt  oder  Camerium,  das  schon  zu  Catos  Zeit 
nicht  mehr  existirle  und  dessen  Lage  noch  heute  unbekannt  ist,  ge- 
hörte zum  Gebiete  von  Tusculum. 

^  Cic.  Lael.  11,  39  videmus  Papum  Aemilium  C.  Luscino  fami- 
liärem fuisse  (sie  a  patribus  accepimue)  bis  una  consules  et  collegas  in 
oensura:  tum  et  cum  iis  coniunctissimos  fuisse  Manium  Curium  et  Ti. 
Coruncanium. 

*  Epit.  Livii  XVIll  *Tib.  Coruncanius  primus  ex  plebe  pontifex 
raaximus  creatus  est'.  Die  Notiz  steht  zwischen  einer  Nachricht  von 
der  im  Jahre  2h\\  erfolgten  Zerstörung  der  Flotte  und  der  über  die 
Censur  des  Valerius  Maximus  und  F.  Sempronius  252. 


Die  älteste  Redaction  der  Pontificalannalen  533 

neaeren  seinen  Platz  eingenommen  hat,  nur  dank  dem  zufälligen 
Umstand,  dass  die  nächsten  Vorgänger  des  Cato,  die  ersten  Be- 
nutzer des  grossen  Annalenwerks,  sich  der  griechischen  Sprache 
bedient  haben.  Die  Annalen  des  Coruncanius,  in  den  allerersten 
Jahren  des  sechsten  Jahrhunderts  der  Stadt  entstanden,  mussten 
einen  Schatz  zeitgenössischer  Erzählung  über  die  Geschichte  der 
zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  geboten  haben.  An 
diese  schloss  sich  dann  mit  seiner  ausführlichen  Erzählung  des 
Zeitalters  der  punischen  Kriege  Fabius  Pictor  an,  während  das 
von  dem  Redactor  der  ältesten  Pontificalannalen  errichtete  Grund- 
gerüst  für  alle  Zeiten  bestehen  geblieben  ist. 

St.  Petersburg.  A.  Enmann. 


EPIGRAPHISCHE  BEITRAEGE 


I    Corpus  Inscriptionum  Graecaram  1511. 

Unter  den  uns  erhaltenen  Inschriften  übertreffen  nicht  viele 
an  Wichtigkeit  des  Inhalts  die  von  Böckh  aus  Fonrmonte  Pa- 
pieren veröffentlichte  Corpus  Inscriptionum  Graecarum  1511. 
Denn  sie  enthält  eine  Liste  von  Geld-  und  Naturalbeiträgen,  die 
den  Lakedaimoniern  zur  Führung  eines  bestimmten  Krieges  (ποτ- 
τόν  πόλ€μον)  von  andern  Staaten  und  von  Einzelnen  geleistet 
worden  sind,  und  zwar  hat,  wie  die  Yocalbezeichnung  lehrt, 
dieser  Krieg  nicht  später  als  im  fünften  Jahrhundert  stattgefunden. 
Fourmont  überliefert  die  Urkunde  unter  den  tegeatischen,  was 
Böckh  damit  erklärte,  dass  die  Lakedaimonier  durch  die  Auf- 
stellung an  einem  fremden,  ihnen  ergebenen  Orte  die  Kunde  der 
ihnen  zu  Theil  gewordenen  Wohlthaten  weiter  verbreiten  wollten ; 
Röhl  (Inscriptiones  antiquissimae  69)  schloss,  dass  zu  Tegea  der 
gemeinsame  Schatz  der  gegen  die  Perser  verbündeten  Hellenen 
bewahrt  worden  sei.  Dass  der  Dialekt  einer  öffentlichen  Urkunde 
der  Lakedaimonier  nur  der  lakonische  sein  könne,  hat  Ahreos 
gesehen^,  dass  von  der  Schrift  das  gleiche  gilt,  Kirchhoff ',  in- 
dem er  sagt:  'es  bleibt,  wenn  eine  andre  Erklärung  sich  nicht 
darbieten  sollte,  immer  die  Möglichkeit  offen,  dass  das  Bruchstück 
verschleppt  worden  ist*. 

Dazu  brauchen  wir  jedoch  nicht  unsre  Zuflucht  zu  nehmen; 
der  Stein  war  nicht  in  Tegea  aufgestellt,  sondern  in  Lakonien 
und  ist  dort  noch  heute,  leider  arg  verstümmelt,  vorhanden:  er 
bildet  zurechtgehauen  den  Bogen  der  Thüröffnung  an  der  Kirche 
des  heiligen  Vasilios,  die  etwa  2%  Stunden  südlich  von  Sparta 
auf  einem  kleinen  Hügel  zwischen  den  Dörfern  Trapezondi  ond 
Kydonia  liegt.     Lesbare  Beste    sind    nur    von    den    ersten    zehn 

1  De  dialectis  Π  8.  157. 

2  Alphabet  2  94  f.  =  *  149  f. 


Epigraphische  Beitrage  535 

Zeilen  der  Breitseite  übrig,  und  auch  diese  sind  seit  Fourmonts 
Zeit  durch  eingemeisselte  Ornamente  stark  beeinträchtigt:  links 
durch  ein  16  Centimeter  breites  mit  verschiedenen  Zuthaten  ver- 
sehenes liegendes  Kreuz,  rechts  durch  einen  Kreis  von  14^/2  Centi- 
metern  Durchmesser,  in  den  ein  zweiter  eine  Rosette  umgebender 
Kreis  eingeschrieben  ist.  Nach  der  zehnten  Zeile  hat  der  hier 
beginnende  Bogenschnitt  nur  ein  schmales  Stück  zurückgelassen, 
in  dem  ausser  einigen  Schatten  von  Buchstaben  nichts  mehr 
kenntlich  ist.  Mein  Reisebegleiter  im  Frühjahr  1902,  Herr  Dr. 
von  Prott,  hat  das  schwierige  Geschäft  vollbracht  in  blendender 
Mittagsglut  die  kostbaren  Reste  abzuschreiben,  und  er  hat  mir 
einen  wohl  gelungenen   Papierabklatsch  gemacht. 

Fs  ist  ein  sprechender  Beweis,  wie  wenig  Griechenland 
epigraphisch  erforscht  ist,  dass  ein  solcher  Stein  hart  an  einer 
der  am  meisten  begangenen  Strassen,  dem  guten  Fahrwege  nach 
Gythion,  offen  an  einer  Kirche,  in  deren  jeder  man  nach  Resten 
des  Alterthums  zuerst  zu  suchen  pflegt ,  so  lange  verborgen 
bleiben  konnte.  Wie  nützlich  könnten  sich  rüstige  junge  Männer 
machen,  wenn  sie  kleinere  Bezirke  vollständig  und  bedächtig  ab- 
suchten; wer  eine  ganze  Landschaft  eilig  durchstreifen  muss, 
kann  unmöglich  alle  Seitenwege  verfolgen,  selbst  wenn  seine 
Körperkräfte  ihm  die  Vermehrung  der  Unbilden  einer  griechi- 
schen Reise  gestatten  sollten.  Auch  ich  hätte  an  der  Stelle  un- 
seres Steines  schwerlich  gesucht,  wenn  ich  nicht  längst  gewnsst 
hätte,  dass  er  vor  40  Jahren  dort  vorhanden  war:  Conze  und 
Michaelis  erwähnen  ihn  unter  genauester  Ortsbeschreibung  in 
ihrem  bekannten  Reisebericht  Annali  delf  instituto  1861  p.  50, 
ohne  freilich  die  Inschrift,  die  sie  mit  Recht  als  olfremente  lo- 
gora  e  corrosa  bezeichnen,  mitzutheilen.  Aber  abgeschrieben  hatte 
sie  Michaelis:  ich  fand  sie  in  seinem  Tagebuche,  das  er  mir  bei 
dem  Beginn  meiner  Vorbereitungen  für  das  peloponnesische  Cor- 
pus gütigst  zur  Verfügung  gestellt  hatte;  von  Conze  rühren  einige 
am  Rande  fragweise  beigefügte  Lesungen  her.  Dass  sie  ihren 
Schatz  nicht  erkanr.ten,  ist  natürlich;  denn  sie  konnten  zunächst 
nur  unter  den  als  lakonisch  veröffentlichten  Inschriften  suchen, 
und  als  dies  vergeblich  war,  mochten  sie  wohl  nicht  von  einem 
Steine,  den  sie  für  unbekannt  hielten,  eine  Copie  bieten,  die  ihnen 
bei  dem  traurigen  Zustande  der  Erhaltung  unzulänglich  und  nicht 
nutzbar  schien.  Die  Leistung  hätten  sie  dann  freilich  unter- 
schätzt; schwerlich  wäre  es  einem  Andern  besser  gelungen,  der 
nicht  die  ältere  Abschrift  zur  Hand  gehabt  hätte. 


536  Fränkel 

Wie  aber  ist  Founnonts  Ortsangabe  zn  erklären?  Hat 
er ,  da  er  vorzöge  weise  die  Epigraphik  der  wabren  Gegend 
uiieree  Steines  durch  seine  grotesken  Fälschungen  za  bereichern 
versucht  hat,  sie  in  der  Absicht  gewisser  ausgleichender  Ge- 
rechtigkeit andrerseits  durch  bewnsste  Unwahrheit  berauben 
wollen,  oder  hat  er  eine  grobe  Fahrlässigkeit  begangen?  Da  die 
Antwort  wesentlich  ist  für  die  Glaubwürdigkeit  der  vielen  Orts- 
angaben, für  die  wir  anf  ihn  angewiesen  sind,  bat  ich  Herrn 
Gustave  Foug^res  in  Paris  zn  prüfen,  ob  aus  der  Handschrift 
eine  Lösnng  des  Problems  zu  gewinnen  sei,  und  indem  er  mir 
mit  der  Frenndlichkeit  und  sachlichen  Hingabe  willfahrte,  durch 
die  er  und  andre  seiner  Landsleute  eich  schon  früher  das  grösste 
Verdienst  um  meine  epigraphische  Arbeit  erworben  haben,  ist 
es  ihm  gelungen  den  Sachverhalt  völlig  aufzuklären. 

In  dem  von  Michel  Fourmonts  Hand  herrührenden  Codex 
steht  die  Inschrift  auf  Folio  220,  dadurch  eingereiht  unter  die 
von  Tegea,  dass  die  Abtheilung  auf  ihrem  Titelblatt  Folio  218 
* Tnscriptions  de  Tegee*  überschrieben  ist.  Aber  zu  unsrer  In- 
schrift selbst  so  wenig  wie  zu  einer  andern  auf  demselben  Blatt 
copirten  ist  als  ihr  Ort  Tegea  genannt;  in  dem  Manuscript,  das 
die  auf  Grund  des  andern  angefertigten  Keinschriften  Fourmonts 
enthält,  ist  zwar,  wie  Herr  Henri  Omont  die  Güte  hatte  mir  mit- 
zutheilen,  ά  TegSe^  beigemerkt,  aber  mit  Bleifeder  von  späterer 
Hand.  Dies  ist  also  gleichgiltig,  ebenso  dass  in  dem  Index  der 
von  Fourmont  gesammelten  Inschriften,  den  sein  Neffe  und  Reise- 
begleiter verfasst  hat,  die  unsrige  unter  den  ^ Inscripiions  trouvces 
ä  Tegee  verzeichnet  ist;  denn  Niemand  wird  darin  eine  selb- 
ständige Erinnerung  suchen  anstatt  blindlings  vorgenommener 
Registrirung  nach  dem  fertigen  Codex.  Aber  der  ursprünglicheren 
Copie  ist  wenn  auch  nicht  der  Ort,  so  doch  die  nähere  Stelle 
unserer  Inschrift  beigeschrieben:  '7)aw5  la  meme  eglise  de  St. 
Bastle^  ce  fragment,  sur  une  base.  Der  Ausdruck  setzt  voraus, 
dass  unmittelbar  oder  doch  kurz  vorher  eine  Kirche  des  heiligen 
Vasilios  erwähnt  sei;  aber  man  muss  bis  Folio  45  zurückgehen, 
ehe  man  eine  solche  findet,  und  zwar  zu  einer  unter  den  In- 
schriften von  Sparta  angeführten  byzantinischen  Urkunde.  Offen- 
bar hatte  also  das  Blatt  mit  der  Abschrift  unsres  Steines  ur- 
sprünglich seine  Stelle  unmittelbar  hinter  Folio  45  und  hat  sich 
von  da  in  die  tegeatische  Abtheihing  verirrt.  Das  Unglück  ist 
vor  der  Anfertigung  des  Registers  geschehen;  ob  die  Schuld 
daran   Mioliel  Fourmont  selbst  trägt  oder  sein  Neffe  oder  die  nn- 


Epi graphische  Beiträge  537 

vorsichtige  Hand  eines  Dritten,  der  sich  mit  den  noch  losen 
Blättern  beschäftigte,  kann  man  nicht  wissen,  aber  es  steht  fest, 
dass  die  richtige  Angabe  Fourmonts  nur  durch  einen  Zufall  ver- 
dunkelt worden  ist.  Er  hat  die  Inschrift  ohne  Zweifel  in  der- 
selben Kirche  des  heiligen  Vasilios  gesehen,  bei  deren  Umbau 
sie  nachher  verwendet  worden  ist. 

Weder  oben  noch  links  noch  in  Zeile  1 — 10  rechte  hat  seit 
Fourmonts  Zeit  eine  Verstümmelung  des  Steines  stattgefunden; 
ob  aber  oben  und  rechts  der  ursprüngliche  Band  erhalten  ist, 
lässt  sich  so  lange  der  Stein  verbaut  bleibt  ans  äusseren  Kenn- 
zeichen nicht  entscheiden  und  seine  Loslösung  würde,  auch  wenn 
die  Erlaubniss  zu  erreichen  wäre,  ohne  grössere  Kosten  nicht 
zu  bewerkstelligen  sein.  Pennoch  ist  nicht  zu  zweifeln,  dass 
rechts  der  Band  intakt  ist.  Fourmont  fand  nämlich  auf  zwei 
Seiten  Schrift,  und  zwar  hat  die  der  zweiten,  die  er  nur  als  'sur 
Vautre  coste*  befindlich  bezeichnet,  nach  ihrer  geringen  Breite 
nothwendig  auf  einer  Schmalseite  gestanden ;  es  muss  also  der 
anstossende  Rand  der  vorderen  Breitseite  erhalten  gewesen  sein. 
Nun  ist  dies  links  nicht  der  Fall,  war  es  aber  zu  Fourmonts 
Zeit  ebenso  wenig,  da  er  hier  nicht  mehr  Schrift  giebt  als  wir 
noch  heute  haben:  folglich  war  die  unbeschädigte  Seite  die 
rechte.  Die  grösseren  Ergänzungen  sind  also  an  die  Anfänge 
der  Zeilen  zu  stellen.  Die  Schrift  ist  nicht  sehr  gleichmäesig, 
so  dass  für  die  Zahl  der  fehlenden  Buchstaben  ein  kleiner  Spiel- 
raum bleibt.  In  dem  hier  folgenden  Herstellungsversuch  sind  die 
heute  lesbaren  Buchstaben  durch  Unterstreichen  kenntlich  ge- 
macht, die  sonst  ausser  Klammern  stehenden  sind  von  Fourmont 
überliefert;  die  übrigen  nöthigen  Nachweisungen  über  die  Lesung 
werden  unten  angefügt. 

1 τοις  Λακ]€δαιμονίο[ις  .... 

2 ακα]τίος  1)αρι(κ)ός.    ΐφ€[κ]€  [Κ]αλ[λίμα- 

3  χος  δραι  τοις  Λ]ακ€δαιμονίοις  ποτ[τ]όν 

4  πόλεμον  evveja  μνας  και  δέκα  στατέρας.     ["Ε- 

5  boKe  τοις  Λακ]€δαιμονίοις  Λυίκ]€ίΙ)α  Λυιός 

6 ος  Όλέ[νι]ος  [έ]1)θ[κ€  τοις  Λακ€- 

7  οαιμονίοιςΐ  ττοττόν  πόλεμον  τριερείσιν]  μ[ι- 

8  σθόν  άργυρί]ο  μνας  biie  και  τριάκοντα.     [Έδον 
9 τον  Χίον  τοι  φίλοι  τοι  τον  [Λα- 

1()  κεδαιμονίον]  στατερας  Αιγιναιος 


538  F  r  ä  D  k  e  1 

Z.  1 Ι-ΙΛΙΟ'Ν  .  .  .  .  \0  •  •  Fourmont,   nach 

gütiger  Mittheilung  des  Herrn  Omont;  CIGr.  weicht  etwas  ah. 
^ΨΙΙιΜν.  Michaelis.  Die  Stelle  ist  äaseerst  schwierig,  aher 
Protts  mühsame  Lesung  vollkommen  sicher. 

Z.  2.  Das  auslautende  Sigma  des  Zahlwortes,  das  sehr  ver- 
riehen  ist,  hat  Fourmont  nicht  erkannt  und  die  Lücke  dafür  an- 
zugehen unterlassen;  das  Richtige  vermuthet  hatte  Höhl.  Dann 
giebt  Fourmont  zutreflPend  ΔΑΡΙΥΟΣ:  der  Steinmetz  hat  geirrt; 
das  Wort  erkannte  Böokh.  Es  folgt  ΕΦΕΙ  .  .  ΑΛ  .  ΨΟΙ  bei  Four- 
mont, EU  TIE///AM  Michaelis,  ΕΟΕΙΦ///ΑΛ  \0  Prott,  indem  er 
das  zweite  Phi  als  unsicher  bezeichnet;  es  würde  die  Möglich- 
keit einer  Lesung  ausschlieesen.  Ich  sehe  auf  dem  Abklatsch 
EC  El  C  .  ΑΛ  .  .  \  und  halte  das  hergestellte  Verbum  für  sicher. 
In  dem  auslautenden  Ε  stimmt  Michaelis  mit  mir  überein;  davor 
kann  man  an  der  senkrechten  Hasta,  die  ganz  deutlich  und  von 
allen  Zeugen  gesehen  ist,  den  Ansatz  des  abwärts  gehenden 
Striches  im  Winkel  des  Κ  zu  erkennen  glauben.  Der  Sinn  war 
also  'gestattete  zu  erheben' :  der  Beitrag  ist  nicht  haar  ausgezahlt, 
sondern  auf  einen  Ort,  an  den  die  lakonische  Streitmacht  ge- 
langen musste,  angewiesen  worden.  Am  Ende  sehe  ich  klar  den 
Schimmer,  den  Fourmont  und  Prott  als  0  auffassten,  aber  dies 
ist  ganz  unsicher  und  eher  wäre  /  anzunehmen,  so  dass,  da  \  die 
letzte  Hasta  eines  Μ  sein  dürfte,  Καλλίμαχος  wahrscheinlicher 
ist  als  ΚαλλιμίΟ€ς,  Καλλιμέν€ς  usw. 

Ζ.  4  Anfang  Ξ  Formont,  daraus  Böokh  ένν]ία,  und  in  der 
That  scheint  von  dem  Epsilon  vor  Alpha  ein  Rest  vorhanden. 

Z.  5.  ΛΥΡΕΙΔΑ  Fourmont,  emendirt  von  Böckh. 

Zeile  6  ist  von  Fourmont  ausgelassen.  Die  Lesung  bis  0^ 
ist  ganz  sicher  und  Michaelis  hat  sie  übereinstimmend;  nachher 
giebt  dieser  nichts,  Prott  'eine  schwache  Rundung,  unklar  von 
welchem  Buchstaben ;  darauf  D  unsicher  und  I  *.  Ich  sehe  auf 
dem  Abklatsch  '  υ  )l.  —  Dass  zu  Anfang  der  Zeile  der  Name 
von  Lykeidas'  Sohn  angegeben  war,  ist  von  der  äussersten  ün- 
wahrscheinlichkeit,  denn  auf  den  etwa  11 — 12  Stellen  stand  noth- 
wendig  seine  Gabe  und  der  Anfang  des  Namens  des  Oleniere ; 
das  gewöhnliche  ποττόν  πόλεμον  ist  hier  vollends  unmöglich. 
Gewiss  war  der  eigentliche  Spender  Lykeidas  und  der  Sohn  konnte 
ungenannt  bleiben,  da  er  nur  den  Beitrag  abgeliefert  hat;  viel- 
leicht hatte  der  Tod  den  Vater  gehindert  die  geäusserte  Abeicht 
auszuführen.  —  Das  Ethnikon  war  bei  einem  Fremden  nothwendig 
zu  nennen,  während  es  bei  den  lakonischen  Spendern  fehlt.    Man 


Epigraphischd  Beiträge  539 

könnte  auch  Ολέ[ρι]ος  ergänzen,  aber  ein  Beitrag  aas  Kreta  ist 
sehr  viel  weniger  wahrscbeinlicb  als  einer  aus  dem  peloponnesN 
ecben  Olenos. 

Z.  7  Ende  ΤΡΙΕΡΕΓ'ΧΜ  .  .  Fourmont.  τριήρ6[σι]  Böckb; 
das  Ny  έφ€λκυστικόν  wird  mit  Bitten  berger  (Sylloge,  1.  Auf- 
lage n.  34),  der  danaob  sebr  wabrscbeinlicb  μ[ΐ(Τθόν  ergänzt  bat, 
hinzuzufügen  sein. 

Z.  8  άρτυρί]ου  gab  Böckb.  —  bu6  ist  vollkommen  sieber. 

Z.  9.  Zu  Anfang  reicbt  für  die  Ergänzung  τοις  AaKebai- 
μονίοι]ς  der  Raum  bei  weitem  nicbt.  Die  Anelassung  erklärt 
sieb  leicbt,  da  die  Empfänger  durcb  das  gleicb  folgende  τον 
[Λακ€&αιμονίον  bezeiobnet  waren,  welcbe  Ergänzung  Ditten- 
bergers  dadurcb  nocb  sicberer  wird.  Es  war  bier  gewiss  der 
Verwendungszweck  des  Beitrages,  den  die  Spender  vorgeschrieben 
hatten,  angegeben,  wie  bei  dem  vorhergehenden  Posten  Z.  7/8.  — 
Dann  hat  Fourmont  +ION;  der  erste  Buchstabe  bat  sehr  ge- 
litten, doch  ist  Ψ,  die  notbwendige  lakonische  Form  des  Chi, 
vollkommen  sicher.  Während  Dittenberger  gewaltsam  ändern 
wollte,  bat  also  Meister  (Dialekt-Inschriften  4413)  richtig  ange- 
nommen, dass  nur  in  der  Gestalt  des  Buchstabens  geirrt  war. 
Wie  nahe  +  lag,  siebt  man  noch  heute  aufs  Deutlichste,  und 
ebenso  wie  der  so  sorgfältige  Michaelis  fast  übereinstimmend  mit 
Fourmont  glauben  konnte  F  zu  sehen;  Conze  hatte  das  Wahre 
erkannt,  indem  er  'K?'  beisobrieb. 

Z.  10  Anfang.  Die  Ergänzung  Λακ€&αιμονίον  ist  von 
Dittenberger. 

Der  Fund  unsres  Steines  ist  durcb  die  Sicherheit  über  den 
Schriftcharakter  auch  wertbvoll  für  die  Feststellung  der  Zeit, 
auf  die  für  die  historische  Nutzbarkeit  alles  ankommt.  Kirchhoif 
hatte  geurtbeilt,  dass  die  MdXioi,  die  zweimal  als  Beitragende 
auftreten  (und  zwar  nach  dem  Ausdruck  ibov  TOl  Μάλιοι  ihre 
Gemeinde),  nur  die  Bewohner  der  Insel  Melos  sein  können,  und 
da  diese  von  Ol.  91,  1 — 93,  4  von  attischen  Kleruchen  besetzt 
gewesen  sei,  es  aber  wegen  der  nocb  ganz  epichorischen  Schreib- 
weise ^  bedenklich  wäre  die  Urkunde  unter  das  Ende  des  pelo- 
ponnesischen    Krieges    herabzurücken,    so    sei   sie   vor  Ol.  91,  1 


1  Mit  Recbt  hält  Kirchhof  wie  Böckb  für  unglaublich,  dass 
das  in  der  letzten  Zeile  überlieferte  ΧΙΛΙΟΥΣ  auf  dem  Steine  ge- 
wesen sei. 


540  Fränkel 

(416)  zu  setzen;  am  wahrscheinlichsten  sei  unter  dem  Kriege, 
ftir  den  die  Beisteuern  geleistet  sind,  der  archidamiscbe  zu  ver- 
stehen. Dieses  auch  ausdrücklich  als  'keineswegs  sicher*  be* 
zeichnete  Resultat  ist  nicht  zwingend;  denn  die  Prämissen  ge- 
statten die  zweite  Möglichkeit,  dass  die  Beiträge  aus  Melos  in 
der  kurzen  Frist  zwischen  der  Restitution  der  alten  Bewohner  im 
Jahre  405  und  dem  Ende  des  Krieges  im  Frühjahr  404  geleistet 
worden  sind.  Betrachtet  man  aber  die  Schrift,  so  kann  man 
nicht  glauben,  dass  die  Aufzeichnung  früher  erfolgt  ist  als  in 
den.  letzten  Jahren  des  fünften  Jahrhunderts:  sie  zeigt  den  Cha- 
rakter des  Schwankens  und  üeberganges,  vor  allem  in  den  For- 
men des  My  und  Ny,  die  theils  alterthümlich  sind,  theils  gut 
dem  vierten  Jahrhundert  angehören  könnten.  Das  geseblossene 
Uauchzeichen  B,  das  Fourmont  in  Zeile  5  überliefert,  hat  eich 
in  Lakonien  sehr  lange  gehalten :  es  findet  sich  neben  dem  ioni- 
schen Omega  auf  der  Inschrift  bei  Röhl,  Inscriptiones  antiquis- 
simae  n.  83,  wie  auf  der  höchst  wahrscheinlich  ebendaher  stam- 
menden n.  82,  die  Dittenberger-Purgold  (Inschriften  von  Olympia 
274)  mit  Recht  auf  die  Scheide  des  fünften  und  vierten  Jahr- 
hunderts gesetzt  haben  werdend  Dass  um  diese  Zeit  in  die 
officielle  Orthographie  Spartas  der  lonismus  noch  nicht  ein- 
gedrungen war,  zeigt  der  obere  Theil  der  Urkunde  n.  91,  der 
in  Delos  genau  nach  spartanischer  Vorschrift  aufgezeichnet  ist, 
und  zwar  nach  Homolies  sicherem  Nachweis  zwischen  403  und 
397.  Diesen  epigraphischen  Gründen  hat  mich  die  Güte  des 
Herrn  Henri  Omont  in  den  Stand  gesetzt  einen  sehr  gewichtigen 
historischen  hinzuzufügen.  In  Zeile  21  (der  früheren  Zählung) 
ist  nämlich  ΕΦΕΣΤΙΟΙ  ein  starkes  Versehen  Bekkers,  während 
Fourmont  sowohl  in  der  ursprünglicheren  als  in  der  ine  Reine 
geschriebenen  Copie  ΕΦΕΣΙΟΙ  überliefert^.    Wenn  man  aber  auch 


1  Ebenso  wird  n.  83  zu  datiren  sein,  welche  Urkunde  Kirchhoff, 
Alphabet*  S.  154  erst  gegen  die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderte  setzt. 
Sein  Grund  ist,  dass  Theta  in  n.  91  Zeile  2  und  (5  noch  die  archaische 
Form  mit  Kreuz  hat;  aber  eine  solche  Einzelheit  braucht  nicht  typisch 
zu  sein,  sondern  kann  auf  der  beibehaltenen  Gewohnheit  oder  dem 
archaisirenden  Geschmack  des  Ausfertigers  beruhen. 

3  So  hatte  Otfried  Müller  (Dorier  I  181)  vermuthet  oder  viel- 
leicht auch,  da  er  die  Lesart,  ohne  ein  Wort  darüber  zu  sagen,  nur 
in  der  Darstellung  vervverthet,  durch  einen  sehr  begreiflichen  Lese- 
fehler aus  den  Scheden  des  Corpus,  die  seine  Quelle  waren  (s.  Böckh, 
Kleine  Schriften  7,  251),    gewonnen.     Mit  Recht  hat  Dittenberger  die 


Epigraphische  Beitrage  541 

alleDfalls  meinen  kann,  dass  den  Meliern  ihr  damaliges  Verhalten 
bei  dem  furchtbaren  Gericht  dee  Jahres  416  angerechnet  worden 
sei,  wie  hätten  die  Ephesier,  die  Mitglieder  des  attischen  See- 
bundes waren,  vor  dessen  Zerfall  eine  Handlung  so  offenbarer 
Rebellion  wagen  können,  als  die  Beisteuer  der  grossen  Summe 
von  tausend  Dariken  zu  den  Kriegemitteln  des  Feindes  gewesen 
wäre ,  ohne  dass  wir  durch  Thukydides  von  Strafmassregeln 
hörten?  Dagegen  war  die  Stadt  seit  dem  Jahre  412  den  Athenern 
verloren  und  ihre  Beziehung  zu  der  spartanischen  Streitmacht 
musste  eine  besonders  nahe  sein,  da  diese  von  408  bis  406  dort 
ihr  Hauptquartier  hatte  ^.  Wenn  ferner  Zeile  9  geflissentlich 
hervorgehoben  wird,  dass  der  chiische  Beitrag  nicht  von  der  Ge- 
meinde, sondern  von  den  Lakonerfreunden  herrührt,  so  niuss  er 
in  eine  Zeit  der  Unruhe  und  Parteigährung  gehören,  wie  die 
Insel  sie  nach  ihrem  ebenfalls  412  erfolgten  Abfall  von  Athen 
durchgemacht  hat^  So  vereinigt  sich  alles  zu  der  Sicherheit, 
dass  die  in  der  Urkunde  verzeichneten  Beiträge  in  den  letzten 
Jahren  des  peioponnesischen  Krieges  geleistet  worden  sind.  Aue 
dieser  Zeit  sind  uns  auch  solche  freiwillige  Beisteuern  an  die 
Spartaner  bezeugt:  Lysander  hat  dazu  die  asiatischen  Küsten- 
städte vermocht^;  vor  allem  aber  ist  für  uns  wichtig,  dass  sein 
Nachfolger  in  der  Nauarchie  Kallikratidas,  wie  Xenophon  (Hel- 
lenika  I,  6,  7  tf.)  erzählt,  angeekelt  von  der  Nothwendigkeit  bei 
den  Satrapen  zu  antichambriren  und  ergrimmt  über  die  Schmach, 
dass  Hellenen  den  Barbaren  um  des  Geldes  willen  schmeicheln 
müssten,  im  Jahre  406  in  einer  Versammlung  der  Milesier,  die 
er  berief,  die  Bundesgenossen  zu  Opfern  aufforderte,  worauf  er 
von  milesischen  Privaten  und  aus  Chios  erhebliche  Summen  er- 
hielt*.    Seine   gerechten  und   starken  Empfindungen,    deren  ein- 


jetzt  als  richtig  herausgestellte  Lesung   als  Conjectur    für    unstatthaft 
erklärt;  Höhl  hat  sie  als  seine  eigne  wieder  aufgestellt. 

1  Vergl.  Ed.  Meyer,  Geschichte  des  Alterthums  IV  S.  563.  631  ff. 

2  Thukydides  8,  38,  3:  ol  bi  Xloi  -  -  ύπόπτως  διακείμενοι  άλλή- 
λοις.     Diodor  13,  ()5,  3  f. 

8  Diodor  13,  70,  4. 

*  Der  in  der  Urkunde  Z.  9  verzeichnete  Beitrag  aus  Chios  kann 
schwerlich  mit  dem  von  Xenophon  erwähnten  identisch  sein,  da  dieser, 
fünf  Drachmen  auf  den  Mann  der  Schiffsbesatzung,  zu  erheblich  war 
als  dass  der  Raum  die  Erj^änzung  der  nöthigen  .\nzahl  von  Stateren 
zuiiesse.  Dasselbe  gilt  für  die  nach  Thukydides  S,  101  παρά  τών  Χίων 
im    Jahre  41 1    eingegangene    Unterstützung,    als    deren  Urheber    man 


542  Fränkel 

dringliche  Schilderung  dnrch  Xenophon  den  Stempel  der  Wahr- 
heit trägt,  hat  Kallikratidas  ohne  Zweifel  durch  die  von  ihm  nach 
Geld  entsandten  Trieren  in  Sparta  geltend  machen  lassen,  und 
hei  dem  Versiegen  der  persischen  Goldquelle  werden  sie  nicht 
hloss  in  Milet  und  Chios  gewirkt  haben.  Etwa  in  dieser  Zeit 
werden  also  die  Beiträge  geleistet  sein,  von  denen  unsere  Urkunde 
meldet;  dass  die  eben  von  Sparta  zurückgeführten  Melier,  die  sich 
erklärlicher  Weise  zur  Betheiligung  gedrängt  fühlten,  erst  auf 
der  Schmalseite  vet zeichnet  sind,  stimmt  dazu,  dass  ihre  Spenden 
zu  den  spätesten  gehört  haben  müssen.  Die  Breitseite  könnte  ja 
etwas  früher  geschrieben  sein,  aber  nach  den  Kriterien  der  Schrift 
nicht  wesentlich  früher;  so  wird  kaum  ein  Zweifel  sein,  dass 
die  Urkunde  erst  unmittelbar  nach  dem  Friedensschluss  als  ein 
Zeichen  der  Dankbarkeit  aufgestellt  wurde  und  dass  sie  uns  so- 
mit für  die  Geschichte  der  lakonischen  Schrift  einen  festen  chro- 
nologischen Anhalt  gewährt^. 


überdies,  wie  auch  wohl  bei  der  von  Xenophon  Hell.  2,  1,  5  bezeugten 
aus  dem  Jahre  405,  die  Gemeinde  ansehen  muss. 

^  Otfried  Müller  (Dorier  1 180),  dem  Böckh  zuzustimmen  geneigt 
war,  wollte  nicht  weit  von  der  Wahrheit  unsre  Urkunde  in  die  Zeit 
Lysanders  setzen.  —  Sehr  merkwürdig  ist  das  Verfahren  Röhls,  der, 
da  die  Schrift  vor  das  Jahr  427  fallen  müsse,  entschlossen  gleich  bis 
etwa  in  die  Zeit  der  Schlacht  bei  Mykale  hinaufgebt.  Damals  hätte 
man  die  Spenden  doch  nicht  an  die  Lakedaimonier,  sondern  an  die 
Hellenen  gerichtet.  Beruhen  kann  der  ter minus  ante  quem  nur  auf 
Kohls  falscber  Datierung  der  Inschrift  n.  88,  die  in  Wahrheit  ins  vierte 
Jahrhundert  gehört;  s.  Kircbhoff,  Alphabet^  S.  154.  Man  sollte  meinen, 
für  die  subtile  Abschätzung  des  Scbriftcharakters  wäre  die  Voraus- 
setzung ein  starker  Glaube  an  die  Geschicklichkeit  und  Genauigkeit 
Fourmonts,  die  durch  die  doppelte  Brechung  in  Bekkers  Abschrift  und 
Böckhs  Typen  noch  wirksam  geblieben  wären.  Dennoch  ist  Röhl  von 
solchem  Glauben  weit  entfernt;  er  erhebt  entrüstete  Klage  über  Four- 
monts neglegentia-y  da  der  Stein  misere  exscriptus  sei,  habe  homo  Ute 
uns  um  seinen  Nutzen  gebracht.  Hat  er  uns  denn  nicht  vielmehr  die 
Urkunde  gerettet,  und  mit  ihr  blos  in  Lakonien,  wo  gerade  man  seine 
Ausdauer  bewundern  lernt,  hunderte  anderer?  Das  arge  Missverständ- 
nies,  dass  er  Reste  des  Alterthums  geflissentlich  zerstört  zu  haben  be- 
kenne, hat  Boss  (Archäologische  Aufsätze  S.  429  f.)  aufgelöst;  er  hatte 
nur  nicht  zugeben  sollen,  dass  es  manchmal  doch  geschehen  sei,  auf 
den  blossen  Gemeinplatz  hin,  dass  die  Eitelkeit  einen  Stein  allein  ge- 
sehen haben  zu  wollen  vorkäme.  Boss  rühmt  ebenda  Fourmonts  Ab- 
schriften :  '  wo  ich  seinen  Spuren  habe  folgen  können,  ...  da  habe 
ich  ihn  gewissenhaft  genau  befunden,  selbst  genauer  als  seine  Commen- 


Epigraphieclie  Beitrage  543 

Am  Fusse  dee  kleinen  Htigele,  der  das  Kirchlein  des  hei- 
ligen Yaeilioe  trägt,  liei;t  das  Fragment  einer  uncanellirten  Säule; 
in  der  Kirche  hefindet  eich  ein  korinthisches  Kapitell.  So  bat 
vielleicht  der  Hügel,  wozu  seine  Lage  sehr  geeignet  ist,  auch 
im  alten  Hellas  ein  Heiligthum  getragen;  aher  viel  wahrschein- 
licher ist  es,  dass  die  Spartaner  unsrem  Steine  denselhen  Platz 
angewiesen  hahen,  an  dem  sie  ihre  wichtigsten  öffentlichen  Ur- 
kunden aufzustellen  pflegten  ^ ,  dass  er  also  aus  dem  etwa 
IY2  Stunde  entfernten  Amyklaion  verschleppt  ist. 


II.    Zur  Aphaia-Inschrift  ClPel.   1580. 

Es  ist  ahermals  Adolph  Michaelis,  dem  ich  zu  danken  hahe: 
er  hat  mir  für  die  Aphaia-lnschrift  eine  durch  veränderte  Inter- 
punction  zu  gewinnende  wesentliche  Verbesserung  mitgetheilt. 
Er  liest:  .  .  .  Όϊνος  [οιίοοομ]6θ6  χό  βιυμός.  χόλέφας  ποτ€- 
ποιέθ€.  [χό  π€ρίβολο]ς  π€ρι[€]ποιίθ6.  Es  leuchtet  ein,  dass 
diese  Satztheilung  die  wahre  ist.  Mit  Recht  urtheilt  Michaelis, 
dass  οίκος  und  βωμός  zusammengehörig  sind  und  dass  der  In- 
halt, da  er  nun  völlig  auf  das  eine  Haus  der  Aphaia  zu  beziehen 
ist,  geschlossener  wird.  Doch  ο19οοομ]ήθη  passt  jetzt  nicht; 
ich  war  auch  vorher  damit  nicht  völlig  zufrieden,  fand  aber  ein 
andres  Verbum  auf  έω,  an  das  ich  allein  dachte,  nicht.  Einwand- 
frei möchte  Folgendes   sein: 

Κλ]€θίτα  Ιαρέος  έόντος  τάφαίαι  ώι9ος 
έτ]έθη  χώ  βωμός,    χώλέφας  ποτεποιήθη. 
και  τώρ9θ]ς  π€ρι[6]ποιήθη. 
Die  Form  von  τιθέναι  zu  Anfang  von  Zeile  2  wie  zB.  ClPel.  192; 
Inscriptiones  antiguiss,  314;    Inschrift  des  erzenen   Viergespanns 


tatoren*.  Auf  unsrem  Stein  erkennt  man  noch  heute  in  täuschenden 
Zufälligkeiten  Quellen  seiner  Fehler,  so  dass  also  schon  damals  die 
Lesung  sehr  schwer  gewesen  sein  muss,  wie  ja  auch  die  letzten  vierzig 
Jahre  darin  einen  merkbaren  Unterschied  nicht  hervorgebracht  haben. 
Man  sollte  sich  klar  machen,  was  es  hiess  eine  verriebene  archaische 
Urkunde  zum  ersten  Male  abzuschreiben,  im  Jahre  1730,  wo  die  dia- 
lektischen und  epigraphisohen  Eigenthümlichkeiten  nicht  verstanden 
werden  konuten,  die  Arbeit  also  zumeist  eine  rein  mechanische  sein 
niusstc:  da  wird  man  auch  die  Auslassung  einer  Zeile,  das  schlimmste 
Versehen,  nicht  für  unverzeihlich  halten. 

1  Vergl.  zB.  Thukydides  δ,  18,  10.    23,  5. 


544  Fränkel 

• 

auf  der  Burg  von  Athen  Herodot  5,  77.  Zu  Anfang  von  Zeile  3 
(και  το  ?ρ9θζ)  stünde  AI  auf  dem  Raum  der  breiten  Buchetaben 
Λ  in  Z.  1  und  Τ  in  Z.  2,  genau  wie  in  dem  Erhaltenen  in  Z.  l 
Ol  über  φ   und  dae  zweite  AI  über   Γ,  in  Z.  3  PI  unter  M. 

Da  ich  zu  der  Inschrift  nochmal«  das  Wort  nehmen  mueste; 
habe  ich  zugleich  auf  die  Entgegnung  einzugehen,  durch  die  Furt- 
wängler  oben  S.  252  fiP.  meine  S.  152  ff.  gegebenen  Ausführungen 
zu  widerlegen  gemeint  hat^.  Der  erneuten  Erörterung  kommt 
die  feste  Grundlage  zu  Grute,  die  Michaelis  geschaffen  hat,  und 
die  erhobenen  Einwände  scheinen  zu  zeigen,  dass  es  gut  ist  man- 
ches eingehender  zu  begründen  als  ich  früher  für  nöthig  hielt. 
Furtwängler  fragt:  'der  aeginetische  οΤκος  der  Aphaia,  wenn  er 
.  .  .  dem  Cultus  dieser  Göttin  diente,  was  war  er  denn  anders 
als  ein  Tempel?  Selbstverständlich  war  er  das,  aber  nicht  der 
Haupttempel  des  Temenos.  Furtwängler  heftet  sich  daran,  dass 
Ulrich  Köhler,  auf  den  ich  mich  berief,  für  die  lepoi  οΤκοί  den 
Cult  ausscbloss.  Ich  hätte  hervorheben  sollen,  dass  seine  Be- 
stimmung zu  eng  ist,  dass  er  die  lepoi  οΤκοί  zwar  richtig  als 
^Dependenzen  der  dabei  stehenden  Tempel'  definirt  hat,  dass 
sie  aber  einem  Cult  ebenso  gedient  haben  können  wie  der  Ver- 
waltung^; einen  für  den  Cult  bestimmten  οΤκος  hatte  ich  aus 
der  Inschrift  CIGr.  Sept.  I  2233  angeführt.  Wenn  aber  im  ge- 
nauen amtlichen  und  sacralen  Gebrauch  οίκος  gleichbedeutend 
mit  ναός  sein  könnte,  müsste  es  in  einer  unsrer  vielen  Bau- 
inschriften dafür  stehen.  Worin  sonst  sollte  aber  der  nothwen- 
dige  Bedeutungsunterschied  bestanden  haben  als  in  der  von  Köhler 
für  die  andre  Art  der  Upoi  οΐκοι  festgestellten  Inferiorität?  Meint 
mau,  dass  bei  der  Unterscheidung  mehr  auf  Ausstattung  und 
Grösse  gesehen  sei,  so  kommt  es  im  Allgemeinen  und  sicher 
in  unsrem  Falle  auf  dasselbe  hinaus,  denn  das  Gebäude  für  den 
Hauptcult  unsres  Temenos  kann  nicht  eine  Aedicula  gewesen  sein. 
Man  kann  von  zwei  vaol  desselben  Bezirkes  sprechen,  wenn  man 
die  Unterscheidung  zwischen  dem  ursprünglichen  und  dem  zu- 
gefügten Culthause  nicht  betonen   will ;  aber  der  einzige  Tempel 


^  Auf  Herwerden,  Lexicon  Graecum  suppletorium  p.  935  f.  u. 
*  Αφαία  hat  Furtwänglers  Polemik  keinen  Eindruck  gemacht. 

2  Ich  darf  die  Flüchtigkeit,  die  ich  begangen  habe,  damit  ent- 
8chuldig»in,  dass  ich  zur  «iiössten  Eile  gezwungen  war,  um  meine  Aus- 
führungen noch  im  Corpus  citiren  zu  können  und  dass  die  Jahreszeit 
zur  Reise  nach  Griechenland  drängte. 


Epigrapbisohe  Beiträge  545 

eiDes  Bezirke  kann  in  der  VVeihung  nicht  οΤκος  genannt  werden. 
Da  jetzt  durch  Michaelis  vollende  gesichert  ist,  dass  der  οΓκος 
der  Aphaia  ihrem  Culte  diente,  kann  der  Haapttempel  des  Te- 
menos  nicht  dem  Gälte  derselben  Gottheit  gedient  haben.  Wenn 
Aphaia  so  gründlich  in  Vergessenheit  gerieth,  dass  ihre  *  Legende 
erst  der  gelehrte  Nikander  wieder  entdeckt  zu  haben  scheint*^, 
so  ist  das  schwer  vorzustellen,  wenn  sie  einen  prachtvollen  Tempel 
an  bevorzugter  Stelle  besass,  leicht  wenn  ihr  nur  eine  neben- 
sächliche Capelle  zu  eigen  war. 

Gegen  die,  wie  ich  meine,  feste  philologische  Thatsache, 
dass  οίκος  nicht  dasselbe  ist  wie  ναός,  können  die  Fundthat- 
Sachen,  die  zufällig  sind,  nicht  aufkommen.  Die  hier  behandelte 
Inschrift  ist  bis  auf  das  kleine  Fragment  zur  äussersten  Linken 
durch  Verbauung  gerettet;  die  ausserdem  ganz  oder  fast  sicher  auf 
Aphaia  bezüglichen  Steine  ClPel.  1582  und  1584  sind  in  einer 
und  derselben  Gegend  gefunden,  auch  der  minder  sichere  1585. 
Wenn  höchstens  drei  oder  vier  inschriftliche  Zeugnisse  für  Aphaia 
übrig  sind,  so  ist  die  Zahl  zu  gering  um  zu  behaupten, 
dass  deren  auch  für  Artemis  übrig  sein  müssten.  Wie  gründ- 
lich die  Zerstörung  der  Inschriften  in  unserem  Temenos  war,  be- 
weist dass  wir  nach  so  erschöpfenden  Ausgrabungen  wie  den 
bairischen  im  Ganzen  mit  Einschluss  des  schon  vorher  vorhan- 
denen Inventars  ClPel.  39  nicht  mehr  als  neun  haben.  Nach- 
dem unser  üeiligthum,  wie  Furtwängler  (Akad.  S.  389)  gewiss 
mit  Hecht  annimmt,  schon  seit  dem  Jahre  431  verödete,  können 
auch  Weihgeschenke  an  Artemis  in  ihren  unterwärts  gelegenen 
Tempel  versetzt  worden  sein.  Wenn  Furtwängler  weiter  geltend 
macht:  'Unter  den  zahlreichen  Terrakotten  ist  keine  einzige,  die 
etwas  von  Artemis  hätte',  so  könnte  auch  keine  auf  Aphaia  zu  be- 
ziehen sein ;  denn  nach  dem  was  Furtwängler  (Akad.  S.  380  ff.) 
über  deren  künstlerische  Darstellung  ermitteln  konnte,  war  sie 
der  Artemis  ähnlich.  Die  Terrakotten  beweisen  also  nach  keiner 
Seite;  aber  jedenfalls  ist  Marmor  nicht  schlechter  als  Thon. 
Nun  berichtet  Furtwängler  (Akad.  S.  380)  von  dem  Funde  einer 
früharchaischen  Marmorstatuette,  deren  *  Typus  auch  ...  in  einer 
Marmoretatuette  ans  der  tiefsten  Schicht  am  Artemision  von 
Fphesos  erscheint  .  .  .  :  die  Aphaia  und  die  ephesische  Ar- 
temis wurden  in  alter  Zeit  in  einem  und  demselben  .  .  .  Typus 
gebildet'.     Es  wird   einfacher  sein,   auch    die  aeginetische  Figur 

^  So  Furtwängler,  Sitzungsber.  d.  Münchener  Akad.  1901  S.  389. 

Bhein.  Maa.  f.  PhUol.  N.  F.  LVIL  35 


546  Fränkel 

für  Artemis   zu  nehmen    und    für    eine    erwtinecbte  Bestätigung 
ihres  Cultes. 

^Die  örtlichen  Verhältnisse  zeigen  femer  deutlich,  daes  nur 
ein  Gultus  hier  gepflegt  wurde  ....  Vor  Allem  ist  gar  kein 
Platz  vorhanden  in  dem  beschränk ten  Raum  des  alten  Heilig- 
thums,  wo  der  .  .'  zweite  Tempel  gestanden  haben  sollte/  Setzt 
man  hier,  wie  es  recht  ist,  anstatt  des  zweiten  Tempels  eine 
Capelle  von  vielleicht  sehr  bescheidenen  Abmessungen,  so  kann 
die  Behauptung  auf  hinreichender  Grundlage  nicht  ruhen ;  denn 
Mas  Fundament  des  (alten)  Baues  muss  wohl  unter  dem  jetzigen 
Tempel  stecken',  heisst  es  in  den  Sitzungsberichten  S.  386. 

Dass  an  unsrer  Stelle  ein  \ερόν  'Αφαίας  sei,  sagt  Pausanias 
völlig  zutreffend,  er  sagt  nur  nicht,  dass  es  sich  im  Heiligthum 
der  Artemis  befindet,  begeht  also  keinen  'unerhörten  Irrthum  , 
noch  überhaupt  einen  Irrthum,  sondern  nur  eine  Auslassung.  Ich 
möchte  hier  ein  für  die  Frage  nach  dem  Inhaber  unseres  Temenos, 
wie  ich  meine,  wichtiges  Argument  nachtragen.  Nach  dem  Zeug- 
niss  des  Pausanias  3,  14,  2  wurde  in  Sparta  die  'Άρτεμις  AI- 
γιναία  in  einem  eignen  Tempel  verehrt.  Die  ethnische  Bezeich- 
nung beweist,  dass  Artemis  die  Hauptgottheit  von  Aegina  gewesen 
ist;  um' einige  Beispiele  anzuführen,  nenne  ich  die  epidaurischen 
Weihungen  Άπόλλιυνι  Άμυκλαίψ  ClPel.  1078,  Άρτίμιοι  Έφεσία 
η.  1193,  Ασκληπιού  ΤΤεργαμηνου  η.  1262.  Dass  man  aber  das 
Geschlecht  des  Landeeheroen  ^  der  Insel  Aiakos  in  den  Tempel- 
giebeln der  Hauptgottheit  verherrlicht ,  ist  verständlich,  aber 
nicht,  dass  man  dafür  den  Tempel  einer  untergeordneten  Heroine 
gewählt  hätte,  deren  Legende  keinen  Grund  dafür  bot.  Sicher 
ist  auch,  dass  wenn  der  Cult  der  Artemis  so  bedeutend  war,  sie 
nach  der  frühen  Aufgabe,  mindestens  dem  gänzlichen  Zurück- 
treten des  auf  der  Höhe  gelegenen  Heiligthums  einen  andern 
Tempel  gehabt  haben  muss,  den  Pausanias  erwähnt.  £r  nennt 
2,  30,  2  als  Hauptgottheit  der  Aegineten  für  seine  Zeit  Hekate, 
die  ja  auch  nur  eine  Gestalt  der  Artemis  ist;  sie  hatte  neben 
dieser  einen  eignen  Tempel. 

Endlich  Antoninus  Liberalis.  Durch  die  Absicht  seines 
Buches  wie  durch  das  im  Codex  voranstehende  Argument  ist 
sicher,  dass  die  uns  angebende  Erzählung  einen  Verlust  erlitten 
hat:  es  fehlt  die  Verwandlung  der  Britomartis  in  ein  Götterbild. 
Otto  Schneider   und  Martini    haben    den  Ausfall  nach  tv  hk  vSi 


*  iS.  155  ist  dafür  'Landesherren'  gedruckt. 


Epigraphische  Beiträge  547 

lepiD  της  Άρτίμώος  angeeetzt,  was  Furtwängler  (Akad.  S.  377  f.) 
verwirft,  indem  er  vermuthet,  dass  das  Fehlende  vielmehr  die 
Stelle  des  tautologiechen  Zneatzee  και  ώνόμασαν  αυτήν  Άφαίαν 
eingenommen  hahe.  Es  steht  fest,  dass  er  recht  hat:  das  Emblem 
hat  das  Echte  verdrängt;  dass  für  Britomartis  ihr  Bild  erschienen 
sei,  muss  noth wendig  an  den  Bericht  von  ihrem  Verschwinden 
angeschlossen  gewesen  sein.  An  der  Stelle  aber,  von  der  Furt- 
wängler mit  richtigem  ürtheil  den  einzigen  in  der  Ueberlieferung 
fehlenden  Zug  der  Erzählung  entfernt,  nimmt  er  nun  doch  einen 
zweiten  derartigen  Defect  an.  Das  ist  nur  zulässig,  wenn  er 
für  ihn  einen  nothwendigen  Inhalt  aufweisen  kann,  und  dieser 
Verpflichtung  genügt  er  nicht ;  denn  er  kann  nur  sagen  *  was 
hier  (in  dem  Heiligthum  der  Artemis)  auf  Aphaia  Bezügliches 
war,  ist  durch  die  Lücke  des  Textes  verloren'.  Was  soll  denn 
in  einem  fremden  Heiligthum  auf  das  Verschwinden  der  Bri- 
tomartis Bezügliches  geschehen  sein?  Wenn  hier  das  Heilig- 
thum der  Artemis  erwähnt  wird,  so  ist  zweifellos,  dass  es  der 
Schauplatz  des  Erzählten  gewesen  ist.  Es  ist  auch  offenbar, 
dass  dies  allein  zu  Pausanias'  Ausspruch  ταύτην  θεόν  έττοίηοτεν 
'Άρτεμις  passt  und  dass  es  sich  mit  dem  aus  der  Anwendung 
des  Wortes  οΤκος  in  der  Inschrift  Ermittelten  zusammenschliesst. 
Da  jedes  Anzeichen  fehlt,  dass  die  Erzählung  einen  zweiten 
Verlust  erlitten  habe,  ist  seine  Annahme  ein  unerlaubtes  Mittel, 
um  unsren  Text  in  Ordnung  zu  bringen.  Dem  Anstoss,  der  an 
der  unvermittelten  Einführung  des  Heiligthums  der  Artemis  ge- 
nommen werden  kann,  ist  leicht  zu  begegnen,  indem  man  die 
zweifellos  nothwendige  Ergänzung  ungefähr  so  gestaltet:  κάν- 
ταΟθα  έγένετο  αφανής  <καΙ  Ηόανον  έφάνη  άντ'  αυτής  •  συνίβη) 
bk  έν  τψ  ιερψ  τής  'Αρτέμιδος,  τόν  οέ  τόπον  κτλ.  Dass  nach 
der  Lücke  bk  und  έν  ihren  Platz  vertauscht  hätten,  wäre  sehr 
natürlich.  Nachher  ist  jedenfalls  noch  ein  kleiner  Verlust  ein- 
getreten, da  das  Object  zu  ώνόμαοταν  fehlt,  als  welches  Martini 
αυτήν  einsetzt.  Es  wäre  entbehrlich,  wenn  man  άφ(εριυ(Ταν 
ΑΙγινήται  <αύτή)  schreibt,  wo  der  Aasfall  nach  dem  ganz  ähn- 
lich auf  ται  auslautenden  Worte  leicht  eintreten  konnte;  aus  dem 
Dativ  des  Pronomens  wäre  wohl  der  Accusativ  zu  entnehmen. 
Doch  mag  der  Schriftsteller  sich  auch  nachlässig  ausgedrückt 
haben;  wenigstens  fehlt  dasselbe  αυτή  auch  am  Schluss  seiner 
ersten  Erzählung  nach  o\  bk  θύουσιν  άχρι  νυν,  wo  freilich  auch 
wieder  der  Ausfall  des  Wortes  vor  Ίουλιήται  wegen  des  Ho- 
moioteleuton  veranlasst  sein  kann. 


548  Franke  1  Epigraphieche  Beiträge 

Betrachten  wir  nach  diesen  Einzelheiten  noch  einmal  die 
ganze  Inschrift.  'Als  Kleoitas  Priester  (der  Artemis)  war,  ist  der 
Aphaia  das  Haus  errichtet  worden  und  der  Altar/  Da  der  Altar 
hesonders  erwähnt  wird,  hat  er  nicht  in  der  Aedicnla  gestanden, 
die  das  vom  Himmel  gefallene  Culthild  enthielt,  sondern  vor  ihr  im 
Freien.  'Und  das  Elfenhein  wurde  hinzugefügt*  Es  war  also 
nichts  Nothwendiges,  sondern  Schmuck;  an  welchem  Theile  des 
Bauwerke  er  sich  hefand,  können  wir  nicht  wissen;  doch  ist  die 
Yermuthung  statthaft,  dass  er  an  der  Thür  angebracht  war. 
*Und  das  Gitter  wurde  herumgelegt',  nm  Haus  und  Altar  von 
dem  übrigen  Bezirk  der  Artemis  abzusondern.  Die  Monumen- 
talität der  Inschrift  war,  wenn  auch  nicht  durch  die  Grösse  des 
Baues,  durch  die  Bedeutung  ihres  Inhalte  begründet,  meldete  sie 
doch  von  der  Aufnahme  einer  neuen  Gottheit. 

Berlin.  Max  Frank el. 


SATZSCHLUSSSTÜDIEN 
ZUR  fflSTORIA  AÜGUSTA 


I.    Hadrians  Autobiographie. 

In  der  Vita  üadriani  beraft  flieh  Spartian  mehrmals  *  auf 
die  Seibetbiographie  dee  Kaieers^,  und  Peter  hat  in  sorgfältiger 
Analyse  der  Vita  die  Meinung  begründet ^  dass  grossere  Ab- 
schnitte im  ganzen  auf  diese  Quelle  zurückgehn.  Dass  Spartian 
selbst  die  Autobiographie  ausgezogen  und  mit  einer  andern  Quelle 
(dh.  mit  Marius  Maximus)  verglichen  habe,  will  ihm  Peter  frei- 
lich nicht  recht  zutrauen. 

Hier  führt  der  Satzsohluss^  weiter.  Die  Scriptores  histo- 
riae  Augustae  wenden  ihn  alle  an;  freilich  wohl  nicht  ohne  ge- 
wisse individuelle  Eigenheiten,  die  noch  näher  festzustellen  sein 
werden.  Für  uns  genügt  hier  zu  wissen,  dass  auch  Spartian 
durchaus  den  metrischen  Satzschluss  schreibt.  Nun  finden  sich 
aber  in  der  Vita  Hadriani  nicht  bloss  einzelne  Stellen  (die  schlecht 
überliefert  sein  können),  sondern  ganze  Abschnitte,  die  diesem 
festen  Gebrauch  Spartians  widersprechen.  Die  genaue  Unter- 
suchung dieser  satzschlusslosen  Abschnitte  und  der  wenigen  ein- 
gesprengten rhythmischen  Sätze  oder  Sätzchen  ist  im  Interesse 
der  Quellenkritik  nicht  zu  umgehn.  Ich  bemerke  von  vornherein, 
dass  auch  in  'satzschlusslosen  Abschnitten  sich  vereinzelte  Aus- 
nahmen finden  und  finden  müssen,  die  aber  nur  die  Regel  be- 
stätigen :  auch  wer  nie  etwas  vom  Satzschluss  gehört  hat,  schreibt 


^  Historicorum  Romanorum  firagmenta,  coli.  disp.  reo.  Peter 
(Leipzig  1883),  S.  324  f. 

^  Die  Scriptores  historiae  Augustae  (Leipzig  1892),  S.  121  ff. 

^  Rhein.  Mus.  N.  F.  LVII  167,  Anm.  1;  hinzugekommen  ist  in- 
zwischen Skutsch,  zu  Favonias  Eulogius  und  Chalcidius,  Philologus 
LXl  193  ff. 


550  ν.  Winterfeld 

mitunter  correcte  Schlüsse ;  wir  können  ans  nur  wundern,  dasi 
diese  zufälligen   Ausnahmen  nicht  häufiger  sind. 

Zunächst  die  Eingangspartie,  Kapitel   1  —  4. 

1,  1  von  einem  andern  als  Hadrian  stilisirt,  aber  inhaltlich 
auf  der  Autobiographie  beruhend.  Die  Satzschltisee  Hispanien- 
sibüs  manatj  iemp^rihüs  r^sedlsse^  xps^  cömm^m^rat  eämmtlich 
correct. 

1,  2  kaum  ein  Satzechlues  correct:  ätävüs  Märyllinus  ist 
keine  Pause;  und  der  Jambus  pflegt  auch  meist  nur  in  schwä- 
cheren Pausen  zu  stehn,  nicht  wie  hier  in  der  etärketen  üomanl 
füit.     Inhaltlich  ohne  Zweifel  aus  der  Autobiographie. 

1,  3 — 1,  5  ebenfalls.  Nur  der  eine  Satz  ingenio  eiiis  sie  ad 
ea  declinapte,  ut  α  nonmdlis  Grüecülüs  dlc^retur  ist  nach  Inhalt 
und^  Form  dem  Kaiser  schwerlich  zuzutrauen. 

2,  1  dagegen  wird  von  Hadrian  herrühren,  der  sich  der 
echt  spanischen^  Jagdlust  seiner  jungen  Jahre  auch  spater  nicht 
geschämt  haben  dürfte ;  das  folgende  quare  setzt  diesen  Satz  noth- 
wendig  voraus:  mit  dem  fünfzehnten  Jahre  ist  Hadrian  nach 
Spanien  zurückgekehrt,  hat  dort  seine  militärische  Laufbahn  be- 
gonnen —  und  ist  alsbald  der  spanischen  Nationalleidenschaft 
verfallen;  das  sieht  Trajan,  er  will  ihn  herausreissen,  und  ruft 
ihn,  da  er  als  Spanier  unter  Spaniern  nicht  davon  zu  heilen  wäre, 
kurzer  Hand  aus  Spanien  ab.  Dazu  stimmt  es,  dass  reprehen- 
siönem  stüdiösus  ein  fehlerhafter  Satzschluss  wäre,  da  nur  _^, 
v^w-*^  und   -vi^,  w— -.«^  erlaubt  sind. 

2,  2  sicher  authentisch.  Zwei  der  vier  Satzschlüsse  sind 
correct,  iüdicändis  dätns  und  legiönis  cr^ätus\  die  beiden  andern 
incorrect. 

2,  4  giebt  sich  als  Gerücht  {dlcitür  cömp^rlsse),  wozu  die 
rhythmisirte  Form  stimmt  (auch  ess^  cömp^riSrat), 

2,  5 — 2,  8  knappe  authentische  Nachrichten  (nur  die  sors 
Vergiliana  ausführlich)  ohne  Satzschluss;  die  paar  Ausnahmen  be- 
weisen nichts:  exercttüs  mlsstts  in  schwacher  Pause;  benefictä- 
riürn  ünt^venit  in  starker  Pause,  aber  doch  mit  Hiatus;  zweimal 
könnte  *  altlateinischer*  Kretiker^  vorliegen:  superiorem  irüns- 
latus  (est),  sörtes  cönsül^ret ;  der  Rest  widerstrebt  hartnäckig. 
Nur  wo  die  paedagogi  puerorutn  erwähnt  werden,  qtws  Traianus 
impensiüs  diUgebat,  zeigt  Inhalt  (vgl.  4,  5)  und  Form,  dass  wir 


^  KiesBÜng,  Neues  Schweizerisches  Museum  V  327  ff. 
2  W.  Mt'yer,  Gott.  gel.  Auz.  1893,  S.  14. 


Satz8chlu888tudien  zur  Historia  Aaga8ta  551 

in  dem  Relativsatz  ein  Eineohiebsel  von  andrer  Hand,  aus  skan- 
daleüclitiger  Zeit,  vor  uns  haben.  Und  ebenso  ist  der  Schluss- 
satz  quam  (sortem)  alii  ex  Sibyllinis  versibus  ei  provenlss^  dlae- 
runt  natürlich  auszuscheiden:  wieder  stimmen  Inhalt  und  Form 
zusammen. 

2,  9  aus  dem  (natürlich  nicht  direct  benutzten,  sondern  von 
Marius  Maximus  citirten)  Apollonius  Syrus^  Die  Satzschlüsse 
imp^rn  möx  füttlri,  manänt^  respönso^  librts  suis  Indtdit  sämmt- 
lich  correct. 

2,  10  aus  Marius  Maximus,  dem  soeben  auch  das  Apollonius• 
citat  entnommen  war.  Die  Satzschlüsse  dem  entsprechend  cor- 
rect: pleniOrem  rMiU  faventS  Plötlna  (was  4,  l.  4  wiederkehrt), 
dicit  völente. 

3,  1  der  erste  Satz  ein  kurzes  Datum  ohne  Satzschlnss, 
also  aus  der  Autobiographie.  Das  daran  angeknüpfte  Histörchen 
von  der  Verspottung  seines  Dialekts  und  seinem  £ifer,  den  Dia- 
lekt abzulegen,  zeigt,  wie  billig,  correcten  Satzschlnss:  pronüri' 
tiäns  risus  (esset),  und  (allerdings  in  starker  Pause)  operäm  dSdit. 

3,  2  bereitet  zunächst  Schwierigkeiten.  Inhaltlich  ist  dieser 
Paragraph  ohne  Zweifel  κ&ηζ,  wie  Spartian  es  für  die  zweite 
Hälfte  bezeugt,  der  Autobiographie  entnommen;  aber  die  Form 
ist  durchaus  rhythmisch:  nur  zu  Anfang  der  altlateinische  Kre- 
tiker  senütüs  cürämt;  sonst  familüriüs  pros^cütus  {est),  mörtbüs 
obsiSquentem,  locupletlssime  mün^rätum.  Wörtlich  herübergenom- 
men ist  also  wohl  nur  das  erste  Grlied  post  quaesturam  acta  se- 
natus  curavii;  die  andern  sind  umstilisirt.  Und  zwar  ungeschickt. 
Denn  Trajan  wird  wohl  kaum  den  Hadriau  '  wegen  seiner  Theil- 
nahme  an  der  kaiserlichen  Trinktafel  begabt  haben.  Der  'schrift- 
stellernde  Kammerdiener'^  mag  die  Sache  nach  seinem  Auf- 
fassungsvermögen pragmatisirt  haben.  £r  findet  bei  Hadrian, 
dass  dieser  sich  den  Trinkgelagen  des  Kaisers  nicht  habe  ent- 
ziehen können,  und  dann  weiter,  dass  Trajan  ihn  (wohl  gar  bei 
einem  Gelage)  beschenkt  oder  befördert  habe ;  da  ist  sein  Schluse 
fertig:  post  hoc:  ergo  propter  hoc. 

3,  4.  5  trotz  des  adserit  nicht  umstilisirt,  und  daher  ohne 
Satzschluss:    man  darf  nur  für   in  quo  magistratu  .  .  omen    sibi 


^  Für  diesen  völlig  unbekannten  Autor  hat  auch  die  Gelehrsam- 
keit und  der  Sammelfleiss  des  J.  A.  Fabricius  (Bibliotheoa  Graeca,  cur. 
Harless,  Hamburg  1790  ff.,  ΙΠ  162.  IV  278)  keinen  zweiten  Beleg  auf- 
treiben können. 

^  Kiessling  aaO. 


552  ▼.  Winterfeld 

factum  adseritf  guod  paenvlas  cuniserit  einsetzen  owiem  ei  factum 
estf  und  amisit^  so  hat  man  den  arspronglicben  Wortlaut.  Der 
Antor  ist  alfK>  hier  zn  träge  gewesen,  auch  nur  die  Conseqnenz 
des  Citates  za  ziehen  und  den  Satz  zu  rbythmisiren.  Nor  der 
Hinblick  auf  seine  Zeit  unde  hodieque  imperatares  sine  paenulis 
α  togütis  videniur  zeigt  wieder  den  Satzscbluss. 

3,  6-3,  10  ans  der  Autobiographie;  kein  Satzscbloss  aoseer 
3,  7:  qu€tre  adamante  gemma^  quam  Trctianus  α  Xerva  acceperatj 
donatus  ad  spem  suceessioms  erectus  est.  Aber  diese  Stelle  ist 
verdächtig.  Zwar  wäre  der  immerhin  überladene  Ausdruck  nicht 
schlimmer  als  2,  5  missus  translatus  est;  aber  es  ist  plump,  dass 
die  Bedeutung  der  symbolischen  Handlung  ausdrücklich  angegeben 
wird.  Ich  meine,  ad  spem  successionis  erectus  stammt  nicht  von 
Hadrian,  sondern  ist  späterer   Einschub. 

3,  11— 4,  l,  wo  abermals  die  Begünstigung  durch  Plotina 
erscheint,  sind  wieder  gut  rhythmisirt :  familiäriiäs  crebrüity  im- 
peratör^  dtctäv^raf,  (empört  desfinütus  (est):  Klatsch  k  la  Marias 
Maximus. 

4,  2  glaube  ich  wiederum  die  Autobiographie  zu  erkennen: 
der  Inhalt  schliesst  eich  ungezwungen  an  3,  10  an:  'jetzt  endlich 
hatte  die  Zurücksetzung  von  Seiten  der  Freunde  Trajans  ein 
Ende;  bisher  hatten  ihm  nur  folgende  nahegestanden.* 

4,  3  dagegen  mit  dem  indirecten  Vorwurf  der  Grausamkeit 
und  dem  Satzschlues  iyrünnidis  lüpsis  wird  ganz  auszuscheiden 
sein,  zumal  der  unbedingt  unechte  Zwischensatz  ohne  eigne  Pause 
geblieben  ist:  der  Ditrochäus  allein  Ins^cütus  {est)  genügt  wohl 
für  Cicero,  aber  im  allgemeinen  nicht  mehr  für  die  Historia 
Augusta. 

4,  4— 4,  5  müssen  gleichfalls  fallen  :  4,  4  enthält  wieder  den 
favor  Plotinaey  4,  5  ein  Gerücht  (ppinio  mültä  firmävit)  skanda- 
löser Art;  natürlich  dem  entsprechend  Satzscbluss. 

4,  6 — 4,  7  erkennen  wir  in  den  satzschlusslosen  Daten  vom 
28.  und  30.  Juli  118  noch  einmal  die  Autobiographie:  da  hat 
Hadrian  die  Nachricht  von  der  officiellen  Adoption  und  gleich 
darauf  vom  Tode  Trajans  erhalten  und  diese  Daten  (nicht  die, 
wo  die  Ereignisse  wirklich  eingetreten  waren,  sondern  die,  wo 
er  die  Nachricht  erhielt)  hat  er  der  Berechnung  seiner  eignen 
Regierung  zu  Grunde  gelegt. 

4,  8  —  4,  10  blosse  Gerüchte  über  andere  Adoptionspläne 
Trajans.     Satzschluss. 

Damit  sind    wir  bei  der  ersten  Epoche  in  Hadrians  Leben, 


Satz8cblu888tudien  zur  Historia  A^ngusta  553 

bei  Reiner  Thronbesteigung,  angelangt.  Von  hier  an  verläset  uns 
der  unmittelbare  Wortlaut  der  Autobiographie  mehr  und  mehr ; 
fast  alles  zeigt  den  metrischen  Satzschluss.  Wenn  Peter  auch 
den  zweiten  Theil  als  eine  für  Hadrian  sehr  parteiische  Ge- 
schichte bis  zum  Jahre  134  charakterisirt,  und  nach  einer  Be- 
merkung Plews  betont,  er  zähle  chronologisch  die  ersten  Re- 
gierungehandlungen auf,  ordne  aber  nach  Eigenschaften  (was 
doch  Hadrian  selbst  ganz  gewiss  nicht  gethan  haben  wird),  so 
stimmt  dazu  die  Beobachtung  des  Satzschlusses.  Von  hier  ab 
sind  fast  alle  Nachrichten,  so  weit  sie  überhaupt  in  der  Auto- 
biographie gestanden  haben,  durch  das  Medium  des  Marius  Ma- 
ximus benutzt,  und  dem  entsprechend  umstilisirt.  Nur  ganz  ver- 
einzelt begegnen  auch  noch  jetzt  unrhythmische  Notizen;  aber 
sie  sind  selten  und  dann  meist  von  geringem  Umfange. 

5,  1   Friedensvorsätze  beim  Regierungsantritt. 

6,  3  Hadrian  lehnt  es  ab,  den  letzten  dem  todten  Trajan 
zukommenden  Triumph  sich  selbst  zuerkennen  zu  lassen.  Aber 
die  triviale  Begründung  ut  optimus  imperatar  ne  post  mortem 
quidem  triumpki  amitt^ret  dlgmtäfem  wird  Zusatz  sein. 

6,  6 — 8  mit  seinen  zwar  nicht  geradezu  fehlerhaften,  aber 
seltenen  Schlüssen  :  zweimal  altlateinischer  Kretiker  tempäs  prae- 
fecit  und  päcem  cömpösüit,  ferner  Moesiäm  petitj  nur  einmal  und 
gerade  in  schwacher  Pause  stipendiis  qu^Srehatur:  Dispositionen 
im  Orient. 

6,  9  (Jneigennützigkeit  bei  Confiscationen. 

10,  2  über  sein  einfaches  Leben  im  Lager  (p.  12,  4  dbis 
—  12,  7  Traiani)  und  10,  3  Mannszuoht  (p.  12,  9  siquidem  — 
12,  12  abesse). 

11,  2  der  Feldzug  nach  Britannien,  wo  aber  die  letzten 
Worte  (mumm,)  qui  barbaros  Romnvdsqu^  dtvtd^ret  wiederum  sich 
nach  Sinn  und  Form  als  Einschiebsel  kennzeichnen. 

18,  3  ff.  scheint  hie  und  da  der  ursprüngliche  Wortlaut 
durchzuschimmern:  18,  3  und  18,  5  (üneigennützigkeit  bei  Pro- 
scriptionen und  Erbschaften),  ferner  18,  7  (Milderung  der  Sklaven- 
gesetze) sind  Satzschlusslos,  der  nächste  eng  anschliessende  Satz 
hat  nur  den  altlateinischen  Kretiker.  Wie  weit  hier  ausserdem  die 
wörtliche  Entlehnung  noch  geht,   wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

19,  1  Amtsdaten,  und  daran  angeschlossen  Bemerkungen 
über  Bauten  und  Spiele  im  allgemeinen  (19,  2),  in  Athen  (19,  3), 
in  Rom  (19,  4  ff.).  Aber  19,  4  ist  wohl  Einschiebsel  (scaeni- 
cum  avocävit),  ebenso  19,5  die  V^i orte  post  cetercts  inmenHssimüs 


554  ν.  Winter  fei  d 

völüptätes;  der  Sohlues  des  Kapitels  (19,  6 — 19,  3)  iet  mindestens 
nmstilisirt. 

Kapitel  22  (Sorge  für  Recht  und  Brauch)  ist  ganx  satz- 
echlusslos:  in  21  Zeilen  finden  eich  nur  folgende  mehr  oder  we- 
niger erlaubte  Schlüsse:  saepissime  dMit,  togZUüs  pröcessity 
spönt^  dltüvitj  peregflnä  cOntempsit^  frequent^r  aüdivit,  öptümls 
s^nütdribus,  Äfricüms  dilectus  {est)j  also  kaum  ein  Drittel,  und 
auch  davon  sind  nur  drei  rein  kretisch.  Hier  haben  wir  also 
wieder  die  durch  ihren  knappen  Stil  genugsam  erkennbare  eatz- 
schlusslose  Quelle  vor  uns.  Denn  auch  die  beiden  satzechluss- 
losen  Sätze  22,  12  (lacum  Fucinum  emisit)  und  22,  14  (Hadrian 
in  Afrika),  die  Peter  mit  Recht  hier  ausgeschieden  hat,  sind  wohl 
durch  das  Ungeschick  des  Biographen  an  diese  Stelle  gerathen, 
stammen  aber  aus  der  gleichen  Quelle,  wie  der  Haupttheil  des 
Kapitels.  Dass  dies  die  Autobiographie  war,  erecbeint  mir 
sicher;  auch  das  printtis  22,  8  {ab  epistulis  et  α  libellis  primus 
equites  Romanos  habuit)  besagt  nicht,  dass  es  dann  nachher  andere 
Kaiser  ihm  nachgethan  haben,  sondern  nur,  dass  es  niemand  vor 
ihm  gethan  hatte. 

Wer  diese  Abschnitte  auf  ihren  Inhalt  hin  prüft,  wird,  von 
den  rhythmischen  Zwischensätzen  abgesehen,  absolut  nichts  darin 
finden,  was  nicht  in  der  Autobiographie  gestanden  haben  könnte ; 
dagegen  sehr  vieles,  was  nur  aus  ihr  stammen  kann.  Darnach 
erscheint  der  Schluss  unausweichlich:  wie  im  übrigen  Marius 
Maximus  die  Quelle  ist,  so  ist  es  für  diese  satzschlusslosen  Ab- 
schnitte die  Autobiographie,  und  zwar  wörtlich,  soweit  nicht  etwa 
eine  unwillkürliche  Ungenauigkeit  des  Benutzers,  dh.  nunmehr 
doch  wohl  des  Spartian  selbst,  oder  ein  Fehler  der  Ueberliefe- 
rnng  eine  Ausnahme  bedingen.  Denn  wenn  wir  annehmen  wollten, 
die  Autobiographie  sei  nur  indirect  benutzt,  so  wäre  es  recht 
auffällig,  dass  hier  trotz  des  complicirten  Weges  der  ursprüng- 
liche Satzschlusslose  Wortlaut  so   sorgfältig  bewahrt  worden  ist 

Freilich  erhebt  sich  hier  ein  Einwand,  an  dem  die  sonst 
wohlbegründete  Annahme  zu  scheitern  droht.  War  die  Auto- 
biographie Hadrians  lateinisch  oder  griechisch  geschrieben?  Hören 
wir,  was  Spartian  selbst  sagt,  16,  1 :  famae  celebris  Hadrianus 
tarn  cupidüs  fuU,  ut  libros  vitae  suae  scriptos  α  se  libertis  suis 
dM^rlt  lltt^rätls^j  iubens,  ut  eos  suis  noimnibüs  pÜbUcürent;  nam 
et  Phlegonfis  Ubri  Hadriani  ess^  dicüntur.     Darnach  weiss  Spar- 


^  So  ist  der  Satzschluss  herzustellen:  UttertUit  dederit  vg. 


Satz8chla888tadieii  zur  Historia  Augusta  555 

tian  von  einer  unter  Phlegons  Namen  gebenden,  also  grieohiechen 
Selbstbiographie  des  Kaisers;  aber  benutzt  hat  er  nicht  sie,  son- 
dern, so  schliesse  ich,  eine  lateinische,  die  Hadrian  vielleicht 
auch  zunächst  einem  seiner  Freigelassenen  zur  Veröffentlichung 
übergeben  hatte,  bei  der  sich  dann  aber  der  Name  des  wahren 
Autors  durchgesetzt  hatte.  Aus  Phlegons  Schrift  hätte  er  die 
Citate  Hadrianus  ipse  commemorat  (1,  1)  usw.  nimmer  in  dieser 
Form  geben  können,  da  er  hier  der  Autorschaft  des  Kaisers  ja 
gar  nicht  gewiss  ist.  Dagegen  ist  Phlegon  benutzt  in  der  Vita 
Saturnini  des  Vopiscus,  c.  8 :  dort  zeigt  der  Brief  Badrians  ^ 
ziemlich  sorgfältigen  Satzschluss^  und  die  Diction  ist  die  des 
Vopiscus;  ob  der  Brief  echt  ist  oder  nicht,  kann  ich  hier  un- 
erörtert  lassen :  er  ist  jedenfalls  aus  dem  Griechischen  übersetzt, 
wie  noch  jetzt  die  Worte  alassontes  versicolores  (p.  226,  9)  zeigen. 
Und  es  ist  nichts  Unerhörtes,  dass  wir  eine  lateinische  und  eine 
griechische  Fassung  der  Selbstbiographie  neben  einander  treffen: 
das  nächste  Vorbild  ist  die  Selbstbiographie  des  Augustus,  das 
Monumentum  Ancyranum,  bei  dem  freilich  die  doppelte  Redaction 
andere  Gründe  hatte;  doch  mochte  der  £influss  dieses  Vorbildes 
auch  auf  Hadrian  wirksam  sein. 

n.    Zur  Textgeschichte  und  Textkritik. 

Die  Untersuchung  hat  sich  bis  hierher  ganz  auf  den  Satz- 
schluss  gegründet.  Ich  füge  nunmehr  noch  einige  Bemerkungen 
über  einzelne  Stellen  der  Historia  Augusta  an,  die  sich  mit  Hilfe 
des  Satzschlusses  herstellen  lassen. 

Hadr.  4,  10  nee  desunt  qui  factiön^  Plötinae  mortuo  iam 
Traiano  Hadrianum  in  adoptionem  adscifum  ess^  prödid^rint^ 
supposito  qui  pro  Traiano  fessa  vocä  loquehatur.  Hier  hat  die 
Ueberlieferung  loquebatur  mit  Correctur  in  löqu^retur.  Gram- 
matisch richtig  ist  nur  der  Conjunctiv,  und  nur  ihn  erkennt  der 
Satzschluss  an. 

Hadr.  15,  1  amicos  ditavit  et  quldem  nön  p^SdnteSf  cum  pe- 
tenftbüs  nihil  negaret.  Der  Satzschluss  verlangt  ηϊΐ  nPgüret, 
Ebenso  ist  Aurel.  10,  1  curiösttäs  nll  riScüsai  zu  schreiben. 

Hadr.  17,  6  zerstört  parieti  an  der  Stelle,    wo  Peter  es  mit 
Kellerbauer  einschiebt,  den  Satzschluss;    es    niuss    wohl   heissen 

1  Darüber  Peter  S.  188  f. 

^  Die  Ausnahmen  (p.  225,  19  vivai  otiosus  und  p.  225,  23  otiasi 
vivunt:  p.  226,  1  morata  civitas;  p.  226,  11  convivUs  adhibeas)  ent- 
sohuldigt  die  Uebersetznng. 


556  ν.  Winterfeld 

cum  quodam  tempore  veleranum  quendam  notum  sibi  in  mäitia 
dorsum  ei  ceteram  pariem  corporis  (^parieti)  vidissH  ädflir^re. 

Hadr.  18,  0  wird  doch  wohl  der  einzige  Verstoss  durcb  eine 
kleine  Aenderang  zu  beseitigen  sein:  de  thesauris  ita  cavU,  «ist 
qnis  in  suo  repperisset,  tps^  pöt^retur^  si  quis  in  alienOy  dimidium 
dominö  dar  et  ^  si  quis  in  publicOy  cum  fisco  aequabtlUer  pQrtiretwr. 
Die  üeberlieferung  hat  ipse  potiretur.  Ebenso  ist  Tac.  10,  2  ne 
quid  per  noctem  sedUiönis  Ör^retur  zu  verbessern. 

Äurel.  5,  1  ist  die  von  Lessing  im  Lexicon  s.  v.  legere  mit 
Recht  gebilligte  Ergänzung  multa  superflua  in  eodem  leglss^  (n^^ 
memini  nicht  bloss  dem  Sprachgebrauch  gemäss  und  graphisch 
elegant,  sondern  sie  wird  auch  vom  Satzsohluss  gefordert. 

Aurel.  15,  6  ist  nur  das  vom  Sprachgebranch  geforderte 
Futurum  zulässig:  sed  noSy  ut  solemus^  hone  quoque  rem  in  m^- 
dtö  r^tlnquemus]  vgl.  16,  3    Ver.   11,  4    Prob.  3,  3. 

Aur.  19,  6  ist  Cramers  Aenderung  falsch,  die  überlieferte 
Lesart  fata  rei  p.,  quae  sunt  aefernä,  perqulrite  richtig.  Aber 
weit  wichtiger ,  von  grundlegender  Bedeutung  für  die  Text- 
geschichte und  Kritik  der  Historia  Augusta,  ist  es,  dass  'post 
perquirite  volg.  haec  add.:  pufrimis  watrimisque  pueris  cürmi^n 
Itidlctte:  nos  sumptum  sacriSy  nos  apparatum  s<icrificiiSy  nos  agris 
ambarväliä  ^nd^cem^s*  So  Peter  im  Apparat  der  zweiten  Aus- 
gabe ;  in  der  ersten  waren  diese  Worte  ganz  weggeblieben,  und 
ebenso  hat  Lessing  diese  zwei  Sätze  in  seinem  Lexicon  bei 
Seite  gelassen.  Aber  sie  sind  echt,  so  echt  oder  unecht  wie 
die  ganze  lange  Rede  des  Ulpius  Silanus.  Die  ambarvcdia  wer- 
den nachher  wirklich  angesagt  (20,  3),  und  entsprechend  dem 
ersten  Satz  heisst  es  kurz  canfata  carmina.  Aber  man  wird  viel- 
leicht einwenden,  gerade  aus  der  späteren  Stelle  habe  ein  Ge- 
lehrter der  Renaissance  sich  den  Stoff  zu  jenen  Zusätzen  geholt 
Das  trifft  indessen  nicht  zu.  Weder  hätte  er  dorther  die  cor• 
recte  Erwähnung  der  patrimi  mairimique  pueri  nehmen  können, 
noch  würde  er  sich  auf  jene  zwei  Sätze  beschränkt,  sondern  voll- 
ständige üebereinstimmung  des  Geforderten  und  Ausgeführten 
hergestellt  haben.  Dazu  kommt  nun  der  Satzschluss,  der  die 
beiden  beliebtesten  Formen  aufweist.     Dass  der  Ditrochäns  durch 

iv»  ersetzt  wird,  ist  ganz  in  der  Art  des  Vopiscus;  vgl.  zB. 

gleich  19,  4  eriipisse^  und  20,  5  iracfaretis.  Auch  der  Hiatus  ist 
für  Yopiecus  unbedenklich,  der  zB.  22,  1  gleichfalls  in  Starker 
Pause  sogar  impermm  iter  ßescit  schreibt.  Es  wird  also  noth- 
wendig    sein,    dass    bei    der  Wahl    des   Ersatzes    ftir   die  Editio 


SatzBchlussstudicn  zur  Historia  Augusia  657 

princepe^  auf  diese  Stelle  besondere  Rücksicht  genommen  wird. 
Auch  auf  das  jetzt  durch  einen  Murbacher  Katalog  aus  der  ersten 
Hälfte  des  neunten  Jahrhunderts^  verbürgte  hohe  Alter  des  Mur- 
bacensis  darf  hier  wohl  hingewiesen  werden,  und  auf  die  Tbat- 
sache,  dass  die  üeberlieferung  der  Historia  Augusta  in  Murbach, 
wo  soviel  irische  Handschriften  lagen,  und  die  Excerpte  des  Se- 
dulius  in  dem  Cusaner  Florilegium^  für  die  Textgeschichte  der 
Historia  Augusta  schwerer  wiegen  müssen  als  die  angelsächsische 
Schrift  des  Bambergensis,  dessen  Bruder  oder  Vater  in  Rom  ge- 
wöhnliche fränkische  Schrift  zeigt*. 

Aur.  37,  5  f.  nam  multi  ferunt  QuinHUumy  fratrem  Claudii, 
cum  in  praesidio  Italico  esset,  audita  morte  Claudii  sumpsJss^ 
Imperium',  verum  posiea,  ubi  Aurelianum  cömp^rit  Imp^rärCj  α 
toto  exercitü  \ea\  der^lictum,  cumque  contra  eum  contionaretur  nee 
α  miUfibüs  aüdiretur,  incisis  sihimei  venis  die  vicesimo  imperii  sui 
perisse.  Hier  ist  ea  einfach  zu  tilgen:  ΣΛ  ist  falsche  Wieder- 
holung der  ersten  Züge  von  EXEBCITV^,  und  man  darf  nicht 
eum  herstellen,  was  hier  ganz  überflüssig  ist  und  den  Satzschluss 
verdirbt.  Wie  der  Schluss  herzustellen  ist,  wird  sich  vorläufig 
nicht  mit  Sicherheit  ausmachen  lassen.  Für  wahrscheinlich  halte 
ich  incisis  sibimet  venis,  die  vicesimo  imp^rvl  3lc  p<^rtsse.    Lessinge 


1  Peter    in    Bureians  Jahresbericht  LXXVH  (1893  II)   S.  150  ff. 

2  Bloch,  Strassburger  Festschrift  zur  46.  Versammlung  deutscher 
Philologen  und  Schulmänner  (1901),  S.  271,  Nr.  268  Vita  cesarum  vd 
tirannorum  ab  Melio  Adriano  usque  ad  Carum  Carinum  libri  VII;  und 
dazu  meine  Notiz,  Neues  Archiv  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde 
XXVII  527  f.  Ich  bin  nicht  im  Zweifel,  dass  das  dieselbe  Murbacher 
Handschrift  ist,  die  Frobenius  für  die  Erasmische  Ausgabe  von  1518  be- 
nutzt hat,  und  auch  dieselbe,  aus  der  in  der  gleichen  Druckerei  Beatns 
Rhenanus  und  Burer  1520  den  Velleius  Paterculus  herausgegeben  haben. 
Aber  wie  kommen  die  sieben  Bücher  heraus?  Die  Üeberlieferung  des 
werthvollen  alten  Cataloges  ist  jung  und  schlecht.  So  ist  es  ganz  un- 
bedenklich, daraus  herzustellen  usque  ad  Carum  Carinum  LVII;  denn 
soviel  sind  es  nach  dem  Index  der  Bamberger  und  der  Palatinischen 
Hs.  (Peter  I  S.  XIII) :  L  VI  eiusdem  Firmus,  Saturnimia,  Proculus  et 
Bonosus.    L  VII  eiusdem  Carus,  Charinus  et  Numerianus. 

^  Mommsen ,  Hermes  XIII  298  ff. ;  Traube ,  0  Roma  nobilis 
S.  364  f. 

^  Chatelain,  Paleographie  des  classiques  latins,  pl.  191. 

^  Viele  Beispiele  für  die  Vertauschung  von  Ä  und  X  bei  W. 
Heraeus,  Quaestiones  criticae  et  palaeographicae  de  vetustissimis  codi- 
cibus  Livianis  (Berlin  1885),  S.  96  f. 


558      y.  Winter feld  Satzschlnssetudien  zur  Hietoria  Augueta 

Lexioon  8.  v.  imperium  (S.  262^)  kann  zeigen,  daes  sui  bei  solchen 
Datirnngen  wegzubleiben  pflegt;  aber  es  wird  die  Darlegung  dee 
Sprachgebranche  von  ^c  abzuwarten  sein,  ehe  man  ein  znyer- 
sichtlich  es  Urtheil  abgeben  darf. 

Tac.  14,  5  werden  die  Worte  post  Interregnum  prlncipes 
nüncüpüii  mit  Unrecht  seit  Salmaeias  gestrichen;  ohne  sie  ist 
kein  rhythmischer  Absohluss  da. 

Tac.  15,  4  hat  eine  kleine  Interpolation  yeranlasst,  dem  Text 
mit  Umstellungen  oder  mit  der  Annahme  einer  Lücke  zu  Leibe  zu 
gehn,  während  der  Satzschluss  lehrt,  daes  ein  einziges  Wort  ge- 
strichen werden  muss,  das  hinzugefügt  worden  ist,  weil  man  einen 
Gräcismus  nicht  verstand.  Ich  gebe  gleich  die  richtige  Lesart 
an:  die  Wahrsager  handeln  sehr  klug,  gleich  auf  tausend  Jahre 
im  voraus  zu  prophezeien,  quia,  si  post  centum  annos  praedi- 
cerefit,  forte  possent  [eorum]  deprehendi  mendäciä  pulttcentesy  cum 
via;  remanere  talis  posstt  htstöria^  dh.  ^man  könnte  alsdann  nach- 
weisen, dass  sie  Lügen  prophezeiten,  während  sich  das  Gedächt- 
niss  einer  solchen  Geschichte  tausend  Jahre  lang  gewiss  nicht 
lebendig  hält*. 

Berlin.  Paul  v.  Winterfeld. 


ZUR  UEBERLIEFERUNG  DER  GESCHICHTE 

ALEXANDERS  D.  GR. 


Kaum  eine  andere  Zeit  ist  Gegenstand  so  vielfacher  Qnellen- 
nnterfiuchangen  in  den  letzten  Jahren  gewesen,  als  die  Zeit  Ale- 
xanders des  Grossen,  gleichwohl  entspricht  das  Ergebnise  der  auf- 
gewandten Mühe  nur  in  geringem  Masse,  nnd  die  Ansichten  stehen 
mit  einander  in  so  schroffem  Widerspruche,  wie  kaum  auf  einem 
anderen  Gebiete  der  geschichtlichen  Forschung.  Will  man  zu  einem 
richtigen  ürtheil  über  die  üeberlieferung  der  Alexandergeschichte 
gelangen,  dann  muss  man  mit  verschiedenen  Vorstellungen  bre- 
chen, unter  deren  Bann  ein  grosser  Theil  der  Untersuchungen 
steht,  und  zunächst  die  richtige  Beantwortung  verschiedener  lit- 
teraturgeschiohtlicher  Fragen  zu  gewinnen  suchen,  ehe  man  die 
Frage  nach  den  in  der  erhaltenen  Literatur  benutzten  Quellen 
auf  werfen  darf.  Unter  den  Historikern,  welchen  besonders  weit- 
gehender Einfluss  auf  die  überkommenen  Darstellungen  von  Ale- 
xanders Regierung  zugeschrieben  wird,  steht  mit  in  erster  Linie 
der  im  Ausgange  der  Republik  und  zu  Beginn  der  Eaiserzeit  in 
Rom  lebende  Alexandriner  Timagenes.  Glaubt  doch  G.Landgraf 
(Berl.  philol.  Wochenschrift  1901  S.  410 — 14)  in  der  von  Wagner 
in  den  Jahrbüchern  f.  class.  Philol.  Supplbd.  26  S.  91 — 167 
herausgegebenen  epitome  rerum  gestarum  Alexandri  Magni  den 
Auszug  eines  im  4.  oder  5.  Jahrhundert  n.  Chr.  lebenden  Schrift- 
stellers aus  einer  lateinischen  Bearbeitung  der  griechischen  Ale- 
xandergeschichte desselben  erkennen  zu  dürfen.  Man  hat  damit 
ihm  eine  Bedeutung  beigelegt,  die  ihm  nicht  zukommt,  und  es 
dürfte  angezeigt  erscheinen,  gegen  die  auf  unhaltbaren  Voraus- 
setzungen aufgebaute  Timageneshypothese  Einsprache  zu  erheben. 

1.  Timagenes  und  die  Alexanderüberlieferung. 

Nur  wenige  unsichere  Mittheilungen  über  die  Schriften  des 
Timagenes  sind  auf  uns  gekommen,   gering  ist  auch  die  Anzahl 


560  Reuse 

der  Fragmente,  die  wir  aus  ihnen  besitzen.  Der  die  Aufmerk- 
eamkeit  auf  ihn  lenkte,  ist  kein  Geringerer  gewesen  ale  Gustav 
Schwab  in  seiner  Abhandlung  de  Livio  et  Timagene  aemnlis,  Stutt- 
gart 1834;  er  sprach  die  Vermuthung  aus,  dass  der  bei  Livine 
IX  17  ff.  gegen  die  'levissimi  ex  Graecis  gerichtete  Tadel  auf  ihn 
gemünzt  sei.  Von  dieser  Annahme  ausgehend  erklärte  Gutschmid 
(Rhein.  Mus.  Bd.  37  S.  548  ff.)  die  historiae  Philippicae  des 
Trogus  Pompeius  für  die  Bearbeitung  eines  griechischen  OrigiDal- 
Werkes,  dessen  Verfasser  Timagenes  gewesen  sei,  eine  Hypothese, 
die  Wachsmuth  (Rhein.  Mus.  Bd.  46  S.  465—79)  dahin  modi- 
ficirte,  dass  zwar  neben  Timagenes  noch  andere  Quellen  benutzt 
seien,  auf  diesen  aber  eine  Reihe  charakteristischer  £igentbüm- 
lichkeiten  wie  die  augenfällige  Feindschaft  gegen  Rom  und  die 
Hinneigung  zu  den  Parthern  zurückzuführen  sei.  Seine  Sporen 
in  der  Alexanderüberlieferung  suchte  dann  nachzuweisen  J. 
Kaerst:  Beiträge  zur  Quellenkritik  des  Q.  Curtius  Rufns  Gotha 
1878,  Forschungen  zur  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  Stuttgart 
1887,  und  Untersuchungen  über  Timagenes  in  Philologns  Bd.  56. 
Dagegen  fehlte  es  auch  nicht  an  Stimmen,  welche  sioh  gegen 
diese  Annahme  ausgesprochen  haben;  so  erklärte  E.  Meyer  (Gesch. 
d.  Alterth.  U  S.  23),  die  Hypothese,  dass  Trogus  eine  Umarbei- 
tung des  Timagenes  sei,  sei  nicht  erwiesen  und  lasse  sich  nicht 
erweisen,  und  Soltau  (Hermes  XXIX  S.  614  A.  3)  glaubte,  för 
Livius'  Diatribe  keine  besondere  Quelle  annehmen  zu  dürfen.  Vor 
allen  hat  aber  in  letzter  Zeit  Schwartz  (Pauly-Wissowa  im 
Artikel  Q.  Curtius  Rufus)  gegen  die  Schwäbische  Hypothese 
scharfe  Stellung  genommen  und  mit  gewichtigen  Gründen  ihre 
Unhaltbarkeit  dargethan.  Von  einer  Alexandergesohichte  des 
Timagenes,  so  führt  er  aus,  ist  uns  nichts  bekannt,  die  erhaltenen 
Fragmente  weisen  vielmehr  ausnahmslos  auf  eine  Diadochen- 
geschichte hin.  Ebenso  wenig  ist  uns  überliefert,  dass  er  jemals 
im  Solde  des  Partherkönigs  gestanden  hat,  wir  wissen  nur,  dass 
er  sich  durch  gelegentlich  geäusserte  Bosheiten  und  Taktlosig- 
keiten die  Gunst  des  Augustus  verscherzte.  Der  Vorwurf  des 
Livius  läset  sich  mit  weit  grösserer  Berechtigung  auf  andere 
griechische  Zeitgenossen  beziehen,  von  denen  Dionys.  Halic 
όρχ.  'Ριυμ.  Ι  4,  3  schreibt:  'von  den  Zeitgenossen  klagen  die 
Uebelgesinnten  das  Schicksal  an,  dass  es  das  nichtewürdigste 
aller  barbarischen  Völker  mit  den  Gütern  der  Griechen  bereichert 
habe,  ja  einige  Schriftsteller  haben  sich  sogar  erfrecht,  dies 
schriftlich   zu   hinterlassen    und    haben    als    echte    Sklaven    und 


Zur  üeberlieferung  der  Geschichte  Alexandere  d.  6r.  561 

Schmeichler  barhariechen  Königen  zu  Liebe  Schriften  verfaeet, 
die  weder  unparteiiech  noch  wahr  sind.'  Dies  ist  die  Anffaesung, 
die  auch  LiviuR  bekämpft,  wenn  er  sich  gegen  die  nichtswürdigen 
Griechen  wendet,  welche  selbst  den  Parthern  ihre  Sympathieen 
widmen  nnd  behaupten,  das  römische  Volk  würde  schon  vor  dem 
Namen  Alexanders  des  Grossen  gezittert  haben.  Dionysios  kann, 
darin  muss  man  Sohwartz  beistimmen,  Timagenes  nicht  im  Auge 
gehabt  haben,  auf  diesen  treffen  die  Worte:  οίς  οουλευοντες  καΐ 
καθ'  ήδονήν  ομιλούντες  in  keiner  Weise  zu.  Er  ist  im  Jahre 
55  V.  Chr.  nach  Rom  gekommen  und  ist  in  Italien  gestorben 
(Suidas  έτελεύτησεν  έν  *Αλβάνψ,  Seneca  de  ira  III  23).  Aus 
der  Zeit,  da  der  Krieg  zwischen  Octavian  und  Antonius  auszu- 
brechen drohte,  ist  eine  von  Müller  (Fr.  H.  Gr.  Ilt  S.  315  ff.) 
nicht  beachtete  Nachricht  über  ihn  erhalten,  die  auf  eine  ein- 
flussreiche  Stellung  in  Bom  schliessen  lässt;  Plut.  Anton,  c.  72 
καΐ  γάρ  ΆλεΗας  ό  Λαοοικεύς  γνωρισθείς  μέν  έν  'Ρώμη  bxä 
Τιμαγένους  και  πλείστον  *  Ελλήνων  δυνηθείς.  Er  war  beliebt 
bei  der  ganzen  Bürgerschaft,  selbst  die  spätere  Ungnade  bei  dem 
Kaiser  verschloss  ihm  das  Haus  keines  einzigen  Römers  (Seneoa 
aaO.).  Auf  eine  besonders  scharf  hervortretende  Feindseligkeit 
gegen  das  Römervolk  lässt  dies  nicht  schliessen;  wenn  er  daher 
als  Feind  der  Stadt  Rom  bezeichnet  und  berichtet  wird,  er  habe 
bei  einem  Brande  derselben  sein  Bedauern  darüber  ausgesprochen, 
dass  die  Stadt  aus  ihm  nur  um  so  schöner  wieder  erstehen  werde, 
so  kann  dies  nur  eine  der  gelegentlich  gemachten  boshaften 
Aeusserungen  sein,  wie  sie  damals  wohl  vielfach  von  ihm  um- 
liefen (Seneca  ep.  91  u.  Controv.  34  a  quo  multa  improbe,  sed 
venuste  dicta).  Seine  Zunge  verschonte  niemanden,  selbst  nicht 
den  Herrseber  und  das  Herrscherhaus  (Seneca  de  ira  III  23 ; 
Controv.  34;  Plut.  de  adul.  c.  27)^;  da  alle  Warnungen  nichts 
fruchteten,  verbot  Augustus  ihm  schliesslich  sein  Haus.  Auch 
nachdem  er  die  Freundschaft  des  Kaisers  verscherzt  hatte,  zogen 
seine  Freunde  sich  von  ihm  nicht  zurück,  und  dieser  selbst  ver- 
dachte es  einem  Asinius  Pollio  in  keiner  Weise,  dass  er  in  per- 
sönlichem Verkehr  mit  dem  spottsüchtigeu  Griechen  blieb.  Ans 
allen    Zeugnissen    geht    hervor,   dass  Timagenes   im    alltäglichen 


^  Auch  in  den  von  Plut.  quaest.  conv.  1 13  citirten  Worten:  καΐ 
προς  *Αθηνόοωρον  τόν  φΐλόσοφον,  εΐ  φυσική  ή  προς  τά  έκγονα  φιλο- 
στοργία ist  eine  Beziehung  auf  Octavian,  den  Schüler  des  Athenodoros, 
enthalten. 

Bhelo.  Mue.  t  PhiloL  N.  F.  LVIL  36 


562  R  e  η  8  8 

Verkehr  eeine  Neigung  zum  Spott  Dicht  zu  zügeln  yeretand, 
darum  braucht  aber  noch  nicht  der  Vorwurf  des  blinden  Römer- 
haesee,  wie  ihn  Livins  ausspricht,  an  seine  Adresse  gerichtet  zu 
sein.  Ausser  auf  die  von  Schwartz  angeführten  Worte  des  Dio- 
nysios  kann  auch  auf  eine  Stelle  Plutarchs  hingewiesen  werden, 
die  uns  nahelegt,  dass  die  Frage,  ob  Alexander,  wenn  er  nach 
Italien  gekommen  wäre,  die  Römer  besiegt  haben  würde,  damals 
die  Gemüther  in  Rom  vielfach  beschäftigt  haben  muss.  In  der 
Rede  des  blinden  Appius  Claudius  gegen  den  Frieden  mit  P^'rrhus 
heisst  es  Plut.  Pyrrh.  c.  19:  που  γάρ  υμών  ό  προς  Απαντάς 
θρυλούμενος  άει  λόγος,  ώς,  εΐ  παρήν  εκείνος  είς  Ίταλίαν  ό 
μέγας  ΆλέΕανδρος  καΐ  συνηνεχθη  νίοις  ήμΐν  και  τοις  πατράσιν 
ημών  άκμάίουσιν,  ουκ  &ν  ύμνεϊτο  νυν  ανίκητος,  άλλ'  ή  φυγ\υν 
ή  που  πεσών  ενταύθα  την  'Ρώμην  ένδοΕοτέραν  άπέλιπε,  ν^Ι. 
Αρρ.  Samn.  c.  10,  Oros.  IIJ  15,  10.  Diese  Worte  hat  Plutarch 
gewiss  auch  Dionyeios  von  Halikarnass  entnommen,  den  er  ja 
neben  Hieronymos  von  Kardia  benutzt.  Ist  der  Satz,  dass  Ale- 
xander bei  einem  Angriff  auf  Rom  den  Ruf  der  ünbesiegbarkeit 
eingebüsst  haben  würde,  ein  damals  in  allen  Tonarten  behandeltee 
Thema  gewesen,  dann  hat  es  gewiss  auch  an  Gegenerklärungen 
nicht  gefehlt  und  es  wird  misslich  einen  bestimmten  Namen  für 
den  Uebelthäter  auffinden  zu  wollen,  über  den  Livius  die  Schale 
seines  Zorne  ausgiesst.  Damit  wird  der  Hypothese  Schwabs  der 
Boden  entzogen,  und  mit  dieser  fallen  auch  alle  auf  ihr  auf- 
gebauten Combinationen    zusammen. 

Von  Timagenes  soll  auch  die  ungünstige  Beurtheilnng  stam- 
men, die  Alexander  bei  Trogus  und  Curtius  erfahrt.  Diodors 
ürtheil  über  Verfehlungen  des  Königs  ist  ein  mildes,  bei  Trogus 
und  Curtius  hat  die  mit  diesem  gemeinsame  Vorlage  (Klitarch) 
durch  eine  Mittelquelle  di.  Timagenes,  der  Gurt.  IX  5,  21  citirt 
wird,  eine  Fassung  erhalten,  in  der  über  jenen  ein  scharfes  Ver- 
dammungsurtheil  ausgesprochen  wird.  Dieser  Mittelqnelle  soll 
auch  Livius  die  Thatsaehen  entnehmen,  mit  denen  er  sein  hartee 
Urtheil  über  den  Makedonierkönig  begründet.  Der  Gegner,  mit 
dem  der  römische  Geschichtschreiber  sich  auseinandersetzt,  ist 
sicher  ein  Zeitgenosse:  IX  18,  9  non  intellegunt  se  hominis  res 
gestas  et  eius  iuvenie  cum  populi  iam  octingentesimum  bellantie 
annum  rebus  conferre,  aber  in  der  Annahme,  dass  er  Alexander 
ungünstig  beurthellt  habe,  liegt  ein  innerer  Widerspruch,  Livius 
hat  grade  das  an  ihm  auszusetzen,  dass  er  diesen  auf  Kosten  der 
Römer  erhebt.     Von  den  Fragmenten  des  Timagenes  nimmt  nur 


Zur  üeberlieferung  der  Geschichte  Alexandere  d.  6r.  563 

eine  (Curt.  IX  5,  21)  auf  die  Zeit  Alexanderfl  Bezug,  ohne  Zweifel 
fand  er  indessen  in  dem  Werke  π€ρι  βασιλέων  oft  Gelegenheit, 
auf  die  Thätigkeit  seiner  Feldherrn,  der  Begründer  neuer  Dy- 
nastieen,  zurückzugreifen,  ohne  damit  eine  eigentliche  Alexander- 
geschichte zu  liefern.  Als  Historiker  genose  er  nach  Quintilians 
Zengniss  (X  1,  75)  Ansehen,  es  ist  daher  leicht  erklärlich,  wenn 
gelegentlich  auch  Curtius  sich  auf  das  Zeugniss  des  ihm  zeitlich 
nahestehenden  Schriftstellers  beruft,  ohne  dass  man  deshalb  tiefer- 
gehende Benutzung  seitens  desselben  annehmen  darf.  Auch  für 
die  parteiische  Behandlung  des  Königs,  wie  sie  bei  Trogus  und 
Curtius  vorliegt,  ist  nicht  er  verantwortlich  zu  machen,  diese 
geben  das  Urtheil  wieder,  welches  unter  den  damaligen  Römern 
allgemeine  Geltung  gewonnen  hatte.  Wie  sie  urtheilte  auch  Vel- 
leius  Paterc.  II  51  magno  illi  Alexandro,  sed  sobrio  neque  ira• 
cundo,  und  mit  ganz  besonderer  Schärfe  Seneca,  dem  vielleicht 
die  Darstellung  von  Curtius  nicht  unbekannt  gewesen  ist  (ep.  59, 
12  gentes  ne  finitimie  quidem  satis  notas  und  Curt.  ΥΠ  8, 5 
nationem  ne  ünitimis  quidem  satis  notam ;  ep.  56,  9  otii  vitia 
negotiis  discuti  und  Curt.  ΥΠ  1,  4  otii  vitia  negotio  discuti,  vgl. 
Klebe  Philol.  N.  F.  Υ  S.  151  A.  2).  Unersättliche  Ländergier 
ist  die  Triebfeder  des  Königs  und  lässt  ihn  nicht  einmal  an  den 
Grenzen  Halt  machen,  die  Hercules  und  Bacchus  gesteckt  waren 
(ep.  15,  2).  Glückliche  Yerwegenheit  schafft  ihm  Erfolg,  aber 
dem  Raubthiere  gleichend,  das  mehr  mordet,  als  sein  Hunger 
verlangt,  ist  er  der  Henker  seiner  Freunde,  eine  Gotteegeissel 
der  eroberten  Länder  geworden  (de  benef.  I  15).  In  wahnwitziger 
Yerblendung  kennt  er  nur  das  eine  Ziel,  der  Schrecken  der 
Yölker  zu  sein,  gebietet  er  den  Lakedaimoniern•  Sklavendienste 
und  den  Athenern  Schweigen.  Mit  Unrecht  führt  er  den  Namen 
des  Grossen,  denn  der  Sieger  über  so  viele  Yölker  erlag  der 
eigenen  Leidenschaft  und  dem  Zorne.  Gegen  diese  Herabsetzung 
des  grossen  Königs  erhoben  Widerspruch  Plutarch  in  der  durch- 
aus polemisch  gehaltenen  Schrift  π€ρΙ  της  ΆλεΗάνδρου  τύχης 
und  Arrian  in  seiner  όνάβα(Τΐς  ΆλεΕάνορου.  Wenn  bei  Curtius 
das  Bild  Alexandere  verunglimpft  ist,  so  trägt  die  Schuld  daran 
nicht  die  Yorlage,  die  er  benutzte;  immer  wieder  bricht  auch 
bei  ihm  die  Bewunderung  durch,  die  dem  Makedonier  gezollt 
wird,  und  wiederholt  sieht  er  sich  zum  Zugeständniss  genöthigt, 
dass  seines  Helden  Anlage  von  Haus  aus  gut  und  tüchtig  ge- 
wesen sei.  Curtius  ist  mit  einem  Yorurtheil,  das  von  vornherein 
feststand,    an    seine  Aufgabe  gegangen,    er    wiederholt    nur    die 


564  Reu88 

Kritik,  die  vor  ihm  Liviue  an  dem  Könige  geübt  hatte.  Daee 
die  Aaedrncksweise  dieses  Alexanderbiographen  von  der  des 
römischen  Gesohicbtscbreibers  abhängig  ist,  ist  eine  schon  oft 
hervorgehobene  Beobachtung  \  dass  er  sich  auch  in  seinem  Ur- 
theil  über  Alexander  durch  ihn  hat  beeinflussen  lassen,  ergiebt 
die  Vergleichung  mit  Liv.  IX  17 — 19. 

Mit  Livius  tbeilt  Curtius  die  Geringschätzung  der  Griechen: 
yill  5,  7  qui  profeesionem  honestissimarum  artium  maus  cor- 
ruperant  moribus,  vgl.  IV  5,11;  VIII  10,12.  Die  Erzählung 
von  Alexanders  Edelmuth  gegen  die  königlichen  Frauen  giebt 
ihm  Anläse,  mit  den  gleichen  Worten,  wie  jener,  auf  die  spä- 
teren Ausschreitungen  des  Königs  hinzuweisen:  Liv.  IX  18,  4 
referre  piget  .  .  .  foeda  supplicia  et  inter  vinum  et  epulas  caedes 
amicorum,  vgl.  Curt.  III  12,  19  sie  abstinnisset  inter  epulas  et 
vinum  caedibus  amicorum,  VIII  2,6.  8;  3,8;  4,30.  An  Liv. 
IX  18)  1  u.  2  'de  Alexandro  nondum  merso  seoundis  rebus  .... 
qui  ei  ex  babitu  novae  fortnnae  novique  ut  ita  dicam  ingenii, 
quod  sibi  victor  induerat,  spectetur,  Dareo  magis  similis  quam 
Alexandro  in  Italiam  venisset'  erinnern:  Curt.  III  12,20  sed  non- 
dum fortuna  se  animo  eins  superfuderat,  VI  6,  5  sed  cum  illis 
quoque  mores  induerat  saperbiamque  habitus  animi  insolentia 
sequebatur  (X  1,  40),  VI  6,  10  regem  viotis  quam  victoribui 
similiorem.  Von  den  Freunden  forderte  Alexander  fusefallige 
Verehrung :  Liv.  IX  18,  4  desideratas  humi  iacentium  adulationes, 
vgl.  Curt.  VI  6,  3  iacere  humi  venerabundos,  VIII  5,  6.  Der  Tadel 
über  die  super ba  vestis  mutatio  kehrt  bei  Curt.  VI  6,  4  wieder, 
über  die  Neigung  zum  Trünke  V  7,  1 ;  X  5,  34,  über  den  Jäh- 
zorn III  12,  19;  IV  2,  5;  4,  17;  6,  27;  VI  2,4;  VIII  5,22; 
6,  1 ;  X  5,  34,  über  die  vanitas  emetiendae  stirpis  IV  7,  25  und 
30;  VIII  5,  5;  X  5,  33.  Wie  der  König,  ist  auch  das  Heer 
entartet:  Liv.  XI  18,  3  exercitum  degenerantem  in  Perearum 
mores,  Curt.  VIII  5,  14  ne  in  peregrinos  extemosque  ritus  se 
degenerare  cogeres,  X  5,  33;  V  1,  36  u.  39.  Mit  trunkenem  Heere 
durchzog  der  König  das  eroberte  Land,  als  hielte  er  einen  fröh- 
lichen Umzug:  IX  17, 17  per  quam  temulento  agmine  comissabundus 
incessit,  Curt.  V  7,  5  surgunt  temulenti,  V  7,  10  a  commissabundo 
rege,  VIII  10,  18;  IX  10,  26;  10,  28  incessisse  temulentos.    Um 


^  Auch  an  der  vielbesprochenen  Stelle  X  9,  3  *qui  noctis  quam 
paene  eupremam  habuimus,  novum  sidus  illuxit*  ahmt  er  Liv.  VI  17, 4 
'noctis  illins  quae  paene  ultima  atque  extreva  nomini  Romano  fiiit*  nach. 


Zar  Ueberlieferung  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  565 

den  Ruhm  des  Siegers  herabzusetzen,  werden  seine  Oegner  yer- 
ächtlich  gemacht,  Weiber  und  Eunuchen  bilden  ihr  Gefolge:  Liy. 
IX  17,  16  quem  mulierum  ac  spadonum  agmen  trahentem  inter 
purpuram  atque  aurum,  oneratum  fortunae  apparatibus,  praedam 
verius  quam  hostem,  Curt.  III  3,  23  spadonum  grex,  uö.;  III 
2,  12  nitet  purpura  auroque,  III  10,  9;  13 ,  7.  Was  Liyius 
vom  persischen  Heere  behauptet,  wird  gelegentlich  auf  das  Heer 
Alexandere  übertragen:  IV  14,11  parata  hostibus  praeda,  IX 
10,  27;  V  1,  6  usu  didicisse  .  .  .  eadem  trahentem  Alexandrum, 
quibus  rebus  antea  vicisset,  inferiorem  fore.  Wäre  der  König 
nach  Italien  gekommen,  hätten  Perser,  Inder  usw.  ihm  mehr 
Schwierigkeiten  bereitet,  denn  Hilfe  geleistet:  Liy.  IX  19,  5  Indos 
....  maius  impedimentum  quam  auxilium,  Curt.  IV  12,  9  Indi 
.  .  .  nomina  yerius  quam  auxilia.  Ueber  solche  Gegner  siegte 
er,  weil  er  sie  geringschätzte;  Liy.  IX  17,  16,  Curt.  17  14,  3, 
in  einem  Kampfe  mit  italischen  Stämmen  dagegen  hätte  er  dem 
Urtheil  seines  Oheims  Alexander  beistimmen  mtlssen,  dass  er  es 
bisher  nur  mit  Weibern  zu  thun  gehabt  habe:  Liy.  IX  19,  11; 
Curt.  VIII  1, 37.  Mit  einer  einzigen  Schlacht  würde  er  den 
ganzen  Krieg  yerloren  haben :  Liy.  IX  19,  9  uno  proelio  yiotus 
Alexander  hello  yictus  esset,  ein  Gedanke,  den  bei  Curtius  der 
Perserkönig  yor  der  Schlacht  bei  Gaugamela  ausspricht:  IV 
14,  15  et  hello  yioerimus,  ei  yicimus  proelio.  Dass  ihm  dabei 
wirklich  die  Worte  des  Liyius  yorsch webten,  ergiebt  die  Ver- 
gleichung  yon  IV  14, 18  ^quantusounque  .  .  .  yideri  potest,  unum 
animal  est'  mit  Liy.  IX  1 8,  8  quantalibet  magnitudo  hominis  con- 
cipiatur  animo,  unius  tamen  ea  magnitudo  erit.  Noch  einmal 
yerwendet  er  Liyianische  Gedanken  in  einer  Rede  des  Chari- 
demus ;  Livius  yergleicht  das  makedonische  Heer  mit  dem  römi- 
schen, Charidemus  mit  dem  persischen :  Liy.  IX  19,  6  arma  olupeus 
sarissaeque  illis,  19,  7  statarius  uterque  miles,  ordines  seryans, 
sed  illa  phalanx  immobilis,  Curt.  III  2,  13  Macedonum  acies  cly- 
peis  hastisque  immobiles  cuneos  ....  peditum  stabile  agmen  .  .  . 
ordines  seryare  didicerunt.  Seine  Erfolge  dankte  Alexander  in 
erster  Linie  dem  Glücke:  Liy.  IX  18,  8,  Curt.  IV  9,  22;  16,  23; 
V  5,  5;  VH  7,  31;  VIII  3,  1;  10,  18;  IX  10,  28;  X  5,  35;  für 
ihn  stritt  der  Ruhm  seines  Namens :  Liy.  IX  18,  6 ;  Curt.  V 
13,  14;  IX  5,  6  pugnabat  pro  rege  oelebrati  nominis  fama. 

L•t  demnach  Curtius*  ürtheil  durch  Liyius  beeinfiusst,  dann 
darf  man  die  Alexander  feindliche  Tendenz,  welche  in  seiner 
Darstellung  zu  Tage  tritt,  nicht  als  Kriterium  für  die  Benutzung 


566  R  e  α  8  8 

« 
des  Timagenee  verwerthen.  Noch  weniger  ist  man  daza  be- 
rechtigt bezüglich  der  Partherfreandlichkeit,  die  man  bei  ihm  hat 
erkennen  wollen.  Wohl  kommt  der  Schriftsteller  wiederholt  auf 
dieeee  Volk  zu  sprechen:  IV  12, 11;  V  7,  9;  8, 1 ;  VI  2,  12,  ee  wäre 
auch  höchst  auffallend,  wenn  er  in  einer  Zeit,  da  der  Gegensatz 
zwischen  Römern  und  Parthern  so  stark  war,  von  den  Ländern, 
die  später  den  Sitz  der  Partherherrschaft  bildeten,  hätte  epreehen 
wollen,  ohne  dieser  zu  gedenken,  aber  eine  besondere  Vorliebe 
für  die  Gegner  Roms  läset  er  an  keiner  Stelle  durchblicken. 

Was  Trogus  betrifft,  so  nimmt  er  zweifellos  einen  parther- 
freundlichen  Standpunkt  ein,  doch  das  trifft,  wie  das  Zengniss 
des  Dionysios  zeigt,  auf  griechische  Historiker  zu,  die  wir  nicht 
mit  Timagenes  gleich  setzen  dürfen.  Auf  das  Bild  Alexandere, 
wie  es  bei  jenem  gezeichnet  wird,  scheint  der  scharfe  Ausfall 
des  Livius  gleichfalls  nicht  ohne  Einwirkung  geblieben  zu  sein. 
Trogus  hat  die  Geschichte  desselben  gekannt,  das  spricht  er 
XXXVIIl  3,  11  aus;  directe  Bezugnahme  auf  die  Alexanderepieode 
(Liv.  IX  17,  10  imbellem  Asiam  quaesisset)  mag  in  Justin  XXXVIIl 
4,  7  vorliegen,  wo  Asien  zu  Italien  in  Gegensatz  gestellt  wird: 
audire  populos  transalpinae  Galliae  Italiam  ingressos  maximis 
eam  plurimisque  urbibus  possidere  et  latius  aliquanto  solum 
finium  quam  in  Asia  quae  dicatur  imbellis  idem  Galli  occupa- 
vissent.  Hinweisen  darf  man  daher  auf  die  mannigfachen  Con- 
gruenzen,  welche  beide  Historiker  in  der  Alexandergeschichfe 
bieten:  Justin  XI  6,  15  terrore  nominis  vicit,  XII  13,  2;  XI 
13, 1  hortatur,  spernant  illam  aciem  auro  et  argento  fulgentem,  in 
qua  plus  praedae  quam  periculi  sit;  XI  14,  7  felicitas  regle; 
ΧΠ  3,  8  habitum  regum  Persarum  adsumit;  4,  1  a  Philippe  patre 
illum  tantum  degenerasse,  ut  mores  Persarum  adsumeret;  12/2; 
XU  6,  6  amicum  a  se  occisum  inter  epulas  et  pocula;  13,  7  in- 
staurata  commissatione ;  14,  4  snpplicia  crndeliter  habita  (TAv, 
IX  18,  4)  uä. 

Nahe  liegt  auch  die  Frage,  ob  bei  Curtius  die  Bekannt- 
schaft mit  Trogus  anzunehmen  ist.  Eaerst  glaubt  sie  verneinen 
zu  müssen  und  höchstens  Curt.  Vlll  1,  17  die  Möglichkeit  einer 
versteckten  Polemik  gegen  Justin  XV  3,  7  einräumen  zu  dürfen, 
andere  dagegen,  wie  Crohn  (de  Trogi  apud  antiquoe  auctoritate 
Strassburg  1882)  und  Peteredorf  (eine  neue  Hauptquelle  des  Qu. 
Curtius  Rufus,  Hannover  1884)  zählen  die  historiae  des  Trogue 
zu  den  von  Curtius  benutzten  Quellen.  Unwahrscheinlich  ist 
letzteres  nicht.     So  knüpft  der  Alexanderhistoriker  an  den  Kampf 


Zur  üeberlieferung  der  Geschichte  Alexandere  d.  Gr.  567 

zwischen  Makedonien!  und  Lakedai moniern  bei  Mantinea  Be- 
trachtangen an,  die  stark  an  das  anklingen,  was  Trogus  über  den 
Zusammenstoss  dieser  Stämme  bei  Sellaeia  aasführt: 

Justin  XXVIII 4, 2  inter  duas  Curt.  VI  1,  7—8  duarum  no- 

nobiliseimas  gentes  bellum  sum-  bilissimarum  hello  gentium  exer- 
mis  utrimque  viribus  fuit,  cum  citus  pari  Marte  pugnabant,  La- 
hi  pro  vetere  Macedonum  gloria,  oedaemonii  yetera,  Macedones 
illi  non  solum  pro  inlibata  li-  praesentia  deoora  intuebantur, 
bertate,  eed  etiam  pro  salute  illi  pro  libertate,  hi  pro  domi- 
certarent.  natione  pugnabant. 

In  gleicher  Weise  sprechen  sich  beide  auch  über  die  Herkunft 
der  Parther  aus:  Justin  Π  1,  ^  qui  cum  ipsi  Parthos  Bactrianos- 
que  condiderint,  ebenso  II  3,  6,  und  Curt.  VI  2,  14  Scythae  qui 
Parthos  condidere^  Auch  die  auffallenden  Uebereinstimmungen 
in  der  Alexandergeschichte  sind  daher  wohl  nicht  alle  aus  der 
Benutzung  der  gleichen  Quelle  zu  erkläreni  sondern  verrathen 
einen  engeren  Zusammenhang  beider  Darstellungen.  Von  solchen 
seien  hervorgehoben :  Justin  XI  8,  3  plenus  pulveris  ac  sudorie, 
Curt.  III  5,  2  pulvere    ac  sudore   simul   perfusum;    J.  8,  4  rigor 

—  C.  HI  5,  2  rigere;    J.  8,  8  oculos  in  vultus  legentis    intendit 

—  C.  III  6,  9  nee  a  vultu  legentis  movit  oculos;  8,  9  ut  seou- 
rum  vidit,  laetior  factus  est  —  C.  III  6,  12  non  securum  modo, 
sed  etiam  laetum  regem  feoit ;  J.  15|  5  multis  vulneribus  con• 
fossum  —  C.  V  13,  16  multis  vulneribus  confossum;  J.  XII  5,  8 
in  unam  cohortem  contribuit  —  C,  VEI  2,  35  in  unam  cohortem 
secrevit;  J.  6,  5  aestimatio  —  C.  VIII  2,  1  aestimatione ;  J.  6,  7 
a  se  occisum  inter  epulas  et  pocula  lugebat  —  C.  VIII  2,  8  a 
me  inter  epulas  occissus  est;  J.  9,  9  trunco  se  adplicuit  —  C. 
IX  5,  4  stipiti   corpus    adplicuit;    J.  11,  5  missionem   flagitabant 

—  C.  X  2,  12  missionem  postulare  ooeperunt;  J.  11,8  e  tribu- 
nali  desiluit   —  C.  X  2,  30  desiluit  de  tribunali^ 

Hat  Curtius   die   Darstellung   des  Trogus  eingesehen,    dann 
erklärt    sich    die    Gemeinsamkeit    der  Verurtheilung   Alexandere 


1  Vgl.  Justin  II  12,  4;  XVIII  3,*1;  XXII  5,10.  Sonny  (Rhein. 
Mus.  Bd.  41  8.  473  ff.)  sieht  darin  eine  Nachahmung  Vergils  (Aen.  I 
33  Romanam  condere  gentem,  I  277). 

3  Neuhaus,  Progr.  d.  Friedr.  College  zu  Königsberg  1900  S.  37 
A.  3  vergleicht  Justin  XI  15,  14  mit  Gurt  V  13  ut  regio  more  cura- 
tum  maiorum  moaumentis  inferretur,  übersieht  aber,  dass  die  an- 
geführten Worte  gar  nicht  Curtius  angehören,  sondern  in  einem  supple- 
mentum  stehen. 


568  Reuse 

auch  ohne  Timagenee,  die  Bedentang,  die  man  diesem  für  die 
Alexandergeschiohte  hat  beimeseen  wollen,  kommt  ihm  in  keiner 
Weise  zu.  Von  seiner  Partherfreandlichkeit  wiesen  wir  gar 
nichts,  von  seiner  Römerfreundschaft  zu  wenig,  um  so  weit- 
gebende Combinationen  darauf  bauen  zu  dürfen,  wie  sie  vielfach 
auf  die  spärlichen  überlieferten  Notizen  gebaut  worden  sind. 

2.    Eratosthenes  und  die  Alexandertiberlieferung. 

In  der  Zueammenetellung  der  verschiedenen  Berichte  giebt 
sich  bei  den  einzelnen  Autoren  vielfach  eine  auffallende  üeber- 
einntimmung  kund,  die  zu  der  Annahme  geführt  hat,  Plutaroh 
und  Arrian  hätten  die  oitirten  Quellen  nicht  direct  benutzt,  son- 
dern aas  einem  Sammelwerk  geschöpft  (Schöne).  Von  einer  Yer- 
mutbung  Gutschmids,  die  auch  Niese  (Greech.  d.  Hellenism.  Bd.  I 
H.  8)  billigt,  ausgehend,  suchten  Kaerst  und  Lüdecke  (de  fonti- 
bui,  quibuB  usus  Arrianus  Anabasim  composnit  in  Leipziger  Stu- 
dien XI)  Strabo  als  den  Verfasser  desselben  zu  erweisen,  erkläre 
dieser  doch  selbst,  die  Alezandergeschichte  in  einem  besonderen 
Werke  behandelt  zu  haben  (Π  S.  70).  Gegen  die  Benutzung 
eines  derartigen  Sammelwerks  sprach  sich  Fränkel,  die  Quellen 
der  Alexanderhistoriker,  Breslau  1883  S.  30  fip.  aus,  und  mit  ihm 
ff  hob  auch  Schwartz  (Pauly  -  Wissowa  im  Artikel  Arrian)  den 
Einwand,  ein  so  citatenreiches  Sammelwerk,  in  dem  die  einzelnen 
Citate  sauber  geschieden  gewesen  seien  und  Arrian  gleich  erkannt 
habe,  was  Aristobul  und  Ptolemaios  ausgesagt  hätten,  habe  nicht 
existirt  und  könne  nicht  existirt  haben,  da  nur  vereinzelt  citirt 
werde  und  auch  Strabo  davon  keine  Ausnahme  mache.  Eine 
Alexandergeschichte  Straboe  hat,  so  fährt  er  fort,  nicht  existirt, 
die  Worte  ύπομνηματιίομένοις  τάς  ΆλεΗάνορου  πράξεις  sind 
von  Excerpten  zu  verstehen,  die  jener  aus  Alexanderscbrift- 
stellem  sich  für  seine  Geographie  gemacht  hat  Diesen  Aus- 
führungen kann  ich  mich  nur  anschliessen.  Hätte  Arrian  wirk- 
lich nur  aus  Strabo  geschöpft,  dann  wäre  nicht  einzusehen,  wes- 
halb er  in  vielen  Parthieen*  so  wenig  Verwandtschaft  mit  Strabo 
zeigt.  So  ist  jener  selbst  in  geographischen  Dingen,  die  beide 
Aristobul  entnehmen,  aneführlicher  als  dieser  (Strabo  XVI  1 
8.  739  u.  740  und  Arrian  VII  21,  2),  in  der  vorausgesetzteo 
Alexandergeschichte  konnten  dieselben  aber  unmöglich  eingehen- 
der behandelt  sein,  als  in  den  γεωγραφικά.  Auch  mehrfache  Irr- 
thUmer,  die  sich  Strabo  in  seiner  .Geographie  bezüglich  der  Ge- 
schichte Alexanders  zu  Schulden  kommen  lässt,  machen  die  Ab- 


Zur  UeberlieferuDg  der  Geschichte  Alexanders  d.  Or.  569 

faeeung  einer  besonderen  Schrift  über  diese  nicht  sehr  wahr- 
scheinlich. So  vertritt  er  XIll  S.  593  allein  die  Ansicht,  erst 
nach  der  Schlacht  am  Oranikos  sei  Alexander  nach  Ilion  ge- 
kommen (Arrian  I  11,  7,  Plat.  Alex.  c.  15,  Diod.  X7II  17,  6), 
lässt  den  König  XIY  3  S.  666  die  Stadt  Termessos  erobern, 
während  nach  Arrian  I  28,  2  die  Belagerung  aufgegeben  wurde,  und 
bezeichnet  IX  5  S.  533,  wenn  hier  nicht  ό  Λ€Οννατος  ausgefallen 
ist,  Leostbenes  als  Oefährten  Alexanders.  Höchst  eigenthümlich 
ist  XI  c.  13  S.  523  die  Notiz,  Μηοία  ^Ατροπάτιος  habe  seinen 
Namen  von  Atropates  erbalten ,  der  die  Unterwerfung  dieses 
Reiches  unter  die  Makedonier  verhindert  habe  und  König  daselbst 
geworden  sei,  während  er  nach  Arrian  IV  18,  3  von  Alexander 
als  Satrap  dorthin  geschickt  wurde.  Wird  man  daher  auch  von 
der  Benutzung  Strabos  durch  Plutarch  und  Arrian  absehen  müssen, 
so  lässt  sich  gleichwohl  eine  Oemeinsamkeit  verschiedener  Citate 
sowie  der  Darstellung  bei  den  erhaltenen  Schriftstellern  nicht  in 
Abrede  stellen.  Um  diese  zu  erklären,  hat  man  festzuhalten, 
dass  in  den  benutzten  Quellen  schon  ältere  Darstellungen  ver- 
arbeitet waren,  dazu  kommt  aber  noch  ein  zweites  nicht  un- 
wesentliches Moment.  Unsere  Alexanderüberlieferung  ist  von 
einem  für  die  spätere  Zeit  sehr  einflussreichen  Kritiker  behandelt 
und  gesichtet  worden,  der  Niederschlag  seiner  Kritik  liegt  mebr 
oder  weniger  bei  Strabo,  Plutarcb  und  Arrian  vor.  Dies  geschab 
durch  Eratosthenes,  dem  eine  reiche  Litteratur  zu  Gebote  stand 
(Strabo  II  S.  69)  und  der  die  Summe  des  geographischen  Wissens 
zog,  das  durch  die  Feldzüge  Alexanders  und  der  Diadochen  er- 
schlossen war  (vgl.  Droysen  I  2  S.  396  und  Niese  I  S.  7).  Keiner 
der  Schriftsteller  nach  ihm  hat  sich  seinem  Einfluss  entziehen 
können,  sein  Urtheil  ist  massgebend  geblieben  für  Strabo,  Plu- 
tarch und  Arrian. 

Auf  das  Zeugniss  des  Eratosthenes  beruft  sich  Plutarch 
(Alex.  c.  3)  für  die  Nachricht,  Olympias  habe  ihrem  Sohn  das 
Gebeimniss  seiner  göttlichen  Herkunft  mitgetheilt  und  ihn  er- 
mahnt, dieser  stets  eingedenk  zu  sein.  Vor  der  Schlacht  bei 
Gaugamela ,  so  laatet  des  Eratosthenes  Erzählung  bei  Plut. 
Alex.  31,  fand  im  makedonischen  Lager  ein  Zweikampf  zwischen 
zwei  Soldaten  statt,  von  denen  einer  Alexander,  der  andere  Darins 
darstellte,  Alexander  rüstete  jenen,  Philotas  diesen  aus.  Mit  ge- 
spannter Aufmerksamkeit  folgte  das  Heer  dem  Kampfe,  der  für 
den  Darsteller  Alexanders  entschieden  wurde  und  diesem  als  Be- 
lohnung zwölf  Dörfer  und  ein  persisches  Gewand  eintrug:  ταΟτα 


670  Reuse 

οΰν  'Ερατοσθένης  \στόρηκ€ν.  Als  Gewäbremann  wird  dieser 
auch  in  der  Schrift  de  fort.  Alex.  I  8  für  die  Behauptung  ge- 
nannt, dans  Alexander  nicht  persische  oder  medische,  sondern 
eine  ans  beiden  zusammengesetzte  Tracht  angenommen  habe,  und 
diese  Mittheilung  wird  auch  Plut.  Alex.  c.  45  vorgetragen  (vgl. 
Diod.  XVil  77,  5,  wonach  Eratostbenes  aus  Elitarch  zu  schöpfen 
scheint).  Aristoteles  rieth  dem  lumig,  die  Griechen  als  Freunde 
zu  behandeln,  den  Barbaren  aber  zu  begegnen,  als  seien  sie  nur 
Thiere  oder  Pflanzen,  dieser  Rath  fand  weder  Alexanders  Beifall, 
noch  die  Billigung  des  Eratostbenes,  der  nur  die  Scheidung  der 
Menschen  nach  der  Tüchtigkeit  oder  Schlechtigkeit  gelten  lassen 
wollte  (Strabo  II  S.  66  =  Berger  frg.  Π  C  24).  Auch  dieser 
Nachricht  begegnen  wir  in  der  Schrift  de  Alex.  fort.  I  6.  Die 
Fabeleien  über  die  Feldzüge  des  Dionypos  und  Herakles  nach 
Indien  fanden  bei  dem  alexandrinischen  Gelehrten  keinen  Glauben, 
ebensowenig  Hess  er  die  Verlegung  der  Promet heussage  nach  dem 
indischen  Kaukasos  gelten:  Arrian  V  3  λέγει  πάντα  δσα  ές  το 
θεϊον  αναφέρεται  έκ  Μακεδόνων  προς  χάριν  της  ΆλεΗάνορου 
ές  τό  όπέρογκον  έπιφημισθήναι.*  Von  Eratostbenes  stammt  nach 
Kaeret  die  Kritik,  welche  bei  Plut.  Alex.  c.  46  an  der  Amazonen- 
sage  geübt  wird,  diese  Vermnthung  erhält  ihre  Bestätigung  durch 
Justin  XL II  3,  5,  der  ebenfalls  schon  die  Zeugnisse  für  die  Be- 
gegnung Alexanders  mit  der  Amazonenkönigin  in  seiner  Quelle 
zusammengestellt  fand  (multi  anctores  prodidere).  Dass  diese 
Quelle  Eratostbenes  gewesen  ist,  beweist  die  Vergleichung  von 
Justin  XLU  3,  5  ff.  mit  Strabo  I  8.  48  (Berger  frg.  I  Β  8),  XI 
S.  523  (Berger  III  Β  32),  XVI  746  (Berger  III  Β  38)  und 
Plinius  VI  31. 

So  finden  wir  eine  Reihe  von  Stellen,  die  auf  Benutzung 
des  Eratostbenes  in  der  erhaltenen  Litteratur  uns  führen;  wir 
sind  aber  auch  im  Stande,  die  Kritik  kennen  zu  lernen,  die  er 
an  den  Alexanderschriftstellern  und  ihren  Schriften  übte.  Die 
Feldzüge  Alexanders  haben  die  geographische  Eenntniss  der  Mit- 
welt und  Nachwelt  erweitert,  sie  haben  den  grössten  Theil  Asiens 
und  die  nördlichen  Striche  Europas  erschlossen  (Strabo  I  2  S.  14 
=  Berger  I  Β  10).  So  kann  man  die  Gebirgsgegend  von  Ariana 
am  besten  beschreiben,  wenn  man  den  Weg  darstellt,  welchen 
Alexander  von  Parthiene  aus  nach  Baktra  nahm  (Strabo  XV  2 
S.  724).  Das  ist  ein  Eratüsthenischer  Satz,  den  auch  Plinius 
wiederholt  ausspricht:  Π  t)7;  VI  15.  21.  Nicht  alle,  welche  über 
den  Orient  mit  seinen  Wandern  schrieben,  haben  sich  ein  nüch- 


Zur  Ueberlieferung  der  Geschichte.  Alexanders  d.  Gr.  571 

ternes  Urtheil  bewahrt,  viele  sind  daher  in  den  Verdacht  der 
Uebertreibung  und  Lüge  gekommen.  Den  meisten  Schriftstellern 
ist  nicht  zu  trauen,  sie  nehmen  es  leicht,  theils  um  Alexandere 
Ruhm  noch  zu  mehren,  theils  weil  der  Feldzng  bis  zu  den 
äussersten  Enden  Asiens  ging,  das  Entfernte  aber  schwer  zu 
widerlegen  ist  (Strabo  XI  6  S.  507,  vgl.  l  S,  14).  Einfalt  und 
Fabelsucht  nehmen  ihnen  alle  Glaubwürdigkeit,  Alexanders  Prah- 
lerei zu  Liebe  hat  man  viel  Lügenhaftes  vorgebracht.  Man 
wusste,  dass  der  Tanais  die  Grenze  zwischen  Asien  und  Europa 
bilde,  das  Stück  aber  vom  hyrkanischen  Meere  bis  zum  Tanais 
einen  grossen  Theil  Asiens  ausmache;  so  sann  man  auf  ein  Mittel, 
dass  sich  wenigstens  die  Sage  verbreite,  Alexander  habe  auch 
über  diese  Gegenden  geherrscht.  Daher  zog  man  die  mäotische 
See,  in  welche  der  Tanais  mündet,  mit  dem  k aspischen  Meer  in 
eins  zusammen  und  behauptete,  beide  seien  mit  einander  verbunden 
und  eins  sei  ein  Theil  des  anderen.  Als  Beweise  dafür  führt 
Polyklit  an,  dass  jenseits  des  Tanais  die  Tanne  wachse,  die  dem 
oberen  und  östlichen  Asien  fremd  sei,  und  dass  das  hyrkanische 
Meer  süsses  Wasser  habe  und  Schlangen  in  ihm  lebten.  Hier- 
gegen wendet  Eratostbenes,  der  auch  andere  derartige  Behaup- 
tungen widerlegt,  ein,  dass  die  Tanne  auch  in  Asien  vorkomme 
und  Alexander  aus  ihrem  Holze  eine  Flotte  gebaut  habe  (Strabo 
XI  S.  509).  Auch  mit  den  Erzählungen  des  Onesikritos  war 
Eratosthenes  wenig  einverstanden.  Was  er  von  den  Baktrern 
erzählt,  ist  nicht  gut.  Sie  werfen  die  vom  Alter  oder  durch 
Krankheit  Entkräfteten  den  Hunden  vor,  die  geflissentlich  hiezu 
gehalten  werden  und  die  sie  in  der  Landessprache  Todtengräber 
nennen.  Ausserhalb  der  Stadtmauern  von  Baktra  sieht  man  nur 
Reinlichkeit,  innen  aber  ist  alles  voll  von  menschlichen  G-ebeinen. 
Alexander  schaffte  diesen  Brauch  ab.  Wenn  Alexander  wirklich 
dergleichen  traf,  so  weiss  man  nicht,  was  man  von  den  persi- 
schen und  früheren  Herrschern  denken  soll,  was  für  Gebräuche 
sie  gehabt  haben  mögen  (Strabo  XI  S.  517),  vgl.  de  fort.  Alex. 
1  5.  Aus  der  Kritik  des  Eratosthenes  mag  auch  Plutarch  Alex, 
c.  46  stammen :  Onesikritos  las  König  Lysimachos  das  4.  Buch 
seiner  Aufzeichnungen  vor,  in  welchem  er  die  Begegnung  Ale- 
xanders mit  den  Amazonen  darstellte,  da  fragte  dieser  lächelnd: 
^wo  war  ich  denn  damals?'  Unter  allen  Gefährten  Alexanders, 
welche  die  miterlebte  Geschichte  litterarisch  behandelt  haben, 
verdient  er  darum  am  allerwenigsten  Glauben.  Strabo  XV  1,698 
'man  bollte  Onesikritos  nicht  sowohl  Alexanders,  als  aller  Fabeln 


572  Reuse 

ObereteaermaDD  nennen.  Zwar  haben  alle,  die  um  Alexander 
waren,  eioh  lieber  an  Wunder,  als  an  die  Wahrheit  gehalten, 
doch  scheiiit  dieser  an  Liebe  für  das  Wunderbare  alle  übertroffen 
zu  haben.  Uebrigens  hat  er  auch  manches  Grlaubwtirdige  und 
Wichtige,  wenn  man  ihm  schon  keinen  Glauben  beimisst.'  Den 
Vorwurf  der  Lüge  erspart  ihm  daher  auch  Arrian  VI  2,  3  nicht: 
Onesikritos  hat  auch  darin  gelogen,  dass  er  sich  als  Nanarohen 
ausgiebt,  während  er  doch  nur  Steuermann  war.  Nicht  minder 
hat  er  sich  in  seinen  Berichten  über  Indien  der  üebertreibung 
und  Lüge  verdächtig  gemacht,  doch  ist  er  hier  von  anderen  noch 
überboten  worden:  Strabo  Π  S.  70  (Berger  I  Β  23)  ^Diejenigen, 
welche  über  Indien  schrieben,  haben  sich  als  Lügner  erwiesen, 
vor  allen  Deimachos,  hernach  Megasthenes,  Onesikritos  und  Nearch 
und  andere,  die  solche  Albernheiten  erzählen.  Am  wenigsten 
darf  man  Deimachos  und  Megasthenes  trauen.  Diese  sind  es,  die 
von  Langohren  reden,  von  Leuten  ohne  Mund  und  Nase,  von 
Einäugigen  und  Langfüsslem  und  von  Menschen  mit  zurück- 
geschlagenen Fingern.  Sie  wärmten  auch  den  homerischen  Kampf 
der  Kraniche  mit  den  Pygmäen,  welche  sie  drei  Spannen  lang 
machten,  wieder  auf.  Sie  kennen  auch  die  goldgrabenden  Ameisen, 
die  spitzköpfigen  Pane,  die  Schlangen,  welche  Rinder  und  Hirsche 
mit  dem  Geweih  verschlucken,  worin  einer  den  anderen  zu  wider- 
legen sucht,  wie  auch  £ratosthenes  sagt.^  Ihnen  werden  Pa- 
trokles  und  andere,  nicht  unglaubwürdige  Zeugen,  die  Eratosthenes 
anführt,  gegenübergestellt.  Die  gleichen  Vorwürfe  werden  wieder- 
holt Strabo  XV  S.  702  u.  711,  vgl.  Plin.  VO  21,  sie  hat  auch 
Arrian  offenbar  vor  Augen,  wenn  er  V  4,  3  schreibt:  υπέρ  ών 
έγώ  oÖT€  οίστισι  νόμοις  οιοχρώνται  έν  τήΟ€  τή  HuTTpoqrt 
ανέγραψα  ούτ€  Ιψα  εΐ  br\  τίνα  ατοπα  ή  χώρα  αύτοΐς  εκφέρει 

ovbk  τους  μύρμηκας  τους  τόν  χρυσόν  σφισιν  εργαζομένους. 

Als  Motiv  für  die  unwahren  Erzählungen  wird  vielfach  der 
Wunsch  Alexander  zu  schmeicheln  vorausgesetzt.  So  ist  es  die 
Schmeichelsucht  der  Schriftsteller,  welche  die  Erzählung  von  der 
Königin  der  Amazonen  Thalestris  aufgebracht  hat.  unter  den 
vielen  Geschichtschreibern  reden  gerade  die  wahrheitsliebenden 
nichts  davon,  and  die,  welche  davon  reden,  stimmen  nicht  über- 
ein. Klitarch  sagt,  Thalestris  sei  von  den  kaspischen  Pforten 
und  vom  Thermodon  her  zu  Alexander  mehr  als  6000  Stadien 
weit  gekommen.  Was  aber,  um  des  Königs  Ruhm  zu  mehren, 
verbreitet  worden  —  gesetzt  es  stimmte  alles  überein  —  das 
kennzeichnet   mehr  die  Schmeichelsucht,   als    die  Wahrheitsliebe 


Zur  üeberliefemng  der  Oeschiclite  Alexanders  d.  Or.  673 

derer,  die  es  erfunden  haben  (Strabo  XI  S.  505).  Ihre  Unglanb- 
würdigkeit  giebt  sich  in  dem  Mangel  an  üebereinetimmnng  kund. 
Von  denen,  welche  Alexander  Asien  unterjochen  halfen,  wider- 
spricht oft  einer  dem  anderen.  Da  sie  nun  über  das,  was  sie 
gesehen  haben,  so  verschiedener  Meinung  sind,  was  soll  man  von 
dem  nach  Hörensagen  Berichteten  halten?  (Strabo  XV  S.  685). 
Das  was  von  Bacchus  und  Herakles  gesagt  wird,  hält  Megasthenes 
mit  einigen  für  wahr,  die  meisten  anderen,  darunter  £rat08thenes, 
für  unglaubwürdig  und  fabelhaft  (S.  687).  Nach  solchen  Sagen 
haben  einige  die  Nysäer  zu  einem  Volke  gemacht  und  bei  ihnen 
eine  Stadt  Nysa,  eine  Gründung  des  Dionysos,  und  einen  Berg 
Meros  angenommen,  wofür  sie  sich  auf  den  dortigen  Epheu  und 
die  Weinrebe  berufen.  Zu  Nachkommen  des  Dionysos  machen 
sie  auch  die  Oxydraken  wegen  der  bei  ihnen  wachsenden  Rebe, 
sowie  wegen  der  herrlichen  Bacchuszüge,  bei  denen  die  Könige 
unter  Cymbelnklang  und  in  prächtigen  Gewändern  ins  Feld  rücken. 
Auch  reden  sie  prunkend  von  einem  Felsen  Aornos,  an  dessen 
Fuss  der  Indus  vorbeiflieset  und  welchen  Alexander  beim  ersten 
Sturme  eroberte,  um  nämlich  diesen  zu  erheben,  dass  Herakles 
dreimal  an  diesem  Felsen  angesetzt  habe  und  dreimal  zurück- 
geschlagen sei.  Abkömmlinge  seiner  Kriegsgenossen  seien  die 
Sibier,  die  als  Kennzeichen  ihrer  Abstammung  noch  den  Brauch 
hätten,  sich  mit  Fellen  zu  bekleiden  und  Keulen  zu  tragen,  und 
diese  auch  den  Stieren  und  Mauleseln  aufbrennen.  Unterstützt 
wird  diese  Sage  durch  die  vom  Kaukasos  und  Prometheus;  denn 
diese  haben  sie  vom  Pontes  £uxeinos  hierher  versetzt,  weil  sie 
bei  den  Paropamisaden  eine  heilige  Grotte  fanden.  Diese  wiesen 
sie  als  dan  Gefängniss  des  Prometheus  vor,  hierher  sei  He- 
rakles gekommen  zur  Befreiung  des  Prometheus,  und  dies  sei 
der  Kaukasos,  den  die  Griechen  als  den  Ort  der  Anfesselung  des 
Prometheus  bezeichneten.  Dass  dies  Erfindungen  von  Schmeichlern 
Alexanders  sind,  erhellt  daraus,  dass  die  Geschichten  nicht  mit 
einander  übereinstimmen,  indem  einige  es  wirklich  erzählen,  an- 
dere es  nicht  einmal  erwähnen.  Denn  es  ist  nicht  wahrschein- 
lich, dass  so  berühmte  prahlerische  Geschichten  nicht  einmal  be- 
kannt geworden  sein  sollten,  oder  zwar  bekannt,  jedoch  nicht 
merkwürdig  genug  befunden,  und  zwar  von  den  glaubwürdigsten 
derselben  (Strabo  XV  S.  687).  Die  Herkunft  dieser  Ausführungen 
aus  Eratosthenes  kann  nicht  zweifelhaft  sein,  wir  finden  sie  genau 
80  wieder  Arrian  Indica  2,  4  und  5,  8 — 13  und  Anab.  V  1  ff. 
An  der    letzten  Stelle  wird  c.  3,  1    dieser  ausdrüeklich   als  Uf« 


574  Reu88 

beber  genannt.  Arrian  kann  die  Zweifel  Reines  Gewäbremannes 
nicht  theilen  and  sich  nicht  entRchlieeeen,  die  Erzäblnngen  über 
Dionysos  wenigstens  preiszugeben,  wenn  er  ancb  zngiebt,  dass 
die  Verlegung  der  Prometbenssage  της  'AXeEavbpou  fv€Ka  δόξης 
vorgenommen  ist  (V  o,  3,  vgl.  ^,  3  τά  'AXeEavbpou  αυΕοντ€ς) 
und  das«  die  Mittheilungen  über  Herakles'  vergebliche  Angriffe 
auf  den  Aornosfelsen  eitel  Prahlerei  sind  (IV  28,  2  τον  Ήρακλβα 
ές  κόμπον  του  λόγου  έπιφημΚβσθαι.  Ind.  c.  5,  10  Μακβόονικόν 
κόμπαΟ'μα*.  Trotz  dieses  Zugeständnisses  aber  kann  er  ps  sich 
nicht  versagen,  Alexander  selbst  in  der  Rede  V  25,  3  ff.,  die 
auch  noch  andere  Widersprüche  mit  der  sonstigen  Darstellung 
aufweist  (26,  1),  die  gleiche  Prahlerei  in  den  Mund  zu  legen: 
26,  5  f)  "Αορνος  πίτρα  ή  τψ  ^Ηρακλεϊ  άνάλωτος  προς  ημών 
ίχεταΐ.  Alles,  was  auf  die  Gottheit  und  ihr  Eingreifen  von  den 
Makedoniern  zurückgeführt  wird,  ist  nach  Eratostbenee  Alexander 
zu  Liebe  ins  Masslose  tibertrieben:  V  3,  1  λέγει  ές  τό  ύπέρογκον 
έπιφημκτθήναι.  Das  ist  der  Wortlaut  der  Eratoetbeniecben  Kritik, 
den  Strabo  und  Arrian  festgehalten  haben:  IV  28,  2  έπίφημί- 
ίεσθαι,  28,  4  τφ  μύθψ  πεφημισμένψ ,  V  3,  1  έπίφημισθήναι, 
Strabo  XVI  S.  737  οΐ  Μακεδόνες  κατεφήμισαν,  ΧνΠ  802  (ßerger 
Ι  Β  9)  προσεπιφημισθήναι,  er  kehrt  auch  wieder  bei  der  Be- 
urtbeilung  Homere:  I  S.  22  (Berger  I  Α  12)  τών  μύθιυν  .  .  . 
πεφημισμίνων. 

Trotz  dieser  scharfen  Verurtheilung  spricht  Eratosthenes 
diesen  Gewährsmännern  nicbt  alle  Glaubwürdigkeit  ab.  Wenn 
sie  auch  manches  ans  Schmeichelei  hinzusetzen,  so  geben  sie  doch 
auch  viel  Glaubwürdiges  an.  So  sagt  Ealliethenes,  Alexander 
habe  hauptsäcblich  des  Ehrgeizes  wegen  gestrebt,  zu  dem  Orakel 
des  Juppiter  Ammon  zu  geben,  da  er  gehört,  dass  aucb  Persens 
und  Herakles  dabin  gegangen  seien.  Strabo  XVII  S.  814  knüpft 
hieran  die  Erzählung  des  Kallistbenes  über  Alexanders  Zug  zum 
Ammontempel  und  dessen  Mittheilungen  über  das  Orakel  und  die 
Orakelsprticlie  der  Brancbiden,  wobei  wieder  der  Vorwurf  der 
Schmeichelei  und  Lüge  nicht  unterdrückt  wird:  τούτιυν  κολο- 
κευτικώς  λεγομένων  und  προστραγψδεϊ  bfe  τούτοις  6  Καλλισθένης. 
Wegen  dieser  Inconsequenz  tadelte  Hipparcbos  seinen  Vorgänger 
bezüglich  des  Patrokles  (Strabo  Π  S.  69),  und  in  allgemeiner 
Fassung  ist  dieser  Tadel  ausgesprochen  Strabo  I  S.  47  τά  μέν 
έλεγχων,  τά  hk  πιστεύων.  Eratostbenee  spricht  gegen  solche, 
die  offenbar  Erdichtetes  und  Unmögliches  tbeils  als  wirkliche 
Fabel,  theils  als  Geschichte  vorbringen,   was  zu  erwähnen  nicht 


Zur  Üeberliefening  der  Geschichte  Alexanders  d.  6r.         575 

der  Mühe  lohnt,  weshalb  er  sich  anf  solches  Geschwätz  nicht 
hätte  einlassen  sollen  (Strabo  I  S.  62).  Zu  den  Schriftstellern, 
denen  man  nicht  trauen  kann,  gehört,  wie  wir  sehen,  auch  One- 
sikritos,  gleichwohl  kann  man  seine  Nachrichten  nicht  übergehen, 
da  er  manches  Glaubwürdige  und  Erwähnenswerthe  berichtet 
(Strabo  XV  S.  697).  Wie  sehr  Arrian  diesen  Standpunkt  theilt, 
wird  weiter  unten  dargelegt  werden. 

Der  Einfluss  des  Eratosthenes  tritt  auch  deutlich  zu  Tage 
in  den  Auslassungen,  die  Strabo  XVI  S.  737  über  die  Schlacht 
bei  Gaugamela  giebt.  Da  die  Mak^donier  Gaugamela  als  ein 
elendes  Dorf  antrafen,  Arbela  dagegen  als  einen  ansehnlichen 
Ort,  machten  sie  dies  aU  Ort  der  Schlacht  bekannt  und  über- 
lieferten es  so  den  Geschichtfichreibem,  vgl.  Plut.  Alex.  c.  31. 
Ausführlicher  hat  Arrian,  der  sich  für  Gaugamela  auf  das  Zeug- 
niss  des  Ptolemaios  und  Aristobulos  beruft,  den  kritischen  Ex- 
curs  des  Alexandriners  uns  überliefert:  VI  11,  4 — 6  Gaugamela 
war  keine  Stadt,  sondern  ein  unbekanntes  Dorf  mit  schlecht* 
klingendem  Namen,  deshalb  trug  Arbela  den  Ruhm  davon,  als 
Schlachtort  gewählt  zu  werden.  Arbela  lag  600  oder  nach  an- 
derer Ueberlieferung  500  Stadien  vom  Schlachtfelde  entfernt,  mit 
demselben  Rechte  könnte  man  daher  die  Schlacht  bei  Salamis 
als  Schlacht  von  Korinth  oder  die  Schlacht  bei  Artemision  als 
Schlacht  bei  Aigina  oder  Sunion  bezeichnen.  Arrian  bringt  dies 
nicht  in  dem  die  Schlacht  darstellenden  Abschnitte,  sondern  bei 
Behandlung  der  Frage,  ob  Alexander  im  Lande  der  Ox}draken 
oder  Maller  verwundet  wurde,  schöpft  also  offenbar  aus  einer 
Quelle,  die  sich  über  die  Glaubwürdigkeit  der  Alexander  Schrift- 
steller aussprach.  Eben  daher  stammt  selbstverständlich  das 
ganze  Kapitel  über  die  Verwundung  des  Königs:  VI  11,  2  vieles 
andere  haben  die  Geschichtschreiber  über  die  Verwundung  ge- 
schrieben und  die  Ueberlieferung  hat  es  aufgenommen  nach  dem 
Berichte  derer,  die  zuerst  gelogen  haben;  11,7  das  schwerste 
Versehen  ist  aber  die  Rettung  Alexanders  durch  Ptolemaios, 
der  nach  eigenem  Berichte  gar  nicht  an  jenem  Kampfe  theil- 
genommen  hat. 

Auf  Eratosthenes  wird  auch  die  Zusammenstellung  der  ver- 
schiedenen Zeugnisse  über  den  Tod  des  Kalanos  zurückgehen,  ob- 
wohl Schwartz  (Pauly-Wissowa:  Arrian)  für  Strabo  und  Arrian 
eine  gemeinsame  Quelle  leugnet.  'Von  dem  Mangel  an  Ueber- 
einstimmung  bei  den  Schriftstellern  zeugt  auch  das,  was  von 
Kalanos  gesagt  wird.     Dass  er  zu  Alexander  kam  und  freiwillig 


576  Reuse 

dnrch  Feuer  sieb  tödtete,  dann  stimmen  sie  überein,  aber  nicht 
in  der  Art  und  Weise'  (Strabo  XV  717).  Strabo  will  verecbie- 
dene  Ueberliefernngen  mittheilen,  verspricht  aber  mehr  als  er 
hält.  Nachdem  er  die  Erzählung  Elitarehs  (Diod.  XVU  107) 
vorgetragen  hat,  bemerkt  er,  nach  anderer  üeberlieferung  eei  der 
Inder  nicht  auf  ein  goldenes  Ruhebett  gelegt  worden,  sondern 
auf  einen  Holzstos  in  einem  hölzernen,  mit  Blättern  gefüllten 
Hause,  und  knüpft  daran  den  Tadel  des  Megasthenes  gegen  Ka- 
lanos  und  dessen  Anerkennung  für  Mandanis.  Soweit  stimmt 
auch  Arrian  VII  2  und  3,  1  mit  Strabo  überein,  wird  dann  aber 
eingehender  in  der  Mittheilung  anderer  Abweichungen  über  Neben- 
dinge, die  letzterer  übergeht. 

ün Wahrhaftigkeit  und  Uebertreibnng  sind  also  die  Fehler, 
deren  die  grosse  Menge  der  Alexanderschriftsteller  sich  schuldig 
macht,  sie  lassen  sich  leiten  von  dem  Streben,  dem  Könige  zu 
schmeicheln,  um  so  mehr,  als  dieser  geschmeichelt  haben  will, 
sie  kennen  um  so  weniger  Mass  in  ihren  Fabeleien,  als  sie  von 
weit  abliegenden  Ländern  erzählen,  bei  denen  Niemand  sie  wider- 
legen kann;  nur  der  Umstand,  dass  sie  einander  widersprechen, 
lässt  in  vielen  Fällen  ihre  Lügen  als  solche  erkennen.  Hält 
man  sich  an  diese  Grundzüge  der  Eratosthenisohen  Kritik,  dann 
kann  man  nicht  zweifelhaft  sein,  wem  Arrian  seine  Ansicht 
über  die  von  ihm  benutzten  Quellen  zu  danken  hat.  Ueber  Nie- 
manden haben,  so  erklärt  er  I  1,  so  viele  Schriftsteller  geschrieben, 
wie  über  Alexander  den  Grossen,  bei  Niemanden  stehen  sie  aber 
auch  mit  einander  so  in  Widerspruch,  wie  bei  ihm.  Arrian  hält 
sich  an  Ptolemaios  und  Aristobulos,  beide  haben  an  des  Königs 
Feldzügen  theilgenommen,  beide  aber  nach  des  Königs  Tod  ge- 
schrieben, für  beide  fiel  daher  der  Grund  zur  Schmeichelei  weg, 
weder  Zwang  noch  Aussicht  auf  Belohnung  konnte  sie  ver- 
anlassen, die  Dinge  anders  darzustellen,  als  sie  sich  zutrugen. 
Neben  ihnen  giebt  es  aber  noch  die  Berichte  anderer,  die  nicht 
ganz  unglaublich  und  daher  der  Wiedergabe  nicht  unwerth  er- 
scheinen: ου  πάνττ)  δττιστα,  Π  12,  8  οοθ'  ώς  αληθή  οΰτ€  ώς 
πάντη  δτηστα.  Wo  das  Eingreifen  der  Gottheit  in  Frage  steht, 
kann  Arrian  dem  skeptischen  Eratosthenes  nicht  folgen,  manches, 
was  dem  natürlichen  Verstände  unglaublich  erscheint,  wird  doch 
begreiflich,  wenn  man  göttliches  Walten  annimmt  (V  1,  2).  Solcher 
Glauben  wird  freilich  auf  harte  Probe  gestellt,  wenn  selbst  die 
zuverlässigsten  Gewährsmänner  mit  einander  nicht  harmoniren, 
ψϊβ  III  3,  5;    dann  mnss  er  auf  genaue  Darstellung    versichten 


Zur  Ueberlieferung  der  Geschichte  Alexandere  d.  Gr.  577 

und  kann  nur  yersichern,  dase  eine  Gottheit  dabei  eingegriffen 
habe,  weil  die  Wahrscheinlichkeit  dafür  spreche.  In  solchen 
Fragen  hat  Plutarch  sich  dem  Standpunkt  des  Eratosthenes  mehr 
genähert,  wenn  er  von  dem  Marsche  Alexanders  an  der  pamphy- 
lischen  Küste  schreibt:  AI.  c.  17  ή  6έ  τής  Παμφυλίας  πάρα- 
ορομή  πολλοίς  γέγονε  τών  Ιστορικών  ύττόθίσις  γραφική  προς 
ίκπληΗιν  και  δγκον  ώς  θβίςι  τινι  τύχη  παραχιυρήσασαν  τήν 
θάλασσαν  Άλεζάνόρψ,  während  Arrian  auch  hier  die  Zweifel 
an  dem  Walten  der  Gottheit  für  unberechtigt  hält:  I  16,  2  ουκ 
δνβυ  του  θείου  ^  Trägt  letzterer  aber  auch  Bedenken,  hier  die 
Anschauungen  seines  Gewährsmannes  zu  den  seinen  zu  machen, 
so  folgt  er  doch  sicher  diesem,  wenn  er  von  den  ungereimten 
Lügen  über  die  Inder  spricht,  die  sich  nicht  widerlegen  liessen 
(V  4,  3).  Manche  Fabeleien  über  diese  haben  Alexanders  Feld- 
züge als  solche  erwiesen,  soweit  nicht  einige  seiner  Gefährten 
selbst  Lügen  verbreitet  haben,  sie  haben  dargethan,  dass  die 
Inder  kein  Geld  besitzen  und  nicht  verweichlicht  in  ihrer  Lebens- 
führung sind,  dass  sie  hohen  Körperbau  und  dunklere  Hautfarbe 
als  die  anderen  Völker,  mit  Ausnahme    der  Aithioper,   haben  (V 

4,  4).  Das  ist  ein  Citat  aus  Eratosthenes,  wie  die  Vergleichung 
mit  Eustath.  ad  Dionys.  peripl.  v.  1107  (Berger  fr.  III  Β  16) 
und  Strabo  XV  S.  690  (111  β  12)  ergiebt  (vgl.  auch  Strabo  XV 

5.  695  βελτίους  bk  —  φαμέν). 

In  der  Behandlung  der  Alexandergeschiohte  nimmt  Erato- 
sthenes denselben  Standpunkt  ein,  wie  in  der  Homerfrage,  und 
darin  liegt  ein  weiterer  Beweis  für  unsere  Annahme,  dass  die 
Spuren  der  kritischen  Methode,  wie  sie  bei  den  späteren  Histo- 
rikern vorliegen,  auf  ihn  zurückführen.  Auch  Homer  jagt  nach 
Wundern  (Strabo  I  S.  18),  seine  Mythen  knüpfen  theils  an  wirk- 
liche Oertlichkeiten  an,  theils  werden  sie  nach  erdichteten  Orten 
verlegt  (I  S.  22  τών  μύθων  .  .  .  πεφημισμένων).  Die  Meinung 
derjenigen,  welche  behaupten,  die  Irrfahrt  des  Odysseus  sei  nicht 
erdichtet,  lässt  eich  durch  den  Mangel  an  Uebereinstimmung 
widerlegen  (έΕ  αύτου  του  μή  συμφωνεϊν  έλίγχεσθαι  ψευδό- 
μενους). Das  ist  dasselbe  Argument,  mit  dem  auch  die  Glaub- 
würdigkeit der  Alexanderschriftsteller    in  Zweifel  gezogen  wird. 


^  Kallisthenes,  um  den  es  sich  haudelt,  mag  sich  wohl  ähnlich 
ausgesproüheu  haben,  wie  Xenophon  über  den  Uebergaug  des  Kyros 
über  den  Euphrat:  Anab.  I  4,  18  έ6όκει  6ή  θ€ΐον  cTvai  καΐ  σαφώς 
ύποχωρήσαι  τόν  ποταμόν  Κύρψ  ώς  βασιλ€ύσοντι 

UheiD.  Mua.  f.  Pbilol.  Ν.  F.  LVIl.  <57 


578  Renas 

Nicht  anders  steht  es  mit  der  Behauptung,  man  könne  annehmen, 
der  Dichter  hahe  die  Irrfahrt  des  Odysseus  in  den  Westen  ver- 
legen wollen,  hahe  aher  theils  aus  Mangel  an  genaueren  Nach- 
richten, theils  mit  Ahsicht  seinen  Vorsatz  nicht  ausgeführt,  um 
alles  ins  Furchthare  und  Wunderbare  ziehen  zu  können  (Strabo 
I  S.  26).  Noch  schärfere  Fassung  wird  diesem  Vorwurf  mit  des 
Worten  gegeben:  Homer  stellte  besonders  das  Fernä  als  wunderbar 
dar,  weil  er  hier  am  leichtesten  aufschneiden  könne  (bia  τό  €u- 
κατάψ€υ(Ττον).  Auch  die  Schriftsteller  über  Alexander  nehmen 
es  leicht,  weil  der  Feldzug  des  Königs  bis  zu  den  äussersten  En- 
den Asiens  ging,  das  Entfernte  aber  schwer  zu  widerlegen  ist 
(XI  S.  507). 

Von  den  Schriften  des  Eratosthenes  kann  nur  seine  Geo- 
graphie als  Quelle  für  die  späteren  Darsteller  der  Alexander- 
geschichte in  Betracht  kommen.  Sie  bestand,  wie  Berger  S.  17 
ausführt,  aus  drei  Büchern;  das  erste  enthielt  einen  kritischen 
üeberblick  über  die  Geschichte  der  Geographie  von  den  ersten 
Anfängen  bis  auf  die  Zeit  des  Verfassers,  in  dem  zweiten  wurde 
eine  Darstellung  der  leitenden  Prinzipien  und  Fixirung  der  Pa- 
rallelen gegeben,  dem  dritten  war  die  Eintheilung  und  epecielle 
Behandlung  der  οικουμένη  vorbehalten.  Nach  Berger  beschränkte 
Eratosthenes  sich  im  dritten  Buche  auf  die  Darstellung  der 
äusseren  Umrisse  der  einzelnen  Länder,  so  wie  sie  unter  seinem 
Namen  bei  Strabo  erhalten  sind,  indessen  dürfte  er  in  der  Mit- 
theilung von  geographischem  Material  doch  weiter  gegangen  sein, 
als  Berger  annimmt.  So  läset  in  Strabos  Behandlung  Indiens 
auf  Eratosthenischen  Ursprung  schliessen,  waet  XV  S.  685  über 
die  Widersprüche  bei  den  Schriftstellern  über  Alexander  und 
S.  688  über  die  Lügen  der  Schmeichler  desselben  mitgetheilt 
wird.  Für  Benutzung  des  gleichen  Autors  auf  S.  686 — 688 
spricht  die  Vergleichung  mit  Arrians  Indica:  Megasthenes  über 
frühere  Feldzüge  nach  Indien  =  Ind.  5,  4 — 7;  Nysa  =  Ind.  5,  9; 
Aornos  =  Ind.  5,  10;  Sibier  =  Ind.  5,  12;  Kaukasos  =  Ind. 
5,  10 — 11 ;  eine  solche  Uebereinstimmung  wäre  undenkbar,  wenn 
beide  nicht  diese  Zusammenstellung  schon  vorgefunden  hätten. 
Zwischen  den  von  Berger  als  frg.  III  Β  6  und  III  Β  12  be- 
zeichneten Stücken  Strabos  steht  ein  Abschnitt,  der  Angaben  aus 
Ktesias,  Onesikritos,  Nearchos,  Megasthenes  und  Deimachos  ent- 
hält, auch  diese  finden  sich  bis  auf  die  Notiz  aus  Deimachos  id 
derselben  Reihenfolge  Arrian  Ind.  3,  6 — 8  wieder;  bei  beiden 
kann  es  sich  nur  um  Herübemahrae  dieser  Citate  aus  Eratosthenes 


Zur  Ueberlieferung  der  Oesdiichte  Alexandere  d.  Gr.  579 

bandeln.  Den  angeführten  Fragmenten  entspricht  im  ganzen 
Arrian  Ind.  3,  9 — 6,  9,  hier  liest  man  die  Eratosthenes  (frg.  III 
Β  52)  eigentbümliche  Erklärung  der  Nilanech wellung  (6,  7  u.  8), 
seine  Ansicht  über  die  Regengüsse  in  Indien  (6,  6),  den  Ver- 
gleich zwischen  Indien  und  Aetbiopien  (Berger  fr.  III  Β  16). 
Strabo  und  Arrian  (6)  8)  citiren  Onesikritos  für  das  Vorkommen 
der  Flusspferde  in  den  indischen  Flüssen,  ersterer  wiederholt 
seine  Angabe  XV  S.  707  gewies  nach  derselben  Quelle.  Eben 
daher  ist  aber  auch  XV  S.  692  das  Citat  aus  Nearchos  ent- 
nommen, das  in  demselben  Zusammenhange  auch  Arrian  Ind.  6,  5 
steht  in  einer  Form,  die  deutlich  die  Polemik  gegen  Aristobul 
erkennen  lässt ;  οεται  hk  και  του  θέρους.  Dem  Auszuge  aus 
Eratosthenes  will  Strabo  eine  speziellere  Beschreibung  Indiens 
nach  anderen  Schriftstellern  folgen  lassen,  doch  macht  er  sich 
auch  in  dieser  von  jenem  nicht  frei.  Was  er  S.  691  aus  Nearchos 
mittheilt,  steht  ausführlicher  Arrian  V  6,  4—6,  wo  in  §  2  die 
Eintheilnng  Asiens  in  4  σφραγίδες,  in  §  3  die  Grenzen  Indiens 
nach  Eratosthenes  behandelt  sind.  Bei  der  Erklärung  des  Namens 
in  §  4  zählt  er  wie  Nearch  bei  Strabo  verschiedene  Ebenen  auf, 
die  von  Flüssen  angeschwemmt  sind,  und  citirt  wie  dieser  das 
Wort  Herodots,  dass  Aegypten  ein  Geschenk  des  Nil  sei.  Das 
Citat  ist  von  Nearchs  Worten  unabhängig,  daher  hat  er  es  nicht 
gehabt,  wie  ja  Arrian,  der  Υ  4,  2  schon  Ktesias  angeführt  hat, 
hier  noch  auf  Hekataios  sich  beruft  (vgl.  Strabo  XI  S.  507  ή 
Κτησίφ  ή'Ηροδότψ  καΐ  Έλλανίκψ  και  SXXoic  τοιούτοις).  Auch 
für  Strabo  wird  es  daher  wahrscheinlich,  dass  Nearch  hier  nicht 
direckt  benutzt,  sondern  mit  Herodot  aus  Eratosthenes  herüber- 
genommen ist.  Eine  Nachricht  aus  Ktesias  enthalten  Strabos 
Worte  XV  S.  700:  ώστε  και  έφ'  εκατόν  σταδίους,  ώς  οι  μή 
μετριάίοντές  φασιν  κτλ.  vgl.  Arrian  V  4,  2,  der  V  6,  8  auch 
der  15  Nebenflüsse  des  Indus  gedenkt  (Strabo  aaO.);  auch  hier 
darf  man  daher  Eratosthenes  als  Mittelquelle  betrachten.  Diesem  , 
möchte  ich  auch  Arrian  V  20,8—9  zuweisen;  die  Bemerkung, 
dass  Ptolemaios  nur  bei  dem  Akesines  die  Breite  angegeben 
habe,  weist  deutlich  auf  Benutzung  eines  Geographen  hin.  Wenn 
von  Strabo  XV  S.  705  die  Lebensdauer  der  Elefanten  auf  200, 
nach  Onesikritos  auf  300  Jahre  berechnet  wird,  so  bat  auch  hier 
nicht  er  diese  verschiedenen  Angaben  zusammengestellt,  sondern 
sie  schon  vorgefunden:  Plin.  VI  11  10  vivere  ducenis  annis  et 
quosdam  trecenis.  Aehnlioh  steht  es  mit  Strabo  XV  S.  705  τών 
bi    μυρκήκων   κτλ.  und  Arrian   Ind.  15,  4  u.  5.     In    einem  Ab- 


580  Reuse 

eobnitte  über  die  Jagden  in  Indien  wird  an  die  Bemerkung  Ne- 
arcbe»  er  habe  die  Haut  von  goldgrabenden  Ameisen  gesehen, 
die  Beeobreibung  der  letzteren,  wie  sie  Megasthenes  giebt,  an• 
gescblosBen,  das  führt  zur  Annahme,  dass  auch  hier  die  gemein- 
same Vorlage  eingesehen  ist.  £rato8thenes  wird  ja  als  Quelle 
seiner  Indica  von  Arrian  V  5,  1  ausdrücklich  genannt.  Seine 
Kritik  des  Deimachos,  der  den  Schattenwechsel  im  südlichen 
Indien  leugnete,  steht  Ind.  c.  25,  7  —  8.  Zu  den  Worten,  welche 
Strabü  XV  S.  720  auf  das  Bergersche  Fragment  III  Β  22  folgen : 
πλην  φοινίκων  και  άκάνθης  τινός  και  μυρίκης  sei  auf  frg.  III 
Β  48  (Strabo  XVI  S.  767)  hingewiesen :  φοίνικας  έχουσα  ολί- 
γους και  άκάνθαν  και  μυρίκην  και  ορυκτά  ΰοατα  (ΣκΤπερ  και  ή 
febpuJCTia,  auch  hier  geht  die  Benutzung  des  Eratostbenes  weiter, 
als  sie  von  Berger  angenommen  wird.  Hierher  werden  auch 
Strabos  Mittbeilungen  über  das  Klima  der  Landschaft  Persis 
(XV  S.  727  wo  ein  Fragment  aus  Eratostbenes  sich  anschliesst) 
gehören,- die  Arrian  Ind.  40,  2  —  5  Aufnahme  gefunden  haben  und 
hier  durch  die  Worte:  τήν  hk  TTepaiba  τριχή  νενεμήσθαι  τών 
ώρέιυν  λόγος  κατέχει  von  dem  aus  Nearoh  Entnommenen  ge- 
schieden werden.  Das  Citat  aus  Nearchos  bei  Strabo  XI  S.  524  , 
über  die  Uxier,  Kossäer  und  Marder  steht  auch  Arrian  Ind.  40,  6, 
doch  wird  jener  im  11.  Buche  von  Strabo  gar  nicht  genannt,  und 
es  ist  unwahrscheinlich,  dass  dieser  ihn  dort  eingesehen  hat,  um 
ihm  eine  Notiz  über  die  Kossäer  zu  entnehmen,  üeber  den  Tigris 
handelt  Erat.  fr.  Β  III  38  (Strabo  XV  S.  746)  und  III  Β  31 
(ebendas.),  sowie  HI  Β  32  (Strabo  XI  S.  523),  letzteres  hat 
grösseren  Umfang,  als  Berger  ihm  giebt,  wie  aus  der  völlig 
gleichlautenden  Darstellung  des  Plinius  (VI  31)  ersichtlich  ist. 
Für  Strabo  XVI  S.  748  έν  ή  τιμώσι  τήν  Συρίαν  θεόν  und  XVI 
S.  785  Δερκετώ  b'  αυτήν  Κτησίας  λέγει  ergiebt  sich  die  Quelle 
aus  dem  unter  Eratostbenes  Namen  gehenden  κατα(Ττερ.  c.  38 
.  κατά  τήν  Βαμβύκην  .  .  .  ΔερκετοΟς  ήν  οΐ  περί  τους  τόπους 
οίκουντες  Συρίαν  θεάν  ώνόμασαν.  Von  besonderer  Bedeutung 
für  die  Alexandergeschichte  ist  auch  das  11.  Buch  Strabos,  auch 
in  ihm  hat  man  vieles  als  Eigentbum  des  Eratostbenes  anzu- 
erkennen. So  gehört  ihm  an  die  Tbeilung  Asiens  durch  einen  von 
Westen  nach  Osten  streichenden  Gebirgszug  in  eine  südliche  uod 
nördliche  Hälfte  (vgl.  Π  S.  67,  XI  12  S.  522,  Arrian  Ind.  2,  2, 
Anab.  V  5;  6,  1 — 2),  die  Schilderung  der  Fruchtbarkeit  Hyr- 
kaniens,  die  man  im  gleichen  Wortlaut  auch  II  S.  73  liest.  Die 
Vorstellung,  welche  Eratostbenes  von  dem  kaspischen  Meere  hat, 


Zur  üeberlieferung  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  581 

hat  Arrian  Anab.  V  2β,  1  und  VH  16,  1—3  beeinfluset.  Auf  ihn 
geht  auch  Arrian  III  30,  7 — 9  zurück,  nur  ist  die  in  den  Worten 
και  τόν  Τάναϊν  τούτον  είσΐν  οΙ  .  .  .  ausgesprochene  Ansicht 
diejenige,  welche  von  Eratosthenes  bekämpft  wird.  Ebenso  steht 
es  mit  Strabo  XI  8  (S.  717):  Die  Makedonier  nannten  das  Ge- 
birge, welches  Asien  scheidet,  Kaukasos;  im  Osten  schliessen 
sich  Paropänisos,  Emodos  und  Imaos  an  (Arrian  Ind.  2,  1—9, 
Anab.  V  5).  Verwandt  mit  dem,  was  Plut.  de  fort.  AI.  I  8  aus 
Eratosthenes  angiebt,  ist  auch  das,  was  wir  Strabo  XI  18  S.  526 
über  die  medische  und  persische  Tracht  lesen. 

So  dürfte  Eratosthenes  doch  in  seinen  Mittheilungen  weiter 
gegangen  sein,  als  dies  Berger  zugestehen  will.  Spätere  Be- 
arbeiter der  Alexandergeschichte  fanden  bei  ihm  reiches  Material, 
vor  Allem  aber  fanden  sie  die  Ueberlieferung  kritisch  gesichtet 
und  nach  dem  ihr  zukommenden  Werthe  beurtheilt.  Von  der 
Kritik,  die  er  geübt  hat,  haben  Strabo,  Plutarch  und  Arrian  ihr 
ürtheil  über  die  Geschichtschreiber  der  Feidztige  Alexanders  ab- 
hängig gemacht. 

8.  Aristobul  und  Elitarch. 

Ueber  die  Zeit,  in  welcher  Klitarch  geschrieben  hat,  und 
über  das  Verhältniss,  in  welchem  er  zu  Aristobul  steht,  gehen 
die  Ansichten  auseinander.  Nach  Fränkel  (S.  82)  hat  er  seine 
Alexandergeschichte  vor  diesem  in  den  Jahren  304 — 300  v.  Chr. 
abgefasst  und  ist,  wie  Schwartz  (Pauly-Wissowa:  Aristobulos)  be- 
hauptet, von  ihm  benutzt  worden.  Die  überlieferten  ürtheile 
über  Aristobul  lauten,  von  Lukians  anekdotenhaften  Erzählungen 
abgesehen,  sehr  günstig,  sie  haben,  ausser  bei  Schwartz,  all- 
gemeine Zustimmung  gefunden.  Letzterem  dagegen  ist  er  ein 
hausbackener,  nüchterner  Philister,  der  erst  spät  zur  Feder  ge- 
griffen habe,  sein  Werk  kein  wurzelechtes  Gewächs,  sondern  nur 
ein  Spross  an  dem  grossen  Baum  der  geschichtlichen  und  legen- 
darischen Erzählungen  von  Alexander.  Nicht  allein  Nearch  und 
Onesikrit,  sondern  auch  Klitarch  soll  der  compilirende  Litterat  zu 
Rathe  gezogen  und  in  Kleinigkeiten  bekämpft  haben,  um  die  von 
ihnen  vertretene  Gesammtanschauung  doch  bestehen  zu  lassen  und 
selbst  zu  tibernehmen.  Niese  (Histor.  Zeitschr.  Bd.  79  S.  2  A.  1) 
nimmt  dagegen  Abhängigkeit  Klitarchs  von  Aristobul  an:  'Kli- 
tarch gab  für  den  Beinamen  Soter  des  Ptolemaios  Lagi  die  be- 
kannte Erklärung.  Nun  ist  aber  als  festgestellt  anzusehen,  dass 
dem   Ptolemaios  er^t    nach    seinem  Tode   die  Apotheose  und  der 


5^  Reosi 

ßeioame  Soter  zoerkannt  worden  ist;  «iieeer  lisfft  sich  erat  im 
2b,  Jabre  des  Ptolemaioe  II  zuerst  naehweisen  db.  261  v.  Cbr. . . . 
ΑΙλο  wird  Klitarcb  nicbt  vor  260  v.  Cbr.  freacbrieben  baben, 
womit  stimmt,  dass  er  obne  Zweifel  den  Aristobnl  aos^ebig  be- 
nutzt bat*.  Ein  scbrofferer  Widersprucb  der  Ansiebten  ist  nicbt 
denkbar,  ebensowenig  aber  die  Lösung  der  Qoellenfrage,  ebe  die 
litterariscbe  Frage  der  Priorität  des  einen  oder  anderen  Sebrift- 
stellers  gelöst  ist.  Das  ürtbeil  von  Sebwartz  eracbeint  yon 
voroberein  als  wenig  wabrscbeinlicb.  Aristobnl  sebrieb  am  Ende 
seines  Lebens  nieder,  was  er  selbst  erlebt  nnd  geseben  batte, 
dabei  nabm  er  Bezug  anf  Veröffentlicbungen  von  Zeitgenossen, 
die  vor  seiner  Darstellung  ersebienen  waren,  Klitarcb  dagegen 
ist  an  dem  Erzählten  selbst  nicbt  betbeiligt  gewesen  nnd  be- 
natzte das  Material,  das  andere  vor  ibm  beransgegeben  batten; 
jener  wird  von  den  Alten  wegen  seiner  Zuverlässigkeit  gerubmt, 
dieser  erfäbrt  dagegen  den  scbärfsten  Tadel.  Der  Nacbweis, 
dass  Klitarcb  erst  um  260  v.  Chr.  geschrieben  baben  kann  und 
Aristobnl  benutzt  baben  muss,  lässt  sich  aber  aus  den  erhaltenen 
Fragmenten  und  Berichten  erbringen. 

Das  kaspiscbe  Meer  betrachteten  Alexander  und  seine  Zeit- 
genossen, ebenso  wie  die  Griechen  vor  ihm  (Herod.  I  202,  Arietot. 
meteor.  Π  1,  10),  als  Binnenmeer  (Diod.  XVIII  5,  2,  anders 
Arrian  V  5,  4).  Da  man  Jaxartes  mit  dem  Tanais  gleichstellte, 
kam  man  auf  die  Vermuthung,  kaspisches  Meer  und  palus  Maeotis 
müssten  dasselbe  Meer  bezeichnen  oder  doch  miteinander  in  Ver- 
bindung stehen.  Dies  ist  die  Auffassung  Polyklits,  die  er  mit 
Gründen  zu  erweisen  suchte  (Strabo  XI  S.  509  u.  510).  Auch 
von  Alexander  erzählt  Arrian  VII  16,  2,  er  habe  beabsichtigt, 
durch  eine  Flotte  untersuchen  zu  lassen,  ob  das  kaspiscbe  Meer 
mit  dem  schwarzen  Meer  zusammenhinge  oder,  ein  Busen  des 
grossen  Ozeane  sei,  doch  giebt  er,  wie  schon  die  Worte:  ου  γάρ 
πω  έΕεύρηντο  αΐ  άρχαι  τής  Κασπίας  θαλάσσης  beweisen,  eine 
Auffassung  wieder,  die  der  Zeit  dee  Makedonierkönigs  fem  lag. 
Diese  Untersuchung  führte  später  im  Auftrage  der  Könige  Se- 
leukos  Nikator  und  Antiochus  I  Patrokles  aus  (Plin.  VI  21),  der 
in  dem  genannten  Meer  einen  Busen  des  äusseren  Meeres  sah 
und  es  als  möglich  hinstellte,  von  Indien  ans  in  dasselbe  zu 
segeln  (Patrokles  fr.  3  u.  5  b.  Müller  F.  H.  Gr.  Π  S.  443).  Die 
Autorität  des  Eratosthenes  hat  seiner  AnRicht  allgemeine  Geltung 
verschafft.  Demselben  Kreise  gehörte  auch  die  Vorstellung  an, 
dass  der  Isthmos  zwischen  kaspischem  und  schwarzem  beziehunge* 


Zur  Ueberlieferung  der  Geschichte  Alexanders  d.  6r.  583 

weise  asowschem  Meere  sehr  schmal  sei,  deshalb  trag  sich  Se- 
leakos  mit  dem  Plane  ihn  durchstechen  zu  lassen,  wurde  aber 
vorher  von  Ptolemaios  Keraunos  ermordet  (Plin.  VI  12).  Damit 
vergleiche  man  Klitaroh  fr.  6  u.  7  bei  Müller.  Das  erste  lautet 
bei  Plinius  VI  13  Irrumpit  Scythico  Oceano  in  aversa  Asiae, 
pluribus  nominibus  accolarum  appellatum,  celeberrimis  duobns 
Caspio  et  Hyrcanio.  Non  minus  hoc  esse  quam  Pontnm  Euxinum 
Clitarchus  putat.  Dass  er  wirklich  nur  die  Ansicht  des  Patrokles 
wiedergiebt,  lehrt  Strabo  XI  S.  508  ώς  φησι  ΤΤατροκλής,  δς 
και  πάρισον  ηγείται  τό  πέλαγος  τούτο  τψ  ΤΤοντικώ.  Mit  den 
Gelehrten  und  Technikern  des  Selenkidenhofes  theilt  Klitarch  ^ 
ferner  die  Meinung,  dass  nur  ein  schmaler  Landisthmos  schwarzes 
und  kaspisches  Meer  trenne:  Strabo  XI  S.  491  o\  b'  έπι  το- 
σούτον συναγαγόντες  τόν  Ισθμόν,  έφ'  δσον  Κλείταρχος,  έπί- 
κλυστον  φήσας  il  έκατέρου  του  πελάγους.  Klitarch  muss  da- 
her Patrokles  benutzt  und  nach  ihm  geschrieben  haben,  die  Ab- 
fassung seiner  G-eschichte  kann  frühestens  um  280  v.  Chr.  er- 
folgt seifb. 

Klitarch  ist  bei  Diodor  XVII  75  benutzt  (vgl.  §  7  u.  frg.  8), 
der  über  das  kaspische  Meer  sich  folgendermassen  ausläset :  Ale- 
xander unterwarf  alle  Städte  bis  zum  kaspischen  Meere,  das 
einige  hyrkanisches  nennen,  in  ihm  soll  es  viele  grosse  Schlangen 
geben  und  mancherlei  Fische,  die  sich  in  der  Farbe  sehr  von 
den  unserigen  unterscheiden.  Auch  Plut.  Alex.  c.  44  giebt  die 
Darstellung  Klitarchs  wieder,  dies  beweist  ausser  anderem  die 
mit  Diod.  XVIII  76,  5  und  Curt.  VI  5,  18  gleichlautende  Er- 
zählung von  der  Wegnahme  des  Bukephalas  bei  den  Mardern 
(anders  Arrian  V  19);  er  berichtet:  'Da  Alexander  einen  Meer- 
busen sah,  der  nicht  kleiner  zu  sein  schien,  als  der  Pontos  Eu- 
xeinos,  aber  süsseres  Wasser  hatte,  konnte  er  nichts  Genaueres 
über  ihn  erfahren,  vermuthete  aber,  dass  es  ein  zurückgetretener 
Theil  des  mäotischen  Sees  sei  ,  und  knüpft  daran  die  miss- 
verstandene Bemerkung,  dass  die  Naturforscher  schon  vor  Ale- 
xander (las  kaspische  Meer  (τό  Ύρκάνιον  πέλαγος  και  Κάσπιον 
όμου  προ(Ταγορευόμ€νον)  als  einen  Busen  des  äusseren  Meeres 
erkannt  hätten.     Diodor  und  Plutarch  bringen  Züge  aus  der  Be- 


^  loh  stimme  den  Ausführunßfen  Neumanne  (Hermes  XIX  S.  180  ff.) 
bei,  doch  das  eine  kann  ich  ihm  nicht  zugeben,  dass  Klitarch  nur  die 
An^cbaauDgen  der  Zeitgenossen  Alexanders  vertrete  und  dass  Aristobul 
schon  Patrokles  gekannt  und  benutzt  habe. 


584  Reu8s 

Schreibung  Polyklite,  die  wir  aus  Strabo  XI  509  kennen  und  die 
von  Eratoethenes  bekämpft  wurde,  Plutarcb  verbindet  t$ie  mit 
den  Angaben  des  Patrokles.  Dasselbe  ist  der  Fall  bei  Cnrtius 
VI  4,  16—19.  Man  vergleiche  VI  4,  18  dulcius  ceteris  =  Flut, 
c.  44  γλυκύτερον  τής  δλλης  θαλάτης,  ingentis  magnitudinie  ser- 
pentes  alit  =  Polyklit  frg.  5,  Diod.  XVIl  75,  5,  piscium  in 
eo  longe  diversus  ab  aliis  color  est  =  Diod.  XVII  75,  5 ;  qui- 
dam  Caspium,  quidam  Hyrcaninm  appellant  =  Elit.  fr.  6,  Diod. 
XVn  75,  5,  Plut.  0.  44,  alii  sunt,  qui  Maeotim  paludem  in  id 
cadere  pntent  et  argumentum  afferant  aqaam,  quod  dnlcior  sit 
quam  cetera  maria  =  Polyklit  fr.  5,  Plut.  c.  44;  §  19  a  septen- 
trione  ingens  in  litus  mare  incumbit  longeque  agit  fluotus  et 
magna  parte  exaestuans  stagnat  =  Klitarch  fr.  6  u.  7  (έπίκλυ(Ττον 
φή(Τας).  £t  quidam  credidere,  non  Caspium  mare  esse,  sed  ex 
India  in  Hyreaniam  cadere  =  Patrokles  fr.  3.  Bei  Klitarch  stand 
ein  längerer  geographischer  £xcure,  der  bei  Curtius  bis  zur  Cn- 
verständlichkeit  gekürzt  ist:  VI  4,  16  namque  perpetua  valles 
iacet  usque  ad  mare  Caspium  patens.  Duo  terrae  eitls  velot 
bracchia  excurrunt:  media  flexu  modico  sinum  faoiunt  lunae  ma- 
xime  similem.  Durch  Eratosthenes ,  aus  dem  Patrokles  und 
Polyklit  ja  auch  bei  Strabo  citirt  werden,  kann  er  seine  Angaben 
nicht  erhalten  haben,  dem  steht  die  Erwähnung  der  Amazonnm 
campi  (§  17)  im  Wege,  von  welchen  jener  ja  nichts  wissen  will 
(Fr&nkel  S.  63).  So  bleibt  auch  hier  die  Möglichkeit,  dass  Curt. 
VI  4,  16 — 19  aus  Klitarch  entnommen  ist,  dass  dieser  also  der 
'compilirende  Litterat  *  (Schwärt z)  ist,  der  Polyklit  und  Patrokles 
benutzt  hat.  So  wird  auch  VI  2,  15  nrbs  erat  ea  tempestate 
clara  Hecatompylos  condita  a  Graecis  verständlich,  eine  Mit• 
theilung^  die  in  dieser  Form  in  der  Vorlage  nicht  gestanden 
haben  kann,  vgl.  Diod.  XVH  75,  1  πλησίον  τής  όνομα2[ομ€νης 
Έκατομττύλου.  Weder  Plutarcb  noch  Arrian  erwähnen  die  Stadt, 
und  dies  mit  gutem  Grunde^  da  sie  allerdings  von  Griechen,  aber 
erst  von  Seleukos  Nikator  angelegt  ist  (Appian  Syr.  c.  57).  Auch 
hierdnroh  erweist  sich  Klitarch  als  einer  späteren  Zeit  angehörig. 
Ueber  Hyrkanien  sprechen  Diod.  XVll  57,  4  ff.  (§  7  =  Klitarch 
fr.  8)  und  Curt.  VI  4,  21  u.  22,  des  ersteren  Nachrichten  über 
die  dortigen  Feigen  und  Reben  stehen  auch  Strabo  II  S.  73  und 
XI  S.  508  u.  509,  nur  weicht  dieser  in  einer  Zahlenangabe  (έΕή- 
κοντα)  von  jenem  (δίκα)  ab.  An  der  ersten  Stelle  wird  eine 
Mittheilung  über  den  Oxos  vorgetragen,  die  Eratosthenes  ^of 
Aristobulos  und  Patrokles  zurückführt  (Strabo  XI  S.  .500),  an  der 


Zur  üeberlieferung  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  58«5 

zweiten  wird  das  Zeugnise  Aristobuls  für  eine  Angabe  angeführt, 
die  auch  Klitarch  macht:  πεύκην  bk  και  έλάτην  κα\  πίτυν  μη 
φύ€ΐν,  τήν  bh.  Ίνδικήν  πληθύειν  τούτοις,  vgl.  Diod.  Χ  VI!  89,  4. 
Strabo  hat  wahrscheinlich  Eratoethenee  benutzt,  dieser  aber  Ari- 
stobulos.  Ob  auch  Klitarchs  Darstellung  daher  stammt,  muss 
noch  unentschieden  bleiben,  da  Diodor  XVII  75,  6  und  Curt.  VI 
4,  22  auch  mit  Onesikritos  frg.  3  (Plin.  XII  18)  harmoniren. 
Ausgeschlossen  ist  freilich  nicht,  dass  auch  Aristobul  diesem 
folgte,  sicher  fand  sich  die  gleiche  Mittheilung  schon  in  Strabos 
Vorlage :  U  S.  73  έν  bh.  τοις  bivbpeai  σμηνουρτ€Ϊσθαι  καΐ  τών 
φύλλων  άπο^^€Ϊν  μίλι,  ebenso  XI  S.  509. 

Dass  bei  Curtius  Eratosthenische  üeberlieferung  vorliege, 
ist  angenommen  worden  (zB.  von  Fränkel  S.  23),  ist  aber  nicht 
richtig.  Nach  VII  3,  19 — 22  theilt  das  Kaukasosgebirge  Asien 
in  zwei  Theile,  der  eine  fällt  nach  dem  kilikischen  Meere  usw., 
der  andere  nach  dem  kaspischen  Meere,  dem  Araxesflusse  und 
den  Steppen  Skythiens  hin  ab.  Mit  ihm  hängt  das  Taurosgebirge 
zusammen,  das  in  Eappadokien  sich  erhebt,  Kilikien  begrenzt 
und  in  die  armenischen  Berge  übergeht.  So  bilden  die  Höhen- 
züge einen  fortlaufenden  Gebirgsrücken,  von  dem  die  Flüsse  theils 
nach  dem  rothen,  theils  nach  dem  kaspischen,  theile  nach  dem 
hyrkanischen  und  pontischen  Meere  abfliessen.  Wie  Curtius 
dazu  kommt,  hier  das  kaspische  Meer  und  das  hyrkanische  Meer 
von  einander  zu  scheiden,  ist  nicht  ersichtlich,  möglich  ist,  dass 
er  hier  seine  Quelle  unrichtig  wiedergiebt,  doch  werden  beide  ja 
auch  Aristot.  meteor.  U  1,  10  als  verschiedene  Meere  betrachtet. 
Nun  hat  ja  bekanntlich  Eratosthenes  die  Scheidung  Aiens  in  zwei 
Hälften  durch  das  Taurosgebirge  und  seine  Fortsetzung  behauptet, 
dennoch  kann  weder  Curtius  noch  Arrian  III  28,  5  von  ihm  ab- 
hängig sein.  Die  vorgetragene  Anschauung  bestand  schon  vor 
ihm  (vgl.  Diod.  XVIII  5,  3),  auch  jene  haben  sie  anderswoher 
entnommen.  Beide  bezeichnen  den  Gebirgszug  als  Kaukasos  und 
betrachten  den  Tauros  nur  als  einen  Theil  desselben  (Arrian  III 
28,  5,  Curt.  VII  3,  20  secundae  magnitudinis  mons),  Eratosthenes 
dagegen  bat  für  den  ganzen  Gebirgszug  den  Namen  Tauros  ge- 
braucht: Strabo  II  S.  67  u.  Γ)8  (Berger  III  A.  2  uö.,  Arrian 
Ind.  c.  3,  1  άπό  του  ουρεος  του  Ταύρου,  ϊνα  του  Ίνί)ου  α\ 
πηγαί).  Gegen  die  Alexanderschriftsteller  wendet  er  sich  mit 
scharfem  Tadel,  weil  sie  den  Namen  Kaukasos  auf  das  indische 
Gebirge  übertragen  haben:  Strabo  XI  S.  505,  Arrian  Ind.  2,4  ff., 
dessen  wird   Arrian  erst  Anab.  V  5  inne    und    sieht    sich    daher 


^Ht»  Reuse 

•u  einer  Entschuldigung  veranlasst  (V  5,  3).  Arrian  hat  111 
Ji8»  5  sich  an  Aristobul  angeschlossen,  für  Elitarch,  dem  nicht 
eigene  Beobachtung  und  Erfahrung  zu  Gute  kamen,  wird  das 
Gleiche  angenommen  werden  itaüssen.  üeber  das  Land  der  Paro- 
pamisaden  haben  gemeinsame  üeberliefemng  Diodor  XVII  8,  2 
und  Strabo  XV  S.  725,  wo  sich  auch  vieles  mit  Curtius  Ge- 
meinsame (Vn  2,18;  3,1;  4,25)  findet.  Strabos  Quelle  ist 
aber  Dicht  Klitarch,  sondern  Aristobul,  wie  Arrian  An.  11128,6 
ergiebt. 

Benutiung  des  Eratosthenes  durch  Curtius  könnte  man  auch 
111  1.  13  aniunehmen  geneigt  sein,  da  ersterer  als  Westseite  eine 
neue  Linie,  die  auf  ungefähr  3000  Stadien  bemessene  Entfernung 
v^>m  i9$ischen  Meerbusen  nach  Amisos  einführte  (Strabo  Π  68, 
ΓΗη»  VI  2,  Berger  S.  157),  indessen  behauptet  der  Alexander- 
biv^cr^ph  doch  nichts  anderes,  als  zB.  Strabo  ΧΠ  S.  534  lOTX 
^'  itknrcp  χ€ρρονησου  μεγάλης  !σθμός  ούτος,  σφιγγόμενος  θα- 
λάτταΐς  ουσί  κτλ.  Ebenso  steht  es  mit  Curt.  V  1,  13  duo  milia 
«»t  quingenta  stadia  eraensi  sunt,  qui  amplissimum  intervallum 
oiroa  Armeniae  raontes  notaverunt,  genau  so  Diod.  Uli,  1.  Auch 
Strabo  theilt  dies  mit:  ΧΪ  S.  521  οιέχουσι  bk  αλλήλων  a\  πηγαι 
.  .  .  περί  δισχιλίους  καΐ  πεντακόσιους  σταδίους,  aber  in  Era- 
toHthenes  hat  er  diese  Massbestimmung  nicht  gefunden,  wie  er 
XVI  746  ausdrücklich  ausspricht:  τό  μέν  ουν  μέχχΟΊον  δ  άφί- 
ατανται  διάστημα  άπ'  αλλήλων  τό  προς  τοις  δρεσίν  έστΓ  τούτο 
b*  δν  6Ϊη  τό  αυτό  δπερ  €Ϊρηκ€ν  Ερατοσθένης,  τό  άπό  θαψάκου 
....  έπ\  την  του  Τίγριος  διάβασιν  .  .  .  δισχιλίων  τετρακοσίων 
vgl.  II  S.  80.  Diodor  oder  seine  Quelle  hat  im  zweiten  Buche 
Alexanderschriftsteller  benutzt,  unter  ihnen  ist  auch  Klitarch  ge- 
wesen (Jacoby,  Ktesias  und  Diodor  in  Rhein.  Mus.  XXX  S.  555  ff.)^. 


1  Jacoby  geht  zu  weit,  wenn  er  den  ganzen  Abschnitt  aus  Klitarch 
herleitet,  aber  auch  Ktesias  ist  nicht  direct  benutzt,  wie  Krumbholz, 
Rhein.  Mus.  Bd.  41  S.  321  ff,  Bd.  44  S.  2H7  ff.  annimmt;  nach  Marquart 
(Phil.  Suppbd.  Vi  S.  501  ff.)  ist  Agatharcbides  Diodors  Quelle.  Wenn 
W^agner  (Jahrb.  f.  Phil.  IHi^ß  S.  335)  diesem  auch  Diod.  XVIII  5  zu- 
weisen will,  80  kann  ich  ihm  ebenso  wenig  folgen,  wie  Haake  (Progr. 
V.  Hagen  1884  S.  3),  der  dies  Eratosthenes  zuschreibt.  Gegen  beide 
spricht  XVIII  5,  3  τήν  Ύρκανίαν  θάλατταν  οΰσαν  καθ'  έαυτήν.  Den 
geographischen  Abschnitt  giebt  Diodor  hier,  weil  mit  ihm  seine  neue 
Quelle  di.  Hieronymos  von  Kardia  einsetzte.  Für  diesen  spricht  auch 
§  (i  Ινδική  βασιλ€ία  μ€γάλη  καΐ  πολυάνθρωπος,  womit  auf  das  von 
Saudrokotlos  begründete  indische  Reich  hingewiesen  wird. 


Zur  Ueberlieterung  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  587 

Sicher  ist  es  aber  nicht  zufällig,  wenn  Elitarch  und  Ari- 
stobuloB  hier  wieder  mit  einander  tibereinstinimen:  Diod.  II  11,1 
=  Strabo  XV  S.  739  μετά  γάρ  τους  Ινδικούς  ούτοι  λέγονται 
ί)€υτ€ρ€ύ€ΐν;  denn  dass  Strabo  letzterem  folgt,  ergiebt  die  Ver- 
gleichung  mit  Arrian  VII  2,  21  ff.  Die  Klitarch^sche  Beschrei- 
bung Babylons  (Diod.  II  1,  10;  Curt.  V  1,  24  ff.)  ist  dieselbe, 
der  wir  auch  bei  Strabo  XVI  S.  738  begegnen  (vgl.  Diod.  II  9,  4 
u.  5  und  Arrian  VII  17,  1),  doch  werden  XVI  c.  1  ausser  Era- 
tosthenes  nur  Polyklit  und  Aristobul  namhaft  gemacht.  Benutzang 
Polyklits  ist  bei  Klitarch•  Curtius  ausgeschloesen :  V  1,  12  causa 
fertilitatis  est  humor  qui  ex  utroque  amne  manat,  dagegen  Πολύ- 
κλειτος bl  φησι  μή  πλημμυρεϊν  τόν  Εύφράτην  (Strabo  XVI 
S.  742),  wohl  aber  könnte  sie  für  Aristobulos  zutreffen:  XVI 
S.  740  πλημμυρεϊ  γάρ  ό  Ευφράτης  und  Arrian  VII  21,  2.  Von 
letzterem  stammt  auch  Arrian  VII  7,  3  δθεν  και  τό  βνομα 
Μεσοποταμία  προς  τών  έπιχιυρίιυν  κληΐίεται  (Schwartz  aaO.), 
ihm  schliesst  sich  Curt.  V  1,  15  an.  Dergleichen  Bemerkungen 
finden  sich  bei  ihm  mehrfach,  vgl.  Arrian  III  30,  7  und  frg.  13. 
Auf  ihn,  nicht  auf  Eratosthenes,  geht  daher  auch  Curt.  IV  9,  16 
(genauer  epit.  rer.  Alex.  §  67)  zurück,  obwohl  auch  dieser  für 
den  Namen  Tigris  dieselbe  Erklärung  hatte  (Strabo  XI  S.  529, 
Plin.  VI  31). 

Bei  Aristobulos  hat  die  Geographie  besondere  Berücksich- 
tigung gefunden,  dies  machte  ihn  für  Geographen  wie  Eratosthenes 
als  Quelle  sehr  schätzenswerth.  Auch  Elitarch  hat  von  seiner 
Darstellung  der  durch  Alexanders  Feldzüge  berührten  Länder 
vieles  sich  angeeignet.  Dies  ist  der  Fall  bei  dem,  was  er  über 
den  Fluss  Eydnos  schreibt:  Curt.  III  4,8  u.  5,  1  Cydnus  .  .  . 
quippe  .  .  .  solo  puro  excipitur  und  mediam  Cydnus  amnis  inter- 
fluit  =  Arrian  II  4,  7  ^€i  b\a  μέαχ]ς  της  πολίως  .  .  οΙα  bxa 
χώρου  καθαρού  ^έων,  und  in  gleichem  Masse  bei  seinen  Angaben 
über  den  Pasitigris,  womit  andere  die  vereinigten  Flüsse  der 
Landschaft  Susis  bezeichnen  (Strabo  XV  S.  729),  und  über  das 
Land  der  Uxier:  Curt.  V  3,  1  oritur  in  montibus  Uxiorum  =■ 
Strabo  XV  S.  729  δς  έκ  της  ΟύΗίας  και  αυτός  ^€Ϊ  (Diod.  XVII 
67,  2),  V  3,  3  finitima  Susis  est  et  in  priraam  Persidem  ex- 
currit,  artum  inter  se  et  Susianos  aditum  relinquens,  Diod. 
XVII  67,  2  bia  χώρας  τραχείας  =  Strabo  XV  S.  728  παρεμ- 
πίπτει γάρ  τις  ορεινή  τραχεία  και  απότομος  μεταΕύ  τών  Σου- 
σίιυν  και  της  ΤΤερσίοος,  στενά  έχουσα  δυαπάροδα.  Letzterer 
deckt    sich  in  seiner    weiteren   Darstellung  mit  Arrian  III   17,  1^ 


588  Reuse 

wo  Arietobuloß  benutzt  ist  (Fränkel  S.  272).  üeber  das  östliche 
Europa  und  Westasien  nördlich  des  kaspischen  Meeres  haben 
Aristobul  und  Klitarch  die  gleichen  unklaren  Vorstellungen ;  beide 
unterscheiden  zwischen  europäischen  und  asiatischen  Skythen: 
Arr.  III  8,  3;  IV  1,1:  15,  1 ;  Curt.  VI  2,  13;  6,  13;  VI!  4,  6. 
32;  6,12;  7,2  u.  3,  zwischen  denen  der  Tanais  die  Grenze 
bildet  (Arr.  III  30,  7,  Curt.  VU  7,  2  u.  3).  Für  Aristobul  ist 
dies  verständlich,  Klitarch  aber  tritt  hierdurch  in  Widerspruch 
mit  der  Aneicht  des  Patrokles,  dass  das  hyrkanische  Meer  ein 
Busen  des  nördlichen  Weltmeers  sei,  er  hat  diese  neben  der  älteren 
Anschauung  aufgenommen,  ohne  sie  weiter  zu  berücksichtigen 
und  ohne  die  Identität  von  Tanais  und  Jaxartes  aufzugeben :  Curt. 
VI  4,  19  et  quidam  credidere  etcet.  Den  Zug  Alexandere  nach 
dem  Tempel  Ammons  hat  Aristobul  nach  Kallisthenes  erzählt 
(Arrian  III  3  u.  Strabo  XVII  S.  814),  desgleichen  Klitarch  (Diod. 
XVII  49,  Curt.  IV  7).  Bei  der  Schilderung  der  Oase  Siwah  ist 
manches  aus  Herodot  IV  181  selbst  mit  Beibehaltung  des  Wort- 
lautes entlehnt:  Arr.  III  4,  5  μακρός  ό  χόνδρος,  Herodot  κατά 
χόνδρους  μεγάλους;  Diod.  XVII  50,  5  τήν  πηγήν  χλιαράν,  He• 
rod.  χλιαρόν,  sie  muss  daher  auch  von  Kallisthenes  herrühren, 
der  wiederholt  auf  jenen  sich  bezieht:  frg.  22  auf  Herod.  VI  21, 
frg.  38  και  Καλλισθένης  ήκολούθησεν  αύτψ.  Damit  wird  aber 
die  Vermuthung  von  Schwartz  hinfallig,  dass  Arrian  II Ϊ  4  aas 
Klitarch  geflossen  sei ;  die  Möglichkeit  ist  sogar  nicht  aus- 
geschlossen, dass  diesem  die  Erzählung  des  Kallisthenes  durch 
Aristobul  vermittelt  ist. 

So  wenig  wie  Eratosthenes  haben  auch  Agatharchides  und 
Artemidor  ein  Anrecht,  unter  die  bei  Curtius  benutzten  Quellen 
gezählt  zu  werden,  wie  dies  von  Gutschmid  und  Kaerst  geschehen 
ist.  Es  handelt  sich  um  die  Land  und  Leute  von  Indien  be- 
handelnde Einleitung,  welche  Curt.  VIII  9  der  Erzählung  des 
indischen  Feldzuges  vorausgeschickt  wird.  Aus  der  Aehnlichkeit 
von  §  9  mit  Artemidor  bei  Strabo  XV  S.  719  (Οίδάνης,  boi 
Curtius:  Dyardanes)  folgt  nur,  dass  dieser  ebenfalls  Mittheilungeo 
aufgenommen  hat,  die  in  der  Quelle  des  Curtius  Aufnahme  ge- 
funden haben,  und  etwas  anderes  ergiebt  sich  nicht  aus  der  Ver* 
^leichung  von  §  14  mit  Agatharchides  bei  Strabo  XVI  S.  779. 
Xearch  verwarf  die  schon  von  Ktesias  (Strabo  aaO.)  gegebene  Er- 
klärung des  Namens  'Erythräisches  Meer'  aus  der  Farbe  und 
leitete  diesen  von  einem  Könige  Erythras  her,  weiter  geht  die 
^ittheilung   von    Curt.  VIII  9,  14  u.  X   1,  13  u.   14  nicht,    dazu 


Zar  UeberlieferuDg  der  Geschichte  Alexanders  d.  ßr.  589 

braucbte  er  aber  nicht  Agatharohidee  einzusehen/  Keinerlei  An- 
gabe findet  eich  bei  ihm,  welche  erst  aus  späterer  Zeit  stammen 
könnte,  vielmehr  weisen  alle  auf  die  Alexanderschriftsteller  hin. 
Wenn  §  2  die  üeberlieferung  des  Megasthenes  (Arrian  Ind.  3, 
7  u.  8)  verworfen  wird,  so  wird  von  Cartioe*  Quelle  einer  der 
zahlreichen  abweichenden  Angaben,  die  Strabo  XY  S.  689  auf- 
gezählt werden,  der  Vorzug  gegeben ;  ist  Diod.  II  35,  2  aus  Aga- 
tharchides  entnommen,  so  kann  er  nicht  Quelle  des  Curtius  sein, 
da  er  der  Üeberlieferung  des  Megasthenes  folgt.  Auffallender- 
weise  erscheint  §  10  unter  den  Flüssen  Indiens  der  Ethimandus, 
aber  was  über  ihn  mitgetheilt  wird,  läset  keinen  Zweifel,  dass 
Aristobuls  Etymandros  (δς  biä  των  Ευεργετών  ^έει)  gemeint 
ist:  Arrian  IV  6,6;  Aristob.  fr.  22.  Die  Nachricht,  dass  die 
Inder  auf  Baumbast  Schriftzeichen  geschrieben  haben  (§  15), 
steht  im  Widerspruch  mit  Megasthenes  frg.  22  (Strabo  XV  S.  709), 
aber  im  Einklang  mit  Nearch  (Strabo  XV  S.  717).  Die  Elefanten 
Indiens  sind  nach  §  17  grösser  und  stärker  als  die  afrikanischen 
(Diod.  II  35),  das  licrichtet  auch  Onesikritos  (Strabo  XV  S.  703). 
Mit  Strabo  XV  S.  718  ψήγματα  χρυσού  καταφέρειν  τους  ποτα- 
μούς harmonirt  §  18  aurum  flumina  vehunt,  hier  kann  daher  die 
Entlehnung  aus  Megasthenes  nicht  zweifelhaft  sein,  aus  dem  auch 
die  Nachrichten  über  die  kostbaren  Perlen  in  §  19  geflossen  sein 
können  (Arr.  Ind.  c.  8,  11).  Zu  §  21  lapilli  ex  auribus  pendent, 
bracchia  quoque  et  lacertos  auro  colunt  (vgl.  IX  1,  29),  bietet 
eine  Parallelstelle  aus  Megasthenes:  Strabo  XV  S.  709  (Arrian 
Ind.  10,  5)  und  S.  712  σινί)ονοφορουντα  και  χρυσοφορουντα 
μετρίως  ταΐς  χερσι  καΐ  έν  τοις  ώσί,  zu  §  22  aus  eben  dem- 
selben Strabo  XV  S.  719  κομάν  bk  κτλ.,  zu  §  23  Strabo  XV 
S.  718,  wo  Aehnliches  aus  Klitarch  berichtet  wird.  Für  Be- 
nutzung des  Megasthenes  sprechen  mancherlei  Anzeigen  in  §  28 
und  31,  gegen  ihn  gerichtet  ist  aber  in  §  30  die  Bemerkung: 
cuius  (vini)  Indis  largus  est  usus.  Auch  an  Nachrichten  aus 
Aristobulos  fehlt  es  in  diesem  Abschnitte  nicht.  Die  Pfeile  der 
Inder  sind  nach  Nearch  (frg.  7  bei  Strabo  XV  S.  718  und  Arr. 
Ind.  IH,  7)  drei  Ellen  lang,  nach  §  28  und  IX  5,  9  (namque 
Indis,  ut  antea  diximus,  huius  magnitudinis  sagittae  erant)  haben 
sie  nur  eine  Länge  von  zwei  Ellen.  Letzteres  ist  die  Üeber- 
lieferung des  Aristobulos  frg.  28  διττήχει  το£εύματι.  Stammt 
demnach  Curt.  VIII  9  aus  Klitarch ,  so  muss  dieser  sich  an 
Onesikritos,  Nearch,  Aristobulos  und  Megasthenes  gehalten  haben  ; 
für  Nearch    ist  dies    längst    erkannt  (vgl.  fr.   14  u.  15  mit  Clit, 


590  Reu88 

fr.  15  und  Diod.  XVII  90,  frg.  25  mit  Diod.  XVII  106),  für 
Megasthenes  ergiebt  sich  die  ßenatznng  seitens  Elitarche  aas 
Plin.  VII  2.  Wenn  es  hier  heisst:  Mandorum  (?)  nomen  eis  dedit 
Clitarchus  et  Megasthenes,  so  muss  bei  Clitarch  die  Erzählung 
des  Megasthenes,  dass  indische  Frauen  mit  7  Jahren  gebären 
(Megasth.  fr.  24,  Arrian  Ind.  c.  9,  7),  Aufnahme  gefunden  haben. 
Dieser  kann  daher  erst  nach  Megasthenes,  der  in  Seleukos'  Auf- 
trag in  Indien  gewesen  ist,  seine  Geschichte  Alexandere  ge- 
schrieben haben. 

Klitarch  schliesst  die  Reihe  der  Alexanderschriftsteller  und 
hat  die    endgiltige  Redaction    der   Alexandergescbichte    gegeben, 
wie  sie  für  die  nächsten  Jahrhunderte  massgebend  geblieben  ist 
Dies   lehrt  uns   auch   die  Vergleichung    der  Fragmente    bei    den 
Nachrichten ,    die    nicht    auf    geographische    Verhältnisse    Bezug 
haben.    Wir  sahen,  dass  Aristobul  und  Klitarch  nach  Kallisthenes 
über  den  Zug  Alexandere   nach    dem    Ammontempel    berichteten, 
Spuren    des    Kallisthenes    und  Aristobulos    lässt  Justins  Bericht 
über  die  Schlacht  am  Granikos  erkennen  (XI  0,  11  ff.).    Mit  jenem 
verlegt  er  das  Schlachtfeld  auf   die    campi  Adrastii,   vgl.  Strabo 
XIII  S.  587  '  Αδράστειας  πεδίον  (frg.  20),   mit  diesem  giebt  er 
die  Zahl  der  auf  makedonischer  Seite  gefallenen  pedites  auf  9  an 
(XI  6,  12).     Nach  Aristobul  bei  Plut.  Alex.  16  sind  vom  Heere 
Alexanders  34  Mann,    darunter  9  π€Ζ!θί    gefallen,    eine   Ajigabe, 
die  durch  Arrian  I  16,  4  dahin  ergänzt    wird,    dass  beim  ersten 
Zusammenstoss  25  Keiter  gefallen    seien;    auch  die  9  Mann  von 
der  Infanterie   bedeuten    nur  diesen  ersten  Verlust.     Auch    über 
die  Ehrung  der  Gefallenen    macht  Justin  XI  6,  13   die   gleichen 
Angaben,   wie  Arrian   1  16,  4  und  Plut.  Alex.  c.    16.     Aristobal 
hat  Kallisthenes  theilweise  ausgeschrieben:  Callisth.  frg.  23  (daza 
Strabo   XIII  656    über   Halikarnass)    vgl.   mit  Arr.  I  23;    Call, 
frg.  32    vgl.    mit  Aristob.   frg.  6;    Call.  fr.  36   mit  Arist.  fr.  9. 
Was  dieser  von  Alexanders  Weg  an   der  Küste  Pamphyliens  er- 
zählte, ist  in  die  Darstellung  Aristobuls  übergegangen  (Arrian  I 
26,  2)  und  ebenso  in  die  Klitarchs :    Curt.  V  3,  22  mare  quoque 
novum  in  Pamphylia  iter  aperuerat.     Wie  Kallisthenes,  war  auch 
Onesikritos  Klitarch  bekannt.     Bei   den  Kathäern    stand,    so    er- 
zählt   er    bei  Strabo  XV  S.  699,    die    Schönheit    in    besonderer 
Achtung,  die  Königswürde  wurde  dem  Schönsten  übertragen,  die 
Kinder  wurden    zwei  Monate  nach    ihrer  Geburt  untersucht  und 
nach  dem  Befund  am  Leben  erhalten  oder  getödtet.     Das  Gleiche 
erzählen   Diodor  XVII  91,  4  und  Curt.  IX  1,  24  vom  Lande  des 


Zur  Ueberlieferung  der  Geschicbte  Alexanders  d.  Gr,  591 

Sopeithee,  das  von  Strabo  zur  Kathaia  gerechnet  wird  (Niese  I 
S.  136,  A.  4).  In  gleicher  Weise  ist  Nearchos  von  Klitarch  be- 
nutzt worden:  Nearch  fr.  14  πήχεων  έκκαίΟ€κα,  fr.  15  έκκαώεκα- 
ττήχεις  έχίονας,  Clit.  fr.  15  δφιν  ττηχών  έκκαΛεκα.  Aristobul 
polemisirt  frg.  32  gegen  die  übertriebenen  Angaben  von  der 
G-rösse  der  indischen  Schlangen,  wobei  er  wohl  Nearch  im  Auge 
hat,  und  bezeichnet  eine  kleine  Schlangenart  als  besondere  ge- 
fährlich. Auch  seine  Mittheilungen  hat  Klitarch,  dessen  frg.  15 
u.  16  durch  Diod.  XVII  90  vervollständigt  werden,  verwerthet: 
Arist.  fr.  32  τους  bi  πληγέντας  αίμοβ^οεϊν  έκ  παντός  πόρου 
μετά  έπιυουνίας,  Diod.  XVII  90,  6  τον  bi  πληγέντα  πόνοι  δεινοί 
συνεϊχον  και  ^ύσις  Ιδρώτος  αίματοεώους  κατείχε.  Zur  Heilung 
benutzen  die  Eingeborenen  gewisse  Wurzeln,  üebereinstimmend 
mit  Nearch  frg.  25  schildert  Kleitarch  den  Kampf  der  Flotte  mit 
den  Ungeheuern  des  indischen  Ozeans  (Diod.  XVU  109).  Un- 
verkennbar ist  die  Benutzung  des  ersteren  (frg.  20)  in  Klit.  frg.  21•: 
Oritas  ab  Indis  Arbis  fluvius  disterminat  (Nearch  b.  Sfrabo  XV 
S.  720).  Hi  nullum  alium  cibuni  novere  quam  piscium,  quoe 
unguibus  dissectos  sole  torreant :  atque  ita  panem  ex  bis  faciunt, 
ut  refert  Clitarchus  (Diod.  XVII  105,  4;  Curt.  IX  10,  6  ff.). 
Wort  für  Wort  dieser  Schilderung  finden  wir  wieder:  Arr.  Ind. 
24,9;  28,8  u.  9;  29,12.  Ueber  die  Kleidung  dieses  Volkes 
wird  gesprochen :  Ind.  c.  24,  9  (Strabo  XV  S.  720)  =  Diod.  XVU 
105,  3;  Curt.  IX  10,  10,  über  die  Wohnungen:  Ind.  28,  16; 
30,  9  ;  Strabo  aaü.  =:  Diod.  XVU  105,  5.  Indessen  auch  hier 
fehlt  es  nicht  an  Zügen,  die  für  Aristobul  charakteristisch  sind, 
80  Strabo  XV  S.  721  πίτττειν  bk  τους  δμβρους  έν  τοις  δνιυ 
μέρεσι  τοις  προσαρκτίοις  και  εγγύς  τών  όρων,  wozu  Arrian 
Anab.  VI  25,5  den  bezeichnenden  Zusatz  macht:  καθάπερ  ούν 
καΐ  ή  Ivbujv  γή.  Mit  Hecht  weist  daher  Schwartz  diesem  Arrian 
VI  24,  4—26  zu  ;  selbst  das  Citat  aus  Nearchos  in  VI  24,  2  dürfte 
aus  ihm  entnommen  sein^  lag  es  doch  Arrian  näher,  den  Land- 
weg Alexanders  nach  Aristobul  darzustellen,  als  nach  dem  Be- 
richte des  Nearchos  über  seine  Seefahrt.  Auf  jenen  geht  weiter- 
hin aber  auch  Strabos  Darstellung  XV  S.  722  προς  bk.  τη  όπορίςι 
—  723  εΙς  την  Καρμανίαν  zurück.  Erzählt  wird  hier  die  wunder- 
bare Heilung  des  Ptolemaios,  der  im  Lande  der  Oriten  verwundet 
war.  Justin  ΧΠ  10,3,  Diodor  XVII  103  und  Curt.  IX  8,  20  ff. 
verlegen  dieselbe  nach  Hamatelia,  auch  ist  es  bei  ihnen  eine 
Schlange,  die  Alexander  auf  das  heilende  Kraut  aufmerksam  macht, 
nicht  ein  Mann.    Ueber  die  Zubereitung  des  Heilmittels  sprechen 


592  Reuse 

eich  Strabo  und  Diodor  übereinetimmend  aus:  τρ(βοντα,  Diod. 
XVII  103,  8  τρίψας,  über  die  Verwundung  am  genauesten  Diodor: 
τό  hk  σώμα  κατέπλασε  και  πιεΐν  5ούς,  wonach  also  Justins  'qua 
in  potu  accepta ,  sowie  Curtius*  ^vulneri  imposuit'  (Strabo  έτητι- 
θέναι  τιμ  τριυθέντι)  in  der  gemeinsamen  Vorlage  gestanden  hat. 
Die  Differenz  zwischen  Strabo  und  den  anderen  Berichterstattern 
führt  darauf,  dase  Elitarch  den  Bericht  des  Aristobulos  umgebildet 
hat.  (lenau  dieselbe  Beobachtung  lässt  sich  bei  Klitarch  frg.  16 
und  Strabo  XV  S.  699  machen.  Bei  diesem  bestrichen  die  in- 
dischen Jäger  ihre  Augen  mit  Wasser,  bei  jenem  mit  Honig  (Diod. 
XVII  50,  2),  bei  diesem  benutzen  sie  zum  Fangen  der  Affen 
Säcke,  bei  diesem  Spiegel  und  Sandalen,  aber  trotz  dieser  Diffe- 
renzen ist  bei  Klitarch  selbst  der  Wortlaut  der  Quelle  Strabos 
mehrfach  beibehalten  worden. 

Auffallend    wenig  Berührung   mit  der  Erzählung  Elitarche 
bieten  die  Fragmente  des  Ptolemaios  (Fränkel  S.  247),  damit  er- 
ledigt sich  von  selbst  Müllers  (frg.  S.  74)  Behauptung,  Klitarcbs 
Bestreben  sei  es  gewesen,  dem  Könige  Aegyptens  zu  schmeicheln. 
Ebenso  wenig  kann  man  Fränkel  zugeben,  dass  dieser  sein  Werk 
geschrieben  habe,    um    den  Uebertreibungen  Klitarcbs   entgegen- 
zutreten.    Bei  den  Verlustangaben  von  Issos  berechnet  Arrian  II 
LI,  8  die  gefallenen  Perser  auf  100,000  Mann,  unter  denen  sich 
10,000  Eeiter  befanden;  soll  dies  heissen:  ^zu  denen  10,000  Reiter 
kamen',    dann  giebt  er    dieselben  Zahlen,    wie  Diodor  XVII  36, 
Curt.   III   11,27,  Plut.  AI.  20  (Justin  XI  9,  10).     Man  betrachtet 
sie  als  die  Zahlen  des  Ptolemaios,  doch  bezieht  sich  sein  Zeugniss 
bei  Arrian:    ώστε    \ife\  Πτολεμαίος  nur   auf  die  Worte:    τους 
μετά  αφών  —  φάραγγα  und  er  hat  selbst  gar  keine  Zahlen  mit- 
getheilt.    Ist  Ptolemaios  von  Klitarch  nur  wenig  benutzt  worden, 
dann    ist    dies    um   so    mehr    mit  Aristobulos   der  Fall  gewesen. 
Um  von  den  zahlreichen  Congruenzen  abzusehen,  welche  man  bei 
Arrian    einerseits    und  Diodor -Curtius- Justin    andererseits    auf- 
gedeckt hat  (vgl.  Fränkel  §  12),  will  ich  hier  nur  noch  das  ge- 
meinsame Gut  hervorheben,  das  in  den  Fragmenten  erhalten  ist 
Hierher  gehört  Aristobuls  Erzählung   vom  Tode  Parmenions  bei 
Strabo  XV  S.  724,  die  gleichlautend  auch  Diodor  XVII  80  und 
Curtius  VII  2,  17   geben.     Die    Weissagung,    welche    Antigonos 
von  den  Chaldäern  erhielt  (Arist.  fr.  1),  wird  auch  Diod.  II  31,  2 
mitgetheilt,    hat  also    auch  bei  Klitarch  gestanden.     Den   Inhalt 
von  frg.  7  liest  man  Justin  XI  10,  2.     Bei  Gaugamela  fand  man 
schriftliche  Aufzeichnungen  über  die  persische  Aufstellung  (frg.  12), 


Zur  Üeberlieferung  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  593 

daher  muss  Arrian  III  11,  3 — 7  aue  AriRtobulos  stammen  (Sohwartz 
aaO.) ;  auf  diesen  geht  dann  aber  auch  zaräck,  was  §  8  ff .  über 
die  Aufstellang  des  makedonischen  Heeres  gesagt  wird.  Diodor 
(XVII  57)  und  Curtius  (IV  13,26)  haben  sich  hier  gleichfalls 
an  ihn  angeschlossen,  nur  haben  sie  einzelne  Aenderungen  vor- 
genommen, wie  sie  zB.  beide  schon  die  Abtheilung  der  Argyras- 
piden  erwähnen,  deren  Arrian  erst  VII  11,  3  gedenkt  und  die 
nach  Justin  XII  7,  6  erst  vor  dem  indischen  Feldzug  gebildet 
worden  ist.  Nach  Aristobul  (frg.  18  u.  20)  erzählen  Diodor 
(XVII  83,  7)  und  Curtius  (VE  5,  19)  die  Gefangennahme  des 
Bessos,  nach  ihm  (Arrian  IV  3,  7;  6,  2)  auch  die  Niederlage  des 
Menedemos  (Curt.  VII  7,  31),  aus  ihm  (Arrian  IV  13,5)  stammt 
Cart.  VIII  6,  16.  Eine  Aenderung  hat  erfahren,  was  frg.  28* 
erzählt  wird,  indem  Curt.  VIII  10,  29  (Plut.  AI.  c.  28,  de  fori. 
Alex.  Π  9)  Alexander  selbst  in  den  Mund  gelegt  wird,  was  nach 
Aristobul  Aeusserung  des  Dioxippos  ist. 

Unter  den  Quellen  Klitarchs  befand  sich  auch  Megasthenes, 
von  ihm  stammten  die  von  jenem  übernommenen  (frg.  11)  Er- 
zählungen über  Dionysos  und  Herakles  in  Indien.  Arrian  V  1  ff. 
hat  sie  nachträglich  eingeschoben,  nachdem  er  in  IV  die  Er- 
zählung schon  bis  zu  Alexanders  Ankunft  am  Indus  geführt  hatte, 
er  giebt  V  2,  7  einen  Zusatz,  der  vielleicht  aus  Elitarch  stammt 
(Justin  XU  7,  8  und  Curtius  VUI  10,  16  ff.).  Mit  ihm  stimmt 
überein  die  Darstellung  in  der  epit.  rer.  Alex.  §  36-38  (ed. 
Wagner  in  Jahrb.  f.  Phil.  Supplbd.  26) ,  vgl.  Ind.  1  und  PluU 
Alex.  c.  48.  Fast  bei  allen  Schriftstellern  wird  der  gleiche  Tadel 
gegen  die  griechischen  Dichter  und  ihre  Fabeleien  über  die  Ge- 
burt des  Dionysos  ausgesprochen:  Diod.  Π  38;  Curt.  VIII 10,  17; 
Arrian  Ind.  I  7;  Plin.  VI  23;  Pompon.  Mela  III  66.  hei  Arrian 
wird  angeschlossen  die  Kritik  des  Eratosthenes  (V  3,  1  vgl.  Ind. 
c.  5).  Von  Aristobulos  und  Ptolemaios  können  diese  Erzählungen 
nicht  herrühren,  als  (rewährsmann  für  sie  wird  Arrian  Ind.  c.  5,  2 
ausdrücklich  Megasthenes  namhaft  gemacht,  und  dasselbe  ge- 
schieht auch  Strabo  XV  Ö.  687  και  τά  περί  Ηρακλέους  όέ  καΐ 
Διονύσου  Μεγασθένης  μετ'  όλίγιυν  πιστά  ηγείται,  vgl.  Arr.  Ind. 
8,  6.  Eratosthenes  kritisirt  bei  Arrian  Α  nah.  V  2,  4,  Ind.  5,11  und 
Strabo  XV  S.  678  die  Erzählung  von  Herakles  und  den  Sibiem, 
die  bei  Curt.  IX  4,  2  u.  3  Aufnahme  gefunden  hat. 

Klitarch  hat  also  ausgiebigen  Gebrauch  von  der  Ueber- 
lieferung  der  ihm  vorausgehenden  Schriftsteller  gemacht,  er  ist 
der    compilirende    Litterat,    der    die    Geschichtschreibung    über 

Rheio.  Mus.  f.  Pbilol.  N.  F.  LVII.  38 


594  Rene  8 

Alexander  zu  einem  gewissen  Abschluse  gebracht  bat.  Unter 
seinen  Quellen  stebt  in  erster  Linie  Aristobulos,  der  selbst  nicht 
unabhängig  von  anderen  gewesen  ist,  vgl.  auch  Ühares  frg.  6.  7.  8 
(Arrian  IV  19)  und  9.  Es  ist  daher  erklärlich,  dass  in  den  ans 
Klitarch  abgeleiteten  Berichten  wiederholt  auf  den  Widerspruch 
der  Gewährsmänner  aufmerksam  gemacht  wird  Diod.  ΧΥΠ  22.5; 
23,1;  65,5;  73,4;  besondere  Beachtung  verdient  XVÜ  65,5 
εκουσίως  *Αβο^λήτου  .  .  .  παράγοντος  αύτψ  τήν  πόλιν,  ώς  μέν 
fvioi  Τ€τράφασι,  προστάΗαντος  Δαρείου  .  .  .,  weil  die  Ver- 
gleichung  mit  Curt.  V  8,  8  ^sive  Darei  iussu  sive  sua  sponte'  den 
Beweis  liefert,  dass  die  abweichenden  Angaben  schon  in  der  ge- 
meinsamen Vorlage  gestanden  \  lieber  die  Lebensumstände  Kli- 
^archs  ist  uns  nichts  überliefert  worden,  abgesehen  von  einer 
Notiz  bei  Diog.  Laert.  II  113,  der  zufolge  er  aus  der  Schule  des 
Aristoteles  aus  Eyrene  in  die  des  Megarensers  Stilpo  übergetreten 
ist.  Als  Demetrios  Poliorketes  im  Sommer  307  Megara  eroberte, 
lebte  Stilpo  noch  in  dieser  Stadt,  demnach  müsste  man  annehmen, 
dass  auch  Klitarch  gegen  Ende  des  4.  Jahrhunderte  v.  Chr.  sein 
Schüler  gewesen  ist.  Allzugrosses  G-ewicht  darf  man  indessen 
der  Nachricht  des  Diogenes  nicht  beimessen,  der  Name  Klitarch« 
konnte  leicht  mit  gleichlautenden  (z6.  Klearchos)  verwechselt 
werden.  Sollte  die  Mittheilung  aber  auch  auf  guter  Ueberlieferung 
beruhen,  dann  kann  er  doch  erst  Jahrzehnte  später  mit  der  Ge- 
schichte Alexanders  sich  beschäftigt  haben,  das  ergiebt  sich  aus 
der  Benutzung  des  Megasthenes  und  Patrokles.  Klitarch  war 
der  Sohn  des  Historikers  Deinen,  über  dessen  Lebenszeit  eben- 
falls nichts  bekannt  ist,  aus  dessen  Fragmenten  man  aber  viel- 
leicht auf  Bekanntschaft  mit  der  Ueberlieferung  über  Alexander 
schliessen  darf,  vgl.  frg.  15  bei  Athen.  II  67  und  frg.  16  bei 
Plut.  Alex.  36  mit  Arrian  III  4,  3,  frg.  3  mit  Klitarch  frg.  18. 
Als  Zeitgenossen  Alexanders  sieht  auch  Diod.  II  7,  3  Klitarch 
nicht  an,  wenn  er  schreibt:  ώς  φη(Τΐ  Κτη(Τίας  ό,Κνίδιος,  ώς  5i 
Κλείταρχος  και  τών  ύστερον  μετ'  'Αλεξάνδρου  biaßavrurv  und 
§  4  ίνιοι  τών  νεωτέρων,  *die  welche  nach  Ktesias  mit  Alexander 
nach  Asien  gezogen  waren',  sind  offenbar  die  Autoren,  auf  welche 
Klitarch  sich  berufen  hat. 


^  Curt.  IV  lf>,  12  incertum,  suone  consiiio  an  regis  imperio. 
Kacrst  vergleicht  Arrian  III  13,  3  Κ€λ€ύ€ΐ  und  schliesst  daraus,  die 
Ueberuiustimmung  solle  absichtlich  verdunkelt  werden,  näher  liegt  es, 
auch  hier  Diflferenz  in  der  Ueberlieferung  anzunehmen. 


Zar  Ueberiieferung  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  595 

Nur  gelegentlich  iet  bieher  die  von  Wagner  edirte  epitome 
reram  Alexandri  herangezogen  worden;  sie  ist  durch  zahlreiche 
Irrthümer  des  Epitomators  entstellt»  giebt  aber,  von  einzelnen 
fremden  Zuthaten  abgesehen,  im  ganzen  in  §  1 — 87  die  Ueber- 
iieferung Klitarchs  wieder.  Wagner  hat  in  seinen  Anmerkungen 
sehr  sorgfältig  die  entsprechenden  Parallelstellen  zusammen- 
gestellt, ich  kann  daher  davon  absehen,  dies  noch  einmal  zu  thun 
und  hervorzuheben,  wie  nahe  die  epitome  der  Darstellung  Diodors 
und  des  Gurtius  steht.  Nur  einige  wenige  Stellen  mögen  hier 
Besprechung  finden,  an  denen  der  Epitomator  von  diesen  abweicht 
oder  nur  abzuweichen  scheint;  an  eineinen  Stellen  glaube  ich 
auch  den  sehr  verderbten  Text  richtiger  gestalten  zu  können. 
Wenn  in  §  1  Schwartz  rediisse  für  redegisse  vorschlägt,  so  steht 
dem  Diod.  XVli  77,  4  entgegen,  wo  man  ebenfalls  κεκρατηκέναι 
liest.  Zu  §  2  darf  man  auch  auf  die  Worte  des  Klei  tos  bei  Plut. 
c.  51  την  ΤΤερσικήν  ίώνην  και  τον  διάλευκον  χιτώνα  hinweisen, 
doch  mag  zugleich  erwähnt  werden,  dass  c.  56  τψ  Σπιθριόάτου 
Είφει  nicht  zur  Erzählung  Klitarchs  passt,  da  nach  dieser  nicht 
Spithridates,  sondern  Rosoikes  durch  das  Schwert  des  Kleitoe 
fällt  (Diod.  XVH  70,  7;  Gurt.  VIII  1,  20).  In  §  3  hat  man  für 
Gabisios  nicht  den  Namen  einer  Völkerschaft  herzustellen,  son- 
dern zu  schreiben :  Agrianos  et  hypaspistas  armari  iussit;  in  §  4 
darf  vor  amicitiam  insinuandi  die  Präposition  in  nicht  fehlen. 
Wagners  Erklärung  von  in  agro  regio  in  §  9  halte  ich  für  un- 
möglich und  lese  in  arce  regia,  vgl.  Gurt  Vü  6,  24  praesidio 
inde  (di.  Maracanda)  deiecto,  Arrian  IV  5,  2  o\  hi.  έν  Μαρα- 
κάνοοις  έν  ακρςι  φρουρούμε νοι.  Der  richtige  Sachverhalt  ergiebt 
sich  aus  epit.  13  Graios  oppugnare  destitit.  Auf  einem  Versehen, 
wie  sie  sich  der  Epitomator  mehrfach  zu  schulden  kommen  lässt, 
beruht  es,  wenn  er  §  23  berichtet,  Gattenes  sei  an  Alexander 
ausgeliefert  worden,  er  fiel  im  Kampfe  gegen  Krateros.  FiLr 
castra  praeterit  in  §  32  ist  vielleicht  Bactra  praeterit  zu  lesen. 
Der  Aornosfelseu  hatte  nach  Arrian  IV  28,  3  einen  Umfang  von 
200  Stadien  und  eine  Höhe  von  11  Stadien,  nach  Diodor  XVII 
85,  3  von  100  bezw.  16  Stadien,  Wagner  giebt  es  auf,  ihre 
Ueberiieferung  mit  derjenigen  der  epitome  in  Einklang  zu  bringen, 
und  schreibt  in  §  46  cui  (statt  cuiue)  circuitus  stadium  XVII 
[milia]  erat  in  summo  vertice.  Die  Zahl  17  soll  sich  unzweifel- 
haft auf  die  Höhe  beziehen,  daher  mag  etwa:  cuius  circuitus 
Stadium  G. ,  altitudo  XVII  erat  in  summo  vertice  (vgl.  Gurt. 
VIII  11,  6  cuius summa  in  acutum  cacumen  exsurgunt). 


69()  k  e  u  s  8 

Ueber   die  Streitkräfte    des  Könige  Porue  hat  Diod.  XVII  87,  2 
ganz  andere  Zahlen  als  ep.  §  54  und  Curt.  VIII  13,  Ü,  aber  die 
Veriustangaben  bei  Diod.  XVII  89,  2  α.  3  und  epit.  §  62  sind  die 
gleichen;  die  Differenz  mag  sich  etwa  so  erklären,    dass  Diodor 
nicht  das  Heer,  das  Porus  folgte,  sondern   die  gesammte  Kriege- 
inaoht  seines  Landes  im  Auge    hat;    die  Zahl    der  Reiter    wurde 
freilich    immer    noch  nicht   mit  Curt.  VIII  14,  2  sich  vereinigen 
lassen,  doch  kann  die  Zahl  fehlerhaft  überliefert  sein.    Der  Zahlen- 
differenz  bei  Angabe    der  Elefanten    in    epit.  §  18,  Diod.  XVII 
93,  1,  Curt.  IX  2,  4  ist  gleichfalls  keine  Bedeutung  beizamessen, 
Wagner  findet  aber  auch  einen  Widerspruch  darin,  daee  Alexander 
nach  Curtitts    zuerst   an    den  Hypanis,    dann    zu  König  Phegeos 
gekommen  sei,  während  nach  der  epitome  dieser  den  Makedoniem 
auf  dem  Marsche  zu  dem  genannten  Eluss  sich  anschlieset.     Bei 
dieser  Annahme  haben  Curtius*  Worte  ad  flnvium  Hypanim  pro- 
cessit  (IX  1,  35)  eine  unrichtige  Deutung  erhalten,    sie    sind  zu 
übersetzen:      er    rückte    in   der  Richtung  auf  den  Hypanis  vor*. 
Im  folgenden  §  schlägt  Wagner  aucta  für  pauca  vor,    damit   ist 
wenig  gebessert;   vielleicht  dürfte  passim  die  ursprüngliche  Les- 
art sein  (Plut.  62  6ιέρριψ€ν).     Wie  der  Epitomator  dazu  kommt, 
in  §  70  den  Tod  eines  Sohnes  der  Roxane  zu  melden,    ist  nicht 
ersichtlich;   auch  hier  trägt  nur  er,   nicht  seine  Quelle  die  Ver- 
antwortung für   diese   Nachricht.     Vergebens    bemüht    man   sich 
die  Worte  ad  Eleumezen  zu  erklären,  ich  ändere  sie  in:  ad  coe- 
tum  amnium  oder   fluminum,    vgl.  Curt.  IK  4,  9.     Schwierig  ist 
es,  die  Erzählung  über  Alexanders  Kampf  und  Verwundung  bei 
den  Mallern    aus   einem    der    bekannten  Schriftsteller  ableiten  za 
wollen,  bei  seiner  Darstellung  scheint  der  Verfasser  der  epitome 
Klitarch    ntcht    gefolgt    zu  sein.     Leider    nennt   auch  Arrian  VI 
12,  7  ff.  nicht  die  Vertreter  der  abweichenden  Berichte.    Die  Worte 
oi  μέν  £ύλιυ  πληγέντα  usw.  scheinen    auf  Aristobulus   zu  gehen 
(frg.  28•^),    aber  bei  ihm  wird  der  König  erst  an  der  Brust  und 
dann  am  Halse   verwundet;    ebenso    muss    die  Deutung  von  §  8 
auf  Klitarch    als    zweifelhaft  erscheinen,    da   die  Worte    Ευνανα- 
βήναι  ΆλεΕάνορψ  κατά  την  κλίμακα  όμοϋ  Π€υκίστ()ΐ  im  Wider- 
spruch mit  Diod.  XVII  99,  8    bi'  έτερας   κλίμακος  προσαναβάς 
und  Curt.  IX  5,  7  stehen.     Unvereinbar  mit  Diodor,  Cartius  und 
Justin  ist  auch  die  Darstellung  des  Kampfes  bei  dem  Epitomator, 
bei  jenen    springt  Alexander   zunächst  allein  in  die  Stadt  (XVII 
99,  1  καθήλατο    μόνος,  Justin  XII  9,  5   sine  ullo  satellite)    und 
wird  durch  einen  Schuss  in  die  Brust  verwundet,  ehe  die  Freunde 


Zur  Üeberlieferung  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  597 

zu  Hilfe  kommen,  bei  diesem  ersteigt  er  mit  3  Gefährten  die 
Mauer,  springen  dieselben  mit  ihm  in  die  Stadt  hinab,  wird  Leon- 
natos  am  rechten  Schenkel  (Curt.  IX  5,  17  cervice  graviter  icta), 
Alexander  an  der  Brust  und  dann  am  Halse  verwundet.  Das  ist 
die  Erzählung  des  Aristobnlos,  der  Plut.  Alex.  c.  63  folgt:  ώς 
elbov  αυτόν  μετά  buoiv  υπασπιστών.  Dabei  finden  eich  auch 
in  der  Klitarch'sohen  üeberlieferung  Züge,  die  sie  mit  der  Er- 
zählung Aristobuls  gemeinsam  hat,  zB.  Curt.  IX  5,  3  forte  ita 
libraverat  corpus,  ut  se  pedibus  exciperet,  Plut.  Alex.  c.  63  κατά 
τύχην  ορθός  ίστη,  IX  5,  9  sagittam  dnomm  cubitomm.  Aristo b. 
frg.  28*.  Auch  die  Vergleiohung  mit  Plut.  de  fort.  Alex.  I  u.  Π 
bringt  keine  Klarheit ;  hier  kämpft  Alexander  zuerst  allein  (II 
13  ώς  έώριυν  ?να),  wird  der  Kampf  bald  ins  Land  der  Maller 
(i  2 ;  II  9),  bald  der  Oxydraken  (11  13)  verlegt,  werden  Ptole- 
maios  (I  2;  II  13),  Limnaios  und  Leonnatos  (II  13)  als  Retter 
des  Königs  genannt.  Zu  den  hier  benutzten  Quellen  gehört  Ari- 
stobulos,  neben  ihm  sind  aber  auch  andere,  wie  zB.  Ptolemaios 
(II  7  που  ol  δράκοντες)  zu  Rathe  gezogen.  Ein  deutliches  Bild 
gewinnen  wir  nur  von  der  üeberlieferung  Aristobuls,  darnach 
scheint  es  unzweifelhaft  zu  sein,  dass  diese  auch  in  der  epitome 
vorliegt.  Der  Inhalt  von  epit.  §  79 — 84  deckt  sich  vollständig 
mit  Plut.  Alex.  c.  64,  doch  ob  er  von  Klitaroh  stammt,  muss 
unentschieden  bleiben.  Erst  von  §  84  an  treflPen  wir  wieder 
nachweisbar  auf  neine  Spuren  ^  Für  das  fehlerhafte  in  Ophiorum 
war  gewiss  in  ostio  fluminis  (finm)  geschrieben,  vgl.  Curt.  X 
1,  11  insulam  ostio  amnis  snbiectam.  Ueber  den  Inhalt  von 
§  87  flP.  vgl.  Wagner  aaO. 

Gegen  den  Ausgang  der  römischen  Republik  stand  die 
Alexandergesohichte  Klitarchs  in  höchstem  Ansehen,  Sisenna  hat, 
so  erzählt  Cicero  de  leg.  I  2,  an  seinem  Vorbilde  sich  gebildet, 
Caelius  Rufus  ihn  aufs  eifrigste  studirt  (ad  famil.  V  10).  Diodor, 
Trogus  Pompeins  und  Curtius,  welche  in  der  nächsten  Zeit  die 
Geschichte  Alexanders  behandelten,  haben  daher  in  erster  Linie 
ihm  sich  angeschlossen.  Wie  weit  sie  ihn  direct  benutzt  haben, 
soll  hier  nicht  untersucht  werden,  auszuscheiden  ist  jedenfalls 
eine  Mittelquelle,  welche  die  Darstellung  Aristobuls  und  Klitarchs 


1  Kaerst,  Diseert.  §  3  iet  dor  Aneicht,  Curtius  Erzählung  (IX 
8,  30  ff.)  sei  aus  der  bei  Arrian  (VI  18,  4  f.)  entweder  mit  Absicht  oder 
aus  MiRsverständniss  umgebildet  worden;  auch  epit.  §84.  85.  86  giebt 
dieselben  NachrichtiiTi,  wie  Curtius,  theilweise  mit  den  gleichen  Worten. 


598    Reue 8  Zar  Ueberlieferong  der  Geeohichte  Alexanders  d.  Gr. 

contaminirt  hätte,  da  dieser  selbst  sobon  die  Geschichte  des 
ersteren  zur  Grandlage  seiner  eigenen  Bearbeitung  gemacht  hatte. 
Als  Mittelqnelle  muss  auch  Timagenes  ausser  Betracht  gelassen 
werden,  von  ihm  können  nur  einleitend  die  Stifter  der  einzelnen 
Dynastieen  und  ihre  Thätigkeit  unter  Alexander  in  seiner  Könige* 
gesohichte  behandelt  worden  sein.  Strabo  theilte  mit  seinen 
Zeitgenossen  die  Werth Schätzung  Klitarchs  nicht,  nur  an  5  Stellen 
seiner  Geographie  erwähnt  er  den  Namen  desselben;  man  setzte 
Zweifel  in  seine  Glaubwürdigkeit  (Qnint.  X  1,  75)  und  kehrte 
zum  Urtheile  des  Eratosthenes  zurück,  der  Plolemaios  und  Ari- 
stobulos  vor  allen  anderen  den  Vorzug  zuerkannt  hatte.  Seinem 
Urtheile  schlössen  sich  Arrian  und  theilweise  auch  Plutarch  an, 
bei  beiden  begegnet  uns  daher  der  Name  Klitarchs  an  keiner  ein- 
zigen Stelle.  Wenn  man  eine  besondere  Alexandergeschichte 
Strabos  annehmen  zu  müssen  glaubte,  um  die  zahlreichen,  auf- 
fallenden üebereinstimmungen  bei  den  Letztgenannten  daraus  zu 
erklären,  so  entbehrt  diese  Annahme  der  Berechtigung,  Strabo, 
Plutarch  und  Arrian  sind  in  der  Wer thbem essung  und  Auswahl 
ihrer  Quellen  bestimmt  durch  die  Kritik  des  grossen  alexandri- 
nidchen  Gelehrten. 

Köln.  Friedrich  Reuss. 


ZUR  ROEMISCHEN  ELEGIE 


1. 

ünerschöpfliob  ist  in  der  römisohen  Elegie  das  Thema  der 
Eifersucht.  Man  kennt  die  Leidenschaftlichkeit,  mit  welcher  sie 
sich  änssert.  Erbrochene  Thüren,  zerrissene  Gewänder,  zerraufte 
Haare,  zerschlagene  und  zerkratzte  Gesichter  —  ista  decent  pueros 
aetate  et  amore  calentes  (Ov.  a.  a.  III  571).  Süss  ist  es,  solche 
Ausbrüche  der  Eifersucht  von  der  Geliebten  ertragen  zu  dürfen 
(Tib.  I  6,  69  flP.  —  Prop.  III  8,  5  flp.  R.  —  Ov.  Am.  I  7,  63  ff.; 
a.  a.  II  451  f.).  Properz,  der  wiederholt  fingirt  (III  8.  IV  8), 
sie  von  Gynthia  erfahren  zu  haben,  sieht  darin  die  sicherste 
Bürgschaft  für  die  Echtheit  der  Liebe,  die  sich  durch  Kämpfe 
nur  um  so  reizvoller  gestaltet.  'Aei  γαρ  παις  ήδίους  a\  τών 
έρώντιυν  μ€θ'  υβριν  κολακεϊαι  δοκουσιν  (Aristaen.  Ερ.  II  14  Η.). 
Er  selber  freilich  bekennt  sich  über  die  Anwendung  solcher  Ro- 
heit erhaben  und  will  sie  dem  άγροΐκος  überlassen  (II  5,  21  ff.)  ^, 
wie  Tibull  dem  rauhen  Krieger  (I  10,  65  f.).  Genug,  wenn  der 
Liebende  der  Geliebten  den  Rock  zerreisst,  ihr  Haar  verwirrt 
und  sie  zum  Weinen  bringt  (Tib.  I  10,  61  ff.  —  Ov.  Am.  I  7, 
45—48).  Ovid  hält  Am.  I  7  eine  förmliche  Anklagerede  gegen 
sich  selbst,  weil  er  es  gewagt  habe,  der  Geliebten  die  Haare 
auszureissen  und  ihre  Wangen  blutig  zu  schlagen^.  Siegreich 
bekämpft  er  Am.  11  5,  durch  den  Anblick  ihrer  holden  Scham 
gerührt,    die  Versuchung   die  Treulose   zu  züchtigen  ^    und  Am. 


1  Vgl.  Ribbeck  Agroik.  S.  32.  Kock  Com.  Att.  fr.  III  S.  28. 
Hauptsächlich  nach  dieser  Properzstelle  ist  der  wilde  Timanth  ge- 
zeichnet, von  dessen  Jähzorn  Pausias  und  sein  Blumenmädchen  in 
Goethes  schöner  Elegie  sich  unterhalten. 

2  Vgl.  Tib.  I  6,  73  f.;  Ov.  Am.  I  7,  1  ff.  23  ff.  —  Ov.  a.  a.  II 
169  ff. ;  Prop.  FV  5,  31  f. 

8  Vgl.  Tib.  1  10,  59  f.;  Ov.  Am.  II  5,  11  f.    I  7,6. 


600  Wilhelm 

II  7,  7  giebt  er  vor,  den  Nagel  seines  Mjldohens  in  seinen  Haaren 
zu  verspüren,  sobald  er  eine  andere  lobe*. 

Die  Abhängigkeit  der  römischen  Elegiker  untereinander, 
insbesondere  diejenige  des  Ovid  von  Tibull,  soll  hier  nur  an- 
gedeutet sein,  aber  nicht  ausführlicher  besprochen  werden:  vgl. 
Jahrb.  f.  Phil.  1895  S.  117  f.  In  der  griechischen  Komödie 
findet  sich  das  Motiv  der  Misshandlnng  der  Geliebten,  soweit  ich 
sehe,  zuerst  bei  Aristoph.  Plut.  1013  ff.,  wo  die  verliebte  Alte 
von  dem  jungen  Manne,  der  sich  einst  von  ihr  aushalten  liess  und 
den  ihr  Plutos  durch  Ausschüttung  seines  Reichthums  entzogen 
hat,  folgendes  berichtet: 

μυστηρίοις  bk  τοις  μεγοίλοις  όχουμ^νην 
έπΙ  της  άμάΕης  δτ€  προσέβλεψέν  μέ  τις, 
έτυτττόμην  5ιά  τουθ'  δλην  τήν  ήμέραν. 
οοτιυ  σφόδρα  ίηλότυττος  ό  νεανίσκος  ήν. 

Eingehend  ist  es  von  Menandros  in  den  Komödien  ΤΤερικειρομενη 
(di.  die  Geschorene,  zum  Zeichen  der  Schmach  durch  Beraubung 
des  Kopfhaars  Entstellte)  und  'Ραπιίομένη  verarbeitet  worden^: 
vgl.  Huschke  Anal.  crit.  in  Anthologiam  Graeoam.  Jenae  et 
Lips.  1800  S.  171  ff.  und  dazu  Meineke:  Menandr.  et  Philem. 
rell.  p.  136  ff.;  ßibbeck,  Alazon  S.  39;  Dziatzko  in:  Jahrbb.  f. 
class.  Phil.  27.  Supplbd.  Leipz.  1900  S.  123  ff.  β.  Bei  Theokr. 
Id.  14,  34  ff.  erzählt  Aischines  dem  Tbyonichos,  wie  er  beim  Ge- 
lage seiner  Geliebten  Kyniske  aus  Eifersucht  zwei  Schläge  ins 
Gesicht  versetzt  habe  (πύΕ  έπι  κόρρας  Ήλασα,  κδλλαν  αύθις), 
so  dass  sie  auf  und  davon  gelaufen  sei,  und  wie  ihn  hinterher 
die  alte  Liebe  zu  ihr  gequält  habe  (v.  3.  50  ff.) ;  vgl.  Calpurnius 
Ecl.  3,  28  ff.  Noch  belangreicher  ist  das  Trostgedicht  des  Bufinus 
A.  P.  V  41  (vgl.  ebd.  43)  auf  eine  zerbläute  und  herausgeworfene 
treulose  Schöne,  dessen  Anfang  (Τις  γυμνήν  ουτιυ  σε  και  ίΐέ- 
βαλεν  και  fbeipev;  Τίς  ψυχήν  λιθινην  είχε  και  ουκ  f βλέπε;) 
eine  gewiss  nicht  zufällige  Aehnlichkeit  mit  Tib.  I  10,  59  f.  (A, 
lapis  est  ferrumque,  suam  quicumque  puellam  Verberat)  aufweist; 
vgl.  auch  das  proripi  vias  bei  Tib.  I  6,  72.     Ferner  gehört  hier- 


*  Vgl.  Tib.  I  β,  β9  f.;  Ον.  Am.  II  7,  7. 

δ  Anders  war  der  Inhalt  des  Γεωργός.  Vgl.  Dziatzko  im  Rhein. 
Mue.  54,  1899  S.  497  ff.;  55,  1900  S.  104  ff. 

^  Eine  ^απι2[ομένη  καΐ  π€ρικειρομένη  ist  die  Magd  der  schönen 
Sismonda  bei  Boccaccio  Dec.  VII  8;  vgl.  Landau,  Die  Quellen  des  De• 
kameron2  S.  132. 


Zar  römischen  Elegie  601 

her  dae  Epigramm  des  AgathiaR  Scholastikos  A.  P.  V  220  έπί 
τινι  Κλεοβούλψ  την  παλλακήν  άποκείραντι  und  die  reuevolle 
Palinodie  des  Paulus  Sileutiarus  A.  P.  V  248  (^Q  παλάμη  πάν- 
τολμ€,  σύ  τόν  παγχρύσεον  ίτλης  ΆπριΗ  ορα^αμένη  βόστρυχον 
αύ€ρύ(Ται  κτλ.),  deren  Verwandtschaft  mit  der  oben  erwähnten 
ovidischen  Elegie  Am.  I  7  unverkennbar  ist.  Aebnlioh  wird  in 
Menandros'  ΤΤ€ρικ€ΐρομένη  die  Klage  des  jähzornigen  Polemon 
gelautet  haben,  der  nach  dem  Zeugniss  des  Philostratoe  Ep.  16 
nach  verübter  That  κλάει  κα\  μεταγιγνώσκει  τφ  φόνψ  τών 
τριχών. 

Nach  Huschke  aO.  haben  die  römischen  Elegiker  den  Vor- 
wurf der  Züchtigung  der  Geliebten  durch  den  eifersüchtigen  Lieb- 
haber direct  ans  Menandros  entnommen.  Jeder  Kundige  weiss, 
dass  die  augusteischen  Dichter  die  Dramen  des  Menandros  gelesen 
haben,  und  die  Möglichkeit  einer  unmittelbaren  Beeinflussung  der 
lateinischen  Elegiker  durch  den  griechischen  Komiker  muss  auch 
hier  zugegeben  werden*^.  Aber  die  Thatsache,  dass  jenes  Motiv 
bei  den  spätgriechischen  Epigrammatikern  begegnet^,  läset  kaum 
einen  Zweifel,  dass  es  auch  in  der  hellenistischen  Elegie,  der  er- 
giebigen Quelle  för  jene®,  verbreitet  war  und  dass  es,  wie  so 
viele  der  den  römischen  Elegikern  gemeinsamen  Motive,  haupt- 
sächlich durch  Vermittlung  der  hellenistischen  Elegie,  die  ihrer- 
seits aus  der  Komödie  —  und  nicht  zum  wenigsten  aus  der  me- 
nandrischen  —  schöpfte  ^®,  in  der  römischen  Elegie  lüingang  ge- 
funden hat^i.  So  hat  wohl  auch  Ovid  Am.  I  7,  von  dem  Vor- 
bilde des  Menandros  abgesehen  ^^  eine  Elegie  aus  alexandrinischer 
Zeit  und  zwar  vermuthlich  die  nämliche  benutzt  wie  Paulus 
Silentiarius  aO.,  der  nicht  für  einen  Nachahmer  der  lateinischen 
Dichter    gelten    darf  ^^     Auf  ein  alexandrinisches  Muster  dieser 


7  Vgl.  Leo,  Plautin.  Forsch.  S.  129  [und  Rhein.  Mus.  55,  604  ff.]. 

8  Vgl.  auch  Philoetr.  Ep.  61. 

ö  Vgl.  R.  Bürger,  De  Ovidii  carminum  amatoriorum  inventione 
et  arte.     Guelf.  1901,  S.  8. 

^®  Vgl.  V.  Hoelzer,    De  poesi  amatoria  a  comicis  atticis  exculta, 
ab  elegiacis  imitatione  expressa.    Pars  prior.    Marp.  Catt.  1899. 

^^  Nicht  beweiskräftig  hierfür  ist  Ov.  Her.  19,  81  ff.  (Acontius 
anCydippe),  weil  Ovid  hier  von  den  lateinischen  Dichtern  abhängig  ist. 
Vgl.  Zingerle,  Ovidiue  und  sein  Verhältnies  zu  den  Vorgängern  und 
gleichzeitigen  römischen  Dichtern.     1.  Theil,  S.  96  f. 

12  Vgl.  Bürger  aO.  S.  23. 

"  Vgl.  Mallet,  Quaest.  Prop.  S.  0. 


602  Wilhelm 

Art  dürfte  ferner  das  Tiballische  (I  10,  57  f.)  Bild  des  Amor, 
der  in  gemächlicher  Gleichgiltigkeit  zwischen  den  Streitenden 
sitzt  (vgl.  Theokr.  Id.  1,  32—38  und  Chariton  I  1,  4  Φιλόνεικος 
b'  έστιν  6  "Ερως  και  χαίρει  τοις  παραδόΕοις  κατορθώμασιν), 
zurückzuführen  sein.  Wird  man  fehlgehen,  wenn  man  annimmt, 
dass  auch  die  komische  Figur  des  miles  gloriosue^^,  der  aus 
Eifersucht  auf  geradezu  barbarische  Weise  gegen  die  Geliebte 
loszieht  —  ein  solcher  Barbar  in  Weibsgestalt  ist  Cjnthia  bei 
Prop.  IV  8,  55  ff.^^  —  bereits  in  der  alexandrinischen  Elegie 
vorgekommen  ist?^® 

2. 

Jahrb.  f.  Phil.  1892  S.  614  ff.  habe  ich  begründet,  warum 
ich  die  Auffassung,  dass  sich  Tibull  I  2  beim  Gelage  befinde, 
nicht  theile.  Mag  sich  das  Motiv  des  unglücklich  Liebenden, 
der  beim  Becher  unter  Freunden  Trost  sucht,  aber  seine  Leiden- 
schaft nur  noch  mehr  erhitzt,  so  dass  er  jammert,  weint,  schreit, 
vor  Erschöpfung  einschläft  und  von  den  Genossen  theils  be- 
mitleidet theils  verlacht  wird,  in  der  hellenistischen  Elegie  auch 
Öfter  vorgefunden  haben  (vgl.  Asklepiades  A.  P.  ΧΠ  135.  Kal- 
limachos  A.  P.  XII  134.  Alkiphron  135,2.  Prop.  III  25,  1"), 
das  Tibullische  Gedicht  an  und  für  sich  betrachtet  besagt  nichts, 
was  die  Annahme  einer  solchen  Situation  nothwendig  macht ^^ 
Unmittelbarer » und  ergreifender  erscheint  mir  die  Wirkung  des 
Gesanges,  wenn  ich  mir  vorstelle,  dass  ihn  der  Dichter  leibhaftig 
vor  der  Thür  der  Geliebten  vorträgt  —  άνήνυτα  προσκαρτερών 
και  θυραυλών  .  .  .  kereuuiv  .  .  .  ταΟτα  δή  τα  μυριόλ€κτα  και 
συνήθη  προς  τά  παιδικά  τοις  έρώσιν  (Aristaen.  Π  20).  Nicht 
als  ein  bloss  gedachtes,  sondern  als  ein  wirkliches  πάρα* 
κλαυ(Τ{θυρον  —  nach  conventioneller  Art  —  giebt  sich  die 
Dichtung.  Der  Ansicht,  dass  die  Scene  von  Anfang  bis  zu  Ende 
vor  Delias  Thür  zu  denken   sei,   ist  auch  Hoelzer  aO.  S.  61  fi., 


1*  Tib.  I  10,  65  f. ;  Hoelzer  aO.  S.  74  f. 

^^  Vgl.  Lukianos  D.  mar.  9.  15. 

^^  üeber  das  Motiv  des  Erbrechens  der  Thür  (θυροκοπήσαι)  vgl. 
Leo  aO.  S.  140  und  Hoelzer  aO.  S.  68  f. 

^"^  Risus  eram  positis  inter  convivia  mensis;  vgl.  Leo,  De  Horatio 
et  Archilocho.  S.  10  f. 

^^  Auf  das  Argument,  dass  v.  1  die  Anrede  puer  nicht  enthalte, 
will  ich  kein  Gewicht  mehr  legen;  vgl.  Kallimaohos  A.  P.  ΧΠ  51. 
Meleagros  A.  P.  V  136. 


Zur  römischen  Elegie  603 

nur  dase  er  sich  mit  Rücksicht  aaf  die  Beziehung  zwischen  Ko- 
mödie und  Elegie,  wie  sie  in  diesem  Gedicht  mehrfach  hervor- 
tritt, nach  Dissens  Vorgang  den  Dichter  gleich  dem  Phaedromus 
im  Eingang  des  Plautinischen  Curculio  in  Begleitung  eines  mit 
Wein  und  den  erforderlichen  Gefässen  versehenen  Dienere  vor- 
stellt^^. Aber  heisst  nicht  auch  das,  in  die  Elegie  etwas  hinein- 
tragen, was  die  Worte  des  Dichters  selbst,  die  unter  allen  Um- 
ständen den  ersten  Masstab  für  die  Erklärung  abzugehen  haben, 
mit  keiner  Silbe  andeuten? 

Die  Voraussetzung,  dase  der  κωμάίιυν  vom  Becher  kommt, 
ist  für  den  antiken  Leser  selbstverständlich.  ΤΤρός  μ^θην  ό 
έρών  και  προς  τό  έράν  ό  μεθύιυν  έπίφορος  (Heliod.  III  10). 
TibuU  hat  sich,  nachdem  er,  es  sei  zu  Hause  im  stillen  Kämmer- 
lein oder  auswärts  im  Freundeskreise,  umsonst  versucht  hat,  den 
Liebesgram  durch  Wein  zu  lindern  (vgl.  I  5,  37),  vom  Trank 
hinweggestohlen.  Da  steht  er,  wie  der  verliebte  Asklepiades 
A.  P.  V  164.  167  oder  Meleagros  A.  P.  V  191  allein  und  ohne 
Begleitung^,  der  Kälte  der  Nacht  und  dem  Begen  ausgesetzt 
(v.  29  f.;  Asklepiades  A.  P.  V  167.  189),  vor  der  Thtir  der  Ge- 
liebten, findet  aber  keinen  Einlass.  Um  diesen  neuen  Schmerz 
zu  stillen,  will  er  sich  den  Wein  kräftiger  mischen  (natürlich, 
nachdem  er  dahin  zurückgekehrt  ist,  wo  er  soeben  getrunken 
hat)  und  trinken,  bis  ihn  tiefer  Schlaf  befällt,  den  niemand  stören 
soll.  TTiv\  Άσκληπιάδη•  τί  τα  δάκρυα  ταύτα;  τί  πάσχεις;  er- 
muntert der  liebeskranke  Asklepiades  Α.  Ρ.  ΧΠ  50  sich  selbst. 
So  redet  auch  Tibull  und  zwar  im  Anklang  an  die  Vorschrift  des 
Meleagros  A.  P.  XII  49  (Ζιυροπότ€ΐ,  δυσέριυς,  καΐ  σου   φλόγα 


*^  'Venit  nimirum  poeta  cum  puero,  qui  vasa  et  vinum  fert,  ad 
Deliae  ianuam,  eive  ut  item  ac  Phaedromus  lenam  (cf.  Tib.  1 5,  47  sqq.) 
sibi  vino  propitiam  faciat,  sive  ut  ipse  cum  Delia  potet  et  accubet. 
Sed  magno  cum  dolore  intellegit  fores  clausas  et  sibi  infecta  re  domum 
abeundum  esse.  Itaque  reversurus  iubet  servum  potioni  plus  meri 
afifundere«  ut  fortiore  poculo  sumpto  et  amoris  dolore  vino  superato 
domi  somnum  capere  possit.  Sed  ut  plerisque  amatoribus  etiam  Ti- 
bnllo  Bacchus  non  remedium  furoris,  sed  'ignis  in  igne*  fuit.  Quare 
poculo  epoto  ad  maiorem  oupidinis  ardorem  incenditur,  ita  ut  que- 
rellas,  quae  inde  a  versu  7  sequuntur,  fundat/ 

20  Vgl.  auch  Tib.  I  2,  33  ff.  Ob  die  άποκεκλειμ^νη  in  Grenfells 
Erotic  fragment  in  Begleitung  einer  Dienerin  zu  denken  sei,  ist  nicht 
sicher;  vgl.  dagegen  Crusius  Philol.  55,  1896  S.  367.  Omni  oomite 
viduatus  erscheint  auch  Thrasyllus  bei  Apuleius  Met.  VIII  10  f.  an  der 
Thür  der  Geliebten. 


604  Wilhelm 

τάν  φιλότταώα  Κοιμάσει  λάθας  5ωρο5ότας  Βρόμιος*  Ζωρο- 
πότει,  και  πλήρ€ς  άφυσσάμενος  σκύφος  οϊνας ,  Έκκρουσον 
στυγεράν  έκ  κραόίας  όόύναν)^^  und  an  Theogn.  469  f.  (Μηδ* 
€ÖbovT'  έπέγειρε,  Σιμιυνίόη,  δν  τιν'  δν  ημών  θαιρηχθεντ'  οϊνψ 
μαλθακός  ύπνος  ?λη)^  sich  selber  an: 

Adde  merum  vinoque  novoe  compesoe  dolores, 

OGcnpet  ut  feesi  lumina  victa  sopor : 

neu  qaisquam  multo  percassuni  tempora  Baccho 

excitet,  infelix  dum  requiescit  amor. 
Aber  Amor  erweist  sich  mächtiger  als  Bacchus*^.     Er  kann  nicht 
weichen  von  der  spröden  Thür^  und    stimmt    nach    kurzer  Be- 
gründung   des    ^ριυς  ουσέριυς  (ν.  5  f.)  mit  ν.  7    die  Klage    an, 
die  bis  zum  Schlüsse  währt. 

Delia  ist  wie  die  Lyce  in  dem  παρακλαυ(Τίθυρον  des  Hör. 
Ca.  III  10  saevo  nupta  viro.  Der  συγκοιτος  (Α.  Ρ.  V  191«•^) 
=  coniunx  (Tib.  I  2,  41)  hat  ihr  strenge  Keuschheitswächter  be- 
stellt (v.  5.  15).  Die  Rathschläge,  wie  jener  betrogen  werden 
kann  —  ούχ  ουτο)  γαρ  ευφραίνει  τό  φανερόν  της  έΕουσίας  ώς 
το  απόρρητον  τής  ηδονής,  παν  bk  τερπνότερον  τό  κεκλβμμένον 
(Philostr.  Ερ.  30;  vgl.  Ον.  Am.  Π  19,  3)  —  sind  nichts  anderes,  als 
die  Vorschriften  der  von  Tibull  I  2,  15  flP.  und  in  den  verwandten 
Partien  1  6,  5  fF.  8,  55  ff.^  verwertheten  Liebeslehre  der  alexan- 
drinischen  Elegie.  Vgl.  Bürger  aO.  S.  88  ff.  127.  Hier  war  in  An- 
lehnung an  die  erotische  Tragödie  (vgl.  Eur.  Hipp.  476  ff.)  und 
Komödie  (vgl.  Plaut.  As.  756  ff.)  die  Anweisung  gegeben,  die  Tbür 
geräuschlos  zu  entriegeln  und  zu  öffnen  (Tib.  12,  10.  18;  vgl.  Ari- 
stoph.  Thesm.  487  f.;  Plaut.  Cure.  158  f.)  27,  die  Wächter  zu  täuschen 


^^  Auf  diese  Stelle  verweist  Leo  aO.  S.  11.  ■—  Zu  dem  ebd.  an- 
geführten Verse  Ov.  Her.  15,  230  vgl.  Philostr.  Ep.  ed.  Boies.  S.  20i). 
E.  Rohde,  Der  griechische  Roman  ^  S.  171,  Anm.  3.    Bürger  aO.  S.  54. 

^  Durch  einen  alcxandrinisohen  Dichter  (Kallimachos)  vermittelt? 
vgl.  Reitzenstein,  Epigr.  und  .Skolion.  S.  69  f. 

2^  Dieser  Conflict  zwischen  beiden  bildet  das  Motiv  für  Lygdamus 
III  β;  vgl.  Jahrb.  f.  Phil.  1893  S.  709  ff. 

2*  Zu  dem  plötzlichen  Umschwung  der  Stimmung  vgl.  Tib.  I  2, 
7-10.  5,  5-8.  9,  3-fi. 

^  "Ή  τιν*  ίχει  σύγκοιτον;  vgl.  Tib.  Ι  6,  6  nescio  quem  tacita 
callida  nocfe  fovet  ίΛλλος  knel  ΔημοΟς  θάλπεθ'  ύπό  χλαν{δι;  Α.  Ρ. 
V  178). 

2β  Vgl.  Philol.  1901  S.  586. 

2*^  Die  verrätherische  Thür  auch  bei  Boccaccio  Dec.  VIII  7. 


Zur  römischen  Elegie  605 

(v.  15.  Plant.  Mil.  153.  467),  lautlos  vom  Lager  anfzastebn  und 
fortzuschleicheD  (v.  19;  vgl.  Tib.  I  8,  59.  Nonnos  Dionye.  XVI 
265  flP.),  eich  durch  σημεία,  συνθήματα  und  νεύματα  λα- 
epibia  (Tib.  I  2,  21  f.  Plaut.  As.  784.  Prop.  III  8,  25  f.  Mu- 
saios  1  Ol-- 107.  Heliod.  V  4  VH  7.  Ach.  Tat.  I  10,  4.  Paul. 
Sil.  A.  P.  V  262)  sogar  in  G-egenwart  des  Gatten  gar  trefflich 
zu  verständigen-®  —  Lieblingsthemen  des  aus  ähnlichen  Quellen 
wie  Tibull  schöpfenden  und  diesen  selbst  nachahmenden^^  Ovid: 
vgl.  Am.  I  4.  6»o.  U  2.  Γ..  19.  III  2»^  4.  a.  a.  I  137  f.  489  f. 
597  ff.  82.  III  611  —  658.  Her.  16,75  ff.  Wie  Tibull  auf  die 
verheirathete  Delia  v.  16  (audendum  est:  fortes  adiuvat  ipsa 
Venus),  so  redet  bei  Eur.  Hipp.  476  die  Amme'^  auf  Phaedra 
ein  (τόλμα  b'  έρώσα*  θεός  [sc.  Κύπρις]  έβουλήθη  τά5ε),  und 
wie    sie    den  Liebeszauber   zu  Hilfe   ruft  (v.  478  f.    509  f.),    so 

^  Hierher  gehört  auch  das  Spiel  mit  dem  Becher  (Ov.  a.  a.  I 
575  f  A.  P.  V  171.  Lukianos  D.  d.  5,  2  p.  214.  β,  2.  ρ.  217.  Apuleius 
Met.  11  16.  Ach.  Tat.  II  9.  Aristaen.  I  25)  und  der  Kniff,  die  begangene 
Untreue  mit  constanter  Keckheit  abzuleugnen  (Plaut.  Mil.  188  ff.  Me- 
leagros  Ä.  P.  V  184.  Tib.  I  6,  7  f.  Ov.  Am.  II  2,  57.  III  14.  Boccaccio 
Dec.  VI  7).  Hinterher  beschwert  sich  der  έρωτοδιδάσκαλος,  dass  er  von 
der  Geliebten  mit  Hilfe  der  Künste,  die  er  ihr  gelehrt  hat,  selbst  hinter• 
ganzen  wird:  heu  heu  nunc  premor  arte  mea  (Tib.  I  H,  10).  So  be- 
klagt sich  Aristaen.  I  25  die  Hetäre  Philainis  über  ihre  undankbare 
Schülerin,  die  ihr  durch  Anwendung  des  von  ihr  gelernten  Verfahrens 
den  Geliebten  abspenstig  gemacht  hat:  τοιαύτα  μοι  παρ'  αυτής  τά  τρο- 
φεία' oÖTUj  με  νΟν  άντιπελαργοΟσα  δικαίαν  άποδίδωσι  χάριν. 

2»  Vgl.  Ον.  Trist.   II  447  ff.   (lauter  Anspielungen  auf  Tib.  I  6). 

^  Flehentliche  Bitte  an  den  ianitor.  Derselbe  Vorwurf  bei  Apu- 
leius Met.  IX  18;  vgl.  Ov.  Am.  II  2.  Andere  Parallelen  zwischen  Ovid 
und  Apuleius:  Ov.  a.  a.  I  229  ff.  III  7ß2;  Apul.  II  11  (vgl.  Ach.  Tat. 
II  3,  3).  —  Ov.  a.  a.  III  771  ff.;  Apul.  II 17  (vgl.  Ps.-Lukianos  Λούκιος 
ή  όνος  c.  8  ρ.  576  —  c.  10  ρ.  578). 

81  Hierzu  Bürger  aO.  S.  46. 

82  Vgl.  v.  G08.  Tib.  I  2,  16.  Die  Abhängigkeit  des  Ovid  von 
hellenistischem  Vorbilde  erhellt  besonders  aus  der  Vergleichung  mit 
Ach.  Tat.  I  9.  10.  II  4;  vgl.  Rh.  Mus.  57,  1902  S.  74.  —  Den  Vor- 
schriften der  Liebcslehre  durchaus  entsprechend  ist  übrigens  auch  das 
Benehmen  des  Thrasyllus  gegen  die  verheirathete  Charite  bei  Apuleius 
Met.  VIII  2.  Bemerkens werth  ist  die  Aehnlichkeit  dieser  natürlich  aus 
dem  Griechischen  entlehnten  Novelle  mit  der  Erzählung  bei  Plut. 
Amator.  22:  vgl.  Rohde  aO.  S.  590. 

^  An  Stelle  der  τροφός  übernimmt  in  der  Komödie  die  Kupp- 
lerin die  Stelle  des  έρωτοδώάσκαλος. 


606  Wilhelm 

auch  Tibull  (v.  41  ff.)•  ^'^^  Verse  25—28»*  sind  zusammen- 
zuhalten mit  Prop.  III  16,  11 — 20.  Gemeinsam  ist  der  wohl 
gleichfalls  aus  der  hellenistischen  Elegie  übernommene  Gedanke, 
dass  der  (treu)  Liebende  saorosanot  ist,  weil  er  unter  dem  Schutze 
des  Amor  und  der  Venus  steht,  unangefochten  wandelt  er  in 
finstrer  Nacht  (vgl.  Philodemus  A.  F.  V  25),  kein  böses  Thier 
—  statt  der  bissigen  Hunde  bei  Prop.  aO.  ist  bei  Hör.  Ca.  I 
22^^  «1er  Wolf»®  eingesetzt  —  kann  ihn  verletzen.  Von  der 
Liebeslehre  scheint  Tibull  auch  an  der  Stelle  abhängig  zu  sein, 
wo  er  mahnt,  dass  die  Geheimnisse  der  Venus  zu  verschweigen 
sind  (I  2,  33—40;  vgl.  Ov.  a.  a.  II  603—612)  und  dass  die  diva 
non  mihi  generata  ponto  (Sen.  Phaedr.  »^  279;  vgl.  Tib.  aO.  v.  40) 
an  dem,  der  jene  preisgiebt,  furchtbare  Rache  nimmt. 

Auf  die  besprochene  Versgruppe  15 — 40  folgen  die  auf  den 
Aberglauben  der  Geliebten*^  berechneten  Verse  41  —  58.  Ueber 
das  Motiv  des  Liebeszaubers  bei  den  römischen  £legikern  und 
seine  griechischen  Quellen  vgl.  Philol.  1901  S.  582  '®.  Allerdings 
glaube  ich,  dass  Tibull  an  dieser  Stelle  in  der  Hauptsache 
von  einer  andern  griechischen  Leetüre  als  der  dort  bezeichneten 


8*  Vgl.  Ov.  Am.  1  6,  7-14. 

^  Zum  Wesen  des  integer  vitae  scelerisque  parus  di.  mit  einem 
Worte  des  pius  gehört  es,  dass  er  der  Geliebten  die  Treue  hält:  vgl. 
Wunder  iu  Jahrb.  f.  Pbil.  99  (1869)  S.  854.  Dass  Horaz  am  Schlüsse  dee 
(iedichts  nicht  bloss  die  Sappho  (fr.  2,  3  £f.  αδυ  φων€ύσας  υπακούει  καΐ 
γελαίαας  ίμερόεν),  sondern  auch  einen  bellenietischen  Dichter,  dem  die 
Stelle  der  Sappho  vorschwebte,  nachahmt,  lehrt  Aristaen.  II  21,  wo 
der  Jüngling  der  Geliebten  die  ganz  ähnliche  Schlussversicherung  seiner 
Liebe  giebt:  2στω  τοίνυν  ίργον  iv  μόνον  έπιδέΗιον  έμοί  φίλεΐν  Δελ• 
φ(δα  καΐ  ύπό  ταύτης  φιλεΐσθαι  και  λαλεϊν  τή  καλή  καΐ  άκούειν  λαλού- 
σης.  Nach  dem  λαλεϊν  des  hellenistischen  Vorbilds  ist  der  Name  La- 
lage  gebildet,  wenn  ihn  Horaz  nicht  schon  dort  vorfand. 

^  Die  Begegnung  mit  einem  wilden  Thier  auf  einsamem  Pfade 
gilt  als  der  schrecklichste  der  Schrecken;  vgl.  Semonides  fr.  14.  Catull. 
45,  7.  Dieses  catullische  Duett  gemahnt  wie  das  horazische  Ca.  III  9 
an  die  erotisch-mimische  Lyrik  der  Hellenisten;  vgl.  Grusius  aO.  S.  384. 
Beide  Gedichte  handeln  vom  Glück  des  amor  mutuus  (Catull.  aO.  v.  20). 
Man  beachte,  wie  in  beiden  die  Geliebte  den  Liebenden  im  Ausdruck 
überbietet.  Zum  horazischen  Motiv  (Trennung  und  herzlichste  Ver- 
söhnung) vgl.  Aristaen.  I  22. 

3"^  Nach  dem  Muster  des  Euripideischen  Ιππόλυτος  καλυπτόμενος. 

^  Zum  Typus  der  abergläubischen  Hetäre  vgl.  ua.  Lukianos  D. 
mer.  4,  I  p.  286.     Alkiphron  I  37.    II  4,  15  f.    21. 

8ö  Dazu  Bürger  aO.  S.  99  f. 


Zur  römisohen  Elegie  607 

abhängig  ist.  Ein  oonianx,  der  mit  Hilfe  solcher  Sohwarzknnst^ 
derartig  verblendet  wird,  dass  er  an  keinen  Hörnerpflanzer  glaubt 
(v.  41.  55)  und  seinen  Augen,  die  ihn  in  keinem  andern  Falle  im 
Stich  lassen  würden  (v.  57  f.),  selbst  dann  nicht  traut  ^^,  wenn 
er  sein  Weib  mit  jenem  zusammen  im  eignen  Ehebette  sieht 
(v.  56),  das  ist  ein  StoflP,  der  den  Vergleich  mit  den  pikanten 
Geschichten  von  zauberknndigen  Buhleriunen  und  geprellten  Gatten 
nahelegt,  wie  sie  Ps.-Lukianos  (Λουκιος  ή  δνος)  und  Apuleius 
(Metamorphosen)  erzählen*^,  deren  Vorgänger  auf  diesem  Ge- 
biete, Aristeides  von  Milet*•,  Eubios  ua.,  ihre  zahlreichen  Leser 
in  ihren  dem  TibuU  gewiss  nicht  minder  wie  dem  Ovid  (Trist. 
U  413  ff.)  bekannt  gewesenen  Novellen  mit  ähnlichen  άκόλα(Ττα 
διηγήματα  (Ps.-Lukianos  Amor.  1)  unterhalten  haben.  Eine  solche 
Novelle  wird  dem  Tibull  vorgeschwebt  haben.  Dieser  Typus 
des  durch  έπψ5αί  (ν.  53)  gebannten  Ehemanns,  der  ού  πιστεύων 
τοις  έαυτου  όφθαλμοϊς  οδθ'  δτι  βλέπουσιν  οδθ'  δτι  έγρηγό- 
ραίΤιν^*,  zusehen  muss,  wie  er  zum  Hahnrei  gemacht  wird,  er- 
innert an  die  Figur  des  geleimten  Alten  in  der  Komödie  *^,  die 
von  der  Novelle  nicht  unbeeinflusst  iet^^,  und  lebt  in  dem  alten 
Nikostratus  der  bekannten  Erzählung  des  Boccaccio  Dec.  VII  9 
fort:    er  bemerkt  von  dem  angeblich    bezauberten  Birnbaum  aus 


*o  Vgl.  Boccaccio  Dec.  VHl  7.   IX  5. 

*i  Vgl.  Ov.  Am.  II  2,  57  f.  Viderit  ipse  licet,  credet  tarnen  ille 
neganti  Damnabitque  oculos  et  sibi  verba  dabit. 

^  Vgl.  Pe.-Luk.  aO.  c.  4  p.  572  ff.  (die  Gemahlin  des  Hipparch, 
eine  μάγος  &€ΐνή  καΐ  μάχλος,  und  ihre  gleichgeartete  Magd  Palaistra); 
Apuleius  aO.  I  8  (Meroe,  saga  et  divina,  potens  caelum  deponcre,  ter- 
ram  suspendere,  fontes  durare,  montes  diluere,  manes  sublimare,  deos 
iofirmare,  sidera  extinguere,  Tartarum  ipsum  inluminare;  vgl.  Tib.  I 
2,  42  ff);  1X29.  IX  5  ff.  (die  listige  Tagelöhnerfrau  und  ihr  betrogener 
Gatte;  vgl.  Boccaccio  Dec.  VII  2).  IX  17  ff.  (der  düpirtc  Rathsherr 
Barbaras). 

^^  Vgl.  Apuleius  aO.  I  1.  Susemihl,  Gesch.  d.  griech.  Litt,  in 
der  Alexaudrinerzeit  U  574.  700.     Uohde  aü.  S.  584  ff. 

**  Ps.-Luk.  aO.  c.  13  p.  581.  Auf  das  Moment  der  Augen- 
täuschung bei  der  Zauberei  kommt  es  an.  Sonst  hat  die  Stelle  ihrem 
Zusammenhange  nach  mit  dem  Tibullischen  Passus  nichts  zu  thun. 

*δ  Vgl.  Ribbeck,  Gesch.  d.  röm.  Dichtung  *  IS.  81.  Man  denkt  an 
die  Fabel  des  miles  gloriosus,  auch  an  Amphitruo :  vgl.  du  Meril  Poesiee 
inedites  du  moyen  äge  Paris  1854,  S.  354  Credere  quod  nihil  est  ali- 
quid fuit  Amphitryoni,  Quod  videt  Decius  credidit  esse  nihil  und  dazu 
Landau  aO.  S.  82. 

*«  Vgl.  Rohde  aO.  S.  59(;. 


608  '  Wilhelm 

den  Ehebruch  seiner  Frau  Lydia  mit  seinem  Diener  Pyrrbus  und 
ist  schliesslich  fest  überzeugt,  dass  seine  leiblichen  Augen  ihm 
eine  falsche  Thatsache  vorgespiegelt  haben  ^'^.  Unter  den  v.  43  ff. 
angeführten  Künsten  der  saga  scheint  das  aestivo  convocare  orbe 
nives  (v.  50)  anderweitig  nicht  nachweisbar  zu  sein.  Dase  Tibull 
auch  hier  nach  griechischem  Muster  gearbeitet  hat,  verräth  die 
von  Huschke  herbeigezogene  Stelle  Diod.  Sic.  V  55,  wo  es  von 
den  Teichinen  heisst :  λέγονται  b'  οΰτοι  και  τόητες  γεγονέναι  και 
παράγειν  δτε  βούλοιντο  (vgl.  cum  libet  Tib.  aO.  ν.  49)  νέφη 
τε  και  δμβρους  και  χαλάίας,  ομοίως  be  και  χιόνα  έφέλ- 
κεσθαι. 

Die  Gruppe  59  —  64  schliesst  mit  einem  Gemeinplatz  der 
erotischen  Poesie  (amor  mutuus) :  vgl.  zu  den  von  Leo  PI.  F.  S.  130  f. 
und  Hoelzer  aO.  S.  66  f.  angeführten  Stellen  Plaut.  Mil.  100  f.  Theokr. 
Id.  12,  15  f.  Bion  8*8.  Die  v.  65  ff.  fingirte  Persönlichkeit  des 
ferreus*®,  der  es  über  sich  gewinnen  kann,  dem  Liebchen  Kriege- 
ruhm und  Beute  vorzuziehen,  ist  in  der  Elegie  typisch :  vgl. 
Prop.  III  12.  20.  Ganze  Seh aaren  von  Barbaren  vor 
sich  hertreibend,  ganz  in  Gold  und  Silber  gerüstet,  hoch 
zu  Ross  und  dadurch  vor  allen  kenntlich,  so  ist  er  ähnlich 
dem  άλα2!ών  gedacht,  den  Lukianos  D.  mer.  13  nach  dem  Vor- 
bild des  Menandrischen  Μισουμενος^  prahlen  läset:  προβΕήλασα 
τών  δλλιυν  Ιτπτέιυν  έπι  του  ϊππου  του  λευκού  .  .  .  oi  Γα- 
λάται^^  καίτοι  άλκιμοι  δντες  ίτρεσαν  ευθύς  ώς  εΐ5όν  με  και 
ούοεις  ?τΐ  υπέστη  (1)  .  .  .  Άλλ'  έγώ  τολμήσας  παρήλθον  ές 
το  μέσον  ου  χείρον  του  ΤΤαφλαγόνος  ώπλισμένος,  άλλα  πάγ- 
χρυσος  και  αυτός,  ώστε  βοή  ευθύς  έγένετο  και  παρ'  ημών 
και  παρά  τών  βαρβάρων*  έγνώρισαν  γάρ  με  κάκεϊνοι  ίόόντες 
άπό  της  πέλτης  μάλιστα  και  τών  φαλάρων  και  του  λόφου  (3). 
Das  Gegentheil  jenes  ferreus  ist  der  bei  den  £rotikern  so  oft 
wiederkehrende  Liebhaber,  dem  aller  Ruhm  und  alle  Schätze  der 


*''  Directe  Blindheit  an  Stelle  der  Verblendung  in  Scheraemins 
Erzählung  bei  Wieland,  Oberon  VI  36  ff.;  vgl.  H.  Düntzer,  Erläute- 
rungen zu  deuteehen  Ciassikern  II.  Wielands  Oberon.  2.  Aufl.  S.  71. 
M.  Koch ,  Das  Quellenverhältnies  von  Wielauds  Oberon.  S.  55.  — 
üeber  antiken  Einfluss  auf  Boccaccio  vgl.  Landau  aO.  S.  288;  Rohde 
aO.  S.  572  ff.;  Gaspary,  Gesch.  d.  ital.  Litt.  II  33  f. 

*8  Dazu  Anm.  36. 

4ö  Vgl.  Leo,  Phil.  Untere.  II  S.  37. 

«^  llibbeck,  Alazon  S.  36. 

δΐ  Dafür  bei  Tib.  aO.  v.  67  die  Cilicier,   wie  bei  Plaut.  Mil.  42. 


Zar  römischen  Elegie  β09 

Welt  gegenüber  dem  traulichen  Zusammenleben  mit  der  Geliebten 
nichts  bedeuten  (vgl.  ua.  Plaut.  Cure.  178  ff.  CatuU.  45.  Me- 
nandroR  bei  Alkiphron  11  3,  12):  κδν  πέτραν  οΐκώμεν,  €Ö  olba 
^Αφροοίσιον  αυτήν  το  εονουν  ποιήσειν  (Glykera  an  Menandros 
bei  Alkiphr.  11  4,  10;  vgl.  Tib.  aO.  v.  74).  Die  ganze  Reihe 
V.  65 — 74  ist  nichts  als  die  ausführliche  Ausmalung  des^Non  ego 
laudari  curo,  mea  Delia:  tecum  Dum  modo  sim,  quaeso  segnis 
inersque  vocer*  der  ersten  Elegie  (v.  57  f.).  Zu  dem  folgenden 
(v.  75 — 78)  überaus  oft,  am  anschaulichsten  von  Heliod.  VII  9, 
behandelten  Gemeinplatz  von  den  qualvollen  Nächten  des  un- 
glücklichen Liebhabers  vgl.  Phiiol.  1901,  S.  586.  Der  Liebende, 
der  sein  Leid  der  Verletzung  der  Gottheit  zuschreibt  (v.  79  ff.), 
begegnet  in  der  Komödie  (Plaut.  Gas.  617)  und  wird  in  der 
alexandrinischen  Elegie  ebenso  wenig  gefehlt  haben  (vgl.  Cydippe 
an  Acontius  bei  Ov.  Her.  20,  47  ff.  177  ff.)  wie  der  bussfertige 
ουσερως  (Tib.  aO.  v.  83  ff.),  unter  den  hier  bezeichneten  αλ- 
λόκοτοι προσκυνήσεις,  wie  sie  im  Δεισιδαίμων^*  des  Menandros 
verspottet  waren,  habe  ich  das  tundere  poste  caput  sonst  nirgends 
belegt  gefunden.  Dem  vorübergehenden  jugendlichen  Spötter ^^, 
der  sich  an  dem  Unglück  des  Ausgeschlonsenen  weidet  (87)  ^, 
wird  das  Schicksal  des  πάλιν  μειρακιευόμενος  πρεσβύτης^^  pro- 
phezeit (87—96),  welcher  nach  langer  Verachtung  des  Amor  be- 
kennen muss:  αυχένα  σοι  κλίνω,  Κύπρι,  μεσαιπόλιος 
(Paul.  Sil.  Α.  Ρ.  V  234;  vgl.  Tib.  aO.  ν.  90  poa  Veneris  vinclis 
Rubdere  colla  sene  m).  So  giebt  Meleagros  A.  P.  Xll  23  vor,  die 
κιυμάίοντες  oft  verlacht  zu  haben  (τοις  ουσέρωσι  Κώμοις 
ήιθέων  πολλάκις  έγγελάσας.  vgl.  Tib.  aO.  ν.  89  qui  iuvenum 
miseros  lusisset  amoreej,  bis  er  sich  selbst  vom  triumphirenden 
Eros  vor  die  Thür  eines  Geliebten  gestellt  sieht.  Auf  der  Vorschrift 
der  Liebeslehre,  dass,  wer  die  Herrin  gewinnen  will,  sich  erst 
die  Dienerin  geneigt  machen  muss  (Ter.  Heaut.  300  f.  Ov.  a.  a. 
I  351  f.  II  251  ff.  Ach.  Tat.  II  4,  2),  beruht  v.  94.  Vgl.  Bürger 
aO.  S.  59.  Von  einem  solchen  Gespräch  zwischen  einem  Jüngling 
und  der  Magd  der  Geliebten  berichtet  Aristaen.  I  22^®.  Zu  v.  97  f. 
vgl.  Ov.  Am.  II  9. 

Ratibor.  Friedrich  Wilhelm. 


52  Nach  Meinekes  Vermuthuug  von  Plutarch  in  der  Schrift  π€ρΙ 
δεισιδαιμονίας  benutzt. 

w  Hoelzer  denkt  κη  einen  grassator  nocturnue.  Aber  ein  solcher 
läset  es  beim  blossen  Spott  nicht  bewenden;  vgl.  £1.  in  Maec.  I,  29. 

^  Zu  V.  88,  wo  freilicii  die  Lesart  f^chwankt,  ist  das  Trostwort 
der  Chryeothemis  an  Elektra  bei  Sopli.  Kl.  Dl•)  f.  verglichen  worden: 
τοις  αύτοΐσί  τοι  Ούχ  αυτός  aUl  δαιμόνων  παραστατεΤ. 

•»5  Hoelzer  S.  87. 

^  Vgl.  Boccaccio  Dec.  11  5. 


aheiD.  Μαβ.  f.  PhUol.  Ν.  F.  LVII.  39 


DER  VATER  DER  SISYGAMBIS 

UND  DAS  VERWANDTSCHAFT SVERHAELTNISS 

DES  DAREIOS  Ul  KODOMANNOS 

ZU  ARTAXERXES  II  UND  lU 

Bekanntlich  leitete  der  Grosekönig  Artaxerxee  III  Ochos 
seine  Regierung  durch  ein  graueigee  Blutbad  ein,  indem  er  alle 
Mitglieder  des  Achämenidengeschlechtes  und  des  Hofes,  von  denen 
er  in  irgend  einer  Weise  Gefahr  fttr  den  Bestand  seiner  Herr- 
schaft befürchten  zu  müssen  glaubte,  ohne  Rücksicht  auf  Bluts- 
verwandtschaft, Alter  und  Geschlecht  abschlachten  Hess.  Von 
diesem  Massenmord  besitzen  wir  in  zusammenhängender  Dar- 
stellung der  persischen  Geschichte  nur  einen,  ganz  kurz  und  all- 
gemein gehaltenen  Bericht  bei  Justinus  X  3,  1 :  Hereditas  regni 
Ocho  tradita,  qui  timens  parem  coniurationem  (als  die  seines 
Bruders  Dareios  gegen  Artaxerxee  Π  gewesen  war)  regiam  cogna- 
torum  caede  et  strage  principum  replet,  nulla,  non  sanguinis,  non 
sexus,  non  aetatis  misericordia  permotus:  scilicet  ne  innocentior 
fratribus  parricidis  haberetur.  Daneben  erzählen  aber  noch  zwei 
andere  Schriftsteller  des  Alterthums  von  einer  gewaltigen  Metzelei, 
die  jener  Perserkönig  unter  den  höchststehenden  Persönlichkeiten 
seiner  Umgebung  angerichtet  habe ;  ja  sie  geben  über  dieselbe 
genauere  Einzelheiten  als  sie  Justin  bietet,  freilich  beide  nicht 
in  zusammenhängender  geschichtlicher  Erzählung  sowie  ohne  An- 
gabe der  Zeit,  in  welcher  die  blutige  Tragödie  sich  abspielte, 
und  der  Umstände,  durch  welche  sie  herbeigeführt  wurde.  Va- 
lerius  Maximus  berichtet  in  seiner  Sammlung  historischer  Bei- 
spiele (IX  2  Ext.  7)  Folgendes:  Apertior  et  taetrior  alterins 
Ochi  cognomine  Artaxerxis  crudelitas,  qui  Atossam  Fororem  atque 
eandem  socrum  vivam  capite  defodit  et  patruum  cum  centum 
amplius  filiis  ao  nepotibus  vacua  area  destitutum  iaculis  confixit, 
nulla  iniuria  lacessitus,   sed    quod  in  bis    maximam    apud   Persae 


Der  Vater  der  Sy8i<Qrambi8  usw.  β11 

probitatis  et  fortitudinis  landem  consistere  videbat.  Die  zweite 
Stelle  findet  eich  bei  Cnrtine  X  5,  23,  wo  auf  dasselbe  Ereigniss 
angespielt  zu  werden  scheint  wie  bei  Valer.  Max.  Hier  heisst 
es:  Subibat  inter  haec  animnm  (sc.  Sisygambis)  octoginta  fratres 
suos  eodem  die  ab  Ocho,  saevissirao  regum,  trucidatos  adieotum- 
que  stragi  tot  filiorum  patrem. 

Beziehen  sich  nun  die  Angaben  des  Valerius  und  Curtius 
auf  dasselbe  Ereigniss,  von  dem  Justin  berichtet?  Es  wäre  ja 
immerhin  nicht  ganz  unmöglich,  dass  Ochos  wiederholt  einen 
solchen  'Aderlass'  zu  seiner  Sicherheit  für  nöthig  erachtet  und 
vollzogen  hätte.  Indessen  dies  ist  sowohl  an  sich  als  wegen  des 
Schweigens  Justins  kaum  glaublich,  und,  dass  wenigstens  Valerius 
von  dem  gleich  nach  der  Thronbesteigung  des  Ochos  erfolgten 
Blutbad  spricht,  das  auch  Justin  berichtet,  wird  dadurch  ausser 
allen  Zweifel  gestellt,  dass  beide  Schriftsteller  dasselbe  Motiv 
für  die  ünthat  des  Herrschers  angeben  (Just.:  timens  pareni  con- 
iurationem,  Valer.:  quod  in  bis  maximam  apud  Persas  probitatis 
et  fortitudinis  laudem  consistere  videbat).  Da  nun  aber,  wie  ich 
glaube,  auch  die  Notiz  des  Curtius  mit  der  Erzählung  des  Va- 
lerius sich  vollkommen  in  Einklang  bringen  läset,  so  kann  es 
keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Angaben  aller  drei  Schrift- 
steller auf  einunddenselben  Vorgang  sich  beziehen  und  daher  ge- 
trost mit  einander  in  gegenseitiger  Ergänzung  für  die  Darstellung 
desselben  combinirt  werden  dürfen  ^.  Nur  eine  auf  den  ersten 
Blick  sehr  auffällige  Abweichung  zwischen  Valer.  und  Gurt, 
scheint  dem  im  Wege  zu  stehen.    Valer.  giebt  nämlich,  wie  wir 


^  Von  den  neueren  Darstellern  der  persischen  Geschichte  stützen 
sich  Spiegel,  Eran.  Alterthumskunde  Bd.  2  S.  480  und  Grote,  Gesch. 
Griechenlands  V^  S.  544  A.  124  nur  auf  die  Erzählung  Justine.  Noel- 
deke,  Aufsätze  zur  pars.  Gesch.  S.  75  hält  die  Angaben  des  Curtius, 
die  noch  weiter  gehenden  des  Valer.  Max.  oar  nicht  berücksichtigend, 
für  übertrieben,  bezieht  sie  aber  auf  denselben  Vorgang,  von  dem 
Justin  berichtet;  ihm  schliesst  sich  Judeich  in  Pauly-Wissowas  Real- 
encyklopädie  u.  Artaxerxes  3.  Halbb.  S.  1318  völlig  an.  Nur  Droysen 
(Gesch.  d.  Hellenismus  Bd.  1  S.  57)  und  Justi  (Gesch.  d.  alten  Persiens 
S.  137)  verschmelzen,  wenn  sie  auch  ihre  Quellen  nicht  ausdi-tioklioh 
anführen,  die  Nachrichten  aller  drei  Schriftsteller  mit  einander,  wie 
sowohl  ihre  Darstellung  als  namentlich  der  Umstand,  dass  sie  weiter- 
hin, allein  unter  den  Modernen,  sich  über  die  nur  aus  Gurt.  X  5,  23 
und  Valer.  Max.  IX  2  Ext.  7  zu  ergründende  Herkunft  der  Sisygambis 
äussern,  deutlich  erkennen  lassen. 


ί)12  Neu  hau  8 

sahen,  die  Zahl  der  Ermordeten  auf  mehr  als  100,  Cart.  nur 
auf  80  Personen  an.  Aber  diese  Differenz  verschwindet,  wenn 
man  erwägt,  dass  ersterer  erzählt,  Ochos  habe  seinen  Vaters- 
bruder  mit  über  100  Söhnen  und  Enkeln  tödten  lassen  {pa- 
(ruum  cum  centum  amplius  filiis  ac  nepotibus)^  letzterer  dagegen 
nur  von  den  Brüdern  und  dem  Vater  der  Sisygam bis  spricht 

Voraussetzung  hierbei  ist  nur,  dass  unter  dem  Vaterebruder 
des  Ochos  bei  Valer.  und  dem  Vater  der  Sisygambis  bei  Cnrt. 
dieselbe  Person  zu  verntehen  ist,  und  so  werden  wir  auf  die 
nicht  nur  für  die  Quellenkritik,  sondern  auch  geschichtlich  wich- 
tige Frage  geführt:  Wer  war  der  Vater  der  Sisygambis  und  in 
welchen  verwandtschaftlichen  Beziehungen  stand  der  letzte  Perser- 
könig Dareios  Rodomannos  zu  seinen  Vorgängern  Artaxerxes  II 
und  Artaxerxes  III?  Die  sichere  Entscheidung  dieser  Frage  wird 
durch  die  Dürftigkeit  der  uns  zu  Gebote  stehenden  üeberlieferung 
sehr  erschwert.  Abgesehen  von  der  uns  beschäftigenden  Stelle 
des  CurtiuR  findet  sich  nämlich  nirgends  die  geringste  Andeutung 
über  die  Herkunft  der  Mutter  des  Dareios  III;  nur  über  des 
letzteren  Vater  Arsanes  giebt  uns  Diod.  XVII  5,  5  die  Auskunft, 
dass  derselbe  der  Sohn  des  Ostanes,  des  Bruders  des  Artaxerxes  II 
(vgl.  Plut.  Artax.  1),  war.  Von  den  modernen  Historikern  äussern 
sich  über  das  Verwandtschaftsverhältniss  der  Sisygambis  zum 
Hause  der  Achämeniden  meines  Wissens  nur  Droysen^  und  Justin 
aber  in  entgegengesetztem  Sinne;  nach  ersterem  war  Sisygambis 
eine  Tochter  des  Artaxerxes  If,  nach  letzterem  eine  Tochter  des 
Ostanes  und  Schwester  und  Gattin  zugleich  des  Arsanes.  Da 
keiner  von  beiden  Gelehrten  die  Gründe,  auf  die  seine  lieber• 
Zeugung  sich  stützt,  angegeben  hat,  so  sei  uns  der  Versuch  ge- 
stattet, selbst  ZU  ergründen,  wie  sie  zu  ihren  Aneichten  gelangt 
sind  und  welche  Anschauung  die  richtige  ist. 

Das  Fundament  der  ganzen  Untersuchung  kann  nur  unsere 
Curtinsstelle  bilden,  aus  ihr  allein  kann  überhaupt  gefolgert  wer- 
den, dass  Sisygambis  dem  Hause  der  Achämeniden  angehört  hat^ 


ι  aaO.  S.  64. 

3  aaO.  S.  15  vgl.  39  und  Iran.  Namenbuch,  Marburg  1895,  S.  304 
vgl.  399. 

Β  Freilich  kommen  auch  Stellen  in  Betracht,  wie  Diod.  XVII 
37,  <i  (Alexander  redet  die  bei  Irsos  gefangene  Sisygambis  'Mutter  an, 
versichert,  sie  solle  ihm  eine  zweite  Mutter  sein,  und  läset  ihr  die  ge- 
wohnten königlichei.  Ehren  erweisen)  und  118,3  (Sisygambis  nimmt 
sich  Dach  Alexanders  Tod  selbst  das  Leben  καταθρηνήσασα  ....  τήν 


Der  Vater  der  Sisygambis  usw.  613 

Freilich  giebt  Gurt,  kein  anderes  Motiv  für  die  Blatthat  des 
Ochos  an  als  seine  Grransamkeit,  aber  durch  den  Vergleich  mit 
den  Nachrichten  des  Justin  und  Valerins  Maximus  ergiebt  sich 
zum  mindesten  so  viel,  dass  den  Tyrannen  bei  der  Ermordung 
der  Brüder  der  Sisygambis  (und  ihres  Vaters?),  von  der  Curtius 
spricht,  dasselbe  Interesse  geleitet  haben  muss,  das  ihm  Valerius 
und  Justin  in  ihrer  Erzählung  seiner  Greuel  zuschreiben,  dass 
also  die  Familie  der  Sisygambis  ein  Zweig  des  königlichen 
Hauses  gewesen  sein  mnss.  Ebenso  mnss  aber  auch  jeder  weitere 
Versuch,  Genaueres  über  die  Abkunft  der  Sisygambis  zu  er- 
gründen, von  derselben  Stelle  ausgehen.  Alles  hängt  ab  von 
der  sachgemässen  Erklärung  der  Worte:  adiectumque  stragi  tot 
filiorum  patrem*  und  ihrer  richtigen  Combination  mit  den  anderen 
uns  erhaltenen  auf  die  Verhältnisse  in  der  königlichen  Familie 
bezüglichen  Stellen.  Nimmt  man  die  Worte  des  Curtius 
für  sich  allein,  so  kann  er  mit  ihnen  doch  nur  mei- 
nen, dass  nach  der  Ermordung  seiner  80  Söhne  auch 
noch  der  Vater  der  Sisygambis  niedergemetzelt  wor- 
den sei.  Nun  hat  man  jedoch  —  wenigstens  weiss  ich  es  mir 
nicht  anders  zu  erklären  —  diese  Worte  einerseits  mit  der  Er- 
zählung Plutarchs  Artax.  30,  dass  Artaxerxes  II  aus  Schmerz 
über  den  durch  die  Hinterlist  des  Ochos  bewirkten  Tod  seiner 
beiden  andern  Söhne  Ariaspes  und  Arsames  gestorben  sei,  an- 
dererseits mit  Justins  (X  1,  1)  Angabe,  dass  jener  König  118  Söhne 
gehabt  habe,  in  Verbindung  gebracht.     Beides  lag  nahe,  da  der 

εαυτής  έρημίαν,  vgl.  Juet.  ΧΙΠ  1,  β:  quod  pietatem  filii  in  eo,  quem 
ut  hostem  timuerat,  experta  esset);  ferner  die  genau  mit  Diod.  XVII 
37,  6  übereinstimmendeu  Parallelerzählungen  des  Curtius  III  12,  13  ff., 
Plutarch  Alex.  21  und  Justin  XI  9,  12  ff.  über  die  erste  Begegnnnpr 
zwischen  AlexandtT  und  Siaygambis;  die  Schilderungen  der  hohen  Ver- 
ehrung, die  der  Eroberer  stets  der  unglücklichen  Frau  zollte  (Gurt.  V 
2,  1«  ff.;  3,  12  ff.;  Flut.  Alex.  30),  und  endlich  auch  Curt.  V  3,  13,  wo 
sich  Sisygambis  selbst  als  regina  bezeichnet.  Man  könnte  sagen,  dass 
Alexander  so  grosse,  in  den  ihm  von  Curt.  V  2,  22  in  den  Mund  gelegten 
Worten:  'Dulcissimae  matri  Olympiadi  nomen  dcbitum  tibi  reddo* 
gipfelnde  Ehren  nur  einer  wirklich  königlichen  Frau,  einem  Gliede 
des  Achämonidenhauses,  erwiesen  haben  würde.  Gleichwohl  geben  uns 
alle  diese  Stellen  keine  absolute  Gewissheit  darüber,  ob  Sisygambis 
schon  durch  Geburt  dem  königlichen  Hause  angehört  hat;  alles  dort 
Erzählte  könnte  auch  darin  allein  seine  Erklärung  ünden,  dass  sie  eben 
die  Mutter  des  regierenden  Herrschers  war.  (8.  über  die  Stellung  der 
Königinmutter  am  persisch•  π  Hofe  Spiegel  aO.  3,  680.) 


614  NeuhauB 

Ausdruck:  * adiectumque  stragi  tot  filiorum  patrem  die  Todeeart 
dee  Vaters  der  Sisygambis  nicht  bestimmt  genug  erkennen  läset 
und  die  auffällig  hohe  Zahl  (80)  seiner  getödteten  Söhne  von 
selbst  die  Gedanken  auf  Artaxerxes  lenkte,  der  sich,  wie  man 
aus  Justin  wusste,  eines  der  Angabe  des  Curtius  entsprechenden 
Reichthums  an  Söhnen  erfreut  hatte.  Έβ  hätte  freilich  dabei 
nicht  vergessen  werden  dürfen,  dass  nach  Valerius  Maximue  auch 
der  auf  Ochos  Befehl  ermordete  patmus  desselben,  also  der  Bruder 
des  Artaxerxes  II,  eine  annähernd  gleiche  Zahl  von  Söhnen  ge- 
habt haben  muss  als  letzterer  nach  Justin,  da  über  100  Söhne 
und  £nkel  mit  ihm  niedergemacht  wurden;  ja,  ich  wage  sogar 
zu  behaupten,  dass  die  Primärquelle,  auf  die  die  Angabe  des 
Valerius  Maximus  zurückgeht,  die  Ziffern  für  die  Zahl  der  ge- 
tödteten Söhne  und  Enkel  von  einander  gesondert  enthalten  und 
für  die  Söhne  dieselbe  Ziffer  -  80  —  geboten  hat,  welche  Curtius 
(aus  derselben  Quelle)  für  die  Zahl  der  ermordeten  Brüder  der 
Sisjgambis  giebt.  Dazu  ist  wohl  noch  ein  drittes  Moment  ge- 
kommen, auf  das  Herr  Prof.  Justi  in  Marburg,  dem  ich  über- 
haupt mehrere  werthvolle  Fingerzeige  für  die  Behandlung  der  io 
Rede  stehenden  Frage  zu  danken  habe,  mich  aufmerksam  gemacht 
hat,  nämlich  die  Verwechselung  des  von  Diod.  XVII  5,  5  ge- 
nannten Arsanes  (in  Wirklichkeit  ein  Bruderssohn  des  Arta- 
xerxes Π)  mit  dem  bei  Flut.  Artax.  30  erwähnten  Sohn  des 
Artaxerxes  II,  Arsames.  Beide  Personen  sind  schon  von  den 
Chronographen  des  Alterthums  in  den  Königslisten  wegen  ihres 
fast  gleidh lautenden  Namens  sehr  häufig  zusammengeworfen  wor- 
den ^  und  dasselbe  ist  dann  von  den  Neueren  geschehen,  die  da- 
bei die  ausdrückliche  Angabe  Diodors,  dass  Arsanes  der  Sohn 
des  Ostanes,  Bruders  des  Artaxerxes,  gewesen  sei,  entweder  über- 
sehen oder  ihr  keinen  Glauben  geschenkt  haben  münsen.  Auf 
diese  Weise  hat  sich  dann  die  Ansicht  gebildet,  dass  als  der 
pater  der  Sisygambis  bei  Curt.  Artaxerxes  II  anzusehen  sei,  die 
80  ermordeten  Brüder  derselben  zu  den  118  Söhnen  dieses  Könige 
gehörten  und  die  Worte :  adiectumque  stragi  tot  filiorum  patrem 
nicht  von  einem  gewaltsamen  Tode  des  pater  der  Sisygambis  zu 
verstehen,  sondern  aus  Plut.  Artax.  30  zu  erklären  seien,  kurz, 
dass  Sisygambis    eine    Tochter    des    Artaxerxes  II   sei. 


^  Vgl.  Justi,   Iran.  Nameubuch    und  Judeich  in  Pauly•  Wieso  was 
Realenc>klop.  u.  Arsaues. 


Der  Vater  der  Sisygambie  usw.  615 

Sie  findet  sich  ausser  bei  Droysen  auch  in  Teuffels  Realencyklo- 
pädie^  und  in  der  Encyklop.  Britannica^. 

Allein  gegen  diese  Annahme  erheben  sich  die  schwersten 
Bedenken : 

1)  hat,  wie  bereite  erwähnt  ist,  nach  der  einzigen  aus- 
führlichen Erzählung  über  den  Tod  des  Artaxerxes  II,  die  wir 
besitzen,  Plut.  Art.  30,  Ochos  bei  Lebzeiten  seines  Vaters  nur 
zwei  seiner  Brüder,  die  gefürchtetsten  Rivalen  um  die  Herrschaft, 
aus  seinem  Wege  geräumt,  und  der  Tod  dieser  beiden  Lieblings- 
söhne hat  genügt  den  greisen  König  mit  Kummer  und  Grram  in 
die  Grube  zu  stürzen. 

2)  nach  Justins  ausdrücklicher  Angabe  hat  Ochos  erst  nach 
dem  Tode  seines  Vaters  und  nach  seiner  Thronbesteigung  die 
Abschlachtung  seiner  zahlreichen  übrigen  Verwandten  angeordnet. 

3)  ist  es  schon  an  sich  ganz  unglaublich,  dass  Ochos,  so 
lange  sein  Vater  noch  lebte  und  herrschte  —  denn  auch  nach 
dem  Tode  des  ursprünglichen  Thronfolgers  Dareios  und  des 
Ariaspes  wurde  er  nicht  zum  Nachfolger  ausersehen,  geschweige 
denn  zum  Mitregenten  erhoben,  wie  Plutarchs  Erzählung  (c.  30 
vgl.  26)  ausser  allen  Zweifel  stellt  —  ein  solches  Blutbad  unter 
seinen  Brüdern  anzurichten  hätte  wagen  dürfen. 

4)  würde  Curtius,  wenn  Sisygambis  wirklich  eine  Tochter 
des  Artaxerxes,  demnach  eine  Schwester  des  Ochos,  also  die 
80  Brüder,  deren  Ermordung  durch  Ochos  er  sie  beklagen  lässt, 
ebenfalls  Söhne  desselben  Königs  und  Brüder  des  Ochos  gewesen 
wären,  sie  gewiss  haben  sagen  lassen:  ihre  und  seine  eigenen 
Brüder  seien  von  Ochos  getödtet  worden  (octoginta  fratres  suoe 
ipsiusque), 

5)  berichtet  Curt.  V  3,  12,  dass  Madates,  Satrap  der  üxier, 
mit  der  Tochter  einer  Schwester  der  Sisygambis  vermählt  und 
so  ein  naber  Verwandter  des  Dareios  Kodomannos 
gewesen  8ei.  Auch  hier  fällt  es  auf,  dass  Curtius,  wenn  er  wirk- 
lich   Sisygambis    für    eine    Tochter   des   Artaxerxes  II    gehalten 

1  Bd.  2,  866  u.  Dariue.  Hier  wird  auf  Aeliane  Var.  Biet.  XII 
43  als  Beleg  hingewiesen,  wo  siel»  aber  nur  die  Worte:  Ό  bi  τελευ- 
ταίος Δαρείος  ό  ύπό  *Αλ€Εάνδρου  νικηθείς  δοΟλος  (so  in  der  Ausgabe 
von  Hercher,  alte  Lesart:  δούλης)  ήν  finden,  die  für  alles  andere  eher 
sprechen  als  dass  Sisygambis  eine  Tochter  des  Artaxerxes  gewesen  sei, 
jedenfalls  aber  nicht  das  Geringste  zur  Entscheidung  der  Frage  nach 
ihrem  Vater  beitragen  können. 

2  Vol.  VI  p.  826  u.  Dariue. 


Gie  Neuhaud 

hätte,  weder  den  Namen  ihrer  Schwester  genannt  noch  die  Zu- 
gehörigkeit derselben  zu  dem  regierenden  Zweige  der  Achäme• 
niden  erwähnt  haben  sollten  Auch  sollte  man  doch  in  diesem 
Falle  erwarten,  dass  der  Schriftsteller  nicht  bloss  von  einer  Ver- 
wandtschaft des  Madatee  mit  Dareios  redete,  sondern  vielmehr 
hervorhöbe,  dass  jener  Satrap  durch  seine  Heirath  auch  mit  den 
Groeskönigen  Artaxerxes  Π  und  III  oder  mit  dem  königlichen 
Hause  überhaupt  verwandt  geworden  sei. 

6)  endlich  haben,  wenn  Justis  Vermuthung,  eine  Ver- 
wechselung des  Arsanes  bei  Diodor  mit  dem  Arsamee  bei  Plu- 
tarch  habe  zur  Bildung  der  Ansicht,  Sisygambis  sei  eine  Tochter 
des  Artaxerxes  II,  mitgewirkt,  richtig  ist,  die  Gelehrten,  denen 
dieser  Irrthum  zugestossen  ist,  übersehen,  dass  in  diesem  Falle 
der  Arsanes  Diodors  doch  zum  Sohne  des  Artaxerxee  11  und 
Bruder  der  Sisysambis  wie  des  Ochos  selbst  würde,  Dareios  III 
aber  von  väterlicher  wie  von  mütterlicher  Seite  ein  Enkel  des 
Artaxerxes  II  und  Neffe  des  Ochos  und  damit  als  legitimes  erb- 
berechtigtes Mitglied  der  regierenden  Linie  der  Achämeniden  ein, 
wenn  auch  vielleicht  wegen  jugendlichen  Altere  nicht  sogleich, 
ho  doch  für  spätere  Zeit  dem  Ochos  sehr  gefahrlicher  und  zu 
fürchtender  Nebenbuhler  um  die  Herrschaft  gewesen  «ein  würde. 
Uann  wäre  es  aber  einerseits,  zumal  im  Hinblick  auf  die  An- 
gabe des  Valerius  Maximus,  dass  der  argwöhnische  Tyrann  seinen 
Oheim  sammt  Söhnen  und  Enkeln  tödten  Hess,  und  des  Justin« 
dass  er  alle  irgendwie  hervorrai^enden  Angehörigen  des  königlichen 
Hauses  ohne  Rücksicht  auf  den  Grad  der  Verwandtschaft,  auf 
Alter  und  Geschlecht  hinschlachten  üess,  völlig  rätbselhafl, 
warum  Ochos,  der  Mörder  des  Vaters  (Arsames),  den  Sohn, 
dessen  Rache  und  Rivalität  er  mehr  als  die  irgend  eineß  anderen 
Prinzen  zu  fürchten  hatte,  verschont  haben  sollte;  andererseits 
aber  würde  alles,  was  Diodor,  Plutarch,  Justin  u.  A.  uns  über 
das  Jugendleben  des  Dareios  Kodomannos  und  sein  Emporkommen 
aus  niedrigen  und  dürftigen  Verhältnissen  (er  soll  in  seiner  Ju- 
gend königlicher  άίΐτάνοης  di.  Courier,  Eilbote  gewesen  sein,  ja 
er  wird  sogar  geradezu  als  οοΰλος  bezeichnet)  berichten^,  völlig 
unbegreiflich. 

^  Dies  und  das  vorhergehende  Argument  verdanke  ich  der  Güte 
des  Herrn  Prof.  Jueti. 

2  Vgl.  Plut.  Alex.  IM  u.  de  Alex.  fort.  I  1;  Π  Η;  Diod.  XVII 
30,7;  Just.  X  3,  .Ί;  Curt.  ΠΙ  3,2  AT.;  Strabo  XV  3,24;  Aelian  Var. 
Hiet.  XII  48. 


Der  Vater  der  Sisygambis  usw.  β17 

Von  welcher  Seite  man  also  auch  die  Annahme,  Sisygambie 
sei  eine  Tochter  des  Artaxerxes  11  gewesen,  betrachten  mag, 
immer  stellt  sie  sich  als  unhaltbar  heraus.  Ich  bin  daher  über- 
zeugt, dass  Curt.  X  5,  23  nicht  mit  Plut.  Artax.  30  und  Just.  X 
1,  1,  sondern  mit  Valer.  Max.  IX  2  Kxt,  7  (sowie  mit  Diod.  XVIJ 
5,5  und  Just.  X  3,  1)  zu  combiniren  und  durch  letztere  Stellen 
zu  erklären  ist.  Nach  Valer.  Max.  liess  Ochos,  wie  wir  wissen, 
auch  seinen  Vatersbruder  mit  über  100  Söhnen  und  £nkeln  tödten. 
Dieser  patruus  aber  ist  jedenfalls  kein  anderer  als  der  von  Diod. 
aO.  genannte  Ostanes,  δς  ήν  άοελφός  ΆρταΗίρΗου  του  Περσών 
βασίλευσα  ντο  ς,  Vater  des  Arsanes  und  Grossvater  des  DareioslII. 

Nach  Ktesias  nämlich  (Exe.  Phot.  §  49),  der,  wie  er  ver- 
sichert, seine  Angaben  der  Parysatis  persönlich  verdankt,  hatte 
diese  Königin  ihrem  Gemahl  Dareios  Π  18  Kinder  geschenkt,  von 
denen  die  ältesten  eine  Tochter,  Amestris,  und  drei  Söhne:  Ar- 
sakas,  als  König  Artaxerxes  genannt,  Kyros  und  Artostes  waren. 
Nur  die  genannten  und  noch  ein  vierter  jüngerer  Sohn,  Oxendras, 
wuchsen,  wie  Etesias  weiter  berichtet,  heran,  während  die  übrigen 
Kinder  schon  früh  stHrben.  Auch  Plutarch  Artax.  1,  l  (vgl.  5,  3 
n.  22,  6)  führt,  nach  seinem  eigenen  Zeugniss  Etesias  folgend, 
vier  Söhne  des  Dareios  II  und  der  Parysatis  an :  Arsikas,  Eyros, 
Ostanes  und  Oxathres.  Auffällig  erscheint  es  hierbei  anfangs, 
dass  Plutarch,  trotzdem  er  unmittelbar  nachher  (1,  2)  dem  Ktesias 
betreffe  des  ursprünglichen  Namens  des  Artaxerxes  grössere 
Glaubwürdigkeit  zuerkennt  als  dem  Deinon^,  den  Söhnen  des 
Eönigspaares  Namen  giebt,  die  zwar  den  von  Photios  aus  Ktesias 
entlehnten  ähnlich,  aber  doch  immerhin  abweichend  sind.  In- 
dessen diese  Schwierigkeit  ist  leicht  zu  beseitigen,  ohne  dass  wir 
annehmen  dürften,  der  Getanes  und  Oxathres  des  Plut.  seien  etwa 
andere  Brüder  des  Artaxerxes  II  als  die  von  Phot.  Artostes  und 
Oxendras  genannten.  Das  ist  wegen  des  unumstössliohen  Zeug- 
nisses des  Etee.-Phot.  §  49  völlig  unmöglich.  Wie  der  Arsikas 
bei  Plut.  mit  dem  Arsakas  des  Phot.,  so  ist  vielmehr  zweifellos 
auch  der  Ostanes  des  ersteren  mit  dem  Artostes  des  letzteren 
und  der  Oxathres   des  ersteren  mit  dem  Oxendras    des   letzteren 


^'0  6*  *ΑρτοΗ^ρΕης  *Αρσίκας  πρότ€ρον  έκαλεΐτο*  καίτοι  Δείνων 
φησίν  οτι  Οάρτης.  'Αλλά  τόν  Κτησίαν,  el  καΐ  τδλλα  μύθιυν  απίθανων 
καΐ  παράφορων  έμβ^βληκ€ν  €ΐς  τά  βιβλία  παντοδαπήν  πυλαίαν,  ούκ  €ΐκός 
έστιν  άγνο€ΐν  τοΰνομα  τοΟ  βασιλέως,  παρ'  φ  δι^τριβ€,  θ€ραπ€ύων  αυτόν 
καΐ  γυναίκα  καΐ  μητέρα  καΐ  παΐδας. 


618  Neuhaus 

identisch  ^  Wenn  Justi  in  dem  von  ihm  im  Iranischen  Namen- 
buch S.  398  aufgeetellten  Stammbaum  der  Achämeniden  im  Gegen- 
satz zu  seinen  früheren  Ausführungen  (S.  40;  52)  den  Getanes 
neben  dem  dritten  Sohn  Artostes  als  fünften  und  jüngsten  Sohn 
besondere  rechnet,  so  thut  er  dies  wohl  nur,  um  eine  absolut 
vollständige,  jedem  Zweifel  entzogene  Namenliste  herzustellen, 
setzt  sich  aber  dadurch  in  Widerspruch  sowohl  mit  der  ausdrück- 
lichen Angabe  des  Ktes.-Phot.  §  49,  dass  nur  vier  Söhne  des 
Dareios  II  und  der  Parysatis  am  Leben  blieben,  als  auch  mit 
der  von  Flut.  Artax.  1,  1  und  5,  3  gebotenen  Reihenfolge  der- 
selben, da  an  beiden  Stellen  Ostanes  als  dritter  Sohn  vor  Oxathree 
genannt  wird.  Von  diesen  beiden  jüngsten  Söhnen  des  Dareis  U 
und  der  Parysatis  wird  endlich  (Artostes-)  Getanes,  wie  wir  be- 
reits wissen,  noch  bei  Diod.  XVII  5,  5,  (Gxendras-)  Gxathres 
unter  der  Namensform  Gxyartes  bei  Athenaios  XIII  p.  609*  er- 
wähnt*. 

£s  sind  also  unzweifelhaft  von  den  13  Kindern  des  Da- 
reios II  und  der  Parysatis  neben  Artaxerxes  II  nur  drei  Söhne 
am  Leben  geblieben  und  in  das  Mannesaiter  gelangt:  Kyros, 
Gstanes  und  Gxathres.  Da  nun  von  diesen  der  bei  Eunaxa  ge- 
fallene Kyros  auescheidet,  so  kann  nur  entweder  Getanes  oder 
Gxathree  der  nach  Valer.  Max.  von  Gchoe  getödtete  patruue  ge• 
weeen  eein.  Aber  auch  an  Gxathree  kann  schwerlich  gedacht 
werden,  da  eicherlich  Juetie  Yermuthung  (Iran.  Namenb.  S.  232), 


^  Vgl.  schon  Beehr,  Ctes.  Cnid.  oper.  reliqu.,  Frankfurt  1824, 
p.  19G,  der  sich  auf  Scaliger,  Emend.  temp.  p.  587  D,  beruft,  und 
ebenso  urtheilen  in  neuester  Zeit  Justi,  Iranisches  Namenbuch  S.  40 
vgl.  52  (u.  Artostes  und  Austanes)  und  232  (u.  Ozathres)  und 
Judeich  in  Pauly-Wissowae  Realencyklop.  u.  Artaxerxes.  Während 
dann  Smith,  Α  study  of  Plut.  life  of  Artax.,  Leipzig  1881,  p.  7  die 
drei  Stellen  in  Plutarchs  Artaxerxes,  wo  Getanes  (und  Gxendras)  ge- 
nannt werden,  wegen  der  Abweichung  der  Namen  von  Ktes.-Phot.  §  49 
auf  Deinen  zurückführt,  und  Mantey:  Welchen  Quellen  folgte  Plut.  in 
seinem  Leben  des  Artaxerxes?,  Greiffenberg  1883,  S.  3  wenigstens  zu 
derselben  Ansicht  hinneigt,  weist  Krumbholz,  de  Ctesia  aliisque  aucto- 
ribus  in  Plut  Artax.  vita  adhibitis,  Eisenach  1889,  p.  12  nach,  dass 
die  von  Photios  gebotenen  Namen  Artostes  und  Oxendras  ebenso  in 
den  Handschriften  verdorben  sind  wie  Arsakas  (vgl.  über  letzteren 
Namen  auch  Noeldeke  aO.  S.  61  A.  1)  und  Plutarch  die  richtigen 
Nameneformen  aus  Ktesias  bewahrt  hat. 

2  Vgl.  Schweighäuser,  Ausgabe  von  Athen.  Deipnoe.  vol.  Vll 
p.  304 ;  Justi,  Iran.  Namenbuch  S.  232  u.  Gxathres. 


Der  Vater  der  Sisygambis  usw.  619 

dass  unter  dem  von  Cart.  III  13,  13  als  Bruder  des  Dareioe  III 
bezeichneten  Oxathree  vielmehr  unser  in  Rede  stehender  Oxathres, 
der  jüngste  Bruder  des  Artaxerxes  II  und  somit  Grossonkel  des 
Dareioe  III,  zu  verstehen  sei,  das  Richtige  trifft.  An  der  ge- 
nannten Stelle,  wo  Curtins  die  Gefangennahme  zahlreicher  vor- 
nehmer persischer  Frauen  bei  der  Einnahme  von  Damaskos  er- 
zählt, heisst  es:  'In  eodem  grege  uxor  quoque  eiusdem  Ochi  fuit 
Oxathrisque  —  frater  hie  erat  Oarei  —  filia.*  Da  nun  unmittelbar 
vorher  erzählt  wird,  dass  auch  drei  erwachsene  Töchter  des  Ochos 
gefangen  wurden  (aO.  §  12:  *Inter  quas  tres  fuere  virgines, 
Ochi,  qui  ante  Dareum  regnaverat,  filiae,  olim  quidem  ex  fastigio 
paterno  rerum  mutatione  detractae,  sed  tum  sortem  earum  cru- 
delius  adgravante  fortuna'),  so  kann  es  wohl  keinem  Zweifel 
unterliegen^  dass  die  hier  erwähnte  Gemahlin  des  Ochos  nicht  die 
Mutter  jener  Jungfrauen  gewesen  sein  kann,  sonst  würde  Curtius 
doch  wohl  die  Mutter  vor  den  Töchtern  oder  wenigstens  mit 
ihnen  zusammen  erwähnt  haben.  Vielmehr  muss  es  sich  hier  um 
eine  andere  Gattin  jenes  Königs  handeln.  Justi  hat  daher,  wie 
ich  glaube,  richtig  die  folgenden  Worte  'Oxathrisque  filia*  als 
aufs  engste  mit  ^uxor  quoque  eiusdem  Ochi  fuit'  zusammen- 
gehörend mit  einander  verknüpft  und  versteht  unter  *Oxathris 
filia'  dieselbe  Person,  die  eben  als  'uxor  Ochi  von  Curtius  be- 
zeichnet ist.  Έβ  entspricht  dies  sowohl  dem  natürlichen  Sinn 
und  dem  Öatzbau  der  Stelle^  als  auch  dem  Gebrauch  der  Con- 
junction  que,  welche  'solche  Nomina,  die  als  zusammengehörig 
einander  ergänzen  und  vervollständigen,  also  (integrirende)  Theile 
eines  Ganzen^  verbindet^.  Ungenau  und  unrichtig  erscheint  mir 
dagegen  Spiegels,  Grotes  und  neuerdings  B.  Nieses  Interpretation 
der  Stelle,  die  neben  vielen  anderen  edlen  Perserinnen  die 
Wittwe  und  Töchter  des  Königs  Artaxerxes  Ochos 
und  die  Tochter  von  Dareios  Bruder  Oxathres  in  die 
Gewalt  der  Makedonen  fallen  lassen  f. 

Ist  nun  aber  Justis  Erklärung  von  Gurt.  III  13,  13  richtig, 

ist    es   dann    glaublich,    dass    eine    Tochter    des   jüngeren 

- 

^  Dem  erstüu  Gliede  des  Satzes:  In  eodem  grege  uxor  quoque 
eiusdem  Ochi  fuit  Oxathrisque  ftlia  folgt  ein  genau  correspondirendes 
zweites:  et  coniunx  Artabazi,  principis  purpuratorum,  nliusque,  cui 
Ilioneo  fuit  nomen. 

2  Ellendt-Seyffert  latein.  Gramm.  (25.  Aufl.  Berlin  1882)  S.  289  §  343. 

8  Vgl.  Spiegel  aaO.  II  8.512;  Grote  Bd.  ^2  s.  471;  Niese,  Gesch. 
d.  griech.  u.  makedon.  Staaleu,  Gotha  1893,  S.  78  Δ.  3. 


620  Ν  eil  hau  8 

Bruders  des  Dareios  ITI,  des  bei  Gurt,  und  anderen  Schrift- 
stellern sonst  oft  genannten  Oxathres,  Gemahlin  des  Ochos 
gewesen  sein  sollte?  Dareios  und  der  eben  erwähnte  Oxathree 
waren  doch  Neffen  jenes  Königs  (I)iod.  XVTl  5,  5),  die  Tochter 
des  Oxathres  und  Gemahlin  des  Ochos  wäre  also  zu- 
gleich seine  Grossnichte  gewesen.  Was  für  einen  ge- 
waltigen Altersunterschied  müssten  wir  in  diesem  Falle  zwischen 
den  beiden  Ehegatten  annehmen !  Ochos,  Sohn  des  Artaxerxes  II 
und  der  Stateira,  muss  vor  dem  Jahre  400  v.  Chr.  geboren  sein, 
da  letztere  um  dieses  Jahr  durch  Parysatis  vergiftet  worden  ist ', 
während,  da  Dareios  III  Geburt  um  380  fällt*,  sein  jüngerer 
Bruder  noch  später  geboren  ist  und  sich  kaum  vor  360  v.  Chr. 
verheirathet  haben  kann.  Wir  würden  also  die  Vermählung  des 
Ochos  mit  der  Tochter  des  Oxathres,  selbst  wenn  die  Frühreife 
orientalischer  Frauen  berücksichtigt  wird,  frühestens  in  eines  der 
Jahre  350 — 345  v.  Chr.  setzen  können,  in  eine  Zeit  also,  in  der 
Ochos  bereits  dem  sechzigsten  Lebensjahre  sich  näherte,  während 
die  junge  Frau  kaum  das  jungfräuliche  Alter  erreicht  hatte.  Un- 
möglich ist  ja  auch  dies  nicht,  und  Justi  lässt  es  daher  (im 
Stammbaum  der  Achämeniden  aO.  S.  399)  auch  unentschieden, 
ob  jene  von  Curt.  III  13,  13  erwähnte  Gemahlin  des  Ochos  die 
Tochter  des  Grossoheims  oder  des  Bruders  des  Dareios  111  ge- 
wesen ist.  Einleuchtender  indessen  ist ,  wenn  überhaupt  die 
Worte:  *uxor  quoque  eiusdem  Ochi  fuit  Oxathrisque  —  frater 
hie  erat  Darei  — -  filia'  mit  Recht  von  ihm  zu  einem  Ganzen 
zusammengefasst  und  von  derselben  Person  verstanden  worden 
sind,  jedenfalls  seine  Hypothese  (S.  232),  dass  Curtius  hier  die 
beiden  Oxathres  mit  einander  verwechselt  hat  und  dass  die  ge- 
fangene uxor  Ochi  eine  Tochter  des  jüngsten  Bruders  des  Ar- 
taxerxes II,  also  eine  Cousine  des  Ochos  gewesen  ist. 

Ist  nun  aber  der  von  Curt.  III  13,  13  *  frater  Darei'  ge- 
nannte Oxathree  in  Wahrheit  der  Oheim  und  zugleich  Schwieger- 
vater des  Ochos  gewesen,  so  ist  wohl  wegen  des  letzteren  Ver- 
wandtschaftsverhältnisses kaum  anzunehmen,  dass  Ochos  auch  ihn 
habe  ermorden  lassen.  Scheidet  daher  auch  Oxathres  aus  der 
Reihe  der  Oheime  des  Ochos  aus,  so  bleibt  nur  Ostanes  als 
der  patruus  übrig,  von  dessen  und    seiner  Söhne  und 


1  Ktes.-Phot.    §   (;i;    Plut.    Artax.    VX     Vgl.  Judeich    in    Pauly 
AViseowaa  ReHlencyklop.  u.  Artaxerxes  II. 

2  Arrian.  Auab.  III  22,  0. 


Der  Vater  der  Sisygambis  usw.  621 

Enkel  Ermordung  Valerius  Maximus  IX  2  Ext.  7 
8priclit,  und  die  an  eich  schon  nahe  liegende  Vermuthung,  dass 
der  Vater  und  die  Brüder  der  Sisygambie,  deren  Abschlachtung 
Cnrt.  X  5,  23  sie  beklagen  läset,  dieselben  Personen  sind,  von 
denen  Valerius  spricht,  wird  so  meines  Erachtens  bis  zur  Evidenz 
gesichert.  Sisygambis  war  also  nicht  eine  Tochter  des 
Artaxerxes  II,  sondern  seines  Bruders  Ostanes.  Hält 
man  damit  endlich  die  Angabe  Diod.  XVII  5,  5  zusammen,  dass 
Dareios  ΙΠ  der  Sohn  des  Arsanes,  dieser  aber  der  des  Ostanes, 
des  Bruders  des  Artaxerxes,  gewesen  sei,  so  ergibt  sich,  dass 
Sisygambis,  die  Gemahlin  des  Arsanes,  zugleich  auch 
seine  Schwester,  Dareios  111  Rodomannos  aber  von 
mütterlicher  wie  von  väterlicher  Seite  ein  Gross- 
neffe des  Artaxerxes  II  und  Neffe  des  Artaxerxes  III 
im  zweiten  Grade  gewesen  ist. 

Freilich  verhehle  ich  mir  keinen  Augenblick,  dass  der  Be- 
weis, den  ich  zu  führen  versucht  habe,  nicht  exact  genug  ist, 
um  jeden  Zweifel  an  der  Richtigkeit  meiner  Behauptung,  dass 
Ostanes  der  Vater  der  Sisygambis  sei,  auszuschliessen.  Denn  um 
nachweisen  zu  können,  dass  dieser  Mann  der  nach  Valer.  Max. 
von  Ochos  ermordete  Vatersbruder  sei,  habe  ich  mit  Justi  die  Worte 
des  Curt.  111  13,  13  '  uxor  quoque  eiusdem  Ochi  fuit  Oxathris- 
que  filia'  vielleicht  unrichtig,  jedenfalls  abweichend  von  sehr  her- 
vorragenden Gelehrten  erklären  und  den  Zusatz  jenes  Schrift- 
stellers 'frater  hie  erat  Darei'  als  einen  Irrthum  desselben  be- 
zeichnen müssen.  Selbst  wenn  dies  aber  mit  Recht  geschehen 
ist,  so  kann  immer  noch  gegen  meine  Argumentation  der  Ein- 
wurf erhoben  werden,  es  sei  zweifelhaft,  ob  der  Vatersbruder 
des  Ochos  sowie  dessen  Söhne  und  Enkel,  von  deren  Ermordung 
Valer.  spricht,  identisch  seien  mit  dem  Vater  und  den  Brüdern 
der  Sisygambis  bei  Curt.  X  5,  23.  Erwäge  ich  jedoch  alle  in 
Betracht  kommenden  Dinge,  so  werde  ich  immer  wieder  zu 
Justis  und  meiner  Ueberzeagung  zurückgeführt.  Zunächst  schliesst 
der  Zustand  der  auf  uns  gekommenen  Ueberlieferung  jedes  be- 
stimmtere Ergebniss  als  das  unserige  aus,  und  die  allein  neben 
der  unserigen  noch  aufgestellte  Vermuthung,  Sisygambis  sei  eine 
Tochter  Artaxerxes  Π  gewesen,  hat  sich  als  ganz  unhaltbar  er- 
wiesen. Sodann  wird  durch  unsere  Annahme  der  beste  Einklang 
der  gesammten  Ueberlieferung,  die  uns  erhalten  ist,  hergestellt. 
Einmal  finden  so  die  drei  von  den  Greueln  des  Ochos  handelnden 
Stellen  ihre  vollkommene  Aufklärung,    und  es  stellt  sich  heraus, 


622  Neuhaus 

dass  sie  eich  auf  einunddasselbe  Blutbad  beziehen.  Zugleich 
aber  ist  es  nur  bei  unserer  Annahme  zu  veretehen,  wie  Dareioe 
dem  von  dem  miestrauischen  und  grausamen  König  angerichteten 
Blutbad  entgehen  konnte,  und  ebenso  ist,  was  hiermit  aufs  engste 
zusammenhängt,  nur  mit  unserer  Ansicht  die  bei  zahlreichen  oben 
zusammengestellten  Schriftstellern  sich  findende  Nachricht  von 
den  bescheidenen  Verhältnissen  und  der  niederen  Stellung,  in 
denen  Dareios  in  seiner  Jugend  sich  befunden  habe,  zu  ver- 
einigen. Nur  wenn  er  ein  Spross  eines  fem  vom  Hofe  lebenden 
jüngeren  Zweiges  der  Achämeniden  war,  nicht,  wenn  er  der  re- 
gierenden Linie  angehörte,  ist  es  erklärlich,  warum  Ochos  seine 
Eltern  und  ihn  verschonte.  Seine  Eltern  müssen  dann  aus  irgend 
einem  für  uns  nicht  mehr  erkennbaren  Grunde,  vielleicht,  weil 
auch  sein  Vater  Arsanes  schon  in  untergeordneter  Stellung  und 
ausserhalb  des  nächsten  Gesichtskreises  des  Ochos  lebte,  dem  von 
Curtius  berichteten  Schicksal  ihres  Vaters  und  ihrer  Brüder  ent- 
gangen, und  mit  ihnen  muss  auch  er  selbst  gerettet  und  in  der 
Verborgenheit  bescheidener  Verhältnisse  aufgewachsen  sein,  bis 
er  sich  durch  seine  persönliche  Tüchtigkeit  von  dem  niederen 
Amte  eines  ά(Ττάν6ης  wieder  in  die  hohen  Kreise  emporschwang, 
denen  er,  wenn  man  Droysens  Ansicht  folgt,  schon  durch  seine 
Geburt  selbstverständlich  angehört  hätte.  Ganz  besonders  der 
Umstand  endlich,  dass  wir  durch  unsere  Untersuchung  in  dem 
nach  Valer.  Max.  ermordeten  Vatersbruder  des  Ochos  den  von 
Diod.  XVII  5,  5  als  Vater  des  Arsanes,  des  Vaters  des  Dareios  111, 
erwähnten  Ostanes  wiedergefunden  haben ,  scheint  zu  zeigen, 
dass  wir  der  richtigen  Spur  gefolgt  sind,  denn  so  wird  auch 
zwischen  dieser  Stelle  und  der  Erzählung  des  Valer.  ein  enger 
Zusammenhang  hergestellt.  Wenn  es  nun  auch  nie  möglich  sein 
wird,  den  ganz  einwandfreien  Beweis  zu  führen,  dass  dieser 
Ostanes  auch  der  Vater  der  Sisygambis  und  ihrer  Brüder  ist, 
von  deren  Ermordung  Curtius  redet,  so  wird  doch  Jeder,  der 
dies  bestreitet,  entweder  annehmen  müssen,  dass  das  von  Ochos 
bei  seinem  Regierungsantritt  unter  seinen  Verwandten  angerichtete 
Blutbad  einen  noch  grässlicheren  Umfang  gehabt  habe,  als  man 
bisher  geglaubt  hat,  oder  dass  er  gar  wiederholt  ein  so  furchtbares 
Verbrechen  begangen  habe.  Beides  ist  gleich  unwahrscheinlich. 
Es  scheint  also,  wenn  wir  zum  Schluss  die  Ergebnisse  un- 
serer Untersuchung  zusammenfassen,  gewiss  oder  wenigstens  auf 
Grund  aller  in  Betracht  kommenden  Verhältnisse  das  Glaub- 
hafteste zu  sein,  dass: 


Der  Vater  der  Sigygambis  usw.  623 

1.  der  Vaterebrader  des  Ochos  bei  Valer.  Max.  IX  2  Ext.  7 
dieeelbe  Person  ist  wie  der  Vater  der  Sisygambis  bei  Cart. 
X  5,  23; 

2.  an  beiden  Stellen  auf  denselben  Vorgang  nnd  dieselben 
Personen  angespielt  wird ; 

3.  Sisygambis  nicht  eine  Tochter  Artaxerxes  IT,  sondern 
seines  Bruders  Getanes  nnd  nicht  nnr  Gemahlin,  sondern  zugleich 
auch  Schwester  des  Arsanes  gewesen  ist,  was  nichts  Wunder- 
bares hat,  da  Heirathen  unter  Geschwistern  im  persischen  Königs- 
hause etwas  ganz  Gewöhnliches  waren.  —  Schon  Perizonius 
bemerkte  denn  auch  zu  Aelians  Var.  Hist.  XII  43:  '(Sisygambis), 
quae  vel  ipsius  Artaxerxis  Mnemonis  fuit  filia  vcl  potius  ex  eins 
fraire  orta,  vide  Gurt.  X  5,  23'  und  neuerdings  zählt  Judeich  in 
dem  von  ihm  verfassten  Artikel  über  Artaxerxes  Π  in  Pauly- 
Wissowas  Realencykl.  (2,  1317)  Sisygambis  unter  den  Töchtern 
dieses  Königs  nicht  mit  auf. 

Endlich  möchte  ich  noch  ganz  kurz  darauf  hinweisen,  dass 
die  Erzählungen  des  Valerius  und  Cuitius  über  die  von  Gchos 
verübten  Greuel  nicht  nur  sachlich  mit  Just.  X  3,  1  überein- 
stimmen, sondern  dass  wenigstens  zwischen  Valerius  und  Justin 
vielleicht  eine  noch  engere  Verbindung  besteht,  insofern  manches 
dafür  zu  sprechen  scheint,  dass  Val.  Max.  IX  2  Ext.  7  ebenso 
wie  Justins  Bericht  dem  Werke  des  Pompeius  Trogus  entlehnt  ist. 
Für  Gurtius  lässt  sich  deshalb  Bestimmteres  nicht  aussprechen, 
weil,  was  er  X  5,  23  sagt,  nur  eine  der  Sisygambis  in  den  Mund 
gelegte  Anspielung  auf  die  Massenmorde  des  Ochos  ist,  diese 
selbst  aber  in  einem  der  verlorenen  beiden  ersten  Bücher  seiner 
Alexandergeschichte  erzählt  waren.  Da  aber  seine  Worte  an 
jener  Stelle,  wie  wir  gesehen  haben,  mit  den  Angaben  des  Valer. 
und  Justin  vollkommen  vereinbar  sind  und  da  ferner  auch  sonst 
zahlreiche  Uebereinstimmungen  zwischen  ihm  und  Justin  fest- 
gestellt sind,  so  kann  man  wohl  die  Vermuthung  wagen,  dass  er 
dasselbe  erzählt  hat  wie  Trogus  Pompeius,  sei  es,  dass  er,  wie 
Grohn  (De  Trogi  Pompei  apud  antiquos  auctoritate,  Strassburg 
1882)  und  Petersdorff  (Eine  neue  Hauptquelle  des  Q.  Gurtius 
Rufus,  Hannover  1884)  behaupten,  aus  diesem  selbst  geschöpft 
hat,  sei  es,  dass  beider  Nachrichten  auf  dieselbe  Quelle  zurück- 
gehen. 

Königsberg  i.  Pr.  Otto  Neuhaus. 


MISCELLEN 


Ζα  Sophokles  Anti/^one  528 

0.  Hense  bat  in  seinem  Aufsatz  'Die  Modificirang  der 
Maske  in  der  griechischen  Tragödie'  (Festschr.  der  Universität 
Freiburg  z.  ÖOjähr.  Regierungsjubiläum  des  Grossherzoge  Friedrich 
von  Baden  1902,  S.  234)  die  sehr  gewinnende  Vermuthung  aus- 
gesprochen, dass  Ismene  v.  524  ff.  in  einer  neuen,  das  gerötbete 
Angesicht  darstellenden  Maske  auftrete.  Er  sobliesst  das  wohl 
mit  Hecht  aus  der  Ausführlichkeit,  mit  der  ihr  Gesichtsauedruck 
in  den  Worten  des  Chors  geschildert  wird,  und  begründet  den 
Maskenwechsel  mit  dem  seit  Ismenens  erstem  Auftreten  in  ihr 
vorgegangenen  Gesinnungswechsel :  mit  den  unverkennbaren 
Zeugen  jenes  Kampfes  (durch  den  sie  sich  zu  dem  Kntechluss^ 
der  Antigone  doch  noch  nachträglich  beizustehen,  durchgerungen), 
der  ihr  das  Blut  in  das  Antlitz  getrieben  hat,  Hess  sie  der  Dichter 
erscheinen,  db.  mit  veränderter  Maske.' 

Die  Thatsächlichkeit  des  Maskenwecbsels  darf  unbedenkli';h 
zugegeben  werden.  Eine  andere  Frage  aber  ist:  drückte  die  neue 
Maske  wirklich  ein  errötbendes  Gesicht  aus? 

Ismene  weint;  die  φιλαοελφία  hat  ihr  Thränen  in  die  Augen 
getrieben  (527).  Die  νεφέλη  kann,  wie  ja  auch  durch  τέτχΟΌύα 
über  jeden  Zweifel  erboben  wird,  mit  gebräuchlichem  Tropus 
umschreibend,  nichts  anderes  bezeichnen  sollen,  als  eben  die  φι- 
λάδελφα  δάκρυα;  vgl.  Eurip.  Hippel.  172  στυγνόν  b'  όφρύων 
νέφος  αύΕάνεται,  welche  Stelle  zugleich  beweist,  dass  auch  bei 
Sophokles  die  Worte  νεφέλη  οφρύων  zu  verbinden  sind.  Also 
ist  ύπεραιματόεν  als  ein  Wort  zu  verstehen.  Eine  Verbindung 
des  ιίπερ  per  tmesin  mit  αί(Τχύνει  giebt  keinen  befriedigenden 
Sinn.  So  wachsen  die  längst  geltend  gemachten  äethetischen 
Bedenken  gegen  den  Ausdruck  an  dieser  Stelle.  Das  Gesicht 
Ismenens  wird  gar  als  'über  und  über  blutig'  bezeichnet.  Dass 
ein  solcher  Ausdruck  den  Sinn  des  Erröthens  haben  soll,  kann 
nur  annehmen  wer  dem  Dichter  eine  starke  Geschmackelosigkeit 
zutraut.  Die  Sache  liegt  aber  thatsächlioh  anders:  das  ^θος 
muss,  da  die  Thränen  darauf  niederfallen,  den  Wangen  gleich- 
gesetzt werden  ^  die  also  nach  richtiger  Interpretation  hier  reicb- 


^  Die  Vorstellung,  dass  Thränen  das  Gesicht  entstellen  (αίσχύνει), 
ist  seit  Homer  (ß  37Ü;  b  74i))  geläufig  (Propert.  1  18,  15  et  tua  flendo 
lumina  doiectis  turpia  eint  lacrimis). 


Miscellen  625 

liehe  Blutspuren  zeigen.  Also  bat  sich  lemene  die  Wangen  zer- 
kratzt, eine  Sitte,  die  mit  Trauer  und  Todtenklage  ständig  ver- 
bunden ist.  Man  erinnert  sieh  der  Worte  des  Choephorenchore 
bei  AeschyluR  (v.  24  f.): 

πρέπει  παρηΐς  φοινίοις  άμυγμοΐς 
δνυχος  δλοκι  νεοτόμψ, 
der   στίρνιυν   πληγαι  αιμασσομενιυν    Soph.  El.  90,    der    Stelle 
der  euripideischen  Hekabe  (v.  652  ff.  N.)  • 

πολιόν  τ'  έπ\  κράτα  μάτηρ 

τέκνων  θανόντιυν 

τίθεται  χέρα  δρύπτεταί  τε  παρειάν, 

οίαιμον  όνυχα  τιθέμενα  σπαραγμοϊς. 
Wenn  nun  die  άμυχαι  παρειών  zum  festen  Bestand  der  rituellen 
Todtenklage  gehören,  wie  bezeugt  ist  (Luc.  de  luct.  12.  16),  so 
giebt  Ismene  an  unserer  Stelle  ohne  Weiteres  durch  ihren  Auf- 
zug zu  erkennen,  dass  sie  die  Todtenklage  um  Polyneikes  voll- 
zogen hat,  und  die  φιλάοελφα  όάκρυα  ν.  527  gelten  nicht  der 
όοελφή  Antigone,  sondern  dem  άόελφός  Polyneikes.  Damit  hat 
sie  aber  etwas  gethan,  was  von  Kreon  (v.  204)  ausdrücklich  ver- 
boten war,  sich  also  zur  Mitschuldigen  der  Antigone,  wiewohl 
in  einer  ihren  Charakter  bezeichnenden  mehr  äusserlichen  und 
gefahrlosen  Weise,  gemacht.  Als  solche  will  sie  ja  eben  hier 
erscheinen,  und  so  ist  was  sie  536  sagt,  nicht  geradezu  erlogen, 
wenn  freilich  auch  Antigone  eine  solche  Hetheiligung  von  Weitem 
an  dem  τάφος  zurückweisen  muss.  lemene  hat  ja  offenbar  den 
κιυκυτός  nicht  an  der  Leiche  des  Polyneikes,  sondern  innerhalb 
des  Palastes  vollbracht:  Kreon  meint  v.  491  f.  nichts  anderes 
als  ihre  Todtenklage,  die  diesem  Verstandsmenschen  wie  jede 
sonstige  Aeusserung  des  πάθος  (vgl.  ν.  β2.ί)  als  λύ(Τ(Τα  erscheint. 
Tübingen.  W.  Schmid, 


Ein  tieeetz  des  Redners  Lykargos 

In  dem  unter  Plutarchs  Namen  überlieferten  Leben  des 
Redners  Lykurgos  werden  eine  Anzahl  von  Gesetzen  mitgetheilt, 
die  der  eifrige  Reorganisator  der  athenischen  Finanzen  und  des 
athenischen  Cultus  eingebracht  hat.  Das  an  vierter  Stelle  an- 
geführte Gesetz  (vit.  X  oratt.  p.  842  Α  =  Westermann  Biogr. 
p.  273)  Έτι  6έ  ώς  του  Ποσειδώνος  αγώνα  ποιεϊν  έν  ΤΤειραιεϊ 
κυκλίιυν  χορών  ουκ  ίλαττον  τριών,  [και]  δίοοσθαι  τοις  μέν 
νικώσιν  ουκ  ίλαττον  6έκα  μνάς,  τοις  bk  δευτεροις  οκτώ,  ΐί  6έ 
τοις  τρίτοις  κριθεΐσιν*. 

Man  hat,  so  viel  ich  sehe,  bisher  an  dieser  Nachricht  keinen 
Anstoss  genommen,  und  die  Einrichtung  kyklischer  Chöre  für 
den  Poseidon  ist  mehrfach  mit  Lykurgs  Priesterthum  des  Posei- 


*  Vor  οίδοσθαι  hat  Duebner  καΐ  eingefügt,  Reiske  schlug  ών  vor; 
μέν  habe  ich  hinter  τοις  statt  hinter  δ{5οσθαι  gestellt. 

Rhein.  Mus.  f.  PhÜol.  N.  F.  LVII.  40 


626  Misoellen 

don-Erechtheu8  (vit.  X  oratt.  843  E)  in  Verbindung  gebracht 
worden  ^.  Aber  der  im  Peiraiens  verehrte  Poseidon  war  sicher- 
lich nicht  der  Foseidon-Erechthene  der  Burg,  er  ging  also  den 
Priester  dieses  Gottes  nichts  weiter  an,  und  die  Poseidonchöre 
lassen  sich  aus  den  Familieninteressen  des  Eteobutaden  nicht  er- 
klären. 

Die  Nachricht  will  sich  nun  gar  nicht  recht  mit  unsern 
sonstigen  Kenntnissen  von  attischen  Festen  vertragen.  Lyrische 
Chöre  werden  in  Attika  sonst  nur  den  beiden  musischen  Göttern 
A'pollon  und  Dionysos  dargebracht*,  warum  erhält  der  im  Cult 
so  wenig  hervortretende  Poseidon  plötzlich  diese  kostspielige 
Ehre?  Wie  kommt  es  ferner,  dass  wir  von  Poseidonien  im  Pei- 
raieus  sonst  weder  durch  die  Schriftsteller  noch  durch  die  In- 
schriften etwas  erfahren?  Müssten  nicht  wenigstens  die  Haut- 
gelderlisten  (CIA.  II  741),  deren  Zusammenhang  mit  Lykurgs 
Verwaltung  so  klar  erkennbar  ist,  dieses  von  ihm  verherrlichte 
Fest  erwähnen?  Diese  Fragen  drängen  sich  auf  und  erwecken  ein 
gewisses  Miästrauen  gegen  die  Nachricht  des  Biographen. 

Schwerlich  würde  ich  aber  eine  Aenderung  wagen,  wenn 
nicht  zu  dem  sachlichen  Anstot^s  ein  sprachlicher  hinzukäme: 
Einen  Agon  für  Poseidon  einrichten,  heisst  nicht  αγώνα  ποιεΐν 
του  ΤΤοσ€ΐοαινος,  sondern  τψ  TToaeibdivi.  In  allen  mir  bekannten 
Fällen  wird  bei  ποιεΐν,  συντελεΐν,  τιθίναι  αγώνα  der  Name  des 
Gottes  im  Dativ  hinzugefügt,  eine  besonders  reiche  Fülle  von 
Beweismaterial  liefern  die  Magnesischen  Inschriften  über  die  Ein- 
setzung der  Leukophryena  (Kern,  Inschriften  von  Magnesia  16 — 
87),  nicht  weniger  als  36  Mal  kommen  in  ihnen  solche  Wen- 
dungen vor.  Mit  Einfügung  eines  einzigen  Buchstabens  lassen 
sich  jedoch  alle  sprachlichen  und  sachlichen  Schwierigkeiten  be- 
seitigen —  es  ist  zu  schreiben  του  ΤΤθ(Τεώεώνος.  Im  Monat  Po- 
seideon werden  im  Peiraieus  Diouysien  gefeiert,  die  sich  grade 
im  IV.  Jahrb.  grosser  Beliebtheit  eifreuen.  In  den  Hautgelder- 
listen werden  mehrfach  (a  G,  c  15,  d  7)  nicht  unerhebliche  Be- 
träge als  von  ihren  Opfern  stammend  verzeichnet,  und  die  Tempel- 
verwaltung von  Eleusis  verwendet  für  sie  im  Jahre  329/8  (Ditten- 
berger  Slü.^  587  Z.  106  und  183)  genau  dieselbe  Summe  wie 
für  die  Lenaeen.  Im  Gesetze  des  Euegoros  bei  Dem.  XXI  10 
heisst  es  δταν  ή  πομπή  ή  τψ  Διονύσψ  έν  ΤΤειραιεϊ  και  ot  κω- 
μωδοί και  ot  τραγψδοι,  damals  fehlten  den  peiräischen  Dionysien 
also  noch  die  lyrischen  Chöre,  erst  Lykurgos  hat  das  Fest  auch 
hierin  den  städtischen  Dionysien  gleichgestellt.  Nach  Arist.  πολ. 
*Αθ.  54,  8  wird  man  annehmen  dürfen,  dass  auch  für  diese  Chöre 
der  Demarch  des  Peiraieus  die  Choregen  bestimmte.  Alles  dies 
fügt  sich  so    zusammen,    dass   die   leichte  Aenderung  des  Textes 


^  So  Meier,  Commeut.  de  vita  Lyc  p.  XLII,  A.  Mommsen,  Feste 
der  Stadt  Athen  S.   147. 

2  R fisch  nimmt  auch  für  Panathenaeen,  Prometheen  und  He- 
phaistien  chorische  Agone  an  (Pauly-Wissowa  III  24H3),  schwerlich  mit 
Recht,  vgl.  Dittenberger  zu  SIG.  2  712  Z.   11. 


Miecellen  627 

wobl  als  gesichert  gelten  darf.  Zweifeln  kann  man  nur,  ob  der 
Name  des  Gottes  Dionysos  bei  Pseudo-Plutarch  genannt  war; 
unbedingt  nöthig  scheint  es  mir  niclit  ihn  einzusetzen,  denn  wenn 
im  Poseideon  kyklische  Chöre  im  Piraieus  auftreten  sollen,  so  ist 
es  für  jeden  Athener  selbstverständlich,  dass  sie  zum  Dionysos- 
fest gehören. 

Greifswald.  Alfred  Körte. 


Eine  Blattversetzong  bei  Galen 

In  Galens  Commentar  zu  der  hippokrateischen  Schrift  περί 
δρθρων  steht  znr  Erläuterung  des  Satzes  (c.  45;  t.  II  p.  171,  13 
Kühlewein)  τούτο  μεν  γάρ  τό  προς  τήν  κοιλίην  ^ε'πον  οι  σφόνου- 
λοι  εντός  δρτιοί  είσιν  άλλήλοισιν  Folgendes  (t.  XVIII  Α  526 
Kuhn):  όποϊαι  μέν  ουν  εισιν  έκάστψ  των  σφονδύλιυν  αΐ  άττοφύ- 
σεις,  έπί  τε  τών  σκελετών  εϊπεν  ειρημένον  νυν  περί  τΛν  σφον- 
όύλων,  οΟς  κατά  τά  ένδον  μ^ρη  κέκληκεν  άρτιους,  τουτέστιν 
άπηρτισμένους  αυτών  τε  καθ'  εαυτών  ϊκαστον  Ιν  τε  τη  προς 
αλλήλους  ομιλία.  Offenbar  reiset  hinter  έπί  τε  τών  σκελετών 
der  Zusammenhang  ab:  von  Beobachtung  der  Wirbel  an  Skeletten 
ist  bei  Hippokrates  nicht  die  Rede,  und  schon  die  äussere  Form 
der  Rede  zeigt,  dass  mindestens  mehrere  Worte,  vielleicht  mehrere 
Sätze  fehlen,  um  von  den  anderen  Verderbnissen  zunächst  ganz 
abzusehen. 

Nicht  geringeren  Α nstoss  bietet  der  Al.schnitt,  der  den  hip- 
pokrateischen Worten  (o.  45;  t.  II  p.  173,9  Kühlewein^  άπό  8έ 
τούτου  άχρι  του  μεγάλου  σφονδύλου  του  υπέρ  τών  έπωμίοιυν 
Ιθυκύφη•  ίτι  δέ  μάλλον  οοκέει  ή  Ιστιν  gewidmet  ist.  Er  lautet 
(Χ VIII  Α  546  Κ.):  ολίγον  τι  κατά  τον  θώρακα  φαίνονται  σιμού- 
μενοι  τά  fvbov  τών  οστών  οι  σφόνδυλοι  τό  b*  οπίσω  μέρος 
αυτών  Ικανώς  κυφόν  φαίνεται  bia  τήν  τής  άκάνθης  άπόφυσιν. 
δν  6έ  λέγει  μέγαν  σφόνδυλον  υπέρ  τών  έπιυμίδων  εϊσεσθαι  και 
bi'  υπομνήματος  έρχεται  προς  άνάμνησιν,  έν  φ  περί  τών  οστών 
έγραψα,  προσαρμόίειν  b'  ημάς  προσήκει  τοίνυν  τοις  λεγομένοις 
έκεϊνα  μη  bεoμέvoυς  ύπ'  έμου  πλην  ει  που  λέΕις  έμπίπτοι  χρή- 
Ιουύά  τίνος  έΕηγήσεως,  ης  ένεκεν  και  τά  τοιαύτα  υπομνήματα 
γράφεται,  καθάπερ  γε  και  τό  έπι  τη  προκειμένη  νυν  ^ήσει. 
Auch  hier  liegen  schwere  iStörungen  des  Zusammenhanges  vor; 
vor  εϊσεσθαι  klafft  eine  Lücke,  und  die  folgenden  Sätze  passen, 
wenn  man  genauer  zusieht,  überhaupt  nicht  an  diese  Stelle. 
Welches  ist  denn  die  λέΕις  χρήίουσά  τίνος  έΕηγήσειυς,  «lie  für 
den  in  ßede  stehenden  Satz  der  hippokrateischen  Schrift  den  An- 
lass  zur  Commentirung  gegeben  halben  roHV  Man  könnte  den- 
ken, Ιθυκύφη;  aber  dieses  Wort  wird  ja  thatsächlich  gar  nicht 
erläutert. 

Der  Codex  Laurentianus  LXXIV  7,  eine  Pergamenthand• 
scbrift  des  IX.  Jahrhunderts  \  führt  zu  einer  überraschenden 
Lösung  der  beiden  Probleme. 

1  Vgl.  Apollonius  von  Kitiura  (Leipzig  IHOiij,  Einleitung  S.I— XVII. 


628  Misocllen 

Auf  den  ersten  Blick  freilich  vermehren  sich  die  Schwierig- 
keiten nur,  statt  sich  zu  verringern ;  denn  der  Text  der  Flo- 
rentiner Handschrift  weist  noch  weitergehende  Störungen  der 
üeberlieferung  auf,  als  der  Druck.  Es  folgt  nämlich  526,  4  auf 
die  Worte:  όποϊαι  μέν  ουν  eioxv  έκάστψ  των  σφονούλων  αι 
αποφύσεις,  άπό  τε  των  σκελετών  zunächst  ein  Abschnitt,  der 
im  Druck  536,  3  mit  τό  στέρνον  απάντων  πλατύτατον  beginnt 
und  bis  546,  10  καθάπερ  τε  και  τό  πρό  της  προκειμένης  βή- 
σεως  fortläuft.  Hieran  schliesst  sich  unmittelbar  526,  4  εΤπεν 
είρημένον  und  es  geht  wie  im  Druck  weiter  bis  546,  4  άπό- 
φυσιν.  Dann  heisst  es :  δν  hk  λέγει  μέγαν  σφόνδυλον  υπέρ  των 
έπωμίδων,  ήτις  ίστιν  των  του  τραχήλου  κατά  τον  αριθμόν 
ϊκτον  άπό  τής  κεφαλής.  Es  folgt  das  neue  Lemma:  αυτό  bi 
τό  άρθρον  του  αύχένος  λορδόν  έστιν  (ρ.  546,  11). 

Mit  anderen  Worten :  die  Handschrift  giebt  den  Abschnitt 
536,  8 — 546,  5  zweimal;  einmal  an  falscher  (526,  4),  das  andere 
Mal  an  richtiger  Stelle  (536,3).  Hei -seinem  ersten  Auftreten 
sind  ihm  noch  6  Zeilen  angeschlossen,  die  im  Druck  an  anderer 
Stelle  (546,5-  10)  stehen ;  das  andere  Mal  wird  er  durch  12  Worte 
vervollständigt  (ήτις — κεφαλής),  die  im  Druck  ganz  fehlen.  Erst 
mit  diesem  halben  Satz  sind  die  Elemente  vollständig  gegeben, 
deren  wir  zur  Wiederherstellung  des  ursprünglichen  Zusammen- 
hangs bedürfen. 

Der  Hergang  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  folgender 
gewesen.  In  einer  Handschrift  des  Galencommentars  war  das 
innerste  Doppel blatt  eines  Quaternionen,  das  den  Abschnitt  536, 
3 — 546,  5  (153  Zeilen  des  Kühn'schen  Drucks)  enthielt,  an  falsche 
Stelle  gerathen.  £in  Abschreiber  copirte  den  Passus  zunächst 
da,  wo  er  ihn  fand ;  dann  merkte  er  den  Irrthum  und  copirte 
das  Stück  zum  zweiten  Mal  an  der  richtigen  Stelle,  ohne  jedoch 
die  erste  Version  zu  tilgen.  In  diesem  Zustand  liegt  die  üeber- 
lieferung in  der  Florentiner  Handschrift  vor. 

Bei  dem  Versuch,  das  grosse  Emblem  auszuscheiden,  ist 
dann  später  durch  ein  Versehen  der  Abschnitt  546,  5 — 10  von 
der  ersten  an  die  zweite  Stelle  mit  hinübergeschoben  worden, 
und  die  12  letzten  Worte  (ήτις  —  κεφαλής),  deren  Anschluss 
vielleicht  wegen  der  in  ήτις  steckenden  Corruptel  nicht  klar 
wurde,  sind  ganz  verloren  gegangen.  Diese  Fassung  liegt  in  den 
Drucken  seit  der  Aldina  vor. 

Um  den  ursprünglichen  Zusammenhang  der  Darlegung  her- 
zustellen, scheiden  wir  den  doppelt  vorhandenen  Passus,  da  wo 
er  in  der  Handschrift  zum  ersten  Mal  und  an  falscher  Stelle 
auftritt,  aus  und  schliessen  uns  sodann  in  der  Anordnung  der 
Abschnitte  vollständig,  im  W^ortlaut  so  nahe  als  möglich  der 
Üeberlieferung  an.  Die  beiden  Abschnitte  des  Galencommentars, 
die  zunächst  in  Frage  kommen,  erhalten  dadurch  folgende  Gestalt: 

I 
XVIIl  525,9  ff.:    Τούτο  μέν   γάρ  τό  προς   τήν    κοιλίην 
()έπο\  ο\  σφόνδυλοι  εντός  άρτιοι  είσιν  άλλήλοισιν. 


Mieoellen  629 

Τών  σφονούλων  το  μέν  όπίσιυ  μίρος  άπόφυσιν  oSeiav 
Ιχει  χονόρώδη  κατά  το  π^ρας,  ήν  όναμάίουσιν  δκανθαν,  τό  b' 
άντικείμβνον  τούτω  τό  πρόσω  τε  και  εντός  —  έκατέρως  γαρ 
ονομάζεται  —  χόνόρω  μίν  επαλείφεται  και  αυτό,  περιφερές  6' 
έστι  και  λεΐον  ούοεμίαν  όΗεϊαν  άπόρυσιν  Ιχον  oOb'  όλως  έΗοχήν 
τίνα  βραχυτάτην,  ώσπερ  οπίσω  τε  κάκ  (κα\  L)  των  πλαγίων 
ίχει.  όποϊαι  μέν  ουν  είσιν  έκάστω  των  σφονούλων  αΐ  (in  ras. 
m.  1)  αποφύσεις,  άπό  τε  των  σκελετών  ||  546,  5  ||  εϊσεσθε  (εϊ- 
σεσθαι  L)  καΐ  bf  υπομνήματος  ίχετε  (έχεται  L)  προς  άνάμνη- 
σιν,  έν  φ  (viell.  fdv]  δ)  περί  των  οστών  ίγραψα  (vgl.  Ιί  ρ.  758  Κ.), 
προσαρμόζει  ν  b'  ύμας  <προσ>ήκει  τοϊ<ς>  νυν  [τοις]  λεγομένοις 
έκεϊνα  μη  bεbεμέvoυς  (bεbεμέvoις  L)  ύπ'  έμου,  πλην  ει  που 
λέΗις  (λέΗεις  L)  έμπίπτοι  χρήίουσά  τίνος  (τινας  L)  έΗηγήσεως, 
ών  (ήν  L)  ένεκεν  και  τα  τοιαύτα  υπομνήματα  γράφεται,  κα- 
θάπερ  γε  (τε  L)  και  τό  κατά  τήν  προκειμένην  βήσιν  (πρό  τής 
προκείμενης  βήσεως  L•)  ||  ρ.  526,  4  ||  είπεν  είρημένον  περί  τών 
σφovbύλωv,  οδς  κατά  τά  fvbov  μέρη  κίκληκεν  άρτιους,  τουτέστιν 
άπηρτισμένους  αυτόν  τε  καθ'  εαυτόν  ίκαστον  Ιν  τε  τη  πρόο 
αλλήλους  όμιλίςι.  bιότι  γάρ  οοτ'  έΕοχή  τις  αύτοϊς  έστιν  ενταύθα 
και  κατά  πάν  άλλήλοις  έφαρμόττουσιν,  άρτιους  αυτούς  ώνό- 
μασεν  εΤναι  προς  αλλήλους  οίον  άπηρτισμίνως  (άπηρτισμένους 
L)  όμιλουντας. 

II 

XVIII  Α  545,  10  ff.  (L  erste,  Lg  zweite  Fassung) :  *Από  bfe 
τούτου  άχρι  του  μεγάλου  σφovbύλoυ  του  υπέρ  τών  έπωμίbωv 
ιθυκύφη,  έτι  bk  μάλλον  boκέει  (boκέειv  L)  ή  ?στιν.  ή  γάρ 
άκανθα  κατά  μέσον  ύψηλοτάτας  τάς  έκφύσιας  τών  όστίων 
ίχει,  ένθεν  bk  και  ένθεν  έλάσσους. 

'Ολίγον  τι  (om.  L2)  κατά  τον  θώρακα  φαίνονται  σιμού- 
μενοι  τά  fvbov  [έάν]  (om.  Lg)  τών  οστών  (om.  Lg)  ο\  σφόvbυλoι. 
τό  b'  οπίσω  μίρος  αυτών  Ικανώς  κυφόν  φαίνεται  (φαίνεται 
κυφόν  L2)  bia  τήν  τής  άκάνθης  άπόφυσιν.  δν  bk  λέγει  μέγαν 
σφόvbυλov  υπέρ  τών  έπωμίbωv.  εΐς  τις  (ήτις  L)  έστιν  τών  τοΟ 
τραχήλου,  κατά  τόν  αριθμόν  έκτος  (έκτον  L.)  άπό  τής  κεφαλής. 

Charlotten  bürg.  Η.  Schöne. 


Zu  Cicero  ad  Q.  fr.  II  3 

Am  12.  Februar  56  berichtete  Cicero  seinem  in  Sardinien 
befindlichen  Bruder  über  die  politischen  Vor^fänge  seit  dem  Be- 
ginn des  Monats.  Der  Anfang  des  Briefes  (II  3)  lautet:  Scripsi 
ad  te  antea  Buperiora;  nunc  cognosce,  postea  quae  sint  acta.  Α 
Kai.  Febr.  legationes  in  Idus  Febr.  reiciebantur:  eo  die  res  con- 
fecta  non  est.  Den  zweiten  Satz  giebt  die  Moser* sehe  Ueber- 
setzung  80  wieder:  'Vom  1.  Februar  wurden  die  Gesandtschaften 
auf  den  13.  hinausgeschoben:  an  diesem  Tage  wurde  (^also)  die 
Sache  nicht  abgemacht.'  Hier  ist  zweierlei  falsch  aufgefasst: 
erstens  ist  reiciebanfur  ein  imperfoctum  de  conatu:  die  Audienzen 


630  Miscellen 

der  fremden  GeRandten  eollten  hinaut^geschoben  werden,  man 
debattirte  darüber;  und  zweitene  ist  res  nicht  eine  beliebige  an- 
dere Sache,  die  in  Folge  der  reiectio  legationnm  nicht  zu  Stande 
kam,  sondern  eben  die  reiectio  selbst:  die  Debatten  verliefen  re- 
sultatlos^.  Es  war  gewiss  nicht  nötbig,  den  überlieferten  Satz 
so  misszuverstehen  ;  aber  allerdings  steckt  meines  Erachtens  auch 
ein  Fehler  in  der  Ufiberlieferung.  Es  scheint  mir  unzweifelhaft, 
dass  das  Α  vor  Kai.  Febr.,  als  dnrch  Dittographie  entstanden, 
zu  tilgen  ist.  Denn  es  kommt  Cicero  gar  nicht  darauf  an,  mit- 
zutheilen,  dass  die  Audienzen  vom  1.  Februar  auf  den  13.  ver- 
schoben werden  sollten,  sondern  vielmehr,  dass  am  1.  Februar 
kein  Beschluss  darüber  zu  Stande  kam.  Die  Sache  wurde  näm- 
lich hinterher  doch  perfect,  wahrscheinlich  gleich  am  2.  Februar, 
jedenfalls  vor  dem  6.,  wie  das  folgende  zeigt:  zwischen  die  Be- 
richte über  die  Gerichtsverhandlungen  vom  2.  und  vom  6.  Fe- 
bruar schiebt  Cicero  den  wieder  auf  die  Senate  Verhandlungen 
bezüglichen  Satz  ein  :  Interim  reiectis  legafionibus  in  Idus  refere- 
batur  de  provinciis  quaestorum  etc.  Auch  diese  Verhandlungen 
führten  zu  keinem  Ziel.  Liest  man  nach  meinem  Vorschlage: 
Kai.  Febr.  legationes  in  Idus  reiciebantur:  eo  die  res  confecta 
non  est,  so  wird  das  reiciehanfur  sofort  durchsichtig,  und  eo  die 
hat  nun  seine  deutliche  Beziehung:  auch  die  falsche  Auffassung 
Tnnstalls,  der  eo  die  von  den  Idus  verstehen  wollte,  ist  nun  aus- 
geschlossen. Nach  der  lex  Gabinia  vom  Jahre  67  ging  bekannt- 
lich während  des  ganzen  Februars  die  Annahme  der  Gesandt- 
schaften allen  andern  Gegenständen  vor:  legationes  in  Idus  Febr. 
reicere  ist  also  auch  ohne  die  Hinzufügung  eines  terminus  a  quo 
verständlich,  ja  der  Zusatz  α  KaL  Febr.  hat  sogar  an  unserer 
Stelle,  wo  die  Debatte  über  die  von  der  Regel  abweichende  Ar- 
beitseintheilung  am  2.  Februar  fortgesetzt  wird,  etwas  Schiefes. 
Zudem  aber  spricht  die  ganze  Anlage  des  Briefes  für  die  Weg- 
lassung des  α:  Cicero  giebt  seinem  Bruder  eine  tabellarische 
üebersicht  über  die  acta  der  einzelnen  Februartage ;  an  der  Spitze 
der  verschiedenen  Abschnitte  steht  immer  das  Datum,  auf  welches 
wiederholt  mit  eo  die  Bezug  genommen  wird.  Vgl.  §  1  :  A.  d. 
l\\l.  Non.  Febr.  Milo  adfuit  ....  prodict.i  dies  est  in  Vlll. 
Idus  Febr.;  §  2  (nach  der  Einschiebung  des^  Satzes  mit  Interim): 
A.  d.  VlJI.ld.  Febr.  Milo  adfuit  ....  Res  in  poeterum  dilata 
est.  Clodius  in  Quirinalia  prodixit  diem;  §  3:  A.  d.  VII.  Id. 
Febr.  senatus  ad  Apollinis  fuit  .  .  .  eo  die  nihil  perfectum  est. 
A.  d.  VI.  Id.  Febr.  ad  Apollinis  senatus  consultum  est  factum 
....  Eo  die  Cato  vehementer  est  in  Pompeium  invectus  .  .  .; 
§  5:  Λ.  d.  IUI.  Id.  Febr.  Sestius  .  .  est  pootulatus  .  .  .  eodem 
die  senatus  consultum  factum  est  .  .  .;  §  6:  A.  d.  III.  Id.  Febr. 
dixi   pro  Bestia  .   .  .;   §  7:    Pridie  Idus  Febr.  haec  scripsi    ante 


*  Beide  Fehler  auch  bei  Tyrrell,  der  reiciebantur  mit  *were  put 
otf  *  überspitzt  und  unter  res  versteht  'the  question  who  should  reston- 
Ptülemy'. 


Miscellei)  631 

lucem.  Ohne  Zweifel  begann  also  die  Aufzählung  der  Tage  nach 
dem  einleitenden  Satze  mit:  Kai.  Febr,  legationes  in  Idus  reicie* 
bantur:  eo  die  res  confecta  non  est. 

loh  benutze  die  Gelegenheit,  um  auf  eine  meineR  Erachtens 
ganz  evidente  Euiendation  von  Gulielmus  hinzuweisen,  welche  die 
neueren  Herausgeber  verschmäht  haben,  obgleich  sie  durch  Mad- 
vigs  Autorität  empfohlen  worden  war.  Nämlich  in  §  2  unseres 
Briefes  heisst  es  von  der  Rede  des  Pompeius  für  Milo:  Dixit 
Pompeius  sive  voluit;  nam,  ut  surrexit,  operae  Clodianae  clamo- 
rem  sustulerunt,  idque  ei  perpetua  oratione  contigit,  non  modo 
ut  adclamatione,  sed  ut  convicio  et  maiedictis  impediretur.  Qui 
ut  peroravit  —  nam  in  eo  sane  fortis  fuit;  non  est  deterritus ; 
dixit  omnia  atque  interdum  etiam  silentio,  cum  auctoritate  pere- 
gerat  — -  sed  ut  peroravit,  surrexit  Clodius.  Dazu  bemerkt  Madvig 
Adv.  crit  fll  p.  194  :  Quid  auctoritate  peregerat  et  quidem  sae- 
pius?  Nihil  sane,  sed  perfregeraf  (er  drang  durch).  Sine  accu- 
sativo  dicitur  perfringere  etiam  Or.  97.  [Sic  iam  Gulielmus,  cui 
nemo  auscultavit.]  Die  Aenderung  ist  leicht:  Ausfall  von  FR 
hinter  ER.  Aber  dass  sie  auch  einen  vorzüglichen  Sinn  her- 
stellt, hat  man  nicht  erkannt.  K.  Lehmann  (Jahresber.  in  der 
Zeitschr.  f.  Gymn.  1888  p.  286)  stiess  sich  an  dem  Tempus: 
'  Ref.  hält  hier  ein  Plusquamperf.  nicht  für  recht  möglich*.  Das 
scheint  auf  C.  F.  W.  Müller  Eindruck  gemacht  zu  haben;  denn 
er  lässt  peregerat  mit  crux  im  Texte  stehen  und  sagt  in  der 
adn.  crit.:  ^perfregerat  Gulielm.,  Madv.  Adv.,  plusquamperfectum 
improb.  Lehmann  Jahresber.'  Der  Einwand  Lehmanns  beruht' 
aber  offenbar  auf  einem  Missverständniss;  er  hat  wohl  cum  für 
die  Präposition  genommen^,  und  dann  ist  allerdings  das  Plus- 
quamperfekt anstössig.  Aber  cum  ist  die  Conjunction,  in  itera- 
tivem Sinne  gebraucht^  mit  Rücksicht  auf  das  vorhergehende 
interdum:  manchmal  herrschte  sogar  Stille,  nämlich  allemal,  wenn 
seine  Autorität  durchschlug.  Für  den  absoluten  Gebrauch  des 
Verbums  hat  Madvig  eine  Stelle  nachgewiesen;  die  Redensart 
auctoritate  perfringere  findet  sich  auch,  vom  Senate  gebraucht, 
in  der  (kritisch  allerdings  nicht  ganz  sicheren)  Stelle  p.  red.  ad 
Uuir.  4,  1 0 :  ut  aliquando  perüceretur,  cum  primum  licuit,  fre- 
quentia  atque  auctoritate  perfregit. 

Dortmund.  W.  Sternkopf. 


^  Wie  Süpfie-BÖckel,  welche  umstellen:  'dixit  omnia  cum  aucto- 
ritate*, oderKayser,  welcher  vorFcblng  *  cum  auctoritate  peregit*,  oder 
Lambinus.  der  lesen  wollte  'cum  Huctoritate  eemper  egerat',  oder 
Tyrrell,  der  die  Ij  eher  lieferung  hält,  aber  anmerkt:  tbe  ohange  of  tense 
is  stränge. 

^  Madvigs  Frage  lautet:  quid  auctoritate  peregerat  et  quidem 
aaepiits? 


β32  Miscellen 

Zar  Lex  Manciana  —  Pro  salnte  imperatoris 

Obwohl  ich  die  üeberzeugun^  hege,  dase  einem  urtbeils- 
fähigen  Publikum  wenig  mit  Antikritiken  gedient  ist  —  denn  ee 
wird  sich  sein  Urtheil  über  die  Berechtigung  einer  Kritik  selbst 
bilden  —  glaube  ich  doch  Seecks  Entgegnung  (in  dieser  Zeit- 
schrift LVI  477  f.)  auf  meine  Kritik  (ebenda  LVl  120  f.)  beant- 
worten zu  müssen,  da  Seeck  sich  und  seine  Leser  über  einen 
für  seine  Lesung  wesentlichen  Punkt  täuscht.  Er  glaubt,  sich 
bei  seiner  Lesung  der  Inschrift  zweier  bei  verschiedenem  Licht 
aufgenommener,  also  sich  ergänzender  Photographien  mit  Erfolg 
haben  bedienen  zu  können ;  die  eine  sei  ihm  von  Dessau  mit- 
getheilt  worden,  die  andere  ist  die  der  Toutain'schen  Publikation 
beigegebene.  Dem  gegenüber  kann  ich  feststellen,  dass  der  Stein 
überhaupt  nur  einmal  photographirt  worden  ist  (Mittheilnng 
Gaucklers),  dass  die  von  Dessau  an  Seeck  gesandte  Photographie 
dieselbe  ist,  welche  Toutain  in  Heliogravüre  reproducirt  bat. 
Seeck  hat  sich  wohl  durch  den  verschiedenen  Ton  der  beiden 
Abdrücke  täuschen  lassen.  Sollte  aber  nicht  diese  optische  Selbst- 
täuschung ein  schlimmes  Präjudiz  für  die  Seeck'schen  Lesungen 
sein,  die  man  weder  auf  dem  Stein  noch  auf  der  Photographie 
hat  wiederfinden  können?  Mit  den  beiden  verschiedenen  Photo- 
graphien ist  es  also  nichts,  aber  bestehen  bleibt  immerhin  die 
entfernte  Möglichkeit,  dass  Seecks  Augen  auf  der  Photographie 
mehr  haben  lesen  können  als  andere  auf  dem  Stein  und  auf  der 
Photographie  zu  entdecken  vermögen.  Bei  allem  Respekt  vor 
diesen  Augen  -  Glauben  verdienen  sie  erst  dann,  wenn  auch 
andere  noch  auf  dem  Stein,  der  doch  den  Ausschlag  geben  mnse, 
Seecks  Lesungen  wiederfinden  sollten.  Ich  glaube  nicht,  dass 
das  geschehen  wird.  Wenn  Seeck  anführt,  dass  Studemund  und 
Löwe  anerkanntermassen  auf  Palimpsesten  mehr  gelesen  hätten 
als  ihre  Vorgänger,  so  dürfte  dieser  Vergleich  nicht  ganz  zu- 
treffend sein,  denn  jene  beiden  Gelehrten  hatten  eben  das  Original 
vor  sich.  Was  würde  aber  Seeck  sagen,  wenn  Jemand  auf  einer 
Photographie  seiner  ambrosianischen  Palimpseste  mehr  gelesen 
haben  wollte  als  er  auf  dem  Original  ?  und  doch  wäre  das  der- 
selbe Fall.  Berechtigter  wäre  der  Einwand,  dass  unter  um- 
ständen ein  guter  Epigraphiker  auf  einer  Photographie  mehr 
lesen  könne  als  ein  schlechter  auf  dem  Stein,  aber  diese  Prä- 
rogative wird  Seeck  wenigstens  in  diesem  Falle  wohl  nicht  in 
Anspruch  nehmen,  da  Toutain  und  ich  den  Inschriften,  zumal 
den  afrikanischen,  nicht  als  Neulinge  gegenüber  stehen. 

Seeck  glaubt  sodann  meine  Lesung  'pro  salute  .  .  im- 
p(eratoris)  .  .  (lea:)  data  α  .  .  procuratoribus^  als  sachlich  unmög- 
lich nachweisen  zu  können  und  meint  dazu  ganz  nett:  'an  ihren 
Früchten  sollt  ihr  sie  erkennen.*  Ich  fürchte,  dass  hier  der  Pfeil 
auf  den   Schützen  zurückprallt. 

Seeck  schreibt :  *  Nach  Toutain  und  Schulten  wäre  das  Statut 
'zum  Heile  des  Kaisers'  gegeben.  Liegt  darin  wohl  Sinn  und 
Verstand  V '  Für  die  Römer  allerdings,  denn  es  giebt  nicht  wenige 


MisGcIIen  4)33 

Fälle,  wo  sie  pro  saluie  imperaJtoris  solche  an  und  für  sich  un- 
gewöhnliche Weihgahen,  wie  e«  jene  lex  ist,  dedicirt  haben. 
Pro  Salute  imperatoris  führen  kaiserliche  Colonen  eine  Mauer 
(C.  VIiI8777)  oder  andere  absolut  profane  Anlagen  auf  (C.  VIII 
587),  werden  geweiht:  Thermen  (C.  VIII  2706,  1245),  tabularium 
et  pondera  (ib.  757),  cella  victuaria  (ib.  4615),  arcus  (ib.  1577, 
2480) ;  pro  beatitudinc  priftcipvm  eine  hasilica  (ib.  8324),  pro  magni- 
ficentia  saeculi  ein  Getreidesy)eicher  (ib.  7975);  pro  felicitate  do- 
miuorum  Äugg.  wird  ein  Fluss  eingedämmt  (C.  ΧΠ  1690  und 
1691)  und  pro  scdute  etc.  ein  Weg  wiederhergestellt  (C.  XII 
2343).  Auch  dass  pro  saluie  imp.  in  Lambäsis  eine  schola 
(Clublokal  der  militäriFchen  Vereine)  dedicirt  wird  (Wilmanns, 
Exempla  1481)  gehört  hierher,  denn  wenn  auch  in  der  schola 
das  Bild  des  Kaisergottes  ptand,  ihr  erster  Zweck  war  ein  pro- 
faner wie  der  des  Vereins  ein  profaner  ist ;  die  religiöse  Form 
durfte  aber  nicht  fehlen.  Ist  nun  in  allen  diesen  Fällen,  wo 
pro  saluie  imp.  nicht  eine  der  gewöhnlichen  Weihgaben  (Altar, 
Tempel  etc.),  sondern  ein  profaner  Bau  dedicirt  wird,  jene  Formel 
%hne  Sinn  und  Verstand?'  Keineswegs.  Zwar  werden  diese 
Bauten  nicht  wie  gewöhnliche  Exvoto  ad  hoc  für  das  Heil  des 
Herrschers  dedicirt,  sondern  ihr  eigentlicher  Zweck  war  ein  pro- 
faner, aber  nach  römischem,  jeden  Akt  des  öffentlichen  und 
privaten  Lebens  auf  die  Götter  beziehenden  Empfinden,  dienten 
auch  sie,  indem  sie  dem  von  den  Göttern  behüteten  Reich  dienten, 
den  Göttern  so  gut  wie  Tempel  und  Altar,  mochten  also  auch 
sie  pro  Salute  imp.  gelobt  und   dedicirt  werden. 

Damit  ist  Seecks  Annahme,  dass  die  Formel  pro  saluie  imp. 
sich  nur  auf  ein  eigentliches  Weihgeschenk  beziehen  könne,  wider- 
legt, denn  wenn  für  das  Heil  des  Kaisers  Afauern  und  Bade- 
anstalten dedicirt  werden,  warum  nicht  auch  ein  Domanialstatat  ? 
Es  lässt  sich  aber  sogar  der  gar  nicht  noth wendige  Beweis  er- 
bringen, dass  die  Dedication  einer  Urkunde  pro  saluie  imp. 
nicht  vereinzelt  dasteht.  In  Lambaesis  steht  über  dem  Mit- 
gliederverzeichniss  und  dem  Vereinsstatut  der  cornicularii :  pro 
felicitate  et  incolumitaie  saeculi  dominorum  nn.  (Wilmanns  1482) 
und  über  dem  ^  album  veteranorum*  (ib.  1489):  /.  o.  m.  p(ro)  sia- 
Itäe)  d.  n.  Äureliani  Äug.  Die  beiden  Vereine  weihen  also  für  das 
Heil  des  Kaisera  ihre  Stiftungsurkunde  oder  halten  es,  wenn  man 
die  Formel  nicht  so  streng  nehmen  will,  für  angebracht,  über 
dieselbe  zu  setzen :  ^pro  salute  imperatoris* .  Wie  man  aber  auch 
die  Formel  auffassen  mag,  ob  wörtlich,  als  causa  volif  ob  formel- 
haft in  dem  Sinne  wie  das  griechische  Τύχη  αγαθή,  in  jedem  Fall 
bezieht  sie  sich  hier  auf  eine  Vereineurkunde,  die  eigentlich  mit 
der  Salus  des  Kaisers  wenig  zu  thun  hat,  sicherlich  nicht  mehr 
wie  jene  Nutzbauten,  deren  Dedicatiunsurkunde  ebenfalls  die 
üeberschrift  pro  saluie  imp.  trägt.  Aber  es  giebt  noch  nähere 
Analogien  zu  der  lex  Manciana;  ich  verdanke  sie  niemanden 
anders  als  Seeck  selbst.  Er  hat  zuerst  gesehen,  dass  es  mehrere 
Fälle  gieht,  wo  Akten    eines   Processeieges    von    der  siegreichen 


β34  Micollen 

Partei  in  der  Form  eines  Exvoto  deilicirt  werden  (Zeitachr.  f. 
Soz-  und  WirthschaftPgesch.  1898,  320).  So  Rteht  auf  dem  die 
lis  fvUonum  ( Bruns  fonies  p.  362)  enthaltenden  Stein :  '  Herctdi 
sacrum'  und  der  ad  txemplum  legis  Hadrianae  gegebene  Er- 
läse der  Procuratoren  (Inechrift  von  Αϊη  Waeeel)  steht  auf  einer 
ara  legis  divi  Hadriani,  die  also  ebenfalls  ein  Exvoto  ist.  Und 
diefle  ara  legis  Hadrianae  wird  geweiht  —  pro  salute  imp,  (wie 
sicher  und  mit  Seecke  Beifall  hergestellt  worden  ist).  Zwi- 
Fchen  der  ara  legis  Hadrianae  aber  und  der  ara,  auf  der  die 
lex  Manciana  angebracht  ist,  also  der  ara  legis  Aiancianae,  be- 
steht nicht  der  geringste  Unterschied,  denn  hier  wie  dort  wird 
ein  Altar  dedicirt,  der  ein  Domanialgesetz  trägt.  Ausdrücklich 
wird  diese  Dedication  bekundet  freilich  nur  anf  der  ara  legis 
Hadrianae  (aram  legis  divi  Hadriani  Pafrochis  .  .  proc.  instituit) 
aber  dass  auch  der  Stein  der  lex  Mancianae  ein  £xvoto  ist,  zeigt 
Keine  Form.  Warum  soll  also  in  aller  Welt  der  Altar  der  lex 
Manciana  nicht  ebenso  gut  pro  saltUe  imp,  dedicirt  worden  sein 
wie  die  ara  legis  Hadrianae?  Wenn  Seeck  die  Formel  pro  sa- 
lute  imp,  .  .  {lex)  data"  —  statt,  wie  man  erwarten  würde:  pro 
salute  imp.  ara  inslituia  et  lex  ad  exemplum  legis  M,  α  procc. 
data  inlata  est  —  nicht  gefällt,  so  ändert  das  an  der  Tbatsache, 
dass  wir  es  hier  mit  einem  Altar  zu  thun  haben,  also  einem  in 
hundert  Fällen  pro  salute  imp.  dedicirten  Fxvoto,  nicht  das  Ge- 
ringste, und  vor  lex  data  steht  pro  salute  so  gut  und  so  schlecht 
wie  vor  album  vcferanorum  auf  dem  Stein  von  Lambaesis. 
Wir  haben  eben  aus  solchen  Fällen  zu  lernen,  dass  pro  salute 
imp.  oft  eine  formelhafte  nur  in  lockerem  Zusammenhang  mit 
der  eigentlichen  Inechrift  stehende  Wendung  ist,  durch  die  man 
einem  an  sich  profanen  Gegenstande ,  wie  es  eine  Urkunde 
oder  ein  Nutzbau  ist,  die  beliebte  sacrale  Weihe  geben  wollte 
—  ganz  so  wie  sich  die  römischen  Vereine  bei  einem  denkbar 
praktischen  Zweck  doch  gerne  als  Cultgenossenschaften  formu- 
liren.  Was  Seeck  sonst  noch  vorbringt  —  dass  die  Lesung  [pro 
salu]te  gegen  die  epigraphische  Symmetrie  Verstösse,  da  der 
Raum  vor  pro  grösser  als  der  hinter  salute  gewesen  sein  würde, 
heisst  doch  dem  Verfertiger  einer  so  erbärmlich  gravirten  In- 
schrift, wie  es  die  lex  Manciana  ist,  zu  viel  Ehre  anthun. 
Göttingen.  A.  Schulten. 

PRODECESSOR 

Successori  decessor  inuidit  heisst  es  in  einem  Fragment  von 
Ciceros  Scauriana  §  33  und  auch  Tacitus  Agr.  7  wendet  decessor 
nur  in  einem  Athem  mit  successor  an.  In  officiellen  Acten- 
stücken  der  späteren  Kaiserzeit  begegnet  dann  decessor  'der  Vor- 
gänger *  überaus  häufig,  un«l  man  hat  nach  Analogie  von  proauus 
pronepos  weitergebildet  prodecessor  'der  Vorvorgänger  .  So  redet 
Papst  Simplicius  öfter  von  prodecessor  meus  Ιλο  Collect.  Avell. 
ed.  Günther  p.  127,  8.  i:52,  7.  134,1.  138,7:  es  folgen  auf 
einander   Leo  Hilarius  Simplicius.    Symmachus  in  den  Relationen 


Miecellen  β35 

bezeichnet  20,  1  den  Auchenius  BasRue  als  prodecessor  nwus: 
dasB  dieH  eein  Vorvorgänger  war  lehrt  rel.  26,  2  Auchenius  .  .  . 
sticcessor  eius  .  .  .  ajmd  me.  Von  demselben  als  prodecessor 
scheint  32,  2  die  Rede  zu  sein,  wie  W.  Meyer  p.  27  seiner  Aus- 
gabe anmerkt  £in  Secretär  der  ostgothischen  Kanzlei  schreibt 
in  Cassiodors  Varia  IV  4 1,  l  decessorent  prodecessoremque  uestrum 
und  VIII  16,  6  per  decessores  prodecessoresque  uesfros.  Daneben 
aber  hat  man  das  Wort  als  gleichbedeutend  mit  dem  abge- 
schliffenen rfecessor  verwendet :  in  dem  pro  =  προ  fand  man  den 
scheinbar  fehlenden  Begriff  des  *vor\  So  deutlich  Symmachus 
rel.  25,  3,  wo  freilich  Meyer  auch  Vorvorgänger*  übersetzt.  In 
Bauangelegenheiten  hat  sub  e^amine  decessoris  mei  der  Professor 
C^'riades  den  Senator  Auxentius  verklagt:  posfquitm  ad  cogni- 
tioncm  meam  (des  Symmachus)  «<?n/Mtn  cs^  hat  Auxentius  mit  einer 
Gegenklage  gegen  den  Professor  geantwortet,  dieser  mutua  ac- 
cusatione  seinerseits  wiedergebissen.  Vor  der  eingesetzten  ünter- 
suchungscommission  hat  sich  Auxentius  aus  dem  Staube  gemacht. 
Aue  Furcht  vor  Angriffe!}  hinter  seinem  Rücken  bittet  nun  Cy- 
riades  ut  aeternitati  uesfrae  ef  relafionem  u.  c.  prodecessoris  mei 
et  nunc  acta  sitggererem.  Die  Relation  des  prodecessor  ist  also 
nichts  anderes  als  das  Protocoll  sub  e.ramine  decessoris^  beide 
fraglichen  Worte  also  hier  gleichbedeutend  gebraucht.  In  einem 
kaieerlichen  Decret  an  den  Proconsul  von  Africa  Probianus  bei 
Augustin  epist.  88,  4  (Goldb.  p.  410,  4  im  Apparat  I)  wird  Aelianus 
als  prodecessor  tuus  bezeichnet.  Probian  ist  am  25.  Aug.  315  als 
Proconsul  Africae  nachweisbar,  Aelian  in  gleicher  Stellung  bis  zum 
25.  Febr.  315:  schwerlich  ist  ein  anderer  dazwischen  gewesen. 
Im  sog.  Cyrillglossar  (Goetz  Π  416,  14)  steht  'προάρζας  ante• 
cessor  prodecessor^  und  das  Muratorische  Fragment  bezeichnet 
Z.  48  den  Johannes  als  prodecessor  des  Paulus.  Cbaracteristisch 
ist,  dase  an  sämmtlichen  bisher  behandelten  Stellen  die  alten 
Anegaben  praedccessor  herstellen,  ein  Wort,  das  es  gar  nicht 
giebt.  In  Georges'  Handwörterbuch  '^  finden  sich  dafür  folgende 
Belege:  'Aügustin.  de  bapt.  c.  Donat.  11  i^  12.  13.  Symmach. 
epist.  X  47.  Cassiodor.  var.  IV  14.  Rutil.  Namat.  I  474'.  Das 
Caeeiodorcitat  birgt  einen  stets  weiter  vererbten  Druckfehler  IV  14 
statt  IV  44:  das  ist  die  eben  citirte  Stelle.  Symmach.  epist. 
X  47  ist  alterthümlich  für  rel.  34,  8:  da  haben  die  Hss.  de- 
cessoris: dasselbe  steht  auch  längst  bei  Rutilius.  Bleiben  als 
einziger  Beleg  die  Augustinstellen,  wo  natürlich  die  Mauriner 
wie  gewöhnlich  aus  prodecessor  geändert  haben:  11  §  12  wird 
Bischof  Agrippinus  von  Carthago  prodecessor  des  Cyprian  ge- 
nannt: er  hat  lange  vor  diesem  amtirt.  II  §  \^  sind  prodecessor  es 
die  Bischöfe  der  Vorzeit,  wie  in  dem  Actenstück  Coli.  Avell. 
p.  231,  20  prodecessores  sanctitatis  uestrae.  Die  praedecessio  fa- 
miliae,  welche  Du  Gange  aus  den  Gesta  Tancredi  bei  Martene 
Anecd.  III  111  citirt,  stammt  aus  einer  zu  jungen  Handschrift 
und  einem  zu  alten  Druck  um  Berücksichtigung  zu  verdienen. 
Bonn.  Hans    Lietzmann. 


eSG  Miscellen 

lieber  die  röuiiseheii  bczw.  italischen  Personeiinamen,  die  bald  die 

Staiiinietlbe  Pop(b)  bald  Pab(p)  tragen 

Hühner  laest  sich  Iw.  M.  Ρ  ρ.  655  f.  tiher  das  nennte  la- 
teinische praenomen  folgendermassen  aus:  Püblirxß  gr.  ΤΤόπλιος, 
selten  P/<p(liu8),  alt.  PöbVio.  Dieselbe  Abwechslang  im  Stamme 
zeigt  auch  pühlicns,  und  hier  kam  Thurneysen  darauf  —  s.  Kuhns 
Ztschr.  Bd.  30  p.  490  f.  —  zwei  verschiedene  Adjective  püblicns 
und  poplicuH  anzunehmen,  von  denen  eins  von  pubes,  das  andere 
von  pop(u)lu8  hergeleitet  sei  und  die  dann  schliesslich  im  Ge- 
brauch identisch  geworden  wären.  Aber  dieses  Aushilfsmittel 
versagt  überall  da,  wo  kein  1  hinter  der  Stammsilbe  sich  be- 
findet, zB.  bei  Pop(p)ius  neben  Püpius,  bei  der  tribus  Popinia 
—  vgl.  CIL.  VI  1421  —  neben  der  tribus  Püpinia,  bei  n.  g. 
Popidius  neben  Püpidius  usw.;  und  doch  kann  man  eich  dem  Gre- 
danken  nicht  verschliepsen,  dass  alle  diese  Eigennamen  zu  einander 
gehören.  Da  nun  Kretschmer  —  s.  Einleitung  in  die  griechische 
Spr.  334  f.  —  aus  Lall  namen  gebildete  Personennamen  in  Klein- 
asien  in  erstaunlicher  Häufigkeit  findet,  da  nach  ihm  die  Sitte 
Lallwörter  zur  Bildung  von  Personennamen  anzuwenden  auch  bei 
idg.  Völkern  nachweisbar  ist  —  er  führt  unter  andern  für  das 
Latein  Acca,  Atta  Appius  Tatius  an  — ,  so  werden  wir  den 
Namenstamm  Pop-  bezw.  Püp  auch  so  entstanden  uns  denken 
dürfen,  wenn  er  sich  unter  ein  bekanntes  Kinderwort  unterbringen 
läset.  Nun  haben  wir  im  Latein  das  c.  Päpus,  und  von  Weiter- 
bildungen desselben  führe  ich  hier  nur  an  n.  g.  Päpius,  Päpilius, 
Päpinius,  Päpirius  bezw.  Päpisius,  c.  Papo.  n.  p.  Papsenna  und 
Papuleins.  Diese  Namen  hängen  doch  offenbar  mit  dem  Kindes  wort 
für  'Vater*  zusammen.  Für  den  Vokal  a,  der  nach  Kretschmer 
p.  385  der  häufigste  ist  in  diesen  Kinderworten,  treten  aber,  wie 
er  selbst  sagt,  auch  andere  ein.  So  führt  er  neben  Nonna  Ntinna, 
Nonna  N/nna  an  usw.  Demnach  konnte  auch  im  Latein  neben 
dem  Kindesworte  des  Stammes  päp  bezw.  papp  —  vgl.  für 
PsLppiue  CIL.  VI  23815  und  V  5526  und  XV  1179  —  auch  pöp 
bezw.  popp  und  püp  bezw.  pupp  —  Eph.  Ep.  VIII  501  Puppo- 
nius  —  es  geben,  zumal  wenn  mit  der  Vokalveränderung  auch 
eine  Bedeutungsveränderung  verknüpft  war  —  päpa  Vater  neben 
püpus  Sohn,  Knabe.  —  So  scheint  mir  auch  Titus  Sohn  bedeutet 
zu  haben,  während  tata  Vater  hiess.  Heisst  doch  im  Pariser 
Jargon  titi  heute  noch  ein  Strassenju  nge  und  toto  nennen  das 
Kind  die  französischen  Ammen.  Ich  will  nun  zuerst  die  Namen 
mit  Stamm  Pöp  (Popp)  und  dann  die  mit  Püp  anführen,  so  weit 
sie  mir  eben  aufgestossen  sind.  Entsprechend  dem  Appellativum 
lȟpu8(a)  wird  es  im  Latein  auch  pop(p)us  bezw.  pop(p)a  gegeben 
haben.  Denn  ebenso  wie  jene  Kinderlaute  finden  wir  auch  diese 
als  Eigennamen  angewendet,  so  CIL.  XIII  2297  Valeriae  Poppae, 
XIII  1868  Mansuetia  Poppa,  Bramb.  n.  715  Popae  matri  und 
CIL.  IV  1119  Popum.  Hierher  stelle  ich  nun  auch  die  Ab- 
kürzung Pop.,  ich  fasse  sie  also  nicht  als  Abkürzung  von  Publius 


Miscellen  637 

bezw.  Poplius,  wie  gewöhnlich  geschieht.  Wird  doch  auch  Pupas 
in  der  Abkürzung  Pup.  gebraucht,  zB.  bei  Planta  II  p.  550  n.  278 
(äquikuliech)  steht  Pup.  Herenniu.  und  CIL.  XIV  4030  P.  Mae- 
cilins  3  et  Pup.  1.  Apollonius;  in  der  letzten  Inschrift  wäre  doch 
die  Abkürzung  dieselbe  gewesen,  wenn  beidemal  der  Vorname 
Publins  bezw.  Puplius  gelautet  hätte.  Wir  finden  die  Abkürzung 
Pop.  CIL.  Ι  178  (inscr.  Pisaurensisj  T.  Popaio(8)  Pop.  f;  ferner  bei 
Conway  §  326  b  (faliskisch)  Pop.  Petruiies  =  Pupus  Petronius, 
und  Pop.  CIL.  I  937  ist  nicht  näher  zu  bestimmen,  weil  es  ganz 
allein  steht.  Eine  Weiterbildung  hiezu  ist  das  n.  g.  Popip)iue 
bezw.  Pop(p)ia ;  es  erscheint  nicht  nur  im  Latein,  so  zB.  CIL. 
II  5914  Popia  L  (f.»),  VllI  7690  Rocta  Poppia,  Statins  Popius 
8aturuinu8  Inschr.  von  Tebessa  in  Algerien,  CIL.  III  2615  Maxi- 
milla  Poppia,  Eph.  Ep.  VIII  n.  1247  Sex  Popius,  sondern  auch 
im  Italischen,  so  nach  Conway  §  345  (faliskisch)  Popia  Calitenis 
und  nach  Planta  II  506  n.  78  osk.  Ni  Ράρίβ  =  Numeri  Popii. 
Zum  n.  g.  Pop(p)pius  bezw.  Pop(p)ia  giebt  es  nun  wieder  Weiter- 
bildungen, wofür  ich  die  Belege  jedoch  nur  bei  seltenem  Vor- 
kommen angeben  will.  Besonders  häufig  ist  die  gens  Pop(p)aea 
bezw.  Pop(p)eia  —  zB.  CIL.  VI  24701  L  Popeius  Sex  fil.  — 
oder  Poppea  —  zB.  Poppeae  Agrippinae  CIL.  VI  7638.  —  Die 
Urform  haben  wir  noch  im  CIL.  1  n.  178,  wo  T.  Popaio(8)  steht. 
Ans  diesem  n.  g.  leitet  sich  wieder  hier  die  gens  Pop(p)aedia  — 
urspr.  Pop(p)aidia,  cf.  CIL.  X  8056  Q  Popaidius;  eine  andere 
Weiterbildung  ist  Poppaienus  —  cf.  CIL.  XI  1368  und  1381.  — 
Ein  Deminutiv  zu  Pop(p)us  ist  Popallus  —  s.  CIL.  V  8122,  6  — ; 
beide  verhalten  sich  zu  einander  wie  Attus  zu  Attalus.  Weiter- 
bildung hiezu  ist  Poppaienus  CIL.  XIV  3945.  In  dem  Namen 
Poppeo^^a  Valeriana  CIL.  V  3109  sehen  wir  eine  speciell  ober- 
italische Weiterbildung.  Unter  den  Weiterbildungen  ist  ziemlich 
häufig  auch  Pop(p)idius  (a),  die  auch  das  Italische  hat  —  bei 
Planta  n.  34.  35  (osk.)  steht  U  Pupidiis  und  n.  251  (päl.)  V. 
Po^rfis,  doch  n.  167  (osk.)  finden  wir  schon  die  parallele  Form 
Ptipdis.  Auch  popillus  (a)  finden  wir  als  Namen,  also  eine  Ent- 
sprechung zu  püpillus  (a),  zB.  CIL.  VI  2407  Valentinius  Po- 
pillus, XllI  2237  Popillae,  vgl.  auch  IX  4381.  Die  hieraus  her- 
vorgehende gens  Popi//ia,  bei  der  aber  auch  die  Form  Popi/ius  (a) 

—  vgl.  zB.  CIL.  I  533  —  ja  selbst  Το^ψύΓΐΛ  —  so  CIL.  VI  24809 

—  gebräuchlich  war,  ist  bei  den  Römern  bekanntlich  sehr  häufig 
gewesen.  Poplius  —  vgl.  CIL.  I  1116  —  bezw.  Poplia,  so  bei 
Conway  (falisk.)  p.  382  n.  339    und  p.  375  XI  β  η.  19  und  J21 

—  merkwürdig  ist,  dass  die  Griechen  fast  immer  ΤΤόπλιος 
schreiben,  nur  selten  ΤΤούπλιος,  nie  ΤΤούβλιος  —  bezw.  Poplianus 

—  vgl.  CIL.  X  7545  —  könnten  synkopirte  Formen  zu  dem 
vorigen  Gentilnamen  in  der  Form  Popilius  sein  —  vgl.  Manliue 
neben  Manilius  — ;  aber  da  sie  auch  zu  pop(ujlu8  bezw.  Popli- 
cola  als  Koseform  gezogen  werden  können,  so  bringe  ich  sie  hier 
nicht  in  Anschlag,  ebenso  wenig  wie  die  g.  Poplicia,  die  man 
auch  zu  poplicus  ziehen  könnte.     Von  der  tribus  Popinia  —  statt 


638  Miscellen 

i\ipinia  —  habe  ich  oben  schon  gesprochen;  in  Popnia  Q.  1. 
Fausta  —  CIL.  I  1062  und  VI  21470  —  haben  wir  die  syii 
köpirte  Form  dazu.  Poppo  häufig  in  CIL.  XII  —  verhält  eich 
zu  Poppus  wie  Cato  zu  Catus.  Als  Weiterbildung  dazu  fasse  ich 
die  gens  Pop(p)onia  —  vgl.  zB.  CIL.  I  939  —  und  halte  diete 
Form  nicht  für  verderbt  aus  Pomponia(ue);  denn  es  giebt  ein 
paralleles  Pu/;onio(s)  im  Faliskischen  nach  Conway  p.  375  n.  320 
XI  β  23  und  Pujpponius  (Tibur)  Eph.  Ep.  VIII  n.  501.  In  Pop- 
puleia  T.  f.  CIL.  IX  3820  sehen  wir  eine  Deminutivform  zo 
Poppeia,  die  wir  oben  gebracht  haben. 

Vom  Stamme  Püp-  führe  ich  hier  au  in  seiner  Anwendung 
als  praeti.  und  c.  das  bekannte  Appellativum  pupu8(a).  Weiter- 
bildung dazu  ist  das  häufig  vorkommende  u.  g.  Püpius  (a),  ferner 
die  gens  Pupelia  —  vgl.  CIL.  VI  28735  Pupeliae  i'uftcae  — ,  die 
pens  Pupenia  —  s.  CIL.  VIII  877  Quartina  Pupenia  — ,  ferner 
die  g.  Pupidia  —  zB.  CIL.  X  8370  — ,  ferner  die  g.   Pupien(i)a 

—  vgl.  zB.  CIL.   VI  2i)2J23  u.  J24,     Die  Deminutive  von  püpos 
püpulus    und    püpillus     kommen    ebenfalls    als  Cognomina    vor; 

ich  erinnere  hier  nur  an  den  bekannten  Orbilius  Püpillus  und 
führe  aus  CIL.  V  5373  P.  Secundieni  Pupuli  an.  Eine  Weiter- 
bildung zu  Püpillus  ist  das  n.  g.  Pupillius  (a)  —  vgl.  zB.  CIL 
Vi  25225  — .  Und  hierzu  könnte  als  synkopirte  Form  Ptfplias 
gehören  —  vgl.  zB.  Gr.  Lat.  K.  1  p.  321  (Diomedes)  und  p.  533 
(Charisius)  'Puplius  Cornelius  Scipio  — ,  wenn  man  nicht  Ver- 
derbung aus  Füblius  annehmen  will.  Zu  Puplius  haben  wir  aU 
Weiterbildung  Puplena  n.  g.  masc.  Not.  d.  Sc.  1897  p.  93  f.,  ferner 
gens  Publicia  —  zB.  CIL.  VI  25144,  daneben  umbr.  puplece 
Planta  II  n.  293  (1,  2,  3  aus  Tuder)  —  ferner  g.  Puplilia  —  so 
zB.  CIL.  VI  18259  — .  Als  weitere  Abkömmlinge  von  Pupue(a) 
bezw.  n.  g.  Pupius  (a)  füge  ich  hier  noch  an  Pupinus  —  s.  CIL 
3871  — ,  woher  wieder  die  gens  Püpinia  —  zB.  CIL.  V  5796  — 
und  die  tribus  Pupinia  und  der  ager  Pupinius  entstammt,  üeber 
Pupponius  und  falisk.  Puponio(8)  habe  ich  oben  schon  gesprochen. 
Wie  sind  nun  die  Formen  mit  Pob-  bezw.  mit  Pü6-  neben  den 
aufgeführten,  die  Po^^-  und  Püp.  aufweisen,  zu  erklären?  Erstere 
haben  fast  alle  hinter  sich  1;  nur  CIL.  VIII  5630  heisst  ein 
Mann  P.  PuMscius  Fidus.  Nach  dem  Vergleiche  Faleriufi :  Fa- 
liscus  ^  puber  :  pubiscus  könnte  man  wohl  auf  eine  Herkunft  dieses 
Namens  von  pubes  (pubis)  Subst.  bezw.  puber  Adj.  schliessen, 
und  da  in  dem  b  von  pubes  eine  uspirata  media  —  sei  es  bh, 
sei  es  dh  —  stecken  wird,  so  könnten  wohl  Pu/us{a)  —  vgl. 
CIL.  VI  2316  Otacilia  Pufa  und   VllI  20178  Q,  Terentius  Pufus 

—  die  italische  Wurzelform  des  Wortes  pubes  aufweisen.  Auch 
sie  sind  zum  n.  g.  weitergebildet,  wie  CIL.  VI  2545  Sex  Pufio 
Quarto  und  XV  6641  C.  Puf(i)  Sec(undi)  beweisen.  Dazu  soll 
nun  auch  nach  Conway  das  pälignische  Poef.  —  p.  684  add  —  als 
abgekürzte  Form  eines  n.  g.  gehören  cf.  ind.  V  s.  v.  Wir  haben 
also  in  Pubiscius  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  einen  Eigennamen 
mit  dem  Stamm  von  pubes  (pubis),  und  die  italischen  c.  Pufu8(a), 


Miscellen  639 

sowie  das  italische  d.  g.  Pafius  lassen  auch  auf  die  Existenz  eines 
lateinischen  o.  Puhus(a),  sowie  eines  lateinischen  n.  g.  Pubias 
einen  Schluss  zu.  Pnbu8(a)  bezw.  Pnbius  mussten  natürlich  wegen 
der  Formähnlichkeit  mit  dem  c.  Pupus(a)  bezw.  dem  n.  g.  Pupius(a) 
verwechselt  werden,  und  so  hat  denn  im  Kampf  ums  Dasein  die 
Form  Pub-  in  den  1-Formen  den  Sieg  davon  getragen,  während 
sie  in  den  Mosen  den  kürzern  zog.  Daher  Publeius,  Publius, 
Publicius,  Publilius,  Publienius,  Publisidia,  Publinus  —  CIL.  V 
6625  — ,  Publinedius  -  s.  CIL.  VI  25109  —,  In  den  l-Formen 
trat  nun  noch  als  vierter  Concurrent  p5p(u)luR  herzu.  In  Popli- 
cola  hatte  sich  im  Latein  einer  von  den  wenigen  Vollnamen  mit 
JS  Namenstämmen  erhalten,  ähnlich  wie  in  Agricola,  Silvicola  — 
zB.  Yalerius  Silvicola  CIL.  XIII  2016  -,  Horticola  -  zB.  CIL. 
VI  1530  L  Val.  Helvidio  Prisco  Horticolae  c.  v.  — ;  aber  auch 
die  Kurzformen  mit  einem  Stamme  wurden  gebraucht,  so  Agnus, 
Silvius,  Hortius  —  diese  selbst  italisch,  so  steht  bei  Planta  II 
n.  201  '  Mz.  Hurtiis  — ,  und  Poplius.  Nun  konnte  aber  auch  ans 
Popilius,  wie  ich  oben  zeigte,  ein  Poplius  sich  entwickeln, 
und  so  waren  denn  in  den  1-Formen  die  von  Poplicola  bezw. 
p5p(u)lu8  herkommenden  Namen  von  denen  mit  dem  Stamm 
Pop  nicht  mehr  zu  unterscheiden.  Da  aber  Pop-  und  Pup-  neben 
einander  hergingen  und  die  Püp-Formen  in  der  1- Weiterbildung 
noch  Beeinflussung  von  Pub-  (aus  pubes)  erfuhren,  so  konnte  es 
vorkommen,  dass  desselben  Wortes  Namenstamm  bald  Popl-,  bald 
Fupl-,  bald  Pübl-  lautete.  Ja  schliesslich  schuf  man  nach  Pübl- 
neben  Pübl-,  analogisch  zu  Popl-  noch  ein  Po61-.  So  gab  es 
denn  Poplius,  Püblius,  Püplius;  ja  selbst  Poblius,  wie  CIL.  XI 
6695,  73  (Perusiae)  L  Poblio(s).  'Es  gab  Poblicola  —  CIL.  V 
(4484  und  4486)  — ,  Poplicola,  Publicola;  Puplicola  ist  mir 
nicht  bekannt.  Es  gab  Poblicius,  Poplicius,  Publicius  und  Pupli- 
oiue  -  zB.  CIL.  VI  25144  und  XIV  490_  -,  usw.  Uebrigens 
braucht  Publicius  nicht  nothwendig  von  püblicus  herzukommen, 
es  kann  auch  eine  Kurzform  zu  Public-ola  sein,  grade  wie  Δη- 
μο(Τθάς  zu  Δημοσθ-ένης.  Schliesslich  möchte  ich  noch  bemerken, 
dass  Thurneysens  Herleitung  von  püblicus  aus  pubes  nach  der 
Analogie  von  pop-licus  —  K.  Z.  30,  4ÖÖ  f.  —  mir  nicht  ganz 
einwandsfrei  erscheint;  gab  es  ja  doch,  wie  ich  eben  gezeigt, 
höchst  wahrscheinlich  die  regelmässig  gebildete  Adjectivform 
pubiscus.  Konnte  püplicus,  später  püblicus,  nicht  etwa  das  be- 
zeichnet haben,  was  die  püpuli  dh.  die  jungen  Burschen  angeht? 
Pubes  bedeutet  ja  auch  nur  'die  junge  Mannschaft',  und  da  ist  es 
doch  wahrscheinlicher,  dass  püplicus  bezw.  püblicus  von  einem 
Worte  mit  1  als  einem  ohne  1  herstamme. 

Breslau.  August  Zimmermann. 


640  MisoelIeD 

Μυκήνησι 

Der  alte  Lokativ  des  Plarale  ist,  adverbial  erstarrt,  in  Bil- 
dungen wie  θύρασι  *Αθήνησι  Δεκελείασι  Μουνυχίασι  Όλυμπίασι 
ΤΤεντελησι  ΤΤλαταιασι  Φλυήσι  zum  Theil  bie  in  späte  Zeit 
lebendig  geblieben,  üblich  war  er  namentlich  bei  der  Bezeichnung 
attischer  Demen*.  Dass  von  dem  uralten  Ortsnamen  Μυκήναι 
eine  gleiche  Bildung  einmal  existirt  haben  muss,  ist  an  sich 
wahiecheinlich.  Steht  zu  θύρασι  ein  θύραθεν,  zu  ΤΤεντέλησιν 
ein  ΤΤεντέληθεν  usw.,  so  finden  wir  entsprechend  Μυκήνηθεν  im 
antiken  Epos.  Aber  Μυκήνησι  ist,  soviel  ich  sehe,  erst  durch 
Conjectur  zu  erschliessen.  In  einem  neuen  Fragment  der  so- 
genannten Epitome  des  Adamantios,  das  Foerster  Rhein.  Mus. 
N.  F.  55  S.  141  bekannt  gemacht  hat,  heisst  es:  δνομα  έρ- 
γάσεται  ό  τοιούτος  άνήρ  ή  φόνους  συγγενών  ή  μίΗεις  ή  βρώ- 
σεις άνομους  και  ειοωλοθύτους.  όιτοϊα  τα  θυέστου  του  Πέλοπος 
πάθη  έν  πόλει  Μυκήνη  και  του  Οίοίποοος  του  Λαίου  έν  θήβαις 
και  τά  Θηρέως  τουθρςικός  λέγεται  γενε'σθαι.  Aber  die  Pariser 
Handschrift,  auf  der  das  Excerpt  beruht,  hat  die  merkwürdige 
Lesung  όποια  τά  Θυέστου  του  TT.  πάθη  έμοί  κινήσει  και  του 
κτλ.  Wer  diese  Ueberlieferung  nach  dem  Buchstaben  einschätzt, 
wird  in  έμοΊ  κινήσει  nichts  anderes  erblicken  als  ein  durch  ita- 
cistische  Aussprache  entstelltes  Μυκήνησι. 

Für  die  Werthung  der  Pariser  Excerpte  ist  die  seltene 
Form,  die  sicher  nicht  von  dem  Epitomator  stammt,  sich  viel- 
mehr wohl  schon  bei  Polemon  fand,  von  nicht  geringer  Bedeutung. 

Bonn.  L.  Radermacher. 


^  Vgl.  noch  Άγγελήσι  Άγρυλήσι  *Αθμονήσι  ΑΙΕωνήσι  Άλαιττεκήσι 
Αμφιτροπήσι  *Ανακαίασι  Άραφηνήσι  Άφίδνησι  Άχαρνήσι  Έκαλήαι  *Επι- 
ηφισιασι  'Ερικείασι  *Ερχιασι  Κβφαλήσι  Κηφισιάσι  Κριώσι  Κρωπιασι  ΤΤβρ- 
ασήσι  ΤΤρασιασι  ΤΤτελβασι   Σφβνδαλήσι  Φυλήσι. 


Verantwortlicher  Kedacteur:   L•.  Radermacher  in  Bonn. 

(<).  October  1902.) 


•Ί 


Register. 


Achilles  Tatius  Kritisch- Exegeti- 
sches 55  (I  8,  1-9)  60  (II  4,2) 
<>09  (II  35,  3-38)  60  (II  36,  1) 
71  (II  36,  2)  62  (p.  40,  8)  64^ 
ip.  45,  25.  30  f.  p.  46,  24  f.  47, 5) 
69  (p.  49,  13)  64^  (p.  84,  11)  64 
(p.  84,  12)  641  (p.  85,  3)  63 
(p.  85,  7  f.)  68  (p.  85,  9.  10  ff. 
24  f.)  65  (p.  86,  3)  66  (p.  86, 
14-87,8)  73  (p.  87,14.  18.  19  f. 
21  f.  23)  65  (p.  141,  10)  64^ 

Adamautios  Epitome  640 

Aderlass  391 

Aegyptiaches  Harfnerlied  270 

Aeiian  var.  hist.  (XII  43)  615*.  616^ 

Aelius  Lampridius  (vita  Alex.  Sev. 
c.  63)  171 

Aelteste  Redaction  der  Pontifical- 
annalen  517  f. 

Aeschines  (lU  215)  6^ 

Aeschylus  Choeph.  (602  ff.  Khff.) 
230   Pere.   (460—467  Weckl.)  3 

Aetius-Plutarch  Plac.  phil.  (IV  22, 1 
p.  411  Diels)  379«8  (IV  22,  2 
p.  412  D.)  374.  380 

Agathias  Scholastikoe  ΓιΐΊ 

Agesistratos  10 

Agroecius  de  Delphica  (p.  116,  15 
K.)  473 

Akraiphiai  Inschr.  (Bull,  de  corr. 
hell.  XXIV  70)  315 

Alexander  Aphrod.  quaest.  uat.  et 
mor.  (II  23, 136  f.  p.  72  f.  Bruns) 
368  περί  κράσειυς  καΐ  αύΕήσειυς 
(c.  11  ρ.  226,  30  ff.  akad.  Ausg.) 
488 

Alexander  der  Grosse,  zur  Ueber- 
lieferung  der  Geschichte  A.  d.  Gr. 
559 

Alexandriner,  Canon  d.  A.  140 
Prosaausgaben  139 

Alkaios  (48  A.)  335 

Altchristliche  Bräuche  183  f. 

Amherst  Papyri,  Kritisches  zum 
II    Bande  der  Amh.  Pap.   137  f. 

Klieiii.  Muh.  f.  Pliilol.  N.  F.  LVII. 


AmmianuB  Maroellinus,  zu   (HO,  5 

§  19)  166 
Amphictyonen-Gesetz  (a.  380)  173  f. 
άμυχαΐ  παρ€ΐών  624 
dvd  distributiv  147 
Analecta  Bollandiana  (t.  XII  p.  26, 

16)  182«* 
Anastasius  Sinaita  457 
Andokides  περί  εΙρήνης  (33  f.)  426 
Anemesetus  325 
Annales  maximi  524 
Anonyme  Fragmente  in  den  Amh. 

Pap.  145 
Anthologia  Palat.   (V  41)  600    (V 

116.  208)  59    (V  220.  248)   601 

(V  234)  609  (V  217  f.  302.  XII  7. 

17)59  (XII 23)  601.  609  (XII 49. 

50)  603  (XII  41.  86.  175.  245)  59 
Antiphon  (V  36)  4 
Antoninus  Liberalis  (10)  177  8  (40) 

154.  228 
Aphaia- Inschrift    aus   Aigina  152. 

252.  543 

Aphaia  Sondergöttin,  ebd. 

ApoUodor  (II  5,  11)  281    (III  210) 
0001 

ApoUonius  von  Tyana  498 

aquaeductus  397 

Archilochus- Fragment    in    Strass- 

burg  (l)  Kritisches  157 
AristHinotos  (I  22)  609 
Aristarch,  Commentar  zu  Herodot 

(Amh.  Pap.   17)  139 
Aristides  rh.  (4   t.  I  ρ    49  Dind.) 

178*  (45  t.  II  p.  23  Dind.)  178^ 
Aristobulus  581  ff. 
Aristophanes,    Reste    in    d.    Amh. 

Pap.  145  —  vesp.  (241)  180"  — 

av.  (749j  180**  —  thesm.  (schol.     • 

v.  50Γ,)  1!ι3β8  -   ran.  (265)  478 

—  Plut.  1013  ff.)  600 
Ai  istoteles  reap.  (7  p.  473»  15)  379«* 
Arnobius  (V  8  fr.  7  fr.  hist.  Rom  ) 

232.  243 
Aniaii    έκταΕις   (ρ.  81   Η)   512  — 

41 


642 


Regieter. 


anab.  (I  1)  576  (I  16,  2)  577  (I 
16,4)  590  (I  28,2)  569  (114,7) 
587  (II  11,  8)  592  (Π  12,  8)  576 
(in  3.  5)  576  (III  4,  5.  8,  3)  588 
(III  11,  3-7)  593  (ΠΙ  17,  1)  587 
(III 28,  5)  585  (III  28,  6)  586  (III 
30.  7-9)  581  (IV  1,  1)  588  (IV 
3,  7)  593  (IV  5,  2)  595  (IV  6.  2) 
593  (IV  6,6)  589  (IV  13,  5)  593 
(IV  15,  1)  588  (IV  28,  2.  4)  574 
(IV  28,  3)  595  (V  1,  2)  576  (V 
2,  7.  4)  593  (V  3,  1.  3)  570.  573. 
574  (V  4,  2)  579  (V  4,  3.  4)  572. 
577  (V  5)  585  (V  5,  t.  6,  1-2) 
580  (V  6,  4—6.  8.  20, 8-9)  579 
(V  26,  1)  581  (V  26,  5)  574  (VI 
2,  3)  572  (VI  11,  2.  4—6.  7)  575 
(VI  12,  7)  596  (VI  25,  5)  591  (Vn 
2,  21  ff.  7,  3)  587  (VII  11,  3) 
593  (VII  16,  1-3)  581  (VII  16, 
2)  582  (VII 21, 2)  587.  -  Indic. 
(1,  7)  593  (2,  2)  580  (?,  4)  573. 
585  (3,  1)  585  (3,  6-8)  578  (3. 
9—6,  9)  579  (5,  2.  11)  593  (5, 
4-7.  9.  10-11.  12)  578  (5,8- 
13)  ^73  (15,4.  5)579  (24,9)591 
(25,  7—8)  580  (28,  8.  9.  16.  29, 
12.  30,  9)  591  (40,  2-5.  6)  580 

Arsanes  612 

Artaxerxes  (II  u.  ΙΠ)  610 

Artemishymnus  des  Kallimachos 
(Schollen)  141 

Asklepiades  373 

Astydamas'  *Hector  (?)  in  den  Amb. 
Pap.  137 

Athenaeus  (p.  9)  43  (19/20)  45  (§  25) 
47  Athenaeus  (IV  3  p.  129»)  311 
(VII  297b)  223  (XI  p.  479  f.)  254 
(XI  p.  505 f.)  487  (XIII  c.  7  p.  558^ 
ff.)  57  (XIII  c.  8  f.  ρ  559  f.)  68 
(XIU  c.  10  p.  560b-i;  c.  15  p.  563^ 
c.  20  p.  566« ;  c.  87  p.  608»  ff.) 
57  (XIII  p.  609»)  618  (XIV  p. 
657  f.)  437  (XV  c.  53  p.  697^)  h^ 

Athmangslehre  bei  Plato  374  ff. 
bei  Asklepiades  380 

Augustinus  (de  civ.  Dei  XVIII  10. 
40)  240  (XXII  28)  235 

Avianus:  Fabeln-Datirung,  Kriti- 
sches 167  f. 

Habrius  in  den  Amh.  Pap.  142 

Bacchylides  (14,  9)  334 

Backöfen     und     Backsteinbau    im 

Alterthum  35.  37 
Βασιλικός  Eigenname  14<ί 
Batracbomyomachia  (v.  209     21i>) 

481 


Berliner  Bruchstücke  der  Sappbo 

328 
Berliner  Gr    Urkunden  (958«)  479 
Betriacum,  Schlacht  bei  B.  126 
Bibel  (2.  Rom.  6. 18    Apostelg.  13, 

11   Rieht.  16,  20  ff.)  275 
Bienen  und  Honig,  Beziehung  zur 

Dichtung  179 
Blattversetzung  bei  Galen  <>27 
Bleirohre,  antike  22 
Blindheit  Homers  274  f. 
Bocchus  17 

Briefe  in  d.  Amh.  Pap.  149 
Buchredaction  der  Pont.-Ann.  525 
Busirislegende  281 

Gaelius  Aurelianus :  morb.  acut.  (I 
15  p.  46.  52  f.  Π  22  ρ.  131  Am- 
man)  390  f. 

Canon  der  Alexandriner  140 

Caracallas  Ermordung  506 

Cassius  Dio:  'Ριυμ.  ίστορ.  (54,  Γ4,2) 
250  (63,  4)  511  (64,  6)  106  (64, 
7)  116  (64,  8)  115  (64,  10)  117 
(64,11)  129  (64,12)127  (64,14) 
129  (74,  1)  511  (78,  5,  5  ff.)  507 

Gatull  (45)  609 

Gensorinus  de  die  nat.  (21,  1)  231 
(14,  10.  17,  5)  237  (17,  10)  246 
(18,  7)  237 

Ζητήματα  der  Liebesphilosophie  56 

Christlicher  Cult  und  heidnische 
Mysterien  183  f.  193 

Chronologie  im  alten  Griechenland 
233 

CIA  (Π  545)  173»  (II  996)  476  (ΠΙ 
5  9)  499^ 

Cicero  —  de  div.  (I  39,  86)  3i>4 
(U  47,  98)  243.  —  de  off.  (II  58) 
325  -  de  fin.  (III  15)  343  —  de 
orat.  (159)  314  —  Tim.  (I)  236 
—  acad.  (I  3,  9)  243  —  Tusc. 
(I  1,  1)  242  (IV  2.  3  f.)  236  - 
pr.  Rose.  Am.  (7)  344  —  ad  Att. 
(IV  17)  359'  (VI  1,  25i  361  (X 
6,  1)  355   (XI  17a,  1)  359  (ΧΠΙ 

4,  1)  359  (XIII 20, 4)  359'  (ΧΠΙ 
25)  326  (XIII  48,  1)  356  (XIV 
14,  1)  360  (XV  2)  359  (XV  3, 1. 
24)  359  (XV  26,  4)  359'  (XVI  2, 

5.  10,  1)  360  (XVI  11,  1)  347 
(XVI  15,  6)  356  -  ad  faro.  (II 
16,  6)  355  ilX  4)  389'  (IX  7,  2) 
343  (IX  10,  2)  .344  (IX  10,  3)  350 
(IX  16,  7)  3.39  (IX  19,  1)  344  (IX 
18,  3)  343  (IX  20, 2)  .345  (IX  21, 
1)  .339'  (IX  22)  .337  (XV  17, 2.  19, 
3)  353  ad  Quintum  fr.  (II  3)  629 


Register. 


643 


CIG  (1511)  584  f.  (1688  Ahrens 
Dial.  II  484-492)  1731  (3163) 
153 

CIGIna.  (III  248)  153.  254^ 

GIGS  (I  27aS)  253 

CIL  (1  I«  p.  274)  172  (I  183)  316 
(III 4327)  512  (III  5876)  316  illl 
6541a)  317  (III  8156)  512  flll 
14:^7  f.)  511  (VI  3637)  316 
(VI  3744)  513  ι  IX  3849)  316  (X 
3464a  u.  34<>9)  317  (XI  4095)  323 
(XI  5265)  324  (XI  5440)  325  (XI 
5717)  324  (XI 5748.  6035.  6117) 
325  (XIV  2215)  317  (XIV  1386. 
4270)  316 

ClPel.  (1580)  543 

Cirie  (46—53)  205  (105  f.)  214  (112, 
113)  2271  (130  f.)  213  fl32)  321 
(156)  322  (172)  215  (190)  221» 
(220)  228  (257—282)  2142  (2β2) 
322  (268)  215  (286  ff.)  213  (287  ff. 
301  ff.)  228  (312)  322  (367)  321 
(369-377)  468  ff.  (383)  323  (387) 
2161  (404-458)  214«  (418  ff.  428) 
221  (429  ff.)  213  (451)  223  (4(i5  ff.) 
227  (471)  221  (484)  223 

Cietemenbau,  antiker  39 

ClemeDS  Alexandr.  453;  Stroinat. 
(I  21,  139)  240 

Concilium  Trullanum  (can.  LVII) 
320 

Contamination  von  PlautuR  *Ατη- 
phitruo'?  4(>3 

Culttage  der  XII  divi  imperatoree 
172 

CurtiuB  Rufus  (II  6,  24)  595  (III 
1,  13)  586  (III  2.  12.  13)  565 
(III  3.  2  f.)  6162  (ΠΙ  3.  23)  565 
(III  4,8.  5,1)587  (1115,2.  6,9. 
12.  8,9)567  (11111,27)  592(111 
12,  13  f.)  612»  (III 12,  19.  20)5<)4 
(III  13.  13)  619  (IV  2,  5.  4.  17. 
6,  27.  7,  30.  50)  564  (IV  9,  16) 
587  (IV  9,  22)  565  ilV  12,  9)  565 
(IV  13,  26)593  (IV  14,  3.  11.  15. 
18.  16,  23)  565  (Y  1,  12.  15.  24) 
587  (V  1,  13)  586  (V  1,  36.  39) 
564  (V  2,  18  ff.)  6128  (V  2,  22) 
612»  (V  3,  1)  5H7  (V3,  12)  612» 
615  (V  8,  22)  590  (V  5,  5)  565 
(V  7,  1.  5.  10)  564  (V  8,  8)  594 
(V  13,  14)  565  (V  13,  16)  567 
(VI  1,7-8)  567  (VI  2,  4)  564 
iVI  2,  13)  588  (VI  2,  14)  567  (VI 
'2,  15)  584  (VI  4,  16—19)  584 
(VI  4,  19)  588  (VI  4,  21.  22)  584 
(VI  5,  18)  im  (VI  6,  3.  4.  5.  10) 
564   (VI  6,  13)  588    (VII  2,  17) 


592  (VII  2,  35)  567  (VII  3, 19— 
22)  585  (VII  4,  6.  32)  588  (VII 
5,  19)  593  (VII  6,  12)  588  (VII 
7,  2.  3)588  (VII  7,  31)  565  (VIII 
1,  36.  39)  564  (VIII  1,  37)  566 
(VIII 2,  1.  8)  567  (VIII  3,  1)565 
(VIII 5,  5.  14)  564  (VIII 5,  7.  22) 
564  (VIII  6,  1)  564  (VIII  6,  16) 

593  (VIII  7,  5  10)  564  (VIII  9, 
14)  588  (VIII  10,  16-17)  593 
fVIII  10,  18)  564  f.  (VIII  10,  29) 
593  (VIII  13,  6.  14.  2)  596  (IX 
1,  24)  590  (IX  5,  4)  567  (IX  5, 
21)  563  (IX  8,  20)  591  (IX  10,  6. 
10)  591    (IX  10,  26.  28)  564  (X 

1,  11)  597  (X  1,  13.  14)  588    (X 

2,  12.  30)  567  (X  5,  23)  611  (X 
5.  33.  34)  564  (X  5,  35)  565  (X 
9,  3)  5641 


Dareios  III  Kodomannos  610  ff. 

bi  480 

bfji  -  δέη  478 

Decennalien  des  Gallien  510 

decessor  634 

Demetrius  de  eloc.  (7)  283 

Demokrit  369 

Demosthenes  (XX  117)  4  (XXI  98) 
4  (XXIII  104)  6  (XXXIV  33)  6 
(XXXIX  12)  5  (XLIV  15)  5  (pro- 
oem.  53)  5  προς  Φίλιππον  (Amh. 
Pap.)  145 

Dichterweihe  179 

Digamma  bei  Sappho  333 

Diodor  (II  1,  10)  587  (II  7,  3)  594 
(II  11,  1)  586  (II  31,  2)  592  (II 
35,  2)  589  (II 38)  593  (V  55)  608 
(VII  67,  2)  587  (XVH  5,  5)  612 
(XVII  8,  2)  586  (XVII  30,  7)  616« 
(XVII  37,  6)  6128  (XVO  Siy)  592 
(^XVII  50,  5)  588  (XVII  57)  593 
fXVIl  57,  14  f.)  584  (XVII  65, 5) 
594  (XVII  75,  1.  5)  583.  584 
(XVII  75,  6)  585  (XVII  77,  4)  595 
(XVII  80)  592  (XVII  83,  7)  593 
(XVII  85,  3)  595  (XVII  87,  2.  89, 
2)  596  (XVII  90.  6)  591  (XVII 
91,  4)  590  (XVII  93,  1.  99,  1.  8) 
596  fXVIl  103,  8)  591  f.  (XVII 
105,3.  4.  5)  591  (XVII  118.  3) 
6128  (XVIII  5,  2)  582  (XVIII  76, 
5)  583 

Diogenes  Laertins  (II  113)  594 

Dionysosoommentar  des  Eustathins 
439  f. 

Dionys  Halioam.  —  άρχ.  'Ριυμ.  (Ι 
4,  3)  560  —  de  Lysia  (ρ.  23,  22 


644 


Register. 


ρ.  483  Κ.)  159^    Krit.  zu  (ρ.  32, 

12  ρ.  496  R)  158. 
Dionysos-Sage  und  -Cult  177  f. 
Di  vi  imperatores  (Cult  tage)  172 
Divus  Alexander  171  f. 
hoKU)  μοι  und  boKCl  μοι  311 
Dresdener  Handschriften  392 

Eifersucht  als  Thema  in  röm.  und 
griechischer  Elegie  599 

€ΐς  vcuiv  =   €ΐς  v^ov  478 

Elegie,  zur  röm.  El.  599 

Elephantiasis  391 

Eleusinische  Mysterien  500  f. 

ένδρομή,  ένδρομίς  146 

Ennius   bei  Porphyrio  (G,  12)  321 

έπΙ  bi  adv.  150 

Epicharm  (fr.  149  Kaibel)  480 

Έπιδαύρια  502 

Epigramm  (Berl.  Sitzungsber.  1901 
I  p.  905)  315 

epitome  rerum  Alex.  595 

Epochen  bei  Varro  „de  gente  po- 
puli  Roman i"  231  ff. 

Epos  (in  den  Amh    Pap.)  145 

Eratosthenes,  als  Geograph  569. 
Fragm.  (Berger  I  Α  12)  574 
(I  Β  8)  570  (Ι  Β  9)  574  (Ι  Β  10) 
570  (Ι  Β  23)  572)  (II C  24)  570; 
(Müller  III  Α  2)  585  (Berger  ΠΙ 
Η  6)  578  (III  Β  12, 16)  577  (III  Β 
22. 31 .  32. 38. 48)  580  (III Β  32. 38) 
570 

Erfindung  der  Handramme  43 

Erntearbeit  bei  Homer  und  im 
Mittelalter  304 

Έρωτ€ς  (II  37,  5)  72 

Erotische  Epigrammenpoesie  65 

Erstarrte  Flexion  von  Ortsnamen 
im  Lateinischen  168  ff. 

Erstickungstod  389 

ίθηκαν  und  έδωκαν  bei  den  Red- 
nern 425  f. 

Etruskieche Monatsnamen  und  Zahl- 
wörter 318  f. 

Etymologicum  Magn.  (p.  206,  6) 
437 

Eucharistische  Gebräuche  184 

Kuripides,  über  eine  Scene  des 
Eurip.  Orestes  278  —  Alcestis 
283-Bacchen  (142)  177 Μ  708  f.) 
178  —  Chry8ippos58  —  Electra 
(ββ7)  7  —  Hec.  (246)  7  —  Hipp. 
(96)7  (476)605  (schol.  z.  12()0) 
210  —  Iph.  Taur.  (538  f.)  7  — 
Oreet.  (schol.  z.  640  f.)  283  (schol. 
z.  932.  232  (schol.  z.  13()9.  1384) 
280*  Polyd.  (fr.  Γ,4 1.643. 644)  2262 


Eusebius  praep.  evang.  (X  10,  l) 
241  (X  10,  7)  240  -  ehren.  (I 
p.  181  Seh.)  240 

Euetathins  (438.  439  ad  II.  Β 
850)  437.  —  Com.  ad  Dionys. 
(p.  241,  29-31  Müller)  446 
(p.  242,  4-11)  443  (p.  244, 
5-8)  444  (p.  261,  42—43)  446 
(p.  268, 44)  440  (p.  275,  30—32) 
446  (p.276, 11— 13)446  (p.  276, 
13  f.)  440  (p.  298,  11  —  12)  445 
(p.  309. 36— 43)  442  (p.  314,  42— 
315, 1)  445  (p.  315.  32-37)  438. 
444  (p.  323,  36-324,  1)446  (p. 
342, 34-39)  447  (p.  359, 40—42) 
446 

exercire  323 

Fabeln,  lateinisch  griechisch  142 
Facetiae  bei  Cicero  337 
Faveutinus,  epitome  12 
Festus  (p.  329)  247 
Flexion,  spätgriechische  149 
Florus  (I  6,  2.  1, 15)  318 
Flutsage  239 
Fragm enta  scriptorum    apud    No- 

nium  servata  196 
Frontinue,  de  aquis  (25)  11' 
γαιδάρια  151 

Galba,  imperator  87  f. 

Galen,  Blattversetzung  im  Comro. 
zu  Hipp,  περί  Αρθρων  627  nat. 
fac.  (I  14)  .366  (II  p.45f  K.)327f. 
(118;  Π  ρ.  IHK,  ΠΙ  ρ.  182 He.) 
385  (ΠΙ  ρ.  466  f.  Κ)  382  (VIII 
ρ.  74S.  755.  757.  758  Κ)  382  —  de 
US.  resp.  (IV  ρ.  494—496  Κ)  389 

—  de  US.  part.  (VIII 8;  III  ρ.  540 
Κ)  389  -  de  plac.  Hipp,  et  PI. 
(Vin8;  V  p.  707  f.  K;  ed.  Iw. 
Müller  p.  714  f.)  379«* 

Gallienus  (vita  S,  1)  510 
Ganymedsafife  67 

γάρ,  über  eine  besondere  Bedeutung 
von  γ.  1  f    —  γάρ  =  freilich  2  f. 

—  γάρ  und  γέ  =  freilich  7  — 
γάρ  aus  γέ  άρα  7  —  γάρ  zur 
Einleitung  von  Entgegnungen  im 
Dialog  7 

γαυνάκιον  150 

Gellius  (I  9,  6)  237  fl  16,  .3)  2.W 
genethXiaci  237 
Georgius  457 
Goldenes  Zeitalter  181 
Götterland  und   seine  Ausstattung 
180 


Reßrister• 


645 


Oratn.  Tractat  (in  den  Amh.  Pap.) 

145 
Gregor,  or.  ad  Orig.  (§  V]\)  48ö 

Hadrians  Autobiographie  549 

Heliotior  (VII 9)  «09 

Hercnlaneneische  Bmchstüoke  einer 
Geschichte  des  Sokrates  u.  seiner 
Schule  285  fr. 

Hermes-Hymnus  (558-5G3)  179^1 

Hero  Byzant.  (Anonymus  Wescher 
p.  214)  45 

Herodian  (V  4,  9.  6,8)  513  (VH! 
6,  β  ff.)  509^« 

Herodot  (Uli.  137.  Π1  1)275  (IV 
ISl)  588 

Heron  Automat,  (p  430,  9  Seh.)  486 

Herondas  (VII 99)  482 

Hesiod,  Werke  (232  f.)  181«  ίργ. 
(25)  269 

Hieronymus  (p.  78  f )  241 

Himmelsspeise  178 

Iliütoria  Augusta,  Satzschlussstu- 
dien zur  H.  Aug.  549  f. 

Homer  (in  den  Amh.  Pap  )  145  — 
(α  328  ff.  207  (α  351)  2<;6  (a346) 
268  (α  370  f.)  267  (γ  267  f.) 
272  (6  229  f.)  275  (Θ  255. 477  f. 
487  f.  500  f.)  266  (Θ  474)  268 
ii  527  f.)  276  (i5f.  11)271  (X26f.) 
18483  (X  3ßi  f.)  274  (μ  314  f.)  268 
(o  344)  271  (p  319  f.)  272  (p269. 
287  f.)  271  (p  347)  268^  (p  374  f. 
397  f.  347)  268  (σ54)271  (χ 344 f.) 
267  (χ  330  f.)  272  (ψ  148  f.)  271 
(ψ  217)  274  —  (Β  845  Δ  520 
Η  86 1 360)444  (Ρ  432)444  (Ρ575  f.) 
271  ίΣ541*ιν€ΐός)3028  (Σ541— 
547)503  (Σ556-559)304  (Σ565— 
572)  306 

Honig  177  f. 

Horatius,  carm.  (1 2)  321  (1 20,  9— 
12)  466  (III 4,  9-13.  6,  21—24) 
465  (11123,17-20)466  (IV  2, 
27  ff.)  180«  -  epod.  (16, 47. 49  f.) 
181«  —  epist.d  18, 104.  105)  467 
—  ars  poet.  (251—259)  4()8 

Hygin,  fab.  (198)  219 

Jamblichos,    protreptic.  (c.  9)  486 

Ί€ρά  δ€θρο  49Hf. 

Indisches  ilpos  269 

indolis  326 

Infinitivus  pro  imperativo  147 

Inschrift    der  Aphaia    aus   Aegina 

152.  252.  543 
Johannes  Chrvsostomos  (t.  X  p.624a 

Montf.)  171 


Isaios  (6, 53)  425 

laocrates,  —  προς  Δημόνικον  (in 
den  Amh.  Pap.)  145  —  Philippos 
(8, 18.  46.  49.  51.  53)  423  (64) 
424  —  Archidamos  (65)  424  — 
Paneg.  (157)  502» 

Julian  (VH  p.231a  Cobet)  485 

Justin  56Hf.  (s.  Trogus  Pompeius 
bei  Justin) 

Juvenal  146  (12.  116,  34  ff.)  60 

Kol  προς  147 

Kalenderpublikation  519 

Kallimachos,  —  Artemishymnus 
(195  ff.)  228  -  Schol.  z.  Art.-II. 
(in  den  Amh.  Pap  )  141  —  Zeue- 
hymnus  460  (Anspielung  im  Z.-H.) 

Kapitelüberschriften  in  Handschrif- 
ten 2911 

Karme  228  f. 

Kastor,  Χρονικά  233  f. 

κατήγωρ  etc.  148^ 

καθιστάνω  146 

Kleomedes  (Π  5  ρ.  194,  2171.)  486 

Klitarch  581 

Komische  Scene  im  Euripideischen 
Orest  280 

Ktesias  bei  Photios  (§  49)  617 

Κύμη  327 

κυτίνιον  151 

Lactantius  Placidus  166.  421 

Ländliches  Leben  bei  Homer  und 
im    deutschen  Mittelalter  301  ff. 

Legionen  des  Orient  (nach  der  no- 
titia  dignitatum)  259  ff. 

Lex  Manciana  632 

Lexikon  zur  Od.  (XV)  und  II.  (XI) 
in  den  Amh.  Pap.  145 

Liebesproblem,  —  dilettantische  Art 
der  Betrachtung  des  L.  55  — 
Stellungnahme  der  Verfasser  erot. 
Schriften  zum  L.  57 

Livius  —  (V  32,  8)  425  (VIII 3,  7) 
245  (IX  17, 16)  565  (IX  17. 17) 
564  (1X18,  1.  2.4)  564  ΓΙΧ  18. 
6.8)565  (IX  18,9)562  (1X19, 
5.  6.  7.  9.  1 1)  565  (X 1 1 8, 3)  564 

Locativ  auf  -ησι  640 

ludi  saeculares  244 

Luftdrucktheorie    der  Alten  371  f. 

Luftziegel  34 

Lukian  —  πβρί  παρασίτου  (c.  30» 
270  —  ?ραπ•€ς  58.  62  (c.  25  ρ.  425) 
71  fc.  25  ρ.  426.  c.  27  ρ.  427)  59 
(c.  27  ρ.  428)  60  (c.  33  ρ.  433- 
c.  36  ρ.  437)  59  (c.  37  ρ.  438)  62 


646 


Reg^ieter. 


—  ver.  bist.  (I  12)  480^  -  d. 
mer.  (13,  1.  3)  608 

Lukrez  (VI  799  f,)  389  (VI  802  f. 
804 f.)  390  (V!  906-1089  Lm.) 
363  (VI  921-990)  370  f.  (VI 
1114  f.)  391 

Lykurgoe  Redner  (Gesetz)  625 

Lysias  (19,33.  31,32)  425 

Macrobius  (p.  91  Keller)  247 
Magnettheorie  bei  Lukrez  367  f. 
Magnet    und  Atmung    in    antiken 

Theorien  3(i3 
Mantik  (in  den  Amb.  Pap.)  145 
Martial  (VI  32)  136    (1X25.  XI 43) 

60 
Menander  —  bei  Alkiphron  (II  3, 

12)  609   —   Δεισιδαίμων  609  — 

Μισογύνης  58 
Milch  und  Honig  in  Sage  α.  Cultus 

177  ff. 
Mims  322 

Mithrasweihen  182  f.  195 
μοΟσα  παιδική  —  in  der  Poesie  und 

in  der  νέα  κωμψδία  58 
Μυκήνησι  640 

Nectar  und  Ambrosia  im  Götter- 
lande 180 

Nero  77  f.  —  N.  und  Acte  79  — 
N.  und  Sabina  Poppaea  79  f. 

Nisos-  und  Skyllasage  205  f. 

Nonius  Marceil  US,  compend.  doct. 
Quellen  196  f.  —  de  vero  ordine 
fr.  198  f. 

Nonnu8Dionys.(XV2n7)212  (XXV 
148  ff.)  211 

uotitia  dij?nitatum  259 

οίκος  in  der  Kultsprache  153.  252. 
544 

Όρνιθιακά  (Dionys.)  (II  15  in  den 
poet.  bucol.  et  didact.  p.  119 
Didot)  206 

Ortsnamen  im  Lateinischen,  er- 
starrte Flexion  von  0.  im  L.  168  f. 

Otho,  Kaiser  Marcus  Salvius  7<> 

Ovid.  —  ars  amat.  (I  351  f.  II  251  f.) 
609    (ini83f.).59f.    (111571)599 

—  araor.  (17)599  (119)609  - 
fast.  (3,  736  ff.)  177  -  heroid.  (20, 
47  f.  177f.)609  -  metam.  (1 1 11  f.) 
181  (VII 426)  466  (VIII  14  f.)  214 
(Vni  21  f.^  211  (VIII 44-80)  214^ 
(VIII  f)4)  215  (VIII  73)  323  (VIII 
101)  211  (VIII  108-142)  2143 
(VIII 109. 127)  221  (VIII  Ii5)22l8 
(VIII 145  f.)  206 


Pachtvertrag  in  den  Amh.  Pap.  1 48 

Pacuvius,  Grabschrift  des  P.  1ί)4 

Paladins  12 

Palingeneeie  226 

ParthenioB  205.  226  f.  —  metam. 
(fr.  2i)  Martini  p.  23  p.  270 Mein.) 
206 

Paulus  Silentiarius  601 

Paueanias  (I  9,  4)  230^  (I  22, 7)  150 
(142,2)227  (144,8)227  (II  13,4) 
150  (1130,3)155  (1134,7)222 
(ΙΠ  14, 2)  546  (V7,8)  150  (IX  23, 
2)  179" 

π€ρΙ  οψους  (4,  10)  31 1 

Personalstandregister  (in  den  Amh. 
Pap.)  146 

Petronius,  cena  Trimalch.  (c.  48) 
327 

Pfitigen  des  Feldes  bei  Homer  und 
im  deutschen  Mittelalter  301 

Phanocles,  £ριυτ€ς  ή  καλο{  58 

Philodemus,  rhet.  Schriften  428 
(12,7)435  (I  126.  167  col.  VII) 
432  (I  197)  431  (I  333)  430 
(I  369)  432  (I  383  col.  CX)  432 
(II  6,  7)  434  (II  67  tr.  3)  433 
(II  94,  4)  131  (II  95,  11)  432 
(11102)134  (ΙΪ  114,19)431  (U 
130,  11)  431  (II  141,  31)  435 
(II  151,  20)  431  (II  174  fr.  14) 
436  (11176.177,3)  43ίί  αϊ  l'i8, 
!»>)  430  (II  188  fr.  III)  429  (II 
189  fr.  I)  431  (il  202,  25)  434 
(II  205)  429  (II  212  f.)  429  (11 
278  fr.  XX«»)  435 

Philostratos,  —  imag.  (1,  44  p.  30, 
23  Ausg.  d.  Wien.  phil.  Sem.)  177^ 
(2,  12)  17912  —  vita  Apollon. 
Tyan.  (IV  18,  155)  498 

Phrynichos  487 

Pindar,  —  Isthm.  (4,54)  Nem.  3, 
77)  179W  01.(6.45)179  Pyth. 
(4,  60)  179  (9,  63)  194 

Piso  als  Mitregent  Galbas  90 

Piaton  —Craty  1.(393 c)  3  —  (iorg. 
(451  a.  d.  449  b.  470  e)  7  (522  a) 
422  —  Jon.  (533  e)  365  (534  a) 
178«  —  Legg.  (694  e  712  b)  7 
(794  c)  4  -  Parm.  (141  c)  7  — 
Phaedo  63  —  Phaedr.  H.i  (229  a. 
268  a)  7  -  Prot.  (328  d)  422  - 
Soph.  (231  e)  7  —  Symp.  63  - 
Theaet.  (187  a.  207  b)  7  —  Theag. 
(121  d)  311  -  Tim.  (77  ff.)  374 
—  de  rep.  (432  d.  433  a)  7 

Plan  tue,  —  Amphitruo  eine  co- 
moed.  contaminata?  4<>3  —  ('as. 
(617)    609   -    Cure.  (178  f.)  609 


Register. 


647 


Plinius,  nat,  bist.  (II  67)  570  (VI 
12.  13)  583  (VI  15.  21)  570  (VI 
21)582  (VI  23)  593  (VI  31)  570. 
587  (VII  2)  590  (VII  210)  473 
(VIII  10)  579  (XU  8)  585  (XV  2) 
325  (XV  25. 30.  209)  20  (XVI 45. 
48. 230)  16  (XVI 186)  18  (XVI 
192.  195—198. 216  flf.)  17  (XVI 
198)  15  (XVI  218)  19  (XXXI  20 
(XXXI  36.  43. 57)  21  (XXXI 58) 
23  iXXXlU)31  (XXXHl  119.121) 
32  (XXXIV  26)  236  (XXXV  41. 
42.  170-173)  33  (XXXV  160) 
235  (XXXVI  47. 176)  38  (XXXVI 
166—188)  41  f.  (XXXVI 170. 173) 
39  (XXXVI  176)40  (XXXVII 28. 
120)  15 
Plotinus,  Eon.  (I  6,  8)  311 
Plutarch,  vitae  parall. :  —  A.ge8il.  (6) 
425  —  Alex.  (c.  3)  570  (c.  16)590 
(c.  17)  öTl  (c.  18)616«  (c.  20)  592 
(c.21)  6128  (C.28)  593  (c.30)  6128. 
613  (c.  31)  501  (c.31.  45.46)570 
(c.  44)  583  (c.  63. 64)  597  — Auton. 
(c.  1-2)  561  -  Artax.  (1.  1)  612. 
617  -  Cam.  (10)  424     (19)  501 

—  Cato  miu.  (64)  424  —  CraHS. 
(27)425  —  Galba  (21-28)  90f. 

—  Numa  (8)  236  —  Otho  (1—4. 
7-18)  117  f.  —  Pyrrh.  (c.  19) 
562  —  Rom.  (12)  237  —  Sulla 
(7)  24;)  —  de  fort.  Alex.  (I  1)  616« 
(I  2)  597  (1 5)  571  (1 6.  8)  570 
(117)597  (118)  616«  (119)593. 
;)97  (II  13)  597  —  couv.  disp. 
(VIII  9, 1  p.  731 )  391  -  de  Pyth. 
orac.  (12,  13,  14)  253  —  Erotik. 
57  (c.  4)  62  (c.  21  p.  767  A)  59  — 
quaest.  Piaton.  (VII  7  p.  Iu05b,d) 
369  —  quaest.  Rom.  (10)  236 
vitae  X  or.  (p.  824  A)  625 

Poiystratos  482 

Pompa,  die  P.  an  den  Decennalien 
des  Gallienus  510 

Pompcianisches  Wandgemälde  218 

Pontincalannalen,  die  älteste  Re- 
daction  der  P.  517  flF. 

PontiBcaltafel•  Jahreschronik  518 

Pop-  pub-  Stammsilbe  von  Personen- 
namen ()36 

Populär-philosoph.  Litt.  66 

Porphyrius  (p.  6,  12  Hold.)  321 
(vita  Peotini  c.  9)  487 

praedecessor  635 

Priscian  (VI  70  p.  255  H)  321 

pro  salute  imperatoris  632 

probeantur  ,'>24 

jyrodecessor  634 


Properz  (lU  16,  11-20)  (506    (III 

19,21)209    (IV  4,  25)  215   (IV  4, 

39)  209 
πρόρρησις  501  f. 
Prosaausgaben     der    Alexandriner 

139 
προσβπίτροπος  147 
Protokoll  (in  den  Amh.  Pap.)  146 
Pseiido-Hippokrates ,    π€ρ1    τέχνης 

(c.5)(>  (0.11)7 
Pseudo-Sallust,  Invectiva  159 
Ptolemaeus,  Astrologe  97 
Ptolemaios  Philometor,  Erlass  dess. 

in  den  Amh.  Pap.  145 
Pythagoras  und  Varro  23tj 

quattus  325 
Quinarsystem  21 

Quintilian  (11,9)313  (1115,34)314 
(XII  1,1)  313 

Rhapsodien  272 

Reitercenturien  des  Tarquinius 
Priscus  318 

Römische  Elegie  599 

Römische  Kaiser-Geschichte,  Unter- 
suchungen 506  fiF. 

Rufinus  600 

8abina  Poppaea  80  f. 

saeculum  245 

Sänger,  der  S.  in  der  Odyssee  265 

Sappho,  Berliner  Bruchstücke  328 
Abschied  einer  Schülerin  329  f. 
An  eine  Freundin  330  f. 

Satzschlussstudien  zur  historia  Au- 
gusta  549  f. 

Säuglingspflege    der  Griechen  193 

Scaevola  524 

Schreibgebrauch  u.  Textkritik  481 

8C(ypu8  324 

Scriptores  histor.  Aug.  549  ff.  — 
vita  Hadr.  (S])artianus)  549  f. 
(rhythm.  Satzschluss)  549  f.  (Quel- 
len) 554  (c.  1,  1.  2.  3—5.  c.  2, 1. 
2.  4.  5-8)  550  (c.  2,  9.  10.  c.  3, 
1.  2.  3.  4.  5)  551  (c.  3,  6-10. 
11-c.  4,  1 ;  c.  4,  2. 3. 4—5. 6—7. 
8—10)552  (c.  5,  1.  c.  6,  3.  i)'-^. 
9.  c.  10,2.3.  c.  11,  2  c.  18,3. 
c.  19,  1.  4.  5)553  (c.  1(5,  1.  c.  22) 

554  —  Aurel.  (5,  1)  556     (10, 1 

555  (15,6.  19,6)556  (37,5f.)557 
Tac.  (10,  2)  556  (14, 5.  15, 4)  558 

Scylla  323 

secus  =  secundus  u.  ä.  169 f. 
Seneca,  -  Oedip.  (494  ff )  178  — 
quaest.  nat.  (11127;  28,7)  237 


648 


Regieter• 


S«uöcio  78 

^pt6W  montee  urbis  Bomae  396 

S^rviu•,  ad  Verg.  -  Aen.  (VI  43) 
U•  I  Ylll  δδβ)  346.  —  Georg.  (II 
18>  W  -  £cl.  4,  4)  236  (9,  46 
fr  5  p.  Ä5S)  344 

S«xtu*  Kmpiricu*  «ρός  /Ρήτορας  (6) 

^14 
Sibvll«i«he  Wwwagungen  244 

Simplicitt«  5171 

Swi^t^ainbi*  610 

'^ΐΛ«.  Hypotheeie  zu  Euripidee' 
'  Sk.  m  d«n  Amh.  Pap.  138 
>^^]jMtg«  305  ff. 

^^rat<«  (β.  Uercul.  Brachst)  285  f. 

N>iibodet  (Antigene  528)  624  — 
Sol.  i.  Aias  (1199)  179>8  schol. 
,,  CVd.  Col.  (17)  179W 

Spartianus,  vita  Hadriani  549 

SiAtitte'  Thebais  397  f. 

St<»phanu8  Byzaut.,  Δάνουβις  441 
Δω6(ύνη,  Κραννών,  Όμόλιον,  Τβ- 
τραχωρΐται  437    Τύμφη  142 

ατηβ(ον  149 

SUchworte  483 

Stigma    in   der  lat.  Schrift  170  f. 

Stobaeus  69 

Strabo,  —  unbeachtete  Fragmente 
437  -  (I  p.  22)  574  (I  p.  48)  570 
(II  p.  67)  580.  585  (II  p.  70)  572 
(II  p.  73)  584  (V  3,  3)  587  (VII 
fr.  3)  445  (Vll  fr.  7)  442  (VII 
fr.  11.  25.  27)  446  (VII  fr.  33. 
36)  445  (VII  fr.  50)  444  (VII  fr. 
51)  445  (VII  fr.  52.  57)  446  (VII 
fr.  56)  445  (VII  fr.  58)  443  (VII 
p.  295)  446  (VII  p.  298)  444  (VII 
p.  495.  550.  591)  447  (VIII  p.  373) 
222  (IX  5  p.  533)  569  (X  p.  452; 
311  (XI  p.  491.  508)  583  (XI 
p.  505)  573.  585  (XI  p.  507)  578 
(XI  ρ  509)  571.  582. 584  (XI  508j 
δ^<4  (XI  p.510)582  (XIp.521)5SG 
iXI  12  p.  522)  580  (XI  13  p.  523) 
569.  570  (XI  p.  524)  580  (XI 13 
p.  52())  581  (XI  529)  587  (XI 
p.  637)  254  (XI  8  p.  717)  581 
(XII  534)  586  (XIII  p.  593  XIV 
3  p.  66())  569  (XV  p.  678.  ()87) 
593  (XV  p.  685.  687)  573  (XV 
p.  ί)^s5.  688.  691 1.  VOO.  705.  707) 
579  (XV  p.  699;  590.  592  (XV 
709.  71Λ  718.  719)  589  (XV 
p.  717)  576)  XV  p.  719)  588  (XV 
p.  720.  727)  580  (XV  p.  721  f.) 
591  (XV  p.  724)592  (XV  p.  725) 
m\  (XVp.72Sf.  739)  587  (XVI 
p.  737)  774  f.  (XVI  p.  738.  740. 


742)  587  (XVI  p.  746)  570.  586 

(XVI  p.  748. 767)  580  (XVI  p.  779) 

588  (XVIp.785)  580(XVIIp.802. 

814)  574 
Straten   (bei    Simplicins    in  Arist. 

phys.  p.  663,  3.  652,  21)  371 
Sueton,  —  Aug.  (31)  244  —  Claud. 

(21)  244  —  Galba  (4.  6.  14.  17. 

19.  20.  21.  24.  50)  76  f.  —  Nero 

(35)  84   -  Otho  (1.  3.  4.  5.  6. 

7.  10.  11.  12.  50)  129  ~  Vitell. 

(10)  134 
Suidas  487 

*Surpu* -Tafeln  (aseyriol.  Bibl.  XII 

1.  1896)  483  f. 
συσκευώρημα  147 

Taoitus,  —  aun.  (1 80)  80  (III  742«) 
81  (IV  31.  39.  46)  80  (XI  1)  80 
(XI  1.  4)83  (XI 2.  3.  4.  13.  βΟ) 
81  (XI  5)  80  (XU  13)  77.  83 
(XII 41.  69)93  (XII  52)  7ii  (XIII 

12)  79.  88  (XIII  45)  79.  80.  82. 
84  (XIII  46)  84.  85  (XIII  46«) 
86  (XIII 47)  88  (XIV  61)  86  (XV 
17.  49.  50.  70)  78  (XV  71)  S:i 
(XVI  16.  17)  83  — biet.  (15.17) 
93  (I  9.  14)  90  (I  12.  22)  89  (I 

13)  77.  86  f.  (I  15.  16)  91  (I  18. 
19)  94  (I  b.  31)  99  (I  21)  96  (I 
22)  97  (I  23)  95  (I  24.  25.  72) 
98  (I  26.  27)  100  (I  27.  28.  29) 
101  (I  29.  30)  102  (1  31.  32)  103 
(I  32.  34)  104  (I  35)  106  (i  36. 
37)  107  (I  38.  39)  108  (I  40.  43; 
109  (I  41)110  (I  42.  43)  111  (I 
44)112  (I  45.  46.  47)113  (149) 
114  f.  (I  50  52.  56)  116  (l  59) 
126  (1  61.  74  75)117  (162.71. 
74.  75)  118  (I  75.  77.  90)  76  (I 
71.  86.  81)  124  (I  77)132  (178) 
86  (I  80.  89.  90)  120  (I  81.  82) 
121  (I  83.  84.  85)  122  (I  88) 
119  f.  (II  11)  118.  124  (1123.33. 
39.  60)  76  (11 31.  33.  39.  40)  136 
(U31.  39.  40.  43.44)126  (II  31. 

47)  135  (II  33.  39)  125    (II  37. 
44.  45)  127  f.  (II  46.  47)  130  (II 

48)  131  (II  48.  49)  133.  134  (II 

49)  132    (II  60)  77  (II  89)  512 
(VII  41.  42)  126 

TarquiniuB  Priscus  318 
Taufgebräuche  183  f.  191 
Terenz,  —  zwei  alte  T. -Prob lerne 
48  ff.  —  Hautontira.(prol.  1— 3) 
50  (Bembin.  schol.  z.  prol.  3)  51 
(prol.  6)  48  (I  1,91)  323(300f.> 
609  —  Audria  (I,  24  f.)  52 


Register. 


049 


Textgeschichte  und  Textkritik  555 

Theocrit  (II  62  VI  39)  472  (XIV 
34  ffj  eOO 

Theodore t  454  —  *Graec.  äff.  cur.* 
(cod.  Vat.  2249)  449 

Theodoros  Metoch.  (p.  127  M.  K.) 
481 

Theognifl  (El.  469  f.)  604 

θρύγη  149 

Thukydides  (III  40,  4)  l  (111  43, 
4  f.)  2 

Tiberiu8  Coruncanius  531 

TibuU  (I  2)  602  (I  3,  45)  181  (I 
10,  57  f.  65)  602 

Timagenes  564 

Timaios,  com.  Galeu.  385 

Titus  Vinius.  111 

Totencult  182 

Trogus  Pompeius  623  —  Krit.  zu 
(prol.  X)  474  —  Tr.  Pomp,  bei 
Justin  (11  1,3.  3,6)  567  (XI,  l) 
613  (X  3,  1)610  (X  3, 3)  6163  (χι 
6,  11  ff.)  590  (XI  6,15)  566  (XI 
8,3.  4  8.  15,5)567  (XI  9,  12  f.) 
6123  (XI  10,2)592  (XI  13,  1.  14, 
7)  566  (ΧΠ  3,  8.  4,  1.  6,  6.  12, 
2.  13,  2.  7.  14,  4)  566  (XII  5, 8. 
6,5.  7.  9,9.  11,5.8)567  (XII  7, 
6.  8)  593  (XU  9,  5)  596  (XII 10, 
3)  591  (XIII  1,  6)  612^  (XV  3,  7) 
566  (XXVIII 4, 2)  567  (XXXVIIl 
4,  7)  566  (XLII  3,  5)  570 

Trophimus  martyr.  458 

Τύμφη  142 

Τυφλός  άνήρ  265 

Tzetzes  zu  Lykopbron  (650  Chil. 
II  539)  216 

Ueberlieferung  der  Gesch.  Alex.  d. 

Gr.  559  ff. 
Unbeachtete  Fragmente  bei  Strabo 

437 


Untersuchungen  zur  röm.  Kaiser- 
Gesch.  506 

Valeriue    Maximus    fact.    et    dict. 

mem.  (IX  2  Ext.  7)  610 
Varro  —  de  gente  populi  Romani 

231  —  de  re  rust.  (III  1,  2  ff.) 

232  -  de  1.  1.  (VII  88)  247 
Vegetius,  Scholien  392  f. 
VaUegius,  Verse  des  V.  in  der  vita 

Terentii  163 

Velleius  Paterculus  (1 5,  2)  265  (II 
51)  563 

Verballhornungen  in  der  Vulgate 
422 

Verfasser  der  X  libri  de  archi- 
tectura  8 

Vergil,  —  Aen.  (VI  791  ff.)  249  — 
Ed.  (IV  4-7)  248  (IV  30)  181 
(Prob.  z.  VI  74  p.  23  Keil)  216 
—  Georg.  (I  404  ff.)  206  f. 

Vibius  Maximus  146 

Vir  bonus  dicendi  peritus  312  f. 

Vitellius,  Kaiser  115 

Vitruv,  —  de  archit.  (II  3,  1)  33 
(II  8,9-17)  34  (U  9,  7)18  (VU 
3,  5)  40  (VIII  6,  4)  22  (VIII 14— 
15)  39  (X  19)  43.  45   (X  21)  45 

Wandgemälde    von  Tor  Marancio 

218 
Weinlese  bei  Homer  und  im  deutsch. 

Mittelalter  305 

Xenophon,  —  Cyrupaed.  (V  4,  37) 
311  Mem.  (II  1,2)  7 

Zauberpapyrus  (Leyden)  —  Kriti- 
sches 496>  (p.  5,  7  ff.  p.  12, 1  ff.) 
41^1  (p.  19,  6.  8.  9)  482 

Zeushymnus,  Anspielung  im  Z.-H. 
des  Kallimachos  460 

Zosimus  (II  4)  246 


«'arl  Ofovf'i.  Uuivereiiutii-liucJuiiUckerci  in  Boiiti; 


Inbalt  dee  νίβπβο  Heftce 

ΤΐΙη  Kulmlhirolmui^  uiiil  «liau  Beiluiuuuir  fUr'<Ut<  TBxt- 

brlllli.    \'pt|  tV.  ftriflkAMiin 

lePA  ΔΕΤΡΟ.    Vftn  U.  Xäeli•«.    .---,- 
IltilvMucliutiy  ΐ  ttor  rltinlei-bi-0  KsttinttewUcItfu.    Vmm 

A.  *.  hol.  lIHSOtkl     .         .     .     . 

Uti•   •ΙΐΜ<ΐ.ι    |()•ακα()ΐι»    tlft  fiiniinanJnuBaiuu.    Vau  A. 

Riiiii^nii 

Kpiffifli'tili'i'ti»  BnltrHu•).    Veq  M.  frlLnliel  .,.,.. 
i^ititti'ftldMaUiillpu  tat  Bifalitri«  Aejciuiik    Von  [*.  Y<in 

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