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Full text of "Rheinisches Museum für Philologie"

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E-heiaisches  Museum 


für 


PH  I  LOLOGIE 


Herauggegrebeii 


▼on 


Franz  Buecheler  und  Hermann  Usener 


Nene  Folge 


Sieben  and  fünfzigster. Band. 


Frankfurt  am  Main 

J.  D.  Sauerländers  Verlag. 

« 

1902. 


THE  NEW  YORK 

'PUBLIC  LIBKARY 


f^ 


OÖ( 


ASTOR,  LENOX  Al«0 
TILDEN  FOUNOATIOM•, 

Η  1 905  I 


Yerzeiehniss  der  Mitarbeiter 


von  Band    XXXV—LVII  und  ihrer  Beiträge  von  Band  XLV  an. 


Ahrens,  H.  L.,  in  Hannover  f 
Ameel,   G.,    in    Gross  -  Lichterfelde 
Apelt,  O.,  in  Eisenach  {49,  59.  50^ 

394.  55,  621.  55,  9) 
Arnim,  H.   von,  in  Wien 
Asbach,  J.,    in  Düsseldorf 
Aobert»     L•.  C.  M.,   in    Christ iania 
Aufrecht*  Th.,  in  Bonn 
Ansfeld,   Α.,   in    Baden-Baden  {50, 

357.  5J2, 435.  557. 55, 348.  56, 517) 

Bannier,   W.,  in  München  (54,  544. 

55,  479) 
Bartiiolomae,     Chr.,     in    Giessen 

(45,  151) 
Barwinski,    B.,  in  Deutsch -Krone 
Bauer,  Α.,    in  Graz  (55,  168) 
Baana.ck,   J.,    in  Leipzig 
Becher,  F.,   in  Berlin  f  (45,  318.  47. 

639.   55,   481) 
Beloch,  j!,    in  Rom  [45,  4β5.  555. 

49,  111.    50,  250.  54,  414) 
Bergk,  Th-,    in    Bonn  f 
Bethe,  E.,    in   Basel   {46,  511.   47, 

577.  4d.   91.  355.  484.  55,  414) 
Biese,  A-,  in  Neuwied 
Birt,  Th.,  in  Marburg  {45,  491.  46, 

152.  5Ö,  31.  lei.  51,  70. 153.  240. 

4β8.  491.   506.  52  Suppl.  54.40. 

'201) 
Bischoff,   E.  F.,  in  Leipzig  (53,  328. 

54    9.   55»    488) 
Blas«,  F.,  in  Halle  (47. 2(ii).  55,283. 

54,   HS.    55,  91.  341) 
Hoehme,   J-,   in  Hamburg 
ßoijr,    C.   ile,    in  Breslau  {45,  477. 

47,321) 
Braadis,   C.  G..   in  Charlottenburg 

.5/.    109) 
Brandt,   S.,    in  Beidelberg  (47.  390} 
Breysig,   Α.,    in  Berlin  f  (55,    157. 

.'^65.  56,   55) 
Brinkmann,    Α.,  in  Bonn  {51,  273. 

441.  5J9,  032.    54.93.  56,  5,ö.  57, 

482) 


Bröcker,  L.  0.,  in  Hamburg  f 
Brugmann,  K.,  in  Leipzig  (53, 630) 
Brugmann,  0.,  in  Leipzig  (50,  478) 
Bruhn,  E.,  in  Kiel  {45,  273.  46, 628. 

49,  168) 

Bruns,  J.,  in  Kiel  t  (45,  138.  223) 

Buecheler,  F.,  in  Bonn  (45,  159. 
161.  321.  46,  159.  233.  632.  48, 
84.  320.  631.  49,  175.  51.  153. 
325.  471.  638.  52,  302.  391.  55, 
166.  205.  54,  1.  484.  55,  1.  5β, 
154.  321.    57,  315.  321) 

Buermann,  H.,  in  Berlin 

Buettner,  R.,  in  Gera  (55,  121) 

Bugge,  S..  in  Christiania 

Bunte,  B.,  in  Leer 

Buresoh,  K.,  in  Athen  f  (46,  193. 
47,  329.  49,  424) 

Busche,  K.,  in  Leer  (55,  299) 

Busolt.  G.,  in  Göttingen 

Busse,  Α..  in  Berlin  (49,  72) 

By water,  J.,  in  Oxford 

Cauer,  F.,  in  Elberfeld  (46,   244. 

50,  348) 

Cauer,  P.,  in  Düsseldorf  (47,  74) 
Cholodniak,  J.,   in  St.  Petersburg 
Christ,  W.,  in  München 
Christensen.  H..  in   Hamburg  (54, 

134) 
Cichorius,  C.  in  Breslau 
Cohn,  L.,  in  Breslau 
Conway,  R.  J.,  in  CardiflF  (4,9,480) 
Corssen,  P.,    in  Berlin  (51,  226) 
Crönert,  W.,  in  Bonn  {53,  585.  54, 

593.  56,  607.  57,  285) 
Crusius,  0.,  in  Heidelberg:  (45,  265. 

46,  318.    47,  6L    48,   152.   299. 

49,  299.  51,  544) 
Curtius,  E.,   in  Berlin  f  (50,  373) 

Darbishire,   H.  D.,    in  Cambridge 
Daub,  Α.,  in  Freiburg  i.  Br.  f 
Degering,  H.,  in  Bonn  (57,  8) 
Dechent,   H.,   in   Frankfurt   a.  M. 


TV 


Verzeiohnise 


Deecke,  W.,  in  Mülhausea  i.  E.  t 
Deiter,  H.,  in  Hannover 
Deiters,  P.,  in  Köln  (56,  587) 
Deeeauer,  H.  f  {56,  41H) 
Diehl,  E.,  in  München  (54,  17*2) 
Diele,  H.,  in  Berlin  (46,  «17.    49, 

478.  56,  29) 
Dieterich,  Α.,   in  OicBsen  (46,  25. 

48,  141.  275.  55,  191.  56,  77) 
Dietze,  J.,  in  Hamburg  (49,  21) 
Dittenberger,  W.,  in  Halle  (47, 324) 
Doerpfeld,  W.,  in  Athen  (51,  127) 
Domaszewski,  A.  v.,  in  Heidelberg 

(45, 1.  203.  46, 599.  47,  159.  207. 

48,  240.   342.  49,  612.   53,  638. 

54,  158.  311.    55,  318.    57,  506) 
Dragendorff,  H.,  in  Frankfurt  a.  M. 

(51,  281 ) 
Drerup,  £.,  in  München  (51,  21) 
Duemmler,  F.,  in  Basel  f  (45,  178) 
Duhn,  F.  V.,  in  Heidelberg 
Duncker,  Α.,  in  Kassel  t 
Dyroff,  Α.,  in  Freiburg  i.B.(50,481) 
Dziatzko,  K.»  in  Göttingen  (45,  639. 

46,  47.  349.    47,  634.    49,   559. 

54,  497.  55,  104) 

Egenolff,  P.,  in  Heidelberg  f  (56, 284) 

Ellis.  R.,  in  Oxford 

Elter,  Α.,  in  Bonn  (46, 112.  47, 130. 

629) 
Enmann,  Α.,  in  St.  Petersburg  (57, 

517) 
Enthoven,  L.,  in  Strassburg  i.  E. 

(46  480.    48   472) 
Eskuche,  G.,  in  Siegen  (45, 236. 385) 

Fabricius,    E.,    in  Freiburg  i.  Br. 

(46,  337.  589,  48,  448.  51,  456) 
Faltin,  G.,  in  Neu-Ruppin  t 
Flach,  H.,  in  Hamburg  f 
Foerster,  R.,  in  Breslau  (49,  167. 

168.  481.    50,  66.  640.    51,  481. 

52,  144.  296.  298.    53,  547.    55, 

139.  435) 
Foerster,  Yiilh.,  in  Rheydt 
Fränkel,  Α.,  in  Zabem 
Fränkel,  M.,  in  Berlin  (47,  473.  56, 

233.  423.  480.  640.  57,  152,  534) 
Fränkel,  S.,  in  Breslau  {51,  328) 
Frederking,  Α.,  in  Worms  (46,  144. 

52,  449) 
Freudenthal,  J.,  in  Breslau 
Friok,  C,  in  Höxter  (46,  106) 
Friederich,  B.,  in  Hannover 
Friedländer,  L.,  in  Strassburg  i.  E. 
Fries,  C,  in  Berlin  {54,  555.  55,  IH. 

57,  265) 


Fritze,    H.  v.,   in  Herlin  (55,  5HS) 
Fritzsche,    R.  Α.,   in  Giessen  (57, 

363) 
Froehner,  W..  in  Paris  (47,  291) 
Fuchs,  R.,   in   Dresden    (49,   532. 

50,  576.    51,  164.   52,  377.  634. 

53,  496) 
Fuhr,  K.,  in  Berlin  (50,  304.    51, 

45.  164.  57,  422) 
Furtwängler,  Α.,  in  München  {57, 

252) 
Qalland,  C,  in  Strassburg 
Gardthausen,  V.,    in    Leipzig    (45, 

612.  46,  619.  50,  311) 
Geizer.  H.,  in  Jena  (48,  161) 
Gercke,  Α.,  in  Greifswald  (47,  319. 

48    41.  54   404) 
Gilbert,  I..  in  Grimma  (51,  471) 
Gilbert,  W.,  in  Schneeberg 
Gloeckner,  F.,  in  Star«mberg 
Gloel,  H.,  in  Wesel  (47,  136) 
Goebel,  E.,  in  Fulda  (53,  628) 
Goetz,  G.,  in  Jena 
Gomperz,  Th.,  in  Wien 
Graf,  E.,  in  Quedlinburg  (46,  71) 
Gundermann,  G.,  in  Tübingen  (45, 

361.  46,  489) 
Gurlitt,  L.,  in  Steglitz  (56,  596.  57. 

337) 
Gutschmid,  A.  von,  in  Tübingen  f 

Kaeberlin,  C,  in  Göttingen  (45,  21. 

311) 
Hagen,  H.,  in  Bern  f 
Haussen,  F.,  in  Santiago 
Härder,  Chr.,   in  Neumünster  (48, 

433) 
Hartfelder,  K.,  in  Heidelberg  f 
Hauler,  Ε  ,  in   Wien  (54,  Κίΐ) 
Heerdegen,  F.,  in  Erlangen 
Heidtmann,  G.,  in  Pfaffendorf 
Heinze,  R.,  in  Berlin  (45,  497) 
Heibig,  W.,  in  Rom  (55,  55) 
Heldmann,  C,  in  Rinteln  (5^.299) 
Helm,  R.,  in   Steglitz  (52,  177.  54, 

111.  56,  340) 
Hense,  0.,  in  Freiburg  i.  Br.  (45, 

541.   47,  219.  49,  174.     50,  140. 

53,  318.  55,  222.  56',  106.  305) 
Heraeus,    W. ,    in    Offenbach    (54, 

156.  305) 
Hertling,  G.  v.,  in  München 
Hertz,  M.,  in  Breslau  f 
Herwerden,    H.    van,    in    Utrecht 
Hettner,  F.,  in  Trier 
Heydemann,  H.,  in  Halle  f 
Heylbut,  G.,  in  Hamburg 
Hiller,  E.,  in  Halle  f 


der  Mitarbeiter. 


Hirschfeld,  G.,  in  Königsberg  f 
HirschfeJd,    O.,    in  Charlotten  bürg 

(5J,  470.  474.  475.  52,  2H) 
Hiriel,  R.,  in  Jena  (45,  419. 47,359) 
Hoerschelmaun,  W.,  in  Dorpat  f 
Hoffinann,  E.,    in  Wien  f  (50,  90. 

484.  48β.  51,  320.  52,  99) 
Hoffmann,  O.,  in  Breslau  (5^,474) 
Holwerda,  J.  H.,  in  Leiden  (55, 47G) 
Holisapfel,   L•.,  in  Gieasen 
llosius,  C,  in  Münster  (46, 287. 577. 

47,462.  4β,  380.  50, 28G.  57, 197) 
Hoyer,  R.,  in  Kreuznach  (55,  o'i) 
Hoelsen,    Chr.,    in   Rom    {45,  284. 

49,  379.  629) 

Hug,  Α.,  in  Zürich  t 

Ihm,  M.,  in  München  (45,  (122.  639. 
4(7,323.  371.  4«)4.621.  47,312.  48, 
β35.  479.  49,  247.  316.  479.  50, 
191.  .367.  51,  315.  473.  638.  52, 
129.  143.  205.  454.  459.  633.  53, 
165.  495.  56,  148.  635.  57,316) 

llberg,  J.,  in  Leipzig  (45,  111.  47, 
489.  51,    1H5.  466.  52,  591) 

Immiach,  O.,  in  Leipzig  (46,  488. 
r.l3.  48,  290.  512.  52,  126.  54, 
313) 

Jahnke,  R.,  in  Brüssel  (47,  460j 
Jan,  C.  V.,  in  Strassburg  f  [46,  bbl) 
Jeep,   L.,    in    Königsberg  {5t,  401. 

52,  213) 

Judeich,  W^    in  Erlangen  {47,  53) 
Jnngblnt,    U.,    in   Frankfurt  a.  M. 

Kaerst,  J.,   in  Leipzig  {52,  42,  519) 
Kaibel,  G.,  in  Göttingen  f 
Kakridis,    Th.,  in  Athen  (57,  463) 
Kalbeeisch,  K.,  in  Rostock  (51, 466. 

53,  160) 
Kalkmsain,   Α.,    in  Berlin 
Karo,  G.,  in  Bonn  {48,  311) 
Keknle  von  Stradonitz,  R.,  in  Berlin 
Kiderlin,   M.,  in  München  f  {46,  9) 
Kirchner,   J.  E.,  in  Berlin  (46, 488. 

47,  5δΟ.   53,  380.  57,  476) 
Klatt,  M.,   in  Berlin  (45,  335) 
Klebe,    E.,   in   Berlin  (45,  436.  47, 

1.  515) 
Klein,  J.,   in  Bonn  f 
Klotz,  A-,  in  München  (56, 429.  639) 
Knaack,    G.,    in    Stettin    {48,  632. 

4.9,  31 0.  476.  526.   57,  166.  205) 
Koch,  J.,  in  Marburg 
Kock,  Th.,  in  Weimar  f  (45,  50.  46, 

299.     48,  208.  579.  49,  162.  176. 

50.  140j 


Koehler,  ü.,  in  Berlin  {46,  1.  53, 

485.  491) 
Koepp,   F.,  in  Münster  (4β,    154. 

485.  50,  268) 
Koerte,  Α.,  in  Greifswald  (45,  172. 

52,  168.   3:i3.    53.  160.    55,  \7λ, 
57,  625^ 

Koerte,  G.,  in  Rostock  (53,  239) 
Kopp,  Λ.,  in   Uerlin 
Korsch,  Th.,  in  Moskau 
Krascheninnikotf,  M.,  in  Doroat  (4S 

634)  ^     ^     ' 

Kroll,  W.,  in  Greifswald  {47   457 

599.  5Ö,  ()36.    52,  286.  338!  569* 

53,  574.  56,  304) 
Krumbacher,   K.,  in  München 
Krumbholz,  P.,  in  Weimar  {50,  205. 

55,  237) 
Kuebler,    B.,    in    Berlin    (45,  485. 

46,  324) 
Kuhnert,   E.,  in  Königsberg   i.   P. 

(49,  37) 
Kunze,  R.,  in  Grimma  (53,  159.  56, 

333.  57,  437) 

Landgraf,  G.,  in  München  (56,  310) 

Lange,  K.,  in  Tübingen 

Lattes,  E.,  in  Mailand  (49,  317.  57, 

318) 
Lehnert,  G.,  in  München  {55,  112) 
Leo,  F.,  in  Göttingen  (52,  509.  55, 

604) 
Lewy,  H.,  in  Mülhauscn  i.  E.  (48, 

398.  472) 
Lietzmann,   IL,  in  Bonn  (57,  634) 
Lindsay,  W.  M.  (57,  196) 
Loewe,  G.,  in  Göttingen  f 
Lommatzsch,  E.,  in  Freiburg  i.  B. 

(52,  303) 
Luckenbach,  Έί,,  in  Karlsruhe 
Ludwich,    Α.,    in  Königsberg   (45, 

11.  46,  139) 
Luebbert,  E.,  in  Bonn  f 
Lueddecke,  K.,  in  Gelle  (52,  628) 
Luetjohann,  Chr.,  in  Greifswald  f 
Lugebil,    K.,    in   St.  Petersburg  f 

Malchin,  F.,  in  Rostock  (53.  493) 
Mangold,  Κ  ,  in  Jena  [57,  259) 
Manitius,  M.,  in  Dresden  (45,  153. 

316. 485.  46",  150493. 622. 47,465. 

Suppl.  48,  313.  474.  49,  170.  50, 

152.  315.  (;41.  51,  160.  52.   131. 

305.  53,  3ίί3.    54,  293.    56,  462. 

57,  392) 
Marcks,  J.  F.,  in  Köln  (56*.   141) 
Martini,    E.,    in    Leipzig  (5^,  34^. 

55,  612) 


VI 


YerEeichniss 


Marx,  F.,  in  Leipzi}?  (46,  42C.  Cm. 

63β.  47.  157.  50,  321) 
Mau,  Α.,  in  Rom 
Meier,  P.  J.,  in  Braunschweij^r 
Meister,  R.,  in  Leipzig 
Mendelssohn,  L.,  in  Dorpat  f 
Meyer,  E.,  in  Berlin 
V.  Mess,  Α.,  in  München  (53,  482. 

56,  167) 

Mollat,  G.,  in  Kassel 
Müllenbach,  E.,  in  Bonn  f 
Müller,   C.  Fr.,   in   Kiel    (46,  320. 

50,  301) 
Müller,  C.  F.  W.,  in  Hreslau  (51, 480. 

53,  121.    54,  381.   f>26.    55,  312. 

635) 
Müller,  H.  J.,  in  Berlin 
Müller,  K.  K.,  in  Jena 
Münscher,  K.,  in  Breslau  (54.  248) 
Muenzel,  H.,  in  Hamburg 
Münzer,  F.,  in  Basel  {53,  596) 

Hake,  B.,  in  Dresden 
Natorp,  1'.,  in  Marburg 
Neuhau8,0.,  in  Königsberg  (56,  272. 

57,  474.  610) 

Neumann,    K.   J. ,    in    Strassburg 
Niedermann,  M..  in  Basel  (52.  505) 
Niese,  B.,  in  Marburg 
Nissen,  H.,   in  Bonn   (45,  100.  47, 

161.  49,  1.  275) 
Noack,  F..  in  Jena  (48,  420) 
Norden,   E.,  in  Breslau  (48,  348. 

529.  49,  194.  54,  466.  56,  473) 

Oder,  E.,  in  Berlin    [45,  58.  212. 

637.  48,  1.  51,  52.  311) 
Oehmichen,  G.,  in  München  (46,  99) 
Osthoff,  H.,  in  Heidelberg 
Otto,  Α.,  in  Breslau 
Overbeck,  J.,  in  Leipzig  f 

Papadopulos-Kerameus,  Α.,  in  St. 

Petersburg  {46,  U)0.  161) 
Patzig,  E.,  in  Leipzig 
Paucker,  C.  v.,  in  Reval  f 
Paul,    L.,   in  Dresden  f   (54,  602. 

57,  7»;) 
Peppmüller,  R.,  in  Stralsund 
Pernice,  E.,  in  Berlin  {46,  495.  Γ,26) 
Peter,  H.,  iu  Meibsen  (57,  231) 
Petersen,  E.,  in  Rom  (50,  453) 
Pfleiderer,  E.,  in  Tübingen  f 
Pflugk-Harttung,    J.   v.,   in  Berlin 
Philippi,  Α.,  in  Dresden 
Plasberpr,  0.,  in  Strassburg  i.  E,  (5^, 

66.640.  54,  144.  6:i8) 
Pokrowskij,  Μ  ,  in  Moskau  (5^,425) 


Pomtow,  H.,  in  Eberswalde  (49» 
577.  627.  51,  329.  560.  52,  105) 

Preuner,  E..  in  Greifswald  {49, 313. 
362) 

Prott,  H.  V.,  in  Athen  (52,  187. 
55,  460) 

Habe,  H.,    in  Hannover   (47,  404. 

48,  Hl.    49,  625.   50,  148.  241. 

54,  632.  55,  154) 
Radermacher,  L.,  in  Bonn  {47,  569. 

48,  622.  49,  163.  50,  137.  475. 
51,  314.  463.  596.  52,  13.  412. 
624.  634.  53,  497.  54,  285.  351. 
374.  638.  55,  149.  482.  56,  139. 
202.  57,  137.  158.  278.  314.  478. 
640) 

Raeder,  J.,  in  Kopenhagen  {57, 449) 
Raesow,  H.,  in  Weimar 
Reitzenstein,  R.,  in  Strassburg 
Reuse,  F.,  in  Köln  {54,  446.  56,  369. 

57,  559) 
Ribbeck,  0.,  in  Leipzig  f  (45,  146. 

147.  313.    46,  331.  333.  47,  597. 

628.  49,  472.  50,  211.  314.  558) 
Ribbeck,  Wo.,  in  Berlin  f 
Riese,  Α.,  in  Frankfurt  a.  M.  {51, 

637.  55,  316) 
Riess,  E.,  in  Chicago  (45,307. 49. 177) 
Roemcr,  Α.,  in  Erlangen 
Rohde,E.,  in  Heidelberg  t  {48,  110. 

49,  623.  624.  50,  1.  600) 
Röscher,  W.  H.,  in  Würzen  {53,  169. 

639) 
Rossbach,  0.,   in  Königsberg  (46, 

311.  4θ,592.  52, 1.  53,  167.  629. 

54,  277.  55,  641.  57,  473) 
Rossberg,  K.,  in  Hildesheim 
Ruehl,  F.,  in  Königsberg  (46.  14i>. 

426.   47,  152.  460.   48,  565.  49, 

256.    50,  141.  53,  324.   6.35.  54, 

152.  316.  56,  508.  634) 
Ryssel,  V.,  in  Zürich  {48,  175.  51, 

1.  318.  529) 

Scala,  R.  v.,  in  Innsbruck  (45,  474) 

Schaefer,  Α.,  in  Bonn  f 

Schanz,  M.,  in  Würzburg  (50,  114. 

54,  19.  55,  86) 
Scheer,  E.,  in  Saarbrücken 
Schepss,  G.,  in  Speier  f  (48,  482) 
Schlee,  F.,  in  Sorau  (46,  147) 
Schmid,  W.,  in  Tübingen  (48,  5.Ί. 

626.  49,  133.  50,308.  310.  52,  44(;. 

57,  624) 
Schmidt,  B.,  in  Freiburg  i.  Br.  {53, 

477) 
Schmidt,   J.,  in   Königsberg  f  (15^ 


der  Mitarbeiter. 


▼π 


148.  157.  3ia  482.  599,  640.  46, 

77.  334.  47,  114.  325) 
Schmidt,  O.  £.,  in  Meiseen  (47,241. 

5l>,  145.  53,  209.  55,  3ö5) 
Schmidt,  W.,  in  Helmstedt  (55,  625) 
Schmitz,  W.,  in  Köln  f 
Schneider,  R.,  in  Daisborg  (52, 447) 
Schoell,  F.,  in  Heidelberg  (50, 155. 

5i,  381.    53,    511.    55,  489.   57, 

48.  159.  312) 

Schoell,  R.,  in  München  f 
Schoene,  Α.,  in  Kiel  (46, 153) 
Sdkoene,  H.,  in  Charlottenburg  (52, 

135.   53,  432.    54,  638.   57,  627) 
Schoenemann,  J.,   in  Schlawe 
Schroeder,  P.»  in  London 
Schubert,  R.,  in  Königeberg  (53, 98. 

56,  543) 
Schulten,  Α.,  in  Göttingen  (50,489. 

56y  120.  187.  57,632) 
Schnltesa,  F.,  in  Hamburg  (57, 465) 
Scbnlthees,    O.,    in  Frauenfeld  (57, 

157) 
Schulze ,  £. ,   in  Homburg  v.  d.  H. 
Schulde,  K.  P.,  in  Berlin  (53,  541) 
Schalze,  W.,  in  Berlin  (4β,248) 
Schumacher,  K.,  in  Mainz 
Schwabe,  L•.,  in  Tübingen 
Scbwartz,  £.,  in  Göttingen 
Schwarz,   W.,  in   Dorsten  (48,  258. 

49,  353.    51,  636.  52,  463) 
Seeck,  O-,  in  Greifewald  (46,  154. 

48, 196.  602.  4P,  208.  630.  55, 319. 

56,  227.  477.  631) 
Seuroe,  H.,  in  Hannover 
Siebonr^,   M.,  in  Bonn  (57,  301) 
Sieglin,   W.,  in  Berlin 
Simeon,  B.,  in  Freiburg  i.  Br. 
Skntsch,   F.,    in  Breslau   (47,  138. 

48,  303.  51,  478.  54,  483.  55, 272. 
58    638) 
Solmsen,  F.,  in  Bonn  (5i,303. 53, 137. 
54,  345.  495.  55, 310.  56, 475. 497. 

57,  328) 

Sommer,  F.,  in  Basel  (56,  636) 
Sonunerbrodt,  J.>  in  Breslau 
Sonny,  Α.,  in  Kiew 
Speyer.  J-  S.,  in  Groningen  (47,638) 
Sprengel,  J.  G.,  inRoB8leben(4^,54) 
^tachelacbeid,  Α.,  in  London 
Stahl,  J.  M.,  in  Münster  (46,  250. 
481.  614.    48,  157.    4P,  620.   50, 
'M2    5ββ.  51,  157.  306.  53,  322. 

54,  150.  494.  55,  152.  160.  57, 1) 
Stangl,  Th.,  in  Würzburg 
Stein,  H.,   in  Oldenburg  (54,  49^?. 

55,  531.  56,  627) 
Stengel,  P.,  in  Berlin  (52,  399) 


Stephan,  Gh.,  in  Kalk 

Sternkopf,  W.,inDortraund  (47,468. 

57,  629) 
Steup,  J..  in  Freiburg  i.  Br.  (53,308. 

56,  443) 
Stich,  J.,  in  Zweibrücken 
Strack,  M.  L.,    in  Bonn  (53,  399 

55,   161) 
Sudhaus,  S.,  in  Kiel  (48,  152   3^1 

552.  50,  37.  307)  '     "  ' 

Susenühl,  F.,  in  Greifswald  f  (4β 

326.  49,  473.  53,  448.  485.  tm 

54,  631.  55y  574.  56,  313) 
Swoboda,H.,  inPrag  (45, 288. 46, 497. 

49,  321.  55,  460) 
Szanto,  E.,  in  Wien 

Teichmüller,  G.,  in  Dorpat  f 
Thomas,  E.,  in  Berlin  (54,  313) 
Thouret,  G.,  in  Friedenau 
Thurneysen,  R.,  in  Freiburg  i.  Br. 

(55,  484.  56,  161) 
Tiedke,  H..  in  Berlin 
Tittel,  K.,  in  Leipzig  (56,  404) 
Toepffer,    J.,    in  Basel  f  [45,  371. 

49,  225) 

Traube,  L.,  in  München   (47,  558. 

48,  284) 
Trieber,  C,  in  Frankfurt  a.  M. 
Tümpel,  C,  in  Neustettin  (46, 528. 

636) 

Unger,  G.  F.,  in  Würzburg 
Urliohs,  H.  L.,  in  Ansbach 
(Jrlichs,  L.,  in  Würzburg  f 
üsener,  H.,  in  Bonn  (47,  154.  414. 

49, 461.  50,  144.  55, 329.  55, 286. 

311.  321.  480.    56,  1.  145.  174. 

305.  312.  481.  640.  57, 171.  177. 

320) 

Viertel,  Α.,  in  Göttingen 
Vliet,  I.  van  der,  in  Haarlem  f 
Vogel,  F.,  in  Fürth 
Voigt,  G.,  in  Leipzig  f 
Voigt,  M.,  in  Leipzig 
Vollmer,  F.,  in  München  (46,  343. 
51,  27.  54,  165.  637.  55,  520) 

Wachsmuth,  C,  in  Leipzig  (45, 476. 

46,  327.  329.  465.  552.  52,  137. 

140.  461.  56, 149.  150.  215.  318) 
Wackernagel,  J.,  in  Göttingen  (45, 

480.  48,  299.  51,  304) 
\Vagner,R.,  in  Dresden  (4^,378. 618) 
Weber,  H.,  in  Weimar 
Weber,  H.,  in  Lüneburg  (51,  630) 
Wecklein,  N.«  in  München 


νπι 


Verzeichniee  der  BÜtarbeiter. 


Weise,  0.,  in  Eieenberg 
Weizsäcker,  P.,  in  Calw 
Welbnaim,  E.,  in  Berlin 
Wendland,  P.,  in  Kiel  {έ9, 309.  52, 

465.  55,  1.  56,  113) 
Werner,  J.,  in  Lenzburg 
Wesener,  P.,  in  Bremerhaven  {52,  B9) 
Wesierburg,  £.,  in  Barmen  t 
Weyman,  C.,  in  München  (45,  320. 

47,  H40.  50, 154.  51,  327.  52,  302. 
53,  31«) 

Wiedemann,  Α.,  in  Bonn 
Wilhelm,  Α.,    in  Athen  (52,  2%. 

56,  571) 
Wilhelm,    F.,   in  Ratibor  (57,  55. 

599) 
Winterfeld,    P.    v.,   in  Berlin  {55, 

481.  57,  167.  549) 
Woelflflin,  E.,  in  München  {47, 640. 

48,  312.  49,  270.    50,  152.  320. 
53   327.  57   318) 

Woerpel  G.,  'in  Kiel  (57, 311.  460) 
Wolters,  P.,  in  Würzburg 
Wotke,  C,  in  Wien 


Wünsch,  R.,  in  Gieesen  (49,  91.  51, 
138.  52^  144.  55, 62.  232.  56,  392. 
57,  468) 


Zacher,  K.,  in  Breslau  (45,524) 
Zangemeister.  K.,  in  Heidelberg  f 

{57,  166.  168.  16vi) 
Zarncke,  E.,  in  Leipzig 
Ziebarth,  E.,  in  Hamburg  (51,  632. 

53,  635.  54, 488.  55,  501.  56, 157) 
Ziehen,  .1.,  in  Berlin  (50,  643.  5i, 

162.  589.  &8,  293.  449.  450.  53, 

270) 
Ziehen,  L.,  in  Plön  (54,   211.  54, 

321.  57,  173.  498) 
Zielinski,   Th.,    in   St.  Petersburg 
Zimmermann,  Α.,  in  Breslau  (45, 493. 

50,  159.    52,  458.    54,  495.    55, 

486.  487.  56,  320.  57,  636) 
Zingerle,  Α.,  in  Innsbruck 
Zingerle,  J.,  in  Innsbruck  (48,  299) 
Zitelmann,  E.,  in  Bonn 
Zurborg,  H.,  in  Zerbst  f 


Berichtigungen   werden   erbeten.     Für  mehrere  sind  wir  Herrn 
Dr.  R.  Klussmann  in  Gera  zu  Dank  verpflichtet. 


Ι  Β  h  a  1  t. 


Seite 

CoDiectanea.     Scripsit  F.  Baeoheler 321 

£in  Schreibgebrauch  and  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik. 

Von  A.  Brinkmann 482 

Τυφλός  άνήρ.     Von  Κ.  Fries 265 

Ländliches  Leben    bei   Homer   und   im  deutseben  Mittelalter. 

Von  M.  Si  ebourg 301 

Die  Berliner  Bruchstücke  der  Sappho.  Von  F.  Solmsen  ...  328 
üeber  eine  Scene  des  euripideischen  Orestes.    Von  L.  Rader• 

macher 278 

Zu  griechischen  Prosaikern.     Von  K.  Fuhr 422 

Unbeachtete  Strabonfragmente.     Von  R.  Kunze 437 

Herculanensische  Bruchetticke  einer  Geschichte  des  Socrates  und 

seiner  Schule.    Von  W.  Crönert 285 

Ans  dem  zweiten  Bande  der  Amherst-Papyri.    Von  L.  Rader- 
macher   137 

Zo  Achilles  Tatine.    Von  F.  Wilhelm 55 

Analecta  Theodoretiana.    Scripsit  J.  Rae  der 449 

üeber  eine  besondere  Bedeutung  von  γάρ.     Von  J.  M.  Stahl  1 

kpA  bcOpo.     Von  L.  Ziehen 498 

Milch  nnd  Honig.    Von  H.  Usener 177 

Der   Magnet    nnd   die   Athmnng    in    antiken    Theorien.    Von 

R.  A.  F ri tzsche 363 

Rellenisüsche  Studien  I.    Von  0.  Knaack 205 

Zur  Ueberlieferung   der  Geschichte  Alexanders   des  Grossen. 

Von  F.   Renss 559 

Der  Vater  der  Sisyganibis  nnd  das  Verwandtschaftsverhältniss 

des    Dareios   III   Kodomannos   zu   Artaxerxes  II  und  III. 

Von  O.  Neuhaue    610 

£pigraphieche  Beitrage.    Von  M.  Franke  1 534 

Die  Inschrift  der  Aphaia  aus  Aigina.     Von  demselben 152 

Zq  der  Inschrift  der  Aphaia  auf  Aigina.    Von  A.Fnrtwängler  252 

Zwei  alte  Terenzprobleme.    Von  F.  S c h öll 48 

Zur  römischen  Elegie.    Von  F.  Wilhelm 599 


χ  Inhalt. 

Seite 

Faoetiae  TuUianae.     Von  L.  Gnrlitt 337 

Ueber   den    Verfasser   der  X    libri   de   architectorm.     Von  H. 

Degering ?* 

Sat£echlo888tudien  zur Historia  Angnsta.  Von  P.  v.  Winterfeld  549 
De    fragmentis    scriptomm    apad    Noninm    servatis.      Scripsit 

W.  M.  Lindsay    1% 

Ans  Dresdener  Handschriften.    Von  M.  Manitius 392 

Die  älteste  Redaction  der  Pontificalanoalen.    Von  Λ.  Enmann  ölT 

Die  Epochen  in  Varros  Werk  de  gente  popali  Romani.     Von 

H.  Peter 2,n 

UntersQchungen  znr  romischen  Kaisergeschichte.    Von  A.  von 

Domaszewski 506 

Kaiser  Marcos  Salvios  Otho.     Von  L.  Ρ  au  1 76 

Legionen  des  Orient  auf  Grund  der  Notitia  dignitatum.     Von 

K.Mangold 259 


*  Μ  i  8  c  e  I  1  e  B. 

Kritisch 'Exegetisches. 

Drei  Deutungen.    Von  L.  Radermacher 478 

Zum  I.Strassburger Archilochos-Fragmente.  VonO.Schulthess  157 

Zu  Sophocles  Antigene  528.     Von  W.  Schroid 624 

Eine  Anspielung   in  dem  Zeushymnos  des  Kallimachos.    Von 

G.  Wörpel 4tj0 

Ein  Gesetz  des  Redners  Lykurgos.     Von  A.  Körte 625 

Dionys  de  Lysia  p.  32,  12  fp.  49*)  R).    Von  L.  Radermacher  158 

Ad  libellum  ircpl  ΰψους.     Scripsit  G.  AV örpel 311 

Eine  Blattversetzung  bei  Galen.     Von  H.  Schöne 627 

Plautus  Amphitruo.     Von  Th.  Kakridis 463 

Die  Verse  des  'Vallegius'  in  der  VitaTerentii.  Von  F.  Scholl.  163 

Randbemerkungen  zu  Horaz.    Von  F.  Schultess 465 

Zu  Ciris.  V.  369-377.     Von  R.  Wunsch 468 

Zu  Cicero  ad  Q.  fr.  II  3,    Von  W.  Sternkopf 629 

Zu  Pseudo-Sallusts  Invectiva.     Von  F.  Sc  h  ö  1 1 159 

Agroecius  et  Plinius  de  Delphica.     Scripsit  0.  Rossbach...  473 

Zu  Trogus  Pompeius  Prol.  X.     Von  0.  Neuhaus 474 

Zu  Ammianns  Marcellinus.     Von  K.  Zangemeister 166 

Zu  dem  sogenannten  Lactantius  Placidus.     Von  G.  Knaack.  166 

Zu  Avianus.     Von  P.  v.  Winterfeld 167 

Litte  rar  historisches. 

Vir  bonus  dicendi  peritus.     Von  F.  Scholl 312 

Vir  bonus  dicendi  pentus.     Von  L.  Radermacher 314 


Inhalt.  £i 

Seite 
Grammatisohee. 

Μυκήνησι.     Von  L.  Radermaoher 640 

Zu     den    etruakischen    Monatsnamen    und   Zahlwörtern.     Von 

E.  La tte 8 318 

Erstarrte  Flexion  von  Ortsnamen  im  Latein.    Von  K.  Zange- 

meiater 168 

Ueber  die  römisohen  hezw.  italischen  Personennamen,  die  bald 

die  Stammsilbe  Pop(b)  bald  Pub(p)  tragen.    VonA.Zim- 

nierm  an  η   

SecDs  and  secundus  und  Aehnliches.    Von  K.  Zangemeister  169 

Prodecessor.      Von  H.  Li  etzm  an  η 634 


636 


Antiqaarisch-EpigraphiBches. 

Das  Amphiktyonen-Gesetz  vom  Jahre  380.    Von  L.  Ziehen  .  173 

Die  Reiteroenturien  des  TarquiniuB  Priscue.   Von  E.  Wolf flin  318 

Divas  Alexander.     Von  H.  U sener 171 

Zu  S.   183  ff.      Von  demselben 320 

Zu  CLA.  II   996.     Von  J.  E.  Kirchner ^'^^ 

Bootisches.      Von  Atticaster 315 

Za  lateinischen  Inschriften.    Von  M.  Ihm ^^^ 

Zur  lex  Manoiana  —  Pro  salute  imperatoris.  Von  A.  Schulten 
Das  Stigrma  in  lateinischer  Schrift.    Von  K.  Zangemeister. 


632 

168 


•m^ 


UEBER  EINE  BESONDERE  BEDEUTUNG 

VON  γάρ 


In  Eleone  Rede  bei  ThakydideB  III  40,  4  heiest  es :  Sv  T€ 
EuveXuiv  λέγιυ'  πειθόμενοι  μέν  έμοί  τά  τ€  οίκαια  ές  Μυτι- 
ληναίους και  τά  ξύμφορα  &μα  ποιήσετε,  δλλως  bi  γνόντβς  τοις 
μίν  ου  χαρΐ6ΐσθε,  ύμας  bi  αυτούς  μάλλον  οικαιώσεσθβ.  ci  yap 
ούτοι  ορθώς  άπέστησαν,  ύμ€ΐς  &ν  ου  χρεών  δρχοιτε'  ei  bi  bi\ 
και  ου  προσήκον  δμιυς  άΕιοΟτε  τούτο  bpöv,  παρά  τό  εΙκός  το  ι 
και  τούσδε  ξυμφόρως  δει  κολάΐεσθαι,  ή  παυεσθαι  της  αρχής  καΐ 
€κ  του  άκινούνου  όνοραγαθίΖεσθαι.  Daee  hier  durch  γάρ  weder 
eine  Erklärang  noch  eine  Begründang  eingeführt  werden  kann, 
liegt  anf  der  Hand.  Denn  eine  begründende  oder  erklärende  Be- 
ziehong  zn  τά  δίκαια  ποιήσετε  könnte  man  nur  dann  finden,  wenn 
man  übersetzen  dürfte :  'denn  η  u  r  in  dem  Falle  würdet  ihr  ohne 
Befugniee  herrschen,  wenn  die  Mytilenäer  mit  gutem  Grande  ab- 
gefallen wären',  was  indessen  der  Wortlaut  nicht  gestattet.  Eben- 
so wenig  ist  eine  solche  Beziehung  zu  ύμδς  αυτούς  οικαιώσεσθε 
ζα  erkennen.  Denn  dass  die  Athener,  wenn  sie  Kleons  Rath 
nicht  Folge  leisten,  eher  sich  selber  richten  als  Dank  bei  den 
Mytilenäem  finden  werden,  erklärt  sich  nicht  daraus,  dass  die 
tthenische  Herrschaft  unberechtigt  ist,  wenn  der  Abfall  der  Myti- 
lenäer berechtigt  war  (denn  diese  Voraussetzung  und  die  darauH 
"^v^nt  Folgerung  bestreitet  Kleon),  sondern  aus  der  vorher 
"'.  fr -4  charakterisirten  Gesinnung  der  Mytilenäer  und  den  eben- 
ι'*'ΐ•  mi.  '  ββ»  7  f.  bezeichneten  Folgen  milderer  Behandlung, 
wie  sieh  u^  ^a  auch  daraus  ergibt,  dass  der  Inhalt  des  Vor- 
bergehendeo  hier  zttsammengefasst  wird.  Noch  weniger  kann  der 
durch  τόρ  ehige leitete  Gedanke  in  Beziehung  gesetzt  worden  zu 
ξύμς)ορα  ποιήσετε  oder  τοις  μέν  ου  χαριεΐσθε.  Diejenigen  Kriti- 
ker nun,  die  hier  an  der  Verbindung  mit  γάρ  Anstoss  genommen 
haben,  erkennen  daran  entweder  die  entstellende  Hand  eines  Be- 
arbeiters  oder    einen    Mangel    der   Ausarbeitung    des  Verfassers 

Ubtin.  UxiM.  t  PhUol.  X.  F.  LYII.  1 


2  Stahl 

selbet,  mit  andern  Worten :  eie  verzichten  auf  dessen  Erklärung. 
Nun  findet   sich    aber  in  der  folgenden  Gegenrede    des  Diodotos 
eine  Stelle,  wo  γάρ  in  ähnlichem   Zusammenhange  unbeanstandet 
geblieben  ist:  43,  4  f.  χρή  bi,  προς  τά  μέγιστα  και  έν  τφ  τοι- 
ψΟ€  άΗιοΟν  τι  ήμας  π€ραιτίρω  προνοοΟντος  λ^Τ€ΐν  υμών  των 
οΓ  ολίγου  σκοπούντιυν,  δλλως  τ€  και  ύπεύθυνον  τήν  παραίνβ- 
σιν  ?χοντας  προς  άνβύθυνον  τήν  ύμετέραν  άκρόασιν.  €ΐ  γάρ  δ 
τ€  πείσας  και  ό  έπισπόμενος  ομοίως  έβλάπτοντο,  σωφρονέστβ- 
ρον  δν  έκρίν€Τ€•    VÖV  bi  προς  όργήν  ήντιν'  δν  τύχητβ  ?στιν 
βτ€  σφαλέντ€ς  την  του  πβίσαντος  μίαν  γνώμην  2Ιημιουτ€  κα\  ου 
τάς  υμετέρας  αύταιν,  ei  πολλαΐ  οδσαι  ^υνε^ήμαρτον.    Man  könnte 
nun  zwar  daran  denken  hier  γάρ  so  zu  verstehen,  dass  bf  ολίγου 
(Τκοπούντων  aus  der  Annahme  des  Gegentheils  von  άλλως  τε  . .  . 
άκρόασιν   erklärt  oder    begründet  würde ;   allein   δλλως  Τ€  .  .  . 
άκρόασιν    bezieht   sich  nicht   allein   auf  bf  ολίγου  σκοπούντων, 
sondern  auf  den  ganzen  vorhergehenden  Gedanken,  also  auch  auf 
χρή  .  .  .  λέγειν,  worin  gerade  dessen  Schwergewicht  liegt,   was 
zudem   auch  der  Ausdruck    dadurch,    dass   έχοντας  zu  ήμας  ge- 
hört, zur  Genüge   anzeigt;    und   so  kann    auch  das  angenommene 
Gegentheil  εΐ  γάρ  .  .  .  έβλάπτοντο  (das  βλάπτεσθαι  ist  nämlich 
die  Folge  der  Bechensohaftspflicht)  der  gleichen  .Beziehung  nicht 
entbehren.     Dann  aber   kann  γάρ  nicht  mehr  alq  erklärend  oder 
begründend    verstanden    werden.     Fragen  wir  aber,  welches   Ge- 
dankenverhältniss  sich  aus  jener  weiteren  Beziehung    ergibt,    so 
ist  das  folgendes:  die  Obliegenheit  des  περαιτέρω  προνοεΐν  würde 
für  die  Bedner  nicht  in  demselben  Masse  vorhanden    sein,    wenn 
auch  für  ihre  Zuhörer  die  gleiche  Bechenschaftspflicht  und  deren 
Folgen    bestünden   und    diese   in  Folge    dessen  mit  grösserer  Be- 
sonnenheit urtheilten  und  so  das  zwischen  den  beiden  bestehende 
Missverhältniss   bedachtsamen    und   yorschnellen    ürtheils    aufge- 
hoben würde,  mit  anderen  Worten:  es  wird  eingeräumt,  dass  der 
vorher  ausgesprochene  Gedanke  in  dem  angenommenen  Falle  einer 
Beschränkung   unterliegt,    ein  Gedankenverhältniss,    das    sich    i^j 
Deutschen  durch  'freilich'  wiedergeben  laset.     Daraus  ergib!  sich 
für  die  zweite  Stelle  folgende  üebersetzung:  ^Es  ist  aber  nöthig, 
dass  wir  gegenüber  den  höchsten  Interessen  und  ^!di  einem  der- 
artigen Verhältnisse  es  uns  angelegen  sein  lassen  mit  etwas  wei- 
terem Vorbedachte  zu  reden  als  ihr  anwendet,    da  ihr  in  kurzer 
Frist  eure  Erwägung  anstellt,   zumal  da  das  Bathgeben,    das  uns 
zusteht)  der  Verantwortung  unterliegt  gegenüber  eurem  Anhören» 
das  keiner  Verantwortung  unterworfen   ist.     Wenn  freilich  der- 


lieber  eine  besondere  Bedeutung  von  γάρ  3 

jenige,  der  den  Rath  gegeben,  und  derjenige,  der  ibn  befolgt  hat, 
gleichmäeeig   Scliaden  litten,  so  würdet  ihr  mit  mehr  Znrückhal- 
tnng  urtheilen ;  jetzt  aber  straft  ihr  manchmal  nach  anglücklichem 
Ausgang    in   der  ereten  besten  Aufregung  einzig   und   allein    die 
Ansicht  dee  Rathgebera  und  nicht  eure  eigenen,  daae  aie  ao  zahl- 
reich den  Fehler  mit  begangen  habend     Kehren  wir   nun    zu  der 
angefochtenen  Stelle    zurück,    so  sehen   wir,    dass  auch  dort  für 
den  Fall,  daee  die  Mytilenäer  im  Rechte  gewesen  sind,   eine  Be- 
schränk ung  des  vorhergehenden  τα  bUaia  ές  Μυτιληναίους  ποιή- 
σετε eingeräumt  wird ;    es  wird  dann    noch    hinzugefügt,   welche 
Nothwendigkeit  eich  für  die  Athener  ergibt,    wenn   Bie  trotz  der 
ans  dem  angenommenen  Falle   folgenden    Rechtewidrigkeit   ihrer 
Herrschaft    diese    dennoch    behaupten    wollen.      Dem    entspricht 
folgende  üebersetzung:   'Mit  einem  Worte:    ich  behaupte,  wenn 
ihr  mir  folgt,    so  werdet  ihr  gerecht  gegen    die  Mytilenäer    und 
zugleich  vortheilhaft   handeln;    wenn  ihr  aber  andere  beschlieset, 
80  werdet  ihr  einerseits  von  ihnen  keinen  Dank  haben,  anderseits 
eher  euch  selbst  richten.    Freilich  wenn  diese  mit  gutem  Grunde 
abgefallen  sind,   so  würdet  ihr  ohne  Befugniss  herrschen;  wenn 
ihr  aber  dann   auch  ohne  Berechtigung  es  euch  herausnehmt  dies 
zu  thun,  so  müsst  ihr  sicherlich  gegen  die  Billigkeit  auch  diese 
aus  Rücksicht  auf  euren  Vortheil  züchtigen,  oder  auf  die  Herr- 
schaft verzichten  und  in  gefahrloser  Sicherheit  die  Biedermänner 
spielen.* 

Gegen  diese  Erklärung  der  beiden  Stellen  könnte  man 
immerhin  noch  Zweifel  hegen,  wenn  die  angenommene  Bedeutung 
des  γαρ  sich  auf  sie  allein  stüzte.  Mir  stehen  dafür  aber  auch 
noch  andere  in  ziemlicher  Zahl  zur  Verfügung.  Zunächst  eine 
aus  Piaton,  wo  sich  das  Gedankenverhältniss  auf  den  ersten  Blick 
in  einfachster  Weise  kundgibt:  Cratyl.  393  c  καλώς  λέγεις* 
φύλαττε  γάρ  μβ  μή  παρακρούσωμαί  Ce.  Denn  hier  wird  offen- 
bar in  einschränkendem  Sinne  gegenüber  dem  καλώς  λέγεις  die 
Möglichkeit  zugegeben,  dass  Hermogenes  sich  durch  Sokrates 
hinters  Licht  führen  läset.  Ausserdem  gehören  hierhin  folgende 
Beispiele:  Aesch.  Pers.  460—467  (Weckl.) 

άμφΐ  b^ 

κυκλούντο  πασαν  νήσον,  ώστ'  άμηχαν€\ν 

δποι  τράποιντο.  πολλά  μέν  γάρ  έκ  χερών 

πετροισιν  ήράσσοντο,  τοΕικής  τ'  άπό 

θώμιγγος  Ιοι  προσπίτνοντες  ώλλυ(Ταν' 

τέλος  5'  έφορμηθένΤ€ς  iE  ενός  ι^όθου 


4  Stahl 

παίουσι,  κρ€θκοποΰσι  6υστηνιιιν  μέλη, 

{(υς  άπάνπΑΐν  έ£απτέφθ€ΐραν  βίον. 
Hier  wird  eiDgeräamt»  daen  das  κυκλοίκτθαι  gewiaaen  Schwierig- 
keiten  uoterlag,  bis  dieae  schlieaslicfa  überwanden  wurden.  Aniiph. 
V  36  φέρε  γάρ  bi\  ποτερψ  νυν  χρήσονται  των  Xoifuiv;  πότερα 
φ  npuTTov  είπεν  ή  ψ  ύστερον ;  και  πότερ'  όληθη  έσην,  δτ*  £φη 
με  είργάσθαι  τό  ίργον  ή  δτ*  ουκ  ίφη;  ει  μέν  γάρ  έκ  του  εΐκό- 
τος  έΕετασθήναι  δει  τό  πράγμα,  οΐ  ύστεροι  λόγοι  αληθέστεροι 
φαίνονται.  Gegenüber  den  vorher  zur  Wahl  geatellten  beiden 
Alternativen  wird  zugestanden,  daae  έκ  του  εΙκότος  nur  daa  eine 
Zeugnias  als  der  Wahrheit  mehr  entsprechend  in  Betracht  kom- 
men könne.  Plat.  Legg.  794  c  προς  bt  τά  μαθήματα  τρέπεσθαι 
χρεών  έκατέρους,  τους  μέν  δρρενας  έφ'  ΐτπηυν  διδασκάλους  και 
TOEuiv  και  άκοντίΐΑΐν  κα\  σφενδονήσεως,  έάν  bi  πΐ)  Ευγχωρώσι, 
μέχρι  γε  μαθήσεως  κα\  τά  θήλεα,  και  οή  τά  γε  μάλιστα  προς 
τήν  τών  δπλων  χρείαν.  τό  γάρ  br\  νυν  καθεστός  περί  τά  τοι- 
αύτα αγνοείται  παρά  τοις  πάσιν  ολίγου.  Nachdem  die  Forde- 
rung erhoben  ist,  dase  Knaben  und  Mädchen  sich  in  gleichem 
Waffengebranche  üben  sollen,  wird  eingeräumt,  dase  gegenwärtig 
in  dieser  Hinsicht  ein  Missverständniss  obwalte,  und  zwar,  wie 
die  folgende  Erläuterung  des  νυν  καθεστός  besagt,  in  sofern 
als  nicht  die  linke  und  rechte  Hand  gleichmässig  geübt  werden. 
Durch  die  Abweisung  dieser  unvollständigen  üebung  wird  also 
jene  Forderung  dahin  näher  bestimmt  oder  begrenzt,  dass  das 
Ueben  nicht  in  der  gegenwärtigen  Weise  geschehen  soll.  Dem. 
XX  117  ου  γάρ  o\  μη  οόντες  &  μή  'οόκει  οεινόν  είσιν  ουδέν 
είργασμένοι,  άλλ'  ο\  οόντες  μέν,  πάλιν  b'  ύστερον  μηδέν  έγκα- 
λουντ€ς  αφαιρούμενοι,  εΐ  μέν  γάρ  τις  έχει  οεΐζαι  κάκείνους  ών 
ίδοσάν  τψ  τι  αφηρημένους,  συγχωρώ  και  υμάς  ταυτό  τούτο 
ποιήσαι,  καίτοι  τουτό  γ'  αίσχρόν  όμοίαις.  Durch  das  zweite 
γάρ  wird  hier  die  Behauptung,  dass  diejenigen  etwas  Verwerf- 
liches thun,  die  etwas  verliehen  haben  und  es  später  ohne  Grund 
wiederum  entziehen,  durch  das  Zugeständniss  eingeschränkt,  dass, 
wenn  die  Vorfahren  ebenso  gebandelt  haben,  es  auch  im  vorlie- 
genden Falle  vom  Redner  erlaubt  wird.  XXI  98  και  τί  φήσετ', 
ώ  άνδρες  οικασταί ;  και  τίν*  ώ  προς  τών  θεαιν  ^Εετ'  ειπείν  πρό- 
φασιν  οικαίαν  f|  καλήν^  δτι  νή  Δί'  άσ€λγής  έστι  και  βδελυ- 
ρός, ταύτα  γάρ  έστι  τάληθή.  άλλα  μισεΐν  όφείλετ',  άνδρες 
*  Αθηναίοι,  δήπου  τους  τοιούτους  μάλλον  ή  σώίειν  wird  ge- 
genüber der  ironischen  Ablehnung  des  Grundes  δτι  νή  Δί' 
ασελγής  έστι  και  βδελυρός  eingeräumt,    dass  das   die   Wahrheit 


Ueber  eine  besondere  Bedeutung  von  γάρ  5 

ist,  dann  aber  binzngefügt,  daee  es  aber  als  Grund  für  das  6e- 
gentbeil    gelten    müsee.    XXXIX  12  cIt^  έφ'  φ  θάνατον  Ζ[ημιαν 
ό  νόμος  λέτ€ΐ,    τοΟΘ'    ήμΐν  άΟ€ώς  έΕ€σται  ττράττβιν;    πάνυ  γ€. 
ου  γαρ  Sv  αυτό    ποιήσαιμ€ν.    οΠ>α    κάγώ,   τό  γουν  κατ'  έμ^• 
αλλ'  oOb'  αΐτιαν  τοιαύτης  ίημίας  ίνίους  ίχβιν  καλόν,  έΗόν  μή. 
Der    bier    gezogenen    Folgerung    gegenüber    wird    zugestanden, 
dasB  sie    bei    dem  Kedner   und    seinem    Gegner    nicbt    praktiscb 
werden  würde;  aber  man  dürfe  sie  darum  docb  nicbt  bei  andern 
praktiscb  werden   lassen.    XLIV  15  και  γάρ  ei  τή  ποιήσει  Ισ- 
χυρίζονται,  f\v  ώς   έγίνετο  ήμ€ϊς  0€ίΗομ€ν,  .  .  .  πώς  ου  προ- 
σήκει τους   έττυτάτυι  γίνει  όντας,  τούτους   τήν   κληρονομίαν 
κομίσασθαι  και  υμάς    μή   τοις   ουναμένοις  αριστα  παρασκευά- 
σασθαι,  άλλα  τοις  άοικουμένοις  των  πολιτών  βοηθεΐν;  εΐ  μέν  γάρ 
ίφ'  ήμϊν  ην  ώστε  οείΕασι  τά  περί  του  γίνους  και  της  διαμαρ- 
τυρίας αύτης  καταβήναι  και  μηδενός  ίτι  πλείονος  λόγου  προσ- 
δείσθαι,  σχεδόν  τι  τών  μεγίστων  είρημίνιυν  ουκ  αν  ήνιυχλουμεν 
τά  πλείω.    έπεΛή  οέ  ούτοι  τοις  μέν  νόμοις  ούκ  ένισχυριουνται, 
τψ  δέ  προειληφέναι  τι  τών  πραγμάτων  έκ  του  άνωθεν  χρόνου 
και  τψ    έμβεβατευκέναι    εις   τήν    ούσίαν,    τούτοις    τεκμηρίοις 
χρώμενοι    φήσουσι    κληρονομεϊν,    άναγκαϊον    ϊσως    και    περί 
τούτων  έστιν  είπεϊν.     Hier  wird  gegenüber  dem   dnrcb  ήν  ώς 
έγένετο    ήμεΐς    δεΚομεν  in  Aussiebt   gestellten    Nacb weise,  wie 
es  bei  der    Adoption   zugegangen    sei,    eingeräumt,    dass    darauf 
verzichtet  werden  könnte,  wenn  die  Sacbe  mit  der  Darlegung  der 
Verwandtscbaft    und    der  Widerlegung    des  gegneriscben   Erban- 
spnicbe   an    sieb   abgetban   wäre;    da  aber  die  Gegner  (so  wird 
fortgefabren)  sieb  nicbt  auf  die  Gesetze,  sondern  auf  die  Vorweg- 
nähme und  den  faktischen  Antritt  der  Erbschaft  stützen  werden, 
die  eben  in  Folge  der  Adoption  eingetreten  sind,  so  ist  es  nöthig 
auch  darauf  einzugeben.    In  Prooem.  53  wird  den  Athenern  vor- 
geworfen, dass  sie  sich  die  gegenseitigen  Schmähungen  der  Red- 
ner gefallen  lassen,  bei  denen  diese   es  nicht   auf  das  Wohl  des 
Staates,  sondern  auf  ihr  eigenes  Interesse  abgesehen  haben.    Dann 
heiset  es:  κα\  γελάσαι  και  θορυβήσαι  και  ποτ'  έλπίσαι  μετέδω- 
καν  ύμϊν,  λαβείν  δέ  ή  κτήσασθαι  ττ|  πόλει  κυρίως  αγαθόν  ουδέν 
δν  βούλοιντο.  ή  γάρ  δν  ί\μέρη,  τής  λίαν  άρρωστίας  άπαλλαγητε, 
ταύτη  τούτους  ούδ'  όρώντες  άνΟεσθε.   νυν  δέ  δραχμή  καΐ  χοΐ 
και  τίτταρσιν  όβολοϊς  ώσπερ  άσθενουντα  τόν  δήμον  διάγουσιν. 
Dem  ruhigen   Hinnehmen  jener  selbstsüchtigen  Schmähungen  ge- 
genüber wird    also  eingeräumt,    dass,    sobald    sie    von   jener    zu 
irrossen    Schwäche    befreit   wären,    sie  nicht  einmal  den  Anblick 
solcher  Redner  würden  ertragen  können,   und   dann  hinzugefügt, 


6  Stahl 

daee  dagegen,  wie  es  jetzt  sei,  diese  das  Volk  wie  einen  Kranken 
behandeln  dürften.  In  derselben  Weise  erscheint  auch  κσΐ  γάρ 
XXXIV  33  \iye\  b'  ώς  ή  συγγραφή  σιυθείσης  της  νβώς 
αυτόν  άποοουναι  Κ€λεύ€ΐ  τα  χρήματα,  καΐ  γάρ  ένθέσθαι  τάγο- 
ράσματα  εις  τήν  ναΟν  κελεύει  σε,  εΐ  bk  μή,  ττεντακισχιλίας 
^ραχμάς  άποτίνειν.  σύ  οέ  τούτο  μέν  τής  συγγραφής  ου  λαμ- 
βάνεις κ.  τ.  λ.  Der  Redner  gibt  nämlich  zn,  dass  er  im  vorher- 
gehenden Satze  die  Art  und  Weise,  wie  der  G-egner  sich  des 
Vertrages  bedient,  nicht  genügend  gekennzeichnet  habe:  dieser 
beruft  sich  auf  die  eine  Bestimmung  desselben,  l&sst  dafür  aber 
die  andere  ausser  Acht.  Desgleichen  durch  τοί  in  betheuerndem 
Sinne  verstärkt  XXIII  104  δτε  Μιλτοκύθης  άπιστη  Κότυος, 
συχνόν  ήδη  χρόνον  δντος  του  πολφού,  και  άττηλλαγμ^νου  μέν 
Έργοφίλου,  μέλλοντος  b'  Αύτοκλίους  έκπλεΐν  στρατηγού,  έγρά- 
φη  τι  παρ'  ύμϊν  ψήφισμα  τοιούτον  bi'  οδ  Μιλτοκύθης  μέν 
απήλθε  φοβηθείς  καΐ  νομι'σας  ύμας  ου  προσίχειν  αύτψ,  Κότυς 
ν  εγκρατής  του  τ'  δρους  του  ίερου  και  τών  θησαυρών  έγένετο. 
και  γάρ  τοι  μετά  ταυτ',  ώ  δνορες  'Αθηναίοι,  Αύτοκλής  μέν 
έκρίνεθ'  ώς  ήπολιυλεκώς  Μιλτοκύθην,  οί  bk  χρόνοι  κατά  του  το 
ψήφισμ'  ειπόντος  τής  γραφής  έΕεληλύθεσαν,  τά  bk  πράγματ' 
όπιυλώλει  τή  πόλει.  Der  von  Kotys  abgefallene  Miltokythes 
hatte  den  Athenern  in  Aussiclit  gestellt,  ihnen  die  thrakische 
Halbinsel  in  die  Hände  zu  spielen;  aber  von  Kotys  getäuscht  er- 
Hessen  sie  ein  den  Miltokythes  entmuthigendes  Psephisma.  Trotz- 
dem kümmerten  sie  sich  um  diesen  ihren  Beschluss  nicht,  als 
sie  den  Autokies  vor  Gericht  zogen.  Es  wird  also  zugestanden, 
dass  das  Psephisma  in  seiner  Wirksamkeit  beschränkt  gewesen 
und  von  den  Athenern  selbst  nicht  überall  beachtet  worden  ist^. 
Auch  ausserhalb  der  attischen  Litteratur  erscheint  γάρ  in 
diesem  Sinne,  und  zwar  in  der  pseudohippokratischen  Schrift 
περί  τέχνης.  Im  Kap.  5  ist  nämlich  von  den  Ursachen  die  Rede, 
aus  denen  Kranke,  ohne  einen  Arzt  zn  gebrauchen,  wieder  ge- 
sund wurden.  Dann  heisst  es:  και  τφ  ώφελήσθαι  πολλή  ανάγκη 
αύτοΐς  έστιν  έγνιυκίναι  δτι  ήν  (τι>  το  ωφέλησαν,  και  δτ'  έβλά- 
βησαν  δτι  ήν  τι  τό  βλάψαν.  τά  γάρ  τφ  ώφελήσθαι  και  τά 
τψ  βεβλάρθαι  ώρισμένα  ου  πας  Ικανός  γνώναι.  Hier  wird  der 
Gedanke  ausgesprochen,    dass  solche    Kranken    aus   dem    Nutzen 


*  Bei  Aeechin.  ΠΙ  215  οΰτω  γάρ  έστιν  κ.  τ.  λ.  vermag  ich  γάρ 
nicht  in  dieser  Weise  zu  erklären  uud  glaube  daher,  dass  Blase  richtig 
oUTUJ  5'  έστΙν  hergestellt  hat,  indem  er  auf  225  verweist,  wo  eine  Hs. 
ebenfalls     verkehrtes  γάρ  statt  5έ  hat. 


üeber  eine  besondere  Bedeutung  von  γάρ  7 

Doth wendig  erkennen  müssen,  daes  ihnen  irgend  etwas  genützt, 
und  ans  dem  Schaden,  dass  ihnen  irgend  etwas  geschadet  habe, 
dh.  dass  es  irgend  eine  Ursache  des  Nutzens  und  Schadens  gebe, 
und  dem  gegenüber  die  Beschränkung  eingeräumt,  dass  darum  doch 
nicht  jeder  im  Stande  ist  die  heilsamen  und  schädlichen  Mittel  zu 
erkennen  und  zu  unterscheiden.  Ermerius  wollte  hier  ou  tilgen ;  aber 
Th.  Gomperz  in  seiner  bekannten  Bearbeitung  dieser  Schrift,  dem 
folgend  ich  auch  τι  vor  το  ώφ€λή(Ταν  hinzugefügt  habe,  bemerkt 
mit  Recht  (Sjtznngsber.  der  Wiener  Ak.  120.  Bd.  IX  S.  124). 
dass  so  ein  verkehrter  und  dem  vorhergehenden  ού  μήν  diCTC 
eib^vat  δ  τι  ορθόν  έν  αυτή  fvi  ή  δ  τι  μή  ορθόν  widersprechen- 
der Gedanke  entstehe,  und  hat  ebenso  richtig  die  eoncessive 
Bedeutung  des  γάρ  erkannt,  für  die  er  jedoch  nur  eine  einzige 
Belegstelle,  und  zwar  aus  dieser  Schrift  selbst  anführt.  Nachdem 
nämlich  im  Kap.  10  von  den  Organen  die  Rede  gewesen  ist, 
welche  der  Sitz  von  Krankheiten  sind,  die  weniger  zu  Tage 
treten,  wird  mit  dem  Anfange  von  Kap.  11  fortgefahren:  ού  γάρ 
br\  όφθολμοΐσί  γ€  Ibovri  τούτων  τών  €ίρημίνιυν  ού6έν  ί<Ττιν 
eibevai.  £β  ist  klar,  dass  eingeräumt  wird,  dass  daraus,  dass 
man  jene  Organe  kennt,  noch  nicht  folgt,  dass  man  auch  die  an 
ihnen  haftenden   Krankheiten  mit  den  Augen  wahrnehmen  könne. 

Mit  der  besprochenen  Bedeutung  des  γάρ  ist  verwandt  sein 
häufiger  Gebranch  im  Dialog,  wo  es  Entgegnungen  einleitet, 
wenngleich  hier  nicht  eine  Beschränkung  des  vorher  Gesagten, 
sondern  dessen  Richtigkeit  eingeräumt  wird.  So  zB.  Eur.  Iph. 
T.  538  f.  OP.  δλλιυς  λίκτρ'  ίγημ'  έν  Αύλί6ι.  —  ΙΦ.  6όλιο  γάρ, 
ώς  γ€  φασιν  οΐ  πεπονθότες,  Xen,  Mem.  II  1,  2  ούκουν  τό  μέν 
βούλεσθαι  σίτου  δπτεσθαι  .  .  .  άμφοτίροις  εΙκός  παρογίγνε- 
αθαι;  —  βΙκός  γάρ,  ?φη,  Plat.  Theaet.  187  a  ΘΕΑΙ.  άλλα  μήν 
τουτό  Τ€  καλείται  . . .  boEaZciv.  ΣΟ.  ορθώς  γάρ  οϊει,  ώ  φίλε, 
207  b.  Pheedr.  229  a.  268  a.  Soph.  231  e.  Parm.  141  c.  de  Rep. 
432  d.  483  a.  438  a.  Logg.  694  e.  712  b. 

Die  einräumende  Bedeutung  des  γάρ  überhaupt  aber  wird 
man  sehr  begreiflich  finden,  wenn  man  erwägt,  dass  es  aus  γε  δρα 
(ja  nun)  entstanden  ist  und  dass  bei  Entgegnungen  auch  das  ein- 
fache γε  in  demselben  Sinne  gebraucht  wird,  wie  sich  aus  dem 
Vergleiche  von  Plat.  Gorg.  451  a  ορθώς  γάρ  οΐει  mit  451  d  ορ- 
θώς γε  λ^των  σύ  ergibt  Vgl.  Eur.  Hipp.  96.  Hec.  246.  El. 
667.  Plat  Gorg.  449  b.  470  e. 

Mfineter.  J.  M.  Stahl. 


ν     UEBER  DEN  VERFASSER  DER  X  LIBRI  DE 

ARCHITECTURA 


Am  Schlnsse  einer  Abhandlung  über  etraekischen  Tempel- 
bau^  schrieb  ich  im  Jahre  1897:  Andere  stellt  sich  jedoch 
die  Sache,  wenn  wir  mit  Ussing  ( Betragtninger  oyer  Vitr.  de 
arohit.  1.  decem,  Danske  Vidensk.  Selsk.  Skr.  6.  Raekke,  hi- 
storisk  og  filosofisk  Afd.  IV  3)  das  unter  dem  Namen  Yitruvs 
tiberlieferte  Werk  in  das  3.  oder  4.  Jahrhundert  n.  Chr.  herab- 
rücken  müssen,  indem  ich  damit  die  Möglichkeit  offen  Hess,  dass 
üssing  mit  seiner  Datirung  recht  haben  könnte. 

Als  ich  so  schrieb,  kannte  ich  Ussings  Buch  nur  erst  aus 
der  Besprechung  Wölff lins  im  Archiv  für  lat.  Lexikographie'  und 
seiner  Autorität  glaubte  ich  damals  wenigstens  die  Möglichkeit  jener 
Datirung  zugeben  zu  müssen,  die  ich  später,  nachdem  ich  die 
Schrift  selbst  kennen  gelernt  hatte,  entschieden  als  falscn  erkannt 
habe.  £s  sind  ja  nun  seither  auch  mancherlei  Stimmen  von 
solchen  laut  geworden,  die  sich  der  Ussingschen  Hypothese  ent- 
gegenstellten, so  Krohn  in  der  Berl.  phil.  Wochenschrift  ^ 
Aitchison^  und  Browne  im  Athenaeum^,  Hultsch  bei  Schmidt, 
Heronis  opera  B.  I  !S.  LXX  Anm.  1,  aber  auf  der  anderen  Seite 
ist  auch  die  Zahl  derer  nicht  gering,  die  wie  Wölfflin  dieselbe 
sei  es  rückhaltlos,  sei  es  in  beschränktem  Umfange  angenommen 
haben,  so  noch  im  BuUettino  communale  Lanciani^,  der  doch  eigent- 
lich gerade  in  seiner  Eigenschaft  als  Techniker  die  Unzulänglich- 
keit der  technischen  Gründe  Ussings  am  sichersten  hätte  erkennen 
müssen.  So  wird  man  mir  denn  nicht  die  Nothwendigkeit  be- 
streiten können,  die  durch  Ussing  wiederaufgegriffene  Frage  nach 

*  Nachrichten  d.  k.  Ges.  d.  Wieeenschaften  zu  Gottingen.  Phil.- 
hist.  Klasse  1897  Heft  2.  S.  137  ff.   Schluseanmerkung. 

*  Arch.  f.  lat.  Lexic.  X  p.  301. 

8  Berl.  phil.  Woch.  1897  p.  773  ff. 

*  Athen.  N.  3625  p.  516. 

»  Athen.  N.  3626—27  p.  586. 

β  Bull.  comm.  1899.  XXVII.  p.  24.  Anm.  2. 


üeber  den  Yerfasser  der  X  Hbri  do  Architeotura  9 

der  Aothenticität  der  überlieferten  Autorenbezeicbnnng  noob  ein- 
mal gründlichst  zu  ventiliren  und,  wie  icb  boffe,  mit  Sicberbeit 
2Q  entscbeideo.  Die  persönlicbe  Berecbtignng  bierzn  aber  leite 
ich  ans  einer  nunmehr  über  dj&brigen  intensiven  Bescbäftignng 
mit  Vitray  zum  Zwecke  einer  neuen  oommentirten  Ausgabe  her, 
zumal  ich  mir  durch  einen  längeren  Aufenthalt  in  Italien  nnd 
eingehende  Studien  antiker  Baureste  speziell  in  Born  nnd  Pompeji 
das  Recht  eigenen  ürtheils  in  diesen  technischen  Fragen  des  Alter- 
thnme  glaube  erworben  zu  haben. 

Die  Gründe,  mit  denen  Ussing  operirt,  sind  zweierlei  Art. 
Einmal  soll  die  Sprache  der  X  libri  mancherlei  Eigenthümlich- 
keiten  zeigen,  die  dem  3.  resp.  4.  Jahrhundert  zuzuweisen  nnd 
der  Aogusteischen  Zeit  absolut  fremd  seien,  während  andererseits 
der  Verf.  derselben  sich  in  technischen  Dingen  in  mancherlei 
Beziehung  ununt errichteter  erweise  als  z.  B.  Plinius;  er  könne 
also  unmöglich  ein  Sachverständiger  gewesen  sein,  als  der  doch 
der  Augusteische  Baumeister  anzusehen  sein  würde.  Bei  mancher- 
lei Berührungen  zwischen  Plin.  und  den  X  libri  liege  die  Sache 
80,  dass  die  plinianischen  Notizen  kurz,  klar  und  stets  richtig, 
dagegen  die  entsprechenden  Stellen  der  architeotura  stets  weit- 
schweifig, unklar  und  sehr  häufig  direkt  unrichtig  seien.  Man 
wird  zugestehen,  dass,  wenn  wirklich  durchweg  sich  dieses  Yer- 
hältniss  zwischen  den  beiden  Schriften  constatiren  Hesse,  auch 
die  Schlnesfolgerung  Ussings  unabweisbar  sein  würde,  und  be- 
sonders würde  der  letzte  Punkt  entscheidende  Bedeutung  haben, 
denn  es  ist  selbstverständlich,  dass  der  nicht  der  Fachmann  sein 
kann,  welcher  uns  über  solche  technischen  Sachen  Falsches  und 
Unsinniges  berichtet,  über  die  ein  Literat  vom  Schlage  des 
Plinius  sich  besser  unterrichtet  zeigt.  Dagegen  würden  die  ersten 
beiden  Gründe,  die  Klarheit  und  Kürze  des  Ausdrucks,  a^ein 
sieht  entscheidend  ins  Gewicht  fallen,  da  solche  Dinge  mehr  dem 
Schriftsteller  als  dem  Fachmann  anzurechnen  sein  dürften,  und 
Vitruv  recht  wohl  ein  guter  Architekt  und  ein  schlechter  Schrift- 
steller zu  gleicher  Zeit  gewesen  sein  könnte,  und  wirklich  ge- 
wesen ist.  Im  Allgemeinen  wird  man  vielmehr  geneigt  sein,  und 
60  urtheilte  man  auch  bisher  in  unserem  Falle,  die  grössere  Kürze 
auf  Rechnung  des  Ausschreibers  zu  setzen. 

Einen  ferneren  G-rund  für  die  Annahme  einer  späten  Fäl- 
K'hung  findet  Ussing  in  dem  Verhältniss  zwischen  Vitruv  und 
Äthenaeus  mechanicus,  den  Diels^  ans  sprachlichen  Gründen  dem 

1  Sitzmigsber.  d.  Berl.  Ak.  d.  W.  1893.  p.  111. 


10  Degering 

zweiten  nachcbristlicben  Jahrhundert  glanbt  zuweisen  zu  können. 
Auch  hier  meint  Ussing  den  Nachweis  führen  zu  können,  dass 
der  uns  vorliegende  Vitruv  direkt  aus  dem  Athenaeus  geschöpft 
habe,  also  zeitlich  nach  ihm  anzusetzen  sei,  während  bekanntlich 
erst  kurz  vor  ihm  ThieU  die  gemeinsame  Quelle  beider  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit  in  Agesistratos  hat  nachzuweisen  ver- 
sucht. Dazu  fügt  üssing  noch  eine  Reihe  von  solchen  Stellen, 
aus  denen  sich  ergeben  soll,  dass  Yitruv  ein  Fälscher  gewesen 
sein  muss,  weil  er  sich  hier  durch  Ungeschicklichkeiten  und  An- 
schauungen verriethe,  die  das  Gepräge  eines  Schriftstellers  einer 
späten  Zeit  deutlich  erkennen  liessen. 

Die  ganze  Schrift  üssings  ist  abgesehen  von  den  sprachlichen 
Beobachtungen  im  Wesentlichen  nur  eine  Aufarbeitung  und  Erweite- 
rung der  vergessenen  und  verschollenen  Schrift  von  C.  L.  F.  Schultz 
^Untersuchungen  über  das  Zeitalter  des  röm.  Kriegsbaumeisters 
M.  Vitruvius  PoUio'  *.  Schultz  erklärte  das  Werk  in  der  jetzt  vor- 
liegenden Form  für  eine  Fälschung  des  Papstes  Sylvester  II,  der 
seinerseits  eine  aus  dem  4.  Jahrhundert  stammende  (namenlose?) 
Compilation  aus  Plinius,  der  £pitome  und  Palladius  zu  Grunde  ge- 
legt habe,  üssing  modifizirt  diese  Ansicht  nur  insoweit,  als  er  die 
Fälschung  Sylvesters  der  Handschriften  wegen,  die  zum  Theil  eben 
älter  sind,  streicht,  und  die  Datirung  der  Schrift  *mit  sammt  der 
Namensfälschung  in  das  3. — 5.  Jahrhundert  n.  Chr.  auch  durch 
sprachliche  Gründe  zu  stützen  versucht,  auf  die  Schultz  weniger  Ge- 
wicht gelegt  hatte.  Die  übrigen  Gründe  sind  zum  grössten  Theile 
die  Schultz'schen  oder  stehen  durchaus  auf  demselben  Niveau. 
Methodisch  sind  die  beiden  Schriften  durchaus  gleichwerthig,  aber 
Schultz  hatte  wenigstens  die  Entschuldigung,  dass  er  Dilettant 
und  nicht  Philologe  vom  Fach  war. 

Wir  wollen  nun  im  Folgenden  die  üssing'schen  Gründe  im 
Einzelnen  durchgehen,  wobei  wir  uns  im  Ganzen  an  seine  Dispo- 
sition anschliessen,  abgesehen  davon,  dass  wir  die  sprachlichen 
Beobachtungen  am  Schlüsse  behandeln  werden. 

Der  hier  zunächst  vorliegende  Theil  wird  nur  das  Ver- 
bal tniss  von  Plinius  und  Athenaeus  zu  Vitruv  behandeln,  der 
zweite  demnächst  folgende  soll  dann  verschiedene  topographische 


1  Thiel.  Leipz.  Studien  XVII.  2.  1896. 

*  Herausgegeben  von  seinem  Sohne  Otto  Schultz  Leipz.  1856. 
Die  ersten  Gedanken  dazu  entwickelte  Seh.  im  Briefwechsel  mit  Goethe 
8,  Hb.  Mus.  4.  (1886)  329  ff. 


/ 


'^Ueber  den  Yerfaaeer  der  Χ  libri  de  Arohiteotora  11 

Fragen,  die  eich  an  Vitrav  und  beeonders  an  die  Datirnng  eeinee 
Werkes  knüpfen,  sowie  die  epracbbietorieeben  Probleme  aaeführ- 
iich  bebandeln,  die  von  Ueeing  gegen  die  Eohtbeit  desselben 
vorgebracbt  werden,  docb  wird  bier  der  Gang  der  üntersncbung 
im  Ganzen  sich  freier  bewegen  können,  da  im  Prinzip  die  Ent* 
Bcbeidang  bereite  im  ersten  Tbeile  fällt. 

Wir  beginnen  also  damit,  das  Verbältniss  von  Plinins  and 
Vitrny  zu  untersucben.  Die  Existenz  eines  Scbriftstellers  Vitruv 
ist  einmal  dnrcb  das  Antorenverzeicbniss  des  Plinius,  wo  er  nnter 
den  Quellen  znm  16,  35.  n.  36.  Bncb  anfgefübrt  wird,  gesicbert. 
Znm  31.  nnd  33.  Bacbe  wird  er  dagegen  niobt  angefübrt  und 
man  bat  somit  von  vornberein  nicbt  das  Recbt,  ancb  für  diese 
Böcber  yorbandene  Gongmenzen  als  Entlebnnngen  anzuBprecben 
wir  werden  jedoob  seben,  dass  sieb  für  das  33.  Bncb  der  Febler 
im  Index  nacbweisen  läset,  der  den  Namen  Vitrnv's  aas  demselben 
entfernte.  Eine  der  in  diesem  Bncbe  von  Plinins  aas  dem  ecbten 
Vitruv  entnommene^  Notiz  über  das  Qainarsystem,  das  von  Fron- 
fin-  ansd rücklieb  auf  den  Baumeister  Yitruy  zurQckgefübrt  wird, 
findet  sieb  genau  in  unserm  Vitrav.  Ebenso  wird  uns  durob 
Servius'  die  Scbrift  eines  Vitruv  bezeugt,  qui  de  arcbitectonica 
ecripsit,  das  beisst  also  ein  Baeb,  das  dem  unsrigen  an  Inbalt 
gleicb  gewesen  sein  muss.  Diese  Stelle  des  Servius  ist  bislang 
meiner  Ansiobt  naeb  ganz  falscb  aufgefasst  worden.  Sie  lautet 
nacbTbilo  n.  Hagen:  Vitruvius  qui  de  arcbitectonica^  soripsit,  cum 
ab  aliquo  arcemur  ingressu  id  ostium  dicit  ab  ostando,  cum  ingre- 
dimus  aditum  ab  adeundo.  Wenn  man  das  freilieb  so  auffasst,  als 
ob  Vitrav  selbst  diese  grammatiscbe  Erklärung  der  beiden  Worte 
gäbe,  so  wird  man  vergebliob  in  unserm  Vitruv  darnacb  sucben  und 
dann  wie  Scbnltz  (der  übrigens  dnrcb  seine  Lesung  ait-dici  einiger- 
massen  entscbuldigt  war)  und  Ussing  daraus  einen  Beweisgrund 
gegen  die  Ecbtbeit  des  überlieferten  Vitruv  sobmieden  oder  wie 
Krobn  ^  zur  Annabme  von  Lücken  sieb  genötbigt  seben,  wozu  wenig, 
ttens  in   solcbem  Umfange    nacb  Massgabe    der  bandscbriftlicben 


*  Der  Beweis  dafür  folgt  später. 
'  Frontin.  de  aquis  25. 

*  Serv.  ad.  Verg.  Aen.  VI  43: 

*  Das  braucht  keineswegs  der  Titel  zu  sein,  den  Vitr.  seinem 
Werke  selbst  gab,  sondern  kann  eine  modernisirte  Bezeicbnung  sein, 
wie  ja  die  Epitome  den  Titel  in  derselben  Weise  umbildet.  Vgl.  dazu 
Angustin  2    Quaestion.  in  Heptat.  169. 

»  Berl.  pbil.  Wocb.  1897  S.  773  ff. 


12  Degering 

üeberliefernng  gar  keine  Berechtigung  vorliegt.  Sehe  man  sich 
doch  die  Worte  des  Servius  genau  an,  welcher  nur  behauptet :  'Das* 
wodurch  wir  vom  Eintreten  abgehalten  werden,  nennt  Vitruv 
ostium  von  oetare,  die  Oeffnung  dagegen,  durch  die  wir  eintreten, 
nennt  er  aditus  von  adire*.  Servius  giebt  also  nicht  eine 
grammatisch  lexicalische  Regel  aus  Yitruv,  sondern  begründet 
eine  solche  durch  den  Spachgebrauch  des  Vitruv.  Eine  Prüfung 
der  in  unserm  Texte  vorkommenden  Stellen  von  ostium  ^  und 
aditus^  zeigt,  dass  die  Beobachtung  absolut  richtig  ist,  dass  also 
wenigstens  Servius  mit  Bestimmtheit  den  auch  uns  vorliegenden 
Vitruvtext  vor  Augen  hatte,  d.  h.  wenn  nicht  etwa  Servius  selbst 
die  Notiz  nur  von  einem  älteren  Grammatiker  übernommen  hat. 
Jedenfalls  aber  ist  dieses  Zeugniss  nur  für,  nicht  aber 
gegen  die  Authenticität  des  unter  dem  Namen  Vitruv's  überlieferten 
Buches  zu  verwenden  und  man  müsste,  um  seine  Beweiskraft 
abzuschwächen,  schon  behaupten,  dass  der  Fälscher  bei  dem  Ge- 
brauch der  Worte  aditus  und  ostium  immer  Rücksicht  auf  die 
Serviusstelle  genommen  hätte,  heisst  das  aber  nicht,  da  dieser 
Wortgebrauch  durchaus  nicht  allgemein  ist,  sondern  andere  Schrift- 
steller wie  z.  B.  Tacitus,  Ammian  die  Worte  promiscue  gebrauchen, 
einem  Fälscher  zuviel  zugemuthet?  Schon  damit  ist  eigentlich  die 
Echtheit  unseres  Yitruvtextes,  wie  ich  meine,  mit  Sicherheit  er- 
wiesen. 

Nehmen  wir  aber  wirklich  einmal  mit  üssing  die  Unecht- 
heit  desselben  als  sicher  an:  Was  folgt  nun  daraus?  Es  ist 
durch  Nohl^  festgestellt  (üssing  kümmert  sich  freilich  nicht 
darum),  dass  Palladius  seine  technischen  Notizen  aus  der  Epitome 
des  Faventinus  geschöpft  hat,  die  ihrerseits  völlig  zweifellos  ein 
Auszug  aus  unserm  Vitruv  ist.  Eingeschoben  resp.  hinzugefügt 
sind  in  dieser  nur  im  Cap.  II  der  Abschnitt  über  einen  Thurm 
der  zwölf  Winde  in  Rom  (in  der  Rose-Müller-Strübingen'scben 
Vitruvausgabe  S.  288,  27—289,  4)  Cap.  IV  die  Bemerkung  über 
hölzerne  Wasserleitungen  (S.  294,  11—12),  und  Capitel  XXVIII, 
Zuthaten,  die  wohl  als  eigene  Weisheit  des  Faventinus  anzu- 
sehen sind,  während  die  Scbluss-Capitel  XXIX  und  XXX  aae 
anderer  Quelle  stammen  mögen.  Da  nun  Palladius  in  das 
4.  Jahrb.  n.  Gbr.  gehört,  so  kann  Faventin  höchstens  am  Ende 
des  dritten  oder  im  Anfang  des  4.  Jahrb.  seinen  Auszug  aus 
unserm  von  ihm,    wie  die  Namensnennung    am  Anfang    beweist, 

1  Vgl.  Vitruv,  cd.  Rose  u.  Müller-Str.  96,  15  (142,  14.  Joe). 
8  Das.  13,  Ul  70,  9.  109,  11.  119,  19.  71,  21.  92,  5.  129,  5. 
8  Gomment.  Mommsen.  pag.  64  ff. 

I 


Üeber  den  Yerfaeeer  der  X  libri  de  Arokitectura  IB 

bereite    für    echt    gehalteDen  Werke    gemacht    haben.     Die  Fäl- 
scbong   könnte    also  epätestens   in  die  Mitte  des  8.  Jahrb.  datirt 
werden.      Was  ist   nnn  aber   inzwischen  aas   dem  echten  Vitroy 
geworden,  der  doch  Plinine  vorgelegen  haben  muee,  selbst  wenn 
er  ibo  auch,   wie  üseing  mit  Oehmichen  ^  behauptet,  nicht  direkt 
sondern    nur  yergleich weise   benutzt  hat?    Wir  müsslen   also  an- 
nehmen, daes  das  echte  Bach  Vitmvs  nngefähr  im  2.  Jahrhundert  in 
Vergessenheit  gerathen  sei  und  dann  ein  Schwindler  unter  seinem 
Namen    im     3.  Jahrhundert    die    Fälschung    vorgenommen    habe. 
Diese  Annahme    ist    aber    schon    an    und    für   sich    recht  wenig 
glaobhafty  denn  wenn  das  fechte  Werk  in  Vergessenheit  gerathen 
konnte,    so  beweist  das  doch  eben,  dass  für  dasselbe  kein  Inter- 
esse  vorlag,    also  natürlicher  Weise  erst  recht  kein  Anlass  dazu 
vorhanden   war,    ein    solches  Buch    ganz    neu    zu   rälschen.     Die 
meisten    von    den    aus    dem  Alterthum    in  reichlicher  Weise  be- 
kannten Fälschungen    sind  vielmehr,  wo  es  sich  nicht  etwa  um 
ganz  mythische  Personen    wie  Orpheus  handelt,    derart,  dass  ein 
Buch    einem    berühmten  Schriftsteller    zu    seinen    echten  Werken 
untergeschoben   wurde,    für  das  der  unbekannte  und   unbertibmte 
Fälscher  mit   seinem  eigenen  Namen  nicht  in  genügendem  Maasse 
das  Interesse    erwecken  zu   können  glaubte.     Eine  Fälschung  je- 
doch wie  diese,  welche  ein  Interesse  an  der  Person  des  Verfassers 
eines  einzigen  Werkes  voraussetzt,  der  seinen  Ruf,  wie  es  scheint 
nur    diesem  einzigen  Werke  verdankt,    welche  aber  andererseits 
undenkbar    ist,    wenn    wir    die   Existenz    dieses    echten    Werkes 
voraussetzen  müssen,  hätte  wohl  kaum  ernstlich  erwogen  werden 
dürfen.     Für  Schultz    lag    die  Sache    insofern    günstiger,    als  er 
wenigstens    auch    die  Echtheit    des  Plinianischen  Index    leugnete 
und    über  das  Yerhältniss    von  Palladius  und  der  Epitome  nicht 
unterrichtet  sein  konnte;  für  Ussing  sind  das  grobe  methodische 
Pehler.    Für  Jemanden,  der  einmal  die  Echtheit  der  Plinianischen 
Autorenverzeichnisse,    an  der  ja  im  Ernste  nicht  zu  zweifeln  ist, 
aufrecht  erhält,    lag   es  ja  dann  wenigstens   viel  näher,    in  dem 
vorliegenden  Yitruv    eine  Ueberarbeitung   des    echten    zu   sehen. 
Dieser  Versuch    wird  von  üssing   aber    nicht  gemacht   und  wir 
werden  sehen,  dass  dazu  auch  keine  Veranlassung  vorliegt. 

Die  Concordanzen  mit  Plinius,  welche  sich  in  unserem  Vitruv 
finden,  will  üssing  im  Anschluss  an  Oehmichen  auf  eine  gemein- 
same Quelle    und    zwar   auf  Varro    zurückführen,    wobei    freilich 


'  Oehmichen,  Plinian.  Studien  1880.  S.  1. 


Η  Degering 

Oehmioben  selbst  nicbt  daran  gedacht  bat,  die  Lebenszeit  Vitruys 
andere  als  in  der  herkömmlichen  Weise  anzusetzen.  Ussing  aber 
benutzt  diese  Theorie  nur  um  das  unzweifelhafte  Zeugniss  des 
PHnius  für  die  Echtheit  unseres  Vitruvs  zu  entkräften,  wobei  ihm 
freilich  entgangen  ist,  dass  die  Existenzfrage  des  echten  Vitravs 
von  der  Oehmichen'schen  Hypothese  ja  gamicht  berührt  wird.  Die 
Oebmicben'sohe  Annahme  von  einer  nur  Vergleichs  weisen  Benutzung 
des  Vitruvs  könnte,  was  ich  nicht  glaube  und  als  falsch  nach- 
weisen werde,  wirklich  berechtigt  sein,  ohne  dass  damit  das 
Factum  aus  der  Welt  geschafft  wird,  dass  Plinius  den  echten 
Vitruv  doch  musste  vor  Augen  gehabt  haben.  Aber  wie  schon 
gesagt  ist  diese  Annahme  selbst  als  unrichtig  zu  beweisen. 

Oehmichen  operirt  hauptsächlich  mit  dem  Brunn^schen  Be- 
griff des  auctor  exquisitus,  den  Brunn  erfunden  hat,  um  die 
Discrepanz  zwischen  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  in 
praef.  17  eoi  exquisitis  auctoribus  centum  und  der  bei  weitem 
grösseren  (über  400)  Anzahl  von  Autoren,  welche  die  Indices 
anführen,  aufzulösen.  Ich  kann  die  Richtigkeit  der  Interpretation 
Brunns  jedoch  nicht  anerkennen,  da  die  grammatische  Construction 

der  überlieferten  Lesung  unerklärbar  bleibt;  XX  rerum  dignarum 

cura  lectione  voluminum  circiter  II,  quorum  pauca  admodum  Stu- 
diosi attingunt  propter  secretum  materiae,  ex  exquisitis  auctoribus 
centum  inclusimus  XXXVI  voluminibus,  adjectis  rebus  plurimis 
quas  aut  ignoraverant  priores  aut  postea  invenerat  vita,  vermag  ich 
nicht  zu  erklären,  denn  wenn  ich  lectione  als  Abi.  abs.  =  bei  einer 
Leetüre  von  etc.  fasse,  so  fehlt  mir  das  Regens  zu  ea  eaquisUis 
auctoribus  centum  und  dieses  kann  dann  nur  in  der  Nähe  des 
verdächtigen  centum  stecken,  nehme  ich  aber  lectione  als  Abi 
instr.,  so  fehlt  hierzu  wiederum  das  regierende  Wort  und  auch 
dieses  kann  ich  nur  an  derselben  Stelle  suchen.  So  gewinne  ich 
abgesehen  von  den  sachlichen  Bedenken  gegen  centum  und  gegen 
die  Brunn'sche  Erklärung  desselben,  auch  von  Seiten  der  Grammtik 
zwingende  Verdachtsmomente  gegen  die  Richtigkeit  der  Ueber- 
lieferung. Ueber  die  Art  und  Weise,  wie  nun  die  Stelle  zu  heilen 
sein  dürfte,  kann  man  im  Zweifel  sein.  Man  könnte  et  exquisitis 
auctoribus  centum  schreiben,  dann  würden  aber  die  ea:quisiti  auc- 
tores  als  besondere  Klasse  unter  anderen  uns  unter  den  Händen 
entschwinden,  da  dann  exquisitis  siqh  auf  die  Thätigkeit  des  Ex- 
cerpirens  beziehen  müsste,  und  centum  bliebe  wieder  sachlich 
unerklärt,   oder  es  müsste  als  unbestimmte  Zahl  gefasst  werden; 


üeber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architeotura  15 

wahrscheinlicher  aber  ist  es  mir,  daes  wir  cenlum  in  cenirum  zu 
ändern  haben,  eodaas  ex  exquisiiis  auctaribus  cenirum  —  das 
Beste  und   WerthvoUete,    der  Kern,  ans  den  erlesensten  Autoren 

—  als  Apposition  zu  XX  rerum  dignarum  cura  zn  beziehen  sein 
wärde.     Gerade  Plinius  gebraucht  das  Wort  cenirum  auch  sonst 
in  der  Bedeutung  ^fester  Kern  (37,  28.  37, 120.  (cf.  37, 98.)  16,  198). 
Ich  lege  jedoch  keinen  besonderen  Werth  auf  diese  positiven 
V^erbessernngsvorschläge ,     mir   genügt    es,    wenn    man    nur    die 
Negation   zugiebt  und  anerkennt,  dass  die  von  Brnnn  dem  Plinius 
impatirte  Unterscheidung    zwischen   aactores  schlechthin  und  ex- 
qnisiti  auctoree   unhaltbar  ist.    Solch  ein  schlechter  Schriftsteller 
Ϊ8Χ  denn    doch    Plinius  (zumal    in  der  Vorrede)  auch   nicht,    dass 
wir  ihm  zutrauen  dürften,  er  habe  einen  so  complicirten  Gedanken- 
irreis   in  so     compendiöser    dunkler  und   noch  dazu  grammatisch 
anfechtbarer  Form    ausgedrückt.     Wir   müssten   doch  auch   wohl 
erwarten,  dass   die  Indices,  die  den  rein  ausserlichen  Unterschied 
zwischen     römischen    und     fremden    Schriftstellern    durchführen, 
irgendwie  anch    den  Unterschied  zwischen  den  auctores  exquisiti 
und  den    auctores  erkennen  Hessen,    aber  gerade  Brnnn   hat  doch 
bewiesen,    dass    die  Ordnung    eine  solche  ist,    die  diesen  Unter- 
schied absolnt  nicht  berücksichtigt. 

Damit  soll    nun  aber    keineswegs    etwa  behauptet    werden, 
dass  nicht    gewisse  Unterschiede   in  der  Behandlung  der  Quellen 
bei  Plinius  zu  oonstatiren  sein  werden,    sondern  nur  die  Berech- 
tigung soll     bestritten  werden    diesen  Unterschied    so  scharf    zu 
urgiren,  wie  das  von  Oehmichen  geschieht.    Wir  haben  sicherlich 
Baopt  und   Nebenquellen  zu    unterscheiden,  es    lassen  sich  femer 
spätere  Einschiebsel    erkennen,    aber    als    selbstständige    Quellen 
haben  wir  alle  die  in  den  Indioes  genannten  Schriftsteller  je  für 
das  betreffende  Buch  so  lange  anzusehen,  als  sich  nicht  bestimmte 
Corruptelen  in  diesen  Verzeichnissen  nachweisen  lassen,    die  das 
fehlerhafte  Eindringen    von  Kamen    unbenutzter  Autoren   in  den 
Zusammenhang  offenbaren.    Wir  werden  einen  solchen  Fall  weiter 
unten  kennen  lernen. 

Andererseits  aber  haben  wir  natürlich  auch  nicht  das  Recht 
die  Benutzung  eines  Autors  als  Quelle  für  irgend  ein  Buch  an- 
zunehmen, für  das  er  in  dem  betreffenden  Index  nicht  aufgeführt 
wird,  wenn  wir  nicht  ebenfalls  die  Störung  im  Index  nachweisen 
können,  die  seinen  Namen  entfernte,  in  unserem  Falle  also  müssten 
wir  zunächst  die  Benutzung  Vitruvs  im  31.  und  33.  Buche,  die 
i>etlefsen  behauptet  hatte,  ablehnen. 


16  Degeving 

Es  finden  sich  aber  auch  in  den  Indices  gewisse  Eeiben 
von  Autoren  aufgeführt,  die  unter  eich  im  engeren  Zusammen- 
hang stehen  (äuseerlich  meist  kenntlich  an  der  alphabetischen 
Keihenfolge),  die  Plinius  wohl  nicht  direkt  benutzt  haben  mag, 
sondern  yon  denen  er  vielleicht  nur  in  einzelnen  Fällen  einzelne 
Citate  nachprüfte.  Diese  sind  dann  aber  immer  aus  einer  Haupt* 
quelle,  die  natürlich  später  liegt  als  alle  die  übrigen,  entnommen 
worden;  die  Benutzung  dieser  Autoren  als  Quelle  ist  also  auch 
hier  vorhanden,  wenn  auch  erst  durch  Vermittlung.  Wie  Plinius 
aber  eine  Schri  ft  als  seine  Quelle  (das  heisst  doch  ex  auctoribus) 
habe  bezeichnen  können,  die  er  weder  direkt  noch  indirekt  be- 
nutzt habe,  sondern  die  nur  mit  ihm  aus  der  gleichen  Quelle  ge- 
schöpft habe,  das  ist  mir  unerklärbar  und  weder  mit  antiker  noch 
moderner  Citirmethode  vereinbar. 

Der  hier  eingenommene  Standpunkt  deckt  sich  im  Wesent- 
lichen mit  dem  von  Münzer  in  seinem  trefflichen  Buche,  Beiträge 
zur  Quellenkritik  des  Plinius,  entwickelten  Anschauungen  über 
die  Quellenbenutzung  des  Plinius,  obwohl  er  noch  an  der  Brunn- 
schen  Unterscheidung  der  Autoren  festhält;  nur  bin  ich  auf 
anderem  Wege  und  auf  beschränkterem  Gebiete  zu  dem  gleichen 
Resultate  gekommen,  das  er  in  so  umfassender  und  eingehender 
Weise  begründet  hat. 

Wir  wollen  nunmehr  die  einzelnen  von  Ussing  besprochenen 
Stellen  durchgehen.  Zunächst  Plinius,  16,  45.  Hier  sollen  nach  Det- 
lef sen  ^  die  Worte  excepta  larice  quae  nee  ardet  nee  carbonem  facU 
nee  (Uio   modo  ignis  vi  consumüur    quam  lapides  ans  Vitruv  ent- 
nommen sein.    Oehmichen  und  mit  ihm  Ussing  bestreiten  das,  und, 
wie  ich  glaube,  mit  Recht,  aber  natürlich  hat  nur  Oehmichen  die 
richtige  Begründung,    doch  hat    auch  er    die  Sachlage  nicht  mit 
voller  Schärfe  erfasst.     Plinius  folgt,  wie  er  selbst  §  48  sagt,  in 
der  Glassificirung   der   Europäischen  Bäume  ^quae   picem  fern  η  t' 
einer  römischen  Quelle,    ohne  Zweifel  Hygin,  der,  wie  das  Citat 
§  280  lehrt,  über  die  Hölzer  und  ihre  Verwendung  Angaben  ge- 
macht haben  muss,  uud  auf  den  auch  das  Brunn'sche  Indexgesetz 
führt.    Aus  dem  ganzen  Zusammenhange  der  von  38 — 49  reicht, 
kann  der  Satz  excepta  larice  ....  nicht  ausgeschieden  werden, 
auch  weiss  Plinius  über  die  larix  weit  mehr,    als  er  aus  Vitrnv 
schöpfen  konnte,  und  dass  er  gerade  nur  die  Einzelheit  der  Schwer- 
brennbarkeit  des  Holzes,    ohne  die    von  jenem  beigefügte   fabel- 


1  Philol.  31.  p.  389. 


Ueber  den  Verfaeeer  der  X  libri  de  Archiieotara  17 

hafte  Histode  entnommen  haben  sollte,  ist  bei  der  Art  seiner 
iSchriftetellerei  kaum  glaablich.  Andere  liegt  jedocb  die  Sache 
für  Hjgio,  für  den,  wenn  er  die  Systematik  des  Nutzholzes  geben 
wollte,  die  Fabel  nnnöthig  war.  Wenn  dagegen  Ussing  glaubt, 
dats  Pliniae'  Worte  nee  (Uio  modo  ignis  vi  consumitur  quam  kh 
pides  etwas  anderes  bedeuten,  als  das  was  Vitmy  mit  *nec  ipsa 
polest  ordere  nisi  u/t  saxum  in  fornaee  ad  cdcem  coguendam  aliis 
Ugnis  uratur  sagen  will,  so  irrt  er,  denn  lapis  bezeichnet  gerade 
so  w'itsaxum  in  der  Begel  den  6aa  — ,  d.  h.  zu  Vitmvs  und  Plinius* 
Zeiten  den  Kalkstein  von  Tibur.  Ebenso  verkehrt  ist  es  aber, 
wenn  Oehmichen  einen  Unterschied  zwischen  den  Ortsangaben 
dee  Flinius  und  Vitruy  hat  entdecken  wollen,  denn  wenn  Vitruy 
eagt  quae  non  est  nota  nisi  in  municipalibus  qui  sunt  circa  ripam 
fluminis  Padi  et  liicra  maris  Hadriani,  so  bezeichnet  er  damit 
garnicht  die  Heimath  des  Baumes,  sondern  die  Zone  seiner  Ver- 
wendung. Der  Baum  ist  auch  bei  ihm  ein  Alpenbanm\  der  auf 
dem  Po  und  seinen  Nebenflüssen  thalwKrts  geflösst  wird  und  so 
in  jene  Gegenden  gelangt,  wo  er  nach  Vitruy  Verwendung  findet 
and  als  Nutzholz  bekannt  ist. 

Auch  §  192  ist  yielleioht  nicht  aus  Vitray  entnommen, 
sondern  es  handelt  sich  wohl  um  eine  allgemein  bekannte  Sache, 
die  auch  yon  anderen  Schriftstellern  erwähnt  wurde.  Dagegen 
ist  yon  §  195  bis  198  ohne  Frage  Vitruy  mit  zu  Rat  he  ge- 
zogen. Der  Zusatz  yon  Plinius  vasta  haec  (juniperus)  in  Hia- 
pania  maxfmeque  Vaccaeis  stammt  aus  Bocchus',  der  immer  ftlr 
Spanisches  als  Gewährsmann  auftritt.  Damit  haben  wir  schon 
hier  und  nicht  erst  §  216  ff.  Bocchns  und  Vitruy  dicht  neben 
einander,    wie  es   der  Index    fordert. 

Auch  hier  bemüht  sich  Ussing  zu  beweisen,  dass  Vitruy  kein 
Sachyeretändiger  gewesen  sei,  aber  auch  hier  beweist  er  nur,  dass 


ί  Vitr.  R.  n.  M.  Str.  60,  7  ff. 

*  Bocchns  wird  als  Autor  in  den  Indicee  genannt  zu  6.  16.  33. 
^.37.  Ansser  den  Citaten  16, 216  Dianatempel  von  Sagunt,  37,97  car- 
boDculi  et  in  Oliponensi.  37,  127  Chryaelectroe  repertas  esse  in  Hispania. 
^7,  S4  Cornelius  Bocchns  et  in  Lnsitania  (scL  effossam  mirandi  poaderis 
iTjiUIlain)  sind  auf  ihn  Euruckzufuhren  wahrscheinlich  im  Bach  34. 
144,  der  Ruf  von  Bibilis  und  Turiasso  als  Produktionsorte  guten 
Eilen•,  femer  149.  156—158  und  165;  im  33.  Buche  §  67-78,  die^e- 
&cbreibong  der  Goldbergwerke  SpanienSi  denn  dass  sich  die  ganze 
Attieinandersetzung  auf  den  spanischen  Bergbau  bezieht,  lehren  §  78 
und  die  fachtechnischen  Fremdwörter,  ferner  §  96  f.  und  §  158. 

lUiclB.  Mni.  f.  PmioL  M.  F.  Lyil,  ^ 


18  Degering 

ihm  selbst  die  nötbige  Einsicht  in  solchen  technischen  Fragen  fehlt. 
Diese  ist  ja  freilich  an  und  für  sich  auch  für  einen  Philologen  kein 
Erforderniss,  wohl  aber  für  Jemanden,  der  den  Techniker  so  scharf 
beurtheilen    will,    als    üssing   den  AMtrnv.     Der    Vergleich    von 
Plin.  196  abietis  quae  pars  a  terra  fuit,  enodis  est.    haec  qua  dixi- 
muB  ratione  flnviata^  detoratur  atque  ita  sappinus  yocatur,  supfrior 
pars  nodosa  duriorqne  fusterna,  mit  Yitrnv  U  9.  7  ex  ea  autem 
anteqnam  est    exoisa  quae  pars    est  proxima    terrae  [per  radices 
recipiens    ex    proximitate   humorem]     enodis    et  liquida   efficitur, 
quae  vero    est  superior    [vehementia   caloris    eductis  in  aera  per 
nodos  ramie,  praecisa  alte  circiter  pedes  XX  et  perdolata]  propter 
nodationis   duritiem   dicitnr  esse  fusterna.  ima  autem  cum  excisa 
quadrifluyiis  disparatur  ejecto  torulo  ex  eadem  arhore  ad  intestina 
opera  coniparatur  et  ita  sappinea  yocatur  beweist,   dass  mit  qua 
diximus    ratione   fluyiatä   (nicht  etwa  fluviatä)    und    cum    excisa 
quadrifluyiis  disparatur  dasselbe  gemeint  ist.    Ferner  ist  es  aber 
auch    sachlich    ganz  selbstyerständlich,    dass  quadrifluyiis   nichts 
Anderes  hedeuten  kann  als  das,   was  Plinius  im  yorh  ergeh  enden 
Capitel  195  im  Anschluss    an  Thegphrast  V.  1,  6 — 11  mit  qua- 
dripertitos    habet   yenarum  cursus  bezeichnet.     Soweit   hat    also 
Ussing  Becht.     Dagegen  ist   er  schwer  im  Irrtum,    wenn  er  nun 
weiter    behauptet,    dass    der    Ausdruck    quadrifluyiis    bei    Vitruy 
auf    einem  Missyerständniss    des  Ausdrucks    fluyiata   bei  Plinius 
beruhe.     Ich  meine  mit  solchen  Behauptungen  müsste  man  ganz 
besonders  yorsichtig  sein,    denn  das   würde,    selbst  angenommen, 
das  Vitruy'sche  Werk  stamme  aus  dem  4.  Jahrhundert,  ungefähr 
dasselbe  sein    als  wenn    man  behaupten   wollte,    dass  heutzutage 
ein  gebildeter  Mann  irgend  welche  Ausdrücke  des  Simplicissimua 
sollte    missverstehen    können.     Freilich  steht   er  mit  diesem  Irr- 
thum  nicht  yereinzelt  da.    Auch  Mayhofi^  bezieht  das  qua  diximue 
ratione  fluyiata    nicht  auf  das  direkt  vorbergehende,  sondern  auf 
§180.    Hier  heisst  es  aber  in  denCodd.:  Lignum  in  longitudinem 
fluiiat  utque  pars  fuit  ab  radice  yalidius  sidit.    Die  zweite  Hand- 
Bchriftenklasse  hat  für  fluitat  fluctuatur  und  einige  Handschriften 
quae  statt  quo.    Die  Ueberlieferung  ist  also  keinesfalls  in  Ordnung. 
Was  aber  zu  lesen  ist,  ist  wenigstens  sachlich  sicher.    Ich  meine 
der  ganze  Zusammenhang   der  Stelle,    die  yon  der  Struktur  und 
dem  Bau  des  Holzes  handelt,  kann  doch  nicht  so  plötzlich  durch 
etwas   unterbrochen    werden,    was  sich    auf   die  Zubereitung    des 


^  So  mit  Recht  Detlefsen  statt  decoratur. 


tJeber  den  Verfasser  der  X  libri  de  ArchitectuftL  19 

• 

Holzes  bezieht,  sondern  es  mnes  auch  hier  etwas  über  die  Struk- 
tur gegeben  werden.  Ich  lese  demnach  Lignum  <com>  in  longi- 
tndinem  fluitatur  qnae  pars  fuit  ab  radice,  validius  eidit  und 
übenetze:  legt  man  das  Holz  der  Länge  nach  aufs  Wasser,  so 
tancht  das  Wurzelende  infolge  des  grösseren  specifischen  Ge- 
wichtet tiefer  ein  resp.  sinkt  unter;  und  es  ist  nun  auch  offen- 
bar, dass  hier  nicht  vom  lignum  im  Allgemeinen  die  Hede  ist, 
eondern  von  dem  gerade  vorher  genannten,  dem  Buchenholze,  wir 
haben  also  nicht  nöthig  mit  Mayhoff  in  dem  Satze  ein  späteres 
Einscbiebeel  anzunehmen.  Von  dem  Auslaugen  des  Holzes  im 
Meerwaeser  (ταριχβύείν  bei  Theophrast)  ist  also  weder  §  186  noch 
§  196  die  Rede,  in  196  auch  schon  deshalb  nicht,  weil  fluviata 
dasteht  und  nicht  fiuvitata.  Fluviata  passt  nur  zu  qoadrifluvius 
ist  dieses  also  etwa  mit  vieradrig  zu  übersetzen,  so  kann  jenes 
nur  der  allgemeinere  zu  diesem  specielleren  Ausdrucke  sein  und 
also  nur  geädert  heissen.  Dazu  stimmt  auch  durchaus  die  Bil- 
dung des  Wortes,  heisst  fluvius,  wie  ans  quadrlfluvius  hervorgeht, 
die  Saftader,  so  ist  davon  ganz  richtig  gebildet  fluviatus  mit 
Saftadern  versehen.  Auf  den  Fluss  d.  h.  auf  das  Wasser 
gelegt  könnte,  wie  gesagt,  nur  fluvitatus  lauten.  Somit  ist  also 
aacb  hier  alles  in  Ordnung. 

Wenn  Ussing  Vitruv  auch  daraus  einen  Vorwurf  macht, 
daes  er  die  Länge  des  unteren  astfreien  Theiles  der  Tanne  auf 
ungefähr  20  Fuss  hestimmt  \  indem  er  fragt,  ob  denn  alle  Bäume 
gleich  hoch  sind,  so  beweist  das  eben  wieder,  dass  er  kein  Recht 
hat  über  technische  Fragen  zu  urtheilen.  Das,  was  Vitruv  als 
Techniker  bestimmt,  ist  eben  das  Minimalmass  der  seh  lag- 
fähige η  Bäume.  Die  ausführliche  Auseinandersetzung,  welche 
Vitruv*  zu  infernas  und  supernas  giebt,  bezieht  sich  garnicht, 
*ie  üssing  uns  glauben  machen  möchte,  auf  den  Wort ge brau ch ; 
dai  wäre  auch  freilich  für  den  römischen  Leser  des  ersten  Jahr- 
honderts  überflüssig  gewesen;  sondern  sie  giebt  eine  physikalische 
Erklärung  der  Vorzüge,  die  jene  vor  dieser  voraus  hat,  und  wie 
ne  eich  so  oft  bei  Vitruv  finden. 

Plin.  §  218  unterscheidet  sich  von  Vitr.  II  §  9  nur  durch  den 
Zasatz  von  cerasus  firma  und  das  Fortlassen  von  populus,  salix, 
tilia,  vitex.  Beides  findet  seine  natürliche  Erklärung.  Dass  zu 
Vitruve  Zeiten    das   Kirschholz    schon  zu  Bauzwecken   verwendet 


*  Vitr.  II  9.  7.  praecisa  alte  circiter  pedes  XX. 
»  Vitr.  II  9.  17. 


20  Degering 

• 

worden  ist,  ist  nioht  eebr  wahrscheinlich,  da  der  Baum  erst  kurz 
vorher  in  Italien  darch  Lucnllue  eingeführt  war  (Plin.  n.  h.  15, 
25.  30.  Sery.  ad  verg.  Georg.  2.  v.  18)  Hehn,  Kulturpflanzen  υ. 
Hausth.'  S.  349.  Die  Angaben  über  die  anderen  Bäume  jedoch  hatte 
PliniuB  schon  §  209  in  anderem  Zusammenhange  gebracht  und 
deshalb  hier  nicht  noch  einmal  wiederholt. 

Im  31.  Buche  ist  wie  gesagt  von  vornherein  wegen  des 
Fehlens  des  Namens  im  Index  eine  Benutzung  Vitruvs  nicht  an- 
zunehmen, jedoch  wäre  es  verwunderlich,  wenn  Plinius  gerade 
eine  Notiz  über  die  Sache  aus  einer  anderen  Quelle  übernommen 
haben  sollte,  die  nach  Frontin  I  25  bei  vielen  Leuten  als  die 
ureigenste  Erfindung  Vitruvs  galt,  nämlich  die  Angabe  über  die 
Construotion  und  Benennung  der  Wasserleitungsrohre,  wie  sie  sich 
im  §  58  findet  und  noch  dazu  in  einer  Form,  welche  die  direkte 
Entlehnung  mehr  als  wahrscheinlich  macht.  Dazu  kommt  nun 
aber  noch  Folgendes:  Im  Index  zum  31.  Buche  steht  nämlich 
unter  den  römischen  Autoren  ein  Polybius,  und  zwar  zwischen 
Ovid  und  Sornatius.  Eine  Benutzung  Ovids  kann  im  31.  Buche 
nur  bei  den  Notizen  über  die  wunderbaren  Quellen  bis  §  35  in 
Frage  kommen.  Gleich  dahinter  aber  trifft  man  auf  die  Stellen, 
welche  aus  Vitruv  stammen  können  resp.  stammen  müssen.  Es 
könnte  also  an  dieser  Stelle  im  Index,  der  übrigens  hier  im 
31.  Buche  auch  sonst  nicht  in  Ordnung  ist,  der  Name  Vitruvs 
als  Pollione  vor  Polybio  ausgefallen  sein,  wenn  wir  nicht  viel- 
mehr annehmen  müssten,  dass  hier  Polybio  selbst  aus  Pollione 
corrumpirt  worden  sei,  und  zwar  dem  Citat  zu  Liebe  am  Schlüsse 
des  31.  Buches,  wo  aber  ebenfalls,  wie  mir  scheint  zu  Unrecht, 
der  Name  Polybius  bisher  unangefochten  geblieben  ist  und  wohl 
Polyclitus,  der  ohnehin  im  Index  vorkommt,  an  Stelle  von  Poly- 
bius einzusetzen  sein  wird.  Dass  der  Adressat  der  consolatio 
ad  Polybium,  der  über  Homer  und  Vergil  geschrieben  hat,  auch 
über  medicinische  Dinge  ein  Buch  verfasst  habe,  ist  eine  un- 
bewiesene Behauptung^,  die  um  so  unwahrscheinlicher  wird, 
als  Seneca  in  seiner  consolatio,  deren  Abfassung  in  das  Jahr 
43 — 44  fällt,  nicht  die  geringste  Anspielung  auf  eine  derartige 
Schriftsteller  ei  des  Polybius  macht,  die  vielmehr  rein  schöngeietig 
war,    und  Polybius   nicht  lange  nachher  (47)  auf  Betreiben    der 


1  Detlefeen,  Progr.  v.  Glückstadt  1883  S.  4. 


Ueber  den  Yerfaseer  der  X  libri  de  Architeotura  21 

Meeealina,    die    nelbet   im  Jahre  48    getötet  wurde,   h ingerieb tet 
worden  iet^ 

Daes  im  31.  Buche  bereite  §  36  aus  Vitmv  stammt,  braucht 
man  nicht  anzunehmen,  dagegen  polemisirt  §  43  gegen  Yitray.  Wes- 
halb Oder^  meint,  dass  diese  Polemik  nicht  von  Plinins  selbst  her- 
rühren könne,  weiss  ich  nicht ;  zu  tief  ist  denn  doch  diese  Weis- 
heit gerade  nicht.  Man  schreibt  überhaupt  meiner  Ansicht  nach 
der  eigenen  Tbatigkeit^  des  Plinins  viel  zu  wenig  von  dem  In- 
halte der  Bücher  zn,  obwohl  uns  eine  einfache  Rechnung  davon 
überzeugen  kann,  dass  der  Antheil,  den  Pliniue  sich  selbst  zu- 
rechnet, gamicht  so  unbeträchtlich  ist.  Den  20000  aus  anderen 
Schriftstellern  laut  der  Vorrede  entnommenen  Notizen  stehen 
gegenüber  als  Summe  von  nur  32  Büchern  gemäss  der  Summen- 
angaben der  Indicee  circa  34000  res  et  historiae  et  Observation  es, 
somit  würden  also  auf  die  36  Bücher  circa  38000  Lemmata  zu 
rechnen  sein,  sodass  Plin.  selbst  fast  die  Hälfte  sich  zugerechnet 
haben  würde.  Das  mag  zu  hoch  gegriffen  sein,  indem  vielleicht 
einige  der  groesen  Zahlen  der  Indices  falsch  überliefert  sind, 
immerhin  nimmt  aber  Plinins  einen  bedeutenden  Theil  für  sich 
selbst  in  Anspmcb. 

Bestimmt  muss  aber,  von  allen  anderen  abgesehen,  §  57 
aas  Vitruv  entnommen  sein,  da  wir  dem  Plinius  doch  nicht 
zutrauen  dürfen,  dass  er  etwas  indirekt  übernahm,  für  das, 
wie  wir  gesehen  haben,  Vitruv  als  Erfinder  galt.  Die  An- 
nahme dagegen,  dass  diese  Nachricht  aus  einer  gemeinsamen 
Quelle  und  gar  aus  Varro  stammen  soli^,  ist  mit  der  oben  ange- 
führten Frontinstelle  absolut  unvereinbar,  denn  hiemaoh  ist  das 
Quinareystem  erst  unter  Augustus  von  Agrippa  oder  Vitruv  er- 
fanden, kann  also  Varro  gamicht  bekannt  gewesen  sein.  Frei- 
lich hilft  sich  Ussing  wieder  damit,  dass  er  behauptet.  Frontin 
rede  von  ganz  etwas  anderem  als  Vitruv  und  ebenso  soll  auch 
PliniuB  von  Vitruv  abweichen.  Diese  letztere  Behauptung  können 
wir,  da  sie  wohl  von  Niemandem  getheilt  wird,  mit  Stillschweigen 
übergehen,  dagegen  wollen  wir  das  Verhältnies  von  Frontin  und 
Vitruv  einmal  näher  ins  Auge  fassen,  da  sich  hier  die  Gelegen- 
heit bietet,  ein  interessantes  Kapitel  antiken  Lebens  zu  be- 
ieochten. 


1  Vgl.  Buecheler,  Rh.  Mus.  37,  327. 

*  Oder,  Quellensucher  im  Alterthum.   Philol.  Suppl.  B.  VII  l.  2 
p.  2.  .  . 

»  Vgl.  dazu  jetzt  auch  Detlefsen,  Untersuch.  1899.  S.  13  ff. 
^  Oder,  Quellensuoher  S.  362. 


22  Degering 

Vitmy  sagt  Folgendes  ΥΠΙ  6.  4:  fistalae  ne  miniie  longae 
pedum  denum  fundantur,  qnae  ei  centenariae  erunt,  pondue  babeaDt 
in  singnlae  pondo  MCC,  ei  octogenariae  pondo  DCCCCLX,  ei  quin- 
quagenariae  pondo  DG,  qaadragenariae  pondo  CCCCLXXX,  tri- 
cenariae  pondo  CCCLX,  vicenariae  pondo  CCXL,  quinum  denum 
pondo  CLXXX,  dennm  pondo  GXX,  octonum  pondo  C,  quinariae 
pondo  LX.  e  latitudine  autem  lamnarum,  qnot  digitoe  habuerint, 
antequam  in  rotundationem  flectantur,  magnitndiuum  ita  nomina 
concipiunt  fistulae.  namque  qnae  lamna  faerit  digitoram  quin- 
qaaginta  cum  fistula  perficietur  ex  ea  lamna,  yocabitur  quinqua- 
genaria  eimiliterque  reliqnae.  Plinine  etimmt  damit  vollkommen 
überein,  nur  daee  er  in  umgekehrter  Reihenfolge  die  Robre  auf- 
führt und  zur  Erklärung  der  Bezeichnung  ein  anderes  Beispiel 
(denaria)  als  Vitrnv  (quinquägenaria)  wählt. 

Zunächst  ist  nun  Ussing  im  Anscbluss  natürlich  an  Schnitz 
der  Meinung,  Vitruv    spreche    von  gegossenen  Röhren,    während 
er  doch  ausdrücklich   und  zwar  zweimal  [lamnarum  antequam  in 
rotundationem   flectantur  —  und   quae  lamna  fuerit  digit.  quinq. 
cum    fistula    perficitur    ex  ea    lamna]    von    der    Herstellung    aus 
Platten    spricht,    und  sich    das   fundantur  natürlich   nur  auf   die 
Herstellung  der  Platten  selbst  bezieht.    Diese  wurden  aber  natür- 
licherweise gegossen,    was    einmal    durch    die    eingegossenen  In- 
schriften hewiesen  wird  und  andererseits  dadurch,  dass  die  Alten 
unsere    moderne  Walztechnik    schwerlich   schon    gekannt   haben, 
wenigstens    müsste  Ussing    wohl  erst    den  Beweis   dafür  liefern. 
Die  Herstellnngstechnik  ist  vielmehr  die,  dass  die  Platten  in  der 
vorgeschriebenen  Grösse  gegossen,*  dann  znr  Erhöhung  der  Dich- 
tigkeit und  Festigkeit  gehämmert,  darauf  über  einen  runden  Dorn 
zusammengebogen   nnd    endlich    durch    eine  Lötnaht  geschloesen 
wurden.    Gegossene  Blei-Rohre  und  zwar  mit  Wandstärken,  welche 
proportional  der  Drnckhöhe  zunehmen,  wurden  nur  da  verwendet, 
wo  die  Leitung    ein  tieferes  Thal  zu   überwinden  hatte  und  also 
demgemäss  die  Röhren  einen  stärkeren  Druck  auszuhalten  hatten. 
Den  ersten  Beweis  dafür,  dass  die  Alten  diese  Technik  kannten, 
verdanken    wir    den  Untersuchungen  des  Herrn  Regiernngs-  nnd 
Baurath  R.  Rassel    über  die    antike  Druckwasserleitnng   des  Be- 
tilienns  Varus    in  Alatri,    der  solche  Röhren    aufgefunden    hat  ^. 
Man    nimmt  nun    gewöhnlich   an,    dass  Vitruv    dieses  Verfahren 
nicht    gekannt  habe,    wie  ich    glaube    mit  Unrecht.     Vitruv    er- 


*  Vgl.  Centralbl.    der  Bau  Verwaltung  1882  u.  Annali  1881,  204. 


Ueber  den  Verfaseer  dor  X  libri  de  Arohitectura  23 

wähnt  die  Sache    wohl,    beschreibt  eie   aber    nicht.     Da,    wo  er 
über  die  Anlage    des  venter  (κοιλία)  spricht,    sagt  er  VIII  6.  6: 
etiam  in  ventre  coUiquiaria^  sant  facienda,  per   quae  yis  spiritue 
relaxetnr.    Plin.  hat  dieselbe  Nachricht  in  folgender  Form:  El,  58 
inanfractu  omni  eolliqaiaria'  fieri,  ubi  dometur  impetae,  neoeeBarium 
est    Das  Wort  colliqniaria,  welches  durch  diese  Uebereinetimmnnip 
von  Vitrav  und  Plinins  gesichert  ist,  kann  nur  von  colliquesco  abge- 
leitet werden,  das  sich  bekanntlich  auf  die  Guestecbnik  bezieht  Die 
beiden  Stellen  würden  also  sachgemäss  übersetzt  lauten:    In  den 
Partien    der  Leitung,    wo  in  Folge    des  Gefälles    und  Wiederan• 
eteigens  ein  stärkerer  Druck  auftritt,    muss  man,   um  den  Druck 
aufzunehmen,    stehend    gegossene    Röhren    mit    proportional    zur 
Druckhöhe    wachsender   Wandstarke    einfügen.     So    erklärt    sich 
Dun  auch  ganz    einfach  eine  Sache,  die    bisher  immer  besondere 
Schwierigkeit    gemacht  hat    und  die    natürlich  auch  von  Schultz 
und  üseing   gegen   den  Techniker  Vitrnv  vorgebracht  worden  ist 
nämlich  die  gleich  massige  Wandstärke  der  in  der  oben  angeführten 
Stelle  erwähnten   Röhren.     Diese  Wandstärke  kann  man  aus  den 
vorliegenden    Angaben    ermitteln.     Es    ergiebt  sich  daraus,    dass 
ein    Plattenstreifen    von    10  Fuss   Länge    und    der  Breite    eines 
römischen   Digitus    12    römische   Pfunde    wog.     Da    der   Digitus 
aber  18,5 mm,  der  Fuss  296  mm  und  das  römische  Pfund  327,5  gr 
betragt,  so  erhalten  wir  also  pro  qcm  Oberfläche  ein  Gewicht  von, 

12  .  327,5  .  1000       _  «.  «. 

18,5  .  296  .  10^'  ""  ^^'^^  ^• 
Dividirt  man  nun  dieseu  Betrag  durch  das  specifische  Gewicht 
des  Bleies  ^=11,  376 — 11,42,  so  findet  man  die  Dicke  der  Platten 
mit  6,3 — 6,2  mm.  In  den  Aufzeichnungen  Bassels  über  die 
pompejanische  Wasserleitung,  die  derselbe  mir  in  liebenswür- 
digster Weise  für  diesen  Zweck  zur'Verfügung  gestellt  hat,  findet 
lieb  eine  ganze  Reihe  von  Röhren  der  verschiedensten  Kaliber 
verzeichnet,  deren  Wandstärke  er  zu  circa  6  mm  angiebt,  stärkere 
inde  ich  überhaupt  nicht  und  nur  einige  wenige  von  geringerer 
Plattenstärke,  z.  B.  2,5  mm  und  4  mm,  die  offenbar  aber  nicht 
Waaserleitnngsrohre  im  strengen  Sinne,  sondern  Abwässer-  oder 
Hegenfallrohre  waren,  d.  h.  also  Rohre,  die  nie  mit  innerem  Drucke 
belastet  waren.  Ebenso  habe  ich  selbst  Gelegenheit  gehabt,  eine 
R«ihe  von  solchen  Röhren  im  Museo  civico  zu  Bologna  zu  unter- 

*  GH  coUiviaria. 

•  codd.  oolliquinaria.  Vgl.  Gundermann  bei  Rose  Vitr.•  Schluss- 
smmerkang.  Ich  habe  übrigens  diese  Richtigstellung  selbstfindig  und 
vorher  gefunden. 


24  Degering 

sQchen.  Aucb  diese  eind  fast  dnrcliweg  von  gleicher  Wandstärke, 
ich  fand  im  Durchschnitt  circa  7,5  mm,  doch  waren  dieselben 
innen  wie  aussen  mit  einer  starken  Sinterschicht  überzogen,  so- 
dass sich  wohl  für  die  reinen  Bleirohre  dieselbe  Stärke  von 
6,3  mm  ergeben  wird.  Eine  Eigen thtimlichkeit  zeigte  sich  jedocli, 
nämlich  die,  dass  der  übergeschlagene  Hand  der  Platten  ver- 
stärkt war;  ich  mass  hier  bis  zu  12  mm. 

Nach  alle  dem  darf  man  also  wohl  behaupten,  dase  die 
gleichmSssige  Plattenstärke  von  circa  6»25  mm  ^=  1  römiecher 
sicilicus  für  die  gelötheten  Wasserrohre,  ganz  wie  Vitruv  berichtet, 
allgemein  gebräuchlich  war.  Diese  auf  den  ersten  Blick  yielleicht 
verwunderliche  Tbatsacbe  findet  ihre  Erklärung  darin,  dase  die 
Widerstandsfähigkeit  solcher  Röhren  ihre  äusserste  Grenze  selbst 
bei  den  grössten  gebräuchlichen  Kalibern,  der  Centenaria  mit 
einem  Durchmesser  von  55  cm,  wohl  nicht  in  der  Plattenstärke, 
sondern  in  der  Löthnaht  fand,  und  andererseits  solche  Bohren 
eben  nur  unter  geringeren  Druckverhältnissen  Verwendung  fanden, 
während  man  dort,  wo  man  eben  über  normale  Druckverhältnisee 
hinausgehen  musste,  oolliquiaria  verwendete.  Bassel  versichert, 
dass  eine  Inanspruchnahme  solcher  gelötheten  Röhren  mit  mehr 
als  5  m  Druck  höhe,  die  ungefähr  einem  halben  Atmosphären- 
druck  entsprechen  würde,  wohl  kaum  bei  den  gewöhnlichen 
antiken  Leitungen  überschritten  worden  sei.  Nach  einer  durch 
die  Praxis  gefundenen  Formel,  welche  im  Taschenbuch  des  In- 
genieurs (Hütte)  1883.  S.  233  mitgetheilt  ist,  gilt  für  Röhren  mit 

innerem  Druck  die  Formel :  ö  —  V2  ^  ^  +  c> 

k 

wo  b  die  Wandstärke, 

d  der  innere  Durohmesser  in  cm, 

ρ  der  innere  üeberdruok  i  in  kgr 

k  die  zulässige  Belastung  >     pro 
(Zugfestigkeit)  )    qcm, 

c  (eine  Constante)  für  Blei  5,5  mm 
bedeutet.  Demnach  würde  also  eine  Centenaria  Vitruvs  (von 
der  Naht  abgesehen)  bei  einer  Plattenstärke  von  6,8  mm,  einem 
inneren  Durchmesser  von  55  cm  und  einer  zulässigen  Belastung 
des  Bleis  von  62  kgr  ^  (Koppe,  Physik  1887  S.  9)  pro  qcm,  für 
den  inneren  üeberdruck 

^  Die  Zugfestigkeit  des  Bleies  wird  übrigens  sehr  versohieden  ange- 
geben so  z.  B.  in  Meyers  Convers.-L.  auf  mehr  als  das  Doppelte  nämlich 
128  kgr.   Dadurch  würde  das  Verhältniss  natürlich  noch  ein  günstigeree. 


üeber  den  Yerfaeser  der  X  libri  de  Architectuni  25 

p  =  124— "^^=l,7226kgr  pro  qcm 

DO 

ergeben  d.  h.  also  eine  solche  Röhre  (reep.  ihre  Wandung) 
würde  einen  mehr  als  dreifachen  Drnck  aueznhalten  im  Stande 
sein,  als  oben  aDgenommen  wurde;  ob  auoh  die  Lötlinabt  d\eeer 
Kraft  gewachsen  sein  würde,  iet  nur  durch  praktische  Versuche 
zu  entscheiden.  Jedenfalls  hing  hier  auoh  viel  von  dem  Masse 
der  Sorgfalt  ab,  mit  dem  dieselbe  ausgeführt  wurde. 

Soviel  iat  aber  ohne  Weiteres  sicher,  dass  der  Vorwurf, 
welchen  Schnitz  und  üssing  gegen  Vitruy  erheben,  dass  es  un- 
gereimt sei  für  die  Röhren  mit  grossem  und  kleinem  Querschnitt 
dieselbe  PlattenetKrke  vorzuschreiben,  völlig  gegenstandslos  ist, 
und  eben  nur  ihre  Cnkenntniss  der  Thatsachen  antiker  Praxis 
beweist. 

Man  braucht  nun  aber  keineswegs  anzunehmen,  dass  die 
Yitruv'schen  Gewichtsangaben  durchaus  als  absolute  Werthe  an- 
zusehen  seien,  sondern  es  scheinen  vielmehr  Minimalsätze  zu 
eein,'  die  er  giebt.  Er  meint  eine  Quinaria  von  10  Fuss  Länge 
soll  mindestens  60  Pfd.,  eine  Denaria  mindestens  120Pfd. 
wiegen  n.  s.  w.;  denn  dadurch  wird  die  erforderliche  und  übliche 
Plattenetftrke  von  einem  Digitus  gewährleistet.  Die  Gleichmässig- 
keit  derselben  war  also  praktisch  insofern  von  grossem  Werthe 
als  sie  eine  leichte  und  sichere  Controlle  darüber  durch  das 
Gewicht  ermöglichte,  ob  die  Röhre  auch  die  rechte  Stärke  hatte. 
Eine  Differenz  von  ^/jomm,  die  durch  Messung  sehr  schwer  zu 
constatiren  ist,  würde  für  die  Centenaria  schon  eine  Gewichts- 
differenz von  20  Pfd.  ausmachen  und  selbst  bei  einer  Quinaria 
lehon  1  Pfd.  betragen,  d.  h.  also  mit  Leichtigkeit  zu  constatiren 
sein.     Es  ist  also  auch  hier  Vitruv  durchaus  der  Praktiker. 

Ich  komme  nun  zu  dem  Verhältniss  zwischen  Vitruv  und 
Frontin  speciell.  Schultz  und  mit  ihm  üssing  behaupten,  dass 
das,  was  Vitmv  über  das  Quinarsystem  berichte  und  mit  ihm  und 
SOS  ihm  Plinius,  die  Epitome  und  Palladius,  nicht  zu  dem  stimme, 
was  Frontin  gewissermassen  officiell  darüber  mittheile.  Um 
diese  Ansicht  zu  prüfen,  ist  es  nothwendig,  den  Gedankengang 
Frontins  von  §24 — 31  genauer  zu  verfolgen.  Er  sagt:  Die  Wasser- 
modali  richtete  man  zuerst  ein  nach  dem  Digitus  oder  nach  dem 
Unzenmass;  der  nach  dem  Digitalmass  bestimmte  Modnlus  gilt 
in  Campanien  und  den  meisten  Orten  Italiens,  der  nach  der 
Tnze  bestimmte  in  einem  Theile  von  Latium  (oder  wie  man 
sonet  die  vorhandene  Corruptel  ergänzen  will)  noch  heute.    Man 


2β  Degering 

untereobeidet   zwiechen  Digitus  qnadratne   and  Digitns  rotnndae. 
Das  Verbältnise   beider    ist    14  :  11    (er   rechnet  ako    wie  Yitr. 


22\ 


Später  wurde  (in  Rom  natürlich)  ein  Modalns  eingeführt, 
der  weder  von  der  Unze  noch  von  einem  der  beiden  Digiti 
(rotnndae  and  qnadratne)  aaeging,  wie  die  £inen  sagen  durch 
Agrippa,  wie  die  Anderen  sagen  durch  die  Bleirobrfabri kanten 
unter  der  Vermittlung  des  Architekten  Yitruy^,  und  gelangte  in 
der  Stadt  zu  aussobliesslicber  Herrschaft,  derselbe  (Modulus) 
wurde  Quinaria  benannt.  Und  zwar  behaupten  die,  welche  seine 
Erfindung  dem  Agrippa  zuschreiben,  dass  er  deshalb  so  benannt 
sei,  weil  5  alte  moduli  nunmehr  zu  einem  Rohre  zusammen- 
gelegt wurden ;  die  aber,  welche  Yitruy  und  die  Bleirohrfabrikanten 
als  Urheber  ansehen,  behaupten,  der  Name  leite  eich  davon  ab, 
dass  eine  Blei  platte  von  5  Digiten  Breite,  zu  einer  Röhre  zu- 
sammengebogen, gerade  diesen  Modulus  hervorbringe.  Aber  das 
ist  doch  nur  eine  unsichere  Bestimmung,  da  die  Innen- 
seite der  Platte,  wenn  dieselbe  rund  gebogen  wird, 
zusammengedrückt  (verkürzt),  die  Aussenseite  da- 
gegen ausgezogen  (verlängert)  wird.  Die  wahrschein- 
lichste Annahme  ist  die,  dass  die  Quinaria  nach  einem  Durch- 
messer von  ^4  Fingern  benannt  ist,  und  diese  Erklärung  passt 
auch  für  die  folgenden  moduli  bis  zur  vioenaria,  indem  bei  jeder 
höheren  der  Durchmesser  um  V^  Digitus  wächst. 

§  26  folgt  dann  eine  Bestimmung  der  eröseenverhältnisse 
der  Quinaria,  Unze,  Digitus  quadratus  und  Digitus  rotundus,  wobei 
die  Quinaria  als  Einheit  gesetzt  wird. 

Es  wird  gesetzt 
Quinaria  Unze'  Digitus  quadr.  Digit.  rot. 

1  Hü  Ve  «/b6 

1,13777...  0,83333  .  .  0,63888  .  . 

genauer  genauer  genauer 

1,137731  0,8145  .  .  0,64 

1  Modalns  bedeutet  hier  das  Nonnalmass  des  an  Private  abge- 
gebenen Waeeerquantums,  nicht  aber  die  beiden  oben  angeführten  Masa- 
einheiten,  vielmehr,  wie  aus  dem  Verhältniss  hervorgeht,  nur  einen 
Brocfatheil  and  zwnr  entspricht  ungefähr  V4  Dig.  quadr.  der  ange- 
führten Bedingung. 

•  Die  Verbeeeerung  des  Polenus  ist  die  richtigere.  Frontine -An- 
gaben sind  NiheruDgswerthe  nach  dem  römisch-technischen  Bruchsysteni. 


üeber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Archiiectur»  27 

Im  Uebrigen  wacbeen  nun  die  (offioiellen)  moduli,  welobe  auf 
der  Qninaria  bernben,  von  da  ans  auf  zweierlei  Weiee  an.  Ein- 
mal Bo,  daee  die  Qainaria  selbst  mnltiplicirt  wird,  d.  b.  wenn  in 
ein  und  derselben  liebten  Robrweite  mebrere  Quinarweiten  zn- 
sammengefasst  sind,  wobei  die  liebte  Weite  wäcbst  im  Verbal t- 
nies  zu  der  Anzahl  der  bin  zugefügten  Qninarien.  Dieses  System 
wird  dann  gewöhnliob  angewendet,  wenn  die  Abgabe  mehrerer 
Quinarien  (als  das  Mass  des  an  Private  abgegebenen  Waeser- 
qnantnms  vergl.  vorher  §  25)  neu  bewilligt  und  diese,  damit 
nicht  eine  mehrfache  Anbohrang  der  Hauptleitung  nötbig  wird, 
in  einer  Rohrleitung  vereinigt  und  zu  einem  Castel  geleitet  wird, 
TOD  dem  aus  die  einzelnen  Abnehmer  jeder  sein  Quantum  (Qui- 
naria)  erbftlt. 

Das  andere  System  bat  •  statt,  wenn  der  Zuwachs  der  Robr- 
weite nicht  nach  ganzen  Quinarien  sich  berechnet,  sondern  nach 
dem  Masse  ihres  Durcbmessers,  wonacb  sie  dann  auch  ihre  Be- 
nennung erhält  und  wonacb  sich  die  Grösse  ibrer  Ansflussmenge 
regelt:  z.  B.  die  Quinaria  wird  zur  Senaria,  wenn  ibr  Durch- 
messer um  V4  Digitus  wäcbst.  Aber  ibre  Capacität  wächst  nicht 
um  den  vollen  Betrag  einer  Quinaria,  denn  die  Senaria  fasst 
iVis^  Quinaria,  und  in  dieser  Weise  wachsen  nach  denselben 
Prinzipien  je  durch  Hinzufügen  eines  Viertel digitus  zum  Durcb- 
messer,  wie  schon  vorbin  erwäbnt  wurde  (§  25),  die  Septenaria, 
die  Octonaria  u.  s.  w.  bis  zur  Vicenaria  an. 

Yon  hier  ab  aber  tritt  ein  anderes  Reohnungsprinzip  ein, 
nämlich  jenes,  das  nach  der  Zabl '  der  Quadratdigiti  reebnet,  die 
in  dem  Querscbnitt,  d.  b.  in  der  liebten  Rohrweite,  eines  jeden 
Modulus  enthalten  sind,  und  nach  diesen  Zahlen  werden  dann 
die  Röhren  (moduli)  benannt.  Denn  eine  solche  Röhre,  welche 
einen  Querschnitt  von  25  in  eine  Kreisfläche  verwandelten^ 
Qnadratdigiten  bat,  heisst  eine  25er  Röhre,  in  ähnlicher  Weise 
eine  30er  und  so  der  Reihe  nach  mit  dem  gleichen  Zuwachs 
^on   je    5  Quadratdigiten   bis   zur   120er  Röhre.     Bei    der  20  er 


^  Das  ist  auch  wieder  nur  ein  Näherungswerth  nach  dem  tech- 
nischen Brachsystem;  genau  masste  es  beissen  l^Vas• 

*  Ussing  S.  111  behauptet  unter  ausdrücklicher  Berufung  auf 
diesen  Paragraphen:  'Bei  grösseren  Massen,  vicenaria  bis  centenum 
vicenum  rechnete  man  aber  nicht  nach  Durchmessern  sondern  nach 
Κ  reis  umfangen. 

*  Statt  ooacti  lese  ich  coactos  ed.  digitos  qoadratos  viginti 
qninque  cf.  8.  14,  25  digitus  quadratus  in  rotundum  redactus. 


28  Degering: 

Köbre,  welche  auf  der  Grenze  beider  Reohnungsmethoden  liegt, 
treffen  beide  annähernd  zu.  Denn  nach  der  Rechnung,  welche 
bei  den  vorangehenden  (d.  h.  quinaria  bis  vicenaria)  Modulen 
zur  Anwendung  kommt,  hat  sie  im  Durohmeeser  *%  DigitenS 
(und)  da  nun  ihr  Durchmeeeer  also  5  Digiten  beträgt,  eo  hat 
sie  auch  gemäse  der  Rechnungsmethode  der  Moduli,  welche  nach- 
folgen (vicenaria  —  centenum  vicenum),  einen  Querschnitt,  der 
nur  um  ein  ganz  geringes  kleiner  ist  als  20  Quadratdigiten '.  So 
wie  wir  hier  also  aueeinandergeeetzt  haben,  verhält  ee  sich  mit 
dem  Eöhreneystem  von  der  Quinaria  bis  zur  120er  Röhre,  und 
dieses  ist  dann  in  allen  seinen  Theilen  consequent.  Ausserdem 
passt  es  auch  zu  den  Rohrweiten,  welche  durch  die  Aueführungs- 
bestimmungen  unseres  glorreichen  und  erhabenen  Herrschers  ge- 
setzlich festgelegt  worden  sind.  Mag  man  also  Gousequenz  oder 
Autorität  von  einem  System  verlangen,  so  zeichnet  sich  in  beiden 
Beziehungen  das  System  der  Ausführungebestimmungen  vor  anderen 
aus.  Soweit  Frontin !  Aus  diesen  Ausführungen  geht  nun  aber 
Folgendes  hervor: 

Erstens:  Vor  der  Einführung  der  Quinaria  rechnete  man 
nach  anderen  Syetemen,  aber  alle  diese  Systeme  stimmen  darin 
überein,  dass  sie  die  Ausflussmenge  nach  dem  Querschnitt  der 
Röhre  bestimmen^. 

Zweitens :  Die  Quinaria  stammt  aus  der  Augusteischen  Zeit. 

Drittens :  Zu  Frontins  Zeiten  wusste  man  den  Urheber 
dieses  Systems  nicht  mehr  mit  Bestimmtheit  zu  nennen,  und  war 
sich  auch  nicht  mehr  über  den  Ursprung  des  Systems  und  seiner 
Benennung  klar. 

Viertens:  Den  beiden  herrschenden  Ansichten  über  den  Ur- 
sprung der  Benennung  stellt  Frontin  eine  dritte  gegenüber  und 
zwar  deshalb,  weil  es  ihm  darum  zu  thun  ist,  das  von  seinem 
Gönner   und  Kaiser  (Nerva)    wohl    unter    Frontins    eigener   Mit- 


^  Die  einzige  Aenderung  welche  nöthig  ist,  ist  ein  et  vor  cum 
einzusetzen. 

2  Nach  §  24  ^^  =  19,*>43  Quadratdigiten.    Nach  den  heutigen 

π .  25 
math.  Rechnungemethoden  — '-j^  also  etwas  weniger:  19,63495. 

^  Von  der  Thatsache,  dass  die  Ausflussmenge  auch  wesentlich 
von  der  Druckhöhe  (d.  h.  der  Höhe  des  Wasserspiegels  über  der  Aus- 
flussöffnuiig)  abhängig  ist,  scheint  das  Alterthum  nur  eine  ungenügende 
Vorstellung  gehabt  zu  hal)en.     Vgl.  Frontin  I  35. 


Üeber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Arcbitectura  29 

Wirkung    darch    ein    AasfÜhrungegeeetz    feetgesetste    Syetem    als 
rationell  zu  erweisen. 

Fünftens:  In  diesem  Syetem  erscheint  Altes  und  Neues  ge- 
mischt. Ken  iet  der  auf  der  Zählung  von  Digitalquadranten  des 
Darchmeseere  beruhende  Sjstemabschnitt  von  der  Quinaria  bis 
m  Vicenaria,  alt  dagegen  und  auf  das  vor  dem  Angusteischen 
Qainarsj Stern  übliche  Syetem  der  Digiti  quadrati  zurückgreifend 
ist  der  übrige  Theil. 

Um  aber  diese  Mischung  homogen  zu  verbinden  durch  das 
Mittelglied  der  20er  Röhre,  ist  eben  die  neue  Erklärung  er* 
fanden. 

Die  Qainaria  Frontine  ist  selbstverständlich  genau  dieselbe 
alsdie  VitruTsche.  Dieselbe  war  rIr  Normalmass  für  die  Wasser- 
abgabe  an  Private  gesetzlich  eingeführt^,  und  hatte  sich  wohl 
all  ausreichend  erwiesen.  Eine  Aenderung  hierin  wäre  also  schon 
wegen  der  vielen  £inzelanschlüs8e,  die  hätten  geändert  werden 
miiii^en^  eine  missliche  Sache  gewesen.  Es  geht  das  aber  auch  aus 
den  Worten  Frontine  (§  25)  Bervor,  denn  wenn  er  nach  den 
beiden  anderen  Erklärungen  fortfährt:  maxime  probabile  est, 
qainariam  dictam  a  diametro  quinqne  quadrantum,  so  will  er 
d&mit  doch  offenbar  nur  eine  dritte  Erklärung  für  dieselbe  iden- 
tische Sache  geben.  Zum  Ueberflusse  lässt  sich  aber  auch  noch 
rechnerisch  die  Identität  der  Vitruvschen  ( Augusteischen)  Quinaria 
mit  der  Frontinechen  nachweisen.  Wenn  man  eine  Platte  rund 
biegt/  so  dase  sie  eine  Röhre  bildet,  so  ist  der  innere  Durch- 
messer dieser  Rohre  offenbar  nicht  gleich  der  Breite  der  Blei- 
platte dividirt  durch  π,  sondern  genau  um  eine  Plattenstärke 
f^eringer,  weil  die  Krümmungsaxe  der  Platte  in  der  Mitte  der- 
selben liegt  und,  wie  Frontin  (§  25)  richtig  bemerkt,  die  äusseren 
^cbichten  gedehnt,  die  inneren  dagegen  zusammengedrückt  werden. 
IHe  Platteitetärke  haben  wir  aber  oben  auf  6,25  mm  berechnet, 
QDd  da  die  Breite  der  Platte  5  Digiti  beträgt,  so  ist  also  der 
innere  Durohmesser 

X  =  ί  — ^ — *-  —  6,25)mm  =  23,1  mm. 

Nach  Frontine  System   ist  aber  der  innere  Durchmesser  ^4  Di- 
giten  =  23yl25  mm. 


*  cf.  Frontin  II  106.  ans  einem  Gesetz:  neve  cui  eorum,  quibus 
aqua  daretur  publice  jus  esset  intra  quinquaginta  pedes  ejus  caetelli 
ex  quo  aquam  ducerent  laxiorem  fistulam  subicere  quam  quinariam. 


30  Degeringf. 

Dazu  ist  aber  noch  Folgendes  za  bemerken :  Die  groeee 
Genauigkeit,  welche  Frontin  hier  für  die  Kaliber  der  Rohrleitungen 
in  Anspruch  nimmt,  iet  de  facto  bei  der  Herstellungsweise  der 
Röhren  garnicht  möglich,  da  der  Querschnitt  derselben  infolge 
der  Löthnaht  kein  kreisrunder  war.  Eine  solche  Genauigkeit  war 
nur  möglich  bei  den  Calices  d.  h.  den  (gebohrten  oder  ge- 
gossenen) kurzen  Bronzerohren,  welche  in  die  Wand  eines  Ca- 
stelles  eingelassen  wurden  und  an  die  dann  erst  die  Leitungs- 
röhren anschlössen.  Diese  Calices  mussten,  wie  wir  durch  Frontin 
(Π  105)  erfahren,  seit  Claudius  geaicht  werden,  um  absichtliche 
oder  unabsichtliche  Uebervortheilung  einzelner  Wassererapfänger 
auszuscbliessen,  und  bei  dieser  Gelegenheit  mag  dann  auch  die 
endgültige  Fixirung  der  Quinaria  auf  den  Durchmesser  von 
V4  l^igitci^  stattgefunden  haben,  da  eine  Prüfung  der  kreisrunden 
Oeffnungen  der  Calices  natürlicherweise  am  leichtesten  und  sicher- 
sten durch  Messen   des  Durchmessers  ausgeführt  werden  konnte. 

Schultz  und  Ussing  begehen  also  einen  Fehler,  wenn  eie 
dieses  Aichungsprinzip  auch  auf  das  Vitruvsche  System  über* 
tragen.  Dieses  war  seinem  Ursprung  und  seiner  Bestimmung 
nach  nur  ein  in  Rücksicht  auf  die  Fabrikation  und  den  Handel 
der  Röhren  ersonnenes,  während  dem  neuen  Systeme  andere 
juristische  Motive  zu  Grunde  lagen,  welche  die  gesetzliche  Rege- 
lung und  Ueberwachung  der  Wasservertheilung  bezweckten.  Beiden 
gemeinsam  war  nur  der  gleiche  Ausgangspunkt,  die  Quinaria. 
Für  die  Wasservertheilung  selbst  war  das  Vitruv'sche  System 
dagegen  nicht  sehr  geeignet,  dieser  Vorwurf  trifft  aber  den  ersten 
Theil  des  offiziellen  Frontin'schen  Systems  in  dem  gleichen  Masse, 
da  sie  beide  auf  einem  gleichmässigen  Zuwachs  einer  linearen 
Grundlage  (Umfang,  Durchmesser)  beruhen,  dem  nur  dann  ein 
reohnungmässig  einfacher  Zuwachs  des  Querschnittes  entspricht, 
wenn  der  Zuwachs  der  linearen  Grundlage  einer  Verdoppelung 
oder  Verdreifachung  u.  s.  w.  entspricht. 

Es  ist  nun  aber  wunderbar,  dass  dieses  Frontin'sohe  nene 
System  gerade  da  wieder  aufhört,  wo  es  eigentlich  anfangt  praktiscli 
verwerthbar  zu  werden,  nämlich  von  der  Vicenaria  an,  von  der 
aus  immer  in  solchen  Stufen  von  5  zu  5  Einheiten  aufgestiegen 
wird,  und  wir  gerade  hier  das  alte  vor-Vitruv*sche  System  in  Gel- 
tung sehen,  das  zu  der  Quinarie  nicht  in  einfachem  rechnerischen 
Verhältniss  steht.  Es  zeigt  uns  dieser  Umstand  recht  deutlich,  was 
das  neue  System  eigentlich  bedeutet.  Offenbar  hatte  die  Quinaria, 
aliein  von  dem  ganzen  Vitruv'sohen  System    als    das  Grundmasa 


Deber  den  VerfaMer  der  X  libri  de  Architeotura  31 

der  Waeeerabgabe  gefletzliche  Gültigkeit  und  Aoerkennang  ge- 
funden, dagegen  war  im  Uebrigen  das  alte  Maee  des  Digitus  qua- 
dratae  in  Gebrauch  geblieben,  wenn  sich  aach  daneben  ein  Usue 
entwickelt  hatte,  nach  Multiplen  der  Qainaria ,  zu  rechnen  (of. 
Front.  27).  Das  neue  System  ist  nichts  weiter  als  ein  Versuch, 
diese  Masssysteme  mit  einander  zu  verknüpfen,  und  dieser  Ver- 
sach  ist  nar  in  recht  äusserlicher  Weise  durchgeführt  durch  das 
Mittelglied  der  Vicenaria,  in  der  beide  Systeme  zufällig  annähernd 
znsammentraf en . 

Das  Vitmv'eche  System,  das,  wie  wir  vorhin  erörtert  haben, 
eigentlich  nur  einen  handelspraktischen  Werth  hatte,  konnte  neben 
diesem  juristischen  Masssystem,  das  sich  auf  die  Aichung  der 
Calices  bezog,  ruhig  nebenher  bestehen  und  wird  auch  weiter  be- 
standen haben,  denn  so  unpraktisch  werden  weder  Faventin  noch 
Palladius  gewesen  sein,  daes  sie  ihrer  Quelle  etwas  entnahmen, 
was  für  ihre  Zeit  werthlos  gewesen  wäre.  Man  sieht,  es  ist 
aach  hier  kein  Grund  zu  irgend  welchen  Vorwürfen  gegen  den 
Techniker  Vitruv. 

DasB  man  S.  207,  2  mit  Rose  sioilico  statt  semipede  schreiben 
mass,  ist  eigentlich  so  selbstverständlich,  dass  man  sich  wundern 
mu8s,  wie  Jemand  dagegen  überhaupt  etwas  einzuwenden  haben 
kann ;  wenn  je  eine  Conjektur  richtig  war,  so  ist  es  diese.  Dass 
die  Verderbniss  alt  ist,  beweisen  die  £pitome  und  Palladius,  die 
pede  semis  beziehungsweise  sesqnipede  haben.  Die  Erklärung, 
die  Ussing  von  der  Palladiusstelle  giebt,  ist  unmöglich,  denn 
ßensim  heisst  nicht  um  ein  Geringes  sondern  alimählich, 
nach  und  nach.  Aus  der  £pitome  und  aus  Palladius  ist  eben 
der  Fehler  nicht  mehr  wegzubringen,  da  sie  ihn  bereits  über- 
nommen hatten. 

Ueber  die  Stellen  im  33.  Buche  würden  wir  nach  dem 
oben  begründeten  Standpunkte  hinweggehen  können,  da  wir  un- 
bedenklich zugeben  können,  dass  die  hier  vorkommenden  Paral- 
lelen nicht  ans  Vitruv  stammen.  Es  würde  auch  wunderbar  sein, 
wenn  Plinius  gerade  für,die  Farben  Vitruv  als  Quelle  benutzt  haben 
iollte.  Plinius  weiss  hier  auch  viel  mehr  als  Vitruv.  Er  kennt 
Kwei  Arten  von  Minium,  den  Bergzinnober  und  die  Mennige,  die 
durch  Rösten  von  Bleioxyden  hergestellt  wird«  Er  weiss,  dass 
mit  dem  zweiten  in  Rom  Schwindel  getrieben  wird,  indem  es  statt 
des  echten  Zinnobers  verkauft  wird.  Er  fällt  aber  trotzdem  auf 
dieselben  Schwindelproben  hinein,  welche  die  Güte  des  echten 
Zinnobers    beweisen  sollen,    aber  nur  für  die  Mennige  zutreffen. 


32  Degering 

und  auf  die  auch  Vitruy  hineingefallen  ist,  der  den  Unterschied 
zwischen  Bergzinnober  und  Mennige  überhaupt  nicht  kennt. 

Daes  bei  Pliniue  121  mit  invenio  et  calce  adulterari  eine 
neue  Quelle  einsetzt  und  zwar  dieselbe,  die  auch  Vitruv  benutzte, 
liegt  auf  der  Hand.  Die  Stelle  bei  Plinius  lautet:  invenio  et 
calce  adulterari,  ac  simili  ratione  ferri  candentis  lamna,  si  non 
sit  purum  (aurum  codd.)  deprehendi.  inlito  solis  at^ue  lunae 
contactus  inimious,  remedium  ut  pariete  siccato  cera  Punica  cum 
oleo  liquefacta  candens  saetis  inducatur  iternmque  admotis  gallae 
(sie  codd.)  carbonibus  inuratur  ad  sudorem  usque,  postea  cande- 
lis  subigatur  ac  deinde  linteis  puris,    sicut  et  marmora  nitescunt. 

Dem  entspricht  bei  Vitruy:  Vitiatur  minium  admixta 
calce.  Itaque  si  qui  velit  experiri  id  sine  vitio  esse,  sie  erit 
faciendnm.  Ferrea  lamna  sumatur,  eo  minium  imponatur,  ad  ignem 
conlocetur  donec  lamna  candescat.  Cum  e  candore  color  mutatue 
fuerit  eritque  ater,  tollatur  lamna  ab  igni  et  sie  refrigeratum  si 
restituatur  in  pristinum  colorem,  sine  vitio  esse  probabitur,  sin 
autem  permanserit  nigro  colore,  eignificabit  se  esse  vitiatum, 
und  die  Geschichte  vom  Faberius  scriba  —  at  si  qui  sub- 
tilior  fuerit  et  voluerit  expolitionem  miniaceam  suum  colorem 
retinere,  cum  paries  expolitus  et  aridus  fuerit,  ceram  punicam 
igni  liquefactam  paulo  oleo  temperatam  saeta  inducat,  deinde  postea 
carbonibus  in  ferreo  vase  oompositis  eam  ceram  a  proximo  cum 
pariete  calfaciundo  sudare  oogat,  faciatque  (fiatque  codd.)  ut 
peraequetur,  deinde  tunc  candela  linteisque  puris  subigat,  uti  signa 
marmorea  nuda  curantur. 

Nicht  Plinius  ist  aber  der  genauere,  sondern  Vitruv.  Mennige 
erhitzt,  wird  schwarz  und  wird  wieder  roth,  so  bald  sie  sich  ab• 
kühlt,  ob  ein  Kalkzusatz  irgend  welcher  Art  stattfindet,  sei 
es  Calciumhydrat,  kohlensauer  Kalk  oder  Gyps,  das  macht,  wie 
ich  selbst  probirt  habe,  nichts  aus.  Zinnober  dagegen,  mit  oder 
ohne  diese  Zusätze,  zersetzt  sich  bei  der  Erhitzung  und  bildet 
ein  schmutzig- dunkelbraunes  Pulver,  das  nicht  wieder  roth  wird 
beim  Frkalten.  Die  Probe  ist  also  offenbar  nichts  weiter  als  ein 
Schwindel  seitens  der  Mennige- Fabrikanten.  Vitruv  hat  davon  keine 
Ahnung,  sondern  hält  die  Mennige  wirklich  für  echten  Zinnober, 
Plinius  aber,  der  den  Unterschied  kennt,  da  man  offenbar  in- 
zwischen und  wohl  erst  seit  kurzer  Zeit  hinter  diesen  Fabrik a- 
tionsBchwindel  gekommen  war  (hoc  est  secundarium  minium  per- 
quam  paucis  notum  ΧΧΧΙΓΓ  119)  sündigt  aus  Urtheilslosigkeit, 
wenn  er  trotzdem  diese  Schwindelproben  aufnimmt. 


Ueber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architeotura  33 

Auch  im  zweiten  Theile  kann  es  eich  de  facto  nnr  nm 
Mennige  handeln,  die  unter  Mitwirkung  des  Sonnenlichtes  darch 
die  ammoniakhaltigen  Anadtinetongen  der  Abortgrnben,  woran  es 
im  Plebejerviertel  Koma  wohl  nicht  gefehlt  haben  wird,  allmählich 
zersetzt  wird.  Die  von  Vitrnv  und  Plinins  beschriebene  Schatz- 
decke von  Wache  ist  jedenfalls  als  Mittel  dagegen  sehr  zweck• 
massig.  Für  die  £rklärang  der  Plinianischen  Fassung!  füge  ich 
noch  hinzu,  dass  gcdlae  Dativ  sein  muss  und  nicht  Genetiv. 
Ädmotis  gallae  carbonibus  ist  gleich  admotis  carbonibus  ad  gallam 
und  galla  bedeutet  die  Haut,  die  Oberfläche.  In  dieser  Be- 
deutung existirt  das  Wort  noch  heute  im  Italienischen  in  sprich- 
wörtlichen Redensarten  stare  α  gaUa^  rimanere  α  gada,  £s  findet 
eich  aber  auch  bei   Macrobius. 

Die  Stelle  II  6  lautet  folgendermassen:  Post  hunc  Caecina 
Albinus  Plancus  in  judicio  forte  amici  cum  molestum  testem 
destruere  vellet,  interrogavit,  quia  sutorem  sciebat,  quo  artificio 
se  tueretur.  iUe  urbane  respondit  gallam  subigo,  sutorium  hoc 
habetur  inst rumen tum  quod  non  infacete  in  adulterii  ezprobrationem 
ambignitate  convertit.  nam  Plancus  in  Maevia  Galla  nupta  male 
andiebat.  Macrobiue  kennt  also  das  vulgäre  Wort  offenbar  selbst 
nicht,  denn  das,  was  er  davon  sagt  sutorium  instrumentum  Juxbetur, 
ist  sicherlich  falsch,  denn  für  eine  solche  Bedeutung  haben  wir 
aoDst  nicht  das  geringste  Zeugniss;  auch  passt  die  Conetruktion 
des  Witzwortes  ja  garnicht  dazu  —  gallam  subigere  kann  doch 
nur  heissen  ^ etwas  glattstreichen  d.  h.  entweder  etwas  (eine 
Tioctur)  auf  einen  Gegenstand  durch  Streichen  glatt  aufbringen 
oder  etwas  (einen  Gegenstand)  durch  Streichen  glätten.  Die 
richtige  Pointe  des  Witzwortes  ergiebt  sich  eben  erst  wenn 
gada  die  Haut,  das  Leder  bedeutet.  Mit  Galläpfelsaft  arbeitet 
nicht  der  Schuster,  sondern  der  Gerber.  Wohl  aber  ist  das 
Walken  des  Leders  eine  wesentliche  Beschäftigung  des  Schusters. 

Im  35.  Buche  hört  selbstverstäDdlich  das  Capitel  über  das 
Atramentnm  41.  42  nicht  zu  dem  aus  Vitrnv  entnommenen  Gute, 
die  Benutzung  beginnt  erst  da,  wo  wirklich  Vitrnv  als  Autorität 
in  Frage  kommt,  nämlich  bei  dem  Capitel  über  die  Ziegelfabrikation 
170—173. 

Vitr.   Π,  8,  1  codd.  Plin.  35,  170  f.  codd. 

Don  enim   de  harenoso  neque  Lateres  non  sunt  ex  sabuloso 

calenloso  Into  neque  sabulonoso      neque  harenoso  multoque  minus 
loto    sunt      ducendi     quod    ex      calculoso  ducendi  solo  — 
hie  generibae  etc.  (Begründung), 

Bbein.  Mn*.  t  PhÜoL  M.  F.  LVU.  3 


34  Dej^ering 

faciendi  antem  sunt  ex  terra  eed  e  cretoso  et  albicaote  aat 
albida  cretosa  sive  de  rabrica  ex  mbrica  vel  etiam  e  sabcio. 
aot  etiain  masciilo  eabalone.  maaciilo  certe. 

Die  Uebereinstinunuiig  beider  Stellen  iet  eo  groee,  daae  wir 
die  bandacbriftliche  Leen  Dg  der  einen  ans  der  anderen  bericbtigen 
können.  Bei  Vitruv  ist  mit  Roee  statt  Mibnlonoeo  lato,  sabolone 
•oloto  zn  Bebreiben  cf.  VLII  1,  denn  ibm  wird  ein  anderer  eabulum 
oder  sabnlo  nacbber  bei  Plinine  nnd  Vitruv  entgegengesetzt.  Bei 
Plinins  ist  dae  sinnlose  certe  am  finde  za  streicben  und  dafür 
binter  mbrica  ereta  einzosetzen,  das  vom  Etande  ber  an  falscber 
Stelle  eingesetzt  nnd  zn  certe  verderbt  worden  ist.  mbrica  allein 
stebend  ist  der  rotbe  Ocker,  ein  Farbatoff.  Bei  Vitmy  ist  zu 
mbriea  terra  cretosa^  bei  Plinins  solo  zn  cretoso  et  albicaote  (im 
Gedanken)  zu  ergänzen. 

Wovon  bier  aber  die  Rede  ist,  das  ist  nor  der  angebrannte 
Ziegel,    der   Lnftziegel    and    Nicbts    weiter.     Dae    ganze  Capitel 
Vitr.  U  3    bandelt  nnr   von    soloben,    aber  ebenso    aocb  Plinius 
170 — 173.    Eine  Verwecbslang  von  gebrannten  and  angebrannten 
Steinen    ist    von  Seiten  Vitravs    sowobl    wie  von    eeiten  Plinins' 
völlig    ansgescblossen.     Das  Material   des  Palastes  des  Mausolns 
und  des  Palastes  der  Attalid en  mnss  also  eben  der  Lnftziegel  ge- 
wesen sein,     üssing  freilieb,  obwobl  er  S.  113  aasdrücklicb  an- 
erkannt hat,  dass  der  ganze  Abschnitt  nar  von  Luftziegeln  rede, 
bat    das  auf  der  folgenden  Seite    bereits    vergessen,    and   meint, 
Plinins  gebe  bier  (§  171)  stillscbweigend  zu  gebrannten  Steinen 
über.    Noch  weniger  thut  das  aber  Yitruv  in  den  entsprechenden 
Partien    II  8,  9~17,    denn  er    setzt  der    latericia    structura   am 
Schlüsse  derselben  ausdrücklich  die  structura  teetacea  gegenüber, 
deren  Verwendung    er   hier  nnd    im  Folgenden    auf  Pfeiler    and 
einen  oberen  Scbutzrand  für  Luftziegelmaaern  beschränkt  wissen 
will,    während   er  den  Backstein  mauerbau  nur    mit  vorsichtiger 
Reserve  empfiehlt.     Vitruv  sagt:    De  ipsa  autem  testa  si  sit  op* 
tima  seu  vitiosa  ad  structuram  statim  nemo  potest  judioare,  quod 
in  tempestatibus  et  aestate  (aetate  Rose)  in   tecto  cum  est  conlo- 
cata,    tunc    si    est  firma    probatnr.     namque   quae  non    fuerit    ex 
creta    bona  aut    pamm  erit    cocta,    ibi  se  ostendit    esse  vitioaam 
gelicidiis    et  pruina   tacta.     ergo  quae    non  in  tectis  potent  pati 
laborem,    ea  non    potest   in    structura  oneri    ferendo    esse  firma. 
quare  maxime  ex  veteribus  tegnlis  testa  structi  parietes  firmitntem 
poterunt  habere. 

Ich  habe  Gelegenheit  gehabt,  in  Rom  und  Pompeji  genauere 


Ueber  den  Verfasser  der  X  Hbri  de  Architectora  .% 

Üntersuoban^en  über  den  UmfaDg  and  die  Entwickelang  dee 
ßacketeinbaues  anznetellen  and  bin  dabei  zu  dem  für  micb  niobt 
überrascbenden  Heealtate  gekommen,  daes  die  Vitruv^ecben  Be- 
merkungen absolat  ricbtig  aind.  Wenn  man  dieselben  freilich 
mit  Useing  so  aoffaeet,  als  behaupte  Vitruy,  man  solle  die  zu 
einem  Bau  za  verwendenden  Backsteine  erst  aaf  dem  Dache  den 
rnbilden  der  Witterung  aussetzen  und  sie  so  prüfen,  so  wäre 
dae  freilich  eine  Thorheit,  die  eines  Architecten  und  Fachmannes 
(iorcbaos  unwürdig  wäre.  Aber  diese  Thorheit  begeht  eben  nicht 
Vitray  sondern  neuere  Erklärer,  wie  Schultz  und  TTssing.  Vitruv 
eai^  nur,  dase  das  beste  und  sicherste  Material  für  Backstein- 
mauern  aus  alten  Dachziegeln  genommen  würde,  da  diese  bereits 
auf  ihre  Festigkeit  und  Wetterbeständigkeit  geprüft  seien,  während 
man  bei  frisch  gebrannten  Steinen  nie  wissen  könne,  ob  sie  aus  gutem 
Material  hergestellt  und  richtig  gebrannt  worden  seien,  also  sich 
haltbar  erweisen  würden.  Er  traut  dem  Backsteinbau  also  noch 
nicht.  So  kann  natürlicherweise  ein  Architekt  nur  schreiben,  wenn 
ZQ  seiner  Zeit  wirklich  der  Backsteinbau  erst  in  ganz  geringem  Um- 
fange zur  Verwendung  gelangt  und  es  an  der  nöthigen  Ebrfahrung 
diesem  Material  gegenüber  fehlte.  Daes  dem  aber  zu  Augusteischer 
Zeit  so  war,  läset  sich  mit  Sicherheit  nachweisen. 

So  lange  man  freilich  die  Pantheonsrotnnde  für  agrippinisch 
aleo  aagusteiech  ansah,  hielt  es  schwer,  sich  mit  diesem  Passus 
abzufinden,  jetzt  aber  wo  daran  kein  Einsichtiger  mehr  glaubt, 
wird  man  vorurtheilsfreier  dieser  Frage  gegenüberstehen.  In 
Pompeji,  um  mit  dem  Sichersten  zu  beginnen,  sind  die  meisten 
mit  Hilfe  von  gebrannten  Ziegeln  hergestellten  Bauten  später  als 
dae  Erdbeben.  Namentlich  wo  es  sich  um  ganze  Wände  aus 
Ziegelmaterial  handelt,  wie  beim  Yespasianstempel,  beim  Hause 
der  £nmacbia,  den  Gurien,  sind  diese  Wände  stets  nach  63 
zu  datiren.  Aelter  sind  in  einigen  wenigen  Fällen  Pfeiler  und 
Säulen  oder  aucb  Eckwandpfeiler  und  Thüreinfassungen.  Das 
^&terial  hierzu  ist  aber  in  Pompeji  ausnahmslos  Dachziegel- 
binchstein,  niemals  besonders  geformter  Mauerziegelstein.  Auch 
die  Ziegelsäulen  der  Basilika  sind  meiner  Ansicht  nach  nicht  aus 
Sonders  geformten  und  dann  gebrannten  Steinen  gebaut,  sondern 
die  Stücke  sind  ebenfalls  aus  solchen  Ziegeln  znrecht  geschlagen, 
vie  sie  in  der  Basilika  auch  sonst  gefunden  sind,  mit  dem  Stempel 
Βΐ-ΠνΤΤ  IH.  Das  beweist  die  übereinstimmende  Dicke  und  die 
»bsolute  Regellosigkeit  in  der  Grösse  der  Stücke,  aus  denen  die 
Säulen  zusammengesetzt  sind,  die  sich  doch  beim  Gebrauche  einer 


36 


Degering 


S 

ee 

Β 

Β 

es 

Β 


S 

es 

Β 

Η 


'S 

Β 

u 

φ 

α 

ja 
ο 

kl 


•δ 

ο 


LL 


;/ 


Form  gamioht  er- 
klären lieeee.  Eben- 
so Bind  auch  die 
Pfeiler  und  Anten 
der  Zwischenwand 
zwischen  Vorhalle 
und  Hanp träum  aus 
solchem  Ziegelmate- 
rial aufgeführt.  Band- 
stücke und  Stucke 
mit  Resten  ohiger  In- 
schrift beweisen  das 
mit  absoluter  Sicher- 
heit. Vielleicht  ver- 
wendete man  hier 
den  Abfall,  der  sich 
bei  der  Zurichtung 
des  Säulenmaterials 
ergab.  Wirklich  ge- 
formtes Ziegelmate- 
rial findet  sich  nur 
in  den  Bodenlagen 
und  zwar  in  den  Pfei- 
lern und  Platten  der 
Hypokausten  und  in 
den  tegulae  ^  hamatae 


^  Es  liegt  keine  Ver- 
anlassung dazu  vor,  das 
überlieferte  amatae  = 
hamatae  bei  Vitruv  und 
Plinius  36  in  mamma- 
tae    zu  corrigiren,    es 
giebt  sowohl  hamatae 
wie   mammatae   tegu- 
lae ;  beide  Arten  kann 
man    in    den    Pompe- 
janer    grossen     Ther- 
men beobachten.     Die 
tegulae  hamatae  eind 
Platten,  welche  an  je- 
der Ecke  einen  Zapfen 


TJeber  den  VerfaBser  der  X  libri  de  Arohiteotura  37 

• 

und  mammatae  der  Luftheizangen,  die  ja  aber  auch  aned  rück  lieh 
als  eine  neae  Erfindang  jener  Zeit  bekannt  sind.  Eigenartig  ist 
das  Verfahren,  das  man  in  Pompeji  bei  der  Conetrnction  von 
Bogen  ans  eolchem  Ziegelbmoh  angewendet  hat  z.  B.  bei  den 
Backofen. 

Hier  sind  die  eeitlioh  aufgebogenen  R&nder  der  Ziegel, 
welche  nach  der  oberen  Untereteckseite  zu  echm&ler  werden,  in 
der  Vorderfläcbe  des  Bogene  so  neben  einandergeetellt,  dass  ihre 
keilförmige  Gestalt  sich  in  natürlicher  Weise  der  Krümmung  dee 
Bogeos  anpaeet.  Aber,  um  das  noch  einmal  zu  wiederholen,  stete 
fand  ich  nur  Dacbziegelbruchstücke  verwendet,  nie  ganze  Ziegel 
oder  gar  eigene  zn  dem  vorliegenden  Zwecke  geformtes  Material. 
Ebenso  ist  es  aber  in  Rom  in  Augusteischer  Zeit,  und  wenn 
bier  auch  wohl  früher  als  in  Pompeji  Mauerziegel  geformt 
wurden,  so  glaube  ich  doch  mit  aller  Bestimmtheit  behaupten 
za  dürfen,  daee  auch  in  römischem  Ziegel  werk  vor  der  zweiten 
Hälfte  des  1.  nachchristlichen  Jahrhunderte  Mauerziegel  nicht 
vorkommen.  In  Rom  ist  dies  Verhältniss  ja  schwerer  zu  über- 
sehen, weil  hier  von  Privatbauten  älterer  Bauperioden  eben  nur 
wenig  übrig  geblieben  ist,  aber  wo  man  Reticulat  mit  Ziegel- 
pfeilem  antriflPt,  wie  z.  B.  neben  der  nova  via^  in  der  sogen,  domus 
Gelotiana  und  dem  oberen  Theile  der  domus  Liviae,  da  kann  man 
dieses  Ziegelwerk  bestimmt  nicht  über  die  erste  Hälfte  des  ersten 
Jahrhunderts  hinaufrücken,  und  hier  ist  ausnahmslos  dieselbe 
Technik  angewendet  wie  in  Pompeji.  Wann  das  eigentliche 
Ziegelmauerwerk  in  Italien  erfunden  ist,  das  wird  sich  ohne  ausge- 
dehutere  Untersuchungen  nicht  feststellen  lassen.  Der  Entwick- 
lungsgang scheint  der  zu  sein,  dass  man  zunächst  dazu  überging, 
Plattenziegel  ohne  aufgebogenen  Rand  herzustellen,  um  der  Ver- 
wendung der  unbequemen  Randstücke  tiberhoben  zu  sein,  dann  er- 


oder  Haken  haben,  um  dessen  Länge  sie  von  der  Wand  abstehen,  an 
welcher  sie  mittelst  Bronzenagel  befestigt  werden.  Die  tegulae  mam- 
matae bedeuten  gegen  diese  hamatae  einen  teohnischen  Fortschritt. 
Nämlich  bei  der  Befestigung  der  teji^nlae  hamatae  konnte  es  leicht  vor• 
ktfmmen.  dass  man  mit  einem  zu  kräftigen  Schlage  den  Ziegel  bei 
der  Befestigung  auf  der  Wand  zerbrach,  da  der  Schlag,  wie  man  aus 
der  Skizze  bei  a  ersieht,  gegen  eine  nnunterstützte  Stelle  des  Ziegels 
^eföhrt  wurde.  Diesem  üebelstande  begegnet  die  Constraktion  der 
mammatae  auf  das  glücklichste,  da  hier  die  Schlagstelle  b  durch  den 
Zapfen  verstärkt  ist. 


40  Degering 

Brnnnengase  (Eobleneänre,  Snmpfgae).  Hat  man  aber  den  Brunnen- 
schacht  fertig,  so  mauere  man  ihn  mit  unverbundenem  Mauerwerk 
aue.  Wenn  jedoch  der  Boden  zu  hart  iet  (oder  die  Gegend,  in 
der  die  Stadt  liegt,  zu  arm  an  Grundwaeeer)  (und  man  also  aue 
diesen  Gründen  keine  Brunnen  anlegen  kann),  so  nehme  man, 
zum  ultimum  refugium  seine  Zuflucht,  zum  Cisternenbau,  oder,  wie 
YitruY  sich  ausdrückt,  dann  muss  man  Regen wasser  von  den 
D&chern  oder  höher  gelegenen  Punkten  her  in  signinis  operibus 
auffangen.  Der  Satz  ea  autem  —  efficient  ist  sprachlich  unge- 
schickt, sachlich  aber  durchaus  richtig,  nti  percolationibus  trans- 
mutari  possint  bezieht  sich  nur  auf  triplicia.  Der  Satz  müsste 
genauer  also  eigentlich  folgend ermassen  lauten:  Ea  autem  ei 
duplioia  facta  fuerint  (aut  triplicia  uti  percolationibus  tranemu- 
tari  possint)  multo  salubriorem  etc.  Gedankenlos  ist  das  durch- 
aus nicht,  aber  selbst  verstand  lieb  ganz  etwas  anderes,  als  was 
Plinius  sagt,  oder  besser  gesagt,  es  ist  mehr  als  Plinius  giebt. 
Dem  Plinianischen  Satze:  ut  in  priore  oonsidant  atque  per  colum 
in  proximum  transeat  pura  aqua  entspricht  sachlich  bei  Vitruv 
erst  der  Satz:  limus  enim  cum  habuerit  quo  subsidat,  limpidior 
fiet  et  sine  odoribus  conserrabit  saporem.  Die  Anlagen,  von  denen 
hier  aber  gesprochen  wird,  sind,  um  keinen  Irrtbum  aufkommen 
zu  lassen,  nicht  etwa  als  Filterbassins  in  modernem  Sinne  auf- 
zufassen, sondern  Klärbaesins,  in  denen  sich  die  Sinkstoffe  ab- 
setzen. Auch  handelt  es  sich  bei  Vitruv  nicht  um  die  Anlage 
von  drei  solchen  Bassins  hintereinander,  sondern  um  zwei  neben- 
einander liegende  Elärbassins  hinter  dem  einen  Schöpfbassin,  damit 
man  die  ersteren  abwechselnd  reinigen  könne.  Das  transmutari 
wird  bei  Vitruv  nur  intran«itiv  verwendet,  uti  percolationibus 
transmutari  possint  ist  also  zu  übersetzen:  damit  man  mit  den 
Klärbassins  abwechseln  könne. 

Von  besonderer  Schwierigkeit  ist  die  Frage  nach  der  Stuck- 
bearbeitung; Vitr.  VII  3,5  Plinius  §  176  und  mit  ihm  überein- 
stimmend die  Epitome  §22  und  Palladius  I  15  reden  nur  von 
2  Schichten  Marmorstuck  über  den  drei  Sandmörtelschichten,  Vi- 
truv dagegen  scheint  auch  drei  Stuckschichten  zu  verlangen.  Es 
scheint  deshalb  zun&cbst,  als  ob  hier  wirklieb  Plinius  auf  eine 
andere  Quelle  als  Vitruv  zurückginge;  auf  dieselbe  Quelle  müssten 
dann  aber  auch  die  Epitome  und  Palladius  über  V^itruv  hinweg 
zurückgreifen.  Das  letztere  ist  aber  doch  durchaus  unwabrscbein- 
lioh,  zumal  die  wörtliche  Uebereinstimmung  zwischen  der  Epitome 


üeber  deo  Verfaseer  der  X  libri  de  Architectura  41 

ond  Paladins  einerseite  and  Vitrav  andenieite  bis   anf  den   glatt 
herane  zn   schneidenden  Znsatz  volUtandig  ist. 

Epitome:  inareecente  induotione  alternm  corinm 

Palladiae:  grani  marmoris  indnctio  cnm  eicoari  inoeperit,  aliud  corium 

Vitrav:  inareecente  indnctione  alternm  corium  mediocre 

Epitome: 

Palladine : 

Vitrny:  [dirigatnr.    Id  com  enbactnm  fnerit  et  bene  fricatam] 

Epitome:  snbtiliae  indncatar. 

Palladiae:  enbtilins  oportet  imponi. 

Vitrny:  enbtilins  indncatar. 

Man  würde  ja  dem  Epitoroator  Faventin,  der  doch  von  der 
Sache  selbst  etwas  verstehen  mnsete,  vielleicht  eine  solche  Yer- 
einfachong  zntranen  können,  aber  dann  wäre  es  doch  wunderbar, 
daes  diese  sachlicbe  Vereinfachnng  stilistisch  darch  einen  solch' 
glatten  Schnitt  ausgefiihrt  ist.  So  ist  es  mir  denn  nicht  zweifel- 
haft, dase  hier  im  Yitravtext  von  nnbernfener  Hand  ein  Einschnb 
gemacht  worden  ist,  and  zwar  glaube  ich  auch  die  Veranlassung 
dazu  nachweisen  zu  können.  Die  Verbindnng  et  item  zumal  in  der 
Bedeutung  ei  totidem  ist  verdächtig,  sie  kommt  sonst  nur  einmal 
1265  '^^^  ^^^  dürfte  auch  dort  schwerlich  richtig  sein,  vielmehr 
eiiam  dafür  einzasetzen  oder  et  zu  streichen  sein.  An  der  hier  zn 
erörternden  Stelle  jedoch  scheint  das  Compendium  von  item  aus 
dem  Zahlzeichen  II  =  duobas  verlesen  und  dadurch  dann  die  Inter- 
polation veranlasst  zu  sein.  Dazu  kommen  ferner  noch  verschie- 
dene Bedenken  ans  dem  eingeschobenen  Satze  selbst.  Zunächst 
mediocre  für  mittelstark,  während  es  sonst  gering  heisst,  dann  der 
Bedentangs  Wechsel  von  subigere,  das  kurz  vorher  von  der  Bearbei- 
tung der  Stuckmasse  in  der  Mörtelpfanne,  hier  dagegen  von  dem 
Auftragen  und  dem  Glattstreichen  auf  der  Wandfläche  gesagt  wird. 

Ich  muss  noch  einige  Worte  über  die  Benutzung  Vitruvs 
durch  Plinius  im  36.  Buche  überhaupt  hinzufügen.  Die  Be- 
nutzung Vitruvs  beginnt  mit  §166  und  reicht  bis  §188  und  ist 
nur  durch  reinlich  auszuscheidende  Zusätze  erweitert. 

Zunächst  tragen,  wie  gesagt,  die  Eingangssätze  der  verän- 
derten Stellung  Rechnung,  die  der  Tuff  als  Baumaterial  inzwischen 
erhalten  hat,  dann  folgt  §  167 — 168  eine  Auswahl  aus  den  von 
Vitruv  angeführten  Oesteinssorten,  zu  denen  am  Schlüsse  Plinius 
einige  andere  hinzufügt.  §  170  folgt  die  Vorschrift  über  die  Wet- 
terprobe der  schlechteren'*  Gesteinsarten. 


42  Deger  i  II  g 

Mit  §  171  beginnt  ein  nenes  Kapitel  ttber  die  Verbände  — 
§  172,  das  ohne  Frage  ace  Vitmy  entnommen  ist. 

§  173  behandelt  die  Anlage  von  Cieternen.  Die  Stellung 
dieeee  Capitele  znm  vorigen  läset  eich  nur  erklären,  wenn  man 
annimmt,  dase  hier  ein  Citat  auf  jeden  Fall  angebracht  werden  soll, 
das  der  Zettelkasten  eben  noch  enthält.  Der  §  174  ist  aus 
lauter  Stückchen  zusammengesetzt;  eine  Bemerkung  aus  Cato,  eine 
Keminiscenz  aus  Vitruv,  noch  dazu  nicht  einmal  ganz  richtig,  der 
folgende  Satz  wieder  anderswoher  und  endlich  zum  Schluss  ein 
Satz  aus  einem  Mirabilienschreiber. 

§175  ist  wiederum  aus  Vitruv.  §176  ist  wohl  eigene  Zu- 
that.  §  177  wieder  Vitruv  bis  auf  die  Wundergeschichte  vom  Crocus. 

§  178  und  179  aus  Vitruv,  ausgenommen  der  letzte  Satz, 
alles  aber  offenbar  mehr  als  Lesefrüchte,  denn  als  ordentliche 
Citate  übernommen. 

§  180  stammt  aus  einer  medicinischen  Schrift,  ebenso  181. 
§  182  und  183  sind  anscheinend  einer  griechischen  Quelle  ent- 
nommen und  der  Selbstmord  des  Proculejus  wohl  wieder  eine 
Zuthat  von  Plinius  selbst.  Woher  §  184  und  185  stammen  mögen 
entzieht  sich  der  sicheren  Beurtheilung,  vielleicht  könnte  man 
hier  und  §  180.  181  an  Varro  denken.  Von  §186  an  bis  188  in- 
clusive dagegen  ist  wieder  Vitruv  benutzt.  Dieser  giebt  die 
Hauptmasse,  einiges  wird  den  veränderten  Zeitumständen  nach 
geändert,  anderes  hinzugefügt,  manches  ohne  sonderlich  zum 
Thema  in  Beziehung  zu  stehen.  Auch  in  der  Disposition  des 
ganzen  Passus  ist  keine  irgendwie  vernünftige  Ordnung,  die  ein- 
zelnen Notizen  sind  untereinander  kaum  harmonisch  verarbeitet, 
kurz  man  erhält  ganz  den  Eindruck,  als  ob  hier  einmal  ein  Fach 
der  Notizensammlung  gründlich  ausgeschüttelt  werden  sollte. 
Man  beachte  besonders,  an  wie  wenig  geeignetem  Platze  §  173 
und  §  178—179  stehen. 

Wir  gehen  nun  dazu  über,  das  Verhältniss  von  Vitruv  und 
Athenaeus  zu  untersuchen.  Wir  können  uns  hier  kürzer  fassen,  da 
das  Wesentliche,  namentlich  soweit  es  die  einzelnen  Abweichungen 
zwischen  Athenaeus  und  Vitruv  betrifft,  bereits  von  Thiel  gesagt 
ist  und  wir  uns  deshalb  darauf  hier  beschränken  können,  die 
£inwände  zu  entkräften,  die  üssing  gegen  Thiels  Ansicht  vor- 
bringt, dase  beiden  eine  gemeinsame  Quelle  vorgelegen  habe• 
Ob  diese  Quelle  Agesistratus  gewesen  sei,  wie  Thiel  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  behauptet,  das  mag  als  nicht  absolut  sicher 
bewiesen  dahingeptellt    sein ;    dass    aber   Vitruv    den    Athenaene 


üeber  den  Verfasser  der  X  libri  de  Architectura  43 

Dicht  beDutzt  haben  kano,  das  läset  eich  beweisen  und  ist,  wie 
gesagt,  von  Thiel  bewiesen  worden  ^ 

Das  was  Vitray  mehr  giebt  als  Athenaeus,  sind  nach 
üssing  freilich  aach  hier  wieder  müssige  Zusätze  und  unnöthige 
Umschreibungen,  und  wo  Abweichungen  zwischen  beiden  statt- 
finden, da  ist  nach  ihm  natürlicherweise  Athenaeus  im  Recht. 
Man  braucht  aber  nur  einige  Punkte  der  Ussing'sohen  Beweis- 
führung Yorznnehmen,  um  ihre  Unhaltbarkeit  einzusehen. 

Vergleicht  man  schon  die  ersten  Paralleleteilen  Athenaeus 
p.  9  ed.  Wescher  mit  Vitruv  X  19,  so  finden  sich  hier  Discre- 
panzen,  welche  es  ganz  unmöglich  machen  anzunehmen,  dass 
Athenaeus  die  Vorlage  Vitruvs  sei,  da  Vitruv  durchgängig  Aus- 
führlicheres und  Besseres  bietet  ale  Athenaeus,  dagegen  anderes 
übergeht,  das  ebensowenig  Athenaeus  aus  eigenem  Wissen  seiner 
Qaelle  wird  zugesetzt  haben. 

Athenaeus  lässt  einige  Soldaten  der  Karthager,  als  sie  sich 
an  den  Demolirungsarbeiten  des  Forts  aus  Mangel  an  Werkzeug 
nicht  betheiligen  können,  die  Erfindung  der  Handramme  machen, 
aber  er  läset  sie  mit  einigen  Stössen  mit  Leichtigkeit  die  Mauer 
auf  eine  weite  Strecke  hin  niederlegen.  Bei  Vitruv  dagegen  fehlt 
es  den  Karthagern  insgesammt  an  den  nöthigen  Werkzeugen, 
aber  die  Demolirnng  selbst  wird  vielmehr  den  l'hatsachen  ent- 
sprechend so  geschildert,  dass  die  Karthager  mit  den  Ramm- 
bäumen  von  oben  beginnend  eine  Quaderreihe  der  Mauer  nach 
der  andern  herabwerfen.  Der  Znsatz  ac  ratione  bei  Vitruv  mag 
als  überflüeeig  gelten,  aber  dae  Bild  Vitruvs  vom  freihängenden 
Wagebalken  ist  für  die  Schweberamme  bei  weitem  angemessener, 
als  das  des  Athenaeue  vom  Jochbalken,  der  doch  an  der  Deichsel 
im  Mittelpunkte  feet  sass,  also  gar  die  Bewegung  nicht  aus- 
fahren konnte,  die  zu  dem  Vergleich  den  Anläse  gab.  Nun 
vollends  dae  Folgende.  Ob  der  Gerae  ein  Calchedonier  oder  ein 
Carchedonier  war,  iet  an  eich  gleichgiltig,  aber  unwahrecheinlich 
ist  ee,  daee  Vitruv  ohne  Grund  das  Garchedon  eeiner  Quelle  in 
Calchedon  änderte,  während  für  Athenaeus  die  Veranlassung  einer 
Aenderung  in  umgekehrter  Weise  in  dem  zweimal  voraufgehen- 
den Garchedon  allerdings  vorhanden  war.  Sachlich  ist  sodann 
nur  das,  wae  Vitruv  über  die  Maschine  des  Geras  sagt,  ver- 
ständig; ein  Ding  wie  das  von  Athenaeas  beschriebene  musste 
beim    ersten    Stose    gegen    die    Mauer   auseinanderfliegen.     Aber 

'  Thiel  aaO.  p.  279  ff. 


44  Heg  er  i  η  g 

nicht  allein  dieeee  beweist,    dass   ee  nicbt  Vitrav   int,    der  Peine 
Vorlage  geändert  hat,  sondern  noch  vielmehr  der  Umstand,  daee 
das,  was  nun  auf  diesen  Passus  folgt:  Γήρας  be  πρώτος  ό  εύρων 
bxä  τήν  βραδύτητα  χελώνην  προςηγόρευσεν  =  Ideo  autem  quod 
tardos   oonatus  habnerat,   testudinem   arietariam  appellare  coepit 
sachlich   wohl    zu    der  Yitruy^scben  Fassung  des  vorhergehenden 
passt,    aber  keinesfalls  zu    der    des  Athenaeus.     Was    soll   man 
sich  denn  darunter  vorstellen,  dass  eine  solche  Maschinerie,  wie 
sie  Athenaeus  beschreibt  und  welche  doch  nur  durch  die  schnelle 
Bewegung  auf  ihren  Rädern  und  den  daraus  resultirenden  heftigen 
Stoss    wirken  konnte,    wegen  der  Langsamkeit,   mit  der  sie  vor- 
wärts  zu    bringen    war,    bxä  τήν  βραδύτητα  χελώνη  =  testudo 
benannt  wurde.     Liess    sich   eine   solche  Maschine   nicht   kräftig, 
dh.  schnell  vorstoeeen,    so  war  sie  doch  eben  unbrauchbar.     Bei 
Vitruv  dagegen  ist  alles  in  Ordnung.     Hier  ist  die  Maschine  ein 
nur  schwerfällig    auf   Rädern    fortzubewegendes    grösseres   Bau- 
werk, dessen  zerstörende  Wirksamkeit    aber  von  dieser  Schwer- 
fälligkeit   der    eigenen  Fortbewegung   nicht  abhängt,    und  so  ist 
hierfür  der  Name  testudo  arietaria,  dem  im  griechischen  Original 
eine    gleiche  Doppelbezeichnung  κριοφόρος  χελώνη    entsprochen 
haben  wird,  durchaus  am  Platze. 

Wenn    Ussing  S.  124  Vitruv    die   Unachtsamkeit    vorwirft, 
dass    er    das    griechische    Mindestmass,     wie    es    bei   Athenaeus 
steht,    έττταδάκτυλα    mit    semipedalia   übersetze,     so    wirkt    es 
erheiternd,    dass  er    selbst   in    demselben  Satze    semipedalia    mit 
sechsfingerbreit  übersetzt,  und  dnnn  kurz  darauf  übersieht,    dass 
im  Folgenden    bei    Vitruv    semipedalia    für    εΙς    S    δακτύλους 
(Τυναγόμενα    bei    Athenaeus    eintritt.      Ussing    scheint    also    den 
griechisch-römischen    Fuss    in    12  Daktylen    und    Digiten    einzu- 
theilen.     Wer    aber  von    beiden    die   richtigen  Masse    hat,    kann 
meiner    Ansicht    nach    gar    nicht   zweifelhaft    sein ;     die    runden 
Massangaben  Vitruvs    zeugen    durchaus    für  den    Praktiker,    die 
Athenaeischen,  scheinbar  so  minutiös  genauen  Varianten  dagegen 
verratben  den  philosophischen  Klüngel.    Zu  Athen,  p.  15  *Ημ6Ϊς 
δ'  έγράφαμεν  πρώτον   χελώνης    χωστρίδος   κατασκευήν,    εΤτα 
των  δλλων  μηχανημάτων.     Vitr.  Χ   19,  8  Quae  sunt  ab  Diade 
de  maehinie  scripta  qnibus    eint   compafationibus    exposui;    nunc 
quemadmodum   a   praeceptoribus    accepi    et   utilia    mihi  videntur 
exponam,  sagt  Ussing:  Athenaeus  forlader  nu  Diades,  og  Vitruv 
naturligvis  ligesaa,  skgondt  han  aidrig  bar  set  ham;  men  derfor 
forlader    han    ikke  Athenaeus.     Denne    angiver    i   des   Folgende 


Üeber  den  Verfaeser  der  X  libri  de  Architectura  45 

Philon  fra  Athen  eom  ein  Eilde,  Vitrny  angiver  kan  sine  prae« 
ceptores.  loh  denke,  siebt  man  vom  letzten  Satze  ab,  so  brancbt 
man  nur  für  Yitruv  Atbenaeus  und  für  Atbenaeue  Ageeietratoe 
einzneetzen,  um  etwas  Richtigee  heraus  zu  bekommen,  denn  das 
wenigstens  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  bis  hierher 
nnd  im  Nachfolgenden  Atbenaeus  völlig  auf  Agesistratns  und 
nicht  etwa  selbständig  auf  Diades  und  Philo  zurückgeht.  Athen. 
p.  16  stelle  ich  folgendermaassen  her:  Τούτο  τό  κατασκεύασμα 
φησι  Φίλιυν  6  'Αθηναίος  χρήσιμον  είναι  προς  τ€  τάς  γινομί- 
νας  εΙς  την  προϋαγωγήν  των  μηχανημάτων  παρόδους  καΐ 
τάς  παρεκτάσ€ΐς  τών  *στψδίων  καΐ  τάς  συγχώσεις  κτλ. 

Ich  will  nur  noch  eine  Probe  der  Ussing'schen  Kritik  be- 
leuchten. Athen.  19/20.  Τό  τής  όρυκτρίδος  χελώνης  γένος  τα 
μίν  άλλα  παραπλησίιυς  τοις  πρότερον  ώκονόμηται,  τήν  οέ  έμ- 
προσθεν όρθήν  ίχει  προσαγωγήν,  δπως  προσελθοΟσα  προς  τό 
τείχος  όπαρτίση  αυτώ  καΐ  μή  παρεισπίπτη  άπό  του  τείχους  τά 
άφιέμενα  βέλη,  άλλ'  ασφαλώς  ο\  υπορύττοντες  έν  αυτή  βντες 
Φτάνονται  .  .  Vitruv  Χ.  19.  21.  Quae  autem  testudines  ad 
fodiendnm  comparantur  -—  βρυγες  graece  dicnntur  —  cetera  omnia 
babent  nti  snpra  scriptum  est,  frontes  vero  earum  fiunt  quemad- 
modum  anguli  trigoniorum  uti  a  muro  tela  cum  in  eas  mit- 
tantur  non  planie  frontibns  excipiant  piagas  sed  ab  lateribus  la- 
bentes,  sine  pericnloque  fodientes  qui  intus  sunt  tueantur.  Us- 
eing  sagt  dazu;  Her  fortaeller  Oversaetteren,  at  denne  Maskine, 
eom  Athenaeoe  kalder  όρυκτρίς  χελώνη,  paa  Graesk  hedder  όρυξ, 
byilket  vel  kan  vaere  muligt.  Men  naar  han  i  Siedet  for  Athe- 
naeos  όρθην  saetter  quemadmodum  anguli  trigoniorum  er  dette 
mig  aldelee  uforetaaeligt.  Skal  Maskinen  slutte  taet  til  Murfladen 
(άπαρτίΖειν)»  kan  dens  Front  ikke  vaere  Spidsen  af  en  Triangel. 
Wie  ist  es  nur  möglich  hier  den  Atbenaeus  als  Vorlage  des 
Vitruv  anzunehmen  ?  Soll  man  jemandem,  der  ein  Werk  von  10 
Bächern  hanpteächlich  aus  griechischen  Uuellen  ausschreibt,  so 
geringe  Kenntnisse  der  griechischen  Sprache  zutrauen,  dass  er 
einen  so  einfachen  Satz,  wie  den  vorliegenden  nicht  entsprechend 
hätte  übersetzen  können.  Ich  sollte  meinen,  der  Gedanke  daran 
sollte  niemanden  ernstlich  einfallen.  Das  was  Vitruv  giebt,  ist 
mit  dem  was  bei  Atbenaeus  steht  sachlich  ganz  unvereinbar; 
aber  die  enge  formale  Verwandtschaft  der  Perioden  weist  ebenso 
zwingend  auf  eine  gemeinsame  Grundlage.  Den  Schlüssel  bietet 
ans  aber  der  Anonymus  oder  Hero  von  Byzanz  bei  Weacher  p.  214. 

Hier  heiset  es:    ταύτας  bk   (χελώνας  όρυκτρίδας)   ή    bip- 


ZWEI  ALTE  TERENZPROBLEME 


L 
re£<er   de«    Proloc    imM    HemvtoBtlMorvBeBOS    bat 
tiih    eise  Ftlle    tob  £rkIir«c^B    mai    VermmtKEBfai    ergoesen. 
leii^r  aiit  «kr  «^erir^em  Ertrti:.    Wiedertioli  wmrie  Alles  darrh- 
ei3Aa^«r  ^evcrt>£,    v.e  wir  es  aco);   ib  cec  l^iiec  bBadlichsteo 
AT^nieB  rca  Iziirxko    Bsd  FIeckeis«a  tot  A:ijrfa  sekea.     Dem 
f^««ii'~<r    £λ:<β    £:*    beiiea    ce^estea  Be<z:r«<h^Br»»a    τοη   Leo 
XI  i  S*xt5*:a.   an:  S*;!:  siob    le?  B-?$:3iaie#    a-i     ier  Folg«    der 
L"eberL-i:>raag  aa^aosaiea.     TrvCKiea    iie    Frage    accb    wieder 
:a  3i-:xll;i3ter  Klrxe  aafiaaehiiiea,  fcia  kh   darrh  eiaea  iknlicben 
UaLsciai    TeraalMsc    wie    Skats^b    ι  Phile  l     LIX    [X.    F.    ΧΙΠ] 
ρ.   1  f.  *    ia»  aULl::a   meiae   Tca  S^h^ai    K.'ai.  Litteratvi^eaeh. 
[*  3.  -I    ainz-tieilie   az-i   bedient   ^^ill:^*   Aar^icht    woW    erst 
iinh    «cwa*    e^i^i-erdere  Β^χτΰζΐϊπ?    la  allreaieiBerer  Erwi- 
rtax  χΊ-i  a.:f*atl.-ja  lar  AaerkectTiji^  koaraies    iärfte. 

X::ii  AifixiiAl^ia  bniiche  ich   cuh   bei  iea  riel  atisehan- 
i^Iiea  V:rtea: 

Ex  nt-i^r*  ^raecA  bteiraai  coxo^iiaai• 
lA  eai:  i   xi'i'j.  ΑζΊ-ίΓί  \ii  i*  Älteste  ^i  eizfiibste  ErklBTwng 
ie  Eeji':ji«ci:*-:a*    rart:k^ekc=iziea   ii-i,     Wean    aber    aae 
i^at  a»:»:i  τί^Ι  aieir  aijfsaj.:  ieltea  Vere*  t»: 

Ii^l-fx  ;ΐΛ*  ei  arsnx«a:j»  fiicra*t  sisirlici 
iiTr*!i  wi^i^r  e:ze  swi-re  R;i:I:iiasd:  f^r  ^:e  AaaAbme  der 
L.sa-in  ^.i::^'3^  i«  ^rick«  «ctr^iia:«  la  kCrnea  «lAabt,  80  iet 
αβ  :ι•ϊ«€Γ  Σζ'^^ΛΠϋχ^  wie  bei  aaieres.  i-r  Wev-iisel  des  Ans- 
im-i^  a-iii  :^ri:k*icar:^;  es  heisc*:  weder  ^i^plex  qaod  ex  ar 
^031«--!  fiirtam^iini :_::•!  acca  i^iplex  ^:ia<  ii.:^;  ex  «mplin; 
md  rinte   iie*er  W^i^eL  scwie  i;e  aiAzr  ίΓΑ,^^π  AafftOMe   bei 

i«,  -^,™    /V-^^   iu^r  ien^::«  Sin-:   s,.   T,^i:,:.rea,^deit  dai 


Zwei  alte  Tei^ozprobleme  49 

Ämathusia^  bei  Horaz  in  dem  duplex  ülixes^  and  in  dem  Veree 
des  Ovid  Am.  I  12,  27  dentlicL•  vorliegt  and  der  durch  die, 
sicher  auf  einen  archaischen  Sobrifteteller  zarttckgehende  Oloeee 
des  Placidue  altriplicem:  duplieem,  ddosum  noch  eine  weitere 
Beetatigang,  darch  das  Synonymum  wie  doroh  das  Interpreta- 
ment,  gewonnen  hat.  Dann  sagt  aber  der  Vers  über  Terenz 
und  eeine  üebersetzong  gar  nichts  aas,  sondern  enthält  yiel- 
mebr  ein  ürtheil  des  Terenz  über  das  Originalstüok  des  Menander 
(ähnlich  wie  im  Andriaprolog  y.  10—12),  nämlich  dass  es  trotz 
des  einfachen  Sujets  nicht  simpel  sei,  des  Dichters  Gewandtheit 
offenbart '. 


1  Die  Einwände  and  der  andere  —  nicht  neue  —  £rk]ärangs• 
▼ertach  τοη  Goldbacher  (in  den  Wiener  Stadien  XX,  1896,  p.  277  f.) 
scheitern  Bchon  —  aber  nicht  allein  —  an  der  Beziehung  der  Worte 
nee  cursus  duplicis  per  mare  Ulixei'  auf  den  Anfang  der  Odyssee, 
welche  doroh  die  gleiche  Beziehung  der  vorhergehenden  Worte  auf 
den  Anfang  der  llias  und  die  Nothwepdigkeit  dieser  Form  des  echt 
antiken  Citatee  für  das  Verstanduiss  der  ganze i.  Strophe,  ja  des  ganzen 
Gedichtes,  gesichert  ist:  was  hier  nur  angedeutet  werden  kann. 

'  Auf  die  anfruchtbaren,  sich  immer  im  Kreise  drehenden,  chro- 
nologischen Hypothesen  gehe  ich  nicht  ein,  und  will  auch  auf  Skutsch's 
Behauptung,  dass  ▼.  17  f.  'multas  contaminasse  graecas,  dum  faoit 
paucas  latinas*  mindestens  die  Yerarbeitung  von  vier  Stücken  zu 
zweien  voraoseetze,  lediglich  mit  der  Frage  antworten:  wie  viele  Male, 
genau  gerechnet,  vorhergegangen  sein  müssen,  um  Hyperbeln,  wie 
'sezccntiee*  zu  rechtfertigen;  ob  —  wie  Wölfflin  Archiv  IX  p.  176 
lagt  —  'hundertmal'  gebraucht  werde,  'obschon  es  genau  gerechnet 
nur  siebenmal  oder  achtmal  heissen  müsste*,  oder  ob  nicht  ein  ünge. 
dnldiger  schon  beim  dritten  oder  vierten  Mal  behauptet,  er  habe 
hundertmal  gerufen,  geklingelt  oder  etwas  gesagt.  Vollends  die  leb- 
haften und  Bo  gern  übertreibenden  Römer  und  Italiener  werden  sich 
kein  Gewissen  daraus  machen  auch  für  *ein  paar*  zu  sagen  *  viele*.  — 
Beiläufig  möchte  ich  noch  zu  dem,  auch  immer  noch  nicht  zur  Huhe 
gekommenen  Andriaprolog  (der  sicher,  und  gerade  nach  den  Schluss- 
worten, zur  ersten  AufiTührung  gehört)  das  eine  bemerken,  dass  der 
vif^l  besprochene  Plural  'in  prologis  scribundis'  am  einfachsten  und 
richtigsten  als  *pluralis  generalis'  zu  bezeichnen  ist  (zu  übersetzen  'mit 
Prologschreiben),  und  dass  die  besten  Belege  dafür  —  ^n  Stelle  des 
meist  angeführten,  von  Karsten  nicht  anerkannten  'liberi'  (vgl.  Donat 
zu  Hec.  II  1,  15  ua )  —  Terenz  selber  und  (Cato  bei)  Cicero  bieten: 
der  erstere  mit  Bun.  I  1,  3:  'men  perpeti  meretricum  contumelias? 
exclusit,  revocat'  (wozu  Donat  richtig  bemerkt;  'cum  uni  sit  iratus,  de 
Omnibus  queritnr*),  der  letztere  Tusc.  I  2  mit  der  Erwähnung  der 
Oratio  Catonis,  in  qua  obiecit  ut  probrum  M.  Nobiliori,  quod  is  in 
provinciam  poetas  duxisset:  duxerat  autem  consul  ille  in  Aetoliam,  ut 

aiMta.  M«•.  i.  PliUoL  N.  V.  LYII.  ^ 


50  Scholl 

Ein  weiterer  Pankt^  in  dem  ich  den  neaeeten  Anfetellungen 
von  Leo  ^  und  Skutsch  unmöglich  beipflichten  kann,  betrifft  die 
Deutung  der  Eingangeverse : 

Ne  quoi  sit  vostrum  mirum^  quor  partes  eeni 

Poeta  dederit,  quae  sunt  adnlescentium, 

Id  primum  dioam,  deinde  qnod  ueni  eloquar. 

Daee  nach  dieser  Ankündigung  das  Folgende,  trotz  eines 
Umfange  von  6  Versen  nicht  das  erste  sein  soll,  dass  weiter 
in  der  durchaus  zusammenhängenden  Partie  11—27  y.  11  — 15 
das  ^'primum \  die  mit  nam  quod^  angeknüpfte  Ausführung  der 
mit  ^deinde  quod  veni*  angekündigte  zweite  Theil  sein  soll  — 
das  sind  Eünstlichkeiten  und  Yerlegenheitserklärungen,  die  nur 
auf  dem  Papier  dargelegt  werden  können,  auf  lebendiges  Ver- 
ständnisB  beim  Anhören  nie  rechnen  konnten  und  können.  Leo 
hat  das  Ungeschickte  wenigstens  gefühlt  und  nun  den  Dichter 
dafür  getadelt  statt  seines  Interpreten.  Ueberhaupt  aber  kann 
'quod  yeni'  sich  nur  auf  die  allgemeine  Aufgabe  des  Prologs,  das 
ist  die  Einführung  des  aufzuführenden  Stückes,  beziehen,  die 
in  V.  4 — 9  gegeben  ist,  nicht  auf  einen  gar  nicht  abgegrenzten 
Theil  der  speziellen  Aufgabe  des  Ambivius  als  orator^ 

scimuB,  Ennium'.  So  auch  wir:  'da  sollst  keine  Romane  lesen,  und 
tbust  es  doch*,  auch  wenn  das  Verbot  nur  einmal  überechritten  ist. 
Es  kommt  eben  überall  nicht  auf  die  einzelne  Person  oder  Sache  an, 
sondern  auf  die  Art;  nicht  dass  es  Ennius  war,  sondern  überhaupt  ein 
Dichter,  dass  eine  meretrix  eich  solche  Behandlung  erlaubte,  dass 
Tereuz  sich  mit  einem  Prologe  quälen  muss  usw.  —  das  drückt  der 
Plural  aus,  ganz  wie  der  Plural  von  Namen  =:  'Leute  wie  N.  X.' 

1  Analecta  Plautina  II,  1898,  p.  23. 

^  Die  von  Skutsch  p.  7,  2  angeführte  Parallele  des  Amphitruo- 
prologs  bietet  keineswegs  zu  dem  von  ihm  Gesagten  ein  wirkliches 
Analogon,  sondern  bestärkt  vielmehr  unsere  Bedenken.  Dort  wird 
allerdings  die  Bitte  als  das  erste,  das  Argument  (die  eigentliche  Auf- 
gabe des  Prologs)  als  das  zweite  angekündigt  und  auch  ausgeführt. 
Wenn  aber  dort  zwischen  die  Ankündigung  und  die  Ausführung  des 
ersten  Theiles  ein  Intermezzo  eingeschoben  wird,  so  ist  dies  ganz  deut- 
lich als  solches  bezeichnet  durch  'quid  conlraxistis  fruutem?*  und  die 
Anknüpfung  des  Weiteren  an  ein  bei  der  dispositio  gebrauchtes  Wort, 
während  bei  Terenz  mit  *hodie  sum  acturus*  gerade  die  Ausführung 
über  die  Aufgabe  des  heutigen  Tages,  das  'quod  veni*,  einsetzt.  Dort 
folgt  auch  einfach  'nunc  hoc  me  orare  a  vobis  iussit  luppiter',  was 
trotz  des  'nunc  mit  der  förmlichen  Aufnahme  der  dispositio  bei  Terenz 
V.  10  'nunc  quam  ob  rem  has  partis  didicerim,  paucis  dabo*  keine 
Aehnlichkeit  hat. 


Zwei  alte  Tereniprobleme  51 

Mit  dieser  Abweisung,  die  ich  absichtlich  nicht  breiter  ansfähre 
und  belege,  soll  aber  nnn  keineswegs  den  üblichen  Umsturz-  und 
CmstellangsyersQchen  das  Wort  geredet  sein  (die  noch  mit  Ans- 
werfnngen  und  Lücken  annahmen  verbunden  auftreten,  die  ledig- 
lich Folge  der  ümstellungewillkür  sind),  sondern  der  viel  ein- 
facheren und  einleuchtenderen  Yertauschung  der  Worte  *deinde' 
und  'primum',  die  nicht  einmal  bloss  auf  Conjektur  beruht.  Als 
Rolche  haben  sie  längst  Palmerius  und  Guyet  vorgeschlagen,  die 
nur  unnöthig  *  Id  dicam  deinde:  primum  q.  v.  e.    ordneten  statt 

Id  deinde  dicam:  primum  quod  veni  eloqnar. 
Natürlich  ist  dann  vor  diesem  Vers  stärker  zu  interpungiren 
und  "^Ne  qnoi  sit  vostrum  mirum  als  ein  prohibitives  'Ne  mire- 
mini'  aufzufassen,  ni5ht  als  Finalsatz  zu  dem  Folgenden.  Man 
soll  sich  über  das  zunächst  Auffallende  beruhigen,  die  Erklärung 
wird  bald  nachher  folgen,  wenn  zuerst,  kurz  genug,  die  eigent- 
liche Aufgabe  erledigt  ist. 

Diese  Fassung  von  v.  3  hat  ja  mittlerweile  eine  urkund- 
liche Bestätigung  gefunden  in  dem  Bembinusscholion:  'quidam 
8ic  exponunt:  primum  quod  veni  eloquar,  deinde  dicam  cur  partes 
seni  poeta  d(ederit)  quae  sunt  a^dole8centium)\  Dass  hier  nicht 
von  einer  antiken  Conjektur  die  Bede  ist,  zeigt  der  Ausdruck 
'exponunt',  und  dass  diese  'Erklärung'  mit  dem  Wortlaut  im 
Bembinus  selbst  streitet,  beweist  gerade  ihr  Alter:  auch  bei 
Donat  und  anderwärts  beobachten  wir  ja  nicht  selten,  dass  das 
Scholion  einen  andern  Text  voraussetzt,  als  die  zugehörige  Hand- 
schrift bietet  oder  aus  einer  solchen  ins  Lemma  gesetzt  ist  ^. 
Dass  aber  die  'natürliche* Folge  des  ^primum — deinde    statt  der 


^  Einen  versteckteren  Fall  dieser  Art  bietet  Andria  v.  I2uf.  (1 1,93  f.). 
Das  immer  noch  von  Spengel  und  Dziatzko  bevorzugte  'Quia  tum 
(niihi  lamentari  praeter  ceterae  Visast)*  ruht  lediglich  auf  dem  Codex  C 
lund  seiner  Abschrift  B):  für  die  Lesart  'Quae  tum'  spricht  nicht  nur 
die  UebereinstimmuDg  des  derselben  Classe,  wie  C,  augehörigen  Ρ 
läuch  Ο  =  Oxoniensis,  olim  Dunelmensie  nach  Hoeiog  'Americ.  Joum. 
ff  archaeoL'  VI  ^  P•  310  ff.)  mit  der  besonders  zu  beachtenden  Classe  DG^ 
sondern  uuch  die  Erwägung,  dass  'Quia  tum*  wegeu  des  anschliessenden 
'et  quia'  ohne  Weiteresaus  'Quae  tum*  gemacht  wurde:  nicht  so  leicht 
däii  Umgekehrte.  Keineswegs  aber  verlangt  'et  quia'  vorher  'Quia  tum' 
<Mder  bentley's  'Quae  com'),  da  zunächst  eine  weitere  Beobachtung  des 
Simo  angeknüpft,  dann  aber  mit  'et  quia  erat  forma  praeter  ceterae 
honesta  ac  liberali  ausdrücklich  zurückgegriffen  wird  auf  die  vorher- 
gehende Stelle  'forte  unam  aspicio  adulescentulam  forma  — '  usw.  Nun 
steht  allerdings  'Quia  tum  mihi*  bei  Donat  als  Lemma  vor  'excusatio 


52  doholl 

hier  erforderlichen  und  gerechtfertigten  deinde  —  primam'  einge• 
Bchwärzt  worde,  int  ja  ein  für  oberflächliche  Betrachter  und 
Schreiber  fast  nothwendiger  Vorgang.  Eret  nach  Wiederher- 
stellung des  Ursprünglichen  paeet  denn  anch  wirklich  die  Auf- 
nahme mit  V.  10: 

Nnnc  quam  ob  rem  has  partie  didioerim  paucis  dabo. 

II. 

Auf  den*  vielbernfenen  und  durch  die  verschiedensten  Ver- 
suche heimgesuchten  Anfang  der  berühmten  Narratio  in  der  An- 
dria  ^  I  1,  24  (y.  51)  f.  zurückzukommen,  könnte  sehr  überflüssig 
scheinen,  nachdem  erst  jüngst  Vahlen  in  den  Abhandlungen  der 
Berl.  Acad.  d.  W.  1900  eine  eigene  kleine  Abhandlung  darüber 
gegeben  hat  im  Zusammenhang  seiner  Untersuchungen  über  et 
aut  uä.  im  Versausgang  bei  Terenz.  Allein  gerade  dieee  letzte 
Erörterung  erheischt  eine  kurze  Berichtigung.  Denn  so  viel 
Triftiges  und  Beachtenswerthes  auch  dort  geboten  wird,  so  ist 
es  doch  unzweifelhaft,  dass  Vahlen  diesmal  seine  gründlichen  Er- 
örterungen mit  einem  Fehlgriff  beginnt.  Gleich  auf  der  ersten 
Seite  bringt  er  das  Beispiel  Sosia  et  ||  Liherius  vivendi  als  erstes 
und  behandelt  es  dann  als  das  grundlegende  an  der  Spitze 
besonders  ausführlich,  mit  dem  Schlüsse :  ^so  sollte  man  eich, 
meine  ich,  der  Folgerung  nicht  entziehen,  dass  hier  wenigstens 
diese  Versbildung  dem  Dichter   sicher  gehört   und  nicht  durch 

necesearia*.  Dass  aber  ein  Donat  gleichfalls  die  Fassung  mit  *Quae 
tum'  vor  Augen  hatte,  beweist  das  vorhergeheude  Scholion:  'iit  nihil  supra 
£λλ€ΐψις  Terentiana;  nam  non  Decesee  est  subiungere  duos  versus*.  Aus 
diesen  Worten  hat  Klotz  geschlossen,  dass  im  Alterthum  eine  Vervoll- 
ständigung dieser  Rede  durch  zwei  Verse  unternommen  worden  sei, 
und  Umpfenbach  in  seinen  Analecta  Terentiana  (Mainz  1874)  p.  11 
hat  wirklich  zwei  solche  Verse  exempli  gratia  fabricirt.  Allein  der 
genaue  Sinn  des  'subiungere  duos  versus*  geht  nicht  auf  eine  Vervoll- 
ständigung durch  hinzugefügte  Verse,  sondern  auf  eine  nähere  Verbin- 
dung der  zwei  Verse  'ut  nil  supra  (eam),  quae  tum*  etc.  (wie  Wessner 
auf  meinen  Wink  in  seirer  Ausgabe  andeutet):  und  daraus  ergibt  sich 
eben  auch  für  Donat  die  Lesart,  und  die  richtig,  selbständig  gefasste 
Lesart  'Quae  tum\ 

^  Beiläufig:  zu  den  Worten:  'Quod  plerique  omnes  faciunt  adules- 
centuH  Vt  animum  ad  aliquod  Studium  adiungant  aut  equos  Alere  aut 
canes  ad  venandum  aut  ad  philosophos'  haben  sich  die  neueren  Com- 
mentare  die  schöne  Parallelstelle  entgehen  lassen  aus  Isokrates  Areo• 
pagiticus  45:  τους  hk  ß(ov  Ικανόν  κεκτημένους  περί  τήν  Ιππικήν  καΐ 
τά  γυμνάσια   καΐ   τά  κΟνηγέσια    καΐ  τήν  φίλοσοφίαν  ήνάγκασαν 


Zwei  Rite  Terenzprobleme  53 

zufälligen  Irrthum  oder  abeichtliclie  Ergänzung  entstanden  ist 
—  and  doch  liegt  hier  gerade  ein  ^zufälliger  Irrthum'  Vahlene 
und  eine  'absichtliche  £rgänznng  der  fraglichen  Partikel  im 
Terenztext  ganz  eicher  vor.  Vahlen  hat  eich  an  den  Text  und 
Apparat  Umpfenbache  gehalten,  ohne  die  Addenda  p.  LXXXII 
heranzuziehen,  er  hat  auch  von  Spengel  die  erste  statt  der  zwei- 
ten Ausgabe  benatzt  und  Bentley  nicht  nachgelesen :  sonst  würde  er 
vor  jenem  gröeeeren  und  vor  weiteren,  unbedeutenderen  Irrthttmem 
bewahrt  worden  sein.  Nun  vindioiert  er  Sosia  et  den  Hand- 
schriften, während  Umpfenhach  (und  Spengel  mit  ihm)  bezeugt 
'Sosia  (om.  et)  libri^  er  fttgt  als  weiteres  Zeugniss  für  et  *das 
Lemma  des  Donat'  hinzu,  während  doch  längst  ausgemacht  ist, 
dass  auf  die  bei  umpfenhach  (aus  den  alten  Ausgaben)  verzeich- 
neten Lemmata  gar  kein  Verlass  ist :  und  thatsäohlich  kennt  auch 
die  Ueberliefernng  des  Donat  ßt  nicht,  sondern  nur  lAberius, 
Vahlen  sagt  ferner,  er  wisse  nicht,  woher  Bentley  Sosia  ac  habe, 
während  Bentley  —  allerdings  nicht  zu  v.  24,  sondern  am 
Schlnss  seiner  Anmerkung  zu  v.  27  —  in  mehreren  Zeilen  diese 
leine  Conjektnr  begründet,  aus  der  dann  weiterhin  die  öfter  auf- 
genommene, von  Vahlen  und  Anderen  für  alte  üeberlieferung 
gehaltene  Leeart  Sosia  et  gemacht  wurde.  Weiter  bekämpft 
Vahlen  die  von  Spengel  selbst  in  der  Neubearbeitung  aufgegebene 
Conjektnr  und  schreibt  die  von  diesem  dafür  eingesetzte,  von 
Vahlen  gleichfalls,  und  mit  Grund,  bekämpfte  Aenderung  Fleck- 
eieen  zu,  der  sie  nur  aufgenommen  hat.  Endlich  läset  Vahlen 
/iör  die  prosodieche  Schwierigkeit  des  Ltbirius  vivendi  fuit  po- 
testas  die  Wahl  zwischen  Liberju(s)  'mit  Lachmann'  und  vi(ve)ndi 
mit  Klotz':  auch  diese  beiden  Erfindungen  gehören  aber  schon 
der  Zeit  vor  Bentley  an,  wie  aus  dessen  Ausgabe  zu  ersehen  war\ 

^urrpißov  όριΰντ€ς  έκ  toOtuiv  τους  μέν  διαφέροντας  γιγνομ^νους,  τους 
hi  τών  icXcicrruiv  κακών  άνεχομένους,  wo  die  gleiche  Verbindung  des 
Pferde-  aod  Handeeports  mit  dem  Philosophieren  (eben  auch  als  Sport, 
Dicht  als  Studium)  bemerkeuswertb  ist. 

^  Bentley  wird  heutzutage  leider  oft  überhaupt  nicht  mehr  oder 
oicbt  genügend  gelesen,  nachdem  man  sich  über  seine  Einseitigkeiten 
erhaben  fühlt.  Das  zeigt  sich  oft  zum  Schaden  in  der  Horazlitteratur, 
aber  auch  im  Terenz.  So  hatte  Bentley  langst  Andr.  I  1,  89  (116) 
out  richtiger  Begründung  die  Lesart  quid  id  est  im  vorletzten  Fdbs 
statt  quid  est  bevorzugt:  Dziatzko  hat  es  erneuert  ohne  Bentleys  zu 
gedenken  und  Scblee  in  Wolffline  Archiv  III  p.  556  hat  es  granunatisoh 
weiter  gestützt,  dagegen  den  seit  Bentley  noch  näher  ausgeführten 
metrischen  Grund  bei  Seite  geschoben,  während  hier,  wie  so  oft,  Me- 
trik und  Grammatik  sich  gegenseitig  stützen. 


54  Scholl  Zwei  alte  Terenzprobleme 

und  für  dieee  Zeit  allein  paseen  sie  auch.     Denn  Liberju*  bleibt 
nicht  nur  för  Terenz,  Rondern  für  die  archaische  Dichtung  über- 
haupt unerhört  und   unmöglich,    wenn    sich  auch    in   einer  seiner 
Marotten  Lachmann  zu  Lucr.   129  dieser  Mies^ebnrt  angenommen 
und  ihr  ein  Di  tibi  nncUefacjant  (Phorm.  11  3,  47)  und  ähnliches 
zugesellt  hat,    worüber   länget  Bitsohl  zu  Trin.  200  und  Andere 
den  Stab  gebrochen  haben.     Aber  auch  das  alte  vi{ve)ndi  wird  da- 
durch nicht  besser  und  möglicher,  dass  sich  unter  Anderen  Klotz, 
ja  zweifelnd    selbst  Lindsay  in    der  Einleitung   zu    seiner  neuen 
Ausgabe  der  Captivi  p.  22  dafür  aussprechen:  denn  daee  die  an* 
geblichen   "ParaUelen^  ganz  andere  geartet  sind,  auch  diese  Form 
eine  Unform  ist,  hat  man  gleichfalls  längst  nachgewiesen.    Damit 
ist  aber  die  Fehlerhaftigkeit   und  Verbesserungsbedürftigkeit  der 
Stelle  erwiesen,  um  so  mehr,  da  zu  dem  prosodischen  Bedenken 
das  inhaltliche  hinzukommt  oder  umgekehrt:  und  das  hat  ja  ge- 
rade Vahlen,  wider  Willen,   aufs  Neue  dargethan,  indem  er  den 
nach  Bentley  eingebürgerten  Zusatz  für  nothwendig  erkennt.    Bei 
vernünftiger  Behandlung   werden    wir    aber    nun  natürlich    nicht 
eine  Partikel  am  Versende  zusetzen  —  auch  wenn  wir  die  Mög- 
lichkeit dieser  Stellung  im  Allgemeinen  zugeben  —  und  dann  bei 
lAberius  weiter  herumbosseln,    wir  werden  aber  ebensowenig  zu 
dem  beliebten  Gewaltmittel  greifen    die  Worte  Sosia  —  pofesias 
hinauszuwerfen  und  nam  is  —  ffam  antea  aufeinanderklappen  zu 
lassen:    vielmehr    werden    wir    das    Kreuz    gerade    vor  Liberius 
setzen    und    den  Sitz    des  Fehlers  da  suchen,   wo  Vers  und  6e- 
dankenansdruck  gleich ermaassen  hapern.     Denn    so  gewiss  Bent- 
leys  Anstoss    am  Comparativ    gesucht    und    spitzfindig   war,    eo 
richtig  man    die  Wendung  liberius  vivere    aus  Nepos  Them.  1, 2 
und  ähnlichen  Stellen  belegt  hat,  so  sicher  ist  doch  Xtöertti5  nicht . 
nothwendig,    und    ist  als  Interpretament    wohl  verständlich :    ee 
kann   ja  vivendi  potestas    in    dem    prägnanten  Sinne    von  vivere 
(für  den   ich    der  Kürze  halber  auf  meine  Bemerkung  zu  Perea 
V.  30  verweise)  bedeuten  *die  Möglichkeit  sein  Leben  zu  geniessen 
und  eben  dieser  Sinn  konnte,  wie  anderwärts  durch  cum  laetifia 
(vivere)j  so   hier  durch  liberius  glossirt  werden.     Dann  aber  hat 
eben  dies  Gloesem  die  vermieste  Gedankenverbindung  verdrängt, 
die    Bentley    durch    (.ac}    Liberay    Andere    durch    (et}   Liberius^ 
Spengel  und  Fleckeisen  neuerdings    durch  ubi  (oder  ut)  für  fuit 
(zugleich    mit   Hebung   des    prosodischen    Uebels)    zu    gewinnen 
suchten,  und   die  wir   nun   nur  versuchsweise   und  beiepielsweiee 
durch  {Et  iatn)  v.  f.  p.  oder  <  Vbi  ei}  v.  f.  p,  oder  (^Simul  «Λ 
ν,  /.  ρ,  oder  ähnlich  andeuten  können.    Wirklich  cnrieren  können 
wir  den  Vers  nicht,   aber  wir  wollen   und  sollen  une  auch  nicht 
einreden   lassen,    er    sei  gesund    oder  Terenz  selber    habe  diesen 
Krüppel  in  die  Welt  gesetzt. 

Heidelberg.  Fritz  Scholl. 


zu  ACHILLES  TATIUS 


J 


Ans  den  Gedankenkreisen  des  Platoniecben  'Pbaedrus'  nnd 
'Symposion,  denen  sich  Xenopbone' Symposion  and  (ier  Abschnitt 
bei  Plato  De  legg.  VÜI  c.  5  p.  835  Ε  —  c.  8  p.  842  Α  hin- 
zagesellen,  hat  sieb,  dnrch  die  erotische  Poesie  jeder  Gattung, 
vornehmlich  aher  dnrch  die  Liebestragödie  des  Enripides^  ge- 
fordert, allmählich  eine  populHrphilosophische  oder  vielmehr 
dilettantische  Art  der  Betrachtung  entwickelt,  die  es  sich  im 
Gegensatz  zu  Piatons  erhabenem  Erosbilde  zur  Aufgabe  machte, 
die  Natur  der  Liebe  nach  ihrer  sinnlichen  Seite,  nach  ihren 
Wirkungen  in  der  Göttersage,  in  der  Geschichte  berühmter 
Persönlich keiten,  im  täglichen  Leben  der  Menschen,  ja  sogar  im 
Thierleben  gründlich  zu  erforschen^.  Akademiker,  Peripatetiker, 
Stoiker,  Epikureer  u.  a.  haben  das  Liebesproblem  in  zahlreichen, 
in  der  Begel  in  dialogischer  Form  abgefassten,  zumeist  περί  έρω- 
τος oder  ερωτικός  oder  ερωτική  τέχνη  betitelten  Schriften  er- 
örtert (vgl.  die  Zusammenstellung  solcher  Schriften  bei  A.  W. 
"Winckelmann :  Plutarchi  Eroticus.  Turioi  1836  8.  96  ff.)*,  mit 
denen  die  Tractate  περί  κάλλους  (vgl.  Athen.  ΧΠΙ  ο.  11  ρ.  561a 
Stob.  fl.  65  f.  M.)  und  ττερι  γάμου  oder  ähnlichen  Titels  (vgl. 
L.  Schmidt:  Die  Ethik  der  alten  Griechen  US.  187  ff.;  P.  Wend- 
land:  Quaestiones  Musonianae  Berol.  1886  S.  56  und  besonders 
da8  mir  erst  nach  Einsendung  dieser  Abhandlung  bekannt  ge- 
wordene Buch  von  K.  Praechter :  Hierokles  der  Stoiker.  Leipzig 
1901  S.  121  ff.)  in  engem  Zusammenhange  stehen.  Hauptsächlich 
im  dreizehnten  Buche  des  Athenaeus,  dem  ausfuhrlichsten  der  uns 


^  6  σκηνικός  αναγορευθείς  φΐλόσοφος,  vgl.  Sext.  Emp.  adv. 
Zr.  p.  r>66  B.;  Athen.  IV  d.  48  p.  158  e  XIII  c.  11  p.  561  a. 

^  Tgl.  £.  Rohde :  Der  griechische  Roman  ^  S.  55  ff. 

'  Natürlich  bedarf  dieses  Verzeichnies  nach  den  Ergebnissen  der 
neueren  Forschung  mehrfach  der  Berichtigung.  Vgl.  n.  a.  R.  Hirzel: 
Der  Dialog.  131  f.  110.  283.  345  f.  373.  399.  —  Der  bei  Winckelmann 
20.  zuletzt  erwähnte  Capito  ist  identisch  mit  dem  Verfasser  des 
^pignunms  A.  P.  V  67. 


56  Wilhelm 

erbaltenen  Liebeedialoge,  in  Platarohs  Έρατηκός^,  bei  Maxiimis 
Tyriue  Or.  24—27*,  in  Lucians  Έρωτες",  bei  Stobaeue  fl.  63-79* 
und  auch  bei  Clemens  Romanue  Hoin.  5,  10 — 19  Recogn.  X  20  ff. 
und  Clemene  Alexandrinue  Protr.  c.  2  p.  27  ff.  F.  *  Paed.  II  c.  10 
— 12  p.  220  ff.  P.  laeeen  sieh  die  Spuren  dieser  erotischen  Litte- 
ratur  yerfolgen.  Als  eine  Entartung  dieser  Gattung  ist  die  schlüpf- 
rige Schriftstellerei^  zu  bezeichnen,  die  in  gegenseitiger  Befruch- 
tung mit  der  erotischen  Komödie  und  Elegie  der  hellenistischen 
Zeit  jene  Liebeslehre  behandelte,  die  uns  beispielsweise  in  Luciane 
Hetärengesprächen,  im  erotischen  Roman,  in  der  Liebesepistel  (so 
besonders  bei  Arietaenetus^  im  erotischen  Epigramm  und  in  der 
römischen  Elegie  begegnet^,  wo  sie  durch  Oyid  in  der  Ars  ama- 
toria'ihre  reichste  Ausbildung  gefunden  hat. 

Eines  der  beliebten  2Ιητήματα  jener  'Philosophie'^  scheint 
nun  die  aus  den  socialen  Verhältnissen  Athens  seit  der  zweiten 
Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  begreifliche  Frage  gewesen  zu 
sein,  welche  der  beiden  Liebesarten  (ίριυτες),  die  Weiberliebe 
oder  die  Enabenliebe,  den  Vorzug  verdiene.  Der  yon  den 
Dichtem  seit  Hesiod  Theog.  590  ff.  so  oft  wiederholte  Satz 
(vgl.  ua.  Eur.  Hipp.  616  ff.;  Aristoph.  Thesm.  786  ff.),  dass  das 
Weib  ein  'üeber  sei,  war  zu  einem  yon  weiten  Kreisen  ange- 
nommenen Dogma  geworden.     Die   sklayische  Stellung  der  Frau 


1  Verfasser  dieser  Sohrift  ist  nach  E.  Graf:  Gommentat.  Ribb. 
S.  70  Plutaroh  der  Sohn. 

'  Vgl.  Hobein:  De  Maximo  Tyrio  qnaest.  philol.  selectae.  Got- 
tingae.  1895.  S.  69. 

*  Dem  Ludan  neuerdings  wieder  abgesprochen  von  W.  Lauer: 
Lucianus  num  auctor  dialogi  'Έριυτ€ς  existimandas  eit.  Beilage  zum 
Programm  des  Kgl.  Friedrich- Wilhelms-Gymnasiums  zu  Köln  1899. 

*  Stobaeus  citire  ich,  soweit  er  nicht  in  der  Ausgabe  von  Wachs- 
muth  und  Hense  vorliegt,  nach  Meineke. 

^  Vgl.  Wendung:  De  peplo  Aristotelico.  Strassb.  1891  S.  32  ff. 
70  ff.  —  Nach  W.  Christ:  Phil.  Studd.  zu  Clemens  Alexandrinue 
München  1900  S.  28  {=  Abb.  d.  k.  bayer.  Ak.  d.  Wies.  I.  Kl.  XXI. 
Bd.  III.  Abt.  S.  482)  geht  der  ganze  Abschnitt  Protr.  c.  2->4  auf  das 
Werk  des  Apoll odor  über  die  Götter  zurück. 

«  Vgl.  Ribbeck:  Gesoh.  d.  röm.  Dichtuugi  II  2B3. 

'  Vgl.  Leo:  Plautinische  Forschungen  S.  127  ff.  und  V.  Hoe!zer: 
De  poesi  amatoria  a  oomicis  Atticis  exoulta,  ab  elegiacis  imitatioue 
expressa.  p.  I.  dies,  inaug.  Marpurgi  Catt.  1899  S.  78  ff. 

β  Vgl.  Lucian  ao.  c.  31  p.  431  (φιλοσοφείν  υπέρ  γυναικών;; 
Aoh.  Tat.  I  12,  1  (ήμ€ΐς  μέν  oOv  ταΟτα  έφΐλοσοφοΟμ€ν  περί  τοΟ 
θ€θΟ  sc.  'Έραττος). 


Zu  Aohillee  Tatias  57 

mit  ihren  auf  Emancipation  ^  gerichteten  Bestrebungen  und  das 
ausgebreitete  Hetären wesen  dienten  dazu,  diesen  Glauben  zu  be- 
festigen. Die  Knabenliebe  galt  nach  dem  Beispiel  massgebender 
Männer  längst  ale  ein  zum  Vollgenuese  des  Lebens  unentbebrlicbeR 
Element^  Mit  besonderem  Behagen  ist  das  Feld  der  Knaben- 
liebe  ond  der  Weiberliebe  von  dem  Peripatetiker  Klearchos  von 
Soloi  in  seinen  von  Athenseus  häufig  citirten  ερωτικά'  und,  wie 
es  scheint,  ancb  von  seinem  Zunftgenossen  Hieronymos  yon 
Rhodos^  behandelt  worden.  Wohl  die  meisten  der  Verfasser  der 
oben  bezeichneten  Schriften  ttber  die  Liebe  haben  zu  dem  *Pro- 
blem'  in  irgend  einer  Weise  Stellung  genommen,  ohne  dass  man 
bei  der  klaffenden  Lücke  der  Ueberlieferung  über  den  Stand- 
punkt der  einzelnen  Auskunft  zu  geben  vermöchte.  Nach  den 
strengen  Omndsätzen  ernstdenkender  Stoiker  wie  des  Musonius 
Rufas  und  unter  fleissiger  Benutzung  der  älteren,  namentlich 
der  peripatetiscben  Schriften  über  die  Liebe,  wird  die  Contro- 
yeree  im  Έριυτικός  des  Plutaroh  zu  Gunsten  der  £he  ent- 
echieden^  Dagegen  werden  die  Weiber,  insbesondere  die  als  das 
'Uebel*    κατ'  έΕοχήν   angesehenen  γαμεταί,    bei  Athenaeus  XIII 

c.  7  p.  558  e  ff.   durch    zahlreiche    Zeugnisse  aus    der  Komödie 
herabgewürdigt.    An  den  grössten  Kriegen^  und  am  Sturz  ganzer 

^  VgL  J.  Bmns:  Frauenemancipation  in  Athen.    Kiel  1900. 

'  Plato,  welcher  die  Knabenliebe  in  seinen  früheren  Dialogen 
derartig  Terberrlicht  Latte,  dass  er  der  Sinnlichkeit  derselben  ent- 
schiedene Zugeständnisse  machte  (so  auch  in  den  kleineren  Dialogen 
wie  Lysie  und  Charmides;  vgl.  J.  Bruns:  N.  Jahrb.  f.  das  klass.  Alter- 
thnm  1900  S.  36),  hat  sie  in  den  'Gesetzen  gänzlich  verworfen.  — 
Teber  den  muthmasslichen  Standpunkt  des  Aristoteles  vgl.  Hirzel  ao. 
l  283.  —  In  der  πολιΤ€(α  des  Zenon  von  Kition  war  die  Männerliebe, 
wenn  aach  nicht  die  grobsinnliche,   empfohlen;   vgl.  Susemihl:   Gesch. 

d.  griech.  Litt,  in  der  Alezandrinerzeit  I  56. 

•  Vgl.  zB.  Athen.  XIII  o.  16  p.  564a;  c.  56  p.  589d;    c.  70  p.  597  a; 

e.  83  p.  605  d  α.  ö. 

*  Vgl.  Sasemihi  ao.  I  150. 

^  Heber  Musonius  als  Quelle  des  Plut.  im  'Ερωτικός  vgl.  Wend- 
Und  ao.  p.  54  ff.  und  dazu  Wendland  und  Kern:  Beitr.  zur  Gesch.  d. 
irrieeb.  Phil.  u.  Rel.  8.  68  ff.  —  Gern  möchte  man  glauben,  dass  Plu- 
tarch  in  der  erwähnten  Schrift  gegen  ältere  Ερωτικοί  polemisiert.  An 
engere  Beziehungen  zwischen  dem  plntarchischen  *  Ερωτικός  und  den 
Έραιτ€ς  des  Lncian  glaabt  Hirsel.  Aber  die  ao.  II  282  Anm.  1  angc- 
fiihrten  Aehnlichkeiten  gehören  offenbar  zum  Gemeingut  des  nach- 
platonischen erotischen  Dialogs. 

•  Aehnlich  Philo  an  den  bei  Wendland  und  Kern  Beitr.  S.  36  f. 
citierien  Stellen.   Derselbe  Gedanke  schon  bei  Aristoph.  Thesm.  785  ff. 


58  Wilbeltn 

Bänser  tragen  sie  die  Schuld  (c.  10  p.  560  b — f).  Gegen  die 
Stoiker,  welche  der  Knabenliebe  unter  dem  Deckmantel  der 
Seelenliebe  huldigen  (vgl.  Flut.  Erot.  c.  5  p.  752  Α  und  Lucian 
"Έρωτες  c.  23  p.  423),  wendet  sieb  der  Grammatiker  Myrtilos 
ebenda  c.  15  p.  563  d  und  redet  bis  c.  20  p.  566  e  yon  Knaben- 
liebe  und  Männerechönheit,  während  er  c.  87  p.  608  a  ff.  an  einem 
Katalog  schöner  Frauen  den  Nachweis  fuhrt,  δτι  oub^v  έ(Ττιν 
οφθαλμών  ούτως  εύφραντικόν  ώς  γυναικός  κάλλος.  In  Lucians 
Έρωτες,  wo  das  epikureische  Gepräge  ebenso  deutlich  bemerk- 
bar iot  wie  das  kyniech-stoische  ^,  vertbeidigt  der  Korinther 
Charikles  die  Weiberliebe,  der  Athener  Kallikratidae  die  Knaben- 
liebe im  edlen  Sinne.  Der  Beifall  des  Schiedsrichters  Ljkinos 
(=  Lucianus)  gehört  dem  Kallikratidae. 

In  der  Poesie  hat  die  μοΟσα  παώική  neben  dem  Motiv  der 
Weiberliebe  von  jeher  ihr  Ansehen  behauptet.    Durch  den*Chry- 
sippos*'   des  Enripides,    der    nicht    grundsätzlich    der  Feind   des 
weihlichen  Geschlechts  (vgl.  besonders  Aristoph.  Thesm.   544  ff.) 
gewesen  sein  kann,  für  den  ihn  seine  Zeitgenossen  hielten',  war 
der    Conflict    zwischen    beiden  Liebesarten    auf    die    Bühne    ge- 
kommen.    Aus    der    neueren   Komödie    mit    ihren   häufigen,    den 
Ausfallen    des  Aristophanes    in    seinen  drei  Weiberkomödien    an 
Heftigkeit    nicht    nachstehenden  Verwünschungen  des  weiblichen 
Geschlechts    und    des    γαμεϊν    (vgl.  Antiphanes  fr,  292  K.  Ana- 
xandrides    fr.   52    Eubulos   fr.  116  f.    Aristophon    fr.   5     Alexie 
fr.  262    Menandros   fr.   154.  404.  484)*   sei    der  Μισογύνης  des 
Menandros   (fr.  325)   hervorgehoben.     Von  Antiphanes    (fr.  181) 
und  Diphilos  (fr.  58)  werden  im  Widerspruch  mit  dem  Zeugniss 
des   Plut.    Quaest.  conv.  VIT  8,  3  p.  712  C,    nach    welchem    die 
Knabenliebe  für  die  νέα  κωμωδία  keinen  Stoff  abgab,  Stücke  des 
Titels  Παιδεραστής  und  ΤΤαιδ€ραστα{  genannt.     Die  Έρωτες  ή 
Καλοί   des  Elegikere    Phanokles    schienen  von    der    Knabenliebe 
abzumahnend     Auf    das  Vorbild   des  Hesiod,    nur    dass  sie  von 
männlichen  Geliebten  handelten,  weisen  die  Ήοΐοΐ  des  Sosikrates 
von  Phanagoria   und    der    γυναικών    κατάλογος    des   Nikainetos. 


1  Vgl.  Praechter  ao.  S.  148  f. 

2  Tragg.  Graec.  fr.  rec.  A.  Nauck*  S.  632. 

8  Vgl.  Bloch:    Neue  Jahrb.  f.  d.  klaes.  Alt.  1901  S.  32. 

*  Aehnliches  in  der  imitircndon  römiechen  Komödie^  vgl.  Ribbeck 
ao.  I  78  f. 

*  Vgl.  Susemihl  ao.  I  191. 


Zu  Achillee  Tatius  59 

Aocb  von  den  Dichtern  wird  die  Frage,  ob  der  δρρην  oder  der 
θήλυς  ίραις  der  begebrenewertbere  eei,  verscbieden  beantwortet. 
AIr  οίΓου  προση  τό  κάλλος,   άμφώέΕιος  bekennt  sieb  der  sinn- 
*  liehe  Liebhaber    in  dem  Fragment  des  ungenannten  Dichters  bei 
Plnt.  Erot.  o.  21   p.  767  Α  ^.     Seleakos,  der  Sohn  des  Gescbioht- 
scbreibere   Mneeiptolemos,    welcher   letztere    am   Hofe  Antiochos 
(ies  Grossen    lebte,    preist    in    zwei    von    Athenaens    XV    c.   53 
p.697d  oitierten  Asklepiadeien  seiner  \λαρα  $σματα  die  Knaben- 
liebe  gegenüber  dem  γαμ€Ϊν.     Schwankenden  Sinnes  ist  der  Epi- 
grammatiker MeleagTos  von  Gadara    (A.  P.  V  208  ΧΠ  41.  86)• 
^or  Straten    von  Sardes,  dem  talentvollen,  aber  lasciven  Sänger 
<ier  Rnabenliebe,    findet  das  Weib  natürlich  keine  Gnade  (A.  P. 
ΧΠ  7),  vielmehr  ist  ihm  das  παώοφίλεΐν  wie  dem  Kallikratidas 
bei  Lacian.  ao.  c.  33  p.  433  bis    c.  36  p.  437  ein  εύρημα,  welches 
der  ?emünftige  Mensch  wie    jeden    andern  Enlturfortschritt  vor 
ilera  α  η  vernünftigen    Thiere    voraushabe :    vgl.    A.  P.   ΧΠ  245. 
Der  unbekannte  Verfasser  des  Epigramms  A.   P.  XII  17    kommt 
za  dem  Ergebnies :  δσον  ουνατώτερος  δρσην  θηλυτίρης,  τόϋβον 
Xii  πόθος*  όΕυτερος,    während  Eratosthenes  Scholastikos^    Α.  Ρ. 
^  277  nnd  Μ.   Argentarios  Α.  Ρ.  V  116  im  Sinne  des  Cbarikles 
fe  Lucian    ao.  c.  25  p.  426    und    c.  27   p.  427  (vgl.    Musonins 
bei  Stob.  fl.  69,  23)  für  das  Weib  eine  Lanze  brechen.     Mit  der 
Weiberliebe    will    sich    auch    Agathias  A.  P.   Υ  278    begnügen, 
aber  A,  P.  V  302    verwirft  er    alle  Liebesarten    nnd    findet  das 
Heil  einzig    in  dem  oynischen   Verfahren,    welches  Diogenes  von 
Sinope    nach    Galen    De  loc.   affect.    VI  5   Bd.  VIII  419  £.   an- 
gewendet haben  soll.  —    unter  den  diesbezüglichen  Aenssernngen 
römiecher  Dichter^    ist    der  Aasspruch  des  Ovid  a.  a.  Π  683  f. 
bemerkenswerth : 


^  Nauck  ao.  Adesp.  355. 

'  Sneeroihl  ao.  I  225. 

^  üeber  das  Verh&ltniss  des  Gatall  zur  Knabenliebe  vgl.  Hamecker: 
Jahrb.  f.  Phil.  1886  S.  273  ff.,  über  das  des  Tibull:  Sat.  Viadr,  189B 
^•4H  ff.  Die  Erzeugnisse  der  Knabenmuse  beider  Dichter  —  und  das- 
^Ibe  gilt  von  den  betreffenden  Dichtungen  des  Horaz  und  Vergil  — 
können,  weil  sie  sieb  als  reine  Nachahmung  griechiecher  Muster  aus- 
weisen, den  Glauben  an  eine  ihnen  zu  Grunde  liegende  Realität  nicht 
erwecken.  Bei  Properz  spielt  die  Knabenliebe  so  gut  wie  gar  keine 
Holle;  vgl.  Birt:  Rh.  Mus.  XXXVIII  p.  215.  Schon  in  der  griechischen 
μούσα  παι6ική  wird  vieles  auf  blosser  Nachahmung  älterer  Vorbilder 
ohne  den  Hintergrund  des  Selbsterlebten  beruhen.  Der  erotische 
Dichter  glaubt  sein  Lesepublikum  nicht  vollständig  zu  befriedigen, 
wenn  er  das  Motiv  der  Enabenliebe  übergeht. 


60  Wilhelm 

Odi  concabitus,  qni  non  utrumqae  resolyunt 
(Hoc  eet,  cor  pueri  tangar  amore  minus). 
Grieohieche  Epigrammenpoeeien  wie  die  oben  angeführten  hat 
Martial  gelesen  und  verwerthet:  ygl.  zB.  Mart.  IX  25  A.  P. 
ΧΠ  175.  —  Mart.  XI  43  A.  P.  V  116,  Lncian.  ao.  c.  27  p.  428. 
Der  Sittenprediger  Juvenal,  der  I  2  das  unnatürliche  Treiben  der 
Männer  verdammt,  möchte  in  seinem  ψόγος  γυναικών  U  6,  84ff.^ 
die  Verbindung  mit  einem  puer  delicatus  immer  noch  für  ge- 
rathener  halten  als  mit  einem  der  sittenlosen  Weiber  seiner  Zeit. 
'Je  mehr  das  weibliche  Geschlecht  der  allgemeinen  Corruption 
verfiel^  und  je  gewagter  infolge  dessen  die  eheliche  Yerbindang 
zu  sein  schien,  um  so  mehr  scheint  man  sich  mit  der  Frage  nach 
den  Vortheilen  der  Männerliebe  oder  der  Weiberliebe  beschäftigt 
zu  haben.  Der  letzte,  der  sie  ausführlicher  bespricht,  ist  Achilles 
Tatius,  der  Romanschriftsteller.  Es  handelt  sich  um  die  fizcurae 
I  8,  1 — 9  und  Π  35,  3—38  (Hercher),  welche  nach  dieser  Skizze 
ihres  Zusammenhangs  mit  der  vorhergehenden  Sohriftstellerei  in 
Prosa  und  Poesie  ein  litterarhistorisohes  Interesse  beanspruchen 
dürfen,  zumal  sie  den  Niederschlag  alles  dessen  enthalten,  wae 
über  diesen  Punkt  gedacht  und  geschrieben  worden  ist.  Eine 
kurze  Inhaltsübersicht  wird  nicht  überflüssig  sein. 

Kleinias,    der  Vetter  des  Romanheldeu  Kleitophon,    ergeht 
sich,    um    seinen    Geliebten   Charikles    von    einer  Heirath    abzu- 
halten,   welche    dieser    nach    dem    Wunsche    seines    Vaters    mit 
einem  reichen,    aber  hässlichen  Mädchen    eingehen  soll,    in  einer 
SchmUhrede  gegen  das  Weibergeschlecht:  durch  das  Weib  (Pan- 
dora)  ist  alles  üebel  auf  die  Welt  gekommen.    Der  Genuss,  den  ee 
gewährt,  ist  wie  der  Sirenengesang,  den  man  mit  dem  Leben  be- 
zahlt (I  8,  1.  2).      Schon    aus    den    geräuschvollen    Zurtistungen 
zur   Hochzeit    lässt    sich    auf   die  Grösse    des  Uebels    schlieesen 
(§  3).     Wie    viel  Stoff   haben    die   Weiber  (Eriphyle,  Philomele, 
Stheneboia,    Aerope,    Prokne,    Chryseis,    Briseis,    das  Weib    des 
Kandaulee,  Helena,  Penelope,  Phaidra,  Klytaimnestra)  der  Tragödie 
gegeben  (§  4 — 7)!    Entbehrt  das  Weib  noch  dazu  der  Schönheit, 
so  ist  das  Unglück  doppelt  (§8)^    Endlich  macht  das  Heiratfaen 
die  Jugendblüthe  des  Mannes  vor  der  Zeit  verwelken  (§  9). 


»  Vgl.  V.  457  ff.  474  ff.  mit  Lucian.  ao  c.  38  p.  440  bis  c.  42 
p.  445.     Es  iet  die  Sprache  des  stoischen  Aretalogen. 

^  ήκιστα  γάρ  iv  γυναιΣΙν  ολόκληρος  άρ€τή  φύ€ται.  Lucian.  ao. 
c.  50  ρ.  454. 

8  Vgl.  Ι  7,  4. 


Ζα  Achilles  Tatins  (>1 

Der  andere   Abeobnitt  (II  35,  3  ίΤ.)    ist  ein    die  tri  beartiger 
Dialog   zwischen     dem  erwähnten  Kleitophon   and  dem  Aegypter 
Meoelaoe,  dem  Lobredner  der  Enabenliebe.     Deeeen  Behauptung, 
die  Schönheit  der  Knaben  eei  οριμυτερον  €ΐς  ήόονήν  (§  3),  wird 
voD  jenem    mit  dem  Einwand    bestritten,    daee    der  Schöne  dem 
Liebhaber  nur   allsnoft  mitten  im  GennsRe  entfliehe,  so  daee  der 
GeDQBB  onbefriedi^  bleibe,  wie  der  Daret  dee  Tantalns  (§  4.  5). 
Dagegen  iat    naob  Menelaos    der  wahre  Gennee    eben  derjenige, 
der,  je  kürzere  Zeit  er  währt,  daa  Verlangen  um  so  reger  erhält 
(36,  i).     Darum    iat    auch    die    Boee    schöner    ale   alle    andern 
Blumen,   weil   ihre  Schönheit  rasch   entflieht.     Es  giebt  nämlich 
zwei  Arten  ύοώ  Schönheit,  die  himmlieohe  [der  Knaben]  und  die 
gemeine  [der  Weiber]  (§  2).    Jene  strebt  bald  zum  Himmel  empor, 
diese  verwelkt  am  Leibe.    Zeuge  jener  ist  Ganymedee,  der  wegen 
seiner  Schönbeit    von    den  Göttern    in  den   Himmel   entfuhrt  und 
Zene*  Mundschenk    wurde  (§  3).     Aber  noch  kein  Weib  —  denn 
aach  mit  Weibern  bat  Zeus  Gemeinschaft  gehabt  —  ist  um  ihrer 
^Schönheit    willen    in    den    Himmel    gekommen,    weder    Alkmene 
noch  Danae    noch  Semele,    und  Hebe    musste    ihr  Ehrenamt  an 
Ganymedes  abtreten  (§  4).     Statt  dessen  findet  Kleitophon,    dass 
die  Schönheit  der  Weiber  deswegen  die  himmlische  sei,  weil  sie 
nicht   so    schnell    vergehe.     Denn    das  Unvergängliche    ist   dem 
(jöttlichen    verwandt,    was    sich    aber    ändert    und    vergeht,    ist 
sterblich  und  gemein  (37,  1  j.     Hat  doch  die  Schönheit  der  Weiber 
(Europa,  Antiope,  Danae)    den  Zeus    selber   vom  Himmel  herab- 
gezogen   (§   2).     Der  Baub    des  Ganymedes  war  eine  Vergewal- 
tigung,   bedauerlich    und   unschön  zugleich    (§  3).     Semele  aber 
i8t  nicht  durch  einen  Baubvogel,  sondern  nach  Art  des  Herakles 
durch  Feuer  in  den  Himmel  entführt  worden;  aus  der  Verbindung 
des  Zeus    und  der  Danae    ging    [der    unter  die  Sterne  versetzte] 
Perseus  hervor;    Alkmene  aber    begnügte  sich    mit  der  Ehrung 
dass  Zeus  um  ihretwillen  dreimal  die  Sonne   nicht  scheinen  liess 
(§  4).    Uebrigens  bieten  die  Umarmungen  und  Küsse  der  Weiber 
ein  ungleich  grösseres  Vergnügen  als  die  der  Knaben  (§5—10). 
Für    die    letzteren   nimmt    Menelaos  das  Schlusewort:   die  Rede, 
die  οχήματα  und    selbst  die  Schönheit   der  Weiber    beruhen  auf 
nichts    als  auf    künstlicher  Verfälschung  (38,  1.  2).     Die  Schön- 
heit der  Knaben  aber  int  durchaus  natürlich  (§  3);  der  liebenden 
Umarmtfng  geht  die   Umarmung  beim  Ringkampf  voraus,    dessen 
man  sich  nicht  zu  schämen  braucht  und  der  sich  zu  einem  Kampfe 
nm  die  Lust  gestaltet  (§  4).     Die  Küsse  der  Knaben  sind  natür- 


62  Wilhelm 

lieb,  and  das  Behagen,   welches  sie  einflössen,   ist  ein   anersätt- 
liches  (§5). 

Die  Weise  anseres  Sophisten  ist  die,  dass  er,  an  eigener 
Erfindung  nnfrachtbar,  das  Material  mit  Fleiss  ans  andern  Schrift- 
steilem,  Prosaikern  und  Dichtem,  zosammensncht,  mit  Vorliebe 
das  Pikante  entlehnt,  das  Entlehnte  mehr  oder  weniger  vertascht^ 
und  es  in  kurzen,  locker  verbundenen  Sätzen^  zusammenfiigt. 
Seine  Abhängigkeit  von  der  vorausliegenden  erotischen  Litteratur 
gebt  80  weit,  dass  er  selbst  die  Gemeinplätze,  an  denen  diese 
Gattung  überreich  ist,  nicht  verschmäht. 

Dahin    gehört    die  Unterscheidung   der    Αφροδίτη  ούρανία 
und    πάνδημος:    vgl.  Plato    Symp.    c.  8    p.  180  D    Xen.  Symp. 
8,  9  f.    Plut.  Erot.  c.  19  p.  764  Β    Athen.  XIII  c.  25  p.  569  d 
Lucian  D.  mer.  7,  1  p.  295.     Nach    Sokrates    bei  Xenopbon  ao. 
soll  die  Liebe  zum  Körper  von  der  gemeinen,  die  Liebe  zur  Seele 
und  zur  Tugend  von  der  himmlischen  Aphrodite   stammen.     Be- 
greiflicher Weise  fanden  die  sophistischen  Vertheidiger  des  irai- 
5θφΐλ€Ϊν   die  Seele   und    die  Tugend   nur    bei    den  Knaben.     Sie 
konnten  sich  auf  die  Stelle   in  der  sophistischen  Rede    des  Pau- 
sanias    bei  Plato  ao.  c.  9  p.   181  C  berufen,    wo  der  SprÖssling 
der  himmlischen  Aphrodite  (mit  sophistischem  Gedankensprange)  ^ 
schlechthin  der  Knabeneros  —   ό  τών   naibuiv  ίρως  —  genannt 
wird.     Demnach    sieht   Kallikratidas   bei    Lucian  •  Έρωτες  c.  37 
p.  438  in  der  Knabenliebe  den  Έρως  ουράνιος  (vgl.  Plat.  Symp. 
c.  11   p.  185  B.  c.  12  p.   187  D),  während  ihm  die  Weiberliebe 
als  der  Έρως  νήιηος  erscheint.     Sein    Gesinnungsgenosse   Pro- 
togenes  bei  Plutarch  ao.  c.  4  bedient  sich  dafür  der  Ausdrncks- 
weisen  Έρως  αληθινός  (ρ.  750  C)  oder  γνήσιος  (ρ.  751  Α)  und 
Έρως  θήλυς  και  νόθος  (ρ.  7•;0  F).     Selbstverständlich  vertritt 
Menelaofl  bei  Achilles  in  seiner  sophistischen  Argumentation  die- 
selbe Anschauung.     Auch  er  unterscheidet  (II  36,  2)  ein  κάλλος 
ούράνιον  und  πάνοημον.    Jenes,  natürlich  nur  den  Knaben,  wie 
dem  unsterblich  gewordenen  Ganymedes,    eigenthümliche  κάλλος 
sucht  sich  des   sterblichen  Leibes   wie   einer    lästigen   Fessel   zu 
entledigen,  um  bald  in  seine  himmlische  Heimat  zurückzukehren. 
Bekanntlich   ist   das   nach   Plato   die    Aufgabe   des    Philosophen: 

^  Das  zeigt  besonders  die  Weise,  wie  er  den  Heliodor  benutzt; 
vgL  Seimke:  Quaest.  Heüod.  Ual.  Sax.  18i<9  S.  22  flf. 

*  Nach  dem  rhetorischen  Recept  für  die  Stilart  der  dq>^X€ta. 
Vgl.  W.  Schmid  bei  Wissowa:  Realeocycl.  1  Sp.  24β. 

»  Vgl.  G.  F.  Rettig:  Plat  Symp.  HaUe  187β  II  S.  132. 


Zu  Achilles  Tatias  63 

vgl.  Phaedr.  c.  30  p.  250  C.  Phaedo  c.  9  p.  64  E.  c.  10  p.  65 
C  -  auf  diese  Stelle  mag  das  ίητεϊ  bei  Ach.  p.  85,  2  zurückgehen 
-  c.  12  p.  67   D.  c.  33  p.  82    D.  E.    Platonisch    iet,  wie   man 
leicht  bemerkt,  auch  der  folgende  Satz  (Ach.  p.  85,  3),  dase  das 
Gemeine,     di.    für   Menelaos   das    Weibliche,    der  £rde  und  dem 
Leibe  anhafte.  Ee  schwebt  das  vielgebrauchte  Bild  von  der  flügel- 
lahmen   Seele    vor   (Phaedr.  o.  28  p.  248  C),   die   unvermögend 
zw  Gottheit    emporzudringen    und  ihrer   Schwingen  beraubt   zur 
Erde  sinkt    (ϊρριτΓΤαι  κάτω   Ach.  ρ.  85,  3).     Desgleichen    zeigt 
sich  der  Einfluee    Platos  in    dem   ebenfalls    recht  eophistiech  ge- 
haltenen Gegenbeweise  des  Kleitophon,  dass  das  weibliche  κάλλος 
den  grösseren  Anspruch   auf  Unsterblichkeit  habe.     Hier  (p.  85. 
20)  ist   das    κινούμενον  έν  φθορ^    (vgl.   Phaedr.  c.  24  p, 
245  C  τό  .  .  .  υπ'    άλλου    κινούμ^νον  .  .  .  παυλαν   ίχ€ΐ 
Ιωτ\ς  und  ebd.  ρ.  245  Ε  παν  γάρ  σώμα,  φ  μέν  (BijjQev  τό  Ki- 
vcicTGai,  άψυχον)  identisch  mit  der  rasch  vergänglichen  Knaben- 
Hchönheity  deren  Abnahme  mit  der  Zeit  des  Bartwuchses  beginnt 
vvgl.  A.  P.  ΧΠ  4.   195.  Lucian.  ao.  c.  10  p.  407.  c.  26  p.  426). 
Niemandem  wird  es  einfallen,  aus  der  Berührung  mit  solchen  ab- 
geuutzten  Sätzen  Platos  auf  besondere  Vertrautheit  unseres  Achilles 
mit  der   platonischen  Philosophie   schliessen    zu    wollen.     Nichts 
liegt    diesem    Sophisten    ferner    als    philosophische  Speculation  ^. 
Was  er  in  seinem  Bemühen  attisch  zu  schreiben  aus  den  Schriften 
Platos,    dieses  üauptvertreters    der    attischen  Prosa,    entnommen 
liat,  das  sind  im  wesentlichen    nur  dessen  Worte   und  Eedewen- 
duogen^.    Aber  selbst  unter  diesen  werden  ihm  gar  manche  nicht 
direct  ans  Plato,  sondern  vielmehr  erst  durch  Vermittlung  seiner 
suphistischen   Vorläufer  zugeflossen    sein.     Andere    Uebereinstim- 
maogen  mögen,  von  ofiPenkundigen  Gemeinplätzen  abgesehen,  dar- 
auf zurückzuführen   sein,   dass    Achilles,    wie  sich   zeigen    wird, 
auch  die  verlorene  ^   ihm  zeitlich  näher  liegende  Litteratur  über 
1-iebe,  Schönheit  u.  dgl.  verwerthet  hat,  für  welche  die  erotischen 
Dialoge  Platos,   vor  allem    der  vielgelesene  ^haedrus*    und   das 


*  Vgl.  Wyttenbach  in  Jacobs'  Ausg.  des  Ach.  Proll.  p.  XIV  Anm. 
-'6;  dagegen  F.  Paesow:  Vermischte  Schriften  S.  90  und  A.  Stravos- 
iiiadis:  Achilles  Tatiue,  ein  iiachahmer  des  Plato,  Aristoteles,  Plutarch 
Jiid  Aelian.  Erlang.  Dies.  Athen  1889  S.  7  f.  (eine  minder werth ige  Arbeit). 

*  Vgl  H.  Sexauer:  Der  Sprachgebrauch  des  Ach.  Tat.  Heidelb. 
Diss.  Karleruhe  1899  S.  76. 

*  Vgl.  Norden:  Die  antike  Kunstprosa.  I  439  Anm.  4. 


64  Wilhelm 

^^Sympoeion'  ohne  Zweifel  eine  ergiebige  Quelle  gewesen  eind. 
Möglicher  Weiee  sind  die  eben  besprochenen  Stellen  hierher  zu 
rechnen  Κ 

Die  Verteidiger  der  Knabenliebe  empfinden  den  Unterschied 
zwischen  dem  Knaben  und  dem  Weibe  nach  einer  öfter  vorkom* 
menden  Wendung  nicht  anders  als  den  Gegensatz  von  Nator 
und  Kunst:  απλούστερα!  παΠ>€ς  γυναικών  (Ach.  ρ.  84,  11); 
vgl.  Strato  Α.  Ρ.  XII  7.  In  dieser  Hinsicht  liefert  ihnen  den 
Hauptanklagegrund  gegen  das  weibliche  Geschlecht  die  schon  in 
der  Komödie  (Aristophanes  fr.  320  Antiphanes  fr.  148  Eubulos 
h•.  98  Alexis  fr.  98  Plaut  Most.  258  ff.  u.  ö.)  so  bitter  ver- 
spottete und  von  den  Moralphilosophen,  wie  zB.  von  Nikostratos 
in  der  Schrift  n€p\  γάμου  bei  Stob.  fl.  74,  62  (vgl.  Juv.  II  6, 
461  ff.  und  Clem.  AI.  Paed.  11  10  p.  232  P.^)  mit  allem  Nach- 
druck verurtheilte  τέχνη  κομμωτική.  Gegen  diese  Sucht  der 
Weiber  die  natürlichen  Mängel  durch  kosmetische  Mittel  zu  ver- 
decken ziehen  Protogenes  bei  Plut.  ao.  c.  4  p.  751  A,  Kallikra- 
tidas  bei  Lucian.  ao.  c.  39  p.  440,  Menelaos  bei  Achilles  p.  87, 
14  ff.  mit  gleicher  Leidenschaftlichkeit  zu  Felde.  Sieht  man 
solche  Weiber  sich  am  Morgen  vom  Lager  erheben  —  so  eifert 
Kallikratidas  bei  Lucian  ao.  —   so  findet  man  sie    hässlicher  als 


1  Wenige  Beispiele  statt  vieler  mögen  das  Gesagte  illustrieren. 
So  soll  gleich  die  Seene  am  Anfang  p.  40,  8  ff.  nach  der  im  Eingan<r 
des  Phaedrus  c.  5  p.  230  Β  ausgeführt  sein.    Aber  wie  oft  kehrt  dieser 
den  Spott  des  Plut.  £rot.  c.  1  p.  749  Α  herausfordernde  GemeiaplatE 
in  der  erotischen  Erzählung  wieder  1  Vgl.  Lucian.  Έρωτες  c  18  p.  418. 
liohdo  ao.  S.  512  Anm.  1.  ^  Ach.  p.  49,  13  sohliesst  der  Satz:  ταΟτα 
άκουσας  μάθε.    Aehnlich  Plat.  De  legg.   VII  c.  14  p.  810  Α  τοΟτο 
αυτό  πρώτον   μάνθανε.    Vgl.  aber  auch  Lucian.  ao.  c.  37  p.  438  λα- 
γίΣου  .  .  .  τά  τοιαΟτα   μεταμανθάναιν.    —   So   hat  man  zu  κάλλος 
. . .  δριμύτερον  εΙς  ηδονή  ν  (Ach.  ρ.  84,  12)  auf  den  wiederholten  Ge- 
brauch des  Adjectivs  δριμύς  bei  Plato  hiugewiesen,  dagegen  die  einzig 
passende  Parallele  bei  Plut.  ao.  c.  19  p.  764  C  (Έρως  .  .  .  ήδ(ων  καΐ 
δριμύτερος)  übersehen.  —  Ebensowenig  ist  Ach.  ρ.  141,  10  ταΟτα  μ^ν 
ούν  ^παιΖΙε  σπουδή  eine  Nachahmung  von  Plat.  Phaedr.  c.  9  p.  234 
D  δοκώ  γάρ  σοι  παίΖΙειν  καΐ  ούχΙ  έσπουδακέναι;  vgl.  Plat.  Symp. 
c.  19  ρ.   197  Ε  Xen.  Symp.  1,  1.  4,  28    Plut.  Erot.  c.  3.  p.  750  Α    Lucian 
ao.  c.   1  p.  397,     Hirzel  ao.  1  365.  —  Andere  Beispiele  werden   gele- 
gentlich vorkommen.  —  Natürlich  soll  hiermit  nicht  geleugnet  werden, 
dass  Achilles  die  landläu£gen  Schriften  Piatos  gelesen  hat.     Nur  soll 
man  auch  die  zahlreichen  Mittelglieder,  die  zwischen  Plato  und  Achilles 
liegen,  nicht  vergessen. 

2  Wohl  nach  Musonius. 


Zu  Achilles  Tatias  65 

jene  Tiere,  die  des  Morgens  zu  erblicken  eine  üble  Vorbedeutung 
ist.  Statt  des  Affen,  der  hier  gedacht  ist  (ygl.  Lucian  Pseudol. 
c.  17  p.  175.  A.  P.  V  76),  bedient  sich  Achilles  p.  87,  19  f. 
des  Vergleiobe  mit  der  ihrer  fremden  Federn  entblössten  Krähe 
(vgl.  A.  F.  XI  69).  Und  nun  gar  das  Flechten  und  Färben  der 
Haare  (Ach.  p.  87,  18)1  Vgl.  Lucian  ao.  c.  40  p.  441;  Clem. 
AI.  Paed.  Π  10  ρ.  232?.;  Musonius  περί  κούρας  bei  Stob.  290, 
15  ff.  H.;  Prop.  II  18  b  Rothst.  Am  Weibe  beruht  eben  alles  auf 
Verstellung  (Ach.  p.  87,  14  f.),  και  τά  βήματα  (vgl.  Anaxilas 
bei  Athen.  XIII  c.  6  p.  558  d  Eurip.  bei  Stob.  fl.  73,  31  Me- 
nandros  ebd.  73,  43  Prop.  II  9,  31  f.)  καΐ  τά  σχήματα  (zum 
Ausdruck  vgl.  Athen.  VIII  13  p.  335  d;  Clem.  AI.  Protr.  c.  4 
p.  53  P.;  A.  P.  V  129).  Wie  anders  die  schlichte  und  echte 
Schönheit  der  Knaben:  ουκ  αρδεύεται  (έπάρόων  Lucian. 
ao.  c.  45  p.  448)  μύρων  όσφροϊς  ovbk  όολεραϊς  και  άλ- 
λοτριαις  όσμαΐς  (Ach.  ρ.  87,  21  f.)!  Hier  gemahnt  die  Wahl 
'ies  Adjective  δολερός  (vgl.  boXuiv  p.  87,  19)  an  das  Epi- 
gramm des  aus  einem  παώομανής  zu  einem  θηλυμανης  gewordenen 
Rufinus  A.  F.  V  19  (Άντι  bi  μοι  παίδων  oboXou  χροός  ήρεσε 
γύψου  Χρώματα  καΐ  φύκους  άνθος  έπεισό^ιov),  während  das 
αλλοτριοις  όσμαΐς  an  Lucian  ao.  c.  38  ρ.  440  (αλλό- 
τριοι κόσμοι)  und  Plat.  Phaedr.  c.  16  ρ.  239  D  (άλλοτρίοις 
χρώμασι  και  κόσμοις)  erinnert.  Angenehmer  (^biov  Ach.  ρ. 
^7,  23)  als  alle  Salben  der  Weiber  duftet  der  ehrenvolle,  auf 
<lem  Ringplatz  (vgl.  Plut.  ao.  c.  4  p.  751  Α  Lucian  ao.  c.  45 
p.  448)  vergoesene  Schweiss  der  Knaben  (Ach.  ao.)  —  ei»  Ge- 
meinplatz aus  Xen.  Symp.  2,  3  (ελαίου  bk  του  έν  γυμνασίοις 
οσμή  και  παρούσα  ή^iu)v  ή  μύρου  γυναιΕί,  κα\  απούσα  ποθεινο- 
Τ€ρα),  nur  dasa  an  Stelle  des  Salbölgeruchs  der  Ringer  nach 
Vorbildern  wie  Plat.  Phaedr.  c.  16  p.  239  C  (πόνων  μέν  Αν- 
δρείων και  Ιδρωτών  Ηηρών  &πειρον)  und  Lucian  ao.  c.  45 
Ι»  448  (οι  τε  ταιν  εναγώνιων  πόνων  άποσταλάίοντες  Ιδρώ- 
τες) der  Schweiss  gesetzt  ist:  vgl.  Α.  Ρ.  XII  123  und  Strato 
ebd.  192. 

Auf  Xenophon  (Symp.  8,  29)  geht  mittelbar  oder  unmittel- 
^•ar  auch  der  Gedanke  zurück,  dass  keines  der  irdischen  Weiber, 
uiit  denen  Zeus  verkehrte,  wegen  seiner  Schönheit  unsterblich  ge- 
worden ist  (Ach.  85,  9).  Dafür  haben  wir  in  der  von  Xenophon 
unterlassenen  Aufzählung  solcher  Liebschaften  des  Zeus  —  Alk- 
mene,  Danae,  Semele  (p.  85,  10  ff.)  —  Europa,  Antiope,  Danae 
(p.  8.J,  24  ff.)   —   wieder  einen  Gemeinplatz,  der  in  den  Schriften 

ftfa•!]!.  Mos.  L  Phllol.  K.  F.  LVII.  6 


66  Wilhelm 

über    Liebe    und   Scbönheit   (ygl.   Athen.   XTII   c.  20   p.  566  d 
[Luoian.]  Charid.    c.  7   p.  622  ^     üiem.   Rom.    Reoogn.   X  c.  22 
Hom.  5,  13  f.  Clem.  AI.  Protr.  c.  2  p.  28  P.)  nicht  minder  häufig 
war,    ale   in    der   erotischen   Poesie   (vgl.   Ov.   Met.   VI  103  ff. 
Konnos  Dion.  VII  117  ff.  XVI  238  ff.).     Vielleicht  entnahm  ihn 
Achilles  demselben   ßtßXiov  έρωτικόν,   welches  er  an  der  Stelle 
benützt  hat,   wo  Eleitophon  die  Behauptung  des  Menelaos,   daee 
alle  sterblichen  Frauen,  denen  Zeus  in  Liebe  nahte,  statt  der  Un- 
sterblichkeit nur  üblen  Lohn  davongetragen  hätten  (p.  85,  10  ff.), 
zu  entkräften  sucht  (p.  86,  8  ff.).    Seine  nicht  besonders  geschickt 
benutzte    Vorlage    besagte,    dass  Zeus  seine  irdischen  Greliebten, 
wie  Alkmene   und  Danae,    in  der  Weise  ehrte,    dass  er  den  von 
ihnen  geborenen  Söhnen  die  Unsterblichkeit  verlieh,  dem  Herakles 
(vgl.  Clem.  AI.  Protr.  c.  2  p.  28  P.),  indem  er  ihn  durch  Feuer 
in  den  Himmel  entführte,  dem  Perseus,  indem  er  ihn  unter 
die  Sterne   versetzte:   vgl.  die  Parallele  in  der  Liebes- 
epistel   des  Apion    bei  Clem.  Rom.  Hom.    5,  17  Ζευς  .  .  .  Κά- 
στορα και  Πολυοεύκην  και  Έλένην  Λήοςι  χαριίόμενος  έποίησεν 
αστέρας*  και  Περσία  bid  Δανάην  και...  Ήρακλεα  bia 
Αλκμήνη  ν,  durch  welche  die  kurze  Frage  des  Kleitophon  εΐ  bi 
Δανάης  τήν  λάρνακα  γελςίς,  πώς  τον  ΤΤερσέα  σιωπςΙς(Αο^ 
ρ.  86,  6  f.);   erst  völlig  verständlich    wird.     Uebrigens  ist  auch 
diese  schon  von  Xenophon  Sjmp.  8,  29  f.  angedeutete  Reihe  un- 
sterblich gewordener  Männer  (Eastor  und  Polydeukes,  Herakles, 
Ganymedes,  Perseus  ua.)  bekanntermassen  ein  ganz  vulgärer  locus 
comnftunis;  es  genüge,  auf  Cic.  De  n.  d.  III  18,  45  Clem.  AI.  Protr. 
c.  2  p.  26  P.  und  die  vollständigste  Aufzählung   dieser  Art  bei 
Hygin    Fab.  224^  zu  verweisen.     Die   in   dem  Verzeichniss   der 
Liebschaften  des  Zeus  wiederholt  (zB.  auch  Clem  Rom.  Horo.  5, 
14^  erwähnte  Semele  soll  von   Zeus,  nachdem  sein  Blitz  sie  töd- 
lich versengt  hatte,  in  den  Himmel  erhoben  worden  sein:  Σεμέλην 
bi  εΙς  ούρανόν  άνήγαγεν  .  .  .  πυρ  (Ach.  ρ.  86,  3  f.). 
Diese  Erweiterung  der  ursprünglichen  Sage,  welche  nur  die  Ver- 


1  Die  Parenthese  καΐ  γ  ^  Ρ  Τ^ναιΕΙ  κεκοινώνηκεν  6  ΖεΟ  ς 
(Ach.  ρ.  85,  10)  scheint  dem  gleichfalls  parenthetisch  eingefugteu  Satz 
des  Charidemus  c.  7  p.  622  ού  γ  ^  Ρ  ανθρώπων  γ€  ούδίσι  πλην  €ΐ  μη 
τοΙς  καλυΐς  (sc.  Ζευς  ώμ{λ€ΐ)  nachgebildet  zu  sein.  —  Vgl.  ebd. 
άναγατ€ΐν  έκεΐσε  und  άναγαγών  έκ€ΐσε  sc.  εΙς  ούρανόν  mit 
Ach.  ρ.  65,  22  άνήγαγεν  €ΐς  ούρανόν  (Xen.  Symp.  8,  30  fcfib 
hi  φημι .  .  .  κα(  Γανυμήδην  .  .  .ύπόΔιός  €ΐς  Όλυμπον  άνενεχθήνατ) 

3  Natürlich  schöpft  Hygin  wie  Cicero  aus  griechischer  Quelle. 


Zu  Achilles  Tatins  67 

breooQng  zu  kennen  Bcheint  (Ov.  Met.  III  308  f.  Hygin  Fab. 
179  Ach.  p.  85,  12),  ist  dem  Achilles  wohl  aas  Nonnos»  mit 
dem  ersieh  aucli  sonst  berührt,  ^  geläufig  gewesen:  vgl.  besonders 
Dion.  Vlil  407  ff . :  Ζευς  .  .  .  φλογερή  ν  Σεμ^ην  μετανάστιον 
ειςπόλον  άστρων  Ουρανόν  οίκον  ίχουσαν  ανήγαγα  ... 
Wo  die  Knabenliebe  gepriesen  wird,  sei  es  von  der  μοΰΟ'α 
παιδική  oder  von  ihren  Lobrednern  im  erotischen  Dialog,  da 
wird  auch  des  schönen,  von  seinem  Liebhaber  Zeus  geraubten 
Ganymedes  Dicht  vergessen:  vgl.  Theogn.  1345  ff.  Ibykos  fr.  30 
B.  Plat.  Phaedr.  c.  36  p.  255  C  Xen.  Symp.  8,  30  Lucian 
ΈίΜυτες  c.  U  p.  413  Charid.  c.  7  p.  622  A.  P.  XII  65.  133. 
220.  221  uö.  Martialis  V  55  XI  43  nö.  Achilles  läset  beide 
Sprecher  auf  die  Sage  Bezug  nehmen,  und  zwar  hat  er  sich  im 
insdnick  wiederholt  an  Lucian  D.  d.  5  angeschlossen:  vgl. 
Ach.  p.  85,  14  (συνοική)  Lucian  ao.  o.  2  p.  213  (συνοι- 
κεί). —  Ach.  p.  85,  26  Lucian  ao.  c.  5  p.  215  (οίνοχοεί- 
Tiuj^.  Für  das  Motiv  der  Eifersucht  der  Here  wegen  des 
Ganjmedee,  welches  Lucian  verarbeitet  hat  und  welches  sich 
auch  bei  Nonnos  ao.  XXV  445  ff.  findet,  hat  Achilles  keine 
Verwendung  gehabt.  Zwar  ist  "Ηρη  (ρ.  85,  27)  die  üeberlie- 
feruDg,  aber  die  strenge,  bis  aufs  Einzelne  sich  erstreckende 
Corresponsion  zwischen  der  Rede  des  Kleitophon  und  der  voraus- 
gehenden des  Menelaos  (man  beachte  besonders  das  in  den 
beiden  sieb  entsprechenden  Sätzen  p.  85,  16  und  p.  85,  28  nach- 
drucksvoU  ans  Ende  gestellte  Τ^νή)  macht  die  Aenderung  "Ηβη 
iHercher)*  durchaus  nothwendig.  Dagegen  dürfte  das  überlieferte 
τυραννουμίνψ  (=  einem,  der  vergewaltigt  wird)  mit  Eückaicht 
auf  eine  Stelle  wie  Lucian  Έρωτες  c.  20  p.  420  (καΐ  τίς  δρα 
πραιτος  όφθαλμοΐς  το  δρρεν  εΐδεν  ώς  θήλυ,  ^υoiv  θάτερον  ή 
τυραννικώς  βιασάμενος  ή  πείσος  πανούργως;)  vor  der 
Lesart  έσταυριυμένψ  (ρ.  86,  1)  den  Vorzug  verdienen:  ό*  bk 
ανάρπαστος  γενόμενος  (zur  Ausdruoksweise  vgl.  Plat.  Phaedr. 
c.  4  p.  229  C  und  Lucian  Charon  c.  17  p.  513)  ύβρίίεται  καΐ 
€οικε  τυραννουμίνψ  *  και  το  θ^αμά  έστιν  αϊσχιστον,  μειράκιον 
έΙ  ονύχων  κρεμάμενον.  Hier  hat  «ich  Achilles  gleich  dem  Non- 
nos  Dion.  XXV  429  ff.  an  eines  der  zahlreichen  Kunstwerke  der 


^  Vgl.  Rohde  ao.  S.  474  Anm.  2. 

'  Schon  II  9  berührt  sich  Achilles  mit  diesem  Göttergespräch 
c.  2  p.  214.  Dieser  Liebesscherz  stammt  aus  der  Liebeslehre:  vgl.  Ov. 
aa..  I  575  f.:  A.  P.  V.  171;  Arietaenetue  I  25. 

■  Vgl.  dagegen  Ach.  Tat.  übersetzt  von  F.  Ast.  Leipz.  1802  S.  103. 


68  Wilhelm 

Malerei  oder  Plastik  erinnert,  welche  den  Ganymedesmythns   be 
handelten. 

Zum  Beweise,  daee  Ganymedee  um  seiner  Schönheit  willen 
in    den  Himmel  erhoben  wurde,   beruft  sich  Achilles  p.  85,  7  f. 
auf  dasselbe  Zeugniss  der  Ilias    (Y  234  f.)    wie  Athenaeue 
XIII  c.  20  p.  56  ϋ  d.     Auch  für   die  Schönheit  des  Agamemnon 
werden  von    beiden  Schriftstellern   (Athen.  XIII  c.  20  p.  566  c 
Ach.  p.  46,  28)   Verse  aus  der  Ilias    (Γ  169  f.  und  Β  478)  an- 
geführt.    Ich    erkläre    mir    diese  Uebereinstimmung,    die  gewiss 
nicht  auf  Zufall  beruht,   aus  gemeinsamer  Benutzung  einer  jener 
populärphilosophisohen  Schriften  nepi  κάλλους,  wo  diese  Homer• 
yerse  nach  dem  bei  den   Populärschriftstellern  beliebten  Brauch, 
ihre  Darstellung  mit  Dichterblumen  zu  schmücken,  citiert  gewesen 
sind^     Noch    beachtenswerther   ist  eine  andere  Berührung  zwi- 
schen Achilles  und  Athenaeus.    Zur  Begründung  des  Satzes,  dass 
das  Weib  ein   κακόν  sei  (Athen.  XIII  c.  8  f.  p.  559  f.;  Ach.  I 
8,  2  f.),   das  über  einzelne  wie  über  viele   das  grösste  Unglück 
gebracht  habe,  erwähnen  beide  das  Beispiel  der  Chryseis,  welche 
die  Pest  im  Griechenheere   vor  Troja  verschuldete,    der  Briseie, 
welche  die  Ursache    der  μήνις  *Αχιλλέως  war,    der  Helena,  die 
den    trojanischen  Krieg  entzündete  (Athen.  XIII  c.  10  p.  560  b 
Ach.  I  8,  5.  6),   der  Phaedra,    die  das  Haus    des  Thesens    ver- 
ödete   (Athen,  ao.  o.  10  p.  560  ο    Ach.  p.  46,  23),    der  Elytä- 
mnestra,    die  den  Agamemnon  tötete  (Athen,  ao.  c.  10  p.  560  d 
Ach.  p.  46,  24;    vgl.  Athen,   ao.  c.  3  p.  556  c).     Bei    Achilles 
findet  sich  ausserdem  das  Beispiel  der  Eriphyle,  Philomele,  Sthe- 
neboia,  Aerope,  Prokne  (ao.  §  4),  des  Weibes  des  Eandaules  (§  5), 
der  Penelope  (§  6).    Mag  es  sich  hier  auch  um  eine  traditionelle 
Reihe  von  Beispielen  handeln,    die   zum  Tbeil  wohl   bis  auf  den 
γυναικατν   κατάλογος    des   Hesiod    zurückreicht,   in    zahlreichen 
Tragödien^  behandelt  ist  und  in  der  Komödie  (vgl.  Athen.  XIII 


^  In  dem  ganzen  Abschnitt  des  Athenaeue  von  XIII  c.  18  p.  564  f. 
bis  c.  20  p.  566  e  scheint  mir  der  £xtract  eolcber  Litteratur  π€ρΙ  κάλ- 
λους (vgl.  c.  11  p.  561  a)  vorzuliegen. 

>  Vgl.  Naack  ao.  S.  963  s.  v.  Άβρόπη,  Ελένη,  Εριφύλη,  Κλυται* 
μνήστρα,  ΤΤηνβλόπη,  Σθενέβοια,  Φαίδρα.  Φιλομήλη  und  ΤΤρόκνη  Γ  vgl. 
Ach.  V  3.  5)  kamen  in  den  Stücken  des  Titels  Τηρ€ύς  vor  (vgl.  Nauck 
s.  V.),  Χρυση(ς  und  Βρισηίς  im  Χρύσης  des  Sophokles.  Dass  die  ΈιΗ- 
γόνοι  und  Φιλομήλη  des  Sophocles  ein  und  dasselbe  Stück  gewesen 
seien,  vermuthet  Welcker:  Die  griechischen  Trag.  p.  269  ff.  Ob  die 
Geschichte  des  Weibes  des  Kandaules   (Her.  I  8  ff.)  in  einer  Tragödie 


Ζα  Achilles  Tatiue  69 

c  8  ρ.  559  C),  in  der  Liebeelehre  (Ov.  a.  a.  II  373—408),  in 
der  römiecben  Satire  (Jny.  II  6,  643  ff.),  in  der  epatgriecbisohen 
Epigrammenpoeeie  (Α..  P.  IX  166)  wiederkehrt,  eo  ist  doch  zwi- 
schen Achilles  und  Athenaene  eine  engere  Beziehung  anyerkenn- 
bar.  Nun  ist  es  ja  an  sich  darchaus  nicht  unwahrecheinlioh,  da«e 
der  Sophiet  Achilles  das  Sophistenmahl  des  Athenaene  gelesen  hat, 
bei  dem  er  auch  das  seltene,  vom  Komiker  Alexis  (Athen.  XIII 
c.  23  p.  568  a)  gebrauchte  Wort  πρωτόπειρος  (Ach.  p.  86,  11. 
87,  12)  finden  lionnte,  aber  schon,  weil  die  Beispielreihe  des 
Achilles  ansfülirlicber  ist,  möchte  man  eher  glauben,  dass  beide 
Autoren  aucli  hier  einer  gemeinsamen  Quelle,  yermuthlioh  einer 
nicht  niher  nachweisbaren  Schrift  περί  γάμου,  gefolgt  sind  ^. 

Dafür    sprechen    ausser    Parallelen,    wie   sie  Praeohter   ao. 

8.  146  anführt  (vgl.  namentlich  Hieron.  adv.  lov.  317  ο  mit  den 

Beispielen   der  Pasipbae,  Clytaemnestra,    Eriphyle    und    dazu  F. 

Bock:  Aristoteles  Theophrastus  Seneca  De  matrimonio  Lips.  1898 

S.  46.  66),    die  Berührungspunkte    zwischen    Achilles  und  8to- 

b  a  e  u  β    in    den   aus    der  Litteratur  περί   γάμου   und    ähnlichen 

Schriften    excerpirten  Abschnitten    seines    florilegium    über    das 

γαμεΐν  (67  ff.).      Einige    derselben,    betreffend    das   Schminken, 

Haarflechten  und  die  Verstellungskunst  des  Weibes  in  der  Rede, 

sind  bereit«   oben    vermerkt  worden.     Dazu    kommt,    dass   beide 

Schriftsteller  (Ach.  p.  46,  1  f.  Stob.  73,  49)  dieselben  hesiodei- 

schen  Verse  0.  et  D.  57  f.    (vgl.  Eur.  Hipp,  bei   Stob.   ebd.  23 

A.  P.  IX    165     Ach.  p.  46,  21)   anführen.     Sie   werden   in    den 

Schriften  π€ρ1  γάμου  und  verwandten  Inhalts,  die  für  die  Sammlung 

des    StobaeuB  noch    so   manches   andere  Dichterwort   hergegeben 

haben  (vgl.  zB.  Stob.  73,  30    Lucian  Έρωτες  c.  38  p.  439.  — 

Stob.  71,  6  Plut.  £rot.  c.  8  p.  753  A),   mehr  als  einmal  citiert 

/gewesen    sein.      Im    Anklänge  an  das   bald   darauf  bei  Stobaeus 

73,  51     begegnende    Citat   aus   den  Έπ{γονοι  des   Sophokles  Ü5 

πάν  σύ  τολμήσασα'  κάι  πέρα  γύναι  oder  an  eine  ähnliche 

Stelle  eines  verlorenen  Dramas  heisst  es  Ach.  p.  46,  24  ff.:    Ü5 


behandelt  war,  weiss  ich  nicht.  Man  darf  wohl  annehmen,  dass  Achilles 
verschiedene  dieser  Dramen  gelesen  hat. 

^  Aas  einer  solchen  Schrift  scheint  Athenaeas  von  XIII  c.  10 
P•  060  b  bis  560  f  geschöpft  zu  haben.  Aus  Schriften  π€ρΙ  γάμου  dürften 
sich  auch  die  Citate  von  XIII  c.  6  p.  557  e  bis  o.  9  p.  560  a  >-  wenn 
auch  möglicher  Weise  erst  durch  Vermittlung  eines  älteren  Sammel- 
werkes —  herleiten. 

*  Vgl.  Soph.  0.  C.  761    Aristoph.  Nub.  375. 


70  Wilhelm 

πάντα  τολμώσαι  γυναίκες*  κδν  φιλώσι  φονεύουσι • 
κδν  μη  φίλώσι,  φθνεύου(Τιν.  Anch  die  oft  wiederholte,  von 
Kleiniae  bei  Ach.  p.  45,  30  f.  (τί  γάρ  ήδίκησας,  ϊνα  πεδηθής;) 
und  ρ.  47,  5  (μήπο)  μοι  b  ο  Ο  λ  ο  ς  T^vq)  bezeichnete  Auffassung, 
dasB  die  Ehe  ^  eine  Fessel  sei  (Plut.  £rot.  c.  7  p.  753  A), 
durch  die  man  zum  Sklaven  wird,  zumal  wenn  die  Frau  über 
Grlücksgfiter  verfügt,  findet  ihre  Belege  bei  Stobaeus:  vgl.  Euri- 
pides  und  Menandros  ebd.  70,  4.  5.  72,  11.  Die  Klage  des 
jungen  Charikles  bei  Ach.  p.  45,  25  f.,  der  nach  einem  der  Ko- 
mödie geläufigen  und  auch  von  Plutarch  im  Ερωτικός  übernom- 
menen Vorwurf  mit  einem  reichen  Weibe  verheirathet  werden  soll 
(εκδίδομαι  ό  δυστυχής  τοις  εκείνης  χρήμασιν,  ϊνα  γήμω  πω- 
λούμενος), erinnert  an  Menandros  bei  Stob.  70,  5  (αυτόν 
δίδω  (Τ  ι  ν)  und  an  das  Bekenntniss  des  Demaenetus  bei  Plaut.  Αβ. 
87  (Argentum  aocepi,  dote  imperium  vendidi).  Zu  dem  Motiv 
der  reichen  Frau,  die  obendrein  noch  hässlich  ist  (Ach.  I  7,  4, 
^>  β),  vgl.  Pfailippides  bei  Stob.  69,  8.  Hiemach  glaube  ich, 
dass  eich  Achilles  in  der  Declamation  des  Kleinias  I  8,  1  —  9  in 
der  Hauptsache  an  eine  der  Schriften  περί  γάμου  angelehnt  hat, 
wo  das  Ehekapitel  unter  Berufung  auf  zahlreiche  Dichterstellen 
—  wie  etwa  im  *  Ερωτικός  des  Plutarch  —  besprochen  war^. 
Auf  eine  solche  Schrift  deutet  auch  I  8,  3;  hier  werden  die 
lärmenden,  dem  Tumult  des  Krieges  vergleichbaren  Bräuche  vor 
der  Hochzeit  (zu  δικλίδων  κτύπος  vgl.  Α.  Ρ.  VII  711  θυρέτρων 


1  Reiches  Stellenmaterial  bei  Lasaulx:  Studien  d.  griech.  Alter- 
thums  S.  374  ff. 

<  Bei  der  Leetüre  der  Untersuchungen  Eiters  über  Geschichte  und 
Ursprung  der  grieofaischcn  Florilegien  (A.  Elter:  De  gnomologiorum 
graecorum  historia  atqae  origine,  de  Justini  monarchia,  de  Aristobulo 
Judaeo,  9  Programme  der  Universität  Bonn  1893—1895/96  in  fortlau- 
fender Paginierung;  Corollarium  Eusebianum,  ebenda  1894/95;  De  gnom. 
graec.  historia  atqne  origine  oommentationis  ab  Eltero  oonscriptae  ra- 
menta,  ebenda  1897)  kann  man  leicht  auf  die  Yermuthung  kommen« 
dass  sich  auch  Achilles,  wie  so  viele  Schriftsteller,  eines  der  seit  Ghry- 
sippos  überaus  häufigen  Sammelwerke  nach  Art  des  fiorilegium  dee 
Stobaeus  bedient  habe.  Doch  habe  ich  sonst  keine  Spuren  gefunden, 
die  auf  Benützung  eines  solchen  Werkes  durch  Achilles  schliessen  lassen 
könnten.  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  daran  erinnert,  dass  der  Aufputz 
der  Darstellung  mit  Dichterstellen  und  dichterischen  Redewendungen 
echt  sophistisch  ist.  Gar  manche  dieser  Anklänge  verdankt  Achilles 
seiner  eigenen,  keinesfalls  zu  unterschätzenden  Belesenheit  in  der  poe- 
iieohen  Litteratnr. 


Zu  Aohillee  Tatios  71 

.  .  .  πάτατον.  Heeycb  β.  ν.  κτυπίων)  verspottet:  Άτυχης  6 
μ€λλιυν  τβιμ€ΐν'  im  πόλ€μον,  5οκώ  μοι,  πέμπεται  (Ach.  ρ.  46, 
10  f.)  —  man  hört  einen  Sprecher,  der  die  Ehe  mit  ähnlichen 
Empfindungen  dee  Aergere  bekämpft,  wie  sie  bei  Plnt.  ao.  c.  11 
p.  755  B.  C  dem  Peieiae,  dem  Liebhaber  des  schönen  Bacchon,  bei 
der  Nachricht  von  dessen  unter  Aufbietung  des  ganzen  lauten 
Hochzeiteapparate  vollzogenem  Raube  durch  die  heirathslustige 
lemenodora  (c.  10  p.  755  A)  zugeschrieben  werden.  Am  Schlüsse 
des  Abschnitte  (Ach.  I  8,  9)  wird  dem  Heirathscandidaten  fol- 
gende Ermahnung  gegeben :  μηδέ  τό  δνθος  πρό  καιροΟ 
της  ήβης  άπολέσης.  ΤΤρός  γαρ  τοις  δλλόις  καΐ  τοΟτ'  ίστι  του 
γάμου  τό  ατύχημα '  μαραίνει  τήν  όκμήν.  Μή,  δέομαι,  Χαρί- 
κλ€ΐς,  μήπιυ  μοι  μαρανθης'  μή  παραοψς  εδμορφον  τρυγήσαι 
ρ  ό  b  ο  ν  άμόρφψ  τ  €  U)  ρ  γ  ψ.  Die  Worte  sind  bezeichnend  für 
die  Arbeitsweise  des  Achilles,  weil  sie  uns  zeigen,  wie  er  sich 
eelbst  auf  kurze  Strecken  an  mehrere  Muster  anschliesst  und  das 
Vorgefundene  derartig  in  einander  zu  verweben  weiss,  dass  sein 
Roman  in  der  Tbat  einem  aus  allerlei  bunten  Lappen  zusammen- 
gestückelten Teppich'  gleicht.  Zu  Grunde  liegt  der  Gedanke,  den 
(^ein  älterer  Zeitgenosse  und  Landsmann  Palladas  in  dem  schon 
oben  citierten,  ohne  Zweifel  nach  älterem  Vorbild  gedichteten  Epi- 
gramm A.  F.  IX  165  mit  den  Worten  ausdrückt:  "Avbpa  γαρ 
έκκαΐ€ΐ  (sc.  τ^νή)  ταϊς  φροντίσιν  ήδέ  μαραίνει.  Και  τήρας 
προπετές  τή  νεότητι  φέρ€ΐ.  Gleichzeitig  aber  schwebt  dem 
Achilles  Lucian  Έρωτες  ο.  21  ρ.  421  vor  Augen,  wo  der  Ver- 
theidiger  der  Weiberliebe  geltend  macht,  dass  vielmehr  die  un- 
sinnige Männerliebe,  die  selbst  vor  Entmannung  nicht  zurück- 
schreckt, des  Mannes  Jugendblüthe  vor  der  Zeit  verzehre  (τό  V 
€v  ν€Οτητι  παραμείναν  d  ν  θ  ο  ς  εΙς  τήροζ  αυτούς  μαραίνει 
7Γ  ρ  ό  UI  ρ  ο  ν).  Dazu  kommt  der  Vergleich  des  Geliebten•  mit  der 
Rose  nach  Epigrammen  wie  A.  P.  XII  58  (Rhianos)  und  ebd. 
234  (Strato)  und  endlich  das  von  Liebenden  und  Verheiratheten 
nicht  minder  oft  gebrauchte  (Praechter  ao.  S.  134  f.)  Bild  vom 
L  a  Ώ  d  ma  π  η  und  seinem  Acker  (vgl.  u.  a.  Xen.  Symp.  8,  25). 
Wie  an  der  eben  besprochenen  Stelle,  so  sucht  Achilles 
auch  II  86,  1  dadurch  den  Schein  der  Selbständigkeit  zu  erwecken, 
dass  er  der  Aueführung  seiues  Gewährsmannes  (Lucian  Έραιτες 
c.  25  p.  425)  widerspricht^.  In  seiner  Beweisführung  παιδικής 
χρήσεως  πολύ  τήν   γυναικείαν  όμείνω  (Lucian  ao.)  geht  Chari- 


^  YgL  Stravoekiadis  ao.  S.  9. 


ν/ 


KAISER  MARCUS  SALVIÜS  OTHO 


M.  SalviuB  Otho,  der  Nachfolger  des  Galba  auf  dem  Thron 
der  Cäsaren,  gehört  zu  denjenigen  Erscheinungen,  deren  Charal• 
terbild  in  der  Geschichte  schwankt.  Und  das  ist  begreif lic 
genug.  Denn  in  ihm  zeigen  sich  zwei  ganz  verschiedene  Nature: 
die  in  den  verschiedenen  Epochen  seines  Lebens  jede  für  sie 
wirksam  auftreten.  Darum  galt  er  schon  seinen  Zeitgenossen  t\ 
eine  problematische  Persönlichkeit,  zu  der  die  Einen  eine  bi 
weilen  leidenschaftliche  Hinneigung,  die  Anderen  eine  entschiede! 
Abneigung  hatten. 

Seine  Familie  war  noch  nicht  seit  langer  Zeit  in  die  Nol 
lität   aufgenommen.     Sein   Vater  L.  Salvius  Otho   war  zuerst 
der  Familie  Consul  suffectus  im  Jahre  33  n.  Chr.  gewesen,  u 
zwar  war  er  in  diesem  Consulat  der  Nachfolger  des  Galba  (Su• 
Galba  6).    Dieser  Luc.  Salvius  Otho  soll  dem  Tiberius  so   ähnli 
gesehen  haben  und  so  lieb  gewesen  sein,  dass  viele  ihn  für  ein 
Sohn   desselben    hielten  (Suet.  Otho  1).     Der  ältere  Bruder  c 
Marcus,  L.  Salvius  Otho  Titianus,  der  später  an  der  Seite  desselb 
während  seines  kurzen  Regimentes  eine  entscheidende  Rolle  spie 
(Tao.  h.  1,  75.  77.  90.   2,  23.  33.  39.  60),  war  im  Jahre  52  : 
sammen  mit  Faustus  Cornelius  Sulla  Felix,    dem  Schwiegerso 
des   Kaisers   Claudius  Consul  gewesen  (Tac.  ann.  12,  52),    da 
unter  Nero  im  Jahre  65  Proconsul  von  Asien,  während  Cn., « 
lius    Agricola   in    dieser   Provinz   Quästor   war.     Tacitus  Agr. 
stellt  diesen  Bruder  des  Marcus  Otho  als  geldgierig  und  gew 
senlos  hin,  der  'zu  jeglicher  Habgier  geneigt  mit  der  gefälligst 
Nachsicht  (gegen  den  Quästor)  eine  gegenseitige  Verheimlich  α 
der  Schlechtigkeit  erkauft    haben  würde'  (in   omnem    aviditat« 
pronus  quantalibet  facilitate  redemturus  eseet  mutnam  dissimu' 
tionem  mali).    Und  Vitellius  schonte  ihn,  als  er  nach  der  Schlac 
bei  Betriacum  Gericht  über  die  Generale   des  Otho  halten   lie 
weil  er  ihn  wegen  Energielosigkeit  für  ungefährlich  hielt  (Ti  .. 


Kaiter  Marcas  Salvius  Otho  77 


le»«»*  - 


11^ 


.  .  .  ignavia  excueatus).  Ale  dieeer 
CoDBul  wurde,  war  er  noch  ein  junger 
scblieeeen,  dass  die  Familie  dem  kai- 
So  ist  es  erklärlich,  wie  sein  jüngerer 
ifang  de8  Regimentee  Nero's  an  onter 
I  und  sehr  bald  bei  seiner  zügellosen 
)ro  eich  schickte,  sein  Vertrautester 
•que  Otho  pueritiam  incuriose,  adole- 
ratus  Neroni  aemulatione  luxus).  Das- 
er  sich  'im  Allgemeinen  bald  zu  Ta- 
t'  und  wahrscheinlich  mit  dieeen  für 
και  "Οθιυν  eine  gemeinsame  Quelle 
ins  Rnfus  gewesen  ist,  wie  H.  Peter 
jetzt  den  älteren  Plinius  anzunehmen 
3  nicht  mit  Sicherheit  feststellen  (H. 
ratur  über  die  römische  Kaiserzeit  II, 
Zeichnung  des  Otho  trifft  aber  Plu- 
mmen  mit  der  des  Tacitus,  wenn  er 
)θνίαις  ευθύς  έκ  παίδων  ....  bie- 
ρίλψ  hl  τώ  "Οθωνι  και  συμβιιυτή  διά 
έρων).  Diese  Vertrautheit  stieg,  als 
it  der  Agrippina,  der  Mutter  Nero's, 
(er  Zeit,  als  Nero  schon  im  zweiten 
Leidenschaft  zu  einer  Freigelassenen, 
ses  Verhältnies  ward  im  Anfang  von 
Mutter  sehr  geheim  gehalten:  zu  den 
iften  mit  seiner  Geliebten  zog  er  nur 
arcQs  Otho  und  den  Senecio,  beides 
länzendem  Aeussern,  adolescentuli  de- 
13  sie  nennt,  was  allerdings  nicht  zu 
tho  (Otho  12)  wenig  stattlich,  von 
krummbeinig  sein  läset  (modicae  sta- 
iusque  traditur).  Aber  diese  Tradition 
ptstädtischen  Scandalchronik  stammen, 
tzt  hat 

en  Bueenfreunden  des  jungen  Kaisere, 

Sohn  einee  Freigelassenen  des  Kaisere 

er  zu  der  grossen  Verechwörung  dee 

"» 3ίΐί  (i  1I.54  Um)  Tnius  Piso  au  der  Spitze  und  so  Viele 

zu  Theiineumo«..  ..  der  Hass  gegen  das  Scheusal  auf  dem 

Tbrooe  zueamDaenfuhrte.   Die  Thatkräftigsten  unter  diesen  waren 


78  t>aul 

der  Tribtin   der   Leibwächter  Subriae   Flayue    and    der  Centario 
Sulpicioe  Aeper.     Auch  der  Dichter  der  Pharealia,  Lucanns  An- 
naene,   dessen  Dichterrabm  Nero    ans  Eiferencht    niederzabalten 
strebte,  gehörte  zu  ibnen  (ann.  15^  49).     Was  aber  den  Senecio, 
der  ann.  15,  50  unter  den  Ersten  anfgezählt  wird,  die  der  Ver- 
schwömng  beitraten,  hierzu  bewogen  hat,  wird  von  Tacitas  nicht 
ausdrtlcklioh   gesagt.     Indess,   da    es  aO.  heisst:    diejenigen,    die 
zuerst  die  Sache  in  die  Hand  genommen,  hätten  bei  ihren  Wer- 
bungen darauf  hingedeutet,   dass  die  Gräuelherrschaft    des  Nero 
an  ihrem  Ende  angekommen  sei  und  hätten  so  den  Claudius  Se- 
necio, den  Cervarius  Proculus  usw.  als  Theilnehmer  der  Verschwo- 
rung gewonnen  (ann.  15,  50  :  ergo  dum  scelera  principis  et  finem 
ad  esse  imperio  ....  inter  se  aut  inter  amicos  iaciunt,  adgregavere 
Claudinm  Senecionem  etc.),  so  muss  man  wohl  annehmen,  dass  er 
noch  zur  rechten  Zeit  das  sinkende  Schiff  habe  verlassen  wollen. 
Dehn  Rache;  etwa  wegen  Ungnade  des  Nero,    hatte  er  nicht  zu 
nehmen,  da  ausdrücklich  von  Tacitus  in  der  Erzählung  von  diesen 
Dingen  berichtet  wird,  dass  Senecio  auch  zur  Zeit  der  Verschwörung 
noch   im   vertrauten  Umgange  mit  Nero  gelebt,  auch  den  Schein 
der  Freudschaft  immer  noch  beibehalten  habe.    Dass  aber  nur  Sinn 
fürs  Gemeinwohl  ihn  der  Verschwörung  zugeführt  habe,  wie  das 
von  dem  designierten  Consul  Plautius  Lateranus  ann.  15,  49  aus- 
drücklich hervorgehoben  wird,  ist  bei  Senecio,  dessen  ganze  Lebens- 
art wollüstige  Weichlichkeit  war  (ann.  15,  70),  nicht  anzunehmen. 
Wir   werden   also   richtig  vermuthen,    wenn    wir  ihn   als    Einen 
derer   ansehen,    die   das  Ende    der  kaiserlichen    Wirthschaft   er- 
kannten  und    bei    der    demnächst   erwarteten  Umwandlung  neue 
Hofiiiiung  haben    wollten,    wie   das  so  bei  den  meisten    der  Ver- 
schworenen war  (aO.:  ceteris  spes  ex  novis  rebus  petebatur).    Als 
die  Verschwörung  ans  Licht  gekommen  und  unter  den  Verschwo- 
renen auch  Senecio  mit  genannt    worden  war,    leugnete    er    erst 
lange,  dann  durch  versprochene  Straflosigkeit  verleitet,  nannte  er, 
um  sein  Zögern  zu  rechtfertigen,  auch  seinen  besten  Freund,  den 
Annaeus  Pollio,  als  Mitverschworenen.    Er  that  da  dasselbe,  wie 
Lucanus  und  Quintianns  und  andere  erlauchte  und  hochangesehene 
Männer    thaten,    Λν eiche    noch    keine    Folter    gefühlt   hatten    und 
aus  Schrecken  davor  das  Liebste  und  ihrem  Herzen  Nächste  ver- 
riethen,  ann.  15,  17:   cum  ingenui  et  viri  et  equites  Bomani    se- 
natoresque  intacti  tormentis  carissima  suorum  quisque  pignora  pro- 
derent.     Non    enim   omittebant  Lucanus  quoque  (der  sogar  seine 
Mutter  Acilia  angegeben    hatte)   et  Senecio  et  Quintianus   passim 


Kaiser  Marone  Salvins  Otho  79 

conscioe  edere.  Freilich  half  das  Alles  trotz  der  yereproohenen 
Straflosigkeit  bei  Nero  Nichte.  £r  gerieth  vielmehr  in  deeto 
grössere  Angst,  je  mehr  Theilnehmer  genannt  wurden  (magis 
magisqae  pavido  Nerone,  aO.)•  Senecio  mneete  in  den  Tod  gehen 
wie  die  andern»  was  er  nicht  ohne  Würde  gethan  zu  hahen 
scheint.  Tacitus  berichtet  ann.  15,  70,  er  sei  gestorben  nicht  wie 
sein  vergangen  es  wolltietiges  Leben  hätte  annehmen  lassen:  Se- 
necio posthao  (post  Annaeum  Lucanum)  ....  non  ex  priore  vitae 
mollitia,  mox  reliqui  coniuratornm  pariere. 

Das  also   waren  die  beiden  Busenfreunde  des  jungen  Herr- 
schers,   die    vertrauten  Mitwisser    seines    Liebesgeheimnissee  mit 
der  Akte  (aseumti   in   conscientiam,    ann.  13,  12) ,  Marcus    Otho 
und  Claudias  Senecio.     Sie  hatten   sich  ohne  Wissen  der  Agrip- 
pina,   die  bis  dahin  ihren  Sohn  beherrscht  hatte,   in  sein  engstes 
Vertrauen  eingeschlichen  durch  verschwenderische  Ausschweifung 
nnd   xweidentige  Heimlichkeiten,   ann.  13,  12:   penitus  irrepserat 
per  luxum  et  ambigua  secreta.     Da  diese  Worte  nicht  blos  auf 
Senecio,  sondern  auch  auf  Otho  gehen,  so  wäre  wohl  irrepserant, 
wie  Nipperdey  vermuthet,  deutlicher  gewesen,  indessen  nöthig  ist 
69   nicht.     Dagegen    ist   die    Auslegung,  die  dieser  Gelehrte  den 
ambigua  secreta  gibt,  wohl  die  richtige,    wenn  er  darunter  ver- 
dächtige  Zusammenkünfte  mit  dem  Kaiser  sieht,  wobei  Akte  zu- 
gegen war  und  Otho  nnd  Senecio  zugezogen  wurden.   Diese  Zu- 
sammenkünfte hielt,  wie  gesagt,  Nero  jetzt  noch  geheim,  da  die 
Scheu    vor   der  Mutter  bei  ihm  noch  nicht  ganz  erstorben    war 
and  Agrippina  mit  Becht  von  ihm  als  heftige  Gegnerin  des  ver- 
traulichen   Verhältnisses  angesehen    wurde.     Als   sie   hinter   die 
Sache  kam,  strebte   sie   heftig   dagegen  an.     Indess  half  ihr  das 
Lereits    nichts  mehr  (ignara  matre,   dein    frustra  obnitente,  aO.). 
Das  Verbal tniss  mit  der  Akte  und  die  Busenfreund schaft  mit  den 
beiden   Houis,    den  Mitwissern  jenes   Geheimnisses,    dauerte   fort 
bis  zum  Jahre  58,  wo  es  plötzlich,  so  weit  es  die  Akte  und  den 
Otho  betraf,    ein    £nde  fand  und  zwar  durch  ein  noch  unzüchti- 
geres  Verhältnisse   das  den  Anfang  zu  schwerem  Unheil  für  das 
gemeine  Wesen    machte   (magnorum  reipublicae  malorum  initium 
fecit,   Ann.  13,  45).     Denn  in  dem   genannten  Jahre   begann   die 
Liebschaft  des  Kaisers  mit  der  Sabina  Poppaea,   diesem    unheil- 
To listen  aller  Weiber,  von  denen  die  Geschichte  weiss. 

Sabina  Poppaea  war  die  Tochter  des  T.  OUius,  nahm  aber, 
da  dieser  ihr  Vater  ohne  je  eine  bedeutende  Stellung  eingenom- 
men   XU  haben  mit  in  den  Sturz  des  Sejan  verwickelt  worden  war, 


80  Paul 

den  Namen  ihres  mütterlichen  Grosevatere  Poppaene  Sabinne  an, 
der  durch  den  Glanz  des  Conenlats  und  eines  Triumphs  eine 
grosse  Berühmtheit  hinterlassen  hatte  (ann.  13,  45).  Denn  Pop- 
paene Sabinus,  der  am  Ende  des  Jahres  35  n.  Chr.  verschieden 
war,  war  zwar,  wie  Tacitus  ann.  6,  39  berichtet,  der  Herkunft 
nach  unbedeutend,  aber  durch  die  Freundschaft  mit  den  Kaisern 
Augustus  und  Tiberius  zur  £hre  des  Consulats  9  n.  Chr.,  and 
zur  Auszeichnung  des  Triumphs  im  Jahre  26  gelangt  und  war 
mit  der  Gewalt  über  die  grössten  Provinzen,  Mösien,  Achaja, 
Macedonien,  bekleidet  (Tac.  ann.  1,  80).  Zwar  sagt  Tacitus  ann. 
6,  39,  zu  allen  diesen  Ehren  sei  er  gekommen  ohne  ein  beson- 
deres Verdienst;  er  sei  Nichts  mehr  gewesen,  als  dass  er  den 
Geschäften  gewachsen  gewesen  sei.  Indessen,  einen  Triumphator 
zum  Ahn  zu  haben,  der  die  thraciscben  Stämme  niedergeschlagen 
hatte,  die  auf  den  Hochgebirgen  in  der  Wildniss  unbändig  ihr 
Wesen  trieben  und  sich  der  Aushebung  nicht  fügen  wollten  (ann. 
4,  46),  war  doch  für  ein  Weib,  das  nach  Glanz  und  Herrschaft 
strebte,  ein  Gewinn,  den  sie  sich  nicht  entgehen  lassen  durfte. 
So  trat  sie  denn  mit  dem  Namen  des  Günstlinge  zweier  Kaiser 
und  glänzenden  Triumphators  in  der  Hauptstadt  auf,  ein  Weib, 
das  Alles  besass,  nur  keine  Sittlichkeit  (ann.  13,  45  :  huic  ma- 
lieri  cuncta  alia  fuere  praeter  honestum  animum). 

Die  Mutter  dieser  Poppaea  Sabina,  die  den  gleichen  Namen 
wie  sie  trug  und  eine  Tochter  des  Poppaeus  Sabinus  war,  hatte 
alle  Frauen  ihrer  Zeit  an  Schönheit  übertroffen  und  hatte  ihren 
Buhm  und  ihre  Gestalt  zugleich  auf  die  Tochter  vererbt  (ann.  aO.). 
Aber  schon  diese  Mutter  hatte  neben  dem  Ruhm  der  Schönheit 
auch  noch  den  Ruf  der  galanten  Dame  genossen.  Allerdings  ging 
dieser  Ruf  von  den  unreinen  Lippen  der  Kaiserin  Messalina,  der 
Gemahlin  des  Claudius,  aus  und  scheint  von  dieser  aus  Eifersucht 
gegen  die  schöne  Frau  ausgegeben  worden  zu  sein.  Durch  ihren 
Helfershelfer,  P.  Suillius,  einen  der  schändlichsten  Ankläger,  die 
damals  Rom  hatte  (ann.  11,  5),  der  ebenso  käuflich  als  in  der 
Gunst  des  Kaisers  allgewaltig  war  (ann.  4,  31),  beschuldigte  sie 
die  Poppaea  Sabina,  mit  dem  zweimal  Consul  gewesenen  Valerius 
Asiaticus,  dem  Besitzer  der  schönen  LucuUischen  Gärten  im 
Norden  der  Stadt,  nach  denen  ihr  eigenes  Gelüste  stand  (hortis 
inhians,  ann.  11,  1),  in  Buhlschaft  zu  stehen  und  bewirkte  den 
Tod  beider.  Asiaticus  wurde  seinem  ordentlichen  Richter,  dem 
Senat,  entzogen  und  im  Cabinet  des  Kaisers  in  Gegenwart  der 
Messalina  und  des  Suillius  verhört.     Kaiser  Claudius  war  damals 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  81 

(47 — 51  n.  Chr.)  zueammen  mit  dem  heacbleriechen  L.  Vitellias, 
dem  Vater  des  späteren  Kaieere,  Censor,  und  glaubte  in  seiner 
CTeisteBscbwäche  durch  eine  rastlose  censorische  Tbätigkeit  seinem 
Amte  genügen  zn  müssen  (ann.  11,  13).  Unter  solchen  Umständen 
war  dem  Beklagten  von  vornherein  sein  Urtheil  gesprochen. 
Zu  freier  Wahl  des  Todes  aus  kaiserlicher  Gnade  vemrtheilt, 
öffnete  er  eich  die  Adern  (ann.  11,  2.  3).  Poppaea  dagegen,  in 
Angst  versetzt  durch  die  Messalina,  die  ihr  durch  Abgesandte 
F^inkerkerung  drohen  liess,  gab  sich  gleichfalls  selber  den  Tod, 
(aun-   aO.). 

Es    gehört    zur  Signatur  jener  Zeiten   und  ist  ein  Zeichen 
von  der  Fäulnies  derselben,    dass   diese    Vorgänge    von   den    Be- 
theiligten    selbst    als    eine    Schicksalsbestimmung    hingenommen 
wurden.     So   hatte  denn  auch    der  Mann   dieser  Poppaea  Sabina, 
Cornelius  Scipio,    der    wenige  Tage  nach   dem  Tode  seiner  Frau 
von  dem    dieses  Todes  übrigens   unkundigen    Claudius   zur  Tafel 
geladen  und  gefragt  worden  war,  warum  er  ohne  seine  Gemahlin 
gekommen,     darauf    geantwortet :    sie    sei    ihrem    Todesgeschick 
verfallen  (funetam  fato,  ann.  11,  2).    Zu  solchen  Auskunftsmitteln, 
die  Tacitus    ironisch  als  Ausflüsse    einer  feinsinnigen   Mässigung, 
eines  elegane  temperamentum  bezeichnet  (ann.  11,  4),  musste  sich 
damals  die  Sprache  der  vornehmen  Welt  bequemen,    wenn  man 
nicht  dem  gleichen  Geschick    wie   die   Opfer   unterliegen  wollte. 
Und  dazu  hatte  Cornelius  Scipio  offenbar  keine  Lust.     Das  zeigte 
!>ich,  als  er  bald   darauf  noch  einmal  in  die  Lage  kam,  für  oder 
g'egen  den  guten  Namen  seiner  Frau  zu  zeugen.    Denn  kurze  Zeit 
nach   dem  Tode  derselben  wurden  zwei  erlauchte  Bitter,  die  den 
Zunamen  Petra  führten,  von  dem  wüsten  Hetzer  Suillius  mit  der 
Anklage    des  Majestätsverbrechens  vei folgt.     Auch  hinter  dieser 
Anklage  stand  Messalina  (ann.  11,  4).  Der  wahre  Grund  der  Ver- 
folgung lag  darin,  dass  jene  Ritter  ihr  Haus  für  Zusammenkünfte 
des  Mnester  und   der  Poppaea  hergegeben  haben  sollten.    Ob  das 
der  Fall  war,   läset  Tacitus  zweifelhaft,  wenn  er  ann.   11,  4  sagt: 
at  causa  necis  (equitum  illustrium)    ex    eo,    quod    domum    suam 
Mnesteris  et  Poppaeae  congressibus  praebuissent.    Sicher  war  aber 
der  berühmte  Pantomime  Mnester   einer   von   den  vielen   Buhlen 
der  Messalina  (ann.  11,  60).     Nun  hatte  der  Senat  über  die  An- 
^i^g®   gegen     die    Ritter   zu    entscheiden.     Scipio,    der   gewesene 
coDsul   suffectus    (Nipperdey,    Anm.  20  zu  ann.  3,  74),    ebenfalls 
zur   Abgabe    seiner    Stimme  aufgerufen,  sagte  (ann.  11,  4):     Da 
ich  über  Poppaea's  Benehmen  denke,  wie  alle  Andern,  so  nehmt 

ftb^iiu  Mos.  f.  Philol.  M.  F.  LVII.  6 


82  Paul 

an,  dase  ich  aoch  über  daseelbe  etimme,  wie  alle  Andern .  Darin 
nun  eiebt  Tacitus  nacb  dem  oben  ecbon  citierten  Ausdruck  eineo 
fein  ereonnenen  Mittelweg  zwischen  ehelicher  Liebe  und  eenatori- 
echem  Zwange:  eleganti  temperamento  inter  coniugalem  et  sena- 
toriam  necessitatem  (sententiam  dixit  Scipio). 

Wie  ee  nun  at)er  auch  mit  diesem  Rufe  der  Buhlschaft  bei 
der  älteren  Poppaea  gewesen  sein  mag,  schaden  konnte  er  der 
Tochter  zu  einer  Zeit  nicht,  wo  Buhlerei  vom  Throne  herab  pri- 
vilegiert war.  Die  Mutter  hiuterliess  der  Tochter  nur  ihren 
'Ruhm  und  ihre  Schönheit*.  Dazu  kam,  daes  ihr  Vermögen  für 
die  Vornehmheit  ihres  Hauses  hinreichend  genug  war.  Ihre 
Unterhaltung  war  heiter  angenehm,  ihr  Geist  nicht  unbedeutend. 
Sittsamkeit  zeigte  sie  nach  aussen.  Leichtfertigkeit  war  ihr 
Wesen.  Sie  ging  selten  aus,  und  dann  nur  mit  einem  Schleier 
über  einen  Theil  ihres  Gesichts.  Um  ihren  Ruf  kümmerte  sie 
sich  gar  nicht  und  ihren  Buhlen  gab  sie  dieselben  Rechte,  wie 
ihren  Ehemännern  (maritoe  et  adulteros  non  distinguens).  Einer 
wirklichen  Liebe  aber  unterlag  sie  nie,  weder  eigner  noch  der 
ihrer  Verehrer  (neque  affectui  suo  aut  alieno  obnoxia).  Wo  Gre- 
winn  winkte,  da  gab  sie  sich  in  Wollust  hin  (unde  utilitas  osten- 
deretur,  illuc  libidinem  transferebat,  ann.   13,  45). 

Das  war  das  Weib,,    das  ein   yollendeter  Rouo,    wie   Otho 
war,   leicht  reizen  und  an  sich    locken   konnte.     Denn  so  ist  das 
Verhältnis^,    nicht   umgekehrt,   daes  die  Poppaea   den  Otho    ver- 
lockt hätte,    wie    das  Hoeck,    Röm.  Geschichte  I,  3.  p.  357  an- 
nimmt.    Sueton  (Otho  3)  sagt  ausdrücklich,    dass  Otho   sie   ver- 
führt und  80  geliebt  habe,  dass  er  auch  den  Nero  niobt  als  Ri- 
val  gleichmüthig  ertragen  habe.    Er  habe  ihn  sogar  einmal  nicht 
in    sein  Haus    hereingelassen.     Dieses,    den    Nero  ausgeschlossen 
zQ  haben,  läset  Plutarch  (Galba  19)  allerdings  nicht  durch  Otho, 
sondern  durch  die  Poppaea  geschehen  sein  und  es  läset  sich  nicht 
entscheiden,  wer  liier  recht  berichtet  (s.  Peter,  die  Quellen  Plu- 
tarchs  usw.  p.  39  f.).  Aber  auch  nach  Plutarch,  der  vielleicht  hier, 
wie  so  oft  in  seinem  Memoirenwerke  Γάλβας  και  "Όθων,   münd- 
lichen Mittheilungen   folgte  (vgl.    H.  Peter,    die  geschichtl.    Lit- 
teratur  usw.  II,  73  f.),  war  Otho  erst   der  Verführer,   den   Nero 
dazu  angetrieben  hatte,  ύφήκε  (ό  Νέρων)  τον  Όθωνα  πβιραιντα 
τήν  ΤΤοππαίαν,  und  dann  der  leidenschaftlich  verliebte  Gatte,  an 
dessen    Eifersucht    Poppaea    ihre  Freude    hatte  (Plut.  aO.).     Sie 
lebte  damals,  als  Otho  sie  an  sich  zog,  im  Jahre  58  n.  Chr.,  in 
der  Ehe  mit•  einem   römischen    Ritter     Rufius   Crispinns,    der   im 


Kaiser  Marcue  Calvins  Otho  83 

Jahre  47  praefeotue  praetorio  gewesen  war  und  in  dieser  Stellung 
aaf  Betrieb  der  Messalina  and  auf  Befehl  des  Claudius  den  Va- 
lerins  Asiaticiie  in  Ketten  gelegt  und  von  Bajae  nach  Rom  ge- 
schleppt hatte  (ann.  11,  1).  Für  diese  That,  die  dem  Claudius  wie 
eise  grosse  Kriegsthat  vorkam  (citis  cum  militibus  tamquam  op- 
primendo  belle  Crispinum  misit,  ann.  aO.)r  erhielt  Crispinus  l^/a 
Millionen  Sesterzien  (225000  M.),  ausser  den  £hrenzeiohen 
der  Prätor  (ann.  11,  4).  Ale  dann  Agrippina  an  die  Stelle  der 
Mesgalina  getreten  war  und  den  keines  eigenen  Urtbeils  fähigen 
Kaiser  (cui  non  iudicium,  non  odium  erat  nisi  inditum  et  iussum, 
ann.  12,  3),  vollständig  beherrschte,  verlor  Crispinus  im  Jahre 
Μ  eeine  Stellung  als  praefectus  praetorio,  die  er  mit  Lusius  Geta 
zoaammen  einnahm,  und  zwar  deshalb,  weil  Agrippina  bei  ihm 
Anhänglichkeit  an  die  Messalina  und  deren  Kinder  Britanniens 
ond  Octavia  vermuthete.  Sie  überredete  darum  den  Claudius, 
daes  unter  dem  Befehle  eines  Einzigen  bei  der  Leibwache  die 
strenge  Zucht  ernstlicher  werde  gehandhabt  werden,  und  so  trat 
Rurme  an  die  Stelle  der  beiden  Präfecten.  Später,  als  die  Yer- 
schwörung  gegen  Nero  im  Jahre  65  diesem  nach  ihrer  Entdeckung 
Gelegenheit  bot,  alle  die  zu  vernichten  oder  zu  entfernen,  die 
er  für  seine  Feinde  hielt,  wurde  auch  Rufius  Crispinus  nach  der 
Insel  Sardinien  verbannt. 

Obgleich  er  im  Privatleben    stand,   war  er  doch  dem  Nero 

rerhasst,  weil  er  die  Poppaea  zur  Frau  gehabt  hatte  (pellitur .... 

Neroni  invisus,    qnod    Poppaeam    quondam    matrimonio   tenuerat, 

ann.  15,  71).    Als  dann  den  Nero  die  Angst  um  sein  Leben,  die 

in  Folge    der    aufgedeckten  Verschwörung    immer    schreckhafter 

wurde,  im  Jahre  66  dahin  brachte,  jene  Ströme  Blutes  zu  ver- 

gieesen,   in  denen  Tacitus  ein  Strafgericht  der  Götter  über  Rom 

^ah  (ira  illa  nnminum  in  res  Homanas  fuit,  ann.  16,  16),  befand 

Mch  auch  Criepinns  unter  denen,  die  in  einer  Reihe   den  Gang 

tum  Tode  antraten  (exitus  tristes  et  continuos,  aO.).    Er  empfing 

'Jen  Befehl  zu  sterben   und  tödtete    sich    selbst    (accepto    iussac 

rnortis  nuntio  aemet  interfecit,   ann.  16,   17).     Und  wie   ihm   das 

Ge8chick,  der  Mann  der  Poppaea  gewesen  zu  sein,  den  Tod  brachte, 

so  war  auch  für  seinen  Sohn,  den  er  von  der  Poppaea  hatte,  die 

spätere  Verbindung  dieser  mit  Nero,  von  der  wir  bald  erzählen 

werden,    die     Ursache   gewaltsamen    Todes.     Denn    diesen    ihren 

Sohn   hatte  Poppaea  mit  in   den    kaiserlichen   Pallast    gebracht; 

aU  er,    der  noch  in  frühem  Knabenalter•  stand,    dort   einmal    ein 

Kinderspiel  ^ürst  und  Kaiser    spielte,  wurde  die  Sache  dem  Nero 


84  Paul 

hinterbraoht.  In  seiner  wahnsinnigen  Angst  vor  möglichen  Ge- 
fahren, die  ihm  einst  durch  den  Stiefsohn  kommen  hönnten,  Hess 
er  den  Knaben,  während  derselbe  fischte,  durch  ihm  mitgegebene 
Sklaven  im  Meere  ersäufen:  Sueton,  Nero  35:  Privignum  Ru• 
fium  Crispinum,  Poppaea  natum,  irapuberem  adhue,  quia  ferebatar 
ducatus  et  imperia  ludere,  mergendum  mari,  dum  piecaretar, 
servis  ipsius  demandavit  (Nero).  Die  Mutter  scheint  aus  der 
Sache  Nichts  weiter  gemacht  zu  haben. 

Dieses  Weib  des  Rufius  Crispinus,  das  ebenso  schön  als  ge- 
wissenlos war,  lockte  also  Otho  durch  sein  stattliches  Auftreten, 
durch  seine  Jugend  und  durch  sein  Verhältniss  zu  Nero  an  sieb, 
als  dessen    all  erbegünstigster  Freund  er  galt    (flagrantissimus   in 
amicitia  Neronis  habebatur,   ann.  13,  45).    Das  Letztere  gab  na- 
türlich bei  der  Poppaea  die  Entscheidung,  viel  mehr  als  seine  Ju- 
gend  und    sein    prunkvolles  Leben,    was    ihr  auch  viele  Andere 
gewähren  konnten.    Aber  der  flagrantissimus  in  der  kaiserlichen 
Freundschaft,  wie  damals  der  Begünstigte  mit  einem  Eraftausdruck 
in  der  römischen  vornehmen  Welt  genannt  wurde,  konnte  allein 
dem  dämonischen  Weibe  zur  Herrschaft  verhelfen;  und  eo  ergab 
sie  sich  ihm,    anfangs   in    wilder  Ehe.     Ihre  Trennung   von  Cri- 
spinus   muss  aber  wenig  Schwierigkeiten    gemacht  haben.     Denn 
die  Eheverbindung  mit    dem  Otho  erfolgte  bald  (nee  mora,  quin 
adulterio  matrimonium  iungeretur,  ann.  13,  46).    Otho  war,   wie 
gesagt,  in  die  neue  Gattin  leidenschaftlich  verliebt,  und  in  seiner 
unbesonnenen  Verliebtheit  pries  er  bei  den   kaiserlichen  Schwel- 
gereien die  Schönheit  und  feine  Erscheinung  seiner  Angebeteten 
vor  seinem  kaiserlichen  Gönner   und    Herrn.     Zwar   will  Tacitus 
den  Antrieb  zu  solchem  Preisen  nicht  mit  Gewissheit  behaupten; 
er  sagt:  Otho  habe  ihre  reizende  Schönheit,  formam  elegantiam- 
que  gepriesen,    sei  es,   weil  er  unbesonnen  verliebt   war,  sei  es, 
weil  er  den  Kaiser  reizen  wollte  und  weil  er  glaubte,  dass,  wenn 
sie  Ein  Weib  zusammen  besässen,  auch  das  ein  Band  wäre,   was 
seine  Macht  erhöhe    (si  eadem  femina  potirentur,  id  quoque  vin- 
culum  potentiam    ei  adiceret,  aO.).     Dieses    Inzweifelstellen    der 
Beweggründe    Otho's    zeigt   nur,    wie   schon   bei    seinen    Zeitge- 
nossen das  Urtheil  über  seinen  Charakter  ein  schwankendes   war. 
In    der  That  scheint  aber  die  Preisgabe   der  Poppaea  von  Seiten 
Otho's   keine   freiwillige  gewesen  zu  sein.     Plutarch   (Galba    19) 
spricht    entschieden    dagegen :    έλθούσης     bk    παρ'     ούτόν     ώς 
γαμέτης  (τής  ΤΤοτπταίας)  οόκ  ήγάπα  μετέχων,  άλλ'  ήσχαλλ€   μ€- 
ταδώούς  (Otho).    Wie  sie  also  seine  Frau  geworden  war,  wollte 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  85 

er  keinen  zweiten  Gemahl  für  sie,  was  nur  auf  Nero  geben  kann. 
Auch  sein  späteres  Handeln  gegen  Nero  ergiebt  dae,  und  ebenso 
mosete  er  den  Nero  gut  genug  kennen,  um  zu  wiesen,  dass  eine 
Gemeinsamkeit  deeeelben  Weibes  nicht  als  ein  mögliches  Verhält- 
nies  betrachtet  werden  konnte.  Die  ganze  Schilderung  von  dem 
thörichten  Benehmen  des  Otho  bei  Tacitue  ann.  13,  46,  spricht 
nicht  für  schlaue  Berechnung,  wie  Hoeck  aO.  annimmt,  sondern 
ganz  allein  für  blinde  Verliebtheit.  Man  hörte  ihn  beim  Auf- 
stehen von  der  kaiserlichen  Tafel  oft  sagen :  Jetzt  gehe  er  (sese, 
db.  £r,  dem  dieses  Glück  allein  bescheert  sei)  zu  ihr,  seiner 
Herrlichen,  seiner  Schönen,  die  Jeder  wohl  sich  wünsche,  die 
aber  nur  den  Auserwählten  beglücke  (vuta  omnium,  gaudia  feli- 
cittm,  aO.).  Natürlich  reizten  solche  Worte  den  Nero,  der  schon 
früher,  als  er  den  Otho  als  Verführer  angestellt  hatte,  das 
schöne  Weib  mit  lüsternen  Augen  betrachtet  hatte  (ής  ήρα 
μέν  ό  Νέρων  Κρισπίνψ  συνούσης  Plnt.  G.  19).  Es  dauerte 
nicht  lange,  da  hatte  Poppaea,  die  Nichte  lieber  ersehnte,  bei 
dem  Kaiser  Zutritt.  Fürs  Erste  setzte  sie  sich  durch  Künste 
der  Liebkosung  fest  und  stellte  sich,  als  wenn  sie  ihrer  Leiden- 
schaft nicht  mächtig  und  durch  die  Schönheit  Nero's  gefangen 
sei.  Dann,  als  der  Kaiser  bereite  von  der  heftigsten  Liebe  er- 
/asst  war,  fing  sie  an,  die  Spröde  zu  spielen;  wenn  sie  länger, 
als  eine  oder  zwei  Nächte  bei  ihm  bleiben  sollte,  sagte  sie:  sie 
wäre  doch  eine  verheirathete  Frau,  könne  auch  ihre  Ehe  nicht 
aufgeben ;  sie  sei  an  Otho  gefesselt  durch  seine  ganze  Art  zu 
sein  und  zn  leben,  worin  ihm  Niemand  gleich  komme.  Er,  Otho, 
Bei  grossartig  in  seiner  Denkweise  und  in  seinem  ganzen  Auf- 
treten. Man  sehe  bei  ihm  nur,  was  der  höchsten  Stellung  würdig 
%ei.  Dagegen  Nero  mit  einer  Sklavin  als  Beischläferin  und  durch 
den  Umgang  mit  einer  Person  wie  Akte  gefesselt,  habe  sich  aus 
dem  gemeinen  Zusammenleben  eine  abscheuliche  und  schmutzige 
Lebensweise  geholt  (ann.  13,  46).  Dass  das  verschlagene  und 
rochlose  Weib  nicht  umsonst  so  die  Spröde  spielte,  zeigte  sich 
bald  genug.  Nero  konnte  es  nicht  länger  ertragen,  dass  sie  die 
Frau  eines  Andern  bleiben  sollte.  Otho  verlor  erst  seine  ver 
trauliche  Günstlingsstellung,  dann  wurde  ev  auch  aus  der  Um- 
gebung und  Gefolgschaft  des  Kaisers  ausgeschieden,  und  zuletzt, 
damit  er  nicht  immerfort  in  der  Stadt  den  Nebenbuhler  des  Kai- 
sers spiele  (ne  in  urbe  aemulatus  ageret)  wurde  er  über  die  Pro- 
vinz Lusitanien  gesetzt  (Tao.  ann.  13,  46   Plat.  G.  20). 

Das  Allee   waren  Vorgänge  des  Jahres  56,  die  wir   in  der 
Hauptsache  nach  den  Annalen  des  Tacitue   dargestellt  haben.    Ιλ 


86  Paul 

den  Hietorien   1,  13  wird  das  Verh&ltniee  des  Nero  zur  Poppaea 
Sabina   andere    berichtet.     Darnach    war  Poppaea   Rchon  vor  der 
Bekanntschaft  mit  Otho  Maitresse  des  Kaisers  und  dieser  gab  eie 
nur  dem   Otho  als  dem  Mitwisser   seiner   zügellosen  Aus.schwei' 
fungen  in  Verwahrung  (deposuerat),  und  zwar  für  so  lange,    bis 
Nero  die  Ootayia,  seine  Frau,  ans  ihrer  Stellung  verdrängt  haben 
würde.    Aber  bald  hätte  er  den  Otho  selbst  in  Verdacht  genom- 
men,  dass  er^s  mit  der  Poppaea  halte  und  hätte  ihn  dann  unter 
der  Form  einer  Statthalterschaft    in    der  Pnovinz  Lusitanien  be- 
seitigt (suspectum  in    eadem  Poppaea   in   provinciam  Lnsitaniam 
specie  legationis  seposuit,  h.  1,  13).   Diese  Darstellung  muss  aber 
der  in   den   Annalen    weichen,    da  diese  etwa  zehn  Jahre  später 
(116—117)  als   die  Historien   ausgegeben   worden   sind.     Darum 
setzen   sie   eine   genauere  Durchforschung  der  Quellen  durch  den 
Autor  voraus,   die  ihn  zu  dem  anderen  ßericbte  führte.     Nur  eo 
viel  ist  aus  den  Angaben  der  Historien  und  des  Plutarchs  anzu- 
nehmen, dass  Nero  die  Poppaea  schon  gekannt  hat,  ehe  sie  Otho'e 
Frau    geworden    war,    auch    dass  die  Poppaea  bis  zur  Zeit,    wo 
Otho  entfernt  wurde,  immerfort  in  dessen  Hause  und  in  Gemein- 
schaft mit  ihm  gelebt  hat  und  dass  die  Trennung  von  ihr  seiner- 
seits schwerlich  eine  freiwillige  gewesen  ist.    Was  das    Letztere 
betrifft,  so  geht  es  ausser  den  schon  angegebenen  Gründen  auch 
daraus   hervor,    dass   Otho  später,    als  er  Kaiser  geworden  war 
und    im   Drange   der   Geschäfte   stand,    seine   Liebe   zu   Poppaea 
nicht  vergessen  hat.     £r   Hess    durch  Senatsbeschluss  ihre  Bild- 
säulen wieder  aufrichten,   nachdem  sie  im  Jahre  62  durch  einen 
Volksauflauf  umgestürzt  worden  waren    (ann.   14,  61.    h.   1,  78: 
ne  tum  quidem  immemor  amorum  statnas  Poppaeae  per   senatns 
consultum  reposuit). 

Nach  Lusitanien  kam  also  Otho  anter  der  Form  einer  Statt- 
halterschaft (specie  legationis).  Da  er  von  den  hohen  Aemtern 
erst  die  Quästur  bekleidet  hatte,  diese  Provinz  aber  sonst  nur 
von  prätorischen  Legaten  verwaltet  wurde,  so  war  die  Bestallung 
Otho^s  scheinbar  eine  Beförderung,  der  Sache  nach  jedoch  kam 
die  Entfernung  einer  relegatio  gleich  (Sueton  Otho  3:  sepositus 
est  per  causam  legationis  in  Lnsitaniam.  Nipperdey  ann.  13,  46 
Anm.  8).  Natürlich  hat  das  Otho  selber  am  besten  gewusst  (Plut. 
G.  20;  είδώς  φυγής  ύποκόρισμα  καΐ  παρακάλυμμα  τήν  αρχήν 
αύτψ  όώομένην).  Aber  die  Kränkung  rief  den  Mann  zu  seiner 
ursprünglichen  Kraft  zurück,  was  immer  ein  Zeichen  einer  nicht 
unbedeutenden  Persönlichkeit  ist.     Von  jetzt   an    sehen  wir  ihn, 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  87 

den  der  Verlnet  Heioee  Weibes  Dicht  gleichgültig  gelassen,  aus 
seinem  nichtigen  Treiben  und  Inderlichen  Genuesleben  heraus- 
gehoben.  £r  gehört  zu  den  Naturen,  die  die  sinnliche  Leiden- 
schaft nicht  unfähig  machte  zu  Tüchtigem  und  Aussergewöhnlichem. 
Tacitns  nennt  ihn  darum  einen  Menschen,  der,  ausgelassen  im 
Privatleben,  im  Amte  Selbstbeherrschung  zeigte,  ann.  13,  46: 
procax  otii  et  poetestatis  temperantior.  K.  Peter  hat  Recht,  wenn 
er  Rom.  Gesch.  III,  p.  379  sagt:  *Otho  war  einer  der  Männer, 
io  denen  dnrch  den  Dienst  niedriger  Lüste  Herrschsucht  und 
Energie  nicht  unterdrückt  wurden .  Und  auch  diese  Herrschsucht 
war,  wae  seine  Verwaltung  in  Lusitanien  und  vor  Allem  sein 
Scheiden  ans  dem  Leben  zeigt,  nicht  unedel,  vgl.  Sueton  0.  10. 
Was  apeciell  eeine  Verwaltung  von  Lusitanien  anbetrifft,  die  von 
58  bis  68  dauerte,  so  waren  diese  zehn  Jahre  für  die  Provinz 
eine  gesegnete  Zeit.  £r  führte  sein  Amt,  nicht  wie  es  nach 
seinem  früheren  wüsten  Leben  zu  erwarten  war,  sondern  unbe- 
scholten und  gewissenhaft  (ann.  13,  46:  non  ex  priore  infamia, 
sed  integre  eancteque  egit).  In  den  Historien  hebt  Tacitus  seinen 
freundlichen  Sinn  und  sein  gefälliges  Wesen,  seine  comitas,  her- 
vor, eine  Eigenschaft  die  auf  den  Umgang  mit  seinen  Untergebenen 
und  auf  seine  freundliche  Behandlung  der  Provinzialen  sich  bezieht. 
Dasselbe  liegt  in  den  Worten  des  Plutarch,  Otho  habe  sich  in 
seiner  Provinz  erwiesen  ουκ  δχαριν  οό5έ  επαχθή  τοις  ύπηκόοις. 
Plot.  6.  20.  Und  Sueton  stimmt  dem  bei,  wenn  er  (Otho  3) 
sagt:  provinciam  administravit  quaestorius  per  decem  annos,  mo- 
deratione  et  abstinentia  singulari. 

Als  nan  Galba  seinen  Abfall  von  Nero  erklärt  hatte  und 
voo  seinen  Trappen  in  Spanien  am  3.  April  des  Jahres  68  zum 
Kaiser  ausgemfen  worden  war,  schloss  sich  M.  Salvius  Otho  als 
der  Erste  an  ihn  an.  Er  hatte  lange  auf  eine  solche  Gelegen- 
heit zur  Rache  gewartet  wie  aus  Suetons  Worten  (0.  4)  hervor- 
geht: nt  tandena  occasio  ultionis  data  est,  conatibus  Galbae  pri- 
mos  accessit.  Er  war  aus  Lusitanien  zu  Galba  gekommen,  trat 
mit  ihm  im  Juli  den  Marsch  nach  Rom  an  und  zeigte  sich  ausRcr- 
ordentlich  eifrig  und  thätig  für  dessen  Sache.  £r  war  in  der 
Umgebung  des  neuen  Kriegsherrn  die  glänzendste  Erscheinung 
(iDter  praesentes  splendidissimus,  h.  1,  13).  Dabei  brachte  er  be- 
deutende Opfer  für  die  ergriffene  Sache,  gab  sogar  sein  goldenes 
and  silbernes  Tafelgeschirr  zum  Ausmünzen  her  (Plut.  aO.).  Wenn 
aber  Tacitns  als  Motiv  für  seinen  Uebertritt  auf  Galba  s  Seite  an- 
giebt,  dass  er  von  Anfang  an  die  Hoffnung  auf  Adoption  durch 


88  Paul 

den  TSjährigen  Greis  und  damit  auf  Nachfolge  desselben  in  der 
Herrschaft  gefasst,  dieser  Hoffnung  auch  von  Tag  zu  Tag  heftiger 
nachgejagt  habe  (h.  1,  13),  so  war  dieselbe  dadurch  begründet, 
dass  der  grösste  Theil  der  Soldaten  ihm  gewogen  war  (και  τό 
στρατιωτικόν  ήο^ως  εΤχε  τόν  *Όθαινα  παρ'  όντινοΟν  άλλον  άν- 
αγορ€υθήναι.  Plut.  G.  21).  Auf  dem  ganzen  Marsche  von  Spanien 
nach  der  Hauptstadt  hatte  er  sich  durch  Leutseligkeit  und  Frei- 
gebigkeit beliebt  gemacht  (Plut.  20).  Dabei  mag  auch  eine  aber- 
gläubische Zuversicht  mit  gesprochen  haben,  von  der  Sueton  (0. 
4)  berichtet,  der  Mathematiker  Seleucus,  der  ihm  früher  schon 
geweissagt  hatte,  er  werde  den  Nero  überleben,  soll  nach  deesen 
Tode  zu  Otho  nach  Lusitanien  gekommen  sein  und  ihm  geweis- 
sagt  haben,  er  werde  in  Kurzem  Kaiser  sein.  Wie  dem  aueb 
sein  mag,  er  suchte  die  Soldaten  auf  alle  Weise,  besonders  durch 
Geschenke  zu  gewinnen ;  und  er  gewann  sie,  wie  Sueton  aO. 
sagt,  ut  iam  vix  uUus  esset,  qui  non  et  sentiret  et  praediearet 
solum  successione  imperii  dignum.  Es  ist  deshalb  wohl  glaublich, 
wenn  der  Vater  des  Sueton,  Suetonius  Laetus,  der  den  Otho  gat 
kannte,  in  Bezug  auf  sein  späteres  Verhalten  versicherte,  er  würde 
nicht  mit  dem  Galba  zusammengestossen  sein,  wenn  er  nicht  fest 
davon  tiberzeugt  gewesen  wäre,  dass  sein  Auslangen  nach  der 
Krone  ohne  Krieg  erfolgen  könne,  Suet.  0.  10:  nee  concursuram 
(Othonem)  cum  Galba  fuisse,  nisi  confideret,  sine  hello  rem  trän- 
sigi  posse.  Seine  Beliebtheit  im  Heere  berechtigte  ihn  zu  solcher 
Annahme. 

Auch  der  Hof  des  Nero  war  bereit,  für  ihn  einzutreten  ah 
für  denjenigen,  der  dem  Nero  in  ausschweifender  Lebensweise  ähn- 
lich war  (faventibus  plerisque  militum,  prona  in  eum  aula  Neronis 
ut  similemi  h.  1,  13).  Hatte  doch  Otho  in  den  Tagen  der  kaiser- 
lichen Gunst  zu  jener  Begleitung  des  Nero  gehört,  mit  der  dieser 
häufig  an  die  Mulvische  Brücke,  den  Sammelort  zu  allerhand 
lüderlichem  Treiben  und  Liebesabenteuern,  ausgeschwärmt  war, 
um  ungestört  ausserhalb  der  Stadt  daran  Theil  zu  nehmen  (Tac. 
ann.  13,  47.  13,  12).  So  war  Otho,  der  stattliche,  ausgelassene, 
junge  Mann  nicht  blos  der  Vertraute  des  Kaisers  in  Liebesbän- 
dein  gewesen,  sondern  hatte  auch  in  unbändiger  Ausschweifung 
mit  ihm  gewetteifert  (Otho  pueritiam  incuriose,  adolescentiam  pe- 
tulanter  egerat,  gratus  Neroni  aemulatione  luxus,  Tac.  h.  1,  13)• 
Diese  wüste  Ausgelassenheit  war  die  Eigenschaft,  die  ihn  den 
Hofleuten  jetzt  empfohlen  machte.  Indessen  war,  wie  gesagt, 
Otho  nicht   mehr    der    frühere    Wüstling,    der    in    nichtsnutzigen 


Kaiser  Marcus  Salvias  Otho  89 

Dingen  (incariose)  die  Tage  vergeudete.  Wie  er  jetzt  nach  der 
höchsten  Stellung  aaslangte,  so  entsprach  auch  dem  hohen  Streben 
ein  starker  Wille  (non  erat  Othonis  mollis  et  corpori  similis  ani- 
mae,  h.  1,  22).     Bald  sollte  sich  das  zeigen. 

In  den  ersten  Tagen  des  Jahres  69  (822  α.  c.»  Tac.  h.  1, 
12:  paucis  poet  kalendas  ianuarias  diebus)  war  in  Rom  die  Nach- 
richt eingetroffen,  dass  die  Legionen  des  oberen  Germaniens  von 
G^alba  abgefallen  seien  und  einen  andern  Kaiser  verlangten  (h. 
1,  12).  Das  beschleunigte  die  Absicht  Galba*s,  der  schon  länget 
mit  sich  und  seiner  Umgebung  darüber  zu  Rathe  gegangen  war, 
bei  seinem  hohen  Alter  sich  einen  Mitregenten  und  Nachfolger 
zu  wählen.  Zu  dieser  Umgebung,  seinem  geheimen  Cabinetsrath, 
gehörten  vor  Allem  drei  für  ihn  verhängnissvolle  Günstlinge, 
die  nach  Sueton  ihn  vollständig  nach  ihrem  Willen  leiteten  und 
anabläesig  um  ihn  waren.  Das  Volk  nannte  sie  deshalb  seine 
Paedagogen  (Suet.  6.  4:  regebatur  trium  arbitrio,  quos  una  et  intra 
Palatium  habitantes  nee  umquam  non  adhaerentes  paedagogos 
valgo  vocabant).  Der  erste  derselben,  der  auch  in  ganz  beson- 
derer Gunst  beim  Imperator  stand  und  den  er  jetzt,  wie  früher 
za  seinem  Legaten  in  Spanien,  so  in  Rom  zu  seinem  Mitconsiil 
erwählt  hatte,  war  Titus  Vinius.  Ihn  traf  der  allgemeine  Has« 
am  meisten,  da  er  ein  Mensch  von  ungemessener  Begehrlichkeit 
war.  Der  andere  war  Cornelius  Laco,  den  Galba  zum  praefectus 
praetorio  an  Stelle  des  Nymphidius  Sabinus  gemacht  hatte,  ein 
ebenso  anmaseender  als  träger  Mensch  ;  der  dritte  war  der  Frei- 
gelassene Icelue,  der  dem  Galba  zuerst  die  Nachricht  vom  Tode 
des  Nero  und  von  seiner  Ernennung  zum  Kaiser  durch  den  Senat 
nach  Spanien  überbracht  hatte  und  den  Galba  dafür  durch  das 
Geschenk  des  goldenen  Siegelringe  zum  Ritter  ernannt,  dazu  mit 
dem  Beinamen  Marcianus  ausgezeichnet  hatte  (Suet.  G.  14). 

Als  es  sich  nun  um  die  Adoption  eines  Erben  und  Nach- 
folgers in  der  Eaiserwürde  handelte,  waren  diese  drei  Günstlinge 
sanimt  ihrem  Anhang  in  zwei  Fractionen  getheilt,  Titus  Vinius 
war  der  Gönner  des  Otho,  Laco  und  Icelus  waren  anfangs  we- 
niger für  irgend  eine  bestimmte  Persönlichkeit  und  nur  überhaupt 
iür  eine  andere,  als  die  dem  Vinius  beliebte.  Jeder  von  ihnen 
verfolgte  eben  sein  Interesse  (h.  1,  13).  Als  nun  am  Aufstande 
der  obergermanischen  Legionen,  die  zu  Mainz  und  Vindonissa  im 
Canton  Aargan  ihre  Standquartiere  hatten  (es  waren  die  IV.  Mace- 
donica,  die  XXI.  Rapax,  die  ΧΧΙΓ.  Primigenia)  nicht  mehr  zu 
zweifeln   war  und    auch  bereite  Berichte   einliefen  von  dem  <* 


90  Paul 

henden   Abfall  des  A.  Vitelliue,  den  Galba  selbst  siiin  Comman• 
danten  des  unteren  Germaniens  ernannt  hatte  (h.  1,  9),  da  erach- 
tete es  Galba,    der  auf  die  in  der  Stadt   liegenden   Mannscbaften 
kein  groeses  Vertrauen  hatte,  für  das  einzige  Rettangsmittel,  end- 
lich   einen  Thronfolger   zu  bestellen,    der   für  sein   Greisenalter 
einen  Ausgleich  böte.    Er  zog  zur  Beratbnng  darüber  den  Vinins, 
den  Laco,   den   Consul    designatns  Marina  Celsus  und  den  prae« 
fectus  urbis  Ducenius  Geminus  herbei,  obsehon  die  Wahl  der  Per- 
sönlichkeit bei  Galba  von  vorherein  fest  stand.    Sein  Erkorener 
war  Pieo  Licinianus»   mit  dem   übrigens  Laco,   wahrscheinlich  iu 
Aussicht  auf  die  ihm  von  Galba  zugedachte  Würde,  sich  bereite 
vertraut  gemacht  hatte.     Wenigstens  ging  das  Gerede,  Pieo  sei 
auf  den  energischen  Vorschlag  des  Laco  (Lacone  instante,  h.  1, 14] 
gewählt  worden.    Wie  dem  auch  sein  mag,  die  Kürang  war  eine 
gute.     Denn  die  öffentliche  Meinung   über    den  Piso    war  selbst 
eine  sehr  günstige  (prospera  de  Pisone  fama,  h.  aO.).    War  doch 
dieser  L.  Calpumius  Piso  Frugi  Licinianus  ein  Sohn  des  Marcus 
Crassus  und    der  Scribonia,    einer    Urenkelin    des   Cn.  Pompejus 
Magnus  und  Adoptivsohn  des  L.  Calpumius  Frugi.    Nach  Antlitz 
und  Haltung  war  er  von   altem  Schlage  (vnltn  habituque  moris 
antiqui,  h.  1,  14),  eine  ernste  Natur,  die  von  denen,  die  ihm  nicht 
besonders  wohl  wollten,  als  streng  und  finster  hingestellt  wurde. 
Grade    diese   ernste   Seite    seines  Charakters,   die  den  zuchtlosen 
Hofleuten    des    Nero   Aergerniss  und  Verstimmung   bei  dem  Ge- 
danken an  seine  Wahl   als  Nachfolger    Nero's   brachte,    gab   für 
Galba  den  Ausschlag  (h.  aO.).     Auch  Plutarch    hebt   den    recht- 
schaffenen, patriotischen  Sinn  hervor,  der  den  Galba  bei  der  Wahl 
seines    Nachfolgers  bestimmt   habe,    wenn  er  G.   21  sagt:    ό  hl 
Γάλβας  άύ  μέν  ήν  δήλος  πρό  του  Ιδίου  το  κοινόν  τιθέμενος 
καΐ  ίητών  ούχ  αύτψ  θβσθαι  τόν  ήδιστον,   άλλα  Ρωμαίοις  τον 
ώφ€λιμώτατον.     Dass  es   ihm  Ernst   war  mit    dieser  Wahl  und 
dass  er  Nichts  als    das  Wohl   des  Staates   im    Auge  hatte,   gebt 
aus  der  Hede  bervor,  die  er  dann,  als  er  den  Piso  in  den  Cabi- 
netsrath  hatte  rufen  lassen,  an  diesen  hielt.     Er  erinnerte  ihn  au 
seine  edle  Abkunft,  um  deren  willen  allein  aber  er  ihn  nicht  zum 
Nachfolger  berufen  habe.     Die  Hauptsache,    die  ihn,    den   durch 
den  Willen    der    Götter   und    Menschen  auf  den  Kaiserthron  Ge- 
langten bei  der  Adoption  bestimmt  habe,  sei  die  vorzügliche  Ver- 
anlagung des  Piso  selbst  und  die  Vaterlandsliebe.    Seine  und  des 
Piso   Ahnen    hätten  erst   (in   den    Bürgerkriegen    des    Cäsar   und 
Pompejus  hatte  Galba's  Vater  auf  Seite  Cäsars  gestanden,  während 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  91 

Cn.  Calpnmius  Pieo  Parteigänger  des  PompejuB  gewesen  war) 
mit  den  Waffeo  um  das  Principat  gekämpft.  Nachdem  er,  Galba, 
dieses  im  Kriege  erlangt,  biete  er  es  jetzt  dem  Pieo  als  einem 
Manne  des  Friedens.  Weiter  berief  er  sieb  für•  die  Adoption  auf  das 
Beispiel  des  AuguettiB,  nur  dass  dieser  den  Nachfolger  im  eig- 
nen Hause  gesaeht  habe,  er  dagegen  im  ganzen  Staat.  Wie  er 
gelbst  nicht  auf  dem  Wege  der  Intrigue  (ambitiöse,  h.  1,  15) 
die  Oberherrsoliaft  erhalten  habe,  so  wolle  er  auch  ein  durchaas 
imbestochenes  ürtheil  bei  der  Wahl  seines  Nachfolgers  zeigen. 
Darum  habe  er  weder  einen  seiner  Verwandten  noch  seiner 
Kriegskameraden  ins  Auge  gefasst,  sondern  den,  der  wirkliche 
Vorzüge  vor  allen  andern  habe.  Wie  des  Pieo  Alter  die  wüste 
Leidenschaft  der  Jugend  hinter  sieb  habe,  so  finde  eich  auch  in 
seinem  Leben  Nichts,  was  der  Entschuldigung  bedürfe.  Habe  er 
bisher  nur  Unglück  zu  tragen  gehabt  (zwei  Brüder  des  Pieo 
waren,  der  £ine  unter  Claudius,  der  Andere  unter  Nero,  getödlet 
worden,  während  Piso  selbst  langes  Exil  erlitten),  so  werde  er 
im  Glücke,  das  mit  schärferer  Sonde  das  Herz  des  Mannes  prüfe, 
die  schönen  Güter  des  menschlichen  Geistes  bewahren,  die  Treue 
den  Sinn  für  Freundschaft  und  Freiheit. 

In  dieser  grossen  Rede,  die  Tacitus  den  Galba  h.  1, 15.  1β 
sprechen  lässt,  erinnert  nun  dieser  den  Pieo  daran,  was  der  Herr- 
scher auf  dem  Throne  von  seiner  Umgebung  zu  erwarten  habe: 
Aagendienerei,  Schmeichelei  und  Selbstsucht,  Mieses  schlimmste 
Gift  für  ächte  Zuneigung'  (sua  cnique  utilitas,  pessimum  veri  ad- 
fectus  yenenum).  Sie  beide,  Er  und  Piso,  verhandelten  heute  mit 
einander  offen  und  ehrlich ;  alle  andern  hätten  bei  ihren  Worten 
nur  den  Fürsten  im  Ange;  unbedingtes  Jasagen  ohne  Herz  und 
Empfindung  finde  gegen  den  Herrscher  statt,  wer  dieser  auch  sei 
(h.  1,  15). 

Wenn  der  ungeheure  Reichskörper  sich  aufrecht  und  im 
Gleichgewicht  halten  könnte  ohne  einen  Lenker,  so  wäre  ich 
der  Mann,  mit  dem  der  Freistaat  (wieder  was  in  den  Worten:  a 
qoo  respublioa  inciperet,  liegen  kann,  ohne  dass  man  mit  Hertz 
^in  denno  ergänzt)  seinen  Anfang  nehmen  sollte.  So  aber  ist  es 
echon  längst  dahin  gekommen,  dass  weder  mein  Greisenalter  dem 
römischen  Volke  mehr  gewähren  kann,  als  einen  guten  Nachfol- 
ger, noch  deine  Jugend  mehr,  als  einen  guten  Fürsten.  Er  wies 
dann  daraufhin,  dass  nach  dem  Erlöschen  des  Juiisch-Claudischen 
nauftes  wenigstens  mit  der  Adoption  des  Besten  ein  Ersatz  für 
die  Freiheit  gegeben  sei;  für  die  Wahl  desselben  gebe  die  Volks- 


92  Paul 

stimme  einen  Fingerzeig,  wie  er  denn  selbst,  Galba,  durch  die 
Stimme  Urtheilsfähiger  (ab  aestimantibas)  erkoren  worden  sei. 
Pisö  möge  sieb  auch  nicht  erschrecken  lassen^  wenn  bei  der 
jetzigen  Welter  seh  ütternng  zwei  Legionen  (in  Obergermanien)  noch 
nicht  zur  Ruhe  gekommen  wären.  Es  würde  Alles  ruhig  werden, 
wenn  die  Adoption  bekannt  würde»  da  der  einzige  Grund  der  Un- 
zufriedenheit sein  Greisenalter  sei.  Wenn  er  io  Piso  eine  gute 
Wahl  getroffen,  so  wäre  Alles  gut.  Zuletzt  gab  er  seinem  Er- 
korenen noch  als  letzte  Anweisung  für  den  rechten  Weg,  immer 
zu  bedenken,  was  er  selbst  wollen  oder  nicht  wollen  wurde, 
wenn  ein  Anderer  anstatt  seiner  Fürst  geworden  wäre.  Im  Auge 
zu  behalten  sei  immer  das,  dass  er  nicht  über  Sklaven  herrsche, 
wie  es  die  Völker  seien,  die  unter  Königen  ständen,  sondern  über 
Menschen,  die  weder  volle  Knechtschaft  noch  volle  Freiheit  er- 
tragen könnten,  (h.  1,  16). 

Da  Plutaroh  diese  Rede  des  Galba,  hätte  er  sie  gekannt, 
sicher  aufgenommen  hätte,  weil  sie  seinen  Helden  zu  adein 
scheint,  so  ist  das  Fehlen  derselben  bei  ihm  ein  Zeichen,  daes 
Plutarch  schwerlich  aus  Tacitus  entstanden  ist  (s.  Ή.  Peter,  die 
Quellen  Plutarchs  usw.  p.  38).  Da  er  aber  in  dem  Bericht,  wo 
er  die  Adoption  des  Piso  erzählt,  G.  23,  in  der  Charakterisierung 
der  Personen  und  in  der  Angabe  der  Zeitumstände  doch  wieder 
mit  Tacitus  h.  1,  14  genau  übereinstimmt,  so  zeigt  das,  dass 
Tacitus  und  Plutarch  ein  und  dieselbe  Quelle  für  die  Berichte, 
die  sie  gemeinsam  haben,  benutzt  haben,  wahrscheinlich  den  CIu- 
vius  Rufus  (s.  H.  Peter  aO.  p.  40  f.).  Wenn  Peter  diese  Ver- 
muthung  wieder  zurücknimmt  (Die  geschichtl.  Litter.  Π  ρ.  275 
Anm.  2),  so   will  uns  dafür  kein  rechter  Grund  einleuchten. 

Nach  der  Rede  Galbas,  die  Piso  in  ruhiger  und  würdiger 
Weise  hinnahm  und  beantwortete,  entschloss  man  sich,  nicht  auf 
das  Forum  oder  in  den  Senat  zu  gehen,  um  da  die  Adoption  bekannt 
zu  machen,  sondern  in  das  Lager  der  Prätorianer.  Das  wäre 
auch  das  Richtige  gewesen,  wenn  Galba  seine  Zeit  verstanden 
hätte.  Nicht  als  ob  ihm  die  Dinge  und  Menschen  an  sich  un- 
verstanden gewesen  wären;  die  oben  angeführte  Rede  desselben 
zeigt,  dass  er  die  politische  Lage  und  den  internationalen  Cha- 
rakter des  ungeheuren  Reichskolosses,  der  die  Monarchie  noth- 
wendig  machte,  vollkommen  richtig  erkannte.  Aber  sein  staats- 
raännieches  Handeln  entsprach  dem  richtigen  ürtheil  nicht;  er 
folgte    in    der  Prsxis    den  Grundsätzen    eines   Mannes  aus  einer 


Kaiser  Marcos  Salvius  Otho  93 

etolzei)  Patricierfamilie,  nicht  eineB  souveränen  Herrn  und  Ge- 
bieters, der  sich  auf  seine  Soldaten  verläset ,  die  er,  gleichgültig 
durch  welche  Mittel,  unaaflöslich  an  sich  zu  fesseln  versteht. 
NVie  so  oft  bei  Staatsmännern  in  Uebergangeperioden  ging  sein 
tbeoretieches  Yerstehen  und  sein  praktisches  Handeln  weit  aus- 
einander. Schon  bisher  war  es  die  für  die  jetztigen  Verhältnisse 
schlecht  angebrachte  Sparsamkeit  Galbas  gewesen,  die,  da  sie 
nur  als  Geiz  ausgelegt  wurde,  die  Neigung  der  Prätorianer  ihm 
zu  entziehen  angefangen  hatte.  Der  neronianische  praefecta» 
praetorio  Njmphidius  Sabinus,  der  sich  noch  bei  Lebzeiten  des 
Nero  für  Galba  erklärt  und  zu  dem  Abfall  der  Prätorianer  von 
Nero  das  Meiste  beigetragen  hatte,  hatte  diesen,  wofern  sie  die 
Partei  des  Galba  ergrifiPen,  ein  Geldgeschenk  als  ausserordent- 
lichen Ebrensold  (donativnm),  versprochen,  ob  mit  oder  ohne  Ge- 
heise des  Galba,  lässt  sich  nicht  bestimmt  sagen.  Auf  jeden  Fall 
aber  waren  die  schon  unter  Claudius  und  Nero  an  solche  Geld- 
geschenke gewöhnten  Prätorianer  (Tac.  ann.  XII,  41.  69)  durch 
dasselbe  zur  Huldigung  für  Galba  bewogen  worden.  Galba  aber 
verweigerte  das  Geschenk  mit  der  Bemerkung,  von  ihm  werde 
der  Soldat  ausgehoben,  nicht  gekauft  (legi  a  se  militem,  non  emi 
h.  1,  5).  Tacitus  bemerkt  zu  diesem  Worte  ganz  richtig,  dasselbe 
wäre  für  das  Staatswohl  gut  gemeint  gewesen,  für  den  Galba 
selbst  aber  höchst  gefährlich,  dazu  auch  nicht  an  der  Zeit  (vox 
pro  republica  honesta,  ipsi  anceps ;  nee  enim  ad  hano  formam 
cetera  erant).  Von  da  an  sah  die  Garde  in  Galba  nicht  sowohl 
den  strengen,  von  den  Soldaten  einst  gefeierten  Feldherrn  und 
Führer,  als  vielmehr  den  alten,  filzigen  Geizhals,  der  leider  an 
die  Stelle  der  glänzenden  Erscheinung  eines  Nero  getreten  sei 
'h.,  aO.  vergl.  Plut.  G.  22:  κοινή  γάρ  δπαντες  o\  στρατευό- 
μενοι τόν  Γάλβαν  έμίσουν  ουκ  αποδίδοντα  τήν  δωρεάν).  In 
keinem  Augenblicke  aber  war  dieser  Geiz  ftir  das  Geschick  der 
neuen  Herrschaft  verhängnissvoller,  als  jetzt,  wo  man  für  die 
Bestätigung  der  Adoption  eines  Nachfolgers  im  Regiment  und  im 
Heeresbefehl  die  Gunst  des  Lagers  unbedingt  brauchte.  Diese 
Gunst  wollte  Galba  auch  jetzt  nicht  durch  Bestecbung  und  wer- 
bende Schmeichelei  erkaufen,  sondern  nur  durch  löbliche  Mittel. 
IHe  Gardetrappen  sollten  si/3h  mit  der  Ehre  begnügen,  dass  sie 
zuerst  um  Anerkennung  des  von  ihm  Gewählten  angegangen 
worden  waren  (h.  1,  17).  Es  sollte  sich  bald  zeigen,  welchen 
verhängnissvollen  Weg  Galba  eingeschlagen. 


94  Paul 

£8  war   der   10.  Januar    des  Jahres  69,    ein    abscheulicher 
Regentag    mit  Donner,    Blitz    und    allem    Unwetter.     Als  Galba 
mit  eeiner  Begleitung  im  Lager  angekommen  war,  sprach  er  vor 
der   ganzen    versammelten   Garnison    mit  imperatorischer  Kurze, 
yerkündete  die  Adoption    des  Piso  und    erwähnte    den  Aufstand 
der    obergermanischen  Legionen    nur  so,    als   ob  die  4.  und  22. 
Legion  auf  Veranlassung  weniger  Aufruhrer  sich  bloss  in  lauteo 
Ausrufungen  vergangen  habe,  in  Kurzem  aber  zum  Gehorsam  zu- 
rückkehren werde.    Weder  ein  gewinnendes  Wort  noch  ein  Geld- 
geschenk wurde  von  ihm  erwähnt.    Tacitus  berichtet  bei  der  Er- 
zählung von  diesen  Vorgängen  ausdrücklich  h.  1,  18:    ^s  steht 
fest,    dass  die  Truppen    hätten  gewonnen    werden  können    durch 
eine  noch  so   kleine  Freigebigkeit  des   allzu  sparsamen  Greises ; 
sein  antikes,  starres  Wesen  und  seine  allzu  grosse  Sittenstrenge, 
der  wir  nicht  mehr  gewachsen  sind,  schadete  seiner  Sache*.     Nur 
die  Tribunen    und  Centurionen    und    von    den  Soldaten    die   ihm 
zunächst  Stehenden  antworteten    auf  die  £ede  des  Galba  £rfreu* 
liches;    alle  andern  waren  niedergeschlagen  und  schweigsam,   im 
Gedenken  daran,    dass  sie  den    sogar  im  Frieden   beanspruchten 
und  unumgänglichen  Ehrensold  durch  den  Krieg   verloren  hätten 
(h.  aO.).  ^Das  Heer*,  sagt  Plutarch  G.  23,  schaute  feindlich    und 
finster  darein,    weil  das  Geschenk    auch  jetzt  nicht  ihm  gegeben 
ward'.     Und    ähnlich    Sueton    G.   17:    perduxit  (Galba  Pisonem) 
in    castra    ac  pro    contione    adoptavit,    ne  tunc    quidem    donativi 
ulla     mentione     facta,      quo    faciliorem    occasionem    M.    Salvio 
Othoni  praebuit  perficiendi  conata.    —   Von  dem  Lager  zog  man 
in  den  Senat.     Auch  hier  hielt  Galba  eine  einfache,  kurze  Rede, 
der  der  Erfolg  zur  Seite  stand.     Ingleiehen  sprach  Piso  freund- 
lich   wohlwollend.     Und    grade    die,    welche    ihn    nicht    gewollt 
hatten,  huldigten  ihm  jetzt  in  übertriebener  Weise;  kam  es  ihnen 
doch    darauf   an,    die    frühere  Opposition    vergessen    zu  machen. 
Diejenigen  Senatoren,  die  keiner  Partei  angehörten,  und  das   war 
die    Mehrzahl    (medii    ac    plurimi,    h.  1,  19)    hatten    nur     ihre 
persönlichen    Hoffnungen    ohne     alles    Interesse    für    den    Staat; 
sie  kamen  darum  dem  Piso  unterwürfig  entgegen. 

Die  Annahme  des  Piso  zum  Nachfolger  des  alten  Kaisers 
hätte  immerhin  gut  ausschlagen  können,  wenn  sie  nicht  den  ver- 
letzt hätte,  der  auf  diese  Adoption  für  seine  eigene  Person  mit 
Sicherheit  gerechnet  und  sein  ganzes  Thun  seit  dem  Anscfalaee 
an  Galba  darauf  gerichtet  hatte,  selbst  zur  obersten  Stelle  empor 
zu  steigen,  M.  Salvius  Otho.     Für  ihn  war  auch,  wie  schon    be- 


Kaiser  Maren•  Salvias  Otho  95 

merkt,  Titue  Vinioe  geetimmt  gewesen,  das  einflueereichste  Mit- 
glied im  Cabinetsrath  des  Kaisere.  Dem  Galba  war  die  Freund- 
8oliaft  dee  Vinius  mit  Otho  nicht  unbekannt ;  ja  VinioR,  der  eine 
unvermählte  Tochter  hatte,  ward  nach  einem  viel  verbreiteten 
Gerede  als  künftiger  Schwiegervater  des  Otho  angesehen  (Tac. 
b.  1,  13  Plnt.  G.  21).  Tacitas  ist  aber  aO.  der  Ansicht,  dase 
den  Galba  wirkliebe  Sorge  für  den  Staat  bewogen  habe,  von  der 
Adoption  des  Otbo,  der  ihm  zu  viel  von  Nero  hatte,  abzusehen. 
Auch  Pluiarcb  nagt  aO.:  Galba  hätte  hier  wie  immer  den  all- 
gemeinen Nutzen  im  Auge  gehabt:  0€ΐ  μεν  ήν  δήλος  πρό  τοΟ 
ibiou  το  κοινό  ν  τιθέμενος,  καΐ  ίητών  ουχ  αύτώ  θέσθαι  τόν  ήδι- 
στον, άλλα  *Ριυμαίοις  τόν  ώφελιμώτατον.  Vom  Otho  hätte  er  schon 
^egen  seiner  angeheuren  Schulden  abgesehen.  Nachdem  also  die 
Wahl  auf  Pieo  gefallen  war,  schien  nun  für  Otho  das  ganze 
bisherige  Müben  unntltz  und  vergeblich.  Und  wie  stark  war 
dieses  Muben  gewesen!  Dass  er  bei  seinem  Anschlues  an  Q-alba 
von  vornherein  die  Absicht  auf  den  Thron  gehabt  hat,  ist  wie 
^chon  oben  gesagt,  ganz  fraglos  (h.  1,  13:  spem  adoptionis  statim 
conceptam  acriue  in  dies  rapiebat).  Bei  dem  hohen  Alter  Galbas 
war  Hoffnung  wie  Absicht  auch  begründet.  Deshalb  hatte  er 
i^cbon  auf  dem  langen  Wege  von  Spanien  nach  Rom  die  Neigung 
der  Soldaten  zu  gewinnen  gesucht.  In  Reihe  und  Glied,  auf  dem 
Marsche  wie  beim  Haltmachen  nannte  er  die  Aeltesten  mit  ihrem 
Namen,  rief  das  Andenken  an  die  Zeiten  zurück,  wo  sie  mit 
ihm  im  Gefolge  des  Nero  gewesen  und  nannte  sie  seine 
Kameraden.  So  erneuerte  er  alte  Bekanntschafcen  und  suchte 
neue  za  macben,  indem  er  ihnen  durch  Geld  oder  persönliche 
Verwendung  balf.  Oft  Hess  er  dabei  Klagen  und  zweideutige 
Reden  über  Galba  einfliessen  und  gebrauchte  allerlei  andere 
Mittel  zum  beizen  (Tac.  b.  1,  23  Plutarcb  G.  20). 

Um  nun  jetzt  einen  Andern  die  Stelle  einnebmen  zu  sehen, 
&af  die  er  selbst  mit  so  heissen  Wünschen  gehofft  hatte,  dazu 
war  Otbo  der  Mann  nicht.  V^rmuthet  doch  Tacitus,  dass  er 
«^•chon  bei  seiner  Werbung  um  die  Gunst  der  Soldaten  nöthigen 
Falls  eine  Gewalttbat  ins  Auge  gefasst  hatte,  h.  1,  23:  studia 
militnm  iam  pridem  spe  snccessionis  aut  paratu  facinoris  ad- 
fectaverat.  Jetzt  war  die  Zeit  gekommen,  wo  diese  Anbahnung 
«ier  Gewalttbat  ihre  Ausführung  'finden  musste ;  denn  glückte  die 
Erhebung  des  Pieo  und  wurden  in  Folge  derselben  die  Zustände 
geordnet  und  rnbig,  so  war  alle  Hoffnung  Otho^s  vereitelt.  Also 
musste    all   sein   Trachten    sich   jetzt    auf  Vereitlung    der  Pläne 


%  Paul 

Gralbae,  dh.   auf  deseen   Sturz    richten.     Und  dazu  drängte  nicbt 
bloe  der  Zorn  Othoe  über  Galba  und  sein  Neid  auf  Pieo,  sondern 
noch  vieles  Andere:    ein  Aufwand,   der  selbst  für  einen  Fürsten 
belastend  gewesen  wäre,  eine  Geldknappheit,  die  kaum  ein  Privat- 
mann ertragen  konnte.     Sueton  sagt  0.  5 :   '£r  wandte  sich  zur 
Gewalt,  weil  ihn,  abgesehen  davon,  dass  die  Wahl  des  Piso  ibn 
innerlich  wurmte,    die  Schuldenmasse  erdrückte;   er  machte  deee 
gar  kein  Hehl,   dass  er  nur  als  Kaiser  noch  bestehen  könne;  ee 
sei  gar  kein  Unterschied,  ob  er  auf  dem  Schlachtfeld  durch  den 
Feind  falle,  oder  auf  dem  Forum  durch  seine  Gläubiger\     Dabei 
redete  er  sich  selbst  in  Furcht  hinein  und  spiegelte  sich  vor,  dass 
seine  Person  schon  dem  Nero  allzu  drückend   gewesen  sei.     Ein 
zweites  Lusitanien  aber  mit  seinem  ehrenvollen  Exil  werde  ihm 
nicht  wieder  zu  Theil   werden.     Wem    einmal  die  Anwartschaft 
auf  den  Thron  von  der  allgemeinen  Stimme  zugeschrieben  worden 
sei,  wie  ihm,  der  bleibe  dem  Herrscher  verdächtig  und  verhaeet. 
Auch  werde  ein  so  schroffer  Charakter  wie  Piso  eines  Otho  nicht 
schonen.     Also  gelte  es  zu  handeln  und  zu  wagen,  so  lange  die 
Dinge    noch    im   Fluss    wären.     Uebergangszeiten   seien    grossen 
AYagnissen  günstig  und  Ruhe  sei  gefährlicher  als  Verwegenheit 
Beim  Tode,  der  von  Natur  für  Alle  gleich  sei,  sei  nur  der  Un- 
terschied, ob  man  bei  der  Nachwelt  vergessen  oder  verherrlicht 
sei.    Und  wenn  derselbe  Ausgang  ans  dem  Leben  Schuldige  wie 
Unschuldige    erwarte,    sei   es  des    tapferen    Mannes  Sache,    ver- 
dientermessen den  Untergang  zu  finden.  Tac.  h.   1,  21. 

Mag  Tacitus  solche  Gedanken    dem  Otho  nun   nach    seiner 
Kenntniss  von  der  Denkweise  desselben  zugeschrieben  haben,  ohne 
tiass  sie   allesammt    genau  nach  Aeusserungen   desselben   zu  con• 
trolieren  waren,  jedenfalls  entsprechen  sie  der  Gemüthsart   Othos 
wie  seiner  Lage  und   seiner  Umgebung.     Denn    auch    diejenigen 
seiner  Freigelassenen  und  seiner  Sklaven,  die  vertraulich  mit  ihm 
verkehrten,  drängten  auf  ihn  ein,  indem  sie  ihm  den  Hof  Nero's 
mit    seiner    ungeheuren   Ausschweifung,    seinen  Ehebrüchen    und 
seinem  Frauen  Wechsel  und  alle  andern  Begierden  eines  Despoten 
als  ihm,   dem  Otho,  gehörig  hinstellten,  wenn  er   den    Muth   des 
Wagens  habe,  dagegen  als  für  Andere  bestimmt,  wenn  er  die  Hände 
in  den  Schooss  lege.     Nicht    minder  als  die  Freigelassenen    und 
Sklaven  drängten  den  fatalistisch  gerichteten  Otho  die  Astrologen« 
diese  für  die  Machtinhaber  unzuverlässige,  für  die  Hoffenden  trüi 
gerische  Menschenart,    die    in  Rom   so   oft  verboten  wurden  und 
sich  immer  wieder   einnisteten  (genus  hominum,  quod  in   civitate 


Kaiser  Marcos  Salviue  Otho  97 

nostra  et  yetabitnr  semper  et  retinebitur,  h.    1,  22).    Sie  wollten 
in  den  Sternen   nene  Umwälzungen  und  ein   dem  Otho  Glück  ver- 
heissendee  Jahr  gesehen  haben.     Viele   solcher  Sterndeuter  (ma- 
thematicos)  hatte  eich  Poppaea  gehalten ;  sie  waren  das  echlimmete 
Eißncbtangsetück    ihrer   fürstlichen    Ehe    (pessimnm    prinoipalis 
matrimonii    inetramentum;   Tac.  aO.)»   die  ihr  zu  ihren  geheimen 
Machinationen   dienten.     Wir  haben  schon  von  dem  Selencus  be- 
richtet, der  nach  Sueton  nach  Lusitanien  oder  Spanien  gekommen 
sein  sollte.    Ee   wird  ja  wohl  nur  eine  Variante  der  Tageschronik 
8eiu,    wenn  Tacitus  den  Sterndeuter  Ptolemaens   nennt,    der  den 
Otho  nach   Spanien  begleitet  und  ihm  verheissen   habe,    dass    er 
lien  Nero  überleben  werde.     Da   dieser    Verheissung    der  Erfolg 
entsprochen    hatte,    so  überredete  der  Aetrolog    den  Otho  leicht, 
dass  er  zur  Herrschaft  gelangen  werde  (Plut.  G.  23).    Für  Othos 
abergUubiechee  Gemüth  war   diese  Yerheissung,    die  Ptolemaeus 
Püf  Vermatbang^  and    das  allgemeine    Gerede  gründete,    welches 
Othos  Jagend   nud  Galbas  hohes  Alter  in  Rechnung  zog,  ein  pro- 
phetischer Anssprach.     Und   Ptolemaeus    Hess   es    nicht   an    sich 
fehlen,  nunmebr  Otho  auch  zum  Verbrechen  aufzustacheln,  wozu 
ja    der    üebergang    vom    verbrecherischen    Wunsche    leicht    ist 
(h.  1,  22). 

Wenn  wir  diesen  Mathematiker  Ptolemaeus,  den  wir  hier  in 
•ier  Gefolgscbaft  des  Otho  finden,  zu  denen  rechnen,  die  Poppaea 
sich  gehalten  bat,  so  sind  wir  durch  den  Text  des  Tacitus  dazu 
berechtigt.  Denn  die  Worte  h.  1,  22  :  e  quibus  Ptolemaeus  gehen 
aaf  die  unmittelbar  vorher  erwähnten  multos  mathematioos  der 
Poppaea.  Ist  das  nun  d^r  Fall,  so  ist  Ptolemaeus  höchst  wahr- 
scbeinlicb  nacb  dem  Tode  der  Poppaea  zum  Otho  gegangen,  und 
'las  würde  ein  Zeichen  davon  sein,  dass  der  Zusammenhang  des 
Otho  und  der  Poppaea  selbst  nicht  durch  die  Vermählung  dieser 
^^it  Nero  aufgehört  hat,  ein  Zuscunmenhang,  der  dem  mit  seiner 
Patronin  vertrauten  Astrologen  wohl  auch  soweit  bekannt  ge- 
wesen sein  wird,  dass  Ptolemäas  selbst  auf  günstige  Aufnahme 
bei  Otho  reebnen  durfte.  Da  es  aber  roulti  mathematici  waren, 
die  sich  Poppaea  hielt,  so  wird  wohl  auch  Seleucus  unter  ihnen 
i;twtsen  sein,  woher  die  Verwechslung  bei  Sueton  leicht  ent- 
stehen konnte• 

Vor  allen  Dingen  galt  es  nun,  in  den  Gemüthern  der  Sol* 
Iriten  die  Unzufriedenheit  lebhaft  zu  erhalten  und  wo  möglich 
lern  angesteckten  Brand  immer  neuen  Zündstoff  zuzuführen« 
iierbei   ging    dem  Otho  Maevius  Pudeus   als  höchst    geeigneter 

Kbeia.  Mo».  C  Flüiol.  N.  F.  hYlL  7 


98  Paul 

Vermittler  zur  Hand.    MaeviuR  hatte  zu  der  Schaar  habsüchtiger 
Wollust ÜDge   gehört,    die   eich    zur  Neroniscben  Zeit  um  den  Ti- 
gellinus  sammellen,  dieRen  intriguantesten  und  schmutzigsten  der 
vertrauten    Rathgeber    des    Nero  (Tac.    h.    1,  24.    72).    Maevius 
kannte  die  geeigneten  Persönlichkeiten  im   Heere,    die  durch  ge- 
meine Mittel    zu   gewinnen    waren,    in    deren  Anwendung    er  80 
weit  ging,  dass  er,  so  oft  Galba  bei  Otho  speiste,  der  die  Wacbe 
haltenden  Cohorte  Mann  für  Mann  500  Sestertien  in  Othos  Namen 
auszahlte  als  eine  Gratification,  die  sie  an  Stelle  der  Bewirthung 
haben  sollten.    Otho  gab  sich  damit  den  Schein,  als  ob  er  selbst 
die  Prätorianer  als  seine  Gäste  ansähe,     und  nicht  genug,  dass 
hiermit  ein  Verfahren,  was  Nero  einst  bei  officiellen  Diners  ein- 
geführt, wieder  aufgenommen  wurde,  Otho  ging  so  hitzig  im  Be- 
stechen vor,    dass    er  die  Gratification  bei  Einzelnen  noch  durch 
geheime  Belohnungen  erhöhte,  da,  wo  es  ihm  darauf  ankam,  den 
Mann  sich  unbedingt  zu  attachiren,  im  bedeutenden  Maasse.    So 
schenkte  er  dem  Cocceius  Proculus,  einem  Gardegendarmen  (spe- 
culatori),  der  mit  seinem  Nachbar  über  die  Grenzen  seines  Grand- 
stücks im  Process  lag,  dessen  ganzes  Grundstück,  nachdem  er  es 
mit  seinem  Gelde  erworben  hatte.     Laco,  der  Prätorianerpräfect, 
der  wohl  die  Absicht  dieses   ganzen  Verfahrens    hätte    erkennen 
können,  war  viel  zu  indolent,  um  etwas  daraus  zu  machen    (Tac. 
h.  1,  24  Sueton  0.  4). 

Als  Hauptwerkzeug   für    die  nunmehr  scharf  ins  Auge  ge- 
fasste    Gewaltthat    selbst    benutzte    Otho    den  Onomastus,    einen 
seiner  Freigelassenen  (Plnt.  G.  24).     Dieser  führte  ihm  zunächst 
einen  Unterofficier  (tesserarium,  Ordonnajiz),  Namens  Barbius  Pro- 
culus, und  einen  Feldwebel  (optionem),    Veturius,   zu.     Aus    dem 
Gespräch,  welches  Otho  mit  diesen  Beiden  anknüpfte,  sah  er,  daes 
es  verschmitzte    und    verwegene   Gesellen    waren.     Er    ertheilte 
ihnen  darum  Geld    und  Versprechungen  in    überreichem  Maasse, 
um  durch  sie  noch  mehrere  zu  verführen.    So  unternahmen  zwei 
Soldaten  subalterner  Charge  die  ungeheure  That,  dem  römischen 
Reiche  seinen  Herrn  zu  nehmen  und  ihm  einen  andern  zu  geben. 
Und   sie    haben  ihn  gegeben    (h.  L,  25:    suscepere  duo  manipo- 
lares  imperium  populi  Romani  transferendum,  et  transtulere).    In 
die  Verschwörung  selbst  wurden  nur  wenige  gezogen.    Die  schon 
mehr  oder  weniger  befangenen  Gemüther  der  übrigen  wühlte  man 
mit  verschiedenen  Kunstgriffen  auf.    So  hatte  Nymphidius  Sabinus 
als  praefectus  praetorio  unter  Nero  viele  begünstigt,  und  um  sie 
an  sich  zu    ziehen,    in    höhere    Dienststellung    aufrücken    laesen. 


Kaiser  Marcus  Salvias  Otho  99 

Diese   so    Beförderten  bennmhi^e    man    damit,    daes     eie    anter 
Galbas  Regiment  ale  ehemalige  Freunde    des   Nymphidiae  immer 
verdächtig  erscheinen  and  in  ansicherer  Stellung;  etehen  wurden. 
Die  Masse  der  Andern  regte  man  durch   Groll    wegen    der    ver- 
lorenen Auesicht  aaf  das  so  oft  hinaus  geschobene  Geldgeschenk 
auf.    Endlich  gab  es  welche,  die  das  Andenken  an  Nero  und  die 
Sehnsucht  nach  der  früheren  Ausgelaseenheit   entzündete.     Einer 
wie  der  Andere  befürchtete   einen  Wechsel    in    der    dienstlichen 
Stellung.     80    erzählt  Tacitus  h.  1,  25,  dem  hier    zu  folgen  ist. 
Soeton  (0.  5)  redet  von    fünf  Gardegendarmen,    denen  die  Sache 
zaerst  fibertragen  worden  sei  und  die  zehn  andere,  jeder  je  zwei 
mit  herangezogen  hätten;    durch    diese    seien   dann  noch    andere 
geworben  worden,   nicht  allzu  viele,    weil    man    erwartete,    dass 
bei  der  Ausführung  des  Planes    selbst    sich    noch    eine   grössere 
Anzahl  anschliessen  würde.     Darin  irrte    man    sich    auch    nicht. 
Denn    die   Gährung    ergriff  auch    die    in     der    Stadt    stehenden 
Truppen,  eine  für  Neuerungen  stets  bereite  ungeheure  Masse,  die 
nicht  gerade  für  eine  bestimmte  Person  eingenommen  war,    aber 
für  den  einzutreten  stets  fertig  stand,    der  sich  auf  ein  Wagniss 
einlassen  wollte.     Es  waren  das   die   von  Nero  gebildete  Legion 
der  Seesoldaten,    die  legio  prima   claseica,    die  dem  Galba   nicht 
vergass,    dass   er  ihre  Kameraden  von  der  Flotte  an  der  Mulvi- 
ecben  Brücke  hatte  zusammen  hauen  lassen  (h.  1,  6.  31);  femer 
die  vielen  Troppenabtheilungen,  die  Nero  aus  dem  germanischen 
und  illjrischen  Heere  hatte    ansheben   lassen,    um  sie  gegen  die     * 
Albaner  im  Kaukasus,    später  gegen  den  Yindex  zu  gebrauchen, 
Qod  die  noch  in  Rom  zurückgeblieben  waren.     DieRc  alle  wurden 
sofort  entzündet,  sobald   sich  das  Gerücht  verbreitete,    dass    das 
obergermanische  Heer    wanke.     Bei    den    Schlechtgeeinnten    war 
der  Aufstand    eine    ausgemachte    Sache,    die    noch  UnverfUhrten 
thaten,  als  merkten  sie  Nichts.    Als  Otho  einst  von  einem  Mahle 
beimkehrte,  war  man  schon  drauf  und  dran,    sich    seiner    zu  be- 
mächtigen und  ihn  zum  Kaiser  zu  proclamieren,  wenn  man  nicht 
doch  das  Unsichere  der  Nacht,    die    über    die    ganze  Stadt    zer- 
streuten   Standquartiere    und    die   Schwierigkeit    einer  Ueberein- 
Rtimmnng   bei  den  vom  Rausche  Erhitzten    gefürchtet  hätte.     So 
unterblieb  die  Sache  für  jetzt,  besondere  aus  Furcht,    es    könnte 
der  Erste  Beste,    welcher    den   Soldaten    des    pannonischen    und 
germanischen  Heeres  begegnete,   die    ja  meistens  den  Otho  nicht 
von  Person  kannten,    von    ihnen   anstatt  dieses  erkoren   werden. 
Auch  andere  Anzeichen  des  ausbrechenden  Aufstandes  wurden  in 

*     "      '   ■   r  /\ 


ψ 


100  ρ  a  α  i 

Meiige  von  den  Leitern  der  Verschworenen  unterdrückt.  Was 
aber  doch  zu  den  Ohren  des  Galba  kam,  das  wies  Laco  als  ganz 
anbedeutende  Dinge  ab,  weil  er  unbekannt  war  mit  dem  Geiste, 
der  unter  den  Soldaten  herrschte,  und  weil  er  in  seinem  Eigen- 
sinn gegen  jeden  £tath,  auch  den  besten,  war,  den  er  nicht  ge- 
geben hatte    (h.  1,  26). 

Am    15.  Januar  69    opferte    Galba    vor    dem  Tempel    des 
Apollo,    und  der  Opferpriester  Umbricius    verkündete    nach    den 
Unglück  drohenden  Zeichen    nahe    bevorstehende  Nachstellungen 
von  einem  Landesfeind  im  eigenen  Haus   (Tac.  h.  1,  27 :  haruepex 
Umbricius  tristia  exta  et  instantes  insidias  ac  domesticum  hostem 
praedixit   andiente  Othone.     Vergl.  Plut.  6.  24.    Sneton  G.  19: 
haruspex  identidem  monuit,   caveret  periculum,    non    longe    per- 
cussores  abesse).     Diese   Weissagung  läset    uns   vermnthen,    daes 
die  Pläne  der  Verschworenen    in    der  Stadt    gar  nicht    mehr  so 
unbekannt  gewesen  sein  können.  Für  Otho,  der  neben  dem  Opfern- 
den stand,  war  die  Aussage  des  Opferschauers   etwas  Freudiges, 
ein  seinem  Vorhaben  &lück  verheissender  Spruch.     Dennoch  war 
er  anfangs  bestürzt  und  wechselte  nach  dem  glaubhaften  Bericht 
des  Plutarch  (G.  24)  vor    Furcht    die  Farbe:    θορυβουμ^νψ    δέ 
αότφ   και  χρόας   άμείβοντι   παντο^απάς  υπό   οέους  παραστός 
'Ονομαστός  .  .  .  ίφη  .  .  .    Gleich  darauf  meldete  ihm  sein  Frei- 
gelassener Onomastus,  dass  er  von  dem  Bauherrn  und  den  Bau- 
unternehmern erwartet  würde.     Das  war  das  verabredete  Zeicheti, 
dass  die  Soldaten  zusammengetreten  und  die  Verschworenen  fertig 
seien.     Otbo,    der    dem  Freigelassenen    folgte,    gab    als  Ursache 
seines  Weggangs  an,  dass  er  ein  Landhaus  in  der  Nähe  der  Stadt 
zu  kaufen  beabsichtige,   was  er  wegen  Alters  einer  genauen  Unter- 
suchung unterwerfen  müsse.     Auch  schlug  er  nicht  den  directen 
Weg  nach  dem  Lager  der  Prätorianer  ein,  sondern  ging  zunächst 
durch   den  Pallast  des  Tiberius  nach   dem  Stadtviertel,    wo    die 
Victualienhändler  feil  hielten  (Velabrum),  und  erst  von  dort  ver- 
fügte er  sich  nach    dem    vergoldeten  Meilenstein    unterhalb    des 
Saturntempels.     Daselbst   traf    er  23  Mann    von    der  Leibgarde, 
die  ihn  als  Kaiser   begrüssten.     Er   war  über  diese  geringe  An- 
zahl besorgt,  aber  sie  setzten  ihn  eilig  auf  einen  Tragsessel  and 
entführten  ihn  mit  gezückten  Schwertern,  um  ihn  nach  dem  Lager 
zu  tragen.     Unterwegs  schlössen  sich  etwa  eben  so  viel  Soldaten 
an,  die  £inen  im  Einverständniss,  Viele  aus  Neugier.     So  folgten 
sie  theils  unter  lautem  Freudengeschi  ei,   theils  still  und  schwei- 
gend, um  sich  erst  nach  dem  Erfolge  zu  entscheiden.     Im  Lager 


Kaiser  Maroas  Salvius  Otbo  10] 

hatte  der  Tribnn  Jnliae  Martialis  die  Wache.  Mochte  dieser  nun 
durch  die  üngebenerlichkeit  dee  so  plötzlichen  Verbreohens  die 
Beeinnung  verloren  habeo,  oder  mochte  er  befürchten,  dasa  das 
Lager  Rchon  weiter  mit  in  die  Verschwörung  verstrickt  und, 
wenn  er  sich  dagegen  stemme,  dies  sein  eigener  Untergang  sei, 
er  galt  den  Meisten  als  Mitverecbworener.  Auch  die  übrigen 
Tribunen  und  Genturionen  zogen  die  sichere  Gegenwart  mit  echmach- 
Yoller  Untreue  den  Geboten  der  Pflicht  mit  unsicherer  Zukunft 
Tor.  Und  so  war  die  Stimmung  der  Art,  dass  Wenige  das 
Bcbmach vollste  Verbrechen  wagten,  mehrere  es  wünschten,  Alle 
ee  litten  (Tac.  h.  1,  27.  28  Plut.  G.  25    Sueton  0.  6). 

Inzwischen    fuhr  Galba,    der    von   allen    diesen  Vorgängen 
Nichte  ahnte,  in  seinem  Opfer  fort  und  bestürmte  immer  dringen- 
der mit  Bitten  um  günstige  Zeichen  die  Götter,  die,  wie  Tacitus 
eagt,   ein  bereite  in  andere  Hände    übergegangenes   Regiment  in 
ihren  Schutz  genommen    hatten    (ignarus  interim  Galba   et  sacris 
intentus    fatigabat   alieni   iam   imperii  deos,  h.  1,  29).     Da    traf 
plötzlich  das  Gerücht  ein,    es    sei    irgend  ein  Senator  ins  Lager 
entfährt  worden;    bald    darauf   hiess   es,    es  sei  Otho.     Zugleich 
eammelten  sich  aus  der  ganzen  Stadt  Leute  an,    wie   sie   grade 
unterwegs    sich  trafen,    die  theils    aus   Furcht    die  Dinge    über- 
trieben, theils  sie  geringer  darstellten,    als   sie   waren,    um  dem 
Galba  und   seiner  Umgebung  gefällig  zu  schmeicheln. .  Nun    trat 
dieser    mit    den    bei    ihm   Befindlichen   zur  Berathung  zusammen 
und  man  fasste  den  Beschluss,  die  Gesinnung  der  Cohorte  zu  ver- 
suchen,   die  grade  im  kaiserlichen  Pallast  die  Wache  hielt,   und 
zwar  nicht  dnrch  Galba  selbst,  dessen  Autorität  jetzt  noch  nicht 
io  Frage  gestellt,  sondern  fHr  durchgreifendere  Massregeln  auf- 
gehoben werden  sollte. 

Es  trat  also  Piso  oben  auf  die  Stufen  des  Pallastes,  und 
redete  die  zusammengerufenen  Soldaten  an.  Es  sei  dies,  sagte 
er,  der  sechste  Tag  (nach  unserer  Zählweise  der  fünfte),  dass  er 
aU  Cäsar  berufen  worden  sei,  ohne  zu  wissen,  ob  diese  Würde 
ΖΠ  wünschen,  oder  aber  zu  fürchten  sei.  £s  handle  sich  dabei 
nicht  um  seine  Person.  Er  kenne  das  Unglück,  und  eben  jetzt 
erfahre  er,  dass  auch  das  Glück  nicht  weniger  Gefahr  habe.  Es 
bandle  eich  um  seinen  (Adoptiv-)  Vater,  um  den  Senat  und  um 
das  Reich  selbst,  die  ihm  leid  thäten,  wenn  sie  (Piso  und  die 
Anhänger  Galbas)  heute  ihren  Untergang  fänden,  oder,  was  in 
den  Angen  der  Gutgesinnten  ebenso  jammervoll  sei,  ein  Blutbad 
veranstalten   müssten.     Die  letzte  Bewegung  (durch  die  Nero  ge- 


102 


Paul 


stürzt  worden  war)  habe   das  Tröstliche   gehabt,    dass  die  Stadt 
von  BJutvergieseen    verschont   nntl    der  Wechsel    der  Regiemog 
ohne  Bürgerkrieg  bewerkstelligt  worden  sei ;  durch  die  Adoption 
schiene  nun  auch  das  vorgesorgt  worden  zu  sein,  dass  auch  nach 
dem  Tode  des  Galba  die  Dinge  ohne  Krieg  sich  ordneten.    'Ich 
will  mich  nicht,    so  fuhr  Piso  fort,   auf  meine  vornehme  Geburt 
und  auf  meinen  sittlichen  Charakter  berufen;  man  braucht,  wenn 
man  sich  mit  Otho  zu  vergleichen  hat,  nicht  die  Tüchtigkeit  eioes 
edlen  Mannes  herbei  zu  ziehen.    Die  Laster,  deren  er  allein  sieb 
rühmt,  haben  das  Reich   schon  zerrüttet,    als    er    sich    noch   als 
Freund  des  Kaisers  aufspielte     Sollte  er  sich  durch  sein  äusseres 
Gebahren  und  Auftreten   oder  auch  durch  seinen  weibischen  Auf- 
putz die  Herrschergewalt  verdient   haben?    Die  sind  im  Irrthum, 
bei  denen  üppige  Verschwendung    unter    dem  Scheine  von  Frei- 
gebigkeit einen  Eindruck    macht.     Uieser  Mensch    wird  zu    ver- 
geuden, nicht  zu  schenken  verstehen.    Hurerei,  wilde  Zechgelage, 
Zusammenliegen   mit    Weibspersonen,    das    sind    die    Dinge,    die 
seinen  Geist  beschäftigen,    das    sind  nach  ihm  die  Belohnungen, 
die  der  Oberherrschaft  zufallen  müssen.     Die  geile  Lust  und  das 
Schwelgen  in  diesen  Dingen    soll  sein  Antheil  sein;    für  die  ao- 
dem  alle  soll  das  als  Schmach  und  Schande  gelten.^     Der  Redner 
weist  weiter   darauf  hin,    dass  ein    ruchlos  erworbenes  Regiment  '■ 
nie  gute  Massnahmen  getroffen  habe.    Es  sei  in  ihrem  (der  Leib- 
garde) Interesse,  dass  nicht  die  Schlechtesten  den  Kaiser  machten. 
Ihre  Treue  sei  bis  auf  den  heutigen  Tag  unbefleckt,  sollten  etwa 
jetzt  weniger  als  30  Ueberläufer  und  Yerräther,  denen  man  nicht  | 
einmal  erlauben  würde,  sich  einen  Centurionen   oder  Tribunen  zu 
wählen,  über  den  Thron   verfügen?    Wollten    sie    dieses  Beispiel 
zulassen?    Die  Frechheit   würde    in    die  Provinzen    dringen,    sie 
selbst  (Piso  und  die  zu  Galba  Stehenden)  würden  die  Folgen  der 
Verbrechen,  die  Garde  aber  würde  der  Ausgang  des  Bürgerkriegs 
treffen.  —  Zuletzt  versprach  er  ihnen  ein  Donativurn,  das  wegen 
Treue   zu   erhalten  jedenfalls    besser   sei,    als    für   eine    ruchlose 
That  (h.  1,  29.  30). 

Der  Erfolg  dieser  Rede  war,  dass  die  Graduirten  (specula- 
tores,  Leutnants  und  zu  Ordonnanzen  benutzte  Feldwebel,  Feld- 
jäger, Gardegendarmen)  sich  verzogen,  der  Rest  der  Cohorte  aber 
den  Redenden  nicht  abfällig  anhörte  und  wie  das  in  Zeiten  der 
Aufregung  vorkommt,  ohne  noch  einen  bestimmten  Entschluse  zu 
haben,  sich  unter  Waffen  in  Reih  und  Glied  aufstellten,  mehr 
aus  Zufall,  als  aus  verrätherisoher  Absicht  und  Verstellung,  wie; 


Kaiser  Marens  Salvius  Otho  103 

man  nachher  annahm.  Auch  wurde  der  deeignirte  Ooneul  CeUne 
Manne,  ein  treuer  Anhänger  des  Galba,  zu  den  noch  in  Rom 
stehenden  Detachemente  des  illjrischen  Heeres,  die  in  der  Halle 
des  Vipsanine  Agrippa  im  Quartier  lagen,  gesandt,  ebenso  zwei 
Hauptleute,  die  die  Detachements  der  germanischen  Armeecorps 
ans  der  Halle  des  Tempels  der  Liberias  herbeiholen  sollten.  Der 
Flottenlegion  misetraute  man  als  einer  feindlich  gesinnten  wegen 
der  Abschlachtung  ihrer  Kameraden,  die  Galba  bei  seinem  Ein- 
tritt in  die  Stadt  hatte  niederhauen  lassen.  In  das  Lager  der 
Prätorianer  aber  gingen  drei  Tribunen,  um  zu  versuchen,  ob  der 
noch  im  Anfang  begriffene  Aufruhr  durch  vernünftiges  Zureden 
ΖΠ  beugen  sei.  Zwei  von  diesen  Tribunen  empfingen  die  Soldaten 
mit  Drohungen,  den  dritten,  Pompejus  Longinus,  packten  sie  und 
eotwaffneten  ihn,  weil  er  ihnen  als  Einer  von  Galbas  Freunden, 
der  seinem  Herrn  treu  ergeben  war,  jetzt,  wo  sie  im  Begriff 
standen,  von  diesem  abzufallen,  nur  um  so  verdächtiger  war. 
Die  Flottenlegion  sohloss  sich  ohne  Zaudern  den  Prätorianern 
an.  Den  Celans  jagten  die  illjrischen  Truppen  mit  drohend  vor- 
gehaltenen Wurfspeeren  von  dannen.  Die  germanischen  Abthei- 
langen  schwankten  lange;  sie  waren  noch  körperlich  geschwächt 
und  zum  Frieden  gestimmt,  weil  Galba  sie,  die  von  Nero  kurz 
vor  der  Empörung  des  Vindex  nach  Alexandrien,  wohin  er  selbst 
sich  begeben  wollte,  vorausgeschickt  und  jetzt  zurückgekehrt 
waren,  in  guter  Pflege  hatte  halten  lassen,  nachdem  sie  durch 
die  lange  Seefahrt  stark  mitgenommen  worden  waren  (Tao.  li. 
1,  31  rergl.  Plut.  G.  25). 

Schon  hatte  der  zusammengelaufene  Pöbel,  unter  den  sich 
ganze  Sklavensohaften  gemischt  hatten,  das  Palatium  angefüllt 
and  verlangte  mit  verworrenem  Geschrei  den  Tod  des  Otho  und 
die  Yemichtong  der  Verschworenen,  'gleich  als  wenn  sie  im 
Circus  oder  im  Theater  ein  kurzweiliges  Schauspiel  forderten. 
Denn,  eetzt  Taoitus  hier  hinzu,  verständiges  ürtheil  und  Sinn 
für  Wahrheit  ist  bei  der  Menge  nicht  zu  suchen,  die  mit  ganz 
gleichem  Eifer  an  ein  und  demselben  Tage  das  Entgegengesetzte, 
wie  sich  bald  zeigen  sollte,  forderten'  (h.  1,  32). 

Den  Galba  zogen  zwei  Meinungen  nach  ganz  verschiedenen 
Seiten.  Titas  Yinins  war  der  Ansicht,  man  müsse  innerhalb  des 
Pallastes  bleiben,  die  Sklaventrupps  entgegen  werfen,  die  Zugänge 
verwahren,  nicht  gegen  die  erhitzten  Empörer  marschieren.  Den 
üebelgesinnten  solle  Galba  Zeit  lassen  zur  Umkehr,  den^  .Gut- 
gesinnten zur  Einigung.    Yerbrechen  wüchsen  bei  voreiligem  Zu- 


104 


Paul 


greifen,  gute  Plane  durch  ruhiges  Zuwarten.  Endlich  sei  zu  einem 
Vorwärtsgehen,  wenn  es  räthlioh  erscheine,  die  Gelegenheit  ganz 
dieselhe  in  der  nächsten  Zukunft,  dagegen  liege  eine  rückgängige 
Bewegung,  wofern  man  sich  anders  hesinne,  in  der  Macht  des 
G-egners  (h.  1,  32).  Die  Meinung  der  Andern  war  für  raecbee 
Handeln,  hevor  die  jetzt  noch  schwache  Bewegung  der  Wenigen 
stark  würde.  Bei  Zaudern  und  Lässigkeit  werde  Otho  sofort 
lernen,  das  Staatsoherhaupt  zu  spielen.  Man  solle  doch  nicht 
warten,  his  er  etwa  im  Lager  der  Prätorianer  Alles  ahgemar.ht 
habe,  aufs  Forum  komme  und  das  Capitolium  betrete,  während 
Galba  aus  der  Ferne  zuschaue,  ein  vortrefflicher  Herr  und  Kaiser, 
der  mit  seinen  Freunden  sich  nicht  weiter,  als  bis  zur  Thnr 
wage,  natürlich,  um  eine  Belagerung  auszuhalten.  Das  Schmach- 
volle sei  auch  das  Unsichere.  Wenn  es  nöthig  sei  zu  fallen,  so 
solle  man  der  Gefahr  entgegen  gehen.  Das  bringe  dann  den 
Otho  in  eine  gehässige  Stellung,  ihnen  selbst  aber  ehrenvollen 
Nachruhm.  So  waren  die  Meinungen  im  Cabinetsrath  des  Kaisers. 
Den  Yinius,  der  sich  der  letzteren  Ansicht  widersetzte,  griff  Laco 
mit  Drohungen  an,  wobei  Icelus,  der  einen  persönlichen  Hase 
gegen  Yinius  hartnäckig  zum  Verderben  des  Keichs  ausübte,  ihn 
anstachelte  (h.  1,  34  vgl.  Plut.  G.  26). 

Nun  gab  Galba  sein  Zaudern  auf  und  trat  denen  bei,  die 
ihren  Eath  mit  stolzen  Worten  gegeben  hatten.  Ehe  man  aber 
sich  zum  Handeln  entschloss,  wurde  Piso  ins  Lager  geschickt. 
Kaum  hatte  sich  dieser  entfernt,  so  trat  das  anfangs  unsichere 
Gerücht  auf,  Otho  sei  bei  den  Prätorianern  getödtet  worden ;  bald 
darauf,  wie  das  bei  Lügen  von  so  grosser  Tragweite  geschieht, 
wollten  etwelche  selbst  dabei  gewesen  sein  und  es  gesehen  haben. 
Bei  der  freudig  erregten  und  gedankenlosen  Masse  fand  das  leicht 
Glauben.  Viele  waren  der  Ansicht,  das  Gerücht  sei  von  den 
Othonianern,  die  sich  bereite  unter  die  Menge  gemischt,  erfunden 
und  vergrössert  worden,  um  den  Galba  durch  die  freudige  Kunde 
aus  dem  Pallaste  zu  locken  (Sueton  G.  19:  extractus  rumoribus 
falsis,  quos  conspirati,  ut  eam  in  publicum  elicerent,  de  industria 
dissiparant). 

Nach  dem  Auftreten  des  Gerüchtes  erhob  nun  vollende  nicht 
bloss  die  versammelte  Menge  vom  Bürgerstand  und  dem  unwis- 
senden niederen  Volk  (populns  et  imperita  plebs)  ein  wüstes  Bei- 
fallsgeschrei, sondern  auch  manche  von  den  Rittern  und  Sena- 
toren, die  sich  von  ihrer  Furcht  jetzt  befreit  fühlten,  rissen  die 
Thüren  des  Pallastes    auf,   stürzten  hinein  und   zeigten   sich  dem 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  105 

wobei  sie  klagten,  daes  sie  nun  um  ihre  Rache  gekommen 
seien  fpraereptam  eibi  ultionem  qnerentes).    Je  feiger  Einer  war 
nnd  je  weniger  er  bei  eintretender  Gefahr,  wie  sich   ba]d  ergab, 
seinen  Mann   zn  stehen  wagte,  als  ein  desto  grösserer  Zangenheld 
trat  er  aaf.     Kein   Mensch    wusste   etwas   Bestimmtes,   aber  alle 
gaben  ihre  Bebauptnngen  mit  voller  Sicherheit,  bis  Gralba,  durch 
die  allgemeine  Uebereinetimmnng    der    im    Irrthnm    Befangenen 
iiingenommen,    seinen   Panzer   anlegte  und,    da   er  wegen   hohen 
Altere  Dnd  wegen  seines  siechen  Körpers  sieb  nicht  auf  den  Füssen 
halten  konnte»  von  den  andrängenden  Haufen  auf  einen  Tragsessel 
gehoben  wnrde.     Zu  gleicher  Zeit  kam  ein  Gardegendarm,  Julius 
AtticDS)   in    den   Pallast  gestürmt,    zeigte    sein    blutiges   Schwert 
Dnd  rief:   Otho    sei   von  ihm  getödtet  worden.     Da  sagte  Galba: 
' Kamerad,  wer  hat  dir  das  befohlen?'  Auf  diese  Frage  lasst  Flu- 
tarch  (G.  26)  den  Mann  antworten:  'Meine  Treue  und  mein  Eid!' 
vobei   die    Menge    ihm   BeifaU    gerufen    habe.     Wenn    Plutarch 
(iieee  drastische  Scene   allein   berichttit,    so    ist    sie    darum   noch 
nicht  unglaubhaft.     Plutarch  hat  in  seinen  beiden  Schriften  Γάλ- 
βας  και  Όθων,  die  Ein  Werk   bilden    (H.  Peter,  Die  geechichtl. 
Utteratur  über  die  röm.  Kaiserzeit  usw.  Π    ρ.   73  Α  um.  2),  die 
Kämpfe  und  den   Ausgang  dieser  beiden  Kaiser  ganz  ebenso  er- 
zählt,   wie  Tacitne  und  Sueton,    so   dass  wir  die  Annahme  einer 
gemeinsamen  Quelle  nicht  ablehnen  können  (H.  Peter  aO.  p.  73). 
^'enn  er  nun  hier  und  da  solche  Züge  bringt,  die  die  beiden  an- 
'^ern  nicht  berichten,  so  zeigt  das  den  Memoiren-Charakter  seines 
^erks,    in   dem    er  sich   auch    auf  mündliche  Aussagen  gestützt 
W.   Wie  weit  diese  auf  Thatsächlichem  beruhen,  lässt  sich  nicht 
immer  mit  Sicherheit  erweisen.     Indessen,  da  er  die  Quellen  zu 
^mer  Saisergeschichte  unter  den  Gesinnungsgenossen   des  Taci- 
teiech-Plinianisohen  Kreises  gesucht   hat  (H.  Peter  aO.  p.  75  f.), 
00  ist  auch  kein  Grund  an  der  Wahrheit  solcher  anekdotenhaften 
^^Qge  zu  zweifeln.     Sie  widersprechen  den  Thateachen,  bei  deren 
Mcbt  Plutarch   in   augenfölliger  Uebereinetimmung  mit  Tacifos 
Qnd  Sueton  (G.  19)  steht,  keinesfalls. 

Dieser  Bericht  selbst  nun  geht  dahin,  dass  sich  Galba  in 
^eine  Sänfte  gesetzt  habe,  um  sich  dem  Volke  zu  zeigen  und 
ilem  Jupiter  Uapitolinus  zu  opfern.  So  sei  er  aufs  Forum  ge- 
koramen.  Hier  war  also  der  Vorgang  mit  dem  prahlerischen 
(rardegendarmen  Julius  Α tticus,  an  den  Galba  seine  unwillige  Frage 
richtete.  Mit  dieser  Frage,  sagt  Tacitus,  habe  sich  Galba  als 
^inen  Herrscher  gezeigt,  dem  es  darauf  ankam,  die  soldatische 
^ügellosigkeit  zu  bändigen,  unerschrocken  bei  Drohungen,  gegen- 


106  Paul 

über  den  Scbmejchleni  unbestechlicb  (ineigni  animo  ad  coercendam 
militarem  licentiam,  minantibus  iotrepidus,  adversue  blandientes 
incormptne,  b.  1,  35).  In  dieser  Bericbteretattnngy  die,  wie  be- 
merkt, im  Weeentlioben  bei  allen  drei  Scbriftetellern,  Tacitus, 
Sueton  and  Plutarcb,  gleicb  ist,  haben  wir  nnr  den  einen,  al- 
lerdinge nnbedentenden,  ünterecbied  noch  bervorzuheben,  dass 
nacb  Tacitus  β  alba  bereite  im  Begriffe  gewesen  sei,  siob  aus  dem 
Pallaet  fortzubegeben,  als  ibm  Jnlias  Atticns  entgegen  kommt  (b.  1, 
35 :  obvins  in  Palatio  Inlins  Atticns).  Aebnlicb  bei  Sueton  G.  19. 
Nacb  Plutarcb  dagegen  aO.  besteigt  Galba  erst  nacb  dem  Auf- 
treten des  Gardegendarmen  seine  Sänfte.  Bei  solchen  positiven 
Widersprüchen  ist  aber  immer  anzunehmen,  dass  Tacitus  den  Vor- 
gang so  berichtet,  wie  er  stattfand.  Dio  Gassius  endlich  verkürzt 
die  Erzählung  64,  6  so  sebr,  dass  ans  ihm  über  die  Reibenfolge 
Nichts  zu  ersehen  ist.  Ueberhanpt  werden  wir  diesen  Autor  für 
unser  Thema  wenig  heranziehen  dürfen,  da  er,  wie  H.  Peter 
(Die  geschieht].  Litt.  usw.  II,  92)  sagt,  manche  Geschichte  de^ 
Effects  wegen  zustutzt,  bald  weglassend,  bald  ändernd  und  aus- 
scbm tickend.  'Er  ist  mit  seiner  Vorlage  frei  und  sehr  willkür- 
lich umgesprungen'  (H.  Peter  aO.  p.  275).  Nehmen  wir  den 
Faden  der  Erzäblung  wieder  auf,  da  wo  wir  ihn  fallen  Hessen, 
indem  wir  uns  in  den  Hauptstücken  an  Tacitus  anscblieesen. 

Als  Otbo  im  Lager  der  Prätorianer  angekommen  war,  zeigte 
sieb  sofort,  wie  schwer  Galba  gefehlt  hatte,  dass  er  den  Truppen 
das  Geldgeschenk  nicht  ausgezahlt,  auf  das  diese  gerechnet  hatten 
und  das  ihnen  auch,  wenn  nicht  von  ibm  selbst,  doch  in  seinem 
Namen,  versprochen  worden  war.     Dem   Otbo  dagegen  kam  sein 
leichtsinniges    Geldverscbwenden    und    sein  glänzendes  Auftreten 
jetzt  zu  Statten.     Denn    Nichts  anderes    war   es,    was   sofort  die 
Gemütber  der  Soldaten  im  Lager  für  ihn  und  seine  Tbronerhebnng 
einnahm.     Sie  nahmen  ihn  in  geschlossenem  Kreis  in  ihre  Mitte 
und  zwar  so,    dass  die  Tribunen  und  Centurionen   keinen  Zutritt 
zu  ihm  haben  konnten;  denn  der  gemeine  Soldat  glaubte  ihn  be- 
schützen zu  müssen  \οτ  den  Officieren.    Das  ganze  Lager  schallte 
auf  allen  Seiten  von  wildem  Jnbelgeschrei  und  fanatischem  Tau- 
mel wieder.     Man   fasste  sich   an    den   Händen,    lag  sich  in  den 
Armen,  sagte  sich  den  Huldigungseid  vor,  man  empfahl  den  neaen 
Kaiser  den^Soldaten  und  die  Soldaten  dem  neuen  Kaiser.     Otbo 
selbst  führte  ein  für  den  Moment  passendes,  für  ihn  selbst  aber 
unwürdiges  Schauspiel  auf;   er  bezeugte  mit  weit  vorgestreckten 
Armen  dem  grossen  Haufen  die  tiefste  Ehrfurcht,  warf  ihm  Kuss• 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  107 

hände  su  und  benahm  sich  ganz  in  kneohtiscber  Weise,  Allee 
Qm  den  Preis  der  Herrschaft  (nee  deerat  Otho  protendens 
maoas  adorare  vulgns,  iaeere  oscnla  et  omnia  serriliter  -sc.  fa- 
cere-  pro  dominatione,  h.  1,  36).  Die  ganze  Flottenlegion  leistete 
zneret  den  Huldigongseid.  Als  das  geschehen  war,  hielt  Otho 
vom  Walle  des  Lagers  herab,  um  die  ihn  umstehende  Masse 
noch  mehr  anzufeuern,  eine  Rede,  worin  er  sie  als  Kameraden 
ansprach  und  sein  Schicksal  als  mit  dem  ihrigen  unlösbar  ver- 
knüpft darstellte.  'Ich  weiss  nicht  recht,  wie  ich  mich  Euch 
vorstellen  soll,  sagte  er ;  Privatmann  kann  ich  mich  nicht  nennen 
da  ich  von  Eucli  zum  Fürsten  erklärt  worden  bin,  Kaiser  aber 
anch  nicht,  so  lange  noch  ein  Anderer  diesen  Titel  führt;  auch 
was  mit  Euch  ist,  weiss  ich  nicht,  so  lange  ein  Zweifel  besteht, 
ob  ihr  den  Oberherrn  des  römischen  Volkes  in  Eurem  Lager 
habt  oder  den  Feind  desselben.'  Er  stellte  ihnen  vor,  sie  mussten 
entweder  zusammen  untergehen  oder  zusammen  ihr  Heil  finden. 
Von  Galba  sei  nur  das  Schlimmste  für  sie  beide  zu  erwarten; 
•lae  habe  er  an  der  Mulvischen  Brücke  gezeigt,  als  er  ohne  allen 
Grund  so  viele  Tausende  habe  hinschlachten  lassen,  denen  er  erst 
Verzeihung  versprochen.  Wie  er  seinen  Einzug  in  die  Stadt  über 
ein  Leichenfeld  gehalten,  so  habe  er  dann  zu  seiner  kaiserlichen 
Würde  nur  den  Ruhm  hingemordeter  Feldherrn  und  Staatsmänner 
in  Spanien,  Gallien,  Germanien  (Fontejus  Capito),  Afrika  (Clo- 
dius  Macer)  hinzugefügt.  Jede  Provinz,  jedes  Lager  sei  von 
ßlut  befleckt.  Galba  nenne  das  freilich:  zur  Ordnung  gebracht, 
wie  er  seine  Grausamkeit  Strenge,  seinen  Geiz  Sparsamkeit,  seine 
Todesstrafen  und  Degradationen  Zucht  nenne.  Dann  wies  Otho 
darauf  hin,  wie  die  Vertrauten  Galbas,  ein  Icelus  und  Titus  Vi- 
nius  seit  sieben  Monaten  nach  dem  Tode  des  Nero  mehr  geraubt 
nnd  schlimmer  gehaust  hätten,  als  einst  die  Vertrauten  des  Nero. 
Das  eine  Haus  des  Icelus  hätte  schon  zu  der  Geldspende  hinge- 
reicht, *die  Euch  nie  gegeben  worden  ist,  deren  Beanspruchung 
aber  Euch  täglich  vorgeworfen  wird'  (una  illa  -  des  Icelus  -  domus 
sufficit  donatiYO,  quod  vobis  numquam  datur  et  qnotidie  expro- 
bratur,  h.  1,  87).  Zuletzt  kam  Otho  auf  Piso  zu  sprechen,  als 
^inen  dem  Galba  in  unfreundlichem,  grämlichem  Wesen  und  im 
Geiz  sehr  ähnlichen  Nachfolger.  Auch  hätten  sie,  die  Kameraden, 
f^elber  das  auffallende  Unwetter  gesehen,  wodurch  sogar  die  Götter 
ibren  Abscheu  vor  dieser  Adoption  gezeigt  hätten.  Der  Senat 
und  das  römische  Volk  denke  hierüber  ganz  gleich.  Jetzt  kommt 
es  auf  Eure  Bravheit  an,    bei   denen    alle  Kraft  und  Stärke  für 


1 

108  Paul 

elirenvoUe  Unternehmungen  int  und  ohne  die  auch  die  herrlichsten 
Pläne  nutzlos  und  nichtig  sind.  Nicht  zum  Krieg,  nicht  zu  ge- 
fährlichem Thun  rufe  ich  Euch;  die  Waffen  alier  Truppen  sind 
mit  uns.  Auch  nicht  die  Eine  Gehörte  in  der  Toga  (die  im 
kaieerlichen  Pallast  wachhahende  Cohorte)  vertheidigt  jetzt  den 
Galba,  sondern  sie  hält  ihn  fest.  Hat  sie  Euch  erblickt  und  hat 
sie  meine  Parole  empfangen,  so  wird  der  Streit  nur  darüber  sein, 
wer  bei  mir  am  meisten  zu  Oute  haben  soll.  Für  Zaudern  iet 
bei  einem  Unternehmen  kein  Platz  mehr,  das  nur  Lob  finden 
kann,  wenn  es  durchgeftihrt  wird.'  Nach  dieser  Rede  liess  er 
das  Zeughaus  öffnen.  Die  Waffen  wurden  hastig  herausgenommen 
ohne  allen  militärischen  Brauch  und  ohne  die  Ordnung,  dass  der 
Prätorianer  und  der  Legionesoldat  sich  durch  seine  Specialwaffe 
(lancea-pilum)  unterschieden  hätte.  Auch  die  Helme  und  Schilde 
der  Hilfetruppen  wurden  ohne  Unterschied  genommen  und  ohne 
dass  ein  Vorgesetzter  einzugreifen  wagte  (h.  1,  38). 

Wie  der  Aufruhr  wuchs  und    das  Stimmengeräusoh   bis   in 
die  Stadt  sich  vernehmlich  machte,  war  Piso  un verrichteter  Sache 
aus  dem  Lager  zurückgekehrt  und  traf  den  Oalba,  der  inzwischen 
sich    aus  dem  Palatium  entfernt  und    das  Forum   erreicht    hatte. 
Auch  Celsus  Marius  brachte  Unerfreuliches  zurück.     Da   riethen 
die  Einen   in  der  Umgebung   des  Oalba,    ins  Palatium    zurückzu- 
kehren, die  Andern,   das  Capitolium   zu  besetzen,    Manche    auch, 
sich  der  Reduerbühne  vor  den  Othonianern  zu  bemächtigen.    Die 
Mehrzahl    schrie   nur   das  den  Ansichten    der  Andern  Entgegen- 
gesetzte, und,  wie  es  bei  unglückseligen  Maassregeln  geht,  als  das 
Beste  erschien  das,  wozu  keine  Zeit  mehr  war.     Laco  soll  ohne 
Wissen  des  Oalba  den  Mord  des  Titus  Vinius  geplant  haben,  sei 
es,  um  die  Soldaten  zu  beschwichtigen,   sei   es,    dass    er    ihn  im 
Einverständniss  mit  Otho   glaubte,    oder  endlich   auch    aus  Hasi:. 
Indess  xögerte  er  mit  der  Ausführung,  weil  nach  dem  Beginn  des 
Blutvergiessens  ein  Maass  schwer  einzuhalten  war.    Auch  störten 
schlimme  Nachrichten    und    das  Auseinanderfliehen    der  nächsten 
Umgebung  den  Plan.     Der  Eifer  Hess  auch  bei  denen  nach,  ά\^. 
zaerst  voller  Begeisterung  für  Oalba   gewesen  waren  (h.  1,  39). 

Unterdessen  wurde  Oalba  hierhin  und  dorthin  getrieben,  je 
nachdem  die  wogende  Menge  gegen  ihn  stiess  (του  φορείου,  κα- 
θάπερ  έν  κλύοωνι,  ^εΟρο  κάκεΐ  εισφερομένου  κα\  ττυκνόν  άπα- 
νεύοντος,  Plut.  Ο.  26).  Hallen  und  Tempel  füllten  sich  von 
allen  Seiten  ;  von  da  aus  sah  man  sich  die  Sache  mit  an  (Plut 
aO.).     Kein  Zuruf  kam   aus  der  Masse  des  Volks,  der  Schrecken 


Kaiser  Maroas  Salvius  Otho  109 

lag,  wie  Tacitns  sagt,  auf  allen  Geeichtem ;  nach  allen  Seiten 
hin  laoBchte  man  mit  gespanntem  Ohr.  Es  war  kein  Lärm,  keine 
Rohe,  es  war  ein  Schweigen,  wie  es  grosse  Furcht  nnd  grosser 
Ingrimm  erzengt.  Inzwischen  wurde  dem  Otho  gemeldet,  dass 
sich  das  Volk  bewafliie.  Da  befahl  er  rasch  vorwärts  zu  gehen 
nnd  die  Gefahr  beim  Schopf  zu  fassen.  Und  so  bemächtigten 
sich  die  Soldaten,  grimmig  aussehend  und  im  gestreckten  Trabe 
dee  Forums,  ohne  dass  sie,  wie  Tacitus  hier  mit  wehmüthiger 
Bitterkeit  bemerkt,  der  Anblick  des  Capitols,  die  heilige  Scheu 
vor  den  hohen  Tempeln  und  der  Gedanke  an  die  früheren  oder 
späteren  Herrscher  von  einer  That  abschreckten,  deren  Rächer 
allemal  der  Nachfolger  auf  dem  Thron  ist.  Sie  beeilten  sich, 
ihren  unbewaffneten  und  greisen  Kaiser  und  Herrn  zu  tödten, 
nicht  anders,  als  wollten  sie  den  Vologeses  oder  Pacorus  von 
dem  väterlichen  Thron  der  Arsaciden  herabstossen  (Tac.  h.  1,  40). 
Alu  der  Schwärm  der  Bewaffneten  in  die  Nähe  des  Galba 
gelangt  war,  riss  ein  Fähndrich  der  ihn  begleitenden  Cohorte, 
Atilins  Yergilio,  das  Brustbild  des  Kaisers,  welches  in  Medaillon- 
form am  Schafte  des  Feldzeichens  angebracht  war,  herunter  und 
warf  es  auf  die  Erde.  Auf  dieses  Zeichen  wandten  sich  die 
ganzen  Truppen  zum  Otho,  das  Volk  verliess  in  eiliger  Flucht 
das  Forum;  wer  noch  schwankte,  gegen  den  wurden  die  Waffen 
gezückt.  Hier  berichtet  Plutarch  6.  26:  kein  Mensch  habe  jetzt 
dem  Galba  Hilfe  geleistet  ausser  dem  Centurionen  Sempronius 
Deneos,  der  unter  so  vielen  Tausenden  allein  des  römischen  Na- 
mens werth  gewesen  sei.  Dieser  aber  habe,  und  zwar  nicht  weil 
er  Tom  Galba  etwas  Gutes  besonders  erfahren  gehabt,  sondern 
Qnr  weil  er  dem  Recht  und  Gesetz  Folge  geleistet,  sich  vor  die 
Sanfte  gestellt,  habe  seinen  Hauptmannsstab  erhoben  und  den  an- 
dringenden Meuterern  laut  zugerufen,  sie  sollten  des  Herrschers 
schonen.  Diese  aber  seien  mit  ihm  ins  Handgemenge  gekommen. 
Da  habe  er  sein  Schwert  gezogen,  bis  er  sich  tapfer  wehrend 
gefallen  sei.  Und  von  Plutarch  hat  den  Hergang  auch  Dio  64,  6 
80  übernommen,  der  damit  zeigt,  wie  wenig  selbständig  er  den 
Ereignissen  nachgeforscht  hat.  Denn  dieses  Eintreten  des  Sem- 
pronius Deneue  geschieht  nach  Tacitus  h.  1,  43  nicht  für  Galba, 
sondern  fttr  Piso.  Dadurch,  dass  Sempronius  sich  den  Mord- 
gesellen  entgegenwirft,  entkommt  Piso  in  den  Tempel  der  Yesta, 
wo  er,  allerdings  nur  auf  kurze  Zeit,  dem  Verderben  entgeht. 
Hier  liegt  der  Irrthum  jedenfalls  bei  Plutarch,  obgleich  beide, 
Tacitus  und  Plutarch,  sich  auch  hier  auf  dieselbe  Quelle  stützen, 


110  Paul 

wie  die  Einleitangsworte  zu  der  Erzählung  zeigen,  die  bei  Ta- 
citus  lauten:  InRignem  illa  die  virum  Sempronium  Deneum  nostra 
aetae  vidit;  bei  Plutarch:  δν  μόνον  ävbpa  (ecil.  Sempronium) 
ήλιος  dneibev  έν  μυριάσι  τοσαύταις  άΕιον  τής  'Ρωμαίων  ήτ^ 
μονίας  (vergl.  Η.  Peter,  die  Quellen  des  Plutarch  new.  p.  39). 
Plutarch  hat  hier  Reine  Quelle  nur  oberflächlich  angesehen  oder 
es  ist  ihm  ein  Gedächtnieefehler  untergelaufen. 

Mitten  auf  dem  Forum  war  das  Basein  des  Curtine  (Curtias 
lacus),    eines  jener  siebenhundert  von  den  Aqnäducten  gespeisten 
Brunnenbecken  Roms.    Neben  diesem  Wasserbecken  wurde  Galba 
durch  die    ängstliche  Hast    seiner  Träger   aus    seiner  Sänfte  ge- 
worfen und  rollte  am  Boden  hin.     Sein    letztes  Wort  wird  ver- 
schieden   berichtet.     Tacitns    erzählt  h.  1,  41 ,   dass  er  nach  der 
Aussage  der  Einen  flehentlich  gefragt  habe,  was  er  denn  Schlimmes 
gethan,  um  ein  solches  Schicksal  zu  verdienen,   und   um   wenige 
Tage  gebeten  habe,   damit  er  das  versprochene  Geschenk   an  die 
Truppen  auszahle;  die  meisten  aber,  sagt  Tacitus,  hätten  erzählt 
er  habe  seine  Kehle  freiwillig    den  Mördern  dargeboten  und  ge- 
sagt, sie  sollten  nur  machen  und  zustossen,  wenn  das  zum  Nutzen 
des  Gemeinwesens  wäre.    Sueton  aber  lässt  ihn  (G.  50)  nach  dem 
Bericht   der  Einen  ausrufen:   ^was  macht  ihr,    Kameraden?     leb 
bin  Euer  und  Ihr  seid  mein!'  Nach  dem  Bericht  der  Andern  und 
zwar   der    meisten  hätten   seine  Worte    so  gelautet,  wie  Tacitus 
angibt.     Plutarch    theilt  G.  27    nur  das  Eine  mit:    Galba    habe 
seine  Kehle  den  Mördern  dargeboten  mit  den  Worten:   &ρατ€,  ei 
τούτο  τψ  br\μψ  'Ρωμαίων  δμεινόν  έστι.    Nach  Dio  endlich  (aO.) 
hätte    er    nur   die   Worte  gesprochen:    τί    κακόν  έποίηίΤα;     Den 
Mördern  war  es  jedenfalls   einerlei,   was  er  sagte.     Wer  ihn  ge- 
mordet hat,  ist  nicht  ganz  sicher;  manche  nennen  einen  Gefreiten 
Terentius,  andere  einen  gewiesen  Lecanins,  die  meisten    den   Ca* 
murine,  einen  Soldaten  der  XV.  Legion,  welche  ihr  Standquartier 
zu  Vetera   in   Untergermanien   hatte,   von    der    aber   damals  eine 
Abtheilung  in  Rom  war.    Die  übrigen,  die  sich  bei  der  schmäh- 
lichen  That   betheiligten,   zerrissen    dem   Gemordeten   Arme  un3 
Beine  und  schlugen   in  ihrer  grausigen   Wildheit  noch  dem  ver 
stümmelten  Körper  Wunden  (h.   1,  41). 

Nachdem  so  römische  Soldaten  ihren  kaiserlichen  Herrn 
der  unbewafl^net  und  hochbejahrt  war  (τόν  γέροντα,  τόν  άρχΐ€ 
ρέα,  τόν  αυτοκράτορα,  Dio  aO.)  zu  tödten  sich  beeilt  hatten 
gingen  sie  auf  Titus  Vinius  los.  Auch  bei  ihm  weiss  man  nicht 
ob  die  Furcht  des  Augenblicks    seine  Stimme  erstickt  bat,    ode: 

3 


^ — 1 


Kaiser  Marcue  Salviue  Otho  111 

ob  er  laat  gernfen  hat,  es  eei  wider  den  Befehl  des  Otho,  ihn 
zQ  tödten.  Diee  letztere  hestätigt  Platarch  G.  27 ;  da  spricht 
Vinine  in  der  Anget  eeinee  Herzens  die  Worte  aus:  όποθνήακω 
τταράτήν  Όθιυνος  γνώμην.  Tacitus  ist  geneigt,  in  diesen  Worten 
ein  Bekenntniea  seiner  Mi t wiesen schaft  an  dem  Complot  gegen 
ßaiba  zu  sehen.  Er  meint,  sein  Lehen  und  sein  Rnf  sprächen 
^afür.  Dass  man  auch  in  der  Umgehung  des  Galha  seine  Mit- 
wisseuschaft  annahm,  geht  ans  der  Absicht  Lacos,  ihn  zu  tödten 
hervor,  die  wir  ohen  erwähnten.  Vor  dem  von  Augnstus  in  der 
Nähe  der  alten  Rostra,  an  der  Stelle,  wo  Cäsars  Leiche  ver- 
brannt worden  war,  errichteten  Tempel  des  Divus  Julias  sank 
Titos  Vioias  zusammen,  nachdem  er  zunächst  in  die  Kniescheibe 
getroffen  und  dann  von  einem  Legionssoldaten  durchstochen  wor 
den  war  (Tac.  h.  1,  42  Plut.  G.  27). 

Auch  Piso  mnsste  sterben.  Wie  schon  erzählt,  hatte  zu- 
erst ein  Hauptmann  der  prätorischen  Gehörte,  Sempronins  Densus, 
len  Verwundeten  vor  den  Mördern  gerettet.  Dieser  Centnrio 
war  von  Galba  mit  der  Wache  für  Piso  betraut  worden.  Er  zog 
gegen  die  Mord  gesellen  seinen  Degen  blank,  warf  sich  ihnen  ent- 
gegen, hielt  ihnen  mit  Entrüstung  ihre  Schandthat  vor  und  for- 
derte sie  auf,  eich  gegen  ihn  selbst  zu  wenden.  Dadurch  machte 
er  es  dem  schon  verwundeten  Piso  möglich,  zu  entfliehen.  Er 
entkam  in  den  Tempel  der  Vesta.  Dort  nahm  ihn  mitleidig  ein 
Tempeleklave  auf  und  verbarg  ihn  in  seiner  Dienstwohnung.  Die 
Mordgesellsn  kamen  aber  auch  hierher  und  zwar  auf  speciellen 
Befehl  des  Otho,  der  grade  auf  die  Vernichtung  des  Piso  brannte  ^. 
Der  eine  von  den  beiden  Kerlen,  die  ihn  mordeten,  war  Sulpicius 
Florus,  ein  Soldat  aus  einer  zu  Rom  liegenden  Abtheilung  des 
britannischen  Heeres,  der  erst  vor  Kurzem  von  Galba  mit  dem 
Bürgerrecht  beschenkt  worden  war;  der  andere  war  Statins  Mur- 
cas,  ein  Gefreiter  der  Leibwache  (speculator).  Die  beiden  Kerle 
zogen  den  Piso  an  den  Eingang  des  Tempels  und  ermordeten  ihn 
da  (h.  1,  43). 

üeber  keine  Ermordung  soll  Otho  eine  grössere  Freude  ge- 
habt haben,    kein   gefallenes  Haupt  soll  er  mit  so  unersättlichen 


1  Die  Texteaworte  h.  1,  43:   cum  advenere  missu  Othonis  nomi- 

natim    in    caedem    eius   ardentes  Sulpicius  Florus et  Statiua 

MurcuB  lese  ich  nach  der  Conjectur  von  Heinsiua,  der  statt  ardentes 
ein  ardentis  vorscbrägt  Mir  scheint  das  nominatim  und  die  Bemerkung 
im  Anfange  des  folgenden  Capitels  über  Othos  grosse  Freude  beim 
Morde  des  Piso  diese  Conjectur  nothwendig  zu  machen. 


112  Paul 

Augen  angesehen  haben,  als  das  des  Piso.  Es  iet  ganz  glaub- 
lich, wae  Plntarch  G.  27  erzählt:  Als  der  Kopf  des  Galba  dem 
Otho  gebracht  wurde,  habe  er  gerufen :  ^  Das  will  nichts  heieeeD^ 
Kameraden,  zeigt  mir  das  Haupt  des  Pisol'  Tacitus  meint,  iler 
Grund  von  dieser  unmässigen  Freude  sei  wohl  gewesen,  dass 
Otho  jetzt  erst  von  aller  Sorge  befreit  gewesen  sei;  doch  könne 
auch  der  Gedanke  an  die  in  der  Person  des  Galba  geschändete 
Majestät,  und  bei  Titns  Vinius  an  die  Freundschaft  mit  diesem 
den  Geist  des  Ütho  mit  unheimlichen  Vorstellungen  erfüllt  haben; 
dagegen  bei  Piso  habe  er  geglaubt,  sich  nach  menschlichem  und 
göttlichem  Rechte  freuen  zu  dürfen.  Wie  dem  nun  auch  sein 
mag,  au  keiner  Stelle  des  Taciteischen  Berichtes  wird  Otho  in 
schwärzeren  Farben  vom  Autor  gezeichnet,  als  in  diesem  Kapitel 
h.  1,  44.  Und  diese  rohe  Grausamkeit  zeigten  auch  seine  Ge- 
hilfen bei  der  wilden  Orgie.  Die  Häupter  der  Gefallenen  wurden 
von  ihnen  auf  Stangen  geheftet  und  zwischen  den  Feldzeichen 
der  Cohorten  neben  dem  Adler  der  Flottenlegion  einhergetragen. 
Dabei  zeigten  die  Mörder  ihre  blutigen  Hände,  und  auch  die 
rühmten  sich  der  blutigen  That  als  einer  hochpreislichen  Helden- 
that,  die  nur  dabei  gewesen  waren  oder  auch  nur  dabei  gewesen 
sein  wollten.  Vitellius  fand  später  nach  Besiegung  des  Otho 
mehr  als  120  Bittschriften  an  Otho  von  solchen,  die  um  eine 
Belohnung  eingekommen  waren  wegen  irgend  einer  bemerkens- 
wertben  Hilfe,  die  sie  an  jenem  Tage  geleistet  haben  wollten. 
Vitellius  befahl  diese  alle  zu  fassen  und  zu  tödten,  nicht  um  dem 
Galba  damit  eine  Ehre  zu  erweisen,  sondern  er  that  es  aus  po- 
litischer Klugheit,  um  sich  selbst  für  die  Gegenwart  durch  ein 
abschreckendes  Beispiel  zu  sichern  und  für  die  Zukunft  seinem 
Nachfolger  die  Verpflichtung  zur  Eache  aufzustellen.  Man  sieht, 
das  Princip  ist  sehr  alt,  nach  dem  die  Fürsten  noch  heutzutage 
handeln  (tradito  principibus  more,  h.  1,  44). 

Senat  und  Volk  waren  wie  verwandelt.  Die  Väter, 'aU 
wären  sie,  oder  als  wären  die  Götter  andere  geworden  (καθάπβρ 
δλλοι  τ€Τονότ€ς  ή  θεών  δλλιυν  γεγονότων,  Plut.  G.  28),  schwuren 
den  Eid  für  Otho,  der  seinen  eigenen  Eid  nicht  gehalten;  aie 
nannten  ihn  Cäsar  und  Augustns.  Alle  stürzten  in  das  Lager 
der  Präturianer,  einer  eilte  dem  andern  voraus,  man  lief  um  die 
Wette,  schmähte  auf  Galba,  lobte  die  politische  Einsicht  der 
Soldaten,  küsste  dem  Otho  inbrünstig  die  Hand,  und  je  mehr  das 
Alles  erlogen  war,  desto  mehr  that  man  es.  Otho  aber  liess 
sich  das  gefallen,  indem    er   die  drohende  Gier  der  Soldatea     zu 


Kaiser  Marcas  Salviae  Otho  113 

beschwichtigen    suchte.     Diese  forderten  den  designierten  Consul 
Marias  Celsus,  der  bis  zuletzt  dem  Gralba  ein  treuer  Freund  ge- 
blieben war,    zur  Todesstrafe.     Die  Thatkraft  und  Unbescholten- 
beit  des  Celsns  waren   in  ihren  Augen    verwerfliche  Dinge.     Es 
war  klar,  dass  es  bei  ihnen  auf  Mord  und  Beute  und   darauf  ab- 
g.esehen    war,    dass    grade    die    Besten    dem   Verderben    geweiht 
werden  sollten.     Da  Otho  noch    nicht  die  Autorität    besass,    das 
Verbrechen  zu  verhindern,  so  Hess  er  den  Marius  Celsus  in  ver- 
stelltem  Zorne  fesseln  und  entzog  ihn    so    dem   Untergange,    mit 
der  Versicherung,  dass  er  noch  härter  büssen  sollte  (Tac.  h.  1,  45), 
öder  wie  Flutarch  G.  27  sagt,  dass  er  noch  gewisse  Dinge  von 
ihm  erfahren   müsse. 

Von  da  an  ging  Alles  nach  der  Entscheidung  der  Soldaten 
TOT  sich.  Die  wählten  sich  die  Lagerpräfecten  selbst,  von  denen 
Einer  Licinius  Proculus  war,  bei  dessen  Wahl  sie  allerdings  auf 
den  neuen  Kaiser  Rücksicht  nahmen.  Denn  dieser  Licinius  Pro- 
cnlus  war  bisher  schon  ein  intimer  Freund  Othos  gewesen,  von 
dem  man  mnthmaasste,  dass  er  dessen  Pläne  gefördert  habe. 
Den  bisherigen  Präfecten  Laco  hingegen,  der  unter  der  Um- 
gebung Galbas  derjenige  gewesen  war,  welcher  dem  Otho  nicht 
getraut  hatte,  liess  dieser  jetzt,  unter  dem  Vorgeben  der  Ver- 
bannung auf  eine  Insel,  von  einem  ünterofficier  (ab  evocato) 
aus  dem  Wege  schaffen.  Marcianus  Icelus  aber,  der  bei  Gralba 
in  sehr  hoher  Gunst  stehende  Freigelassene  und  hohe  Hauebe- 
amte desselben,  wurde  a)s  dem  Sklavenstande  angehörig  öffent- 
lich hingerichtet  (h.  1,  46).  üeber  das  Alles  war  bei  den  Sol- 
«laten  wie  in  der  Stadt  grosse  Freude.  Die  hohen  Magistrate 
wetteiferten  mit  dem  Senat  in  Schmeicheleien. 

Noch    war    das    Forum    besudelt    mit   dem    Blute    der  Er- 

niordeten,  die  noch  in  ihren  Staatskleidern  und  mit  abgeschlagenem 

Haupte    auf    dem   Platze    lagen    (fti   τών  νεκρών  άκ€φάλων  έν 

ταϊς  ύπατικαΐς  έαθήσιν  έρριμβνων  έπι  τής  άγορας,  Plut.  G.  28), 

als  Otho  durch  sie  hindorch  nach  dem  Capitolium  und  von  da  in 

den     kaiserlichen  Palast   zog.     Da  angekommen    gab  er    die  Er- 

laabnisB,  dass  die  Opfer  des  grausigen  Schlachtens  begraben  und 

verbrannt  würden.     Den  Piso   bestattete   sein  Weib  Veronia  und 

«ein    Bruder    Scribonianus,    den  Titus   Vinius    seine    Tochter  Cri- 

spina.    Die  Häupter  der  Ermordeten,  die  die  Mörder  abgeschlagen 

})atten,    um  sie   als  Kaufgegenstände  zu  verwerthen,    hatten  von 

f^fu    Angehörigen  erst  losgekauft  werden  müssen  (h.  1,47).    Plu- 

turch  G.   28    beschränkt  diese  Angabe    nur    auf    das  Haupt    des 

^ImJii.  Μοβ.  f.  Philol.  N.  F.  LVII.  3 


114  Paul 

Vinine.  Der  Leichnam  des  Galba  hatte  längere  Zeit  unbeerdigt 
dagelegen  und  war,  ein  GegenetiLnd  des  Hohnes,  von  der  rohen 
Menge  anter  dem  Schutze  der  Nacht  misshandelt  worden.  Zu- 
letzt beerdigte  ihn  ein  mitleidiger  Sklave,  Namens  Argins,  der 
den  im  Stadthanshalt  wichtigen  Posten  eines  Rechnnngsrübrers 
inne  hatte  (dispensator  Argins  e  primoribns  servis).  Auch  dem 
Galba  hatte  man  das  Haupt  abgeschlagen;  Markedenter  nnd 
Trossknechte  hatten  es  aufgespiesst  und  zerstochen;  so  wurde  es 
am  folgenden  Tage  am  Grabhügel  des  Patrobius  gefunden.  So 
berichtet  Tacitus  h.  1,  49,  an  den  wir  auch  hier  uns  halten. 
Plutarch  G.  27  lässt  das  Haupt  dem  Otho  gebracht  und  dann 
von  diesem  den  Sklaven  des  von  Galba  hingerichteten  Patrobius 
geschenkt  werden.  Da  Argius  den  Rumpf  bereite  verbrannt 
hatte,  so  fügte  er  das  Haupt  der  Asche  hinzu  und  barg  beides 
in  einem  armseligen  Grabe  in  seinen  (des  Galba)  Gärten^. 


^  So  verstehe  ich  die  Worte  in  h.  1,  49:  Galbae  corpus,  dia  ne- 
glectum  et  lioentia  tenebrarum  plurimia  ludibriis  vexatum,  dispensator 
Argius  e  primoribus  servis  humili  sepultura  in  privatis  eius  hortis  cod• 
texit.  Caput  per  lixas  calonesque  suffixum  laceratumque  ante  Patrobii| 
tumulum  (libertus  is  Neronis  punitus  a  Galba  fuerat)  postera  demum 
die  repertum  et  cremato  iam  corpori  admixtum  est.  Hier  enthalteo 
die  Worte  bis  contexit  das,  was  im  Allgemeinen  über  die  Bestattung 
des  Galba  zu  sagen  war  und  erhalten  dann  noch  eine  nähere  Aus- 
führung durch  das  folgende  caput  etc.  Der  Hergang  war  also  der:  di^ 
rohe  Menge  hatte  mit  dem  Leichnam  Galbas,  den  erst  Niemand  weiter 
beachtet  hatte,  ihren  Spott  getrieben,  einen  Spott  so  grausiger  Art, 
dass  er  nur  unter  dem  Schutze  der  Nacht  vor  sich  gehen  konnte  Dabei 
hatte  man  ihm  das  Haupt  abgeschlagen,  es  aufgespiesst  und  an  d» 
Grabhügel  des  von  Galba  getödteten  Neronischen  Freigelassenen  Psj 
trobius  geschleppt,  wo  es  am  andern  Tage  gefunden  wurde.  Den  Rump 
dagegen  hatte  Argius  der  Verhöhnung  der  Menge  entzogen  und  ver 
j  brannt    und   die   Asche    dann    in    einem    armseligen    Grabe   geborgeif 

Dann  fügte  er  auch  noch  das  Haupt  hinzu.  Man  sieht  aus  dieser  £i 
klärung,  dass  es  durchaus  nicht  nötbig  ist,  wie  Heraus  nach  dem  Vol 
gange  von  Döderlein  und  Halm  getban,  die  Worte  *licentia  tenebn 
rum'  aus  ihrer  Verbindung  mit  *piurimis  ludibriis  vexatum'  loszi 
reissen,  um  sie  durch  ein  Komma  von  diesen  getrennt  nach  vexatui 
zu  setzen  und  so  mit  dem  Hauptverbum  contexit  zu  verbinden.  D< 
Hohn  an  dem  Leichnam  war  so  schauerlich,  dass  er  nur  bei  Nacht  ^ 
trieben  werden  konnte.  Warum  soll  denn  da,  wie  jene  Gelehrten  wolle 
graie  der  mitleidige  Sklave  des  Schutzes  der  Nacht  bedurft  haben,  ά 
ihn,  wenn  anders  die  rohe  Menge  ihn  am  Aufnehmen  des  Leichna^ 
hätte  hindern  wollen,  gar  nicht  geschützt  hätte.    Natürlich,  da  er  4 


Kaiser  Marone  Salvins  Otho  116 

Dies  war  das  £nde  des  Galba,  im  dreinndsiebeigeten  Jahre 
seines  Lebene,  eines  römischen  Mannes  ans  edlem  Geschlecht» 
der  fünf  Kaiser  überlebt  hatte  und  glücklicher  gewesen  war  unter 
der  Herrschaft  Anderer,  als  unter  der  eigenen.  Tacitus  nennt 
ihn  einen  mittleren  Geist  (medium  Ingenium,  h.  1»49),  der  nicht 
gerade  auf  Niedriges  und  Schlechtes  gerichtet  war,  aber  auch 
nicht  auf  Grosses  und  Gutes  (magis  extra  vitia,  quam  cum  yir- 
tntibue,  aO.))  der  bedeutender  schien,  als  ein  Privatmann,  so  lange 
er  ein  solcher  war,  und  der  nach  allgemeinem  Urtheil  befähigt 
for  den  Thron  gewesen  wäre,  wenn  er  ihn  nicht  eingenommen 
hätte. 

Ueber  die  Stadt,  die  schon  yoller  Angst  ob  des  entsetz- 
lichen neuesten  Verbrechens  und  in  Furcht  war,  Otho  könnte, 
trotz  seines  milden  Auftretens,  in  seine  alte  Lebensweise  vor• 
fallen  (Dio  64,  8),  kam  jetzt  zu  allen  erlebten  Gräueln  ein  neuer 
Schrecken,  die  Botschaft  über  Yitellius.  Sie  war  schon  in  den 
letzten  Tagen  vor  der  Ermordung  des  Galba  in  Eom  ange- 
kommen, aber  man  hatte  sie  unterdrückt,  so  dass  erst  die  Auf- 
lehnung der  beiden  obergermanischen  Legionen,  der  IV.  und  der 
ΧΙΠ.  öffentlich  bekannt  war.  Diese  war,  wie  wir  wiesen,  kurz 
70Γ  der  Adoption  des  Piso  dem  Galba  gemeldet  worden,  der 
sie  in  seiner  Ansprache  an  die  Prätorianer  als  eine  unbedeutende 
Sache  hingestellt  hatte.  Wie  gross  der  Schrecken  in  der  Stadt 
bei  der  Nachricht  von  der  Schilderhebung  des  Vitellius  und  seiner 
Proclamierung  als  Kaiser  durch  das  niedergermanische  Heer 
war,  sieht  man  aus  der  allgemeinen  Trauer  und  aus  der  Sorge, 
die  sich  des  Senate,  der  Ritterschaft  und  des  Volkes  bemächtigte. 
Denn  auch  in  der  grossen  Masse,  die  sich  sonst  um  die  Staatw- 
aogelegenheiten  und  das  gemeine  Wohl  nicht  kümmerte,  lebte 
doch  das  Gefühl,  dass  in  Otho  und  Vitellius  die  beiden  durch 
Unzucht,  Trägheit  und  Ausschweifung  aller  Art  Verruchtesten 
aller  Sterblichen  vom  Schicksal  zur  Vernichtung  des  Reichs  aus- 
erlesen seien.  Man  sagte  sich,  dass  zwar  auch  in  den  vorigen 
Kämpfen  um  das  Principat  die  Welt  fast  umgekehrt  worden  sei, 


Leichnam  bei  Nacht  aufhob,  verbrannte  er  ihn  auch  bei  Nacht;  zu 
warten  war  da  nicht.  Aber  auch  zum  Verbrennen  brauchte  er  nicht 
den  Schutz  der  Nacht.  Endlich  ist  der  Begriff  der  licentia  gar  nicht 
einfach  der  der  Erlaubniss,  sondern  er  ist  dabei  die  Nuance  eines  Miss- 
brauchs  dieser  Erlaubnies.  Nun  missbrauchte  aber  nicht  der  mitleidige 
Argios  die  Nacht,  wohl  aber  die  rohe  Menge.  Das  ist  für  die  Stellung 
der  Worte  entscheidend. 


Π6  Paul 

aber  das  Reich  habe  Joch  noch  beim  Siege  eines  Jalins  Cäsar 
und  Augastue  Bestand  gehabt,  wie  denn  auch  der  Staat  noch  Be- 
stand gehabt  haben  würde,  wenn  Pompejns  und  Brutus  Sieger 
geblieben  wäre.  Aber  jetzt,  für  wen  sollte  man  jetzt  die  Tempel 
besuchen  und  beten,  für  den  Otho  oder  für  den  Vitellius?  Schien 
es  doch  ruchlos,  Gebete  zu  den  Göttern  zu  senden,  wo  die  Wahl 
yorlag  zwischen  zweien,  von  denen  man  nur  so  viel  wusste,  daee 
der  als  der  schlimmere  sich  zeigen  würde,  der  den  Sieg  davon 
tragen  würde  (h.  1,  50). 

Die    Schild erhebung    des    Vitellius    galt    auch    dem    neuen 
Throne,     und  Otho  wusste,    dass  er    sich  nur    durch  Kampf  auf 
ihm  erhalten  würde.     £r    konnte,    wie  Dio  64,7  sagt,    den  Fnse 
nicht  wieder    zurückziehen,    nachdem  er    einmal    auf    den  Thron 
gekommen  war,  so  gern  er  das  vielleicht  gethan  hätte.    Wenigstens 
berichtet  Sueton  0.  7  und  Dio  aO.,   dass    er    in  der  Nacht  nach 
Ermordung  des  Galba,  von  schrecklichen  Träumen  gequält,  schwer 
geächzt  und  geseufzt  habe,  von  dem  Lager  gefallen,  und  auf  dem 
Boden  liegend  von  der  herbei  eilenden  Wache  gefunden  worden 
sei.     Das  sind    freilich  Zeichen  bitterster  Reue.     Aber,    wie  ge 
sagt,    er   konnte    nicht    mehr    zurück.     Weniger,    weil  Viteilins 
selbst    auf  Entscheidung    durchs  Schwert  gedrungen    hätte;    anf 
diesen  kam  es  nicht  weiter  an.    Sondern  vor  allen  andern  drängte 
C.  Fabius  Valens,    sein  Legionscommandeur  in  Niedergermanien, 
wohin  Aulus  Vitellius  gegen  Ende  des  Jahres  68  von  Galba  an 
Stelle  des  ermordeten  Statthalters  Fontejus  Capito  gesandt  worden 
war.     Durch    das  Ungestüm  des  Valens  war  Vitellius  selbst  erst 
zur  Ergreifung  der  Kaiserwürde    fortgerissen  worden  (h.   1,  52); 
jetzt  wurde    er  durch  ihn    zum  Marsch  nach  der  Hauptstadt  be- 
stimmt.     Mit    dem    gleichen    Ungestüm     drängte    der    Legions- 
commandeur in  Obergermanien,  A.  Alienus  Caecina,  ein  Mann  von 
masslosem   Ehrgeiz,  der  noch  in  der  Blüthe   der  Jugend  stehenii, 
von  Galba  sein  Commando  erhalten  hatte,  dann  aber  des  Unter- 
schleifs  angeklagt    von  ihm    der    gerichtlichen    Verfolgung  Preis 
gegeben  worden  war.     Jetzt  nun  sucht  Caecina,  nachdem  er  eicl^ 
in  die  Liebe  der  Soldaten  eingeschlichen,  das  Unterste  zu  oberst 
zu    kehren    und    schloss    sich   darum    mit    den    beiden  in  Maici 
stehenden    obergermanischen    Legionen,    der    IV.  und  XXII,     an 
den  Vitellius  an  (h.  1,  56).      So    hatten    also    die    germaniechei 
Legionen  zusammen   den  Aulus  Vitellius  zum  Kaiser  ansgemfen 
und  zwar  die  Truppen    in  Niedergermanien  am  2.,    die  in   Ober 
germanien  am  3.  Januar. 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  117 

Dae  Einzelne  dieser  Vorgänge  und  der  Kämpfe,  die  eich 
Dan  bis  zur  Schlacht  bei  Betriacum  unter  der  Führung  oder 
vielmehr  unter  dem  Namen  dee  Vitellias  abspielten,  werden  wir 
hier  übergehen,  da  nur  wiederzugeben  wäre,  was  C.  Peter  in 
seiner  'Geschichte  Home'  p.  383  ff.  und  Th.  Mommsen  in  der 
Abhandlung  Mie  zwei  Schlachten  von  Betriacum*  (Hermes  V 
p.  161  ff.)  ausfuhrlich  dargestellt  haben.  Nur  das  Nöthigste  sei 
bemerkt. 

Das  Yitellianisohe  Heer,  zu  dem  sich  noch  8000  Mann  von 
den  in  Britannien  stehenden  Truppen  gesellt  hatten,  bewegfe 
»ch  in  drei  grossen  Corps  gegen  Italien  vorwärts.  Den  einen 
Zug  führte  Fabius  Valens^  um  durch  die  Cottischen  Alpen  über 
den  Mont  Cenis  einzubrechen,  den  andern  Gaecina,  der  auf  kürzerem 
Wege  durch  die  Pönini sehen  Alpen  über  den  grossen  St.  Bern- 
hard zog.  Das  Corps  des  Valens  bestand  aus  Abtheilungen 
der  untergermanischen  Legionen,  der  1,  XV,  XVI,  dazu  das 
Gros  der  V.  Legion,  die  den  Beinamen  Alauda  führte.  Dieses 
Corps  bestand  aus  40000  Mann  Bewafiiieten.  Das  des  Caecina 
bestand  aus  obergermanischen  Truppen,  deren  Kern  die  XXI.  Le- 
gion, mit  dem  Beinamen  Rapax,  war.  Es  zählte  30000  Be- 
waffnete. Zu  beiden  Corps  kamen  noch  germanische  Hilfsvölker, 
ans  denen  sich  auch  Vitellius  sein  eignes  Heer  ergänzte,  welches 
eine  Stärke  von  60000  Mann  hatte.  An  der  Spitze  dieses  dritten 
Corps  wollte  er  dann  mit  der  vollen  Wucht  der  Kriegsmacht  den 
beiden  andern  folgen  (h.  1,  61). 

Wie  gesagt,  es  kam  nicht  mehr  auf  die  Führer,  weder  auf 
Otho  noch  auf  Vitellius  an,  ob  der  Bürgerkrieg  von  neuem  toben 
sollte.  Das  zeigt  der  Briefwechsel  (h.  1,  74.  75),  der  zwischen 
beiden  anfangs  stattfand  und  in  welchem  sie  sich  gegenseitig 
Geld  und  jede  Annehmlichkeit  eines  verschwenderischen  Lebens 
an  jedem  beliebigen  Orte  anboten.  War  dieser  Briefwechsel 
zuerst  in  versöhnlicher  und  gefälliger  Form  (mollius)  gehalten 
worden,  so  hörte  das  bald  auf  und  beide  warfen  sich  Liederlich- 
keit und  schlechte  Streiche  vor,  womit  jeder  von  beiden  Recht 
batte  (neuter  falso,  h.  1 ,  74).  Diese  gegenseitige  Heuchelei  war 
eben  so  unwürdig,  als  die  gegenseitige  Verfolgung  durch  Meuchel- 
mörder thöricht  war.  Am  wenigsten  konnte  das  die  Lage  der 
Woge  ändern  {vgl.  Plut.  0.  4  Sueton  0.  7.  8  Dio  64,  10). 
Das  Heer  des  Vitellius,  diese  noch  von  dem  Siege  über  Vindex 
berauschten  und  nach  neuem  Kampf  und  Beute  lüsternen  ger- 
manischen Legionen,  wäre  auch  ohne  ihn  zum  Kampfe  geschritten. 


118 


Paul 


'  1  ^ 


;    ι 


Zwischen    diesem  Heer    nnd  seinem  Feldheim    war  ein  wunder- 
barer   Unterschied.      Der    Soldat    drängte    vorwärts,    weder  die  ■ 
Winterszeit  war    für  ihn    ein  Hindernies,    noch    wollte  er  etwas 
von  Bedenken    wissen,    die    in    seinen  Angen    nar   von  den  An- 
hängern   eines    faulen    Friedens    erhoben    werden    konnten.     £r  I 
wollte  nur  vorwärts,    nur  in  Italien    einbrechen,   auf  die  Haupt- 
stadt marschieren.     Handeln,  nicht  Berathen  war  sein  Motto  (nihil  ! 
in  discordiis  civilibns  festinatione  tutius,    ubi  facto  magis,  quam  . 
consulto  opus  esset,  h.  1,  62).     Dagegen  blieb  Vitellius  in  träger  i 
Ruhe  in  der   alten  Veteranencolonie    zu  Cöln    sitzen  und  genoes  > 
nach    seiner  Weise    die    hohe  Stellung    des  Staatsoberhaupte  iml 
Voraus    in    unersättlichem  Sinnengenuss  und  verschwenderiechen 
Mahlzeiten,  schon  am  hellen  Tage  berauscht  und  mit  überladenem 
Magen    beschwert.     Aber    der  mächtige  Eifer    der  Soldaten  tratj 
für  den  Führer  ein  und  erfüllte  auch  das,  was  jenem  obgelegen' 
hätte  (h.,  aO.)•    Gerüstet  und  des  Wintere  gewärtig  forderten  sie 
das  Zeichen  zum  Aufbruch.     Endlich  wurde  es  gegeben  und  als 
Fabius    im  März  69    sein  Heer    in  Bewegung   setzte,    schwebte, 
ein    günstiges    und    den  Soldaten    hocherfreuliches   Wahrzeichen, 
ein  Adler  in  ruhigem  Fluge  dem  Heere  voran  (h.,  aO.). 

Als  dem  Otho  die  drohende  Gefahr  nahe  genug  gerücki 
war  und  auch  die  Versuche,  erst  das  Heer  des  Gegners  zum  Ab 
fall  zu  bringen,  und  dann,  ihn  selbst  durch  Meuchelmord  zu  be 
seitigen  (h.  1,74.  75),  Nichts  gefruchtet  hatten,  entschloss  er  siel 
zum  Kampfe.  Er  verliess  Rom  am  24.  März  69  in  einer  Hai 
tung,  die  seiner  kaiserlichen  Würde  entsprach.  Hatte  er  schoi 
vorher  seit  seiner  Thronbesteigung  gegen  Aller  Erwarten  alle 
weichliche  Nichtsthun  aufgegeben,  Vergnügen  und  üppige  Schwel 
gerei  fahren  lassen  (h.  1,  71),  so  schritt  er  jetzt  seinem  Heer 
in  eisernem  Panzer  als  Soldat  zu  Fuss  voraus,  rauh  und  scblic) 
wie  ein  einfacher,  tapferer  Krieger  (h.  2,  11:  lorioa  ferrea  usc 
et  ante  signa  pedester,  horridus,  incomptus  famaeque  dissimilie 
In  seinem  Gefolge  befand  sich  ein  grosser  Theil  hoher  Staatsb 
amten,  die  er  mit  sich  genommen  hatte,  nicht  um  sie  im  Krie^ 
zu  verwenden,  sondern  unter  dem  Vorwand,  sie  als  Gefolg^schij 
um  sich  haben  zu  wollen.  Unter  dieser  Suite  war  auch  d 
Bruder  des  A.  Vitellius,  Lucius  Vitellius,  dem  Otho  dienet 
aufmerksame  Behandlung  zu  Theil  werden  Hess,  als  den  ande 
Vornehmen  und  Hochgestellten.  So  schien  er  durch  Thätigk« 
durch  Besonnenheit,  durch  rücksichtsvolles  Entgegenkoxnm 
gegen    den  Senat,    durch    milde  Behandlung   seiner  Gegner    d 


Kaiser  Marcus  Salvias  Otbo  119 

Übeln  Bnf,  den  er  aus  früheren  Zeiten  mitbrachte,  Lügen  etrafen 
ZQ  wollen.     Gleich  am   zweiten  Tage   seiner  Herrschaft  hatte  er 
den  Marias  Celsne  kommen  laeeeu  und  ihn  darch  freundliche  Zu- 
spräche für  sich  gewonnen,  hatte  im  Senat  milde  Worte  gesprochen, 
hatte  dem   Verginius  Rufus,  diesem  Retter  des  Reichs  vor  Vindex, 
das  Coneolat  übertragen,  die  von  Nero  und  Galba  in  hohe  Aemter 
Beförderten  bestätigt,  ältere  würdevolle  Personen  in  Priesterämter 
eingesetzt,  den  unter  Nero  Verbannten,  von  Galba  Zurückberufenen 
ihre  Güter,    so  weit  sie   nicht    verkauft    waren,    zurückgegeben. 
Damit    hatte  er  die  Vornehmen    und  Mächtigen  in  Rom,    die  es 
erst  vor  ihm  gebangt  hatte  wie  vor  einer  Rachegöttin  oder  einem 
bösen  Dämon,    in  eine  ihm  freundliche  Stimmung  versetzt  (Plut 
0.  1).     Und  ebenso  hatte  er  das  Volk  gewonnen  durch  die  Be- 
strafung des  TigelJinus.    War  doch  keiner  von  allen  den  Schurken 
um  Nero  g'ehasster  als  Tigellinus;   jetzt  hatte  er,  der  längst  bei 
der  Verändernng  der  politischen  Zustände  die  Rache  des  Volkes 
gefürchtet  hatte,  sich  nach  Sinuessa  in  Campanien  geflüchtet,  wo 
er  auch  in  dieser  verzweifelten  Lage    noch  in   den  Umarmungen 
lüderlicher   Weiber  Lüste  suchte,  nach  welchen  sich  die  Geilheit 
des   im    Sterben     zuckenden    Körpers   selbst    noch    regte.      Ob- 
schon  Alle  wnesten,  dass  er,  unheilbar  krank,  schreckliche  Qualen 
litt,  wollte  man  doch  nicht,   dass  er  auch  nur  noch  das  Sonnen- 
licht   schauen   sollte,   das  durch    ihn  so    viele  nicht  mehr  sahen. 
Γη  Sinueesa  la^  er,    weil  er  dort  im  Hafen  nach  seiner  Meinung 
itich    sofort  einschiffen    konnte,    wenn    er   fliehen    musste.     Otho 
schickte  also  einen  Beauftragten,  der  ihn  hinrichten  sollte.    Diesen 
bat  Tigellinne,    nachdem  er  ihn    umsonst  für  Freilassung  zu  be- 
stechen Tersncht  hatte,  nur  so  lange  mit  der  Execution  zu  warten, 
)is    er  eich   rasiert  hätte.     Als    das  ihm    gewährt  worden   war, 
chnitt  er    sich    die  Kehle    durch•     Abgesehen    von    diesem  Fall 
tahm  Otho  an  Keinem  eine  persönliche  Rache  (Plut.  0.  2.  3).   Nur 
len    Cornelias  Dolabella,   der   als   Verwandter  Galbas   von    der 
fentlichen    Meinung    als   dessen    Adoptivsohn     und    Nachfolger 
eben  dem  Otho    selbst  und  neben  Piso   bezeichnet  worden  war, 
otemierte   er  in   Aquinum  (h.  1,  88).     Was  ihm  sonst  gefährlich 
!beinen     konnte,    befand   sich    eben    in    der  Zahl    des  Gefolges, 
erade    aber  dnrch    diese  Mitnahme    so    vieler   vornehmer   und 
>chgestellter  Personen  wurden   die  Sorgen   der  Hauptstadt  auf- 
;regt;  kein  Stand  war  frei  von  Furcht  und  Gefa>*'  ^m 

alle    eines    für     Otho   ungünstigen  Ausgangs    <*  •« 

if  sich    hereinbrechen  sah.    Die  Urtheilsfiihi^ 


120 


Paul 


\ 


Sorge  um  die  Ruhe  und  den  Bestand  des  Staates,  die  Leicht- 
sinnigen dagegen  trugen  sich  mit  eitlen  Hoffnungen,  und  die 
grosse  Zahl  derer,  deren  Credit  erschöpft  war,  waren  munter 
und  guter  Dinge ;  fühlten  sie  sich  doch  am  sichersten  in  unsicheren 
Zeiten  (h.  1,  88).  In  dieser  Lage  vertraute  Otho  seinem  Bruder 
Salvius  Titianus  die  Ruhe  der  Stadt  und  die  Sorgen  des  Regi- 
ments an  (h.  1,90).  Diejenigen,  welche  ihm  noch  und  zwar  aus 
religiösen  Bedenken  (die  12  heiligen  Schilde  waren  noch  nicht 
an  ihren  Aufbewahrungsort  zurück  gebracht)  ein  längeres  Ver- 
weilen in  Rom  empfahlen,  wies  er  energisch  zurück;  alles  Zögern 
hielt  er  für  gefährlich,  wie  man  bei  Nero  gesehen  habe.  Die 
Nachricht,  dass  Caecina  die  Alpen  überschritten  habe,  Hess  ihm 
keine  Ruhe  mehr  (h.   1,  89). 

So  tapfer  er  hier  nun  auch  in  seinem  Auftreten  erscheint, 
so  deuten  doch  die  erwähnten  Versuche,  durch  Unterhandlungen 
und  yerbrecherische  Massnahmen  seine  Stellung  zu  wahren,  darauf 
hin,  dass  Otho  das  Gefühl  hatte,  dass  zu  seiner  Stellung  und 
deren  Behauptung  ihm  Eines  fehle,  die  Eigenschaft  des  Feldherm. 
Dieses  Fehlen  aller  Feldherrnkraft  zeigte  sich  yerhängniesvoll 
schon  bei  einem  Ereigniss,  das  kurz  vor  seinem  Auszug  aus  Rom 
sich  daselbst  abgesponnen  hatte.  Er  hatte  Befehl  gegeben,  dacs 
die  17.  Cohorte  aus  Ostia,  der  Hafenstadt  von  Rom,  in  die  Stadt 
verlegt  werden  solle.  Ein  Tribun  der  Prätorianer  sollte  für 
deren  Bewaffnung  sorgen.  Ungestört  und  ohne  Aufmerksam- 
keit im  Lager  zu  erregen,  liess  der  Tribun,  Varius  Crispinue,  die 
Waffen  dem  Zeughaus  im  Lager  bei  Nacht  entnehmen  und  anf 
Wagen  laden.  Aber  der  Vorgang  ward  doch  bekannt  und  grade 
die  Absichtlichkeit  unvermerkter  Ausführung  brachte  die  grösste 
Erregung  hervor.  Die  Soldaten,  unter  denen  viele  trunken  waren, 
wurden  durch  den  Anblick  der  Waffen  in  Aufregung  versetzt 
und  beschuldigten  die  Tribunen  und  Centurionen  des  Verraths,  in- 
dem sie  ihnen  die  Absicht  unterlegten,  sie  wollten  die  Sklaven 
der  Senatoren  zur  Vernichtung  Othos  bewaffnen.  Den  Varios 
Crispinue,  der  sich  dem  Aufstand  entgegen  warf,  und  die  strengsten 
der  Hauptleute  tödteten  sie,  nahmen  gewaltsam  aus  dem  Zeug- 
haus Panzer,  Helme  und  Schilde,  zückten  die  Schwerter,  bestiegen 
die  Rosse  und  drangen  in  die  Stadt  ein  nach  dem  kaiserlichen 
Palaste  hin  (b.  1,  80).  Dort  sass  Otho  mit  einer  grossen  Anzahl 
vornehmer  Frauen  und  Männer  aus  dem  Senatorenstand  beim 
Gastmahl.  Diese  waren  erschrocken  und  wussten  nicht,  woran 
sie  waren,  ob  es  ein  Aufstand  der  Soldaten  oder  ein  vom  Kaiser 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  121 

selbet  geplanter  Ueberfall  sei,  ob  sie  bleibeD  oder  fliehen  sollten. 
Aengstlich  waren  ibre  Angen  anf  Otbo  gerichtet,  der  gefürchtet 
wurde,  während  er  selber  fürchtete.  Dieser  hatte  sofort  die  beiden 
Präfecten  der  Pratorianer,  die,  wie  man  nach  dem  Berichte  des 
Tacitas  h.  1,  81  annehmen  mnss,  mit  zar  Gesellschaft  gehört 
hatten»  zur  Besänftigung  der  tobenden  Soldaten  abgeschickt  und 
hiess  seine  Gäste  sich  schnell  entfernen,  was  diese  mit  einer  un- 
ziemlichen Eile  thaten.  Sie  legten  die  vornehme  Kleidung  ab, 
nahmen  ihren  Weg  durch  die  Fenster  und  suchten,  ohne  irgend 
eine  Begleitung  ihrer  Sklaven,  unbekannte  Wohnungen  auf,  die 
meisten  bei  armen  Clienten.  Bei  ihrem  Eindringen  in  den  Palast 
verwundeten  die  Soldaten,  die  den  Otho  zu  sehen  forderten,  den 
eich  ihnen  entgegenstellenden  Tribun  Julius  Martialis  und  den 
LegionepräfectenYitelliusSatnrninus.  Waifengetöse  und  Drohungen 
gegen  die  Vorgesetzten  und  den  Senat  erdröhnten  auf  allen  Seiten, 
die  Wuth  der  Wahnsinnigen  forderte  Aller  Untergang,  bis  Otho, 
der  auf  seinem  Polster  stehend  die  Aufständischen  zum  Einhalten 
beschwor,  sie  wieder  zur  Ruhe  brachte.  Hatte  er  das  nur  mit 
Mühe  erreicht,  so  war  das  bei  Weitem  Schlimmere,  dass  er's  mit 
Aufopferung  der  kaiserlichen  Würde  durchgesetzt  hatte  (contra 
decus  imperii  ....  aegre  oohibuit,  h.   1,  82  Plut.  0.  3). 

Widerwillig  und  schuldbewusst  kehrten  die  Erregten  ins 
Lager  zurück.  Dort  wurden  sie  von  den  beiden  Präfecten,  von 
dem  einen,  Licinius  Proculus,  milder,  von  dem  andern,  Plotius 
Firmus,  strenger  angeredet.  Das  Ende  des  Vorgangs  war  aber, 
daes  jeder  Soldat  5000  Sestertien  erhielt.  Jetzt  erst  wagte  Otho 
das  Lager  zu  betreten,  wo  ihn  die  Tribunen  und  Centnrionen, 
nachdem  sie  zum  Zeichen  der  Trauer  ibre  Dienstabzeichen  ab- 
gelegt, umringten  und  Ruhe  und  Sicherheit  vor  neuen  Auftritten 
verlangten.  Die  Prätorianer  hatten  selbst  das  Gefühl,  daes  dieser 
Aufruhr  sie  geschändet;  wieder  zum  Gehorsam  bereit  verlangten 
Kie  noch  obendrein  die  Binrichtung  der  Rädelsführer  ihrer  eigenen 
Meuterei  (h.  aO.).  Der  ganze  Vorgang  wäre  unter  einem  energi- 
i>chen  Feldherm  unmöglich  gewesen.  Was  that  dagegen  Otho? 
Anstatt  eines  kräftigen  Einschreitens  gegen  die  Zügellosigkeit, 
wie  es  die  entgegengesetzten  Stimmungen  im  Heer  möglich  machten 
nnd  wie  die  Besten  es  forderten,  suchte  er  die  Gunst  des  ge- 
meinen Mannes  zu  gewinnen,  der  ein  nach  unten  abhängiges 
Regiment  mit  dem  Bürgerkrieg  und  seinen  Gelegenheiten  zum 
Plündern  liebte.  Den  neuen  Kaiser  beherrschte  der  Gedanke, 
daes    die    durch    Verbrechen    erworbene    Herr  seh  ergewalt    nicht 


122 


Paul 


plötzlich  durch  gute  Mannszucht  nnd  die  Strenge  der  alten  Zeit 
behauptet  werden  könne.    Und  so  hielt  er  denn  Tags  darauf  (Pkt. 
0.  3)  eine  Rede  an  die  Meuterer,  worin  er  ihr  Vorgehen  als  eioen 
Auebruch   allzugrofser  Liebe    zu  seiner  Pereon  mild  verurtheilte 
und  eine  Zügelung   ihrer  Tapferkeit  und  ein  Maaeebalten  in  der 
Zuneigung    gegen   ihn    verlangte  (h.  1,  83:    nimia  pietas  yestra 
aorius,  quam  considerate  —  sc.  voe  —  excitavit).  Jetzt,  wo  man  in 
den  Krieg  ginge,  dürfe  man  nicht  verlangen,  dase  jede  Botschfift 
öffentlich    kundbar  gemacht,    alle  Pläne    in  Gregenwart  aller  be- 
rathen    würden.     Ein  Soldat   müsse    manches    ebenso    gut  nicht 
wissen,  als  wissen;    das  bringe  die  Autorität  des  Feldherrn  und 
die  Strenge    der  Mannezucht  mit  sich.     Selbst  die  Vorgesetzten, 
Centurionen    und  Tribunen,    müssten  in    vielen  Fällen   blindlinge 
gehorchen.    Wenn  jeder  Einzelne  bei  jedem  Befehl  fragen  wolle, 
dann  gehe  der  Gehorsam  zu  Grunde  nnd  mit  dem  Gehorsam  die 
Heeresleitung.     Sie    sollten    doch    bedenken,   dass   dem  Vitelline 
und  seinen  Spiessgesellen  Nichts  Erwünschteres  begegnen  könne, 
als    Aufruhr     und    Zwietracht    in    ihren    Reihen.      Ihre    Feinde 
wüssten  dann,    dass  sie,  Otho  und  die  Seinen,    blind  in  ihr  Ver- 
derben hinein  rennen  würden.   'Das  Heerwesen,  Cameraden,  stellt 
mehr  auf  dem  Gehorsam,  als  auf  dem  Nachfragen  und  dem  Be- 
sprechen der  Befehle  des  Feldherrn,  und  das  Heer  ist  im  Momente 
der  Entscheidung    das  tapferste,    was  vor   der  Entscheidung  das 
ruhigste  ist.     Euch  gehört  die  Waffe  und  der  kriegerische  Sinn, 
mir  überlasst    die  Berathung    und    den  Befehl.     Euer  Vergehen 
war  die  Schuld  Weniger,  die  Strafe  wird  nur  zwei  treffen .  Und 
so  geschah    es   denn;    das    kriegsgeriohtliehe  Verfahren    richtete 
sich  nur  gegen  zwei.    Man  sah  darin  freilich  ein  Maasehalten  der 
Strenge,  wie  denn  überhaupt  die  Rede  mit  der  Schlussmahnung: 
für  den  Senat    als  das  glänzendste  Erbe   von  den  Vätern  einzu- 
stehen, beifällig  aufgenommen  wurde.    Wies  doch  der  kaiserliche 
Redner  darauf  hin,  dass  der  breite  Purpurstreif  des  Senatskleides 
den  Angeredeten    selbst  in  Aussicht  stehe  (h.  1,  84:   nam  ut  ex 
vobis    senatores,    ita   ex    senatoribus  principes  nascuntur).     Kein 
Wunder  also,  dass  die  Rede  beschwichtigend  wirkte.    Aber  was 
war    damit    gethan?     Es    blieb   doch    als  Resultat,    was  Tacitae 
h.  1,  85  sagt:  'Es  wurden  die  für  den  Augenblick  beruhigt,  die 
nicht    gezügelt    werden    konnten     (compoeiti    ad     praesens,     qui 
coerceri  non  poterant).    Das  war  aher  sicher  nicht  das  Thun  eines 
Feldherrn,  dieser  Mangel  an  durchgreifender  Energie. 

Und  80    war  denn  auch    der  Erfolg   kein   durchgreifender. 


Kaiser  Marcus  SalTtus  Otho  133 

Die  Stadt  wurde  nicht  beruhigt;  überall  war  Waflfengeklirr  und 
kriegsmiUeigee  AnsseheD.  Die  Soldaten  waren  zwar  nioht  xn 
einem  allgemeinen  Krawall  in  hellen  Haufen  zusammengerottet, 
aber  sie  trieben  sich  vermummt  in  den  H&ueern  umher  und 
passten  in  böswilliger  Abeicht  Allen  auf,  welche  durch  ihren 
Amtsadel,  ihren  Eeiohthnm  oder  durch  irgend  eine  besondere 
Anszeichnang  boeem  Gerede  auegesetzt  waren.  Auch  Vitellianer 
eollten  gicb  in  der  Stadt  herumtreiben,  nm  die  Stimmung  der 
Parteien  zu  erforschen.  Verdacht  war  überall,  und  kaum  im 
Schoosse  der  eigenen  Familie  lebte  man  ohne  Angst.  Man  zeigte 
andern  Sinn  nnd  nahm  andere  Mienen  an,  um  nicht  bei  zweifel- 
haften Naebricbten  den  Anschein  zu  haben,  als  misstraue  man, 
und  bei  glücklichen,  als  freue  man  sieb  zu  wenig.  Auch  der 
Senat,  für  den  das  richtige  Maass  sowohl  im  Schweigen  als  im 
Reden  scbwierig  genug  war,  zeigte  seine  berüchtigte  Schmeichelei. 
Jeder  drehte  und  wendete  seine  Worte,  wie  es  ungefährlich  er- 
«chien;  denn  Schweigen  konnte  für  Trotz  gelten,  freimttthiges 
Heden  Verdacht  erregen.  Den  Vitellius  nannte  man  I^ndenfeind 
ur.d  Vatermörder,  man  erging  sieb  in  landläufigen  Hch mähungen 
wie  in  begründeten  Vorwürfen  mit  lautem  Schreien  nnd  lärmen* 
iem  Wortgepolter  (h.  1,  85;. 

War    der  Senat   in   dem  Zustande,    wo  er    nichts  Be«i»«res 
wüsste,  ala  sieb  zu  überschreien  ^tumulta  Tertomm  sibi  ip^tj  oli^ 
str^-p-entes,  aO.  u  so  war  die  breite  ]fa#sc  de«  Volks  anfg^^iost  in 
7 ihnf innige  Angst,     üeberall  sst  ιπαο  fccLr^ker.de  Z^-lr/r^r.  und 
V^rb-edeatungen.     Da   sollte   in    d*-r    VorLa.Ie    'ies    C*^lVy,»    4»^ 
Siezesff^tiin  die  Zügel  ihres  Zii*^Ige»pÄr.r.s  sju  -5*:•  Hir.-i^inv  't^}^r. 
iiLreo  IftsseiL•     Ans  der  X:«i:LC  d«  Ca^ lv,I!i.'Mles.  T*rr.-.^^,.«<r  wo 
::»  Jzizo  staxi,  sollte  c:i,*r  Ge**aut  roz   \\*:τ^*λ>^.:.  λ'^κτ  ^rt/^*^- 
h-errorgeras^gen    writ:    die  Su.t^e    c*ä    g'.tl,,•/:::,•^!  l\,r•^  **.?  *^ 
T/i-eriiael  *vllie   lei  gatz  b^-h^T»«.  T^irr^r  ♦.ri  τν*   Κ'-^Λ  α-«λλ 
y  :•Γ2ΤΑ  ge-drebt  baben.    It  L^T.r,*-i  •»•...vt  ^a  i:  jlC  ä  ΐ  Jf  >u  ***  t»**!-. 
*r:^ae  gir*jroiben  babez.     Zi  t^l*m   i.iid»n   wt^  c>•/  Γ>*^τ  *ί*- 
r^trete»  tx»d  ubersctwcitTtt*:  w*r.->  rrt^cin  c*-'  ^^λλ*   γ**  ttt.^i*^-* 
ri.***!-?!  '«'i'»  der  Strasse  w*rg-  ijv.i  in»  it  i^b»   v.*yi   *  *-*>*, i..>n 
IT  i  Tyi  ILrei  Lagern,    die  «Lt  Ix   lir*-!.   }ί  .*•* i.*  ν \  ι  ri.t /*n    i  *-.i*- 
-  iz.*l!  ^^^^    'iaCTJfL•  Tcr}a*«rt    tia-wru    un    ^ιιt     μ    <  »*   v^^'»>i 
r^-^itwerxe  rt  r»rr:^i      Viele  τ•λ   Ci*?»«    Ä' **  t*>i^ui*»r't      .n/.|  ^^ 
*'1τχ3€ϊ    ecHamiL«;  uiiC    τ*τ?ττ•ίττ*Ί     c»*^    ^^ir^ir.     «»^    ^^»^    «"». 
ii'i   ctrx  ex  t»*'»*«•  2>j'.ii*n    »i.i     et»*»   ί**Ίΐ    >  iiv     <»-*  #•.•..    •.  ■« 
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124  Ρ  a  α  1 

die  von  Rom  durch  ganz  Umbrien  führte,  yerepenrt  war.  Zur 
Beruhigung  der  Gemüther  veranstaltete  Otho  ein  Reinigangs-  und 
Sühnopfer  (h.  1,86.  87).  Dann  ergriff  er  seine  Maseregeln  und 
entwarf  seine  Eriegspläne.  Aber  auch  hier  zeigte  sich  sein 
Mangel  an  Feldherrntalent  in   auflTälliger  Weise. 

Othos  Streitkräfte  waren  dem  Gegner  wohl  gewacheen. 
£e  standen  zu  ihm  in  Rom  die  Prätorianer  und  die  stadtischen 
Cohorten,  die  Flottenlegion  und  deren  noch  aus  dem  Blutbad 
des  Galba  an  der  Mulvischen  Brücke  übrig  gebliebenen  Cameraden, 
ferner  bedeutende  Truppenabtheilungen  aus  dem  germanischen 
und  illyrischen  Heere,  die  noch  Nero  in  Rom  zusammengezogen 
hatte,  sowie  2000  zu  Soldaten  erhobene  Gladiatoren.  Ausserdem 
verfügte  er  über  die  ganze  Flotte.  Die  Hauptstärke  seines  Heeres 
aber  bildeten  die  7  Legionen  in  Dalmatien,  Pannonien  und  Mösien, 
die  von  den  Provinzheeren  entschieden  für  Otho  waren  (h.  2, 11). 
Den  Oberbefehl  über  diese  Truppen  übergab  Otho  drei  tüchtigen 
Generalen,  dem  vielfach,  besonders  in  Britannien  bei  Nieder- 
werfung des  gefahrlichen  Aufstandes  der  Briten  unter  der  Königin 
Boudicca,  bewährten  Suetonius  Paulinue,  dem  Annius  Gallus  und 
dem  designierten  Consul  Marius  Celsns.  Bei  der  Aufnahme  des 
Letzteren  unter  seine  Feldherrn  zeigte  Otho  eine  seiner  hohen 
Stellung  würdige  Klugheit.  Denn  es  war  wohl  weniger  die 
Sucht,  eine  Grossmuthscene  aufzuführen,  die  ihn  bei  dieser  Wahl 
leitete,  wie  das  Tacitus  h.  1,  71  darstellt,  wenn  er  sagt:  clemen- 
tiae  titulus  e  viro  claro  petebatur,  sondern  die  Ueberzeugung, 
dass  er  an  dem  Manne,  der  dem  Galba  bis  zur  letzten  Stunde 
Treue  bewahrt  hatte,  selber  einen  treuen  Anhänger  finden  würde, 
wenn  er  ihn  für  sich  gewinnen  könnte.  Deshalb  hatte  er  ihn 
wohl  schon  früher  der  Wuth  der  Soldaten  entzogen  und  ihn  nur 
zum  Scheine  in  Fesseln  gelegt.  Jetzt  waren  auch  die  Soldaten 
mit  der  Wahl  eines  Mannes  zufrieden,  dessen  Tugend  sie  nicht 
weniger  bewunderten,  als  sie  ihr  gezürnt  hatten  (h.   1,  71). 

Hätte  nun  Otho  sich  selbst  die  oberste  Entscheidung  vor- 
behalten können,  so  wäre  Alles  gut  gewesen.  £r  setzte  aber 
den  drei  Heerführen,  um  sie  zu  überwachen,  einen  Mann  zur 
Seite,  der  sein  besonderes  Vertrauen  genoss,  jenen  Licinius  Pro- 
culus,  den  Einen  von  den  beiden  Prätorianerpräfecten,  den  sich 
diese  selbst  gewählt  hatten.  Diese  Maassregel  verdarb  Alles,  da 
Licinius  seine  Vetrauensstellung  nur  dazu  benutzte,  die  Pläne  der 
tüchtigen  Feldberrn  zu  verdächtigen  und  zu  durchkreuzen  (h.  l,  87 
Plut.  0.  7).     Während  die  Dinge  immer  mehr  zur  Entscheidung 


Kaiser  Marcus  Salviae  Otho  125 

triebeo,    ging  die  einheitliche  Fuhmng    bei    dem  Othonianischen 
Heere  immer    mehr  verloren.     Grade    in    dieser  Lage    kurz  vor 
and    bei  der    entscheidenden  Schlacht    von  Betriacum    zeigte    et 
sich,    wie  es  das  Unglück  des  Otho  war,    dass  er  kein  Feldherr 
war.    Die  Uneinigkeit  der  Othoniani sehen  Führer  kam  schon  vor 
der  Schlacht    znm  Ansbrnch.     Panlinas    und   Celsus    hatten    für 
Aafschnb  der  Schlacht  gestimmt,  bis  die  Legionen  aus  Dalmatien 
und  Mosien,  die  im  Anzug  waren,  eingetroffen  seien;  Gallae  ivar 
in  Folge  eines  Sturzes    mit  dem  Pferde    nicht  dienstfähig,    hatte 
aber  durch  Boten  seine  Zustimmung  für  Panlinus  und  Celeus  ge- 
geben (h.  2,  33  Plut.  0. 8).    Aber  Licinins  Proculus  und  der  von 
Rom  herbeigerufene  Bruder  Othos,  Titianus,    standen  im  Kriegs- 
rath  jenen  gegenüber  (h.  aO.  und  Plut.  aO.) ,    und    Otho    stellte 
fiich  auf  ihre  Seite,  in  dem  er  sich  durch  die  Schmeicheleien  der 
unerfahrenen  Rathgeber,  die  ihn  auf  sein  Glück  und  seinen  guten 
Genius   hinwiesen,    bestimmen  Hess.     Auch   dazu  liess  er  sich  be- 
etimmen,    nicht  auf   dem  Schlachtfeld  gegenwärtig  zu  sein,    wo- 
gegen auch  Paulinus   und  Celsus  Nichts   einwendeten.     Denn  sie 
wollten  ihren  kaiserlichen  Herrn  nicht  den  Gefahren  der  Schlacht 
aaeeetzen,    sondern  ihn    auf  alle  Fälle    für    die    oberste  Leitung 
des  Staates  und  Heeres  bewahren.     Taoitns  setzt  der  Erzählung 
dieser  Vorgänge  h.  2,  33  hinzu:  is  primus  dies  Othonianas  partes 
üfflixit,  'das  warder  erste  Unglückstag  für  Otho  und  seine  Partei'. 
Kr  war  dies,  nicht  nur  weil  ein  bedeutender  Tbeil  der  Prätorianer, 
die  in  seiner  Umgebung  waren,  und  eine  starke  Reitertruppe  mit 
ihm  nach  Brixellum,  wo  er  jetzt  seinen  Aufenthalt  nahm,  abzog 
und    der  Math    des    übrigen  Heeres    durch    die  Entfernung    des 
obersten  Feldherm,  dem  der  Soldat  allein  treu  und  ergeben  war, 
gebrochen    wurde    (vergl.  Plut.  0.  10:    ώσπ€ρ€ί    ri    ύώμα  της 
ουνάμ€ως  άπέκοψε),  das  Schlimmste  war,  dass  Otho  bei  seintim 
Weggange    vom  Heere  die  Befugnisse  der  einzelnen  Corpsführer 
unentschieden  liess.     Da  waren  Competenzconflicte  unausbleiblich 
(imperia  dacum  in  incerto  reliquerat,  h.  2,  33). 

Nachdem  nun  Otho  sich  nach  Brixellum  begeben,  war  das 
oberste  Commando  bei  seinem  Bruder  Titianns,  die  wirkliche 
Gewalt  aber,  vis  ac  potestas  (h.  2,  39)  bei  dem  Präfecten  Pro- 
cains. Celeus  und  Paulinus  mussten,  wenn  ein  Plan  jener  fehl 
schlug,  zum  Deckmantel  fremder  Schuld  dienen.  Die  Officiere 
waren  in  schwankender,  unsicherer  Stimmung,  weil  sie  den  Rath 
der  besseren  Generale  verschmäht  und  die  Leitung  in  den  Händen 
ganz  Unfähiger    sahen ;    der  Soldat  war   ernst   und    zum   Kampf 


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126  1*  a  u  ι 

aufgelegt,    nur   den   Befehlen    der   Oberen  gegenüber    mehr    zur 
Kritik   als   zu   unbedingter  Befolgung    geneigt.     So    rückte    man 
bis  zum  vierten  Meilenstein  nach  Cremona  zu  von  Betriacnm  ann. 
Als  man   dort   wieder    über    die  Annahme  der  Schlacht,    zu  der 
die   Vitellianer  nach    der  Vereinigung   der  Truppen   des  Gaecina 
und    Valens  bereit   waren  (h.  2,  31),    trotz  der  brieflichen  For- 
derungen des  Otho  in  Zweifel  war,  weil  die  Truppen  die  Gegen- 
wart   des    Kaisers    verlangten    (h.  2,  39),    und    weil  Celsus  und 
Paulinus  besonders  darum  vom  Kampf  abriethen,  weil  die  Mann-    ι 
Schaft  noch  vom  Marsche  mit  schwerem  Gepäck  ermüdet  war,  so 
gab  ein  Brief,   den   Otho  durch  einen  Numidischen  Expressreiter 
schickte,  den  Ausschlag  (Plut  0.  11).     Mit    den  allerstrengsteo, 
im    drohenden    Tone    abgefassten   Weisungen    verlangte   er,    ver- 
stimmt und  des  Wartens  überdrüssig,    das  Eintreten  in  die  Ent- 
scheidung (h.  2,  40  :  rem  in  discrimen  mitti  iubebat  aeger  mora 
et  spei    impatiens).     Titianus  und  Proculus,   die   im    Kriegsrathe   , 
mit  ihrer  Ansicht  unterlegen   waren,    wandten   sich   zum   Recht, 
das  ihnen  das  Obercommando  verlieh,  und  so    ging  die  Schlacht 
Vor   sich   und    ging  verloren,   so  tapfer   auch  die  Othonianischen 
Truppen    kämpften  (h.  7,  41.  42  vergl.  Plut.  0.  12).     Das    ün-  | 
glück    war,   ihre  Führer   waren    ohne  Zuversicht  und  der  Soldat 
ihnen   nicht  ergeben  (pavidi   duces,  miles  dncibus  infensus,  h.  It  < 
41).     Der  Angriff  der   batavischen  Cohorten,    die  zu  Neros    Zeit 
als  Hilfsvölker  der  XIV.  Legion,  der  Gemina  Martia  Victrix  bei- 
gegeben worden  waren    (Tac.  h.  1,  59)  entschied  die  Niederlage 
der  Otbonianer  (Plut.  0.   12  Tac.  h.  2,  4Π).     Denn  nachdem  die  ; 
Bataver   unter   dem  Lagerpräfecten    des  Heeres  im  unteren  Ger- 
manien,  Varus  Alfenus,  die  Mitte  der  feindlichen  Reihen  durch- 
brochen, flohen  die  Otbonianer  nach  Betriacum  zu  (Tac.  h.  2,  44).  , 
Betriacnm,    nach   welchem  Orte   die  Schlacht   genannt  wird,    lag 
nach  Mommsen  (aO.  p.  164)   zwischen  Piadena  und  Bozzolo,    ein 
militärisch  ungemein  wichtiger   Punkt,    weil  in  die  von  Cremona 
am  nördlichen  Ufer  des  Po  hinlaufende    Strasse  hier  die  andere 
von    Verona    kommende   einfier.     Auf  dieser  Strasse  hatten  sich 
die   Otbonianer   am    entcheidenden   Tage   festgesetzt  gehabt,    um 
den  Gegner  zum  Schlagen  zu  nöthigen.    Die  Schlacht  selbst  wurde 
unweit  der  Thore   von  Cremona   geschlagen,    heisst  darum   auch 
bei   Dio  die  Schlacht  von  Cremona.     Betriacum,   wo    eine   starke 
Reserve   geblieben    war,   lag,    wie  auch  Tacitus  h.  2,  44  angibt^ 
«ehr  weit  von  dem  Orte  der  Niederlage  entfernt:   fngere  passim 
Othoniani  Betriacum  petentes;  immensum  id  spatium. 


Kaiser  Marcos  Salvias  Otho  127 

Trotz  der  verlorenen  Schlacht  wäre  die  Sache  Othoe   noch 

nicht  verloren    gewesen.     Die    Prätorianer,    die    vor    grimmiger 

Wnth  knirschten  nnd  behaupteten,  sie  wären  durch  Yerrath  besiegt, 

Bo  wie  eine  bedeutende  Reserve,  die  noch  in  Betriacnm  stand  and 

noch  nicht  ins  Treffen  gekommen  war,   ferner   die   Trappen,   die 

Otho  selbst  bei  Brizellum  noch  um  sich  hatte,  endlich  die  3  mö- 

sischen  Legionen,    die  ganz  intact  bei  Aqnileja  standen,   wollten 

noch  für  ihn   (kämpfen  h.  2,  44.  45).    *lJnd  was  in  solcYk^T  Lage 

die  Hauptsache  ist,   sie  liebten  den  Otho,    fügt  Dio  64,  12  hier 

hinzu:  δ  T€    μέ'ματον  έν  τοις   τοιούτοις    εστίν,    έφ(λουν   τόν 

Όθ(ϋνα  και  πασαν  αύτφ  εΰνοιαν,  ουκ  άπό  τής  γλώττης,  άλλα 

και  άπό  τής  ψυχής  είχον. 

Freilich  sicher  war  der  Ausgang  des  fortgesetzten  Kriegee 
doch  nicht.      Tacitue    erwähnt  h.  2,  37,    daes    eine  Anzahl    von 
Gewährsmännern  berichteten,    es  hätten    in    beiden  Heeren,    dem 
des  Otho  und  dem  des  Vitellins,  sei  es  aas  Angst  vor  dem  Bürger- 
krieg, sei   es  ans  Ekel  vor  den  beiden  Häuptern,    deren  Sohand- 
thaten  von  Tag  zu  Tag  mehr    bekannt   nnd  besprochen  wurden 
sich  Zweifel  geltend  gemacht,  ob  man  den  Streit  nicht  aufgeben 
and  in  gemeinsame  Berathung  treten  oder  auch  dem  Senat  über- 
lassen solle,   einen  Kaiser  su  wählen.     Die  Othonianischen  Feld- 
berrn  hätten,  nach  jenen  Berichterstattern,  wohl  auch  Verzug  ge- 
sucht für  Herbeiführung  einer  Entscheidung,  besonders  Paulinus 
deTy  wenn   die  Wahl  bei  dem  Senat  stand,  bei  seinem  ruhmvollen 
Namen  grosse  Hoffnung  auf  den  Thron  gehabt  hätte.     Dass  Pau- 
linus je  eine  solche  Möglichkeit    für  Beilegung    des  Streites   ins 
Auge  gefaset,  dazu  hält  Tacitus  ihn  für  zu  klug,    dass    es    aber 
der  stille  Herzenswunsch  von  Manchem  gewesen  sein  möge    statt 
des  Streites  Rahe,    und  einen  braven,  rechtschaffenen  Kaiser  an- 
statt der  schlimmen,  schandbaren  zu  haben,  will  er  nicht  leugnen. 
Das   ist   bezeichnend  für  den  Weitergang  der  Dinge   und  für  die 
Entschlüsse   Othos.    Denn  auf  ein  Heer,  dessen  tüchtigste  Männer 
nicht  mit  ganzem  Herzen  bei  ihrem  Fürsten  sind,  ist  in  entschei- 
dender Stunde  nicht  zu  zählen.     Was  das  Heer  des  Otho  angeht, 
80  war  jetzt  sein  tüchtigster  General,  Paulinus,  nicht  wieder  ins 
Lager  bei  Betriacum  zurückgekehrt,  sondern  hatte  es,  ebenso  wie 
Licinius    Proculus,    zu    betreten  vermieden  (Flut.  Ü.  13),    wahr- 
echeinlich   aus  Furcht,  dass  man  ihn  empfangen  möchte,  wie  man 
den   Legaten     der   13.  Legion    empfing,   indem   man  ihn,    Vedius 
Aqnila,    unter    Schimpfworten    und  Thätlicbkeiten    als  Verräther 
anschrie  (h.  2,  44):   more  vulgi  suum  quisque  flagitium  aliis  ob- 


128  Ι' aal 

iectantee,  setzt  Tacitus  binzo.  Titianus  and  Celsus  waren  dureb 
Annins  Gallus,  der  seit  dem  Sturze  mit  dem  Pferde  im  Lager 
zurückgeblieben  war,  vor  der  Wuth  der  Soldaten  bewahrt  wor- 
den; Anniue  führte  den  Wathentbrannten  zu  Gemüthe,  wie  thö* 
rieht  nach  dem  Schlage  ein  Blutvergieeaen  unter  den  eigenen 
Leuten  sei  und  wie  allee  Heil  für  die  Besiegten  in  der  Einigkeit 
liege.  Auch  war  die  Wuth  der  Massen,  abgesehen  von  den  Prä- 
torianern,  nicht  ein  Ausbruch  der  Kampfeslust.  Im  Gegentheil, 
ihr  Muth  war,  immer  abgesehen  von  den  Prätorianem,  ein  ge- 
brochener (ceteris  fractus  animus,  h.  2,  44).  Wie  wenig  Kampfes- 
lust bei  den  Othonianern  da  war,  zeigte  sich  am  folgenden  Tage. 
Die  Vitellianer  hatten  mit  der  Verfolgung  eine  römische  Meile 
vom  feindlichen  Lager,  fünf  Meilen  vor  Betriacum  Halt  gemacht. 
Am  folgenden  Tage  nun  waren  auch  diejenigen  von  den  Otho- 
nianern, deren  Gebahren  kurz  vorher  ein  unbändiges  gewesen 
war,  zum  Nachgeben  bereit.  Es  wurde  eine  Gesandtschaft  zu 
den  Vitellianischen  Führern  geschickt.  Diese  waren  zum  Frie- 
den geneigt  und  wie  die  Gesandten  nach  einiger  Verzögerunfc 
bei  den  Vitel lianern  in  ihr  Lager  zurückkehrten,  folgten  dieee 
ihnen  ebendahin.  Da  brachen  Besiegte  wie  Sieger  in  helle  Thränen 
aus,  beklagten  in  wehmüthiger  Stimmung  das  Geschick  des  Bürger- 
kriegs und  traten  in  die  Zelte  der  Brüder  und  Verwandten  ein, 
um  die  Verwundeten  zu  pflegen.  Die  Belohnungen,  die  ihnen 
bisher  als  Frucht  des  Sieges  entgegen  gewinkt  hatten,  erschienen 
ihnen  jetzt  als  zweifelhafter  Gewinn,  sicher  war  ihnen  nur  der 
Tod  so  vieler  Angehörigen  und  die  Trauer  um  sie.  So  schildert 
Tacitus  die  Dinge  nach  der  Schlacht.  Plutarch  (0.  13)  weicht 
in  einzelnen  Angaben  ab,  aber  was  die  Stimmung  der  beiden 
Heere  betrifift,  insonderheit  auch  die  Friedensbereitechaft  der 
Othonianer,  trifft  er  mit  Tacitus  zusammen:  έπ€ΐ  hk  π€ΐρώμ€νοι 

(οι  ηγεμονικοί)  έώρων  τους  στρατιώτας  εΙρήνης  οεομίνους 

ίοοΕε  Κέλσψ  και  Γάλλψ  ßabi2;€iv  και  όιαλέγεσθαι  τοις  πβρι  τον 
Κεκίναν  και  Ούάλεντα.  Selbst  Titianus  war  für  friedliche  Ver- 
ständigung gewesen,  obscbon  nur  für  kurze  Zeit.  £s  ist  klar, 
mit  einem  Heere  in  solcher  Stimmung  konnte  Otho  nicht  mit 
einiger  Sicherheit  der  Zukunft  entgegen  sehen ;  auf  dauernden 
Erfolg  war  nicht  zu  rechnen,  wohl  aber  auf  unermesslich  viel 
Sorge  und  Elend. 

Da  machte  Otho  dem  Streit  ein  Ende  durch  eine  That,  die 
mit  vollem  Rechte  von  den  Alten  einmüthig  bewundert  und  ge- 
priesen wird.     Er  erklärte,  dass  er    durch   seinen  Tod    der  Welt 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otho  129 

den  Frieden  zurückgeben  wolle.    Unerschrocken  und  fest  in  seinem 
Entschlues   hatte  Otbo  zd  Brixellnm  die  Botschaft  von  der  Schlacht 
erwartet.      Zuerst  kam  nur  ein  Gerücht  von  dem  schweren  Uu 
heil,  dann   brachten  Flüchtlinge  aus  der  Schlacht  selbst  die  Nach- 
richt   von     dem  verlorenen  Tag.     Nach  Dio  64,  11    war    es  ein 
Reiter,  der  dem  Otho  zuerst  die  Niederlage  meldete  und  der  von 
Othos  Umgehung,  die  die  Sache  nicht  glauben  wollte,  für  einen 
Flüchtling   oder  Feind  erklärt  wurde.     Darauf  soll  er  geantwortet 
haben:  'wenn  doch  meine  Nachricht  falsch  wäre,  ο  Kaiser!  Gern 
würde  ich    sterben,  wärest  Du    nur  Sieger!    Jetzt    aber  will  ich 
aas  dem   Leben  scheiden,    damit    ich    nicht    um    eigener  Rettung 
willen    geflohen    zu    sein    scheine.     Du    aber    fasse  Deinen    Ent- 
Bchluss,    was  Du  thun  musst;    denn  nicht  lange,    so  werden  die 
Feinde    da    sein*     Nach  diesen  Worten    habe    er    sich   getödtet. 
Dieser  Bericht  des  Dio  ist  nicht  unglaublich,  wenn  man  bedenkt, 
(läse  Otho  grosse  Liebe  bei  seinen  Truppen  genoss.     Auf  den  Tod 
dieses  Soldaten    berief  er  sich  auch,    als    kurz  darauf  die  Seinen 
ihn  inständig  und  unter  Thränen    baten,    er  möge    sich    schonen. 
'  Ich  werde  ihm  folgen,  sagte  er,  um  in  Zukunft  nichts  Aehnlichee 
mehr  zu    sehen   oder    zu  hören'  (Dio  64,   14).     Von  diesem  Sol- 
daten and  seinem   £nde  berichtet  auch  Sueton  (0.  50)   und  fügt 
'»ei:  Otho  habe  gerufen,   er  dürfe  solche  Männer  nicht  länger  in 
Gefahr  stürzen. 

Aber  wie  es  sich  mit  dieser  ersten  Meldung  auch  verhalten 
mag,  unbedingt  sicher  ist  auch  nach  Tacitus  die  treue  An- 
hänglichkeit der  Truppen  an  Otho  auch  nach  der  unglücklichen 
Schlacht.  Die,  welche  ihn  umgaben,  riefen  ihm  zu:  er  solle 
guten  Muthee  sein,  noch  seien  Kräfte  da,  die  unversehrt;  sie 
selbst  seien  zu  Sieg  oder  Tod  entschlossen.  In  der  That  sie  waren 
vom  Taumel  der  Begeisterung  ergriffen  und  wollten  sich  um  jeden 
Preis  schlagen.  Sie  streckten  die  Hände  nach  Otho  aus  und  um- 
iaesten  seine  Kniee.  Plutarch  (0.  15)  berichtet  von  einem  ge- 
meinen Soldaten,  der  das  Schwert  zog  und  mit  dem  Ruf:  Visse 
Cäsar,  so  sind  Alle  bereit  für  Dich  in  den  Tod  zu  gehen  Γ  sich 
tödtete.  PlotiuB  Firmus,  der  andere  Lagerpräfect  der  Prätorianer, 
redete  in  ihn  ein,  er  solle  nicht  das  treueste  Heer,  nicht  die 
>esten  Soldaten  verlassen.  Es  gehöre  ein  grösserer  Muth  dazu, 
Jnglück  zu  ertragen,  als  das  Leben  zu  verlassen;  tapfere  Männer 
I leiten  auch  im  Missgeschick  fest  an  der  Hoffnung.  Je  nachdem 
)tbo  solches  Zureden  mit  einem  nachgiebigen  oder  mit  einem  un- 
»eugsamen  Geeichtsausdruck  aufzunehmen  schien,  erscholl  Beifall 

Bhoiii.  Μ  na.  f.  PbUol.  Ν  d 


130  t>aul 

der    Umetebenden    oder    Seafzer.     Gewiee,    nach    der    Stimmang 
dieser  Soldaten,  der  Prätorianer,  die  dem  Otho  anf  Tod  und  Leben 
ergeben  waren  (proprioe  Otbonie  milee,  h.  2,  46),  und  nacb  der 
der    drei    möeiechen   Legionen,    die   bereite  in  Aquileja    standen, 
konnte  der  Krieg  wieder  aufgenommen  werden.    Auch  die  Heere 
in  Aeien,  Syrien,  Aegypten  und  Jndäa  waren  noch  für  ihn,  dazu 
der  Senat,   ja  eogar  die  Kinder   und  Frauen   seiner  Gegner,  die 
sich  in  Rom  befanden.     *Aber,  sagte  er  nach  Plut.  0.  t5,  ee  ist 
kein   Krieg  gegen    einen    Hannibal   und  Pyrrhus  oder  gegen  die 
Gimbem  für  Italien,  sondern  Römer  kämpfen  mit  Römern,  Sieger 
wie  Besiegte  schädigen  das  Vaterland',     und  weil    dieser  Krieg 
in  seiner  Schreckgestalt  ihm  so  vor  Augen  stand  (bellum  atrox, 
lugubre,   incertum  victis  et  yictoribus),   so  war   er   entsohlosBeD, 
der  Sache  ein  Ende   zu  machen    (ipse  aversus   a    consiliis  belli, 
h.  2,  46.  47  Plut.  0.  15).    Er  habe  gezeigt,  so  sagte  er  zu  seinen 
Getreuen,  dass  er  Glücks  Wechsel  ertragen  könne.  Die  Kürze  Keiner 
Regierung  sei   für  Beurtheilung    seiner  Person  nicht  iu  Betracbt 
zu  ziehen;  denn  es  sei  schwerer  ein  Glück  nicht  zu  misebrauchen. 
das   man   nicht   lange  zu  haben   glaube.    'Der  Bürgerkrieg  ging 
von  Vitellius    aus;    dass   aber   nur  ein  Mal  gekämpft  wird,    mit 
dieser  löblichen  That  will  ich    vorangehen.     Nach   diesem  Opfer 
soll  die  Nachwelt  den  Otho  schätzen.    Mag  Vitellius  sich  seines 
Bruders,  seines  Weibes  und  seiner  Kinder  erfreuen,  ich  will  keine 
Rache  und   keinen  Trost.     Mögen  Andere  die  Herrschaft  länger 
in  der  Hand  haben,  Keiner  soll  sie  aber  mit  gleichem  Muthe  anf• 
gegeben  haben'.     Er  wolle,  so  sagte  er  weiter,  nicht  die  Verant- 
wortung  auf  sich  nehmen,    dass    so    viele   römische    Männer,  μ 
viele  ausgezeichnete    Heerschaaren    wiederum   auf  den   Schlacht- 
feldern   blieben.     Mag   der  Gedanke  mich   in  den  Tod  begleiten, 
dass  ihr  für  mich  habt  sterben  wollen,  aber  ihr  sollt  am   Leben 
bleiben !    Und  nun  wollen  wir  nicht  länger  zögern,  ich,  dass  ich 
euer   Leben   sichere,    ihr,    dass  ihr  mich   kennen  lernt  als  festen 
Charakter.     Mehr   über  das   Ende    zu   sagen,    wäre    unmännlicb. 
Sehet  es  als  Beweis  meines  festen  Sinnes  an,  dass  ich  über  Nie- 
mand  klage.     Denn  Götter    oder  Menschen   anklagen,    ist  Sache 
dessen,  der  leben  will'  (h.  2,  47). 

Darauf  redete  er  noch  die  Einzelnen  freundlich  an:  sie 
sollten  eilen  und  nicht  durch  längeres  Verweilen  den  Zorn  de^ 
Siegers  noch  aufreizen.  Das  that  er  mit  heiterem,  stillem  Ant- 
litz und  mit  unerschrockenem  Auedruck  in  Wort  und  Rede  (qpai- 
bp^   Kol  καθεστώτι   προσώπψ    Plut.   0.  15),    wodurch    er    die 


Kaiser  Marcus  Salvius  Otlio  181 

Thranen  der  Seinen  hemmte,  die  zur  Stunde  nicht  angebracht 
waren.  Dann  befahl  er,  ihnen  Schiffe  und  Fahrzeuge  zur  Ab- 
fahrt zu  geben.  Schriftliche  Eingaben  und  Briefe^  die  eine  Par- 
teinahme für  ihn  oder  Vorwürfe  und  Schmähungen  gegen  Vitelliue 
aufwiesen,  vernichtete  er  und  vertheille  unter  seine  Freunde  Geld 
in  sparsamer  Weise,  je  nach  Verdienet  und  BenÖthiguug.  Seines 
Bruders  Sobn  Salvius  Coccejanus,  der  in  jugendlichem  Alter  stand 
und  äugst  lieb  und  traurig  war,  tröstete  er  noch,  lobte  seine  kind- 
licbe  Anhänglichkeit  an  ihn  und  tadelte  seine  Furcht.  Vitellius 
wenle  nicht  eo  grausam  sein,  daes  er  ihm,  dem  Otho,  für  die 
Erhaltung  eeines  ganzen  Hauses  mit  dem  schnödesten  Undank 
lohne.  Er  verdiene  durch  seinen  freiwilligen  Tod  die  Milde  des 
Siegers;  wenn  er  gewollt  hätte,  so  hätte  er  noch  kämpfen  können. 
£r  habe  dem  Staat  das  schlimmste  Unheil  erspart.  Möge  also 
Salvius,  der  Neffe,  mit  starkem  Mathe  das  Leben  ergreifen  und 
weder  je  vergessen,  daes  ein  Otho  sein  Oheim  gewesen  sei,  noch 
auch  allzu  sehr  daran  denken  (h.  2,  48  Plut.  0.  16). 

Darauf  verabschiedete  er  Alle  und  wollte  ein  wenig  ruhen, 
schrieb  aber  erst  noch  zwei  Billets,  an  seine  Schwester,  die  er 
tröstete,  und  an  die  Staülia  Messalina,  die  Urenkelin  des  bei  Au- 
?ustue  in  hohem  Ansehen  stehenden  Statilius  Taurus.  Diese 
hatte  Nero  nach  dem  Tode  der  Poppaea  Sabina  zur  Frau  ge- 
nommen, nachdem  sie  schon  viermal  verheirathet  gewesen  war, 
zuletzt  mit  Atticus  Vestinus,  der  sie,  obgleich  er  wusste,  dass 
Nero  zu  ihren  Liebhabern  gehörte,  doch  geheirathet  hatte,  wo- 
durch er  sich  freilich  den  Zorn  des  Nero  und  den  Tod  zuzog 
(Sueton  Nero  35).  Sie  hatte  den  Nero  überlebt  und  mag  wohl 
die  Aufmerksamkeit  des  Otho  als  die  Nachfolgerin  seiner  geliebten 
Poppaea  auf  eich  gezogen  haben,  als  dieser  nach  zehnjähriger  Ab- 
wesenheit nach  Rom  zurückgekehrt  war.  Sie  muss  wohl  schön 
gewesen  sein,  da  Otho  die  Absicht  gefasst  hatte,  sie  zu  heirathen. 
Jetzt  schrieb  er  ihr  in  seinen  letzten  Stunden  einen  Brief,  worin 
er  ihr  sein  Andenken  und  seine  irdischen  Ueberreste  empfahl 
(commendans  reliquias  suas  et  memoriam,  Sueton  0.  10.  Vergl. 
Sievers,  Stadien  z.  Gesch.  d.  röm.  Kaiser  p.  124). 

Wie  er  nun  so  mit  dem  Gedanken  an  den  Abschied  vom 
Leben  beschäftigt  war,  störte  ihn  ein  plötzlicher  Lärm.  Er  kam 
Ton  einer  wilden  Aufregung  der  Soldaten.  Sie  droheten  ihren 
Officieren,  die  eben  im  Fortgehen  begriffen  waren,  den  Tod,  wenn 
fiie  ihren  Herrn  verliessen;  denn  sie  sahen  in  ihrem  Fortgehen 
Verrath  gegen  Otho.     Am  hitzigsten  waren  sie  gegen  den  Ver- 


132  Paul 

giniae  Rufns  erbittert,  jenen  Sieger  über  den  Vindex,  der  itich 
nur  ungern  an  Qalba  angeeobloesen,  und  den  Otho  gleich  nach 
seiner  Thron beeteigung  zum  Coneul  für  März  und  April  69  er- 
nannt hatte  (h.  1,  77). 

Warum  diese  Prätorianertruppen,  die  nicht  die  früheren 
germanischen  Truppen  des  Verginius  waren,  hier  gegen  diesen 
wackren  Mann  so  erbittert  waren,  sagt  Tacitus  nicht;  wuhr- 
eoheinlich  hielten  sie  ihn  auch  für  einen  Verräther,  wie  die  an- 
dern. Sie  belagerten  das  Haus,  in  welchem  er  sich  verschlossen 
hielt.  Da  trat  Otho  unter  sie  und  tadelte  mit  strenger  üiene 
und  scharfen  Worten  die  Anstifter  des  Aufruhrs,  der  nun  be- 
schwichtigt wurde  (Plut.  0.  16).  Diesen  Aufruhr  der  Prätori aner 
gegen  den  Verginius  Rufns  trennt  Plutarch  (0.  17)  von  dem 
gegen  die  abreisenden  Freunde  des  Otho  und  die  Senatoren,  die 
bei  ihm  im  Heere  waren  (0.  16).  Er  verlegt  ihn  vielmehr  in 
die  Zeit  nach  dem  Tode  des  Otho.  Da  hätten  sie,  die  Präto- 
rianer,  erfahren,  dass  noch  einige  Senatoren  da  seien ;  diese  hätten 
sie  abreisen  lassen,  nur  den  Verginius  Rufns  nicht.  Bewaffnet 
seien  sie  in  sein  Hans  gekommen  und  hätten  von  ihm  verlangt, 
er  sollte  entweder  die  Eaiserwürde  oder  die  Oesandtschaft  zu 
Unterhandlungen  mit  dem  Feinde  übernehmen.  Er  aber,  der 
weder  das  Eine  noch  das  Andere  gewollt,  sei  durch  eine  hintere 
Thür  entwischt  (Plut.  0.  18).  Wir  sohliessen  uns  hier  an  Tacitns 
an,  der  den  Verginius  zugleich  mit  den  andern  Freunden  des 
Otho  bedroht  sein  und  durch  das  strenge  Auftreten  des  Otho 
entkommen  läset.  Ein  zweimaliger  Aufruhr  der  Soldaten  läset 
sich  schwerlich  denken. 

Nach  der  Stillung  des  Aufruhrs  hatte  sich  Otho  wieder 
zurückgezogen  in  sein  Gemach,  da  er  seine  Freunde  gesichert 
sah  (h.  2,  49).  Als  dann  der  Tag  sich  zu  Ende  neigte,  stillte  er 
seinen  Durst  mit  einem  Trünke  kalten  Wassers.  Darauf  lieee 
er  sich  zwei  Dolche  bringen  und  prüfte  die  Schärfe  eines  jeden, 
nahm  dann  den  Einen  und  legte  ihn  unter  sein  Kopfkissen.  So 
berichtet  Tacitus  h.  2,  49,  und  das  ist  jedenfalls  glaubhafter, 
als  was  Plutarch  (0.  17)  erzählt,  Otho  habe  den  Dolch  in  seine 
Arme  geschlossen,  €ΐς  τάς  άγκάλας  άναλαβών,  um  so  mehr,  als 
auch  Sueton  (0.  11)  sachlich  mit  Tacitus  übereinstimmt,  wenn 
er  sagt;  Otho  habe  die  beiden  Dolche  auf  ihre  Schärfe  geprüft, 
und  nachdem  er  den  einen  unter  sein  Kopfkissen  gelegt,  habe 
er  die  Thüren  seines  Gemachs  geöffnet  und  sei  in  tiefen  Schlaf 
gefallen.     Eine    andere    Ungenauigkeit    Plutarchs    ist    auch    die, 


Kaiser  MarcDs  Salvius  Otho  133 

da$6  er  den  Otbo  jene  verständige  Geldvertheilnng  eret  jetzt  im 
Angesicht  seines  Todes  vornehmen  läset,  während  er  sie  nach 
Tacitns  schon  früher  vorgenommen,  und  zwar  wie  dieser  h.  2,  48 
berichtet^  an  seine  Freunde,  nicht  wie  Plutarch  (0.  17)  sagt,  an 
seine  Sklaven• 

Nachdem    er    nun    erfahren,    dass  seine  Freunde   abgereist, 
Terbraohte  er  die  Nacht  ruhig,  und  nicht  etwa  schlaflos  (h.  2, 49 
Plut.  aO.).     Beim  ersten  Morgengrauen    stiess  er  sich    dann  das 
Schwert  in    die  Brust.     Plutarch  aO.  läset  ihn,    ehe  er  sich  das 
Schwert  in   die  Brust  stiess,  einen  Freigelassenen  rufen,  mit  dem 
er  für  die  abreisenden  Freunde  vorher  alles  Nöthige  angeordnet 
gehabt  hätte ;  nachdem  er  nun  von  diesem  erfahren,  dass  sie  fort 
seien  nnd    jeder    das  Nöthige  empfangen  habe,    habe  er    zu  ihm 
gesagt:    ^So    gehe  denn  Du    nun    und    zeige   Dich  den  Soldaten, 
wenn  Da  nicht  elend  von  ihnen  getödtet  werden  willst,  weil  Du 
mir  zum  Tode  verhelfen  hättest .    Der  Freigelassene  sei  da  fort- 
gegangen    nnd    nun    habe    sich    Otho    mit    beiden    Händen    das 
Schwert  in     die  Brust   gestossen.     Diese  Erzählung  scheint  doch 
nach   der  Manier    des  Plutarch    einigermaassen  decoriert  worden 
zu  sein,  da  Tacitns  von  dem  Freigelassenen  Nichts  weiss  und  den 
Otho  die  Nachricht  von  der  Abreise  der  Freunde  schon  erhalten 
läset,    ehe    er    sich   zum  Schlaf    niederlegte,    nicht    ehe    er    sich 
tödtete.  —    Auf  das  Todesröcheln   des  Sterbenden   waren  Freige- 
lassene und  Sklaven  mit  dem  Plotius  Firmus,  dem  prätorianischen 
Lagerpräfecten,  ins  Zimmer  getreten;  sie  fanden  nur  eine  einzige 
Wunde    an  dem   Entseelten.     Man    nahm  sofort   seine  Bestattung 
vor.    Er  hatte  inständig  gebeten,  dass  man  ihm  nicht  das  Haupt 
abschneide    nnd  es   zum  Gegenstände  des  Gespöttes   mache,    wie 
das  in    so  scheusslicher  Weise   mit    dem  Haupte    des  Galba  ge- 
schehen   war.     Seinen    Leichnam    trugen    die    Prätorianer    unter 
Lobsprtichen  und  Thränen;    die  Andern   bedeckten    seine  Wunde 
nnd    seine  Hände   mit  heissen  Klissen.     Manche  dieser  Soldaten, 
von    denen  Viele    bei  der  Nachricht    von  seinem  Tode  herzuge- 
»trömt    waren  (Plut.  0.   17),    tödteten  sich  neben    dem  Scheiter- 
liaufen,  auf  den  man  ihn  gelegt  hatte,  nnd   zwar  nicht,  wie  Plu- 
tarch und  Tacitus  h.  2,  49  ausdrücklich  bemerken,    weil  eie  den 
Verlust  genossenen  Gutes  zu  betrauern   gehabt   hätten,    oder  aus 
Furcht  vor   kommenden    üebeln,    sondern    weil    sie    der    gross- 
berzigen  That    ihres  Kaisers   folgen   wollten    und   aus   Hingebung 
für  ihn    (quidam    militum  iuxta  rognm   interfecere  ee,    non  noxa 
neque  ob  metum,   sed  aemulatione  decoris  et    caritate  prinoipis). 


134  Paul 

'Keinem  Alleinberrecher  oder  König,  sagt  Plutarch  (0.  17),  scheint 
eine  so  grenzenlose  Liebe  zum  Herrachen  inne  gewohnt  zq  haben, 
wie  jenen  zum  ünterthänigsein.  .  .  Auch  nach  seinem  Tode  Ver- 
liese sie  die  Sehnsucht  nach  ihm  nimmer'  (ους  γβ  μη6'  απο- 
θανόντος 6  πόθος  προυλιπ€ν).  Und  diese  seine  That  wurde 
hoohgeprieeen  nicht  blos  von  Einzelnen,  sondern  von  allen  Lagern, 
wo  Truppen  von  ihm  standen  (postea  promisce  Betriaci  Pla- 
centiae  aliisque  in  castris  celebratum  id  genus  mortis,  Tac.  aO.)• 
Diese  Worte  des  Tacitus  interpretiert  Otto  Seeck  (Gesch.  des 
Untergangs  der  antiken  Welt  I,  366)  dahin,  dass,  nachdem  Otho 
durch  eigne  Hand  gefallen,  es  unter  seinen  Truppen  'beinahe 
zum  Sport*  geworden  sei,  dies  Beispiel  nachzuahmen'.  Es  ist 
aber  nicht  not h wendig,  das  'celebratum  so  zu  erklären.  Auch 
ein  Grabmal  wurde  ihm  errichtet  von  anspruchslosem  Aussehen, 
weil  es  darum  gerade  Dauer  verhiess  (Othoni  sepulcmm  ^xstruc- 
tum  est  modicum  et  mansurum,  Tac.  h.  2,  49).  Der  Znsatz  et  man- 
summ  soll  darauf  hinweisen,  dass  das  schlichte  Denkmal  den 
Grimm  der  Machthaber  nicht  herausfordern  konnte.  Vitellins 
meinte,  wie  er  es  sah:  dieses  Mausoleum  passe  für  Otho  (Sueton 
Vit.  10).  Plutarch,  der  es  noch  zu  Brixellum  sah,  als  er 
mit  dem  Consularen  Mestrius  Florus,  der  zu  den  von  Otho  aus 
Rom  mitgenommenen  Senatoren  gehörte,  über  das  Schlachtfeld 
ging,  nennt  es  ebenfalls  ein  μνήμα  μέτριον  (Plut.  0.  14.  18). 
Es  hatte  als  Aufschrift  die  Worte:  ^den  Manen  des  Marcus  Otho', 
wenn  man  mit  Lobeck  liest:  Δαίμοσι  Μάρκου  "Όθιυνος,  anstatt 
der  tiberlieferten  Lesart:  6ηλ(υ(Τ€ΐ  Μ. C,  was  keinen  Sinn  giebt. 
•  Otho  starb  am  16.  April  69  n.  Chr.,  im  heinahe  voll- 
endeten 37.  Jahre  seines  Lebens,  am  92.  Tage  seiner  Regierung. 
Geboren  war  er  im  Jahre  785  u.  c.  (IV  kal.  Mai.),  32  n.  Chr. 
Was  die  letzte  That  des  Otho,  seinen  freiwilligen  Tod,  be- 
trifft, so  will  C  Peter  Gesch.  R.  III,  p.  397  ihr  eine  gewisse 
Grösse  nicht  absprechen,  meint  aber,  dass  die  Uebersättigung 
durch  die  genossenen  Reize  des  Lebens  und  die  Scheu  vor  weiteren 
Anstrengungen  und  Gefahren  einen  nicht  geringen  Theil  daran 
gehabt  hätten.  Diese  Ansicht  ist  schwerlich  richtig,  obwohl  Peter 
sich  dafür  auf  Plutarch  0.  9  stützen  zu  können  scheint,  wenn 
auch  an  dieser  Stelle  nur  die  Ungeduld  Othos  und  sein  L^nge- 
sttim,  die  Dinge  durch  eine  Schlacht  zur  Entscheidung  zu  bringen, 
aus  seiner  Unbekanntschaft  mit  Krieg  und  Kriegsgefahren  und 
seinem  üppigen  Genussleben  von  Plutarch  erklärt  werden  soll. 
Aber    eine  Scheu    vor  Anstrengungen    und  Gefahren,    wie  Peter 


Kaiser  Marone  Salviae  Otho  135 

fiodeD  will,  kannte  Otbo  nach  den  Zengniesen  des  Tacitus  nicht. 
Auch  an  Uebereättignng  dnrch  sein  wildes  Genuesleben  litt  er 
keineswege.  Da,  wo  Tacitus  den  Otho  mit  Vitellius  vergleicht, 
b.  2,  31,  schreibt  er  nach  dem  Zengniss  der  Zeitgenossen  wohl 
dem  Vitellins  'ignavae  volnptates'  zu,  dem  Otho  aber  *flagran• 
tieeimae  libidinee ,  also  noch  immer  brennende  Begier  nach  des 
Lebens  Genüssen  Hätten  die  genossenen  Reize  des  Lebens  ihm 
eine  Scheu  vor  weiteren  Anstrengungen  eingegeben  gehabt, 
Tacitus  hätte  nicht  von  seinem  Tode  als  einem  facinus  egregium 
sprechen  können,  wodurch  er  sich  Anspruch  auf  dauernden  Nach- 
rulim  erworben  habe.  Es  liegt  Nichts  vor,  warum  wir  an  dem 
Grunde,  den  Otho  selbst  für  seinen  freiwilligen,  mit  der  ruhigsten 
Entschlossenheit  gewählten  Tod  angiebt,  zweifeln  sollten.  Er  hielt 
sein  Leben  für  einen  zu  hohen  Preis,  um  dem  Bürgerkrieg  kein 
Ende  zu  machen,  wenn  es  auf  ihn  ankam  (h.  2.  47).  Wenn  auch 
Plntareh  der  Abschiedsrede  des  Otho  (0.  15)  manche  eigene  Zn- 
that  hinzugefügt  haben  mag,  so  hat  er  doch  sicherlich  in  seinem 
Geiste  gesprochen,  wenn  er  ihn  sagen  lässt:  *Wenn  ich  der  Herr- 
schaft über  die  Römer  würdig  gewesen  bin,  so  darf  ich  auch 
mein  Leben  für  das  Vaterland  nicht  schonen  (bei  μ€  τής  έμής  ψυ- 
χής υπέρ  τής  πατρίδος  όφεώεΐν).  loh  sehe  nicht,  wie  ich  den 
Römern  mehr  zum  Heile  sein  kann,  wenn  ich  den  Sieg  davon- 
getragen haben  werde,  als  ich  es  ihnen  bin,  wenn  ich  mich  selbst 
far  den  Frieden  und  die  Eintracht  und  dafür  werde  hingegeben 
liaben,  dass  Italien  nie  wieder  einen  solchen  Tag  sieht*.  Solche 
AeuBserungen  stimmen  mit  dem  überein,  was  Sueton  von  seinem 
eignen  Vater  Suetonius  Laetns  berichtet,  der  als  Eriegstribun 
der  13.  Legion    die  Schlacht    bei  Betriacum    mitmachte.     Dieser 

hat  bald  nach  dem  Tode  des  Otho  seinem  Sohne  häufig  erzählt, 

* 

daea  derselbe  schon  als  Privatmann  den  Bürgerkrieg  so  sehr 
Terabsoheut  habe,  dass  er  einst  bei  einem  Gastmahl,  als  auf  das 
Ende  des  Cassius  und  Brutus  die  Rede  kam,  sich  vor  Grausen 
gcacbüttelt  habe  (ut  .  .  .  cohorruerit,  0.  10).  Glaublich  ist  es 
also,  was  Viele  nach  seinem  Tode  annahmen,  Otho  habe  mehr 
ans  Rücksicht  auf  das  Gemeinwesen  und  aus  Scheu,  die  Herr• 
sehaft  mit  dem  Opfer  so  vieler  Menschen  zu  behaupten,  den 
Todesgedankeu  gefaset,  als  aus  Verzweiflung  oder  aus  Misstrauen 
in  seine  Truppen,  von  denen  noch  Viele  in  ganz  unversehrtem 
Zostande  gewesen  seien,  während  Andere  ganz  frisch  aus  Dal- 
matien,  Pannonien  und  Mösien  dazu  gekommen  wären  (Sueton 
0.9). 


136  Paul  Kaiser  Marcus  Salvius  Otho 

Wollen  wir  aber  dae  Hauptmotiv  enchen,  was  den  Otho  zu 
diesen)  Entscblues  eines  heroischen  Entsagens  brachte,  so  war  es 
der  Zweifel,  ob  er  die  Sache  durchfuhren  könne.  Daher  das 
Gefühl,  dass  er  schöner  sterben  könne,  als  die  Herrschaft  führen 
(πιστεύσατε  πολλάκις,  δτι  ^ύναμαι  κάλλιον  όποθανεΐν  ή  δρχειν, 
Plut  Ο.  15).  Eine  Unsicherheit  und  Misstrauen  in  sein  Feld- 
herrntalent  hatte  ihn  schliesslich  dazu  gebracht,  der  Entscheidungs- 
schlacht  fern  zu  bleiben.  Auch  seine  Ungeduld,  die  er  nach 
allen  Berichten  in  den  letzten  Tagen  im  höchsten  Grade  zeigte 
(Tac.  h.  2.  31.  33.  39.  40  Plut.  0.  9  Sueton  0.  9),  verräth  einen 
grossen  Mangel  an  Selbstvertrauen.  Er  hatte  das  bestimmte 
Gefühl,  dass  die  Entscheidung  der  Dinge  nicht  von  ihm  abhiog, 
er  vielmehr  den  Lauf  derselben  dem  Zufall  überlassen  müsse 
(μεθεΐναι  τα  πράγματα  προς  τό  συντυχόν),  wie  sein  Cabinets- 
fiecretär,  der  Rhetor  Secundus,  von  ihm  sagt  (Plut.  0.  9).  Da 
war  der  Entschluss  zu  sterben  für  eine  gross  angelegte  Natnr, 
wie  Otho  war,  ein  sich  mit  Nothwendigkeit  einstellender.  Darum, 
wenn  Martial  6,  32  ihn  wegen  seines  Todes  mit  Cato  gleich- 
stellt: 

Sit  Cato,  dum  vivit,  sane  vel  Caesare  maior: 
dum  moritur,  numqnid  maior  Othone  fuit? 
so  hat    er  ebenso   recht,    als   wenn  er   als  entscheidendes  Motiv 
für  seinen  Tod    ihm   den  Gedanken  zuschreibt,    er  habe  weiteres 
Blutvergieesen  verhüten  und  den  Bürgerkrieg  endigen  wollen: 
Cum  dubitaret  adhuc  belli  civilis  Enyo 
Forsitan  et  posset  vinoere  mollis  Otho, 
Damnavit  multo  staturam  sanguine  mortem 
Et  fodit  certa  pectora  uuda  manu. 

Paul. 


Ν 


AUS  DEM  ZWEITEN  BANDE  DER 
AMHERST  PAPYRI 


Der  erste  Band  der  ans  der  Sammlung  des  Lord  Amberet 
veröffentlichten  Papyri  hatte  eine  wesentliche  Bedeutung  für 
Theologen;  jetzt  ist  in  kürzester  Zeit  ein  zweiter,  glänzend  aus- 
gestatteter  Band  gefolgt,  der  eine  reiche  Fülle  von  allerhand  Lit- 
teraturresten  enthält;  es  eröffnen  ihn  Classical  Fragmente,  wie 
aoch  sonst  in  den  Publikationen  der  Engländer.  Die  Heraus- 
geber, Bernard  P.  Grenfell  und  Arthur  S.  Hunt,  haben  wieder 
ein  heryorragendes  Stück  Arbeit  geleistet,  und  ich  meine,  dafis 
man  ihnen  für  ihre  Verdienste  keinen  besseren  Dank  abzustatten 
im  Stande  ist,  als  indem  man  weitere  Kreise  auf  diese  in  Deutsch- 
land nur  in  Ausnahmen  zugängliche  Veröffentlichung  hinweist 
und  durch  ein  paar  Proben  des  Inhalts  ein  Interesse  für  sie  zu 
erwecken  encht. 

Im  Anfang  stehen  die  Reste  einer  Tragödie,  streng  gebaute 
Trimeter.     Erkennbar  ist  der  Schluss  einer  Botenrede: 

ταΟτ'  άγγελών  σοϊς  ου  καθ'  ήδονήν  δόμοις 

ήκω*  σύ  b',  iHvaS,  τής  έκεΐ  φρουρας  w- 

q>povTir  δτηυς  σοι  καιρίως  %Η\  ^.. 
Der  Antwortende  muss  Hektor  sein;  der  zunächst  zum  υπηρέτης 
■pricht: 

χώρ€ΐ  προς  οίκους  δπλα  τ*  έκκόμιΐέ  μοι 

καΐ  τήν  Άχιλλέιυς  bopiaXuiTOv  άσπιλα. 

Ι&υ  γάρ  αυτήν  τήνδε  κα[1  προβλήσομαι 
Indem  er  fortfährt,  erfüllt  ihn  Unruhe^;    den  Boten  jagt  er  weg 
als  Böses  yorbedeutend ;  trotzdem  ist  er  bereit  zu  gehen  ^  und  den 


^  κα(  «ιυς  τ^θραυσμαι  sicher.    Davor  etwa  £γώ  τ*  έμαυτοΟ  χ€<ρον[α 
Τ>ύμην  {χαι  nach  zahlreichen  euripideischen  Analogien. 
*  Etwa  dU'  ούδ^ν  ή  [μ^λλησις ]  έλθών  b\ 


138  Radermaoher 

Kampf  ZQ  wagen.  Dies  τηηββ  der  Sinn  der  letzten  Veree  eein, 
die  eich  leider  nur  ganz  nneicher  im  Wortlaut  feetatellen  laeeen. 
.Aber  deutlich  stellt  eich  heraim,  daae  Hektor  vor  dem  Zweikampf 
mit  Aohillens  redet ;  demnach  ist  der  Schauplatz  Troja,  und 
wenn  er  ee  in  dieser  'Rfistungs'-Scene  war,  so  muss  er  es  eben 
im  ganzen  Stück  gewesen  sein.  Das  verlangt  das  Gesetz  von 
der  Einheit  des  Ortes,  Also  kann  von  einem  Drama,  in  dem 
Achill  die  Hauptrolle  spielt,  von  einem  Stück  wie  die  Μυρμι- 
δόνες oder  Νηρηίδες  des  Aisehylos^,  keine  Rede  sein. 

So  wie  die  Dinge  liegen,  kommt  von  den  fiberlieferten 
Tragödientiteln  nur  einer  wahrhaft  in  Betracht,  der  Hektor  des 
Astydamas.  Dieses  Stück  aber  ist  gleichfalls  hochbertthmt  ge- 
wesen, wie  eine  Bemerkung  des  Plutarch  Terrftth;  nach  Welken 
Yermnthung  hat  es  Naevins  im  Hector  proficisoens  nachgebildet. 
Wir  kennen  daraus  nur  die  Worte: 

b^Eai  κυνην  μοι,  πρό<ΤτΓθλ*  .... 
μή  καΐ  φοβηθή  παις 
Worte,  die  der  gewappnete  Hektor  spricht,    als    er    im  BegriiTe 
steht,  von  seinem  kleinen  Sohne  Abschied  zu  nehmen.     Das  nen 
yeröffentlichte  Fragment  scheint  einer  kurz  vorhergehenden  Scene 
anzugehören  *. 

Anschliessen  möchte  ich  hier  den  Hinweis  auf  Pap.  XVII, 
Reste  einer  ausführlichen  Hypothesis  zu  dem  Euripideischen 
Skiron;  dies  Stück  hat  Blass  durch  eine  Coincidenz  mit  Nanck 
fr.  679  scharfsinnig  erschlossen.  Merkwürdig  ist,  daes  Verse 
daraus  in  der  Hypothesis  citirt  werden : 

πρόλογος  bib€i[KTai•  έν 

Ιάμβοις.  έπαιν[€ΐται  bk 

κα[ι  π]6ρΙ  τ[ο]υ  παν[τός  (ie.  imprimis) 

τών  Ιάμβων,  ου  (=  ubi)  λίγ[€Γ 

*πρό<ταντ€ς  oub^v  έ[στι  .... 
Die  Verse  sind  leider  nicht  sicher  herzustellen;  der  Gedanke  von 
der  Macht  der  Δίκη  wird  klar  durch  ähnliche  Enripideische  Sen- 
tenzen. 


^  Daran  denken  Blase  und  die  Herausgeber. 

[■  Einer  Mittheilung  von  Dr.  Crönert  entnehme  ich,  dass  H.  Weil 
inzwischen  im  Dezemberheft  des  Journal  des  Savants  (auf  unserem  Lese- 
zimmer ist  erst  das  Novemberheft  zuganglich)  dieselbe  Ansicht  ausge- 
sprochen hat,  und  freue  mich  der  üebereinstimmuDg.J 

"  Ueber  diese  Anwendung  des  Wortes  s.  Hemsterhuys  zu  Lukian 
I  p.  184. 


Aus  dem  zweiten  Bande  dar  Amheret  Papyri  l'iO 

Ν  17  bedeutet  einen  änseerst  merkwürdigen  Fand:  nach  der 
Subskription  ΆρκΤτάρχου  Ηροδότου  iete  der  Reet  von  Ezoerpteu 
aus  einem  Commentar  des  Arietarcboe  zum  ersten  Buch  Herodote  ^ 
Excerpte  mtieeen  es  sein,  weil  von  Cap.  195  unmittelbar  auf 
C.  215  übergesprungen  wird.  Zu  versteben  ist  wenig:  ^'δνος 
Ιώς  έστιν**,  otov  καΐ  έν  τοις  πλοίοις  δν[οι  Εύλου?].  Herodote 
üeberlieferuDg  bietet  βνος  Ζ\ΐ)6ς  ίνεστιν;  auf  die  Variante  ist 
nichts  zu  geben,  da  die  Citate  aucb  nacbber  ungenau  sind.  Erklärt 
moeete  werden,  warum  Herodot  den  Zusatz  Ιώς  für  die  Esel  in 
den  Schiffen  nötbig  fand;  es  gab  ja  aucb  "hölzerne  Esel",  wie 
man  eine  Zngmaecbine,  eine  Art  von  Winden  nannte,  die,  wie  heut- 
zutage, so  aucb  damals  jedes  Fracbtscbiff  besessen  haben  muss. 
Dann  weiter,  ohne  jedes  Zeichen  des  üebergangs  eine  Glosse  za 
α  215  'ίνιτπτίοιΌύ]χ€ΐ,  [ά]λλά  "&μιπ[ποι"2  ΪΙπποι  bvo  [εύ]- 

όητωγοι'  ιμάσι  δ€5€μένοι  και  [έπ']  αυτών  τίνες  όχούμ[€]νοι.  οι 
ήρΐϋ€ς  τοις  δρμασιν  προσήλαυνον  και  ουτιυς  όπέβαινον,  οΐ  hk 
ττρος  έλάσσοσιν  δ  μέν  άττέβαινεν,  δ  bk  μένων  παρείχετο  τήν 
του  ηνιόχου  χρβίαν.  Hier  scheint  eine  Conjectur  des  Aristarcb 
vertheidigt  zu  werden;  wir  sind  jetzt  im  Stande  ihm  die  Bemer- 
kung in  Bekkere  Anecd.  p.  205  v.  δμιππος  zuzuweisend  Der 
Zu8atz  über  die  Eampfesweise  der  ήριυες  verräth  den  Homer- 
kritiker. 

Dies  Stück,  eo  zerfetzt  und  trümmerbaft  es  sein  mag,   hat 

doch  insofern  aucb  ein   litterarbistoriscbes  Interesse,    als    es   das 

ergte  Zengniss  dafür  ist,  dass  Aristarcb  sich  mit  Herodot  kritisch 

beschäftigt  bat.      Dass  die   wissenschaftliche  Erklärung   des  Thu- 

kjdides  in   die   Alexandrinerzeit  hinaufreicht,    hat   Usener    durch 

Vergleicb  der  Scholienlitteratur  erschlossen.     Dennoch  ward  nicht 

ersichtlich,    wie    weit  wir  hinaufgehen    dürfen.     Das    konnte   ja 

alles  Didymos  sein.    Nun  erscheint  Aristarchos  als  Herodotkritiker 

BQf  dem  Plane.     Zu    glauben,    dass    er    keine   Ausgabe    besorgt 

babe,  kann  man  eich  nur  schwer  entsobliessen,  und  so  erbält  die 

inechauung,    dass  damals  bloss  Dichter  edirt  worden  seien,  einen 

rtarken    Stoee.       Nur   das    eine    wird    man    weiterbin    annebmen 

lürfen,    dase  die  Prosaikerausgaben  der  ersten  Alexandriner  nicht 

!ae    kanonische   Ansehen    erlangt   haben,    wie    ibre  Dicbtertexte. 

)b  wir  nnn    hier  auch  ein  Zengniss  besitzen,    das    in  der  Frage 

^  Darin   aach  ein  neues  Sophoclesfragment :    Σ.  έν  ΤΤοιμέαΐ'    oö 
,αλκός  ού  cibr\po^  Απτεται  χροός.  ^  Erganzuug  von  Blass 

Β  Ygi.  Pollox  I  195.  «  Vgl.  die  Herausgeber. 


140  Radermacher 

nach  dem  alexandriniscben  Kanon  zu  dessen  Gunsten  verwertbet 
werden    darf,    wage    ich   nicht  mit  Bestimmtheit  zn  entscheiden^ 
wenn  ich  anch  meine,    dass  diese  Frage  nicht  ganz  so    erledigt 
werden  kann,    wie    es  v.  Wilamowitz^   in  seinen    letzten  Unter- 
snchnngen  gethan  hat.     Zwar  dürfte    er    in    dem    einen  Pnnkt« 
Recht  behalten,  der  ihm  das  Wesentliche  war,  dass  es  schon  frühe 
nar  nenn  Lyriker  gegeben  hat.    Aber  an  bloss  zehn  Redner  bereits 
in  hellenistischer  Zeit  zu  glauben  scheint  mir  unmöglich.     Es  iet 
wahr,  dass   man  grade  bei  der  Anlage  der  πίνακες    mit    boden- 
loser Oberflächlichkeit   herrenloses  Gut  auf  bekannte  Namen  ge- 
setzt haben  muss;  das  Verzeichniss  der  Dinarohreden  bei  Dionys 
zeigt  es  zur  Gentige.     Aber   dort    operirt  er  nun  doch  auch  mit 
Leuten  wie  Demokleides   und  Menesaichmes,  wie    mit    bekannten 
Typen.    In  den  pergameniechen  Verzeichnissen  findet  er  eine  Rede 
des  Kallikratee;  in  Alexandrien  freilich  war  der  Mann  bereits  in 
der  Sammlung  Deinarchos  untergegangen.   In  der  grossen  Ueber• 
sieht  am  Schlüsse  von  de  Isaeo  mag  er  ja  vieles  unbesehen  aus 
Α  eiteren  abgeschrieben  haben;    aber    sollte    es   damals    wirklich 
keine  Rede    von    Polykrates    gegeben    haben  ?    Für  Aristogeiton 
alles  zugegeben,  obwohl  die  Annahme,  dass  Reden  unter  seinem 
Namen  erst  nach  Dionys  gefälscht   worden  sind,   nicht  zwingend 
erwiesen  werden    kann,   so    mtiesen  doch  Reden  des  Kritias  exi- 
stiert haben,  die  Herodes  Atticas  wieder  ausgrub  und  zu  £hren 
brachte.     Und  was  Dionys,   Harpokration  und  Athenaeus  von  Py- 
theas  haben,   stammt  das  etwa  aus  vorhellenistischer  Zeit  ?  Auch 
den   Pbilinos  citirt  Harpokration.    Von  Polyeuktos  κατά  Δημάοου 
steht  ein  Citat  bei  dem  Rhetor  Longinus,   etwa  als  spätere  Fäl- 
schung? £s  ist  endlich  möglich,  dass  die  Rednernamen,  die  Philo- 
demos  neben  den  Zehn  nennt,  für  ihn  ein  leerer  Schall  gewesen 
sind,  aber  selbst  wenn  es  damals  bloss  noch   11  attische  Hedner 
gab,  so  bedeutet  die  Zahl   10  immer  schon  eine  Auswahl.     Und 
eine  Auswahl,    die  zudem    für  Aristarchos  bezeugt  ist,    sind  die 
lambographen ;  diese  Thatsaohe  lässt  sich  nicht  widerlegen  durch 
eine  Deduktion  wie  die  folgende:      Skythinos?  gab  es  den  über* 
haupt  für  das  Publikum?"    Denn    es   müsste  mindestens  alsdann 
noch  bewiesen  werden,  dass  es  einen  Mann,  den  es  für  das  Pabli^ 
kum  nicht  gab,  für  die  alexandrinische  Gelehrsamkeit  auch  nicht 
gegeben  hebe.     Es  ist  überflüssig  darauf  hinzuweisen^  wie  häufig 


*  V.  Wilamowitz,  die  TextesgeBchichte  der  grieohischeu  Lyrik  ei 
l    Excurs.  (S.  64  «.). 


Aas  dem  zweiten  Bande  der  Amherat  Papyri  141 

die  wiesenechaftlicbe  Litterat  Urgeschichte    und    das  Urtheii    des 
Pablikame  auseinanderfaiien.     Für  die*  Tragiker  ist  die   Auswahl 
zQ^egeben;    dass    sie    mit    dem  Geechmacke    der  Leute    überein* 
stimmt,  beweist  nichts  für    andere   Fälle.     Bei    den   Lyrikern    ist 
es  keine  Auswahl ;  aber  was  hindert  anzunehmen,   dass  sie  eben 
sammt  und  sonders  der  Aufnahme  in  den  Kanon  würdig  befunden 
worden  sind  ?   Eine  Auswahl  von  Epikern   ist  für  Aristarchos  und 
Aristophanee  bezeugt.     Was   nun  endlich   Herodotos  und  Thuky- 
didee  anbelangt,  so  würden  sie  ja  in   den   Kanon  gekommen  sein 
wo  und  wann   immer  ein  solcher  gemacht  worden  ist,  aber  es  ist 
doch  eine  merkwürdige  Erscheinung,  dass  wir  jetzt  den  Arisfarcboe 
ancb  als  Herodotoekritiker  wiederfinden,   gleichwie  wir  intensive 
Beschäftigung  mit  Thukydides  für  die  Alexandriner  schon  länger 
erweiBen  konnten.     Kurz  die  Thatsachen    sind    diese:    eine  Aus- 
wahl   auf   den    verschiedensten    Gebieten,    bestehend    schon   vor 
Dionys,    in  Verbindung   mit  etlichem    der  Name  des  Aristarchos 
and   Aristophanee    unmittelbar    bezeugt,    anderes    namenlos    aber 
doch   vorhanden,    auf   einigen    Gebieten    auch    verschiedene   Ver- 
zeichnisse,  wie  bei  den  Klegikern.    Damit  mag  man  sich  nun  ab- 
finden, wie    man   will.     Die  einfachste  Deutung  ist  doch,  dass  es 
einen  alexandrinischen  Kanon   gegeben  habe,   dass   dieser  Kanon 
aber  spätere  Grammatiker  nicht  daran  hinderte,  auch  den  ihrigen 
ZQ  machen,     indem  sie,    weitherziger  im  Urtheii,  den  einen  oder 
anderen  Namen  zusetzten.  Dies  ist  meines  Eracbtens  eine  Erklärung 
die  den  überlieferten  Thatsachen  am  bequemsten  Bechnung  trägt. 
Ein  Gluck  ist  übrigens,  dass  Pergamon  endgültig  aus  der  Erörte- 
rang  ausgeechieden  zu  sein  scheint. 

Die  Abschweifung  war  lang,  und  ich  kehre  nunmehr  zur 
Sache  zurück. 

Papyrus  XX,  der  von  den  Herausgebern  ins  IV.  Jahrb. 
p.c.  gesetzt  wird,  enthält  die  Reste  von  Scholien  zum  Artemis- 
hymnus  des  Eallimachos;  sie  sind  mit  den  erhaltenen  theil weise 
rerwandt,  aber  reichhaltiger  gewesen.  Usener  hat  hierzu  einige 
reffliche  Ergänzungen  beigesteuert:  XX  2  (zu  Vs.  107)  ΤΗΝ 
^ε  ΜΙΑΝ  ΚΕΛΑΔΟΝΤΟΟ  δυνάμεθα  €ΐπ€ϊν  το  κ6λά5οντο[ς 
Ιντι]  έτΓίθετου  καΐ  λίγειν  ποταμόν  Άρκ[α5ίας,  ώς]  κύριον  *.  Zu 
Γ6Γ8ΐ38  ΓΑΜΟΟ  E[CCETAI  ύμν]ήσ€ται:  AKAKHCIOC  (V.  143) 

»  Weiter  vielleicht  AINöl  ΕΠΙ  ΘΡΗΙΚΙ  öp€t  θρψ[κης :  δ€νδρο]φόροι 
3λυμποι  ορη.  l>ie  letzte  Bemerkung  geht  auf  11(5  if.  (ποΟ  6'  ιταμές 
εύκην);  für  dae  Lemma  (Μυοφ  έν  Ούλύμπψ)  ist  in  der  Ueberlieferung 
ein   Raum. 


142  Radermacher 

λίγ€ται  f|  έπ[ίθ€τον  b\a]  τό  έν  öpei  [*Ακακησ{ω  τάς  τ]ονά[ς 
?χ€ΐν  ή  δτι]  αναίτιος  έστι.  Ζα  Vers  172  ff.:  ΤΤΙΤΑΝΗ  πόλις 
Λακ€ί)αίμονος :  [AAAC  ΑΡΑΦΗΝ]ΙΔ[Α€  ί)ήμ]ος  •Αττικής.  Weiter 

war  «rohl  ζα  Ve.  178  bemerkt:  ΣΤΥΜΦΑΙΙΔΕΟ  Ή'.Γειρωτικαί' 
δ[ρος  τι  Στύμφη^  θ€σ]πριυτ{ας.  Στυμψαΐον  bk  δ[ρος  καλ€ΐται 
κα]ι  £θνος  Σκυθείας.  Im  Anechlues  hieran  wurde  die  Geschiebte 
der  Iphigeoie*  erzählt,  und  es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  diese 
Ueberliefernng  rettungeloe  veretümmelt  ist,  denn  nimmt  man  zu- 
sammen, dass  bei  Eallimacbos  von  £λαφθΐ  Στυμφαιΐδες  geredet 
wird,  dass  in  dem  Scbolion  aber  immerhin  noch  ή  b^  'Ιφιγένεια 
^λαφος  —  έκ  τής  έλάς>ου  zu  erkennen  ist  und  dass  ebendort 
vorher  die  Στυμφαιΐ^ες,  ein  Στυμφαΐον  δρος  und  ein  ίθνος 
Σκυθίας  in  zweifellosen  Zusammenhang  gebracht  sind  (die  oben 
gegebene  Ergänzung  ist  nur  ein  Versuch),  so  ergiebt  sich  als 
nothwendiger  Schluss,  dass  hier  Dinge  vorgetragen  waren,  von 
denen  wir  sonst  nichts  wissen. 

Am  Schluss  der  Claseica  steht  dann  etwas  sehr  Lustiges 
zu  lesen,  drei  Babriuefabeln,  die  ein  ägyptischer  Lateinschütze 
zu  übertragen  unternommen  hat.  Dabei  hat  er  Fehler  gemacht. 
so  schlimm,  wie  sie  auch  heute  gemacht  -werden,  und  zum  Theil 
noch  schlimmer;  es  stecken  sogar  einige  Rathsel  in  dieser  latei- 
nischen Uebersetzung,  und  so  möge  denn  alles  hier  seinen  Platz 
finden,  damit  andere  daran  sich  erfreuen  oder  ihren  Scharfsinn 
versuchen.  Des  bequemeren  Druckes  halber  sind  die  Stücke  an- 
ders geordnet,  als  wie  sie  im  Papyrus  stehen. 

αίλουρος   opviv  οικιης   evebpe[uuiv 
κορυκος  οια  παασαλω  απηρτηθη 
τον   δ*  €ΐδ*  αλέκτωρ   πινυτος   αν- 

κυ[λοτλωχιν 
και  ταυτ  εκερτομηαεν  οϊυ  φωνή- 

σ[ας 
πολλούς  μεν  οιδα  θυλάκους  ibu)[v 

ηδη 
ουδείς  οδόντας  ειχεν  μειΣον  αίλουρου 
αγροικος    ηπειλησε    νηπιω    τιτθη 

κλαι[οντι 
αίγα  μη  σε  τω  λυκω  ρίψω. 


1  Τύμφη  bei  Stepbanus  von  Byzanz;   doch  siehe  Strabon  3250. 

'  Üsener  ergänzte  noch :  ή  δέ  Ιστορ(α  Ιχ€\,  ώς  μέλλουσαν  θύεσθαι 
Ίφιγένειαν  ή  "Αρτεμις  άρπάΕασα  άιτήγαγεν  εΙς  Ταύρους  [καΐ  ^κεί  Up€]t[a 
γε]νομένη  τής  'Αρτέμιδος 


Aus  dem  zweiten  Bande  der  Amheret  Papyri 


143 


λύκος  b  άκουσας  την  τε  γραυν  αλη- 

θυ€ΐν 

νομισας  €μ€τν€ν  ως  €τοιμα  &€ΐπνη• 

σαιν 

€(ΐις  ο  Ίταις    μτν  €σπ€ρας  εκοιμηθη 

αυτός  &€   tnvuiv  και  χάνων  λύκος 

οντος 

αιτηλθ€  ψυχραις  ελπισιν  ενεδρευαας 

λυκαινα  b  αυτσν  η  συνευνος  ηρωτα 

πως   ou6€v    ήλθες  αράς    uic    πριν 

ειωθεις 

ο  δ 
κακεινος  ciircv  ιταις  γαρ  ος  γυναικι 

πιστεύω 

αλυιι[ΐΓ€]κ  €χθραν  αμπελ[ου  τε  και 

κηπ[ο]υ 

■Ε€ν]η  θ€λτ\σας  π€ριβαλε[ιν  τις  α]ι• 

κειη 
[τη]ν    χερκον    άψας   και  λίνου    τι 

[π]ρ[οσδησα]ς 
αφηκε    φευγειν    την  b   επίσκοπος 

[δαιμ]ων 
εις  τας  αρουρας  του  βαλοντος  ωδη- 

Τ€[ι 
το  πυρ  ς>€ρουσαν  ην  δε  ληϊων  ωρη 

και  καλλεικαρ^ος  ελπίδων  πληρη[ς 
ουδ  £i6ev  ουτου  την  αλωα  δημητηρ 


luppus    autem    auditus   anucellam 

vere  dictu[m 
putntus  ni[a|n8it  quasi  parata  ce• 

naret 
dam  pner  quidem  sero  dormisset 
ipee    porro    esuriene    et     luppue 

enectus  ver[o 
redioit  frig^iti(8)  spebuB  ireetigia- 
tar  (prestigiaiaB  Blase) 
lappa  enim  eam  coniugalie   inter- 

rogabat 
quomod[o  n]ihil  tulitus  uenieti  8[iJ- 

cut  eole[bae 

et  ille  [dix]it  quomodo  euim  quis 

mulieiu  cr[edo 

bulbecula  inionfortunam  (Hegb.  &=> 

valpecalam  importunam]  binea- 
ri8q[ae  h]ort[i8qae 
peregrina    uolens    circomitti    quis 

8aeui[tia 
codam  8a[c]cen8a8  et  linei  quidem 

a[llijgatu8 
sinuit   fa[ge]re    [hjanc    speculator 

genius  malus 
infra  aruras  missuro  procedebat 

ignem  babbandam  erat  autem  tem- 

pus  sectilis 
et  pulcheri  fructus  spaearum  sorsos 
oportet    ergo    sereuae   magis   aut 

a 
inequa  iraaci 
nee  uidit  eine  ariis  Cereris 
est  quidam  ira  ultricis  quem  costo- 

diamus 
ipsismet   ipsis   nocentiam  ferentes 

animo8ali[bas 


Der  Papyrus  stammt  nach  Angabe  der  Herausgeber  ans 
dem  Ende  des  dritten  oder  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts, 
also  der  Zeit,  in  der  Babrius  besonders  eifrig  gelesen  worden 
iet^      Er  überliefert    die  Fabeln    in   einer  weit  schlechteren  Ge- 


*  Vgl.  O.  Crusius  de  Babrii  aetate  Lpz.  Studien  II  S.  237  flf. 


144  Hadermacher 

stall,  als  sie  im  Athone  stehen;  manche  Ahweichnngen,  wie  χό• 
ρυκος  οΤα  für  ώς  θύλακος  τις,    erweisen   sich    schon  durch  die 
Metrik  als  unhaltbar.     Es  ist  ein  verwilderter  Text,  wie  das  bei 
einem  Schulautor  leicht    vorkommen    kann.     Babrius    als  Schul* 
lektüre  ist  an  sich  nichts  Merkwürdiges;  aber  Beachtung  verdient 
nun  doch,    dass   er   so  früh  als  Unterlage  zum  Uebersetzen  ver- 
wendet   worden   ist.     Etwa    gleichzeitig   hat  Titianus  ^Aesopiam 
trimetriam    in  lateinische  Prosa  übertragen^;  dann  hat  man  ja  zam 
Gebrauch    für    die  lernende  Jagend  Fabeln,  griechiscli  und  latei- 
nisch nebeneinander»  veröffentlicht,  und  unter  den  Musterstucken 
des  Dosithens  stehen  denn  auch  zwei  Erzählungen  in  CholiambeD. 
Dositheus  ist  aber  nicht  der  einzige,  der  derartiges  gemacht  bat. 
Was  wir  an  Besten  dieser  Litteraturgattung  aus  dem  Mittel- 
alter noch  besitzen,    wird    erst   klar  werden,    wenn  es  ein  wirk- 
liches Corpus  fabularum  giebt.     So    finden    sich    im  Codex  Pari• 
sinus  Graecus  425,  einer  Miscellanhandschrift,  in  der  zB.  der  ge- 
fälschte Brief  des  Constantinus  über  seine  Taufe  und  die  Werke 
des  Hesiodos  nebeneinander  stehen,  am  Schlüsse  'institutiones  gram- 
maticae  latinae-graecae '  und  als  deren  Fortsetzung  drei  äsopische 
Fabeln  gleichfalls  griechisch  und  lateinisch ;  περί  bvo  φίλων  και 
δρκτου^,  π€ρΙ  αλώπεκος  καΐ  κιθαρωδοΟ,  περί  ΙξευτοΟ  και  ίχιως'. 
Sie  haben  mit  Dositheus  nichts  gemein.    Zur  Probe  sei  die  mitt- 
lere herausgehoben:  fol.  50  περί  αλώπεκος  κα\  κιθαρωδού. 

άλώπηε  εις  οΐκίαν  έλθοΟσα  κιθαρωοοΟ  και  έκαστα  ταιν 

αύτου  σκευών  διερευνημένη  εύρε  και  κεφαλήν 

μορμολυκίου  εύφυώς  κατεσκευασμενιν  ήν  και 

αναβουσα  ταΐς  χερσίν,  Ιφτ]  ώ  ο\ά  κεφαλή 

καΐ  τ&γαθον.  κα\  βέλτιον  είκεφαλον  ουκ  έφαλον  ουκ  έχει. 

δ  μϋθος  προς  δνδρας  μεγαλοπρεεις  (so  Ι)  μέν 

TUii  σώματι  κατά  ψυχήν  hk  αλλόκοτους 

de  uulpe  et  citaredo. 
Vnlpes  cum  in  domum  cuiusdam  citharedi  ingressa  esset 
quodlibet  eins  ex  instrum  indagabat  et  manibus 
pertractabat.  cumque  ita  indagaret  capitis  imaginem 
fictam  et  adumbratam  magna  arte  et  subtili  ingenio 
instructam  et  ornatam  inuenit.  eamque  in  manibus  oaptans 
hec  inquit,  o,  quam  pulerum  et  formosum.  oaput,  quod 
cerebro  quidem  uacuum  existit. 

1  D.  i.  Babrius?  Vgl.  Crusius  aaO.  S.  238  ^. 

2  Vgl.  Halm  f.  171. 

8  Vgl.  Halm  fab.  311. 


Aas  dem  zweiten  Bande  der  Amhent  Papyri  145 

hec  fabula  pertinet  ad  homines  corpore  quidem 
formosoe  et  magnos,  animo  antem  ignanoe.  et  inertes. 

Hier  ist  das  Latein  erträglicli,    das  Griecbisch  dagegen  in- 
zwischen um   eo  schlecliter  geworden. 

Den  Heet    der    Claeeica    übergehe    ich.     Es  ist   ein    bantes 
Allerlei,  Stücke  von  einem  Lexikon  zu  Odyssee  XV  ^  (Pap.  XVIII) 
und    Ilias  XI    (Pap.  XIV),    aus    einem    grammatischen    Traktat 
(XXI),  in  dem  Aristarchos  citirt  wird,  aus  Homer,  leokrates  προς 
Δήμονικον  und  Demostbenes  προς  Φίλιππον  β'.    Ausser  Isokrates, 
Demosthenes  und  Hypereides    bat    man   eben  in  Aegypten  keine 
attischen    Redner    gelesen.     Dazu  Papyrus  XIV,  das    Bruchstück 
einer  Abhandlung  überMantik^  in  der  die  Zeichen  bebandelt  werden, 
die  man   bei   der  Wahl  eines  Freundes  beachten  soll:   (ΤκοποΟντι, 
€1  αμεινον  φίλο  ν  ποιήσασθαι  τον  bepva]  σκεπτέον  τα  σημεία, 
61  Ιχεται   του  μαντευτικου  τρόπου.     Einiges   ist    nur    in    kärg- 
lichen Trümmern   erhalten,  so  der  Rest  eines  Epos  (?  XVI  ήλίου 
π .  .  .  eol.   3),     die   Ueberbleibsel  von  Versen,    hinter    denen    die 
Herausgeber  Arietophanes  vermuthen  (?  XIV),  endlich  ein  Frag- 
ment,   worin     von    sieben  Wölfen    (επτά  λύ[κοι]),    sieben  Löwen 
( έτττά  λ€Ό[ντ€ς]),  von  Wasser,  einem  Kruge  (κάλπ[ις]),  dem  Löschen 
^'ine8  Feuere   und  von  einer  Dame  Namens  Philinna  die  Rede  war ; 
ler  Zusainmenhang  ist  unklar.     Mit  Papyrus  XXIX  beginnen  die 
Ducuments    of  the  Ptolemaic  Period,    und    daran  schliessen    sich 
Fände,    die    bis    ins  7.  Jahrhundert  n.  C.  reichen.     Privates  und 
Amtliches,   Dekrete    und  Entscheidungen   von   allerhand  Würden- 
trägern neben    Petitionen,   Pachtverträgen,    Schuldscheinen,    Quit- 
tungen, Beschwerdeschriften  und  namentlich  auch  zahlreichen  De- 
nunziationen,   auB   denen  man    den  Eindruck   gewinnt,    dass  nicht 
lloss  Rom    seine   Delatoren  und  Athen  seine  Sykophanten  gehabt 
hat.     Interessant   ist   auch   die  Bittschrift  (Pap.  XXXV),   welche 
im  Jahr  132   v-   C-  die  Priester   des  Soknopaios   und    der  Isis  an 
deo Strategen  Apollonios  richten;  aus  schwerer  Krankheit  ist  dieser 
von  dem   grossen  Gotte  und  der  höchsten  Göttin  gerettet  worden, 
also  ist    es    seine   Pflicht    sich    dankbar    zu   erweisen  (Z.  31  ff.j. 
Keieh  vertreten    ist  dann  namentlich  die  Brieflitteratur,  an  deren 
Si>itze    ein    Crlase    des    Königs    Ptolemäus  Philometor    aus    dem 
Jahr  157   V-    C.    genannt  zu  werden   verdient.     Man  thut,    wie  in 
ähnlichen  Veröffentlichungen,  so  auch  hier  einen  rechten  Einblick 
iij  das   Leben    nnd    Treiben  der  Menschen  jener  Zeit. 


^  Yieles  läset  sich  da  noch  ergänzen,  wie  Z;  23.^)  €0[μηλος  πολλά 
πρόβορτα  €]χουσα,  Ζ.  243  αθύρματα  πα[ι]δ[ιαί]  usw. 

Bh^Uu  Uum^  t,  PWlol.  ».  F.  LVIL  10 


14β  ß.adefmactiei' 

Hier  giebt  es  noch  mancherlei  nachzatragen  und  zu  berich- 
tigen. Ν  38,  5  ff.  hat  wohl  gelautet  ορθώς  ου  ν  [έποίη]σας 
άκουσας  αυτών  [έρχο]μένΐϋν  [το  π]ρ[ώ]τον ;  es  handelt  sich  um 
zwei  Boten,  die  in  einer  wichtigen  Angelegenheit  geschickt  worden 
waren  und  vorher  zu  solchem  Geschäft  noch  keine  Verwendung 
gefunden  hatten.  Ν  64  ist  eine  protokollarisch  aufgenommene  Ent- 
scheidung des  Yibius  Maximus,  der  sich  als  Pr'afekt  yon  Aegypten 
für  das  Jahr  107  n.  C.  ausweist;  hier  ist  in  Zeile  7  die  Frage 
τίνος  και  τίνος  υπαρχόντων;  richtig  und  auch  nicht  durch  Inter- 
punktion zu  trennen.  Geradeso  heisst  es  in  einem  Isäusfragment 
(II  Buermann  X  Sauppe):  εισφοράς  λογίΖ^η  πόσας;  τό(Τας.  κατά 
πόσον  άργύριον  είσενηνεγμένας ;  κατά  τόσον  και  τόσον 
Ν  68,  67  ist  βασιλικός  vielmehr  als  Eigenname  zuj^fassen^;  es 
ist  ein  Kollege  des  Ursus,  der  gemeint  wird.  Der  Name  ist  so 
selten,  dass  es  schon  die  Mühe  lohnt  auf  ihn  aufmerksam  zu 
machen.  Ν  70,  4  ist  καθιστ[α]νόμ€νοι  sicher  zu  verstehen,  mög- 
lich aber,  dass  der  Verfasser  καθιστανάμενοι  geschrieben  hat. 
Mit  α  und  ο  in  den  Flexionsendungen  hat  man  es  in  Aegypten 
nicht  so  genau  genommen. 

Ν  76  ist  der  Eest  eines  Personaletand registers;  da  lässt 
sich  der  Schluss  noch  ein  wenig  verständlicher  gestalten.  Σείλ- 
βανός  λιθοτόμος  έπικεκλημένος  καλαβώτης  —  mit  dem  Bei- 
namen Eidechse*  — ,  ίτι  έν  τή  Τελέσψ  γίτων  ΣαβΙνι[ος]  έν• 
δρομαΐς  (ενδρομες  Pap.)  ίχιυν  τό  έργαστήριν  dh.  "für  Woll- 
mäntel (?)  habend  die  Werkstatt ' .  Im  guten  Griechisch  müsste  es 
freilich  heissen  έvbpoμίσιv  ίχιυν  τό  έργαστήριν,  aber  έν^ρομαΐς 
steht  nun  einmal  da,  ένδρομή^  mag  das  Volk  gesagt  haben  statt 
des  beinah  gleichklingenden  Wortes,  das  aus  Juvenal  (III  10*3 
accipit  endromidem,  VI  246  endromidas  Tyrias)  und  Martial  ge- 
läufig ist.  Weiterhin  wird  der  Mann  charakterisirt  als  ές  τα 
'Επίμαχης  γείτων  .  .  ατυ  Ιματιοπώλου.  Hier  ist  ές  τά^Επι- 
μάχης  Bestimmung  der  Richtung,  und  die  vage  Umschreibung 
mit  τά  ist  echt    hellenietisch;    sagt  doch  Aristeas  zB.  p.  31,  11 


*  Οοέγετος  ίκρινε  —  ώς  ΟΟρσος.  ούτος  δέ  καΐ  έΗής  Βασιλικός  έδή• 
λαχταν  κτλ. 

'  καλαβώτης  für  άσκαλαβώτης  auch  Septuag. 

β  Wir  wieaeu  sonst  nur  aus  Plutarch  de  mueica,  dass  Hiera,  eine 
Weise,  die  zum  πένταθλον  aufgespielt  wurde,  *  Ενδρομή  geheissen  habe. 
ένδρομ{ς  bedeutet  übrigens  ausserdem  einen  hochaufreichenden  Stiefel, 
und  auch  in  diesem  Sinne  könnte  ένδρομή  ('worin  man  lauft*)  ver- 
standen sein. 


Αηβ  dem  zweiten  Bande  der  Amheret  Papyri  147 


ανακλασιν  γαρ  ίχ«  τά   τών  τόπων  ^     Die  Septuaginta  hat  viel 
Entsprechend 68.     Was  endlich  den  Namen  des  Mannes  anbelangt, 
Bo   ist    wegen   des  Raumes  Σαβινιανός    oder  Σαβινίλλος  ausge- 
eohloseen,  Σαβίνιος   allein  denkbar;    Belege    gibt   der  Index  von 
CIL.  III  gerade    aus    griechischem  Gebiet    in  reichlicher  Menge. 
In  Ν  77  führt  sich  ein  Priester   ein:    [ου  θέλ(υ]ν  κατηγορ[ήσαι 
ά]λλά  ορών  τον  φίσκον  πέριγραφόμενον  ύπό  Πολυδβύκους,  wo 
man  die  Verwendung  des  Verbume  πβρίγράφω  nofiren  mag;    im 
nämlichen  Papyrus  int  unten   δπ€ρ  φαν€ρόν  τοΟτο  έτ^ν€το  ganz 
f50  richtig,    wie    etwa    in    Henoch  XVII   1   έν  φ  ol    οντες    έκεϊ. 
Charakterietiech    für    die  Sprache  sind  Formen  wie  βαΟτάζαντες 
(22)  αναδώναι  (24);  ein  neues  Wort  ist  Z.  91  προσεπίτροπος, 
wenn  richtig  Άρπαγάθης   als   κράτιοτος  του  κακοΟ  και  προσε- 
ιτίτροπος  bezeichnet  wird.     Denn   möglich    wäre    κα\    προς    als 
Adverbiale  zu  fassen,  wie  79,  32  καΐ  προς  άπό  τών  άρχόντιυν. 
In  Ν  78»  einer  Beschwerde  wegen  Bedrohung,  scheint  mir  nichts 
PO  sicher  als  dass  Z.  12  παvτobαπώς  μου  πλεονεκτεί  ανθριυπος 
α[υ]θάοης  zu  lesen  ist,  vgl.  Z.  20:  τοιαύτης  ουν  αύθαοείας  έν 

αύτώ  οοσης.  Ein  ασθενής  "έπαγγειλάμενος  εΙς  το  ίήν  έπι- 
χειρήίΤειν"  (Ζ.  19)  wäre  dem  Bittsteller  wohl  nicht  so  vieler 
Mühe  werth  erschienen.  In  Ν  79,  37  dürfte  συσκευώρημα  im 
Papyrus   stehen ;  die  Herausgeber  lasen  Ουσκερωρημα.    Das  Wort 

iftt  neu  und  muss  dasselbe  wie  ΟυΟκευή  "List,  Intrigue'*  bedeuten. 
Das    zugehörige    Verbum    συΟκευωρεϊσθαι    "gemeinsam    Ränke 
pchmieden"   hat  Demosthene»,  σκευώρημα  desgleichen.     lu  Ν  86 
mnss  der  Schluss  lauten:  επιθέματος   bk.  γενομένου  έΕεϊναί  σοι 
ίτεροις  μεταμκτθουν.    έάν  ούν  φαίνηται,  μισθώσαί  μοι  έπι  τού- 
τοις **βο  vermiethe  mir  unter  diesen  Bedingungen";  zweimal  (in 
έΕεΐναι  und    μκτθώσαι)  steht    der  Infinitiv   an  Stelle  des  Impera- 
tive; das  iet   volksthümlich,  vgl.  CIL.  7  8772  CIG.  Sic.  et  lt.  772. 
Die    Formel     kehrt    wieder   am  Schluss    von    Ν  90   und  91,    92, 
93:   έάν  φαίνηται,   μισθώσαι,   und   auch  dort  ist  sie  durch  vor 
j^eselzten   Punkt  abzutrennen.     In  Ν  117  entsprechend:  έάν  φαί- 
νηται,   κυρακται.   έάν  bk    μή  κυρωθώ,    ου    κατασχεθήσομαι    τή 
ύπο(Τχέ<Τ€ΐ.      Etwas   sehr  Beachte nswerthes   bietet    dann  Pap.  88 
'Ί28   p.  C),   da  in  ihm  άνά  in  distributiver  Bedeutung  erscheint. 
Denn  dae   άπότακτον  έκφόριον    wird    für  drei  Aecker  bestimmt; 
im  ersten   Jahr  auf  άνά  κριθής  άρτάβας  οκτώ,  im  folgenden  auf 
άνά  πύρου   άρτάβας  οκτώ.    Auch  die  nächste  Urkunde  (121  η.  C.) 


1  Vgl.  Wendland  Gott.  Gel.  Anz.  1901,  S.  784. 


48  Eadermacher 

erwähnt  άνά  [κριθής?]  άρτάβας  U  ήμισυ  καΐ  τφ  Ισίόντι  Γ 
ίτ€ΐ  τά  άπό  άναπαύματος  άνά  ττυρου  ti  ήμισυ  και  τά  άπό  κα- 
λάμης άνά  αργυρίου  ^ραχμάς  €Ϊκοσι  di.  je  zwanzig  Silber- 
drachmen.  Der  best«  Vergleich  aus  einem  litterariechen  Stück 
ietHenochX  19  <καθ'  ϊκαστον  ίτος  Iv  μίτρον)  έλαίας  ποιήσει 
άνά  βάτους  6έκα.  Ueberhanpt  ist  dieser  Sprachgebrauch  far 
jene  Zeit  meines  Wissens  nur  im  Kreise  der  biblischen  Schrift- 
stellerei  geläufig:  ίλαβον  άνά  δηνάριον  καΐ  αύτοι  ev.  Matthaei 
20,  10;  καΐ  λαβέτιυσαν  άνά  λαμπάδα  Protevangelinm  Jacobi 
νΠ  2;  έν€τκάτωσαν  άνά  ^άβδον  ebd.  VIII  3.  Jetzt  stellt  sich 
heraus,  dass  dies  echtes  Volksgriechisch  ist  und  an  fremdsprachigen 
Einfluss  nicht  gedacht  werden  darf  ^ 

Im  Papyrus  92  handelt  es  sich  um  die  Pacht  einer  Oel- 
mtihle,  die  von  Pferden  getrieben  wird;  daher  (Z.  20)  5ώσω  hi 
και  υπέρ  διπλώματος  ϊπ[πΐϋν]  δύο  τά  κατά  συνήθιαν  νόμιμα, 
wo  über  δίπλωμα  die  gelehrte  Anmerkung*  der  Herausgeber  zu 
vergleichen  ist*. 

^  Hier  sei  noch  ein  eklatanter  FhII  der  Art  abgethan.  κατήγωρ 
soll  nach  Schmiedel  p.  85  aramäische  Zustutzung  von  κατήγορος  sein. 
Thiimb  hat  ihm  weiter  nichts  als  συνήγυυρ  entgegengehalten,  das  freilieb 
allein  durch  rabbinisches  Schriftthum  bezeugt  und  deshalb  werthlos  ist 
(Gr.  Sprache  im  Zeitalter  des  Hellenismus  S.  126).  Inzwischen  fand 
Deubner  (de  incubatione  p.  119)  im  Enkomium  des  Therapon  einen 
πρόσμων  (1ϋ,  9)  =  προσμονάριος,  und  verglich  den  Eigennamen  ΤΤάρμων 
bei  Fick-Bechtel  Gr.  Personennamen  p.  205.  Ein  besserer  Beleg  ist 
vielleicht,  dass  dei'  διάκτορος  'Αργειφόντης  in  den  Scholia  Townleyana 
in  Iliad.  II  p.  98,  10  Maass  als  διάκτωρ  erscheint.  Dazu  διάκων  für  διά- 
κονος, ΤΤίνδαρ  für  Πίνδαρος,  s.  Krumbacher  bei  Deubner  aaO.,  wo  auch 
auf  ngr.  έπ(μυυν  =  επίμονος  hingewiesen  wird.  Endlich  der  Name 
Σίφωρ,  Σ(φωρος,  Σύμφορος  vgl.  Brinkmann  in  dieser  Ztschr.  54  S.  95 
Anm.  2. 

^  Dagegen  muss  Einspruch  erhoben  werden,  wenn  sie  Ν  110,  14 
den  Ausdruck  κατά  άσφάλειαν  όμολογείαν  in  κατά  άσφάλειαν  ομολογίας 
ändern  wollen;  dem  widerspricht  schon  καθ'  όμολογίαν  an  derselben 
Stelle  im  folgenden  Papyrus.  Also  die,  οΐς  Ποσειδών  ασφάλειας  έστιν 
ή  βακτηρία,  werden  eher  an  κατά  άσφάλειαν  όμολογίαν  als  Grundform 
denken;  wenn  die  Papyri  βραχή  für  βροχή,  αλκή  für  ολκή,  κάταχος  für 
κάτοχος  und  Umgekehrtes  schreiben,  so  wird  man  ihnen  auch  ein 
άσφάλειαν  verzeihen  (vieles  der  Art  hat  A.  Dieterich  im  Index  des 
Pap.  mag.  s.  litt,  ο  zusammengestellt);  doch  ist  auch  ein  Femininuzn 
άσφαλεία  zu  ασφάλειας  sehr  wohl  denkbar,  selbst  zu  ανοίκειος  giebt  es 
άνοικεία,  und  so  möchte  man  an  κατ'  άσφαλείαν  όμολογίαν  glauben. 

^  Pap.  101,2  vergessen  sie  zu  notiren,  dass  έπεlfÜΓ  έπΙ  steht,  was 
des  Sinnes  wegen  nothwendig  ist  und  daher  hier  kurz  angemerkt  sein  mag. 


Ααβ  dem  zweiten  Bande  der  Amberet  Papyri  149 

Interessant   ist  dann    weiter  Papyms  125,    eine  Recbnang 
für  ausgelegte  Begräbnisskosten.     In  Zeile  5  gebort  zur  Maske 
(προσαπΓΐυν)  wohl    nocb  ein  [€]^μά(τιον),    in  θ  sind    die  Kosten 
für    ein     στηθίν    (=  στηθίον)    ziemlicb    boob    berecbnet.      Die 
Herausgeber  vermutben  darin   einen  Halsscbmuek;    könnte  nicbt 
die  plastiscb  beransgearbeitete  Brnst  der  (weiblichen)  Mumie  ge- 
meint sein,  vgl.  Budge,   Α  Guide  to  the  first  and  second  £gyptian 
Booms,  T.  XXIV  (Wiedemann)?  In  Ν  126  (Anfang  des  2.  Jabrb.  n.  C.) 
vird  die  τιμή  Τ€ττάρων  χουν  ελαίου  auf  28  Drachmen  und  einen 
Obolen    angegeben,     χουν    lässt  einen  Genitiv   χών  neben  χοών 
erscbliessen  (vgl.  άναγνούστης  αναγνώστης  Κ.  Dietericb  S.  17. 
Mayser  Yokalismus  S.  18),  der  regelrecht  gebildet  ist  (Dietericb 
S.  43).     Die  Yerdumpfung  des  uj  zu  ου  ist    sehr    zu  bemerken. 
Ν  130  (70  ρ.  C.)    Brief   eines    Glutas   an   Eudychides  (so!)  den 
Gymnasiarchen ;    der  Mann   bat   offenbar  das  Griechisch  wie  ein 
Sachse  gesprochen;  denn  er  schreibt  auch  τιυΕις  für  ^όΕης.     Er 
bildet  eioe    dritte  PL  Perfecti  Τ€θ€λήκουσι.     Zu  seiner  Entschul- 
digung sagt  er  an  einer  Stelle:   περί  τε  τών  ιε  (άρταβών)  ούτε 
πλην  εύρων  οΰτε  κερόν  (db.  καιρόν)  γνούς,  άλλα  μεθ'  ημέρας 
δψωμαι    (dfa.  δψομαι),    wo    die   Herausgeber   richtig   πλέον    in 
πλην  suchen,  aber  gemeint  scheint  πλεΐν.     In  Ν  188,  9 :  πάρα- 
γενόμενοι  τάρ  έκεΐ  άντ{[α]  ένήκαν  ήμεϊν  δαπάνην   ουκ   όλίγην 
και  dJς  β)€ΐ  βρ[αχύτερο|ν  mag  man   das   ionische  Adverb  όντία 
notieren;    andere  Ergänzung  ist  unmöglich,   indem  nur  für  einen 
Buchstaben  Raum.     Weiter  beisst  es  και    μετά    πολλών    κόπων 
όνηκάσαμ€ν,    der  Verfasser   des  Briefs   hat    sich    όναγκάΖω    in 
αν'όγκά2Ιω  zerlegt;  er  braucht  sich  dessen  nicht  zu  schämen,  da 
die  Priester    des   grossen  Gottes    Soknopaios  in    einer  Bitteohrift 
vom  Jahr  132  vor  C.  (N  35,  23)  κατεγγεγυηκας  schreiben;  also 
κατ•  εγ-  fudui.     Noch   eine  Kleinigkeit  lässt  sich  in  Ν  135  klar* 
Btellen.     Die  Herausgeber  lesen:  άπ[ο]λήμψη  [πα]ρά Έρμοφ(λου 
κεράμου  μυριάδας  6ύο  εΙς  θραγη[ν],  έάν  γίνηται  ήμας  μή  ύπο- 
Τυως  άναπλ6Ϊν.     Sollte  da  nicht  vielmehr  υ   statt    des   unleser- 
lichen α  stoben  und  εΙς  θρύγην   verstanden   werden   müssen  dh. 
"für  die  Ernte**,  wie  es  auch  der  Sinn  empfiehlt?  Der  Ersatz  des 
τ  in   τρύγη    dnrch  θ  wäre    nicht    gerade   etwas  Absonderliches, 
vgl.  K.  Dieterich  S.  106,  Mayser  Gonsonantismus  8.  10;   an  das 
Schwanken  der  Handschriften  zwischen  τρυγονάυϋ  und  θρυγονάυα 
bei  Aristophanes  Eccl.  94  sei  nebenbei  erinnert. 

Ν   141    nnd  142  sind    zwei  Bittschriften    wegen    erlittener 
ύβρις.     In  1    verklagt   eine  Wittwe    ihren    eignen    Bruder    und 


150  Radermaoher 

deesen  Frau,    die  sie  halb    todt   geecblagen    hätten.     Das  wird 
draetiech  und  mit  köetlioher  üebertreibang  gescbildert:  κατ€ν6Τ• 
κόντες  εΙς  τό  ^^αφος  πληγοϊς  Ικοναϊς  με  κατέκτινον,  γρόνθοις 
τε  και  λοκτίσμασιν  καθ'  δλων  τιίιν  σωμάτιυν,  ώς  και  έπι  τών 
δψεών  μου  τά  οίδήματο  φαίνεται,  ήμιθανή  καταστήσοντες  ού- 
bkv  fjrrov  καΐ  τήν  περί  έμέ  έσθήτα  περιίσχεισαν.     Demostbenee 
(κατά  Κόνωνος  8)  bat  gleicbes  Miesgescbick  nicht  lebendiger  er- 
zählt.    Aber  der  alte  Bauer  in  Ν  142,  dem  Nachbarn,  mit  Keulen 
und  Schwertern  bewaffnet,  sein  Eigenthnm  abgenommen,  ist  zun 
Advokaten  gegangen,  weil  er  dee  Schreibens  unkundig  war.    Und 
der  hat  ihm  ein  gropses  Schriftetüok   aufgesetzt,    in    dem    es  an 
den  nötbigen  Schlagwörtern  nicht  fehlt.     μεταλθφρον]ουντ^ς  u 
τφ  περί  αυτούς  πλούτψ  κα\  τή  έπΙ  τόπων  τυραννία  χρώμ6νοι 
έμοΟ  τελούντος  ΛποκαρποΟνται,   so  heisst  es  von   den  Gegnern. 
Was  das  bedeutet,  versteht  man  erst,  wenn  man  die  Scholien  zu 
Demosthenes  Midiana  1  heranzieht:    κέχρηται   τη  προτάσει  bia 
τήν   ποιότητα  του  ΜειΜου*  πλούσιος   γάρ   και    μεγαλό- 
φρων.     οΐ    bk   τοιούτοι   μείΖους    είσΐν   τών   πολλών 
καΐ  ώς  τυραννικοί  ^ιαβέβλη ντσι,  vgl.  zu  3:  άντικρύς 
bia  τούτων  αΐνίττεται  τόν  τύραννον  (von  Meidias),  ζη7: 
δΕιός  έστιν  ώς  υβριστής    καΐ   τυραννικός    δημοσία 
κολασθήναι.     Dieses  Sttick   enthält   auch  Gelehrtes   im  Wort- 
schatz.   έπΙ  hk  όντιλέγουσιν  kann  dem  Zusammenhange  nach  nicht 
für  έπει  bk  ά.  stehen;  vielmehr  muss  in\  bk  ^ausserdem ^bedeuten. 
Das  hat  ja  Arrian  zB.  Anab.  II  7,  5.    Bei  Diodor  XIII  8,  5  hat  έπι 
bk  der  alte  Patmius,  drei  gute  Handschriften  geben  έπε\  bk,  was 
auf  dasselbe  herauskommt,  die  übrigen  Ιτ\  bk,  wie  im  Text  steht. 
Zu  beachten  haben  diese  Redensart   namentlich    die  Herausgeber 
des  Pausanias.     Bei  Ihm   ist  I  22,  7    έπι   bk   allgemeine  Ueber- 
lieferung,  wo  man  entweder  ίτΐ  bk  in  den  Text  nimmt  oder  sonst- 
wie sich  zu   helfen   suchte     V  7,  8   haben  έπι    bk    weitaus  die 
meisten   Handschriften;    einige    wenige    ίπειτα    bk    oder   ίπειτα. 
Das  Richtige  dürfte  demnach  έπΙ  bk  sein.     Auch  Π  13,  4  ist  es 
vielmehr  in  überliefertem    έπεί   fe    enthalten,    als  das    konjizirte 
ίπειτα. 

Gerade  die  letzten  Stücke  der  Veröffentlichung  geben  allerlei 
Interessantes  für  Grammatik  und  Lexikographie  aus.  Ν  144,  22 : 
τό  γαυνάκιον  έπράθη  b\'  έμου  σίτου  άρταβών  ^κα  di.  'der 
Pelz    wurde    von    mir  für  zehn  Mass  Getreide  verkauft*.     Von 

1  Vgl.  Michaelis  in  der  neueten  Ausgabe  z.  St. 


Aas  dem  zweiten  Bande  der  Amhersi  Papyri  151 

καυνάχης  abgeleitet  ist  ein  Dem.  καυνάκιον,  dae  sich  in  byz.  Prosa 
belegen  läset.     Merkwürdig  ist  nun  die  Erweiobung  des  κ  ζα  γ, 
vgl.  τυβ€ρνήτης    κυβ€ρνήτης,    im  Aegyptischen    eben    so  selten, 
wie  das  umgekehrte  bäufig.     Ans  unseren  Papyri  ist  die  Scbrei- 
bnog  όγγάλαις  statt  άγκάλαις  150,  25   zu  vergleicben,   oder  in 
Ν  79  έγμετρηταί   für    έκμετρηταί.     Ν   145,  4  ff.    kann    meines 
flrachtens  nichts   anderes    gestanden    baben    als:    βούλομαι    μέν 
καταειωθήναι,  άά  τράφ€ΐν  τή  σή  θβοσεβείςι  κα\  προσαγορεύειν 
την  [όν€]φάμιλλόν   σου  καλοκάγαθίαν.     Für  den  Cnrialstil    be- 
zeichnend ist  die  TJnmöglicbkeit,   den  Angeredeten  anders  als   in 
einer  Umschreibung   zu  nennen.     Der  Scbluss  dieses  Briefes   ist 
absonderlich  :    προσαγορεύω  τήν  σήν  biaOeaiv  και  τά  φ{λτατά 
(Του  τά  πάντα,  hier   darf  man  sieb  an  Petrons  topanta  erinnern, 
—  TouTo  γαρ  προτάττβσθοι  εολογον  feljbota  π€ρ\  τών  αυτών 
ύτταρχθήναί  —  dies  ist  beinahe  gar  nicht  zu    übersetzen,    steht 
aber  zweifellos    für   elbOTa  δτι  περί  τών  αυτών  (seil,  τών  φιλ- 
τότων)  έμοι    υπάρχεις,    was   regelrecht    ins  Passiv    versetzt   so 
lautet:  clbOTO  δτι  π€ρ\  τών  αυτών  ύπάρχομαι  (ύπό  σοΟ).  Ν  147,8 
δσπ6ρ  έπάναγκες  έκνεάσας  αποκαταστήσω  (seil,  όρτάβας  πύ- 
ρου) ist  έκνεάσας  wohl  für  έκνεασάσας  verschrieben ;  wenigstens 
ist  Ικν^άΙω  sonst  intransitiv.  So  steht  αγοράς  für  όγοράσας  bei 
Grenfell  Hunt  Hogarth  119  p.  275*.     Ν  150,  20  ein  Beleg  für 
erstarrtes  πλήρης,  vgl.  Brinkmann  in  dieser  Ztschr.  LIV  (1894) 
S.  94,  es  ist  also  nichts  zu  emendiren.     Die  in  Ν  153  erwAhnten 
Ταώέρια    sind  übrigens  keine  Bauern,    sondern  Esel;    schon  Du 
Gange  v»  άe\bapoς  hat  über  das  Wort  alles  Noth wendige  gesagt, 
cov  bk  έκφρήσης   ebd.  Z.  15   dürfte    die  Lexikographen    inter- 
essiren;   da  kommt  ein  glossematiscbes  Wort  im  Jahr  592  n.  C. 
plötzlich  zum  Vorschein.    Der  Scbreiber  von  156  verwechselt  die 
Casus:    θ€λήση   ή   σή  αδελφότης   boOvai  τόν   γραμματηφόρον 
(Pap.  τιυν  γραμμοτιφορίϋν)  ταριχίου  κυτίνια  επτά  *  es  möge  der 
Herr  Bruder  die  Gewogenheit  baben,  den  (so  1)  üeberbringer  des 
Briefs  sieben  Fäeschen  Pöckelfisch   einzuhändigen',     κυτίνιον  zu 
κύτος  ist  neu. 

Und    nun    zum  Schlüsse    noch    ein  Wunsch:    dass    der    so 
reichen  und  schönen  Gabe  bald  weitere  folgen  mögen. 

Bonn.  L.  Radermacher. 


Ϊ  Vgl.  Bnecheler  Rh.  Mue.  LVl  (1901)  S.  325. 


ν/ 


DIE  INSCHRIFT  DER  APHAIA  AUS  AEGINA 


ToO  δεινός  Κλ]€θίτο  Ιαρ^ς  έόντος  τόφαίαι  ώι9ος 
ώικο6ομ]ήθη  χώ  βιυμός  χώλέφας  ποτεποιήθη 
χώ  π€ρίβολο]ς  π€ρι[6]ποιήθη. 
Von  der  Inechrift  der  Aphaia,  die  uns  die  bairiechen  Aus- 
grabungen auf  Aegina  geeobenkt  haben,  hat  Fnrtwängier  ein,  wie 
der    mir    durch    seine  Güte    zugegangene  Papierabklatech    zeigt. 
vorzüglich  es  Faceimile  in    den  Sitzungeberichten    der    Münchener 
Akademie  1901  S.  372  mitgetheilt  ^.     Die  Ergänzung  dee  Namens 
in  Zeile  1    rührt  von  ihm  her  und  schwerlich  giebt  ee  eine  andre. 
Indem    er    aber  Κλ€θίτα    an    den  Anfang    stellt    und   in  Zeile  2 
έποι]ήθη  liest,  erreicht  er,    wie  ihm   auch    nicht    entging,    keine 
gleichmässige  Kaumausfüllung :    der   Eigenname    wäre    zu    kurz. 
Eine  solche  Anordnung  ist,    zumal  bei  der  grossen  Sorgfalt  der 
schönen  Schrift  ganz  unmöglich ;  sie  wird  corrigiert,  wenn  wir  in 
Zeile  2  ein  längeres  Wort,  das  ich  gegeben  habe,  einsetzen  und 
Κλ€θίτα  als  Bezeichnung  des  Vaters  nehmen,  dem  also  der  Name 
des  Priesters  voranstand ;  passend  wäre  unter  vielen  anderen  zB. 
Λυαια.     Das  zu  Anfang  der  dritten  Zeile  verlorene  Wort  endete 
auf  Sigma,  dessen  Obertheil  ich  auf  dem  Abklatsch  erkannt  habe; 
von  den  Vorschlägen  Furtwänglers  enthält  zwar    και    τό  τείχος 
die    gleiche  Buchstabenzahl    wie    mein   χώ  περίβολος,    ist   aber 
wegen  seiner  zwei  Iota  dem  Räume  nach  weniger  wahrscheinlich^. 
Aber  das  gütige  Grlück  hat  uns  so  viel  von  der  kostbaren 
Urkunde   bewahrt,  dass  auf  die  Ergänzung  wenig  ankommt.  Sehr 
wichtig  dagegen  ist  uns',    ob  Furtwängler  mit  Eecht    für    ausge- 
macht hält,  dass  der  Vorgänger  des  uns  erhaltenen  Tempels  und 
damit  auch  dieser  der  Aphaia  gehört  hat. 

^  Dass  in  Zeile  2  das  X  kenntlich  ist,  hat  Furtwängler  selbst 
Berliner  philolog.  Wochenschrift  1901,  1088  nachgetragen. 

2  Ich  freue  mich,  dass  Furtwängler  moiner  Ergänzung  brieflich 
beigestimmt  hat.  —  Bemerkeuswerth  in  der  Inschrift,  die  sicher  dem 
sechsten  Jahrhundert  angehört,  ist  der  frühe  Schwund  des  Vaw  von 
Ροΐκος.  Ebenso  steht  auf  einem  andern  bei  den  gleichen  Ausgrabungen 
gefundenen  Steine  κήργων  für  καΐ  "Εργων. 


Die  Inschrift  der  Apbaia  aus  Äegina  163 

'Der  Gebrauch  des  Wortes  οΤκος  oder  οίκημα  für  den  Cult- 
ranm  einer  Gottheit  ist  dnroh  mancherlei  Analogien  zu  belegen*, 
BSLgt  Fnrtwängler  S,  373,     Die  beiden  Worte  sind  sehr  yerschie- 
(ien ;  οίκημα,  das  einen  ebenso  allgemeinen  Begriff  hat  wie  nnger 
Bauwerk*,    ist  fiir  die  Tneohrift  gleichgiltig ;    betreffe   οΤκος  hat 
Fnrtwängler  unzweifelhaft  Recht:  er  führt  mit  der  Inschrift  ans 
Thiabe    CIGr,  SepL  I  2733,    in    der    ein    οΤκος    κα\  Διόνυσος, 
sicher  eine  Aedicula   mit   Cnltbild,    geweiht  wird,    einen  späten, 
aber   passenden  Beleg  an.     Aber   wir  müssen  den  Gebrauch  des 
Wortes   genauer    festzustellen    versuchen.      οΤκος    kann    ebenso 
*Haus    bedeuten  wie  'Gemach^;    man  sollte   also  erwarten,   dass 
ein  in  einem  Tempelbezirk   befindlicher   οίκος   sowohl    ein  Raum 
des  Tempels  als  ein  von  ihm  abgetrennter  besonderer  Raum  sein 
könnte.     Aber  die  erhaltenen  Inschriften^  kennen  nur  die  zweite 
Verwendung;  die  sichersten  Belege  sind  folgende.    Ein  Εύ6ώρ€ΐθς 
οίκος,  di.  wie   Conze  richtig   erklärt,   eine  Stiftung  des  Eudoros, 
im  Heiligthum     des  Apollon    zu   Anaphe    ist,    da    es  zur  Ortsbe- 
«timmnng  dient,   nothwendig  ein  eigner  Bau  {CIGr,  Ins.  III  248 
Z.  12);  CIGr.   3163  wird  ein  den  Nemeseis  in  einem  Nemeseion 
geweihter  οΤκος  ausdrücklich  als  neben  den  Tempel    gesetzt  be- 
zeichnet (τον  παρατεθ^ντα  οίκον).     Ebenso  wird  man    sich   τόν 
o?KOV  τόν  iv  TUJi  Upoii,  der  den  Priestern  von  Andania  als  Ge- 
pchäftslokal     dient    (Dittenbergers    Sylloge   653    Z.    113),    nicht 
innerhalb  dee  Tempels  vorstellen. 

Also  so  weit  war  Fnrtwängler  im  Recht,  als  er  den  οΤκος 
der  Aphaia  für  ein  selbständiges  Bauwerk  ansah.  Aber  unmög- 
lich kann  das  Wort  den  Tempel  bezeichnen ;  niemand  wird  glau- 
tien,  dass  lepct  οΤκοι  nicht  ein  völlig  synonymer  Ausdruck  wäre 
fiir  Upai  οΐκίαι,  die  wie  Ulrich  Köhler  (Athen.  Mittheil.  7,  373) 
end^'ltig  gelehrt  hat,  'Dependenzen  der  dabei  stehenden  Tempel 
waren,  die  man  ganz  mit  Unrecht  ^  einfach  für  Tempel  genommen 
Hat'.     Man  wende  nicht  ein,    dass    unsre    positiven    urkundlichen 


^  Die  vollständigste  mir  bekannte  Beispielsammlung  hat  Conze, 
f^ntersuchungen  auf  Samothrake  I  41  zusammengebracht ;  dazu  Wend- 
land und  Kern,  Beitrage  114.  —  Nicht  ganz  her  gehörig  ist  die  von 
Fartwäogler  angfeföhrte  Inschrift  bei  Wendland  und  Kern  S.  112  = 
Kern,  Inschriften  von  Magnesia  n.  94.  Da  das  Wohlwollen  gerühmt 
^ird,  das  jemand  €ΐς  τόν  οίκον  τόν  Upov  καΐ  είς  τόν  όήμον  hegt,  der 
Begriff  des  οίκος  also  dem  des  όήμος  parallel  sein  muss,  bezeichnet 
♦^s  die  Genossenschaft,  die  in  dem  οΐκος  tagt,  eine  Uebertragung  die 
auch  die  modernen  Sprachen  vornehmen:  chambre,  Abgeordnetenhaus• 


154  Fränkel 

Zeugnisse  alle  viel  jttnger  sind  als  die  Inecbrift;  als  ungiltig 
darf  sie  nur  betrachten  wer  sie  durch  ältere  Urkunden  wider- 
legen kann,  aber  in  unseren  sacralen  Bauinsobriften,  die  doch 
bis  hoch  ins  vierte  Jahrhundert  hinaufreichen,  wird  der  Tempel 
immer  ναός  genannt,  niemals  οΤκος. 

Wenn  also  der  Aphaia  ein  οΤκος  errichtet  wird,  so  muee 
ein  Tempel  in  dem  gleichen  Temen os  vorhanden  gewesen  sein. 
Nehmen  wir  an,  dass  schon  dieser  Tempel  der  Aphaia  gewidmet 
war,  so  könnte  der  οΤκος  nur  untergeordneten  Zwecken  der  Ver- 
waltung gedient  haben;  würde  man  dann  seine  Errichtung  in 
einer  so  monumentalen  Bekundung  an  erster  Stelle  anführen? 
Vielmehr  ist  die  änsserste  Wahrscheinlichkeit,  dass  unser  οίκος 
den  Gült  der  Aphaia  aufnahm,  dass  nothwendig  also  die  Gottheit, 
die  im  Tempel  verehrt  wurde,  von  Aphaia  verschieden  war. 
Welche  war  es  ? 

Dass  der  Tempel  nicht,  wie  man  früher  allgemein  annahm, 
der  Athena  gehörte,  halte  ich  mit  Furtwängler  für  unzweifelhaft; 
denn  der  an  seinem  ursprünglichen  Orte  gefundene  Grenzstein 
ihres  Heiligthums  war  gute  anderthalb  Stunden  von  unserem 
Tempel  entfernt^).  Weiche  andere  Gottheit  sollte  aber  mit  Aphaia 
ihre  Gnltstätte  getheilt  haben  als  Artemis,  der  sie  wie  Pausaniae 
Π  30,  3  sagt  μάλκττα  φίλη  war,  die  eine  Glosse  des  Hesych  gradezn 
identisch  nennt:  'Αφαία*  ή  Δίκτυννα  καΐ  "Αρτβμις? 

Und  dass  in  der  That  die  Cultptätte  der  Aphaia  auf  Aegina 
im  Temenos  der  Artemis  war,  ist  überliefert.  Antoninus  Li- 
beralis 40  erzählt  έΕίκ€το  f)  Βριτόμαρτις  €ΐς  Αϊγιναν  έν  πλοίψ 

.  άποβδσα  έκ  του  πλοίου  κατίφυγεν  εΙς  άλσος,  δθιπερ 

έστι  νυν  αυτής  τό  Ιερόν,  κάνταυθα  έγ^νετο  αφανής  [και 
ώνόμασαν  αυτήν  Άφαίαν*].  έν  δέ  τψ  ^βρψ  της  Άρτίμιδος 
τόν  τε  ^  τόπον  έν  φ  αφανής  έγενετο  ή  Βριτόμαρτις  αφιέρωσαν 
Αίγινήται  και  ώνόμασαν  <αύτήν>  Άφαίαν  και  Ιερά  έπετέλεσον 
ώς  θεψ.  An  der  richtigen  Benutzung  dieses  werth vollen  Zeug* 
nisses  konnte  Furtwängler  nur  das  Vorurtheil  hindern,  daes  οίκος 


*  Wolters,  Athen.  Mittheilungen  14,  116. 

*  Diese  Worte  scheint  der  neueste  Herausgeber  Martini  mit  Recht 
eingeklammert  zu  haben,  der  sonst  die  Stelle  wenig  glücklich  behandelt. 

®  So  0.  Schneider;  überliefert  ist  bi.  Furtwancrler  sagt  S.  378: 
*DaBS  das  Artemis-Heiligthum  ein  von  dem  Orte  der  Verehrung  dei 
Aphaia  getrennter  Ort  war,  geht  mit  Sicherheit  aus  dem  gegensätzHcli 
gegenüber  gestellten  folgenden  τόν  bi  τόπον  hervor*.  Aber  das  am 
knüpfende  bi  ist  doch  nicht  dasselbe  wie  άλλα.  ' 


Die  Inschrift  der  Aphaia  aus  Äegina  155 

(ien  Tempel  bezeicbne.  Auch  Paunanias  II  30,  3  sagt  von  der 
Aphaia:  ταύτη V  μέν  θ€Ον  έποίησεν  "Αρτεμις. 

Mir  ereobeinen  die  Gründe  zwingend ;  es  wird  eingewendet 
werden,  daea  Pausaniae  das  \ερόν^  Αφαίας  nennt,  ohne  doch  den 
dabei  etebenden  Tempel  zu  erwähnen.  Aber  wenn  dies  bei  an- 
'lern  Seh riftstel lern  Gewicht  hätte,  bei  dem  an  Wunderlichkeiten 
reichen  Paneaniae  bat  es  keines:  es  ist  pflychologincb  leicht  er- 
klärlich, dase  ibn,  der  wie  bekannt  iet  gierig  war  nach  Cult- 
raritäten,  dae  TntereRse  an  der  verschollenen  Aphaia  hinnahm 
nnd  daps  er  über  der  anefnhrlicben  Nachricht  die  er  von  ihr  gab 
die  ErwähnuTig  des  Hanpttempels  vergase.  Es  konnte  dies  um 
i-o  eher  geschehen,  aln  er  zn  seiner  Zeit  längst  nicht  mehr  in 
Gebrauch  war  ;  der  ganze  Platz  war,  wie  Furtwängler  (S.  389) 
mgt,  früh  verödet,  nach  den  Funden  schon  seit  dem  fünften  Jahr- 
hnndert.  So  kann  es  auch  nicht  in  Verwunderung  setzen,  dase 
die  Agineten  eich  in  der  unteren  Stadt  einen  zweiten  Artemie- 
fempel  bauten,  den  Pansanias  II  30,  1   nennte 

Dase  in  beiden  Giebelfeldern  Athena  die  Hauptstelle  ein- 
nimmt, ist  eine  Discrepanz,  die  wir  als  belehrende  Thatsache  an- 
zuerkennen haben;  sie  bleibt  bestehen,  wem  man  auch  den  Tempel 
zuschreiben  will,  da  er  der  Athena  nun  einmal  nicht  gehört  hat. 
Es  ist  doch  auch  verständlich,  dass  man  an  dieser  bevorzugten 
Stelle  das  Geecblecht  des  Landesherren  Aiakos  durch  Darstellung 
ihrer  nationalen  Kriegsthaten  verherrlichen  wollte,  und  die  Gott- 
heit, die  nach  dem  Bedtirfniss  der  Giebelcomposition  die  Mitte 
einnehmen  musste,  konnte  dann  nur  eine  kriegerische  sein,  wie 
Athena*. 

Wir  müesen  noch  einmal  zur  Inschrift  zurückkehren.  Wenn 
«ich  der  Auedruck  χώ  βωμός  ποτεποιήθη  auf  die  eben  errichtete 
Kapelle  der  Aphaia  bezöge,  wie  wunderlich  wäre  er.  Das  für 
♦-in  Heiligthum  vresentlicbste,  der  Altar,  wird  nicht  *  zugefügt'; 
ier  οίκος  ist  ohne  ihn  gar  nicht  denkbar.  Die  Inschrift  kann 
JURser  von  dem  Hause  der  Aphaia  von  allen  Theilen  des  Te- 
rnt-noa  berichten,  in  dem  sie  aufgestellt  war:  es  wurde  dem  vor- 
handenen   Altar  der  Artemis  ein  zweiter  beigesellt.     Da  der  Aus- 


^  Unter  den  sehr  wenigen  Weihinschriften  von  Aegina  gilt  eine 
ifbt-n  Zeue  und  Athena  der  Artemis  (LeBas,  A'^oyage  II  Ιβ83). 

*  Üeber  die  Bedeutung  der  Athena  im  Giebel  vergleiche  man  die 
cliönen  Aueführungen  Furtwänglers,  Beschreibung  der  Glyptothek 
>.  156  f. 


156  Fränkel  Die  Inechrift  der  Aphaia  aus  Aegina 

druck  auf  die  Kapelle  der  Aphaia  nicht   paeet,    ist   er   eine  Be- 
stätigung, dase  sie  nicht  allein  stand.     Unter  ό  έλέφας  versteht 
Furtwängler  das  elfenbeinerne  Cultbild  der  Aphaia,  für  das  aber 
80  wenig  wie  für  ibren  Altar  das  Verb  am  angemessen  wäre;  das 
richtige  Wort    wäre  \&ρύθη.     Aber    wo   hat  ό  έλέφας  diese  Be- 
deutung?   Es   ist  als  *  der  Elfenbeinschmuck*   aufzufassen;   auch 
zu  diesem  stimmt  ποτ€ποιήθη    nicht,    wenn    er   an    dem  neuen 
οΓκος  gleich  bei  dessen  Bau  angebracht  worden  wäre.    Also  wird 
auch  er  dem  schon  bestehenden  Tempel  hinzugefügt  worden  sein, 
wohl  seiner  Tbür,    wie  die  Thür  des  Asklepiostempels  von  Epi* 
dauros  nach  Zeile  65   der  Bauinschrift    reich    mit  Elfenbein    ge- 
schmückt war.     Der  περίβολος  hat  natürlich  den  ganzen  Bezirk 
umschlossen :    unsere    Inschrift    giebt    Kunde  von   seiner   Aasge- 
staltung, in  der  die  Kapelle  der  Aphaia  nur  ein  Glied  war. 

M.  Fränkel. 


MISCELLEN 


Zum  I.  Stra88l>«rger  Arehiloehos-Fragmeiite 

R.  ßeitzeo stein,  Zwei  neue  Fragmente  der  Epoden  des  Ar- 
cbilocboe,  Berl.  Sitzgsber.  1899  S.  857  ff.  las  in  dem  I.  Frag- 
mente, das  die  Verwünschung  eines  eidbrüchigen  Freundes  ent- 
hält nnd  von  Hör.  Epod.  10  frei  nachgeahmt  ist,  'in  Zeile  3  €u- 
φρον€<Τ  .  .  .  nTid  ergänzte  dieses  mit  H.  Diels  zu  €ύφρονέ<τ[τατα]. 
Der  kalte  Hohn  dieser  Litotes  passt  recht  gut  zum  scharfen 
Grundtone  des  Gedichtes,  wirkt  aher  nach  meinem  Gefühle  nicht 
mehr  recht,  nachdem  schon  γυμνόν  vorausgegangen  ist.  F.  Blass, 
der  die  Papyraehruchstücke  selber  studiren  konnte,  sah  bloss  €U- 
φρον[  .  .  und  ergänzte  dies  im  Ehein.  Mus.  55  (1900)  S.  343 
zu  τέμνον  €ύφρόν[ων  βροτών].  Diese  Ergänzung  trifft  schwer- 
lich das  Richtige.  Der  Ausdruck  ist  viel  zu  matt  für  dieses  Ge- 
dicht. Der  Sinn  von  γυμνόν  wird  durch  den  da/.ugesetzten  Ge- 
netiv ah^e«ch  wacht ;  der  Schiffbrüchige  strandet  *  nackt*,  nicht  *der 
Hilfe  wohlwollender  Sterblichen  bar.  Aehnliche  Einwände  erhob 
iregen  den  Vorschlag  von  Blass  auch  neulich  Am.  Hauvette, 
Revue  des  6tud.  grecq.  14  (1901)  S.  73,  ohne  jedoch  selber  eine 
Ergänzang*    der  Stelle  zu  wagen. 

Id  βύφρον  .  .  .  ist,  wenn  ich  mich  nicht  täusche,  ein  das 
Grässliche  der  Situation  noch  steigender  Ausdruck  zu  suchen, 
dieser  aber  dürfte  €ύφρόν[ης  σκότψ]  oder  σκότει  sein.  Ich  ver- 
mag freilich  die  Verbindung  εύφρόνης  σκότος  nicht  zu  belegen, 
rinde  sie  aber  durchaus  unanstössig.  Dass  bei  εύφρόνη  früh 
jeie  Erinnerung  an  den  Grundbegriff  der  milden,  freundlichen 
Sacht  oder  ^ar  der  Freude  (ευφροσύνη)  verschwunden  ist,  zeigt 
-hon  Hesiode  μακραι  γαρ  έπίρροθοι  εύφρόναι  είσίν  (W.  u.  Τ. 
•  βό :  vgl.  Goettling  zu  Vs.  524).  Wollte  trotzdem  jemand  in 
jriserer  Stelle  diese  Grundbedeutung  noch  durchschimmern  sehen, 
ο  würde,  mein'  ich,  gerade  das  Oxymoron,  der  innere  Gegensatz 
ler  Begriffe  €ύφρόνη  und  σκότος,  aufs  Beste  zum  Stiloharakter 
iei*er    Verse    deeArcbilochos  passen. 

Paläograpbiech  steht,  wenigstens  bei  der  Lesung  von  Blase, 
er  von  mir  vorgeschlageTien  Ergänzung  nichts  im  Wege.  Da 
3h  in  dem  Faceimile  bei  ^eitzenstein  weder  εο  noch  uj  zu  er- 
;ennen    vermag',     so   wage  ich   auch   nicht,    mit  irgend    welcher 


158  Miscelleti 

Sicberbeit  zu  behaupten,  daes,  \7ie  mir  allerdinge  wabrecbeinlicli 
ist,  über  dem  ο  von  ευφρον  der  Beet  eines  Accentee  sichtbar 
sei.  Ist  das  der  Fall,  so  ist  6ύφρονέ(Τ[τατα]  unrichtig,  während 
die  Ergänzung  €ύφρόν[ης  (Τκότιυ]  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnt. 
Wenn  Keitzenstein  Zeile  2  des  gleichen  Brnchsttickes  πλα• 
ΖΙόμενος  richtig  gelesen  hat  —  Blase  erklärt,  das  Sigraa  nicht 
zu  erkennen  —  so  scheint  mir  hinter  diesem  Worte  ein  Punkt 
angemesen.  Mit  Vers  3  beginnt  ein  neuer  Satz,  der,  durch  die 
Parenthese  ίνθα  ττόλλ*  άναπλήσει  κακά  |  bouXiov  δρτον  äuüv 
unterbrochen,  mit  ^ίγει  πεπηγότ'  αυτόν  seinen  Abpchluss  findet. 
Ist  das  wirklich  so  'ungeheuer  hart',  wie  Blase  aaO.  S.  344  be- 
hauptet? Ist  etwa  die  Verbindung  von  V.  12  ταυτ'  έθ^λοιμ'  αν 
Ιοεΐν  mit  V.  13  δς  μ'  ήοίκησε,  λάΗ  b'  έφ'  όρκιοις  ίβη  nicht  auch 
hart?  Die  Härte  der  Construction  darf  in  einem  Gedichte,  wie 
dem  vorliegenden,  nicht  Anstoss  erregen.  Uebrigens  ist  das 
Nachhinken  von  ^ίγει  πεπηγότ'  αυτόν  durch  die  Epanalepsie  von 
αυτόν  gemildert,  während  dieses  αυτόν,  wenn  es  auf  ein  ihm 
näher  stehendes  Verbum  als  λόβοιεν  bezogen  werden  müsste, 
geradezu  lästig  wäre. 

Frauenfeld  (Schweiz).  Otto  Schulthese. 


Dionys  de  Lysia  p.  32,  12  (p.  496  R.) 

Dass  der  Guelferbytanus  und  die  mit  ihm  verwandten  inter- 
polirten  Handschriften  (interpolirt  nenne  ich  sie  auch  noch,  nach- 
dem Blass^  das  Gegentheil  behauptet  hat)  im  iudicium  de  Lysia 
gelegentlich  einen  Text  bieten,  der  auf  den  ersten  Blick  sich  als 
ganz  vortrefflich  empfiehlt,  aber  trotzdem  im  Widerspruch  zu  dem 
durchgehenden  Sprachgebrauch  des  Autors  steht,  habe  ich  Fleck. 
Jahrb.  1895  S.  243  ff.  an  zwei  Beispielen  deutlich  zu  machen 
versucht.  Die  Sache  ist  ja  doch  auch  für  die  Kritik  der  bei 
Dionys  erhaltenen  Lysiasreden  von  prinzipieller  Bedeutung.  Des- 
halb füge  ich  hier  einen  neuen  Beleg  hinzu,  weil  sich  durch  ihn 
auch  Thalheim  in  seiner  jüngst  erschienenen  Lysiasausgabe  hat 
täuschen  lassen.  S.  496  R  nämlich  bieten  sowohl  der  Floren- 
tinus  als  der  Ambrosianus  mit  seiner  Sippe:  την  έΕίταίΤίν  υπό 
ταιν  ύπ'  εκείνου  γραφέντων  ποιήσομαι,  eine  Lesung,  die  selbst- 
verständlich unmöglich  ist.  Im  Guelferbytanus  nebst  Verwandten 
dagegen  steht  την  έΕέτασιν  άπό  τών  ύπ'  εκείνου  γραφίντων  ποιή- 
(Τομαι;  das  scheint  einleuchtend,  und  so  haben  denn  alle  früheren 
Herausgeber  und  neuerdings  wieder  Thalheim  geschrieben.  Aber 
der  feststehende  Brauch  fordert  die  Verwandlung  von  υπό  in 
έπΙ,  wie  ich  hergestellt  hatte.  Wenn  irgend  ein  Schriftsteller, 
so  hat  Dionys  seine  stehenden  Redensarten;  schon  die  Zusammen- 
stellungen von  Sadoe  könnten  dies  jedermann  veranschaulichen^. 


1  Vgl.  jetzt  auch  Fuhr,  G.  G.  A.  1901  S.  105. 

3  De  Dionysii  Hai.  scriptis  rhetoricis  p.  261  (177)  sq. 


Miscellen  159 

Αίβο  zB.  de  Dem.  p.  976  πάρβστι  τφ  βουλομένψ  σκοπ€Ϊν  in* 
αυτών  ποιουμένψ  των  παραδειγμάτων  την  έΕ^τασιν,  ρ.  1001 
την  άκριβεστάτην  βάσανον  έπι  των  ομοίων  ίργων  λαβοΟσαι 
(από  sollte  man  hier  doch'  wahrhaftig  eher  erwarten),  p.  1008 
πάρβστι  τψ  βουλομενψ  σκοπεϊν  ίιά  τής  άρτίως  πορατεθείσης 
λε'Εειυς  ποιουμένω  την  ΙΙέτασχν  vgl.  de  leaeo  ρ.  592.  άπό 
findet  eich  in  ddm  Zusammenhang  überhaupt  meines  Wissens 
nirgendwo,  wohl  aher  έπί  noch  als  das  gewöhnliche  in  ähnlichen 
Verbindungen :  vgl.  έπι  των  παραδειγμάτων  σαφές  τι  ποιεϊν 
de  Dem.  1118,  ίσται  δέ  τούτο  φανερόν  έπι  των  παραδειγμά- 
των de  comp.  ρ.  86,  άπεδείκνυον  έπι  των  παραδειγμάτων 
ebd.  ρ.  180,  απάντα  έπε£ιέναι  έπι  των  παραδειγμάτων  ebd. 
ρ.  170,  έρω  δ'  έπι  παραδείγματος  ebd.  ρ.  46,  ει  τις  αυτό  έπι 
παραδείγματος  ϊδοι  de  comp.  ρ.  44,  σκοπεϊν  έπΙ  παραδειγμάτων 
ebd.  ρ.  181  ^ 

Bonn«  L.  Radermacher. 


Ζα  Pieado-Sallnsls  Invectiva 

Die  Invective  —  oder  richtiger  Replik  —  Pseudo-Salluets 
gegen  Cicero  haben  im  Jahre  1898  gleichzeitig  und  unabhängig 
von  einander  fi.  Wirz  in  den  ^Festgaben  zu  £hren  Max  Büdingers' 
S.  89-116  und  R.  Reitzenstein  im  Hermes  XXXIII  S.  87—101 
Diit  einem  Anhang  von  E.  Schwartz  S.  101  —  108  sehr  eingehend 
behandelt.  Wesentliche  üebereinstimmung  herrscht  in  den  bei- 
derseitigen Besprechungen  darin,  dass  die  Invective  nicht  von 
demselben  Verfasser  herrühren  kann,  wie  die  angebliche  Replik 
Ciceros  —  die  eigentlich  eine  Duplik  sein  sollte  — ,  und  dass 
die  Invective  sich  in  das  Jahr  54  v.  Chr.  stellt,  während  die 
'Hespönsio'  diese  Zeitgrenze  nicht  einhält  und  überhaupt  auf  viel 
•spatere  Abfassung  hinweist,  wie  ja  auch  nur  für  ^Sallust*  die 
Bezeugung  Quintiliane  vorliegt.  Während  aber  Reitzenstein  und 
^chwartz  in  lebhafter  Ausführung  das  Pamphlet  nun  wirklich  in 
das  Jahr  54  setzen,  ja  Schwartz  sich  und  Anderen  einreden  möchte, 
das«  es  von   L.   Piso  herrühre,   hat  sich   Wirz  von  solchen  hitzi- 


^  Noch  an  einer  anderen  Stelle  hat  Thalheim  gegen  den  Sprach- 
■j'-brauch  des  Dionys  veratoeeen,  indem  er  p.  483  R  (S.  23,  22  unserer 
Ausg.)  mit  den  Aelteren  καΐ  δή  καΐ  τόν  Λυσ{αν  έν  τούτοις  καταριθμείται 
^ohrieb.  Wenn  ich  aus  überlieferten  καταριθμεί  καΐ  vielmehr  κατηρίθ- 
Μηκε  gemacht  hatte  die  Aenderung  ist  an  sich  wohl  nicht  weniger 
Kicht;  ein  itacistiacher  Fehler)»  so  leitete  mich  hierbei  nicht  der  Wunsch, 
^*wa8  anderes  zu  drucken,  als  meine  Vorgänger  gedruckt  hatten,  son- 
'km  vielmehr  die  Beobachtung,  dasa  Dionys  und  Diodor  zwischen 
ναταριθμ€ΐσθα(  xt  ^i^d  καταριθμεΐν  τίνα  έν  τισι  scharf  unterscheiden; 
ijamit  war  für  anat-re  Stelle  die  Richtschnur  der  Beliandlung  gegeben 
'\gl.  Rhein.  Mus.  1896  S.  475,  wo  die  Kciapiele  stehen).  Das  plötzliche 
Kiiitreten  des  Perfekte  nach  vorhergehendem  Präsens  hat  bei  Dionys 
^eiD  Bedenken;  so  du  Din.  p.  640  R:  προοιμιάΐίεται  γάρ  ομοίως  έκείνφ 
καΐ  6Γ  βλου  τοΟ  λόγο«  παραπλήσιος  μεμένηκε. 


16Ö  Misoellen: 

gen  üebertreibungen  and  sensationellen  Anfetellungen  frei  gehalten 
und  das  Produkt  mit  Recht  auf  eine  Linie  gestellt  mit  des  Pseudo- 
Antonius  und  Pseudo-Catilina  Reden  Mn  toga  Candida  ,  von  deren 
Abfassung  durch  Ciceros  'obtrectatores'  wir  bei  Aeconiue  lesen 
(während  Quintilian  die  erstere,  wie  unser  ^Sallustianam^  für 
echt  gehalten  zu  haben  scheint),  und  mit  ähnlichen  Apokryphen ^ 
Dass  die  alten  Khetoren  und  Ehetorschüler,  wie  die  Historiker, 
solche  für  bestimmte  Personen  und  Situationen  fingierte  Reden 
übten  und  verübten,  ist  ja  bekannt  genug:  und  so  gewiss  ihnen 
dabei  oft  und  leicht  Anachronismen  begegneten,  so  heiset  es  doch 
nicht  nur  die  Möglichkeit,  sondern  auch  die  vielfach  vorliegende 
Thatsächlichkeit  besser  in  die  Zeit  eingepasster  Erzeugnisse  arg 
verkennen,  wenn  man  sich  gleich  zu  solchen  Schlüssen  versteigt, 
wie  die  beiden  Strassburger  Collegen.  Vollends  die  Schwartz^sche 
Hypothese  ist  geradezu  unbegreiflich  und  unmöglich-.  Wenn  er 
sich  dafür  auf  die  Bezeugung  einer  Pisonischen  Schmähschrift 
durch  Cicero  selbst  beruft,  so  spricht  ja  gerade  dieses  Zeugniss 
auf  das  Klarste  gegen  seine  Ansicht:  denn  da  ist  die  Rede  ganz 
deutlich  von  einer  Schrift  unter  Piso^s  Namen.  Nun  verstehen 
wir  nach  dem,  was  Wirz  noch  besser  als  Reitzenstein  bemerkt 
und  belegt  hat,  sehr  wohl,  wie  die  Maske  Sallusts,  und  eben 
auch  in  jener  Zeitgrenze,  zu  der  Invective  benutzt  werden  konnte: 
wie  aber  Jemand  die  noch  viel  verständlichere  und  hervortreten- 
dere  Rolle  des  Piso  dem  Saliuet  hätte  unterschieben  sollen,  das 
ist  doch  mehr  als  dunkel  und  unklar.  Was  aber  im  Einzelnen 
noch  zur  Unterstützung  der  Annahme  dieser  Autorschaft  vorge- 
bracht oder  vielmehr  mühsam  zusammengesucht  wird,  das  ist  so 
fadenscheinig  und  schleierhaft,  dass  der  scharfsinnige  Urheber  der 
Meinung  sie  vielleicht  schon  jetzt  selber  nicht  mehr  ernsthaft 
nimmt.  Jedenfalls  lohnt  es  nicht  gegen  diese  Windmühlen  zu 
kämpfen:  wohl  aber  erscheint  es  angezeigt  eine  einzelne  Stelle 
SU  besprechen,  bei  der  Reitzenstein  und  Schwartz  gänzlich  in  die 
Irre  gegangen  sind,  während  Wirz  sie  zwar  richtig  beurtheilt, 
aber  nicht  richtig  behandelt  hat. 

Bei  den  Worten  quo  iure  cum  de  exilio  tuo  Dyrrachio  re- 
distif  eunt  insequeris  hat  Reitzenstein  p.  88,  3  mit  Recht  die  Ver> 
suche  älterer  Herausgeber  und  Jordans,  sowie  Eussners  Conjectur 
abgewiesen  und  sich  mit  Vogel  für  insequeris  (nicht  sequeris)  ent> 


^  Die  sehr  problematischen  Versuche  von  Wirz,  Benutzang  der 
Briefe  Ciceros  uä.  nachzuweisen,  lassen  wir  auf  sich  beruhn.  Die  IJeber- 
einstimmungen  sind  keineswegs  so  schlagend  und  die  iiückenhaftigkeit 
unserer  Kenutniss,  gerade  was  die  damalige  Tageslitteratur  betritlt,  ist 
kaum  in  Anschlag  gebracht. 

^  Als  *  unwahrscheinlich'  hat  sie  gleich  Schanz  in  der  zweiteuj 
Auflage  seiner  Litteraturgeschichte  bezeichnet.  Auch  Peter  in  den  Ab* 
handlungen  der  Kgl.  Sachs  Ges.  d.  W.  XXI,  1901,  3  S.  175,  1  deutet 
seine  Skepsis  gegenüber  den  neuen  Offenbarungen  an.  Dagegen  haben 
Schiee  (im  Jahresbericht)  und  Maurenbrecher  (in  der  Anzeige  von  λΥίηε  \ 
sich  beifällig  geäussert. 


Miioellen  161 

schieden,  folgert  aber  plötzlicb  und  unvermittelt  %  ο  m  i  t  (?)  ist 
die  Annahme  einer  Lücke  unvermeidlich'  und  ergänzt:  (qui  cum 
capitis  periculo  omnes  pro  te  lahorea  exanclavit)  oder  {qui  pro  te 
capitis  periculutn  subiUf)  quo  iure,  cum  de  eailio  iuo  Dyrrachio 
redisti,  eum  insequeris?  Er  denkt  dabei  an  Horteueiue  (vgl.  pro 
MiJ.  37),  wenn  auch  natürlich  alles  unsicher  sei.  Man  braucht 
diese  Periode  bloss  im  Zusammenhang  der  Sätze  bei  Reitzenetein 
f^elber  zu  lesen,  um  sofort  zu  fühlen,  dass  sie  aus  der  Umgebung 
vollständig  herausfällt  und  stilwidrig  ist. 

Schwartz  aber  meint  S.  105:  die  Erwähnung  des  gewöhn- 
lichen und  üblichen  Hafens  für  die  Ueberfahrt  nach  Italien  Hesse 
i>icb  zwar  allenfalls  daraus  erklären,  dass  Cicero  die  letzten  sieben 
3iooate  seines  Exils  in  Dyrrachium  zubrachte,  er  möchte  sie  aber 
doch  in  eine  eigenthümliche  Beleuchtung  rücken  durch  den  Gegen- 
satz zwischen  dem  verbannten  Consularen  und  dem  Proconeul 
Makedoniens,  der  von  demselben  Hafen  aus  zurückgekehrt  war,  und 
dem  Cicero  gerade  die  schmähliche  Abreise  von  Dyrrachium  bei 
Nacht  und  Nebel  vorgerückt  hatte  (in  Pis.  93),  —  aber  auch  er 
niufis  das  für  unsicher  erklären,  weil  der  Zusammenhang,  in  dem 
der  Satz  atehey  wegen  der  schweren  Verderbniss  wohl  immer  un- 
klar bleiben  werde. 

Nun,  die  Erwähnung  von  Dyrrachium  ist  nicht  nur  durch 
die  sieben  Monate,  sondern  vor  Allem  durch  das,  was  Cicero  pro 
Plancio  97  f.  und  anderwärts  ^agt,  hinlänglich  gerechtfertigt: 
und  gewiss  hat  Wirz  ohne  zureichenden  Anlass  und  ohne  Wahr- 
scheinlichkeit Dyrrachio  als  Glossem  eingeklammert.  Eine  Be- 
ziehung aber,  wie  sie  Schwartz  hineinlegen  möchte,  ist  nicht  nur 
unsicher,  sondern  ganz  unannehmbar  —  selbst  abgesehen  von 
üem  Ungrund  seiner  ganzen  Hypothese  — ,  weil  auch  etwas  der- 
artiges aus  dem  Charakter  und  Zusammenhang  der  ganzen  Partie 
Tollfitändig   heransfallen,  durchaus  stilwidrig  sein  würde. 

Wie  Reitzenetein  an  Hortensius  denken  konnte,  ist  trotz 
pro.  Mil.  37  unerfindlich:  mit  Recht  sagt  Wirz  p.  107  es  *liege  auf 
■ier  Hand'  die  Worte  auf  das  Verhältniss  von  Cicero  zu  Pompejus 
zu  beziehen  nnd  mit  Recht  hat  er  es  nicht  für  nöthig  gehalten 
:iafür  die  bekannten  Zeugnisse,  wie  pro  Sestio  74.  104;  in  Pis. 
'5.  80 ;  pro  Mil.  39,  anzuführen.  Wenn  aber  Wirz  für  quo  iure 
fHtn  schreibt  gvo  andere^  so  ist  diese  Aenderung  zunächst  äns- 
'K^rlich  ohne  jede  Probabilität;  sodann  aber  verstehen  wir  auch 
M'ht,  wie  in  dieser  Form  sich  der  Satz  anscbliessen  kann  an  die 
Worte  cui  in  citHiafe  insidias  fecisiiy   ancillaris^,  die  doch    eben- 


*  cui  US  tu  titae  insidias  fecisti,  (ei)  ancillaris  schreibt  Wirz, 
wahrend  Reiteenstein  in  dem  überlieferten  in  civitate  einen  eigenthüm- 
ichen  Auedruck  für  'im  Frieden*  sehen  möchte,  der  zugleich  die  Worte 
ir  exilto  vorbereiten  und  verschärfen  solle.  Das  letztere  ist,  auch 
>\>j^t flehen  von   der  gleich  in  Frage   zu  stellenden  Folge   der  Worte  in 

^rttate de  eaciUo,  kaum  recht  verstandlich ;  das  erstere  ist  nicht  nur 

pi-cnthiimlich*.    sondern  höchst  künstlich;   und   an   diese  Klauberei  zu 


162  Miecellen 

falls  ohne  Weiteres    und    ohne    Zweifel    anf  denselben   Pompejus 
f^^eben.    Das  war  wohl  auch  der  Grund,  weshalb  Reitzenetein  von 
der    einfachen    und    wahren   Krklarung    der  Stelle   quo   iure  etc. 
abirrte.    Diese  scheinbare  Schwierigkeit  findet  aber  die  sohnellste 
Lösung    und    zugleich    gewinnt    die  Frage    der    Herstellung  des 
Sinnes   in   jener  Stelle    eine   entschiedene    Förderung,    wenn   wir 
wenige  Zeilen  später  lesen :   quem  maxime  odistij  ei  nuutime  ob- 
sequeris.     Dass    die    fraglichen    Worte   im    Gegensatz    zu  dieflen 
stehen,  also  auch  wirklich  zu  ihnen  zu  stellen  sind,  indem  wegen 
der  gleichen  Form  insequeris  nach  obsequeris  der  erste  Satz  aus- 
gelassen  und    dann   vom    Rand    an    falscher  Stelle    nachgetragen 
wurde,    das   schlägt  doch  in  die  Angen  und  ist  um    so   sicherer, 
als  nicht  nur   die    Formen    quem  —  ei  obsequeris  und  quo  (?)  — 
eum  insequeris  sich    vollkommen    entsprechen,   sondern   auch    die 
Verba  odisti  und  redisti  an  einander  anklingen    (wie  unmittelbar 
vorher    laedis^   laudas).     Damit  ist  aber  auch  schon  nahe  gelegt, 
dass  dem  quem  —   ei  in  der  Umkehr  cui  —  eum  entsprach^  und 
dass  zu  iure  der  dem   odisti  entsprechende  Gegenbegriff  aus  dem 
sinnlosen   cum  zu  gewinnen  ist:    ich  denke  intumus  (iTum'   liegt 
ja  bis   anf  ein  paar  Striche   in    cum)  oder   ein   Synonymnm,    das 
beim    Nachtrag   der    Stelle  am  Rand  verstümmelt   wurde*.     Wir 
lesen  also:   quae  tibi  partes  rei  pubHcae ' placcfit ?   quetn  amicum, 
quem  inimicum  habes  ?  cui  in  civitate  (?  inciviliter  ?)  insidias   feä- 
stiy  ancillaris;  quos  tyramnos  appellabas,  eoruM  pofentiae  faves:\^qtn 
tibi  ante  optimates  videbanfur,  eosdem  nunc  dementes  ac  furiosos 
vocas;    Vatinii  causam  agiSy    de  Sestio  luale   existimas;   Bibuluw 
petulantissimis  verbiß  laediSy  laudas  Caesarem;  qvem  maxime  odi- 
sti, ei  maxime  obsequeris :  cui  iure  intumus  (?)  de  exilio  tuo  Dyr- 
rachio    redisti,    eum  insequeris;  aliud  stnns,    aliud  sedens  de  r<f 
publica  sentis;  his  male  diciSt  illos  odisti j   levissime'^transfuga,  nt- 
que  in  hoc  neque  in  illa  parte  fidem  habens!  Ich  denke  die  Ver- 
besserung   durch    die   Umstellung   macht   sich  an    beiden    Stellen 
gleichmässig  geltend,  und  wir  dürfen  im  Gegensatz  zu  Schwartz 
sagen,    dass  wir,   wenn  auch  nicht  den  ursprünglichen    Wortlaut, 


glauben  mag  noch  weiter  hindern,  dass  in  hac  ctOÜate  unmittelbar  vor- 
hergellt.  Ungern  möchte  man  aber  so  stark  eingrtifen,  wie  Wirz  thut, 
und  cui  ändern,  um  dann  ei  einschieben  zu  müssc^n.  Vielleicht  steckt 
in  incivitate  ein  Adverbium,  wie  incogitate  oder  incioiliter, 

^  cui  et-att  qtw,  niclit  qtwi^  was  äusserlich,  voUetids  vor  iure,  näher 
läge,  da  auf  solche  Relutiviormen  iu  der  Ueberlicferung  dieses  btückH 
nichts  hiiivcist  und  cui  iure  auch  ohnedies,  vollends  nach  der  A^'erstäin^ 
melune  des  nächstfolgenden  Wortes,  leicht  zu  quo  iure  werden  könnt  ei 

^  Passend  wäre  cui  iure  addicius,  so  dass  cum  aus  dem  Kesl^ 
ciuf  nach  Ausfall  von  addi  enstanden  wäre.  Darauf  könnte  in  der  rv^ 
sponsio  Cicero's  hinweisen  4,  11:  non  enim  uni  privatim  andllatiis  su9f\ 
neque  me  addixi,  und  wenn  diese  Beziehung  vorläge,  so  würde  sii 
dafür  sprechen,  dass  schon  dem  Verfasser  der  responsio  (Didius?)  aU 
beiden  Sätze  cui  —  ancillaris  und  cui'  iure  addictus  —  insequeris  nebetv 
einander  vor  Augen  standen,  sei  ea  bloss  wepen  der  gleichen  Beziehun-^^ 
sei  es  wegen  der  schon  eingetretenen  Verstellung. 


Mifoellen  163 

so  doch  den  Sinn  und  Zu  Rammen  hang  des  hier  aueführlioh  he- 
eprochenen  Satzes  trotz  der  Verderbnien  sicher  und  klar  erfaeeen 
können.  Aach  die  Wiederholung  von  {UIos)  odi'^ti  nach  (maxime) 
oiUsti  fällt  bei  unserer  Wiederherstellung  kaum  mehr  unangenehm 
auf;  und  scbwerlioh  werden  wir  mit  Wirz  illos  adularis  oder  et- 
was ähnliches   dafür  einzusetzen  veranlasst  und  berechtigt  sein. 

Aber  auch  dass  wir  die  von  Reitzenstein  und  Schwartz  be- 
hauptete Lückenhaftigkeit  in  diesem  Falle  anzuerkennen  weder 
irenothigt  noch  auch  nur  im  Stande  waren,  hat  noch  weitere  Be- 
deutung. Denn  aach  anderwärts^  beruht  die  Annahme  von  Ver- 
lusten, die  Bezeichnung  unseres  Stückes  als  Fragment  oder  Ex- 
cerpt  nar  darauf,  dass  das  Vorliegende  den  Ansprüchen,  Vor- 
stellungen und  Behauptungen  in  jener  phantasiereichen  Doppel- 
)<^han«Uang  des  Hermes  nicht  entspricht.  Reitzenstein  sagt  uA. 
S  93  f.,  dass  den  Namen  Sallust  die  Invektive  erst  erhalten  konnte, 
aU  dieser  Theil  oder  diese  Theile  ans  einer  grösseren  Rede 
ausgelöst  und  ieolirt  waren,  dass  der  Schlusssatz  wohl  einen 
Τ  b  e  i  1 ,  nicht  eine  vollständige  Rede  beenden  könne, 
*:n  sei  unmöglich,  dass  eine  Rede,  welche  sich  selbst  als 
Antwort  gibt  *nnd  den  Redenden  in  Gefahr  zeigt'  (?),  keinerlei 
Vertheidigun^,  kein  Eingehen  auf  die  Anschuldigungen  des  Geg* 
rif-Ts  entltalte.  In  vollster  Uebereinstimmung  sagt  Schwartz  uA. 
S.  103:  'nur  die  Invektive  ist  erhalten,  die  Vertheidigung  ist 
Verloren^    und    zieht  daraus  weitere  Schlüsse. 

Allein  die  Eingangsworte  stellen  ja  mit  der  wünschenswer- 
Miesten  Deutlichkeit  fest,  dass  der  Autor  lediglich  auf  Cicero's 
\unledicta  mit  maledicta  erwidern  will:  nur  um  'persönliche  Be- 
i'^rkangen',  nicht  um  eine  wirkliche  Debatte  bandelt  es  sich  in 
\.*^r^tm  angeblichen  Auszug  aus  einer  höchst  unparlamentarischen 
:'irlametitari8chen  Verhandlung  des  Senate  aus  der  Zeit  Cicerone 
"M  Sallusts.  Wer  also  hier  neben  dem  ψόγος  die  απολογία 
vermipst  und  für  notb wendig  verloren  hält,  der  verlässt  das  Ge- 
i  ;et  nicht  nur  der  Interpretation,  sondern  auch  der  berechtigten 
i>ivination. 

Heidelberg.  Fritz  Scholl. 


Die  Verse  des  Vallegioe'  in  der  Vita  Tereatii 

Ueber     den    Namen    des  Dichters    der    drei  Verse,    vre\e\\e 
I)onat   in    dem    Auctarium    zu  Suetons   Vita  Terentü   anführt,    ist 
iD<-.n    im    Unklaren    und   wird  man    ohne   unerwartete  Hilfe   wohl 
iitnier  im   Unklaren    bleiben:    denn  die  äusserlich    naheliegenden 
il<rt.deruDgen     Vai[lejgius  und   Vagellitis  empfehlen   eich    sachlich 

1  Wenn  Reitzenstein  S.  94,  1  schon  vor  ubi  querar  und  dann 
rif'liir  vor  verum  ut  ορχηοτ  einen  gr()S8eren  Ausfall  'zu  empfinden  meint*, 
p  laH^i  sich  übt-r  solche  Empfindungen  natürlich  nicht  streiten:  wer 
pf'  nicht  theilt  —  ohne  freilich  darum  das  Ganze  loben  zu  wollenj— , 
kr  wird  für  minder  feinfuhlig  gelten  müssen! 


164  MisGullen 

keineswegs  und  die  sachlich    empfehlenswertheren    Valerias  oder 
Volcacius  haben  kaum  äussere  Wahrscheinlichkeit. 

Dem  gegenüber  herrscht  über  den  Wortlaut  ziemliche  Ue- 
bereinstimmung.  Aus  dem  überlieferten  {Scipionis  fabulas  edi- 
disse  Terentium  Vallegius  in  actiofie  ait)  λαβ  quae  4>oeantur  fabu• 
lae  cuiae  sunt  non  htis  qui  iura  populis  retentHms  (oder  recensen- 
tibus)  dabeU  summo  honore  affecius  fecit  fabulaa  hat  Ritschl  nach 
verschiedenen  Anläufen  hergestellt  (den  Eingang  mit  Windiech- 
maun  und  Fleckeisen): 

Tuae,  Terenti,  quae  yocantur  fabulae 
Coiae  sunt  ?  non  has  iura  qui  populis  dahat 
Summo  ille  honore  affeotus  fecit  fabulas? 
und    diese  Fassung  haben  uA.  Dziatzko  und  Fleckeisen    in   ihre 
Terenzausgaben,   Wessner  in   seine  im  Druck  befindliche  Donat- 
ausgabe  aufgenommen  ^. 

Dass  aber  in  drei  Senaren  eine  Buohstabenänderung,  zwei 
Ein  Schiebungen  —  die  eine  mit  zweifelhaftem  Anhalt  an  einer 
anderen  Stelle  — ,  eine  Streichung  und  eine  Umstellung  vorge- 
nommen sind,  kann  gewiss  nicht  das  Gefühl  der  Sicherheit  oder 
auch  nur  der  Wahrscheinlichkeit  geben,  wenn  auch  eine  derartige 
Yerderbniss  nicht  geradezu  unmöglich  genannt  werden  kann. 

In  diesem  Fall  kommen  wir  aber  bei  genauerem  Zueeheo 
auf  eine  einzige  ganz  sichere  Yerderbniss,  für  die  allerdings  eine 
einigermassen  sichere  Heilung  kaum  zu  finden  sein^wird:  m 
Uebrigen  lassen  sich  durch  richtigere  Auffassung  der  Ueberliefe- 
rung  Aenderungen  vermeiden. 

Um  mit  dem  nächstliegenden  zu  beginnen,  so  zeigt  der 
zweite  Vers  einen  entschiedenen  Ueberschues,  während  der  dritte 
einen  Defekt,  nicht  im  Sinne,  sondern  im  Metrum  anfweist.  Da- 
raus wird  einfach  zu  schliessen  sein,  dass  dcäxU  nicht  ans  Ende 
des  zweiten,  sondern  an  den  Anfang  des  dritten  Verses  gehört 
und  durch 

Dabat,  summo  honore  affoctus  fecit  f&bulas 

jeder  Anstoss  und  jede  Aenderung  zu  vermeiden  ist.  Wir  haben 
genau  den  gleichen  Fall,  wie  bei  der  Grabschrift  des  Pacuvio^j 
in  der  man  den  ersten  Vers  bis  vor  Kurzem  mit  rogat  schloe^ 
und  dadurch  vorher  und  nachher  zu  Einrenkungen  genötbigl 
war,   während  die  vor  einigen  Jahren   ans  Licht  gekommene  ίιΐ 


1  Vgl.  Ritschl  Opuec.  III  p.  214.  268-274.  Etwas  abg€wiche| 
ist  Spengel  in  seiner  Andriaausgabe  p.  V,  indem  er  im  letzten  Vei 
die  alte  UmstelluDg  des  Erasmus  Honore  summo  vorzieht,  im  erstei 
Bae  lässt  und  am  Ende  Terentiae  zusetzt.  Viel  schonender  ist  dies 
Behandlung  auch  nicht,  und  er  hätte  wenigstens  ( TererUiaynae  q.  v. 
mit  Barth  schreiben  sollen.  Schanz  aber  in  seiner  Litteraturgeschichi 
I*p.  118  f.  benutzt  den  rein  conjecturalen  Vocativ  Terenti  in  der  oli 
gen  Fassung  zu  weiteren  Folgerungen.  Siehe  unten.  Anders,  ab< 
nicht  gelinder  und  nicht  ohne  gröberen  Fehler,  hat  Bähreiis  FPl 
p.  280  die  Verse  gestaltet. 


Miioellen  Ιβδ 

flcbriftliche  Parallele  bewies,  daee  rogat  zum  folgenden  Vern  f^t' 
höTtt  und  nnr  vorher  eine  leicbte  Nacbbeseerung  zu  treffen  war. 
Aber  auch  im  ersten  Vers  hilft  eine  ganz  ähnliche  Maes- 
Dahme  über  iuae  i  Terenti)  statt  Jiae  oder  ähnliche  Gewaltmaes- 
regeln  hinweg.  Allgemein  hat  man  in  den  nach  Vallegiua  fol- 
genden Worten  in  actione  ait  den  Titel  dee  Gedichtes  gesacht 
and  dafür  eine  ganze  Reihe  von  Besserongsyorschlägen  ohne  jede 
Wahrscheinlichkeit  ausgesonnen  oder  so  künstliche  Erklärungen, 
wie  Schanz  (β.  ο.  Anm.),  der  aus  dem  gar  nicht  überlieferten 
Terenti  auf  die  Form  der  (Gerichts)  Verhandlung  =^  Actio  seh  lose. 
Schreiben  wir  aber  —  was  dpch  gar  keine  wirkliche  Aenderung 
i$t  —  in  acÜGneim}^  so  ergibt  sich  sofort,  dass  diese  Worte  nicht 
den  Titely  sondern  den  Anfang  des  Citates  vor  dem  eingescho- 
benen ait  enthalten,  und  Scipionis —  Vallegius  zusammengehört  mit 
dem  vorhergehenden:  nam  duos  Terentios  poetas  fuisse  scribU 
Maeeius. 

In  ^tionem  hae  quao  vocantur  fabulae 
gibt  einen  nntadeligen  Vers  und  Sinn:  die  Redensart  in  aciionem 
vocare  stellt  eich  zu  den  bekannten  in  ius,  in  iudicium,  in  rostrat 
in  certamina  voccire  uäm.  und  es  wird  in  höchst  passender  Weise 
die  Frage  als  eine  Verhandlung  über  litterarisches  Eigenthum 
bezeichnet,  was  aus  Actio'  als  Titel  weder  ohne  Weiteres  zu 
entnehmen  war,  noch  eine  glaubliche  Vorstellung  für  ein  ganzes 
litterarhiRtorieches  Gedicht  erwecken  kann. 

So    bleibt    nur    die    wirkliche    und    schwere  Corruptel  des 
mittleren   Verses : 

Coiae   sunt?  non  has  qui  iura  popnlis  retentibus  (recen- 

sentibus). 
I^t  die  überlieferte  Stellung  qui  iura  richtig,  so  muss  auf  iura 
^in  vocaliscb  anlautendes  Wort  gefolgt  sein:  man  könnte  denken 
an  ampiis^  so  dass  nach  Wegfall  des  α  nach  (iur)a  ans  plis  ge- 
legen wurde  populis  und  dann  aus  gentibus  entstanden  wäre  re- 
gentibus  mit  weiteren  Corruptelen;  oder  es  könnte  poplis  den 
Vers  gescblossen  haben  und  davor  ein  Adjektiv  von  der  Messung 
opidentfs  ans  dem  folgenden  sinnlosen  retentibus  zu  suchen  sein. 
Auch  qui  iura  opsfrepentibus  Babat  wäre  denkbar.  Stellt  man 
dagegen  mit   Ritsch  1  iura  qui  um,  so  könnte  populis  bleiben  und 

entibus 
d&zn  am  Scblase  etwa  recens  treten,  aus  recens  die  Ueberlieferung 
der  Handechriften  erklärt  werden.  Das  alles  sind  nun  freilich 
vage  Möglichkeiten  oder  kritische  Spielereien;  in  dessen  dieses 
Kreuz  ist  ja  auch  bisher  nur  durch  einen  Gewaltakt  entfernt 
worden:  und  wenn  auch  Andere  mit  uns  nur  hier  hängen  bleiben 
sollten,  eo  wäre   immerhin  schon   Erkleckliches  gewonnen. 

Heidelberg.  Fritz  Scholl. 


16β  Miscellen 

Ζα  AmmiaBas  Mareelliniie 

AmmianDS  Marc.  30,  5  §  19:  Valentinian  kann  sein  Pferd 
nicht  besteigen,  da  es  sich  bäumt;  der  jähzornige  Kaiser  befiehlt 
daher,  seinem  Stallmeister  die  rechte  Hand  abzuhauen.  Die 
Worte  lauten:  (Valentinianus)  nt  erat  inmanis,  dexteram  stratorie 
militis  iussit  abscidi,  quae  eum  insilientem  iumento  ptdserat  con- 
suetu:  perissetque  ornciabiliter  innocens  iuvenis,  ni  tribunus  sta- 
buli  Cerealis  dirum  nefas  cum  sui  periculu  distuliseet'.  So  ist 
überliefert.  Statt  'pulserat*  hat  Gardthausen  mit  C.  F.  W.  Müller 
'pulearaf  eingesetzt;  das  folgende  Wort  war  früher  in  der  (sonst 
nicht  vorkommenden)  Form  *coneueto*  beibehalten  worden,  währenii 
Gardthausen  dafür  Kiessling's  Vermuthung  'inconsulto  aufgenom- 
men bat.  Keine  dieser  Aenderungen  ist  befriedigend.  Hätte  der 
Strator  den  Kaiser  geschlagen,  gepufft',  wenn  auch  *ohne  Vor- 
bedacht^ (der  Zusatz  ^wie  gewöhnlich  ist  natürlich  ganz  unzuläesig), 
so  wäre  er  nicht  ^innocens  gewesen.  Ohnehin  entfernt  eich  die 
Aendernng  'inconsnlto*  recht  weit  von  der  Ueberliefemng.  — 
Der  Relativsatz  braucht  aber  den  Zornausbrach  Valentinianus  gar 
nicht  zu  begründen.  Charakteristisch  für  diesen  Kaiser  ist  gerade, 
dass  er  gegen  den  Stallmeister  trotz  dessen  Unschuld  wüthet. 
Es  ist  zu  lesen  fulserat  consuete.  Steigbügel  hatte  man 
damals  nicht;  um  so  mehr  war  es  üblich,  dass  man  beim  Auf- 
steigen eich  von  Jemand  mit  untergehaltener  Hand  auf  das  Pferd 
hinaufhelfen  liess;  vgl.  zB.  22,  I  §  2  'milite,  qui  se  (Inlianum) 
insessurum  equo  dextra  manu  erexit'.  Dies  hatte  der  Stall- 
meister wie  gewöhnlich  (consuete),  so  auch  in  diesem  Falle  ge- 
than.    Das  Adverbium  ^consuete    braucht  Ammian  auch  23,  2  §8. 

Heidelberg.  Karl  Zangemeister. 


Zu  dem  sogenannten  Lactantins  Placidns 

Bd.  LVI  S.  346  A.  2  möchte  K.  Helm  seine  Vermuthung  über 
Ovid  met.  VQ  762  durch  den  Kommentator  'Lactantiue  Placidus* 
stützen,  *si  certum  esset  libri  VH  fabulam  XXVHI  ab  eo  ficrip- 
tam  esse.  Aber  die  ganze  Partie  von  den  Worten  Cephaltts 
atäetn  amoris  inpaiientia  (fab.  XX  VU)  bis  zum  Schluss  von  XXVUl 
hat  gar  keine  handschriftliche  Gewähr:  die  Ueberlieferung  so- 
wohl in  Μ  als  auch  in  dem  stark  interpolirten  N(eapol.)  endigt 
in  XXVII  mit  altis  (aliis  N)  se  rccandidit  {recondii  N)  salfibits 
und  hebt  erst  wieder  in  ΧΧΓΧ  mit  Hie  cum  assidite  Diatiae 
studio  feras  persequereiur  an.  Das  fragliche  Zwischenstück  ist, 
wie  schon  Muncker  bemerkt  hat,  von  Rainerius  interpolirt.  Auf 
den  Namen  Lactantius  Placidus,  den  die  gute  Ueberlieferung  nicht 
kennt,  wird  man  verzichten  müssen. 

Stettin.  Georg  Knaaok. 


Miscellen  167 

Zu  ATianas 

i)ie  Fabeln  Avians  hat  Lacbmann  ins  Zeitalter  der  Antonine 
Innanfriicken  wollen,  wae  heut  wohl  allgemein  aufgegeben  iRt. 
Aber  schon  die  Vorrede  filr  eich  allein  würde  genügen,  l<aoh- 
raanne  Datirun^  zu  widerlegen.  Sie  zeigt  accentuirten  Satz- 
ech luee^.  int  also  frübeetene  aus  der  zweiten  Hälfte  des  vierten 
Jahrhunderte.  Freilich  muee  man  eie  nehmen,  wie  eie  in  den 
Hs8.  überliefert  i«t;  die  Kritiker  haben  ihr  übel  mitgespielt. 
Man  betrachte   nur  den  Anfang: 

Oubitanti  mihi^  Theodosi  opfimCy  quonam  Ufterarum  titulo 

nostri  nominfs  memoriam  mandaremus,  fabularum   tcxtus 

occur'rify    quod.in  his  urbane  concepta   falsitas   deceat    ei 

fion  incumhat  necessikis  veritatis.  natn  quis  tecum  de  ora^ 

tione,  quis  de  poimate  loqueretury  cum  in  utroque  littera- 

ruvn  genere  et  Attieos  graeca  eruditione   superes   et  lati- 

nifdte  Homanos. 

Hier  hat   Lachmann  gleich    den  ersten  Satzschlnss  zerstört: 

er  fand   in     eeiner  ältesten  He.    den  Singular  mandarem^   der    zu 

dubitanti  mihi  zu  passen  schien,  und  bezog  noster^  das  sich  nicht 

wegschaffen     liess,    wohl   auf   den  Verfasser  und  den  Adressaten 

zusammen :   quonam  Ufterarum  titulo  nostra  nomina  memoriae  man- 

darem.     Aber    nachher  heisst    es  ja  huius    ergo   materiae   ducem 

nobis  Aesopum  noveris  und  fecimus^  und  dazwischen  sum  conatus, 

^0  daee  man    Riebt,    Avian  wollte    abwechseln,    und  dass  er  hier 

den   Plural    wählte,  geschah  gerade  um  des  Cursus  willen. 


^  Wilhelm  Meyers  weittragende  Entdeckungen  (Ooettinger  ge- 
lehrte Anzeigen  18D3  S.  1  ff)  sind  zwar  durch  Nordens  antike  Kunst- 
prosa in  weiteren  Kreisen  bekannt  geworden ;  aber  die  Beachtung,  die 
i'^nen  gebührt,  haben  sie  noch  immer  nicht  gefanden.  Was  wir  zu- 
nichet  brauchen,  sind  Einzeluntersuchungen  spätlateinischer  Prosaiker; 
^m  hier  wird  der  Satzsohloss  in  allen  Fragen  der  litterarischen  wie 
«ier  Textkritik  ein  entscheidendes  Wort  mitzusprechen  haben.  Bisher  ist 
wenig  in  dieser  Richtung  geschehen.  Gelegentlich  haben  Traube  im 
Ci5fiodor  und  ich  in  den  Nachträgen  zu  Holdere  Eulngius  den  Satz- 
cLluss  verwerthet;  ebenso  für  Fragen  der  mittelalterlichen  Litteratur 
ich  mehrfach:  über  die  Satzechlüsse  der  Vita  Bennonis  (Excurs  zu 
>fheffer-Boichorit'e  Abhandlung,  Berliner  Sitzungsber.  1901,  S.  163  ff.), 
'^Mr  die  Translatio  ss.  Alexandri  papae  et  lastini  prespiteri  (Neues 
Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskuiide  XXVl 
Τ.ΊΙ  ff.),  die  vier  Fapstbriefe  in  der  Briefsammiung  der  h.  Hildegard 
«Veuf-s  Archiv  XXVII  237  ff.).  6  μέν  θερισμός  πολύς,  ol  δέ  έργάται 
ολίγοι.  —  Soeben  erscheinen  Fragmenta  Burans,  herausgegeben  von 
W.  Meyer,  iu  der  Feetechrift  zur  Feier  des  150jährigen  Bestehens  der 
h'imigl  Geeellecbaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen  UK)1.  Aue  der 
i'ille  seiner  Untersuchungen,  die  allen  Seiten  der  mittellateinischen 
Philologie  f eichst en  Gewinn  bringen,  sind  hier  zu  nennen  die  Ab- 
-ciinitte  über  den  quantitii enden  rhythmisjhen  Schluss  der  lateinischen 
Prosa  (S.  154),  den  accentuirten  rhythmischen  Schlues  (S.  155)  und  den 
Nutzen  der  Kenntniss  des  rhythraischen  Schlusses  (S  1β3),  nebst  den 
Aurgaben  einzelner  Proben  aus  dem  t^uerolus  (8  153),  Cyprian  de  mor- 
t^liUte  (S.  155)  und    Dantes  Schreiben  gegen  die  Florentiner  (S.  151)). 


168  Miscellen 

Nicht  besser  ist  es  der  dritten  Pause  ergangen.  Es  ist 
völlig  gewisH,  dase  h\eT  faJsitas  und  ren/as  auf  einander  berechnet 
sind.  Lacbmann  aber  glaubte  den  Gegensatz  noch  schärfer  fassen 
zu  sollen :  zu  faisUas,  meinte  er,  gehöre  necessitaSj  and  dem  Be- 
griff des  urhane  conceptum  entspreche  die  severiitiS]  also  necessitas 
severitatis.  Daran  hat  dann  Bährens  mit  einer  seiner  graphisch, 
aber  auch  nur  graphisch,  bestechenden  Aenderungen  angeknüpft 
und  nun  auch  die  fdlsitas  beseitigt,  die  durch  salsitas  ersetzt 
werden  soll.  Aber  man  darf  doch  billig  fragen,  was  denn  an 
der  rhythmisch  tadellosen  Ueberlieferung  auszusetzen  ist:  die 
Fabel  erfordert  nicht  die  strenge  Folgerichtigkeit  der  Wirklichkeit, 
sondern  ihr  Gebiet  ist  anmuthige  Erfindung;  wie  falsitas  und 
veritas,  so  entsprechen  sich  urbane  concepta  und  necessitns. 

Auch  die  vierte  Pause  ist  der  Kritik  zum  Opfer  gefallen; 
aus  loqueretur^  das  Avian  gerade  dem  Cursus  zu  Liebe  gesetzt 
haben  wird,  wenn  auch  Worte  dieser  Quantität  im  Cursus  velox 
selten  sind,  hat  Bährens  contendef^   £llis  loquetur  machen  wollen. 

Alle  diese  Conjecturen  führen  fehlerhafte  Schlussformen  ein 
statt  der  besten  Schlussform,  des  Cursus  velox  ^ww,  v^w^v^.  In- 
correct  sind  in  unserer  Ueberlieferung  nur  zwei  mittelstarke 
Pausen,  Aesopum  noveris  und  ridere  fecimus\  beide  Schlüsse  sind 
weder  rhythmisch  noch  quantitirend,  aber  für  verderbt  möchte 
ich  sie  darum  nicht  erklären,  da  der  Sinn  kein  Bedenken  weckt 
und  das  Beobachtungsgebiet  zu  wenig  ausgedehnt  ist,  um  eine 
sichere  Entscheidung  zuzulassen  :  vielmehr  wird  Avian  eher  zu 
denjenigen  Vertretern  des  rhythmischen  Satzschlusses  zu  stellen 
sein,  die  hier   und  da  Ausnahmen  zulassen. 

Berlin.  Paul  v.   Winterfeld. 


Erstarrte  Flexion  von  OrtsnameD  im  Latein 

Bekannt  ist,  dase  das  römische  Strassenbuch  und  die  Peu- 
tinger  Strassenkarte  sehr  häufig  die  Stationsnamen  nicht  im  No- 
minativ, sondern  in  einem  der  Casus  obliqui  aufweisen,  die  das 
correcte  Latein  auf  die  Frage  Wo,  Wohin  oder  Woher  verwendet. 
Nicht  minder  bekannt  ist,  dass  im  Mittelalter  die  Flexionsformen 
vieler  Ortsnamen  erstarrt  waren  und  einer  der  bezeichneten  Ca- 
sus als  indeclinable  Benennung  der  Ortschaft  sich  festgesetzt  hatte. 
Ich  brauche  nur  zu  erinnern  an  Treveris  (franz.  Tröves],  Tungris 
(franz.  Tongres),  Parisiis  oder  (bis  ins  15.  Jahrb.  häufig)  Pari- 
sius.  Manche  dieser  erstarrten  Ablative  wurden  sogar  allmählich 
als  Nominative  verwendet  und  die  Namen  danach  declinirt,  zB. 
Treverim,  Treveri  (Ablat.);  vgl.  meine  Bemerkungen  in  den 
Neuen  Heidelb.  Jahrbb.  2  S.  14.  Auch  der  Accusativ  des  Plural 
findet  sich  nicht  selten,  zB.  Abrincatas,  Redonas  uA.  (vgl.  N.  H. 
J.  2  S.  10),  und  für  den  Abi.  Sing,  der  2.  Decl.  bedarf  es  bei 
seiner  Häufigkeit  keiner  Belege. 


Miscellen  169 

Dieser  Erstarriinge•  Vorgang  läset  eich  aber  für  viel  frühere 
Zeit  nachweiflen.  Daes  in  jenen  Itinerarien  die  Casne  obliqni  in 
den  meisten  Fällen  nicht  von  den  mittelalterlichen  Abschreibern 
herrühren,  lehren  die  vier  Reise-Becher  ans  Vicarello  (Corp.  XI 
D.  3281  —  3284),  die  im  Original  vorhanden  sind  und  offenbar 
der  guten  Kaieerzeit  angehören.  Aach  hier  findet  sich  der  Nomi- 
nativ sehr  selten,  um  nur  Einiges  anzuführen,  so  braucht  n.  I 
meht  den  Accusativ,  daneben  aber  Ocriclo,  Aquis  Vocontiis, 
Parietinis.  Nr.  II  und  III  ziehen  häufig  den  Ablativ  vor,  bieten 
daneben  aber  Bigomagi  (-go  III),  lidum,  Ambrussum,  Glanum, 
Ticinum  (-no  III),  Lambrum,  Helvillum,  Hispalim,  Haesim,  Si- 
teras oder  Saeterras,  Baeterras  (-rra  111).  In  n.  IV  finden  sich 
neben  Hasta,  Dertosa  auch  Ugiae,  Obuclae,  Cordubae  (selbst  in 
der  üeberschrift  'ab  Hiepali  Cordubae*,  statt  *Cordubam'),  ferner 
Saganto,  Ocriclo,  Foro  Domiti,  Tarracone,  aber  auch  Traiectum 
Rhodani,  Alanninm,  Laumellum,  Ticinum;  Haesim;  Baeterras, 
Cnttias,  Clatemas.  —  In  allen  vier  Exemplaren  steht  Ocriculo 
(Ocriclo);  desgleichen  wiegen  in  allen  vor  die  Formen  Baeterras 
(das  'Baeterra'  in  n.  III  ist  nur  Schreibfehler)  und  Taurinis  (n. 
IV  hat  Augnsta  Taurin.). 

Aber  auch  ausserhalb  der  Itinerarien  finden  sich  Belege 
dieser  Erscheinung  und  zwar  aus  der  frühen  Eaiserzeit. 

In  der  Grabinschrift  des  Perigenes  (Arch.  Zeitung  2,  1869, 
S.  30;  Bonner  Jahrbb.  53  S.  151;  Bücheier  Anthol.  n.  1268; 
Corp.  XIII  n.  6429),  die  in  das  2.,  vielleicht  das  1.  Jahrh.  ge- 
f^etzt  werden  darf,  steht:  [(;«e]m  genuit  Tea[n]o  Sidicino^  statt 
des  Nominativs    Teanum  Sidicinum*. 

Und  schon  in  Pompeji  gebrauchte  der  Volksmund  solche  ver- 
steinerte Namensformen;  denn  meines  Erachtens  ist  hierher  zu 
ziehen  die  Wandinschrift,  die  höchstwahrscheinlich  zu  Nero's 
Zeit  angemalt  wurde  (hgg.  von  Sogliano,  Notizie  d.  sc.  1897  S. 
19S  und  Mau,  Rom.  Mitth.  1898  S.  49):  iudici(i)s  AugiusH) 
feliciiter),  Puteolos,  Antiumj  Tegeano  (zwischen  Nola  und  Nuceria; 
anf  der  Peut.  Karte  *Teglano'  verschrieben),  Pompeios:  hae  sunt 
f^ae  colonia[e].  Hier  stehen  Tegeano,  Puteolos,  Pompeios  statt 
•ier  Nominative,  und  es  ist  nicht  zufällig,  dass  gerade  diejenigen 
Casus  hier  auftreten,  die  auch  in  den  Itinerarien  häufig  erscheinen. 

Heidelberg.  Karl  Zangemeister. 


SECVS  statt  SBCVNDVS  und  Aehnliches 

In  Pompejaniscben  Wahlprogramm ϋΠ  finden  sich  eigenthüm- 
lirh  verkürzte  Formen  von  Personennamen,  die  ich  im  4.  Bande 
dee  Corpus  inscr.  Lat.  auf  S.  10  und  264  zusammengestellt  habe. 
Ee  steht  dort  nämlich  statt  Cerrinium,  Postumium,  Proculum,  Se- 
cundam  :  Cenrium  (n.  483  und  vermuthlich  n.  95),  Postium  (195. 
1016),  Procum  (1081),  Secum  (693.  737).  Diese  gemalten  Pla- 
kate waren  schon  im  J.  1865,  als  ich  in  Pompeji  arbeitete,  längst 


170  Miscellen 

verscbwnnden  wie  so  viele  andere,  aber  die  Zengniese  stützen  elcb 
gegenBeitifi:  urd  eind  als  glRubwürdig  zu  betracbten.  Die  letzte 
Form  SECVS  Ifiset  eicb  jetzt  aucb  auR  Steininscbriften  belegen,  uod 
damit  gewinnen  wir  anrb  für  die  übrigen  eine  Bestätigung.  Auf 
einem  zu  Zablbacb  bei  Mainz  gefundenen  Grabsteine,  der  obne 
Zweifel  aus  dem  ersten  Jahrhundert  stammt  (Brambach  n.  1220; 
Becker  Katalog  1875  n.  197)  stebt  sectis  Meres),  db.  'secandue 
heres  ,  wie  Becker  bereite  richtig  erklärt  bat.  Dieselbe  Form 
weist  mir  v.  Domaszewski  aus  stadt-römiseben  Inschriften  von 
equites  singulares  nach:  Corp.  VI  n.  8176.  3223.  i)304,  auf  denen 
allen  zu  lesen  ist  secus  heries)]  sie  stammen  wohl  aus  dem 
2.  Jahrhundert.  -—  Diese  Kurzformen,  für  die  sich  vermuthlich 
noch  weitere  Belege  finden  werden,  dürfen  wir  schwerlich  als 
graphische  Abkürzungen  betrachten,  da  diese  Art  der  Abbreviatur, 
die  im  Unterdrücken  von  Silben  und  Silbentheilen  aus  der  Wort- 
mitte  besteht,  erst  in  späterer  Zeit,  im  3.  Jahrh  ,  auftritt  (^vgl. 
Westd.  Eorr.-Blatt  1885  Sp.  5).  Wahrscheinlicher  ist  die  An- 
nahme, dass  diese  Erscheinung  dem  Vulgärlatein  angehört  und 
das  Volk  diese  vielgebrauchten  Worte  oder  Namen  in  der  That 
also  ausgesprochen  hat. 

Heidelberg.  Karl  Zangemeister. 


Das  Stigma  in  lateinischer  Schrift 

In  der  Nähe  von  Mainz  bei  Laubenheim  ist  im  J.  1900  das 
Fragment  eines  Grabsteins  zu  Tage  gekommen,  das  in  paläo- 
graphisoher  Beziehung  besonderes  Interesse  besitzt.  Herausgege- 
ben ist  es  von  Koerber  im  Westd.  Korr.-Blatt  1901  Sp.  3,  von 
mir  kopirt  nach  einem  vortrefflichen  Abklatsch,  den  ich  demsel- 
ben Gelehrten  verdanke  =^  Corp.  XIII  n.  6948*.  In  der  dritten 
Zeile  findet  sich  nämlich  das  st  des  Wortes  'stipendiorum'  durch 


das  Zeichen    \\^      wiedergegeben.   Die  Grabinschrift  gehört  einem 


Veteran  der  leg.  XVI  an,  stammt  alpo  aus  der  ersten  Hälfte  de« 
ersten  Jahrb.  nach  Chr.,  und  es  ist  dies  meines  Wissens  der  äl- 
teste Beleg  für  diese  Li^'atur  in  lateinischer  Schrift,  vielleicht  über 
haupt  der  älteste,  wenigstens  scheint  sie  eonst,  zB.  auch  au 
griechischen  Papyri  noch  niclit  nacl.gewiesen  zu  sein.  Unzweifel 
haft  ist  sie  aus  der  griechischen  Schrift  in  die  lateinische  über 
tragen ;  die  Schreibraeister  Korns  waren  ja  meist  Griechen.  Si 
muss  im  1.  Jahrh.  schon  recht  verbreitet  gewesen  sein,  den 
drei  weitere  Inschriften  aus  Mainz  und  Bingen  (Corp.  XIII  ι 
6902=  Brambach  1184;  n.  G958  =  Bramb.  12tl  aus  Mainz  un 
n.  7506  =  Koerber  Kat.  n.  44  aus  Bingen)  bieten  SIP.  statt  STIi 
und    lassen   errathen,   dass  in   der  Vorlage  dasselbe  Zeichen    fe 


Misuelleii  171 

ST  stand,  dieiiee  aber  vom  Steinmetz  nicht  erkannt  wurde;  in  n. 
7506  iet  vielleicht  nicht  S,  Fondern  diefle  Nota  anzunehmen,  wenn 
auch  in  ungeschickter  Ausführung  (vgl.  das  Facsimile  bei  Koerber). 
Es  verdient  noch  besonders  hervorgehoben  zu  werden,  daes 
das  Zeichen  für  die  Zahl  VI  nur  zufällig  dieselbe  Form  hat.  Es 
findet  sich  schon  auf  einem  griechischen  Papyrus  vom  J.  146  vor 
Chr.  (Letronne,  Journal  des  savants  1833  S.  330  mit  Face.,  vgl. 
Wattenbacb  gr.  Pal.,  Aut.  S.  8),  Wachetafel  vom  J.  167  n.  Chr. 
fCorp.  III  n.  I,  abgebildet  von  mir  auf  tab.  A,  numeri  n.  15  und 
16);  spätere  Belege  aus  grieohiechsr  Schrift  findet  man  bei  Gardt- 
bausen  gr.  Pal.  1879  S.  265,  aus  lateinischer  Schrift  in  den  in- 
dices  zum  Corpus  und  zu  Spezialsammlungen  von  christlichen  In- 
schriften. Diese  Ziffer  ist  offenbar  ans  dem  Digamma  oder  Vau, 
dem  sechsten  Buchstaben  des  Alphabets,  entstanden,  aber  dann 
nnd  zwar  schon  früh  mit  dem  Stigma  confundirt  worden. 

Heidelberg.  Karl  Zangemeister. 


DIYYS  ALEXANDER 

Johannee  Chr^'sostomos  vertritt  in  der  XXVI  Homilie  über 
den  II  Brief  an  die  Korinthier  (t.  X  p.  624*  Montf.)  die  euhe- 
meristische    Ansicht  über  die  Entstehung  des  Götzendienstes:*] 

ouTui  yäp  και  €ΐ&ΐϋλολατρ€Ϊαι  την  αρχήν  έκράτησαν 
τών  ανθρώπων  υπέρ  άΕίαν  θαυμαίομίνων.  ούτως  'Αλί- 
Eavbpov  τρισκαιδέκατον  ένόμισεν  elvai  θεόν 
ή  σύγκλητος  'Ρωμαίων,  και  γάρ  αυτή  ταύτην  (viell. 
s^KttO  ταύτην)  εΤχε  τήν  όΕίαν,  χειροτονεϊν  και  έγκρίνειν 
θβούς. 

3fontfancon  steht  dieser  überraschenden  Nachricht  rathlos  gegen- 
über. Wie  der  römische  Senat  daza  gekommen  sein  solle  Ale- 
xander den  grossen  zu  einem  Gotte,  nnd  gar  zum  Xlllten  zu 
erklären,  versteht  er  nicht,  nnd  vergeblich  hat  er  sich  nach  einem 
bf«i  tätige  η  den  Zengniss  nmgethan  (s.  auch  t.  X  praef.  p.  ΥΠ); 
i:ur  die  Zahl  ist  ihm  durchsichtig:  Alexander  der  gr.  ist  den 
XII  dt  consenles  hinzugefügt  worden.  Aber  der  Prediger  spricht 
von  der  Befugniss  des  Senate,  einem  verdienten  Kaiser  nach 
^^einem  Tode  göttlichen  Bang  zuzuerkennen^;  und  wie  er  gleich 
•iaraaf  von  der  Apotheose  des  Antinous  durch  Hadrian  spricht, 
•«o  kann  er  jenes  Senatsrecbt  auch  nur  durch  das  Beispiel  eines 
niraiscben  Herrschers  veranschaulicht  haben.  Er  spricht  von 
Alexander  Severns.  Aelius  Lampridius  bezeugt  uns  im  Leben 
de«aselben  c-  6.3  senatus  cum  in  de  ο  β  rettulit  ....  dati  sunt 
et  sodalee  qai  Alexandrini  appellati  sunt,  addita  et  festivitas 
matris  nomine   atqne  ipsine,*quae  hodieque  Romae  religiosissime 


t  g.  Mommeen,  Römisches  Staatsrecht  2,  88G. 


172  MiBcellen 


celebratur  natali  eins  die  .  Was  hiermit  Lampridiae  Tor  die  Con* 
etantinieohe  Zeit  bezeugt,  die  feierliche  Begebung  von  Alexarders 
Geburtstag,  hatte  auch  noch  über  die  Mitte  des  Jahrhunderte,  und 
vermuthlicb  bis  in  die  Zeit  von  Johannes*  Predigt  officielle  Gel- 
tung. Der  Chronograph  vom  J.  354  hat  in  seinem  Kalender 
(CIL  I  1*  p.  274)  unter  dem  ersten  October  die  Notiz  einge- 
tragen: l^atalis  ALEXANDRI  •  Circenses  Missus  ΧΧίΙΙΓ,  wo- 
durch uns  denn  auch  der  Tag  bekannt  ist. 

Lehrl'eich  ist  nun    die    bestimmte  Angabe,    dass  Alexander 
(Severus)    zum   ^  dreizehnten  Gotte'  bezw.  divus  erklärt  worden 
sei.     Wir  wissen  aus  den  Acten    der  fralres  arvales^,    dass    die 
Zahl   der   verehrten  divi  im  J.  183  sich    auf  16,  im  J.  224  anf 
20  belief.     Aber  in    diesen  Zahlen   sind,    wie  Henzens  Liste  der 
bezeugten  älteren  Consecrationen  (Anm.  2)  zeigt,  auch  Kaiserinnen 
einbegriffen.  In  der  Anerkennung  geschehener  Consecrationen  muee 
man  bis  um  224  weitherziger,    oder,    wenn  man  will,  gewissen- 
hafter gewesen  sein  als  ein  Jahrzehnt  später  beim  Tode  des  Alexander 
(235).     Die  damals  vorhandene  Zahl  von  12  divi  nöthigt  uns  an- 
zunehmen,  dass  in  der  Zwischenzeit  eine  Beschränkung    stattge- 
funden hatte    und  so  Claudius  wie  Commodus  aus  der  Liste    ge- 
strichen waren.     Diese  Zahl  stimmt  genau  zu  der  Cnltusordnung, 
die  bei  Pbilocalus  im  Kalender  vom  J.  354  hervortritt  and  noch 
im  darauf  folgenden  Jahrhundert  bei  Polemins  Silviue  erkennbar 
ist.     Pbilocalus  verzeichnet    folgende  Geburtstage    älterer  Kaiser 
vor  Alexander,    alle  mit  der  ausdrücklichen  Bezeugung  der  obli- 
gaten 2  mal  12  Rennen  im  Circus^:    divus  Augustus  IX  k.  oct^ 
Vespasianus  XV  k.  dec,    divus    Titue  Hl   k.  ian.,    Nerva  VI  id. 
nov.,   Traianus  XIV  k.  oct.,    divus  Hadrianus  IX  k.  febr.,    Piue 
Antoninus  XIII  k.  oct.,  divus  Verus  XVIII  k.  ian.,  M.  Antoninns 
VI   k.  mai.,    divus    Pertinax  k.  aug.,    divus  Severus  III  id.  apr. 
Die  Mehrzahl    derselben    bezeugt    auch   Polemius  Silviue;    seine 
Auslassungen  können    nur  Zufälligkeitsgründe    haben,    es   fehlen 
bei  ihm  Augustus,  Traianus,   Antoninus  Pius,   wie  nachher  Ale- 
xander.    Aber  er  bewahrt   den  bei  Pbilocalus  ausgelassenen  »to- 
talw  (divi)  lulii  Caesaris  (IV  id.   iul.),    den   Ausgangspunkt    der 
römischen  Kaiserverehrung*.    Mit  diesem  ist  die  erforderte  Ζ  wolf- 
zahl erfüllt,  auf  welche  seit  etwa  230  die  älteren  vor  Alexander 
consecrierten  dm  im  Cultus  beschränkt  waren  und  blieben**.    Die 


8  Henzen,  Acta  fratrum  Arvalium  p.  148  f.,  vgl.  Mommsens  RomJ 
Staaterecht  2,  «3:^  f  Anm.  1.  4 

'  Ausnahmeweise  48  am  18.  Sept.  (Traianus)  und  am  8.  Nov^ 
(Nerva  und  Constantius). 

*  lieber  die  Cultustage  s.  Momrasen  CIL  l  p.  396  (l  1*  p.  321). 

^  Das  von  Juliauus  ap.  in  den  Caesares  p.  .-508  d  ff.  geschildert^ 
Göttermohl  kann  für  diese  Frage  an  sich  keine  Beweiskraft  bean^ 
spruchen.  Aber  es  dient  dem  obigen  durchaus  zur  Bestätigung.  Clau^ 
dius  wird  zu  seinen  Günstlingen  fortgeschickt  (310b)  und  Coinmoduj 
gar  nicht  zur  Versammlung  zugelassen  (312b). 


Miecellen  173 

von  Johannee  Chrysostomos  verwertbete  Nachricht  wird  ver- 
etändiich  nar  anter  der  Annahme,  dase  im  J.  235  allein  jene 
zwölf  divi  anerkannt  waren.  ü. 


Das  ÄmphiklyoneD-Gesetz  vom  Jahre  380 

Eine  der  wichtigsten  vorhandenen  Sakralgeeetze,  dessen  Her- 
stellung und  Erklärung  aber  bisher  entschieden  zu  kurz  gekommen 
sind,  ist  das  Amphiktyonen-Gesetz  vom  Jahre  380^.  Es  wäre 
wohl  mehr  dafür  geschehen,  wenn  nicht  die  unentbehrliche  Grund- 
lage gefehlt  hätte:  die  sichere  Eenntniss  der  ursprünglichen 
Zeilenlänge  der  Inschrift ;  noch  der  letzte  verdiente  Herausgeber, 
Bannack,  musste  ihre  Berechnung  für  unmöglich  erklären.  Dabei 
konnte*'  Niemand  im  Zweifel  darüber  sein,  dass  der  Stein  selbst 
ein  sicheres  Mittel  zur  Lösung  der  Frage  zu  bieten  schien.  Z.  8 
und  9  nämlich  steht  hier: 

το  *Απόλλω[ν]ος  του  ΤΤ[υ]θίου  κα\  τας  Λατος  καΐ  τας 

Άρτάμ[ιτος  -  -  -  - 
λά  και  τάγαθά,   αΐ  b'  έφιορκέοιμι^   τα   κακά  άντΙ  τών 

αγαθών  -  -  -  - 
Ζ,  11,   12   und   13  aber: 

κατάν    άϋαν    μr\bk    6ώρα    beHxaQai    μη5έποκ[α]:    ουτ[ΐϋ]ς 

ύπ[ί]σχ[ο]μαΓι 

το(ς)'  και  τας   Αρτάμιτος,  και  εύορκέοντι  μεμ  μοι 

πολλ ά  και  αγαθά 

ΐ€ρομνάμονας  όρκι^έω  και  τός  κά[ρ]υκας  τον  αυτόν  δρκον' 

Beidemal  also  steht,  wie  die  gesperrt  gedruckten  Worte  klar  zei- 
gen, dieselbe  Eidesformel,  deren  Wortlaut  sich  wie  von  selbst  er- 
giebty  zB.  Z.    11  und  12  folgendermassen : 

καταν  άΕίαν  μηδέ  δώρα  beleiaQax  μηόίττοκα*  ούτως  ύττί- 
σχομα[ι  ποί  τδ  *  Απόλλωνος  το  ΤΤυθίο  και  τδς  Λα]- 

τος  και  τας  'Αρτάμιτος  κα\  εύορκίοντι  μέμ  μοι  πολλά  καΐ 
αγαθά,  [αΐ  b'  έφιορκέοιμι  τά  κακά  άντι  τών  αγαθών  δόμεν. 
τός  bi\  Ι  Ιερομνάμονας  κτλ. 

Das  scheint  evident  und  birgt  doch  rtioksichtlich  der  Zeilenlänge 
einen  unheilbaren  Widerspruch  in  sich,  denn  Z.  12  zählt  danach 
'i3,  Z.  11  aber  nur  79  Buchstaben.  Nun  sind  kleinere  Unter- 
Hchiede  in  der  Zeilenlänge  bei  nicht  (Ττοιχηόόν  geschriebenen  In• 
echriften  natürlich,  aber  ein  Unterschied  von  15  Buchstaben  in 
zwei    dicht    aufeinanderfolgenden    Zeilen    ist    unmöglich.      Noch 


ι  CIG.  1688,  Ahrens  Dial.  II  484-492,  CIA.  Π  545,  Michel  Re• 
cueil  des  Jiiecr.  Grecques  702,  die  sorgfältigste  und  eingehendste 
Herausgabe  jetzt  von  Baanack  bei  Collitz  SGDI.  2501,  wo  auch  die 
weitere  Litteratur  verzeichnet  ist. 

«  ΕΦΙΟΡΚΕΜΙ0Ι  steht  auf  dem  Stein  mit  Vertauschung  der  Silben. 

»  Der  Stein  hat  TOYKAI  ohne  Zweifel  für  ΤΟΣ  oder  ΤΟΥΣ  ver- 
schrieben 8.  Bannack  zu  der  Stelle. 


174  Miscellen 

sclilimmer  steht  es  Z.  8,  wo  bei  genau  enteprechender  Ergänzung 
gar  nur  67  Buchstaben  herauskommen.  Man  hat  früher  gewöhn- 
lich verencht,  durch  Einschiebnng^  von  unnöthigem  oder  gar  stören- 
dem Füllsel  Z.  Η  und  11  auf  die  Länge  von  12  zu  bringen, 
mit  Heüht  hat  Baunack  das  verschmähti  aber  zu  ei  klären  wueete 
er  das  Schwanken  zwischen  67,  79  und  93  Buchstaben  auch 
nicht  —  'es  könnte  ja  Z.  12  άντι  των  αγαθών  recht  wohl  fehlen, 
aber  auch  bei  dieser  Annahme  erhält  man  nichts  Klares  und 
Evidentes'  —  und  hält  eben  deshalb  eine  Berechnung  der  Zeilen- 
länge überhaupt  für  unmöglich. 

Und  doch  ist  sie  möglich ,  und  Baunack  selbst  war,  ohne  es 
zu  wiesen,  schon  auf  dem  ein/jg  richtigen  Weg.  In  der  obigen 
Ergänzung  verträgt  Z.  1 1  weder  Zusatz  noch  Streichung,  also 
steckt  der  Fehler  in  Z.  12:  nicht  Z.  11  ist  zu  klein,  sondern 
Z.  12  ist  zu  grops,  und  es  lässt  sich  ja  auch  hier,  wie  Baunack 
selbst  zugibt,  ganz  gut  etwas  streichen  —  es  ist  einfach  statt 
der  ausführlichen  Formel  τά  κακά  άντι  τών  αγαθών  5όμ€ν  eine 
der  üblichen  kürzeren  zu  setzen,  am  besten  die  auch  in 
der  Labyadeninschrift  B,  Z.  18  vorkommende:  τά  κακά  5όμ€ν 
oder,  da  Ζ.  It  bei  αγαθά  kein  Artikel  stand,  auch  hier  ohne 
Artikel:  al  V  έφιορκ^οιμι,  κακά  6όμ€ν.  Dann  erhält  man  für 
die  ganze  Zeile  12  nur  noch  78  Buchstaben,  was  zu  den  79  Buch- 
staben von  Z.  1 1  stimmt,  und  auch  Zeile  8  lässt  sich  durch 
Umstellung  von  ύπί(Τχομαι  hinter  die  Götternamen  leicht  auf 
dieselbe  Zeilenlänge,  nämlich  77   Buchstaben,  bringen. 

Wenn  dieses  Ergebniss  überhaupt  noch  einer  Bestätigung 
bedarf,  so  geschieht  es  durch  die  glatte  Erledigung,  die  jetzt 
gewisse  Zeilen  finden.  Hier  waren  die  Ergänzungen,  die  der  Sinn 
forderte,  so  klar,  dass  sie  schon  von  den  ersten  Ueransgebero 
eingesetzt  wurden,  aber  da  sie  die  vorausgesetzten  grossen  Zeilen 
von  93  oder  mehr  Buchstaben  nicht  ausfüllten,  findet  sich  ausser 
ihnen  gewöhnlich  noch  eine  grössere  Lücke  in  den  Ausgaben  an- 
gedeutet. Lässt  man  nun  diese  Lücken  unberücksichtigt,  so  er- 
gibt das,  was  zurückbleibt,  gerade  die  oben  gefundene  Zeilen- 
länge; zB.  erscheint  Z.  20  in  den  Ausgaben  so: 

€ΐλέσθ(υ  του  \αροΰ  καΐ  στρατευόντων  έπ'  αύτόςΆνφικτ1ίον€ς 
κατά  κα  τοι  ιαρομνάμονες  -  -  -  -  έπαγγίλ]  |λιυντι 

Ohne  die  Lücke  zählt  die  Zeile  mit  der  schon  von  Böckh  gefun- 
denen Ergänzung  gerade  77  Buchstaben.  Ebenso  geben  die  eben- 
falls längst  als  nothwendig  erkannten  Ergänzungen  v.  Z.  15  eine 
Gesammtlänge  von  79  Buchstaben.  Endlich  Z.  1,  17  und  36 
zählen  ohne  die  in  den  Ausgaben    vermerkten  Lücken   75  Buch- 


^  In  Z.  11  verführte  dazu  auch  die  frühere  ungenaue  Lesart: 
ΥΓ.  ΣΧ.  M.,  was  sich  verhältnissniässig  ungezwunpren  ergänzen  Hess  zu 
ύπισχόμ[€νος  ομνύω;  abiT  wie  sclion  FrÖhner  bemerkte  und  jetzt  von 
Blass  bebtätigt  wird,  sieht  hiüter  dem  Μ  ein  A,  es  ibt  also  ύπίσχομαι 
zu  lesen,  und  so  steht  auch  in  der  Labyadeninschrift  Α  Ζ.  14. 


Misoellon  175 

rtabcn,  was  sich  bei  einer  nicht  (Ττοιχηοόν  geecbriebenen  Inschrift 
mit  Zeilen  von  77  —  79  Rncbstaben  durchaus  verträgt. 

Die  Frage  der  ursprünglichen  Zeilenlange  ist  also  jetzt, 
wie  ich  wohl  sagen  darf,  sicher  gelöst  und  damit  die  Grundlage 
für  die  weitere  Herstellung  geschaffen.  Einiges  ergiebt  sich  fast 
von  selbst,  zB.  der  Wortlaut  des  Paragraphen  über  die  Ιαρό  γα: 

ΤΤ[έροϊ>ος  τας  Ιορας  •  α»  τις  τάν  γάν  έπΐ6ρ]|τάίοιτο  Sv 
Άμφικτιονες  Ζάρωσαν,  έπ€ί  κ[σ]  ά  πάροδος  γίνηται  άποτ[€ΐσάτιυ 


τώι  Ιαρώι ] 


στατήρας    Αίγιναίος    κάτ    τ[ό] 


π€λ€θρον  Ικαστον,  τοι  bfe  \€ρομνάμ[ον€ς  ττεριϊόντιυν  τάν  \epav 
γαν]  Ι  και  τΓ[ρασ1σόντιυν  τόν  έπιεργαΖΙόμενον  •  αΐ  bk  μη  π€ριϊ€Ϊ€ν 
ή  μη  πρ[ά<τσοΐ6ν,  άποτ€ΐσάτιυ  6  μη  π€ριϊών]  |  μηο'  έ[κπ]ράσσιυν 
τριάκοντα  στατήρας  •  αΐ  bi  κα  μη  άποτίνηι  ό  [09fciXuJV,  ά  πόλις 
ίί  ας  κ'  €Τ  ό  Ιερομνάμων]  |  €ΐλ6σ[θιυ]  του  \αρου  κα\  στρατεύον- 
ταν έπ'  αυτός  *Ανφικτ[ίον€ς  κάτ  τά  κα  τοι  Ιερομνάμονες  έπαγ- 
Τ^λ]|λιυντι. 

Dabei  kommt  auch  vor  allem  die  Lesung  Köhlers  Z.  19 
Anfang  ρασσΟν,  neuerdings  auch  von  Michel  ausdrücklich  be- 
zeugt, mit  der  aber  bisher  Niemand  etwas  anfangen  konnte,  zu 
ihrem  Recht. 

Z.  24 — 26  lauten  jetzt  die  Strafbestimmungen  kürzer:  al 
hi  τις  τ[ός  νόμος  τούτους  παρβαίνοι,  τοι  \]  [αρομνάμονες  ίαμι- 
όντων  ÖTivi  κα  ^ικαιιυι  σφ[ι]ν  οοκήι  είμεν  έπ[ι2αμίωι,  το  b' 
τίμισσον  άει  ίστιυ  ταιν]|  κοτατ[τ€]λλόντων  ποι  τός  Ιαρομνάμονας. 

Auch  den  Paragraph  über  die  Beparatui*  der  Heiligthümer 
glaube  ich  etwas  fördern  zu  können.  Er  beginnt  Z.  35  mit  der 
Bestimmung:   τόν    ναόν   του  'Απόλλωνος   του  Πυθίου  και  τάν 

αυλάν  και  τόν  τας  Α δρόμον  και  τάν  κράναν  τάν  έμ- 

irebiuji  τοι  Ιαρομνάμονες  τοι  Άμφι[κτιόνιυν  κατά  τάν  Πυθιάόα 
έκά](Τταν  έφακείσθων.  Die  Lücke  beträgt  nach  dem  oben  ge- 
vonnenen  Ergebniss  ungefähr  25  Buchstaben.  Seit  Böckh  ergänzte 
man  bisher  zu  Anfang  der  Lücke  ΆΓρτάμιτος],  Baunack  vermuthete, 


(la.<:e  ausserdem  in  der  Lücke  vie 


leicht  der  Tempel  der  Leto  er- 


wähnt war,  aber  dazu  ist  jedenfalls  kein  Platz.  War  wirklich 
Artemis  genannt,  so  kann  ausserdem  nur  noch  eine  attributivisch 
eiogeschobene  Bestimmung  zu  ορόμος  gefolgt  sein,  was  freilich 
wenig  wahrscheinlich  ist,  da  es  doch  wohl  nur  den  einen  δρόμος 
wie  die  eine  αύλά  gab.  Nun  ist  ja  aber  die  Ergänzung  'Α[ρτά• 
Μίτος]  keineswegs  sicher,  vielmehr  hat  Danielsson^  jüngst  aus  rein 
sachlichen  Gründen  hier  die  Erwähnung  des  Tempels  der  Άθήνη 
Προναία  vermiest,  der  nach  dem  Apolloheiligthum  der  ange- 
sehenste in  Delphi  gewesen  zu  sein  scheine,  und  vorgeschlagen, 
ihren  Namen  an  Stelle  der  Artemis  zu  setzen.  Hierfür  liefert 
nun  das  oben  gewonnene  Ergebniss  über  die  ursprüngliche  Zeilen- 
lange eine   glänzende    Bestätigung.     Ergänzt   man    nämlich:   τόν 


1  ludogorm.  Forsch.  IV  (1804)  S.  167;  über  die  Άθήνη  Προναία 
».  Preller-Robert,  Gr.  Myth.  I  19Γ>. 


176  Micellen 

τας  Ά[θαναίας  τας  Προναίας  ναόν  καΐ  τόν]|^ρόμον,  so  fallt 
dies  genau  die  Lücke  zu   77  Buchstaben  aus. 

Endlich:  vor  dieser  Bestimmung  stehen  zu  Anfang  der 
Zeile  35  die  Buchstaben  ιος»  die  offenbar  die  Endung  eines 
Genetive  enthalten.  Ich  schlage  vor  zu  ergänzen  [άκ€(Τ]ιος,  ein 
Wort,  das  auch  in  der  delphischen  Tempelbaurechnung  SGDl 
2502  Z.  62  vorkommt^,  und  sehe  darin  die  Ueberschrift  des 
Paragraphen,  die  nacl'her  durch  das  Wort  έφακ€ί<Τθιυν  aafge 
nommen  wird.  Aehnlich  stehen  auch  in  der  Mysterieninschrift  vod 
Andania  die  üebersohriften  der  einzelnen  Paragraphen  meist  im 
blossen  Genetiv,  in  unserem  Gesetz  steckt  vielleicht  derselbe 
Genetiv  in  dem  Wort  οΙκή(Τιος  Ζ.  21  und  Ζ.  40  in  &6ιυν,  vor  dem 
sich  auch  ein  Interpunctionszeichen  findet.  Dass  sich  daneben 
auch  üebersohriften  im  Nominativ  finden  zB.  Z.  26  λώτις,  be- 
weist nichts  dagegen,  wie  die  Parallele  derselben  Myeterienin- 
Schrift  zeigt. 

Der  grössere  Theil  der  Inschrift  harrt  freilich  auch  jetzt 
noch  der  Herstellung,  aber  die  sichere  Grundlage  ist  jetzt  doch 
vorhanden,  und  durch  ihre  Darbietung  den  Fachgenossen  die  Arbeit 
zu  erleichtern,  ist  der  Hauptzweck  dieser  Zeilen. 

Plön.  Ludwig  Ziehen. 


^  Καλλιτέλει  τοΟ  μαχανιύματος  άκέαχος  στατήρες  τρ€!ς,  δροχμά 


Verantwortlicher  Redacteur:  L.  Hadermachcr  in  Bonn. 

(23.  December  1901.) 


\.4.~,  ---  »     • 


MILCH  UND  HONIG 


v/ 


Die  Gegenwart  des  Dionysos  aiif  Erden  äussert  sich  neben 
anderen  Wundern  dadurch,  dass  von  selbst  MilchundHonig  fliesst 
nm  die  Durstenden  zu  laben.  Von  Milch  fliesst  der  Boden  und 
vom  Nektar  der  Bienen  ^:  so  dünkt  es  den  Bakchantinnen,  wenn  sie 
die  Gegen^wart  des  Gottes  fühlen.  Daher  nach  einer  von  Ovid 
(Fast.  3  73β  ff.)  erzählten  Sage  α  Baccho  mella  reperta  ferunt. 
Schon  bei  der  Gebnrt  des  Dionysos  hebt  Philostratos  ^  es  hervor, 
dass  die  £rde  selbst  sich  an  seinem  Schwärmen  betheiligen  werde, 
indem  *eie  ih.m  gewähre  Wein  aus  Wasserquellen  zu  schöpfen 
und  Milch  ττΐβ  aus  Brüsten  bald  aus  einer  Ackerscholle,  bald 
ans  einem  Felsen  zu  ziehn^ :  es  laset  eich  nicht  verkennen,  dass 
dieaer  lebendigen  und  eigenartigen  Schilderung  die  Worte  eines 
alten  Dichtere  zu  Grund  liegen.  Aue  dem  sprödesten  Stoff  ver- 
ma'»'  der  Crott  das  süsse  Nass  hervorzuzaubern.  Um  die  Töchter 
des  Minyfte  zn  bekehren,  lässt  er  aus  den  Bäumen  ihres  Web- 
stuhls  "^Nektar  und  Milch'  fliessen^;  bei  Alkman  melkt  er  Milch 

ι  ^urip•  Bakchen  142.  Zum  Folgenden  verweise  ich  auf  die  mit 
h  bendem  Fleise  gefertigte  Schrift  eines  Imkers  W.  Robert-Tornow, 
Γ}  'um     melliaque    apad    ueteres    significatioDe.      Berl.    1893     und 

WHRoscher    Nektar  und  Ambrosia,  Leipz.  1883. 

«  Philostr.   imag.  1,  14   p.  30,  23  (Ausg.  des  Wiener   philol.  Se- 

λ  ft  T^»    "^  "^^  ^^^  συμβακχβύσβι  αύτψ  καΐ  olvov  άφυσσ€ΐν  έκ  πη- 

■     Sthaei    X<SlK^  '^^  °^*^^  ^^^  μαίών  ^Xxeiv  τό  μέν  έκ  βώλου,  τό  δέ  έκ 

τέτρβζ» 

3  Antonimie  Lib.  10   καΐ   έκ  τΦν  κελεόντυυν  έρρύη  νέκταρ  αύτφ 

ΑΧα '    daes    hier  Worte  des  Dichtere  (Nikander)  bewahrt  sind,    ist 

Vm     α   pDiloe^*"•  imag.  ρ   317  nicht  entgangen:  daraus  erklärt  sich 

Kl     dase    oicbt  Honig,   sondern  Nektar   genannt  wird.     Bei  Ovidius 

^^    '        Λ     3y4  fif-  statt  dieses  Wunders  ein  anderes,  dem  Tyrrenerschiff 

^f     ^'^ \  J^n    7•  38  ff•)  nachgebildetes:  alles  Holz  am  Webstuhl  beginnt 


und    Weinlaub  zu  treiben. 


zu  grünem 

.      tf  n«    f.  J-hUol•  N.  F.  LVII.  12 


178  Üeener 

R08  Löwen ^.     So  konnte  Seneca  (Oedip.  494  ff.)  in  ^ler  Schilde- 
rang dee  Beilagere  von  DionyeoH   und  Ariadne  Jas  Wunder  des 
Honigthaas  und  der  Milch  strömenden  Quellen  nicht  fehlen  lassen 
Die  wunderthätige  Kraft    des  Gottes    geht    auf  seine  echwäime- 
riechen  Verehrerinnen   über.     Der  Bote  der  Euripideischen  Bak- 
chen  erzählt  (708  ff.),  wie  die  auf  dem  Kithaeron  schwärmenden 
Weiber  nur  mit  den  Fingern  den  Boden    zu    schärfen    brauchten 
um    Milch    hervorzuzaubern ,    und    wie  von    ihren  Thyrsoestäbeo 
Honig   troff.     Die    Vorstellung   ist   im  IV.  Jh.  noch    vollständig 
lebendig.    Die  Bakchen,  sagt  der  Sokratiker  Aeschinee^  pflegen, 
wenn  sie  gotterfilllt  sind,  aus  Orten,  denen  die  andern  Menechen 
nicht  einmal  Wasser  zu  entnehmen   vermögen,    Milch  und  Honig 
zu  schöpfen.     Und  treffend  laset  Piaton*  seinen  Sokrates    sagen: 
*die  Bakchen  schöpfen  aus  den  Flüssen  Milch  und  Honig  in  ihrer 
Verzückung,  aber  wenn  sie  bei  Sinnen  sind,   nicht.*     Das  gehört 
seitdem  als  fester  Zug    in  das  dichterische  Bild  des  bakchiechen 
Jubels^.     Die  Ueberschwenglichkeit  Claudians  vermag   noch   den 
Hochzeitstag  des  Stilicho   und  der  Serena  auch  durch  dies  Bild^ 
zu  verherrlichen: 

ferunt  mellisque  lactis  ei  flumina  lactis  erupisse  solo. 
Dionysos  bringt  den  Himmel  auf  die  £rde  hernieder.  Himm- 
lische Gaben  m&ssen  es  sein,  womit  er  seine  Gegenwart  besengt 
In  der  That  gilt  der  Honig  als  Speise  der  Götter  *.  Das  Zeasknäb- 
lein  wird  auf  Kreta  durch  Milch  und  Honig  ernährt.  Dem  kleinen 
Dionysos  netzt  Makris,  als  Hermes  ihr  ihn  gebracht,  die  trockene 


*  Arietidee  r.  4  t.  I  p.  49  Dind.  ιΰςπερ  καΐ  Xcovtuiv  χάΧα  Αμέλ- 
γ€ΐν  άνέθηκέ  τις  αύτφ  Λακωνικός  ποιητής  dh.  Alkman  fr.  34  Β. 

*  Arietidea  r.  45  t.  II  ρ.  23  D.  καΐ  γάρ  αΐ  βάκχαι  έπ€ΐ6άν  ^deoij 
γ^νωνται,  ÖOcv  οΐ  Αλλοι  [έκ  τών  φρεάτων  getilgt  von  Jacobe  «u  Phi- 
lostr.  im.  p.  310]  ουδέ  οδωρ  δύνανται  ύδρεύεσθαι,  έκεΐναι  μέλι  καΐ  γάλο 
άρύονται.  Vgl.  CFHermann  Disp.  de  Aeschinis  Socr.  reliquÜB  (Gott' 
1850)  p.  23.  j 

β  PI.  Ion  ρ  534»  ώςπερ  αΐ  βάκχαι  άρύτονται  έκ  τών  ηοταμύΝ 
μέλι  καΐ  γάλα  κατεχόμεναι,  ίμφρονες  Η  οοσαι  oö. 

7  Vgl.  Horat.  c.  U  19,  9  f.  Philostr.  v.  Apollon.  6,  10  p.  23is  (t 
imag.  1,  18  p.  30,  17  f.  der  Wiener  (nacb  Eur.  Bakch.  708  ff.  ebej 
wie  Vit.  soph.  1,   19)  Tzetzes  zu  Lykophron  143.  ^ 

8  Claud.  de  consulatu  StilichoniB  1,  85  p.  192  Birt. 
»  Porphyrios  de  antro  nymph.  10    θεών   τροφής  οΟσης    χοο 

λιτός.    Zeue:  Kallimachos  Η.  auf  Zeue  4«    Antoninus  Lib.   19   £>•  ^ 
70.     Dionysos:  Apollon.  Rh.  4.  1131  f.     Achilleus:  Philoetr.    ima      ο 
ρ.  64,  7  der  Wiener.    Vgl  Röscher  s.  30,  58.  00  f.    Robert«Tornovf  8^ 


Miloh  und  Honig  179 

Lippe  mit  Honig.  Und  den  jungen  Achilleus  zieht  Cbeiron  mit 
Milch,  Hark  und  Honig  auf.  Wie  einen  Göttertrank  nimmt 
Piodar^®  das  Gemenge  von  Milch  und  Honig,  wenn  er  e«  als 
Bild  für  seine  Dichtung  gebraucht,  wie  ein  ander  Mal  den  Nektar. 

Hier  schlägt  die  Voratellung  ein,  dass  Seher  und  Dichter, 
die  Künder  göttlichen  Worts  auf  £rden,  durch  die  Götterspeise 
dee  Honigs,  die  ihnen  in  frühester  Jugend  auf  wunderbare  Weise 
eingeflösst  worden,  zu  ihrem  hohen  Berufe  geweiht  worden  seien. 
Dem  neugeborenen  lamos  nahen  zwei  Schlangen  'nach  der  Götter 
Willen'  nnd  nähren  ihn  sogleich  *  mit  dem  tadellosen  Safte  der 
Bienen*  (Pind.  Ol.  6,  45).  Von  den  alten  Kfinderinnen  der  Zu- 
kunft, die  am  Pamass  hausten,  den  drei  Schwestern  θριαί^^  er* 
zahlt  der  Homerische  Hymnus  auf  Hermes,  sie  flögen  hin  und 
her  um  sich  yon  Waben  zu  nähren :  wenn  der  Genuss  des  gelben 
Honigs  sie  itf  Begeisterung  versetze,  dann  finde  man  sie  bereit, 
willfahrigen  Sinnes  die  Wahrheit  zu  künden ;  aber  wenn  ihnen 
die  süsse  Speise  der  Götter  entzogen  werde,  dann  sprächen  sie 
Falsches,  indem  sie  wirr  durcheinander  redeten.  Und  noch  Pindar 
bezeichnet  (Pyth.  4,  60)  die  Pythia  mit  dem  Ausdruck  'delphische 
Biene'  (χρησμός  μ€λ{σσας  Δελφίοος). 

Häufiger  and  mannigfach  sind  die  Beziehungen,  in  welche 
die  Dichtung  zu  Honig  und  Bienen  gesetzt  wird.  Bienen  um- 
schwärmen den  Pindaros^^  unmittelbar  nach  der  Geburt;  sie 
bringen  als  Götterbotinnen  ihm  den  begeisternden  Honig.  Nach 
andrer  Sage  wandert  er  nach  Thespiai,  dem  Sitz  des  Helikoni- 
schen Husencultns,  und  legt  sich,  von  der  Sonnenhitze  ermattet, 
am  Wege  nieder:  da  kommen  Bienen  zum  Schlafenden  geflogen, 
and  bilden  an  seinen  Lippen  eine  Honigwabe.  Sophokles ^^  wurde 
schon  in  der  alten  Komödie  'Bleue'  genannt.  Auf  die  Lippen 
des  jungen  Piaton  Hessen  sich  Bienen  nieder,  die  Süssigkeit 
seiner  Rede  voraus  zu  künden '^^.     Nach   einer  Heeiodsage,    die 


w  Find.  Nem.  3,  77  xobe  τοι  π^μπω  μεμιγμένον  μέλι  λ€υκφ  σύν 
τάλακτι,  κιρναμένα  b*  Ccpo*  άμφέπ€ΐ  (also  noch  Wasser  zugemischt?), 
vgl.  Isthm.  4,  54  έν  b'  £ρατ€ΐνψ  μέλιτι  καΐ  Tot^be  τιμ^.  Fiagegeu 
Ol.  7,  7  νέκταρ  χυτόν,  MoioÄv  booiv. 

^^  Hom.  Hymnus  auf  Hermes  558— G3  vgl.  Baumeister  z.  St.  p.  24(j. 
Zum  folgenden  vgl.  Robert-Tornow  aO.  p.  98  —  101.  114  ff. 

^  Philostr.  imag.  2,  l'i;  die  andere  Sage  bei  Pausiinias  1X23,2. 

'*  Schol.  zu  Soph.  Oed.  Col.  17  und  Aias  1199,  vgl.  die  Anspie- 
longen  des  Aristophanes  in  der  Vita  Soph.  22  p.  21^  0.  Jahn  mit  den 
Anraerkangen  (vor  der  Elektra). 

w  Plinius  n.  h.  11,55  Cicero  de  diuin.  I  3G,  78  li  31,66.    Ueber 


180  Usener 

auf  Lucanne  übertragen  wurde,  um ech wärmten  Bienen  die  Wiege 
des  Dichtere  und  eetzten  sich  zahlreich  darauf  nieder.  *  Die 
Dichter  erzählen  uns',  heisRt  es  in  Piatone  Ion  (p.  534*),  'das»« 
sie  von  honigetrömenden  Quellen  in  den  Gärten  und  W'aldthälern 
der  Musen  die  Lieder  saugen,  die  sie  uns  bringen '.  Nach  oft 
wiederholtem  aber  abgeschwächtem  Bilde  sammeln  die  Dichter 
wie  Bienen  den  süssen  Honig  des  Liedes  ein^^;  altertbümlicher 
klingt  es,  wenn  die  Bienen  gradezu  'Vögel  der  Musen'  genannt 
werden. 

Quellen  oder  Ströme  von  Milch    und    Honig    gehören  also 
zur  Ausstattung  des  Götterlandes.    In  dem  himmlischen  Jerusalem 
sollen  zwölf  Quellen  Milch  und  Honig  strömen  ^^.     in  einer  apo- 
kryphen  Vision  wird  der  Apostel  Paulus  in  goldenem  Schiffe  zur 
Stadt  Christi  gefahren :  vier  Flüsse  umgeben  die  Stadt,  der  erste 
von  Honig  (im  Süden),    der  zweite  von  Milch  (im  Westen),    der 
dritte  im  Norden  von  Wein,    der  vierte  im  Osten  von  Oel;    der 
Honigstrom    ist  der  Ort  der  Propheten,    der  Milchfluss    der   un- 
schuldigen  Kindlein  und  der  reinen  Seelen:  Bilder  vom  Land  der 
Verheissung  und  vom  Paradies  laufen    hier   zusammen   und    sind 
ins  Jenseits    zurück    verlegt.     lamos  usw.    lehrt   uns    versteho^ 
warum  die  Propheten   sich    um   den   Honigstrom   sammeln.     Bei 
den  Griechen  bricht  die   Vorstellung  durch  in    einer   sprichwört- 
lichen Bedeneart^'^.     Während   wir    von    einem    Sack    voll  Gold 
sprechen,  sagte  der  Grieche:   er  hat  einen  Bienenkorb  voll  Geld 
(oder  Schätzen).     Hier   ist   die  alte  Vorstellung  des  himmlischen 
Schatzes  ^^  beeinflusst    und    gefärbt    durch    das  Bild  vom  himm- 

Hesiod  and  Lucanus  s.  die  jüngere  Vita  Lucani  in  Reifferscheidü 
Sueton  p.  76,  16. 

w  Aristoph.  Vögel  749  Horat.  carm.  IV  2,  27  ff.  Lucretias  3,  11 
Lukian  in  den  Άλΐ€ΐς  c.  6.  Vgl.  Varro  r.  r.  III  16,  7  *cum  Musarnn: 
esse  dicantur  esse  uolucres ' . 

"  Esdra  V  2,  1 9  (in  Fritzsche's  Libri  apocryphi  Vet.  test.  p.  (US 
*et  totidem  (dh.  12)  fontes  fluenles  lac  et  niel*  Apocalypeis  Pauli  23  fl 
in  Tiechendorfs  Apocalypses  apoeryphae  p.  52  ff.,  lateinisch  in  Jame^ 
Apocrypha  anecdota  (Texte  and  studies  ed.  by  Arm.  Robinson  t.  II  l\ 
p.  24,  14.  25,  23  ff.  Im  griechischen  Text  wird  der  Milchstrom  in  dej 
Süden  verlegt,  es  folgt  der  östliche  (p.  54,  4  tl•  άμφηλίου :  lies  αφηλίου 
ohne  Angabe  des  Stoffs,  dann  der  nördliche  mit  Oel. 

^'  Aristoph.  Wesp.  241  lässt  einen  alten  Heliasteii  von  den  Heic] 
thümem,  die  Laches  aus  Sicilien  mitgebracht  haben  soll,  sagen:  σίύ 
βλον  bi  φασι  χρημάτων  ίχειν  απόντες  αυτόν. 

18  S.  Sintfluthsagen  β.  182  ff. 


Milch  nnd  Honig  181 

lischen  Honig :  der  Bienenkorb  iet  wie  eeine  nächeten  Verwandten, 
das  Tiechlein  deck  dich  nnd  der  Wundereäckel  des  Merouriue, 
des  Fortanatue  uew.,  ein  unvereieglicher  Schatzbehälter  himm- 
lischen Segens.  Er  bedarf  ioch  wohl  auch  für  den  mythologi- 
schen Stumpfsinn  keines  Wortes,  dass  man  Bienenkörbe  im  Alter- 
tbum  80  wenig  wie  heute  als  Geldtrnhen  benutzt  hat. 

Vom  Bilde  des  Götterlandes  sind  die  Vorstellungen  des 
Paradieseslebens  oder  des  goldenen  Zeitalters  entlehnt".  Römische 
Dichter,  gerade  hierin  gewiss  von  Griechen  abhiingig,  vergessen 
in  ihren  Schilderungen  des  goldenen  Zeitalters  so  leicht  nicht 
dies  Wunder.     So  TibuUus  (I  3,  45): 

Ipscie  meUa  dabant  quercus  uUroque  ferebant 
obuia  securi^  ubera  lactis  oues 
oder  Ovidioe  (met.  1,  11  ί  f.): 

flumina  tarn  lactis,  tarn  flumina  neetaris  ibant, 
flauaque  de  uiridi  sHllabant  üice  meUa^. 
Aach  der  Traum  eines  wiederkehrenden  Paradieses  mag  sich  des 
tief  eingeprägten  Bildes  nicht   entschlagen.     Schon    die   alte    he- 
bräische Sage    stattet    damit    das    Land    der  Verheisenng    aus^^. 
Deegleicben   Vergilius  (ecl.  4,  30): 

ef  durae  quercus  sudabant  roscida  mella. 
Und  Sertorins  erhofft  von    den  Inseln   der  Seligen,   zu  denen    er 
^cb  hinüberretten  möchte,  dass  dort 

mella  caua  manant  ex  üice  und 

illic  iniussae  ueniunt  ad  mülctra  capeÜae 
refertque  tenta  grex  amictis  tibera^^, 
Nor  etwas  tiefer  gestimmt,  näher  dem  Irdischen,  klingt  die  He- 
^ioJische  Verheisenng  für  das  Land  der  Gerechten,  dass  da  auf 
i^n  Bergen  die  Eiche  in  dem  Wipfel  Eicheln  und  in  der  Mitte 
Bienen  trage  ^^-  In  der  christlichen  Litteratur  zeigt  sich,  wie 
ii-  Mosaische  Land  der  Verheissung  einen  durch  hellenischen 
'riaaben  wohl    vorbereiteten  Boden  fand.     In  der  oben  schon  an- 


w  S.  ebend.   197  ff. 

»  Vgl.  noch  Ovid  am.  III  8,  40  Aetna  v.  13  Robert-Tornow 
».  X3  ff. 

«  Die  Belege  ••  Sintfluths.  207,  1. 

»  Horat.  epod.  16,  47.  49  f. 

«  Hesiod  Werke  232  f.  vgl.  Plinius  n.  h.  16,  31.    In  der  neuen 

et r US- Apokalypse    c.  5   und   ebenso    in   der    Apokal.    des    Paulus    11 

fischendorfe   Apoc.  apocr.  p.  40,    lat.  in  RobinsoDs  Texte  and  studies 

'4  p.  14,  36)  uö.   ist  der  'Ort  der  Gerechten   ein  himmlisclies  Paradies. 


182  Usener 

gezogenen  Apokalypse^  wird  Paalue  vom  Engel  in  den  zweiten 
Himmel  geftihrt,  das  Land  der  Verheieenng  nnd   den   Schauplatz 
des  taneendjährigen  Gottesreichs,  da  Rieht  er  einen  Flues,  der  von 
Milch  nnd  Honig  flieset,    nnd    an   deinen  Ufern    Palmbänme  ui.d 
WeinstÖoke    von    wunderbarer    Fruchtbarkeit.      Der  Teufel,    der 
die    h.   AnthuRa    zum    Abfall    von    Chrietue    bestimmen    möchte, 
spricht  zu  ihr:  *  Komm  nnd  trink  von  dem  Pln.oee,  der  Milch  an! 
Honig   strömt/      Umgekehrt    äussert   sich    das    dnrch    die  Fesse- 
lung   des    Kronos    herbeigeführte    Ende   des   goldenen    Zeitalters 
für  Vergilius  darin,  daes  Juppiter  tnella  decussit  foliis:  der  wahre, 
reine  Honig,  wie  ihn  das  goldene  Zeitalter  genosRen,  pflegte  wie 
Himmelsthau  an  den  Blättern  der  Bänme  zu  hangen. 

Der  Cnltusbrauch  ist  nur    die  äussere  Grestaltang  der  Vor- 
stellungen von  Gott  und  göttlichen  Dingen,  die  in  einer  Gemeinde 
oder  einem  Volk  lebendig  sind.     Von  den  Vorstellungen,  die  wir 
eben  tiberblickt,  mnss  auch  die  Anwendung  von  Milch  und  Honig 
im  Cultus  abhängig  gewesen  sein.    Die  wichtigste  und  gebräncb- 
liebste  fand  bei  dem  Opfer  an  Todte  statt.    Schon  Odyssens  giesst 
den  Todten   bei   der   dreifachen    Spende,    die    er    darbringt,    auch 
Gemisch  von  Honig  und  Milch  in  die  Grube  (s.  unten  Anna.  331 
Bis  in  die  späte  Zeit  dauerte   der  Brauch,    namentlich    bei    der 
Todtenbeschwörung    schien    er    unerlässlich.     Honig    und     Milch 
wurden  also   als  Seelenspeiee   angesehen.     Die  Geister    der   Ent- 
schlafenen wurden  im  seligen  Jenseits  wohnend  gedacht,  ee  kam 
ihnen  die  süsse  Nahrung  zu,   welche  die  Sage  dorthin  versetzte. 

Dem  Porphyrios  verdanken  wir  die  Nachricht,  daee  bei  der 
Mithrasweihen  Honig  verwendet  wurde  ^.     Es  geschah    dae    bei 

**  In  der  lateinischen  Fassung  der  Texte  and  stud.  II  3  p.  22,  211 
Acta  8.  Anthusae  c.  13  in    deu  Analecta  Bollandiana  t.  XII  p.   2β,   l^ 

«  Verg.  Georg.  1,  131.    Vgl.  Pliniue  n.  h.  11,  30  f. 

^  S.  Robert-Tornow  p.  184—146,  Röscher,  Nektar  u.  Ambr.  ι>Γ> 
und  besonders  Stengel  in  Fleckeisens  Jahrb.  1887  S.  (>53. 

^  Porphyr,  de  antro  nymph.  i>H  p.  75,  l^ί  N.^  b\ö  καΐ  oir^bei 
αύταΐς  (ταΐς  ψυχαΐς)  τους  ψυχαγωγούς  μέλι  κ€κραμένον  γάλακττ  vc 
ebend.  IH  ρ.  iiH,  18  biö  καΐ  μέλιτος  σπονδάς  τοις  χθον{οις  €θυον. 

28  Porpli.  de  antro  nymph.  15  οταν  .  .  .  τοΙς  τά  λ€ονττκά  μυοι 
μένοις  €ΐς  τάς  χ€ΐρας  άνθ*  ΰδατος  μέλι  νίψασθαι  έγχέωσι,  καθαρές  ^^^ 
τάς  χ€ϊρας  παραγγέλλουσιν  άπό  παντός  λυπηροΰ  καΐ  βλαπτικοΟ  καΐ  u 
σαροΟ  .  .  .  .,  καθα(ρουσι  δέ  καΐ  τήν  γλώτταν  τφ  μέλιτι  diro  ιταντ 
αμαρτωλού.  (HJ)  οταν  bk  τψ  Πέρση  προσάγωαι  μέλι  ώς  φύλακι  k<j 
πΦν  (?),  τό  φυλακτικόν  έν  συμβόλψ  τίθ€νται.  Vgl.  Fr.  Cumont,  Texl 
et  monuments  figares  rel.  aux  rayst^ree  de  Mithra  1,  320.  Ueber  Tl 
nigung  durch  Htmicr  he^w.  Ambrosia  s.  Röscher  aO.  39  ff. 


Miloh  und  Honior  183 

den  Weihungen   zum  vierten  und  fünften  Grade,  dem  des  Löwen 
and  dem  des  Pereers.     Dem  künftigen  Löwen  wurde  statt  Wasser 
Honig  auf  die  Hände  gegossen  als  Reinigungsmittel ;  ^  sie  reinigen 
aber   auch    die  Zunge    mit    dem  Honig    von  allem  Sündhaften': 
die  Zunge  wurde  also  nur  bestrichen  mit  Honig.     Bei  der  fünften 
Weihe    zum  Perser    wurde    Honig    als  'erhaltendes'  Mittel*•  ge- 
reicht:   es  scheint    also  in    diesem  Fall    als  Unsterblichkeit    ge- 
währende Götterspeise,   wie  eine  Art  Ambrosia  gegeben  worden 
zn  sein.     Hätte    uns  doch  Porphyrios,   statt  uns  von  der  Feuer- 
natnr  des  Löwen  zu    unterhalten,    aus    seinem  Pallas  mehr  über 
den  liturgischen  Hergang    berichtet.     So    bleiben   uns  seine  An- 
gaben fürs  erste  fremdartig. 

Glücklicher  Weise  sind  wir  weit  gründlicher  unterrichtet 
über  die  Anwendung,  welche  die  alte  christliche  Kirche  von  Milch 
and  Honig  machte.  Die  Akten  liegen  noch  heute  so  reichlich 
vor,  daes  wir  nicht  nur  die  liturgische  Gestaltung  und  ihre  Ge- 
schichte genügend  kennen,  sondern  auch  über  das  Wesen  der- 
selben zn  nrtheilen  vermögen. 

In  der  christlichen  Kirche  wurde  ehemals,  und  wird  heute 
Doch  bei  den  Kopten  und  Aethiopiern  der  Brauch  beobachtet,  den 
Täuflingen y  nachdem  sie  das  Taufbecken  verlassen,  Milch  und 
Honig  zneammengemischt  darzureichen^^.  Die  uns  erreichbar 
älteste  Form  des  Brauchs  kennen  wir  erst  seit  Kurzem  durch 
üe  lateinische  Bearbeitung  der  Didascalia  apostolarum^  welche 
£dmund  Haaler  aus  einem  Palimpsest  zu  Verona  hervorgezogen 
hat'^  Unmittelbar  nach  vollzogener  Taufe  wurden  die  Täuflinge 
^on  einem  Presbyter  mit  geweihtem  Oel  gesalbt  und  traten, 
nachdem  sie  die  Taufkleider  angelegt  hatten,  in  die  Kirche.  Dort 
^mpfleng  sie  der  Bischof,  um  sie  unter  Handauflegung  mit  ge- 
reihtem Oel  (Cbrisma)  zu  segnen  und  ihnen  den  Kuss  zu  geben, 
voraof  sie  an  dem  Gebet  der  gesammten  Gemeinde  theilnahmen 

29  Ueber  erhaltende  und  antiseptische  Kraft  des  Honigs  s.  Röscher 
»0.  δ<5  ff. 

*>  Hieronymas  in  der  Altercatio  Luciferiani  et  orthodoxi  c.  8 
t  Π  ρ.  180«  Vall.  *Nam  et  i^ulta  alia  quae  per  traditionem  in  ecclesiis 
'.fifieruantur,  auctoritatem  eibi  scriptae  legis  ueurpauerunt,  uelut  in 
iauacro  ter  caput  mergitare,  deinde  egressos  ktctis  et  mellis  praegiMtare 
Tonerjrdiam  (entlehnt  aae  Tertullian  8.  Anm.  87)  in  infantiae  signiiioa• 
uiooem  die  dominico  et  omni  pentecoete*,  auch  Anm.  40.  Vgl.  Martenb 
De  antiquis  ecciesiae  ritibus  I  1,  15  t.  3  p.  156  Muratori  zu  Liturgia 
flomana  netas  1,30  ff.,  Assemani  im  Codex  liturgicus  eccl.  uniu.  3, 114. 

^  Didascaliae  apostoloram  fragraenta  Veronensia  latina  ed.  E. 
Hanler  (Lipa.  1900)  p.  111-3. 


184  üeener 

und  znm  Schluss  sich  am  Bniderkues  betheiligten.  Dann  wurde 
das  MesBOpfer  für  eie  dargebracht.  Ee  wurde  dazu  Brod,  Wein 
mit  Wasfler  gemischt,  Milch  und  Honig  gemischt,  endlich  Wasser 
consecriert.  Alsdann  belehrte  der  Bischof  die  Täuflinge  über  die 
sacramentale  Bedeutung  der  einzelnen  Elemente,  brach  das  Brod  und 
theilte  es  aus  mit  den  Worten :  *  Das  Brod  des  Himmele  in  Christo 
Jesu',  und  der  Täufling  antwortete  Amen.  Nun  stellten  sich  drei 
Presbyter  (wo  ihrer  so  viele  nicht  vorhanden  waren,  Diacone  an 
Stelle  der  Fehlenden)  der  Reihe  nach  auf,  ein  jeder  mit  einem 
Becher  versehen.  Im  Becher  des  Ersten  war  Wasser,  der  Zweite 
reichte  Milch  (und  Honig),  der  Drilte  Wein  (gemischt  mit  Wasser). 
Also  drei  Becher,  und  von  jedem  mnsste  der  Täufling  dreimal 
kosten.  Der  Geistliche  sprach  zum  ersten  Schluck:  *Γη  Gott 
dem  allmächtigen  Vater  ;  zum  zweiten :  'Und  in  unserem  Herrn 
Jesus  Christus*,  und  zum  dritten:  "^  Und  im  heiligen  Geist  und 
der  heiligen  Kirche*  ^'.  Auf  jeden  Spruch  des  Geistlichen  ant- 
wortete der  Täufling  Amen. 

Hier  ist  also  Milch  tind  Honig  gradezu  unter  die  Bestandtheile 
einer  zu  besonderem  Zweck  veranstalteten  Eucharistie  genommen, 
und  um  die  flüssigen  Elemente  auf  die  erforderliche  Dreizahl  zu 
bringen,  hat  man  das  Wasser,  obwohl  es  schon  im  Weinkelch 
enthalten  war,  besonders  eingestellt  als  Symbol  innerlicher  Reini- 
gung. Allein  man  würde  sehr  irren,  wenn  man  diese  eigenartige 
Stufenfolge  flüssiger  Abendmahlsbestandtheile  ausschliesslich  durcli 
solche  Erwägungen  zu  erklären  glauben  sollte.  Alle  drei,  auch 
der  sprudelnde  Quell  lebendigen  Wassers,  waren  gegeben  iu  alter 
tief  gewurzelter  Vorstellung;  es  sind  die  wunderbaren  Erzeugnisse, 
durch  welche  sich  die  Gegenwart  Gottes  wie  einst  des  Dionysos 
ofl^enbart.  Es  sind  genau  dieselben  drei  Spenden,  nur  in  anderer 
Ordnung,  welche  Odysseus^^  für   die  Seelen  der  Abgeschiedenen 

^  Ich  entferne  mich  hier  scheinbar  vom  Wortlaut  der  Quelle. 
Dort  steht  p.  113  'et  gustent  qui  percipient  de  singulis  (dh.  von  den 
drei  Bechern  mit  Wasser,  Milch,  Wein)  ter  dicente  eo  qui  dat  "In  deo 
patre  omnipotenti",  dicat  autem  qui  accipit  "Amen".  "Et  domino 
lesu  Christo  et  spiritu  sancto  et  sancta  eoclesia**.  et  dicat  "Amen*', 
ita  singulis  fiat*.  Es  ist  unmöglich  ter  anders  als  mit  gustent  zu  ver- 
binden; dann  ist  es  aber  unerlässlich,  dass  zu  jedem  Schluck,  nicht 
bloß  zu  zweien,  ein  .Segenswort  vom  Geistlichen  gesprochen  werde. 
ω  Hom.  λ  2()  f 

άμφ'  αότφ  (βόθρψ)  δέ  χοήν  χ€Ομην  πάσιν  ν€κύ€σσιν, 
πρώτα  μελικρήτψ,  μετέπειτα  bi  ήδέι  ο(νψ, 
τό  τρίτον  αΰθ'  οδατΓ  έπΙ  δ*  Αλφίτα  λευκά  πάλυνον. 
vgl.  κ  518  f.  Nitzsch  Anm.  3,  162. 


Milch  und  Honig  185 

in  die  Grabe  gieeet:  Honiggemiech  (dh.  Milch  und  Honig),  Wein, 
zuletzt  Wasser.  Man  miieste  die  Augen  schliessen,  um  zu  ver• 
kennen,  dass  der  Brauch,  den  die  ^Apostellehre'  schildert,  nur 
anf  hellenischem  oder  hellenieiertem  Boden  kirchlich  geworden 
sein  kann. 

Schon  in  der  zweiten  Hälfte  dee  Π.  Jahrh.  nach  Chr.  war 
er,  mindestens  im  Bereiche  von  Alexandria,  in  Uebung.  Das  be- 
zeugt Clemens  Alex.^,  wenn  er  Milch  als  die  Nahrung  nach  der 
leiblichen  Geburt,  Milch  und  Honig  als  Speisung  nach  der  gei- 
stigen Wiedergeburt  in  Yergleichung  setzt.  Mit  derselben  Be- 
stimmtheit können  wir  behaupten,  dass  der  ältere  Verfasser  des 
Bamabasbriefs  die  Sitte  noch  nicht  kannte.  Seine  ausführliche 
Erörterung  *^deB  Landes  wo  Milch  und  Honig  fliesst'  (c.  6)  würde 
einen  anderen  Gang  genommen  haben,  wenn  er  von  der  Verwen- 
'inng  zur  Taafe  eine  Ahnung  gehabt  hätte. 

Es  ist  lebrreich  zu  beobachten,  wie  der  alte  Brauch  all- 
mäblich  abstirbt,  richtiger  gesprochen,  von  der  Kirche  abgestossen 
^vird.  Die  ägyptische  und  mit  ihr  die  äthiopische  Kirche  bat  Milch 
and  Honig  als  Bestandtheil  des  den  Täuflingen  gespendeten 
ibendmahls  festgehalten.  Für  die  ägyptische  Liturgie  waren  die 
sogenannten  Kegeln  des  Hippolytos  maassgebend,  die  uns  arabisch 
und  iD  koptischer  Umarbeitung  vorliegen.  Hier  heisst  es  von 
den  Vorgängen   nach  der  Taufe '^: 

'Dann  beginnt  der  Diakon  zu  heiligen,  und  der  Bischof  voll- 
endet die  Eacharistie  des  Leibes  und  Blutes  des  Herrn.  Ist  er 
damit  fertig,  communiciert  die  Gemeinde,  während  er  an  der  Tafel 
des  Leibes  und  Blutes  des  Herrn  steht  und  die  Presbyter  andere 
Becher  mit  Milch  und  Honig  tragen  (dh.  halten),  um  die  Commu- 
nicanten  zu  lehren,  dass  sie  zum  zweiten  Male  als  kleine  Kinder 
geboren  sind,  da  doch  die  kleinen  Kinder  an  Milch  und  Honig 
oommnnicieren So  gibt  ihnen  der  Bischof  vom  Leibe  des  Ge- 
salbten and  spricht  dazu:  "Das  ist  der  Leib  Christi*'.  Sie  ant- 
worten Amen.     Bei  denen,    welchen   er   den  Becher   gibt,   spricht 

»  Clemens  AI.  paedag.  I  6, 45  p.  46, 44—7  Sylb.  vgl.  6,  34  p.  43, 
^-21  und  6,  51  p-  47,  14. 

»  Kanon  des  Hippolytos  19,  15  nach  W.  Riedel,  Die  Kirchen- 
ach tsqoeJlen  des  Patriarchats  Alexandrien  (Leips.  1900)  S.  213,  bei 
Aneberg  (Monach.  1870)  p.  77.  Vgl.  Achelis  in  den  Texten  undUnter- 
icbungen  VI  4  S.  100  f.,  wo  man  auch  eine  Uebersetzung  der  koptisch 
•haltenen  (h|5-  von  Lagarde  am  Schluss  seiner  Aegyptiaca)  Aeg.  Kirchen- 
rdnaog  findet,  lieber  den  heutigen  Brauch  s.  JMVansleb  (Wansleben) 
[ist.  de  reglise  d'A  lexandrie  (Par.  Iß77)  p.  206. 


186  Usener 

er:   ^'Dae   ist   das   Blut  Christi*'.    Sie   antworten   Amen.    Darauf 
oommunicieren  rie  von  der  Milch  und  dem  Honig  als  Hinweis  aof 
die  kommende  Zeit   und    die  Sussigkeit   der  Güter   in   derselhen: 
jene  Zeit,  welche  nicht  zur  Bitterkeit  aurückkehren  wird,  und  jene 
Güter,  welche  nicht  verschwinden.  So  sind  sie  vollkommene  Chrieteo 
geworden,  welche  man  mit  dem  Leibe  Christi  genihrt  hat* 
Dem  entsprechend  eohreibt  die  äthiopische Tanfordnnng'®  vor: 
'Und   darauf  sollen   sie  von  dem  .  .  .  Geheimniss  (der  Eucha- 
ristie) empfangen  .  .  .,   sie   sollen  essen  das  Fleisch   und   trinken 
das    theure  Blut   unseres  Herrn    und  Heilands  Jesu  Christi.    Und 
darauf  soll  man   denen,    welche  in  Jesu  Christo  (wieder-)geboren 
sind,  Milch  (und)  unverfälschten  (Honig)  geben.* 
An  Stelle  der  drei  Kelche  ist  eine  Dreiheit  der  Abendmahle- 
elemente überhaupt  getreten:  Brot,  Wein,  Milch  und  Honig.    In 
dieser  Geatalt  mögen  die  Taufbränohe  an  die  africanieche '^  Kirche 
gelangt  sein.     Vor  der  kirchlichen  Wissenechaft,    die  allmählich 
auch  den  Gottesdienst  beeinflussen  mnsete,    konnte    sich  der  un> 
biblieche    Bestandtheil     der    Eucharistie    auf    die    Dauer    nicht 
halten.     Das   dritte  Conoil   von  Carthago  (397)  schärfte  die  Be- 
schränkung der  Eucharistie  auf  Brot  und  Wein  nachdrücklich  ein, 
und    sohloBs    in   dies  Verbot  auch  die  Milch  und  den  Honig  ein, 
die  den  Täuflingen  gereicht  würden^:  sie  hätten  ihren  beeonderen 


^  K.  Trumpp,  Das  Taufbuch  der  äthiop.  Kirche  in  den  Abhandl. 
der  philos.-philol.  Cl.  der  k.  Bayer.  Akademie  der  Wissensch  XIV  r> 
S.  182.    Vgl.  H.  Denzinger,  Ritus  orientalium  1,  232. 

^  TertullianuB  de  corona  militis  3   'dehinc  ter  mergitamur  .  .  . 
in  de  suscepti  lactis  et  mellis  concordiam  praegustamus*  vgl.  adv.  Mar- 
cionem  I  14  'mellis   et   lactis  societatem  qua  suos  infantat  (Christus)'. 
Die   kühn    gefassten  Worte   der   ersten    Stelle,    die  Hieronymus  (oben 
Anm.  30)  ausschreibt,   finden   genügendes  Verständniss    nur  unter  der 
Voraussetzung,  dass  Tert.  Worte  und  Gedanken  der  Liturgie  auaammen- 
fasst.     Milch    und  Honig    werden  den  Täuflingen    gereicht    zum  Vor- 
geschmack   (praegustamus)    der    ewigen    Seli^^keit;    die   einträchtige 
Mischung    der    beiden  Flüssigkeiten    wird    auch   im  Segensspruch     der 
römischen  Kirche  (unteu  S.  188)  hervorgehoben   und    gedeutet  auf  die 
Verbindung  des  Irdischen  und  Himmlischen  in  Christo.    Diesen  letztert^n 
Gedanken  hatte  also  auch  die  Segensformel  der  africanisohen  Kirche 

w  Conc.  Carthag.  III  c.  24  =  conc.  Hippon.  (397)  c.  23  =  cf^] 
canonum  ecclesiae  Afrioanae  (vom  J.  419)  c.  37  *Vt  in  saoramentia  cor- 
poris et  sanguinis  domini  nihil  amplius  offeratur  quam  ipse  dominum 
tradidit  he.  panis  et  uinum  aquae  mixtum,  primitiae  uero  seu  mel  e* 
lac,  quod  uno  die  sollemnissimo  pro  infantis  mysterio  solet  oflferr. 
quamuis  in  altari  ofieratur,  euam  tarnen  habent  propriam  benedictionetn« 
ut  a  sacraniento  dominici  corporis  aut  sanguinis  distinguantur*    usw 


Milch  und  Hooig  187 

Segen  (hmedictionem)  und  seien  der  eigentlichen  Commnnion  fern 

ZD  halten. 

Anderwärts  hat  man  die  fremdartigen  Beetandtheile,  falls 
sie  überhaupt  bekannt  gewesen  waren,  zeitig  fallen  lassen.  Die 
grossen  griechischen  Kirchenväter  des  IV  Jahrh.,  unter  denen 
KvrilloB  von  Jerusalem  in  seinen  Katechesen ^^  und  Johannes 
Cliryeoetomoe  in  ihrem  Schweigen  geradezu  als  Zeugen  gelten 
müesen,  kennen  sie  nicht  mehr ;  auch  die  etwa  in  dieser  Zeit  ab- 
geschlossenen Apostolischen  Constitutionen  (7,  43  f.)  wiesen  nichts 
daTon.  und  i^enn  Hieronymus^  bemerkt,  dass  der  Brauch  bis 
za  seiner  Zeit  "^in  den  Kirchen  des  Westens*' beobachtet  werde, 
zeigt  er  sicli  zwar  über  die  Gepflogenheiten  der  Aegjptischeii 
Kirche  wenig  unterrichtet,  aber  um  so  besser  mit  der  Thatsache 
vertraut,  dase  den  Kirchen  Palästinas  und  Syriens  die  Sitte  fremd 
war.  Den  Orientalen  ist  die  Mailändische  Kirche  gefolgt:  in 
den  Taufpredigten  des  Maximus  von  Turin  ist  keine  Andeutung 
von  Milch  und  Honig  mehr  zu  finden ;  spätestens  mit  dem  V.  Jh. 
war  also  in  Oberitalien  die  Sitte  erloschen. 

Andere  ist  Rom  vorgegangen.  Das  älteste  römische  Sacra- 
mentar,  das  im  Laufe  des  VI.  Jh.  zusammengestellte^^  sacramenta- 
rinm  Leoninutn,  beginnt  zwar  infolge  von  Verstümmelung  erst  im 
April,  und  hat  somit  die  Abschnitte  über  die  österliche  Taufzeit 
eingebüsst,  allein  es  bringt  unter  den  Formeln  der  Pfingsttaufe  den 
erwarteten  Segen  auf  Milch  und  Honig  ^*.  Ich  gebe  ihn  seiner 
Wichtigkeit  halber  in  Uebersetzung : 

'  Segne,  Herr,  auch  diese  deine  Geschöpfe  der  Quelle,  des  Honigs 
and  der  Milch;  tränke  deine  Diener  ans  diesem  Quell  unversieg- 
baren Lebenswassers,  das  der  Geist  der  Wahrheit  ist;  und  nähre 
»ie  von  dieser  Milch  und  dem  Honig,  gleichwie  du  unsern  Vätern 
Abraham,  Isaak  und  Jakob  zugesagt  hast,  sie  einzuführen  in  das 
Land    der  Verheissong,   das  Land,  das   da  flieest   von  Honig  und 

^  Die  sonst  so  mittheilearoe  Aquitanierin  geht  auf  [die  Tauf- 
briache  selbst  nicht  ein  (Itinera  Hierosolymitana  ed.  Geyer  p.  99). 

*^  Hieron.  in  lesaiam  55,  1  t.  IV  p.  «44^  Vall.  'qui  mos  ac  typus 
«Ϊ  occidentis  eoclesiis  hodie  nsque  seruatur,  ut  renatis  in  Christo  uinum 
w-'que  tribuatur'.  Man  hat  sich  unnöthiger  Weise  über  diese  Zu- 
•ammenatellungr  von  Wein  und  Milch  den  Kopf  zerbrocheo.  Mit  der 
Jlüch  ist  der  ealix  lactis  dh.  kustis  et  meüis  gemeint,  wie^es  auch  in  der 
I>idaec.  apost.  p.  113,28  kurzweg  heisst  seeundus  qui  lac  (tenet).  Vgl. 
Anm.  50. 

*^  S.  L.  Duchesne,  Origines  du  cuHe  ehret ien  p.  130  ff. 

Muratori's  Liturgia    Romana    uetus  1,  318    Leo    Magnus    ed. 
BaUerini  t.  II  p.  24. 


188  Usener 

Miloh.     Verbinde    denn  deine  Diener,    ο  Herr,   jnit   dem    heiligt  η 
Geiste,  also  wie  hier  verbunden  ist  Honig  und  Milcb,  zum  Zeichen, 
dass  himmlischfB  und  irdisches  Wesen  geeinigt  ist  in  Christo  Jesu 
unserem  Herrn/ 
Yeretehen  und  würdigen  können    wir   diesen    SegeDsepnich 
eret  jetzt,   nachdem   uns  die  'Apoetellehre    mit  der  ältesten  Ge- 
stalt des  Taufbranchs  bekannt  gemacbt  hat.     Ausser  tiber  Milch 
und  Honig  wird  der  Segen   auch    über  Quellwasser    gesprocheD. 
Das    Wasser,    das    dem    Wein    des  Sacraments    beigemischt    ist 
wird  mit  dem  Altarkelche  geweiht ^^;  hier  kanu  es  sich  also  nur 
um  Wasser  handeln,  das  besonders  gereicht  wird  und  auf  gleicher 
Stufe    mit   Milch    und   Honig  steht.     Wer    etwa    denken  möchte, 
durch  Streichung  des  unbequemen  Worts  den  Anstoss  zu  heben ^, 
würde  dem   Spruch  einen  noch  schwerereu   Schaden  zufügen,  in- 
dem nun  der  ganze  Satz   vom  Quell   unversiegbaren  Lebenswas- 
sers   vollständig  zweck-  und  beziehungslos   würde.     Also    wurde 
damals    noch    zu    Rom   den  Täuflingen  das  Abendmahl    genau  in 
der   Weise   gereicht,    wie   sie  die  Apostellehre  vorschreibt.     Der 
Austheilung  des  Brots  folgte    die  Darreichung    der    drei    Kelche 
mit  Wasser,   Milch  und  Honig,  zuletzt  Wein.     Es   versteht    sich 
von  selbst,    da  Brot  und  Wein  als  Elemente  der  Eucharistie  für 
sich  consecriert  wurden,  dass  der  Inhalt  der  beiden  anderen  Kelche 
besonders  zu  segnen  war.    Unwillkürlich  erhebt  sich  die  Frage, 
ob  dieser  lateinische  Text  der  Apostellehre  in  nähere  Beziehung 
zur  römischen  Kirche  gesetzt  werden  kann  (vgl.  Anm.  52). 

Schon  das  im  Laufe  des  VD.  Jh.  entstandene^^  sacratnen- 
tarium  Gelasianum  hat  diesen  Segenssprnch,  und  damit  jede  Spur 
von  Milch  und  Honig  ausgemerzt  und  ebenso  ist  er  aus  den 
Exemplaren  des  sogen,  sacr.  Gregorianum  verschwunden;  die  Ronst 
so  gut  unterrichteten  mittelalterlichen  Schriftsteller  über  Liturgik 
beobachten,  so  viel  mir  bekannt,  vollkommenes  Schweigen.  Wohl 
aber  kommt  noch  ein  liturgisches  Sendschreiben  in  Betracht,  das 
ein  römischer  Diakon  des  häufigen  Namens  Johannes  an  der 
vir  inltistris  Senarius  richtet*•.  Der  vornehme  Hofmann  hatti 
sich  unter  vielem  anderem  auch  darüber  Aufklärung  erbeten 
warum  'in  den  heiligen  Kelch  Milch  und  Honig  gegossen  und    an 

*8  Vgl.  Didasc.  apost.  p.  112,  7  f. 

^  Das  haben  die  Ballerini  gethan,  gestützt  auf  die  unten  S.    tM< 
zu  besprechenden  Ritualbücher. 
«  S.  Duchesne  aO.  121  ff. 
^  In  Mabillons  Museum  Italicum  I  2  p.  69— 7β. 


Milch  und  Honig  |g9 

Oetereametag  zusammen  mit  dem  Mesfiopfer  dargebracht  werde' *7^ 
Wie  die  Frage,    so  zeigt  die  sachkundige  Antwort,   dass  damals 
die  römische   Kirche  den  Brauch    noch    übte.     Nach  dem  Obigen 
kann  das  spätestens  dem  V— VI.  Jh.  zugetraut  werden.     Es  war 
aleo,  wie  länget  anerkannt  ist,   ein  grober  Anachronismus,   wenn 
Mabillon    (aO.   77  f.)    den    Verfasser   in    einem  Schriftsteller  des 
IX.  Jh.,  dem   Biographen  Gregore   des    grossen  und  Freund  des 
AnaetMius  bibliothecarius  wiederfinden  wollte.    Sicherer  war  es, 
Ton  dem    seltenen  Namen    Senarius    auszugehen.     Einen   solchen 
kennen  wir  als   Hofbeamten  Theoderichs,  den  Freund  des  Enno- 
djDs*«,   und    in  derselben  Zeit  sehen   wir  einen  gelehrten  Diakon 
Johannes  in  vertrautem  Verkehr   mit  Boethius  und  Symmachus: 
auf  ihn  hat  daher  bereits  Rand  *»  unsere  Schrift  richtig   zurück- 
geführt.     Die    Schrift    gehört   also    den    ersten  Jahrzehnten    des 
Vi.  Jh.  an.     Es  war  nicht  unwichtig,  die  Zeit  festzustellen.    Wir 
haben    in    dem    Sendschreiben    das    urkundliche   Zeugniss  dafür, 
dass  noch  damals  die    römische  Kirche  dem  Täufling  bei  seinem 
ersten  Abend  mahle  Milch  und  Honig  reichte.    'Hochheilig''  nennt 
Johannes  den    Kelch    nicht    darum,    weil  Milch   und  Honig    dem 
Weinkelch  der  Eucharistie  zugegossen  ^,  sondern  weil  der  Kelch 
'ier  diese   Flüssigkeiten  enthielt,  als  Bestandtheil  des  Sacraments 
gereicht  wurde;    das  wird  von  Johannes  ausdrücklich  bemerkt ^i, 
nnd   seine    Beantwortung    der    Frage    ist,    sogar    mit  wörtlichen 
Anklängen,  ganz   auf  die  Andeutungen  der  lat.  Apostellehre  ge- 
gründet δ«.  —    Rom  hatte  also  den  alten  Brauch  am  längsten  un- 
verändert bewahrt,  bis  er  um  600  (durch  Gregorden  gr.?)  plötz- 
lich wie  mit  einem  Federstriche  abgestellt  wurde. 

*'  C.  12  p.  75  'quaesistis,  cur  in  sacratissimum  calicem  lac  mit- 
atBr  et  mel  et  paschae  eabbato  cum  eacrificiis  offeratur.* 

«  Mommsen  zu  Caseiod.  p.  499  vgl.  Vogel  zu  Ennodius  p.  359. 
biss  Senarius  nicht  Arianer  war,  sondern  zur  römischen  Kirche  ge- 
i'rte,  zeigt  das  Schreiben  des  Johannes  p.  69. 

"  E.  K.  Rand,  Der  dem  Boethius  zugeschriebene  Traktat  de  fide 
«tholica,  im  XXVI.  Suppl.-Band  der  Jahrbücher  f.  Philol.  S.  444  f. 

»  So  scheint  Mabillon  Mus.  Ital.  II  p.  XCIX  verstanden  zu  haben. 
<  i«nens   AI.  paedag.  I  6,  51  p.  47,  18  S.   kennt   zwar    eine  Mischung 
ν••η  Milch  und  Wein,  aber  er  weiss  auch,  dass  dabei  die  Milch  gerinnt. 
Wein  und  Milch  gemischt  zu  trinken  '  a  rerum  natura  et  hominura  usu 
Jibliorret^  wie  W.  Christ  zu  Pindar  p.  257  richtig  urtheilt. 

**  Johannes    aO.   p.  75   'baptizatis    ergo    hoc    sacramenti   genus 
otTerlur'  und  gegen    Ende  'nutriti  talibus  eacramentis*. 

^  Sowohl    bei   der  aus  der  benedictio   stammenden  Heranziehung 


190  Üsener 

Der  Begenespraoh  des  sacram.  Leoninum  hat  eich  länger 
erhalten  als  der  Brauch  selbst.  Als  der  Sprach  für  die  Taafe 
überflüssig  geworden  war,  hatte  man,  wie  es  kirchliche  Benedic- 
tionen  für  alle  möglichen  Lebensmittel  gibt,  deren  Erstlinge  ge- 
segnet werden  sollen^,  so  für  Milch  und  Honig  als  alltägliche 
Nahrungsmittel  diesen  Spruch  yerwerthet.  In  Ritualbüohern  des 
IX/X.  Jh.  ^  steht  er  hinter  den.  Segenssprüohen  auf  das  Oster- 
lamm  und  auf  andere  Fleischarten.  Die  Umbildung  hat  man  mit 
einem  sehr  geringen  Maass  von  YerstSndniss  und  Geschick  voll- 
zogen ^^  Man  hat  einfach  im  ersten  Satz  die  Erwähnung  der 
Wasserquelle  gestrichen  und  im  zweiten  die  Worte,  die  allzu  deut- 
lich auf  den  Becher  mit  Wasser  hinwiesen,  theils  gestrichen, 
theils  geändert.  Dass  so  der  zweite  Satz  ganz  sinnlos  geworden, 
hat  den  Litnrgiker,  der  diese  Operation  vornahm,  ebenso  wenig 
gestört,  als  dass  der  ganze  Segen  auf  die  Taufe  abzielt.  Der 
Spruch  war  nun  reif,  vergessen  zu  werden. 

Für  die  kirchengeschichtlicbe  Erfahrung  und  die  theolo- 
gische Einsicht  meines  jungen  Freunds  H.  Lietzmann  bestand 
sofort,  als  ich  ihm  den  Sachverhalt  dargelegt  hatte,  kein  Zweifel 
daran,    dass    der  Gebrauch  von  Milch  und  Honig  bei  der  Taufe 


der  terra  repromisaionis,  wie  bei  dem  Gegensatz  der  Bitternies  (amara) 
des  irdischen  Sündenlebens  (Job.  post  amara  delicta  und  amaritvdini^ 
lacrimas,  Did.  ap.  p.  112,  16  amara  cordis  dtücia  efficiens). 

^  Eine  sehr  reichhaltige  Sammlung  hat  vor  Zeiten  das  Klost«r 
Einsiedeln  veranstaltet:  Manuale  benedictionum  rituumque  eocleeiasti- 
corum  (ed.  XU  1685). 

^  De  diuinis  catbolicae  ecclesiae  ofBciis  .  .  .  patrum  ac  scripto- 
rum  libri  .  .  .  per  Mich.  Hittorpium  (Colon.  1568  fol.)  p.  7ί*^  Martin 
üerberts  Monuments  ueteris  liturgiae  Alemannicae  (1779. 4)  t.  IIp.  219. 
Muratori  Lit.  Rom.  uet.  2,  505  f.  gibt  denselben  Segen  *ex  peruetnst-o 
rituali  pontificali  Romano  membranaceo,  qnod  exstat  apud  equitem 
Maffeium'  (p.  415).  lu  den  zahlreichen  Bitualbüohern,  welche  für  die 
Praxis  der  Geistlichen  gedruckt  worden  sind,  wird  man  den  Spruch 
vergeblich  suchen. 

^  Ich  will  die  Sätze,  auf  welche  es  ankommt,  in  den  beiden 
Fassungen  gegenüber  stellen: 

Sacr.  Leon.  Ritualbüoher 

Benedic  domine  et  hae  tuas  creaturas     Benedic  domine  has  creaturaa 
fontis»  mellis  et  lactis.  et  pota         lactis  et  mellis,  et  pota 
famulos  tuos  ex  hoc  fönte  aquae      famulos  tuos  fönte  perenni, 

uitae  perennis, 
qui  est  Spiritus  neritatis.    et  qui  est  Spiritus  ueritatis.  et 

enutri  eos  de  hoc  lacte  et  melle ....      enatri  eos  de  hoc  lacte  et  melle  .  ,  .  . 


Milch  and  Honig  191 

Dicht  ein    nreprünglich    in   der   ganzen  Christenheit    verbreiteter, 
eondem  wie  der  palästinischen,  syrischen  und  griechischen  Kirche 
von  Anfang  an  fremd,   so  nur  der  ägyptischen  mit  der  africani- 
geben  und  römischen  gemeinsam  gewesen  sei,  mithin  in  Aegypten 
seine  Wiege  babe.     So  sehr  ich  Anfange  mich  gegen  diese  Anf- 
fassnng  sträubte,    weil    dem  Branch    sein    griechischer  Ursprung 
so  deutlich  aufgeprägt  ist,    hat  mir   bei  ruhigem   Ueberblick  der 
Thatsachen  mehr  und  mehr    die    Richtigkeit  jenes  Ürtheils    ein- 
Erelenchtet.     Alte  und  eingewurzelte  symbolische  Bräuche  werden 
nicht  so  leicht  über  Bord  geworfen,    namentlich   nicht,   wenn  so 
schlagende   Bibelworte    sie  zu  stützen    scheinen ,    wie   in    diesem 
Falle  das  Land    der  Verheissung.     Wann    sollte    der  Osten    den 
Branch  aufgegeben  haben,  wenn  er  ihn  wirklich  besessen  hatte? 
Das  vierte  Jb.,    das  so  viel  Heidnisches  in  die  Kirche  aufnahm, 
war  schwerlich  die  Zeit  für  diese  Eeinigung.     Und   doch   ist  in 
der  zweiten   Hälfte  dieses  Jh.  der  Brauch    dem  Osten   ganz   un- 
l'ekannt.     Auf  hellenischem  Boden  freilich    muss    er    entstanden 
^ein.     Aber   war  Aegypten  nicht   hellenistischer  Boden?    (n    der 
ΤϊΐΛί  waren  hier  alle  Voraussetzungen,  und  zwar  in  hervorragen- 
dem Maasee    gegeben:    Aegypten  war   das  Land,    wo  unter  dem 
ünfluae  der  Gnoeis  zuerst  heidnische  Elemente,  fast  planmassig, 
in  das  Chrietentbum  eingemischt  wurden. 

Wie  war  man  darauf  verfallen,  den  Täuflingen  Jüilch  und 
Honig  als  Sacrament  zu  reichen?  Man  hat  die  Erklärung  des 
Brauch«  in  der  Nahrung  des  ersten  Kindheitealters  zu  finden  ge- 
glaubt. In  wiefern  damit  ein  Stückchen  Wahrheit  gegeben  ist, 
iiird  eich  im  weiteren  Verlauf  herausstellen.  Zur  Erklärung 
iber  reicht  das  schon  darum  nicht  aus,  weil  bei  der  Taufe  Mi- 
schung von  Milch  und  Honig  gereicht  wird,  von  deren  Verwen- 
ibog  für  Säa^linge  natürlich  kein  alter  Zeuge  spricht.  Gewöhn- 
lich fasst  man  den  Brauch  als  eine  Uebertragung  des  alttesta- 
i^eotlichen  Landes  der  Verheissung,  das  von  Milch  und  Honig 
lieestt^.  Sicher  bangt  beides  enge  zusammen.  Aber  wer  den 
Ottesdienetlichen  Ritus  aus  dem  alttestamentlichen  Wort  ableitet, 
erwecbaelt  Ureacbe  und  Mittel.  Das  Land  der  Verheissung 
Itte,  wenn  es  überhaupt  die  Kraft  besessen  hätte  sich  in  eine 
tQr<^ieche  Handlung  umzusetzen,  allenfalls  auf  die  Gestaltung 
;r  letzten  Oelnng  Einfluss  üben  können/  dergestalt,  dass  dem 
erbenden  Milch   and  Honig  wie  zum  Vorgeschmack  der  ewigen 


«  S.  oben  S.    181  Anm.  21. 


192  Üsener 

Seligkeit  gereicht  worden  wäre.  Aber  die  Kluft  zwiechen  der 
Taufhandlung  nnd  jener  Yerheiseang  war  nicht  zu  überspringen 
ohne  einen  vermittelnden  Gedanken,  der  die  Kraft  des  Anetosees 
beeaee.  Wir  haben  hier  wieder  ein  lehrreiches  Beispiel*  dafür, 
wie  überkommene,  im  Heidenthnm  wurzelnde  Voretellongen  in 
unsere  Liturgie  gestaltend  eingreifen.  Die  biblische  Parallele 
bleibt  so  lang  ein  todtes  Wort,  als  nicht  eine  Vorstellung  jener 
Art,  unwillkürlich  und  unaufhaltsam  wirkend,  in  dem  Bibel  wort 
den  christlichen  Ansdruck  zu  finden  lehrt. 

Welche  Vorstellungen  dabei  leiteten,  lassen  die  alten  Zeugen 
des  liturgischen  Brauchs  nicht  in  Zweifel.  Nach  den  CanoneR 
Hippolyti^^  sollen  die  Täuflinge  Milch  und  Honig  geniessen 
'als  Hinweis  auf  die  kommende  Zeit  und  die  Süssigkeit  der  Güter 
in  derselben :  jene  Zeit,  welche  nicht  zur  Bitterkeit  zurückkehren 
wird,  und  jene  Güter,  welche  nicht  verschwinden'.  Oder  wie 
der  Diakon  Johannes  es  ausdrückt:  'Den  Getauften  wird  darum 
diese  Form  des  Sacraments  dargereicht,  damit  sie  zur  Erkenntniss 
kommdn,  dass  nur  die,  welchen  der  Leib  und  das  Blut  des  Herrn 
zu  Theil  geworden  ist,  das  Land  der  Verheissung  empfangen 
werden,  und  dass  sie  beim  Antritt  der  Reise  dorthin  wie  Säug- 
linge mit  Milch  und  Honig  gespeiet  werden'.  £s  ist  nicht  nöthig 
weitere  Belege  zu  hänfen. 

Wir  haben  oben  feststellen  können,  dass'  zu  den  Vorstel- 
lungen, womit  das  Götterland  und,  was  damit  wesensgleich  iet^, 
der  Aufenthalt  der  Seligen,  das  Paradies  oder  der  Ort  des  gol- 
denen Zeitalters,  ausgestattet  wurde,  seit  Altere  auch  gehörte,  daee 
es  ein  Land  sei,  wo  Milch  und  Honig  fliesst.  Darum  kündigt 
sich  durch  dies  Wunder  der  Gott  an,  der  durch  seine  Gegenwart 
den  Himmel  auf  Erden  zaubert,  Dionysos.  Den  Todten  wird  Ge- 
misch aus  Milch  und  Honig  gespendet,  weil  den  im  glücklichen 
Jenseits  wohnenden  Geistern  die  Speise  der  Götter  zukommt.  In 
einem  Zauberbuche ^®,  auf  das  mich  A.  Dieterich  hinweist,  wird 
angeordnet:  'Nimm  die  Milch  mit  dem  Honig  und  trink  davon 
vor  Aufgang  der  Sonne,  dann  wird  etwas  Göttliches  in  deinem 
Herzen  sein  .    Deutlicher  konnte  nicht  gesprochen  werden.   Eben 


"  Oben  S.  18B. 

58  S.  Sintfluthsagen  S.  197  ff. 

^  Berliner  Zauberpapyrus  hg.  von  Parthey  in  den  Abhandl.  d. 
Berl.  Akademie  ΙΗβΓ)  S.  120,  20  f.  καΐ  λαβών  τό  γάλα  σύν  τψ  [μίλι]τι 
άπόπΐ€  πρΙν  ανατολής  ήλιου,  καΐ  ίσται  τι  ^νθεον  έν  τή  σή  καρ6ί<^. 


Miloh  and  Honig  193 

die^e  7oretelInng  musete  eiob  bei  der  Geetaltnng  der  altobriet- 
licben  Tanfe  wirksam  erweisen.  Der  Ohriet  gewinnt  dnrob  die 
Tanfe  die  Sobnecbaft  Gottes ;  geboren  von  sterblicben  Eltern, 
streift  er  im  Wasser  der  Taufe  das  Irdiscbe  ab  and  wird  wieder- 
^boren  zu  einem  Sobne  Gottes,  zu  einem  göttlicben  und  zur 
ewigen  Seligkeit  berufenen  Wesen.  Dessen  zum  Zeieben  wird 
der  Taofling  mit  Milob  und  Honig  gespeisst  niobt  nur  symboliscb 
sondern  auch  sacramental,  indem  die  göttlicbe  Speise  unmittelbar 
d»  göttlicbe  Wesen  des  Neugeborenen  bekräftigen  bilft. 

Die  allgemeine  mytbologiscbe  Vorstellung  musste  dnrcb 
thatsacblicben  Braucb  näber  gelegt  sein,  wenn  sie  in  den  cbrist* 
iiehen  Tanfceremonien  so  sinnfällig  zur  Ansebauung  gebracbt 
werden  sollte.  Die  Yermutbung  ist  kaum  abzuweisen,  dass  die 
Weihen  griecbiscber  Mysterien  das  näcbste  Vorbild  der  altcbrist- 
lichen  Sitte  gewesen  seien.  Wir  wiesen  das  bis  jetzt  nocb  niobt. 
Auf  ein  anderes  Vorbild  können  wir  mit  grösserer  Bestimm tbeit 
hinweisen.  Seit  Scbneiders  Bemerknng  in  Böckhs  Pindärcom• 
mentar^  ist  es  oft  naebgeeprocben  worden  ^^,  dass  es  im  Alter- 
tbam  dblieb  gewesen  sei,  Säuglinge  mit  Honig  zu  näbren.  Siebt 
man  genauer  zu,  so  bandelt  es  sieb  um  einen  in  der  Regel  ein- 
iDaligen  Akt.  Man  pflegte  dem  neugeborenen  Kinde  etwas  Honig 
in  den  Mund  zu  streioben  und  dann  ihm  abgekocbten  Honig  ein- 
zaüossen,  bevor  es  an  die  Brust  gelegt  wurde  ^'.  Aucb  Laien 
betonen  ee,  dass  Honig  die  allererste  Nabrung  des  Eindea  sei 
aod  der  Milcb  vorbergebe^^  Bei  dieser  verbreiteten  Praxis  bat 
ier  Honig  denselben  Zweck  wie  das  auf  Alemanniscbem  Gebiet 


^  Bei  Böckb  zu  Pind.  Ol.  6,  47  p.  158.  Schneider  stützt  sich 
;..f  die  gelehrte  Bemerkung  des  Isaac  Voss  zum  Barnabaebrief  (£pi- 
n•  lae  genainae  s.  Ignatii,  Amstelod.  1(>46)  p.  313. 

«  CFHermann  Gr.  PrivaUlterth.  33,  i)  (S.  289,  5  der  UL  Aufl.) 
Kf»»cher,  Nektar  u.  Ambrosia  8.  62  f. 

^  Soranus  g^naeo.  30,  86  p.  2Γ)8,  12  ff.  Rose  vgl.  Aetius  Ami- 
Jenas  IV  3  f.  68^  Aid.  Paulus  Aegin.  I  5  f.  2^  Aid.  Im  Hebammen- 
-atechierons  nach  Soranus  heisst  es  p.  31, 1  Rose  bündig:  'digito  debct 
tiftioma  eiue  (infantis)  os  ipsius  inlinere  uel  muleam  tepidam  instillare 
t  sie  postera  etiana  lac  offerre*. 

*  Schol.  Α  riet.  Tbesmopb.  506  ού  γάλα  πρότ£ρον  τοϊς  βρέφ€(ην 
^ίδοσαν  άλλα  μο^ι  άτΓολβΙχειν.  Μ^ανδρος  bi  ούκ  όρθΟις  ποι^  τά  dp- 
[τοκα  γάλακτος  άτΓθλ€(χ€ΐν  Melampus-Diornedes  zu  Dionysios  Thr. 
.  ΗΓ),  17  Hilg.  {BAG  ρ.  788,  33)  und  schol.  Londin.  p.  491,  15  H.  ώς 
!>  u^i  npUmöTOV  βρΦμά  έστι  τοΙς  βρέφ€σιν  (von  Ublig  nacbgewieeen) 
arnabaebrief  6  öTi  itpurrov  τό  παιδίον  μ^λιτι,  βΤτα  γάλακτι  ΣωοποιΛται. 

iUieiii.  MxuL  t  ΡωίοΙ.  Ν.  F.  LTII,  13 


194  Usdner 

sogenannte  Eindetränkli  oder  Eindeeäftli^.  Dass  aber  die  grie• 
ohieoben  Aerzte  dazu  grade  Honig  wäblten,  batte  seinen  Grund 
darin,  dass  er  ibnen  durcb  einen  in  graue  Vorzeit  zurückreichen- 
den Brauch  gegeben  war.  Bei  den  Germanen®**  und  vermutblich 
auch  den  Slaven  wurde  dae  Kind  durcb  Einflössung  von  Honig 
dem  Liebt  und  Leben  geweiht:  wer  das  gekostet,  dem  war  das 
Recht  zum  Leben  feierlich  und  unentreisebar  zuerkannt,  er  durfte 
nicht  mehr  ausgesetzt  oder  getödtet  werden.  Auch  für  Inder  and 
Perser^  ist  gleicher  Brauch  bezeugt.  Für  die  Griechen  gestattet 
die  erwähnte  Sitte  auf  den  alten  Hintergrund  zuzückzuschliessen. 
Soranus  findet  es  nöthig  unter  den  Stoffen,  die  dem  Einde  zu- 
erst gereicht  wurden,  ausdrücklich  Butter  abzuweisen :  wir  finden 
bei  den  Indern  Honig  mit  Butter  und  geronnener  Milch  gemischt, 
bei  den  Juden,  wenn  wir  aus  Jesaias  7,  15  schliessen  dürfen, 
Butter  und  Honig  an  Stelle  des  von  Soranus  empfohlenen  Honige. 
So  gewiss  aber  der  indische  und  jüdische  Brauch  auf  alten 
GlaubensYorstellungen  beruht,  haben  γϊτ  auch  den  Honig  der 
griechischen  Sitte  darauf  zurückzuführen.  In  den  Sagen  von 
künftigen  Dichtern  und  Sehern,  die  oben  (S.  1 79)  berührt  wurden, 
hat  sich  die  alte  Anschauung  erhalten.  Sie  begegnet,  nur  auf 
göttliche  Stufe  emporgerückt,  in  der  von  Pindar  (Pyth.  9,  63) 
erzählten  Sage,  dass  Hermes  den  eben  geborenen  Aristaios  zur 
Gaia  und  den  Hören  gebracht  und  diese  ihm  Nektar  und  Am- 
brosia in  die  Lippen  geträufelt  und  dadurch  unsterblich  ge- 
macht hätteiT. 

Gewiss  kann  in  dieser  Anschauung  und  dem  daraus  ent- 
sprungenen Brauch  ein  wichtiges  Vorbild  für  die  Gestaltung  der 
Einweihungsriten  gelegen  haben,  welche  die  alte  Eirche  übernahm. 
Aber  eben  so  deutlich  scheidet  sich  bei  schärferem  Zusehn  der  dem 
Neugeborenen  gereichte  Honig  von  dem  Gemisch  aus  Milch  und 
Honig,  wie  es  der  Wiedergeborene  empfieng.    Und  so  werden  wir 

β*  S.  Rochholz  Alem.  Kinderlied  S.  282. 

»  S.  JGrimme  D.  Recbtealterthümer  S.  457  f.  (l*  630  ff.)  vgL 
RoBcher  aO.  63.  Für  die  Slaven  spricht  die  Angabe  V.  Grohmauns 
Aberglaube  und  Gebräuche  in  Böhmen  und  Mähren  S.  107  n.  7<m. 
Auch  bei  den  Südalaven  dürfen  wir  den  Brauch  voraussetzen  nach 
dem  niedlichen  Kolo  (Talvj's  Volkslieder  der  Serben  2,  98),  auf  den 
schon  JGrimm  D.  Myth.  535  hingewiesen  hat:  zwei  Schwestern  wün- 
schen ein  Brüderchen  zu  haben,  putzen  eine  schöne  Puppe  heraus,  und 
'  stecken  (ihr)  Honig  in  den  Mund  und  Zucker : 
"Iss  das  doch,  und  fange  an  zu  sprechen*'. 

w  AKuhn  Herabkunft  des  Feuers  S.  1223  f,  Anm.  1. 


Milch  und  Honig  195 

darch  nneeren  Umblick  gebieterisch  za  dem  Punkte  zuruckge- 
fuhrt,  von  dem  wir  auegiengen.  Die  Wurzel  des  Brauche  kann 
nur  in  den  mythischen  Vorstellungen  vom  himmlischen  Land 
gesucht  werden,  wie  sie  am  lebhaftesten  in  Sage  und  Cultus  des 
Dionysos  ausgeprägt  waren. 

Zum   Schluss  möge    es    mir    verstattet  sein,    mit   wenigen 
Worten  noch  einmal  auf  die  oben  (S.  182  f.)  erwähnten  Gebräuche 
der  Mithraeweihen  zurückzukommen,    auf  die,    wie  ich  hoffe,  die 
im  weiteren  Verlauf  gemachten  Beobachtungen  etwas  Licht  werfen. 
Mit  der  Stufe  des  Löwen  trat  der  Mithrasverehrer  ans  dem  Bang 
der  'Dienenden',  dem  die  drei  unteren  Stufen  (Corvus,  Cryphius, 
Miles)  angehörten,  in  den  Rang  der  'Theilnehmenden '  ^'^,  in  dem 
die    vier  Stufen   des  Löwen,  Persers,    Sonneniäufers    und  Vaters 
erstiegen   werden  konnten.     Man  sieht,  die  niedere  und  die  höhere 
Rangklaese  verhielten  sich  etwa  wie  in   der    christlichen  Kirclie 
die  Katechumenen  und  die  Gemeinde  der  Gläubigen.     Begreiflich 
also,    dasB     erst  bei  den  vier  höheren  Graden  Weihungen  sacra- 
mentaler  Art  vorkamen.     Bei  dem  ersten  des  Löwen  bestand  sie 
in  einer  Reinigung;    aber   der   Honig,    mit    dem    die  Zunge    be- 
strichen wurde,    entspricht    zu  sehr  der  alten  Sitte,  durch  diese 
Handlang  das  neugeborene  Kind  dem  Leben  zu  weihen,  als  dass 
wir  nicht  die  Deutung  auf  Reinigung  als  nachträgliche  Priester- 
weisheit,   wie  sehr  sie  auch   in   der  Liturgie  Ausdruck    gefunden 
haben  mochte,  nehmen  müssten.     Erst  mit  der  Stufe  des  Löwen 
war    der   Mithraediener  zur  Theilnahme    an    den  Mysterien    ge- 
boren.    Bei  der  Einführung   in    die  zweite   höhere  Stufe    wurde 
Honig  als   Speise  gereicht.     Und  hier  kann  es   nach  Allem,    was 
wir  beobachtet,   keinem  Zweifel  mehr  unterliegen,  dass  der  Honig 
in  seiner  alten    mythologischen  Bedeutung    als   Götterspeise    ge- 
nommen wurde   und  dem  neuen  ' Perser*  Göttlichkeit  und  Seligkeit 

Terbürgen   sollte. 

ü. 


^  S.  Cumont  aO.  1,  317. 


DE  FRAGMENTIS  SCRIPTORVM  APVD 

NONIVM  SERVATIS 


In  libello  meo,  oui  titalns  ^Nonius  Maroellas*,  Oxonii  a*  1901 
edito  dooui  Nonium  Maroellnm  in  componenda  Compendioea  Dootrina 
materiem  suam  ex  XLI  libris  baueiese,  quos  eodem  eemper  ordine 
ad  partes  yooat: 

1  GloBsano  nesoioqao, 

2  Plante  in  fabnlis  XXI  Yarronianis  (hoc  ordine:  AmpL•., 
Asin.,  Aul.,  Baccb.,  Gist.,  Cae.,  Capt,  Cnrc,  Epid.,  MiL, 
Men.,  Merc,  Most.,  Pers.,  Pseud.,  Poen.,  Bud.,  Stieb•, 
Trin,  Truo.,  Vid.^), 

3  Lucretio, 

4  Naevio  in  Lyoorgo, 

5  Aooio  in  bis  fabnlis:  Enrys.  (Eris.),  Arm•  Ind.,  Astj., 
Oen.,  Ter.,  Alpb.,  Ampb.,  Melan.,  Epinans.,  Pelop.,  Phoen., 
Med.,  Pbiloct.,  Alom.,  Telepb. 

6  Pomponio  in  bis :  Pict.,  Prost,  Pannnc.,  Papp,  agr.,  Piscat., 
Pist.,  Praeo.  post.,  (?)  Petit.,  (?)  Pore., 

7  Novio  in  bis:  Fnll.  fer.,  Paed.,  Agrio. ,  Zon.,  (?)  Deo., 
(?)Gallin.,  (?)Ficit.,  (?)Tabell.,  (?)Sann.,  (?)Maoc.,  (?)Macc. 
ex.,  (?)  Mil.  Pomet.,  (?)  Papp,  praet.,  (?)  Praec.  post., 

8  Accio  in  bis:  Epig.,  Meleag.,  Aen.  ant  Deo.,  Stas.  vel 
Trop.  Lib.,  Atbam.,  Clyt.,  Bacob.,  Neopt.,  Erig.,  Njet., 
Andr.,  Atr.,  Phin.,  Agam.,  (?)  Antig.,  (?)  Cbrys., 

9  Lucilio  in  Satnramm  libris  I — XX, 

10  Ennio  in  bis  fabnlis  :  Hect.  lytr.,  Telepb., 

11  Turpilio  in  bis:  Boetb.,  Demetr.,  Caneph.,  Deminrg.,  EpioU 
Tbras.,  Paed.,  Philop.,  Lencad.,  Lind.,  Lemn.,  Parater.,  Het, 


^  In  libello  meo  Vidulariam  (Bid.)  inter  Baccb.  et  Cist.  in  Nonii 
exemplari  fuisee  dixi.     Quod  tarnen  nunc  dubito.     Cf.  Non.  468  M.  35. 


De  fragmentie  scriptonim  apud  Nonium  servatis  197 

12  Paouvio  in  bis:  Atal.,  Perib.,  Dulor.,  Herrn.,  (?)Ilion., 
(?)  Med., 

13  Cicerone  in  librie  de  Republica, 
?  14  Glossario  altero, 

15  Yarrone  in  bie  Menippeie:  Εύρ.,  Έχω,  π€ρΙ  ilaf.,  Mnt. 
muL,  *Ανθρ.,  Marcop.,  Cygn.,  Sciam.,  Synepb.,  Τό  im  τή, 
'Αλλ'  ου,  Pap.  pap.,  Psend.  Αρ.,  Coemot.,  eioria,  Flaxtab., 
Teetam.,  Εκατ.,  Peripl.  I  et  Π,  Octog.,  Serran.,  Έως 
πότε,  Deenlt.,  Devict.,  Prom.  libr.,  π€ρ\  K€p.,  Titbon.,  Est 
mod.,  Epitapb.,  Tribod.  Trip.,  (?)  περ\  α\ρ.,  (?)  Vinal., 

16  Cicerone  in  libro  Π  de  Deorum  Natura, 

17  Accio  in  bie  fabulie:  Myrm.,  Diom., 

18  Sallnstio  in  lug.,  Hiet.,  Cat., 

19  Afranio  in  bis  fabulie :  Vop.,  Priv.,  Fratr.,  Exoept.,  (?)  Di- 
vort., (?)  Epist.,  (?)  Susp., 

20  Cicerone  in  libro  I  de  Officiie, 

21  Naevio  in  Danae, 

22  Vergilio, 

23  Terentio  (boo  ordine  fabulamm :  Andr.,  Ad.,  Pborm.,  Hec, 
Heant.,   Eun.), 

24  Cicerone  in  epistolie  ad  Caee.  inn.,  in  orationibus  Yerrinie 
et  Pbilippicie, 

25  Lueilio  in  librie  XXYI — XXX  (boo  ordine  citatis:  XXX 
-XXVI), 

26  Glossario  tertio, 

27  verborum  serie  quadam  alpbabetico,  quem  diount,  ordine 
(ABCD— )  disposita, 

28  adverbiorum  serie  eodem  disposita  ordine, 

29  Cicerone  in  libris  II — III  de  Oflf.,  Hort.,  Sen., 

30  Plante  in  fabulie  Ampb.,  Asin.,  Aul., 

31  Yarrone  in  bis  Menippeie:  'Marcip.,  Andab.,  L.  Maen.| 
Myst.,  Agatb.,  Quinq.,  Endym.,  Yirg.  div.,  (Jeront.,  Pann., 
Herc.  t.  f.,  Meleagr.,  Ταφ.  Mev.,  Sesqueul.,  (?)  Herc.  Soor., 
Sexag.,  Γνιυθ.  (Τε.,  Eum., 

32  Gellio  in  Noctibus  Atticis, 

33  Yarrone  in  bis  Menippeie:  Bimarc,  Man.,  Mod.,  Όν.  λυρ., 

34  Cicerone  in  libris  de  Finibus, 

35  eiossario  quarto, 

36  Sisenna  in  libris  III — IV  Historiarum, 

37  Cicerone  in  Oratore,  et  libris  de  Oratore, 

38  Glossario  qninto, 


198  Lindeay 

89  Cicerone  in  Acad.,  Tnec, 

40  Varrone  in  libro  I  de  Re  Bust., 

41  Varrone  in  librie  de  Vita  pop.  Born.,  Cat  vel  de  lib.  educ. 

Docni  porro  eos  fontee  ea  conetantia  a  Nonio  esse  adhibitos, 
ut  loci  ex  iis  citati  eundem  ordinem  in  singnlie  Compendiosae 
Doctrinae  librie  servent  atque  in  fontibne  ipsie. 

Verbi  gratia,  in  libro  11°  sab  littera  Ρ  baec  lemmata  ex 
fönte  XXX^i  (Plauto  in  Ampb.  Asin.  Aul.)  exbibet  Noniae 
(pp.   151,  152  M.): 

piem  cum  citatione  Asin.  506 


portiscalns 

ft 

»i 

515 

perplexabile 

tj 

11 

792 

praesegmina 

1» 

Aul. 

312 

pipnlo 

>» 

tf 

445 

picos 

» 

>» 

701 

Seqanntur  baec  lemmata  ex   fönte    XXXI®    (Varr.  in  Me• 
nippeis  qnibasdam): 

percellere  cum  citatione  Farm. 

pineere  „  Ταφ.  Mev. 

porcae  „  Ταφ.  Mcv. 

putidnm  „  Ταφ.  Mev. 

[paenitudinem] 

praebitio  „  Eum. 

pneros  „  £am. 

paxillus  „  Eum. 

Quid  est  cnr  dubitemue  credere  locoe  satnramm  Ταφ.  Mev. 
et  £um.  vemm  ordinem  non  minne  exhibere  quam  locoe  fabu- 
larum  Asin.  et  Aul.? 

£t  recte  quidem  noe  ita  credere  demonetrayi  in  libello  supr« 
dicto,  ubi  tota  res  plene  tractatur. 

Habemne  igitur  regulam  ad  quam  verne  ordo  fragmentonin 
aliquot  apud  Nonium  servatorum  conetituatnr,  eorum  ecilicet  qOa< 
Nonius  ex  scriptore  ipso,  neque  ex  glossario  aliqno  neque  e^ 
üommentatione  marginali  bausit.  Qua  regula  usus  bic  in  nnan 
coUigam  ea  quae  citationum  apud  Nonium  diepoeitio  de  ver 
ordine  fragmentorum  docet.     Scito  igitur: 

Lucilii  lib.     I  fr.  XXIX  Mu.  looum  habere  poet  fr.  XiVIII 
III  XXI  „  XXIII 

XLV  ..  VI 

VI  (immo  Vü)  XIV  „  XIV  (libri  Vi 


De  fragmentis  ecriplorum  apud  Nonium  servatie 


199 


i  lib.  VU 

fr.     XIV  Mn. 

loourn  habere 

poet  fr.            XI 

VIII 

III 

»j 

U 

XTIT 

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XV 

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Ubii  XXIX  (immo  XXVIII) 

VIII 

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XXX  libri  XXIX 

(immo 

libri  XXIX) 

XVIII 

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XVI 

XXXII 

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XXI 

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Luoilü  lib.  XXIX  fr.  XXXIY  Mn. 

loonm  habere  poet  fr.  XUI 

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XXVIII 

libri  XXVIII  (immo  XXIXl 

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XI  libri  VIII 

Sieennae  lib.  III  fr.  14  Pet. 

looum  habere 

poBt  fr.    33 

18 

II 

31 

25 

II 

117 

29 

II 

20 

31 

II 

24 

82 

II 

25 

83 

II 

9 

42 

II 

30 

47 

J1 

43 

IV        62 

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73 

66 

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110 

68 

11 

52 

79 

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122 

81 

» 

83 

82 

» 

81 

De  fragmentis  soriptorum  »pud  Nonius  servaiii  201 

Sieennae  lib.  IV  fr.  86  Pet.    locam  habere  post  fr.    60 


94 
103 
104 
107 
110 
118 
122 
ine.  186  (immo  librilll)   „ 


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II 


II 


II 


II 


116 
104 
121 
118 
120 

93 
107 

17 


CiceroniB  Hortene.  fr.  84  Muell.  locam  habere  post  fr.  16 


96 

Rep.  III  §  40  Numquam  etc. 

?  fr.    3  Poeni  etc. 
(fort  libri  IV.) 

IV  §     6  Ceneorie  etc. 

§     7  Nolo  etc. 

§     7  Fides  etc. 

£pp.  ad  Caes.  lun.  II  fr.  18 


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33 

§  24  Nam  cum  etc. 

§    8  lib.  IV. 

Admiror  etc. 

6  Itaque  etc. 

7  Fides  etc. 
6  Ceneorie  etc. 


§ 

§ 

§ 
fr.  1 


Plautii  Amph.  fr.  VIII  (Teuhn.,  1893)  locum  habere  post  fr.  IX 

ΧΠ 
Baooh.  XIII 
yarronis   Agath.  fr.  VIII  Bue.    locum  habere  post  fr.    I 


II 


II 


VII 
V 


Bimarc. 

X 

XII 

Heoat. 

V 

£am. 

XII 

xm 

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XXX 

XL 

XLV 

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Geront. 

V 

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Γνωθ, 

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XV 

VI 

VI 

XXXVI 

XII 

XVI 

XXVII 

XXVIII 

XL 

XXX 

IV 

V 

π 
π 

IV 


1  Non  tarnen  affirmare  licet  Bacch  fr.  XVII  post  XVIII  locum 
hiibere.  Nam  ex  ordine  eo  quem  singulHe  particulae  lemmatum  in 
lib.  IV<>    teneni    nihil  certi  colligitnr  (cf.  lemma  inducere,  p.  330  M.). 


)2 

L  i  iid 

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VarroniB  L.  Maen. 

fr.  IV  Bue. 

looum  habere 

post  fr.  III 

Man. 

XIV 

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X 

Marcip. 

I 

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VIII 

III 

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II 

IV 

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VI 

VIT 

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XVI 

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I 

Mod. 

IX 

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I 

XVIII 

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XII 

'Ov.  λυρ. 

V 

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IV 

XI 

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XV 

XVI 

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Pap.  pap. 

IX 

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X 

X 

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ΧΠ 

Sesqueul. 

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99 

XVI 

Sexag. 

III 

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IX 

XX 

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IV 

Ταφ.  Μβν.    IV 

19 

II 

VIII 

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XX 

XIV 

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IX 

XVI 

9» 

XIV 

XX 

91 

ΧΠ 

Naevü  Lycurg.     fr 

.  XIV  Ribb, 

.(1871) 

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X 

Eddü  Hect.  Lytr. 

lyb 

» 

IV• 

?  Teleph. 

I 

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III 

?  Pacuvii  Med. 

XXII 

99 

XXI 

Tenc. 

XI 

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XIX 

Accii        Alom. 

IV 

» 

III 

Enrys. 

VI 

99 

I 

Med. 

IX 

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XIV 

Meleag. 

IV 

V 

XVII 

Pboen. 

III 

99 

ΧΠ 

Teleph. 

XV 

9» 

IX 

PAfranii  Epiet.  fr. 

XI  Ribb. 

(1873) 

99 

X 

Except. 

VIII 

>« 

VI 

Fratr. 

X 

99 

XI 

XIV 

η 

IV 

Vop. 

XXV 

99 

XVI 

Pomponii  Pannuc. 

III 

99 

VI 

IV 

99 

π 

VI 

•9 

IV 

De  fragmentis  scriptorum  apiid  Nonium  servatis  203 

t 

Pomponü  Pict.       fr.         I  Ribb.  locum  habere  post  fr.    Π 

Π  „                      IV 

Praec.  poet.Vffl  „                     ΥΠ 

Proet.            IV  „                       V 

V  „  vm 

?Noyü     Paed.  VI  „  V 

De  fragmenÜB  Varronie  librorum  de  Vita  pop.  Rom.  et  de 
lib.  ednc.  nondnm  eatis  commode  editornm  nihil  dico.  Qni  ta- 
rnen eonixn  librorum  editionem  parabit,  is  diligenter  Nonianamm 
ordinem  oitationum  scrntetur  neoeese  erit. 

Neqne  ea  indicia  neglegenda  qnae  ordo  citationam  praebet 
ad  emendandos  librorum  vel  tituloe  vel  numeroe  a  scribie  per- 
peram  relatos  vel  ad  confirmandoe  eoB  quos  editores  mutare  vo- 
Inernnt. 

Apparet  igitur: 

Lucilii  lib.  VI  fr.  XIV  revera  ββββ  lib.  VII*,  cum  antece- 
dant  dno  lemmata  ex  lib.  VH^.  Itaque  legendum  ap.  Non.  22 
M.  Yll.  iaetari  (VH.  actari  codd.). 

.  Locilii  lib.  XIX  fr.  IX  revera  eese  Hb.  XXIX*  (sie  oodd. 
aliqoot],  cum  lemma  spargere  (Non.  404  M.)  ex  fönte  Luciliano 
iltero  veoerit. 

Lucilii  Kb.  XXVn  fr.  XXXIV  revera  esse  lib.  XX Vn*  (sie 
eodd :  XXVI  coni.  M.).  Quod  enim  lemmata  (Non.  1 38  M.)  ex  lib. 
XXYP  eequuntnr,    id  optime  convenit  cum  citandi  more  Noniano. 

Lucilü  lib.  XXVIII  fr.  I  vv.l— 2  revera  esse  lib.  XXIX*, 
mm  lemma  deferre  (Non.  289  M.)  inter  lemmata  ex  lib.  XXX« 
et  üb.  XXIX  0  stet 

Lucüii  lib.  XXIX  fr.  LXVIII  revera  esse  lib.  XXX\  cum 
seqaantur  lemmata  ex  lib.  XXX^. 

Lucilii  lib.  XXIX  fr.  LH  non  eeeelibriXIX  (sie  codd.),  cumlem- 
^^cupidüiis  et  cupido  ex  fönte  Luciliano  altero  bauetum  eeeevideatur. 

Lucilii  lib.  XXX  fr.  XXXV  revera  esse  lib.  XXXS  cum  prae- 
cedentia  et  sequentia  lemmata  ex  eo  libro  eint. 

Sieennae  fr.  9  esse  lib.  III*  (I  vel  II  codd.),  cum  lemma 
Ttmulcare  (Non.  57  M.),  primum  lemma  in  eerie  Sisenniana,  No- 
iiins  ex  buo  exemplari  aumpsieee  videatur.  Id  autem  exemplar 
tantammodo  libros  ΪΙΙ — IV  habuit.  Sequuntur  lemmata  ex  lib. 
ΠΡ  hauBta. 

Siaennae  fr.  104  esse  lib.  IV*,  cum  lemma  caecum  (Non. 
*49  M.)  inter  lemmata  ex  libro  IV*^    hausta  stet. 

Sieennae  fr.   117  esse  lib.  III*,    cum  sequantur  lemmata  ex 


206  Knaack 

mit  (lern  eiodringlich  wiederholten  iUam  auf  die  in  den  vorher- 
gehenden Versen  angekündigte  Sagenversion  verwiesen  wird,  dh. 
eben  auf  die  Scylla  Nisi,  was  Skutsch  S.  93  f.  mit  unzureichen- 
den Gründen  bestreitet.  Somit  ist  der  malus  auctor,  der  Erfinder 
dieses  angeblichen  Synkretismus,  der  mit  bemerkenswerther 
Schärfe  abgewiesen  wird,  eine  ganz  bestimmte  (Dichter-)  Persön- 
lichkeit, über  dessen  Werk  sich  zum  Glück  mehr  ermitteln  läset, 
als  was  in  diesen  Versen  gesagt  ist.  Die  Berufung  auf  Homer, 
der  ja  das  Ungeheuer  nur  als  Tochter  der  Erataiis  kennt  (Cir. 
OH  =  μ  124),  hat  mit  den  erwähnten  Ausfällen  des  Parthenios 
nichts  zu  schaffen.  Wohl  aber  wird  durch  ein  zwar  langst  be- 
kanntes, aber  nicht  nach  Gebühr  gewürdigtes  Zeugniss  das  Ma- 
terial vermehrt.  Wenn  der  Dichter  der  Ciris  alle  andern  Be- 
richte über  Skylla  nicht  gelten  lässt  —  die  Verwandlung  in  einen 
Fisch  wird  beiläufig  484  ff.  abgelehnt  —,  seinen  dagegen  dem  Leser 
als  ausgesuchte  Rarität  anpreist  (89  ff.): 

quidquid  et  ut  quisque  est  tali  de  clade  locutuSj 
somnia  sunt:  potius  liceat  cognoscere  Cirin 
atque  unam  ex  multis  Scyllam  non  esse  pucllis  — 
so  sind  wir  berechtigt  seine  Erzählung  auf  ihre  besondern  Züge 
zu  prüfen.  Sie  gipfelt  bekanntlich  in  der  Metamorphose  des 
Nisos  und  der  Skylla  —  uns  aus  Vergil  (Georg.  I  404  ff.)  und 
Ovid  (Met.  VIII  145  ff.)  geläufig.  Aber  für  ersteren  ist,  wie 
Skutsch  nachgewiesen,  unser  Gedicht  die  alleinige  Quelle  —  bis 
auf  einen  gleich  zu  erörternden  Zug,  während  Ovid  auf  dieselbe 
griechische  Vorlage  (Parthenios)  zurückgegriffen  hat.  Unabhängig 
von  diesen  tritt  für  die  Verwandlung  die  Paraphrase  derOpvi6iaKa 
des  Dionysios  von  Philadelphia  ein  (II  15  in  den  Poetae  bucol. 
et  didact.  p.  119  [Didot]);  dies  Zeugniss  muss  mit  dem  erhalteneu 
Excerpt  aus  den  Metamorphosen  des  Parthenios  (Fr.  20  Martini, 
Parthenii  Nicaeni  quae  supersunt  p.  23  =  p.  270  Mein.)  zusam- 
mengestellt werden. 

Schol.  Dion.  Per.  420  Dionys.  Όρνίθ. 

(ergänzt  durch  Eustath.) 
—  ώς  bk  Παρθίνιος  έν  τοις  με- 
ταμορ(ρώσ€σιν    λίγβι,     έπβιδή 

Μίνως  λαβών τά  Μίγαρα  διά  ήδέκίρρις^  άΕίαντών 
(Σκύλλης  Eustath.)  τής  Νίσου     άσεβημάτιυνδίδωσι  Μκην, 

1  Die  falsche  Orthographie  wird  man  dem  byzantinischen  Para- 
phraeten  lassen  müssen. 


Hellenist ische  Studien 


207 


θυγατρός     έρασθείσης    αύτου 

και  άποτβμούσης  τής  κεφαλής 

του  πατρός  τόν  μόρσιμον  πλό- 

καμον  και  ουτιυς  αυτόν  προοού- 

αης,  έννοηθβΐς  ώς  ή  τόν  πατέρα 

TTpohoO^a    ού5€νός    δν    ποτέ 

^αοίως    φείσαιτο,   προσοήσας 

αυτήν    (πη6αλίψ    νεώς    Euet.) 

eiaaev  αυτήν  έπισύρεσθαι   τή 

θαλασσή     (τήν    προδότιν    και 

ττατροφόνην   άφήκε  σύρεσθαι 

6ιά    θαλάσσης    Euet.)  —   δθεν 

Σαρωνικός     οι5τος    6    πόντος 

εκλήθη  —  ίστ'  €ΐς  ορνεον  ή  κόρη 

μετεβλήθη  \ 


δτι  του  Μίναιος  έρασθεΐσα  καΐ 
τόν  πορφυρού  ν  του  πατρός 
πλόκαμον  έκτεμοΟσα  τήν  πα- 
τρίδα εϊλετο  προοοΟναι  τψ  Μί- 
vuir  δ  δέ  τήν  προδοσίαν  καΐ 
μετά  τήν  νίκην  μεμψάμενος 
άπέδησεν  (έπέδησεν?)  αυτήν 
νεώς  καΐ  κατά  τής  θαλάττης 
εΐασε  φέρεσθαΓ 


και   μεταβίβληται    μέν    ουτιυς 
εΙς  δρνεον  αοτη,  μισείται 
bi  παρά  πάνταιν  όρνέων, 
κδνάλιαίετος  αυτήν  θεά- 
σητ  αι  πλανώ  μένη  ν,  ευ- 
θύς   έπιθέμενος    δια- 
φθε  ίρε  ι. 
Die    Llebereinstimmung    im    ersten  Abschnitt    ist    eo  gross, 
Jasff  mao    die    genaueren   Angaben    über    den  Vogel,  welche    am 
£iide  dee  Excerptee  hinzutreten,  unbedenklich  auf  dieselbe  Quelle, 
iiüo  auf  die    Metamorphosen   des   Parthenios,    zurückführen    darf. 
Bestätigang^   g'ibt   die  lateinische  Nachdichtang:    wie   der  Anfang 
Jen  Stfickee   mit  Cir.  52: 

haec  pro  purpureo  poenam  scelerata  capillo^ 
pro  patria  solvens  excisa  et  funditus  urbe 
::nerkennbar  zueammentrifft,  so  entspricht  der  Schluss  den  letzten 
^'ereen.  I>ae  iet  wichtig  fiir  die  Beurtheilung  des  Verhält- 
nifsee  z^wiecben  Original  und  Bearbeitung.  In  denselben  Zu• 
>ammeDban|?  gehört  aber  auch  die  sonst  nicht  zu  belegende  An- 
gabe dase  die  κεΐρις  von  allen  Vögeln  mit  ihrem  Hass  ver- 
y\zt  werde,  eio  ine  üebertriebene  gesteigerte,  aus  dem  unge- 
eJj'iffen  Wesen  des  Reihers  (s.  u.)  abgeleiteter  Zug^.  Zu  diesen 
rher  auf  Parthenioe  zurückgehenden  Einzelheiten  kommt  noch 
aae     Ver^ilfl     Georg.  I  404—409.     Hier   hat    der    Dichter 

1  tox*    Martini  für  Ön.    Die  Worte  βθεν  —  εκλήθη  dürfen   aber 
ht  getagt    werden. 

2  Vjpi.   Cirie  5 17  Σ   mfdix  virgo  nequiquatn  α  morte  recepta 

ineuUum  solis  in  rupibus  exigit  aevum. 


ne 


208  KnAAok 

zwischen  die  arateischen  Wetterzeiohen  zwei  VerwandlangeeageQ 
eingeschoben :  die  düectae  Thetidi  alcffones  ^  und  Nisos  mit  Sky IIa. 
Formell  sind  die  Verse  aas  der  Giris  entlehnt,  ein  Kompliment 
für  Cornelias  Gallas',  inhaltlich  aber  geben  sie  etwas  Neues, 
ein  Wetterzeiohen,  das  in  der  Giris  nicht  steht,  also  wohl  in 
deren  Vorlage  vermathet  werden  darf. 

Es  ist  kein  grosser  Zawachs,  der  za  dem  bisher  bekannten 
Brnchsttick  der  Metamorphosen  hinzugekommen  ist,  immerhin  aber 
ausreichend,   um  erkennen  zu  lasseui    dass  der  Römer  in  seinem 
£pyll  keine  blosse  üebersetzung  aus  dem  Griechischen,  sondern 
eine  freie  Bearbeitung  geliefert  hat.     Mit  dieser  Einschränkung 
darf  man   die  Giris  als  ein  Werk  des  bithynischen  Dichters  be- 
trachten^.    Dass    dieser    auch    sonst    noch  in  Einzelheiten  mehr 
bot,  ist  von  vornherein  wahrscheinlich,    es   läset  sich   aber  anch 
aus  dem  höchst  einseitigen  Auszug  des  Scholiasten  —  der  ja  nur 
die  etymologische  Deutung  des  Σαρωνικός  κόλπος  geben  will  — 
erschliessen.    An  die  üeberreichung  der  yerhängnissvoUen  Locke 
durch  Skylla  ist  eine  Reflexion  des  Mino«  geknüpft,  die  in   dem 
auffallend  kurzen  und  trockenen  Bericht  des  lateinischen  Bearbeiters 
(386  ff.)  fehlt*.     Bei  der  Dürftigkeit  des  vorliegenden  Materials 
würde  sich  über  diesen  Punkt  nichts  Sicheres  ausmachen  laaeen, 
wenn  nicht  auf  ihn,  sowie  auf  andere  Unebenheiten  der  Erzählung 
von  einer  anderen  Seite  her  ein  Lichtstrahl  fiele. 

1  Sie  decken  eich  keineswegs  mit  Theokr.  VIT  57: 
άλκυόν€ς  γλαυκαΐς  Νηρηίσι  τα{  τ€  μάλιστα 
6ρν(χων  έφ{λαθ€ν, 
wie  ζΒ.  Morsch  de  graec.  auctor.  in  Georg,  a  Yergilio  expreasia  (Dis« 
Halle  1878)   p.  80  annimmt,   sondern  weisen  auf  eine  von  Ovid  Me^ 
XI  496   zur   Verknüpfung   verwandte   Sagen version   (£hwald    β.    4id 
Da  nach  Probus  z.  Verg.  für  die  schöne  Sage  von  Keyx   und   AlkyoJ 
Nikander  Ovids  Gewährsmann  war,  so  käme  dieser  in  Betracht.    AnU^ 
rerseits  ist  zu  beachten,    dass   nach  dem  von  Probus  neben  Nikand^ 
genannten  Metamorpbosendichter  Theodoros  (vgl.  meine    Anal,    Alej 
Rom.  p.  54)  Alkyone,  die  Tochter  Skirons,  Enkelin  Polypemone  (0| 
raet.  VII  401),  in  einen  Eisvogel  verwandelt  wurde.    Also    spielte    θ 
Geschichte  in  der  Megaris,  und  jene  ist  vielleicht  mit  Nisos  tma  Sky] 
verwandt. 

8  Vers  404  f.  geben  den  Anfang  des  Gedichtes  (49  und  5 
nach  der  Widmung)  wieder,  406—409  sind  wörtlich  aus  dem  Schlij 
hinübergenommen. 

8  Vgl.  im  allgemeinen  Merkel  prolus.  ad  Ovid.  Ibim   p.    351^ 

*>  Noch  stärker  drückt  das  Eastath.  aus:  τήν  ιτροδότιν  καΐ  i 
τροφόντιν  άφήκ€  σύρεσθαι  διά  τής  θαλάσσης,  vgl.  Cir.  419. 


HelleDintiache  Studien  209 

Die  Schärf e,  mit  der  im  Prooemium  der  Cirie  der  Diobter, 
welcher  die  Scylla  Niei  mit  dem  Meerangeheuer  gleichsetzte,  zu- 
rechtgewiesen wird,  läset  auf  nicht  geringe  Verbreitung  dieser 
Version  and  auf  keinen  nnhedeutenden  Verfasser  Bchlieesen.  In 
der  That,  wie  bekannt  diese  Sagenform  war,  bezeugen  wieder- 
holte Anspielongen  der  römischen  Dichter^.  Wir  haben  nicht 
das  Recht  als  Quelle  aller  das  Prooemium  der  Ciris  oder  Vergil. 
ecl.  VI  74  (s.  u.)  zn  vermuthen.  Besondere  Beachtung  beansprucht 
Properz  IV  4,  89,  da  bei  ihm  die  yerliebte  Tarpeja  sich  an  ihr 
griechisches  Vorbild  erinnert: 

quid  mirum  in  patrios  ScyUam  saemsse  capiUos 
c€mdidaque  in  saevos  inguina  versa  canes. 
Venu  dieses  Distichon  ist,    wie  Rohde  (Rom.  93,  3)  treffend  be- 
merkt, mit  III  19,  21  zu  combinieren ' : 

Tuque  ο  Minoa  venundatOj  Scylla^  figura, 

tondere  purpurea  regna  paterna  coma, 
hanc  igitur  dotetn  virgo  desponderaf  hosti! 

Nise^  tuas  partas  frande  reclusit  Amor, 
at  vos  innuptae,  feUcius  write  tctedas: 

ρ  endet  Cr  etaea  tr  ac  t  α  ρ  u  eil  α  rate, 
non  tarnen  irnmerUo  !  Minos  sedet  arbiter  Orci : 
Victor  erai  qua/nwis,  aequus  in  hoste  fuit. 
Damit  sind  die  bedeutendsten  Momente  einer  ganz  bestimmten  dich- 
terischen Darstellung  kurz  zusammengefasst.     Die  Probe  auf  die 
Richtigkeit  der  Rohdeschen  Vermuthung  gibt  ein  sehr  wichtiges, 
bisher  noch  nicht  genügend  gewerthetes^  Enripidessoholion  (Hipp. 


1  Propert.  FV  4, 39  ff.  Ovid.  Am.  III  12,  "21  A.  a.  I  331  (bezeich- 
i^flderweise  sind  hier,  um  die  scheinbare  Sagencontamination  zu  be- 
-"^iti^en,  zwei  Verse  später  interpoliert)  Her.  XII  123  Fast.  IV  50. 

^  Skatsch  S.  94  denkt  an  eine  Vergilreminiscenz. 

'  Dieses  Scholion  hat  eine  eigene  Geschichte.  Von  Welcker  Gr. 
Irag.  1225,  3  sehr  kurz  erwähnt,  war  es  Heibig  Denkmäler  und  For- 
fangen  18ββ  Sp.  196  unzugänglich ;  Rohde  führt  es  nicht  auf,  Skutsch 
iKont  es  nicht,  ebensowenig  wie  Vollgraff  de  Ovidii  mythopoeia  p.  90 
fB«rl.  Diss.  1901),  der  sich  unnöthigerweise  über  dieses  mirae  confusionis 
iorwnentum  ereifert.  A.  Leuschke  de  metamorph,  in  schol.  Vergilian. 
ibolis  p.  55  (Marburg.  Dies.  1895)  berührt  es  nur  flüchtig,  etwas  mehr 
ribt  0.  Waser  Skylla  und  Gharybdis  in  der  Litteratur  u.  Kunst  der  Grie- 
ben u.  Römer  (Zürich  1894)  S.  57.  Weder  Wagner  noch  Röscher  (Myth. 
*ex.  III  426  flf.)  halten  es  für  wichtig.  Dagegen  spielt  es  in  der  *so- 
treu  Mythologie  Sieckes  (de  Niso  et  Scylla  in  avee  mutatis,  Progr. 
es  Berl.  Friedrichs-Gymn.  1884)  natürlich  eine  bedeutende  Rolle. 
hhein.  Mm.  L  Philol.  N.  V.  LTII,  14 


210  Knaaok 

1200),  dessen  Uebereinstimmniigen   mit   Properz  im  Draok  her- 
yargehoben  sind :  —  δλλοι  bi  φασίν  δτι  έκ  τής  Σκύλλης  τής  θυ- 
γατρός  του   Νίσου   του   ά6€λφου  του  ΑΙγέως  καΐ  Πάλλοντος, 
οδτος  γαρ  φκησβν  βίς  Μέγαρα  έάσας  τους  αδελφούς  μαχόμενους 
π€ρι  τής  βασιλείας,  καΐ  ήν  είμαρτόν  μή  παραληψθήναι  τόν  τό- 
πον, έν  φ  ήν  6  Νΐσος,  ίαις  είχε  τόν  χρυσοΟν  πλόκαμον  έν  τή 
κεφαλή  αύτοΟ  (β.  α.)•  ^  ούν  Μίνιυς  στρατοπε^εύσας  κατ^  αυ- 
τού ούκ  ή^υvήθη  παραλαβεΐν.    ή  bk  θυγάτηρ  αυτοΟ  Σκύλλα 
θεωρήσασα  τόνΜίνω  έφίλησεν  αυτόν  και  συν• 
ετάΕατο  αύτφ   προ^οΟναι  τήν   πάλιν,  ει  λάβοι 
αυτήν  γυναίκα,    δδέσυνίθετο.    και   παραγενομένη 
τέμνει  τοΟ  τεκόντος  τόν  πλόκαμον  και  τήν  πόλιν  προυόωκε. 
και  μετά  τό  παραλαβεΐν   τήν  πόλιν  £λοβεν  αυτήν  έπάνιυ  του 
πλοίου  καΐ  £&ησεν  αυτήν  εΙς  τό  πηοάλιον  (Sobwartz: 
πλοΐον  die  fiss.)  καΐ  έν  τή  θαλασσή  καθήκεν    και   €μεινε 
συρομένη  έν  αυτή  και   bxä  τούτο   εκλήθη    Σαρω• 
νικόν  τό  πέλαγος.    έκπεσοΟσα  bi  έν  τή  θαλασσή  και  θη• 
ρίον  γενομένη  τήν  οίκείαν  φύσιν  μετέβαλεν  ου^αμιυς. 

Hier  baben  wir  eine  einbeitlicbe,  gesoblossene,  in  eine  Me- 
tamorphose auslaufende  Erzäblang.    Und  zwar  wird  die  Königs- 
tochter nicht  in  einen  Seevogel  oder  Fiseh,  sondern  in  ein  θηρίον, 
dh.  in  das   bekannte  Ungehener  verwandelt^  —  darf  man  ange- 
sichts der  Uebereinstimmnngen  mit  Properz  daran  zweifeln,  dass 
die  Hypothesis  desselben  Gedichtes  vorliegt,  ans  dem  der  Elegiker 
die  Hauptsachen  entlehnte?  Die  Strafe  Skjllas  und  die  daran  gt- 
knüpfte  Etymologie  ist  die  gleiche  wie  bei  Parthenios,  aber  die 
Yerhandlangen  der  Yerrätherin  mit  dem  Lanäesfeinde  erscheineD 
hier  klar  und  verständlich,  während  wir  in  der  Ciris  blosse  An- 
deutungen lesen   (187,  413,   422),    die  für  den  Kenner  der  Sage 
berechnet    sind.     Zweifler   könnten    auch    in    diesem   Punkte  die 
Schuld  auf  den  Bearbeiter  schieben  und  im  Original  eine  grössere 
Ausführlichkeit  annehmen.     Aber  zu  G-nnsten   der  vorgetragenes 
Annahme  spricht  ein  entscheidender  Umstand:    die   verscbiedeBi 
AufiPassung  der  Liebe  zwischen  Skylla  und  Minos.    In  der  C2iris 
dh.  bei  Parthenios,  fällt  alles  Licht   auf  Skylla,    während   Mino 
fast  yerschwindet;   in    der   erschlossenen  Version    ist  umgekehr 
dieser   die   Hauptperson.     Lässt    schon    der    properzische     stark 
Ausdruck  Minoa  venundata  figura  den  Sachverhalt  ahnen,  so  gJ 
winnen  wir  durch  die  Tarpejealegie  noch    mehr  Anhalt,    Gewisa 

*  So  wird  sie  auch   bei  Palaiph.  21   und  im  Schol.    Q  ^^  -Qq^ 
Od.  μ  105  genannt. 


HelleniitHolie  Stadien  211 

lieit  dvch  Ovid.  Met.  YIII  21  ff.  Dieser  sonet  in  seiner  Dar- 
eteüaog  abweichend,  triflft  an  zwei  Stellen  aafFftUig  zoeamnen  mit 
Propen, 

61  cur  SUU8  haee  Uli  reseret  mea  moenia  Mawm^ 
ü  non  nost$r  Ämorl 
=  Prop.  Nise^  tuaa  portas  fraiude  reclusit  Amor. 
Ov.  101  (von  Minos) 

—  ut  kges  captis  iustiasimus  auctor 
hostihus  imposuii. 
=  Prop.  Victor  erat  quamviSj  aequus  in  hoste  fuiiy 
Qnd  dass  hier  eine  beiden  gemeinsame  Quelle   vorliegt,    beweist 
<ier  ixA  eine  besondere  dichterisohe  Darstellnng  hinweisende  Nonnus 
DioDji. XXY  U8»  der  165  ff.  mit  Properz  und  Ovid  sieh  deckt: 
Μίνως  μίν  πτολίπορθος  έψ  ποτ€  κάλλεϊ  γυμνφ 
ύσμινης  τέλος  €ΰρε  καΐ  ου  νίκησε  σι^ήρψ, 
άλλάπόθψ  και  ίρωτι. 
^mit   dsrf   die    Zusammengehörigkeit    dieser    drei   Zeugen    als 
sicher  angenommen  werden.     Aber  es  geht  weiter.     Denn  wenn 
oeo  aie  stehenden  Phrasen  des  Panopolitaners  abzieht  und  seinen 
uoleidlichen  Schwulst  auf  eine  schlichte  Redeweise  zurückzufahren 
venucht,  eo  ergeben  sich  sogar    in  Einzelheiten  unverkennbare 
lebereinetimmungen,  wie  folgende  Zusammenstellung  lehrt: 
otba  μόθον  Μίνωας,  δν  ήνυσε  θήλυς  '  Ενυώ 
κεστόν  έλαφρίΣουσα  καΐ  ού  τελαμώνα  βοείης, 
δππάτε  Κυπρις  ίην  κορυθαίολος,  όππότε  Πειθώ 

χάλκεον  ίτχος  ίπολλε 

ήνίκα  λαψ 
Νισαίψ  Μεγαρήι  Κυοωνιάς  ίβρεμε  σάλτηγΕ, 
€δτε  Φόβον  και  Δεΐμον  Ιδών  συνάεθλον  Ερώτων 
ίχνεσιν  αίοομένοισιν  έχάίετο  χάλκεος  Άρης 
άσπίοο  κουφίίουσαν  όπιπεύων  ΆφροΜτην 
καΐ  ΤΤόθον  αίχμάίοντα,  καΐ  εύθώρηκι  μαχητή 
οβροχίτιυν  έτίλεσσεν  Έρως  καλλίτριχα  νίκην. 
Σκύλλα  γαρ  ύττνώοντος  όκερσεκόμοιο  τοκήος 
ήλικα  πορφυρίης  άπεκείρατο  βότρυν  έθείρης 
καΐ  πόλιν  ίπραθε  πάσαν  ?να  τμητήρι  σώήρψ 
βόστρυχον  άμήσασα  πολισσούχοιο  καρήνου, 
(£β  folgen  die  bereite  oben  ausgezogenen  Verse.) 

κορυσαομένου  bfc  Λυαίου 

ου  Πόθος  έττρήιινεν  άκοντοφόρων  μόθον  Ίν&ώνι 
ου  Παφίη  κεκόρυστο  αυναιχμά2^ουσα  Λυαίφ 


212  Kaaaok 

κάλλεϊ  νικήσασα,  μόθου  τέλος  ου  μία  κούρη 
οίστρομανής  χραίσμησεν  έρασσαμένη  Διονύσου, 
ού  5όλος  ΙμερΟ€ΐς  — 
Ovid.  24  ff: 

hoc  iudice  Minos, 
seu  Caput  abdiderat  erisiata  caaside  pennis^ 
inegale  α  formosus  erat,  seu  sumpserat  aere 
fulgentem  clipeum,  clipeum  sumpsisse  decebat 
toraerat  adductis  hastüia  lenta  lacertis, 
laudabat  virgo  iunctaim  cum  viribiis  artem. 
•  •  • 

eum  vero  faeiem  dempto  nudaverat  aere^ 
purpureusque  cUbi  stratis  insignia  pietis 
terga  premebat  egui  apumantiaque  ora  regdfot, 
via  sua,  υ  ix  sanae  vir  g  ο  Niseia  comp  ο s 
mentis  erat• 

Den  Eindruck  des  präohti^n  Reiters  auf  das  Mädcbenhen 
schildert  an  erster  Stelle  und  überträgt  auf  seine  Tarpeja  Pro- 
perz  aaO.  19: 

vidii  arenasis  Tatium  proludere  campis 

pictaque  per  flavas  arma  levare  itdxM. 
obstupuit  regia  facie  et  regalibus  armis 
intergue  oblitaa  eacidit  urna  wanua^y 
deren  sentimentale  Reflexion  37: 

nie  equua,  Ule  meoa  in  caatra  reponet  amores, 
cui  Tatius  deatraa  collocat  ipae  iubaa^ 
in  den  nicht  minder  sentimentalen  Gedanken  Skyllas  bei  Ovid  36 
eine  Parallele  findet: 

fei  ix  iaculum,  quod  lang  er  et  illCt 
quaeque  manu  pr  emer  et  felicia  fren  α  ν  ο  c  ab  aU 
Diese  entsprechen  wieder  genau  den  Wünschen  des  in  die  spröde 
Jägerin  Nikaia  verliebten  Hirten  Hymnos  bei  Nonn.  XV   257: 

αϊθε  βέλος  γενόμην  .  .  . 

αϊθε  βίλος  γενόμην  θηροκτόνον,  βφραμε  τ^μναΐ^ 

χερσίν  έλαφρίσσειεν  .  .  . 

παρθένε,  κουφίΖεις  βέλος  δλβιον,  υμέτεροι  γαρ 


^  Ζα  diesem  Verse  vgl.  Ehwalds  Anmerkung. 
2  Ueber  diesen  'alexandrinischen   Kunstgriff  vgl.  Dilthey  de  Cal 
Cyd.  p.  55,  4. 

β  Hieran  schliesst  eich  bedeutsam  das  oben  angeführte  Distichoi 


Hellenistische  Studien  213 

Ύμνου  μηλονόμοιο  μακάρτ€ρο(  είσιν  όιστοι, 
δττιτεών  ψαύουσιν  έρωτοτόκων  παλαμάων^. 

Es  sind  nur  einzelne  Züge,  die  wir  anf  diesem  Wege  ge- 
wonnen haben,  aber  sie  fügen  eich  wohl  zasammen  und  geben 
Ton  der  Daretellnng  des  unbekannten  hellenistiechen  Dichters  (A) 
ein  ziemlich  deutliches  Bild^.  Sein  Vorbild  war  eine  Stelle  des 
eniipideischen  ersten  Hippolytos  (Ovid.  Her»  IV  79  —  84,  vgl. 
Paus.  II  33,  3),  wie  bereits  M.  Mayer  de  £nrip.  mythopoeia 
[Disa.  fierl.   1883]   69  gesehen  hat. 

Wie  stellt  sich  nun  dazu  Parthenios?    Die  Thatsache  wird 
Angedeutet  130: 

ni  Scylla  novo  correpta  furort^ 
ScyUa,  patris  mseri  patriaeque  inventa  sepulcrum, 
0  nimium  cupidis  Minoa  inhiasset  oceüia, 
wobei   die  Entetehnng  dieser  Leidenschaft  durch    die  Rache  des 
beleidigten  £roe    hier    füglich    ausser  Spiel  bleiben    darf.     An- 
dererseits weisen  die  Verse  429  ff: 

vuUu  decepta  pueUa 
ut  vidiy  ut  periif    tä  mejnalus  äbsttUit  error/ 
non  equidem  ex  isto  speravi  corpore  posse 
täU  malum  nasei;  forma  vel  sidera  f alias 
unerkennbar    auf   die  Schönheit   des  Ereterkönigs    hin,    die    der 
Liehesraserei   des  Mädchens  als  Folie    dienen    soll.     Im    Hinter- 
gründe steht  die  ausführliche  Schilderung,  wie  sie  in  Α  zu  lesen 
war,  oder   mit    andern  Worten:    Α  wird  vorausgesetzt;    für  den 
Kenner  genügten  die  wenigen  Anspielungen.     Aber  damit   nicht 
genng:  durch   eine   besondere  Erfindung,   deren  Einzelheiten  erst 
später  erörtert  werden    können,    wird  Minos   noch   mehr  in   das 
r«ebte  Licht    gerückt.      Das    ist    die    Episode   über    Britomartis 
2^6  ff.,   die   im  Munde  ihrer  Mutter  Karme,    die  aus  Kreta  ver- 

^  üeber  dies  Wunsohmotiv  ist  Rohde  Rom.  162,  4  zu  vergleichen ; 
«mige  Parallelen  aas  moderner  Volkslitteratur  gibt  Biese  Ztsoh.  f.  vgl. 
Litr.-Gesch.  N.  F.  I  411—425. 

'  Diese  und  ähnliche  Zasammenetellungen  würden  nun  freilich 
gaoz  nutzlos  sein,  wenn  der  neaeate  Beurtheiler  der  Ovidischen  Meta- 
morphosen, Vollgraff  p.  38  mit  aeinen  Behauptungen  Recht  hätte.  Allein, 
j«  tiefer  man  in  diese  Elrzählungen  eindringti  desto  mehr  erkennt  man, 
das8  Ovid  die  Gebilde  der  grieohiachen  Dichtung  mit  unvergleichlicher 
Leichtigkeit  in  einen  flotten  Stil  alfreaco  umgesetzt  hat,  wobei  aller- 
dings gar  manche  Feinheiten  der  Originale  verloren  gingen.  Einer  der 
beft^n  Kenner  Ovids,  B.  Ehwald,  theilt  diese  Anaicht. 

^  Zumal  da  die  Partie  139—1.55  verderbt  zu  aein  acheint. 


214  Kn««ck 

trieben  als  Pflegerin  der  Skylla  im  megariechen  Eönigepalaete 
weilt,  die  dämonieclie  Gewalt  des  Ereterfürsten  vtfr  Augen  stellen 
soll.  Dieser  Kunstgriff,  den  Helden  in  einem  gewissen  Dunkel 
zu  lassen  und  die  Nebenpersonen  in  den  Vordergrund  zu  rücken, 
ist  auch  sonst  der  hellenistischen  Dichtung  nicht  fremd:  so  er- 
scheinen die  Thaten  des  Herakles  wiedergespiegelt  in  den  Beden 
Alkmenes  und  Megaras  bei  dem  Verfasser  des  unter  den  Nach- 
lass  des  Moschos  gerathenen  anmuthigen  Rpylls  ^.  Aber  auch  die 
breite  Schilderung  der  Liebesleidenschaft  in  der  Ciris  ist  nicht 
das  eigene  Werk  des  Parthenios :  er  hat,  wie  v.  238  verständlich 
genug  angedeutet  wird,  die  verliebte  Myrrha  (Anton.  Lib.  34, 
Ovid.  Met.  X  298  ff.)  sich  zum  Vorbild  und  Muster  genommen. 
Einer  eingehenden  Begründung  bin  ich  durch  Kalkmann  (de 
Hippel.  Eurip.  quaestt.  nov.  [Bonn  1882]  p.  87  sqq.)  enthoben. 
Es  fragt  sich  nun,  ob  sich  aus  Ovid,  der  ja  Α  notorisch  benutzt 
hat,  noch  etwas  gewinnen  lässt  Trotz  der  sehr  ähnlichen  Dis- 
position der  Reden  Skyllas'  trifft  er  mit  dem  Dichter  dei^  Cirie 
doch  nur  in  ein  paar  Einzelheiten  zusammen.  Cir.  105  wird 
die  Königsburg  besohrieben: 

etat  Megaray  Älcathoi  quondam  munita  labore, 
Alcathci  Fhodnquej  deus  namque  adfuU  Uli; 
unde  etiam  citharae  voces  ifnitatus  acutas 
saepe  lapis  recrepat  Cyllenia  murmura  pulsus 
et  veterem  sonUu  Phoebi  testaiur  amorem. 
Das  iet  untadelig  gesagt  und  deckt  sich  mit  einer  später  zu  be- 
sprechenden, aus  derselben  megariechen  Quelle  stammenden  Notiz 
des  Pansanias,   so  dass  man    diese  Verse  auf  das  Original  wird 
zurttokführen  dürfen.    Die  eeeohiohte  steht  auch  bei  Ovid  14: 
regia  turris  erat  vccalibuB  addüa  muris, 
m  gu^ms  auratam  proles  Letoia  fertur 
deposuisse  lyram:  saxo  S(mu8  eins  inhaesü. 
saepe  illuc  solita  est  ascendere  filia  Nisi 
et  petere  exiguo  r  esonantia  saxa  lapillo^ 
tum  euw  pax  esset;  hello  quoque  saepe  solebat 
spectare  ex  illa  rigidi  certamina  Martis, 


*  Vgl.  Wilamowitz  Eurip.  Herakl.  I  84,  161«. 

>  Ciris  257—282  erste  Rede  Skyllas  (Geständniss  ihrer  Liebe)  <v» 
Ovid.  44-80,  Selbstgespräch  Skyllas  (Seelenkampf);  Cir.  404-45^ 
zweite  Rede  (Klagen  der  Geschleiften)  ro  Ovid.  108—142  (BUagen  der 
Enttäuschten);  vgl.  Ganzenmüller  Beitrage  zur  Ciris,  Jahrb.  f.  Philo). 
Snppl.  XX  536  f. 


Hellenietische  Stndien  216 

aber  in  besseren  Zaeammenhang  mit  der  Pereon  der  Heldin  ge- 
bracht, von  der  Gir.  172  erzählt: 

soi^  redü  patrias  adacendere  perdita  mtiroSf 
aeriasque  facti  causam  sihi  visert  turres, 
Faat  möobte  man  an  eine  Verbessernng  des  älteren  Gedichtes 
denken  —  wenn  es  sich  überhaupt  nachweisen  Hesse,  dass  Ovid 
dieses  Werkchen  des  Cornelias  Gallus  noch  gekannt  und  benatzt 
bat^  So  müssen  wir  ans  bescheiden  den  Unterschied  anzuerkennen, 
sei  es  dass  er  bereits  im  Original  *(Δ)  stand,  sei  es  dass  Orid 
selbst  diesen  Zag  spielend  ausgemalt  hat.  üebrigens  ist  auch 
über  die  Vorlage  der  Ciris  keine  £ntscheidang  möglich,  da  wir 
nicht  mehr  wissen,  in  welcher  Weise  Parthenios  das  ctMusam  sibi 
visere  turres  motivirt  hatte.  Etwas  zuversichtlicher  möchte  man 
aber  einen  andern  Widerspruch  urth eilen.  Bei  Ovid  64  spricht 
Skylla  die  Befürchtung  aus: 

non  metuam  certe,  ne  quis  tua  pectora^  Minos^ 
vulneret  imprudens,  quis  enim  tarn  diruSy  Mi  in  te 
dirigere  inmUem  non  imcius  audeat  hasiam? 
und  dass  Aehnliches  in  Α  gestanden  hat,  macht  Propert.  17  4,  25 
wahrscheinlich,  wo  es  etwas  andere  gewandt  ist: 
saepe  Mit  blandis  argentia  lüia  ngmphiSf 

Romula  ne  faeiem  laederet  hasta  Tati. 
In  der  Ciris  dagegen  ist  Minos  unverwundbar  268: 

üle  (vides)  nostria  qui  fnoenihus  adsidet  hosUs^ 

quem  pater  ipse  deum  sceptri  donavii  honore^ 

cui  parcae  tribuere  nee  ullo  vulnere  laedi 

•  •  • 

iJUe^^nea^ilte  idem  Oppugnat  praecordia  Minos. 


^  So  aa.  Waser  S.  58:  Ovid  und  der  unbekannte  Yerfasser  der 
Ciris  benutzten  die  nämliche  Faesung  der  Sage'  —  auch  das  ist  in 
dieser  Verallgemeinerung  falsch  —  'ja  ich  habe  den  bestimmten  Ein- 
druck, dass  der  eine  Dichter  auf  den  andern  Rücksicht  genommen  und 
möglichst  bei  jenen  Partien  verweilte,  die  er  bei  seinem  Vorgänger 
entweder  ganz  fibergangen  oder  bloss  angedeutet  fand :  dies  muss  eine 
Vergleichung  der  beiden  ohne  Weiteres  lehren*.  Ganzenmüller  hat 
mit  unendlichem  Fleiss  eine  Anzahl  Stellen  gesammelt,  welche  die  Ab- 
hängigkeit des  Cirisdichters  von  Ovid  beweisen  sollen;  kehrt  man  nun 
anch  das  Verbältniss  um,  so  ist  keine  wirklich  beweiskräftig.  Trotz- 
dem hat  Waser  eine  richtige  Empfindung  gehabt,  man  braucht  nur  seine 
Worte  auf  die  griechischen  Quellen  Α  und  C  (Parthenios)  zu  beziehen, 
nichtig  Ribbeck  Oesoh.  der  röm.  Dichtung  II  355. 


216  Knaaok 

Dieser  eonet  nirgends  überlieferte  Zng  sieht  doch  wie  eine  Po- 
lemik gegen  Α  aas. 

YerhSltnisemässig  breit  mögen  in  Α  die  Verhandlungen 
der  Jungfrau  mit  dem  Feinde  geschildert  sein,  wie  wir  aus  dem 
Euripidesscholiasten,  dem  die  kürzeren  Andeutungen  Properzens 
bestätigend  xur  Seite  treten,  noch  zu  erschliessen  vermögen.  Hier 
wird  auch  die  Dienerin  Skyllas  thätig  eingegriffen  haben.  Ob 
aber  die  bis  zur  Unverstand] iohkeit  knappen  Angaben  in  der 
Ciris  das  Original  treu  wiedergeben  oder  ob  in  diesem  die  Sache 
eingehender  durgestellt  gewesen,  das  entzieht  sich  leider  unserer 
Eenntniss ;  wir  vermögen  nur  zu  ahnen,  dass  der  ausfuhrliche 
Berioht  in  Α  wieder  im  Hintergrunde  steht. 

Zeitlich  folgt  nun  die  frevelhafte  That  Skyllas,  die  sämmt- 
liche  Zeugen  natürlich  übereinstimmend  erzählend  Nur  in  einem 
Nebenumstand  weicht  Α  ab:  während  die  andern  von  einer  pur- 
purnen Locke  des  Fürsten  reden,  ist  sie  bei  ihm  golden.  Diese 
Angabe  des  Furipidessoholiasten  wird  von  zwei  Seiten  bestätigt: 
Prob,  zu  Verg.  ecl.  VI  74  Tzetz.  Lyc.  650 

(p.  23  Keil):  (Chil.  Π  539): 

Ntsi  regis  Megarensium  crinem     .  .  .  τής  Οκύλλης,  f\  κατ*  έμέ  (!) 
habentis    aureum    eunckmque     θυγάτηρ  ήν  Νίσου  του  Μεγα- 
faiälem   urbem  Minos  rex  Cre-     ρέως,  Τ€μοΰ<Τα  bi.  τήν  χρυσή  ν 
iensium  impugnabat.    sed  Scylla     αυτού  τρίχα  και  fivavbpov  αύ- 
Msi    fUia    pulcrum    Minoem  e     τόν  έργασαμένη  (έν  εκείνη  γαρ 
muris  prospectavit   et   adamavit     τή  τριχι  ήν  αύτψ  τό  παν  της 
et  dormientis  crinem  patris  am-     όυνόμεως,  καθάπερ  και  τψ  Οαμ* 
putavit  et  hosii  detulU  petens     ψών)άνηρέθη  υπό  του  Μίνιυος, 
praemium  nuptias,    at  ilU     φ  και  προυοωκε  τόν  πατέρα  κτέ. 
parricidamrefragatus 
uxorem  ohsidiu/m  solvit^  quo- 
niatn  hostem  aeque  mcmibus  filiae 
perditum  videbat.  — 


^  Sebr  kurz  ist  der  Bericht  in  der  Ciris  387,  aber  hier  etwa  eine 
andere  Quelle  als  Parthenios  anzunehmen,  wozu  Kalkmann  p.  91  ge- 
neigt scheint,  geht  doch  nicht  an:  wir  wissen  ja  nicht,  was  im  Original 
stand.  Dem  Nonnus  XXV,  164  βόστρυχον  άμήσασα  ιτολισσούχοιο 
καρήνου  schwebte  vielleicht  noch  Kallim.  Fr.  anon.  39  πορφυρέην 
ή  μ  η  σ  €  κρ^κα  vor,  welches  mit  Fr.  184  Οκύλλα  γυνή  κατάκασσα  και 
ού  φύθος  ούνομ'  έχουσα  vor  Wilamowitz  (Nachr.  der  Gott.  Ges.  der 
Wiie.  1893,  739)  bereite  Toup  verbanden  hat;  beide  standen,  wie  wir 
jetzt  wissen,  in  der  Hekale. 


Hellenisiisohe  Studien  217 

Da  Tieties  im  Folgenden  die  Schleifang  Skyllae  mit  dem  Soholion 
übereinstimmend  berichtet,    so    schöpft    er    wohl  ans  ehen  der- 
selben  mythographisohen   Quelle,    direct   vielleicht  ans  Scholien 
zum  Lykopbroiiy    die  zu  diesem  Verse  jetzt  fehlen;  Probus  geht 
auf  einen  mit  Varianten  aasgestatteten  Ovidcommentar  zarück  *. 
Nun    ist    anffallend,    dass   alle   sonstigen   Zeugen   der  Version  Α 
(Properz,    Ovid,    Nonnns)   an    Stelle  des  χρυ(ΤοΟς  πλόκαμος  die 
Purpnrlocke  setzen.    Indessen  wird  man  aus  dieser  "einzigen  Ab- 
weichong    gegen    die    versuchte  Beconstruotion   der  Dichtung  Α 
keinen  triftigen  Einwand  erheben  dürfen,  vielmehr  den  Einfluss  der 
Yulgata  erkennen,  die  fast  die  gesammte  Litteratur  und  die  bildende 
Kunst  beherrecbt*.    Der  kleine  von  dem  Dichter  vorgenommene, 
für  den   Gang   der  Erzählung  völlig  belanglose  Wechsel  darf  auf 
Rechnung  der   verwandten  (jüngeren  1)   Sage    von  Pterelaos    und 
Komaitho  gesetzt  werdend 


*  Von  den  Worten  petens  praemium  nuptias  =  Ovid  92  praemia\ 
nuUa  peto  nUi  te  an  bis  zu  Ende  unverkennbar.  Deshalb  ist  sein  Be< 
rieht  oben  zur  Reoonstruotion  von  Α  nicht  verwerthet  worden. 

■  Bezeichnend  Tibull.  I  4,  f)3  earmine  pur  puren  est  Nisi  coma, 
Stat  Silv.  in  4.  84  ua. 

»  Vgl.  Apollod.  II  51.  60  (Tzetz.  Lyc.  932).  Beide  stellt  neben- 
einander Ovid  Ib.  301 : 

neve  magis  pia  sü  eapitique  parentis  amica^ 
quam  sua  vel  Pterelae  vel  tibif  Nise,  fuit. 
nnd  Dio  Chryeoet.  64,  341  R.  (ή  τύχη  6{öuiat)  TlrepiKq  κόμην  χρυσήν, 
Νίσψ  πλόκαμον  πορψυροΟν.  Diese  goldene  oder  purpurne  Haarlocke 
lies  Helden,  welche  sein  Leben  und  die  Wohlfahrt  seines  Landes  ver- 
bürgt, ist  ein  alter,  in  mehreren  neugriechischen  Märchen  wiederkehren- 
der Zag.  So  acbneidet  bei  Hahn  Griech.  Marcb.  II  282  (Variante  aus 
-yra  zu  lifo,  65)  die  Mutter  aus  Liebe  zum  Drakos  ihrem  Sohne  die 
drei  groldenen  Haare  auf  dem  Haupte  ab  (ähnlich  die  epirotische  Ver- 
»»on  8.  284  und  das  kyprische  Märchen  bei  Sakellarios  Κυπριακά  No.  8; 
oir  nnr  aus  B.  Schmidts  Buch  bekannt).  Bei  B.  Schmidt  Griech.  Märch. 
S&gen  n.  Volkslieder  No.  11  (der  Gapitän  Dreizehn)  hat  ein  König  drei 
Baare  aaf  der  Brost  (die  Farbe  wird  nicht  angegeben),  die  ihn  un• 
iberwindlich  machen ;  sein  Weib  verräth  ihn  um  Gold  und  schneidet  sie 
lini  ab:  eine  merkwürdige  Parallele  zu  der  ältesten  Form  der  Skylla- 
ace  bei  Aeschyloa  (s.  α.).  Auch  in  den  Sagen  und  Märchen  anderer 
olker  —  an  Simson  erinnert  bereits  Tzetzes  —  kommt  Aehnliches  vor: 
»rimm  KM.  29  (mit  Anm.).  —  Dass  mit  dem  Verlust  der  Locke  der 
'od  des  Niaos  besiegelt  war,  wird  mehrmals  ausdrücklich  hervotge- 
(oben,  so  τοη  Paus.  I  19,4  (Localsage  vonNisaia),  Scbol.  Bern.  Verg. 
ic\  VI  74   Apollod.  ΙΠ  210.    Cornelius  Gallus  spielt  V.  523  darauf  an. 


218  Knaaok 

Der  zeitlichen  Folge  nach  ist  nanmehr  das  Wandgemälde  von 
Tor  Marancio  (Heibig  Führer  U  190  ^  jetst  bei  Skatsch  abge- 
bildet) zu  nennen:  Skylla,  die  verb&ngnieevolle  rote  (?)  Locke 
in  der  B.  steht  auf  der  Stadtmaner  und  blickt  'mit  einem  Aub- 
drnck,  in  dem  eich  Liebeeeehnenoht  nnd  Melancholie  mischen^, 
nach  dem  Lager  des  Minos  hinab  —  eine  Situation,  die  sowohl 
der  in  Α  vorauszusetzenden  Seelenstimmung  als  auch  der  in  der 
Giris  ausgemalten  angemessen  erscheint.  Etwas  mehr  lasst  sich 
aus  dem  schönen  pompejanischen  Wandgem&lde  ereohlieesen,  das 
Heibig  DenkmäL  und  Forsch.  1866  Tafel  212  veröffentlicht  und 
Campan.  Wandgem.  No.  1387  folgendermassen  beschrieben  hat: 
'In  einem  Gemache  sitzt  auf  einem  mit  grünem  Tuche  belegten 
Lehnsessel  ein  Jüngling,  Minos,  mit  röthlicher  Ghlamys  über 
den  Schenkeln,  einen  Speer  in  der  L.  Ihm  gegenüber  stehen 
zwei  weibliche  Gestalten,  eine  Alte  in  grünlichem  Chiton,  röth• 
liebem  Mantel  und  Kopftuch,  offenbar  eine  Amme,  welche 
beide  Hände  im  Gespräch  zu  dem  Jüngling  er- 
hebt^, und  ein  Mädchen  in  grauviolettem  geröthetem  Chiton 
mit  üeberwurf,  mit  gelösten  blonden  Locken,  SkylU, 
welche  mit  der  R.  dem  Minos  die  rothe  Locke  ihres  Vaters  dar- 
bietet Minos  wendet  voll  Abscheu  das  Haupt  ab  und  erhebt 
abwehrend  die  R.  Hinter  seinem  Sessel  ragen  zwei  männliche  Fi- 
guren hervor,  die  eine  mit  Helm  und  Schild  bewehrt,  mit  ein- 
ander im  Gespräch  begriffen  ;  Spuren  einer  dritten  sind  über  ihnen 
sichtbar.  R.  im  Hintergrunde  innerhalb  der  offenen  Thür  steht 
die  Wache,  mit  Helm  und  Schild,  sehr  zerstört'.  Die  Situation 
entspricht  genau  der  Schilderung  Ovids  88  ff. : 

per  medios  hostes  {meriti  fiducia  tanta  est) 
pervenit  ad  regem,  quem  sie  adfaia  ρ av entern  est: 
^suasit  Amor  facinus:  proles  ego  regia  Nisi 
Scylla  tibi  trado  patriaeque  meosque  penates, 
praemia  ntdla  peto  nisi  te :  cape  pignus  amoris 
purpureum  crinem  nee  me  nunc  trctdere  erinemt 
sed  patrium  iü>i  crede  caput!*  scelerataque  dextra 
munera  porreant;  Minos  porrecta  refugit  — 
aber  hier  fehlt  die  Amme;  sie  ist  wohl  absichtlich  weggelassen, 
um  den  Mnth  der  'Verbrecherin  aus  Liebe    stärker  hervorzabeben. 
Geht  die  Darstellung   auf  Parthenios  zurück  ?  In  der  Cirie  hilft 
ja    die    Dienerin,    nachdem    sie  dem    Mädchen    das    Geständniee 


^  Nur  die  R.  ist  auf  der  Abbildung  sichtbar. 


Hellenistieohe  Studien  219 

abgerungen    hat,    die   yermolite   That    voUbriDgen,    mitbewogen 
doich  eelbeteüchtige  Hoffhnng: 

revehi  quod  moenia  Oressa  gaudeat  (384) ; 
dae  reicht  aber  bei  weitem  nicht  ane,  diese  bedentsame  Scene 
zu  erklären.  Man  müsete  zu  der  immerhin  bedenklichen  Annahme 
greifent  dase  der  Bearbeiter  sie  nnterschlagen  hat,  eine  Annahme, 
die  sich  durch  die  allerdings  auffallende  Kürze  der  Erzählung 
386 — 388  noch  nicht  empfiehlt.  Andererseits  können  wir  uns  die 
Pflegerin  bei  der  wichtigen  Rolle,  die  sie  in  der  Giris  spielt  \ 
eebr  wohl  als  Unterh&ndlerin  zwischen  der  verliebten  Königs- 
tochter nnd  dem  feindlichen  Heereskonige  vorstellen.  Diese  Ver- 
bandlangen aber  waren  in  Α  erzählt  —  was  liegt  näher  als  die 
Mitwirkung  der  Vertrauten  auch  im  letzten  entscheidenden  Mo- 
ment anzunehmen  ?  Ist  diese  Erwägung  richtig,  so  könnte  das  pom- 
pej&nische  Bild  trotz  der  rothen  Loeke  auf  Α  zurückgehen.  In- 
dessen, eo  einfach  liegt  die  Sache  nicht,  vielmehr  kommt  noch  — 
zunächst  für  Ovid  —  eine  dritte  Version  (B)  in  Frage,  die 
Hygin.  Fab.   198  tiberliefert: 

Nisttö. 

Nisua  31ariis  fUttis,  sive  ut  alii  dicunt  Pandionis  (Deionis  verb. 
von  Mancher)  fUiuSj  rex  Megarensium  in  capUe  crifiem  purpureum 
haimisse  diciiur-  c  ui  r  esponsum  fuif  tarn  diu  eum  re- 
gnatur  um  quam  diu  eum  crinem  custodis  set. 
quem  Mmos  lams  filius  oppugnatum  cum  venisset,  α  Scylla  Nisi 
filia  Vene  r  is  impulsu  est  amatus,  quem  ut  victorem  faceret^ 
patri  dortnienti  fatalem  crinem  praecidit  itaque  Nisus  vicius  α 
Minae  est,  cum  autem  Minos  Oretam  rediret,  eum  ex  fide  data 
rogavit,  ut  secum  aveheret,  ille  negavit  Creten  sanctis- 
iimafn  tan  tum  scelus  reeepturam,  üla  'se  in  mare 
praedpitavit  f  nt  (ut  navem  M.  Schmidt)  persequeretur.  Nisus 
cmtem  dum  filiam  persequitur,  in  avem  halia(e)eton  (id  est  aquüam 
miurinam)  conversus  est ,  Scylla  filia  in  piscem,  cHr)rim 
quem  vo  c  ant.  hodieque  siquando  ea  avis  eum  piscem  natanfem 
ronspeoierity  mitiit  se  in  aquam  raptamque  unguibus  düaniat. 

Mit  ihr  beginnt  bei  Hygin  eine  Reihe  von  Verwandlunge- 
sagen  (bie  206),  welche  auf  hellenistische  Dichtungen  zurück- 
zugehen scheinen.  Die  Erzählung  ist  nicht  ganz  einheitlich,  wie 
die  genealogische  Variante  zeigt,  auch  sonst  sind  Zusätze  nicht 
ausgeschloseen,     aber    als   Ganzes   beansprucht    sie    nicht  nur 

3  Um  so  auffallender  ist,  daes  sie  nachher  ganz  verschwindet. 


220  Knaack 

wegen  der  ganz  singulären  MetamorphoRe  ^  unser   Interesse,   rn- 
mal  da  ihr  Werth  neuerdings  bestritten  worden  Ist.    Seitdem  M. 
Schmidt  eine  weitgehende,   durch  die  ganze  Sammlung  sich  hin- 
ziehende   Benutzung    der    Metamorphosen  Ovids    zum  Theil   mit 
Recht  vermnthet   hat,    betrachtet  man  alle   üebereinetimmTingen 
als  Interpolationen.     Und   so  läset   in   unserm   Falle   selbst  ein 
sorgfältiger  Forscher,  wie  R.  Ehwald,  die  Worte  patri  donmenti 
faiafem    crinem   praecidit   ans   Ovid  entlehnt  sein  (zu  85).    Dae 
trifft  nicht  zu:  fatalis  crinis  ist  üebersetzung  des  μόρ(ημος  πλό- 
καμος, und  die  sonstigen  scheinbaren  Entlehnungen  sind  in  Wahr- 
heit keine  ^.     Im  Gegentheil:   wie  schon  Ealkmann  p.  91,  2  be- 
merkt hatf  weicht  Hygin  in  verschiedenen  Punkten  ab  oder  bietet 
mehr  als  Ovid ;  er  kennt  den  Orakelsprnoh,  eine  besondere  Mo- 
tivierung der  Liebe  Skyllas,  giebt  eine  abweichende  Verwandlung 
Dazu  kommt  noch    die  Andeutung   des  Eheversprechens ;   dieser 
Zug  ist  vielleicht  aus   einer    anderen  Quelle   hinzugesetzt.     Wer 
ohne  vorgefasste  Meinung  das  Kapitel  liest,  findet  eine  im  ganzen 
wohl  abgeschlossene  Erzählung :    es   ist    ein   Auszug   des  in  der 
Ciris  beiläufig  erwähnten  Gedichtes,  das  auch  Ovid  für  seine  Dar 
Stellung  verwerthet  hat.    Denn  nicjiit  nur  stimmen  die  Worte  des 
zürnenden  Minos  97 : 

Di  te  summovecmt,  ο  nostra  infcnma  saediy 
orbe  $iw,  telltisque  tibi  pontusque  negetur!^ 
certe  ego  non  pcstiar  lovis  incunahula,  Creten, 
qui  meus  est  orbis^  tanium  contingere  monstrum 
durchaus  mit  Hygin  überein,  sondern  auch  das  Folgende  101 — 102 
und  besonders  142: 

vix  dixeraty  insüü  undis 
consequiturque  rotes  faciente  cupidine  vires 
Gnosiacaeque  haeret  comes  insidiosa  carinae 
entspricht  ganz  der  Situation  in  B,  hierin  völlig  abweichend  vc 

_  I 

Α  und  C  (Parthenios).  An  diesem  einigermassen  gesicherten  Et 
gebniss  wird  man  festhalten  dürfen  ;  umsomehr  ist  zu  bedauenj 
dass   sich    aus   den    allgemeinen  Angaben    des  Mythographen  fii 

^  Ausser  der  gelegentlichen  Erwähuung  in  der  Ciris  484  ff.. kom η 
sie  nur  noch  bei  Serv.  Verg.  Aen.  VI  286  vor:  nam  et  tUa  Nisi  aecui 
dum  alias  in  avem  conversa  est,  secundum  alios  in  piscem. 

^  Zu  dem  letzten  Worte  dilaniat  bemerkt  Schmidt  laniaret  Ονίΐ 
l.  e.  147.    Aber  hier  steht  laceraret. 

°  Dies  ist  von  Ovid  hinzugesetzt,  um  bereits  auf  die  150  (na< 
C)  erzählte  Verwandlung  hinzuweisen. 


Hellenistiscbe  Stadien  221 

die  früheren  Momente  der  Erzählung  kein  deutliches  Bild  ge- 
winnen läset.  D  i  e  Skylla,  wie  eie  Ovid  zeichnet,  selbetändig  pla- 
nend und  handelnd,  scheint  mit  der  durch  die  LiebeegÖttin  {Ve- 
neris  impulsu)  zum  Entschlues  getriebenen  nicht  unvereinbar  zu 
sein,  aber  ein  Entecheid  iet  unmöglich. 

Während  Β  für  sich  steht,  gehen  Α  und  C  Hand  in  Hand. 
Xach  dem  bisher  Ermittelten  darf  man   annehmen,    dase  Parthe- 
uio8  auch  in  diesem  Falle  der  Entleiher  war:    er    entnahm   also 
die  Schleifung  durch  das  Meer  und  die  daran  geknüpfte  Etymo- 
logie des  Οαριυνικός  κόλπος  der  älteren  Vorlage  Κ     Diesen  für 
Α  und  C  wohl  bezeugten  Umstand  hat  der  lateinische  Bearbeiter 
übergangen;    um    so    breiteren    Raum    nehmen    die    ergreifenden 
Klagen   der  Betrogenen  ein,  die  wohl  schon  in  C  standen^.  Ueber 
Α  wissen   wir  nichts,  Ovid  lässt    (nach  B?)  die    Enttäuschte  der 
entweichenden     Flotte    nachrufen     und    trifft    ein   paar    mal    in 
unwesentlichen  Einzelheiten  (Ov.  109  *x»  Cir.  428,  Ov.  127  ~  Cir. 
41S  ff.)  mit   Gallus  zusammen  ^     Was    endlich  die   Verwandlung 
Skyllas    betrifft,    so  gehen  die  drei  Versionen  völlig  auseinander. 
Schon    vorher    scheiden    sich    Α   und   C.     Für  die  in  C  erzählte 
Metamorphose    war   der  Ort  belanglos  —  daher  geht  die  Fahrt 
bis  auf  die   Höhe    von  Kreta    (Cir.  477)  —  das  θηριον  dagegen 
bedarf  einer  festen  Localisierung.     Der  Punkt,  wo  die  Verwand- 
lung geschah,    läset  sich  angeben  :    es  ist  das  Vorgebirge  Σκύλ- 
λαιον    bei    Hermione    am  Ausgang    des    saronischen  Golfes,    auf 
das    auch    in   der    Cir.  472    angespielt   wird.     Hier    wurde    noch 


1  Die  recht  ausführlich  gewesen  zu  sein  scheint,  wie  aas  dem 
Euripidesschol.  zu  ersehen  ist:  καΐ  μβτά  τό  παραλαβών  τήν  πόλιν 
ίλαβ€ν  αότήν  επάνω  τοΟ  πλοίου  καΐ  £δησ€ν  αυτήν  €ΐς  τό 
•τίδάλιον  (β.  ο.)  κα\  έν  τή  θαλάαση  καθήκ€ν  καΐ  £μ€ΐνε  συρομένη  έν 
βύη}  ktL•  Die  Variante  bei  Tzetz.  κρεμααθεΐσα  τής  πρώρας  statt 
^τρύμνης  ist  nur  ein  Versehen  des  Berichterstatters. 

s  Vielleicht    ist  Fr.  34  Mart.  di  έμέ  τήν  τά  περισσά   hierher   ζα 
Mfhen.     Gallus  hat  ausserdem  die  Klagen  der  verlassenen  Ariadne  bei 
l.itull  stark  benätzt,     üeber  die  Betrachtungen  des  Minos  s.  o. 
3  Grösser  ist  die  Uebereinstimmang  zwischen  Cir.  190: 
Nise  pater,  eui  direpta  crudeliter  urbe 
rix  erit  una  super  sedes  in  turribus  dltis, 
fessus  ubi  extructo  possis  considere  nido, 
tu  quoque  aois  metuere:  dabit  tibi  filia  poenas 
Tid  Ovid.  125:  ^^ige  poenas 

Nise  pateTj  gaudete  mcUis  modo  prodita  nostrig 

moenia  — 
Aegi  für  beide  Parthenios  vor? 


22d  Knaack 

später  dae  Grab  Skyllas  gezeigt,  wie  bis  aaf  den  Schluse  über 
einstimmend  Strab.  VIII  373  (daraus  Eustath.  Dion.  Per.  420 
a.  £.)  nnd  Paasan.  II  34,  7  berichten : 

Strabo  Panean. 

τό  bk,  Οκύλλαιον  τό  έν  Έρμιόνΐ)  .  .  .  CKuXXaiov  (sie)  όιτό  της 
ώνομάσθαι  φασίν  άπό  Οκύλλης  Νίσου  καλούμενης  θιιτατρός.Οΐ)ς 
τής  Νίσου  θυγατρός,  ήν  έί  γάρ  1>ή  τήν  Νίσαιαν  ό  Μίνυϋς 
έρωτος  προΙ)οΟσαν  Μίνψ  τήν  καΐ  τά  Μέγαρα  ciXev  εκείνης 
Νίσαιαν  καταποντιυθήναί  προδούσης,  οδτε  γυναίκα  ßeiv 
φα(Τΐν  υπ'  αύτοΟ,  beOpo  b*  αυτήν  ίτιίφασκεν  και  πρόσε- 
έκκυμανθεϊσα  ν  ταφής  τυ-  τάδε  τοις  Κρησιν  έκβάλ• 
χεΐν.  λειντήςνεώς*  άττοθανού- 

σαν  b^  άττέρριψεν  ές  τήν 
δκραν  ταυτην  6  κλύοων. 
τάφον    b^   ουκ    άποςκχίνουσιν 
αυτής,   άλλα  περιοφθήναι  τον 
νεκρόν  φασι  διαφορηβέντα  ύττό 
ταιν  έκ  θαλάσσης  ορνίθων. 
Natürlich  verdient  Strabo  allen  Glauben :  die  gegenthellige  Ao- 
gabe  hat  Pausanias  oder  sein  Gewährsmann  allein  zu  verantwortend 
An  diese  obscure  Localsage  nun    knüpfte   der  unbekannte  helle- 
nistische Dichter  an  und  wagte  es,  die  £ponyme  von  Οκύλλαιον 
dem   homerischen  πέλιυρ   κακόν  gleichzusetzen  (falls  er  nicht 
bereite  eine    alte    Sage  kannte):    das    war    bei    dem   fast 
kanonischen  Ansehen  Homers  eine  Neuerung,  die  Aufsehen  erregte 
und  Nachahmung  fand^.  Deswegen  schilt  ihn  Cornelias  Gallns  in 
den  zu  Anfang  angeführten  Versen  einen  malus  auctoTy  den  er  aa» 
dem  Maeoniden    zu  widerlegen    versucht  ^     Denn   dass    hier  die 

^  Unbegreiflicherweise  wollen  Hitzig-BIümner  (Paasan.  Bd.  II  644i 
im  straboniscben  Text  vor  τυχείν  ein  ού  einschieben,  nur  Pausanias  nz 
Liebe.  Die  gemeinsame  rationalistisch  gefärbte  Quelle  war  wohl  eine 
Localperiegese,  die  eine  ziemlich  junge  Gestalt  der  Sage  bot.  Ό^ 
Werfen  ins  Wasser  auch  bei  dem  Schol.  Bern.  Verg.  Ecl.  VI  74,  der 
sonst  die  Vulgata  giebt.  Apollod.  III 210  erzählt  die  Sage  in  bekannter 
Weise,  zum  Schluse  heisst  es  Μίνως  δέ  Μ€γάραιν  κρατήσας  καΐ  τήν  κό  - 
ρην  τής  πρύμνης  τών  ποδιών  έκδήσας  υποβρύχιο  ν  έπο(ησ€,  das 
scheint  Contamination  der  von  AC  befolgten  und  der  rationalistische: 
Version. 

^  Die  complures  magni  poetae  sind  wohl  unter  den  hellenistischeii 
Dichtem  zu  suchen. 

8  Ihm  folgt  Vergil.  Ecl.  VI  74 
gtiid  loquar  aut  Scyüam  Niets  quam  fama  secuta  est  eqs. 
mit  leiser  Aenderung. 


Hellenistische  Stadien  933 

eigeoe  Kritik  des  Gallns  vorliegt,  erhellt  ans  dem  Zoeammen- 
hang:  Parthenios,  der  die  Odyssee  für  'Koth'  erklärte,  wird  wohl 
anders  geartbeilt  haben.     Mit   dieser  Thatsache    müssen  wir  uns 
begoögeD:    dass    auch    sonst  noch  Abweichendes   in  Λ  au  leeen 
war,  liegt  wohl  in  dem  Aasdruck  dtibii8  erroribusK    Vorbildlich 
für  den   helleDlatischeii  Dichter   scheint  die  bereits   von  Hedyle 
(Athen.  VIl  297b)  bearbeitete    anmuthige   Sage  von  Skylla  und 
Glaukos  gewesen  zu  sein  ^.  —  Etwas  näher  berühren  sich  Β  und 
C:  beide   lassen    den  Vater  der  Jungfrau  in  einen  Seeadler  ver- 
wandelt werden,  und  Β  schildert,  wie  noch  aus  dem  Auszuge  zu 
erkennen,    recht    anschaulich   das  Herabstossen    des    Raubvogels 
auf  seine  Beute,  den  Fisch  κίρρις^    Diese  Verwandlung  SkyUas 
wird  beiläufig  erwähnt  und  zurückgewiesen  in  der  Ciris  484: 
sed  tarnen  aetentami'^)  squamis  vesivre  pyeUam 
infi€hsque  inter  teneram  commiitere  pisces 
non  statuit  (mmtttfii  est  avidum  pecus  Amphürites), 
waa  schon  451   angedeutet  war: 

ctequareae  pristes,  inmania  corpora  ponti 
undique  conveniunt  et  glauco  in  gurgite  circum 
verbere  caudarum  atgue  oris  minilantur  hiaiu. 


1  Weitere  Scbloase  zu  ziehen,  mag  einer  anderen  Gelegenheit 
vorbehalten  sein.  H.  Steading  'Skylla  ein  Krake  am  Vorgebirge  Skyl- 
laion ,  Jahrb.  f.  Philol.  1895,  188  ff.  hat  ans  anderen  Erwägungen  diese 
Localisierang  als  die  uraprüngliche  angenommen.  Die  von  ihm  ver- 
»chmähte  Etymologie  von  σκύλλειν  {vexctsse  Gir.  60)  scheint  in  Α  ge- 
itanden  zn  haben:  τήν  oiKciav  φύσιν  μετέβαλε  ν  ούδαμφς  bemerkt  der 
Sckoliast  zu  £urip.  Vgl.  auch  Tümpel  Berl.  phil.  Wochensohr.  1895, 
^  ff.  Sie  fehlt  bei  Schmidt  (ECoechers  Lex.  III  Sp.  634).  Es  gab 
aach  ein  Grab  der  Kirke  auf  einem  der  ΦαρμακοΟασοι  genannten  In- 
ielchen bei  Salamis  (Strab.  IX  395).  An  dem  sikelischen  CicuUaiov 
aad  seiner  Bewohnerin  übt  noch  Prokop.  de  bell.  Ooth.  III  27  —  er 
&eimt  sie  τό  θηριώδες  γύνοιον  —  eine  des  Interesses  nicht  er- 
loangelnde  Kritik. 

s  Vgl.  Hohde  Bom  124,  2;  Leuschke  aaO.  p.  39—41.  Waser 
is.  37  ff. 

8  £tym.  M.  p.  515,  14  κίρρις  6  Ιχθύς,  επειδή  κιρρός  έστι  τήν 
Χροιάν(?).  κερίς  bl  biä  τό  f.  In  der  Litteratnr  kommt  er  in  dieser 
Form  nor  bei  Oppian  Hai.  I  128  (κ{ρρις)  und  UI  188  (κιρρ(6ο  [sie]) 
vor,  nach  den  Angaben  Schneiders  bieten  die  Hes.  σκίρρις  nnd  σκιρρ(6α. 
Nach  diesen  Zeug  niesen  wird  man  aach  bei  Hygin  cirris  schreibe  α  müssen. 
Die  Form  κερίς  scheint  verschrieben  für  κηρ(ς,  was  Diphilos  (Ath.  YIII 
*355c)  einmal,  Alesuindros  von  Tralles  mehrfach  anführt  (Schneider  zu 
Oppian  I  128  [Straseb.  1776])  —  wenn  derselbe  Fisch  gemeint  ist. 


224  Knaack 

Es  liegt  kein  Grund  vor  diesen  gelegentlichen  Seitenblick  anf  einen 
dichteneoben  Vorgänger  mit  der  etwas  schwächlich  aaegefallenen 
Kritik  dem  Parthenios  abzusprechen:  die  Verwandtschaft  der  Na- 
men κίρρις  und  κεΐρις^  sowie  die  yon  beiden  in  ähnlicher  Weise 


1  Was  für  ein  Vo^l  gemeint  war,  darüber  war  man  sich  bereite 
im  Alterthum  nicht  klar;  ebenso  schwankt  die  sprachliche  Form.  Die 
richtige»  indirect  von  Ovid  bezeugte  Form  (150  voeatur  Ciris  ä  α 
ton 80  est  hoc  nomen  adepta  eapillo)  giebt  Heeych.  κείρις.  öpv€ov 
UpoE,  oi  hi  αλκυόνα.  £ine  Spar  des  Richtigen  Hegt  vielleicht  noch  in 
dem  Comment.  zu  Ovid  Met.  VIII  Fab.  1  (fälschlich  Lactautius  Pladdus 
genannt)  vor:  —  in  volucrem  krinen  (so  M,  für  xetpiv.^)  transfigurcUa 
est.  £in  anderer  Artikel  bei  Hesych.  κί(ρ)ρις*  λύχνος,  öpvcov  ή  'Abui- 
νις  (vgl.  κύρις)  ist  stark  verkürzt,  wie  Etym.  M.  515,  14  zeigt:  κίρρις' 
εΐοος  Ιέρακος.  ομοίως  bi  λέγβται  6  Άδωνις  (fehlt  bei  Meister  Griech. 
Dial.  II 309  im  Ky prischen  Register),  παρά  Λάκωοι  bi  ό  λύχνος.  Diese 
Form  wurde  mit  κίρκος  zusammengebracht:  Corp.  gloss.  latin.  II  100 
Circttw,  Ιέρακα.  ίστι  hi  6pv€ov  μεταβληθείσης  τήςΟκύλλης 
τής  Ν  ίσου  (Muncker:  νήσου  cod.),  Μ€γαρέως  (Μεγαρέων  cod.), 
Νοηη.  Dion.  XLII  535,  bei  dem  der  άλιαίετος  dem  κίρκος  die  Beate 
abjagt,  folgt  dieser  Deutung.  Sie  ist  indessen  ebenso  falsch,  wie  die 
der  Humanisten  auf  das  Rebhuhn  (Julius  Sabinus  bei  Heyne  £inleit.  z. 
Ciris)  oder  auf  die  Haubenlerche  (Micyllus  zu  Ovid  151),  denn  Parthe- 
nios hat  jedenfalls  einen  Wasservogel  gemeint,  wahrscheinlich  eine 
Reiherart,  was  bereits  Scaliger  vermuthet.  Röscher  (Myth.  Lex.  III 431  f.) 
näher  zu  begründen  versucht  hat.  Und  zwar  passt  das  am  meisten 
hervorstechende  Merkmal,  der  rothe  vom  Scheitel  ausgehende  Schopf, 
auf  den  Kuhreiher,  Bubulcus  Ibis  (Ardea  bubulous),  eine  in  Aegypten 
gemeine  Species,  die  von  dort  aus  öfter  Südeuropa  besucht  (Brehm 
Thierleben  IV  705^).  Wenn  Röscher  diese  mit  der  in  Griechenland 
(neben  Ardea  cineraria)  häufigen  Species  Ardea  purpurea  (A.  Mommsen 
Griech.  Jahreszeiten  III  182)  identificieren  will,  so  irrt  er:  die  ausge- 
zeichnete Abbildung  und  Beschreibung  in  dem  mir  durch  die  Güte 
meines  Collegen  Oberl.  W.  Müller  zugänglich  gemachten  Hauptwerke 
über  die  Vögel  Mitteleuropas,  Naumann  Naturg.  d.  Vögel  VI  218—225 
(der  neuen  Bearbeitung)  erweisen  eine  völlig  verschiedene  Art.  Aber 
nicht  alle  Züge  passen  auf  den  geselligen  und  verhältnissmässig  zu- 
traulichen Kuhreiher;  das  einsame  Hausen  und  die  Feindschaft  mit 
anderen  Vögeln  stimmt  eher  zu  dem  gemeinen  Reiher  (Brehm  695, 
Naumann  196).  Die  Verfolgung  durch  den  Seeadler  ist  sonst  {ge- 
rade nicht  bezeugt,  doch  hat  Brehm  480  dies  an  dem  afrikanischen 
Schreiseeadler  beobachtet.  Auch  in  der  πΦυγΕ  (Anton.  Lib.  5)  oder 
φίΧιυε  (Ps.  Aristot.  bist.  an.  IX  18)  wollen  manche  Erklärer  eine  Reiher* 
art  (Ardea  steilaris  (Rohrdommel)?  purpurea?  nycticorax?  Sundevall 
Thierart.  des  Aristot.  151,  vorsichtiger  Aubert- Wimmer  I  111)  finden; 


Hellenietische  Stadien  22& 

und  recht  aaefnhrlich  erzählte  Verwandlangsgeechichte  am  Schluese 
weisen  aaf  Beziehangen  zwisohen  Β  und  C,  die  im  Einzelnen 
leider  nicht  mehr  festzustellen  sind  ^  In  C  ist  die  Metamorphose 
mit  besonders  liebevollem  Eingehen  geschildert. 

Damit  ist  über  Α  und  Β  geeagt,  was  irgendwie  zu  er- 
mitteln war.  Bevor  wir  von  diesen  Abschied  nehmen,  sei  noch 
ein  Bück  aaf  die  kunstvolle  Verknüpfung  der  drei  Sagenformen 
bei  Ovid  geworfen.  Von  der  Dichtung  Α  ausgehend  und  sie  in 
'einzelnen  Zügen  nachahmend,  setzt,  wenn  das  oben  Dargelegte 
richtig  ist,  mit  89  Β  ein;  die  langen  Klagen  der  Verschmähten 
klingen  an  C  an,  auf  dessen  Version  V.   140 

puppmque  amplexa  recurvam 
per  freta  longa  trahar 
deotlich  hinweist.  Wieder  folgt  er  B,  aber  die  Verwandlung 
(mindestens  Skjllas)  wird  im  Anschluss  an  C  erzählt^).  Und 
überall  hat  die  grosse  Kunst  des  Erzählers  die  Fugen  des  aus 
drei  Vorlagen  zusammengesetzten  Berichtes  so  geschickt  ver- 
etriehen,  dass  der  Leser  zunächst  eine  einheitliehe  Geschichte  vor 
Bich  zu  haben  glaubt:  erst  die  Analyse  vermag  die  Bausteine 
iQ6zueondem.  Welche  Perspective  auf  die  Quellenforschung  diese 
Erkenntniss  eröffnet,  soll  hier  ebenso  wenig  erörtert  werden,  wie 
lie  jöngst  mit  angleichem  Erfolge  behandelte  Frage,  ob  der 
l)ichter  diese  Vereionen  bereits  in  einem 'Handbuche'  zusammen- 
[estellt  fand». 


ie  daran  geknüpfte  Greuelgeschiohte  (Pauly-Wissowa  Realencyklop.  u. 
feiii)  gehört  aber  schwerlich  hierher.  —  Wenn  andere  bei  Heeyoh.  in 
^  κφις  einen  Eisvogel  erblickten,  so  sei  an  die  von  Boios  behän- 
gte ephesische  Volkseage  (Ant.  Lib.  11)  erinnert,  wo  Pandareos  zum 
λιαί€τος  wird,  seine  Gattin  zum  άλκυών,  beide  sind  den  Schiffern  gute 
Wetterpropheten  (vgl.  Dionys.  Όρνιθ.  Π  1).      Nahm  Parthenios  darauf 

^  Der  im  Wortlaut  fast  stimmende  Orakelspruch  beweist  nichts, 
ι  er  auch  in  Α  stand:  er  gehört  zu  den  festen  Bestandtheilen  der 
cganschen  Sage.  Neben  der  wohl  verstandliche  α  Motivierung  der  Liebe 
enert'jt  impuUu  erscheint  der  bei  dem  Herafeste  begangene,  im  Ein- 
Inen  noch  ganz  unklare  *  Frevel"  verhältnissmässig  barmlos,  aber  ein 
*rgleich  ißt  nicht  mehr  möglich. 

^  Mit  eigenartiger  Prägnanz  fasst   Rutil.  Namatian.  de  reditu  Π 
die  Verwandlungen  beider  zusammen: 

Niseuni  crinem  flere  putantur  aves 
hl  nach  Ovid,  der  im  Vorhergehenden  berücksichtigt  ist. 

^  ί>8Α  laset  sich  für  Β  und  C  vermuthen,  da  der  sog.  Interpolator 

Rhein.  MVB.  f.  Philol.  N.  F.  LVU.  ^^ 


226  Knaaok 

Es  bleibt  noch  einiges  über  Parthenioe  zu  sagen  übrig. 
Seine  Abhängigkeit  von  den  Vorgängern  ist  im  Lnnfe  der  Unter• 
eucbang  zur  Sprache  gekommen,  hier  sollen  die  bereite  kurz  er- 
wähnten Motive,  durch  deren  Einfdhrang  er  dem  allbekannten 
Sagenstoffe  nenes  Interesse  za  verleihen  versacht  hat,  auf  ibre 
fierknnft  hin  geprüft  werden. 

Für  die  Belagemng  der  Stadt  Hegara  durch  Minos  gab  die 
verbreitete,  bei  Apollodor  und  Ovid  vorliegende  Tradition  die 
Ermordung  des  Androgeos  an ;  in  der  Ciris  bekriegt  der  Ereter- 
könig  die  Stadt,  weil  sie  die  Zufluchtsstätte  des  flüchtigen  Po- 
lyidos  geworden  ist.  Das  ist  sonst  nirgends  überliefert,  wobl 
aber  kennen  wir  einen  Aufenthalt  des  Sehers  in  Megara^  nnd 
dürfen  ein  Zerwürfniss  zwischen  ihm  und  Minos  bei  den  Tra- 
gikern, vornehmlich  bei  Euripides,  annehmen'.    Hier  wird  mega- 


Servii  z.  Yerg.  Ecl.  VI  74  aus  ähnlicher  Quelle  folgendes  hat:  Postea  et 
Scylla  α  Minoe  contempta  [vet]  dolore  [quod  eontempia  esset  (A  B)  vd 
{quod)  quasi  parricida  α  Minoe  ad  puppim  religaia  trada  sit  (C)  tu 
avem  etnm  oowoersa  est  (C)].  Die  bisherigen  Untersuchungen  von  Plaehn 
(de  Nicandro  aliisque  poet.  gr.  ab  Ovidio  in  met.  oonscr.  adhib.  Hal- 
lenser Diss.  1882)  49  sq.  und  Leuechke  p.  56  genügen  nioht. 

^  Um  den  Alkathoos  wegen  des  Todschlags  seines  Sohnes  Kalli- 
polis  (Paus.  I  42,  6)  zu  entsühnen  (ebd.  43,  5). 

«  Eurip.  Polyid.  Fr.  641.  643.  644.  Welcker  Gr.  Trag.  II  772. 
Schon  in  den  Kreterinnen  des  Aeechylos  wurde  dem  Seher  der  härteste 
Tod  angedroht,  falls  Welcker  Frg.  118  richtig  gedeutet  hat.  Auf  eine 
tragische  ^ήσις  geht  eine  bisher  übersehene  Anspielung  im  zweiten  an- 
geblich platonischen  Briefe  (Epiatologr.  graec.  p.  493) :  πέφυκ€  Ευνιέναι 
€ΐς  τούτο  φρόνησ(ς  Τ€  καΐ  δύναμις  μεγάλη,  καΐ  ταύτ'  άλληλ'  dcl 
διώκει  καΐ  2[ητ€ΐ  καΐ  ξυγγ{γνεται,  dafür  werden  historische  Belege  ge- 
geben  —  καΐ  δή  ταΟτα  μιμούμενοι  ο  i  π  ο  ι  η  τ  α  Ι  Κρέοντα  μέν  καΐ 
Τειρεσίαν  συνάγουσι,  ΤΤολύειδόν  τε  καΐ  Mivui,  *  Αγαμέμνονα  tA 
καΐ  Νέστορα  καΐ  Όδυοσέα  καΐ  Παλαμήδη  .  .  .  τούτιυν  δέ  τους  μέν  €ΐς 
διαφοράν,  τους  δ'  εΙς  φιλ(αν  άλλήλοις  Ιόντας,  τους  δέ  τοτέ  μέν 
είςφίλίαν,  τοτέ  δ*  εΙς  διαφορά  ν,  καΐτά  μέν  όμονοοΟντας 
τά  δέ  διαφερομένους  ^δουσιν.  Agamemnon  und  Nestor  gehen  wohl  auf 
die  Ilias  (A),  die  übrigen  Paare  sind  Sprecher  tragischer  ζήσεις  in  der 
Antigone  und  dem  euripideischen  Palamedes,  und  so  werden  auch  wohl 
Polyidos  und  Minos  aus  dem  Polyidos  des  Euripides  stammen;  jeden- 
falls war  dies  Drama  bekannter  als  die  Μάντεις  des  Sophokles  und  die 
Kreterinnen  des  Aeschylos.  Wenn  Clem.  Alex.  Strom.  1 399  P.  in  einer 
Aufz&hlung  berühmter  Seher  anführt  ΤΤολύιδός  τε  έν  Άργει  καΐ  έν 
Μ  ε  γ  ά  ρ  ο  ι  ς,  οΟ  μέμνηται  ή  τραγψδία,  so  darf  man  die  letzten 
Worte  nicht  pressen  (vgl.  Anm.  1).  In  Unfrieden  scheidet  Polyidos 
von  Kreta  nach  Apollod.  III  20. 


Hellenittiflche  Studien  227 

rische  TTeberliefernng  vorliegen.  Denn  dasfi  der  Verfasser  mit 
der  localen  Sage  wohl  yertraat  war,  beweist  die  ganz  aasge- 
sochte  Nachriebt  von  dem  Aufenthalte  des  Melampus^  and  die 
»onetigen  eine  periegetische  Quelle  voraoseetzenden  Angaben  Über 
Stadt  und  Umgebung.  Die  früher  angefahrten  Verse  105 — 109 
stimmen  fast  wörtlich  mit  Paus.  I  42,  2  τότ€  bk  αύτφ  (AI- 
kathoos)  τβιχίίοντι,  ώς  φασιν  ol  Μεγαρείς,  συνεργάζεται 
T6  'Απόλλων  (106)  καΐ  τήν  κιθάραν  κατέβηκε  ν  ίτΛ  τόν  λίθον" 
ήν  6έ  τύχη  βαλών  τις  ψηφΑι,  κατά  ταύτα  οΰτός  τε  ήχησε  κα\ 
κιθάρα  κρουσθεΐσα  (107.  108)^,  ferner  entsprechen  die  Verse 
4Γ»5  ff.:        " 

praeierit  abruptcis  Seironis  protinus  arces 
infestumque  suis  dirae  testudinis  exit 
spelaeum  muUoque  cruentas  hospite  eatUes 
der   Angabe    bei  Paus.  I  44,  8    τάς   bi.  .  .  νομίΖουσιν   εναγείς 
(sc.  πέτρας),  δτι  παροικών  σφίσιν  ό  CK(pu)v  όπόσοις  τών  Εένιυν 
€πετύγχαν€ν     ήφίει    σφας    ές   την    θάλασσαν,     χελώνη    bk 
ύπενήχετο  ταϊς    πέτραις  τους  έκβληθέντας  άρ- 
πα Ζειν  ..   .    (vgl.  Eallim.  (Hekale)  Fr.    378).       Wir  müssen 
uns  begnügen,  diese Üebereinstimmungen  za  notieren;  jede  weitere 


I  Cir.  112  hospiito  quod  se  Nisi  Polyidoa  avito  .  .  .  texerat 
wurde  streng  genommen  auf  Abas  (Paus.  I  43,  5)  za  beziehen  sein,  da 
dieser  aber  mytholc^ach  kaum  in  Betracht  kommt,  so  muss  Melampue 
gemeint  sein,  der  allerdings  nicht  für  Megara  selbst,  sondern  nur  für 
Aigoatbena  bezeugt  ist  (Paus.  I  44,  5  und  die  inschriftlichen  Zeugnisse 
bei  Koscher  II  2512).  Uebrigens  benutzt  der  Gewährsmann  des  Par• 
thenios  eine  abweichende  Königsliste,  was  K.  Seeliger  Alkathoos  und 
die  megariecbe  Konigsliste  (Festsohr.  f.  Overbeck  S.  30)  nicht  genügend 
tenrorhebt.  Dase  in  dieser  ganzen  Partie  voll  ausgesuchter  Gelehrsam- 
keit pArtbenios  selbst  vorliegt,  zeigt  V.  113,  der  Dereite  von  Scaliger 
zoruckübersetzt  ist: 

Καρπάθιον  φεύγυιν  (λείπων  Seal.)  καΐ  νάματα  Καιράτεια. 
•  Derselben  Ueberlieferung  (oder  dem  Parthenios?)  fol^t  der  un- 
bekannte   Dichter    Anth,  Plan.  279   (εΙς   τόν   iv   Μεγάροις   κιθαριστήν 
λίθον): 

Τόν  με  λίθον  μέμνησο  τάν  ήχήβντα  παρέρπων 

Νισαίην  ötc  γάρ  τύρσιν  έτ€ΐχοδόμει 
Άλκάθοος,  TOT€  Φοίβος  έπωμαδόν  ήρ«  δομαΐον 

Xäa  Λυκωρ€ίην  άνθέμβνος  κιθάρην. 
fvOcv  lfu3  λυραοιδός,  ύποκρούσας  δέ  με  λεπτή 
χερμάδι  τόν  κόμπδυ  μαρτυρίην  κόμισαι. 
Uebrigens  ist  dieser  alte  Rahm  Megaras,  den  schon  Theogn.  773  kennt, 
nur  ein  Reflex    des  thebanischen  Manerbaus  durch  Amphion  and  Zethos. 


228  Kuaaok 

Yermnthang  ttber  die  Quelle  dee  Parthenioe  wäre  aueeicbtslos. 
Aber  die  Thateache  sei  heryorgeboben,  daes  aucb  einer  der  letzten 
Vertreter  bellenietiscber  Dicbtang ,  eigene  Erfindungen  ver- 
ecbmäbend,  auf  die  gute  locale  Ueberlieferung  zurückgreift —  das 
ist  der  Kinfluee  dee  Eallimacbeiscben  άμάρτυρον  oubiv  oeibui^. 
Nicht  zufrieden  mit  diesem  Zuge  bat  der  Dichter  nocb 
einen  zweiten  eingeführt,  den  er  an  die  Pereon  Karmes,  der 
Pflegerin  Skyllae,  anknüpft: 

287  0  Herum  nostrae  Minos  inimice  senectae, 

semper  ut  aut  olim  tuUae  te  propter  eundem 
out  Omar  insanae  hietum  portaret  alurnntiel 
iene  ego  tarn  lange  capta  atque  aveeia  nequivi^ 
tamgrave  servitium,  tarn  duros  passa  lahores 
effugerej  ut  siMam  exitium  crudde  meorum  ? 
(vgl.  332).    Wer  ist  Karme  und  wober  stammt  sie?  Ogygü  Phot- 
nicis  filia  heisst   sie  220,    das    stimmt    allein  zu  Anton.  Lib.  40 
Κασσΐ6πείας  της  *Αραβίου  και  Φοίνικος  του  Άγηνορος  έγίνετο 
Κάρμη,    während  Paus.  II  30,  3  und  Diod.  V  76,  3  abweichen. 
Liest  man  weiter,    so  werden   die  kurzen  Angaben  Cir.   301  f^,: 
unde  älii  fugisse  ferunt  et  numen  Äphaea  e 
virginis  assignanty  alii  quo  notier  esses^ 
Biciynam  diver e  tuo  de  nomine  Lunam 
erst  durch  den  Verlauf  der  Erzählung    des  Antoninue    verstand^ 
lieh.     Zwar   die  zuletzt    genannte  Epiklese    konnte    der  Dicbtei 
aus  Eallimacbos  (Artemishymn.   195  ff.)  entnehmen: 

μέσφ'  δτε  μορπτομένη    και  οή  σχ€Οόν  ήλατο  πόντον 
πρηόνος  Ü  ύπάτοιο  καΐ  ivOopcv  εΙς  άλιήων 
οίκτυα,  τά  σφ'  έσάωσαν.  β  θ  €  ν  μετέπειτα  Κύοιυνες 
νύμφην  μένΔίκτυναν,  δρος  b'  βθεν  ήλατο  νυμφΐ 
Δικταΐον  καλέουσιν,   an  welchen  die  vorberg^ebende] 
Verse:    numquam  tarn  obnixe  fugiens  Minais  amares 

praeceps  cterii  specula  de  mantis  iisses 
noch  unverkennbar  anklingen.  Dagegen  wird  die  eretere,  di 
mit  Kreta  gar  nichts  zu  thun  hat,  wie  geea^  ed 
durch  Antonious  verständlich :  έκφυγου(Τα  bi,  Mivuia  il 
κετο  ή  Βριτόμαρτις  εΙς  Αϊγινανέν  πλοίψ  σύν  avbp\  dtXii 
Άνορομήοει.     Als  dieser  sie  vergewaltigen  will,    entflieht  sie  i 

^  Das  antiquarische  Interesse  des  Dichters  erhellt  noch,  ferni 
aus  den  Angaben  über  die  Τ€τητοφορ{α  12ß— 128,  vgl.  Studnicil 
Jahrb.  des  arch.  Inst.  1896,  274  f. 


Hellen ittisohe  Stadien  229 

einen  Hain  and   verechwindet  daselbst:  τόν  bk  τόπον,  hf  φ  αφα- 
νής έγενβτο  ή  Βριτόμαρτις,   άφιίριυσον  ΛΙγινήται   και  <αύτήν> 
ώνόμασαν  Άφαιαν   και   Ιερά  έπετέλεσαν^     Ααβ  dieser  Ver- 
gleichang  darf  zweierlei  gefolgert  werden:  erstens,  das  Original 
ist  durch  die   Schuld  des  lateinischen  Bearbeiters  an  dieser  Stelle 
gekürzt;    zweitens,    in  dem    von  Antoninns  excerpierten  Bericht 
haben  wir  seine   Quelle  zu    sehen;    die  Reminiscenzen  aus  Kalli- 
machos  mag   Parthenios  hinzugesetzt,  sie  können  aber  ebensogut 
bereits  in  der   Vorlage  gestanden  haben-.     Dürften   wir    nun    in 
dieser    einen    Abschnitt    aus    den    έτ€ροιθύμ€να  Nikanders    ver- 
mathen,    wie   O.^  Schneider  Nicandr.  43  sehr  wahrscheinlich    ge- 
macht hat,    so    stände  die  Benutzung  seines  bedeutendsten  Yor- 
gängers    in   der  Metamorphosendichtung  durch  Parthenios  ausser 
Zweifel  ^    Soviel  über  die  Person  der  Karme ;  eine  andere  Frage, 
wie  diese   Gestalt  in    die  megarische  Sage  hineingekommen,  läset 
flieh  nicht  mehr  heantworten,  nur  vermuthen  darf  man,    dass  sie 
die  wahrscheinlich   namenlose  τροφός,  welche  sich  die  leider  so 
wenig    kenntliche  Tragödie    von  Nisos  und  Skylla   als   Vermitt- 
lerin der  Botschaft    an    den  Feind    nicht    wird    haben    entgehen 
lassen^,  ersetzt  hat. 


1  Vgl.  Paus.  aaO.  Bekanntlich  hat  Furtwängler  neuerdings  das 
alte  Heiligthum  der  Aphaia  wieder  auforefunden ;  die  Hoffnung  durch 
inschriftliche  Zeugnisse  Beglaubigung  der  aiginetischen  Legende  zu  er- 
balten, ist  wohl  nicht  ganz  aussichtslos. 

2  Uebereinstimniung  mit  Kallimachos  läset  sogar  noch  der  Auszug 
erkennen  —  αυτήν  Ιδών  Μίνως  καΐ  έρασθείς  έδίαικεν.  ή  bi  κατέφαγβ  παρ' 
^6ρος  άλι^ς.  di  ti  αυτήν  κατάδυσαν  εΙς  τά  Μκτυα  καΐ  ώνόμασαν  έκ 
τούτου  Κρί1τ€ς  Δίκτυν[ν]αν  καΐ  Upa  προ(ϊήν€Τκαν.  Vgl.  noch  Neun. 
Won,  ΧΧΧΙΠ  333: 

οφρα  v^  Βριτόμαρτις  έγώ  φυγόδεμνος  Ακούσω, 
ή  ν  iroT€  πόντος  Iöckto  καΐ  έμπαλιν  dnraoe  yaii} 
Kvtrpibiuiv  Μίνυιος  άς>€ΐδήσασαν  έρώτυιν. 

3  Nicht  allein  für  diese  verhältnissmäesig  kleine  Partie;  wenn 
KaJkmanna  (aaO.  83)  Vermuthung  in  Bezug  auf  Anton.  Lib.  34  das 
nichtige  trifTty  so  hat  Parthenios  aus  Nikander  auch  die  Farben  für 
die  Liebearaaerei  seiner  Heldin  entlehnt. 

*  Ovid  Triet.  II  393  (=  FTG.  p.  840«),  Lukian  salt.  41?,  vgl. 
tt'elcker  Trag.  1226  f.  Rohde  Rom.  37,  2  (Modeetinne  PLM.  IV  360,6 
braucht  man  nicht  zu  den  'tragici  ignes*  zu  rechnen);  dazu  fügt  Waser 
S.  eO  Uygin.  Fab.  242  {qui  se  ipsi  interfecerunt)  und  Martial.  X  4,  2, 
wahrscheinlich  mit  Recht  Dagegeu  bietet  Sidon.  Apollin.  XI  68  — 
das  Citat  Wasers  ist  falsch  —  nur  eine  Ovidreminisoenz.  Zu  der  Tra- 
gödie würde   daa  pompejanische  Bild  stimmen. 


230  Κ  η  a  a  c  k 

Hioler  dem  LykeioD  erhob  eich  das  Denkmal  des  Nisoe. 
jedem  Athener  des  fünften  Jahrhunderte  wohlbekannt^.  So  konnte 
der  grosse  Tragiker  aaf  Verstand niss  seiner  Hörer  'rechnen,  wenn 
er  neben  die  Eindesmörderin  Althaia  die  φοινία  Οκύλλα  stellte, 
welche  verblendet  durch  das  goldene  Halsband  des  Minos,  den 
lieben  Vater  umbrachte: 

Νΐσον  όθανάτας  τριχός 

νοσφίσασ'  όπροβούλιυς 

πνίονθ'  ά  κυνόφριυν  Οπνψ. 

κιγχάνει  bi  νιν  Ερμής. 
(Choeph.  602  ff.  Khff.)«. 

Das  ist  die  älteste  Version,   doch   wohl    auf    einen   Epiker 
zurückgehend,    die  im  Keim  fast  alle   von    den  Späteren     weiter 
ausgebildeten   Züge  schon   enthält;    vielleicht  erscheint   sie   noch 
auf  einem  schwarzfigurigen  Vasenbilde.     Die  weitere  Entwicklung 
der  Sage  ist  dunkel,    doch  hat  wohl  die  Tragödie  das  wirksame 
Motiv  der  Liebe  zu  dem  Landesfeinde,  das  in  verwandten  Sagen 
eine  bedeutsame  Rolle  spielt,  wenn  nicht  erfunden,  so  doch  aus- 
geführt und  vertieft.    Ihr  folgt,  in  Einzelheiten  vielfach  variierend 
und  umgestaltend,  die  hellenistische  Erzählung,  deren  letzter  Ver- 
treter   noch   einmal  alle  Momente  zu  einem  grossartigen  Seelen- 
gemälde  zusammenfasst,  das  auch  in  der  lateinischen  Nachbildung 
wirkt  und  ergreift. 

•  Stettin.  G.  Knaack. 


^  Paus.  I  19,  4.  Die  Anspielungen  auf  Tereue,  Pandion  and  eeiii 
üescblecht  in  der  Ciris  lehren  nichts  Neues.  Die  megarische  Sage 
muss  einmal  ganz  aufgearbeitet  werden. 

^  Die  Scholien  (zu  COl)  kennen  die  spätere  Sage  δτι  ορμον  ΰνό 
Μίνιυός  φησιν  €ΐληφ^αι  Οκύλλαν,  ο  ύ  b  ι'  £  ρ  ui  τ  α,  die  das  andere  Mal 
zur  Erklärung  des  άπροβούλως  verkehrterweise  herbeigezogen  wird. 
[Zu  der  oben  S.  217,  3  gefz^ebenen  Zusammenstellung  wird  es  dienlich 
sein,  eine  Einweisung  auf  den  alten  Glauben  zu  fügen,  den  Petronins  38 
bezeugt:  *de  nihilo  crevit.  modo  solebat  oollo  suo  ligna  portare.  sed 
quomodo  dicunt  (ego  nihil  soio,  sed  audivi),  quomincuboni  pilleua 
rapuisset,  thessaurum  invenit.    U.] 


DIE  EPOCHEN  IN  VARROS  WERK 
DE  GENTE  POPVLI  ROMANI 


\J 


Die  Ueberlieferung  über  die  Epochen  Varroe  in  den  vier 
BücLem  Oe  gente  populi  Romani  beecbränkt  sich  auf  wenige  An- 
gaben, and  selbst  diese  fahren  nur  zu  einer  widersprachsvollen 
YorstellaBg.  Za  gründe  gelegt  hat  man  bei  ihrer  Bespreohang 
eine  Stelle  des  Censorinas  (De  die  nat.  21,  1),  da  sie  eine 
Uebersicbt  über  das  Werk  za  enthalten  schien,  obgleich  es  nicht 
ansdrücklicb   oitiert  wird^).     Sie  laatet: 

^  si  origo  mundi  in  hominum  notitiam  uenisset,  inde 
exordium  aumeremus.  nunc  ttero  id  interuallum  temporis 
traeiabOj  quod  Ιστορικόν  Varro  adpellat  hie  enim  tria  dis- 
crimina  temporum  esse  tradit, 

prifnum  ab  hominum  principio  ad  caiaclysmum  prioremy 
quod  propter  ignorantiam  uocatur  αοηλον, 

secundum  α  cataclysmo  priore  ad  olgmpiadem  primam, 
quodj  quia  in  eo  mtdta  fabulosa  referuntur,  μυθικόν  nami- 
natur,  tertium  α  prima  ölympiade^^  ad  nos^  quod  dicitur 
Ιστορικόν,  quia  res  in  eo  gestae  ueris  historiis  eontinentur. 
JPrifnum  enim  tempus,  siue  habuit  initium  seu  semper 
fuit^   certe^  quot  annorum  sitj  non  potest  comprehendi, 

secundum  non  plane  quidem  scituTf  sed  tarnen  ad  müle 
circiter  et  sexcentos  annos  esse  ereditur.  α  priore  scüicei 
catiMclpsmo,  quem  dicuntlet  Ogygii^  ad^lnachi  regnum  annos  ^ 
circiter  CCCC^****,  hinc  ad^olympiadem  primam  paulo  plus 


1  Auch  H.  Kettner  hat  in  seinen  Varroniechen  Stadien  S.  38—78 
die  Ricbtigkeit  der  Angaben  des  Censorinas  nicht  bezweifelt,  zuerst 
and  allein  bie  jetzt  C.  Frick  (die  Quellen  4ugu8t%n8  im  XVIII.  Buche 
Heiner  Schrift  De'ciuüate  dei)  (Progr.  d.  Gymn.  von  Höxter)  S.  5,  ohne 
jedoch  weitere  Folgerangen  za  ziehn. 

s  So  die  Darmstadter  Hdschr.  anni  sunt  0.  Jahn. 

s  guadrigenii  Darmet. 


232  Peter 

CCCC,  guos  solos,  qttamuis  mythki  temporis  posiremos^  iamen 
quia  α  memoria  scriptotum  proximos  quidam  cerfhis  definire 
ttoluerunt.  et  quidem  Sosibius  scripsit  esse  CCCLXXXX  F,  Ero- 
tosthenes  autem  CCCCVII,  Timaeus  CCCCXYIl,  Areit^ 
DXIIlIj  et  ^raeterea  multi  diuerse,  quorum  etiam  ipsa  dis- 
sensio  incertum  esse  declaraf. 

De  tertio  autem  tempore  fuit  quidam  aliqua  inter  auctores 
dissensio  in  sex  septemue  tantum  modo  annis  uersata;  sed 
hoc  quodcumque  caliginis  Varro  discussit  et  pro  cetera  stta 
sagacitate  nunc  diuersarum  ciuitatium  conferetis  tempora^  nunc 
defectus  eorumque  interuaUa  retro  dinumerans  eruit  ueruw 
lucemque  ostendit,  per  quam  numerus  certus  non  annorum 
modo  sed  et  dierum  perspici  possit. 

Wie  länget  gesehn  worden  iet,  sind  die  Worte  durch  eine 
Lücke  enteteilt  und  zwar  mues  diese  hinter  der  ersten  Zalil 
CCCC  angenommen  werden ;  hinc  bezieht  sich  nach  dem  Aueweis 
der  nächsten  Zahlen  auf  das  excidium  Troiae,  und  es  museen 
nach  der  jetzt  gewöhnlichen  Ergänzung  von  dem  Inaehi  regnum 
bis  dahin  800  Jahre  gerechnet  gewesen  sein,  sodass  als  Epochen 
herauskommen  würden: 

Fluth  des  Ogygus  ca.  2376  v.  Chr., 

Inaehi   regnum    ca.  400      =  na.    1976, 
Trojas  Fall  ca.   1200  =  ca.    1176, 

1.  Olympiade  ca.  1600  =  ca.  776. 
Mit  dieser  Kechnung  würde  übereinstimmen,  dass  Arnobius 
(V  8,  fr.  7  der  Fragm.  bist.  Rom.)  von  der  Deukalioniechen 
Fluth  ^  bis  zum  Consulat  des  Hirtius  und  Pansa  Varro  in  De 
gente  populi  Romani,  'noch  nicht  2000  Jahre*  rechnen  läset,  wenn 
wir  diese  Fluth  in  die  Zeit  des  Inachus  versetzen,  was  die  Scho- 
lien  zu  Euripides  Orest.  932  ausdrücklich  bezeugen. 

Dagegen  aber  spricht  Varro  selbst,  der  De  re  rust.  ΠΙ  1,  2  ff. 
also  im  J.  37/717  Theben  die  älteste  griechische  Stadt  nennt 
seine  Erbauung  durch  König  Ogygus  noch  vor  die  nach  ibm  be- 
nannte Fluth  hinaufsohiebt  und  sein  Alter  auf  'ungefähr  2100  Jahre 
taxiert;  mögen  wir  das  Jahr  des  Gespräche  (54/700)  oder  das  dej 
Abfassung  als  Ausgangspunkt  annehmen,  so  fällt  die  Fluth  spätej 
als  2154  oder  2137,  also  über  200  Jahre  später  als  bei  Cen 
sorinus.     Auf   ein  noch  'jüngeres    führt  uns   eine    ebenfalle    au 


1  Fälsohlich  nehmen  Boissier  Etüde  sur  Varron  p.  184  u.  Grupp 
Herrn.  X  57  die  Ogygische  an;  Arnobius  kennt  nur  die  de«  Deukalioi 
unter  den  griechisohen  Fluthon;  s.  unten  S.  240  Anm. 


Die  KpochoD  in  Varros  Werk  De  gcnte  populi  Romani         2H3 

Varro  zurückgebende  Angabe;  denn  er  ist  der  heidniecbe  Ge- 
wahnmAnn^  dem  Angustinns  im  18.  Buch  seines  Gottesstaatee 
folgt,  und  wenn  dieser  sagt,  dass  sie  nach  ihm  (also  Varro)  mehr 
als  300  Jahre  früher  stattgefunden  habe  als  bei  Eusebius  und 
Hieronymns  (XVIII  8),  so  kommen  wir  auf  die  Zeit  vor  2057, 
Ja  eie  in  deren  erhaltenen  Werken  unter  dem  J.  260  Abr.,  d.  h. 
1757  Y.  Chr.  verzeichnet  iet^.  Demnach  kann  Varro  seit  der 
ibfassung  des  Werkes  De  gente  p.  R.  bis  zu  der  des  landwirth- 
echaftlichen  seine  Meinung  darüber  nicht  geändert  haben  und 
die  Angabe  bei  Censorinus  entweder  nicht  aus  dem  ersteren 
liernibren  oder  sie  ist  nicht  richtig  überliefert. 

Zwar  herrecht  bekanntlich  in  den  Ansätzen  der  alten  griechi- 
Rcben  Chronologie  die  äueserste  Willkür.  Zahlenkünstelei  und 
landechaftliche  Eitelkeit  haben  sie  zustande  gebracht,  dann  sind 
oeeb  verscbiedenen  Grundsätzen  aufgebaute  und  ausgeklügelte 
Systeme  vielfach  in  einander  gearbeitet  worden  und  endlich  haben 
rcgeoaoigkeit  nnd  Flüchtigkeit  der  Abschreiber  das  Ihrige  ge- 
than,  um  nne  den  Einblick  in  die  Werkstätte  der  ersten  Rechner 
noch  mehr  zu  erscbweren. 

In  Varros  Zeit  genossen  die  sich  bis  zum  J.  61  v.  Chr. 
erstreckenden  und  bald  nach  diesem  Jahr  erschienenen  Χρονικά 
des  Kastor  grosses  Ansehen  und  mussten  grade  ihm  bei  seiner 
Geetaltang  des  römischen  Stammbaums  sehr  bequem  liegen,  da 
der  Grieche  in  Tabellenform  orientalische,  griechische  und 
rümische  Geschichte  mit  einander  verbunden  und  über  die  Zer- 
itörung  Trojae,  das  bisherige  Endziel  der  griechischen  Chrono- 
naphen  hinaus  in  die  noch  ältere  Zeit  Griechenlands  zurück ver- 
foJgt  hatte,  nm  diesem  ein  den  orientalischen  Reichen  gleiches 
Älter  zu  verleihen.  Je  weiter  daher  Varro  den  Ursprung  Roms 
'  binaofräckte,  desto  vornehmer  machte  er  seine  gens,  das  Vorrecht 
<!e»  Adels  (Liv.  X  8,  3),  und  überbot  des  Nepos  Chronica,  die 
im  Anschlnse  an  ApoUodor,  den  Nachfolger  des  Eratosthenes, 
ifiit  der  Zerstörung  Trojas  begonnen  hatten.  Er  citiert  den 
Kutor  selbst  in  dem  uns  hier  beschäftigenden  Werke  (fr.  6 
meiner  Sammlnng  der  Fragm.  bist.  Rom.  p.  230).  Nun  stehen 
for  diesen  folgende  Daten  fest: 

*  Ich  lege  hier  wie  überhaupt  die  Gleichung  Abr.  1  =  v.  Chr.  2016 
zu  Gmode,  ziehe  also,  um  die  Jahre  seit  Abraham  auf  vorchristliiihe 
zu  übertragnen,  von  2017  ab.  Differenzen  um  eine  Zahl  sind  nicht  zu 
vf-rmeiden,  da  in  den  Listen  des  Eusebius  die  Zahlen  nie  rein  gegeben 
werden.     S.  v.  Gutichmid  Schriften  IV  8. 


234  Peter 

Ogygne  war  ein  Titane  und  Zeitgenoeee  des  fielas, 
ersten  Könige  der  Aesyrier,  des  Vaters  des  Ninas  (I.),  mit  dem 
Kastor  die  Angabe  der  Regiernngszahlen  begonnen  hatte  (fr.  1  £ 
p.  156  ff.  bei  Müller  in  den  Fragm.  chrono!.;  vgl.  J.  Brandie 
Commentatio  de  tempornm  Graeoornm  antiquieeimomm  rationibns, 
Bonn  1857,  p.  35). 

Die  assyrischen  Könige  yon  Kinns  I.  bis  Ninne  Π.  habeo 
1280  Jahre  regiert  (£neeb.  I  p.  55  Soh.). 

Die  mit  Aegialens  anfangende  Königsreihe  von  Sicyon,  die 
älteste  in  Griechenland,  regierte  bis  Zenxippus  959  J.  (fr.  6  f., 
vgl.GelzerJMi.il/ric.IIS.63ff.),  nachEusebius  von  2089—1129. 

Die  Reihe  der  argivisohen  Könige  von  Inachns  bis  Sthene• 
Ins  regierte  382  J.  (fr.  9—11),  nach  Eusebias  von  1856—1474, 
die  der  Danaiden  162  J.,  nach  Ensebins  bis  1312. 

In  der  athenischen  Königsreihe  von  Ceorops  bis  Alkmeon 
(nach  Eusebius  1556 --744)  regierten  die  Erechthiden  (449  oder) 
450  Jahre,  die  Neliden  52  (od.  58),  die  Medontiden  309  (ver- 
schrieben in  209),  fr.  12  f.  s.  Gelzer  II  77.  v.  Gatechmid 
Sehr.  IV  10  ff. 

Ankunft  des  Aeneas  in  Italien  1182,  fr.  20  n.  19. 

Gründung  Roms  765  (oder  764  nach  Holzapfel,  Rom.  Cknmd. 
S.  247). 

Regierung  der  römischen  Könige  244  J.,  fr.  19. 

Mit  diesen  Angaben  über  die  Regierungsdauer  stimmt  Euse- 
bius überein,    der  sich  auch    in    seiner  Tabelle    für   den  Anfang 
und    das    Ende    der    Königsreihen    von    Sicyon    (II   p.  56  Seh.), 
Argos  (p.  15  u.  30)   und  Athen  (p:  56)  auf  Kastor  beruft,   wes- 
halb ich  seine  Zahlen    oben  mit  eingestellt  habe;    höchstene  um 
wenige  Jahre  weicht  er  von  ihnen  ab,  und  wir  sehen  aleo,  das« 
das  Gerippe   zu  seiner  griechischen  Chronologie    ihm  Kastor  ge- 
liefert   hat.     Eusebius    hat    über    seinen  Vorgänger   Juline  Atri• 
canus  hinwegschreitend  *  Profanquellen   von  ganz  anderem   Wertb 
seinen  christlichen  Zeitgenossen  erschlossen  ;  dies  hat  uns  Gelzer! 
(aO.  Π  88)    nachgewiesen.     Darin    entfernt  sich   Ensebiue    aller- 
dings von  Kastor,  dass  er  die  assyrische  Königsreihe  (von  Kinm 
an)  weiter  heruntergerückt  hat.    Nach  seinem  Gewährsmann  hai 
diese     1280  J.    regiert,    also,    da    er    nach    Brandis    (aO.   p.  35 
und  Gelzer  (aaO.)  ihres  Reiches  Untergang  in  das  Jahr  843  aetzt 
von  2123  an,    wozu  noch  die  Regierung  des  Belus  hinzuzufügen 
wäre,  die  Kastor    wegen  der  Unsicherheit  der  Ueberlieferung  ii 
Zahlen  nicht  angeben  will,  der  sog.  Excerptor  Barbari,   der  alleii 


Die  £x>ochen  in  Yarros  Werk  Do  gente  popali  Romani        235 

den  von  Kastor  erfundenen  letzten  König  Ninne  Π.  nennt,  aaf 
62  (Geiser  I  209  ff.  II  33  f.),  Angaednue  (de  ein.  d.  XVI  17) 
aaf  65  beziffert.  Nach  Eneebiue  bat  dagegen  Ninne  I.  2059  die 
ßegiemng  angetreten,  demnach  um  64  J.  später  als  bei  Kastor 
(etwa  nm  die  Regierungedauer  des  Beins),  Aegialens  im  J.  2089, 
dh.  30  Jahre  vor  Ninne  I.,  nnd  da  er  dies  um  das  15.-  Jahr  des 
Beine  gesobehn  läset  (Euseb.  I  173),  würde  er  die  Begierung 
des  Beins  aaf  45  Jahre  berechnet  haben  (von  2013  an),  wenn 
hier  nicht  eine  Yerwirrnng  vorliegt;  denn  für  Ensebins  kommen 
wir  bei  einem  Ansatz  von  62  (bez.  65)  Jahren  des  Belos  vor 
2059  auf  das  J.  2121  (bez.  2124),  also  fast  anf  das  des  Kastor 
für  den  Anfang  des  Ninus.  Die  Yermnthang  drängt  sich  auf, 
dase  bei  den  2128  Jahren  Kastors  Beins  mit  eingerechnet  ist, 
doch  lege  ich  daraaf  hier  kein  G-ewicht;  für  mich  ist  zunächst 
die  Hauptsache,  dass,  da  nach  ihm  Ogygns  ein  Zeitgenosse  des 
Beins  war,  die  Ogygische  Fluth  in  die  J.  2185  (od.  2188)  bis 
2123  oder  2121  (od.  2124)  bis  2059  fallen  muss,  also  in  den 
Zeitraum  von  2188—2059  nnd  dies  übereinstimmt  mit  dem  des 
Varro  2154 — 2057,  nnd  daraus  folgt  die  Bestätigung  dafür,  dass 
der  um  wenigstens  221  frühere  Ansatz  des  Censorinus  nicht 
Varronisch   sein  kann. 

Weiter  aber  treffen  auch  die  'ungefähr  400  jährigen'  Epochen 
für  Yarro  nicht  zu.  Augnstin,  der  beste  Kenner  unseres  Werkes, 
citiert  es  nämlich  nach  der  Benutzung  im  18.  Buch  noch  einmal 
im  22.  (c.  28)  und  führt  aus  ihm  folgende  Worte  an:  Genethliaci 
*iuidam  scripserunt  esse  in  renascendis  hominibus  quam  appellant 
παλιγγενεαίοτν  Crraeci;  hoc  scripserunt  confici  in  annis  numero 
quadringentis  quadraginia^  ut  idem  corpus  et  eadem  anima,  quae 
fuerini  eoniuneta  in  homine  cUi^iando,  eadetn  rursus  redeant  in 
''oniunetianefn,  und  zwar  muss  Yarro  selbst  solche  Epochen  der 
παλιγγενεσία  angenommen  haben;  denn  Augustin  fährt  fort  Iste 
yarro  qtiidem  sifue  Uli  genethliaci  nescio  qui  und  bezieht  sich 
a'ifdie  Wiedergeburt  als  Yarronisch  am  Ende  des  Kapitels:  adsu- 
mant  etiam  hoc  de  Varrone,  ut  ad  eadem  corpora  redeant,  in  qui- 
^jus  antta  fuerunL  Sie  steht  auch  im  Einklang  mit  Yarros  ganzer, 
in  Pythagoreischen  Bahnen  sich  bewegender  Geistesrichtung; 
er  Hess  sich  ' JPythagorico  modo  nach  seinem  Tode  in  Laub  von 
Myrte,  Olive  und  Pappel  einhüllen  (Plin.  n.  h.  XXXY  160). 
Der  Name  des  Oründers  dieser  Schule  war  in  Rom  seit  altere 
populär.  Als  xar  Zeit  der  Samniterkriege  das  delphische  Orakel 
befahl    dem    weisesten   Hellenen    ein  Standbild   in  Rom    zu    er- 


236  Peter 

richten,  wählte  man  den  Pythagorae  (Plin.  XXXIV  26.  Plut. 
Numa  8);  Numas  Einrichtungen  sind  schon  früh  mit  ihm  in  Ver- 
bindung gesetzt  worden  (Soh wegler  Rom.  Oesoh.  I  560—64). 
Dann  scheint  sein  etwas  zurückgegangenes  Ansehn  von  F.  Nigi- 
dius  Figultts  aufgefrischt  worden  zu  sein;  Cicero  lobt  diesen  des- 
halb nach  seinem  Tode  (im  J.  45,  Tim.  1)  und  findet  im  Bömi• 
sehen  viel  Pythagoreisches  (Tnsc.  IV  2,  8  f.).  £e  scheint  ihm 
auch  nicht  an  £ifer  gefehlt  zu  haben  Proselyten  zu  machen 
(s.  Zeller  Gesch.  der  gr.  Philos,  ΠΙ  2»  8.  94  ff.),  noch  der  Hof- 
philosoph des  Augustus  Arius  Didymus  hat  über  Pythagoreische 
Philosophie  geschrieben.  So  liegt  es  im  Geiste  der  Zeit,  daee 
Eastor  römische  Sitten  auf  Pythagoras  zurückführt  —  τά  'Ρω- 
μαϊκά τοις  ΤΤυθαγορικοΐς  συνοικειών  sagt  Plutarch  quaest.  Rom. 
10  — ,  und  wenn  Varro,  der  sich  auch  in  dem  Logistoricae 
Tubero  de  origine  humana  an  Pythagoras  angeschlossen  und  nach 
ihm,  selbst  ein  ^genethliacus*  j  über  die  Zeitdauer  zwischen  der 
Empfängniss  und  der  Geburt  gehandelt  (Gensor.  9),  in  De  gente 
p.  R.  Eastors  System  zugrunde  gelegt  hat,  so  hat  er  sich  zu  ihm 
schon  durch  die  Gemeinsamkeit  der  Anlehnung  an  die  Pytha- 
goreer  hingezogen  gefühlt.  Wir  sehen  dies  Verhältniss  noch 
durch  die  Bearbeitung  Plutarchs  in  den  Quaestiones  Romanae 
hindurchscheinen  (A.  Barth  De  Ittbae  όμοιότησιν  ρ.  24  sqq.). 

Von  den  grossen  Weltjahren  und  der  Lehre  von  ihren  Hoch* 
sommern,  den  Weltbränden  und  ihren  Wintern,  den  üeber- 
schwemmungen  (s.  Usener  Die  Sintfltdhsagen  S.  39),  ist  diese 
Palingenesie  indes  zu  unterscheiden.  Obgleich  jene  besonders 
von  den  Stoikern  ausgebildet  worden  ist,  unter  denen  Diogenes 
das  Weltjahr  auf  365X1800  Jahren  berechnet,  andere  wenigstens 
nach  Tausenden,  so  gehörte  sie  doch  nicht  zu  den  Fundamental- 
Sätzen  der  Schule  (Zeller  ΠΙ  l^  S.  554  ff.),  und  so  hat  Varro, 
trotz  seiner  sonstigen  Abhängigkeit  von  ihr,  eine  periodische  Er- 
neuerung der  Welt  in  Verbindung  mit  der  Seelenwandernng  ge- 
lehrt (Zeller  aO.  S.  154  ff.),  die  in  yiel  kürzeren  Zeiträumen 
sich  dadurch  vollziehe,  dass  sich  derselbe  Geist  und  derselbe 
Körper  wieder  vereinigen.  Während  also  bei  den  Stoikern  durch 
den  Einfluss  der  Gestirne,  die  mit  dem  Ende  des  grossen  Welt• 
jähre,  dh.  nach  Vollendung  des  Laufes  des  Pols  des  Erdäqoators 
um  den  Pol  der  Ekliptik,  in  ihre  alte  Stellung  zurrückkehren 
und  die  Sitten  der  Menschen  bestimmen  (Serv.  z.  Vergil  ecl.  4, 4 
uniuersa  ex  ctstrorum  motu  pendere  manifestum  est)y  das  allmählich 
sündig    gewordene    Menschengeschlecht    wieder   gebessert    wird, 


Die  Epochen  in  Vairos  Werk  De  gente  populi  Bomani        287 

wird  bei  Varro  immer  nacb  440  Jahren  dae  alte ,  bessere 
Geschlecht  wiedergeboren.  Wunder  am  Himmel  oder  auf  Erden 
haben  für  ihn  nur  die  Bedeutung,  dass  sie  den  Menschen  das 
Ende  einer  Periode  ankündigen,  ^cumfataiis  dies  uenerit,  cum  cui' 
fuerit  illa  necessUas  temporufn  oder  'cum  deo  uisum  ordiri  mdiora^ 
ueiera  finiri',  wie  es  bei  Seneca  (quaest.  nat.  III  27;  28, 7)  heisst, 
nnd  nnr  als  solche  Zeichen  hat  er  die  Ueberschwemmnngen  der 
Sage  für  die  älteste  Zeit  verwendet,  darin  dem  Posidoniue  ent- 
gegenkommend, der  im  Gegensatz  zu  Panätius  an  dem  Weltjahr 
festgehalten  hatte  —  wer  hätte  sich  damals  seinem  Einfluss  ganz 
entziehn  können  ?  — ,  im  übrigen  gemäss  den  Lehren  der  etme- 
kischen  Ritnalbücher  (Censor.  17,  5,  s.  0.  Müller  Etr,  Π  S.  331  ff. 
and  unten  S.  244  f.).  Auch  Kastor  war  ein  Anhänger  dieser  An- 
sicht; ein  'mirabile  portentum'  am  Himmel,  die  Veränderung 
der  Farbe,  GrÖese,  Gestalt  und  des  Laufes  der  Venus,  habe  sich 
onter  Ogjgus  zugetragen,  läset  ihn  unter  Berufung  auf  'mathe- 
matici  ndyiles*  Varro  berichten  (fr.  6),  offenbar  in  Beziehung 
auf  die  Sintflath. 

Nun  verstehn  wir  auch  die  Bedeutung  der  genethliaci 
für  die  Chronogrraphie.  Nach  Censorinus  haben  sie  die  für  die 
Menschen  gefährlichen  Stufenjahre  festgestellt  (14,  10)  und  das 
12jährige  'Ghaldäische  Jahr  nicht  nur  für  die  Beobachtung  des 
Laufee  von  Sonne  und  Mond  wichtig  genannt,  sondern  auch, 
'quod  in  eo  dicunt  tempestates  frugumque  prouentus  ac  sterüitates^ 
Htm  morbos  salubritatesgue  circumire'  (18,  7).  Das  Volk  identi- 
ficierte  sie  mit  den  'mathematict  (GM.  I  9,  6),  Gellius  mit  den 
ükaldaeiy  indem  er  im  1.  Kapitel  des  14.  Buchs  nach  Favorinus 
ausführlich  ihr  Treiben  schildert  und  die  Verkehrtheit  geisselt, 
mit  der  sie  ans  der  Stellung  der  eestirne  bei  dem  Eingehn  der 
Ebe,  der  Conception  und  Geburt  Schlüsse  zögen  auf  den  Charakter 
cnd  das  Scbickeal  der  Kinder  und  Kindeskinder  usf.  Varros 
Kativitätesteller  L•.  Tarutius  aus  Firmum  hatte  es  sogar  auf  seine 
Aoffordemng  gewagt,  umgekehrt  aus  des  Romulns  Leben  die 
•Stunde  seiner  Conception,  seiner  Geburt  und  seines  Todes  zu  be- 
rechnen  (Plut.   Rom.  12.  S.  Mommsen  Böm.  ChronoL  146  f.). 

Die  Pythagoreische  Ansicht  von  Epochen  durch  Palingenesie 
ist  demnach  eis  von  Kastor  und  Varro  übernommen  erwiesen. 
Wenigstens   von  Griechen  stammen  aber  auch  ihre  440jährigen 

Perioden. 

Die  Zahl  440  ist  nicht  durch  Zufall  gewählt.  Es  hatte 
für  das  menschliche  Leben  seit  alten  Zeiten  die  7  eine  besondere 


238  Peter 

Bedeutung;  schon  Solon  hatte  dae  Leben  in  Perioden  von  7  Jahren 
eingetheilt,  die  Stufenjahre  gelten  überhaupt  ale  kritisch,  be- 
sonders das  63.,  ^quem  uel  hebdomades  nouem  ud  Septem  enneades 
conficiunt*  (Cens.  14,  14);  mit  ihm  hört  auch  bei  Solon  das 
eigentliche  Leben  anf,  seine  10.  Periode  ist  nnr  znm  Sterben  be- 
stimmt. Als  daher  die  griechische  Chronographie  in  ihrem 
Streben,  das  Alter  ihres  Volkes  bis  zu  dem  der  orientalischen 
zn  strecken,  darauf  verfiel,  die  Geschlechter,  nach  denen  bis  da- 
her die  Geschichte  berechnet  worden  war,  über  33V8  (Herodot) 
oder  30  Jahre  (Hellanious)  bis  zu  einem  Menschenleben  auszu- 
dehnen, gab  man  ihm  eine  Länge  von  63  Jahren  und  mnltipli- 
zirte  diese  Zahl,  um  grössere  Perioden  zu  gewinnen,  wieder  mit 
7  (7x63=441).  C.  Müller  hat  in  seiner  Sammlung  der  Fragmente 
der  griechischen  Chronographen  unzweifelhaft  richtig  den  Einflnss 
der  Zahlen  68  und  441  oder  abgerundet  440  auf  die  Gestaltung 
der  griechischen  Chronographie  erkannt,  wenngleich  er  oft  allzu- 
gewaltsam die  üeberlieferung  in  dies  Prokrustesbett  hineinzwängt 
und  in  der  Erklärung  der  Zahl  63  durch  Umrechnung  aus  Mond- 
in Sonnenjahre  irrt. 

Varro  hatte  im  Gegensatz  zu  dem  goldenen,  silbernen  usw. 
Zeitalter  nach  der  Stelle  des  Censorinns,  von  der  wir  aasge- 
gangen sind,  die  ganze  Vergangenheit  eingetheilt  in  eine  dunkle 
Periode  (αοηλον)  der  Menschheit  von  ihrem  Beginn  an  (anch  die 
Annahme  ihrer  zeitlichen  Entstehung  ist  Pythagoreisch,  Zeller  V 
8.  302)  bis  zur  Fluth  des  Ogygus,  in  eine  mythische  bis  zur 
ersten  Olympiade  und  in  eine  historische,  die  zweite  aber  nach 
dem  Charakter  ihrer  Erdichtungen  wieder  in  Hälften,  von 
denen  die  der  ersten  sich  völlig  frei  sogar  auf  Kosten  der  Moral 
der  Götter  bewegten,  die  der  zweiten  sie  schonten  und  sich  an 
das  geschichtlich  Mögliche  hielten  (fr.  14).  Femer  verband  er 
Eom  unmittelbar  mit  Troja  und  sah  in  dessen  Zerstörung,  mit 
der  er  daher  das  zweite  Buch  schloss  (fr.  14),  den  Anfang  einer 
neuen  Periode,  die  sich  mit  Roms  Gründung  vollendete.  Zeitlich 
aber  bemass  er  diese  Zeiträume  nach  griechischem  Muster;  denn 
440  Jahre  vor  753  führen  auf  1193,  das  Jahr  des  Auszugs  gegeü 
Troja  nach  Eratosthenes^,  während  Eastor,  bei  dem  die  Gründung 
Roms  in  das  J.  765  fällt,  bis  zur  ersten  Olympiade  diese 
440    Jahre    herausrechnet,    sei    es,    dass    wir    diese    mit    Geizer 


^  439  Jahre  rechnet  Johannes  Lydus  De  magistr.  I  2  ungenau  von 
der  Ankunft  des  Aeneas  in  Italien  bis  zur  Gründung  Roms  'nach  Csto 
und  Varro*,  417  'nach  Africanus,  Kastor  u.  Eusebius*. 


Die  £pochen  in  Varros  Werk  De  g^ente  populi  Romani        239 

(fi  78  f.)  in   das  J.   767  verlegen  und  dafl  der  ZerRtörang  Trojan 
annehmen,     dh.    1207    nach  Müller*    (1207—7(7=^440),    eei    ee, 
daes  wir  als  Kaetorieche  Endzahl  776  nnd  als  Anfang  den  Beginn 
der  Helagerang    (1216)    eineetzen.     Eine  Bestätigung    erhält    die 
Zahl  440  dadnrob,  daee  hei  der  Annahme  von  zwei  Perioden  za 
je  4-10  Jahren    eeit  der  Flnth  de«  Ogygoe  hie    zum  Trojanischen 
Krieg    die     eretere    in    das    Jahr    2073    fällt    (440  +  753=1193; 
1193+2x440=2073),  also  in  den  von  uns  ohen  (S.  232  f.)  nach 
Varro    eelbet  umgrenzten  Zeitraum  (2154 — 2057),    und    auch  für 
Kastor  ergeben  eich  hei  der  Zeitrechnung  von  2x440  zu  1216  oder 
1207,  seinen  Jabren  des  Trojanischen  Kriegs,  Zahlen  (2096  oder 
2087),  die  zu  der  ohen  festgestellten  Zeit  für  die  Ogygieche  Fluth 
stimmen. 

Es  bleibt  noch  die  genaue  Feststellung  der  Scheidung  der 
zwei  ersten  Perioden  übrig. 

Die  zu  Anfang  unserer  Untersuchung  abgedruckte  Stelle 
des  Censorinns  rechnet  die  erste  von  der  Fluth  des  Ogygus 
'ad  Inachi  regnum^^  und  da  sie  am  natürlichsten  durch  die  zwei 
Qberlieferten  griechischen  Sagen  eingeschlossen  und  überdies  die 
de8  Deukalion  auch  von  dem  Scholiasten  des  Euripidee  in  die 
Regierung  des  Inaebne  verlegt  wird  (s.  ob.  S.  232),  so  kann  sie  sehr 
vohl  in  den  lückenhaft  überlieferten  Worten  erwähnt  gewesen 
»ein,  etwa  so:  ad  Inachi  regnum  (eiusque  cakiclysniunC)  annos 
ördter  CCCC  (^computant;  hinc  ad  excidium  Troiae  anni  sunt 
KCCy^  hific  cui  olympiadem  primam  eqs.    Nach  unserer  obigen 

1  Gelzers  Ansatz  1193  für  die  ZerstöruDg  Trojas  bei  Kastor 
lll  69)  bat  mich  nicht  überzeugt;  ich  halte  an  Müller  Fragm,  chron. 
I».  122  sq.  fest. 

*  Von  Gellius  I  16,  3  ist  ein  Fragment  Varros  aus  dem  17.  oder 
>. Bach  der  Antiquitates  humanae  erhalten:  'ad  RomuU  inüium  plus 
■tZfe  et  eentum  annorum  e8t\  ünger  (in  diesem  Museum  XXXV  S.  38) 
deutet  dies  auf  die  Frist  von  der  Abfassung  des  citierten  Werkes  47/707 
\^  zu  der  ersten  Gründung  Roms  durch  den  älteren  Komulus  (und  nach 
iba  Holzapfel  Born.  Chronol.  S.  112.  243).  Diese  Vermuthung  steht 
aoer  auf  sehr  ecbwachen  Füssen;  einfacher  bezieht  man  die  Zahl  auf 
di€  Vergangenheit ;  von  der  Gründung  Roms  bis  zu  der  des  argivischen 
Reichs  üiod  es  nach  Eusehius  1103  Jahre;  die  Rechnung  in  De  gen/te 
ρ  R.  (s.  ob.  8.  234  f.)  braucht  nicht  auf  das  frühere  Werk  übertragen 
Λ  werden. 

•  htnc  —  OCCC  Ergänzung  von  0.  Jahn,  annos  —  compuiarunt 
BoHsch.  Durch  Einsetzen  vtyi  miUe  et  trecentos  als  Summe  (statt  1600) 
s&d  Ergänzen  von  Ό  (statt  800)  würde  man  die  Angaben  des  Censo- 
rinuB  den  von  uns   als  Varronisch    ermittelten    nahern    können.    Doch 


240  Pete 

Rechnung   wurde    ihr    Varronisohes  Jahr   1633    sein,    in  lieber• 
einetimmung  mit  Aaguetin,  der  De  ciaitate  dei  18,  40(=fr.  9)  nach 
Yarro  die  Aegypter  von  des  Inachne  Tochter  leie  Vor  nicht  viel 
mehr  als  2000  Jahren'  die  Schrift  lernen  läset,    also,    da  er  du 
genannte  Werk  426  vollendet  hat,  einige  Zeit  vor  1574.    Schwierig- 
keit bereitet  freilich  die  Angabe  in  fr.  13  hei  demselhen  Aagnetin 
(de  ciu.  d.  XVIII  10),  dass  die  Deukalionische  Flutb  unter  dem 
athenischen  König  Cranaus,  dem  Nachfolger  des  Cecrops,  stattge- 
funden habe;  dies  würde  sie,  wenn  wir  uns  an  die  Kanonee  des 
F.usebius  halten^   in  die  Zeit   von  1506—1498  verschieben.     In• 
des    sind    die  attischen  Chronologen    und  Historiker  bemüht  ge- 
wesen, den  Anfang  ihrer  Greschiohte  möglichst  weit  zurückzudatieren, 
um  nicht  an   Alter  hinter  Argos  zurückzustehn ;  daher  haben  sie 
sich   für    das    Jahr  1796    (1020  J.    vor    der    ersten    Olympiade, 
ebenfalls  einen  König  Ogygus  erfunden,    in   seine  Regierung  die 
erste  Fluth    verlegt    und  seitdem    das  durch    sie  verödete  Attica 
bis    Cecrops    190   Jahre    königslos    sein    lassen    (£u8eb.    praep. 
euang.  X  10,  7  u.  chron.  I  p.  181  Seh.);  Clemens  von  Alexandria 
(ström.  121,  139)  kennt  sogar  Schriftsteller,  nach  denen  Cecrops 
seit  dem  J.  2162  regiert  hat^     Man  darf  also  wohl  vermuthen, 
dass  bei  Varro  Cecrops  in  ältere  Zeit  gerückt  war  und   mit  ihm 
sein   Sohn   Cranaus;    es    müsste    denn   Augustin    sich    eine   Ver- 
wechselung haben  zu  schulden  kommen  lassen.    Kastor  bietet  uns 
für  die  Deukalionische  Fluth  keine  Stütze ;  er  nennt  sie  in  unserer 
Ueberliefernng   nirgends;    wo    ihn    Eusebius    (s.  oh.)   von    einer 
Fluth    um    das   Jahr  1757    sprechen    lässt,    da    ist    es    die    des 
attischen  Königs  Ogygus,    'die    erste    grosse*    und  seine   Zeit- 
rechnung für  sie  und  Cecrops  so  ziemlich  die  des  Eusebiue;    die 
DiflPerenz    beträgt  nur    40  Jahre.     Wir  haben   auch  hier  (mit  C. 
Müller  p.  176)    eine  Vermengung  verschiedener  Ansichten   anzu- 
nehmen,   da  in   der  Praeparatio    euang.   Hellanicus,    Philochorus, 
Thallus,    Diodor    und    Alexander   Polyhistor   zusammen     als    Gf- 
währeraänner   für  die  Angabe,    dass    von    dem    attischen    Ogyguj. 
und    seiner  Fluth    bis    zur    ersten    Olympiade    1020   Jahre     verJ 
strichen    seien,    angeführt    werden    und    darüber  jedenfalls    kei 
Uebereinstimmung  unter  ihnen  bestanden  hat;  so  wird    aicfa    au 
an  der  zweiten  Stelle  des  Eusebius  (in  der  Chronik,  arm.  Text)  d 

glaube  ich  eher  an  eine  Verwirrung  in  der  Ueberlieferunfl^,  alao 
Schuld  des  Censorinus  oder  seiner  Vorlage,  wie  oben  S.  232  an 
Verwechselung  der  beiden  Fluthen  durch  Arnobius  bez.  seiner   Vo  1 

1  Gutechmid  Sehr.  IV  8  f.    ändert   allerdings  die  Zahlen  Λ 

Cecrops  ί-  ''--  ^   1662/61  zu  stehen  kommt.  ' 


Die  Epochal)  in  Varros  Werk  De  gente  populi  RomAni        241 

Designat  (id)  et  Kastor  in  hisioriae  epitome  eodem  modo*  nur  auf 
ilie  zweite  Hälfte  des  Absatzes  beziehn,  auf  die  Zeit  des  Cecrops. 
Ein  solcher   Aufbau  der  Cbrunologie  nach   gewissen  Zahlen 
und  Zahlenreihen    war  für    die    alte  Zeit,    das    άοηλον    und  das 
μυθικόν,  üblich   gewesen,  seitdem  man  überhaupt  die  überlieferten 
Ereignisse  auf    bestimmte  Zahlen   festzulegen  versucht  hatte.     In 
der  historischen  Zeit    musste  natürlich   nach  anderen  Grund- 
sätzen   verfahren  werden.     Auch   die  christliche  Chronologie  be- 
tont mit  Nachdruck    diesen  Gegensatz,   Africanus  (Müller  Introd, 
in  fr,  chron.  p.   111  f.)  >    Eusebius   (praep.    eu.   X  10,  1  Μέχρι 
μέν   τών    ολυμπιάδων   ουδέν    ακριβές    Ιστόρητοι   τοις  Έλλησι 
πάντων  συγκεχυμένων  και  κατά  μηδέν  αύτοϊς  τών  πρό  του  συμ- 
φωνούντων •  αϊ  δέ  ήκρίβωνται  πολλοίς,  τψ  μή  έκ  πλείστου  δια- 
στήματος,   διά  τετραετίας  δέ  τάς  άναγραφάς  αυτών  ποιεϊσθαι 
τους  Έλληνας,  ου  δή  χάριν  τάς  ένδοΕοτάτας  και  μυθώδεις  έπι- 
λ€£άμ€νος     ιστορίας    μέχρι    της   πρώτης    Ολυμπιάδος    έπιδρα- 
μούμαι)  und  Hieronymus  (ρ.  78  f.:  Ah  hoc  tempore  Graeca  de  tem- 
inrrübus  hhtoria  uera  creditur;  nam  ante  hoc,  ut  cuique  uisum  est, 
diuersas  senteniias  protulerunt). 

Sollte  die  Künstelei  mit  den  Zahlen  überhaupt  fortgesetzt 
werden,  so  konnte  dies  nur  so  geschehn,  dass  entweder  aus  fest- 
stehenden Jahreszahlen  auf  die  Bedeutung  der  in  sie  fallenden 
Ereignisse  geechlossen  wurde  oder  gewissen  Jahreszahlen  zuliebe 
Naturerecheinnngen,  besonders  am  Himmel  beachtet  oder  erdichtet 
wurden.  Von  beiden  Systemen  findet  sich  indes  bei  Varro  keine 
Spur.  Wie  der  Charakter  jeder  genealogischen  Arbeit  sich  ändert, 
sobald  sie  ans  dem  Dunkel  und  Nebel  der  Vorzeit  in  das  Licht 
ler  Geschichte  tritt,  so  auch  die  seine.  Er  hatte  sich  zwei  Auf- 
uten  gestellt,  eine  Chronographie  der  vorrömischen  Völker,  die 
l^wiesemiaassen  in  Linien  den  Stammbaum  der  gens  Eomana 
^ichoen  sollte^  und  das  dürftige  Gerippe  des  μυθικόν  durch 
Fabeleien  verhüllte  —  in  der  Weise  der  Verfertiger  von  Stamm- 
i'iamen  römischer  Familien  — ,  und  eine  Entwicklung  ihrer  Sitten 
lud  Cnltar  aus  denen  der  älteren,  einen  Stammbaum  auch  für 
n^.  Das  letztere  giebt  uns  sogar  Servius  (fr.  21)  als  den  alleinigen 
ehalt  unserer  vier  Bücher  an:  m  quibtis  dicit,  quid  α  qtMque 
^axerifU  gente  per  imitcUionern .  Kräh  η  er  (De  Varron.  antiq,  libris 
.  10),    Ritscbl  {Optisc.  111  446  f.)    n.  A.    haben  ihm    zwar  eine 

^  Die  Idee  der  vier  Weltreiche,  die  damals  schon  aufgetaucht  war 
.  C.  Trieber  Hermes  XXVII  S.  321—344),  scheint  er  mit  Stillschweigen 
»Hirgangen   zu  haben;    sie  passte  nicht  in  das  System  dieses  Werkes. 

Übeln.  Uv».  f.  FiiUol.  N.  F.  LYII.  IG 


242  Peter 

Verweohslang  mit  De  uita  popuU  Romani  schuld  gegeben,  aber 
mit  Recht  haben  ihn  von  diesem  Vorwurf  Mercklin  Philol.  III271 
und  Kettner  De  uita  p.  R.  p.  25  u.  Varron.  Stud.  S.  60  wieder 
freigesprochen.  Dass  sich  die  beiden  Werke,  von  denen  das  eine 
unmittelbar  nach  dem  anderen  verfasst  worden  ist,  das  erstere 
das  private,  das  andere  das  öfiPentliche  Leben  behandelte,  im  In- 
halt mehrfach  deckten,  darf  bei  Yarro  nicht  auffallen.  Der  Ge- 
danke war  ihm  durch  den  Geist  der  Zeit  eingegeben.  In  den 
litterarischen  Kreisen  wurde  damals  das  Verhältniss  der  Bömer 
zu  den  Griechen  eifrig  erörtert  und  auf  die  Frage  zugespitzt,  ob 
sie  zu  den  €ύρ€ταΙ  oder  Σηλιυται  zu  rechnen  seiend  Cicero  in 
den  Tusculanen  (geschrieben  45  u.  44)  vermittelt  (I  1,  1):  meum 
semper  iudidum  fuit  onrnia  nostros  aut  inuenisse  per  se  sapientm 
quam  Graecos  aut  accepta  (ώ  Ulis  fecisse  meliora^  quae  quidem  digna 
$t(ituissenty  in  quibus  eläborarent.  Die  unbefangenen  GriecheD 
hatten  seit  Polybins  die  Abhängigkeit  der  Römer  von  anderen 
Völkern  erkannt,  aber  voll  Bewunderung  auch  die  Kunst,  mit 
der  sie  das  von  anderen  Entlehnte  ihrem  Wesen  anzupassen  nnd 
zu  bessern  verstanden;  dies  war  auch  der  Gesichtspunkt,  von 
dem  aus  Posidonins  die  römische  Geschichte  behandelte,  und 
nach  seinem  Vorgang,  schon  von  seinem  Lehrer  Aelius  Stilo  an- 
geregt, Varro.  Dartiber  kann  nach  den  Untersuchungen  Wend- 
lings  kein  Zweifel  sein.  Die  Anlage  des  Werkes  De  gente  p.  R- 
brachte  es  mit  sich,  dass  er  sich  in  der  Schilderung  des  Römiscben 
kurz  fassen  konnte.  Da  das  zweite  Buch  mit  dem  Trojanischen 
Krieg  schloss,  wird  das  dritte  bis  zur  Gründung  Roms  gereicht 
haben,  und  es  blieb  so  für  dieses  selbst  nur  das  vierte  übrig; 
doch  konnte  dies  genügen,  wenn  er  es  schon  vorher  bei  den 
Mustern  anderer  Völker  immer  im  Auge  gehabt  hatte,  zumal  da 
er  in  den  Antiquitatee  rerum  humanarum  sich  schon  ausführlich 
mit  der  Urgeschichte  des  römischen  Volkes  beschäftigt  hatte 
(Ritschi  Opusc,  III  S.  446  f.).  Die  Fortführung  der  Chronologie 
konnte  er  aber  nicht  einfach  fallen  lassen ;  wurde  doch  von  dem 
römischen  Aberglauben  gewissen  Zahlenunterschieden  in  den  Jahren 
besonderer  Werth  beigemessen;  so  hatte  P.  Cornelius  Lentulus 
den  Allobrogern,  um  sie  für  die  Verschwörung  zu  gewinnen,  vor- 
geredet, das  Jahr  63  sei  das  des  Untergangs  der  Hauptstadt  und 
des  Reichs  als  das  zehnte  nach  der  Freisprechung  der  Vestalinnen 


1  S.  hierüber  und  über  das  folgende  E.  Wendung  'Zu  Posidonius 
und  Varro'  Herrn.  XXVHI  S.  835-353. 


Die  Epochen  in  Varros  Werk  De  }?ente  popali  Roniani        243 

und    dae    zwanzigste    nach    dem    Brande    dee    Capitole   (Cio.    in 
Catil.  ΠΤ  4,  9). 

Yarro  war   für  die    damalige  Zeit  ein  Grelehrter,    auch  ale 
Chronolog.     GenBorin  rühmt  (s.  ob.  S.  232),    daee    er  durch  den 
Vergleich  mit  der  Chronographie  anderer  Staaten  und  durch  Be- 
rechnung der    früheren  Finetemisse    in  die  Zeit    nach  der  ereten 
Olympiade    volles  Licht   gebracht    (vgl.  Plut.  Rom.  12)  und  die 
Ereignieae  nicht  nur  nach  Jahren,  sondern  sogar  nach  Tagen  be* 
rechnet   habe ;    Arnobius  (fr.  7)  spricht  von  curiosae  computationes, 
durch    die    er    den  Zeitraum   von   der  Deukalionischen  Fluth  bis 
znm  CoDsulat   des  Hirtius  und  Pansa  gemessen  habe;    unter  den 
Gebieten, '  durch    deren  Eröffnung   er    sich   um  die  Urgeschichte 
Roms  verdient  gemacht  habe,  zählt  Cicero  im  J.  45  in  den  ihm 
gewidmeten  Academica  an   erster  Stelle  auf  ^aefatem  patriae^   de- 
scriptiones  temportan   (13,9).    Es  thut  dieser  Anerkennung  weder 
Eintrag,     dass  er  die    dazu    erforderlichen   astronomischen  Kennt- 
nisfle  nicht  besessen  und  die  Rechnungen   nicht  selbst  ausgeführt 
bat,  noch    dans  die  Ergebnisse  mit  dem  Aufwand  von  Gelehrsam- 
keit in    keinem    rechten  Verhältniss    standen.     Er   hat   jedenfalls 
den  allein     richtigen  Weg   eingeschlagen,    indem  er    sich  an  den 
auch  Cicero   befreundeten  L.  Tarutiue  wandte  als  ^m  primis  ΟΗσΙ" 
daicis  rationibus  eruditus   (Cic.  de  diuin.  Π  47,  98)  ^     Die  Ein- 
•eitigkeit^  mit  der  dieser  von  seiner  Wissenschaft  Gebrauch  machte, 
dürfen    wir  Yarro   nicht  zur  Last  legen;    sein  Einfall,    von  den 
Tbaten  dee  ßomulus  auf  die  Nativität  zu  schliessen  mag  damals 
Staunen  erregt   haben. 

Es  fehlen  uns,  wie  gesagt,  genaue  Zeugnisse  über  das  System 
der  römischen  Chronologie  Varros  seit  der  Gründung.  Wir 
vieeen  jedoch,  dass  er  in  den  Antiquitates  rerum  humanarum,  die 
tr  kurz  vorher  nach  mehrjähriger  Arbeit  abgeschlossen  hatte, 
^tcbs  Bücher  den  Zeiten  und  von  ihnen  wieder  eins  den  Saecula 
gewidmet  hat  (Gruppe  Herrn.  X  8.  52  f.).  Trotz  der  politischen 
Erregung  möeeen  diese  nach  dem  Tode  Cäsars  über  die  litterari- 
acfaen  Kreise  hinaus  ein  lebhaftes  Interesse  auf  sieb  gezogen  haben. 
Wie  Octavian  einen  Kometen,  der  während  der  seinem 
Adoptivvater  zu  Ehren  vom  20. — 30.  Juli  noch  im  J.  44  ge- 
feierten Spiele    am  Himmel    erschien    und    sieben  Tage    sichtbar 

'  Auch  von  späteren  Generationen  wurde  er  iierühmt:  έτοΑρος 
ούτοο  (Varronis)  φιλόσοφος  μέν  Αλλως  καΐ  μαθηματικός,  άπτόμενος  δέ 
ίής  π€ρΙ  τόν  πίνακα  μ€θό6ου  θ€ωρ(ας  ^ν€κα  καΐ  δοκών  έν  αυτή  περιττός 
civai  Plut-  Rom-    12.  maihematicorum  nohilissimus  Solin  1,  1*3. 


244  Peter 

blieb,  zur  Festigung  seiner  Stellung  benutzte,    indem  er  ihn  als 
Zeichen  der  Erhebung  dee  Ermordeten  unter  die  Götter  deutete, 
ist  bekannt.     Zugleich    aber  prophezeite  der  Haruepex  Vulcatiüs 
aus  ihm  die  Wende  Vom  9.  zum  10.  eaeculum* ;  dies  hat  Augustas 
selbst  in  seiner  Lebensbeschreibung  der  Ueberliefernng  für  werth 
gehalten,  mit  dem  Znsatz  (Sem.  z.  Verg.  ecl.  9,  4β,  fr.  5  p.  253), 
dass  der  Weissager  erklärt  habe,    er  werde  sofort  sterben,   veil 
er  dies  Geheimniss  wider  den  Willen  der  Götter  verrathen  habe, 
und  sei    auch    während   des  Sprechens    todt  niedergesunken.    So 
hatte  also  Varro    genügende  Veranlassung    den  Stoff  neu  zu  be- 
handeln und  seine  Mitbürger  zu  belehren. 

Die  Hauptschwierigkeit  mnsste  für  ihn  sein,  zu  den  griechi- 
schen Si  byllinischen   Büchern    und    zu    dem  Einfluss    der 
etruskischen  Weissagung  Stellung  zu  nehmen.     Die  letztere 
befristete  das  erste  Saeculum  einer  Stadt  oder  eines  Staates  von 
der  Lebensdauer    des  am    längsten    lebenden  unter    den  am  Tag 
der  Gründung    geborenen  Einwohnern,    das  zweite    von  den    seit 
dessen  Tod    am   längsten    lebenden    usw.     Die  Götter  selbst  be- 
zeichneten   die    für  Menschen  schwer  sichtbaren    Grenzen  durcb 
^portefita\  die  Haruspices  beobachteten  diese  sorgfältig,  zeichneten 
sie  auf,  und   so  hatten  die  ersten  vier   etruskischen  Saecnla  eine 
Dauer  von  400  Jahren  gehabt,    das  fünfte  von  123,  das  sechste 
und  siebente  von  je  119;    im  8.   stand  man  zu  Varros  Zeit,    wie 
Censorin,  dem  wir  diese  Nachrichten  verdanken  (17,  5  f.),  unter 

I 

ausdrücklicher  Berufung  auf  ihn  berichtet;  noch  ein  neuntes  und 
zehntes,  sagt  er,  sei  dem  etruskischen  Volke  beschieden. 

In  Rom  tritt  uns  dieser  Begriff  zuerst  in  den  ludi  saecu- 
lares    entgegen,    die  nach  Varro    in    seiner  Schrift  De  scaenkis 

I 

origintbus  (Censor.  17,  8)  zuerst  im  J.  249/505  infolge  vielen 
'portenta  und  Blitzschläge  und  nach  Befragung  der  Sibylliniecbeq 
Bücher  von  Staatswegen  zu  Ehren  des  Dis  und  der  Proserpin^ 
eingesetzt  wurden  mit  der  Bestimmung  der  jedesmaligen  Wieder! 
holung  der  Feier  nach  hundert  Jahren;  146/608  ist  diese  wirk! 
lieh  auch,  wenngleich  um  drei  Jahre  verschoben,  erfolgt  (^^ 
Mommsen  Chroncl.  S.  180  f.  und  auch  Soltau  Böm,  C%rofiol 
Ö.  386  ff.),  seitdem  aber  in  Vergessenheit  gerathen  (Suet.  Aug.  3) 
Claud.  21);  in  dem  fälligen  Jahr  49/705  mit  seinen  politische 
Wirren  hat  niemand  daran  gedacht.  Geblieben  ist  seitdem  at 
die  Dauer  nur  die  offizielle  Aufzeichnung  der  Wunder  (Bernau 
Gts.  Äbhandl.  11  S.  307  f.),  angeregt  durch  ihre  Verbindung  m 
den    Saecttla.     Daneben    aber    hat   Mommsen    {Chrofi,  S.    175   fl 


Die  £pocheD  in  Varroe  Werk  De  gente  populi  Romaoi        245 

oocb  eine  asdere  Säcularfeier  aufgefunden,  die  in  der  fiinschlagung 
eines  Nagele  durch  den  höcheten  Beamten  der  Bepublik  in  die 
Wand  des  der  Minerva  geweihten  Tbeile  des  Tempels  des  Capito• 
linischen  Juppiter  bestand,  nach  seiner  Vermuthung  infolge  einer 
grossen  Pest  im  J.  463/291  eingeführt  war  und  für  die  J.  363/391 
und  263/491  bezeugt  ist.  Betreifs  der  letzteren  bezieht  sich  der 
Antiquar  Cinciue  bei  Livius  ΥΏΙ  3,  7  (s.  Relliq.  I  p.  CX  sqq.) 
aaf  eine  ähnliche  Sitte  in  dem  etruskischen  Volsinii,  die  ersteren 
BoUen  von  den  SibjHinischen  Büchern  angeordoet  worden  sein 
(Censor.  17,  8).  Die  Beeinflussung  der  Homer  durch  die  etrus- 
iische  Hemspicin  ist  uralt  und  erstreckt  sich  bis  in  das  letzte 
Jahrhundert  der  Republik  hinein.  Sowohl  im  J.  44  gab  ein 
etruskischer  Baruspex  über  das  erwähnte  Himmelszeichen  Bescheid, 
als  im  J.  88/6665  nachdem  unter  anderen  Wundern  ein  lauter, 
klagender  Trompetenton  bei  wolkenlosem,  klarem  Himmel  allge- 
mein Angst  hervorgerufen  hatte,  sodass  der  Senat  die  'angesehen- 
eten  Etrueker,  die  mehr  als  die  übrigen  zu  wiesen  glaubten',  be- 
fragte (Plut.  Sulla  7j.  Auch  diesmal  ging  ihre  Deutung  auf  eine 
Wende  der  Saecula. 

Für  die  Chronologie  war  dies  physische,  in  der  Zahl  der 
Jahre  wechselnde  Saeculum,  das  s.  uertens  oder  naturale^  nicht 
ZQ  brauchen  ^,  und  je  weitere  Zeiträume  die  Bömer  zu  überblicken 
sich  gewöhnten,  desto  mehr  mueste  sich  das  Bedürfniss  eines 
juristischen  mit  bestimmten  Zahlen  aufdrängen,  also  die  längste 
Lebenszeit  ein  für  allemal  festzulegen.  In  der  Geschichtschreibung 
hat  der  Consal  des  J.  133/621  L.  Calpurnius  Piso  zuerst,  so 
viel  wir  wiesen,  von  einem  solchen  saeculum  zu  100  Jahren  ge- 
sprochen (fr.  36  Bell.  I  p.  135;  s.  übr.  Unger  in  diesem  Mus. 
XXXV  S.  33  f.)y  im  öffentlichen  Leben  haben  die  Sibyllinischen 
Bücher  eingeg^riffen. 

Zu  diesem  Nachweis  müssen  wir  etwas  weiter  ausholen  und 
xaoächet  die  oben  citierte  PlutarchRtelle  schärfer  ins  Auge  fassen. 
Jene  angesehenen  Tusker  fügten  nämlich  ihrer  Deutung  die  Er- 
klärung hinzu,  dass  es  im  ganzen  acht  nach  Lebensweise  und 
Sitten  verschiedene  Geschlechter  (τ^νη)  gebe  und  dass  jedem  von 
dem  Gott  eine  Zahl  von  Zeiten  bestimmt  sei,  die  sich  in  dem 
Umlauf  eines  grossen  Jahres  vollende  (συμπεραινόμενον  ένιαυ- 
τού  μεγάλου   ττεριόοψ).     Wenn    dieser    (die  περίοδος)    ein  Ende 


1  Censor.  17,  13  nostri  maiores  fkUurak  scieciäum  quanhtm  esset 

ainan    ni»M    hübebatU. 


exploratum  non  habebant. 


246  Peter 

habe,    βο  werde  von  der  Erde  oder  vom  Himmel   aus  irgend  ein 
Zeichen  in  Bewegung  gesetzt,  damit  es  den  Sachkundigen  sogleich 
offenbar  sei,  dass  Menschen  mit  anderen  Sitten  nnd  Lebensweisen 
geboren    seien,    die  den  Göttern    mehr  oder    weniger  am  Herzen 
liegen  würden  als  ihre  Vorgänger ;  ganz  besonders  gebe  sich  dieeei 
Wechsel  auch  kund  in  der  Weissagekunst,  die  in  dem  einen  Ge- 
schlecht wegen  der  klaren  und  deutlichen  Götterzeichen  hoch   in 
Ehren  stehe,  in  einem  anderen  bei  unsicheren  und  dunkelen  sich 
aufs  Eathen    legen  müsse    und  deshalb  nur  geringes  Ansehn  ge• 
niesse.     Die  Weisheit  geht  auf  Yarro  zurück,  wie  das  Fragment 
^De  saeculis:  auditum  sonum  ivhae  de  caelo*  bei  Servius  z.  Aen.  VIII 
526  beweist;  aber  sie  ist  getrübt.     Klarer  fliesst  die  Qnelle  bei 
Censorinus  ( 1 7, 6,  s.  ob.  S.  244).  Plutarch  hat  erstens  miseverstandeii, 
dass    im    J.  88  das    8.  Saculum    von    10    angebrochen    sei,    das 
'beinah   letzte',    wie  es  in    der  Weissagung   der  Vegoia    (in  den 
Gromat.  uet.  p.  350  L.)  heisst  (Mommsen  Chrmu  S.  189  f.),   und 
namentlich   nicht  römische  und  etruskische  Saecula   getrennt,    die 
je    nach    dem   Volke    verschieden    gerechnet    wurden^.     Freilich 
tritt  diese  Verkündigung   in  Widerspruch  mit  der  des  Vnlcatiiie, 
wenn    wir    die  Beziehung    auf  Etrurien    bei  Plutarch    ergänzen; 
denn  schon  44  Jahre  später  läset   die  letztere  das  10.  Saeculum 
beginnen,    sodass    das    8.  und  9.    durchschnittlich    nur   22  Jabre 
gedauert    hatte,     während    die    vorausgehenden    durch achnittlich 
108^7,  keine  unter  100.    Doch  darf  uns  dieses  nicht  beanrnbigen 
(Mommsen  Chron,  190);    wir  erkennen  vielmehr  daraus,    welcher 
Schwindel  damals  in  Rom  mit  Wunderzeichen  und  den  etruekischei^ 
Prophezeiungen   getrieben    wurde  und    wie   diese    nach    Belieben 
auf  Etrurien  und  Rom  gedeutet  wurden. 

Nun  musste  sich  unter  solchen  Verhältnissen,  da  die  etmgl 
kischen  Saecula  von  einem  bestimmten  Anfang  aus  berechne 
wurden  Cquo  die  urbes  atque  ciuitates  constituereniur  Censor.  17  5 
das  gleiche  Bedürfniss  nach  einem  Anfang  auch  in  Rom  aui 
bilden;  schon  Valerius  Antias  (fr.  22  Reih  1  247)  nannte  ier 
Säcularspiele  von  249/505  die  dritten  und  weiss  von  zwei  ältere 
in  den  vorausgehenden  zwei  Jahrhunderten  (Gens.  17, 10.  Zoeim.  llj 


^  quot    numero   saecula   ei   genti   data    sint   Gens.  aaO.       V>^tc 
fallen   alle  Vermuthungen  A.  Mommeens    (Die  Saecula    der    ^Etruski 
in  diesem  Mue.  XII  S.  539—550)  in   eich  zusammen,   die  von   dem  fi 
sehen  Satz  ausgehn,   dass  alle  etraskischen  Zeichen  und  Wnuder 
Rom  betrofiTen  hätten. 


Die  Epochen  in  Varroe  Werk  De  gente  populi  Bomani        247 

vgl.  Festas  β.  η.  saec.  ludi  p.  329).  Bis  xur  Gründung  der 
Stadt  wagte  er  aber  nicht  znrückzugehn ;  dieser  Vereuch  ist  erst 
im  J.  88/666  j^emacht  worden.  Nach  dem  Grtindnngejahr  des 
Fabine  Pictor  waren  damals  660  Jahre  verflossen,  der  Krieg  mit 
den  Bnndesgenoesen  und  der  eben  entbrennende  zwischen  Marine 
und  Snila  hatten  die  Gemtither  genugsam  aufgeregt,  um  fUr 
Bimmelszeichen  und  Sühnfeste  empfänglich  zu  sein:  damals  ent- 
stand das  von  Ffalegon  und  Zosimus  überlieferte  Sibyllenorakel, 
das  von  dem  ereteren  ausdrücklich  in  seinen  einleitenden  Worten 
(Macrob.  p.  91  Keller,  p.  133  in  den  SibylHnischen  Blättern 
7on  Diele)  in  den  Bundesgenossen  krieg  verlegt  wird.  Aber  auch 
obne  dies  würden  die  zwei  letzten  Verse 

καί  σοι  πάσα  χθων '  Ιταλή  κοί  πασά  Λατίνων 
aUv  υπό  σκήπτροισιν  έπαυχίνιον  ίυγόν  ΙΗι 
1IQ8  dahinführen ;  unrichtig  beziehen  Diels  (aO.  S.  14)  und  Gardt- 
baaeen  (Augusius  I  S.  1011  II  625)  das  Orakel  auf  die  Säcular- 
spiele  des  Äagoetus;  auch  Mommsens  Datierung  {^Ephem,  epigr. 
yni  p.  235)  der  Abfassung  im  Jahr  126/628  ist  weniger  be- 
gründet. Gewiss  hat  es  Aenderungen  und  Einschiebungen  nament- 
lich wegen  der  von  Angustus  angeordneten  neuen  Opfer  erfahren, 
die  Yermengniig  jüngerer  und  älterer  Verse  ist  Diele  (aO.  S.  15) 
nicht  entgangen.  Für  den  Kern  aber  hat  Bergk  (Monum.  Aneyr, 
p.  76)  mit  dem  Jahr  88  unzweifelhaft  das  Richtige  getroffen. 
Die  Befragung  der  ^libri  fatales  im  nächsten  Jahr  berichtet 
&raniu8  p.  23,  2  Bonn.;  damals  wurde  beschlossen  sie  öffentlich 
vorzulesen;  sie  verhiessen  Ruhe  und  Frieden,  wenn  Cinna  und 
»eebs  Tribunen   aus  dem  Yaterlande  vertrieben  würden. 

Die  Sibyllinischen  Bücher  waren  nicht  nur  in  griechischer 
Sprache  verfaeet,  auch  die  Bräuche,  die  sie  vorschrieben,  waren 
griechisch  (v.  16  des  ersten  Orakels  παΐοας  δ(Τας  πάρος  είπα 
Käeu'  λχακΤτι  τάο'  ipb€iv)  und  wurden  als  solche  von  den 
itömern  empfanden:  et  no8  dicimus  XV  uiros  Graeco  ritUj  non 
I^omano  facere^  Varro  de  1.  1.  ΥΠ  88;  andere  Stellen  s.  bei 
Uelg  aO.  S.  5Γ>  f.  So  ist  denn  auch  in  dem  Säcularorakel  die 
^udehnung  des  Saecnlum  auf  110  Jahre  anstatt  der  römischen 
10()  griechisch,     vielleicht    ursprünglich    ägyptisch    (Gardthausen 

1  620): 

Άλλ'  όπότ'  δν  μήκιστος  kq  χρόνος  άνθρώποισι 
2:ιιιής,  εΙς  έτέιυν  εκατόν  5έκα  κύκλον  obeuujv, 
μεμνήιτθσι  *  Ρωμαίε  —  τάδε  πάντα  κτλ.  (ν.  1  ff.). 

{mpfohlen  wurde   sie  durch  die  Einladung  des  Herolde  zu  Spielen, 


248  Peter  ^ 

^die    keiner  geeebn    habe   noch    sehen    werde'    fSaet.    Cland.  21. 
Mommeen   Chronöl.  S.  182  f.) ;    durch    häufigeres    Ueberechreiten 
einer  Lebensdauer   von    100  Jahren^    sollte  sie    nicht   lächerlich 
werden.      Von    der    Palingeneeie    findet    sich    allerdings   in    dem 
Orakel  keine  Spur  —  auch    dies  ist    ein  Beweis   für    das  Alter, 
wenn    es     eines     solchen     noch     bedurfte;    erst    in    der    vierten 
Ecloge  Virgils  an  seinen  GrÖnner  Asinius  PoHio,  also  im  J.  40/714 
tritt  sie  uns  in  der  Sibyllinisohen  Weissagung  entgegen: 
Vltitna  Cumaei  uenit  tarn  carminis  aetas; 
magnus  ab  integro  saeclorum  )mscitttr  ordo, 
tarn  redit  et   Virgo,  redennt  Saturnia  regna^ 
tarn  noua  progetties  caelo  demittiiur  alto,  (4 — 7.) 
wozu  Probus  (p.  9  K.)  bemerkt:  Cumaei  carminis  ud  α  Sibyüa, 
qitod  Oumafna  et  post  quattuor  saecula  παλιττ€ν€σίαν  ftUuram  cecinit 
uel  eqs. 

Diese  Neuerung  kann  nur  auf  die  eben  erschienenen  vier 
Bücher  Oe  gefife  populi  Romani  geschoben  werden ;  von  Yirgil 
kann  sie  keinesfalls  herrühren.  Varro»  soweit  nicht  scbon  Kaittor, 
hat  mit  den  griechischen  Sibyllenorakeln  zugleich  die  Palingeneeie, 
die  zwar  auch  in  die  etruskische  Lehre  eingedrungen  war,  wenn 
die  üeberlieferung  nicht  Verschiedenes  durch  einander  geworfen 
hat,  aber  doch  griechischen  Ursprungs  war,  und  den  etruskiscben 
Glauben  von  der  Kundgebung  des  Endes  der  Saecula  durch  Natur- 
erscheinungen zusammengearbeitet,  obwohl  ein  solches  Eintreten 
der  Götter  mit  der  Fixierung  der  Zahl  unnöthig  geworden  war, 
und  so  die  Vorstellung  von  der  Wiederkehr  besserer  und  glück- 
licherer Zeiten  nach  einer  gewissen  Reihe  von  Jahren  vorbereitet, 
die  Virgil  dichterisch  weiter  ausgeschmückt  hat;  die  BezeichDung 
von  (4)  Weltaltern  nach  Metallen,  des  glücklichsten  als  aurea 
aetas  unter  der  Herrschaft  des  Saturn,  und  die  Flucht  der'Virgo 
aus  dem  heruntergekommenen  Menschengeschlecht  (vgl.  Hont, 
carm.  saec.  57  ff.)  rührt  schon  von  Hesiod  her^.  Unzweifelhaft 
hat  die  Zahl  110  auf  Varros  ganze  ältere  Chronographie  einen 
entscheidenden  Einfluss  ausgeübt;  110  Jahre  mit  der  für  die  Pjtha- 


*  Servius  z.  Aen.  IV  653  bezeichnet  120  Jahre  als  die  höchst- 
mögliche Lebensdauer,  bei  Anderen  bewegt  eich  die  höchste  erreichte 
zwischen  110  und  120,  vgl.  Pliu.  n.  h.  VII  156  ff.  Cens.  17,  4  ff.  Cicero 
Cato  m.  16,  69. 

'S.  E.  Graf  Ad  aureae  aetatis  fabtdam  symbola  p.  6  ff.  H2. 
47  ff. 


Die  Epocheu  iu  Yarros  Werk  De  gente  populi  Romaoi        249 

goreer  and  ihn  wichtigen  4'  multiplioiert  ergeben  die  440  Jahre, 
die  die  Genethliaci  für  eine  Periode  der  Menschheit  heranege- 
rechoet  hatten.  Dae  erste  Mal  wird  sie  bis  auf  wenige  Personen 
durch  die  Ogygische  Fluth  vemicbtet,  das  zweite  Mal  nach  440 
Jahren  dnrch  die  des  Deukalion;  ein  neues  Zeitalter  eröffnet  der 
Trojanische  Krieg,  die  Ursache  der  Uebersiedelnng  des  Aeneas 
nach  Italien,  das  nächste  die  Gründung  Borns,  dessen  Bestehn 
schon  weit  in  die  zweite  Periode  hineinreicht.  So  stellte  er, 
lodern  er  die  νοΏ  den  Griechen  ans  7  Menschengeschlechtern 
(d.h.  7X63)  herausgerechnete  Zahl  440  nach  römisch-etruskiscber 
Toretellnng  in  4  Saecula  zu  je  110  Jahren  zerlegte,  ein  sich 
durch  die  älteste  Geschichte  bis  in  die  römische  hinein  schlingen- 
des Band  her  und  verlieh  ihm  von  Born  aus  eine  göttliche  Weihe. 
Vor  Prophezeiungen  wird  eich  Yarro  bei  der  im  J.  43  doppelt 
noth wendigen  Voreicht  gehütet  haben,  beschäftigt  aber  hat  er 
sich  schon  im  18.  Buch  der  Antiquitatee  r.  hum.  mit  der  Frage 
nach  den  für  Born  bestimmten  Saecula ;  dort  hatte  er  die  Meinung 
eines  gewissen  Yettius  ^in  augurio  non  ignobüis^  mitgetheilt,  dass 
es,  wenn  die  Erzählung  der  Historiker  von  den  12  (dem  Bomulus 
erschienenen)  Geiern  richtig  sei,  es  bis  auf  1200  Jahre  bringen 
werde,  nachdem  es  einmal  über  120  Jahre  glücklich  herüberge- 
kommen sei  (Gens.  17,  15). 

Auch  ane  der  Yer breitung  der  Yorstellung  von  der  Wieder- 
kehr eines  neuen  Zeitalters  dürfen  wir  darauf  schliessen, 
dass  sie  von  einer  gewichtigen  Autorität  getragen  worden  ist. 
Virgil  hatte  den  Glauben  an  sie  nicht  verloren,  obwohl  ihn  die 
ia  J.  40  aasgesprochene  Hoffnung  getäuscht  hatte.  Wie  er  in  der 
Ecloge  von  dem  Ende  der  ferrea  und  dem  Beginn  der  aurea  aetas 
gesungen  hatte,  so  prophezeit  in  derAeneis  (YI  791  ff.)  Anchises 
dem  von  der  Sibylle  in  die  Unterwelt  geleiteten  Sohn  von 
AagustuB  Cäsar  *diu%  genus  :  ^aurea  condet  saecula^  gut  rur- 
^  Lotio  regnata  per  arua  Saturno  quondam\  Namentlich  aber 
litt  es  dieser  selbst  verstanden,  sich  die  von  Yarro  geechichtlich 
i^e^ründete  and  auf  ein  bestimmtes  Ziel  gerichtete  Sehnsucht 
Kiner  Bomer  nach  einer  besseren  Zeit  zu  nutze  zu  machen. 

Gemäss  seiner  Politik  knüpfte  Augnstus  äusserlich  an  Altes 
A;  seine  im  J.  17/737  veranstalteten  Säcularspiele  sollten 
rfihere  fortsetzen.    Die  im  J.  49/705   fällig  gewesenen  konnte  er 


^  Vgl.  de  1.  1.  Υ  12   omnia  sunt  quadripertita;   daher  auch   die 
Bücher  De  gemie  p»  B• 


250  Peter 

jedoch  nicht  brauchen;  er  hätte  eo  die  Erinnerung  an  die  Bürger- 
kriege wachgerufen.  Er  wollte  auch  nicht  die  nnterirdiechen 
Götter  und  damit  die  zu  Ende  gehende  Zeit  feiern»  an  die  nar 
die  das  Feetlied  singenden  8X9  Knaben  und  M&dohen  erinnern, 
also  die  bei  allen  den  Zorn  der  unterirdischen  abwendenden 
Stihnfesten  übliche  Zahl  (Diels  S.  38  ff.,  bes.  43  ff.),  vielmehr 
von  ihr  ab  in  die  goldene  Znkunft  den  Blick  lenken  und  setzte 
daher  Heil  und  Segen  spendende  Lichtgottheiten  für  jene  ein 
(Mommsen  Ephem.  ep,  YUI  p.  237).  Neu  war  femer  die  Uebertn- 
gung  der  von  Varro  für  die  Weltgeschichte  erwiesenen  sibyllinisohen 
Periode  von  110  Jahren  auf  die  Säcularspiele,  von  ihm  ange- 
deutet durch  den  Zug  der  110  Matronen,  proclamiert  durch  den 
Festdichter  (v.  21)  cerius  undenos  deciens  per  annos  orbis  ut 
cantiAS  referatque  ludoSy  bestätigt  durch  die  Acta  (Z.  25,  Eph.  ep. 
VIII  p.  228)  8]acrificium  saeculare  ludosgue^  gut  ceniensimo  et 
d[ecimo  anno  recurrunt].  Nach  Zosimue  (Π  4,  2)  hatte  ihm  die 
Bräuche  der  damals  noch  junge  Ateius  Gapito  als  Kenner  des 
Pontificalrechts  dargelegt  und  erklärt  (und  wohl  auch  nach  des 
Kaisers  Idee  zu  recht  gemacht),  die  Zeit  die  mit  der  Aufeichi 
über  die  Sibyllinischen  Bücher  betraute  Priesterschaft  ermittelt, 
die  schon  im  Jahre  vorher  auf  seinen  Befehl  die  schwer  leserlich 
gewordenen  Bücher  neu  abgeschrieben  hatte;  'damit  kein  Anderer 
sie  lese,  giebt  Cassius  Dio,  dem  wir  diese  Nachricht  verdanken 
(54,  17,  2),  als  Grund  an;  die  wahre  Absicht  war  natürlich  die, 
frei  mit  ihnen  schalten  zu  können.  So  wurden  bei  dieser  Ge- 
legenheit unter  Benutzung  von  Hausfeiern  des  Yalerischen  Ge- 
schlechts für  die  Jahre  456/298,  346/408,  236/518  und  126/628, 
also  für  einen  Zeitraum  von  440  Jahren  von  17/737  an  zurück 
Säcularspiele  in  die  SibjUinischen  Akten  gefälscht,  wie  Mommsen 
{Chronol.  185  f.)  erkannt  hat.  Dass,  worauf  Gardthausen 
{Augustus  l  1010.  Π  624)  grossen  Werth  legt,  ein  neuer  Komet 
im  J.  17  den  Kaiser  bestimmt  habe,  die  schon  früher  begonnenen 
Vorbereitungen  rasch  abzuschliessen,  hat  mich  nicht  überzeugen 
können.  Er  wird  bei  der  Wahl  des  Jahres  seine  besonderen 
Gründe  im  Auge  gehabt  haben  (Hirschfeld  Wiener  Stud.  ΠΙ  104), 
das  Ende  einer  zehnjährigen  Regierung,  die  Geburt  des  Lucius 
Caesar  und  die  Adoption  der  beiden  Enkel,  äusserlich  brachte  er 
das  Fest  mit  dem  Kometen  des  Jahres  44  in  Verbindung.  Dies 
erweisen  deutlich  zwischen  den  Jahren  17/737  und  15/739  ge- 
schlagene Münzen  des  M.  Sanquinius  mit  der  Erwähnung  der 
Ludi  saeculares  auf  der  einen,  des  Kometen  des  Dinus  lulius  auf 


Die  Epochen  in  Varros  Werk  De  gente  populi  Roman!        251 

der  anderen  Seite,  und  wenn  andere  Eometenmtinzen  aue  den 
Jahren  17  und  16  neben  den  Spielen  den  Namen  des  Aagnetna 
nennen,  so  dürfen  wir  ans  jenen  und  ans  Münzen  mit  dem  Kopf 
des  Diaas  Inline  und  einem  Stern  darüber  anch  hier  anf  den 
Komelen  des  Jahres  44  schliessen^ 

Angnetns  hat  in  Domitian  nnd  Septimins  Severns  Nachfolger 
fiir  seine  Rechnung  gefunden,  während  Claudius,  Antoninus  Pins 
Qod  die  Philipper  den  Schluss  der  Jahrhunderte  der  Stadt  ge- 
feiert haben.  Für  beide  Feiern  hat  Yarro  den  G-rund  gelegt  oder 
wenigstens  verstärkt;  für  die  letztere,  indem  er  dem  willkürlichen 
Hin-  und  Herrechnen  der  Griechen  ein  Ende  machte  und  durch 
seine  Autorität  ein  bestimmtes  Gründuugsjahr  (oder  zwei  an  ein- 
ander grenzende)  zu  allgemeiner  Anerkennung  brachte,  sodass 
überhaupt  erst  eine  officielle  Feier  möglieb  wurde ;  für  die  erstere 
dadurch,  dass  er  die  von  den  Griechen  durch  Summierung  der 
Geschlechter  geschaffene  Zahl  440  in  Saecula  theilte  und  die  Zahl 
110  mit  der  der  Sibyllinischen  Bücher  verband.  So  hat  er,  zum 
Theil  nach  dem  Vorgange  Kast«>r8,  die  bis  Apollodor  geltende 
Rechnung  mit  Geschlechtern  aus  der  römischen  Litteratur  ver- 
drängt und  der  römischen  Chronologie  das  der  Eigenart  seines 
Volkes  entsprechende  Gepräge  für  die  Zeit  Heiner  Dauer  aufge* 
druckt.  Welche  Marksteine  er  in  der  Geschichte  des  gegründeten 
Rom  angenommen  hat,  darüber  auch  nur  Vermuthungen  auszu- 
sprechen, fehlt  uns  jeder  Anhalt^.  In  der  für  ihn  persönlich 
kritischen  Zeit  des  Jahres  43  wird  er  es  vielleicht  überhaupt 
vermieden  nnd  sich  mit  der  Begistrierung  der  Ansichten  Anderer, 
wie  er  sie  überhaupt  liebte,  begnügt  haben. 

St.  Afra  in  Meissen.  Hermann  Peter. 


1  S.  Gardthansen  aO.  II  S  622  f.  —  Hat  etwa  Angastus  die  Zahl 
der  tingenden  Mädchen  und  Knaben  auch  nur  beibehalten,  um  an  die 
27  seit  dem  Erscheinen  des  Kometen  verstrichenen  Jahre  zu  erinnern, 
wie  an  das  Saecnlum  von  110  Jahren  durch  die  110  Matronen? 

3  Mommsen  Chron.  S.  216  ff.  135  hat  das  von  Dionys  von  Hali- 
kamass  dem  'Senator  L.  Cinoius  (fr.  4)  zagescbriebene  Oründungsjahr 
T29  und  die  daraas  gefolgerte  Länge  der  Königszeit  von  220  Jahren 
mit  dem  100jährigen  Saecnlum  und  so  mit  Augustus  in  Beziehung  ge- 
setzt und  den  L.  Cincins  mit  einem  Philologen  in  der  Zeit  des  Augustus 
identifidert  Der  durch  Biitzschlag  erfolgte  Tod  des  Könige  Tullus 
Hoetiliae  ist  schon  vor  Varro  in  das  J.  110  der  St.  verlegt  worden. 
Mommsen  Chro».  S.  138  f. 


\J 


zu  DER  INSCHRIFT  DER  APHAIA  AUF 

AEGINA 


Die  Schltieee,  zo  denen   M.  Fränkel  in  seiner  Beeprechung 
der  Aphaia-Inechrift  oben  S.  152  —  156  gelangt,    kann  ich  nick 
für  richtig  halten.     Er    glaubt    daraus,   daes   das   Caltlocal   der 
Aphaia  in  der  Inschrift  nicht  ναός,    sondern   οΤκος  genannt  ist 
schliessen  zu    dürfen,    dass  diese  Göttin  nicht  die  Besitzerin  des 
ganzen  Heiligthums    und    damit   des    erhaltenen  Tempele    sovie 
seiner  verlorenen  Vorgänger   war,    sondern    dass  Aphaia  nur  in 
einer  ^d^pendence'  wohnte,  der  Tempel  aber  einer  anderen  GottiD 
gehörte,  und  zwar,  wie  er  aus  Antoninus  Liberalis  40  glaubt  er- 
schliessen  zu  dürfen,  der  Artemis.    Er  geht  dayon  aas,  dase  der 
οΓκος    unserer  Inschrift   völlig   gleicher   Art   sei  wie  jene  Up© 
οΐκίαι,  von  denen   U.  Köhler  in  den  Athen.  Mittheil.  VII  (18821 
373  f.  handelt  und  von  denen  dieser  nachweist,   daee  sie  'zu  dem 
Zwecke  erbaut  waren,  als  Dependenzen  der  dabeistehenden  Tempel 
zu  dienen.*  Also,  schliesst  Fränkel,  da  unser  οΤκος  für  die  Aphm 
gebaut  ist,  gewiss  aber,  wie  er  meint,  nicht  *nur  untergeordnetes 
Zwecken  der  Verwaltung   gedient  haben*   kann,    indem    dageget 
die  ^monumentale  Bekundung'  seiner  Errichtung  spräche,  da  dei 
οΤκος  also  'den  Cult   der  Aphaia    anfnahm\    so    sei   *nothwendi< 
die  Gottheit,    die  im  Tempel  verehrt    wurde,    von    Aphaia    ver 
schieden'  gewesen. 

Fränkel  scheint  hier  gar  nicht  zu  bemerken,  wie  sehr  e 
sich  mit  sich  selbst  in  Widerspruch  gesetzt  hat.  Der  οίκος  de 
Aphaia  ist  nach  ihm  gleich  den  Köhler'schen  lepal  οΐκίαι,  ile 
Dependenzen  der  dabeistehenden  Tempel'.  Allein  diese  warei 
wie  Köhler  des  genaueren  ausführt,  'bestimmt,  heilige  Gegei 
stände,  welche  in  den  Tempeln  oder  sonst  keinen  Platz  fände 
aufzunehmen.  Von  den  Tempeln  unterscheiden  sie  eich  dadurC' 
dass  sie  kein  Cultbild  enthalten  und  keine  Opferhand  Innige  η 
ihnen  vorgenommen  werden'.  So  Köhler;  Beispiele  soloher  okii 
und  οίκοι  in  Heiligthtimem  sind  nach  Köhler'e  Aufsatz  nö< 
mehrere  durch  Inschriften  bekannt   geworden  und    eie    heetatvg 


Zu  der  Inschrift  der  Apbuia  auf  Aegina  253 

«eine  Definition.  In  oder  beim  Heili|?thum  von  Eleneis  waren 
lach  den  Inschriften  Upai  οΐκίαι  als  Wohnungen  für  die  Prie• 
iterinnen  (ΐφημ.  άρχ.  1883,  119,  50  οΐκίαν  τήν  lepov  ου  ή  \έρ€ΐα 
)ίκ€ί;  126,  80  βίς  τάς  \€ράς  οΙκΙας  ταϊς  \€ρ€ίαις).  In  den  Rech- 
nQiigen  τοπ  Deloe  kommen  mehrere  οΤκοι  in  dem  Heiligthnme 
7or,  die  in  die  Kategorie  von  Dependenzen  der  Tempel  gehören, 
wie  der  οΤκος  im  Sarapieion  and  der  neben  dem  Isietempel;  ein 
οίκος  hier  wird  nur  nach  dem  Materiale  ale  der  von  Porös,  einer 
ale  der  der  Andrier  bezeichnet  (Bull,  de  corr.  hell.  1882,  VI, 
29  ff.;  Dittenberger  eyll.«  588  Z.  155.  178.  220.  230);  er  war 
Dffenbar  ein  Theeanros,  wie  denn  Plntarch  (de  Pythiae  orac.  12. 
13  14)  den  Thesanroe  der  Korinthier  nnd  den  der  Akanthier  in 
Delphi  einfach  οΤκος  nennt.  Von  solcher  Art  war  gewiss  auch 
der  οίκος  im  Heiligtham  von  Andania  (Dittenberger  syll. '  653, 
113  €ίς  τόν  οΤκον  τόν  έν  τφ  Ιερψ).  Das  Charakteristische  und 
Wesentliche,  dae  diese  οΓκοι  vom  Tempel  unterscheidet,  ist,  wie 
Köhler  hervorgehoben  hat,  dass  in  ihnen  kein  Cnltos  stattfindet. 
Allein  Fränkel^  obwohl  er  seine  ganzen  Schlüsse  auf  der  ange• 
Bommenen  Identität  des  οΤκος  der  Aphaia  mit  den  von  Köhler 
behandelten  οΐκίαι  und  οΓκοι  aufbaut,  nimmt  gleichwohl  an,  dass 
>ier  äginetische  οΤκος  gebaut  war  zu  dem  Zwecke,  den  'Cultus 
^er  Aphaia  anfznnehmen'  (S.  154),  ja  er  sagt  (S.  155),  der  οίκος 
ιή  'ohne  den  Altar  gar  nicht  denkbar',  er  sei  also  zweifelloser 
Cultraum ;  auf  S.  153  gibt  er  mir  auch  zu,  ich  habe  unzweifel- 
bift  Recht,  wenn  ich  behauptete,  dass  der  Gebrauch  des  Wortes 
3^ος  für  den  Caltraum  einer  Gottheit  durch  Analogieen  zu  be- 
l^xen  sei.  Er  gibt  zn,  dass  die  Inschrift  von  Thisbe  CIG8.  I 
•T33,  wo  ό  οΤκος  καΐ  ό  Διόνυσος,  'eine  Aedicnia  mit  Cnltbild\ 
r^weiht  wird,  ein  zwar  'später,  aber  passender  Beleg*  sei.  Hier 
!iert  der  Widerspruch.  Wenn  der  οΓκος  unserer  Inschrift  den 
^nltraum  der  Apbaia  bedeutet,  dann  ist  es  eben  ein  οίκος  ganz 
iBiJerer  Art  als    die    von  Köhler  besprochenen  οΤκοί  und  οΐκίαι, 

teo  Wesen  darin  besteht,  dass  sie  des  Gultes  entbehren.  Wenn 
nkel  den  äginetiachen  οΤκος  dem  Culte  der  Aphaia  bestimmt 
|b  läset,  dann  sind  alle  seine  Schlüsse  aus  der 'Dependenz - 
|genschaft  jener  ganz  verschiedenen  Köhler*8chen  οΐκίαι,  also 
ff  allem  der  Schluae  auf  eine  von  Aphaia  verschiedene  Besitzerin 
ψ  HeiligthumSy  gänzlich  hinfallig. 

i  Die  von  Köhler  behandelten  Ιεραι  οΐκίαι  sind  von  den 
■mpeln  in  ihrem  Wesen,  da  sie  nicht  dem  Cultus  dienen  nnd 
|in    Cultbild    enthalten,   durchaus  verschiedene   Bauten.     Allein 


254  Furtw&ugler 

der  äginetisohe  οΤκος  der  Äphaia,  wenn  er,  wie  auch  Fräokel 
annimmt,  dem  Cultas  dieser  Göttin  diente,  was  war  er  deiiD 
andere  als  ein  Tempel? 

£e  war  im  Alterthum  ein  häufiger  Fall,  daes  innerhalb 
eines  grösseren  Heiligthnms  sieh  Tempel  befanden,  die  nicht  der 
Hanptgottheit,  nicht  dem  Inhaber  des  ganzen  Heiligthnme,  boq* 
dem  anderen  Gottheiten  gehörten.  Allein  das  regelmässige  Wort 
für  einen  solchen  Tempel  ist  ναός  genan  wie  für  den  Hanpt- 
tempeP.  Dass  οίκος  etwa  der  Aasdrnok  für  einen  Tempel  jener 
Art  wäre,  hat  nie  Jemand  behauptet  und  eine  solche  Behauptung 
wäre  ja  auch  gänzlich  grundlos. 

Also   nach    gewöhnlichem  Gebrauche  mUsste  das  Cultlor&l 
der  Aphaia,  von  dem  auch  nach  Fränkel  in  unserer  Inschrift  die 
Rede  ist,  ναός  heissen.     Der  Ausdruck   οίκος    ist  ungewöbnlicii 
für  ein  Cultlocal;   allein,   wie  auch  Fränkel    zugibt,    durch  Äni- 
logieen  zu  belegen.     Ich  hatte  dabei  erinnert,   dass  auch  οίκημα 
für  einen  dem  Culte  dienenden  Bau,   dh.  Tempel  verwendet  tot- 
kommt,  wie  denn  Pausanias  zB.  das  Erecbtheion  so  nennt.     Fränkel 
weist  gewiss  mit  Recht  darauf  hin,  dass  οίκημα  einen  allgemeinereis 
Begriff  habe,  wie  unser  'Bauwerk';    allein  es  genügt   jener  Ge- 
brauch immerhin  zum  Beweise,  dass  ein  Tempel  nicht  immer  nur 
ναός  genannt  werden  musste,    sondern    dass  dazu  auch  eine  τοη 
οίκεΐν    abgeleitete    allgemeinere  Bezeichnung    verwendet    werden 
konnte.    Uebrigens  hatte  ja,  ebenso  wie  οΤκος  nicht  immer  einen 
cultiosen,    sondern  auch  einen  Cultranm  bezeichnet,    auch    ναό^ 
nicht  immer  die   letztere  Bedeutung,    sondern   zuweilen   auch  di< 
eines  cultiosen   der  Gottheit    geweihten  Thesauros  (Polemon  be 
Athen.  XI  p.  479  f.;  Strabo  XI  p.  637  vatOKOi). 

Andere  stände  die  Sache  natürlich,  wenn  sich  nachweise 
liesse,  dass  οίκος  überhaupt  niemals  und  unter  keinen  Umetäude 
ein  dem  Gülte  dienendes  Local  bezeichnen  könne.  Dann,  un 
nur  dann  müssten  wir  annehmen,  dass  der  der  Aphaia  gebaut 
οίκος  unserer  Inschrift  nur  als  Thesauros,  als  Priesterwohnui 
oder  für  Verwaltungezwecke  errichtet  worden  wäre.  Auch  du 
würde  natürlich   jede  Spur    von  Anhalt  fehlen,    als  Haoptgöttl 

I 

^  £in  Beispiel,  bei  welchem  zugleich  das  Wort  ο!κος  vorkomd 
bietet  die  Inschrift  von  Anaphe,  CIG  Ins.  III,  248,  die  von  dem  Bd 
eines  ναός  der  Aphrodite  innerhalb  des  tcpov  des  Apollon  handelt 
den  Ort  wo  der  Bau  stattfinden  soll  bestimmt  όπεΐ  ά  έλα(α  &  ιτοτΐ 
ΕύδώρΕίον  οίκον  καΐ  τόν  MetbiXctov;  dies  sind  natürlich  οίκοι  der  c)l| 
besprochenen  Art. 


Ζα  der  Inschrift  der  Aphaia  auf  Aegina  255 

dea  Heiligthnme    eine   andere    als  die  in  der  Inschrift    [genannte 
Aphaia  ψλ  verinnthen. 

Allein  aacb  abgesehen  von  den  Analogieen,  welche  gestatten 
οίκος  hier  für  den  Cnltranm  der  Aphaia  zu  nehmen,  spricht  die 
ganse  Art  und    die  Fassnng    der  Inschrift   für  diese  Auffassung. 
Die  Inschrift    benrhnndet  in    feierlicher  Form,    dass    unter    dem 
Priester    Kleoitas    (oder  des  Eleoitas  Sohne)    das  Haus    für    die 
Aphaia,  dh.  eben   ihr,  der  Oöttin  Haus  gebaut  worden  ist.    Was 
soll   dies  Hans   der  Aphaia  anderes   sein    als    ihr  Tempel?    Das 
eigene    für    die   Göttin   selbst  gebaute  Haus  kann  nur  für    ihren 
Caltus  bestimmt  sein.     Andere    steht    die  Sache  mit    den  Weih- 
inecbriften,    welche  berichten,  dass  Jemand  einen  οΓκος  der  oder 
jener  Gottheit  geweiht  hat^.     Man    kann    der  G-ottheit  ja    alles 
mögliche  weihen,   was  nicht  für  ihren  Cultus  bestimmt  ist,    also 
ancb    einen    οΤκος    für    irgendwelche  Zwecke  wie  Aufbewahrung 
von  Dingen,   Verwaltung,  Wohnung.     Bei  diesen  Weihinsohriften 
bleibt   es  uns  also    ungewiss,    ob   der  οΤκος  dem  Culte  oder  an- 
deren Zwecken   diente.     Die  äginetische  Bauurkunde  ist   anderer 
Art;  der  οΤκος  hier  ist  für  die  Aphaia,  dh.  doch  für  sie  zur  Woh- 
Quog,   zum  Gnltns    erbaut,    nicht    blos   ihr  geschenkt  wie  irgend 
ein  anderer  Gegenstand.     Und  dann  kommt  dazu:  χώ  βαιμός  .  . 
ποτ€ποιήθη,  anch   der  Altar  ward  hinzugebaut.     Dies  ist  ein  voll- 
kommen correcter  Ausdruck  für  einen  vor  der  Front  eines  neuen 
Tempels  hinzugefiigten  neuen  Altar,  und  durchaus  nicht  Wunder- 
lich', wie  Franke]   meint.     Ebenso  ward  bei  dem  neuen  Tempel- 
bao,  der  noch  erhalten    ist,    ein    neuer  Altar    in    der  Achse  des 
Tempels    nnd    parallel    demselben  vor  seiner  Front  hinzugefügt. 
Die  Erwähnung  des  zu  dem  οΤκος  gehörigen  Altares  in  der  In- 
•ebrift  ist  der  unzweideutigste  Beweis  dafür,  dass  jener  der  Cult- 
f^nm  ist.    Von  dem  mit  dem  βαιμός  zusammen  erwähnten  έλέφας 
Ki  hier  abgesehen,  da  seine  Bedeutung  nicht  ohne  weiteres  deut- 
Heh  ist ;    obwohl    ich  glaube,   dass  der  Ausdruck  nichts  anderes 


1  So  die  Inschrift  von  Samothrake,  Conze  Samothr.  141  No.  8,  wo 
ein  οίκος  den  θ€θ1ς  μεγ^^οκ  geweiht  wird;  in  einer  Inschrift,  die  wahr- 
>cbeinJich  von  Smyma  stammt  {ÜIG  3163),  wird  ein  οίκος  den  Nemeseis 
geweibt.  In  einer  Inschrift  dee  vierten  Jahrhunderts  von  Astypalaia  ward 
Dach  der  früheren  Lesnng  {CIG  II  add.  2491  c)  ein  οίκος  dem  Apollo 
{e weiht,  doch  ist  die  Lesang  bezweifelt  worden ;  nach  Hiller  von  Gärt- 
■ingen's  Abschrift  (CIG  Ins.  III  185)  ist  .  .  κον  sicher  und,  da  nur 
!wei  Bochstabeii  vorangehen  dürfen,  ist  die  Ergänzung  οΤ]κον  unab- 
«reiiUch. 


256  Furtwängler 

als  das  Elfen beinbild  bezeichnen  kann.  Ee  muse  hier  in  der 
monumentalen  Banurkunde  neben  οΤκος  und  βωμός  etwas  Weeent- 
liches  und  Wichtiges  gemeint  sein,  wie  es  das  Cnltbild  war; 
etwas  so  gänzlich  Nebensächliches  wie  etwa  Elfenbeinschmuck 
an  den  Thüren,  den  Fränkel  hier  yerstehen  will,  ist  gewiss  nicht 
anzunehmen;  abgesehen  davon,  dass  die  durch  die  Ausgrabung 
erwiesenen  überaus  einfachen  Verhältnisse  des  Heiligthums  in  der 
Zeit  der  Inschrift  prunkvollen  Schmuck  sehr  wenig  wahrschein- 
lich machen.  ^Das  Elfenbein*  muss  etwas  Integrirendes  be- 
zeichnet haben.  Fränkel  ist  der  Ansicht,  dass  das  Verbum  ποτ- 
€ποιήθη  nicht  zu  einem  Cultbild  passe;  allein  mit  Unrecht:  in 
Olympia  z6.  wurde  ja,  wie  wir  jetzt  genau  wissen,  wirklich  das 
neue  (goldelfenbeinerne)  Cultbild  zu  dem  neuen  Tempel  sogar 
erst  längere  Zeit  nach  dessen  Vollendung  'hinzu'  gemacht.  In 
unserer  Inschrift  steht  das  Haus  der  GrÖttin  als  die  Hauptsache 
voran,  dann  folgen  Altar  und  Bild.  Ganz  so  würde  man  wohl 
auch  in  unseren  Zeiten  die  Banurkunde  über  eine  neue  Kirche 
abfassen  und  den  Bau  voran  nennen,  Altar  nnd  Bilder  als  'hin- 
zugemacht'  folgen  lassen. 

Nach  Fränkels  Erklärung  der  Inschrift  will  diese  mit  χώ 
βωμός  ποτεποιήθη  sagen  ^  es  wurde  dem  vorhandenen  Altare 
der  Artemis  ein  zweiler  beigesellt'.  Allein  es  heisetja  δ  βωμός, 
der  Altar,  nicht  βωμός;  die  Inschrift  kennt  nur  den  einen  Altar 
und  unterscheidet  ihn  nicht  von  einem  zweiten.  Uebrigens  ist 
jene  Annahme  auch  unantik  gedacht.  Ein  vorhandener  Altar 
kann  durch  einen  neuen  ersetzt  werden;  ein  neuer  Altar  neben 
einem  vorhandenen  wird  aber  nur  einem  neuen  Culte,  also  einer 
neuen  Differenzierung  derselben  Gottheit  oder  einer  anderen  Grott* 
beit  haben  gelten  können ;  einfach  einen  zweiten  demselben  Gölte 
dienenden  Altar  einem  vorhandenen  'beizugesellen',  widerspricht, 
soviel  ich  sehen  kann,  antiker  Anschauung. 

Also  der  Altar  gehört  zum  οίκος,  und  dieser  ist  der  Wohn- 
raum der  Aphaia.  Anders  scheint  mir  die  Inschrift  nicht  ge- 
deutet werden  zu  können. 

Allein  der  Fränkerschen  Annahme  stehen  nicht  nur  die 
Inschrift,  sondern  auch  noch  andere  wichtige  Thatsachen  im  Wege. 

Vor  allem  die  Funde  selbst.  Wir  haben  ausser  der  grossen 
Apbaia-lnschrift  noch  eine  zweite  gefunden,  welche  die  Göttin 
nennt  (Sitzungsber.  d.  bayr.  Akad.  1901  S.  370);  es  ist  eine 
Weihung ;  sie  steht  auf  dem  Fragment  eines  flachen  Opferbeckens 
einer  eigenen  Art,   wie  sie  eben  diesem  äginetisohen  Heiligthum 


Zu  der  Inschrift  der  Aphaia  auf  Aegina  257 

eigen  ist.  Wir  dürfen  ohne  Weiteres  annehmen,  daee  die  zahl- 
reich im  ganzen  Heiligtham  zeretreut  gefundenen  Reste  gleicher 
Becken  ebenfalls  za  Weihgeeohenken  an  Aphaia  gehörten  und 
ihrem  Calte  dieoten.  Wir  haben  femer  auch  auf  dem  Fragmente 
eines  Marmorbeohens  den  wahrscheinlichen  Rest  einer  Weihung 
an  Aphaia  (αφ  .  .)  gefunden.  Auch  diese  Marmorbecken  bildeten 
eine  relatiy  bedeutende  Klasse  von  Weihgesohenken  in  dem  Heilig- 
tham. Die  wenigen  sonstigen  Fragmente  von  Weihangen  ent- 
halten keinen  Namen  einer  Gottheit.  Eine  andere  Gottheit  als 
Aphaia  ist  nirgends  genannt. 

Die  örtlichen  Verhältnisse  zeigen  femer  deutlich,  dass  nur 
ein  Cultus  hier   gepflegt  wurde,    in    alter  Zeit  auf   sehr  eng  be- 
grenztem Räume.     Für  jede   der  Epochen  ist  je  nur  ein  grosser 
Altar  nachweisbar.     Die  Baulichkeiten  der  frühen  Epoche,    wel- 
cher unsere  Inschrift  —  schon  auf  Grund  der  Eigenart  des  ver- 
wendeten Materiales   —  zugewiesen  werden  muse,   müssen  über- 
aus einfach   gewesen  sein.    Der  οίκος  war  sicherlich  wirklich  nur 
ein  Haus,   eine  Cella    ohne  Sänlenumgang.     Die    relative  Grösse 
nnd  Monumentalität  der  Inschrift   beweist    aber  jedem  der  ört- 
lichen yerhältnisse  Kundigen,  dass  der  ihr  zugehörige  Bau  gewiss 
nicht  eine  blosse  'Dependenz'  eines  Tempels,    sondern    eben   der 
damalige   Hanptbaa    gewesen  sein    muss.     Vor  allem  ist   indess 
Oberhaupt  gar   kein  Platz  vorhanden  in  dem  beschränkten  Raum 
des  alten  Heiligthnms,  wo  der  von  Fränkel  angenommene  zweite 
Tempel  gestanden  haben  sollte. 

Endlich  ist  auch  unter  den  bildlichen  Funden  nicht  die  ge- 
ringste Spur  davon,  dass  zwei  Gottheiten  hier  verehrt  wurden, 
Dod  nicht  die  geringste  Spur  namentlich  deutet  auf  Artemis,  die 
Frinkel  als  Hauptgottheit  vermuthet.  Unter  den  zahlreichen 
Terrakotten  ist  keine  einzige,  die  etwas  von  Artemis  hätte. 

Der  Fränkel'schen  Annahme  steht  femer  entgegen  des  Ρ  a  u- 
«anias  Zengniss,  der  unser  Beiligthum  als  das  iepöv  der 
Aphaia  bezeichnet  und  einen  Tempel  der  Artemis  nur  unten  in 
der  Stadt  kennt.  Fränkel  muss  einen  unerhörten  Irrthum  des 
gerade  in  solchen  Dingen  genauen  Periegeten  annehmen.  Wäre 
übrigens  die  Aphaia  nur  nebenbei  in  einem  Artemis- Η eiligthum 
rerehrt  worden,  wie  Fränkel  meint,  so  würde  sie  wohl  länget 
/er  Pausanias  verklungen  gewesen  sein.  Ihr  Name  haftete  an 
lern  lange  schon  verödeten  Heiligthum  aber  nur,  weil  es  wirk- 
ich  ihr  Heiligthum  und  nicht  das  einer  anderen  Gottheit  wie 
ler  Artemis  war. 

Khcta.  Μα•,  t,  FliUol.  N-  '•  LVIL  17 


260  Mangold 

2.  Besondere    Yerhältnieee.     Die    einzige   Aaenahme, 
wo  Artbezeichnang  und  Verwendung    nicht    übereinstimmen,  ist 
die  palatinisohe  Legion:    Britones  Senioree.     Man  kann  sieb 
dieee  Abweichung  entstanden  denken  durch  eine  Detachirung,  die 
infolge  zwingender  Bedürfnisse  nöthig  geworden  war;  und  es  iet 
ganz    leicht    möglich,    dass  ein  Zusammenhang  besteht  zwischen 
der  drohenden  Stellung  Alarichs  in  den  illyrischen  Gegenden  und 
jener  Entsendung  zu  dem  dortigen  magister  militum.     (Man  ver- 
gleiche die  B.  russische  Gardedivision  in  Warschau  und  die  kau- 
kasische Grenadierdivision.)    Für  die  Möglichkeit,  so  diese  Diffe- 
renz auszugleichen,    kann  noch  folgende  Erscheinung  als  Beweis 
beigebracht  werden,  dass  nämlich  Legionen,  die  mit  ihrer  Haupt- 
macht nicht  in  den  Donaulandschaften  garnisoniren,  entweder  dort- 
hin detachiren    oder    zur  Verfügung    der    magistri    militum    per 
Thracias  und  per  Illyricum  stehen,    auch   wenn  sie  ganz  am  an- 
deren Ende  des  Reiches   ihr  Stand lager  hatten.     So    steht    unter 
dem  magister  militum  per  Thracias  die  in  Thebais  garnisomrende 
comitatensische    Legion  l.  Maximiana    Thebaeorum,    ferner 
die  in  Aegypten  und  der  ThebaYs   stehende    comitatensische    ITI. 
Diocletiana     Theba'idos.      Die    Diöcese    Aegypten     konnte 
wohl  auch  am  ehesten  solche  Abgaben  ertragen,    denn    eie    war 
doch  damals  wohl  am  wenigsten    von  Feinden  gefährdet.     Viele 
derartige  Verschiebungen    werden   wir    später  noch  za  erwähnen 
haben. 

3.  Benennung  der  Legionen.  Diese  13  orientali- 
schen Palastlegionen  haben  folgende  Namen :  Britones,  KerriL 
Bleikngelschleuderer,  Lanzenwerfer,  Daei,  Scythi.  Eine  Legion 
heisst  bloss  ^Die  Tapferen';  eine  andere,  die  der  ^Prinaani',  ist 
wahrscheinlich  identisch  mit  der  legio  I.  Augusta.  SchliesslicL 
gibt  es  noch  *  Elfer',  Undecimani. 

B.  Comitaten sieche  Legionen. 

1.  Art  bezeichnung  nnd  Verwendung.  Nach  der 
Artbezeichnung  zu  schliessen,  sind  es  wohl  diejenigen  Legioneu, 
die  die  Feldherm  ins  Feld  'begleiteten^  was  auch  durch  die  Ver- 
wendung, die  sie  erfahren,  bestätigt  wird.  Sie  stehen  nämlich 
alle  (38  an  der  Zahl)  unter  den  3  magistri  militum  nnd  dei: 
duces  der  Grenzprovinzen.  Jedoch  sind  die  unter  den  duce« 
stehenden  Legionen  nur  solche,  die  auch  unter  den  Trnppen  der 
magistri  aufgeführt  werden.  Diese  Erscheinung  hat  wohl  den 
Grund,    dass    solche  Legionen   mit  doppelter  Commandatnr  zwar 


Legionen  dee  Orient  261 

im  Bereich  dem  dax  unterstehenden  Grenzgehietes  dielocirt  waren 
und  somit  auch  der  dux  ein  gewissee  YerfÜgungerecht  über  sie 
hatte  —  denn  ein  Grenzschutz  auf  exponirter  Linie  verlangt  eine 
einheitliche  Commandostelle,  —  dass  sie  aber  jederzeit  von  dem 
magiflter  zu  Expeditionen  unter  seinen  Befehl  zurückgenommen 
werden  konnten. 

2.  Besondere  Verhältnisse.  Zuerst  haben  wir  die 
Erscheinung  zu  verzeichnen,  dass  eine  Legion  oder  ihre  Theile 
zweien  und  mehr  Gommandeuren  unterstellt  werden  kann:  z6. 
die  comitatensische  V.  Macedonica,  die  zwar  in  Daoia  ripensis 
lud  Aegypten  garnisonirt,  aber  dem  magister  militum  per  Orien- 
ten! unterstellt  ist.  Vielleicht  liesse  sich  dieses  ünicum  so  er- 
klären, dass  diese  Legion  ursprünglich  dem  magister  per  Orientem 
unterstand,  dann  aus  unbekannten  Gründen  nach  Aegypten  ver- 
leg worden  ist  oder  schon  vorher  dort  garnisonirte  und  so  auch 
za  den  Truppen  des  comes  limitis  Aegypti  gehörte.  Dieser  aber 
mueste,  wohl  aus  den  gleichen  Gründen,  wie  bei  der  L  Maxi- 
miana  und  der  IIL  Diocletiana  (s.  o. ),  jetzt  auch  von  der  V.  Maoe- 
donica  zum  Donauschntz  detachiren.  —  Nach  Dacia  ripensis  hatte 
ferner  die  dem  comes  limitis  Aegypti  zugehörige  XIILGemina 
eine  Abtheilung  geschickt.  —  Dieses  Beispiel  und  das  der  Π.  Tra- 
jana  sind  die  einzigen,  dass  sich  Grenzcommendeure  in  das 
Commando  über  eine  Legion  theilen. 

Sehr  merkwürdig  ist  weiter  das  Verhältniss  der  X.  und 
XIV.  Gern i na,  die  in  Pannonien  unter  den  dortigen  duces  — 
also  im  Westreich  —  stehen,  ausserdem  auch  noch  bei  den 
Trappen  des  magister  militum  per  Thracias  geführt  werden. 
Diese  Erscheinung  und  die  der  VII.  Gemina,  die  in  Leon  in 
Spanien  liegt  und  zu  den  Truppen  des  magister  per  Orientem 
gehört,  vermag  ich  nicht  zu  erklären. 

Femer  gehört  hierher  die  Ώ.  Fla  via  Constantia  The- 
baeorum,  die  in  Thebals  liegt  und  doch  dem  magister  per 
Orientem  zugehört.  Wenn  man  nicht  zufällige  Garnison  dort 
annimmt,  kann  man  dies  wohl  so  erklären,  dass  dem  ägyptischen 
Heer  nach  seinen  grossen  Abgaben  nach  der  Donau  von  den  am 
nächsten  stehenden,  verfügbaren  Truppen  (und  dies  sind  eben  die 
des  magister  per  Orientem)  die  li.  Flavia  Constantia  Thebaeorum 
zugewiesen  wurde,  um  die  entstandenen  Lücken  auszufüllen. 

Dies  sind  die  ungewöhnlichen  Verhältnisse,  die  bei  comita- 
tenaischen  Legionen  vorkommen  und  sich  meist  erklären  lassen. 
Im  allgemeinen  steht  fest,  dass  die  in  grossen  Massen  unter  den 


262  Mangold 

Tnagietri  militam  fliehenden  comitateneiechen  Legionen  eine  Art 
Beeerve  zweiter  Gattung  bildeten,  indem  sie,  mehr  im  Inneren 
des  Reiches  stehend,  jederzeit,  ohne  die  Grenztmppen  schwächen 
zu  müesen,  zur  OfFensive  vorgehen  konnten,  bei  Defensive  aber 
die  Grenzcorps  verstärken  und  als  Unterstützung  bezw.  Auf- 
nahme hinter  der  Grenzlinie  Stellung  nehmen  konnten.  Drei  solcher 
Corpa  gab  es:  in  Tllyricnm,  Thracien  und  im  Orient.  Schon  die 
VertheiluDg  der  Legionen  auf  diese  3  Heere  zeigt,  dass  die  Do- 
naulandschaften damals  am  meisten  Truppen  beanspruchten:  denn 
dort  stehen  2  'Actionscorps*,  wie  man  sie  vielleicht  bezeichnen 
kann,  jedes  einzelne  stärker  al^  das  orientalische.  Jedenfalls  bat 
bei  den  comitatensiscben  Legionen  schon  in  häufigerer  Weise  als 
bei  den  palatinischen  die  Noth  eine  Verwendung  dieser  Legioufn 
geboten,  die  nicht  mehr  der  in  der  Artbezeichnung  angedeuteten 
Verwendung  entsprach. 

3.  Legionsnamen.  Ausser  den  schon  erwähnten  Nameo 
bei  den  Legionen  mit  besonderen  Befehlsverhftltnissen,  finden  ^\τ 
noch  folgende:  Leute  des  Mars,  Ballistenschutzen,  Germanec, 
Gallier,  Lanzenwerfer,  Eaukasier,  Leute  aus  den  Donauland- 
Schäften,  Legionen  mit  den  Namen  der  Diana,  Minerva  und 
der  Kaiser. 

C.  Psendocomitatensisehe  Le^onen. 

Sie  stehen  wie  die  comitatensischen  im  Inneren  des  Land«  | 
unter  den  magistri  militum.  Das  Wort  pseudocomitateneis'  wirdj 
wohl  so  zu  erklären  sein,  dass  diese  Legionen  zwar  wie  die  ε<>: 
mitatensischen  verwandt  wurden,  ihnen  aber  sonst  nicht  gleicb-, 
gestellt  waren.  Sie  kommen  in  der  Hangordnung  am  Ende  qd^ 
ihre  Namen  haben  einen  auxiliären  Beigeschmack,  der  niobt  voll- 
gültige, echte  Legionen  verräth.  Die  Ueberliefernng  sagt  aucb| 
dass  sie  an  Ansehen  und  Gehalt  den  übrigen  Legionen  nachatandesi 
Jedenfalls  gamisonirten  sie  um  400  n.  Chr.  nicht  an  der  Grenze] 
wie  Forcellini  meint. 

Die    legio    l.   Italica  ist  hier  noch   zu  erwähnen,    die 
ripariensis  unter  dem  dux  Moesiae  II.  und  gleichzeitig  als  p$< 
docomitatensis   unter  dem   magister  militum  per  Orientem  et< 
Die  einzige   Erklärung  wird  wohl  die    sein,    dass   sie   zuerst 
pseudocomitatensis  unter  dem    magister  stand   und   wie    eo  v:( 
andere  an  die  Donau  gesandt  wurde,  wo  sie  dann  unter  dem 
als  'Ufer  legion   verwandt   wurde,    nachdem    sie    entweder   eii 
Theil  im  Orient  zurückgelassen  hatte,  der  natttrlioh   pseodocoi 


Legionen  des  Orient  263 

tatene  blieb,    oder   aber  ale  pseadocomitatatensisclie   zu   des  ma- 
gister  Verfügung  stand. 

Die  Namen  dieser  Legionen  sind  sehr  oft  von  Städten  und 
Lindem  abgeleitet,  allein  von  den  9  in  Illjrien  haben  6  Namen 
von  dortigen  Städten  und  die  Vermuthung  liegt  nahe,  dass  diese 
auch  ihre  Gamisonsorte  waren.  Sonst  gibt  es  noch:  2  armeni- 
sche, 2  italische,  1  parthische-Legion,  Bogenschützen  (!),  Schlen- 
derer (!),  fortenses  auxiliarii,  Transtigritani,  Ballistarii  und  solche 
mit  des  Tfaeodosioe  Namen. 

D.  Ripariensieche  Legionen. 

Es  sind  dies  (ausser  der  schon  erwähnten  I.  Jtalica): 
n.Herculia,  XI  Claudia,  LJovia  in  Scythia  und  Moesia  Π. 
Warum  aber  werden  die  in  Moesia  I.  und  Daoia  ripensis  gele- 
gnen Legionen  nicht  auch  riparienses  genannt?  Irgend  eine 
^röesere  Bedeutung  kann  dieser  Name  nicht  gehabt  haben,  viel- 
leicht war  es  nur  ein  ehrender  Zusatz,  wofür  geltend  gemacht 
werden  kann,  dass  alle  4  Legionen  alte,  2  sogar  sehr  alte  Le- 
gionen sind.  Jedenfalls  sind  sie  die  einzigen  im  ganzen  römi- 
Bchen  Reich,  obwohl  die  weiter  aufwärts  an  der  Donau  stehen- 
den Legionen  doch  gradesogut  diesen  Namen  als  Artbezeichnung 
verdient  hätten. 

Es  scheint  also  sicher  zu  sein,  dass  ripariensis  nur  ein 
terminus  ist  zur  Bezeichnung  der  Verwendung,  nicht  der  Art, 
woraus  weiter  folgt,  dass  man  ripariensis  und  oomitatensis  nicht 
Ton  einem  Gesichtspunkt  aus  betrachten  darf,  denn  es  sind  keine 
einander  ausschliessende  Begriffe.  Es  wäre  ebenso  falsch,  das 
bentige  deutsche  Heer  in  Linien-,  Füsilier-  und  Grenz- Regimenter 
eintheilen  zu  wollen.  Sonst  werden  die  ripariensen  Legionen 
etwa  auf  derselben  Stufe  mit  den  Pseudocomitatensen  gestanden 
haben  (vgl.  I.  Italica). 

C.  Ε6^:ίοηβη  ohne  Artbezeiehnnnj;. 

Diese  Legionen  sind  alle  diejenigen,  die  unter  den  comites 
Qnd  dnces  stehen.  Und  zwar  untersteht  jede  Legion  nur  ihrem 
Grenzcommandeur  mit  Ausnahme  der  schon  erwähnten  XIII.  Ge- 
mina  und  11.  Trajana  Thebaeorum.  Sie  sind  entweder  zum  Schutz 
der  Grenze  bestimmt,  oder  wie  die  II.  und  III.  Isaura  zum 
Schutz  gegen  unbotmässige  Völker  im  Innern. 

Der  Verwendung  nach  sind   sie  wohl  limitanei,   aber  diese 


264  Mangold  Legionen  des  Orient 

Bezeichnung  findet  eich  nicht.  Dae  Wort  ^limitaneus'  kommt  m 
Orient  überhaupt  nicht  vor  und  limee  nur  in  dem  Titel:  eomes 
limitie  Aegypti. 

Die  Verwendung  der  Legionen  ist  also  folgende: 

1)  2  Gardecorps,  Hauptreserve  unter  den  magietri  militnm 
praeeentales,  zur  Verfügung  des  Kaisers,  bestehend  ans  pt- 
latinischen  Legionen. 

2)  3  Actionscorps  unter  den  magietri  militum  per  Illyricnm. 
Thracias  und  Orientem,  aus  comitatensi sehen  und  pseudoco- 
mitatensischen  Legionen  zusammengesetzt,  im  Inneren  des 
Reiches. 

3)  Die  Defensivtruppen  an  der  Reichsgrenze  unter  comites  und 
duces,  bestehend  aus  ripariensischen  Legionen  und  solchen 
ohne  Artbezeichnung. 

Jena.  K.  Mangold. 


τυφλός  ανηρ 


Wie  stark  einst  der  ägyptisohe  Einflnee  auf  Griechenland 
gewesen  sein  maee,  haben  anfe  Neue  und  in  höherem  Grade,  als 
bekannt  war,  die  Ausgrabungen  in  Knossoe  dargethan.  Man  wird 
in  Zukanft  mehr,  als  es  bisher  geschehen,  den  Spuren  jener  Be- 
einflnesnng  auch  in  der  älteren  griechischen  Litteratur  nachgehen 
musBeUf  und  Bethe  hat  ja  in  seinem  auf  der  Strassburger  Philo- 
logenTereammlnng  gehaltenen  Vortrag  'Homer  und  die  Helden- 
sage' mit  Beeilt  auf  die  Diecrepanz  zwischen  unserem  archäolo- 
gischen and  unserem  historisch-mythologischen  Wissen  hinge- 
wiesen. Ancb^Reichel  und  Robert  suchen  die  Mykenischen  Burgen 
and  die  homerisohen  Sagen  mit  einander  in  Einklang  zu  bringen. 
Von   Myken    ans  aber  führen   deutliche  Culturpfade   nach  Osten 

und  nacli  Süden. 

Viele  Sagen  erzählen  uns,  dass  hervorragende  Dichter, 
KbapBoden  oder  Propheten  blind  gewesen  seien. 

Τικρλός  άνήρ,  οίκεϊ  bk  Χίψ  ένι  παιπαλοέσσί}, 
του  πασαι  μετόπισθεν  άριστεύουσιν  άοΛαί, 
βο  wird  der  Sänger  des  Delischen  Apollohymnus  geschildert. 
Tbakydidee  setzt  den  Verfasser  des  Hymnoe  dem  Homer  gleich; 
es  iet  müeeig  darüber  zu  streiten,  jedenfalls  war  es  ja  ein  ange- 
sehener Khapeode,  der  die  Dichtung  verfasste  und  der  sich  selbst 
als  blind  bezeichnete.  ^Quem  ei  quis  caecum  genitum  pntat,  Om- 
nibus eeneibue  orbus  est'  sagt  Velleius  (I  5,  2)  von  Homer,  und  wie 
er,  dachten  viele  im  Alterthnm.  Was  Homer  von  späteren  Dichtern 
zu  seinem  Vortheil  unterschied,  war  gerade  die  Kunst  dee[Sehens, 
des  künetlerieohen,  unbefangenen  Sehens.  Der  weder  durch  ra- 
tionaliatiche  noch  durch  mystische  Theorieen  getrübte  offene  Blick 
für  die  Welt  der  Wirklichkeit,  das  ist  es  ja,  was  dem  Dichter 
der  Odyssee  eine  so  imponierende  Stellung  am  Anfang  der  Welt- 
litterator  verlieh.     Sehen  wir  doch  noch  jetzt  alle  von  ihm  ge- 


\ 


266  Friei 

Bebilderten  Vorgänge  und  Zoetände  beim  Lesen  dentlicb  mit  den 
geistigen  Auge  und  staunen  über  die  Anscbaulicbkeit,  den  Wirk• 
liobkeitssinn,  der  in  beiden  £pen  bervortritt  Cicero,  Yelleiue 
und  Proklos  batten  Beobt,  wenn  sie  von  jener  Sage  niebts  wiseeo 
wollten. 

Die  Art,  in  der  die  Blindbeit  des  Demodokos  in  der  Odyseee 
eingeftibrt  wird,  bat  etwas  antitbetiscb  Zugespitztee,  etwas  Stili• 
sirtes.     £e   ist   gleicbsam   ein  bübsobes  Epigramm,  wenn  gesagt 
wird,  dass  die  Muse  dem  Sänger  die  Augen  nabm  und  die  Lieder 
gab.     Odysseus  staunt   darüber,    dass  Demodokos   das  Sobicksal 
der  Grieeben  so  genau    besingen  könne,    als    babe    er   es  selbst 
geseben  oder  gebort  (Θ  487  ff.).    £r  bittet  ibn  nun,  die  Zer- 
störung Trojas   Yoneutragen.     Od.   α  351  bexeicbnet  Telemacbos 
das  Lied  über  die   Heimfabrt   der   Grriecben   von   Troja    als  dae 
neuste,  welcbes  immer  am  meisten  Beifall  bei  den  Zubörem  finde. 
Jedenfalls    kann   dann  die  Zerstörung  Trojas    keine  der   ältesten 
Lieder  gewesen   sein.     Wenn    nun   Demodokos  (Θ  500  ff.)  diese 
so  eindringlicb  und  anscbaulicb  scbildert,    dass   Odysseus  in  den 
tiefsten  Kummer  versinkt,  so  bat  es  immerbin  einige  Scbwierig- 
keit,  sieb  einen  Blinden  als  Scbilderer  der  neusten  Zeitgescbicbte 
vorzustellen.   Gewiss  bätte  der  Pbäakiscbe  Sänger  auob  als  Nicbt- 
blinder   diese   von   ibm   besungenen   Ereignisse  niebt  mit  eignen 
Augen  seben  können ;  dennocb  ist  es  niebt  recbt  vorstellbar,  dass 
ein    blinder  greiser  Sänger  als    episober  Scbilderer  einer  jüngst- 
vergangenen   Kriegszeit   seiner   Aufgabe  in  so  wirksamer  Weise 
gerecbt  wird.     Docb  sei  dem,  wie  ibm  sei.     Die  Blindbeit  stebt 
mit  dem  üebrigen  in  keinem   notbwendigen  Zusammenbang,    sie 
giebt  nur  Gelegenbeit  zu  einer  der  Bemerkungen  über  den  Sänger, 
in    denen    der  Dicbter   der  Odyssee    sieb    so   wobl  geföllt.     Oft 
genug  nimmt  er  Gelegenbeit,  die  Würde  und  Bedeutung  des  S&ngere 
bervorzuheben ;  es  klingt  zuweilen,  wie  eine  Aeusserung  pro  domo ; 
und  in  der  Tbat  darf  man  vielleicbt  glauben,  dass  bier  ein  per- 
sönlicbes    Motiv   hineinspielt.     Der    Sänger    weilt    am   Hofe  des 
Fürsten,  seine  Harfe  bangt  im  Palast  (Od.  θ  255),    er   lebt  von 
der  Gunst  des  Herrscbers  (ebend.  477  ff.).     Es    liegt  in    seinem 
Interesse,  die  Würde  seines  Standes  nacb  Möglicbkeit  zu  erheben. 
In  diesem  Sinne  ist  es  vielleicbt  aufzufassen,  wenn  die  Macht  des 
Gesanges    oft    in   äbnlicber  überscbwänglicber  Weise  geschildert 
wird.     Odysseus    weint    bei  dem  Liede  des  Demodokos   wie  eine 
Frau,  die  von  dem  Leicbnam  des  Gemahls  in  die  GefangeD8obaf\ 
fortgescbleppt    wird.     Penelope    steigt    mit  zwei  Junghrauen 


Τυφλός  άνήρ  267 

dem  Frauengemach  in  den  Männereaal  hernieder  nnd  ersucht  den 
Phemioti  mit  seinem  Gesänge  über  die  Rückkehr  der  troischen 
Helden  innezuhalten,  er  wiese  ja  viele  andere  schöne  Lieder  zu 
singen,  dieses  Lied  aber  zerfleische  immer  wieder  ihr  Herz;  sie 
ertrage  es  nicht  länger,  es  zu  vernehmen  (α  328  ff.).  Das  könnte 
nnn  freilich  vom  Dichter  aach  deshalb  allein  eingefügt  worden 
sein,  um  die  Treue  der  Penelope  hervorzuheben.  Indessen  war 
ja  dafür  längst  im  reichsten  Maasse  gesorgt ;  das  ganze  £pos 
legte  Zeugniss  davon  ab.  Dann  aber  erwidert  Telemachos  auf 
die  Rede  der  Mutter  in  einer  Weise,  die  auf  diese  einen  etwas 
peinlichen,  beschämenden  Eindruck  machen  musste,  den  Freiem 
aber  auch  nicht  sonderlich  sympathisch  sein  konnte,  da  Tele- 
machos ja  den  Odyseeus  verherrlichenden  Sänger  in  Schutz  nahm, 
l^er  einzige,  der  sich  von  der  Rede  des  Jünglings  aufs  ange- 
oebmete  berührt  fühlen  konnte,  war  —  der  Sänger.  Er  solle 
eingen,  wie  es  ihm  um  das  Herz  sei,  Zeas  lenke  das  Gemüth  der 
Sänger  und  erfülle  ihre  Seele  mit  Begeisterung.  Penelope  solle 
nicht  zürnen,  der  neuste  Gesang  erhalte  stets  den  meisten 
Beifall  bei  der  Versammlung.  Der  Dichter  spricht  hier  aus  eigener 
Erfahrung  und  zur  Verherrlichung  seines  Standes.  Penelope  aber 
kehrt  zurück  in  ihre  Gemächer,  staunend  über  ihres  Sohnes  kluge 
fiede. 

Dann  lobt  Telemachos  auch  den  Freiern  gegenüber  den 
Phemios  in  nberschwänglicher  Weise  (370  f.),  ohne  dass  ein  rechter 
Zweck  dieser  Worte  ersichtlich  wäre.  Aber  nicht  nur  in  dem 
spät  entstandenen  ersten  Buch  findet  sich  derartiges,  die  Sänger 
spielen  ja  im  Gegensatz  zu  der  älteren  Ilias  in  dem  jüngeren 
£po8  eine  erhebliche  Rolle,  und  das  ist  nicht  etwa  bedeutungs- 
los oder  zufällig. 

Phemios  entgeht  dem  allgemeinen  Blutbad  durch  seine  klug 
gewählten  Worte  (χ  344  ff.).  Zunächst  wieder  die  Versicherung 
von  der  Heiligkeit  des  Standes,  dann  die  an  dieser  Stelle  und  in 
diesem  Zusammenhang  etwas  unmotivierte  Aeusserung : 

αύτο5ί&ακτος  ^  βΐμί,  θεός  hl  μοι  έν  φρεσίν  οΤμας 

παντοίας  ένίφυσεν. 
Κγ  verspricht,  den  Odysseus  wie  einen  Gott  besingen  zu  wollen 
and  betont,    dass  er  nicht  aus  Begehrlichkeit  in  den  Palast  ge- 
kommen sei.    Auf  fernere  Fürbitte  des  Telemachos  wird  er  dann 
begnadigt. 

Etwas  Paränetisches  möchte  man  fast  aus  der  Stelle  her- 
aushören,   an    der  Odyseeus    dem    Demodokos    das    beste    Stück 


268  Fries 

Fleisob  reichen  läset,  denn  alle  Menechen  bezeugten   den  Sängern 
£brfnrcht|  und  die  Muse  selbst  bescbütze  sie.     Der  Dichter  dieee» 
Abschnitte  stellt  den  Odyssens  gleichsam  als  ein  Mnster  für  alle 
Fürsten  hin,  an  deren  Höfen  sich  Sänger  aufhalten,  und  ermahnt 
zur  Naobeiferung  eines  so  guten  Vorbildes  (Θ  474  ff.).    Odyseem 
giebt  dem  Demodokos  dann  als  Thema  zu  weiterem  Gesänge  die 
Geschichte  vom  hölzernen  Pferde;   er   ist  weniger  zurückhaltend 
gegen   den    Aöden,    als    Telemaoh    α  346.     Auch  in  dessen 
Worten    könnte    eine    Beziehung    auf   die    Wirklichkeit    liegen. 
Wollte  der  Dichter  vielleicht  den  oft  launischen  und  empfindlichen 
Herren  eine  Lection  ertbeilen?  Hatte  er  etwa  durch  missliebige 
Gesänge  einmal  üble  Erfahrungen  gesammelt,  deren  Wiederholung 
er  auf  diese  Weise  vermeiden  wollte? 

Im  siebzehnten  Gesang  (p  374  ff.)  schilt  Antinoos  den  San- 
hirten,  weil  dieser  den  Bettler  in  die  Stadt  geführt  habe.  Εα• 
maios  antwortet  nun  nicht  etwa,  wie  man  es  erwarten  sollte,  in- 
dem er  dem  Uebermüthigen  sein  unrecht  vorhält,  sondern  er 
führt  ans,  dass  man  wohl  Niemanden  einladen  würde,  als  einen 
der  5ημιθ€ρτοί, 

μάντιν  ή  Ιητήρα  κακών  ή  τέκτονσ  boupiuv 
ή  και  θέσπιν  doibov,  δ  κεν  τέρπησιν  oeibuiv. 
ούτοι  γάρ  κλητοί  γε  βροτών  έπ'  άπείρονα  γαία  ν. 
Durch   den  Zusammenhang  ist  diese  Digression  über  die  Sänger 
usw.  nicht  gefordert.    Der  Dichter  spricht  offenbar  in  eigner  and 
seiner  Standesgenossen   Sache,    die  wirklich    entsprechende   Ant* 
wort   wird    dem  Antinoos   erst  von  Telemachos  397  ff.  gegebeii. 
Immer  wieder  findet  sich  in  der  Odyssee  das  Verhältniss  dee    be- 
sitzenden   Herren    zum    hungernden    Diener    oder    Bettler.      X>eT 
arme    Landstreicher    wird    verspottet,    streng    scheidet    Eamaios 
zwischen  dem  darbenden  Fremdling  und  dem  Sänger,  der  sehlieef:- 
lieh  auch  von  der  Milde  seines  Herren  lebt.     Ist  es  nur  Ζ  α  fall, 
dass  an  so  vielen  Stellen  der  Odyssee  das  Elend  der  Bedürftig- 
keit hervorgehoben  wird?   Die  Arten  des  αΙτί2Ιειν  bei  den  Reicben 
werden  in  p  geradezu  theoretisch  erörtert^.    Jeglicher  Tod,     sa^ 
Eurjalos  (μ  341  f.)  ist  furchtbar,  aber  der  schrecklichste  ist    dei 
Hungertod.     Demodokos   dagegen   sitzt  in  der  Mitte   des  S&ale« 
ihm  werden  die  Speisen  wie  ein  ehrender  Tribut  gereicht.         T>^} 
Α  Öde  war  eben  auf  die  offene  Hand  der   Mächtigen  ange^Krieeen 


1  zB.  ρ  347  aihώς  h'  ούκ  αγαθή  ΚΕχρημένψ  άνδρΐ  παρ€ΐν<χτ,  vg 
[Heeiodos  Werke  317  f.  und]  Diphilos  oö  δ€ΐ  παρασιτ^ΐν  οντά  ^\jo<ip< 
στον  οφό^ρα. 


Τυφλός  dW|p  %9 

«ein  berechtigtes  loteresse  war  es,  die  Wohlhabenden  gtlnetig  zu 
stimnien.  Den  dreisten  Bettler  verachtet  er  eelbet,  mit  ihm 
mochte  er  nichts  gemein  haben,  aber  auf  seinen  göttlichen  Beraf 
mit  Recht  stolz  glanbt  er  einen  Ansprach  auf  Unterstützung 
dorch  die  Mächtigen  zu  haben,  ohne  dadurch  an  Ansehen  zu 
verlieren. 

Gerade  die  erwähnten  Abschnitte  der  Odyssee  sind  nun 
wahrscheinlich  spätere  Zusätze.  Die  Würde  des  Sängerberufes 
sank  mit  dem  Niedergang  der  epischen  Kunst  aber  immer  mehr 
herab,  und  bei  Hesiod  werden  Handwerker  und  Bettler  bereits 
mit  den  Sängern  in  eine  Kategorie  gestellt  (έργ.  25  f.)^.  Die 
vielen  Legenden,  die  von  besonderer  Gnade  der  Götter  gegen 
einzelne  Sänger  oder  von  besonderer  Rettung  derselben  ans  all- 
gemeinen Gefahren  oder  auch  von  Bestrafung  aller  ihnen  ange- 
thanen  Unbilden  bei  den  Griechen  im  Schwange  waren  (Hesiod, 
Ibykos,  Arion  ua.)t  dürften  ebenfalls  einer  tendenziösen  Färbung 
nicht  entbehren.  Auch  die  Erzählungen  über  die  wunderbare 
Macht  des  Gesanges  gehören  vielleicht  in  diesen  Znsammenhang. 
Mao  denke  an  Orpheus  (vgl.  0.  Gruppes  Artikel :  Orpheus  in  Röschere 
Mythologischem  Lexikon  Sp.  1115  £P.).  Ganz  ähnliche  Schilde- 
rungen, nur  noch  phantastischer  und  farbenreicher,  finden  sich 
im  indischen  Epos,  wo  die  Macht  des  Gesanges  sich  in  einzelnen 
Wirkungen  documentirt,  die  mit  dem  griechischen  Mythos  auf 
die  eine  oder  andere  Weise  verwandt  sein  müssen.  Mit  dem 
griechischen  Sänger  hat  der  indische  übrigens  auch  andere  Züge 
gemeinsam.  Auf  Schritt  und  Tritt  begegnet  man  im  Rigveda 
>iem  Schiassgebet  des  Sängers  um  reiche  Schätze  und  um  die 
Ganst  wohlhabender  Beschützer.  Immer  wieder  kehrt  die  Bitte 
an  Agni  und  andere  Götter,  dem  Sänger  hold  zu  sein,  ihm  Ge- 
deihen und  vor  allem  reiche  Gönner  zu  vermitteln.  Der  grie- 
chische Aöde,  minder  naiv  als  sein  indischer  College,  hüllt  seine 
Wünsche  in  die  Form  feiner  Anspielungen,  wie  er  ja  den  Odys- 
Keas  selbst  in  dieser  Form  sich  einen  Mantel  verschaffen  läset. 
Die  Zeiten,  in  denen  die  offene  Bitte  der  persönlichen  Ehre  keinen 
Abbrach  bereitete,  waren  vorbei,  man  musste  auf  neue  Mittel 
Binnen. 

Das  Gegenstück  zu  dem  Bilde,  das  die  Sänger  von  sich  und 
<ler  Würde  ihres  Standes  entwerfen,    bildet    das  berühmte  ägyp- 


'  Vgl.  Arist  rhet.  Π  24,  7:   δμοιον   hi  καΐ  βτι  έν  τοΙς  ΐ€ροϊς  οΐ 
ιτηυχοί  fbouat  καΐ  όρχούνται.    Vgl.  auch  das  fr.  des  Aeioi. 


270  Friee 

tische  Harfnerlied,  .ins  dem  man  ersieht,  wie  nnter  ümstiodes 
von  Anderen  ttber  den  Sänger  geartheilt  werden  konnte.  Mag 
das  merkwürdige  Gedicht,  das  übrigens  ans  viel  späterer  Zeit 
stammt,  aber  doch  Rückschlüsse  auf  frühere  Zeiten  gestattet, 
anoh  als  Prodnct  des  Brodneides  oder  irgend  welcher  Intrigueo 
anfznfassen  sein,  es  zeigt  doch  deutlich,  wie,  wenigstens  im  Nil- 
thal, ein  minder  edles  Glied  der  Sängerzunft  sicli  benehmen 
konnte,  wie  er  durch  übermässige  Gefrässigkeit  seinen  Bauch  auf- 
schwellt, wie  er  aus  schnödester  Habgier  den  Zuhörern  mit  seiner 
unerträglichen  Stimme  zusetzt  usw.  Man  wird  bei  der  Lecture 
des  Gedichts  lebhaft  an  die  Art  erinnert,  wie  die  Freier  den 
Odysseus  und  den  Iros  behandeln  \  ebenso  an  die  späteren  Aus- 
gestaltungen der  Herakleesage,  den  die  Komödie  znm  Schlemmer 
machte,  man  denkt  schliesslich  an  die  ständige  Figur  des  Para- 
siten in  der  späteren  Komödie,  die  zuerst  in  Sicilien  bei  £pi- 
charm  erscheint.  £e  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  von  der  grie 
chischen  Komödie  und  ihren  Charaktertypen  sowie  vom  komiscbei 
Epos  der  Griechen  Fäden  zu  den  komischen  Darstellungen  «iei 
Aegypter  hinüberführen.  Dass  die  Aegypter  Über  eine  starb 
humoristische  Ader  verfügten,  ist  bekannt.  Die  Sage  vom  Frosch] 
mäusekrieg  wird  nicht  zu  trennen  sein  von  dem  ganz  ähnlichei 
Kriege  der  Katzen  and  Mäuse*  oder  der  Schilderung  der  ver 
kehrten  Welt,  in  der  die  Katzen  die  Mäuse  bedienen'.  Dies 
und  ähnliche  Beziehungen  verdienten  eine  genauere  Un  tersuchuBi 
auch  von  ägyptologischer  Seite  her,  wobei  auch  babylonisch 
Kinflüsse  (Fabelelemente)  zu  sondiren  wären.  Dase  übrigens  d< 
Verfall  des  griechischen  Sängerthums  mit  dem  politisclien  Wan<li 
der  Zeiten  in  Zusammenhang  stand,  bedarf  keiner  näheren  £) 
wähnung. 

Auf   die    weite  Verbreitung    des  Parasiten typue  **    weist 
schon  Lukian  hin,  wenn  er  περί  παρασίτου  c.  30,  allerdinge  h^ 
scherzhaft,  sagt:    ή  μίντοι  παρασιτική  .  .  .  κα\  έν  Έλλησι  κ 
βαρβάροις   μία  έστι  καΐ  κατά  ταύτα  και  ωσαύτως.     Uebrig^ 
ist  nach  Lukians  nicht  ganz  ernst  gemeinter  Aussage  Homer  d 


1  Vgl.  auch  ρ  219  ff.  286  ff.  345  ff.  σ  2  ff.  ua. 

«  S.  Erman,  Aegypten  S.  686. 

'  S.  Zeitschr.  f.  Aejfypt.  Sprache  u.  Alterthumek.  1897,  S.  l 
Eine  andere  Version  s.  Zeitschrift  der  Bücherfreande  1901,  S.  47tS.  \ 
auch  über  ägyptische  Karikaturen  0.  Keller,  Die  Thiere  des  clasaisd 
Altertbums  S.  186  u.  209. 

*  S.  O.  Rihbeck,  Kolax,  Abh.  d.  Sachs.  G.  d.  W.  1884,  1    ff. 


Τυφλός  άνήρ  271 

Erste,  der  dem  Parasitenthum  das  Wort  geredet,  wenn  er  sagt, 
ea  gäbe  kein  echöneres  Leben,  als  wenn  alle  Tieobe  gedeckt  eind 
und  der  Wein  reieblicb  flieset  usw.  (i  5  ff.).  Kai  ώς  ούχ  Ικανιΰς 
ταύτα  Θαυμά21ιυν  μάλλον  τήν  αύτου  γνώμην  ποιεί  φανεριυτέραν 
€0  λέγων  (ι  11)  Τουτό  τί  μοι  κάλλιστον  ένι  φρεσίν  εΤοεται 
είναι.  Ein  wahrer  Kern  scheint  in  diesen  Aasffihmngen  ent- 
halten zn  sein.  Im  Oegeneatz  za  Lukian  schlieest  Athenäns  aus 
der  Iliasstelle  Ρ  575  ff.,  der  Dichter  habe  unter  dem  φίλος  ei- 
λαπινα(Ττής  des  Hektor  ΤΤοοής  einen  Parasiten  verstanden,  der 
darch  einen  Speerwarf  des  massigen  Spartaners  Menelaos  κατά 
Ζωστήρα,  in  den  Bauch,  den  Wohnsitz  der  Schlemmerei,  in  ge- 
ziemender Weise  bestraft  werde,  der  Dichter  habe  also  die  Para- 
siten geisseln  wollen,  eine  Insinuation,  die  jeder  thatsächlichen 
Begründung  entbehrt. 

Für  Lukians  Auffassung  sprechen  Stellen,  an  denen  die 
Macht  der  γαστήρ  ούλομένη  beklagt  wird,  die  den  Menschen 
yiel  Unheil  bringe  und 

της  ένεκεν  και  νήες  έύίυγοι  όπλίίονται 
πόντον  έπ'  άτρύγετον,  κακά  ουσμενέεσσι  φέρουσαι 
(ρ  287  f.  vgl.  ο  344  Ο  54).  Es  ist  unleugbar,  dass  aus  gewiesen 
Abschnitten  der  Odyssee  eine  gedrückte,  verbitterte  Stimmung 
spricht.  In  den  harmlosen  Erzählerton  der  älteren  Theile  mischt 
sich  ein  herher  Klang,  ein  Hauch  der  Entsagung.  Mitleiderre- 
gende Bilder  der  Armuth,  des  Niedergangs  drängen  sich  in  die 
Phantasie  des  Dichters.  In  der  Ilias  spielt  der  Gegensatz  von 
Arm  und  Reich  fast  keine  Rolle.  Der  Dichter  der  jüngeren 
Odysseetheile  verhält  sich  zn  seinen  älteren  Collegen  wie  Euri- 
pidee  zu  den  früheren  Tragikern.  Auch  er  hebt  das  Charakte- 
ristieche  hervor,  Weiberintriguen  spielen  hinein,  das  weibliche 
Element^  überhaupt  wird  stärker  betont,  die  Schlauheit,  die  So- 
pbietik  der  Freier,  der  ήττιυν  λόγος  beherrscht  die  Welt.  Der 
Bänger  stellt  die  untadeligen  Helden  der  früheren  Generation  dem 
corrumpirten  Adel  der  Gegenwart  gegenüber.  Begehrlich  blickt 
er  zu  ihrer  Höhe,  ihrem  Ueberfluss  empor,  er,  der  das  Loos  der 
Bedürftigkeit  so  anschaulich  zu  schildern  vermag,  als  kenne  er 
es  aus  eigenster  Erfahrung.  Der  Duft  festlicher  Gelage  dringt 
ihm  anlockend  aus  den  Palästen  der  Herrn  entgegen  (p  269), 
der  Schall    üppiger  Feste    schlägt  an   sein  Ohr  (ψ  148  ff.),    er 


^  Und  zwar  oft  nach  der  schlimmen  Seite  hin.    ρ  319  ua.  leitet 
über  Semonides  zu  Euripides  hinüber. 


272  Frie^ 

fühlt  eicb  den  Herren  entfremdet;  sie  sind  tibermttthig  gegen  ihn 
geworden,  den  durch  die  Ungunst  der  Zeiten  Geschädigten.   Der 
Iliassänger  blickt   ra  i  t  seinen  Helden  verächtlich  auf  Thereites, 
den  armen  Teufel,  herab;  der  Sänger  der  Odyssee,  selbst  gleich- 
sam  zum    Thersites,    zum    Satiriker   geworden,    blickt  mit  dem 
Bettler  verächtlich  und  grollend  zu  den  ihm  social  überlegenen 
Helden    empor.     Er   verachtet    ihre   Frivolität.     Bitterernst   nnd 
traurig    klingt    der    Ausruf    über    den     Herrendienst,    der   den 
Charakter  der  unfrei  Gewordenen  herabziehe  (p  319  ff.)•    Die  anf 
Etihrung   zugeschnittene  Argosepisode    zeigt,    dass  auch  der  alte 
Sang  nicht  mehr  verfing,  dass  neue  Reize  nöthig  waren,  um  dae 
abgestumpftere  Publikum  zu  fesseln,  das  in  den  Freiem  so  deut- 
lich geschildert  wird    und   das    der  Dichter   zu    tief  etudirt  hat, 
als  dass  wir  an  blosse  Fictionen   glauben    könnten.     Es   hat  et- 
was für  den  Dichter  und  seine  Zeit  Symbolisches,  wenn  der  Held 
der  Dichtung,  der  gewaltige  Recke,  in  seine  Heimat  zurückkehrt 
πτιυχψ  λβυγαλ^ψ  έναλίγκιος  ήοέ  γίροντι. 

Um  nun  zum  Ausgangspunkt  unserer  Untersuchung  zurii  ' 
zukehren,  müssen  wir  uns  zunächst  zum  Bewusstsein  bringen, 
dass  nur  Demodokos  bei  Homer  als  blinder  Sänger  bezeichoet 
wird.  Phemios  wird  als  sehend  gedacht  (cf.  Od.  χ  330  ff.)•  Auch 
der  Sänger,  welchem  Agamemnon  vor  seiner  Abfahrt  die  Gattin 
zur  Bewahrung  anvertraut  hatte,  kann  nicht  blind  gedacht  wer- 
den. Sonst  hätte  ihn  Aigisthos  nicht  auf  eine  ferne  Insel  va 
schicken  brauchen,  um  ungehindert  durch  ihn  seinen  Verrath  za 

üben  (Od.  γ  267  ff.)• 

Die  Sänger  der  Odyssee  hatten  klare,  hellsebende  Augea 
Ihr  Blick  schweifte  über  Land  und  Meer,  Farben  und  Formel 
der  wirklichen  Welt  prägten  sich  mit  unauslöschlichen  Zügen  ii 
ihre  Seele.  'Wir  dürfen/  sagt  ein  namhafter  Vertreter  der  Augen 
heilkunde^  'da  unser  Geist  nur  jene  Eindrücke,  welche  ihm  durcl 
die  Augen  zuströmen,  zu  dem  bunten  Spiel  der  Phantasie  zu  be 
nutzen  vermag,  die  Phantasie  dreist  eine  Tochter  des  Licht 
nennen  und  behaupten,  ohne  Augen  giebt  es  keine  Phantasie' 
Freilich  ist  es  ja  nicht  nöthig,  an  Blindgeborene  zu  denken,  ud 
man  kann  auf  Milton,  Pfeffel  ua.  hinweisen.  Allein  die  Odyss« 
im  Besonderen  ist  ein  Reiseepos,  jede  Zeile  der  *  Αλκίνου  άηί 
λοτοί  verräth  Autopsie  ähnlicher  Zustände  und  Lokalitäten.    D 

^  H.  Magnus,  das  Auge  in  seinen  ästhetischen  und  culturgeacbidb 
liehen  Beziehungen.     Breslau  1876  S.  lOG. 


Τυφλός  άνήρ  273 

frische  Energie  femer,  mit  der  Odyeseus  und  seine  Gefährten 
von  Abenteuer  zn  Abenteuer  eilen,  der  keoke  Math  dieser  £nt- 
decknngsfahrer,  die  darch  Stnrm  und  Wetter  unbeirrt  dahin- 
eteaern,  immer  wieder  die  Segel  einspannen  oder  die  SchifPe  in 
den  geseliickt  ausgewählten  Hafen  ziehen,  das  Alles  konnte  nur 
ein  jugendkräftiger  Sänger  erzählen,  der  wohl  selbst  mit  Hand 
angelegt  hatte  und  nun,  duroh  das  Staunen  der  ihm  lauschenden 
Menge  ermuthigt,  der  Phantasie  die  Zügel  schiessen  liess  und  zu- 
weilen etwas  rodomontadenhaft  Erlebtes  und  Erdachtes  ineinander- 
wob.  Schliesslich  ist  es  nicht  gut  denkbar,  dass  alle  Sänger, 
die  an  der  Hias  und  Odyssee  dichteten,  an  demselben  üebel 
litten.  Das  wäre  ein  zu  merkwürdiges  Spiel  der  Natur  gewesen. 
Der  τυφλός  άνήρ  bildet  doch  zum  Glück  immer  die  Ausnahme, 
nicht  die  Begeh  Bergk  in  seiner  Litteraturgeschichte  meint,  die 
Blinden,  zu  jeder  anderen  Hantirung  unfähig,  hätten  sich  der 
SangeskuDst  zugewandt,  und  so  sei  die  Häufigkeit  blinder  Aöden 
leicht  zu  erklären.  Aber  die  Homeriden  waren  keine  dem  Leben 
erstorbenen  Krüppel,  und  vor  Allem  kann  wohl  jeder  Blinde  die 
technische  Fertigkeit,  die  für  den  Rhapsoden  nothwendig  ist,  er- 
lernen; das»  aber  gerade  jene  spät  erblindeten  Männer,  die  sich 
der  Kunst  als  einem  Nothbehelf  zuwandten,  nun  eben  die  ge- 
nialen Dichter  wurden,  zu  denen  die  spätesten  Jahrhunderte  em- 
porstaunen, das  ist  nimmermehr  wahrscheinlich.  Die  Kunst  der 
Homeriden  kann  nicht  ein  Nothbehelf,  ein  elender  Ersatz  der 
Unglücklichen  für  einen  besseren  Broderwerb  gewesen  sein,  sie 
muee  in  den  Zeiten  der  Blttthe,  vor  dem  späteren  Verfall,  so 
koch  in  Ehren  gestanden  haben,  dass  nur  die  Besten,  die  Be- 
gabtesten und  Gebildetsten  sie  aueüben  konnten.  Die  genialen 
Männer,  denen  wir  die  gewaltigsten  Epen  der  Weltlitteratur  ver- 
danken, sie  sind  —  das  bedarf  keines  Beweises,  das  muss  Jeden 
Beine  eigene  Begeisterung  für  Homer  lehren  —  durch  den  Gott 
in  ihrem  Busen  zu  ihrem  hehren  Beruf  geführt  worden,  nicht 
durch  ein  körperliches  Gebrechen.  Viele  konnten  das  Khapsoden- 
handwerk  lernen,  aber  wenige  waren  auserwählt.  Später  wurde 
das  ja  anders;  schon  aus  den  später  entstandenen  'i'heilen  der 
Odyssee  spricht  ein  anderer  Geist.  Die  Sänger  der  Ilias  und 
der  απόλογοι  waren  als  rüstige  Männer  mit  offenem  Sinn  und 
unbegrenzter  Empfönglichkeit  für  die  Eindrücke  der  Welt  begabt. 
Der  Dichter  des  zweiten  Theiles  der  Odyssee  besitzt  einen  engeren 
Gfesichtskreis,  seine  Gedanken  streifen  kaum  über  Ithaka  hinaus. 
Hier  rnhlt  er  sich  heimisch;  die   weite  Perspective,  die  ihm  ab- 

Btein.  Mu.  L  Philo!.  N.  F.  LVII.  18 


274  l•'  r  i  β  β 

geht,  ersetzt  er  durch  liebevolle  Detailechildemngeii,  die  der  un* 
gestttme  Iliaedicbter  wohl  verechmäht  haben  würde.    Aach  Spuren 
des  ßationaliemue    treten  vielleicht    in  dem  immer    wiederholten 
Misetrauen  gegen    all  die  Lügen  berichte  hervor,  die  man  beutzu• 
tage  von  Wanderern  aue  aller  Herren  L&nder  zu  hören  bekomme 
(λ  361  ff.  ψ  217  uö.).    Vielleicht  legt  hier  der  «pätere  Dichter  an 
die  Prodncte  des  älteren  Noetoedichtere    den  kritischen  Massstab 
seines  aufgeklärteren  Standpunktes  an.     Jedenfalls  lässt  sich  die 
Ansicht  nicht  aufrecht  erhalten,  dass  Homer  ganz  hinter   seiDem 
Gegenstände  verschwinde  ;  bei  genauer  Betrachtung  besonders  der 
jüngeren   Abschnitte    ergiebt    sich    eine    erhebliche  Anzahl    von 
Spuren  subjektiver  Empfindung    und    persönlicher  Stellungnahme 
zu  den   obwaltenden   Zeitverhältnissen.     Wer    von   letzteren  ge- 
nauere Kunde    besässe,    dem    würde  vielleicht  so  manche  Stelle, 
an  der  wir  nun  achtlos  vorübergehen,    in  ihrer  tieferen,  persÖD- 
liehen  Bedeutung  klar  werden. 

Ob  der  Verfasser  des  Hymnos  auf  den  delischen  Apollo 
wirklich  blind  war  oder  nicht,  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Die 
Wahrscheinlichkeit  spricht  wohl  dafür,  dass  Demodokos,  Homer, 
der  Sänger  von  Ghios,  Thamyris  ua.  nur  der  Sage  nach  blind 
waren,  die  inneren  Indicien  sprechen  gegen  eine  derartige  Αώ-| 
nähme.  Nun  fragt  er  sich,  welches  ist  der  Ursprung  einer  sol-i 
eben  Sage? 

Es  steht  fest,  dass  die  Zahl  der  Blinden  im  Süden  Europas 
grösser  ist,  als  im  Norden,  dass  aber  in  Aegypten  die  Zahl  der 
mit  den  verschiedensten  Augenkrankheiten  und  auch  mit  Blind- 
heit Behafteten  grösser  ist,  als  in  jedem  anderen  Lande  ^.  Noch 
jetzt  soll  es  in  Unterägypten  von  Blinden,  Einäugigen  und  Trief- 
äugigen wimmeln.  Dass  durch  Napoleons  ägyptische  Expeditioc 
die  ägyptische  Augenentzündung  nach  Europa  verschleppt  unc 
hier  epidemisch  wurde,  ist  eine  bekannte  Thatsache.  Im  Alter 
thum  werden  ähnliche  Zustände  geherrscht  haben,  zumal  die  ea 
nitären  Verhältnisse  damals  auf  einer  weit  primitiveren  Stuf 
standen,  als  heute.  Der  oben  citirte  Ophthalmologe  freiließ 
meint,  es  fehle  an  sicheren  Anhaltspunkten  für  eine  solche  An 
nähme  (S.  80  ff.).  Nun  beziehen  sich  aber  im  Papyrus  £bei 
ein  Zehntel  sämmtlicher  mitgetheilter  Recepte  nur  auf  Au^i 
krankheiten^     Hirschberg  hält    dem    entgegen,    dass    bei    Oa^e 

cf.  Schenkel,  Bibellexikon  u.  Blindheit;  Hirscliberg,   AegyiUe 
Geechichtliche  Studien  eines  Augenarztes.     Leipzig  1890.  S.  76. 

a  V.  Oefele  in  Neuburger  und  Pagela  Handbuch  der  Oesoliicii 
der  Medizin,  Jena  1901,  I  79  u.  «7.     Ernian,  Aegypteu  S.  483. 


Τυφλός  dvi^p  27i 

dasselbe  Yerhältniss  obwalte.  Ob  dies  einem  alexandriniseben 
Einflnese  zazneohreiben  ist  oder  nicht,  steht  dahin  ^ ;  alle^  Wahr- 
scheinlichkeit spricht  jedenfalls  dafür,  daes  die  Zahl  der  Blinden 
in  Äegypten  anch  im  Alterthnm  eine  erhebliche  gewesen  sei. 
Zwei  blinde  Könige  von  Äegypten  nennt  Herodot  (fl  111.  137). 
Dem  erateren  wird  das  Augenlicht  znr  Strafe  für  einen  Frevel 
gegen  den  heiligen  Strom,  also  eine  Gottheit  entzogen,  wie  das 
auch  in  vielen  griechischen  Sagen  vorkommt,  z6.  Thamyris,  Ly- 
korgos  na.  Aach  Steaichoros  verfallt  zeitweise  diesem  Schicksal, 
bis  er  sich  daroh  eine  Palinodie  rettet.  Diese  Wnnderknr  er- 
innert lebhaft  an  die  epidanrisohen  Heilangen  durch  göttlichen 
Eingriff|  und  man  kann  zwischen  diesen  Fiotionen  klager  Priester 
und  der  Sage  von  Stesichoros  vielleicht  einen  Zneammenhang  er- 
kennen. Aach  in  der  Bibel  findet  sich  die  Beraubung  des  Augen- 
lichts zur  Strafe  für  gottloses  Verhalten  nicht  selten  (2  Eon.  6, 
18,  Apostelg.  13,  11  ua.).  Helena  erzählt  von  dem  Reichthum 
Aegyptens  an  Arzneien.  Jeder  ist  dort  Arzt  und  tibertrifft  alle 
an  Erfahrung  (b  229  ff.).  Auch  Herodot  erzählt  viel  von  den 
Heilknnetlem  des  Nilthals  und  dem  dort  herrschenden  Specialisten- 
thom.  Kambysee  läset  sich  den  besten  Augenarzt  aus  Äegypten 
kommen  (Herod.  III  1).  Mit  besonderem  Ernst,  wie  sonst  nir- 
gends, wird  das  Auge  und  die  Blindheit  in  der  Bibel  behandelt. 
Es  gibt  im  Hebräiechen  11  Wurzel worte  für  die  verschiedenen 
Formen  des  normalen  Sehens  und  14  für  das  Blindsein.  Das 
Auge  wird  als  der  grösste  Schatz  des  Menschen  bezeichnet;  wer 
Blinde  irre  führt,  verfällt  besonderer  Strafe^.  Es  ist  nicht  un- 
denkbar, dass  hier  ägyptische  Einwirkungen  vorliegen. 

Im  Buch  der  Bichter  wird  erzählt  (16,  20  ff.),  wie  die  Phi- 
lister Simson  blenden.  ^  Da  nun  ihr  Herz  guter  Dinge  war, 
sprachen  sie:  Laset  Simson  holen,  daes  er  vor  uns  spiele.  Da 
holeten  sie  Simson  aus  dem  Gefängniss,  und  er  spielte  vor  ihnen, 
nnd  sie  stelleten  ihn  zwischen  zwo  Säulen.  Simson  aber  sprach 
ZQ  dem  Knaben,  der  ihn  bei  der  Hand  leitete:  Läse  mich,  dass 
ich  die  Säulen  taste,  auf  welchen  das  Haus  stehet,  dass  ich  mich 
daran  lehne.  Das  Haus  aber  war  voll  Männer  und  Weiber.  Es 
waren  auch  der  Philister  Fürsten    alle  da;    und    auf    dem  Dach 


1  H.  Magnus,  die  Augenheilkunde  der  Alten.  Breslau  1901.  S.  18  f. 
tritt  entschieden  für  Beeinflussung  der  griechischen  Medicin  durch  die 
igyptische  ein. 

>  H.  Magnus  aO.  S.  24. 


976 


Fr'ei 


bei  dreitaneend,    Mann  and  Weib,    die    da   zueahen,    wie  Simson 
spielte.    Simeon  aber  rief  den  Herrn  an  nnd  sprach:  Herr,  Hen! 
gedenke  mein,    and  stärke  mich  doch,    Gott,  dies  Mal,   dass  ich 
für  meine  beiden  Aagen  mich  einst  räche  an  den  Philistern'  £r 
stürzt  das  Oebände  and  begräbt  sich  and  die  Philister  auter  den 
Trümmern.     Der  entkräftete    Fürst   steht   seinen  Peinigem  erst 
ohnmächtig,    dann    übermächtig    gegenüber,    wie    Odysseos  den 
Freiern.    £r  wird  zam  Singen  gezwangen,  wie  Phemios.    Er  flebt 
Oott  am  Bestraf ang  der  Feinde  für  seine  Blendung  an,  wie  Po• 
lyphem  den  Poseidon  anraffc  (i  527  ff.).    Als  blinder  Sänger,  vom 
Knaben  geführt,    erscheint  er    bei   allgemeiner  Lastbarkeit,  und 
ihm  laaschen  Männer  and  Fraaen.     So  aach  Demodukos  bei  den 
Phäaken. 

Erman^  berichtet,  dass  in  Aegypten  vorzagsweise  die  Blin- 
de η  als  Sänger  benutzt  warden,  es  existiren  Denkmäler,  aaf 
denen  wir  den  blinden  Sänger  vor  seiner  hohen  Harfe  kauern 
und  spielen  sehen.  Hier  ist  wohl  die  Qaelle  aller  Sagen  vom 
blinden  Sänger  zu  finden,  denn  die  nat argem ässeste  Entwicklong 
ist  doch  die,  dass  ein  auffälliger  Zag  der  Mythe  von  dem  Pankt 
aas,  an  dem  er  durch  thatsächliche  Umstände  eine  äussere  Be- 
gründung findet,  mit  vielen  anderen  Zügen  die  Wanderschaft  in 
andere  Culturgebiete  antritt  und  sich  da  weiter  entwickelt.  SimBOO^ 
Demodokos,  Tbamyris,  Xenokritos  aa.  sind  Söhne  des  ägyptischen 
Sängers^.  Die  Könige  des  alten  Reiches  warteten  nicht  darauf,  bifl 
die  Sage^ihre  Person  mit  einer  Gloriole  umgeben  hatte;  die  Heiden 
sage,  deren  Mittelpunkt  sie  waren,  wurde  auf  ihr  eignes  Commaudc 
von  dem  wohlbestallten  Hofpoeten  angefertigt  oder  wiederholt 
Von  einem  eigentlichen  Epos  ist  bei  den  Aegyptern  keine  Rede 
das  Lied  des  Pentaur  ist  kaum  ein  Hymnos  oder  eine  Rhapsodie 
Lyrische,  hymnenartige  Verherrlichungen  ohne  poetische  Geeta) 
tung  nnd  Erfindung  waren  allerdings  eine  Aufgabe,  die  einet 
Blinden  mit  Aussicht  auf  Erfolg  anvertraut  werden  konnte.  Ui 
so  widernatürlicher  scheint  es  nun,  dass  der  Homeride  desjenige 
Organa  entbehrt  haben  solle,  dessen  der  wahre  Epiker  am  schwei 
sten  entrathen  kann. 

So  hat  sich  denn  die  Sage    von    dem    ehrwürdigen  Greie 


Ϊ  Aegypten  S.342.  Wilkineon,  the  mannera  and  the  customsof  t 
ancient  Egyptians'  ed.  Birch,  London  1878  I,  442. 

2  lieber   Simson    als  Helden     eines  Sonnenmythus    vgl.  jetzt 
Gruppe,  Griechische  Mythologie  und  Religionsgeschichte,  S.  413  Anm.  1 


Τυφλός  άνήρ  277 

d.€^m    blinden    Manne  in   nichts  aufgelöst.     Man   hat  neuerdings 
die   erhaltenen    Bildnisse  Homers  auf  die    Beschaffenheit    der    an 
ihnen    dargestellten   Augen    hin   untersucht^.     Das  F^rgehniss    ist, 
daes   'die  Erbliodungsform  auf  vorangegangene  schwere  infeotiöse 
SchleiDfihanterkrankung    der  Augen   und  zwar  auf  die  im   Volks- 
mund    als    ägyptische  Augenerkrankung  bekannte    hindeutet,    wie 
sie   gerade    im    Süden  so  häufig   vorkommen    und    so    häufig    xut 
Slindheit  führen  '.      Der  Bildhauer,  der  die  speciell  von  dem  ge- 
nannten  Gelehrten  untersuchte  Statue    schuf,    hat    mit    künstleri- 
schein   Gefühl    das   Richtige  gefunden. 

Berlin.  Carl  Erlee. 


<  H.  Ma^^nuSy  Die  antiken  Büsten  des  Homer,  eine  augenärztlich' 
ästhetisohe   Studie.      Berlin  18%.  S.  70. 


Λ 


UEBER  EINE  SCENE  DES  EURIPIDEISCHEN 
ORESTES 


Euripidee  hat  im  Oreetea  die  überlieferte  Sage  tiftoii  freiem 
Brmeenen  gestaltet  und  so  eine  Reihe  neoer  Situationen  geschaffen. 
Der  Reicbtbuni  bnat  wechselnder  Soenen  verleibt  dem  Stflcb 
seinen  besten  Reiz'.  Aber  keine  Scene  giebt  es,  die,  frei  er- 
fanden, etwas  ganz  Anderes  böte,  als  man  sonst  im  Drama  zn 
sehen  gewohnt  war;  vielmehr  Issten  nieh  Überall  typische  Vor- 
bilder nachweisen,  so  wie  A.  Dieterich  bereite  für  die  grosse 
Schlafscene,  die  das  Drama  eröffnet,  den  weiteren  Zosammenliang 
in    einleuchtender    Weise    klargestellt    bat*.     Die    Dialog  pari  ie  π , 


Ueber  eine  Scenc  des  euripid  ei  sehen  Orestee  279 

welche  folgen,  zeigen,  vom  techniRchen  Standpunkt  aus  genom- 
men, keine  Abweichung  von  dem  üblichen  Schema.  Eret  gegen 
£nde  des  Stückes  wendet  der  Dichter  frische  und  kräftige  Far- 
ben an,  indem  er  auf  eine  stärkere  Bühnenwirkung  hinarbeitet. 
Hier  findet  sich  ein  Auftritt,  der  auf  den  ersten  Blick  als  etwas 
wirklich  Neues  erscheint,  derjenige  nämlich,  in  welchem  das  Ver- 
schwinden der  Helena  und  die  Gefangennahme  der  Hermione 
durch  Orestes  und  Pylades  von  einem  phrygischen  Sklaven,  der 
aus  dem  Gemetzel  entkam,  dem  Chor  erzählt  wird.  Das  ist  im 
Grunde  nichts  als  ein  Botenbericht,  und  somit  wäre  nach  der 
Technik  der  antiken  Tragödie  der  iambische  Trimeter  als  das 
Yersmass  der  Erzählung  das  gegebene  gewesen.  Statt  dessen 
finden  wir  ein  weit  ausgesponnenes  Lied  in  gelösten  Rhythmen 
nach  der  Weise  des  άρμάτ€ΐον  μέλος;  es  muss  ein  Glanzstück 
aufgeregter  Musik  gewesen  sein.  Diese  Scene  bietet  jedoch  nicht 
blosR  ein  formales,  sondern  auch  ein  stoffliches  Interesse.  Denn 
die  Erzählung  des  Phrygers  ist  so  breit  angelegt,  die  Thatsachen 
sind  80  eigenthümlich  gestaltet,  dazu  ist  das  komische  Moment  so 
bewuset  in  den  Vordergrund  gestellt,  dass  es  sich  verlohnt, 
alle  diese  Dinge  einer  schärferen  Prüfung  zu  unterwerfen.  Nach 
dem  Berichte  des  Augenzeugen  entwickelt  sich  die  Handlung 
in  folgender  Weise. 

Oreet  und  Pylades,  mit  Thränen  in  den  Augen,  nähern  sich 
dem  Seeeel,  auf  dem  Helena  sitzt,  lassen  sich  demüthig  vor  ihr 
nieder  and  umschlingen  wie  Schutzflehende  ihr  Knie.  Die  phry* 
glichen  Diener  springen  beunruhigt  auf;  sie  fürchten  eine  List, 
können  eich  aber  über  die  Absichten  der  beiden  Helden  nicht 
klar  werden.  Orest' bittet  die  Helena,  ihm  zu  dem  uralten  Herd- 
eitz  seinee  Ahnherrn  Pelops  zu  folgen,  weil  er  mit  ihr  Geheimes 
zu  bereden  habe.  Unterdessen  treibt  Pylades  die  Dienerschaft  aus 
dem  Saale  und  schliesst  sie  in  den  Kammern  des  Palastes  ein. 
Dann  ziehen  beide  plötzlich  die  Schwerter,  die  sie  bis  dahin  vor- 
sichtig unter  ihren  Purpurgewändern  .  verborgen  hatten,  und 
fallen  über  Helena  her^  Auf  deren  Wehegeschrei  befreien  die 
Phryger  sich  gewaltsam  aus  ihrem  Gefängniss  und  eilen  zu  Hülfe, 


*  Ich  lese  1457  ff.:  άμφιπορφύρων  {άμφΧ  πορφυρέων  Hdschr.) 
π^πλαιν  όπό  σκότου  |  Ηίφη  σπάσαντες  έν  xcpolv,  lasse  πέπλων  von  όπό 
σκότοιι  abhängen  und  dies  wieder  von  σπάσαντ€ς;  sonst  vermag  ich 
CoDstruction  und  Sinn  nicht  zu  verstehen,  άμφιπόρφυρος  muss  'ringsum 
ptirpum*  heissen;  αμφίχρυσος,  άμφ(τορνος  sind  entsprechende  Bildungen 
des  Kuripides.    Vgl.  ausserdem  Med.  b'o :  π€ρ^  γάρ  ήο'  ύπό  σκηνής  πόόα. 


280  Radermaoher 

aber  Pylades  tritt  ihnen  entgegen,  und  nnn  in  dem  auebreclienden 
Kampfe  zeigt  sich  die  üeberlegenheit  der  Hellenen  in  glänzend• 
8tem  Lichte.  Von  den  Asiaten  fallen  die  einen^  andere  werden 
verwandet,  wieder  andere  flehen  kniefällig  nm  ihr  lieben,  die 
Mehrzahl  sucht  ihr  Heil  in  schleuniger  Flucht  ^  Hermicne,  die 
inzwischen  ahnungslos  den  Saal  betrat,  wird  gefangen,  Helena  da- 
gegen plötzlich  entrückt  und  so  dem  Todesschicksal  entzogen 

Für  diese  weitläufig  angelegte  Komposition  sind  namentlii-h 
drei  Momente   bemerkenswerth :   einmal,  dass  Oreet  und   Pylades 
Anfangs    mit    ruhiger    Vorsicht^    zu    Werke    gehen,    von    ihrer 
eigentlichen  Absicht  nichts  ahnen  lassen  und  erst  im  gegebenet 
Augenblick  urplötzlich  die  Maske  abwerfen.     Das  zweite  ist  der  j 
von   vorneherein    scharf  durchgeführte    Gegensatz    zwischen    der 
siegreichen   üeberlegenheit  der  beiden    griechischen    Helden   und 
dem    elenden    Verzagen    der    ihnen    entgegentretenden    Phryger. 
Drittens  muss  der  Gesammteindruck   der  drastischen  Schilderung 
ein  komischer  sein ;  er  wird  nicht  bloss  durch  die  Jammergestah 
des   Erzählers  verbürgt  ^    sondern   auch    durch  die  Art,   wie  da9 
lächerliche  Benehmen  der  phrygischen  Dienerschaft  während  des 
Kampfes  mit  Behagen  breit  ausgemalt  wird. 

Diese  komische  Wirkung  hat  der  Scholiast  empfunden  und 
demnach  zu  Anfang  der  Scene  bemerkt,  dass  hier  Euripides  seine! 
eigenthümliche  Weise  aufgebe  und  Dinge,  die  ihm  nicht  ao-i 
ständen,  zur  )Darstellung  bringe^.  Auch  Aristophanes  sagt  in 
der  Hypothesis:  τό  bp&μa  κωμικωτέραν  Ιχεχ  τήν  καταστρο• 
φήν,  und  diese  Aeusserung  kann  nicht  wörtlich  genug  verstanden 
werden.  Dass  der  Dichter  mit  Bewusstsein  auf  eine  solche 
Wirkung  hinausarbeitete,  beweist  die  folgende  Scene ^,  eine  Unter 
redung  zwischen  Orestes  und  dem  Eunuchen,  in  der  dieeer  jäm* 
merlich  um  sein  Leben  winselt  und,  um  sich  zu  retten,  die  frech- 
sten Verdrehungen  vorträgt,  während  Orestes,  offenbar  epielend, 
ihn  hinhält  ^ 

1  Dieser  Abschnitt  ist  in  den  Schollen  merkwürdig  miasverstan• 
den  und  auf  die  Kämpfe  yor  Ilion  bezogen. 

^  {ppoi  τ&ς  ήσυχου  προνο(ας  κακοΟργος  div,  sagt  der  Phryger 
der  damit  die  Art,  wie  Oreet  und  Pylades  vorgehen,  treffend  charak 
terisirt. 

β  Es  genügt  auf  die  Art  zu  verweisen,  wie  er  sich  einfuhrt  (Vt 
1309  ff.). 

*    Scholion  zu  Vs.  1369  und  zu  Vg.  1384. 

»  Hier  bemerkt  der  Scholiast  (zu  1512)  dvdEia  καΐ  τρατψοίο 
καΐ  τής  Όρ^στου  συμψορας  τά  λ€τ6μενα. 

β  ν  τ,ρος  ^[  οοκ€ΐς  μ€  τλήναι  σήν  καθαιμάΕαι  bipriv  ii 


üeber  eine  Scene  des  euripideischen  Orestes  2HI 

Snoheo  wir  von  den  bezeichneten  Oeeicbtepnnkten  aue  nach 
einem  Vorbilde,  dem  Euripidee  in  unserer  Scene  gefolgt  sein 
könnte,  so  drängt  sieb  meines  Eracbtens  zwingend  das  Aben- 
teuer des  Herakles  mit  Busiris  auf.  Busiris,  der  Sobn  des  Aigyptoa 
und  König  von  Aegypten,  pflegte,  wie  Apollodoros  II  5,11  erzählt, 
die  Fremdlinge,  die  in  sein  Land  kamen,  zu  opfern.  Und  als 
Herakles  in  seine  Hand  gerietb,  liess  auch  dieser  zunächst  schein- 
bar ruhig  nnd  ergeben  Bich  zum  Altar  führen;  aber  dort  ange- 
^^^g^t  gah  er  die  Verstellung  auf,  erschlug  den  Busiris  und  rich- 
tete unter  seiner  Gefolgschaft  ein  furchtbares  Blutbad  an. 

Auf  einer  Caeretaner  Hydria  des  VI.  Jahrb.  finden  wir  den 
Schlussakt   des  Dramas  dargestellt^.     An  der  ίοτχα  liegt  König 
Busiris  erschlagen.     Davor   steht   der    gewaltige  Held  Herakles, 
mit  der  Rechten  einen  Menschen  würgend,    den  seine  Tracht  als 
Ausländer  deutlich  charakterisirt.     Mit  der  Linken  hat  er  einen 
Zweiten,  ebenso  bekleideten,  beim  Beine  gepackt  und  schwingt  ihn 
durch  die  Luft,  um  ihn  am  Altar  zu  zerschmettern ;  zwei  andere 
hängen  lebloe  mit  der  charakteristischen  Kopfhaltung  der  Erdros- 
selten in  seinen  gekrümmten  Ellenbogen.    Wieder  andere  stampft 
er  mit  den  Füssen  nieder.     Was  noch  lebt,  sucht  sich  in  eiligster 
Flucht  zu  retten;  einer  kniet  auf  dem  Altar,  einer  dahinter;  beide 
itrecken  dem  Helden  flehend  ihre  Hände  entgegen.    Das  ist  alles 
so,  wie  ee  Euripidee  beschreibt: 

δ  μίν  οΐχόμενος  φυγάς,  δ  hi  νέκυς  ών, 
*  δ  bt  τραύμα  φέρων,  δ  hl  λισσόμ€νος 
θανάτου  προβολάν. 
ύπό  CTKOTOV  V  έφεύγομεν. 
ν€κρο)  V  ίτΓίπτον,  ο1  b'  ίμελλον,  οι  b*  ίκειντο. 
inf  der  Buckaeite  sehen  wir  die  Leibwache  des  Busiris  zu  Hülfe 
ilen:  fünf  Leute,    durch  Tracht  und  namentlich  durch  Kopfform 
od  Wollhaare  als  Aethiopen  deutlich  charakterisirt*.   Sie  tragen 
leulen  in  des  Händen. 


raramatiscb    in  Ordnung  (vgl.  Madvig  Adv.  1 182),  wenn  man  λήν  Αν 
ir  τλίΐνοι  eineetet. 

1  Veröffentlicht  in  den  Monumenti  inediti  VUl,  27  vgl.  die 
ignette  nnd  Fnrtwängler  in  Koschere  Myth.  Lexicon  I  2215. 

*  Die  Neger  sind  deutlich  erkennbar,  dagegen  in  der  Kampfsoene 
rscheinen  neben  ihnen  auch  Aegypter,  durch  hellere  Hautfarbe, 
hlichtee  Haar  nnd  semitigohes  Profil  sichtlich  unterschieden.  Als  werth- 
>lle  Beobachtang  möchte  ich  übrigens  hier  noch  eine  Bemerkung 
öschckee  mittheilen.    Er  lehnt  die  Darstellung  der  Vase  als  bewuset 


Λ  r     blicke  von  sei""'  Heldenkraft  GebrnDch.    Zweitene  wirJ  di( 
KVirlicit    der    Biirhärea   tnit   grellen  Farben  geechildert,    dritteod 
leigt   bereue    Je•  Vaeeiibild    deutlich    eine   komiBch  traveelireude 
Jiutfateung  de»  Abenteuere.     EJiiEelheiten   bei    EuripiJee    werden 
jelit  erst  klar.     Helena    boU    an    der   εστία    eracblagen  werden; 
iliiRcr  y.ag  ist  "i't  merkwürdiger  Treue  feetgelialten.     L'eber)iHU|>i 
verslulit  niHii  nun  eret  die  Umecbweife  der  UandluDg.    Im  Grunde  ι 
Ug  es  docb  für   die    btideii  Helden   näher,    gleich    beim    KiDtriil  ' 
^je  'l'hiireti  des  UeinacheB  fu  echlieeeen  und  dann  ohne  Weiteres 
tiiederxUEcblagi  n,    wae   bIuL•    drinnen  fand.     Man    darf   nicht    ein- 
wenden, der  Saal,  in  dem  Helena  aaea,  aei  nicht  so  leicht  eu  vti- 
riegeln  gewesen;  das  ist  ja  alleb  Fiktion  dea  biohtera,  der  geradt 
(,ο  gut  den  Uebeifall  der  beiden  Frauen  in  ein  eintbfirigea  Zimmer 
verlegen  konnle.  ätalt  deeeen  ist  die  Gefangennahme  der  Uermiont 
in  dem    liericLle  den  Pbrjgies  sogar  recbt  unwahreoheiniich  dir 
geetellt.     Hat  kic  denn  von  dem  Kampfgetümmel  gar  uiclits  Ter- . 
nommen?    Allein  bei    aller  Äehnlichkeit    der  beiden  Handlungen,! 
deren  Verscbiedenheil  ibrerseits    sieb   aofurt    erklärt,    wenn    mat  | 
erwSgt,  ditss  b:uri)iidee  eine  durchaaa  abweichende  Sachlage  eiit- 
sprechend  aaegeetaltete,  fragt  es  eich  nnn  doch,  auf  welchem  Wege 
ihm   sein  Vorbild  vermittelt  wurde.      Die  Antwort    ergiebt  sieb. 
wenn  man  bedenkt,  dass  der  Bnsiris  für  die  Komödie  ein  überau; 
beliebter  Vorwurf  gewesen  ist.    Wir  kennen  Stücke  dieses  Nameni 
von  Kpicharmos,  Kraiinoe,  Antiphanee,  Ephippoe,  HneaimachosV 
Hierzu  kommt  ein  Satjrspiel  dee  Phrynichos  und  eine  dee  Kuri- 
pidea,  den  eomit  die  Geschichte  stark  interessirt  haben  mues.    Vltm 
in  gleicher  Zeit  bat  sich  die  attiacbe  Kunst  dee  Vorwurfs   bemäch- 
tigt, wie  mehrere  erhaltene  Vaeenbilder  bezeugend     Nna  mag  man 

tmveitirend  an  dio  Darstellung  der  Ermordung  de«  Priamoi  dun.-)• 
Neoptolemos  an,  der  hierbei  den  kleinen  Aalyanax  am  Puase  ^efajil 
hat  und  durch  die  Luft  echwingt  (Monum.  XI,  l^).  Damit  en^^hli?!sl 
sich  eine  erbelilicbe  Perspektive  nach  oben,  eine  Verbin dangnlinie  1ί< 
hinauf  znm  Epos. 

'  V((l  Hiller  v.  Gärtringen  in  Pauly-Wiasowae  Reale Dc;cUipäd:« 
III  S.  107i\ 

a  Vgl.  Furtwäiigler  in  Hoscher  Myth.  Lex.  1  S.  2233  and  Arek 
Anr.  1«f*?,  f^. 


Ueber  eine  iScene  des  earipideisohen  Oreetee  283 

ohl  gerne  zngeben,  daes  die  Pbantaeie  der  attiBcben  Dichter  nnd 
aler  ungewöhnlicb  fruchtbar  war,  nnd  dase  es  ihnen  gelangen 
in  mxLSB,  dem  tiberlieferten  Stoffe  viele  neue  Seiten  abzugewinnen ; 
Jetzt  rousete  dennoch  die  Fabel,  immer  wieder  von  Neuem  auf- 
tischt, dae  Publikum  ermüden.  Somit  war  es  ein  geschickter 
ritT  des  Euripidee,  dase  er  das  überkommene  Motiv  auf  eine 
ue  Situation  abertrug  und  für  sie  auf  solchem  Wege  eine  6e• 
altang  fand,  die  den  Hörer  unmittelbar  packen  musste ;  denn  es 
t  klar,  dass  die  Wirkung  der  Scene  auf  dieser  Ausmalung  beruht. 

Aus  dem  bisher  gewonnenen  Ergebnisse  lässt  sich  noch 
ne  weitere  Folgerung  ableiten.  Die  Beobachtung  des  Aristo- 
lanee,  dass  der  Orest  des  Earipides  eine  einigermassen  komi- 
be  Katastrophe'  habe,  rückt  in  eine  besondere  Beleuchtung, 
ichdem  eich  herausgestellt  hat,  dass  der  Dicbter  sich  mit  Be- 
Qs^toein  an  Komödie  und  Satyrspiel  anlehnt.  Man  darf  folgern, 
iBü,  wenn  der  Orestes  einer  Tetralogie  angehörte,  er  das  letzte 
llck  derselben  gewesen  sein  muss,  und  dass  seine  Scblussscenen 
IS  Satyrspiel  unmittelbar  ersetzten.  Die  Arbeit  ist  derber  aber 
ich  durchsichtiger  als  in  der  Alkestis.  Dieses  Stück,  das  an 
leicher  Stelle  aufgeführt  worden  ist  und  dessen  Auffassung  so 
Dge  Schwierigkeit  gemacht  hat,  ist  die  beste  Parallele  zum 
reetes  und  kann  sein  Yerständniss  unmittelbar  erschliessen,  nur 
M8  hier  nebenbei  noch  die  Travestirung  der  Charaktere  viel 
Igemeiner  und  rttokeichtsloeer  durchgeführt  wird. 

[Zusatz.  Ich  will  die  eelegenheit  nicht  vorüber  gehen 
^^en,  ohne  auf  eine  merkwürdige  Beziehung  zwischen  Orest• 
ebolien  und  rhetorischer  Litteratur  hinzuweisen.  Demetrius  de 
loc.  7  sagt:  τών  bi  μικρών  κώλων  κάν  οεινότητι  χρήσίς  έστιν. 
«νότερον  γαρ  τό  έν  όλίγψ  πολύ  έμφαινόμενον  καΐ  σφοορότ€ρον, 
ώ  καΐ  ο\  Λακωνες  βραχυλόγοι  ύπό  οεινότητος.  και  τό  μέν 
Ήτάσσειν  σύντομον  καΐ  βραχύ,  καΐ  πας  δεσπότης  6ούλψ  μονο- 
^λλαβος.  Dass  diese  Worte  Beachtung  gefunden  haben,  be- 
reiet  das  Citat  in  den  Anonymi  Prolegomena  τών  ευρέσεων  W 
^n  ρ.  64,  26,  dessen  Kenntniss  ich  K.  Fuhr  verdanke.  Aber 
ie  Worte  ol  Λάκωνες  βραχυλόγοι  kebren  immer  wieder  in  einer 
teihe  von  Schollen,  die  wir  zu  Orest  640  ff.  besitzen,  die  freilich 
ach  ihrer  geschwätzigen  Breite  und  Dürftigkeit  spätes  Fabrikat 
ein  müseen.  Nur  die  Notiz  zu  643  δ  b'  ίλαβες,  τόυτου  ^ηθίντος 
ψουσιν  o\  ύποκριταΐ  τήν  χείρα  beruht,  wie  die  gleiche  üeber- 
«ferung  im  Etymol.  Gud.  v.  άρνεϊσόαι  verräth,  auf  alter  Tradi- 
»n;  dass  jedoch    die  Scholien    zur  Stelle  einmal   ausführlicher 


HERKULANENSISCHE  BRÜCHSTÜCKE 
EINER    GESCHICHTE  DES  SOKRATES 

UND  SEINER  SCHULE 


J 


Die  Rolle  Nr.  495  der  herkulaneneiechen  Bibliothek  wurde 
Dl  Jahre  1830  von  C.  Maleeci  <;eöffnet.  Doch  die  Masse  war  zu 
pröde,  als  daes  sie  eine  glatte  Aufwickelung  gestattete,  und  so 
iess  der  Italiener,  nachdem  er  zwölf  kleine  Blätter  (pezzi)  los- 
^elüst  hatte,  den  Rest  uneröffnet  liegen.  Dieses  Stück,  das  7  cm 
m  Durchmesser  und  IT  cm  in  der  Länge  miest,  eine  Schwere 
kber  Ton  210  ^r  besitzt,  wird  noch  heute  unter  den  geschlossenen 
lollentbeilen  aurbewahrt.  Jene  zwölf  Blätter  nun  wurden  in  der 
!*o]gezeit  zweimal  entziffert.  Die  Neapler  Abschrift  (n),  von 
ancenzo  üorazza  angefertigt  und  heute  unter  den  papiri  inediti 
ich  yorfindeiid,  enthält  13  frammenti  auf  4  Blättern.  Was  die 
Engländer  in  Oxford  (o)  besitzen,  ist  geringeren  Umfange;  man 
lann  es  jetzt  in  der  Sammlung  der  Oxforder  Photographien  Bd. 
ΠΙ  Blatt  30 — 36  einsehen.  Aber  diese  Abschriften  haben  darum 
teincn  gössen  Werth,  weil  jene  12  pezzi  noch  erhalten  sind. 
L)ie  auf  drei  Tafeln  aufgespannten  Reste  habe  ich  im  Frühjahr 
190<J  untersucht,  doch  nicht  Buchstabe  für  Buchstabe,  denn  dazu 
fehlte  die  Zeit.  Allein  bei  den  lesbareren  Stellen  ist  wohl  die 
Hauptsache   erledigt. 

Es  sind  nur  die  unteren  Theile  der  Colnmnen  erhalten. 
Die  Schrift  ist  fein  und  zierlich,  von  mittlerer  Grösse.  Auf  die 
Seile  gehen  etwa  18 — 20  Buchstaben,  am  Ende  finden  sich  häufig 
lie  als  Füllzeichen  verwandten  Häkchen  )  und  <.  Es  sollen  nun 
iie  einzelnen   pezzi  vorgenommen  werden  ^ 

tav.  1  pezzo.  1•  Sehr  zerstreute  Schriftreste ;  die  einzelnen 
Blattlagen   sind   Öfter  durcheinander  gerathen.     Die  Ueberbleibsel 

'  1  B^der  Ergänzung  haben  H.  Diele  und  H.  Üsener  werthvoUe 
Beiträge  zur  Verfügung  gestellt,  wofür  ihnen  hier  mein  aufrichtiger 
Dank  auegeeprochen   sei. 


Crönert 

ligeten«  drei  Colamnen  laaaen  eich  erkennen;  aai  der  mitl- 
ammt 

lOYECOKI 
ΕΚΠΑ 
V.  I  peuo  2.     Hier  kemoht   dieselbe   Verwirrang.    Du 
m  tinkea  Rande  (fr.  1  n)  ist  von  Bottopoeti  stark  durch- 
id  daram  zunächst  nicht  lesbar.    Doch  gehören  die  Zeichen 
lieber  SDeammeD  (Ξα]νθίπ[πη).  Rechts  liest  man 

APKA 

oiri- 

o ]MA 

ύπίρ 

DB  Ξανθίππη  and  οΙκία  lüsst  sinb  folgern,  dasa  anf  dieaem 
ron  dem  Famiüenleben  des  Sokrates  die  Rede  war. 
V.  I  pezzo  3  =  fr.  2  n. 

.  .  ΗΘ 

άνθρω[π 

TACTEPi ΈρμιΐΓ- 

πός  φη[σιν 
ie    rechte    Hälfte    der  in  η  gezeichneten  Colamne  icheiBt 
ohin  ία  gehören.     ΛΙβ  sottoposto  findet  sich  noch 

.  .  .  λότον  ΠΕ 

λαβών  αύτ 

τήι  dcpuiviai 
y.  1  ρβιιο  4  =  fr.  3  η  (VU  32  ο). 

ΤΡ<ί]ψαν[τ  . 

Ι  biä  T#|v  ΐύ- 

...  αν  ά]πο(σ]τήσαι.  'Enet  (nach  AI  Zwiscbenr.J 

b'  Αΐΐσχίνης  ίωράτο  πΐ€- 
•  εούμ]ενος  ύπό  τής  nevi- 

ος ]~άπό  τοΰ  λόγου' 

κα\  έθίίίσθαι)  (nicht  bavciJecröai) 

CjuKparou;  ΠΑ 

Qter  fr.  3  finden  sich  nun  swei  weitere  Blattlagen.  Z* 
to  I  gehört  linke 

H,  wo»  in  ο  vor  Ana  steht,  gehört  sum  eottoposto.  Mau  ütü 
ι  noch  den  Iteet  eicei  oberen  Queretrichea.  Zur  Sache  vergL 
i>2i  φασί  &'  αύτιϊΗ  λέγειν  Οωκράτην,  έΐκιοήπ€ρ  ίιηίΐϊτο  ύιΐ 
ταρ'  tauToO  ίιαν£(Είαβαι  τών  (mlujv  ύς>αιροΟντα. 


HerkulanensiβcL•e  Bruchstücke  einer  Oeeotiichte  des  Sokfates  usw.  ^7 

C]uJKpa- 

της jlTTA,  und  rechte 

bia  πα[ντός l- 

κανά 

έπαγ 

.  .  OM, 

20  eottoposto  2 


TINOC 

τήν  χ€ϊρα 

€iv  φη-  σειεν  ώς 


σιν ]AICCXE  τραττη 

νόμενος  ΑΙ  <*  ουν  oub 

■ 

tav.  II  pezzo  δ.     Hier  liegen   wenigstens  4  Columnen  vor. 
Linke  liest   man 

φυ]λακος> 

Άθη]ναϊοι, 

das  Stück  am  rechten  Ende  aber  =  fr.  5  η  (711  33  ο).  Die 
A.nedebnnn^  dieser  Colnnine  nach  linke  iet  noch  nicht  sicher  er- 
mittelt worden. 

QTHC  .  . 

ά]ναστροφη  .  . 

\N  eTvai  Ν  .  . 

.   .  .  EITH  .  μεθ'  έαυτου 
5  .  .  ά]παλλ[α]γής  δντοσ 

....  οδκουν,  ίφη,  φρον||[τι2  .  .  . 

tav.  II  pezzo  6.  Auch  hier  findet  man  nur  verwirrte  Go- 
imnenetückchen.  >^a8  man  in  der  Mitte  oben  liest,  schrieben 
e  Neapler  (fr.  5)  und  die  Oxforder  (VII  35  und  VII  36,  zwei- 
al!)  ab.  Üeber  die  Ausdehnung  der  Zeilen  läset  sich  nach 
in  Abschriften  nichts  Beetimmtee  eagen,  auch  der  Papyrue  hat 
chts   ergeben. 

OYN 

.  .  Ν  ίφη  κάροοπο[ς 

.  .  ΗΙΡΑΦ  .  .  .  ΕΙΔ.ΗΕΑ« 

ΤΟπΟΥΝΕΙΠΩ      ΟΥΚΑ» 


>  ΐΓαρατ€]νόμ€νος  Α1[σχ(νης? 

3  jyas  Ι  nach  Η  ist  über  die  Zeile  geflehrieben,   es   iet  also  iota 

itatn. 

8  t(  oGv  €ΪΐΓΐυ;  ού  xd[p6o]iTov;  Ueener  unter  Hinweis  auf  Aristoph. 

>lk.  669—680. 


ertählt 
Ι  32  ο) 


(VU  30 


άΧ- 

ούκ  άν£- 


irhalten. 


Herkulaneneische  Bracbstücke  einer  Geechicbte  des  Sokrates  aew.  289 

τήν  "Ασίαν,  ΤΤλάτωνι  b[i^ 
TINEC    Zeile  1  ist  nur  in    ο  erhalten;    vielleicht  standen 
zwischen  C  und  Ξ  noch  Bnchstaben. 
tav.  III  pezzo  11  =  fr.  10  n. 

Δ  .  HE  πολιτ[ ά 

a  • 

ρί[σ]τη  πό[λ]ις 

λ'  άκολουθ 

ΜΗΝ  αΰ[τ]αι  Ι 

6  ΛΗΝΕΝ 
AYTOMC  .  NEC 

tav.  III  pezzo  12  =  fr.   11 — 13  η.     Davon  ist  fr.  11  sehr 

schlecht  überliefert.  Man  liest  OCKOYPOYC«  Zeile  4  und  πλ]ά- 

τΐϋνο[ς    μ]αθητώ[ν    Zeile  5.     fr.  12    (=V1I  34  o)  ist   ebenfalls 
arg  zertrümmert: 

\  πολι[τ 

Άθη[ν]αίων  έΕ  A[.  .  .  .  άπο- 

στ]άντΐϋν^,  μ€τ*  έκφ[ορας 

h]k  λαμπράς  ίθαψε,  κ[αθ]ά[περ 

«  ■  • 

6  έ]μαρτύρησ€  ΞΕΝΟ  .  .  ΤΕΙ* 

Ob  die  Ergänzungen   richtig  sind,   mnss  eine  Nachprüfung 

lehren.  Wer  mag  der  Bestattete  sein? 

Ans  fr.   13  (ΥΠ  34  ο)  ist  noch  weniger  zu  gewinnen: 

QC  πο- 

λ ]bk  [σιυ]φρόνιυς 

ATENA  .  .  ANE 

μβτ'  €ύτα]Ηίος  elTteiv 

Dazu   kommt   endlich  ein  Stückchen  in  o,   das   weder  in  η 

noch    in    den   heute    erhaltenen    Resten    anzutreffen    ist,    es  wird 

Jarum  ein  sovraposto  gewesen  sein.  Vli  31  ο : 

Ν  bfc  αύ[τ 

...  ην  κα\  μη 

.  £v]bpa  μαλ 
ταϊς  ΠΑ  .  ΦΘΙΝ 

1  Etwa  Διονύσιον  κολακ€ύσαντι  (Usener). 

3  Die  beiden  Söhne  des  Xenophon,  Gryllos  und  Diodoros,  wurden 
auch  Διόσκουροι  fi^enannt,  Diog.  II  52. 

■  ^Εαναστάντων  (Usener)  füllt  den  Raum  nicht  aus. 

*  Ξ€νοφών  Bcheint  nicht  möglich  zu  sein;  Ξενοκράτη  Usener 
unter  Verweisung  auf  die  Rede  des  Lysias  προς  Ξ€νοκράτην  (fr.  206 
Saoppe). 

Btatfin.  Mo«,  t  PhUol.  M.  F.  LVII.  19 


ΙΑ 


290  C  Γ  δ  η  e  Γ  t 

.  .  .  τ]νώμα[ις 

.  .  φΐλ]οσοφ 
ΜΕΝ/ 

Diese  recht  spärliche  Aueheute,  die  der  Papyrue  his  jetzt 
geliefert  hat,  würde  kaum  eine  umfassendere  Wiedergabe  der 
Schriftzeichen  rechtfertigen,  wenn  sich  nicht  inzwischen  ein  wei- 
terer, werth vollerer  Bestand theil  jenes  Buches  gefunden  hätte. 

In  dem  Aufsatze  'Ueber  die  Erhaltung  und  die  6e* 
handlung  der  herknlanensischen  Bollen  (Neue  Jahrb. 
f.  d.  kl.  Alterth.  1900,  S.  586)  habe  ich  zwischen  den  aufge- 
zogenen, unter  Glas  gebrachten  und  den  lose  übereinander  ge- 
schichteten Papyri  unterschieden.  In  der  letzteren  Gruppe,  deren; 
Inhalt  auf  über  2000  Blätter  geschätzt  war,  findet  sich  6e\ir| 
vieles,  was  noch  nicht  abgeschrieben  worden  ist.  Davon  icag 
das  Meiste  unergiebig  sein,  bei  genauem  Zasehen  aber  darf  man 
damit  rechnen,  nicht  unbedeutende  Funde  zu  machen. 

In  der  ersten  Zeit  meines  Aufenthaltes  in  Neapel  (4.  Nov. 
1899 — 1.  Juni  1900)  verfolgte  ich  den  Plan,  von  dem  ganzen 
Bestand  der  entrollten  Papyri  ein  sorgfältiges  Yerzeichnies  an- 
zulegen. Nach  einigen  Monaten  indessen  zeigte  mir  die  Mq- 
seumsleitung  an,  dass  sie  selber  ein  neues  Yerzeichnies  bearbeitef 
und  herausgeben  lassen  wolle  ^.  Das  bestimmte  mich,  von  nm 
an  meine  Sammelarbeit  einzustellen  und  die  Zeit  nur  noch  einiget 
der  wichtigeren  Papyri  zu  widmen.  Aber  kurz  bevor  diese  Aen 
derung  meines  Arbeitsplanes  eintrat,  brachte  mir  der  Zufall  eii 
sehr  merkwürdiges  Stück  zu  Gesicht.  Luigi  Gorazza,  der  eellc 
in  früheren  Jahren  noch  nach  der  Weise  der  alten  disegnatüi 
herkulanensische  Schriftreste  abgezeichnet,  oder  besser  gesag' 
abgemalt  hatte  —  denn  vom  Griechischen  verstand  er  eben  gi 
rade  so  viel,  um  die  Buchstaben  von  einander  unterscheiden  ζ 
können  — ,  beobachtete  mit  wachsender  Aufmerksamkeit,  w 
schnell  ich  die  Schriftzeicheu  zu  Papier  brachte.  Er  selbst  bab 
so  meinte  er,  dazu  eine  zehnmal  längere  Zeit  nöthig  gehabt,  l 
war  am  6.  Februar  lOCO,  als  er  mir  erklärte,  dass  das  Museu 

1  Das  Museo  Nazionale  hat  die  Absicht,  eine  neue  Bearbeitai 
der  Papyri  voruehmen  zu  lassen  (una  reorganisazione  degli  studi  «^ 
papiri  Ercolanesi),  vgl.  S.  589  des  oben  angeführten  Aufsatzes.  Zc 
Leiter  dieser  Arbeiten  ist  cav.  Emidio  Martini,  der  Direktor  d 
Bibliotheca  nationale,  bestimmt;  ein  Anfang  indessen  ist  noch  ηκ 
gemacht  worden. 


Herkalanensisclie  Bruchstücke  einer  Geschichte  des  Sokrates  aew.    291 

gerne  ans  meiner  Arbeitekraft  Nutzen  ziehen  wolle.  Er  werde 
mir  noch  nicht  entzifferte  Papjri  vorlegen,  und  ich  solle  eine 
sorgfältige  Abschrift  davon  dem  Papyrusarchiv  hinterlassen.  Dann 
öffnete  er  den  letzten  der  Papyrusschränke  und  nahm  zwei  Käst- 
chen heraus  In  diesen  fanden  sich  die  Reste  des  Papyrus  558, 
einer  Rolle,  die  als  eine  der  letzten  des  ganzen  Bestandes,  und 
zwar  von  L.  Corazza  selbst,  im  Jahre  1888  geöffnet  worden  war. 
Die  Anfrollung  war  sehr  schlecht  ausgefallen.  Statt  langer  zu- 
sammenhängender Blätter  konnte  Corazza  fast  nur  kleine  Stück- 
chen ablösen,  und  auch  in  diesen  liefen  die  einzelnen  Lagen 
dnrcheinander.  Im  Ganzen  zählte  man  einen  grösseren  pezzo  und 
25  kleine.  Eine  Durchsicht  der  Reste  belehrte  mich  nun  bald, 
dass  ich  den  oberen  Theil  der  Rolle  vor  mir  hatte,  deren  andere 
Hälfte  in  dem  Papyrus  495  erhalten  war.  Wie  schade,  dass  ein 
so  wichtiges  Stück  so  zertrümmert  vorlag!  Und  selbst  diese  we- 
nigen Trümmer  waren  so  beschaffen,  dass  man  beim  Anfassen 
Gefahr  lief,  weitere  Stückchen  von  den  einzelnen  pezzi  abzu- 
lösen, die  dann  für  immer  verloren  waren.  Hingegen  war  das 
Vorhandene  sehr  leicht  zu  lesen,  da  die  schöne,  regelmässige 
Ssbrift  deutlich  von  dem  Untergrunde  abstach. 

Zwei  Abschriften  fertigte  ich  an,  von  denen  die  eine  jetzt 
unter  den  papiri  inediti  liegt.  Hie  und  da  habe  ich  einige  sovra- 
poeti  abgehoben,  um  die  verdeckte  Schrift  zu  lesen.  Da  aber 
die  Masse  sehr  spröde  war  und  ich  mich  beeilen  musste^  so  Hess 
ich  noch  manches  zu  thun  übrig,  um  nicht  durch  hastige  und 
unvorsichtige  Arbeit  den  Verlust  noch  grösser  zu  machen. 

In  den  meisten  der  folgenden  Bruchstücke  lässt  sich  die 
Ausdehnung  der  Zeilen  nicht  bestimmen.  Die  Punkte  an  der 
linken  Seite  dienen  dann  dazu,  die  genaue  Stellung  der  Buch- 
staben zu  bezeichnen.  Eine  Eigenthümlichkeit  der  Rolle  sei  hier 
noch  hervorgehoben :  am  oberen  Rande  finden  sich  nicht  geringe 
ßeate  νου  Kapitelüberschriften,  vgl.  pezzo  4,  8,  11,  12,  17,  26. 
Diese  Ueberschriften,  die  in  der  ganzen  herkulanensischen  Bücher- 
miiese  allein  stehen,  sind  für  die  Feststellung  des  Inhalts  von 
grüsster  Wichtigkeit^.  Aus  ihnen  geht  mit  völliger  Sicherheit 
hervor,    dass  wir  es  mit  einem   βίος  Οιυκράτους  zu  thun  haben. 


^  Die  Kapitel  angaben  sind  später  hinzugefügt,  wie  die  Verschie- 
denheit der  Schrift  darthut.  Diese  Schrift  ist  von  geringem  Umfang, 
stark  nach  rechts  geneigt  und  manchmal  au  die  Cursive  erinnernd. 
Oefter  findet  man  auch  die  Buchstaben  untereinander  verbunden     Die 


Ν 

Μ 
Ν 


ΛΙβη 

Bchriftea  erkennen  lüat,  vg\.  sB.  Inechr.  v.  HftgneBia  98  uittt  100  oi» 
dem  2.  Jhdt.  V.  Chr.  In  der  Ueberliefening  dei  Diogenee  La£rti<e 
sind  die  lemmaU  sehr    liäuiig ;  ihre  Herkunft    iit  unbekaont. 

1  ΔΟοκΑής?  Vgl.  Diog.  11  83. 

8  Nur  die  Grenze  der  Zeile  nach  rechte   ist  gesichert. 

*  6i)i  μΰλο  [πολλής  παρίρηαίαι;  ώ[μ(λίΐ  üsener. 


lerkulanensieche  Bruchstücke  einer  Geschichte  des  Sokratcs  usw.    293 


....  ΑΘΟΡ  (oder  OY) 

τήι  aqHJUvifai 

ώμ]{λησ€ν  (üeener)  •  • 

sovraposto  2: 
AI  hi  μοι  περί  της  ΘΑΜ  (oder  ΘΑΛ)!- 

.  .  .  ICCQ  μέγα  χω 
.  .  .  PIA  κοσμήσει  πα' 

.  .  .  TQI  άκρ€ΐβέστ€[ρον 

β  .  .  .  δ  Τ€  ποΐ€Ϊ  ΚΑ  (ββ  folgt  nicht  C  oder  θ) 

Γ.  .  .  ΙΥΦΥΙ 


pezzo  4: 
.  ΙΝΙΓ 

β  .  ΑΓΟΙ 

MENOCEX 

.  .  ΟΤΟ 

Boyrapoeto  1 : 
5  .  .  .  ΛΟΙΤΤΕ 
Ι  παρά  τά 
....  ΝΕΑΙ 
•  •  ^]φί  τής  τρ 
......  CACO 


sovraposto:  2 
Τ€  τούτο  πιθανός  (wo  ist  der  BaDd?) 
τ]ής  ευστοχίας  κα 
.  .  ος  της  κατά  τή[ν 
.  .  ^τησε  ΔΙΥ" 

.  .  .  πό  του  CO.  (oder  CR  oder  CV) 

•  •  •  .  ' 

Oben  rechts  über  dem  Schriftraum 
findet  sich  Μ  .  YO  als  Rest  eine  Kapitel- 
überschrift. Doch  ist  es  nicht  sicher,  ob 
dies  asu  sovraposto  2  gehört. 


pezzo  5  sottoposto: 
Tl 

ΡΓ 

AN 

CINA 

.  lEIPY  (oder  A) 


pezzo  5: 
.  .  I 

κ]αίτθΥ 
Μετα[ρ 

Άθηνα* 

.  και  θο[ρικ  (?) 

.  HCX  (oder  Α  oderA) 


^  Die  Ausdehnung  der  Zeilen  läset  sich  nicht  erkennen.  In  Zeile  2 
unn  vor  CQ  nur  C  oder  Ε  gestanden  haben;  die  Hasta  aber  am  An• 
ingc  rührt  wohl  von  einem  Ν  her.  Diels  versucht:  /^ηθήσ€τ]αι  bi 
loi  π€ρΙ  τής  θαλ[άμης  (Grotte),  ής]  ?σω  μ^α  χώ[μα,  τά  ή]ρία,  κοσμήσει, 
Γά[λιν  έν  τρί]τωι  άκρειβέστ£[ρον.  Vielleicht  stamme  ήσπερ  €σω  μέγα 
ώμα  and  ήρ(α  κοσμήσει  aus  einem  Epigramm,  doch  sei  das  Stück  in 
9dem  Falle  auffällig. 

'  KOIM  meine  Abschrift,  doch  sieht  das  C  in  diesem  Papyrus 
em  I  sehr  ähnlich,  da  es  in  der  Hauptsache  aus  einem  langen  ge- 
iden  Strich  besteht,  an  den  sich  oben  ein  Häkchen  ansetzt. 

*  k]ü\  toO  [Εύκλείδου  Ιγ]  Μ€γά[ρων  φοιτώντος]  'Αθηναίε  üeener. 


294  Crönert 

pezzo  6: 


πρ 

Ι  ΤΙ 

C  ΠΑ 

\  ΚΑ 

β  Λ 

eovrapoeto  1 : 
1  ά]νγ€λλον[τ 
3  .  .  QCIN 

ο     •     •     •     •     ^ 

8  ....  PI  φύσις  ΕΙ 
.  έ]τΓΐ  τής  νυν 

■ 

10  κ]ατά  hk  την 
.  αται  έν  Χ 

eovrapoeto  1: 
U  ΟΝΗΝ  

και  Λ 

ιβ  κοί  τ 

ΗΘΙΑ 

pezzo  7  linke: 
"Λ 

ΑΓΕΙ Ψ  (oder  Φ)  01 

έκ€Ϊ]νο  h*  eTTtev 

ού^ετφοις  ού 

6 ήσαντος  > 

υτιυν  έρασ-  ). 

Δ  (oder  Ξ)  ΟΥΤΟΤΕΜΙ 

πά]λιν  δταν  bi-  ^ 

Ν  άπό  χωρί[ου 

10 ΙΛΑ  κτίστη  . 

ΙΛΑ  κτ[ίσ- 

τ ]  ΩΝΟΝΛ  . 

AMEN  *.  . 

σθαι  και  ύττ  . 

ΙΟΕΙΙ  ..*...    (echräg  linke   über 

pezzo  7  rechte:  10  erscheint  ein  T) 

οιάθ[€σι]ν  τής 


Herknlanensische  Bruchstücke  einer  Geschichte  des'  Sokrates  usw.    295 

HIMI  .  .  .  χρήσα[σθαι  τήι  γρα- 

φήι  φ[ησιν 

Λυσίου  (vgl.  Diog.  II  40) 

6  QCA 

■ 

άπολ[οτ 

Λ 

Δ 

soTrapoeio :  ΕΤΟΥ. 

.  α 

pezzo  8:     ...  τί€λ€υτή  χρήσασθαι 

.  .  τών  έν  αύτώι  (nach  ΕΝ  ist  ΟΝ  getilgt) 

.  .  πολειτων  (vor  π  sind  5  Buchet,  getilgt) 

.  ή]ουνάτησαν  τε) 

.  .  Οάτυρος  ^  V  b  Καλλα- 
τιανός  φησι]ν  τώι  Οωκρά- 
τει ]  TTOAAC  άωρου  (auch  TOAAC  iet  möglich) 

"Κ  .  προβολήν 

ΌΥ  .  καΐ  τα  τών 

10 ων  τόν  Οωκρά- 

τη ]—  .  .  ΒΗ  / 

IIA  άτητο[ς  .  .]  Ι  .  . 

"Α  έπιπρα 

....  έτ]κληματ 

16 αΙτίας 

Am  oberen  Rande  steht  ICI  .  KPAT,  etwa  τ€λ€υτ]ή  CuJKpa- 
τΓους.    Von  der  eich  rechte  anechlieesenden  Colamne  ist  nur  der 
Anfangebuchetabe  der  4.  Zeile,  T,  erhalten, 
sovrapoeto:  9  OY 

10  -δτπυς" 
pezzo  9  eottopoeto:  i  .  .  vP 

a  συ]ναθροίσ[ας 

3 . .  tqnt' 

4  .  .  .  .  EAEP 
Von  diesen  Zeilen  iet       7  Φ 
die  Auedehnung  unbe-  T[ αύ- 

1  Die  Heimat  des  Peripatetikers  (vgl.  über  ihn  FHG.  III  159— 
164,  Susemihl  I  498)  war  bislang  unbekannt.  Das  11.  Bruchstück  bei 
Muller  handelt  von  den  Frauen  des  Sokrates,  das  12.  von  Piaton.  Es 
ist  recht  ärgerlich,  dass  sich  die  neue  Stelle  so  schwer  verstehen  läset. 


294 


Cronert 

pezzo  6: 

ΠΡ 

1 

ΤΙ 

• 

c 

ΠΑ 

\ 

ΚΑ 

5  Λ 

eoyraposto  1 : 
1  ά]νγ€λλον[τ 
j  .  .  QCIN 

Ο      •      •       •      •      ^ 

8  ....  PI  φύσις  ΕΙ 
.  έ]τΓΐ  τής  νυν 

10  κ]ατά  bi  την 
.  αται  έν  Χ 

soyraposto  1: 
U  ΟΝΗΝ  

καΐ  Λ 

ιβ  κοί  τ 

ΗΘΙΑ 

pezzo  7  links: 
~Λ 

ΑΓΕΙ Ψ  (oder  Φ)  01 

.  .  * 

έκ€ϊ]νο  b'  eirtev 

ούόετφοις  οΰ 

5 ήσαντος  > 

υτων  έρασ-  )« 

Δ  (oder  Ξ)  ΟΥΤΟΤΕΜΙ 

πά]λιν  δταν  bi-  ^ 

■ 

Ν  άπό  χωρί[ου 

10 ΙΛΑ  κτίστη  . 

ΙΛΑ  κτ[ίσ- 

τ ]  ΩΝΟΝΛ  . 

AMEN  *.  . 

σθαι  και  ύπ  . 

ΙΟΕΙΙ  .....    (ßcliräg  links  über 

pezzo  7  rechte:  10  erecbeint  ein  T) 

^ιάθ[€σι]ν  τής 


firerialaneneiscbe  Brucbsiiicke  einer  Geschichte  des  Sokrates  usw.    295 

HIMI  .  .  .  χρήσα[σθαι  τήι  γρα- 

* 

φήι  φ[ησιν 

Λυσίου  (vgl.  Diog.  Π  40) 

5  QCA   ' 

άπολ[οτ 

Λ 

Δ 

sorraposto :  ΕΤΟΥ— 

.  CI 

pezzo  8:      ...  τ]€λ€υτή  χρήσασθαι 

.  .  ταιν  έν  αύταΐι  (nach  ΕΝ  ist  ΟΝ  getilgt) 
.  .  πολ€ΐτών  (vor  π  sind  5  Buchet,  getilgt) 
.  ή]ουνάτησαν  t€> 

.  .  Οάτυρος^  V  ό  Καλλα- 
τιανός  φησι]ν  τώι  CwKpa- 

T€i ]  nOAAC  άωρου  (auch  TOAAC  iet  möglich) 

"K  .  προβολήν 

ΌΥ  .  και  τα  τών 

10 ων  τόν  Οωκρά- 

• 

τη ]""  •  •  ÖH  ^ 

IIA  άτητο[ς  ..]!.. 

•  ■  •  •  • 

"Α  έττιπρα 

....  έγ]κληματ 

16 αίτιας 

Am  oberen  Rande  steht  ICI  .  KPAT,  etwa  τ€λ€υτ]ή  Οωκρά- 

^ους.     Υοη  θ  er  sich  rechts  anschliessenden  Colamne  ist  nur  der 
nfangsbacbetabe  der  4.  Zeile,  T,  erhalten. 
eovrapoeto:  9  OY 

10  «δπιυς" 
izzo  9  eottopoeto:  1  .  .  >vP 

a  (Τυ]ναθροίσ[ας 

3 . .  tont' 

4  .  . .  .  EAEP 
Von  dieeen  Zeilen  ist      7  Φ        ' 
Β  Auedebnon^    unbe-         Τ[ αύ- 

1  Die^Heimat    des  Peripatetikers  (vgl.  über  ihn  FHG.  III  159— 

4    Sneemibl    Ϊ    498)  war  bislang  unbekannt.     Das  11.  Bruchstück  bei 

aller  bandelt   von  den  Frauen  des  Sokrates,  das  12.  von  Piaton.    Es 

recht  arg'erlicb,  dass  sich  die  neue  Stelle  so  schwer  verstehen  lässt. 


298  Crönert 

rechts :  i YCME 

πριν 


6  ΙΑΓΕ 

■ 

I  προσ 
€ΐπ€ 
pezzo  16:    ι  σ]οφώτατον  ΕΡΕ* 

.  .  .  ΟΦΑΙ  τους 

Τά]ρ  τρά[φ€ΐ 

ρβζζο  17:    1  NC  .  ΟΥΓΕΝ  .  .  ACK 

.  .  .  ΩΤΙΔ 
Darüber  am  Rande  ΗΜΑΤΑ  (διηγίήμοτα  Diele) 

eottopoeto:  davon  ist  nur  die  Kapitelüberschrift  bis  jetzt  geleeeo: 

'  Οιυκράτης. 
pezzo  18:     i  ύμεΐς  καΐ 

"EINAT 
pezzo  19:     i  ANT/ 

pezzo  20:     i  bi]aXu€[i 
pezzo  21 — 25:  fast  ganz  unergiebig 
pezzo  26:    i  1^  τον  Λέριον 
2  .  ΞΕΩΝ 

8    ...    Μ 

und  an  anderer  Stelle:      β  .  .  ΚΑ 

Λ 
MIKHI 

μητρός 

9  bia]Xu€i 

Am  oberen  Rande  die  Zeichen  :  TOTOM  (oder  TOYOM). 

•  •      • 

Die  letzten  Windungen  des  Papyrus  sind  noch  nicht  auf- 
gerollt^ so  dass  demnach  der  Titel  des  Werkes  vielleicht  noch 
wiedergewonnen  werden  kann.  Vor  allen  Dingen  möchte  mac 
gerne  den  Verfasser  wissen.  Die  Hiate  τήι  όφΐυνίαι  pap.  495 
pezzo  3    und    pap.  558  pezzo  3,   στρατευσαμένω[ι  εΙς   (dies  isi 

sicher)  pap.  495  pezzo  10,  τωι  όκρειβέστερον  pap.  558  pezzo  3 
sprechen,  so  scheint  es,  gegen  Philodem,  und  man  darf  darauf 
aufmerksam  machen,  dass  vier  Verstösse  gegen  die  wohlkliTigen  l'' 

1  τ(να  Äv  λέγοι  σ]οφώτατον  ίρέ[σθαι,  vgl.  Diog.  II  37  (?). 
3  Vor  Τ  stand  wohl  ein  N;  Φ€ρ€κύ6η]ν  τ.  Λ.  Diels. 


Herknlanensische  Bruchstücke  einer  Geschichte  des  Sokrates  usw.     299 

Wortfolge  bei  dem  kleinen  Baum,  den  die  Reete  einnehmen,  nm 
80  mehr  ine  Gewicht  fallen,  als  die  umfänglichen  Schriften  Phi- 
lodems über  die  akademische  und  die  stoische  Schule  nur  sehr 
wenige  Hiate  zeigen.  Auf  der  andern  Seite  indessen  weiss  man 
kein  besseres  Werk,  dem  man  pap.  495  und  558  zutheilen  könnte, 
als  die  (ΤυνταΕις  φΐλθ(ΤΟφΐυν  des  Oadareners.  Denn  dass  dieses 
grosse  Werk  in  den  herkulanensischen  Bollen  vorhanden  gewesen 
sein  muBS,  wird  immer  klarer.  Kleinere,  noch  nnbekannte  Bruch- 
etücke,  darunter  ein  Papyrus,  der  die  Geschichte  der  Epikureer 
wiederzugeben  soheint,  sollen  demnächst  vorgelegt  werden. 

Hätten  wir  das  Buch,  dessen  geringe  Ueberbleibsel  eben 
anfgezählt  worden  sind,  vollständig,  wir  gäben  gerne  ein  ganzes 
Dotzend  moralischer  Abhandlungen  des  Philodem  dafür!  Doch 
wir  hahen  gegründete  Hoffnung,  dass  sich  jene  Ueberbleibsel  noch 
um  wichtige  Stücke  vermehren  lassen.  Es  ist  darum  in  der 
Ordnung,  daes  das,  was  noch  geleistet  werden  kann,  hier  scharf 
bezeichnet  werde. 

1)  Der  Papyrus  558  ist  dergestalt  aufgerollt,  dase  an 
vielen  Stellen  zwei  oder  drei  Lagen  übereinander  gerathen  sind. 
£in  gut  Theil  der  sottoposti  habe  ich  schon  gelesen;  vieles 
bleiht  noch  aufzudecken,  da,  wie  ich  bemerkte,  ich  mich  scheuen 
musete,  die  Arbeit  zn  überstürzen.  Es  muss  dann  auch  festge- 
stellt werden,  in  welchem  Zusammenhang  die  einzelnen  pezzi 
stehen.  Es  ist  bis  jetzt  noch  nicht  gelungen,  Stücke  des  einen 
pezzo  mit  dem  eines  andern  zu  verbinden.  Endlich  ist  auch  der 
Titel  noch  zu  erschliessen. 

2)  Die  aufgerollten  Theile  des  Papyrus  495  sind  in  viel 
schlechterer  Verfassung  als  die  Reste  der  oberen  Hälfte.  Einmal 
haben  die  zusammenhängenden  Stücke  geringeren  Umfang,  und 
<]ano  sind  die  einzelnen  Columnen  schwer  auseinanderzuhalten. 
Aber  Geduld  und  Sorgfalt  muss  auch  hier  den  Sieg  davon  tragen, 
und  man  darf  nicht  eher  ruhen,  als  bis  man  den  letzten  Buch- 
staben erschlossen  und  genau  in  die  zugehörige  Golumne  unter- 
gebracht hat.  Ich  glaube,  dass  dann  der  Papyrus  495  wohl  noch 
einmal  soviel  bieten  wird  als  heute. 

3)  Am  Meisten  ist  noch  von  dem  noch  nicht  aufgelösten 
Hollentheile  zu  erhoffen.  Ich  vermuthe,  dass  darin  die  Reste 
von  mindestens  8  —  10  Columnen  verborgen  sind.  Nun  ist  es 
aber  leider  vorläufig  mit  dem  Aufrollen  herkulanensischer  Papyri 
schlecht  bestellt.  Die  Kunst  der  Neapolitaner  hat  sich  erschöpft; 
sie  ist  immer  die  nämliche  gewesen    und  hat  nur  an  den  Rollen 


:α>ο 


Crönert  Herkui-non^-'-c  Kraohrtaoke  uew 


i^i^f^t   deren  Lasen  elastisch  und  leicht  löelicb 
EreprieeeJichee  geleistet,  α  6  .     .      .  , 

Κ"      neue  KnoBt  zu  suchen,  war  man  noch   im  Anfang 
^^^    '     l^geven  Jahrhunderts    eifrig    bestreht.     Dann  erlahmte 
Eifer     da  m&^  ^och   immer    nur  Brocken    erhielt^   und  weil 
sich  nicht  dazu    verstand,   die  Aufmerksamkeit  der  techni- 
chen  Wissenschaften    auf  die   Reste    hinzulenken,    so    hat  man 
immer  seltener  die  Losung  der  schweren  Aufgabe  versucht.  Zwar 
bat  einst   der  grosse  Chemiker  Liebig  nach  vielen  Mühen  einen 
papjrns  zum  Zwecke   eines  Aufrollungsversuches  erhalten,  von 
einem   Erfolge    aber    wird    nichts    gemeldet.      Soll    man   dämm 
mehrere  hundert  ungelöster  Papyri  aufgeben  ?  Es  ist  doch  besser, 
man  giebt  noch  ein  paar  Dutzend  Rollen  zu  Untersuchungen  hin, 
als  dass  nun  der  stattliche  Rest  der  schönen  Sammlung  langsam 
zerfallt  und   vermodert.     Augenblicklich  ist    die  Zeit  nicht  un- 
günstig:   seit   cav.  Emidio  Martini  den  Auftrag  erhalten  hat,  die 
Papyri  von  Neuem  zu  ordnen  und  zu  untersuchen,    wissen   wir. 
dass    der    herkulanensische    Schatz    in    gute    Hände    gelegt    ist. 
Möge  die  Zeit  nicht  ohne  fruchtbringende  Versuche  dahingehen!     ι 
Ist  dann  auch  der  Rest  der  Rolle  495  dem  Auge  geöffnet,  | 
dann  wird,  nachdem  die  Schriftzeichen  aufgenommen  worden  sind,  I 
der  Versuch    gemacht    werden    müssen,    die    getrennten    Hälften  ' 
wieder  zusammenzufügen.    Ein  wenig  lässt  sich  schon   heute  ver- 
binden^, aber  ohne  erheblichen  Nutzen.     Bis  jetzt   erkennt   man 
soviel,  dass  in  der  Schrift,   die  etwa  περί  Οωκράτους  oder  περί 
τής  Οωκράτους  αιρέσεως  betitelt  gewesen   sein  mag,   die  Schil- 
derung des  Lebenslaufes  die  Hauptsache  war.     Angegliedert  wur- 
den, wie  auch  in  der  Geschichte   der  Stoiker,    Anekdoten  (περί 
Οιυκράτους    οιηγ]ήματα(?)  Pap.  558  pezzo  17)  und    bemerkens• 
werthe  Aussprüche  (αποφθέγματα  €ωκράτ[ους  pezzo  12).     Von 
Quellen  werden   genannt  Satyros   (Pap.  558  p.  8),  dessen  Vater- 
stadt  durch    diese  Anführung  jetzt  bekannt  ist,   und  wohl  noch 
Hermippos  (Pap.  495  p.  3  und  p.  9),    Diokles   (Pap.  558    p.  2) 
und  Demetrios  der  Peripatetiker  (p.  11);  dazu  kommen  noch  zahl- 
reiche  namenlose   Spuren.     Eine   Benutzung  der  Haaptqnelle  für 
Philodems  Geschichte  der  Akademiker,  der  Chronika  dee  Apollo- 
doros  von  Athen,  lässt  sich  bis  jetzt  noch  nicht  feststellen. 

Bonn.  Wilhelm  Crönert, 

*  rfy  άφιυνίαι  pap.  495  pezzo  3  und  pag.  558  pezzo  3  (hier  ver 
muthet  Diele  eine  Doublette);  pap.  495  pezzo  10  und  pap.  558  pezzo  15 
wo  ebenfalls  die  Worte  merkwürdig  übereinstimmen. 


LAENDLICHES  LEBEN  BEI  HOMER  UND 
IM  DEUTSCHEN  MITTELALTER 


\J 


In  Homere  Besohreibaog  vom  Schild  des  Achilles,  jenem 
antiken  *Lied  von  der  Glocke\  haben  in  letzter  Zeit  besondere 
die  ländlichen  Scenen  die  Aufmerksamkeit  der  Philologen  und 
Historiker  erregt^.  Das  hat  seinen  Grund  darin,  dass  heute 
aacb  bei  der  Erforschung  der  Geschichte  des  Alterthums  die 
wirthscbaftlichen  und  socialen  Momente  in  den  Vordergrund  treten 
und  dazu  reizen,  aus  jenen  lebensvollen  Schilderungen  des  Epos 
eine  Anschauung  von  den  Zuständen  des  sog.  hellenischen  Mittel- 
alters zu  gewinnen.  Dürftig  genug,  ist  freilich  jene  Quelle  trotz 
der  Frische  des  Details,  und  längst  hat  man  die  vergleichende 
Betrachtung  ähnlicher  Erscheinungen  und  Entwicklungen  bei  an- 
dern Völkern  als  ein  Ersatzmittel  angewandt,  um  auf  viele  un- 
gelöste Fragen  eine  Antwort  zu  erhalten.  In  Bezug  auf  die  An- 
zöge des  griechischen  Staates  sagt  E.  Meyer  Gesch.  d.  Alt.  Π 
81  Anm.:  'Ohne  die  Analogie,  welche  vor  allem  die  germa- 
nische und  die  semitische  Entwicklung  bietet,  würde  der  Ver- 
BQch  [jene  Anfänge  zu  schildern]  undurchführbar  sein  .  Ich  war 
nicht  wenig  überrascht,  jüngst  in  Weisthümern  des  rheinischen 
3littelaltere  auffallende  Aehnlichkeiten  zu  den  ländlichen  Zustän- 
den bei.  Homer  zu  finden.  Ihre  Kenntniss  verdanke  ich  in  erster 
Linie  dem  interessanten  Aufsatz  von  E.  Lamprecht:  Ländliches 
Basein  im  14.  und  15.  Jahrhundert,  Westdeutsche  Zeitschrift  für 
Geschichte  und  Kunst  VIII  (1889)  189—210. 

Auf  dem  dritten  Kreis  des  Prachtschildes  für  Achilles  bildet 
Hephaietos  drei  Scenen  aus  dem  Landleben,  zunächst  die  Pflüger 


^  E.  Meyer,  Geschichte  dtis  Alterthums  II  öfter.  —  R.  Poehl- 
muiii,  Aue  Alterthum  und  Gegenwart.  (IV.  Die  Feldgemeinschaft  bei 
Homer.  V.  Aus  dum  lielleniachen  Mittelalter.)  —  W.  Ueichel,  Home- 
rische Waffen  2  p.  152  ff.  —  C.  Hentze,  Zur  Darstellung  des  Land- 
lebens auf  dem  Achillesechilde  C  541  -  572.    Philologus  LX  (1901)  502  ff. 


302  S  i  e  b  ο  u  Γ  g 

bei  der  Arbeit  ^.  Dargestellt  ist  ein  weites  Ackerfeld,  dessen 
fetter  Boden  dreimal  umgewendet  und  dadurch  locker  und  weich 
wird*.  Viele  Pflüger,  von  denen  jedem  wohl  ein  Theil,  ein  Ge- 
wann des  grossen  Ackerfeldes  zugewiesen  ist,  ziehen  ihre  Furche ii 
auf  und  ab  (543  ένθα  και  ένθα),  am  Anfang  wie  am  Ende  den 
Pflug  wendend,  so  dass  da  immer  eine  halbkreisförmige  Bewegung 


1  Bei  der  ziemlich  vemachrassigten  Interpretation  dieser  wie  der 
beiden  folgenden  Stellen  gebe  ich  eine  Paraphrase  und  begründe  das 
einzelne  in  den  Anmerkungen 

*  C  541  ή  ν€ΐός  wird  durchweg  in  Wörterbüchern  und  Comraen• 
taren  unter  Ergänzung  von  γή  mit  Neuland ,  N^eubruch,  Brache  wieder- 
gegeben,  und  Brache,   novcde,    heisst  es   auch  späterhin.      Aber  na':b 
W.  Schulze,  Kuhns  Ztechr.  27  (1885),  603  f.  hat  ή  ν€ΐός  etymologisch 
nichts  mit  ν^ος  zu  thun;    es   bedeutet   vielmehr    ganz    allgemein  Fehl 
Flur   und   gehört  zu  slav.  niva  (aus  *neiva)  Feld,  Flur.     Der  wurzel• 
hafte    Bestandtheil    vci-    kehrt   wieder    in    vcioOev    έκ    κραδ(η€    Κ  10 
vctoGi  λίμνης  Φ  317,  vcCatpa  γαοτήρ  Ε  539  ua.;  er    bezeichnet  das  ii^ 
unten   gelegene.    ν€ΐός   ist   also    die    für  das  Ackerland    besonders  ic 
Betracht  kommende  Niederung  des  Thaies  und  der  Ebene  im  Gegen- 
satz zu  den  *  Höhen'  der  Berge.'  Entscheidend   ist  für  mich,    dass   ai 
s&mmtlichen    Homerstellen  (K  353,    Ν  703,    C  541,  547,    €  127,    θ  12t, 
V  31)  die  Bedeutung  Neubruch,  Brache  nicht  gefordert  wird,  dagegtu 
Feld  gut  passt;    sodann   müsste    es  doch  wohl   bei  Gleichheit  mit  ν€ος 
ή  veid  sc.  γή  heissen;  vgl.  ή  οΙκουμ^νη,  ή  'Αττική,  ή  έσχατιή.  —  τρί- 
πολος,    dreimal  gepflügt  heisst    das   Feld  542,    ebenso  €  127    und  dar- 
nach Hesiod.  Theog.  971.     Ameis-Ilentze    bemerkt   dazu   in   Uebertin- 
stimmung  mit  andern:  'Man  pflegte  das  Brachfeld  dreimal  zu  pflügen,  i::: 
Frühling,    im  Sommer  und  im  Herbst  unmittelbar  vor  dem  Säen\    b 
diesem  Sinne  hätte  das  Wort  hier  gar  keinen  Zweck.    Der  Künstler  stellt 
vielmehr  einen  Theil  des  Feldes  in  dem  durch  dreimaliges  Pflügen  er- 
reichten   lockeren  (μαλακήν  541)  Zustand   der  Krume    dar.     Mit   des 
andern  Theil    ist    der  Pflüger    beschäftigt.  —  Vs.  547  heisst   die  v6io< 
βαθ€ΐα,  das  ergänzt  ευρεία  542.     Das  Feld   ist   breit   und  tief    in   dei 
Ausdehnung.    So  redet  der  Grieche  von  dem  βάθος  τής  Φαλαχγος,  wü 
von  der  Tiefe  eines  Hauses.     Homer  Τ  490  βαθέ'  αγκεα  οΟρεος,  βαθ€ΐ: 
ΰλη.     Β  91  die  Griechen  kommen  νεών  άπό  καΐ  κλιοιάων  |  ήιόνος  προ 
πάροιθε    βαθείης,    wo  Ameis-Hentze  mit  Hinweis  auf  βαθύς  κόλπος  ;vV 
tief  gebuchtetes  Ufer  übersetzt.     Die  Küste  des  Hellespont  bei  Ilios  i^ 
aber   nicht    eingebuchtet,    sondern    ziemlich   grade,    flach    und  sandi; 
und  nur  auf  einem  breiten,  tiefen  Strand  hatte  das  Lager  Raum.     IV 
Dichter  kennt  die  Gegend    genau.  —  Ich  gebe   übrigens   zu,    dass   s 
unsrer  Stelle  νειός  βαθεΐα  auch  auf  die  Tiefe  der  Krume,    der  Huo.a' 
Schicht   gehen   kann.    Die  \'erbindung  mit  τέλςόν    und  die  KrganzuL 
in  ευρεία  lässt  mich  die  andre  Bedeutung  vorziehen. 


Ländliches  Leben  bei  ifomer  und  im  deutschen  Mittelalter     303 

entsteht  (543  6ιν€ύοντ6ς).  Jedesmal  wenn  sie  am  Ende  das  Ge^ 
spann  umgelenkt  haben  (544  οτρέψαντες)  und  dann  an  den  Aus- 
gangspunkt, an  den  Weg  zurückgekommen  sind,  dann  tritt  ein 
Mann  heran  und  reicht  dem  von  der  Sonne  und  der  schweren 
Arbeit  durstig  gewordenen  einen  Becher  Weins.  Dann  geht  es 
wieder  berauf  ( 546  dv'  δγμους)  zum  andern  Ende  \ 

541  έν  5'  έτίθει  veiov  μαλακήν,  πίειραν  δρουραν, 
eupetav  τρίττολον  πολλοί  b'  άροτήρ€.ς  έν  αυτή 
CeuTca  οινεύοντες  έλάοτρεον  ίνθα  και  ίνθα. 
ο\  b'  όπότ€  οτρίψαντες  Ικοίατο  tAcov  άρούρηο, 

545  Toici  b'  ίπειτ'  έν  xepci  benac  μελιηδέος  οϊνου 
bocK€v  άνήρ  επιών  τοι  hi  στρέψαοκον  άν'  δγμους 
\έμενοι  veioio  βαθβιηο  τέλοον  Ικέοθαι. 

Dass  auch  heute  noch  der  griechische  Bauer   bei    der  Feldarbeit 
mit  Wein   eich   stärkt,  sah  ich  vor  drei  Jahren,  als  wir  zu  meh- 
reren Beisegefahrten    in  der  Umgebung   von  Athen  das  Kuppel- 
grab  von  Menidhi  suchten  und  nicht  finden  konnten:  wir  wandten 
uns  an  einen  ina  Felde  grabenden  Mann;    aber  ehe  er  uns  Ant- 
wort gaby   reichte  er  uns  zum  Willkomm  die  grosse,  mit  Rhezinat 
gefüllte     FJaeche.     Immerhin    schien    es    mir    doch    stets    merk- 
würdig, dass  jenen  homerischen  Pflügern  nach  einem  Herauf  und 
Herunter   allemal   ein  Becher  gereicht  wurde,  bis  ich  bei  Lamp- 
recht aaO.  S.  203  Folgendes  las:  'Bei  der  Landarbeit  wurde  gar 
viel  getrunken/     Zum  Beweis  citirt  er  ein  Weisthum  von  Henz- 
H  riler  aas    dem  Jahre  1429,  das  ich  hier  nach  Lamprechts  Wirth- 
schaftsleben    1  556  im  Original  mit  den  nöthigen  Erläuterungen^ 
wiedergebe. 

der  selb  armmann^  soll  den  Herren  einen  tag  achten^  und 
oll  man  ime  und  seinen  pf erden  und  knechten  gütlich  tun;  und 
demselben    iickerman   soll  man   stellen  einen  eimer   voll  wins    vf 


^  54rtj  Toi  b^  sind  natürlich  die  eben  durch  einen  Trunk  erquickten, 
icht  'andere',  wie  Ameis-Hentze  meint.  Das  Feld  hat,  wie  jedes 
^iu'*•  zwei  Enden,  τέλοον  άρούρης.  544  ist  der  Ausgangspunkt,  547 
as  entgegengesetzte  Ende  gemeint. 

2  Xn  den  das  Mittelalter  betreffenden  Dingen  hat  mir  mein  Col- 
ice   Dr.  P-   Kschbach  seine  sachkundige  Hilfe  geliehen. 

3  Per  arffie  3iann  ist  der  Hörige,  der  frohn Pflichtige  Bauor,  der 
ondtr     wie     ce     unten  p.  307  heisst:   er   hat    sell)st   hier    Pferd    und 

iiecht. 

*  achten,  richtiger  arten  =  pflügen. 


a04  Sieboarg 

ildich  angewande^  und  exf^en   wiesen^  hecher  darin,   wan  es  ime 
und  seinem  knecht  noit^  ist,  dafs  sie  drinken. 

Hier  steht  also  sogar  an  beiden  Schmalseiten  des  Ge- 
wanns ein  Trunk  bereit,  und  wie  hier  der  Ackersmann  und 
seine  Knechte  nur  trinken,  wenns  sie  dürstet,  so  wirds  in  der 
homerischen  Scene  anch  aufzufassen  sein.  In  der  dem  Dichter 
vorschwebenden  plastischen  Gestaltung  war  an  einer  Stelle  jener 
Moment  abgebildet,  wo  einem  der  vielen  Pflüger  der  Schenk  am 
Weg  den  Becher  reicht.  Wer  wollte,  konnte  hier  trinken,  an- 
geboten wurde  es  ihm  stets.  Poehlmann^  meint  irrig,  der  Trunk 
sei  dazu  da,  um  zu  lebhaftem  Wetteifer  anzuspornen ;  Speise  und 
Trank  bilden  den  Lohn  des  Feldarbeiters  in  der  Zeit  der  Nataral- 
wirthschaft,  Beschaffenheit  und  Umfang  desselben  werden  oft  ge- 
nug in  den  deutschen  Weisthümern   aufs    genaueste  festgesetzt^ 

Das  Essen  spielt  denn  auch  eine  wichtige  Rolle  in  der 
zweiten  Scene  bei  Homer.  Mäher  und  Grarbenbinder,  letztere  von 
anreichenden  Knaben  unterstützt,  sind  auf  einem  τέμενος  βαθυ- 
λήΐον  an  der  Arbeitt  Der  βαοιλεύς  steht  bei  ihnen,  auf  den 
Stab  gestützt,  stille  Freude  ob  des  Erntesegens  lagert  auf  seinem 
Antlitz  (ciumri,  γηθόςυνος  κήρ).  Im  Hintergrund  (άπάνευθεν 
558)  schlachten  Herolde  unter  einer  Eiche  einen  grossen  Ochsen, 
und  Mägde  mengen  den  Brei  zum  Brod-  oder  Kuchenbacken  ^ : 
sie  bereiten  das  Essen  für  die  Arbeitsleute. 

556  βαςιλεύς  W  έν  xoici  ciuiir^ 

ςκήπρον  ίχιυν  έοτήκει  έπ'  δγμου  γηθόςυνος  κήρ. 
κήρυκες  6'  άπάνευθεν  ύττό  6ρυΐ  6αΐτα  πίνοντο, 
βουν  b'  Ιερεύεαντες  μέγαν  δμφεπον  αΐ  6έ  γυναίκες 
6εϊπνον  έρίθοιειν  λεύκ'  άλφιτα  πολλά  πάλυνον. 


1  An  jeder  Umwendeetelle.    Lexer,  Mittelhochd.  Wörterbuch  b&t 
die  Form  anwande, 

«  Weissen.  ■  Noth  thut.  *  aaO.  p.  125. 

»  Lamprecht  WZ  8,  204.    S.  u.  p.  305. 

^  Auch  hier  ist  der  Ausdruck  wieder  im  einzelnen  sehr  genau 
und  plastisch  anschaulich.  Da  die  Mäher  mit  Sicheln  (δρεττάναις  551 
arbeiten,  so  fassen  sie  mit  der  linken  so  viel,  wie  in  die  Hand  geht: 
das  sind  die  αράγματα  552.  You  den  Knaben  heisst  es  555,  das«  »ic 
erst  die  Hand  voll  Aehren  nehmen,  6ραγμ€ύοντες,  diese  dann  auf  den 
linken  Ellbogen  legen,  έν  άγκαλίδεοοι  φέροντες,  offenbar  bis  er  voll 
ist  und  das  dann  dem  Garbenbinder  reichen,  άοπερχές  πάρ€χον. 

'^  Anders   kann    ich  das  λεύκ'  δλφίτα   πολλά   πάλυνον  560    nich: 
verstehen. 


Ländliches  Leben  bei  Homer  und  im  deutschen  Mittelalter      305 

Damit  vergleiche  man  nun  die  eingehenden  Bestimmungen, 
die  ein  Weisthum  von  Schönfels  in  Luxemburg^  aus  dem  J.  1682 
über  das  Essen  der  Frohnarbeiter  trifft. 

§  7.  It{em)  ein  jeder  vogtey  oder  unierthan  wie  obstehet  ist 
schuldig  ßu  Jteu  und  hoher  mehen^  einen  meder^  dahin  eu  steUefi, 
demselben  ist  der  h^r  schuldig  am  morgen  eine  mütseh^  und  ein 
stück  käszj  eu  mittag  speck  und  erhese,  dergleichen  eine  suppe  und 
hrod  genug  eu  selben  inU)is  und  eu  abend  ein  mütschy  wie  eu  mor- 
gm,  doch  kein  käse. 

§  8.  It.  wan  die  frohnder  kohren^  schneideny  heu,  haber^ 
melkohren^  aufheben  oder  hausten ^j  gibt  man  ihnen  mit  ein  mittags 
mahUeit,  erbes  oder  ander  speis,  supp  und  übet-  den  andern  tag 
ein  siü;k  specks,  und  da  man  kein  speck  gibt^  speist  man  ander 
drtgerley  speise^  und  jeder  frohnder  täglich  ewo  mütschen^  wie 
erstehet  ....  Dann  wird  sogar  die  Grösse  derMütschen  genau 
aogegeben. 

§  9.  It,  wan  sie  heu  einfuhren  und  ein  ganfeen  tag  fahren^ 
g'dd  man  ihnen  drey  nuüU  ein  hausmannskosten  und  kein  mütsch. 

Zum  £eeen  und  Trinken  gehört  Musik  und  Gesang:  τά  γάρ 
τ'  αναθήματα  δαιτός.  Sie  finden  wir  in  der  dritten  Scene  bei 
der  Weinlese.  Nur  ein  schmaler  Pfad  fuhrt  zu  dem  Weingarten  "^ 
hin.  Darauf  sind  fröhliche  Mädchen  und  Jünglinge  dargestellt, 
die  in  Körben  die  köstliche  Frucht  heimtragen,  die  sie  selbst  ge- 
lesen haben.  Denn  die  Winzer  bringen  nach  566  allemal  die 
Tranben,  die  sie  lesen,  selbst  zur  Kelter.  Mitten  unter  der 
lästigen  Schaar  spielt  ein  Knabe  liebreizend  die  Laute  und  singt 
dazu  mit  feiner^  Stimme  den  Linos.  Die  Winzer  und  Winze- 
rinnen klatschen    mit    den  Händen  im  Takt^,    mehr  hüpfend  als 


*  Hardt,  Luxemburger  Weisthümer  p.  G70  f.' 

*  meder  =  Mäher. 

Β  mütsch  =s  eine  Art  kleinen  Brodes.   Grimm  Deutsches  Wörterb. 
^  =  Korn.         '  Welche  Art  Korn  gemeint  ist,  vermag  ich  nicht 
zu  eruiren.    Ob  die  Lesung  richtig  ist? 

•  hausten  =  in  Haufen  setzen.  Weigand,  Deutsches  Wörter- 
buch^ 8.  V. 

'  δ(>5  έπ*  αυτήν.  Falsch  Ameis-Hentze  mit  andern:  'über,  d,  i, 
durch  ihn  selbst  hin,  den  Weingarten  im  Gegensatz  zu  dem  umgeben- 
den Graben  und  Zaun.* 

^  λ€ΐΓΓθλέΐ3  φωνή  571;  sie  hat  noch  nicht  mutirt. 

•  Μαοντβς  άμαρτή  571.  üeber  (ii\cc\M  thcilt  mir  F.  Solrasen,  der 
demnächst  in  anderm  Zusammenhang  eingehender  über  die  Geschichte 

BbelB.  M«u.  t  Phllol.  N.  F.  LVII.  20 


80β  Siebourfir 

gehend  ziehen  sie  daher  (572  Koci  ςκα(ροντ€ς  ^ποντο)  nnd  singen 
den  Befrain,  der  in  Juchzen  und  Jodeln  ausklingt  (572  μολπη 
τ'  Ιυγμψ  τε).  Wenn  sie  ihre  letzten  Körbe  abgeliefert  haben, 
wird  der  Knabe  ihnen  zum  Tanze  aufspielen. 

565  μία  b'  οϊη  άταρπιτός  ή€ν  Μ  αυτήν, 

τή  viccovTO  φορή€ς,  ότ€  τρυγόψεν  άλωήν. 
παρθενικά!  bi  κα\  ήΐθεοι  άταλά  φρονέοντες 
πλεκτοΐς  έν  raXdpoict  φέρον  μ€λιηbέα  καρπόν. 
TOiciv  b'  έν  μέ€€θΐ€ΐ  παις  (ρόρμιγγι  λιγείΓΐ 

570  Ιμερόεν  κιθάριΖΙε,  λίνο  ν  b'  Οπό  καλόν  fieibev 
λβπταλέη  ςκυνή*  τοι  bk  ^ήοοοντες  άμαρτή 
μολπή  τ'  Ιυγμφ  τε  ποα  οκαίροντες  ίποντο. 

An  diese  muntere  Scene  erinnert  eine  Bestimmung  im  Men- 
chinger  Vogtsrecht  von  1441^.  Die  zum  Rechen  verpflichteten 
Leute  versammeln  sich  im  Amthof  auf  ein  Glockenzeichen;  ^äk 
soUen  dann,  so  man  leutet,  in  den  Amthof  kommen^  und  mü  einem 
pfeif er^  voraushin  pfeifen  lassen  um  auf  die  vorgenante  mad. 
und  des  abends  soll  er  in  wieder  heim  lassen  pfeifen '.  Man  sieht, 
wie  der  Gutsherr  bedacht   ist,    den  Arbeitern  das  Unangenehme 


des  Verbums    und  seiner  wirklichen   und    vermeintlichen  Angehörigen 
zu  handeln  beabsichtigt,    mit,  dasa  es  nicht,  wie  Wörterbücher,  Gram- 
matiken,   Gommentare   immer  noch  anzugeben  pflegen,    mit   ^ήτννμι 
eerbreche^  zerreisse   zusammenhängt.      Vielmehr    bedeutet    es    sdUag^^ 
schmettere^  werfe,  stürze  (trans.  und  intrans.  wie  βάλλω)  and   ist  iden- 
tisch   mit  attisch   (^άττω,   gemeingriech.  ^dccu).    Dessen   α  setzt  mu 
als  Kürze  an,  es  spricht  aber  alles  dafür,    dass  es  lang  ist   und    beide 
Formen  sich  nicht   anders    zu    einander   verhalten    wie    die    derselbco 
Wurzel    entstammenden   att.    ^άχία  und   ion.  ^ηχ(η  Brandung   di.  da« 
Schlagen,  Schmettern  der   Meereswogen.     Ausserhalb    des    Griechischen 
erscheint  die  Wurzel  (^άχ  in  slav.  razU  'Schlag*,  raziti'schlageff^  mit  £  = 
idg.  gh  (s.  E.  Liden,    £in  baltisch-slavisches    Anlautgesetz.    Göteborg? 
Högskolas  Arsskrift  1899  lY  S.  25).   —    Wer  das  Wort  in  der  Home^ 
stelle,   wie  es  durchweg  geschieht,    mit  stampfen  übersetzt,  und  dardi 
nod  €καίροντ€ς  näher    ausführen    läset,    der   macht  m.  E.  den  so  vor 
trefflich    beschreibenden    Dichter   zu   einem    schlechten    StilisteD.     1> 
die  Füsse    572  genannt   sind,    so    bleiben   für   /!>ήε€θντ€ς    άμαρτή   dci 
die  Hände.    Die  Körbe  haben  die  Winzer  auf  dem  Rücken.     —  Ander 
ist   es   bei   Apoll.    Rhod.  1,  536  ff.,    der    ausdrücklich  πέδον    pf\cc€t 
KpaiiTvolci  no6eca  sagt. 

*  J.  Grimm,  RechUalterthümer^  395. 

'  Der  'Pfeifi'er•  ist  der  Musikant  mit  beliebigem  InstraineDt,  oi 
her  'pfeifen*  =  aufspielen. 


Ländliches  Leben  bei  Homer  und  im  deutschen  Mittelalter       307 

des  Dienetee  zu  mildern  und  den  Müden  am  Abend  den  Heim- 
weg zu  kürzen.  Wie  fröhlich  ziehn  unere  Soldaten  selbst  naeh 
anstrengendem  Marsch  einher,  wenn  die  Musik  einsetzt.  Weiter 
geben  die  Anordnungen  eines  Weisthums  von  Lindscheid  im  Taunus 
ans  dem  17.  Jahrhundert  ^ :  "^die  iunckern  sollen  ein  pfeyfer  haben, 
der  den  Schnittern  pfetffe,  und  toann  die  sonne  noch  haums  hoch 
stehet,  so  soUen  sie  dantjsen,  bis  es  nacht  wird,  und  soll  ihnen  kost 
gehen,  die  da  gut  und  gesund  sey  und  auch  trinken,  das  da  gut 
und  gesund  sey,  das  niemand  darvon  schwacfi  oder  ungesund  werde/ 
In  einem  Weisthum  von  Schönfels ^  (Luxemburg,  Mersch)  aus  dem 
Jahre  1682  heisst  es  im  §11:  Es  seyn  auch  dieselbigeRollinger^ 
schuldig  in  obgemelter  wies  oder  briUl^  fünf  meder  eu  stellen^  toie 
auch  fünf  persohnen  zu  hausten^  den  welchen  mederen  und  hau- 
steren  der  herr  den  kosten^  wie  denen  eu  Schönfels  schuldig  ist. 
Und  van  die  frönder^  denselben  brüM  oder  unes  su  Morsch'^ 
hausten  oder  uffheben^,  ist  der  meyer^  ssu  Schönfels  schuldig  ein 
Sachpfeiffer  oder  sonst  ein  Pfeiffer  dahin  zu  stellen, 
dem  der  herr  eu  Schönfels  die  kosten  zu  geben  schuldig.  Ab- 
gesehen von  dem  Pfeifer  wird  jedem  auch  die  Analogie  der 
zweiten  homerischen  Scene  mit  ihren  Mähern  und  Garbenbindern 
auffallen. 

Die  bemerkenswerthen  Uebereinstimmungen,  die  nach  dem 
Vorstehenden  zwischen  den  ländlichen  Zuständen  des  griechischen 
und  deutschen  Mittelalters  obwalten,  werden  geeignet  sein,  das 
Veretändniss  der  Homerstellen  zu  fördern.  Es  ist  schon  von 
andern  hervorgehoben  worden,  dass  das  Königthum  mit  seinen 
beiden  Hauptbefngnissen,  der  Bechtsprechung  und  Heerführung, 
darin  nicht  vorkommt.  Das  Recht  wird  vor  einem  Schiedsrichter, 
dem  Wisser  fcxuup^^  501  und  den  γέροντες  gesucht,  dem  Heer 
schreiten  Ares  und  Athene  voran.  Wenn  daher  V.  556  der 
βαςιλεύς  erwähnt  wird,  der  auf  den  Stab  gestützt  still  vergnügt 


1  Lamprecht  Westd.  Zeitsohr.  8,  194.  Grimm,  Weisthümer  lY 
S.  576  §  5.    Bücher,  Arbeit  und  Rhythmus»  p.  289. 

^  Hardt,  Luxemburger  Weisthümer  p.  671. 

'  Die  Bauern  von  Rollingen  bei  Mersch. 

*  brüll,  unten  brühl,  ist  eine  sumpfige  Wiese,  ein  Bruch. 

^  Die  Kost,  die  Speise. 

^  Frohnpflichtige  Bauern,  Hörige.  "^  Mersch  in  Luxemburg. 

»  M/f^e&en  SS  aufladen.         ^  Der  meyer  ist  der  Guts  Verwalter. 

^  Im  deutschen  Mittelalter  hcisaen  die  Rechtskundigen  viri  pru- 
denits.    Unser  Weisthum  ist  mit  tcxujp  gleichen  Namens. 


308  Sieboarg 

am  Enitesegen  eiob  weidet,  so  wird  das  der  adlige  Gmndlierr 
sein.  '  Der  Titel  des  Herrschers  (ΡάναΕ,  βασιλεύς)  geht  auf  alle 
Adligen  über,  welche  im  Ratb  sitzen  oder  ein  Amt  bekleiden^'. 
'Wie  kleine  Könige  sitzen  die  Grossgrundbesitzer  anf  ihrem  Hof'. 
Jene  Auffassung  findet  eine  Stütze  in  den  Analogieen  unserer 
Weisthümer.  Der  βοειλεύς  entspricht  dem  Herrn,  dem  Junker. 
Han  braucht  sich  nicht  zu  wundem,  dass  er  in  der  ersten  und 
dritten  Scene  fehlt  und  nur  bei  der  £mte  auftritt.  Auch  das 
Essen,  Trinken  und  Singen  hat  der  Dichter  auf  die  drei  Scenen 
vertheiit.  Es  wird  uns  eine  grosse  Gutewirthschaft  in  den  ver- 
sohiedensten  Stadien  vorgeführt :  dem  βαοιλεύς  gehört  das  Pflag• 
land  so  gut,  wie  das  Getreidefeld  und  der  Weingarten;  Herden  und 
Weide  fehlen  nicht  (C  572—589).  Auch  auf  die  Vertreter  der 
arbeitenden  Klasse  föllt  durch  unsre  Weisthümer  Licht.  Diese 
scheiden  sich  bei  Homer  deutlich  in  zwei  Gruppen.  Zu  der  einen 
gehören  die  Fflüger  (542  άροτηρ€ς),  Mäher  (551 ;  Λ  67  άμητήρες), 
Garbenbinder  (554  όμαλλο6€τήρες)  mit  den  Knaben,  die  Mäd- 
chen und  Jünglinge  im  Weingarten  (567  παρθενικαι  και  ήΐθ€θΐ). 
Die  andere  Gruppe  bilden  der  Schenk  (546),  die  κήρυκες  (Frohn- 
boten)  und  γυναίκες,  die  für  das  £ssen  sorgen  (558  ff.),  und  der 
Knabe,  der  spielt  und  singt,  der  Pfeifer  (569).  Diese  letzteren 
alle,  die  keine  Feldarbeit  verrichten,  «ondern  die  Menschen  be- 
dienen, sind  wohl  das  Ingesinde  des  Herrenhauses,  die  ομώες, 
Knechte  und  Mägde  ^.  Die  eigentlichen  Feldarbeiter  heissen  550 
ίριθοι.  üeber  die  Etymologie  des  Wortes  theilt  mir  F.  Solmeen 
freundlichst  Folgendes  mit:  ί•ρϊθ-ος  'Arbeiter,  Lohnarbeiter'  zo 
aind.  rüdh-yati  '  macht  fertig,  bringt  zu  stände,  gewinnt',  rüäh- 
ayati  *  bringt  zu  stände,  befriedigt';  avest.  rnä-aiti  *  macht  za- 
recht*; serbisch  rdW '* Arbeit'  rad-iti  'arbeiten '.  Das  έ  ist  pro- 
thetisch,  wie  fast  alle  ursprünglich  mit  r-  anlautenden  Wörter 
einen  prothetischen  Vokal  entwickelt  haben,  das  f  neben  dem  ά 
der  andern  Sprachen  erklärt  sich  aus  alten  Ablautverhältniseen. 
Vgl.  aeol.  πώνιυ  zu  gemeingr.  πίνω*.' 

Die    so    gewonnene    Bedeutung  'Arbeiter     berechtigt    uns 
m.  £.  unter  den  ίριθοι  550,  560,  wenn  auch  das  Wort  zunächst 

1  £.  Meyer,  GdA.  II  379.    Er  meint,    der  Dichter   des   Schildes 
werde  schwerlich  nach  dem  8.  Jahrb.  gelebt  haben. 
>  £bend.  p.  307. 

•  π  140  Laertes  μετά  δμώων  έπΙ  ο(κψ  irtvc  καΐ  fjcO'. 

*  Bezzenberger  Bezz.  Beitr.  4, 327.    Wackernagel,  Altind.  Gramm. 
1,  105. 


Ländliobee  Leben  bei  Homer  und  im  deuttcben  Mittelalter      309 

nur.  Ton  den  Mäbem  und  Bindern  gebraucht  wird,  alle  jene  Feld- 
arbeiter zu  yereteben^  also  anch  die  Pflüger  und  Winzer.  Die 
ganze  Situation  und  die  Analogie  unsrer  Weisthtimer  erlauben 
HUB  aber  wobl  nocb  etwae  weiter  zu  geben.  Eretliob  sind  da- 
runter sieber  nicht  die  freien  Bauern  eines  Dorfes  zu  yersteben, 
die  etwa  auf  der  gemeinsamen  Feldflur  ackern.  Dagegen  spricht, 
wie  scbon  Poehlmann  *  hervorhebt,  der  βααλβύς  in  der  zweiten 
Scene,  der  sich  als  tüchtiger  Gutsbesitzer  selbst  um  die  Wirtb- 
Bcbaft  kümmert  und  das  ?ργα  έπθ7ΓΓ€ύ€ΐν,  έπΙ  ?ρτα  Ibeiv  ausübt, 
das  der  Dichter  von  Laertes  rühmt  ^.  Die  ίριθοι  sind  auch  nicht 
mit  den  θητ€ς'  identisch,  den  Knechten,  die  sieb  ohne  eignes 
Hans  gegen  Kost,  Kleider  und  Schuhe  auf  bestimmte  Zeit  ver- 
dingend Selbst  ein  'armer  Mann',  ein  δκληρος  άνήρ,  φ  μη  βίοτος 
πολύς  εΤη^,  nimmt  solche  in  Dienst,  sie  werden  mit  den  ομỀς 
auf  gleiche  Stufe  gestellt^,  sie  nennt  Achill  in  der  Unterwelt, 
wenn  er  dem  Odysseus  das  elendeste  Los  auf  Erden  bezeichnen 
will 7  Gegen  jene  Identificirnng  spricbt  die  ganze  Art  der  Be- 
handlung der  Arbeiter  sowie  die  Scheidung  von  dem  Ingesinde. 
Am  ersten  möchte  ich  die  ^ριθοι  vergleichen  mit  dem  anrnnaftn, 
dem  frönder  unsrer  Weisthümer,  den  hörigen  Bauern,  die  von 
ihrem  Grundherrn  Haus  und  Land  zu  Leben  erbalten  gegen  ge- 
wisse Abgaben  und  die  Verpflichtung  zur  Frohnarbeit  an  be- 
stimmten Tagen.  Wenn  Lamprecht  vom  14.  und  15.  Jahrb.  sagt, 
dass  der  Druck  der  Grundberrschaft  nocb  nicht  allzustark  auf  den 
Schultern  der  Unterthanen  gelastet  habe,  so  lasst  sieb  das  Gleiche 
wobl  von  den  so  lebensfrisch  geschilderten  patriarcbalischen  Zu- 
ständen bei  Homer  vermutben. 

Nocb  ein  kurzes  Wort  über  die  Veranstaltungen  für  Er- 
qoickung  und  Vergnügen  in  den  homerisoben  Scenen.  Hentze^ 
meint,  es  bandle  sich  bei  dem  Mahl  um  eine  besonders  festliche 
Bewirtfanng  nach  Abschlnss  der  Arbeit,  und  auch  bei  der  Pflüge- 
scene  habe  der  Dichter  den  Moment  gewählt,  wo  die  Arbeit  tbeil- 
weiee  beendet  sei.  Das  ist  nicht  richtig.  Die  reicblicbe  Bewirtbung 
wäbrend  der  ganzen  Dauer  des  Frobndienstes  bildet,  wie  dargelegt 


1  aaO.  p.  125.  «  ir  140,  144. 

"  Ebenso  urtbeilt  Hentze  aaO.  p.  508. 

*  c  356  ff.  bilden  <1τος  έπηέτανος,  εΤματα  und  υποδήματα  den  Lohn. 
»  λ  489  ff. 

"  b  644:  θήτές  τ€  δμώές  τε,   wo  das  vorgehende  io\  αύτοΟ,   die 
*  eignen*,  zo  beachten  ist. 

U  489  ff.  «  aaO.  p.  504,  505,  507. 


1 


310  Siebourg   Ländliches  Leben  bei  Homer  usw. 

wurde,  den  Entgelt,  den  der  Grundherr  su  zahlen  bat:  das  sind 
'  die  Kosten ' .    Weil  man  femer  in  jenen  homerischen  Bildern  des 
täglichen    Lebens    den    Cult   vermiest   hat,    will    Reiche]   diesen 
wiederfinden  in  der  Znriistnng  des  Mahles  und  bei  der  Weinleee. 
In  jenem  ^  sieht  er  das  Opfer    eines   Bindes    nnd    der  Erstlinge 
der  neu  gewonnenen  Mehlfrucht  nach  glücklicher  Ernte.    Selbst 
die    Eiche   Σ  558,    die    nach    ί  328   τ  297    Ε  693    Η  60  dem 
Zens  heilig  sei,    ist  ihm  nicht   zufällig.     Diese  Auffassnng   hält 
gleichfalls    gegenüber    den    erwähnten    Darlegungen     über  'die 
Kosten*  nicht  Stand.     In  der  Winzerscene   soll  es  sich    gar  um 
einen  Theil  des  natnrsjmbolischen  Dramas  der  Linosklage  ban- 
deln, deren  Feier  in  Griechenland  uralt  sei.     Freilich  von  einem 
'trunkenen  Weinlesefest*  mit  einem  Vorsänger,  der  'mit  gellender 
Stimme'  begabt  ist    und    von  'Tanz   und  Gejodel'  ist  hier  nicht 
die  Rede,    aber  auch  nicht,  wie  Reichel  will,    von  'dem  gemes- 
senen Chortanz,  der  immer  religiöse  Grundlage  hat    und  von  der 
feierlichen  Phorminx  begleitet  wird.     Reichel  übersetzt  Y.  570— 
572  00 :  *der  Knabe  sang  dazu  schön  den  Lines  mit  gedämpfter 
Stimme.     Ihn  begleiteten    die  andern,    im  Takte    einfallend,   mit 
Gesang  und  Gestöhn  und  indem    sie  mit   den  Füssen  stampften. 
£in  Vergleich  mit  meiner  Paraphrase  S.  305  u.  macht  die  verschie- 
denen Irrthümer  in  dieser  Uebertragung  klar.    Der  Dichter  sagt 
so  deutlich  wie   nur  möglich,    welche  Scene    er    sich    dargestellt 
denkt,    nicht    Fest    noch  Tanz  \     Die  Winzer    und  Winzerinnen 
tragen  (568  φέρον)  ihre  Körbe  heim;     wie    der    Pfeifer  von 
Menchingen  den  Wiesenarbeitern   bei  der  Heimkehr  aufspielt,  so 
verkürzt  hier  Spielen,  Singen  und  Juchzen  den  Weg^;  als  richtiges 
junges  Volk,  dem  die  Musik  in  die  Beine  fahrt,  legen  die  Leate 
ihn  mehr  hüpfend  als  gehend    zurück,    im  Vorgen uss  des  später 
sicher  folgenden  Tanzes. 

Bonn.  H.  Siebourg. 


1  Homerische  Waffen^  p.  154.        ^  Ibid.  p.  155. 

^  Bücher,  Arbeit  und  Rhythmue  «  p.  360  übersetzt:  ^Jene  aber 
folgen  im  Tanzschritt,  alle  zugleich  mit  den  Füssen  stampfend»  anter 
Gesang  und  Jaachzen\  Hier  ist  mir  nicht  klar,  ob  ^ή€εοντ€ς  άμαρτή 
oder  ςκα(ροντ£ς  '  im  Tanzschritt*  heisseu  soll,  was  beides  nicht  anginge. 
iro()€cci  kann  auch  nicht  mit  {»ήαοντες  verbunden  werden.  Bacher  meint, 
in  dieser  Scene  gingen  Arbeit  und  Cultus  anmerklich  ineinander  über, 
weil  auch  er  einen  Tanz  darin  findet. 

*  C  672  lirovTO  sie  gingen  d<iA<T,   nicht  αμ'  ίποντο,   noch  αύτφ. 


mSCELLEN 


Ad  libellnn  περί  ΰψους 

Pa^.  4,  10  (ed.  Jahn-Vablen)  oodex  PttHsinae  b  eiueque 
gemellae  Vaticanns  a  —  nam  ab  üb  in  bao  libelli  seotione  auxi- 
liom  petendam  est,  cum  in  Parieino  Ρ  dao  exoiderint  folia  — 
exhibent  μοι  bOKU),  qnod  vitio  laborare  inde  a  temporibns  Tollii, 
primi  baias  particalae  editorle,  usque  ad  nostram  aetatem  miro 
modo  omnea  consentiunt  viri  docti.  Plerique,  quae  leniesima  vi- 
detor  esse  inedela,  cum  Tollio  μοι  bOK€i  in  textn  reponebant, 
Spengeline  έμοι  6θΚ€Ϊ  exprimendnm  caravit.  Quod  autem  con- 
tolit  vir  de  rhetoribae  Graecis  unns  omniam  optima  meritue  lo- 
com  cap.  12,  4  (p.  24,  20)  petitam  ου  κατ'  δλλα  bi  τίνα  ή 
ταύτα,  έμοι  6οκ€Ϊ,  φίλτατε  Τερεντιανέ,  eo  exemplo  non  neces- 
saiio  efficitur  at  noetro  looo  eandem  formam  έμοι  revooemus,  onm 
praeeertim  alibi  etiam  μοι  6οκ€Ϊ  in  usum  converterit  scriptor,  cf. 
p.  15,  2;  26,  15.  Inde  verieimillimum  est  anotorem  libelli  for- 
mifl  μοι  et  έμοΙ  promiecue  neam  esse.  Hammerae,  qni  post  Leon- 
hardi  Spengeli  mortem  alteram  cnravit  rbetomm  Graecoram 
editionem  (Lips.  1894),  fortasee  legendnm  censnit  μοι  boK€iv. 
Talis  modi  infinitivoe  abeolutos,  qni  dicnntur,  compluries  adbibet 
scriptor,  velnti  p.  9,  20.  24,  8.  68,  6.  At  eqnidem  maximopere 
vereor,  ne  nimis  confidenter  et  praepropere  illam  elocationem 
attemptaverint  et  inoonenlte  vocaverint  in  dnbitationem  editores. 
Nam  formula  μοι  boKUJ  nt  confusione  qnadam  verbi  personalie 
boKuj  et  locntionis  impersonalie  boK€i  μοι  facile  explicatnr, 
ita  idoneia  fideqae  dignie  defenditur  teetimoniis.  Velat  in  Pla- 
tonis  Theage  p.  121  d  traditnr  6οκώ  γάρ  μοι  τών  ήλικιωτών  τί- 
νες αύτου  καΐ  δημοτών  ;€ΐς  το  δστυ  καταβαίνοντες  κτλ.,  ubi 
codex  Clarkianne  Β  et  Venetus  Τ  bOKUJ  γάρ  μοι  exbibent,  qnod 
com  Stepbano  editores  in  6οκεΐ  mntabant;  porro  Lynoens  apud 
Athenaenm  IV  3  p.  129  a  έπεισβάλλουσιν  αύλητρίοες  κα\  μου- 
σουργοί και  σαμβυκίστριαί  τίνες  'Ρόδιαι,  έμοι  μέν  γυμναί  δοκώ, 
πλην  ίλεγόν  τίνες  κτλ.  nbi  Meineke  nulla  necessitate  έμοι  6οκεΐν 
immntari  inssit.  Praeterea  idem  inveni  apnd  Strabonem  X  p.  452 
μετυινόμασαν  Λευκά6α  έπώνυμον,  boKÜJ  μοι,  του  Λευκάτα. 
Similiter  in  Xenopb.  Cyrnp.  V  4,  37  και  σύ  τ'  δν  έμοί,  ώς  γ' 
έμοι  boKÜD,  πάνυ  χρήσιμος  είης  —  ne  id  quidem  intemptatnm 
a  viris  doctis,  onm  Dindorfius  potius  6οκεΐ  pro  6οκώ  ponendam 
antumaverit.  Denique  cf.  Plotini  Enn.  I  6,  8  ώς  πού  τις  μύθος, 
boxu»  μοι,  αΐνίττεται.     Qaornm   locorum  aline  alinm  defendit  ac 


312  Misoelleu 

tuetnr.  Quodei  viri  docti  memores  fnissent  iinue  ei  corrigeretnr 
locns,  ceteroe  qnoqne  corrigendoR  espe,  abetinniesent  certe  a  con- 
iecturis  et  explicationem  verborum  circnmspexiesent. 

Quae  cum  ita  eint,  μοι  bOKUJ  integram  eeee  lectionem  statao. 

Eiliae.  Gustavae  Wörpel. 


Vir  bonns  dieendi  peritns 

Das  Wort  des  alten  Cato  vom  Redner,  das  nächst  dem  un- 
vergleichlichen rem  tene,  verba  sequentur  mit  Recht  zu  den  ge- 
prieseneten  seiner  körnigen  Dicta  gehört,  ist  trotz  seiner  Be- 
rühmtheit neuerdings  verschiedenen  Missverständnissen  ausgesetzt 
gewesen. 

Zunächst  hat  0.  Ribbeck  in  seiner  Geschichte  der  Römi- 
schen Dichtung  I  S.  15  sich  sowohl  hinsichtlich  des  Ursprungs 
als  der  Bedeutung  des  Wortes  geirrt,  indem  er  es  dem  Carmen 
de  moribus  zuwies,  statt  den  praecepta  ad  filiuntt  und  indem  er 
übersetzte  ^ein  guter  Mann,  Sohn  Marcus,  ist  des  Wortes  mächtig', 
während  vielmehr  eine  Definition  vorliegt,  nach  welcher  der 
orator  ein  vir  bonus  dieendi  peritus  ist.  Obwohl  er  ausdrücklich 
auf  das  Versehen  aufmerksam  gemacht  war,  hat  er  doch  beide 
Irrthümer  in  der  zweiten  Auflage  festgehalten,  ja  den  ersteren 
in  einer  der  wenigen  Anmerkungen  (S.  350  zu  S.  15)  auch  auf  den 
Unterzeichneten  übertragen,  der  an  den  Titel  Oraclumy  auf  aller- 
dings unzureichender  Grundlage,  für  die  praecepta,  nicht  für  das 
Carmen,  gedacht  hatte.  In  seinem  Aufsatz  über  Cato,  mit  dem 
er  1861  das  Neue  Schweizerische  Museum  eröffnete,  hatte  Ribbeck 
selbst  in  beiden  Beziehungen  das  Richtige  gegeben.  Man  braucht 
auch  nur  die  testimonia  bei  Jordan  p.  80  anzusehen,  um  sich 
von  der  einfachen  Wahrheit  zu  überzeugen :  es  kommt  aber  noch 
hinzu  die  satirische  Umkehr  des  Wortes  durch  Herennius  Senecio 
bei  Plinius  (die  Jordan  p.  XI  nachgetragen  hat):  und  auch  die 
Parallele  aus  dem  Abschnitt  de  agri  cultura  Vir  bonus,  Marce 
fili,  colendi  peritus,  cuius  ferramenta  splendent'  zeigt  trotz 
des  dort  in  dem  einzigen  Zeugniss  fehlenden  ^agricola  est'  (oder 
ähnlich)  duroh  den  Wortlaut  deutlichst,  dass  es  eich  nur  um 
eine  Definition  handeln  kann. 

Nun  hat  aber  weiter  L.  Radermacher  in  dieser  Zeitschrift 
LIV  (1899)  8.  286  ff.  den  Nachweis  versucht  und  mit  grosser 
Zuversicht  als  geführt  betrachtet,  dass  unsere  Definition  gar  nicht 
oatonisch,  sondern  stoisch,  von  Cato  dem  Diogenes  von  Babylon 
nachgesprochen  sei :  und  diese  Meinung  ist  von  Schanz  ^Geschichte 
der  Rom.  Litteratur'  11  2^  (1901)  S.  357  angenommen  und  ver- 
breitet worden  ^ 

1  SSohanx  nennt  dafür  noch  von  Arnim,  'Das  Leben  und  die 
Worko  dos  T)io  von  PrusR*S.  91.  Von  dieser  Stelle  ist  allerdings  jener 
Aufnutr  von  Usdmnnohor  au9(r(*frangen  und  er  citirt  sie  am  Anfang 
iimi  SoliluHH  8.  2M(;  und  292.     Allein    gerade   die   von  Schanz  hervor- 


Miicellen  313 

Wenn  man  bei  Radermacher  S.  291  die  Worte  lieet:  'Diee 
iet  nicht  CatoR  Lehre  —  woher  Bollte  dem  Alten  der  Gedanke 
gekommen  sein,  dae  Moralische  so  scharf  zu  betonen?',  so  traut 
man  freilich  seinen  Augen  kaum:  denn  was  lag  dem  Manne  näher 
und  mehr  am  Herzen  als  das  Moralische,  der  nicht  nicht  nur  im 
Jahre  184,  sondern  sein  ganzes  Leben  lang  die  nota  censoria, 
gerade  in  sittlicher  Richtung,  handhabte,  bei  jeder  Gelegenheit 
Moral  predigte  und  gerade  deshalb  als  Censorius  typisch  wurde? 
Und  nun  will  Radermaoher  gar  behaupten,  jenen  Gedanken  habe 
er  erst  *^ im  Jahre  164\  also  zwanzig  Jahre  nach  seiner  Censur, 
ans  dem  eigenen  Munde  des  Diogenes  vernommen^  bei  Gelegen- 
heit der  berühmten  Philosophengesandtschaft  in  Rom. 

Zudem  hat  Radermacher  sogar  der  Wendung  das  eigentlich 
Moralische  vorher  halb  genommen,   da  er  sich  die  Berechtigung 
vindicirt  'den  vir  bonus  Quintilians  im  πολίτης  αγαθός  des  Dio- 
genes wiederzuerkennen  .     Nun   können  wir  aber  zunächst  diese 
Berechtigung   keineswegs    zugestehen.     Für  Cato    nicht  —  denn 
da  genügt  zur  Widerlegung  ein   Vergleich    der  oben  angeführten 
Parallelstelle  vom  Landmann,  der  doch  gewiss  nicht  als  πολιτικός 
όνήρ  *  colendi  peritus*  ist:  und   die  Annahme,  dass  etwa  der  gute 
Cato  den  eigentlichen  Sinn  missverstanden  und  die  Formel  fälsch- 
lich übertragen  hätte,    würde  zwar  in  manchen  neueren  Behaup- 
tangen  manche  Analogie  finden:  aber  ungereimt  bliebe  sie  doch. 
Allein  auch   für  Quintilian  fällt  jene  Berechtigung  fort:  denn  die 
Rpeciell  stoische  Ansicht  berührt  dieser,    mit    ausdrücklicher  Be- 
zugnahme   auf   die     philosophi'  (von  denen   er  ja  einmal  I   1,  9 
gerade  den  Diogenes  citirt)  in  den  Worten  1  prooem.  §  10  'neq^ue 
enjm  hoc  concesserim,  rationem  rectae  honestaeque  vitae,  ut  qui- 
(lam  putavenint,  ad  philosophos  relegandam,  cum  vir  ille  vere 
('ivilis  et  publicarum   privatarumque   rerum    administrationi   ac- 
cummodatus,   qui  regere  consiliis  urbes,  fundare  legibus,  emendare 
iudiciis  possit,    non    alius  sit    profecto  quam  orator  .     Da- 
gegen die    vorhergehenden  Worte  §  9  'oratorera    autem    insti- 
taimns  illnm  perfeotum,   qui  esse    nisi    vir    bonus    non    po- 
test*   betonen  eben  jenen  catonischen  Satz,  den  Quintilian  so  gut 
iXIl  1,  1)  wie  der  ältere  Seneca,  der  jüngere  Plinius  und  Andere 
mit  Stolz  und  Emphase  dem  Cato  zuspricht,   dessen  rein  morali- 
schen Sinn  er  in  verschiedenen  Partien  seines  Lehrbuchs  deutlich 
kennzeichnet  —  und   den  dennoch  Quintilian  auch    als    diogenia- 
nisch  gekannt  und  schon  in    dem  von    ihm    ausdrücklich    heran- 
gezogenen stoischen  Traktat  gefunden,  also  wohl  nur  aus  Patrio- 
tismus für  catonisch  erklärt  haben  soll. 

Nun  aber  erst  der  angeblich  historische  Beweis,  jenes  'merk- 
würdige Znsammentreffen  ,  das,  wie  Radermacher  trumpfend  be- 
merkt, 'die  Kette  schliessen  βοίΓ.     Hätte    Cato    seine   praecepta 


[gehobene  und  gebilligte^  von  uns  bekämpfte  Annahme  findet  sich  nicht 
itei  Arnim,  sondern  nur  der  richtige,  ja  von  Quintilian  selbst  ausge- 
sprochene Theil  der  Behauptung. 


314  Mimllen 

erst  nach  dem  von  Badermacher  angegebenen  Jahre  164  verfaset, 
80  wäre  dieser  Eateohiemne  an  den  etwa  dreiesigjährigen  Sohn 
Marcus  gerichtet  geweeen.  Setzen  wir  gar  das  wirkliche  Jahr 
jener  Philoeophengeeandtsohaft  ein,  die  nach  der  Tradition  erat 
9  Jahre  später  stattfand,  so  wären  diese  Belehrungen  höchstem 
2—3  Jahre,  bevor  der  Sohn  als  praetor  designatus  und  aner- 
kannter Jurist  starb,  an  ihre  Adresse  gelangt.  Der  Adressat 
wird  aber  wohl  eher  das  Alter  gehabt  haben,  in  dem  GiceroB 
Sohn  Marcus  stand,  da  der  Vater  an  ihn  den  Eateohiemne  de 
partitione  oratoria  richtete  (Hirzel  '  der  Dialog  *  I  S.  498,  4),  aU 
das,  in  dem  dieser  die  Schrift  de  officiis  empfing.  Keinesfalle 
aber  kann  er  so  alt  geweeen  sein,  wie  Radermachers  Annahme 
nöthig  macht.  Das  historische  Argument  schliesst  also  keines- 
wegs die  Kette,  sondern  erleachtet  lediglich,  dass  wir  es  mit  einer 
lockern  Papierkette  zu  thun  haben,  die  beim  leisesten  Windstoss 
zerreisst  und  zerflattert. 

Wir  haben  aber  diese  ganze  Deduction  auch  deshalb  ein- 
gehender bekämpft,  weil  sie  noch  allgemeiner  charakteristisch  ist 
als  ein  Auswuchs  jener  'trivialen,  aber  noch  nicht  trivial  ge- 
wordenen Wahrheit^  die  heute  wieder  so  laut  gepredigt  wird, 
die  aber  nicht  selten  mehr  in  ihren  Auswüchsen  als  in  ihrem  ge- 
sunden Kerne  neu  ist. 

Heidelberg.  Fritz  Scholl. 


Vir  bonns  dieendi  peritus 

Es  ist  mir  weiter  nicht  betrübend,  zu  sehen,  wie  hier  mit 
starken  Worten  eine  Deduction  erschlagen  wird,  die  ich  bei  G^e• 
legenheit  einer  Untersuchung  über  Quellen  des  Quintilian  gemacht 
hatte,  die  zweifellos  verkehrt  und  historisch  ganz  unberecbtigt 
ist.  Nur  eine  kurze  Bemerkung  möchte  ich  mir  erlauben.  Daes 
Diogenes  von  B.  ein  Philosoph  war,  weiss  ich  sehr  wohl,  und 
die  citirten  Worte  des  Quintilian  habe  ich  gelesen.  Bei  ihm 
steht  auch  noch  folgendes  (Π  15,  34):  Hinc  eins  substantiae 
maxime  conveniet  finitio  rhetoricen  esse  bene  dieendi  sdentiam» 
Nam  et  orationis  omnes  virtutes  semel  compleotitur  et  protinus 
mores  etiam  oratoris,  cum  bene  dicere  non  possit  nisi  bonus.  Idem 
valet  Chrysippi  finis  ille  ductus  a  Cleanthe,  Die  Definition  'rbe• 
toricen  esse  bene  dieendi  scientiam'  ist  nach  Sextus  Empiricas 
(προς  ρήτορας  6)  stoisch;  Cbrysippus  und  Cleanthes,  die  oben 
bestätigend  den  Reigen  beschlieRsen,  sind  Stoiker;  den  Stoikern 
war  die  Beredsamkeit  virtus  (Cic.  de  orat.  §  159).  Wenn  auf 
Grand  dieser  Sncblage  jemand  zur  Aneicht  kommt,  die  Definition 
'orator  est  vir  bonus  dieendi  peritus'  könne  wohl  stoisch  geweeen 
sein,  80  ist  das  ein  leicht  verzeihlicher  'Trrthum* ;  im  übrigen 
kommt  für  die  Frage  der  Quintilianquellen  nicht  in  Betracht,  ob 
in  diesem  Falle  Cato  dem  Diogenes  gefolgt  ist,  was  ich  längst 
nicht  mehr  geglaubt  habe,  oder  eigne  Weisheit  geprägt  hat. 

Bonn.  L.  Radermacher. 


Miicellen  315 


Bi^otieebee 


Unter  den  Inschriften  von  Akraiphiai  entdeckte  Hr.  Perdrizet 
und  veröffentlichte  im  Bulletin  de  correep.  hellinique  XXIY 
1900  p.  7(>  ff.  ein  iGzeiligee  etilvolles  Epigramm  des  dritten 
Jahrb.  anf  einen  General,  der  böotiecbes  Kriegevolk  gegen  des 
Königs  unzählbare  Mannen  geföhrt  und  in  der  Schlacht  nach 
18inaliger  Charge  seiner  Eeiterei  den  Tod  gefunden.  Das  Ge- 
dicht Bchliesst  mit  dem  Appell  an  die  jüngere  Generation: 

άλλα,  νέοι,  γίν€σθ€  κατά  κλέος  Obbe  μαχηταί, 
\bb'  άγαθοΙ  πατέρων  ΑΙΣΤΕΑ  [^]υ[ό]μ€νοι. 

Der  verdiente  Herausgeber  erläutert  den  Scbluss  durch  die  Worte 
'  maintenez  intact  Vhonneur  qui  a  valu  k  vos  p^res  d*gtre  chantee 
par  les  po^tee  und  bemerkt,  dass  ^βτέα,  dies  Verbale  schon 
bei  AriBtophanes  und  Piaton  vorkomme.  Und  ein  so  ausgezeich- 
neter Gelehrter  wie  Hr.  Homolle  (ebenda  p.  177)  findet  hierin 
nur  das  Wort  ^υόμενοι  unbefriedigend,  man  erwarte  vielmehr 
etwas  wie  αύΕόμενοι,  ^pour  augmenter  les  gloires  k  chanter*. 
Gestehe  ich  es  nur:  als  altmodischer  Philologe,  der  sich  an  den 
kleinen  Buttmann  oder  Herrmann  oder  auch  keinen  Mann,  aber 
an  die  Sache  der  Grammatik  hält,  war  ich  versucht  dem  böoti- 
echen  Dichter  zuzurufen,  was  der  Alkide  dem  Martial  ^graeoe 
namqnid'  ait  'poeta,  nescis?  Aber  sollte  nicht  doch  der  Dichter 
unschuldig  sein  an  diesem  auch  ftir  keinen  Arsinoiten  glaublichen 
Griechisch?  Denn  gut  und  schön  hätte  er  gesagt,  ja  musste  er 
sagen  πατέρων  άοτεά  λυόμενοι,  und  hat  der  Steinmetz  wirklich 
das  Iota,  jenen  Buchstaben  mehr  eingegraben,  dann  κατακλίνείν 
αυτόν  εΙς  ^Ασκληπιού  κράτιστόν  έστιν,  wo  er  die  richtige  Be- 
handlung erfahren  wird  durch  den  weltbekannt  gewordenen 
Αίσκλαπός. 

Etwas  böotisch  muthet  mich  auch  ein  andres,  freilich  in  und 
Tür  Milet  auf  einen  milesischen  General  gemachtes  Epigramm  an 
in  der  dankenewerthen  ersten  Publication  durch  Hrn.  Wiegand  in 
den  Sitzungsberichten  der  Berliner  Akademie  1901  I  p.  905. 
Wenn  ein  paar  Accente  dem  Auge  misfallen  oder  das  Yerständ- 
niss  nicht  erleichtern,  sondern  erschweren  —  so  der  Gesandte 
εις  βασιλείας,  nämlich  der  gegen  Könige  freimüthig  aufgetreten 
—  das  mochte  zu  Lobecke  und  Lehrs'  Zeiten  des  Aufhebens  werth 
sein ;  heute  ist  es  fast  gewöhnlich,  und  wer  weiss  sich  so  fehler- 
frei, dass  er  splitterrichten  möchte?  Aber  der  dritte  Vers  jenes 
Epigramme,  dessen  Metrik  ist  für  Auge  und  Ohr,  selbst  ein 
Βοιώτιον  οδς,  wehethuend.     Er  lautet: 

Κρήτη  μέν  στεφάνιυι  σε,  Λίχα,  και  ΘηΟέος  δστη 
πάτρια  νησαίη  τ'  ίστεφε  δια  'Ρόοος, 

συνςίοε  Νηλείόαισιν  όμαιχμία*  πρώτος  Ίώνιυν 
έστησας  Κρητών  φύλλ'  άναλεΗάμενος. 

Man  fragt,  warum  nicht  συνά  bk  Νηλείοαισιν  όμαίχμια  πρώτος 
κτλ.?  der  Sinn  verlangt  ferner  φΟλ'  ά.  was  vielleicht  auf  dem 
Stein  ohne  Elision  geschrieben   oder  gar  in  ΦΥΛΛ  verschrieben 


316  Misoellen 

und  dann  misyeretanden  die  ganze  Yerballhornung  uns  beecbeert 
hat  —  wenigstene  finde  ich  keine  panftere  Antwort  auf  das 
Warum.  Atticaeter. 


Zu  lateinischen  Ingebriflen 

I.  Die  VotivinscLrift  an  die  Victoria,  welche  in  SupiDum 
vicu8  (dem  heutigen  TraBacco)  am  FucineiBee  gefunden  wurde, 
CIL.  I  183  (vgl.  p.  555)  =  IX  3849,  bietet  ein  noch  ungelößteu 
Räthsel.  Der  Wortlaut  steht  fest:  Vecos  Sttp{f)ti(as)^  |  Vidorie 
SEINQ  I  dono  dedef  \  luhs  wereio  \  qudstores  \  Sa{lvio)  Magio 
Sf(ati)  /!  I  Pac(io)  Anaiedio  Sl{ati  f,)^.  Dentungsversoche  siüd 
nur  wenige  gemacht  worden.  *  Seinq,  quid  significet  ignoratnr* 
bemerkt  Mommsen  in  der  späteren  Publikation  und  verweist  auf 
seine  Anmerkung  zu  CIL.  I  183:  cum  in  lapide  pro  quaestore 
qiieistor  sit,  seivq  fortasse  cognatione  coniunctum  est  cum  Saneoe 
sanqualisque  vocabulis  .  Auch  Schneider  (Exempla  nr.  84)  denkt 
an  einen  Gott:  '  fortasse  5ewo(wi)\  Wegen  der  Abkürzung  scheint 
mir  ein  Göttername  ausgeschlossen,  und  auch  an  einen  —  etwa 
topischen  —  Beinamen  der  Victoria  zu  denken  hält  schwer.  Ich 
vermuthe,  dass  Signum  das  zu  suchende  Wort  ist,  wodurch  eio 
korrekter  epigraphischer  Text  gewonnen  würde,  dase  also  S£INQ 
für  SEIGN  steht.  Für  die  Schreibung  mit  EI  genügt  ein  Hin- 
weis auf  die  alte  Inschrift  vom  Nemus  Dianae  CIL.  XIV  4270 
Potiblilia  Turpüia  Cn.  uaor  hoce  seignum  pro  Cn,  filiod  Omm 
doffum  dedit,  Belege  für  das  vor  g  eingeschobene  η  anzuführen, 
ist  kaum  nöthig.  Schuchardt  Vulgärlatein  I  p.  113  ff.  giebt  eine 
Beihe  von  Beispielen,  unter  denen  aber  einige  inschriftliche  zn 
streichen  sind.  Grut.  37,  13  singno  (womit  auch  noch  Vanicek 
Etym.  Wörterbuch*  p.  291  operirt)  erledigt  sich  durch  CIL.  III 
5876;  ebenso  unrichtig  ist  sing,  bei  Grut.  54,  8  (=  CIL.  III  5877) 
und  42,  4  (CIL.  VI  367*,  Ligorianische  Fälschung,  sing,  bei  Grut. 
Druckfehler).  Dagegen  Hessen  sich,  um  von  den  zahlreichen 
handschriftlichen  Beispielen  abzusehen,  anführen  singnifer  (CIL.  VI 
3637),  dingnissime  (CIL.  XIV  1386),  ingnes  (CIL.  3121),  congnatus 
(öfter  in  CIL.  X)  ^  Schwierigkeiten  bereitet  nur  das  Q.  Ob 
man  sich  dafür  auf  die  Schreibung  eqo  —  eco  (ego)  berufen  darf, 
sei  dahingestellt  1  Ebenso  bedenklich  bleibt  die  Annahme  eines 
Steinmetzversehens,  obwohl  es  nicht  ausser  dem  Bereich  der  Mög- 
lichkeit   liegt,    dase  Q  irrthümlich    für  G  eingehauen   ist.     Eher 


1  Vgl.  die  analoge  Dedikation  des  Aninus  vecus  CIL.  IX  3813. 

3  Das  Facsimile  bei  Ritschi  PLME  tab.  98  D  ist  nach  einem  Ab- 
klatsch gefertigt.  Mommsen  hat  den  Stein  revidirt  und  festgestellt^ 
dass  am  Schluss  kein  F  gestanden  bat. 

8  Das  zweimalige  ingnomimae  in  der  Lex  lulia  muuicipalis  (Zeile 
120.  121)  hält  Schuchardt  für  etymologische  Schreibung,  was  auch  für 
congnatus  gelten  könnte. 

*  CIL.  XV  61f)9  eqo  Fulfios  (dazu  die  Anmerkung  von  Dreseel). 
X  8336,  1  eqo  K{aeso)  Anaios.  XV  6122  eco  C.  Antonios,  Die  Lesung 
Maqolnia  (Schneider  nr.  41  b)  ist  ganz  dubiös  (CIL.  XIV  4113). 


Miscellen  317 

liesse  es  sieb  anf  etymologischem  Grande  erklären.  Wie  dig-nus 
TOD  dec-eif  so  sig^num  von  sequ-  'sagen'  (Virum  mihi  Camena 
ineece  versntum '  usw.  Vanicek  p.  290  f.  Stolz  Histor.  G-ramm. 
p.  135.  357).  Trifft  das  zu,  so  wäre  SBIQN  die  etymologische 
Schreibang  ohne  die  phonetische  Aasgleichung,  ^SEINQ  auf  jeden 
Fall  ein  Wechselbalg  zwischen  Sprech-  und  Schreibweise  vagirend, 
was  aber  vielleicht  für  alte  und  locale  Aufzeichnung  non  ultra 
fidem'  (Bücheler). 

II.  In  der  Ephemeris  epigr.  VIII  p.  155  nr.  624  ist  die 
in  Segni  gefundene,  von  Gatti  (Bull.  d.  Inst.  1883  p.  190)  ko- 
pirte  Votivinsohrift  an  die  Bona  dea  durch  eine  verfehlte  Con- 
jectur  entstellt  worden.  Gegen Gattis  Abschrift:  Äurunceia  Sp(uri) 
J\ilia)  Ade  magiistra)  Bone  deae  tunicas  duas  et  palUolum  rasas 
caleinas  [jgalbinas  verlangte  Mommsen  wegen  der  galbina  rasa 
Juvenals]  et  lucema  aeria  d{ono)  d{edit)  läset  eich  nichts  ein- 
wenden, wie  bereits  Bücheler  (Fleckeisens  Jahrb.  1886  Bd.  133 
p.  113)  hervorgehoben  hat,  trotz  der  Schreibung  caleinas^  welcher 
auf  der  Inschrift  vom  Nemisee  CIL.  XIV  2215  die  bei  den  La- 
teinern üblichere  callainam  gegenübersteht  {vestem  siricam  pur- 
puream  et  callainam),  die  auch  bei  Martial  XIV  139  (callainas) 
überliefert  ist  (vgl.  Plin.  n.  h.  37,  HO  u.  a.  m.). 

III.  Unter  den  von  Wünsch  im  Rhein.  Mus.  1900  be- 
sprochenen %euen  Flachtafeln*  befindet  sich  auch  (p.  239  nr.  8) 
das  Bleitäfelchen  aus  der  Nekropole  von  Cales,  von  dem  Mancini 
in  den  Atti  d.  R.  Accad.  di  Napoli  XII  2  Taf.  III  ein  Facsimile 
veröffentlicht  hat.  Wünsch  hat  die  Publikation  in  der  Ephem. 
epigr.  yill  p.  135  nr.  529  tibersehen  und  damit  auch  die  von 
Bücheler  gegebene  Erklärung,  gegen  die  sich  Stichhaltiges  nicht 
einwenden  lässt. 

IV.  Die  interessante,  von  Schulten  im  Hermes  XXXII 
p.  273  ffl  ausführlich  besprochene  Papyrusurkunde  über  eine 
emptio  pueri  aus  dem  Jahre  166  lehrt  uns,  dass  die  Trieren  der 
Miflenatischen  Flotte  Tigris^  Liber  pater,  Virtus,  Salus,  Frovi- 
denfia  zu  einem  Elottendetachement^  gehörten,  welches  den 
Winter  165/166  im  Hafen  von  Seleucia  Pieriae  verbrachte:  eine 
Sendung,  die  offenbar  mit  den  kriegerischen  Ereignissen  der 
Jahre  162 — 166  zusammenhängt  (Mommsen  R.  G.  V  p.  406).  Die 
genannten  Soldaten  (darunter  ein  bucinaior  principalis,  vgl.  den 
cornicen  duplicarius  ex  cto^seJfisen.  CIL.  X  3416)  scheinen  ander- 
weitig nicht  bekannt  zu  sein,  bis  auf  einen,  den  suboptio  von 
der  Triere  Salus  C.  Arruntius  Valens,  der  zum  optio  auf  der  Li- 
burne  Nereis  avancirt  sein  kann.  Sind  die  Persönlichkeiten  iden- 
tisch, so  wären  die  Inschriften  CIL.  X  3464a  und  3469  annähernd 
datirt. 

V.  Die  von  einem  unerfahrenen  Steinmetzen  eingemeisselte 
Insehriit    aus  Athen  CIL.  III  e541a  =  Dessau  2224    lautet    N, 


1  actum  Selenciae  Vieriae  in  castris  in  hibernis  vexillationis  clas. 
pr.  Misenaiium.    'Yexillatio  claseis'  auch  CIL.  VI  1(>38. 


318  Misoellen 

Granonius  Ν.  f.  CAI  |  Illlvir  \  domo  Luceria  eeniu\rio  Comelei 
Sp%n[t\eri  \  lecio(ne)  XIIX  et  Cn.  Pumpet  |  Macini)  leeione  secunda. 
In  CAI  vermutbet  Mommsen  das  Cognomen  (Cafulus?\  da  aoch 
der  Beiname  des  Pompeine  mit  den  drei  ersten  Buchstaben  ab* 
gekürzt  wiedergegeben  sei.  Das  Alter  der  Inschrift  und  die  Ana- 
logie anderer  Inschriften  (Dessau  2231  —  22:^5  na.)  scheint  eher 
für  das  Fehlen  eines  Cognomens  zu  sprechen,  so  daas  in  CM  die 
Tribns  zu  suchen  wäre.  Dass  es  nicht  die  6ral(erta)  sein  kann, 
hat  Mommsen  bereits  angemerkt;  Luceria  gehört  zur  Claudia  (CIL. 
IX  p.  74),  und  es  liegt  nahe,  dass  CAI  für  CLA  verbauen  ist. 
Halle  a.  d.  S.  M.  I  h  m. 


Die  Beitereenturien  des  Tarqninias  Priseas 

Da  Marquardt  Rom.  Staatsverwaltnng  II  312,  Anm.  6  mit 
Recht  die  cormpte  Graniusstelle  p.  4  ed.  Bonn,  herangezogen  hat, 
so  ist  der  Wortlaut  genauer  festzustellen:  de  equitibus  non  omif- 
tam^  quos  Tarquinius  muliiplicaviticoa.etwtiClJlTiPAClPLn} 
(Jta^y  ui  priores  (im  Gegensatze  zu  den  Eamnes  secu$idi  eic) 
inos  equos  in  proelium  ducerent. 

Unrecht  dagegen  geschieht  dem  Florus,  welcher  I  0,  2  ge- 
schrieben haben  soll:  senatus  maiesiaiem  numero  ampliavit  et  cen- 
turiis  tribus  auxit  (ßquitesy,  quaient48  Ättius  Nevius  numerum 
augeri  prohtbebai.  Hier  ist  (jequitesy  Ergänzung  von  Pighiae, 
während  umgekehrt  centuriis  Interpolation  zu  dem  falsch  ver* 
standenen  tribus  ist.  Bekanntlich  wollte  der  König  die  drei  Tri- 
bus vermehren,  wahrscheinlich  auf  6,  während  der  Angur  nur 
gestattete  die  Zahl  der  Vollbürger  in  den  einzelnen  Tribus  za 
erhöhen.  Dies  reiht  sich  besser  an  die  Erweiterung  des  Senates, 
als  die  Notiz  über  die  Reiter. 

Unbestreitbar  aber  schrieb  Florus  nur,  was  der  Leeer  nach 
seinen  eigenen  Angaben  über  die  ältere  Heeresverfassang  ver- 
stehen konnte.  Nun  schreibt  aber  Florus  I  1,15  von  Romulus: 
iuventus  divisa  per  tribus  in  eqiUs  et  in  armis  (Reiterei  und 
Fnssvolk)  ad  subita  belli  excubaret,  consilium  rei  p.  penes  seim 
essety  qui  .  .  ,  ob  aetatem  senatus  vocabantur.  Diese  von  Ro- 
mnlus  errichteten  Tribus  wollte  Tarquinius  vermehren»  durfte 
aber  nur  die  Etatstärke  erhöhen. 

München.  Ed.  Wölfflin. 


Zu  den  etrnskieehen  MonatsBamen  nnd  ZahlwSrtern 

Ich  erlaube  mir  einige  Einwendnngen  zu  der  Darstellung  j 
von  Skutsch  (Rhein.  Mus.  56,  638)  über  die  Identität  von  etr. 
acale  und  celi  mit  lat.  etr.  Actus  (Juni)  und  Celius  (September! 
und  zu  den  von  ihm  daraus  gezogenen  Folgerungen  über  den 
Werth  der  in  den  Mumienbinden  zu  acoL•  und  celi  beigegebenen 
Zahlwörter  auszusprechen,  in  der  Hoffnung,  dass  Skutsch  selbst 
dieselben    gleich    zu  lösen  vermöge  und  seine  Entdeckung  wirk* 


Misoellen  319 

lieb  zu  einem  'hio  Rhodns  hie  salta*  für  die  Deatnng  des  Etraski- 
schen  werde.  —  Beide  von  SkütRch  citirten  Stellen  der  Mamien- 
binden  Rcheinen  mir  nämlich  unzertrennlich  von  mehreren  anderen, 
die  ich  selbst  eben  darum  schon  Saggi  e  Appunti  interne  all'  isc. 
etr.  della  Mnmmia  p.  165  f.  zusammen  behandelt  habe.  £s  sind 
uberhanpt  folgende,  die  fast  alle,  wie  jene  beiden,  im  Anfange 
neuer  Abschnitte  stehn: 

VIII  1  Qucte,  cis\  s'aris\  wobei  zu  erinnern,  dass  s'ar  (zu 
dem  saris  sich  verhält  wie  eis  zu  dem  bekannten  Zahlwort  et) 
als  Zahlwort  durch  die  Vergleichung  von  Fabretti  Suppl.  318 
tamera.   sar-venas  mit  das.   332  lamera.  selci[r]'v[ena]s  und   Fab. 

2100*'  ^  tamera.  zelar'Ve[n]as  und  noch  dazu  mit  Bull.  Inst.  1881.  91 

lu[ryv€na8  und  Fab.  71  ank{ar)'vene8  nachgewiesen  (Saggi  34), 
da  augenscheinlich  s'ar  sich  zu  dem  bekannten  Zahlwort  sa  ver- 
hält wie  eelar  zu  zal;  vgl.  jetzt  auch  camp.  etr.  Rh.  Mus.  55.  3 
Z.  7  mar.  zoß  (wie  Mumienb.  X  3  marem.  eay)  zu  max  und  zäl. 
Nun,  wenn  die  ganz  ähnlich  gebaute  Stelle  VI  14  celi.  hu^is*, 
iofyrumis*  nach  Skutsch  etwa  'am  20  +  χ  des  Monats  Celius*, 
wenn  YlII  3  eslem.  gaQrumis'.  ac(üe  'am  22.  des  Aclus\  wenn 
endlich  Fab.  P.  Suppl.  388  max  mdrum  '2Γ  bedeuten,  was  für 
ein  Datum  irgend  eines  Monats  Quote  können  die  Zahlwörter  eis' 
s'aris'  bezeugen?  Vielleicht  etwa  zB.  'am  5.  [und]  6.'  (vgl.  hier 
unten  zu  X  17  u.  X  2—3)? 

VI  9  jsal^rumsne.  lusas\  was  man  vielleicht  nach  Skutschs 
Vermuthung  etwa  am  20.  irgend  eines  Monats  Lusa'  deuten 
könnte.  Aber  kein  mögliches  Monatedatum  mit  Anwendung  der- 
selben Voraussetzungen  geben  mir: 

IX  γ  2  dem.  ceaixus.  lauxumneti.  und  X1 12  eslem.  cealx%ts\ 
etnam.  sowohl 

XI  17  Qunem.  [.cialxus'.  et^nam.  ίχ.  esletn,  cialxm.  \  vanal^ 

wo  zwei  Gruppen  von  Zahlwörtern  durch  die  copulative  Partikel 
ίχ  (vgl.  Saggi  220  f.)  vereinigt  sind;  in  der  That,  da  eialxus' 
ceaixus'  dem  mit  ci  sicher  zusammenhängen,  da  nicht  d  sondern 
max  auch  für  Skutsch  'eins'  bedeutet,  da  zal  eaßrum  seiner  Mei- 
nung nach  'zwei  und  zwanzig^,  so  kann  man  den  Zahlwörtern 
eiern  cealxtis',  eslem  ceaixus'^  Tunern  cialxus'  nur  einen  grösseren 
Werth  als  'zwei  und  dreissig^  zuschreiben.     Ebenso: 

ΧΠ  10  Qunem  daUxus'.  masn^  womit  wenn  nicht,  wenigstens 
dem  äusseren  Scheine  nach,  ein  neuer  Abdchnitt,  doch  immer  eine 
neue  Zeile  beginnt; 

X  2 — 3  cus.  peQereni.  eiern,  cealxuz.  capeni  \  marem.  ζαχ,  wo 

wahrscheinlich,  wie  oben  XI 17  zwei  Zahlgruppen  zusammenstehn, 
da  wie  peQereni  zu  capeni  passt,  so  marem  ζαχ  (vgl.  ob.  VIII  l 
eis'  s'aris')  zu  dem  cealxuz,  und  desto  mehr,  als  wie  schon  be- 
merkt, marem  an  max  und  ζαχ  an  zal  erinnern.     Endlich 

XI  14 — 16  cntnam.  Qesan.  fler.  veives'.  Qezeri  \  etnam.  ais[na]> 
esa  ίχ.  huBis'.  zaBrumis  ||  flerxve  tr[in]  neQumlj  wo  das  Monats- 
datum dasselbe  ist  wie  bei  celi  (VI  14),  aber  der  Bau  ganz  ver- 


320  Micellen 

schieden  and  der  Monatsname  entweder  yerschieden  oder  feblend. 
—  Ueberhaupt  scheint  mir  merkwürdig,  dass  von  den  neun  Μα- 
mienstellen,  wo  das  Wort  celi  vorkommt  (Saggi  79  f.),  es  nur 
in  einer  einzigen,  dh.  eben  der  von  Skutsch  benutzten  (VI  14), 
in  Verbindung  steht  mit  Zahlen,  dagegen  in  den  acht  anderen  hat 
man  meistens  celi  suQ  (IV  14.  21—22.  V  10.  IX  18)  und  gerade 
sutanas'  celi  suQ  (V  15  — IG)  oder  cdL  erc.  s'uBce  (V  17),  einmal 
celi  für  (XI  3),  und  einmal  celi-pen  (XI  2),    womit  jetzt  zu  ver* 

•  •  • 

gleichen  camp.  etr.  Z.  8.  28  prici-pen  neben  13  price-lu-tuk. 
Dagegen  gleichfalls  in  dieser  camp.  etr.  Urkunde  Z.  25  Qu-acal^ 
26  Qu.  siu  eei,  acar  (vgl.  24  xem-iai,  sti.  zai.) ;  also  wahrscheinlich 

in  beiden  Stellen  entweder  Θ»  cical  oder  Ou  acar ;  ist  aber  Θμ  acd 
vorzuziehen,  so  hätte  man  hier  zweimal  acal  nach  dem  Zahlwort 
Ott  wie  in  den  Mumienb.  VIII  3  acale  nach  den  Zahlwörtern  tslem 
jsaQrumis**, 

Zuletzt  sei  mir  im  Hinblick  auf  Skutschs  freundliches  Ge- 
ständniss  (Anm.  2),  dass  ich  richtig  in  Fab.  P.  Suppl.  388  die 
Lesung  eile  ti  purtsvavc  ti  immer  vorgezogen  habe,  gestattet  zu 
bemerken,  dass  ich  aber  nicht  in  jenem  Texte  das  Amt  '  ohne 
Zahlangabe  erwähnt,  sondern  gerade  in  ti  die  Zahlangabe  zu  er- 
kennen glaubte,  was  jetzt  durch  folgende  Stellen  mir  immer  mehr 
begriindet  zu  sein  scheint,  in  denen  die  Wörter  tii  (vgl.  mi  miy 
ni  nn,  Qi  QU,  ri  rii^  acri  acrii,  puia  puiia)  und  tei  (vgl.  i  ei,  in 
ein,  is  eis,  iser  eiser,  marci  marcei,  θαχ^'ίη  Baxs'ein)  als  Zahl- 
wörter erscheinen: 

Not.  d.  Scavi  1896.  15  mit  Rendic.  Ist  Lomb.  1896.  1102 
— 1104  [s]emtinas.    s'e(9re).  s'ieQres)  |  [Äf;]aic[e  r]tZ.  tii,  vgl.  Fab. 

2124  ril  IV  mit  2275  rü  IUI,  Fab.  S.  Suppl.  119  avU  IUI 
mit  116  av-ils  huQs  usw. 

Mum.  XI  γ  3  esi.  tei,  vgl.  X  21  es'i-c,  ci.  JuUxea,  Qu.  es'i-c. 
ζάί;  X  γ  4  tei,  lena,  vgl.  X  22  zac.  lena  (Rendic.  Ist.  Lomb. 
1900.  1383  ff.).  Da  bis  jetzt  nie  neben  Amtstiteln  etr.  Zahlan- 
gaben in  Ziffern,  sondern  nur  in  Worten  vorkamen,  so  scheiut 
mir  ti  nach  zUc  purts'vavc  ganz  passend,  und  nicht  yerschieden 
wäre  meiner  Meinung  nach  das  t{i)  in  Fab.  2100  eisnevc,  eprOnevc. 

t-tnacstrevc.  t-m eznyivak,  da  macstrev-c  gewiss  mit 

lat.  magister  etwas  zu  schaffen  hat. 

Mailand.  £lia  Lattes. 


Zn  S.  183  ff.  Ein  übersehenes  Zeugniss,  der  LVII.  Kanon  des 
Concilium  TruUanum  von  692:  /Ότι  ού  χρή  kv  τοις  θυσιαστηρίοις  μέλι 
καΐ  γάλα  προσφέρ€σθαι  (vgl.  S.  186  Anm.  38),  vermag  an  den  Auf- 
stellungen S.  187  und  190  f.  nichts  zu  ändern.  Möglicher  Weise  war 
das  Verbot  gegen  die  Aegyptische  Kirche  gerichtet.  U. 


Verantwortlicher  Redacteur:   L.  Radermacher  in  Bonn. 

(19.  März  1902.) 


CONIECTANEA 


Ι  In  Horati  cannine  I  2  Tiberis  Iliae  se  iaotat  nxorine 
amnie.  adnotat  Porpbyrio  p.  6,  12  Hold.  Ilia  auctore  Ennio  in 
amnem  Ttberim  iusau  Armdii  regis  Atbanorutn  praecipitata  antea 
enm  Anieni  matrimonio  iuncta  est  atque  hie  lo^ptitur  quas^i  Tiberi 
poiius  nupserit.  quibns  in  verbis  aniea  enim  nunc  delentnr  quasi 
defonnata  ex  Anienie  nomine  et  male  iterata.  at  praestare  mihi 
Tidetur  baec  ratio  at  qnaeratnr  in  litterie  illis  quod  transitum  a 
Tiberi  ad  Anienem,  ab  altero  ad  alternm  flumen  faciliorem  red- 
<iat  ant  explicet.  atque  bnius  modi  nnptiarum  praedicari  etiam 
loca  eolent,  έν  προχοής  ποταμού  παρελίΕατο,  Fharsalum  coeunt, 
»imilia.  yide  igitar,  finniana  ne  baec  fuerit  memoria :  in  amnem 
Tiberim  .  .  .  praecipitata  Antemnis  Anieni  matrimonio  iuncta  est, 
nam  Antemnae  dictae  qiwd  ante  amnia^  qua  Anio  influit  in  Tt- 
^m,  ut  Varro  scripsit  L.L.  V  29,  ante  amnemj  ut  Servios  Aen. 
ΤΠ  631. 

II    In  declinando  nomine  quod  est  Minos  Graeci  Latinique 
«ibi  non  coiietiterunt:  satis  estHomeri  memorasse  versnm  ή  τέκ€ 
μοι  Μίνωα  καΐ  άντίθβον  Ταδάμανθυν,  in  quo  Μίνωα  Nanokiue 
edidit  ex  Syriaco  codice,   at  Arietopbanes  et  Ari^tarcbue  Μίνων 
Τ6  και  ά.,  vel  Prisciani  diota  VI   70  p.  255  H.    in  Ciri   poemate 
easue  accaeatirne  bis  legitur,  in  versa  132  et  367,  illic  a  Lacb- 
manno  restitatas  sie  ni  Scylla  ...  ο  nimium  cupidis  Minoa  in- 
fasset  oceUis.     et    tamen  vir  idem  ibidem  ubi     sie  ecribendum 
ßdixit  (Lucreti   p.   162)  luculenter  ostendit  quam   rarum  fuerit  et 
minime  acceptum  poetis  latinis    hoc    synaloepbes    genus    in    quo 
Prions  vocabnli  paenultima  littera  esset  vocalis  longa,    enumeravit 
sxempla  qnae  cum  omnino  pauoa  sunt  tum   maximam   partem    a 
Ciris  versa  ea  re  distant,  quod  tres  quae  sibi    succedunt  vocales 
»pondei    meneuram  impient  {Bacchea  ad  bdla,  Phoebea  in3ignia\ 
in  Ciri  autem  ad  troobaeum    redactae  sunt,    itaque  cum   pro  Mi- 
noi«  nomine  Codices  si  non  praebeant,  num  dabitabimus  refltituere 

fUieto.  UVB.  L•  Plkilol.  M.  F.  LYU.  ^^ 


32^  Bueoheler 

qaod  et  roatato  facilius  eet  et  incnndias  anditn,  Minon  iffhiassef^ 
in  vereu  367  nulla  fertur  codicum  discrepantia,  conRentiunt  orones 
in  generum  Minoa  aucforibus  eatis  iungere,  verum  tamen  nm 
falsa  est  de  132  mea  opinio,  binc  qnoqne  tolli  oportet  molestam 
eliflionem  ncribendo  Mitiov.  imitatnr  in  multiR  Catnllnm  is  qni 
Cirim  compoBuit,  in  hoc  receeeiRse  yidetnr  a  Catullo  qni  fecerat 
ad  Minoa  venu  sedesque  superbas. 

Ciris  verRUR  156  r.  noyiRRinti  editoreR  ita  expreRRfrnnt  nt 
doctas  argutiaR  eos  plane  non  intellexisRe  credaR,  etiam  Thilo  et 
EIHfl  quibascnm  hoo  mihi  conyenit  nt  nnllam  prorRUS  in  librornm 
scriptura  litteram  immntem.  narrat  poeta  qnomodo  Scylla  lunonif« 
iras  eibi  concitarit,  narrat  et  minnte  nt  Alexandrini  et  implica- 
tiuB  quam  clarins  ut  rudee  poetae,  conclndit  Ri  retinuisRet  gra• 
dnm  puella,  non  futurum  fnisse  ut  impura  aram  tangeret  cnlpam- 
que  contraheret  periurii,  deinde  subicit 

etsi  quis  nocuisse  Übt  periuria  credat? 
camsa  pia  est:  timuH  fratri  ie  osfendere  luno. 
hoc  CRt :  re  vera  tamen  non  ob  perinrium  Inno  te  punivit  Red  nt 
zelotypa.    ef^i  oratoria  illa   eBt    coninnctio    qua   adnectitar  eniin- 
tiatnm  contrarium  diverRumve,  pariter  ac  quamquism  quid  loquor? 

Scylla  nutrici  nil  amat  hie  ammtis  inquit  quod  oportet  amar'u 
in  quo  falsa  tarnest  laieai  pietatis  imago  vereu  262.  'melius  φιοα 
par  Sit  amaH*  LaohmannuR  (Lucr,  p.  5B)  non  tarn   verbi  oportet 
vilitate  offensuR,  ut  arbitror,  quam  modorum  vicibus  indicativi  et 
coniunctivi.   quae  primarii  Angusteae   aetatiR  poetae   non  admise- 
runt,  ne  OvidiuR  quidem  si  unum  et   alterum,   utique   panciRsima 
Ponticon  exempla  excipimuR,  in  carmina  indnxit  pronuR  ad  gram- 
maticam  licentiam  Propertiue  (qui  Maecenati  dicit  ferar  in  partes 
ipse  fuisse  tuas^  iocatuR  videlicet   in    avitnm    nomen  Propartiin). 
pro  virili  parte  frequentisRime  adhibnit  Aetnae  Rcriptor  non  dis- 
Rimilis  ei  qui  Cirim  cecinit,  nam  philoRophiae  et  poeticae  atodiis 
nterque  dedituR  in  bac  quidem  pluR  memoriae  quam  ingenii  prae- 
Btitit  nohiRque  fruges  non  satis  eventilataR  tribnit.    ita  que  in  bi» 
poematie  ecabritias  stribliginesque  RermoniR  atque  expoRitioniR,  si 
codicum  anctoritae  Ruppetit  et  analogia  non  deficit,  conRervandai^ 
potius    quam    abolendas   cenfleo.    velut   in  Ciri  312  interpolatnm 
Recnti  librnm  Laeti  edunt  lutec  tum  nobls   grnvia    atque    indipna 
fuere,    tum^   mea   a^umna,    tui  cum  spes  intcgra  maneretj   et    vor 
ista  mewi  nondum  violaverat  aures:  in  archetypo   autem  erat  ttec 
V0.T    iata    mcas   nondum   v.  a.,    vere    opinor,    ut    negativae   tlun^ 
signiticatnm    negativum  Intendant   et    con6rmenty    quemadmoduml 


Coniccianea  393 

volj^R  loqni  nolet  neqae  Yarronem  loqni  in  carmine  pndnit  (Bi- 
marco  τρόπους  qui  n&n  modo  ignorasse  me  clamat^  sed  omnino 
omnis  heroas  negat  nescisse).  et  in  vereu  383  poeta  expreeenrne 
Bententiam  bipertitam  hanc:  nutrix  eocia  fit  alamnae,  onm  quod 
saccarrere  volt  arnanti,  tum  quod  revehi  in  patriam  cnpit,  prins 
qnidem  membrnm  a  cum  particula  exorditnr,  in  posteriore  antem 
ad  eam  sie  respondet  non  minus  illa  iamen^^  revehi  quod  eqs.  eed 
haec  hactenns :  fortasee  alias  revertar  ad  Cirim,  si  quid  mihi  di- 
cendam  restat  post  eam  quam  modo  accepi  a  Leone  Gottingae 
poblicatam  commentationem  amplissimam. 

Scyllae  metaroorpbosin  non  praeteriit  Ovidins,  cnins  narratio 
ex  fabnia  ninlto  vetnstiore  deriyata  esse  videtur  quam  ande  Ver- 
giliannm  Carmen  flnxit,  ideo  potissimnm  quod  nullae  apnd  Ovi- 
rtinm  snnt  partes  nntricis.  band  panlnm  commotus  snm,  cum  qnae 
verba  Ovidius  Scyllae  dat  met.  VIII  73  ignavis  precibus  Fortuna 
rrpftgnaty  sit  licet  sententia  minime  insolita»  verba  tarnen  ad- 
modnm  congrnere  yidebam  cum  yersn  Sophocleo  fr.  374  οόκ  fori 
τοις  μη  bpuJ(Ti  (Τύμμαχος  Τύχη.  bic  snmptus  fertnr  ex  Minoe. 

III  Ocriculani  in  tbermis  biemaiibns  duos  fratres  qui  eas 
reetauravernnt  anno  341  statais  marmoreis  et  complnribns  titnlie 
bonoravernnt ,  quorum  unns  bic  est  CIL.  XI  4095:  provocati 
femporis  beatUudinem  dd,  impp.  Clonstant[i  et  Conatantis]  Au- 
gmtorumque  nn,  vdumpfaiem  thermarum  hiemcUium  Sex.  Gluvius 
Mardnus  et  M.  Caesolius  Saturninus  omnibus  honoribus  functi 
de  sua  pecunia  ordini  seu  eivibus  Ocricolanis  ad  meliorem  pulcri- 
tudinem  pro  civica  adfectione  cum  augmento  operi  novi  eaercientes 
adsicnaverunt  et  dedicaverunt.  apparet  dictumqae  est  a  Bormanno 
non  nihil  peccatam  esse  in  orthographia,  yelut  incidi  oportnit 
provocati  temporis  beaiUudine  sine  m,  cum  augmento  operis  novi 
cum  8  finali,  gravias  tarnen  yitium  nullnm  inest,  nam  ad  eaer-^ 
cientes  quod  adnotatam  legimus  in  CIL.  ^debaisse  scribi  eacientes 
conicit  Hirscbfeld^  fefeilit  yiros  doctissimos  yerbum  yetns  et 
rarnm  de  qao  Bentleias  dispatavit  ad  Terenti  baut.  I  1,  91 
sumptum  exercirent  suom.  hoc  exercire  ortum  ab  sarciendo  apte 
reparationis  signifioat  operam  et  a  noyis  accessionibus  distingiiit. 
et  cnm  dnrässe  Terentiannm  verbam  in  aevum  Constantini  haec 
inscriptio  ostendat,  etiam  mens  mihi  error  reprehendendus  est 
qai  exarturunt  abiadicare  qnondam  volnerim  a  Q.  Cicerone  comm. 
pet  45  pag.  55.  ceternm  praeter  exercire  eXsarcire  tum  etiam 
5»lternm  usurpabatur  exercire  quod  esset  exercere,    ut.  in   glosais 


324  Bueohelet 

pdiae^ra  tibi  oMetae  se  exerciuni  (lY  548»  1  GöeU.),  qua  enim 
coningatione  eaeiutU  et  excitus^  ambiunt  et  ambitus  copnlantnr, 
eadem  volgae  ad  eaerdfua  simileeqne  haic  formas  satis  tritae 
ietam  qnoque  eaerciuni  adstruere  ooeperat. 

Beecriptom  imp.  ConstantiDi  Aug.  et  Caeearum  quo  oiyitati 
Hinpello  oonceeseront  ut  arbe  Flayia  Conetane  vooaretar,  com 
Hispellatee  publice  incidendiim  cararent  CIL.  XI  5265,  qnadra- 
tariae  mnltie  modie  corrapit.  velnt  hoo  nnnc  fertnr  eine  prin- 
cipinro:  omnia  quidem  quae  hufnani  generis  societate  tuentur,  per- 
vigilium  curae  cogHatione  conplectimur^  sed  provisionum  nosfrarvw 
opus  fnaxitnus  est  ut  universae  urbes^  quas  in  luminibus  prorin- 
darum  hac  regionum  omnium  specits  et  forma  disfinguitur,  non 
modo  dignitale  pristinam  teneant,  sed  etiam  ad  meliorem  staium 
beneßcentiae  nostrae  munere  probeanfur.  cum  igiiur  ita  vos  Tusciae 
adsereretis  esse  coniunetos  eqs.  Bormannne  adnotat  'deboit  esse 
fere  permgilium  curarum  yel  pervigili  curae  \  tum  opus  maximum, 
tum  disiwguH  ponliilat.  primnm  illad  non  pnto  neceesarium,  etei 
Seveme  in  edicto  de  Indis  saecularibne  aliiqne  pervigilem  cnram 
iactarunt,  licet  eiiim  direraptis  eyllabis  efferre  per  vigüium  curae 
et  interpretari  qnaai  όγρυτΓνοΟντβς  ύττό  φροντίδων,  qnia  vigilium 
Varro  dixit  pro  vigiliis  et  ipeae  curae  a  Latinis  vigilantefi  vel 
vigilaces  audiunt.  tum  opus  maaimum  comprobare  non  dubito, 
baeRitavi  quidem  parumper  propter  terminationem  adiectivi  an 
praeferrem  provisionum  nostrarum  scopus  maaimus  est,  quod  vo• 
cabulum  graecum  latinitati  acceeeit  aevo  Gonstantini,  eed  haic 
nomini  adiectiyum  ipeum  minas  yidetur  conyenire.  at  distinguit 
rnreue  non  dnbito  repndiare  nt  quo  nitor  sententiae  ab  impera- 
tore  expressae  plane  fuscetur:  quem  in  bumana  forma  oculi,  eam 
in  proyinciia  urbes  clariores  locum  tenent :  eeqnitur  nt  emendemne 
urbeSj  quarum  luminibus  provindarum  ac  regionum  omnium  species 
et  forma  distinguitur.  quoniam  tabulam  marmoream  Henzeniie 
et  Bormannue  suis  oculis  inspexerunt  atqne  ille  litteris  magnis 
et  ftatie  pulcrie  inpcriptam  narrat,  hoc  quarum  in  tabula  ipea  in- 
yentum  iri  non  andeo  sperare,  sculptorem  igitur  praye  legende 
ant  alia  quacumqne  re  traneyersnm  actum  credo  mutasee  in  quasin, 
de  pröbeantur  autem  similiter  ac  snpra  de  exerciunt  dicendum 
est:  duplex  eigniiicatn  hie  ex  noyicia  pronuntiatione  idem  yalet 
quod  provehantur^  apud  yeteres  erat  ant  poterat  eene  prohi 
beantur. 

Rrratum    efit  in  transcribendo  et  explicando  titulo  Tuficano 
CIL.  XI  5717:    L,  Gresio  L.  f,  Ouf.  Proculo  IUI  vir\o)  muni- 


Coniectanea  326 

cipies)  ei  incolae  merenti,  quod  inter  cetera  tempore  magistiraltue) 

m  in  kariiate  olei  civib{us)  suis  qualtus  libr,  pr.  p,  et  epul{um) 

dedit,    nam   auctore  MommBeno    Bormannue   quat[ernas]   libr(<M) 

poeait  et    oum    dubitationis    signis  adiunxit   pr{apria)  p(ecunia\ 

recte  ille  diffidene,   nam  sua  pecunia  verbam  erat  huiue  rei  pro- 

priaoi,  laudoque  virum  integre  olareque  teetatam    *quattus  certum 

eet\    eicnt  ego  olim  cum  de  qiuUtus  diseerebam  in  arohio    lex. 

I  p.  102    ex  Tafico   adlatum   hoo    exemplam    ignoravi,    ita    non 

miror  ei  etiam  nunc  sunt  qai  nimis  infrequene   vocabulara  igno- 

rent.    repeto    Carmen    epigr.    Pompeiannm    (meae   Bylloges    931) 

assibus  hie  bibitury  dipundium  si  dederis  meliora  bibes,  qtMttus  si 

dederis  tnna  Falerna  bib(es)j    unde   videant,   niei    per  se  liqneat, 

quuttuur  aeees  eo  verbo  denotari.    et  pretium  olei,  non  nnmernm 

libraram  in  Gresi  elogio  definiri  oportait,  poetquam  caritae  olei, 

noo  penaria  aut  iuopia  memorata  eet,  eieat  CIL.  XI  6117  Foro- 

semproniensee   Maeei  Rufi  merita   praedicant  qtiod  annona   kara 

frument(i)    denario  medium   praesfitU  yel   Plinius  nat.  h.  XV  2 

popttlo  Romano  M.  Beiam  aedilem    per  totum   annum  olei  denas 

libra8  singulis  assibas   praeetitisse '  tradit,    eandem    aedilem    qoi 

in  caritate  asse  modium  populo  dedit  (Gic.  de  off.  II  58).    Gresiae 

civibae  quattus,  niei  fiiilor,  librcie  pro  portione  dedit,  id  est  Jibra 

olei  ei  yenibat  ^aere  quaterno*,    gratis   ut   staret  Taficanie    fecit, 

81  assibas  octo,  at  dimidio  pretio,  similiaque  ratione  eadem.    unde 

illo  tempore  solitam  esse  heminam  olei  constare  colligas  quattassis. 

Asisii  fnit  neqae  iam  apparet  titulus  sepalcralis  hie  CIL.  XI 

5440:   M.  Pettio  M.  l   BrimigeniOf  paedagogo  M,  Petti  Severi  et 

Pettiarum  Procules  et  Seoeres,  Miemesetus  patri  pieniissimo.    sub- 

Bcriptnm    est    in   Corpore   'MIBMßSETVS    omnes,    quod    nomen 

fnerit  ne8cio\     Α  Ν  EM  BS  BT  73  opinor,    cuius  nominis  exemplum 

Romannm  iam  in  Thesauro  1.  lat.  consignatum  babes.    ipsa  cor- 

ruptela  fidem  apograpbis  tantnm  non  firmat. 

Pitinates  Pisanrenses  patrono  neseimus  cui  CIL.  XI  6035 
etat  nam  et  tabalam  aeream  incisam  lUtcris  obftUerunt  quae  non 
solum  presentium  meri[toru\m  beneficia  obiesletUury  sed  et  preteri- 
\torum  .  .  .]  ouantur  insignia.  vidit  lapidem  et  descripsit  Bor- 
mannus  sapplevitqne  in  extremo  versu  rcnovantur  insignia.  ne 
0  qaidem  integra  saperest  sed  adfecta  forma,  sabstitaemas  elo- 
quantur. 

Sentini  colleginm  fabrnm  kal.  Inliis  anni  260  oonvenit  et 
qninqoennalee  eornm  rettulerunt  CIL.  XI  5748  versibu«  6  se. 
semper  et  in  praeferiitm  ita  splendidissimum  n{umerun%)  n{ostrum) 


330  Soll!)  Ben 

90  έΕαλείψαο  κ  .  [.  .  . 

8  και  στρώμν[αις  .  .  . 
όπάλαν  παρ[.  . 
έΗίης  ποθ€[.  .  . 

9  κωυτε  τι  σ[.  .  . 
25  ίρον  oub'  ύ[.  .  . 

?τΓλ€τ'  ό  .  .  [.  .  . 

10  ουκ  δλσος  [.  .  . 

ϋ 

2  ώς  π  .[.  .  .]  .  ωομενδ  [...].... 
αί  θέαι  ικ€λαν  άρι- 

6  γνώτα  läibe  μάλιστ*  Ιχαινε  μόλπα. 

3  νυν  b€  Λύδαισιν  ένπρέττεται  γυναί- 
κεσσιν  ώς  ποτ'  άελίω 

ούντος  ά  βροοοδάκτυλος  σελάννα 

4  ττάντα  περρέχοισ'  άστρα,  φόος  b'  έπί- 
10  σχει  θάλασσαν  έπ'  άλμυραν 

ίσως  και  πολυανθέμοις  όρούραις, 

5  ab'  έέρσα  κάλα  κέχυται,  τεθά- 
λαισι  bi  ßpoba  κδπαλα 

θρύσκα  και  μελίλιυτος  dvθεμώbης. 
Ο  15  πόλλα  bk  εαφέγγεος  άγάναι  δπι 

μνάσθεισ'  "ΑτθΛος,  ιμέρωι 
Λέπταν  τοι  φρένα  Kapbia  βάληται. 
Folgen  nuch  Ueberbleibsel  einer  Strophe. 

4  θέας  θέαισ'  Soli  nach  W  5  σεΟΕμαλιστ'  8  μήνα»  σελάννα 
durch  das  Metrum  gefordert  und  von  Seh  mit  Recht  eingesülxt  t^ 
περεχοισ  12  αδερσα  13  λεισι  καπαλαι  15  Ζΐαφογγαις  oder  ln- 
φοτ(ακ,  daher  läset  Seh  die  Wahl  zwischen  der  obigen,  von  W  cm- 
t'fohlenen  Schreibung  und  πόλλα  δέ  21άφθοτγ*  αΐκ'  άγάναι  öm  μνάοθηις 
"Ατθίδος,  die  vor  jener  den  Vortheil  haben  würde,  dass  sie  nicht  zur 
Annahme  eines  Anakoluths  zwänge       16  ιμερω       17  ποι 

Beim  Anblick  dieeer  Ueberbleibsel,  die  in  SchubartH  Ver- 
öffentlichung durch  eine  beigegebene  Lieh td ruck tafel  veranechau- 
licht  eind,  überschleicht  einen  zunächst  das  Gefühl  der  Enttäu 
schling,  dass  uns  das  Schicksal  wieder  einmal  nichts  Ganzes  ge- 
gönnt hat;  Bruchstücke,  nichts  als  Bruchstücke!  ruft  man  unwill- 
kürlich aus.  Macht  man  sich  aber  mit  dem  auf  uns  gekommenen 
näher  bekannt,  so  schwindet  jenes  Gefühl  alsbald  vor  dem  der 
Freude    über    die  köstlichen  Stücke   Poesie,   die    uns    da  wieder- 


IHe  Berliner  Bruchstücke  der  Sappho  331 

gegeben  sind,   köstlicher,  wie  mich  dünkt,  und  vüd  tieferer  Empfin- 
dung durchweht  als  die  ein  wenig  nüchterne,  schwungloee  Geleit- 
ode für  den  Bruder,    die   uns  vor  wenigen  Jahren  die  Oxyrhyn- 
cliQgpapyri    gebracht    haben.      Wie   wundervoll  ist  nicht  in  dem 
enten  der  beiden  Lieder,    das  den  Abschied   einer  Schülerin  von 
der  Dichterin   zum  Vorwarf  hat,    der  Unterechied  in  Wesen    und 
Fühlen    der  beiden  Frauen    charakterisiert!    ^Tot  sein  möcht  ich 
ganz  gewiss  Γ    so  ruft  die  Jüngere  in  ihrem  Schmerze  ans  mit  dem 
Ueberschwange,    der  der  Jugend  so  wohl  ansteht,  und  laut  wei- 
nend {ψίομέντ]  '  κλαίουσα  Hesych)  fährt   sie   fort:    *Weh   mir, 
wie  hart  ist  unser  Los,  Sappho !  Wahrlich,  ungern  lass  ich  dich!' 
Die  Lehrerin  aber,    die   gewiss    schon  oft  solch  Scheiden  durch- 
gemacht hat   und  die  weiss,  wie  schnell  der  Mensch,    zumal  der 
junge,  sich  dank  dem  holden  Leichtsinn,   den  ihm  die  Natur  ver- 
•  liehen,  in  die  neuen. Verhältnisse  schickt,  wie  bald  die  Erinnerungen 
an  das  Mihere  verblassen,  antwortet  gelassener:  *6eh  getrost  und 
s^ei  meiner  eingedenk;  weiset  du  doch,  wie  lieb  wir  dich  hatten. 
VVeuu  aber    nicht,    so  gedenke  wenigstens  der  Götter,    in   deren 
Dienste  wir  viel  Schönes  genossen   haben' ^.     Und  es  folgt   eine 
Schilderung   dieses   Schönen  ;    die   Dichterin   spricht,   so  viel  die 
Jiirftiger  werdenden  Ueberreste  erkennen    lassen,    von   den  Veil- 
chen,   den   Rosenkränzen,    den    Blumengewinden,    den    duftenden 
Salben,  den  Polstern  —  all  das  hat,   wie  es  scheint,  bei  den  hei- 
ligen Festen  im  Haine   der  Götter    seine  Verwendung    gefunden. 
Das  zweite  Gedicht  handelt  von  einer  fernen  Freundin,  allem 
Anscheine  nach  Atthis,  die  einst  die  anwesende  Freundin,  an  die 
die  Verse  gerichtet  sind,  gar  oft  mit  ihrem  wohlbekannten  Sänge 
gefeiert  hat.    Nun  aber  glänzt  sie  inmitten  der  lydischen  Frauen 
wie  wohl,  wenn  die  Sonne  gesunken  ist,  der  rosenrote  Mond,  der 
alle  Gestirne  überstrahlt;  ά  βροδοοάκτυλος  σελάννα  sagt  die  Dich- 
terin, der,  wie  Schubart  richtig  bemerkt,  die  Färbung  vorschwebt, 


^  δμμνασαι  so  zu  betonen,  dh«  als  Imper.  Aor.  Med.  aufzufassen 
mit  der  attisch-ionischen  Endung,  die  auch  für  das  Aeolische  gesichert 
ist  darch  οέΗαι  Alk.  56,  erscheint  mir  natürlicher  als  die  von  Seh.  be- 
vorzugte Accentuation  όμμνάισ'  αΐ[ς],  die  die  Form  als  Inf.  Aor.  Act. 
kennzeichnet;  dabei  vermiest  man  aber  ein  ai.  Die  Abtrennung  von 
αι[ς]  als  Relativum,  die  dann  weiter  die  Aendernng  des  vorhergehenden 
θ^ων  in  θ€αν  nach  sich  2ieht,  ist  deshalb  nicht  unbedenklich,  weil  das 
iielativum  bei  den  beiden  Lyrikern  in  der  Hegel  durch  den  Demon- 
etrativstamm  το•  vertreten  ist,  sichere  Beispiele  für  den  echten  Kclativ- 
stamm  sehr  selten  sind  (Hoffmann  Dial.  II  557  f.).     £ine  befriedigende 


332  Solmsen 

die  der  Mond  in  warmen  Nächten  hat,  wenn  er  eben  über  den 
Horizont  emporgestiegen  ist,  ein  deutliches  Zeichen,  wie  abge- 
griffen das  epische  Beiwort,  wie  verschlissen  seine  Bedeutung 
schon  für  die  Sänger  um  die  Wende  des  7.  und  6.  Jahrhunderts 
y.  Chr.  war,  und  eine  wichtige  Bestätigung  für  die  von  W.  Schulze 
Gott.  gel.  Anz.  1897  S.  887  ff.  entwickelten  Anschauungen  über 
das  Abhängigkeitsverhältniss,  in  dem  die  Epitheta  und  überhaupt 
der  dichterische  Formel-  und  Wortschatz  der  lesbischen  Lyriker 
zu  dem  des  Epos  steht.  Und  nun  findet  Sappho  Freude  an  dem 
Naturbilde,  das  ihr  vor  die  Seele  tritt,  und  malt  es  im  einzelnen 
aus:  sein  Licht  ruht  über  dem  salzigen  Meere  gleichwie  über 
den  blumenreichen  Fluren,  der  schöne  Tau  ist  ausgegossen,  und 
es  stehen  in  voller  Blüthe  die  Rosen  und  zarten  Thrysken  und 
der  blumige  Klee  (θρύσκα'  δγρια  λάχανα  Hesych;  dazu  Iv- 
θρυσκον  λάχανον  κάρψ  δμοιον.  φέρει  bi  και  ανθός  ΰϋστε  είναι 
και  βρωτόν  και  στεφανωτόν  Hesych  und  in  weiterer  Verwandt- 
schaft wohl  auch  θρύον,  das  II.  Φ  351  mit  λωτός  und  κύπειρον 
als  die  Ufer  des  Xanthos  umsäumend  genannt  wird  und  der  Stadt 
am  Alpheios  in  Elis  θρύον  Β  592,  θρυόε(Τσα  Λ  711  den  Namen 
gegeben  hat,  gewöhnlich  als' Binse ^  verstanden;•  vielleicht  stam- 
men diese  PAanzennamen  von  der  Wurzel  θρυ-  ^flüstern,  surren, 
rauschen,  lärmen'  in  θρέομαι  θρόος  θρϋλέω).  Wird  nach  dieser 
Schilderung  der  Mondnacht,  die  des  grössten  unserer  Dichter, 
mag  sie  auch  an  die  Tiefe  des  Gefühle,  das  seinem  eigenen  Liede 


Ergänzung  des  Versschlussee  vermag  ich  nicht  zu  bieten ;  eine  Nachprü- 
fung der  Handschrift  wird  versuchen  müssen  über  den  in  der  Mitte 
noch  eben  erkennbaren  Buchstaben,  in  dem  Seh.  ein  Λ  vermuihet,  zu 
grösserer  Sicherheit  zu  kommen.  —  In  der  Schreibung  des  Verbal- 
Stammes  wechselt  die  Handschrift  zwischen  Beifügung  und  Weglassung 
des  I  adscriptum:  μέμναισθ'  I  8  (vgl.  über  diese  Form  u.).  6μμνάισατ 
I  10,  aber  μνάσθεισ*  II  16.  Das  steht  im  Einklang  mit  der  wissen- 
schaftlichen Controverse,  die  über  diesen  Punkt  im  Alterthum  gefuhrt 
wurde  und  für  die  die  Aktenstücke  von  Usener  Fleckeisens  Jhb.  91 
(18(i5),  245  f.  gesammelt  sind.  Das  Richtige  ist  Beifügung  im  Prae^sen- 
das  mit  Suffix  -ισκω  gebildet  ist,  Weglassung  in  den  anderen  Tempora, 
wie  die  zahlreichen  inschriftlichen  Belege  für  Μνησι-  und  -μνηστος  be- 
weisen. Dass  in  einem  äolischen  Text  das  stumme  ι  reichlich  «ugefugt 
ist,  Kann  um  so  weniger  Wunder  nehmen,  als  die  Vertheidig«r  der  Or- 
thographie μιμνήισκω  sich  grade  auf  äolisohes  μιμν<ίισκω  (μνέισκα*?' 
beriefen,  s.  Auecd.  Ox.  I  19β,  32  f.  Herodian  Π  79,  34  Ltz.  =  bchol. 
Λ  7ί'9  (nicht  richtig  aufprefasst  von  Hoffmann  Dial.  U  421  und  J.  Schmidt 
KZ.  H7,  37  ff.,  desso'  nh  nicht  zu  folgen  vermag). 


t)ie  Berliner  Bruchstücke  der  Sappho  3S3 

an  den  Mond  entetrömt,  nicht  entfernt  heranreichen,  doch  nicht 
ganz  unwürdig  wäre,  noch  jemand  es  wagen  wollen  den  ^Alten* 
das  Gefühl  für  die  Natur  abzusprechen? 

Doch    ee  ist   nicht   meines  Amtes    den  Folgerungen  weiter 
nachzugehen,  die  sich  aus  dem  schönen  Funde  für  die  Litteratur- 
geechichte  und  für  die  Würdigung  der  Persönlichkeit  der  Sappho, 
namentlich  was  ihr  Yerhältniss  zu  ihren  Mädchen  angeht,  ziehen 
iassen.   Man  wird  es  verstehen,  dass  mich  beim  Lesen  der  Verse, 
abgesehen  von  dem  Genüsse  ihres  poetischen  Werthes,  noch  eine 
besondere  Frage  beschäftigt  hat,  die  Frage,  wie  weit  durch  ihre 
äaseere  Form  die  Ansichten,    die   ich  yor  einem  Jahre  in  meinen 
Untersuchungen    zur    griech.   Laut-  und   Verslehre   137  ff.   über 
das  Digamma    bei    den   beiden    lesbischen  Lyrikern    vorgetragen 
habe,  bestätigt   oder  widerlegt  werden  ;  sie  liefen  darauf  hinaus, 
dass  das  Vau  im  Anlaut  noch  durchweg  vorhanden  gewesen   sei 
Qrid  alle  diejenigen  Einflüsse  ausübe,  die  es  überhaupt  jemals  auf 
griechischem    Boden    innerhalb    des    Verses    ausgeübt   habe,   dh. 
überall  sich  wirksam    erzeige    ausser    bei    kurzen    consonantisch 
scbliessenden   Silben  in  der  Senkung,  die  davor  nicht  durch  'Po- 
sition* gelängt  werden.    Der  diesmalige  Befund  erhärtet  zunächst 
noch  einmal  das,    was  wir  schon   bisher  über    den    schriftlichen 
Ausdruck  des  Digamma  in  den  alexandrinischen  Ausgaben  wussten: 
yoT  ρ  war  ee  durch  β  bezeichnet,  daher  Π  8  βροοοοάκτυλος.  Π 
13  ßpöba,  wohl  auch  I  13  βρ[όοιυν1  nach  des  Herausgebers  £r- 
ßnznng:  hingegen  vor  Vocal  war  F  geschrieben,  die  Bedeutung 
dieses  Zeichens    aber  war  den  Schreibern  späterer  Jahrhunderte 
on verständlich    geworden,   und    deshalb   finden  wir  es  in  unserer 
Handschrift  in  allen  in  Betracht  kommenden  Wörtern  weggelassen : 
οισθα  I  8.   ϊαιν  Ι  12.   Ικίλαν  II  4.  ϊσιυς  Π  11.   ίρσα  II  12.  6m 
II  15.  είπον  III  8.  aboμ'  III  10  ^     Den  Grund  dieser  Verschie- 
ieoheit  habe  ich  aaO.  S.  175  f.  klarzulegen  mich  bemüht.     Wie 
fteht  es  nan   am  die  Wirkungen  dieser  Wörter   auf  den  Auelaut 
ier   im  Verse    vorhergehenden?    Ohne    Belang    sind  I  12  [στε- 
ρά]νοις  Των.    Ι  13  κα\  ßp[obujv].    II  8  α  βροδοδάκτυλος,  II  11 
σως  und  111    8   είττον   am    Versanfang.     Schliessender    Langdi- 
)hthong  ist  unverkürzt  geblieben    in  άτ^ναι  öm  II  15",   danach 
labe  ich  II  4  an  Stelle  des  grammatisch  unmöglichen  σέ  θίας  Ικέλαν, 
vorin  das  -ς»    nach  der  Lichtdrucktafel    zu  schliessen,   sicher  zu 


1  Das  Alkaioefragment   enthalt    zufällig  kein  mit  F  beginneiidee 


334  Solmsen 

Riehen   flcheint,    αέ  θίαι  Ικίλαν  f^eechrieben,    während   ν.  Wila- 
mowitz,  den  die  Darlegnngen    in   meinem  Buche  nicht  überzeugt 
haben,    θέακτ*    eingesetzt    hat;    meine    Aendernng    ist  jedenfalls 
nicht  tiefer  greifend    als    die    seine.     II   12  hat    die  Handschrift 
ab€p<Ta,    das   Versmass  fordert   aber   zu   Beginn  einen  Eretikas, 
und  Sohubart  hat  deshalb  hinter  dem  b  ein  e  eingeschaltet;    ob 
wir  da«,  wie  er  that,  ά  b'  έέρύα  oder  ά  bk  ίρσα  lesen,  ist  gleich- 
gültig;    vielleicht    also    haben    wir  hier  einen  Fall,  in  dem  Di- 
gamma  die  Elision  eines  schliessenden  kürzen  Vocals  verhindert 
hat.     In  be  ßpoba  II  13  ist  kurzer  Vocal    in   der  Hebung    vor 
Fp-  als  Länge  gebraucht.     III 10  bildet  [o]öb€V  aboμ'  den  Vers- 
anfang;  das  Metrum  dieser  Columne  lässt  sich  bei  ihrer  starken 
Zerstörung    nicht   mit  Sicherheit    bestimmen,    scheint    aber,   wie 
Schuhart  darlegt,  dem  der  zweiten  gleich  gewesen  zu  sein;  dann 
kann  -bev   eine  Länge   oder  Kürze    darstellen,    und    die    letztere 
würde  durch  meine  Theorie  erfordert  werden.     So  weit  stimmen 
die  Dinge  also  zu  dieser.    Zu  widersprechen  scheint  ihr  aber  das 
einzige    noch  übrige  Beispiel    eines    digammirten  Wortes,    οΤ(Τθα 
I  8,  vor  dem  der  auslautende  Diphthong  von  μέμνακτθαι  etidirt 
ist.     Ist  diese  Form   aber  dem  Zweifel   so  entrückt,    dass  an  ihr 
die  Theorie  zerschellt?   Es  wird  auf  ihre  Gewähr  nicht  schwören 
wollen,    wer  an  der  Hand  der  Adnotatio  die  Ueberlieferung  mit 
dem  durch  das  Versmass  oder   den  Sinn    geforderten  Text   ver- 
glichen und  sich    überzeugt   hat,    wie   sehr   dieser    in  jener  ge- 
litten   hat.      Ich    hebe   den    krassesten   Beleg    heraus,    die   Ver- 
drängung   von     (Τ€λάννα    II   8    durch    μήνα,     das    vermuthlich 
ursprünglich     Glossem     gewesen     ist    oder     in     einem    Scholion 
gestanden    hat,    und    bringe    hier    noch    einen    weiteren   ahnlieh 
liegenden  zur  Sprache,  den  wir,  glaube  ich,    anerkennen  müRsen: 
l   3  έίν[ν€π€ν].     Άη   der  Ergänzung    έέν[ν€π€ν],    sagt  Schubart, 
läset   sich   nicht  zweifeln,    so   unmöglich   das  Augment   auch    er- 
scheint .      Auch    ich    wüsste    dies    in     keiner   Weise    zu    recht- 
fertigen —  Pindar  und  Bakchylides  sagen,  wenn  sie  das  Verhorn 
augmentiren    wollen,    (ττροσ•)ήν€π€    Pyth.   4,  97.    9,  29.     Nem. 
10,  79.    Bacch.  14,  9 — ,   wüsste   aber    ebenso   wenig  etwa  einen 
Hiatus  in  TOb€  fv[v€Tr€v]  zu  rechtfertigen  *    und    sehe   nur  einen 
Ausweg  aus  der  Schwierigkeit,    die  Annahme  dass,   ähnlich  wie 
μήνα  für  σ€λάννα,  so  tob'  iiwenev  etwa  für  xobe  €Ϊπί  μοι  oä. 

*  hanH  die  lliindiohrift   τόδ*  €€V  .  .  .  mit  Apostroph  hinter  de» 
6  biotiM,  int  i»hm»  Hod<*utung. 


Die  Berliner  Bruchstücke  der  Sappho  335 

eiogedrungen  iat.  Laset  sich  nun  entsprechend  für  μέμνα(Τθ'  eine 
in  MeBBung  nnd  Bedeutung  gleichwertige  Form  ersinnen,  die  jenem 
den  Platz  geräumt  haben  konnte  ?  Der  Infinitiv  in  imperativischer 
Geltung  ist  an  sich  bei  den  lesbischen  Lyrikern  so  gut  möglich 
wie  überall  in  Griechenland  und  thatsächlich,  wenn  auch  der 
Imperativ  selbst  durchaus  das  regelmässige  ist,  wenigstens  in 
einem  sicheren  Beispiel  zu  belegen :  Sa.  78,  1  B.**  σύ  bk  στ€- 
φάνοις,  Λ  Δίκα,  π€ρθέσθ'  έράταις  φόβαισιν.  Immerbin  würden 
wir  in  unserem  Verse  nach  dem  vorhergehenden  Imperativ  £ρχ€θ 
vielleicbt  auch  von  μέμνάμαι  eher  die  2.  8g.  Imp.  erwarten.  Wie 
maRste  die  im  Altäolischen  lauten?  Im  ürgriechischen  *μέμνοο 
anR  *μέμνα(Τθ  mit  regelrechter  Verhauchung  des  0  zwiscben  den 
Yocalen.  Dessen  ungestörte  Weiterentwickelung  durch  die  Mittel- 
stufe *μέμνηο  hindurch  liegt  vor  in  ion.  μέμνεο  Herodot  V  105 
(οίσποτα,  μέμνεο  τών  Αθηναίων).  Herodas  4,  89.  Orph.  Litb. 
«'»Οθ  Ab.  nö.;  vgl.  2.  Sg.  Ind.  μέμνηαι  Φ  442,  woraus  μέμνη 
(oder  μίμνη'?)  Ο  18.  Υ  188  uö.  Wenn  das  Dorische  dem  μέ- 
μνασο  (Epicharm  250  Κ.,  kein  sicheres  Zeugniss  für  das  echte 
Dorisch),  das  Attische  μέμνη(Τθ  entgegensetzt,  so  haben  diese 
Formen  0  wiederhergestellt  gemäss  der  Tendenz,  die  zum  we- 
nigRten  beim  Attischen  unser  Material  für  die  2.  Sg.  Imperativi 
irie  Indicativi  Med.  der  ^unthematiscben'  Flexionsweise  deutlich 
zn  erkennen  gestattet;  vgl.  übrigens  schon  Ψ  648  μέμνησαι.  Aus 
fiem  Aeolischen  besitzen  wir  zu  dürftige  Belege,  um  irgend  etwas 
Sicheres  aussagen  zu  können;  was  wir  haben,  zeigt  zum  Theil 
<len  fürs  Urgriechische  zu  ersohliessenden  Zustand :  einerseits  ?σ<Τ0 
Sa.  1,  28,  anderseits  μ€Ταλύνν€θ  Sa.  35,  zum  anderen  Theil  iin- 
ursprüngliches  Wiederaufleben  des  σ:  δρνυσο  Sa.  75.  Nehmen 
wir  an,  dass  μέμναμαι  sich  unbeeinflnsst  weiter  entwickelt  hat 
wie  im  Ionischen,  so  musste  *μφνάο  zu  *μίμνα  führen  wie 
tirgr.  hom.  *Aiböo  zu  'Aiöä  Sa.  68,  3,  Kpoviboo  zu  Kpovibä 
Alk.  48  A. 

χαίροισ*  fpx€o  κδμεθεν 
μέμνα,  Ροϊσθα  γαρ  υ^ς  σε  πεδήττομεν 
t^ntRprirht  glatt  dem,  was  wir  brauchen,  und  es  ist  auch  leicht 
R^nug  verständlich,  dass  diese  Form,  die  so  wenig  durch  eine 
Kndung  als  bestimmte  Person  gekennzeichnet  war,  sondern  ledig- 
lich den  Stamm  zu  enthalten  schien,  sich  in  der  Ueberlieferung 
nicht  behauptet  hat,  sondern  durch  den  deutlicheren  Infinitiv  er- 
heizt worden  ist.  Ich  hoffe,  dass  diejenigen,  die  im  vorigen  Jahre 
meinen    AiiefÜhrungen    zugestimmt    baben,    auch    diesen   Verpurh 


336  8  ο  Im  86  η  Die  BerÜDef  Brnchstacke  der  Sappho 

mit  dem  nen  an  β  Tageelicht  getretenen  znrecht  zn  kommen  ein- 
leuchtend finden  werden. 

Zum  Sohlnse  sei  noch  der  Belege  gedacht,  die  uns  die  neuen 
BrnohstUoke  für  die  Digammaverhältnisee  im  Wortinneren,  na- 
mentlich zwischen  Vocalen,  gebracht  haben.  Hoffmann  Dial.  II 
461  f.  hat  festgestellt,  dass  ursprünglich  durch  F  getrennte  Vo- 
cale,  wenn  der  erste  von  ihnen  kurz  war,  in  den  Texten  der 
beiden  Lyriker  niemals  contrahirt  erscheinen,  dagegen  bei  langem 
ersten  Vocal  gelegentlich  Contraction,  bei  Diphthong  gelegentlich 
Verkürzung  stattfindet,  und  ich  habe  aus  diesem  Umstände  im 
Verein  mit  gewissen  anderen  Thatsachen  der  üeberlieferung  den 
Schluss  gezogen,  cass  das  F  in  der  erstgenannten  Stellung  zur 
Zeit  des  Sappho  und  des  Alkaios  noch  thatsächlich  vorhanden 
gewesen  sei  (aaO.  172  f.).  Die  neuen  Fälle  fügen  sich  Hoff- 
manns Beobachtung  ohne  weiteres :  wir  finden  auf  der  einen 
Seite  όέκοισ'  I  5.  φάος  II  9.  οροσόεντας  ΠΙ  12,  vielleicht  auch 
έέρ(Τα  II  12  (s.  ο.)  uncontrahirt,  auf  der  anderen  zwar  αελίω 
II  7  uncontrahirt,  aber  πβποημέναις  I  17  mit  -o-  für  -oi-.  Von 
Wörtern,  die  urgriechisch  F  nach  Liquida  oder  Nasal  hatten, 
begegnet,  abgesehen  von  bipax  I  16  in  einem  Verse,  der  nne 
schon  früher  bekannt  war,  nur  eines:  κάλα  I  11  und  Π  12.  An 
der  ersten  dieser  beiden  Stellen  ist  Kurze  der  Wurzelsilbe  er- 
forderlich, an  der  zweiten  möglich;  auch  das  stimmt  zu  dem, 
was  wir  sonst  über  die  Gestalt  dieses  Wortes  und  der  analogen 
Fälle  überhaupt  bei  den  beiden  Lyrikern  wissen. 

Bonn.  Felix  Solmsen. 


FACETIAE  TVLLIANAE 


Was  Drumann  GR.  IV  598  ff.  über  Giceroe  Witz  sagt,  ist, 
wie  immer,  aaseerordentlich  reich  an  Baohlioher  Belehrung,  nur 
bitte  er  eich  die  Empörung  sparen  eollen.  Cicero  machte  eeine 
Witze  nicht  fdr  uns,  sondern  für  seine  Zeitgenossen,  und  diese 
hatten,  sofern  sie  nicht  selbst  die  Zielscheibe  des  Spottes  waren, 
an  ihnen,  wie  uns  genügend  bezeugt  ist,  ihre  helle  Freude.  Dru- 
roanns  Entrüstung  würden  sie  eben  so  wenig  verstanden  haben, 
wie  die  Bestrebungen  der  ^Retter'  Cioeros,  die  seine  Derbheiten 
yerschleiem  oder  weginterpretiren  wollen.  Cicero  selbst  war 
stolz  auf  seine  ganz  einzige  Befähigung  für  den  Witz  und  durfte 
es  sein.  Denn  darin  war  er  unbestritten  der  erste  Mann  in  Rom, 
dem  selbst  ein  Cäsar  mit  Entzücken  lauschte.  Er  Hess  sich  des- 
halb nicht  gefallen,  dass  man  ihm  schlechte  Witze  zuschrieb, 
die  er  nicht  gemacht  hatte,  wachte  aber  auch  darüber,  dass  ihm 
sein  eigenes  Gut  nicht  geraubt  wurde.  Ich  glaube  also  Cicero 
sogar,  nicht  nur  der  Wahrheit,  zu  dienen,  wenn  ich  ihn  gegen 
seine  zu  eifrigen  Freunde  in  Schutz  nehme  ^. 

Das  Bestreben,  ihn  nichts  Unschickliches  sagen  zu  lassen, 
tritt  gleich  bei  dem  Briefe  zu  Tage,  in  dem  sich  Cicero  selbst 
über  die  Frage  ausspricht,  wie  man  sich  den  unanständigen  Aus- 
drücken gegenüber  zu  yerhalten  habe,  ich  meine  den  Brief  an 
Paetus,  ad  fam.  IX  22. 

Ueberliefert  sind  die  Anfangsworte:  Arno  verecundiam  vel 
poiius  libericUem  loquendi.  Dazu  bemerkt  C.  A.  Lehmann  ^Quaest. 
TuU.  p.  59  f.:  nihil  est,  quo  ea  quae  contraria  esse  debent 
neque  sunt,  defendi  possint;  itaque  conicitur  Arno  verecundiam^ 
tu  potiuSy  Wesenberg,   cum   vel  mutare  non  liceat,    ita  locnm  re-. 

^  Für  die  bisherigen  Angaben,  die  nur  Allbekanntes  wiederholen, 
bedürfte  es  keiner  Belege.  Wer  diese  wünscht,  findet  sie  bei  Dru- 
raann  aaO. 

Rbfia.  Mus.  t  PbÜol.  N.  F.  LYII.  22 


m  Öarlitt 

etituit  verecundiamj  (iu  impudentiain)  vd  potius  ...   Ke  id  qni- 
dem    plaoet,    cum    ego  ante  Amo    deeideretur.    Ego   ecribo  Äwo 
verecundiam,  vei  potius  liberfaiem  loquendi  (iodt).     Es  folgen  Be- 
lege für   die  Antithese  cuno  und  odL     C.  F.   W.  Müller  bemerkt 
dazu  ^probab.*,  setzt  aber  vorRichtiger  Weise  lieber  im  Texte  vor 
vel  ein  f.     loh  gladbe  zeigen  zu  können,  daes  die  U  eher  lief ernng 
richtig    ist:    Paetus    hatte    in  einem  uns  nicht  erhaltenen  Briefe 
einen  derben  Auedruck  gebraucht^  und  daran  offenbar  die  Frage 
geknüpft,    ob  Cicero   daran   auch    nicht  Anstoss  *  nehme.     Cicero 
will  ihn  nun  gewiss  nicht  verletzen  —  das  würde  er  aber  Ihnii. 
wenn    wir  libertatem    loquendi    (odi)   conjiciren  —    und    schreibt 
deshalb  (5):   Te  adversus  me  amnia  audere  grafum  est;  ego  servo 
et   servabo  —  sie   enim   adsuevi  —  Ptaionis    verecundiam.     Von 
dieser    abschliessenden,    zusammenfassenden    Stelle    aus    ist   der 
ganze  Brief  und  besonders  der  Eingang  zu  beuriheilen,  der  damit 
in  Einklang  steht.     Denn  er  heisst:    *Ich  bin  für  decenten  Aus- 
druck oder  vielmehr,  ich  bin  dafür,  dass  man  sich  frei  (dh.  jeder 
nach    seiner  Neigung)    ausdrücke*.     Dass    er    selbst    die  Decenz 
bewahre,    bezeichnet  er  mehr    als    eine  Gewöhnung,    dass  er 
aber   im  Principe   gegen    offene  Aussprache    auch    des  Obscdnen 
nichts  habe,  das  begründet  er  durch  den  Nachweis.    Zeno,  despen 
Verstand   dabei  lohend  hervorgehoben  wird,  wie  die  Stoiker  über- 
haupt,   h&tten    mit    guten   Gründen    das  Yorhandensein   des  Ge- 
meinen  in    der  Sache  und  im  Worte   geleugnet.     Ätqui  hoc  (= 
Uhertas  loquendi)  Zenoni  pktcuit^  homini  mehercule  acuta,  etsi  Äea- 
demiae  nostrae  cuwi  eo  magna  rura  es^  soll  doch  offenbar  heissen: 
*  Obgleich  ich  mehr  der  Akademie   angehöre,    ohgleieh  die  Aka- 
demie mit  Zeno  im  Streite  lag,  dennoch  musa  ich  den  Standpunkt 
des  Zeno,    der  die  libertas  loquendi  fordert,   als  berechtigt  aner- 
kennen\     SohoB  die  Thatsache,  dass  Cicero  darauf  diesen  Stand- 
punkt so  eingebend  begründet,  beweist  seine  principielle  Zustim- 
mung.    Auf  die  Frage   aber,    weshalb    er    seihet    im  Gebrauche 
denn  doch  die  verecnndia   bevorzuge,    hat   er  die  Antwort:    *ieh 
bin  einnal  daran  gewohnt  und  will    von    der  Gewöhnung    nicht 
laseen,    obirleich  ich  die  liberttis  /tV"^»''**    das  Recht  des  freien, 
auch  derben  Wortes   anerkenne  und  eigentlich  lieber  habe*.    Das 
mag  lum  Theil  ein  höfliches  Eni ^rt^^ren kommen  gegen  den  Stand 
punkl    de•  Paetus  sein,    tum  Theil  aber  wiH  es  Cieeros    wahre 


f  aoetiae  tuUianaä  ää9 

Meiuang  ausdrücken.  Ee  gilt  feHtzohalten,  daes  Itberfas  loguendi 
an  sich  nicht  das  Aussprechen  des  Obscönen,  sondern  nur  das 
Recht  bedeute,  die  Sache,  die  Cicero  selbst  iectis  verhis  (§  5) 
behandelt,  nach  Wunsch  aueh  apertissimis  zu  behandeln,  das  Kind 
beim  rechten  Namen  zu  nennen.  Besonders  lege  ich  bei  meiner 
Interpretation  Werth  auf  das  Wort  loquendi.  Cicero  sagt  nicht 
äkendi  Itbertctö.  £r  spricht  hier  also  von  dem  Tone  in  der  Um- 
gangsspracbe,  im  Verkehre  mit  Freunden,  nicht  von  dem  Tone, 
den  man  im  öffentlichen  Leben  einzuhalten  habe.  Für  diesen 
värde  er  jedenfalls  im  Principe  möglichste  Decenz  als  Regel 
fordern,  wie  er  bekanntlich  auch  im  orator  und  in  de  orat.  thut  ^ 
Recht  missyerstanden  und  misshändelt  hat  man  folgende 
Stelle : 

Ad  f a m.  IX  16,  7.     Quem  tu  mihi  f  popiliumj  quem  f  de- 
mrium  narras?    quam  iyroiarichi  patinam?   Die  Ueberlieferung 
stimmt    fiberein    in   dem  Worte  popilium  (D),    nur  dass  MH  po- 
piUium  bieten.    Ich  verstehe  nicht,  weshalb  man,  statt  den  Eigen- 
namen Popüius    anzuerkennen,    der  in  Ciceros  Schriften  vielfach 
vorkommt'»    eich  mit  allerlei  Conjecturen  gequält  hat  {pompüum 
Rntilius,    polypivm  Corradus,  popeUum  Bücheier).      An   Popüius 
scheint  dabei  überhaupt  kein  Interpret  auch  nur  gedacht  zu  haben, 
obgleich    verwandte  Stellen  vorliegen  zB.  ad  fam.  IX  15,  3  Ca- 
iulum  mihi  narras  et  Ula  tempora  Q.  fr.  Π  1  (13),  1  tarn  pridem 
istum   conto  Caesarem.     Cicero   weist  eine  Einladung  des  Paetus 
ecberzhaft  mit  der  Bemerkung  ab :  ^mit  einem  Popilius  als  Tisch- 
genossen  darfst  du  mir  nicht  mehr  kommen^  und  begründet  das 
damit,    dass  er  jetzt  gewohnt  sei  mit  ganz  anderen  Leuten,    mit 
einem  Hirtiue  und  Dolabella  zu    speisen :    Hirtium  ego  et  ΏοΙα- 
öeilam  dicendi  disciptdos  häbeo,  cenandi  magistros;   puto  enim  te 
audisse  .  .  illos  apud  me  declamitare,  me  apud  ülos  cenitare,    Ist 
also  die  Leeart  Popilium  so  undenkbar,  dass  man  zu  Conjecturen 


^  In  dem  Brief  an  Paetus  (IX  21, 1)  betont  er  aber  selbst  den  grossen 
Abstand  zwischen  öffentlichem  nnd  privatem  Sprechen  mit  den  Worten: 
Verum  tarnen  quid  tibi  ego  videor  in  epistulie?  nonne  plebeio  sermone 
agere  tecum  ?  Nee  enim  semper  eodem  modo.  Quid  enim  simile  habet  epi- 
8t ula  aut  iudicio  aut  contioni?  Quin  ipsa  iudieia  non  solemus  omnia 
traetare  uno  modo.  Privatas  causaSf  et  eas  tenues^  agimus  stotilius; 
capitis  aut  famae  omatius:  epistulas  vero  quotidianis  verbis  texer e  solemus. 

'  Besonders  ist  das  Oeschlecht  der  Popilius  durch  die  Laenas 
mehrfach  vertreten.  Am  ehesten  wird  man  hier  am  Popilius  Laenas 
augiir  a.  709  denken  dürfen  (A.  XII  13,  2;  14,  1;  17). 


340  tiurlitt 

greifen  müeste  ?  Auch  das  folgende  denariumj  das  alle  Hss.  bieten^ 
bat  man  mit  Unrecbt  verdäcbtigt  nnd  dafür  ebenfalle  Namen  von 
ecbliebten  Speisen  eingesetzt  (thynnarium  Tbundscbgerieht,  Bu• 
tilias;  thynnwm  Thunfiscb,  Sobütz;  cmtharum  Kanne  sc*  Weines, 
derselbe;  naritam  Meerschneckey  Fr.  Scböll).  Mendelssohn  sa^: 
detiarium  cum  Ribbeckio  (fr.  com.*  p.  396)  teneri  posse  non  credo, 
sed  bic  quoqne  desideran  vilis  alicuius  cibi  nomen.  Andreren 
liest  pompümn^  quem  thynnum.  C.  F.  W.  Müller  giebt  die  Lesart 
der  Hss.  mit  Kreuzen  der  Verderbniss.  C.  Bardt,  Commentar  11 
S.  255  liest  polypus  und  thynnus,  sagt  aber  eine  sicbere  Her- 
stellung sei  unmöglich. 

Sollte  nicht  Paetüs  in  seinem  Briefe,  in  dem  er  sich  für 
bankerott  erklärte  (tu  auiem  quod  mihi  bonam  copiam  eiures\ 
scherzhaft  gesagt  haben,  mehr  als  einen  Denar  dürfe  das  Diner 
nicht  kosten^?  Er  könne  höchstens  —  und  nun  folgt  erst  die 
Nennung  der  billigen  Speise  —  mit  einer  tyrotarichi  patina,  einer 
Schüssel  Fischragout  mit  Käse^  aufwarten?  Die  U  eher  lieferung 
der  epp.  ad  fam.  erweist  sich  eben  wieder .  als  viel  besser,  als 
bisher  angenommen  wird.  Zumal  wo  MHD  übereinstimmen,  da 
sollte  man  mit  Conjecturen  äusserst  zurückhaltend  sein.  Indem 
ich  also  die  Ueberlieferung  in  allen  Punkten  halte,  übersetze 
ich:  'Was  sagst  du  mir  da  von  Popilius,  was  von  dem  Denar, 
was  von  der  Schüssel  Fischragout?'  woran  sich  trefflich  an- 
schliesst:  facilitate  mea  isla  /erehantur  anleai  *  Meine  Gutmüthig• 
keit  hat  sich  diese  deine  Behandlung  vordem  gefallen  lasRen', 
nunc  muiaia  res  est     Und    darauf   folgt    in    gleicher   Reihe  die 


^  £&  mag  nicht  zufällig  sein,  daes  derselbe  Paetus  in  einem  ähn- 
lichen Zusammenhang  mit  seinem  aestimationes  nach  IX  18,  4  scherzend 
davon  gespruchen  hat,  daes  er  nicht  im  Stande  sei  oUam  denariorum 
implere.  Das  empfand  auch  Boeckel,  'Ciceronis  epp.  sei.*®'  S.  8;J2  zu 
ep.  yi  (=  IX  18,  4).  'Vielleicht  hatte  Paetus  scherzend  geschrieben, 
ihm  bleibe  so  wenig  Baarvermögen,  dass  er  nicht  einmal  einen  Topf 
damit  füllen  könne :  man  denkt  unwillkürlich  an  die  qufidrilibrem  au- 
hm  auro  anustaniy  nach  der  die  Aulularia  bei  Plautus  ihren  Namen  hat. 
Vielleicht  bestand  auch  eine  scherzhafte  Zusammenstellung  von  dieser 
olla  mit  (ep.  IX  16,  7)  tyrotarichi  patinam  (Plaut.  Capt.  IV  2,  G(j  =  «4<i)'. 
Das  letzte  ist  falsch,  aber  man  sieht,  wie  nahe  Boeckel  der  richtigen 
Krklärung  kam.  Zu  jener  Stelle  bemerkt  er :  'popillium  ....  denariunt 
für  uns  nicht  recht  verständlich,  man  erwartet  den  Kamen  einer  ge- 
ringen Speise'. 

2  Ein  noch  heute  in  Italien  beliebtes,  sehr  schmackhaftes  Gericht, 
Das  Recept  dazu  «jiebt  uns  Apicius  IV  2,  137,  *' 


Facetiae  TuUianae  341 

Aufzählung:  1)  jetzt  speise  icli  mit  einem  Hirtius!  2)  auf  deine 
Knauserei  mit  deinem  Denar  lasse  ich  mich  nicht  ein.  Dieser 
Gedanke  steckt  in  den  Worten:  Tu  auiem  quod  mihi  bonam  co- 
piam  eiures,  nihü  est;  tum  eninif  cum  rem  Η<ώώα8^  quaesficulis  te 
faciebai  attenticn-erny  nunc^  cum  tam  aequo  animo  bona  pcrdas,  f  non 
to  sis  consilioy  ut,  cum  me  hospitio  recipias,  aestimaiionem  te 
aliquam  puies  accipere.  Es  ist  allerlei  zur  Heilung  der  verderbten 
Worte:  non  eo  sis  consilio  ut  vorgeschlagen  worden.  C.  F.  W. 
Müller  liest  non  eo  sis  censeo  animo  ('coni.  TuU.'  p.  12),  non  (^est^ 
quod)  eo  »is  consilio  Wesen berg,  non  eo  possis  consilio  (^utiy 
Madvig  ('adv.  crit.'  III  p.  163),  non  (^est,  quod  non)  eo  sis  con- 
silio LehmaoD  (WS.  f.  kl.  Phil.  1885  p.  1106  und  Quaest.  Tuli. 
p.  91).  —  Der  Gegensatz  erfordert,  dass  jetzt  Paetus  als  nicht 
eparsam,  sondern  als  freigebig  dargestellt  werde  ^.  'So  lange  du 
Vermögen  hattest,  spartest  du.  Seitdem  du  gelernt  hast  grosse 
Verluste  Oiit  gntem  Humor  zu  ertragen,  ist  auch  nicht  zu  fürchten, 
dass  dein  Gastmahl  knauserig  ausfallen  werde*.  Wie  dieser  Ge- 
danke, den  sohon  C.  Lehmann  richtig  dargestellt  hat,  am  besten 
zum  Ausdrucke  komme,  will  ich  hier  offen  lassen*.    3)  'Die  Art 


»  C.  Bardt,  Comraentar  II  S.  256  erklärt  diese  Stelle  kurz  und 
treffend :  *Die  Bewirthung,  die  dir  Kosten  macht,  musst  du  mit  derselben 
Seelenruhe  leisten,  mit  der  du  die  Taxe,  die  dich  schädigt,  entgegen- 
Dimnist,  obeodrein  (etiatn)  thut  der  Schlag  von  einem  Freunde  weniger 
weh  {levior  est)  als  von  einem  Schuldner*.  Dort  findet  man  auch  das 
Xöthige  über  die  aeatimatio  (s.  auch  Heft  I  S    225  zu  lulia  lex.)• 

'  Uro  aber  meine  Meinung  nicht  ganz  zu  verschweigen:  ich  glaube, 
dass  non  eo  fit  consilio  {=non  fit  eo  cons.)  zu  lesen  sei,  einmal,  weil 
fii  dem  vorausgehenden  quaesticulus  te  faciebat  attentiorem  genau  auch 
im  Wortlaute  entspricht  {fado  und  fio  drucken  die  Thätigkeit  oder  den 
Zustand  allgemein  ans,  die  vorher  durch  das  eigentliche  Wort  bezeichnet 
worden  sind  Für  diesen  Gebrauch  von  fado  s  Beispiele  bei  Hofmann- 
Lehmann  (Auegew  Br.  "^  zu  A.  VII  3, 2;  auch  A.  X.  8  A.  1  F.  XVI  11,3), 
sodann  weil  es  graphisch  beinahe  identisch  ist  mit  dem  eis,  da  dieses 
mit  langem  β  geschrieben  wurde,  schliesslich  weil  das  folgende  ut  putes 
mir  zu  beweisen  scheint,  dass  vorher  nicht  die  zweite  Person  (etwa: 
'ton  <est,  qtiod  non)  eo  sis  consilio)  gestanden  habe:  denn  man  kann 
doch  kaum  sagen:  eo  sum  consilio^  ut  putem,  'ich  habe  die  Absicht  zu 
glauben* .  Das  grenzt  fast  an  Unsinn.  Die  Härte  und  Unklarheit  dieses 
Ausdruckes  hat  zB.  auch  G  Bardt  empfunden  Er  liest  deshalb  mit  C. 
F.  W.  Müller  (Comment.  IIS.  25β):  non  est,  quod  non  eo  sis  animo,  ut 
putes  mit  Beseitigung  der  doppelten  Negation:  'Du  hast  alle  Veran- 
lassung die  Sache  so  anzusehn,    als  ob*  —  das  reg.  Verbum  putes  ist 


342  Garlitt 

des  Diners  sei  nioht  protzenbaFt  iu  der  Ueberfülle,  eondern  glän- 
zend und  fein',  was  im  Gegensatz  zu  tyroiarichi  patina  steht. 
Wir  haben  also  eine  vollständig  durchgeführte  Antithese,  es  ent- 
spricht dem  Popüius  der  Hirtius,  dem  detiarius  die  Erwähnung 
des  Vermögens  (re^),  dem  Fisohragout  die  Angabe  der  cenae  mit 
Charakteristik  der  Speisen:  nee  tonnen  ectö  cenas  quaero^  ut  magnat 
religuiae  fiant;  quad  eritf  magnificum  sit  et  lautum.  Memini  te 
mihi  Phameae  cenam  narrare:  temperius  fiat,  cetera  eodem  modo. 
Dafür  dass  aber  tyroiarichi  patina  als  einzige  Speise  genannt 
war,  spricht  auch  der  Satz  gegen  Ende  des  Briefes:  tu  vero  — 
volo  enim  obstergere  animi  tui  metum  —  ad  tyrofarichum  anti- 
quum  redi.  Wären  aber  drei  Speisen  genannt  gewesen,  wie  man 
daroh  Conjectnr  hineinbringen  wollte,  weshalb  hätte  dann  Cicero 
hier  eine  und  nur  die  letzte  angeführt  ?  So  haben  wir,  meine  ich, 
allen  Grund  in  §  7  Popilium  und  äenarium  zu  halten,  wodurch 
die  ganze  Stelle  viel  gedankenreicher,  witziger,  der  P^riodenbaa 
viel  einheitlicher  und  zugleich  kunstvoller  wird.  Dazu  kommt, 
dass  drei  Speisen  doch  schon  eine  Art  Luxus  wären,  während 
Paetus  gerade  zum  Ausdrucke  seiner  Armuth  in  seinem  Scherze 
erklärt  haben  wird,  nur  mit  einem  und  dazu  nur  mit  dem  billig- 
sten Gerichte  aufwarten  zu  können.  Unsere  Stelle  ist  also  die 
höchst  witzige  Beantwortung  der  Einladung  des  Paetus,  in  der 
es  etwa  hiess:  'Sei  mein  Gast,  lieber  Cicero  I  Aber  ich  kann  dazu 
nur  noch  den  biederen  Popilius  einladen;  denn  infolge  der  cäeari- 
schen  aestimationes  bin  ich  so  verarmt,  dass  ich  auch  höchetene 
einen  Denar  für  das  'Diner*  aufwenden  kann.  Du  musst  dich  also 
mit  Fischragont  begnügen\  So  erhalten  wir  in  Ciceros  Antwort 
einen  nach  Inhalt  und  Ausdruck  vortrefflichen  Text,  ohne  daee 
auch  nur  ein  Buchstabe  der  üeberliefemng  angerührt  wird  \ 


dann  nicht  zu  übersetzen*.  Putes  wird  aber  bei  dieser  Lesung  noch 
mehr  als  Oberfiüseig,  weshalb  sollte  dann  Cic<^ro  nicht  gesagt  haben, 
non  est,  quod  non  ptUes,  was  dasselbe  kürzer  und  klarer  besagt?  Viel 
angemessener  ist  es  jedenfalls,  wenn  eo  consilio  auf  ein  anderes  Subjekt, 
hier  auf  res  oder  ganz  allgemein  auf  das  Impersonale  'es*  bezogen  yivta, 
welches  die  Absicht  verfolgt,  dem  Paetus  den  Glauben  beizubringen^ 
dasa  eine  glänzende  Bewirthung  Ciceros  ihm  von  Nutzen  sein  werde. 
Die  Uebersetzung  wird  meine  Absicht  klarer  machen:  'Denn  damals, 
als  du  Vermögen  hattest,  machte  dich  das  auf  kleine  Profite  erpicht, 
jetzt,  da  du  dein  Vermögen  leichten  Sinnes  preis  giebst,  geschieht 
das  (so.  Knausern)  absichtlich  nicht,  damit  du  dir  einbildest, 
dass  dir  eine  Bewirthung  irgend  eine  aestimatio  einbringen  konnte. 
1  Dettweiler,  Ciceronis  epp.  select. «  S.  134  f.,  dem  diese  Behand- 


Faoetiae  Tulliaiuie  343 

Ad  fam.  IX  18,  3  Exfremum  illud  est^  quod  tu  nescio  an 
jtrimum  putes:  plures  iam  pavones  confeci  quam  (u  ptdfos  cdum- 
binos.     Tu  istic  ie  Hateriano  iure  ddecfaSy    ego  me  hie  Jlirdano, 

Veui  igitur^  si  vir  es,  et  f  disceam  προλεγομβνας,  quas  qnaens; 
etsi  sus  Minervam,    f  sed  quomodo   video,     Si  aesiimationes  tttas 

rendere    non    potes    neque  oUam  deuariorum  implcre,  liomam    tibi 
reniigrandum    est;    satiua    est  hie  crudifate  quam  illic  fame.     So 
lautet  die  Ueberlieferung  in  M;  in  D  lesen  wir  disce  απρολεγο- 
μ€νας.   Boot  (*obe.  crit.'  p.  20)  vermnthet:  disce  α  me  προηγμένα, 
weil  προλεγόμενα,  wie  Mendelseohn   zugiebt,   bei  Cicero  und  im 
klassischen  Griechisch    nicht    nachweishar  ist.     Aber  προηγμένα 
passt  dem  SinDC  nach  nicht  recht.     Es  bedeutet  nach  der  Lehre 
der  Stoiker  Dinge,  die  zwar  nicht  gut  an  sich  (αγαθά ),  aber  doch 
diesen  nahestehend  und  nicht  verwerflich  sind.     Cicero  nennt  sie 
mnst  promotOt  producta,  praepositay  praeciptia,  aber  er  rechnet  zu 
diesen  niemals  die   gastronomischen  GentlBse,    auf  die  hier  ange- 
spielt wird.     Für  diese  haben  die  Stoiker  den  verächtlichen  Aus- 
drnck  όποπροηγμένα,   den  Cicero    in    dem    Briefe  an  Varro  (ad 
fam.  IX  7,  2)  gebraucht:  itaque  unUum  est  όποπροηγμενον,  quod 
mn  verear^  ebenso  de  fln.  III  15:  .  .  p%Uo  concedi  nobis  oportere, 
ut  Graeco  verbo  tUamurj  si  quando  minus  occurref  Latinum,  ne  hoc 
'ephfpj)iis*  et    * acratophoris*  potius   quam   'proegmenis*  et   *apO' 
proegmenis*  conce-datur,  quamquam  haec  quidem  *praeposita    recte 
et  *reiecta*  dicere  licebit.    Das  in  D  erhaltene  anlautende  α  scheint 
ein  Fingerzeig  zu  sein,    dass  auch   in    unserer  Stelle  von  Cicero 
άποπροηγμενας  (sc.  res),  quas  quaeris  gestanden  habe.     Paetus 
war  ein  Fei  η  schmeck  er,  den  Cicero  deshalb  beständig  neckt.    Sich 
itelbst  bezeichnet  Cicero  auf  diesem  Gebiete  als  Neuling.     Wenn 
er  also  den    angeblieh   verarmten,    hungernden  Freund    jetzt    zu 
sich  lädt,  um  ihm  bei  sich  über  die  reiecta   einen  Lehrcursus  zu 
ertheilen,    so  paest  dazu  die   anschliessende  Bemerkung:   eist  sus 
Minervam  (sc.  docebo).     Die    Stelle    muRs    früh    von    einem    des 
Griechischen  Kundigen  entstellt  worden  sein,  denn  προλεγόμενος 
ist  nicht  verschrieben,    sondern    schon  Conjectur.     Deshalb  wage 
ich  eine  Aendernng,  die  sich  etwas  stark  von  der  Ueberlieferung 
entfernt:  et  disce  am(jß)  ά<πο)προηγμένα,  quae  quaeris.  '(Komme 
also,    wenn    da  ein  Mann  bist,)  und    lerne  von  mir  die  Nichtig- 
keiten, auf  die  du  ausgehst,  obgleich  üa  das  Schwein  die  Minerva 


lang  unserer  Stelle  durch  briefliche  Mittheilung  bekannt  wurde,  stimmt 
ihr  bei  und  hat  Text  und  Erklämng  dem  enUprecbend  gedruckt. 


344  Garlitt 

[belehren  muee]*.  Cicero  schreibt  dies  im  Tueculannin  (§  1); 
Paetus  iet  in  Neapolis.  Wenn  nun  Cioero  sagt:  Satius  est  hie 
cruditate  quam  istic  fame  (sc.  perire),  so  bezeichnet  er  mit  hk 
nicht  nur  Tneculum,  sondern  zugleich  Rom,  mit  istic  aber  Nea- 
polie.  Der  dazwischen  liegende  Gedanke  muss  also  den  Wortlaut 
und  Sinn  haben:  8i  aestimationes  luas  vendere  non  poies  neque 
ollam  denariorum  implerej  (non  Neapolim  sed)  Romam  tibi  remi- 
grandum  est.  Denn  damit  stimmt  das  Weitere  überein:  Yideo 
te  bona  perdidisse:  spero  idem  istic  famüiares  tuos  'ich  hoffe, 
dass  auch  deine  Freunde  in  Neapolis  verarmt  sind',  so  dass  da 
in  Rom  hleiben  mnsst.  '^  Besser  in  Rom  an  verdorbenem  Magen, 
als  in  Neapolis  Hungers  sterben'.  Die  Bss.  bieten:  sed  quo- 
modo  Video  si  aestimationes  (M  und  D  ohne  si).  Daraus  glaube 
ich  Ciceros  Hand  herstellen  zu  können,  in  dem  ich  schreibe :  Sed 
si,  quomodo  video,  aestimationes  usw.  Cioero  stellt  es  absichtlieb 
als  höchst  unwahrscheinlich  hin,  dass  Paetus  wieder  zu  Vermögen 
komme,  um  eben  den  Scherz  vollkommen  zu  machen,  dass  Paetue 
vor  dem  Hungertode  stehe,  wenn  er  nicht  zu  ihm  nach  Rom- 
Tuscttlum  reise.  Jeder  Verzug  ist  also  von  Uebel;  'deine  aesti- 
mationes, sagt  er,  wirst  du  ja  doch  nicht  los,  bekommst  ja  doch 
—  qμomodo  video,  wie  ich  deutlich  sehe  —  keine  Groschen  wieder 
in  deinen  Spartopf*.  Quomodo  video  ist  also  gebraucht  wie  pr. 
Roso.  Am.  7  (worauf  Schmalz  verweist):  ego  contra  brevem  )mtu- 
L•tion€m  adfero  etj  quomodo  mihi  persuadeo,  aliquanto  aequiorem 
(s.  auch  L.  Mendelssohn  a.  1.).  Für  meine  Vermuthnng,  dass  si 
nicht  unmittelbar  vor  aestimationes  stand,  sondern  dorthin  in  Μ 
wohl  erst  conjicirt  worden  ist,  giebt  D  einen  Anhalt,  wo  si  über- 
haupt fehlt.  Dagegen  sed  quomodo  vide(ry>  (oder  video)  zorück- 
zu  beziehen  auf  etsi  sus  Minervam,  und  mit  Si  aestnnationes  fort- 
zufahren, wie  Bengel,  Baiter,  Wesenberg,  Boeckel  ep.  91,  Tyrrell- 
Purser,  C.  F.  W.  Müller  wollen,  halte  ich  für  eine  Abechwächung 
des  Scherzes:  etsi  sus  Minen>am  und  ebenso  des  folgenden 
Scherzes,  der  dadurch  besonders  wirkt,  dass  Cicero  seinem  Freunde 
jede  Hoffnung  auf  pecuniären  Aufschwung  zu  nichte  macht. 
Meine  Leβμng  hatten  schon  Orelli  und  Schmalz  (Jahrb.  f.  ol.  Pbil. 
1891  S.  339)  empfohlen. 

Ad  fam.  IX  10,  2  glaube  ich  mit  leichter  Aenderung  aus 
ingentium  fularum  und  aus  cum  Sophia  Septume  den  Text:  t*«- 
gentium  salarum  (Forellen)  .  .  .  cum  σοφίας  επιτομή  und  damit 
einen  anmuthigen  Scherz  hergestellt  zu  haben  (Philol.  1900S.622  ff.). 

Ad  fam.  IX  19,  1  habe  ich  in  der  Berl.  phil.  WS.  1900 


Fsoeiiae  TulliAnae  345 

X.  48  Sp.  1500  behandelt:  ad  suatn  heient  'zu  eeiuer  Geliebten*. 
£b  bedarf  also  auch  hier  keiner  Gonjectnr. ' 

Ad  fam.  IX  20,  2:   dediscendae  tibi  sunt  aporteUae  (MD', 
sportulae  HD^)  ei  artolagyni  iui:  noa  tarn  f  ea  artia  tantum  ha- 
bemuSf  ut  Verrium   tuum  et  CamiUum  —  qua  munditia  homineSf 
qua  eleganiiaf  —  voeare  saepius  audeamue.    So  lautet  die  Ueber- 
liefemng.     In    den   Ausgaben    findet    man   statt   artolagyni    stets 
arfohgamy  den  Namen  einer  Speise,  eines  Pfannknehens,  der  aus 
Mehl,  Wein,  Milch,  Gel,   Fett  und  Pfeffer  bereitet  wurde  (Plin. 
b.  D.  18,  105).      Griechisch    heisst  diese   Speise    όρτολάγανον 
(Athen.  3  p.  113^),  ist  also  Neutrum,  wie  das  Simplex  λάγανον, 
kganum  (Gels.  2,  22  und  8,  7   Apio.  4, 134).     Dass  daneben  aber 
aach  das  Masculinum  όρτολάγανος  oder  lat.  artolaganua  unmög- 
lich sei,  kann  nicht  behauptet  werden.    Das  Genus  wechselt  oft,  so 
aoeh  in  τάριχος,  ου,  ό  und  τάριχος,  ους,  τό  (Athen.  3  ρ.  119^). 
Εβ  sind  andere  Gründe,    weshalb  ich  die  Conjectur    glaube    ab- 
lehnen zu  müssen.    So  oft  (Cicero  zu  Paetus  kam,  wurde  er  von 
diesem  mit  dem  tyroiarichus  tractirt  (ad  fam.  IX  16,  7  s.  oben; 
9:  Tu  vero  ad  tyrotarichum  antiguum  redi).    *  Die  Erinnerung  an 
diese  Speise   muss  sich  in  Ciceros  Seele  mit  der  Person  des  Paetus 
fest  verbanden  haben,  wenn  er  zwei  Jahre  später,   ad  Att.  XIY 
16, 1  (an.  44)  schreiben    konnte :    Ich  bedachte   den  tyratariehus 
des  Paetus  mit  einem  üeberfall '.    (C.  Bardt,  Comment.  U  S.  256.) 
Wenn    also  Cicero    den    Paetus    mit   einer   Speise    hätte    necken 
wollen,  so  wäre  es  wohl  auch  in  unserer  Stelle  das  'ewige  Fisch- 
ragout' (tyrotariehus  antiquus)  gewesen.    Sodann  steht  artolagyni 
Deben  aparteüae.     Beide  Namen  müssten    entweder  Speisen  oder 
Geräthe  bedeuten.    Sportella  ist  aber  keine  Speise.   Sporta  heisst 
der  Korb,  sporiella  das  Körbchen  (Suet.  Dom.  4  Petr.  40,  3)  und 
als  Küchengeschirr  ein  Geräth,    in  dem  man  Speisen  leicht  auf- 
kochen oder  braten  Hess  (Apic.  6,  248;  8,364  und  374).    Spor- 
tiUa  war  also   entweder   ein    kleiner  Herd,    ein  Feuerbecken    in 
Korbgestalt,  oder  ein  Gefäss,  das  auf  dem  Feuerbecken  gebraucht 
wurde.     Man  hat  allein   aus  unserer  Stelle  geschlossen,    dass  es 
ein  '  Speisekörbchen  bedeute  und  die  darin  gegebene  kalte  Küche, 
das    kalte    Gericht,    im    Gegensatz    der  förmlichen    Mahlzeiten* 
(Georges,  Wörterb.'^  s.  y.)  und  deshalb  dazu  ein  zweites  Gericht, 
ariolaganit  durch  Conjectur  geschaffen.    Bleiben  wir  bei  der  durch 
Apicius    gesicherten  Deutung,    dass  sportella  ein  Kochgeräth  ist, 
so  kann  auch  artolagyni  keine  Speise  bedeutet  haben.     Alle  drei 
besten  Hss.  stimmen    in  der  Schreibung   dieses  Wortes    iiberein. 


346  Gurlitt 

Gruod    genug,    es    mit  allen  Mitteln  zu  vertheidigen.     Auch  za- 
gegeben»   daes  hier  eportella  das  Körbchen    mit    seinem  trocke- 
nen, kalten  Inhalte    sei,    so  würde  doch  auch    das    andere  Wort 
schwerlich    eine   Speise,    sondern    Gleichartiges  bedeuten.      Nun 
giebt  es    auch  das   Wort  άρτολάγυνος  (Polemo  cp.  1 :    άρτολά- 
γυνος  πήρα,    *ein  Ranzen    mit  Brod  und   Flasche'  nach    Passow 
Handwörterb.  d.  gr.  Sp.*  s.  ▼.  άρτ.).     Εβ  bedeutet  λάγυνος  be- 
kanntlich einen  breitbauchigen  irdenen   Krug,    ebenso  das  in  der 
Form  vielfach  wechselnde  lat.  Wort  lagoena,   lagona^  laffuna^  la- 
gynos  etc.    Artoiaggnus  musste  also  ein  Gefass  sein,  in  dem  Brod 
bewahrt  oder  gebacken  wurde.     Dass   aber  ein  Brodbaeken    aaf 
einem  so  genannten  Geräthe  je  stattgefunden  habe,  ist  nicht  nach- 
weisbar   und    deshalb    nicht   glaublich,    da  wir    den  Namen  für 
diese    kleinen    thönemen  oder  silbernen  Backöfen  mit  ziemlicher 
Bestimmtheit  kennen.    Wenigstens  hat>mich  O.  Benndorf  in  eeinem 
Aufsatze  ^Altgriechisches  Brod*  (£ranos  Vindobonensis   S.  372— 
385)  davon  überzeugt,    dass   diese    griechisch    κλίβανοι    hieseen; 
ebenso  ist  clibanus  im  Lateinischen  gebrauchlich.    £r  wäre  dann 
artölagyHOS  ein  *Brodkrug\  also  wohl   ein  Geräth,    in  dem    man 
Brod  vor  Trockenheit  oder  Mäusen  schützte,    oder   in   dem  man 
es    auf   dem   Tische    servirte,    etwa    unseren  Gakesbuchsen    ent- 
sprechend.    Es    könnte    aber  natürlich  auch  eine  Art  Casserolle 
gewesen  sein,  in  der  man  Brod  oder  in  unserem  Fall  das  Fisch- 
ragout  zu  backen  oder  braten  pflegte.     Wir    kennen    die  Benen- 
nungen der  zahlreichen  Küchengerathe  so  wenig,    dass    wir   uns 
bescheiden  müssen.     Jedenfalls  will  Cicero  hier  zwei  bescheidene 
Geräthe    nennen,    die   bei  Paetus    zur  Bedienung    der  Gäste    ge- 
braucht wurden,  und  dazu  ausreichten,  die  aber  in  Vergessenheit 
kommen  müssten,    wenn  Cicero  mit   jetzt    sehr  gesteigerten  An- 
sprüchen an  die    Küche    wieder  sein  Gast  sein  sollte.    *An  deine 
Casserölchen    und  Brodbüchsen   ist  jetzt  nicht  mehr  zu  denken!* 
so  möchte  ich  die  Stelle  übersetzen  und  sehe  mich  darin  bestärkt 
durch  das,  was  Cicero  weiter  sagt :  cum  homine  edaci  tun  res  est, 
et  tjui  iam  aiiquid  intdlegat  (όψιμαθεΐς  auiem  hamines  scis  quam 
insolentes  sM).    Bis  hierher  brauchten  wir  nur  die  Ueberlieferung 
zu  interpretiren,  jetzt  aber  folgt  eine  Textverderbniss.     Man  bat 
schon  viele  aber  nicht  zum  Ziele  führende  Yersuche  gemacht,  die 
Worte  Xos  iam  f  ex  artis  tanium  hahemus  sq.  zu  emendiren:  Xas 
iam  arte  oder  ex  artis  βα,  exquisitae  artiSy    ejcercitaiioms,  όιμαρ- 
τυτικής,  όψαρτυσίας  —  nichU  konnte  befriedigen.    Offenbar  «Und 
hier  ein  griechisches  Wort,  das  zu  sportellae  und  arUAagyni  eine 


Faoetiae  Tullianae  347 

Steigerang  bedeutet.  Beecheidene  Herrichtangen  reichen  für  bu 
verwöhnte  Gäste  nicht  ans,  es  müssen  grössere  Mengen  bereit 
gehalten  werden.  Das  führt  auf  die  bekannte  Wendung  seaies 
iantum  (sechsmal  so  viel),  oder  da  es  griechisch  sein  soll,  έΕάκις 
tantumj  das  lateinisch  geschrieben  (EXAEIS)  der  Ueberlieferung 
exartis  nahe  genug  steht  ^ 

Im  Philol.  1898  S.  403  ff.  haUe  ich  den  Versuch  gemacht, 
die  Worte  des  Briefes  ad  Att.  XVI 11,  l  Asia  ea  aegre  me  tenui 
1UW.,  welche  über  Ciceros  zweite  Philippica  handeln,  in  obscönem 
Sinoe  zu  erklären  und  zu  berichtigen.  Diese  Behandlung  hat 
sehr  verschiedene  Aufnahme  gefunden  ^.  Nur  0.  £.  Schmidt  hält 
sie  für  völlig  verfehlt  und  ist  über  sie  wie  über  andere  meiner 
Vorschläge  sittlich  entrüstet  (Rhein.  Mus.  LV,  1900,  S.  407  ff.). 

Während  er  vordem  hinter  asta  ea  einen  Eigennamen  suchte  ^ 
sagt  auch  er  jetzt  mit  der  Bestimmtheit,  die  ihm  eigen  ist,  hasta 
bedeute  hier  dasselbe  wie  das  griechische  όβελός,  das  Zeichen 
der  Athetese  .  .,  also  asta  ea  aegre  me  tenuL  'loh  habe  deinen 
όβ€λός  nur  ungern  stehen  lassen'.  Statt  φαλλψ  Luciliano  sollen 
wir  maliiia  jAtcüiana  lesen  und  uns  bei  der  Verbal tnissmässig 
harmlosen'  Stelle  jedes  Gedankens  an  eine  ObscÖnität  enthalten. 
Dem    habe    ich  zu  erwidern:    Cicero  bezeichnet  selbst  durch  die 


^  Ich  dachte  auch  an  έσχάρας  tantutn,  gebe  aber  dem  Obigen 
den  Vorzug,  weil  die  Wendung  sexies  tantum  formelhaft  ist  sum  Ans- 
drocke  eines  vielfach  Grösseren. 

>  C.  F.  W.  Müller  hält  sie  für  zutreffend,  A.  C.  Clark  ('the  class. 
tey'  XIV,  1900  p.  176)  nennt  meine  Conjeotur  sine  φαλλψ  {coa,  vaUo) 
LuäUano  'brillant* ;  £.  Schelle  sagt  (Neue  Philo!.  Rundschau  XX,  1900 
S.  469):  'Die  Stelle  ist  durch  GnrlHt  aufgeklärt  worden*;  0.  Plasberg 
(WS.  für  klass.  Phil.  XV,  1898  S.  1198):  'Der  Versuch  sine  φαλλφ  Lu- 
dUano  zu  schreiben,  vorher  (h)asta  (=  φαλλφ)  beizubehalten  und  in 
beidem  die  Andeutung  einer  Obeoonität  zu  sehen,  deren  Beseitigung 
Atticus  durchgesetzt  hätte,  sei  nicht  als  unmöglich  abzuweisen,  aber 
keinesfalls  als  sicher  anzunehmen*.  Ablehnender  urtheilt  Tb.  Schiebe, 
Jahresber.  zu  Ciceros  Briefen'  in  der  Zeitschr.  f.  d.  Gymnasial wesen 
XXV,  1899  S.  336  f.,  welcher  asta  mit  Fr.  Schmidt  (Prgr.  von  Würz- 
barg 1892  S.  32  f.)  als  οβελός  π€ρΐ€στιγμένος  fasst  und  demnach  die 
Worte:  <ab)  hasta  ea  aegre  me  tenui  übersetzt:  'von  diesem  deinem 
Striche  habe  ich  mich  nur  mit  Mühe  femgehalten\ 

s  Rhein.  Mus.  Bd.  LUX  S.  233  A.  1.  'So  kann  ich  zB.  den  Kamen 
der  Frau  nicht  herausbringen,  die  Cicero  trotz  ihrer  Beziehungen  zu 
Antonius  doch  in  der  II.  Phil.  (§  3)  schonen  will,  ein  Name,  der  sich 
in  dem  Buobstaben-Conglomerat  asta  ea  verbirgt*. 


348  Garlitt 

Sohlueebenierkuiig  ^moriar  nisi  facetc!  den  Inhalt  seiner  den  Sicca 
betreffenden  Bemerkungen  als  im  hohen  Grade  witsig.  Scbmidt 
bleibt  uns  den  Witz  echuldig. 

Hasta  =  όβελός  zu  erklären,  schien  mir  aus  sprachlichen 
Gründen  unannehmbar.  Wenn  Cicero  hätte  «agen  wollen:  *ich 
habe  deinen  Strich  nur  ungern  stehen  lassen  ,  so  hätte  er  nicht 
das  Pronomen  βα,  sondern  doch  wohl  ista  schreiben  müssen.  Be- 
zeichnet er  doch  sogar  in  demselben  Zusammenhange  seine  eigene, 
von  Atticus  nur  leise  redigirte  Rede  mit  den  Worten :  ista  onUio. 
Sodann  wäre  erst  nachzuweisen,  dass  Cicero  ienere  auch  mit  dem 
blossen  abl.  separationis  in  dem  Sinne  ^  sich  einer  Sache  ent- 
halten* gebraucht  habe,  statt  mit  α  und  abl.  Die  blosse  Be- 
hauptung, dass  das  zulässig  sei,  kann  doch  nicht  ausreichen  ^ 

Ferner  wäre  erst  noch  zu  belegen,  dass  Cicero  und  seine 
Zeitgenossen  hasta  in  dem  Sinne  von  όβελός  gebraucht  haben. 
Mir  ist  mit  dieser  Bedeutung  bei  den  Lateinern  nur  veru  und 
obelus  nachweisbar.  Cicero  selbst  würde,  zumal  in  einem  Briefe 
an  Atticus,  wahrscheinlich  den  griechischen  Ausdruck  όββλός 
gebraucht  haben,  da  er  auch  in  einem  Briefe  an  P.  Dolabella 
(ad  fam.  IX  10,  1)  sagt:  alter  Aristarchus  hos  (versiculos)  oßeXl2[eL 
Wenn  man  mir  bestreitet,  dass  obscöne  Gedanken  hier  zu  Grunde 
liegen,  so  frage  ich,  ob  eine  andere  Beschimpfung  (cotitumelia) 
als  eine,  die  auf  sexuellem  Gebiete  liegt,  da  wahrscheinlicher 
angenommen  wird,  wo  es  sich  für  Cicero  um  eine  Verunglimpfung 
des  Familienlebens  des  C.  Antonius  handelte?  Sicca  und  Septi- 
mia  aber  waren  in  der  unredigirten  Rede  Ciceros  an  der  Stelle, 
wo  des  Antonius  erste  Ehe  mit  der  Freigelassenen  Fadia  und  die 
Kinder  dieser  £he  besprochen  waren,  in  beschimpfender  Weise 
genannt  worden.  Mehr  wissen  wir  freilich  nicht.  Auch  daran 
halte  ich  fest,    dass  mit  παίδες  παίοιυν  in  scherzendem  Doppel- 

^  Auch  sonst  wird  die  Stelle  sprachlich  keineswegs  gefalliger, 
wenn  wir  Schmidt  folgen.  Denn  wenn  Cicero  sagen  sollte:  'Deinen 
Strich  habe  ich  nur  ungern  anerkannt*,  so  kannte  er  das  kaum  unge- 
schickter thun,  als  mit  den  vorliegenden  Worten.  Dazu  kommt,  dass 
Atticus  nicht  durch  einen  Strich,  sondern  durch  ausfuhrlichere  brief- 
liebe Begründang  die  Aenderung  der  Stelle  gefordert  hatte.  Er  hat 
auch  die  Glanzstellen  nicht  angestrichen,  sondern  ausgeschrieben  (άνθη 
po8u%8t\)  —  darin  hat  Piasberg  aaO.  S.  1198  Anm.  2  doch  wohl  das 
Rechte  angedeutet  —  und  wird  sich  wohl  überhaupt  nicht  gestattet 
haben,  im  Originale  zu  corrigiren,  wenn  auch  Cicero  scherzhaft  sagt, 
er  habe  den  Rothstifl  gefürchtet  Kurz,  die  Sache  ist  nicht  so  klar 
und  einfach,  wie  Schmidt  die  Leser  glauben  machen  will. 


Facetiae  Tallianae  349 

sinne  geeagt    werde,   eretene   *8o  dase  ee  Eindeakinder   vripsen, 
zweitens,  *eo  dase  man  wiese,  Kinder  von  Kindern .    War  Fadia 
etwa   in  Wahrheit    oder    einem  Klatsche    zufolge    die    illegitime 
Schwester  des  Antonius,  dann  aber  thatsächlich  seine  Gattin,  so 
konnte  Cicero  die  Kinder  dieser  Ehe  als  παίδες  παίδων  bezeichnen. 
Doch  lege  ich  auf  diese  Deutung,  die  auch  Piasbergs  und  Sohiohes 
Widerspruch  gefunden  haben,  weniger  Werth.     Sie  wtirde  jeden- 
falle  zu  dem  Tone  und  Öedankenkreise,    durch  den  Cicero  seine 
politischen  Gegner  verfolgt,  durchaus  passen  —  *denn    der  Hass 
verleitete  ihn,  seine  Pfeile  in  Schmutz  zu  tauchen*   (Druroann  G-. 
R.  VI  S.  606)  —  und  wfirden  ebenfalls  witzig  die  Schlussbemer- 
kung mariar  nisi  f<icete\    rechtfertigen   helfen.     Wer   also    hier 
keinen  witzigen  Sinn  nachweisen  kann,  der  hat  Cicero  jedenfalls 
nicht   verstanden.     Meine  Interpretation   ist   weder  ^gewaltsam* 
noch  habe   ich  den  'Gedanken  verpfeffert*.  Denn  erstens  ist  asta 
überliefert.     Ich  handle  daher  im  guten  Rechte  des  Textkritikers, 
wenn  ich  mich  bemühe,   die  Ueberlieferung  zu  halten.    Zweitens 
iflt  meine  Aenderung    von    vMo  Lueilicmo   in   φαλλφ  Luciliano 
graphisch  bei  weitem  näher  liegend,   als  irgend  eine  bisher,    be- 
sonders   aber    als   die  von  Schmidt  vorgeschlagene  maliiia  Lud- 
iana,    ^egen    die    ausserdem    Schiebe  aaO.    S.  375    (nicht    eben 
glücklich)    geltend    macht:    ^sie    würde    einen    Vorwurf   gegen 
Lnciliue    enthalten,    der    hier    Cicero    fern    liegt\      Für    meine 
Conjectnr  spricht  sodann  das  vorausgehende  <i$ta  —  hier  schützt 
eins    das  andere   —  ;   es  spricht  dafür  auch  die  Erfahrung,   dase 
griechische  Worte    in    den   Briefen    sehr    häufig    als    lateinische 
rerschrieben    sind,    so    in    demselben    Briefe    ανθη    als    ante ; 
Schmidts    Widerspruch    aber,    dass    φαλλός   sonst    nirgends    bei 
ficero  vorkomme    und   in  dem   abstracten    Sinne  =   Zote    über- 
hiupt  nicht  belegt  sei,  ist  doch  zu  nichtssagend.     Oder  ist  etwa 
die  Aendemng  von  ante  in   ανθη    deshalb  weniger  richtig,  weil 
Hieb,    80    viel    ich    sehe,    dieses    griechische    Wort    nur    einmal 
bei  Cicero  und  zwar  an  dieser  Steile  findet?  Das  Wort  φαλλός 
aber  in  abstractem  Sinne  zu  nehmen,  hat  nicht  die  geringsten  Be- 
denken: denn  es  ist  eine  bei  Dichtern  und  Prosaikern  gleich  be- 
liebte Figur,  das  Concretum  für  das  Abstractum  zu  setzen,  so  oa 
für  oratio,  pectus  für  animus.     Wem  das  nicht  genügt,  den  ver- 
weise ich    auf  die  schon  oben  erwähnte  Briefstelle,   ad  fam.  IX 
22,  2.    Dass  Lucilius  einen  derben  Ton  liebte  und  so  wenig  wie 
PlautuB  vor  Zoten  zurückschreckte,  ist  bekannt,  und  ich  kann  auf 
V'arro  (bei  Nonius  201,  6)  verweisen,  wo  es  heisst:    atavi  nostri 


Guriiti 

M*mm  iw•  rafpe  earam  verha  okrmt,   tarnen  aptime  antmäi 

*^,  Kiiw»  'ungerechtfeHigte  AburtheiluDg  über  Cioeroe  Charakter 

Tird  mir  mit  mcht   mehr   Berechtigung    «um   Vorwurf  gemacht. 

«oero  giebt  eelbst  «o,  daee  er  eich  von  eeicem  Haaee  gegen  Ad• 

tonin»  habe  verleiten  lassen,    Beschimpfungen  auch  gegen  seinen 

Wobltbtfter  und  bisherigen  Freund  Sicca  in  seine  Rede  aufzunehmen. 

Schmidts  Bemerkung:  'Es  ist  nur  gut,  dass  das,  was  wirklich  in 

der  IL  Phil,  steht»  uns  die  Probe  machen  läset  auf  den  verhaltniss- 

mäesig  harrolosen  Inhalt  der  Worte  sciant  παίδες  παίδων . . .  ewm  etc/ 

beweist,    dass  er  diese  Stelle   irrthfimlioh  für  den  ursprünglichen 

Text  h&lt,    w&hrend    es  doch   nur  der  schon   redigirte  Text   sein 

kann,  aus  dem    die  ctmiumelia  entfernt  ist    War  in  der  Komödie 

ein  Wortspiel  mit  4Msia  beliebt^,  so  musst«  sich  jeder,    der  nicht 

unwillkürlich    Gelächter    erzeugen    wollte,    mit    dem    Gebrauche 

dieses  Wortes  vorsehen.     Denn  die  Römer  waren  in  solchen  Dingen 

sehr  feinhörig'.     Nahm  Cicero  aber  einmal  trotz  seiner  sonst  — 

auch  nur  angeblich  '  —  bewahrten  verecundia  loquendi  ein  Citat  aoe 

der  Komödie,    einen   Volks witz    oder    den    derben    Scherz    eine« 

Freundes    in    seine  Briefe    auf,    so   wusste    er,    was  er  that  und 

braucht  deshalb  von  niemandem  in  Schutz  genommen  zu  werden. 

Das  gilt  also  auch  von  der  Stelle  eines  Briefes  an  P.  Dolabella, 

ad  fani.  IX  10,  3,  die  ich  im  Philol.  LVIII  (N.  F.  ΧΠ)  S.45ff. 

unter   dem  Titel  *Atiue   pigmentarins   und  Verwandtes'  mit 

awei  andi^ren  Stellen  zusammen  in  diesem  Sinne  behandelt  hatte. 

Die  Stielte  lautet :  Cum  ipihar  mihi  erit  eaploratum  ie  Ubenter  esse 

risurnm,  sctibtm^  ad  te  pUiribus.  Tt  famen  hoc  scire  volo,  vementer 

mminm   i^4Udhm  fmsse,  de  P.  Suüae  morte  ante  quam  certum 

^^oitfit.     A'HJic  iiuaertre  de^ientnt,  quo  modo  perierii;  satis  pudnä 

S0  M^rn^,   tfuod  staunt.     Epo   eei^oqui   aequo    animo  feto;   unxm 

vwti^\  nt  hßi^%\  (W^^rit^  rtfrixerü, 

i^v|ti»n  meine  Behauptung,  dass  die  letzten  Worte  obscönen 
Sinn  haWii,  umoht  IX  R  Schmidt  suniohst  geltend :  Das  w&re  des- 

^  IMaul.  M\v»t.  .'h*H,  wv>  man  den  obeconen  Sinn  nidit  erkannt 
Imt,  %»lHniiK»\vwu|8  >Ärit»  i»  don  Worten  (327)  qmd  mSki  in  mamk  est,  die 
»M  wkUiv«  Miul  aurx'K  Ari*t.  nub.  734  «λήν  d  τ*  ηέος  έν  τή  bcEiqi 
««α   ι^^«   K\u    xs  xs^^i  ,,  i^i^^j^   3^^,    ,,^-  3JJ  g   260  und   Bücheier 

*  IvU  <^\Hmurt»  «u  Oi'ikt.  i\  45  iQuint.  VIII  3);  erinnere  auch  noch- 
u^Hl•  i^u  sl^vn  ^>^^,.  ^1^^^^^   lV»»»i*   hvvhst   Khrr^ichen  Brief  an  Paetns  (ad 


Α 


vvi    bimuA»m  ^.U.  VI  S  n.  IX  22,  1;5. 


Faceüae  Tollianae  äbl 

halb  falsch,    'weil  das  hohe  Alter    des    yeretorbenen  Snila    den 
Gedanken  ansschlieeee,    dass  er  für  Cäsar    ein  Gegenstand    wol- 
lüstigen Begehrens  gewesen  sei.     Salla    starb  nämlich  als  Greis 
von  60 — 70  Jahren'.     Das  war  mir  nicht  unbekannt,  wie  mein 
Citat  ans  de  off.  II  8,  29  (S.  46)  beweist.     Trotzdem  meine  ich, 
<lase  sich    der  Scherzende,   der  mit  dem  Doppelsinne  der  Worte 
hasta  und  refrigeseere  spielt,  um  die  Glaubwürdigkeit  oder  innere 
Wahrscheinlichkeit  des   Witzes    wenig    kümmerte.     Dieser  Witz 
hatte    nur  den  Zweck   der  bitteren  Stimmung  des  Volkes  gegen 
den  Verstorbenen,    der  wie  wenige  verhasst    war,    und    zugleich 
gegen  Cäsar  Luft  zu  machen.     Wenn  dabei  eine  leichte  Möglich- 
keit dnrchklangy  dass  Cäsar  und  Sulla  jemals  in  wollüstigem  Ver- 
kehre gestanden  haben  könnten,    so   genügte  das  den  Spottsüch• 
tigen.     Dass    man   sich    den  Witz  in    der  Stadt   zurannte  {fama 
mi8urrit\   dass  Cicero  hier  wohl  blos   den  Stadtwitz  kolportirt, 
schliesse  ich  ans  ep.  XV  17,  2  Caesarem  ptUabant  moleatt  laturuMj 
rererUem  ne  hasta  refrixisset.     Man  muss  sich  zum  VerständniRse 
solcher  Wortwitze,  für  die  der  Südländer  auch  heute  noch  grosse 
Vorliebe    hat,    an  verwandte,    so    an  Moltkes    von  Bismarck  er- 
zählten Witz  von  der  'gesprengten*   Brücke  in  Dresden  erinnern 
(Gredanken    nnd  Erinnerungen  II    S.  92).     *  Wissen    Sie   schon* , 
fragte  ein  Römer  den  andern  mit   erheuchelter  Traner,    Mass  P. 
^alla  gestorben  ist?'  —  Ma  wohl!  Aber  was  liegt  daran?' 'Nun, 
üe  Sache  ist  doch  ernst,  ich  fürchte,  ne  hasia  Caesaris  refriaerit  \ 
Uchend  gehen    beide  weiter,    um  den  Witz  gleich    wieder    dem 
nächsten  Bekannten  vorzulegen.    So  schliesst  auch  Cicero  seinen 
Brief  mit  diesem  Witze,  um  sich  einen  guten  'Abgang'  zu  schaffen 
vie  ein  Schauspieler,  der  dazu  wohl  noch  sein  plaudite  rief.    £s 
ist  ein    falscher   Anspruch,    dass   jeder  Witz  der  Wahrheit  ent- 
sprechen   müeee  (vgl.  de  erat.  II  59,  240;    60,  248).      Auf  die 
^i^e,  woher  ich  wisse,    dass  Cicero  einen  Witz    machen  wolle, 
(änn  ich  nur  antworten:  ^Yon  ihm  selbst \    Denn  er  leitet  seinen 
Bericht  über  den  Tod  des  Sulla  mit  den  Worten  ein:  *Wenn  ich 
erst  weiss,    daes  du  gerne    lachst,    werde  ich    dir    ausführlicher 
schreiben.    Aber  den  einen  Spass  sollst  du  doch  erfahren'  (te  ta^ 
*^  hoc  scire  volo)  und  nun  folgt  der  Bericht  voll  bitteren  Hohnes. 
^)  Ε.  Schmidt  (S.  405)    erklärt    unsere    beiden    Stellen  höchst 
nüchtern:  'Cicero  meint,  Cäsar  werde  über  den  Tod  des  P.  Cor- 
neliiu  Sulla  betrübt  sein,  in  der  Besorgniss,  die  Auctionen  könnten 
iu  Stillstand   kommen'.     Das    ist    ja    ungefähr  der   ehrbare  Ge- 
^^^'^^tf  hinter  dem  sich  der    obscöne  versteckt,    der   eben  veibia 


352  Oufliti 

tecius,  re  impudentior  (ad  fam.  IX  22,  I)  ist.  Aehnlich  boehaft 
war  Ciceros  Wits,  mit  dem  er  den  jungen  Octavian  eo  sohwer 
kränkte:  hudandum  adolescentem  arnandum  toUendwn  (ad  fam. 
XI  20,1)  —  ^man  miiee  ihn  loben,  ehren,  —  in  die  andere  Welt 
—  befördern '.  Dass  Schmidt  aber  den  wahren  Sinn  nicht  wieder• 
giebt,  ist  leicht  zu  erweisen :  zunächst  aus  rein  sprachlichen  Grün- 
den. Cicero  *  meint*  nicht,  sondern  er  fürchtet  {verecr),  er  fürchtet 
aber  auch  nicht,  Mie  Auctionen  könnten  in  Stillstand  kommen  , 
sondern  (ne  hasta  refriaerit),  sie  wäre  erkaltet.  Ebenso  heieot 
es  ad  fam.  XV  17,  2  Ckiesarem  putabant  moleste  laiurt0n,  verefäem 
ne  Jiasta  refrixisset.  Die  Geschäfte  des  GOterverkaufes  sind  doch 
nicht  mit  dem  Augenblicke  'erkaltet*,  als  Sulla  starb,  sondern 
sie  könnten,  falls  sich  für  Sulla  kein  ebenbürtiger  Käufer  finden 
sollte,  später  einmal  nachlassen.  Hätte  Cicero  das  sagen  wollen, 
so  würde  er  nicht  das  Perfect  und  Plusq.  gesetzt  haben.  Vor 
allem  aber  spricht  die  politische  Stimmung  Ciceros  gegen  eine 
solche  Deutung.  Man  denke  sich  die  Lage,  als  er  (kurz  vor  dem 
30.  Dec.  46)  den  Brief  ad  fam.  IX  10  schrieb.  Cäsar  stand 
mit  seinem  Heere  in  Hispania  und  C.  Vibius  Pansa  rüstete  sich 
(ad  fam.  XV  17,  3),  ihm  zu  folgen,  um  mit  ihm  die  Pompeianer 
niederzuwerfen.  Wie  gleichgiltig  mnsste  in  so  ernsten  Kriegezeiten 
dem  Cäsar  selbst,  wie  viel  gleichgiltiger  Cicero  die  Frage  sein, 
wer  in  Kom  die  Güterausschlachtung  der  Verurtheilten  besorge? 
Für  dieses  schmutzige  und  gewinnbringende  Gesehäft  werden  sieb 
nur  zu  viele  Hände  bereit  gefunden  haben.  Kann  Cicero  im 
Ernste  gesagt  haben:  Heb  fürchte  (t^ereor),  dass  Cäsars  Auc- 
tionen in  Stillstand  gerathen  sind',  während  er  in  Wahrheit  sicli 
darüber  nur  gefreut  haben  wird?  Konnte  ihm  daran  liegen,  dase 
Cäsar,  der  seine  Parteigenossen  bekriegte,  in  Rom  Geldgeschäfte 
mache  ?  Seine  wahre  Stimmung  giebt  er  in  demselben  Briefe  selbst 
mit  den  Worten  (§  3)  De  Hispania  novi  tttA•/,  sed  espedaiio 
magna:  rumores trisÜMes^  sed  αδέσποτοι.  Sehen  wir  weiter!  Meine 
Yermuthung,  dass  Cicero  in  dem  Briefe  an  Cassius  in  X7  17,2 
mit  Attius  pigmentarius  spöttisch  Octavian  bezeichne,  und  dass 
Cassius  in  demselben  Sinne  schreibe,  Cäsar  werde  den  P.  Sulla 
nicht  vermissen,  cum  filium  (==  Octavianum)  viderit,  bekämpft 
0.  £.  Schmidt  mit  folgenden  Gründen: 

*Cassius  sagt  ganz  einfach :  Cäsar  soll  sich  trösten  im  Hin- 
blick auf  den  Sohn  des  Sulla,  weil  dieser  dasselbe  Geschäft  be- 
treibt, wie  der  Vater*. 

Gewiss,  das  ist.    wie  ich  nie  gezweifelt  habe,    der  ehrbare 


Faoetiae  Tullianae  353 

Gedanke,  binter  dem  sieb  wieder  die  Zote  vereteckt.  Scbmidt 
fragt  freilieb:  'Woher  weiss  Gurlitt,  dass  Caseins  eine  Zote 
machen  will*?  leb  weiss,  dass  er  witzig  sein  will,  weil  er  aucb 
80D8t  den  Tod  des  Snlla  durcbans  spöttiscb  nnd  mit  bissigen 
Witzen  bebandelt.  Dass  er  aber  mit  fUium  denselben  bezeichnen 
wolle,  den  Cicero  Ätitis  pigmentarius  genannt  batte,  sobliesse  iob 
ans  dem  sonst  von  Gassius  beobachteten  Eingehen  anf  Ciceros 
Gedanken: 

Cicero  (E.  XV  17,  2)  C.  Cassins  (E.  XV  19,  3) 

Hoc  tu  pro  fua  snpientia  feres         cuitis  ego  mortem  forti  meher- 

(uquo  (mirno   —  cules  animo  tuli.  — 

Caesarem  putabanf  moleste  la-         nee  tarnen  Caesar  .  .  .  aecto- 

turum,   verentem   ne  hasfa   re-     rem  desiderabit,   cum  filium  vi- 

frixisset;  Mindius  Marcellus  et     derit. 

Atthis  pigmentarius  välde  gau- 

dcbani    se    adversarium   perdi- 

dis^e. 

Gegen  diese  Vermntbnng  aber,  dass  Cicero  mit  Attius  pig- 
mentarius und  ebenso  Cassins  mit  filius  den  jnngen  Octayian  be- 
zeichne, macht  0.  E.  Schmidt  als  yermeintlicb  durchschlagendes 
Ärgoment    gelten,    dass  Cäsars  Adoption    damals   noch  nicht  er- 
^^^S^f  geschweige  in  Rom  bekannt  gewesen  sei,   dass  mitbin  mit 
ßms  nnmöglicb  schon  Octayian  gemeint  sein  könne.    Das  klingt 
öberzengend,    denn    thatsScblicb    nahm  Cäsar  *Die  Adoption    des 
JQogen  Octavian   erst  am  13.  Sept.  45  yor  (unser  Brief  ist  aber 
^hon    im  Jan.  desselben  Jahres  geschrieben),  nnd    anob   damals 
blieb    die  Adoption    noch   ein    Geheim  nies.     Erst   im  Laufe    des 
Wintere   45/44  bildete  sich  in  der  Umgebung  Cäsars  die  Ueber- 
zengnng  aoe,  dass  Octayian  zum  Nachfolger  bestimmt  sei   (0.  Έ. 
Schmidt,  Jnn.  Brutus  in  den  Verhandl.  der  Görlitzer  Pbilologen- 
vers.  S.    178;    Gardthausen,    Augustus  I  S.  49).      Diese    Bemer- 
kungen sind  richtig,  sind  mir  aber  nicht  neu.    (Ich  hatte  deshalb 
auch    nicht    gesagt  *nach'  der   Adoption,    sondern  *zur  Zeit*  der- 
selben^).     Ich  nahm    an    und   scbloss    eben    aus    unserer  Stelle, 

1  Diesen  Ausdruck  hatte  ich  —  offen  gestanden  —  absichtlich  so 
nnbestimnit  gehalten,  um  die  Kritik  nicht  auf  einen  Einwand  hinzu- 
Wfiisen,  den  ich  für  nicht  stichhaltig  hielt  und  deshalb  auch  nicht  selbst 
erst  widerlegen  wollte.  Dazu  kommt,  dass  meine  Deutung  von  Atius 
pigmentarius  selbst  dann  zu  Kraft  besteht,  wenn  man  vorziehen  sollte, 
βΐΗΑ  hier  nur  auf  den  Sohn  des  Sulla  zu  beziehen.  Ich  gebe  aber  zu, 
dass  ich  besser  gethan  hätte,  meine  (i runde,  die  hier  folgen,  schon  im 
imeto.  Mna.  f.  Ffailol.  K.  F.  Lyil.  23 


ä54  Ourlitt 

dasB  dem  Vollzüge  der  Adoption  dan  Gerede  gleichen  tnhaltei 
voran Bgegangen  sei.  Da  Cäear  keinen  Leibeserben  hatte,  so  moee 
die  Frage,  wer  ihn  beerben  werde,  schon  früh  die  Gemüther 
stark  bewegt  und  die  Blicke  auf  seinen  Grossneffen  gerichtet 
haben.  Ich  mnss  mich  jedenfalls  wnndem,  dass  gerade  Schmidt  mir 
eine  Möglichkeit  abstreitet,  die  er  selbst  annähernd  schon  aoe- 
gesprochen  und  zur  Grandlage  einer  weitblickenden  Hypotheee 
gemacht  hatte.  In  seinem  bekannten  Vortrage  anf  dem  Görlit/er 
Philologentage  'M.  Innins  Brntas'  sagt  er  (S.  178):  'Nach  seiner 
Heimkehr  adoptirte  den  jungen•  Octayian  sein  Oheim  am  13.  Sept. 
fn  seinem  Testamente  (Snet.  Caes.  83),  und  wenn  dasselbe  auch 
geheim  gehalten  wnrde,  so  verriethen  doch  andere  Maee- 
nahmen,  wie  zB.  Oetavians  Entsendung  nach  Apollonia  .  .  .  . 
Cäsar s  Willen  auf  das  deutlichste  (Nicol.  Damasc.  16Γ. 
Mit  demselben  Rechte  nehme  ich  an,  dass  auch  vor  der  Adoption 
Cäsars  Wille  von  seinen  Neidern  und  Feinden  geahnt  oder  ibm 
doch  untergeschoben  wurde.  Denn  Cäsar  war  vor  Aasbruch  defl 
spanisrhen  Krieges  bis  Ende  Sept.  (neue  Aera)  46  in  Rom  (0.  R. 
Schmidt,  Der  Briefw.  S.  257),  Octavian  damals  in  seiner  Um- 
gebung und  nur  durch  Krankheit  verhindert,  Anfang  45  mit 
ins  Feld  zu  ziehen  (Nicol.  Damasc.  βίος  Καίσαρος  c.  10),  folgte 
ihm  aber  nach,  so  dass  er  im  Mai  mit  ihm  zu  Kalpe  in  Sad- 
spanien  zusammentraf  (O.  K.  Schmidt  aaO.  S.  369).  Es  konnte 
der  Umgebung  Casars  nicht  entgangen  sein,  dass  Octavian  bei 
Cäsar  in  Gunst  stand,  and  somit  ist  es  gewiss  nicht  anwahr• 
scheinlich,  dasa  man  schon  seit  Ende  46  die  Adoption  Oetavians 
als  Vermuthung,  als  eine  böee  Ahnung,  auaeprach^  Mehr  als 
eine  Yermuthung  braaoht  man  auch  in  dem  Worte  cum  fUium 
ridtrit^  *  wenn  er  erst  einen  Sohn  za  sehen  bekommt*,  nicht  za 
erkennen.  Als  Cicero  seine  Bemerkung  über  Aims  piginentarUts 
schrieb,  am  30.  Dec.  46  oder  bald  darauf,  war  Octovian  jeden- 
falls noch  in  Rom,  ebenso  Ende  Jan.  45,  als  Casaiua  schrieb: 
ΓΗΜ  fiUitm  vkUrii^  aber  dieser  wusate  wohl,  daaa  er  Ciaar  folgen 
wolle,  und  mag  deshalb  auf  die  bevorstehende  Begegnung  an- 
spielen *wenn  er  einen  Sohn  zu  sehen  bekommt*.  Grosse  Be- 
gt>benheiten  werfen  eben  ihren  Schatten  Toraae.    Um  nicht  schon 


ersten  Auf«at«<^  ausiusprtvh^n.     Der  >Vuii$ch,  kon  πα  sein,  verschuldet 
oft  Mimventtändiu»^, 

*  Man  tUnki»  an  di«»  tuv^*härtij:keit,  mit  der  SenaationsbedSrflige 
«n*•  M^  HotV  um!*«,  rn,  um  ÜU>r  lu  «e  Yeriobunir^n  and  dergl.  Gerücht* 
aus  «sU\*«oh 


t>*aoetiae  Tallianae  ^66 

Gesagtes  zu  wiederholen,  verweise  ich  im  üebrigen  auf  meinen 
Anfeatz  im  Philol.  (LVIII  N.  F.  ΧΠ  S.  45  ff.)^  Mögen  andere 
entscheiden,  ob  auf  diese  Hypothese  Schmidts  Urtheil  passt :  'Ich 
wfirde  sagen,  hier  ist  von  Gurlitt  alles  an  den  Haaren  herbei- 
gezogen, wenn  nicht  auch  in  diesem  Bilde  schon  ein  zu  grosses 
ZQgestftndniss  enthalten  wäre',  ob  es  femer  meine  Schuld  ist, 
wenn  er  gestehen  muss,  ^dass  fQr  solche  Beweisführung  seine 
Faseongsgabe  nicht  aasreiche'. 

Im  Weiteren  wendet  sich  Seh.  mit  zutreffenden  Gründen, 
die  aber  zumeist  schon  von  0.  Piasberg  in  einem  Oktoberheft  der 
WS.  f.  kl.  Phil.  1898  Sp.  1200  f.  vorgebracht  worden  waren,  beson- 
ders gegen  zwei  von  mir  schon  längst  aufgegebene  Gonjecturen, 
in  denen  ich  von  einem  falschen  Gedanken  verleitet  den  Orts- 
namen Astura  mit  leichter  Aenderung  für  astuie  einsetzen  wollte 
(ad  Att.  X  6,  1;  ad  fam.  Π  16,  6).  Es  ist  eine  Entstellung, 
wenn  Seh.  meine  Behandlung  dieser  vier  (soll  heissen  zwei)  Stellen 
spöttisch  als  ^ Probe'  des  von  mir  selbst  *8o  sehr  betonten  Con- 
eervativismue'  hinstellt.  Ich  übersehe  nicht  alle  von  mir  schon 
vorgetragenen  Gonjecturen,  glaube  aber,  dass  sich  zu  dieser 
Probe*  kaum    eine  zweite  gleichartige   wird  nachweisen  lassen^. 

^  [Corr.  Nachtrag:  Eine  Nachprüfung  ist  geboten,  da  auch  Schiebe 
meine  Deutung  unter  Hinweis  auf  Seh.  glaubte  abweisen  zu  müssen: 
Jahresbericht  von  1899  (Bd.  XXV  S.  334  und  336)  und  1901  (Bd.  XXVII) 
S.  258  f.  Ich  trage  nur  folgendes  nach:  Es  mag  richtig  sein,  dass 
mit  Μ  sectorem,  nicht  mit  FH  sectatorem  su  lesen  sei  (Schmidt  S.  405). 
An  meiner  Deutung  der  ganzen  Stelle  ändert  das  nichts,  ja  es  ist  ihr 
vielleicht  noch  günstiger,  weil  die  Antithese  stärker  wird.  Nach  Schmidt 
soll  Cassius  sagen:  'Cäsar  wird  den  Güteraussohlachter  nicht  vermissen, 
wenn  er  dessen  Sohn,  der  ebenfalls  Güteraussohlachter  ist,  sehen  wird*. 
r)as  ist  allerdings  sehr  matt  und  witzlos,  beabsichtigt  ist  deshalb  wohl 
die  starke  Antithese,  'er  wird  den  Güterausschlaohter  nicht  entbehren, 
wenn  er  seinen  eigenen  Sohn  sieht' .  Seh.  'protestirt*  gegen  einen  Ver- 
dacht, dass  Cicero  auf  eine  lasterhafte  Beziehung  Cäsars  zu  Ootavian 
angespielt  habe.  Protestirt  er  aach  gegen  Ciceros  Witz  ctätileseentem 
laudandum,  tollendum  oder  gegen  Drumanns  Worte  (GB.  III  740;  VI 
1>0>):  'Cicero  benutzte  auch  das  Gerücht  von  einem  entehrenden  Umgang 
zwischen  Cäsar  und  Nicomedes,  dem  Könige  von  Bithynien,  um  in  Briefen 
und   nach   Sueton  (Caes.  49)    selbst   im  Senate  nach   seiner  Weise  zu 

«cherzen'?] 

3  Es  müsste  denn  ad  Att.  XIII  41  fin.  sein,  wo  ich  für  Cras  igitur^ 
nisii  quid  α  te  commeatus  conjicirt  habe:  α  ie  commutatur  (Philol.  LIX 
N.  F.  ΧΠΙ.  1900  S.  127).  Commeatus  lässt  sich  wohl  durch  Hinweis 
3Luf  Plautus  vertheidigen.  An  dieser  Stelle  aber  hatte^chmidt  selbst 
eine  Aenderung  für  nöthig  gehalten,  nämlich  eommeat  vp  {vesperi). 


356  Qurlitt 

Natürlich  iet  aach  der  Fehler,  den  ich  an  dieser  Stelle  gemacht 
hatte,  'typi8cfa\  Mit  eolchen  Mitteln  macht  man  die  Arbeit  eioee 
anderen  verächtlich.  Anch  in  einem  dritten  Falle  ad  Att.  XTI 
15,  6,  wo  aber  der  Text  anerkanntermaesen  verderbt  ist,  habe 
ich  fälschlich  den  Namen  Astura  finden  wollen.  Aber  eben  so 
falsch»  ist,  was  Seh.  selbst  bietet,  indem  er  vorschlägt:  consenü 
in  hae  cura^  uhi  sum  (oder  nobiecam\  ut  me  ea*pediam.  Denn 
cura^  ubi  sum  ist  nnlateinisch,  wie  schon  Boot  betont,  nobiscutn 
aber  passt  wegen  des  Plurals  nicht  zn  sum  nnd  zu  fne,  es  müeste 
mecum  heissen.  Die  Ueberliefernng  lautet:  consenli  in  hac  cura 
uni  sum,  ui  me  ea^ediam^  was  ich  jetzt  also  lesen  möchte:  can- 
sentim  (=  c(msentim%is)  hac  cura  ubicunque  ut  me  eapediäm,  quilms 
autem  rebus  venu  mihi  quidem  in  merUemt  sed  certi  consiituere 
nihil  possum,  priusquam  ie  videro.  Das  heisst:  'Wir  sind  darin 
einig,  dass  ich  mich  aus  meiner  gegenwärtigen  (Geld)sorge  wo 
auch  nur  immer  befreie  (jeder  Ketter  soll  ihm  also  willkommen 
sein),  mit  welchen  Mitteln  das  aber  geschehen  könne,  darüber 
habe  ich  eine  Idee,  kann  jedoch  nichts  Bestimmtes  festsetzen, 
ehe  ich  dich  nicht  gesprochen  habe\ 

Man  darf  annehmen,  dass  Schmidt  mit  denjenigen  Con- 
jecturen,  die  er  zugleich  mit  seinem  Angriffe  gegen  C.  F.  W. 
Müller  und  mich  vorträgt,  sein  Bestes  geben  will,  dass  wir  sie 
als  specimen  ernditionis  ansehen  sollen.  Er  wird  daher  nichts 
dagegen  haben,  wenn  ich  sie  einer  eingehenden  Kritik  unterziehe. 

Cicero  schreibt  ad  Att.  X111  48,  1  (vom  2.  Aug.  45)  Lcpta 
me  rogat,  ui,  si  quid  sibi  opus  sit,  accurram,  mortuus  enim  Ba- 
bulUus,  Der  Name  BabuUius  findet  sich  mehrfach  belegt  ^.  F> 
ist  besonders  in  Campanien,  Bruttiuni,  Lucanien  häufig,  vermuth- 
lich  oskischer  Herkunft  (Guarini  lex.  osco-lat.  p.  81).  Auch  Ρα- 
buleius  kommt  vor  CIL.  VI  2,  ISi^d.  Da  nun  Lepta  den  Tod 
des  BabuUius  aus  Futeoli  meldet,  da  wir  in  Capua  inschriftlich 
den  Namen  BabuUius  in  dieser  Schreibung,  in  Puteoli  selbst  eine 
BaJbuUia  nachweisen  konnten,  so  liegt  doch  gewiss  kein  Grund 
vor,  an  der  CFeberlieferung  dieser  Briefstelle  zu  zweifeln.  Anders 
0.  E.  Schmidt.  Er  sagt  (S.  102):  'Der  Name  BabuUius  läset 
sich  nirgends    sonst   nachweisen    und    ist  mir  auch  schon 


1  (IL  X,  I  7633,  Γ)Ι4β:  Μ.  BabuUm,  (λ  f.  Cicero  und  mehrere 
andere  Bahulii,  5867  Q.  BabuUius,  4037  M.  BabuUius  BestituUis  (Capaa), 
7633.  Wir  haben  Babuüia  VI  13454;  2156  (Puteoli)  III  2,  3136;  IX  1, 
4037;  Babuüianus  IX  6i)83:  X  2.  Μι>2ό  (Capua);  Baburia  VIII,  2.  I5W; 
3465;  3466;  3467;  [Babtf.Jna   1690;  346«;  51.  Baburius  IX  47if5. 


Faoetiae  Tullianae  357 

wegen  seiner  Form  so  verdächtig,    dass    ich    ihn    für  eine  jener 
häufigen   Zaeammenziehungen    von   Ahkürzungen    aneehe\     Und 
nun     beginnt    eine    kühne    Combination    mit    den    gewaltsamsten 
Textverderbangen.    'Es  handelt  sieh,  fährt  nämlich  Seh.  fort,  um 
eine   Erbschaft,  an  der  Lepta  und,  wie  es  scheint,  auch  Cicero 
betheiligt  ist  .     Dass   aber  Cicero    betheiligt    sei,    ist    eine  Ver- 
muthung,    für   die  nicht  einmal    der  Schein  spricht.     Im   Gegen- 
theil,    alles  spricht  dagegen.     Wäre  Cicero    bedacht    worden,    so 
würde  er  das  doch  in  erster  Linie  dem  Freunde  mitgetheilt  haben, 
würde  dann  auch  sein  Erscheinen  an    dem  Orte  der  Testaments- 
reguliemng    nicht  von  dem  Wunsche  Leptas    abhängig    gemacht 
haben.     Lepta    wünschte    Ciceros    Rechtsbeistand.     Mehr    besagt 
unsere  Stelle  auch  im  weiteren    Verlauf   nicht.     Ja  die  Angabe: 
Caesar,    opinor  ex  uncia,   eist   nihil  adkuc,   sed  Lepta  ex  triente 
beweist    e    eilentio    auf    das  Bestimmteste,    dass  Cicero    in    dem 
Testamente    eben    nicht  bedacht  sein  konnte.     Nun  erfahren  wir 
auH    einem  Briefe  vom   12.  Aug.,    ad  Att.  XIII  46,    dass  Cicero 
nnd  Cäsar,  der  durch  Baibus   vertreten   wurde,    damals  an  einer 
Erbschaft    des  in  Puteoli  verstorbenen  Cluvius   betheiligt  waren. 
Unter    den  Erben  dieses  Cluvius    wird  nun  Lepta  ebenso  wenig 
genannt,  wie  Cicero  unter  denen  des  Babullius.    Schmidt  hält  aber 
aas  dem  einzigen  Grunde,    weil  beide,  Cluvius  und  Babullius  in 
Puteoli   gestorben  zu    sein  scheinen  —  denn    erwiesen    ist    auch 
(la8  nicht  --  ,    beide  Fälle    für    identisch    und    macht  diese  Ver- 
muthung  zum  Ausgangspunkte  für  seine  Textesänderungen.     Zu- 
nächst -wird  uns  zngemuthet  statt  Babtdlius  zu  lesen :  pu.  cluvitiSy 
vas  Puijteolisy   Cluvius   heissen    soll.      Man    höre    und    staune! 
Nach  dieser  Erkenntniss' (!),  fährt  er  fort,  sei  die  Erbschafts- 
regulirnng  des  Cluvius,  die  er  selbst  früher  CDer  Briefw.'  S.  341  f.) 
ge;^eben  hatte,  in  einigen  Punkten  zu  berichtigen.     'Am  2.  Aug. 
früh  habe  Cicero  den  Tod    des  Cluvius    durch    diesen  Brief    des 
Lepta  erfahren  nnd  danach  an  Atticus  XIII  48  geschrieben*.    Das 
ifit   falsch:    Statt  CluvitLS    muss   es  BaJbuUius   heissen.     Der  Tod 
des  Cluvius  muss  ihm  schon  früher   bekannt   geworden  sein,    in 
<iem  Briefe  A.  XIII  48  ist  daher  auch  von  ihm  und  seinen  Folgen 
gar  nicht  die  Eede.     Schmidt    fährt    fort:    *Im  Laufe    des  Tages 
Wie  Cicero  eine  Besprechung  mit  Baibus,    dem  Geschäftsträger 
Casare^jraan  kam  überein,  dass  die  werthvolle  Hinterlassenschaft 

^  Bevor  Balbns  in  Unterhandlung  wegen  der  Erbschaft  eintrat  f 
vird  er  doch  erst  bei  Cäsar  angefragt  haben,  ob  er  gewillt  sei  die  Erb• 
^aft  anzutreten.  Cluvius  muss  also  wesentlich  früher  als  am  2.  Aug. 
gestorben  sein. 


368  Onrlitt 

den  Cluviae  vereteiKert  werden  sollte,  sobald  Cäsar  zurückgekehrt 
sei.  Doch  kannte  man  zanächst  noch  nicht  die  genaueren  Be- 
stimmnngen  des  Testamentes.  Zam  Vertreter  seiner  Interessen 
will  Cicero  den  Bankier  Vestorius  in  Pnteoli  wählen,  vgl.  ad 
Att.  XIII  87,  4  (ebenfalls  noch  am  2.  Aug.  geschrieben) :  De 
aucHofie  proscribenda  equidem  locuius  sum  cum  Balbo:  placebat 
sq.'  Hier  wird  also  die  Chronologie  der  Briefe  bestimmt  auf 
Grond  der  falschen  Hypothese,  dass  BabiUlius  gleich  Pufeolis 
Cluvius  sei.  £benso  wenig  haltbar  ist,  wie  gesagt,  die  Behaap- 
tnng,  dass  Lepta  ein  Erbe  des  Cluviae  gewesen  sei^.  Dieser 
wird  auch  nie  als  solcher  genannt.  Seh.  aber  sägt:  'Ich  weiss, 
dass  der  vierte  £rbe  Lepta  war'.  Erst  'schien'  es  so,  dann  werde 
es  'wahrscheinlich',  gleich  darauf  zur  ^Erkenntniss'  und  nun  zam 
'Wissen^  und  damit  wird  dann  auch  der  Text  von  ad  Att.  XVI 
2y  1  Verbe88ert\  Dort  heisst  es:  Erotem  remisi  citiuSj  quam 
consfitueram^  ut  esset,  qui  Hartensio  t  ei  quia  equibus  quidem  aU 
se  Idibus  constituisse,  Hortensius  vero  impudenter.  Ich  habe  be- 
wiesen (Philol.  LIX  N.  F.  XIII  1900  S.  106  f.)  und  dafür  die 
Zustimmung  von  C.  F.  W.  Müller  und  Th.  Schiebe  (aaO.  S.  377)* 
dass  für  et  QVIAE  zu  lesen  sei:  ei  OVIAE,  dass  es  sich  aleo 
nicht  um  das  Cluvianische  Erbe  handele,  sondern  um  einen  fundne 
der  Ovia,  fiir  den  Zahlung  zu  leisten  war.  Seh.,  der  diesen  Be- 
weis noch  nicht  kannte,  macht  aus  der  üeberlieferung,  indem 
er  an  drei  Stellen  gewaltsam  eingreift:  qui  Hordeonio  et  Ij^ae^, 
quibus  quidem  .  .  .  Hordeonius  vero  impudenter.  Drei  verschie- 
dene Angelegenheiten  also,  die  Nachlassensohaft  des  BabuUius, 
die  des  Cluvius  und  das  Geschäft  Ciceros  mit  Ovia  werden  von 
Seh.  als  eine  Sache  behandelt  und  mit  dieser  völlig  haltlosen 
Hypothese  werden  die  Briefe  datirt  und  ^emendirt'.  Natürlich 
ist  das  Ergebniss  in  allen  Punkten  verfehlt^ 

^  Lepta  hatte  mit  dem  Erbe  des  Cluvius  gar  nichts  zu  tbun.  Er 
unterhandelte  mit  Baibus  (ad  Att.  XIII  46,  1)  in  einer  anderen  Ange- 
legenheit, nämlich  wegen  einer  curaiio. 

s  Früher  hatte  er  (Rhein.  Mus.  N.  F.  LH  S.  237  unter  Nr.  104) 
statt  Leptae  ebenso  verkehrt  Plotio  conjicirt  (aus  ad  XIII  46,  3).  Plo- 
lius  war  auch  nicht  Erbe  des  Cluvius,  sondern  Agent  des  Balbus. 

8  [Wenn  neuerdings  Th  Schiebe  (Jahresb.  d.  phil.  Vereins  XXVIl 
S.  258)  in  A.  XIII  48,  1  Babuüius  in  VibuUiue  ändern  will,  so  ist 
auch  diese  Conjectur  durch  das  Vorstehende  widerlegt.  Auf  Schiches 
sonstige  Bemerkungen  gegen  meine  (Philol.  LVUI,  1899  S.  45  ff.)  vor- 
getragenen Deutungen  und  Conjecturen  kann  hier  nicht  mehr  einge- 
gangen werden.  Zum  Theil  erledigen  Rie  sich  durch  das  bisher  Gesagte 
Correctur  -Nachtrag]. 


Facetiae  Tullianae  359 

So  wenig  wie  in  den  binher  behandelten  Fällen     kann   ich 
in  den  folgenden    die   von  Schmidt    behaupteten    starken  Abkür- 
zungen   bei    Eigennamen    erkennen.     In    ep.  ad  Att.  XV  2    soll 
devertissemque  f  cumtius  in  Vescmno  acvepi  new.  verdorben  sein  ans 
deverlissemque  arp,  üs  (=  Arpinum  versus)  oder  aqui,  üs  (=  Aqui- 
nwn  versus).     Sachlich    wäre    dem    nichte  Zwingendes   entgegen, 
wie  der  Hinweis  auf  ad  Att.  XVI  10,  1   verti  igUur  me  α  Min' 
turnis  Arpinum  versus;  constitucram  ut  .  .  Aquini  manerem  r.eigt, 
aber   besonders    ans    paläographischen   Gründen    halte  ich    diese 
Aenderang   für  ebenso   willkürlich,    als  Sch.s   frühere  (α  Sinues- 
sano)  .  .  .  profieiscens  α  Puteolis  ('Briefw/  im  Neudruck).     Eine 
darchschlagend  sichere  Lesung  ist   für    diese   Stelle    noch    nicht 
gefunden.     Meine  Vermuthung:    accuhans  in   Vesciano   halte    ich 
für  näherliegend,   jedenfalls  aber  möchte  ich  behaupten,  dass  so 
starke  Zusammenziehungen  der  Eigennamen    bisher   nicht    sicher 
erwiesen  werden  konnten.     Die  'typischen  Beispiele  erfolgreicher 
Bemühungen'    in    dieser  Hinsicht  —  meist   Gonjectnren    eigenen 
Fabrikates  — ,  die  Soh.  im  ßhein.  Mus.  Bd.  LIII  (1898)  S.  233 
aufführt,  sind  jedenfalls  nicht  stichhaltig.     Zunächst  A.  XV  3,  1 
nati  =  Arpinati    ist    keine  absichtliche  Zusammenziehung,    son- 
dern einfaches  Abschreiber- Versehen ;  A.  XV  24  in  Nesidem  (nach 
Schiebe)  aus  his  Μ  und  hus  Z,    das   ich  bisher  für  richtig  hielt, 
ja  unabhängig  von  Schiebe  gefunden  hatte,  steht  doch  nicht  ausser 
Zweifel.     C.   F.  W.  Müller  hat   es  abgelehnt.     Es  könnte    hier 
auch    eine    Zeitbestimmung,    wie    A(ora)   IUI,,    vorliegen.     Dass 
A.  XI  17a,  1  für  in  ematiam  zu  lesen:  Egnatia  {Ematia?)  eam  hat 
C.   F.  W.    Müller  und  Tb.  Schiebe  auch  nicht  überzeugt.     Schiebe 
{aaG.  S.  351  f.)    macht    dagegen    gewichtige    Bedenken    geltend 
und    empfiehlt    das    von    Bosius    herrührende  Itaque  mairi  eam. 
A.  XIII  4,  1   ist  Et  quidem  (ße   Tttdiiano  ideniy  puto   zu    lesen, 
wie  C.  Lehmann   Quaestt.  p.  50  gezeigt    und    Müller    anerkannt 
hat,  es  liegt  also  eine  Lücke  vor,    nicht  aber   ist  'aus  et  quidem 
durch    Auflösung    von   Abkürzungen'    de    Tudifano    idem*  herzu- 
stellen.    In  A.  XV    3  soll  de  mah  aus  de  Montana    entstanden 
sein.     Näher  Hegend  wäre  zB.  de  Μα'^Λο  =  de  Marcello,      Denn 
daes  in  dieser   Weise  abgekürzt   wurde    mit  Nennung  der  zwei 
ersten  und  der  zwei  letzten  Buchstaben,  dafür  lassen  sich  Belege 
in   genügender   Menge    beibringend     Auch    de   Venüdio    statt  de 

*  Ad  fam.  iX  4  ist  überliefert:  De  Coctio  mihi  gratum  est.  Bei 
einer  eolchen  ganz  zusammenhanglosen  Notiz  ist  nur  eine  wahrschein- 
liche Losung  des  Rätsels  möglich  unter  engem  Anschluss  an  die  über- 


360  ϋ  u  r  1  i  1 1 

enictio  in  A.  XVI  2,  5  habe  ich  an  anderer  Stelle  (Philol.  LIX 
N.  F.  XIII  1900  S.  98  f.)  als  sehr  unwahrscheinlich  erwiesen 
and  sehe,  daee  ee  auch  Müller  ablehnt.  Kurz  diese  Beispiele, 
welche  Schmidt  als  sichere  Belege  für  starke  Abkürzung  der 
Eigennamen  anführt,  haben  keine  Beweiskraft,  noch  weniger  seine 
weiteren  Versuche  nach  dieser  Richtung  hin.  So  soll  A.  XIT 
14,  1  de  Plierionum  more  (S.  233)  entstanden  sein  aus  de  P. 
Uerio,  num  more  =  de  Piansae),  Hirtii  novo  more»  Auch  dae 
haben  Müller  und  Schlehe  (S.  376)  abgelehnt,  und  ich  glaubte 
dafür  lesen  zu  sollen :  de  rheiorum  more  (Philol.  LIX.  N.  F. 
XIII 1900  S.  109).  Die  Beispiele  liessen  sich  vermehren  (Schmidt 
Rhein.  Mus.  LIII  (1898  S.  234  ff.),  jedoch  mag  es  genügen  auf 
Schiches  Jahresber.  S.  370,  376^  und  meinen  etwa  gleichzeitig 
erschienenen  zu  verweisen.  Ich  würde  mir  Sch.R  Conjectur  noch 
gefallen  lassen,    wenn  an  der  Stelle,    von  der  diese  Betrachtung 

ausgeht,  A.XV  2,  aqumus  oder  arpumus  stände,  wie  aber  acutius 
aus  Äquinum  versus  oder  Arpinum  versus  entstanden  sein  sollte, 
dafür  fehlt  mir  der  Schlüssel  und  ein  analoger  Fall. 

Sachlich  bedenklich  ist  auch,  dass  man  devertere  in  den 
Briefen  und  an  dieser  Stelle  zunächst  doch  als  'einkehren*  fassen 
muss.  'Seinen  Weg  ändern  bezeichnet  Cicero  in  A.  XVI  10,  1 
durch    me  verti   oder  sonst  auch    durch  Her  vertere.     Viel   eher 


lieferten  Zeichen  und  diese  bedeuten  nicht  De  Coceeio  (Corradue,  *fort 
recte*  Mendelssohn)  sondern  De  C.  Oci^to  =  de  C.  OctaviOt  der  auch  ad 
Att.  II  1,  12,  ad  Qu.  fr.  I  1,  21 ;  2,  7  genannt  wird,  der  Vater  des 
Augustus.  In  dem  Briefe  ad  Att.  IV  17  fin.  heisst  es  fast  ebenso: 
Non  enim  U  puto  de  lustro,  quod  iam  desperatum  est,  aut  de  iudiciis, 
quae  lege  (JocHa  fiantf  quaerere.  Hier  ist  Coctia  vermuthlich  aus  Cor^l^ 
=  Cornelia  verdorben.  Denn  es  gab  mehrere  leges  ComeUae  (Verr.  Π 
77.  de  1.  agr.  III,  6.  Phil.  I  18  ua.  siehe  unter  Comeliae  im  index  no- 
min, bei  Bauer- Kay ser).  In  unserem  Falle  handelt  es  eich  wohl  um 
die  lex  Cornelia  de  pecuniis  repetundis  (p.  Rabir.  Post.  9)  oder  vielmehr 
wegen  §  2  unseres  Briefes  um  die  lex  de  provinciis  ordinandis  (ad  fam. 
19,  25;  III  6,  5,  (i;  10,  6).  Eine  lex  Coctia  gab  es  nicht.  In  A.  XV 
26,  4  vermuthete  ich  (Nene  Jahrb.  f.  d.  klass.  Alterth.  III  S.  302),  dass 
tuli  entstanden  sei  aus  TtU'^i  =  TuMiani-,  bin  A.  XIII  20,  4  mit  C. F• 
W.  Müller  der  Meinung,  dass  in  toto  die  Abkürzung  für  m  To{rqua)to 
sei.  Andere  Beispiele  findet  man  bei  Müller.  Kurz,  ich  kann  nur  solche 
Abkürzungen  in  den  Briefen  anerkennen,  in  denen  ein  bestimmtes  System 
und  Methode  herrscht. 

Α  Diese  Stelle  ad  Att.  XV  13,  4  glaube  ich  durch  blosse  Umstel- 
lung des  Kommas  geheilt  zu  haben :  non  qua  pompa  ad  se,  tarnen  clatn 
venturum  (Berl.  phil.  W.  S.  1900  N.  477). 


Faoetiae  Tullianae  361 

glaube  iob,  dase  Wesenberg  dae  Beohte  trifft,  wenn  er  sagt: 
^Latet  eine  dubio  od  cum  nomine  yiri  alicaiue  familiarie,  nt  {td 
Äciliufn  (Klotz);  denn  anch  die  Wortetellung  empfieblt  Scbmidts 
Conjectur  nicbt.  Sie  ist  deshalb  weit  davon  entfernt,  für  sieber 
gelten  zu  können.  —  In  dem  Briefe  ad  Att.  YI 1,  25  liest  man 
bei  den  neueren  Herausgebern:  Et  heus  tu!  iamne  vos  α  Caesare 
per  Herodem  talenta  Ättica  L  eatorsistis?  Die  Lesart  iamne  stand 
naeh  des  Bosius  Angabe  in  Z.  Wo  er  allein  aus  Ζ  citirt,  ist 
ihm  nicbt  ganz  zu  trauen  (vgl.  G.  A.  Lehmann,  *de  Cic.  ad  Att. 
epp.'  p.  110),  aber  seine  Angabe  ist  nicbt  gerade  unglaublich 
nnd  giebt  einen  erträglichen  Sinn  und  Ausdruck.  Cäsar  war  ein 
Bänmiger  Zahler,  es  mag  deshalb  Cicero  mit  Verwunderung  ge- 
fragt haben :  ^Schon  ist  es  euch  gelungen,  das  Geld  aus  ihm 
berauszupreesen?'  Auch  die  Frageform  nacb  Et  heus  tu!  ist  durcb- 
aas  üblich:  zB.  ad  fam.  VII  11,  2  Sed  heus  tu!  quid  agis?  ec- 
quid  fit?\ 

Die  Ueberlieferung  von  Μ  und  G'  lautet  Genuarios  α 
Caesare,  wofür  0.  £.  Schmidt  (S.  395  ff.)  die  von  Turnebus  em- 
pfohlene Conjectur  Genuae  vos  als  allein  zulässig  erweisen  will, 
obgleicb  diesen  Versuch  C.  F.  W.  Müller  schon  mit  der  mir 
zutreffend  scheinenden  Bemerkung  abgelehnt  hatte:  genuarios  MC 
propter   taheUarios^,  Genuae  vos  'natürlich    mit  Turnebus    einzu- 

1  Was  sonst  diese  Lesart  iamne  vos  empfehlen  könnte,  findet  man 
schon  in  Boots  Ausgabe  angemerkt.  Ich  bin  nicht  ganz  davon  über• 
zeugt.  Man  könnte  auch  denken  an  itane7  das  sich  in  iamne  verdorben 
aach  ad  Att.  XIY  10,  2  findet,  vgl.  Hofmann-Andresen  *  Ausgew.  Briefe', 
IP  S.  209:  iamne  Lorsoher  He.,  O^PRMs]  iam  0\  Ausg.  des  Beatus.  Für 
den  Gebrauch  von  itane^  und  itane  vero^  findet  man  dort  S.  108  die 
Beispiele  ad  fam.  ΧΠ  30,  1;  ad  Att.  V  2,  2;  XVI  7,  3;  Phil.  V  27; 
VI  15;  in  Verr.  V  77.  Es  wäre  also  möglich,  dass  Cicero  auch  hier 
gesagt  hätte:  Et  heus  tu!  Itane?  vos  α  Caesare  sq. 

'  Wenn  sich  nachweisen  liesse,  dass  die  Lesart  Get%uarias  aus  dem 
Laurisheimensis  stamme,  dann  hätte  dieses  Zeugniss  Gewicht.  Bekannt- 
lich hat  aber  Cratander  oft  die  Lesart  jener  alten  üs.  in  den  Text,  die 
vulgata  (aas  Α  ^  und  Α  ^)  aber  an  den  Rand  gesetzt.  Mir  sind  die  edd. 
Asoensianae  jetzt  nicht  zugängig.  Ehe  diese  nicht  mit  C  und  c  vergli- 
chen sind,  hat  C  an  sich  keinen  Werth.  Denu  steht  in  A^  ^  Genuarios 
in  C  ebenso,  aber  in  c  Iamne  voSy  so  ist  dieses  die  Lesart  des  Laurish. 
0.  £.  Schmidt  ist  doch  sonst  gegen  C  misstrauisch,  weshalb  nicht  in 
diesem  Falle? 

^  Es  genügt  wohl,  ein  blosses  Verlesen  von  {itanevos  oder)  tam- 
nevos  anzunehmen.  War  α  offen  geschrieben,  so  konnte  iumne  leicht 
durch  falsche  Trennung  der  Striche  zu  Gcnua^  und  dann  vos  leicht  zu 
io9  werden. 


362  G  u  r  1  i  1 1  Facetiae  Tullianae 

setzen'  0.  E.  Schmidt  'Der  Briefw.*  p.  440  n.  'Prudeotiue  Boot', 
welcher  sagt:  Fao  id  Gennae  faotam  esse,  tarnen  non  erat,  cur 
hoc  nomen  cnm  vi  initio  qaaeetionie  poneretur.  Schmidt  bringt 
als  neue  Stütze  seiner  Conjectnr  eine  Berechnung  bei,  durch  die 
erwiesen  werden  soll,  dass  Cäsar  in  der  Zeit,  zu  der  die  Geld- 
zahlung seinerseits  erfolgte,  thatsächlich  in  der  Gegend  der  Allo- 
broger-Stadt  Genava  (Genf)  gewesen  sei.  Diese  Berechnung  fuhrt 
natürlich  nur  zu  Annäherungswerten,  da  über  die  Reise  des  He- 
rodes  oder  Eros  (wie  ich  lieber  mit  Ζ  lese),  über  Cäsars  Auf- 
enthalt in  der  Stadt  Genava,  über  die  Weise,  wie  Cicero  in  Lao- 
dicea  die  Kunde  von  dem  Geldgeschäft  erhielt,  ob  durch  den 
Briefboten  oder  den  Bericht  des  langsamer  reisenden  P.  Vedioe, 
und  über  anderes  mehr  nur  Vermuthungen  in  Rechnung  gesetzt 
werden  können.  Aber  selbst  das  Unbeweisbare  zugegeben,  daee 
Eros,  statt  brieflich,  persönlich  mit  Cäsar  und  in  Genava  ver- 
handelt hätte,  was  hätte  Cicero  veranlassen  können,  gerade  diesen 
für  den  ganzen  Handel  gleichgiltigen  Umstand  so  sehr  zu  be- 
tonen? Zunächst  nennt  er  Genava  sonst  nicht  einmal.  Käme  es 
bei  ihm  vor,  so  könnte  es  allein  wie  bei  Cäsar  b.  g.  I  6, 3.  7, 2 
Genava,  nicht  Genua  lauten  ^.  Was  Gallien  betrifft,  so  kennt 
Cicero  die  Haedui  (A.  I  19,  2;  VU  10,  4),  und  die  Namen  einiger 
weiterer  gallischer  Stämme  (pr.  Balbo  32;  pr.  Quinct.  80;  pr. 
Font.  20;  26;  ad  Qu.  fr.  III  8,2),  von  gallischen  Städten  aueeer- 
halb  der  Provincia  nennt  er  nur  Samaröbriva  (F.  VII  11;  12; 
16),  um  über  den  Namen  zu  scherzen.  So  ergibt  sich,  dass  für 
seine  Vorstellung  die  Welt  im  Norden  eigentlich  schon  mit  den 
Städten  Massilia  und  Narbo  und  Tolosa  abschliesst,  was  nörd- 
licher liegt,  kommt  anläselich  des  gallischen  Krieges  vorüber- 
gehend in  seinen  Gesichtskreis,  kann  ihn  aber  nicht  intereseiren. 
So  kann  ich  aus  mannigfachen  Gründen  Schmidts  Hoffnung  nicht 
theilen,  *dass  der  nächste  Herausgeber  der  Atticusbriefe  endlich 
der  bisher  verschmähten  Emendation  {Genuae  vos)  zu  ihrem 
Rechte  verhelfen  werde',  kann  vor  allen  den  Combinationen  über 
die  Herkunft  der  Hs.  Z,  welclie  an  diese  falsche  Conjectur  ge- 
knüpft werden,  nicht  den  geringsten  Werth  beimessen,  obgleich 
er  sie  uns  nun  schon  zum  dritten  Male  empfiehlt.  —  Damit  sind 
Schmidts  neueste  Conjecturen  erledigt,  [die  jetzt  auch  Schiebe 
aaO.  sämmtlich  abgelehnt  hat]. 

Steglitz.  Ludwig  Gurlitt. 

^  Auch  das  spricht  gegen  die  Conjectur  Genuae  t»«,  weil  Genawf 
fX>$  sich  noch  weiter  von  Genuarios  entfernt.  Ja  Cicero  würde  wohl 
Genavaene  vos  gesohrieben  haben. 


DER  MAGNET  UND  DIE  ATHMUNG 
IN  ANTIKEN  THEORIEN 


I. 

Lacrez  fordert  zu  Eingang  seiner  Abhandlung  vom  Magneten 
(VI  906 — 1089  Lm.)  die  sohärfste  Aufmerksamkeit  des  Lesers, 
da  man  nur  auf  weiten  Umwegen  diesem  Wunder  beikommen 
könne  (917 — 920),  und  findet  gegen  den  Scbluss,  dass  es  sich 
am  eine  gi^nz  gewöhnliche  Erscheinung  handle,  soweit  auszuholen 
also  gar  nicht  nöthig  gewesen  wäre  (1081 — 1083)^.  In  diesem 
Widerspruch  gewahrt  Munro  (notes  zu  v.  1089)  ein  Geständniss 
des  Unvermögens:  after  dwelling  at  inordinate  length  on  the 
early  parte  of  this  question,  he  hurries  on  at  the  end,  and 
finishes  abruptly,  as  if  he  feit,  what  is  indeed  the  truth,  that 
he  had  after  all  quite  failed  in  Clearing  up  the  mystery.  Das 
trifft  aber  den  Ausleger,  nicht  den  Dichter.  Die  erst  betonte, 
dann  geleugnete  Nothwendigkeit  der  ambages  vermag  Munro  nicht 
zu  erklaren  und  meint  darum,  Lucrez  sei  mit  der  Erklärung  des 
Magneten  nicht  fertig  geworden.  So  kurzer  Hand  läset  sich  der 
Änstoss  nicht  beseitigen,  und  eindringende  Untersuchung  des  Ka- 
pitels scheint  unumgänglich.  Die  Fragen  nach  der  inneren  Folge- 
richtigkeit der  Gedanken  und  nach  ihrer  äusseren  Herkunft  sind 
zugleich  zu  stellen;  Einsicht  in  das  Wesen  dichterischer  Gon- 
ception  und  Analyse  der  Quellen  müssen  sich  gegenseitig  fördern 
und  zur  erreichbaren  Klarheit  verhelfen.  Auch  können  wir  uns 
der  Hoffnung  nicht  begeben,  von  da  aus  die  Stellung  dieses  Ab- 
schnitts im  sechsten  Buche  besser  zu  verstehen    als   es  der  vor- 


^  Es  heisst  die  Schwierigkeit  umgehn,  nicht  heben,  wenn  Greech 
den  Vers  1081  nur  auf  die  vorangehende  Aufzählung  bezieht:  *nec 
mihi  fas  est  tarn  multam  operam  in  illis  enumerandis  consumere*. 
Das  Wort  amhages  findet  sich  bei  Lncrez  nur  an  diesen  zwei  Stellen. 
Munro  bemerkt:  Ί081  comp.  919:  the  one  seems  almost  to  be  written 
with  rt'ference  to  the  other*. 


364  Fritzsche 

gefaseteD  Meiuung  von  dem  unfertigen  Zustande  des  Gedichtes 
bisher  gelang.  Jch  nenne  diese  Meinung  vorgefasst,  denn  man- 
gelnde Erkenntniss  der  Zusammenhänge  beschuldigte  lieber  den 
Dichter  als  sich  selbst  der  Unfähigkeit,  um  ihn  darauf  durch  die 
Formel:  *  ultima  manus  non  accessit  wiederum  zu  entlasten. 
Dem  entgegnen  wir,  dass  jene  ünfertigkeit  eine  Hilfsvorstellung, 
keine  in  der  Sache  gegründete  Voraussetzung  ist  Eine  bequeme 
Ausflucht  allzu  zeitiger  Beruhigung,  scheidet  sie  aus,  wo  immer 
Absicht   und  Anlage  des  Autors   zureichende  Motive   gewähren^. 

Mit  Recht  spricht  Munro  von  'aussergewöhnlicher  Länge'. 
Lucrez  wendet  an  den  Magneten  184  Verse  und  diese  Ausführ- 
lichkeit gegenüber  der  Behandlung  anderer  Phänomene  ist  nicht 
selbstverständlich.  P.  Rusch  hat  in  seiner  Dissertation  *De  Po- 
sidonio  Lucreti  Cari  auctore  in  carmine  de  rerum  natura  VI* 
(Griphiswaldiae  1882)  den  Einfluss  des  Poseidonios  bis  an  die 
Schwelle  unsres  Capitels  festgestellt ^  nicht  darüber  hinaus.  Bei 
Seneca  wird  des  Magneten  nicht  gedacht,  Plinius  müht  sich  nir- 
gends ernsthaft  um  die  Lösung  des  Räthsels^,  es  ist  unwahr- 
scheinlich, dass  der  Magnet  in  die  Reihe  der  παράοοία  gehorte, 
es  ist  ausgeschlossen^,  dass  die  bis  v.  905  befolgte  Tradition 
den  Dichter  zu  einer  so  umständlichen  Erörterung  geführt  hätte. 

Wie  begreift  sich  also  die  Vorliebe  des  Lucrez  gerade  für 
den  Magneten?  Wir  lesen  bei  Cicero  de  div.  1  39,86:  ^Cur  fiat 
quidque,  quaeris.  Recte  omnino;  sed  non  nunc  id  agitur;  fiat 
neone  fiat,  id  quaeritur.  Ut  si  magnetem  lapidem  esse  dicam, 
qui  ferrum  ad  se  adliciat  et  attrahat,  rationem,  cur  id  fiat,  ad- 
ferre    nequeam,    fieri    omnino    neges.     Quod   idem   facis  in  divi- 

'  S.  euch  R.  Heinze  S.  45  seines  Commentars  zum  dritten  Bnche. 

β  Vgl  dazu  Briegers  Bedenken  Bars.  Jb.  Bd  :^9  (1884)  S.  198  ff. 

^  Man  findet  die  PliDiuBetcllen  aufgeführt  in  Albert  Palms  Schrift 
Der  Magnet  im  Alterthum*  (Pg.  v.  Maulbronn-Stuttgart  18(i7).  Ich 
citirc  dankbar  diese  belesene  Arbeit. 

^  Die  Paradoxogrnphen  berichten  von  Dingen  und  Wesen,  diu 
der  gewöhnlichen  Erfahrung  widerstreiten,  sei  es  weil  sie  an  bestimmten 
Oertem  haften,  sei  es  weil  sie  (wie  Gewohnheiten  und  Eigenschaften 
selbst  verbreiteter  Tliiere)  dem  oberfläcblich  Hinblickenden  sich  ent- 
ziehen. Diese  Εέναι  Ιστορ(αι  (Wilamowitz  Antig.  8.  25)  fordern  gut- 
gläubige Leser;  der  Magnet  aber  lag  vor  aller  Augen.  —  Dass  die  πα- 
ράδοξα durch  den  Abschnitt  über  den  Magneten  abgeschlossen  werden» 
suchte  Stuerenburg  'De  carm.  Lucr.  primo*  (dies.  Lips.  1874)  zu  er- 
weisen aus  dem  Gebrauche  der  Formel  guod  superesL  Aber  Vahlen 
Mb.  d.  Berl.  Ak.  1877  S.  488  hat  diese  Induotion  widerlegt. 


Der  Magnet  und  iie  Athmung  in  antiken  Theorien  365 

natione'.  Der  Magnet  dient  hier  als  Paradigma  deR  nnerklär- 
baren  und  dennoch  wirklichen;  dasa  aber  Cicero  dies  Paradigma 
nicht  aofs  Gerathewohl  herausgegriffen  hnt,  erWei^t  ale  später 
Zeuge  noch  Pe.  Alexander  Aphr.  (in  Idelers  Physici  et  medici 
Graeci  I  p.  4),  der  den  Magneten  unter  die  δλυτα  παντ€λώς 
rechnet,  θ€ψ  μόνψ  γνώριμα,  τώ  και  τήν  τούτων  ούσίαν  ύπο- 
στησανπ^ 

Der  Anklang  der  Verse  910—  916  an  das  Gleichnisn  im 
platonischen  Ion  p.  533®  ώστ'  ενίοτε  όρμαθός  μακρός  πάνυ 
σιδηρών  δακτυλίων  έΗ  αλλήλων  ήρτηται*  πασι  6έ  τούτοις  έΕ 
€Κ€ίνης  της  λίθου  ή  δύναμις  άνήρτηται  ist  schon  von  Giovanni 
Battista  Rio  bemerkt  worden : 

quippe  catenam 

saepe  ex  anellis  reddit  pendentihus  ex  se 
and: 

ex  alioqne  alias  lapidis  vim  yinclaque  noscit 
An  eine  unmittelbare  Benutzang  der  lonstelle  wird  niemand 
denken,  aber  ihre  Beziehung  zur  poetischen  Manie  leitet  nns 
daraofy  daea  jene  Manie  den  Apologeten  der  Mantik  eine  beliebte 
Parallele  bot,  und  wir  erinnern  uns  der  Verehrung,  deren  Piaton 
in  der  mittleren  Stoa  genoss^.     So   versteht    sich    der  Eifer   des 


^  Vgl.  auch  Psellus  de  lap.  bei  Ideler  aO.  I  p.  '246  mit  den 
Schlufsworten  p.  247  und  Plut.  Couv.  disp.  II  7  p.  041^  (wo  sich  die 
Tbese  der  Unerklärbarkeit  auf  die  Fabel  von  der  Neutralisirung  des 
Magneten  durch  den  Knoblauch  zurückgezogen  hat).  —  Bei  anderer 
Gelegenheit  vertritt  Plutarch  den  gleichen  methodischen  Grundsatz, 
ebend.  V  7  p.  6*50«  τφ  bi  α(τ(ας  άπορ€ϊν  άπιστ€ϊσθαι  τήν  (στορίαν  oö 
6ικα(ως. 

''  Vgl.  die  Zusammenstellung  der  Platoncitnte  aus  Poseidonios 
ircpl  μαντικής  in  Hart  felders  Fg.  über  die  Quellen  von  Ciceros  zwei 
Bachern  de  divinatione  (Freiburg  1878)  S.  9  f.  —  Poseidonios  konnte 
übrigens  auch  seine  συμπάθεια  φύσεως  (vgl.  C.  Wachem uth,  Ansichten 
der  Stoiker  Ober  Mantik  S.  27)  durch  Hinweis  auf  den  Magneten  gut 
erläutern.  —  Die  Fnnfzshl  der  Ringe  (quinqne  etenim  licet  interdum 
pluresque  videre,  vgl.  IV  827  quinque  etiam  aut  sex  ut  fieri  simulacra 
suerint,  IY&77  sex  etiam  aut  septem  loca  vidi  reddere  voces)  wird  im 
Ion  nicht  benannt,  Philo  de  mund.  opif.  cap.  49  (ed.  L.  Cohn,  Berl. 
1H96  p.  49,  17  καΐ  πέμπτος  τετάρτου  καΐ  έτεροι)  und  Galen  II  ρ.  48  Ε. 
(wo  er  gegen  Kpikur  sich  wendet),  erweisen  aber,  dass  sie  typisch  ist. 
—  £e  ist  nicht  anzunehmen,  dass  der  Verfasser  des  Ion  dem  Euripidea 
mehr  verdankt  als  den  Namen  μαγνήτις.  Das  von  Suidas  aufbehaltne 
Fragment  aus  dem  Oineus  (571  Nauck,  von  Matthias  yct-gvii  Buttinann 


366  Pritsache. 

Lnorez,  die  mechanisclie  Erklärung  für  ein  PlAnolneti  dntcbzu- 
ftihren,  dessen  ünerklärbarkeit  die  lauten  wie  die  lanen  Ver- 
theidiger  des  Uebernatürlichen  innerhalb  der  Natur  eben  wieder 
herausstellten  ^. 

U. 

Woher  nun  entnimmt  Lucrez  seine  Waffen  zum  Ansturm 
auf  diese  Position  des  Wunderglaubens?  Man  denkt  zunächst  an 
Epikur,  dessen  Theorie  des  Magnetismus  Galen  nat.  fac.  I  14 
(Kühn  ü  p.  44  ff.  Helmreich  [III]  p.  133  ff.  Usener  Epi• 
curea  fr.  293  p.  208 — 11)  bespricht.  Nach  Epikur  —  soviel  be- 
sagt deutlich  auch  diese  polemisch  getrübte  Darstellung  —  ge- 
schieht die  Anziehung  durch  ein  umfassen  (περιπλέκ€(Τθαι)  der 
angeiförmig  einander  entsprechenden  Enden  (πέρας  όγκιστρώΟ€ς] 
der  beiderseitigen  Atome.  Lucrez  erwähnt  diese  künstliche  Er- 
klärung; aber  wo  und  wie?  Ganz  am  Schlüsse  heisst  es  v.  1087 — 9: 


richtig  gedeutet),  hat  eine  andere  Pointe  als  die  Magnetbrücke  im  Ion. 
Galt  übrigens  zur  Zeit  des  Posoidonios  der  Ion  für  Piatons  Werk,  so 
wäre  damit  noch  nichts  gewonnen  für  die  Frage  der  Autorschaft. 

^  Lucrez  bekennt  sich  v.  908  f.  zur  Ableitung  des  Wortes  wagnes 
vom  Lande  der  Magneten.  Handelt  sich's  da  nur  um  eine  populäre 
Belehrung?  ßuttmann  Mus.  d.-  AW.  II  S.  48  erklärte  μσγνήτις  {=ματ- 
γανήτις)  von  μαγγαναν  (s=  μαγγανΕύΕίν).  Hat  stoischer  Hang  zu  be- 
ziehungsreicher Etymologie  das  nämliche  versucht  und  den  Magneten 
als  'Wunderstein'  gezeichnet?  Die  Stelle  des  Ps.  Baailius  de  virg.  18 
(III  p.  606»)  *Ως  σίδηρον  ιτόρρωθ€ν  μαγνήτις  τούτον  προς  έαυτήν  ματ- 
γαν€ύΕΐ  (das  Gleichniss  ohne  das  Wortspiel  hat  auch  Lucian  Imag.  1) 
beweist  wenigstens,  dass  griechische  Ohren  den  Anklang  bemerkten. 
—  Lucrez  hätte  also  hier  gegen  eine  stoische  Etymologie  polemisirt 
(vgl.  übrigens  Reitzenstein,  Strassb.  Festschrift  1901  S.  156  ff.).  —  Das 
nebenhin  —  wir  betrachten  hier  nur  die  Theorie  des  Magneten  in  einer 
bestimmten  Richtung.  Zur  Frage  nach  dem  Vorkommen  des  Steins 
und  dem  Wandel  seiner  Benennung  haben  Salmasius  (Exe.  Pl.)f  1*^^' 
couet  (Mem.  de  Fac.  des  inscr.  4  [1723]  p.  G13— 84),  Th.  H.  Martin 
(Mem.  pr6s.  k  Tac.  d.inec.  VI  [1860]  p.  391— 411)  mancherlei  zusammen- 
getragen*  das  kritischer  Sichtung  gewärtig  bleibt.  J.  Klaproth  'Lettre 
k  M.  le  baron  Α  de  Humboldt  sur  Tinvention  de  la  boussole*  (Parif« 
1834)  bringt  für  das  griechisch-römische  Alterthum  keinen  Ertrag.  In 
Andry  und  Thourets  'Beobachtungen  und  Untersuchungen  über  den 
Gebrauch  des  Magnets  in  der  Heilkunst'  (Uebers.  Lpzg.  1785)  findet 
man  viel  Gelehrsamkeit,  nützliche  Hinweise  bei  Wilh.  Waldmann  im 
Arch.  f.  Gesch.  d.  Med.  I  (187H)  S.  320  ff.  381  ff.  A.  v.  ürbaniteky 
schrieb  ein  Unterhaltungsbuch:  'Elektricität  u.  Magnetismus  im  Alter- 
thume',  \V»en-Peet-Lpzg.  1887. 


Der  Magnet  und  die  Athmung  in  antiken  Theorien  H67 

£8t  etiam,  quasi  nt  anellie  hamieqne  plicata 
inter  ee  qnaedam  poeeint  coplata  teneri; 
qnod  magis  in  lapide  hoc  fieri  ferroqae  yidetar, 
and  ehen    die    oonYentionelle    Verbeugang    vor    der    Lehre    des 
Meisters  yerräth  uns,  dass  der  Schüler  im  übrigen  ihr  nicht  ge- 
folgt war•. 

Also  weder  Poseidonios  noch  Epiknr  —  die  Forschung  nach 
der  Herkunft  der  Lucrezischen  Magnetentheorie  ist  gleichsam 
freigegeben.  Unser  Versuch  aber  wird  auf  eine  analytische 
Wiedergabe  des  Gedankenganges  sich  stützen,  zumal  dessen 
innere  Einheit  und  Widerspruchslosigkeit  nicht  ohne  Weiteres 
sichtbar  und  nicht  von  Anfang  vorauszusetzen  ist. 

921 — 932:  Von  allen  Körpern  erfolgt  eine  stetige,  oft 
siunfallige  Emanation.  —  936 — 958 :  Alle  Körper  sind  porös, 
weil  überall  die  Mischung  der  Materie  und  des  Leeren  statt- 
findet —  959— 978:  Die  Wirkung  der  Emanationen  auf  ver- 
schiedene Körper  ist  verschieden•  979 — 990:  Die  Gestalt  und 
(>apacität  der  leeren  Räume  in  den  Körpern  ist  verschieden.  — 
998-1001:  Die  magnetische  Anziehung  ist  nach  diesen  all- 
gemeinen Feststellungen  leicht  zu  erklären.  1002 — 1004:  Die 
Emanation  vom  Magneten  zerstreut  die  Luft  zwischen  Magnet  nnd 
Eisen.  1005 — 8:  In  das  so  entstandene  Vacuum  stürzen  die  Ema- 
nationen des  Eisens,  denen  das  Eisen  selbst  folgt.  1009 — 1011:  Das 
Eisen  ist  derjenige  Stoff,  dessen  Theile  am  innigsten  zusammen- 
hangen.   1012 — 1016:  Eben  darum  muss  der  Eisenkörper  seinen 

'  Das  wesentliche  dieser  Theorie  hat  Us.  Schröder  *Lukrez  und 
Thncydides*  (Pg.  v.  Strassborg  1898)  S.  33  f  richtig  umschrieben:  *  Da- 
mit (nach  den  Orundsätzen  seiner  Kanonik)  ein  ^λκ€θθαι  erfolge,  fügt 
Epikur  zu  den  überkommenen  Emauationen  und  dem  Naturgesetz,  dass 
die  Körper  ihren  Emanationen  folgen,  noch  die  περιπλοκή,  deren  Ein- 
führung wiederum  die  άπόπαλσις  fordert*.  Im  übrigen  kann  ich 
Schröder  nicht  zustimmen.  Er  vermuthet  (wie  vor  ihm  Gassendi  Phye. 
sect.  III  Mbr.  I  lib.  3  cap.  4),  dass  Lucrez  die  Absicht  hatte,  über 
Epikurs  Theorie  sich  noch  weiter  zu  verbreiten;  ich  meine,  Lucrez  hat 
die  άπόπ(χλαις  beschwiegen,  weil  sie  mit  der  vorher  entwickelten  Poro- 
sität und  Durchlässigkeit  der  συγκρίματα  selbst  für  ihn  sich  schwer 
vereinigen  liess.  (Auch  pflegt  die  Formel  est  etiam  lange  Erörterungen 
Dicht  einzuleiten,  vgl.  Υ  715.  VI  132.  295).  Je  sicherer  die  Ansicht 
durchdringt,  Lucrez  habe  nach  zeitgenössischen  Vorlesungen  gearbeitet 
(Usener,  Epic.  p•  XXXVI.  Diels,  Elementum  S.  9),  um  so  williger  wird 
man  zugestehen,  dass  an  peripheren  Stellen  des  Systems  auch  fremde 
Schulmcinungen  einwirken  kounten,  wofern  sie  nur  der  superslitio  Ab- 
l^ruch  thaten. 


368  Fritzsche 

Emanationen  folgen,  bie  er  am  Magneten  hängt.  1017  —  1021 :  Das 
iet  eine  allgemeine  Erpcheinung:  wo  immer  ein  Vacaum  entetebt, 
drängen  die  Körper  hinein.  1022—1032:  Die  Näherung  des 
Eisens  an  den  Magneten  wird  nach  Entstehang  des  Vaennm  durch 
die  Laft  unterstützt,  die  nachdrängt  auf  der  dem  Magneten  ab- 
gewandten Seite.  Diese  Luft  besetzt  die  Poren  und  treibt  das 
Eisen  vorwärts  wie  der  Wind  das  Segelschiff.  1034 — 1041: 
Dasselbe  bewirkt  die  innerhalb  des  Eisens  —  wie  innerhalb  aller 
Körper  —  fluthende  Luft.  —  1042 — 1055:  Es  kommt  auch  vor, 
dass  das  Eisen  vor  dem  Magneten  zurückweicht.  Samothrakische 
Ringe  und  Hammerschlag ^"  in  eherner  Schale  gerathen  bei  Nähe- 
rung eines  Magneten  in  unstäte  Bewegung;  die  magnetische  Ema- 
nation erregt  die  Feilspäne,  weil  die  Emanation  vom  Erz  die 
Poren  des  Eisens  inne  hat  und  jener  den  Eintritt  wehrt.  1056— 
1064:  Dass  sich  die  Anziehung  des  Magneten  nur  auf  das  Eisen 
äussert,  kann  nicht  Wunder  nehmen.  Gold  ist  zu  scbwer  (=  zn 
wenig  porös),  um  bewegt  zu  werden,  Holz  zu  porös  (=-  zn 
leicht),  sodass  die  Emanation  hindurchgeht,  ohne  Widerstand  zu 
finden.  Das  Eisen  steht  nach  seiner  Porosität  (=  Schwere)  in 
der  Mitte  und  so  begreift  sich  die  specifische  Wirkung  des 
Magneten.  —  1065 — 1080:  Die  specifische  Eignung  des  Eisens 
für  den  Magneten  hat  viele  Analoga:  Stein-Kalk;  Leim-Holz; 
Wein-Wasser;  Purpur- Wolle ;  ChrysokoU-Gold;  Erz-Blei.  1084— 
1086 :  Wo  Convexes  und  Concaves  (mcUeries  und  inane)  cor- 
respondiren,  da  ist  die  Verbindung  zweier  Körper  am  festesten. 
1087 — 1089:  Solche  Verbindung  kann  man  sich  auch  dnrch  Oesen 
und  Haken  bewirkt  vorstellen. 

Alexander  von  Aphrodisias  bespricht  quaest.  nat.  et  mor. 
Π  23,  136  f.  (p.  72  f.  Bruns)^^  die  Magnettheorien  des  Empe- 
dokles  und    des  Demokrit.     Beide   waren    dem  Luorez    mittelbar 


10  Bei  den  Samothrakischen  Ringen  (vgl.  Plin.  N.  H.  33,  2'λ  dort 
Silligs  Note.  leid.  Hisp.  orig.  19,  32,  b)  wirkt  das  dem  Eisen  an^e- 
gelegte  Gold  wie  daa  Erz  der  Schale  beim  Hammerschlag.  Hören  wir 
da  von  einem  Orakelspiel,  gegründet  aaf  die  von  Lucrez  falsch  ver- 
standene Polarität  des  Magneten,  die  MMuetho  (bei  Flut.  le.  et  Ob.  C2 
p.  37(5b)  auf  Heros  und  Typhon  eymbolisirt?  Propert.  IV  ft,  9  'IHa 
velit,  poterit  magnos  non  ducere  ferrum*  wäre  dann  wörtlich  zu  nehmen, 
vgl.  noch  C.  0.  Müller,  Orchomenos.    2.  A.  S.  444  Anm.  2. 

*i  Diesen  Tractat  charakterisirt  Roee  Ariat.  pa.  p.  242.  Die  von 
Alexander  im  Verfolg  besprochene  Lehre  des  Diogenes  von  Apollonia 
(vgl.  niel9  Vh.  d.  35.  Philol..V.  [Stettin  1881]  S.  ΙΟβ  f.)  i*.t  für  nnsere 
Untersuchnng  ohne  Belang. 


Der  Magnet  and  die  Athmang  in  antiken  Theorien  369 

oder  unmittelbar  gewige  bekannt,  und  der  Abechnitt  1002—1021 
zeigt  sichere  Spuren  ihres  Einflusses.  Empedokles  lehrte  die 
Verdrängung  der  Lnft  dnrch  den  magnetischen  Strom:  al  μέν 
γαρ  τούτου  άπόρροιαι  τόν  αέρα  τόν  έπΙ  τοις  τοΟ  σιδήρου  πό- 
ροις  άπωθοΟσί  τ€  κα\  κινοΟσι  τόν  έπιπωματιΣοντα  αυτούς' 
τούτου  hk  χαιρισθέντος  όθρόφ  άπορροίφ  peovarj  τόν  σίδηρον 
ϊπ€σθαι. 

Dem  Demokrit  gehört  der  Hinweis  auf  die  dichtere  Stmctur 
des  Eisens  nnd  den  Drang  der  Körper  ins  Leere:  λαμβάνει  τό 
τήν  λίθον  και  τόν  σΛηρον  ti  όμοιων  ατόμων  συγκεΐσθαι,  λεπ- 
τότερων bk  τήν  λίθον  και  .  .  είναι  άραιοτέραν  τε  κα)  πολυ- 
κ€ναιτέραν  αυτήν  εΤναι  ....  vorher:  ό  Δημόκριτος  bk  κα\ 
αυτός  απόρροιας  τε  γίνεσθαι  τίθεται  καΐ  τα  δμοια  φέρεσθαι 
προς  τά  δμοιο^  άλλα  κα\  εΙς  τό  κενόν  (so  conjioiren  für  κοινόν 
Palm  and  Diele)  πάντα  φέρεσθαι. 

V.  1022 — 1041  läset  uns  diese  Tradition  im  Stich.  Empe- 
dokles und  Demokrit  wiesen  nichts  von  der  Beihülfe  des  Luft- 
drucks. Wir  begreifen  nnn,  warum  Lacrez  im  vorhergehenden 
Abechnitt  einen  Hauptpunkt  der  demokritischen  Lehre  ignorirte: 
das  Eindringen  der  Magnetatome  in  die  symmetrischen  Poren 
des  Eisens,  denn  dort  wäre  für  drängende  Luft  kein  Platz  ge- 
wesen. Wir  erstaunen,  dass  in  der  folgenden  Erklärung  des 
anter  magnetischer  Einwirkung  bewegten  Hammersohlags  in 
eherner  Schale  das  Eindringen  des  magnetischen  aestus  in  den 
fiisenkörper  vorausgesetzt  wird.  Wie  löst  sich  dieser  Wider- 
spruch ? 

Bei  Plutarch  Qnaest.  Piaton.  711  7  p.  1005*>  finden  wir  fol- 
gende Aueführung:  τό  V  ήλ€κτρον  oub^v  ^λκει  των  παρακει- 
μένων ώσπερ  ούί)'  ή  σΛηρϊτις  λίθος,  ούοέ  προσττηοςΐ  τι  τού- 
τοις άφ'  αύτου  τών  πλησίον '  άλλ'  ή  μέν  λίθος  τινάς  όπορροάς 
ϋίησιν  εμβριθείς  καΐ  πνευματώδεις,  αίς  ό  συνεχής  αναστελλό- 
μενος άήρ  ώθεΐ  τόν  πρό  αύτου'  κάκεΐνος  έν  κύκλψ  περιιών 
και  ύπονοστών  αύθις  έπι  τήν  κενουμένην  χώραν  άποβιάίεται 
κα\  συνεφέλκεται  τόν  σίοηρον.  Εβ  scheint  mir  zweifellos,  dass 
die  έine  Quelle  des  Lucrez  der  des  Plutarch  benachbart  war. 
Beide  Darstellungen  nehmen  von  der  empedokleisch-demokriti- 
sehen  Theorie  ihren  Ausgang,  geben  ihr  aber  eine  n^ue  Wendung 
^lurch  Einführung  des  äusseren  Luftdrucks  und  Verzicht  auf  die 
Durchdringung  des  Eisens  mit  magnetischem  aestus.  Bei  Empe- 
dokles nnd  Demokrit  ist  die  Emanation  vom  Magneten  unmittel- 
bare Ursache   der  Näherung  des  Eisens,   bei  Plutarch   und  nach 

ΒΜβ.  Kiu.  t  PhiloL  N.  F.  WU.  24 


F  Γ  ί  t  JE  β  c  h  e 
«70 

'ten  TrHditioD  des  Lnorez  mittelbare,  sofern  die  Stärke 
d  r  Emanation  den  Luftdruck  zur  Wirkeumkeit  bringt".  Die 
Vereiniifung  der  beiden  Theorien  iet  dem  Dichter  bis  v.  1041 
leidlich  gelungen,  von  da  an  wird  scheinbar  die  zweite  Quelle 
ausser  Acht  gelassen  and  die  specifische  Affinität  von  Magnet 
und  Eisen  nach  der  ersten,  demokritischen  Theorie  abgehandelt. 
Scheinbar.  Denn  Plutarch  fahrt  fort  p.  1005^  6  σίδηρος  οΰτ'δταν 
αραιός  έ(Ττιν  ώς  Ηύλον  οδτ*  δγαν  πυκνός  ώς  χρυσός  ή  λίθος, 
άλλ'  ίχ€ΐ  πόρους  και  οιμους  καΐ  τραχύτητας  biä  τάς  ανωμα- 
λίας τώ  depi  συμμέτρους,  ιϊιστ€  μή  άπολισθάνειν  άλλ'  ?δραις 
τισίν  ένισχόμενον  και  άντερείσβσι  περιπλοκήν  σύμμετρον  έχού- 
σαις,  ώς  δν  έμπέση  προς  τήν  λίθον  φερόμενος,  άποβιάίεσθαι 
καΐ  προωθεΐν  τόν  σίδηρον.  Die  Aehnlichkeit  mit  ν.  1058  ff. 
springt  in  die  Augen,  zugleich  aber  eine  bedeutsame  Abweichung. 
Beide  behaupten  die  besondere  Eignung  der  Eisenporen  gegenüber 
denen  des  Holzes  und  des  Goldes ;  bewegendes  Element  jedoeb 
ist  bei  Plutarch  der  durch  den  magnetischen  aestus  wirksam  ge- 
wordene Luftdruck,  bei  Lncrez  der  magnetische  aestus  selbst.  — 
Ich  formulire  das  Ergebniss  meiner  Analyse:  Zwei  Theorien,  die 
des  Demokrit  und  eine  andere,  die  in  reinerer  Gestalt  bei  Plu- 
tarch sich  findet,  versuchte  Lucrez  aufeinander  abzustimmen,  doch 
hat  er  volle  Harmonie  nicht  erreicht^'. 

£pikur  verstattete  seinen  Anhängern  für  die  Erklärung  ein- 
zelner Phänomene  freien  Spielraum.  Von  dieser  Licenz  macht 
Lucrez  im  sechsten  Buche  den  reichlichsten  Gebrauch.  Ihm  eigen- 
thümlich  ist  aber  ein  Verflechten  der  Theorien,  die  im  Bereiche 
der  Schule  angeboten  wurden.  Lucrez  sagt  e/-e/,  wo  die  Schule 
vel'Vel  vorgesehen  hatte.    Die  Einleitung  zum  Magnetcapitel  (921— 


>8  Vs.  1003  wird  aestus  ausdrücklich  synonym  mit  seminn  ge- 
braucht. Wir  wissen,  dass  es  von  Lucrez  auch  im  Sinne  von  'Luft- 
stiom'  verwandt  wird  —  so  schwankt  der  Inhalt  des  Wortes  wie  die 
Vorstellung  des  Dichtere. 

*8  J.  Woltjer,  Lucretii  philosophia  cum  fontibus  comparata  (Gio- 
ningae  1877)  p.  157  f.  hat  die  doppelte  Ueberlieferuiig  bemi*rkt,  docl» 
glaub*  ich,  man  kommt  zu  besserem  Schluse,  wenn  man  v.  1022  und 
1U42  statt  1065  die  Naht  im  Gewebe  sucht.  -  10ci4-39  steuert  Lucrez 
aus  eigenen  Mitteln  noch  bei  die  Selbstbewegung  der  Luft  im  Ιπιη^πι 
des  Magneten  (er  glaubt  auch  hier  das  Ar^fument  zu  starken  uml 
schwächt  es  für  nüchterne  Betrachtung).  Die  Anschauung  durch- 
stürmtrr  Höhlen  Pchwin;^t  nach,  die  gegenüber  deu  Erdbeben  (v.  Γ»Τίΐ) 
und  dem  Aetna  (o84)  ihn  ergrifl'en  hatte. 


Der  Magnet  und  die  Athmung  in  antiken  Theorien  3t  1 

990)  ist  darchauR  angele;^  auf  eine  Behandlung  des  Problems 
im  demokritiscben  Sinne.  Hauptsätze  der  atomietiachen  Physik 
werden,  umständlich  recapitulirt,  des  Luftdrucks  mit  keinem  Worte 
gedacht.  Nun  spricht  Lnorez  von  dem  dichten  fiau  des  Eisens, 
als  welcher  die  Anziehung  vollkommen  erkläre.  Er  sieht  den 
Leeer  noch  ungläubig  und  ruft  die  Luft  zu  Hilfe,  ohne  zu  be- 
denken, dass  er  damit  die  Kraft  des  ersten  Beweisgrundes  schwäcbt. 
Die  Fälle  der  Argumente  soll  wirken,  für  ihre  Geschlossenheit 
fehlt  es  dem  Lucrez  an  kritischem  Scharfblick.  —  Sagte  ich,  er 
habe  volle  Harmonie  nicht  erreicht,  so  versteht  sich  das  von  un- 
serem Standpunkt  —  wir  fordern  von  diesem  Gedichte  die  Con• 
Sequenz  eines  naturwissenschaftlichen  Lehrbuchs  und  messen  den 
Dichter  am  Maesstab  einer  Logik,  von  der  seine  Seele  nichts 
ahnte.  Zu  dieser  Poesie  gehört  eine  röhrende  Naivität  gegen- 
über dem  'Satze  des  Widerspruche.  Die  Emphase  des  Lucrez,  in 
lebhafter  Zwiesprache  mit  dem  wundergläubigen  Leser,  durch- 
bricht den  vorgezeichneten  Plan,  wo  immer  ein  neues  Zeugniss 
ZQ  Diensten  steht.  •  Mögen  wir  bemerken,  dass  da  Eätbsel  blei- 
ben, dass  die  Erscheinung  nicht  erledigt  ist,  Lucrez  fühlt  sich 
als  Sieger  und  schliesslich  scheint  ihm  der  Feind  der  aufge- 
wandten Streitmacht  kaum  würdig.  So  und  nicht  als  eine  Ca- 
pitulation  fasse  ich  die  Verleugnung  der  ambages. 

in. 

Wo  suchen  wir  die  Quelle  der  Theorie  vom  Luftdruck  ?  — 
Gegen  Demokrits  Ansicht  bestand  ein  Bedenken,  das  Alexander 
von  Aphrodisias  aO.  einem  früheren  Kritiker  (dem  Aristoteles?) 
nachspricht :  άλλα  τό  μέν  τήν  λίθον  και  τον  σίοηρον  Ü  όμοιων 
συγκεϊσθαι  bllair'  fiv  τις,  πώς  bi  και  (Bruns  für  εΙς)  τό  ήλεκτρον 
καΐ  τό  δχυρρν,  δτι  και  έπ'  εκείνων  λίγει  (Spengel  für  λέγεται) 
ταύτην  τήν  αΐτίαν ;  ίτι  πολλά  έλκόμενα  υπό  του  ήλεκτρου,  οΓς 
πάσιν  εΐ  έΕ  όμοιων  σύγκειται,  κάκεΐνα  έζ  όμοιων  άλλήλοις 
(Πίτκείμενα  ίλκοι  άλληλα. 

Weiter  hatte  Straten  (bei  Simplicius  in  Arist.  phys.  p.  663,  3. 
Cyry*2,  21,  Vgl.  Diele  Sitz.-Ber.  d.  Berl.  Ak.  1893  S.  113  f.)  die 
magnetische  Anziehung  als  Argument  für  das  κενόν  zurück- 
gewiesen, da  vielmehr  das  κενόν  eine  Hypothese  zur  Stütze  der 
^λΕις  sei.  Diesen  Vorwurf  der  petitio  prineipii  spürte  Epikur 
und  80  erfand  er  seine  Häkchen  und  Oesen  und  die  άπόπαλ(7ις 
«1er  aufprallenden  Emanationen  —  aber  dadurch  wurde  ein 
neuer  Zweifel   aufgeweckt  —  die    magnetische  Brücke,   die  nach 


3li  ti'ritEeotie 

I)emokrit  noch  veretändiich  war,  etimmte  nun  nicht  zn  Kpikore 
tüjfteliger  Yoretellang  (vgl.  Galen  II  p.  48  K.)•  —-  Wer  jedoch 
die  Laft  als  motoriacbeB  Element  einführte,  bedurfte  lächt 
mehr  jener  problematischen  Symmetrie  der  Emanationen  nnd 
der  Poren  and  branchte  sicli  auch  nicht  mehr^^  anf  den  Drang 
der  Körper  ins  Leere  zu  berufen.  Wie  eine  von  aussen  wir- 
kende Kraft,  die  Hand  des  Färbers,  Purpur  und  Wolle  unlöslich 
verbindet,  so  schiebt  die  Luft  den  Eisenring  an  den  Magnet- 
stein.  Der  Magnetismus  verlor  den  Charakter  spontaner  Attrac- 
tion  nnd  Hess  sich  den  von  Luorez  v.  1066  if.  aufgezählten  Er- 
scheinungen specifischer  Adhäsion  angliedern.  Auch  die  magne- 
tische Brücke  fügt  sich  ein  —  der  Luftdruck  wirkt  weit  genug, 
um  fünf  und  mehr  Binge  aufzureihen.  Hier  hatte  man  endlich 
eine  mechanische  Erklärung,  die  dem  ferrum  vivum  des  imperl• 
tum  vulgus  (Plin.  N.  H.34,  147)  die  Lebenskraft  austrieb.  Durch 
den  όήρ  ύττονο(Τταιν  war  jegliche  ολκή  ausgeschaltet,  sowohl 
die  offenbare  einer  φυσική  ούναμις  oder  οικειότης  ποιότητος 
(s.  Gal.  Π  206  Κ.)  als  die  verschleierte  einer  φορά  προς  το 
K€vov.  Der  aber,  dem  Lucrez  zunächst,  die  ολκή  am  radicaUten 
bestritt,  war  Asklepiades  von  Bithynien^^,  s.  Galen  II  p.  45  f.  K. 


1*  Der  Einwand  Alexandere  gegen  Demokrit  trifft  nicht  die  von 
Plutarch  aufbehaltene  Theorie.  Die  Poren  des  Eisens  sind  nach  Pla- 
tarch  dem  άήρ  angepasst,  der  vom  Magneten  herweht;  das  vom  ge- 
riebenen Bernstein  ausströmende  φλογο€ΐδ^ς  ist  viel  schwächer  als  die 
diroppoai  εμβριθείς  καΐ  πνευματώδεις  des  Magneten,  darum  setzt  der 
Bernstein  viel  weniger  Luft  in  Bewegung  und  es  werden  nur  ganz 
leichte  Gegenstände  zu  ihm  herangeführt.  Dass  es  dazu  eines  Ein- 
dringens der  Luft  in  die  Poren  dieser  κουφότατα  καΐ  Εηρότατα  über• 
haupt  bedürfe,  wird  nicht  gesagt,  vielleicht  genügt  sie  zu  bewegen  der 
Druck  auf  ihre  Aussenfläche;  aber  selbst  wenn  dit^e  dem  Bernstein 
zufallenden  Dinge  πόρους  τφ  αέρι  συμμέτρους  hätten,  würden  sie  auf- 
einander nicht  wirken  wie  der  Bernstein  anf  jegliches  von  ihnen,  weil 
sie  ja  keine  Luft  in  Bewegung  setzen.  Man  sieht,  wie  die  Einführung 
der  Symmetrie  zwischen  Poren  nnd  Luft  statt  zwischen  Poren  und 
Emanation  Schwierigkeiten  beseitigt. 

^^  lieber  Asklepiades  im  allgemeinen  s.  C.  G.  Gumpert:  Ascle- 
piadis  Bithyni  fragten ta.  Vinariae  1794.  K.  F.  Burdach  schrieb  über 
Askl.  und  John  Brown  eine  geistreiche  Parallele  (Lpzg.  1800),  bedäch- 
tiger als  die  enthusiasmirten  Italiener  G.  F.  Bianchini  (La  med.  d'Ascl. 
Yenezia  1769)  u.  Ant.  Cocohi  (Discors.  Fior.  1754,  in  den  Disoorsi  e 
lettere,  Milano  1824.  Ip.  267-323).  Neuere  Litteratur  bei  C.  Bäumker: 
Problem  d.  Materie  S  325  f.,  Sus  mihi  AI.  L.  G.  11  S.  4i'8  ff.,  Wellnmnn 
in  Pauly -Wieso was  R.  E.,   dazu    noch  Diels  im  Index  nominum    seiner 


Der  Magnet  und  die  Athmnng  in  antiken  Theorien  873 

(p.  134  He.):  Άσκληπιάδης  bi,  τό  t€  τής  είρημένης  αΐτίσς  (de 
Theorie  Epikars)  άπιθανον  ύπι6όμ€νος  κα\  μηΟ€μ(αν  δλλην  έφΓ 
οίς  ύπέθ€το  στοιχείοις  έ^ευρίσκαιν  πιθανήν  έττΐ  τό  μηδ'  δλως' 
ελκεσθαι  λέγειν  υπό  μηδενός  μηδέν  άναισχυντήσας  έτράπετο. 
(jalen  meint  (ρ.  133  He.),  der  MagDetiemas  hätte  eigentlich  ün* 
glänbige  von  der  Anziehung  verwandter  Qualitäten  überzeugen 
sollen:  τίς  οδν  ή  όδολεσχία;  ή  ίνοοΕος  αυτή  κα\  πολυθρύλητος 
λίθος  ή  τόν  σίδηρον  έπισπιυμένη.  τάχα  γάρ  δν  αυτή  ποτέ 
την  ψυχήν  αυτών  έπισπάσαιτο  πιστεύειν  είναί  τινας  ίν  έκάστψ 
τιυν  σωμάτων  έλκτικάς  τών  οΙκείων  ποιοτήτων  δυνάμεις.  Die 
Verneinung  solcher  δυνάμεις  ist  das  Α  und  Ο  des  asklepiadei- 
Rchen  Systeme.  Asklepiades  durfte  die  Anziehung  des  Eisens 
nimmer  zugestehen,  zumal  sie  von  den  Gegnern  mechanischer 
Biologie  als  anorganisches  Analogon  der  eigenthümlich  organischen 
Kräfte  verwendet  wurde  ^•. 

Aber  aus  Galen  erfahren  wir  ja  nur,  Asklepiades  habe  die 
Α  »Ziehung  geleugnet  —  dass  er  den  Luftdruck  zum  Ersatz  her- 
beirief, wird  nicht  gesagt.  Zwar  durch  die  Entfernung  der  ολκή 
wurde  die  Annahme  eines  bewegenden  Elements  bedingt.  Lässt 
eich  erschliessen,  was  sich  nicht  belegen  lässt,  dass  Asklepiades 
als  solches  Element  die  Luft  ansprach?  Longis  ambagibus  est 
adeundum. 


Ausg.  des  Anonymus  Londinensis  und  S.  42  der  Schrift  'Elementum*. 
Wcllmann  Pn.  Schale  S.  55  ff.  Anm.  2.  Von  Asklepiades'  Lehren 
berichten  uns  die  sohlecht  verhehlte  Missganst  der  ihm  verpflichteten 
methodischen  Schale  (Soran-Caelius)  und  der  keifende  Widerspruch  des 
Galen  —  nur  Celsus  urtheilt  unbefangen.  Der  Klatsch,  den  Plinius 
weiterträgt  (schon  Bayle  hat  ihn  abgefertigt)  darf  den  Asklepiades 
noch  nicht  zum  Charlatan  stempeln  und  wenn  er  wohl  einen  leidlichen 
ätil  schrieb,  war  er  darum  doch  mehr  als  *uu  type  curieux  de  medecin 
beau  parleur*  (Croiset  lit.  gr.  V  p.  300).  —  Wie  Asklepiades  durch  die 
Geltung  des  Caelius  Aurelianus  im  M.  A.  herüberwirkt  auf  die  moderne 
Corpuscnlartheorie,  hat  Knrd  Lasswitz  i.  d.  Vjsch.  f.  wiss.  Pbilos.  III 
(1879)  S.  408  ff.  und  an  mehreren  Stellen  seiner  Geschichte  der  Ato- 
mistik dargelegt. 

^^  Auf  diese  Analogie  —  nur  ans  erweiterter  Ansicht  des  Magne- 
tismns,  baute  noch  vor  hundert  Jahren  der  deutsche  Naturphilosoph: 
'Der  allgemeine  Magnetismus  wird  das  seyn,  was  der  Sensibilität  in 
der  Aussenwelt  entspricht,  oder,  dieselbe  letzte  Ursache,  welche  in  der 
allgemeinen  Natur  Ursache  des  allgemeinen  Magpietismus  ist,  wird  Ur- 
sache der  Sensibilität  in  der  organischen  Natur  seyn*:  so  Schelling 
im  'Ersten  Entwurf  eines  Systems  der  Naturphilosophie*.  Werke  1  Abtb. 
in  8.  218. 


374  Fritzsche 

IV. 

Bei  Aetiu8-Plut.  Plac.  phil.  IV  22,  2  (p.412f.  Diele)  wird 
uns  überliefert,  w^ie  Aeklepiades  die  Athmung  erklärte.  J.  F.  K. 
Hecker  in  seiner  Gescbichte  der  Heilkunde,  einem  Werk  pragma- 
tischen Geistes,  Bd.  I  S.  875  beobachtete  'einige  Aehnlichkeit' 
dieser  Theorie  mit  der  platonischen.  Der  Hinweis  ist  wichtig, 
kann  aber  nicht  gentigen.  Zudem  befremdet  im  Gefolge  Piatone 
ein  Arzt,  den  wir  ganz  nahe  bei  den  Epikureern  zu  finden  ge- 
wohnt sind.  Es  gilt  die  Aehnlichkeit  der  Theorien  genau  za 
umschreiben.  Wir  betrachten  zuerst  die  Athmungslehre  des  PlatoD 
nach  dem  Texte  des  Timaios  p.  77  ff.*'. 

Piaton  handelt  vom  Athem  im  Zusammenhange  mit  der  Er- 
nährung: Das  sterbliche  Lebewesen  ist  anatomisch  fertig  (πάντ* 
ήν  τα  του  θνητού  ίψου  Ηυμπεφυκότα  μίρη  και  μέλη  76*^  fX 
sein  physiologisches  Dasein  ist  zu  gründen  und  zu  sichern  gegen 
die  Auflösung  durch  Feuer  und  Luft.  Die  Götter  schufen  also 
die  Pflanzen  als  Lebewesen  niederer  Ordnung  (ώσθ*  ?τ€ρον  2ψον 
εΤναι),  [damit  sie,  von  den  höheren  Lebewesen  als  Nahrung  au^ 
genommen,  diesen  stetig  die  durch  Auflösung  in  Luft  und  Feuer 
abgehende  Erd-  und  Wassersubstanz  ersetzen].  Die  aufgenom- 
menen Pflanzenstoffe  erhalten  und  stärken  den  thierischen  Körper, 
nachdem  sie  die  Form  des  Blutes  erhalten  haben.  Wie  geschieht 
diese  Verwandlung  der  Rohstoffe  in  Blut  und  welcher  Art  wird 
dies  Blut  über  den  ganzen  Körper  vertheilt?  Platons  Vorstellung 
verharrt  im  Bereich  der  Pflanzencultur,  von  der  zuvor  die  Rede 
war,  und  er  vergleicht  den  thierischen  Körper  einem  Garten,  den 
die  Götter  mit  Kanälen  durchziehen.  Diese  Kanäle  sind  die 
Adern.  Piaton  nennt  die  beiden  Rückenadern  zu  Seiten  der 
Wirbelsäule  als  die  Hauptlinien  des  Kanalsystems  und  bespriclit 
den  chiastischen  Anschluss  des  Kopfes  an  den  Rumpf  durch  die 
Adern. 

^^  Ich  biu  mir  bewusst,  dass  jede  Paraphrase  platonischer  Satze 
oino  Vorgröberuuj;!:  ihres  Gehaltes  einschliefst  und  besonders  hier,  ^'^' 
oin  ]>hy Biologisches  Bild  wie  im  Schattenrisse  hingeworfen  ist.  D^^ 
Ahnun^fsrciohe  geht  verloren.  Dennoch  eehe  ich  kein  anderes  Mitte). 
was  nur  deutlich  scliien,  anderen  mitzutheilen.  Abweichungen  meiner 
Ansicht  von  den  Commentatoren  Stallbaum  und  Arcber-Hind  (Lond 
ISS8)  habo  ich  nicht  einxeln  angegeben,  auf  Tb.  H.  Martins  Etudee  sur 
leTimoü  de  IMaton  OJ  voll.  Paris  IM\)  mich  häufig  zu  berufen  war  kein 
Aula•«,  Fr..  Snsemibh  Bedaehtsamkeit  in  den  Noten  zu  seiner  Üebr- 
not/ui>K  (StuttK•  18&t»)  venlienl  das  meiste  Lob. 


Der  Magnet  and  die  Athmung  in  antikeD  Theorien  37δ 

Das  Kanal bett  iet  ausgehoben,  aber  noch  trocken  —  wie 
kommt  die  Waeserleitong  zu  Stande?  Der  Garten  nämlich,  der 
bewä8Bert  werden  soll,  liegt  oberhalb  der  spendenden  Quelle. 
Ohne  Bild  gesprochen,  wie  wird  Nahrung  aus  der  Bauchhöhle  in 
Blut  verwandelt  den  Adern  zugeleitet?  Antwort:  durch  stetig 
auf-  und  absoh webendes  Feuer.  Das  Feuer  zertheilt  bei  seinem 
Eintritt  in  die  Bauchhöhle  Speise  und  Trank  zu  kleinsten  Theil- 
cheii  und  tragt  diese  Theilchen  bei  seinem  Austritt  empor,  so  ge- 
langen sie  als  Blut  in  die  Adern  und  fliessen  dort  wie  durch  ein 
TbaP^  durch  den  Körper.     Wir  fragen  weiter:  warum  vollzieht 


^  Das  Feuer  leistet  für  die  Hewegung  der  Flüesigkeit,  was  sonst 
(las  tiefall.  Hecker  aO.  S.  li)2  sieht  einen  Widerspruch  in  der  77«  f. 
vorgetragenen  Gefasslehre  zu  70*^  τήν  bi  καρδίαν  δμμα  τιΐιν  φλ€βών 
καΐ  πηγήν  τοΟ  π£ριφ€ρομένου  κατά  πάντα  τά  μέλη  σς)θδρ(Σ)ς  αίματος 
€ίς  τήν  δορυς>ορικήν  οΐκησιν  κατέστησαν.  Ρβ.  Τίπι.  π€ρΙ  ψυχ&ς  κόσμου 
C  14  ρ.  102^  hchre ibi :  τροφά  bk  π&σα  άπό  {ι(2!ας  μέν  τ&ς  καρδίας,  πα- 
τάς hi  τας  κοιλίας  επάγεται  τφ  σώματι.  Dieser  Versuch  die  Schwierig- 
keit stilistisch  zu  überbrücken  vei  fangt  nicht,  wenn  aber  W.  Anton 
De  origiiie  libelli  περί  ψυχάς  (Nuroburgi  1891)  ρ.  396  dem  Piaton  zu• 
schreibt:  *non  cor  simpliciter  fontem  sanguinis  esse  per  omne  corpus 
manantis,  sed  impetu  quodam  manantis*  (vgl.  auch  p.  371)  presst  er 
den  Text  (wie  vor  ihm  Galen  V  p.  573  K.).  Man  konnte  —  um  im 
BiMe  AU  bleiben,  das  Herz  als  das  Sammelbecken  betrachten,  von  dem 
die  Kanal] inirn  ausgehen,  das  selbst  aber  von  der  Bauchhöhle  aus  ge- 
speist wird.  Dann  wäre  das  Herz  Quelle  der  Adern,  die  Bauchhöhle 
des  Blutes.  (Einer  solchen  Theorie  scheint  sich  Aristot.  resp.  n.  14 
)>.  474^  zu  widersetzen :  τοΟ  6'  αϊματος  καΐ  τιΧιν  φλεβών  τήν  αυτήν  αρ- 
χήν άναγκαΐον  cTvai.)  Die  Ausführung  70«'  über  die  Lunge  als  Re- 
gulator der  Herzwärme  (vgl.  auch  M.  Wellmann:  Fragmentsammlung 
d.  gr.  Aerzte  I  S.  99)  hat  auf  den  Mechanismus  der  Athmung  keinen 
Bezug.  Die  Lunge,  heisst  es  dort,  nimmt  in  ihre  Poren  πνεΟμα  und 
πόμα  auf  und  verbreitet  Kühle  —  dadurch  verschafft  sie  dem  Herzen 
in  seiner  Hitze  Erholung  (Abzug?  vgl.  Anm.  20)  und  Erleichterung. 
(Ideelles  Object  zu  ψύχουσα  ist  καρδία,  nicht  πνεΟμα  und  πόμα  trotz 
neuerer  Uebejsetzer.  Fioinus  richtig:  *  Cfjrdis  ardorem  huiusmodi  re- 
spiratione  et  refrigerio  tepefacit').  Wir  erfuhren  nichts  davon,  dass 
ή  τοΰ  πλεύμονος  Ιδέα  die  Bewehrung  des  πνεΟμα  verursache.  Die  Lunge 
ist  kühl  schon  durch  ihre  Blutlosigkeit,  jedenfalls  kühler  als  das  Herz. 
Uebrigens  soll  man  bei  den  anatomischen  und  physiologischen  Angaben 
des  Timaios  weder  allzu  ängstlich  Uebereinstimmung  erdeuten  noch 
slUu  entschieden  Widersprüche  betonen.  Piaton  'uro tastet  die  Natur 
(Goethe)  und  tritt  von  verschiedenen  Seiten  an  die  Ph&nomene  heran, 
so  darf  man  seine  Ansichten  nicht  durchaus  in  eine  Fläche  rücken. 
Die  Vorstellung  im  Timaios   bewegt  sich  mit  dem  Nacheinander  eines 


376  FritzBche 

dae  Feuer  dieee  auf-  und  abecbwebende  Bewegung  ?  Weil  es  der 
Luft  folgt,  die  bei  dem  Atbmung  benannten  Vorgang  eben  diese 
Bewegung  rhythmiscb  auefübrt.  So  stellt  Piaton  ein  functionellee 
Verh&ltmes  her  zwiscben  Atbem,  Blntbildung,  Blntumlauf.  Die 
Athmung  selbst  wird  durcb  ein  kunstreicbes  Diagramm  erläutert: 
TTnsem  Körper  umgibt  eine  Luftscbicht,  die  wir  uns  der  porösen 
Wand  eines  Korbes  anliegend  vorstellen.  Im  Innern  unseres 
Körpers  befinden  sieb  zwei  Infterfullte  R&ume,  der  eine  in  der 
Lunge,  der  andre  in  der  Baucbböhle  —  wir  nennen  diese  beiden 
Luftbebälter  έγκυρτια,  weil  sie  gleichsam  als  Körbeben  in  dem 
grossen  Korbe  stehen,  dessen  Wandung  wie  gesagt  von  der  Luft 
ausserhalb  umgeben  ist,  dessen  Inneres  aber,  soweit  die  έγκυρτια 
den  Raum  nicht  einnehmen,  von  Feuer  erfüllt  ist.  —  Gleiches 
strebt  zu  gleichem  —  die  Süssere  Luft  (κύτος  του  κυρτού)  drängt 
zu  den  InfterfüUten  έγκύρτια  und  umgekehrt,  es  erfolgt  jene 
rhythmische  Bewegung,  die  wir  als  Ausathmen  und  Einathmen 
zu  bezeichnen  pflegen.  Das  Feuer,  zwischen  έγκύρτια  und  κύτος 
gestellt,  geht  der  Luft  nach,  [je  nachdem  beim  Ausathmen  der 
Anstoss  von  den  έγκυρτια  oder  beim  Einathmen  vom  κύτος  her- 
kommt] ^•. 

Werdenden,  wenn  nun  das  Nebeneinander  des  Seienden  in  der  Dar- 
stellung nicht  völlig  harmonirt,  mögen  wir  ein  göttliches  Genie  nicht 
verklagen. 

^*  Ans  dem  Fragment  des  galenisohen  Commentars  zom  Timaios 
(publ.  p.  Gh.  Daremberg  Parie-Lpzg.  1848)  lernte  ich,  dass  1)  έγκύρπον 
nicht  mit  dem  Lexikographen  Timaios  έπΙ  τής  φάρυγγος  zu  fassen  ist, 
2)  τό  μέν  των  έγκυρΉυιν  ρ.  78^  für  τά  έγκύρτια  steht.  Im  äbrigeit 
ist  dieser  Gommentar  durch  das  Streben  nach  anatomischer  Localisi- 
rung  für  die  Charakteristik  Galens  wichtiger  als  für  die  Erklärung 
Piatons.  —  κύρτος  und  έγκύρτια  bestehen  ans  Luft  und  Feuer ;  ich  be- 
greife also  nicht,  wie  neueren  Interpreten  νλέγμα  und  ιτλ€ύμων  iden- 
tisch gilt.  Anatomische  Substrate  sind  schon  um  deswillen  hier  nicbt 
zu  suchen,  weil  das  2[φον  schon  vorher  als  plastisches  Grebild  vollendet 
war  (78c).  —  Vielleicht  darf  man  soviel  sagen:  das  έγκι^ρηον  δίκρουν 
ist  Agens  der  Bmstathmungf  das  andere  έγκύρηον  der  Bauchathmung• 

—  Die  έτκύρηα  werden  in  der  Ausführung  über  die  alria  des  Athems 
nicht  mehr  erwähnt,  79^  erscheint  die  warme  Luft  in  den  έγκύρτια 
und  das  Feuer  im  übrigen  Räume  des  πλέγμα  als  einhellige  Maase. 
Hieronypus  Müller  denkt  an  zwei  oder  gar  drei  Athmungstheorien 
Piatons.     Wer   aber   so   scharf   hiublickt,  verschiebt   das  Gesichtsfeld. 

—  78d  ircpi  τό  σώμα  δσον  κοίλον  ημών:  οσον  κοίλον  heisst  'soweit 
Platz  war.  Susemihl  hat  richtig  gesehen,  dass  die  Oberfläche  des 
Körpers,  nicht  das  Innere  gemeint  ist. 


Der  Magnet  and  die  Athmung  in  antiken  Theorien  377 

# 

Nuo  begeben  wir  uns  aus  dem  Gebiete  der  Pbyeiologie  in 
das  der  Pbyrik  und  beschreiben  den  empirisch  festgestellten,  in 
seiner  Bedentang  für  die  Erhaltung  des  Lebens  erkannten  Rhyth- 
moB  des  Athems  als  eine  nothwendige  Bewegung  von  Elementen. 
PlatoD  entwirft  folgende  Scala: 

1)  Ansathmen  durch  Hund  und  Nase. 

2)  Einathmen  durch  die  Haut. 
3)*Au8athmen  durch  die  Haut. 

4)  Einathmen  durch  Mund  und  Nase. 

5)  Ausathmen  durch  Mund  und  Nase. 

Piaton  öffnet  der  Luft  zwei  Pforten:  1)  Mund  und  Nase 
2)  die  Poren  der  Haut  (bta  μανών  τών  σαρκών  79®).  Dej  Aus- 
tritt von  Luft  durch  die  oine  Pforte  bewirkt  jeweilig  den  Ein- 
tritt von  Luft  durch  die  andere.  Dies  aber  geschieht  wegen  des 
Horror  vacui  (79^*  έπ€ΐοή  K€VOv  oub^v  έστιν  vgl.  58»).  Die  aus 
dem  Mund  und  der  Nase  ausströmende  Luft  verschiebt  die  den 
Körper  umgebende  Luftschicht  derart,  dass  Brust  und  Lunge  so- 
fort wieder  mit  Luft  gefüllt  werden.  Die  durch  die  Haut  aus- 
strömende Luft  veranlasst  mittele  gleichartiger  Schiebung  das 
Eindringen  von  Luft  durch  Mund  und  Nase.  Aber  wie'  kommt 
68  denn,  dass  wir  ausathmen,  jetzt  durch  die  oine  Pforte,  jetzt 
durch  die  andere? 

Hier  erinnern  wir  uns,  dass  unser  Körper  eine  Wärmequelle 
enthält,  aus  ihrem  Dasein  erklärte  sich  uns  die  hohe  Temperatur 
des  Blutes.  Diese  Wärme  strebt  nach  aussen  'zu  dem  ihr  Ver- 
wandten', will  sagen  zu  τφ  Toö  παντός  τόπψ,  καθ'  δν  ή  του 
πυρός  €ΐληχ€  μάλιστα  φύσις,  οΰ  και  πλείστον  &ν  ήθροισμένον 
€ΐη  προς  δ  φέρεται  (63^  vgl.  auch  Martin  U  ρ.  273).  £s  bieten 
eich  als  Ausweg  abwechselnd  die  beiden  Α thmungspforten^.  Nun 
wiesen  wir  aus  Erfahrung,  dass  immer  das  Ausathmen  dem  Ein- 
athmen unmittelbar  folgt  —  also  wendet  sich  das  Warme  immer 
zu  der  Pforte,  wo  gerade  eingeathmet  wird.  So  verstehen  wir 
auch  die  Erwärmung  der  eingeathmeten  Luft,  die  dem  Wärme- 
Strom  begegnet,  die  Abkühlung  der  ausgeathmeten,  deren  Wärme 
sich  verflüchtigt. 

*>  Das  Feuer  hat  Zug  an  der  Stelle  des  Lufteintritts  (vgl.  Plat. 
Tim.  p.  85^,  wo  Aroher-Hind  αναπνοή  als  Ventilation*  fasst).  Diesen 
'Zug*  bezeichnet  Theophrast  de  igne  23  selbst  mit  αναπνοή  (ähnlich 
Plttt  de  Pyth.  orac.  17.  p.  402^  ircpl  τήν  άναπνοήν  τοΟ  νάματος).  Vor- 
her (78«)  und  später  (80^)  wird  ja  gesagt,  das  Feuer  folgt  der  Luft, 
beim  Ansathnien  nach  aussen,  beim  Einathmen  einwärts  zu  den  Adern. 


378  Kritziiche 

Zwei  Kräfte  wirken  zuBammeii  bei  der  Athmung:  1}  der 
Umtrieb  der  darcb  das  Ansathmen  in  Bewegung  gesetzten  Lnft, 
2)  der  Anstritt  uns  einwobnender  Wärme,  jeweilig  ermöglicbt 
durcb  das  Dasein  zweier  Atbmungspforten.  Piaton  erklärt  aleo 
79^  das  Ausatbmen  anter  der  Annabme  des  Einatbmens  als  ge- 
gebener Tbateacbe  and  setzt  79*~~^  das  Ansatbmen  für  das  £in- 
atbmen  voraus.  Ein  drittes,  das  aus  solcbem  Cirkel  berausfobrte, 
bat  Piaton  nicbt  gefunden,  wahrscheinlicb  auob  nicht  -  gesucbt, 
er  verlegt  KivoOv  und  κινουμενον  in  denselben  lebenerbaltenden 
Prooess**. 

Piatons  Theorie  siebt  M.  Wellmann  von  empedokleiecber 
Farbe  deutlich  durchschimmert,  nur  meint  er,  Piaton  sei  mit  der 
Annahme  vom  'kreisförmigen  Umschwung  des  Ganzen'  seine 
eigenen  Wege  gewandelt ^^.  Das  war  keine  Laune  —  Platon 
wollte  hinauskommen  über  Empedokles.  Dessen  Gleichnies  von 
der  Klepsydra  erklärt  die  Ursache  des  Beginns  (τήν  αΐτίαν  ττίς 
<^ΡΧήζ  αυτών  79*^)  der  Athmung  nicht.  Dass  die  obere  Mündung 
der  Klepsydra  von  der  Hand  des  Mädchens  geschlossen  und  ge- 
öffnet wird,   müssen  wir  hinnehmen.     Der  platonische  Botations- 


^  Aristotelee  traut  dem  Piaton  zu,  dass  er  die  uns  umgebende 
Luft  für  warm  gehallen  habe  (de  resp.  472^  33—36).  Was  aber  Ari- 
stoteles entgegnet :  τό  μέν  γάρ  έκπν€Ομενον  clvai  θ€ρμόν,  τό  b'  clairvc- 
όμ€νον  ψυχρόν,  das  sagt  ja  Platon  selbst  (79<^):  τό  bi  ιτ€ριυκιθ^  cU  τό 
πΟρ  εμπίπτον  θ€ρμα{ν€ται,  τό  b*  ilxöy  ψύχ€ται.  Verstand  Ar.  θ€ρμαί- 
νεται  im  Sinne  von  ealet,  da  es  doch  hier  ealescit  bedeutet?  Auch  da- 
rin vorkennt  er  Piatons  Ansicht  und  Absicht,  dass  er  resp.  472^  20 
einwirft:  συμβα{ν€ΐ  δέ  τοϊς  οΰτως  οίομ^οις  πρόΤ€ρον  τήν  έκπνοήν  ΐί- 
νεοθαι  τής  εΙσπνοής,  da  doch  für  Platon  die  zeitliche  Priorität  eine» 
der  beiden  respiratorischen  Acte  gar  nicht  in  Frage  kommt.  Aristo- 
teles greift  fester  zu,  als  Piatons  schwebende  Betrachtung  der  Phäno- 
mene verträgt  [dass  er  aber  die  in  der  Akademie  fortgebildete  Respi- 
rationslehre  (s.  u.)  bekämpfe,  vermuthet  Daremberg  (Galien-Timee  p.  52) 
ohne  Noth]. 

'*  Fragmentsammlnng  der  griechischen  Aerzte  I  S.  83  f.  Ich 
verweise  auf  die  dortigen  Feststellungen  und  Yermuthungen  über  Pia- 
tons Verhältniss  zur  sikelischen  Aerzteschule.  Die  Annahme  von  Poren 
und  die  LouKUung  des  leeren  Raumes  hat  aber  Platon  nicht  als  Wider- 
spruch empfunden,  da  ja  die  Poren  der  Haut  wegen  der  stetigen  πι- 
ρίωσις  keinen  Augenblick  luftleer  sind.  —  Lichtenstädt,  Platons  Lehren 
auf  dem  Gebiete  der  Naturforschung  und  Heilkunde.  Lpzg.  182«  dringt 
nicht    tief;    vgl.  noch  B.  Rothlauf:    Die  Physik  Platos  .     (I.  Pg 

München  1887)  S.  36  ff.  (Platon    habe    die   Bedeutung    des  Luftdruck» 
im  Sinne  Torricellis  erahnt). 


Der  Magnet  and  die  Athmung  in  antiken  Theorien  379 

apparat  arbeitet  eelbstthätig.  Die  physiologischen  Probleme  hatten 
eich  zugespitzt  seit  den  Tagen  des  Empedokles,  der  auch  die 
Frage,  ob  ολκή  oder  nicht,  in  ihrer  antithetischen  Schärfe  nicht 
ahnte^.  Piaton  weist  noch  bin  aaf  die  SohröpfkÖpfe  und  das 
Schlucken,  auf  Höhe  nnd  Tiefe  der  Töne,  Fliessen  des  Wassers, 
Niederfahren  der  Blitze,  auf  Magnet  und  Bernstein  und  gelangt 
zu  der  energischen  These:  πάντιυν  τούτων  δλκή  μέν  ουκ  £στιν 
oubevi  ποτ€  (80^)**.  In  seinem  schönen  Buche  'Wirklichkeiten' 
(Berlin  1900  S.  16)  hat  jungsthin  Kurd  Lasswitz  die  Wichtigkeit 


"  Hauptetelle  für  die  Athmnng  bei  Empedokles:  Ariet.  resp.  7 
p.  473^15  Getzt  bei  Diele  poet.  philos  fr.  p.  143  fr.  100).  —  Mit  der 
Frage  der  πριΟτη  αναπνοή  hat  sich  Empedokles  in  anderem  Zusammen- 
hange beschäftigt.  [Aet.  IV  22, 1  (41 1  D)  jetzt  poet.  pbii.  fr.  p.  96  n.  74]: 
Das  erste  Einathmen  geschehe,  wenn  der  Foetus  im  Moment  der  Ge- 
burt aus  der  umgebenden  Feuchtigkeit  heraustritt  und  die  äussere  Luft 
in  die  geöffneten  Gefässe  eindringt.  Durch  natürliche  Wärme,  die 
nach  aussen  strebt,  werde  diese  eingedrungene  Luft  wieder  ausgetrieben 
aud  sie  dringe  aufs  neue  ein,  wenn  die  Wärme  nach  innen  (εντός  zu 
lesen  mit  Sturz  und  Bernardakis)  sich  zurückzieht.  Plato,  der  im  Ti- 
maios  den  Menschen  aus  der  Gottheit  Hand,  nicht  aus  der  Mutter 
Schooss  erstehen  heisst,  konnte  die  von  Empedokles  angebotene  em- 
bryologische Begründung  des  ersten  Athemzuges  nicht  übernehmen. 
Die  Frage  der  vOv  κατιούσα  αναπνοή  (Aet.  über  Emp.  aO.)  scheint 
Empedokles  durchaus  gesondert  von  der  πρώτη  αναπνοή  τοΟ  πρώτου 
Σώου  erörtert  zu  haben  (v^I.  l'lato  Tim.  79*  τό  τής  αναπνοής  πάθος, 
οϊόνπ€ρ  τά  νΟν  έστιν,  79«  τήν  bi  α1τ{αν  τής  αρχής  αοτών  θ€τέον  τήνδ€). 
Im  allg.  vgl.  noch  Hecker  Gesch.  d.  Heilk.  I  S.  89.  —  Der  empedo- 
kJeischen  Klepsydra  ähneln  am  meisten  die  von  Ileron  pueum.  I  p.  8, 28 
Schmidt  beschriebenen  φά  Ιατρικά  —  die  platonische  Athmung  aber 
wird  durch  die  οικύα  am  besten  erläutert.  Es  wäre  einmal  zusammen- 
bangend  zu  betrachten,  wie  der  Fortschritt  physikalischer  bölax  in  der 
Wahl  solcher  technischer  Vergleiche  zu  Tage  tritt. 

«*  Vgl.  Galen  de  plac.  Hipp,  et  PI.  VIU  8  (V  p.  707  f.  K.,  ed. 
Iw.  Müller  p.  714  f.)  *Ev  μέντοι  τή  περί  αναπνοής  boHij  διην^χθη  προς 
αυτόν  οΰ  σμικρά,  πρώτον  μέν  τφ  6ιαπνοής  μάλλον  α(τ{αν  €ΐπ€ΐν,  ούκ 
αναπνοής,  έΐτα  oi)bi  ταύτης  άμέμντιυς.  αναιρεί  γάρ  όλκήν,  ή  προς  πολλά 

τών  (ρυαικών    £ργυ;ν    ό  Ιπποκράτης    χρήται Wenn  Galen 

Tim.  ρ.  32  Piatons  π€ρ(ωσις  der  προς  τό  κενούμενον  ακολουθία  des 
Erasiatratos  gleichsetzt,  ist  das  proleptisoh  zu  nehmen.  Erasistratos 
(vgl.  Diels  Sb.  d.  Berl.  Ak  1893  S  109)  fusst  hier  auf  Stratons  Lehre 
vom  unstetigen  Vaouum.  Straton  beruft  sich  (s.  Simplicius  in  Arist. 
phye.  p.  663,  3)  auf  Piatons  Leugnung  der  ολκή,  hat  aber  die  'Schie- 
bung in  den  nächsten  Räumt  heil'  genauer  durchdacht  und  ist  dadurch 
zum  Zugpständniss  des  nicht  continuir liehen  Vacuum  gekummen. 


380  Fritzeche 

jenes  Satzee  für  die  Antonomie  der  mecliaiiiBcheii  Ganealität  un- 
terhalb der  Welteeele  hervorgehoben  —  ein  Materialist  wie  Askle- 
piades  wurde  nicht  untren,  wenn  er  in  Platons  Spuren  ivüib 
μηο'  δλως  ίλκβσθαι  λέγειν  xmö  μηοενός  μχ\1)ίν  έτράπετο. 

V. 

Ich  sog  vorhin  die  Nachricht  des  Aetios  IV  32,  3  (p.  412  f.  D.) 
heran  zur  Lehre  des  Asklepiades  von  der  Athmung.  Die  Stelle 
lautet:  *Ασκληπιά2>ης  τόν  μ^ν  πνεύμονα  χώνης  δίκην  συνίστησιν, 
αΐτίαν  hi  τής  αναπνοής  τήν  έν  τώ  θώρακι  λεπτομέρειαν  υποτί- 
θεται, προς  ήν  τ6ν  βΐϋθεν  αέρα  ^εΐν  τε  καΐ  ςρέρεσθαι  παχυ- 
μερή  δντα,  πάλιν  5έ  άπωθεΐσθαι  μηκέτι  του  θώρακος  οίου  τ€ 
δντος  μήτ^  έπεΐ(Τ5έχε(Τθαι  μήθ*  ύποστέγειν*  υπολειπομένου  b€ 
τίνος  έν  τψ  θώρακι  λεπτομερούς  όε\  βραχέος  (ου  γαρ  5παν 
εκκρίνεται),  προς  τούτο  πάλιν  τό  εϊσω  ύπομένον  την  βαρύτητα 
του  έκτος  άντεπεισφέρεοθαι.  ταύτα  hk  ταΐς  σικύαις  όπεικά2[€ΐ' 
τήν  bi  κατά  προαίρεσιν  άναπνοήν  γίνεσθαί  φησι  συναγομένοίν 
τών  έν  τψ  πνευμόνι  λεπτότατων  πόριυν  και  τών  βραγχίων  στε- 
νουμένυιν'  τ^  γάρ  ήμετέρ<)ΐ  ταυθ'  υπακούει  προαιρέσει.  Askle- 
piades hat  wie  Piaton  nach  der  αΙτία,  der  Mechanik  der  Athmung 
geforscht  und  die  platonische  Theorie  seiner  Physiologie  aoge- 
passt.  Er  verwarf  die  eingebome  Wärme,  wie  jede  έμφυτος 
ούναμις  (Galen  VU  p.  615  K.),  darum  nennt  er  λεπτομερές^ 
und  παχυμερές,  was  bei  Piaton  Feuer  und  äussere  Luft  beisst 
—  die  πηγή  πυρός  (τό  θερμότερον  μάλλον)  wird  in  dieser  Ter- 
minologie zu  dem  im  Thorax  zurückbleibenden  λεπτομερές.  — 
Der  Zusatz  über  die  künstliche  Athmung  ergänzt  die  lückenhaft 
überlieferte  Erklärung  der  natürlichen.  Die  αναπνοή  κατά  προ- 
αίρεσιν erfolgt  durch  willkürliches  Zusammenziehen  der  feinsten 
Poren  in  der  Lunge  und  Verengerung  der  Bronchien  (vgl.  die 
Athemgymnastik  bei  Galen  VI  p.  173  E.).  Jene  Contraction  ver- 
zögert nämlich  den  Zutritt  des  λεπτομερές  zum  παχυμερές,  es 
bedarf  zur  Ueberfüllung  des  verfügbaren  Raumes  einer  grösseren 
Masse  von  παχυμερές  als  bei  der  unfreiwilligen  Athmung,  die 
Ausathmung  erfolgt  später,  der  Rhythmus  wird  verlangsamt. 
Folgende  Ansicht  ergibt  sich  daraus   für   die  unfreiwillige  Ath- 


*  Pb.  Tim.  Locr.  p.  98^  πΟρ  μέν  ών  διά  τάν  λεπτομερίαν  διά  πάν- 
των ήκ€ν  (vgl.  was  Anton  aO.  ρ.  213  f.  zusammenträgt).  Im  Chiaemue 
dazu  übersetzt  Cael.  Aurel.  morb.  acut.  1  15  (p.  4β  Amman)  das  Xcirro- 
μ€ρές  des  Asklepiades  geradezu  mit  fervor. 


Der  Magnet  and  die  Athmnng  in  antiken  Theorien  381 

moDg:  Das  im  Thorax  eingeeessene  conetante  λ€ΐττομερές*^  ver* 
bindet  sich  anf  dem  Wege  durch  πόροι  und  βράγχοι  mit  dem 
durch  den  Lnngentrichter^  eindringenden  άήρ  παχυμβρής.  Dieae 
Verbindung  erzengt  eine  Spannung  des  όήρ  παχυμ€ρής,  der 
selbst  in  die  Structur  des  λεπτομερές  übergeht.  Sobald  aber 
der  Baum  de»  Thorax  nicht  mehr  zureicht,  wird  die  Luftmaflse 
nach  aussen  abgestossen.  τό  έν  τψ  θώρακι  λεπτομερές  wirkt 
gleichsam  explosiv  '^.  Der  Erwärmung  der  Athemluft  bei  Piaton 
(6ΐς  τό  πυρ  εμπίπτον  θερμαίνεται  Tim.  79^)  entspricht  bei  Askle- 
piades  die  Verwandlung  von  όήρ  παχυμερής  in  das  λεπτομερές. 
Die  πλήρω(Τΐς  war  eine  Hypothese  des  Herophilos  ^^  Asklepiades 
übernimmt  sie  und  kann  so  der  Berufung  auf  den  Drang  des 
Feuers  zu  dem  ihm  Verwandten  entrathen,  der  Hinweis  anf  die 
Aufldehnung  der  eingeathmeten  Luft  wiederum  erspart  es  ihm, 
eine  natürliche  Tendenz  der  Lunge  zur  (Χυστολή  und  &ια(Ττολή 
mit  Herophilos  anzunehmen,  der  πλήρίλΚΤίς  folgt  die  gewaltsame 
Entleerung  und  nun  genügt  —  ohne  horror  vacui  —  die  Schwere 


*  Constant  als  ein  quantitatives  Minimum,  nicht  als  Substanz. 

^  Gampert  aO.  p.  70,  dem  andere  folgen,  kehrt  den  Trichter 
Qm,  sodass  die  Röhre,  der  Trachea  entsprechend,  nach  oben  steht.  So 
ist  aber  das  Bild  nicht  gemeint;  Askl.  denkt  hier  so  wenig  an  die 
Trachea  wie  Ps.  Hippocr.  de  oorde  z.  Anf.  (über  den  vgl.  Wellmann 
Fragms.  I  S.  94  ff.)  an  den  Oesophagus,  wenn  er  vom  Magen  an- 
merkt :  6  γάρ  οτόμαχος  6κοΐον  χιΰνος,  καΐ  ενδέχεται  τό  πλήθος  καΐ  αβαα 
ΐΓροσαιρόμ€θα,  vgl.  auch  Galen  II  ρ.  709  Κ.  III  ρ.  694  Κ.,  wo  vom 
νύ€λος,  dem  infundiMum  eerebri,  die  Rede  ist  und  Columella  3,  18 
g.  E.,  wo  es  von  der  Schnittfläche  eines  unten  umgebogenen  Setzlings 
beisst:  'more  infundibuli  per  medullam  transmittit  quicquid  aquarura 
caelesttum  superfluit*. 

^  Lionardo  di  Capoa  ragionamento  V  Nap.  1689  p.  245  'ne  si 
dee  qai  tacere,  che  si  pare,  ch'Asolepiade  vicino  stato  fosse  ad  avere 
cognizione  delP  elatere  delP  aria'.  Dem  widerspricht  Gumpert  aO. 
p.  71  ohne  Recht  und  Grund.  Vgl.  auch  Kmst  Platner  p.  252  ff.  seiner 
an  kundigen  Bemerkungen  zu  griechischen  Aerzten  überreichen  *Quae- 
stiones  physiologicae'  (Lips.  1794),  wie  Sudhaus  S.  147  f.  und  an  an- 
dern Stellen  seines  Commentars  zum  Aetna. 

»  VgL  C.  F.  H.  Marx  Comment.  Gott.  vol.  8  (Druckjahr  1841) 
class.  phys.  p.  115  not.  1.  —  Aetius  IV  22,  3  (p.  413  D.).  Das  λ€πτο- 
μ(ρ^ς  des  Askl.  entspannt  nicht  nur  den  übervollen  Raum,  sondern  ent- 
leert ihn  schier.  Herophilos  muss  die  überschüssige  Luft,  die  aus  der 
Lange  in  den  Thorax  trat,  ans  dem  Thorax  in  die  Lunge  zurüok  und 
von  da  nach  aussen  leiten,  um  Platz  zu  schaffen  für  die  neu  von  aussen 
eintretende  Luft. 


384  FritEtohe  \ 

nnter  das  gleiche  Gesetz  gestellt,  auf  ihre  rhythmische  Beziehung 
aher  verzichtet.  Λ  lies  in  allem  gewann  der  kluge  Mann,  vas  er 
erstrebte»  eine  verständliche  Theorie  auf  Grund  der  einfachen 
Principien  seiner  Physiologie.  Asklepiades  verglich  mit  derAtb- 
mungk  den  Anstritt  des  filotes  in  den  Schröpfkopf,  er  hat  also 
auch  für  diesen  locus  classicus  der  δλκή  die  6\κί\  abgelehnt'^. 
Wie  bei  Piaton  wird  die  σικυα  mit  der  αναπνοή  zusammen- 
gestellt. 

Ist  nach  unseren  Ansführnngen  ein  £influ8S  der  platonischen 
Theorie  auf  die  asklepiadeische  höchst  wahrscheinlich,  so  strauben 
wir  uns  doch  gegen  die  Annahme  directer  litterarischer  Ab- 
hängigkeit. Der  TimaioR  lag  zwar  nicht  abseits  der  Wege  da- 
maliger Bildung,  Poseidonios  hat  ihn  commentirt,  Cicero  zum 
Theil  übersetzt,  dennoch  wollen  wir  dem  vielgeschäftigen  Arzte 
vertiefte  Platonlectüre  nicht  zutrauen.  Wir  suchen  nach  einem 
Vermittler.  Der  berufene  Name  des  Pontikers  Herakleides  bietet 
sich  an.  Neben  Asklepiades  begegnet  er  uns  als  Vertreter  der 
δναρμοι  δγκοι'',  Scheintod  und  Bedingungen  des  Athems  hat  er 
im  Dialog  περί  τής  δπνου    erörtert^.     Aber    das   reicht   nicht 


^  Das  Räthsel  bei  Aristot.  rhet.  III  2  p.  1405bS  zeigt,  wie  nahe 
das  Schröpfen  volksthümlicher  Vorstellung  lag;  es  erscheint  als  eine 
typische  Form  der  ολκή,  wenn  Aristot.  an.  gen.  II  4  p.  737b  32  gegen 
die  ^λκ€ΐν  τά  αΙδοΐα  φάσκοντ€ς  üioircp  τάς  σικύας  sich  wendet,  vrenn 
Olympiodor  in  meteor.  I  13  (99,  29  ed.  Stüve)  ein  Muthungsverfahreo 
der  Brunnengräber  δίκην  σικύας  verdeutlicht,  wenn  Theon  bei  Galen 
VI  p.  208  K.  von  der  heiss  abgewaeohenen  ^ιηφάν€ΐα  sagt,  tva  σΟτη 
σικύας  τρόπον  τήν  λαμβανομένη  ν  τροφή  ν  έπισπωμένη  τοΙς  κ€κμηκόσιν 
άντιδιέληται  νβύροις;  bei  Themistios  Anal.  post.  II  1δ  f.  13  (ρ.  95,  18 
Spengel  60,  1  Wailies)  sind. Magnet,  Bernstein  und  Sohröpfkopf  Schul- 
beispiele der  άντιιτ€ρ(στασις,  Heron  pnenm.  I  p.  10,4  u.  16,  10  Schmidt 
wird  am  Sohröpfkopf  die  künstliche  Erzeugung  eines  continuirlichen 
Vacuara  demonstrirt.  Chryaipp  bei  Achilles  p.  126  Petav.  nimmt  die 
Anziehung  durch  die  σικύα  als  Beweis  dafür,  ön  πΟρ  καΐ  άήρ  κου- 
φύτατα  καΐ  άνωφβρή.  Vgl.  noch  Daremberg  zu  Oribas.  vol.  II  ρ.  779— 
81  und  Wellmann  Pneum.  Schule  S.  228  f.  —  Wenn  Plutarch  Qnaest 
Plat.  VII  3  sagt,  die  Luft  im  Schröpfkopf  werde  durch  die  Erhitzung 
weiter  als  die  Poren  des  Erzes,  so  ist  gemeint,  das  Volumen  der  Luft 
werde  grösser  als  das  Volumen  des  Hohlraums,  der  vom  porösen  En 
umgeben  ist. 

»  Vi/1.  Bäumker  aO.,  Otto  Voss  De  Heradidis  P.  vita  et  scriptis 
diss.  Rostochii  1896  p.  66. 

β*  Vgl.  Hirzel  Dialog  I  8.  323  ff.  und  Voss  aO.  p.  68  ff. 


l)er  Magnet  and  die  AthmoDgr  in  antiken  Theorien  38& 

ane;  wir  haben  hier  keinen  eichern  Anhalt  und  müeeten  uns  bei 
einer  nnbeetimmten  Vermuthang  bescheiden.  Eine  kaum  beachtete 
Anmerkung  Galene  deutet  nach  einer  anderen  Biohtung.  In  seinem 
Commentar  zum  Timaios  p.  34  der  Auegabe  von  Daremberg  lesen 
▼ir:  τίν€ται  τοίνυν  ή  τοιαύτη  κίνησις  ουκ  ακριβής  κύκλος  έπ\ 
τα  αυτά  bia  παντός  π€ριφ€ρόμ€νος,  άλλ'  ώς  αυτός  εΤπεν,  ίνθα 
και  ίνθα,  και  κατά  τούτο  οιήνεγκεν  ή  τοΟ  Πλάτωνος  boia  τής 
il  'Ακαδημίας,  ούχ  ώς  'Ερασίστρατος  Ιγραψεν  εκείνη  μέν  γάρ 
κατά  κύκλον  ακριβή  5ιά  παντός  περίφέρεσθαι  τόν  αέρα  έπ\  τά 
αυτά  και  ωσαύτως  βούλεται,  αυτή  V  ου  κατά  κύκλον  aex  τόν 
αυτόν,  άλλ'  ώς  δν   τις    €Ϊποι,   κατά   ούο   ημικύκλια   έναντίως 

άλλήλοις  κινούμενα. ουκ  olba,  τί  boiav  αύτφ 

την  τής  περιώσεως  boiav  άντΙ  τής  ολκής  [ρ.  36]  εϊλετο,  κατά 
τούτο  μόνον  σχεδόν  άποστάς  Ιπποκράτους,  δτι  μέν  γάρ  τό  τής 
αναπνοής,  εϊτ'  ίργον  είτε  πάθος  χρή  καλεΐν,  ού  γίνεται  κατά 
πίρίαισιν,  Ερασίστρατος  ίόειξεν,  έλίγΕας  την  Έστιαίου  boSav• 
Ikza  ergänzend  Galen  Nat.  fao.  li  8  (U  p.  111  E.  III  p.  182  He.) 
σμικρότατός  έστι  τήν  γνώμην  (sc.  Ερασίστρατος)  κα\  ταπεινός 
εσχάτως  έν  άπάσαις  ταϊς  άντιλογίαις,  έν  μέν  τοις  περί  πίψεως 

λόγοις έν  5έ  τοις    περί   τής    αναπνοής 

τοις  περιωθεΐσθαι  τόν  αέρα  φάσκουσιν  (so.  άντιλέγων).  Piatone 
Theorie  der  Athmung  ist  in  der  Akademie  (durch  Heetiaios?)^^ 
ansgebaut  worden.  Die  platonische  περίωσις  Ινθα  καΐ  ένθα  wurde 
ilarch  eine  vollständige  Umdrehung  ersetzt;  auf  welche  Art  und 
in  welcher  Absicht?  Eine  Figur  mag  das  Yerhältniss  der  beiden 
Theorien  verdeutlichen.  Ich  bezeichne  mit  Q  die  Feuerquelle 
(πηγή  πυρός),  mit  Α  den  Lufteintritt  durch  Mund  und  Nase, 
mit  Β  den  durch  die  Haut. 

Α 


»  üeber  Hestiaioe  vgl.  Uert.  Diog.  III 31.  Simpl.  Phye.  453.  28. 
l>oxogr.  p.  318»>  15  und  p.  403^  19.  —  Index  Acad.  phil.  Hercul.  ed. 
S.  Mekler  (Berl.  1902)  p.  34. 

Klietu.  Mne.  i.  Fhilol.  N.  F.  LVIL  25 


Nach   PI»toD  geht  die  erste  ümdrehnng  von  Q  über  Α  w 

Β   die  sweite  von  Q  ö^e'  ^  ^^  ^>  ^*^®*  wirkt  die  Lnflechiebnng 

ttr  A«f  der  Strecke    iwiecben  Α  und  B;    zwischen  Q-A  und 

Q -ß  bewegt  sich  das  Feuer  zum  συγγενές;  nach  der  akademi• 

geben  Lehre   gebt  die   erste   ümdrehnng   von   Q  über  Α  und  Β 
ga  Q,  die  sweite  von  Q  fiber  Β  nnd  Α  sn  Q,  das  Bad  wird  also 
nach  jeder  yoHstSndigen  Ümdrehnng    an  der  ττηγή  ττυρός  wieder 
sarfiokgedreht.     Das  Fener  bewegt  sich  nicht  zn  dem  ihm  Yer• 
wandten,  sondern  stösst  die  durch  Schiebung  bis  Q  vordringende 
Luft  nach  aussen,  die  von  Α  kommende  auf  dem  Weg  über  A, 
die  von  Β  kommende  auf  dem  Weg  über  B.     Piatons  Lehre  vom 
Drang  des  Feuers  zum  (ίυγγενές  war  dem  Verdachte  einer  ver- 
hüllten ολκή  ausgesetzt;    man  bemerkt    leicht,    dass    die  akade- 
mische   Correctur  diesen  Anstand    beseitigen   sollte,     üebrigens 
ist  die  akademische  Feuerquelle  nach  ihrer  Function  dem  aekle- 
piadeischen    λεπτομερές    noch    ähnlicher    als    die    Feuerqnelle 
Piatons. 

Erasistratos,  erfuhren  wir  durch  Oalen,    hat  gegen  die  irc- 
ρίιικτις  polemisirt,   ohne  des  Unterschiedes  der    beiden  Theorien 
zu    achten^.     Wir  brauchen   also    den    leichtbeschwingten  Anf- 
klärer  Asklepiades  mit  dem  Studium  des  Timaios   nicht   zu  be- 
lasten.    £r    fand   die   platonisch-akademische  Athmungslehre  ale 
Discussionsthema  zubereitet  in  der  medicinischen  Litteratnr.   Die 
von  Hecker  richtig  beobachtete,  von  uns  im  einzelnen  beschriebene 
Verwandtschaft  der  Athmungslehren  des  Piaton   und    des  Askle- 
piades lässt  sich  geschichtlich  begreifen. 

« 

VL 

Der  Werth  des  Galencitates  für  unsere  Untersuchung  ist 
damit  noch  nicht  ausgeschöpft.  Wurde  die  Theorie  der  Athmung 
in  der  Akademie  weitergebildet,  so  ward  auch  eingehende  Be- 
handlung des  Schröpfkopfs,  des  Bernsteins  und  des  Magneten  er- 
fordert, zumal  Piaton  im  Timaios  mit  wenigen  Worten  über  diese 
Phänomene  hinweggeglitten  war.  Wir  dürfen  auf  solche  Traditioi 
die  Ausführungen  Plutarchs  in  der  siebenten  platonischen  Frag< 
unbedenklich    beziehen.      Eben    dort   aber  fanden    wir    wie    be 

^  Für  Platons  nächste  Schüler,  die  seinen  mündlichen  Vortrag 
noch  gehört  hatten,  war  der  Timaios  noch  kein  starrer  Codex,  «»• 
werden  platonieohea  und  eigenes  nicht  streng  geschieden  haben.  Di 
Verwechslung  des  Erasistratos  brancht  also  nicht  von  Oberfläch lichkei 
sich  herzuschreiben. 


i>er  Magnet  and  die  Athmung  der  antiken  Theorie  38? 

Laorez  den  änseeren  Lnftdmok  ale  Helfer  magDetisoher  Emana- 
tion. Der  Abstand  der  Zeit  nnd  der  Schalen  von  Laorez  aaf- 
wärts  zu  Piaton  and  abwärts  zn  Plntarch  verwehrte  ans  vorhin 
die  litterarische  Deatang  des  Einklangs  der  Lehre.  Jetzt  sehen 
wir  den  Asklepiades,  den  Hospitanten  des  Epikareismns,  ganz 
nah  der  Epoche  des  Lacrez  and  seinem  Kreise,  durch  medioi- 
nieche  Debatten  denselben  Akademikern  verpflichtet,  von  denen 
Platarch  abhängt.  Ohne  Willkür  dürfen  wir  schliessen,  dass 
Aeklepiadee'  Erklärung  des  Magneten  έφ'  οίς  ύπέθετο  στοιχείοις 
der  plntarch ischen  ähnlich  sah. 

Also  hätte  Lacrez  die  Lehre  vom  Luftdruck  der  Schrift 
des  Asklepiades  über  Athem  und  Puls  entnommen  ?  Das  behaupte 
ich  nicht  —  eine  bescheidenere  Folgerung  verspricht  mehr 
Sicherheit  and  tieferen  Einblick  in  die  Absichten  und  Neigungen 
des  Dichters.  Der  feinhörige  eiussani  bemerkt  zu  v.  954 — 6: 
'Lncrezio  in  quest'  ultima  parte  del  libro  VI  ha  molto  occupata 
la  mente  della  marbida  vis  (n'ha  gik  parlato  a  proposito  delP 
Etna  e  degli  Ävema  loca),  sia  perch^  giä  pensi  alla  chiusa  del 
poema  colla  peste  d* Ateno,  sia  invece  che  questa  particolare  oc- 
cupazione  dello  spirito  gli  abbia  ispirato  quella  chiusa*.  Wir 
können  die  Lectfire  des  Lucrez  nicht  nachprüfen  und  wir  sollen 
bedenken,  dass  sein  Geist  nicht  aus  Büchern  allein  Nahrung  ge- 
zogen hat«  Sind  ihm  aber  überhaupt  medicinische  Erörterungen 
ans  Ohr  geklungen,  so  sind  ihm  die  Ansichten  des  Asklepiades 
flicht  fremd  geblieben  —  denn  laut  genug  war  dieser  Neuerer 
auf  den  Markt  getreten. 

A.  Θ.  M.  Raynaud  (De  Asclepiade  Bithyno  medico  ac  phi- 
losopho.  Thesis,  Paris  1862  p.  33)  meint,  Lucrez  habe  lY  664  ff. 
die  Fiebertheorie  des  Asklepiades  entlehnt :  das  wird  sich  bündig 
nie  erweisen  lassen;  uns  genüge,  dass  medicinische  Themata  im 
Gesichtskreise  des  Dichters  lagen.  Von  dorther  eher  als  von 
rhetorischen  Freunden  ^^  mag  auch  die  Pestschilderung  des  Thu- 
kydides  ihm  zugetragen  worden  sein.  Der  Zusammenhang  lässt 
sich  nur  leise  und  fernher  bezeichnen.  Jedenfalls  werden  wir 
nicht  mehr  leichthin  sagen,  das  Kapitel  von  den  Epidemien  sei 
äueserlich  an  das  vorhergehende  angeschlossen.  Auch  beim 
Magnetismus  findet  ein  contagium  statt. 

Die  ausführliche  Behandlung  des  Magneten  durch  Lucrez 
haben  wir  verstanden  aus  der  Lebhaftigkeit  des  Kampfes  um  τό 


^  Wie  Hb.  Schröder  meint,  'Lukrez  und  Thucydides*  S.  36. 


388  Fritseche 

θαυμαεόμενον  π€ρι  της  ^λΕεως  των  Ήρακλ€(ων  λίθων  (Plat. 
Tim.  80°).  Der  Athmung  als  einer  physiologischen  Grandfrage 
hat  Asklepiades  eine  Monographie  gewidmet  —  es  lohnte  ihm 
schon,  dabei  zu  verweilen. 

Ein  nie  beglichener  Streit  am  brandete  im  Altertham  die 
Erscheinangen  des  Magnetismus  and  der  Bespiration,  und  dieser 
Streit  spielte  sich  ab  im  Yorhofe  der  Metaphysik.  Die  Alten 
konnten  die  Auflösang  des  Magnetismus  in  Mechanik  nicht  er- 
reichen, aber  wenn  sie  τήν  IvboEov  ταύτην  και  πολυθρύλητον 
λίθον  (Gal.  Π  ρ.  44  R.)  wieder  and  wieder  bedachten,  hat  eine 
sichere  Ahnung  sie  geleitet.  Denn  hier  waltet  ein  Urphänonien 
—  nach  Goethes  Worten*®.  Es  war  ein  weiter  Weg  bis  zur 
Ansicht  der  modernen  Physik,  die  Wechsel  Wirkungen  zwischen 
elektrischen  und  magnetischen  Strömen  entdeckt,  die  Elektricität 
der  Optik  angliedert,  von  dieser  Position  aus  die  Frage  nach  den 
Eigenschaften  des  Aethers  stellt  und  von  ebendaher  'das  Wesen 
der  alten  Materie  selbst  und  ihrer  innersten  Eigenschaften,  der 
Trägheit  und  der  Schwere'*^,  zu  verstehen  hofft.  So  hat  sich 
die  Aufgabe  umgekehrt:  magnetische  und  elektrische  Kräfte,  vor- 
dem das  X,  werden  nun  als  die  gegebenen  Grössen  in  die  Glei- 
chung eingestellt.  Die  Alten  stiessen  angesichts  des  Magneten 
auf  den  theoretischen  Ort  der  modernen  Physik  und  kamen  trotz 
allen  Suohens  und  Deuteins  nicht  darüber  hinweg;  dass  sie  aber 
nicht  daran  vorbeigingen,  erweist  den  Ernst  und  die  Ehrlichkeit 
ihrer  Forschung.  In  der  Discnssion  des  Magneten  hatte  die  me- 
chanistische Polemik  den  Einbruch  lebendigen  Wesens  ins  Reich 
des  Anorganischen  abzuwehren  —  man  berennt  ein  feindliches 
Vorwerk  im  eigensten  Gebiet.  Die  Versuche  hinwiederum,  ohne 
naturalis  facultas  die  Athmung  zu  erklären,  sind  ein  Vorstoes 
der    mechanistischen    Naturansicht   ins  Gentrum    des  organischen 


w  Sprüche  in  Prosa  Nr.  790  (Bd.  19  S.  172  Hempel).  Vgl.  auch 
Hegels  Encyclopädie  der  philosophischen  Wissenschafteu  §312  β  (Werke 
VII  1  S.  246)  *Der  Magnetismus  ist  eine  der  Bestimmungen,  die  sich 
vurnehmlich  darbieten  mussten,  als  der  Begriff  sich  in  der  bestimmten 
Natur  vermuthete  und  die  Idee  einer  Naturphilosophie  fasste".  Hier 
darf  noch  erwähnt  werden,  dass  dem  Entdecker  des  Erdmagnetismus 
seine  Hypothese  als  Bestätigung  der  antiken  Weltseele  bedeutsam  schien, 

8.  Guil.  Gilbert  De  magnete physiologia  nova.    Londini  1<JOO. 

lib.  V  cap.  XII  p.  210. 

»  Heinrich  Hertz  in  seinem  Heidelberger  Vortrsffe,  Oce.  W.  1 
S.  354. 


Der  Magnet  and  die  Athmnng  der  antiken  Theorie  389 

Reichee*^.  Anch  hier  blieb  es  beim  Poetnlat  —  die  Athmang 
war  in  Aeromecbanik  nicht  restlos  aufzurechnen.  Die  heutige 
Physiologie  ist  von  Vhomme  machine  wie  nur  irgendwann  ent- 
fernt: *Je  eingehender,  vielseitiger,  gründlicher  wir  die  Lebens- 
erscheinungen  zu  erforschen  streben,  desto  mehr  kommen  wir  zur 
Einsicht,  daes  Vorgänge,  die  wir  bereite  geglaubt  hatten,  physi- 
kalisch und  chemisch  erklären  zu  können,  weit  ν  er  w  ick  eiterer 
Natar  sind  und  vorläufig  jeder  mechanischen  Erklärung  spotten'^^ 
Wir  verfeinern  unsere  Methoden  und  bereichern  unsere  Erfahrung 
und  wir  gelangen  wieder  und  wieder  dahin,  wo  unbewaffneten 
Auges  und  mit  tastender  Hand  die  Alten  sich  mühten,  zu  ewigen 
Problemen.     Cum  excusatione  itaque  veteres  audiendi  sunt. 


Ex  ou  r  8 

1.  Lucrez  verwendet  VI  799  ff.  als  Beispiele  gehemmter 
ReHpiration  den  Tod  im  warmen  Bade  und  die  Eohlenoxyd Ver- 
giftung. Dieselben  Belege  finden  sich  bei  Galen  in  einer  Po- 
lemik gegen  Erasistratos  (und  Asklepiades)  de  us.  resp.  IV  [IV 
p.  494  u.  496  K.,  vgl.  auch  de  us.  part.  VIII  8  (III  p.  540  K.)]. 
Daes  Lucrez  und  Galen  auch  der  lebensfeindlichen  Höhlenluft  hier 
gedenken,  erhebt  die  Parallele  über  die  Möglichkeit  des  Zufalls^-. 


*^  Umgekehrt  stand  die  von  Piaton  Tim.  p.  33^  (dort  Archer- 
Hiud's  Note)  abgelehnte  Weltathmung  der  Pythagoreer  (vgl.  Boeckh, 
Philolaoe  S.  108  ff.). 

*^  Gustav  V.  Bunge,  Lehrb.    d.  Physiologie  (Lpzg.  1901)  II  S.  3. 

^  Die  Asclepiadea  des  Anonymus  Lond.  grenzen  unmittelbar  an 
diese  Themata.  37,  51.  38,  1  (vgl.  auch  Cael.  Aurel.  m.  ac.  I  15  p.  53 
Am.)  ist  von  der  Wirkung  des  Bibergeils  die  Rede:  τό  καοτόρ€ΐον 
προαοισθέν  τοΙς  μυκτήρσι  ^ώννυοι  τάς  δυνάμεις  bicyctpov  τήν  ψυχήν 
καΐ  έντ€ϊνον.  Vorher  37,  30  vom  weissen  Nieswurz:  καΐ  μήν  καΐ  ό 
λευκός  έλλέβορος  άποθυμιώμενος  γυναιΕΙν  άγατγός  γίνεται  τΦν  καταμη- 
νίων.   Dazu  vgl.  Lucr.  VI  794—6: 

castoreoque  gravi  mulier  sopita  recumbit, 
et  mauibus  nitidum  teneris  opus  cffluit  ei, 
tempore  eo  si  odoratast  quo  menstrua  solvit. 
(Durch  dies  Emailbildchen  wird  Giussani  an  den  Schluss  von  Catull  65 
erinnert.    Ich  darf  hinzusetzen,  dass  beide  Dichter  ein  Sprichwort  oder 
vielmehr  dessen  Ausdeutung    durch   Grammatiker  anmuthig    variiren, 
▼gl.  Feetue  p.  165, 17  M.,  Otto  Spr.  d.  R.  S.  231).   Wenn  übrigens  das 
Bibergeil  beim  Anon.  überhaupt,  nach  Galen  XIII  p.  320  K.  für  die  Stick- 
Anfalle  Hysteriseber  erwecklieb  scheint,  nennt  es  Lucrez  betäubend  für 


390  Fritzsohe 

Nun  berichtet  Caeline  Aurelianns  morb.  acut.  I  15  (p.  52  f.  Am- 
man) folgende  Anmerkung  des  Asklepiades  von  der  Wirkung  der 
Raute:  *Accueane  enim  eoe  qui  rutam  probaverunt  adbibendam, 
yitandas  inquit  primo  gravabilee  virtutes  (bc.  in  pbrenitide), 
eiquidem  aecensn  quodam  inepirationie  oaput  invadant  et  magoae 
menti  oocasionee  alienationie  snbiciant'.  Das  paeet  zu  Lncr. 
V.  802  f.  : 

oarbonumque  grayie  vis  atque  odor  ineinuatur 
quam  faoile  in  cerebrum, 
und  der  Zusatz  ^nisi  aquam  percepimus  ante^   widerstreitet  jeden- 
falls nicbt  den  propbylaktiscben  Grundsätzen  des  Asklepiades. 

Die  Lesung  der  y.  804  f.  bleibt  ungewiss.     Schreiben  wir 
mit  Lachmann: 

at  cum  membra  domus  percepit  fervidior  vis, 
tum  fit  odor  yiri  plagae  mactabilis  instar 
[oder,   näher  der  üeberlieferung  (fenrida  servis  od.  fervis),  doch 
künstlicher  mit  Munro:   feryidu'  neryis],   so  stellt  sich  die  Ver- 
muthung   ein,    dass  Luorez    noch    auf   den  Kohlendunst    bezogen 
habe,  was  seine  Quelle  (wie  Galen  lY  p.  496  K.)  vom  Firniss- 
geruch   frisch   gestrichener  Gemächer  (τοις  V€UKTtI  κ€χρΐ(Τμένοις 
οΤκοις  τιτάνψ)  besagte.     Lesen  wir  aber  mit  der  Vulgata: 
at  cum  membra  hominis  percepit  fervida  febris 
tum  fit  odor  yini  plagae  mactabilis  instar 
(oder    für  homivis    mit  Heinrichsen    und  Madvig  domams),  dann 
hätte  Lucrez  von  dem  Streite   gehört,    der    um    des  Asklepiades 
Schrift    π€ρ\    οίνου    δόσεως    entbrannt     eine    tippige    Litteratnr 
emportrieb ^^     Dass  nämlich  Asklepiades  dem  Kranken   auf  der 
Höhe    des    Fiebers    Wein    gereicht    habe,     wird    nach   Caeline' 
undeutlichen  Angaben    yon    Gumpert  aO.  p.  123   geradezu  ver- 
neint,   auch    der    scharfsinnige   Le   Clero    sagt  Bist,  de  la  med. 
(Amsterd.  1702)  Π  p.  111:    *Il  Taccordait  aisiment  IL  ceoz  qni 
ayaient  la  fiöyre,   pouryu  qu^elle  eut  un  peu  diminui  de  sa  pre- 
mi^re  yiolence*.     Asklepiades    liebte  starke  Ausdrücke.     £r  hat 
erklärt:  *Wer  Phrenetisohen  zur  Ader  lässt,  der  kann  sie  gleich 
mit  der  Hand  todtschlagen'  (Cels.  111  18  *perinde  esse  dixit  bis 


den  besonderen  Zustand  der  Katamenten  (vgl.  noch  den  bei  Plin.  N.  H. 
32,  133  mitgetheilten  gynäkologrigchen  Aberglauben).  38,  37  bespricht 
der  Anonymus  die  Abkühlung  beim  Anstritt  ans  warmem  Bade. 

^  *Qui  vero  postea  de  volumine  illo  disseruere,  innomeri*  V]}n. 
N.  H.  23,  32.  Vgl.  H.  Bruns,  Quaestiones  Asolepiadeae  ....  Diss.  Ho- 
stooh.  (Parcbim  1884),   Wellmann  im  Hermes  24   8.  534  f. 


Der  Magnet  and  die  Athmnug  in  antiken  Theorien  391 

sangninem  mitti  ac  ei  trnoidentar*.  Gael.  Aar.  morb.  acut.  I  15 
p.  46  Am.  'phlebotomiam  etiam  nibil,  inqait,  iugnlatione  differre 
in  pbreneticie').  Hallt  solche  Draetik  wieder  in  der  aaff&lligen 
Wendang  des  Lncrez:  plagae  maotabilie  instar? 

2.  Asklepiades  bemerkte,  dass  der  Α  der  läse  Pleuritisohen 
in  Athen  and  Rom  schadet,  in  Parinm  and  am  Hellespont  aber 
zatrftglich  ist  (Gael.  morb.  ac.  Π  22  ρ.  131  Am.). 

£Ir  hatte  also  ein  Aage  für  geographische  Pathologie.  — 
Lncrez  handelt  von  den  Leiden,  die  bestimmten  Gegenden  eigen- 
thümlich  sind  and  sagt  dabei  v.  1114  f.: 

£et  elephas  morbas  qoi  propter  flamina  Nili 
Gignitur  Aegypto  in  media,  neqae  praeterea  asqaam. 
Den  Historikern  des  Anssatzes^  gelten  diese  Verse  als  Beweis 
gegen  das  Vorkommen  der  Elephantiasis  aasserhalb  Aegyptens 
zu  jener  Zeit.  Aber  Lncrez  schildert  ja  gleich  daraaf  die  Wan- 
derung des  lebensfeindlichen  cadum  einer  entfernten  Oertlichkeit 
in  nnseie  Gebreiten.  Das  Vaterland  (nicht  die  Aasdehnnng)  der 
Elephantiasis  (and  1141  der  athenischen  Pest)  wird  mit  Aegypten 
bezeichnet.  Wie  dem  anch  sei,  Plataroh  Conv.  disp.  VIII  9,  1 
p.  731  citirt  einen  Athenodoros,  έν  τφ  προτέρψ  τών  'Επιδη- 
μιών ΙστοροΟντα  πρώτον  έν  τοις  κατ'  Άσκληπιάόην  χρόνοις 
ού  μόνον  τήν  έλεφαντίασιν  άλλα  και  τόν  ύοροφόβαν  έκφανή 
ΤενέΐΤθαί.  Asklepiades  hat  die  Elephantiasis  im  Abendlande  zn- 
erst  als  Arzt  beobachtet,  vielleicht  aasführlich  behandelt  in  seiner 
Schrift'  π€ρι  αλωπεκίας  (vgl.  Galen  XII  p.  410  K.  Gnmpert  aO• 
p.  172  ff.)«. 

So  scheinen  allenthalben  gleichsam  anter  der  litterarischen 
Oberfläche  Verbindangslinien  darch,  die  za  scharfen  deatlichen 
Strichen  aasznziehen  nicht  gelingt,  weil  Dichter  gemeinhin  nicht 
aaf  Bibliotheken  arbeiten  and  nicht  wie  Gelehrte  citiren. 

Giessen.  B.  A.  Fritzsche. 


^  Vgl.  Gbr.  Hensler  S.  192  seines  ausgezeichneten  Werkes:  Vom 

abendländischen    Aussätze Hbg.   1790.     Nachher   gieng   das 

losgelöste  Lucrezcitat  von  Hand  zu  Hand. 

tt  In  die  gleiche  Betrachtung  gehört  der  8acer  ignis,  den  Lucr. 
VI  660  and  1167  beschreibt. 


AUS  DRESDENER  HANDSCHRIFTEN 


i.  Seholien  κη  Yegetins. 

Der  Cod.  Dreedeneie  De  182  enthält  fol.  63—135  die  Epi• 
toma  rei  militaris  des  Yegetias  von  einer  Hand  aus  eaee.  X.  Die 
üeberlieferang  gehört  zwar  za  der  geringeren  Handschriftenklasse, 
aber  der  Dresdensis  bietet  an  manchen  Stellen  Scholien,  die  we- 
nigstens zum  Theil  auf  gute  Quelle  zurückgehen.  Manches  ist 
allerdings  in  den  Schollen  durch  grosse  Flecke  unleserlich  ge- 
worden und  es  kommen  überhaupt  nur  die  beiden  ersten  Bücher 
in  Betracht,  da  die  Thätigkeit  des  Soholiasten  in  Buch  III  und 
IV  fast  ganz  aufhört  und  nur  noch  wenige  Worte  interpretirt 
sind.  Namentlich  prunkt  der  Verfasser  mit  seinen  Kenntniesen 
im  Griechischen,  das  theilweise  vollständig  falsch^  für  £rkläraDgen 
herangezogen  wird.  Solche  Erklärungen  entsprechen  häufig  der 
wissenschaftlichen  Bildung  der  karolingischen  Zeit  und.  da  an 
einigen  Stellen  Paulus'  (Diaconus)  Auszug  aus  Festus  benatzt 
wird,  so  ist  der  Schluss  wohl  nicht  zu  gewagt,  dass  der  Ver- 
fasser der  Schollen  dem  8 — 9.  Jahrhundert  entstammt,  wenn  aacb 
manches  auf  ältere  Grundlage  zurückgeht. 

Die  Handschrift  selbst  ist  von  Lang  in  seiner  Ausgabe  des 
Vegetius  (Lips.  1885)  p,  XXXV U  beschrieben  worden,  aber  nur 
nach  Angaben  von  Du  Bieu,  nicht  nach  eigner  Anschauung. 
Zunächst  besteht  der  ganze  Dresdner  Codex  aus  zwei  Theilen^ 
die  in  der  alten  Michelsberg  er  Bibliothek  gesondert  als  I  19  und 
als  I  20  vorhanden  waren.  Der  zweite  den  Vegetius  enthaltende 
Theil  hat  mit  jenem  ersten,  vom  Präpositus  Ragenarius  dem  Ma- 
rienkloster  zu   Rheims   geschenkten  Theil   keinerlei   Berührung ^ 

^  So  zu  p.  20,  4,  wo  *  Mattiobarboli  *  aus  mathesie,  barin  und 
baleia  erklärt  wird;  und  59,  3,  wo  der  Scholiast  den  ersten  Bestand- 
theil  des  Wortes  *  polipticus '  mit  πόλις  zusammenbringt. 

3  Die  beiden  Schriftarten  sind  gänzlich  verschieden  und  falK'O 
zeitlich  auseinander. 


Ans  Dresdener  FTandschriflen  393 

aaseer  daes  er  später  mit  ihm  zusammengebunden  wurde.  Es  ist 
daher  nicht  richtig  gewesen,  dass  die  chronologischen  Verh&lt- 
nigee  des  ersten  Theils  auf  den  zweiten  durch  Du  Rieu  und  Lang 
äbertragen  worden  sind :  der  zweite  Theil  stammt  sicher  aus  dem 
10.  Jahrhundert  Femer  ist  dieser  Theil  nicht,  wie  Lang  sagt, 
yon  einer  Hand  durchcorrigirt  worden,  die  auch  die  Scholien  ge- 
gesebrieben  habe,  sondern  es  sind  drei  Correotorhände  zu  unter- 
scheiden, deren  eine  allerdings  mit  der  Hand  des  Scholiasten 
identisch  ist.  Die  Scholiastenhand  ist  von  ganz  anderer  Schreib- 
übang  als  die  Hand  des  Schreibers,  welche  dick  und  unschön  er- 
scheint. Die  Scholiastenhand  ist  sicher  gleichzeitig,  ja  sie  reprä- 
sentirt  sogar  einen  sehr  alten  Ductus,  wie  sich  besonders  aus  dem 
lang  heraufgezogenen  e  ergiebt. 

loh  lasse  nun  die  noch  deutlich  erkennbaren  Soholientheile 
nach  den  Seitenzahlen  der  Ausgaben  von  Lang  hier  folgen;  das 
erste  Scholion,  wahrscheinlich  über  das  Wort  epitoma  ist  ganz 
onleserlich  geworden. 

5,  17  procerüatem  magpiitudinem  enormitatem  longitudinem. 

6,  8  desides  otiosos.  6,  11  ignavos  inertes.  β,  21  inconsüUiorea  mi- 
nus pnidentes.  7,  2  suppetcU  subveniat  suffragetor.  7,  4  dimieatione 
proelio.       7,  9  sub  divo  aub  caelo  aperto.       7,  12  gestare  portare. 

7,  17  papilionibus  tentoriis.  papilionea  tentoria  dicuntur  a  aimilitudine 
papilionnm  hoc  est  paryarum  yolatilium  quaa  yulgo  .  .  .  mulaa^  di• 
cunt'.  7,  19  emergit  conaurgit.  7,  19  angarüs  angaria  greoe  Utine 
compulsio  dicitur.  Ergo  angariae  sunt  looa  ab  urbibus  remota  in  qui- 
bus  militea  ezeroere  militiam  compelluntar^.  7,  22  ttifitiandum  dene- 
gandum.  8,  12  (dacrüaa  yelocitaa  fortitudo.  8,  4  dictaturam  dicta- 
toram  idest  prinoipatum  nam  dictator  princepa  nuDoupatur^.  9,  15 
denaa  untias  unioa  pedis,  hoc  est  tota  longitudo  pedia  praeter  bia  duo- 
decimam  partem.       9,  16  alarea  equUes  alarea  equites  dicuntur  qui  ex 

utroque  laterc  in  modum  alarum dependunt.      9»  16  cohor- 

ttbus  cohora  est  multitudo  peditum  aiye  equitum  arniatorum,  nam  una 
legio  X  cohortea  habet.        10,  14  musculosis  fortibua  yel  Dodosis. 
11,  2  ducarios^  ducarii  sunt  qui  ducariaa  hoc  eat   frenoa   loreoa   com- 


^  Drei  bis  yier  Buchataben  unleserlich. 

>  Cf.  laidori  orig.  XV  10,  3. 

'  Nach  der  falachen  Leeart  atatt  ngrariia  hat  der  Scholiaat  oder 
seine  Quelle  unter  Benutzung  yon  Vegetius'  Daratellung  dieae  Inter- 
pretation gegeben,  angaria  compulsio  yel  yi  ooagena,  Corp.  gloaa.  lat. 
ed.  Götz  V  491,  38. 

^  Faat  ganz  unleaerlich. 

*  Corrigirt  aus  dulcarioa.  Die  richticre  Leaart  ist  dulciarios.  Das 
Wort  ducariua  ist  nicht  nachweisbar,  ebenao  wenig  ducaria. 


394  ManitiuB 

ponant.  11,  2  Unteones  HnteamiDa  texenteeV  11,3  ginecea  gynecea 
sQDt  domoB  texentinm  malierain,  oam  gyne  grece  mulier  latine  inter 
pretatur'.  11,  12  Sertorio  Serioritu  quidam  duz  quem  Pompeios 
aequiperabat  in  bellioo  ezeroitio.  11,  15  idoneum  müüem  fidelem  auf- 
iioientem  ad  militiae  opus.  11,  18  stipendiia  muneribna.  12,15  näh 
rogandi  ordinandi.  13,  11  epiiomata  ezoerptionee  dve  breviaria. 
13, 12  auspiciis  initiis.      13,  14  aede*  domi.      13,  20  cttatior  velocior. 

14,  15  veete  fueie.  15,  5  Uxas  liza  est  tenrus  qni  aequitur  exer 
citum  oauBa  luori^.  15,  14  ραΙθ8  stipitee  grandes.  16,  13  ododa  im• 
pulsa.  16,  15  caesa  caesa  est  ictns  caesim  feriene  cni  contraria  est 
puncta  hoo  est  ictus  punotim  videlicet  perforatim  feriens^  17, 3  con- 
tubertMles  consocios.        19,  10  etusidibue  galerie.        19,  10  eatafradis 

catafractae  sunt pectora  ....  tur^      19,  15  fkindüores  fao• 

ditx)re8  sunt  qui  ex  funda  lapides  emittunt.  20, 1  lOyria  nomen  pro• 
vindae.  20,  4  MaUicbarboli  perite  et  fortiter  emittentee  nam  grecc 
matheeie  doctrina  et  barin  forte,  baiein  vero  emittere  didtur.  22,  IH 
draeonarii  draoönum  signa  ab  ApoUine  morte  Pythonis  serpentie  in- 
cboata  sunt^.  23,8  politf  (Veget.  pilatae)  compiae  expeditae.  23,27 
päleis  hoc  est  capitum  munimentis  in  modum  galeri.  23,  27  Panno- 
nicos  a  Pannonia  provincia  nominantur.  25,  18  offieere  nooere. 
25,  21  impedimentarum  onerum.  26,  7  deeumana  Paulus  dicit:  decu- 
mana  porta  appellatur  quia  sit  magna  quomodo  et  decumana  o?a  di• 
cuntur  et  decumani  fluctus  qui  eint  magni;  nam  et  ovum  dedmum 
maius  naecitur  et  fluctus  decimus  fieri  mazimus  didtur ^.  26,  13  tu- 
vifdtuaria  tumultuorium  (!)  opus  dicitur  hoc  est  vile  et  rusticum^ 

26,  22  ligones  fosoria.  26,  2U  rastra  a  radendo  dicta  terram,  «-st 
autem  dentatum  instrumentum  *^.  26,  22  qualos  corbes.  27,  18  tna- 
trictdae  matriculae  sunt  legionarii  milites  qui  tanquam  matres  tyronibus 
sunt  instruendis       29,  5  enueleaia  enodata.      29, 5  congeaai  congregavi 


1  Nach  Servius  ad  Aen.  VII  14. 

>  Nach  Isid.  orig.  XV  6,  3. 

^  So  mit  ε  in  der  Handschrift  statt  acie. 

^  Pauli  epitome  Festi  (ed.  Aem.  Thewrewk)  p.  83  lixae  qui  exer• 
citum  seountur  quaestus  gratia.  lixe  qui  exercitum  sccuntur  questos 
causa,  Corp.  Gloss.  lat.  IV  534,  42. 

'  Stammt  zum  Theil  aus  Veget.  I  12.  Das  Wort  perforatim 
iindet  sich  nicht  bei  Georges^. 

^  Das  üebrige  ist  unleserlich. 

'  leid.  orig.  XVIII,  3, 3.  —  Das  Py  von  Pythonis  ist  nicht  mehr 
zu  lesen,  sondern  aus  Isidor  ergänzt. 

β  Pauli  epit.  Festi  ed.  Thewrewk  p.  50.  —  In  der  Handschrift 
ist  sint  magni  —  dicitur  kaum  zu  lesen. 

^  Das  weitere  ist  unleserlich. 

*o  Nach  Isid.  orig.  XX 14, 9  Raetra  quoque  aut  a  radendo  terran 
aut  a  raritate  dentium. 


Ans  Dresdener  Handschrifien  395 

29,  6  dOeetu  electione.      29,  12  Epyri  in  £piro  ineola.      30, 5  Pu• 
mam  Afrioanum.      SO,  7  enervacent  infirmaverit.      30  app.  2  epithama 
excerptio   yel   breviarinm.     digesta  ordinata.       34,  12  oereati  ooreae 
sunt  qnibuB  crora  militam  in  bello  teguntnr.      34,  13  classium  olaeria 
(c.  claais)  est  multitndo  naviam,   diro  tuiv  koXuiv  id  est  a  lignis  nomi- 
natur^.      34,  14  lümmarum  maximamm  navium.      36,  6  adminieulum 
aozilium.        36,  9  ferefUarioa   ferentarii   qoi   arma   ferunt'.        37,  17 
signaho  monstrabo.      37,  22  dissimülatio  neglegentia.      38, 7  tnpolüwr 
inoroatior.       38,  15  auepieiis  initiis  oonsecrationibns.      39,  11  aquilam 
fonnam  aqailae.    Von  dem  grossen  weiteren  Soholion  zn  aquila  ist  nur 
noch  lesbar  erhalten  geblieben:   anspica  .  .  .  legioni  ....  quo  ut  de- 
ίηοφβ  militam  signis  committeretur*.      40,  3  mueleatim^  expresse. 
40,3  adaeribendi  depntandi  enumerandi.      41,12  eampomHatorea^  oam- 
pum  metantes.        42,  1  podismum  podismus  est  pedalis  mensura   qua 
loca  castromm  mensurantor.      42,  3  torquati.    Von  dem  Scholion  sind 
Dur  noch   die  Worte  zu  lesen:    .  .  .  vas  annonas   consequebantor ;  es 
Bcheint  aas  dem  Wortlaut  bei  Vegetius  unmittelbar  hinübergenommen 
zu  sein.      43,  26  prffecti  iudices  vel  comites   legionis    atque  magistri. 
43,  24  tnsera  preceptum  ducis  (aus  Veget.  II  7  p.  41,  9).      44,  12  in- 
pedimenHs  oneribas  atque  utensilibus.      45, 11  casaides  galeae.      45, 14 
eunkularios   oanicalarii   sunt   qui   cuniculos  id  est  foramina  snb  terra 
effodiunt^       46,  8  aquüifer  aquilifpr  est  qui  aquilam  id  est  imaginem 
aqailae  pro  sig^no  fert  in  proelio.       46,  18  eristis  crista  est  summitas 
^leae.       47,  5  papüione  tentorio.        50,  9  triarii  triarii  sunt  milites 
qui  in  tertia  acie  oonsistunt^.       53,  9  poHptieia  poliptious  liber  est  in 
quo  vita  urbana  scribitur.       58,  16  cannis  ....  rba  roarina   vel  pa- 
lustris.      59,  16  teehnici    (im  Text  steht  scaenici)   technici  i.  e.  posi- 
tores  vel  technici  ipsi  sunt  boni  artifices.       60, 19  arpagones  arpagones 
ancinulos^  vel  sarculos.       61,  1  Ugones   ligones  fosoria  dioti  quasi  le- 
vones  quod  terram  levant^.      61, 1  rutra  rutrum  dictum  est  quod  eo(?) 
terra  eroitor  vel  harena^  in  hnnc  modum.        61,  1  dtveos  canales. 


1  Stammt  aas  Servius  ad  Aen.  I  43. 

*  Pauli  epit.  Festi  p.  60  Ferentarii  auziliares  in  hello  a  ferendo 
auzilio  dicti. 

*  Der  Wortlaut  ist  zu  erganzen  nach  bid.  orig.  XYIII  3,  2. 

*  Ist  durch  Correctur  aus  enuobeati  hergestellt  worden. 

^  Der  Soholiast  hat  die  Stelle,  welche  falsch  interpungirt  ist, 
miasverstanden  und  die  beiden  Worte  campo  metatores  zu  dem  un- 
möglichen campometatores  zusammengezogen. 

*  Pauli  epit.  Festi  p.  35  Cuniculum  id  est  foramen  sub  terra. 

^  Ist  wahrscheinlich   aus  Veget.  1,  20  (p.  23,  12  ff.)  genommen. 

*  Das  Wort  ist  bei  Georges  nicht  vorhanden. 
^  Isid.  orig.  XX  14,  11. 

^  Pauli  epit.  Festi  p.  355  Rutmm  dictum  quod  eo  harena  eruitnr. 
—  Am  Rande  findet  sich  die  Doppelzeichnung  eines  Grabscheite. 


39β  Manitius 

61,1  cofinos  oorbes.  61,  2  dohbras  dolatorias  bipennes^.  61,  3  paJi 
fostea.  61,3  doiantur  radnntur.  61,5  arietes  fnneas  de  bis  omnibos 
in  sequentibus  narrabitor.  61,  6  appeUaioricu^  irudentee.  98,  17 
spatits  et  <id  püa  vel  beleaa"  Le.  campos.  scutum  velpeltam.  113,18 
accware  fortunam  boc  est  malazn  eaae  fortimam.  138,  3  eratibus  (c. 
crotibue)  oentonibus. 

Man  siebt  ans  einigen  der  gegebenen  Erkläningen,  nämlicb 
aas  denen,  welobe  sieb  verderbten  Lesarten  anscbliessen,  dase  die 
Scbolien  nicbt  sebr  alt  sein  können.  Mancbe  Scbolien  geben 
offenbaren  Unsinn ;  die  Worte  dnoarins  und  dacaria,  perforatim 
nnd  nncinnlus  scbeinen  sonst  nicbt  nacbweisbar  zu  sein.  Als 
Hanptqnelle  bat  der  Scboliast  den  Vegetias  selbst,  Servins,  leidor 
nnd  Paulos*  Aussng  ans  Festus  benutzt. 


lob  scbliesse  bier  noob  eine  weitere  Misoelle  an,  die  aos 
derselben  Handsobrift,  aber  ans  ibrem  ersten  in  Hbeims  geschrie- 
benen Tbeile  stammt.  Im  Dresdeneis  De  182  folgt  namlicb  auf 
das  Itinerarinm  Anton ini  fol.  50*  unter  der  gemeinsamen  Äaf- 
scbrift  ^Septem  montes  urbis  Romae*  die  Aufzäblung  der  sieben 
Hügel  Roms  (der  Capitolinus  erscbeint  bier  als  Tarpeiue)  und 
ein  ganz  kurz  gebaltenes  Snmmarium  über  die  römiscben  Wasser- 
leitungen.  Letzteres  sobeint  auf  den  ersten  Blick  ein  Auszog 
aus  den  betreffenden  Kapiteln  Frontins  zu  sein,  der  durch  einige 
der  spateren  Zeit  angebörige  Namen  vermebrt  wurde;  aber  die 
Namen  der  Begründer,  die  hier  aufgeführt  werden,  stimmen  meist 
nicbt  mit  Frontina  ü  eher  lieferung  überein.  Wenn  unter  Alexander 
der  Kaiser  Severus  Alexander  zu  verstehen  ist,  so  würde  Äure- 
lian  der  letzte  der  hier  genannten  Kaiser  sein.  Dase  die  Aufzäh- 
lung vielleicht  noch  aus  der  späteren  Kaiserzeit  stammt,  dafar 
dürfte  der  Umstand  sprechen,  dass  die  Herstellung  der  Wasser- 
leitungen sämmtliob  den  Herrschern  oder  doch  Mitgliedern  der 
kaiserlichen  Familie  zugeschrieben  wird,  während  ja  aus  Frontin 
(de  aquis  urbis  Romae  ed.  Bücbeler,  Lips.  1858)  zum  Tbeil  ganz 
anderes  bekannt  ist.  Möglich  ist  auch,  daes  das  kleine  Stück 
erst  karolingiscben  Ursprungs  ist,  es  kann  aber  auch  ebensogut 
einem  früheren  Jahrhundert  entstammen.  Unbekannt  scheint  das 
Wort  oonfluetio  zu  sein. 


^  dolabra  securie  bipennis  dolatona,  Corp.  Gloss.  lat.  U  577,  27. 

^  Entstanden  aus  appellant  turres. 

*  bolsa  i.  e.  eagitta,  Du  Gange-Ueuachel,  gloasarium  I  (>4a. 


Δ  US  Dreedeüer  Handeohr  iften  397 

Den  einzelDon  aquaeductne  habe  ich  die  in  Betracht  kom- 
menden Stellen  aus  Frontin  nach  Btichelers  Ausgabe  hinzugefügt, 
aber,  wie  schon  gesagt,  die  Angaben  decken  sich  meist  nicht  mit 
dem,  was  dort  erzählt  wird. 

Septem  montes  urbis  Romae. 

Tarpeias,    Esquilinns,   Palatinns,    Üelius,    Aventinns,  Quiri- 
nalis,  Viminalis. 
Nunc  nomina  aqnarum  qne^  nsibus  aeternf  urbis  fcrmarum  con- 

flaccionibus  advectae  sunt  indicemus. 
Claudia  inventa  et  addncta  est  a  Claudio  Ossäre  (Front.  I,  1 3  ρ  9). 
Martia  inyenta  est  a  Marco  Agrippa  (ib.  I,  7  p.  5). 
Traiana  inyenta  adductaque  est  a  Traiano  Augusto. 
Tepnla  item  a  Marco  Aprippa  inventa  deduetaque  est  (ib.  I,  9  p.  7). 
hlia  inventa  ab  Aureliano  perductaqne  est  (ib.  I,  9  p.  7). 
Aleiatina    intern   inventa  perductaque  est  a  Claudio  Cesare  (ib.  I, 

11  p.  8). 
Äiexandrina  inventa  perductaque  est  ab  Alexandro. 
Virgo  inventa  perductaque  est  ab  Aprippa  Cesare  (ib.  I,  10  p.  8). 
l>rO8ia  inventa  perductaqne  est  a  Druso. 

Pr^ter  haeo  repletur  etiam  indigenis  nimphis  que  admiratur 
virgo  Aeneam  taliter  Italiam  dixit:  Nimph^  Laurentes  nimph^ 
genns  amnibus  unde  est'. 


II.  Schollen  so  SUtins  Thebais. 

Die  kgl.  Bibliothek  in  Dresden  besitzt  in  der  Handschrift 
De  156  einen  Band  von  150  Pergamentblättern,  welcher  des 
Statins  Thebais  in  zwei  Exemplaren  enthält.  Als  Vorstehblatt 
der  Handsohrift  dient  die  erste  Seite  von  fol.  1  welche  genaue 
Auskunft  über  die  Abfassung  und  Zugehörigkeit  giebt.  Zunächst 
findet  sich  hier  von  der  Hand  des  Schenkgebers  folgender  Eintrag : 

Argumentum  Ovidii 
Aeeotiat  pngnam  Tydeo  primus  Polinicem. 
Tydea  legatum  docet  insidiasque  secnndus. 
Tercius  Hemonidem  canit  et  vates  laniantes. 
Qaartus  habet  reges  ineuntes  prelia  septem. 
Moz  Fnri^  Lemni'  quinto  narrantur  et  anguis. 


V 


^  c.  Domina  quarumcumque. 
a  Verg    Aen.  VUl  71. 
•  c.  lenni. 


398  Manitiae 

Arobemori  bnetnm  eexto  Indiqae  gernntur. 

Dat  (iraioe  Tbebie  et  vatem  eeptimne  umbrie. 

Octayo  ceoidit  Tydeae,  epee  fida  Pelaegie. 

Ypomedon  nono  moritur  cum  Partbonopeo. 

Fulmine  percuseue  decimo  Capaneae  superatnr. 

Undecimo  sese  perimnnt  per  vnlnera  fratree. 

Argyam  flentem  memorat  dnodenue  et  ignee. 
Darunter  Rtebt  von   derselben  Hand    des    13.  JabrhnndertR 
die  Notiz:  Liber  magistri  Nicolai  quem  oontalit  eancte  Marie  in 
Nienburg.  Statine. 

Hierauf  folgt  ein  Eintrag,  der  eicb  auf  die  Anordnung  des 
Ganzen  beziebt  und  erst  nacb  dem  Binden  gemacbt  werden  konnte : 
Statu  Tbebaidos  libri  duodecim.  Item  Statine  cuius  eupra 
Yolumen  ubi  primue  liber  cum  initio  secundi  deest  quem  defectum 
inveniee  in  primis  decem  foliis  voluminis  auteriorie.  Item  defec- 
tuB  nnius  folii  cum  et  unius  folii  ruptura  in  XI  libro.  Item  de* 
fectue  duörum  sequentium  autepenultimi  et  Ultimi  foliorum,  quere 
omnia  in  volumine  priori.  Item  que  in  priori  deeunt  ut  argu- 
menta et  gloeee  vel  ob  decolorationem  atramenti  pro  effigiebiis 
oaracterum,  quere  in  posteriori. 

Sancte  dei   genitricis  Marie  sanctique   Cipriani   episcopi    et 
martiris  in  Nienburg. 

Religatus  anno  domini  1472  opera  Petrorum. 
Hiernacb  ergiebt  sieb  als  Provenienz  für  die  Handschrift 
das  anbaltische  Kloster  Nienburg  am  Einfluss  der  Bode  in  die 
Saale,  ein  altes  Benedictinerkloster,  welcbes  auch  mehrfache  Be- 
ziehungen zu  geschichtlicher  Litteratur  aufzuweisen  hat  (Watten- 
bach, Deutschi.  Geschichtsquellen  I  358.  Π  357). 

Der  Band  ist  insofern  verheftet  worden,  als  auf  den  ersten 
Quaternio  ^  von  α  (so  nenne  ich  die  erste  Handschrift,  die  zweite  b) 
ein  Quaternio  von  b  folgt,  doch  so,  dass  er  zu  einem  Temio  aus- 
geschnitten ist;  er  beginnt  mit  XI  358,  dann  fehlt  498 — 634, 
worauf  XI  zu  Ende  geführt  wird.  Zwischen  XU,  8  und  9  ist 
ein  Blatt  herausgeschnitten,  desgleichen  fehlt  ein  Blatt  nach  408i 
doch  so,  dass  409—549  wirklich  fehlen.  Das  ΧΠ.  Buch  endet 
dann  mit  Ys.  687.  Da  nun  die  letzen  132  fehlenden  Verse  ein 
Blatt  ausmachen,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass  sie  ehedem 
HLlschlich  auf  dem  zweiten,  später  herausgeschnittenen  Blatte 
dieses  Quaternio  gestanden  haben.     Hierauf  folgen  nun  die  Lagen 


1  Er  reicht  bie  II,  52. 


Ani  Dreidener  Handschriften  999 

τοπ  α  mit  II,  5d  beginnend  und  swar  folgen  anf  einen  Qaaternio 
zwei  Qniniooen,  darauf  sieben  Quatemionen  nnd  ein  Binio.  Die 
Hand  des  Sobenkgebere  und  Hobreibers  reicht  bis  fol.  75*  Theb. 
IX,  825.  Den  übrigen  Theii  bis  fol.  101*  db.  bis  sum  Knde  der 
Tbebaie  (Bxplicit  Staoins)  hat  eine  jüngere  Hand  geschrieben, 
die  immer  zierlicher  nnd  kleiner  werdend  schliesslich  von  fol.  80* 
an  von  einer  grösseren,  ihr  sehr  ähnlichen  abgelöst  wird.  Diese 
npfiteren  H&nde  gehören  dem  14.  Jahrhundert  an  und  ohne 
Zweifel  hat  daher  der  Magister  Nicolaue  seine  Statinshandschrift 
dem  Kloster  Nienburg  unvollendet  hinterlassen  und  sie  ist  dort 
epSter  vollendet  worden.  Aber  auch  in  dem  ersten  Theile  sind 
in  der  Mitte  verschiedene  Hände  erkennbar,  nämlich  von  fol. 
35^—47^,  erat  dann  setzt  der  frühere  Schreiber  wieder  ein.  Aber 
der  Abschnitt  auf  fol.  75*  ist  nicht  nur  an  der  Schrift,  sondern 
auch  an  der  Krklärung  des  Textee  zu  erkennen ;  während  nämlich 
in  dem  ganzen  ersten  Theile  von  der  Hand  des  Schreibers  häu- 
fige Scholien  und  Glossen  an  den  Band  oder  übergeschrieben 
sind,  fehlt  dies  von  fol.  75*  an  gänzlich. 

Die  zweite  Handschrift  h  besitzt  also  den  schon  erwähnten 
arsprünglichen  in  α  verhefteten  Quatemio  und  besteht  dann  aus 
sieben  weiteren  Quaternionen,  deren  letzter  eigentlich  ein  Quinio 
ist,  dem  zwei  Blätter  ausgeschnitten  sind;  oder  vielmehr,  er  be- 
steht ans  drei  Lagen  und  zwei  einzelnen  Blättern.  Es  begannt 
also  b  in  dem  Gesammtcodex  auf  fol.  9a  mit  seinem  unvollstän- 
digen Sohlussquatemio,  während  sein  wirklicher  Anfang  fol.  102 
mit  Theb.  II,  268  einsetzt.  Da  nun  im  Anfange  (die  poetischen 
Argumenta  eingerechnet)  1011  Verse  fehlen  und  der  Quatemio 
bei  69  Zeilen  auf  der  Seite  gegen  1100  Verse  besitzt,  so  ist  bei 
dem  ersten,  verloren  gegangenen  Quatemio  von  b  die  erste  Seite 
des  eraten  Blattes  unbeschrieben  gewesen,  wie  bei  α  und  der  Text 
hat  erst  auf  fol.  Ib  begonnen.*  So  hat  b  im  Ganzen  jedenfalls 
neun  Quatemionen  gehabt,  deren  erster  vollständig  verloren  ging 
und  deren  letzter  durch  Ausschneiden  mehrerer  Blätter  unvoll- 
stäudig  geworden  ist. 

Nun  es  ist  kaum  zweifelhaft,  welche  von  beiden  Hand- 
schriften die  ältere  ist.  Der  Schrift  nach  ist  b  unbedingt  das 
ältere  Werk,  aber  α  ist  sorgfältiger  geschrieben,  da  hier  bei 
weitem  nicht  soviel  ganze  Verse  oder  Verstheile  ausgelassen  sind, 
wie  in  b,  wo  ein  ungeföhr  gleichzeitiger  Corrector  sehr  reichliche 
Arbeit  fand,  erstens  die  Lücken  auszufüllen  und  zweitens  den  Text 
nach  einer  anderen  Handschrift  zu  verbessern.    Dieser  Corrector 


400  Manitine 

scheint  ee  auch  gewesen  an  sein,  welcher  tod  fol.  110  an  eine 
nicht  geringe  Anzahl  von  Gloseen,  die  er  in  jenem  Theile  von 
α  fand,  ans  dieser  Handechrift  nach  b  hinüber  nahm.  Diese  letztere 
Thätigkeit  hat  aber  mit  fol.  113  schon  ihr  Ende  erreicht. 

Es  sind  nun  hauptsächlich  die  beigeschriebenen  Scholien, 
welche  ans  hier  interessiren  und  zwar  die  ausführlicheren  Stücke. 
Sie  weichen  in  beiden  Handschriften  von  einander  ab,  obwohl 
manche  wörtlich  Übereinstimmen ;  b  ist  bedeutend  reicher  an  Scho- 
llen und  Glossen  als  α,  das  nur  für  einige  längere  Stücke  reich- 
haltige Erklärung  bietet  Aber  beide  Handschriften  lassen  die 
Schollen  mit  dem  9.  Buche  enden,  und  b  hat  von  hier  an  nur 
noch  die  allerdings  reichlichen  Verbesserungen  des  Correctors 
am  Rande  aufzuweisen,  während  der  spätere  Text  von  α  fast  un- 
corrigirt  geblieben  ist.  Die  Schollen  lehnen  sich  beiderseits  meiet 
eng  an  Lactantius  Plaoidus  (ed.  Jahnke,  Lips.  1898)  an,  indem 
sie  entweder  den  vollen  Text  desselben  oder  Auszüge  ans  ihm 
bieten.  Aber  in  vielen  Erklärungen  sind  unsere  Schollen  reich- 
haltiger als  Placidns  und  manches,  was  α  und  b  haben,  besitzt 
Placidus  überhaupt  nicht.  Dabei  hat  es  nicht  den  Anschein,  als 
ob  diese  Erklärungen  auf  eigene  Faust  gemacht  wären,  da  sie 
sich  fast  sämmtlich  der  Erklärungs weise  des  Placidus  anschlieseen 
nnd  zuweilen  ein  gar  nicht  unbeträchtliches  Mehr  haben,  das 
recht  gut  von  jenem  geschrieben  sein  konnte.  So  hat  es  beinahe 
den  Anschein,  als  ob  hier  Auszüge  aus  einer  reicheren  Placidue- 
überliefernng  vorlägen,  als  die  von  Jahnke  benutzten  Handschriften 
aufweisen.  Dass  diese  Schollen  abgeschrieben  und  nicht  etwa  erRt 
von  den  Schreibern  beider  Handschriften  hinzugesetzt  sind,  ergiebt 
sich  deutlich  aus  einer  grossen  Zahl  von  Versehen,  wo  aus  Miss- 
verständniss  barer  Unsinn  steht. 

Ich  gebe  in  der  folgenden  Zusammenstellung  natürlich  nur 
eine  Auswahl  der  wichtigeren  Stücke.  Im  allgemeinen  sind  alle 
ans  Placidus  genommenen  Bemerkungen  ausgeschlossen  and  solche 
nur  dann  aufgenommen  worden,  wenn  α  und  b  bedeutendere  Ab- 
weichungen oder  Zusätze  zu  Placidus  besiUen.  Um  zn  bequemerer 
Uebersicht  zu  gelangen,  habe  ich  die  in  Placidus  nicbt  vorhan- 
denen Stellen,  welche  in  a  und  b  zugleich  erscheinen  für  α  und 
für  6  mit  abgedruckt. 


I.  Handschrift  A. 
Thel».  I  r.t;  Spinx  orat  serpens  in  nemorti  Thebarum  qui  ignonuktes  sua 
prvU.KmÄtu  eolvero  inWrnciebat.    scilicet  quod   animal   iaset  prius 


Ααβ  Üresdener  flandsohriften  401 

IUI  pedibnsy   poete»  II,  deinde  ΠΙ.    Sed  Edipni   ea  solvit  et  ser- 
pentem  occidit  dicena  hoc  animal  esse  hominem. 
^  domu8  cum  aol  ibi  est  per  totum  orbem  laoet. 

IV  656  Icaros^  cum  paatores  vineas   oolere   docaisset  et  illiid   vinam 

bibisaent  (e.  bibisset),  credentee  se  bibisee  Tenenum  iDterfecerunt 
eam  et  in  fosaam  proiecerunt ;  a  quo  cum  canicala  sua  nomine 
Hera  mannm  avulsieset  ad  £rigonem  filiam  eine  venit  eamque  ad 
patrem  duzit  quapropter  nterque  inter  eidera  locatne  est. 

722  Ludus  et  atra  (trietie  swperscr.)  Boerum  recolet  trihateris  OphelUm, 
iriateris  eet  festum  triennale  qnod  Bacho  in  anno  fit,  vel  ideo  tria- 
teris  dieitnr  quia  triboa  diebus  celebratur. 

7(i2  Tot  victimas  immolabo  tibi  quot  sunt  in  exeroitn  hominee.  Aehn- 
lieb  anch  bei  Lact.  Plac.  p.  251. 

836  Ladon  Peneos  binomine.  sanetua  uterque  Xantne  in  Greta  et 
Xantus  apud  Troiam,  ideoque  dixit  uterque. 

V  20  Malta  sunt   quo  monent  noa  properare  ad  bellum  attamen  que- 

canque  ea  aive  dea  aive  mortalia. 
21  fatwn  abaentiam  mortia. 
43  ad  hoc   quod  disit  Yaiphile  *qnid    longa   exordia   necto*  ad   hoc 

Adiaatoa  'Immo  age*. 
•^5  sonarUi  vel  a  lira  Apollinia  vel  propter  umbrataa  monte8(?). 
58  saeravitnua  aacrantea  idiia  diia. 
6*2  Nee  vultu  nee  orine  prior  id  est  non  apparena  in  vnitu   neque    in 

cultu  qualia  prina. 

63  Cettcn  legem   amoria   maritalia  removiase.     Idalica  dictum  ab  op- 
pido.    wAueres  columbaa  que  regunt  cnrrum  illiua. 

64  erani  quedam  mulierea. 

^i5  maiora  quam  aoleat.     tela  ut  enaea  lanceaa,  cum  priua  tantum  aa- 
gittaa  feiret. 

69  mariU  quia  Vulcanua  ibi  colitur. 
703  ecee  hie  est  viva. 
707  geminuaque  hominia  et  piacia. 
711  PensavU  vertena  in  gaudia  lacrimaa. 
7U  inhaspUa  aed  beae  hoapita. 
725  vuUue  patnerunt. 
743  Phdte  moroa  ne  ad  bella  veniamua. 

751  Püie  Neatoria  qui  regnavit  in  Pilo  et  vixit  per  trea  etatea. 

752  Frigiia  qui  tantum  vixit  quod  mutatus  est  in  cicadam.  degere 
Umgkis  quod  dicit  non  maluiaaet  tantum  vivere  et  carere  hoc  ho- 
nore  quam  mori  puer  et  habere  honorem. 

VI  180  ferro  mnuü  forpicibua. 

188  Exekunat  orepitat.    areere  a  rogo. 


^  In  manchen  Stücken  bedeutend  kürzer  bei  Lact.  Plac  ad 
Theb.  iV  Γ»δ5  ρ.  243;  vgl.  Hygftii  fab.  CXXX  und  fast  gleichlautend 
Schol.  Strozziaua  bei  Breyaig,  Germanici  Caeaaria  Aratea  p.  168,  13  f. 

Blietn.  Mqb.  f.  PhUol.  N.  F.  LVIL  26 


4(tö  ManitittB 

225  Seameus  angaig.  expeeteß  qnia  in  pictun  oatenditar  qnomodo  Ca- 
paneus  anguem  interfecit. 

229  ExeiH  vicini  assniit. 

265  Danae  heo  fait  filia  Danai. 

315  degener  iüo  et  ille  grex  erat  leine  credi  non  degeoer  i.  qnia  cre• 
debatur  non  degenerare  a  Castalio  grege  i.  a  Pegaao  sab  cnius 
pede  natus  est  Castalios  fons  ubi  Apollo  et  Muae  ooleliantor,  qnod 
dicit  qni  Pegasus  etupuit  ad  sibila  canne  i.  Ai>oUinee  entii(?)  in 
fönte  et  volait  paeoi  cum  andiret  ApoUinem  canentem. 

321  Euneos  alter  didtnr  £uneo•  ab  Argoo  omine  i.  a  Greca  imposi• 
tione  vel  ab  Argoo  omine  qnia  greoe  eu  bonum  neoa  novns.  Inte^ 
pretatur  latiue  bonos  novns  qnasi  a  bono  ηοτο  genitos  vel  ab 
eventa  Argonautarum. 

337  fratrum  deorum  vel  lovis  Neptani  Plntonii. 

338  »idera  ducat  currere  faciat. 

341  imane  tdlus  an  sit  i.  tellus  (in  add.  c]  infima  an  sit  media. 

342  mundo  succincta  latenti  aere  drcamdata  inferiornm. 
358  Eaetrema  in.  fila  sant.    fila  vita  est. 

440  Fumantemque  {vel  fumüem  saperscr.)  Thoan  fnnalis  dicitur  qui  adeo 

ferus  erat  quod  fune  oportebat  euro  ligari. 
447  ptUffere  quarto  qiiarta  parte  corsus. 

502  Schetumguc  levem  Cignumque  proprium  nomen  eqni. 

503  Stifte  sattem  dicens  ite.    orhes  quadrige. 

530  Pacis  opus  scilioet  cursus.    sacra  voeant  bomines. 

535  Hitmiaca  harena  Histmos  mons  est  iihi  Paleroon  filius  Athsmaotis 
suum  dictu^  est  habnisse  sepolcrum  et  in  nno  qnoqne  anno  sab 
honore  eins  iuvenes  di versa  oertamina  Indorum  faciebant. 

537  Anie  Dymas  cum  esset  iuvenis.    seeuius  eos. 

551  laiuiique  in  corpore  tuUu»  oichil  valebat  vultns  respectu  corporis. 

f)53  Palladios  super,  haustus  oleum,  oleo  unxit  se  ut  caro  sna  labilis 
esset  et  nuUns  eum  detineret. 

562  iuxta  prior  iuncta  ipsa  forma,    töi  idest  vel  Polinid. 

569  coÜidunt  manibus.    ignea  preparata  ad  cnrsnm  faciendnm 

570  nee  opino  fine  excitabant  se  qnasi  cnrsnm  debnissont  mox  inripere 
et  in  ipsa  motione  retrahebant  se  a  cursu. 

571  submisit  regula  Urnen  precipitata  est  regula. 
626  iussus  Phterelas  a  rege  vel  aliis. 

641  Promisere  manum  ad  hoc  opus. 

642  rediit  inghrin  quia  numquam  fnit  ausa. 
650  latus  disci.    cogitans  in  animo. 

656  horrida  campt  non  in  longitudinem  sed  in  altitudinem. 

847  thoris  appellat  callos  thoros  duricia  manuuro.  non  integer  deficiebst 

iUe  Agillius. 
VII  94  Instaurare  diem  sacratum  tibi. 
96  altaribus  anguis  Phiton,  scilicet  mairis  colatur. 


Ααβ  Dresdener  Bandschriften  403 

97  adnatd  umhfa  Palemonis.    lAeeo,  mons,   ibi  'sotio  eubmersa  Pale- 

mone  xnater'^  i.  Ido 
173  Curetas  cam  qnibue  alias  fuieti. 
175  defuU  Argos  non  alias  qaam  Argos. 
180  Ugurgi  Ligurgos  rez  Tracam  fait  qoi  et  Bacom  deum  negavit  et 

vineaa  devastavit  et  dam  eas  exstirpavit  orura  sibi  detruncavit. 
199  tania  gutes  qaanta  est  mihi. 
*207  LapäaUas  nepoteB  a  Lapdaco  patre  Laii  (lau  c). 

220  8U8peciior  fku  propter  Teseom  hoc  dicit  qui  secundo  delevit  rege 
Crennte. 

221  Inno  queretwr  pro  casa  Greooram  omniam  preter  Adrastum. 
257  virtute  quia  similis  erat,    procul  a  Driante.    patemutn  patruele. 
2H0  Oealee  proprium  nomen  caterve. 

268  noti  efezegesis.   certamina  campi  pro  pedestri  oertamine. 

269  sarisai  sagittas. 

275  et  nimia  qoia.  opprimit  segetes.   herba  efexegesis  iterum. 

278  promptum  vel  pronam,  i.  fädle. 

279  tauroque  iwnffnis  Amphion. 
2S0  MacU  satis  acte,   parat  qaia. 

2H2  Eliamia  tnrba  hie  dat  intelligi  poetas  etiam  convenisse  vel  incolaa 

proximos  fonti,   et  dicit  Permessam  et  Horinam  fluvios  Musis  sa- 

cratos. 
293  coneordia  nostris  fratribas,  Etheooli  et  Polinici. 
298  ihaiami  ooncubitas    erudum^*e  radem. 

304  PiiM  pater  gaadet.  olim  in  fataro.   aeneetus  quia  senex  erit  com  filio. 
323  qvem  imphraret  cuius  opem.    habebat  quia  magister  deornm  bellum 

moverat. 
3i8  Taiem  mirabimur  qualis  pater  fait. 
335  Giaueus  hie  tangit  de  Glauco  in  pisoem  mutato. 
348  propeBentem  impetu  undarum. 
350  anmem^ie  avertere  potando  funditns  aquam. 
358  nostro  cum  sanguine   lapiter   in    specie^  aqiiile   Eginam    vitiavit 

filiam  Asopi. 
369  in  ierga  eomantes  quoram  oome  in  terga  pendent. 
386  eeme  Apostus  phatur  ad  Polinicem. 
469  Excitua  tumultu  populi. 
497  venerandaque  nomina  vocando  me  matrem. 
äOl  Quem  non  permoüeas  Quia  non  tunc  moveretur  pietate. 
^  muüoqtie  ense  armis  multomm. 
503  misere  matres  qne  pariunt  unde  doleant. 
&2I  eredite  matri  pietatem  habere  desunt. 
524  ab  Hireanis  hoc  etiam  a  feris  impetrassem. 
^1  cruore  recepto  hominis  vel  animalis. 

}  Die  Worte  gehen  auf  I  14,  wo  rh-esdensis    aber    mit  der  rich- 
tigen (Jeberliererung  statt  'submersa*  'casura*  liest. 
"  'Tieciem. 


j|f«nttin8 
404 

vm  60  WoJenti»  dicit  legis  que  data  est  Orpheo  ne  uxorem  reepiciat; 
foit  melior  me  qnia  fuit  immutabilis. 
jßi«  fk/o«  adoo  magnam  ut  mirentur  fratres  mei. 

69  fratres  lappiter  et  Neptunue. 

70  iViwe  <Mit»  fratres  vel  fac  ut  8.  adeo  i.  ad  banc  •igieronem(?)  roant 
fratres.  fratres  fithiocles  et  Polinioes. 

72  cf^fwc  Tideoe.    hostäe  eaput  Menalipi. 

73  areeat  Creon.    fnanüms  oorporibns.     mtdis  inbumatis. 
76  Quere  ο  Tesipbone.    qui  fuhmne  ignes  Capaneos. 

84  Ai  tibi  ο  Ainphiarae.    manes  jnittam  qni  te  paniani. 

91  finitor  maxime  finitor  et  sator. 

92  At  mihi  non  irascaris.    At  mihi   qm  qutmdam  aliis   irasoere  pro 
meritis,  at  mihi  non  irascaris,  qnia  non  promerai. 

123  moveri  ad  pietatem. 

liil  timores  per  imaginationem. 

162  tilfi  ο  Adraste.    fades  fuit  doloris. 

174  Heus  uhi  verba  Grecornm  ad  laudem  Ämpbiarai. 

175  teÜus  biatas  tellnris. 

223  alumpnum  i.  alumpnorum  Bacbi  et  Hercalis. 

229  manibus  £arope. 

231  lassam  (statt  lapeam)  a  Pamaso. 

235  lampade  bonore.    fratrum  Volcani  et  Martis  vel  Cyclopnm. 

255  Qualis  talis  est  i.  tam  letns  Edippas  qnalis  fuit  Pbineue  et  cetera. 

2β5  mareore  ebrietate. 

2<)β  Incerteque  modo  modo  aooense  modo  eztincte. 

347  Marcidus  vino  fuso  in  sacris. 

G22  invigüare  quieti  i.  alicai  dormienti. 

694  Impetere  iüum  Illum   in  quem  prius   venerat,    illum  eemper  inse- 

quitar. 
750  CapÜOumqtie  suem  notat  apmm  quem  ibi  interfeeit 
766  purgavit  limina  quod  dicit  se  purgavit  limpba  cum  lampade. 
IX  13  hoMtnemque  qerit  bumanitatem. 
36  Diriguit  pre  nimio  dolore,    iuoems  Polintees. 
30*)  fktetivago  Egino  qnia  navita  erat. 

310  cuius  naufragus  unde  quam  minimo  flumine  pericHtatur. 
318  Senium  defemiere  fame  preterita   reducere   ad   memoriam   et  fame 

dare  indeficientem  gloriam  ne  pereat. 
324  Letus  aduiantem  faventem  sibi. 
346  tota  in  peneträlia  usqne  ad  corpus. 
398  non  solum  nepotem  scilioet  multos  alios. 
401  tiofidtfffi  Nereida  portu  faetam  deam  maris. 
4ti3  iungunt  caligine  videntnr  iungere.     terrca  vel  rippas. 
434  clamatus  saeris  ululatibus  in  sacrifidis  Bachi. 
461  Oriona  nautis  tempestuosa  Stella^. 

ι  of.  sch*^'    Α«»Λ«    f^^  Hq,,   epod.  10,  10. 


Aus  Dresdener  Handschriften  405 

499  demissa  supeme  a  summo  capite. 

502  Hue  unde  eoeunt  ad  hanc  voragineni. 

509  oceumbere  ferro  namqaid  debui  ferro  et  non  aquis  mori? 

512  Baüas  ei  odit  qaia  capat  Menalipi  oonsumpsit. 

518  Bu»ta  dabas  dare  te  deoeret.  flamme  quas  dabant  Atbeniensee  cor- 

poribns  Grecorum  occiso  Greonte  et  captis  Thebis  ab  eis. 
521  flumina  nutu  levis,  dedit  enim  signa  aqais  ut  cessarent. 
524  seopuU  surgunt  pacatio  roaris. 
541  ExtrahU  a  mann  saa.    casside  rapta. 
551  ipse  potentem  qaia  vulneravit  enm. 

563  Witt  ordo  qaia  omnia  anna  taa  tecum  habebis,  quod  expedit  quid. 

564  inUrea  donec  illud  fiat. 

566  Sie  ancepa  qaia  aliqaando  favet  hino,  aliqaando  illinc. 

589  Armaque  ctirva  9tMm  dentee  et  angaes. 

595  vulnere  cemit  ita  sibi  videbatar  in  noote  illa. 

598  solo  in.   querefUi  cur  hoc   CBset.    cruentaa  Menadaa  sacerdotissas  ^ 

Bachi  dicit  quo  ideo  dicuiitur  Menades  quia  defioiant  in  senan. 
605  notasque  sibi.     silxms  qnaa  in  noote  viderat. 

610  getM  nspera  riiu  quia  ibi  humana  oaro  immolatur,  quod  non  facio 
613  Noctis  in  qaa  fiunt  sacrificia  Bachi.    temerata  esaem. 


Die  Schollen  von  b  sind  mit  einer  »ehr  blassen  Tinte  an 
den  Band  geschrieben.  Sie  haben  jedenfalls  vom  Anfang  an  be- 
gonnen, auf  fol.  102*  setzen  sie  sofort  ein.  Sie  sind  ungemein 
zahlreich  und  grössere  Stücke  aus  Placidus  wechseln  mit  ganz 
unbedeutenden  Glossen  ab.  Wie  oben  sind  auch  hier  nur  die 
wichtigsten  und  mit  Placidus  nicht  übereinstimmenden  Stücke 
herausgenommen  *. 

II  417  sola  fides  heo  fidea  qnam   oatendia   anfficeret   ad   odium   fratria 

oatendendum. 
425  poce  sequestra  media,    inde  aequeater  quaei  mediator  duoruro. 
460  Cythero  mons  inxta  Thebaa.    yronice  loquitur. 
463  primus  sanguinis  auctor  fidippus  inceatua  fuit. 
470  Erectus  setis  aua  quem    miait  Diana    in  regionem  Oenei  ad  vindi- 

candam  sunm  furorem. 
499  superni  montis  auraum  eminentis. 
512  eommercta  iungere  linguae  disputare  cum  ea. 
^  viduo  ligno  private  a  ferro. 
564  Pholus  proprium  nomen,  Pholua  fuit  centaurua^. 


^  Dies  Wort  iat  bei  Georges''  nur  aus  Schol.  Lucani  YII  778  belegt. 
'  Die  Stocke,   welche  auch  α  besitzt,    habe  ich  am  £nde  durch 
(α)  kenntlich  gemacht. 
'  e.  oentarns. 


j 


406  Manitius 

« 

577  kucare  catervatn  raram  faoere. 

599  lasso  Piragmone  unua  de  XX  fabris  falminis. 

626  fMiat  vel  repleta  de  prerupto  sanguine  interoepta  voce  cam  vellet 
loqoi  vel  aliter  pate(t)  intercepta  i.  iDterclusa  repleta  vooe  i.  ore, 
oontinens  pro  contento,  repleto  dico  de  prempto  sanguine. 

629  TTiespiades  patronimicam  nomen. 

634  Exhaurü  ihoraca  dolor  pote8(t)  dici,  qnod  pro  dolore  oblitus  est  sui 
periculi  nee  texit  se  lorioa. 

638  luee  natarUes  defeota  tabentes. 

639  Sistit  etabilit  tenet  aperit.  resolvit  non  clausit  priue  ocalos  quam 
vidit  ad  illum  mortnum. 

666  Gelenea  a  loco.    Gel.  ciCvitas)  ubi  inventos   fuit  neue  tybie  facta  e 

buzo.    huxo  bazea  tybia. 
677  Luxuriata  fatnes  saoiata. 
680  Crudeseunt  crudeliter  agunt. 
686  superbi  quia  sprevit  Dianam. 

688  nitniumque  secundia  preeentium  occieione. 

689  Parce  deis  pete  deos  ut  credaris. 

693  decqstus  ab  alite  ab  ullo  homine  sumpto  ab  alite. 

698  Manihus  i.  infemalibus  diie. 

702  fumarUem  mnltitudine  armatorum. 

717  crudeseit  crudelis  aparet. 

718  magia  ardente8  quam  tu  ο  Pallas. 
729  qua  de  qaa  parte  templi. 

732  Hie  in  illo  templo. 

788  vittas  habebant   nigraa   vittaa    et   tarnen    variatas   niveis   virg;iilis 

quantum  ad  frontem. 
III  20  Orantem  orationem  dioentem  propter  legatum. 

27  Orion  Stella  tempestuosa,  videtur  inclinare  densitate  nnbium. 

34  obitus  oocidentibus  astris.     Thetis  uxor  Ooceani. 

38  ÄntiquM  longo  tempore  servatas  fluere. 

40  gdido  remeabcU  Eoo  in  primo  ortu  diei. 

47  ahegii  deduxit  vel  expulit. 

50  harena  quam  sibi  infudit  dolemas. 

61  ira  fateri  fnit  ira  illius  qnod  padet  me  fateri. 

89  in  ietum  quia  non  plangit  ad  ictum. 

99  umquam  qnamvis  sepultura  tibi  interdicatnr. 
101  contemptum  regia   si   vetuetatem   i.  contempsisti    regem   et  dedisti 

exemplum  quomodo  oeteri  contempnere  debeant. 
107  taeito  ΡΗώο  quia  propter  mortem  tuam  tacebunt. 
111  durant  Habitus  babitus  sacerdotalis. 
113  servat  quia  iuseu  Etbioolis  insepultus  romanserat. 
134  Yde  proprium  nomen  matrone. 

141  canendo  carmina  magica  dicendo. 

142  lumina  oedro  nt  melius  ardeat. 

170  Penihea  clamat  Penthea  suum  filium. 


Aqb  Dresdener  Handeohriften  407 

172  Marsippaque  proprium  nomen,  Marpisea  amica. 

1tS3  regia  Cadmi  boc  dicit  propter  Semelein. 

185  Consedit  lapea  i*8t.    funerea  arbiiratus  ee  fnram  cepisee. 

187  Leargum  quem  matri  abetulit. 

1H9  Phenisse  Thebaoe  a  Fenioe  fratre  Cadmi. 

190  laerimas  expavit  qoia  ante  needvit  quod  feciaeet. 

197  InvidiaM  invidos  dixeront  deo« 

205  Bigina  Uirce  regina  The.    ab  Anfione  et  fratre   suo   dilaniata   in 

fontem  mutata  est. 
213  terrag^ie  instemar  avita  i.  avito  sepulchro. 
226  cwii/fM  orbis  clipens  i.  iroitator  solis  rotunditate  clipei  vel  reddens 

Inmen  illatnm. 
252  luno  mihi  carior  ounctia.    templumque  eunplexa  quod  Argas  (!)  est 

ei  dicatum. 
268  adamanta  dnra  frena  vel  pro  herba  legatur. 
274  eatena  quibue  ligati  sumus  a  Lucano(l). 
2^^  precando  dum  te  preoor,  quasi  diceret,   nil  pro  me   facis;   et   est 

constmciio  per  defectum. 
?S8  Tracasque  Tracee  quasi  trnoes  quia  ibi  oolitur  Mars. 
290  Heptat  reptat  facta  serpens. 
305  lussus  inasua  sum  oomplere. 
304>  legi  quali  ego  fnngor. 
332  natant  paiearibua  uaque  ad  palearia. 

•^  despeeto  perfoeso,  deorsnm  pectus  suum  aepiciens  vulneratum. 
352  senatarernque  Hamicum  ad  effodiendum  humanum  Banguinem. 
370  feda  eupido  quia  illio  non  ivi  ne  essem  fratricida. 
379  Äuditusque  quia  priue  voluit  ire  quam  Thideus. 
38<>  aUu8  ConMÜiis  pmdens  ad  danda  oonsilia. 

399  vHox  ferro  asper  ad  inoidendum. 

400  seduetus  merUe  elatus  a  dolore. 
400  tristi  ad  indicandam  tristiciam. 

438  Mieone  mens.    Giaroque  mona.   reüdli  quibua  revincta  es. 

444  Ineeriusque  animi  utrum  bellaret  armis. 

4f)3  temerasse  quia  hominis  non  est  volare  (P). 

4&ί  gemini  vaUs  Amphoraus  et  Melampus. 

469  laxavit  solvit,  minuit,  sol  enim  nasoens  vrigida(!)  aera  solvit. 

485  mukUe  nostraque  nostra   ori(gine)  hoc   dioitur  secundum  Pithago- 

ricam  sententiam    qui   animas   hominum   recedentes   vel   aves    vel 

quelibet  animalia  intrare  asserebat  ( P). 
495  dextrisque  quia  a  dextra  parte  venientibus  mala  omina  sunt. 
498  ealigine  mundi  quia  quod  aliis  caligo  est,  illi  lux  est. 
505  Pendeat  stet  immobilis. 

507  Veetor  aquila.    avis  unea  Minerve  cornie(l)  vel  ciconia. 
5lC  paier  pater  vel  ad  deum  vel  ad  me. 
559  Thessalieumque  nefaa  nicromancia. 
601  fliaiiM  pregressus  fortitndine  sua. 


408  Manitius 

614  paüida  virgo  Pbümonoe^. 

618  Experiar  aut  moriar. 

625  arcana  profari  que  vidi  in  monte. 

628  no8t€r  Apoüo  qui  apud  nos  colitur. 

630  ceeos  non  videntee  quod  ad  interitum  vestmin  tenditis. 

632  nü  dulee  domi  non  ennt  vobis  nxores  neque  liberi. 

634  gradu  rapido  quia  sponte  non  ini. 

646  fixos  areeo  c€Mi8  a  diis  statutos. 

660  Tyrrenus  dangor  in  Tirreno  inventus. 

651  Vota  virum  meliora  volontatee  meloram(!)  Tirorum. 

652  nanis  avtbus  vana  canentibus. 

661  tibi  tuto  non  tangam  te. 

662  prima  ad  dasitiea  com  primum  sonuerant  tnbe. 

665  ventisqiie  aut  alite  qaia  solent  augures  in  flatibne  ventomm  auguria 
oognoBoere  et  in  alitibus  (P). 

666  procid  hee  si  mihi  obviue  venerie. 

675  donec  stetit  ita  bis  nicbil  obetitit  usque  ad  Thebas. 

698  huic  olim  generis  pudor  uisi  enim   pater   filio   restituatar,   impro- 

perebitur(!)  quod  est  filius  ezulis. 
705  misero  nupsisse  marito  quia  sna  pauperies  anget  miserie  pieUtem 
707   üt  timeam  qai  etiam  per  me  sperat  restitui. 
718  iustae  moderatam  oonsilinm. 
IV  8  stetit  agere  Direes  ab  Argis  osqne  ad  Thebas  iecit  Bellona  haetain. 

20  9u8piranda  com  anapirio  lagienda(!). 

26  amica  manne  amioorum  maltitudo. 

28  magni  caligo  maris  profunditas  turbat  eos. 

35  CäUiope  que  preea(t)  carminibue  poetarum  in  nemore  studentiam. 

38  Mens  hatisto  de  fönte  in  carminibue  explicandis.    rex  tristis  et  e^ 
Adrastua  animo  et  corpore. 

40  adhortantes  preliari  volentea.    Adraetus  coaetna  a  generia 

47  Queque  pavet  ne  ab  illo  evertatur.    Caradron  turbulentam  fluvmm. 

55  Plegetonte  ubi  morare  aolebant  et  ubi  venire  aolebant. 

56  domos  propter  Tereum.  Micenia  propter  Thieatem  et  Atrenm. 
70  laxa  cervice  a  labore.  inanibus  armis  quia  non  potcat  bellare. 
77  Advenere  viri  qui  calamitatibua  sunt  rooti. 

79  muUi  precipnum  videbatur  venernnt 

85  Hibema  sttb  nocte  qnando  ad  regem  venit     Teumesius  a  loco. 

86  Terga  leo  ad  magnitudinem  leonis  referunt. 

130  Ter  nvoeum  scandente  ivha  trea  enim  criataa  habebat  ^  vel  tres  iubas 

equi  temo  ordine  poaitas. 
135  laudatqne  nefas  quia  auos  maritoa  occtderunt. 
144  obiectus  detinet  amnem  amnibua  enim  toUit  caraum. 


^  Diea  Scholion,  das  PUoidus  nicht  hat,  geht  sicher  anf  eine  noch 
antike  Quelle  sornck. 
^  c.  habebit. 


Ααβ   Dresdener  Handschriften  409 

152  tarnen  eiiam  licet  antiquitate  sit  desolata.    iuvenum  militum. 
164  eubiH  sedeant  ubi  accubuerunt  illa  nocte. 

167  molis  ctene  clipeus  eins  super  coriam  ere  ooopertus  erat. 

168  honoa  clipeus.   squalet  horret.   triplici  tribus  oapitibue. 
190  obruercUque  deum  oracula  Apollinis. 

199  Deposuit  cültua  vel  nexus  monilis. 

224  Maka  promunctorium  iuxta  niare  quod  facit  periculum  navigantibus. 

233  wroncUo  propter  victoriam  corouam  accipit  honorabili  more. 

245  mveus  rigat  imber  s^va  equorum. 

266  Mfittiit  olamidem.    nodU  Hiberü  Hispanientibus  (1)  balteis.    irrugat 

trahit  in  rugam. 
280  puerperia  parturioiones. 

282  lueis  vices  quod  diei  noz  obscura  et  nocti  dies  sucoederet. 
289  Phdeie  Apollo  a  Pbitone. 
295  Cinosura  unde  fuit  minor  ursa  Helioe  (P). 
340  robore  wUi  dicit  cos  duros  quia  non  moventur  suo  fletn. 
350  Impetus  cum  impetu  voluntas  bellandi. 
355  acereseere  natos  quia  filii  super  sinus  patrum  ascendebänt,  dii  scie- 

bant  ituros  ad  bellum. 

359  9urdum  surdum  sine   eitara   ideo   dicit   quia   manu   non   carmine 
non(!)  oondebatur. 

360  Boetis  urbibus  Boeta  (1)  est  provincia  Thebarum. 

369  Aecumulat  Thebanis.   turbatrix  fama   fama   turbavit  eos   diyersis 
opinionibus. 

370  Asopide  rippa  Asopus  fluvius  est  Thebanorum. 

378  eorrepta  canistris  a  Bacho,  canistris  in  quibus  oblaciones  erant  vel 

coronis  factis  ad  modum  canistrorum. 
382  Ereetam  propter  bellum  elevatum,    urbem  Thebas. 

385  quatis  Hismara  montes  Thracie.    tyrswn  vocat  virgam   quam  mi- 
nistri  Bachi  portabant. 

386  irreptare  Lygurgo  dum  Ligurgus  vites  inoideret    igitur   crura   ab- 
scidit,  ideo  irreptare  dicit. 

389  Hermi  de  fontibus  Hermis  (!)  est  fluvius  aureas  trahens  harenas. 

390  tua  progenies  nos  Thebani.     armis  in  tuo  sacrificio  habitis. 
394  Caueason  mons  Asiriorum. 

399  comua  miscent  quia  invicem  bella  fuerunt. 
404  gdatis  VuUtbus  frigidis  pro  ezstasi^. 

406  terroribus  impar  non  ferens  vanum  terrorem. 

407  tenebrasque  sc^gtuses  ideo   dicit   quia   quamvis   cecue    tamen   omnia 
captabat. 

410  verum  spirantibus  extis  Vera  omina  (omoia  e)  dantibus. 

423  vaeuusque  Horror  quia  nuUns  ibi  habitat. 

424  lueis  imago  ibi  quedam  lux  parva  ei  pallida. 
429  eanum  gemitus  auditi  quando  noviluniunn  ^  fit. 

^  Nach  Georges  "^  nur  Vnlg.  act.  ap.  3,  10. 
*  Das  Wort  fehlt  bei  Georges. 


JlfAuitiue 
410 

m 

433  9«»βΜ»<  miWi'  c»pat  »nper  pharetram  et  dormit. 

.  vT^  gg^fumine  illorum  saDguine  qui  βθ  roatuis  vulueribus  occidunt 
440  vana  in  prdia  qoia  umbre  hoc  faoiunt. 

485  toxo  veoenosa  arbor  est,  de  cuiue  fnneree  fiicee  dicantnr  (e»e!). 
503  neqiteo  toUrare  moram  i.  non  poesnm  diu  vos  expectare. 
r>06  paUdmiU  Tartara  motu  ad  incantationem  ilHiu. 
512  /rof*<>^  opoce  quia  senez  qnaei  frontem  umbrosam  habet. 
514  diei  nogeique  timemus  meta  Apollinie   didt  se  nolle  sae  gerraane 
oontumeliam  facere  nam  Latonia,  que  est  et  Diam•,  et  Proserpina 
fuit  Boror  Apollinie.    Dermoygom  didt,  de  quo  philoeophi  omnia 
creata  asserebant,  cuius  nomen  nullus  fuit  aneue  nominare  et  illum 
soluin  dicebant  regnare  super  omnes  deos  alios  (P). 
516  tripHcis  mundi  deum  oeli  terre  et  maris. 
520  Pandüur  EUsium  duios  piorum  anime  veniunt. 

523  Pkgeton  qui  ignens  est. 

524  Et  SUx  palus  per  uovem  circulos  interfusa,  hec  suo  meatu  xnanes 
discemit  a  superis  et  ideo  dicit  hie  interflua.    obstat  ne  veDiant. 

531  Vera  nimis  poscena  veritatem  excuciens. 

532  penarum  luera  i.  penas  quas  aput  superos  lucrati  sunt  aliis   male- 
ficis  faotis. 

537  remeabüe  saxum  Sisiphi;   de  Sisipho  loquitnr  qui  vera  pbilosophia 
oontempta  ad  volvendum  saxum  super  unum  montem  oonstitutai  est. 

538  FaUentesque  locus  propter  Tantalum  dicit. 
555  serpens  scrobibus  pleuis  sanguine. 

575  invidiosa  caterva  filiorum  et  filiarum. 
608  alium  aceedit  ad  imhrem  lactis  et  mellis. 
(>60  MimaUones  ministri  Bachi. 

681  hiantibus  arvis  meridiano  calore  uimio  apertis. 

682  Stat  vapor  horret  sol.    ethera  lud  solem  silve. 
689  fUgiat  liquor  fontes  illius  silve. 

691  ifidulgent  astra  qui  inter  sydera  locatus  est 

711  cuiverrensque  trahens  yelooitate  sua. 

722  trihateris  triateris  est  festuin  triennale  quod  Bacho  in  anno  fit  vel 

ideo  triateris  dicitur  quia  tribus  diebus  celebratur  (α). 
762  numerumque  rependam  tot  victimas   inpendam   tibi   quot   homines 

sunt  in  exercitu  (α). 
83()  Xanctus  utergue  Grete  et  Troie. 

V  3  sonipes   rapU  sonipes   ponitur   ibi    pro    equite,    virtutem   propter 
sitim  perdiderat 
8  cuique  ante  locus  antequam  biberet. 
41  Parque  operi  tanto  digna  videbatur  ab  illia   que   merito   tantom 

exercitum  servasset. 
45  cbtenta  comis  quia  yia  stricta  est  oomis  pareiitibus(?)  ramis  arbonitn. 
55  Delove  sonanti  lyra  Apollinie. 
63  Ceston  edlioet  optimam  partem. 
80  audire  ruinös  quam  redire  et  iaoere  nobiscnm. 


Aue  Dresdener  Handschriften  411 

92  Tatmesia  thiaa  Thebana  saoerdot  Baochi. 

105  peOite  sexum  muliebrem  mollioiem. 

106  inanes  domos  a  maritis  vacuas. 

121  Bodopeia  eamux  Progne  que  erat  de  Tracia. 

131  gamsa  JMixo  qne  βααηι  animom  in    maltaa   cedes   natorum   pro- 

mittebat  et  oog^bat  alias  mulieres  ad  eadem  promissa. 
134  eepüsque  favet  dicit  voluntate  deorum  esse  factum   quod  ooniages 

eodem  tempore  adTenirent  quo  eomm  neoem  traotabant. 
138  meUorctgue  federa  meliores  maritos. 
142  Bistonides  Trace  a  Bistone  fluvio.    mariie  maritate. 
145  arma  IndvHget  pater  Mars,  scuta  habent  rotunda. 
159  Caropeia  comunx  Carops  vir  Po.  (=?  Polizos). 

173  Maifie  sub  Otrisio  bellnm  qaod  gesserunt  in  Otrisio  monte  Tracte. 

174  ddubra  vaporatU  templa  sacrifioiis. 

179  nee  longius  umquam  dioit  diem  perlongatum  a  love  ne  oito^  veniret 
DOS  in  qua  erant  occidendi,  i.  antea  numqoam  tarn  sero  apparue- 
runt  tenebre  quam  nunc. 

192  Queque  iaeent  iaoent  in  illo  loco  quo  cultn  erat  maxima.  nUtes 
maritos  ut  deleotaret  maritos. 

194  adflavercU  iffne  amoris  quia  perituri  erant. 

202  amcto  sua  regncU  Erinis  prius  furor  erat  uDicuique. 

208  ihinetam  ramis  corona  propter  estema  sacriBcta. 

230  impelUtgue  minis  ut  fratrem  occideret.    inserü  ensem  illi  Licaste. 

232  stimuUsque  flagellis  magiatri. 

233  In  mores  negat  ire  suos  in  pristinam  feritatem. 

295  Flamina  yentos.    prospectem  propter  dimissum  patrem. 

296  edumque  retexens  discooperiens. 

297  dedivia  in  mare  pendentia. 

298  iuga  cnrrum  vel  equos. 

306  Nota  situ  mutatione  loci  vel  vetostate. 
310  ConÜcuere  domus  interfectis  viris. 
312  Spirant  manes  maritomm  nostrorum. 

320  faisi  criminis  astu  quia  credebant  me  occidisse  patrem. 

321  regno  ut  crederent  mihi,  eonsidere  reginam  oonstituerunt  quod 
mihi  supplicium  fuit. 

323  deos  testata  quia  patrem  ocddi.    fidemque  quasi  aliquis  dioat  cur 

acciperet  dicit  se  non  andere  dimittere. 
325  Examiue  sine  viribus,    sine  eulmine  sine  rege  vel  viris. 
378  per  rupes  ut  illi  contra  tempestatem  laborabant. 
^2  se  mole  ferewtem  sicut  gravis  homo,   quia  non  tales  passus  habuit 

quales  Hercules. 
444  Arma  cum  quibus  Lemam  ezpugnavit  Hercules. 
^  revolvüur  annus  nam  annus  in  se  ipsum  redit. 
463  coaeH  per  precee  lasonis. 
465  Nomen  avi  renovo  Thoantis  patris  mei. 

*  c.  scito. 


412  Manitius 

470  retinaeula  funem.    saxi  ad  quod  soleliat  ligari. 

489  facinusque  reposcunt  cor  patrem  non  occideret  requirnnt. 

494  nee  regna  fwxint  qui(a)  regina  eram. 

495  IneomiUUa  sequor  sine  pediseeqais^. 
502  eomanti  rutilanti  propter  flores. 
506  tractuque  8oluk>  corpore  extenio. 

508  lAvida  fax  oculis  nigra  aties  erat• 

509  tema  agmina  tres  numeros  denüum  habuit. 
516  iacet  aggere  ripe  tollit  cuream  sua  magnitadine. 
520  anfractu  ciroamvolutione. 

522  fmuesque  repressos  in  terra  reoonditos. 

524  Incertu8que  aui  pre  angrostia  sitia*  ignarus  qood  agat. 

5*25  Ore   sttpinato  elevato    ut   aliqaem   humorem     recipiat.    gemeniia 

calore. 
580  exit  in  orbem  qni  extenditur  in  anatralem  plagam. 
531  spiria  intorta  auia  oiroamflezionibue. 
536  an  ut  inde  sacer  an  ideo  mortuua  ea. 
543  vnaomma  voces  talea  vooea  emittebat. 

549  notas  tractu  aerpentia.    viridi  veatigia  pueri.    hosHs  propter  aitim. 
569  membra  Giganta  ad  irapedimentum  mei. 
578  Imploraniem  valde  triatem.    animam  vindiotam.    aris  ülum  et  eo- 

gnate  gemuiatia. 
587  aummas  libaioit  leviter  tetigit. 

593  in  funere  primo  prima  invencione  propter  dolorem  pneri. 
(>03  in  carbore  cara  in  qua  nidam  fecerat. 
613  ligatis  sonis  non  intelligcntibna. 
615  Ärgos  Argo  nautaa. 

620  Nosco  deoe  Recorder  que  dii  dizerunt  mihi  in  aomnia. 
()22  quo8  arguo  reveraa  ad  ae  dicebat. 

628  Exuolvi  qnia  dicit,  ο  Lempne  ai  tibi  non  aolvi  nepbaa  occidendo 
patrem  tarnen  modo  peraolvi. 

629  meriti  duri  mali  quia  pueram  perdidi. 

()40  Per  sei  vertice  de  quo  Peraeus  ad  oocidendam  Gorgonem  volavit 
Apbeaonto*,  quia  reaponaum  fuit  ei  datum  Tebanum  bellum  illiua 
aanguine  imbuendum  fore  quod  contigit  in  morte  filii;  concuciebat 
Caput  quia  omnia  adveraa  ibi  vidit.  vertice  saneto  Montis  qui(a) 
lupiter  ibi  colitur 

651  AdveMt  triatatur  ad  aonum  tubarum  timena  ne  illuc  duoeret.  exe- 
quiae  cadaver.    obOta  mater  Euridicem. 

653  pietas  ignava  fuit  erga  filium  qua  uxor. 

655  arva  morantia  eum  propter  longam  viam. 

658  amnie  fabtUa  Lempni  qui  dixit  ae  aervaaae  patrem  falaum. 

^  c.  rediaaequia. 

3  sitit  in  sitia  corr.     Die  Erklärung  dea  Soholiaaten  beat&tigt  die 
aufgenommene  Eroendation  *aiti'. 

s  vgl.  Lact.  Plaoidua  au  Theb.  ΙΠ  461.  638. 


Aus  Dresdener  Handschriften  413 

661  (kneiui  keros  Thidens  Oenii  filins. 

66δ  Erimansiu8  Partonopeos  a  roonte  Argadie  in  quo  mater  sua  veua- 

batur. 
G70  ünus  atum  sanguis  oocidai  reum  ne  occidatis  eum  quia  de  nosira 

progenie  est.    neve  indulgete  furori  dimittite  pugnare. 
679  Inoeniat  twmulis  Qoasi  ntinam  inveniamus  te  hie  onm  roversi  fuen- 

moB.  fata  gementem  mortem  filii. 
682  Rebar  Η  hostHes  venisse  hostiles  yos  tarmas  ad  roenia  Thebes  non 

bna 
707  geminusque  I^rüon  deus  maris,  piscis  et  homo. 
709  Thetis  mare.    motUesque  quia  non  erant  operti  flactibns. 
7 IG  protifius  Nuneiun  quasi   dioeret  vix  intraverat  et  atatim  nuncius 

venit  Ligurgo  de  morte  filii  et  processerant  equites  ei  in  auxilium. 
722  Diripiunt  cum  impetu  venerant.    flefUes  pre  gaudio.    peetora  mu' 

tont  (vel  tempora)  qui  aliqnando  unus  aliquando  alter  osculabatar. 
72H  Ensibu8  quia  lason  pergeos  de  Lempuo  illio  reliqnerat  duos  enses, 

qnos  Uli  modo  portabant.    humeris  filiornm.    Jason  aparuit. 
727  munere  tanto  tanta  felicitate. 
729  Signa  polo  Bachus  dedit  Signum  in  oelo  et  audita  sunt  timpana. 

735  indebüus  armis  fataliter  debens. 

736  Paree  fata  secnndum  ritum  omnia  demonstrant. 

746  transgressi  fata  ponrentum  quia  numquam  fuerunt  tam  felices  ut 
V08  estis. 

750  saerum  purum,    ne  plangite  dwos  nolite  super  deos  irasci. 

751  deus  qui  modo  deus  est.  Ptlte  senecte  Nestoris  qui^  aput  Pilon 
mansit,  ter  centum  annos  vixit. 

VI  9  phareire  ▼ictorie,  Phitone  enim  interfecto  ab  Apolline  Phooenses^ 
pro  liberacione  illius  pestilencie  quam  habuerunt  de  serpente  Apol- 
lini  Indos  celebrabant. 

11  guotiens  tociens  omni  anno  redit  ad  litus. 

15  älumnis  de  Grecia  regibus. 

24  querere  terrae  eundo  per  pelagus. 

%  Clara  descriptio  diei.     Thitoma  a  (autem?)  nurora  (aura  e.). 

30  MulUpHcantque  eonos  multiplicare  faciunt.  exutus  Ligurgus. 

31  Vittarum  quia  ut  sacerdos  redimitus  erat,   squalentia  pulvere  sordida. 

34  famulas  premit    ad  planctum  cogit.    volentes  plorare. 

35  amdsa  remota  a  oadavere  filiL 

37  dignts  VuUibus  aptis  illo  tempore  quo  luctus  erat  omnibns. 
47  facta  recensens  quia  omnes  moriemnr. 
^  vaga  passim  discurrentia. 
^  Uneraque  cppresso  quia  est  funerea. 
^  woriturie  florihue  quia  cito  defioiunt. 
^9  Arabum  strue  aromatlbus  et  Arabicis  odoribus. 
64  Linus  Linus  ApoUinis  (filius)  qui  simili  morte  periit  a  canibus,  a 
matre  illis  oppositus  qui  eum  occiderunt^ 

^  c.  quia. 

*  e,  Phocensia 


Itfeniiiae 
414 

i#^ami  roeirnam  corpus  vel  utilitae. 
69  immemsa  Memtta  m•«         ... 
i  fi^     eTÄt  pröparatio  rogi  quam  vis  esset  parvus  ex  nimio  appa- 

rata  rogi.  . 

"1  In  nomen  hoaore  filiL    c%nctu»qf$e  cingulas. 

Ä*i   nfausti  beBi  propter  puernm  oocieum.    piaeula  pecoata. 

H8  (Bi»  labor)  aeeisaam  uadique  oesam.     Tempe  loca  amena. 

94  metuef^^^'i^^  tojpua  quia  venefica  est. 

96  expuffvuMe  rtibur  cedrus  procambtt. 

97  audax  a5ie9  quia  magna  alti tadine   elevatar.    odoro  tndnere  qnia 
maltnm  ölet  quando  inoidttar. 

100  Dat  gemituM  ieUus  oadentibns  arboribas. 

104  cana  Poles  quia  preest  segeti  dea  frumenti. 

108  vtx  siffna  audUa  tam  cito  hec  omnia  a  silvis  reoesserunt.    urbem 

ea  que  in  nrbe  erant. 
110  iüe  fragor  milites  nimiuni  aooensi  quam  in  dissipatione  arbis  i.  est 

similibuB  piris  pro  morte  Archemori. 
112  auxerat  aras  pro  oociso  draoone. 
114  teneros  manea  animas  puerorum. 
118  SipMkm  apud  Thebanos  fuit  mos  liberis  ocdsis  ad  Siphilon  fuuera 

ducere. 
126  Hvida  Brachia  propter  dolorem  puerl. 
129  nudo  de  pedore  pre  dolore  pectus  nudnm  habebat. 
134  his  in  ftnibua  evi  dum  tam  iuvenis  esses. 
141  ubera  mando  coromendo  eius  uberibus  filinm  meum. 
145  creditis  ause  qnia  mendacia  profert  que  occidit  iilium  meum. 
198  cetUenus  ubique  in  unaquaque  turmR. 
205  apiraniiaqtie  adhuc  viyentia. 
229  quis  beut  incognüus  korror  vulgares  homines. 
232  Enomai  res  cnius  filiam  Ypodamiam  vicit  Po1ops(!). 

235  ufnbonibus  monticulis. 

236  Campum  exire  vetat  ut  protendatur  in  planiciem. 
238  augent  maiorem  faciunt  videri. 

242  tantique  beHU  quia  mnltitudo  tarn  magna  erat. 

243  nigrantea  nigri  unius  coloris  erant  matres  et  vituli. 

254  lo  po8t  tergum  in  vaocam  mutata. 

255  inoeciduis  visilms  semper  vigilantibus. 

256  tUam  erexerat  in  pristinain  formam  mutavcrat. 

257  hospes  Aurora  populi  orientales  ad  quos  venit  vagando. 

261  Neptunia  Lora  vel  quia  littore  vel  a  Neptuno  ministrata. 

262  Pelops  Polops  a  Neptuno  cnrrili  oertamine  instructus  fuit. 

266  Tristis  Ämimone  tristis  quia  reperta  atque  stuprata  est  a  Neptuno. 
265  MuUa  monens  in  principio  cursus  vel    in    mcdio    vel    ubi  i.  aequa 
OGoasione. 

300  GaudenUm  propter  impetratum  currum.   astra  insidiosa  ρ&ήοη\οβΆ 
Soorpion  et  Sagittarium. 

301  Noleniesque  teri  zoncu  australem  et  eeptentrionalem  plagam. 
314  maculie  internigrantibus  albe  nigra  habentes  maculas  et  albae. 


Ans  Dresdener  Handechriften  415 

317  audito  ApoUine  oarmine  Musarum  et  Phebi. 

315  credi  nee  degener  i.  quia  credebatur  uod  degenerare  a  Castalio  grege 

i.  a  Pegaao  aub  cuius  pede  natus  est  CastaliuB  fons  ubi  Apollo  et 

Muse  colebantar,  quod  dicit  qui  Pegaeus  stupuit  ad  sibila  canne  i. 

Apollinee  in  fönte  et  noluit  pasci  cum  audiret  Apollinem  canere  (a) 

440  Fumaptemque  funalem  dicit  quia  adi'o  ferus  erat  quod  fune  oporte- 

bat  eum  ligari  (α). 
535  in  Hitmiaea  harena  in  festo  Palcmonis.    Histimos   mens   est   ubi 
Palenion   filius  Atbamantis  suum  dictus  est  halmisse  sepulcrum  et 
in  unoqaoqoe  anno  sub  honore  eius  iuvenes  diverse  certamina  lu- 
dorum  faciebant  (α). 
i)51  kituitque  in  corpore  vultus  nichil  valebat  vultus  respeotu  corporis  (α) 
δΜ  fmeaiur  olivo  oleo  unxit  se  ut  caro  labilis  esset  et  nuUus  detineret  (a) 
aö7  celi  stMinüs  (vel  stillantis)  videntur  enim  cintille  stillare  de  astris. 
5<)l  Proximua  et  forma  iuncta  ipsa  forma  Tde  vel  Polinici. 
&69  ignea  Crura  preparata  ad  cursum  faciendum  (α). 
^71  summisit  regtda  liwen  precipitata  est  regula.  Excitnbant  se  quasi  cur- 
sum debuissent  mox  incipere  et  ipsa  mot  ione  retrahebant  se  a  cursu  (α). 
62G  iu88U8  PhtereHas  a  rege  vel  ab  aliis  (α). 
C42  rediii  ingloria  quia  numquam  fuit  ausa  (α). 
(iöO  Quod  UUus  oogitans  in  animo.    medie  quod  eertiwt  vilne  quia   pro- 

tendebatnr  usque  ad  mediam  ulnam. 
65<>  Urgo  operum  fidens  quia  talis  erat. 

^7  celo  dextram  metitur  non  in  longitudinem  sed  in  altitudinem. 
714  nvda  de  plebe  prompta  et  expedita. 
718  braehia  finxit  fecit  flexibilia  ad  boc  opus. 

778  effunditur  tue  ictum  enim  passus  est  cadendo  vel  ad  superiorem. 
H46  duria  thoris  apellat  callos  tboros  duriciam  manuum  (α). 
855  hatU  alüer  babet  se  quam  Tydeus. 
898  Vietorem  ipeum  Adrastum. 
913  breoi  tempore,  fatdlia  significans  fatum. 
VII  7  axemque  nivosi  Syderis  septentrionalem  plagam. 
18  eredas  beüo  rediisse  tarn  leti  peragunt  ludos. 
23  immerüas  wrbes  que  nicbil  promeruerunt. 
36  Tempestca  etema  plage  frigus  continuum  illius. 
42  Oingitur  contra  septentrionem.     Hemo  Hemus  est  mons  Traoie. 
45  Leditur  obscuratur.    aedem  propter  cruentam  domum  Martis. 
53  Mora  armcda  quia  sola  eripit  vitam  vel  arü  diverais  generibus  (gen• 

tibus  c.)  oocisionis.  73  Sanguinea  Beüona  manu  aoror  eins. 

74  dkiguit  visu  obstupuit  pavore. 
^  impdlit  iopellit  remeantem.    resides  pigros. 

93  tfiateride'  muUa  multis  festis. 

94  Instaurere  diem  propter  consumptum  Bachium  magis  colatur. 

95  McHU  adire  Tdops  cum  sacrificatur  ei. 
104  Dmx  ta  Adrastus  dixit. 

107  gtminum  mare  lonium  et  Egeum. 
115  Silvas  silvas  a  !ooo  suo. 


41β  Mahitini 

123  Pendel  eollicitum  erat,    ffcigof  naultitndo  exeroitne  Αιχίτί. 
126  An  dubiient  an  dubitent  venire. 

128  Induiiur  quia  in  diversas  aoies  ee  mutavit  ut  eos  sie  magis  deciperet. 

129  metu  inani  quia  non  erant  hostee.    eonsterfdt  deieoerit. 

132  Incidit  videbatur  Grecis.    veutigia   vallis  immiesas   est   ubi  facta 

sunt  Sacra. 
138  nichü  fiagraniHms  quia  otnues  mori  malebant  quam  bellum  dimittere. 
147  pairios  remifiiscitur  igncs  quo  fulminata  est  mater  sua. 
185  HostiUs  Tritonis  aquas  Neptunus  invidit  Athenis   quia  faerunt  no• 

minate  Palladis  nomine. 
192  Taurus  vehens  Europam. 
198  veteres  seregue  ab  antiqoitaie  seriate. 
221  luno  queretur  pro  adversitate  Greoorum. 
239  expectatque  furores  Grecos  furentes. 
249  Äudimus  hie  video  tarnen  non  cogtioscena. 
255  hie  hio  est  ille  quem  Diana  sagittaa  interfecit   propter  Partheno- 

penm.    ctd  nivea  arma  in  caius  honorem. 
266  iugis  itdqwis  ardais  vel  ezceleis  et  in  quo   solebat  Athalanta  eam 

procis  euren  oontendere.    duas  Athalantas  fuisse   manifestam  est, 

unam  Arohadicam  etc.  (P). 
282  EHeonia  turba  dicit  propter  Gallum  aliosque  poetas   qui   incanta• 

bant  per  Eliconem,  ibi  vult  poetas  intelligi  conveniFse.    Eliconem 

et  Permessum  et  Uormium  dicit  fluvios  Mueis  consecratos. 
291  origine  fratres  ut  fratres  ezistimari  poseint;    fratribus  essent  seil. 

Ethiodes  et  Polinioes. 
297  Laphitonia   nimpha  Laphitaon  dictus  est  pater  quem  Scis  nimpba 

violavit,  inde  natus  Alatreus. 
304  Ventura  s^necttu  in  futnro  etate  antecedente. 
309  cdsos  qufidriittgoa  hie  notat  magnitudinem  eins. 
316  arreptis  Pontibus  cum  collectis  aquis  voluit  pugnaro  cum  lore. 
326  Fidmineum  einerem  ex  quo   tempore   fulminatus    fuit,    pronas  vi- 

ventes  in  se  habuit. 
369  in  terga  eomantes  quorum  come  in  terga  peudent  (α). 
377  sÜmtUare  parem  cogere  ad  bellum. 
405  de  cursibus  annes  sunt  visi  refluere  quasi  in  die  sereno. 
418  Perseos  efßgiem  quia  occidit  Gorgonem. 
431  Cunctantem  equum  intrare  volentem. 
452  Quis  queat  quo  modo  Thebe  illa  uocte  turbatu  fuerunt. 
459  externos  ignes  quos  extemi  subvenientes  accendant. 
465  lucemque  timent  diem  timebant,  propter  bellum  tamen  optabant. 
469  oculosque  reposcit  optabat  oculos  ut  cum  filiis  bellaret^  tumultu. 
475  Exangues  genas  senio  tabente«. 
478  cum  maiestate  mälorum  cum  multitudine^  deformitatis. 


*  c.  bellare. 

^  c.  multitudinem. 


Ααβ  l>reedener  Handsohriften  417 

479  meUor  iam  sexus  qoia  tunc  meliores  erant  illii»  filie  quam  filii. 

480  Predpitantem  arttia  velodter  membra  moventem. 
486  tarn  missus  nuntius  qaem  locasta  miserat. 

493  laerimis    gaudentibus    implet   pre    gandio   laorimatus   eet   deosoa- 

lando  eam. 
500  miseräbilia  hospes  mifleratione  dig^nus. 
513  mx  Edipedo  qui  soelere  notus  est  omnibns. 
614  Nupsi  equidem  illicitum  par.    taks  qualee  peperi  qnia  ooacta. 
516  Quodn  adeo  perstas  nt  bellare  velie  oum  fratre  tuo  de  nobis  trium- 

phare  potes  interficiendo  me  et  sorores  tuas. 
522  di  voibis  earus  pietatem  habete  de  filio. 
527  tumidcis  cohortes  ad  bellum  paratas. 

531  gaudetque  cruore  recepto  hominis  vel  animalis. 

532  fiexa  PeUugum  corda  diotis  locaatae. 
536  ammum  twrbante  matris  et  sororis. 
539  fidtim  Ethiockt  fidum  dicit  yromce. 

541  bona  federa  gesto  propter  oioatrioes  plagamm  separatrix. 

552  Ante  hee  antequam  hoc  fiat  in  caetra  ut  te  remittat. 

557  medieque  sorores  qnia  inter  nos  et  ülum  federa  portant. 

51)2  fera  temptta  inermis  oportanitatem  quomodo  Erinis  poaset  eos   ad 

bellum  impellere. 
565  wutiUor  Ed  orientalis  plage. 
^9  Sanguinis  feritatis.    Indum  gramen  species  quibus  erant  circumdati. 

580  ammwnque  priorem  prietinam  feritatem. 

581  erumpunt  (urgis  egrediuntur  per  campos. 
588  Corripiunt  aurigam  Parthonopei. 

594  addueto  tdo  qnia  prius  telnra  adducitur  quam  emittatur. 
596  ad  poriM  Thebanorum.    utrimque  ex  utraque  parte. 

602  penetrale  in  interiore  parte  templi. 

603  Baeheus  qui  Bachum  colit.   PhUgeus  proprium  nomen,  saoerdos. 
606  ÄuxUio  tardi  qnia  iam  mortuus  erat. 

<X)9  Consüium  quod  looasta  habuit  cum  Polinice. 

6tl  preceps  quia  bellum  cupiebat.   tempore  ütüur  quod  tempus  est  ad- 

portavit. 
B15  sevus  iam  damor  Argivorum  et  Thebanorum. 
621  subitis  gJobis  subito  yenientibus.    ghbis  ooadunationibus. 

627  rapwit  nemus  nimio  flatu. 

628  non  ws  Umginqua  que  prope  vos  gesta  sunt. 

631  Horrent  a  cantüena  defioiunt.    tumidttis  tubarum  sonitus.    JEIUeonM 
pleetra  Elicon  est  mons  coneecratus  Musis  iuxta  Tbebas. 

632  Sidonium  Thebanum.   male   fidus  quia  duri   oris    non   ohtemperat 
reotori. 

633  Bumpentem  quasi  trahentem  rumperet. 

637  nee  iam  arma  quia  mortuus  erat. 

638  anima  defectus  uterque  hominis  et  equi. 

640  stemuntque  gladiis  se  perimunt.     alterna  corpora. 
649  Batheos  euUus  Bacho  saoratos. 

BU1&.  UwL  t  Philol.  H.  7.  LVII.  27 


418  ManitittB 

651  Bromio  Baeho.    mtUare  furarem  ut  sacra  belli  in  beHum  oonverteres. 

052  Quem  terrere  que<u  quasi  diceret  neminem. 

603  Vociferans  tangit   hio   qnod  Cadmus    in  Cirra   responsnm   accepit 

facturum   oiYiiatem   ubi   vaoca  prooedens  requieeceret    prokibde 

manw  populi  ab  eversione  huius  urbis. 

666  Gens  saerata  summ  quia   de   stirpe   deomm    descendimus.    gener 
hmc  egt  luppüer  wrbi  propter  Semelem. 

667  Gradivusque  aoeer  propter  Hermionem  Martis  filiam. 
690  formidantibus  atva  hiatnm  terre. 

692  Mestus  propter  interitum  sni  vatis. 
697  sanctum  et  foenerahüe  quia  illesum  vulnere. 
700  Suggerit  ministrat.    diesque  quo  sdvit  se  moriiurnm. 
707  tripodas  laurusque  sequi  divinationem. 
777  vetito  sepulcro  quia  sepulturam  interdizit. 
e05  benigna  Tempestas  quia  facit  ab  armis  oessare. 
822  rursu8  Miacuit  quia  ante  eztiterat. 
VIII  3  twrbavit  manes  deos  infemi. 
9  Needum  lustraverat  ut  solet  defunctum  lustrare. 

10  poste  notarcU  fecit  notarum   scribere  nomeD. 

14  securi  a  penie.  eireumspexere  fragarem   non  tantura  snpradicti  te^ 
rebantur. 

23  ircAiiaque  omnihus  umbris  propter  descensum  Amphiarai. 

27  cum  fratre  verendo  scilioet  Radamanto. 

39  mundumqi4€  nocentem  ad  regendum  inferos. 

44  TytafMS  alios  gigantes.   miserutnque  pairetn  Saturnnm. 

68  invideantque  sorores  non  solum  superi. 

69  omina  sunto  teminaria. 

72  Mandat  atrox  hostHe  caput  propter  Tydenm    dicit.    igne  stipremo 

Arceat  ut  Greon. 
85  8ul>it  ille  minantem  quia  finita  eins  oratione  cepit  loqui. 
87  lam  pedes  defectis  equis. 
92  Ät  mihi  aliis  iraecere. 

94  Neve  ira  dignare  hominem  ne  digneris  ostendere  iram  tuam  in  eam. 
97  fugiat  nee  tristia  in  antrum  sicut  fugit  pro  Hercule. 
105  turba  recentum  ümbrarum  ad  tuum  honorem. 

107  Non  ignarua  inii  sciebam  enim.    turfdne  tumultu. 

108  e  milibtiB  kauait  acoepit  me. 

121  Hac  aderit  eoniwnx  mea,  £riphile. 

125  iraa  suas.    arma  citat  dentes  acuit  vel  movet. 

141  αηπΊΛβ  humua  aorbet  quia  vivi  absorbemur. 

143  profunde  Noctis  iter  per  quod  vates  descendit^  ad  inferos. 

149  teüus  cognoacit  alumpnoa  quia  nos  solum  aVisorbet  etThebanos  serval-. 

162  Quae  tibi  tunc  facies  omnis  Argiva  phalanx. 

166  Nee  laudavit  equum  qui  mos  est  revertentibus  de  preliis. 

^  Hier  wie  Mtets  c.  decendit. 
*  c.  sevat. 


Ana  Dresdener  Handschriften  419    . 

1ß8  effiarUes  plagas  efflatus  emittentes. 

170  pugnae  auasU  titnor  pugne  que  cras  erat  futura. 

174  Hern  ubi  lawrigeri  Verba  Greoorum  ad  laudem  Anphiarai  (α). 

1H9  qui8  casus  habet  quia  inaudita  morte  mortans  erat. 

196  mutis  Delphis  omnia  loca  in  quibus  colitur  Apollo  mutaverat. 

201  cornigeri  vatis  nemus  in  Libia  Hamonis  harenosus  lapiter   in   mo- 
dam  arietis  oolitur. 

^5  nttUa  ferientur  ah  aUte  quia  aves  nnlla  dabont  responsa. 

217  faeilis  somnus  quia  facile  dolentes  invadit. 

220  ipsaeqve  marcent  deficiunt  pre  ebrietate. 

222  spiramine  sonat.    htixus  fietula. 

229  manibusque  attrita  tonantis  Comua  Enrope. 

245  abacta  prius  aolatia  esse  remota. 

25()  stridere  volacres  Arpias.    ut  sensit  abactas  a  Zeto  et  Galai. 

259  Graiorum  ίαΰώαί  cohors  quia  anima  et  corpore  fatigati  erant. 

265  voces  marcore  süperbe  marcor  proprie   est   rauoitas    vocis  cum  sn- 
perbia. 

2Gf)  Incerteque  faces  iam  defioientes.     maie  perviffü  ignis  quasi  iam  de• 

dignabantur  vigilare  et  faces  accendere. 
2(0)  Mandaioere  animas  mari  obdormientes. 
270  deus  qui  naoigat  alno  Triton  vel  Neptanus. 
285  Sequt  honeri  negat  esse  parem  respuendo  dignum  se  monstrat. 
2ΗΓ)  Ackimenius  puer  Achimenii  sunt  populi  in  Oriente,  ideo  dat  exem- 

plum  de  is,  quia  ibi  regsam  hereditate  tenetur. 
290  Caspia  limina  mandet  ne  qnis  sunm  ingrediatur  regnnm. 
293  nee  adhuc  implere  tyaram  coronam  patris. 
312  ο  rerum  media  quia  medium  locum  tenet,  in  elementis  nnusquisqae 

habet  sua. 
332  des  στο  precatus  ut  sentiamus  te  orare  pro  nobis. 
335  Sacra  feram  presaga  quia  notabo  presagium  vel  significantia 
343  fragor  excitat  enses  ad  bella  sonuerunt. 
349  mvUo  laxantur  cardine  Septem  porte  aperiuntur. 
'^58  seeretus  Nüus  quia  ignoratur  eius  principium. 
3ii3  gradum  tarde  movet  isti  processerunt  alacrus. 
429  magnum  et  gentile  tumentes  secundum  virtutem  gentis. 

476  duos  Heliconidas  filios  Ethioclis. 

477  Egee  Veneris  ab  Egeo  mari  ubi  nata  est. 
481  Sanguis  occisomm  ab  Emone. 

538  non  infensa  cerebro  Viünera  quia  non  percussit  ad  mortem. 

^e  HelieoniHs  Corimbus  saoerdos  Mosarum. 

55H  soeeros  Aversatus  Edipum  et  locastam. 

Γ>Γι8  Squalor  deformitas  Edipi. 

559  nee  pectora  virginis  üli  Diversa  amabiliorem  facit  quia  virgo  ama- 

bat  eum. 
ot'iO  inque  vieein  ρΐαβώαηΐ  ut  sibi  mutuo  iungerentur 
5Π4  Ceu  spectetur  agit  ut  laudem  aoquirat  a  puella  quia  puer  erat. 
610  Nee  mala  dicebant.    quae  iuxta  in  presenti  erant. 


420  Manitias 

641  tremem  loeasta  tremens  nt  vetnla. 

653  teste  remoto  onmibiu  eg^eetia. 

656  beOum  integrAat  Emyo  soror  Mirtie. 

677  TVific  ffior  ridendo  dizit 

702  Omnia  tda  wnoeni  oom  voüi  in  eum  veniimt. 

709  nuda  era  a  piotara. 

710  Oohuntur  in  arma  molares  lapides  de  capite  in  scntam  cadebant 

713  Paüada  fidam  que  illi  favebat. 

714  cdantem  lumina  panna  qnia  plorabat. 
726  wuueimus  Opiats  armiger  saus. 

731  UUera  indmanHa  non  yalentia  stare. 

751  tmUuque  oecurrit  utpote  eanoins. 

758  plus  exigU  üUrix  ploa  oompolit  faoere. 

766  pmgavit  lumina  limpha  qnod  se  pnrgayerit  nimpha  onm  lampade. 

IX  216  Useris  uwbram  oorpne  inhomatom. 

299  Striddnt  Tideus  qnia  yos  eritia  in  humana(!). 
305  eum  fiuetivago  Egyno  qnia  nanta  erat. 
461  impingit  Ortna(t)  nautis  Stella  tempestnosa. 
748  faeies  ruhet  igne  tieneni  qnia  intoxicata  erat. 

X  5  Fanditwr  eampus  illis  reoedentibus. 
40  frontem  frontem  castromm  Greoomm. 
67  Cadmee  pdieis  Semeies. 

72  magni  Fors  dedit  auxüH  licet  esset  in  tanta  ambignitate. 
179  perempto  Proximus  oonsanguinitate  vel  virtute. 
558  Luetusque  Furorque  Inctns  mnlierum,  furor  viromm. 
599  Sanguineos  flammarum  apiees  qnod  significat  Greontem  regnatoram. 
631  digesta  vetustas  preteritum  qnia  dea  memorie. 
647  horrewtia  terga  suum  et  apromm. 


Soweit  reichen  die  ESrklämngen  des  Scboliaeten,  wenigstens 
alle  späteren  Soholien  sind  nur  uloseen  and  fast  belanglos.  Uebri- 
gens  bort  die  blasse  Tinte  des  Scho Hasten  yon  h  mitten  im  Scbo• 
lion  an  VI  315  auf  and  wird  dann  darcb  eine  Tinte  ersetzt,  die 
nocb  dankler  ist  als  diejenige  des  Schreibers.  Die  Hand  dee 
Soholiasten  scheint  aber  dieselbe  an  bleiben,  nar  gegen  den  Schlase 
bin  wird  sie  yon  einer  etwas  gröesereren  nnd  weniger  gleich- 
massig  schreibenden  Hand  abgelöst,  die  in  Lib.  XI  and  XU 
ftasserst  zahlreiche  Correotaren  des  überaas  schlecht  werdenden 
Textes  anbringt  and  aasgelassene  Verse  ergänzt. 

Die  Schollen  sind,  wie  man  siebt,  in  beiden  Handschriften 
sehr  yerscbieden.  Manches  stimmt  allerdings  wörtlich  fiberein, 
wie  die  Erklärnngen  za  IV  722  and  762,  an  VI  315.  440.  595. 
551.  553.  569.  570.  642.  650.  «56.  846.  VH  369.  531.  VIII  766. 


Ans  Dresdener  HandBchriften  421 

IX  305  und  461.  Diese  Stellen  haben  meist  einen  reicheren  In- 
halt, aber  stets  zeigen  sich  doch  kleine  Verschiedenheiten  zwi- 
enhen  α  and  &,  so  daes  kaum  einer  aus  dem  anderen  abgeschrieben 
haben  kann,  sondern  wohl  eher  eine  gemeinsame  Vorlage  anzn- 
nehmen  ist. 

Aus  dem  Vergleiche    mit  Lactantius  Placidus    ergiebt  sich, 
dass  die  Dresdener  Schollen    zuweilen    ein    nicht    unbedeutendes 
Mehr  aufzuweisen   haben.     Viele   grössere  Stücke    sind    wörtlich 
ans  Placidus    abgeschrieben  —  sie   sind   hier  im  Druck  wegge- 
blieben —  andere  Stellen  sind   aus  Placidus    exoerpirt,    aber   es 
findet  sich  doch  manches,    was  auf  ihn  nicht   zurückgehen  kann, 
wenn  sein  authentischer  Text  wirklich  yorliegt.    und  davon  kann 
einiges  nicht  aus  dem  Zusammenhange  ergänzt  sein,  sondern  muss 
aof  alter  Grundlage  fussen.     Die  hauptsächlich  hier  in  Betracht 
kommenden  Stellen  sind  folgende:  α  I  66.  IV  695.  836.  VI  321. 
Yü  97.  b  η  599.  m  429.  V  524.  VH  279.  266.  666.  667.  VIII 
256.  358.  656.     Viele  andere  Stellen   yerrathen   deutlich    späten 
Ursprung,  aber  die  Hauptmasse  der  Erklärungen  fügt  sich  durch- 
aus dem  Yon  Placidus  festgehaltenen  Modns.     Es  ist  daher,  wie 
schon    oben    heryorgehoben    wurde,    nicht   unmöglich ,    dass   die 
Schollen  des  Placidus  reichhaltiger   gewesen  sind,    als   sie  heute 
vorliegen.    Oder  es  hat  noch  eine  andere  Soholienmasse  zur  The- 
bais  gegeben,    welche  mit  Auszügen  aus  Placidus   verbunden    in 
den  Dreedensee  theilweise  zur  Abschrift  gelangt  ist 

Draeden.  M.  Manitius. 


zu  GRIECHISCHEN  PROSAIKERN 


I.    Ein    paar  Verballbornungen   in   der  Vnlgate. 

Die  Güte  and  Zuverlässigkeit  einer  Hs  zeigt  sieh  bänfi^- 
grade  an  fehlerhaft  überlieferten  Stellen:  in  ibr  ist  gewissenhaft 
die  Vorlage  wiedergegeben,  wenn  sie  auch  unverständlich  ißt, 
während  in  einem  andern  Zweige  der  üeberliefernng  das  un- 
verständliche durch  eine  freie  Aenderung  des  Absch reihere  so 
zureoht  gestutzt  ist,  dass  ein  brauchbarer  Sinn  entsteht.  Oft 
genug  ist  so  das  Richtige  gefunden,  aber  es  ist  Conjeotur,  keine 
üeberlieferung,  andererseits  hat  nicht  selten  der  mittelalterliche 
Gelehrte  vorbeigesobossen  und  erst  ein  neuerer  Kritiker  hat  das 
Richtige  getroffen.  Es  ist  deshalb  Pflicht  immer  wieder  auf  die 
Ueberlieferung  zurückzugehen.  Das  ist  eine  allbekannte  WaLr- 
heit,  und  doch  wird  sie  hin  und  wieder  vergessen.  Dafür  ein 
paar  Beispiele. 

1.  An  der  schönen  Stelle  in  Piatos  Gorgiae,  wo  Sokrates 
schildert,  wie  es  einem  Arzt  ergehen  würde,  der  sich  gegen  die 
Anklagen  eines  Koches  vor  einem  Gerichtshof  von  Kindern  yer- 
theidigte,  heisst  es  522»  t\  el  €Ϊποι  τήν  άλήθειαν,  δτι  ταύτα 
πάντα  έγώ  έποίουν,  ώ  παΐΟ€ς,  ύγιεινώς,  πόσον  οΪ€ΐ  δν  άναβοήσαι 
τους  τοιούτους  οικαστάς;  Hier  ist  πόσον  in  einem  Apographura 
richtig  geändert;  BT  haben  όπόσον,  0Ϊ€1  hat  Τ  und  Β  von  zweiter 
Hand,  die  erste  hat  ποΐ€Ϊ,  dh.  Plato  schrieb  πόσον  τι  ΟΪ€ΐ  αν 
άναβοήσαι,  vgl.  Dem.  23,  210  πηλίκον  τί  ποτ'  δν  στ€νάΕ6ΐσν 
οΐ  δνορες  έκ€Ϊνοι;  wo  τι  erst  ans  Σ  hinzugekommen  ist.  Dem 
Wahren  war  übrigens  Schanz  schon  nahe,  er  wollte  όπόσον 
tilgen  und  τ(  0Ϊ€1  schreiben.  ΤΙ  ist  häufig  in  Π  verlesen  und 
verschrieben  worden,  ich  erinnere  nur  an  Sauppes  schöne  Rmen- 
dation  [Lys.]  9,  16  τι  V  δν  ίπραΕαν  aus  παν  ίπραΕαν  Χ,  was  der 
Schreiber  des  Laiirentianus  in  παν  δν  verballhornte.  Vielleicht 
ist  durch  eine  ähnliche  Besperung  auch  Plat.  Prot.  328*  zu  heilen 
πολλοΟ    γαρ   ποιούμαι  άκηκοίναι    δ   άκήκοα  Πραιταγόρου,  wo 


Zu  griechischen  Prosaikern  423 

man  irept  oder  πρό  eiuzueetzen  vorgeechlagen  hat;  aber  sollte 
man  nicht  besser  τιμώμαι  schreiben?  s.  Gaetm.  175*  πολλού  τι- 
μώμαι  την  παρά  σοι  κατάκλισιν.  Doch  dies  ist  ja  nur  eine 
andre  Möglichkeit,  sicher  scheint  mir  folgende  Vermuthung. 

2.    In   Tsokrates*  Sendschreiben  an  den  König  Philipp  heisst 

es  §  46  ηγούμαι  b'  ούτως  fiv  σ€  μάλιστα  καταμαθεϊν,  €Ϊτ'  el- 

ρηνικώς  €Ϊτ€  πολεμικώς  αΐ  πόλεις  αύται  προς  άλλήλας  ϊχουσιν, 

€ί  5ΐ€£ίλθοιμ€ν  μήτε  παντάπασιν  απλώς  μήτε  λίαν  ακριβώς  τα 

μέγιστα  τών  παρόντων  αύταϊς,  καΐ  πρώτον  μέν  σκεψαίμεθα  τα 

Λακεδαιμονίων,  wie  seit  den  Zürohern  mit  Γ  gelesen   wird.     Es 

wird  also  σκεψαίμεθα  von  εΐ  abhängig    gemacht,    aber    das    ist 

unlogisch,    denn    der  König    erkennt  das  Verhältniss  der  Städte, 

wenn  der  Redner  die  gegenwartige  Lage    in    den  Hauptpunkten 

schildert,  und  er  beginnt  diese  Schilderung  mit  και  πρώτον  μίν, 

man    mnss    also   davor   stark    interpungiren.     Das    hat    auch  0. 

Schneider  richtig  erkannt  und    den  vor  Benseier  üblichen  Punkt 

wieder   hergestellt.     Aber    was  soll   nun  d^r  Optativ?    Ich  kann 

ihn  nicht  erklären,  und  so  ist  es  vor  vielen  100  Jahren  schon  einem 

andern    ergangen,    in  ΛΘ  steht    οκεψώμεθα  (Η.  Buermann,    Die 

h«nd8chriftliche  üeberlieferung  des  Isokrates,  Berlin  1885,  S.  19), 

was  I.  Bekker  beibehalten    hat,    und  stünde    es  in  Γ,    so  würde 

keiner  Anstoss  nehmen,  denn  όιείέλθοιμεν  ist  zwar  Plur.  malest. 

und  οκεψώμεθα  sch/iesst  auch  Philipp  mit  ein,  aber  dieser  Wechsel 

findet  sich  auch  sonst,  zB.  folgt  8,  18  auf  πειρασόμεθα  ί>Λάσκειν 

ύμας  unmiftelbar  περί  bk  τής  είρήνης  πρώτον  διαλεχθώμεν  και 

ίΤκεψώμεθα,    τί   άν  έν  τψ  παρόντι  γενέσθαι  βουληθεϊμεν  ήμιν, 

es  werden  also  die  Zuhörer  eingeschlossen.    Aber  Γ  hat  οκεψαί- 

μέθα,  und  nun  erwäge  man,  dass  der  Redner  den  König  anredet 

und  den  nächsten  Abschnitt  *Αργείους  τοίνυν  ϊ5οις  δν  (51),  den 

folgenden    άλλα    μήν   τα   περί  Θηβαίους  ουόέ  σέ  λέληθεν  (53) 

einleitet,  und  ich  denke,  man   wird    mir  zugeben,  dase  eine  solche 

Anrede  auch  hier  höchst    wahrscheinlich    ist,    also  schreibe  man 

σκίψαι  wie  zB.  §  58  u.  68.     σκεψαίμεθα  int  demnach  eine  An- 

gleichung    an    οιεΕέλθοιμεν,    aber     die    andre  Üeberlieferung    ist 

vom  Eichtigen  weiter  entfernt  als  Γ.    Für  ihn  muss  ich  auob  §  49 

eintreten.     Ifokrates    schildert    die    traurige   Lage    der    Lakedä- 

roonier:   sie  werden  bekriegt  von  den   Nachbarn,   mit  Miestrauen 

behandelt    von    den    Peloponnesiern,     gehaast     von    den    meisten 

Griechen,  δγονται  bi.  και   φέρονται    και    της    νυκτός    και    τής 

Πμέρας   ύπό  τών   οίκετών   τών   σφετέριυν    αυτών,    ού6ένα    bi 

Χρόνον  οιαλείπουσιν   ή    στρατεύοντβς  έπί   τινας    f|    μαχόμενοι 


424  Fahr 

προς  τινας  ή  βοηθοΟντες  τοις  άπολλυμένοις  αυτών,  Γ  hat  aber 
ούΟ€μ(αν  b'  ήμέραν  οιαλείπουσιν,  was  aneeer  Ο.  Schneider  keiner 
aufgenommen  hat.  Wahrecheinlich  nimmt  man  an,  ήμέραν  sei 
aus  dem  vorhergehenden  ημέρας  entstanden,  ein  grade  im  Ur- 
binas  sehr  h&ufigee  Yereehen,  und  hält  die  üebertreibung  für  zu 
stark,  aber  οοΟ€μ(αν  ήμέραν  ist  unzweifelhaft  viel  bezeichnender 
und  nachdrücklicher  als  οόοένα  χρόνον  und  findet  eich  ganz  ähn- 
lich 7,  82  άλλήλοις  κακά  παρέχοντες  ού&€μ{αν  ήμέραν  οιαλεί- 
πομεν,  und  was  die  Üebertreibung  angeht,  so  kann  man  auch 
Arohidam.  65  όρώσι  —  τάς  στάσεις,  &ς  έπυνθάνοντο  πρότερον 
παρ'  έτέροις  οΰσας,  νΟν  παρ'  αύτοΐς  ολίγου  beiv  καθ'  έκάστην 
τήν  ήμέραν  γιγνομένας.  —  Da  aller  guten  Dinge  drei  sind,  fuge 
ich  aus  dem  Philippoe  noch  eine  Stelle  an,  wo  es  sich  um  eine 
grammatische  Kleinigkeit  handelt:  §  64  heisst  es  von  Konon  το 
τείχη  τής  πατρίδος  άνώρθωσεν,  vgl.  15,  319  τά  τείχη  τής 
πατρί6ος  κατασκαφέντα,  20,  11  κατασκάψασαι  τά  τείχη  της 
πατρίδος.  Dein.  1,  37  τους  όρθώσαντας  τά  τείχη  τής  πόλεως, 
Blase  brauchte  also  nicht  mit  der  geringem  Ueberlieferung  τά 
τής  πατρίδος  zu  schreiben. 

3.  Nicht  so  sicher  ist  mein  Urtheil  in  folgendem  Falle. 
Plutarch  erzählt  Cam.  10  die  bekannte  Geschichte  von  dem  ver- 
rätherisohen  Schulmeister  in  Falerii,  den  die  Kinder  nackt  und 
gefesselt  zurückführen,  τόν  Κάμιλλον  σαπηρα  καΐ  πατέρα  και 
θεόν  άνακολοΟντες•  ώστε  μή  μόνον  τοις  γονεύσι  των  παίδων 
άλλα  κα\  τοις  άλλοις  πολίταις  ταυθ'  opdkn  θαΟμά  τε  και  πόθον 
έμπεσεΐν  τής  του  Καμίλλου  δικαιοσύνης.  Stephanue  hat  θαυμά 
τε  aus  θαυμάίειν  geändert,  wozu  man  Cat.  min.  64  σαφέστατη 
Τάρ  αΤσθησις  τότε  παρέστη  και  πόθος  και  θαύμα  τής  του  Κά- 
τωνος αρετής  πασίν  όμαλα»ς  vergleichen  kann,  aber  τε  και  er- 
regte mir  einst  (Rhein.  Mus.  XXXIII  584)  mit  Recht  Bedenken, 
nur  war  es  damals  noch  nicht  bekannt,  dass  die  beste  Ueberliefe- 
rung für  diese  Vita,  die  Seitenstetter  He,  aus  der  sehr  viele 
Stellen  lu  bessern  sind,  ταύτα  όρθως  θαυμάσαι  bietet;  vgl• 
Wolfg.  Meyer,  de  codice  Plutarcheo  Seitenstettensi,  Leipzig  1895, 
S.  69 ;  ich  vermuthe,  das  daraus  ταΟτ*  όρθως  θαυμάσασι  πό- 
θον έμπεσεΐν  henustellen  ist, 

4,  DtT  Seitenstetteneis  verhilft  uns  iq  einer  Variante,  die 
W«  Meyer  nicht  bemerkt  hat.  Camillus  ist  wegen  Unterschieife 
angeklagt,  das  Volk  war  gereist  und  leigte  offen,  dass  ee  ihn 
verurtheilen  werde,  da  versammelte  er  seine  Freunde  und  die 
mit  ihm  gi^dieut    ^  lUrtJ  hatten,   nicht  wenige  an  der 


ι 


Zu  grieohisohen  Proeaikem  425 


Zahl,  τους  re  φίλους  κα\  τους  συστρατευσαμένους   [και  τους 
συνάρίαντας  om.  S]  ουκ  ολίγους  τό  πλήθος  δντας  (c.  12)  aber  zu 
φίλους  hat  8  (wie  öfter,  besonders  im  Pomp,  und  im  Craseos)  eine 
^dbemerknng,  nämlich  von  erster  Hand  (wie  ich  aus  Autopsie 
weiss)  γρ  πελτοστάς,  dh.  klärlich  πελάτας,  womit  Liv.  V  82,  8 
ZQ  vergleichen    ist:    cum  accitis   domnm  tribulibns  et  clientibus^ 
qoae  magna  pars   plebis  erat.     In  den  Text  wird  πελάτας  nicht 
aofzunehmen    sein,    gleich  im  folg.  ist  wieder  von  den  Freunden 
die  fiede,  aber  Beachtung  verdient  es  sicherlich.    Uebrigens  liest 
man  ΐΓ€λάται    nicht    mit    Recht   bei  Sintenis  Grass.  27 :   als  die 
Parther  angreifen   o\  μίν   οΐκέται  και    πελάται   πλάγιοι  περιε- 
λαύνοντες    έτόΕευον,    nach    Pseudo-Appian,    während    die    Ρΐα- 
tarehhsB,    auch  die  Seitenstetter,   ol  μέν  Ιππόται  πλάγιοι  haben; 
das  Wort  ist  sonst  nicht  eben  häufig,   darf  aber  grade  deswegen 
nicht  angetastet  werden,  es  ist  aber  auch  viel  anschaulicher  und 
klarer  als  o\  οΐκέται  και  πελάται,  denn  um  dies  richtig  zu  ver- 
stehen, muss  man  sich  erst  erinnern,  dass  die  Reiterei  aus  πελάται 
T€  κα\  6ουλθΐ  bestand,  c.  21.  —  Beiläufig:  Ages.  6  beseitigt  der 
Seitenstettensie  eine  Interpolation :  άκου(Ταντες  oOv,  heisst  es  bei 
Sintenis,  o\  Βοιοιτάρχαι  προς  όργήν  κινηθέντες   ίπ6μψαν   ύπη- 
ρ€τας  άπαγορεύοντες  τώ  *Αγη0ιλάψ  μή  θύειν  παρά  τους  νόμους 
και  τά  πάτρια  τα  (so  S)  Boiurrdiv,   in  S  fehlt  κινηθέντες,   das 
/linzagesetzt  wurde,  weil  man  den  adverbialen  Gebrauch  von  προς 
όργήν  verkannte,  vgl.  Alex.  71  πολλά  μέν  έλοιοόρη(Τεν  αυτούς 
ττρός  όργήν,  wie  schon  Soph.  El.  369  μηοέν  προς  όργήν. 

Π.  ΕΘΗΚΑΝ  und  ΕΔΩΚΑΝ  bei  den  Rednern. 

Bei  den  Rednern  ist  es  nicht  ungewöhnlich,  dass  sie  einen 
Gedanken  allgemein  beginnen,  ihn  aber  nicht  regelrecht  zu  Ende 
fuhren,  sondern  sich  dem  grade  vorliegenden  Falle  zuwenden, 
der  ihre  Gedanken  ganz  erfüllt,  zB.  Lys.  31,  32  εΐ  μήτηρ,  ή 
πέφυκε  και  αδικούμενη  υπό  τών  εαυτής  παίδων  μάλιστα  άνέχε- 
σβαι  .  .  .  ένόμιΖε  τοΟτον  κδν  άπό  τεθνεώσης  φέρειν  εαυτής. 
Dae  hat  man  mehrfach  nicht  beachtet  und  die  leichte  Incongruenz 
durch  Aenderungen  beseitigen  wollen,  wie  Lys.  19,  33  πώς  &v 
εΤεν  Ανθρωποι  άθλιώτεροι  ή  εΐ  τά  σφέτερ*  αυτών  όπολωλεκότες 
οοκοΐεν  τάκείνων  ίχειν;  wo  Frohberger  είμεν,  Hertlein  τά 
ήμέτερ*  αυτών  nnd  Rauchenstein  οοκοΐμεν  änderte,  oder  Isai. 
6,  53  πώς  άν  τις  περιψανέστερον  έεελεγχθείη  τά  ψευδή  με- 
μαρτυρηκώς  ή  εΤ  τις  αυτόν  ίροιτο  "Ανδρόκλεις,  πώς  οίσθα  Φι- 
λοκτήμον'  ότι  οοτε  διίθετο  ούτε  υ\όν  Χαιρίστρατον  έποιήσατο* ; 


426  Fuhr 

wo  Scheibe  das  erste  τις  tilgte.  Etwas  Aehnliches  liegt  m.  Er. 
auch  an  einer  Stelle  des  Andokides  vor.  Er  yertheidigt  eich  in 
der  Friedensrede  §  33  f.  gegen  den  Einwand  der  Friedensfreunde, 
die  den  Gesandten  voi'werfen,  es  sei  unrecht,  dass  sie  nicht  kraft 
ihrer  unbeschränkten  Vollmacht  den  Frieden  abgeschlosean  hätten, 
denn  dem  Athenischen  Volk  könne  man  nur  heimlich  oder  durch 
Täuschung  helfen.  Der  Feldherr,  sagt  er  dagegen,  darf  sich  im 
Krieg  der  Heimlichkeit  und  Täuschung  gegen  den  grossen  Haufen 
bedienen,  Gesandte  aber,  die  über  einen  Frieden  für  Griechenland 
verhandeln,  dürfen  das  nicht,  sondern  es  ist  eher  zu  loben  al» 
zu  tadeln,  wenn  sie  mit  unbedingter  Vollmacht  ausgesandt  euch 
trotzdem  die  Möglichkeit  erneuter  Erwägung  verschafPen  ^  ει- 
ρήνης bk  πίρι  πρεσβεύοντας  κοινής  τοις  Έλλησιν,  έφ'  οϊς  δρ• 
κοι  τ€  όμοσθήσονται  στήλαί  τε  σταθή0ονται  γεγραμμέναι,  ταύτα 
bk  οοτε  λαθεΐν  οΰτε  έίαπατήσαι  οεΐν,  άλλα  πολύ  μάλλον  έπαι- 
νεΐν  ή  ψέγειν,  εΐ  πεμς>θέντες  αυτοκράτορες  (τι  add.  Α,  om.  U, 
dem  Lipsius  mit  Recht  folgt)  όποοώ(Τουαιν  ύμϊν  περί  αυτών 
Ο'κέψαΟ'θαι.  Das  ist  denk  ich  ganz  unanetössig,  aber  bei  dem 
Hedner  lesen  wir  anders,  άποοώ(Τομεν,  dh.  er  hat  den  allgemeinen 
Gedanken  verlassen  und  sich  dem  eignen  Fall  zugewandt,  wozu 
nun  allerdings  streng  genommen  das  Tempus  nicht  mehr  paeet. 
Blase  hat  deshalb  άπεοώκαμεν  geändert  und  damit  eine  unstatt- 
hafte Form  in  den  Text  gesetzt. 

Die  Stellen,  an  denen  der  Plural  von  £θηκα  und  IbuJKa  bei 
den  Rednern  vorkommt,  hat  E.  R.  Schulze,  quaestinnculae  gram- 
maticne  ad  oratores  Atticos  speotantes  (Progr.  des  Gymn.  zu 
Bautzen  1889j  p.  22  ff.  gesammelt,  es  fehlt  nur  κατέθεσαν  [Dem.] 
59,  30,  ^οοσαν  Dem.  15,  29.  18,  195,  hinzugekommen  ist  seit• 
dem  έθεσαν  Hyper.  g.  Athenog.  21,  μετέ6οτε  ebenda  31;  bei 
ίθηκαν  ist  Aisch.  1,  13  zu  streichen,  dort  ist  mit  dFg  ίθεντο  zu 
schreiben,  [Dem.]  13,  28  ist  παρέοωκαν  besser  bezeugt.  Zählt 
man  einfach  zusammen,  so  ergiebt  sich  3  mal  ίθεμεν  1  mal  έπε* 
θήκαμεν,  1  ίθετε  1  άνεθήκατε,  2 1  έθεσαν  ανέθεσαν  usw.  1 2  ίθη- 
καν  άνέθηκαν  usw.,  8  ίόομεν  ο.  Comp.  6  έοώκαμεν  η.  Comp., 
31  έοοτε  usw.  12  έοώκατε,  80  6>οσαν  17  Αιυκαν,  aber  diese 
statistische  üebersicht  giebt  kein  klares  Bild.  Stutzig  wird  man 
sofort,  wenn  man  sieht,  dass  von  den  49  Formen  des  l.  Aor.  42 
auf  Demosthenes  und  die  unter  seinem  Namen  gehenden  Beden 
entfallen,  und  sieht  man  des  näheren  zu,  so  findet  mnn,  dass  in  den 
ältesten  Heden  (27— :Π)  auf  16  Formen  ohne  κ  nur  1  παρ€Οώκατ£ 
kommt    {ly  Ί   in    der  Leptinea    3  6)θμεν  und  IboTi 


Zu  grieohischen  Prosaikern  427 

6  έόώκαμεν    und  έ6ώκατ6  gegenüberstehen,  dh.   Demoethenes 
meidet  inzwiechen  die  Häafnng  mehr  als  2  Kürzen  und 
gebraucht    deshalb    lieber   die    Formen   mit  κ,  deren  Ge- 
brauch im  Anfang  des  4.  Jahrhunderts  in  der  ofliciellen  Sprache 
aufkommt,  sie  erscheinen  auf  den  Inschriften  seit  385,  s.  Meister- 
hans,  Grammatik  d.  att.  Inschriften  74,  3.     So  erklärt  sich  συμ- 
φίροντας  ίθηκαν  -νόμουο  24,  211,  οιίθηκαν  19,  88.    20,  109. 
54,  8,  κατέβηκαν  24,  16,    προάχθηκαν  23,  202  (bis),   έοώκαμεν 
20, 139,  μετεδώκαμεν  23,  65,  έοώκατε  20,  84.  85.  86.  97.  120. 
21,  56.  57,  6,  άπεοώκατε  21,  11,  παρεοώκατε  51,  8,  ίοωκαν  19, 
190.  20,  70,  ένέοωκαν  19,  76,  μετίοωκαν  prooem.  53,  4,  παρί- 
οωκαν  19,  94.  36,  14.  44,  und  auch  im  Epitaphios  έπίθηκαν  11 
and  παρέΰωκαν  4,    wie   in  der  Rede  von   der  Anordnung  (ΧΙΠ) 
άπεοώκαμεν  3,  Αιυκαν  23.   24.  παρ^οωκαν  28.  34  —  dagegen 
προυοοσαν  8,  40.  0,56.  19,  96.    Was  übrig  bleibt,  ist  wenig: 
παρ€Οώκατ€  28,  8,  προυοωκαν  20,  53,  ούοίνα  προύοώκατε  πώ- 
iT0T€  τών  φίλων  23,  112,  άλλα  πολιτείαν  Ιδωκαν  μόνον  23,  200. 
Vielleicht  sind  an  den  beiden  letzten  Stellen   rhythmische  F.rwä- 
gungen    massgebend    gewesen,    wie  auch  bei  Hyper.  f.  Euxenipp 
§  9  ανεβήκατε  und  Epit.  §  19  στέφανον  τή  πατρΛι  [π€ρι]έθη- 
καν  (beidemal  in  der  Klausel),   der  aber  auch  ίδωκαν  hat  Epit. 
§  16.     Man  darf  aber  auch    nicht   ausser  Acht  lassen,    dass    die 
Kede  322  gehalten  ist.    In  den  unter  Deraosthenee  Namen  gehen- 
den ßeden  steht  47,  2  έπίθηκαν,  59,  96  κατέβηκαν  97  ανέβηκαν, 
34,  28   έπεθήκαμεν   und   dem   entsprechend  38.  39  έπεbώκαμev. 
Bei    den  altern  ßednern  findet    sich   von  τιθέναι  gar  keine 
Form  mit  κ,  έδώκατε  bat  Ant.  5,  77,  άττέ6ωκαν  Lys.  19,  7    (»• 
387),  άπεδώκαμεν  Isai.  5,  28  (um  390),  παρέδιυκαν  Is.   12,  106. 
Wahrend  Schulze  aaO.  26  die  Form   bei  Antiphon  mit  Becht  an- 
gefochten hat,  läset  er  sie  an  den  3  andern  Stellen  gelten,    weil 
die  Reden  ins  4.  Jaürh.  gehören,    und  auch  ich  habe  früher  ge- 
glaubt, Lysias  habe  άπέδιυκαν  absichtlich  gebraucht,  um  den  dem 
Markt  und  den  Gerichten  fremden  Sprecher  durch  eine  altertbum- 
lich-poetische  Form  zu  cliarakterisiren,  habe  aber  wohl  den  Werth 
der  üeberlieferung    zu    hoch  geschätzt  (2,  64   hat    der  Palatinus 
μ€Τ66ωκαν,  die  von  ihm  unabhängige  andre  üeberlieferung  μετέ- 
ί>οσαν,  fr.  75,  6  απέδωσαν  Μ)  und  billige  jetzt  Thalheims  Aen- 
«iernng.    Jeai.  5,  28  ϊσως   έρεϊ,    ώς  όμολογήσαντες  αύτφ  άπο- 
buKTeiv  τα   άνηλωμένα  ούκ  άπεδώκαμεν  ist  aus  grammatischen 
Erfinden  Buermanns  όποδεδώκαμεν  nöthig,  vgl.  zB.  [Dem.]  34,  12 
"ομολογεί    άποδώσειν    —     14  έμοι  γαρ   άποδέδαικε  το    χρυσίον 


USW.  So  bleibt  nur  τταρέοιυκαν  bei  le.  Paoathen.  106,  in  dem 
{boaav  67.  171,  άπΑοσαν  104,  μ€τέ&οσαν  94,  παρέοοσαν  52. 
126  steht,  ich  kann  deshalb  an  die  Richtigkeit  der  Ueberliefe- 
rung  nicht  recht  glauben,  der  Zufall  hat  es  allerdings  eigen• 
thümlioh  gefügt,  dass  sich  die  Form  grade  in  der  jüngsten  Rede 
findet,  die  ans  einer  Zeit  stammt,  wo  die  Formen  mit  κ  schoD 
häufiger  sind. 

Die  Untersuchung  lehrt  also,  daes  die  Formen  mit  κ  sich 
öfter  erst  bei  Demosthenes  yon  355  an  finden,  lediglich  infolge 
des  Bestrebens  3  Kürzen  hintereinander  zu  meiden^,  nebenbei 
denk  ich  zeigt  sie,  dass  unsere  Demosthenesüberlieferung  nicht 
schlecht  ist. 

111.  Zu  Philodem9  rhetorischen  Schriften. 

Philodems  rhetorische  Schriften  verdanken  ihre  Auferstehung 
Siegfried  Sudhaus.  Mit  hingebendem  und  entsagungSTolIem 
Fieisse  hat  er  scharfsinnig  und  gelehrt  eine  Ausgabe  geliefert, 
die  allgemeine  Anerkennung  gefunden  hat  und  stets  von  Neuem 
die  Bewunderung  des  aufmerksamen  Benntzers  erregen  muss. 
Bei  ihrem  Erscheinen  konnte  man  erwarten,  es  werde  sich  die 
Aufmerksamkeit  der  Philologen  dem  jetzt  erst  zugänglich  ge- 
machten Schriftsteller  in  reichem  Masse  zuwenden,  aber  die  Zeit* 
umstände  waren  nicht  günstig :  gleichzeitig  wnrden  aus  Aegyptene 
Sande  Schätze  hervorgezogen,  die  naturgemäss  mehr  das  Interesee 
auf  sich  lenkten,  als  die  rhetorischen  Ueberreste,  deren  Lektüre 
infolge  ihrer  Zertrümmerung  noch  weniger  angenehm  ist,  und  so 
sind  nur  wenige  Beiträge  zur  Herstellung  erschienen.  Vielleicht 
hält  auch  mancher  seine  Ergänzungen  und  Vermnthungen  am 
Rande  seines  Exemplars  verborgen.  Wenn  ich  es  meinerseits 
wage,  ein  paar  anspruchslose  Bemerkungen  hier  zn  veröffent- 
lichen, so  ermuthigt  mich  dazu  das  Lob,  das  S.  Sudbaus  einigen 
Vermnthungen  gezollt  hat,  die  ich  ihm  gelegentücb  mittheilte. 

^  Darauf  muss  man  bei  Dem.  stets  aa&  sorgfältigste  achteti, 
SohuUe  aaO.  p.  29  bei  Besprechung  der  unoontrahirten  Formen  μ€(21ονσ 
usw.  verabeäumt  es  und  will  das  fehlerhafte  ßcXrfova  24,  29  oötc  xeipova 
oÖT€  β€λτ(ω  νόμον  aus  Aks  eineeUen.  Beiläufig:  Dem.  5,  7  cl  τ^Ρ  ^ 
Διονύσου  τραγψδούς  έθ€ά0αοβε,  άλλα  μή  π€ρΙ  σαττηρίας  κοί  κοινών  πραγ- 
μάτων ήν  6  λογος  sind  mir  die  beiden  leUten  Wörter  seit  langem  ver- 
dächtig, nicht  wegen  der  Kursen,  sondern  weil  die  Redensart  Ιση 
ir€p(  τίνος  *ee  haudolt  eich  um*  auch  sonst  verkannt  ist.  so  war  Lye.  12, 
71  ού  woi  w^i,^.^^  ^μ^γ  ^^^^  ^jj^^  ^^^^  σωτηρίας  ebenso  ό  λόγος  in• 
tcrpol•' 


Zu  grieohisohen  tVoeaikem  4α9 

1.  Kil  eioe  magno  vita  labore  dedit  mortalibos,  auch  die 
Beredsamkeit  nicht;  zum  Beweis  kann  man  Themistokles  an- 
führen (Π  205) 

τόν  vuKT€ 
τοΟ  στρατηγού  π€ρι[πα- 

τουντα  καΐ  καθεύο[€ΐν  ου- 
κ έώμενον  υπό  τοΟ  [Μιλ- 
τιάοου  τροπαίου. 

Sadhans  ergänzt  νυκτερευοντος  τοΟ  στρατηγοΟ,  mir  Unverstand- 
Höh,  was  der  Sinn  verlangt  ist  klar,  fioctu  anUndabat  in  publico 
ThenUstocles  sagt  Cic.  Tnsc.  IV  19,  44,  also  νύκτωρ  πρό  του 
(Ττρατηγίου,  eine  Vermuthnng,  die  übrigens  nach  Sudhaus'  freund- 
licher Mittheilnng  der  Papyrns  in  erwünschter  Weise  bestätigt, 
er  hat  οτρατηγιου,  wie  die  Photographie  der  Oxf.  Abschrift  aus- 
weist. —  Gleich  darauf  ist  τόν  bio  τό  καλώς  πολιτεύεσθαι  nach 
ρ.  301  fr.  VI  wahrscheinlicher. 

Von  Themistokles  ist  auch  II  188  fr.  III  die  Rede,  wie 
schon  V.  Wilamowitz  Herm.  XXXIV  636  gesehen  hat.  Es  handelt 
sich  in  diesen  leider  sehr  zerstörten  Stücken  um  die  Aufgaben 
des  Staatsmanns,  also  wohl  fr.  III  [πολι]τικου,  (έπίστασθαι)  πόλιν 
έκμικρδςποιήσαι  μέταληv(fr.  IV  10)  rühmte  Themistokles  von  sich, 
Plut.  Them.  2,  Kim.  9.  Er  wird  mit  Sardanapalos  verglichen, 
dessen  Spuren  Sudhaus  mit  glänzendem  Scharfsinn  auch  fr.  Π 
gefunden  hat  in  ΚΑΙΔΑΙΙΑΠ,  eine  Vermuthung,  die  durch  das 
folgende  ή]μέραι  μιαι  gesichert  wird,  es  hiess  bekanntlich  von 
Sardanapal  auf  dem  Denkmal  bei  Anchiale  in  Eilikien,  er  habe 
Anchiale  und  Tarsos  an  einem  Tage  gebaut,  Arr.  Anab.  Π  5,  4 
aus  Aristobul,  vgl.  Strab.  XIV  672,  Athen.  XII  530^. 

2.  So  viel  im  einzelnen  in  der  Liste  der  grossen  Staats- 
männer und  Redner  Π  212  f.  unsicher  bleibt,  so  stehen  doch  die 
Namen  anfangs  fest:  Peisistratos,  Kleisthenes,  Themistokles, 
Periklee  und  dann  nach  dem  Mann  6  τήν  έν  Πλαταια[ΐς  μάχην 
βρα]β€ύ(Τας  Eimon.  Wer  war  aber  jener?  nach  Sudhaus  Pausa- 
nias,  aber  wo  wird  je  von  dessen  Beredsamkeit  gesprochen?  Ich 
glanbe  ee  kann  nur  Άρΐ(ΓΓ€(οης  dagestanden  haben;  Aristeides 
findet  sich    Π  201  fr.  XV  ^  und  in   einer  ähnlichen  Aufzählung 

1  Ob  dort  am  Schlass  'Αντιφώντα  zu  ergänzen  iet,  scheint  mir 
fraglich,  Antiphon  gilt  Philodem  scheint  es  weniger  als  Redner  denn 
ale  Verfaseer  einer  τέχνη  I  187,  wo  Sudhans  vorher  aus  den  Buchstaben 
•  .  Ol  .  υρουκκ  .  αι,  die  0  hat»  Ζαιπύρου  καΐ  gemacht  hat,   ich  glaube 


430  ^"'••• 

bei  Dio  Chrye.    im  Anfang   der   22  Rede,    nicht  jedoch    bei  Cic. 

de  oral.  ΠΙ  137  ff.     Auf  Kimon    folgt  dann  nach  Sadhaas  *Λλ]- 

κιί  βιάσης  ό  των  Λακ€δ]αι[μονί]ω[ν  και  πάντων]  ΤΤ€λο[π]ονν[η- 

(Τΐων   κρατή(Τ]ας    ανα  .  .  .,    aber   diese   Ergänzung  ist   sachlich 

höchst  anfechtbar   und   bedenklich,    znmal   die   Lücke  nicht  ganz 

ansgefüllt  wird.     Ich    möchte   mit  aller  Vorsicht   zur  Erwägung 

stellen,   ob  nicht  von  Epameinondas  die  Rede   war,    der  bei  Dio 

wie  bei  Cicero  steht.    Auffallend  ist  es,  dass  Solon  nicht  genannt 

wird,  der  sonst  nirgends  fehlt  und  von  Philodem  II  201   erwähnt 

wird,  vgl.  auch  Cic.  Brut.  7,  27.    Das  älteste  Verzeichniss  derart 

(a.  353)  steht  Isokr.  15,  231  ff.:  Solon,  Kleisthenes,  Themistoklee, 

Perikles,  ein  paar  Jahre  später  nennt  Dem.  3  Ol.  21  Aristeides, 

Nikias,  Demosthenes,  Perikles;  später  wird  mit  Eimon  und  The* 

mistokles   des  ersten  Vater  Miltiades  zueammengekoppelt,    Doxo- 

patr.  VI  24  W.  =  Max.  Plan.  V  214,    was    wahrscheinlich    anf 

Plat.  Gorg.  516**  zurückgeht.  —     Mit   Sicherheit   ergänzen  läset 

sich  bei  Philodem  der  letzte  der  Reihe,  nämlich  Τιμόθ€0€,  wobe^ 

es  dahingestellt  bleiben  musR,   ob  es  ό  μαθη]τήθ  oder  όκου€]τή€ 

Ίσοκράτουο  hiess. 

Timotheos  wird  auch  Π  178  I  b  erwähnt  ρίσοκράτης  παρά] 
του  Κυπρί[ου  τάλαντα  f  JXaßev  €ίκ[οσι  και  πα]ρά  Τιμοθ€[ου  του 
Κό]νωνο€  οΰ[το€  ίλαβεν  δλ]λα  δίκα,  doch  ist  es  fraglich,  ob  die 
Ergänzung  ganz  richtig  ist.  Von  einem  so  reichen  Geschenk  des 
Timotheos  wissen  wir  sonst  nichts,  nach  Pseudo-Plnt.  837^  gab  er 
Isokrates  aus  der  samischen  Beute  ein  Talent.  £s  handelt  sich  bei 
Philodem  um  den  finanziellen  Ertrag  der  Beredsamkeit,  von  De- 
mosthenes wurde  wohl  Aelinliches  berichtet  wie  bei  Plut.  Dem. 
20,  Pseudo-Plut.  647^,  es  hiess  natürlich  βασιλώ  τόν  [μ^ταΐν* 
vgl.  U  172,  13.  Hier  könnte  das  folgende  τη€  vielleicht Έφΐόλτηο 
zu  ergänzen  sein,  vgl.  Pseudo-Plut.  aaO. 

3.  Manchmal  läset  sich  nicht  verkennen,  dass  falsch  ist,  was 
Sudh.  im  Text  hat,  aber  eine  sichere  Besserung  zu  finden  will 
nicht  gelingen.    So  ist  zB.  in  der  Anekdote  I  333  unten  das  Impf. 


es  steckt  eher  Θβοδώρου  darin,  den  Diouys  an  Amm.  c  2  p.  722  mit 
Tlirasymachos  und  Antiphon  zusammen  nennt,  imd  II  111,  wo  er  mit 
Korax  zusammengestellt  ist.  Es  kann  neben  Kallistratos  (II 148  Καλ- 
λιστράτου bi  τής  [μέν]  πολυπραγμοσύνης  [οοδίπ]οτ'  [έκλ]υσαμένου  ver^ 

stehe  ich  nicht,  etwa  οο&έποτ€  παυσαμίνου?)  Aristophon  genannt  ge- 
wesen sein,  den  Sudhaus  II  219  aufgespürt  hat.  Dahinter  vermuthet 
V.  Wilamowitz  aaO.  037  Κέφαλος,  die  allerdings  unsichern  Spuren  .  ν 
,  .  υλθ€  λνοΐΒ'η  eher  auf  ΕΟβουλοο  hin. 


Zu  grieohiichen  Prosaikern  4SI 

^tt€X€ip€tc  sinnlos,  der  Znsammenhanfi^  verlangt  das  Put.  (was 
willst  dn  thun?)  oder  das  Praes.  (was  hast  du  vor?),  ob  aber 
έπιχειρ€ΐς  wie  13  zu  lesen  ist,  oder  ob  ein  anderes  Wort  in 
ΕΠΕΛΕΙΡΕΚ  (G,  denn  Κ  =r  IC)  oder  ΕΠΕΛ  .  .  EIC  (N)  Rteckt, 
das  ist  schwer  zu  sagen.  Am  Hohlnss  ei  wartet  man  eher  dmCTJa- 
M€VOL  Oder  Π  151,  20:  die  Redner,  so  dem  Volk  nicht  zn 
Willen  sind,  werden  TeuEj€06at  εημ[ιών  καΐ  1)ΐαπτ1ώσ€α)ν  καΐ 
[ταπ€ΐνώσειυ]ν  καΐ  στρ€βλ[ύϋν  καΐ  Τ€λ]€υτών,  wo  mir  κακώσεων 
oder  ατιμώσεων  und  δημεύσεων  oder  φυγαοειών  vorzuziehen 
flcheint. 

4.  Unsicher  wie  Gonjectnren  sind  natürlich  alle  Ergänzungen, 
die  einen  Eingriff  in  die  üeberlieferung  bedingen,  sie  können 
dnrch  eine  neue  Yergleichnng  sofort  über  den  Haufen  geworfen 
werden,  aber  bei  der  Unsicherbeit  der  Üeberlieferung  mnss  man 
öfter  schon  etwas  wagen,  zB.  II  94,  4  =  130  εΐ  b'  ΑΙσχι'νηο 
^XOpoc  ών  μετ'  δλλων  πλειόνων  κα\  λέΕεωο  ....  lacTovoiav 

όνεώίΖει,  während  130,  II  θα  ..  αφ  .  οποίαν  gelesen  wird.  Sud- 
haus schreibt  θαυμασιουργίαν,  der  Üeberlieferung  liegt  θαύμα• 
τοποιίαν  näher;  angespielt  wird  auf  Aisch.  3,  167  ταύτα  bi  Ti 
ίστιν,  ώ  κίναοος;  βήματα  ή  θαύματα;  —  Auch  Ι  197  liegt  ein 
Aischinescitat  ^  vor,  ου  μήν  άλλα  και  τούτψ  (Demosthenes)  — 
ςπυνήν  όΕεΐαν  ΑΙσχίνης  όνειδίίει  geht  auf  2,  157  έντεινάμενος 
ταύτην  τήν  όΕεΐαν  και  άνόσιον  φωνήν,  das  folgende  ποτέ  bi, 
και  μακράν  2  wohl  auf  2,  106  avaßoqi  παμμίγεθες  Δημοσθένης. 
—  Aisohines  bietet  übrigens  eine  erfreuliche  Bestätigung  einer 
Ergänzung  von  Sudhaus:  Π  189  fr.  I  TOv  πατίρ[α  τυπτων]  ή  μή 
τρέ(ρω[ν  f\  μή  πα]ρέχων  οΤκησ[ιν,  das  ist  ein  Gesetzespaeeus,  s. 
Aisch.  1,  28  ^δοκιμασία'  φησι  'βητόρων  έάν  τις  \έρ}  έν  τφ 
δήμω  τόν  πατέρα  τύπτων  ή  τήν  μητέρα  ή  μή  τρέφων  ή  μή 
παρέχων  οΙκησιν\  Das  bei  Philodem  sich  anschliessende  Wort 
über   Perikles    ist    leider  verloren    gegangen,    ΙΙΡΕΙΛ    ist    wohl 

iepeia.  —  11  114,  19  in  der  Aufzählung  der  Verbrecher  scheint 


1  Zu  3,  158  hätte  Blase  Pbilod.  I  358  anfuhren  sollen  ön  Δη• 
μοσθ^ν  ούχ  \bc  τους  π€ριτρέψαντας  tCE>v  πορθμέων  έκώλυ[ον] .  π€υθύ- 
v€iv  άνατετραφότα  τήν  'Ελλάδα,  leider  grade  an  der  wichtigsten  Stelle 
(ίιτ€υθύν«ν  oder  άπευθύνειν?)  lückenkaft;  π€ριτρέψαντας  ist  wohl  freies 
Citat 

*  Wenn  II  203,  29  με  nicht  ganz  sicher  sein  sollte,  so  ist  es 
geraten  das  nbliohe  oö  μακροΟ  b€l  λόγου  herzustellen,  μέγαο  λόγοο  ist 
Bueer  'grosses  Wort'. 


434  Fnhr 

Philod.  1 192,  1  ώς  κα\  Φίλωνα  τόν  αρχιτέκτονα  π€ρ\  τής  σκευο- 
θήκης  οΰτος  αυτός  είσήγαγεν  δημηγορουντο.  Wir  wieaen  leider 
nicht,  wer  der  οδτος  αυτός  war,  ob  vielleiolit  Demetrio•  von 
PbaleroD  ?  er  hatte  Philo  erwähnt  (I  346,  1)  und  wird  von  Phi- 
lodem in  diesem  Abschnitt  öfter  angeführt,  gleich  ein  paar  Seiten 
darauf  (197,  25)  beisst  ee  παρά  bi  τφ  Φαληρ€ΐ  λέγεται,  sein 
Name  muss  also  vorhergegangen  sein,  wie  Pbilodem  sonst  citirt 
6  Δημήτριος  6  Φαληρεύς  έν  τφ  περί  τής  Ρητορικής  oder  dv 
τοις  περί  τής  Ρητορικής  συνγράμμασι  (1  272,  4).  Im  Index  β. 
Δημήτριος  hätte  Sndbans  ζα  περί  τών  'Ισοκράτους  Ι  198,  11 
περιόοων  hinzufügen   sollen. 

8.  Π  6,  7  ου  γάρ  διορίΖει  λέγων*  'θελήσω  &  και  ύμΐν 
συμφέρει,  περί  ών  hi\  κα\  πεΟειν  πως  ίστιν'  —  έπε\  μέτριον 
δν  ήν,  εΐ  και  ψευδός,  αλλ'  απλώς  λέγειν  'πείθει,  δτι  ποτ'  fiv 
βουληθή  τους  όκούοντας'  kann  ich  nur  verstehen,  wenn  ich 
αλλ'  απλώς  λέγει  ändere,  vgl.  Π  17,  6  ου  τοιοΟτο  V  εστίν 
τό  επάγγελμα,  αλλ*  ώς  απλώς,  περί  ου  ποτ'  δν  έθέλωσιν  αυ- 
τοί, πείσειν. 

9.  Wenig  glücklich  bat  Sudhaus  die  2  Stellen  behandelt, 
in  denen  ein  Wort  des  Demosthenes  über  Phokion  steht,  II  102 
κα\  γάρ  [λέγ]ει•  'τών  έμών  λόγων  und  Ιί  202,  25  8ν  ?φη  Δη- 
μοσθένης σφ τών  έαυτου   λόγων.     Den  Gedanken  hat 

inzwischen  schon  y.  Wilamowitz  aaO.  637  richtig  gestellt  and 
unter  Vergleichnng  von  Plut.  Dem.  10,  Phok.  5  σς>αγί&α  ergänzt. 
Ich  hatte  mir  ausserdem  Stob.  37,  34  άρχεται  εΤπεν  ή  τών  έμών 


die  Pohlenz  de  Posidonii  libris  πβρί  παθιϊιν  (Fleokeis.  Jahrb.  Sappi. 
XXIV)  p.  585  vor  einer  Conjeotar  bewahrt  hätte,  vgl.  auch  Hör.  ep.  1 
2,  69  qui  non  moderabitar  irae,  infectum  volet  esse,  dolor  quod 
suaserit  et  mens,  dum  poenas  odio  per  viro  festinat  innlto.  —  I  20^ 
sagt  Antonius:  id  faciam  quod  in  priucipio  fieri  in  omnibns  dis* 
putationibns  oportere  eenaeo,  ut  quid  illud  sit  de  quo  disputeiur,  ex• 
ptanetur,  wie  ähnlich  Cicero  an  andern  Stellen.  Darüber  wird  er  von 
Prantl,  Geeohichte  der  Logik  I  515  hart  angelassen,  er  spreche  'die  ab• 
geschmackte,  schulmässige  Behauptung*  aus,  aber  warum  denn  den  guten 
Cicero  wegen  etwas  schelten,  was  auf  seine  griechisohen  Quellen  zu* 
rückgeht?  beisst  es  doch  auch  bei  Plat.  Phaidr.  237b  πβρί  παντός  μία 
αρχή  τοις  μέλλουαι  καλώς  βουλεύεσβαι '  βίοέναι  be\  περί  ο6  Αν  ή  ή  βουλή 
κτλ  —  Ι  58  de  iure  civium  generatim  in  ordines  aeUUeaque  discripto 
erklärt  sich  am  besten  aus  Aisch.  1,  7  πρώτον  μέν  περί  τής  σιυφροού• 
νης  τών  πα(6υιν  τών  ήμετέραιν  ένομοθέτησαν,  καΐ  διαρρήδην  άπέδ€ΐΕαν, 
a  χρή  τόν  παΐδα  τόν  έλεύθ€ρον  £ιητηδ€ύ€ΐν,  —  £π€ΐτα  δ€ύτ€ρον  ircpl 
τών  μ€ΐρακ(ων,  τρίτον  δ'  έφβδής  περί  τών  δλλων  ηλικιών. 


2η  gprieckiaoheii  t^rosaikem  435 

λοιπόν  σφΟρα  και  κοιΗς  notirt  und  vermathet,  daiie  II  202  σφΟ- 
ραν  clvai  zu  lesen  sei,  worauf  auch  II  102  die  Spuren  φ€λυ  .  α 
ZQ  führen  scheinen. 

10.  II  141,  31  καΐ  ταυΟ'  ώς  ού  κατ€[ψ€υσ]μέν'  ήμ€ΐς, 
αλλ'  (lj<m€p   ^xci  λέτο[μ€ν,  6  βίος]   μ€μαρτύρη[κ€ν  ήμΐν]  καΐ  ό 

πάντ'  ι χρονος  ergänzt  Sudhaus  έμφανίΐιυν,  aber  Selon 

κατά  τών  ψ€υοομένων  τόν  χρόνον  ένόμισε  σαφίστατον  ίλ€Τχον 
€ΐναι  Dem.  36,  27,  τψ  χρόνψ,  δν  ύμ€ΐς  σαφίστατον  ?λ€τχον  τοΟ 
αληθούς  νομίσατε  Lys.  19,  61,  β  τ'  έίελέγχων  μόνος  όλάΟειαν 
έτήτυμον  χρόνος  Find.  Ol.  Χ  53,  also  έλίγχων  oder  έΕελέγχιυν. 

11.  Einmal  ist  es  mir  glaub  ich  gelungen  ein  Bruchsttick 
einzuordnen,  II  278  fr.  XX  a.  Da  b  ool.  Υ  a.  £.  entspricht,  muss 
man  a  etwa  col.  IV  a.  £.  oder  V  a.  A.  suchen,  und  es  finden 
sich  in  der  That  einige  Spuren,  die  uns  berechtigen,  das  Fr.  dort 
einzasetzen  uol.  IV  ä2  τήν  πολιτικήν  ==  την  το,  zu  col.  V  8  βίβλψ 
wird  5έ  τη  gehören,  9  λον  Δημάδην  =  αλλαΙ)ην,  1 1  θέλοντας 
=  ΘΑον.  Allerdings  geht  die  Gleichung  nicht  ganz  auf,  καΐ 
φΐλο<Το  läset  sich  nicht  unterbringen,  aber  ebensowenig  in  b  μαλ- 
λων,  wie  dort  auch  οιελέχ[θη]  hinter  npoc  αλλ  (Άλκιβιά&ην  ?) 
steht. 

12.  Wenig  befriedigt  die  Art  und  Weise,  in  der  Sudhaus 
Philodems  Platocitate  behandelt  hat,  ich  meiue  nicht,  dass  er  ein 
paarmal  vergessen  hat  die  Steile  anzugeben  (I  224,  5  Gorg.  456*^, 
I  261,  8  Meno  93*  ff.,  auch  wohl  II  3  col.  ΧΠ  9  u.  Π  184  fr.  IV 
(jorg.  450®),  nein  dass  er  die  U eberlief erung  bei  Plato  vernach- 
läasigt  hat.  Das  erste  Citat  steht  I  2,  7  o\  bi  τήν  (ΤΟφίαν  μόνην, 
οι  5έ  τήν  λόγον  ίχουσαν,  ψ  προσφέρει  S  προσφέρει  καθάπερ 
Πλάτων,  wozu  Sudhaus  bemerkt  Gorg.  503.  Als  ich  die  Stelle 
bei  Schanz  verglich  ol  δλλοι  πάντες  δημιουργοί  βλέποντες  προς 

το  αυτών  ίργον  έκαστος  οόκ  εΙκή  εκλεγόμενος  προσφέρει 

ττρός  τό  έργον  τό  αύτοΟ,  glaubte  ich  im  ersten  Augenblick, 
Phiiodem  bestätige  die  Lesart  des  Vindob.  προσφέρει  S  προσ- 
φέρει, obwohl  mir  richtiger  erschien,  was  ich  mir  vor  Jahren 
heigeschrieben  hatte  <δ  δν  προσφέρΐ])  ^,  s.  gleich  darauf  τίθησιν 
δ  &ν  τιθή,  sah  dann  aber  gleich,  dass  ja  bei  Philodem  noch  φ 
steht  und  erinnerte  mich  der  bekannten  Stelle  465*  τέχνην  αυ- 
τήν (nämlich  die  Beredsamkeit)  οΰ  φημι  εΤναι,  άλλ'  έμπειρίαν 
δτι  ουκ  ?χει  λόγον    ουοένα  ών  προσφέρει,    wie  die  Neueren 


*  £twae  weiter  oben   schlage  ich   vor   τοΟτο  bi  τέχνη  τις   cTvai 
{ώμολόγηται*  πώς  dv  τις  ίχοι)  €ΐπ€ΐν  zu  ergänzen. 


^gg  F  u  h  r  ^n  grieehiBchen  iroeaikem 

nach  Ficinae  und  Cornarine  lesen,  aber  BT  haben  φ  προσφίρ€ΐ 
&  ποο(Τφέρ€ΐ  nud  diese  Lesart  hatte  also  auch  Philodem  in 
Bdinem  Exemplar.  Pebrigene  hat  auch  ών  προσφίρ€ΐ  eine  Art 
handechriftlicher  Gewähr  bei  Doxop.  II  114  W. 

Die  Ueberliefemng  in  BT  bestätigt  Philodem  noeh  an  einer 
andern  Stelle:  Π  177,  3  schreibt  Sudhaus  του]  γαρ  δικαίου  [χά- 
ριν πα]ρ^ί)ωκεν,  während  bei  Fiat.  457^  gelesen  wird  έκεϊνος 
γαρ  Μ  biKaiqi  xpeiqi  παρέοωκεν,  aber  biKaia  stammt  aus  einem 
Viodob.,  BT  wie  vulg.  vor  Heindorf  haben  οίκαίου,  es  ist  also 
im  γαρ  δικαίου  χρείφ  παρέοιυκεν  zu  ergänzen.  Im  Anfang  den 
Stücke  hätte  Sudhaus  auch  getrost  ου  τόν  bibaEavra  schreiben 
sollen. 

II  176  wird  mit  einigen  stilistischen  Aenderungen  ein  Stück 
aus  Eallikles'  Rede  Oorg.  486  angefahrt.  Sudhaus  hat,  scheint 
es,  versäumt  den  Apparat  nachzuschlagen,  denn  Z.  2  όπάγοι 
haben  BT,  9  war  aus  Plato  τυχόντα  aufzunehmen,  10  iat  re 
überflüssig  und  11  muss  es  θαν€ΐν  &v  heissen  (άποθόνοις  δν 
Plato).  Kallikles  hat  vorher  seinen  ganzen  Spott  ausgeschüttet 
über  den  Mann,  der  sich  der  Philosophie  widmet  und  sein  Leben 
mit  3  oder  4  jungen  Leuten  im  Winkel  (έν  γωνίςι)  verbringt. 
Das  erinnert  mich  an  Philod.  11   174  fr.  XIV  =  180  fr.  Via 

ιλυμηι  τών  έν  τοις 
.  .  νιαις  έσκιατροφημένιυν 
φίλοσόςκυν, 
wo  έπΙ  λύμη  und  έν  γιυνίαις  zu  ergänzen  ist,  vgl.  Cio.  de  orat. 
1  57  in  angulis. 

Berlin.  Karl  Fuhr. 


UNBEACHTETE  STRABOFRAGMENTE      ^ 


Die  omfangreicbe  Lücke  am  Schlunee  des  7.  Buches  Straboe 
wird  von  uns  ηπα  so  störender  empfnoden,  als  darch  sie  gerade 
die  Beschreibung  von  solchen  Ländern  betroffen  ist,  welche  zu- 
gleich in  der  Geschichte  des  Alterthums  eine  verhältnissmässig 
wichtige  Rolle  spielen :  ßpirus,  Makedonien  und  Thrakien.  Zum 
Gläck  ermöglichen  es  uns  die  palatinisohen  und  vaticanischen 
£xcerpte  (vgl.  hierüber  Krämers  Ausgabe  Bd.  II  S.  72  ff.,  An- 
nierkung)y  uns  wenigstens  in  den  Hauptzügen  ein  Bild  von  den 
verloren  gegangenen  Theilen  zu  machen.  Nach  Kramers  Zählung 
sind  es  im  Ganzen  58  Fragmente,  welche  uns  durch  diese  beiden 
Chrestomathien  erhalten  geblieben  sind ;  aber  gar  manches  davon 
verliert  an  selbständigem  Werthe,  da  oftmals  beide  Auszüge  einen 
und  denselben  Gegenstand  behandeln,  anstatt  —  wie  es  für  uns 
wünschenswerther  wäre  —  sich  gegenseitig  zu  ergänzen.  Des- 
halb müssen  wir  es  mit  Dank  begrüssen,  wenn  sich  Meineke  nach 
andern  Hülfsmitteln  umgesehen  hat,  um  die  Zahl  der  Fragmente 
ZQ  erhöhen.  So  finden  wir  denn  in  seiner  Ausgabe  noch  folgende 
Bruchstücke,  die  er  den  Berichten  anderer  Schriftsteller  entnom- 
men  hat: 

fr.     1    =  Steph.  Bjz.  Δωοώνη 

„     11•  =  Etym.  Magn.  p.  206,  6 

„     16•  =  Steph.  Byz.  Κραννών 

„     16*'=  Steph.  Byz.  Όμόλιον 

„     2.3•=  Eustath.  ad  11.  Β  850 

,,    58•  =  Steph.  Byz.  Τβτραχιυρϊται 

„     58^  =   Athen.  XIV  p.  657  f. 

Alle  diese  von  Meineke  aufgenommenen  Fragmente  enthalten 
^in  namentliches  Citat  Strabos  mit  Ausnahme  von  fr.  1. 
Doch  auch  dies  letztere  für  strabonisches  Gut  anzusehen,  wird 
QQB  nicht  unmethodisch  erscheinen.   Wir  lesen  als  Strabos  letzte 


438  ΚηπΕθ 

>Vorte  vor  der  Lücke  (p.  329  Cae.):  Κινέας  b'  Iti  μυθιυοέστερον . . ., 
aod  in  dieeem  Fragment  1  finden  wir  den  Bericht  eben  dieeee 
Eineae  genau  über  denselben  Gegenstand  (Dodona),  wie  er  unB 
bei  Stepbanne  Byzantiae  β.  ν.  begegnet.  Mag  freilich  Strabo  yod 
Stephanae  nicht  aasdrücklich  als  Gewährsmann  erwähnt  werden, 
so  ist  es  doch  kaum  anders  möglich,  als  dieses  Citat  jenes  un- 
bekannten Eineas  auch  bei  Stephanus  auf  Strabo  zurück snfübren, 
zumal  dieser  ja  eine  Hauptquelle  des  Stephanus  bildet. 

Ist  es  uns  nun  etwa  vergönnt,  zu  Meinekes  Strabofragmenten 
noch  neue  zu  sammeln?  Diese  Frage  glaube  ich  mit  *Ja*  beant- 
worten zu  können  und  zwar  auf  Grund  des  Gommentars  von 
Eustathins  zu  Dionysius  periegetes  (abgedruckt  in 
Müllers  Geographi  Graeci  minores  Π  ρ.  201  ff.).  Schon  länget 
hat  man  ja  den  hohen  Werth  dieses  Commentares  erkannt,  wel- 
cher auf  gewissenhafter  Benutzung  antiker  Quellen  beruht  (fnr 
die  geographischen  Theile  sind  Strabo,  Stephanus  Byzantius,  He- 
rodot  und  Arrian  excerpirt).  Schon  früher  (Rhein.  Mus.  Bd.  56 
p.  333  ff.)  habe  ich  nachzuweisen  gesucht,  wie  wir  im  einzelnen 
verderbte  Stellen  Strabos  an  der  Hand  dieses  Gommentars  ver- 
bessern können,  wie  also  Eustathius  ein  besseres  Exemplar  des 
Strabo  besessen  zu  haben  scheint,  als  die  erhaltenen  Handschriften 
darstellen.  Daher  lag  mir  die  Vermuthung  nahe,  dass  Eustathins 
nicht  nur  eine  bessere,  sondern  auch  eine  vollständigere 
Handschrift  des  Strabo  besessen  habe,  welche  noch  nicht  durch 
die  Lücke  in  Buch  7  entstellt  war.  Zur  Gewissheit  aber  wird 
mir  diese  Vermuthung  erhoben  durch  fr.  23*,  in  welchem  wir  ja 
in  der  That  der  Belesenheit  des  Eustathius  (nämlich  seinem 
Homercommentar)  ein  strabonisches  Fragment  verdanken.  Ich 
habe  nun  alle  diejenigen  Stellen  des  Dionyscommentars,  in  denen 
irgendwie  eine  Erwähnung  oder  Beschreibung  von  Epirus,  Ma- 
kedonien und  Thrakien  zu  vermuthen  war,  durchgelesen  und  auf 
die  Quellen  hin  geprüft,  nämlich  die  Verse:  95;  132—174;  254 
—260;  298—331;  378—400;  427—431;  488—496;  513—525; 
538-553;  575—576;  587—590;  652-767;  793—814;  821; 
863;  1088—1106.  Die  übrigen  Stellen  des  weitschweifigen  Gom- 
mentars durchzuarbeiten,  habe  ich  bis  jetzt  wenigstens  unter- 
lassen. Denn  nach  dem  Ertrage  der  durchforschten  Theile  zQ 
schliessen,  hätte  ich  aus  jenen  entweder  gar  keinen  gesicherten 
Erfolg  erwarten  dürfen  oder  doch  nur  einen  solchen,  der  nicht 
im  entferntesten  der  aufgewandten  Zeit  und  Mühe  entsprochen 
hätte.     Denn   eo  leicht    auch    auf   der    einen  Seite   die  Qaellen- 


Unbeachtete  Strabofragmente  499 

forechung  des  Eaetathiaa  ersoheint,  ineofern  als  er  an  Hunderteo 
TOD  Stellen  seine  Gewährsmänner  gewissenhaft  mit  Namen  an- 
fuhrty  so  giebt  es  doch  vielleicht  noch  zahlreichere  Stellen,  wo 
wir  nur  auf  Yermuthangen  angewiesen  sind,  weil  Eustathius  dort 
~  mehr  aas  Nachlässigkeit,  als  um  mit  dem  Schein  von  Ge- 
lehrsamkeit zu  prunken  —  die  Nennung  seiner  Quelle  unterlassen 
hat.  Auch  die  sichere  Thatsache,  dass  £astathius  von  Geographen 
eigeDtlich  nur  die  schon  oben  erwähnten  Schriftsteller,  nämlich 
Strabo,  Stephanus,  Herodot  und  Arrian  ausgebeutet  hat,  hilft  uns 
nicht  viel  weiter.  Denn  die  Sohlussfolgerung :  *A11e  geographi- 
echen Stellen  des  Eustathius,  die  nicht  von  ihm  ausdrücklich  dem 
Arrian,  Herodot  und  Stephanus  zugeschrieben  werden  oder  dort 
von  uns  nachgewiesen  werden  können,  sind  straboniech\  diese 
Schittssfolgerung  wäre  voreilig.  Wir  besitzen  ja  leider  nicht 
den  ganzen  Stephanus  und  Arrian,  sodass  ein  namenlos  über- 
lieferter geographischer  Bericht  des  Eustathius  ebenso  gut  auch 
eine  fehlende  Stelle  dieser  beiden  Schriftsteller  wiedergeben 
könnte.  Doch  trotz  alledem  gab  ich  die  Hoffnung  auf  Gewinn 
nicht  auf.  Dass  ich  freilich  namentlich  überlieferte  Strabo- 
fragmente  entdecken  würde,  war  mir  von  vornherein  unwahr- 
scheinlich. Das  hiesse  doch  die  Gewissenhaftigkeit  eines  Meineke 
zu  gering  einschätzen  (freilich  s.  unten  eine  wichtige  und  merk- 
würdige Ausnahme).  Meine  Forschungs weise  gründete  sich  nun 
auf  folgende  Erwägung :  Eustathius  verarbeitet  seine  Quellen  nicht 
etwa  gründlich,  sondern  fügt  die  verschiedenen  Berichte  lose 
neben  einander,  sodass  die  Fugen  für  uns  noch  deutlich  zu  er« 
kennen  sind.     Ein  Beispiel  genüge: 

Eustathius  p.  315  (Müller): 

7.  1— 3  =  Strab.  p.  591 

4  =  Steph.  Bjz.  Σηστός 
5—6  =  Herod.  IX  114 
6—11  =  Strab.  p.  590  f. 

11—13  =  Strab.  p.  813 

13—14  =  Steph.  Byz.  "Αβυοος  (?; 

14—16  =  Eustathius  selbst 

16—19  =  Istros  (bei  Strabo?) 

19—26  =  Steph.  Byz.  "Αβυδος 

26—32  =  Eust.  selbst 

32—33  =  Strab.  fr.  51 

34—87  =  Strab.  fr.  33  u.  36 

37—44  =  Eust.  selbst 


440  Knnze 

44—45  =  Strab.  ρ.  487 
46  =  ArriaD. 
Wenn  nun  aleo  eine  innerlich  zusaninienhängeDde 
geographische  Notiz  dee  Eaetathins  sich  zum  Theil  η  a  c  h  w  e  i  β- 
lieh  deckt  mit  einem  anerkannten  Strabofragraent  oder 
einer  eonntigen  Strabostelle,  so  wird  wohl  anch  der  andere  TheiK 
welcher  mit  jenem  ein  organiechen  Ganzes  bildet,  dem  Strabo 
entstammen.  Somit  besteht  das  £rge bniss  meiner  UntersnchoTie 
mehr  in  der  Erweiterung  bekannter  Strabobmchstncke  als 
in  der  Auffindung  neuer  Fragmente.  Ja,  ich  habe  sogar  anf  die 
Ausbeutung  aller  der  Stellen  verzichtet,  wo  zwar  die  Art  des 
Inhaltes  mit  einer  gewiesen  Wahrscheinlichkeit  auf  Strabo  als 
Gewährsmann  schliessen  lässt,  aber  kein  anderer  Anhaltspunkt 
vorliegt.  Um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  Strabo  spricht  ver- 
schiedene Male  (fr.  29,  31  und  32)  vom  toronäischen  Meerbusen; 
da  ist  doch  wohl  die  Annahme  beinahe  zwingend,  dass  er  auch 
die  Stadt  Torone  erwähnt  haben  wird,  welche  dem  Meerbn^en 
den  Namen  gegeben.  In  unserm  Strabo  nun  steht  nichts  von 
Torone,  dagegen  lesen  wir  bei  Eustathins  p.  276,  v.  13  f.  die 
sehr  brauchbare  Nachricht :  ίνθα  που  και  τόπος  τις  κατά  πάρα- 
φθοράν  Τορύινη  λετόμ€νος.  Da  möchte  man  gern  diese  Worte 
auf  Strabo  zurückführen  und  zwar  um  so  lieber,  als  uns  im 
vorausgehenden  —  wenigstens  meiner  Ueberzeugung  nach  —  ein 
straboniscbes  Fragment  vorliegt.  Aber  die  in  diesem  Bruchstück 
erwähnte  Halbinsel  Pallene  und  die  Stadt  Torone  (auf  der  Halb- 
insel Sithonia)  können  unmöglich  bei  Strabo  unmittelbar  neben 
einander  erwähnt  worden  sein,  und  es  liegt  uns  daher  hier  keincR- 
wegs  ein  zusammenhängender,  einheitlicher  Bericht  vor.  So  habe 
ich  nicht  nur  diese,  sondern  alle  Stellen  ausser  Acht  gelassen, 
in  denen  wir  nur  bis  zu  einer  Wahrscheinlichkeit,  nicht  aber, 
gestützt  auf  sichere  Anhaltspunkte,  bis  zu  einem  hohen  Grade 
von  Gewissheit  gelangen  können. 

Folgende  Stellen  glaube  ich  nunmehr  als  strabonisch  in  An- 
spruch nehmen  zu  dürfen : 

1.  Eustathins  (Müller)  p.  268,  44— p.  269,  7:  φησι  bk 
ό  αυτός  Γεωγράφος  κα\  δτι  6  "Ιστρος  ποτέ  Ματόας  έλ^γετο, 
δ  ίστι  κατά  Έλληνας  δσιος*  κα\  δτι  πολλάκις  μέν  ot  Σκύθαι 
ΟΓ  αύτου  περαιούμενοι  ούοέν  έπασχον,  συμφοράς  hl  ποτέ  αύ- 
τοϊς  έπειςπεσούσης  ήρμηνεύθη  Δάνουβις  f|  Δάνουσις,  ώςττερ 
του  άμαρτεΐν  εκείνους  αΐτίαν  ίχων  (τουτέστιν   αίτιώμενος  5ιά 


Unbeachtete  Strabofragmente  441 

του  τοιούτου  ονόματος  υπ'  εκείνων  κατά  την  αυτών  γλώσσαν, 
ως  αίτιος  αύτοΐς  δυςτυχίας  γενόμενος).  Diese  von  Euetathius 
ausdrücklich  ale  Erzählung  des  Strabo  (denn  er  ist  κατ^  ^^οχήν 
ό  Γεωγράφος)  bezeichneten  Worte  würden  wir  bie  jetzt  vergeb- 
lich in  ansern  Straboausgaben  suchen.  Denn  der  Gedanke,  daes 
wir  uns  hier  in  der  glücklichen  Lage  befinden,  ein  namentlich 
bezeugtes  Strabofragment  zu  besitzen,  ncheint  den  HerauRgebern 
bisher  nicht  gekommen  zu  sein.  Das  mag  seinen  Grund  darin 
haben,  dass  uns  bei  Steph.  Byz.  unter  Δάνουβις  eine  ganz  fthn- 
liebe  Angabe  tiberliefert  ist:  Δάνουβις  ή  Δάνουοις,  Ίστρος  ό 
ποταμός,  πάλαι  Ματόας  καλούμενος,  συμφοράς  bk  τοις  Σκύθαις 
έττιπεσούσης  ούτως  εκλήθη.  Ματόας  bk  λίγεται  ές  την  Έλλη- 
viba  γλώσσαν  άσιος.  δτι  πολλάκις  περαιούμενοι  ovbkv  έπεπόν- 
θεισαν.  δ  6έ  Δάνουσις  ερμηνεύεται  ώςπερ  του  άμαρτεΐν  ίχων 
αιτίαν.  Anstatt  nun  anzunehmen,  dass  wie  in  zahlreichen  andern 
Fällen  (man  vergleiche  hierüber  den  index  scriptornm  in  Meinekes 
Stephannsausgabe),  so  auch  hier  Stephanus  von  Strabo  abhängig 
ist,  bat  man  bisher  vermnthet,  dass  es  sich  hier  bei  Rustathiue 
Qm  einen  Schreibfehler  handelt,  der  aus  dem  ursprünglichen 
€θνικογράφος  (dh.  Stephanus)  ein  γεωγράφος  (dh.  Strabo)  hat 
entstehen  lassen  (Bernhardy:  'ceterum  ό  αυτός  Γεωγράφος  niirum, 
ni  librariorum  lapsus  procudit,  cum  pleraque  sint  deproropta  de 
Stephane  τ.  Δάνουβις :  neque  enim  Strabo  tale  aliquid  memo- 
ravit.  Quare  videtur  vetns  lectio  fnisse  oblitterata  6  έθνικο- 
Τράφος).  Doch  scheint  es  mir  schon  bedenklich,  das  in  diesem 
Commentar  wenigstens  kaum  nachweisbare  έθνικογράφος  durch 
Conjectnr  zu  erschliessen  (Euetathius  citirt  gewöhnlich  mit  den 
Worten  ό  τα  εθνικά  γράψας),  und  zweitens  würden  doch  dann 
diese  Worte  ό  αυτός  έθνικογράφος  weder  zu  dem  vorausgehen- 
den noch  zu  dem  nachfolgenden  Berichte  passen,  der  in  beiden 
Fallen  sich  an  Strabo  anlehnt  (p.  268  v.  43 :  τόν  παρά  τψ  Γειυ- 
Τρά(ρψ  ίτερον  "Ιστρον  und  ρ.  269  ν.  7:  λίγει  bk  εκείνος  και 
δτι  τψ  Ίστρψ  παράλληλα  κτλ.  —  Strab.  ρ.  313).  Deshalb  hat 
man  auch  an  einen  sachlichen  Irrthum  des  Eustathins  selbst  ge- 
dacht, der  hier  den  Stephanus  mit  Strabo  verwechselt  habe.  So 
«chreibt  Müller,  'At  quae  seqnuntnr,  errorem  ipsius  potins  Eu- 
»tathii  esse  coargnunt'.  Müller  ist  es  aber  auch,  der  in  seinen 
folgenden  Worten  zweifelnd  diejenige  Ansicht  andeutet,  die  ich 
rückhaltlos  für  die  einzig  richtige  erkläre,  dass  wir  hier  nämlich 
ein  Strabofragment  vor  uns  haben:  *Modo  errorem  subesse  recte 
stataamns.    Fieri  enim  potest,  ut  nostra  petita  sint  e  Straboniani 


Konze 
442 

Jibri  eeptimi  paric  deperdiU,  quam  laudaverit  Stephanue'.  Mit 
dieser  Annahme  lösen  sich  alle  bisherigen  Schwierigkeiten  der 
Erklärung  am  einfachsten  und  natürlichsten.  Uebrigene  könoeo 
wir  aus  Strab.  p.  306  und  p.  311  noch  deutlich  nachweisen,  due 
Strabo  in  der  That  um  derartige  Uebergänge  der  Skythen  über 
die  Donau  nach  Thrakien  gewuest  hat.  Und  die  Wahracheinlicb- 
keit,  daes  er  gegen  Scbluss  seinea  7.  Buches,  wo  er  ja  Thrakien 
behandelt,  noch  einmal  ausführlich  auf  dieaen  Gegenstand  zu 
sprechen  gekommen  ist,  wird  wohl  niemand  von  der  Hand  weisen. 
Die  von  mir  eingeklammerten  Worte  des  Eustathius  (τουτέ(Ττιν 
bis  Τ€νόμ€νος)  möchte  ich  nicht  zum  Strabofragment  selbst 
rechnen,  sondern  ich  sehe  in  ihnen  nur  eine  Erläuterung,  die 
Eustathius  zu  den  vorausgehenden  Straboworten  giebt.  Daher 
fehlen  auch  die  entsprechenden  Worte  bei  Stephanus.  Schliess- 
lich sei  noch  beiläufig  darauf  hingewiesen,  dasa  wir  uns  an  dem 
citirten  Stephanusartikel  eine  Vorstellung  von  der  unverstän- 
digen, ja  sinnlosen  Art  und  Weise  bilden  können,  in  welcher  der 
Epitomator  den  Text  des  Stephanus  behandelte.  £e  macht  sieb 
nämlich  die  Umstellung  der  Worte  συμφορας  bis  εκλήθη  (wie 
auch  Meineke  will)  hinter  έπεπόνθ€(Ταν  nothwendig,  um  nur 
einigermassen  den  ursprünglichen  Sinn  herzustellen,  was  wir  ja 
hier  an  der  Hand  von  Eustathius  bequem  beurtheilen  können. 

2.  Eustathius  p.  309  v.  36  =  Strab.  fr.  7:  δτι  im  Tt- 
—43:  Κορινθίων  έστι  κτίσμα  λωτι  έν  παροιμίας  μέρ«  *Τ€• 
ή  Κέρκυρα  καΐ  ηύΕήθη  ποτέ,  καΐ  λαται  Κέρκυρα  ταπ€ΐνωθ£ΐσα 
πολλάς  πόλεις  καΐ  νήσους  φ-  τοις  πολλοίς  πολέμοις  =  fr.8: 
κισε  καΐ  ναυτικόν  £σχ€  πολύ,  δτι  ή  Κέρκυρα  τό  παλαιόν  €ύ- 
ώςτ€  καΐ  έν  τφ  ΤΤερσικφ  πο-  τυχής  ήν  καΐ  δύναμιν  ναυτικην 
λέμψ  οΐ  Κερκυραίοι  ναυς  έΕή-  πλείστην  εΓχεν,  άλλ*  ύπό  πολέ- 
κοντά  έπλήριυσαν,  δταν  τό  άμ-  μων  τινών  και  τυράννων  έφ- 
φίβολον  του  πολέμου  εύλαβού-  θάρη*  καΐ  ύστερον  ύπό  *Ρω- 
μενοι  οΰτε  τφ  ΞέρΕη  ούτε  τή  μαιιυν  έλευθεριυθεϊσα  οόκ  έπη- 
Ελλάδι  έβοήθησαν,  άλλα  τήν  νέθη,  άλλ*  έπΙ  λοιοορίςι  παροι- 
βοήθειαν  άνεβάλλοντο.  Ήρη-  μίαν  ίλαβεν  ελευθέρα  Κόρκυρα, 
μώθη  bi,  αύθις,  ώς  και  εις  χέΖ!'  δπου  θέλεις', 
τοιαύτην  παροιμίαν  πεσεϊν 
^ελευθέρα  Κέρκυρα,  χέΓ  δπου 
θέλεις'. 

Diese  beiden  Angaben  über  die  einstige  Macht  (von  den 
60  Schiffen  spricht  auch  Herodot  VII  168)  und  den  nachmaligen 
Verfall  von  Korkyra  ergänzen  sich  auf  das  vortbeilhafteste.    l^w^ 


Unbeachtete  StrabofragmeDte  443 

zwingenden  Beweis  dafür,  dase  uns  vom  ersten  bis  zum  letzten 
Worte  des  Eustatbiue  wirklicli  die  Angabe  des  Strabo  vorliegt, 
eebe  icb  in  folgendem  Umstände.  Die  eigentlicbe  Schärfe  des 
Spott  Verses:  'ελευθέρα  Κόρκυρα,  χέΙ*  δττου  θέλεις*  wird  uns  aus 
dem  bis  jetzt  bekannten  fr.  8  gar  nicht  recht  klar,  sondern  es 
muss  anbedingt  neben  dem  έλευθεροΰ(Τθαι  auch  das  έρημου(Τθαι 
des  £ustathins,  sei  es  wörtlich,  sei  es  wenigstens  dem  Sinne  nach 
genannt  gewesen  sein  (das  ουκ  έπηνέθη  in  fr.  8  ist  so  matt 
nnd  farblos,  dase  es  beinahe  wie  corrupt  aussieht).  Ergänzen  wir 
nun  fr.  7  und  8  durch  die  angeführten  Worte  des  Eustatbius, 
80  verschärft  sich  uns  das  Witzwort  der  Griechen  zu  dem  beissen- 
(ien  Ausspruch:  'ihr  seid  frei,  Kerkyräer!  Ihr  könnt  jetzt  thun, 
was  ihr  wollt;  ja,  ihr  könnt  zB.  sogar  χέ^είν,  wo  ihr  wollt, 
gleich  mitten  in  der  Stadt ;  denn  diese  neure  Stadt  gleicht  ja  über- 
haupt mehr  einer  Einöde  als  einem  bewohnten  Orte\ 

3.  Eust.  p.  242,  4— 11:  ίχει  ==  Strab.   fr.  58    Anf.:    βτι 

γαρ  άμφιρόλιυς  ταΟτα  bia  τους  *  Ελλήσποντος  ούχ  ομολογείται 
παλαιούς,  ών  οϊ  μέν  μόνα  τα  παρά  πα<Τιν  6  αυτός,  άλλα  bo- 
κατάΣηστόν  κα\  "Αβυοον  Έλ-  δοι  περί  αύτοΟ  λέγονται  πλείους. 
λήσποντον  είπον,  ο1  οέ  και  οΙ  μέν  γάρ  βλην  τήν  ΤΤροπον- 
δλην  τήν  ΤΤροποντΑα,  οΙ  bk  τΑα  καλοΟσιν  Έλλήσποντον, 
μέρος  τι  αυτής  τό  εντός  ΤΤε-  di  bk  μέρος  τής  ΤΤροποντί6ος 
ρίνθου  ήτοι  'Ηράκλειας  τψ  τό  εντός  ΤΤερίνθου"  di  bk  προς- 
ΐλλησπόντψ  απένειμαν,  οι  bk  λαμβάνουσι  και  τής  ?Ειυ  θα- 
κοί  τι  του  ΑΙγαίου  πελάγους  λάσσης  τής  προς  τό  Αίγαϊον 
τψ  Έλλησπόντψ  προςεθεντο'  πέλαγος  και  τόν  Μέλανα  κόλ- 
καθά  που  τάχα  και  *Όμηρος,  πον  άνεψγμένης  ....  μάρτυρα 
δπερ  καΐ  πλατύν  εκείνος  λέγει  καΐ  "Ομηρον  καλούντες  κτλ. 
Έλλήσποντον. 

Schon  Müller  hat  die  Thatsache,  dass  es  sich  hier  um  ein 

ziemlich    umfängliches  Strab ofragment  handelt,    richtig    erkannt, 

wenn  er  zu  der  Stelle  des  Eustatbius  sich   äussert:  'Ducta  sunt 

«  Strabone,    ouins    vide  lib.  7    fragm.  Vatic.  57   (Meineke  58)'. 

Doch  hat  es  Müller  noch   unterlassen,    eine    wichtige  Folgerung 

zu  ziehen,    dass    wir  nämlich  aus  Eust.  das  vaticanische  Strabo- 

brachetüok  trefflich  ergänzen  können:  Bis  jetzt  fehlt  ja  bei  Strabo 

die  ganz  unerlässliche  Angabe,  dass  manche  Gewährsmänner  nur 

die  Heerenge    zwischen  Sestus  und  Abydus   Hellespont  nennen; 

also   gerade    die  allergebräuchlichste  Auffassung    ist    bei  Strabo 

nicht  angegeben,   wenn  wir  nicht  anf  Grund  von  Eustatbius  bei 

Strabo  zwischen  ol  μέν  γάρ  und  βλην  τήν  ΤΤροποντΛα  die  Worte 


444  Kunze 

aufneLtuen:  (μόνα  τά  κατά  Σηστόν  και  "Aßubov,  ο1  bk  και\ 
Da  man  nun  ferner  aus  den  bei  £uetathiu8  y.  11  folgenden 
Worten  (τούτοις  bi  μη  φαινόμενος  όκολουθβΐν  6  Διονύσιος) 
deutlich  erkennt,  daes  er  bis  zu  dieser  Stelle  nur  aus  einer 
Quelle  geschöpft  hat,  so  haben  wir  auch  noch  das  Homercitat 
V.  10  (πλατύν  εκείνος  λίγει  Έλλήσποντον  =  Hom,  II.  Ρ  432 
und  Η  86)  als  strabonisches  Eigen thum  zu  rechnen.  Und  in  der 
That  finden  wir  ja  im  vaticanischen  Strabofragment  schon  zwei 
andere  Homerstellen  citirt,  durch  welche  Strabo  in  seiner  be- 
kannten Weise  geographische  Ansichten  einer  spätem  Zeit  schon 
als  homerisch  zu  erweisen  sucht  (IL  i  360 ;  Δ  520  und  Β  845). 
4.  Eust.  ρ.  244,  5— 8:  Δια  bi  τό  κακόΕενον  και  ούςπλοον 
αύτου  και  τό  εΙς  ΤΤόντον  άπελθεϊν  δμοιον  ήν  τφ  εΙς  μέγα  κακόν, 
ώς  καΐ  ο\  παλαιοί  φασιν*  δπερ  μέχρι  και  εΙς  δρτι  κρατεί,  και 
τούτο  οηλοΐ  μέν  και  ό  Γεωγράφος.  Dieses  offenbare  Strabo- 
citat  will  Müller  (in  seiner  lateinischen  üebersetzung  des  Eu- 
stathius)  in  Strabo  p.  21  wiederfinden,  vermuthlich  in  den  Worten: 
τους  πλίοντας  έκεΐσε  (seil.  εΙς  τόν  ΤΤόντον)  δμοΐιυς  έκτοπί- 
2ειν  έοόκουν  ώςπερ  τους  Οιυ  στηλών  έττΐ  πολύ  προϊόντος. 
Doch  von  der  Ansicht,  dass  τό  εΙς  ΤΤόντον  άπελθεϊν  δμοιον  fjv 
TÜJ  εΙς  μέχα  κακόν,  lesen  wir  dort  nichts,  und  es  widerspräche 
aller  W^abrscheinlichkeit,  dass,  wenn  hier  wirklich  nur  ein  un- 
genaues Citat  von  Strabo  p.  21  vorläge,  bei  dieser  Citirung  die 
Fassung  des  Eustathius  schärfer  und  bestimmter  ausgefallen  sein 
sollte  wie  die  des  ausgeschriebenen  Strabo  selbst.  Denn  so  ist 
doch  ohne  Zweifel  das  Wertverhältniss  zwischen  έκτοπίΖειν  und 
εΙς  μέγα  κακόν.  Nein,  wenn  man  für  diese  Eustathiusstelle  den 
erhaltenen  Text  des  Strabo  heranziehen  wollte,  so  wäre  viel  eher 
an  Strabo  p.  298  (Ende)  zu  denken:  δπλουν  είναι  τότε  την 
θάλατταν  ταύτην  και  καλεϊσθαι  "ΑΕενον  οιά  τό  ουςχείμερον 
και  τήν  αγριότητα  τών  περιοικούντων  εθνών.  Doch  auch 
diese  Stelle  entspricht  in  einem  wichtigen  Punkte  nicht  der  Dar- 
steliung  des  Eustathius.  Während  nämlich  dieser  ausdrücklich 
auch  von  der  Gegenwart  spricht  (δπερ  μέχρι  και  εΙς  δρτι  κρα- 
τεί), gelten  Strabos  Worte  ρ.  298  nur  von  der  Vergangenheit 
(τότε^  Meiner  Ueberzeugung  nach  haben  wir  es  auch  hier  — 
was  man  biRlier  verkannt  hat  —  von  Anfang  bis  zu  Ende  mit 
einem  Rtraboniachen  Fragment  aus  Buch  7  zu  thun. 

r>.  Kust.p.SiT), 32-37:  Σά-  =   Strab.    fr.    50:    ibxbale 

μος  θρςικία,  ήτις  Καβείρων  εΤ-     τούς  Τρώας  τά  έν  Σαμοθρ(^κΓ| 
χεν   ιερά,    d\   και   Κορύβαντες     μυστήρια. 


unbeachtete  Strabofragmente  44ö 

έλεγοντο,  και  Θάσος,  ήτις  και  fr.  51:  δτι  τους  έν  τη  Σα- 
χρυσία  εΤχέ  ποτβ,  και  το  Δά-  μοθρςΙκΓ)  τιμωμένους  θ€θύς  el- 
τον  συνφκισε,  πόλιν  ivboEov  ρήκασι  πολλοί  τους  αυτούς  τοις 
ττερί  τήν  του  Στρυμόνος  πα-  Καββίροις. 
ραλίαν.  όφ'  ου  παροιμίαν  οΐ  Strab.  fr.  33  (Ende):  eioi  bi 
παλαιοί  φασι  'Δάτος  αγαθών',  περί  τόν  Στρυμονικόν  κόλπον 
ώς  τό  'αγαθών  άγαθϊδες'.  πόλεις    και    ϊτεραι,   οίον  .  .  . 

Δάτον,  βπερ  καΐ  άρίστην  ίχει 
χώραν  και  εΰκαρπον  και  ναυ- 
πήγια  και  χρυσού  μίταλλα  *  άφ' 
ου  καΐ  παροιμία  ^  Δάτον  αγα- 
θών,  ώς  και  'αγαθών  άγαθϊ- 
οας'  =  fr.  36  (Anfang). 

£β  ist  unverkennbar,  dass  Euetatb  ganz  nnd  gar  die  Er- 
zählung Strabo8  wiedergiebt.  Das  Neue  nun,  das  wir  ans  Eustatb 
als  Bericht  Strabos  kennen  lernen,  besteht  in  der  Nachricht,  daes 
Daten  eine  Colonie  von  Thasoe  ist. 

6.  Euet.  p.  298, 11— 12:  άπ'  =  Strab.  fr.  3:  ότι  ή  πα- 
αύτής  και  *τό  Δωοωναΐον  χαλ-  ροιμία  *τό  έν  Δω5ώνΐ)  χαλ- 
κεϊον*  έπι  τών  πολυλόγιυν.  κίον'  εντεύθεν  ώνομάσθη,  κιλ. 

Durch  Euetathiue  wird  aleo  dae  etrabonische  fr.  3  ineofern 
erweitert,  als  wir  nunmehr  erfahren,  daes  das  Sprichwort  auf 
schwatzhafte  Menschen  angewendet  wurde  (hierzu  siehe  auch 
Steph.  Byz.  β.  ν.  Δωδώνη). 

7.  Euet.  ρ.  314,  42—315,  1:  Σηστός  μέν.  Λεσβίων  άποι- 
κος, καθά  και  ή  Μάουτος,  ώς  ό  Γεωγράφος  φησί,  Χερρο- 
νησία  πόλις,  *Αβύ6ου  οιέχουσα  σταοίους  λ',  έκ  λιμενος  είς  λι- 
μένα. Daes  Eustatb  sich  hier  der  Angaben  des  Strabo  bedient 
hat,  giebt  er  ja  selbst  an,  aber  das  Verständniss  der  Stelle  wird 
uns  insofern  erschwert,  als  wir  die  Bemerkung  ώς  6  Γεωγράφος 
Φησι  einerseits  auf  Λεσβίων  άποικος  beziehen  können  (und  dann 
erfahren  wir  aus  Eustath  nichts,  was  wir  nicht  schon  aus  Strabo 
p.  591  wtissten);  andererseits  aber  könnten  diese  Worte  auch  zu 
ή  Μάδυτος  gehören,  und  dann  wurde  dadurch  für  uns  das  stra- 
bonieche  fr.  66  ergänzt:  εΐτα  Μάδυτος  καΐ  Σηστιάς  άκρα  κτλ. 
Die  letztere  Annahme  gewinnt  sehr  an  Wahrscheinlichkeit  durch 
das  eigene  Geständniss  Strabos  (p.  591):  περί  bk  Σηστού  καΐ 
της  δλης  Χερρονήσου  προείπομεν  έν  τοις  περί  τής  θρ(ίίκης 
τόπο  ι  ς,  dh.  Strabo  hat  in  dem  verloren  gegangenen  Schluss 
des  7.  Buches  ausdrücklich  über  Sestos  usw.  berichtet. 


446 


Kunze 


Hierzu  gesellen  sich  nun  noch*  eiBige  Bmohstticke,  die  für 
uns  nur  von  geringer  Bedeutung  sind,  weil  ihr  IiAalt  nirgends 
Über  das  bisher  schon  Bekannte  hinausgeht: 


8.  Eust  p.  275,  30—32:  κα- 
λούμ€νοι  bi  ποτ€  Βρίγβς,  clia 
μ€ταβάντ€ς  εΙς  Άσίαν  μ€τίτΓ€- 
σον  €ΐς  τό  τών  Φρυγιυν  δνομα 
=  Ε  U  S  t.  ρ.  359,  40—42 :  δλλοι 
bi  φασι  κα\  έτερους  Ευρω- 
παίους €ΪναΙ  ποτ€  Φρύγας,  iE 
ιΒν  π€ραΐ(υθέντων  ο1  κατά  τήν 
Άσίαν  έγίνοντο. 

9.  Eust.  ρ.  276,  11  —  13: 
οΤονται  bi  τίνες  ΤΤαλλήνην  Xi- 
Τ€σθαι  τήν  τής  Κασσανορείας 
χβρρόνησον,  τφ  ΑΙγαίψ  καΐ  αυ- 
τήν παρακ€ΐμίνην. 


=  Strab.  fr.  25:  Βρίγες  θρα- 
κών ίθνος,  ών  τιν€ς  διαβάντες 
εΙς  τήν  Άσίαν  Φρύγες  μετω- 
νομάσθησαν,  siehe  aach  Strab. 
ρ.  295:  καΐ  αύτο\  οΐ  Φρύγες 
Βρίγες  είσί,  θρ<|1κιόν  τι  έθνος. 


=  Strab.  fr.  27 :  δτι  ή  Παλ- 
λήνη χερρόνησος,  ής  έν  τώ 
Ισθμψ  κείται  ή  πρ\ν  μέν  ΤΤοτί- 
bata,  νυν  bi  Κασσάνδρεια, 
Φλέγρα  τό  πριν  έκαλεΐτο. 


Obwohl  Steph.  Byz.  unter  Παλλήνη  ganz  Aehnliches  ent- 
hält, 80  muss  dieser  doch  auf  jeden  Fall  als  etwaiger  Gewährs- 
mann ausscheiden,  weil  Eustath  selbst  vorher  die  Angaben  des 
Stephanns  anführt  (Z.  3  ff.)  und  mit  otoVTai  bi  τίνες  einen  ge- 
wissen Gegensatz  aufstellt. 


10.  Eust.  p.  261,  42—43: 
ήν  bi  καΐ  6  Μακεοαιν  ήγεμών 
ποτέ  τής  ομωνύμου  χώρας, 
ήτις  και  ^Ημαθία  πρότερον  έκα- 
λεΐτο. 

11.  Eust.  ρ.  323,  36  bis 
324,  1:  6  Μίλας  κόλπος  .  .  . 
τήν  κλήσιν  f χων  άπό  ποταμού 
Μίλανος  .  .  .  έκbιbόvτoς  εις 
αυτόν  .  .  .  κόλπος  bi  Μέλας 
εστίν,  ώς  οΐ  ακριβέστεροι  λέ- 
γουσιν  .  .  .,  περί  8ν  και  ή  Αί- 
νος κείται,  πόλις  ΑΙολική.  φασι 
γάρ  δτι  έν  τψ  Μέλανι  κόλπψ 
ή  Αϊνος  προς  τή  εκβολή  του 
Έβρου. 

12.  Eust.  ρ.  241,  29—31  : 
τοΟ  μέντοι  'Ελλησπόντου  τό 
στενώτατον  έπταστάόιόν  έστι, 


=  Strab.  fr.  11  (Anfang): 
βτι  Ημαθία  έκαλεϊτο  πρότερον 
ή  νυν  Μακεοονία.  ίλαβε  bi  του- 
νομα  τούτο  άπ'  αρχαίου  τινός 
τών  ηγεμόνων  Mακεbόvoς. 

Strab.  fr.  52  (Anfang):  προς 
τή  εκβολή  του  "Εβρου  bιστόμoυ 
δντος  πόλις  Αίνος  έν  τψ  Με- 
λάνι κόλπω  κείται,  κτίσμα  Μι- 
τυληναίων  καΐ  Κυμαίων. 


=  Strab.  fr.  57  (Ende) :  του 
bi  Ελλησπόντου  τό  στενώτα- 
τον έπταστάοιόν  φησι. 


Unbeachtete  Strabofragmente  447 

ιτ€ρ{  που   τήν  θρφκίαν  χ€ρρό- 
νησον  κατά  Σηστόν. 

Eostath  könnte  hier  ja  auch  eine  andere  Strabostelle  ver- 
wertbet  haben,  welohe  dieselbe  Notiz  bringt,  nämlich  p.  591  : 
ίνταυβα  (bei  Abydue)  i<fri  τό  έπταστάοιον  δπ€ρ  il€vl€  Ξέρξης, 
aW  grössere  änaeere  Aehnlichkeit  befürwortet  mehr  die  Ansicht, 
da88  wir  die  Worte  des  Eastath  anf  Buch  7,  fr.  57  zarück- 
zQfnhren  haben.  —  Ob  nun  Eustath  seine  folgenden  Worte  (έιττα- 
(Ττήδιον  bk  κατά  τόν  Γ€ΐυγράφον  ομοίως  και  τό  του  Σικ€λι- 
καθ  πορθμού  ΟΤβνώτατον)  gleich  im  Anschlüsse  an  das  Voraus- 
gehende im  7.  Buche  Strabos  las  oder  ob  es  die  Worte  Strab. 
p.  122  sind  (ö  προς  τή  ΊταλΙςι  πορθμός  έπταστάοιος),  die  er 
ans  eigener,  auserlesener  Gelehrsamkeit  zur  Yergleichung  heran- 
ziehty  muse  natürlich  dahingestellt  bleiben. 

Schlieeelich  können  wir  aus  Strabo  selbst  Bruchstücke  seines 
7.  Buches  reconstruiren.  Dafttr  ergaben  sich  mir  folgende,  nnr 
nebenbei  gefundene  Beispiele: 

13.  Strab.  p.  443:  βΤρηται  έν  τοις  Μακ€6ονικοΐς, 
δη  έστΙ  (seil,  τό  Όμόλιον)  προς  τή  "Οσση  κατά  τήν  αρχήν  τής 
του  ΤΤην€ΐοΟ  bia  τών  Τβμπών  οιεκβολής.  Wir  könnten  diese 
Worte  etwa  als  fr.  16^  ansetzen. 

14.  In  gleicher  Weise  wird  von  Strabo  p.  550  eine  Stelle 
seiner  Beschreibung  Makedoniens  citirt,  die  für  uns  verloren  ge- 
gangen ist:  ό  bk  Σκήψιος  οδτ€  τήν  τούτου  boSav  ίοικ€ν  άπο- 
5€£άμ€νος  οοτ€  τών  περί  τήν  ΤΤαλλήνην  τους  Άλιίώνους  ύπο- 
λαβόντων,  Αν  έμνήσθημεν  έν  τοις  Μακεοονικοΐς.  Diese 
Worte  könnte  man  etwa  als  fr.  25*  oder  27*  einschieben. 

15.  Endlich  gehört  hierher  die  schon  oben  angeführte  Stelle 
p.  591:  περί  bt  Σηστού  κα\  τής  δλης  Χερρονήσου  προειπομεν 
iy  τοις  περί  τής  θρ({1κης  τόποις  (=  fr.  56). 

16.  Dass  wir  aber  bei  Strabo  manchmal  auch  an  solchen 
Stellen  Lücken  anzunehmen  haben,  wo  wir  es  an  und  für  sich 
kaum  vermuthen  würden,  lehrte  mich  folgender  Vergleich: 

Eust.   p.  342,  34—39:    δτι  Strab.  p.  495:  ίώσι  bi  άπό 

περί  τόν  ^ηθέντα  Ισθμόν  κείται  τών  κατά  θάλατταν  ληστηρίων, 

καΐ  τό  μέχα  φΟλον  τών  Καμα-  ακάτια  ίχοντες    λετττά   στενά 

ριτών,  (η  ούτω  λέγονται  άπό  και   κουφά,   δσον   ανθρώπους 

πλοίων  στρογγυλών  ληστρικών,  πέντε  κα\  εΤκοσι  δεχόμενα,  σπά- 

οις  έχρώντο,  δ  έκαλοΟντο  κα-  νιον    bk.    τριάκοντα    οέΕασθαι 

μάραι  παρ'  "Ελλησιν.  ήσαν  bk  τους    πάντας    δυνάμενα  •    κα- 


448  kante  Unbeachtete  Strabofragmenie 

ακάτια  λ€ΤΓΓά,  στενά  και  κοΟφα,     λοΟσι  V  αυτά  οί  Έλληνες  κα- 
άνθρώπους   εΙς    κε'  δεχόμενα,     μάρας. 
σπάνια  bk  και  εΙς  λ'. 

Es  iet  leicht  ersichtlich :  die  beiden  firzählongen  ähneln 
eich  BO  auffällig,  dase  fiustath  unbedingt  den  Strabo  auegeachrieben 
haben  muea,  nur  fehlt  bei  letzterem  bisher  die  Erwähnung  dee 
Namens  Καμαρΐται.  Doch  gewiss  wird  er  dem  Strabo  auch  die 
Kenntniss  dieses  seltenen  Namens  verdanken,  der  überhaupt  bei 
keinem  griechischen  Scbriftsteller  ausser  bei  Eustath  nachweisbar 
zu  sein  scheint.  Wir  haben  daher,  ohne  dabei  dem  Vorwurfe 
der  Willkür  zu  verfallen,  bei  Strabo  eine  kleine  Lücke  anzu» 
nehmen  und  etwa  zu  ergänzen:  καλοΟσι  b*  αότά  o\  Έλληνες 
καμάρας,  <άφ*  ών  και  αυτούς  λέγουσι  Καμαρίτας).  Es 
bedarf  kaum  noch  eines  Hinweises,  wie  leicht  in  Folge  der  Aehn- 
lichkeit  zwischen  καμάρας  und  Καμαρίτας  die  dazwischenstehen- 
den  Worte  von  einem  Abschreiber  weggelassen  werden  konnten. 

Grimma.  R.  Kunze. 


ANALECTA  THEODORETIANA 


Posteaquam    yere   anni    1900    libellnm,    qui    inecribitnr  De 
Theodoren  Graecarutn  affectionum  curationey   in    luoem    emiei,    in 
animo  mihi   erat  editionem  hnius  Theodoreti  operis  quam  primum 
comparare.    Neque  tarnen  mihi  licnit  operam  meam  tam  celeriter 
absolvere,  quam  speraveram.     Paacie  enim    mensibas,    poetqnam 
prodierat  libellus  mens,  benevolentia  viri  doctiRsiroi  meieqne  stu- 
dÜB  snmmo  opere  faventis,  loannis  Mercati,  certior  faotus  eum,  in 
bibliotheca  Vaticana   etiamtam    latere    codicero    praeetantiesimum 
Theodoreti  Gorationem  oontinentem,    qui  me  antea  in  illa  biblio- 
theca veraantem  effugieset  neque  omniuo  umquam   diligentiue  in- 
epectue  eeeet.     Itaque  textue  receneendi  operam  tam  diu  di£Perre 
coDstitaiy    quoad    huiua    codioie    ingenium     penitus    cognoviseem. 
Exitu  vero  anni  1901  cum  Romam  me   contulieeem,  codinem  in- 
spexi  totumque  contuli,  quo  factum  est,  ut  de  qiiaestionibus  non- 
nnllie  ad  textue  recensiönem  pertinentibus   certius  iam  diiudicare 
posRim  quam  antea. 

Codex  est  Vaticanue  2249,  olim  Columneneis  θ•^,  membra- 
neu8  in  8^^,  foliorum  320,  saeculi,  ut  videtur,  decimi.  Continet 
foll.  1 — 163  varia  Dionyeii  Areopagitae  opera,  fol.  vero  164  in- 
cipit  Theodoreti  Curatio,  quae  codicem  explet  ueque  nd  finem. 
Sicut  aetate  praeetat  ceteris  codicibuR  omnibus,  quibus  aeeeryata 
est  Theodoreti  Curatio,  ita,  licet  locis  haud  paucis  neglegentia 
qaaedam  librarii  appareat,  bonas  tarnen  scripturas  tam  eaepe  ex- 
hibet,  ut  affirmare  liceat,  huius  maxime  auctoritate  genuina  Theo- 
doreti verba  revocari  poeee.  Nee  raro  etiam  confirmare  mihi 
videtnr,  quae  antea  disputavi;  est  tarnen,  ubi  me  errayiaee  ex  eo 
edoctas  eim.  Quo  melius  intellegantur,  quae  infra  dieputabo, 
primum  iterare  libet  summam  eorum,  quae  de  ceterie  codicibus 
in  libello  supra  nominato  expoeui. 

Codicnm  genera  tria  distinxi,   quorum  primo  praeeunt  Bod- 
leianus    Auct.    £.   Π.    14   (signatuR    littera   B)    et    Laurentianua 

Rtaein.  Mve.  f:  PhUol.  N.  F.  LYII.  29 


450  Raeder 

Χ  18  iL)    alteri  Perieinas  CoisliniaiiTie  250(0)  et  in  priore  operis 

parte  Vaticanue  626  (V),    tertio  Scorialeneie  X.  II   15  (S).     Huc 

accedit  mixtam  genus,  ad  qnod  pertinet  imprimis  Marcianue  559  (M) 

et  in  posteriore  operis  parte  etiam  ood.  V  modo  commemoratus. 

.  Longe  optimoe    habni    Codices  generis  primi  (BL),    cnm  secandi 

generis    Codices  (CV)  mixtique  (M)   etiam    ex    parte    non    solam 

ecribendi  erroribus  satis  multis,  sed  etiam  interpolationibas  labe- 

rent;  ad  tertii  deniqae  generis  codicee  (S),  qnamquam  vitiis  band 

paacis  inqainati  eint,  saepe  tarnen  velat  ad  arbitros  confagiendiim 

esse  existimavi.    Hoc  tarnen  ex  locis  a  me  tractatis  mihi  apparere 

yidetar,  si  errores   tantum    scribendi    spectemus,    cum  CV  potins 

coninngendam  esse  codicem  S,    interpolationibus  tamen  plerisque 

yaeare,  qaibns  abundant  illi. 

Redeamus  nanc  ad  codicem  nostrum  Vaticannm  2249,  qaem 
Κ  littera  signare  übet.  Qui  quamqaam,  ut  dixi,  aetate  pariter 
ac  bonitate  ceterie  praestat,  nailus  tamen  illorum  ex  eo  descriptus 
esse  potest.  Vitia  enim  praebet  nonnnlia,  quae  in  nnllo  alio  co- 
dice  inveniuntur.  Praef.  10  (p.  2,  29  Sylb.)  praebet  Ibex  και  τών 
θυσιών  (καΐ  τών  θυσιών  ^bei  cett),  II  85  (ρ.  33,  37)  om.  solns 
ψυχήν,  ac  continao  post  praebet  προσονομά2Ιουσι  pro  προσαγο- 
ρεύουσι,  lil  22  (ρ.  42,  1)  praebet  έκάλεσαν  pro  ώνόμασαν,  V 
22  (ρ,  73,  16—17)  om.  solus  verba  έν  τή  κοιλίςι  τής  καρδίας' 
ο\  bi  έν  τφ  αϊματι '  καΐ  ο\  μέν,  VII  21  (ρ.  105,  42)  praebet 
θ€ραπ€ύων  pro  ιατρβύιυν,  VIII  4  (ρ.  111,17 — 18)  om.  solus 
verba  όφορώντβς  άλλα  τόν  οϊνον  θαυμάίοντες,  IX  69  (ρ.  134,  40) 
praebet  βίον  pro  χρόνον. 

Uis  expositis  alii  loci  afferendi  sunt,  nbi  Κ  codex  solns 
veram  scripturam  servavisse  videtnr.  IV  53  (p.  65,  21)  praebent 
^ςίστον  άπάντιυν  τών  ποιητών  BLMCV,  et  βςίστον  απάντων  τών 
ποιήσεων  S,  quam  scripturam  in  codice  etiam  Palatino  214  in- 
venit  Sylbui'gius,  edidit  antem  e  coniectura  β^στον  άπασών  τών 
ποιήσεων;  veram  scripturam  βςίστον  άπάγτων  τών  ποιητίων 
servavit  Κ.  Recte  etiam  ήβρυσμένων  praebet  V  8  (ρ.  70,  45) 
(ήβρυσμίνων  S,  ήβρισμένων  BL,  ήκριβωμένων  V  et  Pal.  214, 
om.  MC).  V  14  (ρ.  71,  37)  inter  verba  Pbilolai  formam  doricam 
σάματι  solus  servavit  (σώματι  BL,  σήματι  MSCV  et  Clementis 
cod.  L).  Denique  animadvertendnm  est,  IV  11  (p,  57,  45)  solum 
cum  praebere  Έκφαντος,  quam  ecripturam  confirmat  Stobaeos 
(Έκφατος  BL,  Διόφαντος  MSCV),  sicut  IV  12  (p.  58,  3)  Mva- 
αέου  (non  Μνασαίου)  cum  Plutarcho. 

Satis    igitur   demonstrasse    mibi    videor,    Κ   codicem,    cum 


Analeota  Theodoretiana  45I 

lode  band  paucis  propriae  soriptorae,  bonas  aiiae,  alias  pravas, 
exhibeat,  nullo  modo  neglegendum  esse.  Saepius  vero  accidit, 
ut  locif),  nbi  ceteri  Codices  inter  se  diseentiant,  a  Κ  codice  scri- 
ptnra  alterntra  confirmetur.  Itaqae  quid  ipse  scripserit  Tbeodo- 
retus,  nunc  certiae  quam  antea  diiadicare  posenmas. 

Neo  dabinm  esse  potest,  quin  ad  Codices  optimos  BL  pro- 
xime  aceedat  codex  K.  Gnm  hnias  generis  codioibas  id  commune 
habet,  ut  praefatio  operis  inscribatar  προθ€(υρία  (deest  tarnen  ini- 
tiüm  in  L),  cum  in  ceteris  aat  verbo  ύττόθ€0ΐς  ant  omnino  non 
inscribatur.  Praeterea  vitia  nonnuUa  maioris  momenti  com  illis 
commnnia  babet.  Π  9  (ρ.  22,  37)  cum  BL  om.  αρχήν,  qnod 
desiderari  nequit,  Π  24  (ρ.  25,  10)  cum  iisdem  praebet  μνημο- 
νικόν  pro  μη  μόνιμον,  IV  59  (ρ.  66,  20)  cum  iisdem  verba  μ€- 
γαλαυχοΟσιν  οδτε  σμιχρυνόμεναι  peseime  traneposnit  post  κι- 
χρώμ€ναι,  Υ  77  (ρ.  83,  22)  cum  BLM  om.  verba  καΐ  αρετής 
έφιίμεθα,  VI  30  (ρ.  90,  25)  cum  L  om.  verba  τής  μεγίστης 
πόλεως  roöbe,  et  lacnna  est  in  Β,  VIl  9  (ρ.  103,  53)  cum  Bli 
om.  verba  (ΤεμνολογοΟίΤΐ  και.  Denique  totam  sectionem  X  27 
om.  cum  BL,  dubium  reotene. 

Quamquam  igitnr  ad  BL  propins  accedit  Κ  quam  ad  ceteros 
omnes,  non  tarnen  cum  iie  prorsus  in  unum  ooniciendus  est ;  multo 
enim  artiore  vinculo  illi  inter  se  conexi  sunt.  Antea  autem,  Κ 
codice  nondnm  adbibito,  saepius  locus  erat  dubitationi ;  magno 
enim  aeetimandi  erant  BL,  neque  tamen  omnibus  locie  sequendi. 
Nunc  vero,  ubi  accessit  auctoritas  codicis  K,  affirmandum  non  est 
illud  quidem,*bunc  cum  illis  consentientem  semper  veram  soriptu- 
ram  exhibere  —  nam  vitia  quaedam,  ut  demonstravi,  communia 
habent  — ;  at  si  ceterorum  codioum  scriptura  a  Κ  confirmatur, 
enrorem  codicum  BL  plerumque  deprebendere  licet.  Minutus 
igitar  est  numerus  locomm  dubitationi  obnoxiorum. 

Exempla  affero  baec.  I  54  (p.  12,  9)  cum  SCVBTp.  Μγρ. 
praebet  πτίλοις,  non  τιτεροϊς,  quod  exbibent  BLM,  et  quod  in 
illo  proverbio,  de  quo  agitur  (τοις  (Ταυτου  τττεροϊς  ήλιυς),  alibi 
qQoque  invenimus.  De  boc  loco  in  dissertatione  mea  (p.  53)  du- 
litaveram;  nunc  vero  in  codicibus  BLM  interpolationem  subesse 
potius  crediderim.  11  25  (p.  25,  13)  manifeeta  corruptela  codi- 
cam  BL  τήν  του  τερατώδους  ΤΤυθαγόρου  σοφίαν  pro  τήν  τερα- 
τώδη ΤΤυθαγόρου  ΟΌφίαν  in  Κ  ηοη  invenitur;  rectius  etiam  II 
94  (ρ.  34,  48)  αποστολική  κα\  προφητική  idem  praebet  cum 
MSCV  quam  προφητική  και  αποστολική  BL  (cf.  dies,  mea  p.  49), 
Praetulerim  etiam  Π  101  (ρ.  155,  47)  ecripturam  codicum  KMSCY 


452  R  a  θ  d  θ  r 

όνομά2Ιεται  (προσαγορεύεται  BL).  Eadem  ratione  erroree  co- 
dicuin  BL  deprehenduntur  locis.  qui  eeqauntur:  ΙΠ  75  (p.  49,52) 
τάς  άγαλματοτΓΟίίας  pro  της  άγαλματοποιίας  τα  πλείστα,  111 
105  (ρ.  55,  31)  φιλίαν  pro  bouXeiav,  IV  Γ»3  (ρ.  67,  7)  ^υvαμίvηv 
pro  οαπανιυμένην,  IX  11  (ρ.  Ί24,  40)  πολιτείαν  BLMV  pro  ήτ€- 
μονίαν,  IX  21  (ρ.  126,  38)  νομοθετών  BLMV  pro  νόμων.  Deni- 
qne  XI  5  (ρ.  152,  16)  forma  soloeca  γνώσησθε  a  BL  praebita, 
qnam  in  diesertatione  mea  (p.  72)  prorsas  reepuere  aasus  non 
Bum,  a  Ε  non  confirroatar;  praebet  enim  γνώτε  cum  ceterie  ple- 
rieqne  (γνώσητε  Μ). 

Sunt  etiam  loci,  nbi  Κ  codex  cum  uno  vel  paucis  codicibus 
eorum,  qui  geiierie  diversi  sunt,  scripturam  habeat  commnnem, 
quae  vera  esse  videatur.  Praef.  5  (p.  1,  32)  non  dabito,  qain 
recte  praebeant  (ΤΟφών  ES^  om.  autem  ceteri.  Etiam  Praef.  13 
(p.  3,  7)  melior  est  scriptara  oub^v  προγινώσκοντες,  qnam  prae- 
bent  KSByp.  Μγρ.  Ογρ.,  quam  altera  scriptara  a  BMC7  exhibita, 
ουοέ  μέρος  γινώσκοντες,  et  Praef.  17  (ρ.  Η,  35)  ante  ειρημένων 
bene  addnnt  εΟ  EM.  Recte  iidem  et  VS  m.  sec.  V  3  (p.  69,  35) 
praebent  αυτήν  pro  αυτή,  et  XU  65  (p.  174,  50)  όρώντα  poet 
μαχομένας  recte  praebent  ES  eoli,  om.  autem  LM,  et  poet  bta- 
κιυλύειν  exbibent  CL  m.  sec.  Neque  tamen  semper  pro  vera  ha- 
benda  est  ea  scriptara,  quam  Ε  codex  cum  codicibus  generie  di- 
verei communem  babet.  Sunt  enim  vitia  quoqne  communia  locis 
nonnallis,  eins  tarnen  generie,  ut  ea  de  causa  dubitari  non  liceat, 
quin  cum  BL  codicibus  Ε  artius  cohaereat.  Nam  levia  quaedam 
vitia  eiusmodi  sunt,  ut  et  hie  et  illic  casu  oriri  potuerint. 

I  49  (p.  11,  20)  ταιν  φιλοσόφων  τα  δόγματα  praebent  KS 
pro  τά  τών  φιλοσόφων  δόγματα,  Ι  86  (ρ.  15,  33)  βοών  pro 
εΙπών,  Ι  90  (ρ.  16,  9)  ώνόμασεν  EV  (είπε  S,  έκάλεσ^:  BLMC, 
praecedit  autem  aliud  έκάλεσε),  V  6  (ρ.  70,  15)  b\ä  τοΟ  προ- 
φήτου προσενεγκών  EM  pro  προσενεγκών  bia  του  προφήτου, 
V  71  (ρ.  82,  14)  λόγους  ESCV  pro  λόχους,  VIII  17  (ρ.  118,44) 
πυράν  νήσας  καΐ  εαυτόν  γε  καθείς  ES  (καταθείς  recte  BL,  έν 
τω  ποταμψ  πλησιάίοντί  γε  εαυτόν  καθείς  CV  per  interpoiatio- 
nem),  IX  60  (ρ.  133,  8)  om.  νόμων  EC,  nee  potest  desiderari, 
sed  post  σκυτοτόμου  facile  excidere  potuit,  IX  72  (p.  135,  2) 
πόλις  ESC  pro  πολιάς.  Magis  dubito  de  VllI  52  (p.  119,  42), 
ubi  scriptara  codicum  BLMV  της  τών  πραγμάτων  βοώσης  αλη- 
θείας melior  mihi  videtur  quam  illa  codicum  KSC  της  τών 
πραγμάτων  φωνής  βοώσης,  quae  interpolationem  ölet. 

Restant  loci,  ubi  cum  BL  consentit  E.     Apparet  autem,  ei 


Analecta  Theodoretiana  453 

hi  inter  ee  artiue  nonexi  nint,  hie  locis  miDUB  valere  codicie  Κ 
testimonium  quam  illic,  abi  onm  alterius  generis  codicibue  con- 
sentiat,  ao  locoe  iam  attuli,  abi  illi  vitia  commnnia  exbiberent. 
Sed  est  etiam^  nbi  veram  scripturam  tradant.  Praetali  iam  antea 
I  21  (p.  7,  18)  ecriptnram  codicnm  BL  φησί  (pro  φα(Τι)  sicut 
IV  67  (p.  68,  7)  eorundem  τερετιίόντιυν  (pro  κιθαριΐόντιυν,  quod 
inepte  dioitur  de  cicadis);  otrnbiqne  antein  Ε  cum  BL  ooneentit. 
Praeterea  IV  70  (p.  68,  37)  melius  KBLM  άσπαρτος  και  άνή- 
ροτος  (verba  sunt  Homeri  ι  123)  quam  SC7  άνήροτος  καΐ 
δσπαρτος,  aicut  V  75  (ρ.  82,  47)  melius  KBLS  καταστΑλιυν 
quam  MCV  κατασπών.  VIII  i)G  (p.  123,  24)  scriptura  codioum 
BL  a\  bi.  τί  γάμος  ουκ  έπιστάμ€ναι  a  Κ  oonfirmatur  (ίτι  γάμους 
SCV  pro  τί  γάμος).  Sed  manifestum  est,  unoquoqne  loco  rem 
diligenter  deliberandam  esse. 

Cum  maltis  loois  non  solum  i peius  Tbeodoreti,  sed  eornm 
qnoque  scriptorum,  quorum  verba  exscripsit,  Clementis  maxime 
et  Eusebii,  Codices  nobis  consulendi  sint,  hoc  loco  etiam  illud 
qnaerendam  est,  quam  bene  Κ  codex  cum  hie  conseutiat.  Cum 
vero  ex  ceteris  codicibus  BL  ad  dementem  et  Eusebium  pro- 
piae  accedant,  plura  etinm  ille  cum  iis  commnnia  habet.  Quod 
quamquam  ad  praestantiam  eius  comprobandam  non  nihil  valet, 
memoria  tarnen  tenendum  est,  cum  locis  permultis  magna  negle- 
gentia  auctores  snos  Theodoretus  execripserit,  etiam  hoc  fieri  po- 
tnisse,  nt  scriptnrae  Clementis  vel  Eusebii  in  Theodoreti  Codices 
per  interpolationem  inferrentur. 

I  48  (p.  11,  14)  cum  LS  et  Eusebio  recte  ?χον  praebet  Κ 
(εχόντων  Β,  ίχοντος  Μ,  ίχοντα  CV),  VI  23  (ρ.  89,  Ι)  solus 
recte  praebet  και  br\  καθ'  ^δην  (και  ^ή  και  καθ'  $οην  ceteri, 
και  γάρ  καθ'  $οην  Clem.  et  Eua.),  VI  43  (ρ.  93,  11)  cnm  C  et 
Plat.  et  Ena.  praebet  ^ή  φώμεν  (Δημοφαιν  ceteri  corrupte),  IX 
3S  (p.  129,  36)  Piatonis  scripturam  ατελή  (του  γελοίου  σοφίας 
^ρεπόμενος  καρπόν)  servavit  Κ,  apud  Eusebium  vero  in  4τε  Οή 
corrupta  est,  et  ceteri  Theodoreti  Codices  sie  tradunt :  δτε  bia 
BLSV,  ατε  bi\  bxa  MC.  Discimus  ex  bis  locis,  codicum  scripturas 
non  nimis  religiöse  servandas  nobis  esse. 

Sed  est  etiam,  ubi  Κ  codex,  etsi  cum  Theodoreti  fontibus 
congentiat,  scriptaram  tamen  ab  illo  alienam  conservasse  videatur. 
1  107  (p.  18,  21)  in  ceteris  omnihus  codicibue  legimus  την  bk 
έττιστήμην  2Hiv  άμετάτττιυτον  μετά  λόγου;  Κ  solus  cum  demente 
(Strom  II  2,  9.  II  17,  70)  υπό  praebet  pro  μετά.  Videtur  e  de- 
mente illatum   esse.      VI  12  (p.  87,  4)  male   sequitur  C  et  Euse- 


454  Raeder 

bium  ουτιυ  bi  κα\  τό  χρεών  είρήσθαι  praebene;  recte  autem  BL 
oÖTU)  hk  και  χρεών  παρά  τό  χρίος  είρήσθαι;  ecilicet  eic  etiam 
apud  Eueebium  eoribendum  est.  Quomodo  factum  eit,  ut  II  80 
(p.  33,  8)  cum  CV  coneentiens  χρόνον  praebeat  K,  nesiio  (λόγον 
BLMS,  τρόπον  Plat.  et  Clem.  et  Eue.).  Haec  habui  de  codice 
Vat.  2249  quae  dieeererem*. 


In  diesertatiooe  mea,  quam  antea  commemoravi,  ecriptbres 
nonnulloe  indicavi ,  qui  Theodoreti  Corationero  expcripeerunt 
(p.  65  sqq.) ;  fuerunt  autem  Anaetasius  Sinaita  atque  Demo,  Ho- 
meri  interpree,  quae  vero  apud  Michaelem  Glycam  Theodoreti 
verba  reperiuntur,  ab  bie  sumpta  eese  euepicatue  sum.  lie,  quae 
tnnc  exposui,  quaedam  addere  placet. 

Vidit  iam  Gaiefordius,  partem  eorum,  quae  legnntur  apud 
Theodoretum  VI  26  sqq.,  apud  Suidam  iuveniri  s.  v.  Πλάτων, 
ein  vero  Suidae  editionem  Bernbardianam  consulae,  non  haec  so- 
lum,  sed  etiam  articulos  ΣαρΙ)ανάπαλος  et  Σατανάς  magna  ex 
parte  a  Theodoreto  sumptos  esse  invenias.  Neque  tamen  exieti- 
mandum  est,  Theodoreti  Curationem  Suidae  notam  fuieee.  Apparel 
enim,  haec  omnia  Suidam  a  Georgio  Monacho  mutuatum  esse. 
Omnia,  quae  de  Platonie  doctrina  Suidae  narrat,  locique  ex  eius 
ecriptis  deeumpti  iiedem  fere  verbis  leguntur  iu  Georgii  Chron. 
II  8  (p.  58— 62);  articuli  vero  ΣαρΙ)ανάπαλος  et  Σατανάς  sumpti 
sunt  e  I  6  (p.  9—10)  et  II  7  (p.  55).  Haec  tarn  mani feste  sunt, 
ut  pluribns  verbis  opus  non  eit;  notum  autem  est,  permulta  om- 
nino  Georgii  apud  Suidam  reperiri^  Sed  cum  non  eolum  Suidas 
Georgium,  verum  etiam  Georgine  Theodoretum  verbo  tenus  ex- 
ecripserit,  factum  est,  ut  band  raro  ipsa  Theodoreti  verba  apud 
Suidam  inveniantur^ 


*  De  codicibus  Theodoreti  Curationie  haec  addere  placet.  Aeser- 
vata  est  etiam  in  cod.  Vaticano  ürbinati  111  (saec.  XV),  fol.  1H9  sqq 
Evulsis  autem  sex  quatemionibus,  lacuna  est  a  I  71  usque  ad  VI  37. 
Hie  codex  affinis  est  codici  S,  quocum  praeter  alia  id  commune  habet, 
ut  praefatio  vooetur  ύπόθβσις,  et  ut  XI  34  novus  libri  tilulus  TTepi 
μ€Τ€μψυχυϋσεως  inveniatur.  Praeterea  initium  operis  usque  ad  127  in- 
yenitur  in  cod.  Vaticano  1949,  fragmentum  exiguum  in  Vaticano  l^i^^? 
aliud  in  Athoo  4508,  ut  indicat  Lambros  in  catalogo. 

^  Vid.    Krumbacher:    Geschichte    der    byzantinischen    Litteratar 
a  566  sq. 

β  Codicis  Vaticani   1296.    qui   Suidae    lexicon    oontinet,   primum 


AnalecU  Theodoretiana  4^5 

Sed  multie  locis  praeter  eoR,  quos  indicavi,  Georg'iue  Theo- 
düretam  execripsit  yel  compilavit.  Ego  eoe  afferam,  qni  mihi 
innotueront;  sunt  fortaAse  etiam  alii,  hin  vero  eatie  ree  demon- 
etratur.  16  (p.  9)  quae  de  Sardanapalo  tradit  GeorgiuR,  a  Theo- 
doreto  Xli  93—94  sumpeit.  Tum  vero  II  6  (p.  52—53)  de  bar- 
baris  artium  inventoribue  Th.  I  19—20  aeqnitur.  Dein  traneit 
ad  philosopboram  sententiae  de  mundo  exponendas  Th.  IV  16 
secotne.  Anaxagoram  et  Pytbagoram  et  Platonem  ab  Aegyptiin 
edoctoe  esse  (p.  54),  sampflit  a  Th.  II  23 — 24.  Sequitur  ex- 
positio  de  deornm  gentium  origine;  quae  de  ea  diaputat  Georgine 
(p.  54—55),  omnia  compilavit  e  Th.  III  7.  44.  49.  85.  23—33. 
59,  quae  vero  eequuntnr  de  Satana  (p.  55 — 56),  sumpeit  a  Th. 
III  100—102.  Dein  (p.  5β  — 57)  barbarorum  virtutee  extollit; 
utitnr  autem  verbie  Theodoreti  V  60—75.  In  capite  eeqnenti 
(Π  8)  agit  de  Piatone.  Praemittuntur  quaedam  de  atomis  sumpta 
a  Th.  IV  10,  dein  vero  aliorum  philoeophorum  sententiae  de  for- 
tana  et  fato  exponuntur.  Hequitur  autero  (p.  57  —  58)  Th.  VI  14 
— 15.  9.  7.  V  48.  28.  Ceterie  philoeophis  Platonem  opponit, 
quippe  qui  liberum  hominum  arbitrium  eaee  oontenderit  Deumque 
mali  causam  esse  negaverit  (p.  58 — 61);  verba  exscripsit  Theo- 
doreti V  29—30.  33.  44-47.  II  33-34.  V  34—35.  37—38. 
VI  26  —  31.  Statim  subiungit  Platonis  sententiae  de  iudicio  post 
mortem  futuro  (p.  61—62);  sequitur  autem  Tb.  I  119.  XI  25 
—  27.  Haec  vero  omnia  Platonem  in  Aegypto  ab  Hebraeis  di- 
dicisse  ait;  addit  autem  verba  eiusdem,  quae  affert  Th.  II  78. 
Denique  iteratis,  quae  de  falsis  gentium  opinionibus  antea  dispu- 
taverat  (affert  autem  p.  64  verba  Theodoreti  III  86),  iisdem  ver- 
bie utens,  quibue  utitur  Th.  VI  87 — 88,  post  Christi  adventum 
omnia  oommutata  esse  contendit  (p.  64). 

Eis  locis  e  posterioribus  Ghronicorum  partibus  alii  addendi 
sunt,  qui  ipsi  quoque  a  Theodoreto  sumpti  sunt.  III  119  (p.  261) 
de  anachoretis  agit  iisdem  verbis,  quibue  utitur  Th.  III  92  —  93. 
Transit  deinde  ad  virtutem  activam  tractandam  (p.  261  —  266), 
Theodoretum    ut    antea    exscribens  (XII   4 — 7.  35—36,  30 — 31. 


folinm  atque  ultimum  (fol.  556)  quaedaro  e  Theodoreti  Curatione  con- 
tinere  ait  Mercati  (Giovanni  Mercati:  Note  di  letteratura  biblica  e 
criatiana  antica  p.  210  sq.).     At  sunt  re  vera  Georgii:  fol.  1  ine.  άλλα 

καΐ  δλλοις ,    dos διαρρήδην  οΐ  προφήται   διδάσκουσιν  πα 

(ΐ    e.  Georg.  Chron.   Π  8   (ρ.  60—61)),    fol.   556    ine.    καταλύσ€ΐυς    καΐ 

ίστιν  φηο(ν ,  des ή  προς  τό  οΟς  ί^χος  έγέ  (i.  e.  Georg. 

ChroD.  U  6  (ρ.  51-53)). 


456  Raeder 

II  36—37.  XII  43— 46.  5:^.  55—57).  DeniquelV  218  ίρ.  530- 
531)  de  animaram  aeternitate  ac  indicio  eupremo  agit  eecutus 
Th.  II  22.    V  13.    XI  40-41.  35. 

Facile  est  intellegere,  maxima  aocordia  in  Theodoreto  ex- 
Hcribendo  Georgpium  egisee.  Locoe  Theodoreti  e  diverRiR  Cura- 
tionie  partibue  petitos  aliam  alii  subiecit,  paucie  comnuütatis  vel 
omiesie  vel  de  βαο  additis.  Eveoit  autem,  nt  verba  Theodoreto 
apta,  eibi  inepta  immutata  reliqnerit.  Loqnitur  Theodoretus  V 
73  de  lemaelitie,  de  qnibue  utitur  verbis  o\  νομάόβς,  οι  ήμ€τ€ροι 
πρό(Τχιυροι;  etiam  apud  Georgiom  ρ.  56  legimos  o\  παρ*  ήμΐν 
νομάδες  και  ττρό<Τχωροι ;  dicit  Theodoretas  V  72,  de  Perearum 
ingenio  testari  posse,  €Ϊ  τις  vöv  πρεσβεύων  ή  στρατηγών  ή 
έμπορίαν  τινά  μετιύιν  αύτοϊς  συνεγενετο;  idem  dicit  Georgine 
ρ.  56,  caius  tempore  Perearam  regnnm  occiderat.  Legimae  apad 
Georgiom  p.  57:  και  γοΟν  Δημόκριτος  περί  τούτου  οδτως  ei- 
πεν  και  γαρ  τα  μέν  έκ  θεοΟ  πάντες  ίχομεν,  τά  hi  έκ  της 
εΙμαρμένης  καΐ  τύχης  και  τών  σμικροτάτιυν  εκείνων  σιυμάτιιιν 
και  προόήλως  φερομένων  δνω  και  κάτω  παλλομένων  και  περι- 
πλεκομένων  τε  και  διισταμένων  και  περις)ερομένων  έ£  ανάγκης, 
quae  verba  aliquantum  mutata  sumpsit  a  Tb.  VI  9;  Democritum 
vero  ita  locatum  eeee,  doh  dixerat  Theodoretne.  Statim  sub- 
iungit  haec  verba  a  Th.  VI  7  sampta:  άφ'  οΰ  ού  μόνον  πλου- 
τον  και  πενίαν  και  ύγίειαν  και  νόσον  και  ^oυλει'αv  και  έλευ- 
θερίαν  και  πόλεμον  και  είρήνην  6ιανέμειν,  άλλα  και  άρετην  και 
κακίαν  άποκληροΟν  ίφτ\,  nbi  illnd  άφ'  ού,  qiiod  deest  apud  Theo- 
doretnm,  nihil  habet,  quo  respiciat;  ceternm  Theodoretae  non 
Democrito,    sed  Arietoteli  haec  verba    tribnerat.     Similiter  quae 

III  49  de  Graecis  narraverat  Theodoretus,  dicit  Georgius  p.  54 
de  Aegyptiie,  nam  quae  praecedunt  (apud  Th.  III 44),  dicta  erant 
de  Aegyptiie,  nee  melius  p.  55  Romani  dicuntur  malos  daemonas 
ut  deos  coluisse,  nam  de  illie  non  loquitur  Th.  III  59. 

Accidit  etiam,  ut  verba  Theodoreti  prorsus  mntaverit  Geor- 
gias vel  alium  eensum  iie  eubdiderit;  plerumque  enim  male  in- 
tellexisse  videtur.  Sicut  cum  Theodoretus  IV  10  de  parvis  illis 
corporibue  locutns  esset,  &  b\a  των  ςχυταγωγών  εΙσβάλλων  ό 
ήλιος  1)είκνυσιν  έν  έαυτψ  άνω  κοί  κάτω  παλλόμενα,  dicit  Geor- 
gius ρ.  57 :  6είκνυσιν  εαυτόν  άνω  και  κάτω  παλλόμενον;  quam- 
quam  hoc  fortasse  librariis  imputare  licet.  Male  vero  intellexit 
Theodoreti  verba  XII  57:  και  ό  Σωκράτης  bk  φυλάττεσθαι  έκέ- 
λευσε  το  άναπείθοντα  μή  πεινώντας  έσθίειν  και  μή  ^ιψώvτας 
πίνειν,   quae  sie  reddidit  ρ.  266:    ίτι  bi  πάλιν  Σωκράτης  φυ- 


Analecta  Theodoretiana  457 

λάττεσθαι  σφόδρα  και  παρατηρ€ΐσθαι  τήν  όκρασιαν  btbaaKwv 
?φη,  μή  πβινώντας  λίαν  έσθίειν  καΐ  μή  διψώντας  πολλά  πί- 
νειν.  Sensüs  igitnr  plane  commatatus  est.  Aliie  looia  eensn  non 
commntato  panca  addidit  de  eno.  Dixit  Th.  V46:  ό  bi  *Αρι<Ττο* 
τίλης  fxi  Σώντι  τψ  ΤΤλάτιυνι  προφανώς  άντετάΕατο;  legimue 
apad  Georgiam  ρ.  58:  Αριστοτέλης  ό  τάλας  et  προφανώς  τε 
και  άναισχύντιυς.  Infra  Th.  V  47:  και  γάρ  bi\  τήν  ψυχήν 
έκςίνου  φάντος  άθάνατον,  ούτος  ίφη  θνητήν,  Georgiue  vero 
ρ.  59:  και  γάρ  bi\  τήν  ψυχήν  εκείνου  είπόντος  τριμερή  και 
άθάνατον  τε  και  θεοεώή,  αυτός  θνητήν  ίφη  και  έπίκαιρον. 

Quaerendum    est    deniqae,    quid   verba  genuina  Theodoreti 

nobie    reetituere  conaiitibus  excerpta  Georgii    valeant.     Confitcn- 

dum    est,    cum    ipee   Georgias   Theodoretum    exscripeerit    negle- 

gentieeime,  ac  praeterea  opus  illiiis  pessime  editum  sit,  cibil  fere 

enbeidii  ex  eo  peti  posse.     Locie  tarnen  quibnsdam  utile  erit  in- 

dicare,    quibuecum  codicibuR  nostrie    consentiat  Georgias.     Igitur 

ΠΙ   100    (p.  54,  23)   om.    Georgias    verba   ή    θεία   ΤΡ«φή    f^üm 

KBLS,    III   101  (ρ.  54,  33)  exhibet  του  τύφου  τό  πάθος    cum 

KBL,  ibid.  (ρ.  54,  39)  om.  6  cum  KBLS,  VI  30  (p.  90,  2.'))  οπ). 

verba   τής    μεγίστης  πόλεως  τούδε  com  KL  (lacuna  est  in  B). 

Kureus  antem  V  75  (p.  82,  47)  cum  MCV  praebet  κατασπών,  non 

καταστολών,    et    VI  30  (p.  90,  26)   praebet   γενέσθαι  cum  CV 

(γίνεσθαι  cett.) ;    praeterea  autem  V  30  (p.  74,  37)   cum  KM   et 

Plat.  et  Eus.  om.  verba  είναι  αρχήν  fj;  ibidem  vero  (p.  74,  38) 

cum  Plat.  et  Eus.  praebet  άνθέλκειν  τοις  άλλοις  νεύροις  ϊκαστον, 

atque  sie  etiam  apud  Theodoretum  scribendum   esse  videtur  (άν- 

θέλκειν  τοις  άλλοις  μετρίοις  ϊκαστον  Κ,  άνθέλκειν  μετρίως  τών 

τοις   άλλοις  έκαστον  μετρίως   έκαστον  Μ,    άνθίλκειν  μετρίως 

τών  άλλων  ϊκαστον  cett.). 

lam  in  diesertatione  roea  (ρ.  66)  annotavi,  locos  Theodoreti 
in  100—102,  VI  30—31,  VII  16-21,  XII  89—94  etiam  ab 
Anastasio  Sinaita  exscriptos  esse.  Vidimus  nunc,  eosdem  fere 
locos  (praeter  VII  16 — 21)  a  Georgio  exscriptos  esse,  sed  plures 
etiam  hie  addidit.  Accedit,  quod  locis  modo  indicatis,  nbi  co- 
dicnm  scripturae  differunt,  cum  Georgio  consentit  ÄnastasiuS) 
ac  praeterea  pro  verbis  Theodoreti  VI  31  (p.  90,  37-39)  και 
ταύτα  Ήσάΐας  και  Ίείεκιήλ  και  πάντες  ο\  προφήται  διαρρήδην 
όιοάσκουσι  exhibent  Uli  ώς  [οιαρρήοην  Georg.,  κα\  Anaet]  οι 
προφήται  Οι^άσκουσι.  Quo  modo  explicabimus  hanc  congruen- 
ίΪΛΐιι  int^r  Anastasium  atque  Georgium  ?  Exscribere  Anastasium 
Geurgiue  non  potuit,  quia  locos  multo  plures  hie  exhibet,  nee  si 


458  R  a  θ  d  e  r 

quie  contendat,  illa  Anastaeü  capita  sparia  esae  et  e  Georpo  ex- 
ecripta.  hoc  ei  credere  possumas;  nam  e  Georgio  nemo  intellegere 
potest,  omnia  Rnmpta  eeee  a  Tbeodoreto,  quod  dieerte  indicatar 
apud  Anaetaeiam.  Nihil  igitur  relinqaitnr,  nisi  nt  excerpta  qoae- 
dam  e  Theodoreti  Curatione  iam  antiqnitae  facta  esse  soBpicemQr, 
e  quibae  et  Anastaeinm  et  Georginm  ena  hauaieee  credendom  sit. 

£x8tat  etiam  fragmentum  libri  nuper  repertnm,  in  quo  qoae- 
dam  inveniontur  e  Theodoreti  Curatione  execripta.  £didit  Mer• 
cati  in  libro,  quem  antea  commemoravimus  ^,  e  codice  palimpsesto 
Yaticano  1853.  Fragmentum  est  martyrii  Trophimi,  qui  cnm 
praefecto  (ήγεμόνΐ)  aliquo  altercans  inducitur,  ita  nt  a  poetis  ei 
scriptoribue  antiquis  uterque  arma  petat.  Recte  vidit  Mercati, 
I0CO8  scriptornm  antiquomm  eoadem  Trophimum  afferre,  qui  in- 
veniantnr  apud  Tbeodoretum  VI  22 — 34,  £pioharmi,  Diphili,  Pin- 
dariy  Platonis,  Moaie,  atque  ordine  quoque  eodem.  Neque  locos 
eolum  affert  eosdem;  iiedem  verbis  etiam  utitur  Trophimus,  qni- 
bue  ipse  Theodoretufl,  mutatie  tantum,  qnae  res  mutare  iubebant, 
ei  exeipiae  diecrepantias  quasdam  exignas.  Sicnt  Theodoretus  VI 
27,  allatis  verbie  Platonie  Legg.  IV  p.  715  E— 716  B,  sie  pro- 
eequitur:  bia  τούτων  6  φιλόσοφος  και  τόν  του  παντός  fbci^e 
κηδεμόνα  και  την  έπί  τίνων  iaff  δτπ)  μακροθυμίαν  και  τήν  ίν- 
τευθεν  τοις  άνοήτοις  προσγινομενην  λώβην  καΐ  τήν  εις  ύστερον 
αύτοϊς  έπίφερομένην  πανωλεθρίαν.  Eadem  fere  Tropbimue  prae- 
fecto :  ίχεις  bm  τούτων  έπιγνώναι,  εΐ  βούλει,  και  τόν  των  πάν- 
των κηόεμόνα  και  τήν  έπί  τίνων  μακροθυμίαν  ίσθ'  δπΐ)  καΐ  τήν 
προσγινομενην  λώβην  τοις  κατά  σέ  άνοήτοις  κα\  τήν  έπαχθη- 
σομένην  αύτοϊς  πανωλεθρίαν  εις  ύστερον.  Mntata  eane  eet  ver- 
borum  collocatio,  ac  praeterea  verba  Theodoreti  ooUoquio  aptata 
sunt  (f χεις  έπιγνωναι  —  τοις  κατά  σέ  άνοήτοις);  cetera  omnia 
eongruunt. 

Mihi  quidem  dnbinm  CRse  non  potest,  quin  ia,  qui  marty- 
rium  confecit,  Theodoretum  execripserit,  Dubitat  eane  Mercati 
et  ex  uno  fönte  utrumque  hauaisse  potiue  existimat.  At  loco^ 
de  qnibue  hie  agitur,  ab  Eusebio  eumpait  TheodoretuR,  neqne  iure 
obioi  potest,  me  quoque  locie  quibuedam  aliunde  Theodoretum 
hauaisse  opinatum  esse  (vid.  Mercati  p.  221);  illie  enim  loci?« 
ubi  omnia  Theodoreti  cum  Eusebianie  optime  eongruunt,  alii  fonti 

*  Giovanni  Morcati:  Note  di  letteratura  biblica  e  crietiana  antica 
(Romne  1901),  cap.  15,  p.  207  sqq  ('  ün'  apologia  antiellenica  sotto 
forma  di  martirio*). 


AnaleotA  Theodoretiana  459 

nnllns  relinqnitnr  loone;  nam  Eusebinm  eezcentiee  execripsit  Tbeo- 
doretas.  Nee  maiore  inre  hiiic  sententiae  obioi  poteet,  in  mar- 
tyrio  duo8  locoe  Homeri  (E  392—400,  Α  2P6)  afferri,  qui  apud 
Theodoretnm  non  inveniantnr;  verba  ODim  Homeri  noD  afferantur 
a  Tropbimo,  sed  a  praefecto.  Scilicet  ree  ita  ee  babet,  ut  uter- 
qne  poetarnm  atqne  ecriptornm  locie  ntatur,  cnm  praefectae 
ChriRtianoe  Deamqne  eornin  irrideat,  Tropbimns  Dei  providentiae 
confidendnm  esse  antiquorum  teetimoniia  adbibitis  demonetret. 
Itaqne  qui  martyrium  conscripsit,  Tropbimo  β  Tbeodoreti  arma- 
mentario  tela  minietravit,  praefecto  vero  aampsit  aliande.  Neque 
tarnen  pro  certo  confirmari  poteet,  ipsum  Tbeodoretnm  enm  legisse. 
Nam  cum  loci  β  Tbeodoreto  execripti  (VI  22—34)  iidem  fere 
sint,  qui  etiam  apud  Anastasium  et  Georgium  inveniuntur,  fieri 
poteet,  ut  ille  quoque  excerptis  usus  sit. 

Cum  palimpeeetue  codex,  qui  Tropbimi  martyrium  con- 
tinet,  Omnibus  Tbeodoreti  codicibus  aetate  praeetet  (videtur  esse 
naeculi  IX),  qnaerendum  est  denique,  quidnam  nobis  eubsidii  a<l 
Tbeodoreti  textum  receneendum  praebeat.  Sed  vel  ea  de  causa 
minus  praebet  martyrium,  qnia  non  omnia  Tbeodoreti  verba  dili- 
gentissime  ibi  exscripta  sunt.  Sicut  VI  23  (p.  88,51)  pro  Tbeo- 
doreti verbie  αληθή  φιλοσοφιαν  τ^  κιυμψ^ίςι  προσμίΕας  in  mar- 
tyrio  legimus  τή  χωμψ^ίςι  φιλοσοφίαν  αληθή  έπιμιΕας,  ibid. 
(ρ.  89,  1)  γνωρί2:ομ€ν  pro  νομίίομεν,  VI  25  (ρ.  89,  16)  άκάματον 
pro  παναλκή.  Kursus  autem  in  locis  ab  ipso  Tbeodoreto  negle- 
genier  e  fontibus  exscriptis  cum  eo  aliquoties  consentit  martyrium, 
ut  VI  22  (p.  88,  48)  uterque  praebet  οιαφεύγει  (έκφ€ύγ€ΐ  Cle- 
mens et  Eusebius),  VI  23  (p.  89,  1)  καΐ  δή  και  καθ'  f^bov  mar- 
tyrium cum  Tbeodoreti  Μ  ($6ην  ceteri  codd.,  καΐ  vero  posterius, 
qnod  cnm  metro  discrepat,  om.  solus  Tbeodoreti  E;  και  γαρ 
καθ'  $6ην  Clem.  et  Eus.),  ibid.  (p.  89,  5)  ante  θ€Ος  add.  ό 
cum  Tbeodoreti  MS.  Videtur  igitnr  martyrium  Μ  codicem  magis 
quam  ceteros  sequi,  sed  VI  26  (p.  89,  32)  cum  EL  add.  καΐ  post 
φλίγ€ται,  verba  autem  eequentia  τήν  ψυχήν  exbibet,  quae  de- 
sunt  in  M.  Ceterum  Μ  codex  non  est  inter  optimos;  quaedam 
tarnen  vitia  eins  iam  antiquo  tempore  orta  esse  videntur. 

Quamquam  igitur  ad  textum  receneendum  vel  emendandum 
nibil  fere  adiuvamur  ab  iis,  qui  Tbeodoretnm  exscripserunt,  id 
ipenm  tamen,  quod  toties  exscriptus  est,  dignum  est,  quod  anim- 
advertamus.  Apparet,  Tbeodoretnm  saeculis  proximis  ac  Byzan- 
tinornm  quoque  aetate  magis  lectum  esse,  quam  ego  aliique 
credidimus. 

Hauniae.  loannee  Baeder. 


MISCELLEN 


Eine  ΛιιβρΙ«1αιι^  in  den  Zeashjmnae  dee  KallimaehM 

Der  Knetehungezeit  dee  ersten  Hymnus  des  Kalliniacboe 
muss  die  neuere  Forechang  den  immerhin  noch  erheblichen  Spiel- 
raum zwischen  den  Jahren  285,  284,  281/279,  280,  278,  275, 
271  und  266  lasnen,  ohne  daes  nicht  gegen  jedes  einzelne  der 
genannten  Jahre  gewichtige  Gründe  genug  sprächen,  die  den  An- 
satz als  mindestens  zweifelhaft  erscheinen  Hessen.  Sicher  i^t, 
dass  nur  durch  Feststellung  von  Anspielungen  auf  Litteratnr,  vor- 
nehmlich aber  auf  aktuelle  Politik  und  Geschichte,  die  dem 
Dichter  ein  Rüstzeug  seiner  Muse  werden,  eine  chronologische 
Fixirung  seiner  Gedichte  ermöglicht  wird,  ebenso  sicher  aber, 
dass  dies  an  sich  gewiss  richtige  Verfahren  durch  allzu  grosse 
philologische  Spürkraft  so  forcirt  ist,  dass  die  Erklärung  der 
Hymnen  darunter  gelitten  hat.  Um  zu  einem  endgültigen  Urtheil 
über  die  Datirung  zu  gelangen,  wird  es  noch  vieler  neuer  Argu- 
mente bedürfen;  auf  einen  Anhaltspunkt  für  den  I.  Hymnus  sollen 
die  nachfolgenden  Zeilen  hinweisen. 

In  dem  Haupttheil  des  Gedichts  wird  Zeus  als  der  Be- 
schützer der  Könige  gepriesen.  Nicht  der  der  SchifiFahrt  Kundige, 
nicht  der  Krieger  oder  Sänger  sind  seine  Schützlinge  —  sie  alle 
sind  der  Fürsorge  geringerer  Götter  anheimgestellt  —  sondern 
die   Herrscher  (79  f.) 

έκ  bk  Διός  βασιλήες*  έπει  Διός  ούοέν  άνάκτιυν 

θ€ΐότ€ρον.  (so  die  Hss.)• 
Dies  Satzgefüge  hat  wegen  der  scheinbar  durch  nichts  motivirten 
unmittelbaren  Aufeinanderfolge  des  Wortes  Διός  von  jeher  den 
Elrklärern  die  schwersten  Bedenken  verursacht,  und  bis  auf  den 
heutigen  Tag  bilden  «iiese  Verse  eine  crux  philologorum.  Ks 
kann  hier  nicht  der  Ort  sein,  die  zahllosen  Conjecturen  durch- 
zugehen, welche  man  zur  Heilung!  der  vermeintlich  verderbten 
Stelle  vorgeschlagen  hat;  doch  will  ich  in  Kürze  bemerken,  dass 
der  (offenbar  durch  Bergks  έττ*  ου^εος  veranlasste)  Vorschlag 
von  Wilamowitz  έπι  χθονός  zu  lesen,  abgelehnt  werden  muss: 
denn  abgesehen  davon,  dass  dieser  Zusatz  zu  farblos  ist  und  zu 
sehr  den  Eindruck  blossen  VerpfüUsels  machen  würde,  trägt  er 
einen  ganz  fremden  Gedanken  in  den  Zusammenhang  hinein  und 
reiht  vor  allem  die  beiden  Gedanken    *die  Könige   stammen   von 


Miecellen  461 

Zeus*  und  *  nichts  ist  göttlicher  als  die  Herrpcher'  ohne  jede  Ver- 
mittelung  aneinander.  Der  einzige  Ausweg  zur  Rechtfertigung 
diese«  höchst  auffallenden  und  harten  Aeyndetone  wäre  der,  einen 
Gegenflatz  zu  etatuiren;  doch  wird  man  einen  Rolchen,  wofern 
die  Sache  nicht  etwa  auf  Spintisirerei  hinausläuft,  nirgendwo  zu 
entdecken  imetande  eein.  Deshalb  nehme  ich  keinen  Anstand  za 
behaupten,  dass  eine  conjnnctive  Partikel  auf  alle  Fälle  verlangt 
werden  muss,  um  klarzustellen,  dass  der  Satz  oub^v  όνάκτιυν 
θ€ΐότ€ρον  als  Motivierung  der  vorangehenden  These  έκ  bi.  Διός 
βασιλήες  gedacht  ist.  Zu  gewagt  scheint  es  mir,  mit  Vahlen 
(BerL  Ak.  1895  p.  881  f.)  dem  Dichter  eine  überaus  knappe  Rede- 
weise, die  auch  dem  Sinne  nach  kaum  genügen  dürfte,  vindiciren 
za  wollen   wie 

Ίκ  W  Διός  βασιλήες ,  έπ€ΐ  Διός. 

(Von  Zeus  stammen  die  Könige,  weil  sie  des  Zeus  sind'). 
Hierbei  ist  έκ  bi  Διός  βασιλήες  nicht  als  von  Kallimachos 
selber  herrührend,  sondern  als  Citat  eines  andern  Dichters  (He- 
eiod  Theog.  96)  aufzufassen.  Indess  ist  es  m.  £.  nicht  angängig, 
das  έπει  Διός  als  selbständiges  Kolon  von  den  folgenden  Worten 
abzutrennen  und  dann  mit  einem  harten  Asyndeton  fortzufahren; 
überdies  tritt  der  Gedanke  έκ  bi  Διός  βασιλήες  erst  in  das 
rechte  Licht,  wenn  man  voraussetzt,  dass  er  von  unserem  Dichter 
im  Gegensatz  zu  dem  von  anderen  Besungenen  angeführt  wird: 
man  preist  den  Hephaistos  als  Schutzgott  der  Schmiede,  den  Ares 
als  den  der  Krieger,  den  Phoebus  als  den  der  Sänger  —  nun 
emphatisch :  von  Zeus  aber  stammen  die  Könige  ab. 

Ich  glaube  der  Stelle  mit  Hülfe  einer  neuen  Interpretation 
beikommen  zu  könnend  Bekanntlich  war  die  Dynastie  der 
Ptolemaeer  seit  Ptolemaeus  Soter  eine  absolute  Monarchie,  wie 
^ie  strenger  wohl  kaum  gedacht  werden  kann.  £ine  tiefe  Kluft 
ist  zwischen  dem  König  und  seinen  Unterthanen  befestigt,  welche 
weder  hüben  noch  drüben  irgend  einen  üebergang  bietet.  Ganz 
zu  geschweigen  von  den  auKserordentlich  weitgehenden  Hechten, 
welche  der  jeweilige  βασιλεύς  in  politischer  Hinsicht  auszuüben 
in  der  Lage  war,  manifestirte  eich  seine  unumschränkte  Macht 
auch  nach  einer  anderen  Seite,  der  des  Kultus  und  der  göttlichen 
Verehrung.  Es  steht  fest,  dass  die  ägyptischen  Könige  von  sich 
als  von  Göttern  redeten  und  sich  vom  Volke  als  Götter  an- 
reden und  verehren  Hessen  zu  ihren  Lebzeiten  nicht  minder 
als  nach  ihrem  Tode.  Die  Form  des  Kults  war  eine  drei- 
fache: entweder  führten  sie  eine  Sonderexistenz  als  Gott  und 
hatten  eigene  Priester  (so  auch  Phiiadelphos),  oder  sie  wurden 
als  (Τύνναοι  θ€θΙ  anderen  Göttern  aggregirt  oder  endlich  es  ward 


^  Zu  den  folgeuden  Ausführungen  vergl  Strack  Dynastie  der 
Ptolemaeer.  —  Derselbe:  Griechische  Titel  im  Ptolemaeerreich  im 
Rhein.  Mus.  55  (1900)  S.  161  flF.  —  Kornemann:  Zur  Geschichte  der 
antiken  Herrscherkulte,  in  Lehmanns  Beitr.  z.  allen  Gesch.  I  1  (1901) 
S-  51  flf. 


MieoeUen 

.     coiiegiam  von  Königen  zu   einem  Cultue  vereinigt     Diese 
ein   oo     e^      ^.j.^   gnsserlicli   zum    Ausdruck   gebracht   und  die 
K-'^ 'ire  sie  Götter  gekennzeichnet,  indem  man  den  eoneti gen  Bei- 
amen   und  Titeln  dae  Attribut   θεός  beifügte,    eowie  'Sohn  des 
Gottes  X'•     Wenn  wir  uns  nun  zu  der  Kailimachoeetelle  zurück- 
wenden,  so  sind  wir,  denke  ich,  berechtigt  Hoffnung  zu  schöpfen, 
dase  der  Worte  έτΓ€ΐ  Διός  ovbkv  όνάκτων  θ.  eine  befriedigende 
Lösung  harrt.    Zwar  findet  sich  der  Gottestitei  in  den  officiellen 
Aktenstücken    nur   zu   dem    betreffenden  Eigennamen  des  Köoigfl 
hinzugefügt,  indess  spricht  dies  nur  scheinbar  gegen  meine  Deu- 
tung:   denn   obwohl    der   Dichter    hier  im  Allgemeinen   über  die 
Könige  spricht,  die  sämmtlich  Abkommen  und  Söhne  des  Zeus  sind, 
80  ist  dennoch  unverkennbar,  dass  er  schon  hier  ausschliesslich  den 
Philadelphos,    den    speciellen   Liebling  des   Zeus,    im   Auge  bat, 
und  an  ihn  allein  konnten  und  mussten  die  Leser  der  damaligen 
Zeit  denken.     Und   zur  üeberpflanznng   dieses  streng  genommeo 
nur  dem  nomen  proprium  zukommenden  Διός  auf  den  Gattange- 
begriff  δνακτες    bedurfte    es,    scheint   mir,    nur    eines    einzigen 
Schrittes.     Dass  Kalli machos  statt  des  officiellen,  farblosen  θ€Ος 
den  θεός  κατ'  έΗοχήν  setzte,    wer  wollte  sich  darüber  wundern, 
der  die  Gepflogenheiten  des  sich  in  Hyperbeln  bewegenden  Hof- 
poeten   kennt?    Jenes   problematische  Διός    scheint    mir  also   in 
Anlehnung  an  den  officiellen  Titel  der  Könige  gebraucht  zu  sein 
und  sich  auf  die  göttliche  Verehrung  und  den  Cult  zu  beziehen. 
Kine  annähernde  Uebersetznng  würde  vielleicht  unser  ^Herrscher 
von  Gottesgnaden    bilden. 

Falls  meine  Erklärung  der  Stelle  der  Kritik  standhalten 
sollte,  würde  es  einer  Aenderung  des  überlieferten  Textes  niobt 
bedürfen,  zugleich  gewinnen  wir  aber  für  die  Chronologie  des 
Hymnus  eine  Handhabe.  Die  neueren  Papyrusfunde  haben  er- 
geben, dass  gerade  der  in  unserem  Gedichte  gefeierte  PtolemaLoe 
Philadelphos  es  gewesen  ist,  der  den  officiellen  Königscultus  in 
Aegypten  einführte.  Im  Jahre  279  decretirte  er  zunächst  seinen 
Eltern,  Ptolemaios  Soter  und  Berenike,  göttliOhe  Ehren  (θ€θΐ 
Σιυτήρες),  darauf  consecrirte  er  271/270  seine  Schwester  und 
Gattin  Arsinoe  IL  Unmittelbar  nachher,  vielleicht  noch  in  dem 
nämlichen  Jahre,  scheint  er  auch  selber  den  Gottestitel  ange- 
nommen zu  haben.  Es  könnte  strittig  erscheinen,  welches  dieser 
3  oder  richtiger  2  Ereignisse  (denn  die  Apotheose  der  Arsinoe 
und  ihres  Brudergemahls  stehen  in  ursächlichem  Zusammenhange, 
worüber  v.  Prott  Rhein.  Mus.  53,  1898,  p.  466)  unser  Hymnus 
zur  Voraussetzung  hat,  doch  wird,  denke  ich,  die  Entscheidung 
unschwer  zu  fällen  sein,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  279  er- 
folgte Consecrirung  der  Eltern  weit  weniger  bedeutungsvoll  und 
epochemachend  war  —  denn  sie  geschah  '  offenbar  in  Nachahmung 
der  schon  vorhandenen  städtischen  Culte  von  θ€0ΐ  Σωτήρες^ 
insbesondere  des  athenischen  für  Antigonos  und  Demetrios'  Kor- 
nemann  aaO.  p.  70  —  als  die  Piinführung  des  officiellen  Cultus  dee 
lebenden  Herrschers;  dies  ist  das  eigentliche  Novum,  und  von 


Misoellen  463 

diesem  so  bedentsamen  EreigniBs  haben  wir  meiner  Ueberzeugung 
nach    an    der    behandelten  Stelle    einen    greifbaren  Niedereohlag. 
Ich  «ehe  demnach  als  terminns  post  quem  das  Jahr  270  an,  und 
viel  später  wird  nneer  Hymnus  auch  kaum  entstanden  sein. 
Kiel.  Gustav  Wörpel. 


Plantns  Ampbitrno 

So  viel  ich  weiss,  hat  Niemand  bisher  über  Plautus  Am- 
phitruo  den  Verdacht  geäussert,  dass  auch  diese  Komödie,  wie  viele 
andere  des  Plautus,  eine  comoedia  contaminata  ist ;  im  Gegentheil 
bat  man  gemeint,  Amphitruo,  wie  liacchides  Aulularia  Mostellaria, 
sei  von  den  Komödien,  Meren  Form  Plautus  gelassen  hat,  wie 
eie  dem  Geiste  des  Meisters  entstiegen  war,  und  denen  er  nur 
in  der  Ausführung  von  Spiel  und  Rede  die  bunten  Züge  seines 
Ewiflchen  griechisch  und  römisch  schillernden  Stiles  aufgeprägt 
hat'  (Leo,  Plant.  Forsch.  151).  Doch  eine  weitere  Untersuchung 
wird  vielleicht  auch  dieses  Stück  den  contaminirten  einreihen. 
Mir  wenigstens  ist  es  am  wahrscheinlichsten,  dass  hier  eine  Con- 
taniination  vorliegt,  wenn  in  dem  gleich  anf  die  nox  longior^  in 
der  Zeus  cum  Alcumena  voluptatem  capit^  folgenden  Tage  Alkmene 
geminos  ßlios  parifj  obwohl  alter  decumo  post  metise  nascetur  puer 
quam  seminatus  est,  alier  mense  sepiumo  (vgl.  Leo  zu  479  ff.  und 
Langen,  Plantinische  Studien  234  -  237,  welch  letzterer  eine  Er- 
weiterung   nachplautinischer  Zeit    für  Vers  479 — 495  annimmt). 

In  der  zweiten  Soene  des  ersten  Actus  sagt  Mercurius: 
Bene  prospereque  hoc  hodie  operis  processU  mihi:  amovi  α  foribus 
maximam  molestiam  (Sosiam),  patri  ut  liceret  tuto  illam  ampleaarier 
etc.  alles  richtig  bis  zum  Vers  478.  Von  V^ers  479  an  giebt 
Mercurius  einen  Zusatz  zum  Argumentum:  nunc  de  Alcitmena 
dudum  quod  dirimus  minus^  hodie  Uta  pariet  filios  geminos  duos 
etc.  Der  Zusatz  an  und  für  sich  ist  vielleicht  nicht  sehr  auf- 
fallend, obwohl  ein  ähnlicher  sonst  nirgends  bei  Plautus  vor- 
kommt; denn  in  der  Cistellaria  sagt  die  lena  nicht  das  Argu- 
mentum selbst,  was  nachher  Auxilium  erzählen  soll,  sondern  sie 
sagt  nur  das  aus,  was  sie  über  Seleniums  Abenteuer  weiss.  Das 
Auffallende  ist  hier*,  der  Zusatz  trifft  eben  das,  was  im  Original 
nicht  vorhanden  gewesen  zu  sein  scheint,  die  Geburt  und  die  Ge- 
burtsscenen.  In  der  folgenden  Scene  (I  3)  sagt  Pseudo-Amphitruo 
zu  Alkmene,  indem  er  von  ihr  Abschied  nehmen  und  das  Haus 
verlassen  muss :  Bene  vcUe,  Alcumena^  cura  rem  communemj  quod 
faeis;  atque  imperce,  quaeso:  menses  iam  tibi  esse  actos  vides: 
mihi  necesse  est  ire  hinc;  verum  qtwd  erif  natnm  tolUio.  Erstens 
ist  es  sehr  fraglich,  ob  Pseudo-Amphitruo  dies  sagen  dürfte, 
menses  iam  tibi  esse  actos  vides;  auch  wenn  es  für  Amphitrno's 
aemen  geltend  war,  sollte  der  Dichter  —  zugegeben,  dass  die 
Veree  479 — 495  nicht  plautinisch  sind,  wie  Langen  will  —  in 
<ier  ersten  Scene  des  dritten  Actus,  wo  er  den  Juppiter  sagen 
läset:  post  igitur  demum  faciam  res  palam  fiat  atque  Alcumenae 


464  MisoeUen 

ffi  tempore  anixilium  feram  faciamque  ut  uno  fetu  et  quod  gravida 
est  viro  ei  me  quod  gravidasf  pariat  sine  doloribus,  über  Herkules' 
Geburt  voraneeagan,  daee  er  sogleich  nach  der  Empfängnies  ge- 
boren wird  (wie  Laogen  glauben  will),  dh.  nioht  άορί(Ττως  in 
tempore^  sondern  hodie^  zumal  da  der  Üerkulee-Mythus  ganz  an- 
dere klang.  Wenn  der  Dichter  weder  dort  (III  I)  noch  sonst 
irgendwo  etwas  über  Herkules'  Geburt  sagte,  so  wäre  es  ein 
Beweis,  dass  die  Geburt  entweder  natürlich  oder  wenigstens  dass 
sie  so  geschehen  sollte,  wie  man  darüber  zu  denken  pflegt.  Wir 
glauben,  wenn  der  Dichter  den  luppiter  sagen  läset  in  temport 
auxüium  feram,  'so  stellt  er  sich  die  Geburt  nicht  am  selben 
Tage,  an  dem  er  dies  sagt,  vor.  Ausserdem  wenn  Alkmene  der 
Niederkunft  nah  wäre,  sollte  sie  nichts  über  die  bevorstehende 
Geburt  sagen?  Sie  klagt,  weil  PseudoAmphitruo  fortgehen  will, 
priusquam  lectus  ίώί  cubuit  concaluit  locus  (513)  und  sie  lacri- 
muntern  ex  ahiiu  concinnat  (529);  über  die  Geburt  kein  Wort, 
weder  in  der  dritten  Scene  des  ersten  Actus,  wo  Juppiter  zu  ibr 
sagt:  menses  iam  tibi  esse  ctctos  vides;  mihi  necesse  eM  ire  hinc; 
verum  quod  erit  natum  tollito,  noch  in  der  zweiten  Scene  des 
zweiten  Actus  (Canticum).  Das  ist  sehr  sonderbar  für  eine  Frau 
die  der  Niederkunft  so  nah  ist. 

Da  nun  die  Geburt  nicht  innerlich  mit  der  übrigen  Koroüdie 
verbunden  ist,  möchten  wir  glauben,  dass  Plautus  die  Geburts- 
scenen  nicht  im  Original  gefunden,  sondern  sie  durch  Contami- 
nation  aus  einem  anderen  Stück  zugefügt  hat,  ^  um  Stoff  und  Hand- 
lung zu  häufen  .  Er  hat  sich  bemüht,  diese  Scenen  vorzubereiten 
(I  2.  1  3.  II  2),  aber  ganz  äusserlich  und  nicht  treffend.  Dass 
die  Geburt  ein  dem  Original  fremdes  Stück  war,  zeigen  auch  die 
Verse  876  ff.  post  igitur  demum  faciam  res  pciUun  fiat  aique  AI- 
cumenae  in  tempore  auxilium  feram  etc.,  also  der  Betrug  soll  vor 
der  Geburt  entdeckt  werden.  Dass  es  aber  nioht  nothwendig, 
dass  alles  was  Juppiter  voraussagt,  also  die  Geburt,  in  der  fabnla 
selbst  stattfinden  musste,  kann  man  nicht  leugnen  (vgl.  Casina). 
Der  Dichter  des  Originals  scheint  mir  den  Mythus  so  umgeformt 
zu  haben,  dass  Alkmene  vom  Amphitruo  im  schwangeren  Zu- 
stande zurückgelassen  wurde,  als  er  in  den  Krieg  zog;  aus  dem 
Krieg  kam  Amphitruo  drei  Monate  nachher*  zurück,  und  zwar 
an  dem  gleich  auf  die  nox  longior  folgenden  Tage;  in  der  neu? 
longior  wurde  Alkmene  auch  von  Zeus  schwanger.  Die  Nieder- 
kunft sollte  in  zehn  Monaten  nach  Amphitruos  Zug  und  in  sieben 
Monaten  nach  dessen  Rückkehr  stattfinden;  also  nicht,  wie  bei 
Plautus,  gleich  nach  der  Rückkehr. 

Zum  Schlnss  des  Originales  machte  der  μάντις  Τειρεσίας 
oder  Ζευς  άπό  μηχανής  die  ganze  Geschichte  klar  und  sagte 
Herkules*  Geburt  voraus.  Was  die  Bromia  über  die  Geburt  aas- 
sagt, ist  wahrscheinlich  aus  Euripides'  Alkmene  abgeleitet.  Aaf 
Euripides'  Alkmene  hat  Plautus  oder  dessen  Original  im  Rudens 
(V.  8(0  hingedeutet.  Aus  der  Euripideischen  Tragödie  ist  viel- 
leicht   auch    die  von  Sosia  gelieferte  Beschreibung  der  Schlacht 


Mieoellen  465 

(ν.  203  ff.)•  ^ne  solche  Schilderung  im  Amphitrao  hätte  nur 
dann  Zweck^  wenn  Mercuriue  nichts  über  die  Sohlacht  and  den 
•Sieg  der  Thebaner  wusete,  weshalb  er  Soeia's  Beecbreibnng  ex 
»ngiporto  erlauschen  mnsste;  aber  Mercuriue,  als  Gott,  wueete 
alles;  er  hatte  auch  die  patera  ans  dem  versiegelten  Kasten  weg- 
gestohlen, ohne  das  Siegel  zn  verletzen.  Von  Contamination 
seheinen  auch  die  Inconeeqnenzen  und  Un Wahrscheinlichkeiten 
herzurühren,  über  die  Langen  p.  91  ff.  nnd  Leo  zu  880  sprechen. 

Athen.  Theophanes  Kakridis. 


RandbemerknngeB  in  Ht rai 

Carm.  III  4,  9— 13 

Me  fabulosae  Yoltnre  in  Appulo 

Nutricis  extra  limen  apud  viam 
Lndo  fatigatumque  somno 

Fronde  nova  pnerum  palumbes 

Texere,  mirum  quod  foret  omnibus  .  .  . 
Der  Dichter  betont:  'es  war  ein  Wunder  für  alle  Umwohner, 
wie  ich  dort  wohlbehtitet  schlummerte,  wie  ich  unter  heiligem 
liOrbeer  dalag'  (Imperfect).  Der  Vorgang  soll,  wie  die  Zeitform 
zeigt,  nicht  erst  durch  Hörensagen  bekannt  geworden,  sondern 
von  vielen  gesehen  sein.  Da  durfte  er  auch  nicht  in  des  Waldes 
tiefste  Gründe  verlegt  werden  (etwa  nutricis  extra  limina  de- 
vinm),  sondern  an  eine  den  Bergwald  durchkreuzende  Strasse, 
auf  der  am  Abend  Feld-  und  Waldarbeiter,  Bewohner  der  Nach- 
bardörfer, truppweise  heimwärts  ziehen  und  nahe  am  Weges- 
sanme  den  Knaben  gebettet  finden.  Nach  der  mehr  negativen 
Ortsangabe  extra  nutricis  limen  giebt  die  genauere  Bestimmung 
apud  viam  anschaulich  den  Platz  für  das  Spiel  des  Knaben  und 
für  die  zahlreichen  späteren  Augenzeugen ;  sie  stimmt  zudem  fast 
buchstäblich  überein  mit  dem  überlieferten  Apuliae.  Dass  damit 
die  nntrix  'Pnllia*  wieder  in  ihre  Anonymitnt  zurücksinkt,  wird 
dem  Odentone  nur  angemessen  und  förderlich  sein. 

Carm.  III  6,  21—24 
Motus  doceri  gaudet  lonicos 
Matura  vix  et  fingitur  artibus 
lam  nunc  et  inoestos  amores 
De  tenero  meditatur  ungui. 
Die    überlieferte  Lesart    matura    virgo    widerstreitet,    trotz 
aller  Rettungen,  dem  Postulate   jedes  Leeers ;  die  neuere  Erklä- 
rung der  Worte  de  tenero  ungui  ist  nicht  überzeugend.    Verlangt 
wird   genau    der   obige  Begriff  quae  vix  (vixdum?)  matura  est. 
Auffallend  erscheint  beim  ersten  Anblick  das  alleinstehende,  fast 
substantivische    matura.     Sollte  die  Unbestimmtheit   nicht    beab- 
sichtigt sein,  da  das  fragliche  weibliche  Wesen  nicht  Kind,  nicht 
Gattin  und  am  wenigsten  passend  virgo  genannt  werden  konnte? 
Der  horazische  Sprachgebrauch   zeigt    das  /Vdjectiv  und  Particip 

l^Mii.  IfQ•.  f.  Phüol.  N.  F.  LVU.  30 


466  ^^"^"^ 

nicht  selten  in  jener  eelbetändif^en  Stellung,  ohne  Anlehnung  an 
ein  Subetentiv,  aueeer  an  ein  gedachtes.  Are  poet.  277:  quae 
canerent  agerentqne  peruncti  faecibue  ora.  Ode  Π  7,  11:  cum 
fracta  virtue  et  minaoee  tarpe  solam  tetigere  mento.  Ode  111 
12,  1*  miserarnm  est.  Selbst  für  den  Singalari  der  ja  noch 
kühner  erscheint,  giebt  es  bekannte  Analogien.  Ode  11120,  15: 
qualis  aut  Nireus  fuit  aat  aqaosa  raptne  ab  Ida.  Ode  I  7,  9 : 
plurimus  in  lunonie  honorem  aptam  dicet  eqais   Argos. 

Carm.  III  23,  17-20 
Inmunie  aram  si  tetigit  manas, 
Non  cum  torosa  blandior  hostia, 
Mollivit  ayereos  penates 

Farre  pio  et  saliente  mica. 

Die  überlieferte  Lesart  sumtnosa  ergiebt  statt  eines  klaren 
Sinnes  eine  gradeza  merkwürdige  Vieldeutigkeit  der  Beziehungen. 
Da  soll  non  zn  blandior  gehören,  gefährdet  aber  auch  das  noch 
näher  stehende  sumtnosa  durch  ein  negatives  Vorzeichen;  hostia 
soll  ablat.  instrum.  sein,  wird  aber  unmittelbarer  als  abl.  com- 
par.  empfunden,  wie  in  I  24,  13  Threicio  blandius  Orpheo;  für 
den  philologisch  uugeschulten  Leser  kam  ausserdem  die  Möglich- 
keit hinzu,  hostia  als  Nominativ  aufzufassen,  wie  doch  sogar 
Bentley  that;  schliesslich  sind  bei  farre  pio  wiederum  beide  Ab- 
lative denkbar,  der  instrumentale  und  der  comparative. 

Das  begleitende  cum  macht  die  Structur  sofort  einfach  und 
eindeutig:  non,  cum  torosa  hostia  (si  acoedat,  futura)  blandior. 
Die  Hand  naht  dem  Altare  mit  einem  Opferetiere:  diesen  Sach- 
verhalt drückt  das  cum  der  Begleitung  wohl  sogar  genauer  aus, 
als  der  Instrumentalis ;  und  es  schärft  den  Gegensatz  zu  inmunis. 
In  des  Dichters  Vorstellung  ist  die  hostia  hier  eng  verbunden 
mit  der  in  V.  9  — 12  geschilderten  victima,  die  auf  üppiger  Weide 
für  ein  solches  Opfer  heranwächst.  Diese  Schilderung  der  vorauf- 
gegangenen Mästung  führt  eher  auf  einen  Begriff  wie  torosus 
hinaus,  als  grade  auf 'kostspielig' ;  die  Triften  auf  dem  Algidas 
und  bei  Alba  werden  ja  der  Priesterschaft  selbst  gehören. 

Schliesslich  glaube  ich,  dass  unsre  Ode  dem  Ovid  vorge- 
schwebt hat,  als  er  Metam.  7,  426  schrieb: 

fovet  ignibus  aras 
Muneribusque  deos  implet,  feriuntque  secures 
CoUa  ioi'osa  boum  vinctorum  tornua  viftis. 
Solche  Bezugnahme  würde  zugleich  dem  viel  bestrittenen  inmunis 
zu   Hülfe  kommen,    das  ich  selbst   früher  durch  insontis  ersetzen 
zu  Hollen  meinte. 

Carm.  I  20,  9—12 
Caecubum  et  prelo  domitam  Caleno 
Tu  soles  uvam:  mea  nee  Falernae 
Temperant  vites  neque  Formiani 
Pocula  colles. 
Das  Mittelstttck   V.  8— 8  iet  im  Verhältniss   zu  dem  Ganzen 


Misoelleii  467 

dieser  poetiechen  Kleioigkeit  recht  umfänglich.  Es  enthält  also 
wohl  auch  die  Hauptsache,  den  Hinweis  auf  die  Bedeutung 
dee  Tages.  Bei  solcher  Beziehung  erst  scheint  das  Gedicht 
die  oft  vermieste  Pointe  zu  erhalten.  Der  Anläse  des  verab- 
redeten Zusammenseins  ist,  ähnlich  wie  bei  III  8,  ein  Tag  ge- 
meinsamer froher  Erinnerung:  der  Erinnerung  an  Mäcens  Er- 
rettung aus  lebensgeffthrlicher  Krankheit.  Die  Erinnerung  haftet 
an  dem  Tage  seines  damaligen  ersten  Wiedererscheinens  in  der 
Oeffentlichkeit,  zugleich  dem  Tage  einer  grossen  öffentlichen  Hul- 
digung. An  diesem  Gedenktage  will  Horaz  den  Freund  bei  sich 
sehen.  'Du  würdest  bei  solchem  Anlass  Cäcuber  und  Trauben- 
blut  von  Cales  spenden  (bei  soles  ist  aus  V.  1  zu  ergänzen  potare, 
ans  der  ganzen  Situation  apponere) ;  mir  füllen  nicht  diese  er- 
lanchten  Stätten,  auch  nicht  Falemerreben  den  Becher  mit  ihrem 
Fettertrank,  und  ebenso  wenig  Formiäs  Hügel.  Schlichten  Land- 
wein wirst  du  bei  mir  trinken;  aber  er  ist  vom  eigenen  Wachs- 
thum  und  sorgsam  gepflegt;  er  ist  zudem  ein  unmittelbarer  Zeit- 
genosse des  denkwürdigen  Ereignisses^ 

Schlichter  Wein  ist  darum  nicht  schlechter  Wein.  Das 
Sabinergut  ist  nach  seiner  Lage  —  die  wir  ja  nun  kennen  — 
für  den  Weinbau  durchaus  geeignet,  trotz  der  Seufzer  des  un- 
geduldigen vilicus  in  Epist.  I  H,  23.  Die  Schlussstrophe  will 
nicht  sagen,  dass  Horaz  edlere  Weine  nicht  führe;  aber  sie 
wachsen  ihm  nicht  zu,  er  ist  nicht  Weingutebesitzer  Mn  Rüdes- 
heim  und  am  Johannisberg',  wie  wir  es  mutatis  mutandis  dem 
Mäcenas  zutrauen  dürfen.  Die  Strophe  gibt  nicht  eine  triviale 
Gegenüberstellung  von  Reichthum  und  Armuth.  Sie  will  ne- 
gativ noch  einmal  die  Pointe  schärfen:  'an  einem  Tage  von 
so  hochpersönlichem  Werthe  gebe  ich  von  dem  Eigenen,  von 
dem  Ertrage  des  mir  so  werthen  Eigenthums;  so  ehre  ich  den 
am  besten,  der  es  mir  zugeeignet  hat\ 

•      Epist.  I  18,  104.  105 

Me  quotiens  gelidus  reficit  Digentia  rivus, 
Quem  Mandela  bibit  rugosus  frigore  pagus  .  . 

Voss  übersetzt:  *die  von  Bergfrost  schaudernde  Dorfschaft*; 
Döderlein:  *das  rauhe  Gebirgsdorf ' ;  Kiessling:  Mie  vom  Frost 
verhutzelten  Bewohner  des  pagus  . 

Wer  im  Thale  des  Anio  von  Tivoli  nach  Vicovaro  wandert 
oder  impositns  mannis  behaglich  hinauffährt,  hat,  bevor  er  linker 
Hand  in  das  Licenzathal  einbiegt,  längere  Zeit  den  freien  Aus- 
blick auf  das  vor  ihm  liegende  Dorf  Cantalupo  (Bardella),  das 
eich  heute  Mandela  nennt.  Zweierlei  lehrt  der  Augenschein  : 
erstens  dass  diese  Ortschaft  keine  rauhe  Höhenlage  hat,  zweitens 
daes  ihre  Bewohner  nicht  das  Wasser  der  Licenza  trinken.  Der 
Ort  liegt  etwa  487  m  hoch,  überhaupt  nicht  mehr  in  dem  engeren 
Licenzathale,  sondern  rechtsseitig  ausserhalb  davor;  das  Flüss- 
<*hen  (337  m)  bleibt  tief  unter  dem  Dorfe  und  ziemlich  entfernt 
von  ihm.     Ob  die  Bewohner  dieses  Vorberges  im  .\lterthum  über- 


468  Misoellen 

hanpt  noch  mit  zum  pagus  Mandela  zählten,  bleibe  dahingestellt; 
Horaz  meint  mit  dem  pague,  der  aue  dem  Flusse  trinkt,  jeden- 
falls seine  näheren  Nachbarn,  die  Bewohner  des  eigentlichen, 
engeren  Licenzathales,  in  welchem  er  selbst  —  bei  den  heutigen 
vigne  di  S.  Pietro  gegenüber  dem  Dörfchen  Licenza  —  wohnte 
(N.  Fritsch,  Nene  Jahrb.  f.  Phil.  1895,  S.  57-78).  Das  Klima 
dieses  Thaies  ist  aber  ebenso  wenig  von  besonderer  Kühle,  wie 
das  des  sonnigen  Cantalupo  (  Mandela')  auf  der  vorgelagerten 
Abflachung  des  Berges.  Das  zeigt  die  Satire  II  3,  10  si  vacuum 
tepido  cepisset  villula  tecto;  deutlicher  noch  der  Brief  I  16,  5— 8 
in  dem  ürtheil  temperiem  laudes.  Folglich  bezieht  sich  das  At- 
tribut rugosus  frigore  überhaupt  nicht  auf  das  allgemeine  Klima 
der  Gegend,  sondern  nur  auf  die  vielgepriesene  Kühlung  des 
FlÜsschens  selbst.  In  diesem  Sinne  steht  das  Substantiv  in  der 
Ode  III  21,  10:  tu  frigus  amabile  .  .  tauris  .  .  praebes.  Das 
Attribut  rugosus  aber  will  mit  leichter  Hyperbel  sagen:  das 
Wasser  der  Licenza  ist  so  kalt,  dass  es  dem  Trinkenden  die 
Gänsehaut  verursacht.  Also  aufschauernd  ob  der  Kälte  dieses 
Wassers*  trinkt  die  Dorfschaft  Mandela,  dh.  die  Bewohner  der 
im  oberen  Licenzathale  zerstreut  liegenden  Anwesen,  aus  ihrem 
Flüsschen. 

Ars  poet.  251—259 
Syllaba  longa  brevi  subiecta  vocatur  iambus, 
pes  citus ;  unde  etiam  trimetris  acoresoere  iussit 
nomen  iambeis,  cum  senos  redderet  ictus 
primus  ad  extremum  similis  sibi:  nempe  ita  pridem, 
tardior  ut  paullo  graviorque  veniret  ad  aures, 
spondeos  stabiles  in  iura  paterna  recepit 
commodus  et  patiens,  non  ut  de  sede  secunda 
cederet  aut  quarta  socialiter;  hie  et  in  Acci 
nobilibus  trimetris    apparet  rarus  .... 
Gedankengang;  Die  lange  Silbe,  verbunden  mit  der  vorauf- 
gegangenen  Kürze,    heisst  Iambus;    ein  flüchtiger  Fnss,  we«halh 
er  sich  auch  verstärkt  hat   und  in  der  iambischen  Zeile  dreimal 
paarweise  auftritt,  während  er  eigentlich  in  sechs  Hebungen  sich 
wiederholte,  vom  ersten  bis  zum  letzten  sich  selbst  ähnlich.    In 
solcher    Absicht    bat    er   ja    von  je   her   (nämlich    ebenfalls,  um 
etwas  gemessener  und  gewichtiger  ins  Gehör  zu  fallen),  die  nach- 
haltigen Spondeen  in  sein  väterliches  Krbe  aufgenommen,  gefällig 
und  fügsam ;  doch  nicht  so  weit  ging  die  Kameradschaft,  dass  er 
auch  den  zweiten    and  vierten  Platz  geräumt  hätte.    An  diesen 
Stellen    kommt    der  Iambus  in  den  gepriesenen  Trimetem   des 
Accius  nur  noch  vereinzelt  zum  Vorschein  \ 

Hamburg.  F.  Schul  tose. 


Zur  Cirie,  v.  369—377 

In    seinem     Buche    'aus  Vergils    Friihzeit*    hat  Fr.  Skutsch 
den  Nachweis  angetreten,   dass  die  Ciris  älter  ist  als  es  die  Ο 


Miscellen  449 

dichte  YergÜR  sind.  Für  die  Begründung  dieser  Thene  war  neben 
anderen  Unterenchiingen  auch  eine  Prüfung  der  ganzen  Verse 
un«l  Verstheile,  die  das  Epyllion  von  der  Skylla  mit  den  Ge- 
BäBgen  des  altissimo  poeta  gemeinsam  hat,  auf  ihre  Priorität  bin 
nothwendig.  Skutech  bat  diesen  Vergleich  auf  S.  112  ff.  seines 
Werkes  angestellt,  und  zu  Gunsten  der  Ciris  als  der  Aelteren 
eDtechieden.  Dagegen  ist  Fr.  Leo  bei  einer  erneuten  Durch- 
musterung der  fraglichen  Stellen  (Hermes  XXX VI!  1902  S.  34  — 
47)  zu  dem  entgegengesetzten  Urtheii  gekommen.  Wenn  ich 
ee  wage,  in  dieser  Discrepanz  der  Meinungen  das  Wort  zu  er- 
^eifen»  so  geschieht  es  nur,  um  für  eine  Stelle  der  Ciris,  die 
sich  mehrfach  mit  Vergiliscben  Versen  berührt,  das  Verfahren 
noch  einmal  aufzunehmen,  da  mir  die  letzte  Behandlung  hier 
nicht  das  Richtige  zu  treffen  scheint. 

Es  ist  y.  369  ff. :  die  Τροφός  hat  den  Liebeskummer  der 
Skylla  entdeckt,  und  ist  nun  im  Verein  mit  der  Königstochter 
bestrebt,  Nisus  zu  veranlassen,  dass  er  dem  feindlichen  Herrscher 
der  Kret«r  den  Frieden  und  zugleich  die  Hand  der  Skylla  an- 
biete. Um  das  zu  bewirken,  mups  als  letztes  Mittel  der  Zauber 
herhalten;  das  poetisch  so  dankbare  Motiv  einer  μαγική  πραΕις 
wird  in  Scene  gesetzt: 

(U  nutria,  patula  componens  sulphura  testa, 
370  narcissum  casiamque  herbas  incendit  olentes, 

terque  novena  ligans  triplici  diversa  colore 

fila    ter  in  gremium  mecum    inquit  ^despue,  virgo, 

^despue  ter,  virgoi  numero  deus  impare  gaiidet' . 

inde  lovi  magno  geminans  Stygio  data  sacra^ 
375  Sacra  nee  Idaeis  anubus  nee  cognita  Grats, 

pergity  Amyclaeo  spargens  altaria  thallOy 

regis  lolciacis  animum  de/igere  votis. 
Zu  der  Ueberlieferung  dieser  Verse  ist  zu  bemerken:  370 
Die  Hss.  schwanken  zwischen  contundit,  was  Leo  aufnimmt  (8.  42 
Anm.  3),  und  incendit,  dessen  sachliche  Richtigkeit  sich  unten 
ergeben  wird.  371  ligant  oder  ligat  die  Hss.,  ligans  Verbesse- 
rung von  0.  Ribbeck.  374  inde  magno  gemincU  iovi  frigidula 
Sacra  die  Hss.,  von  den  vielen  möglichen  Aenderungen  empfiehlt 
sich  vielleicht  die  hier  vorgeschlagene  durch  die  geringe  Ab- 
weichung von  der  Tradition.  375  idaeis  die  Hss.,  Aeaeis  die  Aus- 
gaben nach  Heinsius.  Aber  diese  Conjectur  ist  dadurch  ausge- 
schlossen, dass  sie  einen  Widerspruch  mit  lolciacus  v.  377  her- 
vorrufen würde.  Idaeae  sind  die  Frauen  vom  kretischen  Ida : 
weder  des  Minos  noch  des  Nisus  Landslente  kennen  solchen 
Zauber. 

In  der  hier  ausgehobenen  Stelle  der  Ciris  sind  die  üeber- 
einstimmungen  mit  Vergil  gehäuft.  Bei  ihm  lesen  wir  Eol.  II  11 
herhas  confundit  olentes;  11  48  narcissum  et  flores  iitngil  bene 
olenfis  anethi,  tum  casia;  VlII  73  ferna  tibi  haec  primum  triplici 
diversa  colore  licia  circumdo;  VIII  75  numero  deus  impare  gau- 
det;  YIII  77  necte  tribus  nodis  ternos  Amarylli  colores.     Hierzu 


470  Misoellen 

kommt,  wenn  man  meine  Lesung  von  y.  374  annimmt,  noch  Aen. 
IV  638  Sacra  lovi  Siygio,  Dase  diese  Verse  und  Theile  von 
Versen  zuerst  von  Vergil  gedichtet,  und  dann  von  dem  Verfaseer 
der  Ciris  fiir  sein  Poem  entlehnt  seien,  zeigt  Leo  dadurch,  dass 
er  in  diesem  eine  Reihe  von  Verstössen  gegen  das  antike  Zauber* 
ritual  aufweist.  'Zerstossene  Kräuter  dienen  dem  Zaubertrank 
.  .  .  (bei  dem)  Zerstossen  der  Blumen  und  (der)  Knüpfung  des 
Liebesknotens  —  nur  das  kann  v.  371  bedeuten  ~  .  .  fehlt  die 
kenntliche  Beziehung  auf  den  Zweck  der  Handhinf/,  der  nicht 
die  Bethörung  oder  Bindung  eines  Liebhabers,  sondern  die  Um• 
Stimmung  des  Königs  ist.  Ferner:  Narciss  und  Seidelbast  er- 
scheinen nirgend  als  magische  Kräuter.  Endlich,  warum  zerstösst 
sie  herbas  olrnteSj  dh.  in  diesem  Falle  duftende  Frtihlingsblüthen. 
nicht  etwa  Pflanzen,    deren  Saft  einen    starken   Duft  verbreitet?' 

Um  die  Berechtigung  dieser  Einwände  zu  prüfen,  müesen 
wir  zunächst  nach  der  Absicht  der  Carme  fragen;  denn  je  nach 
dem  Zwecke  des  Zaubers  kann  sein  Ritual  verschieden  sein.  Das 
bestimmende  Wort  steht  in  v.  377 :  defigere.  Wir  haben  es  aleo 
mit  einem  Defixionszauber  zu  thnn ;  diesem  liegt,  um  die  Worte 
E.  Kuhnerts  (Pauly-Wissowa,  Realencyclopädie  IV  2374)  zu  ge- 
brauchen, Mie  Vorstellung  zu  Grunde,  dass  die  Wirkung  des 
Zaubere  einem  durchbohrenden  Stich  gleicht:  wie  ein  solcher  den 
Menschen  lähmt,  ihn  des  freien  Gebrauchs  seiner  Kräfte  be- 
raubt, 80  wirkt  auch  der  Zauber  auf  ihn;  der  Besprochene  ist 
dem  Tode  verfallen  und  wird  so  lange  von  Schmerz  und  Siech- 
thum  gequält,  bis  er  sich  durch  Erfüllung  einer  bestimmten  Be- 
dingung von  der  Wirkung  der  unheilvollen  Zauberwaffe  zu  be- 
freien vermag*.  In  dem  hier  vorliegenden  Falle  soll  also  der 
Geist  des  Nisus  so  lange  gelähmt  werden,  bis  er  sich  den  Wün- 
schen seiner  Tochter  bequemt ;  ein  Zweck,  der  übrigens  nicht  er- 
reicht wird,  V.  378: 

nulla  movet  stabilem  fallacia  Nisutn. 

Jede  Zauberhandlung,  also  auch  die  defixio^  besteht,  wenn 
sie  vollständig  sein  soll,  aus  mehreren  Theilen.  Voran  geht  ein 
Rauchopfer  (έττίθυμο),  es  folgt  das  Hanptstück,  die  Verbindung  von 
magischer  That  (προΕις)  mit  magischem  Wort  (λόγος),  begleitet 
von  einer  Prophylaxe,  die  den  Hexenmeister  selbst  vor  allen  bösen 
Geistern  schützen  soll,  die  sein  Gebet  entfesselt  (φυλακή  της 
ιτρό^εως).  Man  kann  sich  von  dieser  stets  gleich  bleibenden  Ein- 
theilnng  leicht  überzeugen,  wenn  man  die  Recepte  durchmustert, 
die  uns  in  den  Papyri  magicae  erhalten  sind.  So  beginnt  denn 
auch  hier  Carme  mit  der  Bereitung  des  έπιθυμα;  dazu  nimmt  sie 
als  Ingredienzien  Schwefel,  Narzisse  und  Casia:  hierzu,  nicht 
zum  Zaubertrank,  der  in  der  defixio  keine  Stelle  hat,  verwendet 
sie  die  Blumen.  Der  Schwefel  als  heiliges  Räuchermittel  ist  ur- 
alt ;  es  gab  eine  Etymologie,  die  θείον  als  'das  Göttliche*  schlecht- 
hin fasste,  weil  es  vor  allem  der  sacralen  —  also  auch  der 
zauberhaften  —  Lustration  diente.  Als  Odysseus  die  Freier  im 
Palaste  erschlagen  hat,  ruft  er  der  Eurykleia  zu  (Od.  XXII  481): 


Miscellen  471 

oTc€  θί€ΐον,  τρηΟ,  κακών  ακος,  oice  hi  μοι  πυρ. 

Auch  der  Cbaldäer  im  PhilopsendeB  des  Lukian  (^  12)  be- 
nutzt zu  eeinem  Werke  den  Schwefel  al«  έπιθυμα,  und  im  Pa- 
pyrus Londinenftie  CXX!  (DenkBchr.  d.  Wien.  Akad.  XLE)  v.  498 
beieei  es:  λαβών  θείον  και  νειλοκαλάμης  οπ^ρμο  έπιθυε  προς 
την  €€λήνην. 

Wie  dort  die  νειλοκαλάμη,  nvird  hier  von  der  Amme  der 
Skylla  die  NarziRBe  verwendet.  AIlerdingH  iet  in  der  eonetigen 
Zauber  litt  eratur  νάρκιοοος  als  derartigee  Ingrediens  nicht  bezeugt, 
aber  daee  dies  nur  eine  zufällige  Lücke  in  der  Ueberliefernng 
iat,  zeigt  uns  der  mehrfach  bcBtätigte  Volkeglaube,  der  sich  an 
diese  Pflanze  anknüpft.  £8  ist  eine  unheimliche,  chthonieche 
Blume;  die  Erde  hatte  »ie  empornprieeeen  lassen,  um  Persephone 
durch  ihren  Glanz  zu  bethören  (Hynin.  Hom.  in  Cer.  8):  als  sie 
die  Unterweltebltithe  pflückte,  war  pie  dem  Pluton  verfallen. 
Narzissen  waren  es  daher,  mit  denen  sich  die  Göttinnen  von 
Eleusis  bekränzten,  Sophokles  (0.  C.  ()84)  nennt  sie  τό  μεγόλαιν 
Ocaiv  άρχαΐον  οτεφάνιυμα.  Das  ^cholion  zu  dieser  Stelle  und 
Eoetathius  (zur  II.  p.  87/  25  und  1173,  49)  denken  bei  den 
grossen  Göttinnen'  an  die  Eumeniden,  und  stellen  —  ebenso 
wie  Plin.  N.  H.  ΧΧΪ  128  aus  griechischer  Quelle  —  einen  ety- 
mologischen Zusammenhang  vapKtccoc  από  του  ναρκαν  her,  δτι 
του  φρίττ€ΐν  και  ναρκαν  elciv  αι  όαίμονεο  αΤτιαι.  Ausführlicher 
nennt  Plutarch  (Quaest.  conv.  111  1  ρ.  647  Β)  den  Narziss  άμ- 
βλύνοντα  τά  V€Üpa  κα\  βαρύτητας  έμποιουντα  ναρκώοεις.  DaBs 
die  Verwendung  einer  Rolchen  Pflanze  gerade  hier,  wo  es  sich 
darum  handelt»  Geist  und  Körper  des  Nisus  zu  lähmen,  sehr  wohl 
am  Orte  ist,  wird  man  gerne  zugeben. 

Die  Casia  endlich  wird  uns  auch  in  anderen  Texten  ge- 
radezu als  Zauberkraut  genannt.  In  dem  Leydeoer  Papyrus  W 
I  17  (A.  Dieterichi  Abraxas  S.  171)  gehört  sie  zu  den  sieben 
Kräutern,  die  als  έπιθύματα  der  sieben  Planetengötter  verwendet 
werden,  und  zwar  ist  die  KOcia  dem  Hermes  heilig;  Pap.  mag. 
Paris,  v.  1309  (Denkschriften  der  Wien.  Akad.  XXXVI)  erscheint 
sie  ebenfalls  als  Bestandtheil   eines  έπίθυμα. 

Die  Schwefelstücke  werden  in  breiter  Schale  zurechtgelegt, 
Narziss  und  Casia  werden  dazu  gethan.  Damit  ist  die  Vorberei- 
tung zum  Hanchopfer  vollendet,  und  es  kann  angezündet  werden: 
incendit  ist  hier  ganz  an  seinem  Platze.  Ist  aber  der  Weihrauch 
erst  im  Brennen,  so  mischt  sich  mit  dem  Geruch  des  Schwefels 
der  Duft  von  Narzisse  und  Cai<ia:  daher  nennt  sie  der  Dichter 
herbas  olenies, 

Nach  dem  έπίθυμα  wird  die  eigentliche  πρ&£ις  vorbereitet. 
Dreimal  neun  Fäden  von  drei  verschiedenen  Farben  werden  mit 
einander  verknotet.  Wie  dadurch  diese  Fäden  gebunden  sind, 
eoll  ttuch  der  Geist  des  Nisus  gefesselt  sein.  Die  Symbolik  er- 
lilSrt  sich  aus  der  griechischen  Vorlage.  Was  den  Lateinern 
die  defiaio,  das  ist  in  Hellas  der  κατάb€cμoς,  der  Bindezauber, 
^ir    haben    für    diesen    noch    ein  ausführliches  Recept  im   Pap. 


472  Mieocllen 

Par.  330:  ^nimm  zwei  Figürchen  und  eine  Bleitafel,  ουνοή€ας 
τό  πετολον  τοις  2Ιιυ6ίοις  μίτψ  άπό  kroö  ποιήοας  αμματα 
τΕε".  Und  zwar  darf  man  nicht  geltend  machen,  dass  in 
diesem  Bindezanber  dae  Symbol  des  verknoteten  Fadens  nur 
vorkomme,  weil  es  ein  Liebeszauber  sei  -~  er  heisst  v.  2% 
φιλτροκατά6€€μος  — ,  denn  nicht  nur  der  Name  zeigt  uns, 
dase  ein  ligare  bei  jedem  κατά6€θμος  vorkommen  kann,  son- 
dern wir  haben  auch  noch  den  directen  Beweis  hierfür  auf 
der  Bleitafel  CIL.  VIII  snppl.  12511,  14.  Hier  handelt  es  sich 
um  die  defixio  eines  verhaesten  Gegners;  da  fesselt  man  einen 
Hahn  und  schreibt  dazu  die  outoc  ό  αλέκτωρ  καταοέοεται  tgic 
πο€ΐ  και  τοϊο  xcpci  και  τή  κ€φαλη,  oötidc  κατα6ή€ατ€  (τον 
beiva).  .Auch  an  unserer  Stelle  ist  demnach  das  Binden  der 
Fäden  als  Vorbild  der  Fesselung  des  Nisus  durchaus  am  Platze. 
Für  die  dreifache  Farbe  der  Fäden  sowie  für  die  heiligen  Zahlen 
3  und  3•3•3  verweise  ich  auf  W.  Kroll,  Antiker  Aberglaube 
(Virohow-Holtzendorff  XII  278)  S.  38  f.  Die  Anschauung  m- 
mero  deus  impare  gaudet  ist  uralt:  so  wird  denn  auch  hier  in 
der  ganzen  Handlung  überall  künstlich  die  ungrade  Zahl  her- 
gestellt. Wir  haben  dreimal  neun  Fäden,  drei  Farben,  dreifaches 
Auespacken.  Dass  die  Ciris  hierin  weniger  systematisch  sei  als 
Vergil  in  der  VIII.  Belöge,  der  v.  74  drei  Fäden,  drei  Farben, 
drei  Umgänge  hat,  ist  nicht  ganz  richtig. 

Der  λόγος,  der  die  πραΕις  begleitet,  wird  in  der  Ciris  nar 
kurz  erwähnt;  es  sind  die  vota  in  v.  377.  Dagegen  ist  das 
φυλακτήριον  ausführlicher  geschildert:  ter  in  sinum  despuiiur. 
Das  ist  bekannter  griechischer  und  italischer  Brauch,  um  böse 
Geister  und  schädliche  Einflüsse  abzuwehren.  Wie  der  mensch- 
liche Speichel  zu  dieser  prophylaktischen  Kraft  kam,  bat  Frank 
W.  Nicholson  dargethan  {The  ScUiva  Superstition  in  Cl4i8sicd 
Litterature,  Harvard  Studies  VIII  1897  p.  23—40).  Unter  den 
von  ihm  angeführten  Belegen  finden  sich  auch  die  beiden  Theo* 
kritstellen,  die  contaminirt  das  Vorbild  der  Ciris  gewesen  sein 
könnten  ^  Π  62: 

κα\  \έ•χ'  έπιφθύΣοιοα•  τά  Δίλφιδοο  ociia  μάοοω, 
und  VI  39: 

ώο  μή  βαοκανθώ  6έ,  τρίο  de  έμόν  ίπτχκα  κόλπον, 
ταυτο  γάρ  ά  γραία  μ€  Κοτυταρις  ^EebibaEev. 
Von  weiteren  Einzelheiten  der  Zauberhand Inng  erfahren  wir 
nur  noch  in  v.  376,  dass  der  Altar  —  auch  der  βωμός  gehört 
zum  magiechen  Apparat,  s.  zB.  Pap.  Par.  34,  37,  42  —  mit 
amykläischem  Thallus  bestreut  wird.  Das  ist  sicher  die  Blume 
des  Hyakinthoe  gewesen;  dieser  stammte  aus  Amyklai  (Preller- 
Robert,    Grieoh.  Myth.  I  S.  248),    und   die  nach    ihm    benannte, 


*  Wahrend  der  Correctur  lese  ich,  dass  P.  Jahn  dem  Dichter 
der  Ciris  die  Kenntnias  Theokrite  abspricht  (Hermes  XXXVII  liK)2 
S.  1<'9),  aber  seine  Auefühmngen  liaben  mich  nicht  überzeugt. 


MiBcellen  473 

traaerktindende  Blüthe  eigntite  sich  sebr  wohl  zur  Verwendung 
im  todtbringenden  Bindezauber. 

So  folgt  also  die  Hexenkunst  der  Carme  in  allem  genau 
den  Vorschriften  antiken  Zauberrituale  und  den  Vorstellungen, 
die  bei  seiner  Fixirung  massgebend  waren.  Einen  sachlichen 
Aoetoes  irgend  welcher  Art  wird  man  in  v.  369 — 377  der  Ciris 
nicht  linden,  und  so  darf  man  denn  auch  aus  dieser  Partie  kein 
Argument  für  die  Priorität  Vergils  ableiten. 

Breslau.  R.  Wünsch. 


Agroeeios  et  Plinias  de  Delphie» 

Delpbicae  (i.  mensae  vel  cortinae)  vocabulum  ut  per  anti- 
qüitatem  notum  erat  et  pervulgatum,  ita  postea  non  modo  libra- 
rÜB  sed  etiam  philologis  fraudem  fecit.  velut  Agroecii  p.  116, 
15  K.  haec  leguntur :  Cirero  'iubeo  promi  utrosque,  hinos  habchani , 
φάα  Delphica  vasa  paria  semper  sunt,  unde  ipse  Cicero  άίοώαί 
'seyphorum  paria  conplura  ,  sed  dubitare  non  licet  quin  resti- 
tuenda  sit  eodicum  Bernensium  338  et  432  scriptura  quia  ad  delfi- 
cam^  a  qua  vix  differt  id  quod  est  in  Hbro  Montepessulano  306 
guae  ad  delfica.  neque  enim  in  Ciceronis  verbis  a  grammatico 
allatis  (in  Yerr.  IV  32)  quicquam  invenitur  de  nescio  quibus 
vasculis  Delphicis,  sed  sermo  est  de  duobus  scyphis  argenteis  si- 
gillatis,  quos  in  abacis  similibusve  mensis  pretiosis  exponi  solitoe 
eaee  constat  scriptorum  et  artis  monumentorum  unanimo  conseneu. 

similis  est  condicio  verborum  Plinii  nat.  bist.  VII  210  Del- 
phica aniiqtii  aeris^  quae  esi  hodie  in  Palatio  dono  principum 
Minervae  dicata  in  hibliotheca^  cum  inscriptione  tali  eqs.,  nisi 
quod  tabula,  quod  post  Delphica  inserebatur  et  Welckerum  huins 
mnsei  IV  (1836)  p.  432  sq.  permoverat  ut  de  tabula  vel  lamina 
Delphis  Bomam  allata  cogitaret,  iam  post  Codices  diligentius  col- 
latos  expulsum  est.  iure  igitur  Bueohelerus  ibid.  XXXVII  (1882) 
p.  337  de  tripode  agi  dixit  et  mireris  Pregerum  inscr.  Graec. 
metr.  117  tabula  illud  recipientem  eamque  Delpbicae  Minervae 
dedicatam  f niese  opinantem. 

sed  difficilior  existit  de  inscriptione  huius  donarii  quaeslio, 
cuius  partem  priorem  postquam  Welckerus  senarium  esse  per- 
spexit,  Mayhofiius  merito  sie  edidit:  Ναυσικράτης  άνίθ€το  τςί 
Διός  κόρςι.  naro  propius  haec  absunt  a  litteris  traditis  quam 
quae  alii  posuerunt  τη  Διός  κόρη  et  favent  formis  Doricis  verba 
proxima.  gravius  corrupta  est  posterior  inscriptionis  pars  et  ab 
aliis  aliter  constituta.  quam  sie  exhibent  Codices  Vaticanus  3861 
Parisinus  6795  Leidensis  Lipsii  VII: 

T«  (Y£)  ΝΔΕΚΑ  (Δ£,  \F)  TA  [OlE,  NF)  ΝΗΔΔΕΞΙΟΔΔΙΟ- 

NOONA  (Δί;,  KF)E 
sie  Riccordianus : 

Τ^ΝΑ^ΒΑΤΑΝΝΑΑΘΞΙΟΔΑΤΟΝΟΝΟΝΑΕ 
in   quibus  emendandis  qui  probabilioia   protulerunt  (τάν  6€κάταν, 
ά  ^t  hilai'  ähii  νόψ  Welckerus,   ή  V  'Εργάνη    beEaixo    bibo- 


474  Miscellen 

μενον  TObe  BOeclielerus)  ideo  et  ipsi  a  vero  aberrarunt,  quod 
alterum  eerariuin  efficere  i^tuduerurt.  at  eonim  quae  tradita  suot 
numeraa  piopiue  acredit  ad  dactylicOm  et  in  proinptu  sunt  aliorniD 
titülorum  exempla,  in  quibus  senarii  cum  bexametris  vel  distichie 
ita  coniungantor  (211,  282,  360,  450,  588,  642,  684,  798  Kai- 
belii,  44,  129  Pregeri)  ut  fere  nomina  propria  dactylie  non  apta 
iambie  reeerventur.  boc  ei  tenuerimue,  verisimilliinuni  videbitur 
bunc  tripodi  bexametrnm  inscriptnm  fuiese:  τάν  6€κάταν  (ταύταν), 
ά  b'  άΕιον  ώνον  δνασε. 

Regimontii  Prueeoram.  Otto  Rossbacb. 


Zu  Trogns  Pompejns  Pro!.  X 

Im  Prol.  X  zn  den  bietoriae  Pbilippicae  des  Trogue  Pom- 
pejue  pind  die  Tbaten  des  Artaxerxee  II.  in  eine  Periode  zusam- 
mengefaflst,  die  in  Euebls  Ausgabe  folgen dermaesen  lautet:  Ut 
Artaxerxee  Mnemon  pacificatus  cum  £uagora  rege  Cyprio  bellum 
Aegyptium  in  urbe  Ace  compararit,  ipee  in  Cadueiis  victus,  de• 
fectores  in  A^ia  purpuratos  euos  persecutus,  primum  Dotamen 
praefectum  fPapblagoniae]:  Papblagonon  origo  repetita:  deinde 
praefectum  Hellesponti  Ariobarzanen,  deinde  in  Syria  praefectnm 
Armeniae  Oronten,  omnibusque  (!)  victiß  decesserit  filio  succes- 
eore  Oeho.  Es  erscheint  mir  unglaublich,  daaa  dieses  ungeheuer- 
liche Satzgebilde  den  ursprünglichen  Wortlaut  darstellen  sollte, 
und  vielleicht  ist  es  nur  deshalb  bisher  der  Aufmerksamkeit  der 
Kritik  entgangen,  weil  die  Verderbniss  der  Stelle  eine  sehr  alte 
und  so  allen  Handschriften  gemeinsam  zu  sein  scheint.  Die 
Anomalie  des  Satzes  liegt  darin,  dass  1.  die  Participia  victus  und 
persecutus  un verbunden  nebeneinander  gestellt  werden;  2.  unklar 
ist,  ob  victus  dem  vorhergehenden  compararit  oder  dem  folgenden 
persecutus  untergeordnet  sein  soll ;  3.  den  Partioipien  ein  über- 
geordneter Satz  völlig  fehlt,  da  statt  des  erwarteten  Hauptver- 
bums  ein  mit  que  angeknüpfter,  also  coordinirter  Satz  folgt. 

Sowohl  gegen  die  Annahme  einer  Subordination  von  victus 
unter  persecutus  als  auch  gegen  die  einer  Coordination  der  Par- 
ticipia spricht  vor  allem  das  Fehlen  des  Flauptsatzes;  coordinirte 
Participia  sind  überdies  in  den  Prologen  stets  durch  Conjunctionen 
verbunden.  Auch  an  einen  substantivischen  Gebrauch  der  Psr• 
ticipien  'Seine  Hesiegnng  durch  die  Eadusier;  Verfolgung  der 
abtrünnigen  Satrapen',  durch  den  die  Anknüpfung  eines  neuen 
Satzes  mit  que  erträglicher  würde,  ist  nicht  zu  denken,  denn  Hie 
zahlreichen  so  in  den  Prologen  verwendeten  Participia,  zB. 
Papblagonon  origo  repetita  in  unserer  Stelle  selbst,  bilden  natur- 
gemäss  ausnahmslos  selbständige  Sätze  und  lassen  stets  die  Er- 
gänzung von  est  oder  sunt  zu,  während  hier  die  Participialron- 
Ktructionen  :  ipse  in  Cadusiis  victus  und  defectores  ....  perse- 
cutus sieh  nicht  ohne  Zerstörung  des  Satzgefüges  aus  demselben 
herausnehmen  lassen  und  ausserdem  zwischen  zwei  Conjunctiven 
(compararit — decesserit)  stehen. 


Miscellen  475 

Wenn  trotzdem  auch  heute  noch  die  überlieferte  Form  dee 
Satzes  festgehalten  wird,  so  können  die  Herausgeber  persecutos 
DTimöglich  als  Particip  anffassen,  mtissen  vielmehr  sit  dazn  er- 
gänzen, so  dass  der  8atz  drei  Prädicate  enthalten  würde:  compa- 
rarit-persecutus  (sit)  —  decesserit.  Aber  auch  gegen  diese  Er- 
klärung der  Stelle  erheben  sich  schwere  Bedenken,  sowohl  grani- 
matieche  als  sachliche.  So  häufig  nämlich  die  Anslassnng  der 
Hülfsverba  est  nnd  snnt  mich  in  nnseren  Prologen  ist,  so  findet 
sich  für  die  von  sit  nnd  eint  in  den  Prologen  sonst  kein  Bei- 
spieL  Denn  Prol.  IX:  TJt  Philippus  a  Perintho  summotus  und 
XXXIV:  Ut  habita  inter  Ariarathen  et  Orophemem  regni  cer- 
tamina  ist,  wie  die  Umgebung  der  Sätze  zeigt,  der  Indicativ 
zu  ergänzen.  Nimmt  man  aber  —  so  suchte  schon  Grauert  (vgl. 
die  Ausgabe  von  Duebner)  die  Stelle  zu  heilen  —  an,  der  Vcr- 
fasser  der  Prologe  habe  wirklich  persecutus  sit  geschrieben  und 
letzteres  sei  nur  später  in  den  Handschriften  ausgefallen,  so  ist 
ja  äneserlich  nun  der  Satz  in  bester  Ordnnng,  nicht  so  aber  der 
Inhalt.  Denn  dieser  ist  dann  auch  consequenterweise  nach  dem 
Vorgang  Duebners  ^  in  drei  Unterabtheilungen  zu  zerlegen,  deren 
erete,  mit  compararit  schliessend,  die  ohne  persönliche  Mitwirkung 
ΊβΒ  Königs  ausgefochtenen  Kämpfe  der  Perser  gegen  Kypros  und 
Aegypten  umfasst,  während  die  zweite,  durch  ipse  eingeleitet,  die 
Thaten  des  Artaxerxes  selbst  in  den  Kriegen  gegen  die  Kadusier 
nnd  die  aufständischen  Satrapen  andeutet,  die  dritte  endlich  von 
seinem  Tode  hdhdelt.  Dadurch  wird  jedoch  der  Kadusierkrieg 
von  denen  gegen  Kypros  und  Aegypten  scharf  getrennt,  dagegen 
in  Verbindung  mit  den  in  eine  viel  spätere  Zeit  fallenden  Satra- 
penempörnngen  gebracht  und  so  der  Anschein  erweckt,  als  ob 
Trogus  jenen  Krieg  zeitlich  später  als  den  374  v.  Chr.  unternommenen 
Feldzug  gegen  Aegypten*  angesetzt  hätte.  Nun  beweisen  aber 
Diod.  XV,  8,  4;  10,  1  und  Cornel.  Nep.  Datam.  1  klar,  dass  der 
Feldzug  gegen  die  Kadusier  eine  Reihe  von  Jahren  vor  dem 
gegen  Aegypten  noch  während  des  kyprischen  Krieges  (390 — 
380  V.  Chr.)  stattgefunden  hat,  und  da  die  Quelle  des  Trogus 
unmöglich  die  umgekehrte  chronologische  Reihenfolge  der  Er- 
eignisse enthalten  haben  kann,  so  erfordert  die  Rücksicht  auf  den 
thatsächlichen  Hergang  der  Dinge  unzweifelhaft  die  engste  Be- 
ziehung der  Worte:  ipse  in  Cadusiis  victus  zum  vorhergehenden 
^atz:  Ut  Artaxerxes  .  .  .  pacificatus  cum  Enagora  .  .  .  bellum 
Aegyptium  compararit,  nicht  zum  folgenden:  defectores  .  .  .  per- 
secutus, mit  dem  sie  zeitlich  nnd  sachlich  gar  nichts  zu  thun 
haben. 

Wie  man  also  auch  den  Wortlaut  unserer  Stelle  dreht  und 


^  D.  setzt  hinter  compararit  ein  Kolon,  Jeep  und  Ruehl  vorsich- 
tifji^r  unr  ein  Komma,  ohne  dass  es  freilich  auf  letztere  Weise  klarer 
"wird,  ob  victus  dem  vorhergehenden  compararit  oder  dem  folgenden 
pereecutDs  unten^eordnet  ist. 

^  Nur  dieser  kann  mit  den  Worten:  bellum  Aegyptium  in  urbu 
Ace  compararit  gemeint  sein.  Vgl  Judeich,  Kleinaeiat  Studien  S.  l^iOff. 


476 


Misoellen 


wendet,  immer  bleibt  er  bedenklich.  Da  nun  ferner  die  Prologe 
sonst  nirgends  einen  Satz  von  gleicher  Lange  nnd  Unklarheit 
bieten,  vielmehr  überall  einfach  nnd  klar  gehalten  sind,  so  moss 
in  unserer  Stelle  noch  ein  Fehler  verborgen  sein. 

£s  bedarf  nun,  glaube  ich,  zu  ihrer  Heilung  nur  einer  ganz 
geringfügigen  Aenderung,  nämlich  ausser  dem  schon  von  Grauert 
verniutheten  sit  hinter  persecutus  der  Einschiebung  von  nt  hinter 
victus.  Der  Satz  lautet  dann:  üt  Artaxerxee  .  .  .  bellam  Aegjp 
tium  compararit,  ipse  in  Cadusiis  victus.  Ut  defectores  .  .  .  per 
secutns  sif  omnibusqne  victis  deceeserit.  Mit  einem  Schlage  ver 
schwinden  so  die  unklare  Häufung  der  Participien  und  das  Ana 
koluth,  und  der  Sinn  ist  nun  klar  und  den  Thatsachen  ent 
sprechend.  Der  Aasfall  des  ut  aber,  der  nach  meinem  Dafür 
halten  die  ganze  Corruptel  verschuldet  hat,  konnte  ausserordent 
lieh  leicht  und  daher  auch  schon  sehr  früh  durch  das  Zusammen 
treffen  der  beiden  fast  gleichen  Silben  us  in  victus  und  ut  be 
wirkt  werden,  und  es  konnte  dann  nicht  ausbleiben,  dass  ihm 
auch  das  sit  nach  porsecutus  bald  in  die  Versenkung  folgte  und 
das  schon  wegen  des  vorausgehenden  pacificatus  später  wohl 
meist  abgekürzt  geschriebene  victus  in  victos,  victor  u.  dgl.  ver- 
dorben wurde. 


Königsberg  i.  Pr. 


0.  Neu  haus. 


Zu  CIA.  II  996 

Auf  der  Bnrg  gefundener  Katalog,  (Ττοΐχη6όν  abgefa88t, 
aus  der  ersten  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  v.  Chr.,  von  Köhler 
abgeschrieben.  Erhalten  sind  zwei  Columnen,  von  denen  die 
rechtsstehende  ganz  fragmentarisch  ist.  Die  linksstehende  lese 
ich  folgendermassen  ^;  Abweiihungen  von  Köhlers  Lesung  sind  mit 
*  bezeichnet. 

[Ίπποθιυντίδος*] 

—  ς  Άντικλέους 

—  Α]ϊ(Τχρωνος 

'  Αριστο]φάνης  '  Αριστομήδ(ου ) 

Κ€ΐριά*]δαι 

....  ο]ιυρος  Σμικύθου 

Νικ<)σ*]τρστος  Νικοστράτ(ου) 

Εοκο]μος  Ευκομιιυνος 


10 


Κόπρ*]€ΐοι 
Εύβου]λ{οης  Εύβούλου 
Φιλι]τπτί6ης  Κεφαλιωνος 
Ξενίότιμος  Ξενοκρίτου 
Άνο*]καιής 


*  INachträiflich  bomrrke  ich,  dass  die  Ergänzungen  in  Z.  l.t>.  M- 
14  ohne  Begründung  schon  von  R.  Löper  Athen.  Miltheil.  XVlHlf^,  1 
gegeben  sind.! 


Misoellen  477 

15  [θράΐσων  'Αριστοκλέους 
Καλ]λί6ημος  Ξ€νοτίμου 
Άρι]στη10ης  ΈΕηκέστου 
Άριστοκ]λής  θρ[ά1σιυ[νος]. 

Dass  das  Verzeichniss  der  Hippotbontis  angehört,  f?eht  ans  Z.  14 
hervor.  Der  einzige  DemoSf  der  vor  -καιής  drei  Buchetaben  hat, 
iBt  der  der  [Άνα]καιής.  [*Ερι]καιής  darf  nicht  ergänzt  werden, 
da  nur  die  Schreibung  Έρικ€εύς,  Έρικ€ΐεύς,  Έρικιεύς  in  den 
vonhrietlichen  attischen  Inschriften  üblich  ist.  Von  den  hier 
genannten  Άνοκαιεϊς  hat  Z.  15  [θρά]σιυν  'Αριστοκλέους  einen 
Nachkommen  in  θράσιυν  θράοιυνος  Άνακαιεύς,  dem  Antrag- 
Meiler  des  Volksbeschlusses  zu  £hren  des  Zenon  im  J.  264, 
Laert.  Diog.  VII  10.  Auch  CIA.  II  952  Θράσων  Πολύευκτου 
Ανακαιεύς,  επιμελητής  in  einem  Katalog  Anfang  des  2.  Jhdts. 
V.  Chr.  gehört  zu  derselben  Familie.  Z.  1 8  [Άριστοκ]λής  θρ[ά]- 
(Ται[νος]  wird  ein  Vetter  des  in  Z.  15  genannten  [θρά]σα)ν  *Api- 
(Ττοκλίους  sein.  Von  dem  Z.  17  erwähnten  [Άρι]στηΐ5ης  Έίη- 
κ^του  ist  ein  Bruder  CIA.  II  lOOG  [Έ]Η[ηκία]ς  'ΕΗη[κέστου*] 
(Ι)  [Άν]ακαιεύς  in  einem  Katalog  kurz  vor  Mitte  des  4.  Jhdts. 
pieees  ΈΕηκίας  Sohn  ist  CIA.  II  1177  Έδήκεστος  (II)  ΈζηκΙου 
Ανακαιε[ύς]  in  einer  Weihinschrift  eines  Collegiums  Mitte  des 
4.  Jhdts.  oder  etwas  später.  Auch  in  der  Grabschrift  CIA.  II 
2075  haben  wir  einen  Angehörigen  dieser  Familie,  sofern  hier 
zu  lesen  ist:  [-  -  η]  Φίλωνος  [Εύΐϋν]υμέΐϋς  [θυτ]άτηρ,  [ΈΕη- 
κ]*εστου  [Άνα]καέιυς  [τυν]ή.  Ob  hier  die  Gattin  des  ΈΕή- 
κεστος  Ι  oder  des  Έζήκεστος  II  gemeint  ist,  lasst  sich  nicht 
sagen. 

Von  den  [Κειριά}οαι  ronse  Z.  7  [.  .  .  .  ο]ιυρος  Σμικυθου 
für  einen  Brnder  des  CIA.  II  672  vorkommenden  -όβιος  Σμικυθου 
Κειριάοης,  ταμίας  των  δλλων  θεών  im  J.  376/5  gelten.  Der 
Ζ.  8  genannte  [Νικόσίτρατος  Νικοστράτ(ου)  ist  identisch  mit  dem 
in  der  Grabschrift  CIA.  II  2126  aus  der  Zeit  von  400-350  er- 
wähnten Νικόστρατος  Νικοστράτου  Κειριάοης. 

Unter  den  [Κόπρ]ειοι  ist  Ζ.  13  [Ξεν]ότιμος  Ξενοκρίτου  der 
Vater  des  CIA.  U  944  als  διαιτητής  um  325  v,  Chr.  bezeugten 
Νικοτίλης  Ξενοτίμου  Κόπρειος.  Wenn  Νικοτέλης  um  325  als 
διαιτητής  60jährig  ist,  so  ist  seine  ακμή  um  352,  die  ακμή  des 
Vaters  Xenotimos  um  385  anzusetzen.  In  Berücksichtigung  des 
zuletzt  genannten  Jahres,  zusammengehalten  mit  dem  J.  376/5, 
welchem  der  zu  Z.  7  herangezogene  -όβιος  Σμικυθου  Κειριάοης 
zuzuweisen  ist,  wird  man  unseren  Katalog  CIA.  II  996  etwa  in 
die  Zeit  380 — 370  verlegen  müssen. 

Welchem  Demos  die  Z.  3—5  erwähnten  Personen  angehören, 
ist  nicht  auszumachen.  Vielleicht  istZ.  2  einzusetzen  [Ά2[ηνιεΐς]. 
^α  Ζ.  5  ΓΑριστοφ]άνης  Άριστομήο[ου]  vgl.  CIA.  II  643,  6 
Αρ[ιστ]ομη6ης  ^[ίηνιεύς?],  ταμίας  \ερών  χρημάτων  im  J.  400/399, 
ans  derselben  Familie  wie  CIA.  II  1006  *Αριστομήδης  Άριστο- 
φύϊ[ντος]  Άίηνιεύς  in  einem  Katalog  etwas  vor  Mitte  des  4.  Jhdts. 
=  *Αριστομήοης  Άίηνι(εύς),  τριήραρχος  in  einer  Seeurkunde  des 


478  Misoellen 

J.  356/δ,  CIA.  II  794  d  28.  Zu  Z.  4  [-  -  -  Α]ϊσχριυνος  vgl. 
Αϊσχριυν  M€v[avbpou  Άίηνιεύς*],  έπιμ€λητής  in  einem  Ver- 
zeichnise  nach  der  Mitte  dee  2.  Jhdts.,  CIA.  IV  2,  952  b  29. 
Dessen  Sohn  ist  Μένανορος  Αϊσ[χρωνος  Ά*]ίηνΐ€ύς,  έφηβος 
unter  Archon  Echekrates  (lOl/lOO),  CIA.  II  467,  141. 

Berlin.  Joh.  £.  Kirchner. 


Drei  Deatangen 

I    bq  —  biq. 

'bx}  pro  b^q  nihili'  mit  diesen  kurzen  Worten  faest  Vahlen  ^ 
sein  Urtheil  über  eine  Contraction  zusammen,  deren  Existenz 
zuerst  Dindorf  angenommen  hatte.  Dabei  spricht  V.  freilich  sehr 
vorsichtig  über  eine  Aristophanesstelle,  die  in  Betracht  kommt*: 
verum  utut  de  Aristophane  iudicatur  et  comicis,  Aristoteles  nee 
metri  angustiis  premitur  neque  vero  Dorice  scribit.  Es  handelt 
sich  um  Arislophanes  Frösche  265.  Dionysos,  von  Charon  übers 
Wasser  gerudert,  ist  in  den  berühmten  Wettstreit  mit  den  Frö- 
schen verwickelt; 

βρεκεκεκέΗ  κοάξ  κοάΗ' 
τούτψ  γάρ  ου  νικήσετε. 

Βάτραχοι 
oubfe  μήν  ημάς  σύ  πάντως. 

Διόνυσος 
oύbεπoτε•  κεκράΗομαι  γαρ 
κάν  με  bή  bi'  ημέρας 
βρεκεκεκέέ  κοάε  κοάΕ, 
έιυς  δν  υμών  επικρατήσω  του  κοάΗ. 

Die  üeberlieferung  steht  fest ;  denn  bεϊ,  das  einige  Handschriften 
bieten,  bedeutet  keine  Abweichung.  Dazu  Dindorfs  Anmerkung: 
Restitui  ego  ex  libris  Ravennate  et  Veneto,  quorum  alter  bf\\ 
alter  bή  habet,  monosyllabam  subiunctivi  formam  bq,  eamque 
aliis  etiam  in  locis  poetarum  oblitteratam  esse  existimo,  quibns 
sjnizepin  adhibuit  Meinekius  in  Curis  criticis  p.  14.  Dindorf  ist 
mit  seiner  Vermuthung  keineswegs  durchgedrungen ;  auch  Meineke 
hat  später  in  seinem  Text  das  überlieferte  με  gestrichen  und  κδν 
biq  bf  ημέρας  gedruckt,  und  das  ist  die  gewöhnliche  Lesang 
aller,  die  weder  an  eine  Synizese^  noch  an  eine  (sonst  nirgendwo 
in  dieser  Form  überlieferte)  Contraction  von  biq  glauben. 

Aber  laset  sich  die  üeberlieferung  nicht  ganz  anders  ver- 
stehen? Muss  sie  vielmehr  nicht  anders  gedeutet  werden?  Es 
giebt  doch  auch  ein  Verbum  bέω  ich  fessele,  binde;  in  der  atti- 
schen Gerichtssprache  heisst  es  soviel  wie  unser  'einkerkern*. 
So  auch  bei  den  Komikern;    έν  Εύλψ,  έν  κλίμακι  tritt  gelegent- 


1  Aristoteles  Poetik8  S.  294.  2  Ebd.  S.  208.  «  Sie  ist 

vielleicht  zulässig,  wenn  lange  Silbe  vorangeht.     Vgl.  Kook  z.  St. 


MiBcellen  479 

lieh  hinzu.     Sein  regelrecht  gebildeter  Coiijunctiv  ist  brj^.     AUo 
bat  man  bloss  deutlich  zu  interpungiren : 

κ€κράΗομαι  γάρ, 
κδν  μ€  6ή  bi'  ημέρας, 
βρ€Κ€Κ€κ^£  κοάέ  κοάΕ, 
ϊιυς  δν  υμών  επικρατήσω  του  κοάΗ. 
Das  heisst  wörtlich:  Auch  wenn  er  mich  für  einen  Tag  ein- 
sperrt (wegen  öffentlicher  Ruhestörung  nämlich),  so  werde  ich 
dennoch  βρ€Κ6Κ6κέΕ  κοάξ  κοά£  schreien,  bis  ich  über  euer  κοάΕ 
die  Oberhand  gewinne  \  Dass  ich  bi'  ημέρας  richtig  verbunden 
habe,  will  ich  nicht  durchaus  behaupten;  jedenfalls  gewinnt  durch 
die  andere  Auffassung  des  bf]  der  Gedanke  an  komischer  Kraft. 
Gerade  die  Frösche  zeigen  ja,  dass  dort  unten  die  Polizei  genau 
wie  im  Diesseits  ßfchandhabt  wird;  Dionysos  selbst  verfällt  ihr 
später  in  hochnotbpeinlichem  Verhör.  Aber  wen  hat  man  sich 
aJR  Subjekt  zu  bq  vorzustellen?  Es  könnte  Charon  sein,  auf  den 
dann  Dionysos  mit  dem  Finger  weist;  als  Kapitän  hat  er  auf 
seinem  Schiffe  Polizeigewalt.  Indes  mit  grösserem  Rechte  dürfen 
wir  wohl  übersetzen:  auch  wenn  man  mich  für  einen  Tag  ein- 
sperrt*; mit  jener  Unbestimmtheit  des  Subjekts,  die  in  der  alten 
i^prache  nicht  gerade  selten  ist.  v.  Wilamowitz  (Griech.  Lese- 
hiich  Erläuterungen  I  S.  23)  hat  neuerdings  davon  gehandelt^. 
Gemeint  ist  in  solchen  Fällen  immer  *der  dazu  Befugte',  bei 
ό  bήμιoς. 

Fesselung  in  der  Unterwelt  als  Strafe  für  dort  begangene 
Ungebühr  ist  zuletzt  eine  volksthümliche  Anschauung;  auch 
Theseus  und  Peirithoos  sind  im  Hades  gebunden  worden,  genau 
wie  Held  Dieterioh  und  seiiffe  Gesellen,  da  sie  den  Rosengarten 
des  Könige  Laurin  verwüsteten.  Mehr  über  diese  Dinge  an  an- 
derer Stelle!  Hier  mögen  die  grammatischen  Folgerungen  ge- 
nügen. Als  Beweis  für  eine  Contraction  von  bix}  dürfen  die 
Aristophanesverse  nicht  in  Betracht  kommen,  und  damit  ist  aller- 
dings dieser  Annahme  die  stärkste  Stütze  entzogen. 

IJ  €ΐς  νειυν 
In  dem  soeben  erschienenen  Hefte  der  von  der  Berliner  Mu- 
seumsverwaltung  herausgegebenen  griechischen  Urkunden  ist 
Ν  958^  von  einem  Apollonios  die  Rede  als  von  του  νυνι  λι- 
τουργουντος  άμφόboυ  Απολλώνιου  εις  veujv  λειτουργεϊν  πάλιν 
μέλλοντος.  Da  Wilcken  εις  νειυν  durch  zugesetztes  Fragezeichen 
und  weggelassene  Prosodie  als  dunkel  bezeichnet,  so  sei  die 
Deutung  nicht  verschwiegen,  die  mir  allein  berechtigt  erscheint: 
es  steckt  mit  ganz  gewöhnlicher  und  leichter  itacistiecher  Yer- 
schreibung  (ω  für  o)  εΙς  vdov  darin  im  Sinne  von  unserem  '  auf 
ein  Neues*.  Die  Zahl  dieser  Adverbialbildungen  mit  εΙς  ist  im 
Griechischen  ausserordentlich  gross;   εΙς  αεί,   εΙς  αύθις,  εΙς  αύ- 

^  Unter  den  einsilbigen  Stämmen  auf  ε  ist  ja  gerade  dieser  der 
nnzige,  der  zum  Unterschiede  von  'biw  ich  ermangele'  die  Contraction 
überall  durchfülirt. 

ä  Vgl.  Kühner-iierth,  Gramm,  der  gr.  Sprache  §  352  g  (S,  35). 


480  MiBoellen 

τίκα,  εΙς  όψ^,  €ΐς  ύστερον,  εις  αδριον,  εΙς  τημ€ρον  sind  beliebig 
herausgegriffene  Beispiele,  die  lehren,  dass  es  sich  in  der  Regel 
um  die  Verbindung  von  Adverbien  mit  der  Präposition  bandelt. 
εΙς  dibiov,  seit  Thukydides  gebräuchlich,  lässt  sich  auch  so  ver- 
stehen und  εις  νέον  nicht  minder;  denn  νέον  ist  neben  νεως 
seit  Homer  Adverbium  gewesen.  Dass  πάλιν  hinzutritt,  darf  so 
wenig  AnstoRs  erregen,  wie  wir  an  unserem  *  wieder  von  Neuem^ 
Anstoss  nehmen,  πάλιν  ist  bekanntlich  ein  Wort,  das  Verstär- 
kung liebte ;  seine  Stellung  nach  dem  Begriff,  zu  dem  es  gehört, 
ist  echt  hellenistisch.  Noch  sei  auf  die  merkwürdige  Bildung  iv 
νέψ  hingewiesen,  über  die  ich  Fleckeisens  Jahrb.  1895  S.  255 
gehandelt  habe. 

III  W? 

Das  149.  Fragment    des  Epicharmos    steht    bei   Eaibel    in 
folgender  Fassung: 

—  τ(  he  TOV  εστί ;  —  δηλαδή  τρίπους.  —  τί  μάν  ίχει  πό5ας 
τέτορας ;  ουκ  ίστιν  τρίπους,  άλλ'  <^ίστιν>  οΤμαι  τετράπους.  — 

—  ίστιν  δνομ'  αύτψ  τρίπους,  τέτοράς  γα  μάν  ίχει  πόδας. 
Alles  einleuchtend  bis  auf  das  Ιστιν  im  letzten  Vers;  denn  die 
Ü eberlief erung  bietet  έστι  b'  δνομ',  und  das  ist,  meine  ich,  zu  be- 
halten. Man  magdie  Adversativpartikel  durch  eine  Ellipse  erklären, 
wie  sie  lebhaften  Südländern  wohl  zuzutrauen  ist:  <^ου  τρίπους 
έστΙν),  ίστι  b'  δνομ*  αύτψ  τρίπους.  Epicharm  hat  geschrieben, 
wie  das  Volk  sprach;  solch  ein  freies  δέ  hat  in  seinen  Gesprächen 
Epiktet,  bei  dem  es  zB.  Diss.  I  14,  11  heisst :  'Αλλ*  έγώ,  φησίν,  ου 
δύναμαι  πασιν  &μα  τούτοις  παρακολουθεΐν.  —  τούτο  δέ^σοι 
και  λέγει  τις,  δτι  ϊσην  έχεις  δύναμιν  τψ  Διί;  Entsprechend  liest 
man  in  dem  lateinischen  Fragment  des  Buches  Henoch  (S.  138 
Fl.-R.):  Et  timuit  Lamech,  ne  uon  ex  eo  natus  esset  nisi  nontius 
dei,  et  venit  ad  patrem  suum  Mathusalem  et  narravit  illi  omnia. 
dixit  Mathusalem:  Ego  autem  non  possum  scire,  nisi  eamus  ad 
patrem  nostrum  Enoc.  Bekannter  ist  eine  Stelle  des  Petron, 
cena  Trimalch.  c.  58:  Post  hoc  dictum  Giton,  qui  ad  pedes  stabat, 
risum  iam  diu  compressum  etiam  indecenter  effudit.  Quod  cum 
animadvertisset  adversarius  Ascjlti,  flexit  convicium  io  pnemm 
et  Uu  autem  inquit  *etiam  tu  rides,  caepa  cirrata?^  Der  Redende 
stellt  in  seinen  Gedanken  den  Giton  in  einen  Gegensatz  zu 
Ascyltus. 

Bonn.  L.  Radermacher. 

1  Bei  Lucian  verae  biet.  1  V2  ist  die  Interpunction  falsch:  καΐ 
ήμεΐς  ήρόμεθα,  τίνες  τε  εΤεν  οΐ  πολφιοι  καΐ  τήν  αΐτίαν  τής  διαφοράς, 
'ό  bi  Φαέθων*,  φησίν,  'ό  τών  έν  τώ  ήλίψ  κατοικούνταιν  βασιλεύς*.  Εβ 
mu8s  heisscD  δ  δέ,  'Φαέθων*,  φησίν,  'ό  τών  έν  τι|ι  ήλίψ  κατοικούντων 
βασιλεύς*.  Gewöhnlicher  ist  άλλα  in  der  oben  cbarakteriairteD  Ver- 
w^endun^f:  Xenophon  Anab.  II  1,4  Epictet.  Dissert.  I  2,  20  etc. 

Verantwortlicher  Kedacteur:   L.  Rader  mach  er  in  Bonn. 

(13.  Juni  1902.) 


EIN  SCHREIBGEBRAUCH  UND  SEINE 
BEDEUTUNG  EUER  DIE  TEXTKRITIK 


Wie  man  heutzutage  das,  was  man  einem  Schriftstück  nach- 
träglich einzufügen  wünscht  und  doch  nicht  in  den  Context  selbst 
hineinechreiben  möchte,  auf  seinem  Rande  einzutragen  und  da- 
durch an  den  gewollten  Platz  zu  verweisen  pflegt,  dass  man  hier 
and  dort  einander  entsprechende  Zeichen  setzt,  so  verfuhr  man 
aach  im  Alterthum  und  Mittelalter.  Aber  die  Verweisnngszeichen 
waren  nicht  das  einzige  Mittel,  das  zur  Orientirung  solcher  Rand- 
zQsätze  verwendet  wurde,  man  suchte  diesen  Zweck  auch  noch 
auf  andere  Weise  zu  erreichen.  Ein  paar  Beispiele  mögen  den 
Sachverhalt  erläutern. 

Theodoros  Metochites  sagt  von  Synesios  S.  127  ME.  fori 
b'  ου  και  νεμεσήσαι  τις  δν  οικαύυς  τό  της  γλώσσης  παρά- 
τροιτον.  An  Stelle  des  letzten  Wortes  bietet  die  Handschrift, 
nach  der  A.  Mai  diesen  Essai  zuerst  veröffentlichte  (Scriptornm 
vett.  nova  collectio  II  S.  687),  πάτροπον,  wozu  am  Rande  ρά• 
τρόπον  vermerkt  ist.  Auch  damit  ist  ersichtlich  nichts  anderes 
ah  παράτροπον  gemeint,  die  Randbemerkung  will  sagen  :  schiebe 
in  πάτροπον  vor  τρόπον  die  Silbe  pa  ein.  Das  gleiche  Ver- 
weisangeprincip  ist  in  einem  von  A.  Ludwich  Batrachomachie 
S.  345  hervorgehobenen  Falle  bei  einem  sehr  umfänglichen  Nach- 
trage befolgt.  In  der  ältesten  Handschrift  dieses  Gedichts  (Ba• 
roccianue  50)  stehen  die  Verse  209,  214,  215,  218  und  219 
ιάλλ'  oub'  ώς  άπεληγεν  κτέ.)  in  dieser  Reihenfolge  im  Text. 
Dazu  notirte  ein  Corrector  des  1.3.  Jahrhunderts  rechts  neben 
209:  —  στίχοι,  wiederholte  dann  auf  dem  unteren  Rande  der 
Seite  das  Zeichen:  —  und  schrieb  dazu  paarweise  die  Verse  210, 
211,  212,  213,  213^  216,  217,  218,  219  άλλ'  ούδ'  ως  άπεληγεν. 
Wir  '  '       '^'iispiel  τρόπον,  so  stellt  hier  der  aus  dem  Text 

V.  F.  LVIL  31 


482  Brinkmann 

wiederholte  Yeretheil  das  Stichwort   dar,   dae  den    vorauegeben- 
den  Versen  ihren  richtigen  Platz  vor  219  anweist. 

Dies  Verfahren  ist  nicht  erst  im  Mittelalter  auf  gekommen. 
Ganz  ehenso  half  sich  der  Copist  des  Herondas-Papyras^  als  er 
das  Anfangewort  des  Verses  VII  99  σεωυτου   irrthtimlich  ans- 
gelassen  hatte:    er    holte    es  in  dem  freien  Kaume  üher  der  Co* 
Inmne  (40)  nach  nnd  fügte  ihm  das  Wort,    vor    dem    es   einzu- 
schalten ist,  (Ττατηρας,    in  Verbindung   mit  einem  Verweieungs- 
zeichen  ^   hinzu.     Aber   auch    wo    es    sich   nicht   um   Ergänznug 
fehlender,  sondern  um  Variante  oder  Correctur  vorhandener  Text- 
worte handelt,    hat    man    sich  desselben  Orientirungsmittels   be- 
dient.    ZB.  in  der  Herculanischen  Rolle  von  Polystratos*  Schrift 
περί  αλόγου  καταφρονήσειυς    liest    man    am  Fuss  der  22.  Co!. 
die  Notiz  Xaßeiv  όληθι,  durch  correspondirende  Zeichen  bezogen 
auf  Z.  25  άπόλαυσιν  λαμβάνειν  όληθινήν.    Mit  einer  ganzen  An- 
zahl in  gleicher  Weise  orientirter  Randzusätze   ist  der  Text  des 
von  Leemans  (Papyri  gr.  musei  Lugduni-B.  II  1885)  und  A.  Die- 
terich (Abraxas  1891)  herausgegebenen  Leydener  Zauberpapyms 
W  nachträglich  vervollständigt.     So  stehen  unter  S.  19  (199  D.) 
die  Worte  επικαλούμαι  σε  ώς  ό  λίψ,  στάς  προς  τόν  λίβα  λίγε 
η  η  000  υυυυ  ιυαηυωιυ  αααααα  εεεεεεε  επικαλούμαι,  es  ist  dem- 
nach im  Texte  vor  einem  επικαλούμαι  der  Satz  επικαλούμαι  σε 
—  εεεεεεε  einzuscbieben,  der  durch  ein  nahe  liegendes  Versehen 
übersprungen  war.     Nun  findet  sich  έπικαλοΟμαι  auf  dieser  Seite 
sehr  oft,  in  Betracht  kann  jedoch  nur  der  Abschnitt  kommen,  in 
dem    von    den    Winden   die  Rede   ist,    nämlich  Zeile  20,  22,  24 
oder  26,    und  unter    diesen    hat  wieder  Z.  24  die  am  besten  be- 
gründeten Ansprüche.     Denn   nur   wenn    man  den  Nachtrag  hier 
einrückt,  werden  die  vier  Winde  in  einer  naturgemässen  Reihen- 
folge (OSWN)  aufgeführt.  Ferner  sind  über  S.  9  (173  D.)  die  Worte 
gesetzt  είτα  κυνός  δστρου  ανατολή  ν  είτα  την  τήςΟώθεως, 
dh.  είτα— άνατολήν  soll    vor  είτα  τήν  τής  (sie)  Οώθεως  Ζ.  47 
eingeschaltet  werden.    Kurz  vorher  macht  sich  eine  weitere  Lücke 
bei  πρόθεσιν  (Ζ.  45)  auf  den  ersten  Blick  bemerklich.   Sie  wird 
ausgefüllt  durch  die  am  Fuss  der  Seite  eingetragenen  Worte  την 
τροπήν  του  κόσμου  τήν  καλουμένην  πρόθεσιν.     Unmittelbar 
über  diesem  Nachtrage  steht  ein  zweiter:  και  τόν  τής  ημέρας 

^  Crusius  liest  δ  nnd  deutet  dies  οοτυις,  aber  weder  kann  die 
nach  links  sich  öifnende  kr«-*-*'» » inie  ein  ο  sein,"  noch  sind  die  Zeichen 
darüber  Spiritus  und 


Ein  Scbreibgebrauch  und  seine  Bedeutung  far  die  Textkritik   483 

και  τον  έπάναγκον  αυτών  ϊνα  έΗ  αυτών (S.  172  D.).  Er  dient 
zar  Ergänzung  von  Ζ.  36  κοι  τόν  τής  ημέρας  θ€Ον,  ϊνα  έί  αυτών. 
Hier  sind  also  dem  Supplement  nicht  nur  die  Worte,  vor  die  ee 
gehört,  sondern  auch  die,  hinter  denen  es  seinen  Platz  finden 
soll,  hinzugefügt.  Noch  mehr  Sicherheitemassregeln  sind  bei  einer 
Nachtragung  am  Ende  der  S.  δ  (192  D.)  getroffen.  Ausser  voran- 
und  nachgestellten  Stichworten  finden  sich  noch  Yerweisungs- 
zeichen  im  Text  Z.  22  άκουε  μοχλέ  7,  ανάβαλε  γή  und  vor  dem 
Nachtrage  7  &κου6  μοχλέ,  εΙς  buo  γενου  *  κλείων  bia  τόν 
αϊααϊνρυχαθ,  ανάβαλε  γή.  Nur  einmal  werden,  abgesehen  von 
Verweisungszeichen,  zur  Orientirung  allein  die  Worte  verwendet, 
hinter  denen  der  Randzusatz  einzuschieben  ist.  Ueber  S.  6  (187  D.) 
steht  της  θεοσοφίας  άνεύρετον  ποίησαν  τήν  βίβλον,  zu  Ζ.  22 
πλησθεις  της  θεοσοφίας  gehörig.  Dass  diesmal  das  Stichwort 
vorausgeschickt  ist,  mag  seinen  Grund  in  der  Rücksicht  auf  die 
grammatische  Zusammengehörigkeit  und  den  Platz  der  nachzu- 
tragenden Worte  haben,  die  den  Abschluss  eines  Textabschnittes 
bilden.  Immerhin  dürften  derartige  Fälle  zu  den  Ausnahmen 
gehören.  Die  Regel  bei  Verweisungen  mittelst  Stich worten  war 
jedenfalls,  Randzusätzen  die  Textworte  folgen  zu  lassen,  vor 
denen  sie  eingeschaltet  werden  sollen.  Und  es  leuchtet  ein,  dase 
diese  Art  von  Reclamen  sich  in  der  That  am  besten  zur  Orien- 
tirung eignete.  So  hat  sich  ihr  Gebrauch  auch  nicht  auf  die 
Verweisung  von  Marginalien  beschränkt.  Denn  es  liegt  doch 
das  gleiche  Prinzip  zu  Grunde,  wenn  man  die  Reihenfolge  der 
Blattlagen,  Blätter  oder  Seiten  in  den  Codices  statt  durch  Zahl• 
zeichen  vielfach  dadurch  bezeichnete ,  dass  man  ihnen  am 
Schlnss  das  oder  die  Anfangsworte'  der  nächstfolgenden  Seite 
beischrieb.  Auch  diese  Sitte  reicht  bis  ins  Alterthum  zurück. 
Nicht  nur  der  Leydener  magische  Papyruscodex  W  befolgt  sie*, 
sondern  bereits  altbabylonische  Schreiber  verfahren  danach.  So 
ist  die  Reihenfolge  der  von  Zimmern  (Assyriolog.  Bibliothek 
XU  1.    1896)    veröffentlichten   \Surpu'-Tafeln    auf   diese    Weise 

^  Das  entspricht  genau  dem  deutschen  'entzwei  gehen*,  es  kann 

daher  KXcibCJv,  wie  man  das  κλειων  gelesene  Wort  gedeutet  hat,  un- 
möglich richtig  sein.  Man  vgl.  noch  S.  6,  51  (189, 13  D.)  σχίσον  βίς  δύο. 
3  Dass  es  in  diesem  Sinne  zu  verstehen  ist,  wenn  bis  S.  19  (mit 
einer  Ausnahme)  die  Schlussworte  jeder  Seite  und  die  Anfangsworte 
der  nächsten  sich  decken,  geht  am  klarsten  daraus  hervor,  dass  das 
^'ort  ΐ€ρατιστ(,  das  die  8.  Seite  eröffnet,  am  Schlass  der  7.  in  beson- 
derer Zeile  für  sich  allein  geschrieben  ist. 


484  Brinkmann 

festgelegt.  Die  4.  Tafel  zB.  schliesst  mit  den  Worten  (S.  25): 
^  Bescbwörang.  Ein  böser  Flucb  bat  wie  ein  Dämon  einen  Men- 
scben  befallen.  Vierte  Tafel  Surpn.  Ibrem  Original  gemäss  ab- 
gescbrieben^  usw.  Die  Worte  '  Bescbwörang — befallen*  sind  dem 
Anfang  der  5.  Tafel  entnommen,  sie  bilden  die  *Sticbzeile^  die 
angiebt,  dass  diese  Tafel  derjenigen  unmittelbar  voranzugehen 
babe,  die  so  beginnt.  Aus  dem  Mittelalter  bat  sieb  dann  diese 
Verwendung  der  Eeclamen  in  Schrift  und  Druck  weiter  und 
weiter  vererbt,  und  wenn  sie  jetzt  aus  den  Erzeugnissen  der 
modernen  Druokerpresse  fast  ganz  verschwunden  sind,  leben  sie 
bekanntlich  in  der  oonservativen  Praxis  der  Kanzleien  noch  heute 

« 

uneingeschränkt  fort. 

So  verbreitet  nun  auch  der  G-ebrauch  von  Stichworten  zur 
Orientirung  marginaler  Nachträge  gewesen  sein  moss,  ist  er  doch 
allem  Anschein  nach  niemals  zu  allgemeiner  oder  auch  nur  über- 
wiegender &eltang  durchgedrungen.  Dieser  Zustand  konnte  aber, 
ja  musste  fast  mit  Noth  wendigkeit  zu  mancherlei  Uebelständen 
führen.  Abschreiber,  denen  das  Stichwort- Verfahren  nicht  ge- 
läufig war,  standen  derartigen  Verweisungen  rathlos  gegenüber 
und  waren  genöthigt  sich  mit  ihnen  nach  Massgabe  ihrer  Ein- 
sicht und  Gewiesenbaftigkeit  abzufinden.  Wessen  man  sich  aber 
unter  solchen  Umständen  zu  versehen  hat,  läset  sich  leicht  er- 
messen, wenn  man  bedenkt,  wie  viel  Verwirrung  überhaupt  durch 
unrichtige  Verwerthang  von  Marginalien  in  der  antiken  Litteratur 
angerichtet  ist,  wie  oft  Varianten  und  abweichende  Hecensionen  ^, 
Correcturen  und  Inhaltsangaben^,  Glossen  und  Scholien,  Ver- 
weisungen^ und  redactionelle  Vermerke^,    lobende  oder  tadelnde 

1  Vgl.  Blase  in  Iw.  Müllers  Handbuch  1^  S.  260  f.  Ueber  die  be- 
sondere Bedeutung  dieses  Factors  in  der  Arietoteles-Ueberlieferung  s. 
namentlich  L.  Spengel,  Abhandl.  d.  bayerischen  Akad.  yi(1852)  S.  511, 
Torstricks  Praef.  zu  de  anima  S.  XXII  ff.  und  Diels  Abhandl.  d.  Berliner 
Akad.  1882  S.  31  ff. 

^  Das  gilt  natürlich  vorzugsweise  von  Werken  wissenschaftlichen 
Inhalte,  zß.  Rhet.  ad  Alex.  S.  23,  20  Sp.  [πόθ€ν  dv  τις  άπολογήσαιτο] 
(erkannt  von  Yictoriusj,  Philon  Mech.  S.  49,  17  [irepl  τής  καθόλου 
τέχνης],  sowie  S.  94,  13,  Heron  Pneum.  S.  12,  3  f.  Seh.  [μ£ταβάλλ€ΐ 
τά  παχύτερα  τύιν  σωμάτων  εΙς  λεπτομερεστέρας  ουσίας]  und  S.  22,  25  ff. 
[διότι  οΐ  κάτω  κολυμβώντες  ού  θλίβονται  ύπό  τοΟ  υπεράνω  δδατος]. 

β  ΖΒ.  Hippocr.  V  S.  344  L.  [τά  ίκ  τοΟ  σμικροΟ  πινακιδίου  σκε- 
ητέά]  β.  Bröcker  Rhein.  Mus.  40  S.  431,  Alex.  Aphrod.  II  S.  128,  22 
[περί  τής  απορίας  ταύτης  καΐ  έν  τοϊς  ύστέροις  εΤρηταί  τι]  β.  Bruns, 
Suidas  unter  Συριανός  [εΙς  τά  Πρόκλου]  8.  R.  Scholl  Anecd.  II  S.  5. 

*  Dionys.  Hai.  de  Isoer.  S.  570  R.  =  80,  12  UR.  [άσύναπτα]  s. 


Ein  Scbreibgebrauoh  und  seine  Bedeatung  für  die  Textkritik     485 

Aeasserangen  ^  und  sonstige  Notizen  kritischer  Leeer  an  der  ersten 
besten  Stelle  dnrcb  die  Absclireiber  den  von  ihnen  copirten 
Texten  einverleibt  sind.  BereitR  Grälen  weiss  in  seinen  Erlänte- 
rangsschriften  zu  Hippokrates  ein  Lied  davon  za  singen  ^. 

Nach  alledem  wird  man  darauf  gefasst  sein  müssen  in  den 
antiken  Texten  auch  solche  Schäden  anzutreffen,  die  auf  diesem 
Wege  entstanden  sind.  Diese  Fehlerquelle  ist  auch  nicht  ganz 
ohne  ausdrückliche  Anerkennung  geblieben.  So  zeigte  Usener 
Epicurea  S.  XXIV  f.,  dass  einer  der  verschiedenen  Zusfttze, 
durch  die  Diogenes  Laertius  III  6  und  7  seine  Vorlage  erweitert 
hat  und  die  dann  durchweg  an  möglichst  unpassende  Stellen 
gerathen  sind,  noch  jetzt  sein  Ursprungszeugniss  in  Gestalt 
des  .angehängten   Stichworts    aufweist.      Es   ist   der    Satz  (§7) 


Sadee  de  Üion.  H.  scr.  rhet.  S.  19  ff.  und  Serapion  v.  Thmuis  S.  72, 2* 
Lagarde  [ανακόλουθα]  β.  Pitra  Anall.  saora  V  S.  59  und  Sitzungsber. 
Berl.  Akad.  1894  S  481,  dh.  *hier  ist  der  Text  nnzasammen hängend', 
femer  Diog.  Laert.  X  121  [μ€τιτέον  bk  έιτί  τήν  έπιστολήν]  u.  122  [τό 
έζής '  Δοκεΐ  b'  αύτοίς]  β.  Usener  Epicurea  S.  XXXII  ff.  Im  psendoplut. 
Leben  des  Andokides  steht  am  Schluss  des  von  Westermann  als  nach- 
trägliche Einlage  entlarvten  Excurses  über  den  Hermenfrevel  (bia  τό 
πράτ€ρον ώς  Κράτιππός  φηοι)  der  Vermerk  [προσαμαρτών  μυ- 
στήρια], di.,  wie  Dubner  erkannt  hat,  προς  *Αμαρτών  μυστήρια  'setze 
vorstehendes  den  (der  Einlage  unmittelbar  vorhergehenden)  Worten 
άμαρτιΐιν  μυστήρια  hinzu*. 

1  Vgl.  ua.  Cobet  Mnemosyne  IX  S.  98  ff.  Es  ist  freilich  auch 
wohl  hie  und  da  Missbranch  mit  solchen  Annahmen  getrieben.  So  hat 
Cobet  bei  Julian  VII  S.  231  &  in  dem  Satze  di  ZcO  πάτ€ρ  ή  6  τι  σοι 
φ{λον  δνομα  ή  δπως  ονομάΖεσθαι  —  τουτί  γάρ  ^μοιγε  ουδέν  διαφέρει 
—  δείκνυε  μοι  τήν  έπΙ  σέ  φορούσαν  όδόν  die  Worte  τουτΙ  γάρ  £μοιγε 
ουδέν  διαφέρει  als  ironische  Bandbemerkung  eines  Lesers  getilgt.  Schon 
das  hierbei  ganz  unbegreifliche  γάρ  hätte  ihn  oder  Hertlein,  der  ihm 
folgt,  bedenklich  machen  müssen.  Vollends  klar  wird  die  Verkehrtheit 
der  Athetese,  wenn  man  vergleicht  zum  Gedanken  etwa  Origen.  c. 
Geis.  V  41  und  Macar.  Magnes  IV  21  S.  200,  zum  Ausdruck  Method. 
S.  343,  5  Bonw.  άπό  τΦν  στοιχείων  ή  ΰλης  ή  στηριγμάτων,  ή  βττως 
αύτοΙ  βούλεσθε  δνομά2Ιειν  —  ουδέν  γάρ  διαφέρει,  Aelian  V.  Η.  Ι  25 
Αλέξανδρος  ό  Φιλίππου,  εΐ  δέ  τψ  δοκεϊ  ό  τοΟ  Διός  —  έμοί  γάρ  ουδέν 
διαφέρει,  Aeschines  Tim.  164  όστισδηποτοΟν  —  ουδέν  γάρ  διαφέρει. 

8  S.  Galen  Χ VII  1  S.  79  f. .  634,  909  und  sonst  (vgl.  Bröcker 
Rhein.  Mus.  40  S.  417  ff.  und  Blass  im  Handbuch  I>  S.  257  ff.),  ausser- 
dem Siroplicius  in  Categ.  51*»  38  Br.  δισσογραφία  τις  έν  τούτοις  συνέβη  * 
ουδέν  γάρ  'Αριστοτέλης  έκ  περιττοΟ  τοΧς  λόγοις  προστίθησιν,  άλλ*  Τσως 
Πω  παραγεγραμμένης  τής  άλλης  γραφής  οΐ  γράφοντες  τά  δύο  εΙς 
τό  εδάφιον  ένεγράψαντο. 


486  Brinkmann 

προσεϊχε  Κροτύλιμ  τ€  τφ  Ήρακλ€ΐτ€ίψ  και  Έρμογένει  τψ  τά 
ΤΤαρμενί^ου  φΐλθ(Τθφουντι,  der  wie  dae  fulgende,  im  jetzigen 
ZaeammenhaDge  unverständliche  ίπ€ΐτα  angiebt,  vor  ίτΓ€ΐτα  μεντοι 
μέλλων  (§  6)  seinen  Platz  hatte  finden  sollen.  Und  Ludwich 
erklärte  Batrachomachie  S.  345  die  Thatsachey  daee  sich  V.  76 
fast  Tollständig  mit  69  deckt  durch  die  Yermnthung,  es  seien 
74  und  75  im  Archetypus  am  Rande  nachgetragen  gewesen  und 
69  hinzugefügt,  um  ihre  Einreihung  vor  diesem  Verse  zu  ver- 
anlassen. Im  Allgemeinen  hat  man  jedoch  anscheinend  diesem 
Verweisnngsmodus  sowie  den  durch  seine  Unkenntniss  oder  Ver- 
nachlässigung verursachten  Irrungen  nicht  die  gebührende  Auf- 
merksamkeit geschenkt.  Es  dürfte  sich  daher  verlohnen  dem 
Gegenstande  etwas  näher  nachzugeheti  und  seine  Wichtigkeit  für 
die  Ueberlieferung  der  antiken  Litteratur  an  einigen  charakter- 
istischen Proben  aufzuzeigen. 

Ein  bekanntes,  dem  Anaxagoras  zugeschriebenes  Wort  lautet 
in  Jamblichs  Protreptikos  c.  9  nach  dem  Florentinus  έρΐϋτηθ€ντα, 
τίνος  Sv  ?ν€κα  ΐΚοχτο  γενέσθαι  τις  και  ίήν,  άποκρίνεσθαι  .  .  . 
ώς  του  θεάσασθαι  τά  περί  τον  ούρανόν  κοί  περί  αυτόν  άστρα 
κτέ.  Mit  Hilfe  der  Parallelsteilen  hat  Pistelli  in  seiner  Aus- 
gabe S.  51,  13  die  Schlussworte  verbessert  zu 

θεάσασθαι  [τά  περί]  τόν*  ούρανόν  και  (τα^  περί  αυτόν 

άστρα. 
Man  wird  diese  Cofruptel  schwerlich  andere  erklären  können,  als 
wenn  man  in  τά  TT€pi  eine  ursprünglich  ausserhalb  des  Textes, 
beigeechriebene  Correctur  sieht,  die  besagen  sollte,  dass  vor  περί 
(αυτόν  άστρα)  der  Artikel  irrthümlich  ausgelassen  sei.  Ebenso 
wird  man  Stellen  zu  beurtheilen  haben  wie  Kleomedes  II  5  S.  194, 
17  f.  Z. 

οΰτυ)  [πάσαν  αυτήν)  περιε'ρχεται  —  nämlich  ή  σελήνη  — 

ιτερι  \ττδσαv^  αυτήν, 
Heron  Automat,  S.  430,  9  Seh. 

κα\  ^άνιυβεν  περόνιον^  ^ιαισαι  bia  τρυπηματίου   του  εν 

τή  πλευρςί  και  (άνωθεν  ιτερόνιον  όιώσας]  bia  τής  άτ- 

κύλης, 
wnd  v^*rnnithiich  auch  den  in  dieser  Zeitschrift  LVl  S.  70  f.  b«- 
hf^ndeUon  Sntjn  der  Re^ie  Gregors  an  Origenes  §  161 

οις    tiTTtp   έττεία^^.    πριν   φιλοσοφήσαι,   προσεΧβεΐν   το 

πιΗύτον»  ^προσανειχετο'  αν   και  ήγάπα.  .  .  ,  οία   bn   -*" 

η>νκατ^ιληυαε\ης  τής   ψ^'Χης   uη^ετπü  λόγοις  ]«ροσιη>ει- 

χιτο  αν  και  ήγαπα]. 


Ein  Schreibgebrauch  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik     487 

Zar  Annahme  eines  verkannten  Nachtrages  mit  doppelter  Orien- 
tining  drängt  die  Ueberlieferung  in  Porphyrios'  Leben  Plotine  o.  9: 
?σχ€  bi  και  γυναίκας  σφόορα  προσκ€ΐμίνας,  Γβμίναν  t€, 
ής  και  έν  τή  οΐκίςι  κατφκβι,  και  την  τούτης  θυγατέρα, 
Άμφίκλειάν  τε  ...  [σφόορα  φΐλοσοφί(^  προσκβι- 
μίνας]. 

Die  Schlassworte  waren  wohl  die  Kandbemerkung  eines  Lesers, 
der  an  dem  Aasdruck  ίσχε  σφόορα  προσκειμένας  f  es  waren 
ihm  sehr  ergeben')  mit  Unrecht  Anstoss  nahm  und  —  zum 
Schaden  des  Sinnes  —  φΐλθ(Τοφί(]ΐ  dazwischen  eingeschoben 
wiesen  wollte.  Der  seltenere  Fall  einer  Verweisung  durch  voraus- 
geschicktes Stichwort  scheint  dagegen  bei  Athenaeus  XI  S.  505  f. 
Yorzaliegen.     Denn  wenn  Kaibel  mit  Recht  hergestellt  hat 

άλλα  μην  ου  δύνανται  Πάραλος  καΐ  Ξάνθιτπτος  ο\  Περι- 
κλέους υΙοι  [τελευτήσαντες  Ίύ>  λοιμψ]  Πριυταγόρςι 
διαλέγεσθαι,  οτε  <τό>  δεύτερον  έπεοήμησε  ταϊς  'Αθήναις, 
ο\  ίτι  (?)  πρότερον  τελευτήσαντες  (τψ  λοιμψ), 

so  ist  die  Verderbniss  doch  nur  unter  der  Voraussetzung  be- 
greiflich, dass  τελευτή(Ταντες  τψ  λοιμφ  ein  verstelltes  Mar- 
ginale ist,  das  den  Ausfall  von  τφ  λοιμώ  am  Satzschluss  be- 
richtigen sollte. 

Handelt  es  sich  in  den  bisher  betrachteten  Beispielen  immer 
nur  um  die  Nachtragung  von  einem  oder  zwei  Worten,  so  fehlt 
es  auch  nicht  an  Belegen  für  irrthümliche  Einordnung  längerer 
Randzusätze  dieser  Art.  Besonders  klar  tritt  der  Sachverhalt  zu 
Tage  in  dem  biographischen  Artikel  des  Suidas  über  den  Ko- 
miker Phrynichos.  Da  werden  die  Stücke  dieses  Dichtere  in 
folgender  Ordnung  aufgeführt: 

'Εφιάλτης,  Κόννος,  Κρόνος,  Κωμασταί,  Σάτυροι,  Τρα- 
γιυοοί  ή  Απελεύθεροι,  Μονότροπος,  Μουσαι,  Μύστης, 
Ποάστριαι,  Σάτυροι. 

Nun  kennt  die  Liste  des  cod.  Estensie  (Kai  bei  FCGr.  IS.  10)  von 
Phrynichos  nur  10  Komödien,  hier  sind  es  11,  aber  der  Titel 
Σάτυροι  wird  zweimal  genannt  und  zwar  das  zweite  Mal  ohne 
jedes  unterscheidende  Kennzeichen.  Man  strich  daher  frühzeitig 
das  zweite  Σάτυροι  als  überflüssig.  Allein  C.  Wachsmuth  (Symb. 
phil.  Bonn.  S.  151)  erkannte,  dass  die  Verderbniss  tiefer  greife 
und  die  ursprünglich  durchweg  alphabetische  Reihenfolge  der 
Titel  zerrissen  habe,  ohne  dabei  auf  eine  Erklärung  ihres  Ur- 
sprungs einzugehn.    Einmal  auf  diese  Dinge  aufmerksam  geworden 


488  Brinkmann 

sieht  man  leicht,  was  vorgenrangen.  Die  Titel  Μονότροττος, 
ΜοΟσαι,  Μύστης,  ΤΤοάστριαι  waren  aae  Vereeben  übersprungen 
und  am  Rande  zusammen  mit  Σάτυροι  als  Stichwort  nach- 
getragen, zum  Zeichen  dass  sie  vor  Σάτυροι  in  den  Text  ge- 
hörten ^.  Der  nächste  Copist  beachtete  das  nicht  und  schob  den 
Nachtrag  sammt  seinem  Stichwort  kurzerhand  ans  Ende  des 
Pinax. 

Nicht  ganz  so  einfach  liegt  der  Thatbestand  bei  einer  Stelle 
der  Schrift  des  Alexander  von  Aphrodisias  περί  κρά(Τευϋς  και 
αύεή(Τειυς.  Tm  11.  Kapitel  dieses  ebenso  schwierigen  wie  wich- 
tigen Buches  wird  die  stoische  Lehre,  dass  Gott  (das  wirkende) 
die  Materie  (das  leidende  Prinzip)  durchdringe  und  gestalte, 
von  den  verschiedensten  Seiten  aus  beleuchtet  und  ad  absur- 
dum geführt.  An  seinem  Schlüsse  heisst  es  dann  S.  226,  BO  ff. 
der  Akademie-Ausgabe  προς  bk  τούτοις  el  τα  κιρνάμενα  άλλή- 
λοις  σώματα  άντιπάσχειν  υπ  αλλήλων  ανάγκη,  το  be  bi'  αλ- 
λήλων χωρουντα  σώματα  κιρναται  άλλήλοις,  εϊη  τ'  δν  άλληλα 
«««  Ταύτα  μέν  είπεϊν  προήχθην  6ιά  τους  αντιλέγοντας  κτέ. 
Mit  Recht  hat  der  Herausgeber  das  Zeichen  der  Lücke  gesetzt, 
es  fehlt  der  Nachsatz,  die  Schlussfolgerung:  *80  ist  auch  Gott 
mit  der  Materie  vermischt,  erfährt  demnach  von  ihr  Gegenwirkung, 
leidet  also  oder  ahnlich.  Bruns  hat  auch  bereits  treffend  dnrauf 
hingewiesen,  dass  der  hier  ausgefallene  Gedanke  sich  weiter  unten 
S.  227,  19  ff.  vorfinde.  Da  stehen  unvermittelt  und  zusammen- 
hanglos zwischen  zwei  Sätzen,  in  denen  von  ganz  anderen  Dingen 
die  Rede  ist,  die  Worte  και  6  θ€Ος  κιρνάμενος  τή  υλη,  el  hl 
τοΟτο,  και  άντιπάσχων  υπ'  αυτής"  οΐς  ?π€ται  τό  τε  τον  θ60ν 
πάσχ€ΐν  και  τό  την  υλην  ποΐ€Ϊν,  άλλα  ταύτα  —  dem  Sinne  nach 
genau  das,  was  S.  226,  34  fehlt.  Es  kann  daher  kein  Zweifel 
sein,  dass  hier  eine  verschlagene  Randbemerkung  vorliegt,  die 
zur  Ergänzung  der  Lücke  am  Ende  des  11.  Kapitels  hatte  dienen 
sollen.  Nun  ist  mit  οίς  ?π€ται  τό  Τ€  τον  θ€Ον  πάσχ€ΐν  και  τό 
τήν  υλην  ποιεϊν  die  Schlussfolgerung  ans  Ziel  gelangt,  für  den 
Gedanken  ist  nichts  weiter  erforderlich.  Immerhin  besteht  aber 
die  Möglichkeit,    dass    einst   doch  noch  eine  jetzt  verlorene  Be• 


*  Von  hier  aus  eröffnet  eich  vielleiciit  auch  ein  Weg  zu  der  von 
Daub  (FU'ckeis.  Ji,hrb.  liv^l  S.  ih>4)  vemiisston  Erklärung,  wie  in  den 
Bio»  des  Ophelion  die  Titel  der  diesem  Komiker  von  Meiiieke  (Bist, 
crit,  S.  4i:>^  n.  A.  abgesprochenen  Stücke  Σάτυροι,  ΜοΟααι,  Μονό- 
Tpowoi  (iie)  oingednmgoD  sein  können. 


Ein  Schreibji^ebraach  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik      489 

merkung  mehr  oder  weniger  gleich  giltigen  Inhalte  folgte  nnd  die 
abgeriseenen  Worte  άλλα  ταύτα  ihren  Anfang  bildeten.    Darüber 
gilt  ee  zunächst  Klarheit    zn  gewinnen.     Der  Satz,    der    auf  die 
von  Bruns  angezeigte  Lücke  folgt  (S.  2*26,  34),  beginnt  mit  den 
Worten  ταυτο  μέν  είπεϊν  προήχθην  κτέ.,  ihm  fehlt  also  der  un- 
mittelbare Anechlnee    an  das   vorangegangene.     Hergestellt  wird 
die  Verbindung,  wenn  man  entweder  hinter  μέν  ein  bi\  oder  oöv 
einschiebt,  oder  aber  vor  ταυτα  eine  Partikel  wie  κοί  oder  άλλα 
hinzufügt.     Da  nun  vor  ταΟτα  sich    ohnehin  die  Lücke  befindet, 
80  iRt  natürlich  das  letztere  weitaus    vorzuziehen.     Ist  dem  aber 
so,  dann  kann,  da  mit  diesem  Satze  die  bisherige  Erörterung  ab- 
gebrochen wird,  nur  αλλά  ernstlich  in  Frage  kommen.     Der  auf 
die  Lücke    folgende  Satz    begann    also    aller  Wahrscheinlichkeit 
nach    mit   άλλα  ταυτα.     Eben    diese  Worte  άλλα  ταυτα    stehen 
aber  ganz  abrupt  am  Schluss  des  Nachtrags,  der  zur  Ausfüllung 
jener  Lücke  bestimmt  war  und  sie  auch  inhaltlich  in  vollkommen 
befriedigender    Weise    ausfüllt.     Der    Nachtrag   ist    also    in    der 
That  am  Ende  vollständig  und    das   abrupte   άλλα   ταυτα    stellt 
das    ihm    zur  Orientirung   angehängte    Stichwort   dar:    er    passt 
somit    genau    an    den    auf    die  Lücke    folgenden  Satz  an.     Setzt 
man  ihn  nun    an   dieser  Stelle    ein,    so    wäre  Alles  in  schönster 
Ordnung,  wenn  das  jetzt  vor  der  Lücke  stehende  άλληλα  fehlte'. 
Also  vor  der  statuirten   Lücke    ist    ein  άλληλα    überflüssig,    da- 
hinter ein  άλλα  erforderlich,  mit  anderen  Worten  dies  άλληλα  ist 
nichts  anderes  als  das  vermisste  άλλα,  leicht  verschrieben  unter 
dem    fortwirkenden     Einflüsse     der    unmittelbar    vorhergehenden 
αλλήλων    und    άλλήλοις^.     Die    Entstehung   des    jetzigen  Textes 
dürfte  demnach  in  folgender  Weise  vor  sich  gegangen  sein.     In 
einem  dem  Archetypen  vorausliegenden  Exemplar  war  der  Schluss 
des  11.  und  der  Anfang  des  12.  Kapitels  geschrieben  €Ϊη  τ'  δν| 
άλλα  ταυτα   μέν  βίπεΐν  προήχθην  κτέ.  mit  Auslassung    von  και 
6  θ€Ος  —  ποιεΐν  zwischen  &ν  und  άλλα.     Diese  Auslassung  zog 
dann  die  weitere  Verderbniss   von    άλλα   zu   άλληλα    nach    sich. 
Der  übersprungene  Satzschluss   και  6  θεός  —  ποιεϊν  aber  ward 
am  Rande  nachgetragen  und  ihm  die  Anfangsworte  des  nächsten 
Satzes  άλλα  ταυτα  als  Reclame  angehängt.    Wird  er  eingeordnet, 
so  ergiebt  sich  folgendes : 

προς  bk  τούτοις    6l  τά  κιρνάμενα  άλλήλοις  σώματα  άντι- 
πάσχειν  ύπ'  αλλήλων  ανάγκη    (bia  τούτο  γάρ  ούοίτερον 


*  Vgl.  Bd.  LVI  S.  72  dieser  Zeitschrift. 


490  Brinkmann 

αυτών  φθείρεται,  δτι  έκάτερον  αυτών  πάσχον  ύφ'  έκοτέρου 
έν  τώ  πάσχειν  άντιποιεϊ),  τα  οέ  bf  αλλήλων  χωρουντα 
σώματα  κιρναται  άλλήλοις,  εϊη  τ'  δν*  |  και  ό  θεός  κιρνσ- 
μενος  τη  υλη,  εΐ  bk  τούτο,  και  άντιπάσχων  υπ'  αυτής' 
οίς  ϊπεται  τό  τε   τόν    θεόν   πάσχειν   και   το  τήν   υλην 

άλλα      ταΟτα 


ποιεϊν.     άλλ[ηλ]ά  τούτα  μέν   εΙπεΐν  προήχθην   biä  τους 

αντιλέγοντας  μέν  Άριστοτίλει  κτέ. 
Wie  ist  aber  der  Nachtrag  an  die  ro  weit  abgelegene  Stelle  ge- 
ratben,  an  der  er  jetzt  steht?  Der  Schaden  ist,  wie  eich  gezeigt 
hat,  jedenfalls  recht  alt.  Nan  lehren  aber  die  griechiscben  Hand- 
schriften des  Alterthume  und  frühen  Mittelalters^,  wie  die  Her• 
culaniecben  Rollen,  die  Papyri  des  Bakchylides,  Herondae,  Homer, 
Hypereides,  der  Ascensio  Jesaiae,  die  Bibelcodioes  nya.,  daes 
man  damals  als  Unterkunft  für  Nachträge,  Varianten  und  ähn- 
liche Notizen  vorzugsweise  den  Raum  über  und  unter  den 
Spalten  oder  Seiten  zu  benutzen  pflegte^.     Es  dürfte  sich  daher 


^  Dem  τξ  entspricht  (cl  bk  τοΟτο)  καί.  Der  sich  zunächst  dar- 
bietende Gedanke,  nach  €!η  τ*  αν  etwa  (ή  ολη  κιρναμένη  τφ  θεφ)  oder 
dergleichen  zu  ergänzen,  hält  reiflicher  Prüfung  nicht  Stich.  Mit  dr\ 
dv  beginnt  Alex,  mit  Vorliebe  den  Nachsatz,  zB.  S.  221,  35.  222,  15. 
18.  24.    226,  23  und  τβ  gebraucht  er  oft  in  sehr  freier  Weise. 

*  Dasselbe  gilt,  wie  es  scheint,  von  den  ältesten  lateinischen 
Handschriften.  Die  Orientirung  der  Randzusätze  wird  hier  abgesehen 
von  den  Verweisungezeichen  noch  dadurch  bewirkt,  dass  man  der  de- 
fekten Textstelle  wie  ihrem  Supplement  die  litterae  singulares  hs  (dh. 
hoc  Bupplendnm  oä.)  beifugt,  so  im  Plinius-Palimpsest  von  St.  Paul 
(Dziatzko  Unters,  über  d.  antike  Buchwesen  S.  110,  vgl.  Mommaen- 
Studemund  Analecta  Liv.  S.  22),  und  in  Dichter-Handschriften  aach  in 
der  Weise,  dass  dem  der  Auslassung  vorangehenden  Verse  ein  Äy  den 
nachgetragenen  Β  und  die  folgenden  Buchstaben  in  der  Reihenfolge 
des  Alphabets  vorgesetzt  werden,  zB.  im  Medioeus  39, 1  (s.  Max  Hoff- 
mann  S.  XVII)  und  Vaticanus  3225  des  Vergil  (s.  das  Facsimile),  viel- 
leicht auch  im  Ambrosianus  des  Plautus  (383'  s.  Studemunds  Apo- 
graphum). 

^  Diese  Thatsache  hat  bereits  Schubart  in  seinen  Bruchstücken 
TW  einer  Methodologie  der  diplomatischen  Kritik  (1855)  S.  84  richtig 
erschlossen,  erklärt  und  verwendet:  "Auch  durch  Verschulden  der  Ab- 
sehreihor  konnten  grössere  Stücke  des  Textes  ausfallen;  bemerkte  man 
dies  nieht,  so  entstand  eine  Lücke;  wurde  es  noch  bei  Zeiten  entdeckt, 
Ht>  trug  man  uas  Ausirelassene  am  Rande  nach,  und  zwar  in  derRcgvl 
nm  oberen  oilor  unteren  Rande,  weil  es  an  dem  schmäleren  Seiten - 
randu  lucip»         *^  'Tebrach,   um   einen   längeren  Abschnitt   einzu- 


£io  Schreibgebrauch  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik     491 

auch  im  vorliegenden  Falle  empfehlen,  mit  diesem  feetetehenden 
Gebrauch  zu  rechnen  und  nicht  abstracten  Möglichkeiten  nach- 
zujagen. Die  auegelaseenen  Worte  waren  also  ursprünglich  am 
Fu8R  der  Seite  nachgetragen,  zu  der  sie  gehörten  und  wurden 
epäter  an  eben  dieser  Stelle  in  den  Text  eingereiht. 

Zn  dem  hier  erschlossenen  Vorgang  liefert  die  genaueste 
Analogie  ein  Abschnitt  des  mehrfach  erwähnten  Leydener  Zauber- 
papyrus  W  und  zwar  der  in  doppelter,  grossentheils  gleicb- 
lantender  Fassung  darin  enthaltenen  Kosmopoiie,  die  A.  Dieterich 
zum  Ausgangspunkt  seiner  Α  braxas- Untersuchungen  genommen 
bat.  In  der  zweiten  Fassung  heisst  es  S.  12,  1  fP.  (Leemanne  Π 
S.  121,  Dietericb  S,  8  f.)  ifikaoe  τό  πέμπτον  (η.  ό  θ€Ος)  καΐ 
Τ€λών  έστύγνασε  κα\  έφάνη  Μοϊρα  κατέχουσα  ίυγόν,  μηνυουσα 
h  εαυτή  τό  οίκαιον  εΤναι.  An  der  entsprechenden  Stelle  der 
ersten  (S.  5,  7  fp.)  ist  aber  zwiechen  δίκαιον  und  εΤναι  folgendes 
eingeschoben : 

λίγ€ΐ  την  βαριν,  έφ'  ή  αναβαίνει  άνατίλ[ο]λων  τφ  κόσμψ. 
ίστιν  bi 

ίφη    b*  αύτοϊς    ό   θεός    έΕ  άμφοτίριυν  είναι  τό  biVaiov 
πάντα  5έ  υπό  σέ  ίσται  τά  έν  κόσμψ.    και  πρώτη 
εκλήθη  bi.  ονόματι  άγίψ  άνατροιμμοιτι2Ιομένψ   φοβερψ  κα\ 
φρικτψ      θοριοβριαταμμαυϋρατγαδιυιυοαγγαριυαμματαιρβοι- 
ροθ.    έκάκχασε  τό  ϊκτον 
ούτως  είχε  τό  άντίγραφον. 
Wie  man   sieht,  besteht  die  Einlage,  abgesehen  von  den  Schluss- 
Worten,  aus  drei  Stücken,    die    weder   zu  einander  noch  zu  dem 
Satze,    in    den  sie    eingeschoben    sind,    die    geringste  Beziehung 
baben.     Ihr  Auftreten  an  dieser  Stelle   ist   daher,    wie  Dieterich 
(S.  9)  gesehen  hat,  nur  dann  begreiflich,  wenn  man  sie  als  Rand- 
bemerkungen der  Vorlage  fasst,  die  der  Copist  von  W  verständ- 
nisslos dem  Texte  einverleibte.     Darauf  weist  auch  das  ihnen  am 
iSchluss   angefügte    οίίτως    είχε    τό    άντίγραφον,    mit   dem    der 
Schreiber   seine  Bathlosigkeit   eingesteht  und  sich   zugleich  dem 
Leser    gegenüber    aller  Verantwortung    entledigt.      Und    weiter, 


tragen.  Hierdurch  wurde  derselbe  in  den  meisten  Fallen  weit  von 
seinem  ursprünglichen  Platze  abgerückt,  und  gerieth  in  Ermangelung 
von  Verweisnngszeichen  oder  bei  Vernachläesigung  derselben  von  Seiten 
des  Abschreibers  in  rathlose  Irre,  so  dass  man  den  Ausfall  entweder 
da  einfügte,  wo  sich  ein  passender  Platz  ohne  Suchen  darzubieten 
schion,  oder  wo  er  etwa  zunächst  stand.*  Vpl,  auch  Blase  im  Handb. 
I*  S.  26-2. 


492  Brinkmann 

jedes  dieser  drei  ehemaligen  Marginalien  besteht  ans  einem  in  eicb 
geschlossenen  Satze,  aaf  den  jedesmal  zwei  bezw.  drei  abge< 
rissene  Worte  folgen:  sie  tragen  also  durchaas  das  Gepräge 
der  mit  nachgestelltem  Stichwort  orientirten  Randzasätze  nnd 
Varianten. 

Was  zunächst  das  erste  von  ihnen  betrifft,  so  findet  es  eicb 
in  dieser  ersten  Fassung  der  Kosmopoiie  nirgends,  es  war  daher 
in  der  Vorlage  zweifellos  als  Supplement  gemeint,  das  vor  einem 
icTTiv  bk  in  den  Text  aufgenommen  werden  sollte.  Nun  kommt 
aber  ί<Ττιν  bk  in  dieser  Partie  des  Papyrus  wiederholt  vor,  es 
empfiehlt  sich  daher,  um  den  richtigen  Platz  zu  ermitteln,  von 
der  zweiten  Fassung  auszugehen.  Hier  stehen  jene  Worte  λ€Τ€ΐ 
—  κόσμψ  S.  11,21  (Dieterich  S.  6**)  hinter  τό  bk  φυσικόν  σου 
βνομα  αΙγυτΓΓίστι  Άλδαβαείμ  und  vor  6  bk  έπΙ  της  βάρεως 
φανείς.  Dem  entspricht  in  der  ersten  Fassung  S.  4,  26  (Diete- 
rich S.  6*)  τό  bk  φυσικόν  σου  δνομα  αίγυπτιστι  Άλδαβαείμ 
(γράμματα  θ),  κατ  ίστιν  bk  ό  έπι  της  βάρβως  φάνεις  κτέ. 
Man  hat  hier  κατ  und  ^στιν  zu  κάτεστιν  zusammengefasst  und 
so  ein  weder  sonst  beglaubigtes  noch  an  sich  glaubliches  Ver- 
bum  geschaffen.  Wie  man  sich  aber  auch  mit  diesem  κατ  mag 
abzufinden  haben,  soviel  ist  unbestreitbar:  genau  an  der  Stelle, 
auf  welche  die  zweite  Fassung  hinführt,  findet  sich  in  der  That 
ein  ίστιν  bi,  das  Stichwort  jenes  Nachtrages.  Was  bedeutet 
nun  das  räthselhafte  κατ?  Es  kommt  noch  einmal  im  Papyrue 
vor,  nämlich  S.  4,  2,  und  zwar  wie  aus  dem  beigegebenen  Facei- 
mile  auf  Tafel  Π  ersichtlich  ist,  mit  höher  gestelltem  Endbuchstaben 
geschrieben  (κα'^),  somit  als  Abbreviatur  gekennzeichnet.  Die 
Satzgruppe,  in  der  es  da  erscheint  —  πρώτον  έφάνη  φώς,  αύτπ• 
bi'  ης  ίστησε  τά  πάντα  έγίνετο  bk  θεός.  κατ.  ούτοι  γαρ  είσι. 
ουταις  εΤχε  τό  άντίγραφον^  —  steht  ausser  jeder  Verbindung  mit 
dem  vorhergehenden,  wie  dem  nachfolgenden,  sie  ist  auch  äueser- 
lich  vom  übrigen  Text  scharf  abgetrennt.  Dieser  Umstand  im 
Verein  mit  dem  bezeichnenden  Zusatz  ουτιυς  είχε  τό  άντίτρβφον 
beweist  aber,  dass  der  Passus  bereits  in  der  Vorlage  am  Kande 
stand,  und  zwar  da  die  Stelle,  auf  die  er  sieh  bezieht  (S.  4,  39  = 
S.  7*  8  ff.  D.),  erst  später  folgt,  ebenso  wie  in  W  am  oberen  Rande. 
AIro  κατ  ist  Abbreviatur,  es  findet  sich  einmal  an  einer  Stelle,  zu 
der  ehemals  eine  Randbemerkung  gehörte  (S.  4,  27),  das  anderemal 
in  einer  solchen  Randbemerkung  selbst  (S.  4,  2),  in  beiden  Fallen 


^  Diese  Z(*ilen  s^  unberücksichtigt  g^lassea. 


Ein  Schreibgebrauch  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik     493 

ist  es  ein  überflüesigee  nnd  störendcB  Element,  das  auH  dem  Zu- 
Bammenbange  vollständig  berausfällt.     Was  liegt   also  nSber  als 
den  Scblase  za  zieben,  dass  es  auf  die  Randbemerkung  als  solche 
Bezug  bat,  db.  irgendwie  zur  Verweisung  dient,    mitbin,    da  im 
einen  Falle  das  zugebörige  Marginale  weiter  unten  folgt,  im  an- 
deren das  Marginale   zu  einer  weiter  unten  folgenden  Stelle  ge- 
hört,   dass  es   κάτιυ  zu  lesen  ist?    In    der  Tbat  sind  derartige 
Vor•  und  Rückverweisungen  auf  und  von  Randbemerkungen  mit- 
telst κάτω  und  ävuj  im  Sinne  von  *  siebe  unten'  bezw.  'oben'   in 
den  antiken  Manuscripten   nicbts    weniger    als    selten.     So  stebt 
im   Oxyrbynchos-Papyrus    des  V.  Bucbes    der   Ilias   (II  S.  102) 
neben  V.  125   recbts   κάτω,    links    ein  Verweisungszeicben,    am 
Fuss    der  Columne    ist    dann    der    ausgelassene  Vers  126    nach- 
getragen und  ihm  ein  entsprechendes  Zeichen  vor-,  ein  άνω  nach- 
gesetzt.    In  ähnlicher  Weise  ist  verfahren  in  den  Herculaniscben 
fiollen  der  Rhetorik  Pbilodems  I  S.  9  Sudh.  (=  V*  33),  IIS.  133 
(=  VI2  189),  S.  185  (==  Xl«  114),  S.  245,  264,  des  Index  Aca- 
demicorum  Col.  20  (Mekler  S.  72  f.,  vgl.  S.  21,  37,  XIII),  ferner 
in  den  Oxyrh3nchos-Papyri  I  S.  26  Col.  II,  im  Codex  Sinaiticus 
IV  82,  92  US.     Ebenso    findet   sich    aber  auch  häufig  umgekehrt 
neben  oder  über  eine  lückenhafte  Stelle  ein  ανω  gesetzt,  das  auf 
die   am  Kopf  der  Seite    eingetragene    und    demgemäss   mit  dem 
Vermerk  κάτω  versehene  Ergänzung   verweist.     Im  Hypereides- 
Papyras  Α  zB.  hat  der  Copist    zu  Anfang   der  Euxenippea  eine 
Zeile    ausgelassen  und   den  Defect    dann    dadurch    ausgeglichen, 
dass  er  die  übersprungenen  Worte  άλλ'  fjv  (Ιττάνιον    ibeiv    über 
der  Columne  (19)  nachholte,    ihnen    ein  κάτω  anhängte   und   da, 
wo  sie  im  Texte  fehlen  (hinter  Z.  2),  άνω  hinzufügte.     Weitere  ' 
Belege   liefern  Volum.  Hercul.  X^  176,    der    Herondas  -  Papynis 
Col.  34,  Oxyrh.  P.  I  S.  42,  Π  S.  44,   S.  100  f.,  Amberst  P.  Π 
S.  24.     In  einigen  der  angeführten  Beispiele  ist,  wie  es  scheint, 
auch   nur  eins  der  beiden  Verweisungswörter  gesetzt,  in  mehreren 
Fällen   sind  sie  ferner  abgekürzt  geschrieben,  einmal,  in  der  Hy- 
pereidee-Uandschrift,    κάτω   fast   genau   so  wie  im  Leidensis  W. 
Es  ergebt  sich'  also  nunmehr  folgendes  Resultat:  In  der  Vorlage 
des  Leydener  Zauberpapyrus  stand  am  Rande  zwischen  Αλοαβαβίμ, 
γράμματα    θ  und    fcJTiv    bk   ό    oder   im  Text  über  dieser  Stelle 
(Ö.  4,  27  W  =  S.  6•  3  D.)  das  Verweisungswort  κάτω,    dies  κάτω 
bezog  eich  auf  die  am  Fürs  der  Seite   nachgetragene  Ergänzung 
λέγ«   την  βαριν,    έφ'  ή  αναβαίνει    ανατέλλων   τω  κόσμω,  der 
iuTxy  bä  als  Stichwort  angeschlossen  war.     Die  Einordnung  des 


496  Brinkmann 

zu  kümmern,  an  eben  dem  Orte,  wo  er  sie  yorfand,  dem  Texte 
einyerleibte,  massten  sie  naturgemäss  in  der  Weise,  wie  sie  eich 
jetzt  im  Papyrus  vorfinden,  genau  hinter  einander  zu  stehen 
kommen  und  in  eine  gänzlich  fremdartige  Umgebung  hinein  ge* 
rathen  ^ 


1  Diesen  Bemerkungen  zum  Leydener  Zauberbuch  mag  es  ge- 
stattet sein  ein  paar  kritische  Kleinigkeiten  anzuscbliessen.  S.  1,  10 
=  170, 4  D(ieterich)  ist  gelesen  €ΐσ€λθόντος  γάρ  τοΟ  θ€οΟ  περισσότ€ρον 
(α.  οΐ  λύχνοι)  έζαωθήσοντα  ι.  Man  hat  daraus  έζωσθήσονται,  ßnu 
ώσθήσονται  oder  έΕαπωθήσονται  gemacht,  ohne  jede  Wahrscheinlich- 
keit. Gemeint  ist  doch  'wann  der  Gotl  erscheint,  werden  die  Lampen 
stärker  brennen*,  also  έΕαφθήσονται.  Wer  es  für  nöthig  hält,  ver- 
gleiche zB.  λύχνον  έξημμένον  im  Pariser  Zauberpapyrus  Z.  67  (S.  46 
Wessely).  S.  1,  33  f.  =  173,  4  D.  1.  τόν  λόχον  τών  ΟιρογενίΦν)  τόν  έν 
τή  ΚλειΜ.  S.  4,  17  u.  11,7  =  4,  15  D.  1.  biä  σέν  (=  σέ)  έ6ο£άσθην. 
S.  7, 26  f.  =  190, 20  D.  1.  βοήθησον  έν  άνάχκσις,  έλ^ησον  (für  ελεήμων) 
έν  ώραις  βιαίοις.  S.  15,43  =  181,  5  D.  1.  έπικαλοΟμαί  σ€  τόν  πάντων 
μβίίονα.  S.18,  1  =  196,  17  D.  1.  σύ  γάρ  €Τ  έγώ  καΐ  έγώ  σύ•  δ  έ<ά>ν 
€Τπω  δ€ΐ  ^ενέαΒαι.  Ebenso  ist  9,  28  =  170,  16  D.  οΰ  έν  βούλητοι  für 
έάν  =  dv  geschrieben.  Eine  Form  wie  ένε{πω  hat  in  dieser  Sphäre 
keinen  Platz.  Weiter  heisst  es  dann  τό  γάρ  δνομά  σου  £χω  φυλακτή- 
ριον  έν  Kapb((]i  τή  έμή  καΐ  ού  κατισχύσει  μ€  äitaaa  abpai  κινού- 
μενη, ούκ  άντιτά^εταί  μοι  παν  πνεΟμα,  ού  οαιμόνιον  κτέ.  Das  von  D. 
für  das  unverstäDdliche  σδραξ  eingesetzte  Στύζ  verstösst  gleich  sehr 
gegen  alle  diplomatische  Probabilität,  wie  es  den  durch  den  Zusammen- 
hang geforderten  und  durch  κινούμενη  gewährleisteten  Sinn  verfehlt: 
Wer  den  zauber kräftigen  Gottesnamen  im  Herzen  trägt,  gegen  den 
vermögen  weder  lebendige  Wesen  von  Fleisch  und  Blut  noch  Geister 
und  Gespenster  etwas  auszurichten.  CAPAE  ist  also  CAPAE  dh.  σάρΕ, 
mit  der  gerade  in  diesem  Papyrus  so  ungemein  häufigen  Yocalent- 
faltung.  Der  Beispielsammluug  D.s  Fleckeisons  Jahrb.  SupplemeDtbd. 
XVI  S.  822  sind  hinzuzufügen  7,  34  u.  35  =  191,  3  f.  D.  σέβεσαι  u.  σε- 
βέσθητι,  7,  37  =  191,  7  D.  φηλόε  (=  φλόΕ),  10,  11  =  174,  12  D,  άστερου, 
17,  3f>  =  196,  6  D.  πολλοΟτος  {=  πλούτος).  Dagegen  ist  aus  seiner 
Liste  άνατέλολων  S.  5,  7  =  9,  4  D.  als  Schreibfehler  zu  streichen,  zwi- 
schen gleichen  Consonanten  kann  naturgemäss  Anaptyxe  nicht  ein- 
treten. Zum  Ausdruck  vgl.  zB.  LXX  Numeri  16,  22.  27,  11  (κύριος  ό) 
θ€Ος  τών  πνευμάτων  καΐ  πάσης  σαρκός  und  die  Bemerkung  Deissm&nne 
zu  den  Rachegel »eten  von  Rheneia  Philol.  LXI  S.  256.  —  Auf  die  zahl- 
reichen Stellen,  an  denen  man  mit  Unrecht  die  Ueberlieferung  an- 
getastet hat  (wie  S.  10,  12  =  174,  12  D.  κατά  6u€tv  [für  bOo|  τρόπους, 
geschützt  durch  das  folgende  καθότι  —  καΐ  οτι  usw.  vgl.  diese  Zeit- 
schrift LVI  S.  67,  2,  S.  11,  43  =  178,  IG  D.  αίσθήσεσι,  S.  16,  15  — 
186, 4  D.  άποθανεΐσαι  für  άποθαν€ΐ  uam.),  S9II  hier  nicht  näher  ein- 
gegangen werden. 


£in  Scbreibgebrauch  und  seine  Bedeutung  für  die  Textkritik    497 

Die  Betrachtung  aller  angeführten  Stellen  durfte  somit  für 
die  UeberlieferangBgeechichte  und  Textkritik  insbesondere  folgende 
Ergebnisse  herausgestellt  haben: 

In  sorgfältigen  griechischen  Mannscripten  des  Ajterthums 
und  früheren  Mittelalters  werden  nachträgliche  Zusätze  zum  Text, 
Varianten  und  ähnliche  Notizen  im  Allgemeinen  nicht  im  Schrift- 
raam,  sondern  am  Rande  und  zwar  in  älterer  Zeit  vorwiegend 
am  Kopf  oder  Fuss  der  Seiten  eingetragen. 

Die  Orientirung  dieser  Marginalien  geschieht  dadurch,  dass 
man  ihnen  wie  den  zugehörigen  Textstellen  einander  entsprechende 
Zeichen  oder  die  Verweisnngswörter  κάτω  und  £vu)  beisetzt  oder 
aber  den  Randzusätzen  Stichworte  hinzufügt.  Häufig  kommen 
auch  je  zwei  dieser  Orientirungsniittel  gleichzeitig  zur  Verwendung. 

Als  Reclamen  benutzt  man  vorzugsweise  das  oder  diejenigen 
Textworte,  vor  denen  der  Leser  die  Nachtragung  vorzunehmen 
bat,  sie  werden  also  den  Marginalien  am  Schluss  angehängt. 

Trotz  ihrer  Einfachheit  und  Zweckmässigkeit  werden  diese 
Gepflogenheiten,  die  sich  zum  Theil  bis  ins  späte  Mittelalter  und 
weiterhin  fortgepflanzt  haben,  oft  verkannt  oder  vernachlässigt, 
wodurch  zahlreiche  und  nicht  selten  schwere  Textschäden  ver- 
arsacht  sind. 

Eönigsherg  i.  Pr.  A.  Brinkmann. 


HUln.  Μοβ.  ί.  PbUol.  Ν.  F.  LYH.  ^^ 


ΙΕΡΑ  ΔΕΥΡΟ 


Ιο  der  bekannten  Stelle  über  die  Epidaaria  bei  Philoetrat 
(Leben  des  Apollonioe  von  Tyana  IV  18,  155):  ήν  μέν  5ή  Έτπ- 
baupiuiv  ήμερα,  τά  bk  Έπιοαύρια  μετά  πρόρρησίν^  τε  καΐ 
Upeia  beöpo  μυεϊν  Άθηναίοις  πάτριον  έπι  θυσίςι  οευτέρςι,  τουτι 
bi  ένόμισαν  'Ασκληπιού  2ν€κα,  δτι  5ή  έμύησαν  αυτόν  ήκοντα 
Έπώαυρόθεν  όψέ  μυστηρίων  hat  das  Wort  beOpo  Schwierig- 
keiten gemacht  und  ist  wohl  meist  als  verdorben  angesehen  wor- 
den. Zuletzt  hat  A.  Körte  (Ath.  Mitth.  21,  315  Anm.)  vorge- 
schlagen δεύτερον  statt  οευρο  ζα  lesen.  So  elegant  nun  diese 
Conjectnr  in  paläographischer  Hinsicht  ist,  so  wenig  innere  Wahr- 
scheinlichkeit hat  sie,  da  das  δεύτερον  neben  έπι  θυσίφ  οευτ€ρςι 
überflüssig  ist^,  so  dass  ich  fast  behaupten  möchte:  wenn  δεύ- 
τερον selbst  überliefert  wäre,  müssten  wir  es  ändern  bezw.  als 
Interpolation  streichen.  Demgegenüber  stand  für  mich  schon 
lange  fest,  dass  δεΟρο  überhaupt  nicht  zu  ändern,  sondern  mit 
dem  vorausgehenden  Worte  zu  einem  Ausruf  zu  verbinden  sei, 
der  als  Festtagsname  ebenso  gebildet  sei  wie  das  bekannte  Sikobi 


^  In  der  Handschrift  steht  ιτρόσρησις,  aber  dass  die  bekannte 
eleusinisohe  πρόρρησις  gemeint  und  so  auch  zu  schreiben  ist,  hat 
schon  Preller  gesehen. 

3  Man  hat  sich  freilich  auch  die  Interpretation  dieses  Ausdrucks 
ohne  Noth  erschwert  und  mehr  dahinter  gesucht  als  dahinter  steckt, 
obwohl  die  einfache  Erklärung  dessen,  was  Philostrat  meint,  so  nahe 
liegt:  von  einer  gewissen  Zeit  an  fand  zweimal  eine  Vorweihe  für  die 
grossen  Mysterien  statt,  einmal  wie  immer  in  Agra  und  ausserdem  — 
έπΙ  Qvaiq,  δευτέρςι  —  an  den  Epidaurien.  Ob  diese  übrigens  wirklich 
zugleich  mit  Einführung  des  Asklepioscultes  im  J.  420  gestiftet  wυ^ 
den,  kann  bezweifelt  werden;  auffallend  ist  jedenfalls,  wie  Foucart  mi^ 
Recht  bemerkt  hat,  dass  die  auf  diese  Einführung  bezügliche  Urkunt)«. 
die  Körte  mit  so  glänzendem  Scharfsinn  hergestellt  hat,  mit  keinem 
Wort  die  μύησις  des  Asklepios  erwähnt. 


Ί6ρά  δ€θρο  499 

μύ(ΤΤαΐ.     Aber  nicht  minder  war  ich  mir  darüber  klar,  dass  ich, 
wenn  diese  Ansicht^  mehr  als   ein   vielleicht  richtiger  Gedanke 
Rein  sollte,  schuldig  sei  den  Namen  aus  dem  Verlauf  der  Myste- 
rienfeier  zu   erklären.     Hierbei  stiess   ich   nun  aber  auf  unüber- 
windliche Schwierigkeiten,    die  nicht   sowohl    in    beOpo,    als  im 
Worte  kpeta  lagen,  und  die  deshalb  ebenso  für  diejenigen  gelten, 
die  den  Tag  einfach  lepeia  benennen,   nur    von   ihnen  nicht  be- 
rückeichtigt   worden  sind.     Grosse  Opfer  nämlich  wurden  natür- 
lich  an    den  grossen  Mysterien   ebenso  gut  dargebracht    wie   an 
jedeni  anderen  grossen  Fest,  aber  vergebens  wird  man  nach  einem 
Tag  suchen,    an  dem    die  Opfert hiere    selbst   eine  solche  Rolle 
spielten  oder  überhaupt  spielen   konnten,    dass    er    danach    hätte 
benannt  werden  können,    zumal   mit   einem   so    farblosen  Namen 
wie  es  \ep6ia  ist.    Man  braucht  nur  einmal  zum  Vergleich  andere 
Feettagsnamen  wie  die  Χόες  und  XuTpci  der  Anthesterien  heran- 
zuziehen,   um  sofort  den  Unterschied  zwischen    diesen  charakter- 
istiRchen  Bezeichnungen    und  dem  angeblichen  Upeta  gewahr  zu 
werden.     Was  aber  für  das  einfache  Upeia    gilt,    gilt    auch    für 
iepeia  beGpo.     Zwar  kommt   durch  beCpo  wenigstens  Leben  und 
Handlang  in  den  Namen,    aber  bestehen  bleibt,    dass  die  üeber- 
lieferung  nichts  bietet,  v^as  eine  solche  Bezeichnung  rechtfertigen 
könnte.     Und    so  konnte  ich  meine  ursprüngliche  Ansicht,    dass 
alles  an  der  Stelle  in  Ordnung  sei,  doch  nicht  aufrecht  erhalten; 
wenn  ich  mich  nicht  mit  einem  blossen  Namen    ohne   realen  In- 
halt begnügen  wollte,  war  der  Schluss  unvermeidlich,  dass  zwar 
nicht  b€upo,  wohl  aber  das  Wort  \€p€ia  verdorben  ist.     Und  ich 
sab  denn  auch  bald,  dass  die  Heilung  leicht  und,  wie  ich  hoffe, 
sicher  ist. 

Bei  Philostrat  muss  ein  Tag  gemeint  sein,  an  dem  irgend 
etwas  beOpo,  dh.  also  doch  nach  Athen,  kam  oder  gebracht  wurde. 
Nun  weiss  die  Ueberlieferung  nichts  von  Opferthieren,  die  dahin 
gebracht  wurden,  wohl  aber  berichtet  sie  bekanntlich,  dass  am 
14.  Boedromion  —  das  Datum  steht  inschriftlich  fest*  —  durch 


^  Zustimmend  bereite  erwähnt  v.  Prott,  Bursians  Jahreeber.  CII 
(1899.  111)  S.  114.  —  Jüngst  hat  auch  Foucart  (Lee  grands  mystdres 
d^Kleusis.  Paris  1900)  dieselbe  Ansicht  vertreten  und  Upda  beOpo  als 
Narnen  zusaromengefasBt. 

2  CIA  III  n.  5  Z.  9:  οβδόχθαι  τ]ώι  δήμιυι,  προστάΕαι  τώι  κοσ• 
μητήι  των  [έφηβων  κ] ατά  τά  αρχαία  νόμιμα  [ο](τ)€ΐν  Έλ€υσ1νάδ€ 
τού[ς  έφήβ]ους  τήι  τρίτηι  έπΙ  δέ[κα]  του  Βοηδρομιώνος  μ€[τά  τ]οΟ 
(ίθιομένου  σχήμο[τος1  τής  αμα  ΐ€ροίς  πομπ[ής,  1ί]νο  τήι  τ€τρά6ι  έπΙ 
οέκα  πα[ραπέ]μψαιαιν  τά  icpa  μέχ[ρι]  τοΟ  *EXeuO€iviou  τοΟ  ύπό  [τήι  π]όλ€ΐ. 


ftOO  Ziehen 

die  Epheben  die  heiligen  Bilder  der  Göttinnen  and  andere  Cnlt- 
gegenetändci  die  sogenannten  Ιερά,  von  Eleusis  nach  Athen  ge- 
leitet walrden.  Von  diesen  also  konnte  ee  in  der  That  heiseeo 
kpa  beCpO  und,  wenn  wir  nun  gar  in  einer  der  über  diesen 
Feetakt  handelnden  Inschriften  lesen  {CIA  III  5,  Dittenberger 
Syll.  «652):  δπως  δ[ν  έν  κόσμψ  άχθ]€{η  τα  Upa  beöpo  f 
έκ  τής  Έλ€υσεΐνο[ς  και  πάλιν  έ£]  άστεως  Έλευσει[ν]άοε,  βο 
darf  darin  wohl  geradezu  eine  urkundliche  Bestätigung  dafür  ge- 
sehen werden,  dass  bei  Philostrat  Ιερά  οευρο  κα  schreiben  und 
damit  also  der  14.  Boedromion  gemeint  ist.  Daraus  folgt  dann 
weiter,  wenigstens  bei  ungezwungener  Interpretation,  dass  die 
bei  Philostrat  vorhergenannte  ίτρόρρηίΤίς  auf  den  13.  Boedr.,  and 
zwar  wohl  auf  den  Abend,  die  nachfolgenden  £pidauria  auf  den 
15.  Boedr.  fallen. 

Dies  Ergebniss  steht  nun  aber  in  scharfem  Widerspruch  mit 
den  herrschenden  Anschauungen  über  Anordnung  und  Datierung 
der  eleusinischen  Festtage,  als  deren  Hauptyertreter  heute  wohl 
A.  Hommsen  und  Fouoart  gelten  dürfen,  die  beide  ausfdhrlieh 
diese  Frage  behandelt  haben  ^.  Wie  dieselben  die  für  uns  in 
Betracht  kommenden  Tage  angeordnet  und  datiert  haben,  wird 
am  besten  folgende  kurze  Gegenüberstellung  zeigen: 

MOMMSEN  FOUCART 

13  Boedr.  Zug  der  Epheben  nach  Eleusis 

14  t,         Geleit  d.  Ιερά  durch  d.  Eph.  nach  Athen 

15  „  άγυρμός  άγυρμός  —  πρόρρη(Τΐς 

16  „  πρόρρησις  —  άλα^ε  μύσται       άλ.  μύσται  —  Ιέρεια  Ö€Öpo 

1  Asklepieen  »J^        ,  17  od.  18  Έτποαύρια. 

18 1  Επώαυρια 

Wie  n^an  sieht,  weichen  beide  in  wichtigen  Punkten  von  eiuander 
ab,  aber  darin,  worauf  es  hier  ankommt,  stimmen  sie  überein: 
sie  lasRen  beide  die  πρόρρησις  erst  nach  dem  14.  Boedr.,  also 
nach  der  Kinholung  der  \ερά,  und  die  Έπι^αύρια  nach  dem  l^^-i 
dem  sicher  bezeugten'  Tag  des  άλα5ε  μύίΤται,  stattfinden,  wäh- 
rend nach  meiner  Annahme  jene  auf  den   13.,    diese  auf  den  15. 

»  S.  A.  Mommson,  Foste  d.  Stadt  Athen  S.  905  ff.,  Foucart,  Le> 
grmiide  myetore»  d'KKni'is  p.  i^li  ff. 

•  i^.  Volyaon.  111  U,  5    Flut.   Phok.  6  und  Cam.  19. 


ι 
ι 


Ίβρά  δβΟρο  501 

fallen.  Es  fragt  eich  nun,  ob  nicht  vielleicht  für  die  herrschende 
Anschauung  wichtige  Rachliche  Gründe  eprechen,  denen  gegenüher 
das,  was  ich  oben  auf  Grund  der  Philoetratstelle  ausgeführt, 
trotz  allem,  was  dafür  spricht,  hinfällig  wird.  Aber  ich  glaube 
umgekehrt,  dass  die  Dauern ng  Mommsens  und  Foucarts  schweren 
Bedenken  unterliegt,  die  durch  die  meinige  vermieden  werden. 
Dabei  sehe  ich  ganz  von  dem  äusseren  Bedenken  ab,  das  wohl 
jedem  sofort  in  die  Augen  springt,  dass  nämlich  nach  jener  An- 
nahme Philostrat  zwar  den  16.  Boedr.  erwähnt,  aber  nicht  mit 
dem  für  ihn  sonst  bezeugten  Namen  SXabe  μύ(ΓΓαι  und  daraus 
fnr  sie  die  Nothwendigkeit  folgt  für  diesen  Tag  eine  doppelte 
Benennung  anzunehmen.  Wichtiger  sind  die  in  der  Sache  selbst 
liegenden  Gründe. 

Was  zunächst  die  πρόρρησις  betrifft,  so  urtheilt  Foucart 
insofern  richtiger  als  Mommsen,  als  er  sie  auf  den  von  ihm  an- 
genonomenen  ersten  Tag  des  Festes  verlegt.  Denn  eine  πρόρ- 
ρη(Τΐς  muss  doch,  was  auch  ihr  besonderer  Inhalt  sein  mag,  zu 
Anfang  des  Festes  stattfinden,  wenn  sie  anders  ihren  Namen  mit 
Recht  tragen  soll.  Aber  dass  nun  gerade  der  15.  Boedromion 
den  Anfang  des  Festes  bildete,  ist  nicht  mehr  als  eine  freilich 
oft  wiederholte  Hypothese,  die  auf  einer  willkürlichen  Auslegung 
der  Angaben  Plutarchs  (Camill.  19  u.  Alex.  31)  über  die  der 
Schlacht  bei  Arbela  vorausgehende  Mondfinsterniss  beruht.  Da- 
nach hat  diese,  wie  wenigstens  sehr  wahrscheinlich  ^  ist,  am 
15.  Boedr.  und  zwar,  wie  Plutaroh  ausdrücklich  bemerkt,  περί 
την  τών  μυστηρίων  τών  Άθήνησι  αρχήν  stattgefunden.  Aber 
da  Plutaroh  das  Wort  περί  gebraucht,  sind  wir  doch  nicht  ge- 
zwungen, nun  gerade  unbedingt  den  15.  selbst  als  den  Tag  der 
αρχή  anzusehen.  Fiel  der  erste  Tag  der  Mysterien  auf  den  14. 
oder  auch  den  13..  so  konnte  er  doch  immer  noch  sagen,  die 
Mondfinsterniss  des  15.  sei  περί  τήν  αρχήν  gewesen.  Nun  fand 
aber  ja  doch  schon  am  14.  die  feierliche  Einholung  der  Ιερά 
nach  Athen  statt;  gehörte  dieser  Akt  etwa  nicht  zum  Fest?  Ich 
weiss  nicht,  ob  man  mir  entgegnen  wird,  er  gehöre  bloss  zu  den 
'Vorbereitungen'  und  das  eigentliche  Mysterienfest  habe  damit 
noch  nicht  begonnen.     Jedenfalls  ist  es  gut,   dass  die  Fntsohei- 


*  Der  Vollmond  an  sich  beweist  freilich  noch  nicht  den  15.;  für 
Geminoa  beginnt,  wie  ich  A.  Mommsen  (S.  205  Anm.  6)  entnehme,  die 
π<χνσ^λΐ|νος  nach  mittlerem  Gang  der  Phasen  am  14.,  nach  dem  schnell- 
sten Gang  am  13.  und  nach  dem  langsamsten  erst  am  15. 


5l2  Ziehen 

dang  nicht  von  dieser  Frage,  die  auf  einen  Wortetreit  hinaQ«• 
käme,  abhängt;  entscheidend  ist  vielmehr  die  Rücksicht  auf  den 
Inhalt  der  πρόρρη(Τις.  Denn  die  πρόρρη<7ΐς  der  Mysterien  ent- 
hielt, wie  feeteteht^,  die  Aasechlieesang  der  όν^ροφόνοι  und  der 
βάρβαροι  vom  Feste.  Sollen  wir  nun  wirklich  glanben,  das» 
man  mit  dieser  Äasschliessung  bis  nach  der  Einholung  der  Upa 
wartete  und  es  ruhig  geschehen  liess,  dass  Mörder  und  Barbaren 
sich  unter  die  Gemeinde  drängten,  die  den  Upa  entgegengingt 
und  vielleicht  mit  den  üebrigen  das  Eleusinion'  betraten?  Das 
scheint  mir  unmöglich:  jene  πρόρρη<Τις  musste  vorher  stattfinden, 
damit  die  Ιερά  nicht  durch  die  Gegenwart  von  unreinen  befleckt 
werden  konnten,  dh.  also  am  13.  Mittags  oder  Abends,  dem  Tag. 
auf  den  auch  die  oben  gegebene  Lesung  der  Phil  os  tratst  eile 
führte. 

Nicht  ganz  so  einfach  steht  es  mit  den  Epidauria.  Hier 
ist  ohne  Zweifel  A.  Mommsen  derjenige,  der  tiefer  und  schärfer 
in  die  Frage  und  ihre  Schwierigkeiten  eingedrungen,  zuletzt  aber 
doch  auch  nicht  .zu  dem  m.  £.  richtigen  Schluss  gekommen  i^^t 
Das  πρώτον  ψευοος  liegt  bei   ihm  darin,    dass  er   glaubt,   ver- 


^  Isocr.  Paneg.  157:  Εύμολπίδοι  b^  καΐ  Κήρυκ€ς  Ιν  τή  Τ€λ€τή 
τών  μυστηρίυτν  δια  τό  τούτων  (Persarum^  μίσος  καΐ  τοΙς  δλλοις  βαρ 
βάροις  €(ργ€σθαι  ταιν  ί€ριΰν  ϋίσπ€ρ  τοις  άνδροφόνοις  προαγορεύουσιν ; 
Schot.  Arist.  Ran.  3ϋ9:  παρά  τήν  τοΟ  ΐ€ροφάντου  καΐ  οφδούχου  ιτρόρ- 
ρησιν  τήν  έν  τ^  ποικίλη  στο^  Statt  der  βάρβαροι  steht  —  wohl  mehr 
dem  Wortlaut  der  Formel  eutspreobend  —  bei  Libanios  (Corinth.  IV 
p.  356  R.,  δστις  φωνήν  ασύνετος  und  bei  Theo  Smymaens  (p.  22)  τους 
—  —  φϋΐνήν  άΕύνβτον  έχοντας.  Foucart  hält  freilich  auch  in  seinem 
neuen  Werke  daran  fest,  dass  hierunter  diejenigen  zu  verstehen  seien, 
deren  Stimme  mit  einem  physischen  Defect  behaftet  war,  so  dass 
sie  die  heiligen  Forinen  nicht  nachsingen  konnten,  und  dass  die  Bar- 
baren als  άνδροφόνοι  ausgeschlossen  waren.  Bei  der  Wichtigkeit  der 
Sache  —  vor  allem  für  die  Hypothese  von  der  ägyptischen  Herkunft 
der  Eleusinieii  —  wiederhole  ich  hier,  was  ich  früher  iu  den  ßer.  d. 
Freien  Deutsch.  Hochetifts  iSi)i)  S.  203  bemerkt,  dass  die  Foucart^sche 
Auffassung  auf  einer  falschen  Interpretation  der  in  der  oben  ange- 
führten Isokratesstelle  stehenden  Worte  ώοπ^ρ  τοις  άνδροφόνοις  beruht, 
welche  bedeuten  'ebenso  wie  den  Mördern',  nicht  * comme  meurtriers  : 
bei  dem  von  F.  angenommenen  Sinne  dürfte  der  Artikel  nicht  stehen. 

*  Lys.  gegen  Andok.  52  άπήντα  τοΙς  ΐ€ροΙς  περί  d  ήσίβησβν,  clö- 
fyxecv  €ΐς  τό  Έλ€υσ(νιον. 

'  S  d.  Lysiaastellti  in  Anm.  2;  violleicht  aber  bezieht  sich  hier 
das  Betreten  d»-  vi^»„:«;^,^g  ^^^  ^^^  einen  späteren  Tag. 


Ί€ρά  δ€θρο  503 

pflichtet  zu  der  Reinigung  des  16.  Boedr.  seien  nur  die  gewesen, 
die  in  den  Epidauria  geweiht  werden  wollten,  und  dass  er  dem- 
gemäss  den  Tag  aXabe  μύ(Τται  nur  als  Paraekeue  der  £pidauria 
aaffasst.  Das  ist  aus  mehr  als  einem  Grunde  unglaublich.  £in• 
m&l  lautet  der  Huf  äXabe  μύ(Τται  nicht  so  als  ob  bloss  ein  Theil 
der  Mysten  gemeint  sei,  sondern  er  richtet  sich  doch  offenbar  an 
alle.  Das  verlangt  auch  die  Sache;  denn  mögen  auch  einmal  die 
kleinen  Mysterien  als  προκαθάρσις  und  προάγν€υ(Τις  der  grossen 
bezeichnet  werden  (schol.  Α  riet.  Flut.  895)  —  dass  die  dort  ge- 
weihten,  nachdem  so  viel  Zeit  verstrichen  war,  bevor  sie  an  der 
Τ6λ€τη  theilnahmen,  sich  noch  einmal  einer  feierlichen  Reinigung 
unterziehen  mnssten,  versteht  sich  doch  von  selbst.  Ja,  streng 
genommen  verbietet  uns  sogar  der  Sprachgebrauch  das  SXab€ 
μύαται  auf  die  zu  beziehen,  die  erst  nach  dem  16.  die  Weihe 
empfingen;  denn  μυ(Τται  können  nur  die  heissen,  die  schon  ge- 
weiht sind,  oder  auch  die  gerade  geweiht  werden^.  Eher  Hesse 
sich  also  auf  Grund  der  herrschenden  Datierung  behaupten,  dass 
die  Theilnehmer  der  Epidaurien weihe  die  Reinigung  des  16.  über- 
haupt gar  nicht  mitgemacht  hätten.  Und  dass  jene  Datierung  in 
der  That  zu  diesem  bedenklichen  Schluss  führt,  lehrt  auch  eine 
andere,  zeitliche  Erwägung. 

Die  Anknüpfung  der  Epidaurienweihe  an  des  Asklepios  An- 
kunft in  Athen  setzt  die  Möglichkeit  voraus,  dass  auch  derjenige, 
der  erst  an  dem  Tage  der  Epidauria  in  Athen  eintraf,  noch  die 
Weihe  empfangen  konnte.  Das  trifft  zunächst  für  Asklepios  selbst 
zu  ;  denn  der  Tag  heisst  doch  wohl  deshalb  Epidauria,  weil  der 
Gott  an  diesem  Tage  von  Epidaurus  herkam,  und  dass  auch 
später  noch  jene  Möglichkeit  vorhanden  war,  beweist  eben  Apol- 
lonios  von  Tyana,  der  nach  der  Erzählung  Philostrate  an  diesem 
Tage  in  Athen  eintraf  und  die  Weihe  empfing.  Wenn  nun  aber 
diese  Weihe  erst  nach  dem  16.  Boedr.  stattfand,  so  hat  Asklepios 
und  jeder,  der  sich  später  in  gleicher  Lage  befand,  die  so  wich- 
tige Reinigung  im  Meere  versäumt^,  und  die  Athener  hätten  doch 


^  Hesych.  8.  v.  ό  xütiv  μυστηρίων  μ€ταλαβών  and  das  ist,  soviel 
ich  sehe,  die  vorherrschende  Bedeutung;  in  der  anderen  steht  es  bei 
Plutarch.  Alk.  19:  τους  b'  άλλους  εταίρους  παρεΐναι  καΐ  μυ€ίσθαι,  μύστας 
ιιροσαχορ€υομένους,  und  wiederholt  iu  der  alten  eleusinischen  Inschrift 
CIA  IV  1,  1  (Dittenb.  Syll.«  i>46.  Ziehen,  Leg.  Sacr.  3),  zB.  c  am 
Ende:  τό]ς  μύστας  τός  *Ελ€[υσ1νι  μυομέ]νος. 

'  Man  könnte  einwenden,  Asklepios  bedürfe  der  Reinigung  nicht. 


504  Ziehen 

dann  so,  wie  sie  eine  nachträgliche  μυη(Τΐς  einrichteten,  auch  eine 
nachtr&gliche  ReinigungRfeier  vorsehen  müssen.  Allein  davon  ist 
keine  Spur  zu  entdecken.  Ich  hin  in  der  eigen  th  um  liehen  Lage 
hier  mit  A.  Mommeens  eigenen  Worten  argumentieren  zn  können. 
Er  tiRgt  (S.  219):  *Der  Sage  nach  führte  man  ihn  (den  Tag  der  Epid.) 
ein  KU  Gunsten  des  Asklepios,  der  όψέ  μυίΤΤηρίων^  gekommen 
war.  £r  kam  zu  spät,  er  hatte  etwas  versäumt.  £twa  die  Rei- 
nigung des  16.,  indem  er  sich  erst  am  17.  einstellte?'  Die  Frage 
sei  zu  verneinen :  '  Hätte  es  sich  um  Versäumung  des  Reinigunge- 
tages gehandelt,  so  würden  die  Athener  einen  zweiten  ReioigODge- 
tag  für  Asklepios  gestiftet  haben,  aber  sie  stifteten  die  Epidan- 
rienweihe.  Was  Asklepios  versäumt  hatte,  war  eine  Weihe;  er 
hätte  als  Neuling  schon  im  Frühjahr  (Anth.)  sich  einfinden  und 
sich  zu  Agra  der  Vorweihe  der  kleinen  Mysterien  unterziehen 
müssen'.  Das  ist  durchaus  richtig;  nur,  scheint  mir,  fehlt  der 
richtige  Schluss:  Asklepios  hat  nicht  die  Reinigung  versäumt, 
also  —  ist  er  auch  vor  der  Reinigung  bereits  eingetroffen,  dh. 
vor  dem  16.  Boedromion.  Auch  hier  also  bewährt  sich  wie  bei 
der  πρόρρη(Τις  mein  ans  Philostrat  gewonnener  Ansatz,  der  die 
Epidauria  dem   15.  zuweist,  als  der  richtigere. 

Es  bleibt  kurz  die  Frage  zu  erledigen,  was  an  den  beiden 
Tagen,  die  jetzt  zwischen  dem  16.  und  19.  Boedr.  frei  sind,  ge- 
schah. An  dem  einen  von  ihnen  fand  nun  offenbar  überhaupt 
keine  Feier  statt,  vielleicht  meint  ihn  Aristoteles  ΆΘ.  ΤΤολ.  56,  4: 
πομπών  b'  έπιμ€λ€Ϊται  (ό  δρχων)  της  τ€  rCu  Άσκληπιψ  γιτνο- 
μένης  δταν  οίκουρώσι  μύσται.  Denn  dass  die  hier  erwähnte 
πομττή  an  den  Epidauria  stattgefunden  hat,  wie  meist  angenommen 
wird,  ist  durchaus  nicht  bewiesen  und  scheint  mir  sogar  unwahr- 
scheinlich ^.     Jedenfalls    ist    die  Voraussetzung    berechtigt,   da^s 


aber,  was  sich  vielleicht  der  Gott  sparen  konnte,  war  für  die  gewöhn- 
liehen  Sterblichen  nach  ihm  jedenfalls  nothwendig. 

^  Es  ist  fraglich,  ob  6ψέ  wie  M.  meint,  in  Beziehung  auf  die 
kleinen  Myst.  gesagt  ist;  es  kann  sich  aach  einfach  darauf  besieben, 
daes  Askl.  erst  am  15.  kam,  während  die  Mysterientheilnehmer  sieb 
sonst  wohl  schon  am  13.  versammelten,  weshalb  dieser  Tag  auch 
άγυρμός  gehrissen  haben  mag;  s.  Hesych.  unter  dem  Wort. 

2  Der  Ausdruck  τής  πομπής  τφ  *Ασκληπιφ  γιγνομένης  zeigt,  da» 
diese  π.  zu  Ehren  des  A.  nach  seinem  Tempel  stattfand;  aber  an  den 
Epidauria  erwarten  wir  gerade  umgekehrt  Asklepios  als  Gast  im  Eleu* 
sinion  zu  sehen,  wie  üb'•'''«»'^"  <^nch  Foucart  gefühlt  zu  haben  scheint 
(Grands  myst.  p.  IV  Worte   βταν  oixoupukn  μύστοι  be• 


Ί€ρά  δ€θρο  505 

zwiechen  dem  Zug  Dach  dem  Meere  am  16.  nnd  dem  anstreDgeu- 

den  Jakcboszuge    am   19.  Boedr.  ein  Ruhetag  eingeschoben   war. 

Man    darf    wohl    damit    in    Verbindung    bringen»    dass  wir  vom 

18.  Boedr.  Decrete  besitzen^,   und   daif  also  diesen  18.  dafür  in 

Anspruch    nehmen.     Es    bleibt   nun   noch  ein  Tag  übrig;    allein 

wenn  ich  mich  nicht  sehr  täusche^  brauchen  wir  auch  noch  einen, 

nämlich    für  eine  Opferfeier  im  städtischen  Eleusinion.     Freilich 

wurde    auch    an   den  Epidauria    dort  geopfert,    aber    diese  Feier 

ging  nur  die  an,  die  hier  erst  die  Weihe   empfingen,   nnd  es  ist 

doch  mehr  als  wahrscheinlich,    dass    den   Göttinnen,    deren  Ιερά 

eigene  nach  Athen  gebracht  wurden,  hier  auch  von  der  Gemeinde 

selbst  wie  von  allen  Mysten  zusammen  und  zwar  nach  dem  16., 

dem  Tag  der  Reinigung,    ein  Opfer    dargebracht    wurde.     Auch 

die  Ueberlieferung   bietet  hierfür  Anhaltspunkte,  vor  allem  Lysias 

gegen  Andokides  4:  φ€ρ6  γάρ,  &v  νυνι 'Ανδοκίδης  άθφος  όπαλ- 

λαγη και  λάχη  βασιλεύς,   δλλο  τι  ή  υπέρ  ημών    και 

θυσίας  θύσει  και  εύχάς  βυΕεται  κατά  τά  πάτρια,  τά  μέν  έν  τψ 
ίνθάδε  Έλευσινίψ,  τά  bk  έν  τψ  Έλευσϊνι  Ιερψ; 

Völlige  Gewissheit  hierüber  ist  freilich  erst  von  dem  Fund 
neuer  Urkunden  zu  hoffen;  für  sicher  halte  ich  nur,  um  dies  zum 
SchluHse  noch  einmal  festzustellen,  die  Reihenfolge:  LS.  Boedr. 
αγυρμός  mit  πρόρρησις,  1 4.  Ιερά  beOpo,  15.  Έπιοαύρια,  16.  δλαδε 
μύσται. 

Plön  i.  Η.  Ludwig  Ziehen. 


trifft,  80  ist  mit  Re(;ht  aufgefallen,  dass  der  Artikel  fehlt,  den  man 
deshalb  auch  wohl  eingeschoben  hat.  Sollte  nicht  vielleicht  in  den 
Worten  sich  der  Name  des  betreffenden  Tages  verbergen,  bei  dem 
ebenso  wie  bei  äkabe  μύσται  der  Artikel  weggelassen  war,  und  den 
Aristoteles  möglichst  getreu  wiedergiebt? 
1  CIA  U  314.  330. 


u 


UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ROEMISCHEN   - 

KAISERGESCHICHTE 

I.    Die  Ermordang  Caracallas. 

Die  Verschwörung,  welche  Ctiracallas  grauBamer  Willkür 
ein  Ziel  setzte,  hatte  sich  in  dem  Kreise  jener  Officiere  gebildet 
durch  deren  Treue  der  Kaiser  sein  Leben  gesichert  glaubte.  Das 
Haupt  der  Verschworenen  war  der  Gardepräfect  M.  Opelliue  M%• 
crinus.  Er  wupste,  dass  der  Kaiser  seinen  Tod  beschlossen  hatte 
und  nur  in  seiner  feigen  und  tückischen  Art  zögerte,  den  Mord- 
befehl zu  erlassen.  Der  Tod  des  Kaisers  allein  konnte  ihn  noch 
retten.  So  gewann  er  die  Brüder  und  Tribunen  des  Prätoriums, 
Aureliue  Nemesianus  und  Aurelius  Apollinaris,  sowie  den  evocatus 
lulius  Martialis  die  gefahrvolle  That  zu  wagen  ^.  Die  Vita  zeigt, 
dass  auch  andere  einflussreiche  Männer  um  die  Verschwörung 
wussten,  und  ergänzt  dadurch  Dio  in  wesentlichen  Punkten.  Sie 
sagt:  Conscii  caedis  fuerunt  Nemesianus  et  frater  eins  Apollinaris 
Recianusque^,  qui  praefectus  legionis  seoundae  Parthioae  mili- 
tahat  et  qui  equitibus  extraordinariis  praeerat,  non  ignoran- 
tibns  Marcio  Agrippa,  qui  classi  praeerat^  et  praeterea  plerieqne 


^  Dio  78, 5.  Herodian.  4, 13.  Vita  Carao.  6.  Herodian  erwähnt 
nur  den  Martialis,  weil  er  allein  den  Mord  vollzog.  Nach  Dio  iet 
Martialis  persönlich  beleidigt  durch  die  Verweigerung  des  Centurionates. 
Herodian  nennt  andere  Gründe:  τούτου  τόν  άδελφόν  πρό  OXifuiv  ήμε- 
ρων άνηρήκ€ΐ  διαβληθέντα  μέν  ούκ  έλεχχθέντα  bi,  αύτφ  τ€  Μαρτιαλ(ψ 
ένύβρισεν,  δνανδρον  αυτόν  καΐ  άγ€ννή  καλών  καΐ  Μακρινού  φ(λον. 
Beide  Begründungen  können  neben  einander  bestehen.  Herodian  hebt 
nach  seiner  Weise  das  psychologisch  Interessantere  hervor.  Es  genügt 
nicht  auf  die  gleiche  Beleidigung  des  Cassius  Ghacrea  hinzuweisen,  um 
Herodians  Angaben  zu  verwerfen.  Auch  die  Tyrannen  gleichen  sich 
in  ihrem  Wahnwitz. 

*  Ist  wohl  nur  ein  Schreibfehler  und  der  richtige  Name  Tric• 
cianus  wäre  einzusetzen. 

*  Hirschfeld»  Untersuchungen  S.  126;  Momrosen  Staater.  Π  851. 
Auch  er  war  durch  Zurücksetzungen  gereizt. 


untersuch angen  zur  römischen  Kaisergeschichte  507 

officialiam^  impulsu  Martialis.  Dio  bestätigt  indireot  die  Angaben 
der  Vita,  da  er  Aelius  Triccianus  und  Marcius  Agrippa  als  Männer 
bezeichnet,  welchen  Macrinus  nach  seiner  Thronbesteigung  sein 
volles  Vertrauen  geschenkt  habe^  In  der  Vita  ist  der  Name  des 
Mannes  ausgefallen,  der  die  equites  extraordinarii  befehligten 
Die  equites  extraordinarii  werden  nur  an  dieser  Stelle  genannt. 
Aber  der  Name  ist  nach  dem  Gebrauche  der  römischen  Militär- 
eprache  so  richtig  gebildet,  dass  er  auch  richtig  überliefert  sein 
mnss.  Wer  diese  equites  extraordinarii  waren,  ist  anschwer  zu 
erkennen.  Dio  berichtet,  dass  Caracalla  im  Augenblicke  seiner 
Ermordung  von  einer  engeren  Leibwache  umgeben  war,  die  er 
ans  Scythen  und  Germanen  gebildet  hatte :  78,  5,  5  f.  ό  bk  br\  Σκύ- 
θης  ούτος  ούχ  ώς  και  συμμάχων  αύτψ  μόνον,  άλλ'  ώς  και  φρου- 
ράν  αύτου  τρόπον  τινά  ίχων  συνήν*  καΐ  γάρ  Σκυθας  και  Κελ- 
τούς,  ου  μόνον  ελευθέρους  άλλα  και  δούλους,  καΐ  άνορών  και 
γυναικών  άφελόμενος,  ώττλίκει  και  περί  αυτόν  εΤχεν,  ώς  και 
μάλλον  αύτοΐς  ή^  στρατιώταις  θαρσών  τά  τε  γάρ  άλλα  και 
έκατονταρχίαις  σφάς  έτίμα,  λίοντάς  τε  έκάλει. 

Diese  Truppe  unterscheidet  sich  von  der,  ebenfalls  germa> 
nischen,  Garde  der  equites  singulares  in  wesentlichen  Punkten. 
Die  equites  singulares  ergänzen  sich  im  dritten  Jahrhundert  aus 
den  Auxilia,  wie  die  Prätorianer  aus  den  Legionen,  während  die 
Σκύθαι   Gothen    oder  Carpen^  sind.     Auch    gelangen    die  Decu- 


^  Officiales  ist  technisch  correct ;  aber  der  evocatus  Martialis  ge- 
hört nicht  zu  den  ofncialee.  Vgl.  lib.  de  castr.  mun.  c.  6.  7  und  meinen 
Commentar  S.  53  und  65. 

»  Dio  78,  13. 

^  Das  lehrt  der  Satzbau  und  ist  von  Gemoll  richtig  erkannt 
worden. 

'  Der  Artikel  τοϊς,  den  Boissevain  nach  Reiskcs  Vorschlag  vor 
στρατιώταις  einschiebt,  ist  sinnwidrig.  Sie  sind  nicht  eigentlich  Sol- 
daten, ebenso  wenig  wie  die,  auch  analog  recrutirten,  corporis  custodes 
der  ersten  Kaiserzeit.     Vgl.  Marquardt  St.  V.  II  487. 

8  Vgl.  Westd  Korr.-Bl.  1900,  146:  honorato  a  divo  Magno  An- 
tonino  Augusto  (eestertium)  quinquaginta  milia  u(umrauni)  et  viginti 
quinqae  [et]  gradura  promotionis  fob]  alacritatem  virtu[ti8  adv]ersus 
hoetes  Ca[rpo8]  et  res  prospere  et  va[lide  gesjtas  Claudius)  Nicom[ede8] 
bulenta  civitatis  [Tyra]norum.  Diese  Inschrift  wirft  Licht  auf  die 
Worte  der  Vita  Carac.  5,  4  Deinde  ad  Orientem  profectionem  parans, 
omisao  itinere  in  Dacia  resedit.  Der  Schauplatz  der  Kämpfe  ist  die  Gegend 
um  TyrA,  also  das  Scythenland.  Deshalb  kann  der  Witz,  der  dem 
Helvins  Pertinax  das  Leben  kostete,  Vita  Carac.  10,  6  Getae  6,  6  echt  sein. 


508  γ.  Domaszewski 

rionen  der  equitee  singalaree  nach  der  Dienstordnung  regel- 
mäsBig  znm  Centurionat,  wa<i  dagegen  für  die  corporis  cnstodes 
mit  Recht  als  nngewöhnlich  hervorgehoben  wird.  Endlich  eind 
die  eqnitee  singulares  römisch  organisirt  und  civilisirt;  der  Bei- 
name Löwen  jedoch  bezeichnet  die  barbarische  Wildheit  der 
^blonden  Bestien'.  Zur  Zeit  des  Mordes  hielten  diese  Reiter  in 
unmittelbarer  Nähe  des  Kaisers,  der  in  seiner  steten  Todesangst 
nur  ihrer  blinden  Treue  vertraute.  Und  doch  hatte  Martialis 
mitten  unter  ihnen,  beritten  ^  seinen  Platz  gehabt  und  konnte  sieb 
dem  Kaiser  nähern  ohne  ihren  Verdacht  zu  erregen.  Nur  seine 
dienstliche  Stellung  kann  dies  erklären.  £r  ist  der  praepositus  der 
equites  extraordinarii  gewesen  ^^.  Gerade  deshalb  hat  Macrinae 
den  Martialis  zum  Werkzeug  gewählt.  Denn  er  ist  der  einzige, 
der  den  Mord  auch  nur  versuchen  konnte. 

Der  Scythe,  der  den  Mord  rächte  wird  sofort  von  den  beiden 
mitverschworenen  Tribunen  getödiet,  die  befürchten  konnten,  der 
sterbende  Martialin  hätte  sie  verrathen.  Denn  bei  Dio  78,  5,  5 
ist  zu  lesen  έκ€ΐνον  bk  [αυτοί]  ol  χιλίαρχοι  ώς  και  βοηθουντες 
κατέ(Τφα£αν.  Auch  die  Anwesenheit  dieser  beiden  Tribunen  des 
Prätoriums  kann  nicht  auf  Zufall  beruhen.  Der  Kaiser  war  nach 
Herodians  Zeugniss  nur  mit  einem  kleinen  Gefolge  nach  Üarrhae 


Denn  aus  Vita  Carac.  4,  8;    Herod.  4,  B,  3  folgt   keineswegs,   dass   er 
am  Anfange  der  Regierung  Caracallas  ermordet  wurde. 

^  Das  sagt  Herodiau  ausdrücklich;  aber  auch  aus  Dioe  Erzählung 
geht  es  hervor.  Die  Vita  holt  die  Umstände  des  Mordes  nach  c.  7, 1, 
wo  Bich  die  Ilaud  des  späten  Scribenten  in  dem  Anachronismus  pro- 
tectorea  verrath.  Vgl.  Mommsen  Ephem.  ep.  5,  126.  Die  zweite  Schil- 
derung c.  7,  2  ist  eine  schlechte  Variante.  Denn  der  Strator  der  dem 
Kaiser  das  Pferd  hält  (Herod.  4,  13,  4)  ist  nicht  der  Mörder.  Am 
albernsten  ist  der  Schlusssatz  conclamatumque  ab  omnibus  est  id  Mar- 
ti alem  fecisse.  Martialis  That  wurde  nur  von  einem  der  zunächst 
stehenden  corporis  custodes  bemerkt,  weil  ihn  der  blutige  Dolch  ver- 
rieth.  Den  pugio,  nicht  den  gladius  hat  Martialis  benutzt,  weil  das 
Aufblitzen  des  Schwertes  bemerkt  worden  wäre.  Die  falsche  Aus- 
malung der  Vita  ist  eine  unzeitige  Reminiscenz  an  das,  was  Dio  vom 
Rufe  des  Volkes  in  Rom  berichtet  78,  8,  2. 

'®  In  der  Vita  ist  der  Name  gestrichen,  weil  er  gleich  spater 
wieder  vorkommt.  Wie  sinnlos  der  Scribent  seine  Vorlage  oft  ver- 
stümmelt, zeigt  sehr  deutlich  Vita  Severi  6,  11  wo  die  Auflösung  der 
Garde  —  die  Hauptsache  —  getilijt  ist.  Sie  ist  erst  c.  17,  in  einer 
Einschaltung  aus  Eutron,  erwähnt. 


Untersuchungen  zur  römischen  Kaisergeschichte  509 

aufgebrochen  ^^.  Von  dem  Erscheinen  dee  Eaieere  untrennbar  sind 
die  Rpeculatores  des  Prätoriume  und  die  baetilarii  der  eqnites 
eingalares^^.  Die  equites  singulares  werden  von  zwei  Tribunen 
befehligt  ^^.  Obwohl  diese  Tribuni  bis  zur  Gardepräfectnr  empor- 
steigen ^^  hat  sich  doch  nie  ein  solcher  tribunus  der  equites  sin- 
golares  auf  einer  Inschrift  gefunden,  die  die  Laufbahn  eines  Offi- 
eiere  von  Ritterrang  verzeichnet.  Ich  kann  mir  dies  nur  erklären, 
venn  diese  Tribuni  abkommandirte  Tribuni  des  Prätoriums  waren. 
Stauden  die  beiden  Brüder  Nemesianns  und  Apollinaris  an  der 
Spitze  der  equites  singulares,  so  ist  ihre  Anwesenheit  beim 
Morde  selbstverständlich  und  es  ist  wieder  klar,  warum  gerade 
sie  mit  dem  Commandanten  der  engeren  Leibwache  von  Macrinus 
aueersehen  waren.  Sie  sind  die  sichersten  Werkzeuge,  die  er 
finden  konnte. 


Ich  hatte  früher  die  Ansicht  Mommsens^^  getheilt,  dass  die 
Γβρμανοί,  welche  nach  Herodian  *®  bei  der  Ermordung  der  Kaiser 


^*  σύν  ίππεΟσιν  oöv  ολίγοις,  tva  οή  μή  πάντα  τόν  στρατόν  σκυλί], 
τήν  όδοιπορ{αν  έποΐ€ΐτο. 

^3  Vgl.  Westd.  Zeitschr.  1895,  91  ff.;  ebendeshalb  heissen  diese 
Iteiter  spater  tectores. 

1"  Marquardt,  Staatsv.  II  491  und  Annali  dell'  Instit.  1885, 
230  ff. 

^^  So  TattiuB  Maximus  Prosopogr.  3,  297  n.  28  und  zwar  inner- 
halb weniger  Jahre. 

«  St.  R.  II  809. 

^^  8,  6,  6  άφΐκτο  bi  αύτφ  καΐ  ΓερμανΦν  ούκ  όλίγη  συμμαχία, 
π€μφθ€ΐσα  όπ'  αοτών  κατ'  cövoiav  ήν  εΐχον  προς  αυτόν  dvui6ev,  Ιϊ 
ouirep  ήν  αυτών  επιμελώς  δρΕας.  —  8,  7,  8  έπανήλθον  bi  καΐ  οΐ  άπό 
Γερμανίας  έληλυβότες  σύμμαχοι*  έθάρρει  γάρ  αυτών  τή  εύνοίςι  άτε  καΐ 
τοΟ  έθνους  επιεικώς  πρότερον  δρξας,  δτε  Ιοιώτευεν.  —  8,  8,  2  έλύπουν 
bi  αυτούς  (die  Prätorianer)  καΐ  oi  Γερμανοί  παρόντες  τψ  Μαξίμψ  £ν  τε 
τή  'Ρώμη  διατρί^οντες•  αντιπάλους  γάρ  ?ζειν  ήλπι2;ον,  ει  τι  τολμφεν, 
καΐ  έφεδρεύειν  αύτοΐς  ύπώπτευον,  ε!  τινι  6όλψ  άπο^^ωσθεΐεν,  εκείνοι  bi 
ατε  παρόντες  ^<)ΐ6ίως  ύποκατασταΐεν  τό  τε  Σεβήρου  ύπόοειγμα,  δς  τους 
ΤΤερτίνακα  άποκτείναντας  άπέ2[ωσεν,  είσήει  αυτούς.  —  8,  8,  5  έβούλετο 
μεταπέμψασθαι  τυύς  Γερμανούς  συμμάχους,  όντας  έν  'Ρώμη,  αυτάρκεις 
έσομένους  άντιστήναι  τοΙς  έπιβουλεύουσιν.  —  8,  8,  7  έπεί  bi  πυθόμενοι 
οΐ  Γερμανοί,  λαβόντες  τά  όπλα,  ήπείγοντο  ώς  άμΟνούντες  αύτοΐς.  —  Η,  8, 7 
οΐ  Γερμανοί  μαθόντες  άνηρημένους  τε  καΐ  έρριμμ^νους,  ών  χάριν  ήπεί- 
γοντο, οόχ  έλόμενοι  πόλεμον  μάταιον  υπέρ  ανδρών  τεθνηκότων,  επαν- 
ήλθαν ές  τό  εαυτών  καταγώγιον. 


510  ν.  Domaszewflki 

BalbinuB  und  Puppienus  Maximus  eine  Rolle  spielen,  die  equites 
eingnlares  des  Kaisere  seien,  und  demgemäss  angenommen,  Pop- 
pienns  Mazimns  hätte  als  Privatmann  aneb  das  Amt  eines  Tri- 
bunns  der  eqnites  singulares  bekleidet.  Aber  diese  Ansicht  ist 
onhaltbar.  Nicht  nur  das»  Herodian  an  allen  Stellen  die  Vor- 
stellung festhält,  die  Γερμανοί  seien  yexillationes  des  Ehein- 
heeres^'',  treffend  die  Befürchtungen  der  Garde  schildert,  daes 
sie  das  Schicksal  der  Garde  des  Commodus  ereileu  könnte,  und 
damit  die  letzte  Ursache  der  £rmordung  des  Kaisers  bezeichnet, 
den  rivalisirenden  Corpsgeist  der  Truppen,  am  Schlüsse  verwendet 
er  ein  Wort,  das  die  equites  singulares  ausschliesst.  Die  castra 
der  equites  eingnlares  können  nimmermehr  als  κατατώγιον  be- 
zeichnet werden.  Dieses  Wort  kann  nur  die  Nothunterkunft  von 
Vexillationen  bedeuten,  für  welche  die  Lager  der  Hauptstadt 
keinen  Kaum  boten.  Genau  in  derselben  Weise  lagen  die  frem- 
den Truppen  bei  Galbas  Ermordung  in  öffentlichen  Gebäuden: 
Tacit.  bist.  1,  31  Missus  et  Celsus  Marius  ad  electos  Illjrici  ex- 
ercitus,  Vipsania  in  porticu  tendentes.  Praeceptum  Amullio  Se- 
vere et  Domitio  Sabino  primipilaribus,  ut  Germanicos  milites  e 
Libertatis  atrio  accerserent.  Und  von  Septimius  Severus  Einzug 
sagt  die  Vita  7  Tota  deinde  urbe  milites  in  templis,  in  porticibus, 
in  aedibus  palatinis,  quasi  in  stabulis  manserunt.  Fuitque  in• 
gressus  Severi  odiosus  atque  terribilis,  cum  milites  inempta  di- 
riperent,  vastationem  urbi  minitantes  ^^.  Das  καταγώγιον  der 
germanischen  Yexillationes  des  Puppienus  Maximus  lag  weit  ab 
vom  Kaiserpalaste,  und  so  kam  es,  dass  sie  zu  spät  eintrafen, 
das  Leben  ihres  Kaisers  zu  retten. 

II.    Die  Pompa  an  den  Deoennalien  des  Gallienus. 

Zu  den  werthvollsten  Theilen  der  Historia  Augusta  gebort 
die  Vita  Gallieni.     Dennoch    besteht   auch   hier   bei   unserer  ge- 


1'  Die  Alpenpässe  waren  gedeckt  gegen  Maximinus  durch  die 
Armee,  die  sich  in  der  Lombardei  gebildet  hatte.  Westd.  Korr.-Bl. 
1892,  231. 

^8  Die  Ueberlegenheit  des  Annalisten,  der  diesem  Theile  der  Vita 
Severi  zu  Grande  liegt,  über  Dio  tritt  hier  glänzend  hervor.  Während 
Dio  nur  von  weissgekleidetem  Publikum  und  Blumenwerfeu  spricht, 
schlagt  der  grosse  Schriftsteller  mit  voller  Macht  den  furchtbaren  Ton 
an,  den  das  Erscheinen  der  barbarischen  Garde  für  das  lieben  der 
Hauptstadt  bedeutete.  Ee  ist  der  schicksalsschwerste  Moment  in  der 
Geschichte  Roms. 


Untersuchungen  zur  römischen  Kaisergeschichte  511 

nngen  Eenntniee   jener  Zeit  völlige  Unsicherheit,    wie   weit   der 
echte  ßrandstock    dnrch  ganz   unhistorisohe   Interpolationen    ge- 
litten  hat     Das    merkwürdige  Stück    über    die  Deoennalienfeier 
des  Kaisers  enthält  des  Befremdenden   genug.     Und    doch    läset 
sich  für  eine  Reihe  von  Zügen  dieser  Pompa  zeigen,    daes    eine 
ganz  echte  Ueberlieferung  vorliegt.     Die  Schilderung   des  Fest- 
zages    beginnt   mit  den  Worten  8,  1  iam  primnm   inter    togatos 
patres  et  eqneetrem  ordinem  cUbcUo  milite  et  omni  populo  —  Ca- 
pitoliom  petit.    Mommsen  verstand  die  milites  albati  ^  von  einem 
weissen  Festkleid  der  späteren  Zeit  und  verglich  Herodian  8,  7, 
wo  der  Einzng  des  Maxiraus  in  das  befreite  Aquileia  geschildert 
wird :  oi  λ€υχ€ΐμονουντες  και  οαψνηφόροι  θεών  πατρίων  έκαστοι 
ττροσεκόμιΖον   αγάλματα    —   ευφήμουν   τε    και   έφυλλοβόλουν 
τον  ΜάΕιμον.     Der    wei  se  Anzug    des  Publikums    bei  Festlich- 
keiten ist  vielmehr  eine  alte  Vorschrift.    So  sagt  Dio  vom  Einzug 
des  Tiridatee  unter  Nero  63,  4  τό   μέν  γαρ  μίσον  αυτής  ό  δή- 
μος λευχειμονών  και  οαφνηφορών  κατά  τέλη  εΓχε,   τα  b'  άλλα 
oi  στρατιώται,  λαμπρότατα  ώπλισμένοι,  ώστε  και  τά  βπλα  αυ- 
τών και  τά  σημεία  άστράπτειν.     Ebenso  von  Severus  Einzug  in 
JRom  74, 1  καΐ  ol  άνθρωποι  λευχειμονοΟντες  και  γανύμενοι  πολλά 
επευφημούν  οι  τε  στρατιώται  έν   τοις  δπλοις,   ώσπερ  έν  πα- 
νηγύρει  τινι  πομπής,  έκπρεπαις  άνεστρέφοντο.     Auch   für  die 
Festspiele  im  Theater  und  im  Circue  ist  die  weisse  Tracht  vor- 
geechrieben  '.     Aus  Dies  Zeugniss  ersieht  man,  dass  die  Soldaten 
in  der  Pompa   bewaffnet    aufziehen.     Wenn    sie    unter  Gallien ue 
weisse  Mäntel  tragen,    so  hat  dies   einen  ganz  anderen  Sinn  als 
bei  der  Plebs.     Was  wir  darunter    zu    verstehen    haben,    lehrte 
vor  Kurzem  eine  Inschrift  aus  Heliupolis  C.  III  14387  ff. :  .  .  . 
Antonio  M.  f.  Fab.  Nasoni  [(centnrioni)  le]g.  III  Cyrenaicae  [(cen- 
turioni)  le]g.  XIII  Geminae  honorato   albata    deoursione    ab    im- 

ι  St.  R.  III  221. 

^  Martialis  14,  137   Amphitheatrali    nos   commendamue    ab  usu, 
cum  tegit  algentes  alba  lacema  togas.    4, 2  Spectabat  modo  solus  inter 
omnes  nigris  munus  Horatius  lacernis,  cum  plebs  et  minor  ordo  maxi- 
musque   sancto    cum  duce  candidus  sederet.    Toto  nix  cecidit  repente 
caelo:   albis  spectat  Horatius    lacernis.     5,  23.     14,    181.      Domitians 
Tbeateredict  hatte   die   weisse   Farbe    wieder    eingesishärft.      Dagegen 
Coinmodus  erspart  dem  lieben  PÖbel  die    lästige  Tracht  Vita  IG,  6  et 
contra  consuetudinem,   paenulatos  iussit  spectatorcs,    neu    togatos,    ad 
muiia«  con venire,    quod  fanebribus  solebat,    ipse    in  pullis    vestimeatis 
praesideoB.     TertuUians  heiliger  Zorn   gegen  die  römische  Kleiderord- 
nang  richtet  sich  eigentlich  gegen  den  römischen  Staat. 


512  ν.  Domas7.ewski 

peratore —  [primo]  pilo  leg.  XIII  Gem.  —  Diesem  Cen- 

turio  ist  die  Ehre  den  weieeen  Mantel  za  tragen  bereite  verlieben 
worden,  ehe  er  noch  zum  Primipilat  gelangte.  Wenn  man  eich 
hier  einer  Stelle  des  Tacitue  erinnern  will  über  den  £inzng  des 
Yitelliue  in  Rom,  so  wird  das  Wesen  dieser  Auszeichnung  voll- 
kommen klar:  hist.  2,  89  ante  aquilas  praefecti  castroram  tri- 
bunique  et  primi  ceuturionnm,  Candida  veste;  ceteri  iuxta  soain 
quisque  centuriam  armis  donisque  fnlgentes;  et  militam  pba• 
lerae  torque&que  splendebant.  Das  weisse  Festkleid  ist  demnacli 
ein  Vorrecht  der  Officiere  von  Ritterrang  und  wird  den  Centa- 
rionen  nur  als  ein  Zeichen  der  äusseren  Annäherung  an  die  Ober- 
officiere  verliehen.  An  der  Spitze  der  Legionen  marsohiren  auch 
in  der  Marschordnung  Centurionen,  bei  Arrian.  ίκΐ,  ρ.  81  Η. 
?π€ΐτα  τό  σημεϊον  τής  π€ντ€καώ€κάτης  φάλαγγος  και  άμφ' 
αύτψ  ό  ήγεμών  τής  φάλαγγος  Ουάλης.  και  6  ύπαρχος  και  οι 
χιλίαρχοι  οΐς  τέτοκται^  και  οΐ  έκατόνταρχοι  οΐ  τής  πρώτης 
σπείρας  έπιΟτάται.  Während  in  Arrians  Marschordnung  nur  die 
primi  ordines  diesen  Ehrenplatz  haben,  wählt  Tacitue  für  die 
decursio,  den  Parademarsch,  mit  Absicht  den  Ausdruck  primi 
centnrionum,  weil  er  auch  jene  Centurionen  umfasst,  welche»  von 
niedrigerem  Range,  durch  die  albata  decursio  ausgezeichnet  sind. 
Gallienus  dagegen  hat  allen  Soldaten  das  Recht  ertheilt  in  seiner 
Pompa  mit  dem  weissen  Mantel  der  Oberoffioiere  aufzuziehen. 
Um  das  zu  verstehen,  mnss  man  erkennen,  dass  in  jener  Zeit 
die  Söhne  der  Centurionen  bereite  als  equites  Romani  geboren 
werden. 

C.  III  4327  M.  Val.  Valeriani  (oenturionis)  leg.  ΠΙΙ  Fla- 
viae  vixit  an.  XLII  et  M.  7al.  Ulpio  eq(uo)  pnbl(ico)  fil.  vixit 
an.  VIII  — 

C.  III  8156  lul.  Viotorino  eqfuite)  R(omano)  vixit  ann.  V 
diem  iino  lul.  Flavianus  (centurio)  leg.  IUI  Fl(aviae)  — 

Die  ständische  Gliederung  des  Heeres  ist  hier  gänzlich  zer- 
stört^.    Das  eigentliche  Wesen  von  Gallienus  Pompa  erhellt  er^t 


Β  Nicht  alle  Tribunen  der  Legion  führen  ein  Commando.  Der 
tribunus  sexmestris  ist  dem  Stabe  des  Statthalters  zugetheilt.  Westd. 
Zeitechr.  189Γ),  81.     Vgl.  auch  C.  XIII  31G2. 

*  Lehrreich  sind  auch  C.  III  12388.  VI  273.  2477.  3552.  VIII 
18.^)95.  XI  2(;55.  XIV  2429.  Eph.  ep.  V  1300.  Cagnat  an.  epigr.  1894 
n.  2β.  Den  Grund  auch  zu  diesem  Verderben  des  Heeres  hat  Septi- 
miu8  Severus  gelegt.  Die  genaue  Behandlung  dieser  Frage  kann  hier 
nicht  gegeben  werden. 


aas  des  Wortex  ^,  3  siilifr 

cam 

^eoere  UftricnnaL.     £»    ixt    aki    -πιβμα• iJui    «3    Γν; 

\^Ofaer  er  rtamwi  flCÜniiBr:  öit  Ζ 

CL  XjDDcruiil•  fc  ^3^n'i.A 


«ifnii  :tiii§  .  .  . 

lilcd  bn»  .... 

Va.'lietu  .... 

Die    beides  •eltauLSten  Zv^  der  Ρμε|α«    c:e  ώ^αχγοίλ^  ταά  die 
carpeDU    kehrcB    «acii  iner  vicicer.     I^  Pos.;•»    ist    eis   reise« 
Soldatenfecty   vie   sut  ne  zi  Ekrer  2e«  Κα:$^«γ*^αιι5<«  ibi  La|rer 
zn  feiern  pflegten    lAer  ttmatt  Sediat  p.tii  det  Tob  mi  Vei  GaI- 
lienne  Decennalia*.     DeLüoek  marMLirt  aa  der  Sjitxe  de«  Feüt- 
zugee,  in  grotesker  Tefxermng  tol  Rcms  fTc**er  Terpang^enheit, 
der  Kaieer  als  Triampkator,  wobei,  wie  llllic,  die  besiegen  Volker 
blosse  Comparseii  sind.     ^,  5  ipae  medics  mm  picu  to^  et  tu* 
nica   palmata    inter   patres,    nt    dixiTnns,    omnibus    sacerdotibn« 
praetextatis^  Capitoliam    petit.     hastae   aaratae  altrinsecns  qain« 
genae,  vexills  centena  praeter  ea.    qnae  cullegiomm  erant,  dra* 
CO  nee  et  signa  templomm  onuiiaiDi|iie  legionam.    ibant  praeterea 
gentes  aimnlatae  nt  Gothi,  Sarmatae.    Franci,  Persae.    Die  kastae 
aaratae  weiss  ich  nacb  ibrer  tecb Diseben  Bedeutung  nicbt  ta  er« 
klären.     Aber    Tielleicbt   bezieht    sieb    auf  sie  Herodian  5,  4,  9 
ώς  bt  iiA  πολύ  τόν  Μακρϊνον  ουκ  ^βλεπον  οΐ  ύττέρ  αύτου  μα- 
χόμενοι ovbk  τα  βασιλείας  σύμβολα  —  δ,  6,  8  είτι  πολυτελές 
ανάθημα  δσα  τε  της  βασιλείας  σύμβολα.    Die  Vexilla  der  Collegia 
sind  inscbriftlicb  beglaubigt  ^.     Dafis  sie  mitten  unter  den  Fahnen 
der  Armee  einherzieben,  ist  eine  Concession   an  die  plebs  urbana 
and  ein  Camevalsscberz  mebr.     Die  Dracones  werden  hier    sum 
erstenmale  in  unserer  üeberlieferung  genannt,    während  sie  dem 
spätrömischen  Heere  des  4.  Jahrhunderts  geläufig  sind.   Hs  sind  die 


*  Vgl.  über  diese  Art  κιυμασία  der  Lager  Neue  Ileid.  Jahrb.  9,  1(»2. 
«  Neue  Heidelb.  Jahrb.  10,  231. 

'  Auch  das  ist  ein  echter  Zug.     Mommsen  St.  R.  1»  431  f. 
»  C.  III  7437.  7900.  8018.  8837.    Vita  Aurel.  34. 

Uheia.  Mos.  f.  PhUol.  N.  F.  LVII.  «^^ 


514  ν.  Domaszewski 

Ffthnen  reicbsfremder,  barbarischer  Hülfsvölker  zn  vereteben,  die 
in  dieser  Zeit  einen  festeVi  Bestandtbeil  des  röiniscben  Heeres  zu 
bilden  beginnen*. 

Am  Schiasse  ist  signa  templomm  omniumqne  legionnm  nicht 
eigentlich  verderbt,  sondern  ein  Missverständniss  des  Autore. 
In  der  Vorlage  stand,  ähnlich  wie  bei  Herodian  4,  4,  8,  τα  αγάλ- 
ματα και  τά  (Τημεΐα  πάντων  ταιν  στρατοπέδων.  Der  üeber• 
Setzer  verstand  αγάλματα  von  Tempelstatuen,  während  es  die 
Bilder  von  Heeresgöttern  sind.  Denn  eine  griechische  Quelle  liegt 
sicher  zu  Grunde.  In  der  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  gab 
es  keine  lateinische  Historiographie  mehr,  der  eine  solche  Schil- 
derung entstammen  könnte.  Noch  unter  Diocletian  sind  die 
Götterbilder  des  Heeres  nachzuweisen  ^^.  Der  Autor  wusste  nichts 
mehr  davon;    er  hat   demnach  in  christlicher  Zeit  geschrieben ^^ 

Die  Signa  der  Legionen  jener  Zeit  sind  durch  die  Natiri- 
tätsgestirne  characterisirt  ^*.  Ihr  Auftreten  in  der  Pompa  der 
Decennalien  wirft  Licht  auf  die  Legionsmünzen  des  Gallienas^^. 
Die  Legionen  der  Münzen  sind  folgende.    Britannien :  U  Augusta, 


^  Unter  Maximinus  Thrax,  Herodian  7,  8,  10;  8,  1,  3.  Aureli&n, 
Dexippus  fr.  24  Müller  p.  682  u.  685,  wo  die  Art  ihres  Eintrittes  ins 
römische  Heer  klar  wird.  Vita  Probi  14,  17  =  Zosimus  1,  68  (die 
Contingente  haben  die  Stärke  der  numeri).  Vita  Probi  18,  1.  2  =  Zo- 
simus 1|  71. 

10  Westd.  Zeitschr.  1895,   114  Anm.  471. 

11  Der  sog.  Trebellius  Pollio  hat  also  nicht  unter  Diocletian  ge- 
schrieben. £in  ähnlicher  Anachronismus  findet  sich  in  der  Vita 
Getae  6  Yentum  denique  est  usque  ad  seditionem  urbanioianorum  isi- 
litum,  quos  non  levi  auctoritate  Bassianus  compressit,  tribuno  eorum, 
ut  alii  dicunt  interfecto,  ut  alii  relegato.  Der  Schreiber  denkt  sich  die 
Cohortes  urbauae  nur  von  einem  tribunus  befehligt.  Das  ist  für  uns 
erst  in  der  Zeit  zwischen  ol7  und  337  nachweisbar  C.  VI  1186  und 
ist  historisch  nach  unserer  Eenntniss  aufzufassen  als  eine  Folge  der 
capitis  deminutio,  die  Rom  durch  Constantin  erlitten  hat.  Und  doch 
soll  auch  der  sog.  Spartianus  uater  Diocletian  geschrieben  haben,  üeber- 
dies  ist  es  ein  Missverständniss;  denn  der  Tribunus,  der  Cilo  zum  Tode 
schleift,  ist  nach  Dio  77,  4  ganz  deutlich  ein  Tribunus  der  Prätoriaoer. 
Der  Irrthum,  dass  die  urbaniciani  den  Cilo  bedrohen,  findet  sich  auch 
Vita  Carac.  4.  In  der  Vita  Carac.  2  wird  die  legio  II  Partbica  als 
pars  militum  apud  Albam  bezeichnet,  wie  die  griechischen  Schrift- 
steller den  Legionsnamen  umschreiben.  Vgl.  Dio  78,  34;  79,  2.  4 
Herodian  7,  5.    Das  spricht  entschieden  gegen  eine  lateinische  Vorlage. 

^  Arch.  epigr.  Mitth.  XV  191  f. 

"  Vgl.  meine  Schrift,. die  Fahnen  S.  55;  Cohen,  Gallien. 


Untersuchungen  zur  romisohen  Kaiscrgeschiohte  515 

XX  Valeria  Victrix ;  Germania:  1  Minervia,  VIII  Angusta,  XXU 
Primigenia,  XXX  Ulpia  Victrix;  Eaetia:  Ilf  Italica;  Noricnm  Π 
Italica;  Pannonia:  I  Adintrix,  Π  Admtrix,  X  Gemina,  XIV  Ge- 
mina.  Dacia:  V  Macedonica,  XIII  Gemina.  Moeeia:  I  Italica, 
IUI  Flavia,  YII  Claudia,  XI  Claudia. 

Von  den  britannischen  Legionen  stand  die  XX  Valeria  da- 
mals am  Rheine  ^^  und  wahrscheinlich  die  II  Augusta,  da  eine 
Inschrift  unter  Gallienus  Vexillationen  mehrerer  britannische  Le- 
gionen in  Illyricum  nennt ^^  £e  fehlt  dagegen  auf  den  Münzen 
die  3.  britannische  VI  Victrix,  die  spanische  VII  Gemina,  alle 
des  Orientes  und  die  III  Augusta  Africas. 

Daher    mtisste    man  sich    die  politische  Lage  zur  Zeit  der 
Decennalien  so  denken,  dass  Gallienus  in  den  Standquartieren  der 
I^egionen,  deren  Münzen  er  prägte,  anerkannt  war,  dagegen  den 
Orient,  Africa,    Spanien,    Britannien   verloren  hatte.     Wenigstens 
^ör  den  Westen    lässt    eben   diese    politische  Lage   zur  Zeit    der 
Decennalien  die  Vita  Gallieni  erkennen.     7,   1   Contra  Postumum 
igitar  Gallienus   cum  Aureolo   et  Claudio    duce   qui    postea    im- 
perium  optinuit  ^principe  generis  Constanti  Caesaris  nostri\  bellum 
iniit  et  cum  multis  auxiliis  Fostumus  iuvaretur  Celticis  et  Fran• 
cicie,  in  bellum  cum  Victorino  processit,  cum  quo  imperium  parti- 
cipaverat.     victrix  Gallieni    pars  fuit  pluribus  proeliis  eventuum 
variatione    decursis.     Mommsen    hat    alle    diese    Kämpfe   gegen 
Postumns  als  blosse  Erfindung  gestrichene^,    weil    keine    andere 
Quelle  davon  wisse.     Das  ist  nicht  richtig.     Zonaras  12,  24  be- 
richtet  den  1.  Krieg    gegen  Fostumus    des  Jahres  261,    der    an 
der   schweren  Verwundung  des    Gallienus    scheitert ,   genau  wie 
die  Vita  4,  4 — 5  ".     Doch  hat  Mommsen  selbst  später  den  Grund- 
stock der  Vita  Gallieni  mit  vollem  Rechte  auf  Dexippus  zurück- 
geführt, also  die  beste,  gleichzeitige  Quelle  ^^     Auch  die  eigen- 

1*  Westd.  Korr.-Bl.  1898  p.  153. 

w  C.  III  2228.  Die  VI  Victrix  konnte  nicht  abberufen  werden, 
da  sie  den  britannischen  Wall  vertheidigte. 

w  Rom.  Gesch.  V  150. 

^"^  Auch  die  Angabe  der  Vita,  dass  Fostumus  7  Jahre  regierte, 
wird  richtig  sein,  sie  zählte  vom  Jahre  ^61,  dem  Siege  über  Qallienus, 
während  Fostumus  auf  seinen  Münzen  die  tribunicia  potestas  vom 
Tage  seiner  Usurpation  rechnet.  Wenn  Claudius  als  einer  der  Führer 
des  zweiten  Krieges  im  Jahre  263  genannt  wird,  so  ist  das  sicher 
richtig.  Denn  nur  einer  der  vornehmsten  Generale  konnte  später  Gal- 
lienus auf  den  Thron  folgen. 

«  Hermes  25,  255. 


51(>    ν.  Domaszewtki  Untersuchunp^en  zur  römischen  Kaieergeschichte 

thümliche  Zähluog  der  Ehrennamen  eextnm  pia  sextoni  fidelis  auf 
den  Legionsmttnzen  ^erklärt  eich  einfach,  wenn  sie  iro'^jahre  der 
Decennalien  geprägt    sind.     Spätestens    im  Jahre  260    führt  die 
Legio  V  Macedonicn  anf  einer  dacisohen  Inschrift  ^*  den  Beinamen 
tertium    pia    fidelis.     Noch    unter    Claudius    heisst    die    legio  Π 
adiutrix,    sextum  pia   sextnm   fidelis  ^^.     Die   6.  Verleihung   der 
Ehrennamens  hat  also  Epoche  gemacht,    ist  im  Gedächtniss   ge- 
bliehen, während  die  7.,    die   weit  weniger  Münzen  nennen,  Ter; 
gessen  wurde.     Das  Verhältnies  der  älteren  Inschrift  mit  tertinm 
pia  fidelis  zu  der  jüngeren  Inschrift  mit  sextum  pia  fidelis  zeigC 
dass  Gallienus  nach   der  Zahl    dieser  Verleihungen    seine  Reglet 
rnngsjahre  zählte,   seit  dem  Zeitpunkt  wo  sein  Vater  Valeriannfl 
zum    Partherkriege    ausgezogen    war   und    er   allein    im  Westen 
herrschte.     Als  bald  nach   den  Decennalien  Gallien   wieder   verr 
loren  ging,  in  lUyricum  neue  Gegenkaiser  auftraten,  gab  Gallienur 
diese  Adulatio  anf.    Der  Legionen,  die  ihm  noch  anhingen,  waren 
zu  wenige  geworden.    Man  sieht  aus  dieser  Art  von  Münzlegenden, 
dass  Gallienus  das  einzige  Fundament    seiner  Herrschaft  in  den 
gemeinen  Soldaten  sah. 

Heidelberg.  y.  Domaszewski. 


1»  C.  ΠΙ  875. 

»  C.  lU  3725  a.  270. 


DIE  AELTESTE  REDACTION  DER 
PONTIFICALANNALEN 


Die  Frage,  am  welche  Zeit  und  von  wem  die  ältesten  An- 
nalen  in  Born    zosammengestellt   wnrden,  ist  für  die   Kritik    der 
älteren  römiechen  Geschichte  eine  Cardinal  frage,   die  im  Grunde 
noch  einer  bestimmten  Lösung  harrt.     Wie  bei  sehr  vielen  Pro- 
blemen der  römischen  Geschichte,    so  lässt  sich  auch    hier,    wie 
^'ir  weiter  unten  sehen  werden,    wahrnehmen,    dass    die    klarste 
Formulirung  der  Frage  schon  längst  von  Theodor  Mommsen  auf- 
gestellt worden  ist.     Hinsichtlich    der  ältesten  Anfänge  der  offi- 
ciellen  Historiographie  Roms  hat  Mommsen,  im  Gegensatz  zu  den 
grundlosen    Leugnungen    und    ausweichenden    ümdeutungen    der 
Neueren,  an  den  kostbaren  Zeugnissen  Ciceros  (De  oratore  2,  52) 
nnd   des   vielleicht   aus  Verrins  Flaccus    schöpfenden  Yergilcom- 
mentators    zu   Äen.  1,  373    festgehalten,    wonach    die    römische 
Stadtchronik  ihren  Ursprung    aus    der  jährlich  vom  Pontifex  in 
(^er  Reg^a  ausgestellten  Tafel   genommen    hat.     Diese    geweisste 
Holztafel  (album)  enthielt  oben    die  Namen  der  eponymen  Magi- 
strate und  in  späterer  Zeit,   wie  es  aus  dem  Zeugniss  des  Poly- 
bios  (bei  Dionys.  1,  74)  erhellt,    die    Jahreszahl    der    Stadtära. 
Auf  ihr  merkte  der  Pontifex  an  digna  memoratu  dornt  müitiaeque 
terra  marique  gesta,  und  zwar,   nach   dem  Vergilcommentar,   per 
singnlos  dies.    Der  Hauptzweck  der  Publication  war,  nach  Ciceros 
Worten,  potestas  ut  esset  populo  cognoscendi,   also   der,   dass  das 
Publikum    alle   wichtigen   Vorkommnisse    erfahren    konnte.     Mit 
Recht  hat   man  nach  dieser  Seite  hin  die  Pontificaltafel  mit  den 
seit  Cäsar  publicirten -4cto  diurna  verglichen^.    Einige  Seh wierig- 

^  H.  Peter,  Hiet.  Rom.  rell.  p.  X.  Es  liegt  in  der  Natur  der 
Sache,  dass  besondere  wichtige  Nachrichten,  deren  möglichst  schnelle 
Verbreitung  man  wünschte,  wie  zB.  die  Nachricht  von  der  trasimeni- 
sehen  Niederlage,  auch  durch  öffentlichen  Ausruf  bekannt  gemacht 
wurden. 


518  £ninann 

keit  bietet  nnr  die  Angabe,  dase  die  Aufzeicbnnng  der  Ereigniese 
auf  der  Tafel  per  singtUos  dies  stattgefunden  habe.  Sollten  dieee 
Worte  buchetäblich  bedeuten,  daes  der  Pontifex  jeden  Tag  seine 
Aufzeichnung  machte,  so  hat  man  mit  Recht  entgegnet,  dase 
nicht  jeden  Tag  des  Gedächtnisses  würdige  {digna  memoraiu^ 
Dinge  sich  in  der  Stadt  ereigneten.  Andererseits  gab  es  tief 
sich  dem  Gedächtnisse  einprägende  Ereignisse,  die  nicht  an  be- 
stimmte einzelne  Tage  gebunden  waren.  Hierzu  gehörten  zB. 
Epidemien  und  Hungerenöthe,  welche  neben  Finsternissen,  nach 
CatoB  (bei  Gellius  2,  28,  6)  freilich  wohl  sicher  übertreibenden 
Worten,  den  Hauptinhalt  der  Pontificaltafel  ausmachten.  Gerade 
das  Vorkommen  von  Einzeichnungen  letzterer  Art  beweist,  daes 
der  Zweck  der  Tafel  war,  nicht  sowohl  eine  Tageschronik,  ale 
vielmehr  zugleich  und  hauptsächlich  eine  Jahreschronik  zu  liefern. 
Darauf  führt  ja  auch  der  Name  libri  annales,  welchen  die  Zu- 
sammenstellung der  Tafel  von  jeher  geführt  haben  muss.  Der 
Ausdruck  per  singulos  dies  ist  also  nicht  übertrieben  streng  zq 
verstehen,  sondern  bedeutet  offenbar  nur,  daes  die  Jahrestafel 
aus  allmählichen  Einzeichnungen  entstand,  die  der  Pontifex  an 
den  einzelnen  Tagen  vornahm,  sobald  etwas  erinnerungswürdiges 
sich  ereignet  hatte.  Hunger  und  Pestilenz  konnten  zur  Auf- 
zeichnung gelangen  etwa  bei  Gelegenheit  einer  zur  Abwehr  unter- 
nommenen öffentlichen,  sacralen  oder  administrativen  Handlung  ^ 
Eine  sehr  ansprechende  Erklärung  der  Worte  per  singulos 
dies  hat  0.  Seeck  (Die  Ealendertafel  der  Pontifices  S.  62)  zu 
geben  versucht.  Die  historische  Jahrestafel  sei  ursprünglich  ein 
Kalender  gewesen,  auf  dem  der  Pontifex  Tag  für  Tag  anzugeben 

^  Hiermit  erledigt  sich  wohl  das  von  Cichorius  (Pauly-Wiseova 
Realencyd.  I,  Sp.  2250)  erhobene,  durch  Catos  Worte  angeregte  kri- 
tische Bedenken  gegen  die  Glaubwürdigkeit  des  cioeronischen  potestas 
ut  esset  populo  cognoscendi.  Ein  zweites  Bedenken  von  Cichorias,  dass 
es  keinen  Sinn  gehabt  hätte,  stadtbekaunte  Tbatsachen  noch  zur  all- 
gemeinen Kenntniss  zu  bringen,  scheint  mir  ebenfalls  nicht  stichhaltig 
zu  sein.  Selbst  unsere  Tageszeitungen,  um  von  Wochen-,  Monats-  oder 
Jahresübersichten  zu  schweigen,  bringen  häufig  Nachrichten,  die  sieb 
bereits  von  Mund  zu  Mund  verbreitet  haben  und  aller  Welt  schon 
bekannt  sind.  Unsere  Presse  würde  eine  ihrer  Aufgaben,  als  voll- 
ständige Chronik  der  Ereignisse  zu  dienen,  schlecht  erfüllen,  wenn  sie 
in  jenem  Falle  sich  Schweigen  auferlegen  wollte.  Was  zu  gegebener 
Zeit  allen  bekannt  war,  kann  ausserdem  nach  einiger  Zeit  wieder  ver- 
gessen sein,  dann  dient  eben  die  Aufzeichnung  zur  Wiederherstellun&f 
des  Gedächtnisses. 


Die  älteste  Redaction  der  Pontificalannalen  519 

hätte,  welohee  Datum  man  sobrieb.  War  etwas  merkwürdiges 
in  der  Stadt  vorgefallen»  so  fügte  er  dieses  znm  gegebenen  Datnm 
in  kürzester  Form  binzn,  nrsprünglicb  weniger  um  einer  künftigen 
Geschieh tschreibnng  vorzuarbeiten,  als  nm  das  Datum  dnrob  eine 
allen  geläufige  Erinnerung  kenntlich  zu  machen  und  so  innerhalb 
des  Kalenders  gewisse  Marksteine  zu  schaffen,  von  denen  man 
voran  und  rückwärts  zählen  konnte.  Wir  fügen  hinzu,  dass 
dieser  ursprünglich  chronologische  Zweck  den  von  Cicero  be- 
zeichneten einer  Öffentlichen  Bekanntmachung  neuer  Ereignisse 
nicht  ausschliesst,  ebenso  wenig  wie  den  Zweck  einer  Beurkun- 
dung für  die  Zukunft.  Alle  drei  Dinge  konnten  sehr  wohl  Hand 
in  Hand  gehen  oder  sich  sehr  bald  eines  aus  dem  anderen  ent- 
wickeln. Der  natürliche  Zusammenhang  der  Jahresohronik  mit 
dem  Kalender  wird  nicht  nur  durch  Analogien  aus  andern  Zeiten 
und  Ländern  bestätigt,  sondern  steht  auch  in  bestem  Einklänge 
mit  allem,  was  sich  über  die  Geschichte  des  Pontifioaloollegiums 
ermitteln  lässt.  So  ist  es  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich  und 
auch  von  Mommsen  (Rom.  Gesch.  1,  173)  nachdrücklich  behauptet 
worden,  daes  die  vielseitige  und  wichtige  Thätigkeit  jenes  Priester- 
collegiums  sich  im  Lauf  der  Zeit  entfaltet  haben  muss  aus  seiner 
nrsprünglichen  Obliegenheit  alljährlich  den  Kalender  zu  redigiren 
Qnd  zu  veröffentlichen.  Die  ursprünglichste  Form  der  Kalender- 
pablication  hatte  sich  erhalten  in  einem  ehrwürdigen  Rest,  der 
allmonatlich  durch  öffentlichen  Ausruf  auf  dem  Kapitel  vom  Rex 
sacromm,  als  dem  ehemaligen  Haupt  des  Collegiums,  vollzogenen 
Yerkündung  der  Kalender  und  Nonen.  Eine  jüngere,  bereits 
schriftliche  Form  der  Publication  wäre  die  Ealendertafel  des 
Pontifez,  aus  welcher  sich  dann  auf  natürlichem  Wege  die  histo- 
riographische  Thätigkeit  des  Collegiums  ausgebildet  hätte.  Wann 
jener  Uebergang  zur  schriftlichen  Bekanntmachung  des  Kalenders 
stattgefunden  hat,  entzieht  sich  einer  sicheren  Bestimmung.  Seeck 
(aO.  72)  läset  die  Ealendertafel  entstehen  gleichzeitig  mit  der 
regelmässigen  Schaltung.  Da  der  Schaltmonat,  nach  dem  Zeugniss 
des  Macrobios  (1,  13,  21)  bereits  in  einer  Gesetzurkunde  der 
Consuln  L.  Pinarius  und  P.  Furias  (282  d.  St.  =  472)  erwähnt 
war,  rückt  Seeck  den  Anfang  der  schriftlichen  Kaien derpublication 
bereits  in  die  allerälteste  Epoche  der  Republik.  Allein  aus  dem 
Gebrauch  des  Schaltmonats  folgt  noch  nicht  die  Nothwendigkeit 
seiner  schriftlichen  Publication.  Im  Gegentheil  beweist  der  Aus- 
druck intercalare  und  intereakdio  unwiderleglich,  dass  er  anfangs 
durch  Ausruf  veskündet  wurde,  indem   die  'Zwischenausrufung' 


520  Enmann 

die  calaiio  der  gewöhnlichen  Monate  unterbrach.  Für  die  Re- 
form der  Kalenderpublication,  ihren  üebergang  zum  echriftlichen 
Verfahren,  liegt  ee  nahe,  an  diejenige  Epoche  zn  denken,  in 
welcher  überhaupt  in  Rom  die  alte  mündliche  Rechtsübnng 
flchriftlich  fixirt  wnrde,  nämlich  an  die  ZwÖlftafelgeeetzgebnng, 
die  ja  nach  Mommeene  Nachweie  eine  Kaien derreform  in  eich 
einsohlosR. 

Die  ausgefüllten  Jahrestafeln  mit  ihren  kalendarischen  ood 
den  im  Laufe  der  Zeit  vielleicht  immer  reicher  werdenden  chro- 
nikalischen  Notizen  wanderten,  wie  angenommen  werden  muee, 
in  das  Archiv  der  Regia.  Sie  haben  dann  später  das  aathen- 
tisohe  Material  für  die  römische  Gesohichtschreihnng  gebildet 
Wäre  nns  bekannt,  vom  welchem  Jahr  an  diese  kostbare  Samm- 
lung sich  bis  zur  Epoche  der  beginnenden  Buchannalistik  er- 
halten hatte,  80  liesse  sich  damit  auch  der  Anfangspunkt  der 
beglaubigten  Geschichte  Roms  feststellen.  Livius  (6,  1)  wusste 
oder  nahm  als  sicher  an,  dass  die  Verwüstung  Roms  durch  die 
Gallier  auch  die  ältesten  historischen  Documente  betroffen  habe. 
Selbst  wenn  man  in  der  That  auch  den  Umfang  der  damaligen 
Zerstörung  Roms,  wie  Thouret  (Jahrb.  für  class.  Philol.  Suppl. 
XI  S.  95)  erweist,  auf  massige  Grenzen  zurückführt,  so  werden, 
nach  Seeoks  treffender  Bemerkung  (aO.  S.  74),  die  auf  dem  Fo- 
rum campirenden  Eroberer  ihr  Feuerungsmaterial  sicher  nicht 
aus  den  Wäldern  geholt  haben,  so  lange  dicht  nebenbei,  in  der 
Regia,  ein  ganzer  Stoss  für  sie  unnützer  Holztafeln  aufgeschichtet 
lag.  Seit  Niebuhr  hat  man  mit  Recht  auf  Ciceros  (Rep.  1,  25) 
Angabe  hingewiesen,  wonach  die  älteste  Sonnenfinsterniss,  welche 
sich  in  den  Pontificalannalen  mit  dem  richtigen  Tagesdatam  ver- 
zeichnet fand,  ungefähr  auf  das  Jahr  350  der  Stadt  fiel.  Hier 
lag  also  die  erste  Spur  gleichzeitiger  chronikalischer  Aufzeich- 
nung vor,  die  entweder  auf  eine  noch  erhaltene  oder  unmittelbar 
nach  der  Katastrophe  aus  der  frischen  Erinnerung  der  Zeil- 
genossen reconstruirte  Jahrestafel  zurückgehen  mochte.  Auf  den 
Tafeln  waren  ferner  die  Namen  der  Magistrate  angemerkt,  aUo 
in  älterer  Zeit  wohl  vorzugsweise  die  Consulnamen.  Wir  glauben 
nun  an  einem  anderen  Orte  nachgewiesen  zu  haben  \  dass  in  der 


^  Vgl.  meinen  Aufsatz  *Die  älteste  Redaction  der  römischen  Con- 
sularfasten  (Zeitschr.  für  alte  Geschichte  Bd.  I  S.  93).  Nachzatragen 
ist,  dass  Matzat  (R.  Chron.  1,  197)  und  Seeck  (Kalendertafel  S.  77) 
Spuren  noch  andersartiger  Interpolation  nachgewiesen  haben,  bestehend 


Die  älteste  Redaction  der  PontiiioalanDalen  521 

ältesten,   um  das  Jahr  300  v.  Chr.  erfolgten   Redaction   des   αηβ 
überlieferten   ConBularverzeichnisees    eine    nicht    geringe   Anzahl 
von  Jahreeetellen    durch    willkürliche   Interpolationen    anegefüllt 
waren,    die  wieder  his  nm  das  Jahr  350  der  Stadt  reichen,  also 
der  Epoche,    von  welcher   an   die  Knhrik    der  Sonnenfinsternisse 
in  den  Annalen    ihren  Anfang    nahm.     Offenbar    ist    der  Grund 
beider  Erscheinungen   ein  gleicher.     Es  fehlte  an  älteren  Jahres- 
tafeln, und  diese  Lücke  hat  nur  zam  Theil  aus  andersartigen  Auf- 
zeichnungen ergänzt  werden  können.    Diese  und  andere  Anzeichen, 
wie  zB.  die  Thatsache,    dass    erst    von   dem   Jahr  361  (393)  an 
zuverlässige    Censuszahlen    überliefert    sind     und    sichere    IN^ach- 
richten   über  Coloniegründungen  beginnen,    führen    zum    gemein- 
samen Schluss,    dass   regelmässige    zeitgenössische    annalistische 
Aufzeichnungen  erst  ungefähr  von  der  Zeit  des  gallischen  Brandes 
an  in  Rom  vorhanden  waren.     Die  Geschichte   des   fünften  vor- 
christlichen Jahrhunderte  dürfte  somit  zu  irgend  einer  gegebenen 
späteren  Zeit   auf  Grund  mehr    oder   weniger  zuverlässiger  oder, 
besser  gesagt,    unzuverlässiger  Daten    reconstruirt    worden    sein. 
Der  Geschichte  dieser  Epoche    geht  aber  noch  eine  ausführliche 
Erzählung    der    Urgeschichte    der    Stadt,    die    Königsgeschichte, 
voraus.     Auf  einem  völlig  unannalistischen  Gerüst  aufgebaut  und 
allenthalben  das  Gepräge    ätiologischer  Construction    verrathend, 
kann  sie  in  keinem  Falle  aus  der  einzigen  für   die  Römer  nutz- 
baren Quelle  echter  Geschichte,    der   annalistischen  mit  den  Er- 
eignissen gleichzeitigen  Aufzeichnung  entflossen  sein. 

Die  Geschichte  Roms  bis  zur  Epoche  des  pyrrhischen  und 
der  punisohen  Kriege  zerfallt  also  hinsichtlich  ihres  Ursprungs 
und  ihrer  Bezeugung,  wie  aus  dem  vorhergehenden  hervorgeht, 
in  drei   ungleiche  Theile.     Von    der  Zeit   um    die   gallische  Er- 


in  der  Wiederholung  der  Eponymennamen  der  Jahre  326—330  (428 — 
424)   und    338-342   (416—412)   für  je    fünf   folgende   Jahre.    Meine 
übrigens,  wie  ich  nachträglich  sehe,  schon  von  A.  Schäfer  (N.  J.  f.  Ph. 
113,  574)  gemachte,  aber  anders  erklärte  Beobachtung  ging  dahin,  dass 
in  die  Liste  der  patricischen  Consuln  des  Y.  Jahrhunderte  v.  Chr.  im 
ganzen   11  Volumnii,    Minucii,    Sempronii    and   Genucii    eingeschwärzt 
aind  und  dieses  nicht  anders  als  im  Interesse  der  plebejischen  Consuln 
der  Jahre  447—451  (307—303  v.  Chr.)  L.  Volumnius,  T.  Minucius,  P. 
Sempronins  und  L.  Genuoius  geschehen  sein  kann.     Hieraus    habe   ich 
geschlossen,  dass  unsere  Redaction  der  Fasten  etwa  im  Jahre  450 — 451 
(304—303),   im  Aedilenjahr  des  Cn.  Flavius    und    wahrscheinlich    von 
ihm  selbst  vorgenommen  worden  ist. 


526  Enmann 

Buchredaotion  der  annalietisohen  Geechichte  in  Verbindang  mit 
der  Königegescliicbte  vorane.  Mit  Recht  hat  Mommsen  aaf  die 
unwandelbare  Festigkeit  der  Eönigegeechichte  in  der  ganzen  rö- 
mischen Litteratnr  aafmerksam  gemacht  und  deshalb  ihre  ein- 
malige individuelle  Fixirung  vor  den  Anfang  der  litterarischen 
£poche  Roms,  also  vor  Fabius  Pictor  gesetzt.  Die  geringe  Zahl 
der  Farianten  in  der  £rzählang  der  ältesten  Geschichte  bei  den 
genannten  vier  Autoren  —  einige  Abweichungen  des  Fabina 
kommen  dabei  auf  Rechnung  von  ihm  benutzter  griechischer  Au- 
toren —  lassen  au  der  Benutzung  einer  gemeinsamen  Urquelle 
nicht  zweifeln.  Das  Originelle  jener  Autoren  besteht  nicht  in 
der  Aufsuchung  des  ürstoffes  für  die  alte  Geschichte,  sondern 
in  den  jedem  eigenen  Zielen  der  litter  arischen  Bearbeitung  eines 
und  desselben  Stoffes.  Fabius  und  Cincius  gestalten  daraus  eine 
gedrängte  üebersicht  unter  reicherer  Berücksichtigung  der  Ur- 
geschichte für  den  Geschmack  de  hellenistischen  Publikums. 
Cato  wendet  sich  an  das  nationale  Publikum,  sucht  aber  seine 
Bearbeitung  auf  die  Höhe  hellenistischer  Wissenschaft  zu  bringen. 
Ennius  gestaltet  den  Stoff  zu  einem  nationalen  Epos  und  aus 
prosaischen  Annalen  schafft  sein  Dichtergenius  poetische. 

Die  Annales  maximi  sind  gewiss  nicht,  wie  Seeck  haupt- 
sächlich aus  der  geringen  Zahl  namentlicher  Fragmente  zu  de- 
monstriren  versucht,  wenig  gelesen  und  benutzt  worden.  Im 
Gegentheil  steht  ihr  Erscheinen  offenbar  in  ursächlicher  Wirkung 
zu  dem  erhöhten  neuen  Aufschwung  der  Privatannalistik  des 
suUanischen  Zeitalters  und  dem  Aufblühen  einer  antiquarischen 
Wissenschaft  in  der  letzten  Periode  der  Republik.  Dieser  Litte- 
ratur  hat  dies  Werk  der  Pontifices  eine  Fülle  thateächlichen 
Stoffes  zugeführt,  ist  aber  von  ihr,  wie  das  ganz  natürlich  ist, 
absorbirt  und  schnell  der  Vergessenheit  überliefert  worden.  Es 
bedarf  keiner  namentlichen  Citate,  wo  wahrsoheinlich  jede-  Seite 
des  Livius,  Dionysios,  Varro  und  Festns  umfangreiche  und  in- 
dividuell bearbeitete  indirecte  und  directe  Fragmente  jenes  An• 
nalenwerks  darbieten.  Eine  parallele  Wirkung  aus  paralleler 
Ursache  bietet  das  Aufblühen  einer  privaten*  Geschichtslitteratur 
im  ausgehenden  Zeitalter  der  punischen  Kriege  dar.  Die  an  der 
Oberfläche  nicht  mehr  sichtbare  befruchtende  Quelle  kann  nichts 
anderes  gewesen  sein,  als  eine  ältere  Ausgabe  der  Pontifioal- 
annalen,  die  Vorgängerin  der  Annales  maximi.  Ihr  äusseres 
Verhältniss  zu  letzteren  kennzeichnet  sich  durch  das  Prädicat 
tnaximi.     Die   'grosse^    erweiterte    Gesammtausgabe    ist    an    die 


Die  älteste  Kedaction  der  Pontificalannalen  527 

Stelle  älterer  nnd  wahrecheinlich  weit  kürzerer  Annalen  getreten. 
Theile  ans  der  gleichen  Ursaclie  wie  die  vnaximi,  wegen  der  bal- 
digen Abeorbimng  dnrch  die  Privatannalen,  theile  aber  gerade 
durch  die  nene  officielle  vermehrte  nnd  yerbesserte  Pnblication 
sind  die  alten  Annalen  einer  noch  gründlicheren  Vergessenheit 
verfallen  als  die  des  Soaevola.  Diesen  Todesursachen  verdanken 
die  alten  Annalen  andererseits  sicher  auch  ihr  Fortleben  bis  in 
die  auf  uns  gekommenen  letzten  Ausläufer  der  römischen  6e- 
schicht^continnation.  Es  kann  deshalb  durchaus  nicht  als  Ver- 
messenheit betrachtet  werden,  wenn  wir  uns  in  der  Erzählung 
eines  Livius  oder  Dionysios  nach  kennzeichnenden  Spuren  der 
ältesten  Annalen  umsehen,  welche  uns  Auskunft  über  die  Zeit 
nnd  Person  ihres  Herausgebers  an  die  Hand  zu  geben  im  Stande 
sind.  Namentlich  ist  dazu  die  Eönigsgesohichte  geeignet,  da  sie 
als  litterarische  Schöpfung  am  ehesten  das  individuelle  Gepräge 
einer  bestimmten  Zeit  und  eines  bestimmten  Verfassers  an  sich 
tragen  muss. 

Die  Königsgeschichte  ist  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt, 
wie  ich  in  meinem  russisch  geschriebenen  Buch  *Die  römische 
Königesage  (St.  Petersburg  1896)^  nachzuweisen  versucht  habe, 
ursprünglich  mit  der  Absicht  erfunden  worden,  in  den  kurzen 
Biographien  von  sieben  fingirten  Königen,  in  der  Art  des  Fertor 
Resius  rex  Aequicolorum,  ätiologische  Gründnngsgeschichten  der 
sieben  vornehmsten  PriestercoUegien  Roms  zu  geben.  Vielleicht 
haben  diese  Biographien,  wie  ich  vermuthe,  als.  Einleitungen  zu 
einer  um  die  Zeit  des  ogulnischen  Gesetzes  im  Interesse  der 
Plebs  angelegten  officiellen  Priesterliste  gedient.  Dann  sind  diese 
Königsbiographien  vereinigt,  in  chronologischer  Reihenfolge  ge- 
ordnet und  in  zweiter  Schicht  überarbeitet  worden  mit  Rücksicht 
auf  die  Aetiologie  der  allgemeinen  Entstehungsgeschichte  der 
Stadt  und  des  römischen  Staates,  sodass  jedem  Könige  sein  be- 
stimmter Antheil  an  der  Gründung  Roms  zufiel.  Im  Gegensatz 
zu  den  alten  zeitlosen  Königsbiographien  wurde  die  neue  Königs- 
geschichte chronologisch  fixirt  und  in  dieser  Form  den  streng 
chronologisch  geordneten  Annalen  der  Republik  angegliedert.  In 
der  Umarbeitung  und  Einordnung  der  Königsgeschichte  in  die 
allgemeine  Geschichte  Roms  muss  das  Werk  des  ersten  Heraus- 
gebers der  Annalen  bestanden  haben.  In  der  ersten  Hälfte  des 
dritten  Jahrhunderte  vor  Chr.  ist  die  Kunde  vom  Stadtgründer^ 
dem  König  Romulns,  schon  zu  den  griechischen  Historikern 
Kallias  und  Timaios  gedrungen.     Obgleich  letzterer  wahrschein- 


528  Enmann 

lieh  eine  Foreohangereise  nach  Latiam,  vielleicht  aaoh  nach  Rom 
unternommen    hat,    fehlte    ihm   noch  die  Eenntnise  eines  Grün- 
dnnggdatams  Roms  aus  römischer  Qnelle.     Die    erste  Thatsache, 
^^^elche  die  vollzogene  chronologische  Fixirung  der  Gründung  der 
Stadt  and  somit  anch  der  chronologisch  fixirten  Königsgeschicbte 
beweist,  ist  das  Säcularfest  vom  Jahre  505  (249  v.  Chr.).    Hier 
liegt  eine  Berechnung  des  Gründungsdatums   der  Stadt  vor  auf 
das  Jahr  749   unserer  Zeitrechnung.     Wie    wir  (aO.  S.  361  ff.) 
gezeigt    haben,    war    in  .dieser  Rechnung    der    ältesten  Annalen• 
redaction    auf   die  Königzeit    sieben  Generationen,    7  X  33 Vs  = 
233  Jahre  +  4  Interregnen  (4  X  500  Tage  =  2000  Tage  =  rund 
6  Jahre),  also  239  Jahre  gezählt,  der  Anfang  der  Republik  auf 
510  v.  Chr.,  die  Vertreibung  der   Könige  auf  511  gesetzt,  wäh- 
rend nach  der  Rechnung  der  Fasten  des  Cn.  Flavius  bis  auf  das 
Jahr  304  nur  204  Jahre    vom    ersten  Consuljahr    an    verflossen 
waren,  also  die  Gründung  der  Republik  auf  508  v.  Chr.  angesetzt 
war.     Die  Fasten  waren  also  in  der  Annalenredaction,  vielleicht 
um  die  im  Jahre  249  nöthigen   500  Jahre  der  Stadt  abzurunden, 
um  2  Jahresstellen  vermehrt  worden.     Eine  der  letzteren  dürfte 
das  schon  von  Mommsen  (Rom.  Forsch.  1,  111)  als  Interpolation 
beanstandete    Consularjahr   267    (=  487  v.  Chr.)   gewesen    sein. 
Der   angeblich   patricische    Consul  dieses   Jahres  C.  Aqnilius  ist 
sicher  wohl  als  patricischer  Ahne  des  plebejischen  Consuls  495  = 
259  V.  Chr.    C.  Aquilius    eingeschoben    worden,     wie    dieselben 
Aquilier  auch  in  die  Gründungsgeschiohte  der  Republik  als  Ver- 
wandte des  Freiheitshelden  Collatinus  eingeführt  sind  ^     Weieen 
also    bereite  zwei  Spuren  auf  einen  Zeitgenossen  des  ersten  pa- 
nischen Krieges,    der    ersten    Säoularspiele    und    des  Consuls  G. 
Aquilius    als  Verfasser  der  Annalen    hin,    so    zeigen    sich    noch 
weitere  Kennzeichen  der  Rücksichtnahme  auf  die  Ruhmsucht  der 
plebejischen    Nobilität    der    genannten  Zeit.     In    der    Geschichte 
des  Tarquinius  Super  bus  (Dionys.  4,  62)  tritt  ein  Orakel  bewahrer 
M.  Atilius  auf,  als  einer  der  vornehmen  Bürger  (επιφανείς)  he- 
zeichnet,  ein  Ahnherr  des  berühmten  Consuls  M.  Atilius  Regaine. 
Mit  sichtlich    ironischer  Absicht  sind    freilich    sowohl    der  Vor- 
nehme   Orakelbe  wahrer  Atilius,   als  auch  die  Aquilii,  die  angeb- 
lichen patricischen  Ahnen  des  Consuls  C.  Aquilius,  zu  ruchlosen 
Verbrechern  gestempelt.    Offenbar  that  das  dem  Vergnügen,  schon 
in  der   alten  Geschichte    vorzukommen,    keinen   Abbruch.     Weit 


^  Mommseot  Rom.  Forsch.  1,  111. 


J 


Die  älteste  Redaction  der  Pontificalannalen  529 

liebevoller,  ja  mit  besonderer  Auezeichnung  ist  in  den  Annalen 
das  Geschlecht  eines  dritten  Consuls  der  Zeit  des  ersten  puni- 
schen  Krieges,  des  Qu.  Mamilius  Vitulus  (Consnl  265  und  262 
y.  Chr.)  bedacht  worden.  Octavius  Mamilius  aus  Tusculum  er- 
scheint als  Schwager  des  Königs  Tarquinius,  L.  Mamilius  aus 
derselben  Stadt  rettet  das  Capitol  vor  dem  Ueberfall  des  Appius 
Herdonius  und  erhält  dafür  von  den  dankbaren  Römern  das 
Bürgerrecht  (Liv.  3,  29),  als  der  einzige  Tnsculaner,  dem  diese 
Ehre  zu  Theil  geworden  ist  (Gato  Orig.  I  fr.  24).  Aber  nicht 
bloss  das  Geschlecht  der  Mamilier,  sondern  auch  ihre  Vaterstadt 
Tascnlum  erfreut  sich  einer  ganz  besondere  liebevollen  Beachtung 
in  den  Annalen.  Von  keiner  andern  Stadt  ausser  Rom  wird  so 
häufig  und  so  eingehend  berichtet,  als  von  Tusculum  und  seinen 
Bürgern^.  Man  sollte  meinen,  der  Annalist  sei  ein  Landsmann 
der  Mamilier,  ein  Tusculaner  gewesen. 

Das  älteste  Annalen  werk  war  als  Ausgabe  des  Pontifical- 
collegiums  äusserlich  ein  anonymes  Werk,  wie  auch  die  späteren 
Anoales  maximi.  M^ie  man  aber  mit  Recht  annimmt,  dass  das 
Erscheinen  dieser  letzteren  erst  durch  die  persönliche  Autorität 
and  die  persönliche  litterarische  Thätigkeit  des  gelehrten  Pontifex 
Maximus  P.  Mucius  Scaevola  zu  Stande  gekommen  ist,  so  lässt 
sich  gleiches  und  in  noch  höherem  Masse  für  die  älteste.  Redaction 
der  Annalen  voraussetzen.  Um  das  historische  Archiv  der  Regia 
zum  ersten  Mal  der  Oeffentlichkeit  zu  übergeben,  bedurfte  es 
eines  Mannes,  dem  nicht  bloss  die  Autorität  eines  Pontifex  Maxi- 
mus  zu  Gebote  stand,  sondern  der  besonders  freisinnig  den  Bann 
der  priesterlichen  Geheimnisskrämerei  zu  durchbrechen  im  Stande 
war.  Nicht  umsonst  ist  in  die  Geschichte  des  Ancus  Marcius 
die  bezeichnende  Erzählung  eingelegt,  dass  dieser.  König  die  von 
Numa  verfassten  priester liehen  Commentarien  der  Oeffentlichkeit 
tibergab,  bis  die  patricischen  Pontifices  sie  nachher  wieder  ver- 
steckten. Der  Verfasser  dieses  historischen  Präcedenzfalles,  der 
dem  Princip  der  Oeffentlichkeit  besonders  zugeneigte  Oberpon- 
tifex  muss  selbstverständlich  ein  Plebejer  geweflen  sein.  Es  geht 
das  nicht  bloss  aus  den  Spuren  seiner  nahen  Beziehungen  zur 
plebejischen  Nobilität  hervor,    sondern  auch  aus  der  ganzen  an- 


1  Vgl.  Liv.  3,  7.  18.  42.  69;  4,  10.  27.  45-47;  5,  2«;  G,  25-26. 
•5-'i  37;  7,  11.;  Sf  7.  14.  87.  Besonders  interessant  ist  die  letztauf- 
geführte  Stelle,  wo  rühmend  von  der  Liebe  der  Tusculaner  zu  ihrer 
Vaterstadt  und  ihrer  Einraüthigkeit  erzählt  wird. 

Khcixi.  Μοβ.  f.  Philol.  N.  F.  LVII.  34 


530  Enmanii 

nalietiechen  Erzählung,  welche  Schritt  für  Schritt  die  Errangen* 
schaffen  der  Plebs  in  ihrem  grossen  Kampfe  um  Rechtsgleichheit 
verfolgt.     Die  praktische  Staatskunst   mnss    dem    ältesten  Anna- 
listen nahe  gelegen  haben,    insbesondere    blickt    in    der  Eönige- 
geschichte    ein    besonderes  Interesse    durch    für  Dinge,   die  die 
Finanzverwaltang  des  Staats  and  den  Kreis  der  censorischen  Ge- 
schäfte berühren.     Dem  alten  Fetialenkönig  Anoas  Marcins  sind 
eine  Reihe  von  Neugrändangen  zagewiesen,   die  aaf  den    ersten 
Blick    jeden    Zasammenhang    anter   einander    vermiesen    lassen. 
Blickt  man  aber  genauer  hin,   so   sind  diese  Oründangen  lauter 
Steuerobjecte   des    römischen    Staates    (vgl.   meine  ^  Königssage 
S.  180  if.):  der  Hafen  liefert  das  portorium  maritimum,  die  Tiber- 
brtLcke    den  Brückenzoll,    die    silva   Maesia    als  Staatswald    das 
veotigal  pioariarum  und  Schiffsbanholz,  die  Salzgruben  das  vectigal 
salinarum,    die  Wasserleitungsanlagen    (aqua  Murcia,   Tulliannm, 
fossae  Quiritium)  das  vectigal  pro  aquae    forma,   die  Anweisung 
des  Aventin  zu  Bauplätzen  der  Plebejer  den  Bodenzins  (vectigal 
Solarium).     Noch  näher  streift  an  das   censorische  Interesse    die 
Sorgfalt,    mit  welcher  der  Annalist    den  Ursprung    der    grossen 
öffentlichen  Bauten  unter  seine  Könige  vertheilt,  der  Bauten,  an 
denen  noch  die  Republik   beständig   re'montirend   und   erweiternd 
fortgebaut  hat,  die  Kloaken,  der  Circus,  der  grosse  Tempel  des 
Capitols,    die  Stadtmauern,    um    nicht    zu    reden    von    der  Dar- 
stellung der  allmählichen  Bebauung   der  Stadthügel  und  -thäler. 
Die  Phantasie  des  ältesten  Annalisten  hat  den  plebejerfreundlichen 
Larensohn  und  Fortunadiener  Servius  Tullius  aasersehen,  uro  für 
das  Uauptstück  des  censorischen  Geschäftes  den  Grund  legen  za 
lassen.    Nach  dem  Nachweise  Mommsens  (Rom.  Staatsrecht  3,  245) 
muss  der  Verfasser  der  Erzählung  vom  ersten  Gensus  des  Serviue 
Tullius  ein  Censusformular  vor  sich  gehabt  haben  der  Zeitperiode, 
wo  der  Werth  des  As  dem  zehnten  Theil  des  Denars  entsprach. 
Diese  Valuta  ist  nach  Mommsen  im  Jahre  485  (269  v.  Chr.)  ein- 
geführt worden,  so  dass  ich  hier  zu  meiner  Freude  aus  Mommsens 
glänzendem  Forschungsresnltat  einen  neuen  Beweis  dafür^schöpfen 
kann,  dass  der    älteste  Bearbeiter    der  Annalen    ein  Zeitgenosse 
des  ersten  punischen  Krieges  war.     Dem   selben  Verfasser  ver- 
danken wir  vermnthlich  die  Reihe  guter  und  zuverlässiger  Üensus- 
zahlen  der  älteren  Annalen   und   die   weniger  guten,    weil   stark 
der  künstlichen  Construction  verdächtigen  Notizen  über  die  ältesten 
Coloniegründungen. 

Zu  den  bereits  gewonnenen   persönlichen  Zügen    fügen   wir 


Die  älteste  Redaction  der  Pontifioalaunalen  531 

noch    einen    hinzu.      Der    Herausgeber    der    ältesten    Geschichte 
Roms  muss  ein  Mann  von  nicht  gewöhnlicher  schriftstellerischer 
Begabung  gewesen  sein.     Das    epische   und   dramatische  Colorit 
der  Erzählung  hat  bekanntlich  bereite  Niebuhr  zur  Annahme  hin- 
geriesen,  dass  die  älteste  Geschichte  Roms  auf  eine  dichterische 
Quelle  zurückgehe.     Mommsen  (Hermes  21,  570)   hat  den   Yer* 
faBser  der  Tatiuslegende  einen  Dichter  genannt,  wenn  auch  ver^ 
mnthiich  einen  derjenigen  die  ^  ihre  Eingebungen  nie  aufgeschrieben 
baben'.     Nicht    ohne  Grund    haben    grosse    Dichter  der  Neuzeit 
von  Shakespeare  an  sich  an  Stoffen,  wie  sie  die  Erzählungen  von 
den  Horatiern   und   Curiatiem,   Lucretia,    Coriolan  ua.  boten,    zu 
herrlichen  Schöpfungen  begeistert.     Wer   war,    fragen    wir    nun, 
dieser  hochbedeutende  Geschichtserzähler  und  Begründer  der  rö* 
mischen  Historiographie,  der    BVeund   der  Aufklärung,   der  ple- 
bejische   Staatsmann    und    Pontifex    Maximus,    der   Freund    und 
Landsmann    der    Mamilier   von  Tusculum,    der    Zeitgenosse    des 
ersten    punischen   Krieges    und    der   ersten    Säcularspiele  Roms? 
Hat  dieser  Mann  in  seinen  Annalen  der  Ruhmsucht  seiner  Freunde, 
der   Mitglieder    der    neugebackenen    plebejischen    consularischen 
Aristokratie,  mit  harmlosem  Spott  nachgebend,  nur  ihnen  Ahnen 
erdacht,  hat  er  nicht  ein  ähnliches  ironischss  Denkmal  sich  selbst 
gestiftet?    Unser  Blick    lenkt  sich    unwillkürlich  auf  den  Volks- 
tribun des  Jahres  274  d.  St.  (480  v.  Chr.),  Tiberius  Pontificius, 
dessen    Thaten    Livius  (2,  44)  und    der    halikarnassisohe  Rhetor 
(9,  5)  gewissenhaft,  ausführlich  und  feierlich  uns  darlegen.     Der 
alte  Annalist   hätte  sicher  kein  geringes  Vergnügen  über  diesen 
Erfolg   seiner  witzigen  Erfindung  gehabt.     Die    edele  Gens    der 
Pontificiii     das    plebejische    'Pontifexgeschlecht*    ist    leider    mit 
seinem  ersten  Vertreter,  dem  wackeren  Volkstribun  Tiberius,  so- 
fort wieder    ausgestorben,    vermathlich    weil    es    für    sein  hohes 
Alterthum  an  unheilbarem  Anachronismus  litt.     Erst  lange  nach- 
her, im  Zeitalter  des  pyrrhischen  und    ersten   punischen   Krieges 
tritt  uns  in   verkehrtem  Laufe   der  Generation   der,    wenn   auch 
nur  geistige,   Vater    des  Tiberius    Pontificius    entgegen.     Es   ist 
ein    wohl    bekannter    Tiberius    Pontifex,    der    erste    plebejische 
Pontifex   Maximus   Tiberius   Coruncanius.     Aus    dem  Municipium 
Tusculum  stammend  S  hatte  er  sich  in  Rom  durch  seine  hervor- 


^  Cicero  pro  Plancio  8,  20  num  quando  vidcs  Tuscalanum  ali- 
quem  de  M.  Catone  illo  —  num  de  Ti.  Coruncanio,  municipe  βαο,  num 
de  tot  Falviis  gloriari?    Diesem   bestimmten   Zeugnisse  widersprechen 


532  Enmann 

ragenden  Eigenechaften  den  Weg  za  hohen  Ehren  and  zn  grossem 
Ansehen  bei  seinen  Zeitgenoesen  gebahnt.  Im  Jahre  474  •280 
V.  Chr.)  zum  Consnl  gewählt  zeichnete  er  sich  im  Krieg  gegen 
die  Etmeker  und  den  König  Pyrrhoe  ans.  •  Ob  er  eelbet  du 
Ceneoramt  bekleidet  hat,  wie  viele  angenommen  haben,  liMt  sieb 
ans  der  verdorbenen  Stelle  des  Feetus  (p.  237  e.  v.  portorinioi 
mit  Sicherheit  nicht  entscheiden  (vgl.  De  Boor  Fasti  ceneori 
S.  77).  Nach  dem  Zeugniss  Giceros  war  er  indessen  mit  den 
Censoren  Q.  Aemilias  Papas,  L.  Fabricas  Lascinas  478  (276 )  ocd 
M'.  Garias  DenUtas  (Censor  482  =  272)  in  naher  FrenndschAft 
verbanden^.  In  seinem  Consalat  warde  ansserdem  die  Plebs 
durch  den  Censor  Domitias  zum  ersten  Mal  in  die  Abhaltung  des 
Lastram  eingeführt  In  das  Pontificalcollegiam  cooptirt  erlac^te 
er  darauf  zwischen  den  Jahren  501 — 502  (=  253—252)  die 
Wurde  des  Pontifex  Maximas',  sodass  onter  seiner  Aegide  di? 
ersten  Sacularspiele  gefeiert  werden  konnten.  Als  Inhaber  der 
höchsten  geistlichen  Würde  zeichnete  er  sich  durch  grosse  Fröm- 
migkeit und  tiefe  Kenntniss  des  geistlichen  Rechts  aus  und  be- 
wies sich,  den  Traditionen  des  Collegiams  zuwider,  als  Vorkampfer 
der  Oeffentlichkeit,  indem  er  zuerst  alle  geistlichen  Reehtsstcfaea 
bei  offenen  Thuren  verhandelte.  Zu  diesen  vielen  Verdiensten 
liegt  es  uns  daran,  sein  grossestes  mehr  als  zweitausendjähriger 
Vergessenheit  zu  entreissen,  den  Ruhm  Roms  nationale  Ge- 
schichte und  die  lateinische  Prosa  litte  rat  ur  begründet  zu  haben. 
Dieser  Ruhm  gebührt  dem  Tiberins  Coruncanius  und  nicht  seinem 
engeren  Landsmann  Cato,  der  mit  Unrecht  in  der  Schätzung  der 


allerdings  die  Worte  des  Kaisers  Claudios  bei  Tacitns  (Ann.  11,  -^1 
*neque  enim  igooro  lalios  Alba,  CoraDcanios  Camerio,  Porcios  Tnsculo 
—  in  senatum  accitos*.  Einen  Irrtham  des  über  Coruncaniiis  im  übrigen 
80  wohlunterrichteten  Cicero  anzunehmen«  ist  nnmöglich.  Vielleicht 
stammte  das  Geschlecht  des  Coruncanius  ane  Caroerium  and  war  dann 
nach  Tuiculum  übergesiedelt  oder  Camerinm,  das  schon  tu  Catoe  Zeit 
nicht  mehr  existirte  und  dessen  Lage  noch  heute  nnbekannt  ist,  ge- 
hörte zum  Gebiete  von  Tusculum. 

^  Cic.  Lael.  11,  39  Tidemos  Papnm  Aemilium  C.  Losdno  fami* 
liarem  fuisse  (sie  a  patribus  accepimns)  bis  nna  oonsules  et  oollegas  in 
oensura:  tum  et  com  iis  coniunctissimos  fuisse  Maniom  Coriom  et  Ti. 
Comncanium. 

*  £pit.  Livii  XVIII  *Tib.  Coruncanius  primus  ex  plebe  pontifex 
maximus  creatus  est*.  Die  Xotii  steht  zwischen  einer  Nachricht  von 
der  im  Jahre  2.Vi  erfolj^ten  Zerstörung  der  Flotte  and  der  über  die 
Censor  des  Valerius  Maximus  und  P.  Semproniua  2(i2. 


Die  älteste  Redaction  der  Pontificalaniialen  533 

oeoeren  eeinen  Platz  eingenommen  hat,  nur  dank  dem  zufälligen 
Umstand,  dase  die  nächsten  Vorgänger  des  Cato,  die  ersten  Be- 
nutzer des  grosseu  Annalenwerks,  sich  der  griechischen  Sprache 
bedient  haben.  Die  Annalen  des  Cornncanius,  in  den  allerersten 
Jahren  des  sechsten  Jahrhunderts  der  Stadt  entstanden,  mussten 
einen  Schatz  zeitgenössischer  Erzählung  über  diejSeschichte  der 
zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  geboten  haben.  An 
diese  schloss  sich  dann  mit  seiner  ausführlichen  Erzählung  des 
Zeitalters  der  punischen  Kriege  Fabius  Pictor  an,  während  das 
Yon  dem  Redactor  der  ältesten  Pontificalannalen  errichtete  Ornnd- 
gerüet  für  alle  Zeiten  bestehen  geblieben  ist. 

St.  Petersburg.  .  A.  Enmann. 


EPIGRAPHISCHE  BEITRAEGE 


I    Corpne  iDScriptionam  Graeoamm  1511. 

unter  den  nne  erhaltenen  Inschriften  übertreffen  nicht  viele 
an  Wichtigkeit  dee  Inhalte  die  von  Böckh  ans  FoormonU  Pa- 
pieren veröffentlichte  Corpne  Inecriptionum  Oraecarnm  1511. 
Denn  sie  enthält  eine  Liste  von  Greld-  and  Natural  beitragen,  die 
den  Lakedaimoniem  znr  Führung  eines  bestimmten  Krieges  (ποτ- 
τόν  πόλεμον)  von  andern  Staaten  und  von  Einseinen  geleistet 
worden  sind,  und  zwar  hat,  wie  die  Vocalbezeichnung  lehrt« 
dieser  Krieg  nicht  später  als  im  fünften  Jahrhundert  stattgefnnden. 
Fourmont  überliefeicjb  die  Urkunde  unter  den  tegeatischen,  was 
Böckh  damit  erklärte,  dass  die  Lakedaimonier  durch  die  Auf- 
stellung an  einem  fremden,  ihnen  ergebenen  Orte  die  Kunde  der 
ihnen  zu  Theil  gewordenen  Wohlthaten  weiter  verbreiten  wollten  ; 
Röhl  (Inscriptiones  antiquissimae  69)  schloss,  dass  zu  Tegea  der 
gemeinsame  Schatz  der  gegen  die  Perser  verbündeten  Hellenen 
bewahrt  worden  sei.  Dass  der  Dialekt  einer  öffentlichen  Urkunde 
der  Lakedaimonier  nur  der  lakonische  sein  könne,  hat  Ahrens 
gesehen^,  dass  von  der  Schrift  das  gleiche  gilt,  Kirchhoff '»  in- 
dem er  sagt:  'es  bleibt,  wenn  eine  andre  Erklärung  sich  nicht 
darbieten  sollte,  immer  die  Möglichkeit  offen,  dass  das  Bruchstück 
verschleppt  worden  ist*. 

Dazu  brauchen  wir  jedoch  nicht  unsre  Zuflucht  zu  nehmen; 
der  Stein  war  nicht  in  Tegea  aufgestellt,  sondern  in  Lakonien 
und  ist  dort  noch  heute,  leider  arg  verstümmelt,  vorhanden:  er 
bildet  zurechtgehauen  den  Bogen  der  Thüröffnung  an  der  Kircke 
des  heiligen  Vasilios,  die  etwa  2^4  Stunden  südlich  von  Sparta 
auf  einem  kleinen  Hügel  zwischen  den  Dörfern  Trapezondi  ond 
Kydonia  liegt.     Leebare  Reste    sind    nur    von    den    ersten   zebn 

1  De  dialectis  II  8.  157. 

«  Alphabet  «  94  f.  =  *  149  f. 


£pigraphieche  Beitrage  585 

Zeilen  der  Breitseite  übrig,  und  aacb  diese  sind  seit  Fonrmonts 
Zeit  durch  eingemeisselte  Ornamente  stark  beeinträchtigt:  links 
dnrch  ein  16  Centimeter  breites  mit  verschiedenen  Zuthaten  ver- 
sehenes liegendes  Kreuz,  rechts  durch  einen  Kreis  von  I4V2  Zenti- 
metern Durchmesser,  in  den  ein  zweiter  eine  Hosette  umgebender 
Kreis  eingeschrieben  ist.  Nach  der  zehnten  Zeile  hat  der  hier 
beginnende  Bogenschnitt  nur  ein  schmales  Stück  zurückgelassen, 
in  dem  ausser  einigen  Schatten  von  Buchstaben  nichts  mehr 
kenntlich  ist.  Mein  Reisebegleiter  im  Frühjahr  1902,  Herr  Dr. 
von  Prott,  hat  das  schwierige  Geschäft  vollbracht  in  blendender 
Mittagsglut  die  kostbaren  Reste  abzuschreiben,  und  er  hat  mir 
einen  wohl  gelungenen   Papierabklatsch  gemacht. 

£8  ist  ein  sprechender  Beweis,  wie  wenig  Griechenland 
epigraphisch  erforscht  ist,  dass  ein  solcher  Stein  hart  an  einer 
der  am  meisten  begangenen  Strassen,  dem  guten  Fahrwege  nach 
Gjthion,  offen  an  einer  Kirche,  in  deren  jeder  man  nach  Resten 
des  Alterthums  zuerst  zu  suchen  pflegt ,  so  lange  verborgen 
bleiben  konnte.  Wie  nützlich  könnten  sich  rüstige  junge  Männer 
machen,  wenn  sie  kleinere  Bezirke  vollständig  und  bedächtig  ab- 
enchten;  wer  eine  ganze  Landschaft  eilig  durchstreifen  muss, 
kann  unmöglich  alle  Seitenwege  verfolgen,  selbst  wenn  seine 
Körperkräfte  ihm  die  Vermehrung  der  Unbilden  einer  griechi- 
echen  Reise  gestatten  sollten.  Auch  ich  hätte  an  der  Stelle  un- 
seres Steines  schwerlich  gesucht,  wenn  ich  nicht  längst  gewusst 
hätte,  dass  er  vor  40  Jahren  dort  vorhanden  war:  Conze  und 
Michaelis  erwähnen  ihn  unter  genauester  Ortebeschreibung  in 
ihrem  bekannten  Reisebericht  Annali  delV  instiiuto  1861  p.  50, 
ohne  freilich  die  Inschrift,  die  sie  mit  Recht  als  oltremente  lo* 
gora  e  carrosa  bezeichnen,  mitzutheilen.  Aber  abgeschrieben  hatte 
Rie  Michaelis:  ich  fand  sie  in  seinem  Tagebuche,  das  er  mir  bei 
dem  Beginn  meiner  Vorbereitungen  für  das  peloponnesische  Cor- 
pus gütigst  zur  Verfügung  gestellt  hatte;  von  Conze  rühren  einige 
am  Rande  fragweise  beigefügte  Lesungen  her.  Dass  sie  ihren 
Schatz  nicht  erkannten,  ist  natürlich;  denn  sie  konnten  zunächst 
nur  unter  den  als  lakonisch  veröffentlichten  Inschriften  suchen, 
und  als  dies  vergeblich  war,  mochten  sie  wohl  nicht  von  einem 
Steine,  den  sie  für  unbekannt  hielten,  eine  Copie  bieten,  die  ihnen 
bei  dem  traurigen  Zustande  der  Erhaltung  unzulänglich  und  nicht 
nutzbar  schien.  Die  Leistung  hätten  sie  dann  freilich  unter- 
schätzt; schwerlich  wäre  es  einem  Andern  besser  gelungen,  der 
nicht  die  ältere  Abschrift  zur  Hand  gehabt  hätte. 


536  FräDkel 

Wie  aber  ist  Fouriuonte  Orteangabe  zu  erklären?  Uat 
er,  da  er  vorzugsweise  die  £pigrapbik  der  wahren  Gegend 
uneree  Steines  durch  seine  grotesken  Fälschungen  zu  bereichern 
versucht  hat,  sie  in  der  Absicht  gewisser  ausgleichender  Ge* 
rechtigkeit  andrerseits  •  durch  bewnsste  Unwahrheit  beraoben 
wollen,  oder  hat  er  eine  grobe  Fahrlässigkeit  begangen?  Da  die 
Antwort  wesentlich  ist  für  die  Glaubwürdigkeit  der  vielen  Orte- 
angaben, für  die  wir  auf  ihn  angewiesen  sind,  bat  ich  Herrn 
Gustave  Foug^res  in  Paris  zu  prüfen,  ob  aus  der  Handschrift 
eine  Lösung  des  Problems  zu  gewinnen  sei,  und  indem  er  mir 
mit  der  Freundlichkeit  und  sachlichen  Hingabe  willfahrte,  durch 
die  er  und  andre  seiner  Landeleute  sich  schon  früher  das  grösete 
Verdienst  um  meine  epigraphische  Arbeit  erworben  haben,  i^t 
es  ihm  gelungen  den  Sachverhalt  völlig  aufzuklären. 

In  dem  von  Michel  Eourmonts  Hand  herrührenden  Codex 
steht  die  Inschrift  auf  Folio  220,  dadurch  eingereiht  unter  die 
von  Tegea,  däss  die  Abtheilung  auf  ihrem  Titelblatt  Folio  21^ 
'inscriptions  de  Tigee*  überschrieben  ist.  Aber  zu  unsrer  In- 
schrift selbst  so  wenig  wie  zu  einer  andern  auf  demselben  Blatt 
copirten  ist  als  ihr  Ort  Tegea  genannt;  in  dem  Manuecript,  das 
die  auf  Grund  des  andern  angefertigten  Reinschriften  Fourmonts 
enthält,  ist  zwar,  wie  Herr  Henri  Omont  die  Güte  hatte  mir  mit- 
zntheilen,  α  Tegee*  beigemerkt,  aber  mit  Bleifeder  von  späterer 
Hand.  Dies  ist  also  gleichgiltig.  ebenso  dass  in  dem  Index  der 
von  Fourmont  gesammelten  Inschriften,  den  sein  Keife  und  Reise- 
begleiter verfasst  hat,  die  unsrige  unter  den  ^ Inscriptions  irouvces 
ά  Tegee*  verzeichnet  ist;  denn  Niemand  wird  darin  eine  selb- 
ständige Erinnerung  suchen  anstatt  blindlings  vorgenommener 
Registrirung  nach  dem  fertigen  Codex.  Aber  der  ursprünglicheren 
Copie  ist  wenn  auch  nicht  der  Ort,  so  doch  die  nähere  Stelle 
unserer  Inschrift  beigesehrieben :  *^  Dans  la  mime  eglise  dt  St. 
Basile^  et  fragment,  sur  une  base.^  Der  Ausdruck  setzt  voraus, 
dass  unmittelbar  oder  doch  kurz  vorher  eine  Kirche  des  heiligen 
Vasilios  erwähnt  sei ;  aber  man  muss  bis  Folio  45  zurückgehen, 
ehe  man  eine  solche  findet,  und  zwar  zu  einer  unter  den  Ic- 
sehriften  von  Sparta  angeführten  byzantinischen  Urkunde.  OfFen- 
bar  hatte  also  das  Blatt  mit  der  Abschrift  unsree  Steines  ur- 
sprünglich seine  Stelle  unmittelbar  hinter  Folio  45  und  hat  sich 
von  da  in  die  tegeatieche  Abtheilung  verirrt.  Das  Unglück  i>t 
vor  der  Anfertigung  des  Registers  geschehen;  ob  die  S^buW 
daran   Michel  Fourmont  selbst  träfft  oder  sein  Neffe  oder  die  ud- 


Epigraphischü  Beiträge  537 

voreicbtige  Hand  eines  Dritten^  der  sich  mit  den  noch  losen 
Blattern  bescbäftigte^  kann  man  nicht  wiesen,  aber  es  steht  fest, 
dase  die  richtige  Angabe  Fourmonts  nnr  durch  einen  Zufall  ver- 
dunkelt worden  ist.  £r  hat  die  Inschrift  ohne  Zweifel  in  der- 
selben Kirche  des  heiligen  Vasilios  gesehen,  bei  deren  ümban 
sie  nachher  verwendet  worden  ist. 

Weder  oben  noch  links  noch  in  Zeile  1 — 10  rechte  hat  seit 
Fourmonts  Zeit  eine  Verstümmelung  des  Steines  stattgefunden; 
ob  aber  oben  und  rechts  der  ursprüngliche  Rand  erhalten  ist, 
lässt  sich  so  lange  der  Stein  verbaut  bleibt  aus  äusseren  Kenn- 
zeichen nicht  entscheiden  und  seine  Loslösnng  würde,  auch  wenn 
die  Erlaubniss  zu  erreichen  wäre,  ohne  grössere  Kosten  nicht 
zu  bewerkstelligen  sein.  Dennoch  ist  nicht  zu  zweifeln,  dass 
rechts  der  Rand  intakt  ist.  Fourmont  fand  nämlich  auf  zwei 
Seiten  Schrift,  und  zwar  hat  die  der  zweiten,  die  er  nur  als  *sur 
Vautre  coste*  befindlich  bezeichnet,  nach  ihrer  geringen  Breite 
nothwendig  auf  einer  Schmalseite  gestanden;  es  muss  also  der 
anstossende  Rand  der  vorderen  Breitseite  erhalten  gewesen  sein. 
Nun  ist  dies  links  nicht  der  Fall,  war  es  aber  zu  Fourmonts 
Zeit  ebenso  i^enig,  da  er  hier  nicht  mehr  Schrift  giebt  als  wir 
noch  heute  haben:  folglich  war  die  unbeschädigte  Seite  die 
rechte.  Die  grösseren  Ergänzungen  sind  also  an  die  Anfänge 
der  Zeilen  zu  stellen.  Die  Schrift  ist  nicht  sehr  gleichmässig, 
so  dass  für  die  Zahl  der  fehlenden  Buchstaben  ein  kleiner  Spiel- 
raum bleibt.  In  dem  hier  folgenden  Herstellungsversnch  sind  die 
heute  leebaren  Buchstaben  durch  unterstreichen  kenntlich  ge- 
macht, die  sonst  ausser  Klammern  stehenden  sind  von  Fourmont 
überliefert;  die  übrigen  nöthigen  Nachweisungen  über  die  Lesung 
werden  unten  angefügt. 

l τοϊς  Λακ]€Οαιμονίο[ις  .... 

2 οκα]τίος  δαρι(κ)ός.    ΐφ€[κ]€  [Κ]αλ[λίμο- 

3  χος  δραι  τοις  Λ]ακ€δαιμονίοις  ποτ[τ]όν 

4  πόλ€μον  έννέ]α  μνας  και  6€κα  diäte ρας.     [*Ε- 

5  boK€  τοις  Λακ]€6αιμονιοις  Λυ[κ]€ί6ο  Αυιός 

6 ος  Όλέ[νι]ος  [?]δο[κ€  'τοις  Λακε- 

7  οαιμον(οις1  ποττόν  πόλεμον  τρΐ€ρ€[σιν]  μ[ι- 

8  σθόν  άργυρί]ο_μνάς  bue  και  τριάκοντα.     [*Ebov 
9 τον  Χίον  τοι  φίλοι  τοι  τον  [Λα- 

10  κ€5αιμονίον]  στατ€ροςΛιΤΐναίος 


538  Fränkel 

Ζ.  1 ΙΊΛΙΟ'Ν  .  .  .  .  \0  •  •  Fourmont,  nach 

gütiger  Mittheilong  des  Herrn  Omont;  CIGrr.  weicht  etwas  ab. 
ι^ΨΙΙιΜν.  Michaelis.  Die  Stelle  ist  äusseret  schwierig,  aber 
Protts  mühsame  Lesnng  vollkommen  sicher. 

Z.  2.  Das  auslautende  Sigma  des  Zahlwortes,  das  sehr  yer- 
rieben  ist,  hat  Fourmont  nicht  erkannt  und  die  Lücke  dafür  an- 
zugeben unterlassen;  das  Richtige  vermuthet  hatte  Röhl.  Dann 
giebt  Fourmont  zutreffend  ΔΑΡΙΥΟΣ:  der  Steinmetz  hat  geirrt; 
das  Wort  erkannte  Böckh.  Es  folgt  ΕΦΕΙ  .  .  ΑΛ  .  ΨΟΙ  hei  Four- 
mont, E4  TIE///AM  Michaelis,  ΕΟΕΙΦ///ΑΛ  NO  Prott,  indem  er 
das  zweite  Phi  als  unsicher  bezeichnet;  es  würde  die  Möglich- 
keit einer  Lesnng  ansschliessen.  Ich  sehe  auf  dem  Abklatsch 
r<  El  C  .  ΑΛ  .  .  \  und  halte  das  hergestellte  Verbum  für  sicher. 
In  dem  auslautenden  Ε  stimmt  Michaelis  mit  mir  Überein;  davor 
kann  man  an  der  senkrechten  Hasta,  die  ganz  deutlich  und  von 
allen  Zeugen  gesehen  ist,  den  Ansatz  des  abwärts  gehenden 
Striches  im  Winkel  des  Κ  zu  erkennen  glauben.  Der  Sinn  war 
also  'gestattete  zu  erheben':  der  Beitrag  ist  nicht  haar  ausgezahlt, 
sondern  auf  einen  Ort,  an  den  die  lakonische  Streitmacht  ge- 
langen ransste,  angewiesen  worden.  Am  Ende  sehe  ich  klar  den 
Schimmer,  den  Fourmont  und  Prott  als  0  auffassten,  aber  dies 
ist  ganz  unsicher  und  eher  wäre  /  anzunehmen,  so  dass,  da  \  die 
letzte  Hasta  eines  Μ  sein  dürfte,  Καλλίμαχος  wahrscheinlicher 
ist  als  Καλλιμέ5€ς,  Καλλιμένες  usw. 

Ζ.  4  Anfang  Ξ  Formont,  daraus  Böckh  ένν]έα,  und  in  der 
That  scheint  von  dem  Epsilon  vor  Alpha  ein  Rest  vorhanden. 

Z.  5.  ΛΥΡΕΙΔΑ  Fourmont,  emendirt  von  Böckh. 

Zeile  6  ist  von  Fourmont  ausgelassen.  Die  Lesnng  bis  0^ 
ist  ganz  sicher  und  Michaelis  hat  sie  übereinstimmend;  nachher 
giebt  dieser  nichts,"* Prott  *eine  schwache  Rundung,  unklar  von 
welchem  Buchstaben ;  ^  darauf  D  unsicher  und  I  \  loh  sehe  auf 
dem  Abklatsch  '  u  31.  —  Dass  zu  Anfang  der  Zeile  der  Name 
von  Lykeidas'  Sohn  angegeben  war,  ist  von  der  äussersten  Un- 
wahrscheinlichkeit,  denn  auf  den  etwa  11 — 12  Stellen  stand  nolh- 
wendig  seine  Gabe  und  der  Anfang  des  Namens  des  Oleniers; 
das  gewöhnlicKe  ποττόν  πόλεμον  ist  hier  vollends  unmöglich. 
Gewiss  war  der  eigentliche  Spender  Lykeidas  und  der  Sohn  konnte 
ungenannt  bleiben,  da  er  nur  den  Beitrag  abgeliefert  hat;  viel- 
leicht hatte  der  Tod  den  Vater  gehindert  die  geäusserte  Abticht 
auszuführen.  —  Das  Ethnikon  war  bei  einem  Fremden  nothwendig 
zu  nennen,  während  es  bei  den  lakonischen  Spendern  fehlt    Mao 


£pigraphi8cfad  Beiträge  539 

könnte  auch  Ολέ[ρι]ος  ergänzen,  aber  ein  Beitrag  aas  Kreta  iet 
sehr  viel  weniger  wahrscheinlich  als  einer  aus  dem  peloponnesi- 
Bchen  Olenos. 

Z.  7  Ende  ΤΡΙΕΡΕΓ'ΧΜ  .  .  Fourmont.  τριήρ€[σι]  Böckh; 
das  Ny  έφελκυστικόν  wird  mit  Dittenberger  (Sylloge,  1.  Anf- 
lage  n.  34),  der  danach  sehr  wahrscheinlich  μ[ΐ(Τθόν  ergänzt  hat, 
hinznznfügen  sein. 

Z.  θ  όργυρ(]ου  gab  Böckh.  —  bU€  ist  vollkommen  sicher. 

Z.  9.  Zu  Anfang  reicht  für  die  Ergänzung  τοις  Aaxebai- 
μονιοι]ς  der  Raum  bei  weitem  nicht.  Die  Auslassung  erklärt 
sich  leicht,  da  die  Empfänger  durch  das  gleich  folgende  τον 
[Λακ€6αιμον{ον  bezeichnet  waren,  welche  Ergänzung  Ditten- 
bergers  dadurch  noch  sicherer  wird.  Es  war  hier  gewiss  der 
Verwendungszweck  des  Beitrages,  den  die  Spender  vorgeschrieben 
hatten,  angegeben,  wie  bei  dem  vorhergehenden  Posten  Z.  7/8. — 
Dann  hat  Fourmont  +ION;  der  erste  Buchstabe  hat  sehr  ge- 
litten, doch  ist  Ψ,  die  nothwendige  lakonische  Form  des  Chi, 
vollkommen  sichef.  Während  Dittenberger  gewaltsam  ändern 
wollte,  hat  also  Meister  (Dialekt- Inschriften  4413)  richtig  ange- 
nommen, dass  nur  in  der  Gestalt  des  Buchstabens  geirrt  war. 
Wie  nahe  -|-  lag,  sieht  man  noch  heute  aufs  Deutlichste,  und 
ebenso  wie  der  so  sorgfältige  Michaelis  fast  übereinstimmend  mit 
Fourmont  glauben  konnte  F  zu  sehen;  Conze  hatte  das  Wahre 
erkannt,  indem  er  *K?'  beischrieb. 

Z.  10  Anfang.  Die  Ergänzung  Λακ€6αιμον{ον  ist  von 
Dittenberger. 

Der  Fund  uusres  Steines  ist  durch  die  Sicherheit  über  den 
Schriftcharakter  auch  werthvoU  für  die  Feststellung  der  Zeit, 
auf  die  für  die  historische  Nutzbarkeit  alles  ankommt.  Kirchhoff 
hatte  geurtheilt,  dass  die  Μάλιοι,  die  zweimal  als  Beitragende 
auftreten  (und  zwar  nach  dem  Ausdruck  ^bov  TOi  Μάλιοι  ihre 
Gemeinde),  nur  die  Bewohner  der  Insel  Melos  sein  können,  und 
da  diese  von  Ol.  91,  1 — 93,  4  von  attischen  Kleruchen  besetzt 
gewesen  sei,  es  aber  wegen  der  noch  ganz  epichorischen  Schreib- 
weise^ bedenklich  wäre  die  Urkunde  unter  das  Ende  des  pelo- 
ponnesischen    Krieges    herabzurücken,    so    sei   sie   vor  Ol.  91,  1 


1  Mit  Recht  hält  Kirchhoff  wie  Böckh  für  unglaublich,  daes 
das  in  der  letzten  Zeile  überlieferte  ΧΙΛΙΟΤΣ  auf  dem  Steine  ge- 
wesen sei. 


540  Fränkel 

r 

(416)  zu  setzen;  am  wahrecheinlichsten  sei  unter  dem  Kriege, 
für  den  die  Beisteuern  geleistet  sind,  der  arcbidamische  zu  ver- 
stehen. -Dieses  auch  ausdrücklich  als  'keineswegs  sicher*  be- 
zeichnete Resultat  ist  nicht  zwingend;  denn  die  Prämissen  ge- 
statten die  zweite  Möglichkeit,  daes  die  Beiträge  aus  Meloa  in 
der  kurzen  Frist  zwischen  der  Restitution  der  alten  Bewohner  im 
Jahre  405  und  dem  Ende  des  Krieges  im  Frühjahr  404  geleiRtet 
worden  sind.  Betrachtet  man  aber  die  Schrift,  so  kann  man 
nicht  glauben,  dass  die  Aufzeichnung  früher  erfolgt  ist  als  in 
den  letzten  Jahren  des  fünften  Jahrhunderts:  sie  zeigt  den  Cha- 
rakter des  Schwankens  und  Ueberganges,  vor  allem  in  den  For- 
men des  My  und  Ny,  die  theils  alterthümlich  sind,  theils  gut 
dem  vierten  Jahrhundert  angehören  könnten.  Das  geschloesene 
Hauchzeichen  B,  das  Fourmont  in  Zeile  5  überliefert,  hat  sich 
in  Lakonien  sehr  lange  gehalten:  es  findet  sich  neben  dem  ioni- 
schen Omega  auf  der  Inschrift  bei  Röhl,  Inscriptiones  antiquis- 
simae  n.  83,  wie  auf  der  höchst  wahrscheinlich  ebendaher  stam* 
menden  n.  82,  die  Dittenberger-Purgold  (Inschriften  von  Olympia 
274)  mit  Recht  auf  die  Scheide  des  fünften  und  vierten  Jahr- 
hunderts gesetzt  haben  werden'.  Dass  um  diese  Zeit  in  die 
officielle  Orthographie  Spartas  der  lonismus  noch  nicht  ein- 
gedrungen war,  zeigt  der  obere  Theil  der  Urkunde  n.  91,  der 
in  Delos  genau  nach  spartanischer  Vorschrift  aufgezeichnet  ist, 
und  zwar  nach  Homolles  sicherem  Nachweis  zwischen  403  und 
397.  Diesen  epigraphischen  Gründen  hat  mich  die  Güte  dee 
Herrn  Henri  Omont  in  den  Stand  gesetzt  einen  sehr  gewichtigen 
historischen  hinzuzufügen.  In  Zeile  21  (der  früheren  Zählung) 
ist  nämlich  ΕΦΕΣΤΙΟΙ  ein  starkes  Versehen  Bekkers,  während 
Fourmont  sowohl  in  der  ursprünglicheren  als  in  der  ins  Reine 
geschriebenen  Copie  ΕΦΕΣΙΟΙ  überliefert^.    Wenn  man  aber  auch 


*  Ebenso  wird  n.  83  zu  datiren  sein,  welche  Urkunde  Kirchhoff, 
Alphabet*  S.  154  erst  gegen  die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderte  setzt. 
Sein  Grund  ist,  dass  Theta  in  n.  91  Zeile  2  und  6  noch  die  archaische 
Form  mit  Kreuz  hat;  aber  eine  solche  Einzelheit  braucht  nicht  typisch 
zu  sein,  sondern  kann  auf  der  beibehaltenen  Gewohnheit  oder  dem 
archaisirenden  Geschmack  des  Aasfertigers  beruhen. 

2  So  hatte  Otfried  xMüller  (Dorier  I  181)  vermuthet  oder  viel- 
leicht auch,  da  er  die  Lesart,  ohne  ein  Wort  darüber  zu  sagen,  nur 
in  der  Darstellung  verwerthet,  durch  einen  sehr  begreiflichen  Lese* 
fehler  aus  den  Scheden  des  Corpus,  die  seine  Quelle  waren  (s.  Bockb, 
Kleine  Schriften  7,  251),   gewonnen.    Mit  Recht  hat  Dittenberger  die 


Epigraphische  Beiträge  541 

alleofalls  meinen  kann,  dass  den  Meliern  ihr  damaliges  Verhalten 
bei  dem  furchtbaren  Gericht  des  Jahres  416  angerechnet  worden 
sei,   wie  hätten  die  Ephesier,    die  Mitglieder   des    attischen  See- 
bundes waren,    vor  dessen  Zerfall    eine  Handlang    so    offenbarer 
Rebellion  wagen  können,    als  die  Beisteuer    der  grossen   Summe 
von  tausend  Dariken  zu  den  Eriegsmitteln   des  Feindes  gewesen 
wäre ,    ohne    dass    wir    durch    Thukydides    von    Strafmassregeln 
hörten?  Dagegen  war  die  Stadt  seit  dem  Jahre  412  den  Athenern 
verloren  und    ihre  Beziehung    zu    der    spartanischen  Streitmacht 
musste  eine  besonders  nahe  sein,  da  diese  von  408  bis  406  dort 
ihr    Hauptquartier    hatten     Wenn    ferner    Zeile  9    geflissentlich 
hervorgehoben  wird,  dass  der  chiische  Beitrag  nicht  von  der  Ge- 
meinde, sondern  von  den  Lakonerfreunden  herrührt,    so  muss  er 
in    eine  Zeit  der  Unruhe    und  Parteigährung    gehören,    wie    die 
Insel   sie    nach   ihrem   ebenfalls  412  erfolgten  Abfall  von  Athen 
durchgemacht  hat^     So   vereinigt   sich   alles   zu    der  Sicherheit, 
dasR  die  in  der  Urkunde  verzeichneten  Beiträge    in    den    letzten 
Jahren  des  peloponnesischen  Krieges  geleistet  worden  sind.    Aus 
dieser  Zeit  sind  uns  auch    solche    freiwillige  Beisteuern    an    die 
Spartaner    bezeugt:    Lysander   hat   dazu    die  asiatischen   Eüsten- 
städte  vermocht^;   vor  allem  aber  ist  für  uns  wichtig,  dass  sein 
Nachfolger   in  der  Nauarchie  Eallikratidas,    wie  Xenophon  (Hei- 
lenika   1,6,  7  ff.)  erzählt,  angeekelt  von  der  Notb wendigkeit  bei 
den  Satrapen  zu  antichambriren  und  ergrimmt  über  die  Schmach, 
dase   Hellenen    den  Barbaren   um  des  Geldes  willen  schmeicheln 
müssten,   im  Jahre  406  in  einer  Versammlung  der  Milesier,  die 
er   berief,  die  Bundesgenossen  zu  Opfern   aufforderte,    worauf  er 
von    milesischen  Privaten    und  aus  Chios  erhebliche  Summen  er- 
hielt*.    Seine  gerechten  und   starken  Empfindungen,    deren  ein- 


jetzt  als  richtig  herausgestellte  Lesung  als  Conjectur  für  unstatthaft 
erklärt;  Röhl  hat  sie  als  seine  eigne  wieder  aufgestellt. 

^  Vergl.  Ed.  Meyer,  Geschichte  des  Alterthums  IV  S.  563.  031  ff. 

«  Thukydides  8,  38,  3:  ol  6έ  Xloi  -  -  ύπόπτως  6ιακ€ίμ€νοι  άUή- 
λοις.     Diodor  13,  65,  3  f. 

8  Diodor  13,  70,  4. 

*  Der  in  der  Urkunde  Z.  9  verzeichnete  Beitrag  aus  Chios  kann 
fich'werlich  mit  dem  von  Xenophon  erwähnten  identisch  sein,  da  dieser, 
fünf  Drachmen  auf  den  Mann  der  Schiffsbesatzung,  zu  erheblich  war 
als  dass  der  Raum  die  Ergänzung  der  nöthigcn  Anzahl  von  Stateren 
zuliesse.  Dasselbe  gilt  für  die  nach  Thukydides  «S,  101  παρά  ταιν  X(uiv 
im     Jahre  411    eingegangene    Unterstützung,    als    deren  Urheber    nian 


542  Fränkel 

dringliche  Schilderung  durch  Xenophon  den  Stempel  der  Wahr* 
heit  trägt,  hat  Kallikratidas  ohne  Zweifel  darch  die  von  ihm  nach 
Geld  entsandten  Trieren  in  Sparta  geltend  machen  lassen,  und 
bei  dem  Versiegen  der  persischen  Goldqaelle  werden  sie  nicht 
bIo88  in  Milet  und  Chios  gewirkt  haben.  Etwa  in  dieser  Zeit 
werden  also  die  Beiträge  geleistet  sein,  von  denen  unsere  Urkunde 
meldet;  dass  die  eben  von  Sparta  zurückgeführten  Melier,  die  eich 
erklärlicher  Weise  zur  Betheiligung  gedrängt  fühlten,  erst  auf 
der  Schmalseite  vei zeichnet  sind,  stimmt  dazu,  dass  ihre  Spenden 
zu  den  spätesten  gehört  haben  müssen.  Die  Breitseite  könnte  ja 
etwas  früher  geschrieben  sein,  aber  nach  den  Kriterien  der  Schrift 
nicht  wesentlich  früher;  so  wird  kaum  ein  Zweifel  sein,  daee 
die  Urkunde  erst  unmittelbar  nach  dem  Friedensschluss  als  ein 
Zeichen  der  Dankbarkeit  aufgestellt  wurde  und  dass  sie  uns  so- 
mit für  die  Geschichte  der  lakonischen  Schrift  einen  festen  chro- 
nologischen Anhalt  gewährt^. 


überdies,  wie  auch  wohl  bei  der  von  Xenophon  Hell.  2,  1,  5  bezeugten 
aus  dem  Jahre  405,  die  Gemeinde  ansehen  moss. 

^  Otfried  Müller  (Dorier  1 180),  dem  Böokh  zuzustimmen  geneigt 
war,  wollte  nicht  weit  von  der  Wahrheit  unere  Urkunde  in  die  Zeit 
Lysanders  setzen.  —  Sehr  merkwürdig  ist  das  Verfahren  Röhls,  der, 
da  die  Schrift  vor  das  Jahr  427  fallen  müsse,  entschlossen  gleich  bis 
etwa  in  die  Zeit  der  Schlacht  bei  Mykale  hinaufgeht.  Damals  hätte 
man  die  Spenden  doch  nicht  an  die  Lakedaimonier,  sondern  an  die 
Hellenen  gerichtet.  Beruhen  kann  der  t^rminus  ante  quem  nur  auf 
Höhls  falscher  Datierung  der  Inschrift  n.  88,  die  in  Wahrheit  ins  vierte 
Jahrhundert  gehört;  s.  Kirchhoif,  Alphabet^  S.  154.  Man  sollte  meinen, 
für  die  subtile  Abschätzung  des  Schriftcharakters  wäre  die  Voraus- 
setzung ein  starker  Glaube  an  die  Geschicklichkeit  und  Genauigkeit 
Fourmonts,  die  durch  die  doppelte  Brechung  in  Bekkers  Abschrift  und 
Böckhs  Typen  noch  wirksam  geblieben  wären.  Dennoch  ist  Röhl  von 
solchem  Glauben  weit  entfernt;  er  erhebt  entrüstete  Klage  über  Four- 
monts negiegentia',  da  der  Stein  misere  exscriptus  sei,  habe  homo  Ute 
uns  um  seinen  Nutzen  gebracht.  Hat  er  uns  denn  nicht  vielmehr  die 
Urkunde  gerettet,  und  mit  ihr  blos  in  Lakonien,  wo  gerade  man  seine 
Ausdauer  bewundern  lernt,  hunderte  anderer?  Das  arge  Missverständ- 
niss,  dass  er  Reste  des  Alterthums  geflissentlich  zerstört  zu  haben  be- 
kenne, hat  Ross  (Archäologische  Aufsätze  S.  429  f.)  aufgelöst;  er  hätte 
nur  nicht  zugeben  sollen,  dass  es  manchmal  doch  geschehen  sei,  auf 
den  blossen  Gemeinplatz  hin,  dass  die  Eitelkeit  einen  Stein  allein  ge- 
sehen haben  zu  wollen  vorkäme.  Ross  rühmt  ebenda  Fourmouts  Ab- 
schriften: *wo  ich  seinen  Spuren  habe  folgen  können,  ...  da  habe 
ich  ihn  gewissenhaft  genau  befunden,  selbst  genauer  als  seine  Commen- 


Epigraphieche  Beitrage  54«3 

Am  FuBse  des  kleinen  Hügels,  der  das  Kirchlein  des  hei- 
ligen Yasilios  trägt,  lie^t  da  β  Fragment  einer  nncanellirten  Säule; 
in  der  Kirche  befindet  eich  ein  korinthisches  Kapitell.  So  hat 
vielleicht  der  Hügel,  wozu  seine  Lage  sehr  geeignet  ist,  auch 
im  alten  Hellas  ein  Heiligthum  getragen;  aber  viel  wahrschein- 
licher ist  es,  dass  die  Spartaner  unsrem  Steine  denselben  Platz 
angewiesen  haben,  an  dem  sie  ihre  wichtigsten  öffentlichen  Ur- 
kunden aufzustellen  pflegten  ^ ,  dass  er  also  aus  dem  etwa 
1Y2  Stunde  entfernten  Amyklaion  verschleppt  ist. 


U.    Zur  Aphaia-Inschrift  ClPel.  1580. 

Es  ist  abermals  Adolph  Michaelis,  dem  ich  zu  danken  habe: 
er  hat  mir  für  die  Aphaia-Inschrift  eine  durch  veränderte  Inter- 
punction  zu  gewinnende  wesentliche  Verbesserung  mitgetheilt 
Er  liest:  .  .  .  Όϊ9ος  [οΐ9οί)ομ]6θ€  χό  βωμός,  χόλέφας  ποτε- 
ποιεθε.  [χό  περίβολο]ς  π€ρι[ε]ποιέθε.  Εβ  leuchtet  «in,  dass 
diese  Satztheilung  die  wahre  ist.  Mit  Recht  urtheilt  Michaelis, 
dass  οίκος  und  βιυμός  zusammengehörig  sind  und  dass  der  In- 
halt, da  er  nun  völlig  auf  das  eine  Haus  der  Aphaia  zu  beziehen 
ifit,  geschlossener  wird.  Doch  οΙ?οοομ]ήθη  passt  jetzt  nicht; 
ich  war  auch  vorher  damit  nicht  völlig  zufrieden,  fand  aber  ein 
andres  Verbum  auf  έιχ),  an  das  ich  allein  dachte,  nicht.  Einwand- 
frei  möchte  Folgendes   sein: 

Κλ]εοίτα  Ιαρέος  έόντος  τάφαίαι  ώι9ος 
έτ]έθη  χώ  βωμός,    χώλέφας  ποτεποιήθη. 
και  τώρ9ο]ς  περι[ε]ποιήθη. 
Die  Form  von  τιθέναι  zu  Anfang  von  Zeile  2  wie  zB.  ClPel.  192; 
Inscriptiones  aniiquiss,  314;    Inschrift  des  erzenen  Viergespanns 


tatoren*.  Auf  unsrem  Stein  erkennt  man  noch  heute  in  täuschenden 
Zufälligkeiten  Quellen  seiner  Fehler,  so  dass  also  schon  damals  die 
Lesung  sehr  schwer  gewesen  sein  muss,  wie  ja  auch  die  letzten  vierzig 
Jahre  darin  einen  merkbaren  Unterschied  nicht  hervorgebracht  haben. 
Man  sollte  sich  klar  machen,  was  es  hiess  eine  verriebene  archaische 
Urkunde  zum  ersten  Male  abzuschreiben,  im  Jahre  1730,  wo  die  dia- 
lektischen und  epigraphischeu  Eigenthümlichkeiten  nicht  verstanden 
werden  konnten,  die  Arbeit  also  zumeist  eine  rein  mechanische  sein 
musste:  da  wird  man  auch  die  Auslassung  einer  Zeile,  das  schlimmste 
Versehen,  nicht  für  unverzeihlich  halten.  ^ 

1  Vergl.  zB.  Thukydides  5,  18,  10.   23,  5. 


544  Fränkel 

aaf  der  Borg  von  Athen  Uerodot  5,  77.  Zu  Anfang  τοη  Zeile  ο 
(και  το  Ιρ9ος)  stünde  AI  auf  dem  Raum  der  breiten  Bochstaben 
Λ  in  Z.  1  und  Τ  in  Z.  2,  genan  wie  in  dem  Erhaltenen  in  Z.  1 
Ol  über  φ   und  das  zweite  AI  über   Π,  in  Z.  3  PI  unter  M. 

Da  ich  zu  der  Inschrift  nochmals  das  Wort  nehmen  mosste, 
habe  ich  zugleich  auf  die  Entgegnung  einzugehen,  durch  die  Fort* 
wängler  oben  S.  252  ff.  meine  S.  152  ff.  gegebenen  Ansfuhrangen 
zu  widerlegen  gemeint  hat^.  Der  erneuten  Erörterung  kommt 
die  feste  Grundlage  zu  Gute,  die  Michaelis  geschaffen  hat,  and 
die  erhobenen  Einwände  scheinen  zu  zeigen,  dass  es  gut  ist  man- 
ches eingehender  zu  begründen  als  ich  früher  für  nöthig  hielt. 
Furtwängler  fragt:  'der  aeginetische  οίκος  der  Aphaia,  wenn  er 
.  .  .  dem  Cultus  dieser  Göttin  diente,  was  war  er  denn  anders 
als  ein  Tempel?  Sei bstTcrständ lieh  war  er  das,  aber  nicht  der 
Hanpttempel  des  Temenos.  Furtwängler  heftet  sich  daran,  dase 
Ulrich  Köhler,  auf  den  ich  mich  berief,  für  die  icpoi  οικοι  den 
Galt  ausscbloss.  Ich  hätte  hervorheben  sollen,  dass  seine  Be- 
stimmung zu  eng  ist,  dass  er  die  kpoi  οίκοι  zwar  richtig  aU 
^Dependenzen  der  dabei  stehenden  Tempel'  definirt  hat,  dass 
sie  aber  einem  Cult  ebenso  gedient  haben  können  wie  der  Ver- 
waltung'; einen  für  den  Cult  bestimmten  οΤκος  hatte  ich  ans 
der  Inschrift  CIGr.  Sept.  I  2233  angeführt.  Wenn  aber  im  ge- 
nauen amtlichen  und  sacralen  Gebrauch  οίκος  gleich  bedeutend 
mit  ναός  sein  könnte,  müsste  es  in  einer  unsrer  vielen  Bau- 
in Schriften  dafür  stehen.  Worin  sonst  sollte  aber  der  noth wen- 
dige Bedeutungsunterschied  bestanden  haben  als  in  der  von  Köhler 
für  die  andre  Art  der  Upoi  οΤκοι  festgestellten  Inferiorität?  Meint 
man,  dass  bei  der  Unterscheidung  mehr  auf  Ausstattung  und 
Grösse  gesehen  sei,  so  kommt  es  im  Allgemeinen  und  eicher 
in  unsrem  Falle  auf  dasselbe  hinaus,  denn  das  Gebäude  für  den 
Uauptcult  unsres  Temenos  kann  nicht  eine  Aedicula  gewesen  sein. 
Man  kann  von  zwei  vaoi  desselben  Bezirkes  sprechen,  wenn  man 
die  Unterscheidung  zwischen  dem  ursprünglichen  und  dem  zu- 
gefügten Culthause  nicht  betonen  will;  aber  der  einzige  Tempel 


*  Auf  Herwerden,  Lexicon  Graecum  suppletorium  p.  935  f.  Q. 
*Αφα{α  hat  Furtwänglers  Polemik  keinen  Eindruck  gemacht. 

'  Ich  darf  die  Flüchtigkeit,  die  ich  begangen  habe,  damit  ent- 
schuMig»in,  dass  ich  zur  «»lössten  Eile  gezwungen  war,  um  meine  Ans- 
führunoen  noch  im  Corpus  citiren  zu  können  und  das«  die  Jahresieit 
zur  Reise  nach  Griechenlaud  drängte. 


Epigraphieohe  Beiträge  545 

eines  Bezirks  kann  in  der  Weihaiig  nicht  οΤκος  genannt  werden. 
Da  jetzt  dnrcb  Michaelis  vollends  gesichert  ist,  dass  der  οίκος 
der  Aphaia  ihrem  Culte  diente,  kann  der  Haupttempel  des  Te- 
menos  nicht  dem  Gülte  derselben  Gottheit  gedient  haben.  Wenn 
Aphaia  so  gründlich  in  Vergessenheit  gerietb,  dass  ihre  'Legende 
erst  der  gelehrte  Nikander  wieder  entdeckt  za  haben  scheint*^, 
so  ist  das  schwer  vorznstellen,  wenn  sie  einen  prachtvollen  Tempel 
an  bevorzugter  Stelle  besass,  leicht  wenn  ihr  nur  eine  neben- 
sächliche Capelle  zu  eigen  war. 

Gegen  die,  wie  ich  meine,  feste  philologische  Thatsaohe, 
dass  οίκος  nicht  dasselbe  ist  wie  ναός,  können  die  Fundthat- 
sachen,  die  zufällig  sind,  nicht  aufkommen.  Die  hier  behandelte 
Inschrift  ist  bis  auf  das  kleine  Fragment  zur  äussersten  Linken 
durch  Verbauung  gerettet;  die  ausserdem  ganz  oder  fast  sicher  auf 
Aphaia  bezüglichen  Steine  ClPel.  1582  und  1584  sind  in  einer 
and  derselben  Gegend  gefunden,  auch  der  minder  sichere  1585. 
Wenn  höchstens  drei  oder  vier  inschriftliche  Zeugnisse  für  Aphaia 
übrig  sind,  so  ist  die  Zahl  zu  gering  um  zu  behaupten, 
dass  deren  auch  für  Artemis  übrig  sein  müssten.  Wie  gründ- 
lich die  Zerstörung  der  Inschriften  in  unserem  Temenos  war,  be- 
weist dass  wir  nach  so  erschöpfenden  Ausgrabungen  wie  den 
bairiechen  im  Ganzen  mit  Einschluss  des  schon  vorher  vorhan- 
denen Inventars  ClPel.  39  nicht  mehr  als  neun  haben.  Nach- 
dem unser  Heiligthum,  wie  Furtwängler  (Akad.  S.  389)  gewiss 
mit  Recht  annimmt,  schon  seit  dem  Jahre  431  verödete,  können 
auch  Weihgeschenke  an  Artemis  in  ihren  unterwärts  gelegenen 
Tempel  versetzt  worden  sein.  Wenn  Furtwängler  weiter  geltend 
macht:  'Unter  den  zahlreichen  Terrakotten  ist  keine  einzige,  die 
etwas  von  Artemis  hätte',  so  könnte  auch  keine  auf  Aphaia  zu  be- 
ziehen sein;  denn  nach  dem  was  Furtwängler  (Akad.  S.  380  ff.) 
über  deren  künstlerische  Darstellung  ermitteln  konnte,  war  sie 
der  Artemis  ähnlich.  Die  Terrakotten  beweisen  also  nach  keiner 
Seite;  aber  jedenfalls  ist  Marmor  nicht  schlechter  als  Thon. 
Nun  berichtet  Furtwängler  (Akad.  S.  380)  von  dem  Funde  einer 
früharchaischeu  Marmorstatuette,  deren  ^Typus  auch  ...  in  einer 
Marmorstatuette  aus  der  tiefsten  Schicht  am  Artemision  von 
£phesos  erscheint  .  .  .  :  die  Aphaia  und  die  ephesische  Ar- 
temis wurden  in  alter  Zeit  in  einem  und  demselben  .  .  .  Typus 
gebildet'.     Es  wird   einfacher  sein,   auch    die  aeginetische  Figur 


^  So  Furtwängler,  Sitzungsber.  d.  Münchener  Akad.  1901  S.  389. 
Obain.  Mu«.  f.  PhUol.  N.  F.  LVII.  35 


546  Fränkel 

für  Artemis   zu  nebmeo    und    für    eine    erwünschte  Bestitigiing 
ibres  Coltes. 

*Die  örtlichen  Verhältniese  zeigen  femer  deutlich,  dmss  nur 
ein  Cultus  hier  gepflegt  wurde  ....  Vor  Allem  ist  gar  kein 
Platz  vorhanden  in  dem  beschränkten  Raum  des  alten  Heilig- 
thums,  wo  der  .  .  zweite  Tempel  gestanden  haben  sollte.*  Setzt 
man  hier,  wie  es  recht  ist,  anstatt  des  zweiten  Tempels  eine 
Capelle  von  vielleicht  sehr  bescheidenen  Abmessungen,  so  kann 
die  Behauptung  auf  hinreichender  Grundlage  nicht  ruhen;  deoD 
^das  Fundament  des  (alten)  Baues  muss  wohl  unter  dem  jetzigen 
Tempel  stecken',  heiset  es  in  den  Sitzungsberichten  S.  386. 

Dass  an  unsrer  Stelle  ein  lepov  'Αφαίας  sei,  sagt  Pausanias 
völlig  zutreffend,  er  sagt  nur  nicht,  dass  es  sich  im  Heiligthom 
der  Artemis  befindet,  begeht  also  keinen  'unerhörten  Irrthum  . 
noch  überhaupt  einen  Irrtbum,  sondern  nur  eine  Auslassung.  Ich 
möchte  hier  ein  für  die  Frage  nach  dem  Inhaber  unseres  Temeoof, 
wie  ich  meine,  wichtiges  Argument  nachtragen.  Nach  dem  Zeug- 
nies  des  Pausanias  3,  14,  2  wurde  in  Sparta  die  Άρτ€μις  At- 
γίναία  in  einem  eignen  Tempel  verehrt.  Die  ethnische  Bezeich- 
nung beweist,  dass  Artemis  die  Hauptgottheit  von  Aegina  gewesen 
ist;  um  einige  Beispiele  anzuführen,  nenne  ich  die  epidauri sehen 
Weihungen  Άπόλλυινι  Άμυκλαίψ  ClPel.  1078,  'Αρτέμιδι  Έφ€σία 
η.  1193,  Άακληιηου  ΤΤεργαμηνου  η.  1262.  Dass  man  aber  dae 
Geschlecht  des  Landesheroen  ^  der  Insel  Aiakos  in  den  Tempel- 
giebeln der  Hauptgottheit  verherrlicht,  ist  verstandlich,  aber 
nicht,  dass  man  dafür  den  Tempel  einer  untergeordneten  Heroine 
gewählt  hätte,  deren  Legende  keinen  Grund  dafür  bot.  Sicher 
ist  auch,  dass  wenn  der  Colt  der  Artemis  so  bedeutend  war,  sie 
nach  der  frühen  Aufg^abe,  mindestens  dem  ganzlichen  Zurück- 
treten des  auf  der  Höhe  gelegenen  Heiligthnms  einen  andern 
Tempel  gehabt  haben  mus^s,  den  Pausanias  erwähnt«  £r  nennt 
2,  30,  2  als  Hauptgottheit  der  Aegineten  für  seine  Zeit  Hekate, 
die  ja  auch  nur  eine  Gestalt  der  Artemis  ist;  sie  hatte  neben 
dieser  einen  eignen  Tempel. 

Endlich  Antoninas  Liberalis.  Durch  die  Abaieht  seinee 
Buches  wie  durch  d;^8  im  Codex  voranstehende  Argument  ist 
sicher,  dass  die  uns  angehende  Erzählung  einen  Verlust  erlitten 
hat:  es  fehit  die  Verwandlung  der  Britomartis  in  ein  GötterbiM- 
Otto  Schneider   und  Martini    haben    den  Auafiall   naeh  έν  bi  Τψ 


*  S.  155  i*t  dafür    Landesherren*  g^edm^t. 


Epigraphiflche  Beiträge  547 

lepil)  της  *Αρτίμώος  angesetzt,  was  Furtwängler  (Akad.  S.  377  f.) 
verwirft,  indem  er  yermutbet,    dass    dae  Fehlende   vielmehr  die 
Stelle  des  taatologischen  Zusatzes  και  ώνόμασαν  αυτήν  Άφαίαν 
eingenommen  hahe.    Es  steht  fest,  dass  er  recht  hat:  das  Emhlem 
hat  das  Echte  verdrängt ;  dass  für  Britomartis  ihr  Bild  erschienen 
sei,    mnss    noth wendig    an  den  Bericht  von   ihrem  Verschwinden 
angeschlossen  gewesen  sein.     An  der  Stelle  aher,  von  der  Furt- 
wängler mit  richtigem  ürtheil  den  einzigen  in  der  TJeherlieferung 
fehlenden  Zug  der  Erzählung  entfernt,  nimmt  er  nun  doch  einen 
zweiten  derartigen  Defect    an.     Das  ist   nur   zulässig,    wenn    er 
für    ihn    einen   nothwendigen  Inhalt  aufweisen  kann,    und  dieser 
Verpflichtung  genügt    er   nicht ;    denn    er   kann    nur  sagen  *  was 
hier  (in  dem  Heiligthum    der  Artemis)    auf  Aphaia  Bezügliches 
war,   ist  durch  die  Lücke  des  Textes  verloren*.      Was  soll  denn 
in    einem    fremden    Heiligthum  auf   das  Verschwinden    der  Bri- 
tomartis  Bezügliches    geschehen    sein?    Wenn    hier  das  Heilig- 
thum der  Artemis  erwähnt  wird,   so  ist   zweifellos,    dass   es  der 
Schauplatz    des  Erzählten    gewesen    ist.     Es   ist    auch    offenbar, 
dasH  dies  allein  zu  Pausanias'  Aussprach  ταύτην  θεόν  έποίη(Τ€ν 
Άρτεμις  passt  und    dass  es   sich    mit  dem  aus   der  Anwendung 
des  Wortes  οίκος  in  der  Inschrift  Ermittelten  zusammenschliesst. 
Da  jedes   Anzeichen    fehlt,    dass   die    Erzählung    einen    zweiten 
Verlust  erlitten  habe,  ist  seine  Annahme  ein  unerlaubtes  Mittel, 
um  unsren  Text   in  Ordnung   zu  bringen.     Dem  Anstoss,  der  an 
der  unvermittelten  Einführung  des  Heiligthums  der  Artemis  ge- 
nommen werden  kann,    ist   leicht    zu  begegnen,    indem  man  die 
zweifellos  noth  wendige    Ergänzung   ungefähr   so   gestaltet:    κάν- 
ταυθα  έγίνετο  αφανής  <και  ioavov  έφάνη  άντ'  αυτής  *  συνέβη) 
hi  έν  τψ  ίερψ  τής  Άρτέμώος.   τόν  bk  τόπον  κτλ.    Dass  nach 
der  Lücke  bk  und  έν  ihren  Platz  vertauscht  hätten,    wäre  sehr 
natürlich.     Nachher  ist  jedenfalls  noch  ein  kleiner  Verlust    ein- 
getreten, da  das  Objeot  zu  ώνόμασαν  fehlt,  als  welches  Martini 
αυτήν   einsetzt.     Es   wäre    entbehrlich,    wenn    man    άφ{€ρωσαν 
Αιγινήται  (αύτη)  schreibt,    wo  der  Aasfall  nach  dem  ganz  ähn- 
lich auf  ται  auslautenden  Worte  leicht  eintreten  konnte;  aus  dem 
Dativ  des  Fronomens    wäre   wohl   der  Accusativ   zu   entnehmen. 
Doch  mag   der  Schriftsteller    sich    auch    nachlässig    ausgedrückt 
haben;   wenigstens  fehlt   dasselbe  αυτή  auch    am  Schluss   seiner 
ersten  Erzählung  nach  ol  bk  θύουσιν  δχρι  νυν,  wo  freilich  auch 
wieder    der  Ausfall  des  Wortes  vor  *Ιουλιήται    wegen    des  Ho- 
moiotelentoD  veranlasst  sein  kann. 


ν 


548  Franke  1  Epigraphische  Beiträge 


Betrachten  wir  nach   diesen  Einzelheiten    noch    einmal    die 
ganze  Inschrift.     'Als  Kleoitas  Priester  (der  Artemis)  war,  ist  der 
Aphaia  das  Haue  errichtet  worden  und  der  Altar/    Da  der  Altar 
hesonders  erwähnt  wird,  hat  er  nicht  in  der  Aedioula  gestanden, 
die  das  vom  Himmel  gefallene  Cnltbild  enthielt,  sondern  vor  ihr  iik 
Freien,     'und  das  Elfenbein    wurde   hinzugefügt.'     Es  war  also 
nichts  Nothwendiges,  sondern  Schmuck;   an  welchem  Theile  des 
Bauwerks  er  sich  befand,  können  wir  nicht  wissen;  doch  ist  (Jji^ 
Vermuthung    statthaft,    dass    er    an    der   Thür  angebracht    war. 
*ünd  das  Gitter  wurde  herumgelegt',    um  Haus  und  Altar   vem. 
dem   übrigen   Bezirk'  der  Artemis    abzusondern.     Die  Monumen- 
talität der  Inschrift  war,  wenn  auch  nicht  durch  die  Grösse  des* 
Baues,  durch  die  Bedeutung  ihres  Inhalts  begründet,  meldete  sje 
doch  von  der  Aufnahme  einer  neuen  Gottheit. 

Berlin.  Max  Frank el.   . 


SATZSCHLUSSSI'ÜDIEN 
ZUR  HISTORIA  AÜGÜSTA 


I.    Hadriftoe  Antobiographie. 

In  der  Vita  Hadriani  beruft  eioh  Spartian  mehrmale  auf 
die  Selbstbiographie  des  Kaisers  ^,  und  Peter  hat  in  sorgfältiger 
Analyse  der  Vita  die  Meinung  begründet  ^  dass  grössere  Ab- 
Bcbnitte  im  ganzen  auf  diese  Quelle  zurtickgehn.  Dass  Spartian 
selbst  die  Autobiographie  ausgezogen  und  mit  einer  andern  Quelle 
(dh.  mit  Marius  Maximus)  verglichen  habe,  will  ihm  Peter  frei- 
lich nicht  recht  zutrauen. 

Hier  führt  der  Satzsohluss^  weiter.  Die  Scriptores  histo- 
riae  Augnstae  wenden  ihn  alle  an;  freilich  wohl  nicht  ohne  ge- 
wisse individuelle  Eigenheiten,  die  noch  näher  festzustellen  sein 
werden.  Für  uns  genügt  hier  zu  wissen,  dass  auch  Spartian 
durchaus  den  metrischen  Satzschluss  schreibt.  Nun  finden  sich 
aber  in  der  Vita  Eadriani  nicht  bloss  einzelne  Stellen  (die  schlecht 
überliefert  sein  können),  sondern  ganze  Abschnitte,  die  diesem 
festen  Gebrauch  Spartians  widersprechen.  Die  genaue  Unter- 
suchung dieser  satzschlusslosen  Abschnitte  und  der  wenigen  ein- 
gesprengten rhythmischen  Sätze  oder  Sätzchen  ist  im  Interesse 
der  Quellenkritik  nicht  zu  umgehn.  Ich  bemerke  von  vornherein, 
dass  auch  in  'satzschlusslosen  Abschnitten  sich  vereinzelte  Aus- 
nahmen finden  und  finden  müssen,  die  aber  nur  die  Regel  be- 
stätigen: auch  wer  nie  etwas  vom  Satzschluss  gehört  hat,  schreibt 


1  Historicorum  Roman oruro  fragmenta,  coli.  disp.  reo.  Peter 
(Leipzig  1888),  S.  324  f. 

'  Die  Scriptores  historiae  Augustae  (Leipzig  1892),  S.  121  ff. 

*  Rhein.  Mus.  N.  F.  LVII  167,  Anm.  1;  hinzugekommen  ist  in- 
zwitchen  Skutsoh,  zu  Favonius  Eulogius  und  Chalcidius,  Philologus 
LXl  193  ff. 


560  ν.  Winterfeld 

mitunter  correcte  SchlüsRe;  wir  können  uns  nur  wundern,  dass 
diese  zufälligen  Ausnahmen  nicht  häufiger  sind. 

Zunächst  die  Eingangspartie,  Kapitel   1 — 4. 

1,  1  von  einem  andern  als  Hadrian  stilisirt,  aher  inhaltlich 
auf  der  Autohiographie  heruhend.  Die  Satzschlüsse  Hispanien- 
sibüs  mänat,  tempöribüs  r^sedlsse^  ips^  cömm^morat  sämmtlich 
correct. 

1,  2  kaum  ein  Satzschluss  correct:  ätävüs  Märyltlnus  ist 
keine  Pause;  und  der  lamhus  pflegt  auch  meist  nur  in  schwä- 
cheren Pausen  zu  stehn,  nicht  wie  hier  in  der  stärksten  Romant 
füit.     Inhaltlieh  ohne  Zweifel  aus  der  Autohiographie. 

1,  3 — 1,  5  ehenfalls.  Nur  der  eine  Satz  ingenio  eitis  sie  ad 
ea  declinantej  ut  α  nonnullis  GräecÜlüs  dic^retur  ist  nach  Inhalt 
und  Form  dem  Kaiser  schwerlich  zuzutrauen. 

2,  1  dagegen  wird  von  Hadrian  herrühren,  der  sich  der 
echt  spanischen^  Jagdlust  seiner  jungen  Jahre  auch  später  nicht 
geschämt  haben  dürfte ;  das  folgende  quare  setzt  diesen  Satz  noth- 
wendig  yoraus:  mit  dem  fünfzehnten  Jahre  ist  Hadrian  nach 
Spanien  zurückgekehrt,  hat  dort  seine  militärische  Laufbahn  be- 
gonnen —  und  ist  alsbald  der  spanischen  Nationalleidenschaft 
verfallen;  das  sieht  Trajan,  er  will  ihn  herausreissen,  und  ruft 
ihn,  da  er  als  Spanier  unter  Spaniern  nicht  davon  zu  heilen  wäre, 
kurzer  Hand  aus  Spanien  ab.  Dazu  stimmt  es,  dass  reprehen- 
siönem  stüdtöstts  ein  fehlerhafter  Satzschluss  wäre,  da  nur  .w, 
^v^-*^  und  -visi,  v^/--«^  erlaubt  sind. 

2,  2  sicher  authentisch.  Zwei  der  vier  Satzschlüsse  sind 
correct,  iüdicandis  däUxs  und  legiünls  cr^ütus ;  die  beiden  andern 
incorrect. 

2,  4  giebt  sich  als  Gerücht  (dicitür  cömp^rtsse),  wozu  die 
rhythmisirte  Form  stimmt  (auch  ess^  cömp^rSrat), 

2,  5 — 2,  8  knappe  authentische  Nachrichten  (nur  die  sors 
Vergiliana  ausführlich)  ohne  Satzschluss;  die  paar  Ausnahmen  be- 
weisen nichts :  exercitüs  missus  in  schwacher  Pause ;  heneficiä- 
riüm  äni^venit  in  starker  Pause,  aber  doch  mit  Hiatus;  zweimal 
könnte  ^  altlateinischer'  Kretiker*  vorliegen:  sttperiörem  träns- 
latus  (est),  sörtes  cönsüli^ret ;  der  Rest  widerstrebt  hartnäckig. 
Nur  wo  die  paedagogi  puerorum  erwähnt  werden,  quos  TraMnus 
impensiüs  dlUgebaty  zeigt  Inhalt  (vgl.  4,  5)  und  Form,  dass  wir 


1  Eiessling,  Neues  Schweizerisches  Museum  Υ  327  ff. 

2  W.  Meyer,  Gott.  gel.  Anz.  1893,  S.  14. 


SatzBohlueestudien  zur  Historia  Augusta  561 

in  dem  Relativsatz  ein  Einechiebeel  von  andrer  Hand,  aus  ekan- 
dalsücbtiger  Zeit,  vor  uns  haben.  Und  ebenso  ist  der  Schluss- 
satz  quam  (sortem)  alii  ex  Sü}yllinis  versibus  Jk?  provenlssi^  diae• 
runt  natürlich  auszuscheiden:  wieder  stimmen  Inhalt  und  Form 
zusammen. 

2,  9  aus  dem  (nfttürlich  nicht  direct  benutzten,  sondern  von 
Marias  Maximus  citirten)  Apollonius  Syrus^  Die  Satzschlüsse 
impiSrn  möx  fütüri,  manänt^  respönao,  librls  süt$  Indtdit  sämmt- 
lich  correct. 

2,  10  aus  Marius  Maximus,  dem  soeben  auch  das  Apollonius- 
citat  entnommen  war.  Die  Satzschlüsse  dem  entsprechend  cor- 
rect: pleniörem  rSdit,  faventS  Plötlna  (was  4,  1.  4  wiederkehrt), 
dioU  völente. 

3,  1  der  erste  Satz  ein  kurzes  Datum  ohne  Satzschluss, 
also  aus  der  Autobiographie.  Das  daran  angeknüpfte  Histörchen 
von  der  Verspottung  seines  Dialekts  und  seinem  Eifer,  den  Dia- 
lekt abzulegen,  zeigt,  wie  billig,  correcten  Satzschluss:  pronün" 
Hans  rtsus  (esset),  und  (allerdings  in  starker  Pause)  operüm  didit. 

3,  2  bereitet  zunächst  Schwierigkeiten.  Inhaltlich  ist  dieser 
Paragraph  ohne  Zweifel  ganz,  wie  Spartian  es  für  die  zweite 
Hälfte  bezeugt,  der  Autobiographie  entnommen;  aber  die  Form 
ist  durchaus  rhythmisch:  nur  zu  Anfang  der  altlateinische  Kre- 
tiker  senätüs  eürüvit;  sonst  familäriHs  prösiScütus  (est),  möribüs 
öbs^quentem,  locupletlssime  mänSräium.  Wörtlich  herübergenom- 
men ist  also  wohl  nur  das  erste  Glied  post  quaesiuram  acta  se- 
naitus  curavii;  die  andern  sind  umstilisirt.  Und  zwar  ungeschickt. 
Denn  Trajan  wird  wohl  kaum  den  Hadriau  ^  wegen  seiner  Theil- 
nahme  an  der  kaiserlichen  Trinktafel  begabt  haben.  Der  'echrift- 
stellernde  Kammerdiener'^  mag  die  Sache  nach  seinem  Auf- 
fassungsvermögen pragmatisirt  haben.  Er  findet  bei  Hadrian, 
dass  dieser  eich  den  Trinkgelagen  des  Kaisers  nicht  habe  ent- 
ziehen können,  und  dann  weiter,  dass  Trajan  ihn  (wohl  gar  bei 
einem  Gelage)  beschenkt  oder  befördert  habe ;  da  ist  sein  Schluss 
fertig:  post  hoc:  ergo  propter  hoc. 

3,  4.  5  trotz  des  adserit  nicht  umstilisirt,  und  daher  ohne 
Satzschluss:    man  darf  nur  für  in  quo  magistratu  .  .  omen    sibi 

^  Für  diesen  völlig  unbekannten  Autor  hat  auch  die  Gelehrsam- 
keit and  der  Sammelfleiss  des  J.  A.  Fabriciue  (Bibliotheoa  Graeca,  cur. 
HarlesB,  Hamburg  1790  ff.,  IH  162.  lY  278)  keinen  zweiten  Beleg  auf- 
treiben können. 

'  Kiessling  aaO. 


552  ν.  Winterfeld 

factum  adserü,  quod  paenidas  amiserit  einsetzen  omen  ei  fcidufn 
estf  und  amisitn  eo  hat  man  den  ursprütiglicben  Wortlaut.  Der 
Autor  ist  aleo  hier  zu  träge  gewesen,  auch  nur  die  Coneequenz 
des  Citates  zu  ziehen  und  den  Satz  zu  rhythmisiren.  Nur  der 
Hinblick  auf  seine  Zeit  unde  hodieque  imperatores  sine  paenulis 
α  fogütls  videniur  zeigt  wieder  den  Satzschluss. 

3,  6-3,  10  aus  der  Autobiographie;  kein  Satzschluss  anseer 
3,  7:  quare  adamanie  gemma,  quam  Traianus  α  Nerva  acceperaf, 
donatus  ad  spem  successionXs  erectus  est.  Aber  diesQ  Stelle  ist 
verdächtig.  Zwar  wäre  der  immerhin  überladene  Ausdruck  nicht 
schlimmer  als  2,  5  missus  translatus  est;  aber  es  ist  plump,  dase 
die  Bedeutung  der  symbolischen  Handlung  ausdrücklich  angegeben 
wird.  Ich  meine,  ad  spem  successionis  erectus  stammt  nicht  von 
Hadrian,  sondern  ist  späterer  Einschub. 

3,  11— 4,  1,  wo  abermals  die  Begünstigung  durch  Plotina 
erscheint,  sind  wieder  gut  rhythmisirt :  familiäritäs  crebrüit,  im• 
peratör^  dtctüvSraty  tempör^  desfinäius  (est) :  Klatsch  k  la  Marina 
Maximus. 

4,  2  glaube  ich  wiederum  die  Autobiographie  zu  erkennen : 
der  Inhalt  schliesst  sich  ungezwungen  an  3,  10  an:  *  jetzt  endlich 
hatte  die  Zurücksetzung  von  Seiten  d^r  »Freunde  Trajans  ein 
Ende;  bisher  hatten  ihm  nur  folgende  nahegestanden.' 

4,  3  dagegen  mit  dem  indirecten  Vorwurf  der  Grausamkeit 
und  dem  Satzschluss  fyränmdis  läpsis  wird  ganz  auszuscheiden 
sein,  zumal  der  unbedingt  unechte  Zwischensatz  ohne  eigne  Pause 
geblieben  ist:  der  Ditrochäus  allein  tns^cütus  (est)  genügt  wohl 
ifT  Cicero,  aber  im  allgemeinen  nicht  mehr  für  die  Hietoria 
Augusta. 

4,  4—4,  5  müssen  gleichfalls  fallen  :  4,  4  enthält  wieder  den 
favar  PlotinaCy  4,  5  ein  Gerücht  {opinio  mültä  firmüvU)  skanda- 
löser Art;  natürlich  dem  entsprechend  Satzschluss. 

4,  6 — 4,  7  erkennen  wir  in  den  satzschluselosen  Daten  vom 
28.  und  30.  Juli  118  noch  einmal  die  Autobiographie:  da  hat 
Hadrian  die  Nachricht  von  der  officiellen  Adoption  und  gleich 
darauf  vom  Tode  Trajans  erhalten  und  diese  Daten  (nicht  die, 
wo  die  Ereignisse  wirklich  eingetreten  waren,  sondern  die,  wo 
er  die  Nachricht  erhielt)  hat  er  der  Berechnung  seiner  eignen 
Begierung  zu  Grunde  gelegt. 

4,  8  —  4,  10  blosse  Gerüchte  über  andere  Adoptionspläne 
Trajans.     Satzschluss. 

Damit  sind    wir  bei  der  ersten  Epoche  in  Hadrians  Leben, 


SatzBchlasBBtudien  zur  Hietoria  Aagusta  55S 

bei  Reiner  ThronbeeteiguDg,  angelangt.  Von  hier  an  verläset  ans 
der  unmittelbare  Wortlaut  der  Autobiographie  mehr  und  mehr; 
fast  alles  zeigt  den  metrischen  Satzschluss.  Wenn  Peter  auch 
den  zweiten  Theil  als  eine  für  Hadrian  sehr  parteiische  Ge- 
schichte his  zum  Jahre  134  charakterisirt,  und  nach  einer  Be- 
merkung Plews  betont,  er  zähle  chronologisch  die  ersten  Re- 
gierungshandlungen  auf,  ordne  aber  nach  Eigenschaften  (was 
doch  Hadrian  selbst  ganz  gewiss  nicht  gethan  haben  wird),  so 
stimmt  dazu  die  Beobachtung  des  Satzschlnsses.  Von  hier  ab 
sind  fast  alle  Nachrichten,  so  weit  sie  überhaupt  in  der  Auto- 
biographie gestanden  haben,  durch  das  Medium  des  Marine  Ma- 
ximns  benutzt,  und  dem  entsprechend  umstilisirt.  Nur  ganz  ver- 
einzelt begegnen  auch  noch  jetzt  unrhythmische  Notizen ;  aber 
sie  sind  selten  und  dann  meist  von  geringem  Umfange. 

5,  1  Friedensvorsätze  beim  Regierungsantritt. 

6,  3  Hadrian  lehnt  es  ab,  den  letzten  dem  todten  Trajan 
zukommenden  Triumph  sich  selbst  zuerkennen  zu  lassen.  Aber 
die  triviale  Begründung  ut  optimus  imperator  ne  post  mortem 
quidem  iriumphi  amttt^ret  dignttüiem  wird  Znsatz  sein. 

6,  6 — 8  mit  seinen  zwar  nicht  geradezu  fehlerhaften,  aher 
seltenen  Schlüssen  :  zwMmal  altlateinischer  Kretiker  tempüs  prae• 
fecU  und  päcem  cömpösüit^  ferner  Moesiäm  p^titf  nur  einmal  und 
gerade  in  schwacher  Pause  stipendils  qu^rebätur:  Dispositionen 
im  Orient. 

6,  9  Dneigenuützigkeit  hei  Confiscationen. 

10,  2  über  sein    einfaches  Leben    im  Lager  (p.  12,  4  cibis 
—   12,  7   Traiani)  und  10,  3  Mannszucht   (p.   12,  9  siquidem 
12,  12  abesse), 

11,  2  der  Feldzug  nach  Britannien,  wo  aber  die  letzten 
Worte  (mumm,)  qui  harbaros  Romandsqu^  divid^ret  wiederum  sich 
nach  Sinn  und  Form  als  Einschiebsel  kennzeichnen. 

18,  3  fiF.  scheint  hie  und  da  der  ursprüngliche  Wortlaut 
durchzuschimmern:  18,3  und  18,  δ  (Uneigennützigkeit  bei  Pro- 
scriptionen und  Erhschaften),  ferner  18,  7  (Milderung  der  Sklaven- 
gesetze) sind  Satzschlusslos,  der  nächste  eng  anschliessende  Satz 
hat  nur  den  altlateinisohen  Kretiker.  Wie  weit  hier  ausserdem  die 
wörtliche  Entlehnung  noch  geht,   wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

19,  1  Amtsdaten,  und  daran  angeschlossen  Bemerkungen 
über  Beuten  und  Spiele  im  allgemeinen  (19,  2),  in  Athen  (19,  3), 
in  Rom  (19,  4  ff.).  Aber  19,  4  ist  wohl  Kinschiehsel  {scaeni- 
cum  üvdcävit)^  ebenso  19,  5  die  Worte  post  ceteras  inmeni^ss%m&s 


554  ν.  Winterfeld 

völüptätcs;  der  Sohluss  des  Kapitels  (19,  6 — 19,  3)  iet  mindesteDB 
nmstilieirt. 

Kapitel  22  (Sorge  für  Recht  und  Brauch)  iet  ganz  eatz- 
echlaeelos:  in  21  Zeilen  finden  sich  nur  folgende  mehr  oder  we- 
niger erlaubte  Schlüsse:  saepissime  d^ditf  togütüs  prÖcessU^ 
spdnt^  dltävU,  peregrlnä  cöntempsit^  frequentSr  aüdivU,  öptüwis 
a^nütdribus^  Africants  dllectus  (est),  also  kaum  ein  Drittel,  and 
auch  davon  sind  nur  drei  rein  kretisch.  Hier  haben  wir  aho 
wieder  die  durch  ihren  knappen  Stil  genugsam  erkennbare  satz- 
schlusslose  Quelle  vor  uns.  Denn  auch  die  beiden  satzschluss- 
losen  Sätze  22,  12  (lacum  Fucinum  emisit)  und  22,  14  (fladrian 
in  Afrika),  die  Peter  mit  Recht  hier  ausgeschieden  hat,  sind  wohl 
durch  das  Ungeschick  des  Biographen  an  diese  Stelle  geratheo, 
stammen  aber  aus  der  gleichen  Quelle,  wie  der  Haupttheil  des 
Kapitels.  Dass  dies  die  Autobiographie  war,  erscheint  mir 
sicher;  auch  das  primus  22,  8  {ab  epistulis  et  α  libellis  primus 
equUes  Romanos  häbuU)  besagt  nicht,  dass  es  dann  nachher  andere 
Kaiser  ihm  nachgethan  haben,  sondern  nur,  dass  es  niemand  vor 
ihm  gethan  hatte. 

Wer  diese  Abschnitte  auf  ihren  Inhalt  hin  prüft,  wird,  von 
den  rhythmischen  Zwischensätzen  abgesehen,  absolut  nichts  darin 
finden,  was  nicht  in  der  Autobiographie  gestanden  haben  könnte; 
dagegen  sehr  vieles,  was  nur  ans  ihr  stammen  kann.  Damach 
erscheint  der  Schluss  unausweichlich:  wie  im  übrigen  Marine 
Maximus  die  Quelle  ist,  so  ist  es  für  diese  satzschlussloeen  Ab* 
schnitte  die  Autobiographie,  und  zwar  wörtlich,  soweit  nicht  etwa 
eine  unwillkürliche  Ungenauigkeit  des  Benutzers,  dh.  nunmehr 
doch  wohl  des  Spartian  selbst,  oder  ein  Fehler  der  üeberliefe- 
rung  eine  Ausnahme  bedingen.  Denn  wenn  wir  annehmen  wollten, 
die  Autobiographie  sei  nur  indirect  benutzt,  so  wäre  es  recht 
auffällig,  dass  hier  trotz  des  complicirten  Weges  der  ursprüng- 
liche Satzschlusslose  Wortlaut  so   sorgfältig  bewahrt  worden  iet 

Freilich  erhebt  sich  hier  ein  Finwand,  an  dem  die  sonst 
wohlbegründete  Annahme  zu  scheitern  droht.  War  die  Auto- 
biographie Hadrians  lateinisch  oder  griechisch  geschrieben?  Hören 
wir,  was  Spartian  selbst  sagt,  16,  1 :  famae  celebris  Hadrianas 
tarn  cupidiis  fUit^  ut  libros  vitae  suae  scriptos  α  se  libertis  suis 
dM^rit  IltfSräiis^,  iubens,  ut  eos  sftis  nomtmbüs  pübUcürerU;  naw 
et  Phlegontis  libri  Hadriani  ess^  dicüntur.     Darnach  weiss  Spar- 


*  So  ist  der  SaizechlusB  herzustellen:  merati9  dederit  vg. 


SatzBchlosBetudien  zur  Hietoria  Aagusia  555 

tian  von  einer  unter  Phlegons  Namen  gebenden,  also  griechischen 
Selbstbiographie  des  Kaisers;  aber  benutzt  hat  er  nicht  sie,  son- 
dern, so  schliesse  ich,  eine  lateinische,  die  Hadrian  vielleicht 
auch  zunächst  einem  seiner  Freigelassenen  zur  Veröffentlichung 
übergeben  hatte,  bei  der  sich  dann  aber  der  Name  des  wahren 
Autors  dnrchgesetzt  hatte.  Aus  Phlegons  Schrift  hätte  er  die 
Citate  Hctdrianus  ipse  commemorat  (1,  1)  usw.  nimmer  in  dieser 
Form  geben  können,  da  er  hier  der  Autorschaft  des  Kaisers  ja 
gar  nicht  gewiss  ist.  Dagegen  ist  Phlegon  benutzt  in  der  Vita 
Saturnini  des  Vopiscus,  c.  8:  dort  zeigt  der  Brief  Badrians^ 
ziemlich  sorgfältigen  Satzschluss^  und  die  Diction  ist  die  des 
Vopiscus;  ob  der  Brief  echt  ist  oder  nicht,  kann  ich  hier  un- 
erörtert  lassen :  er  ist  jedenfalls  aus  dem  Griechischen  übersetzt, 
wie  noch  jetzt  die  Worte  alassontes  versicölores  (p.  226,  9)  zeigen. 
Und  es  ist  nichts  Unerhörtes,  dass  wir  eine  lateinische  und  eine 
gnechische  Fassung  der  Selbstbiographie  neben  einander  treffen: 
das  nächste  Vorbild  ist  die  Selbstbiographie  des  Augustus,  das 
Monumentum  Ancyranum,  bei  dem  freilich  die  doppelte  Redaction 
andere  Gründe  hatte;  doch  mochte  der  £influss  dieses  Vorbildes 
auch  auf  Hadrian  wirksam  sein. 

n.    Zur  Textgeschichte  und  Textkritik. 

Die  Untersuchung  hat  sich  bis  hierher  ganz  auf  den  Satz- 
schluss  gegründet.  Ich  füge  nunmehr  noch  einige  Bemerkungen 
über  einzelne  Stellen  der  Historia  Augusta  an,  die  sich  mit  Hilfe 
des  Satzschlusses  herstellen  lassen. 

Hadr.  4,  10  nee  desunt  qui  factiönt^  Fldtinae  tnortuo  tarn 
Traiano  Hadrianum  in  adoptionem  adscifum  ess^  prödtd^rini^ 
supposito  qui  pro  Traiano  fessa  vdc($  hquebatur.  Hier  hat  die 
U eberlief erung  hquebatur  mit  Correctur  in  löqu^retur.  Gram- 
matisch richtig  ist  nur  der  Conjunctiv,  und  nur  ihn  erkennt  der 
Satzschluss  an. 

Hadr.  15,  1  amicos  ditavit  et  quidem  nön  pliienteSf  cum  pe- 
ienWms  nihil  negaret.  Der  Satzschluss  verlangt  ntl  n^güret. 
Ebenso  ist  Aurel.  10,  1  curiösitäs  ntl  r^cüsai  zu  schreiben. 

Hadr.  17,  6  zerstört  parieti  an  der  Stelle,  wo  Feter  es  mit 
Kellerbauer  einschiebt,  den  Satzschluss;    es    muss    wohl   heissen 

1  Darüber  Peter  S.  188  f. 

^  Die  Atuinahmen  (p.  225,  19  vivat  otiosus  und  p.  225,  23  otioai 
vivunt;  p.  226,  1  morata  civitas;  p.  226,  11  eonviviis  adhibeas)  ent- 
schaldigt  die  Uebersetzung. 


556  ν.  Winterfeld 

cum  quoda/m  tempore  veteranum  quendam  notum  sibi  in  imliiia 
dorsum  et  ceteram  partem  corporis  (^parieti)  vidiss^t  üdt^r^re, 

Hadr.  18,  6  wird  doch  wohl  der  einzige  Veretoes  dnrcli  eine 
kleine  Aendemng  zu  beseitigen  sein:  de  thesawis  ita  cavU,  ut  si 
qiiis  in  suo  repperissei,  tps^  pöt^retur,  si  quis  in  alieno^  dimidium 
dominö  dar  et  ^  si  quis  in  ρίώϋϋο,  cum  fisco  aequatütUer  pürtiretwr. 
Die  üeberliefemng  hat  ipse  potiretur.  Ebenso  ist  Tac.  10,  2  ne 
quid  per  noctem  seditiöms  ör^retur  zu  verbessern. 

Änrel.  5,  1  ist  die  von  Lessing  im  Lexicon  s.  v.  legere  mit 
Recht  gebilligte  Ergänzung  mulia  superflua  ineodem  leg^ssS  (m«) 
wemini  nicht  bloss  dem  Sprachgebrauch  gemäss  und  graphisch 
elegant,  sondern  sie  wird  auch  vom  Satzschluss  gefordert. 

Aurel.  15,  6  ist  nur  das  vom  Sprachgebrauch  geforderte 
Futurum  zulässig:  sed  nos^  ut  solemus,  hainc  quoque  rem  in  m^- 
diö  r^linquemus;  vgl.  16,  8    Ver.  11,  4    Prob.  3,  3. 

Aur.  19,  6  ist  Gramere  Aenderung  falsch,  die  überlieferte 
Lesart  fata  rei  p.,  quae  sunt  aeternä,  perquirlte  richtig.  Aber 
weit  wichtiger ,  von  grundlegender  Bedeutung  für  die  Text- 
geschichte und  Kritik  der  Historia  Augnsta,  ist  es,  dass  *po8t 
per  quirlte  volg.  haec  add.;  patrimis  watrimisque  pueris  Carmen 
Indtcite:  nos  sumptum  sacris,  nos  apparatum  sacrifidisy  nos  agris 
ambarväliä  tndlcemus*  So  Peter  im  Apparat  der  zweiten  Ans* 
gäbe  ;  in  der  ersten  waren  diese  Worte  ganz  weggeblieben,  μπα 
ebenso  hat  Lessing  diese  zwei  Sätze  in  seinem  Lexicon  bei 
Seite  gelassen.  Aber  sie  sind  echt,  so  echt  oder  unecht  wie 
die  ganze  lange  Rede  des  Ulpius  Silanus.  Die  ambarvaUia  wer- 
den nachher  wirklich  angesagt  (20,  3),  und  entsprechend  dem 
ersten  Satz  heisst  es  kurz  cantcUa  carmina.  Aber  man  wird  viel- 
leicht einwenden,  gerade  aus  der  späteren  Stelle  habe  ein  Ge- 
lehrter der  Renaissance  sich  den  Stoff  zu  jenen  Zusätzen  geholt 
Das  trifft  indessen  nicht  zu.  Weder  hätte  er  dorther  die  cor 
recte  Erwähnung  der  patrimi  matrimique  pueH  nehmen  können, 
noch  würde  er  sich  auf  jene  zwei  Sätze  beschränkt,  sondern  voll* 
ständige  üebereinstimmung  des  Geforderten  und  Ausgeführten 
hergestellt  haben.  Dazu  kommt  nun  der  Satzschluss,  der  die 
beiden  beliebtesten  Formen  aufweist.     Dass  der  Ditrochäns  durch 

«^  ersetzt  wird,  ist  ganz  in  der  Art  des  Vopiscus;  vgl.  zB. 

gleich  19,  4  erupisse,  und  20,  5  iradaretis.  Auch  der  Hiatne  ist 
für  Vopiecue  unbedenklich,  der  zB.  22,  1  gleichfalls  in  starker 
Pause  sogar  impermm  Ver  flowit  schreibt.  Es  wird  also  noth• 
wendig    sein,    dass    bei    der  Wahl    des   Ersatzes    für   die  Editio 


Satzsohlussetudicn  zur  Hisioria  Atigusia  55? 

princepe^  auf  diese  Stelle  besondere  Rücksicht  genommen  wird, 
Aach  auf  das  jetzt  durch  einen  Murbacher  Katalog  aus  der  ersten 
Hälfte  des  neunten  Jahrhunderts^  verbürgte  hohe  Alter  des  Mur- 
bacensis  darf  hier  wohl  hingewiesen  werden,  und  auf  die  That- 
eache,  dass  die  üeberlieferung  der  Historia  Angusta  in  Murbach, 
wo  soviel  irische  Handschriften  lagen,  und  die  £xcerpte  des  Se- 
dulius  in  dem  Cusaner  Florilegium^  für  die  Textgeschichte  der 
Historia  Augusta  schwerer  wiegen  müssen  als  die  angelsächsische 
Schrift  des  fiambergensis,  dessen  Bruder  oder  Vater  in  Rom  ge- 
wöhnliche fränkische  Schrift  zeigt ^. 

Aur.  37,  5  f.  nam  multi  ferunt  QuintiUwm^  frcdrem  Claudio 
cum  in  praesidio  Italico  esset,  audita  morte  Claudti  sumpstss^ 
Imperium;  verum  postea,  ubi  Aurelianum  cOmp^rtt  Imp^rärCy  α 
tofo  ecrercitü  [ea]  der^llctwmj  cumque  contra  cum  contionareiur  nee 
α  milifibüs  aüdiretur,  incisis  sibimei  venis  die  vicesimo  imperii  sui 
perisse.  Hier  ist  ea  einfach  zu  tilgen :  ΕΛ  ist  falsche  Wieder- 
holung der  ersten  Züge  von  EXERCITV^,  und  man  darf  nicht 
eum  herstellen,  was  hier  ganz  überflüssig  ist  und  den  Satzschluss 
verdirbt.  Wie  der  Schluss  herzustellen  ist,  wird  sich  vorläufig 
nicht  mit  Sicherheit  ausmachen  lassen.  Für  wahrscheinlich  halte 
ich  incisis  sibimet  venis,  die  vicesimo  imp^rti  sJc  p^risse.    Lessings 


1  Feter   in   Bursians  Jahresbericht  LXXVH  (1893  II)  S.  150  ff. 

*  Bloch,  Strassburger  Festschrift  zur  46.  Versammlung  deutscher 
Philologen  und  Schulmänner  (1901),  S.  271,  Nr.  268  Vita  cesarum  vel 
tirannorwn  ab  Helio  Adriano  usque  ad  Carum  Carinum  Ubri  VII;  und 
dazu  meine  Notiz,  Neues  Archiv  für  ältere  deutsche  Geschichiskunde 
XXVn  527  f.  Ich  bin  nicht  im  Zweifel,  dass  das  dieselbe  Murbacher 
Handschrift  ist,  die  Frobenius  für  die  Erasmische  Ausgabe  von  1518  be- 
nutzt hat,  und  auch  dieselbe,  aus  der  in  der  gleichen  Druckerei  Beatus 
Rhenanns  und  Burer  1520  den  Velleius  Paterculus  herausgegeben  haben. 
Aber  wie  kommen  die  sieben  Bücher  heraus?  Die  Üeberlieferung  des 
werthvollen  alten  Cataloges  ist  jung  und  schlecht.  So  ist  es  ganz  un- 
bedenklich, daraus  herzustellen  usque  ad  Carum  Carinum  LVII\  denn 
soviel  sind  es  nach  dem  Index  der  Bamberger  und  der  Palatinischen 
Hs.  (Peter  I  S.  XIII) :  L  VI  eiusdem  Firmus,  Saturninus,  Proculus  et 
Bono8U8.    L  VII  eiusdem  Carus,  Charinus  et  Numerianus. 

β  Mommsen,    Hermes    XIII   298  ff.;   Traube,    0    Roma   nobilis  • 
8.  364  f. 

^  Chatelain,  Paleographie  des  classiques  latins,  pl.  191. 

*  Viele  Beispiele  für  die  Vertauschung  von  Ä  und  X  bei  W. 
Heraeus,  Quaestiones  criticae  et  palaeographicae  de  vetustissimis  codi- 
cibu8  Livianis  (Berlin  1885),  S.  96  f. 


558       ▼.  Winter feld  Satsscblossetadien  zur  Historia  AngoBta 

Lexicon  8.  v.  imperium  (S.  262^)  kaon  zeigen,  daee  sui  bei  solchen 
Datimngen  wegzubleiben  pflegt;  aber  es  wird  die  Darlegung  des 
Spraefagebrancbs  von  sie  abzuwarten  sein,  ebe  man  ein  zayer- 
sicbtlicbes  ürtbeil  abgeben  darf. 

Tac.  14,  5  werden  die  Worte  post  ifUtrregnum  pftnctpes 
nüncüpüii  mit  Unrecbt  seit  Salmaeine  geetricben;  obne  sie  ist 
kein  rbytbmiscber  Abschlnse  da. 

Tac.  15,  4  bat  eine  kleine  Interpolation  veranlasst,  dem  Text 
mit  Umstellnngen  oder  mit  der  Annabme  einer  Lücke  zu  Leibe  zu 
gebn,  wäbrend  der  Satzscblnss  lebrt,  dass  ein  einziges  Wort  ge- 
etricben werden  mnss,  das  binzugefügt  worden  ist,  weil  man  einen 
Gräcismus  niebt  verstand.  Ich  gebe  gleicb  die  richtige  Lesart 
an:  die  Wahrsager  handeln  sehr  klug,  gleich  auf  tausend  Jahre 
im  voraus  zu  prophezeien,  quiOy  si  post  centum  annos  pr&di• 
cerent,  forte  possent  [eorum]  deprehendi  mendäciä  pöllieentes,  cum 
vix  remanere  talis  posstt  htstöria,  dh.  *  man  konnte  alsdann  nach- 
weisen, dass  sie  Lägen  prophezeiten,  wahrend  sich  das  Gedächt- 
niss  einer  solchen  Geschichte  tausend  Jahre  lang  gewies  nicht 
lebendig  hält*. 

Berlin.  Paul  v.  Winterfeld. 


ZUR  UEBERLIEFERUNG  DER  GESCHICHTE 

ALEXANDERS  D.  GR. 


U 


Kaum  eine  andere  Zeit  ist  Gegenetand  so  vielfacher  Quellen- 
untersuchuDgen  in  den  letzten  Jahren  gewesen,  als  die  Zeit  Ale- 
xanrlers  des  Grossen,  gleichwohl  entspricht  das  Ergebniss  der  auf- 
gewandten Mühe  nnr  in  geringem  Masse,  und  die  Ansichten  stehen 
mit  einander  in  so  schroffem  Widerspruche,  wie  kaum  auf  einem 
anderen  Gebiete  der  geschichtlichen  Forschung.    Will  man  zu  einem 
richtigen  Urtheil  über  die  Ueberlieferung  der  Alexandergeschichte 
gelangen,    dann  mnss  man  mit  verschiedenen  Vorstellungen  bre- 
chen,   unter   deren  Bann   ein   grosser  Theil   der  Untersuchungen 
steht,  und  zunächst  die  richtige  Beantwortung  verschiedener  lit- 
teratur  geschichtlich  er  Fragen    zu   gewinnen  suchen,   ehe  man  die 
Frage    nach    den  in   der  erhaltenen  Literatur  benutzten  Quellen 
aufwerfen  darf.    Unter  den  Historikern,  welchen  besonders  weit- 
gehender £influs8  auf  die  überkommenen  Darstellungen  von  Ale- 
xanders Regierung  zugeschrieben  wird,  steht  mit  in  erster  Linie 
der  im  Ausgange  der  Republik  und  zu  Beginn  der  Kaiserzeit  in 
Rom  lebende  Alexandriner  Timagenes.    Glaubt  doch  G.Landgraf 
(Berl.  philol.  Wochenschrift  1901  S.  410—14)  in  der  von  Wagner 
in    den    Jahrbüchern    f.   class.  Philol.   Supplbd.  26    S.  91—167 
herausgegebenen   epitome  rerum  gestarum  Alexandri  Magni  den 
Auszug  eines  im  4.  oder  5.  Jahrhundert  n.  Chr.  lebenden  Schrift- 
stellers aus  einer  lateinischen  Bearbeitung  der  griechischen  Ale- 
xandergeschichte  desselben  erkennen  zu  dürfen.     Man  hat  damit 
ihm  eine  Bedeutung  beigelegt,   die  ihm  nicht   zukommt,  und  es 
dürfte  angezeigt  erscheinen,    gegen  die  auf  unhaltbaren  Voraus- 
setzungen aufgebaute  Timageneshypothese  Einsprache  zu  erheben. 

1.  Timagenes  und  die  Alexanderüberlieferung. 

Nur  wenige  unsichere  Mittheilungen  über  die  Schriften  des 
Timagenes  sind  auf  uns  gekommen,   gering  ist  auch  die  Anzahl 


560  Reuse 

der  Fragmente,  die  wir  aus  ihnen  besitzen.  Der  die  Aufmerk- 
samkeit auf  ihn  lenkte,  ist  kein  Geringerer  gewesen  als  Gustav 
Schwab  in  seiner  Abhandlung  de  Livio  et  Timagene  aemulis,  Stutt- 
gart 1834;  er  sprach  die  Yermnthung  aus,  dass  der  bei  Livins 
IX  17  ff.  gegen  die  'levissimi  ex  Graecis*  gerichtete  Tadel  anf  ihn 
gemünzt  sei.  Von  dieser  Annahme  ausgehend  erklärte  Gutechmid 
(Rhein.  Mas.  Bd.  37  S.  548  ff.)  die  historiae  Philippicae  des 
Trogus  Pompeius  für  die  Bearbeitung  eines  griechischen  Original- 
werkes,  dessen  Verfasser  Timagenes  gewesen  sei,  eine  Hypothese, 
die  Wachsmuth  (Rhein.  Mus.  Bd.  46  S.  465—79)  dahin  modi- 
ficirte,  dass  zwar  neben  Timagenes  noch  andere  Quellen  benutzt 
seien,  auf  diesen  aber  eine  Reihe  charakteristischer  Eigenthüm- 
lichkeiten  wie  die  augenfällige  Feindschaft  gegen  Rom  and  die 
Hinneigung  zu  den  Parthern  zurückzuführen  sei.  Seine  Spuren 
in  der  Alexanderüberlieferung  suchte  dann  naohzuweiseu  J. 
Kaerst:  Beiträge  zur  Quellenkritik  des  Q.  Curtius  Rufne  Gutha 
1878,  Forschungen  zur  Geschichte  Alexandere  d.  Gr.  Stuttgart 
1887,  und  Untersuchungen  über  Timagenes  in  Philologus  Bd.  56. 
Dagegen  fehlte  es  auch  nicht  an  Stimmen,  welche  sich  gegtn 
diese  Annahme  ausgesprochen  haben;  so  erklärte  E.  Meyer  (Gesch. 
d.  Alterth.  U  S.  23),  die  Hypothese,  dass  Trogus  eine  Umarbei- 
tung des  Timagenes  sei,  sei  nicht  erwiesen  und  lasse  sich  nicht 
erweisen,  und  Soltau  (Hermes  XXIX  S.  614  A.  3)  glaubte,  für 
Livius'  Diatribe  keine  besondere  Quelle  annehmen  zu  dürfen.  Vor 
allen  hat  aber  in  letzter  Zeit  Schwartz  (Pauly  -  Wissowa  im 
Artikel  Q.  Curtius  Rufus)  gegen  die  Schwäbische  Hypothese 
scharfe  Stellung  genommen  und  mit  gewichtigen  Gründen  ihre 
Unhaltbarkeit  dargethan.  Von  einer  Alexandergesohichte  des 
Timagenes,  so  führt  er  aus,  ist  uns  nichts  bekannt,  die  erhalteneD 
Fragmente  weisen  vielmehr  ausnahmslos  auf  eine  Diadocben- 
geschichte  hin.  Ebenso  wenig  ist  uns  überliefert,  daes  er  jemals 
im  Solde  des  Partherkönigs  gestanden  hat,  wir  wiesen  nur,  dase 
er  sich  durch  gelegentlich  geäusserte  Bosheiten  und  Taktlosig- 
keiten die  Gunst  des  Augustus  verscherzte.  Der  Vorwurf  des 
Livius  lässt  sich  mit  weit  grösserer  Berechtigung  auf  andere 
griechische  Zeitgenossen  beziehen,  von  denen  Dionys.  Hahc. 
άρχ.  'Ριυμ.  Ι  4,  3  schreibt:  'von  den  Zeitgenossen  klagen  die 
Uebelgesinnten  das  Schicksal  an,  dass  es  das  nichtswürdigste 
aller  barbarischen  Völker  mit  den  Gütern  der  Griechen  bereichert 
habe,  ja  einige  Schriftsteller  haben  sich  sogar  erfrecht,  dies 
schriftlich    zu   hinterlassen    und    haben    als    eohte   Sklaven    und 


Zur  Üeberlieferung  der  Geiobicbte  Alexandere  d.  Gr.  561 

Schmeichler  barbarischen  Königen  zu  Liebe  Schriften  verfaest, 
die  weder  unparteiisch  noch  wahr  sind.'  Dies  ist  die  Auffaeeung, 
die  auch  Livius  bekämpft,  wenn  er  sich  gegen  die  nichtswürdigen 
Griechen  wendet,  welche  selbst  den  Parthem  ihre  Sympathieen 
widmen  und  behaupten,  das  römische  Volk  würde  schon  vor  dem 
Namen  Alexanders  des  Orossen  gezittert  haben.  Dionysios  kann, 
darin  mnss  man  Schwartz  beistimmen,  Timagenes  nicht  im  Auge 
gehabt  haben,  anf  diesen  treffen  die  Worte:  οίς  1>ουλ€ύοντ€ς  κα\ 
καθ'  ήοονήν  6μιλο0ντ€ς  in  keiner  Weise  zu.  Er  ist  im  Jahre 
55  V.  Chr.  nach  Rom  gekommen  und  ist  in  Italien  gestorben 
(Snidae  έτ€λ€ύτησ€ν  έν  'Αλβάνψ,  Seneca  de  ira  111,23).  Aus 
der  Zeit,  da  der  Krieg  zwischen  Octavian  und  Antonius  auszu- 
brechen drohte,  ist  eine  von  Müller  (Fr.  H.  Or.  III  S.  315  ff.) 
Dicht  beachtete  Nachricht  über  ihn  erhalten,  die  auf  eine  ein- 
flnssreiche  Stellung  in  Rom  schliessen  lässt;  Plnt.  Anton,  c.  72 
και  γαρ  Άλ€εας  ό  Λαο6ικ€ύς  τν(υρισθ€ΐς  μέν  έν  'Ρώμη  bia 
Τιμαγένους  κα\  πλ€Ϊστον  'Ελλήνων  δυνηθείς.  Er  war  beliebt 
bei  der  ganzen  Bürgerschaft,  selbst  die  spätere  Ungnade  bei  dem 
Kaiser  yerschloss  ihm  das  Haus  keines  einzigen  Römers  (Seneca 
aaO.).  Auf  eine  besonders  scharf  hervortretende  Feindseligkeit 
gegen  das  Hömervolk  läset  dies  nicht  schliessen ;  wenn  er  daher 
als  Feind  der  Stadt  Rom  bezeichnet  und  berichtet  wird,  er  habe 
bei  einem  Brande  derselben  sein  Bedauern  darüber  ausgesprochen, 
dass  die  Stadt  aus  ihm  nur  um  so  schöner  wieder  erstehen  werde, 
80  kann  dies  nur  eine  der  gelegentlich  gemachten  boshaften 
Aeuflserungen  sein,  wie  sie  damals  wohl  vielfach  von  ihm  um- 
liefen (Seneca  ep.  91  u.  Controv.  34  a  quo  multa  improbe,  sed 
venuste  dicta).  Seine  Zunge  verschonte  niemanden,  selbst  nicht 
den  Herrscher  und  das  Herrscherhaus  (Seneca  de  ira  111  28; 
Controv.  34;  Flut,  de  adul.  c.  27)^;  da  alle  Warnungen  nichts 
fruchteten,  verbot  Augustus  ihm  schlieeslich  sein  HIelus.  Auch 
nachdem  er  die  Freundschaft  des  Kaisers  verscherzt  hatte,  zogen 
seine  Freunde  sich  von  ihm  nicht  zurück,  und  dieser  selbst  ver- 
dachte es  einem  Asinius  Pollio  in  keiner  Weise,  dass  er  in  per- 
fiönlichem  Verkehr  mit  dem  spottsüchtigen  Griechen  blieb.  Aus 
allen   Zeugnissen    geht    hervor,   dass  Timagenes   im   alltäglichen 


^  Auch  in  den  von  Plut.  quaest.  conv.  113  oitirten  Worten:  καΐ 
προς  Άθηνόϋιυρον  τόν  φΐλόσοφον,  cl  φυσική  ή  προς  τά  ίκγονα  φιλο- 
στοργία ist  eine  Beziehung  auf  Octavian,  den  Schüler  des  Athenodoroa, 
enthalten. 

Bhein.  Mo•,  t  PhUol.  K.  F.  LVII.  36 


562  ReoBs 

Verkehr  Beine  Neigung  znm  Spott  nicht  sn  zügeln  Yeretand, 
darom  brancht  aber  noch  nicht  der  Vorwurf  des  blinden  Bömer- 
haeeee,  wie  ihn  Livins  aneepricht,  an  seine  Adresse  gerichtet  zo 
sein.  Ansser  anf  die  von  Schwartz  angeführten  Worte  des  Dio- 
nysios  kann  auch  anf  eine  Stelle  Plntarchs  hingewiesen  werden, 
die  uns  nahelegt,  dass  die  Frage,  ob  Alexander,  wenn  er  nach 
Italien  gekommen  wäre,  die  Römer  besiegt  haben  würde,  damale 
die  Gemüther  in  Rom  vielfach  beschäftigt  haben  mnss.  1d  der 
Rede  des  blinden  Appins  Claudius  gegen  den  Frieden  mit  Pyrrboe 
heisst  es  Plut.  Pyrrh.  c.  19:  που  γάρ  υμών  6  προς  δπαντας 
θρυλουμ€νος  dei  λόγος,  ώς,  ei  παρήν  έκ€Ϊνος  βίς  Ίταλίαν  ό 
μέγας  ΆλίΕανΙ^ρος  καΐ  συνηνίχθη  νέοις  ήμϊν  και  τοις  πατράσιν 
ημών  όκμά^Ιουσιν,  ουκ  öv  ύμνβϊτο  νυν  ανίκητος,  άλλ'  ή  φυγών 
ή  που  π€σών  ενταύθα  τήν  *Ρώμην  ένόοΕοτέραν  άπέλιπβ,  ν^:!- 
App.  Samn.  c.  10,  Oros.  IIJ  15,  10.  Diese  Worte  hat  Plotarch 
gewiss  auch  Dionysios  von  Halikamaes  entnommen,  den  er  ja 
neben  Hieronymos  von  Kardia  benutzt.  Ist  der  Satz,  dase  Ale- 
xander bei  einem  Angriff  auf  Rom  den  Ruf  der  ü  η  besiegbarkeit 
eingebnsst  haben  würde,  ein  damals  in  allen  Tonarten  behandeltes 
Thema  gewesen,  dann  hat  es  gewiss  auch  an  Gegenerklärungen 
nicht  gefehlt  und  es  wird  misslioh  einen  bestimmten  Namen  für 
den  üebelthäter  auffinden  zu  wollen,  über  den  Livius  die  Schale 
seines  Zorns  ausgiesst.  Damit  wird  der  Hypothese  Schwabe  der 
Boden  entzogen,  und  mit  dieser  fallen  auch  alle  auf  ihr  auf- 
gebauten Combinationen   zusammen. 

Von  Timagenes  soll  auch  die  ungünstige  Beurtheilung  stam- 
men, die  Alexander  bei  Trogus  und  Gurtius  erfährt.  Diodore 
ürtheil  tlber  Verfehlungen  des  Königs  ist  ein  mildes,  bei  Trogus 
und  Curtius  hat  die  mit  diesem  gemeinsame  Vorlage  (Klitarch) 
durch  eine  Mittelquelle  di.  Timagenes,  der  Curt.  IX  5,  21  citirt 
wird,  eine  Fassung  erhalten,  in  der  über  jenen  ein  scharfes  Ver- 
dammungsurtheil  ausgesprochen  wird.  Dieser  Mittelquelle  soll 
auch  Livius  die  Thatsachen  entnehmen,  mit  denen  er  sein  hartes 
ürtheil  über  den  Makedonierkönig  begründet.  Der  Gegner,  mit 
dem  der  römische  Geschichtschreiber  sich  auseinandersetzt,  ist 
sicher  ein  Zeitgenosse:  IX  18,  9  non  intellegunt  se  hominis  res 
gestas  et  eins  iuvenis  cum  populi  iam  octingentesimum  bellantu 
annum  rebus  conferre,  aber  in  der  Annahme,  dass  er  Alexander 
ungünstig  beurtheilt  habe,  liegt  ein  innerer  Widerspruch,  Livius 
hat  grade  das  an  ihm  auszusetzen,  dase  er  diesen  auf  Kosten  der 
Römer  erhebt.     Von  den  Fragmenten  des  Timagenes  nimmt  nur 


Znr  Ueberlieferung  der  Oeeohiohte  Alexandere  d.  Gr.  568 

eine  (Cnrt.  1X5,  21)  aaf  die  Zeit  Alexandern  Bezog,  ohne  Zweifel 
fand  er  indeesen  in  dem  Werke  nepl  βα(Τΐλέιυν  oft  Gelegenheit, 
auf  die  Thätigkeit  seiner  Feldherrn,  der  Begründer  neuer  Dy- 
naetieen,  zarfickzugreifen»  ohne  damit  eine  eigentliche  Alexander- 
geeohichte  zu  liefern.  Ale  Historiker  genosa  er  nach  Qnintiliane 
Zeagaiee  (X  1,  75)  Ansehen,  es  ist  daher  leicht  erklärlich,  wenn 
gelegentlich  auch  Curtius  sich  auf  das  Zengniss  dee  ihm  zeitlich 
nabestehenden  Schriftstellers  beruft,  ohne  dass  man  deshalb  tiefer- 
gehende Benutzung  seitens  desselben  annehmen  darf.  Auch  für 
die  parteiische  Behandlung  des  Königs,  wie  sie  bei  Trogus  und 
Curtius  vorliegt,  ist  nicht  er  verantwortlich  zu  machen,  dieee 
geben  das  Urtheil  wieder,  welches  unter  den  damaligen  Römern 
allgemeine  Geltung  gewonnen  hatte.  Wie  sie  urtheilte  auch  Vel- 
leius  Paterc.  II  51  magno  illi  Alexandre,  sed  sobrio  neque  ira- 
oundo,  und  mit  ganz  besonderer  Schärfe  8eneca^  dem  vielleicht 
die  Darstellung  von  Curtius  nicht  unbekannt  gewesen  ist  (ep.  59, 
12  gentes  ne  finitimis  qoidem  satis  notas  und  Curt.  ΥΠ  8,  5 
nationem  ne  finitimis  quidem  satis  notam;  ep.  56,  9  otii  vitia 
negotiis  discuti  und  Cnrt.  ΥΠ  1,  4  otii  vitia  negotio  discuti,  vgl. 
Klebs  Philol.  N.  F.  Υ  S.  151  A.  2).  Unersättliche  Ländergier 
ist  di&  Triebfeder  des  Königs  und  läset  ihn  nicht  einmal  an  den 
Grenzen  Halt  machen,  die  Hercules  und  Bacchus  gesteckt  waren 
(ep.  15,  2).  Glückliche  Yerwegenheit  schafft  ihm  Erfolg,  aber 
«lern  Raubthiere  gleichend,  das  mehr  mordet,  als  sein  Hunger 
verlangt,  ist  er  der  Henker  seiner  Freunde,  eine  Gotteegeissel 
der  eroberten  Länder  geworden  (de  benef.  1  15).  In  wahnwitziger 
Verblendung  kennt  er  nur  das  eine  Ziel,  der  Schrecken  der 
Völker  zu  sein,  gebietet  er  den  Lakedaimoniern  Sklavendienste 
und  den  Athenern  Schweigen.  Üit  Unrecht  führt  er  den  Namen 
des  Grossen,  denn  der  Sieger  über  so  viele  Völker  erlag  der 
eigenen  Leidenschaft  und  dem  Zorne.  Gegen  diese  Herabsetzung 
des  grossen  Königs  erhoben  Widerspruch  Plutarch  in  der  durch- 
aus polemisch  gehaltenen  Schrift  περί  τής  'Αλεξάνδρου  τύχης 
and  Arrian  in  seiner  όνάβασις  'AXeEavbpou.  Wenn  bei  Curtius 
das  Bild  Alezanders  verunglimpft  ist,  so  trägt  die  Schuld  daran 
nicht  die  Vorlage,  die  er  benutzte;  immer  wieder  bricht  auch 
bei  ihm  die  Bewunderung  durch,  die  dem  Makedonier  gezollt 
wird,  und  wiederholt  sieht  er  sich  zum  Zugeetändnias  genöthigt, 
dass  seines  Helden  Anlage  von  Haus  aus  gut  und  tüchtig  ge- 
wesen sei.  Curtius  ist  mit  einem  Vorurtheil,  das  von  vornherein 
feststand,    an    seine  Aufgabe,  gegangen,    er   wiederholt    nur    die 


\ 


564  ReusB 


Kritik,  die  vor  ihm  Liviue  an  dem  Könige  geübt  hatte.  Daei 
die  Ansdrnokeweiee  dieses  Alexanderbiographen  von  der  des 
römischen  Oeschichtsohreibere  abhängig  ist,  ist  eine  sobon  oft 
hervorgehobene  Beobachtung  \  dass  er  sich  auch  in  seinem  U^ 
theil  über  Alexander  durch  ihn  hat  beeinflussen  lassen,  ergiebt 
die  Yergleichung  mit  Liv.  IX  17 — 19. 

Mit  Livius  theilt  Curtius  die  Geringschätzung  der  Griechen: 

VIII  5,  7  qui  professionem  honestiesimamm  artium  malis  cor- 
ruperant  moribns,  vgl.  IV  6,11;  VIII  10,12.  Die  Erzählung 
von  Alexanders  Edelmuth  gegen  die  königlichen  Frauen  giebt 
ihm  Anläse,  mit  den  gleichen  >Vorten,  wie  jener,  auf  die  spä- 
teren Ausschreitungen  des  Königs  hinzuweisen:  Liv.  IX  18,4 
referre  piget .  .  .  foeda  supplicia  et  inter  vinum  et  epulas  caedes 
amicorum,  vgl.  Curt.  III  12,  19  sie  abstinuisset  inter  epülae  et 
vinum  caedibns  amicorum,   VIII  2,  6.  8;    3,  8;   4,  30.    An  Liv. 

IX  18,  1  n.  2  'de  Alexandro  nondum  merso  secundis  rebus  . . . . 
qui  si  ex  habitu  novae  fortunae  novique  ut  ita  dicam  ingenii, 
quod  sibi  victor  induerat,  spectetur,  Dareo  magis  similis  quam 
Alexandro  in  Italiam  venisset  erinnern:  Curt.  I Π  12,20  sed  non- 
dum fortuna  se  animo  eins  superfuderat,  VI  6,  5  sed  cum  illie 
quoque  mores  induerat  superbiamque  habitus  animi  insolentia 
sequebatur  (X  1,  40),  Vi  6,  10  regem  victis  quam  victoriboi 
similiorem.  Von  den  Freunden  forderte  Alexander  fasafaliige 
Verehrung :  Liv.  IX  18,  4  desideratas  humi  iacentium  adulationes, 
vgl.  Curt.  VI  6,  3aacere  humi  venerabundos,  VIII  5,  6.  Der  Tadel 
Über  die  superba  vestis  mutatio  kehrt  bei  Curt.  VI  6,  4  wieder, 
über  die  Neigung  zum  Trünke  V  7,  1 ;  X  5,  34,  über  den  Jäh- 
zorn m  12,  19;  IV  2,  5;  4,  17;  6,  27;  VI  2,  4;  VIII  5,22; 
6,  1 ;  X  5,  34,  über  die  vanitas  emetiendae  stirpis  IV  7,  25  und 
30;  VIII  5,  5;  X  5,  33.  Wie  der  König,  ist  auch  das  Heer 
entartet:  Liv.  XI  18,  3  exercitum  degenerantem  in  Perearum 
mores,  Curt.  VIII  5,  14  ne  in  peregrinos  extemosque  ritoa  se 
degenerare  cogeres,  X  5,  33;  V  1,  36  u.  39.  Mit  trunkenem  Heere 
durchzog  der  König  das  eroberte  Land,  als  hielte  er  einen  fröh- 
lichen Umzug:  IX  17, 17  per  quam  temulento  agmine  comisaabundus 
inoessit,  Curt.  V  7,  5  surgunt  temulenti,  V  7,  10  a  commiseabando 
rege,  VIIl  10,  18;  IX  10,  26;  10,  28  incessisse  temulentos.    dm 


^  Auch  an  der  vielbesprochenen  Stelle  X  9,  3  *qui  noctis  quam 
paene  anpremam  habuimus,  novum  aidus  iilnxit*  ahmt  er  Liv.  VI  1^^ 
^noctis  illins  quae  paene  ultima  atque  extrema  nomini  Romano  foit*  nach. 


Zur  Ueberlieferung  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  5β5 

den  Ruhm  des  Siegers  herabzusetzen,  werden  seine  Gegner  ver- 
ächtlich gemacht,  Weiber  und  Eunuchen  bilden  ihr  Gefolge:  Liv. 
IX  17,  16  quem  mulierum  ao  spadonum  agmen  trahentem  inter 
porpuram  atque  aurum,  oneratum  fortunae  apparatibus,  praedam 
veriüs  quam  hostem,  Cnrt.  III  3,  23  spadonum  grex,  uö.;  III 
2,  12  nitet  purpura  auroque,  III  10,  9;  13,  7.  Was  Livius 
vom  persischen  Heere  behauptet,  wird  gelegentlich  auf  das  Heer 
Alexanders  tibertragen:  IV  14,11  parata  hostibus  praeda,  IX 
10,27;  V  1,6  usu  didicisse  .  .  .  eadem  trahentem  Alexandrum, 
qnibus  rebns  antea  yicieset,  inferiorem  fore.  Wäre  der  König 
nach  Italien  gekommen,  hätten  Perser,  Inder  usw.  ihm  mehr 
Schwierigkeiten  bereitet,  denn  Hilfe  geleistet:  Liv.  IX  19,  5  Indes 
....  mains  impedimentum  quam  auxilium,  Curt.  IV  12,  9  Indi 
.  .  .  nomina  veriue  quam  auxilia.  üeber  solche  Gegner  siegte 
er,  weil  er  sie  geringschätzte;  Liv.  IX  17,  16,  Curt.  IV  14,  3, 
in  einem  Kampfe  mit  italischen  Stämmen  dagegen  hätte  er  dem 
Urtheil  seines  Oheims  Alexander  beistimmen  mtissen,  dass  er  es 
bisher  nur  mit  Weibern  zu  thun  gehabt  habe:  Liv.  IX  19,  11; 
Cnrt.  VIII  1, 37.  Mit  einer  einzigen  Schlacht  wtirde  er  den 
ganzen  Krieg  verloren  haben :  Liv.  IX  19,  9  uno  proelio  victue 
Alexander  hello  viotus  esset,  ein  Gedanke,  den  bei  Curtius  der 
Perserkönig  vor  der  Schlacht  bei  Gaugamela  ausspricht:  IV 
14,  15  et  hello  vicerimus,  ei  vicimus  proelio.  Dass  ihm  dabei 
wirklich  die  Worte  des  Livius  vorschwebten,  ergiebt  die  Ver- 
gleichung  von  IV  14, 18  ^quantuscunque  .  .  .  videri  potest,  unum 
animal  est^  mit  Liv.  IX  1 8,  8  quantalibet  magnitudo  hominis  con- 
cipiatur  animo,  uniue  tamen  ea  magnitudo  erit.  Noch  einmal 
verwendet  er  Livianische  Gedanken  in  einer  Rede  des  Chari- 
demus ;  Livius  vergleicht  das  makedonische  Heer  mit  dem  römi- 
Bchen,  Charidemus  mit  dem  persischen :  Liv.  IX  19,  6  arma  clupeus 
eariseaeque  illis,  19,  7  statarius  uterque  miles,  ordines  servans, 
sed  illa  phalanx  Immobilie,  Curt.  III  2,  13  Macedonum  acies  oly- 
peis  hastisque  immobilee  cuneos  ....  peditum  stabile  agmen  .  .  . 
ordines  servare  didicerunt.  Seine  Erfolge  dankte  Alexander  in 
erster  Linie  dem  Glücke:  Liv.  IX  18,  8,  Curt.  IV  9,  22;  16,  23; 
V  5,  5;  VH  7,  31;  VIII  3,  1;  10,  18;  IX  10,  28;  X  5,  35;  fttr 
ihn  stritt  der  Ruhm  seines  Namens:  Liv.  IX  18,6;  Curt.  V 
18,  14;  IX  5,  6  pugnabat  pro  rege  celebrati  nominis  fama. 

Ist  demnach  Curtius'  ürtheil  durch  Livius  beeinflusst,  dann 
darf  man  die  Alexander  feindliche  Tendenz,  welche  in  seiner 
Darstellung  zu  Tage  tritt,  nicht  als  Kriterium  ftir  die  Benutzung 


668  Reuse 

anoh  ohne  Timagenee,  die  Bedeutung,  die  man  dieeem  für  die 
Alexandergesobiohte  hat  beimeeeen  wollen ,  kommt  ihm  in  keiner 
Weise  zu.  Von  seiner  Partherfreundliohkeit  wissen  wir  gar 
nichts,  von  seiner  Römerfreundschaft  zu  wenig,  um  so  weit- 
gebende Combinationen  darauf  bauen  zu  dürfen,  wie  sie  vielfach 
auf  die  spärlichen  tiberlieferten  Notizen  gebaut  worden  sind. 

2.    Eratosthenes  und  die  Alexanderüberlieferung. 

In  der  Zusammenstellung  der  verschiedenen  Berichte  giebt 
sich  bei  den   einzelnen  Autoren    vielfach  eine  auffallende  üeber- 
einstimmung  kund,    die  zu  der  Annahme    geführt    hat,   Plutarch 
und  Arrian  hätten  die  citirten  Quellen  nicht  direct  benutzt,  son- 
dern aus  einem  Sammelwerk  geschöpft  (Schöne).     Von  einer  Ver- 
muthung  Gutsohmids,    die  auch  Niese  (Gesch.  d.  Hellenism.  Bd.  1 
S.  8)  billigt,  ausgehend,    suchten  Kaerst  und  Lüdeoke  (de  fonti- 
bus,  quibus  usus  Arrianus  Anabasim  composuit  in  Leipziger  Sta- 
dien XI)  Strabo  als  den  Verfasser  desselben  zu  erweisen,  erkläre 
dieser  doch  selbst,  die  Alexandergeschichte  in  einem  besonderen 
Werke    behandelt   zu  haben  (Π  S.  70).     Gegen    die  Benutzung 
eines  derartigen  Sammelwerks  sprach  sich  Fränkel,    die  Quellen 
der  Alexanderhistoriker,  Breslau  1883  S.  30  ff.  aus,  und  mit  ihm 
erho6    auch    Schwartz  (Pauly  -  Wissowa  im  Artikel  Arrian)  den 
Einwand,  ein  so  citatenreiohes  Sammelwerk,  in  dem  die  einzelnen 
Citate  sauber  geschieden  gewesen  seien  und  Arrian  gleich  erkannt 
habe,  was  Aristobul  und  Ptolemaios  ausgesagt  hätten,  habe  nicht 
existirt  und  könne  nicht  existirt  haben,    da  nur  vereinzelt  citin 
werde    und  auch  Strabo    davon    keine  Ausnahme    mache.     £ine 
Alexandergeschichte  Strabos  hat,  so  fährt  er  fort,  nicht  existirt, 
die  Worte  υπομνηματι2[ομένοις  τάς  ^AXeEdvbpou   πράίβις    sind 
von  Excerpten    zu    verstehen,    die   jener    aus  Alexanderschriit- 
stellem  sich   für    seine  Geographie    gemacht    hat.     Diesen  Aus- 
führungen kann  ich  mich  nur  anschliessen.     Hätte  Arrian   wirk- 
lich nur  aus  Strabo  geschöpft,  dann  wäre  nicht  einzusehen,  wes- 
halb er  in  vielen  Parthieen  so  wenig  Verwandtschaft  mit  Strabo 
zeigt.     So  ist  jener  selbst  in  geographischen  Dingen,    die  beide 
Aristobul   entnehmen,   ausführlicher    als   dieser   (Strabo  XVI  1 
S.  739  u.  740    und  Arrian  VH  21,  2),    in    der   voransgeseUtes 
Alexandergeschichte  konnten  dieselben  aber  unmöglich  eingehec- 
der  behandelt  sein,  als  in  den  γβιυτραφίκό.    Auch  mehrfache  Irr- 
thümer,  die  sich  Strähn  in  RAiner  Geographie  bezüglich  der  G^ 
schichte  Alexander  kommen  läset,  machen  die  Ab- 


Zur  UeberlieferuDg  der  Geschichte  Alexandere  d.  Or.  569 

fasenng  einer  beeonderen  Schrift  über  diese  nicht  sehr  wahr- 
scheinlich. So  vertritt  er  XIII  S.  593  allein  die  Ansicht,  erst 
nach  der  Schlacht  am  Granikos  sei  Alexander  nach  Ilion  ge- 
kommen (Arrian  I  11,  7,  Plnt.  Alex.  c.  15,  Diod.  XVH  17,  6), 
läset  den  König  XIY  3  S.  666  die  Stadt  Termessos  erobern, 
während  nach  Arrian  I  28,  2  die  Belagerung  aufgegeben  wurde,  und 
bezeichnet  IX  5  S.  538,  wenn  hier  nicht  ό  Λ€Οννατος  ausgefallen 
ist,  Leosthenes  als  Gefährten  Alexanders.  Höchst  eigen thtlmlich 
ist  XI  c.  13  S.  523  die  Notiz,  Μηοία  ^Ατροπάτιος  habe  seinen 
Namen  von  Atropates  erhalten,  der  die  Unterwerfung  dieses 
Heiches  unter  die  Makedonier  verhindert  habe  und  König  daselbst 
geworden  sei,  während  er  nach  Arrian  IV  18,  3  von  Alexander 
als  Satrap  dorthin  geschickt  wurde.  Wird  man  daher  auch  von 
der  Benutzung  Strabos  durch  Plutarch  und  Arrian  absehen  müssen, 
80  läset  sich  gleichwohl  eine  Gemeinsamkeit  verschiedener  Citate 
sowie  der  Darstellung  bei  den  erhaltenen  Schriftstellern  nicht  in 
Abrede  stellen.  Um  diese  zu  erklären,  hat  man  festzuhalten, 
dass  in  den  benutzten  Quellen  schon  ältere  Darstellungen  ver- 
arbeitet waren,  dazu  kommt  aber  noch  ein  zweites  nicht  un- 
wesentliches Moment.  Unsere  Alexanderüberlieferung  ist  von 
einem  für  die  spätere  Zeit  sehr  einflussreichen  Kritiker  behandelt 
und  gesichtet  worden,  der  Niederschlag  seiner  Kritik  liegt  mehr 
oder  weniger  bei  Strabo,  Plutarch  und  Arrian  vor.  Dies  geschah 
durch  £ratosthenes,  dem  eine  reiche  Litteratur  zu  Gebote  stand 
(Strabo  II  S.  69)  und  der  die  Summe  des  geographischen  Wissens 
zog,  das  durch  die  Feldzüge  Alexanders  und  der  Diadochen  er- 
schlossen war  (vgl.  Droysen  I  2  S.  396  und  Niese  I  S.  7).  Keiner 
der  Schriftsteller  nach  ihm  hat  sich  seinem  Einfluss  entziehen 
können,  sein  Urtheil  ist  massgebend  geblieben  für  Strabo,  Plu- 
tarch und  Arrian. 

Auf  das  Zeugniss  des  Eratosthenes  beruft  sich  Plutarch 
(Alex•  0.  3)  für  die  Nachricht,  Olympias  habe  ihrem  Sohn  das 
Geheimniss  seiner  göttlichen  Herkunft  mitgetheilt  und  ihn  er- 
mahnt, dieser  stets  eingedenk  zu  sein.  Vor  der  Schlacht  bei 
Gaugamela,  so  lautet  des  Eratosthenes  Erzählung  bei  Plut. 
Alex.  31,  fand  im  makedonischen  Lager  ein  Zweikampf  zwischen 
zwei  Soldaten  statt,  von  denen  einer  Alexander,  der  andere  Darius 
darstellte,  Alexander  rüstete  jenen,  Philotas  diesen  aus.  Mit  ge- 
spannter Aufmerksamkeit  folgte  das  Heer  dem  Kampfe,  der  für 
den  Darsteller  Alexanders  entschieden  wurde  und  diesem  als  Be- 
lohnung zwölf  Dörfer  und  ein  persisches  Gewand  eintrug:  ταύτα 


570  R  e  α  8  Β 

oöv  'Ερατοσθένης  \στόρηκ€ν.  Ale  Gewähremaon  wird  dieser 
auch  in  der  Schrift  de  fort.  Alex.  I  8  ftir  die  Behauptung  ge• 
nannt,  daRs  Alezander  nicht  pereieohe  oder  medieche,  sondern 
eine  aus  beiden  zusamniengesetzte  Tracht  angenommen  habe,  und 
diese  Mitt Heilung  wird  auch  Plnt.  Alex.  c.  45  vorgetragen  (vgl. 
Diod.  XVU  77,  5,  wonach  Eratosthenes  aus  Klitarch  zu  schöpfen 
scheint).  Aristoteles  rietb  dem  Künig,  die  θ-riechen  als  Freunde 
zu  behandeln,  den  Barbaren  aber  zu  begegnen,  als  seien  sie  nur 
Thiere  oder  Pflanzen,  dieser  EUth  fand  weder  Alexanders  Beifall, 
noch  die  Billigung  des  £ratosthenes,  der  nur  die  Scheidung  der 
Menschen  nach  der  Tüchtigkeit  oder  Schlechtigkeit  gelten  lassen 
wollte  (Strabo  II  S.  66  =  Berger  frg.  Π  C  24).  Auch  dieser 
Nachricht  begegnen  wir  in  der  Schrift  de  Alex.  fort.  I  6.  Die 
Fabeleien  über  die  Feidzüge  des  Dionysos  und  Herakles  nach 
Indien  fanden  bei  dem  alexandrinischen  Gelehrten  keinen  Glauben, 
ebensowenig  Hess  er  die  Verlegung  der  Promeiheuseage  nach  dem 
indischen  Kaukasos  gelten:  Arrian  V  3  λ^γει  πάντα  δσα  ές  το 
θ€Ϊον  αναφέρεται  έκ  Μακεδόνων  προς  χάριν  τής  'AXcEavbpou 
ές  τό  ΰπέρογκον  έπίφημισθήναι.  Von  Eratosthenes  stammt  nach 
Kaerst  die  Kritik,  welche  bei  Flut.  Alex.  c.  46  an  der  Amazonen- 
sage  geübt  wird,  diese  Vermuthnng  erhält  ihre  Bestätigung  durch 
Justin  XLIl  3,  5,  der  ebenfalls  schon  die  Zeugnisse  für  die  Be- 
gegnung Alexanders  mit  der  Amazonenkönigin  in  seiner  Quelle 
zusammengestellt  fand  (multi  anctores  prodidere).  Dass  diese 
Quelle  Eratosthenes  gewesen  ist,  beweist  die  Vergleichnng  von 
Justin  XLU  3,  5  ff.  mit  Strabo  I  S.  48  (Borger  frg.  I  Β  8),  XI 
S.  523  (Berger  III  Β  32),  XVI  746  (Berger  III  Β  38)  und 
Plinius  VI  31. 

So  finden  wir  eine  Reihe  von  Stellen,  die  auf  Benutzung 
des  Eratosthenes  in  der  erhaltenen  Litteratur  uns  führen;  wir 
sind  aber  auch  im  Stande,  die  Kritik  kennen  zu  lernen,  die  er 
an  den  Alexanderschriftstellem  und  ihren  Schriften  übte.  l>ie 
Feidzüge  Alexanders  haben  die  geographische  Eenntniss  der  Mit- 
welt und  Nachwelt  erweitert,  sie  haben  den  grSssten  Theil  Asiens 
und  die  nördlichen  Striche  Europas  erschlossen  (Strabo  I  2  S.  Η 
=  Berger  I  Β  10).  So  kann  man  die  Gebirgsgegend  von  Ariane 
am  besten  beschreiben,  wenn  man  den  Weg  darstellt,  welchen 
Alexander  von  Parthiene  aus  nach  Baktra  nahm  (Strabo  XV  2 
S.  724).  Das  ist  ein  Eratosthenischer  Satz,  den  auch  Plinius 
wiederholt  ausspricht:  II  t>7;  VI  15.  21.  Nicht  alle,  welche  über 
den  Orient  mit  seinen  Wandern  schrieben,  haben  sich  ein  ntich- 


Zur  Ueberliefernng  der  Geechichte  Alexanders  d.  Or.  571 

ternes  Urtfaeil  bewahrt,  viele  sind  daber  in  den  Verdacht  der 
Uebertreibung  nnd  Lüge  gekommen.  Den  meisten  Schriftetellem 
ist  Diobt  zn  tränen,  eie  nehmen  ee  leicht,  theile  um  Alexandere 
Rahm  noch  zu  mehren,  theile  weil  der  Feldzug  bis  zu  den 
ausser eten  Enden  Asiens  ging,  das  Entfernte  aber  schwer  zu 
widerlegen  ist  (Strabo  XI  6  S.  507,  vgl.  I  S.  14).  Einfalt  nnd 
Fabelsnoht  nehmen  ihnen  alle  Glaubwürdigkeit,  Alezanders  Prah- 
lerei zn  Liebe  hat  man  viel  Lügenhaftes  vorgebracht.  Man 
wueete,  dass  der  Tanais  die  Grenze  zwischen  Asien  und  Europa 
bilde,  das  Stück  aber  vom  hyrkanischen  Meere  bis  zum  Tanais 
einen  grossen  Theil  Asiens  ausmache;  »o  sann  man  auf  ein  Mittel, 
dase  sich  wenigstens  die  Sage  verbreite,  Alexander  habe  auch 
über  diese  Gegenden  geherrscht.  Daher  zog  man  die  mäotische 
See,  in  welche  der  Tanais  mündet,  mit  dem  kaspischen  Meer  in 
eins  zusammen  und  behauptete,  beide  seien  mit  einander  verbunden 
und  eins  sei  ein  Theil  des  anderen.  Als  Beweise  dafür  führt 
Polyklit  an,  dass  jenseits  des  Tanais  die  Tanne  wachse,  die  dem 
oberen  und  Östlichen  Asien  fremd  sei,  und  dass  das  hyrkanische 
Meer  süsses  Wasser  habe  und  Schlangen  in  ihm  lebten.  Hier- 
gegen wendet  Eratosthenes,  der  auch  andere  derartige  Behaup- 
tungen widerlegt,  ein,  dass  die  Tanne  auch  in  Asien  vorkomme 
und  Alexander  aus  ihrem  Holze  eine  Flotte '  gebaut  habe  (Strabo* 
XI  S.  509).  Auch  mit  den  Erzählungen  des  Onesikritos  war 
Eratosthenes  wenig  einverstanden.  Was  er  von  den  Baktrem 
erzählt,  ist  nicht  gut.  Sie  werfen  die  vom  Alter  oder  durch 
Krankheit  Entkräfteten  den  Hunden  vor,  die  geflissentlich  hiezu 
gehalten  werden  und  die  sie  in  der  Landessprache  Todtengräber 
nennen.  Ausserhalb  der  Stadtmauern  von  Baktra  sieht  man  nur 
Reinlichkeit,  innen  aber  ist  alles  voll  von  menschlichen  Gebeinen. 
Alexander  schaffte  diesen  Brauch  ab.  Wenn  Alexander  wirklich 
dergleichen  traf,  so  weiss  man  nicht,  was  man  von  den  persi- 
schen and  früheren  Herrschern  denken  soll,  was  für  Gebräuche 
sie  gehabt  haben  mögen  (Strabo  XI  S.  517),  vgl.  de  fort.  Alex. 
1  5.  Aus  der  Kritik  des  Eratosthenes  mag  auch  Platarch  Alex. 
c.  46  stammen:  Onesikritos  las  König  Lydimachos  das  4.  Buch 
seiner  Aufzeichnungen  vor,  in  welchem  er  die  Begegnung  Ale- 
xanders  mit  den  Amazonen  darstellte,  da  fragte  dieser  lächelnd : 
*wo  war  ich  denn  damals?'  Unter  allen  Gefährten  Alexanders, 
welche  die  miterlebte  Geschichte  litterarisch  behandelt  haben, 
verdient  er  darum  am  allerwenigsten  Glauben.  Strabo  XV  1 ,  698 
'man  sollte  Onesikritos  nicht  sowohl  Alexanders,  als  aller  Fabeln 


572  Reaee 

Obenteaermann  nenneD.  Zwar  haben  alle,  die  um  Alexander 
waren,  eich  lieber  an  Wander,  als  an  die  Wahrheit  gehalten, 
doch  echeiiit  dieser  an  Liebe  für  dae  Wunderbare  alle  fibertroffec 
za  haben.  Uebrigen«  hat  er  auch  manches  Glaubwürdige  ood 
Wichtige,  wenn  man  ihm  schon  keinen  Glauben  beimisst.'  Den 
Vorwurf  der  Lüge  erspart  ihm  daher  auch  Arrian  VI  2,  3  nicht: 
Onesikritos  hat  auch  darin  gelogen,  daes  er  sich  als  Nauarehen 
ausgiebt,  während  er  doch  nur  Steuermann  war.  Nicht  minder 
hat  er  sich  in  seinen  Berichten  über  Indien  der  üebertreibong 
und  Lüge  verdächtig  gemacht,  doch  ist  er  hier  von  anderen  noch 
überboten  worden :  Strabo  Π  S.  70  (Berger  I  Β  23)  *  Diejenigen, 
welche  Über  Indien  schrieben,  haben  sich  als  Lügner  erwiesen, 
vor  allen  D^imachos,  hernach  Megasthenes,  Onesikritos  und  Nearch 
und  andere,  die  solche  Albernheiten  erzählen.  Am  wenigsten 
darf  man  Deimachos  und  Megasthenes  trauen.  Diese  sind  es,  die 
von  Langohren  reden,  von  Leuten  ohne  Mund  und  Nase,  τοη 
Einängigen  und  LangfQsslem  und  von  Menschen  mit  zurfick- 
geschlagenen  Fingern.  Sie  wärmten  anch  den  homerischen  Kampf 
der  Kraniche  mit  den  Pygmäen,  welche  sie  drei  Spannen  lang 
machten,  wieder  auf.  Sie  kennen  auch  die  goldgrabenden  Ameiseni 
die  spitzköpfigen  Pane,  die  Schlangen,  welche  Rinder  und  Hirsche 
mit  dem  Geweih  verschlucken,  worin  einer  den  anderen  zu  wider 
legen  sucht,  wie  auch  Eratosthenes  sagt.*  Ihnen  werden  Pa- 
trokles  und  andere,  nicht  unglaubwürdige  Zeugen,  die  Eratosthenee 
anführt,  gegenübergestellt.  Die  gleichen  Vorwürfe  werden  wieder- 
holt Strabo  XV  S.  702  u.  711,  vgl.  Plin.  VO  21,  sie  hat  anch 
Arrian  offenbar  vor  Augen,  wenn  er  V  4,  3  schreibt:  ύιτέρ  ύν 
έγώ  oÖT€  οίστισι  νόμοις  οιαχρώνται  έν  τήΙ)€  τή  Ευγγραφή 
ανέγραψα  οΰτ€  Ιψα  ei  br\  τίνα  δτοπα  ή  χώρα  αύτοΐς  έκφέρ€ΐ 
....  ουδέ  τους  μύρμηκας  τους  τόν  χρυσόν  σφίσιν  έργαΖομένους. 
Als  Motiv  für  die  unwahren  Erzählungen  wird  vielfach  der 
Wunsch  Alexander  zu  schmeicheln  vorausgesetzt.  So  ist  es  die 
Sohmeichelsucht  der  Schriftsteller,  welche  die  Erzählung  von  der 
Königin  der  Amazonen  Thalestris  aufgebracht  hat.  Unter  den 
vielen  Geschicbtschreibern  reden  gerade  die  wahrheitsliebenden 
nichts  davon,  and  die,  welche  davon  reden,  stimmen  nicht  über- 
ein. Klitarch  sagt,  Thalestris  sei  von  den  kaspischen  Pforten 
und  vom  Thermodon  her  zu  Alezander  mehr  als  6000  Stadien 
weit  gekommen.  Was  aber,  um  des  Königs  Ruhm  zu  mehren, 
verbreitet  worden  —  gesetzt  es  stimmte  alles  überein  —  dae 
kennzeichnet   mehr  die  iSchmeichelsucht,   als    die  Wahrheitsliebe 


Zur  üeberliefemng  der  OeBcbichte  Alexanden  d.  Gr.  573 

derer,  die  ee  erfunden  baben  (Strabo  XI  S.  505).  Ibre  ünglaub- 
Würdigkeit  giebt  sieb  in  dem  Mangel  an  Uebereinstimmnng  kund. 
Von  denen,  welobe  Alexander  Asien  nnterjocben  balfen,  wider- 
epricbt  oft  einer  dem  anderen.  Da  sie  nun  über  das,  was  sie 
gesehen  baben,  so  versobiedener  Meinung  sind,  was  soll  man  von 
dem  nach  Hörensagen  Bericbteten  balten?  (Strabo  XV  S.  685). 
Das  was  von  Baocbns  und  Herakles  gesagt  wird,  bttlt  Megastbenes 
mit  einigen  für  wabr,  die  meisten  anderen,  darunter  Eratosthenes, 
Γύτ  unglaubwürdig  und  fabelbaft  (S.  687).  Naob  solchen  Sagen 
baben  einige  die  Nysäer  zu  einem  Volke  gemacht  und  bei  ihnen 
eine  Stadt  Nysa,  eine  Gründung  des  Dionysos,  und  einen  Berg 
Meros  angenommen,  wofür  sie  sich  auf  den  dortigen  Epheu  und 
die  Weinrebe  berufen.  Zu  Nachkommen  des  Dionysos  machen 
sie  auch  die  Oxydraken  wegen  der  bei  ihnen  wachsenden  Rebe, 
sowie  wegen  der  herrlichen  Baoohuszttge,  bei  denen  die  Könige 
unter  Cymbelnklang  und  in  prächtigen  Gewändern  ins  Feld  rücken. 
Auch  reden  sie  prunkend  von  einem  Felsen  Aornos,  an  dessen 
Fuss  der  Indus  vorbeifliesst  und  welchen  Alexander  beim  ersten 
Sturme  eroberte,  um  nämlich  diesen  zu  erheben,  dass  Herakles 
dreimal  an  diesem  Felsen  angesetzt  habe  und  dreimal  zurück- 
geschlagen sei.  Abkömmlinge  seiner  Eriegsgenossen  seien  die 
Sibier,  die  als  Kennzeichen  ibrer  Abstammung  noch  den  Brauch 
hätten,  sich  mit  Fellen  zu  bekleiden  und  Keulen  zu  tragen,  und 
diese  auch  den  Stieren  und  Mauleseln  aufbrennen.  Unterstützt 
wird  diese  Sage  durch  die  vom  Kaukasos  und  Prometheus;  denn 
diese  haben  sie  vom  Pontos  Euxeinos  hierher  versetzt,  weil  sie 
bei  den  Paropamisaden  eine  heilige  Grotte  fanden.  Diese  wiesen 
sie  als  dan  Gefängniss  des  Prometheus  vor,  hierher  sei  He- 
rakles gekommen  zur  Befreiung  des  Prometheus,  und  dies  sei 
der  Kaukasos,  den  die  Griechen  als  den  Ort  der  Anfesselung  des 
Prometheus  bezeichneten.  Dass  dies  Erfindungen  von  Schmeichlern 
Alezanders  sind,  erhellt  daraus,  dass  die  Geschichten  nicht  mit 
einander  übereinstimmen,  indem  einige  es  wirklich  erzählen,  an- 
dere es  nicht  einmal  erwähnen.  Denn  es  ist  nicht  wahrschein- 
lich, dass  so  berühmte  prahlerische  Geschichten  nicht  einmal  be- 
kannt geworden  sein  sollten,  oder  zwar  bekannt,  jedoch  nicht 
merkwürdig  genug  befunden,  und  zwar  von  den  glaubwürdigsten 
derselben  (Strabo  XV  S.  687).  Die  Herkunft  dieser  Ausführungen 
aas  Eratostbenes  kann  nicht  zweifelhaft  sein,  wir  finden  sie  genau 
so  wieder  Arrian  Indica  2,  4  und  5,  8 — 13  und  Anab.  V  1  fi*. 
An  der    letzten  Stelle  wird  c.  3,  1    dieser  ausdrücklich  als  Ur• 


574  Renss 

beb«r  genaont.  Aman  kano  die  Zweifel  teines  GewikrtmtnneB 
nicht  theilen  nnd  sich  nicht  entschlieeeen,  die  Erzählungen  nbfr 
Dionysos  wenigstens  preiszagehen,  wenn  er  anch  ziigieh%  Αά» 
die  Verlegung  der  Prom et h Passage  της  'AXeEOvbpOU  Ιν€κα  5ά£ης 
▼orgenommen  ist  (V  :j,  3,  vg\.  :',  3  τα  Άλ€£άν5ρου  αυΕοντ€ςι 
und  dass  die  Mitthei langen  über  Herakles'  vergebliche  Aneriüe 
aaf  den  AornofifeUen  eitel  Prahlerei  sind  (IV  28,2  τόν  *Ηροκλ€α 
ές  κόμπον  του  λόγου  imqn\μiί€a^au  Ind.  c  5,  10  Μακβ^ονικόν 
κόμπασμα*.  Trotz  dieses  Zugestand nisses  aber  ksnn  er  es  nc\i 
nicht  versagen,  Alexander  selbf^t  in  der  Rede  V  25,  3  ff.,  «He 
auch  noch  andere  Widerspruche  mit  der  sonstigen  Darstellune 
aufweist  (26,  1),  die  gleiche  Prahlerei  in  den  Mund  tu  legen: 
26,  5  ή  *Αορνος  πέτρα  ή  τψ  Ήρακλβΐ  όνάλαττος  προς  ημών 
ίχβται.  Alles,  wae  auf  die  Gottheit  und  ihr  Eingreifen  von  den 
Makedoniern  zurückgeführt  wird,  ist  nach  Eratosthenes  Alexander 
zu  Liebe  ins  Uasslose  übertrieben:  V  3,  1  X^yei  ές  τό  ύπέροτκον 
έπlφημι(Tβήvαu  Das  ist  der  Wortlaut  der  Eratostbeniechen  Kritik, 
den  Strabo  nnd  Arrian  festgehalten  haben:  IV  28,  2  έπίφημί- 
Σβσθαι,  28,4  τψ  μύθψ  πβφημισμένψ,  V  3,  1  έπιφημισθήναι, 
Strabo  XVI S.  737  οΐ  Μακ€6όν€ς  κοτεφήμισαν,  ΧνΠ  802  (Berger 
Ι  Β  9)  προ<Τ€πιφημισ^ναι,  er  kehrt  auch  wieder  bei  der  Be- 
urtheilung  Homers:  I  S.  22  (Berger  I  Α  12)  των  μύθυιν  .  .  • 
π€φημισμένυιν. 

Trotz  dieser  scharfen  Verurtheilung  spricht  Eratostheoes 
diesen  Gewährsmännern  nicht  alle  Glaubwürdigkeit  ab.  Wenn 
sie  anch  manchee  aus  Schmeichelei  hinzusetzen,  so  gehen  sie  doch 
auch  viel  Glaubwürdiges  an.  So  sagt  Kallisthenes,  Alexander 
habe  hauptsächlich  des  Ehrgeizes  wegen  gestrebt,  zu  dem  Orakel 
des  Juppiter  Ammon  zu  gehen,  da  er  gehört,  daea  auch  Perseae 
und  Herakles  dahin  gegangen  seien.  Strabo  XVE  S.  814  knüpft 
hieran  die  Erzählung  des  Kallisthenes  über  Alexandere  Zag  znm 
Ammontempel  und  dessen  Mittheilungen  über  das  Orakel  und  die 
Orakelsprüche  der  Branchiden,  wobei  wieder  der  Vorwurf  der 
Schmeichelei  und  Lüge  nicht  unterdrückt  wird:  τούτων  κόλα- 
κβυτικώς  λ€τομένων  und  προστρογψοεΐ  bt  τούτοις  6  Καλλισθένης. 
Wegen  dieser  Inconseqnenz  tadelte  Uipparchoa  seinen  Vorgänger 
bezüglich  des  Patrokles  (Strabo  Π  S.  69),  und  in  allgemeiner 
Fassung  ist  dieser  Tadel  ausgesprochen  Strabo  I  S.  47  τά  μ^ν 
έλεγχων,  τα  6έ  πιστ€ύων.  Eratoathenee  spricht  gegen  selchet 
die  offenbar  Erdichtetes  und  Unmögliches  theils  als  wirkliche 
"Fabel,  theils  als  Geschichte  vorbringen,   was  zu  erwähnen  J^ch^ 


Zur  UeberlieferuDg  der  Geechiohte  Alexanden  d.  6r.         575 

der  Mübe  lobnt,  weshalb  er  siob  auf  eolohes  Geecbwätz  niobt 
hätte  einlaseen  sollen  (Strabo  I  S.  62).  Zu  den  Scbriftstellem, 
denen  man  nicbt  tranoD  kann,  gebort,  wie  wir  seben,  anob  One- 
sikritos,  gleichwohl  kann  man  seine  Nachrichten  niobt  übergeben, 
da  er  manches  Glaubwürdige  und  Erwähnenswerthe  berichtet 
(Strabo  XY  S.  697).  Wie  sehr  Arrian  diesen  Standpunkt  tbeilt, 
wird  weiter  unten  dargelegt  werden. 

Der  Einfluss  des  Eratosthenes  tritt  auch  deutlich  zu  Tage 
in  den  Auslassungen,  die  Strabo  XVI  S.  737  über  die  Schlacht 
bei  Gaugamela  giebt.  Da  die  Makedonier  Gangamela  als  ein 
elendes  Dorf  antrafen,  Arbela  dagegen  als  •  einen  ansehnlichen 
Ort,  machten  sie  dies  als  Ort  der  Schlacht  bekannt  und  über- 
lieferten es  so  den  Geschichtschreibern,  vgl.  Plut.  Alex.  c.  31. 
Ausführlicher  hat  Arrian,  der  sich  für  Gaugamela  auf  das  Zeug- 
niss  des  Ptolemaios  und  Aristobulos  beruft,  den  kritischen  Ex- 
curs  des  Alexandriners  uns  überliefert:  VI  11,  4 — 6  Gaugamela 
war  keine  Stadt,  sondern  ein  unbekanntes  Dorf  mit  schlecht- 
klingendem Namen,  deshalb  trug  Arbela  den  Buhm  davon,  als 
Schlacbtort  gewählt  zu  werden.  Arbela  lag  600  oder  nach  an- 
derer Ueberlieferung  500  Stadien  vom  Schlachtfelde  entfernt,  mit 
demselben  Rechte  könnte  man  daher  die  Schlacht  bei  Salamis 
als  Schlacht  von  Eorinth  oder  die  Schlacht  bei  Artemision  als 
Schlacht  bei  Aigina  oder  Sunion  bezeichnen.  Arrian  bringt  dies 
nicht  in  dem  die  Schlacht  darstellenden  Abschnitte,  sondern  bei 
Behandlung  der  Frage,  ob  Alexander  im  Lande  der  Ox)draken 
oder  Maller  verwundet  wurde,  schöpft  also  offenbar  ans  einer 
Quelle,  die  sich  über  die  Glaubwürdigkeit  der  Alexanderschrift- 
eteller aussprach.  Eben  daher  stammt  selbstverständlich  das 
ganze  Kapitel  über  die  Verwundung  des  Königs:  VI  II,  2  vieles 
andere  haben  die  Geschichtschreiber  über  die  Verwundung  ge- 
schrieben und  die  Ueberlieferung  bat  es  aufgenommen  nach  dem 
Berichte  derer,  die  zuerst  gelogen  haben ;  11,7  das  schwerste 
Versehen  ist  aber  die  Rettung  Alexanders  durch  Ptolemaios, 
der  nach  eigenem  Berichte  gar  nicbt  an  jenem  Kampfe  tbeil- 
genommen  hat. 

Auf  Eratosthenes  wird  auch  die  Zusammenstellung  der  ver- 
schiedenen Zeugnisse  über  den  Tod  des  Kalanos  zurückgehen,  ob- 
wohl Schwartz  (^ Paul j- Wieso wa:  Arrian)  für  Strabo  und  Arrian 
eine  gemeinsame  Quelle  leugnet.  'Von  dem  Mangel  an  Ueber* 
einstimmung  bei  den  Schriftstellern  zeugt  auch  das,  was  von 
^alanos  gesagt  wird.     Dass  er  zu  Alexander  kam  und  freiwillig 


576  Reuse 

darch  Feuer  sieb  tödtete,  darin  stimmen  sie  überein,  aber  nicht 
in  der  Art  und  Weise'  (Strabo  XV  717).  Strabo  will  verschie- 
dene Ueberliefemngen  mittheilen,  verspricht  aber  mehr  als  er 
hält.  Nachdem  er  die  Ersählnng  Elitarcba  (Diod.  XVIi  107) 
vorgetragen  bat,  bemerkt  er,  nach  anderer  Ueberliefemng  sei  der 
Inder  nicht  auf  ein  goldenes  Ruhebett  gelegt  worden,  sondern 
auf  einen  Holzstos  in  einem  hölzernen,  mit  Blättern  gefüllten 
Hause,  und  knüpft  daran  den  Tadel  des  Megasthenes  gegen  Ka- 
lanos  und  dessen  Anerkennung  für  Ifandanis.  Soweit  stimmt 
auch  Arrian  VII  2  und  3,  1  mit  Strabo  tiberein,  wird  dann  aber 
eingehender  in  der  Mittheilnng  anderer  Abweichungen  über  Neben- 
dinge, die  letzterer  übergeht. 

Un Wahrhaftigkeit  und  Uebertreibung  sind  also  die  Fehler, 
deren  die  grosse  Menge  der  Alezanderschriftsteller  sich  sohnldig 
macht,  sie  lassen  sieb  leiten  von  dem  Streben,  dem  Könige  zu 
scbmeicheln,  um  so  mehr,  als  dieser  geschmeichelt  haben  will, 
sie  kennen  um  so  weniger  Mass  in  ihren  Fabeleien,  als  sie  von 
weit  abliegenden  Ländern  erzählen,  bei  denen  Niemand  sie  wider- 
legen kann;  nur  der  Umstand,  dass  sie  einander  widersprecheo, 
läset  in  vielen  Fällen  ihre  Lügen  als  solche  erkennen.  H&It 
man  sich  an  diese  Gmndzüge  der  Eratosthenischen  Kritik,  dann 
kann  man  nicht  zweifelhaft  sein,  wem  Arrian  seine  Ansicht 
über  die  von  ihm  benutzten  Quellen  zu  danken  hat  üeber  Nie- 
manden haben,  so  erklärt  er  1 1,  so  viele  Schriftsteller  geschrieben, 
wie  über  Alexander  den  Grossen,  bei  Niemanden  stehen  sie  aber 
auch  mit  einander  so  in  Widerspruch,  wie  bei  ihm.  Arrian  hSlt 
sieh  an  Ptolem^ios  und  Aristobulos,  beide  haben  an  des  Königs 
Feldztigen  th eilgenommen,  beide  aber  nach  des  Königs  Tod  ge- 
schrieben, für  beide  fiel  daher  der  Grund  zur  Sohmeiohelei  weg, 
weder  Zwang  noch  Aussicht  auf  Belohnung  konnte  sie  τe^ 
anlassen,  die  Dinge  anders  darzustellen,  als  sie  sich  zutrugen. 
Neben  ihnen  giebt  es  aber  noch  die  Berichte  anderer,  die  nicht 
ganz  unglaublich  und  daher  der  Wiedergabe  nicht  unwerth  er- 
scheinen: ού  πάντί)  δτηστα,  Π  12,  8  οδθ*  ώς  αληθή  οδτ€  ιί)ς 
πάντη  δπιστα.  Wo  das  Fingreifen  der  Gottheit  in  Frage  steht, 
kann  Arrian  dem  skeptischen  Eratosthenes  nicht  folgen,  manches, 
was  dem  natürlichen  Verstände  unglaublich  erscheint,  wird  doch 
begreiflich,  wenn  man  göttliches  Walten  annimmt  (V  1,  2).  Solcher 
Glauben  wird  freilich  auf  harte  Probe  gestellt,  wenn  selbst  die 
zuverlässigsten  Gewährsmänner  mit  einander  nicht  harmoniren, 
wie  III  8,  5;    dann  muss  er  auf   genaue  Darstellung   versichten 


Zur  üeberlicferung  der  Oeechichie  Alexandere  d.  Gr.  577 

und  kann  nur  vereichern,  daee  eine  Gottheit  dabei  eingegriffen 
habe,  weil  die  Wahreoheinliohkeit  dafür  spreche.  In  solchen 
Fragen  hat  Plutarch  sich  dem  Standpunkt  des  Eratosthenes  mehr 
genähert,  wenn  er  von  dem  Marsche  Alexanders  an  der  pamphy- 
lischen  Küste  schreibt:  AI.  c.  17  ή  b^  τής  Παμφυλίας  παρα- 
ορομή  πολλοίς  γέγονε  τών  \(Ττορικών  ύπόθ€σις  γραφική  προς 
€κπλη£ιν  και  δγκον  ώς  θείςι  τινι  τύχΐ)  παραχωρήσασαν  τήν 
θάλα(Τ(Ταν  Άλείάνοριμ,  während  Arrian  auch  hier  die  Zweifel 
an  dem  Walten  der  Gottheit  für  unberechtigt  hält:  I  16,  2  ουκ 
άνευ  toG  θείου  ^.  Tragt  letzterer  aber  auch  Bedenken,  hier  die 
Anschauungen  seines  Gewährsmannes  zu  den  seinen  zu  machen, 
so  folgt  er  doch  sicher  diesem,  wenn  er  von  den  ungereimten 
Lügen  über  die  Inder  spricht,  die  sich  nicht  widerlegen  liessen 
{V  4t j  3).  Manche  Fabeleien  über  diese  haben  Alexanders  Feld- 
zage als  solche  erwiesen,  soweit  nicht  einige  seiner  Gefährten 
selbst  Lügen  verbreitet  haben,  sie  haben  dargethan,  dass  die 
Inder  kein  Geld  besitzen  und  nicht  verweichlicht  in  ihrer  Lebens- 
führung sind,  dass  sie  hohen  Körperbau  und  dunklere  Hautfarbe 
alg  die  anderen  Völker,  mit  Ausnahme    der  Aithioper,   haben  (Y 

4,  4).  Das  ist  ein  Citat  aus  Eratosthenes,  wie  die  Vergleichung 
mit  Eustath.  ad  Dionys.  peripl.  v.  1107  (Berger  fr.  III  Β  16) 
und  Strabo  XV  S.  690  (III  Β  12)  ergiebt  (vgl.  auch  Strabo  XV 

5.  695  βελτίους  6έ  —  φομέν). 

In  der  Behandlung  der  Alexandergeschiühte  nimmt  Erato- 
sthenes denselben  Standpunkt  ein,  wie  in  der  Homorfrage,  und 
darin  liegt  ein  weiterer  Beweis  für  unsere  Annahme,  dass  die 
Spuren  der  kritischen  Methode,  wie  sie  bei  den  späteren  Histo- 
rikern vorliegen,  auf  ihn  zurückführen.  Auch  Homer  jagt  nach 
Wundern  (Strabo  I  S.  18),  seine  Mythen  knüpfen  theils  an  wirk- 
liche Oertlichkeiten  an,  theils  werden  sie  nach  erdichteten  Orten 
verlegt  (I  S.  22  τών  μύθων  .  .  .  π€φημισμένων).  Die  Meinung 
derjenigen,  welche  behaupten,  die  Irrfahrt  des  Odysseus  sei  nicht 
erdichtet,  laset  sich  durch  den  Mangel  an  Uebereinstimmung 
widerlegen  (έΕ  αύτου  του  μή  Ουμφωνεΐν  έλίτχ€σθαι  ψ€υ6ο- 
μένους).  Das  ist  dasselbe  Argument,  mit  dem  auch  die  Glaub- 
würdigkeit der  Alexanderschrifteteller    in  Zweifel  gezogen  wird. 


^  Kallisthenes,  um  den  es  sich  handelt,  mag  sich  wohl  ähnlich 
aaageeprochen  haben,  wie  Xenophon  über  den  U ebergang  des  Kyros 
über  den  £uphrat:  Anab.  I  4,  18  έ6όκ€ΐ  &ή  θ€Ϊον  cTvai  καΐ  σαφώς 
ύποχιυρήοαι  τόν  ποταμόν  Κύρψ  ώς  βασιλεύσοντι 

Hhela.  Μα•.  f.  Philol.  Ν.  F.  LVli.  37 


578  R  e  α  ■  8 

Nicht  andere  stellt  es  mit  der  Behaaptuiig,  man  könne  annehmen, 
der  Dichter  habe  die  Irrfahrt  des  Odyeeene  in  den  Wenten  rer- 
legen  wollen,  habe  aber  theile  aus  Mangel  an  genaneren  Nach- 
richten, theils  mit  Absicht  seinen  Vorsatz  nicht  anegefnhrt,  om 
alles  ins  Furchtbare  und  Wunderbare  ziehen  zu  können  (Strabo 
I  S.  26).  Koch  schärfere  Fassung  wird  diesem  Vorwurf  mit  des 
Worten  gegeben:  Homer  stellte  besonders  das  Ferne  als  wunderbar 
dar,  weil  er  hier  am  leichtesten  aufschneiden  könne  (bia  τό  €ύ- 
κατάψ€υ<ΤΤον).  Auch  die  Schriftsteller  über  Alexander  nehmen 
es  leicht,  weil  der  Feldzug  des  Königs  bis  zu  den  aussersten  En- 
den Asiens  ging,  das  Entfernte  aber  schwer  zu  widerlegen  ist 
(XI  S.  507). 

Von  den  Schriften  des  Eratosthenes  kann  nur  seine  Geo- 
graphie als  Quelle  fiir  die  spateren  Darsteller  der  Alexander- 
geschichte in  Betracht  kommen.  Sie  bestand,  wie  Berger  S.  17 
ausfuhrt,  aus  drei  Büchern;  das  erste  enthielt  einen  kritiecben 
Ueberblick  über  die  Geschichte  der  Geographie  von  den  ersten 
Anfängen  bis  auf  die  Zeit  des  Verfassers,  in  dem  zweiten  wurde 
eine  Darstellung  der  leitenden  Prinzipien  und  Fixirung  der  Pa- 
rallelen gegeben,  dem  dritten  war  die  Eintheilung  und  specielle 
Behandlung  der  οΙκουμένη  vorbehalten.  Nach  Berger  beschrankte 
Eratosthenes  sich  im  dritten  Buche  auf  die  Darstellung  der 
äusseren  Umrisse  der  einzelnen  Lander,  so  wie  sie  unter  seinem 
Namen  bei  Strabo  erhalten  sind,  indessen  dürfte  er  in  der  Hit- 
theilung  von  geographischem  Material  doch  weiter  gegangen  eein, 
als  Berger  annimmt.  So  lässt  in  Strabos  Behandlung  Indiens 
auf  Eratosthenischen  Ursprung  sohliessen,  was  XV  S.  685  über 
die  Widersprüche  bei  den  Schriftstellern  über  Alexander  und 
S.  688  über  die  Lügen  der  Schmeichler  desselben  mitgetheilt 
wird.  Für  Benutzung  des  gleichen  Autors  auf  S.  686—688 
spricht  die  Vergleichong  mit  Arrians  Indica:  Megastbenes  über 
frühere  Feldzüge  nach  Indien  =  Ind.  5,  4 — 7;  Nysa  =  Ind.  5»  9; 
Aomos  =  Ind.  5,  10;  Sibier  =  Ind.  5,  12;  Kaukasos  =  Ind. 
5,  10 — 11;  eine  solche  Uebereinetimmung  wäre  undenkbar,  wenn 
beide  nicht  diese  Zusammensteliung  schon  vorgefunden  hätten. 
Zwischen  den  von  Berger  als  frg.  III  Β  6  und  III  Β  12  be- 
zeichneten Stücken  Strabos  steht  ein  Abschnitt,  der  Angaben  aus 
Etesias,  Onesikritos,  Nearchos,  Megastbenes  und  Deimachos  ent- 
hält, auch  diese  finden  sich  bis  auf  die  Notiz  aus  Deimacbos  in 
derselben  Reihenfolge  Arrian  Ind.  3,  6—8  wieder;  bei  beiden 
kann  es  nich  nur  um  Herübernahrae  dieser  Citate  aus  Eratosthenes 


Zur  ÜeberlieferuDg  der  Geechiohte  Alexandere  d.  Qr.  579 

handeln.  Den  angeführten  Fragmenten  entspricht  im  ganzen 
Arrian  Ind.  3,  9 — 6,  9,  hier  liest  man  die  Eratostbenes  (frg.  III 
Β  52)  eigenthümliche  Erklärung  der  Nilanschweliung  (6,  7  u.  8), 
seine  Ansicht  über  die  Regengüsse  in  Indien  (0,  6),  den  Ver- 
gleich zwischen  Indien  und  Aethiopien  (Berger  fr.  III  Β  16). 
Strabo  und  Arrian  (6,  8)  citiren  Onesikritos  für  das  Vorkommen 
der  Flusspferde  in  den  indischen  Flüssen,  ersterer  wiederholt 
seine  Angabe  XV  S.  707  gewiss  nach  derselben  Quelle.  Eben 
daher  ist  aber  auch  XV  S.  692  das  Citat  aus  Nearchos  ent- 
nommen,  das  in  demselben  Zusammenhange  auch  Arrian  Ind.  6,  5 
steht  in  einer  Form,  die  deutlich  die  Polemik  gegen  Aristobul 
erkennen  Iftsst ;  βεται  bk  και  τοΟ  θέρους.  Dem  Auszuge  aus 
Eratostbenes  will  Strabo  eine  speziellere  Beschreibung  Indiens 
nach  anderen  Schriftstellern  folgen  lassen,  doch  macht  er  sich 
auch  in  dieser  von  jenem  nicht  frei.  Was  er  S.  691  aus  Nearchos 
mittlieilt,  steht  ausführlicher  Arrian  V  6,  4—6,  wo  in  §  2  die 
Eintheilnng  Asiens  in  4  (Τφραγ{0€ς,  in  §  3  die  Grenzen  Indiens 
nach  Eratostbenes  behandelt  sind.  Bei  der  Erklärung  des  Namens 
in  §  4  zählt  er  wie  Nearch  bei  Strabo  verschiedene  Ebenen  auf, 
die  von  Flüssen  angeschwemmt  sind,  und  citirt  wie  dieser  das 
Wort  Herodots,  dass  Aegypten  ein  Geschenk  des  Nil  sei.  Das 
Citat  ist  von  Nearchs  Worten  unabhängig,  daher  hat  er  es  nicht 
gehabt,  wie  ja  Arrian,  der  V  4,  2  schon  Ktesias  angeführt  hat, 
hier  noch  auf  Hekataios  sich  beruft  (vgl.  Strabo  XI  S.  507  ή 
Κτηαίςι  ήΉροοότψ  κα\  Έλλανίκψ  και  δλλοιο  τοιούτοις).  Auch 
für  Strabo  wird  es  daher  wahrscheinlich,  dass  Nearch  hier  nicht 
direckt  benutzt,  sondern  mit  Herodot  aus  Eratostbenes  herüber- 
genommen  ist.  Eine  Nachricht  aus  Ktesias  enthalten  Strabos 
Worte  XV  S.  700:  ώστε  και  έφ'  εκατόν  σταδίους,  ώς  ο\  μη 
μετριάίοντές  φασιν  κτλ.  vgl.  Arrian  V  4,  2,  der  V  6,  8  auch 
der  15  Nebenflüsse  des  Indus  gedenkt  (Strabo  aaO.);  auch  hier 
darf  man  daher  Eratostbenes  als  Mittelquelle  betrachten.  Diesem 
möchte  ich  auch  Arrian  V  20,8 — 9  zuweisen;  die  Bemerkung, 
dass  Ptolemaios  nur  bei  dem  Akesines  die  Breite  angegeben 
habe,  weist  deutlich  auf  Benutzung  eines  Geographen  hin.  Wenn 
von  Strabo  XV  S.  705  die  Lebensdauer  der  Elefanten  auf  200, 
nach  Onesikritos  auf  300  Jahre  berechnet  wird,  so  hat  auch  hier 
nicht  er  diese  verschiedenen  Angaben  zusammengestellt,  sondern 
sie  schon  vorgefunden:  Plin.  VIII  10  vivere  ducenis  annis  et 
quosdam  trecenis.  Aehnlich  steht  es  mit  Strabo  XV  S.  705  των 
hk   μυρκήκυυν   κτλ.  und  Arrian    ind.  ΙΠ,  4  u.  5.     In    einem  Ab- 


580  ReusB 

schnitte  über  die  Jagden  in  Indien  wird  an  die  Bemerkung  Xe- 
arche,  er  habe  die  Haut  von  goidgrabenden  Ameisen  gesehen, 
die  Bescbreibnng  der  letzteren,  wie  sie  Megasthenes  giebt,  an- 
geschlossen,  das  fuhrt  zur  Annahme,  dass  auch  hier  die  gemein- 
same Vorlage  eingesehen  ist.  £ratosthene8  wird  ja  als  Quelle 
seiner  Indica  von  Arrian  Υ  5,  1  ausdrücklich  genannt.  Seine 
Kritik  des  Deimachos,  der  den  Schattenwechsel  im  endlichen 
Indien  leugnete,  steht  Ind.  c.  25,  7  —  8.  Zu  den  Worten,  welche 
Strabo  XV  S.  720  auf  das  Bergersche  Fragment  III  Β  22  folgen: 
πλην  φοινίκων  και  άκάνθης  τινός  και  μυρίκης  sei  auf  frg.  III 
Β  48  (Strabo  XVI  S.  767)  hingewiesen :  φοίνικας  έχουσα  ολί- 
γους και  άκάνθαν  και  μυρίκην  και  ορυκτά  δοατα  αισπερ  και  ή 
febpUKTia,  auch  hier  geht  die  Benutzung  des  Eratosthenes  weiter, 
als  sie  von  Berger  angenommen  wird.  Hierher  werden  aach 
Strabos  Mittheilungen  über  das  Klima  der  Landschaft  Persis 
(XV  S.  727  wo  ein  Fragment  aus  Eratosthenes  sich  anschliesst) 
gehören,  die  Arrian  Ind.  40,  2 — 5  Aufnahme  gefunden  haben  und 
hier  durch  die  Worte:  την  hk  TTepaiba  τριχή  νενβμήσθαι  τών 
ώρέων  λόγος  κατέχει  von  dem  aus  Nearoh  Entnommenen  ge- 
schieden werden.  Das  Citat  aus  Nearchos  bei  Strabo  XI  S.  524 
über  die  Uxier,  Kossäer  und  Marder  steht  auch  Arrian  Ind.  40,  6, 
doch  wird  jener  im  11.  Buche  von  Strabo  gar  nicht  genannt,  und 
es  ist  unwahrscheinlich,  dass  dieser  ihn  dort  eingesehen  hat,  om 
ihm  eine  Notiz  über  die  Kossäer  zu  entnehmen.  Ueber  den  Tigris 
handelt  Erat.  fr.  Β  III  38  (Strabo  XV  S.  746)  und  III  Β  31 
(ebendas.),  sowie  111  Β  32  (Strabo  XI  S.  523),  letzteres  hat 
grösseren  Umfang,  als  Berger  ihm  giebt,  wie  aus  der  völlig 
gleichlautenden  Darstellung  des  Plinius  (VI  31)  ersichtlich  ist. 
Für  Strabo  XVI  S.  748  έν  ή  τιμώσι  την  Συρίον  θ€Ον  und  XVI 
S.  785  Δ€ρκ6τώ  b'  αυτήν  Κτησίας  λέγει  ergiebt  sich  die  Quelle 
aus  dem  unter  Eratosthenes  Namen  gehenden  κατα^τερ.  c.  <>8 
κατά  την  Βαμβύκην  .  .  .  Δερκετους  ήν  οΐ  περί  τους  τόπους 
οίκουντες  Συρίαν  θεάν  ώνόμασαν.  Von  besonderer  Bedeutung 
für  die  Alexandergeschichte  ist  auch  das  11.  Buch  Strabos,  auch 
in  ihm  hat  man  vieles  als  Eigenthum  des  Eratosthenes  anzu- 
erkennen. So  gehört  ihm  an  die  Theilung  Asiens  durch  einen  von 
Westen  nach  Osten  streichenden  Gebirgszug  in  eine  südliche  und 
nördliche  Hälfte  (vgl.  II  S.  67,  XI  12  S.  522,  Arrian  Ind.  2,  2, 
Anab.  V  5;  6,  1—2),  die  Schilderung  der  Fruchtbarkeit  Hyr• 
kaniens,  die  man  im  gleichen  Wortlaut  auch  II  S.  73  liest.  Die 
Vorstellung,  welche  Eratosthenes  von  dem  kaRpischen  Meere  hat^ 


ΖπΓ  Ueberlieferuni?  der  Geschichte  Alexanders  d.  Or.  581 

hat  Arrian  Anah.  V  2«,  1  und  VH  16,  1—3  beeinfluest.  Auf  ihn 
geht  auch  Arrian  ITT  30,  7 — 9  zurück,  nur  ist  die  in  den  Worten 
και  τον  Τάναϊν  τούτον  €ΐσ1ν  ο1  .  .  .  anegeeproohene  Aneicht 
diejenige,  welche  von  Eratosthenes  bekämpft  wird.  EbeuRo  steht 
es  mit  Strabo  XI  8  (S.  717):  Die  Makedonier  nannten  das  Ge- 
birge, welchen  Asien  srheidet,  Kaukasos;  im  Osten  schliessen 
sich  ParopänieoB,  Emodos  und  Imaos  an  (Arrian  Ind.  2,  1  —  9, 
Anah.  V  5).  Verwandt  mit  dem,  was  Plut.  de  fort.  AI.  I  8  aus 
Eratosthenes  angiebt.  ist  auch  das,  was  wir  Strabo  XI  1 Β  S.  526 
über  die  raedische  und  persische  Tracht  lesen. 

So  dürfte  Eratosthenes  doch  in  seinen  Mittheilungen  weiter 
gegangen  sein»  als  dies  Berger  zugestehen  will.  Spätere  Be- 
arbeiter der  Alexandergeschichte  fanden  hei  ihm  reiches  Material, 
vor  Allem  aber  fanden  sie  die  U  eher  lieferung  kritisch  gesichtet 
und  nach  dem  ihr  zukommenden  Werthe  beurtheilt.  Von  der 
Kritik,  die  er  geübt  hat,  haben  Strabo,  Plutaroh  und  Arrian  ihr 
ürtheil  über  die  öeschichtschreiber  der  Feldzüge  Alexanders  ab- 
hängig gemacht. 

3.  Aristobul  und  Elitarch. 

Ueber  die  Zeit,  in  welcher  Klitarch  geschrieben  hat,  und 
über  das  Verhältniss,  in  welchem  er  zu  Aristobul  steht,  gehen 
die  Ansichten  auseinander.  Nach  Fränkel  (S.  82)  hat  er  seine 
Alexandergeschichte  vor  diesem  in  den  Jahren  304—300  v.  Chr. 
abgefasst  und  ist,  wie  Schwartz  (Pauly-Wissowa  :  Aristobulos)  be- 
hauptet, von  ihm  benutzt  worden.  Die  überlieferten  ürtheile 
über  Aristobul  lauten,  von  Lukians  anekdotenhaften  Erzählungen 
abgesehen,  sehr  günstig,  sie  haben,  ausser  bei  Schwartz,  all- 
gemeine Zustimmung  gefunden.  Letzterem  dagegen  ist  *  er  ein 
hausbackener,  nüchterner  Philister,  der  erst  spät  zur  Feder  ge- 
griffen habe,  sein  Werk  kein  wurzelechtes  Gewächs,  sondern  nur 
ein  Spross  an  dem  grossen  Baum  der  geschichtlichen  und  legen- 
darischen Erzählungen  von  Alexander.  Nicht  allein  Nearch  und 
Onesikrit,  sondern  auch  Elitarch  soll  der  compilirende  Litterat  zu 
Rathe  gezogen  und  in  Kleinigkeiten  bekämpft  haben,  um  die  von 
ihnen  vertretene  Gesammtanschauung  doch  bestehen  zu  lassen  und 
selbst  zu  tibernehmen.  Niese  (Histor.  Zeitschr.  Bd.  79  S.  2  A.  1) 
nimmt  dagegen  Abhängigkeit  Klitarchs  von  Aristobul  an:  ^Eli- 
tarch gab  für  den  Beinamen  Soter  des  Ptolemaios  Lag!  die  be- 
kannte Erklärung.  Nun  ist  aber  als  festgestellt  anzusehen,  dass 
dem  Ptolemaios  erst   nach    seinem  Tode  die  Apotheose  und  der 


582  R  e  ο  8  8 

Beiname  Soter    zaerkannt  worden   ist;    dieeer  läsiit  sich  erst  im 

25.  Jahre  des  Ptoiemaios  II  zuerst  nachweisen  dh.  261  v.  Cbr 

Also  wird  KHtarch  nicht  vor  260  v.  Chr.  geschrieben  hiben, 
womit  stimmt,  dass  er  ohne  Zweifel  den  Aristobal  aosgiebig  be- 
nutzt hat'.  Ein  schrofferer  Widerspruch  der  Ansichten  ist  nicht 
denkbar,  ebensowenig  aber  die  Lösung  der  Quellenfrage,  ehe  die 
litterarische  Frage  der  Priorität  des  einen  oder  anderen  Schrift- 
stellers gelost  ist.  Das  Urtheil  von  Schwartz  erscheint  τοη 
vornherein  als  wenig  wahrscheinlich.  Aristobul  schrieb  am  Ende 
seines  Lebens  nieder,  was  er  selbst  erlebt  und  gesehen  hatte, 
dabei  nahm  er  Bezug  auf  Veröffentlichungen  von  Zeitgenossen, 
die  vor  seiner  Darstellung  erschienen  waren,  KHtarch  dagegen 
ist  an  dem  Erzählten  selbst  nicht  betheiligt  gewesen  und  be- 
nutzte das  Material,  das  andere  vor  ihm  herausgegeben  hatten; 
jener  wird  von  den  Alten  wegen  seiner  Zuverlässigkeit  gerühmt, 
dieser  erfährt  dagegen  den  schärfsten  Tadel.  Der  Nachweis, 
dass  KHtarch  erst  um  260  v.  Chr.  geschrieben  haben  kann  und 
Aristobul  benutzt  haben  muss,  läset  sich  aber  aus  den  erhalteoeo 
Fragmenten  und  Berichten  erbringen. 

Das  kaspische  Meer  betrachteten  Alexander  und  seine  Zeit• 
genossen,  ebenso  wie  die  G-riechen  vor  ihm  (Herod.  I  202,  Aristot. 
meteor.  Π  1,  10),  als  Binnenmeer  (Diod.  XVIII  5,2,  anders 
Arrian  V  5,  4).  Da  man  Jaxartes  mit  dem  Tanais  gleich  stellte^ 
kam  man  auf  die  Vermuthung,  kaspisches  Meer  und  palns  Maeotio 
müssten  dasselbe  Meer  bezeichnen  oder  doch  miteinander  in  Ver- 
bindung stehen.  Dies  ist  die  Auffassung  Polyklits,  die  er  mit 
Gründen  zu  erweisen  suchte  (Strabo  XI  S.  509  u.  510).  Auch 
von  Alexander  erzählt  Arrian  VII  16,  2,  er  habe  beabsichtigt, 
durch  eine  Flotte  untersuchen  zu  lassen,  ob  das  kaspische  Meer 
mit  dem  schwarzen  Meer  zusammenhinge  oder  ein  Busen  des 
grossen  Ozeans  sei,  doch  giebt  er,  wie  schon  die  Worte:  ou  "{άρ 
mxi  έ£€ύρηντο  a\  άρχαι  της  Κασπίας  θαλάσσης  beweisen,  eine 
Auffassung  wieder,  die  der  Zeit  des  Makedonierkönigs  fem  lag. 
Diese  Untersuchung  führte  später  im  Auftrage  der  Könige  Se- 
leukos  Nikator  und  Antiochus  l  Patrokles  aus  (Plin.  VI  21),  der 
in  dem  genannten  Meer  einen  Busen  des  äusseren  Meeres  sab 
und  es  als  möglich  hinstellte,  von  Indien  aus  in  dasselbe  zu 
segeln  (Patrokles  fr.  3  u.  5  b.  Muller  F.  H.  (rr.  II  S-  443).  Die 
Autorität  des  Eratosthenes  hat  seiner  Ansicht  allgemeine  Geltung 
verschafft.  Demselben  Kreise  gehörte  auch  die  Vorstellung  an, 
dass  der  Isthmos  zwischen  kaepiscbem  und  schwarzem  beziebungs- 


Zur  Ueberlieferung  der  Geschichte  Alexandere  d.  Gr.  583 

weise  asowechem  Meere  sehr  schmal  sei,  deshalb  trug  sieh  Se- 
leakos  mit  dem  Plane  ihn  durchstechen  zu  lassen,  wurde  aber 
vorher  von  Ptolemaios  Eeraunos  ermordet  (Plin.  VI  12).  Damit 
vergleiche  man  Elitarch  fr.  6  u.  7  bei  Müller.  Das  erste  lautet 
bei  Plinius  VI  13  Irrumpit  Scythico  Oceano  in  ayersa  Asiae, 
pluribus  nominibus  accolarum  appellatum,  oeleberrimis  duobus 
Caspio  et  Hyroanio.  Non  minus  hoc  esse  quam  Pontum  Euxinum 
Clitarchus  putat.  Dass  er  wirklich  nur  die  Ansicht  des  Patrokles 
wiedergiebt,  lehrt  Strabo  XI  S.  508  &ς  φησι  ΤΤατροκλής,  δς 
και  πάρισον  ηγείται  τό  πΛαγος  τούτο  τψ  ΤΤοντικψ.  Mit  den 
Gelehrten  und  Technikern  des  Seleukidenhofes  theilt  Klitarch^ 
femer  die  Meinung,  dass  nur  ein  schmaler  Landisthmos  schwarzes 
and  kaspisches  Meer  trenne:  Strabo  XI  S.  491  o\  6'  έπΙ  το- 
σούτον συναγαγόντες  τον  Ισθμόν,  έφ*  βσον  Κλείταρχος,  έπί- 
κλυστον  φήσας  H  έκατέρου  του  πελάγους.  Klitarch  muss  da- 
her Patrokles  benutzt  und  nach  ihm  geschrieben  haben,  die  Ab- 
fassung seiner  Geschichte  kann  frühestens  um  280  v.  Chr.  er- 
folgt sein. 

Klitarch  ist  bei  Diodor  XV  il  75  benutzt  (vgl.  §  7  u.  frg.  8), 
der  über  das  kaspische  Meer  sich  folgendermassen  auslässt:  Ale- 
xander unterwarf  alle  Städte  bis  zum  kaspischen  Meere,  das 
einige  hyrkanisches  nennen,  in  ihm  soll  es  viele  grosse  Schlangen 
geben  und  mancherlei  Fische,  die  sich  in  der  Farbe  sehr  von 
den  unserigen  unterscheiden.  Auch  Plut.  Alex.  c.  44  giebt  die 
Darstellung  Elitarche  wieder,  dies  beweist  ausser  anderem  die 
mit  Diod.  XVIII  76,  5  und  Gurt.  VI  5,  18  gleichlautende  Er- 
zählung von  der  Wegnahme  des  Bukephalas  bei  den  Mardern 
(anders  Arrian  V  19);  er  berichtet:  'Da  Alexander  einen  Meer- 
busen sah,  der  nicht  kleiner  zu  sein  schien,  als  der  Pontes  Eu- 
xeinos,  aber  süsseres  Wasser  hatte,  konnte  er  nichts  Genaueres 
über  ihn  erfahren,  vermuthete  aber,  dass  es  ein  zurückgetretener 
Theil  des  mäotischen  Sees  sei  ,  und  knüpft  daran  die  miss- 
verstandene  Bemerkung,  dass  die  Naturforscher  schon  vor  Ale- 
xander das  kaspische  Meer  (τό  Ύρκάνιον  πέλαγος  καΐ  Κάσπιον 
όμου  προ0αγορευόμενον)  als  einen  Busen  des  äusseren  Meeres 
erkannt  hätten.     Diodor  und  Plutarch  bringen  Züge  aus  der  Be- 


^  Ich  stimme  den  Aasfiihrungen  Neumanns  (Hermes  XIX  S.  180  if.) 
l<ei,  doch  das  eine  kann  ich  ihm  nicht  zugeben,  dass  Klitarch  nur  die 
Anschauungen  der  Zeitgenossen  Alexanders  vertrete  und  dass  Aristobul 
schon  Patrokles  gekannt  und  benutzt  habe. 


584  Renss 

Schreibung  Polyklits,  die  wir  ans  Strabo  XI  509  kennen  und  die 
von  Eratoetbenee   bekämpft    wnrde,    Plutarch   verbindet    sie    mit 
den  Angaben   dee  Patrokles.     Dasselbe   ist   der  Fall   bei  Curtius 
VI  4,  16—19.     Man  vergleiche  VI  4,  18  dulciue  ceteris  =  Flut, 
c.  44  γλυκύτ€ρον  τής  δλλης  θαλάτης,  ingentie  magnitudinis  Rer- 
pentes    alit  =  Polyklit   frg.  5,    Diod.  XVIl    75,  5,    piscium    in 
eo  longe  diversus  ab  aliis   color  est  =  Diod.  XVU  75,  5 ;  qai- 
dam  Caspium,  quidam  Hyrcanium  appellant  =  Klit.  fr.  6,  Diod. 
XVn  75,  5,  Plut.  c.  44,  alii  sunt,   qui  Maeotiin   palndem    in    id 
cadere  putent  et  argumentum   afferant   aquam,    quod    dulcior   eit 
quam  cetera  maria  =  Polyklit  fr.  5,  Plut.  c.  44 ;  §  19  a  septen- 
trione    ingens  in  litus  mare    incumbit    longeque    agit    fluctus    et 
magna  parte  exaestuane  stagnat  =  Elitarch  fr.  6  u.  7  (έπίκλυ(Ττον 
φή(Τας).     Et  quidam  credidere,   non  Caspium    mare  esse,  sed  ex 
India  in  Hyreaniam  cadere  =  Patrokles  fr.  3.     Bei  Elitarch  stand 
ein  längerer  geographischer  Excurs,  der  bei  Curtius  bis  zur  Un- 
verständlichkeit  gekürzt  ist:    VI  4,  16   namque    perpetua    valles 
iacet  usque   ad    mare   Caspium    patens.     Duo   terrae   eins    velat 
bracchia  exourrunt:   media  flexu  modico  sinum  faciunt  lunae  ma- 
xime    eimilem•     Durch    Eratosthenes ,    aus    dem    Patrokles    und 
Polyklit  ja  auch  bei  Strabo  citirt  werden,  kann  er  seine  Angaben 
nicht  erhalten  haben,   dem  steht  die  Erwähnung  der  Amazonnm 
camp!  (§  17)  im  Wege,  von  welchen  jener  ja  nichts  wissen  will 
(Fränkel  S.  63).     So  bleibt  auch  hier  die  Möglichkeit,  dass  Curt. 
VI  4,  16 — 19  aus   Elitarch  entnommen  ist,    dass  dieser  also  der 
'compilirende  Litterat  *  (Schwartz)  ist,  der  Polyklit  und  Patrokles 
benutzt   hat.     So    wird    auch   VI  2,  15  urbs  erat   ea    tempeptate 
ciara  Hecatompylos    condita   a    Graecis    verständlich,    eine    Mit" 
theilung,    die  in   dieser    Form    in    der  Vorlage    nicht   gestanden 
haben  kann,  vgl.  Diod.  XVII  75,  1  πλησίον  τής   ονομαζόμενης 
Έκατομπύλου.    Weder  Plutarch  noch  Arrian  erwähnen  die  Stadt, 
und  dies  mit  gutem  Grunde,  da  sie  allerdings  von  Griechen,  aber 
erst  von  Seleukos  Nikator  angelegt  ist  (Appian  Syr.  c.  57).     Auch 
hierdurch   erweist  sich  Elitarch  als  einer  späteren  Zeit  angehörig, 
üeber  Hyrkanien  sprechen  Diod.  XVU  57,  4  ff.  {§  7  =  Elitarch 
fr.  8)  und  Curt.   VI  4,  21   u.  22,   des    ersteren  Nachrichten  über 
die  dorligen  Feigen  und  Reben  stehen  auch  Strabo  II  S.  73  und 
XI  S.  508  u.  509,  nur  weicht  dieser  in  einer  Zahlenangabe  (έΕή- 
κοντα)  von  jenem  (δέκα)  ab.     An   der    ersten  Stelle    wird    eine 
Mittheilung  über   den   Oxos    vorgetragen,    die    Eratosthenes   auf 
Aristobulos  und  Patrokles  zurückführt  (Strabo  XI  S.  509),  an  der 


Zur  üeberlieferung  dtr  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  n85 

zweiten  wird  das  Zeugnise  Arietobule  für  eine  Angabe  angeführt, 
die  auch  Klitarch  macht:  π€ύκην  bk  και  έλότην  και  πίτυν  μη 
φύειν,  τήν  bk  Ίνοικήν  πληθύδΐν  τούτοις,  vgl.  Diod.  XVII  89, -1, 
Strabo  bat  wahrecbeinlich  Eratoethenee  bennfzt,  dieser  aber  Ari- 
ütobulos.  Ob  auch  Elitarcbs  Darstellung  daher  stammt,  mues 
noch  unentschieden  bleiben,  da  Diodor  XVII  75,  6  und  Curt.  VI 
4,  22  auch  mit  Onesikritos  frg.  3  (Plin.  XII  18)  harmooiren. 
Aupgesohlossen  ist  freilich  nicht,  dass  auoh  Aristobul  diesem 
folgte,  eicher  fand  sich  die  gleiche  Mittheil iing  schon  in  Strabos 
V^orlage :  U  S.  73  έν  bi  τοις  bivbpeai  σμηνουργεϊσθαι  καΐ  τών 
φύλλων  άπο(5^€Ϊν  μΛι,  ebenso  XI  S.  509. 

Dass  bei  Curtius  Eratosthenische  Üeberlieferung  vorliege, 
ist  angenommen  worden  (zB.  von  Fränkel  S.  23),  ist  aber  nicht 
richtig.  Nach  VII  8,  19 — 22  theilt  das  Kaukasosgebirge  Asien 
in  zwei  Theile,  der  eine  fällt  nach  dem  kilikischen  Meere  usw., 
der  andere  nach  dem  kaspiFchen  Meere,  dem  Araxesflnsse  und 
den  Steppen  Skythiens  hin  ab.  Mit  ihm  hängt  das  Tanrosgebirge 
zusammen,  das  in  Kappadokien  sich  erhebt,  Eilikien  begrenzt 
und  in  die  armenischen  Berge  übergeht.  So  bilden  die  Höhen- 
züge einen  fortlaufenden  Gebirgerücken,  von  dem  die  Flüsse  theils 
nach  dem  rothen,  theile  nach  dem  kaspischen,  theils  nach  dem 
hyrkaoischen  und  pontischen  Meere  abfliessen.  Wie  Curtius 
dazu  kommt,  hier  das  kaspisohe  Meer  und  das  hyrkanische  Meer 
von  einander  zu  scheiden,  ist  nicht  ersichtlich,  möglich  ist,  ftass 
er  hier  seine  Quelle  unrichtig  wiedergiebt,  doch  werden  beide  ja 
auch  Aristot.  meteor.  U  1,  10  als  verschiedene  Meere  betrachtet. 
Nun  hat  ja  bekanntlich  Eratosthenes  die  Scheidung  Aiens  in  zwei 
Hälften  durch  das  Taurosgebirge  und  seine  Fortsetzung  behauptet, 
dennoch  kann  weder  Curtius  noch  Arrian  ΠΙ  28,  5  von  ihm  ab- 
hängig sein.  Die  vorgetragene  Anschauung  bestand  schon  vor 
ihm  (vgl.  Diod.  XVIII  5,  3),  auch  jene  haben  sie  anderswoher 
entnommen.  Beide  bezeichnen  den  Gebirgszug  als  Kaukasos  und 
betrachten  den  Tauros  nur  als  einen  Theil  desselben  (Arrian  III 
28,  5,  Curt.  ΥΠ  3,  20  secnndae  magnitudinis  mons),  Bratoethene8 
dagegen  hat  für  den  ganzen  Gebirgszug  den  Namen  Tauros  ge- 
braucht: Strabo  Π  S.  67  u.  68  (Berger  III  A.  2  uö.,  Arrian 
Ind.  c.  3,  1  άπό  του  οδρεος  του  Ταύρου,  ϊνα  του  Ίνοου  α\ 
ττηγαί).  Gegen  die  Alexanderechriftsteller  wendet  er  sich  mit 
scharfem  Tadel,  weil  sie  den  Namen  KaukuHos  auf  das  indische 
Gebirge  übertragi^n  haben:  Strabo  XI  S.  505,  Arrian  Ind.  2,4  ff., 
dessen  wird  Arrian  erst  Α  nah.  V  5  inne    und    sieht    sich    daher 


586  Reuse 

ζα  einer  £nt8chaldigung  veranlasst  (V  5,  3).  Arrian  bat  III 
28»  5  eich  an  Aristobul  angeschlossen,  fQr  Elitarcb,  dem  nicht 
eigene  Beobachtang  und  Erfahrung  zu  Oute  kamen,  wird  das 
Gleiche  angenommen  werden  müssen,  üeber  das  Land  derParo- 
pamisaden  haben  gemeinsame  üeberlieferung  Diodor  XVII  8,  2 
und  Strabo  XY  S.  725,  wo  sich  auch  vieles  mit  Curtius  Ge- 
meinsame (Vn  2,18;  3,1;  4,25)  findet.  Strabos  Quelle  ist 
aber  nicht  Elitarch,  sondern  Aristobul,  wie  Arrian  An.  III  28^  6 
ergiebt. 

Benutzung  des  Eratosthenes  durch  Curtius  könnte  man  auch 
in  1,  13  anzunehmen  geneigt  sein,  da  ersterer  als  Westseite  eine 
neoe  Linie,  die  auf  ungeföhr  3000  Stadien  bemessene  Entfemang^ 
vom  issischen  Meerbusen  nach  Amisos  einführte  (Strabo  Π  68, 
Plin.  VI  2,  Berger  S.  157),  indessen  behauptet  der  Alexander- 
biograph doch  nichts  anderes,  als  zB.  Strabo  XII  S.  534  ί<Ττι 
b*  ώσπερ  χερρονήσου  μεγάλης  Ισθμός  ούτος,  σφιγγόμενος  θα- 
λάτταις  bucri  κτλ.  Ebenso  steht  es  mit  Curt.  Υ  1,  13  duo  milia 
et  quingenta  stadia  emensi  sunt,  qui  amplissimum  intervallam 
circa  Armeniae  montes  notaverunt,  genau  so  Diod.  Uli,  1.  Aach 
Strabo  theilt  dies  mit:  XI  S.  521  οιέχουσι  hi  άλλήλιυν  αΐ  πηγαι 
.  .  .  περί  οισχιλίους  καΐ  πεντακόσιους  σταοίους,  aber  in  Era- 
tosthenes hat  er  diese  Massbestimmung  nicht  gefunden,  wie  er 
XVI  746  ausdrücklich  ausspricht:  τό  μέν  ουν  μέχχοχον  δ  αφί- 
στανται διάστημα  άττ'  αλλήλων  τό  προς  τοις  δρεσίν  έστΓ  τούτο 
V  fiv  εΤη  τό  αυτό  δπερ  εϊρηκεν  Ερατοσθένης,  τό  άπό  θαψάκου 
....  έπι  τήν  του  Τίγριος  οιάβασιν  .  .  .  οισχιλίων  τετρακοσίων 
vgl.  II  S.  80.  Diodor  oder  seine  Quelle  hat  im  zweiten  Buche 
Alexanderschrifteteller  benutzt,  unter  ihnen  ist  auch  Klitarch  ge- 
wesen ( Jacohy,  Etesias  und  Diodor  in  Bhein.  Mus.  XXX  8.  555  if.)  ^ 


^  Jacohy  geht  zu  weit,  wenn  er  den  ganzen  Abschnitt  aus  Klitarch 
herleitet,  aber  auch  Ktesias  ist  nicht  direct  benutzt,  wie  Krumbholz, 
Rhein.  Mus.  Bd.  41  S.  321  ff,  Bd.  44  S.  287  ff.  annimmt;  nach  Marquart 
(Phil.  Suppbd.  VI  S.  501  ff.)  ist  Agatharcbideä  Diodors  Quelle.  Wenn 
Wagner  (Jahrb.  f.  Phil.  18iiß  S.  335)  diesem  auch  Diod.  XVIII  5  zu- 
weisen  will,  so  kann  ich  ihm  ebenso  wenig  folgen,  wie  Haake  (Progr. 
V.  Hagen  1884  S.  3),  der  dies  Eratosthenes  zuschreibt.  Gegen  beide 
spricht  XVin  5,  3  τήν  Ύρκαν(αν  θάλατταν  οΟσαν  καθ*  εαυτή  ν.  Den 
geographischen  Abschnitt  giebt  Diodor  hier,  weil  mit  ihm  seine  neue 
Quelle  di.  Hieronymos  von  Kardia  einsetzte.  Für  diesen  spricht  auch 
§  G  Ίν&ική  βασιλ€(α  μεγάλη  καΐ  πολυάνθρωπος,  womit  auf  daa  von 
Sandrokottos  begründete  indische  Reich  hingewiesen  wird. 


Zur  ÜeberlieferuDg  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  587 

Sicher  iet  es  aber  nicht  zufallig,  wenn  Elitarch  und  Ari- 
stobuloe  hier  wieder  mit  einander  libereinetimnien:  Diod.  II  11,1 
=  Strabo  XV  S.  739  μ€τά  γαρ  τους  Ίνοικούς  ούτοι  λέγονται 
Ο€υτ€ρ€ύ€ΐν;  denn  dass  Strabo  letzterein  folgt,  ergiebt  die  Ver- 
gleichung  mit  Arrian  VI!  2,  21  ff.  Die  Klitarch'eche  Beschrei- 
bung Babylons  (Diod.  II  1,  10;  Curt.  Υ  l,  24  ff.)  ist  dieselbe, 
der  wir  auch  bei  Strabo  XVI  S.  738  begegnen  (vgl.  Diod.  II  9,  4 
u.  5  und  Arrian  VII  17,  1),  doch  werden  XVI  c.  1  ausser  Era- 
toethenee  nur  Polyklit  und  Aristobul  namhaft  gemacht.  Benutzung 
Polyklite  ist  bei  Elitarch- Curtius  ansgescbloRRen :  V  1,  12  causa 
fertilitatis  est  humor  qui  ex  utroque  amne  manat,  dagegen  Πολύ- 
κλειτος bi  φησι  μή  πλημμυρ€ΐν  τόν  Εύφράτην  (Strabo  XVI 
S.  742),  wohl  aber  könnte  sie  für  Aristobulos  zutreffen:  XVI 
S.  740  ΤΓλημμυρ€Ϊ  γάρ  ό  Ευφράτης  und  Arrian  VII  21,  2.  Von 
letzterem  stammt  auch  Arrian  VII  7,  3  δθ€ν  καΐ  τό  δνομα 
Μεσοποταμία  προς  τών  έπιχυυρίων  κληΐ2[€ται  (Schwartz  aaO.), 
ihm  schliesst  sich  Curt.  V  1,  15  an.  Dergleichen  Bemerkungen 
finden  eich  bei  ihm  mehrfach,  vgl.  Arrian  III  30,  7  und  frg.  13. 
Auf  ihn,  nicht  auf  Eratosthenes,  geht  daher  auch  Gurt.  IV  9,  16 
(genauer  epit.  rer.  Alex.  §  67)  zurück,  obwohl  auch  dieser  für 
den  Namen  Tigris  dieselbe  Erklärung  hatte  (Strabo  XI  S.  529, 
Pün.  VI  31). 

Bei  Aristobulos  hat  die  Geographie  besondere  Berücksich- 
tigung gefunden,  dies  machte  ihn  für  Geographen  wie  Eratosthenes 
als  Quelle  sehr  schätzenswerth.  Auch  Elitarch  hat  von  seiner 
Darstellung  der  durch  Alexanders  Feldzüge  berührten  Länder 
vieles  sich  angeeignet.  Dies  ist  der  Fall  bei  dem,  was  er  über 
den  Fluss  Eydnos  schreibt:  Curt.  III  4,8  u.  5,  1  Cydnus  .  .  . 
quippe  .  .  .  solo  pure  excipitur  und  mediam  Cydnus  amnis  inter- 
fluit  =  Arrian  II  4,  7  [Sei  bia  μέσης  τής  πολέως  .  .  ota  6ιά 
χώρου  καθαρού  (^uiv,  und  in  gleichem  Masse  bei  seinen  Angaben 
über  den  Pasitigris,  womit  andere  die  vereinigten  Flüsse  der 
Landschaft  Susis  bezeichnen  (Strabo  XV  S.  729),  und  über  das 
Land  der  üxier:  Curt.  V  3,  1  oritur  in  montibus  Uxiorum  =^ 
Strabo  XV  S.  729  δς  Ικ  τής  ΟύΕίας  και  αυτός  ^€1  (Diod.  XVII 
67,  2),  V  3,  3  finitima  Susis  est  et  in  primam  Persidem  ex- 
currit,  artum  inter  se  et  Susianos  aditum  relinquens,^  Diod. 
XVII  67,  2  b\a  χώρας  τραχείας  =  Strabo  XV  S.  728  παρεμ- 
πίπτει γάρ  τις  ορεινή  τραχεία  και  απότομος  μεταΕύ  των  Σου- 
σίιυν  και  τής  ΤΤερσίοος,  στενά  ίχουσα  δυσπάροδα.  Letzterer 
d*»ckt    sich  iu' seiner    weiteren  Darstellung  mit  Arrian  III   17,  1, 


58H  ReuM 

wo  Arietobulos  benntzt  ist  (Frankel  S.  272).  üeber  das  östliche 
Europa  und  WeBtasicn  nördlich  des  kaepischen  Meere«  haben 
Arifitobul  and  Klitnrch  die  gleichen  unklaren  Vorstellungen;  beide 
unterscheiden  zwischen  europäischen  nnd  asiatischen  Skythen: 
Arr.  III  8,  3;  IV  1,1;  15,  1 ;  Curt.  VI  2,  13;  6,  13;  VlI  4,  G. 
32;  6,  12;  7,  2  u.  8,  zwischen  denen  der  Tanais  die  Grenze 
bildet  (Arr.  111  30,  7,  Curt.  VII  7,2  u.  3).  Für  Aristobnl  ist 
dies  verständlich,  Klitarch  aber  tritt  hierdurch  in  Widersprach 
mit  der  Aneicht  des  Patrokles,  dass  das  hyrkanische  Meer  ein 
Busen  des  nördlichen  Weltmeers  sei,  er  hat  diese  neben  der  älteren 
Anschauung  aufgenommen,  ohne  sie  weiter  zu  berücksichtigen 
und  ohne  die  Identität  von^ Tanais  und  Jaxartes  aufzugeben:  Cort. 
VI  4,  19  et  quidam  credidere  etcet.  Den  Zug  Alexanders  nach 
dem  Tempel  Ammons  bat  Aristobul  nach  Kallisthenes  erzählt 
(Arrian  III  3  u.  Strabo  ΧΥΠ  S.  814),  desgleichen  Klitarch  (Diod. 
XVII  49,  Curt.  IV  7).  Bei  der  Schilderung  der  Oase  Siwah  ist 
manches  aus  Herodot  IV  181  selbst  mit  Beibehaltung  des  Wort- 
lautes entlehnt:  Arr.  ΪΙΙ  4,  5  μακρός  ό  χόνδρος,  Herodot  κατά 
χόνδρους  μεγάλους;  Diod.  XVII  50,  5  τήν  πηγήν  χλιαράν,  He• 
rod.  χλιαρόν,  sie  muss  daher  auch  von  EaUisthenee  herrühren, 
der  wiederholt  auf  jenen  sich  bezieht:  frg.  22  auf  Herod.  VI2I, 
frg.  38  και  Καλλισθένης  ήκολούθησεν  αύτφ.  Damit  wird  aber 
die  Vermuthung  von  Schwartz  hinfällig,  dass  Arrian  III  4  aas 
Klitarch  geflossen  sei ;  die  Möglichkeit  ist  sogar  nicht  ane- 
geHchlossen,  daes  diesem  die  Erzählung  des  Kallisthenes  durch 
Aristobul  vermittelt  ist. 

So  wenig  wie  Eratosthenes  haben  auch  Agatharchides  und 
Artemidor  ein  Anrecht,  unter  die  bei  Curtius  benutzten  Quellen 
gezählt  zu  werden,  wie  dies  von  Gutschmid  und  Kaerst  geschehen 
ist.  Es  handelt  sich  um  die  Land  und  Leute  von  Indien  be- 
handelnde Einleitung,  welche  Curt.  VIII  9  der  Erzählung  des 
indischen  Feldzuges  vorausgeschickt  wird.  Ans  der  Aehnlichkeit 
von  §  9  mit  Artemidor  bei  Strabo  XV  S.  719  (ΟΙδάνης,  bH 
Curtius:  Dyardanes)  folgt  nur,  dass  dieser  ebenfalls  Mittheilungen 
aufgenommen  hat,  die  in  der  Quelle  des  Curtius  Aufnahme  ge- 
funden haben,  und  etwas  anderes  ergiebt  sich  nicht  aus  der  Ver- 
gleichung  von  §  14  mit  Agatharchides  bei  Ötrabo  XVi  S.  779. 
Nearch  verwarf  die  schon  von  Ktesias  (Strabo  aaO.)  gegebene  Er- 
klärung des  Namens  'Erythräisches  Meer'  aus  der  Farbe  und 
leitete  diesen  von  einem  Könige  Erythras  her,  weiter  geht  die 
Mittheilung   von    Curt.   VIII  9,  14  u.  X    1,  13  u.   14  nicht,    am 


Zur  üeberlieferung  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  589 

brauchte  er  aber  nicht  Agatharohidee  eiDzueehen.  Keinerlei  An- 
gabe findet  sich  bei  ihm,  welche  erst  aus  späterer  Zeit  stammen 
könnte,  vielmehr  weisen  alle  auf  die  Alexanderschriftsteller  hin. 
Wenn  §  2  die  Ueberlieferung  des  Megasthenes  (Arriau  Ind.  3, 
7  u.  8]  verworfen  wird,  so  wird  von  Curtius^  Quelle  einer  der 
zahlreichen  abweichenden  Angaben,  die  Strabo  XV  S.  689  auf- 
gezahlt werden,  der  Vorzug  gegeben;  ist  Diod.  II  35,  2  aus  Aga* 
tharchides  entnommen,  so  kann  er  nicht  Quelle  des  Curtius  sein, 
da  er  der  Ueberlieferung  des  Megasthenes  folgt.  Auffallender- 
weise erscheint  §  10  unter  den  Flüssen  Indiens  der  Ethimandus, 
aber  was  über  ihn  mitgetheilt  wird,  läset  keinen  Zweifel,  dass 
Aristobuls  £tymaudros  (δς  bxä  τών  Ευεργετών  (iiei)  gemeint 
ist:  Arrian  IV  6,6;  Aristob.  fr.  22.  Die  Nachricht,  dass  die 
Inder  auf  Baumbast  Schriftzeichen  geschrieben  haben  (§  15), 
steht  im  Widerspruch  mit  Megasthenes  frg.  22  (Stiabo  XV  S.  709), 
aber  im  Einklang  mit  Nearch  (Strabo  XV  S.  717).  Die  Elefanten 
Indiens  sind  nach  §  17  grösser  und  stärker  als  die  afrikanischen 
(Diod.  Π  35),  das  berichtet  auch  Onesikritos  (Strabo  XV  S.  703). 
Mit  Strabo  XV  S.  718  ψήγματα  χρυσού  καταφίρειν  τους  ποτα- 
μούς harmonirt  §  18  aurum  flumina  vehunt,  hier  kann  daher  die 
Entlehnung  aus  Megasthenes  nicht  zweifelhaft  sein,  aus  dem  auch 
die  Nachrichten  über  die  kostbaren  Perlen  in  §  19  geflossen  sein 
können  (Arr.  Ind.  c.  8,  11).  Zu  §  21  lapilli  ex  auribus  pendent, 
bracchia  quoque  et  lacertos  auro  colunt  (vgl.  IX  1,  29),  bietet 
eine  Parallelstelle  aus  Megasthenes:  Strabo  XV  S.  709  (Arrian 
Ind.  10,  5)  und  S.  712  οινόονοφορουντα  και  χρυσοφοροΟντα 
μετρίως  ταϊς  χεραι  και  έν  τοις  ώσί,  zu  §  22  aus  eben  dem- 
Reiben  Strabo  XV  S.  719  κομαν  bk  κτλ.,  zu  §  23  Strabo  XV 
S.  718,  wo  Aehnliches  aus  Elitarch  berichtet  wird.  Für  Be- 
nutzung des  Megasthenes  sprechen  mancherlei  Anzeigen  in  §  28 
and  31,  gegen  ihn  gerichtet  ist  aber  in  §  30  die  Bemerkung: 
cuius  (vini)  Indis  largus  est  usus.  Auch  an  Nachrichten  aus 
Aristobulos  fehlt  es  in  diesem  Abschnitte  nicht.  Die  Pfeile  der 
Inder  sind  nach  Nearch  (frg.  7  bei  Strabo  XV  S.  718  und  Arr. 
Ind.  IH,  7)  drei  Ellen  lang,  nach  §  28  und  IX  5,  9  (namque 
Indis,  ut  antea  diximus,  huius  magnitudinis  sagittae  erant)  haben 
ßie  nur  eine  Länge  von  zwei  Ellen.  Letzti^-res  ist  die  Ueber- 
lieferung des  Aristobulos  frg.  28  όιπήχει  τοζεύματι.  Stammt 
demnach  Gurt.  VIII  9  aus  Elitarch ,  so  muss  dieser  sich  an 
l)He8ikritos,  Nearch,  Aristobulos  und  Megasthenes  gehalten  haben  : 
für  Nearch    ist  dies    län<;Rt    erkannt  (vgl.  fr.    14  u.   15  mit  Clit. 


590  Reuse 

fr.  15  und  Diod.  XVII  90,  frg.  25  mit  Diod.  XVII  106),  Tür 
Megasthenes  ergiebt  sich  die  ßenntzung  seitens  Elitarcbs  aus 
Plin.  VII  2.  Wenn  es  hier  heisst :  Mandoram  (?)  nomen  eis  dedit 
Clitarchus  et  Megasthenes,  so  muss  bei  Clitarch  die  Erzählung 
des  Megasthenes,  dass  indische  Fraaen  mit  7  Jahren  gebären 
(Megasth.  fr.  24,  Arrian  Ind.  c.  9,  7),  Aufnahme  gefunden  haben. 
Dieser  kann  daher  erst  nach  Megasthenes,  der  in  Seleukoe'  Auf- 
trag in  Indien  gewesen  ist,  seine  Geschichte  Alexandere  ge- 
schrieben haben. 

Klitarch  schliesst  die  Reihe  der  Alexanderschriftsteller  und 
hat  die  endgiltige  Redaction  der  Alexandergeschichte  gegeben, 
wie  sie  fttr  die  nächsten  Jahrhunderte  massgebend  geblieben  ist. 
Dies  lehrt  uns  auch  die  Vergleichung  der  Fragmente  bei  den 
Nachrichten,  die  nicht  auf  geographische  Verhältnisse  Bezug 
haben.  Wir  sahen,  dass  Aristobul  und  Klitarch  nach  Kallisthenes 
über  den  Zug  Alexanders  nach  dem  Ammontempel  berichteten, 
Spuren  des  Ealliethenes  und  Aristobulos  lässt  Justins  Bericht 
über  die  Schlacht  am  Granikos  erkennen  (XI  0,  11  ff.).  Mit  jenem 
verlegt  er  das  Schlachtfeld  auf  die  oampi  Adrastii,  vgl.  Strabo 
XIII  S.  587  Ά&ραστ€ίας  K€b(ov  (frg.  20),  mit  diesem  giebt  er 
die  Zahl  der  auf  makedonischer  Seite  gefallenen  pedites  auf  9  an 
{XI  6,  12).  Nach  Aristobul  bei  Plut.  Alex.  16  sind  vom  Heere 
Alexanders  34  Mann,  darunter  9  π€2Ιο(  gefallen,  eine  Ajigabe, 
die  durch  Arrian  I  16,  4  dahin  ergänzt  wird,  dass  beim  ersten 
Zusammenstoss  25  Reiter  gefallen  seien;  auch  die  9  Mann  von 
der  Infanterie  bedeuten  nur  diesen  ersten  Verlust.  Auch  über 
die  Ehrung  der  Gefallenen  macht  Justin  XI  6,  13  die  gleichen 
Angaben,  wie  Arrian  I  16,  4  und  Plut.  Alex.  c.  16.  Aristobul 
hat  Kallisthenes  theilweise  ausgeschrieben:  Callisth.  frg.  23  (dazu 
Strabo  XIII  656  über  Halikarnass)  vgl.  mit  Arr.  I  23;  Call, 
frg.  32  vgl.  mit  Aristob.  frg.  6;  Call.  fr.  36  mit  Arist.  fr.  9. 
Was  dieser  von  Alexanders  Weg  an  der  Küste  Pamphyliens  er- 
zählte, ist  in  die  Darstellung  Aristobuls  übergegangen  (Arrian  I 
26,  2)  und  ebenso  in  die  Klitarchs:  Curt.  V  3,  22  mare  quoqne 
novum  in  Pamphylia  iter  aperuerat.  Wie  Kallisthenes,  war  auch 
Onesikritos  Klitarch  bekannt.  Bei  den  Kathäern  stand,  so  er- 
zählt er  bei  Strabo  XV  S.  699,  die  Schönheit  in  besonderer 
Achtung,  die  Königswürde  wurde  dem  Schönsten  übertragen,  die 
Kinder  wurden  zwei  Monate  nach  ihrer  Geburt  untersucht  und 
nach  dem  Befund  am  Leben  erhalten  oder  getödtet.  Das  Gleiche 
erzählen  Diodor  XVII  91,  4  und  Curt..  IX  1,  24  vom  Lande  des 


Zur  UeberlieferuTig  der  Gesohicbte  Alexanders  d.  Gr.  591 

Sopeithee,  dae  von  Strabo  zur  Kathaia  gerechnet  wird  (Nieee  I 
S.  136,  A.  4).  In  gleicher  Weise  ist  Nearchoe  von  Elitarch  be- 
nutzt worden:  Nearch  fr.  14  πήχεων  έκκαίοεκα,  fr.  15  έκκαι06κα- 
πηχ€ΐς  έχΛνας,  Gut.  fr.  15  δφιν  ττηχών  έκκαιοεκα.  Aristobul 
polemieirt  frg.  32  gegen  die  übertriebenen  Angaben  von  der 
Grösse  der  indischen  Schlangen,  wobei  er  wohl  Nearch  im  Auge 
bat,  and  bezeichnet  eine  kleine  Schlangenart  als  besonders  ge- 
fährlich. Auch  seine  Mittheilnngen  hat  Klitarch,  dessen  frg.  15 
u.  16  durch  Diod.  XVÜ  90  vervollständigt  werden,  verwerthet: 
Arist.  fr.  32  τους  bk  πληγέντας  α\μοβι4θ€Ϊν  έκ  παντός  πόρου 
μ€τά  έπωουνίας,  Diod.  XVII  90,  6  τόν  bi  πληγέντα  πόνοι  beivol 
συνβϊχον  καΐ  Ρύαις  \5ρώτος  ο\ματο6ώους  κατείχε.  Zur  Heilung 
benutzen  die  Eingeborenen  gewisse  Wurzeln.  Uebereinstimmend 
mit  Nearch  frg.  25  schildert  Kleitarch  den  Kampf  der  Flotte  mit 
den  Ungeheuern  des  indischen  Ozeans  (Diod.  XVII  109).  ün- 
Tcrkennbar  ist  die  Benutzung  des  ersteren  (frg.  20)  in  Klit.  frg.  21*: 
Oritas  ab  Indis  Arbis  fluvius  disterminat  (Nearch  b.  Strabo  XV 
S.  720).  Hi  nuUum  alium  cibum  novere  quam  pisciura,  quos 
anguibus  dissectos  sole  torreant :  atque  ita  panem  ex  hie  faciunt, 
ut  refert  Clitarchus  (Diod.  XVII  105,  4;  Curt.  IX  10,  6  ff.). 
Wort  für  Wort  dieser  Schilderung  finden  wir  wieder:  Arr.  Ind. 
24,9;  28,8  u.  9;  29,12.  Ueber  die  Kleidung  dieses  Volkes 
wird  gesprochen :  Ind.  c.  24,  9  (Strabo  XV  S.  720)  =  Diod.  XVÜ 
105,  3;  Curt.  IX  10,  10,  über  die  Wohnungen:  Ind.  28,  16; 
30,  9 ;  Strabo  aaO.  =  Diod.  XVII  105,  5.  Indessen  auch  hier 
fehlt  es  nicht  an  Zügen,  die  für  Aristobul  charakteristisch  sind, 
80  Strabo  XV  S.  721  πίπτ€ΐν  bk  τους  βμβρους  έν  τοις  dvu) 
μέρ€σι  τοις  προσαρκτίοις  και  εγγύς  τών  όρων,  wozu  Arrian 
Anab.  VI  25,  5  den  bezeichnenden  Zusatz  macht:  καθάπβρ  odv 
καΐ  ή  Ίνοών  γή.  Mit  Hecht  weist  daher  Schwartz  diesem  Arrian 
VI  24,  4—26  zu  ;  selbst  das  Citat  aus  Nearchos  in  VI  24,  2  dürfte 
aus  ihm  entnommen  sein^  lag  es  doch  Arrian  näher,  den  Land- 
weg Alexanders  nach  Aristobul  darzustellen,  als  nach  dem  Be- 
richte des  Nearchos  über  seine  Seefahrt.  Auf  jenen  geht  weiter- 
hin aber  auch  Strabos  Darstellung  XV  S.  722  προς  bi  τή  άπορίφ 
^  723  €ΐς  τήν  Καρμανίαν  zurück.  Erzählt  wird  hier  die  wunder- 
bare Heilung  des  Ptolemaios,  der  im  Lande  der  Griten  verwundet 
war.  Justin  ΧΠ  10,  3,  Diodor  XVII  103  und  Curt.  IX  8,  20  ff. 
verlegen  dieselbe  nach  Hamatelia,  auch  ist  es  bei  ihnen  eine 
«Schlange,  die  Alexander  auf  das  heilende  Kraut  aufmerksam  macht, 
nirht  ein  Mann.    Ueber  die  Zubereitung  des  Heilmittels  sprechen 


592  Reu  β  8 

eich  Strabo  nnd  Diodor  übereinstimmend  ans:  τρίβοντα,  Diod. 
XVII  103,  8  τρίψας,  über  die  Verwandung  am  genauesten  Diodor: 
τό  bi  σώμα  κατεπλασε  και  πιεΐν  5ους,  wonach  also  Juetins  'qaa 
in  potu  accepta ,  sowie  Curtius*  'vulneri  impoeuit' (Strabo  έπιτι* 
θεναι  τψ  τρωθέντι)  in  der  gemeinsamen  Vorlage  gestanden  hat. 
Die  Differenz  zwischen  Strabo  und  den  anderen  Berichterstattern 
führt  darauf,  dass  Elitarch  den  Beiicht  dee  Aristobulos  umgebildet 
hat.  Cienau  dieselbe  Beobachtung  lässt  sich  bei  Klitarch  frg.  16 
und  Strabo  XV  S.  699  machen.  Bei  diesem  bestrichen  die  in- 
dischen Jäger  ihre  Augen  mit  Wasser,  bei  jenem  mit  Honig  (Diod. 
XVII  50,  2),  bei  diesem  benutzen  sie  zum  Fangen  der  Affen 
Säcke,  bei  diesem  Spiegel  und  Sandalen,  aber  trotz  dieser  Diffe- 
renzen ist  bei  Klitarch  selbst  der  Wortlaut  der  Quelle  Strabos 
mehrfach  beibehalten  worden. 

Auffallend  wenig  Berührung  mit  der  Erzählung  Klitarchs 
bieten  die  Fragmente  des  Ptoleraaios  (Fränkel  S.  247),  damit  er- 
ledigt sich  von  selbst  Müllers  (frg.  S.  74)  Behauptung,  Klitarche 
Bestreben  sei  es  gewesen,  dem  Könige  Aegyptens  zu  schnceicheln. 
Ebenso  wenig  kann  man  Fränkel  zugeben,  dass  dieser  sein  Werk 
geschrieben  habe,  um  den  Uebertreibungen  Klitarchs  entgegen- 
zutreten. Bei  den  Verlustangaben  von  Issos  berechnet  Arrian  II 
LI,  8  die  gefallenen  Perser  auf  100,000  Mann,  unter  denen  sieb 
10,000  Heiter  befanden;  soll  dies  heissen:  'zu  denen  10,000  Reiter 
kamen*,  dann  giebt  er  dieselben  Zahlen,  wie  Diodor  XVII  30, 
Gurt.  III  11,27,  Plut.  AI.  20  (Justin  XI  9,  10).  Man  betrachtet 
sie  als  die  Zahlen  des  Ptolemaios,  doch  bezieht  sich  sein  Zeugnise 
bei  Arrian:  ώ(Ττ€  λίγ€ΐ  Πτολεμαίος  nur  auf  die  Worte:  τους 
μ€τά  (Τφών  —  φάραγγα  und  er  hat  selbst  gar  keine  Zahlen  mit- 
getheilt.  Ist  Ptolemaios  von  Klitarch  nur  wenig  benutzt  worden, 
dann  ist  dies  um  so  mehr  mit  Aristobulos  der  Fall  gewesen. 
Um  von  den  zahlreichen  Congruenzen  abzusehen,  welche  man  bei 
Arrian  einerseits  und  Diodor -Curtius- Justin  andererseits  auf- 
gedeckt hat  (vgl.  Fränkel  §  12),  will  ich  hier  nur  noch  das  ge- 
meinsame (xut  hervorheben,  das  in  den  Fragmenten  erhalten  ist. 
Hierher  gehört  Arietobuls  Erzählung  vom  Tode  Parmenione  bei 
Strabo  XV  S.  724,  die  gleichlautend  auch  Diodor  XVII  80  und 
Curtius  VII  2,  17  geben.  Die  Weissagung,  welche  Antigonos 
von  den  Chaldäern  erhielt  (Arist.  fr.  1),  wird  auch  Diod.  II  31,  2 
mitgetheilt,  hat  also  auch  bei  Klitarch  gestanden.  Den  Inhalt 
von  frg.  7  liest  man  Justin  XI  10,  2.  Bei  Gaugamela  fand  man 
schriftliche  Aufzeichnungen  über  die  persische  Aufstellung  (frg.  12)} 


Zur  Üeberlieferung  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr.  593 

daher  muee  Arrian  III  11,  3 — 7  aus  AriRtobnloe  stammen  (Schwartz 
aaO.);  auf  diesen  geht  dann  aber  auch  zurück,  was  §  8  ff.  über 
die  Aufstellung  des  makedonischen  Heeres  gesagt  wird.  Diodor 
(XVII  57)  und  Curtins  (IV  13,  26)  haben  sich  hier  gleichfalls 
an  ihn  angescbloesen,  nur  baben  sie  einzelne  Aenderungen  vor- 
genommen, wie  sie  zB.  beide  schon  die  Abtheilung  der  Argyras• 
piden  erwähnen,  deren  Arrian  erst  VII  II,  3  gedenkt  and  die 
nach  Justin  XII  7,  6  erst  vor  dem  indischen  Feldzng  gebildet 
worden  ist.  Nach  Aristobul  (frg.  18  u.  20)  erzählen  Diodor 
(XVII  83,  7)  und  Curtius  (VII  5,  19)  die  Gefangennahme  des 
Bessos,  nach  ihm  (Arrian  IV  3,  7;  6,  2)  auch  die  Niederlage  des 
Menedemos  (Curt.  VII  7,  31),  aus  ihm  (Arrian  IV  13,5)  stammt 
Curt.  VIII  6,  16,  Eine  Aendernng  hat  erfahren,  was  frg.  28• 
erzählt  wird,  indem  Cnrt.  VIII  10,  29  (Plut.  AI.  c.  28,  de  fort. 
Alex.  Π  9)  Alexander  selbst  in  den  Mund  gelegt  wird,  was  nach 
Aristobul  Aeusserung  des  Dioxippos  ist. 

Unter  den  Quellen  Klitarchs  befand  sich  auch  Megaethenes, 
von  ihm  stammten  die  von  jenem  übernommenen  (frg.  11)  Er- 
zählungen über  Dionysos  und  Herakles  in  Indien.  Arrian  V  1  ff. 
hat  sie  nachträglich  eingeschoben,  nachdem  er  in  IV  die  Er- 
zählung schon  bis  zu  Alexandere  Ankunft  am  Indus  geführt  hatte, 
er  giebt  V  2,  7  einen  Zusatz,  der  vielleicht  aus  Elitarch  stammt 
(Justin  XII  7,  8  und  Curtius  VIII  10,  16  ff.).  Mit  ihm  stimmt 
überein  die  Darstellung  in  der  epit.  rer.  Alex.  §  36-38  (ed. 
Wagner  in  Jahrb.  f.  Phil.  Supplbd.  26),  vgl.  Ind.  1  und  Plut. 
Alex.  c.  48.  Fast  bei  allen  Schriftstellern  wird  der  gleiche  Tadel 
gegen  die  griechischen  Dichter  und  ihre  Fabeleien  über  die  Ge- 
burt des  Dionysos  ausgesprochen:  Diod.  Π  38;  Curt.  VIII 10, 17; 
Arrian  Ind.  I  7;  Plin.  VI  23;  Porapon.  Mela  III  66,  hei  Arrian 
wird  angeschlossen  die  Kritik  des  Eratosthenes  (V  3^  1  vgl.  Ind. 
0.  5).  Von  Aristobulos  und  Ptolemaios  können  diese  Erzählungen 
nicht  herrühren,  als  Gewährsmann  für  sie  wird  Arrian  Ind.  c.  5,  2 
ausdrücklich  Megasthenes  namhaft  gemacht,  und  dasselbe  ge- 
schieht auch  Strabo  XV  S.  687  και  τά  π€ρΙ  Ηρακλέους  bk  καΐ 
Διονύσου  Μεγασθένης  μ€τ'  ολίγων  πιστά  ήγεϊται,  vgl.  Arr.  Ind. 
8»  6.  Eratosthenes  kritisirt  bei  Arrian  Anab.  V  2,  4,  Ind.  5, 11  und 
Strabo  XV  S.  678  die  Erzählung  von  Herakles  und  den  Sibiern, 
die  bei  Gurt.  IX  4,  2  u.  3  Aufnahme  gefunden  hat. 

Klitarch  hat  also  ausgiebigen  Gebrauch  von  der  üeber- 
liefemng  der  ihm  vorausgehenden  Schriftsteller  gemacht,  er  ist 
<ler    compilirende    Litterat,    der    die    Ge.Rchicbtechreibu' 

Bhein.  Um.  f.  Philol.  N.  F.  LVII.  ' 


594  Beats 

Alexander  zu  einem  gewiesen  Abecbluss  gebracht  bat.  Unter 
seinen  Quellen  stebt  in  erster  Linie  Aristobulos,  der  selbst  nicht 
unabhängig  von  anderen  gewesen  ist,  vgl.  aucb  Cbares  frg.  6.  7.  ^ 
(Arrian  IV  19)  und  9.  Es  ist  daber  erklärlich,  dass  in  den  aos 
Klitarcb  abgeleiteten  Berichten  wiederholt  auf  den  Widersprach 
der  Gewährsmänner  aufmerksam  gemacht  wird  Diod.  ΧΥΠ22.  5; 
23,1;  65,5;  73,4;  besondere  Beachtung  verdient  XVU  65,5 
εκουσίως  *Αβουλήτου  .  .  .  παραοόντος  αύτψ  την  πόλιν,  ώς  μέν 
ίνιοΓ  γεγράφασι,  προστάΕαντος  Δαρείου  .  .  .,  weil  die  Ver- 
gleichung  mit  Curt.  V  8,  8  'sive  Darei  iussu  sive  sua  sponte*  den 
Beweis  liefert,  dass  die  abweichenden  Angaben  schon  in  der  ge- 
meinsamen Vorlage  gestanden  \  üeber  die  Lebensumstände  Kli• 
tarchs  ist  uns  nichts  überliefert  worden,  abgesehen  von  einer 
Notiz  bei  Diog.  Laert.  II  113,  der  zufolge  er  aus  der  Schale  des 
Aristoteles  aus  Kyrene  in  die  des  Megarensers  Stilpo  tibergetreten 
ist.  Als  DemetrioB  Poliorketes  im  Sommer  807  Megara  eroberte, 
lebte  Stilpo  noch  in  dieser  Stadt,  demnach  müsste  man  annehmen, 
dass  auch  Elitarch  gegen  Ende  des  4.  Jahrhunderte  v.  Chr.  sein 
Schüler  gewesen  ist.  Allzugrosses  Gewicht  darf  man  indessen 
der  Nachricht  des  Diogenes  nicht  beimessen,  der  Name  Klitarcbs 
konnte  leicht  mit  gleichlautenden  (zB.  Klearchos)  verwechselt 
werden.  Sollte  die  Mittheilung  aber  auch  auf  guter  Ueberliefernng 
beruhen,  dann  kann  er  doch  erst  Jahrzehnte  später  mit  der  Ge- 
schichte Alexanders  sich  beschäftigt  haben,  das  ergiebt  sich  aus 
der  Benutzung  des  Megasthenes  und  Patrokles.  Klitarch  war 
der  Sohn  des  Historikers  Deinen,  über  dessen  Lebenszeit  eben- 
falls nichts  bekannt  ist,  aus  dessen  Fragmenten  man  aber  viel- 
leicht auf  Bekanntschaft  mit  der  Ueberliefernng  über  Alexander 
schliessen  darf,  vgl.  frg.  15  bei  Athen.  II  G7  und  frg.  16  bei 
Plut.  Alex.  36  mit  Arrian  III  4,3,  frg.  3  mit  Klitarch  frg.  18. 
Als  Zeitgenossen  Alexanders  sieht  auch  Diod.  II  7,  3  Klitarch 
nicht  an,  wenn  er  schreibt:  ώς  φηαι  Κτηαίας  ό,Κνίοιος»  ώς  ^^ 
Κλείταρχος  και  τών  ύστερον  μετ*  ΆλεΕάνορου  οιαβάντων  und 
§  4  ίνίοΐ  τών  νεωτέρων,  'die  welche  nach  Ktesias  mit  Alexander 
nach  Asien  gezogen  waren',  sind  offenbar  die  Autoren,  aufweiche 
Klitarch  sich  berufen  hat. 


*  Curt.  IV  15,  12  incertum,  suone  coneilio  an  regis  imperio. 
Kaerst  vergleicht  Arrian  III  13,  .'i  χ€λ€ύ€ΐ  und  schliesst  daraus,  die 
UebereiiiBtimmung  Bolle  absichtlich  verdunkelt  werden,  näher  liegt  es, 
auch  hier  Differenz  in  der  U eberlief erung  anzunehmen. 


Zar  Ueberlieferung  der  Gesohichte  Alexanders  d.  Gr.  5% 

Kur  gelegentlicli  ist  bisher  die  von  Wagner  edirte  epitome 
rerum  Älexandri  herangezogen  worden;  eie  ist  durch  zahlreiche 
Irrthtimer  des  Epitomators  entetellt,  giebt  aber,  von  einzelnen 
fremden  Zuthaten  abgesehen,  im  ganzen  in  §  1 — 87  die  Ueber- 
lieferung Klitarchs  wieder.  Wagner  hat  in  seinen  Anmerkungen 
Bohr  sorgfaltig  die  entsprechenden  Parallelstellen  zusammen- 
geetellt,  ich  kann  daher  davon  absehen,  dies  noch  einmal  zu  thun 
und  hervorzuheben,  wie  nahe  die  epitome  der  Darstellung  Diodors 
and  des  Gurtius  steht.  Nur  einige  wenige  Steilen  mögen  hier 
Besprechung  finden,  an  denen  der  £pitomator  von  diesen  abweicht 
oder  nur  abzuweichen  scheint;  an  eineinen  Stellen  glaube  ich 
auch  den  sehr  verderbten  Text  richtiger  gestalten  zu  können. 
Wenn  in  §  1  Schwartz  rediisse  für  redegisse  vorschlägt,  so  steht 
dem  Diod.  XV II  77,  4  entgegen,  wo  man  ebenfalls  κεκρατηκέναι 
liest.  Zu  §  2  darf  man  auch  auf  die  Worte  des  Klei  tos  bei  Flut, 
c.  51  τήν  ΤΤερσικήν  ίώνην  κα\  τον  οιάλευκον  χιτώνα  hinweisen, 
doch  mag  zugleich  erwähnt  werden,  dass  c.  56  τψ  Σπιθριόάτου 
έίφει  nicht  zur  Erzählung  Klitarchs  passt,  da  nach  dieser  nicht 
Spithridates,  sondern  Rosoikes  durch  das  Schwert  des  Kleitos 
fällt  (Diod.  XVn  70,  7;  Curt.  VIll  1,  20).  In  §  3  hat  man  für 
Gabisios  nicht  den  Namen  einer  Völkerschaft  herzustellen,  son- 
dern zu  schreiben :  Agrianos  et  hypaspisias  armari  iussit;  in  §  4 
darf  vor  amicitiam  insinuandi  die  Präposition  in  nicht  fehlen. 
Wagners  Erklärung  von  in  agro  regio  in  §  9  halte  ich  für  un- 
möglich und  lese  in  arce  regia,  vgl.  Curt.  VU  6,  24  praesidio 
inde  (di.  Maracanda)  deiecto,  Arrian  IV  5,  2  oi  bk  έν  Μαρα- 
κάνοοις  έν  ακρφ  φρουρούμενοι.  Der  richtige  Sachverhalt  ergiebt 
^icb  aus  epit.  13  Graios  oppugnare  destitit.  Auf  einem  Versehen, 
wie  sie  sich  der  Epitomator  mehrfach  zu  schulden  kommen  lässt, 
Ijerabt  es,  wenn  er  §  23  berichtet,  Cattenes  sei  an  Alexander 
ausgeliefert  worden,  er  fiel  im  Kampfe  gegen  Krateros.  Für 
castra  praeterit  in  §  32  ist  vielleicht  Bactra  praeterit  zu  lesen. 
Der  Aornosfelsen  hatte  nach  Arrian  IV  28,  3  einen  Umfang  von 
200  Stadien  und  eine  Höhe  von  11  Stadien,  nach  Diodor  XVIi 
85,  3  von  100  bezw.  16  Stadien,  Wagner  giebt  es  auf,  ihre 
Ueberlieferung  mit  derjenigen  der  epitome  in  Einklang  zu  bringen, 
und  schreibt  in  §  46  cni  (statt  cuius)  circuitus  Stadium  XYII 
[milia]  erat  in  summo  vertice.  Die  Zahl  17  soll  sich  unzweifel- 
haft auf  die  Höhe  beziehen,  daher  mag  etwa:  öuiuR  circuitus 
Stadium  C. ,  altitudo  XVII  erat  in  summo  vertice  (vgl.  Curt. 
VIII  11,  6  cuius summa  in  acutum  cacumen  exsurgunt). 


59β  Ε  e  u  8  8 

Lieber  die  Streitkräfte  des  Könige  Porae  hat  Diod.  X7II  87,  2 
ganz  andere  Zahlen  als  ep.  §  54  und  Gurt.  VIII  13,  G,  aber  die 
Veriuitangaben  bei  Diod.  XVII  89,  2  n.  3  und  epit.  §  62  sind  die 
gleichen;  die  Differenz  mag  eich  etwa  so  erklären^  dase  Diodor 
nicht  dae  Heer,  das  Porue  folgte,  sondern  die  gesammte  Eriegs- 
inacht  seines  Landes  im  Auge  hat;  die  Zahl  der  Reiter  wurde 
freilich  immer  noch  nicht  mit  Cnrt.  VJJI  14,  2  sich  vereinigen 
lassen,  doch  kann  die  Zahl  fehlerhaft  überliefert  sein.  Der  Zahlen- 
differenz bei  Angabe  der  Elefanten  in  epit.  §  18,  Diod.  XVII 
93,  1,  Gurt.  IX  2,  4  ist  gleichfalls  keine  Bedeutung  beizumessen, 
Wagner  findet  aber  auch  einen  Widerspruch  darin,  dase  Alexander 
nach  Gurtius  zuerst  an  den  Hypanis,  dann  zu  König  Phegeos 
gekommen  sei,  während  nach  der  epitome  dieser  den  Makedonien! 
auf  dem  Marsche  zu  dem  genannten  Fluss  sich  anschliesst  Bei 
dieser  Annahme  haben  Gurtius'  Worte  ad  flnvium  Hypanim  pro- 
cessit  (IX  1,  35)  eine  unrichtige  Deutung  erhalten,  sie  sind  zu 
übersetzen:  *er  rückte  in  der  üichtung  auf  den  Uypanis  vor'. 
Im  folgenden  §  schlägt  Wagner  aucta  für  pauca  vor,  damit  ist 
wenig  gebessert;  vielleicht  dürfte  passim  die  ursprüngliche  Les- 
art sein  (Plut.  62  6ιέρριψ€ν).  Wie  der  £pitomator  dazu  kommt, 
in  §  70  den  Tod  eines  Sohnes  der  Roxane  zu  melden,  ist  nicht 
ersichtlich;  auch  hier  trägt  nur  er,  nicht  seine  Quelle  die  Ver- 
antwortung für  diese  Kachricht.  Vergebens  bemüht  man  eich 
die  Worte  ad  Eleumezen  zu  erklären,  ich  ändere  sie  in:  ad  coe- 
tum  amnium  oder  fluminum,  vgl.  Gurt.  IX  4,  9.  Schwierig  ist 
es,  die  £rzählung  über  Alexanders  Kampf  und  V^erwundnng  bei 
den  Mallern  aus  einem  der  bekannten  Schriftsteller  ableiten  zu 
wollen,  bei  seiner  Darstellung  scheint  der  Verfasser  der  epitome 
Klitarch  nicht  gefolgt  zu  sein.  Leider  nennt  auch  Arrian  VI 
12,  7  ff.  nicht  die  Vertreter  der  abweichenden  Berichte.  Die  Worte 
oi  μέν  Εύλψ  πληγέντα  usw.  scheinen  auf  Aristobulus  zu  gehen 
(frg.  28^),  aber  bei  ihm  wird  der  König  erst  an  der  Brust  und 
dann  am  Halse  verwundet;  ebenso  muss  die  Deutung  von  §  ^ 
auf  Klitarch  als  zweifelhaft  erscheinen,  da  die  Worte  ζυνανα- 
βήναι  'AXeEdvbpiü  κατά  τήν  κλίμακα  όμου  ΤΤευκίστφ  im  Wider- 
spruch mit  Diod.  XVII  99,  8  bi'  έτερος  κλίμακας  προσαναβάς 
und  Gurt.  IX  5,  7  stehen.  Unvereinbar  mit  Diodor,  Gortius  und 
Justin  ist  auch  die  Darstellung  des  Kampfes  bei  dem  Epitomator, 
bei  jenen  springt  Alexander  zunächst  allein  in  die  Stadt  (XVII 
99,  1  κοθήλατο  μόνος,  Justin  XII  9,  5  sine  ullo  satellite)  und 
wird  durch  einen  Sohuss  in  die  Brust  verwundet,  ehe  die  Freunde 


J 


Zur  üeberlieferung  der  Geschichte  Alexandere  d.  Gr.  597 

zn  Hilfe  kommen,    bei    diesem    erRteigt    er  mit  3  Gefährten   die 
Mauer,  springen  dieselben  mit  ihm  in  die  Stadt  hinab,  wird  Leon- 
natoe  am  rechten  Schenkel  (Gurt.  IX  5,  17  cervice  graviter  icta), 
Alexander  an  der  Brnst  und  dann  am  Halse  verwandet.    Das  ist 
die  Erzählang  des  Aristobnlos,  der  Plut.   Alex.  c.  63  folgt:    ώς 
elbov  αυτόν  μ€τά  δυοΐν  υπασπιστών.     Dabei    finden   sich  anoh 
in  der  Klitaroh'schen  üeberlieferung  Züge,    die    sie  mit  der  Er- 
zählung Aristobnle    gemeinsam   hat,    zB.  Cnrt.  IX  5,  3    forte  ita 
libraverat  corpus,  nt  se  pedibus  exciperet,   Plat.  Alex.  c.  63  κατά 
τύχην  ορθός  ίστη,  IX  5,  9  sagittam  dnorum  cubitornm,  Arietob. 
frg.  28•.     Auch  die  Vergleiohung  mit  Plut.  de  fort.  Alex.  I  u.  II 
bringt  keine  Klarheit;    hier    kämpft  Alexander  zuerst  allein  (II 
13  ώς  έώρων  ^να),   wird    der  Kampf  bald   ins  Land  der  Maller 
(I  2;  II  9),  bald  der  Oxydraken  (II  13)  verlegt,  werden  Ptole- 
maios  (I  2;  II  13),    Limnaios  und  Leonnatos  (II  13)  als  Retter 
des  Königs  genannt.     Zu  den  hier  benutzten  Quellen  gehört  Ari- 
stobulos,  neben  ihm  sind   aber  anoh  andere,    wie  zB.  Ptolemaios 
(II  7  που  o\  δράκοντες)  zu  Rathe  gezogen.     £in  deutliches  Bild 
gewinnen    wir    nur   von    der  üeberlieferung  Aristobuls,    darnach 
scheint  es  unzweifelhaft  zu  sein,  dass  diese  auch  in  der  epitome 
vorliegt.     Der  Inhalt  von  epit.  §  79 — 84  deckt   sich  vollständig 
mit  Plut.  Alex.  c.  64,    doch    ob    er  von  Klitaroh  stammt,    muss 
unentschieden   bleiben.     Erst    von  §  84    an    treffen    wir    wieder 
nachweisbar  auf  seine  Spuren  ^    Für  das  fehlerhafte  in  Ophiorum 
war   gewiss    in    ostio    fluminis  (flum)  geschrieben,    vgl.  Curt.  X 
1,  11  insulam  ostio    amnis    subiectam.     lieber    den    Inhalt    von 
§  87  ff.  vgl.  Wagner  aaO. 

Gegen  den  Ausgang  der  römischen  Republik  stand  die 
Alexandergesohichte  Klitarchs  in  höchstem  Ansehen,  Sisenna  hat, 
80  erzählt  Cicero  de  leg,  I  2,  an  seinem  Vorbilde  sich  gebildet, 
Caelius  Rufus  ihn  aufs  eifrigste  studirt  (ad  famil.  V  10).  Diodor, 
Trogus  Pompeius  und  Curtius,  welche  in  der  nächsten  Zeit  die 
GeHchichte  Alexandere  behandelten,  haben  daher  in  erster  Linie 
ibm  sich  angeschlossen.  Wie  weit  sie  ihn  direct  benutzt  haben, 
eoll  hier  nicht  untersucht  werden,  auszuscheiden  ist  jedenfalls 
eine  Mittelquelle,  welche  die  Darstellung  Aristobuls  und  Klitarchs 


^  Kaerst,  Dissert.  §  3  ist  d^r  Ansicht,  Curtius  Erzählung  (IX 
^i  30  ff.)  sei  aus  der  bei  Arrian  (VI  18,  4  f.)  entweder  mit  Absicht  oder 
ans  Missveretändnies  umgebildet  worden;  auch  epit.  §84.  85  86  giebt 
dieeelben  Nachrichten,  wie  Curtius,  theilweise  mit  den  gleichen  Worten. 


598    Reu 8 Β  Zur  Üeberlieferung  der  Geschichte  Alexanders  d.  Gr. 

contaminirt  hätte,  da  dieser  selbst  schon  die  Geschichte  de« 
er^teren  zur  Grundlage  seiner  eigenen  Bearbeitung  gemacht  hatte. 
Als  Mittelquelle  muss  auch  Timagenes  ausser  Betracht  gelassen 
werden,  von  ihm  können  nur  einleitend  die  Stifter  der  einzelnen 
Dynastieen  und  ihre  Thätigkeit  unter  Alexander  in  seiner  Könige- 
geschichte behandelt  worden  sein.  Strabo  theilte  mit  seinen 
Zeitgenossen  die  Werth Schätzung  Klitarchs  nicht,  nur  an  5  Stellen 
seiner  Geographie  erwähnt  er  den  Namen  desselben;  man  setzte 
Zweifel  in  seine  Glaubwtirdigkeit  (Quint.  X  1,  75)  und  kehrte 
zum  Urtheile  des  Eratosthenes  zurück,  der  Plolemaios  und  Ari- 
stobulos  vor  allen  anderen  den  Vorzug  zuerkannt  hatte.  Seinem 
Urtheile  schlössen  sich  Arrian  und  theil weise  auch  Plutarch  an, 
bei  beiden  begegnet  uns  daher  der  Name  Klitarchs  an  keiner  ein- 
zigen Stelle.  Wenn  man  eine  besondere  Alexandergeschichte 
Strabos  annehmen  zu  müssen  glaubte,  um  die  zahlreichen,  auf- 
fallenden üebereinstimmungen  bei  den  Letztgenannten  daraus  zn 
erklären,  so  entbehrt  diese  Annahme  der  Berechtigung,  Strabo, 
Plutarch  und  Arrian  sind  in  der  Werthbem essung  und  Auswahl 
ihrer  Quellen  bestimmt  durch  die  Kritik  des  grossen  alexandri- 
nischen  Gelehrten. 

Köln.  Friedrich  Reass. 


ZUR  ROEMISCHEN  ELEGIE 


1. 

Unerschöpflich  ist  in  der  römischen  Ele|^e  das  Thema  der 
fiifersacht.  Man  kennt  die  Leidenschaftlichkeit,  mit  welcher  sie 
sich  äussert.  Erbrochene  Thüren,  zerrissene  Gewänder,  zerraufte 
Haare,  zerschlagene  und  zerkratzte  Gesichter  —■  ista  decent  pueros 
aetate  et  amore  calentes  (Ov.  a.  a.  III  571).  Süss  ist  es,  solche 
Ausbrüche  der  Eifersacht  von  der  Geliebten  ertragen  zu  dürfen 
(Tib.  I  6,  69  ff.  —  Prop.  III  8,  5  ff.  R.  —  Ov.  Am.  I  7,  63  ff.; 
a.  a.  Π  451  f.).  Properz,  der  wiederholt  fingirt  (III  8.  IV  8), 
sie  von  Cynthia  erfahren  zu  haben,  sieht  darin  die  sicherste 
Bürgschaft  für  die  Echtheit  der  Liebe,  die  sich  durch  Kämpfe 
nnr  um  so  reizvoller  gestaltet.  'Aei  γάρ  πως  ήοίους  α\  τών 
έρώντιυν  μβθ'  υβριν  κολακ€Ϊαι  οοκοΟσιν  (Aristaen.  Ερ.  II  14  Η.). 
Er  selber  freilich  bekennt  sich  über  die  Anwendung  solcher  Ro- 
heit erhaben  und  will  sie  dem  άγροΐκος  überlassen  (II  5,  21  ff.)  ^, 
wie  Tibull  dem  rauhen  Krieger  (I  10,  65  f.).  Genug,  wenn  der 
Liebende  der  Geliebten  den  Rock  zerreisst,  ihr  Haar  verwirrt 
und  sie  zum  Weinen  bringt  (Tib.  ΓΐΟ,  61  ff.  —  Ov.  Am.  I  7, 
45—48).  Ovid  hält  .^m.  I  7  eine  förmliche  Anklagerede  gegen 
sich  selbst,  weil  er  es  gewagt  habe,  der  Geliebten '  die  Haare 
auBzureissen  und  ihre  Wangen  blutig  zu  schlagen^.  Siegreich 
bekämpft  er  Am.  II  5,  durch  den  Anblick  ihrer  holden  Scham 
gerührt,    die  Versuchung    die  Treulose   zu  züchtigen  ^    und  Am. 


>  Vgl.  Ribbeck  Agroik.  S.  32.  Kock  Com.  Att.  fr.  III  S.  28. 
Hauptsächlich  nach  dieser  Properzstelle  ist  der  wilde  Timanth  ge- 
zeichnet, von  dessen  Jähzorn  Pausias  und  sein  Blumenmädchen  in 
Goethes  schöner  Elegie  sich  unterhalten. 

2  Vgl.  Tib.  I  6,  73  f. ;  Ov.  Am.  I  7,  1  ff.  23  ff.  —  Ov.  a.  a.  11 
169  ff. ;  Prop.  IV  5,  31  f. 

«  Vgl.  Tib.  I  10,  59  f.;  Ov.  Am.  II  5,  11  f.   I  7,6. 


600  Wilhelm 

II  7y  7  giebt  er  vor,  den  Nagel  seines  Mädchens  in  seinen  Haaren 
zu   verspilren,  sobald  er  eine  andere  lobe^. 

Die  Abhängigkeit  der  römischen  Elegiker  untereinander, 
insbesondere  diejenige  den  Ovid  von  Tibull,  soll  hier  nur  an- 
gedeutet sein,  aber  nicht  ausführlicher  besprochen  werden:  vgl. 
Jahrb.  f.  Phil.  1895  S.  117  f.  In  der  griechischen  Komödie 
findet  sich  das  Motiv  der  Misshandlang  der  Greliebten,  soweit  ich 
sehe,  zuerst  bei  Aristo ph.  Plut.  101 Β  ff.,  wo  die  verliebte  Alte 
von  dem  jungen  Manne,  der  sich  einst  von  ihr  aushalten  liese  und 
den  ihr  Plutos  durch  Ausschüttung  seines  Reichthums  entzogen 
hat,  folgendes  berichtet: 

μυστηρίοις  bk  τοις  μεγάλοις  όχουμένην 
έπ\  τής  άμά£ης  8τ€  προσέβλεψίν  μέ  τις, 
έτυπτόμην  bia  τουθ'  βλην  τήν  ήμέραν. 
ούτω  aφόbpa  ζηλότυπος  6  νεανίσκος  ήν. 

Eingehend  ist  es  von  Menandros  in  den  Komödien  ΤΤερικειρομενη 
(di.  die  Greschorene,  zum  Zeichen  der  Schmach  durch  Beraubung 
des  Kopfhaars  Entstellte)  und  Ταπι2Ιομένη  verarbeitet  worden^: 
vgl.  Huschke  Anal.  crit.  in  Anthologiam  Graecam.  Jenae  et 
Lips.  1800  S.  171  ff.  und  dazu  Meineke:  Menandr.  et  Pbilem. 
rell.  p.  136  ff.;  Ribbeck,  Alazon  S.  39;  Dziatzko  in:  Jabrbb.  f. 
class.  Phil.  27.  Supplbd.  Leipz.  1900  S.  123ff.e.  Bei  Theokr. 
Id.  14,  34  ff.  erzählt  Aischines  dem  Thyonichos,  wie  er  beim  Ge- 
lage seiner  Greliebten  Kyniske  aus  Eifersucht  zwei  Schläge  ins 
Gesicht  versetzt  habe  (ττύΕ  έπι  κόρρας  Έλασα,  κάλλαν  αύθις), 
so  dass  sie  auf  und  davon  gelaufen  sei,  und  wie  ihn  hinterher 
die  alte  Liebe  zu  ihr  gequält  habe  (v.  3.  50  ff.) ;  vgl.  Calpurnius 
Ecl.  3,  28  ff.  Noch  belangreicher  ist  das  Trostgedicht  des  Rufinus 
A.P.  y41  (vgl.  ebd.  43)  auf  eine  zerbläute  und  herausgeworfene 
treulose  Schöne,  dessen  Anfang  (Τ(ς  γυμνήν  οδτω  0€  και  έΕέ- 
βαλ€ν  και  fteipev;  Τίς  ψυχήν  λιθίνην  εΤχβ  και  ουκ  ißXenc;) 
eine  gewiss  nicht  zufällige  Aehnlichkeit  mit  Tib.  I  10,  59  f.  (A, 
lapis  est  ferrumque,  suam  quicumque  puellam  Verberat)  aufweist; 
vgl.  auch  das  proripi  vias  bei  Tib.  I  6,  72.     Femer  gehört  hier- 


*  Vgl.  Tib.  I  6,  69  f.;  Ov.  Am.  II  7,  7. 

^  Anders  war  der  Inhalt  des  Γβωργός.  Vgl.  Dziatzko  im  Rhein. 
MuB.  54,  1899  S.  497  ff.;  55,  1900  S.  104  ff. 

^  Eine  {ίαΐϊχΖομέντ]  καΐ  ιΤ£ριχ£ΐρομένη  ist  die  Magd  der  scböoen 
Sismonda  bei  Boccaccio  Dec.  VII  8:  vgl.  Landau,  Die  Quellen  des  De- 
kameron2  S.  132. 


Zur  römischen  Elegie  601 

her  das  Epigramm  des  AgatbiaR  Scholaetikos  A.  P.  7  2'>0  im 
Tivi  Κλβοβούλψ  τήν  παλλακήν  άποκβίραντι  und  die  renevolle 
Palinodie  dee  Paulus  Silentiarus  A.  P.  V  248  (*Q  παλάμη  πάν- 
τολμ€,  συ  τόν  πατχρύσ€ον  ίτλης  ΆπριΗ  δραζαμίνη  βόστρυχον 
αύ€ρύ(Ται  κτλ.),  deren  Verwandtscliaft  mit  der  oben  erwähnten 
ovidischen  Elegie  Am.  I  7  unverkennbar  ist.  Aehniich  wird  in 
Menandroe'  ΤΤ€ρΐΚ€ΐρομένη  die  Klage  des  jähzornigen  Polemon 
gelautet  haben,  der  nach  dem  Zeugniss  des  Philostratos  Ep.  16 
nach  verübter  That  κλά€ΐ  καΐ  μ€τατιγνώσκ€ΐ  τώ  φόνψ  τών 
τριχών. 

Nach  Hnschke  aO.  haben  die  römischen  Elegiker  den  Vor- 
warf der  Züchtigung  der  Geliebten  durch  den  eifersüchtigen  Lieb- 
haber direct  aus  Menandroe  entnommen.  Jeder  Kundige  weiss, 
dass  die  augusteischen  Dichter  die  Dramen  des  Menandroe  gelesen 
haben,  und  die  Möglichkeit  einer  unmittelbaren  Beeinflussung  der 
lateinischen  Elegiker  durch  den  griechischen  Komiker  mues  auch 
hier  zugegeben  werden*^.  Aber  die  Thatsache,  dass  jenes  Motiv 
bei  den  spätgriechischen  Epigrammatikern  begegnet^,  läset  kaum 
einen  Zweifel,  dass  es  auch  in  der  hellenistischen  Elegie,  der  er- 
giebigen Quelle  für  jene®,  verbreitet  war  und  dass  es,  wie  so 
viele  der  den  römischen  Elegikern  gemeinsamen  Motive,  haupt- 
sächlich durch  Vermittlung  der  hellenistischen  Elegie,  die  ihrer- 
seits aus  der  Komödie  —  und  nicht  zum  wenigsten  aus  der  me- 
nandrischen  —  schöpfte  ^^,  in  der  römischen  Elegie  Eingang  ge- 
funden hat^*.  So  hat  wohl  auch  Ovid  Am.  I  7,  von  dem  Vor- 
bilde des  Menandros  abgesehen^',  eine  Elegie  aus  alexandrinischer 
Zeit  und  zwar  vermuthlioh  die  nämliche  benutzt  wie  Paulus 
Silentiarius  aO.,  der  nicht  für  einen  Nachahmer  der  lateinischen 
Dichter   gelten    darf  ^^.     Auf  ein  alexandrinisches  Muster  dieser 


'  Vgl.  Leo,  Plautin.  Forsch.  S.  129  [und  Rhein.  Mus.  55,  604  ff.]. 

β  Vgl.  auch  Philostr.  Ep.  61. 

*  Vgl.  R.  Bürger,  De  Ovidii  carminum  amatoriorum  inventione 
et  arte.    Guelf.  1901,  S.  8. 

^®  Vgl.  V.  Hoelzer,  De  poeei  amatoria  a  comicis  attiois  exculta, 
ab  elegiacis  imitatione  expressa.     Pars  prior.    Marp.  Catt.  1899. 

"  Nicht  beweiskräftig  hierfür  ist  Ov.  Her.  19,  81  ff.  (Acontius 
an  Cydippe),  weil  Ovid  hier  von  den  lateinischen  rechtem  abhängig  ist. 
Vgl.  ZiDgerle,  Ovidius  und  sein  Verhältniss  zu  den  Vorgängern  und 
gleichzeitigen  römischen  Dichtern.     1.  Theil,  S.  96  f. 

»2  Vgl.  Bürger  aO.  S.  23. 

"  Vgl.  Mallet,  Quaeet.  Prop.  S.  3. 


602  Wilhelm 

Art  dürfte  ferner  das  Tiballiecbe  (I  10,  57  f.)  Bild  des  Amor, 
der  in  gemächlicher  Gleichgiltigkeit  zwischen  den  Streitenden 
eitzt  (vgl.  Theokr.  id.  1,  32—38  und  Chariton  I  1,  4  Φιλόν€ΐκος 
b'  έστΙν  ό  Έρως  και  χαίρ€ΐ  τοις  παρα5ό2οις  κοτορθώμασιν), 
zurückzuführen  sein.  Wird  man  fehlgehen,  wenn  man  annimmt, 
dass  auch  die  komische  Figur  des  miles  glorioeus^^  der  ans 
Eifersucht  auf  geradezu  barbarische  Weise  gegen  die  Geliebte 
loszieht  —  ein  solcher  Barbar  in  Weibsgestalt  ist  Cynthia  bei 
Prop.  IV  8,  55  ff.^*  —  hereits  in  der  alexandrinischen  Elegie 
vorgekommen  ist?*® 

2. 

Jahrb.  f.  Phil.  1892  S.  614  ff.  habe  ich  begründet,  waram 
ich  die  Auffassung,  dass  sich  Tibuli  I  2  beim  Gelage  befinde, 
nicht  theile.  Mag  sich  das  Motiv  des  unglücklich  Liebenden, 
der  beim  Becher  unter  Freunden  Trost  sucht,  aber  seine  Leiden- 
Schaft  nur  noch  mehr  erhitzt,  so  dass  er  jammert,  weint,  schreit, 
vor  Erschöpfung  einschläft  nnd  von  den  Genossen  theiU  be- 
mitleidet theils  verlacht  wird,  in  der  hellenistischen  Elegie  auch 
öfter  vorgefunden  haben  (vgl.  Asklepiades  A.  P.  ΧΠ  135.  Kai- 
limachos  A.  P.  XII  134.  Alkiphron  135,2.  Prop.  11125,1*^), 
das  Tibullische  Gedicht  an  und  für  sich  betrachtet  besagt  nichts, 
was  die  Annahme  einer  solchen  Situation  nothwendig  macht ^^. 
Unmittelbarer  und  ergreifender  erscheint  mir  die  Wirkung  des 
Gesanges,  \venn  ich  mir  vorstelle,  dass  ihn  der  Dichter  leibhaftig 
vor  der  Thür  der  Geliebten  vorträgt  —  άνήνυτα  προσκαρτερών 
κα\  θυραυλών  .  .  .  ίκετεύων  .  .  .  ταύτα  br\  τα  μυριόλ€κτα  και 
συνήθη  προς  τά  παιδικά  τοις  έρώσιν  (Aristaen.  Π  20).  Nicht 
als  ein  bloss  gedachtes,  sondern  als  ein  wirkliches  παρα- 
κλαυσίθυρον  ~  nach  conventioneller  Art  —  giebt  sich  die 
Dichtung.  Der  Ansicht,  dass  die  Scene  von  Anfang  bis  zu  Ende 
vor  Delias  Thür  zu  denken   sei,   ist  auch  Hoelzer  aO.  S.  61  ff--» 


"  Tib.  I  10,  ii5  f. ;  Hoelzer  aO.  S.  74  f. 

*^  Vgl.  Lukianos  D.  mer.  9.  15. 

^^  Ueber  das  Motiv  des  Erbrechens  der  Thür  (θυροκοπή<ται)  vgl. 
Leo  aO.  S.  140  und  Hoelzer  aO.  S.  63  f. 

*'  Risus  eram  positis  inter  convivia  mensis;  vgl.  Leo,  De  Horatio 
et  Archilocho.  S.  10  f. 

^®  Auf  das  Argument,  dass  v.  1  die  Anrede  puer  nicht  enthalte, 
will  ich  kein  Gewicht  mehr  legen;  vgl.  Kallimachos  A.  F.  ΧΠ  51. 
Meleagroe  A.  F.  V  136. 


Ύ 


Zur  römiechen  Elegie  603 


nar  daee  er  eich  mit  Rückeicht  aaf  die  Beziehang  zwischen  Ko• 
modie  and  Elegie,  wie  sie  in  diesem  Gedicht  mehrfach  hervor- 
tritt, nach  Diesens  Vorgang  den  Dichter  gleich  dem  Phaedromns 
im  Eingang  des  Plantinischen  Cnrcnlio  in  Begleitung  eines  mit 
Wein  and  den  erforderlichen  Gefässen  versehenen  Dieners  vor- 
stellt ^^  Aber  heisst  nicht  anch  das,  in  die  Elegie  etwas  hinein- 
tragen, was  die  Worte  des  Dichters  selbst,  die  unter  allen  um- 
ständen den  ersten  Masstab  für  die  Erklärung  abzugeben  haben, 
mit  keiner  Silbe  andeuten? 

Die  Voraussetzung,  dass  der  κιυμάΖων  vom  Becher  kommt, 
ist  für  den  antiken  Leser  selbstverständlich.  Προς  μέθην  6 
έρών  και  προς  τό  έραν  ό  μ€θύιυν  έπίφορος  (Heliod.  III  10). 
TibuU  hat  sich,  nachdem  er,  es  sei  zu  Hause  im  stillen  Kammer- 
lein  oder  auswärts  im  Freundeskreise,  umsonst  versucht  hat,  den 
liiebesgram  durch  Wein  zu  lindern  (vgl.  I  5,  37),  vom  Trank 
bin  weggestohlen.  Da  steht  er,  wie  der  verliebte  Asklepiades 
A.  P.  V164.  167  oder  Meleagros  A.  P.  V  191  allein  und  ohne 
Begleitung  ^^,  der  Kälte  der  Nacht  und  dem  Regen  ausgesetzt 
(v.  29  f.;  Asklepiades  A.  P.  V  167.  189),  vor  der  Thür  der  Ge- 
liebten, findet  aber  keinen  Einlass.  um  diesen  neuen  Schmerz 
zu  stillen,  will  er  sich  den  Wein  kräftiger  mischen  (natürlich, 
nachdem  er  dahin  zurückgekehrt  ist,  wo  er  soeben  getrunken 
bat)  und  trinken,  bis  ihn  tiefer  Schlaf  befällt,  den  niemand  stören 
soll.  TTiv',  Άσκληπιάοη*  τί  τά  οάκρυαταΰτα;  τί  πάσχεις;  er- 
muntert der  liebeskranke  Asklepiades  Α.  Ρ.  ΧΠ  50  sich  selbst. 
So  redet  auch  Tibnll  und  zwar  im  Anklang  an  die  Vorschrift  des 
Meleagros  A.  P.  XII  49  (Ζιυροιτότει,  ουσέρως,  και  σοΟ   φλόγα 


i^  *Venit  nimirum  poeta  cum  puero,  qui  vasa  et  vinura  fert,  ad 
Deliae  ianuam,  sive  ut  item  ac  Phaedromus  lenam  (cf.  Tib.  1 5,  47  sqq.) 
sibi  vino  propitiam  faciat,  sive  ut  ipse  cum  Delia  potet  et  accubet. 
Sed  magno  cum  dolore  intellegii  fores  claneas  et  sibi  infecta  re  domum 
abeundum  esse.  Itaque  reversurus  iubet  servum  potioni  plus  meri 
affandere,  ut  fortiore  poculo  sumpto  et  amoris  dolore  vino  superato 
domi  Bomnum  capere  possit.  Sed  ut  plerisque  amatoribus  etiam  Ti• 
bullo  Bacchus  non  reroedium  furoris,  sed  'ignis  in  igne*  fuit.  Quare 
poculo  epoto  ad  raaiorem  cupidinis  ardorem  inceaditur,  ita  ut  que• 
rellae,  quae  inde  a  versu  7  eequuntur,  fundat/ 

^  Vgl.  auch  Tib.  Ι  2,  33  ff.  Ob  die  άποκ€κλ€ΐμένη  in  Grenfells 
£rotic  fragment  in  Begleitung  einer  Dienerin  zu  denken  sei,  ist  nicht 
sicher;  vgl.  dagegen  Crusius  Philol.  55,  1896  S.  367.  Omni  comite 
viduatus  erscheint  auch  Thrasyllus  bei  Apuleius  Met.  VIII  10  f.  an  der 
Thür  der  Geliebten. 


Ν 


604  Wilhelm 

τάν  φΐλόπαώα  Κοιμάσ€ΐ  λάθας  οιυροοότας  Βρόμιος*  Ζωρο- 
πότ€ΐ,  και  πλήρες  άφυσσάμενος  σκύφος  οϊνας,  Έκκρουσον 
στυτ€ράν  ίκ  κραοίας  ό6ύναν)**  und  an  Theogn.  469  f.  {Μη5' 
eöbovT*  έπίτ€ΐρ€,  Σιμωνίδη,  δν  τιν'  δν  ημών  θωρηχθίντ'  οϊνψ 
μαλθακός  ύπνος  ?λη)  ^  sich  selber  an : 

Adde  merum  yinoque  novos  compesce  dolores, 

occupet  nt  fessi  lumina  viota  sopor : 

neu  quisquam  mnlto  percuseam  tempora  Baccho 

excitet,  infelix  dum  requiescit  amor. 
Aber  Amor  erweist  sich  mächtiger  als  Bacohas*'.     Er  kann  niclit 
weichen  von  der  spröden  Thtir^  and    stimmt    nach    kurzer  Be- 
gründung   des    ίρως  ουσέρως  (ν.  5  f.)  mit  ν.  7    die  Klage  an, 
die  bis  zum  Sohlusse  währt. 

Delia  ist  wie  die  Lyce  in  dem  παρακλαυ0(θυρον  des  Hör. 
Ca.  III  10  saevo  nupta  viro.  Der  σύγκοιτος  (Α.  Ρ.  V  191 '"^j 
=  coniunx  (Tib.  I  2,  41)  hat  ihr  strenge  Ken schheits Wächter  be- 
stellt (y.  5.  15).  Die  Rathschläge,  wie  jener  betrogen  werden 
kann  —  ούχ  ούτω  γαρ  βύφραινβι  τό  ψανερόν  τής  έ£ουσίαςώς 
το  απόρρητον  τής  ηδονής,  παν  hk  τερπνότερον  τό  κεκλεμμ^νον 
(Philostr.  Ερ.  30;  vgl.  Ον.  Am.  Ιί  19,  3)  ~  sind  nichts  anderem,  ale 
die  Vorschriften  der  von  Tibull  I  2,  15  ff.  und  in  den  verwandten 
Partien  I  6,  5  ff.  8,  55  ff.*®  verwertheten  Liebeslehre  der  alexan- 
drinisohen  Elegie.  Vgl.  Bürger  aO.  S.  88  ff.  127.  Hier  war  in  An- 
lehnung an  die  erotische  Tragödie  (vgl.  Eur.  Hipp.  476  ff.)  uml 
Komödie  (vgl.  Plaut.  As.  75G  ff.)  die  Anweisung  gegeben,  die  Thür 
geräuschlos  zu  entriegeln  und  zu  öffnen  (Tib.  I  2,  10.  18;  vgl.  Ari- 
stoph.  Thesm.  487  f.;  Plaut.  Cure.  158  f.)^'',  die  Wächter  zu  täuschen 


^^  Auf  diese  Stelle  verweist  Leo  aO.  S.  11.  —  Zu  dem  ebd.  an- 
geführten Verse  Ov.  Her.  15,  230  vgl.  Philostr.  Ep.  ed.  Boiss.  S.  20»). 
E.  Rohde,  Der  grriechische  Roman  ^  S.  171,  Anm.  3.    Bürger  aO.  S.  54. 

^  Durch  einen  alexandrinischen  Dichter  (Kallimachos)  vermittelt? 
vgl.  RoitzBDstein,  Epigr.  und  Skolion.  S.  69  f. 

^^  Dieser  ConÜict  zwischen  beiden  bildet  das  Motiv  für  Lygdamus 
III  6;  vgl.  Jalirh.  f.  Phil.  1893  S.  7Γ,9  ff. 

**  Zu  dem  plötzlichen  Umschwung  der  Stimmung  vgl.  Tib.  I  2, 
7—10.  5,  5-8.  9,  3-Π. 

*  "H  Tiv*  ίχβι  σύγκοιτον;  vgl.  Tib.  I  6,  6  nescio  quem  tacita 
callida  nocte  fovet  (Λλλος  έπ€ΐ  ΔημοΟς  θάλπβθ'  ύπό  χλαν(δι;  Α.  Ρ. 
V  173). 

«  Vgl.  Philol.  1901  S.  586. 

"  Die  verrätherische  Thür  auch  bei  Boccaccio  Dec.  VIII  7. 


Zur  römischen  Elegie  605 

(y.  15.  Plaut.  Mil.  153.  467),  lautlos  vom  Lager  aufznetehn  uud 
fortznschleichen  (y.  19;  ygl.  Tib.  I  8,  59.  Nonnoe  Dionye.  XYI 
265  ff.),  sich  durch  σημεία,  συνθήματα  und  νεύματα  λα- 
θρίοια  (Tib.  Ι  2,  21  f.  Plaut.  Ab.  784.  Prep.  IIl  8,  25  f.  Mu- 
saioe  101  —  107.  Heliod.  V  4  ΥΠ  7.  Ach.  Tat.  I  10,  4.  Paul. 
Sil.  A.  P.  Υ  262)  sogar  in  Gegenwart  des  Gratten  gar  trefflich 
za  verständigen^^  —  Lieblingsthemen  des  aus  ähnlichen  Quellen 
wie  Tibnll  schöpfenden  und  diesen  selbst  nachahmenden^®  Ovid: 
vgl.  Am.  I  4.  6*0  U  2.  ^.  19.  III  2".  4.  a.  a.  I  137  f.  489  f. 
597  ff.  32.  III  611—658.  Her.  16,  75  ff.  Wie  Tiboll  auf  die 
verheirathete  Delia  v.  16  (au  den  dum  est:  fortes  adiuvat  ipsa 
Venus),  so  redet  bei  Eur.  Hipp.  476  die  Amme^^  auf  Phaedra 
ein  (τόλμα  b'  έρώσα*  θεός  [sc.  Κύπρις]  έβουλήθη  τάοε),  und 
wie    sie    den  Liebeszauber   zu  Hilfe  ruft  (v.  478  f.    509  f.),    so 

^  Hierher  gehört  auch  das  Spiel  mit  dem  Becher  (Ov.  a.  a.  I 
Γ)7δ  f  A.  P.  V  171,  Lukianos  D.  d.  5,  2  p.  214.  6,  2.  p.  217.  Apuleiue 
Met.  11  16.  Ach.  Tat.  II  9.  Aristaen.  I  25)  und  der  Kniff,  die  begangene 
Untreue  mit  coDstanter  Keckheit  abzuleugnen  (Plaut.  Mil.  188  ff.  Me- 
leagros  Ä.  P.  V  184.  Tib.  I  B,  7  f.  Ov.  Am.  ΪΙ  2,  57.  III  14.  Boccaccio 
Dec.  VI  7).  Hinterher  beschwert  sich  der  έρωτοδιδάσκαλος,  dass  er  von 
der  Geliebten  mit  Hilfe  der  Künste,  die  er  ihr  gelehrt  hat,  selbst  hinter- 
^an^en  wird:  heu  heu  nunc  premor  arte  mea  (Tib.  I  β,  10).  So  be- 
klagt sich  Aristaen.  I  25  die  Hetäre  Philainis  über  ihre  undankbare 
Schülerin,  die  ihr  durch  Anwendung  des  von  ihr  gelernten  Λ^erfahrenβ 
den  Geliebten  abspenstig  gemacht  hat:  τοιαΟτά  μοι  παρ' αυτής  τά  τρο- 
φ€ΐα'  O0TUI  μ€  νΟν  άντιπελαργοΟσα  δικαίαν  άποδ{6ωσι  χάριν. 

2»  Vgl.  Ον.  Trist.   II  447  ff.   (lauter  Anspielungen  auf  Tib.  I  6). 

^  Flehentliche  Bitte  an  den  ianitor.  Derselbe  Von\'urf  bei  Apu- 
leiue Met.  IX  18;  vgl.  Ov.  Am.  112.  Andere  Parallelen  zwischen  Ovid 
und  Apuleius:  Ov.  a.  a.  I  229  ff.  III  762;  Apul.  11  11  (vgl.  Ach.  Tat. 
II  3,  3).  —  Ov.  a.  a.  III  771  ff.;  Apul.  II  17  (vgl.  Ps.-Lukianos  Αούκιος 
ή  όνος  c.  8  ρ.  576  —  c.  10  ρ.  578). 

w  Hierzu  Bürger  aO.  S.  46. 

w  Vgl.  V.  608.  Tib.  I  2,  16.  Die  Abhängigkeit  des  Ovid  von 
hellenieti'^chem  Vorbilde  erhellt  besonders  aus  der  Vergleichung  mit 
Ach.  Tat.  I  9.  10.  II  4;  vgl.  Rh.  Mus.  57,  1902  S.  74.  —  Den  Vor- 
schriften der  Liebeslehre  durchaus  entsprechend  ist  übrigens  auch  das 
Benehmen  des  Thrasyllus  gegen  die  verheirathete  Charite  bei  Apuleius 
Met.  Vlll  2.  Bemerkenswerth  ist  die  Aehnlichkcit  dieser  natürlich  aus 
dt'in  Griechischen  entlehnten  Novelle  mit  der  Erzählung  bei  Plut. 
Amator.  22:  vgl.  Rohde  aO.  S.  590. 

^  An  Stelle  der  τροφός  übernimmt  in  der  Komödie  die  Kupp- 
lerin die  Stelle  des  έρωτο6ι6άσκαλος. 


606  Wilhelm 

auch  TibuU  (v.  41  ff.).  Die  Verse  25—28»*  eind  «nsammeD- 
zuhalten  mit  Prop.  III  16,  11 — 20.  Gemeinsam  ist  der  wohl 
gleichfalls  aus  der  hellenistischen  Elegie  übernommene  Gedanke, 
dass  der  (treu)  Liebende  sacrosanot  ist,  weil  er  unter  dem  Schutze 
des  Amor  und  der  Venus  steht.  Unangefochten  wandelt  er  in 
finstrer  Nacht  (vgl.  Philodemus  A.  P.  V  25),  kein  böses  Thier 
—  statt  der  bissigen  Hunde  bei  Prop.  aO.  ist  bei  Hör.  Ce.  1 
22»^  der  Wolf»•  eingesetzt  —  kann  ihn  verletzen.  Von  der 
Liebeslehre  scheint  Tibull  auch  an  der  Stelle  abhängig  zu  seio, 
wo  er  mahnt,  dass  die  Geheimnisse  der  Venus  zu  verschweigen 
sind  (I  2j  33—40;  vgl.  Ov.  a.  a.  II  603—612)  und  dass  die  diva 
non  mihi  generata  ponto  (Sen.  Phaedr.  •^  279;  vgl.  Tib.  aO.  v.  40) 
an  dem,  der  jene  preisgiebt,  furchtbare  Rache  nimmt. 

Auf  die  besprochene  Versgruppe  16 — 40  folgen  die  auf  den 
Aberglauben  der  Geliebten^®  berechneten  Verse  41  —  58.  Ueber 
das  Motiv  des  Liebeszaubers  bei  den  römischen  Elegikern  und 
seine  griechischen  Quellen  vgl.  Philol.  1901  S.  582  •^  Allerdinge 
glaube  ich,  dass  Tibull  an  dieser  Stelle  in  der  Hauptsache 
von  einer  andern  griechischen  Leetüre  als  der  dort  bezeichneten 

Μ  Vgl.  Ov.  Am.  I  6,  7-14. 

®  Zum  Wesen  des  integer  vitae  scelerisque  purus  di.  mit  einem 
Worte  des  pius  gehört  es,  dass  er  der  Geliebten  die  Treue  hält:  vgl 
Wunder  iu  Jahrb.  f.  Phil.  99  (18(59)  S.  854.  Dass  Horaz  am  Schlüsse  des 
(ledichts  nicht  bloss  die  Sappho  (fr.  2,  3  ff.  δΑυ  φων€ύσας  ύπακού£ΐ  καΐ 
γ€λα(σας  Ιμερόβν),  sondern  auch  einen  hellenistischen  Dichter,  dem  die 
Stelle  der  Sappho  vorschwebte,  nachahmt,  lehrt  Aristaen.  II  21,  wo 
der  Jüngling  der  Geliebten  die  ganz  ähnliche  Schlussversicherung  seiner 
Liebe  giebt:  ίστω  τοίνυν  ίργον  €v  μόνον  έπιδ^Ειον  έμοί  φιλ€!ν  Δ€λ- 
φ{δα  καΐ  οπό  ταύτης  φιλεΤσθαι  καΐ  λαλείν  Tf)  καλή  καΐ  άκούειν  λ  α  λού- 
ση ς.  Nach  dem  λαλεΐν  des  hellenistischen  Vorbilds  ist  der  Name  La- 
lage  gebildet,  wenn  ihn  Horaz  nicht  schon  dort  vorfand. 

^  Die  Begegnung  mit  einem  wilden  Thier  auf  einsamem  Pfade 
gilt  als  der  schrecklichste  der  Schrecken ;  vgl.  Semonides  fr.  14.  Catull. 
4Γ),  7.  Dieses  catuUische  Duett  gemahnt  wie  das  horazische  Ca.  Hl  ^ 
an  die  erotisch-mimische  Lyrik  der  Hellenisten;  vgl.  Crusius  aO,  S.  3i<4. 
Beide  Gedichte  handeln  vom  Glück  des  amor  mutuus  (Catull.  aO.  v.  20) 
Man  beachte,  wie  in  beiden  die  Geliebte  den  Liebenden  im  Ausdruck 
überbietet.  Zum  horazischen  Motiv  (Trennung  und  herzlichste  Ver- 
söhnung) vgl.  Aristaen.  I  22. 

^"^  Nach  dem  Muster  des  Kuripideischen  Ιππόλυτος  κολυπτόμ€νος. 

^  Zum  Typus  der  abergläubischen    Hetäi;e  vgl.   ua.  Lukianos  D. 
mer.  4,  1  p.  28G.     Alkiphron  I  37.    II  4,  15  f.    21. 

8»  Dazu  Bürger  aO.  S.  99  f. 


Zur  römischen  Elegie  607 

abhängig  ist.  £in  coniunx,  der  mit  Hilfe  solcher  Schwarzkunet  ^ 
derartig  verblendet  wird,  daee  er  an  keinen  Hörnerpflanzer  glanbt 
(v.  41.  55)  nnd  seinen  Augen,  die  ihn  in  keinem  andern  Falle  im 
Stich  lassen  würden  (y.  57  f.),  selbst  dann  nicht  traat^S  wenn 
er  sein  Weib  mit  jenem  zusammen  im  eignen  Ehebette  sieht 
(v.  56),  das  iet  ein  Stoff,  der  den  Vergleich  mit  den  pikanten 
Geschichten  von  zauberkundigen  Buhlerinnen  und  geprellten  Gatten 
nahelegt,  wie  sie  Ps.-Lukianos  (Λούκιος  f\  δνος)  und  Apuleius 
(Metamorphosen)  erzählen  ^^,  deren  Vorgänger  auf  diesem  Ge- 
biete, Aristeides  von  Milet^^  Eubios  ua.,  ihre  zahlreichen  Leeer 
in  ihren  dem  Tibull  gewiss  nicht  minder  wie  dem  Ovid  (Trist. 
Π  413  ff.)  bekannt  gewesenen  Novellen  mit  ähnlichen  όκόλα(Ττα 
διηγήματα  (Ps.-Lukianos  Amor.  1)  unterhalten  haben.  Eine  solche 
Novelle  wird  dem  Tibull  vorgeschwebt  haben.  Dieser  Typus 
des  durch  έπψ5αί  (ν.  53)  gebannten  Ehemanns,  der  ου  πκττεύιυν 
τοις  εαυτού  όφθαλμοϊς  οΰθ'  δτι  βλίπουσιν  οοθ'  δτι  έγρηγό- 
ραΟΊν**,  zusehen  muss,  wie  er  zum  Hahnrei  gemacht  wird,  er- 
innert an  die  Figur  des  geleimten  Alten  in  der  Komödie  *^  die 
von  der  Novelle  nicht  unbeeinflnsst  ist^^,  und  lebt  in  dem  alten 
Nikostratus  der  bekannten  Erzählung  des  Boccaccio  Dec.  VII  9 
fort:    er  bemerkt  von  dem  angeblich    bezauberten  Birnbaum  aus 


*o  Vgl.  Boccaccio  Dec.  VIII  7.   IX  5. 

*i  Vgl.  Ov.  Am.  II  2,  57  f.  Viderit  ipee  licet,  credet  tamen  ille 
neganti  Daronabitqne  ocalos  et  sibi  verba  dabit. 

*2  Vgl.  Pe.-Luk.  aO.  c.  4  p.  572  ff.  (die  Gemahlin  des  Hipparcb, 
eine  μάγος  δ€ΐνή  καΐ  μάχλος,  und  ihre  gleichgeartete  Magd  Palaistra); 
Apuleius  aO.  I  8  (Meroe,  saga  et  divina,  potens  caelum  deponere,  ter- 
ram  puspendere,  fontes  durare,  montes  diluere,  manes  sublimare,  deos 
iofirmare,  sidera  extinguere,  Tartarum  ipsum  inluminare;  vgl.  Tib.  I 
2,  42  ff);  1X29.  IX  5  ff.  (die  listige  Tagelöhnerfrau  und  ihr  betrogener 
Gatte;  vgl.  Boccaccio  Dec.  VII  2).  IX  17  ff.  (der  düpirto  Rathsherr 
Barbaras). 

**  Vgl.  Apuleius  aO.  I  1.  Susemihl,  Gesch.  d.  griech.  Litt,  in 
der  Alexaudrinerzeit  II  574.  700.     Rohde  aO.  S.  584  ff. 

**  Pa.-Luk.  aO.  c.  13  p.  581.  Auf  das  Moment  der  Augen- 
täuschung  bei  der  Zauberei  kommt  es  an.  Sonst  hat  die  Stelle  ihrem 
Zusammenhange  nach  mit  dem  TibuUischen  Passus  nichts  zu  thnn. 

4*  Vgl.  Ribbeck,  Gesch.  d.röm.  Dichtung^  IS.  81.  Man  denkt  an 
die  Faliel  des  miles  ^loriosus,  auch  an  Amphitruo:  vgl.  du  Meril  Poesies 
inedites  du  moyen  äge  Paris  1854,  S.  .•]54  Credero  quod  nihil  est  ali- 
quid  fuit  Amphitryoni,  Quod  videt  Decius  credidit  esse  nihil  und  dazu 
Landau  aO.  S.  82. 

«  Vgl.  Rohde  aO.  S.  59G. 


7 


608  Wilhelm 

den  Ehebruch  seiner  Frau  Lydia  mit  seinem  Diener  Pyrrhus  und 
ist  schlieeslich  feet  überzeugt,  dase  seine  leiblichen  Augen  ihm 
eine  falsche  Thatsache  vorgespiegelt  haben  *''.  Unter  den  v.  43  ff. 
angefahrten  Künsten  der  saga  scheint  das  aestivo  convocare  orbe 
nives  (v.  50)  anderweitig  nicht  nachweisbar  zu  sein.  DassTibull 
auch  hier  nach  griechischem  Muster  gearbeitet  hat,  yerräth  die 
von  Huschke  herbeigezogene  Stelle  Diod.  Sic.  V  55,  wo  es  von 
den  Teichinen  heisst :  λέγονται  f  ούτοι  και  γόητες  γεγονέναι  και 
παράγειν  δτ€  βούλοιντο  (vgl.  cum  übet  Tib.  aO.  ν.  49)  νίφη 
τε  και  δμβρους  και  χαλάζ;ας,  ομοίως  hi  και  χιόνα  έφέλ- 
κεσθαι. 

Die  Gruppe  59  —  64  schliesst  mit  einem  Gemeinplatz  der 
erotischen  Poesie  (amor  mutuus):  vgl.  zu  den  von  Leo  PI.  F.S.  130  f. 
und  Hoelzei  aO.  S.  66  f.  angeführten  Stellen  Flaut.  Mil.  100  f.  Tbeokr. 
Id.  12,  15  f.  Bion  8*».  Die  v.  65  ff.  fingirte  Persönlichkeit  dee 
ferreus^®,  der  es  über  sich  gewinnen  kann,  dem  Liebchen  Eriege- 
ruhm  und  Beute  vorzuziehen,  ist  in  der  £legie  typisch:  vgl. 
Prop.  III  12.  20.  Ganze  Sehaaren  von  Barbaren  vor 
sich  hertreiben  dy  ganz  in  Gold  und  Silber  gerüstet,  hoch 
zu  Ross  und  dadurch  vor  allen  kenntlich,  so  ist  er  ähnlich 
dem  άλαΖ[ών  gedacht,  den  Lukianos  D.  mer.  13  nach  dem  Vor- 
bild des  Menandrischen  Μισούμενος^^  prahlen  läset:  προεΕήλασα 
τών  δλλιυν  Ιτπτ^ιυν  έπι  του  ϊππου  του  λευκού  ...  οι  Γο- 
λάται^*  καίτοι  αλκιμοι  δντες  ίτρεσαν  ευθύς  ώς  εΐοόν  με  και 
ούόεις  ?τι  ύπίστη  (1)  .  .  .  Άλλ'  έγώ  τολμήσας  παρήλθον  Ις 
το  μίσον  ου  χείρον  του  ΤΤαφλαγόνος  ώπλισμένος,  άλλα  πάγ- 
χρυσος  και  αυτός,  ώστε  βοή  ευθύς  έγ^νετο  και  παρ*  ημών 
και  παρά  τών  βαρβάρων  έγνώρισαν  γάρ  με  κάκεΐνοι  1δόντ€ς 
άπό  της  πίλτης  μάλκΤτα  και  τών  φαλάρων  και  του  λόφου  (3;. 
Das  Gegentheil  jenes  ferreus  ist  der  bei  den  Erotikem  so  oft 
wiederkehrende  Liebhaber,  dem  aller  Ruhm  und  alle  Schätze  der 


*'  Directe  Blindheit  an  Stelle  der  Verblendung  in  Scheraemins 
Erzählung  bei  Wieland,  Oberon  VI  m  ff.;  vgl.  H.  Düntzer,  Erläute- 
rungen zu  deutschen  Classikern  II.  Wielande  Oberon.  2.  Aufl.  S  Tl. 
M.  Kocli ,  Das  Quellenverhältnies  von  Wielands  Oberon.  S.  55.  — 
lieber  antiken  Einfluse  auf  Boccaccio  vgl.  Landau  aO.  S.  288;  Rohde 
aO.  S.  572  ff.;  Gaspary,  Gesch.  d.  ital.  Litt.  II  33  f. 

*e  Dazu  Anm.  36. 

«  Vgl.  Leo,  Phil.  Unters.  II  S.  37. 

50  Ribbeck,  Alazon  S.  36. 

51  Dafür  bei  Tib.  aO.  v.  67  die  Cilicier.   wie  bei  Plaut.  Mil  42. 


Zar  römisohen  Elegie  609 

Welt  gegenüber  dem  traulichen  Zusammenleben  mit  der  Geliebten 
Dichte    bedeuten    (vgl.  ua.  Plant.  Cure.   178  ff.    Catnll.  45.     Me- 
nandroR  bei  Alkiphron  U  3,  12):    κδν  πέτραν  οΐκώμεν,  eO  olba 
Άφροοίσιον  αυτήν  το  eövouv  ποιήσειν  (Glykera  an  Menandros 
bei  Alkiphr.  11  4,  10;    vgl.  Tib.  aO.  y.  74).      Die    ganze    Reihe 
y.  65 — 74  ist  nichts  als  die  ausführliche  Ausmalung  des^Non  ego 
laodari    ouro,    mea  Delia:    tecum  Dum  modo  sim,  quaeeo  segnis 
inersque  yocer'  der  ersten  £legie  (y.  57  f.).     Zu  dem  folgenden 
(v.  75 — 78)  überaus  oft,  am  anschaulichsten  yon  Heliod.  VII  9, 
behandelten  Gemeinplatz    yon    den    qualyoUen  Nächten    des    un- 
glücklichen Liebhabers  ygl.  Philol.  1901,  S.  586.     Der  Liebende, 
der  sein  Leid  der  Verletzung  der  Gottheit  zuschreibt  (y.  79  ff.), 
begegnet    in    der  Komödie  (Plaut.  Cas.  617)  und    wird    in    der 
alexandrinischen   Elegie  ebenso  wenig  gefehlt  haben  (ygl.  Cydippe 
an  Acontius  bei  Oy.  Her.  20,  47  flP.    177  ff.)  wie  der  bussfertige 
όυσέρως  (Tib.  aO.  y.  83  ff.),     unter    den  hier  bezeichneten  αλ- 
λόκοτοι προσκυνήσεις,  wie  sie  im  Δεισιδαίμων  ^'  des  Menandros 
verspottet  waren,  habe  ich  das  tundere  poste  caput  sonst  nirgends 
belegt  gefunden.     Dem    yoröbergehenden  jugendlichen  Spötter**, 
der    sich    an  dem  Unglück   des  Ausgeschlonsenen  weidet  (^^7)  ^, 
wird  das  Schicksal  des  πάλιν  μειρακιευόμενος  πρεσβύτης**  pro- 
phezeit (87 — 96),  welcher  nach  langer  Verachtung  des  Amor  be- 
kennen muss:    αυχένα   σοι   κλίνιυ,    Κύπρι,    μεσαιπόλιος 
(Paul.  Sil.  Α.  Ρ.  V  234;  ygl.  Tib.  aO.  ν.  90  po.t  Veneris  vinclis 
eubdere  colla  senem).  So  giebt  Meleagros  A.  P.  XII  '2*0  yor,  die 
κιυμά21οντες    oft  yerlacht    zu    haben    (τοις    δυσέρωσι  Κώμοις 
ήιθέων  πολλάκις  έγγελάσας.  ygl.  Tib.  aO.  y.  89  qui  iuyenum 
miseros  lusisset  amores),  bis  er  sich  selbst  yom  triumphirenden 
Eros  vor  die  Thür  eines  Geliebten  gestellt  sieht.  Auf  der  Vorschrift 
der  Liebeslehre,    dass,   wer  die  Herrin  gewinnen  will,    sich    erst 
die  Dienerin  geneigt  machen  muss  (Ter.  Heaut.  300  f.    Oy.  a.  a. 
1  351  f.    II  251  ff.    Ach.  Tat  II  4.  2),  beruht  y.  94.    Vgl.  Bürger 
aO.  S.  59.     Von  einem  solchen  Gespräch  zwischen  einem  Jüngling 
and  der  Magd  der  Geliebten  berichtet  Aristaen.  I  22^.    Zu  y.  97  f. 
vgl.  Oy.  Am.  II  9. 

Ratibor.  Friedrich   Wilhelm. 


^  Nach  Meinekes  Vermuthuug  von  Piutarch  iu  der  Schrift  περί 
6€ΐσιοαιμον{ας  benutzt. 

^  Hoelzer  denkt  an  einen  grassator  nocturnus.  Aber  eiu  solcher 
läset  68  beim  blossen  bpott  nicht  bewenden;  vgl.  £1.  in  Maec.  1,  29. 

"  Zu  V.  88,  wo  freilich  die  Lesart  schwankt,  ist  das  Trostwort 
der  Cbrysothemis  an  Elektra  bei  Sopli.  El.  91(1  f.  verglichen  worden: 
τοις  αύτο1σ{  τοι  Ούχ  αυτός  aUl  δαιμόνων  παραστατεϊ. 

»  Hoelzer  S.  37. 

^  Vgl.  Boccaccio  Dec.  11  5. 


mwiD.  Μαβ.  f.  PhUol.  Ν.  F.  Lyil.  39 


Vj 


DER  VATER  DER  SISYGAMBIS 

UND  DAS  VERWANDTSCHAFTSVERHAELTNISS 

DES  DAREIOS  UI  KODOMANNOS 

ZU  ARTAXERXES  II  UND  III 

Bekanntlich  leitete  der  GroeskÖnig  Artaxerzee  III  Ocbos 
seine  Regierung  durch  ein  graueigee  Blutbad  ein,  indem  er  alle 
Mitglieder  dee  Achämenidengeschlechtes  und  des  Hofes,  von  denen 
er  in  irgend  einer  Weise  Gefahr  fHr  den  Bestand  seiner  Herr- 
schaft befürchten  zu  müssen  glaubte,  ohne  Rücksicht  auf  Bluts- 
verwandtschafty  Alter  und  Geschlecht  abschlachten  Hess.  Von 
diesem  Massenmord  besitzen  wir  in  zusammenhängender  Dar- 
stellung der  persischen  Geschichte  nur  einen,  ganz  kurz  und  all- 
gemein gehaltenen  Bericht  bei  Justinus  X  3,  1 :  Hereditas  regni 
Ocho  tradita,  qui  timens  parem  coniurationem  (als  die  seines 
Bruders  Dareios  gegen  Artaxerxes  Π  gewesen  war)  regiam  cogna- 
torum  caede  et  strage  principum  replet,  nulla,  non  sanguinis,  non 
sexus,  non  aetatis  misericordia  permotus:  scilicet  ne  innocentior 
fratribuB  parricidis  haberetur.  Daneben  erzählen  aber  noch  zwei 
andere  Schriftsteller  des  Alterthume  von  einer  gewaltigen  Metzelei, 
die  jener  Perserkönig  unter  den  höchststehenden  Persönlichkeiten 
seiner  Umgebung  angerichtet  habe ;  ja  sie  geben  über  dieselbe 
genauere  Einzelheiten  als  sie  Justin  bietet,  freilich  beide  nicht 
in  zusammenhängender  geschichtlicher  Erzählung  sowie  ohne  An- 
gabe der  Zeit,  in  welcher  die  blutige  Tragödie  sich  abspielte, 
und  der  Umstände,  durch  welche  sie  herbeigeführt  wurde.  Va• 
lerius  Maximus  berichtet  in  seiner  Sammlung  historischer  Bei- 
spiele (IX  2  Ext,  7)  Folgendes:  Apertior  et  taetrior  alterins 
Ochi  cognomine  Artaxerxis  crudelitas,  qui  Atossam  sororem  atqne 
eandem  socrum  vivam  capite  defodit  et  patruum  cum  centum 
amplius  filiis  ac  nepotibus  vacua  area  destitutum  iaculis  confixit» 
nulla  iniuria  lacessitns,   sed    quod  in  bis    maximam    apnd  Persas 


Der  Vater  der  Sysi^rambis  usw.  611 

probitatie  et  fortitndioie  laadem  coneietere  yidebat.  Die  zweite 
Stelle  findet  eioh  bei  Curtiue  X  5,  23,  wo  auf  dasselbe  Ereigniss 
angespielt  za  werden  scheint  wie  bei  Yaler.  Max.  Hier  heisst 
es:  Sabibat  inter  haec  animum  (sc.  Sisygambis)  ootoginta  fratres 
snos  eodem  die  ab  Ocho,  saevissimo  regum,  tracidatos  adieotnm- 
qne  stragi  tot  filioram  patrem. 

Bezieben  sich  nnn  die  Angaben  des  Valerius  und  Curtins 
auf  dasselbe  Ereigniss,  von  dem  Justin  berichtet?  Es  wäre  ja 
immerhin  nicht  ganz  unmöglich,  dass  Oohos  wiederholt  einen 
solchen  'Aderlass'  zu  seiner  Sicherheit  für  nöthig  erachtet  und 
vollzogen  hätte.  Indessen  dies  ist  sowohl  an  sich  als  wegen  des 
Schweigens  Justins  kaum  glaublich,  und,  dass  wenigstens  Valerias 
von  dem  gleich  nach  der  Thronbesteigung  des  Ochos  erfolgten 
Blutbad  spricht,  das  auch  Justin  berichtet,  wird  dadurch  ausser 
allen  Zweifel  gestellt,  dass  beide  Schriftsteller  dasselbe  Motiv 
für  die  Unthat  des  Herrschers  angeben  (Just:  timens  parem  con- 
inrationem,  Valer.:  qnod  in  bis  maximam  apud  Persas  probitatis 
et  fortitudinis  laudem  consistere  videbat).  Da  nun  aber,  wie  ich 
glaube,  auch  die  Notiz  des  Curtius  mit  der  Erzählung  des  Va• 
lerius  sich  vollkommen  in  Einklang  bringen  läset,  so  kann  es 
keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Angaben  aller  drei  Schrift- 
steller auf  ei nu η d denselben  Vorgang  sich  beziehen  und  daher  ge- 
trost mit  einander  in  gegenseitiger  Ergänzung  für  die  Darstellung 
desselben  combinirt  werden  dürfen  ^.  Nur  eine  auf  den  ersten 
Blick  sehr  auffällige  Abweichung  zwischen  Valer.  und  Curt. 
scheint  dem  im  Wege  zu  stehen.    Valer.  giebt  nämlich,  wie  wir 


^  YoD  den  neueren  Darstellern  df  r  persischen  Geschichte  stützen 
sich  Spiegel,  Eran.  Alterthumskunde  Bd.  2  S.  480  und  Grote,  Gesch. 
Griechenlands  V*  S.  544  A.  124  nur  auf  die  Erzählung  Justins.  Noel- 
deke,  Aufisätze  zur  pers.  Gesch.  S.  7.0  hält  die  Angaben  des  Curtius, 
die  noch  weiter  gehenden  des  Valer.  Max.  car  nicht  berücksichtigend, 
für  übertrieben,  bezieht  sie  aber  auf  denselben  Vorgang,  von  dem 
Justin  berichtet;  ihm  schliesst  sich  Judeich  in  Pauly•  Wisse  was  Real- 
encyklopädie  u.  Artaxerxes  H.  Halbb.  8.  1318  völlig  an.  Nur  Droysen 
(Gesch.  d.  Üellenismns  Bd.  1  S.  57)  und  Jusii  (Gesch.  d.  alten  Persiens 
S.  137)  verschmelzen,  wenn  sie  auch  ihre  Quellen  nicht  ausdi-ücklich 
anführen,  die  Nachrichten  aller  drei  ^^cbriΓtβteIler  mit  einander,  wie 
sowohl  ihre  Darstellung  als  namentlich  der  Umstand,  dass  sie  weiter- 
hin, allein  unter  den  Modernen,  sich  über  die  nur  aus  Curt.  X  5,  23 
und  Valer.  Max.  1X2  Ext.  7  zu  ergruitdende  Herkunft  der  Sisygambis 
äussern,  deutlich  erkennen  lassen. 


f)12  Keubaus 

sahen,  die  Zahl  der  Ermordeten  auf  mehr  als  100,  Gart,  nur 
auf  80  Personen  an.  Aber  diese  Differenz  verschwindet,  wenn 
man  erwägt,  dass  ersterer  erzählt,  Ochos  habe  seinen  Vatere- 
bruder  mit  über  100  Söhnen  und  Enkeln  tödten  lassen  {pa- 
fruum  cum  centam  amplius  filiis  ac  nepotibus)^  letzterer  dagegen 
nur  von  den  Brüdern  und  dem  Vater  der  Sisygam bis  spricht. 

Voraussetzung  hierbei  ist  nur,  dass  unter  dem  Vatersbrnder 
des  Ochos  bei  Valer.  und  dem  Vater  der  Sisygambis  bei  Gurt, 
dieselbe  Person  zu  verntehen  ist,  und  so  werden  wir  auf  die 
nicht  nur  für  die  Quellenkritik,  sondern  auch  geschichtlich  wich- 
tige Frage  geführt:  Wer  war  der  Vater  der  Sisygambis  und  in 
welchen  verwandtschaftlichen  Beziehungen  stand  der  letzte  Pereer* 
könig  Dareios  Kodomannos  zu  seinen  Vorgängern  Artaxerxes  II 
und  Artaxerxes  III?  Die  sichere  Entscheidung  dieser  Frage  wird 
durch  die  Dürftigkeit  der  uns  zu  Gebote  stehenden  IJeberlieferang 
sehr  erschwert.  Abgesehen  von  der  uns  beschäftigenden  Stelle 
des  GurtiuR  findet  sich  nämlich  nirgends  die  geringste  Andeutung 
über  die  Herkunft  der  Mutter  des  Dareioe  III ;  nur  über  des 
letzteren  Vater  Arsanes  giebt  uns  Diod.  XVII  5,  5  die  Auskunft, 
dass  derselbe  der  Sohn  des  Ostunes,  des  Bruders  des  Artaxerxes  II 
^vgl.  Plut.  Artax.  1),  war.  Von  den  modernen  Historikern  äussern 
sich  über  das  Verwandtschaftsverhältniss  der  Sisygambis  zum 
Hause  der  Aohämeniden  meines  Wissens  nur  Droysen^  und  JuBti^ 
aber  in  entgegengesetztem  Sinne;  nach  ersterem  war  Sisygambis 
eine  Tochter  des  Artaxerxes  II,  nach  letzterem  eine  Tochter  des 
Ostanes  und  Schwester  und  Gattin  zugleich  des  Arsanes.  Da 
keiner  von  beiden  Gelehrten  die  Gründe,  auf  die  seine  lieber- 
Zeugung  sich  stützt,  angegeben  hat,  so  sei  uns  der  Versuch  ge- 
stattet, selbst  zu  ergründen,  wie  sie  zu  ihren  Ansichten  gelangt 
sind  und  welche  Anschauung  die  richtige  ist. 

Das  Fundament  der  ganzen  Untersuchung  kann  nur  unsere 
Curtiusstelle  bilden,  aus  ihr  allein  kann  überhaupt  gefolgert  wer- 
den, dass  Sisygambis  dem  Hause  der  Achämeniden  angehört  hat^. 


ί  aaO.  S.  64 

8  aaO.  S.  1Γ)  vgl.  39  und  Iran.  Namenbucb,  ^Marburg  1895,  S.  304 
vgl.  399. 

8  Freilich  kommen  auch  Stellen  in  Betracht,  wie  Diod.  XVII 
87,  β  (Alexander  redet  die  bei  Issos  gefangene  Sieygarobis  'Mutter  an, 
versichert,  sie  solle  ihm  eine  zweite  Mutter  sein,  und  läset  ihr  die  ge- 
wohnten königlichei.  Ehren  erweisen)  und  118,3  '.Sisygambis  nimmt 
sich  nach  Alexanders  Tod  selbst  das  Leben  καταθρηνήσασα  ....  τήν 


Der  Vater  der  SiBygambis  uew.  613 

Freilich  giebt  Gurt,  kein  anderes  Motiv  für  die  Blutthat  des 
Ochos  an  als  seine  Grausamkeit,  aber  durch  den  Vergleich  mit 
den  Nachrichten  des  Justin  und  Valerins  Maximus  ergiebt  sich 
zürn  mindesten  so  viel,  dass  den  Tyrannen  bei  der  Ermordung 
der  Brüder  der  Sisygambis  (und  ihres  Vaters?),  von  der  Curtius 
spricht,  dasselbe  Interesse  geleitet  haben  muss,  das  ihm  Valerius 
und  Justin  in  ihrer  Erzählung  seiner  Greuel  zuschreiben,  dass 
also  die  Familie  der  Sieygambis  ein  Zweig  des  königlichen 
Hauses  gewesen  sein  muss.  Ebenso  muss  aber  auch  jeder  weitere 
Versuch,  Genaueres  über  die  Abkunft  der  Sisygambis  zu  er- 
gründen, von  derselben  Stelle  ausgehen.  Alles  hängt  ab  von 
der  sachgemässen  Erklärung  der  Worte:  'adiectumque  stragi  tot 
filiorum  patrem'  und  ihrer  richtigen  Combination  mit  den  anderen 
ans  erhaltenen  auf  die  Verhältnisse  in  der  königlichen  Familie 
bezüglichen  Stellen.  Nimmt  man  die  Worte  des  Curtius 
für  sich  allein,  so  kann  er  mit  ihnen  doch  nur  mei- 
nen, dass  nach  der  Ermordung  seiner  80  Söhne  auch 
noch  der  Vater  der  Sisygambis  niedergemetzelt  wor- 
den sei.  Nun  hat  man  jedoch  —  wenigstens  weiss  ich  es  mir 
nicht  anders  zu  erklären  —  diese  Worte  einerseits  mit  der  Er- 
zählung Plutarchs  Artax.  30,  dass  Artaxerxes  II  aus  Schmerz 
über  den  durch  die  Hinterlist  des  Ochos  bewirkten  Tod  seiner 
beiden  andern  Söhne  Ariaspes  und  Arsames  gestorben  sei,  an- 
dererseits mit  Justine  (X  1,  1)  Angabe,  dass  jener  König  118  Söhne 
gehabt  habe,  in  Verbindung  gebraclit.     Beides  lag  nahe,  da  der 

εαυτής  έρημ{αν,  vgl.  Jast.  XIII  1,  0:  quod  pietatera  filii  in  eo,  quem 
ut  hoBtem  timuerat,  experta  eseet);  ferner  die  genau  mit  Diod.  XVII 
37, 6  übereinstimmenden  Parallelerzählungen  des  Curtius  III  12,  13  ff., 
Platarch  Alex.  21  und  Justin  XI  9,  12  ff.  über  die  erste  Begegnuujsf 
zwischen  Alexander  und  Sisygambis;  die  Schilderungen  der  hohen  Ver- 
ehrung, die  der  Eroberer  stets  der  unglücklichen  Frau  zollte  (Curt.  V 
2,  18  ff.;  3,  12  ff.;  Plut.  Alex.  30),  und  endlich  auch  Curt.  V  3,  13,  wo 
sich  Sisygambis  selbst  als  regina  bezeichnet.  Man  könnte  sagen,  dass 
Alexander  so  grosse,  in  den  ihm  von  Curt.  V  2,  22  in  den  Mund  gelegten 
Worten:  'Dulcissimae  matri  Olyrapiadi  nomen  debitum  tibi  reddo* 
gipfelnde  Ehren  nur  einer  wirklich  königlichen  Frau,  einem  Gliede 
dee  Achämenidenhauses,  erwiesen  haben  würde.  Gleichwohl  geben  uns 
alle  diese  Stellen  keine  absolute  Gewissheit  darüber,  ob  Sisygambis 
schon  durch  Geburt  dem  königlichen  Hause  angehört  hat;  alles  dort 
Erzählte  könnte  auch  darin  allein  seine  Erklärung  finden,  dass  sie  eben 
die  Mutter  des  regierenden  Herrschers  war.  (S.  über  die  Stellung  der 
Königinmutter  am  persischen  ilofe  Spiegel  aO.  3,  680.) 


ϋ14  NeuhauB 

Aasdruck:  *  adiectumque  etragi  tot  filiorum  patrem  die  Todeeart 
des  Vaters  der  Sisygambis  nicht  beetimmt  genug  erkennen  läest 
und  die  aaffällig  hohe  Zahl  (80)  seiner  getödteten  Söhne  von 
selbst  die  Gedanken  anf  Artaxerxes  lenkte,  der  sich,  wie  man 
aas  Justin  wusste,  eines  der  Angabe  des  Curtins  entsprechenden 
Beichthums  an  Söhnen  erfreut  hatte.  Es  hätte  freilich  dabei 
nicht  vergessen  werden  dürfen,  dass  nach  Valerins  Maximus  auch 
der  auf  Ochos  Befehl  ermordete  patmus  desselben,  also  der  Bruder 
des  Artaxerxes  II,  eine  annähernd  gleiche.  Zahl  von  Söhnen  ge- 
habt haben  muss  als  letzterer  nach  Justin ,  da  über  100  Söhne 
und  Enkel  mit  ihm  niedergemacht  wurden;  ja,  ich  wage  sogar 
zu  behaupten,  dass  die  Primärquelle,  auf  die  die  Angabe  des 
Valerius  Maximus  zuiückgeht,  die  Ziffern  ftir  die  Zahl  der  ge- 
tödteten  Söhne  und  Enkel  von  einander  gesondert  enthalten  und 
für  die  Söhne  dieselbe  Ziffer  -  80  —  geboten  hat,  welche  Curtiue 
(ans  derselben  Quelle)  für  die  Zahl  der  ermordeten  Brüder  der 
Sisygambis  giebt.  Dazu  ist  wohl  noch  ein  drittes  Moment  ge- 
kommen, auf  das  Herr  Prof.  Justi  in  Marburg,  dem  ich  über- 
haupt mehrere  werthvolle  Fingerzeige  für  die  Behandlung  der  in 
Rede  stehenden  Frage  zu  danken  habe,  mich  aufmerksam  gemacht 
hat,  nämlich  die  Verwechselung  des  von  Diod.  XVII  5,  5  ge- 
nannten Arsanes  (in  Wirklichkeit  ein  Bruderssohn  des  Arta- 
xerxes II)  mit  dem  bei  Plut.  Artax.  30  erwähnten  Sohn  des 
Artaxerxes  II,  Arsames.  Beide  Personen  sind  schon  von  den 
Chronographen  des  Altert  bums  in  den  Eönigslisteu  wegen  ihres 
fast  gleichlautenden  Namens  sehr  häufig  zusammengeworfen  wor* 
den  S  und  dasselbe  ist  dann  von  den  Neueren  geschehen,  die  da- 
bei die  ausdrückliche  Angabe  Diodors,  dass  Arsanes  der  Sohn 
des  Getanes,  Bruders  des  Artaxerxes,  gewesen  sei,  entweder  über- 
sehen oder  ihr  keinen  Glauben  geschenkt  haben  raünsen.  Auf 
diese  Weise  hat  sich  dann  die  Ansicht  gebildet,  dass  als  der 
pater  der  Sisygambis  bei  Curt.  Artaxerxes  II  anzusehen  sei,  die 
80  ermordeten  Brüder  derselben  zu  den  118  Söhnen  dieses  Königf 
gehörten  und  die  Worte :  adiectumque  etragi  tot  filiorum  patrem 
nicht  von  einem  gewaltsamen  Tode  des  pater  der  Sisygambis  zu 
verstehen,  sondern  aus  Plut.  Artax.  30  zu  erklären  seien,  kurz, 
dass  Sisygambis    eine    Tochter    des    Artaxerxes  II   »ei- 


^  Vgl.  Justi,   Iran.  Namenbuch    und   Judeich  iu  Pauly- Wiesowae 
Healenc>klop.  u.  Areanes. 


Der  Vater  der  Sisygambis  usw.  615 

Sie  findet  sich  anseer  bei  Droysen  ancli  in  Teuffels  Realencyklo- 
pädie^  und  in  der  Encyklop.  Britannica'. 

Allein  gegen  diese  Annahme  erheben  sieh  die  schwersten 
Bedenken : 

1)  hat,  wie  bereits  erwähnt  ist,  nach  der  einzigen  aus- 
führlichen Erzählung  über  den  Tod  des  Artaxerxes  II,  die  wir 
besitzen,  Plut.  Art.  30,  Ochos  bei  Lebzeiten  seines  Vaters  nur 
zwei  seiner  Bruder,  die  gefürchtetsten  Rivalen  um  die  Herrschaft, 
aus  seinem  Wege  geräumt,  und  der  Tod  dieser  beiden  Lieblings- 
söhne  hat  genügt  den  greisen  König  mit  Kummer  und  Öram  in 
die  Grube  zu  stürzen. 

2)  nach  Justins  ausdrücklicher  Angabe  hat  Ochos  erst  nach 
dem  Tode  seines  Vaters  und  nach  seiner  Thronbesteigung  die 
Abschlachtung  seiner  zahlreichen  übrigen  Verwandten  angeordnet. 

3)  ist  es  schon  an  sich  ganz  unglaublich,  dass  Ochos,  so 
lange  sein  Vater  noch  lebte  und  herrschte  —  denn  auch  nach 
dem  Tode  des  ursprünglichen  Thronfolgers  Dareios  und  des 
Ariaspes  wurde  er  nicht  zum  Nachfolger  ansersehen,  geschweige 
denn  zum  Mitregenten  erhoben,  wie  Plutarchs  Erzählung  (c.  30 
vgl.  26)  ausser  allen  Zweifel  stellt  —  ein  solches  Blutbad  unter 
seinen  Brüdern  anzurichten  hätte  wagen  dürfen. 

4)  würde  Curtius,  wenn  Sisygambis  wirklich  eine  Tochter 
des  Artaxerxes,  demnach  eine  Schwester  des  Ochos,  also  die 
80  Brüder,  deren  Ermordung  durch  Ochos  er  sie  beklagen  lässt, 
ebenfalls  Söhne  desselben  Königs  und  Brüder  des  Ochos  gewesen 
wären,  sie  gewiss  haben  sagen  lassen:  ihre  und  seine  eigenen 
Brüder  seien  von  Ochos  getödtet  worden  (octoginta  fratres  suos 
ipsiusque). 

5)  berichtet  Gurt.  V  3,  12,  dass  Madates,  Satrap  der  Uxier, 
mit  der  Tochter  einer  Schwester  der  Sisygambis  vermählt  und 
so  ein  naher  Verwandter  des  Dareios  Kodomannos 
gewesen  sei.  Auch  hier  fällt  es  auf,  dass  Curtius,  wenn  er  wirk- 
lich   Sisygambis    für    eine    Tochter   des   Artaxerxes  II    gehalten 


^  Bd.  2,  Ηβ5  u.  Darius.  liier  wird  auf  Aelians  Var.  Hist.  XII 
43  als  Beleg  hingewiesen,  wo  eicli  aber  nur  die  Worte:  Ό  bi  τελευ- 
ταίος Δαρείος  ό  ύπό  'Αλεξάνδρου  νικηθείς  δούλος  (so  in  der  Ausgabe 
von  Hercher,  alte  Lesart:  δούλης)  ήν  finden,  die  für  alles  andere  eher 
sprechen  als  dass  Sisygambis  eine  Tochter  des  Artaxerxes  gewesen  sei, 
jedenfalls  aber  nicht  das  Geringste  zur  Entscheidung  der  Frage  nach 
ihrem  Vater  beitragen  können. 

2  Vol.  VI  p.  826  u.  Darius. 


616  Neubaue 

hätte,  weder  den  Namen  ihrer  Schwester  genannt  noch  die  Zu- 
gehörigkeit derselben  zu  dem  regierenden  Zweige  der  Acbäme- 
niden  erwähnt  haben  Rollten  Auch  sollte  man  doch  in  diesem 
Falle  erwarten,  daes  der  Schrifteteller  nicht  bloss  von  einer  Ver- 
wandtschaft des  Madatee  mit  Dareios  redete,  sondern  yielmehr 
hervorhöbe,  dass  jener  Satrap  durch  seine  Heiratb  auch  mit  den 
Groeskönigen  Artaxerxes  II  und  III  oder  mit  dem  königlicben 
Hause  überhaupt  verwandt  geworden  sei. 

6)  endlich  haben,  wenn  Justis  Vermuthung ,  eine  Ver- 
wechselung des  Ärsanes  bei  Diodor  mit  dem  Arsames  bei  Plu- 
tarch  habe  zur  Bildung  der  Ansicht,  Sisygambis  sei  eine  Tochter 
des  Artaxerxes  II,  mitgewirkt,  richtig  ist,  die  Gelehrten,  denen 
dieser  Irrthnm  zugestossen  ist,  übersehen,  dass  in  diesem  Falle 
der  Arsanes  Diodors  doch  zum  Sohne  des  Artaxerxes  II  und 
Bruder  der  Sisysambis  wie  des  Ochos  selbst  würde,  Dareios  III 
aber  von  väterlicher  wie  von  mütterlicher  Seite  ein  Enkel  des 
Artaxerxes  II  und  Neffe  des  Ochos  und  damit  als  legitimes  erb- 
berechtigtes Mitglied  der  regierenden  Linie  der  Achämeniden  ein, 
wenn  auch  vielleicht  wegen  jugendlichen  Alters  nicht  sogleich, 
ho  doch  für  spätere  Zeit  dem  Ochos  sehr  gefährlicher  und  zu 
fürchtender  Nebenbuhler  um  die  Herrschaft  gewesen  sein  würde. 
Dann  wäre  es  aber  einerseits,  zumal  im  Hinblick  auf  die  An- 
gabe des  Valerius  Maximus,  dass  der  argwöhnische  Tyrann  seinen 
Oheim  sammt  Söhnen  und  Enkeln  tödten  Hess,  und  des  Justin, 
dass  er  alle  irgendwie  hervorragenden  Angehörigen  des  königlichen 
Hauses  ohne  Rücksicht  auf  den  Grad  der  Verwandtschaft,  auf 
Alter  und  Geschlecht  hinschlachten  Hess,  völlig  räthselbaft 
warum  Ochos,  der  Mörder  des  Vaters  (Arsames),  den  Sohn, 
dessen  Eache  und  Rivalität  er  mehr  als  die  irgend  einer,  anderen 
Prinzen  zu  fürchten  hatte,  verschont  haben  sollte;  anderereeite 
aber  würde  alles,  was  Diodor,  Plutarch,  Justin  u.  A.  uns  über 
das  Jugendleben  des  Dareios  Kodomannos  und  sein  Emporkommen 
aus  niedrigen  und  dürftigen  Verhältnissen  (er  soll  in  seiner  Ju- 
gend königlicher  άστάνοης  di.  Courier,  Eilbote  gewesen  sein,  ja 
er  wird  sogar  geradezu  als  6ουλος  bezeichnet)  berichten^,  völlig 
unbegreiflich. 

^  Dies  und  das  vorhergehende  Argument  verdanke  ich  der  Güte 
des  Herrn  Prof.  Jueti. 

2  Vgl.  Plut.  Alex.  IS  u.  de  Alex.  fort.  II;  II  H;  Diod.  XVII 
30,  7;  Ju8t.  X  3,  3;  Curt.  III  .3,  2  ff.;  Stralw  XV  3,  24;  Aelian  Var. 
Hist.  XII  43. 


Der  Vater  der  Sieygambis  usw.  617 

Voo  welcher  Seite  man  also  auch  die  Annahme,  Sieygambis 
eei  eine  Tochter  des  Artaxerxee  U  geweseir,  betrachten  mag, 
immer  Rtellt  sie  eich  als  unhaltbar  heraus.  Ich  bin  daher  tiber- 
zeugt, dass  Gurt.  X  5,  23  nicht  mit  Plut.  Artax.  30  und  Jast.  X 
1, 1,  sondern  mit  Valer.  Max.  IX  2  Ext.  7  (sowie  mit  Diod.  XVli 
0,5  und  Just.  X  3,  1)  zu  combiniren  und  darch  letztere  Stellen 
zu  erklären  ist.  Nach  Valer.  Max.  Hess  Ochos,  wie  wir  wissen, 
auch  seinen  Vatersbruder  mit  über  100  Söhnen  und  Enkeln  tödten. 
Dieser  patruus  aber  ist  jedenfalls  kein  anderer  als  der  von  Diod. 
aO.  genannte  Ostanes,  8ς  ήν  όοελφός  ΆρταΕβρΗου  του  Περσών 
βα(Τιλεύ(Ταντος,  Vater  des  Arsanes  und  Gross vater  des  DareiosIII. 

Nach  Ktesins  nämlich  (Exe,  Phot.  §  49),  der,  wie  er  ver- 
eichert,  seine  Angaben  der  Parysatis  persönlich  verdankt,  hatte 
diese  Königin  ihrem  Gemahl  Dareios  Π  18  Kinder  geschenkt,  von 
denen  die  ältesten  eine  Tochter,  Amestris,  und  drei  Söhne :  Ar- 
eakas,  als  König  Artaxerxes  genannt,  Kyros  und  Artostes  waren. 
Nur  die  genannten  und  noch  ein  vierter  jüngerer  Sohn,  Oxendras, 
wuchsen,  wie  Etesias  weiter  berichtet,  heran,  während  die  tibrigen 
Kinder  schon  früh  starben.  Auch  Plutarch  Artax.  1,  1  (vgl.  5,  8 
Q.  22,  6)  fuhrt,  nach  seinem  eigenen  Zeugniss  Ktesias  folgend, 
vier  Söhne  des  Dareios  II  und  der  Parysatis  an:  Arsikas,  Kyros, 
Ostanes  und  Oxathres.  Auffällig  erscheint  es  hierbei  anfange, 
dass  Plutarch,  trotzdem  er  unmittelbar  nachher  (1,  2)  dem  Ktesias 
betreffs  des  ursprünglichen  Namens  des  Artaxerxes  grössere 
Glaubwürdigkeit  zuerkennt  als  dem  Deinon^,  den  Söhnen  des 
Eönigspaares  Namen  giebt,  die  zwar  den  von  Photios  aus  Ktesias 
entlehnten  ähnlich,  aber  doch  immerhin  abweichend  sind.  In- 
dessen diese  Schwierigkeit  ist  leicht  zu  beseitigen,  ohne  dass  wir 
annehmen  dürften,  der  Ostanes  und  Oxathres  des  Plut.  seien  etwa 
andere  Brüder  des  Artaxerxes  II  als  die  von  Phot.  Artostes  und 
Oxendras  genannten.  Das  ist  wegen  des  unumstösslichen  Zeug- 
nisses des  Ktes.-Phot.  §  49  völlig  unmöglich.  Wie  der  Arsikas 
bei  Plut.  mit  dem  Arsakas  des  Phot.,  so  ist  vielmehr  zweifellos 
auch  der  Ostanes  des  ersteren  mit  dem  Artostes  des  letzteren 
und  der  Oxathres  des  ersteren  mit  dem  Oxendras    des   letzteren 


^  Ό  δ'  Άρτοε^ρΕης  Άρσίκας  πρότερον  έκαλεϊτο*  καίτοι  Acivuiv 
φησίν  οτι  Όάρτης.  'Αλλά  τόν  Κτησίαν,  €ΐ  καΐ  τ4λλα  μύθων  απίθανων 
καΐ  παράφορων  έμβέβληκεν  €ΐς  τά  βιβλία  παντοδαπήν  πυλαίαν,  οοκ  βΙκός 
έστιν  άγνο€ΐν  τοΟνομα  τοΟ  βασιλέως,  παρ'  φ  δι^τριβε,  θεραπεύων  αυτόν 
καΐ  γυναίκα  καΐ  μητέρα  καΐ  παΐδας. 


618  NeuhauB 

identisch  ^  Wenn  Justi  in  dem  von  ihm  im  Iranisohen  Namen- 
buch S.  398  aufge^tellten  Stammbaum  der  Aohämeniden  im  Gegen- 
eatz  zu  seinen  früheren  Ausführungen  (S.  40;  52)  den  Getanes 
neben  dem  dritten  Sohn  Artoetee  als  fünften  und  jüngsten  Sohn 
besonders  rechnet,  so  tbut  er  dies  wohl  nur,  um  eine  absolut 
vollständige,  jedem  Zweifel  entzogene  Namenliste  herzustellen, 
setzt  sich  aber  dadurch  in  Widerspruch  sowohl  mit  der  ausdrück- 
lichen Angabe  des  £tes.-Phot.  §  49,  äass  nur  vier  Söhne  des 
Dareios  II  und  der  Farysatis  am  Leben  blieben,  als  auch  mit 
der  von  Plut.  Artax.  1,  1  und  5,3  gebotenen  Reihenfolge  der- 
selben, da  an  beiden  Stellen  Getanes  als  dritter  Sohn  vor  Gxathree 
genannt  wird.  Von  diesen  beiden  jüngsten  Söhnen  des  Dareis  li 
und  der  Parysatis  wird  endlich  (Artostes-)  Getanes,  wie  wir  be- 
reits wissen,  noch  bei  Diod.  XVII  5,  5,  (Oxendras-)  Gxathree 
unter  der  Namensform  Gxyartes  bei  Athenaios  XIII  p.  609^  er- 
wähnt*. 

Es  sind  also  unzweifelhaft  von  den  13  Kindern  des  D&- 
reios  II  und  der  Parysatis  neben  Artaxerxes  II  nur  drei  Söhne 
am  Leben  geblieben  und  in  das  Mannesalter  gelangt:  Kyros, 
Ostanes  und  Oxathres.  Da  nun  von  diesen  der  bei  Enuaxa  ge- 
fallene  Kyros  ausscheidet,  so  kann  nur  entweder  Gstanes  oder 
Oxathres  der  nach  Valer.  Max.  von  Ochos  geiödtete  patruus  ge- 
wesen sein.  Aber  auch  an  Gxathres  kann  eohwerlich  gedacht 
werden,  da  sicherlich  Justis  Vermnthnng  (Iran.  Namen b.  S.  232), 


^  Vgl.  schon  Baehr,  Ctes.  Cnid.  oper.  reliqu.,  Frankfurt  1824, 
p.  196,  der  eich  auf  Scaliger,  Emend.  temp.  p.  587  D,  beruft,  und 
ebenuo  urtheilen  in  neuester  Zeit  Justi,  Iranisches  Namenbuch  S.  40 
vgl.  52  (u.  Artoetee  und  Austanes)  und  232  (u.  Oxathres)  und 
Judeich  in  Pauly-Wiasowas  Realencyklop.  u.  Artaxerxes.  Während 
dann  Smith,  Α  study  of  Plut.  life  of  Artax.,  Leipzig  1881,  p.  7  die 
drei  Stellen  in  IMutarchs  Artaxerxes,  wo  Ostanes  (und  Oxendras)  ge- 
nannt werden,  wegen  der  Abweichung  der  Namen  von  Ktes.-Phot.  §  4H 
auf  Deinen  zurückführt,  und  Mantey:  Welchen  Quellen  folgte  Plut.  i" 
seinem  Leben  des  Artaxerxes?,  Greiffenberg  1883,  S.  3  wenigsten«  zu 
derselben  Ansicht  hinneigt,  weist  Krumbholz,  de  Ctesia  aliisque  aucto> 
ribus  in  Plut  Artax.  vita  adhibitis,  Eisenach  1889,  p.  12  nach,  daes 
die  von  Photioe  gebotenen  Namen  Artostes  und  Oxendras  ebenso  lu 
den  Handschriften  verdorben  sind  wie  Arsakas  (vgl.  über  letzteren 
Namen  auch  Noeldeke  aO.  S.  β1  Α.  1)  und  Plutarch  die  richtigeo 
Namensformen  aus  Ktesias  bewahrt  hat. 

2  Vgl.  Schweighäuser,  Ausgabe  von  Athen.  Deipnos.  vol.  Vll 
p.  304;  Justi,  Iran.  Namenbuch  S.  232  u.  Oxathres. 


Der  Vater  der  Sisygambis  uaw.  619 

daes  unter  dem  von  Curt.  ΙΠ  13,  13  als  Bruder  des  Dareioe  III 
bezeichneten  Oxatbree  vielmehr  unser  in  Rede  stehender  Oxathres, 
der  jüngste  Bruder  des  Artaxerxes  II  und  somit  Grossonkel  des 
Dareioe  III,  zu  verstehen  sei,  das  Richtige  trifft.  An  der  ge- 
nannten Stelle,  wo  Curtius  die  Gefangennahme  zahlreicher  vor- 
nehmer persischer  Frauen  bei  der  Einnahme  von  Damaskos  er- 
zählt, heisst  es:  'In  eodem  grege  uxor  quoque  eiusdem  Oobi  fuit 
Oxathrisque  —  frater  hie  erat  JDarei  —  filia.*  Da  nun  unmittelbar 
vorher  erzählt  wird,  daes  auch  drei  erwachsene  Töchter  des  Ochos 
gefangen  wurden  (aO.  §  12:  'Inter  quas  tres  fuere  virgines, 
Ochi,  qui  ante  Dareum  regnaverat,  filiae,  olim  quidem  ex  fastigio 
paterno  rerum  mutatione  detractae,  sed  tum  sortem  earum  cru- 
delius  adgravante  fortuna*),  so  kann  es  wohl  keinem  Zweifel 
unterliegen^  daes  die  hier  erwähnte  Gemahlin  des  Ochos  nicht  die 
Mutter  jener  Jungfrauen  gewesen  sein  kann,  sonst  würde  Curtius 
doch  wohl  die  Mutter  vor  den  Töchtern  oder  wenigstens  mit 
ihnen  zusammen  erwähnt  haben.  Vielmehr  muss  es  sich  hier  um 
eine  andere  Gattin  jenes  Königs  handeln.  Justi  hat  daher,  wie 
ich  glaube»  richtig  die  folgenden  Woi*te  'Oxathrisque  filia'  als 
aufs  engste  mit  'uxor  quoque  eiusdem  Ochi  fuit'  zusammen- 
gehörend mit  einander  verknüpft  und  versteht  unter  'Oxathris 
filia*  dieselbe  Person,  die  eben  als  'uxor  Ochi'  von  Curtius  be- 
zeichnet ist.  £s  entspricht  dies  sowohl  dem  natürlichen  Sinn 
und  dem  äatzbau  der  Stelle^  als  auch  dem  Gebrauch  der  Con- 
juDction  que,  welche  'solche  Nomina,  die  als  zusammengehörig 
einander  ergänzen  und  vervollständigen,  also  (integrirende)  Theile 
eines  Ganzen^  verbindet'^.  Ungenau  und  unrichtig  ei'scheint  mir 
dagegen  Spiegels,  Grotes  und  neuerdings  B.  Niesee  Interpretation 
der  Stelle,  die  neben  vielen  anderen  edlen  Perserinnen  die 
Wittwe  und  Töchter  des  Königs  Artaxerxes  Ochos 
und  die  Tochter  von  Dareios  Bruder  Oxathres  in  die 
Gewalt  der  Makedonen  fallen  lassen^. 

Ist  nun  aber  Justis  Erklärung  von  Curt.  111  13,  13  richtig, 
ist   es   dann    glaublich,    dass    eine    Tochter    des    jüngeren 

^  Dem  ereteu  Gliede  des  Satzes:  In  eodem  grege  uxor  quoque 
eiuedem  Ochi  fuit  Oxathrisque  filia  folgt  ein  genau  correspoudirendes 
/weites:  et  coniunx  Artabazi,  principis  purpuiatorum,  filiusque,  cui 
Iliooeo  fuit  nomen. 

a  EllendirSeyffert  latein.  Gramm.  (25.  Aufl.  Berlin  1882)  S.289  §  343. 

*  Vgl.  Spiegel  aaO.  II  S.512;  Grote  Bd.  0«  S.  471;  Niese,  Gesch. 
d.  griech.  u.  makedon.  S*— ♦—    '^--^r  1893,  S.  78  A.  3. 


620  Neuhaue 

BruderR  des  Dareios  III,  des  bei  Curt.  und  anderen  Schrift- 
Rtellern  Bonet  oft  genannten  Oxathres,  Gemahlin  des  Ochos 
gewesen  sein  sollte?  Dareios  und  der  eben  erwähnte  Oxathres 
waren  doch  Neffen  jenes  Königs  (Diod.  XVII  5,  5),  die  Tochter 
des  Oxathres  und  Gemahlin  des  Ochos  wHre  also  zu- 
gleich seine  Grossnichle  gewesen.  Was  für  einen  ge- 
waltigen Altersunterschied  müssten  wir  in  diesem  Falle  zwischen 
den  beiden  Ehegatten  annehmen !  Ochos,  Sohn  des  Artaxerxee  II 
und  der  Stateira,  muss  vor  dem  Jahre  400  v.  Chr.  geboren  sein, 
da  letztere  um  dieses  Jahr  durch  Parysatis  vergiftet  worden  ist', 
während;  da  Dareios  III  Geburt  um  380  fällt ^,  sein  jüngerer 
Bruder  noch  später  geboren  ist  und  sich  kaum  vor  360  v.  Chr. 
verheirathet  haben  kann.  Wir  würden  also  die  Vermählung  dee 
Ochos  mit  der  Tochter  des  Oxathres,  selbst  wenn  die  Frühreife 
orientalischer  Frauen  berücksichtigt  wird,  frühestens  in  eines  der 
Jahre  350 — 345  v.  Chr.  setzen  können,  in  eine  Zeit  also,  in  der 
Ochos  bereits  dem  sechzigsten  Lebensjahre  sich  näherte,  während 
die  junge  Frau  kaum  das  jungfräuliche  Alter  erreicht  hatte.  Un- 
möglich ist  ja  auch  dies  nicht,  und  Justi  läset  es  daher  (im 
Stammbaum  der  Achämeniden  aO.  S.  399)  auch  unentschieden, 
ob  jene  von  Curt.  III  13,  13  erwähnte  Gemahlin  des  Ochos  die 
Tochter  des  Grossoheims  oder  des  Bruders  des  Dareios  III  ge- 
wesen ist.  Einleuchtender  indessen  ist,  wenn  überhaupt  die 
Worte:  'uxor  quoque  eiusdem  Ochi  fuit  Oxathrisque  —  fraler 
hie  erat  Darei  —  filia  mit  Recht  von  ihm  zu  einem  Ganzen 
zusammengefasst  und  von  derselben  Person  verstanden  worden 
sind,  jedenfalls  seine  Hypothese  (S.  232),  dass  Curtius  hier  die 
beiden  Oxathres  mit  einander  verwechselt  hat  und  dass  die  ge- 
fangene uxor  Ochi  eine  Tochter  des  jüngsten  Bruders  des  Ar- 
taxerxes  II,  also  eine  Cousine  des  Ochos  gewesen  ist. 

Ist  nun  aber  der  von  Curt.  III  13,  13  'frater  Darei*  ife- 
nannte  Oxathres  in  Wahrheit  der  Oheim  und  zugleich  Schwieger- 
vater des  Ochos  gewesen,  so  ist  wohl  wegen  des  letzteren  Ver- 
wandtschaftsverhältnisses kaum  anzunehmen,  dass  Ochos  auch  ibn 
habe  ermorden  lassen.  Scheidet  daher  auch  Oxathres  aas  der 
Reihe  der  Oheime  des  Ochos  aus,  so  bleibt  nur  Ob  tan  es  als 
der  patruus  übri^f,  von  dessen  und    seiner  Söhne  und 


1  Ktes.-Phot.    §   Gl;    Plut.    Artax.    !!♦.     Vgl.   Judeich    in   Peuly 
Wissowas  Uealencyklop.  u.  ArtaxerxeR  II. 

2  Arrian.  Anab.  III  22,  0. 


Der  Vater  der  Sisygambie  uew.  621 

Enkel  Ermordung  Valeriue  Maximue  IX  2  £xt.  7 
spricht,  und  die  an  eich  eolion  nahe  liegende  Vermuthung,  dase 
der  Vater  und  die  Brüder  der  Sieygambis,  deren  Abschlachtung 
Cart.  X  5,  23  sie  beklagen  läset,  dieselben  Personen  sind,  von 
denen  Valerias  spricht,  wird  so  meines  Erachtens  bis  zur  Evidenz 
geeichert.  Sisygambie  war  also  nicht  eine  Tochter  des 
Artaxerxes  11,  sondern  seines  Bruders  Ostanes.  Hält 
man  damit  endlich  die  Angabe  Diod.  XVll  5,  5  zusammen,  dass 
Dareios  III  der  Sohn  des  Arsanes,  dieser  aber  der  des  Ostanes, 
des  Bruders  des  Artaxerxes,  gewesen  sei,  so  ergibt  sich,  dase 
Sisygambie^  die  Gemahlin  des  Arsanes,  zugleich  auch 
seine  Schwester,  Dareios  111  Kodoroannoe  aber  von 
mütterlicher  wie  von  väterlicher  Seite  ein  Gross- 
neffe des  Artaxerxes  II  und  Neffe  des  Artaxerxes  III 
im  zweiten  Grade  gewesen  ist. 

Freilich  verhehle  ich  mir  keinen  Augenblick,  dass  der  Be> 
weis,  den  ich  zu  führen  versucht  habe,  nicht  exact  genug  ist, 
um  jeden  Zweifel  an  der  Richtigkeit  meiner  Behauptung,  daes 
Getanes  der  Vater  der  Sisygambie  sei,  auezuschliessen.  Denn  um 
nachweieen  zu  können,  daee  dieser  Mann  der  nach  Valer.  Max. 
von  Ochoe  ermordete  Vaterebruder  eei,  habe  ich  mit  Jueti  die  Worte 
des  Curt.  111  13,  13  *  uxor  quoque  eiuedem  Ochi  fuit  Oxathris- 
qoe  filia'  vielleicht  unrichtig,  jedenfalls  abweichend  von  eehr  her- 
rorragenden  Gelehrten  erklären  und  den  Zusatz  jenes  Schrift- 
steilere  'frater  hie  erat  Darei'  ale  einen  Irrthum  deeeelben  be- 
zeichnen müseen.  Selbst  wenn  dies  aber  mit  Recht  geechehen 
ist,  so  kann  immer  noch  gegen  meine  Argumentation  der  Ein• 
wurf  erhoben  werden,  ee  sei  zweifelhaft,  ob  der  Vatersbruder 
des  Ochos  sowie  dessen  Söhne  und  Enkel,  von  deren  Ermordung 
Valer.  spricht,  identisch  seien  mit  dem  Vater  und  den  Brüdern 
der  Sisygambis  bei  Curt.  X  5,  23.  Erwäge  ich  jedoch  alle  in 
Betracht  kommenden  Dinge,  so  werde  ich  immer  wieder  zu 
Justis  und  meiner  Ueberzeugung  zurückgeführt.  Zunächst  schliesst 
der  Zustand  der  auf  uns  gekommenen  Ueberlieferung  jedes  be- 
stimmtere Ergebniss  als  das  unserige  aus,  und  die  allein  neben 
der  unserigen  noch  aufgestellte  Vermuthung,  Sisygambie  eei  eine 
Tochter  Artaxerxes  Π  gewesen,  hat  sich  ale  ganz  unhaltbar  er- 
wiesen. Sodann  wird  durch  unsere  Annahme  der  beste  Einklang 
der  gesammten  Ueberlieferung,  die  uns  erhalten  ist,  hergestellt. 
Einmal  finden  so  die  drei  von  den  Greueln  des  Ochos  handelnden 
Stellen  ihre  vollkommene  Aufklärung,    und  ee  stellt  sich  heraus, 


622  Neuhaas 

dase  sie  eich  auf  einunddaseelbe  Blntbad  beziehen.  Zugleich 
aber  ist  es  nur  bei  uneerer  Annahme  zu  verstehen,  wie  Dareioe 
dem  von  dem  miestrauisohen  und  grausamen  König  angerichteten 
Blutbad  entgehen  konnte,  und  ebenso  ist,  was  hiermit  aufs  engBte 
zusammenhängt,  nur  mit  unserer  Ansicht  die  bei  zahlreicheo  oben 
zusammengestellten  Suhriftstellem  sich  findende  Nachricht  von 
den  bescheidenen  Verhältnissen  und  der  niederen  Stellung,  in 
denen  Dareios  in  seiner  Jugend  sich  befunden  habe,  zu  ver- 
einigen. Nur  wenn  er  ein  Spross  eines  fem  vom  Hofe  lebenden 
jüngeren  Zweiges  der  Achämeniden  war,  nicht,  wenn  er  der  re> 
gierenden  Linie  angehörte,  ist  es  erklärlich,  warum  Ochoe  seine 
Eltern  und  ihn  verschonte.  Seine  Eltern  müssen  dann  aus  irgend 
einem  für  uns  nicht  mehr  erkennbaren  Grunde,  vielleicht,  weil 
auch  sein  Vater  Arsanes  schon  in  untergeordneter  Stellung  und 
ausserhalb  des  nächsten  Gesichtskreises  des  Ochos  lebte,  dem  von 
Curtius  berichteten  Schicksal  ihres  Vaters  und  ihrer  Brüder  ent- 
gangen, und  mit  ihnen  muss  auch  er  selbst  gerettet  und  in  der 
Verborgenheit  bescheidener  Verhältnisee  aufgewachsen  sein,  bis 
er  sich  durch  seine  persönliche  Tüchtigkeit  von  dem  niederen 
Amte  eines  ά(Tτάv^ης  wieder  in  die  hohen  Kreise  emporschwang, 
denen  er,  wenn  man  Droysens  Ansicht  folgt,  schon  durch  .seine 
Geburt  selbstverständlich  angehört  hätte.  Ganz  besondere  der 
umstand  endlich,  dass  wir  durch  unsere  Untersuchung  in  dem 
nach  Vftler.  Max.  ermordeten  Vatersbruder  des  Ochos  den  von 
Diod.  XVII  5,  5  als  Vater  des  Arsanes,  des  Vaters  des  Dareioe  HI, 
erwähnten  Getanes  wiedergefunden  haben,  scheint  zu  zeigen, 
dass  wir  der  richtigen  Spur  gefolgt  sind,  denn  so  wird  ancfa 
zwischen  dieser  Stelle  und  der  Erzählung  des  Vsler.  ein  enger 
Zusammenhang  hergestellt.  Wenn  es  nun  auch  nie  möglich  sein 
wird,  den  ganz  einwandfreien  Beweis  zu  fuhren,  dass  dieser 
Getanes  auch  der  Vater  der  Sisygambis  und  ihrer  Brüder  ist, 
von  deren  Ermordung  Curtius  redet,  so  wird  doch  Jeder,  der 
dies  beetreitet,  entweder  annehmen  müssen,  dass  das  von  Ocbos 
bei  seinem  Regierungsantritt  unter  seinen  Verwandten  angerichtete 
Blntbad  einen  noch  grässlicheren  Umfang  gehabt  habe,  als  man 
bisher  geglaubt  hat,  oder  daes  er  gar  wiederholt  ein  so  furchtbare» 
Verbrechen  begangen  habe.  Beides  ist  gleich  unwahrscheinlich. 
Es  scheint  also,  wenn  wir  zum  Schluss  die  Ergebnisse  an- 
eerer  Untersuchung  zusammenfassen,  gewiss  oder  wenigstens  auf 
Grund  aller  in  Betracht  kommenden  Verhältnisse  das  Glaub- 
hafteste zu  sein,  dass: 


Der  Vater  der  Sisygambie  uew.  623 

1.  der  Vaterebrader  des  Ochos  bei  Valer.  Max.  IX  2  Ext.  7 
dieselbe  Person  ist  wie  der  Vater  der  Sisygambis  bei  Curt. 
X  5,23; 

2.  an  beiden  Stellen  auf  denselben  Vorgang  und  dieselben 
Personen  angespielt  wird ; 

3.  Sisygambis  nicbt  eine  Tochter  Artaxerxes  IT,  sondern 
seines  Bruders  Getanes  und  nicht  nur  Gemahlin,  sondern  zugleich 
anch  Schwester  des  Arsanes  gewesen  ist,  was  nichts  Wunder- 
bares hat,  da  Heirathen  unter  Geschwistern  im  persischen  Königs- 
banse etwas  ganz  Gewöhnliches  waren.  —  Schon  Perizonius 
bemerkte  denn  auch  zu  Aelians  Var.  Hist.  XII  43:  '(Sisygambis), 
quae  -vel  ipsius  Artaxerxis  Mnemonis  fuit  filia  vel  potius  ex  eins 
fratre  orta^  vide  Curt.  X  5,  23'  und  neuerdings  zählt  Judeich  in 
dem  von  ihm  verfassten  Artikel  über  Artaxerxes  Π  in  Pauly- 
Wlssowas  Realencykl.  (2,  1317)  Sisygambis  unter  den  Töchtern 
dieses  Königs  nicht  mit  auf. 

Endlich  möchte  ich  noch  ganz  kurz  daraufhinweisen,  dass 
die  Erzählurgen  des  Valerius  und  Cuitius  über  die  von  Ochos 
verübten  Greuel  nicht  nur  sachlich  mit  Just.  X  3,  1  überein- 
stimmen, sondern  dass  wenigstens  zwischen  Valerius  und  Justin 
vielleicht  eine  noch  engere  Verbindung  besteht,  insofern  manches 
dafür  zu  sprechen  scheint,  dass  Val.  Max.  IX  2  £xt.  7  ebenso 
wie  Justins  Bericht  dem  Werke  des  Pompeius  Trogus  entlehnt  ist. 
Für  Gurtius  läset  sich  deshalb  Bestimmteres  nicht  aussprechen, 
weil,  was  er  X  5,  23  sagt,  nur  eine  der  Sisygambis  in  den  Mund 
gelegte  Anspielung  auf  die  Massenmorde  des  Ochos  ist,  diese 
selbst  aber  in  einem  der  verlorenen  beiden  ersten  Bücher  seiner 
Alexandergeschichte  erzählt  waren.  Da  aber  seine  Worte  an 
jener  Stelle,  wie  wir  gesehen  haben,  mit  den  Angaben  des  Valer. 
Qnd  Justin  vollkommen  vereinbar  sind  und  da  ferner  auch  sonst 
zahlreiche  Uebereinstimmungen  zwischen  ihm  und  Justin  fest- 
gestellt sind,  so  kann  man  wohl  die  Vermuthung  wagen,  dass  er 
dasselbe  erzählt  hat  wie  Trogus  Pompeius,  sei  es,  dass  er,  wie 
Crohn  (De  Trogi  Pompei  apud  antiquos  auctoritate,  Strassburg 
1882)  und  Petersdorff  (Eine  neue  Hauptquelle  des  Q,  Gurtius 
Kufus,  Hannover  1884)  behaupten,  aus  diesem  selbst  geschöpft 
hat,  sei  es,  dass  beider  Nachrichten  auf  dieselbe  Quelle  zurück- 
gehen. 

Königsberg  i.  Pr.  Otto  Neuhaue. 


MISCELLEN 


Ζα  Sophokles  Anti/^one  528 

0.  Hense  hat  id  eeinem  Aufsatz  'Die  MüdificiruDg  der 
Maske  in  der  griechischen  Tragödie'  (Festschr.  der  Uniyereität 
Freiburg  z.  ÖOjähr.  RegierungsjubilKum  des  Gropsherzogs  Friedrich 
von  Baden  1902,  S.  234)  die  sehr  gewinnende  Vermuthung  au?• 
gesprochen,  dass  Ismene  v.  524  ff.  in  einer  neuen,  das  gerötbete 
Angesicht  darstellenden  Maske  auftrete.  Er  schliesst  das  wohl 
mit  Hecht  aus  der  Ausführlichkeit,  mit  der  ihr  Gesichtsausdruck 
in  den  Worten  des  Chors  geschildert  wird,  und  begründet  deo 
Maskenwechsel  mit  dem  seit  Ismenens  erstem  Auftreten  in  ibr 
vorgegangenen  Gesinnungswechsel:  *mit  den  unverkennbaren 
Zeugen  jenes  Kampfes  (durch  den  sie  sich  zu  dem  KntechlueR, 
der  Antigone  doch  noch  nachträglich  beizustehen,  durchgerungen), 
der  ihr  das  Blut  in  das  Antlitz  getrieben  hat,  Hess  sie  der  Dichter 
erscheinen,  dh.  mit  veränderter  Maske/ 

Die  Thatsächlichkeit  des  Masken  Wechsels  darf  unbedenklich 
zugegeben  werden.  £ine  andere  Frage  aber  ist:  drückte  die  neue 
Maske  wirklich  ein  erröthendes  Gesicht  aus? 

Ismene  weint;  die  φιλαΟ€λφία  hat  ihr  Thränen  in  die  Augen 
getrieben  (527).  Die  ν€φέλη  kann,  wie  ja  auch  durch  τέτΐΟΌΰα 
über  jeden  Zweifel  erhoben  wird,  mit  gebräuchlichem  Tropus 
umschreibend,  nichts  anderes  bezeichnen  sollen,  als  eben  die  φΐ- 
λάΟ€λφα  bOKpua;  vgl.  Eurip.  Hippol.  172  στυχνόν  b'  οφρύων 
νέφος  αυξάνεται,  welche  Stelle  zugleich  beweist,  dass  auch  bei 
Sophokles  die  Worte  νεφέλη  όφρύιυν  zu  verbinden  sind.  Also 
ist  ύττεραιματόεν  als  ein  Wort  zu  verstehen.  Eine  Verbindung 
des  υπέρ  per  tmesin  mit  αίσχύνει  giebt  keinen  befriedigenden 
Sinn.  So  wachsen  die  längst  geltend  gemachten  ästhetischen 
Bedenken  gegen  den  Ausdruck  an  dieser  Stelle.  Das  Geeicht 
Ismenens  wird  gar  als  'über  und  über  blutig'  bezeichnet.  Daes 
ein  solcher  Ausdruck  den  Sinn  des  Erröthens  haben  soll,  kann 
nur  annehmen  wer  dem  Dichter  eine  starke  Geschmackslosigkeit 
zutraut.  Die  Sache  liegt  aber  thatsächlich  anders:  das  ^εθος 
muss,  da  die  Thränen  darauf  niederfallen,  den  Wangen  gleich- 
gesetzt werden  ^  die  also  nach  richtiger  Interpretation  hier  reich* 


^  Die  Vorstellung,  dass  Thränen  das  Gesicht  entstellen  (α1σχύν€ΐ), 
ist  seit  Homer  (ß  376;  b  749)  geläufig  (Propert.  I  18,  16  et  tna  flendo 
lumina  doiectie  turpia  sint  lacrimis). 


Miecellen  625 

liehe  Blntspuren  zeigen.  Also  hat  eich  Ismene  die  Wangen  zer- 
kratzt, eine  Sitte,  die  mit  Trauer  und  Todtenklage  ständig  ver- 
bunden iBt.  Man  erinnert  sich  der  Worte  des  Choäphorenchors 
bei  Aeechylus  (y.  24  f.) : 

πρέπει  παρηΐς  φοινίοις  όμυγμοΐς 
δνυχος  αλοκι  νεοτόμψ, 
der  στέρνων   πληχαι  αίμασσομένιυν    Soph.  El.  90,    der    Stelle 
der  euripideischen  Hekabe  (v.  652  ff,  N.) : 

πολιόν  τ'  έπι  κράτα  μάτηρ 

τέκνων  θανόντων 

τίθεται  χέρα  bpuKTCTai  τε  παρειάν, 

όίαιμον  βνυχα  τιθέμενα  σπαραγμοΐς. 
Wenn  nun  die  άμυχαι  παρειών  zum  festen  Bestand  der  rituellen 
Todtenklage  gehören,  wie  bezeugt  ist  (Lue.  de  Inot.  12.  16),  so 
^iebt  Ismene  an  unserer  Stelle  ohne  Weiteres  durch  ihren  Auf- 
zag  zu  erkennen,  dass  sie  die  Todtenklage  um  Polyneikes  voll- 
zogen hat,  und  die  φΐλάοελφα  οάκρυα  ν.  527  gelten  nicht  der 
άΟΕλφή  Antigene,  sondern  dem  άοελφός  Polyneikes.  Damit  hat 
ue  aber  etwas  gethan,  was  von  Kreon  (v.  204)  ausdrücklich  ver- 
boten war,  sich  also  zur  Mitschuldigen  der  Antigone,  wiewohl 
in  einer  ihren  Charakter  bezeichnenden  mehr  äusserlichen  und 
gefahrlosen  Weise,  gemacht.  Als  solche  will  sie  ja  eben  hier 
erscheinen,  und  so  ist  was  sie  536  sagt,  nicht  geradezu  erlogen, 
wenn  freilich  auch  Antigone  eine  solche  Hetheiligung  von  Weitem 
an  dem  τάφος  zurückweisen  muss.  Ismene  hat  ja  offenbar  den 
κωκυτός  nicht  an  der  Leiche  des  Polyneikes,  sondern  innerhalb 
des  Palastes  vollbracht:  Kreon  meint  v.  491  f.  nichts  anderes 
als  ihre  Todtenklage,  die  diesem  Verstandsmenschen  wie  jede 
sonstige  Aensserung  des  πάθος  (vgl.  ν.  62.H)  als  λύ(Τ(Τα  erscheint. 
Tübingen.  W.  Schmid. 


Eil  eesetz  des  Redners  Lykargos 

In  dem  unter  Plntarchs  Namen  überlieferten  Leben  des 
Redners  Lykurgos  werden  eine  Anzahl  von  Gesetzen  mitgetheilt, 
die  der  eifrige  Reorganisator  der  athenischen  Finanzen  und  des 
athenischen  Cultns  eingebracht  hat.  Das  an  vierter  Stelle  an- 
geführte Gesetz  (vit.  X  oratt.  p.  842  Α  =  Westermann  Biog^. 
p.  273)  Έτι  bi  ως  του  ΤΤοσεΛώνος  αγώνα  ποιεϊν  έν  ΤΤειραιεϊ 
κύκλιων  χορών  ουκ  ίλαττον  τριών,  [και]  όΛοσθαι  τοις  μέν 
νικώσιν  ουκ  ίλαττον  blKa  μνας,  τοις  bk  όευτίροις  οκτώ,  ΐί  bk 
τοις  τρίτοις  κριθεϊσιν*. 

Man  hat,  so  viel  ich  sehe,  bisher  an  dieser  Nachricht  keinen 
Anatoss  genommen,  und  die  Kinrichtnng  kyklischer  Chöre  für 
den  Poseidon  ist  mehrfach  mit  Lykurgs  Priesterthum  des  Posei- 


*  Vor  οίδοσθαι  hat  Duebner  καΐ  eingefügt,  Reiske  schlug  ών  vor; 
μ^ν  habe  ich  hinter  τοΐς  statt  hinter  5{&οσθαι  gestellt. 

Rheio.  Mu.  f.  Fhilol.  N.  F.  LVII.  40 


626  Misoellen 

doD-ErechtheuB  (vit.  X  oratt.  843  E)  in  Verbindung  gebracht 
worden*.  Aber  der  im  Peiraiene  verehrte  Poseidon  war  siohir• 
Höh  nicht  der  PoReidon-Erechthean  der  Burg,  er  ging  also  den 
Priester  dieses  Gottes  nichts  weiter  an,  und  die  Poseidonchöre 
lassen  sich  aus  den  Familieninteressen  des  Eteobutaden  nicht  er- 
klären. 

Die  Nachricht  will  sich  nun  gar  nicht  recht  mit  unpern 
sonstigen  Kenntnissen  von  attischen  Festen  vertragen.  Lyrische 
Chöre  werden  in  Attika  sonst  nur  den  beiden  musischen  Göttern 
Apollon  und  Dionysos  dargebracht',  warum  erhält  der  im  Galt 
so  wenig  hervortretende  Poseidon  plötzlich  diese  kostspielige 
Ehre?  Wie  kommt  es  ferner,  dass  wir  von  Poseidonien  im  Pei- 
raieus  sonst  weder  durch  die  Schriftsteller  noch  durch  die  In- 
schriften etwas  erfahren?  Müssten  nicht  wenigstens  die  Hant- 
gelderlisten (CIA.  II  741),  deren  Zusammenhang  mit  Lykargs 
Verwaltung  so  klar  erkennbar  ist,  dieses  von  ihm  verherrlichte 
Fest  erwähnen?  Diese  Fragen  drängen  sich  auf  und  erwecken  ein 
gewisses  Misstrauen  gegen  die  Nachricht  des  Biographen. 

Schwerlich  würde  ich  aber  eine  Aenderung  wagen,  wenn 
nicht  zu  dem  sachlichen  Anstof-s  ein  sprachlicher  hinzukäme: 
Einen  Agon  für  Poseidon  einrichten,  heisst  nicht  αγώνα  ποΐ€Ϊν 
του  ΤΤοσειόΟϋΥος,  sondern  τψ  TTocTeibÜJVi.  In  allen  mir  bekannten 
Fällen  wird  bei  ποΐ€Ϊν,  συντ€λ€Ϊν,  τιθίναι  αγώνα  der  Name  des 
Gottes  im  Dativ  hinzugefügt,  eine  besonders  reiche  Fülle  von 
Beweismaterial  liefern  die  Magnesischen  Inschriften  über  die  Ein- 
setzung' der  Leukophryena  (Kern,  Inschriften  von  Magnesia  16— 
87),  nicht  weniger  als  36  Mal  kommen  in  ihnen  solche  Wen- 
dungen vor.  Mit  Einfügung  eines  einzigen  Buchstabens  lassen 
sich  jedoch  alle  sprachlichen  und  sachlichen  Schwierigkeiten  be- 
seitigen —  es  ist  zu  schreiben  του  ΤΤθ(Τ€ΐ5€ώνος.  Im  Monat  Po- 
seideon werden  im  Peiraieus  Dionysien  gefeiert,  die  sich  grade 
im  IV.  Jahrh.  grosser  Beliebtheit  erfreuen.  In  den  Hautgelder- 
listen werden  mehrfach  (a  6,  ο  15,  d  7)  nicht  unerhebliche  Be- 
träge als  von  ihren  Opfern  stammend  verzeichnet,  und  die  Tempel- 
verwaltung  von  Eleusis  verwendet  für  sie  im  Jahre  329/8  (Ditten- 
berger  SIG.^  587  Z.  106  und  183)  genau  dieselbe  Summe  wie 
für  die  Lenaeen.  Im  Gesetze  des  Euegoros  bei  Dem.  XXI  1'^ 
heisst  es  δταν  ή  πομπή  ή  τψ  Διονύσψ  έν  TTeipaiei  και  οΐ  κω- 
μιυοοΐ  και  οΐ  τραγψδοι,  damals  fehlten  den  peiräischen  Dionysien 
also  noch  die  lyrischen  Chöre,  erst  Lykurgos  hat  das  Fest  auch 
hierin  den  städtischen  Dionysien  gleichgestellt.  Nach  Arist.  πολ. 
Άθ.  54,  8  wird  man  annehmen  dürfen,  dass  auch  für  diese  Chöre 
der  Demarch  des  Peiraireus  die  Choregen  bestimmte.  Alles  dies 
fügt  sich  so    zusammen,    dass   die  leichte  Aenderung  des  Textes 

*  So  Meier,  Comment.  de  vita  Lyc.  p.  XLII,  A.  Mommsen,  Feste 
der  Stadt  Athen  S.   147. 

2  Rrisch  nimmt  auch  für  Panathenaeen,  Prometheen  und  He- 
phaistien  chorische  Agone  an  (Pauly-Wissowa  III  24H3),  schwerlich  mit 
Recht,  vgl.  Diltenberger  zu  810.3  712  Z.  11. 


MiBoellen  H27 

wohl  alfl  gesichert  gelten  darf.  Zweifeln  kann  man  nur,  ob  der 
Name  dee  Gottes  Dionysos  bei  Pseudo-Plutarcb  genannt  war; 
unbedinet  nötbig  scheint  es  mir  nicht  ihn  einzusetzen,  denn  wenn 
ioi  Poeeideon  kyklieche  Chöre  im  Piraieus  auftreten  sollen,  ro  ist 
ee  für  jeden  Athener  selbstverständlich,  dass  sie  zum  Dionysos- 
fest  gehören. 

Greifs wald.  Alfred  Körte. 


Eine  Blattversetznog  bei  Oalen 

In  Galens  Commentar  zu  der  hippokrateischen  Schrift  περί 
δρθρων  steht  zur  Erläuterung  des  Satzes  (c.  45;  t.  II  p.  171,  13 
Kiihlewein)  τουτο  μέν  γαρ  τό  ττρός  τήν  κοιλιην  ^ίπον  ο\  (Τφόνου- 
λοι  εντός  δρτιοί  είσιν  άλλήλοισιν  Folgendes  (t.  XVIII  Α  526 
Kühn):  όποΐαι  μέν  ούν  eiaiv  έκάστψ  τών  σφονούλιυν  αΐ  άττοφύ- 
σ€ΐς,  έπί  τ€  τών  σκελετών  είττεν  είρημένον  νυν  ττερι  τιυν  σφον- 
δύλων,  οδς  κατά  τα  ivbov  μίρη  κέκληκεν  αρτίους,  τουτέστιν 
άττηρτισμένους  αυτών  τε  καθ'  εαυτών  ϊκαστον  ίν  τε  τή  ττρός 
αλλήλους  όμιλίςι.  Offenbar  reisst  hinter  έττί  τε  τών  σκελετών 
der  Zusammenhang  ab:  von  Beobachtung  der  Wirbel  an  Skeletten 
iRt  bei  Hippokrates  nicht  die  Rede,  und  schon  die  äussere  Form 
<ler  Rede  zeigt,  dass  mindestens  mehrere  Worte,  vielleicht  mehrere 
Sätze  fehlen,  um  von  den  anderen  Verderbnissen  zunächst  ganz 
abzusehen. 

Nicht  geringeren  Α nstoss  bietet  der  Abschnitt,  der  den  hip- 
pokrateischen Worten  (c.  45;  t.  II  p.  178,9  Kiihlewein^  άττό  bk 
τούτου  δχρι  του  μεγάλου  σφονόύλου  του  ύττέρ  τών  έπιυμίοιυν 
ιθυκύφη'  Ιτι  bfe  μάλλον  οοκέει  ή  έστιν  gewidmet  ist.  Er  lautet 
(XVJII  Α  546  Κ.):  όλίχον  τι  κατά  τον  θώρακα  φαίνονται  σιμού- 
μενοι  τα  fvbov  τών  οστών  οι  σφόνδυλοι  τό  b'  όττίσιυ  μέρος 
αυτών  Ικανώς  κυφόν  φαίνεται  bia  τήν  της  άκάνθης  Λπόφυσιν. 
δν  5έ  λίγει  μέ'χαν  σφόνουλον  υπέρ  τών  έπιυμίόων  εϊσεσθαι  και 
δι'  υπομνήματος  ίρχεται  προς  άνάμνησιν,  έν  ώ  περί  τών  οστών 
ίγραψα.  προσαρμόίειν  b'  ημάς  προσήκει  τοίνυν  τοις  λεγομένοις 
έκεϊνα  μή  οεομένους  ύπ'  έμου  πλην  εϊ  που  λίΕις  έμπίπτοι  χρή- 
ίουσά  τίνος  έΕητήσεως,  ης  ένεκεν  και  τά  τοιαύτα  υπομνήματα 
γράφεται,  καθάπερ  γε  και  τό  έπι  τη  προκειμένη  νυν  ιίήσει. 
Auch  hier  liegen  schwere  Störungen  des  Zusammenhanges  vor; 
vor  εΐσεσθαν  klafft  eine  Lücke,  und  die  folgenden  Sätze  passen, 
wenn  man  genauer  zusieht,  überhaupt  nicht  an  diese  Stelle. 
Welches  ist  denn  die  λέΕις  χρήίουσά  τίνος  έΕηγήσεως,  die  für 
den  in  Rede  stehenden  Satz  der  hippokrateischen  Schrift  den  An- 
läse zur  Commentirung  gegeben  haben  roHV  Man  könnte  den- 
ken, Ιθυκύφη ;  aber  dieses  Wort  wird  ja  thatsächlich  gar  nicht 
erläutert. 

Der  Codex  Laurentianus  LXXIV  7,  eine  Pergamenthand• 
echrift  des  IX.  Jahrhunderts  ^  führt  zu  einer  überraschenden 
Lösung  der  beiden  Probleme. 

1  Vgl.  Apollonius  von  Kitium  (Leipzig  IHDr.j,  Einleitung  S.I— XVII. 


628  Misoellen 

Auf  den  ereten  Blick  frei  lieb  vermehren  sich  die  Schwierig- 
keiten nur,  statt  eich  zu  verringern;  denn  der  Text  der  Flo- 
rentiner Handschrift  weist  noch  weitergebende  Störungen  der 
üeberlieferung  auf,  als  der  Druck.  Es  folgt  nämliob  526,  4  auf 
die  Worte:  όποϊαι  μέν  ουν  el(Jiv  έκάστψ  τών  (Τφονούλων  αι 
αποφύσεις,  άπό  τε  τών  σκελετών  zunächst  ein  Abschnitt,  der 
im  Druck  536,  3  mit  το  στέρνον  άπάντιυν  πλατύτατον  beginnt 
und  bis  546,  10  καθάττερ  τε  και  τό  προ  της  προκείμενης  ^ή 
σειυς  fortläuft.  Hieran  achliesst  sich  unmittelbar  526,  4  €iiT€V 
είρημένον  und  es  geht  wie  im  Druck  weiter  bis  546,  4  άττό- 
φυσιν.  Dann  heisst  es :  δν  bk  λίχ^ι  μέχαν  σφόνόυλον  υπέρ  τών 
έπιυμί^ιυν,  ήτις  Ιστιν  τών  του  τραχήλου  κατά  τον  αριθμόν 
ϊκτον  άπό  τής  κεφαλής.  Es  folgt  das  neue  Lemma:  αυτό  be 
τό  άρθρον  του  αύχένος  λοροόν  έστιν  (ρ.  546,  11). 

Mit  anderen  Worten:  die  Handschrift  giebt  den  AbBchnitt 
536,  8 — 546,  5  zweimal;  einmal  an  falscher  (526,  4),  das  andere 
Mal  an  richtiger  Stelle  (536,  3).  Bei  seinem  ersten  Auftreten 
sind  ihm  noch  6  Zeilen  angeschlossen,  die  im  Druck  an  anderer 
Stelle  (546,5-  10)  stehen;  das  andere  Mal  wird  er  durch  12  Worte 
vervollständigt  (ήτις— κεφαλής),  die  im  Druck  ganz  fehlen.  Erst 
mit  diesem  halben  Satz  sind  die  Elemente  vollständig  gegeben, 
deren  wir  zur  Wiederherstellung  des  ursprünglichen  Zusammen- 
hangs bedflrfen. 

Der  Hergang  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  folgender 
gewesen.  In  einer  Handschrift  des  Galencommentars  war  das 
innerste  Doppel blatt  eines  Quaternionen,  das  den  Abschnitt  536, 
3 — 546,5  (153  Zeilen  des  Kühn'schen  Drucks)  enthielt,  an  faliche 
Stelle  gerathen.  Ein  Abschreiber  copirte  den  Passus  zunächst 
da,  wo  er  ihn  fand ;  dann  merkte  er  den  Irrthum  und  copirte 
das  Stück  zum  zweiten  Mal  an  der  richtigen  Stelle,  ohne  jedoch 
die  erste  Version  zu  tilgen.  In  diesem  Zustand  liegt  die  Üeber- 
lieferung in  der  Florentiner  Handschrift  vor. 

Bei  dem  Versuch,  das  grosse  Emblem  auszuscheiden,  iet 
dann  später  durch  ein  Versehen  der  Abschnitt  546,  5 — 10  von 
der  ersten  an  die  zweite  Stelle  mit  hinübergeschoben  worden, 
und  die  12  letzten  Worte  (ήτις  —  κεφαλής),  deren  Anschluss 
vielleicht  wegen  der  in  ήτις  steckenden  Corruptel  nicht  klar 
wurde,  sind  ganz  verloren  gegangen.  Diese  Fassung  liegt  in  den 
Drucken  seit  der  Aldina  vor. 

Um  den  ursprünglichen  Zusammenhang  der  Darlegung  her- 
zustellen, scheiden  wir  den  doppelt  vorhandenen  Passus,  da  wo 
er  in  der  Handschrift  zum  ereten  Mal  und  an  falscher  Stelle 
auftritt,  aus  und  schliessen  uns  sodann  in  der  Anordnung  der 
Abschnitte  vollständig,  im  Wortlaut  so  nahe  als  möglich  der 
Üeberlieferung  an.  Die  beiden  Abschnitte  des  Galencommentars, 
die  zunächst  in  Frage  kommen,  erhalten  dadurch  folgende  Gestalt: 

I 
Xyill  525,9  ff.:    Τούτο  μέν   γαρ  τό  ττρός   την   κοιλίην 
^ε'πον  οι  σφόνόυλοι  εντός  δρτιοί  είσιν  άλλήλοισιν. 


Miwellen  629 

Των  σφονδύλαιν  το  μέν  όττίσιυ  μ^ρος  δπόφυσιν  oSeiav 
€χ€ΐ  χονόρώοη  κατά  τό  ττίρας,  ήν  όναμά2[ου(Τΐν  ακανθαν,  τό  V 
άντικείμενον  τούτψ  τό  πρόσω  τε  καΐ  εντός  —  έκατέρως  γάρ 
ονομάζεται  —  χόνόρψ  μέν  επαλείφεται  και  αυτό,  περιφερές  V 
έστι  και  λεϊον  ού^εμιαν  όΕεΐαν  άπόφυσιν  ίχον  ούό*  όλως  έΕοχήν 
τίνα  βραχυτάτην,  ώσπερ  οπίσω  τε  κάκ  (και  L)  των  πλαγίων 
ίχ€ΐ.  όποϊαι  μέν  ούν  είσιν  έκάστω  των  σφονούλων  αί  (in  ras. 
m.  1)  αποφύσεις,  άπό  τε  των  σκελετών  ||  546,  5  ||  εΐσεσθε  (εϊ- 
σεσθαι  L)  καΐ  bi  υπομνήματος  ίχετε  (ίχεται  L )  προς  άνάμνη- 
σιν,  έν  ώ  (viell.  [έν]  δ)  περί  των  οστών  έγραψα  (vgl.  II  ρ.  758  Κ.). 
προσαρμόΖειν  6'  ύμας  <προσ>ήκει  τοϊ<ς)  νυν  [τοις]  λεγομ^νοις 
εκείνα  μη  οε^εμε'νους  (οε^εμένοις  L•)  ύπ'  έμου,  πλην  ει  που 
λέΕις  (λ^Εεις  L)  έμπίπτοι  χρήίουσά  τίνος  (τινας  L)  έΗηγήσεως, 
ών  (ήν  L)  ένεκεν  και  τά  τοιαύτα  υπομνήματα  γράφεται,  κα- 
θάπερ  γε  (τε  L)  και  τό  κατά  τήν  προκειμένην  ^ήσιν  (πρό  τής 
προκειμένης  ^ήσεως  L)  ||  ρ.  526,  4  ||  είπεν  είρημίνον  περ\  τών 
σφονόύλων,  οδς  κατά  τά  ίνδον  μίρη  κέκληκεν  αρτίους,  τουτέστιν 
άπηρτισμίνους  αυτόν  τε  καθ'  εαυτόν  ϊκαστον  ίν  τε  τή  πρόο 
αλλήλους  όμιλίςι.  διότι  γάρ  οοτ'  έΕοχή  τις  αύτοϊς  έστιν  ενταύθα 
και  κατά  πάν  άλλήλοις  έφαρμόττουσιν,  αρτίους  αυτούς  ώνό- 
μασεν  είναι  προς  αλλήλους  οίον  άπηρτισμίνως  (άπηρτισμένους 
L)  όμιλοΟντας. 

II 

XVIII  Α  545,  10  flp.  (L  erste,  Lg  zweite  Fassung) :  *Από  bk 
τούτου  άχρι  του  μεγάλου  σφονδύλου  του  υπέρ  τών  έπωμίδων 
ίθυκύφη,  ίτι  bk  μάλλον  bOKUex  (δοκίειν  L)  ή  έστιν.  ή  γάρ 
άκανθα  κατά  μέσον  ύψηλοτάτας  τάς  έκφύσιας  τών  όστέων 
έχει,  ένθεν  bk  και  ένθεν  έλάσσους. 

'Ολίγον  τι  (om.  L2)  κατά  τόν  θώρακα  φαίνονται  σιμού- 
μενοι  τά  ένδον  [έάν]  (om.  L2)  τών  οστών  (om.  L3)  οΐ  σφόνδυλοι. 
τό  b'  οπίσω  μέρος  αυτών  ίκανώς  κυφόν  φαίνεται  (φαίνεται 
κυφόν  Lg)  οιά  τήν  τής  άκάνθης  άπόφυσιν.  δν  bk  λέγει  μέγαν 
σφόνδυλον  υπέρ  τών  έπωμίδων.  εΐς  τίς  (ήτις  L)  έστιν  τών  του 
τραχήλου,  κατά  τόν  αριθμόν  έκτος  (έκτον  L.)  άπό  τής  κεφαλής. 

Charlottenburg.  Η.  Schöne. 


Zu  üieero  ad  Q.  fr.  II  3 

Am  12.  Februar  56  berichtete  Cicero  seinem  in  Sardinien 
befindlichen  Bruder  über  die  politischen  Vorgänge  seit  dem  Be- 
ginn des  Monats.  Der  Anfang  des  Briefes  (II  8)  lautet:  Öcripsi 
ad  te  antea  superiora;  nunc  cognosce,  postea  quae  sint  acta.  Α 
Kai.  Febr.  legationee  in  Idus  Febr.  reiciebantur :  eo  die  res  con- 
fecta  non  est.  Den  zweiten  Satz  giebt  die  Moser'sche  Ueber- 
Setzung  so  wieder:  *Vom  1.  Februar  wurden  die  Gesandtschaften 
auf  den  13.  hinausgeschoben:  an  diesem  Tage  wurde  (also)  die 
Sache  nicht  abgemacht.*  Hier  ist  zweierlei  falsch  aufgefasst: 
erstens  ist  reiciebantur  ein  imperfectum  de  conatu:  die  Audienzen 


630  Mieoellen 

der  fremden  GeRandten  sollten  hinaui^geeohoben  werden,  man 
debattirte  darüber;  und  zweitens  ist  res  nicht  eine  beliebige  an- 
dere Sache,  die  in  Folge  der  reiectio  legationnm  nicht  zu  Stande 
kam,  sondern  eben  die  reiectio  selbst:  die  Debatten  verliefen  re- 
sultatlos^.  £s  war  gewiss  nicht  nötbig,  den  tiberlieferten  Satz 
so  misszuversteben ;  aber  allerdings  steckt  meines  Erachtens  aoch 
ein  Fehler  in  der  Ueberlieferung.  Es  scheint  mir  unzweifelhaft, 
dass  das  Α  vor  Kai.  Febr.,  als  durch  Dittographie  entstanden, 
zu  tilgen  ist.  Denn  es  kommt  Cicero  gar  nicht  darauf  an,  mit- 
zutheilen,  dass  die  Audienzen  vom  1.  Februar  auf  den  13.  ver- 
schoben werden  sollten,  sondern  vielmehr,  dass  am  1.  Februar 
kein  Beschluss  darüber  zu  Stande  kam.  Die  Sache  wurde  näm- 
lich hinterher  doch  perfect,  wahrscheinlich  gleich  am  2.  Februar, 
jedenfalls  vor  dem  6.,  wie  das  folgende  zeigt:  zwischen  die  Be- 
richte über  die  Gerichtsverhandlungen  vom  2.  und  vom  6.  Fe- 
bruar schiebt  Cicero  den  wieder  auf  die  Senatsverhandlungen 
bezüglichen  Satz  ein :  Interim  reiectis  legafionibus  in  Idus  refere- 
batur  de  provinciis  quaestorum  etc.  Auch  diese  Verhandlungen 
führten  zu  keinem  Ziel.  Liest  man  nach  meinem  Vorschlage: 
Kai.  Febr.  legationes  in  Idus  reiciebantur:  eo  die  res  confecta 
non  est,  so  wird  das  reiciebantur  sofort  durchsichtig,  und  eo  die 
hat  nun  seine  deutliche  Beziehung:  auch  die  falsche  Auffassung 
Tunstalls,  der  eo  die  von  den  Idus  verstehen  wollte,  ist  nun  aas- 
geschlossen.  Nach  der  lex  Gabinia  vom  Jahre  67  ging  bekannt- 
lich während  des  ganzen  Februars  die  Annahme  der  Geeandt- 
schaften  allen  andern  Gegenständen  vor:  legationes  in  Idus  Febr. 
reicere  ist  also  auch  ohne  die  Hinzufügung  eines  terminus  a  quo 
verständlich,  ja  der  Zusatz  α  Kai,  Febr.  hat  sogar  an  unserer 
Stelle,  wo  die  Debatte  über  die  von  der  Kegel  abweichende  Är- 
beitseintheilung  am  2.  Februar  fortgesetzt  wird,  etwas  Schiefes. 
Zudem  aber  spricht  die  ganze  Anlage  des  Briefes  für  die  Weg- 
lassung des  a:  Cicero  giebt  seinem  Bruder  eine  tabellarische 
Uebersicht  über  die  acta  der  einzelnen  Febrnartage ;  an  der  Spitze 
der  verschiedenen  Abschnitte  steht  immer  das  Datum,  auf  welches 
wiederholt  mit  eo  die  Bezug  genommen  wird.  Vgl.  §  1 :  A.  d. 
IUI.  Non.  Febr.  Milo  adfuit  ....  prodicta  dies  est  in  VIll. 
Idus  Febr.;  §  2  (nach  der  Einschiebung  des  Satzes  mit  Interim): 
A.  d.  VIII,  Id.  Febr.  Milo  adfuit  ....  Res  in  posterum  dilata 
est.  Clodius  in  Quirinalia  prodixit  diera;  §  3:  A.  d.  VU.  Id. 
Febr.  senatus  ad  Apollinis  fuit  .  .  .  eo  die  nihil  perfectum  est. 
A.  d.  VI.  Id.  Febr.  ad  Apollinis  senatus  consultum  est  factom 
....  Eo  die  Cato  vehementer  est  in  Pompeium  invectus  .  .  .; 
§  5:  A.  d.  IUI.  Id.  Febr.  Sestius  .  .  est  postulatus  .  .  .  eodem 
die  senatus  consultum  factum  est  .  .  .;  §  6:  A.  d.  III.  Id.  Febr. 
dixi  pro  Bestia  .  .  .;   §  7:    Pridie  Idus  Febr.  haec  scripsi    ante 


*  Beide  Fehler  auch  bei  Tyrrell,  der  reiciebantur  mit  'were  put 
off'  übersetzt  und  unter  res  versteht  'the  question  wbo  should  restorr 
Ptolemy'. 


Misoellen  631 

liicem.  Ohne  Zweifel  begann  also  die  Aufzählung  der  Tage  nach 
dem  einleitenden  Satze  mit:  Kai,  Febr,  legationee  in  Idus  reicie- 
bantur:  eo  die  reR  confecta  nun  eet. 

lob  benutze  die  Gelegenheit,  um  auf  eine  meines  Erachtene 
ganz  evidente  £mendation  yon  Gulielmue  hinzuweisen,  welche  die 
neueren  Herausgeber  verschmäht  haben,  obgleich  sie  durch  Mad- 
vige  Autorität  empfohlen  worden  war.  Kämlioh  in  §  2  unseres 
Briefes  heisst  es  von  der  Rede  des  Pompeius  für  Milo:  Dixit 
Pompeius  sive  voluit;  nam,  ut  surrexit,  operae  Clodianae  clamo- 
rem  sustnlerunt,  idqae  ei  perpetua  oratione  contigit,  non  modo 
ut  adclamatione,  sed  ut  convicio  et  maledictis  impediretur.  Qui 
nt  peroravit  —  nam  in  eo  sane  fortis  fuit;  non  est  deterritus; 
dixit  omnia  atque  interdum  etiam  silentio,  cum  auctoritate  pere- 
gerat  —  sed  ut  peroravit,  surrexit  Clodius.  Dazu  bemerkt  Madvig 
Adv.  crit  ITI  p.  194  :  Quid  auctoritate  peregerat  et  quidem  sae- 
pius?  Nihil  sane,  sed  perf regerat  (er  drang  durch).  Sine  accu- 
sativo  dicitur  perfringere  etiam  Or.  97.  [Sic  iam  Gulielmue,  cui 
nemo  auscultavit.]  Die  Aenderung  ist  leicht:  Ausfall  von  FR 
hinter  ER.  Aber  dass  sie  auch  einen  vorzüglichen  Sinn  her- 
stellt, hat  man  nicht  erkannt.  K.  Lehmann  (Jahresber.  in  der 
Zeitschr.  f.  Gymn.  1888  p.  286)  stiess  sich  an  dem  Tempus: 
'Ref.  hält  hier  ein  Plusquamperf.  nicht  für  recht  möglich*'.  Das 
scheint  auf  C.  F.  W.  Müller  Eindruck  gemacht  zu  haben;  denn 
er  läset  peregerat  mit  crux  im  Texte  stehen  und  sagt  in  der 
adn.  crit.:  "" per f regerat  Gulielm.,  Madv.  Adv.,  plusquamperfectum 
improb.  Lehmann  Jahreeber.'  Der  Einwand  Lehmanns  beruht 
aber  offenbar  auf  einem  Missverständniss;  er  hat  wohl  cum  für 
die  Präposition  genommen  \  und  dann  ist  allerdings  das  Plus- 
quamperfekt anstössig.  Aber  cum  ist  die  Gonjunction,  in  itera- 
tivem Sinne  gebraucht^  mit  Rücksicht  auf  das  vorhergehende 
interdum:  manchmal  herrschte  sogar  Stille,  nämlich  allemal,  wenn 
Reine  Autorität  durchschlug.  Für  den  absoluten  Gebrauch  des 
Verbums  hat  Madvig  eine  Stelle  nachgewiesen;  die  Redensart 
auctoritate  perfringere  findet  eich  auch,  vom  Senate  gebraucht, 
in  der  (kritisch  allerdings  nicht  ganz  sicheren)  Stelle  p.  red.  ad 
Uuir.  4,  1 0 :  ut  aliquando  perficeretur,  cum  primum  licuit,  fre- 
quentia  atque  auctoritate  perfregit. 

Dortmund.  W.  Sternkopf. 


^  Wie  Süpfie-Böckel,  welche  umstellen:  'dixit  omnia  cum  aucto- 
ritate*, oderKayser,  welcher  vorpcblug  *  cum  auctoritate  peregit*,  oder 
Lambinus.  der  lesen  wollte  'cum  Ructoritate  eemper  egerat',  oder 
Tyrrell,  der  die  Ueberlieferung  hält,  aber  anmerkt:  tbe  ohange  of  tense 
is  stränge. 

'  Madvigs  Frage  lautet:  quid  auctoritate  peregerat  et  quidem 
saepim? 


β32  Miecellen 

Zur  Lex  Maiciana  —  Pro  salnte  iaperatoris 

Obwohl  ich  die  üeberzeugang  hege,  daee  einem  urtheile- 
fähigen  Publikum  wenig  mit  Antikritiken  gedient  ist  —  denn  ee 
wird  eioh  eein  Urtheil  über  die  Berechtigung  einer  Kritik  selbst 
bilden  —  glaube  ich  doch  Seecke  Entgegnung  (in  dieser  Zeit- 
schrift LVI  477  f.)  auf  meine  Kritik  (ebenda  LVl  120  f.)  beant- 
worten zu  müssen,  da  Seeck  sich  und  seine  Leser  über  einen 
für  seine  Lesung  wesentlichen  Punkt  täuscht.  Er  glaubt,  sich 
bei  seiner  Lesung  der  Inschrift  zweier  bei  verschiedenem  Licht 
aufgenommener,  also  sich  ergänzender  Photographien  mit  Erfolg 
haben  bedienen  zu  können ;  die  eine  sei  ihm  von  Dessau  mit- 
getheilt  worden,  die  andere  ist  die  der  Toutain'schen  Publikation 
beigegebene.  Dem  gegenüber  kann  ich  feststellen,  dass  der  Stein 
überhaupt  nur  einmal  photographirt  worden  ist  (Mittbeilang 
Gauoklers),  dass  die  von  Dessau  an  Seeck  gesandte  Photographie 
dieselbe  ist,  welche  Toutain  in  Heliogravüre  reproducirt  hat. 
Seeck  hat  sich  wohl  durch  den  verschiedenen  Ton  der  beiden 
Abdrücke  täuschen  lassen.  Sollte  aber  nicht  diese  optische  Selbst- 
täuschung ein  schlimmes  Präjudiz  für  die  Seeck*schen  Lesungen 
sein,  die  man  weder  auf  dem  Stein  noch  auf  der  Photographie 
hat  wiederfinden  können?  Mit  den  beiden  verschiedenen  Photo- 
graphien ist  es  also  nichts,  aber  bestehen  bleibt  immerhin  die 
entfernte  Möglichkeit,  dass  Seecks  Augen  auf  der  Photographie 
mehr  haben  lesen  können  als  andere  auf  dem  Stein  und  auf  der 
Photographie  zu  entdecken  vermögen.  Bei  allem  Respekt  vor 
diesen  Augen  —  Glauben  verdienen  sie  erst  dann,  wenn  auch 
andere  noch  auf  dem  Stein,  der  doch  den  Ausschlag  geben  mnes, 
Seecks  Lesungen  wiederfinden  sollten.  Ich  glaube  nicht,  dans 
das  geschehen  wird.  Wenn  Seeck  anführt,  dass  Studemund  und 
Löwe  anerkanntermassen  auf  Palimpsesten  mehr  gelesen  hätten 
als  ihre  Vorgänger,  so  dürfte  dieser  Vergleich  nicht  ganz  zu- 
treffend sein,  denn  jene  beiden  Gelehrten  hatten  eben  das  Original 
vor  sich.  Was  würde  aber  Seeck  sagen,  wenn  Jemand  auf  einer 
Photographie  seiner  ambrosianischen  Palimpseste  mehr  gelesen 
haben  wollte  als  er  auf  dem  Original  ?  Und  doch  wäre  das  der- 
selbe Fall.  Berechtigter  wäre  der  Einwand,  dass  unter  Um- 
ständen ein  guter  Epigraphiker  auf  einer  Photographie  mehr 
lesen  könne  als  ein  schlechter  auf  dem  Stein,  aber  diese  Prä- 
rogative wird  Seeck  wenigstens  in  diesem  Falle  wohl  nicht  in 
Anspruch  nehmen,  da  Toutain  und  ich  den  Inschriften,  zumal 
den  afrikanischen,  nicht  als  Neulinge  gegenüber  stehen. 

Seeck  glaubt  sodann  meine  Lesung  'pro  salnte  .  .  ^' 
p(eraJtoris)  .  .  (lex)  data  α  .  .  procuratoribus'  als  aachlich  unmög- 
lich nachweisen  zu  können  und  meint  dazu  ganz  nett:  ^  an  ihren 
Früchten  sollt  ihr  sie  erkennen.'  Ich  fürchte,  dass  hier  der  Pfeil 
auf  den  Schützen  zurückprallt. 

Seeck  schreibt :  '  Nach  Toutain  und  Schulten  wäre  das  Statut 
'zum  Heile  des  Kaisers'  gegeben.  Liegt  darin  wohl  Sinn  and 
Verstand  ? '  Für  die  Römer  allerdings,  denn  es  giebt  nicht  wenige 


Mieoellen  mS 

Fälle,  wo  sie  pro  scUuie  imperatorw  solche  en  ηπίΐ  für  sich  un- 
gewöhnliche Weihgahen,  wie  es  jene  lex  iet,  dedicirt  hahen. 
Pro  Salute  imperatoris  führen  kaiserliche  Colonen  eine  Mauer 
(C.  VIII  8777)  oder  andere  absolut  profane  Anlagen  auf  (C.  VIU 
587),  werden  geweiht:  Thermen  (C.  VIII  2706,  1245),  tabularium 
et  pondera  (ib.  757),  cella  victuaria  (ib.  4645),  arcus  (ib.  1577, 
2480) ;  pro  beatitudine  principum  eine  basilica  (ib.  8324),  pro  maijni' 
ficentia  saeculi  ein  Getreidespeiclier  (ib.  7975);  pro  felicitate  do' 
minorum  Augg.  wird  ein  Flues  eingedämmt  (C.  ΧΏ  1690  und 
1691)  und  pro  scUute  etc.  ein  Weg  wiederhergestellt  (C.  XII 
2343).  Auch  dass  pro  salvte  imp,  in  Lambäeis  eine  eohola 
(Clublokal  der  militärischen  Vereine)  dedicirt  wird  (Wilmnnns, 
Exempla  1481)  gehört  hierher,  denn  wenn  auch  in  der  schola 
da«  Bild  des  Eaieergottes  ptand^  ihr  erster  Zweck  war  ein  pro- 
faner wie  der  des  Vereins  ein  profaner  ist ;  die  religiöse  Form 
durfte  aber  nicht  fehlen.  Ist  nun  in  allen  diesen  Fällen,  wo 
pro  Salute  imp.  nicht  eine  der  gewöhnlichen  Weihgaben  (Altar, 
Tempel  etc.),  sondern  ein  profaner  Bau  dedicirt  wird,  jene  Formel 
'ohne  Sinn  und  Verstand?*  Keineswegs.  Zwar  werden  diese 
Bauten  nicht  wie  gewohnliche  Exvoto  ad  hoc  für  das  Heil  des 
Herrschers  dedicirt,  sondern  ihr  eigentlicher  Zweck  war  ein  pro- 
faner, aber  nach  römischem,  jeden  Akt  des  öffentlichen  und 
privaten  Lebens  auf  die  Götter  beziehenden  Empfinden,  dienten 
auch  sie,  indem  sie  dem  von  den  Göttern  behüteten  Reich  dienten, 
den  Göttern  so  gut  wie  Tempel  und  Altsr,  mochten  also  aach 
sie  pro  salute  imp.  gelobt  and  dedicirt  werden. 

Damit  ist  Seecks  Annahme,  da^s  die  Formel  pro  nalufe  imp. 
eich  nur  auf  ein  eigentliches  Weihgeschenk  beziehen  könne«  wider^ 
legt,   denn    wenn    für    das  Heil    de•  Kaisers  Mauern    and  ß^ide^ 
anstalten  dedicirt  werden,  warum  rii';ht  auch  ein  D'^mani4Ut4t3t  / 
Es  lässt  sich  aber  sogar  der  gar   ni'jht   nrithwin'lisf«  B^jw-si*   er- 
bringen,   dase   die  Dedication   eir,<ir    UrkTn'!*^    pro   ^ilut*:  fmf/. 
nicht    vereinzelt    dasteht.     In    Lam^v?«!«!    nt^ht    HSer    d*rn    Mi#- 
gliederverzeichniss    and  dem  V^f-ir.^^^^Kn*:    der    f*,orr.'.f:i*,^rt'i :  pro 
felicUate  et  incOiumitiite  sa^.uii  dominorum  nn.    Yi.rmu,^  li^J, 
und  aber  dem  * aUmm  t^€rai*(/r*Mm'    .r>.  ii'<h:  /-  o.  m.  pro,  Sa- 
lute) d.n.Aurdium  Amg.   !>">  '^e.ier.  Vere.',e   »^*•,%^η  *!v^  Tir  Ί^^ 
Heil  des  Kaisers  ihre  Stifte »ig^iirV'.r, -Je  fAp^r  h^Mu  ^,  wenr»  mv 
die  Formel   nicht  so   ttrenz  n*Mie*.   -w.'..,    f\^  »'.af^'v•,*.     '%*γ 
dieselbe  za  aetzea:  'pro  «α/κ/<  <mxj^'u'^»^  .    W,e  ητ,^-/  *'.ef  *• '  ■ 
die  Formel  aofTaseea  mae.  o'>  •»',.r.  '..%,  *.*  ^/it^/i  rr/».  f,%  *'ft\'» 
haft  in  dem  Sinne  wi^  da*  rr.^A-  »λ-.*  T'//';  O^'grr^^.   .'  ;»>*-♦  ?'*. 
bezieht  sie  sich  hier  aaf  *.  .-e   V*>»  -*v-/;-  :*    -i  >,  *  /*•   **    ν  - 

^^^  salui  de«  Kaia^rt  we-.jr  zi   •■  \-.    •λ•     ».   ->•    *-    • *^• 

^ie  jene  Xatxka?t<*r. .  ^:*.•*-.-.  Γ^*:  *λ'  --»^'/ν-ΐ-»  *'-»•'*  «  ,  * 
^ebenebrift  pro  ialnit  nmi,.  *7<'Γ.  >.'^r  *<  χ  >%"  ■»%•%  r4  »•» 
-^oalogiea  ζ«  der  .ex  Χλ-  •• *.•ά  .♦ ".  y*r'' λ-  r*  ^  α  -  » -k« ^ -  -  * • 
rudert  aif  S^^eeli  «^,'**  ^*'^*  "  < *  /^^'•j••  t'*!»•*"•  i**•*  *<t  ***  •*"•* 
rille  giebty  wo  Ak>r.-     *     '••    /*\.>Μ^α  >/»^     »v-     Uf  r»»/**  ^ 


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λ 

634  MicoHen 

Partei  in  der  Form  eine«  Rxvoto  dedicirt  werden  (Zeiteohr.  f. 
Soz..  und  WirtbschaftRgeech.  1898.  320).  8o  eteht  auf  dem  die 
lis  fvllonum  (Bruns  fontes  p.  362)  enthaltenden  Stein:  ^  Hercnli 
saorum^  und  der  od  eaemplum  legis  Hadrianae  gegebene  Er- 
läse der  Procuratoren  (Inschrift  von  Αϊη  Waesel)  steht  auf  einer 
ara  legis  diri  Hadriartiy  die  also  ebenfalls  ein  Exvoto  ist.  UnJ 
diese  ara  legis  Hadrianae  wird  geweiht  —  pro  saJute  imp,  (wie 
sicher  und  mit  Seecks  Beifall  hergestellt  worden  ist).  Zwi- 
schen der  ara  legis  Hadrianae  aber  und  der  ara,  auf  der  die 
lex  Manciana  angebracht  ist,  also  der  ara  legis  Mancianaej  be- 
steht nicht  der  geringste  Unterschied,  denn  hier  wie  dort  wird 
ein  Altar  dedicirt,  der  ein  Domanialgesetz  trägt.  Ausdrücklieb 
Avird  diese  Dedication  bekundet  freilich  nur  auf  der  ara  legii: 
Hadrianae  {arant  legis  divi  Hadriani  Patroclus  .  .  proc.  instituif) 
aber  dass  auch  der  Stein  der  lex  Manciunae  ein  Exvoto  ist,  zeigt 
seine  Form.  Warum  soll  also  in  aller  Welt  der  Altar  der  lex 
Manciana  nicht  ebenso  gut  pro  salute  imp,  dedicirt  worden  sein 
wie  die  ara  legis  Hadrianae'^  Wenn  Seeck  die  Formel  *pro  sa- 
lute imp.  .  .  {lex)  data'  —  statt,  wie  man  erwarten  würde:  pro 
salute  imp.  ara  instifuta  et  lex  ad  exemplum  legis  Jf.  α  procc. 
data  inlata  est  —  nicht  gefällt,  so  ändert  das  an  der  Thatsacbe, 
dass  wir  es  hier  mit  einem  Altar  zu  thun  haben,  also  einem  in 
hundert  Fällen  pro  salute  imp.  dedicirten  Exvoto,  nicht  das  Ge- 
ringste, und  vor  /e.r  data  steht  pro  salute  so  gut  und  so  schlecht 
wie  vor  album  veferanorum  auf  dem  Stein  von  Lambaesis. 
Wir  haben  eben  aus  solchen  Fällen  zu  lernen,  dass  pro  saiute 
imp.  oft  eine  formelhafte  nur  in  lockerem  Zusammenhang  mit 
der  eigentlichen  Inschrift  stehende  Wendung  ist,  durch  die  man 
einem  an  sich  profanen  Gegenstande,  wie  es  eine  Urkunde 
oder  ein  Nutzbau  ist,  die  beliebte  sacrale  Weihe  geben  wollte 
—  ganz  so  wie  sich  die  römischen  Vereine  bei  einem  denkbar 
praktischen  Zweck  doch  gerne  als  Cultgenossenschaften  fonno- 
liren.  Was  Seeck  sonst  noch  vorbringt  —  dass  die  Lesung  \pro 
salu]te  gegen  die  epigraphische  Symmetrie  yerstoeee,  da  der 
Raum  vor  pro  grösser  als  der  hinter  salute  gewesen  sein  würde, 
hei  est  doch  dem  Verfertiger  einer  so  erbärmlich  gravirten  In- 
schrift, wie  es  die  lex  Manciana  ist,  zu  viel  Ehre  anthun. 
Göttingen.  A.  Schulten. 

PRODECESSOR 
Successori  decessor  inuidit  heisst  es  in  einem  Fragment  von 
Ciceros  Scauriana  §  33  und  auch  Tacitus  Agr.  7  wendet  decessor 
nur  in  einem  Athem  mit  successor  an.  In  officiellen  Acten• 
stücken  der  späteren  Kaiserzeit  begegnet  dann  decessor  'der  Vor- 
gänger' überaus  häufig,  und  man  hat  nach  Analogie  von  proauus 
pronepos  weitergebildet  prodeceÄSor  "^ der  Vorvorgänger  .  So  redet 
Papst  Simplicius  öfter  von  prodecessor  meus  Leo  Collect.  Avell. 
ed.  Günther  p.  127,  8.  132,7.  134,1.  138,7:  ee  folgen  wf 
einander  Leo  Hilarius  Simplicius.    Symmachus  in  den  Relationen 


MisoelIeD  635 

bezeicbnet  20,  1  den  Auobenias  ßaesus  rIh  prodecessor  meus: 
dasR  diee  sein  Vorvorgänger  war  lehrt  rel.  26,  2  Auchenius  .  .  . 
sticcessor  eitts  .  .  .  apud  me.  Von  demselben  als  prodecessor 
scheint  32,  2  die  Rede  zu  sein,  wie  W.  Meyer  p.  27  seiner  Aus- 
gabe anmerkt  £in  Secretär  der  ostgothischen  Kanzlei  schreibt 
in  Caseiodors  Varia  IV  44,  1  decessorent  prodecessoremque  uestrum 
und  VIII  16,  6  per  decessores  prodecessoresque  uesfros.  Daneben 
aber  hat  man  das  Wort  als  gleichbedeutend  mit  dem  abge- 
schliffenen decessor  verwendet :  in  dem  pro  =  προ  fand  man  den 
Kcheinbar  fehlenden  Begriff  des  Vor'.  So  deutlich  Symmaohus 
rel.  25,  3,  wo  freilich  Meyer  auch  'Vorvorgänger'  übersetzt.  In 
liauangelegenheiten  hat  suh  examine  decessoris  mei  der  Professor 
Cvriades  den  Senator  Auxentius  verklagt:  postqiitim  ad  cogni- 
iionem  meam  (des  Symmachus)  uentum  est  hat  Auxentius  mit  einer 
Gegenklage  gegen  den  Professor  geantwortet,  dieser  mutua  aC' 
atbatione  seinerseits  wiedergebissen.  Vor  der  eingesetzten  Unter- 
suchungscommission  hat  sich  Auxentius  aus  dem  Staube  gemacht. 
Aus  Furcht  vor  AngriiFen  hinter  seinem  Rücken  bittet  nun  Cy- 
riades  tU  aeternitati  uesfrae  et  relaiiomm  u.  c.  prodecessoris  mei 
et  nunc  acta  suggererem.  Die  Relation  des  prodecessor  ist  also 
nichts  anderes  als  das  Protocoll  sub  examine  decessoris,  beide 
fraglichen  Worte  also  hier  gleichbedeutend  gebraucht.  In  einem 
kaiserlichen  Decret  an  den  Proconsul  von  Africa  Probianus  bei 
Augustin  epist.  88,  4  (Goldb.  p.  410,  4  im  Apparat !)  wird  Aelianus 
^U  prodecessor  fuus  bezeichnet.  Probian  ist  am  25.  Aug.  315  als 
Proconsul  Afrioae  nachweisbar,  Aelian  in  gleicher  Stellung  bis  zum 
25.  Febr.  315:  schwerlich  ist  ein  anderer  dazwischen  gewesen. 
Im  sog.  Cyrillglossar  (Goetz  Π  416,  14)  steht  'προάρΕας  ante• 
cesaor  prodecessor^  und  das  Muratorische  Fragment  bezeichnet 
Z.  48  den  Johannes  als  prodecessor  des  Paulus.  Characteristisch 
ist,  dass  an  sämmtlichen  bisher  behandelten  Stellen  die  alten 
Ausgaben  pr α  e decessor  herstellen,  ein  Wort,  das  es  gar  nicht 
g^iebt.  In  Georges'  Handwörterbuch  '^  finden  sich  dafür  folgende 
Belege:  *AuguBtin.  de  bapt.  c.  Donat.  11  §  12.  13.  Symmach. 
epist.  X  47.  Cassiodor.  var.  IV  14.  Rutil.  Namat.  I  474'.  Das 
Cassiodorcitat  birgt  einen  stets  weiter  vererbten  Druckfehler  IV  14 
etatt  IV  44:  das  ist  die  eben  citirte  Stelle.  Symmach.  epist. 
X  47  ist  alterthttmlich  für  rel.  34,  3:  da  haben  die  Hss.  de- 
cessoris: dasselbe  steht  auch  längst  bei  Rutilius.  Bleiben  als 
einziger  Beleg  die  Augustinstellen,  wo  natürlich  die  Mauriner 
^ie  gewöhnlich  aus  prodecessor  geändert  haben:  II  §  12  wird 
Bischof  Agrippinus  von  Carthago  prodecessor  des  Cyprian  ge- 
nannt: er  hat  lange  vor  diesem  amtirt.  Π  §  13  sind  prodecessor e.i 
die  Bischöfe  der  Vorzeit,  wie  in  dem  Actenstück  Coli.  Avell. 
p•  231,  20  prodecessor  es  sanctitatis  uesfrae.  Die  praedecessio  fa- 
nüliae^  welche  Du  Gange  aus  den  Gesta  T.'incredi  bei  Martene 
Anecd.  lll  Hl  citirt,  stammt  aus  einer  zu  jungen  Handschrift 
und  einem  zu  alten  Druck  um  Berücksichtigung  zu  verdienen. 
Bonn.  Hans   Lietzmann. 


636  Misoellen 

Ueber  die  römischen  bezw.  italieeheD  PereoDennamen,  die  bald  dif 

Stammsilbe  Pop(b)  bald  Pab(p)  trafen 

Hübner  läeet  Rieh  Iw.  M.  I^  p.  655  f.  über  das  neunte  la• 
teinieohe  praenomen  folgendermassen  aus:  PÜbliixs  gr.  ΤΤόπλιος, 
selten  Pnp{\\uB),  alt.  Poftlio.  Dieselbe  Abwechslnng  im  Stamme 
zeigt  auch  püblicus,  und  hier  kam  Thurneysen  darauf  —  s.  Kuhns 
Ztschr.  Bd.vJO  p.  490  f.  —  zwei  verschiedene  Adjective  püblicus 
und  poplicuH  anzunehmen,  von  denen  eins  von  pQbes,  das  andere 
von  ρΓφ(η  llus  hergeleitet  sei  und  die  dann  schliesslich  im  Ge- 
brauch identisch  geworden  wären.  Aber  dieses  Anshilfsmittel 
versagt  überall  da,  wo  kein  1  hinter  der  Stammsilbe  sich  be- 
findet, zB.  bei  Pop(p)iuR  neben  Püpius,  bei  der  tribns  Popinia 
—  vgl.  CIL.  VI  1421  —  neben  der  tribns  Püpinia,  bei  n.  g. 
Popidius  neben  Pupidius  usw.;  und  doch  kann  man  sich  dem  Ge- 
danken nicht  verschlieRsen,  dass  alle  diese  Eigennamen  zu  einander 
gehören.  Da  nun  Kretschmer  —  s.  Einleitung  in  die  griechische 
Spr.  334  f.  —  aus  Lall  namen  gebildete  Personennamen  in  Klein• 
asien  in  erstaunlicher  Häufigkeit  findet^  da  nach  ihm  die  Sitte 
Lallwörter  zur  Bildung  von  Personennamen  anzuwenden  auch  bei 
idg.  Völkern  nachweisbar  ist  —  er  führt  unter  andern  für  das 
Latein  Acca,  Atta  Appins  Tatius  an  — ,  so  werden  wir  den 
Namenstamm  Pop-  bezw.  Pup  auch  so  entstanden  uns  denken 
dürfen,  wenn  er  sich  unter  ein  bekanntes  Kinderwort  unterbringen 
läset.  Nun  haben  wir  im  Latein  das  c.  Päpus,  und  von  Weiter- 
bildungen desselben  führe  ich  hier  nur  an  n.  g.  Päpius,  Päpiliui», 
Päpinius,  Päpirius  bezw.  Päpisius,  c.  Papo,  n.  p.  Papsenna  und 
Papuleius.  Diese  Namen  hängen  doch  offenbar  mit  dem  Kindeewort 
für  'Vater'  zusammen.  Für  den  Vokal  a,  der  nach  Kretschmer 
p.  335  der  häufigste  ist  in  diesen  Kinderworten,  treten  aber,  wie 
er  selbst  sagt,  auch  andere  ein.  So  führt  er  neben  Nanna  Nfinna, 
Nonna  N/nna  an  usw.  Demnach  konnte  auch  im  Latein  neben 
dem  Kindesworte  des  Stammes  päp  bezw.  papp  —  vgl.  fiif 
Pappius  CIL.  VI  23815  und  V  5526  und  XV  1179  —  auch  pöp 
bezw.  popp  und  püp  bezw.  pupp  —  Eph.  Ep.  VIII  501  Ϋηρρο- 
nius  —  es  geben,  zumal  wenn  mit  der  Vokal  Veränderung  auch 
eine  Bedeutungsveränderung  verknüpft  war  —  päpa  Vater  neben 
püpus  Sohn,  Knabe.  —  So  scheint  mir  auch  Titus  Sohn  bedeutet 
zu  haben,  während  tata  Vater  hiess.  Heisst  doch  im  Pariser 
Jargon  titi  heute  noch  ein  Strassenju  nge  und  toto  nennen  das 
Kind  die  französischen  Ammen.  Ich  will  nun  zuerst  die  Namen 
mit  Stamm  Pöp  (Popp)  und  dann  die  mit  Pup  anführen,  so  weit 
sie  mir  eben  aufgestossen  sind.  Entsprechend  dem  Appellativum 
püpus(a)  wird  es  im  Latein  auch  pop(p)ue  bezw.  pop(p)a  gegeben 
haben.  Denn  ebenso  wie  jene  Kinderlaute  finden  wir  auch  diese 
als  Eigennamen  angewendet,  so  CIL.  XIII  2297  Valeriae  Poppa^• 
XIII  1868  Mansuetia  Poppa,  Bnunb.  n.  715  Popae  matri  und 
CIL.  IV  1119  Popum.  Hierher  stelle  ich  nun  auch  die  Ab- 
kürzung Pop.,  ich  fasse  sie  also  nicht  als  Abkürzung  von  Pnblins 


Miscellen  637 

bezw.  PopliuB,  wie  gewöhnlich  geschieht.  Wird  doch  auch  Pupue 
in  der  AhkUrzung  Pup.  gebraucht,  zB.  bei  Planta  II  p.  550  n.  278 
(äquikuliech)  steht  Pup.  Herenniu.  und  CIL.  XIV  4030  P,  Mae- 
ciliue  3  et  Pup,  1.  Apollonius;  in  der  letzten  Inschrift  wäre  doch 
die  Abkürzung  dieselbe  gewesen,  wenn  beidemal  der  Vorname 
Pnbline  bezw.  Puplius  gelautet  hätte.  Wir  finden  die  Abkürzung 
Pop.  CIL.  I  178  (inscr.  PisaurensisJ  T.  Popaio(8)  Pop.  f;  ferner  bei 
Conway  §  326  b  (faliskisch)  Pop.  Petrunes  =■  Pupus  Petronius, 
und  Pop.  CIL.  I  937  ist  nicht  näher  zu  bestimmen,  weil  es  ganz 
allein  steht.  Eine  Weiterbildung  hiezu  ist  das  n.  g.  Pop(p)iuB 
bezw.  Pop(p)ia;  es  erscheint  nicht  nur  im  Latein,  so  zB.  CIL. 
II  5914  Popia  L  (f.»),  Vlll  7690  Rocta  Poppia,  Statins  Popius 
Saturninns  Inschr.  von  Tebessa  in  Algerien,  CIL.  III  2615  Maxi- 
railla  Poppia,  Eph.  Ep.  VIII  n.  1247  Sex  Popius,  sondern  auch 
im  Italischen,  so  nach  Conway  §  345  (faliskisch)  Popia  Calitenis 
und  nach  Planta  II  506  n.  78  osk.  Ni  Papie  =  Numeri  Popii. 
Zum  n.  g.  Pop(p)piue  bezw.  Pop(p)ia  giebt  es  nun  wieder  Weiter- 
bildungen, wofür  ich  die  Belege  jedoch  nur  bei  seltenem  Vor- 
kommen angeben  will.  Besondere  häufig  ist  die  gens  Pop(p)aea 
bezw.  PopCp)eia  —  zB.  CIL.  VI  24761  L  Popeius  Sex  fil.  — 
oder  Poppea  —  zB.  Poppeae  Agrippinae  CIL.  VI  7638.  —  Die 
Urform  haben  wir  noch  im  CIL.  I  n.  178,  wo  T.  Popaio(8)  steht. 
Aus  diesem  n.  g.  leitet  sich  wieder  hier  die  gens  Pop(p)aedia  — 
urspr.  Pop(p)aidia,  cf.  CIL.  X  8056  Q,  Popaidius;  eine  andere 
Weiterbildung  ist  Poppaienus  —  cf.  CIL.  XI  1368  und  1381.  — 
Ein  Deminutiv  zu  Pop(p)ue  ist  Popallus  —  s.  CIL.  V  8122,  6  — ; 
beide  verhalten  sich  zu  einander  wie  Attus  zu  Attalus.  Weiter- 
bildung hiezu  ist  Poppaienus  CIL.  XIV  3945.  In  dem  Namen 
Popptaca  Valeriana  CIL.  V  3109  sehen  wir  eine  speciell  ober- 
italische  Weiterbildung.  Unter  den  Weiterbildungen  ist  ziemlich 
häufig  auch  Pop(p)idius  (a),  die  auch  das  Italische  hat  —  bei 
Planta  n,  34.  35  (oek.)  steht  ü  Pupidiis  und  n.  251  (päl.)  V. 
PopJis,  doch  n.  167  (osk.)  finden  wir  schon  die  parallele  Form 
Pupdis.  Auch  popillus  (a)  finden  wir  als  Namen,  also  eine  Ent- 
sprechung zu  püpillus  (a),  zB.  CIL.  VI  2407  Valentinius  Po- 
pillus, XIII  2237  Popillae,  vgl.  auch  IX  4381.  Die  hieraus  her- 
vorgehende gens  Popi^lia,  bei  der  aber  auch  die  Form  Popi/ius  (a) 

—  vgl.  zB.  CIL.  I  533  —  ja  selbst  Vopp\ll\9.  —  so  CIL.  VI  24809 

—  gebräuchlich  war,  ist  bei  den  Römern  bekanntlich  sehr  häufig 
gewesen.  Poplius  —  vgl.  CIL.  I  1116  —  bezw.  Poplia,  so  bei 
Conway  (falisk.)  p.  382  n.  339    und  p.  375  XI  β  η.  19  und  J31 

—  merkwürdig  ist,  dass  die  Griechen  fast  immer  ΤΤόπλιος 
schreiben,  nur  selten  ΤΤούπλιος,  nie  ΤΤούβλιος  —  bezw.  Poplianus 

—  vgl.  CIL.  X  7545  —  könnten  synkopirte  Formen  zu  dem 
vorigen  Gentilnamen  in  der  Form  Popilius  sein  —  vgl.  Manlius 
neben  Manilins  — ;  aber  da  sie  auch  zu  pop(u)lus  bezw.  Popli- 
cola  als  Koseform  gezogen  werden  können,  so  bringe  ich  sie  hier 
nicht  in  Anschlag,  ebenso  wenig  wie  die  g.  Poplicia,  die  man 
aucb  zu  poplicus  ziehen  könnte.     Von  der  tribus  Popinia  —  statt 


638  Misceileu 

i^ipinia  —  habe  ich  oben  schon  gesprochen;  in  Popnia  Q,.  1. 
Fausta  —  CIL.  I  1062  und  VI  21470  —  haben  wir  die  eyn 
köpirte  Form  dazu.  Poppe  häufig  in  CIL.  XII  —  verhält  sich 
zu  Poppus  wie  Cato  zu  Catus.  Als  Weiterbildung  dazu  fasse  ich 
die  gens  Pop(p)onia  —  vgl.  zB.  CIL.  I  939  —  und  halte  dieec 
Form  nicht  für  verderbt  aus  Pomponia(u8);  denn  es  giebt  ein 
paralleles  Pu/;onio(s)  im  Faliskischen  nach  Conway  p.  375  n.  320 
XI  β  23  und  Pu;>poniu8  (Tibur)  Eph.  Ep.  VIII  n.  501.  In  Pop- 
puleia  T.  f.  CIL.  IX  3320  sehen  wir  eine  Deminntivform  zu 
Poppeia,  die  wir  oben  gebracht  haben. 

Vom  Stamme  Püp-  führe  ich  hier  au  in  seiner  Anwendaug 
als  praen.  und  c.  das  bekannte  Appellativum  pupu8(a).  Weiter- 
bildung dazu  ist  das  häufig  vorkommende  n.  g.  Pupiu6(a),  ferner 
die  gens  Pupelia  —  vgl.  CIL.  VI  28735  Pupeliae  Fuscae  — ,  die 
gens  Pupenia  —  s.  CIL.  VIII  877  Quartina  Pupenia  — ,  ferner 
die  g.  Pupidia  —  zB.  CIL.  X  8370  — ,  ferner  die  g.  Pupien(i)a 

—  vgl.  zB.  CIL.  VI  *2'o223  u.  24,     Die  Deminutive  von  pfipue 
püpulus   und   püpillus    kommen    ebenfalls    als  Cognomina    vor; 

ich  erinnere  hier  nur  an  den  bekannten  Orbilius  Püpillus  und 
führe  aus  CIL.  V  5373  P.  Secundieni  Pupuli  an.  Eine  W^eiter- 
bildung  zu  Püpillus  ist  das  n.  g.  Pupillius  (a)  —  vgl.  zB.  CIL 
Vi  25225  — ,  Und  hierzu  könnte  als  synkopirte  Form  Püpiine 
gehören  —  vgl.  zB.  Gr.  Lat.  K.  1  p.  321  (Diomedes)  und  p.  533 
(Charisius)  'Ptiplius  Cornelius  Scipio  — ,  wenn  man  nicht  Ver- 
derbung aus  PiZ&lius  annehmen  will.  Zu  Puplius  haben  wir  als 
Weiterbildung  Puplena  n.  g.  masc.  Not.  d.  Sc.  1897  p.  93  f.,  ferner 
gens  Publicia  —  zB.  CIL.  VI  25144,  daneben  umbr.  puplece 
Planta  II  n.  293  (1,  2,  3  aus  Tuder)  —  ferner  g.  Puplilia  —  so 
zB.  CIL.  VI  18259  — .  Als  weitere  Abkömmlinge  von  Pupue(a) 
bezw.  n.  g.  Pupius  (a)  füge  ich  hier  noch  an  Pupinus  —  β.  CIL. 
3871  — ,  woher  wieder  die  gens  Püpinia  —  zB.  CIL.  V  5796  — 
und  die  tribus  Pupinia  und  der  ager  Pupinius  entstammt,  üeber 
Pupponius  und  falisk.  Puponio(s)  habe  ich  oben  schon  gesprochen. 
Wie  sind  nun  die  Formen  mit  Po6-  bezw.  mit  Pü6-  neben  den 
aufgeführten,  die  Poj>-  und  Püp.  aufweisen,  zu  erklären?  Erstere 
liaben  fast  alle  hinter  sich  1;  nur  CIL.  VIII  5630  heisst  ein 
Mann  P.  Pu&iscius  Fidus.  Nach  dem  Vergleiche  jPaieriuB :  Fa- 
liscus  -=  puber  :  pubiscus  könnte  man  wohl  auf  eine  Herkunft  dieses 
Namens  von  pubes  (pubis)  Subst.  bezw.  puber  Adj.  schliesBeD, 
und  da  in  dem  b  von  pubes  eine  aspirata  media  —  sei  es  bb, 
sei  es  dh  —  stecken  wird,  so  könnten  wohl  Pu/u8(a)  —  vgl. 
CIL.  VI  2316  Otacilia  Pufa  und   VIJI  20178  Q  Terentius  Pufus 

—  die  italische  Wurzelform  des  Wortes  pubes  aufweisen.  Auch 
sie  sind  zum  n.  g.  weitergebildet,  wie  CIL.  VI  2546  Sex  P«fio 
Quarte  und  XV  6641  C.  Puf(i)  Sec(undi)  beweisen.  Dazu  soll 
nun  auch  nach  Conway  das  pälignische  Foef,  —  p.  684  add  —  ^^ 
abgekürzte  Form  eines  n.  g.  gehören  cf.  ind.  V  s.  v.  Wir  haben 
also  in  Pubiscius  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  einen  Eigennamen 
mit  dem  Stamm  von  pubes  (pubis),  und  die  italischen  c.  Pufnsia), 


Miscellen  639 

sowie  das  italieche  n.  g.  Pufius  laseeii  auch  aaf  die  Existenz  eines 
lateiniecben  c.  Pabii8(a),  sowie  eines  lateinischen  n.  g.  Pubius 
einen  Schlnss  zu.  Pnbus(a)  bezw.  Pnbins  mussten  natürlinh  wegen 
der  Formähnlichkeit  mit  dem  c.  Pupus(a)  bezw.  dem  n.  g.  Pupiu8(a) 
yerwechselt  werden,  und  so  hat  denn  im  Kampf  ums  Dasein  die 
Form  Pub-  in  den  1-Formen  den  Sieg  davon  getragen,  während 
eie  in  den  1-losen  den  kürzern  zog.  Daher  Pnbleius,  Publius, 
Publicius,  Pnblilius,  Publieniuö,  Publisidia,  Pablinus  —  CIL.  V 
6625  — ,  Publinedius  —  s.  CIL.  VI  25199  —.  In  den  l-Formen 
trat  nun  noch  als  vierter  Concurrent  pÖp(u)lue  herzu.  In  Popli- 
cola  hatte  sieh  im  Latein  einer  von  den  wenigen  Vollnamen  mit 
2  Namenstämmen  erhalten,  ähnlich  wie  in  Agricola,  Silvicola  — 
zB.  Valerius  Silvicola  CIL.  XIII  2016  -,  Horticola  —  zB.  CIL. 
VI  1530  L  Val.  Helvidio  Prisco  Horticolae  c.  v.  — ;  aber  auch 
die  Kurzformen  mit  einem  Stamme  wurden  gebraucht,  so  Agnus, 
Silvius,  Hortins  —  diese  selbst  italisch,  so  steht  bei  Planta  II 
11.201  ^Mz.  Hurtiis  — ,  und  Poplius.  Nun  konnte  aber  auch  aus 
Popilius,  wie  ich  oben  zeigte,  ein  Poplius  sich  entwickeln, 
und  so  waren  denn  in  den  1-Formen  die  von  Poplicola  bezw. 
pop(xi)lue  herkommenden  Namen  von  denen  mit  dem  Stamm 
Pop  nicht  mehr  zu  unterscheiden.  Da  aber  Pop-  und  Pnp-  neben 
einander  hergingen  und  die  Pap- Formen  in  der  1- Weiterbildung 
noch  Beeinflussung  von  Pub-  (aus  pubes)  erfuhren,  so  konnte  es 
vorkommen,  dass  desselben  Wortes  Namenstamm  bald  Popl-,  bald 
Püpl-,  bald  Pübl-  lautete.  Ja  schliesslich  schuf  man  nach  Pabl- 
neben  Pübl-,  analogisch  zu  Popl-  noch  ein  Po&l-.  So  gab  es 
denn  Poplius,  Püblius,  Püplius;  ja  selbst  Poblius,  wie  CIL.  XI 
6695,  73  (Perusiae)  L  Poblio(s).  '  Es  gab  Poblicola  —  CiL.  V 
(4484  und  4486)  — ,  Poplicola,  Publicola;  Puplicola  ist  mir 
oicbt  bekannt.  £s  gab  Poblicius,  Poplicius,  Publicius  und  Pupli- 
ciuB  -  zB.  CIL.  VI  25144  und  XIV  490  -,  usw.  Uebrigens 
braucht  Publicius  nicht  nothwendig  von  püblicus  herzukommen, 
es  kann  auch  eine  Kurzform  zu  Public-ola  sein,  grade  wie  Δη- 
μοσθάς  zu  Δημοαθ-ένης.  Schliesslich  möchte  ich  noch  bemerken, 
da88  Thurneysens  Herleitung  von  püblicus  ans  pubes  nach  der 
Analogie  von  pop-licus  —  K.  Z.  30,  488  f.  —  mir  nicht  ganz 
einwandsfrei  erscheint;  gab  es  ja  doch,  wie  ich  eben  gezeigt, 
höchst  wahrscheinlich  die  regelmässig  gebildete  Adjectivform 
pnbiecus.  Konnte  püplicus,  später  püblicus,  nicht  etwa  das  be- 
zeichnet haben,  was  die  püpuli  dh.  die  jungen  Burschen  angeht? 
Pubes  bedeutet  ja  auch  nur  'riie  junge  Mannschaft',  und  da  ist  es 
doch  wahrscheinlicher,  dass  püplicus  bezw.  püblicus  von  einem 
Worte  mit  1  als  einem  ohne  1  herstamme. 

Breslau.  August  Zimmermann, 


640  Miteellen 

Μυκήνησι 

Der  alte  Lokativ  des  Plurals  ist,  adverbial  erstarrt,  in  Bil- 
dungen wie  θύρασι  Άθήνησι  Δ€κελ€ίααι  Μουνυχίασι  Όλυμπίααι 
ΤΤεντΑησι  ΤΤλαταια0ΐ  Φλυήσι  zum  Theil  bis  in  spate  Zeit 
lebendig  geblieben,  üblich  war  er  namentlich  bei  der  BezeichnnD^ 
attischer  Dement  Dass  von  dem  uralten  Ortsnamen  Μυκήναι 
eine  gleiche  Bildung  einmal  existirt  haben  muss,  ist  an  sich 
wahrscheinlich.  Steht  zu  θύρασΓ  ein  θύραθ€ν,  zu  ΤΤ€ντ€ληαιν 
ein  ΤΤεντέληθεν  usw.,  so  finden  wir  entsprechend  Μυκήνηθεν  im 
antiken  Epos.  Aber  Μυκήνη0ΐ  ist,  soviel  ich  sehe,  erst  durch 
Conjectur  zu  erschliessen.  In  einem  neuen  Fragment  der  so- 
genannten Epitome  des  Adamantios,  das  Foerster  Rhein.  Mus. 
N.  F.  δδ  S.  141  bekannt  gemacht  hat,  heisst  es:  δνομα  tp• 
γάσεται  ό  τοιούτος  άνήρ  ή  φόνους  συγγενών  ή  μίξεις  ή  βρώ- 
σεις άνομους  και  είοιυλοθύτους.  όττοΐα  τα  θυέστου  του  ΤΤΛοπος 
πάθη  έν  πόλει  Μυκήνη  και  του  Οίοίποόος  του  Λαίου  έν  θήβσις 
κα\  τά  θηρέιυς  τουθρςικός  λέγεται  γενέσθαι.  Aber  die  Pariser 
Handschrift,  auf  der  das  Excerpt  beruht,  hat  die  merkwürdige 
Lesung  όποια  τά  θυέστου  του  TT.  πάθη  έμοι  κινήσει  και  του 
κτλ.  Wer  diese  Ueberlieferung  nach  dem  Buchstaben  einschätzt, 
wird  in  έμοι  κινήσει  nichts  anderes  erblicken  als  ein  darch  ita* 
cistische  Aussprache  entstelltes  Μυκήνησι. 

Für  die  Werthung  der  Pariser  Excerpte  ist  die  seltene 
Form,  die  sicher  nicht  von  dem  Epitomator  stammt,  eich  vie)- 
raehr  wohl  schon  bei  Polemon  fand,  von  nicht  geringer  Bedeutung- 

Bonn.  L.  Hadermacher. 


1  ΥμΙ.  noch  Άγγ€λήσι  Άγρυλήσι  *Αθμονήσι  ΑΐΕαινήσι  *ΑλωΐΓ€κήοΐ 
Αμφιτροπήαι  Άνακαίασι  *  Αραφηνήσι  Άφίονησι  *Αχαρνήσι  ΈκαλήσιΈιη• 
ηφισιααι  *  Ερικ€{ασι  *  Ερχιβσι  Κ€φαλήσι  Κηψισιάσι  Κριαισι  Κρ  umiöoi  TTcp- 
ασήσι  ΤΤρασιοσι  ΤΤτελεάσι  Σφ€νδαλήσι  Φυλήσι. 


Verantwortlicher  Redacteur:   L•.  Radermacher  in  Bonn. 

(β.  October  1902.) 


Register. 


Achilles  Tatius  Kritisch -Exegeti- 
sches 55  (I  8,  1  --9)  60  {II  4,  2) 
ß09  (II  35,  3—38)  60  (II  36,  1) 
71  (II  36.  2)  62  (p.  40,  8)  64^ 
ip.  45,  25.  30  f.  p.  46,  24  f.  47, 5) 
69  (p.  49,  13)  64»  (p.  84,  11)  64 
(p.  84,  12)  641  (p.  H5,  3)  63 
(p.  85,  7  f.)  68  (p.  85,  9.  10  ff. 
24  f.)  65  (p.  86,  3)  66  (p.  86, 
14-87,8)  73  (p.  87,14.  18.  19  f. 
21  f.  23)  65  (p.  141,  10)  64^ 

Adamautios  Epitoroe  640 

Aderlass  391 

Aegyptisches  Harfnerlied  270 

Aelian  var.  bist.  (XII 43)  615V  616« 

Aelias  Lampridias  (vita  Alex.  Sev. 
c.  63)  171 

Aeltette  Redaction  der  Pontifioal- 
annalen  517  f. 

Aeschinee  (lU  215)  6» 

Aeschylos  Choeph.  (602  ff.  Khff.) 
230  Pere.   (460-467  Weckl.)  3 

Aetius-Plutarch  Plac.  phil.  (IV  22, 1 
p.  411  Diels)  379«  (IV  22,  2 
p.  412  D.)  374.  380 

Agathias  Soholastikos  6ül 

AgesistratoB  10 

Agroecios  de  Delphica  (p.  116,  15 
K.)  473 

Akraipbiai  Inschr.  (Bull,  de  corr. 
hell.  XXIV  70)  315 

Alexander  Aphrod.  quaest.  nat.  et 
mor.  (II 23, 136  f.  p.  72  f.  Brun«) 
368  π€ρΙ  κράσεως  καΐ  αύ^ήσβως 
(c.  11  ρ.  226,  30  ff  akad.  Ausg.) 
488 

Alexander  der  Grosse,  zur  Ueber- 
iiefemnir  der  Geschichte  A.  d.  Gr. 
559 

Alexandriner,  Canon  d.  A.  140 
Prosaaosgaben  139 

Alkaios  (48  A.)  335 

Altchristliche  Bräuche  183  f. 

Amherst  Papyri,  Kritisches  zum 
II  Bande  der  Anih.  Pap.  137  f. 

Kheiu.  Mn».  f.  l»l••*  " 


Ammianus  Maroelliaus,  zu  (30,  5 

§  19)  166 
Amphictyonen-Geeetz  (a.  380)  173  f. 
άμυχαΐ  παρ€ΐών  624 
dvd  distributiv  147 
Analeota  Bollandiana  (t.  XII  p.  26, 

16)  182» 
Anastasius  Sinaita  457 
Andokidea  π€ρΙ  €ΐρήνης  (33  f.)  426 
Anemesetus  325 
Annales  maximi  524 
Anonyme  Fragmente  in  den  Amh. 

Pap.  145 
Anthoiogia  Palat.   (V  41)  600   (V 

116.  208)  59   (V  220.  248)  601 

(V  234)  609  (V277f.  302.  XII  7. 

17)59  (XII 23)  601.  609  (XII 49. 

50)603  (XII  41.  86.  175.246)59 
Antiphon  (V  36)  4 
Antoninus  Liberalis  (10)  177^  (40) 

154.  228 
Aphaia•  Inschrift   aus   Aigina  152. 

252.  543 
Aphaia  Sondergöttin,  ebd. 
Apollodor  (II  5,  11)  281    (III  210) 

222* 
Apollonius  von  Tyana  498 
aquaeduetus  397 
Archilochus- Fragment    in    Strass- 

bürg  (I)  Kritisches  157 
Aristainetos  (I  22)  609 
Aristarcb,  Commentar  zu  Herodot 

(Amh.  Pap.   17)  139 
Aristides  rh.  (4   t.  I  ρ    49  Dind.) 

178*  (45  t.  II  p.  23  Dind.)  178» 
Aristobulus  581  ff. 
Aristophanes,    Reste    in    d.    Amh. 

Pap.  145  —  vesp.  (241)  180"  — 

av.  (749)  180**  —  thesm.  (sohol. 

V.  50<»)  19.3β8  —  ran.  (265)  478 

—  Plut.  1013  ff.)  600 
Ai  istoteles  reep.  (7  p.  473»  15)  379» 
ArnobioB  (V  8  fr.  7  fr.  bist.  Rom.) 

2^2.  243 
Arriim    ίκταΕις   (ρ.  81  Η)   " 

41 


642 


Register« 


anab.  (I  1)  576  (I  16,  2)  577  (I 
16,  4  ί  590  (Ι  28,2)  569  (114,7) 
587  (II  11,  8)  592  (Π  12,  8)  576 
(III  3,  5)  576  (III  4,  5.  8,  3)  588 
(III  11,3-7)  593  (11117,1)  587 
(III 28. 5)  585  (III  28,  6)  586  (III 
30,7-9)  581  (IV  1,  1)  588  (IV 
3,  7)  593  (IV  5,  2)  595  (IV  6.  2) 
593  (IV  6, 6)  589  (IV  13,  5)  593 
(IV  15,  1)  588  (IV  28,  2.  4)  574 
(IV  28,  3)  595  (V  1,  2)  576  (V 
2,  7.  4)  593  (V  3,  1.  3)  570.  573. 
574  (V  4,  2)  579  (V  4,  3.  4)  572. 
577  (V  5)  585  (V  5,  1.  6,  1-2) 
580  (V  6,  4—6.  8.  20,8-9)  579 
(V  26,  1)  581  (V  26.  5)  574  (VI 
2,  3)  572  (VI  11,  2.  4-6.  7)  575 
(VI  12,  7)  596  (VI  25,  5)  591  (VII 
2,  21  fif.  7.  3)  587  (VII  11,  3) 
593  (VII  16,  1-3)  581  (Vli  liJ, 
2)  582  (VII  21,  2)  587.  -  Indic. 
(1,  7)  593  (2,  2)  580  (:>.  4)  blil 
585  (3,  1)  585  (3,  6-8)  578  (3. 
9—6,  9)  579  (5,  2.  11)  593  (δ', 
4-7.  9.  10-11.  12)  578  (5,8- 
13)  573  (15,4.  5)579  (24.9)591 
(25,  7—8)  580  (28,  8.  9.  16.  29, 
12.  30,  9)  591  (40.  2-  5.  6)  580 

Arsanes  612 

Artaxerxee  (II  u.  III)  610 

ArtemishymnuB  des  Kallimachos 
(Schollen)  141 

Asklepiades  373 

Aetydamas'  'Hector  (?)  in  den  Amh. 
Pap.  137 

Athenaeus  (p.  9)  43  (19/20)  45  (§  25) 
47  Athenaeus  (IV  3  p.  129»)  311 
(VII  297t>)  223  (XI  p.  479  f.)  254 
(XI  p.  505 f.)  487  (XIII  c.  7  p.  558? 
flf.)  57  (XIII  c.  8  f.  ρ  559  f.)  «8 
(XIII  c.  10  p.  560b-i;  c.  15  p.  56.3<ι 
c.  20  p.  566e ;  c.  87  p.  608*  ff.) 
57  (XIII  p.  609»)  618  (XIV  p. 
657  f.)  437  (XV  c.  53  p.  697'*)  5y 

Athmungslebre  bei  Plato  374  ff. 
bei  Asklepiades  380 

AuguetinuB  (de  civ.  Dei  XVIII  10. 
40)  240  (XXII  28)  235 

Avianus:  Fabeln-Datirung,  Kriti- 
sches 167  f. 

Habrius  in  den  Α  roh.  Pap.  142 

Bacchylides  (14,  9)  334 

Backöfen     und     backsteinbau    ini 

Alterthum  35.  37 
Βασιλικός  Eigenname  14'i 
Batracbomyomachia  (v.  209-21!)) 

48 1 


Berliner  Bruchstücke  der  Sappho 

328 
Berliner  Gr.  Urkunden  (958«)  Al^ 
Betriacum,  Schlacht  bei  B.  126 
Bibel  (2.  Rom.  6, 18    .Apostelg.  i:^, 

11   Rieht.  16.20  ff.)  275 
Bienen  und  Honig,  Beziehung  zur 

Dichtung  179 
Blattversetzung  bei  Galen  627 
Bleirohre,  antike  22 
Blindheit  Homers  274  f. 
Bocchus  17 

Briefe  in  d.  Amh.  Pap.  149 
Buchredaction  der  Pont.- Ann.  525 
Busirislegende  281 

Caelius  AurelianuB:  morb.  acut.  (I 
15  p.  46.  52  f.  II  22  p.  131  Am- 
man)  390  f. 

Canon  der  Alexandriner  140 

Caracallas  Ermordung  506 

Cassius  Dio:  'Ρωμ.  töxop.  (54,  Γι,  2) 
250  (6.3,  4)  511  (64,  6)  106  (W, 
7)  116  (64,  8)  115  (64,  10)  117 
(64,11)  129  (64,12)127  (64,14) 
129  (74,  1)  511  (78,  5,  5  ff)  507 

Catull  (45)  609 

Censorinus  de  die  nat.  (21,  1)  231 
(14.  10.  17,  5)  237   (17,  10)  24•) 

,   (18,  7)  237 

ΖΙητήματα  der  Liebesphilosophie  5Γ) 

Christlicher  Cult  und  heiduische 
Mysterien  183  f.  193 

Chronologie  im  alten  GriechenlaDd 
233 

CIA  (II  545)  1731  (II  996)  476  (III 
5  9)  499^ 

Cicero  —  de  div.  (I  39,  86)  3«4 
(II  47,  98)  243.  —  de  off  (II  5>M 
325  -  de  fin.  (ITI  15)  343  -  de 
orat.  (159)  314  —  Tim.  (1)  2:3<; 
—  acad.  (I  3,  9)  243  —  Tusc 
(I  1.  1)  242  (TV  2.  3  f.)  236  - 
pr.  Rose.  Am.  f7)  344  —  ad  Att. 
(IV  17)  359^  (VI  1,  25)  361  (X 
6,  1)  355   (XI  17a,  1)  359  (XIH 

4,  1)  359  (XIII 20,  4)  359'  (ΧΙΠ 
25)  326  (XIII  48,  1)  356  (XIV 
14,  1)  360  (XV  2)  359  (XV  3,1. 
24)  359  (XV  26,  4)  359i  (XVI  2, 

5.  10,  1)  360  (XVI  11,  1)  347 
(XVI  15,  6)  356  —  ad  fam.  (H 
16,  6)  355  (IX  4)  389'  (IX  7,  2) 
343  (IX  10,  2)  344  (IX  10,  3)  'SirO 
(IX  16,  7)  339  (IX  19,  1)  344  (IX 
18,  3)  343  (IX  20, 2)  345  (IX  '21 
1)  3391  (lX22)a37  (XV  17,2.  li•. 
3)  353  ad  Quintum  fr.  (II  3)  02'> 


/ 


Register. 


648 


CIG  (1511)  534  f.  (1688  Ahrene 
Dial.  II  484-492)  173»  (3163) 
153 

CIGIns.  (III  248)  153.  254» 

CIGS  (I  2733)  253 

CIL  (I  1«  p.  274)  172  (I  183)  316 
(III  4327)  512  (ΙΙΪ  5876)  316(111 
6541a)  317  (ΠΙ  8156)  512  flll 
14387  f.)  511  (VI  3637)  316 
(VI  3744)  513  (IX  3849)  316  (X 
3464a  u.  3469)  317  (XI  4095)  323 
(XI  5265)  324  (XI  5440)  325  (XI 
5717)  324  (XI 5748.  6035.  6117) 
325  (XIV  2215)  317  (XIV  1386. 
4270)  316 

ClPel.  (1580)  543 

Cirie  (46—53)  205  (105  f.)  214  (1 12. 
113)  2271  (130  f.)  213  (132)321 
(156)  322  (172)  215  (190)  221» 
(220)  228  (257—282)  214^  (262) 
322  (268)  215  (286  ff.)  213  (287  ff. 
301  ff.)  228  (312)  322  (367)  321 
(369-377)  468  ff.  (383)  323  (387) 
216»  (404—458)  2143  (418  ff.  428) 
221  (429  ff.)  213  (451)  223  (4(;5  ff.) 
227  (471)  221  (484)  223 

ristemenbau,  antiker  39 

Clemens  Alexandr.  453;  Stromat. 
(1  21,  139)  240 

Concilium  Trullanum  (can.  LVII) 
320 

Contamination  von  Plautua  Άτη- 
pbitruo'?  463 

Culttage  der  XII  divi  imperatores 
172 

Curtius  Rufus  (II  6,  24)  595   (III 

1,  13)  586  (III  2,  12.  13)  565 
(III  3,  2  f.)  6162  (III  3.  23)  565 
(III  4,8.  5,  1)587  (1115,2.  6,9. 
12.  8,  9)  567  (III 11,  27)  592  (III 
12,  13  f.)  612»  (III 12,  19.  20)564 
(III  13,  1.3)  619  (IV  2,  5.  4.  17. 
♦5.  27.  7,  30.  50)  564  (IV  9,  16) 
")K7  (IV  9,  22)  565  (IV  12,  9)  565 
(IV  13,  26)  593  (IV  14.  3.  11.  15. 
IH.  16,  23)  565  fV  I.  12.  15.  24) 
OH7  (V  1,  13)  586  (V  1,  36.  39) 
ό»•»4  (V  2,  18  ff.)  i»128  (V  2,  22) 
»•»12«  (Ύ  3,  1)  587  (V3,  12)  612^ 
<)I5  (V  3,22)  590  (V  5,5)  565 
(V  7.  1.  5.  10)  564  (V  8,  8)  594 
iV  13,  14)  565  (V  13,  16)  567 
(VI  1,7—8)  567  (VI  2,  4)  564 
iVl2, 13)  588  (VI  2,  14)  567  (VI 

2,  15)  584  (VI  4,  16—19)  584 
(VI  4,  19)  588  (VI  4,  21.  22)  584 
(VI  5,  18)  5«?  (VI  6,  3.  4.  5.  10) 
5B4  (VI  6,  13)  588   (VII  2,  17) 


592  (VII  2,  35)  567  (VII  3,  19- 
22)  585  (VII  4,  6.  32)  588  (VII 
5,  19)  593  (VII  6,  12)  588  (VII 
7,  2.  3)  588  (VII  7,  31)  565  (VIII 
1,  36.  39)  564  (VIII  1,  37)  565 
(VIII 2,  1.  8)  567  (VIII  3,  1)565 
(VIII  5,  5.  14)  564  (VIII  5.  7.  22) 
564  (VIII  6.  1)  564  (VIII  6,  16) 

593  (VIII  7,  5  10)  564  (VIII  9, 
14)  588  (VIII  10,  16-17)  593 
(VIII  10,  18)  564  f.  (VIII  10,  29) 
593   (VIII  13,  6.  14,  2)  596   (IX 

1,  24)  590  (IX  5,  4)  567  (IX  5, 
21)  563  (IX  8,  20)  591  (IX  10, 6. 
10)  591  (IX  10,  26.  28)  564  (X 
1,11)  597  (X  1,13.  14)  588    (X 

2,  12.  30)  567  (X  5,23)  611  (X 
5,  33.  34)  564  (X  5,  35)  565  (X 
9,  3)  564» 


Dareios  III  Kodomannos  610  ff. 

bi  480 

δή  -  bii}  478 

Decennalien  des  Gallien  510 

decessor  634 

Demetrius  de  eloc.  (7)  283 

Demokrit  369 

Demosthenes  (XX  117)  4  (ΧΧΪ  98) 
4  (XXIII  104)  6  (XXXIV  33)  6 
(XXXIX  12)  5  (XLIV  15)  5  (pro- 
oem.  53)  5  προς  Φίλιππον  (Amh. 
Pap.)  145 

Diohterweihe  179 

Digamma  bei  Sappho  333 

Diodor  (II  1,  10)  587  (II  7,  3)  594 
(II  11,  1)  586  (II  31,2)  592  (II 
35,  2)  .589  (II 38)  593  (V  55)  608 
(VII  67,  2)  587  (XVII  5,  5)  612 
(XVII  8,  2)586  (XVII  30,  7)  616« 
(XVII  37.  6)  612»  (XVII  36)  592 
(^XVII  50,  5)  588  (XVII  57)  593 
(XVIl  57,  14  f.)  584  (XVII  65,5) 
594  (XVII  75,  1.  5)  583.  584 
(XVII  75,  6)  585  (XVII  77,  4)  595 
(XVII  80)  592  (XVII  83,  7)  593 
(XVII  85,  3)  595  (XVII  87,  2.  89, 
2)  596  (XVII  90,  6)  591  (XVII 
91,4)  590  (XVII  93,  1.  99,  1.  8) 
596  (XVII  103,  8)  591  f.  (XVII 
105,3.  4.  5)  591  (XVII  118,  3) 
612«  (XVIIl  5,  2)  582  (XVIII  76. 
5)  583 

Diogenes  Laertius  (II  113)  594 

Dionysoscommentar  des  Eustathius 
439  f. 

Dionys  Halicarn.  —  άρχ.  *Ρωμ.  (Ι 
4,  3)  560  -  de  Lysia  (ρ.  23,  22 


644 


Register. 


ρ.  483  R.)  159»    Krit.  zu  (p.  32, 

12  p.  496  R)  158. 
DioDyeos-Sage  and  -Cult  177  f. 
Divi  imperatores  (Culttage)   172 
Divus  Alexander  171  f. 
boKiIi  μοι  und  δοκ€ΐ  μοι  311 
Dresdener  Handschriften  392 

Eifersuoht  als  Thema  in  röm.  und 
griechischer  Elegie  599 

«ς  v€uiv  =   €ΐς  νέον  478 

Elegie,  zur  röm.  El.  599 

Elephantiasis  391 

Eleusinische  Mysterien  500  f. 

ένορομή,  ένορομίς  146 

Ennius   bei  Porphyrie  (6,  12)  321 

έιτί  bi  adv.  150 

Epioharm  (fr.  149  Kaibel)  480 

Έπιοαύρια  502 

Epigramm  (Berl.  Sitzungsber.  1901 
I  p.  905)  315 

epitome  rerum  Alex.  595 

Epochen  bei  Varro  „de  gente  po- 
puli  Romani^  231  ff. 

Epos  (in  den  Amh    Pap.)  145 

Eratosthenes,  als  Geograph  569. 
Fragm.  (Berger  I  Α  12)  574 
(I  Β  8)  570  (Ι  Β  9)  574  (Ι  Β  10) 
570  (Ι  Β  23)  572)  (II C  24)  570; 
(MtUler  III  Α  2)  585  (Berger  III 
Β  6)  578  (111  Β  12, 16)  577  (III  Β 
22.31.32  38.48)580  (ΙΙΙΒ32.38) 
570 

Erfindung  der  Handramme  43 

Erntearbeit  bei  Homer  und  im 
Mittelalter  304 

"Ερωτες  (II  37,  5)  72 

Erotische  Epigrammen poesie  65 

Erstarrte  Flexion  von  Ortsnamen 
im  Lateinischen  168  ff. 

Erstickungstod  389 

έθηκαν  und  £6ωκαν  bei  den  Red- 
nern 425  f. 

Etruskiscbe  Monatsnamen  und  Zahl- 
wörter 318  f. 

Etymologicum  Magn.  (p.  206,  ίί) 
437 

Enoharistische  Gebräuche  184 

Euripides,  über  eine  Scene  des 
Eurip.  Orestes  278  —  Aloestis 
283-Bacchen  (142)  177^(708  f.) 
178—  Chrysippos58  —  Electra 
(667)  7  —  Hec.  (246)  7  —  Hipp. 
(96)7  (476)605  (sohol.  z.  12()0) 
210  -  Iph.  Taur.  (.538  f.)  7  — 
Orest.  (schol.  z.  640  f.)  283  (schol. 
z.  932'  232  (schol.  z.  1369.  1384) 
280*  Polyd.  (fr.  641 .  643. 644)  2262 


Eoeebius  praep.  evang.  (X  10,  l) 
241  (X  10,  7)  240  -  chron.  (I 
p.  181  Seh.)  240 

Eustathius  (438.  439  ad  IL  Β 
850)  437.  —  Com.  ad  Diooys. 
(p.  241,  29-31  Müller)  44f: 
(p.  242,  4-11)  443  (p.  244, 
5-8)  444  (p.  261.  42-43)  4Φ{ 
(ρ.  268, 44)  440  (ρ.  275, 30-3i>) 
446  (ρ.  276, 11—13)446  (ρ.  276. 
13  f.)  440  (ρ.  298,  11-12)  445 
(ρ.  309, 36-43)  442  (ρ.  314, 42- 
315, 1)  445  (ρ.  315,  32-37)  43Η. 
444  (ρ.  323.  36— 324, 1)446  (ρ. 
342, 34-39)  447  (ρ.  359, 40--4ι>) 
446 

exercire  323 

Fabeln,  lateinisch  gpriechisoh  142 
Facetiae  bei  Cicero  337 
Faveutinus,  epitome  12 
Festus  (p.  329)  247 
Flexion,  spätgriechieche  149 
Florus  (I  6,  2.  1, 15)  318 
Flutsage  239 
Fragmenta  scriptorum   apud   No• 

nium  seryata  196 
Frontinus,  de  aquis  (25)  11* 
γαιδάρια  151 

Galba,  imperator  87  f. 

Galen,  Blattversetzung  im  Comm. 
zu  Hipp,  πβρί  άρθρων  627  nat. 
fac.  (1 14)  366  (II  p.  45 f  K.)327f. 
(118;  Π  p.  IHK,  UIp.  1820?) 
385  (III  p.  466  f.  K)  382  (VIII 
p.  748.  755.  757.  758  K)  382  -  de 
US.  resp.  (IV  p.  494— 49i)  K)  3ϊ<1• 

—  de  us.part.  (VIII 8;  III  p.  540 
K)  389  -  de  plac.  Hipp,  et  PI. 
(VUIS;  V  p.  707  f.  K:  ed.  Iw. 
Müller  p.  714  f.)  379«  ' 

Gallienus  (vita  8,  l)  510 
Ganymedsa^e  67 

γάρ,  über  eine  besondere  Bedeatoog 
von  γ.  1  f    —  γάρ  =  freilich  2  f. 

—  γάρ  und  γ^  =  freilich  7  — 
γάρ  aus  γ^  άρα  7  —  •γάρ  zur 
Einleitung  von  Entgegnungen  im 
Dialog  7 

γαυνάκιον  150 

Gellius  (I  9.  6)  23T  (I  16,  3)  -1^^^ 
genethliaei  237 
Georgius  457 
Goldenes  Zeitalter  181 
Götterland  und   seine  Ausstattung 
180 


Regrieter• 


646 


Gram.  Traotat  (in  den  Amh.  Pap.) 

145 
Gregor,  or.  ad  ürig.  (§  IVA)  486 

HadriaDs  Autobiographie  549 

Heliodor  (VII 9)  609 

HercalaneDsische  Bruchstücke  einer 
Geschichte  des  Sokratea  u.  seiner 
Schule  285  ff. 

Hermes-Hymnus  (558-5^)3)  179" 

Hero  Byzant.  (Anonymus  Wesoher 
p.  214)  45 

Herodian  (V  4, 9.  6, 8)  513  (VIII 
ß,  6  ff.)  509" 

Herodot  (II 11.  137.  III 1)  275  (IV 
IHl)  588 

Heren  Automat,  (p  430,  9  Seh.)  486 

Herondas  (VII 99)  482 

Hesiod,  Werke  (232  f.)  181««  ίργ. 
(2δ)  269 

Hieronymus  (ρ.  78  f.)  241 

Himmcässp^se  178 

Uiütoria  Au^usta,  Satzschlussstu- 
dien zur  H.  Aug.  549  f. 

Homer  (in  den  Amh.  Pap)  145  — 
(o  328  ff.  267  (α  351)  266  (α346) 
268  (α  370  f.)  267  (τ  267  f.) 
272  (δ  229  f.)  275  (θ  255. 477  f. 
487  f.  500  f.)  266  (Θ  474)  268 
(i527f.)276  (i5f.ll)271  (X26f.) 
184«  (λ  361  f.)  274  (μ  314  f.)  268 
(0  344)271  (p  319  f.)  272  (p269. 
287  f.)  271  (p  347)  2681  (p374{. 
397  f.  347)  268  (σ54)271  (χ 344 f.) 
2Ö7  (χ  330  f.)  272  (ψ  148  f.)  271 
ίψ  217)  274  —  (Β  845  Δ  520 
Η  86  Ι360)444(Ρ432)444  (P575f.) 
271  (Σ  541  f|  ν€ΐός)  302«  (Σ  541— 
547)503  (Σ  556— 559)304  (Σ565— 
57:i)  306 

Honig  177  f. 

Horatins,  carm.  (I  2)  321  (1 20,  9— 
12)466  (1114,9-13.6,21—24) 
465  (11123,17-20)466  (IV  2, 
27  ff.)  180»  —  epod.  (16, 47. 49  f.) 
181»  — epi8t.(I  18, 104. 105)467 
-  ars  poet.  (251—259)  468 

Hygin,  fab.  (198)  219 

Jamblichos,    protreptio.  (c.  9)  486 
Itpa  δ€θρο  498  f. 
Indisches  Epos  269 
inddis  326 

Infinitivui  pro  imperative  147 
Inschrift   der  Aphaia    aus   Aegina 

152.  $fö2.  543 
Johannes  Chrysostomoe  it.  X  p.  624a 

Montf.)  171 


Isaios  (6, 53)  425 

Isocrates,  —  προς  Δημόνικον  (in 
den  Amh.  Pap.)  145  —  Philippos 
(8, 18.  46.  49.  51.  53)  423  (64) 
424  —  Arohidamos  (65)  424  — 
Paneg.  (157)  502* 

Julian  (VII  p.231a  Cobet)  485 

Justin  566  f.  (s.  Trogos  Pompeius 
bei  Justin) 

Juvenal  146  (12.  116,  34  ff.)  60 

καΐ  προς  147 

Kalenderpublikation  519 

Kallimachos,  —  Artemishymnus 
(195  ff.)  228  -  Schol.  z.  Art.-H. 
(in  den  Amh.  Pap  )  141  —  Zeus- 
hymnus  460  (Anspielung  imZ.-H.) 

Kapitelüberschriften  in  Handschrif- 
ten 2911 

Karme  228  f. 

Kastor,  Χρονικά  233  f. 

κατήγωρ  etc.  148* 

καθιστάνω  146 

Kleomedes  (115  p.  194,  2171.)  486 

Klitarch  581 

Komische  Scene  im  Euripideischen 
Orest  280 

Ktesias  bei  Photiod  (§  49)  617 

Κύμη  327 

κυτίνιον  151 


Lactantins  Placidus  166.  421 

Ländliches  Leben  bei  Homer  und 
im    deutschen  Mittelalter  301  ff. 

Legionen  des  Orient  (nach  der  no- 
titia  dignitatum)  259  ff. 

Lex  Manciana  632 

Lexikon  zur  Od.  (XV)  und  II.  (XI) 
in  den  Amh.  Pap.  145 

Liebesproblem,  —  dilettantische  Art 
der  Betrachtung  des  L.  55  — 
Stellungnahme  der  Verfasser  erot. 
Schriften  zum  L.  57 

Livius  —  (V  32,  8)  425  (VIII 3,  7) 
245  (1X17,16)565  (TX  17.17) 
564  (1X18,  1.  2.4)  564  flX  18, 
6.  8)  565  (IX  18,  9)  562  (IX  19, 
5.6.7.9.  11). 565  (XI 18, 3) 564 

Locativ  auf  -ησι  640 

ludi  saeoulares  244 

Luftdrucktheorie    der  Alten  371  f. 

Luftziegel  34 

Lukian  —  π€ρΙ  παρασίτου  (c.  30» 
270  -  ίρωτβς  58,  62  (ο.  25  ρ.  425) 
71  ic.  25  ρ.  426.  c.  27  ρ.  427)  59 
(c.  27  ρ.  428)  60  '-  ****  ~  433- 
C.  :^ρ.  437^"  ">62 


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Rheinisches  Museum '  *ώ>ί 


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PHILOLOGIE 

4 


Heraasgegeben 


Ton 


Franz  Buecheler  und  Hermann  Usener 


Nene  Folge 


Acht  and  fttnfzigster  Band 


Frankfurt  am  Main 

J.  D.  Sauerl&nders  Verlag 


^ 


Tue  NEW  YORK 

P0..^1C  LIBRARY 
OOV;.  Ol. 

ASTOR, LENOX  ANO 
TILDEN   rou  Ν ΟΑΤίΟΝβ. 


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Yerzeichniss  der  Mitarbeiter 

von  Band  XXXV- L VIII  und  ihrer  Beiträge  von  Band  XLV  an 


Adami,   F.,   in  Laubacb  (58,  157) 
Ahrens,  H.  L.,  in  Hannover  f 
Amsel,  6.,  in  Oranienetein 
Apelt,  0.,  in  Eisenach  {49,  59.  50, 

394.  53,  621.  55,  9) 
Arnim,  H.  von,  in  Wien 
Asbach,  J.,   in  Düsseldorf 
Anbert,    L.  C.  M.,    in    Christiania 
Aafrecht,  Th.,  in  Bonn 
Aasfeld/  Α.,  in  Heidelberg  {50, 357. 

53,  435.  557.    55,  348.    56,  517) 

Bannier,  W.,  in  München  {54,  544. 

55,  479) 
Bartholomae,    Chr.,     in    Giessen 

{45,  151) 
Barwinski,   B.,  in  Deutsch -Krone 
Bauer,  Α.,  in  G^raz  (55,  168) 
Baunack,  J.,   in  Leipzig 
Becher,  F.,  in  Berlin  f  (45,  318.  47, 

639.  55,  481) 
Beloch,  J.,  in  Rom  (45,  4(i5.  555. 

49,  111.  50,  250.  54,  414) 
Bergk,  Th.,   in   Bonn  f 
Bethe,  E.,  in  Giessen  {46,  511.  47, 

577.  48,  91.  355.  484.  55,  414) 
Biese,  Α.,  in  Neuwied 
Birt,  Th.,  in  Marburg  {45,  491.  46, 

152.  50,  31. 161.  51,  70. 153.  240. 

468.  491.  506.  52  Suppl.  54,40. 

201) 
Bischoff,  E.  F.,  in  Leipzig  {53,  328. 

54   9.  55,  488) 
Blase,  F.,  in  Halle  (47,269.  55,283. 

54,  33.  55,  91.  341) 
Boehme,  J.,  in  Hamburg 

Boor,  C.  de,    in  Breslau  {45,  477. 

47,  321) 
Bornecque,   H.,    in  Lille  (58,  371) 
Brandts,  C.  G.,   in  Charlottenburg 

(51,  109) 
Brandt,  S.,  in  Heidelberg  {47,  390) 
Breysig,  Α.,  in  Berlin  f  {55,    157. 

565.  56,  55) 


Brinkmann,  Α.,  in  Bonn  {51,  273. 

441.  52,  632.   54.  93.  56,  55.  57, 

482.  58,  639) 
Bröcker,  L.  0.,  in  Hamburg  f 
Brugmann,  K.,  in  Leipzig  (55, 630) 
Brugmann,  0.,  in  Leipzig  {50,  478) 
Bnihn,  E.,  in  Frankfurt  a.  M.  (45, 

273.  48. 628.  49,  168) 
Bruns,  J.,  in  Kiel  t  (^5,  138.  223) 
Buecheler,   F.,   in  Bonn   (45,    159. 

161.  321.   46,  159.  2aS.  632.  4S, 

84.   320.  631.   49,  175.  5t  153. 

325.  471.  638.  52»  302.  391.  53, 

166.  205.   54,  1.  484.  55,  1.   56, 

154.  321.   57,  315.  321.  58,  317. 

453.  624) 
Buermann,  H.,  in  Berlin 
Baettner,  R.,  in  Gera  {55,  121) 
Bugge,  S.,  in  Christiania 
Bunte,  B.,  in  Leer 
Buresch,  K.,  in  Athen  f  {46,  193. 

47,  329.  49,  424) 
Busche,  K.,  in  Leer  (55,  299) 
Busolt,  G.,  in  Göttingen 
Busse,  Α.,  in  Berlin  {49,  72) 
Bywater,  J.,  in  Oxford 

Oauer,  F.,  in  Elberfeld  (46,  244. 

50,  348) 
Cauer,  P.,  in  Düsseldorf  (47,  74) 
Cholodniak,  J.,  in  St.  Petersburg 
Christ,  W.,  in  München 
Christen sen,  Η ,  in  Hamburg  (54, 

134) 
Cichorius,  C,  in  Breslau 
Cohn,  L.,  in  Breslau 
Conway,  R.  J.,  in  Cardiff  (45,480) 
Corssen,  P.,    in  Berlin  (51,226)' 
Crönert,  W.,  in  Bonn  {53,  585.  54, 

593.  56,  607.  57,  285.  58,  308j 
Crusius,  0.,  in  München  (45,  265. 

46,  318.    47,  61-    48,  152.  299. 

49,  299.  51,  544) 
Curtius,  E.,  in  Berlin  f  (50,  373) 


\ 


IV 


Yerzeiobiiiee 


\ 


Darbishire,  H.  D.,  in  Cambridge  f 
Daub,  Α.,  in  Freiburg  i.  Br.  f 
Dechent,    H.,   in   Frankfurt   a.  M. 
Deecke,  W.,  in  Mülhaueen  i.  £.  t 
Degering,  H.,  in  Münster  {57,  8) 
Deiter,  H.,  in  Hannover 
Deiters,  P.,  in  Coblenz  (56,  587) 
Deesauer,  H.  f  (ÄJ.  416) 
Diehl,  E.,  in  München  (54,  172.  58, 

246) 
Diele,  H.,  in  Berlin   {46,  617.    49, 

478.  56,  29) 
Dieterich,  Α.,  in  Heidelberg  (46,  25. 

48,  141.  275.  55,  191.  56,  77) 
Dietze,  J.,  in  Hamburg  (49,  21) 
Dittenberger,  W.,  in  Halle  (47, 324) 
Doerpfeld,  W.,  in  Athen  {51,  127) 
Domaszeweki,  A.  v.,  in  Heidelberg 

(45, 1.  203.  46,599.  47, 159.  207. 

48,  240.   342.  49,  612.   53,  638. 

54,  158.  311.   55,  318.    57,  506. 

58,  218.  382.  538) 
Dragendorff,  H.,  in  Frankfurt  a.  M. 

(51,  281) 
Drerup,  £.,  in  München  {51,  21) 
Duemmler,  F.,  in  Basel  f  {45,  178) 
Duhn,  F.  V.,  in  Heidelberg 
Duncker,  Α.,  in  Kassel  t 
Dyroff,  Α.,  in  Bonn  (50,  481) 
Dziatzko,  K.,  inGöttingenf  (45,639. 

46,  47.  349.    47,  634.    49,   559. 

54,  497.  55,  104) 

Egenolff,  P.,  in  Heidelberg  f  (56,284) 

Ellis.  R.,  in  Oxford 

Elter,  Α.,  in  Bonn  (46, 112.  47, 130. 

629) 
Enmann,  Α.,  in  St.  Petersburg  {57, 

517) 
Enthoven,   L.,  in  Strassburg  i.  E. 

{46  480.    48   472) 
Eskuche,  G.,  in  Siegen  (45, 236. 385) 

Fabricius,    £.,    in  Freiburg  i.  Br. 

(46,  337.  589.  48,  448.  51,  456) 
Faltin,  G.,  in  Neu-Kuppin  + 
Flach,  H.,  in  Hamburg  f 
Foerster,  R.,  in  Breslau  (49,  167. 

168.  481.    50,  66.  640.    51,  481. 

5^,  144.  296.  298.    53,  547.   55, 

139.  435) 
Foerster,  Wilh.,  in  Rheydt 
Fränkel,  Α.,  in  Zabern 
Fränkel,  M.,  in  Berlin  f  (47,473.  56, 

233.  423.  480.  640.  57,  152,  534) 
Fränkel,  S.,  in  Breslau  (51,  328) 
Frederking,  Α.,  in  Worms  (46,  144. 

52,  449) 


Freudenthal,  J.,  in  Breslau 
Frick,  C,  in  Höxter  (46,  106) 
Friederich,  B.,  in  Hannover 
Friedländer,  L.,  in  Strassburg  i.  £. 
Fries,  C,  in  Berlin  (54,  555.  55, 18. 

57,  265.  58,  115) 
Fritze,    H.  v.,   in  Berlin  (55,  588) 
Fritzsche,  R.  Α.,  in  Giessen  (57,363) 
Froehner,  W.,  in  Paris  (47,  291) 
Fuchs,   R.,   in   Dresden    (49,  532. 

50,  576.    51,  164.  52,  377.  634. 

53,  496.  58,  67) 
Fuhr,  K..  in  Berlin  (50,  304.   57, 

45.  164.  57,  422) 
Furtwängler,  Α.,  in  München  (57, 

252) 

Oalland,  C,  in  Strassburg 
Gardthausen,  V.,    in    Leipzig  (45, 

612.  46,  619.  50,  311) 
Geizer,  H.,  in  Jena  (48,  161) 
Gercke,  Α.,  in  Greifswald  (47,  319. 

48,  4\.  54,  404) 
Gilbert,  I.,  in  Grimma  (51,  471) 
Gilbert,  W.,  in  Schneeberg 
Gloeckner,  F.,  in  Staremberg 
Gloel,  H.,  in  Wetzlar  (47,  136) 
Goebel,  E.,  in  Fulda  (53,  628.  58, 

153) 
Goetz,  G.,  in  Jena 
Gomperz,  Th.,  in  Wien 
Graf,  E.,  in  Quedlinburg  (46,  71) 
Gundermann,  G.,  in  Tübingen  {L•, 

361.  46,  489) 
Gurlitt,  L.,  in  Steglitz  (56,  f  96.  57, 

337) 
Gutscbmid,  A.  von,  in  Tübingen  t 

Haeberlin,  C,  in  Göttingen  (45,21. 

311) 
Hagen,  H.,  in  Bern  f 
Haussen,  F.,  in  Santiago 
Härder,  Chr.,   in  Neumünster  (46, 

433) 
Hartfelder,  K.,  in  Heidelberg  t 
Hauler,  E.,  in  Wien  (54,  161) 
Heerdegen,  F.,  in  Erlangen 
Heidtmann,  G.,  in  Pfafifendorf 
Heinze,  R.,  in  Königsberg  (45, 497) 
Heisenberg,  Α.,  in  Würzburg  (56, 

427) 
Heibig.  W.,  in  Rom  (55,  55.  58, 500) 
Heldmann,  C,  in  Rinteln  (5;?,  299) 
Helm,  R.,  in  Steglitz  (52, 177.  54, 

111.  56,  340) 
Hense,  0.,  in  Freiburg  i.  Br.  (45, 

541.  47,  219.  49,  174.    50,  140. 

53,  318.  55,  222.   56,  106.  305) 


der  Mitarbeiter. 


Heraeus,    W.,    in    Offenbach    {54, 

150.  305.  58,  462) 
Hertlinc^,  G.  v.,  in  München 
Hertz,  M.,  in  Breslau  t 
Herwerden,    H.    van,    in    Utrecht 

{58,  im 

Hettner,  F.,  in  Trier  f 
Heyderoann,  H.,  in  Halle  f 
Heylbut,  G.,  in  Hamburg 
Hiller,  fi.,  in  Halle  f 
Hirschfeld,  G  ,  in  Königsberg  f 
Hirachfeld,    0.,   in  Charlottenburg 

{51,  470.  474.  475.  53,  2M) 
Hirzel,  R.,  in  Jena  {45,  419. 47, 359) 
Hoerschelmann,  W.,  in  Dorpat  f 
Hoffmann,  E.,  in  Wien  f  (Ä>,  90. 

484.  48β.  51,  320.  52,  99) 
Hoffmann,  0.,  in  Breslau  {56,414) 
Holwerda,  J.  H.,  in  Sohiedam  [55, 

476.    58,bii) 
Holzapfel,  L.,  in  Giessen 
Hosiue,  C,  in  Münster  (40,287. 577. 

47,462.  48, 380.  50,  286.  51,  197) 
Hoyer,  R.,  in  Kreuznach  (53,  37) 
Huelsen,    Chr.,   in  Rom    {45,  284. 

49,  379.  629) 
Hug,  Α.,  in  Zürich  t 

Ihm,  M.,  in  München  (45,  622.  639. 
46,323. 371.  494.621.  47, 312.  48, 
635.  479.  49,  247.  316.  479.  50, 
191.  367.  51,  315.  473.  638.  52, 
129.  143.  205.  454.  459.  633.  53, 
165.  495.  56,  148.  635.  57,  316) 

llberg,  J.,  in  Leipzig  {45,  111.  47, 
489.  51,    165.  466.  52,  591) 

Immisch,  0.,  in  Leipzig  {46,  488. 
613.  48,  290.  512.  52,  126.  54, 
313) 

Jaoobi,  F.,  in  Breslau  {58,  459.  461) 
Jahn«  P.,  in  Berlin  {58,  391) 
Jahnke,  R.,  in  Brüssel  {47,  460) 
Jan,  C.  V.,  in  Strassburg  t  {46, 557) 
Jeep,   L•.,  in  Königsberg  {51,  401. 

52,  213) 

Judeich,  W.,  in  Erlangen  (47,  53) 
Jungblut,  H.,  in   Frankfurt  a.  M. 

Kaerst,  J.,  in  Leipzig  {52,  42,  519) 
Kaibel,  G.,  in  Göttingen  f 
Kakridis,  Th.,  in  Athen  {57,  463) 
Kalbfleisch,  K.,  in  Marburg  {51, 466. 

53,  160) 
Kalkmann,  Α.,   in  Berlin 
Karo,  G,,  in  Bonn  {48,  311) 
Kekule  von  Stradonitz,  R.,  in  Berlin 
Kiderlin,  M.,  in  München  f  {46,  9) 


Kirchner,  J.  E.,  in  Berlin  (46, 488. 

47,  550.  53,  380.  57,  476) 
Klatt,  M.,  in  Berlin  (45,  335) 
Klebs,  £.,  in  Berlin  (45,  436.  47, 

1.  515) 
Klein,  J.,  in  Bonn  f 
Klotz,  Α.,  in  München  {56, 429.  639) 
Knaack,   G.,    in   Stettin   {48,  632. 

49,  310.  476.  526.   57,  166.  205. 
^  58,  152) 

Koch,  J.,  in  Marburg 
Kock,  Th.,  in  Weimar  t  {45,  50.  46, 
299.    48,  208.  579.   49,  162.  176. 

50,  140) 

Koehler,  U.,  in  Berlin  {46,  1.  55, 

485.  491) 
Koepp,  F.,  in  Münster  (48,   154. 

485.  50,  268) 
Koerte,  Α.,  in  Basel  (45,  172.  52, 

168.  333.   53,  160.    55,  131.  57, 

625) 
Koerte,  G.,  in  Rostock  (53,  239) 
Kopp,  Α.,  in  Berlin 
Korsch,  Th.,  in  Moskau 
Krascheninnikoff,  M.,  in  Dorpat  {48, 

634) 
Krauss,  S..  in  Budapest  {58,  627) 
Kroll,  W.,  in  Greifswald  {47,  457. 

599.  50,  636.   52,  286.  338.  569. 

53,  574.  56,  304.  58,  552) 
Krumbacher,  K.,  in  München 
Krumbholz,  P.,  in  Weimar  {50, 205. 

52,  237) 
Kuebler,    B.,   in    Berlin   (45,  485. 

46,  324) 
Kuhnert,  E.,  in  Königsberg  i.  P. 

(49,  37) 
Kunze,  R.,  in  Grimma  {53,  159.  56, 

333.  57,  437.  58,  126) 

Landgraf,  G.,  in  München  (56,  310) 

Lange,  K.,  in  Tübingen 

Lattes,  E.,  in  Mailand  {49, 317.  57, 

318) 
Lehnert,  G.,  in  München  {55,  112) 
Leo,  F.,  in  Göttingen  (52,  509.  55, 

604) 
Lewy,  H.,  in  Mül hausen  i.  E.  {48, 

398.  472) 
Lietzmann,  H.,  in  Bonn  (57,  634) 
Lindsay,  W.  M.,   in   St.  Andrew• 

(57,  196) 
Loewe,  G.,  in  Göttingen  t 
Lohmeyer,    K.,   in  Hamburg  (58, 

467) 
Lommatzsch,  E.,  in  Freiburg  i.  6. 

{52^  303) 
Luckenbach,  H.,  in  KarliruhQ 


\ 


Vi 


Verzeichnis• 


Ludwich,    A.|    in  Königeberg  (45, 

11.  46.  139) 
Luebbert,  £.,  in  Bonn  f 
Lueddeoke,  K.,  in  Celle  (52,  628) 
Laetjohann,  Chr.,  in  Greifswald  f 
Lagebil,    K.,   in  St.  Petersburg  f 

Malchin,  F.,  in  Rostock  {53,  493) 
Mangold,  K.,  in  Jena  (57,  259) 
Manitius,  M.,  in  Dresden  (45^  153. 

316.485.  46, 150.493.622.47,465. 

Suppl.  48,  313.  474.  49,  170.  50, 

152.  315.  641.  51,  160.  52,  131. 

306.  53,  393.    54,  293.   56,  462. 

57,  392) 
Maroks,  J.  F.,  in  Köln  (56,  141) 
Martini,   E.,   in   Leipzig  (52,  348. 

55,  612) 

Marx,  F.,  in  Leipzig  (46,  420.  60<ϊ. 

636.  47 y  157.  50,  321) 
Mau,  Α.,  in  Rom 

Meier,  P.  J.,  in  Braunschweig 
Meister,  R.,  in  Leipzig 
Mendelssohn,  L.,  in  Uorpat  f 
Meyer,  E.,  in  Berlin 
V.  Mess,  Α.,  in  München  (53,  482• 

56,  167.  58,  270) 
MoUat,  G.,  in  Kassel 
Müllenbach,  E.,  in  Bonn  f 
Müller,   C.  Fr.,    in   Kiel    (46,  320. 

50,  301) 
Müller,  C.  F.  W.,  in  Breslau  f  (51, 

480.   53,  121.    54,  381.  526.    55, 

312.  635) 
Müller,  HJ.,  in  Berlin 
Müller,  K.  K.,  in  Jena  t 
Münscher,  K.,  in  Breslau  {54,  248) 
Muenzel,  R.,  in  Hamburg 
Münzer,  F.,  in  Basel  (53,  596) 

Hake,  B.,  in  Dresden 

Natorp,  P.,  in  Marburg 

Neuhaus, 0.,  in  Königsberg  (56,  272. 

57,  474.  610) 

Neumann,    K.  J.,    in    Strassbarg 
Nieder  mann,  M.,  in  Basel  {52.  505) 
Niese,  B.,  in  Marburg 
Niesen,  H.,  in  Bonn   (45,  100.  47, 

161.  49,  1.  275.  58,  231) 
Noack,  F.,  in  Jena  (48,  420) 
Norden,   E.,  in  Breslau  (48,   348. 

529.  49,  194.  54,  466.  56,  473) 

Oder,  E.,  in  Berlin    (45,  58.  212. 

637.  48,  1.  51,  52.  311) 
Oehmichen,  G.,  in  München  (46,  99) 
Osthoff,  H.,  in  Heidelberg 


Otto,  Α.,  in  Breslau 

0 verbeck,  J.,  in  Leipzig  f 

Papadopulos-Kerameus,  Α.,  in   St. 

Petersburg  (46,  160.  161) 
Patzig,  E^  in  Leipzig 
Paucker,  C.  v.,  in  Reval  t 
Paul,    L.,   in  Dresden  f  (54,  tK)2. 

57,  76) 
Peppmüller,  R.,  in  Stralsund 
Pernice,  E.,  in  Greifswald  (46,  495. 

626) 
Peter,  H.,  in  Meissen  (57,  231) 
Petersen,  E.,  in  Rom  (50,453) 
Pfleiderer,  E.,  in  Tübingen  t 
Pilugk-Harttung,    J.  v.,  in  Berlin 
Philippi,  Α.,  in  Dresden 
Piasberg,  0.,  in  Strassburg  i.  E.  {53, 

66.640.  54,  144.  638) 
Pokrowskij,  Μ  ,  in  Moskau  (5^,425) 
Pomtow,    H.,    in   Eberswalde  {49, 

577.  627.  51,  329.  560.  52,  105) 
Preuner,  E.,  in  Strassburg  (49, 313. 

362) 
Prott,  H.  V.,  in  Athen  f  (52, 187. 

53,  460) 

Riibe,  H.,    in  Hannover   (47,  404. 

48,  147.    49,  625.   50,  148.  241. 

54,  632.  55,  154.  58,  20») 
Rader macher,  L.,  in  Greifswald  (47, 

48, 622.  49, 163. 50, 137. 475.  569. 

51,  314.  463.  596.   52,   13    412. 

624.  634.  53,  497.  54,  285.  351. 

374.  638.  55,  149.  482.  56,  139. 

ν02.  57,  137.  158.  278.  314.  478. 

640.  58,  315.  316.  546.  e3ti) 
Radinger,  K.,  in  Innsbruck  (5β,  294) 
Raeder,  J.,  in  Kopenhagen  [57, 449) 
Rassow,  H.,  in  Weimar 
Reitzenstein,  R.,  in  Strassburg 
Reuss,  F.,  in  Köln  (54,  446.  56,  3«>9. 

57,  559) 
Ribbeck,  0.,  in  Leipzig  f  (45,  146. 

147.  313.   46,  331.  333.  47,  597. 

628.  4.9,  472.  50,  277.  314.  558) 
Ribbeck,  Wo.,  in  Berlin  t 
Riese,  Α.,  in  Frankfurt  a.  M.  (51, 

637.  55,  316) 
Riess,  E.,  in  Chicago  (4β, 307. 4i>,  177) 
Ritterling,   E.,   in  Wiesbaden   [58, 

476.  633) 
Roemer,  Α.,  in  Erlangen 
Rohde,  E.,  in  Heidelberg  t  (48,  110. 

49,  623.  624.  50,  1.  600) 
Röscher,  W.  H.,  in  Würzen  (53, 169. 

()39) 
Rossbach,  0.,    iu  Königsberg  (46, 


der  Mitarbeiter. 


vn 


311.  48,592.  52^  1.  55,  lß7.  629. 

54,  277.  δδ,  641.  57,  473) 
Rossberg,  K.,  in  Hildesheim 
Rneh],  F.,  in  Königsberg  (46,  146. 

426.   47,  152.  460.   48.  565.  49, 

256.    δΟ,  141.  55,  324.  635.  δ4, 

152.  316.  56,  508.  634) 
Ryssel,  V.,  in  Zürich  {48,  175.  δ1, 

1.  318.  529) 

Scala,  R.  v.,  in  Innsbruck  {4o,  474) 

Scbaefer,  Λ.,  in  Bonn  f 

Sohanz,  M.,  in  Würzburg  (50,  114. 

54,  19.  δδ,  86) 
Scheer,  E.,  in  Saarbrücken 
Scbepss,  6.,  in  Speier  f  (4β,  482) 
Schlee,  F.,  in  Sorau  (46,  147) 
Schmid,  W.,  in  Tübingen  {48,  53. 

626.  49, 133. 50,308. 310. 5^,  446. 

57,  624) 
Schmidt,  B.,  in  Frei  bürg  i.  Br.  (55, 

477) 
Schmidt,  J.,  in  Königsberg  t  {4δ, 

148.  157.  318.  482.  599.  640.  46, 

77.  334.  47,  114.  325) 
Schmidt,  0.  £.,  in  Meissen  ('47, 241. 

5^,  145.  55,  209.  δδ,  385) 
Schmidt,  W.,  in  Helmstedt  {δδ,  625) 
Schmitt,  W.,  in  Köln  f 
Schneider,  R.,  in  Duisburg  {δ2, 447) 
Schoell,  F.,  in  Heidelberg  (50, 155. 

51,  381.    55,  511.    55,  489.    δ7, 

48.  159.  312) 
Schoell,  R.,  in  München  f 
Schoene,  Α.,  in  Kiel  (46, 153) 
Scfaoene,  H.,  in  Königsberg  (5?,  135. 

53, 432.  54,  638.  δ7,  627.  58, 56) 
Scboenemann,  J.,  in  Frankfurt  a.  M. 
Schroeder,  P.,  in  London 
Schubert,  R.,  in  Königsberg  (55,98. 

56,  543) 
Schulten,  Α.,  in  Göttingen  (50,489. 

56,  120.  187.  δ7,  632) 
Schultess,  F.,  in  Hamburg (57, 465) 
Schultbees,    0.,  in  Frauenfeld  {δ7, 

157) 
Schulze,  E.,  in  Homburg  v.  d.  H. 
Schulze,  K.  P.,  in  Berlin  (δ3,  541) 
Schulze,  W.,  in  Berlin  {48,  248) 
Schumacher,  K.,  in  Mainz 
Schwabe,  L.,  in  Tübingen 
Schwartz,  £.,  in  Göttingen 
Schwarz,  W.,  in  Dorsten  {48,  258. 

49,  353.   δ1,  636.  δ2,  463) 
Seeck,  0.,  in  Qreifswald  (46,  154. 

48, 196.  602. 40,208.  630.  δδ,  319. 
56,  227.  477.  631) 
Seume,  H.,  in  Hannover 


Siebourg.  M.,  in  Bonn  (δ7,  301) 
Sieglin,  W.,  in  Berlin 
Simson,  B.,  in  Freiburg  i.  Br. 
Skntscb,  F.,    in  Breslau    (47,  138. 

48,  303.  51,  478.  δ4,  483.  δδ,  272. 
δ6,  638) 

Solmsen,  F.,inBoun  (5i,  303.  δ3, 137. 

54, 340.  495.  δδ,  310.  δ6,  475.  497. 

δ7,  328.  58,  598) 
Sommer,  F.,  in  Basel  (56,  636) 
Sommerbrodt,  J.,  in  Breslau 
Sonny,  Α.,  in  Kiew 
Speyer ,  J.  S. ,   in  Groningen  {47, 

638) 
Sprengel,  J.  G.,  in  Rossleben  (46, 54) 
Stacbelscheid,  Α.,  in  London 
Stahl,  J.  M.,  in  Münster  {46,  250. 

481.614.    48,157.    49,620.   δΟ, 

382  566.  51,  157.  306.  δ3,  322. 

54,  150.  494.  δδ,  152.  160.  δ7, 1) 
Stangl,  Th.,  in  Würzburg 
Stein,  H.,  in  Oldenburg  (54.  496. 

δδ,  531.  δ6,  627) 
Stengel,  Ρ.,  in  Berlin  {δϋ,  399) 
Stephan,  Gh.,  in  Kalk 
Sternkopf,  W.,  in  Dortmund  {47, 468. 

δ7,  629) 
Steup,  J..  in  Freiburg  i.  Br.  (55,308. 

56,  443.  δ8,  529) 
Stich,  J.,  in  Zweibrücken 
Strack,   M.  L.,    in  Bonn  {δ3,  399. 

δδ,  161) 
Sudhaus,  S..  in  Kiel  {48,  152.  321. 

552.  δ6,  37.  307.  δ8,  481) 
Susemihl,  F.,  in  Greifswald  f  (46, 

326.  49,  473.  δ3,  448.  485.  626. 

δ4,  631.  δδ,  574.  δ6,  313) 
Swoboda,H.,inPrag(45,288.4e,  497. 

49,  321.  δδ,  460) 
Szanto,  £.,  in  Wien 
Szelinski,  Y.,  in  Berlin  (δ8,  471) 

Teichmüller,  F.,  in  Wittstock  (δ8, 

436) 
Teichmüller,  G.,  in  Dorpat  f 
Thomas,  E.,  in  Berlin  (δ4,  313) 
Thouret,  G.,  in  Friedenau 
Thurneysen,  R.,  in  Freiburg  i.  Br. 

(δδ,  484.  δ6,  161) 
Tiedke,  Η.,  in  Berlin 
Tittel,  K.,  in  Leipzig  (56,  404) 
Toepffer,   J.,    in  Basel  t  (45,  371. 

49,  225) 
Traube,  L.,  in  München   (47,  558. 

48,  284) 
Trieber,  C.,  in  Frankfurt  a.  M. 
Tümpel,  C,  in  Neustettin  (46,  528 

636) 


νιπ 


Verzeichniee  der  Mitarbeiter. 


lJΏgeΓ,  G.  F.,  in  Würzburg 
Urlicbs,  H.  L.,  in  Ansbacb 
Ur liehe,  L.,  in  Würzburg  f 
üeener,  H.,  in  Bonn  (47,  154.  414. 

40.4β1.  50,  144.  55,329.  55,286. 

311.  321.   480.    56,  1.  145.  174. 

305.  312.  481.  640.  57,  ΠΙ.  177. 

320.  58,  1.  161.  321) 

Viertel,  Α.,  in  Göttineen 
Vliet,  I.  van  der,  in  Haarlem  f 
Vogel,  F.,  in   Fürth 
Voigt,  G.,  in  Leipzig  f 
Voigt,  M.,  in  Leipzig 
Vollmer,  F.,  in  München  (46.  343. 
5J,  27.  54,  165.  637.  55,  520) 

Wacheniuth,  C,  in  Leipzig  (45, 476. 

46,  327.  329.  465.  552.  52,  137. 

140.  461.  56, 149.  150.  215.  318) 
Wackernagel,  J.,  in  Göttingen  (45, 

480.  48,  299.  51,  304) 
Wagner,R.,  in  Dresden  (46,378. 618) 
Weber,  H.,  in  Weimar 
Weber,  H.,  in  Lüneburg  {51,  630) 
Wecklein,  N.,  in  München  {58, 159) 
Wegehaupt,  H.,  in  Cuxhaven  {58, 

638) 
Weise,  0.,  in  Eisenberg 
Weizsäcker,  P.,  in  Calw 
Wellmann,  £.,  in  Berlin 
Wendland,  P.,  in  Kiel  {49, 309.  52, 

465.  53,  1.  56,  113) 
Werner,  J.,  in  Lenzburg 
Wesener,  P.,  in  Bremerhaven  (5;9,69) 
Westerburg,  E.,  in  Barmen  t 
Weyman,  C.,  in  München  (45, 320. 

47, 640.  50, 154.  51,  327.  52,  302. 

53,  316) 


Wiedemann,  Α.,  in  Bonn 
Wilhelm ,   Α.,    in  Athen  {52,  2^.. 

56,  571) 

Wilhelm,    F.,   in  Ratibor  {57,  δδ. 

599) 
Winterfeld,    P.   v.,    in  Berlin  {55, 

481    57,  167.  549.  58,  48.  363) 
Woelfflin,  £.,  in  München  {47, 640. 

48,  312.  49,  270.    50,  152.  320 

53,  327.  57,  318) 
Woerpel,  G  ,  in  Kiel  (57, 31 1 .  460) 
Wolters,  P..  in  Würzburg  {58, 154. 

154) 
Wotke,  C,  in  Wien 
Wünsch,  R.,  in  Giessen  (49,  91.  51, 

138.  53,  144.  55, 62.  232.  56, 392. 

57,  468) 


Zacher,  K.,  in  Breslau  (45,524) 
Zangemeister,  K.,  in  Heidelberg  t 

(57,  166.  168.  16^^ 
Zarncke,  E.,  in  Leipzig 
Ziebarth,  £.,  in  Hamburg  (5/.  632. 

53,  635.  54, 488. 55, 501.  56, 157) 
Ziehen,  J.,  in  Berlin  {50,  643.  51 

162.  589.  52,  293.  449.  450.  53, 

270) 
Ziehen,  L.,  in  Plön  {51,   211.  54, 

321.  57,  173.  498) 
Zielinski,   Th.,    in   St.  Petersburg 
Zimmermann,  Α.,  in  München  (45, 

493   50,  159.    52,  458.  54,  495. 

55,  486.  487.   56,  320.    57,  636) 

58,  316) 
Zingerle,  Α.,  in  Innsbruck 
Zingerle,  J.,  in  Innsbruck  {48, 299. 
Zitelmann,  £.,  in  Bonn 
Zurborg,  H.,  in  Zerbst  f 


Berichtigungen    werden   erbeten.     Für  mehrere  sind  wir  Herrn 
Dr.  R.  Klussmann  in  Gera  zu  Dank  verpflichtet. 


Inhalt 


Seite 

Novae    obeervationes    ad    tragiconim    Graecornm    fragmenta. 

Scripsit  H.  van  Herwerden 138 

Znr  griechischen  Anthologie.     Von  K.  Rad  in  gor 294 

Earipidee  als  litterarischer  Kritiker.    Von  L.  Radermacher  546 

Zu  den  Persem  des  Timotheos.    Von  S.  Sudhaus 481 

Bruchstücke  einer  neuen  Hippokratesvita.    Von  H.  Schöne  .  56 

Der  Timaiostext  des  Proklos.     Von  R.  Diehl 246 

De  Palaephati  codice  Harrisiano.     Scripsit  G.  Grönert 308 

.^us  Theniisone  Werk  über  die  acuten  und  chronischen  Krank- 
heiten.    Von  R.  Fuchs 67 

Strabobruchstücke  bei  £ustathiu8    und   Stephanus    Byzautius. 

Von  R.  Kunze 126 

Hermogenes-Handschriften.     Von  H.  Rabo 209 

lieber  Alkiphron.    Von  F.  Buecheler 453 

Eustathios.     Von  A.  Heisenberg 427 

Dreiheit.    Von  H.  üsener 1.  161.321 

Zur  Positionsdehnung  vor  Mnta  cum  Liquida  bei  den  attischen 

Dichtern.    Von  A.  v.  Mess 270 

Thessaliotis  und  Pelasgiotis.     Von  F.  Solmsen 598 

Zur  altgriechischen  Tracht.     Von  J.  H.  Holwerda 511 

Die  Erdmessung  des  Eratosthenes.    Von  H.  Nissen    231 

Die  Quellen  and  Muster  des  ersten  Buchs  der  Georgica  Vergils. 

Von  P.  Jahn 391 

Grundgedanke    und    Disposition  von   Hör.   Bat.   1  1.     Von   F. 

Teichmüller 436 

Die  Aratea  des  Germanicus.    Von  P.  v.  Winterfeld 48 


^ 


χ  Inhalt 


Seite 

De  Μ.  Varrone  a  Favonio  Enlogio  expresso.   Scripsit  G.  Fries         115 

StudieQ  über  Ciceros  Schrift  de  oratore.    Von  W.  Kroll....         552 

Zu  der  Rede  des  L.  Marcius  Philippus  aus  Sallasts  Historien. 

Von  J.  Steup 529 

Die  Handschriften  des  Engippius  und  der  rhythmische  Satz- 
echlues.   Von  P.  V.  Winterfeld 363 

Wie   soll    man    die  metrischen    Klauseln   studiren?    Von    H. 

Bornecque 371 

Eine  Rathsversammluiig  auf  einem  italischen  Relief.     Von  W. 

Heibig 500 

Untersuchungen  zur  römischen  Kaisergeschichte.   Von  A.  von 

Domaszewski 218.382.538 


Hiseellen 

Kritisch -Exegetisches 

Zum    Orakel    von    Tralles.     Von    H.   Wegehaupt   und    A. 

Brinkmann ^ 

Eine  Verbesserung  Petrons.    Von  F.  Η uech eler 

Taciti  bist.  I  40.     Scripsit  L.  Radermacher 

Eine  Ueberlieferung  der  Briefe  des  jüngeren  Plinius  in  Verona. 

Von  K.  Lohmeyer •*''• 

Ad  Gellium.     Scripsit  E.  Goe bei  

Zu  den  Sprichwörtern  der  Römer.    Von  V.  Szelinski 


624 
31»i 


471 


Litterarhistorisches 

Sosiphanes.     Von  F.  Jacoby 

Ein  falsches  Diodorfragment.     Von  G.  Knaack 
Die  Zeit  der  Asinaria.     Von  L.  Ra  derma  eher 

Grammatisches 

Artisten- Wörter.    Von  F.  Buecheler 

Ueber  τοίος  und  τοιοΟτος.     Von  N.  Weck  lein. 

Zur  Etymologie  von  Mavors.     Von  A.  Zimmermann 

Sprachliches   aus  den  Pseudoscronischen   Horazscholien.    Von 

W.  Heraeus 


4ή9 
1.V2 
636 


« .    • .  • 


.  •    . . 


317 
159 
316 

462 


Inhalt  χχ 

Seile 
AntiqaariBch-Epigrapbiechee 

IHe   BeisetzuDgen  Alexanders   des  Grossen.    Von  F.  Jaooby  461 

Flangon.     Von  P.  Wolters 164 

Finanznothe  und  Kunstwerke  in  Knidos  und  anderwarte.   Von 

demselben 154 

Φόβος    Von  L.  Radermacher 315 

Zar    Geschichte   der   leg.  II  Traiana   unter  Traian.    Von  E. 

R  iiterling 476 

Neoe  Aufschlüsse  über  Timesitheus  und  die  Perserkriege.   Von 

8.  Kranss 627 

Caparootna  =s  Leggdn  in  Galilaea.    Von  E.  Ritterling....  633 

Wormser  Verflucbungstafeln.    Von  F.  Adami 157 

Mittheilung  des  K.  D.  Archftologischen  Instituts 640 


\ 


DREIHEIT 


Die  Heiligkeit  und  die  weite  Oeltung  der  Dreizahl  int  schon 
den  Gelehrten  dee  Alterthome  aufgefallen.  'Die  Dreiheit  ist  die 
Zahl  des  Ganzen,  insofern  sie  Anfang,  Mitte  und  Ende  uni- 
scbliesst.  Als  hätten  wir  aus  den  Händen  der  Natur  deren  Ge- 
setze empfangen,  so  bedienen  wir  uns  zu  den  heiligen  Bräuchen 
des  Götterdienstes  dieser  Zahl*.  So  ungefähr  äussert  sich  Ari- 
stoteles im  Eingang  des  Werks  Ueber  das  Himmelsgewölben 
Und  wie  im  Alterthum,  so  ist  es  bis  auf  den  heutigen  Tag  ge- 
blieben. Noch  heute  gilt  'Dreimal  ist  Bnbenrecht*.  Was  ehe- 
mals der  Glaube  forderte,  ist  auch  dem  Aberglauben  Gesetz  ge- 
blieben. Von  drei  heiligen  Personen  oder  Dingen  pflegt  der 
Zaubersegen  zu  sprechen,  dreimal  muss  der  Knoten  geknüpft, 
dreimal  das  kranke  Glied  bestrichen,  dreimal  besprochen  werden. 
Der  Anwendungen  sind  so  viele,  dass  auch  jahrelange  Beob* 
achtang  nicht  hoffen  dürfte  den  Stoff  zu  erschöpfen.  Ich  sehe 
darum  ganz  davon  ab,  den  bereit  liegenden  Stoff  hier  vorzuführen. 
Nor  auf  einige  Folgerungen  mag  beiläufig  hingewiesen  werden, 
die  einen  Rückschluss  auf  die  Zwingherrschaft  der  Zahl  gestatten. 

Drei  Chöre  von  Tänzern  und  Sängern  müssen  eine  sehr 
übliche  und  verbreitete  Forderung  des  Gottesdienstes  gewesen 
sein.  Bei  der  pompa  circensis  der  ludi  liomani  schlössen  sich 
an  die  eigentlichen  Theilnehmer  am  Wettkampf  zahlreiche  Chöre 
von  TüDzern  in  drei  Ordnungen,  zuerst  von  Männern,  dann  von 
Jünglingen,    zuletzt   von    Knaben^.     Von    den  Gymnopaedien    in 


^  Arist.  de  caelo  I  p.  2(>8«  12  τελ€υτή  γάρ  καΐ  μ^αον  καΐ  αρχή 
τόν  αριθμόν  ίχ€ΐ  τόν  τοΟ  παντός,  ταΟτα  hi  τόν  τής  τριάδος,  διό  παρά 
τής  φύσεως  είληφότες  Λςπερ  νόμους  εκείνης,  καΐ  προς  τάς  άγιστείας 
χριύμεθα  τΰιν  θ€(αιν  (so  Syrian  ζ.  Metaph.  ρ.  94 1^  14:  θεών  die  Res. 
dee  Ar.)  τφ  άριθμψ  τούτψ.  Mehr  ζΒ.  bei  Ausonius  im  griphus  (id. 
«^1)  uud  lobannee  Lydas  de  mens  2,  Η  ρ.  25  Wünsch,  Casaubonus  zu 
Theopbr.  char.  15  Welcker  Gr.  Götterl.  1,  52  f.  3,  5  f.  Diele  Sibyllin. 
Blatter  8.  40,  l    Thomas  im  Philol.  Suppl.  8,  273  f. 

*  Dionysioe  Hai.  Arch.  R.  VII  72, 5  ήκολούθουν   δέ  τοΙς  άγωνι- 

Uheln.  Mus.  f.  PUlol.  M.  F.  LVIII.  1 


^ 


Üsenel^ 


Sparta  ist  uns  dieselbe  Dreilieit  von  Chören  ^  bekannt.     Auch  der 
Schwärm  des  Dionysos  war  dreitheilig.     Agaue,  Ino  und  Äutonoe 
führen  in  der  Sage  je  einen  Schwärm  der  Thebanischen  Bakcban- 
tinnen  an*.     Der  Cultus    bat   das  festgehalten,    wenn  nicht  viel 
mehr  die  Sage  dem  Cultus  diesen  Zug  entlehnt  hat.     Zu  Magnesia 
am  Maeander  waren   die  drei    bakohischen  ^  Schw&rme     (θία(Τοι) 
so  alt  als  die  Einführung   des  Dionysosdienstes '.     In  der  claesi• 
sehen    Zeit    hat    das    attische    Dionysostheater    stets    drei   Chöre 
der    Tragödie    und    ebenso    viele    der    Komödie    in  Wettbewerb 
treten  lassen.    Erst  als  für  die  Komödie  die  Choregie  aufgehoben 
war,  konnte,  wie  wir  das  bei  der  zweiten  Aufführung  von  Ari* 
stophanes'  Plutos  sehen,    für  die  Komödie  und  danach  natürlich 
auch    für    die  Tragödie'  die   Zahl    der  Bewerber   von    drei   auf 
fünf  erhöht  werden.     Dass   die  alte  heilige  Zahl  ohne  Bedenken 
verdrängt  werden  konnte,    erklärt  sich  zur  Genüge  daraus,   dass 
inzwischen  das  Zeitalter  der  sophistischen  Aufklärung  über  Athen 
dahingegangen    war,    und    das    maaesgebende    Fest    der    grossen 
Dionysien  nicht  in  den  Amtsbereich  des  priesterlichen  Archon  fiel. 

Als  die  Entwicklung  der  chorischen  Lyrik  zur  Dreigliede- 
rung in  Strophe,  Antistrophe  und  Epode  fortschritt,  waren  dabei 
orchestiscbe  Rücksichten  gewiss  von  geringerem  Einiluse  als  das 
Bedürfniss,  auch  dem  Cnltuslied  eine  durch  die  heilige  Drei  be- 
herrschte Form  zu  geben.  Es  ist  eine  unwiderstehliche  Natur- 
gewalt, mit  der  sich  eingewurzelte  Formen  dieser  Art  unwill- 
kürlich zur  Geltung  bringen.  Ein  beliebiger  Fall  aus  der  christ- 
lichen Liturgie,  die  doch  der  Wirkung  jener  halb  mythischen 
Triebe  weit  entrückt  zu  sein  scheint,  mag  das  zeigen. 

Bei  der  Wasserweihe  an  der  Vigilie  des  Epiphanientags 
wird  zwischen  den  Litaneien  folgendes  Gebet  eingelegt,  das  vom 
Geistlichen  unter  Beistand  der  Gemeinde  gesprochen  wird^: 

σταΐς  όρχηστών  χοροί  πολλοί  τριχή    νβνεμημένοι,   πρώτοι   μέν   ανδρών, 
Ö€UT€poi  b'  άγενβίων,  τελευταίοι  δέ  παίδων. 

1  Sosibios  bei  Athen.  XV  ρ.  678«. 

2  Eurip.  Bakch.  (i80  f.  vgl.  Properz  JY  17  (III 15),  24  Tentheos 
in  triplicis  funera  grata  greges*.  —  loschr.  v.  Magnesia  N.  215,  33  f. 

δ  Ein  sicheres  Zeugniss  für  die  seit  etwa  390  erweiterte  Con• 
curreuz  auch  der  Tragödie  gibt  Isaioa  R.  5,  36  ούτος  γάρ  τή  μέν  φυλή 
6ΐς  Διονύσια  χορηγήσας  τέταρτος  έγένετο  τραγψδοίς  καΐ  πυρρ»• 
χισταΐς  οστατος  vgl.  Demosth.  g.  Meidias  §  55  6  τ€  μέλλων  νικαν  καΐ  ύ 
πάντιυν  οστατος  γβνήσεσθαι. 

*  Johii  marquess  of  Bute,  The  blessing  of  the  waters  on  the  eve 
of  the  Epiphany  (London  1901)  p.  10  f. 


Dreiheit  3 

Ι  Vi  hanc  aquaw  bened teere   digneris^    §  te  rogamuSf 
atidi  nos, 
II  Vt  hanc  aquam  henedicere  et   sanctificar e  du 

gneriSy  §  te  rogamuSy  audi  nos. 
III  Vt  hanc  aquam  henedicere,  sanctificare  etcon- 
secr are  digneris,  §  te  rogamus,  audi  nos. 
Dreimal  wiederholt  sich  die  Bitte,    und    mit  jedem  Male  steigert 
sie  sich,  indem  ein  Verbum  zuwächst,  biß  bei  der  dritten  Wieder- 
bolang   drei    Bitten    vereinigt   sind.     Zu    jedem    dieser  Infinitive 
wird  «in  Kreuz  geschlagen,  also  das  dritte  Mal  drei.    Man  kann 
den  kunelTolien  Aufbau  nicht  verkennen,   der  hier  die  Dreizahl 
sowohl  in  Worten  wie  in  äusserer  Darstellung  zu  £hren  bringt. 
Die  beabsichtigte  Kunst  wird  noch  deutlicher  hervortreten,  wenn 
wir  ein  verwandtes  Qebet,    das    bei    der  Herstellung   des  Weih• 
waesers  gesprochen  wird,  tur  Vergleichung  daneben  stellen: 
.  .  ,  te  domine  trementes  et  supplices  deprecamur  ac  petimus : 
ut  hanc  creaturam  salis  ei  αφιαβ  dignanter  aspicias:  benignus 
illustres:   pietatis  iitae  rore  sancHfices;  ut  ubicumque    fuerit 
aspersa,  per  invocationem  sancti  tui  nominis  omnis  infestatio 
immundi  Spiritus  abigatur^  terrorque  venenosi  serpentis  procul 
pellatur,  ei  praesentia  sancti  Spiritus  nobis  misericordiam  tuam 
poscentibus  vbique  adesse  digneiur. 
Auch  hier  wird  die  Dreizahl   zweimal    angewendet,    sowohl    bei 
den  Bitten  wie  bei  der  Angabe  des  Zweckes.    *  ternarius  numerus 
in  mnltis  sacramentis  maxime  excellit^  Fagt  Augustinus  ^  einmal. 
Von  den  endlos  vielen  Anwendungen,   welche  die  Dreizahl 
gefunden  hat,    ist  keine  geschichtlich  so  wichtig  und  folgenreich 
geworden    als    die    Bildung    dreigliedriger  Gruppen    von  Gottes- 
begriffen, göttlicher  Dreieinheiten.     Durch  einen  üeberblick,  wie 
ich  ihn  gerade  geben  kann,    möchte    ich    versuchen,    eine    deut- 
lichere Vorstellung  von  der  weiten  Verbreitung  und  Wichtigkeit 
(lieser  religiösen  Anschauungsform  zu  geben.    Nicht  als  ob  damit 
etwas  Neues  gesagt  werden  sollte.    Phil.  Buttmann  hat  mit  voller 
Klarheit  tiber  die  Erscheinung  geurtheilt,   und   Ed.  Gerhard  'die 
göttliche  Trias  fast  aller  Religionen  Mittelpunkt'  genannt'.    Aber 
es  dünkt  mich  an  der  Zeit  zu  sein,  durch  Sammlung  der  weithin 


'  August,  epist.  LV  (vormals  CXIX)  ad  lanuarium  18,  33  t.  II 
P•  14U  Maur. 

*  Buttmann  im  Mythologus  1,  29.  Gerhard,  Griechische  Mytho- 
logie 1,  141. 


4  Üsenei* 

zerstreuten  Spuren  den  Beweis  zu  erbringen,  dase  die  Götter* 
dreibeit  eine  fest  gewurzelte  und  darum  mit  der  Gewalt  natür- 
licher Triebkraft  begabte  Anschauungsform  des  Alterthums  war. 
Auch  was  vielen  schon  als  trivial  erscheint,  kann  nötbig  werden 
umständlich  zu  beweisen.  Denn  die  Ueberreste  früherer  Stufen, 
welche  an  dem  menschlichen  Geiste  bei  seiner  unablässigen  Häatung 
und  Erneuerung  haften  bleiben,  leisten  oft  auch  den  schärfsten 
Waffen  des  Geistes  und  Witzes  lange  beharrlichen  Widerstand, 
und  es  bedarf  des  ganzen  Rüstzeuges  geschichtlicher  Thatsachen» 
um  den  abgestorbenen  und  doch  noch  immer  an  unserem  Leben 
theilnehmenden  Rest  zu  lösen  und  abzustossen.  Geistige  Be- 
freiung kommt  nicht  von  Mathematik  und  Naturwissenschaft, 
sondern  von  geschichtlicher  Forschung. 

1  Schon  die  Hesiodische  Theogonie  fuhrt  eine  Anzahl, 
wenn  ich  richtig  zähle,  von  15  Götterdreiheiten  auf.  Und  sie 
beschränken  sich  nicht  auf  herkömmliche  Vielheitsbegriffe,  wie 
die  Dreiheit  der  Kyklopen :  Brontes  Steropes  Ajrges  (Theog.  140), 
der  Hekatoncheiren :  Kottos  Briareos  Gyes  (148  f.  vgl.  617  f• 
734.  817),  der  Gorgonen:  Stheino  Euryale  Medusa  (276),  der 
Hören:  Eunomia  Dike  Eirene  (901),  der  Moiren :  Klotho  Lacheeis 
Atropos  (905),  der  Chariten:  Aglaia  Enphrosyne  Thalia  (909). 
Auch  für  Gruppen,  die  an  sich  nicht  an  die  Dreiheit  gebunden 
waren,  sehen  wir  diese  Zahl  verwendet.  Nach  dem  Chaos  treten 
entstehungslos  Gaia,  Tartaros  und  Eros  hervor  (116  f.).  Drei 
Sprösslinge  werden  dem  Thaumas  und  der  El ektra  zugeschrieben: 
Iris  und  die  Harpyien  Aello  und  Okypete  (206  f.);  dreifach  ist 
die  Brut  der  Echidna  und  des  Typhaon:  Orthos  (der  Hund  des 
Geryones),  Kerberoe  und  Hydra  (307  f.).  Drei  Nachkommen 
haben  die  Titanen  paare  Hyperion  und  Theia :  Helios,  Selene  und 
Eos  (371  f.),  und  Krios  und  Eurybie :  Astraina  Pallas  Perees 
(375  f.).  Kronos  und  Rhea  zeugen  drei  Töchter:  Hestia  Demeter 
Hera  (454),  und  drei  Söhne:  Hades  Poseidon  Zeus  (455  f.).  Eine 
Dreiheit  von  Kindern  erhalten  Zeus  und  Hera:  Hebe  Ares  Eilei- 
thyia  (922),  und  ebenso  Ares  und  Aphrodite:  Phobos  Deimos 
Harmonia  (934.  937).  Auch  eine  Dreiheit  von  Vielheits begriffen 
darf  man  dazu  stellen :  aus  den  Samentropfen  des  Uranos  gebiert 
im  Laufe  der  Jahre  Gaia  die  Erinyen,  Giganten  und  die  Me- 
lischen  Nymphen  (185  f.). 

Die  Abpicht,  mit  welcher  in  diesen  Genealogien  die  Drei- 
zahl gesucht   wird,    ist    in  einigen  Fällen  unverkennbar.     Unter 


Dreiheit  5 

den  Kindern  Rowohl  dee  Α  res  und  der  Aphrodite  als  anch  des 
ThaniDas  und  der  Elektra  werden  fremdartige  und  unvereinbare 
Begriffe  zu  Dreiheiten  zueammengefafiet:  Deimoe  und  Phobos, 
die  Schreckgestalten  des  Ares,  haben  mit  Harmonia  eo  wenig 
gemeinnam  wie  die  beiden  Harpyien  mit  der  Götterbotin  Irie. 
Zu  Hyperion  und  Theia  fügen  Ficb  Helios  und  Selene ;  wenn  Eos 
als  drittes  Kind  hinzugesellt  wird,  so  geschieht  das  sichtlich  nur 
in  der  Absicht,  die  Dreizahl  zu  erfüllen,  unter  den  drei  Zy- 
klopen ist  Arges  lediglich  Doppelgänger  von  Steropes,  beide 
Namen  bezeichnen  den  Blitz ;  eine  sachlich  begründete  Triade 
wäre  leicht  herzustellen  gewesen,  ^enn  dem  Donner  und  Blitz 
der  Sturm  gesellt  worden  wäre,  wie  am  Alpheios  'den  Blitzen, 
Stürmen  und  Donnerschlägen  geopfert  wurde  (s.  Paus.  VIII 
29,  1):  nllein  die  guten  und  regelmässigen  'Winde  waren  schon 
vergeben  (378)  und  die  gefährlichen  Stürme  blieben  dem  Ty- 
phoeua  (869  ff.)  vorbehalten. 

Diese  Einblicke  genügen  um  eine  alte  Streitfrage  endgültig 
zu  entscheiden  und  zugleich  den  Triaden  der  Theogonie  eine  neue 
hinzuzufügen.  Astraios  und  Eos  zeugen  nach  Theog.  378  ff. 
die  Winde 

άργέστην  Ζέφυρον  Βορέην  τ'  αΙψηροκέλ€υθον 

και  Νότον 
vgl.  870  νόσφΐ  Νότου  Βορέω  τ€  και  άργέστεω  Ζβφύροιο. 
Hat  Heeiodos  nur  drei  Winde  genannt  und  den  Ostwind,  den 
Apheliotes  bei  Seite  gelassen?  Die  Gelehrten  des  Alterthums, 
von  deren  p]rwägungen  uns  ein  wirres  Scholion  ^  berichtet,  konnten 
das  dem  Dichter  nicht  zutrauen  und  nahmen  daher  άρτέ(Ττης  als 
Appellativum  für  Ostwind,  während  es  doch  einfaches  Epitheton 
eines  Windes  'hellen  Himmel  bringend  dh.  Wolken  vertreibend' 
ist.  Es  ist  wahr,  seit  Aristoteles  wird  das  Wort  herangezogen 
um  in  der  umfangreicheren  Nomenclatur  der  ausgebildeten  Wind- 
rose eine  Lücke  auszufüllen  ;  aber  nicht  den  Ostwind  bedeutet  es 
da,  sondern  einen  Nordweetwiiid.  Sollte  man  verbindungslose 
Nebeneinanderstellung  von  Argestes  und  Zephyros  annehmen? 
Zweifellos  ist  im  Alterthum   so  gelehrt  worden.    Besseres  Sprach- 

1  Dr8  Scholion  maes  man  bei  Gaisford  zu  V.  379  p.  419  nach- 
lesen, aber  nicht  in  Hans  Flach's  Glossen  und  Scholien  zur  Hes.  Theo- 
gonie (Leipz.  1876)  p.  251,  wo  ein  blosser  Phantasietext  geboten  wird, 
lieber  das  Scholion  b.  Schoemann  Opnsc.  ac.  2,  516  f.  Ruhl  in  Fleck- 
eisens Jahrb.  1870  S.  20  und  Flach  aO.  103  f.,  über  die  Streitfrage 
Muetzell  De  emend.  Theog.  p.  470  ff. 


6  ÜBener 

gefiihl  konnte  sich  bei  diesem  Nothbebelf  nicbt  berubigea^  ond 
setzte  ebne  weiteres  die  sacblicb  geforderte  Partikel  T€  ein:  37d 
Άργίστην  Ζέφυρόν  τβ,  870  Άργέστεω  Ζέφυρου  τε.  Das  ist 
sobon  in  mancben,  aucb  guten  Hss.  gescbeben,  und  in  neuerer 
Zeit  von  Rzacb  vertbeidigt  worden.  Aucb  wenn  diese  Besse- 
rungen in  alle  unsere  FIss.  eingedrungen  wären,  wurden  sie  doch 
durob  die  Scbolien  als  Interpolation  erwiesen  ;  den  letzten  Zweifel 
muss  die  entscbeidende  Stimme  des  Akusilaos  beben  \  der  ane- 
drücbliob  bezeugt,  dass  Hesiodos  nur  drei  Winde  nannte,  Boreas, 
Zepbyros  und  Notos.  Dies  baben  wir  einfach  als  Tbatsacbe  hin- 
zunebmen,  und  sollen  nicbt.  weiser  sein  wollen  als  der  Dicbter 
selbst.  Der  aber  stand  unter  dem  Druck  einer  Anscbauungs- 
form,  die  durcb  ibre  Verbreitung  in  Glaube  und  Cultns  die  Kraft 
gewonnen  batte  aucb  auf  fremden  Gebieten  sieb  einzudrängen. 

Aucb  in  der  Tbeosopbie  der  Orpbiker  läset  sich  die  Herr- 
scbaft  dieser  Form  beobacbten.  Eine  ricbtige  Trinität  bilden 
nacb  der  orpbiscben  Tbeogonie  Metis,  Pbanes  und  £rikepaio8 
(fr.  56  Abel).  Der  dreiköpfige  Cbronos  zeugt  die  Dreibeit  Aitber 
Cbaos  Erebos  (fr.  36).  Aucb  der  Kureten  sind  drei  (fr.  112). 
Dass  das  nicbt  vereinzelte  Vorkommnisse  waren ,  dürfen  wir 
darum  annebmen,  weil  es  unter  dem  Namen  des  Orpbeus  eine 
Dichtung  des  Onomakritos  Τριαγμοί  gab,  welche  ebenso  wie  die 
dem  Ion  von  Chios  beigelegte  Schrift  gleichen  Titels  alle  darin 
bebandelten  Begriffe  nacb  Triaden  geordnet  hatte;  wir  kennen 
die  Dreibeit  der  Elemente:  Feuer  Wasser  Erde  (fr.  229  Ab.). 

2  Die  Ilesiodiscben  immer  geläufig  gebliebenen  Dreiheiten 
einerseits  der  Kyklopen  und  Hekatoncheiren,  anderseits  der  Gor- 
gonen,  Hören,  Moiren  und  Chariten  (S.  4)  sind  nur  Probestücke 
für  eine  schwer  übersebbare  Fülle  gleicher  Gruppen,  welche 
Cultus  und  Sage  der  Griechen  und  ebenso  der  verwandten  Völker 
geschaffen  bat.  Es  kann  geradezu  als  Eegel  aufgestellt  werden, 
dass  Mehrbeitsbegriffe  namentlich  weiblicher  Gottheiten  auf  die 
Dreizahl  gebracht  werden. 

um  zunächst  einige  Beispiele  männlicher  Gruppen  za 
geben,  wer  kennt  nicht  die  Kroniden,  unter  welche  die  Herr 
Schaft    der  Welt    vertbeilt    ist,    Zeus    Poseidon  Hades,    die   drei 


^  Schol.  Res.  Theog.  349  Άκουσίλοος  bk  (fr.  ;i  in  Müllers  FHG 
1,  100)  τρ€ϊς  άνεμους  βίναί  φησι  κατά  *Ησ(ο6ον,  Βορράν,  Ζ^φυρον  κα\ 
Ν  όταν,  του  γάρ  Ζέφυρου  έπίθ€τον  τό  άργέστην  ψη^ί. 


/ 


Dreiheit  Τ 

Todtenrichter  Mino»  Rbadamantbye  und  Aiakoe,  die  drei  Kabiren 
von  Samotbrake,  die  Tritapatoree  Zagrens  Eubaleus  Dionysos 
(Cic.  11.  d,  III  21,  53)?  Die  gleiche  Zabl  haben  die  Söhne  des 
Zeue  nnd  der  Europe  (Minoe  Sarpedon  Rhadamanthje),  des  Agenor 
und  der  Telephaesea  (Kadmos  Pboinix  Eilix:  Apoll.  III  1,  1),  die 
Söhne  des  Herakles  und  der  Megara  (Apollod.  II  4,  4)  usw. 

Eine  uralte  Göttersage  erzählte  von  drei  Brüdern,  deren 
letzter  (jüngster)  am  seiner  Tüchtigkeit  willen  von  den  älteren 
Brüdern  gehasst  und  aus  dem  Wege  geräumt  wird,  aber  anf 
wunderbare  Weise  wieder  auflebt  und  hervortritt.  Schon  im 
Rigveda  findet  sich  eine  Spur  des  Mythus  bei  einem  Gotte,  dessen 
Name  durch  den  Anklang  an  das  Zahlwort  dazu  herausforderte 
ihn  als  den  dritten  von  drei  Brüdern  zu  nehmen  ^ :  Trita 
Aplyüt  der  Zerschmetterer,  der  Gott  des  Himmelsmeeres;  man  hat 
ans  dem  Trita  einfach  einen  Ekata  und  DvHa  herausgesponnen, 
blosse  Zablbegriffe:  der  Erste,  der  Zweite,  die  im  Cultus  nie 
Wurzel  geschlagen  haben,  aber  vom  Epos  festgehalten  worden 
sind;  Trita  fällt  nach  Rigv.  I  105,  17  in  eine  Grube,  aus  der  ihn 
nur  höhere  Bilfe  zu  befreien  vermag,  und  in  diese  Grube  hatten 
ihn  nach  der  Sage  die  beiden  Brüder  gestürzt^.  Die  griechische 
Sage  bewahrt  mehrere  Repliken.  So  zeugt  Aiakos'  mit  Endei's 
(oder  Aigina)  Telamon  und  Peleus,  den  dritten  Phokos  schenkt 
ihm  die  Nereide  Psamathe;  der  war,  weil  er  *schÖn  und  tüchtig' 


^  Das  griechische  Gegenstück  Τρίτος  σωτήρ  ist  ebenso  als  'dritter* 
ausgedeutet  worden,  Ζ€ύς  τρίτος-,  daher  Zeus,  obwohl  ihn  die  Ilias  0 
187  S.  209  ausdrücklich  als  den  ältesten  bezeichnet,  nicht  nur  die  Reihe 
der  Brüder,  sondern  aaoh  andere  göttliche  Triaden  gern  als  dritter 
schliesst.  Bemerkenswerth  ist  aber,  dass  auch  Odhinn  altnord.  Tbridhi, 
der  dritte  heisst  s.  Grimms  D.  Myth.  1,  148. 

^  Ad.  Kuhn  in  Höfers  Zeitschr.  f.  d.  Wissensoh.  der  Sprache 
1,  279  f.  289  f.  F.  Neve,  Essai  sur  le  roythe  des  Ribhavas  (Par.  1847) 
p.  336  ff. 

'  Schon  die  Alkmeonis  (fr.  1)  hatte  nach  schol.  Eurip.  Androm. 
<»87  die  Sage  berührt,  vgl.  Apollon.  Rh.  1,  90  ff.  Antoninus  Lib.  38 
Apollod.  Ill  12,  (i  Paus.  11  29,  2.  9  f.  schol.  AD  zu  Π  14  und  zu  Find. 
Nem.  5,45  Tzetzes  zu  Lyk.  901  Ovid  met.  11,267  ff.  7,476  ff.  381. 
•S98.  Nicht  so  klar  ist  die  Ueberlieferung  über  die  3  Söhne  des  Por- 
thaon:  Agrios  Melas  Oineus  (Ξ  115  ff.):  gewöhnlich  heisst  es,  Oineus 
sei  durch  die  Söhne  des  Agrios  seiner  Herrschaft  beraubt  und  ver- 
trieben worden;  bei  Hygin  f.  175  ist  es  Agrios  selbst  der  ihn  vertreibt; 
aber  an  Oineus  hebt  Ξ  118  ansdrücklioli  hervor:  αρετή  δ'  ήν  ίΕοχος 
αύτιΐιν. 


8  üsener 


Vv 

I 

\ 


war,  der  Liebling  des  Vatere,  and  die  älteren  Brüder,  neidisch 
geworden,  tödteten  ihn  durch  Meuchelmord;  die  Blutnchnld  treibt 
sie  aus  der  Heimath,  Telamon  Biedelt  sich  auf  SalamiR  an,  Peleas 
geht  zu  Eurytion  um  sich  entRÜhnen  zu  lassen,  seine  weiteren 
Geschicke  liegen  uns  hier  ferne.  Bis  in  die  Kaiserzeit  hat, 
wenigstens  im  Geheimcultus,  der  Mythus  von  den  drei  Brüdern 
Bedeutung  gehabt:  die  'Anaktotelesten'  verkündeten,  dase  die 
zwei  Korybanten,  Kabiren  genannt,  den  dritten  Bruder  erschlagen 
und  sein  Haupt  am  Olympos  beerdigt  hätten,  aus  dem  Blute  des 
ermordeten  sei  £ppich  emporgesprossen^  Mit  überraschender 
Familienähnlichkeit  tritt  die  Sage  in  der  makedonischen  Legende 
von  der  Begründung  des  Eönigthums  durch  Perdikkas  (Herod. 
8,  137  f.)  hervor.  Sogar  bei  den  Skythen  kennt  sie  Herodot 
(4,5):  der  erste  Mensch,  ein  Sohn  des  Zeus  und  einer  Tochter 
des  Borysthenes,  hatte  drei  Söhne  —  Agathyrsos,  Gelonos  und 
Skythes  heissen  sie  den  Griechen  (Herod.  4,  10);  in  deren  Zeit 
ereignete  es  sich,  dase  vom  Himmel  ein  Pflug,  ein  Joch,  eine 
Streitaxt  und  eine  Trinkschale,  alles  von  Gold,  herabfiel:  der 
älteste  Bruder  nähert  sich  begierig  den  himmlischen  Dingen,  aber 
er  wird  durch  Flammen,  die  aus  ihnen  hervorbrechen,  zurück- 
getrieben, und  das  gleiche  wiederholt  sich  beim  zweiten ;  erst  als 
der  dritte  herantritt,  erlischt  das  Feuer.  Ihre  weiteste  Ver- 
breitung, in  immer  neuer  A^ariation,  hat  dann  die  alte  Sage  in 
der  Märchenwelt  der  Germanen,  Romanen  und  Slaven  gefunden^. 


Ϊ  Clemene  AI.  protr.  2,  19  p.  6,  2—9  S.  Firmicue  c.  11  p.  91  f. 
Halm,  Arnobius  5,  19. 

*  Deutsch:  Grimme  Kinder-  und  Hauern.  62—64  (vgl.  118—151) 
Knoop's  Yolkssagen  usw.  aus  dem  östl.  Hinterpommern  (Posen  1Β8ή) 
8.  ί?36  ff.  230  ff.  Zingerle'8  Tiroler  M.  S.  16  OSchade,  Ursulalegende 
S.  103.  Dänisch:  Grundtvig  1,  46.  2,  24.  160.  Schwedisch:  Cavallius 
S.  25.  3f>  ff.  300.  Norwegisch:  Asbjörneen  und  Moe  1,  1.  27.  45.  6?• 
200.  2,  1.  29.  88.  (HO  ff.)  174.  189  Aebjörnsene  Norw.  M.  von  Den- 
hardt  S.  150.  Isländische  M.  von  Poestion  (Wien  1884)  S.  104.  lUlie- 
nisch:  Kaden  Südit.  M.  S.  142.  Litauisch:  Jurkschat,  Lit.  M.  o.  Er- 
zählungen I  (Heidelb.  1898)  S.  27  ff.  Südslawisch:  Krause  Südel.  M. 
1, 307.  432.  Wuk  Steph.  Karadechitsch  Volksmärchen  der  Serben 
n.  2.  4.  14.  17  und  in  Jagic  Archiv  f.  elav.  Pbilol.  l,  282  f.  283  f.  Kletkes 
Märcheneaal  2,  41  Wenzige  Weetslav.  Märchenechatz  S.  183  ff.  Wen- 
disch: WvSchulenburg,  Weud.  Volkesagen  S.  69.  Czechisch:  Wenrig 
S.  5.  59  f.  Milenowsky,  Volksmärchen  aue  Böhmen  S.  87  ff.  Polniech: 
VSToycicki  (übere.  v.  Leweetara)  S.  101  ff.  119.  ff.  Ruesiech:  Kletkee 
Märchensaal  2,  97     Russ.   M.    übers,   v.   Dietrich  N.  1.   5.   16  vgl.  13 


Dreiheit  9 

Die  zwei  älteren  BrQiler  pflegen  hier  ale  gewöhnliche  Menechen, 
als  selbetefichtig,  auch  wohl  voll  Selbstüberhebung  dargestellt  zu 
werden,  der  dritte  gern  als  Dümmling,  ungewandt  und  weit- 
unerfahren,  aber  rechtschaffen  und  treuherzig,  voll  Erbarmens 
und  menschlichen  Etthrens,  daher  vom  Glück  begünstigt  oder 
unter  göttliche  Führung  genommen.  In  das  Weibliche  ist  die 
Sage  umgebildet  in  dem  weit  verbreiteten  und  viel  variierten 
Märchen   vom  Aschenbrödel. 

Ausser  den  weiblichen  Gruppen  des  Hesiod  nennt  das 
ApoUodorisohe  Handbuch  noch  die  Erinjen  Alekto  Tisiphone 
und  Megaira  (I  1,  1.  2)  und  fügt,  was  beachtenswerth  ist,  zu 
den  zwei  Töchtern  des  Phorkos,  den  sog.  Graien,  welche  die 
Theogonie  (273)  kennt  (Pephredo  und  Enyo),  noch  eine  dritte, 
Deino  (Π  4,  2,  3).  Dazu  kommen  die  Harpyien  (3  bei  Hygin 
/.  14),  die  Sirenen  (Apoll,  epit.  p.  231  Wagn.).  die  Hesperiden 
Hespere  Erytheis  Aigle  (Apollon.  Rh.  4,  1427  f.),  die  Töchter 
des  Lfos  in  Athenischer  Ueberlieferung  (Aelian  v.h.  12,  28  Phot. 
lex.  p.  218,  8);  nach  Paus.  1  38,  3  waren  ehedem  anch  im  Ho- 
merischen Hymnus  auf  Demeter  drei  Töchter  des  Eeleos  Dio- 
geneia  Pammerope  Saisara  genannt  worden. 

Der  Cultns  stellt  eine  grosse  Zahl  weiblicher  Dreiheiten : 
die  alten  Lopgöttinnen  von  Delphi  θρίαί  (Hom.  Hymnus  auf 
Hermes  554  vgl.  Zenob.  5,  75  EM  455,  34),  die  ΤΤραΕι^ίκαι 
zu  Haliartos  (s.  unten  S.  17,  3 \  die  Έπιτ€λί5€ς  zu  Argos,  als 
eine  Gruppe  von  drei  sitzenden  Frauen  dargestellt  (Fränkel  im 
CIGPel  1  n.  569.  570  p.  93),  zu  Athen  die  Thauschwestern, 
die  Töchter  des  Kekrops,  Aglauros  Herse  Pandroeos  (Göttern. 
135  ff.),  in  Boiotien  verehrt  die  '  Jungfrauen'  (Παρθένοι)  die  drei 
Töchter  des  Skamendros  und  der  Akidusa  (Plut.  qu.  gr.  41  p.  301^), 
im  Bruttierlande  die  ΝαυπρήστιΙ>€ς ,  Töchter  des  Leomedon: 
AithylJa  Astyoche  Medesikake  (Apoll,  bei  Tzetzes  zu  Lykophr. 
921),  in  der  Kyrenai's  die  ήρψσσαι  Λιβύης  τιμήορ€ς,  die  dem 
lason  um  die  Mittagstunde  in  der  Dreizahl  erscheinen  (Apollon. 
Rh.  4,  1347).  Auf  Karischen  Münzen  von  ApoUonia-Salbake  sind 
drei  nicht  bestimmte  Göttinnen  in  den  Nischen  eines  Tempels 
aofgestellt^;    ebenso    unbestimmt     bleiben    fürs    erste    die    drei 


(humoristisches  Gegenbild  des  Mythus)  Russ.  M.  übers,  v.  W.  Gold- 
scbmidt  S.  69.  Das  mag  genügen  νου  dem  xorhandenen  Reichthum 
eine  Ahnung  zu  geben. 

1  Manre  des  M.  Aurelius  im  Brit.  Mus.,  Catal.  Carla  Taf  IX  9 


ι 


10  Usener 


Göttinnen  einer  onterttalieuben  Terracotfa:  hinter  einer  an  einem 
Feleen  sitzenden  Frau  ist  im  FeUen  eine  GrötterntRcbe  (aedUula) 
angebracht,  worin  die  Büeten  dreier  Polos  tragender  Göttinnen 
auf  heiligem  Tische  stehn.  Wo  immer  Quellnymphen  verehrt 
wurden,  dachte  man  sie  sich  und  bildete  sie  nicht  in  der  Einzahl, 
sondern  als  Verein  von  dreien;  das  Alterthum  war  an  diese  Dar 
Stellung  gewöhnt^.  Auf  den  zahlreichen  Relief bildern,  worin  sie 
tanzend  mit  Pan  vereinigt,  oft  von  Hermes  angeführt  werden, 
pflegen  sie  in  Dreizahl  zu  erscheinen  (vgl.  Friederiche- Wolters 
n.  709  ff.).  Die  gleiche  Zahl  begegnet  in  MUnzbildern^  Die 
drei  bekleideten  Mädchen,  welche  eine  Terracotte  von  Myrina  in 
einer  Grotte  tanzend  darstellt,  sind  zweifellos  Nymphen  (Pottier 
u.  Reinaoh,  La  n^cropole  de  Myrina  Taf.  XIX  2  p.  349  ΑΓ.).  Auf 
einer  schwarzfigurigen  Vase  bei  Gerhard  (Auserl.  Vasenb.  T.  323) 
bringen  drei  Nymphen,  als  Nηΐb€ς  bezeichnet,  dem  Perseus  die 
Ausrüstung  zum  Gorgonenabenteuer.  Dass  die  durch  die  Hesio- 
dische  Theogonie  (75  f.  917)  eingeführte  und  in  den  Cnltus  von 
Thespiae  aufgenommene  iCIGS  l  n.  1796  ff.)  Nennzahl  der  Musen 
durch  eine  nicht  ungebräuchliche  Vervielfachung  aus  arspröng- 
Heber  Dreizabl  hervorgegangen  ist,  haben  schon  Gelehrte  des 
Alterthums  anerkannt;  man  erklärte  den  Wechsel  durch  die  Le- 
gende^, eine  Stadt  habe,  um  würdige  Gultusbilder  der  drei  Musen 
im  Tempel  des  Α  pol  Ion  aufzustellen,  drei  Bildhauer  in  Wett- 
bewerb treten  lassen  und,  da  von  allen  gleich  vortreffliche  Gruppen 
geliefert  worden,  alle  drei  mal  drei  Bilder  geweiht,  denen  dann 
Hesiod  Namen  gegeben  habe.  Sogar  an  einem  der  ältesten  Sitze 
des  Musencultus,  zu  Askra  auf  dem  Helikon,  wusste  man  noch 
zu  Pausanias*  Zeit  (IX  29,  2)  von  den  ehemaligen  drei  Musen 
Melete  Mneme  Aoide. 

Auch  die  Bakchen  und  Maenaden  pflegte  man  sich  als  drei 


vgl.  p.  57,  23 ;   eine  gleiche  Münze  des  Gallienus  besass  Imhoof-Blumer 
Die  Terracotta  in  der  Collection  J.  Greau  t.  II  n.  13  j  p.  38  f. 

1  Vgl.  Longns  2,  23  καΐ  αύτφ  (im  Schlafe)  ai  τρ€ΐς  έφίσταντσι 
Νύμφαι,  μεγάλαι  γυναΐκ€ς  καΐ  καλα{,  ημίγυμνοι  καΐ  ανυπόδητοι,  τάς 
κόμας  λελυμέναι  καΐ  τοις  άγάλμασιν  (vgl.  Ι  4,  3)  δμοιαι. 

2  Imhoof-Blumer  Monnaics  gr.  Taf.  Β  24.  2δ  vgl.  ρ.  35.  Die 
Münze  der  Hunterian  collection  by  Macdonald  I  Taf.  XIV  4  vgl.  p.  1^^ 
n.  7  stellt  3  Göttinnen,  alle  bekleidet  dar,  die  mittlere  mit  Schleier, 
die  linke  in  der  Kochten  eine  Weintraube  haltend. 

^  Varro  bei  Augustinus  de  doctrina  Christiaua  II  27  t.  ΙΠ  1 
p.  30e  Maur.     Drei  Musen  gibt  auch  Servias  zu  Verg.  ecl.  8,  75  an. 


Dreiheit  11 

vorzuetellen.  Zu  den  von  Welcker  (Aescb.  Trilo«?ie  S.  496  Anm.) 
beigebrachten  Belegen  füge  ich  die  drei  tanzenden  Maenaden  des 
Altars  von  Gabii  und  des  unter  den  Berliner  Abgüesen  befind- 
lichen Reliefs  ^  Auf  einer  Vase  des  Sophilos  sind  drei  Mädchen 
als  Nu(Tai  bezeichnet  (Kretschmer,  Gr.  Vaseninsohr.  200),  also 
als  Ammen  des  Dionysos,  und  nach  Naxischer  Sage  pflegen  den 
Dionysosknaben  Philia  Koronis  Kle'is  (Diod.  5,  52),  wie  die 
Tempelsage  des  argivisohen  Fleraion  drei  Ammen  der  Hera  nannte 
(Paus.  II  17,  l).  Nach  der  Tempellegende  von  Magnesia  am 
Maeander  wurde  dort  die  orgiastische  Verehrung  des  Dionysos 
durch  drei  aus  Theben  bezogene  Maenaden,  Töchter  der  Ino, 
Kosko  Baubo  Thettale,  eingeführt  (Inschr.  von  Magnesia  215  α 
32  ρ.  140).  So  sind  denn  auch  der  Proitiden  (Apollod.  II  2,2) 
und  der  Minyastöchter  (Flut.  qu.  gr.  38  p.  299®)  drei,  und  in 
dieselbe  Form  ist  die  Vorstellung  von  dionysischen  Göttinnen 
der  Vegetation,  wie  den  Oinotropen  auf  Delos^:  Oino  Spermo 
£laia  und  den  Töchtern  des  Staphylos :  Molpadia  Rhoio  Par- 
thenos  (Diodor  5,  62)  gegossen. 

Als  der  christliche  Himmel  die  vielen  Heiligen  aufnahm, 
die,  am  eingewurzelte  Oulte  des  Heidenthums  unschädlich  zU 
machen,  aus  alten  Göttern  umgebildet  waren,  ist  auch  die  weib- 
liche Dreiheit  nicht  vergessen  worden.  Das  bekannteste  Beispiel 
sind  die  Töchter  der  Sophia:  Pistis  Elpis  Agape  (lat.  Fides  Spes 
Caritas);  in  Bithynien  wurde  die  Schwestergruppe  Agape  Theo- 
phila  und  Domna^  hochgehalten.  In  späterer  Zeit  haben  Denk- 
mäler mit  3  Frauengestalten  Anlass  zur  Legende  von  den  drei 
Marien  gegeben*. 

Dass  diese  weiblichen  Gruppen  durch  ein  unwillkürlich  wal- 
tendes Gesetz  an  die  Dreizahl  gebunden  sind,  wird  durch  die 
weitere,  zweifellos  nicht  von  aussen  beeinflusste  Verbreitung  des 
Typus  bewahrheitet.     Münzen  des  P.  Α ccoleius  Larisoolus^  zeigen 


^  Ph.  A.  Visconti,  Monumens  du  musoe  Chiaramonti  (Milano 
1822)  Taf.  XXXIX  vgl.  p.  288  ff.     Friederichs- Wolters  S.  745  n.  1882. 

9  Wentzel  Philol.  .^l,  46  ff.    SintHuths.  98. 

'  Legende  von  Indes  und  Domna  (28.  Dec.)  bei  Migne  PG  11(3, 
1037  f. 

*  S.  Max  Ihm,  Der  Mütter-  und  Matronencultus  (Bonn  1887, 
Abdruck  aus  den  Rhein.  Jahrbüchern,  Heft  8.S)  p.  74  f. 

^  Kabeion  Descr.  des  monnaios  de  la  republiquc  rom.  1,  100  u. 
Bahrfeldte  Nachträge  I  S.  4  Taf.  I  2  vgl.  Borghesi  Oetwres  1,  3β5  ff. 
üeber  die  Querqiietulanae  vgl.  Festue  p.  261,  17  M.  und  Varro  h  l  5,  i[). 


\ 


12  Usener 


auf  der  Rückseite  drei  weibliche  Gottheiten,  nnten  herraenfaaft 
aber  verhüllt;  über  ihre  8chnltern  geht  ein  wagerechter  Balken, 
deeeen  alterthüinlicher  Zweck  eichtlich  der  ist,  die  Göttinnen  za 
einer  Einheit  zneamnien  zu  Jochen.  Von  dem  Hanpt  einer  jeden 
ragt  ein  dicht  belanbter  Zweig  auf,  zwei  weitere  Zweige  werdeo 
von  den  einander  berührenden  Händen  der  drei  gemeinsam  ge- 
halten. Die  äusserste  links  scheint  in  der  freien  Rechten  einen 
Bogen,  die  äusserste  rechts  in  der  Linken  eine  Blume  zu  halten. 
Die  merkwürdige  Darstellung  ist  bereits  von  Borghesi  überzeugend 
auf  die  nymphae  Querquetulafiae  bezogen  worden,  welche  ein 
Heiligthum  am  Esquilin  besassen  und  dem  benachbarten  Thore 
den  Namen  gegeben  hatten.  Diese  echt  italischen  Baumgeister 
zeigen,  dass  den  Italikern  weibliche  Dreiheiten  nicht  erst  von 
den  Griechen  gebracht  zu  werden  brauchten.  Die  tres  Fortutute 
und  tria  Faia  zu  Rom  ^,  die  ires  Parcae  oder  Fatae  ^  bilden,  so- 
weit lateinische  Sprache  reicht,  einen  so  wesentlichen  Bestand- 
theil  des  Volksglaubens,  dass  ca  mir  unmöglich  erscheint  sie  von 
den  griechischen  Moiren  abzuleiten.  Man  erwäge  nar  die  Rolle 
die  sie  im  Aberglauben  spielen.  Ein  Zauberspruch  gegen  Leib- 
schmerzen, in  volksmässigen  Kurzversen,  lautete  nach  der  mt- 
dicina  Plinii  2,  32  p.  236  R.  in  Heims  Incantamenta  magica 
p.  559,  18  ( Fleck eisens  Jahrbücher  Supplementb.  XIX): 

Tres  sorores  ambtilabant^        una  volvebat, 
alia  cemebatj  tertia  solvdHtt, 

und  mit  mythologischer  Färbung  heisst  es  in  Zaubersprüchen  ilee 
Marcellus  21,  3  (Heim  n.  100):  Tres  virgines  in  medio  mari 
mensam  marmoream  positam  habebattt ;  duae  iorgvebantj  una  re- 
torquehat.  qtwmodo  hoc  numquam  factum  est^  sie  usw.  und  28,  "4 
(Heim  n.  107)  stabai  arhor  in  medio  mari  .  .  .  tres  virgines  eir- 
cumibant,  duae  alligahant,  una  resölvehai.  Noch  der  corrector 
Burchardi''  stellt  die  Beichtfrage:  Fecisti  quod  quaedam  mulieres 
in  quibusdam  temporibus  facere  solenf^  ut  in  domo  fua  mensa» 
praeparares  et  tuos  cibos  et  pofum  cum  iribus  cultellis  supra 
mensam  poneres,  tii  si  venissent  tres  illae  sorores^  quas  antiqva 
posteritas  et  antiqua  super stitio  Parcas  nominavH,  ibi  reficerentur  . .  ? 
Die  lange  Reihe  der  Moires  oder  Jüatronae,  Campestres,  Suleviae^ 


1  Tres  Fortunae  s.   Preller- Jordans  Rom.  Myth.  Π  183,  3     tria 
Fata:  Wissowa,  Religion  und  Ciiltas  der  Römer  S.  213  f. 

2  Ihm,  Mütter-  und  Matroneneu itus  66  £f.  98  flf, 
•  In  Waseerichlebene  Bussbüohern  p.  658  c.  141. 


Dreiheit  13 

Nymphae,  Quadrimae  usw.,  die  uns  regelmässig  als^Grnppe  von 
dreien  auf  römisch-germaniechera  und  keltischem  Boden  begegnen^, 
reicht  den  zahlreichen  drei  Schwestern',  Feen,  Nixen  usvr.  der 
Märchen-  und  Sagenwelt  moderner  europäischer  Völker  die  Hand. 
Sogar  die  Namen  der  drei  Schicksalssohweetern  (Einbede  Warbede 
Willi bede)  haben  sich  bis  in  neuere  Zeit  bei  ans  erhalten  ^ 

3  Die  Dreizahl  beschränkt  sich  nicht  auf  die  Gruppen 
gleichartiger  Götter,  wie  wir  sie  bisher  ins  Auge  gefasst  haben. 
Ihre  Herrschaft  verräth  sich  noch  sichtbarer  dadurch,  dass  der 
Cultus  selbständige  Götter  zu  Triaden  zusammenfasst.  Gerade 
im  Bereich  der  einschneidendsten  Lebensinteressen  haben  wir 
häufig  Gelegenheit,  diesen  Trieb  zu  beobachten.  Ftir  die  Ab- 
wehr des  Uebels  lässt  schon  das  Wort  eines  Sophokleischen 
Chorlieds  τρισσοί  όλ€Είμοροι  προφάνητέ  μοι  (Oed.  Τ.  164)  die 
Dreizahl  angerufener  Götter  als  Regel  erkennen.  Bestätigt  wird 
das  durch  folgende  Gruppen: 

1  Apollon  Athena  Artemis  in  einer  Weihegabe  der  Phoker 
aus  einem  Siege  über  die  Tbeesalier  vereinigt  zu  Delphi  Paus.  X 
13,  4.  Entsprechend  ruft  der  Chor  desSoph.  OT.  159  —  164  .\thena, 
Artemis,  Apollon  έκαβόλος  als  die  τρισσοΙ  άλεΣ(μοροι  an. 

2  Artemis  Zeus  Athena  an  einem  ehernen  Denkmal  zu 
Argos  Paus.  Π  22,  2. 


^  S.  die  verdienstvolle  öfter  angeführte  Untersuchung  M.  Ihms 
und  dazu  die  Dissertationen  von  M.  Siebourg  De  Sulevis  Campeetri- 
bu8  Fatis  (Bonn  18S6)  und  C.  Friederichs,  Matronarum  monumenta 
(Bonn  1886). 

^  Deutsche  Sagen  sammelte  Panzer,  Beitrag  zur  d.  Myth.  1,  1  ff. 
vgl.  Rochholz'  Schweizersagen  aus  dem  Aargau  1,  3.  258  f.  Drei  See- 
jaogfern  badend:  Zingerles  Tiroler  Märchen  S.  192  f.  Drei  wohl- 
thätige  Gross miitterchen  (Spinnerin,  Weberin,  Näherin),  alte  Schioksals- 
göttinnen,  bei  Cavalliu%  Schwed.  Märchen  S.  214  ff.  Stehend  sind  die 
3  Schwestern  in  den  Aschenbrödel-  und  Blaubart-Märchen,  kommen 
aber  auch  sonst  vielfach  vor. 

»  S.  Panzer  aO  1,  208.  23  f.  69  f.  vgl.  285  f.  378  f.  Zeitschr. 
d.  deutschen  n.  österr.  Alpen  Vereins  XXIV  (1893)  S.  205.  Nach  ober- 
bayrischem Glauben  halfen  diu  heiligen  'drei  Fräulein*  Ainpet  Warbet 
Wilpet  (der  Tag  der  letzten  ist  der  16.  Sept.)  unfruchtbaren  Weibern 
zu  Kindersegen  und  leisteten  den  Kreisenden  Beistand.  Zweifellos  haben 
ihnen  einst  auch  die  sogen.  WölwenlÖcher,  eine  Fulshöble  mit  drei 
Oeffnungen,  gegenüber  W^eilburg  a.  d.  Lahn  gehört;  ein  aas  dem  Fels 
gewachsener  Stein  darin  hat  wohl  zum  Opfern  «r/»''••"-* 


14  üeener 

3  Herakles  Zeus  Apollou  vereinigt  «tf  der  vordersten 
Fläche  des  füufseitigen  Altars  im  Amphiaraeion  Piuft.  l  34, 3. 

4  Zeus  Athena  Herakles  auf  einer  Basis  (Werk  di» M^fron) 
im  Heraion  zu  Samos  vereint:  Strabon  XIV  p.  637. 

5  Zeus  Phoibos  Amphiaraos  im  Orakelspruch  der  h^ibyile 
für  Kyros  bei  Nikolaos  Dam.  fr,  68  FHQ  3,  408. 

6  Zeut  Athena  Hermes  sind  es,  denen  nach  Ovid  ma.  4, 
753  ff.  Perseus  nach  der  Befreiung  der  Andromeda  Dankopfer 
darbringt,  aber  ara  lovis  media  est  (755). 

7  Herakles  Hermes  Apollon  gelten  inPhrygien  als  βοηθοί 
nach  Paus.  X  32,  4 ;  vor  dem  Eingang  der  berühmten  Höhle  der 
Göttermutter  bei  Themisonion  waren  sie  aufgestellt  als  Σπηλαιται. 

8  Apollon  Athena  Hermes:  zu  Theben  waren  Athena  und 
Hermes  als  θεοί  πρόναοι  vor  dim  Tempel  des  Apollon  IsmeDio« 
aufgestellt,  Paus.  IX  10,  2. 

9  Zeus  Athena  Nike:  auf  einem  Terracotta-relief  von  Orange 
ist  Zeus  in  der  Mitte  thronend,  zu  seinen  Seiten  Athena  und  Nike 
sitzend  dargestellt  s.  Roschers  Myth.  Lex.  2,  1696. 

Zu  den  übelabwehrenden  Göttern  gehören  vor  allem  anch 
die  II  ei  lg  Otter,  die  oXeEmovoi  oder  παυταλιώται^  Die  alte 
Zweiheit  Aeklepioe  und  Hygieia  ist  zwar  lange  festgehalten  Ver- 
den, und  noch  spat  bricht  sie,  von  den  Dioeknren  und  anderen 
Paaren  männlicher  Heilgötter  abgeleitet,  in  den  chrietlichen  Hei- 
ligen Eoemae  und  Damianue,  Eyroe  und  Johannes  hervor.  Aber 
früh  ist  die  Dreiheit  durchgedrungen  in  einer  ganzen  Anzahl  von 

Gruppen   des  Cultns: 

10  Amynes  Asklepios  Dexion:  in  Athen  gab  es  opreiDve^ 
ToO  *Αμύνου  καΐ  τοΟ  ΆσκληπιοΟ  καΐ  τοΟ  ΔεΣίονος  β.  Α.  Körte 
Athen.  Mitth.  21,  303-9. 

11  Apollon  Asklepios  Hygieia  zu  Epidauroe  um  200  zu 
Cultgemeinschaft  zusRmmengefasst  CIGPel.  I  1114  (über  die  Zeit 
s.  Fränkel  zu  1112.  1117);  so  in  der  Inschrift  auf  Nikomedes  111 
(vor  90  V.  Chr.)  ebd.  1135  imd  in  den  Weihinschriften  1137. 1183, 
vgl.  auch  Pauo.  II  27,  6. 

12  Asklepios  Hygieia  Telesphoros  jüngere  Einheit  des 
Epidaurischen  Cultus,  in  der  Kaiserzeit  herrschend  CIGPel.  I  n.  102^. 


1  Dies  sind  zu  Epidauros  Attribute  der  jüngeren  Trias  CIGPd 
1  n.  1029.  1030.  Ueber  παυταλιΦται  s.  Göttern.  312,  31:  synonym  sind 
die  geläufigen  Eigennamen  Παυσανίας  und  Λυσαν{ας.  die  Niunenfolgt' 
Παυσανίας  *Ασκληπιάδου  IG  Ins.  III  n.  168,  41  ist  nicht  zufallig.  I>er 
Zusammenhang:  des  Namens  mit  dem  thrakischen  Orte  Παυταλία,  den 
Cavadias  annahm,  ist  durch  Fränkel  aO.  p.  245  (zu  1030)  gut  begründet 
worden ;  aber  der  Name  dieses  Ortes  selbst  weist  auf  die  Segnungen 
der  an  den  warmen  Quellen  dort  verehrten  HeilgÖtter. 


Dreiheit  16 

1D30.  Sehr  häufig  ist  die  Gruppe  auf  kleinasiatitchea  Münzen  so 
geordnet,  dass  r.  (vom  Beschauer)  Asklepios,  1.  Hygieia  und  zwi- 
schen ihnen  der  kleine  Telesphoros  in  der  Kapuze  steht;  so  in 
Kotyaeion,  Dokimeia,  Apollonia,  Sebaste  in  Phrygien,  Tavion  in 
Galatien;  aus  Lydien  gibt  Imhoof-Blumer  Belege  für  Saitta  S.  129 
n.  8,  Sala  S.  133,  5  und  Tralles  S.  180, 44  seiner  Lyd.  Stadtmünzen 
(Abdruck  aas  Revue  suisse  de  numism.  Υ — VII).  Einen  von  Teles- 
phoros verschiedenen  knabenhaften  Gott  in  kurzenn  Gewand  stellt 
zwischen  Hygieia  und  Asklepios  eine  Münze  von  Nikopolis  (Ant. 
Münzen  Nordgriechenlands  I  ρ  35G  η.  1256  und  Taf.  XVII  10); 
selbst  in  Pergamon,  der  Heimath  des  Telesphoros,  erscheint  statt 
seiner  zuweilen  auf  Münzen  eine  nackte  knabenhafte  Gestalt  s.  Cat. 
Brit    Mus.,  Mysia  Taf.  XXVilT  2  XXIX  7. 

13  Athena  Asklepios  Hygieia:  im  Tempel  der  Athena 
Alea  zu  Tegea  war  Athena  umgeben  von  Asklepios  und  Hygieia 
8.  Paus.  Vin  47,  1. 

14  Artemis  Apollon  Asklepios  auf  einer  Münze  von  Germe 
vereinigt,  s.  Cat.  Brit.  Mus.,  Mysia  p.  69  n.  27. 

15  Apollon  Dionysos  Asklepios  auf  einer  Kupfermünze 
von  Dionysopolis  in  Phrygien,  s.  Imhoof-Blumer  Kleinasiatische 
Münzen  1,  220. 

16  Asklepios  Apollon  Aphrodite  sind  zu  einer  Cult- 
gemeinschaft  za  Kamiros    auf  Rhodos  verbunden  IGIns.  I  n.  736. 

17  Zeus  Artemis  Asklepios:  ein  Romer  P.  Atilianus  bringt 
zu  Epidauros  gemäss  einem  Trauiugesicht  ΔιΙ  Βου6ιάτηι  καΐ  *Ap- 
τέμιδι  Σα)Τ€(ρη  καΐ  ^ΑσκληπιιΧι  σωτήρι  eine  Weihung  dar  CIGPel, 
Ι  η.  1286. 

4  Die  Schlitzgötter  der  städtiechen  Gemeinde,  die 
7Τθλΐ€Ϊς,  meiet  in  der  Hochstadt  vereinigt,  ακραίοι^,  bilden  nicht 
selten  eine  Dreizahl.  Auf  Münzen  von  Mytilene  werden  mit  der 
Beischrift  θ€θΐ  ακραίοι  Zeus  mit  dem  Scepter  in  der  Mitte,  rechte 
von  ihm  Poseidon  mit  dem  Dreizack,  linke  Hades  zusammen- 
gestellt^. Die  Magneten  in  Thessalien  schwören  bei  Zeus  *  Ακραίος, 
Apollon  Κορνοπαΐος  und  Artemis  Ίυϋλκία  (s.  S.  20  N.  8).  Die 
Stadtgötter  von  Magnesia  am  Mäander  waren  Zeus  Sosipolis, 
Artemis  Leukophryene  und  Apollon  Pythios  ^.  Die  drei  Haupt- 
götter von  lasos  waren  Apollon,    Artemis,    Zeus  μέγκττος;    von 


^  Polluz  9,  40  ακρόπολις,  ήν  καΐ  Ακραν  dv  ΕΪποις  καΐ  πόλιν,  καΐ 
τους  έν  αυτή  θ€θϋς  ακραίους  καΐ  πολΐ€ΐς. 

2  Calal.  Ivanoff  200,  Florentiner  Exemplar  £ckhel  doctr.  n.  v.  2, 
504   Mionnet  descr.  3,  4(>  n.  102    Arch.  Zeit.  1852  S.  50«. 

'  Laut  der  Urkunde  über  den  Tempel  des  Zeus  Sos.,  Inschr.  v. 
Magnesia  N.  98,  48  f. 


16  üsener 


\ 


TeoB  vermuthlicb  Dionysos  Herakles  Zeus^.  Als  θ€θΐ  φρήτορ£ς 
Κυμαίων  sind  auf  dem  Relief  zu  Neapel  Hephaietoe  an  eioem 
Schild  schmiedend,  Dionysos  mit  Thyrsos  nnd  Kantharos,  von 
einem  Panther  begleitet,  und  Herakles  mit  dem  Kerberos  ver- 
einigt*; im  Rathbaus  Athens  Zeus  βουλαΐος,  Äpollon  and  Demos 
(Paus.  I  3,  5). 

Der  Brauch  der  einzelnen  Stadtgemeinde    wurde    auch   auf 
die  Landgemeinde,    den  Städtebund   einer  Landechaft  übertragen. 
Im  Rathbaus  der  Phoker,    zwischen  Delphi  und  Daulie  angelegt, 
standen  drei  Götterbilder,    in    der  Mitte  Zeus    auf   dem  Throne 
links  von  ihm  Athena,  rechts  Hera,  beide  stehend  (Paus.  X  5,  2)^ 

Der  berühmteste  Verein  göttlicher  Stadtbeschirmer  ist  die 
Trias  des  römischen  Capitols,  Jupiter  0.  M.,  links  luno,  rechts 
Minerva  in  dreitheiliger  Cella  aufgestellt  (s.  S.  30  f)^.  Ihnen 
galten  die  ältesten  und  bedeutendsten  Festspiele  Roms,  die  ludi 
Bomani  oder  magni.  Ihre  Verehrung  ist  in  alle  römischen  Co- 
lonien  Übergegangen  und  in  der  Kaiserzeit  auch  von  anderen 
griechischen  Städten  zusammen  mit  dem  Gultus  der  dea  Roma 
und  des  Kaisers  übeinommen  worden.  Kein  capitolium  war  ohne 
diesen  Götterverein  denkbar,  so  ist  das  Wort  geradezu  Bezeich- 
nung einer  centralen  heidnischen  Cultusstätte  geworden  ^ 


1  lasos:  Bull,  de  corr.  hell.  5,  497  vgl.  Th.  Reinach  Revue  des 
etudes  gr.  VI  156,  1.  Teos:  die  bekannte  Verfluchung  soll  alljährlich 
καθήμενου  τώγιΧινος  Άνθεστηρ(οισιν  καΐ  Ήρακλ€(οισιν  καΐ  Δίοιοιν  aus- 
gesprochen werden  IGA  497,  31. 

^  Fiorelli  Catalogo  della  gal.  lapid.  Nap.,  iscr.  greche  N.  49 
Arch.  Zeit.  n.  F.  VI  (1873)  S.  72.  Nur  die  Inschrift  gibt  Kaibel 
IQSI  621. 

^  Wie  die  Triebkraft  der  Anscbauungsform  unwillkürlich  weiter 
wirkt,  mag  eine  Troezenische  Inschrift  aus  dem  Anfang  des  IL  Jh.  v.  Chr. 
CIGPeL  I  n.  752,  15  ff.  zeigen.  Um  Streitigkeiten  mit  einer  Nachbar- 
schaft endgültig  aus  dem  Weg  zvl  räumen,  beschliessen  die  Troesenier 
drei  Schiedsrichter  aus  Athen  zu  erbitten;  diese  sollen  die  Verein- 
barungen prüfen  und  genehmigen  und  dafür  sorgen,  dass  sie  auf  Stein 
geschrieben  in  drei  Tempeln,  des  Poseidon  in  Kalauria,  des  Asklcpios 
in    Epidauros    und   der  Atbena    auf  der  Akropolis  aufgestellt  werden. 

*  S.  Kuhfeldt  De  Capitoliis  irnperii  Romani  Berol.  1883  Wissowa, 
Religion  und  Cultus  der  Römer  S.  34  ff.  110  ff.  lieber  bildliche  Dar- 
stellungen 8.  Babelon  et  Blanchet,  Catalogue  des  bronzes  ant.  de  U 
bibliothdque  nat.  n.  22  p.  11  f.  Verbreitung  des  Cults  über  röm,  Co- 
lonien  hinaus:  Imhoof-Blumer,  Kleinasiat.  Münzen  1,  J21. 

^  Lactantias  inift.  III  17,  12  'Capitolium  quod  est  Romanae  nrbis 
et  religionis  caput  summum*  vgl.  I  1 1 ,  49  und  die  Glossarien  in  Götz* 


Dreihoit  17 

5  Lange  und  faet  allgemein  hat  die  Neigung  geherrsebt 
die  Heiligkeit  und  Wirksamkeit  dee  £idee  durch  Anrufung  einer 
Dreiheit  göttlicher  Zeugen  und  Eideshelfer  sicher  zu  stellen.  *Bei 
dreien  war  es  Sitte  zu  schwören',  heisst  es  in  den  Iliaseoholien >. 
Die  Gesetzgebung  Solons  schrieb  kurzweg  den  Schwur  bei  'drei 
Göttern'  vor^:  man  deutete  sie  bald  auf  die  Götter  der  Home- 
rischen Formel  (unten  S.  19,  3),  bald  auf  drei  Anrufungeformen 
des  Zeus,  den  £rbarmer,  Reiniger  und  Heiland.  Aber  ebenso 
verordnet  das  Statut  der  Skamboniden^,  dass  die  Opfermeister 
(ΐ€ροποιοι)  durch  einen  Schwur  'bei  den  drei  Göttern^  in  Pflicht 
zu  nehmen  seien.  In  beiden  Fällen  wurde  auf  ein  festes  Her- 
kommen verwiesen,  die  Namen  der  Schwurgötter  durften  als  all- 
bekannt vorausgesetzt  werden,  aber  es  waren  ihrer  drei.  Für 
die  'Rechtsvollstreckerinnen'  (ΤΤραΗώίκαι),  die  zu  Haliartos  bei 
feierlichen  £iden  angerufen  wurden,  ist  die  Drei  zahl  eben  so  selbst- 
verständlich wie  bezeugt ^  So  unerlässlich  scheint  die  Zahl  für 
einen  richtigen  £id,  dass  bei  Aristophanes  Dionysos  den  Xanthias, 
da  er  einfach  bei  Zeus  schwört,  diesen  Schwur  dreimal  wieder- 
holen lässt^.  IJeberaus  lehrreich  ist  der  feierliche,  von  Polybios 
7,  9  aufbewahrte  Schwur,  mittels  dessen  Hannibal  und  Philipp  III 
von  Makedonien  ihr  Bündniss  im  J.  215  v.  Chr.  abschlössen. 
Zu  grösserer  Sicherung  werden  die  Gottheiten  gehäuft  und  der 
ganze  Kreis  der  Götter  herangezogen,  aber  stets  in  Dreiheiten. 
Voran    stehen    die    nationalen  Dreiheiten    erst    der  Makedonier : 


Sammlang  6,  178.  Der  Sprachgebrauch  ist  ausgebildet  schon  bei  Ter- 
tuilian  apolog.  6  'capitolio  .  .  .  id  est  curia  deorum*  Cyprian  de  lapsis 
Η  ρ.  242,  19  epist.  59  ρ.  688,  Ι.  G81,  2.  Ζβηο  Veron.  tract.  Ι  14,  1 
ρ.  109  Ball.,  Conc.  Iliberit.  (c.  305)  can.  59  bei  Brune  2,  9. 

*  Sohol.  0  36  hiä  τριών  ήν  έθος  όμνύναι '  ώς  Δράκιυν  έταΕε,  Δ{α 
TTo0ci5u)va  *Αθηνάν•  di  bi  Δία  ΤΤοσειδΦνα  Δήμητραν,  ώς  Δημοσθένης 
iv  τψ  κατά  Τιμοκράτους  [R.  XXIV  151]•  καΐ  6  ποιητής  'Zeö  πάτερ 
Άθηναίη  καΐ  "Άπολλον*  [Β  37 1|  καΐ  'Ζβύς  Η€ν(η  τ€  τράπεία  έστίη  τ' 
Όδυσήος  [Ε  158]. 

2  Hesychios  τρβϊς  θ€θΙ:  παρά  Σόλιυνι  έν  τοΙς  άΕοσιν  ορκψ  τ^ 
τακται.  ίνιοι  κατά  τό  Όμηρικόν  [Β  371  β.  unten  S.  19  Ν.  3].  Pollux 
«,  142  τρ€ϊς  θ€ους  όμνύναι  κ€λεύ€ΐ  Σόλων,  Ίκέσιον  Καθάρσιον  'EEa- 
κεστήρα.    Vgl.  CIÄ  Ι  η.  2  6  12  ταΟτα  έπομνύν[αι]  τός  τρε1[ς]  θε<5ς. 

*  Pansan.  IX  33,  3:  die  Namen  dieser  drei  Ogygestöchter  nennt 
Phoüos  lex.  p.  446,  23. 

*  Ar.  Fiösche  305  Δ(ιόν.)  κατόμοσον.  Ξ(ανθ.)  νή  τόν  Δία.  Δ 
καύθις  κατόμοσον.  £  νή  Δ(•.  Δ  ομοσον.  Ξ  νή  Δία.  lieber  dreifach 
wiederholten  Schwur  β.  jetzt  R.  Hirzel,  Der  Eid  (Leipz.  1902)  S.  82  f. 

ttlMla.  lliu.  f.  PliUol.  K.  F.  LYUL  2 


Λ 


18  üsenef 


Zeue,  Hera  und  Apollon,  dann  der  Karthager:  der  Stadtgöttin 
(Tanit  =  Inno  Caeleetie)^,  Heraklee  und  lolaoe;  eodann  der 
Kampfgötter  zu  Land  und  Meer:  Ares,  Triton,  Poseidon,  femer 
der  Kampfgenoeeen :  Sonne,  Mond  und  £rde,  weiter  der  Waeser- 
götter  'der  Flüsse,  Häfen  und  Gewässer',  endlich  eine  Trias  ζα• 
sammenfassender  Begriffe:  εναντίον  πάνταιν  Ocuiv  δσοι  κατ€- 
χουσι  Καρχηδόνα*  εναντίον  θ€ών  πάνπυν  βσοι  Μακ€6ονίαν  και 
τήν  Αλλην  Έλλάοα  κοτίχουσιν  εναντίον  θ€ών  naviuiv  τών 
κατά  στρατ€ίαν  δσοι  τινές  έφβστήκασιν  im  ToObc  τοΰ  δρκου. 
Folgende  Dreiheiten  von  Sohworgöttem  stehn  mir  in  Ge- 
bote • : 

1  Zeus  Oe  Helios:  alter  and  allgemein  anerkannter  Sehwur. 
Schon  in  der  Ilias  Τ  2S)8 

loTtu  vOv  Ζβύς  πρώτα  eciliv  Οπατος  καΐ  Αριστος 
Γή  Te  καΐ  Ήέλιος,  καΐ  *Ερινύ€ς  α!  θ'  ύπό  γαίαν 
ανθρώπους  τίνονται  β  τ(ς  κ'  έπίορκον  όμόοση 
werden  der  alten  Trias  die  Erinyen  als  Vollstreckerinnen  des  gott- 
lichen Willens   hinsngefugt.    Starker    ist   die  Formel    umgebildet 
Γ  278 

ZcO  πάτερ  Ίοηθεν  μεο^ων,  κύοιστε  μέγιστε, 
*Ηέλιός  θ'  δς  πάντ'  έφορ^ς  καΐ  πάντ'  έπακούεις, 
καΐ  Ποταμοί  καΐ  Γαία,  καΐ  ο\  ύπένερθε  καμόντας 
ανθρώπους  τ(νυσθον,  β  τ(ς  κ'  έπ(ορκον  όμόοση, 
die  wenig   geschickte  Einschiebung  der  Flüsse   sprengt   die  Trias, 
statt  der  Erinyen  wird  dns  Herrscherpaar  des  Hades  gesetzt.  Nach 
der  überzeugenden  Ergänzung  Ziebarths  (aO.  p.  20,  1)  beschwören 
die  Athener  ihr  Bündniss   mit   dem  Thrakerfürsten  Ketriporis  im 
J.  35G  [Όμνύω  Δ(α  καΐ  Γήν]  καΐ  Ήλιον  καΐ  ποσ€ΐ[6]ώ  καΐ  ΆθηνΑν 
καΐ  [Άρην]  CIA  II 1  η.  66  6  ρ.  406  ν.  Scala  StaaUverträge  des  AlUr• 
thnms  1,  189;    desgleichen   das   zu  Beginn    des  Chremonideischen 
Kriegs   mit  Sparta   eingegangene   Bündniss  CIA  II  333,  5  [ομνύω 
Δ{α   Γή]ν   *Ήλιον,   Άρη   'ΑθηνΑν   *Αρε[(αν].«.    Das   Bündniss  der 
Phaseliten  und  des  Mausolos  wird  beschworen  bei  Δ(α  καΙ  *Αλιον 
καΐ  Γαν    καΐ  Λ*••    (es   können    zwei  weitere  Namen  verloren  scid) 
Collitz,  Dialektinschr.  I  n.  1269   Judeich,  Kleinasiat.  Studien  p.^6. 
Sowohl    die   Pergamenischen  Söldner  (Fränkels  Insohr.  v.  Perg.  I 
T).  13)    als   die  Smymäer   und   Magneten  (CIG  II  n.  3137    Hicks, 
Manual  of  gr.  inscrr.  n.  176  Z.  60  und  70)  stellen   ihren  langen 


1  S.  Ph.  Berger,  Gazette  archoologique  VI  (1880)  p.  19  ff. 

^  Vgl.  £.  V.  Lasaulx»  Studien  des  class.  Alterthnms  p.  181,  Iti 
Newton  zu  den  Ancient  greek  inscr.  in  the  British  Muaeum  II  p.  89 
Wilh.  Hofmann,  De  iurandi  apud  Athenienses  formnlis  (Strassburger 
Dies.)  Darmst.  188(3  p.  26  f.  Erich  Ziebarth,  De  iure  iurando  in  iure 
graeco  quaestiones  (Gottingae  1892)  p.  17  ff. 


Dreibeit  Id 

Liften  von  Eideshelfera  die  »He  Trias  Δ{α  Γήν  *Ηλιον  voraus.  Der 
Huldigungseid  der  Paphlagonicr  an  Avgustae  laatete  'Ομνύω  Δ(α 
Γήν  Ήλιον,  θ€ούς  ιτ<&ντα[ς  καΐ  πά]σας  κϋά  α6τ6ν  τόν  Σββαστόν  (t. 
unten  3.  24)  εύνοήσβιν  κτλ.  Revue  des  etudee  gpreeques  XIV  (1901) 
ρ.  27  f.  vgl.  dort  Cumont  p.  44.  Die  Freilatsungtformfll  in  der 
Krim  hiess  cTvat  ^€ύθ€ρον  οπό  Δία  Γήν  Ήλιον:  Ancient  gr.  mscrr. 
in  the  Brit.  Mus.  II  n.  180  p.  38  und  Latytchev  Inscrr.  ant.  sept. 
Ponti  Euxiui  II  n.  54,  auoh  Latyschev  aO.  II  n.  400  p.  208.  Aber 
auch  der  Beamteneid  der  Cheraonesiten  in  der  Krim  (Sebastopol) 
begann  Όμνύω  Δ(α  ΓΑν  "Αλιον:  Revue  des  otudes  grecques  IV 
(1891)  p.  388  (unten  S.  23  Anm.  2).     Vgl.  Ziebarth  aO.  p.  23,  2. 

2  Zeus  Apollon  Ge  vielleicht  Variante  der  vorstehenden 
Formel  im  Richtereid  von  Kalymna  Anc.  gr.  inscrr.  in  the  Brit. 
Mus.  II  n.  299  α  4  p.  8β  Dareste  usw.  Recueil  des  insorr.  juridi- 
quee  gr.  I  p.  159  val  τόν  Δ(α  καΐ  τόν  *Αιτόλλω  τόν  Λύκ[ιον  καΐ 
τάν  Γαν. 

3  Zeus  Athene  Apollon  oder  Zeus  Apollon  Athene: 
bekannt  aus  Homer,  wo  diese  Verbindung  in  der  Wunschformel 

at  γάρ,  ZcO  τ€  πάτερ  καΐ  Άθηναίη  καΐ  "Απολλον 
Β  371  Δ  288  Η  132  Π  97  ό  341  η  311  ρ  132  α  235  vorkommt. 
Schol.  AD  zu  Β  371  machen  die  auf  Arisfarch  zurückgehende  Be- 
merknng:  έντ€θθ€ν  τινές  νομβ^ουσιν  *Αθηνα1ον  γεγονέναι  τόν  ποιη- 
τήν  τό  γάρ  Άθηνοίη  *Ατηκόν,  καΐ  ϊόιον  ctvoi  τόν  βρκον  φασί  τών 
*Αθηνο(ων.  Das  wird  bestätigt  durch  Demosthenes  Mid.  198  νή 
τόν  Δ(α  καΐ  τόν  Άπόλλω  καΐ  τήν  ΆθηνΑν,  vgl.  Huttmann  Mythol. 
1,  29  und  indirect  durch  Piatons  Euthyd.  p.  302^"^^,  wo  wir  sehen, 
dass  die  Athener  dabei  an  Zeus  έρκ€ΐος  καΐ  φράτριος,  ΆθηνΑ  φρα- 
Tpia,  Άπόλλιυν  πατρφος  dachten.  Auch  bei  den  Dorem  galt  diese 
Trias:  Zeus  Athanaia  Apellon  eröffnen  die  Reihe  der  Schwurgötter 
von  Gortyn  (Museo  Italiano  di  ant.  cl.  3,  692). 

4  Zeus  Apollon  Demeter  officieller  Schwur  zu  Athen,  wo- 
bei Zeus  έρκ€ΐος  und  Apollon  πατρφος  gemeint  war  (Aristot.  St. 
d.  Ath.  55,  3):  Schol.  Aeschin.  1,  114  τους  όρκίους :  *  Απόλλωνα 
πατρφον  καΐ  Δήμητραν  καΐ  Δ(α,  ιΰς  φησι  Δείναρχος  ό  {^ήτωρ  (fr. 
LXXXIX25  ρ.  340  Saupp.)  Pollux  8,  122  Λμνυσαν  bi  έν  Άρδήττψ 
όικαοτηρίψ  *Απόλλω  πατρφον  καΐ  Δήμητρα  καΐ  Δία  βασιλέα  (ich 
sehe  keinen  Grund  in  einem  Riohtereid  dies  Epitheton  zu  ver- 
dächtigen) und  mit  Unterschiebung  von  Helios  (vgl.  n.  2)  die  συ- 
ναγυττή  BAG  ρ.  443, 30  (Bachmanns  Anecd.gr.  1142,  12)Άρόηττος 
τόπος  έοτίν  Άθήνησιν,  έν  φ  πάντ6ς  *  Αθηναίοι  όημοσίςι  ώμνυον  τόν 
δρκον  τόν  ήλιαστικόν.  .  .  .  τρεις  Οέ  θ€θύς  ώμνυον,  Δία  Δήμητραν 
καΐ  *Ήλιον.  Angewandt  von  Aristoph.  Ritter  941  νή  τόν  Δία  καΐ 
τόν  'Απόλλωνα  καΐ  τήν  Δήμητρα  und  in  derselben  Abfolge  De- 
mosth.  R.  gegen  Kallippos  LII  9;  auch  die  in  schriftlichen  Zeug- 
nisse, von  Hofmann  aO.  27  gesammelt,  CIA  I  n.  9.  13  IV  2  n.  49  6 
p.  15  (v.  Scale,  Staatsvertr.  1,  140)  Z.  24  und  35  f.,  II  n.  578  Z.  11 
beobachten  die  oben  an  die  Spitze  gestellte  Reihe. 


\ 

20  U Bener 

5  Zeus  Poseidon  Demeter  im  attischen  Helissteneid  bei 
Demosth.  K.  gegen  Timokrates  XXIV  151  έιτόμνυμι  Δ(α  ΤΤοσβιδώ 
Δήμητρα,  bestätigt  durch  schol.  0  30  (oben  S.  17  Anm.  1);  ebenso 
schwor  der  Demarch  der  AlEuivclq  Ath.  Mitth.  4,  201  CL4  IV  2 
n.  584  c  {B  17  f.)  p.  14β.  Durch  dieses  inschriftlicfae  Zengniss  ist 
der  von  Meineke  Philol.  15,  1*Η9  angeregte  Zweifel  an  der  Echtheit 
der  Ueberlieferung  bei  Demosthenes  (er  wollte  dort  *Αιτόλλω  statt 
ΤΤο0€ΐοώ  herstellen)  endgültig  beseitigt.  Ob  die  beiden  Varianten 
4  und  5  neben  (so  scheint  Ziebai  th  aO.  18  anzunehmen)  oder  oach 
einander  (so  Hofmann  aO.  27  f.)  zu  Recht  bestanden  haben,  wage 
ich  nicht  zu  entscheiden.  Beachtenswerth  ist  was  die  συναγυιτή 
aO.  (BÄG  443,  26)  der  Bemerkung  über  die  Ablegung  de«  He- 
liasteneids  in  Ardettos  sogleich  zufügt:  θ€Οφραστος  bi  έν  το1ςιτ€ρί 
νόμων  καταλ€λύσθαι  τό  έθος  τοΟτο  λ^€ΐ.  Mit  der  Verändern ng 
in  der  Vereidigung  der  Heliasten  könnte  auch  der  Schwur  ver- 
ändert worden  sein. 

6  Zeus  Poseidon  Athena  sollen  durch  die  Gesetzgebung 
Drakons  als  Schwurgötter  eingeführt  worden  sein  nach  sohol.  0  «^* 
(oben  S.  17  Anm.  1),  die  Anordnung  galt  wohl  bestimmten  Fallen. 
£in  indirectes  Zeugniss  wird  sich  unten  S.  22  Anm.  2  ergeben. 

7  Zeus  Apollon  Themis:  nach  Piatons  Gesetzen  XI  p.  S^'i"" 
soll  ein  vor^^eladener  Zeuge  sein  Nichtwissen  erhärten  τους  τρ€ΐς 
θ€θύς  Δία  καΐ  *Απόλλυινα  καΐ  θέμιν  έπομόσας.  Das  ist  gewiss  nicht 
freie  Schöpfung  des  Philosophen;  in  der  Praxis  mochte  auch  wohl 
Δ(κη  an  Stelle  der  Themis  stehn. 

8  Zeus  Apollon  Artemis:  Eid  der  thessalischen  Magneten 
Athen.  Mitth.  7,  73  Z.  5  ομνύω  Δ{α  *Ακραϊον  καΐ  τόν  *Απάλλω[να] 
τόν  Κορνοπαΐον  καΐ  τήν  "Αρτβμιν  τήν  Ίωλκίαν. 

9  Zeus  Hera  Apollon  als  Makedonische  £ideehelfer  im 
Bundesschwur  des  Philippos  und  Hannibal  vorangestellt  Polyb.  7,9 
s.  oben  S.  18. 

10  Zeus  Helios  Athena:  Julian us  ap.  schwört  episi.  '^^ 
p.  536,  2  Hertl.  ίστω  Ζβύς,  (στω  μέγας  "Ηλιος,  ϊστω  *Αθηνος  κράτος 
καΐ  πάντ€ς  θεοί  καΐ  πασαι.  Das  ist  wohl  eine  durch  Julians  Ver- 
ehrung des  Helios  veranlasste  Variation  zu  N.  3. 

11  Apollon  Poseidon  Zeus:  die  Labyaden  in  Delphi  legen 
den  Richtereid  ab  bei  Apollon,  Poseidon  φράτριος  und  Zeus  ira- 
τρψος  Bull,  de  corr.  hellen.  XIX  (1895)  p.  8  f.  6  12  ff.  c  1  ff. 

12  Poseidon  Athena  (Ares?)  zweite  Trias  von  Schwur- 
göttern (voran  geht  N.  1)  im  Bundesvertrag  Athens  mit  Kotripori$ 
CIA  II  1  n.  66  6. 

13  Apollon  Leto  Artemis  Schwur  der  Phoker  beimBündni^f 
mit  Athen  um  453  v.  Chr.  CIA  IV  1  n.  22  6  9-11  p.  8  v.  ScaU, 
Staatsvertr.  1,40;  der  Amphiktyonen  C/^  U  1  n.  545;  derRretrier 
im  Vertrag  mit  Chairephanes  aus  dem  Ende  des  IV  Jb.  Epbim. 
arch.  1869  p.  404  vgl.  1895  p.  125,  1  und  147.  1900  p.  10  f.  V?l 
Ziebarth  aO.  18  und  unten  S.  23  Anm.  1.    Die  Reihenfolge  ist  in 


Dreiheit  tt 

den  genannten  Inscfariften  immer  die  gleiche;  auch  auf  den  Kre- 
tischen Denkmälern  (Ziebarth  24),  wo  unter  den  gehäuften  Schwur- 
gottern  diese  Trias  selten  fehlt. 

14  Zeus  Athena  Aphrodite:  die  Orchomenier  in  Arkadien 
haben  beim  Eintritt  in  den  Achäischen  Bund  zu  schwören  bei  Δ(α 
*Αμάριον,  Άθάναν  *Αμαρ(αν,  Άφροδίταν  καΐ  τους  θ€ούς  πάντας 
Dittenberger  Syll. «  η.  229,  6  f.  vgl.  Ziebarth  aO.  20. 

15  Poseidon  Apollon  Demeter  ist  die  zweite  Trias  (voran 
steht  N.  1)  von  Schwurgöttern,  welche  König  £umenes  anruft  beim 
Vertrag  mit  seinen  Söldnern,  Inschrr.  v.  Pergamon  I  13,  52.  Im 
Eid  der  Söldner  steht  an  der  entsprechenden  Stelle  Z.  24  nur 
TTooeibtu  Δήμητρα:  der  Name  des  Apollon  ist  augenscheinlich,  wie 
bereits  der  Herausgeber  S.  1β*  bemerkt  hat,  durch  Versehen  des 
Steinmetzen  ausgelassen 

16  Ares  Enyo  Phobos  sind  die  Götter,  bei  welchen  nach 
Aeschylos  Sieben  42 — 8  die  7  Helden  vor  Theben  ihren  Schwur, 
nicht  lebendig  zurückzukehren  ohne  Theben  zerstört  zu  haben, 
besiegeln  (ταυροΟφαγοΟντες  ές  μ€λάνδ€τον  σάκος  καΐ  θιγγάνοντες 
χ€ρσΙ  ταυρείου  φόνου). 

17  Ares,  Athena  Areia,  Tauropolos  erscheinen  als  ge- 
schlossene Trias  von  Schwurgöttern  sowohl  in  den  Eiden  des  Eu. 
menes  und  seiner  Söldner  (Inschrr.  v.  Perg.  I  n.  13,  52  und  24) 
wie  in  den  von  Smyrna  und  Magnesia  ausgetauschten  (CIG  n.  3137 
Hicks,  Manual  n.  176  Z.  61  f.  71). 

Noch  spät  macht  eich  die  trinitarieche  Formel  geltend  im 
Zauber:  ϋορκίΐω  σε,  σμύρνα,  κατά  των  τριών  ονομάτων  όνοχώ 
άβρασάΕ  τρώ  (?),  heiset  ee  in  einem  Liebeezauber  ^  Die  unwill- 
kürliche Herrschaft  derselben  wird  besonders  deutlich,  wenn  wir 
sie  auch  in  scherzhaftem  Schwur  durchbrechen  sehn,  so  in  Ari- 
stophanes  Wolken  627 

μά  τήν  Άναπνοήν,  μά  τό  Χάος,  μα  τόν  Άίρα 
und  im  Munde  des  Sokrates  ebend.  424 

τό  Χάος  τουτι  και  τάς  Νεφίλας  κοί  τήν  Γλώττον,  τρία 

ταυτί. 
Unwillkürlich  treten  daher  dem  Dichter  auch  wo  er  aus  neuen 
Begriffen  einen  Schwor  bildet,  diese  zu  einer  Dreiheit  zusammen. 
Eine  alte  Zweiheit,  Zeus  und  Hestia  (Hom.  τ  303),  erweitert 
eich  dem  Dichter  der  Odyssee  durch  Einfügung  eines  mit  der 
Hestia  sich  eng  berührenden  Begriffs,  der  τράπεΖα,  zu  einer  Drei- 
heit Ϊ  158  ρ  155  υ  230 


^  Pariser  Zauberpapyrus  bei  Wessely,  Denkschriften  der  Wiener 
Akademie  XXXVI  p.  83  Z.  1533  f. 


28  Oeener 

Τστω  νυν  Ζ€ύς  πρώτα  Ocuiv  Ε€ν(η  Τ€  rpaircZa 
Ιστίη  t'  Όbuσήoς  όμύμονος  ήν  όφικάνιυ. 
Und  80  faeet  Hera  Ο  36  Gaia  Uranoe  und  Styx  zu  einer  Einheit 
zusammen,    der    sie   dann  die  persönlichen  Begriffe:    Haopt   de« 
Zeae    ond    gemeineamee    Ehebett,    anreiht.      Ovidine  trist.  2,  53 
weise  alles  Heilige  dorch  den  Schwur 

per  fnare,  per  terras^  per  tertia  numma  iuro^ 
XU  erschöpfen. 

Der  Zerfall  des  väterlichen  Glaubens,  wie  er  sich  seit  der 
Sophistenzeit  rasch  vollzog,  lässt  sich  auch  an  den  Schwnr- 
formeln  verfolgen.  Die  alte  Dreiheit,  die  der  Cultus  der  ein- 
zelnen Stämme  und  Städte  gestaltet  hatte,  wird  nicht  mehr  als 
zureichend  empfunden.  Man  vereinigt  die  verschiedenen  an  einem 
Orte  gültigen  Eidesgötter  zu  einer  neuen  Reihe:  der  Vertrag, 
den  Athen  Ol.  104,2  (363/2)  mit  Eeos  abschloss,  wird  be- 
schworen [νή  τόν]  Δία,  νή  τήν  Άθηνάον,  νή  τόν  TToacibdi,  [ν]ή 
[τήν  Δήμητρα]:  die  oben  Ν.  δ  und  6  betrachteten  Athenischen 
Reihen  sind  einfach  zusammengelegt^.  Schon  im  V  Jhdt  hatten 
die  Ozoliscben  Lokrer  ihre  Eidesbekraftigung  zu  einer  ττβντορκία 
erweitert  ^  In  der  hellenistischen  Zeit  wird  es  üblich,  die  öffent- 
lichen Eide  durch  lange  Listen  von  Göttern  des  heimischen  Cultus 
zu  bekräftigen:  so  auf  zahlreichen  Denkmälern  der  Insel  Kreta 
und  auf  den  mehrfach  angezogenen  Verträgen  des  Könige  En* 
roenes  mit  den  Söldnern,  und  der  Städte  Smyrna  und  Magnesia. 
Doch  auch  hier  tritt  noch  vielfach  die  alte  Dreiheit  hervor,  tbeils 
indem  verschiedene  Dreiheiten  neben  einander  gestellt  werden, 
wie  wir  das  schon  S.  17  f.  beim  BUndniss  Philipps  und  HannibaU 
wahrgenommen  haben  (die  Eide  der  Pergamenisehen  Inschrift 
N.  13  bestehen  aus  je  3  Triaden,  s.  oben  N.  15),  tbeils  indem 
einer  alten  Trias,  wie  Zeus  Ge  Helios  (N.  1)  oder  Zeus  Athens 


^  Die  numina  vertreten  in  diesem  Zusammenhang  den  Himmel; 
die  Zusammenstellung  ist  dem  Ovid  geläufig  vgl.  amor.  Hl  8,49  'quid 
tibi  cum  pelago?  terra  oontenta  fuisses.  cur  non  et  oaelum  tertia 
regna  petis?'  met.  1,5  'ante  mare  et  terrae  et  quod  tegit  omnia 
caelum*.  Für  Lygdamua  ist  Hades  5,  22  'sortitus  tertia  regna  deus*, 
wie  auch  bei  Ovid  fant,  4,  584  Persephone  *  tertia  regna  tenet*. 

2  CIA  IV  2  n.  54  6  Z.  67  v.  Scala,  Staatevertr  1,  165.  Den 
Keern  waren,  wie  es  in  Athen  gebräuchlich  war,  dieselben  Schwur- 
götter  vorgeschrieben ;  erhalten  ist  von  Z.  80  nur  der  Schluss  [καΐ  τήν 
^I^M^'^PO)  wodurch  die  Lücke  im  Athenischen  Schwur  ausgefällt  wird. 

•  IGA  322,  14    τάν  π€ντορκ{αν  όμόααντος  vgl.  Ziebarth  aO.  19. 


Dreiheit  $8 

Apollon  (Ν.  3),  die  anderen  Götter  angereiht  werden  ^  Endlich 
wird  es  seit  der  Zeit  Alexandere  tthlich  die  feierlich  angerufenen 
Schwnrgötter  durch  eine  alle  Götter  zusammen  fassende  Formel 
wie  θ€θύς  πάντας  καΐ  πάσας  ζα  verstärken;  schon  Enripides 
ist  damit  vorausgegangen,  Med.  752 

δμνυμι  Γαΐαν  Ήλιου  θ'  άγνόν  σέβας 

θ€ους  T€  ττάντας, 
aber  erst  nachdem  sich  die  Vorstellung  von  der  Gesammtheit  der 
Götter  festgesetzt  hat  als  wichtige  Vorstufe  cum  Monotheismus, 
dringt  diese  Formel  im  Schwüre  durchs  Die  letzte  und  tiefste 
Stufe,  wenn  auch  schon  in  hellenistischer  Zeit  vorbereitet,  bringt 
die  Herrschaft  des  Augustus.  Ob  die  alten  Herren  im  Himmel 
der  Menschen  Gebet  und  Schwur  erhören,  scheint  auch  der  un- 
aufgeklärten Menge  leicht  recht  zweifelhaft:  aber  der  Kaiser, 
der  jüngst  siegreich  hervorgetretene  Gott,  vermag  zo  helfen  und 
hilft,  er  gilt  als  der  leibhaftig  auf  Erden  gegenwärtige  Gott 
(επιφανής,  praesens),  gegenwärtig  nicht  bloss  bei  festlichem  An- 
läse, sondern  immerdar  bis  er  zu  den  Göttern  entrückt  wird.  Wir 
haben  noch  Reste  einer  Urkunde  aus  dem  Anfang  der  Angostei- 
schen  Zeit^  worin  eine  kleinasiatische  Gemeinde  anordnet,  dass 
beim  Eide  *  zusammen  mit  den  väterlichen  Göttern'  Augustus 
angerufen  werden  solle;  zwei  Jahrzehnte  später  bezeugt  Horatius 
(ep.  Π  1,  1δ) 

1  Belege  bei  Ziebarth  aO.  24  mit  der  zugehörigen  Tafel.  Be- 
sonders bemerken 8 werth  ist  dor  Eid  der  Drerier  und  Knosier  (Rh.  Mus.  X 
p.  395  ua.)«  der  α  13  beginnt  'Ομνύω  τάν  *Εστ{αν  (sie  wird  in  den  Kre- 
tischen Eiden  meist  vorangestellt)  τάν  έμ  πρυτανείψ  καΐ  τόν  Δήνα  τόν 
ΆγοραΙον  καΐ  τόν  Δήνα  τόν  Ταλλοΐον  καΐ  τόν  Απόλλωνα  τόν  Δελφίνιον 
καΐ  τάν  •Αθανα(αν  τάν  ΤΤολιοΟχον  καΐ  τόν  Άπέλλυυνα  τόν  ΤΤοίτιον  κοί 
τάν  Αατοΰν  καΐ  τάν  "Αρτεμιν  κτλ.;  hier  ist  also  an  die  alte  Trias:  Zeus 
(dieser  gedoppelt)  Apollon  Athena  (N.  3)  sofort  die  weitere:  Apollon 
Leto  Artemis  (N.  13)  gereiht. 

s  Lysias  R.  13, 95.  19, 34  und  54  Isaios  8,  29  schwören  *bei  den 
Olympischen  (Göttern)',  Demosthenes  'bei  allen  Göttern*  R.  18,  141 
καλΦ  b'  εναντίον  υμών  .  .  .  τους  θεούς  απαντάς  καΐ  πάσας  54,  41  καΐ 
νυν  όμνύο)  τους  θ€θύς  καΐ  τάς  θεάς  Απαντάς  καΐ  πάσας.  Vgl.  Götter- 
namen  344  f.  Die  durch  Lysias  und  Isaios  belegte  Zwischenstufe  er• 
scbeint  auch  inschriftlich:  der  Beamteneid  von  Chersonesos  auf  der 
Krim  lautet  'Ομνύω  Δ{α  Γάν  "Αλιον  (oben  Nr.  1),  ΤΤαρθένον,  θεούς 
*  Ολυμπίους  καΐ  Όλυμπίας  καΐ  ήρωας  δσοι  πόλιν  καΐ  χώραν  καΐ  τείχη 
€χοντι  XcpaovaoiTCbv  (Revue  des  otudes  grecques  4,  388). 

•  IGIns.  Π  η.  58  α  15  f.  (ρ.  25)  δρκον  6έ  ε!ναι  τών  δι[καΤόντων] 
σύν  τόΐς  πατρίοις  θεοίς  καΙ  τόν  Σεβασ[τόν]. 


Λ 


24  Usener 


praesenti  iihi  mcUuros  largimur  honores 
iurandasque  fuutn  per  nomen  ponimus  aras. 

Als  classiechee  Beispiel  dieser  späteren  Schwurformel  kann  der 
Huldigungseid  der  Paphlagonier  an  Angustus  gelten  :  'Ομνύω  Δία 
Γήν  "Ηλιον,  θεούς  πάντα[ς  και  ττά]σας  και  αυτόν  τόν  Σεβαστόν, 
bemerkenswerth  auch  durch  die  deutliche  Abfolge  der  Schichten, 
die  im  Laufe  der  Zeit  der  ulten  Trias  (Nr.   1)  zugewachsen  sind. 

6  Wie  wenig  durch  die  bisher  vorgeführten  Gattungen  die 
im  griechischen  Alterthum  gebräuchlichen  Götterdreiheiten  er- 
schöpft sind,  mag  folgende  Liste  zeigen,  in  der  ich  die  übrigen 
mir  bekannten  Fälle  zusammenstelle  ohne  weitere  Unterscheidung 
wie  etwa  der  chthonischen  Gottheiten. 

1  Apollon  Leto  Artemis:  in  dieser  Reihenfolge  hatten  wir 
die  Mutter  mit  ihrem  Kinderpaar  zu  einer  geläufigen  Trias  von 
Schwurgöttern  (Nr.  13}  vereinigt  gefunden.  Ebenso  waren  die  drei 
Götter  aufgestellt  im  Tempel  des  Apollon  Prostaterios  zu  Megara 
(Paus.  I  44, 2  und  dazu  Imhoof-G ardner  Numism.  comm.  p.  7  Κα- 
runiotie  in  £phim.  Arch.  1900  p.  14),  im  Tempel  der  Artemis 
Ortbia  auf  dem  Berg  Lykone  bei  Argos  (Paus.  II  24,  5)  und  in 
einem  Tempel  zu  Abai  in  Phokis  (Paus.  X  35, 3).  Die  gleiche 
Folge,  für  den  Beschauer  von  1.  nach  r.  geordnet  auf  einem  Relief 
von  Eretria  (Eph.  Arch.  19(X)  p.  8  ff.)  und  zweien  aus  Larisa 
(ebend.  p.  17  f.  Taf.  Z).  Daneben  Artemis  Leto  Apollon  auf 
Delos  CIG  n.  2280.  Ursprünglicher  war,  denke  ich,  die  Anord- 
nung, dass  den  beiden  im  Cultus  so  hoch  gestellten  Geschwistern 
die  Mutter  an  dritter  Stelle  zugesellt  wurde :  Apollon  Artemis  I^to, 
das  ist  an  einem  Mittelpunkte  ihrer  Verehrung,  auf  der  Insel  Deloe 
die  übliche  Reihenfolge  s.  CIG,  3282.  2284  f.  •Αθηναιον  2,  134 
Bull,  de  corr.  hell.  2,  399.  3,  15«.  160.  161,  auch  auf  Syme  IGIns. 
III  n.  2;  auf  dem  Markte  von  Sparta  Paus.  III  11,  9  und  im 
ApoUontempel  von  Megara  Paus.  I  44,  2;  in  einem  gemeinschaft- 
lichen Tempel  zu  Kirrha  in  Phokis  Paus.  X  37,  8;  im  ApoUon- 
tempel von  Tanagra  Paus.  IX  22,  1  und  zu  Delion  Paus.  IX  20,  1 ; 
und  schon  die  Aithiopis  (nach  Prokl.)  Hess  den  Achillens  vor  seiner 
Entsühnung  durch  Odysseus  dieser  Dreiheit  Opfer  bringen.  Die 
Abfolge  Artemis  Apollon  Leto  beobachten  wir  in  Eretria,  bei 
Rangabe  Ant.  hell.  n.  1232  vgl.  Ephim.  Arch.  1899  p.  142  zu  N.  7 
19(X)  p.  5  ff.  Ein  Heiligthum  der  Leto  und  ihrer  Kinder  bestand 
zu  Mantineia  Paus.  Vlll  9,  1.  Ausserordentlich  häufig  sind  die 
drei  auf  Bildwerken  zusammengestellt  worden;  so  auf  den  zahl- 
reichen Nachbildungen  eines  alten  Weihgesnhenks,  auf  dem  Nike 
dem  Kitharöden  Apollon  die  Spende  eingiesst  s.  0.  Jahn,  Ant• 
Bilderchron.  S.  45  ff.  50;  auf  einem  Weihgescbenk  der  Knidier  zu 


Dreiheit  25 

Delphi,    worauf  die  drei   ihre  Pfeile  auf  Tityos  richteten  Paus.  X 
11,  1  usf. 

2  Demeter  Köre  PI u ton  die  ältere  Trias  zu  Eleusis  CIA 
II  2  add.  SM  b  11  Z.  46  (p.  526)  έπαρχή  Δήμητρι  καΐ  Κόρηι  καΐ 
Πλούτωνι  vgl.  Foucart,  Bull,  de  corr,  hell.  7,  391  ff.  403  f.  An 
sie  wenden  sich  die  Devotionstafeln  von  Knidos  s.  CIA  append, 
p.  X  f.;  schon  am  Thron  des  Ainyklaeischen  Apollon  war  diese 
Dreiheit  dargestellt  Paus.  III  19,  4.  In  der  Ahfolge  Köre  Pluton 
Demeter  waren  sie  in  einem  Tempel  am  Wege  von  Mykene  nach 
Arges  aufgestellt  Paus.  II  18,  3.  Eine  Verfluchung  CIA  ΙΠ  1421 
wendet  sich  zu  τοΙς  καταχθον{ος  θ€οΐς  .  .  .  ΤΤλούτωνι  καΐ  Δήμητρι 
καΐ  ΤΤβρσβφόνη  καΐ  Έρινύαιν  καΐ  πΑσι  τοις  καταχθον(οις  θ€θ1ς:  die 
Trias  ist  ähnlich,  wie  wir  das  bei  den  Schwurgöttern  S.  18, 1  und 
22  f.  sahen,  verstärkt  worden. 

3  Δήμητρι,  Κόρη,  ΔιΙ  Βουλ€ΐ  wird  zu  Mykonos  am  10 Le- 
uaion  geopfert:  J  v.  Frott  Leges  Oraecorum  saorae  I  n.  4,  II  16 
p.  14. 

4  Demeter,  Köre,  Zeus  Eubuleus  zu  Arkesine  auf  Amorgas 
Athen.  Mitth.  1,  334  vgl.  Foucart  BCH  7,  402. 

5  Demeter  Klymenos  Köre  Hauptgötter  von  Hermione 
CIGPd.  I  686—691  CIA  II  3  n.  1421  vgl.  Koehler  dazu  p.  64 
Paus.  II  85,  4  ft*.  Köre  hiess  im  Cultus  kurzweg  Χθον(α  (Paus. 
aO.).  lieber  den  Namen  Klymenos  für  Hades  s.  N.  Heinsius  zu 
Ovids  fast,  6,  757. 

6  Demeter  Köre  Dionysos  im  Tempel  der  Demeter  Elen• 
sinia  zu  Tbelpusa  Paus.  VIII  25,  3  und  in  Ikonion  zu  einem  Culte 
vereinigt,  den  ein  Ehepaar  versah  CIG  4000  (3,  69);  vgl.  auch 
Ptolemaios  tetrab  III  p.  122  (Bas.  1553).  Die  Abfolge  Dionysos 
Demeter  Köre  kennen  wir  aus  dem  Tempel  der  Demeter  Prostasia 
zwischen  Sekyon  und  Phlius  Paus.  II  11,  3.  In  die  Mitte  gestellt 
wurde  Bakchos  zu  Epidauros:  in  dem  Vers  der  Weihinschriften 
CIGPa.  I  n.  1039.  1040 

ΤΤαντ€λ{η  Βάχχψ  Τ€  καΐ  αυτή  Φερσοφον€{η 
ist  ΤΤαντ€λ{η,   wie  Dragurais  Eph.  Arch.  1893  ρ.  102  vgl.  Fränkel 
aO.  p.  247  gezeigt  hat,  Demeter. 

7  Demeter  Köre  lakchos  die  jüngere  Trias  von  Eleusis  vgl. 
Röschere  Myth.  Lex.  2,  5  Foucart  BCH  7, 397.  404.  Ein  Scholion 
zu  Lukian,  von  E.  Rhode  herausgegeben  (jetzt  Kl.  Sehr.  2,  365), 
nennt  Dionysos  an  Stelle  des  lakchos  (Άλφα)  εορτή  Άθήνησι  μυ- 
στήρια περιέχουσα  Δήμητρος  καΐ  Κόρης  καΐ  Διονύσου. 

8  Demeter  Köre  Ge  im  Demetertempel  zu  Patrai  vereint 
Paus.  VII  21,  12. 

9  Demeter  Köre  Artemis  im  Tempel  der  Demeter  an  der 
Akropolis  von  Phlius  Paus.  II  13,  5.  Zu  Antiocheia  (in  Pisidien?) 
hatten  die  obersten  Behörden  allmonatlich  τοΐς  θε[σ]μ[οφό]ροις  καΐ 
*^f^τiμ\bι  ΣαιΤ€ίρ[οι]  Opfer  darzubringen,  aus  Höflichkeit  geger*  '^*" 


Usener 

Magneten    wird,  durch  den  Besohl αββ  Ineehr.  von  Magneew  N.  80, 
18  f.  ftlt  vierte  Artemis  Leukophryene  hinzugefngt. 

10  Demeter  Köre  Dikaiosyne  auf  einer  Alevandrinitchen 
Weihinichrifl  für  Ptolemaios  IV  Philopator  (225—205)  vereinigt, 
Bull,  de  rinetitut  £gyptien  1872—3  N.  12  p.  161. 

11  Hera  Demeter  Köre  auf  Faros:  Bull,  de  corr.  hell.  1, 
135  n.  54  vgl.  'Αθήναιον  5,  15. 

12  Despoina  Demeter  Qöttermntter:  drei  ihnen  geweihte 
Altäre  standen  vor  dem  Tempel  der  Despoina  sn  Lykoeora  in 
Arkadien  Paus.  VIII  27,  2  f. 

13  Demeter  Zeus  Asklepios  auf  einer  Weihinschrifl  von 
Hermione  CIQPel  I  n.  692  Δάματρι  Χθον(^,  Δι(,  Άσκλαπιφ. 

14  Die  Göttermutter  wird  auf  attischen  Weihreliefa  mit 
Hermes  und  Hekate  so  vereinigt,  dass  die  erste  in  einer  Nische 
thront  und  die  beiden  anderen  Götter,  erheblich  kleiner,  an  den 
Pfeilern  dargestellt  werden,  s.  Conze  Arch.  Zeit.  XXXVIII  (1880) 
S.  59  f.  Auch  wird  die  Götterm.  und  ein  Jungling  mit  Kanne 
(Hermes?)  stehend  gebildet,  während  zwischen  ihnen  auf  erhöhter 
Basis  ein  Cultbild  der  Hekate  hervortritt  (aO.  Taf.  4,  4).  Dts 
schöne  att.  Relief  aO.  Taf.  1  (auch  in  Rosebers  Myih.  Lex.2, 1663) 
lässt  zur  sitzenden  Göttermutter  Hekate  und  (abgebrochen)  einen 
Mann  mit  Kanne  herantreten;  vgl.  die  zwei  Reliefs  bei  Schrader 
Athen.  Mitth.  21,  278  f.  Andere  Reliefs  verbinden  mit  der  Göttin 
einen  Jüngling  und  einen  bärtigen  Mann  (Conze  aO.  S.  3  Taf.  3. 1). 

15  Pan  Dionysos  Demeter:  Weihung  Anth.   Pal.  6,  31 

ΑΙγιβάτΐ}  τόδ€  ΤΤανΙ  καΐ  €ύκάρπψ  Διονύοψ 
καΐ  Δηοΐ  Χθονίη  Ευνόν  Ιθηκα  γ^ρος  usw. 

16  Aphrodite  Artemis  Köre  zu  Sparta  gebildet  als  Trä- 
gerinnen der  drei  Dreifüsse,  die  aus  der  Beute  des  ersten  Messe- 
nischen Kriegs  dem  Amyklaeischen  Apollon  geweiht  waren  Paus. 
IV  14,  2. 

17  Aphrodite  Athena  Artemis  am  Thron  des  Amyklaei- 
schen Apollon  vereinigt  Paus.  III  19,  4. 

18  Apollon  Artemis  Dionysos:  ihre  drei  Tempel  waren 
auf  Aigina  neben  einander  gestellt  Paus.  II  30,  1. 

19  Apollon  Poseidon  Demeter:  in  drei  Tempeln  zu  Didymoi 
bei  Hermione  verehrt  Paus.  II  36,  3. 

20  Artemis  (die  asiatische)  in  der  Mitte,  links  Demeter, 
rechte  Nike,  inschriftlich  benannt,  verbunden  in  einem  Relief  der 
Maeonischen  Hochebene:  Buresch,  Aus  Lydien  S.  69  f. 

21  Artemis  ΤΤαιδοτρόφος,  Dionysos  und  Asklepios  zu 
Korone  in  Messenien  in  einem  Tempel  verehrt  Paus.  lY  34,  6. 

22  Artemis  Pergaia  in  der  Mitte  zwischen  Helios  und  Se- 
len e  auf  einer  Münze  von  Perge  aus  der  Zeit  des  K.  Aurelianni: 
Th.  Rhode,  Münzen  Aurelians  S.  252  N.  4  vgl.  3. 

23  Zeus  (Helios)  Selene  an  dem  bronzenen  Untergestell 
einer  Lsmpe,  Archftol.  Anzeiger  1892  S.  54. 


Dreibeit  87 

24  Aphrodite  (in  Waffen)  Helios  Eros  (mit  dem  Bogen)  im 
Tempel  der  Aphrodite  auf  Akrokorinth  Paus.  II  δ,  1. 

25  Zeus  Athena  Artemis  auf  einer  Weihinschrift  von  Aigina 
CIGPel.  I  n.  11;  in  Arges  Artemis  Zeus  Athena,  s.  S.  13,  2. 

26  Zeus  Aphrodite  Athena  im  Tempel  des  Zeus  Homagyrios 
zu  Aigion  in  Achaia  bildlich  dargestellt  Paus.  Yll  24,  2. 

26  *ΕρμοΟ  Άφρο6{της  Πανό  ς  Aufschrift  eines  viereckigen 
Altars  aus  römischer  Zeit:  'Αθήναιον  5,  330. 

28  Zens  Persephone  (oder  Hekate?)  Apollon  Kitharodos 
anfeiner  Stele  von  Kyzikos  vereint:  Cumont  in  Revue  de  l'instrnction 
pnbl.  en  Belgique  1897  suppldm.  p.  12  n.  3. 

29  Kronos  Hera  Zeus  im  heiligen  Hain  des  Trophonios  bei 
Lebadeia  Paus.  IX  39,  4. 

30  Zeus  Hera  Poseidon  in  einem  Priesterthum  vereinigt  zu 
Aigiale  auf  Amorgos  Athen.  Mitth.  1,  330. 

31  Zeus  in  der  Mitte  thronend,  rechts  von  ihm  Mdgalopolis 
und  links  Artemis  Soteira  stehend  waren  die  Cultbilder  im 
Tempel  des  Zeus  Soter  am  Markt  von  Megalopolis  Paus.  ΥΙΠ  30, 1. 

32  Zeus  Poseidon  Apollon  sind  es  die  nach Tzetsea  zu Lyk. 
328  bei  Hyrieus  einkehren,  von  ihm  mit  einem  geopferten  Rind 
bewirthet  werden  und,  um  die  Sehnsucht  ihres  Wirthes  nach  Nach- 
kommenschaft zu  stillen,  gemeinsam  ihren  Harn  auf  die  Rindshaut 
lassen  und  so  den  Orion  erzeugen.  Die  verbreitetere  Ueberlieferung 
nennt  Zeus  Poseidon  Hermes:  Ovid  fast.  5,595  f.  Pa1aephatos5 
Hygin  f.  195  Servius  in  Aen.  1,  535  (mit  der  Variante  *vel  ut 
quidam  tradant,  non  a  Neptuno  sed  Marte'),  schol.  German. 
p.  164,11.  18.  93,  14  Br.  Alterthümlicher  ist  die  von  Hygin.  poet. 
Östron.  2,  34  p.  408  M.  bezeugte  Zweiheit  Zeus  und  Hermes,  und 
dies  ist  auch  das  Götterpaar  welches  bei  Philemon  und  Baucis 
einkehrt  nach  Ovid  met,  8,  626  f. 

33  Poseidon  Athena  Hephaistos  in  der  Akademie  verehrt 
nach  ApoUodor  (fr.  32  FHG  1,434)  im  schol.  Soph.  OC.  57.  Der- 
selbe berichtet  aber,  dass  auf  einer  alten  Basis,  die  am  Eingang 
des  Promethenstcmpels  stand,  nur  die  Zweiheit  des  Prometheus 
und  Hephaistos  dargestellt  war,  zwischen  ihnen  ein  beiden  ge- 
meinsamer Altar. 

34  Erechtheus  (Poseidon)  Butes  Hephaistos:  ihnen  sind 
3  bei  einander  stehende  Altäre  im  Erechtheion  auf  der  athen. 
Burg  zugeeignet  Paus.  I  26,  5. 

35  Poseidon  Hermes  Herakles  bei  Tegea:  auf  der  alter- 
tbumlichen  Inschrift  IG  Α  η.  94  scheint  dieser  Dreiheit  noch  der 
Name  der  Chariten  angereiht. 

36  Athena  Arophitrite  Poseidon  (der  Hauptgott  ist,  wie 
oft  Zeus  in  Triaden,  an  dritte  Stelle  gesetzt)  in  Korinth  CIGPel. 
I  n.  265. 

37  Poseidon  Leukothea  Palaimon  vereinigte  der  Tempil 
des  Melikertes  im  Poseidon -Reiligth um  am   Isthmos  Paus.  II  2,  1 


^ 


28  üsener 


vgl.  II  1,  8.     Dieselbe  Dreiheit  war   am  Wege   von  Korinth  zum 
Lechaion  aufgestellt  P.  II  3,  4. 

38  Poseidon  Amphitrite  Hestia  vereinigte  das  Weih- 
geschenk des  Mikythos  aus  Rhegion,  ein  Werk  des  Glaukos  vou 
Λ  rgos,  zu  Olympia  Paus.  V  26,  2. 

39  Dionysos  Saotes,  die  Θέμι6€ς  und  Helios  Eleutherios  an 
drei  zusammen  steh  od  den  Altären  zuTroezen  verehrt  Paus.  II 31, 5. 

40  Hermes  Herakles  Theseus  die  Dreieinheit  der  Ring- 
hallen:  so  waren  sie  zB.  im  Gymnasion  von  Meeeene  aufgestellt 
Paus.  IV  32,  1. 

41  Ares  Eleutheria  Zeus  eine  nicht  alte  Trias  zu  Kyaneai 
in  Lykien:  Le  Bss-Waddington  111  n.  1286  expl.  p.  316. 

Zur  Vervolletändigung  des  Ueberblioks  mnee  noob  darauf 
hingewiesen  werden,  daee  Öfter  erweiterte  Triaden  begegnen,  in 
welchen  neben  swei  Einseigottheiten  ein  göttlicher  Mehrheits- 
begriff  gestellt  wird.  So  waren  zu  Megalopolis  die  Hören,  Pan 
und  Apollon  za  einer  Gnltnseinheit  verbunden,  man  faeste  sie 
unter  dem  Namen  θ€θΐ  πρώτοι  zusammen  (Paus.  VIII  31,  3). 
Ein  Weihgeschenk  an  Eros,  die  Nymphen  und  Pan  erwähnt 
LongUR  im  Vorwort  seines  Hirtenromans ;  daee  der  Nymphen  drei 
waren,  bemerkt  er  Π  23.  Die  Pfälzer  Anthologie  enthält  Epi- 
gramme zu  Weihungen  an  Pan,  Dionysos  nnd  die  Nymphen 
(Leonidas  6,  154  nachgebildet  von  Sabinos  ebend.  158),  an  Nym- 
phen, Hermes  und  Pan  (Leonidas  6,  334),  wie  Krinagorae  einen 
Jäger  die  Nymphen,  Pan  und  Hermes  anrufen  läset  (6,  253).  Zu 
Athen  ist  der  Priester  des  Demos  nnd  der  Chariten  in  römischer 
Zeit  zum  ιερεύς  Δήμου  και  Χαρίτων  και  'Ρώμης  {CIA  III  η.  265) 
geworden.     Aehnliches  oben  Nr.  39. 

Obwohl  für  wichtige  Handlungen  wie  Schwur  (S.  22f.)  und 
Verwünschung  (S.  25  N.  2)  die  alte  Dreiheit  zeitig  und  bald 
immer  regelmässiger  durch  verstärkende  Zusätze  durchbrochen 
wurde,  ist  doch  die  Dreizahl  eine  bis  zum  Ende  des  Heiden- 
thums  übliche  Form  der  Gottesanschauung  geblieben.  Es  scheint 
mir  geschichtlich  wichtig,  dass  bis  in  das  dritte  Jh.  n.  Chr.  hinein 
Neubildungen  dieser  Art  versucht  worden  sind,  wie  folgende 
Fälle  lehren  können.  Ein  Athenisches  Relief  des  II  Jh.  v.  Chr. 
zeigt  den  Phrygischen  Mondgott  (Men)  in  der  Mitte  stehend,  za 
seiner  Rechten  Pan,  zur  L.  eine  Nymphe:  eine  Vereinigang,  die 
aijch  durch  die  Inschrift  einer  Athen.  Brunneneinfassung  bestätigt 
wird  (BGH  20,  78  f.).  Auf  hellenistisch-römischen  Denkmälern 
werden  häufig  Osiris  oder  Sarapis  (zB.  IGIns.  III  443)  und  Isie 
mit  Anubis  zu  einer   Dreiheit   verbunden.     Nach   dieeem  Huster 


Dreiheit  29 

sehen  wir  in  einem  urafiito  von  Der  el  Bahari  eine  Trias  von 
Heilgöttern  gebildet:  Asklepios,  Amenoib,  Hygieia  (Journ.  of 
hellen,  stadies  XIX  p.  14  n.  11);  aus  £retria  haben  wir  eine 
Weihung  an  Anubis  Apis  Serapis  (Ephim.  Arch.  1899  p.  133 
Anm.).  In  Römischer  Zeit  vereinigt  die  StadtAperlai  in  Lykien 
den  Galt  von  Roma  Zeus  ApoUon  in  6inem  Priesterthum  (Le  Bas- 
Waddington  111  n.  1290  expl.  p.  317).  Aus  dem  figürlichen 
Schmuck  eines  römischen  Säulenkapitells  hat  Studniczka^  un- 
längst scharfsinnig  und  .tiberzeugend  die  Thatsache  erschlossen, 
dass  Elagahal  seinem  orientalischen  Sonnenfetisch  die  Gulthilder 
der  Minerva  und  der  Karthagischen  Inno  Caelestis  zur  Seite 
stellte  um  so  die  Capitolinische  Trias  in  seiner  Weise  zu  er- 
neuem. Noch  im  fünften  Jh.  unserer  Zeitrechnung  hat  der  Neu- 
platoniker  Proklos,  gemäss  den  Grundsätzen  und  der  Methode 
seines  Philosophierens  ^,  Gottesbegriffe  zu  Dreiheiten  zusammen* 
gefaset. 

7  Stände  uns  für  nichtgriechische  Völker  des  Alterthums 
eine  gleich  umfassende  Ueberlieferung  zu  Gebot  wie  für  die  Grie- 
chen, so  dürften  wir  von  vielen  verhältnissmässig  lange  Reihen 
von  Götterdreibeiten  erwarten.  So  viel  lässt  uns  noch  heute  die 
Dürftigkeit  unseres  Wissens  ahnen. 

Von  den  nächsten  Verwandten  der  Griechen  sind  uns  die 
Makedonier  schon  oben  (S.  17  f.)  mit  Triaden  von  Schwur- 
göttern entgegen  getreten.  Das  Thrakervolk  verehrte  ^  aus* 
schliesslich'  die  Dreiheit  Ares  Dionysos  Artemis  (Herod.  5,  7): 
die  letztere  wurde  als  *  Himmelskönigin  gefaset  (Herod.  4,  33), 
die  hekannte  Bendis.  Von  den  Phrygern  kennen  wir  bereits 
ihre  drei  'Helfer'  (S.  UN.  7).  Ein  Phrygischer  Grabstein  (Bull, 
de  corr.  hell.  20,  64  pl.  XV[)  zeigt  in  der  Mitte  die  dreigestaltige 
Hekate  (über  ihr  die  Mondsichel  nnd  auf  dieser  eine  Büste,  der 
Men  ?),  zu  ihrer  Rechten  den  Mondgott  (Men),  links  eine  nackte 
männliche  Gottheit,  welche  in  der  Rechten  die  Doppelaxt  trägt 
nnd  mit  der  Linken  einem  sitzenden  Hunde  einen  Brocken  zum 
Frasse  darbietet.  Unter  den  Italikern  liefern  uns  die  Umbrer 
die  Gruppe  Cerfus  Martins,  Praestota  Cerfia,  Turaa  Cerfia 
(s.  Bücheier,  Umhrica  p.  22).  Zu  Praeneste  war  an  geheiligter 
Stätte  Fortuna  mit  luppiter  und  Inno  als  Säuglingen  dargestellt^, 

1  Römische  Mittheilangen  XVI  (1901)  S.  278. 

2  S.  Zellers  Philosophie  der  Griechen  III  2«  S.  847  ff. 

*  Cicero   de   div.  U  4i    ίί&   *•^   Pist   hodie   locus   (wo  die   sortee 


\ 

30  üienef 

also  sa  einem  Gölte  vereinigt.  Wenn  die  Römer  ihre  Stadt  dem 
Schutz  der  Capitolinieohen  Trias  (S.  16)  anvertrauten,  so  liut 
eieh  schwer  denken,  was  jetzt  die  herrechende  Ansicht  scheint 
und  zuletzt  von  Wissowa  scharfsinnig  begründet  ist,  dass  sie 
eine  Anleihe  bei  den  Griechen  gemacht  hätten:  ja  es  fragt  sieb 
ob  das  möglich  war;  ein  einziger  Fall  ist  uns  bis  jetzt  bekannt, 
die  Rathsgötter  der  Phokisohen  Landgemeinde  (S.  16),  und  der 
liegt  recht  abseits;  zum  Ueberflnss  ist  uns  bezeugt,  dass  vor 
der  Errichtung  des  Capitolinischen  Tenipels,  welchen  die  Sage 
von  dem  Erbauer  in  Znsammenhang  mit  Etrurien  zu  bringen  ge- 
stattet, schon  das  Capitolium  veius,  ein  kleines  Heiligthum  der- 
selben Dreiheit,  am  Q,uirinaP  beslanden  hatte,  eötterdreiheiten 
waren  aber  in  Rom  so  heimisch  wie  anderw&rts',  das  haben  dos 
die  Querqueiulanaej  die  tres  Fariunae  nnd  (ria  Fata  (S.  12)  ge- 
zeigt; man  war  von  dieser  Seite  her  berechtigt,  aus  den  drei 
flamines  maiores:  Dialis  Martialis  Quirinalis  die  ehemalige  Ver- 
ehrung einer  vorcapitolini sehen  Dreiheit  luppiter  Mars  Quirinus 
abzuleiten.  Auf  dem  Aventin  wurde  nach  dem  Kalender  der 
Arvalbrttder  am  ersten  September  lovi  Libero  lunoni  reginae 
geopfert.  Andere  Dreiheiten  sind  den  Griechen  entlehnt:  so 
sicher  der  Cultus  von  Ceres  Liber  Libera^,  deren  Tempel  schon 
vor  449  V.  Chr.  bestand;  ebenso  vermuthlich  die  Vereinigung 
von  Juppiter,  ApoUon  und  Diana,  die  an  einem  dreiseitigen  Altar 
des  Esqnilin  dargestellt  werden  (BuUett  comun.  1874  Band  III 
Taf.  XXI  5).     Die  Anlage  des  Capitolinieohen  Tempels,    wo  an 


PrctenesUtMU  ausgegraben  worden  waren)  saeptus  religiöse  propter  Iotib 
pueri,  qui  [lacteus]  cum  lunone  Fortunae  in  gremio  sedens  mammam 
adpetens  castissime  oolitur  a  inatribns*.  Wie  Degering  (Nachrichten 
V.  d.  Gott.  Geeellsch.  1897  S.  154)  aus  dieser  statuarischen  Gruppe  ein 
Zeugniee  für  einen  Tempel  mit  drei  ceüae  ableiten  konnte,  verstehe 
ich  nicht. 

1  Varro  L  L  5,  58  'clivos  proxamus  a  Flora  susns  vertue  Capi- 
tolium vetus,  quod  ibi  sacellum  lovie  lunonis  Minervae,  et  id  antiquios 
quam  aedis  quae  in  Capitolio  facta*  vgl.  W.  A.  Beckers  Handb.  d.  röm. 
Alt.  1,  577   WisBOwa,  Religion  u.  Caltus  der  Römer  S.  110  f. 

*  Jordan  au  Prellers  Röm.  Myth.  I  65,  1  lehnt  die  Urspräng- 
lichkeit  italischer  Triaden  vollständig  ab. 

*  Cicero  n.  d.  II  24,  62  *  Liber  .  .  .  quem  nostri  maiores  augnst« 
sancteque  cum  Cerere  et  Libera  conseoraverunt,  quod  quäle  tit,  ex 
mysteriis  intellegi  potest*.  Weihung  an  den  Tempel  449  v.  Chr.  Livios 
III  55,  7;  silberne  Statuen  der  drei  Götter  197  geweiht  Liv.  ΧΧΧΠΙ 
25,3;  Bittgang  zum  Tempel  174  v.  Chr.  Liv.  XLl  28,  2. 


/ 


Dreiheit  31 


die  mittlere  Hauptnieobe  {cdla)  eioh  links  und  rechte  eine  weniger 
breite  Niecbe  anlebnte,  wiederbolt  eich  in  anderen  gröeeeren 
Tempeln  des  alten  Italiene;  bekannte  Beispiele  sind  der  Tempel 
der  Akropolis  von  Marzabotto,  der  von  Falerii  (Ciyit&  Castel- 
lana),  der  capitoliniscbe  von  Florenz  ^.  Aucb  auf  Münzen  klein- 
asiatischer  Städte  begegnet  öfter  diese  Anordnung  der  Tempel- 
bilder. Was  berechtigt  anS)  dieselbe  als  eine  Etruskische  Be- 
sonderheit zu  fassen? 

Dass  den  Kelten  Götterdreiheiten  geläufig    gewesen    sein 
müssen,  wird  wahrscheinlich  durch  die  Rolle,  welche  die  Druiden 
beim  Aufbau  ihrer  Lehre  der  Dreizahl  gegeben  haben  ^.     In  der 
That    stellt  Lucanus  (1,  445  f.)  drei    gallisohe    Götter    Teutates 
Εβηβ  Taranis  zusammen,     und    es    fehlt    nicht   an    urkundlichen 
Zengnissen  '.     Zu  Reims,  Paris,  ßeaune,  Dennevy  sind  Altäre  mit 
je  drei  Göttern  gefunden  worden ;  häufig  sind  Darstellungen  eines 
dreiköpfigen  Gottes,    auf   die   wir   noch    zurückkommen   werden; 
auf  den  Altären    von  Beaune  und  Dennevy    ist    einer    der    drei 
Götter  dreiköpfig.     Auf  einem  Pariser  Altar  steht  vor  einem  be- 
laubten Baum  ein  Stier  nach  r.,  auf  ihm  drei  Kraniche,  darüber 
die  Inschrift  Tarvos  Trigaranus^  ταύρος  τριγίρανος,    wie  man 
genöthigt  ist  zu  erklaren.     Für  die  Germanen    stand    die  alte 
Götterdreiheit  Wodan,  Donar  und  Ziu  im  Vordergrund;  nach  einem 
alten  Einschub  in  das  sächsische  Tanfformular  hat  der  bekehrte 
Heide  abzuschwören  Thuner  ende  Vuoden  ende  Saxnote  (dh.  Ziu) : 
Tacitus  (Germ.  9)    erklärt    sie    sich    durch  Mercurius  (Wodan), 
Mars  .(Ziu)  und  Hercules  (Thonar).     In  Upsala  waren  Bildsäulen 
des  Thorr  (in  der  Mitte),    Odhinn  und  Freyr  vereinigt,    und    so 
werden    auch   ans  anderen    Heiligthümern  ^  drei  Standbilder'  er- 
wähnt ^     In  den  drei  Söhnen 'des  Mannus,    nach  denen  sich  die 
drei  Hanptstänime  der  Germanen  benannten  (Tac.  Germ.  2),  hat 


1  S.  Degering  in  den  Nachr.  d.  Göttinger  GeselUoh.  d.  Wies.  1897 
S.  154  f. 

s  Vgl.  Sitzungeber.  d.  Münchener  Akad.  1892  S.  595, 1  H.  Martin 
in  Revue  archeol.  XVIII  (1868)  p.  329  fif.  431  ff.  XIX  (1869)  27  ff. 

>  S.  Bertrand  in  Kevue  archdol.  1880  N.  s.  XXXIX  837  ff.  XL 
1  ff.  70  ff.  (Tafel  IX -XII)  und  in  La  religion  des  Gaulois  (T.  1897) 
p.  341  ff.  vgl.  314  ff.  Auch  Bertrand  ist  bemüht  die  Triaden  als  Im- 
port zu  fassen. 

^  Bei  Bertrand,  Religion  de    Gaulois  p.  351. 

^  S.  Grimms  D.  Myth.  97  ff.  Golther,  Haudb.  d.  german.  Mytho- 
logie 8.  604  f. 


Λ 


32  üsener 


man  mit  Recht  alte  Götterbenennungen  geeuoht.  Wenn  dagegen 
Caesar  (6.  G.  6,  21)  als  einzige  Götter  der  Deutschen  Solem  ei 
Vulcatium  et  Lunam  gelten  läset,  so  ist  das  zwar  auch  eine  Drei- 
heit,  aber  eine  täuschende. 

Auch  die  östlichen  Glieder  unserer  Yölkerfamilie  schicken 
uns  nicht  mit  leeren  Händen  zurück.  Jedem  ist  die  neabrahma- 
nische  Trimurti  der  Inder  geläufig,  aus  Brahma  (mit  langem 
Barte  gebildet),  (^.Uva  und  Vishnu  zusammengestellt;  sie  wird  als 
einheitlicher  Körper  mit  drei  Köpfen  bildlich  veranschaulicht  ^ 
Aber  schon  in  früher  Zeit  finden  sich  Anwendungen  unserer  Zahl. 
Die  schmiedenden,  Fruchtbarkeit  schaffenden  Ribhavas  werden 
oft  im  Veda  aU  drei  Brüder  bezeichnet'.  Die  Gruppe  der  drei 
Brüder  £kata  Dvita  Trita  ist  uns  schon  früher  (S:  7)  begegnet. 
Der  Buddhismus  bat  eine  Dreiheit  des  Heiligen  aus  Buddha, 
Lehre  (dhartna)  und  Gemeinde  oder  Kirche  (sangha)  gebildet ^ 
Bei  den  Eraniern  darf  man  Trinitäten  nicht  vom  Zendavesta 
erwarten ^  in  der  yolksthümlichen  Religion  fehlten  eie  nicht: 
Antiochos  von  Kommagene  vereinigt  in  der  grossen  Stiftungs- 
Urkunde  von  Nemrud-Dagh  die  Dreiheit  Ahuramazda,  Mithra  and 
Verethraghna^;  auf  den  jüngeren  Inschriften  der  Achaemeniden 
werden  Ahuramazda,  Anahita  und  Mithra  zusammengestellt, 
Mithra  selbst  heisst  ausdrücklich  *der  dreifaltige'  (τριπλάσιος), 
wahrscheinlich  weil  er  gleichzeitig  als  Mithras,  Cautes  und  Gau• 
topatis  gedacht  wurde. 

Wir  treten  zu  den  Semiten.  Die  Phoeniker  Karthagos 
haben  uns  schon  oben  (S.  18)  Zeugnise  abgelegt;  eine  von  Ph. 
Berger  erschlossene  Triade  werden  wir  bei  der  Begriffspaltnng 
zu  erwähnen  haben.  Im  Tempel  zu  Edessa  war  Baal  von  zwei 
Knabengestalten  Aziz  und  Mouimos  umgeben  ^.    Von  den  Arabern 


^  zB.  im  Atlas  zu  Guigniaut  t.  I  pl.  II  14.  Vgl.  F.  Neve,  Lo 
mythe  des  Ribhavas  (Par.  1847)  p.  335. 

3  A.  Kuhn  in  der  Ztschr.  f.  Sprachvergl.  4,  103. 

8  S.  H.  Oldenberge  Buddha  345  ff.  (I.  Aufl.). 

^  Ad.  Weber  hat  übrigens  auch  aus  dem  Avesta  eine  Trias  ab- 
geleitet, Deutsche  Rundschau  1899  Heft  4,  142. 

^  In  Humanus  und  Puchsteins  Reisen  in  Kleinasien  u.  Nordsyrien 
S.  273  (II  α  10)  Διός  τε  Ώρομάσοου  καΐ  Απόλλωνος  Μίθρου  'Ηλίου 
ΈρμοΟ  καΐ  *Αρτάγνου  'Ηρακλέους  Άρ€ως.  Achaemeniden:  s.  Gumonts 
Mithra  2,  87  f.  vgl.  Dionysioa  Areop.  t.  II  p.  11  τοΟ  τριπλασίου  Μίθρου. 

^  Cumont  aO.  1,  207  Α  um.  3.  —  Well  hausen,  Reste  altarabischen 
Heidenthums  S.  24  ff.  (II.  Aufl.).  —  Maspero  bist.  anc.  de  Torient 
1,  650. 


Dreiheit  33 

sind  drei  nnter  der  Gestalt  heiliger  Steine  verehrte  Oöttinnen  als 
'die  drei  Töchter  Allahs*  zusammengefasst  worden.  Auf  die 
Vorliebe  der  Chaldäer  für  Triaden  hat  Masp^ro  hingewiesen :  so 
dürfen  wir  hier  wie  eben  bei  den  Kelten  voraussetzen,  dass  wir 
bei  umfassenderer  Ueberlieferung  reichere  Belege  besitzen  würden. 
Wir  können  gerne  auf  die  Trinitnt  verzichten,  welche  Gfrörer 
ans  jüdischer  Theoeophie  als  Vorspiel  der  christliehen  abzuleiten 
versuchte  ^. 

Reichlich  flieset  die  Ueberlieferung  für  Aegypten.  Ent- 
lehnte Triaden  ägyptischer  Götter  sind  uns  schon  in  hellenistischer* 
Zeit  begegnet  (S.  28  f.),  Bait  Athor  Akori  werden  wir  unten  (S.  36) 
kennen  lernen;  nach  Herodots  Bericht  (2, 156)  befand  sich  auf  der 
heiligen  Insel  bei  Buto  ein  Tempel  des  Apollon  mit  drei  Altären 
(βωμοί  τρίφάσιοι).  Aber  die  Götterdreiheit  war  für  die  Tempel 
des  alten  Aegyptens  geradezu  Regel.  Ich  kann  den  Leeer  auf 
die  Mittheilungen  Wiedemanns'  verweisen.  Allgemeiner  galt  die 
Gruppe  Osiris,  Isis,  Horns;  in  Theben  wurden  Amon  Mut  (= 
Matter)  Xunsu,  in  Memphis  Ptah  SeXet  Imhetep,  in  Kom  Omba 
die  Dreiheit  Seb&k  Hathor  xunsu  verehrt.  Eine  zusammen- 
fassende Uebersicht  und  Untersuchung  dieser  Fälle  wäre  sehr  zu 
wQnscben.  Gewöhnlich  werden  diese  Dreiheiten  so  gebildet,  dass 
Vater  Mutter  Sohn  vereinigt  sind.  Der  Sohn  pflegt  dem  Vater 
wesensgleich  zu  sein,  die  weibliche  Gottheit  ist  vielfach  ohne 
mythische  oder  persönliche  Substanz  und  dient  dann  so  zu  sagen 
nur  dazu,  Mutterpflicht  zu  erfüllen.  Manche  Triaden  lassen  bei 
genauerer  Prüfung^  keinen  Zweifel,  dass  sie  künstlich  aufgebaut 
und  nicht  im  Volksglauben  erwachsen,  sondern  durch  Priester 
geschaffen  sind.  Das  wird  überall  vorgekommen  sein,  beweist 
aber  nur  die  im  Volke  lebendige  Forderung  göttlicher  Dreiheiten, 
der  die  PHesterschaft  entgegen  kommen  musste.  Es  zeugt  dafür 
auch  die  im  Verlauf  des  mittleren  Reichs  allgemeiner  durch- 
gedrungene, aber  sehr  alte*  Neunheit  von  Götterkreisen.  Ob- 
wohl diese  Gruppen  so  gebildet    werden,    dass    ein    überlegener 


1  Gfrörer,  Gesch.  des  Urchristeiithums:  das  Jahrb.  des  Heils  1,326  if. 

^  Die  Religion  der  alten  Aegypter  (Darstellungen  aus  dem  Ge- 
biete der  nichtchristl.  Keligionegeschichte  III  .Müuhter  i.  W.  1890) 
S.  59  f. 

'  S  G.  Maepero,  £tudee  de  mythologie  et  d'archeologie  egyp- 
tieones  II  (Biblioth^que  egyptologique  II)  269  fl. 

^  Wiedemann  aO.  60.  Eine  Sainnilung  und  Analyse  der  ägypti- 
schen Eimeaden  gibt  Maepero  aO.  *i,  :)4Γ>  if.  vgl.  -Jii  (ί. 

Uüein.  Mu•.  f.  PhUol.  K.  F.  LVIII.  ό 


\ 


84  Üsener 


Gott  acht  untergeordnete  zar  8eite  hat  and  nicht  etwa  drei  vor- 
handene Dreiheiten  zar  Neanheit  zueammen  treten,   so  hedarf  es 
^  doch   keines  Wortes,    daes    ebenso    wie   zB.  bei    den  Moeen    die 
heilige  Dreizahl  za  3X3  gesteigert  wurde. 

Wie  bestimmen  wir  überhaupt  die  Grenzen,  wo  diese  Herr- 
schaft der  Dreiheit  ein  Ende  findet?  Offenbar  hat  sie  über  den 
Oultarbereich  des  Alterthums  sich  hinaus  erstreckt.  Von  den 
Göttern  der  Skythen  sondert  Herodot  (4,  59)  drei  besonders 
heilig  gehaltene  Wesen  aus :  Herdfeaer  (Εστία),  Zeus  und  £rde. 
Auch  bei  den  Mongolen  läset  sich  eine  Vorliebe  für  die  Drei- 
zahl beobachten.  Sie  herrscht  in  der  Sage  von  Geser-chan  ^  die 
freilich  arischen  £influse  zeigt:  der  Held  ist  ein  auf  wunderbare 
Weise  von  irdischer  Mutter  empfangener  und  geborener  Sohn 
eines  der  drei  Söhne  des  Mahadeva;  als  Gott  ist  er  einer  von 
drei  Söhnen  des  Chormusda,  als  Mensch  von  drei  Söhnen  des 
Sanglun ;  er  hat  drei  himmlische  Schwestern  die  er  in  der  Notb 
anruft  usw. 

8  Was  wir  bisher  beobachtet,  beruht  keineswegs  auf  plan- 
massiger  Durchforschung  des  gesammten  erreichbaren  Stoffs;  an 
allen  Orten  wird  es  vielen  leicht  sein  aus  ihrer  zufälligen  Kennt- 
niss  Ergänzungen  zu  liefern.  Aber  auch  wenn  alles  zusammen- 
gehäuft  wäre,  was  sich  heute  noch  wissen  lässt,  würde  es  doch 
nur  ein  Bruchstück  bleiben  von  der  unerschöpflichen  Mannich- 
faltigkeit,  die  einst  die  Religion  der  alten  Völker  geschaffen  hatte. 
Bücher  und  Steine  vermögen  so  wenig  das  volle  Leben  eines 
Volks  zu  erschöpfen  als  die  Kraft  des  einzelnen  ausreicht  alles 
zu  umspannen,  was  in  Büchern  und  auf  Steinen  zu  lesen  steht. 
Auch  so  schon  ist  die  Fülle  der  Erscheinungen,  die  ich  vorführen 
konnte,  fast  erdrückend.  Ich  durfte  es  dem  Leser  nicht  ersparen, 
dies  Gefühl  mit  dem  Verfasser  zu  theilen•  Der  Naturforschung 
können  wenige  beliebig  herausgegriffene  Exemplare  eines  Wesens 
genügen  um  das  Gesetz  seiner  Bildung  abzuleiten.  In  der  gei- 
stigen Welt  herrscht,  so  sagt  man,  Willkür,  Laune,  Zufall:  hier 
kann  das  Walten  eines  Gesetzes  nur  durch  die  Masse  der  That- 
sachen  gegen  den  Widersprach  hergebrachter  oder  vorgefasster 
Meinungen  sicher  gestellt  werden. 

Wir  ziehen  daraus  die  Erkenntniss,   daes    es  ein  weit  ver- 


^  Schott   in    den  Abhandl.  der  Berliner  Akademie  1851   S.  28^2 
Anm.  2. 


w 


Dreiheit  35 

breiteter  menechlicber  Trieb  war,  eich  die  Gottheit  in  der  Form 
der  Dreiheit  vorznetelleD.  Bei  den  meisten,  vielleicht  bei  allen 
Völkern  des  AUerthume  hat  dieser  Trieb  lange  seine  Wirkung 
geübt,  in  vielen  Fällen  gewiss  unbewnsst,  mit  der  Kraft  eines 
Naturgesetzes.  Aber  in  der  geschichtlichen  Zeit  hat  man  sicht- 
lich mit  klarem  Bewusstsein  Dreiheiten  von  Göttern  zusammen- 
gestellt. Das  zeigt  ein  Blick  auf  die  Mannichfaltigkeit  der  oben 
aufgezählten,  vorwiegend  dem  Öffentlichen  Cnltns  angehörigen 
Triaden.  Dass  es  auch  für  den  Caltns  des  Hauses  und  des 
Privatlebens  allgemeiner  Brauch  war,  müssen  wir  einem  urkund- 
lichen Zeugniss  glauben.  An  der  Wand  des  Hauses  der  Via 
Augnstalium  zu  Pompeji,  an  dessen  Mauer  sich  das  Wahlprogramm 
der  serobibi  gefunden  hat  {CIL  IV  n.  581),  steht  eine  merk- 
würdige Inschrift ^   deren  erste  Hälfte  uns  angeht: 

Inmcte  Castresit{ni),  habects  propitios  deos  tuos  treSf  ite{m) 

et  qui  leges,    calos  Edone.   valeat  qui  legerit 
Der  Verfasser  dieser  Zeilen  durfte  also  voraussetzen,  dass  ebenso 
der  Angeredete    wie  jeder  beliebige  Leser  seine  private  Dreiheit 
von  Göttern  verehre;  das  war  für  ihn  selbstverständlich. 

Verhältnissmässig  selten  sind  bei  der  Zusammenstellung 
dieser  Dreiheiten  verwandtschaftliche  Beziehungen  maassgebend 
gewesen,  wie  bei  Leto  und  ihrem  Kinderpaare  (S.  24,  1)  und  bei 
den  chthonischen  Göttern  (S.  25  f.  N.  2—11);  öfter  ist  es  die 
Gleichartigkeit  des  Wesens,  welche  die  Gruppe  vereint,  wie  bei 
den  Göttern  der  Uebelabwehr  und  der  Heilkraft,  der  Ringhallen 
(S.  28  N.  40)  ua. ;  in  den  meisten  Fällen  werden  wir  den  letzten 
Grund  in  dem  zufälligen  Verein  der  Hauptgötter  einer  Cultus- 
Stätte  zu  suchen  haben.  Auch  in  der  Anordnung  ist  einheitlicher 
Brauch  nicht  zu  verkennen:  dem  Hanptgott  gebührt  die  mittlere 
Stelle  und  er  hat  sie  bei  der  Anordnung  der  Tempelbilder  wohl 
immer  inne  gehabt;  aber  bei  der  Aufzählung  wird  mit  dem  Haupt- 
gotte  bald  begonnen  bald  geschlossen,  und  namentlich  dem  Zeus 


1  CIL  IV  1679  Wilmanns  Exempla  inscr.  lat.  1975  (2,  03).  Die 
zweite  Hälfte  hat  wegen  ihrer  metrischen  Form  Büchel^r  in  seine 
Garm.  lat.  epigr.  N.  931  (2,  431)  aufgenommen.  Am  Schluss  steht  die 
Acclamation  calos  Cctstresitni:  ich  weiss  für  diese  Fortbildung  von 
castrensis  keine  Analogie,  glaubte  aber  danach  das  unvollständige 
caetresit  der  ersten  Zeile  ergänzen  zu  sollen.  iniMuit  heisst  der  Mann 
wohl  als  Trinker.    Die  Edone,   der  ebenso    ein      "^  -""ufen  wird, 

halte  ich  mit  Bacheler  für  das  Scbenkmädch  m  zweiten 

Theil  die  Preisliste  der  Kneipe  in  den  Mur 


Λ 


3β  üeenor 


hat  man  gefn  die  dritte  Stelle  gelassen:  sein  ältester  Name  war 
wohl  Ζ€ύς  πατήρ,  aber  sein  Zweitältester  Ζβυς  τρίτος  (oben  7, 1). 
Die  DreigÖttergrnppen  werden  nicht  bloss  darch  das  aaeaer- 
liehe  Band  der  Zahl  zusammen  gehalten.  Wie  die  Dreiheiten 
gleichartiger  Wesen,  der  Hören  Chariten  Nymphen  Parzen  new., 
so  sind  auch  die  zahlreichen  aus  drei  selbständigen  Caltusgöttem 
sttsammengestellten  in  ihrer  Dreiheit  als  eine  Einheit  empfanden 
worden.  Man  würde  irren,  wenn  man  annehmen  wollte,  dass 
erst  die  Neuplatoniker  der  Dreieinheit  als  solcher  sich  bewusst 
geworden  wären  ^.  Das  zeigt  die  längst  vorhandene  Formel  ter 
unus.  Martialis  Tcrherrlicht  ep.  5,  24  einen  Gladiator  namens 
Hermes:  14  Verse  hindurch  häuft  er,  jeden  mit  dem  Namen  des 
Hermes  beginnend,  rühmende  Attribute,  um  dann  in  einem  Schlnss- 
verse  alles  zusammenzufassen  in  den  Trumpf: 

Hermes  omnia  solus  et  ier  unus: 
der  allein  alles  ist,  konnte  nicht  gleichzeitig  *  dreifach  einer' 
heissen,  wenn  es  nicht  üblich  war  in  drei  Göttern  die  Summe 
des  göttlichen  Wesens  umfasst  zu  sehen.  So  spricht  Tertnllianus 
(de  pallio  4)  vom  Geryon  ter  unus^  um  die  Einheit  der  Pereon 
in  drei  selbständigen  Leibern  hervorzuheben.  Auf  einem  Aegyp- 
tischen  Amulet  steht  das  Distichon  (bei  Kaibel  n.   1139) 

ΕΓς  Βαΐτ,  €ΐς  Άθώρ,  μία  tujv  βία,  εΤς  hi  Άκωρί' 
χαίρε,  πάτερ  κόσμου,  χαίρε  τρίμορφε  θεός: 
drei  Einzeigötter  des  Aegyptischen  Cultus  sind  also  zur  Einheit 
des  *  Weltvaters*  zusammengefasst;  einheitlich  ist  ihre  Kraft,  drei- 
fach ihre  Gestalt.  Vielleicht  hätte  schon  Aeschylos  eine  ähnliche 
Formulierung  aupsprechen  könneu :  die  Mutter  Erde  ist  ihm  πολ- 
λών ονομάτων  μορφή  μια  (Prom.  210),  und  wenn  er  von  den 
Μοΐραι  τρίμορφοι  spricht  (Prom.  516),  stellt  er  unwillkürlich  die 
drei  Gestalten  in  Gegensatz  zur  Einheitlichkeit  ihres  Wesens  und 
Wirkens. 

9    Das  christliche  Dogma  Λ'οη  der  Dreieinigkeit  Gottes  des 
Vaters,  des  Sohnes  und  des  heiligen  Geibtes  ist  nicht  geoffenbart, 


^  zB.  Proklos  zum  Tim.  p.  178  von  der  Drcitbeiligkeit  der  Seele: 
προσήκ€ΐ  αυτή  καΐ  ή  μονάς  καΐ  ή  τριάς  .  .  .  ^στιν  ούν  καΐ  ή  ουσία  (dms 
Wesen  der  Seele)  μία  καΐ  τριπλή*  καΐ  γάρ  Αλλο  μίν  ή  ΟπαρΕις»  Αλλο 
δέ  ή  άρμον(α,  δλλο  hi  τό  €ΐδος  .  .  .  .  καΐ  πάντα  ταΟτα  έν  Αλλήλοις  ^σττν. 
Bemerkens werth  Pr.  theol.  Plat.  3,  21  ρ.  157  πάσης  hi  αύ  νοητής 
τριάδος  τό  μέν  πέρας  έν  έκαστη  πατήρ  έπονομά£€ται,  τό  hi  άπειρον 
όύναμις,  τό  όέ  μικτόν  νοΟς. 


Dreiheit  37 

sondern  geworden,  hervorgewacheen  unter  der  Wirkung  deeeelben 
KeimtriebR,  den  wir  in  den  Religionen  deR  Alterthume  walten 
sahen.  Die  göttliche  Dreiheit  war  schon  im  zweiten  Jb.  Glaabens- 
satz  geworden;  sie  wUrde  sich  durchgesetzt  haben,  auch  wenn 
die  dritte  Person  in  anderer  Weise  hätte  ergänzt  werden  mtissen. 
Wir  hören  von  Gnostikern  ^  es  aussprechen:  'Wer  da  sagt,  dies 
das  All  aas  Einem  bestehe,  der  irrt;  wer  da  sagt,  es  bestehe  aus 
Dreien,  der  spricht  wahr  und  wird  über  das  All  den  Nachweis 
erbringen  .  Der  Schritt  von  der  Dreiheit  zur  Dreieinheit  war 
unTermeidlich,  aber  man  hat  gezögert  ihn  zu  thun.  In  einem 
semiarianisohen  Glaubensbekenntniss  von  341  wird  er  versucht, 
als  Glaubensregel  scheint  die  Dreieinheit  zuerst  in  einer  Ver- 
fügung des  E.  Theodosius  880  verkündigt  worden  zu  sein  '.  Die 
Fragen  Über  das  Verhältniss  der  drei  Personen  zu  einander 
waren  im  Laufe  des  lY  Jahrb.  brennend  geworden,  sie  halfen 
seit  dem  IX  Jb.  die  Spaltung  der  römischen  und  griechischen 
Kirche  unheilbar  zu  machen,  und  haben  bis  heute  theologischem 
Seharfeinn  und  mystischer  Versenkung  unversieglichen  Stoff  ge- 
boten•. Und  es  wird  immer  so  bleiben,  bis  die  Einsicht  durch- 
dringt, dass  das  Dogma  ein  richtiges  Mythologem  ist,  das  mensch- 
liche Vernunft  in  unlösbare  Widersprüche  verwickeln  muse. 

Das  neue  Testament  weiss  nur  von  Gott  dem  Vater  und 
dem  Sohne;  der  heilige  Geist  ist  eine  Erscheinungsform  Gottes, 
so  des  Vaters  wie  des  Sohnes.  Dem  Herzen  des  Volks  ist  diese 
dritte  Person  der  Dreifaltigkeit  nie  näher  getreten.  Selbst  die 
altkirchlichen  Taufsymbole  verrathen  ihr  gegenüber  eine  ge- 
wisse Verlegenheit,  indem  sie  in  den  dritten  Artikel  die  ver- 
schied e  η  artigeten  Dinge  hineintragen,  die  allgemeine  Kirche,  Sünden- 
vergebung, Auferstehung,  eiriges  Leben.  Verschiedene  Wege 
konnten  unabhängig  von  einander  zu  demselben  Ziele  führen,  den 
h.  Geist  als  selbständige  Form  der  Gottheit  zu  fassen  und  dem 
Vater  und  Sohn  gleichzustellen.  Sowohl  das  Bewusstsein  von 
den   Wirkungen   des  Geistes   wie  die    kirohliohe  Gestaltung    des 


1  Naassener  bei  Hippol.  5,  8  p.  150,  35  Goett  Ό  Xtfwv  τά 
πάντα  il•  ενός  συν€στάναι  πλανΑται '  ό  λέγων  έκ  τριών  άληθ€ύ€ΐ  καΐ 
irepl  τών  ÖXuiv  τήν  dno^ciSiv  δώσει  Durch  das  dnobeiSiv  boOvai  soll, 
wer  an  die  drei  glaubt,  als  Wissender  bezeichnet  werden. 

«  Sokratee  h.  eccl.  II  10,  14.     Cod.  Theodos.  XVI  1,  2. 

*  S.  ausser  den  Do^rmengeflchichten  besonders  Ferd.  Christ.  Baur, 
Die  christliche  Lehre  von  der  Dreieinigkeit  und  Menschwerdung  Gottes 
in  ihrer  geschichtlichen  F  Tübingen  1841  --3  in  3  Bänden. 


Λ 


\ 

38  üsener 

Taufaote  dräogten  dazu.     Und  was  von   verechiedener  Seite  ge- 
fordert wurde,   konnte  leichter  Anerkennung  finden. 

Die  Begeisterung  und  Erleuchtung,  womit  es  das  Heil  er• 
faset  und  verkündet,  hat  dem  apoetoUschen  Zeitalter  ein  starkes 
Bewusstsein  vom  Walten  des  h.  Geistes  gegeben.  Allenthalben 
kommt  es  in  den  Briefen  zum  Ausdruck.  Mit  dem  gläubigen 
Vertrauen  auf  Gott  und  die  Verbeissnngen  des  Erlösers  steigt 
unwillkürlich  der  Gedanke  an  den  Geist  auf,  durch  den  und  in 
dem  das  alles  für  den  einzelnen  und  die  Gemeinde  lebendig  wird. 
Den  zweiten  Korintherbrief  schliesst  Paulus  mit  dem  Grosse: 
'Die  Gnade  des  Herrn  Jesus  Christus  und  die  Liebe  Gottes  und 
die  Gemeinschaft  des  heiligen  Geistes  (sei)  mit  euch  allen*. 
Während  Christus  und  Gott  als  Besitzer  der  genannten  Gaben, 
der  Gnade  und  der  Liebe,  gemeint  sind,  wird  an  dritter  Stelle 
der  enge  einheitliche  Zusammenhalt  der  Gemeinde  in  göttlichem 
Geiste  gewünscht:  der  letzte  Genetiv  hat  eine  andere  Werthnng 
als  die  vorangebenden  \  das  letzte  Glied  ist  also  nur  scheinbar 
und  formell  den  anderen  gleichartig.  Auffallender  ist  es,  wenn 
im  ersten  Korintherbrief  12,  4  f.  die  Gnadengaben  des  Geistes,  die 
Dienstleistungen  für  den  Herrn  und  die  Kraft  Wirkungen  Gottes 
zusammengestellt  werden.  Mit  Rücksicht  auf  eine  Strömung  in 
der  Gemeinde  von  Korinth  spricht  Paulus  dort  (o.  12)  von  den 
Kundgebungen  des  Geistes,  und  sucht  von  ungerechtfertigter  Be- 
vorzugung einzelner,  wie  des  Sprechens  in  Zungen  usw.,  ab- 
zumahnen, indem  er  die  Gnadengaben  des  Geistes  als  gleich- 
berechtigt erweist.  Aber  nicht  der  Geist  als  solcher  verleibt 
diese  Gnadengaben,  vielmehr  Gott  selbst,  wie  im  weiteren  Ver- 
lauf (12^  28)  ausdrücklich  hervorgehoben  wird.  Obwohl  also 
dem  Apostel  die  göttlichen  Begriffe  unwillkürlich  zu  einer  Drei- 
heit  zusammenschiessen,  in  der  die  entwickelte  Dreieinheitslehre 
sich  wiederfinden  konnte,  ist  er  selbst  weit  davon  entfernt,  eine 
Dreiheit  göttlicher  Personen  aufstellen  zu  wollen.  Und  das 
gleiche  Ergebniss  gewinnt  man  bei  der  Betrachtung  der  anderen 
Briefstellen,  die  angezogen  werden'.  Aber  in  der  nachaposto- 
lischen  Zeit  scheint  Ignatius  (Magnee.  13  Ephes.  9)  bereite  Zeug* 
nies  für  die  drei  Personen  abzulegen,  während  Clemens  (I  Kor. 
46,  6)  den  zwei  Personen  des  Vaters  und  Sohns  zwei  Personi- 
cationen,  Geist  und  Liebe  gegenüberstellt. 

^  Vgl.  Heinrioi,  Das  zweite  Sendschreiben  des  Ap.  Paulos  an  die 
Kor.  S.  550  Anm. 

a  Br.  an  die  Ephes.  4,  5  f.    I  Petr.  1,  2   Judae  20  f. 


Dreiheit  39 

Da  die  Stelle  dee  ersten  JobaDneiechen  Briefe  5,  7  f.  eine 
anerkannte  Fälechnng  ist,  so  bleibt  als  erstes  and  einziges  voll- 
wicbtigee  Bibelzeugniss  für  die  Dreieinigkeit  der  Tanfbefebl 
Cbristi  an  seine  Jünger  bestehn,  am  Scbinsse  des  Mattbäns- 
evangeliams  28,  19:  'Gebet  bin  und  unterweiset  alle  Völker  und 
tanfet  sie  auf  den  Namen  des  Vaters  und  des  Sobnes  und  des 
b.  Geistes,  und  lebret  sie  alle  meine  Gebote  balten*.  Durob 
Conybeare^  ist  unlängst  festgestellt  worden,  dass  noob  Ensebios 
in  den  vor  dem  Nicaeniscben  Concil  verfassten  Sobriften  keine 
Eenntniss  dieser  trinitariscben  Formel  verrätb,  sondern,  so  oft 
er  ancb  auf  diese  Stelle  zurückkommt,  immer  nur  folgenden  Wort- 
laut' anfübrt:  ^  Gebet  bin  und  unterweiset  alle  Völker  in  meinem 
Namen,  und  lebret  sie  alle  meine  Gebote  balten'.  Sogar  nocb 
in  der  naob  335  redigierten  Tricennalrede  auf  Constantin  wendet 
er  diese  ursprtinglicbe,  ibm  von  früber  geläufige  Textgestalt  an. 
Aucb  der  genaueste  Bibelkenner  Origenes  bat  yielleiobt  die  Stelle 
nicbt  anders  anerkannt  ^  In  den  Eircben  des  V^estens  war  die 
uns  tiberlieferte  Erweiterung  zuerst  in  den  Text  des  Evangeliums 
gedrungen  scbon  im  zweiten  Jabrb.,  aus  der  kircblicben  Praxis 
beraus.  Von  den  griecbiscbeu  Vätern  kennen  sie  nur  solcbe,  die 
mit  einer  westlicben  Kirube  in  Verbindung  standen,  wie  Jnstinus 
und  Irenäus^.  Der  tbeologiscbe  Austauscb,  den  das  Concil  von 
Nikaia    braobte,    bat   also    die  Wirkung  gebabt,    die  allgemeine 


1  In  E.  Preuscbene  Zeitscbr.  f.  d.  neutestamentl.  Wissenscbaft  II 
(1901)  275  ff. 

3  lob   stelle   den  Wortlaut    unserer  Hsb.  mit  dem   des  Eusebios 

zusammen: 

Euieb.  unser  Text 

ΤΤορ€υθέντ€ς  μαθητβύσατβ  ΤΤορβυθ^ντβς  μαθητβύσατβ   πάντα    τά 

πάντα  τά  ^θνη  έν  τφ  όνό-  ίθνη,  βοπτίίοντβς  αυτούς  βίς  τό  ονομα 
ματ(  μου,  6ιδάσκοντ€ς  αυτούς  τοΟ  πατρός  καΐ  τοΟ  υΙοΟ  καΐ  τοΟ  άγ(ου 
τηρ€ΐν  πάντα  βσα  ένβτβιλά-  πνεύματος,  διδάσκοντες  αυτούς  τηρβίν 
μην  ύμΐν.  πάντα  δσα  ^ν€τ€ΐλάμην  ύμΐν. 

»  8.  Conybeare  aO.  284  f. 

*  Den  trinitariscben  Taufbefebl  kennt  Justin,  apol.  I  61  (an  zwei 
Stellen)  Irenaeus  3,  18  p.  92  Harv.  (freüicb  nur  in  lateiniscber  üeber- 
eetzung,  aber  der  Zusammenbang  sobliesst  jeden  Verdacbt  einer  Inter- 
polation aus)  Clemens  Excc.  ex  Tbeodoto  c.  76;  fraglicb  die  Didache 
7, 1  (zweimal)  neben  9,  3  oi  βαπτισθέντ€ς  εΙς  όνομα  κυρ(ου.  Geläufig  ist 
er  dem  TertuUian  de  bapt.  13  vgl.  6  de  praescr.  baer.  20  adv.  Pra- 
xean  26  Cyprian  epist.  27,  3.  73,  18  Concil.  Cartbag.  p.  442,  4  und 
447,  18  Hartel. 


w 


40  üsener 


AafDabine  der  occidentaliechen  Interpolation  in  die  grieohiechen 
Handschriften  durchzusetzen. 

Es  darf  nicht  Zufall  hetssen,  dass  bei  der  Taufe  die  Drei- 
faltigkeit zuerst  auftritt.  Die  Taufe  ist  in  der  ältesten  christ- 
lichen Kirche,  so  lange  als  die  Liturgie  noch  nicht  dem  Taof- 
waeser  sacramentale  Kraft  verlieh ,  lediglich  eine  Handlang 
äusserer  and  durch  die  äussere  innerer  Reinigung  gewesen,  ond 
als  solche  aus  dem  Brauch  des  classiechen  Alterthums  ^  über- 
nommen worden.  Wie  die  Besprengung  bezw.  Bekreuzigung  mit 
Weihwasser,  so  musste  die  Eintauchnng  bei  der  Taufe  dreimal 
erfolgen,  genau  nach  dem  vorchristlichen  Herkommen,  und  wenn 
man  anfangs  und  später  in  einzelnen  Kreisen,  im  Gegensatz  gegen 
das  Heidenthum  und  nachher  gegen  Secten,  auf  den  Namen  oder 
den  Tod  Christi  nur  einmal  eintauchte»  eo  musste  doch  die  ein- 
gewurzelte Vorstellung,  dass  für  alle  religiösen,  vorab  ftir  lustrale 
Handlungen  die  Dreizahl  unerläeslich  sei,  sich  schon  von  Anfang 
an  vieler  Orten  geltend  machen  und  schliesslich  durchdringen. 
Man  ist  dabei  nicht  stehen  geblieben.  Die  ganze  Liturgie  der 
Taufe  ist  beherrscht  von  der  Dreizahl.  Wer  sich  davon  einen 
Begriff  machen  will,  der  lese  beispielsweise  die  übersichtliche  Schil- 
derung, welche  Symeon  von  Thessalonike  von  den  Tanfceremonien 
der  griechischen  Kirche  entwirft  (bei  Mi^ne  PU.  155,  212  ff.). 

Die  apostolische  Taufe  auf  den  Namen  Christi  iat  in  ein- 
zelnen Gemeinden  lange  festgehalten  worden  *;  zu  Rom  ist  eie 
trotz  den  Zeterworten  üyprians  noch  im  dritten  Jh.  und  darüber 
hinaus,  wenn  auch  nicht  mehr  ausgeübt,  doch  aU  gültig  an- 
erkannt worden.  Aber  der  scharfe  Gegensatz  gegen  die  Viel- 
götterei, deren  bisherige  Anhänger  durch  die  Taufe  in  die  christ- 
liche Gemeinschaft  aufzunehmen  waren,  musste  frühzeitig  dazu 
drängen,  nicht  bloss  auf  Christus,  sondern  auch  auf  den  Glauben 
an  ^inen  Gott  zu  verpflichten.  Da  die  Zahl  der  Eintauchungen 
gegeben  war,  so  wurde  ein  dritter  Gegenstand  des  Glaubens  un• 
erlässlich  zur  dritten  £intauchung. 

1  Bündig  lehrt  [Aoro]  zu  Horaz  epist  I  1,  37  'ita  ait  ter  pure^ 
ut  ter  mergunt  (so  Comm.  Cruq ,  *ut  tergunt'  der  bisherige  Text)  qui 
se  expiant*,  beetätigt  durch  Eratosthenes  τρΙς  b^  άπομο^αμ^οισι  θ€θ1 
διδόασιν  (5μ€ΐνον  in  Hillers  frr.  ρ.  116  f.,  Vergil  Aen.  6,  229  ter  socios 
pura  circumtuUt  unda  Ovid  met.  7,  189.  261  fast,  4,  315  Pereius  2, 16 
vgl.  Lomeier  De  veterum  gentilium  lustrationibns  p.  339. 

2  S.  Weihnaohtsfest  1,  153  f.  178  ff.  Die  einmalige  Eintauchnng 
liesB  sich  nur  mit  der  Taufe  auf  Christi  Tod  vereinigen. 


Dreiheit  41 

Die  von  der  Liturgie  gebieterisch  geforderte  dritte  Pereon 
fand  man  in  dem  heiligen  Geiete.  Es  ist  wohl  nicht  zu  ver- 
wegen, wenn  ich  es  als  unmöglich  bezeichne,  dass  man  von  dem 
Wortlaut  des  griechischen  Textes  je  hätte  zu  dieser  Ergänzung 
gelangen  können:  nicht  nur  dass  deutliche  Zeugnisse  erwiesen, 
dass  der  Geist  nicht  als  eine  besondere  Form  der  Gottheit  ge- 
dacht war,  allein  schon  das  neutrale  Geschlecht  des  griechischen 
Wortes  τό  πνεύμα  erlaubte  es  nicht  den  Geist  auf  eine  Stufe 
neben  Vater  und  Sohn  zu  setzen.  Durch  die  Besiegelung  (<Τφρα- 
γiς),die  mittels  HanJauflegnng  und  (zeitig  hinzugetretener)  Salbung 
erfolgt,  wird  der  Täufling  schon  in  der  apostolischen  Zeit^  des 
h.  Geistes  theilhaftig:  zwischen  dieser  Betheiligung  des  h.  Geistes 
bei  der  Taufe  und  seiner  Erhebung  zu  einer  Person  der  Triniiät 
lag  eine  weite  Kluft.  Aber  die  Sprache  der  Judenchristen,  so- 
weit  sie  nicht  zu  den  Hellenisten  zählten,  war  aramäisch  und  die 
hebräische  war  ihnen  aus  der  h.  Schrift  geläufig,  in  aramäischer 
Sprache  war  auch  die  erste  Niederschrift  des  Evangeliums  durch 
Matthäus  gehalten.  Der  Geist  heisst  aber  aram.  rueha,  hehr. 
ruaeh  und  ist  weiblichen  Geschlechts.  Durch  die  Einführung 
eines  weiblichen  h.  Geistes  war  eine  ganz  veränderte  Grundlage 
geschaAen '"^.  Schon  das  aramäische  Evangelium,  das  die  Ebio- 
niten  benutzten  und  noch  Hieronymus  einer  Uebersetzung  ins 
Lateinische  werth  hielt,  hatte  darauf  weiter  gebaut.  In  einer 
öfter  angeführten  Stelle^  waren  Jesu  die  Worte  in  den  Mund 
gelegt:  'Eben  hat  mich  meine  Mutter,  der  h.  Geist,  an  einem 
meiner  Haare  ergriffen  und  auf  den  grossen  Berg  Thabor  ge- 
tragen'. 'Damit  war  unmittelbar  der  Anstoss  zur  Bildung  einer 
Dreieinheit  gegeben,  die  sich  durch  ihre  natürliche  Zusammen- 
setzung 'Vater  Mutter  Sohn'  empfahl.  Man  hat  diesen  Schritt 
alsbald  gethan,  und  eben  diese  Formulierung  ist  uns  bezeugt^. 
Sie  hatte  bereits,  bevor  das  griechische  Evangelium  durchdrang, 
einen  gewissen  Bestand  gewonnen  und  Verbreitung  erlangt.  In 
die  meisten  gnostischen  Systeme  ist  dieser  weibliche  Geist  über- 
nommen  worden,    als  Achamoth,    Sophia,    Prunikos  usw.     Auch 


1  Apostelg.  8,  14-17.  19,  1-G  vgl.  10,  44  ff. 

'  Für  das  weitere  8.  Weihnachte  fest  1,  115  ff. 

■  PrettscheoB  Antilegomena  S.  4  f.  ;fr.  5.  Vgl.  auch  Gfrörers 
Oeech.  des  Urchristentfauros:  Jahrhundert  des  Heils  1,  334  f. 

*  Goostiker  des  Irenaeus  I  2^,  1  p.  224  H.  (Theodoret  h.  f.  1,  13) 
έντ€θθ€ν  πάλιν  4ΐνοδ€ΐχθήναι  μη-^'*'•  -- *  "'-^ν. 


42  üsener 

den  Mandäern  ist,  worauf  micb  Nöldeke  aafmerksain  macht,  die 
Rah&  als  Matter  des  M3ihft(Me8!iiae)  zugekommen,  nur  haben  beide 
eich  ihnen  zu  bösen  Geistern  verschoben^.  Die  auf  die  Schule 
des  Bardesanes  weisenden  Akten  des  Apostels  Thomas '  enthalten 
zwei  Epiklesen  des  h.  Geists,  eine  für  die  Taufe  (c.  27),  die 
andere  für  die  Eucharistie  (o.  46  f.),  beide  mit  neunmaliger  An- 
rufung (έλθέ  —  έλθέ  usw.):  die  Anrufungen  sind  meist  in  weib- 
lichem Geschlecht  gehalten,  und  wiederholt  wird  der  ^Mutter' 
gedacht,  in  der  ersten:  *Komm  du  erbarmungsvolle  Mutter^  und 
'Komm  du  Mutter  der  sieben  Häuser',  in  der  zweiten:  'Komm 
du  geheimnissvolle  Mutter';  und  da  mythologisches  Denken  um 
Widersprüche  wenig  bekümmert  zu  sein  pflegt,  brauchen  wir 
nicht  gleich  orthodoxe  Interpolation  zu  wittern,  wenn  die  erste 
£piklese  mit  der  Anrufung  schliesst:  ^  Komm  heiliger  Geist  und 
reinige  ihnen  Nieren  und  Herz,  und  besiegle  sie  auf  den  Namen 
des  Vaters  und  des  Sohnes  und  des  h.  Geistes  .  Die  von  einem 
Schüler  Valentins  Marcus  gegründete,  zur  Zeit  des  Irenans  im 
südlichen  Gallien  sehr  verbreitete  Secte  der  Markosier  hielt  an 
zwei  Weihen  fest'';  die  niedere,  die  Taufe  bezeichneten  sie  als 
das  Werk  des  sichtbaren  Jesus  zur  Vergebung  der  Sünden;  die 
höhere,  die  Erlösung  (άπολύτριυσις)  als  das  Werk  des  Christus, 
der  in  ihn  (Jesus)  herabkam,  zur  Vollendung  (εΙς  TeXeiuNIiv). 
Auch  diese  zweite  Weihe  wurde  in  vielen  Gemeinden  der  Secte 
wie  eine  Taufe  behandelt.  Man  pflegte  die  zur  Weihe  zuj^elaa- 
senen  an  ein  Wasser  zu  führen  und  darin  zu  taufen  mit  dem 
Spruche^:  'Auf  den  Namen  des  unerfasslichen  Vaters  des  Welt- 
alls, auf  die  Wahrheit  die  Mutter  von  Allem,  auf  den  in  Jesum 
Herabgekommenen,  zur  Einigung  und  Erlösung  und  Gemeinschaft 
der  Mächte*.  Da  haben  wir,  nur  in  gnostischer  Färbung,  eben 
jene  aus  dem  aramäischen  Wortlaut  des  Kvangeliums  abgeleitete 
Dreieinheit.     Wenn  noch  im  IV  Jh.  ein  von  den  Neuplatonikern 


^  Vgl.  Brandt,  Die  Mandäische  Religion  S.  124  ff. 

^  Vgl.  Thilo  zu  den  Acta  s.  Thomae  p.  181  ff.  und  R.  A.  Lipsius, 
Die  apokryphen  Apostelgeschichten  1,  311  ff. 

^  Ireiiaeus  I  14,  1—3  p.  180  ff.  Harv.,  griechisch  bei  Epiphanioa 
haer.  34,  19-20. 

*  Nach  Epiphan.  aO.  t.  II  p.  24β,  9  Dind.  ΕΙς  δνομα  σγνιίιστου 
πατρός  τών  δλων,  €ΐς  *Αλήθ€ΐαν  μητέρα  πάντων,  €ΐς  τόν  κατ€λθόντα 
€ΐς  ΜησοΟν,  €ΐς  Γνώσιν  καΐ  άπολύτρωσιν  καΐ  κοινων(ον  τΦν  δυν(&μ€ΐυν. 
Die  Benennung  des  h.  Geistes  ist  abgeleitet  aus  dem  JohanneischeD 
(15,  26.  16,  13)  ό  παράκλητος  .  .  .  τό  πν€θμα  τής  άληθ€{ας. 


Dreiheit  43 

anegegangener  Convertite  wie  Marius  Victorinne  die  Ketzerei  be- 
geht, den  h.  Geist  Jesae'  Mutter  sein  zu  lassen  ^,  oder  wenn  der 
Syrer  Apbraates,  an  den  mich  Nöldeke  erinnert,  im  J.  343/4 
predigt  'So  lange  ein  Mensch  noch  kein  Weib  genommen  hat, 
liebt  and  ehrt  er  Gott  seinen  Vater  und  den  h.  Geist  seine 
Matter',  so  ist  das  nicht  za  verwundern.  Merkwürdiger  ist,  dass 
in  einem  Volksbuch  der  letzten  siebziger  Jahre  der  h.  Geist 
wiederholt  als  'Matter  aller  Geister^  bezeichnet  wird';  das  kann 
nicht  aas  der  alten  katholischen  Anschauung  von  der  Taufe 
stammen;  denn  da  ist  der  Geist  das  männliche  Princip,  das  den 
Mutterleib  des  Taafwassers  befrachtet  ^  Die  Quelle  des  Volks- 
buchs  ist,  bewusst  oder  anbewosst,  der  Graf  von  Zinzendorf  ge- 
wesen, auf  den  mich  ein  Freund  hinweist.  Dieser  hat  auf  dem 
Brüdertag  von  Marienborn  1744  unter  Berufung  auf  den  Vorgang 
Aug.  Herm.  Frankes  die  Bezeichnung  des  h.  Geistes  als  Mutter 
der  Geister  durchgesetzt  ^,  nnd  hat  dann,  je  nachdem  er  Christus 
als  anseren  Vater  oder  als  Seelenbräutigam  und  Mann  fasste, 
Gott  Vater  unseren  göttlichen  Grossvater  oder  Schwiegervater 
sein  lassen. 

Vor  dem  Wortlaute  der  griechischen  Evangelien  masste 
freilich  diese  älteste  und  natürliche  Dreieinheit  in  Dunst  zer- 
rinnen. Aber  die  Dreieinheit  war  vorhanden  und  man  musste 
sich  mit  dem  neutralen  Pneuma  abfinden.  Da  erschien  das  Evan- 
gelium des  Johannes  und  schuf  eine  neue  Schwierigkeit,  indem 
es  Christas  mit  dem  göttlichen  Logos  identificierte,  den  es  nun 
von  dem  Geiste  zu  unterscheiden  galt.  Aber  dasselbe  brachte 
auch  eine  männliche  Umbildung  des  h.  Geists,  den  'Fürsprecher* 

1  S.  Weihnachtsfest  1,  117  Αητη.  26.  Die  Stelle  des  Aphraates 
hom.  18  (Texte  u.  Unters.  III  3)  S.  297;  der  Ausspruch  ist  eine  Um- 
bildung von  Genesis  2,  24. 

3  A.  Dieterich  verdanke  ich  die  Kenntniss  des  seltsamen  Apo- 
kryphon  *  Aufruf  an  alle  Christen  über  die  jetzige  und  zukünftige  Zeit. 
Geoffenbart  von  Gott  und  seinen  heiligen  Engeln  vom  Jahre  1857  bis 
1873".  Dort  heisst  es  wiederholt  (zB.  S.  18  N.  8)  *  Gegeben  vom  heiligen 
Geist  oder  Mutter  aller  Geister  am  12.  Juni  18Β9.  Lieben  Kinder:* 
usw.,  8.  auch  S.  23  N.  12,  48  N.  28  usf. 

'  S.  Weihnachtsfest  1,  107  f.  Die  Anschauung  tritt  deutlich  her- 
vor auch  bei  Zeno  von  Verona  II  'Λ2  p.  243  Ball.  (Migne  PL  11,477  f.) 
und  U  30  p.  240. 

*  Spangenbergy  Leben  des  Herrn  N.  L.  Grafen  von  Zinzendorf 
5,  1573  f.  vgl.  B.  Becker,  Zinzendorf  und  sein  Christentum  (Leipz.  1900) 
S.  399  ff.    K.  Hase,  Kirchengeschichte  III  2,  96. 


τ 


44  üsener 


(Paraklet)^:  dieser  'Geiet  der  Wahrheit'  war  wie  geschaffen  sich 
za  einer  Persönlichkeit  und  sn  Bedentong  für  das  religiöse  Leben 
zn  geetalten.    Warum  hat  man  nicht  ihn  an  die  dritte  Stelle  der 
Trias  gesetzt?    Versacht  ist   dies  wirklich  worden.     £in  aposto- 
lischer Kanon  (48  bzw.  49)  verordnet :    *  Wenn  ein  Bischof  oder 
Presbyter    nicht  nach   der  Verordnung  unseres  Herren  tauft  auf 
Vater,  Sohn  und  h.  Geist,    sondern    auf  drei  Anfangslose  (άναρ- 
χους) oder  drei  Söhne  oder  drei  Paraklete,  so  soll  er  abgesetzt 
werden*.     Hier  ist  sichtlich  das  Thatsiichliche  in  frommem  Eifer 
übertrieben    und   verdreht   worden.     Man    sieht    anf   den   ersten 
Blick,  dass  der  Anfangslose  der  Vater,    wie  der  Paraklet  der  h. 
Geist  ist.     Die  durch  jenen  Kanon  Verurtheilten  konnten  nur  die 
Formel  angewandt  haben:  *Ich  taufe  dich  auf  Gott  den  anfangs- 
losen und  auf  den  Sohn  und  auf  den  Paraklet'.     Das    ist  aller- 
dings   eine   starke  Abweichung    von    der  Taafformel    des  Evan- 
geliums,  deren  strenge  Beobachtung  der  Kanon  einzuschärfen  be- 
stimmt   ist.     Dass  der  Kanon   aber   die  einzelnen  Personen   ver- 
dreifacht, wird  verständlich  unter  der  Annahme,   dass  auf  jeden 
der  drei  Namen  je  drei  Eintauchungen  erfolgten,  sei  es  nun  dass, 
wie  es  in  der  aethiopischen   Kirche   geschieht  ^    die  trinitarische 
Formel  dreimal  ungetheilt   wiederholt  oder  dass    bei   jedem  der 
Namen  immer  dreimal  -  eingetaucht   wnrde.     Wir    sehen,    es    hat 
Kirchen  gegeben,  welche  von  dem  Bedürfniss   geleitet,    die  Drei- 
einheit aus  gleichartigen  Grössen  zusammen  zu  setzen,  an  Stelle 
des  unpersönlichen  Geistes  den  Johanneischen  *  Fürsprecher    ein- 
geführt hatten.    Durchgedrungen  sind  sie  nicht.    Das  Evangelium 
des  Johannes  war  zu  spät  gekommen  nm  die  begonnene  Dogmen- 
hildung  aufzuhalten,  und  der  Begriff  des  Paraklet  besass  in  seiner 
darcheichtigen  Persönlichkeit  einen  mythologischen  Beigeschmack, 
der  das  Schlagwort  für  die  kämpfende  Kirche  unbequem  machte. 
Ich  kann  nicht  daran  denken,  die  Geschichte  der  christlichen 
Lehre  von  der  Dreieinheit  hier  auch   nur  in   einem  Abriss  vor- 
zuführen   oder   die  Schwierigkeiten    aufzuzeigen,    mit    denen    die 
Dogmenbildung  zu  ringen  hatte.    Meine  Absicht  konnte  nur  sein, 
die  verschiedenen  Anläufe  zu    verfolgen,   welche    in    den    ersten 
zwei  Jahrhunderten  das  Christenthnm    gemacht    hat  um  der  un- 


*  lieber  die  Bedeutung  drs  παράκλητος  s.  Hugo  Grotius  zum  ev. 
Job.  H,  in  und  Wölfflins  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  2,  *>30  f. 

^  Trumpp,  Taufbuch  der  aethiopischen  Kirche  (Abh.  d.  Bayr. 
Akademie  Cl.  I  B.  XIV  3)  S.  178. 


Dreiheit  45 

aaeweichlioben,    tief   im  Geist  des  Altertbnins  gewurzelten  For- 
derung einer  dreibeitlicfaeh  Gottheit  gerecht  zu  werden. 

Die    kirchliche    Feier    der  Dreifaltigkeit,    noch    von    Pabet 
Alexander  III    auf  dem  Lateraniechen    Concil  1179    schroff  ab- 
gelehnt, ist    eist   durch  Pabet  Johannes  XXII  (1316—34)  sanc- 
tioniert  und  an  den  Sonntag  nach  Pfingsten  geknüpft  worden.    Die 
dogmatische  Dreieinheit  ist  dadurch  nicht  volkstbümliober  geworden. 
Die    ungebildeteren  Schichten    des  Volks  haben   sich    nirgendwo 
damit    befreunden    können.     Schon    die    einzelnen    Personen    der 
Dreibeit  haben  für  das  religiöse  Leben    sehr    verschiedenartigen 
Werth.     Der  h.  Geist  kommt    dafür  so    gut    wie    nicht    in  Be- 
tracht;   nur  das  Bild,    unter  deai  es  ihn  sebaut,   die   über    dem 
Tabernakel    schwebende  Taube    ist  dem  Volke    geläufig.     Selbst 
Gott  der  Vater  tritt  in    den  Nebel    der  Abstraction    zurück    vor 
den    leibhaftigen  Personen    der  Jungfrau    und  ihres  Sohnes.     An 
einem  Kapellchen  des  Vispthalee  im  Wallis,  das  zwischen  Vispach 
und  Stalden    hart  an   einer   Brücke  (Neubrüok)  stand,    habe    ich 
im  J.   1862  folgende  Inschrift  auf   der  Thüre    gelesen    und    ab- 
geschrieben, die  ich,  abgesehen  von  der  Schriftform,  mit  urkund- 
licher Genauigkeit  vorlegen  will: 

Gott  die  ebr. 
Maria  eol  man  ehren 
Mit  dem  englische  grus. 
Keiner  eol  hie  weg  keren, 
£hr  fale  ihr  zu  fuos. 

Darunter  die  Jahreszahl  1727.     £s    Hess    sich   nicht  wohl  deut- 
licher   sagen,  wie  das  katholische  Volk  thatsächlich  empfindet. 

Die  göttliche  Dreifaltigkeit  an  sich  hat  sich  gleichwohl,  durch 
die  Dreibeit  namentlich  der  Bekreuzigung  täglich  nahe  gebracht, 
dem  Gemüthe  des  Volks  tief  eingegraben,  sie  treibt  daher,  nach- 
dem die  abstracten  Begriffe  zurückgedrängt  sind  und  damit  die 
dogmatische  Trinität  abgestorben  ist,  neue  Sprossen  in  der  Seele 
des  Volks.  Zu  Jesus,  der  einzigen  greifbaren  Person  der  Tri- 
nität, treten  die  Mutter  und  der  Pflegevater  hinzu,  um  eine  neue, 
unwillkürliche  Dreieinheit  dem  Volke  zu  schaffen.  Wie  lange 
sie  schon  im  Volksmunde  lebt,  weiss  ich  nicht.  Seit  frühester 
Jugend  tönt  mir  aus  dem  Munde  von  Katholiken  der  Schreckens- 
ausrnf  *  Jesus,  Maria,  Josef*  entgegen.  Am  Niederrhein  setzt 
man  diese  drei  Namen  über  die  Andachtezettel,  welche  bei  den 
Kxequien  und  vorher  in  den  Häusern  vertheilt  werden;  doch 
pflegt  man  in  Bonn  noch  als  vierten  einen  Heiligen  hinzuzufügen. 


^ 


4(>  Usener 


Weit  verbreitet  mnes  die  Sitte   sein,   die  drei  NameD  als  Schutz 

über  den  Grabsteinen  und  auf  den  Kreuzen  anzabringen;  auf  dem 

Eircbbof  von  Linz  am  Rhein  iet    das  ganz  üblich.     Auf   bayri- 

ecben  Todtenbrettern  (sogen.  Marteln)  begegnet  man  häufig  dem 

Spruche  * 

Es  ist  eine  harte  Reis, 
wenn  man  keinen  Weg  nicht  weiss. 
Frag  die  drei  heiligen  Leut, 
die  zeigen  den  Weg  in  d'  Ewigkeit: 

wer  unter  diesen  dreien  verstanden  wird,  zeigt  folgende  Variante 

der  zwei  letzten  Zeilen 

Frag  JesuSy  Maria  und  Josef,  die  drei  heiligen  Leut, 
sie  zeigen  dir  den  Weg  zur  Seligkeit. 

Niemand  wird  im  Ernste  glauben,  wie  man  das  mir  zugemnthet 
hat,  dass  das  katholische  Volk  diese  Neubildung  bewusst  an  die 
Stelle  der  für  die  Menge  werthlos  gewordeneu  Trinität  des  Dogm^ 
gesetzt  habe.     Es    ist   vielmehr    ein  unwillkürlicher,  ganz  unbe- 
wusster  Vorgang,  wie  bei  allen  mythologischen  Gedankengängen^ 
wenn    die    abgestorbenen    Glieder    der    alten  Form    durch   neue 
lebensfrische  ersetzt    werden.     Zu  allen  Zeiten  hat  das  religiöse 
Bedtirfniss  nicht  an  abstracten  Begriffen  Genüge   finden    können, 
sondern    zur  lebendigen  Persönlichkeit    die  Hände  erhoben:  nor 
sie  kann  Liebe,  Gnade  und  Erbarmen   empfinden.     Das    ist   der 
Grund,  weshalb  der  Mariendienst  seitdem  IV  Jh.  sich  so  mächtig 
und  unaufhaltsam  entfaltete  und  die  Verehrung  der  Heiligen  diese 
Bedeutung  in  der  Kirche   erlangte.     Das   letzte  Jahrhundert  hat 
in  dieser  Richtung  keine  Rückschritte  gemacht,  sondern  den  Cnltus 
des  Persönlichen  eher  gesteigert;    namentlich  seigt  sich  das  bei 
dem  h.  Joseph,  der  dem  Herzen  des  Volks  mehr  und  mehr  nahe 
gerückt  ist.     So  ist   man  zu  der  trinitarischen   Neubildung  ge- 
kommen, welche  der  alten  Formel   *  Vater,  Mutter,  Sohn'  nahezu 
entspricht. 

ZUSATZ 

Die  obigen  Listen  griechischer  Trinitäten  habe  ich,  wie  ich 
nach  dem  S.  34  gesagten  kaum  hervorzuheben  brauche,  mit  dem 
vollen  Bewusstsein  vorgelegt,  nur  eine  vom  Zufall  abhängige, 
nicht  eine  erschöpfende  Sammlung  zu  geben.     Es  muss  ein  B&n 


ι  Bavaria  1,  995.  Die  Variante  gibt  Rieder  in  der  Ztscbr.  för 
Culturgeech.  N.  F.  II  (1895)  S.  108  Dach  einem  Todtenbrett  auf  dem 
Haidstein. 


Dreiheit  47 

erst  einmal  geschaffen  sein,  wenn  man  seine  Unvollkommenbeiten 
wahrnehmen  und  heben  soll.  Ich  sehe  mit  Verlangen  den  Er- 
gänzungen entgegen,  die  andere  liefern  werden.  Mir  selbst  haben 
sich  schon  während  des  Drucks  Nachträge  ergeben. 

Unter  den  hrofun  piccoli  im  zweiten  Saale  der  Erzdenk mäler 
des  Museo  nazionale  zu  Neapel  habe  ich  einen  Kandelaber  ge- 
sehn, ans  dessen  dreiseitiger  Basis  drei  hermenartig  gebildete 
Gestalten  hervortreten:  auf  der  einen  Seite  Herakles  bärtig, 
ithyphal lisch,  Löwenfell  auf  dem  Haupt,  ein  Rind  tragend;  auf 
der  zweiten  Pan  bärtig,  zwei  Hörner  an  der  Stirn  vor  den  Haaren, 
ithyphallisch,  auf  den  Schultern  einen  Geisbock,  dessen  Bart  er 
mit  der  Linken  festhält;  auf  der  dritten  Hermes  unbärtig,  mit 
Chiton  bekleidet  und  ohne  Andeutung  des  Phallus,  ein  Lamm  auf 
den  Schultern,  in  der  lose  herabhangenden  Rechten  ein  kleines 
Gefäse  haltend.  Jeder  der  Götter  trägt  ein  Thier  auf  den  Schul- 
tern: wenn  man  sich  der  Sagen  von  Sardes  und  Tanagra  (Hess. 
Blätter  für  Volkskunde  1,  205)  erinnert,  wird  man  erkennen, 
dass  wie  der  Hermes  κριοφόρος,  so  auch  die  übrigen  durch  Um- 
tragen  des  Opferthiers  Uebel  abwehren  sollen.  Die  Dreiheit 
Herakles  Pan  Hermes  muss  also  der  Liste  S.  13 f.  zugefügt 
werden.  Die  beliebte  Ausstattung  der  Lampen  mit  apotropäischen 
Bildern,  über  die  wir  von  K.  Dilthey  Belehrung  erwarten,  be- 
ruht wohl  auf  der  Absicht,  die  Kraft  des  Lichtes  zur  Verscheu- 
chnng  nächtlicher  Gespenster  zu  verstärken. 

Auf  Münzen  von  Laodikeia  und  Apollonia-Salbake  in  Karien 
werden  Tyohe,  Zeus  Laodikenos  und  Athene  zusammengestellt, 
8.  Imhoof-Blumer  in  den  Griechischen  Münzen  (Abb.  d.  Bayr. 
Akad.  XVIII  3)  S.  669  N.  430  a. 

Als  eine  unwillkürliche  Triadenbildung  jüngerer  Zeit  hätte 
S.  28  die  Gruppe  von  Theseus,  Demokratia  und  Demos  genannt 
werden  können,  die  auf  dem  Gemälde  des  Euphranor  in  der  Stoa 
des  Zeus  (Paus.  I  3,  3)  dargestellt  war. 

In  der  neuen  kritischen  Ausgabe  des  Hesiodos  von  1902, 
die  mir  erst  jetzt,  nachdem  Satz  und  Correotur  der  beiden  ersten 
Bogen  abgeschlossen  sind,  zukommt,  hat  Rzach  die  überlieferte 
Dreiheit  der  Winde  an  beiden  Stellen  anerkannt;  meine  Aus- 
ruhrung  S.  5  f.  ist  damit  überflüssig  geworden. 

H.  U. 
(Fortsetzung  folgt.)  '  / 


τ 


DIE  ARATE  Α  DES  GERMANICUS 


Zwei  Abschnitte  der  Aratea  dee  Germanicus  sind  eR,  die 
der  Kritik  uod  der  Litteraturgeechicbte  vüizüglich  zu  ecbaffen 
gemacht  haben,  das  Prooemium  und  der  Thierkreis ;  aber  so  ver- 
schiedenartig auch  die  bisher  aufgestellten  Meinungen  sind,  die 
rechte  scheint  mir  nicht  darunter  zu  sein,  obwohl  sich  mehrfach 
Erörterungen  finden,  denen  ich  auch  in  ihrem  positiven  Tb  eil 
streckenweise  durchaus  beipflichte^.  Da  indessen  hier  so  gut 
wie  nichts  allgemein  anerkannt  ist,  fast  alles,  auch  das  Ge- 
wisseste, von  einzelnen  bestritten  wird,  so  bleibt  nichts  übrig, 
als  die  Untersuchung  von  vorne  an  zu  führen;  vielleicht,  dass  es 
gelingt,    hie  und   da  Altes  in  eine  neue  Beleuchtung  zu  rücken. 

Zunächst  das  Prooemium.  Aratos  hatte  die  Einleitung  seines 
Gedichtes  zu  einem  stoischen  Hymnus  auf  Zeus  gestaltet*.  Ger- 
manicus knüpft  daran  an,  doch  so,  dass  er  sein  Prooemium  viel- 


1  Dieser  Aufsatz  bekämpft  in  wesentlichen  Punkten  auch  die  Auf- 
stellungen Breysigs,  der  in  unermüdlicher  Arbeit,  seit  fast  funftig 
Jahren,  mehr  als  irgend  ein  andrer  für  Germanicus  und  Avienus  ge- 
leistet liat.  Als  ich  die  Erwägungen,  worauf  er  beruht,  anstellte  und 
ihn  zu  entwerfen  begann,  war  die  tödtliche  Krankheit,  die  ihn  bald 
dahinraffen  sollte,  schon  ausgebrochen,  so  dass  er  mich  nicht  mehr  nvie 
sonst  mit  Zustininiung  oder  Widerspruch  Schritt  für  Schritt  fordern 
konnte.  Seinem  Andenkpn  sei  der  Aufsatz  gewidmet;  ist  meine  Hypo- 
these richtig,  £0  gebührt  ihm  das  Verdienst:  ohne  den  vierjährigen 
ununterbrochenen  Verkehr  mit  ihm  wäre  ich  wahrscheinlich  inzwischen 
diesem  Gebiet  mehr  oder  weuiger  entfremdet  worden. 

2  Zu  dem  entsprechenden  Prooemium  Aviens  hat  Maaas  (Aratea, 
Philolog.  Untersuch.  XII  S.  252.  287  f.  314  f )  werthvoUe  Beiträge  ge- 
liefert. Ich  trage  dazu  nach,  dass  die  verschiedenen  Epitheta  Juppiters 
auffällige  Uebereinstimmung  zeigen  mit  einem  Bruchstück  der  Orphi- 
sehen  Theogonie  (fragm.  12'3  ed.  Abel  v.  1  —  12,  p.  202),  das  ich  ge- 
radezu als  Aviens  Quelle  ansehen  möchte. 


Die  Aratea  des  Germanicus  49 

mehr  zur  Verberrlicbung  eines  Kaisers  wendet,  den  er  als  genitor 
anredet,  und  dessen  Verdienste  er  für  seine  Person  selbst  über 
Juppiters  Wobltbaten  stellt: 

Ab  love  principium  magno  deduxit  Äratus 
Carminis^l  at  ncbiSf  genitor,  tu  maximus  auctoTy 

1  So  ist  zu  interpungiren.     Zwar   ist    neuerdings  Breysig  (Berl. 
philo].  Wochenachrift  1896  Cul.  187  f.)  mit  Nachdrack  für  die  von  ihm 
stets  vertbeidigte  andere  Interpunction  eingetreten: 
Ah  love  principium  magno  deduxit  Araiua; 
Carminis  at  nobis,  genitor,  tu  maximus  auctor. 
Aber  seine  Gründe  ecbeinen  mir  nicbt  sticbhaltig.    Freilieb  dagegen  ist 
nichts  zu  sagen,   dass  at  so  an  die   zweite  Stelle  gerückt   wird;    denn 
das  wäre  keineswegs  gegen  den  Sprach  gebrauch  des  Germanicus:    nur 
hatte  Breysig   nicht    auch  v.  619  und  fragm.  4,  134   anführen    sollen. 
Aber  das  beweist  noch  nichts  für  die  von  ihm  vertretene  Interpunction. 
Wenn  er  ferner  meinte,  zu  Phrasen   wie  principium  (initium)  deducere 
[capere,  faceie)  db  aliquo  {ab  aliqua  re)  pflege  kein  Genitiv  hinzugefügt 
zu  werden,  so  kann  eine  Stelle  Ciceros,  auf  die  mich  Gesners  Thesaurus 
geführt  hat,  weuigstens  soviel  zeigen,  dass  dieser  Genitiv  dem  Lateini- 
schen nicht  fremd  ist,  de  lege  agraria  II  7,  17: 

hie  quaero,  quam  ob  causam  initium  legum  ac  verum  auarum 
hinc  duxerintf  ut  populus  Rontanus  suffragio  privaretur. 
Und  wenn  man  etwa  sagen  konnte  ab  love  Carmen  incipere,  so  ist  nicht 
abzusebn,  warum  es  schlechter  sein  solle,  dafür  zu  setzen  ab  love  car' 
minis  principium  deducere.    Auch    das   scheint   nicht   zutreffend,   dass 
Germanicus    zu    auctor  den  Genitiv  carminis  habe  hinzufügen  müssen ; 
ja  wenn  ich  recht  verstehe,  so  wird  die  Rede  durch  diese  Verbindung 
ungeschickter,  als  wenn  Germanicus  sagt:  ab  love  principium  carminis 
deduxit  Aratus;  at  nobis  tu  maximus  auctor   es,    α   quo   nos   carminis 
nostri  principium  deducamus.    Hiermit  wird  das  gewonnen,  was  Breysig 
mit  seiner  Beziehung  von  carminis  minder   passend   gewinnen   wollte, 
Qimlich  etwas,  was  dem  ersten  Gliede  in  Wirklichkeit,  dem  Gedanken 
nach,  entspricht,  und  nicht  bloss  äasserlich.     Und   schliesst    denn  das 
erste  Glied  dämm  weniger  gewichtig»    wenn   wir  nach  carminis  inter- 
pungiren?  beruht  nicbt  das  Gewicht,    das  der  Name  Arats  mit  Recht 
beansprucht,  ebensowohl  auf  seiner  Stellung  am  Schluss  des  Verses,  als 
auf  der  am  Schluss  des  Satzes?  genügt  nicht  das  eine?  und  wird  nicht 
umgekehrt  der  Ton,  der  auf  nobis  fallen  muss,  abgeschwächt,  wenn  es 
an  einer  Stelle  steht,    wo    es  weder  den  Satz  noch  den  Vers  eröffnet? 
wenigstens  steht  sonst   αί,   wo    es  nicht  au  erster  Stelle  steht,    immer 
nur  hinter  dem  Tonwort,  ausser  fragm.  4,  123;  aber   doit  ist  es  bloss 
Vermuthung,    und    zwar   schwerlicb    eine   richtige.     Auch  Cicero    und 
Avien  beweisen  nichts  für  die  Interpunction  nach  Aratus ;  wenn  Cicero 
eagt  α  love  Musarum  primordia,    wovon    dann  wieder  Virgil    abh&ngt 
lecl.  3,  60)  α  love  principium  Musae,  lovis  otnnia  plena,  so  spricht  die 

Hhein.  Uua.  f.  Phllol.  N.  F.  LVIII.  ^ 


1 

\ 


50  ν.  Winterfeld 


Te  veneror,  tun  sacra  feto  doctique  laboris 
Primitieis:  probat  ipse  deum  rectorque  satarqtie. 
Wer  ist  dieser  genitor  ?  Die   nnglüokliche  Yermatbung  des  Rat- 
gersias,   dass  'OermaDicus*   nicht  der  Sohn  des  Drnsas  sei,  son- 
dern Dom  itianns,  darf  seit  Imhof  ^  als  abgetban  gelten,  so  vielen 
Beifall  sie  frtiber  aucb  gefunden    bat.     Um    so    mebr    schwankt 
man  heute  zwischen  Angustus  und  Tiberius,  weil  die  Schilderung 
des  Prooemiums  bei   unbefangener  Prüfung   auf  Augustus    fuhrt, 
während  v.  558  ff.  seinen  Tod  voraussetzen.     Denn   der  genitor, 
dessen  Verdienste  so  gross  sind,  dass  selbst  Zeus  es  ganz  in  der 
Ordnung  finden  muss,    dass    er  selbst  ihm  den  Platz  zu  räumen 
bat,  ist  ein  Frieden sfürst :  was  vermöchten  die  von  Zeus  an  den 
Himmel  gesetzten  Zeichen  den  Menschen  zu  frommen, 
Si  non  partn^  gutes  te  praeside  pupp^>us  aequar 
Oultorigue  daret  terras,  procul  arma  süerent 
Das  passt  nun  ungezwungen  auf  Augustus,  der  dem  Bürgerkrieg 
ein  Ende  gemacht  hat,  dass  ^sein  Geräusch  in  der  Ferne  verhallt 
ist';  nicht  ebenso  auf  Tiberius.     Bfaybaum   freilich    meint,    Ger- 
manien s    habe  den  Tiberius  als  Friedenskaiser    gepriesen    wegen 


Analogie  gerade  für  principium  canninis;  und  ebenso  steht  es  mit 
Aviens  Worten  carminis  incentor  mihi  luppiter:  wenn  auch  anf  beider 
Ausdruck  nicht  allzu  viel  zu  geben  ist,  da  sie  eben  den  von  Germanica !$ 
geschaffenen  Gegensatz  nicht  kennen.  Einiges  Gewicht  lege  ich  auch 
auf  das  Zeugniss  der,  allerdings  jungen,  italienischen  Hss.,  die  so  regel- 
mässig nach  carminis  interpungiren,  dass  man  sieht,  diese  Interpunction 
gehörte  schon  ihrer  Vorlage  an;  und  diese  Vorlage  stammte  aus  Monte 
Cassino,  gab  also  alte  Tradition  wieder,  die  natürlich  für  uns  nicht 
bindend  ist,  aber  doch  genaue  Prüfung  verdient.  Wenn  ich  also  trotz 
aller  von  Breysig  angeführten  Gründe  seiner  Auffassung  nicht  beitrete, 
so  erkenne  ich  doch,  was  er  über  magno  und  maximus  sagt,  im  wesent- 
lichen an:  magno  ist  zunächst  gesetzt  ohne  Rücksicht  darauf,  dass  ein 
maocimiis  folgt;  nur  würde  icli  das  Umgekehrte  nicht  ebenso  zuver- 
sichtlich behaupten,  sondern  würde  den  Superlativ  etwa  so  umschreiben: 
at  fiohis  malus  maior  attctor  est,  α  quo  carminis  principium  deducamus^ 
quam  tu:  wobei  dann  nicht  bloss  Juppiter  abgelehnt  wird,  sondern 
auch  jeder  andre,  ausser  dem  genitor. 

»  T.  Flavius  Domitianus,  Halle  1857,  S.  130  ff. 

3  Hier  ist  parta  quies  te  praeside  allein  bezeugt;  die  deutsche 
Gruppe  der  0-Hss.,  die  tanta  bietet,  vermag  nichts  gegen  die  Ueber- 
einstimmung  der  italienischen  Gruppe  mit  den  Z-Hss.  Wenn  Breyaig 
(Berl.  philol.  Wschr.  1893,  1136)  auf  Verg.  Georg.  II  314  verweist  {si 
non  tanta  quies),  so  zeigt  gerade  diese  Stelle,  woher  dem  Schreiber  von 
Ol  die  falsche  La.  in  die  Fede»•  -"i"^"«-«'^n  ist. 


Die  Aratea  des  Germanicue  51 

der  Beendigung  des  deatechen  KriegeSf   um  nach  seinem  anfäng- 
lichen Widerstreben  seine  Loyalität  in  helles  Licht  zu  setzen  und 
das  Miestrauen  des  Kaisers    zu  beschwichtigen.     Aber  dies  war 
kaum  das  geeignete  Mittel,  da  es  doch  gerade  Germanioas  selber 
gewesen  war,  der  den  Krieg  zu  Ende  geführt  hatte  (soweit  dies 
überhaupt  geschehen  war) ;  wenn  Tiberius  wirklich  so  argwöhnisch 
war,  wie  Tacitus  ihn  schildert,    so    hätte   er  leicht  aus  einer  so 
geformten    Widmung    neuen    Argwohn    schöpfen    können.     Dazu 
weist  die  ganze  ächilderung  mehr  auf  einen  in  alle  Verhältnisse 
des  täglichen  Lebens    eingreifenden  Bürgerkrieg,    als    auf   einen 
Krieg,  der,  so  gefährlich  er  auch  sein  mochte,  doch  nur  auf  der 
äassersten  Peripherie    des    römischen  Machtkreises    spielte;    und 
zwar  wird  es  in  diesem  Zusammenhang  wichtig,  dass  Germanicus 
auch  der  Schifffahrt  gedenkt,    die    wohl    durch  den  Bürgerkrieg, 
aber  nicht  durch  den  deutschen  Krieg  lahm   gelegt  worden  war. 
Ich  bin  also  durchaus  damit  einverstanden,   dass  Maass   die  Be- 
ziehung auf  Tiberius  abweist^:    Augustus    ist  es,    den  das  Pro- 
oeroium  anredet,    das  wird   man  als  gesichert  betrachten   dürfen; 
denn  auch    die    letzten  Verse   des  Prooemiums  enthalten    nichts, 
was  auf  eine  andere  Spur  leitete: 

Nunc  vaecU  audcuns  in  caelum  tollere  vuUus 
Sideraque  et  mundi  varios  cognoscere  mottts^, 
Namta  quid  caveat^  quid  scilus  vitet  arator, 
Quando  rotem  ventis  aut  credaf  semina  terris. 


1  Nar  hätte    es  Maass  nicht  begegnen  sollet),    Maybaums  Worte 
für  Worte   des  Tacitns    zu   nehmen.     Wenn  May  bäum  (de  Cicerone  et 
Germanico  Arati  interpretibus,  Rostock  1889,  S.  28)  schreibt:  'Hie  locus 
lucem  accipit  e  Tac.  Ann.  2,  26:  ergo  anno  XVI  Germanis  oppressis  e 
longo  tempore  pax  imperio  Romanorum  rcddita  est',  so  ist 
er  ganz  im  Recht;    denn    er  will  nur  den  Inhalt  angeben.     Bei  Maass 
(deOermanici  prooemio,  Greifswald  1893,  S.  VIII)  wird  aber  daraus:  'ne- 
que  adiuvat  Tacitus  Ann.  II  26:  ergo  aiino  XVI  Germanis  oppressü  e 
longo  tempore  pax  imperio  Romanorum   reddita  esf;   obwohl   doch   in 
einem  Citat  aus  Tacitus  nicht  gut  von  dem  Jahre  16  n.  Chr.  die  Rede 
sein  kann,  und  das  sechzehnte  Jahr  des  deutschen  Krieges  zu  yerstehn 
auch  nicht  wohl  anging. 

^  Die  feine  Wendung,  dass  man  jetzt  endlich  wieder  den  Blick, 
den  man  vorher  muthlos  niederschlagen  musste,  frei  gen  Himmel  er- 
heben darf,  hat  sich  Avien  zu  Nutze  genta  cht,  ihr  aber  eine  besondere 
Beziehung  gegeben,  indem  er  das  astronomische  Gedicht  den  früher 
verfassten  geographischen  gegenüberstellt:  darüber  im  Pliilologus 
LVIII  281. 


52  ν.  Winterfeld 

Haec  ego  dum  Latus  conor^  priicdieere  Muttis, 
Fax  tua  tuque  adsis  nato  numenque  secundes. 
Hätten  wir  von  dem  Gedicht  des  Germanicne  nur  dieses 
Prooemium,  so  wäre  gewiss  niemals  ein  Zweifel  daran  auf- 
getaucht, dass  das  Gedicht  dem  Angastue  gewidmet  war  und 
zwar  dem  lebenden  Augustus,  nicht  dem  todten.  Denn  numeti 
V.  16  beweist  nichts,  da  Augustus  ja  bei  Lebzeiten  göttlicher 
Ehren  genoss  und  zß.  Horaz  ihn  ganz  ähnlich  feiert^. 

Aber  wie  reimt  sich  dazu  die  spätere  Stelle,  τ•  558  ff.,  wo 
es  bei  Erwähnung  des  Steinbockes  im  Thierkreis  heisst: 
Hic,  Äuffuste,  tuum  genitcUi  corpore  numen 
Attonitas  inter  gentes  patricsuique  paveniem 
In  caelum  tulit  et  malernis  reddidit  astris. 
Ich  mag  die  Zeugnisse   des  Manilius  (II  507)  und   Sueton  (Aug. 
c.  94)  über   den  Steinbock  als  das  Geburtsgestirn  des  Augustus 
nicht  ausschreiben;  soviel  ist,  wenn  man  das  Perfectum   reddidit 
und  den  bangen  Schauer  der  Welt  (v.  559)  richtig  versteht,  ge- 
wiss, dass  diese  Verse  sich  auf  des  Kaisers  Tod  beziehen•    Das 
ist  eben  der  Grund  gewesen,  weshalb  man  geglaubt  hat,  die  ein- 
fache   natürliche  Deutung   des  Prooemiums  aufgeben  zu  müssen. 
Für  den  freilich,   der  den  Thierkreis   als  Interpolation  aus- 
scheidet,   besteht   diese  Schwierigkeit   nicht ;    er    wird   mit   dem 
Thierkreis    auch  die  Verse  558  ff.  los.     Ich  fasse  die  bekannten 
Thatsachen,    woran    das    Urtheil    hängt,    kurz    zusammen.     Die 
Reihenfolge  der  Thierkreisbilder   beginnt  bei  Arat,   entsprechend 

^  Breyaig  wollte  cogor  (0)  durch  eine  Beobachtung  Vahlens 
stützen  (Sitzungeberichte  der  Berliner  Akademie  1882  S.  277);  und 
Vahlen  hat  allerdings  bewiesen,  was  er  beweisen  wollte,  dass  eogere 
an  Stellen  wie  Hör.  ep.  I  0,  2  cum  rogat  et  prece  cogit  oder  Π  I,  220 
speramus  eo  rem  venturam,  utj  simulatque  carmina  rescieris  nosfingere^ 
conimodus  ultra  areessas  et  (gcre  vetes  et  scribere  cogas,  dass  es  an 
solchen  Stellen  nicht  'zwingen'  bedeutet.  Aber  diese  Stellen  wie  die 
übrigen  von  Vahlen  besprochenen  zeigen  das  Activum  und  persön- 
liches Subject;  ein  cogor  'ich  fühle  mich  gedrungen*  wird  dadurch 
nicht  gestützt.  Die  Verderbniss  von  conor  zu  cogor  in  den  besseren 
Hss.  beruht  nicht  auf  der  Verwechselung  ähnlich  aussehender  Buch- 
staben, sondern  auf  einem  psychologischen  Vorgang. 

^  Garn).  IV  bfS3:  te  multa  prece,  te  prosequitur  mero  defueo  pa- 
teris^  et  larüms  tuum  miscet  numetit  uti  Graecia  Castoris  et  magni  memor 
Herculis.  Uebrigens  glaub  ich  es  Maass  nicht,  dass  numen  Vooativ  sein 
soll;  es  ist  nur  praedicativ  zu  fassen:  ich  stimme  hierin  durchaus 
Hreysig  bei  (Berl.  philol.  Wschr.  1893,   1135). 


Die  Aratea  des  GeriDanicas  53 

den    demnächst    zn    entwickelnden    συνανατολαΐ    und    συγκατα- 
5υ(Τ€ΐς,    mit  dem  Krebs.     Bei  Grermanicne  dagegen  iet  zwar  der 
Anfangspunkt    für   die  Darlegung   der  Auf-  und  Untergänge  der 
gleiche ;  dagegen  beginnt  er  die  Aufzählung  der  Thierkreisbilder 
mit  dem  Widder.     Das  ist  ungereimt,   und  zuletzt  von  Breysig^ 
gut    zurückgewiesen  worden :    er    konnte    mit   jedem    beliebigen 
Sternbild    anfangen,    nur    musste   es  beidemal  dasselbe  sein.     In 
den  Prognosticis    indessen    legt    Germanicus,    doch    wohl    seiner 
griechischen  Quelle  folgend,  die  mit  dem  Krebs  beginnende  Reihe 
zu  Grunde.     Daraus  zieht   man    mit    vollem  Recht    den  Schluss, 
daes    der  Anfangspunct   in    der  Aufzählung    der  Thierkreisbilder 
in  den  Phaenomenis  durch  die  Rücksicht  auf  die  Prognostica  be- 
stimmt ist.     Soweit  stimm    ich    mit    der  Mehrzahl    der  Kritiker 
durchaus  überein  ;  das  ist  ein  Umstand,  der  eine  einwandfreie  Er- 
klärung verlangt  —  die  Maybaum  und  Maass  nicht  gegeben  haben. 
Wenn    man  dann  aber  die  Verse  einfach  wegstreicht  und  in  die 
Prognostica  verweist,  so  ist  das  Willkür;  das  heiest  den  Knoten 
nicht  auflösen,  sondern  zerhauen.     Und  man  ist  dabei  von  einer 
falschen  Voraussetzung   ausgegangen.     Orelli,   an    den  Frey    an- 
knüpft, hatte  angemerkt,  dass  in  der  alten  Basler  Es.  die  sechs 
Verse  526 — 581  von  zweiter,  aber  alter  Hand,  mit  kleiner  Schrift, 
je  zwei  in  einer  Zeile,  geschrieben  seien.     Zum  Unglück  mussten 
dann  noch  Anklänge  an  andre  Germanicusverse  aus  den  Phaeno- 
menis   und  Prognosticis  hinzukommen;    und    das  Verdammungs- 
nrtheil  wurde  gefällt.     Ich  meine  nun  zwar,  die  Anklänge  hatte 
man    gerade    als   Anzeichen    der    Echtheit    ansehen    sollen ;    das 
Hauptgewicht  aber  ist  auf  die  Verwerthbarkeit  des  paläographi- 
echen  Indiciums  zu  legen,  das  doch  Orellis  Argwohn  erst  geweckt 
haben    wird.     Da    ist    nun    längst  durch  M.  Hertz    und  Breysig 
festgestellt,  dass  die  sechs  Verse  von  erster  Hand  herrühren,  was 
ich  aus  Autopsie  bestätigen  kann;  und  Breysig  merktauch  richtig 
an,  dass  nach  v.  531   der  Rest  der  Seite  leer  geblieben  ist.    Da- 
mit ist  denn  aber,    was  freilich  Niemand  gesehn  hat^,    alles  er- 
klärt: es  fehlt  ein  Bild,  für  das  leerer  Raum  gelassen  ist^;  nur, 


Ϊ  Berl.  philol.  Wechr.  1893,  1133  f. 

^  Auch  Thiele  hat  nicht  widersprochen  (antike  Himmelsbilder 
Ϊ5.  143). 

^  Dazu  stimmt  es,  dass  v.  532-'534  in  der  O-Classe  fehlen,  wie 
immer  die  ersten  drei  Verse  nach  einem  Bilde.  Zu  v.  533  will  ich  aus 
meiner  Collation  erwähnen,  dass  in  der  Einsiedler  He.  heUen  (mit  Ma- 


\ 


54  ν.  Winterfeld 


nm  am  Sohluse  der  Seite,  wo  der  Ranm  knapp  ist,  ein  paar  Zeilen 
zn  sparen,  hat  man  die  letzten  voranfgebenden  Veree  zusammen- 
gedrängt. 

Da  also  die  ursprüngliche  Voraussetzung  der  Athetesen  ent- 
fällt, muss  der  ganze  Proeees  revidirt  werden.  Gegen  v.  526 — 
530  ist  nichts  einzuwenden :  die  einzige  wirkliche  Dunkelheit  ist 
durob  Interpunction  zu  beseitigen  ;  es  muss  beissen: 

spcUii  tantumque  tenehit 
üna  sui  lateris,  quantum  α  teUurt  recedit. 
Alles    andre  ist  der  Schwierigkeit    zuzusobreiben,    geometrische 
Fragen  in  lateinische  Verse  zu  zwängen. 

Dagegen  sind  v.  565 — 567  unbedingt  zu  verwerfen.  Sie 
enthalten  eine  gänzlich  unmotivirte  Wiederholung,  fallen  aus  der 
Construction  und  bieten  den  für  Oermanicus  unmöglicben,  aber 
richtig  überlieferten  Versscbluss  posteä  Cartcri,  Diese  drei  Verse 
hat  man  zugesetzt;  der  Abscbluss  des  Thierkreises  (tunc  iterum 
praedictus  nascUur  ordo)  reizte  einen  Epigonen,  der  die  Mode  der 
Versus  memoriales^  mitmachte,  die  Thierkreisbilder  in  wenige 
Verse  zusammenzufassen.  Diese  Interpolation  ist  ohne  weiteres 
zuzugeben;  wer  sie  leugnen  wollte,  würde  seine  Vertbeidigung 
des  Restes  um  jeden  Credit  bringen. 

Ganz  anders  steht  es  mit  dem  Haupttheil,  v.  531—564. 
Diese  Verse  sind,  wie  auch  fast  allerseits  anerkannt  wiid,  von 
keinem  andren  als  Germanicus  selber.  Nur  das  eine  bedarf  der 
Aufklärung,  wie  diese  unzweifelhaft  mit  Rücksicht  auf  die  An- 
ordnung der  Prognostica  gedichteten  Verse  an  diese  Stelle  ge- 
ratben  sind.  Wer  sie  hier  streicht  und  in  die  Prognostica  ver 
setzt,  sollte  doch  wenigstens  zugeben,  dass  hier  ein  anders  ge- 
ordneter, mit  dem  Krebs  beginnender  Thierkreis  durch  sie  ver- 
drängt worden  ist;  aber  um  diese  Frage  drückt  man  sieb  herum. 
Dadurch  würde  allerdings  die  Hypothese  immer  verwickelter. 
Sollte  der,  der  die  Phaenomena  aus  den  Prognostticis  interpolirt 
haben  soll,  den  ersten  Thierkreis  noch  vorgefunden  haben?  Dann 
müsste  er  ein  Thor  gewesen  sein,  wenn  er  ohne  Noth  eine  so 
widerstrebende  Ordnung  hergestellt  hätte.  Oder  waren  die  ur- 
sprünglichen Verse  verloren  gegangen?  Das  wäre  ein  rätbsel- 
hafter  Zufall;  es  müsste  gerade  ein  Blatt  gewesen  sein,  und  der 


juskel -»)  in  heuern  geändert  ist;  die  richtige  Form  ist  also  auch  durch 
den  l)eeten  Zeugen  beglaubigt. 

'  Kiese,  .\nthologia  latina  I  2  p.  373. 


Die  Aratea  des  Germanicas  55 

Interpolator  müeste  eine  ganz  ungrewöhnliche  Anfmerkeamkeit  be- 
wiesen, wohl  gar  den  Aratne  oder  die  alte  lateinieche  üeber- 
setzung  herangezogen  haben.  Eines  wäre  so  ahenteuerlich  wie 
das  andre. 

Die  Wahrheit  ist  einfach.  Wir  wissen  durch  G-ermanicus 
selbst,  daes  er  zunächst  (bei  Angnstus^  Lebzeiten)  nnr  die  Phae- 
nomena  sohrieb,  ungewiss,  ob  es  ihm  vergönnt  sein  würde,  auch 
die  Prognostica  (nach  einer  andern  Quelle)  zu  bearbeiten.  Später, 
nach  des  Kaisers  Tode,  hat  er  diesen  Entschluss  ausgeführt; 
daraus  stammen  die  bekannten  Fragmente.  Und  zwar  hat  er, 
schliesse  ich  aus  dem  bisher  vorgelegten  Material,  die  Prognostica 
nicht  als  einzelnes  Werk  veröffentlicht,  sondern  einer  neuen  Aus- 
gabe der  Phaenomena  angeschlossen  ^.  Das  Prooemium,  womit  er 
einst  den  lebenden  Augustus  begrüsst  hatte,  Hess  er  stehn,  wie 
auch  wir  wohl  bei  einer  neuen  Ausgabe  das  Widmungeschreiben 
der  ersten  stehn  lassen,  mag  auch  der  Adressat  inzwischen  ver- 
storben sein.  Den  Thierkreis  arbeitete  er  um.  Er  hätte  die 
Prognostica  mit  einem  neuen  zweiten,  ihre  Ordnung  befolgenden 
Thierkreis  ausstatten  können  ;  indes,  da  beides  jetzt  nur  Theile 
desselben  grösseren  Werkes  waren,  reichte  er  auch  mit  einem 
aus.  Aber  er  richtete  ihn  nunmehr  auf  die  Prognostica  ein,  weil 
er  in  ihnen  oft,  in  den  Phaenomenis  nur  einmal,  den  ganzen 
Thierkreis  durchzugehn  hatte.  Und  bei  dieser  Umarbeitung  er- 
hielt denn  auch  der  inzwischen  gestorbene  Augustus  noch  einmal 
die  gebührende  Huldigung. 

Berlin.  Paul  v.  W  int  er  f  cid. 


^  Aehnlich,  aber  aus  anderen  Gründen  und  mit  anderer  Auf- 
fassung der  beiden  kritischen  Stelleu,  auch  Maass  (de  Germanioi  pro• 
oemio,  S.  XI). 


χί 


BRUCHSTÜECKE  EINER  NEUEN 
HIPPOKRATESVITA 


In  einer  Brüsseler  Handscbrift  dee  Theodorne  Priecianus 
(Nr.  1342—1350)1  ist  fol.  52^—53'  unter  dem  Titel  Yppocraiis 
genus,  vita,  dogma  ein  merkwürdiges  Brachstück  erbalten,  das 
mancherlei  bisher  unbekannte  Nachrichten  enthält ;  nur  ein  Theil 
davon,  das  Schriftenverzeichnies,  das  sonderbarerweise  in  der- 
selben Handschrift  und  von  derselben  Hand  noch  an  einer  andern 
Stelle  (fol.  3')  steht,  ist  bereite  von  Daremberg*  veröffentlicht. 
Der  Text  ist  in  einem  Zustande  von  Verwahrlosung,  der  an  die 
römischen  Feldmesser  erinnert,  und  wenn  auch  im  letzten  Abschnitt 
die  lateinische  Doppelüberlieferung,  in  anderen  Partieen  die  grie- 
chische Parallel tradition  nicht  selten  das  bei  den  Gromatikern 
fehlende  Correctiv  bieten,  so  ist  es  mir  doch  häufig  nicht  mög- 
lich, die  Hand  des  letzten  Redactors  herzustellen.  Es  empfiehlt 
sich  deshalb,  das  Stück  aus  der  Handschrift  selbst  abzudrucken 
und  mit  einer  Auswahl  von  Zeugnissen  zu  begleiten,  um  die 
zu  Grunde  liegende   gelehrte  Tradition    verständlich   zu    machen. 

Yppooratis  genus,  vita,  dogma. 

Yppoorates    fuit    genere  Cous  a  £raclide   filius  ex  Finerata 

ortus  ab  Asclepia  stirpe.     Asclepio    enim    ex    Fpionab   Hercnlie 

filia  duo    sunt    creati   successus,    Podalirius  et  Macaon.     quorura 

5  Macaon,    ut  plurimi  tradunt,    Troiae  excidio  vitam    finiuit    nnlU 

2  υΙός  Ήρακλ€(6α  καΐ  Φαιναρέτης  Ps.  Soranus  vita  Uippocr.  44^ 
Weetermann        3  Epionab]  lies  Epiona 

1  Vgl.  Roses  Ausgfabe  p.  IV. 

*  lanue  II  (1847)  S.  475  =  Aureliue  de  acutiR  paesionibus  p.  Π 
Dbg.  Vgl.  desselben  Bapport  8ur  une  miasion  tnidico-littSraire  en  AV^• 
tnagne  (Paris  1845)  p.  31. 


Brnchstücke  einer  neuen  Hippokrateavita  57 

eubole  derelicta,  Podaliriue  nero  Sime  coneietene  Rodi  defecit,  nt 
Antimachns  memorat  in  Thenito,  filietactne  daog,  Rodonem  et  Ip- 
polochon,  ex  Ifiana  eanca  flegontie  iilia.  Ippolocho  creatur  Ap- 
pollonine,  8oetratiie;  hnio  Dardanne  et  Cimno;  Dardano  Ablaniae 
et  Crieamis;  Crieamidi  adagibnas,  qni  uenerunt  drieam.  lo 

Item  Teesalne  de  Yppocratie  libri  honoribue  corrigene  ApoN 
lodori  diota  aliie  aliieque  αβαβ  est  demonetrationibne. 

Filios  reliqnit  Yppocratee  dnoe  ex  Ablauia  axore  eua,  Tbes- 
ealom  et  Dragonern. 

Diecipnloe  babnit  plurimos  quippe  veluti  primae  medicinae  15 
conecriptor.  Quorum  nobiles  atque  digne  glorioeoe  Dragonern  et 
Theesalum  euoe  filioe  imbuit  prndentia  medicinae;  item  Polibium 
etFilionem,  Dexippum,  Apollonium,  Praxagorem  eeniorem ;  item 
C008  multoe  Coomm  domestiooe  ac  plarimum  euoR,  Archipolim, 
Timbreum,  TnmuHüum,  Menalum,  Sienneeium,  Poliarcbonem  et  20 
Bonnm. 

Traditur  autem  ceteris  corporibus  Yppocratem  fuieee  mi- 
norem, capite  tarnen  delicato ;  aiunt  denique  ob  boc  velato  eemper 
inceesiese  capite;  eio  etiam  plurimas  eins  imaginee  inveniri  de- 
pictaa.  Alü  dicnnt,  quod  caput  in  nobis  eenserit  eese  omnium  ae 
partium  principale  et  boc  ostentauerit  demonetrana.  Alü  dicnnt, 
quod  ob  cbirurgpae  officium   accelerandum,    nt    inpedimento  aub- 

6  Sime]  wobl  Sirnae ;  vgl.  Tbeopomp  fr.  111:  έκ  Σύρνου  oi  πρώτοι 
άφ(κοντο  απόγονοι  ΤΤο&αλ€ΐρ(ου  und  Stepb.  ßyz.  s.  ν.  Σύρνα  7  Aiiti- 
machna]  wohl  der  Kolophonier  7  filistRctus]  wohl  fUios  tiactus  iS 
lies:  ex  Ifianassa  UcaUgoniis  filia-,  vgl.  Γ  148  9  Cimno]  etwaKυwώ? 
11  vor  Item  T^hyessaltis  grosse  Lücke;  Theaealus  ist  nicht  der  Me- 
thodiker (Sprengel  II'  42)  11  Apollodori]  fr.  48  Jaoobi  12  viel). 
tabtdis  cdiisque  13  παΐδας  bi  κατέλιπε    θανών   6ύο,    θεσοαλόν    καΐ 

Δράκοντα  Ρβ.  Soranus  452  W.  17  Πόλυβος  zuerst  Aristoteles  &12b  21 
18  Dexippofl  und  Apollonios  nannte  Erasistratue  als  Schüler  des  Hippo- 
krate«:  Galen  XV  703  Kühn  18  Praxagorem]  dass  es  mehrere  Aerzte 
des  Namens  Praxagoras  gegeben   bat,    ist    eine  neue  Nachricht  19 

'Αρχέπολ(ις)  koische  Münze  92  (Paton»  Inscr.  of  Cos^  20  Timbreum]  gc> 
meint  ist  θυμβραίος;  Suid.  Ίπποκράται  6uo»  πέμπτος  καΐ  ^κτος,  (ατρο{, 
θυμβρα{ου  παίδες,  Κφοι  καΐ  αυτοί,  τοΟ  γένους  τοΟ  αΟτοΟ.  20  Tu- 
Tnulicnm]  etwaTιμόλυκoς?  Koische  Münze  23  Paton  20  Siennesiuin] 
Συένν€σις  ό  Κύπριος;  seine  Beschreibunir  des  Adersystems  Aristoteles 
bist,  anioi.  ΠΙ  2  20  Poliarcbonem]  vgl.  ΤΤολύαρχος  koische  Münzen  37. 
:i8,  64  23  ff.  Vgl.  Ps.  Soranus  p.  451,  59  ff.  ol  hi  bi  ίμφασιν  τοΟ 
bctv  τό  Toö  ηγεμονικού  χωρίον  φρουρβΐν,  ,  .  .  τινές  δ*  6τι  χειρ{2Ιων  προς 
τό  Tuiv  xcipuiv  άπαραπόδιστον  συμπ€ριλαμβάνων  τό  τοΟ  Ιματίου  περί• 
κεχυμένον  έπετίθ£ΐ  τή  κεφ'^* 


58 


Schöne 


moto  facilioR  manue  operentur,    compraehendens   vestium  Ruromi- 

tatem,  hoc  eet  manicae,  quadam    invereione    conducene  caput  im- 

30  ponenda  oetenderem.     Seneotutem  antem   superatue    et    nt    aiunt 

anno  centesimo  quarto  aitam  finiait.     Apad  Larismum  Theeealiae 

oiuitatie  ris  eepnltus  inter  Uirtonem  Lariamam  propter  raemoriae 

cultum.     Scripeit,  ut  multi  memorant,  libroe  LXX  et  II. 

f.  52^  f.  3«^ 

hos  ordinauitin  Atheni8,poBt-  qnod  Yppocratee  locntns  est 


35  quam  reuereue  est  a  Media  de 
Batchana  civitate  ab  Arfaxath 
rege  Medoram. 

Eodem  tempore  accepit  Sep- 
tem libros  de  Memfie  civitate 
40  a  PoHbio,  filio  ApoUonii,  qnoe 
eecum  inde  portanit  et  ex  hie 
librie  snie  canonem  medicinae 
recte  ordinanit. 

quia  in  suis  librie  primue  est 
46  Über  iuramenti,  quem  grece  or- 
con  appellamne 

eed  ex  iuramento   scripeit  in 
secundie,  ut  multi  memorant,  li- 
broe IUI 
60      de  articulie  nnum 
de  fracturis  unnm 
et  pronoeticnm 
et  unum  regulärem 
eed    Ischomarcue    Bitinieneie 


in  Athenis,  poetqnam  renersas 
est  a  Medie  de  Bacthanan  civi- 
tate ab  Arfaxad  rege  Medomm. 

£o  autem  tempore  accepit  VII 
libroe  de  Memfi  civitate  a  Po- 
libio,  iilio  Apollonii,  quoe  eecum 
inde  in  Choum  portauit  et  ex 
hie  librie  canonem  medieiDae 
recte  ordinanit. 

ab  hoc  primnm  inuentum  est 
iuramentum  Ypooratis,  qaod 
grece  orchon  appellamne 

poRt  iuramentum  ecripeit  in 
secundie,  ut  multi  memorant,  li- 
bros IUI 

de  articulie 

et  de  fracturie 

poet  hoc  prognoeticum 

exinde  regulärem 

eed  ut  ComarcQS  Bithinieneis 


29  vielleicht   capiti   imponendam    oatenderit  82  Ps.  Soranue 

451  W.:  τέθαπται  bi  μεταδύ  ΓυρτΦνος  καΐ  Λαρ(σσης  καΐ  ^είκνυται  αχρ» 
beOpo  τό  μνήμα  33  Anders  Tzetzes  Chil.  VII  hist.  155:  £τραψ€  hi 
βιβλ(α  τρία  τ€  καΐ  ΐΓ€ντήχοντα  36  gemeint  ist  wohl  Ecbatana.  'Ar• 
phaxad,  welcher  über  die  Meder  in  Ekbatana  herrschte*,  wird  im  Ein- 
gang des  Buches  Judith  erwähnt;  vgl.  Sulpicias  Severns  chron.  II  14—1'^ 
45  όρκος  IV  (i28-i»33  Littre  50  π.  Αρθρων  IV  78-327  L.  51  π. 
άγμών  III  412-53ί>  L.  52  προγνωστικόν  II  110—191  L.  53  lihri 
regularesy  quos  diaeteticos  voeant  Caelius  Aurclianus  chron.  2,  12,  145. 
Hier  und  im  Folgenden  ist  der  Anhang  zu  περί  διαίτης  οξέων  gemeint, 
dessen  34.  Cap.  derselbe  acut.  2,  29,  154  als  Über  regularis  citirt  (I 
14β  ff.  Kühlewein).  54  Ίσχόμαχος  Erotian  19,  7;  79,  15  Klein;  der- 
selbe Name  ist  herzustellen  Ps.  Soran  449,9:  Ίστόμαχος  έν  τφ  ο 
περί   τής   Ιπποκράτους   αίρέσεως   (Keil,  Ζ.  f.  Α.  W.  52,  2ί;5)  und   m 


Braohstücke  einer  neuen  Hippokratesvita 


59 


afiirmat  ab  eo  perecriptam  re- 
gulärem Heraolidee  fiffeeins  ad- 
iecit 

pORt  banc  aliuf*  ab  eo  con- 
ficriptus  pex,  quoe  appellanit 
epimidion 

post  kos  etationalem,  quem 
catdiatfioD  »ppellanit 

exiode  •ίθΓίβπιθΒ 

post  bnncy 


po8t  bunc  antem  de  aquie 
onum 

et  de  locorum  poeitione  uoum 

exinde  proretioum  eeu,  ut  La- 
tini,  praedictorium  anam 

et  alinm  de  praecidendo 

et  de  inflationibus  nnum,  quem 
perifieon  appellanit 

becticolum  quem  oobicon  np- 
pellauit 

et  de  locie 


et  de  finibus  nnnm 
poet   bnnc  de  uloeribne  et  te- 
lorum  detractionibue  onnm 


affirinat   ab    eo  perecriptam  re-  56 
galarem    Eraolides  Efeeiue    ad- 
iecit 

poet  bunc  alios  babot  con- 
Rcriptoe,  quoe  appellanit  epidi- 
mion  eo 

poet  hoe  rationalem,  quem 
cbatha  iatrion  appellanit 

exinde  aforiemoe 

Acciue  autem  Erofili  sectator 
ie  commorat  poet  aforiemoe  dein-  es 
fantie  natura  fecinee  Tpocratem 

poet  bunc  de  aqnie 

et  de  locie 

exinde  proreticnm  eine,  nt  La-  70 
tine,  praedictorium 

itemqne  de  praecidendo 

exinde  de  inflationibue,  qnem 
perieifon  appellanit 

item  picticnlnm  quem  mucli-  75 
con  appellanit 

item  de  aqnie  et  aere  quem 
greoe  pergeron  kaeidaton  appel- 
lanit 

et  alinm  de  finibne  80 

poet  bunc  de  ulceribue  et  te- 
lornm  detractationibne 


Aerztekatalog  dea  Lanr.  lat.  73,  1  (Hermes  *%,  370) :  SoomachuB  Bitinius 
(wo  Wellmann  nicht  richtig  Gallimachua  in  den  Text  gesetzt  hat;  vgl. 
382)  08  Έπιδημηϊ^  I— VI  (t.  II  u.  V  Littr^)  61  κατ»  Ιητρ€ΐον  III 
271— 327  L.        63  αφορισμοί  IV  458-608  L.         64  poat  huno  Y(ppO' 

crates )?         64  Accius]   BaccitM  (so  Daremberg)  .  .  .   Erofili 

sectator  memorat.;  *  vgl.  Galen  XVIII  Α  187'  (Ilberg).  irepl  φύσιος 
παι6(ου  VI!  486—543  L.  67  π.  υδάτων  (=  περί  ύγρΦν  χρήσιος,  ν^\. 
Littre  Ι  ρ.  151.  871)  VI  119-137  L.  69  περί  τόπων  τών  κατά  fiv- 
θρωπον  VI 276—349  L.  70  προρρητικόν  Ι  t.  V  51Ö-573  L.  72  wahr- 
scheiolich  προρρητικόν  II  t.  IX  1  —  75  L.  78  π.  φυσών  VI  91 — 115 
^.  74  veoticulua  =  μοχλικός  IV  340-395  L.  77  π.  d^purv  υδάτων 
τόπων  J Ι  12— 93L. ;  *β  π.  τόπων  καΐ  υϋρών  (als  δρων  miasveratanden) 
bei  Erotian  (Hipp.  Gl.  d.  Erot.  126);  c.  10  ff,  Kühlew.  =  de  finibtis; 
vgl.  Philologus  N.  F.  Vi  ^^'    *"*  HJ   Die  verlorene  Schrift  περί 


60 


Schöne 


item  de  morbis  duoe 
poet  hoe  de  partu  unom 
85      et  unum  id  est  teteticam 
Post    hunc   de  nulneribus  et 
capite  uel  nlceribue 
item  de  emorroide 
poet  bnnc  de  iietulie 
90      et  de  medicaminibue 

eequentem    de    carnosis    uul- 
neribus 

et  duoe  de  genecia,  id  est  mo- 
lieribas 
ti5      de  eucis  corporum,  quem  ap• 
pellauit  periquimon 

et     de     floribuB     feminarum. 

qiiOB  appellanit  peri  ron  gynecon 

itemdefleptimanarnm  numero, 

100  quem  appellauit  peri  ebdomadon 

item  de  partu  octo  meneinm, 

quem  appellauit  peri  octomeneon 

et    de    etatu    ac   legitimis  in 

paseionibue  diebus,  id  est  creticis 

106      item    de     ueteris     medicinae 

mandatie  unum 

et  de  ydropicis  unum 
de  cephalargia  unum 
de  podagricis  unum 
110      benei  unum 

drototis  id  est  neruis  uel 


item  duoe  de  morbie 
poet  hos  de  partu  unum 
et  unum  id  est  de  et  tetiouni 
poet   bunc   de    uulneribus  et 

capite  uel  ulceribne 
item  de  emorroide 
poet  huno  de  fietnlie 
et  de  medicaminibue 
eequentem    de    carnoeie   uul- 

neribue 

et  duoe  de  genecia,  id  est  mu- 

lieribue 

de  encie  corporum,  quem  ap- 
pellauit periquimon 

et    de    fluoribue    feminaram, 

quoe  appellauit  peri  i*on  gynecon 
item  de  eeptimanarum  nnmero, 

quem  appellauit  peri  ebdomadon 
item  de  partu  octo  mensium, 

quem  appellauit  peri  octomeneon 
et  de   etatu    ac    legitimis   in 

paeeionibus  diebus,  id  eet  creticis 
item     de     veterie    medicinae 

mandatie  unum 

et  de  ydropicie  unum 
de  cepbalargia  unum 
de  podagricie  unum 
benei  unum 
drototie  id  eet  neruie  uel 


τρωμάτοίν  ολ€θρ(ων  und  περί  ββλΦν  ^εαιρέσ€ως;  vgl.  Ilbcrg,  Hipp 
Glossar  des   Erotianos  S.  136  ff.  S3  πβρί  νούσαιν  αβ   Erolian;   vgl. 

Ilberg    aaO.   138  ff.  85  vielleicht    et   unum    dieteticum    [π.   διαίτης 

ύτ!€ΐνής  VI  7•2~87  L.?]  86  π.  tüjv  έν  κ€φαλή  τρωμάτιυν  III  1^2 - 
261  L.         88  TT.  αιμορροΐδων  VI  436-445  Τ..  89  π.  συρίγγων  VI 

448—461  L•.  90  ττ.  φαρμάκων:  vgl.  Ilberg,  Proleg.  ad  Hipp.I  ρ.  ΧΧ^ί 
91  carnosis]  wohl  carcinosis  93  γυναικίίων  αβ  VIII  10 — 407  L.  ^«^ 
TT.  χυμών  V  476—503  L.  97  πβρί  ^Oiv  γυναικών  verloren  99  ff* 
εβδομάδων  VIII  634—673   und    IX  433-466  Γ.  (lat.)  101   π.  οκτα- 

μήνου VII  459-461  L.  103  statu]  statis;  π.  κρισίμων  IX  296-'ίθ: 
L.  105  π.  άρχαίης  Ιητρικής  Ι  570  -  637  L.  107  ττ.  ύδρωπικών  ver- 
loren 108  π€ρΙ  κ€φολαργ(ας  verloren  109  π€ρΙ  ιτοδαγρικών  ver- 
loren        110  111  benei  unum  drototis]  herzustellen  ist:   de  neurotfoi^' 


Brnchstücke  einer  neuen  Ilippokrateevita 


61 


muecnlie  inoisie  anam 

et  de  epilemeia  nnnm 

et  de  semine  unum 

et  de  eimilitadinibus  nnam 

et  de  iotericie  nnnm 

et  de  geminie  nnam 

et  de  ermafroditis  unum 

de  etomatiois  nnum 

de  epaticis  nnnm 


masculis  incieie  nnam 

et  de  epilempsia   unum 

et  de  semine  unum 

et  de  similitudinibus  unum     iis 

et  de  icteriois  unum 

et  de  geminie  unum 

et  de  ermafroditis  unum 

de  stomaticis  unum 

de  epaticis  unum  lao 


(im  Archetypus  stand  wohl  benei  I);  vgl.  Galen  XIII  564  ff.,  der  jedoch 
dieses  Buch  nicht  erwähnt  113  wahrscheinlich  π.  ΐ€ρής  νούσου  Λ^Ι 

θδ2-397  L.  114  π.  γονής  VII  470-485  L.  115  π€ρΙ  ομοιοτή- 
των (?)  verloren  116  πβρί  (κτ€ρικιΰν  verloren  117  π€ρΙ  οιδύμων 
verloren;  aus  diesem  Buch  stammt  vielleicht,  was  Cic.  de  fato  fr.  4  an- 
führte 118  π€ρΙ  έρμαφροΜτων  verloren  119  stomaticis]  stomachkis. 
ircpl  στομαχικών  verloren         120  π€ρΙ  ηπατικών  verloren. 

Der  Tractat  soll  nach  der  üeberschrift  in  drei  Theile :  genus, 
vita,  dogma  zerfallen.  In  der  That  steht  Z,  1 — 10  der  Anfang 
einer  Genealogie,  11 — 32  ein  Theil  einer  Biographie;  in  dem 
vor  Z.  11  fehlenden  Abschnitt,  der  in  der  Vorlage  vermuthlich 
ein  ganzes  Blatt  gefüllt  hat  und  mit  diesem  ausgefallen  ist,  muss 
der  Schluss  der  Genealogie  und  der  Anfang  der  Lebensbeschrei- 
bung gestanden  haben.  Ob  das  Schriftenverzeichniss  zur  Vita 
gehört  und  der  dritte  Abschnitt,  mit  einer  Darlegung  der  άρέ- 
(Τκοντα,  verloren  gegangen  ist,  oder  ob  der  erhaltene  Sohriften- 
katalog  (Z.  44  ff.)  im  Titel  mit  dogma  bezeichnet  ist,  läset  sich 
nicht  sicher  ausmachen;  doch  ist  die  erstere  Annahme  wahr- 
Bcheinlicher. 

Der  Stammbaum  des  Askiepiadengeschlechts  in  Kos  lasst 
sich  nach  den  bisher  bekannten  Nachrichten  folgendermassen  ver- 
anschaulichen. 


62  Schöne 

Ζ€ύς 

Ι 

Άπόλλαιν 

Ι 
'Ασκληπιός 

.^--^     Ι         \ 

ΤΤο6αλε(ριος  Ι      Μαχάων      Αίνειος  Π 
Ι  . 
Ίππόλοχος  Ι 


Σώστρατος  Ι 

Ι 
Δάρ^ανος 

ι 

Κρ(σομις  Ι 

Ι 
Κλ€ομυττ((&ας  Ι 

Ι 
θ€0&(υρος  Ι 

Ι 
Σιϋοτρατος  II 

Ι 
Κρ{σαμις  Π 

Ι 
Κλβομυττάδας  II 

Ι 
θ€06<υρος  II 

Ι 

Σώστρατος  III 

Ι 
Νέβρος 

Γνωσίδικος*    Χρυσός  . 

Ιπποκράτης  Ι    ΤΤοδαλείριος  II    Αίνειος  II    Έλαφος 

Ήρακλε(&ας      *Ιππόλοχος  ΙΡ 

Ιπποκράτης  II 

/  \    ■---    -^. 

Θεσσαλός    Δράκων      Tochter,  mit  ΤΤόλυβος  vermählt 

Δράκων  II    Ιπποκράτης  III     Γοργίας    Ιπποκράτης  IV 

1 
(Ιπποκράτης) 

Ι 
(Δράκων)* 


i  Vgl.  IX  404  L. 

^  Steph.  Byz.  Κα»ς»  nach  Herennius  Philon. 

8  Vgl.  IX  416  L. 

*  Suid.  8.  V.  Δράκων.  Femer:  'Ιπποκράτης  V  u.  VI,  Söhne  ^^ 
Θυμβραϊος,  and  Ιπποκράτης  Vil,  Sohn  des  ΤΤραΕιάναΕ,  eämmtlich  koische 
Asklepiaden  (Suidas).  Vgl.  Meibomius,  Hippocr  atis  Magni  "Ορκος  (Lög^• 
Bat.  I(i43)  p.  4-7. 


i 


Bruchstücke  einer]^neuen  Hippokratesvita  63 

Bei    Tzetzes    (Chi).  VU  hist.  155)  heiest   Hippokratee    der 
Sohn  des  Herakleidae,   τελών  έτττακαιδέκατος  Ασκληπιού  σπερ- 
μάτων,   and    ΪΏ    der   That  iet    er    nach    seiner    Aufzählung,    in 
der  Κλεομυττά^ας  Η  fehlt,  der  siebzehnte,  Asklepios  selbst  mit- 
gerechnet^     Im   zweiten  Hippokratesbrief  dagegen  (IX  314  L.) 
heieet  er  πατρός  .  .  Έρακλείδα  του  Ιπποκράτους   του  Γνωσι- 
Μκου  τοΟ  Νίβρου   του   Σωστράτου   του  Θεοδώρου    του  Κλεο- 
μυττάοα  τοΟ  Κρισάμιοος  und  weiterhin  ϊνατος  μέν  άπό  Κρισά  - 
μώος  του  βασιλέως,    όκτωκαιδέκατος   5έ  άπό  'Ασκληπιού,    εΐ- 
κοστός  bk  άπό  Διός.     Nach  der  sog.  Soranvita  (449,  2ff.)2  ist 
er  der  19.,  von  Asklepios  ab  gerechnet.     Für  diese  Angabe  fehlt 
ein  andrer  Anhalt ;  die  Liste,  die  dem  Verfasser  des  Bippokrates- 
briefes  vorlag,    lässt  sich  durch   Combination   seiner  Worte    mit 
Tzetzes'  Nachrichten  sicher  herstellen,  wie  es  oben  gefichehen  ist ; 
ob  die  Nachricht  des  Tzetzes  auf  einer  Lücke  des  Stammbaume,  ^ 

den  er  in  seiner  Quelle  fand^  oder   auf  abweichender  Tradition 
beruht,  muss  dahingestellt  bleiben. 

üeber  die  ältesten  Aerztescbulen  sagt  Galen  X  5:  και 
πρόσθεν  μέν  ?ρις  ήν  ου  σμικρά  νικήσαι  τψ  πλήθει  τών  ευρη- 
μάτων αλλήλους  όριγνωμ^νιυν  τών  έν  Κώ  και  Κνίδψ*  διττόν 
Τάρ  ίτι  τούτο  τό  γένος  ήν  τών  έπι  τής  Ασίας  Άσκληπιαδών 
έπιλιπόντος  του  κατά  Ρόδον.  ήριίον  δ'  αύτοϊς  τήν  άγαθήν 
ίριν  έκείνην,  ήν  'Ησίοδος  έπήνει,  και  ο\  έκ  τής  Ιταλίας  Ιατροί, 
Φιλιστι'ιυν  τε  καΐ  ^Εμπεδοκλής  και  Παυσανίας  και  ο\  τούτιυν 
έταϊροΓ  καΐ  τρεις  ούτοι  χοροί  θαυμαστοί  προς  αλλήλους  άμιλ- 
Χωμένων  έγ^νοντο  Ιατρών,  πλείστους  μέν  ουν  και  αρίστους 
χορευτάς  ό  Κψος  εύτυχήσας  εϊχεν,  εγγύς  δ'  ίτι  τούτψ  και  ό 
άπό  τής  Κνίδου,  λόγου  δ*  ή  ν  άΕιος  ου  σμικρού  και  ό  άπό  τής 
Ιταλίας.     Damit  berührt  sich,  was  Tzetzes  sagt: 

Μετά  γάρ  Τροίας  άλιυσιν  έν  τη  ΤΤεραίςι  'Ρόδου  Ι^ 

Ό  ΤΤοδαλείριος  υ\ός  'Ασκληπιού  υπάρχων  »i 

Ίππόλοχον  έγέννησεν  .  . 

1  Vgl.  Rohde  Kl.  Schriften  Ι  258;  280. 

2  R.  Fuchs  (Neuburger-Pagel,   Handbuch   d.  Gesch.  d.  Medicin  I 
S.  197)  behauptet,  dass  die  Soranvita  'auf  Eratosthenes  .  .  Pherekydes, 
Areioii,    Apollodoros   .  .  und  Tharseus    zurückführt'.      Der   Text   sagt 
jedoch:  μνημονεύει  δέ  τής   τ€ν€αλογίας    αύτοΟ  Ερατοσθένης  καΐ  Φερε- 
κύδης  καΐ  'Απολλόδωρος   καΐ  Άρειος    ό  Ταρσεύς;    über    den    letzteren 
Diele,  Doxograplii  Gr.  p.  86  Anm.  2. 

»  Er  beruft  sich  auf  Soran  (aaO.:  «  Έφεσίου  ΣωρανοΟ  τά  Ιππο- 
κράτους ίφην). 


64  Schöne 

und    was  der  lateinische  Traotat  eingehender,  aber  leider  in  eebr 
verderbter  Ueberliefernng  berichtet. 

Die  Scbtilerliete  (Z.  15  ff.)  stimmt  in  mehreren  Punkten  mit 
dem,  was  wir  aas  anderen  Quellen  wissen.  Tbesealos  und  Drakoo 
werden  als  Söhne,  Polybos  als  Schwiegersohn  des  Hippokrates 
hänfig  genannt  ^  Apollonios  und  Dexippos  führte  £raeietratoe  als 
Schäler  des  Hippokrates  an  Κ  Thymbraios  kannten  wir  bereite 
als  Angehörigen  der  Asklepiadenfamilie^;  Syennesis  ist  doch  wohl 
der  Ky prior,  dessen  Adernbeschreibung  Aristoteles  erbalten  hat^. 
Neu  und  wichtig  ist  die  Nachricht,  der  ältere  Praxagoras  sei 
ein  Schüler  des  fiippokrates  gewesen;  es  hat  also  swei  bekannte 
Aerzte  des  Namens  gegeben  ^  Man  hätte  dies  schon  früher  daraus 
seh  Hessen  können,  dass  Grälen  mehrmals  von  einem  'Praxagoras, 
Sohn  des  Nikarchos  spricht,  den  er  durch  diesen  Zusatz  offenbar 
von  einem  anderen  unterscheiden  will ;  soviel  ich  weiss,  ist  aber 
diese  Folgerung  noch  nicht  gezogen   worden  ®. 

Das  Schriftenverzeichniss  (Z.  44  ff.)  weicht  von  den^ähnlicben 
Listen,  die  wir  besitzen,  erheblich  ab.  Erotian  benutzte  etwa 
35  Bücher,  die  in  seiner  Zeit  als  echt  galten*^.  Die  Verzeich- 
nisse im  Vaticanus  gr.  276  und  Marcianus  gr.  269  sind  von  jener 
Liste  und  auch  unter  sich  in  Auswahl  und  Anordnung  ver- 
schieden®. Uns  fehlen  von  den  im  Vat  276  genannten  Schriften 
ύτΐ€ΐνόν,  περί  έβοομάδων  (lat.  erhalten),  π€ρι  τριυμάτων  όλ6- 
θρίιυν,  π^ρι  βελιυν  έΕαιρέσιος,  περί  έλλεβόρου,  περί  κλυσμών, 
περί  άφροόισίων.     Von  diesen  wiederum  treten  περί  εβδομάδων, 


^  Sprengel-Rosenbaum,  Gesch.  d.  Arzneikunde  I  S.  456—458. 

*  £bendort  S.  458  Anm.  37. 

^  Suid.  Ίπποκράται  δϋο,  πέμπτος  καΐ  ^κτος,  iarpoC,  θυμβραίου 
πα1δ€ς,  Κώοι  καΐ  αύτο(,  τοΟ  γένους  τοΟ  αότοΟ. 

*  Hiet.  anim.  III  2  ρ.  511»»  23  ff.,  vgl.  Fredrich,  Hippokrat 
Unters.  S.  57  ff. 

*  Tzetzes  aaO.  steht  nur :  τόν  ΤΤραζαγόραν  δέ  τόν  Κωον  κοί  έτ^ 
ρους  Ιατρική  ν  έδ(δαξεν. 

*  Galen  II  141  Κ.  τ^ΤΡα^π'αι  hi  που  καΐ  δι*  έτερου  λόγου  νψ 
τών  κατά  ΤΤραΕαγόραν  τόν  Νικάρχου  χυμύιν.  II  905  Διοκλής  ό  Κσ- 
ρύστιος  καΐ  ΤΤραΗαγόρας  ό  Νικάρχου  μικρόν  öOTCpov  Ιπποκράτους  Τ«• 
γονότες.  Litteratur  und  ZeugniHse  bei  Sprengel- Rosenbaum  S.  471" 
476;  ob  eich  die  überlieferten  Nachrichten  auf  die  beiden  Träger  d« 
Namens  vertheilen  lasetjn,  bedarf  einer  Untersuchung. 

'  τών  αληθών  κομι2Ιομένιυν  συγγραμμάτων  ρ.  36,  Ι  Klein. 
«  llberg,  Proleg.  in  Hipp.  ρ.  XV,  XIX,  XXVI. 


Bruchstücke  einer  neuen  Hippokratesvita  66 

iT€pi  τριυμάτων  und  περί  βελών  έΕαιρέσιος  auch  in  der  neuen 
lateiniscben  Zueammenstellnng  auf,  die  anderen  fehlen;  dafür 
werden  mehrere  nene  Titel  angeführt.  Man  wird  daraus  nicht 
mehr  schlieeeen  dürfen,  als  daes  ionische  Traotate  über  diese 
Gegenstände  existirt  haben ;  zugleich  bestätigt  sich,  dass  im  spä- 
teren Alterthum  nicht  nur  eine  Auswahl  hippokrateischer  Schriften, 
eondern  mehrere  verschiedene  Corpora  im  Umlauf  gewesen  sind. 

In  dem  Bruchstück  medicinischer  Doxographie,  das  Well- 
mann  jüngst  neu  herausgegeben  und  dem  Vindicianus  (£nde  des 
4.  Jhdts.  n.  Chr.)  zugeschrieben  hat^,  werden  hippokrateische 
Schriften  nach  der  Nummer  einer  festgeordneten  Liste  citirt: 

c.  44  sicuti  memorayimus  in  libro  undecimo,  quem  έπιοη- 
μιών  (eridimion  Hs.)  appellayimns,  ^ui  sunt  libri  sex. 

c.  5  in  libro  trigesimo  octavo  Yppocrates  quem  graece  περί 
οκταμήνων  (ceperiootamineon  Hs.,  yerb.  Wellmann)  appellamns. 

c.  14  sicut  ait  Yppocrates  in  libro  quadragesimo  nono  de 
infantis  natura. 

Da  nun  dieses  doxographische  Fragment  in  derselben  Brüs- 
seler Handschrift  erhalten  ist,  in  der  auch  das  Bruchstück  der 
Hippokratesrita  steht,  so  liegt  die  Frage  nahe»  ob  die  Citate  sich 
auf  das  lateinische  Sohriftenverzeichniss  beziehen.  Von  der  in 
c.  14  angeführten  Schrift  muss  man  dabei  von  yornherein  ab* 
sehen.  Denn  das  Buch  de  infantis  natura  wird  in  der  Liste 
hinter  den  Aphorismen  folgendermassen  eingeführt:  Baccius  auiem 
Erofili  sectcUor  memorat  post  aforisnws  de  infantis  natura  fecisse 
Yppocratem,  und  das  ist  offenbar  eine  Variante  aus  andrer 
Quelle,  bei  deren  Aufnahme  das  Buch  da,  wo  es  ursprünglich  in 
der  Liste  stand,  gestrichen  worden  ist.  Wenn  man  demgemäss 
die  Schrift  de  infantis  natura  nicht  mitzählt,  die  sechs  Bücher 
Epidemieen  einzeln  zählt  und  de  ulceribus  et  telorum  detractio- 
nibus  als  zwei  Bücher  fasst,  wie  im  Vaticanus  276,  so  ist  das 
t>.  Buch  der  Epidemieen  das  elfte,  das  Buch  περί  οκταμήνων  das 
vierunddreissigste  der  ganzen  Reihe.  Es  ist  also  möglich,  dass 
gerade  diese  Liste  gemeint  ist,  denn  den  Ausfall  einiger  Nummern 
anzunehmen  ist  gewiss  statthaft.  Aber  da  sich  die  griechischen 
Worte,  die  c.  44  aus  den  Epidemieen  angeführt  werden,  in 
nnserer  Ueberlieferung  nicht  nachweisen  lassen,  so  ist  die  Frage 
nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden. 

Das  Bruchstück  erinnert  in   der  Sprache,    soweit    man    bei 


1  Wellmann,  Fragmenteammlung  d       •    '      •  .rzte  I S.  208—234. 
BUlB.  Hat.  t  PUloL  M.  F.  LVIII.  5 


66  Schone 

dem  ecblechten  Zustand  der  UeberlieferuDg  nrtbeilen  kann,  bie 
und  da  an  Caeliue  Anrelianae^;  es  wird  nicbt  yor  dem  5.  Jbdt 
n.  Chr.  lateiniecb  redigirt  sein.  Die  Genealogie,  die  Scbülerliste 
und  dae  Sobriftenyerzeiohnise  geben  sicher  auf  eine  griechiRche 
Quelle  zurück;  dagegen  kann  dies  von  der  wunderlichen  Nacb- 
riebt  über  den  Mederkönig  Arpbaxad  nicht  von  vornherein  be- 
hauptet werden.  Die  griechische  Vita,  die  wir  besitzen»  fuhrt  in 
den  Hss.  den  Titel  Ιπποκράτους  γένος  καΐ  β(ος  κατάΣαιρανόν; 
auf  Soranos  beruft  sich  auch  Tzetzes^  bei  seinen  Mittheilangen 
über  Hippokrates,  und  es  ist  kein  Grund,  dies  zu  bezweifeln. 
Dagegen  scheint  das  lateinische  Fragment  nicht  auf  Soran  zurück- 
zugeben; denn  während  Tzetzes  nach  Soran  von  53  Schriften 
des  Hippokrates  spricht,  giebt  der  lateinische  Text  ihre  Zahl  auf 
72  an.  Neben  Sorans  βίοι  Ιατρών  καΐ  α\ρέύ€χς  και  συντάγματα^ 
und  seinem  Werke  über  die  biaboxai  τών  Ιατρών^  können  sehr 
wohl  ähnliche  Schriften  anderer  Verfasser,  deren  Namen  wir 
nicht  kennen,  sich  auch  bis  in  spätere  Zeit  erhalten  haben:  vor 
allem  aber  kann  ein  anonymer  griechischer  Traotat :  Ιπποκράτους 
γένος,  β^ος,  δόγμα  einer  bestimmten  Hippokratesausgabe  des 
Alterthums  vorgesetzt  gewesen  und  daraus  übersetzt  sein. 

Charlottenburg.  Hermann  Schöne. 


1  ZB.  BuoceseuB    (Z.  4)  «  Kinder   auch    bei   Gadius   Aurelianos 
ohron.  1  5,  177  p.  338  Amman, 
a  Chil.  VII  bist.  155. 
^  Said.  B.  V.  Σιυρανός. 
*  Schol.  Oribas.  t.  III  p.  687  Bussemaker-Daremberg. 


AUS  THEMISONS  WERK 
ÜEBER  DTE  ACUTEN  UND  CHRONISCHEN 

KRANKHEITEN 


lieber  die  Geschichte  des  im  Jabre  1894  zum  ersten  Male 
in  dieser  Zeitschrift  bruchstückweise  veröffentlichten  Anonymus 
habe  ich  an  den  Stellen,  die  im  ^  Handbuche  der  Greschiohte  der 
Medicin'^  verzeichnet  sind,  und  in  der  zusammenfassenden  Dar- 
stellung dortselbst  alles  mir  bekannt  Gewordene  angegeben.  Das 
7Λ  wiederholen  oder  auf  Wellmanns  ^  in  jeder  Beziehung  ver- 
fehlte Darlegung  näher  einzugehen,  würde  zu  weit  führen.  Ich 
verweise  wegen  der  Cntersuchung,  wer  der  Verfasser  des  Werkes 
sei,  auf  die  Ausführungen,  die  dem  Abdruck  des  Textes  an- 
geschlossen werden  sollen,  und  hebe  jetzt  nur  das  zum  Yerständ- 
niss  des  Textes  selbst  Unentbehrliche  hervor. 

Unter  dem  in  seinem  ersten  Tbeile  gefälschten  Titel  findet 
sich  [Διάγνωσις]  περί  τών  όΕέων  και  χρονίων  νοσημάτων  in 
der  Papierhandschrift  in  8®  Paris.  Graec.  suppl.  636  saec,  XVII 
fol.  21r  bis  82r.  Vorangehen  Ιατρικά  εύπόριστα  γαληνού  mit 
Prolog  (fol.  1— 21r);   es  folgt  eine  Zusammenstellung  über  ver- 


^  Begründet  von  Th.  Puschmann,  herausg.  von  Max  Neuburger 
und  Julius  Pagel,  Jena  1901,  S.  330  ff. 

2  Zu  den  αΐτιολογούμενα  des  Soran,  Hermes  XXXVI 1901  S.  140  ff. 
Die  Absicht  meines  dort  besprochenen  Beitrage  zur  Festschrift  fi'ir 
Vahlen  ist  ebenfalls  vollständig  verkannt.  Sie  war  die  klar  ausgespro- 
chene, nämlich  zu  zeigen,  dass  der  Semasiolog  und  Therapeut  im  Ano- 
nymus nicht  Soranos  sei,  und  enthält  nicht  die  entfernteste  Andeutung, 
dass  Diele  oder  Wellmann  solches  behauptet  hätten.  Vielmehr  war  das 
eine  mir  in  Frankreich  von  verschiedenen  Seiten  mitgetheilte  Hypo- 
these, dass,  weil  Semiologie  und  Therapie  echt  soranisch  sei  und  die 
Aetiologie  wegen  ihres  doxographischen  Inhalts  nicht  widerspreche,  der 
Verfasser  der  anonymen  Schrift  Soranos  sein  müsse.  Diese  Annahme 
sollte  zunächst  einmal  auf  ^'  "  geprüft  werden. 


68 


Puche 


schiedene  Krankheiten  (fol.  82r).  Der  unkundige  Abschreiber 
dieses  ärztlichen  Handbuches  für  den  Privatgebrauch,  Ιατρο(ΤΟφιον, 
merkte  nicht,  dass  eine  besondere  Schrift  vorlag,  und  nnmerirte 
die  Kapitel  von  13—59  dnroh,  stets  die  3  Abschnitte  αΙτία  ση- 
μεία θεραπεία  in  eins  zusammenfassend.  Zu  der  mit  Ρ  bezeich- 
neten Handschrift  gesellt  sich  eine  weitere,  von  ebenso  un- 
kundiger Hand  tiberlieferte,  der  Paris.  Graec.  2324  saec.  XVI 
in  8^,  auf  grobes  gelbes  Papier  in  grossen  Zügen  hingemalt.  Der 
Inhalt  dieses  latrosophions  ist  von  mir  in  dieser  Zeitschrift  (L 
595  ff.)  genau  verzeichnet  worden.  Zur  Krleichterung  füge  ich 
für  unseren  Anonymus  folgende  Gegenüberstellung  bei: 

L  de  morbis  acuiis. 


Ρ  636 

Ρ  2324 

21 Γ  Phrenitis 

Cap. 

IT 

fehlt 

23ν  Lethargus 

η 

\b 

147ν  Lethargus                   Cap.  νγ 

fehlt 

151r  £pilemp8ia                    „     v6 

25r  Apoplexia 

)l 

IC 

154v  Apoplexia                    „     v€ 

26v  Cephalaea 

» 

15 

]57v  Cephalaea                     „    vc 

28v  Synanche 

>» 

\l 

fehlt 

31  r  Spasmus  v.  Opisthotonus ,, 

m 

fehlt 

33r  Pleuritis 

>» 

ιθ 

161r  Pleuritis                       .,     vi 

35r  Peripoeumonia 

it 

κ 

165r  Peripneumonia             „    νη 

36v  Syncope  oordis 

»> 

κα 

168r  Syncope  (ohne  cordis)  „     νθ 

(ss  Cardialgia) 

39r  BulimuB 

>» 

κβ 

fehlt 

40r  Hydrophobia 

» 

KT 

fehlt 

41 V  Cholera 

>f 

KÖ 

fehlt 

42v  Ileus 

>» 

KC 

fehlt 

44v  Golioa 

» 

K5 

173r  Colica                           „    i 

45v  Satyriasis 

tl 

Kr 

fehlt 

IL 

de  morhis  chronicis. 

46v  Scotomatioi 

Cap. 

κη 

146v  bei  der  Aetiologie  ohne  Ctp• 
„    σημ€ΐα    bezeichnet    mit 

Cap.  vß  να 

47r  Mania 

»> 

κθ 

175v  Mania                         Cap.  2« 

48r  Mclanoholia 

η 

λ 

177v  Melancholia                  „    $ 

49r  Entheastica 

»» 

λα 

fehlt 

49v  Paralysis 

fehlt 

179r  Paralysis                       „    ^"f 

51 V  Par    odoratus 

» 

λτ 

183r  Par.  odoratus               „    ^ 

52r  Cynicus  epasmus 

>» 

λδ 

184r  Cynicus  spasmns          »*     ^ 

52v  Paralysis  deglutitionis   „ 

λε 

185r  Paralysis  deglutitionis  „    ^? 

5dr  Mydriasis  et  phthisis 

» 

λ5 

186r  ohne  Semasiologie       »,     ^^ 

53 V  Haemoptyica 

)» 

λΐ 

18«v      „      Aetiologie           „     ^η 

Aus  Themisons  Werk  über  die  acuten  und  chronischen  Krankheiten    69 


Cap.  ϊβ 
ο 


Phthisis 

Catarrhus 

Empyema 

Atropbia 

fehlt 

lecoris  inflammatio 

Icterus 

lecoris  scirrhns 

Lienis  inflammatio 

,,       scirrhus;  Gap   fehlt 
Nephritica  Cap.  οη 

Vesicae  haemorrhagia  ,,     οθ 


η 


ft 


»> 


II 


I» 


»» 


» 


οα 
oß 

OT 
ob 
oc 
og 


207v  Vesicae  heloosis 


)* 


55v  Phthisis  Cap.  λη      189v 

57r  Catarrhus  „     λθ      191  ν 

57v  Empyema  „      μ       192 ν 

59r  iitrophia  „     μα      194v 

59v  Asthma  „     μβ 

BOv  lecoris  inflammatio  „     μγ      195v 

B2v  Icterus  „     μb      198v 

<)4r  lecoris  scirrhus  „     με      201r 

fehlt  202r 

fehlt  202v 

65v  Nephritica  „     μ?      204r 

67r  Vesicae  haemorrhagia,  „     μΐ      205v 

bloss  Ueberschrift  zur 

Aetiologie,  alles  andere 

fehlt 
67r  Vesicae  helcosis;  Ueber- 

schrift    zur    Aetiologie 

fehlt 

68r  Vesicae  paralysis  „     μη 

69r  Lienteria  „     μθ 
10\  Rheumatismus  dys• 

entericus  „     ν 

■ 

71r  Dysenteria  „  να 

72r  Cachezia  „  vß 

73r  Hydrops  „  νγ 

76r  Tenesmus  „  vö 

77r  Gonorrhoea  „  vc 

78r  Arthritis  »,  vg 

78t  Ischias  „  vi 

79v  Podagra  „  νη 

Biv  Elephantiasis  »  v6 

Alles  Uebrige   ist  in  den    kritischen  Apparat  aufgenommen 
worden. 

ίίΓΔιάγνωσις  πβρι  τών  όΐέων  και  χρονιών  νοσημάτων. 

Φρ€νίτιδος  αΐτίο.    κε.  ιγ  (1). 

•Ερασίστρατος  μέν  έΕ  ακολούθων  τών  έαυτου  δογμάτων       is 
φησί  γίνεσθαι  τήν  φρενϊτιν  κατά  τι  πάθος  τών  κατά  τήν  μήνιγτ«  ao 

tit.   et  Caput  om.  ρ  17  ^E€uiv  Ρ,   Mynas  corr.  (ΕΙσαγ.  πγ'') 

20  τ6ν  μήνιγκα  Ρ,  gcnus  Orthographien m  non  iam  adnotabitur 


208v  Vesicae  paralysis  ,,     πα 

209 V  Lienteria,  bloss  1  Zeile     fehlt 

Aetiologie;  dann  bricht 

das  Buch  ab. 


^  Joannes  Ilberg  in  Mus.  Rhen.  LI  (1896)  p.  166  sq.  not.  3  haec 
quidem  ait:  "Wie  an  dieser  Stelle,  sind  überall  sonst  atnov  und  αΙτία 
von  Galen  ganz  gleichbedeutend  gebraucht  ^— -"—      '^b  in  den  hier- 


70  Fachs 

ενεργειών  οΰ  γορ  τόπου   κατ'  αυτόν  ή  νόησις  φρόνησις,   έτη 
τούτου  ή  παρανόησις  παραφρόνησις  δν  εΤη.  ΤΤραΗαγόρας  bi 
φλεγμονήν  τής  καρδίας  εΤναί  φησι  την  φρενΐτιν,  ής  καΐ 
το  κατά  φύσιν  ίργον  φρόνησιν  οϊεται  εΙναΓ  υπό  bk  τής  ^ 

φλεγμονής  ταρασσομένην  τήν  καρδιαν  τούδε  του  πάθους 
συστατική  ν  γίνεσθαι.    Ό  bk  Διοκλής  φλεγμονή  ν  του  δια- 
φράγματος φησιν  εΐναι  τήν  φρενΐτιν,  άπό  τόπου  και  ουκ  άπό 
5  ενεργείας  τό  πάθος  καλών,  συνδιατιθεμίνης  καΐτής  καρδίας '  ίοικε 
γαρ  καΐ  οδτος  τήν  φρόνησιν  περί  ταύτην  άπολείπειν  •  διά  τούτο 
γαρ  και  τάς  παρακοπάς  2πεσθαι  τούτοις.   Χ)  δέ  Ιπποκράτης 
τον   μέν  νουν  φησιν  έν  τώ  έγκεφάλψ  τετάχθαι  καθάπερ  τι  ι- 
ερόν άγαλμα  έν  άκροπόλει  του  σώματος*  χρήσθαι  bk  τροφή 
10  τφ  περί  τήν  χοριοειδή  μήνιγγα  αΐματι.  δταν  bi  τοΟτο  υ- 
πό τής  χολής  φθαρή,  ύπαλλάττει  και  τό  τρεφόμενον  τής  Ιδίας  δυ- 
νάμεως* οΰ  γαρ  ή  ίντακτος  καΐ  κατά  φύσιν  κίνησις  φρόνησις 
ήν,  τούτου  ή  άτακτος  και  παρά  φύσιν  παραφρόνησις  άν  εϊη. 

Φρενίτιδος  σημεία. 

Φρενΐτιν  δέ  σημαίνει  συνε- 

16  χήζ  πυρετός  έπιγινόμενος  είς  νύκτα  και  μή  διαλείπων  τι 
μηδέ  άΕιόλογον  έπανιείς,  σφυγμός  δεδιιυ<γ>μίνος,  σμικρός, 
πυκνός,  αναπνοή  συνεχίζουσα  και  μή  δι<ι>στασα  τελείως  θώρακα 
και  προς  τούτοις  αγρυπνία  διηνεκής  και  παράφορα  τής  διανοίας 
και  ποτέ  μέν  όργιΖομένου  και  άγριαίνοντος  καΐ  έΕω  τρέχοντος, 

ποτέ  δέ  Ι- 

ao  λαροΟ  και  ^δοντος  ή  κατακειμένου  και  έπι  τόν  αέρα  τάς  χείρας 
έχοντος  ή  τάς  κροκίδας  τών  ίματίων  εκλέγοντος  ή  καρφολο- 
γουντος  και  άπό  τών  τοίχων  άφαιρουντος  και  δοκοΟντος  άπο• 

τίλλειν 

1  άπό  Ρ,  oorr.  6  δι'  αϋτοΟ  Ρ,  ηοη  διά  αύ.  ut  scr.  Herrn.  Diels 
iu  Anon.  Lündin.  ex  Arisiot.  latricis  Menoniis  et  aliis  eclogis,  Berol. 
Ib93,  {K  (i  not.  ad  IV  14,  b\ä  τοΟτο  em.  Kalbfleisch  (Gott.  gel.  Anz. 
1897  p.  826  not.  1)  9  τροψήν  Ρ,  suppressi  librarii  sua  immisoendi 
libidinem  10  τόν  χοροειδή  Ρ,    corr.  cf.  21r  20         14  Φρενήτιδοςι 

Φρενήτιν  hie  et  alibi  Ρ         16  δέ  διωμένος  Ρ,  corr.  17  πυκνώς  Ρ, 

corr.      δίστασα  Ρ,  corr. 


bei  in  Frage  kommenden  Buchtiteln  U€pl  .  .  .  αΙτίων  oder  αΙτιών  2u 
schreiben  sei,  bleibt  beim  Schwanken  der  Ueberlieferung  mehrfach 
zweifelhaft.  Man  .  .  .  sollte  es  deshalb  unterlaeseni  hier  systematisch 
zu  ändern  ....';  tarnen  in  uno  lihdlo  unam  titulorum  conformationem 
textus  auctorcm  ponere  maluisse  quam  nunc  hoc  nunc  illud  nemo 
negabit. 


> 

Aus  Themisons  Werk  über  die  acuten  und  chronisohen  Krankheiten   71 

μη&έν  αΤροντος  και  ψηλαφώντος,  περίψυζις  δέ  δκρων, 
22γ  αγρυπνία  οΓ  δλου,  παρακοπή  ή  άποσιώπησις,  γΑιυς  ή  κατηφ€ΐα, 
όμματα  ίν€ρ€υθή,  όΕυκίνητα,  οακρύοντα.  κροκοοίΖουσι 
h\  οι  έν  τφ  πάθ€ΐ.  ή  γλώττα  τούτων  δνικμος,  δρεΠις  άλλοις 
δλλη.  κιν^υνευουσι  bi.  ύποχόνδριον  προσεντείνεται  καΐ 
όνασπαται,  τράχηλος  \λ  καΐ  πρόσωπον  έφι^ροΐ,  κοιλία  6 

καταρρεΐ,  το  σώμα  ύποτρέμει.  εΐ  οέ  άποθνησκόμενοι  έν  τφ 
πάθει,  ό^υφωνοΟσιν,  ασαφή  λαλοΟσι,  τραυλί2[ουσι,  άσφυκτοΟσι, 
1)υ(Τπνοοοσι.  ταύτα  πάντα  φρενιτικά  εΤναι  υπαγόρευε. 

Φρενίτιδος  θεραπεία. 

Τους  h\  φρενιτικούς  πρώτον  μέν  κατακλιτέον  έν  τόπψ  φωτεινφ '  ίο 
κατάλληλον  γάρ  τοις  πλείστοις  τό  τοιούτον,    τοις  \λ  προς  το 

φώς  έκ- 
ταρασσομένοις  τό>^  άρμόΖοντα  έκκρινε  αέρα.  ένίοις  6έ  πάρα• 
ληπτέον  και  τό  του  λύχνου  φέγγος,    και  τους   μέν  έκ  πρώτης 

ή  δευτέρας 
ημέρας  παρακόψαντας  φλεβοτομητέον  παρόντων  τών  προς  την 

φλε- 
βοτομίαν  αριθμών  περί  τήν  δευτέραν  ή  τρίτην  ήμέραν,  σπανίως  u 
6έ  περί  τήν  τετάρτην.  εΐ  b'  ουν  κλυστήρι  μετακτέον  έπι  τά 
κάτω  τήν  υλην.  τροφήν  W  μετά  διάτριτον  προσοίσομεν  ώς 
έπ\  τφ  θεφ  τάς  εύαρεστήσεις  έκλαμβάνοντες.  ποτού  άφεΛουν 
και  έπι  τούτων  και  μή  βουλομένους  ύπομνηστέον.  έμβροχαΐς  δέ 
τήν  κεφαλήν  μέχρι  πρώτης  οιατρίτου  bia  ^obivoυ  ώμοτριβουςΜ 
ελαίου  παραλαμβανέσθωσαν,  άπό  \λ  ταύτης   ή   bi'  όευpobivoυ, 
ενός  bt  δΕους  προς  πέντε  fiobίvoυ  μεμιγμένου.  έπιμενούσης 
bfe  τής  παρακοττής  συμπλεκέσθωσαν  τούτοις  καΐ  χυλοί 
^  ^ν  ήbυόσμoυ  τε  και  πηγάνου  ή  κισσοΟ  *  πολύ  bfe  πρότερον  έρπύλλιον ' 
μετά  bi  τήν  bευτέpαv  biaTpiTOV,  ει  τις  εϊη  έν  τοις  μέσον 
φλεγμονή,  σικυαστέον  μετά  κατασχασμοΰ,  ει  bfe  μή  χω- 
ρίς τούτου"  μετά  bt  ταύτα  ίνίψ  και  βραχίονι  σικύας  κολλητέον. 
εί  bfc  προς  τούτων  δν  τών  είρημένων  ύπείκοιεν  ή  νόσος,  χρη-  β 
στέον  ?ωθεν  προς  τε  τους  ύπνους  και  τάς  παρακοπάς. 
κατάλληλον  bi  και  ταύτα  αιρετέον  τοις  πάσχουσι  προς  bo- 

β  €ΐ  et  q.  sec.  sie  Ρ,  corrigas  e.  c.  ol  δέ  αποθνήσκοντες  vel  pro- 
babilius  €l  hi  άποθνήσκουσιν  ol  hi  τφ  πάθει  (cf.  3)  vel  similiter  1 
διόλου  Ρ  10  κατακλητέον  Ρ,  corr.  21  fort,  περιλ.  2  μέσων  Ρ, 
corr.  3  καταστοχασμοΟ  Ρ,   corr.  (sie  fere  semper)         4  βραχεί  Ρ, 

corr.  5  τοΟτο  Ρ,  corr.  h  sq.  post  χρηστέον  obiectum  deest  (ταύ- 
ταις  an  σικύαις?  an  aliud  medicamentuin?)  7  fort.  κ.  6έ  κ.  τό  άφαι- 
p€!v  (sc.  αίμα) 


70  Fachi 

ένεργβιών  ού  γαρ  τόπου  κατ'  αυτόν  ή  νόησις  φρόνησις,  im 
τούτου  ή  παρανόησις  παραφρόνησις  δν  €Ϊη.  ΤΤραΗαγόρας  bk 
φλεγμονήν  τής  καρδίας  εΤναί  φησι  τήν  φρενϊτιν,  ής  και 
τό  κατά  φύσιν  ίργον  φρόνησιν  οϊεται  είναι"  ύπό  bt  τής  Ρ- 

φλετμονής  ταρασσομίνην  τήν  καρδίαν  τούδε  του  πάθους 
συστατικήν  γίνεσθαι.    Ό  bfc  Διοκλής  φλεγμονή  ν  του  δια- 
φράγματος φησιν  είναι  τήν  φρενϊτιν,  άπό  τόπου  και  ουκ  άπό 
5  ενεργείας  τό  πάθος  καλών,  συνδιατιθεμίνης  καΐ τής  καρδίας*  ίοικε 
γάρ  καΐ  ούτος  τήν  φρόνησιν  περί  ταύτην  άπολείπειν  •  διά  τοΟτο 
γάρ  και  τάς  παρακοπάς  2πε<Τθαι  τούτοις.   Χ)  hk.  Ιπποκράτης 
τον   μέν  νουν  φησιν  έν  τφ  έγκεφάλψ  τετάχθαι  καθάπερ  τι  Ι- 
ερόν άγαλμα  έν  άκροπόλει  του  σώματος'  χρήσθαι  δέ  τροφή 
10  τφ  περί  τήν  χοριοειδή  μήνιγγα  αΐματι.  δταν  δέ  τούτο  υ- 
πό τής  χολής  φθαρή,  ύπαλλάττει  και  τό  τρεφόμενον  τής  Ιδίας  δυ- 
νάμεως' 0Ö  γάρ  ή  έντακτος  καΐ  κατά  φύσιν  κίνησις  φρόνησις 
ή  ν,  τούτου  ή  άτακτος  και  παρά  φύσιν  παραφρόνησις  δν  ειη. 

Φρενίτιδος  σημεία. 

Φρενϊτιν  δέ  σημαίνει  συνε- 

16  χήζ  πυρετός  έπιγινόμενος  είς  νύκτα  και  μή  διαλείπων  τι 
μηδέ  άΕιόλογον  έπανιείς,  σφυγμός  δεδιω<γ>μίνος,  σμικρός, 
πυκνός,  αναπνοή  συνεχίζουσα  και  μή  δι<ι>στασα  τελείως  θώρακα 
και  προς  τούτοις  αγρυπνία  διηνεκής  και  παράφορα  τής  διανοίας 
και  ποτέ  μέν  όργιΖομένου  και  άγριαίνοντος  και  έΕω  τρέχοντος, 

ποτέ  δέ  \- 

90  λαροΰ  και  ^δοντος  ή  κατακειμε'νου  και  έπι  τόν  άε'ρα  τάς  χείρας 
έχοντος  ή  τάς  κροκίδας  των  ϊματίων  εκλέγοντος  ή  καρφολο- 
γουντος  και  άπό  των  τοίχων  άφαιρουντος  καΐ  δοκουντος  άπο- 

τίλλειν 

1  άπό  Ρ,  corr.  6  δι'  αϋτοΟ  Ρ,  ηοη  διά  αο.  ut  scr.  Herrn.  Diels 
in  Adou.  Londin.  ex  Arisiot.  latricis  Menoniis  et  aJiis  eclogis,  Berol. 
1893,  p.  Η  not.  ad  IV  14,  διά  τοΟτο  em.  Kalbfleisch  (Gott.  gel.  Anz. 
1897  p.  826  not.  1)  9  τροφήν  Ρ,  suppresei  librarii  eua  immiecendi 
libidinem  10  τόν  χοροειδή  Ρ,    corr.  cf.  21r  20         14  Φρενήτιδος, 

Φρενήτιν  hie  et  alibi  Ρ         16  δέ  διωμένος  Ρ,  corr.  17  πυκνώς  Ρ, 

corr.      δίστασα  Ρ,  corr. 


bei  in  Frage  kommenden  Buchtiteln  π€ρΙ  .  .  .  airfiuv  oder  αίττιίτν  zu 
schreiben  sei,  bleibt  beim  Schwanken  der  Ueberlieferung  mehrfach 
zweifelhaft.  Man  .  .  .  sollte  es  deshalb  unterlassen,  hier  systematisch 
zu  ändern  ....';  tarnen  in  uno  libello  unam  titulorum  conformationem 
textus  auctorem  ponere  maluiase  quam  nunc  hoc  nunc  illod  nemo 
negabit. 


Aus  ThemisoDs  Werk  über  die  acuten  und  chronisoben  Krankheiten   71 

μηδέν  αιροντος  και  ψηλαφώντος,  περιψυξις  bi  δκριυν, 
22γ  άγρυττνία  bi'  δλου,  παρσκοπή  ή  άποσιώπησις,  jikwq  f\  κατήφ€ΐα, 
όμματα  ένερευθή,  όΕυκίνητα,  δακρύοντα.  KpOKobilovai 
bi  ο\  έν  τψ  πάθ€ΐ.  ή  γλώττα  τούτων  άνικμος,  δρεΠις  δλλοις 
δλλη.  κιν^υνεύουσι  bi.  ύποχόνδριον  προσεντείνεται  καΐ 
άνασποται,  τράχηλος  bk  και  πρόσωπον  έφώροΐ,  κοιλία  β 

καταρρεΤ,  το  σώμα  ύποτρέμει.  εΐ  bk.  άποθνησκόμενοι  έν  τφ 
πάθεΐι  όΕυφωνουσιν,  ασαφή  λαλουσι,  τραυλι2[ουσι,  όσφυκτοΟσι, 
5υσπνοοΟσι.  ταΟτα  πάντα  φρενιτικά  εΤναι  υπαγόρευε. 

Φρενίτιοος  θεραπεία. 

Τους  bi  φρενιτικούς  πρώτον  μέν  κατακλιτέον  έν  τόπψ  (ρωτεινψ '  ίο 
κατάλληλον  γάρ  τοις  πλεΐστοις  τό  τοιούτον,    τοις  bk  προς  τό 

φώς  έκ- 
ταρασσομένοις  τό>^  άρμόΖοντα  έκκρινε  αέρα.  ένίοις  bi  παρα- 
ληπτέον  και  τό  του  λύχνου  φέγγος,   και  τους   μέν  έκ  πρώτης 

ή  δευτέρας 
ημέρας  παρακόψαντας  φλεβοτομητέον  παρόντων  τών  προς  τήν 

φλε- 
βοτομίαν  αριθμών  περί  τήν  δευτέραν  ή  τρίτην  ήμέραν,  σπανίως  w 
hk  περί  τήν  τετάρτην.  εΐ  b'  ούν  κλυστήρι  μετακτέον  έπι  τά 
κάτω  τήν  υλην.  τροφήν  bk  μετά  διάτριτον  προσοίσομεν  ώς 
έπι  τώ  θεφ  τάς  εύαρεστήσεις  έκλαμβάνοντες.  ποτού  άφειδουν 
και  έπι  τούτων  και  μή  βουλομένους  ύπομνηστέον.  έμβροχαΐς  bk 
τήν  κεφαλήν  μέχρι  πρώτης  διατρίτου  biä  ι^οδίνου  ώμοτριβους  ao 
ελαίου  παραλαμβανέσθωσαν,  άπό  bk  ταύτης   ή   δι'  ό^υροδίνου, 
ενός  bk  δΙΕους  προς  πέντε  (^οδίνου  μεμιγμένου.  έπιμενούσης 
bk  της  παρακοπής  συμπλεκέσθωσαν  τούτοις  καΐ  χυλοί 
22ν  ήδυόσμου  τε  και  ττηγάνου  ή  κισσού  *  πολύ  bk  πρότερον  έρπύλλιον ' 
μετά  bk  τήν  δευτέραν  διάτριτον,  ει  τις  εϊη  έν  τοις  μέσον 
φλεγμονή,  σικυαστέον  μετά  κατασχασμοΟ,  ει  bk  μή  χω- 
ρίς τούτου*  μετά  bk  ταύτα  Ινίω  και  βραχίονι  σικύας  κολλητέον. 
εί  bk  προς  τούτων  Sv  τών  είρημένων  ύπείκοιεν  ή  νόσος,  χρη-  β 
στέον  Ιωθεν  προς  τε  τους  ύπνους  καΐ  τάς  παρακοπάς. 
κατάλληλον  bk  καΐ  ταύτα  αιρετέον  τοις  πάσχουσι  προς  δύ- 

6  €ΐ  et  q.  eec.  sie  Ρ,  corrigae  e.  c.  ol  bk  αποθνήσκοντες  vel  pro• 
babiliue  €l  bi  άποθνήσκουσιν  ol  έν  τφ  πάθει  (cf.  3)  vel  similiter  1 
διόλου  Ρ  10  κατακλητέον  Ρ,  corr.  21  fort,  περιλ.  2  μέσων  Ρ, 
corr.  8  καταστοχασμοΟ  Ρ,  corr.  (sie  fere  semper)  4  βραχεί  Ρ, 
wrr.  5  τοΟτο  Ρ,  corr.  5  sq.  post  χρηστέον  obiectum  deest  (ταύ- 
ταις  an  σικύαις?  an  aliud  medicamentum?)  7  fort.  κ.  bi  κ.  τό  άφαι- 
P€!v  (so.  Ομα) 


72  Fuchs 

ναμιν  τό  παν  άφορώντ€ς.  έν  bk  ταΐς  τών  παρακοπαιν 
φαντασίαις  τή  άπό  λόγου  βοηθείςι  παρητορήσομ€ν 
10  π€ριστάντ€ς  δτι  ούκ  εχθροί,  άλλα  φίλοι  ο\  παρόντες,  ότέ  be 
έπιπλήΕομεν.  ένίοις  bk  τά  πρώτα  συναρεσθίντες  ύ- 
στερον ύποθετικώς  παραστήσομεν  τά  ήγνοημίνα  και  έπεισά- 
Εομεν  (τοις  μέν  οΰν  αίοεσθήσονται,  τοις  bk  φοβηθήσονται). 
ένίοις  τέκνα  παρηγορήσοντα  κα\  άλλοις  γυναίκας,  ει  bk  και 

15  προς  τινας  ερωτικώς  έχουσιν.  έν  καλφ  οδν  καιρψ  παραλη- 
φθήτιυ  της  ησυχίας,  άπαν  έν  τούτοις  θέμενος.  ύπνιυτικοΐς 
bk  χρησόμεθα  προσκλύσμασι  τψ  bia  κιυδιών  f\  ύοσκυ- 
άμου  άφεψήματι,  καταπλάσμασι  bk  ΙηΧ  του  μετώπου 
έρπυλλίψ  έν  γλυκεϊ  έψημένψ.  τούτψ  bk  μάλιστα  έν  παροΣυσμοϊς 

»χρηστέον.  f|  έφθάς  λείας  τάς  κιυδίας  άναλαμβάνοντες 
άρτψ  μετά  (^οοίνης  κηριυτής  καταπλάσσομεν.  περιχρίσματα 
bk  bi'  όποΟ  μήκωνος  ή  μαvbpαγόpoυ  χρηστής,  ύπνωτικοϊς 
τροχίσκοις  χρησόμεθα.  προποτιστέον  bk  και  τοις  bia  μαvbpα- 
γόρου  και  όπου  μήκωνος  άvωbύvoις.  τελευταΐον  bk  και  έπι  τάς  Ρ 
έbpικάς  κpoκίbας  συμφευΕόμεθα.  bεΐ  bk  άναλαβόντας  έρίψ  μή- 
κωνος όπόν  t\  μαvbpαγόpoυ  και  άπobήσαvτας  λίνω  καθιέναι 
είς  τήν  ?bpav,  ει  bi  τισι  χρησόμεθα,  εύβαφώς   και  μη  βιαίως 
5  αυτήν  ποιούμενοι,  συναλείμμασι  bk  άφ'  εαυτών  τοις  bia 
παλαιού  ή  Σικυωνίου  ελαίου  αναμεμιγμένου   καστορίου  χρη(ΤΟ- 
μεθα  καΐ  προποτιουμεν  αυτούς,  προσοίσομεν  bk  και  σικύας 
έν  σπovbύλψ  και  ^άχει  και  όσφύϊ,  μετά  ταΟτα  bk  καΐ 
θώρακι  και  ύπoχovbpίoις,  έπι  bk  γυναικών  και  ήτρψ 

10  και  βουβώσι.  ταΐς  bk  τοιαύταις  βοηθείαις  έπιτρεπουσών 
τών  bυvάμεωv  πλεονάκις  χρησόμεθα,  άει  bk  μετά  τούτον 
τόν  κλυστήρα  ως  μέγιστον  βοήθημα  έγκρίνοντες  και  τους  βαλα- 
νισμούς  bia  χολής  ταυρείας  και  νίτρου  ή  bia  στυτττηρίας  ύγρας 
και  μέλιτος,  μετά  bk  τήν  τρίτην  ή  τετάρτην  biOTpiTOV 

16  επιμενόντων  τών  παροξυσμών  έμβιβαστέον  εΙς  έλαιον 
θερμόν.  έστω  bk  Σάμιον  ή  παλαιόν  ή  Σικυώνιον.  και  εΐ 
προς  τούτο  εύαρεστηθεϊεν,  έπιμενέτω.   τους  bk  έν  κατα- 
φορςί  πλείονι  bιιόvτας  bιεγείpειv  bεϊ  τοις  bia  νάπυος 

9  παρηγορήσωμεν  Ρ,   oorr.  14  fort,  παρηγορήσονται  et  γυ- 

ναίκες 17  χρησώμεθα  Ρ,  corr.  κοδίιυν  ubique,  ita  ut  ηυη  iam  sin- 
gula  adscripturus  sim  19  έρπυλείψ  Ρ,  corr.  22  punctum  apposui; 
χρηστής  ==  officinalis,  terminus  botanicae  2  ύδρικάς  Ρ,  corr.  ^ 
αυτήν  sc  xpoKiba  10  έπιπρεπουσών  corr.  ex  έπιτρ.  Ρ,  iteram  correxi 
11  punctum  po8i  χρησ.  sustuli  τοΟτον  P,  probabilius  τοΟτο  vel  τού- 
των        12  punctum  post  έγκρ.  del.         18  νάπεος  plerumque  Ρ 


ΑπΒ  Tbeinisons  Werk  über  die  acuten  und  chronischen  Krankheiten    73 

φοινιγμοϊς  καΐ  ταϊς  άκολούθοις  ττυρίαις,  προσακτίον  bk 
καί  τίνα  τών  ττταρμικών.  ei  bk  προς  μη^έν  τούτων  €Ϊκοΐ€ν,  έμ-  2ο 
φυσητίον  €ΐς  τάς  ^ϊνσς  οΕος  καθ'  αυτόν  καΐ  μ€τά  νάπυος 
και  καστορίου  και  ύποκαπνιστεον.   άποφλ€γματισμοϊς 
και  ^ινεγχυτοις.   ίστιυ  bi  labt'  τα  bia  νάττυος  καΐ  μέλιτος 
237και  θύμου  και  όριγάνου   και  γλήχιυνος  και  ύσσώπου   άφεψη- 

μένου  μ€τ'  ό- 
Ηυμ^λιτος.  έν  ένδόσει  bk  τών  παθών  βντων  έπι  αΙώρας  χωρή- 
σομεν.    αδται  bl  γενέσθωσαν  έν  εύαέροις  τόττοις.   έκ  παντός 
hl  φυλακτέον  τόν  πνιγώδη  και  ψοφώ^η  τόπον  καΐ  διατάσεις 
και  bυσώbεις  όσμάς  καΐ  εϊ  τι  τών  τοιούτων,  ύπομνηστικά         β 
τάρ  ταΟτα  της  έπιλη(μ)ψίας '  φυλάΕομεν  και  άπό  βαλανείων 
και  oTvuiv  αυτούς,  προχωρούντων  bk.  ημών  κατά  δεκάτην  ήμέραν 
κατά  τρόπον  τής  θεραπείας,  εΐ  τοϊσδε  έστι  τοΟ  πάθους  απαλ- 
λαγή, αυτάρ- 
κης 6  ενιαύσιος  χρόνος,  τάς  bk  παρακολουθούσας  τφ 
πάθει  παραλύσεις  κατά  μέν  τους  παροΕυσμούς  ταϊς  έμβρο-       ίο 
χαϊς  του  καστορίου  καΐ  ταϊς  bxa  των  έρίων  σκεπασμάτων 
άποθεραπεύσομεν.  μετά  bk  τούτων  ταΐς  κατά  τό  ένδε- 
χόμενον  άφαιρέσεσι  χρησόμεθα  καΐ  συγχρίσμασι  καΐ  πα- 
σι  τοις  προς  τό  πάθος  έπιτηδείοις  βοηθήμασι. 

Λήθαργου  αΙτία.    κε.  \b  (2).    . 

Ερασίστρατος  μέν  κατά  τό  άκόλουθόν  αύτου  φησι  γί-        ιβ 
νεσθαι  τόν  λήθαργον  κατά  τι  πάθος  τών  περί  τήν  μήνιγγα 
ψυχικών  δυνάμεων,  έφ'  ών  δή  γίνεσθαι  τόν  λήθαργον. 
Διοκλής  bk  του  περί  τήν  καρδίαν  και  τόν  έγκέφαλον  ψυχικού 
ττνεύματος  κατάψυΕιν  ηγείται  εΤναι  καΐ  του  ταύτη  συνοίκου 
αίματος  πήΕιν.    *0  bk  Ιπποκράτης  φησ\ν   ύπό  του   ψυχρού» 
και  ύγρου  γίνεσθαι  χυμού  τόν  λήθαργον  ίστι  bk  ούτος  τό  φλέγμα, 
ύφ'  ου  bi\  βαρούμενον  τόν  έγκέφαλον  μηκέτι  ούνασθαι 

20  ήκοιεν  Ρ,  corr.         21  αυτών  Ρ,  corr.         1  ύσώπου  Ρ,  corr. 
2  ήιίίας  χαιρήσωμεν  Ρ,  corr.         6  επιληψίας  Ρ,   corr.  (cf.  G.  Schulze, 

Orthographica,  Marburgi  1894,  Dies.)  ßoXaviujv  P,  corr.  7  öe  ήμε 

sie  interpretor  8  τοΙς  bi  P,  corr.  12  άποθεραπεύσωμεν  Ρ,  corr. 
13  σύγχρίσματι  Ρ,  corr.  1δ  νγ  pro  ιδ  ρ  αύτοΟ  Ρ,  αύτιίιν  ρ,  corr. 
16  τόν  μήν.  Ρ  17  ψυχικής  δυνάμ€υις  ρ  καΐ  pro  6ή  ρ  19  κατά 
ψύΗιν  Ρ  φησΙ  γίνεσθαι  pro  ήγ.  εΤν.  Ρ  propter  ν.  1δ  ταύτης  Ρ  ρ, 
corr.         20  αϊ.  ψυΗιν  Ρ  (cf.  19)      Ιπποκράτης  bi  ρ  '  Χήθ. 

(21)  ροβ.  ρ      τοΟ  001.  ρ 


λ 


74  Fuchs 


τήν  ψυχικήν  ούνσμιν  6ΐς  ?κσστον  μ^ρος  του  σώματος  έπιπίμπ€ΐν  Ρ  -- 
καΐ  ouTU)  τάς  καταφοράς  γίνεσθαι. 

Λήθαργου  σημεία. 

Τοις  bk  ληθαργικοϊς  τταρέττεται  πυρετός  συνεχής  έπιτείνων  ^Ις 

νύκτα, 
σφυγμός  μέγας  και  διηρημένος,  ου  ταχύνιυν,  άλλα  αραιότερος  fj 

5  κατά  ττυρετόν  και  σομφός,  άναττνοή  διάστημα  πολύ  ί- 
χουσα*  έπι&ήλ(υς  ούκ  αποκρίνονται  ι^ςιοίως  ο\  έν  τφ  πάθει, 
ήκιστα  ομιλίας  κατάρχονται,  άμαυρά  φθίγγονται  καΐ  μόλις  έΕά- 
κουστα.  παραπαίουσι  τή  biavoiqi  και  πιέίονται.  δυσα- 
νάκλητος.   όψις  αύτοϊς  περιψοηκε  καΐ  έρευθής,  άγγεϊα 

ιοπερίκυρτα,  όμματα  κατάλευκα  καΐ  ούχ  όλα  τοις  βλεφάροις 
καλυπτόμενα,   ^ακρυρροοΟντα,  λημιώντα.  κατάκλισις 
ύπτια  και  άπόρρυσις  τών  προσκεφαλαίων.  γόνατα  άνεσ- 
πασμένα,  χάσμα  συνεχές,   ούρα  άπροαίρετα 
και  περισσώματα  ποτέ  μέν  αργά  καΐ  λευκά,  ποτέ  bt  λεπτά  και 

ιβύπόΗανθα.   ύποχόνδριον  άνασπάται,  χείρες  ύποτρέ- 
μουσι.   κάκιον  άπαλλάττουσιν   ο\  έν   τψ   πάθει,   περιψύχονται 

και  κα- 
ταπίνειν  ου  δύνανται  ώς  έπιλανθανόμενοι. 

Λήθαργου  θεραπεία. 

Τους  οέ  ληθαργικούς  κατακλιτέον  έν  τόπψ  εύμεγέθει 
20  μήτε  λαμπρφ  μήτε  loφώbe.\.  χρησόμεθα  ϊ)έ,  ει  μέν  περί 
τάς  αρχάς  συσταίη  τό  πάθος,  παρόντων  τών  προς  φλεβοτομίαν 
αριθμών  αίματος  αφαιρέσει,  εΐ  b'  ουν  δριμεϊ  κλυστήρι  ύπα- 
κτέον  τήν  κοιλίαν.  έμβροχαι  bi  κατά  μέν  τάς  αρχάς  του 
πάθους  έστωσαν  bV  όΗυροδινου,  μετά  bi  τάς  παρακμάς  Ρ  2 

2  οοτιυς  Ρ         3  πυρ.  έπιτβίνων  ρ,    έπ.  om.  Ρ         4  παχύνω  ν  Ρ 
dpatOT€pov  Ρ     €ΐ  ρ  5  σομψώς,  omissa  vocula  άναπν.  ρ  7  sq. 

έΕακούεσθαι  Ρ  8  sq.  δυσανακλίτιυς  Ρ,  δΙς*  ανακλητός  ρ,  corr.  9 
αύτοΐς  om.  ρ  π€ρ1ώοηκες  ρ  έρίθ€ΐ  ρ  11  fort,  λημώντα  quanqn;iin 
exstat  ή  λημία  12  καΐ  τών  προς  κεφαλαίων  άπόρευσις  ρ,  άπόρβυσις 
item  Ρ  13  χασμοί  συνεχείς  |>  προαίρετα  ρ  14  Ομματα  pro  ΐΓ€ρισσ. 
Ρ    ούκ  έκλευκα  ρ,  bi  λευκά  Ρ,   corr.  16  καΐ   pro  κάκιον  Ρ    ύπαλ- 

λάττουσιν  Ρ  punctum  poet  άπάλλ.  del.  πλήθηι  ρ  κοτάψύχοντες  ρ 
alterum  caput  uon  dissimile  infertur  codice  ρ  pag.  21 2r«  quod  alia  in 
fragmentorum    collectionf*   me   prolaturum   confido  19  λιθαρτους  ρ 

20  λαμπρόν  —  ΖΙωψώδη  ίχοντα  ρ    χρησώμεθα  ρ         21  post  irap.  add. 
ίχων  ρ  manus  altera         22  ή6'  oöv  ρ    δρϋμικοίς  τισίν  ύιτοκτίον  ρ 
23  μετά  τάς  άρχ.  ρ         1  κατά  ρ 


Aus  Themisons  Werk  über  die  acuten  und  chronischen  Krankheiten    75 

τών  πυρετών  μ€νούσης  έτι  τής  του  πάθους  κατασκευής    α\ 
5ιά  καστορίου  ίχουσοι  θερμαντικήν  του  φλίγμοτος 
δύναμιν.  όσφραντά  bk  προσοίσομεν  τά  διά  γλήχωνος 
και  θύμου  κα\  όριγάνου  σύν  βΕει,  μάλι</τα  bk  κατ'  αρχάς,  ούοεις  β 
συνήκε  ταϊς  κατοφοραΐς  άντιτάττεσθαι.    άποφλεγματι- 
σμώ  bk.  χρηστέον  ύπ^  αυτών  όΠυμέλιτι  συναφεψη• 
μίνου  ύσσώπου  ή  θύμου  ή  όριγάνου  ή  γλήχωνος.  λοβόντας 
5€σμί{)ΐον  ή  πηγάνου  ή  άβροτόνου  χρίειν  τό  στόμα  και  τό  πα- 
ρακείμενον  ή  έπενεχθησόμενον  άποσπον  φλίγμα.  τύχοι  ίο 

V  δν  γενομίνη  ούχ  ή  τυχούσα  bxa  τούτων  βοήθεια,  τρο- 
φοί bk  μετά  τήν  φλεβοτομίαν  έκκρινίσθωσαν  ευθέως,  εΐ  6'  οΰν 
μετά  τήν  πρώτην  1)ΐάτριτον*  ίστιυσαν  bk  άπαλαΐ  καΐ  σιτώδεις, 
ποτέ  μέν  καθ'  ήμίραν,  ποτέ  bk.  παρ'  ήμίραν  δώόμεναι.  μετά 
bi  την  τροφήν  διακρατητίον  έπΙ  πολύ  τών  ποδών  τους  δακτύλους  ιβ 
ττρός  τό  μή  εϊκειν  ταϊς  καταφοραΐς  ύπανακλιυμίνων  καΐ 
κνιίομίνων  τών  σκελών  τών  έν  ταότώ  περιπεφυκυιών  τριχών  bx- 
αλελοιπυιών  άνασπωμένυυν.  τάς  bk  φυσικάς  εκκρίσεις 
συνεχώς  ύπομνηστίον.  ίσθ'  δτε  γάρ  άλίσκονται  τφ  κα- 
τ" Ισχουρίαν  κινδύνψ.  δθεν  έμβρεχίσθωσαν  συνεχώς  ao 
τά  περί  τό  ήτρον  καΐ  περίνεον,  τά  πρώτα  διά  πηγανελαίου, 
ύστερον  Σικυιυνίψ  ϊ|  παλαιώ  έλαίψ,  ?σθ'  δτε  συνεμβαλλομένου 
καστορίου,  δ  χρήσιμον  καΐ  προς  ποτισμόν  κατά  τό  ένδε- 
2δΓχ6μενον.    παρίστιυ  bk  και  κλυστηρ  κομιδής  χάριν  τών  πα- 
ρακειμένων έν  κοιλίςι.  ύπομνηστίον  bk  συνεχώς  μετά  τους  πα- 
ροξυσμούς και  τά  περί  τήν  κατάποσιν  ύδωρ  ή  ύδρόμελι  ένστά- 
ίοντάς  περί  δευτέραν  ή  τρίτην.  είτα  του  πάθους  μή  ένδώόντος 

4  ιτροσοίσωμεν  ρ  5  δέ  om.  Ρ      κατά  τάς  ρ      littera  eupra 

ούδεΙς  posita  in  cod.  Ρ  videtur  edse  τ  quamvis  inueitatae  formae  ut 
legendam  eit:  ουδέ  τις  6  συνοικεΐν  ρ  τοίΐς  om.  Ρ  άλλ'  άντιτάτ- 
τεσθαι ρ,  nil  nisi  άνθίοτασθαι  Ρ,  corr.  6  sq.  άποφλεγματισμόν  ρ 
'  ubi  ΙΥ  casus  semper  fere  comes  est  verbi  χρήσθαι  (cf.  Mus.  Rhen.  vol. 
XLIX  540  not.  crit.)        7  έφ'  αυτόν  ρ     συναφεψημένψ  vel  συν  άφ.  Ρ 

h 
8  ύοσιίιπψ  Ρ     λαβόντες  Ρρ,  corr.  9  δεσμίδιον  ή  ρ,  δεσμί  solum  Ρ 

τφ  στόματι  Ρ  10  άποσπών  Ρ  12  Ιδ'  οό  ρ  14  οτε  bis  pro 

ποτέ  ρ        15  διακατητέον  ρ    τών  ποδών  om.  Ρ        16  ύπανακλόμενον 

Ρ       17  ταύτα  ρ        πεφυκυιών    Ρ,    περί   φυκυιών  ρ,   corr.  17  sq. 

διαλελυπότιυν  ρ,  διαλελοιπότος  Ρ.  corr.  18  άνασπωμέναιν  Ρρ,  corr. 

19  έπιμνηστέιυν  ρ        19  sq.  κατ'  om.  ρ         20  oöpi  άκινδύνω  ρ        21 

τών  περί  τών  ν{τριιιν  ρ      περινέων   ρ      τφ  δια  πηγανελαίω  ρ        92 

«ηιμβαλομένου  Ρ,  συνεμβαλομένου  ρ,   corr.         23  ώ  χρισώμεθα  ρ    προ 

τισμώ  ρ        1  κλυστηρών  Ρ      4  διά  τ^  *        ~     ~     '  τοΟ  π.  ρ    συνεγ- 


76  Fuchs 

δ  χρηστίον  κατά  Ινίου  κα\  ^άχεως  μετά  κατασχασμου  σικύαις, 
€1  bk  και  TTCpi  τάς  μέύον  τις  εϊη  φλεγμονή,  και  ταύτην  άποι- 
κονομητεον.    εΐ  bi  και  πολλή  υλη  έπ\  κεφαλήν  εϊη  ένηγ- 
μένη,  κολλητέον  β^έλλας  κροτάφοις  και  μετώπψ  κατά 
τάς  παρακμάς.   καΐ  τοις  bia  του  νάπυος  φοινιγμοϊς 

ιοχρηστίον  έπί  τε  ποδών  καΐ  σκελών  πρό  της  έπιση- 
μασιας,  ει  bi  επιμένει  έν  τή  καταφορςί,  και  μέχρι  μη- 
ρών καΐ  βουβώνυϋν  σπόγγαίν  μετά  ταύτα  προσφερο- 
μένων έΕ  δγαν  θερμού,    προσενεκτέον  τε  και  ταϊς  βισΐ  το  νά- 
πυ  και  καστόρων  καΐ  πήγανον  κα\  δαφνίοας  μετ'  δΕους  και  fpw 

16  κεκαυμένα  και  τρίχας  και  έλάφου  κέρας  και  πίσσαν  καιχαλβάνην 
καΐ  πάντα  τά  τμητικά  και  διενεργητικήν  δύναμιν  ίχοντα 
προσάΗομεν  αύτοϊς  και  τήν  τών  πταρμικών  δλην  εύτόνως. 

12  και  εΐ  μή  διανίσταται,  έμφυσή•  Ρ 

σομεν  εΙς  τάς  βΐνας  τό  νδπυ  bi'  δΗους* 
εί  bi  επιμένει,  προσοισομεν  τή  κεφαλή 

16  προΕυρηθείση  τό  νδττυ  και  τους  έκ  θε(ρ>μοο 
σπόγγους•  προεΕέσονται  γάρ  bxa  τούτων 
ο\  σωτηρίως  Ιχοντες.  κουράν  bk  καΐ  ώραν  κα-  Γ 

τά  τάς  παρακμάς  του  πάθους  παραληπτέον. 
παυσαμένης  bi  τής  καταφοράς  καΐ  τών  ττυρε- 
τών  λυθέντων  μετά  τήν  πρώτην  καΐ  δευτέ- 
6  ραν  διάτριτον  έπι  βολανεϊον  άκτέον  και  τήν 
άναληπτικήν  έκκριτέον  άργην. 

ΐπιλη(μ>ψίας  αΙτία.  vb  (3). 

ΤΤραΕαγόρας  περί  τήν  παχεϊον  άρτηρίαν 
φησι  γίνεσθαι  φλεγματικών  χυμών  συστάν- 
10  των  έν  αυτή '  οΟς  οή  πομφολυγουμένους 
άποκλείειν  τήν  biobov  του  άπό  καρδίας  ψυ- 
χικού πνεύματος  και  ουτω  τούτο  κpαbαivειv  και  σπαν 

κόντος  ρ  5  καΐ  τά  Ινίου  ρ  καταστοχασμοΟ  Ρ  6  καΐ  οτη  ρ  τοίς 
μέσον  Ρ,  τής  μέσοις  ρ,  exspectes  τά  μέσα  νβΐ  τά  μέσον  τις  om  ρ 
7  ένινεγμένη  ρ  10  καΐ  πρό  ρ  12  έπιμ€<νεΐ€  τή  ρ  12  σπάττο^ 
—  προσφερόμενον  ρ  13  θερμών  Ρ  bi  καΐ  τάς  Ρ  [16  1.  biCTCfW- 
κήν]  17  προσάΕαμεν  ρ,  corr.  τήν  om.  ρ  εύτόνος  ρ  12  καΐ  «ι 
μή  usque  ad  finem  capitis  om.  Ρ  14  προσοίσωμεν  ρ,  corr.        ^^ 

προΕηρηθειση  μ ;  quamvis  Caput  possit  siccari,  tarnen  id  quod  corr.  pwxi 
potiue  commendatur  θεμοΟ  ρ,  corr.  l  σρίιυς  pro  σωτηρίως  lineola 
transversa  supra  ι  adpicta  ρ  7  caput  de  epilempsia  om.  Ρ  έπιληψίοζ 
voculae  semper  (μ)  addidi  Graecitatis  servandae  oausa  9  φασ{  ρ,  Q^ 
Bolebat  scribi,  corr.        12  xpabaivujv  p,  corr. 


Aas  Themisone  Werk  über  die  acuten  und  l^hronischen  Krankheiten    11 

τό  σώμα'  πάλιν  bt  κατασταθεισών  τών  πο- 
μφολύγων  παύεσθαι  τό  πάθος.    Διοκλής 

51v6i  και  αυτός  ίμφραΗιν  πβρι  τόν  αυτόν 
τόπον  οϊεταΐ'  συμβαίνει  και  το  άλλα  κατά 
τα  αυτά.    ΤΤραξαγόρας  Η  φησι  γίνεσθαι* 
τό  μέν  είδος  τής  αίτιας  παραλέλοιπεν,  έπα- 
ναφέρεσθαι  bi  φησι  έν  τη  καταλέξει  τοΟ  πάθους  5 

*άπορώτερον  ή  ν  κωλύματα  Tifi  ιτνεύματι.   Ιππο- 
κράτης bi  ύγρου  φλέγματος'  έμπιπλασ- 
θαι  bi  φησιν  τόν  έγκέφαλον  υγρών  πάντα,  άπο- 
κλείεσθαι  bi  τό  ψυχικόν  πνεύμα  και  ου  πάντη 
τΓληρουμένιυν  τών  νεύρων  ύπ'  αύτου  bi'  ώνπερ  ίο 

τα  μέλη  έκινεϊτο*  τή  bk  bia  τούτων  εκδρο- 
μή του  ττνεύματος  την  πρόκοψιν  γίνεσθαι  ίφη 
και  τήν  συνολκήν  καΐ  τόν  σπασμόν*  τό  bk 
πάθος  όΕύ  γίνεσθαι  ήτοι  παρά  τό  πολλήν 
€ΐναι  τήν  ενοχλούσαν  ολην  ώς  έγκατα-  ιβ 

ττνίγειν  τό  θερμόν  ή  παρά  τήν  του  σώματος 

^Γάτονίαν  ώς  μή  δύνασθαι  τοις  σπασμοΐς  ι 

άντιτά£ασθαι,  άλλα  φθάσαι  άπαυδήσαντα.  2 

Έπιλη(μ)ψίας  σημεία.  8* 

και  τών  κε  s^ 

τα  πολλά  γινόμενα  συναποθνήσκειν.  4 

<Σημεϊα)  τής  αυτής  έπιλη<μ>ψίας.  β 

Τών  bk  έπιλη<μ>πτικών  ο\  μέν  υπνψ  βα- 

θ6ϊ  κατέχεσθαι  δοκουσιν,  ο\  bi  σπώνται 

και  τρέμουσι  και  συνέλκονται,  ο\  μέν  ΰπνω 

δφωνοι  καί  είσιν  αναίσθητοι,  άναττνοήν 

μ6γάλως  ίχουσιν  ίνηχον,  σφυγμόν  μέ-  ίο 

Ταν  καΐ  βραδύνοντα  ή  ληθαργώοη.  ούδε- 

νός  τών  έν  τφ  πάθει  όντων  μέμνηται.   bvobi- 

13  καταοταθεισαιν  ρ,  καταρραγεισιΐιν  Wellmannas  (Fragment- 
sammlung  der  griech.  Aerzte,  Berolini  1901,  p.  140  n.  51)  quod  non 
placet  1  τών  αύτΰιν  ρ,  corr.  2  fort,  συμβαίνβιν  κ.  τ.  ά.  κ.  τ.  αύ. 
Πραζαγόρ<;ι  φησΙ  γ.,  quae  Wellmannus  (1.  1.)  repetit  quamvie  ρ.  29 
legere  malit  συμβα(ν€ΐ  ~  αυτά,  d  ΤΤραΕαγόρας  φ.  γ.  6  init.  oorruptum 
Ö  ύγρόν  ifäv  ρ,  corr.  9  παντί  ρ,  corr.  10  πληρούμενον  ρ,  oorr.  1 1 
μίλι  ρ,  corr.  κΤν€ϊτο  ρ,  corr.  Ι  τονίαν  ρ,  corr.  2  άπαυδής  ρ, 
corr.  3  κε  ρ  quod  non  polest  significare  κ€φάλαιον  quia  novom  Ca- 
put non  incipit,  neque  solet  addi  in  cc  is  capitis  [l.  καΐ 
^τών]       5  (Σημεία)  addidi        7  δοκυ 


^ 


80  Fucbe 


ά  τών*  opeuüv  σκεπας  άποθεραπβύσομεν. 
μετά  bi  τοΟτο  ταΐς  τε  κατά  τό  ένδεχόμε- 
5  νον  όφαιρέσεσι  χρησόμεθα  και  συγχρίσ- 
μασι  και  πάσι  τοις  προς  τό  πάθος  έπιτηοειοις 
βοηθήμασιν. 

ΆποπληΕίας  αΙτία.  ιε  (4).  (γίνεται  bi.  μά-     ρ  ι 

ρ  ^ 

λίστα  ήλικίαις  άπό  τεσσαράκοντα  ετών 

10  μέχρι  1\) 

19  ΤΤραΗατόραςκαιΔιοκλής  περί  τήν παχεϊαν άρτηρίαν τί퀕 
ao  σθαί  φασι  τό  πάθος  υπό  φλέγματος  ψυχροΟ  και  παχέος 
ώς  μφ'  έν  αυτή  ούχ  ότιουν  πνεύμα  παραπνεϊσθαι 
όυνασθαι  και  οοτω  κιν{>υνεύειν  τό  παν  έγκαταπνιγήναι. 
Ιπποκράτης  bi  και  'Ερασίστρατος  φασι  περί  τον  έτ•Ρ 

κέφαλον  φλέγ- 
ματος ψυχρού    καΐ  παγετώοους  γίνεσθαι  σύστασιν,  ύφ'  οί 

και  τά  άπό  τούτου 

πεφυκότα  νεύρα  πληρούμενα  μή  παρα{>έχεσθαι  τό  ψυχικόν 

πνεύμα,  άλλ'  έγκαταπνιγόμενον  τούτο  κινδυνεύειν  άποίΤβε- 

5  σθήναι.  —  Τοις  b'  άποπληκτικοϊς  παρέπεται  άφνιυ  άνσΐίΤθη• 

σίαν  γί- 
γνεσθαι μετά  άτενισμου  ώσπερ  ακινησίας  τών  ομμάτων 
ώστε  6οκεΐν  λελιθακτθαι  καΐ  οίον  άποπεπηγέναι,  δθεν 
οή  και  τοδνομα  κέκτηται  τό  πάθος,  και  ο\  μέν  περί  τήν  πρώτην 
κα\  δευτέραν  ή  τρίτην  ήμέραν  ή  ?τι  μακροτέραν  άπαυδώσιν,  οί 
10  b*  έσώθησαν  μέν,  παρελύθησαν  bi  τι  τοΟ  σώματος.  ο\  bk  κοι- 
λίας αυτομάτου  ύπελθούσης  απηλλάγησαν  τοΟ  πάθους. 

3  άποθεραπεύσωμεν  ρ,  corr.  4  τούτους  ρ,  οογγ.  δ  χρη^ιί»- 
μέθα  ρ,  corr.  8  iqq.  uncis  inclasa  scholiam  sunt  codicis  p,  om.  Fi 
capitis  numerus  νε  in  cod.  ρ  20  ψησί  Ρ  άπό  ρ  post  φλ^μ.  ^di 
δέ  ρ  21  μηδέν  ρ  οτι  ρ  22  δύναται  ρ  έγκαταιτνιγομένης  Ρρ» 
corr.  Kalbfleischius  (Wellmann,  Fragmentsamml.  d.  griech.  Aerzte  I 
142  n.  55)  1  φασιν  ρ  πνεύματος  pro  φλέγμ.  oodd.,  corr.  (cf.  49vl*>; 
2  καΐ  et  άπό  om.  Ρ  τούτων  ρ,  om.  Ρ,  corr.  4  άλλα  καταπνιγόμίνον 
Ρ  5  δέ  Ρ  ένανασθησία  γίνεσθαι  ρ,  αναισθησία  Ρ,  corr.  5  sq.  τί* 
γνεσθαι  verbum  hie  primum  II  litteris  γ  praeditum  6  ακινησία  ρ 
όνομμάτων  ρ  8  λεληθώς  τώς  Ρ  (ως  prius  compendio  hie  rarissimi^ 
exaratum,  ως  alterum  prorsus  deletum  8  κέκτήσθαι  Ρ  τήν  om.  ^ 
9  ή  δευτέραν  ρ      άπόδοσιν  ρ      ή  pro  οΐ  ρ  10  οΐ   δέ   pro  μ^ν  F 

ίτι  pro  δέ  τι  Ρ    εΐ  pro  οΐ  codd.,  corr.        11  επελθούσης  Ρ 


AuB  Themisons  Werk  über  die  acaten  und  chronischen  Rrankheiten    81 

ΆποπληΕίας  θ€ραπ€ία. 
Ή  hk  άποττληΕία  σπανίως  μέν  λυομένη,  ταχέως  b'  αναι- 
ρούσα, ίχουσα  bi  καΐ  την  λύσιν  χαλεπωτέραν  των  δλλων  ττοθών. 
τά  πολλά  και  μετά  το  παραλΟσοί  τι  μέρος  άπαλλάττεται.  έν-  ιβ 
6€ίκνυται  hi  ήμΐν  έν  αρχή  φλεβοτομεΐν  τους  άλόντας 
€ύούς  μήθ*  ηλικίας  ή  (δρας  ή  χώρας  πεφροντικότας,  μόνον  bk 
τό  κατά  δύναμιν  άφηρημένον  του  μέτρου  κα\  εΐ  μίν  ώφεληθεΐεν 
έγχωρούσης  ίτι  τής  δυνάμεως,  έπαφαιρετέον  τή  αυτή 
ήμέρφ,  ει  b'  οδν  τή  έΕής.  ύπακτέον  bi  καΐ  τήν  κάτω  κοιλίαν  ώςϋο 
οριμυτάτψ  κλυστήρι  και  έπιμενοΟμεν,   εϊπερ  έπι  των  εύτόνων 
βοηθημάτων  τά  τής  ωφελείας  μή   έγχωροίη.    παράσχοι   b'   δν 
^ίΓήμϊν  και  τό  μελίκρατον  καΐ  τά  bxä  μέλιτος  γινόμενα  ^οφήματα 
την  κοιλίαν  εολυτον.   έν  τούτοις  bi  θετέον  καΐ  τόν  άποβεβρεγ- 
μίνον  και  διηθισμένον  άρτον.   έμβροχαι  bk.  ίστωσαν  τή  κεφαλή 
αι  bf  όΕυροοίνου.  χρησόμεθα  bi  προποτίσμασι  τοις  bi'  όΗυμέλι- 
τος,  άποφλεγματισμοΐς  bi  τοις  bia  θύμου  ή  όριγάνου  ή  ύ-       β 
σσώπου  ή  γλήχωνος  άποικονομημένου  τό  φερόμενον  εΙς  θώ- 
ρακα πνεύμα  πνιγμούς  έμποιεϊν.  προκοπής  bi  τί- 
νος γενομένης  μετά  τήν  τρίτην  έπι  τους  H  ύδατος  άρτους 
χωρήσωμεν  και  ώά  ^οφητά  τής  τοΟ  σώματος  επιμελείας 
του  λοιπού  πεφροντικότες.  τής  b'  αφωνίας  έπιμενούσης  ίο 

και  τής  δυνάμεως  έπιπρεπούσης  κολλητέον  Ινίψ  τφ  προς 
σπονδύλψ  σικύας  μετά  κατασχασμου,  εί  bi  έπιδέ- 
χοιντο,  και  τοις  ύποχονδρίοις.  αίώρςι  bi  χρησώμεθα  έ• 
πΐ  τούτων  τή  κρεμαστή  μετά  κινήματος  και   βράσματος    σφο- 
6ροτέρου.  επιμένοντος  bi  του  πάθους  και  των  δυνάμεων  ιβ 

έπι  τό  Ιμπαλιν  ούσών,  δ  δει  έκ  παντός  πεφυλάχθαι, 
μάλλον  έπι  τούτων  προσβάλλομεν  σικύας  νώτω  και  ^ά- 
χει  μέχρις  όσφύος,  μετά  δέ  ταυτο  ύποχονδρίοις 

13  μέν  om.  ρ  bi  pro  δ'  Ρ  14  χαλεπότερον  Ρ  15  γάρ  pro 
καΐ  ρ  τοΟ  παραλ.  ρ  17  ευθύς  om.  ρ  μήτε  ήλ.  oodd.,  oorr.  μήτε 
ώρας  ρ  18  αφηρημένους  ρ  li>  έγχιυρήσεις  καί  τι  Ρ  έπιφβρε- 
τέον  Ρ  τής  αυτής  oodd  ,  corr.  20  ημέρας  codd.,  oorr.  τής  pro  τή 
Ρ  κάτΐϋ  om.  Ρ  21  έπιμενομένη.  περί  έπΙ  τών  ρ  3  διηθίΖΙειν  con- 
servo  propter  διήθισμα  4  χρωσώμεθα  ρ ;  uolui  auferre  eubiunetivom 

quia  non  offendimur  hoc  modo,  tarnen  scriptorem  maluisse  indicativom 
probabile  est  6  άποικονομημένον  ρ  7  sq.  τίνος  om.  ρ  9  ρο- 
φήματα ρ  10  πεφροντικότας  ρ  διαφορίας  pro  άφων.  sine  δ'  ρ 
U  έπιτρβπούσης  ρ  Ινίον  Ρ  τφ  πρό  τφ  ρ  12  καταστοχασμοο  ρ 
έπώίχοιτο  ρ  14  τήν  κρεμαστήν  ρ  IG  init.  έπιτρεπουσών  ρ  17 
μάλιστα  τάς  έπΙ  τ.  Ρ  έπι  τούτιυ  ρ  προσβάλλω  ρ  νώτων  Ρ  ί)άχ€ως  Ρ 
ftbeln.  Mas.  f.  Philoi.  Μ.  F.  LYIII.  6 


^ 


80  Fuche 


ά  τών*  ορέων  σκεπας  άποθ€ραπ€υσομ6ν. 
μβτά  bt  τοΟτο  ταϊς  τ€  κατά  τό  ένδβχόμβ- 
5  νον  άφαιρέσεσι  χρησόμ€θα  και  ϋυ^χριβ" 
μασι  και  πασι  τοις  προς  τό  πάθος  έπιτηοείοις 
βοηθήμασιν. 

ΆποπληΕίος  αΐτίο.  ιε  (4).  (γίνεται  bk  μά-     ρΐ 
λίστα  ήλικίαις  όπό  τεσσαράκοντα  ετών  ^ 

10  μέχρι  ί\) 

ιβΠραΕατόροςκαιΔιοκλής  περί  τήν ποχεϊον άρτηρίαν τί퀕 
ao  σθαί  φασι  τό  πάθος  ύπό  φλέγματος  ψυχρού  και  παχέος 
ώς  μηδ'  έν  αυτή  ούχ  ότιουν  πνεύμα  παραιτνεϊσθαι 
ούνασθαι  και  οοτω  κινδυνεύειν  τό  παν  έγκαταιτνιγήναι. 
Ιπποκράτης  bi  κα\  ^Ερασίστρατος  φασι  περί  τόν  iv^ 

κέφαλον  φλέγ- 
ματος ψυχρού    κα\  παγετώδους  γίνεσθαι  σύστασιν,  ύφ'  οί 

και  τα  άπό  τούτου 

πεφυκότα  νεύρα  πληρουμενα  μή  παραδέχεσθαι  τό  ψυχικόν 

πνεύμα,  άλλ'  έγκαταπνιγόμενον  τούτο  κινουνεύειν  άποσβε- 

5  σθήναι.  —  Τοις  b'  άποπληκτικοϊς  παρέπεται  δφνα»  άναισθη• 

σίαν  γί- 
γνεσθαι μετά  ότενισμοΰ  ώσπερ  ακινησίας  τών  ομμάτων 
ώστε  δοκεΐν  λελιθώσθαι  καΐ  οίον  άποπεπηγέναι,  δθεν 
br\  κα\  τοδνομα  κέκτηται  τό  πάθος,  και  ο\  μέν  περί  τήν  πρώτην 
και  δευτέραν  ή  τρίτην  ήμέραν  ή  ίτι  μακροτέραν  άπαυδώσιν,  οί 
10  b'  έσώθησαν  μέν,  παρελύθησαν  5έ  τι  του  σώματος,  οί  hi  κοι- 
λίας αυτομάτου  ύπελθούσης  απηλλάγησαν  του  πάθους. 

3  άποθεραπεύσωμεν  ρ,  οογγ.  4  τούτους  ρ,  corr.  5  χρηο»^ 
μέθα  ρ,  corr.  8  sqq.  uncis  inolosa  echolium  sunt  oodicis  p,  om.  P• 
capitis  numerus  v€  in  cod.  ρ  20  φησί  Ρ  άπό  ρ  post  φλέγμ.  &dd. 
δέ  ρ  21  μr\biy  ρ  δτι  ρ  22  δύναται  ρ  έγκαταπνιγομένης  Ρρ* 
corr.  Kalbfleischius  (Wellmann,  Fragmentsamml.  d.  griech.  Aerzt«  I 
142  n.  55)  1  ψασιν  ρ  πνεύματος  pro  φλ^μ.  codd.,  corr.  (cf.  49v  l•'»^ 
2  καΐ  et  άπό  om.  Ρ  τούτων  ρ,  om.  Ρ,  corr.  4  άλλα  καταπνιγόμ€νον 
Ρ  5  δέ  Ρ  ένανασθησία  γίνεσθαι  ρ.  αναισθησία  Ρ,  corr.  δ  sq.  Τ^* 
γνεσθαι  verbum  hio  primam  II  litteris  γ  praeditum  6  άκινη^^α  ρ 
όνομμάτων  ρ  8  λεληθώς  τώς  Ρ  (ως  prius  compendio  hie  rarissimi• 
exaratura,  ως  alterum  prorsus  deletum  8  κ^κτήσθαι  Ρ  τήν  om.  ^ 
9  ή  δευτίραν  ρ      άπό&οσιν  ρ      ή  pro  οΐ  ρ  10  οΐ   6^   pro  μέν  Ρ 

^τι  pro  bi  τι  Ρ    εΐ  pro  οΐ  codd.,  corr.        11  επελθούσης  Ρ 


Aus  ThemieoDB  Werk  über  die  acuten  und  cbronieohen  Krankheiten    81 

I 

ΆποπληΗίας  θ€ραπ€ία. 

Ή  bi  όποπληΕία  σπανίως  μέν  λυομένη,  ταχέως  b'  αναι- 
ρούσα, έχουσα  bi  καΐ  την  λύσιν  χαλεπωτέραν  των  δλλων  παθιΰν. 
τα  ττολλά  και  μβτά  τό  παραλΟσαί  τι  μέρος  άπαλλάττεται.  έν- 15 
bekvuTai  bk  ήμιν  έν  αρχή  φλεβοτομεϊν  τους  άλόντας 
£ύθύς  μήθ'  ηλικίας  ή  ώρας  ή  χώρας  πεφροντικότας,  μόνον  bk 
τό  κατά  ^ύναμιν  άφηρημένον  του  μέτρου  καΐ  el  μϊν  ώφ€ληθ€Ϊ€ν 
ίτχωρούσης  ίτι  της  δυνάμεως,  έπαφαιρετέον  τή  αυτή 
ήμέρςι,  ει  b'  ου  ν  τή  έ£ής.  ύττακτέον  bk  καΐ  τήν  κάτω  κοιλίαν  ώςί» 
οριμυτάτψ  κλυστήρι  και  έπιμενουμεν,   εϊπερ  έπΙ  των  εύτόνων 
βοηθημάτων  τά  τής  ωφελείας  μή   έγχωροίη.    παράσχοι  b'   fiv 
•^r  ήμΐν  και  τό  μελίκρατον  καΐ  τά  bia  μέλιτος  γινόμενα  [Ροφήματα 
την  κοιλίαν  εδλυτον.   έν  τούτοις  bk.  θετέον  κα\  τόν  άποβεβρεγ- 
μενον  κα\  bιηθισμέvov  δρτον.   έμβροχαι  bi.  ίστωσαν  τή  κεφαλή 
αι  bi'  όEυpobivoυ.  χρησόμεθα  bi  προποτίσμασι  τοις  bi'  όευμέλι- 
τος,  άποφλεγματισμοΐς  bi.  τοις  bia  θύμου  ή  όριγάνου  ή  υ-       β 
σσώττου  ή  γλήχωνος  άποικονομημένου  τό  φερόμενον  εΙς  θώ- 
ρακα πνεύμα  ττνιγμούς  έμποιεϊν.  προκοπής  bέ  τί- 
νος γενομένης  μετά  τήν  τρίτην  έπι  τους  il  υbατoς  άρτους 
χωρήσωμεν  και  ωά  [^οφητά  τής  του  σώματος  επιμελείας 
του  λοιπού  πεφροντικότες.  τής  b'  άςρωνίας  έπιμενούσης  ίο 

και  τής  bυvάμεως  έπιπρεπούσης  κολλητέον  Ινίω  τψ  προς 
σπονούλψ  σικύας  μετά  κατασχασμου,  εΐ  bk  έπώέ- 
χοιντο,  και  τοις  ύπoχovbpίoις.  αΐώρςι  bk  χρησώμεθα  έ- 
πι τούτων  τή  κρεμαστή  μετά  κινήματος  και  βράσματος    σφο- 
δρότερου, επιμένοντος  bi.  του  πάθους  και  των  bυvάμεωv  ιβ 
έπι  τό  έμπαλιν  ούσών,  δ  bei  έκ  παντός  πεφυλάχθαι, 
μάλλον  έπι  τούτων  προσβάλλομεν  σικύας  νώτω  και  {>& 
χει  μέχρις  όσφύος,  μετά  bi  ταύτα  ύπoχovbpίoις 

13  μέν  om.  ρ  bi  pro  6'  Ρ  14  χαλεπότερον  Ρ  15  γάρ  pro 
καΐ  ρ  τοΟ  παραλ.  ρ  17  εύθυς  οηι.  ρ  μήτε  ήλ.  codd.,  oorr.  μήτε 
ώρας  ρ  18  αφηρημένους  ρ  19  έγχωρήσεις  κα(  τι  Ρ  έπιφερε- 
τέον  Ρ  τής  αυτής  codd  ,  oorr.  20  ημέρας  codd.,  corr.  τής  pro  τή 
Ρ  κάτω  om.  Ρ  21  έπιμενομένη.  περί  έπΙ  τών  ρ  3  διηθίΖειν  con- 
eervo  propter  διήθισμα  4  χρωαώμεθα  ρ ;  iiolui  auferre  subiunctivom 
quia  non  ofifendimur  hoc  modo,  tarnen  scriptorem  maluisee  indicativom 
probabile  est  6  άποικο  νομή  μένον  ρ  7  sq.  τίνος  om.  ρ  9  Ρο- 
φήματα ρ  10  πεφροντικότας  ρ  οιαφορίας  pro  άφων.  sine  5'  ρ 
U  έπιτρ€πούσης  ρ  Ιν(ον  Ρ  τφ  πρό  τφ  ρ  12  καταστοχασμοο  ρ 
έπώ^χοιτο  ρ  14  τήν  κρεμαστήν  ρ  IG  init.  έπιτρεπουσών  ρ  17 
μάλιστα  τάς  in\  τ.  Ρ     έπι  τούτω  ρ     προσβάλλω  ρ    νώτων  Ρ     ί)άχ€ως  Ρ 

ahein.  Hu.  f.  Philol.  Ν.  F.  LVIII.  6 


\ 


80  Fucbs 


ά  των*  op€UJV  σκέπας  άποθ€ραπ€ύσομ€ν. 
μετά  bt  τοΟτο  ταϊς  τε  κατά  τό  ένΙ)€χόμ€- 
5  νον  όφαιρέσεσι  χρησόμεθα  και  συτχρί<τ- 
μοσι  και  πάσι  τοις  προς  τό  πάθος  έπιτηοβίοις 
βοηθήμασιν. 

ΆποπληΕίας  αΐτίο.  ΐ€  (4).  (γίνεται  bt  μά-      ρΐ 
λίστα  ήλικίαις  άπό  τεσσαράκοντα  ετών 

10  μέχρι  Η'.) 

»ΤΤραΕαγόραςκαΙΔιοκλής  περί  τή ν παχεϊαν άρτηρίαν γίνε- 
ao  σθαί  φασι  τό  πάθος  υπό  φλέγματος  ψυχρού  και  παχέος 
ώς  μη5'  έν  αυτή  ούχ  ότιοΟν  πνεύμα  παραιτνεϊσθαι 
^ύνασθαι  και  ουτιυ  κινουνεύειν  τό  πάν  έγκαταπνιγήναι. 
Ιπποκράτης  bi  κα\  'Ερασίστρατος  φασι  περί  τον  iv^ 

κέφαλον  φλέγ- 
ματος ψυχρού    καΐ  παγετώδους  γίνεσθαι  σύστασιν,  ύφ'  οί 

και  τά  άπό  τούτου 
πεφυκότα  νεύρα  πληρούμενα  μή  παραοέχεσθαι  τό  ψυχικόν 
πνεύμα,  άλλ'  ίγκαταπνιγόμενον  τούτο  κινουνεύειν  άποσββ- 
5  σθήναι.  —  Τοις  b*  άποπληκτικοϊς  παρέπεται  δφνα»  άνακίθη• 

σίαν  γί- 
γνεσθαι μετά  άτενισμού  ώσπερ  ακινησίας  τών  όμμάτιυν 
ώστε  οοκεΐν  λελιθώσθαι  καΐ  οίον  άποπεπηγέναι,  δθεν 
bi\  και  τοονομα  κέκτηται  τό  πάθος.  κα\  οΐ  μέν  περί  την  πρώτην 
κα\  οευτέραν  ή  τρίτην  ήμέραν  ή  ίτι  μακροτέραν  άπαυδώσιν,  oi 
10  b'  έσώθησαν  μέν,  παρελύθησαν  bi  τι  τού  σώματος,  οί  U  κοι- 
λίας αυτομάτου  ύπελθούσης  απηλλάγησαν  τού  πάθους. 

3  άποθεραπεύσωμεν  ρ,  oorr.  4  τούτους  ρ,  corr.  5  χρί\θώ• 
μέθα  ρ,  corr.  8  sqq.  uncis  indosa  echoliam  sunt  oodicis  p,  om.  P; 
capitis  numerus  νε  in  cod.  ρ  20  φησί  Ρ  άπό  ρ  post  φλέγμ.  add. 
&έ  ρ  21  μr\biy  ρ  δτι  ρ  22  δύναται  ρ  έγκαταπνιγομένης  Ρρ. 
corr.  Kalbfleiechiue  (Wellmann,  Fragmentsamml.  d.  griech.  Aerzte  I 
142  n.  55)  1  φασιν  ρ  πνεύματος  pro  φλέγμ.  oodd.,  corr.  (cf.  49v  W 
2  καΐ  et  άπό  om.  Ρ  τούτων  ρ,  om.  Ρ,  corr.  4  άλλα  καταπνιγόμενον 
Ρ  5  δέ  Ρ  ένανασθησ(α  γίνεσθαι  ρ,  αναισθησία  Ρ,  corr.  δ  sq.  Τ»• 
γν€σθαι  verbum  hie  primum  II  litteris  γ  praeditum  6  άκινηοία  ρ 
όνομμάτων  ρ  8  λεληθώς  τοις  Ρ  (ως  prius  compendio  hie  rarissimo 
exaratum,  ως  alterum  prorsus  deletum  8  κέκτήσθαι  Ρ  τήν  om.  Ρ 
9  ή  δ€υτέραν  ρ      άπόδοσιν  ρ      ή  pro  οί  ρ  10  οΐ   6έ   pro  μέν  Ρ 

Ιτι  pro  bi  τι  Ρ    €ΐ  pro  οΐ  codd.,  corr.        11  επελθούσης  Ρ 


Ans  Themisoxui  Werk  über  die  acuten  und  cbronisohen  Krankheiten    81 

ΆποπληΕΙας  θεραπεία. 
*H  bi  όποπληΕία  σπανίως  μέν  λυομένη,  ταχέως  b'  αναι- 
ρούσα, ίχουσα  bi.  καΐ  την  λύσιν  χαλεπωτέραν  των  δλλων  παθών, 
τά  πολλά  και  μετά  τό  παραλΟσαί  τι  μέρος  όπαλλάττεται.  έν- 16 
οείκνυται  bk  ήμϊν  έν  αρχή  φλεβοτομεϊν  τους  άλόντας 
εύούς  μήθ'  ηλικίας  ή  ώρας  ή  χώρας  πεφροντικότας,  μόνον  bt 
τό  κατά  ούναμιν  όφηρημένον  τοΟ  μέτρου  και  εΐ  μίν  ώφεληθεΐεν 
έγχωρούσης  ίτι  της  δυνάμεως,  έπαφαιρετέον  τή  αυτή 
ήμέρςι,  ει  b'  oöv  τή  έΕής.  ύπακτέον  bi  καΐ  τήν  κάτω  κοιλίαν  ώςϋο 
δριμυτάτψ  κλυστήρι  και  έπιμενοΟμεν,   εϊπερ  έπΙ  των  εύτόνων 
βοηθημάτων  τά  τής  ωφελείας  μή   έγχωροίη.    παράσχοι  b'   fiv 
ί<'>Γ  ήμϊν  και  τό  μελίκρατον  και  τά  biö  μέλιτος  γινόμενα  [Ροφήματα 
τήν  κοιλίαν  εΰλυτον.  έν  τούτοις  bi  θετέον  κα\  τόν  άποβεβρεγ- 
μένον  και  bιηθισμέvov  δρτον.   έμβροχα\  bk  έστωσαν  τή  κεφαλή 
αι  bi'  όEυpobivoυ.  χρησόμεθα  bi  προποτίσμασι  τοις  bf  όΕυμέλι- 
τος,  άποφλεγματισμοϊς  bi  τοις  bia  θύμου  ή  όριγάνου  ή  υ-       β 
σσώπου  ή  τλήχωνος  άποικονομημένου  τό  φερόμενον  εΙς  θώ- 
ρακα πνεύμα  πνιγμούς  έμποιεϊν.  προκοπής  bέ  τί- 
νος γενομένης  μετά  τήν  τρίτην  έπι  τους  έΕ  υbατoς  άρτους 
χωρήσωμεν  και  ώά  ^οφητά  τής  του  σώματος  επιμελείας 
του  λοιπού  πεφροντικότες.  τής  b'  ά(ρωνίας  έπιμενούσης  ίο 

και  τής  bυvάμεως  έπιπρεπούσης  κολλητέον  Ινίψ  τψ  προς 
σπovbύλψ  σικύας  μετά  κατασχασμου,  εΐ  bi  imbi- 
χοιντο,  και  τοις  ύπoχovbpίoις.  αιώρ^  bk  χρησώμεθα  έ- 
πι τούτων  τή  κρεμαστή  μετά  κινήματος  καΐ  βράσματος    σφο- 
bpoτέpoυ.  επιμένοντος  bk  του  πάθους  και  τών  bυvάμεωv  ιβ 

im  τό  έμπαλιν  ούσών,  δ  bεΐ  έκ  παντός  πεφυλάχθαι, 
μάλλον  έπι  τούτων  προσβάλλομεν  σικύας  νώτω  και  pa- 
χει  μέχρις  όσφύος,  μετά  bk  ταύτα  ύπoχovbpίoις 

13  μέν  om.  ρ  bi  pro  b'  Ρ  14  χαλεπότερον  Ρ  15  γάρ  pro 
καΐ  ρ  τοΟ  παραλ.  ρ  17  εύθΟς  om.  ρ  μήτε  ήλ.  codd.,  oorr.  μήτε 
ώρας  ρ  18  αφηρημένους  ρ  19  έγχωρήσεις  κα(  τι  Ρ  έπιφερε- 
τίον  Ρ  τής  ούτής  codd  ,  corr.  20  ημέρας  codd.,  corr.  τής  pro  τή 
Ρ  κάτω  om.  Ρ  21  έπιμενομένη.  περί  έπΙ  τών  ρ  3  διηθίΖειν  con- 
eervo  propter  διήθισμα  4  χρωσώμεθαρ;  iiolui  auferre  subiunctivom 
quia  non  oflfendimur  hoc  modo,  tarnen  scriptorem  maluisse  indicativom 
probabile  est  6  άποικόνομημένον  ρ  7  sq.  τίνος  om.  ρ  9  Ρο- 
φήματα ρ  10  πεφροντικότας  ρ  διαφορίας  pro  άφιυν.  sine  b'  ρ 
11  έπιτρεπούσης  ρ  Ivtov  Ρ  τψ  πρό  τφ  ρ  12  καταστοχασμου  ρ 
έπΛέχοιτο  ρ  14  τήν  κρεμαστήν  ρ  IG  init.  έπιτρεπουσών  ρ  17 
μάλιστα  τάς  έπΙ  τ.  Ρ  έπι  τούτω  ρ  προσβάλλω  ρ  νώτων  Ρ  ί)άχ€ως  Ρ 
Bheln.  Hiu.  f.  Philol.  Ν.  F.  LVIII.  ^ 


\ 


82  Fuchs 


καΐ  ήτρψ  και  βουβώσι.  χρηστέον  hi  κα\  πταρμικοΐς  έπι  τούτοις 
Μ  συν€χίστ€ρον  συν  τοις  άποφλεγματισμοΐς.  μετά  bk  τήν 
τ€σσαρ€σκαιί)6κάτην  προκοτττούσης  της  θεραπείας  και  της  δυ- 
νάμεως   άναρριυσθείσης    χρησόμεθα    καΐ    ταΐς    έκτος  αΐώραις 

πεφρον- 
τικότες  και  του  περί  τήν  γλώτταν  ουσαλγήματος.   οώσομεν  bi  Ρ  S 
και  τό  παλαιόν  ύ^ρόμελι  και  σύν  δρτψ  ή  πλυτφ  χόνορψ  εΙς  ά- 
νάκλησιν  τής  δυνάμεως,   εΐ  bk  μηδέν  προχωροίη  κατά  μίσον 
της  θεραπείας,  έπιτρέποιεν  bi  αΧ  δυνάμεις,  παραλ€μιβανέσθιυ- 

σαν  αι 
6  δια  τής  Ιεράς  καθάρσεις,  μετά  bt  μίαν  καΐ  είκοστην  έπι  βαλα- 
νεϊα  προσάΕομεν  οΐνον  άπλοΟν  και  ολίγον  δίδοντες,    τάς  δέ 
αναλήψεις  δι'  αλειμμάτων  και  βαλανείαιν  διά  μακράς  παραλαμβα- 
νομένων  ποιησόμεθα  του  γε  οίνου  φει^όμενοι  και  τής  ύδρο- 
ποσίας  άφειδουντες.  ίστω  δέ  τούτοις  ή  διατριβή  έν  πάρα  θα- 
ιολασσίοις  τόποις. 

10  Κεφαλαίας  αιτία.  ιςίδ). 

Διοκλής   τήν  κεφαλαίαν  φησι  γίνεσθαι  περί  τάς  κοίλας  και 

βυθίους         ι 

φλέβας  τής  κεφαλής  έμφράΕεως  γενομένης*  γίνεσθαι  bi  αυτήν 

και  έ- 

πικίνδυνον,  έάν  τόν  ηγεμόνα  του  σώματος  συνδιαθή  τήν 

καρδίαν,  άφ'  ής  τό  ψυχικόν  πνεύμα  του  σώματος  ώρμηται  κα- 
16  τ'  αυτόν.   Ό  δέ  Ιπποκράτης  όνομαστι  μέν  του   πάθους  ου     j 

μέμνηται,  έν  bi  τοις  περί  νούσων  τήν  συνδρομήν  κατα- 

λέγων  γίνεσθαι  φησι  περί  τάς  έν  βάθει  τής   κεφαλής  φλέβας 

οριμυ-         ι 

ποιηθέντος  του  ενταύθα  χυμού  ή  ύπό  χολής  ή  αλμυρού  φλέγ- 
ματος. 

20  άποφλβγματικής  ρ  22  χρησώμεθα  ρ  1  δυσεργήματος  ρ 
δώσωμεν  Ρ  2  σπάρτω  ρ  χονδρών  ρ  3  προχωρεί  ρ  ή  κατά• 
μ^σον  ρ  4  επιτρέπει  έν  bi'  α{δυνάμεις  ρ,  έπιπρέπει  έν  τή  δυνάμει 
Ρ,  corr.  5  }κάο  pro  μ.  κ.  είκ.  ρ  βαλανείυυ  ρ  6  προαάΕιυμεν  ρ 
7  αναλύσεις  Ρ  διά  Ρ  μακροΟ  ρ  παραλαμβανόμενον  ρ  8  ποιησώ- 
μέθα  ρ  τοΟτε  ρ  10  capitis  numerus  νς  in  cod.  ρ  περικεφαλαίας  Ρ 
11  δέ  pro  τήν  κεφαλ.  Ρ  βαθε(ας  ρ  12  γινομένης  ρ  δέ  om.  Ρ  καΐ 
om.  Ρ  13  sq.  συνδιαθή  usque  ad  σώματος  in  marg.  ρ  (man.  II)  τη 
καρδ(ςι  Ρ  14  άφ'  fj  ρ,  έφ'  οΐς  Ρ  όρμα  Ρ  14  sq.  κατά  τούτων  ρ 
15  Ιποκράτης  δέ  ρ  μέν  om.  ρ  τή  pro  τοΟ  ρ  ού  om.  ρ  17  n\. 
δριμοποιηθέντος  codd.,  corr. 


Aus  ThemisoDB  Werk  über  die  acuten  und  chronischen  Krankheiten    83 

Κεφαλαίας  σημεία.  it 

Τοις  bi  iv  κεφαλαίςι  συνεόρεύουσιν  i9 

αλγημα  σφοορόν  κεφαλής,  ίβη  b'  δτε  καΐ  τραχήλου  και  ομμάτων,  m 
ίρευθος  προσώπου,  αγγεία  κυρτά,  οιοιοησις  δλης  δψειυς,  δ- 
μματα  δυσκίνητα,  φωτός  αποστροφή  καΐ  φωνής,  ενίοτε  bk 
και  στομάχου  Ρευματισμός  και  ίλιγγος,  ότέ  bi  βάρος  δφατον. 
P27r  όακρύουσι  μάλιστα  κατά  τους  υπ'  αυτής  ερεθισμούς  και  συν- 

τείνονται 
μετάφρενα,  άλγοΟσι  βραχίονες  ένίοις,   ναρκοΟσι,    ουσκινητουσι 
πάντες,  μικροσφυκτουσι,  περιψύχονται.   προς  5έ  τό  τελευταΐον 
δντες  δμματα  λοΕουνται.  4 

Κεφαλαίας  θεραπεία.  ι 

Τους  b€  υπό  κεφαλαίας  όχλουμε'νους  κατακλίνειν  μέν  έκ  παντός  β 
δει  έν  εύαέρψ  τόπω.  φλεβοτομητέον  bi  περί  την  όευτέραν 
μετά  τους  υπόπτους  με'χρι  λειποθυμίας  τό  παν  προς  bv- 
ναμιν  αφορώντας,  τή  bi.  τρίτη  έπαφελόντες  παραθήσο- 
μέν  τι  νεαρόν  ίμβρόχημα.   κατά  bk  τάς  αρχάς  ταϊς  bia  ^o- 
bίvoυ  προσεπιβαλλομένου  άπό  τε  ήουόσμου  και  κισσού  και        ίο 
πηγάνου  χυλού,  μετά  bi  ταύτα  (τή)  bm  κλυστήρος  κενώσομεν  τήν 
κοιλίαν.    εΐ  bk  εύαρεστηθείη  έκ  τούτων,  έπιμίνομεν  τω  βοηθή- 
μάτι  έκ  διαλειμμάτων  προσφέροντες.   τάς  bk  τροφάς,  εΐ 
μεν  συνεχώς  πυρέττοιεν,  καθ'  ήμέραν  δοτέον,   εί  5'  ουν  κατά 
τάς  διαλείπουσας,    χρησόμεθα  δέ  και  ταΐς  τών  άκρων  διασφίγ-  le 
Εεσι.   καλόν  μέν  οΰν  έν  παντι  καιρώ,  ει  δ'  ουν  πρό  τών  παροΕυσ- 
μών  ώς  έν  αύτοϊς  πολλής  ωφελείας  εντεύθεν  άπαντησομένης. 
έν  δέ  τοις  παροΕυσμοΐς  παρηγορητέον  καταπλάσσοντας 
τό  μέτωπον  και  τους  κροτάφους,  ότέ  μέν  άρτον  δΓ  οΕυκράτου 

και  [^οδίνου, 

19  συνεδρεύει  ρ  20  κεφαλής  σφοδρόν  ρ  Ιατι  usque  ad  ομ- 
μάτων posi  έρευθος  προσώπου  pos.  ρ  23  στόματι  χωρεμβατϊσμός  ρ 
οτι  ρ  άφ*  αυτόν  ρ  1  ύπ'  αυτούς  ρ,  άπ'  αυτής  Ρ  θερισμούς  Ρ 
καΐ  om.  ρ  3  μικροσφυκτοΟσι  περιψύχονται  om.  ρ  τελευτέον  ρ  4 
δντες  om.  ρ  λύ2Ιονται  vel  λώΖονται,  spatio  III  fere  litterar  um  ante 
λύί.  relicto  Ρ  κεφ.  θερ.  primum  nigro,  tum  rubro  colore  scriptum 
duobue  versibue  exb.  ρ  7  [1.  μέν  τούς]  8  άφοριΐιντες  Ρ  έπαφελόντας 
Ρ      9  έμβροχαις  μέν  ρ        τάς  &ιά  ρ         10  πρόσεμ  βαλλόμενο  ν  ρ         11 

Ρ 
χυλόν  codd.,  corr.      τή  διακλυστη  cum  lineola  supra  posita  |  Ρ,  τή  saepsi 

Κ€νώσωμεν  ρ         12  εύαρεστηθή  Ρ       τούτω  έπιμένωμεν  ρ        14  εΐ  δο' 

άΟ  ρ        15  διάλιπούσας  ρ      χρησώμεθα  ρ    διά  τών  ρ        16  καιρών  ρ 

Π  ώς  om.  ρ       αυτής  ρ      άπαντησόμενοι  Ρ         18  καταπλάττοντες  ρ, 

καταπλάσσοντες  Ρ,   corr.        19  δτε  codd.,  corr.       άρτω  ρ,   άρτον    δι* 


84  ("uclie 

aolcrO'  δτε  προσβαλλόμενων  άμυγοάλων  πικρών  λείων  ή  ^όδιυν 

άπαλατν 
ή  και  βεβρεγμένων    Ηηρών,   6τί   bi  απαλών  μετά  γλήχωνος  ή 

τόν  οΓ  δ- 
έους δρτον  μεθ'  ήουόσμου  ή  περσικών  φύλλων  fj  ώκίμων  λείων, 
ή  γή  bi'  δΕους.   ποιοΟσι  bi  και  κισσού  κόρυμβοι  έψηθέντες 
σύν  δΕει  και  ^obivu)  αναληφθέντες  και  έρπυλλιον  έψηθέν  έν  öbari 

σύν  άλεύ-    ?^ 
ρψ  πυρίνψ.   ύπολλακτίον   bt  πυκνότερον  ταύτα,   περιχριστέον 
bk.  αλόη  ή  όμμωνιακψ  fj  μαστίχη  μετ'  δΕους.  χρησόμεθα  bk 
και  ταΐς  τοπικαΐς   άφαιρέσεσι  ßbελλας  μέν  μετώπω  και  κροτά- 

φοις  προσά- 
Β  τοντες,  σικύας  bk  Ινίψ  και  τ(μ  πρώτψ  σπovbύλψ.  εΐ  bi  ώφεληθεν- 
τες  μεταΕύ  παροΕύνονται  έπιτρεπούσης  της  buvάμεως,  μετά  τούτο 
πάλιν  προσοίσομεν  τάς  σικύας.  λυσιτελής  γάρ  ή  τούτων  άφαί- 

ρεσις.  αι  hl 
έμβροχαΐ  μέχρι  της  bεuτέpας  έßboμόboς  αΐ  αύται  ίστωσαν.  μ€τά 

bi.  raxna 
ταΐς  bia  ^obivou  ή  ώμοτριβους  ελαίου  θερμαΐς  χρησόμεθα  συνα- 
ιοφέψοντες   ή  πήγανον  ή  δνηθον.   επιμενόντων  bk  tOjv  πόνων 

και  τών 
κιvbύvωv  προαφηρη  μένων  τών  τριχών  καταιοναν  bεϊ  θερμώ 
τήν  κεφαλήν  συναφεψημένης  bάφvης  ή  κυπαρίσσου  ή  κωδιών 

ή  του 
τών  αρωμάτων  σκυβάλου  ή  έτερου  τινός  (θερμού)  θερμαίνειν 

και  παρητο• 
ρεΐν  buvαμέvou  προσεπιχέοντας  ίλαιον  πάντοθεν.  μέτρον  bi  δρι- 
16  στον  ή  εύαρέστησις  ή  6  κριθείς  χρόνος,   μετά  bi  ταύτα  (Γκ€- 

πάσομεν 

έρίοις  αυτήν  προαφηρημένην.  εΐ  bi  προς  ταύτα  ώφεληθεΐεν»  συνε- 

OEupobWou  Ρ  20  ίσται  τό  προβαλόμενον  ρ  ^obov  ρ  21  βτε  codd., 
corr.      bk  om.  ρ      τοΟ  Ρ,  τώ  ρ,  corr.  22  Αρτου  Ρ,  αρτω  ρ,  corr. 

μετά  codd.,   corr.      ή  κυμολίω  ρ  (τήν  Κιμωλ(αν  γήν  signifioans)       -»^ 

έντ 
κισαοΟ  κόρυβοι  ρ,  κισσοί  καΐ  κόρυμβοι  Ρ        1  έρπυλίψ  έψηθεν  Ρ.  ^Π- 
θέντα  ρ        2  πυκνότερα  ρ        3  περιχρηστίον  ρ     μαστίχιν  ρ     μετά  Ρ 
χρησώμεθα  ρ        4  τάς  τοπικάς  αφαιρέσεις  Ρ     μέν  om.  Ρ    κροτάφω  ρ 

6  bk  priue  om.  Ρ    οΐ  bi  ρ        6  μ€τ'  όΕύ  παροΗυσμώντε  ρ      τούτοις  ρ 

7  προσοίσωμεν  ρ  8  μετά  pro  μίχρι  ρ  9  χρησώμεθα  ρ  H  ^Α 
pro  bei  ρ,  om.  Ρ,  corr.  θερμών  Ρ  13  σκυβάλων  ρ  θερμοΟ  om.  ρ 
14  πανταχόθεν  ρ  15  σκεπάσω  μεν  ρ  Κί  πρόσαφηλημένην  ρ  [f.  προα- 
φειλημένην] 


AuB  Themieone  Werk  über  die  acuten  und  chronischen  Krankheiten    85 

χώς  αύτοϊς  χρηστεον  έν  τοις  παρο2υσμοϊς.   της  bk  καταιονή- 

σ€ως  αδυ- 
νατούσης προσφερεσθαι  τάς  biä  τών  σπόγγων  άτμίδας  έκ  θβρμοΟ 
όαψιλους  υδρίας  ουν  άποθλιβούσης  χρησόμεθα  πάντοθεν 
περιτυπουντες  τήν  κεφαλήν,  ταϊς  bk  έκ  τούτων  έπικουρίαις       ao 
συνεχέστερον  χρηστεον  bxä  το  τήν  δύναμιν  παρηγορεϊσθαι  άνιε- 

μένων  τώvJΓόvωv. 
κατά  bk  τούτο  του  καιρού  λύειν  τα  οιαοεθέντα  τών  μερών 
πολλής  εύαρεστήσεως  έκ  τούτων  ύπαντησομένης  κατά  τήν 
28r  biairvoiav  της  σαρκός,   ει  bi   και  ιδρώτες  έπιφαίνοιντο,  προ- 
κλητεον  αυτούς  ώς  επωφελείς,  τήν ,  bk  κεφαλήν  και  το  ΙνΙον  σύν 
τοις  πρώτοις  σπονδύλοις  ένειλητέον  έρίοις  bi'  ελαίου  και  κα- 

στορίου 
προηλειμμένοις.  έγκειμένων  bi  τών  πόνων  πάλιν  τάς  σικύας  προ- 
σακτίον  ή  άπό  μετώπου  ή  άπό  [^ινών  άφαιρετέον  αίμα  β 

άει  τήν  δύναμιν  άφορώντες  δθεν  καΐ  τάς  τροφάς  καθ'  ήμέραν 
προσενεκτέον  και  μάλιστα  (έπι)  παρά  μίαν  κατ'  αρχάς  τρε'φομεν. 
πολλφ  bi.  χρόνψ  του  πάθους  έγκειμένου  ένετέον  έπι  τών  αυτών 
μετά  τους  διαλοίπους  κλυσμούς  τά  αφαιρετικά  τών  βοηθημά- 
των προσφέροντας,  θρεπτέον  bi  ποικιλωτέρως  ή  τά  τής  δυνά-  ίο 
μεως  <δν)  άπαιτοίη  και  θαττον  τούσοε  bia  σφοδρών  άλγημά- 

των  παρα- 
λυθέντας  ένδεδωκότων   τών  πυρετών   προποτιστέον   καστόρι- 
ον  έπι  πλείους  ημέρας.  μή'κουφι2Ιομένων  bi  τών  άλγημάτων  στυ- 
πτηρίαν  μιΕαντες  άφλέκτψ  δυνάμει  έπιρρύψομεν  τό  μέτω- 
πον.  έπαναστασών  δέ  τών  φλυκταινών  διακεντητέον  και*  ήτοι  σα- 16 
τέον  και  κηρμττη  κατασκεπαστέον  τά   μέρη.    λυσιτελές  δέ   και 

τό  ναπυ 
μετά  δρτου  ή  κηρωτή  άναληφθέν  και  έπιρρυφθέν  τω  μετώπω. 
παραληπτέον  δέ  και  τους  διά  τών  συνθέτων  άποφλεγματισμούς. 
τής  δέ  κεφαλαίας  ένδούσης  και  τών  πυρετών  λυομένων  έν  ταϊς 

17  ούτήν  Ρ  δέ  om.  Ρ  καταιον(σεως  codd.  18  τή  —  άτμίδι  ρ 
[recte,  sed  seqq.  vitiosa]  19  χρησώμεθα  ρ  21  άνιεμένων  rttrv  πόνων 
οτη.  Ρ  22  τοΟ  om.  ρ,  probabilius  κατά  δέ  τοΟτον  τόν  καιρόν  λύει  ρ 
διαδβχθέντα  ρ  1  πρόσκλιτέον  ρ  4  προσειλημένοις  ρ  5  μετώτταιν 
Ρ  7  έπΙ  oodd.,  del.  τρέφοιμεν  ρ  8  ένιτέον  ρ  10  προσφέροντες 
codd.,  corr.  11  dv  add.      τους  διά  ρ      σφοδρόν   άλγημα  ρ         14 

σμίΕαντες  spatio  II  litterarum  post  στυιττηρίαν  interiecto  ρ  άφλεγ- 
μαντώ  ρ  έπιρείτωμβν  ρ  τώ  μέτοπω  ρ,  μέτωπα  Ρ,  corr.  15  φλυ- 
κτάνων  Ρ,  φλυκτέον  ρ  καΐ  ή  τοίσ  άτεόνη  ρ,  utmmque  corruptum 
[1.  κοί  ήτοι  έατέον  ή  κοί]  16  κηρωτοΐς  κεπαστέον  Ρ  17  άναλείφθέν 
ρ     τφ  om.  Ρ         18  άποφλεγματισμών  Ρ 


\ 


86  Fuchs 


ao  βεβαίαις  παρακμαϊς  έγκριτίον  και  τάς  αΙώρας.  λυθεντων  be 
τούτιυν  και  τα  βαλανεΐα  προσοιστέον  κα\  οίνον  KoOq>ov  ολίγον, 
φυλάττεσθοι  δέ  χρή  τα  συγκινητικά  τής  κεφαλής  αίτια  <6ιά) 

τήν  του  πάθους 

1  παλιγγενεσίαν.  Ρ  2^ 

ι 

1  Συνάγχης  αΙτία.     ιί  (6). 

Συμφώνιβς  ο\  παλαιοί  ίφησαν  φλεγμονήν  είναι  τής  έπιγλιυτ- 

τΛος 
και  βρόγχου  και  παρισθμίιυν  την  συνάγχην.  6  δέ  Ιπποκράτης 
δύο  καλεί  τάς  συνάγχας  και  τήν  μέν  συνάγχην,  τήν  5έ  κυνάγχην 
6  καλεϊ,  και  έπΙ  μέν  συνάγχης  παχύ  φλέγμα  και  χυμούς  αιτιάται,  ί• 
πι  bi  κυνάγχης  φλέγμα  μέν  ομοίως,  άλλ'  άλμυρόν  και  5ριμύ  τούτο, 
και  τήν  μέν  χειμώνος,  τήν  bk  θέρους  ώς  έπίπαν  συνίστασθαι. 

Συνάγχης  σημεία.  Ρ-^ 

Τή  bt  συνάγχη  5ύο  μέν  παρέπεται,  τοις  μέν  καλουμέν  . .  μετά 

φλεγμονής 

10  παροΛησις  παρισθμίων  ώστε  τήν  αίσθητικήν  φάρυγγος  άποκε- 
κλεΐσθαι  κοιλότητα  μετ'  έρεύθους  και  εντάσεως  και  πόνων  καΐ 
δύσπνοιας  μετ'  έπισυριγμου  τίνος  κατά  των  ήχων  πνιγμού 
τε  και  δυσκαταποσίας  έ£οίοησις.  τοις  6έ  έν  τφ  πάθει  ή  δψις  μ€- 
τ'  έρεύθους  και  εντάσεως  αγγείων,  μάλιστα  μετώπου,  οφθαλ- 
μοί μι- 

16  κρότοποι.    γλώττα  μεγεθύνεται  και  οΙονεΙ  σφυρουται  ώστε 
υπέρ  τους  οδόντας  προ(σ)πίπτειν.    προς  bk  τψ  κινδύνω 
γενομένοις  ή  δψις  αύτοϊς  πελιουται  και  μελαίνεται.    άνα- 
κόπτουσι  βιασάμενοι  bia  (nvwv.  θάνατος  δμοιος  τοις  άπαγ- 
χομένοις.  τοις  bk  μετ'  Ισχνότητος  προσώπου  και  σύμπτωσις 

20  παρισθμίων.  ούκ  έπιπόνως  ού5έ  όδυνηρώς  έχων.  σφυγμός  πυκνός, 
ταχύς,  ασθενής,  οφθαλμοί  κοίλοι  μάλλον  ή  προπετεϊς.  Ισχνότης» 

δύσπνοια,  χειρών ,  πνιγμός*  και  ό  ήχος  βιαιότεροςκώ 

θάνατος  όΕύτερος. 

Συνάγχης  θεραπεία.  Ρ-^ 

Τους  δέ  συναγχικούς  πρώτον  μέν  κατακλιτέον  έν  τόπω  άλεεινψ 
και  εύαέρω.    έπειτα  δέ  φλεβοτομητέον  έκ  πάντων  ήτοι 

20  έκκριτέον  ρ  21  προσοιστέον  δέ  ρ  22  τάς  συγκινητικές 
—  αΙτίας  ρ  συγκινητά  Ρ  διά  add.  1  de  Bynanche  nil  exh.  ρ  ^ 
χυμαιν  αιτιατέ  Ρ,  corr.  9  sie  Ρ,  binae  litterae  exeuntes  legi  nequeunt 
erroresque  g^aviesimi  sunt  in  bis  versibue  oronibus  16  προσπΙίΓΓίΐν 
Ρ,  corr.  18  eq.  άπαγομένοις  Ρ,  corr.  22  poet  χειρών  adde  tule 
quäle  ακινησία,  νάρκη 


Aus  Themiflons  Werk  über  die  acuten  und  chronisch en  Krankheiten    87 

•nepi  τήν  πρώτην  ή  Ο€υτέραν  ήμίραν.   μεγάλψ  γάρ  πάθ€ΐ 

το  μέγιστον  των  βοηθημάτων  κατάλληλον.    ίστω  bk  ή  όφαί-s 

ρ€σις  προς 
ούναμιν.  ά  bt  έπείγοι  τό  πάθος  και  Kivbuvcuoiev  άποττνι- 
γηναι,  δμφω  τάς  χείρας  φλεβοτομητίον,  οττως  συντόμως  ή 
της  ύλης  άπόκρισις  γένηται.   εΐ  bi  έπιοίχοιτο,  και  έπαφαιρετέον 
περί  τήν  δευτίραν  ή  τρίτην  ήμίραν.  μετά  bt  ταύτα  κλυστήρα  πα- 
ραλαμβανέτωσαν  δριμύτατον.   σκεπαστίον  bt  και  τόν  τράχηλον  ίο 
έρίοις  καθαροΐς  και  όια^ετέον  εύτόνως  τα  άκρα.   χρήσθωσαν  bk 
και  όναγαρταρίσμασι  τοις  προς  ταύτα   πεποιημένοις  θερμοΐς. 

ίστι  bi 
τάοε*  bia  ύσσώπου  και  θύμου  και  όριγάνου  και  σύκων  κα\  με- 

λανθιου  και 
αψινθίου  και  άβροτόνου  μετά  μελικράτου.  οιαχρήσθωσαν  bt  και 
τοις  στοματικοϊςπτεροϊς  5ιά  τήν  εύβαφίαν.  έγκριτίον  bk  και  τούτων  ιβ 
ϊκαστον  τάς  κατ'  αλλήλων   οιαχρήστους.   άλλα  γάρ  άλλοις 

άρμόΣει, 
ού   τά   αύτάπάσι.    προϊόντος  bt  του  χρόνου  και  επώδυνου 

μενούσης 
της  διαθέσεως  πυριάσθωσαν  έλαιοβρεχέσιν  έρίοις  τους  τόπους, 
έπιτεινομένης  τής  θεραπείας  προς  τό  αυτό  εύαρεστητέον.  της 

bt  ωφελείας 
προκοπτούσης  im  τοις  ειρημένοις,  ει  μηδέν  επείγει,  μέχρι  τής  δια-  ao 
τρίτου  έν  άσιτίςι  φυλαττέσθωσαν  ποτόν  κατά  τάς  έπιΣητήσεις 
λαμβάνοντες,    εΐ  bt  σφοδρύνοιτο  ή  διάθεσις,  καταπλα- 
2ί)νστέον  ώμαΐς  λύσεσι  ποικίλαις   θερμαϊς  διά  χυλισμάτων  φυλα- 
σσομέναις   και  συνεχέστερον   τοις  προειρημένοις   άναγαρΥαρι- 

Σέσθωσαν 
ή  διαχριέσθωσαν  ταΐς  στοματικαϊς.  έγκριτέον  δέ  και  τάς  τοπικάς 
αφαιρέσεις  διά  σικυών  άνθερεώνι  και  τραχήλω  μετά  κατά- 
σχασμου  κολλωμένων.  έστοχάσθω  δέ  τής  δυνάμεως  τά  άφαιρέ-  β 
τια  των  βοηθημάτων  πάντων,  μετά  bt  ταύτα  ταϊς  διά  οίσυ- 
πηρών  έρίων  έμβροχαϊς  σκεπάσαντες  τά  μέρη  και 
προαποθεραπεύσαντες  τό  άλλο  σώμα  διά  συγχρισμάτων. 

6  έπ€ίτ€ΐ  Ρ,  corr.  8  γένοιτο  Ρ,  corr.  9  κλυοτήρι  Ρ,  corr. 
10  δριμυτάτω  Ρ,  corr.  15  €ύβαφ(α  hie  primam  (of.  Steph.  Tbes.  β. 
ν.)  legitur  [1.  €ύαφ(αν]      έγκλιτέον  Ρ,  corr.  19  αύτοΟ  £Öap€Otov  Ρ 

[f.  recte],  corr.  4  sq.  καταστοχασμοΟ  Ρ,  corr.  de  άφαιρ^τια  hapax 
legomeno  vix  dubites  6  ύσωπηριΰν  Ρ,  corr.  Notom  etf  oeeypum  et 
hyssopum  per  totum  medium  aevom  confandi  (cf.  HoBemanoum  in  Inno 
I  1896  multis  loois) 


λ 


88  Fuchs 


τροφήν  be  ποιήσομεν  αυτάρκη  ^οφήματα  bxä  μέ\\Ίος 

10  ή  πλυτόν  άρτον  ή  ψά  ^οφητά.     μετά  bt  τον  από  της  τρο- 
φήζ  ΧΡόνον  αδιαλείπτως  τά  τε  (1>άματα  και  οιαχρισματα  καΐ 
άναγαργαρίσματα  προσφερετω.   επιμενόντων  bi  τών 
άλγημάτων  παρηγορητίον  συνεχίστερον  τή  bia  τών 
σπόγγων  άλέςι  παραλαμβανομένων  bxä  ύδρελαίου  θερμού. 

ιβπροσθετέον  bi.  και  τψ  σώματι  σπόγγους  έΕ  υοατος  θερμού 
κοί  άνασπάσθωσαν  τόν  άπό  τούτων  άτμόν.  της  bk  φλεγμονής  έν- 
5ούσης  και  άφοβου  ύπαρχούσης  χωρητίον  έπι  τά  δριμύτερα  άνα- 
γαργαρίσματα καΐ  διαχρίσματα.  ίστι  bk  τά  μέν  άναγαργαρίσματα 
και  διαχρίσματα  πηγάνου  χυλός  μετά  γάλακτος  ή  όμφσκων  μ€τά 

ao  ύδρομέλιτος  f\  γλυκύρρι2Ια  έψημένη  συν  ύδρομέλιτι  f\  γλυκεΐ. 
ποτόν   bt  μετά  σύκων  και  ύσσώπων  ή  λευκίου  σπέρματος  ή 

νάπυος 
διειμένου  όευμΑιτι.  τά  bi  διάχριστα  πίσσαν  ύγράν  μετ'  ελαίου 
παλαιού  και  νίτρου  και  χελιδόνος  άγριας  κεκαυμένης  μετά  μέ•^^ 
λιτός  και  άλών  ολίγων  f\  σίναπις  λεία  ή  άψίνθιον  συν  νίτρψ 
μετά  μέλιτος  και  άμμωνιακόν  διειμένον  μετά  μέλιτος  και  τά  δ- 
μοια.    πολύ  bk  άποκριθέν  φλέγμα  άφορμήν  ήμϊν  τη  του  πά- 
5  θους  παρακμή  6ί5ωσι.  εΐ  b'  έπι  τούτων  πλέον  άναδάκνοιντο 
τά  μέρη,  δοτέον  αύτοϊς  διάκρατον  θερμόν  ίλαιον  f\  τό  bia 
τήλεως  αφέψημα  μετά  μέλιτος,  θρέψομενοέ  καθ'  ήμέραν  και  την 
κοιλίαν  έπερχομένην  έπάΗομεν.    παρακμής  bk  γενομένης  έπι 
τους    συμμέτρους   περιπάτους   προσά£ομεν    και    τρίψεις   του 

δλου  σώ- 

10  ματος.  παραληψόμεθα  bk  και  τά  άπλα  τών  άναγαργαρισμάτων 
και  'διαχρισμάτων  και  ταϊς  bia  πηγάνου  κηρωταϊς  σκεπάσομεν 
τά  μέρη.  λυθείσης  bk  πάσης  ύπονοίας  έπι  βαλανεϊον  και  οίνον 

άπολυ- 
τέον  φυλαττομένους  ψυχρόν  και  τήν  άπό  τών  ψυχρών  ττνευμάτων 
βλάβην.  ύπομνηστικά  γάρ  του  πάθους  έστι  τά  τοιαΟτα.  και  ή  μέν 

ιβκοινότερον   ή    πλείστη    τών   συναγχικών  άρμό2Ιουσα   θεραπεία 

τοιαύτη  εστίν, 
έπΙ  bk  πλ€ΐστάκις  φαίνεται  ή  ώς  άν  τις  ύπολάβοι  κατασκευήν 
εχόντων  πάθος  —  αγχόνη  γάρ  δμοιον  επιφέρει  τόν  κίνδυνον  — 
εύτολμότερον  χρηστέον  τοις  βοηθήμασι.    θετέον  bk  τοις  έν  αρχή 
προ€ΐρημένοις  άφαιρετικοϊς  και  τήν  άπό  γλώσσης  τών  αγγείων 

30  διαίρεσιν.  μειουται  γάρ  έν  τάχει  6  πνιγμός,   έπι  bk  τά  παρψδη- 

11  αμ*ατα  Ρ,  corr.        21  λεύκιον  ignotum  adhuc,   fort,  λευκοίου 
1  κεκαυμένας  Ρ,  corr.  11  σκεπάσωμεν  Ρ,  corr.         14  εΐ  pro  ή  Ρ, 

corr.        1β  fort.  έπ€ΐ  bi  πλ.  άλλα  (bc.  τά  συναγχικά)  φ.  ή  ώς 


Λ 08  Themieons  Werk  über  die  acuten  und  chronischen  Krankheiten    89 

κότα  των  έκτος  μ€ρών  κολλητίον  καΐ  β^έλλας,  μετά  bk  την  τού- 
των όφαίρεσιν  σικυαστέον  συν  οαψιλ€ϊ  πυρίςι.  ει  bk.  κα\  ή  γλώ- 
ττα  προσπίπτει,  καταχριστεον  αυτήν  πάντοθεν  *  ομοίως 
30ν  ^έ  και  την  Kioviba,  εΐ  φλεγμαίνοι.  μεταΕύ  bk  άναγαργαριΣίτω 

ταϊς 
στοματικαϊς  έπι  πλεϊον  άνειμενως.    εΐ  bk  [μή]  προς  ταύτα  μη 

ύπείκοι 
το  πάθος,  βραΙ)υτέραις  έπΙ  των  παρισθμίων  ίνΙ)θθεν  ταϊς  έγχα- 
ράΕεσι  χρηστεον  και  τάς  υπό  την  γλώτταν  λυτίον  φλέβας,  σικυ- 
αστέον  bk  συνεχέστερον  τους  περί  τον  άνθερεώνα  και  τόν  τρά-  β 

χηλον  τό- 
πους μετά  βαθύτερων  άμύ£εων  και  σψοόροτέρων  όποσπασμών. 
τά    bk   κενώματα   και  τά    άναγαργαρίσματα    έστω    δριμύτερα, 

ομοίως  bk 
και   στοματικά,     χρεία    γαρ   όευτέρας    τοις   φλεγμαίνουσι   τό 

στόμα  bia- 
πνοής,  έπει  ταχύ  τω  κατά  τόν  πνιγμόν  υπάγονται  κινούνω. 
τά   μέν    OÖV   άναγαργαρίσματα   προείρηται,    τά    bk   οιάχριστα  ίο 

έστω  χολή 
ταυρεία  καΐ  έλατήριον  διειμένα  υοατι  και  θαψίας  χυλός  μετά 
μέλιτος  και  οπός  Συριακός  ή  Μηδικός  σύν  έλαίω  και  χάλκανθον 
μετά  ελατηρίου  και  μέλιτος  ή  κυκλάμινος  εΙς  λεπτά  τμηθεϊσα 
και  μετά  γλυκέος  έψηθεϊσα  ή  λεπις  μετά  μέλιτος  ή  έλαιον  με- 
τά άφρονίτρου  και  δΕους  ή  έλατήριον  διειμένον  ταύρου  χολή  ή  ή  ΐδ 
bia  μόρων  στοματική  σύν  έλατηρίω  ή  χαλκάνθω  μετά  μέλιτος  ή  ά- 
φρόνιτρον  και  χρυσόκολλα   μετά    βραχέος   θείου    και   μέλιτος 

χριστέον 
και  καταπότια  bia  πεπέρεως  κα\  σταφίδος  αγρίας  συντεθειμένα 
ή  όπόν  Κυρηναϊκόν.    τό    bk  συνδιειλημμένον  φλέγμα  εΐ  μή  έκ- 
κρίνοιτο,  bxa  πτερών  κομιίέσθω.   εΐ  bk  μένει  ή  κατασκευή  ToOao 
πάθους  προς  τά  προειρημένα  ανένδοτος,  έπιμενετέον  αύ- 
τοϊς  ττυκνότερόν  τε  τά  περί  τόν  άνθερεώνα  μέρη    μετά   σικύας 
'3ir  διαχρίσομεν  θαψίςι  και  νάπυϊ  καταπλάσσοντες  ούτε  νύκτα 
ούτε  ήμέραν  άπεχόμενοι  τών  άναγαργαρισμών  καΐ  διαχρίσεων. 
ει  bk  μηδεμιάς  έκ  τών  προειρημένων  φαρμάκων  ωφελείας  άντι- 

λαβό- 
μέθα,  μεταβατέον  έπι  τά  στύφοντα  και  τάς  ώμάς  λύσεις  μετά 
άφεψημένων  μύρτων  ή  φοινίκων  ή  σιδίων  ή  μήλων  ή  κυδωνιών,  β 

22  δαψιλή  Ρ  23  1 1.  προιτίπτει]  2  μή  prius  del.  15.  16  sq. 
φρονίτρου  Ρ  16  [1.  μώρων]  17  βραχέως  Ρ,  corr.  19  συνδιελημμένον 
Ρ,  corr.        3  [1.  άντιλαβοίμεθα] 


90  Fuchs 

προσενεκτεον  be  τήν  TloXuibou  σφραγίδα  καΐ  τον  'Avbpuj 


VI  ο  ν.   και  τα 


άναγαργαρίσματα  bia  στυφόντων  ίστω.    προκοτητούσης  hi  έπι 

τόδ- 
μεινον  της  θεραπείας  μετά  τήν  τελείαν  παρακμήν  ακριβώς  6  της 
αναλήψεως  τρόπος  άναλαμβαν^σθω. 

10  Σπασμοΰ  αιτία  ήτοι  όπισθοτόνου.     ιη  (7). 

Κοινώς  ^boEav  ο\  παλαιοί  πληροΟσθαι  τά  άπό  του  εγκεφάλου 
πεφυκότα  νεύρα  ύπό  τίνων  γλίσχρων  και  κολλωδών  χυμών,  οίς 
προσκόπτον  το  ψυχικόν  πνεύμα  κατά  τήν  πάροδον  τους 
σπασμούς  επιφέρει  και  εΐ  μέν  περί  τά  οπίσω  συντεί- 

ΐ5νεται  τά  νεύρα,  όπισθότονος  καλείται,  εΐ  bi  περί  τά  έμπρο- 
σθεν, έμπροσθότονος,  εΐ  6έ  περί  δμφω,  τέτανος,  δ  τε  μηδετέρως 
έκνεύσει  έκάτερος  γινόμενος,  γίνεται  δέ  σπασμός  κατά  άναΕηρα- 
σμόν  καθάπερ  άπό   πυρός  τών   νεύρων   συνελκομένων   ώσπερ 

ιμάν- 
των, δ  όρώμεν  γινόμενον  περί  τους  υδροφοβικούς  τε  καΐ  τους 

20  νεφριτικούς  και  κατά  άτονίαν  -πνεύματος,  δπερ  έπ\  τους  | 

αποθνήσκοντας  γίνεται. 

Σπασμού  σημεία. 

Τετάνψ  δέ  παρέπεται  οδύνη  υπερβάλλουσα  ταχεία  και  τών 
χαλινών  τάσις  πολλή,  δυσκινησία  τών   γονάτων    ώστε   αυτούς  Ρ•^' 
δυσαποκλίτως  οίον  έπιπεπηγέναι,  συνέρεισις  οδόντων 
δυσδιάστατος,  δυσκαταποσία  ανακόπτουσα  πινόμενα  εΙς  τάς 
^ϊνας.  χείρον  δέ  άπαλλάττονται.  δι'  δλου  του  σώματος  οΙονεί  Ευ- 

δλουνται  ώστε  μήτε  τά  σκέλη  μήτε  τους  πήχεις  ίτι  δύνασθαι 
έπικάμπτειν  μικρόν  τε  είς  τούπίσω  έπι  ι^άχιν  συναν- 
θέλκονται,  περιψύχονται,  άγρυπνοΟσι,  τρέμουσιν,  ?σθ'  δτε 
δέ  αύτοϊς  διαστροφα\  γίνονται  και  δακτύλων,    φιλεπιστροφον 
δε  τό  πάθος  καΐ  ^ςιδίως  απαντών  ώς  φεραϊκός.    όπισθό- 

10  τόνος  δέ  •  συμβαίνει  .ταύτα  τά  συμπίπτοντα  μεγέθει  διαφέ- 
ροντα και  εις  τούπίσω  άνάτασις  ώσπερ  έμπροσθότονος 
εις  τά  έμπροσθεν  ολκή  και  τοις  γε   όπισθοτονικοϊς  Ιδιάζοντες 


G  άνδροώνιον    Ρ,  corr.  10  ιη'  atramento    rubro    recenter  Qt 

videtur  additum.  ne  haec  quidem  de  spasmo  sunt  in  cod.  ρ  13  [προ• 
κόπτον  Ρ]  14  sq.  συντβίνονται  Ρ,  corr.  2  δυσαποκλήτως  Ρ»  οο«*'• 
3  πινομ^νη,  ηί  fallor,  Ρ,  corr.  4  olvcl  Ρ,  corr.  9  άπαντοΟν  Ρ, 
corr.     de  φ€ραϊκός  voce  nil  habeo  quod  statuam       10  post  δέ  dietinxi 


Aus  Themisons  Werk  über  die  acuten  und  chronischen  Krankheiten     91 

τότ€  σπασμοί  παρακολουθοΟσι,  σκίλη  όμφιβάλλονται,  bu- 
σαπόσπαστα  αλλήλων  ίχουσι  και  χ€ϊρας  ομοίως  συμπλ^Ηοντες. 

Σπασμών  θ€ραπ€ία.  u 

Τους  ν  ύπό  σπασμών  άλόντας  κατακλιτέον  έν  τόπψ  άλεεινψ 
im  μαλακής  στρωμνής.  ίστω  bk  έπ\  μέν  τών  τετανικών  έπι 
πλεϊον  (ορθόν),  υπτιον  6έ  έπι  έμπροσθοτονικών.  φλεβοτομητέον 
b^  πάντας  ήτοι  περί  τήν  πρώτην  ή  οευτ^ραν  ήμέραν  μετά  έ- 
παφαιρέσεως.  τους  bk  μη  προς  φλεβοτομιαν  επιτηδείους  bpi-ao 
μεϊ  κλυστήρι  κενιυτίον.  έγκρινίσθωσαν  bk  έπ'  αυτούς  και  συ- 
στολή μ^χρι  πρώτου  οιατρίτου.  σκεπαΖεσθω  τά  περί  τόν  τρσχηλον 
έλαιοβρεχέσιν  έρίοις.   ταύτα  bk  ύποβαλέσθιυ   καΐ  ι^άχει  ύπαλη- 

λειμμένη 
32γ  Σικυιυνίιμ.   ^ιασφίγκτέον  bk  καΐ  τά  άκρα.    κατά  6έ  τους  παρο- 

Ευσμούς  πει- 
θηνίως  οιακρατείσθω  ταύτα  μετ'  αύτου  και   του  θώρακος   και 

τά  Ινία 
καταλαμβάνεσθαι  προς  τη  κλίνη,  έγκειμένων  bk  τώ  ν  παροξυσμών 
κατ'  αρχάς  έλαιοβρεχε'σιν  έρίοις  πυριαστίον  προσεπιβάλλοντας 
άνωθεν  τάς  bia  κέγχρου  ή  άλών  πυρίας.  μεταΕύ  bi  και  καταπλα-  6 
στέον  ταΐς  ώμαϊς  λύσεσι  και  φυλακτέον  θερμάς.  τάς  bt  συνερεί- 
σεις  τών  σιαγόνων  τοις  bia  κύστεως  θερμάσμασι  χαλαστέον. 
παρέστω  bi.  και  καστόριον  έν   τοις  συναλείμμασι   έκ   παντός. 

επιμε- 
νόντων bk  τών  σπασμών  συκιαστέον  μετά  κατασχασμών 
έπι   μέν   τετανικών   και    όπισθοτονικών   δλην  τήν    ^άχιν    και  ίο 

τους  τρα- 
χήλου σπονδύλους  και  τόν  θώρακα,  έπι  bk  τών  λοιπών 
τους  σπονδύλους  και  τήν  ^άχιν.  έστω  bk  ή  αφαίρεσις  προς  5ύ- 
ναμιν.  μετά  ταύτα  bk  έμβρεκτέον  καστόριον  και  το  αυτό  προ- 
ποτιστέον  έμβαλλομένου  πηγάνου  ή   πεπέρεως.  δοτέον  bk  και 
πάνακος  όβολούς  δύο  και  τρεις  εύτόνως.  ει  bk  μηδέν  προς       ΐ5 
ταύτα  ύπείκοιεν,  ποτιίέσθωσαν  συνέχει   και  πολλφ  μελικράτψ 
και  καταρροφείτωσαν  έν  ταΐς  τών  παροΕυσμών  άνακόψεσι.  τρο- 
φή δέ  έστω  βοφήματα  διά  μέλιτος,    τών  δέ  πόνων  και  τών 
σπασμών  έγκειμένων  ποικίλως  τή  θεραπείςι  χρησόμεθα. 
ί>τέ  μέν  γάρ  τάς  διά  τών  ωμών   λύσεων  πυρίας  προσάΕομεν,  το 

ότέ  δέ 
τάς  δι'  έμβροχών,  ότέ  δέ  τάς  διά  μαρσίππων  και  διά  καστορίου 

18  ορθόν  (sc.  τό  κοίτος  similia)  add.       22  πρό  τοΟ  Ρ,  corr.  (fort. 
ι^Ρώτης)       9  καταστοχασμών  Ρ,  corr.       19  τήν  θεραπείαν  Ρ,  corr^ 


\ 


92  Fuchs 


συγχρίσματος.  προσβάλλομεν  be  σικύας  τοις  xe  κατεσχαομενοις 
μερεσι  και  τοις  άκατασχάστοις.  ei  be  ίντονοι  elev,  και  τρίψεσιν  ευ-  Ρ  '^ 
βαφώς  χρησόμεθα  παραβάλλοντες  πυρι  τά   νώτα  μετά  πολλού 
λίπους   (έστω  bk  f\  του  πάσχοντος  ευφορία  αυτάρκης  χρόνος 
τώ  βοηθήματι),  καΐ  μετά  ταύτα  τψ  bia  καστόρίου  συναλείφοντες, 

6  ή  συγχριίσθιυσαν.  τους  bt  επιφαινόμενους  \bpu)τας  ουκ  αγαθούς 
όντας  άναρπαστίον  ότέ  μέν  έλαιοβρεχίσιν  έρίοις,  6τέ  οέ 
Εηροϊς,    και  έπι  τούτοις  συγχριστ^ον.   προποτιστέον  bi  κα- 
θ' ήμέραν  το  καστόριον.  εΐ  bk  μηbέv  έπακούοι  τοις  προ- 
ειρημένοις  το  πάθος,  συγχριστέον  Ιρίνψ  ή  baφvιvω  f\  γλευ- 

ιοκίνψ  ή  άμαρακίνψ  σύν  άκόποις.    έμβρεκτεον  bk.  και 
τήν  κεφαλήν  τοις  αύτοϊς.    άκοπα  b'  έστιυ   ευτονα  οία  τά  5υ• 
σώbη  και  τά  bi'  εύφορβίου  κα\  τά  χλωρά  άκοπα,    μικτών 
bi  ίσθ'  δτε  τοις  ειρημένοις  και  τό  καστόριον  ή  λιμνήστινον.  έμ- 
βρεκτεον bk  και  συγκαταπλαστίον  τά  περί  τήν  κύστιν  προκα- 

15  ταλαμβάνοντας  αυτής  τάς  συμπαθείας,   χρησόμεθα  bi  και  ένε- 
μασι  τής  κοιλίας  επηρμένης,  πρότερον  bk  υπό  bptμέωv  κλυ- 
σμάτων τοις  bf  ελαίου  και  πηγάνου  προσεμβαλομένοις  6τ€  μεν 
μετά  χηνείου  στίατος,  ότέ    bk  μετά  ύείου  και  βραχέος  κηρου. 
εΐ  be  μη  παρηγοροϊντο,  συντηκίσθω  τούτοις  χαλβάνη  ή 

ao  άσφαλτος  όσον  ούγγίας  γ.  προς  bi  τάς  συνερείσεις  τών  σια- 
γόνων 
σικύας  μετά  κατασχασμου  ή  ßbέλλας  τοις  κορωνοΐς  προσ- 
βαλοΟμεν.    είτα  καταπλασθεντες  έπαλε ΐφέσθωσαν 
άκοπων,    έγχυματιίέσθωσαν  bi  και  τά  ώτα  τοις  ώμοεώέσιν 
άφλεγμάντοις  ώτικοϊς.    παραλητττίον   bk  και  τάς  bia  σπόγγων  Ρ : 
πυρίας  και  σκεπαστέον  τά  μέρη  κηρωταΐς  κυπρίναις 
μετά   πηγάνου  προσεμβεβλημένου   καστόρίου   καΐ  όποπάνακος. 
χρόνου  bk  προϊόντος  και  μαλάγμασι  χρηστέον.  του  bk  τετάνου 

βπαρέλκοντος  και  του  χρόνου  έκλύοντος  τόν  έπ' αυτόν  φόβον  έμ• 
βιβαστέον  εις  θερμόν  ?λαιον  συνεχώς,  ανακόπτει  γάρ 
μόνως  ούτως  ή  εντεύθεν  ωφέλεια,   μετά  bk  ταύτα  χρι- 
στέον  τοις  προειρημένοις  και  καταλειτττέον  έρίοις.    εΐ  b^ 
άντιλαβοίμεθα  ψύ£εώς  τίνος  ούσης  περί  τόν  κάμνοντα, 

10  προποτιουμεν  όπώ  Mηbικώ  άνιέντες  όσον  όροβον 

22  συκίας  Ρ,  corr.       1  sq.  [1.  εύαφΟυς]       3  sqq.  deesee  quaedam 
mihi   videbantur  14  sq.  προκαταλαμβάνοντ€ς  Ρ,    corr.  15  fort. 

συμπαθίας  Ρ  ferri  potest  16  έπηρμένοις  Ρ,  corr.  18  βροχ^ωζ  ^' 
corr.  20  hie  rectam  fere  formam  exh.  P:  κατά  χασμοΟ  pro  crebriore 
καταατοχασμοΰ  21  κορωνός  =  curvos  non  valde  placet  23  άκόιτον 
Ρ,  corr. 


Aus  Thexnisons  Werk  über  die  acuten  und  clironischen  tCrankkeiten     93 

f\  κηρψ  π€ριπλάσσοντες  καταπινέσθω.    δι&όσθω  bi,  μέχρι 
λύσεως,   έπι  bi,  θηλεκΰν  προς  τοϊς  είρημενοις  και  των  γυναι- 
κείων φροντιουμεν.    τους  bi  έκ  νυγμάτων  ή  θλασμάτιυν  ή 
οιαιρέσεως  γινόμενους  σπασμούς  ακολούθως  τοις  προ- 
€ΐρημίνοις  θεραπεύσομεν.  » 

•  ΤΤλευρίτώος  αΙτία.    ιθ  (8). 

Την  πλευρϊτιν  Ερασίστρατος  μέ\  φησι  του  υπεζωκότος 

τάς  πλευράς  ύμένος  είναι  φλεγμονήν,  ό  bi  Διοκλής 

και  των  περί  τάς  πλευράς  φλεβών  έμψραΕιν,  αΐπερ 

κατά  τά  έ£ημμένο  των  οστών  τίτανται.    πιστουνται  bk  ao 

αμφότεροι  πλευράς  [το]  πάθος  [το]  έπίπονον  είναι  τό  νόσημα 

και  [τό]  τά  άλγήματα  οιήκειν   μίχρι  κλειδός    και  τρίτον  ει  μη 

άναπτυσθείη  έν  ταϊς  κυρίαις  ήμέραις,  απόστημα  περί  τάς  πλευράς 

33ν  γίνεσθαι  και  <έάν>  άνακαθαρθώσιν  έν  .  ι• 

τεσσαράκοντα  ήμέραις,  άφ'  ής  δν  βήΕις  γένη-  ίο 

ται,  παύονται,  εΐ  bi,  μη,  ε!ς  φθίσιν  μεθίσταν-  iß 

ται.    Ό  bi  ΤΤραΕαγόρας   των  άκρων  του  πλεύμονός    φησινι** 
eivai  φλεγμονήν,  καθ'  όπότερον  δν  γένηται  μέρος  *    πιστουται  a 

bi  δτι 
βήχες  παρακολουθοΟσι  και  άναπτύσεις  γίνονται  ποικίλαι* 
έπι  μέν  γάρ  πνεύμονος  είναι  φησιν  εΙς  τήν  άναγωγήν  όδόν, 
im  bi  πλευράς  έν  ταϊς  άνατομαΐς  μη  εύρίσκεσθαι.    Ό  bi         β 
Ιπποκράτης  ότέ  μέν   πλευράς,  ότέ  δέ  πνεύμονας  φησιν  είναι 
πτύσιν  και  γίνεσθαι  έπι  μέν  πλευράς  bia  φλεγμονήν,  έπι  bi 

Ι     ττνεύμονος.  ώς  έν  τώ  περί  τόπων  των   κατ*  άνθρωπο  ν 

φησι, 
ρεΟμα  φέρεσθαι  και  άπό  κεφαλής  εΙς  τον  θώρακα  και 


11  participium  testis  est  truncatae  sententiae  &ι&ιίισθω  Ρ,  corr. 
Κ  ιθ'  mbro  oolore  recens  additum  in  P,  v^  ρ  18  διοκλής  &έ  ρ  19 
φλεβιυν  om.  ρ.  δπερ  ρ  20  κατά  έΗασμένα  ρ  πέπαυται  pro  τέτανται 
Ρ  δέ  om.  Ρ  21  τό  bis  del.  sjmtaxeos  causa  22  τό  (τώ  ρ)  rursus 
del.  cuius  loco  fort,  ß'  =  δεύτερον  propter  τρίτον  subsequens  interiit 
οιήκον  Ρ,  δοκεΐν  ρ,  corr.  23  ταΐς  πλευραΐς  Ρ;  sie  Welloiannus  {1.  1. 
144  η.  68):  πλευρας  τ.  π.  τφ  έπίπονον  βΤναι  τ.  ν.  καΐ  τφ  τ.  ά.  δ.  μ.  κ. 
καΐ  τρίτον  <τφ)  εΐ  μή  elc.  addente  iam  Kalbfleischio  τφ  la  καΐ  us- 
que  ad  μεθίστανται  solus  exh.  ρ  έάν  add.  ut  fiat  sententia  άνακα- 
θαρθώσι  sie  ρ  Ib  πραΗαγόρας  δέ  ρ  2  τήν  φλεγμονήν  ρ  καΐ  πό- 
Τ€ρου  ρ  3  βήχας  φησΙ  παρακολουθεί  ρ  4  γάρ  om.  Ρ  οίδούσης 
"^ής  αναγωγής  pro  εΙς  τήν  άναγωγήν  όδόν  ρ  5  άναγομαϊς  ρ  5  sq. 
Ιπποκράτης  δέ  ρ  7  γίνεται  Ρ  8  τόπω    κατ*  άνου  ρ  (de  loc.  in 

liom.  14  =5  Littre  VI  303)       9  (νευμάτων  γΤνεσθαι  Ρ    καΐ  om.  ρ    ές  ρ 


\ 


94  PucK 


8 


10  €l  μέν  δλον  έμι^^ήσ€ΐ€  ιόν  πν€ύμονα,  περιττνβυμονίαν  γίνίσθαι, 
€ΐ  bk  καθ'  έκάτερον  μβρος  τοΟτο  έν€χθ€ίη,  τήν  ττλευρϊτιν. 

ΤΤλβυρίτιοος  σημεία. 

Τή  bi  τΓλ€υρίτώι  auvebpeuei  πόνος  πλευράς  υπερβάλλων 
2>ιήκων  με'χρι  λαγόνος  και  κλείδων,  ενίοτε  bk  και  ώμου  και 

16  βραχίονος.  δοκοΰσι  bk  ο\  έν  τψ  πάθει  έν τινι  bi- 

απειρεσθαι  οιαδρομαί  τε  έν  τοις  προειρημένοις  τόποις 
γίνονται  καΐ  νυν  μέν  έμπίπτουσιν,  αύθις  bt  λωφοΟσιν,  ει- 
θ'  ούτως  ύποστρέφουσΐ'  πυρετός  όΕύς,  δύσπνοια,  σφυγμός 
μέγας,  πυκνός,  σφοδρός,  βήΕ  έπιτεταμένη.  άνάγουσιν 

aoo\  έν  τψ  πάθει  παντοία,  δίαιμα,  ύπόχολα,  φλέγμα- 
τώδη,  άφρί2Ιοντα,  ήδη  κάκιστα,    χαλεπόν  bi  και  το  αίμα- 
τώδες  έπίφανέν  τψ  χολώδει.   επιτίθενται  δέ  αύτοΐς 
γλώττης  τραχύτης,  αγρυπνία,  ^ιπτασμός,  απορία,  πάντα 
περί  τήν  τετάρτην  ήμέράν  σφοδρυνόμενοι.    ότέ  δέ  και  πα-       Ρ: 
ρακόπτουσιν,  ύποχόνδριον  άνασπαται,  σφοδρυνεται 
τα  της  δυσττνοίας,  σφυγμοί,  πίπτουσι,  περιψύχονται. 

ΤΤλευρίτιδος  θεραπεία. 

6  Τους  δέ  πλευριτικούς,   εΐ  μέν  παρείησαν  ο\  τής  φλεβοτομίας 
αριθμοί,  περί  τήν  δευτέραν  ήμέραν  φλεβοτόμησον,  ει 
δ*  OÖV  δριμεΐ  κλυστήρι  κενώσομεν  και  συστολαϊς.  τα  bi 
σφοδρά  τών  άλγημάτων  παρηγορήσομεν  επιθέσει  χειρός 
ή  έρίου  θερμού   κατεχομένου,    εί  δ'  έπιτείνοιντο,  καΐ  τάς  ί)»ά 

ιοκέγχρων  ή  πιτύρων  ή  άλών  πυρίας  προσοίσομεν, 
έν  δευτέροις  δέ  καιροΐς  τάς  δΓ  έλαιοβρόχων  ή  έρίων  ή 
βακών  θερμασίας  παραλαμβάνοντες.   πειράσθωσαν  δέ  δι- 
ακατέχειν  πνεύμα  και  άνθίστασθαι  ταϊς  βηΕί.    παραληπτών  ^ 
και  τάς  έλαιοβρόχους  κύστεις  και  τους  κεραμεικούς  φακούς,  μί* 

10  πλήσβρε  ρ  11  κατωτέρω  μέρει  τούτω  ρ  τούτω  ρ  1^ 
Bupra  κλ€ΐδιΣιν  circumiiexas  desinit  in  ο  additurque  ς  ita  ut  optio  ü^^i 
videatur  scribasne  κλείδων  an  κλειδός  in  P,  κλειδός  ρ  1»  oi  irö- 
σχοντες  ρ  έν  .  .  .  .  corruptum;  έν  αίχμίω  Ρ,  ένακμή  ρ  16  öiaöpo- 
μαΐ  δέ  ρ  17  sie  ionizans  pro  λωφώσιν  Ρ         17  sq.  εί  θ'  οΰηικ;  ί) 

Ρ,  οΰτως  om.  ρ  22  επιτίθεται  ρ  αύταίς  ρ  23  αγρυπνίας  ρ  Ασ- 
πασμοί ρ,  {λιπασμός  Ρ,  corr.  1  ήμέραν  τήν  τετάρτην  ρ  δέ  om.  Γ 
3  post  σφυγμοί  deest  distinctio  in  Ρ,  colon  in  ρ  5  παρήΠ'^'**^  Ρ 
προς  φλεβοτομίαν  ρ  G  φλεβοτομήσομεν  ρ  7  κ€νώσωμεν  ρ  ^  ^ 
θερμοΟ  ρ  10  Λλλων  ρ  προσοίσωμεν  ρ  11  ελαίου  βρέχον  έριον  ρ 
12  sq.  διακατέχοντες  Ρ  13  τό  πνεΟμα  ρ  άνίστασθαι  Ρρ,  corr.  l^ 
ταΐς  ελαίιυ  βροχής  τής  κύστης  ρ    κεραμίους  ρ 


Aus  ThemisoDS  Werk  über  die  acuten  und  chroniiciien  Krankheiten    95 

τά  bi  ταύτα  και  τήν  bia  οισυπηρών  έριιυν  σύν  έλαίψ  και   οι-  u 
νψ  τεθαλοσσαιμένψ  επιθέσει  χρησόμεθα.   περί  bfe  τήν 
τρίτην  ή  τετάρτην  ήμέραν  θρεψαντες  τοις  biä  μέλιτος  |So- 
φήμασι  τοις  b\a  πικρών  αμυγδάλων  καΐ  γλήχιυνος  και  πιτυΐ- 
5ων  ή  iE  ύδατος  δρτψ  ή  πλυτψ  χόνδρψ  μέχρι  παρακ- 
μής παρά  μίαν  δξομεν.    ποτόν  bi  και  ολίγον  καΐ  ßpabiov  προ•  2ο 
σοιστέον.   εί  bi  τά  άλγήματα  περί  τήν  τρίτην  ήμέραν  σφο- 
ορύνοιτο,  καταπλαστέον,  ει  b'  oöv  περί  τήν  τετάρτην  περιαπτο- 
μένων  αύτοϊς  Οιυθεν  θυλάκων  ή  κύστεων  έχουσών  ίλαιον 
4ν  ή  ύδρέλαιον  θερμόν.  μετά  bfc  τήν  διάτριτον  ή  και  δευτε'ραν,  εΐ  μή 
προφλεβοτομηθεϊεν  έγκειμένιυν  των  άλγημάτων,  σικυαστέον 
τά  μέρη.   εΐ  be  επείγει,  και  έπι  των  φλεβοτομηθέντων 
παραλαμβανέσθω.    του  bi.  πάθους  μακράς  τάς  κρίσεις  έμ- 
φαίνοντος  ?ως  παρακμής   έπι   τοις  αύτοϊς  καλώς  ίχει   τυρών  β 
τροφή  τής  τε  τών  πόλτων  και  ώων  ύλης  έπιμιγνύντας. 
συντόμως  bk  τάς  υποθέσεις  υποβάλλοντες  προ  τής  του 
τέλους  παρακμής  boτέov  προς  τοις  είρημένοις  εγκεφάλους  και 
τακ€ρους  πόbας  και  νεωτάτους  όρνιθας  ή  περιστεράς, 
προ  hk  τών  ποτών  προποτιίέσθωσαν  μελίκρατον.  μετά  bk  τήν  ίο 
έβοόμην  έπι  τών  βροδυκρισίμων  και  τών  bi'  ύσσώπων 
και  σύκων  και  ϊρεως  χρησόμεθα.    έγκειμένης  bfe  τής  βηχός  bώ- 
σομεν  συνεχώς  το  μελίκρατον,  ότέ  bk  τό  άπεφθον  ύπό  τήν 
γλώτταν  λαμβανέσθωσαν  μέλι.    έστωσαν  bk  έπι  πάντων 
συνέχεις  αϊ  τε  τών  πυριών  προσαγωγαι  και  α\  ψηλαφήσεις       ΐ5 
τών  πobώv,  εΐ  bk  άνέχοιντο,  κα\  bιασφίγζεις.   ?ν  τε  ταϊς 
παρακμαις  ταϊς  bia  πηγάνου  καΐ  κυπρίνου  κηρωταϊς  χρη- 
σόμεθα.  έπι  bk  τών  bυσαvαγωγώv  πλευριτικών  μικτέον 
ταϊς  ώμαϊς  λύσεσιν  ίρεως  Ιλλυρικής  τό  τέταρτον  μέρος  ή 
προσαφεψήσαντες  άψίνθιον  και  όρίγανον  σύν  μελικράτω  2ο 

1δ  τή  πυρών  έρίων  ρ  [1.  xfl]  16  χρησώμβθα  ρ  18  πιπτυίδων  ρ 
19  dpTov.  ή  πλυτών  χόνδρων  Ρ  19  μέχρις  άραχμοίς  ρ  παρακμίαν, 
κ  corrccta  ex  τ  littera  ρ  20  αΕωμ€ν  ρ  21  sq.  σφοδρύνοιντο  ρ 
22  sq.  έπιρριπτομένον  ρ  23  φυλακών  ρ  1  δευτέραν,  διά  τρίτον  ρ 
2  ιτροφλεβοτομηθή  ρ  αότών  άλγημάτων  ρ  3  επάγει  ρ  5  τής 
θύτης  Ρ  τηρεΐν  ρ  6  τροφής  Ρρ,  corr.  ποτών  Ρ  ΰλην  ρ  7  συν- 
τόμους ρ  ύποβάλοντος  ρ  7  sq.  τής  τελείας  ρ  9  νεόττούς  ρ  10 
ΐΓοδών  ρ  μελικράτω  ρ  11  [1.:τφ]  δοσώπου  ρ  12  χρησώμεθα  Ρ  δό- 
σωμεν  Ρ,  δοτέον  ρ,  corr.  13  τό  om.  Ρ  14  μετάλαμβανέτωοαν  ρ 
μίλιτι  Ρ  15  τε  om.  ρ  είσαγωγαΐ  ρ  αΐ  ante  ψηλαφήσεις  οιη.  ρ  17 
Χρησώμεθα  ρ  19  τάς  όμιλήσεσιν  ρ,    sie  ubique  fere  ut  reliqua  ad- 

notare  nolimus      διά  pro  τέταρτον  Ρ 


^ 


96  Kuch 


β 


την  ώμήν  λύσιν  και  bia  σύκων  Τ€  και  όλβύρων  κρίθινων 
σκ€υάσομ€ν.    άπυρετιυν  hi  γενομίνιυν  €ΐ  έπιμένοιβν  αϊ  τ6 
βήχες  και  ο\  πόνοι,  έπιρριτττέον  μάλαγμα  τό  δια  σπερμάτων 
ή  τό  hiä  μελιλώτου  f|  τό  δια  σαμψύχων  ή  τό  πολυτρίχιον.      1 
προποτιστεον  bi  και  άντιοότοις.    αρίστη  οέ  ή  τε  θηριακή 
και  τό  δια  δύο  πεπίρειυν.    παυσαμενης  bi  της  όούνης  και 
των  βηχών  βαλανειψ  και  οϊνω  άποθεραπευτέον  αρχήν  της 
6  αναλήψεως  ταύτα  τιθέμενους. 

ΤΤεριπνευμονίας  αιτία.     κε.  κ  (9). 

Τήν  τής  περιπνευμονίας  αίτίαν  κοινότερον   ο  Ι   παλαιοί  άηί- 
5οσαν  ττνεύμονος  είναι  φλεγμονήν •  ιδικώτερον οέΤΤραΕαγόρας 
φήσας,  έάν  τα  παχία  και  τά  προς  τήν  ^άχιν  του  πνεύμονος  πάθη, 
10  περιπνευμονίαν  είναι,  έάν  bk  τά  προς  τοις  πλευροΐς, 
πνευμονι'αν,  έάν  5έ  τά  προς  τους  λοβούς,  πλευρϊτιν. 

ΤΤεριπνευμονίας  σημεία. 

Τή  περιπνευμονίςί  παρεπεται  πυρετός  όζύς  εις  νύκτα 
επιγενόμενος,  ώς  έπίπαν  bk  περί  τον  βρθρον.    βάρος 

ιβ  περί  τόν  θώρακα  και  θέρμη,    ήκιστα  b'  έπίπονόν  έστι  τό  πάθος. 
δυσπνοουσι,  ταχυπνοουσι.   κατακεΐσθαι  ο\  έν  τφ  πάθει 
ού  δύνανται,  άλλ'  αναγκάζονται  και  ΰπορθοι  δντες  δυσπνο-      , 
οΟσιν  ήττον,    σφυγμός  πυκνός,  σψο&ρός.    βήχες  συ- 
νέχεις άναγωγάς  ίχουσαι  παντοίας,   τούτοις  έστΙν  όμμα 

ao  κατάλυπρον,  στίλβον,  πρόσωπον  έρευθές,  μάλιστα  τοις 
μήλοις,  άγγεϊα  κυρτά  θώρακος,  ένερευθή  τά  προς 
τόν  τράχηλον.    ό  κίνδυνος  τά  πολλά  περί  τήν  έβδόμην, 
αγρυπνία  τε  και  άνορεΕία  και  δίψα  οι  τε   οφθαλμοί   άντι  τοορ 
στίλβοντος  ένερευθεΐς  γίνονται.    περιψύΕεις.    κατάπτωσις  σφυτ- 

μών. 

21  καΐ  prius  om.  ρ      hi  Ρ,  om.  ρ,  coni.  τε     αλεύρου  κρίθινου  ρ 
22  σκευα2[όμενα.  πυρετών  ρ  1  μελιλότιυν  ρ     σαψύχου  ρ     ιτολν- 

δρχιον  ρ        3  init.  καΐ  ή  ρ        4  αρχάς  ρ       5  τεθειμένους  ρ      ß  νη 
ρ        8  ό  pro  Ιδικ.  Ρ        9  ίφη  Ρ        πάθει  ρ         11  περιπνευμονίαν  Ρ: 
είναι  repetitup  in  ρ      περί  pro  τά  προς  ρ         13  περιπνευμονίαν  U  γ 
εΙς  om.  ρ         14  έπιτεινόμενος  ρ    bi  om.  Ρ  15  θ^ρμη  ήκιστα'  έιπ• 

πονον  bi  ρ  16  δυσπνοΟντες  ταχυπνόοι*  κατακεΐσθαι  ο1  έν  τώ  πόθίΐ 
in  marg.  add.  ρ',  tum  in  versu  inferens  όδύνανται*  άλλα  Π  ύιτοί>• 
θίοΟνταΓ  ήττον  δυσπνοοΟσι  ρ  19  δμματα  ρ  20  καταλιπαρα  οτίλ• 
βοντα  ρ,  fort,  καταλυπηρόν  ένερευθές  ρ  1  αγρυπνία  τότε  ρ  δίψηζ  ? 
2  περιπύΕεις  ρ  καταπτώσεις  σφυγμών  ρ,  κατάπτωσις  χυμών  Ρ  1 
τάς  πρώτας  ημέρας  ρ 


Aus  Themisons  Werk  über  die  acuten  aud  chronischen  Krankheiten     97 

ΤΤ€ριιτν€υμον(ας  θεραπεία. 

Τους  hl  περιπνευμονικούς  εΐ  μέν  περί  τήν  πρώτην  ήμέραν 
συσταίη  το  πάθος,  δπερ  σπάνιον,  φλεβοτομητέον.    φυλακτέονβ 

ht  τήν  πο- 
λλήν  άφάίρεσιν  δώόντας  και  ταϊς  μεταΕύ  προςενεχθη- 
σομέναις  σικύοις  τόπον,   εΐ  bi  μή  ένδίχοιντο,  μετά  τον 
παροΕυσμόν  κατακλιτίον.    ει  V  ούν  σικυαστέον  μετά  άμύ- 
Εειυν  προσβαλλόμενων  τψ  τε  θώρακι  και  ταΐς  πλευραις  πολλών 
και  εύμεγίθΐϋν  προς  ούναμιν  τήν  άφαίρεσιν  ποιούμενους.  ω 

μετά  bk  ταύτα  έμβροχαΐς  ταϊς  οίσυπηραϊς  συναλειφέ- 
σθωσαν  και  προσφερέσθακταν  βοφήματα  bxa  τής  πτισάνης 
ή  χόνοριυν  μετά  μέλιτος  ή  των  πλυτών  χόνόρων  ή  τών 
€Ε  ύδατος  άρτων,  ποτόν  b^,  εΐ  μέν  άνε'χοιντο,  θερμόν,  εΐ  bt  μή 
γαλακτώόες.    καταπλαστίον  bk  αυτούς  και  ταϊς  ώμαΐς  λύ•        w 
σεσι.    κατά  bk  τους  τών  πυρετών  παροΕυσμούς  σκεπα- 
στέον  έλαιοβρεχέσιν  έρίοις  και  ταΐς  bia  πηγάνου  και  κυπρίνου 
κηρωταϊς.  τή  bi  τετάρτη  ήμέρςι  έν  ταϊς  ένδόσεσι 
ττοτιστεον  υσσωπον  μετά  σύκων  μήτε  πλειον  κυάθων 
πέντε  μήτε  ίλαττον  τρις.   πλειόνων  b'  όντων  και  1>υσα•  το 

νογώγων  τών  υγρών  και  έκ  δευτέρου  προποτιστεον.    δοτέον 
hl  και  τήν  bia  πικρών  αμυγδάλων  μετά  σεμιδάλεως 
Γη  χόνδρου  βόφημα  ή  βουτύρου  προσφάτου  κοχλιάρια  γ' 
ή  μελίκρατον  συν  άφειμήματι  Ιλλυρίδος.  ει  δέ  κατά  τών 
παροΕυσμών  ή  δύναμις  συναιρείται,  προποτιίε'σθωσαν 
συνεχέστερον  τό  μελίκρατον  και  μετά  πιτυίδος  ή  συκίου 
σπέρματος,   άνοικτέον  δέ  και  τάς  θυρίδας  έκ  διαστημάτων  νυκτός  β 
τε  και  ημέρας  ϊνεκα  του  καθαρόν  είσρεΐν  αέρα.    μετά  δέ  τήν 

δεύτε- 
ρον διάτριτον  έπιτεινομένου  του  πάθους  σικυαστέον  έκ  δευ- 
τέρου ίλαττον  αποσπώντας  αίμα  και  προποτιστεον  ίριδι  λείςι. 
έστω  bi  δυοϊν  ή  τριών  κοχλιαρίων  τό  πλήθος  μετά  μελικράτου 

5  δπερ  σπάνιον  om.  Ρ  φυλαττιυμένους  τήν  ρ  β  sq.  προσ- 
συνβχθησομέναις  Ρ  7  ίνδέχοιτο  ρ  8  κλιστέον  ρ  άμύΕειυς  προβαλ- 
λόμ€νον  ρ,  άμ\>Εεων  προσβολομένιυν  Ρ,  corr.  10  ποιούμενοι  Ρ  11 
^μβρεχθέντες  ρ      ύοωπηραΐς  Ρ,   ύσσηπύροις   ρ,    oorr.  12  (»όφημα  ρ 

τής  om.  ρ  13  χόνδρου  ρ  τόν  πλυτόν  χόνδρον  ρ  τόν  ρ  14  υδάτων  Ρ 
δρτον  ρ  17  πηγάνου  κηρωταϊς  καΐ  κυπρίνου  ρ  19  προποτιστεον  δέ 
ύσσώπω  ρ  πλήους  ρ  20  ίλάττους  τριών  \y  22  τό  διά  ρ  1  τρία  ρ 
2  συν  ας>€ψημένης  ρ  2  sq.  τους  παροξυσμούς  ρ  •>  συναιροιτο  ρ 
4  πιτυίδων  ρ  σικύον  ρ  β  του  καθαρού  αέρος  Ρ  «S  αποσπώ ντες  Ρ 
ίρώιλισθίο  ρ        9  ίση  γ       δύο  Ρρ,  corr.        τό  οηι.  ρ 

Rhein.  Uue.  f.  Philol   Ν.  F.  LVIII.  7 


^ 


98  Fuche 


ιολ€πτου  ή  πτισάνης  χυλοΟ.  τροφάς  5έ  προσο{σομ€ν  αύτψ 
κρβώόεις•  rfi  b'  €ΐσι  τακεροι  ττό^ες  και  εγκέφαλοι  ή  v€orrol 
όρνίθιυν  ή  π€ριστ€ρών.    el  όέ  τά  τών  5υνάμ€ων  συναι- 
ρείται, δοτίον  αύτοΐς  μ€τά  Ροφημάτων  και  χόνδρον  και 
δρτον  τό  τ€  παλαιόν  ύδρόμβλι  και  τό  μ€λίμηλον.   μη  άνα- 

16  λαμβανομένων  bi  προσοιστέον  τά  ττρο6ΐρημένα  ΟΓ  οίνου, 
και  έν  μέν  τή  πρώττ)  τών  πυρετών  άποκλίσβι  ττροποτιστίον 
όσσώπψ,  έν  bi  τή  ένδόσβι  Ιλλυρίδι.   τάς  bt  τής  διανοίας 
τταραφοράς  έμβροχαϊς  τής  κεφαλής  παρηγορήσομεν  και  τοις 
του  προσώπου  άποσπογγισμοϊς.    τους  bk  επιγενόμενους  αυτών 

ao  καύσωνας  παρηγορητέον  πειριυμίνους  [τε]  μή   παροΗυνειν  την 
αΐτίαν  του  πάθους  ταϊς  δι'  όΕυμέλιτος  ώμαΐς  λύσεσι  και  όΕυ- 
κράτου  ελαίου  και  μέλιτος  προσεμβεβλημένου,  ή  πατητοϊς 
φοίνιΕι  μετά  μήλων  ή  κυδωνιών  και  άρτων  ή  άλφίτων  και  τοις  Ρ 
τής  κολοκύνθης  Εύσμασι   και  πίπονος  κατ'  Iblav  και  συν  δρ- 
τω,  όμοιως  και  άνδράχντ]  κα\  αμπέλου  ^λιΕι,  πολλάκις  hk  τη 
άλλη  έκ  δυοΐν  μερών  ουση  συγκαταπλέΕομεν  στρύχνον 

6  ή  άείίωον  ή  κορίανον  χλωρόν  ή  πολύγονον  σύν  pobi- 
νΐϋ  ή  μηλίνω.  συνεχώς  bk  ύπαλλάττεσθαι  ταύτην,  αυ- 
τάρκης bk  τούτων  εΙς  μέτρον  ή  του   νοσουντος  θεραπεία  και 

εύφορία. 

μεταΕύ  bk  ταϊς  b\'  ωμής  λύσεως  έσκευασμέναις  δι- 
α μελικράτου  χρηστέον.   ει  δέ  περί  την  κοιλίαν  ^ευματι- 
10  σμός  γένοιτο,  συνεργητέον,  εΐ  δέ  μή  ύπακτέον  τήν 
κοιλίαν  βαλανείοις  ή  κλύσμασι.   πολλής  bk  εντεύθεν 
ωφελείας  έσομένης  παρακμάζοντος  τε  του  πάθους  χωρή- 
σομεν  έπι  τά  πολύτροφα  πτηνά  τε  καΐ  ίχθύας  και  ώά 
παρατιθέντες.  έπιθέμασι  bk  χρησόμεθα  κηρωταϊς 

10  χυλόν  Ρ    προσο{σωμ€ν  Ρρ,  corr.       11  ο{  bi  εΤσι  τάκρ^η  πόδ^ς 
ρ       12  συναίροιτιυ  ρ        13  καΐ  posterius  om.  ρ        14  τώ  τε  παλαιψΡ 

άναλαμβανόμβνον  ρ  1β  α'Ί  Ρ  16  άποκλησει  Ρ,  έπικλήσει  ρ,  corr, 
17  δώσει  Ρ  18  παρηγορήσωμεν  ρ  19  έπιδυνομένους  έπΙ  τούτων 
καύσους  ρ  20  τε  del  conexue  causa  21  όΕύκρατον  Ρ  όΕυκράτου 
ρ,  fort,  δι'  όξυκράτου  22  ή  πατι  τοϊς  Ρ,  ήπατι  τοις  ρ:  [corrigendum 
erat  conl.  Galeno  t.  VI  ρ  780  Κ.  Geopon  20,  9]  1  μήλων  κυδωνίων  ρ 
2  κολοκυνθ{δος  ρ  πέπωνος  Ρ  πέπονι  ρ  καΐ  οτη.  Ρ  3  άνδράχνης  Ρ 
ίλιΕιν  ρ  4  [f.  Ολη]  δύο  Ρ  συγκαταπλ^Εωμεν  ρ  6  σύν  μηλίνω  ρ 
ύπαλλαττέσθω  ταΟτα  ρ  6  sq.  αύτάρκες  ρ  7  μέτρων  pro  €ί:  μ^ 
τρον  ρ  θεραπεία  καΐ  om.  Ρ  qui  in  raaura  exh.  ευφορία  8  έσκευσ- 
σμένω  ρ  10  γένηται  ρ  11  κλυστήρι  ρ  12  προακμάΓοντός  Ρ  6έρ 
χωρήσωμεν  Ρρ,  corr.  13  τε  om.  ρ  13  sq.  καΐ  δ  άπόπόλτους  ρ  14 
χρησώμεθα  Ρρ,  corr. 


Aus  Themisone  Werk  über  die  acuten  und  chronischen  Krankheiten     99 

φοδίναις  t\  σχοινίναις  t\  μυρσίναις.   δριστον  bfc  καΐ  ιβ 

τών  υλών  καΐ  τό  hxä  στυπτηρίας  και  παν  τό  τούτοις  όμο- 
€ΐί>ίς.   τών  bk  πυρετών  τίλ€ον  λυθέντιυν  έπΙ  βαλα- 
νβΐα  και  ο7νον  προσάΕομεν. 

Συγκοπών  αΙτία  καρδίας.    Κ6.  κα  (10). 

*Ονομοστι  μέν  του  πάθους  οΐ  παλαιοί  ουκ  έμνήσθησαν  » 

ώς  καθ'  αυτό  γινομένου,  έπιγινομένου  hk  κυρίοις  τόποις 
φλεγμαίνουσι,  μάλιστα  bk  στομάχου  δπερ  καλείται 
r^Tr  Kttpbiiji,  bi'  δπερ  τινές  καρΜας  ύπΑαβον  είναι  τό  πάθος, 
γίνεσθαι  bi  αυτό  ύπό  φλεγμονής  έκτονιίομίνου  του  πνεύ- 
ματος και  λυομένου  καθάπερ  λιβανωτοΰ  τφ  πυρι  όμιλήσαντος. 
Ιστι  τοίνυν  αυτή  <ή)  του  σώματος  ?£ις,  συμβαίνει  όέ  μάλιστα 
έπι  στομάχψ  πεπονθότι,  έπει  καθάπερ  νεώς  του  σώμα-  β 

τοςύπόίιυμα  υπάρχει,  ώς  φησιν 'Αρίστων  ό  άπό  ΤΤίτρωνος. 

Συγκοπών  σημεία. 

Τοις  bk  ύπό  συγκοπών  άλοΟσι  συνεδρεύει  σφυγμός  μικρός, 
συνόεόιωγμένος,  έκλείπων.    αναπνοή  συνεχής  τε  και  ώς 
δν  έκλείποντες  αντιλαμβάνονται  του  άερος  και  ο\ονει  ιο 

οιψώντες  άνεψγμίνον  έχουσι  προς  τήν  6λκήν  ϊτοιμον  τό  στόμα, 
ιδροΰσι  οαψιλώς  τα  άνω  μέρη  μάλιστα,  ψυχρός  bk  αύ- 
τοΐς  έστιν  6  Ιδρώς,  δροσί2Ιων  δυσεπισχέτιυς.    άκρα  κρυ- 
σταλλοειδή,  προϊόντος  bk  έπι  τό  χείρον  πελιουται,    μελαί- 
νεται.   βάρος  θώρακος  συναισθάνονται  οιψώσί  τε  και  έπι-         u 
τεταμένους  πυρουνται  τα  έν  βάθει.   άνορεκτουσι.   χεί- 
ρον bk  άπαλλάττονται.    μάλλον  Ιδρουσι.    σφυγμός  άει 
ταπεινός,    μάλλον  ϊσχουσι  και  τάς  όρέΕεις,  τελέιυς  αποστρέ- 
φονται,  τό  ληφθέν  αποχωρίζεται,    υποχόνδριο  ν  μετειυ- 

15  σχοινίαις  Ρ,  σχινίνβς  ρ  Κί  τΦν  [Χέος  ρ      καΐ  τών  διά  Ρ 

τών  τούτους  Ρ  17  παυθ^ντων  ρ  18  προάΗωμεν  ρ,  προάξομεν  Ρ, 
corr.  19  καρδίας  om.  ρ  qui  caput  exh.  νθ  21  άύτοΟ  ρ  γινόμενον 
Ρ  επιγενομένου  Ρ,  έπιγινομένων  ρ,  corr.  καιρίοις  ρ  22  στοχάχου 
ex  στομάχω  videtur  effectum  in  ρ  1  καρδία  Ρρ,  corr.  ύπέλαβον 
καρδίας  Ρ  3  λιβάνου  Ρ  τφ  om.  ρ  4  ή  τοίνυν  Ρ  ή  addidi;  pro 
bis  ρ:  δ  ήν  αυτό  καΐ  τώ  σώματι  5  νεώς  mat.  in  νεός  Ρ  νέος  ρ  6 
ύπόΖιυμος  υπάρχων  ρ  άπετρώνος  ρ  8  άλλοιοΟσι  ρ  9  συνδεδεγ- 
μένα  Ρ  (τ  supra  versam,  μένα  per  compendium  scr.)  συνέχεται  ρ  10 
άντιλαμβάνοντες  ρ  10  sq.  οθεν  καΐ  οίον  οί  διψώντες  αύτοΟ  ρ  12 
μάλιστα  τά  άνω  μέρη  ρ  Ι'ό  δυσεπίσχετος  ρ  [recte]  13  sq.  κρυσταλώδη 
ρ  14  πελιδνοΟται  ρ  1δ  τε  om.  ρ  17  άπαλλάττοντες  ρ  σφυγμόν 
άεΐ  ταπεινότερον  ρ        18  τελείως  ρ        19  άποχ(υρί2[ουσιν  ρ 


ι 


100  Fuchs 


0)ρίΖ€ται,  ενίοτε  bk  καΐ  κοιλία  προεκδοΟσα  καθεΐλεν 
αυτούς. 

Συγκοττών  θεραπεία. 

Τους  bi  λεγόμενους  καρδιακούς  σκοπόν  ίχοντας  τήν  τής  δυ- 
νάμεως 
βώσιν  κατακλιτέον,  εΐ  μέν  παρείη,  έν  κατωγίψ  οϊκψ,  ει  b*  ούν  Ρ  > 
ποσώς  άφεγτ^στίρψ  καΐ  μή  πνιγώδει.   ίστιυ  bi  τα  έπι- 
βόλαια  και  τά  υποστρώματα  και  τα  ενδύματα  ελαφρά  τε 
και  τετριμμένα  καΐ  τφ  έδάφει  κατερράνθιυ  και  φύλλοις  κα- 
βτεστρώσθιυ.    μεταδοτέον  δέ  αυτούς  αέρος  ψυχρού  εισόδψ  και 
τοις  δι'  όΕυκράτου  άποσποττ^ί^μοϊς  καΐ  διακλύσμασι  και 
έμβροχαΐς  ψυχρού  και  όσψραντοΐς  ποικίλο  ις  και  τροφώ- 
δεσιν  οίον  θερμοϊς  άρτοις  fj  δι'  οϊνου  ή  σικύοις  ή  πέ- 
ποσιν  ή  μήλοις  ή  ουοις  και  τοις  όμοίοις.   ο\  bt  έπει- 

10  σελευσόμενοι   ολίγοι  τε  ίστιυσαν  και  ήκιστα  κατ'  αρχής  αΤτιοι 
γενόμενοι,   παρακελευστέον  δέ  θαρρεΐν  μηδεμίαν  ίμ- 
φασιν  κινδύνου  υποβάλλοντας,    τους  δέ  φερομένους  ιδρώ- 
τας |4υπισμοϊς  έπισχετέον,  σπόγγοις  έκ  ψυχρού,  είτα 
προσπάσαντες  λείαν  μυρσίνην  και  τήν  κεφαλήν  έμ- 

ιββρέΕαντες  όΕυροδίνψ  και  περισπογγίσαντες  τό  πρό- 
σωπον ψυχρψ  προσοίσομεν  δρτον  ή  χόνδρον  δΓ  οϊνου  ή 
τακερούς  πόδας  καΐ  πτηνών  τά  παρόντα,   αρίστη  δέ  και 
ή  τών  οδών  όπώρα,  μήλων  βερεκοκίων  καΐ  περσικών  καΐ 
^οιών  και  τής  έκ  κίθρας  σταφυλής,    ποτόν  δέ  κράματος 

90φυχροΰ  προσφερέσθω.    μετά  δέ  τήν  προσφοράν  πειράσθω 
ύπνοΟν.    εΐ  δέ  παραμένει  τά  τής  διαφορήσεως,  πάλιν 
θρεπτέον.    τή  δέ  ύστεραίςι  τάς  υπόπτους  έκλαμβάνοντες 
θρέψομεν  μετ'  οϊνου,  ομοίως  και  τη  τρίτη,  εΐ  δέ  μηδέν  ύπαντήσειε,  Ρ  :ν^ 
παν  τό  βουληθέν  έπιδώσομεν,  εΐ  δ'  έπιμένοιεν  διαψο- 

20  προσεκδοΟσα  Ρ  22  τους  καρδιακούς  ρ         1  καηαγ^ω  Ρ, 

κατιυ  |  γαίιυ  ρ  4  sq.  τψ  usque  ad  καταστρώσθω  [sie  Ρ]  om  ρ  ί) 
μ€τα  Ι  δοτίον  ρ,  τονοτ^ον  Ρ  [1.  τονιυτέον]  cioobtu  ψυχροΟ  ρ  *' 
όΕύκρατα  ρ  καΐ  διακλύσμασι  οπι.  ρ  7  διά  βροχισμοΐς  ρ  ποικίλαις 
Ρ  τροφώδ€σι  Ρ  8  δι'  Iviui  ρ  ή  tertium  οηι.  ρ  πέποσι  •  μήλοις  Ρ 
qui  om.  ή  οοοις  κ.  τ.  ό.  10  τβ  om.  Ρ  12  ύποβαλόντας  ρ  13  [1.  (>ι- 
πισμοΐς]  14  έμπάσαντ€ς  ρ  IG  προσο(σωμ€ν  Ρρ,  corr.  Αρτφ  Ρ  Ι•^ 
οοων  Ρ,  ωρών  ρ  έπώρα  ρ  μήλαιν  om.  Ρ  fort.  <καΙ>  add.  β€ρ€κόκιον 
inuBitatum,  sed  habcR  β€ρικοκκ(α,  βερικουκία  et  πρ€κόκια  19  κι'θρας  cf. 
Ρ  44  ν  4,  qua  rc  nil  tento  κράμματος  Pp,  corr.  20  πβιράσθωσαν  ρ 
21  δπνου  ρ  22  θίραπ€υτ^ον  ρ  δι'  Ρ  [1.  τους]  λαμβάνοντ€ς  Ρ  Ι  ύπαν• 
τήσ€ΐ  Ρ    ύπαντήσωμ€ν  ρ    2  έπ'  αυτό  βουληθέν  έπιδώσιομ€ν  ρ    έπιμέν€ΐα  ρ 


Δαβ  Themisons  Werk  über  die  acuten  und  chronisohen  Krankheiten  101 

ρούμενοι,  άκτέον  αυτούς,  ώς  εϊρηται,  προς  τους  συναλ€ί<ροντας 
τά  δκρα  τοις  bia  π€πίρ€ΐυς  και  ττυρίθρου  και  λημνίτΛος.    Εη- 
ραντ^ον  bi  και  θερμαντέον  τήν  έττιφάνειαν  άσβέστψ  λ€{ψ         β 
fj  τρυγί.    τά  bi.  μέαα  καταπλασσέσθιυ  τοις  biä  φοινικιών 
και  μήλων  και  οΐνάνθης  και  άειίώου  τή  σαρκΐ  κατ'  ΙΜαν 
και  μ€τά  μέλιτος,  6τέ  μετά  μηλ(νου  ή  μυρσίνου  ή  βοΜνου  μ€- 
θ'  υ^ατoς  έμβρβχέσθαισαν.    bei  bi  τόν  άριστον  Ιατρόν  πάρα- 
κολουβ€Ϊν  τοις  έκ  τών  προσφερομένων   βοηθήμασι  και,   εϊ  μένιο 
εύαρεστοϊτο,  τοις  αύτοϊς  έπιμένειν,  εΐ  V  οδν  μεταβαίνειν 
εις  £τερα.    εΙ  b'  έπί  τίνων  άποοοκιμάΖομεν  τάς  του  οϊνου 
προσφοράς,  έπιτήδειον  τό  παλαιόν  ύ^ρόμελι  καΐ  τό  μηλό- 
μελu   εΐ  b'  όπό  τούτων  μή  αναλαμβάνει,  έκ  του  οΤνου  βραχύ 

προσοί- 
σομεν,  εΐ  παρείη,  "Αλβανον  ή  Φαλερϊνον  ή  *Ασιανόν  •  χρεία  γάρ  ιβ 
σύντομος  τής  άπό  οϊνου  βοηθείας  μόνου,   τή  bl  τροφή  εύστομά- 
χω  χρηστέον.    αΐώραν  ήτοι  έν  στοςΐ  ποιησόμεθα  ή  bia  του 
κρεμαστού  κλινι^ίου  έφορώντες  τήν  ούναμιν.    εΐ  bi  συγ- 
κοπαι  μεθ'  \&ρώτων  και  περί  έπώόσεις  και   άκμάς  τών  παθών 
γίνοιντο,  νεανικώτερον,  ωσάν  έν  όΕυτάτοις  κίνδύνοις  δντων,  και  3ο 
τοις  μέν  άποσπογγισμοϊς  και  (5υπισμοϊς  συνεχέσι  και  πά- 
σι  τοις  πρότερον  είρημένοις  χρηστέον.   καταπλασσέσθωσαν  bk 
^  38ν  μυρσίνΐ)  τάς  τε  μασχάλας  καΐ  τους  βουβϋονας,  τά  bt  άκρα  ποι- 
κίλως  έκθερμαντέον  bia  τό  πολλήν  έκ  τούτου  ώφέλειαν 
άπανταν.   παραλαμβανέσθωσαν  bk  και  τά  ώσπερ  καυτη- 
ρι'ου  τρόπον  επέχοντα  οΓον  τρύΕ  κεκαυμένη  και 
άσβεστος  καΐ  πύρεθρον  και  πέπερι  καΐ  σκίλλα  καΐ  βολβοί  και  ναπυ  β 
και  λημνίστιον  κατ'  Ibiav  καΐ  μετ'  αλλήλων,  ότέ  μέν  Εηρά  έμπα- 

&ια(ρορουμέναιν  Ρ  4  τής  Ρ  λημνίτις  hio  priraum  mihi  ooourrit;  facile 
λημν{τ€υις  corrigfae,  audacia  tarnen  in  eiusmodi  coirectionibus  magie 
quam  fidncia  agnosoetur  (cf.  ä8v  6)  [I.  λιμνήτιδος]  8  καΐ  μβτά  μήλυτνρ 
9  ne  criticum  quidem  dedecet  hanc  summam  artis  medendi  non  minus 
sciendi  praestantia  quam  flore  dicendi  insignem  qua  ^ar  est  laude  per- 
sequi  10  βοηθήμασιν  ρ  11  €ύαρ€στοΟνται  ρ  τοΐς  om.  Ρ  cl  bi  μή  ρ 
12  έφ'  έτέραν  ρ  5έ  Ρ  δοκιμάΖΙομεν  ρ  14  hi  έπι  ρ  αναλαμβάνοιτο  ρ 
ίκ  τοΟ  κατά  βραχύ  προσοίσωμεν  ρ,  οίνου  suprascr.  Ρ  15  φασλερινόν 
Ρ,  φαλέρινον  Ρ,  corr.  άσίτινον  ρ  Ιβ  τής  bk  τροφής  ένστομάχω  χω- 
ρητέον  ρ  17  έπ'  έώρα  ρ  ποιησώμεθα  Ρρ,  corr.  18  συγκοπή  Ρ, 
συγκοπών  ρ,  corr.  20  νεανικωτέρως  δν  έν  όΕυτητι  Ρ,  νεάνϊκιίιτερον, - 
ωσάν  έΕοτάτης  ρ,  corr.  21  [Ι.^ιπισμοΐς]  1  μυσίνης  ρ  8  παραλαμ- 
βαν^σθυι  ρ  4  τρόπον  iu  τόπον  vidctur  mutatum  in  Ρ  τρύΕας  έκαυ- 
μ^  ρ        5  καΐ  πύρεθρον  om.  Ρ  G  λημνίστιον   hucueque  ignutum, 

fort,  corruptum  (cf.  38r  4)  [1.  λιμνήστιον  cf.  32v  32. 40r  4]    έμπασσομένη  ρ 


> 


102  Fachs 


σσόμενα   τοις  δκροις,   ότέ  bi  μιγνυμενα  τοις  βολβοΐς  και  τή 
σκιλλη.   τοις  μέν  ουν  bia  τιϊιν  βολβών  καταχριίσθω- 
σαν  βραχίονες  μέχρι  οακτύλιυν  δκριυν  και  μηροί  μέ- 

ιοχρι  ποδών,    καταδησάσθιυσάν  τε  λεπταΐς  λινίαις.  εΐ  bi 
μή  φέροιεν  τάς  καταχρίσεις,  τα  μέν  &λλα  τοις  Εηροΐς  έμ- 
ττλοατέον,    τα  bk  περί  γόνατα  και  τους  πόδας  τοις  προει- 
ρημένοις  χρίσαντας  περιελεϊν.   θέρους  bi  δντος  ή  φθι- 
νοπώρου δοτέον  τό  τε  δπεφθον  και  τό  b\ä  σχοίνου  διάκλυσμα 

ΐοκαΐ  ποτόν.    ίστωσαν  bi  και  ο\  άποσπογγισμοι  bia  τούτων, 
ει  bi  δυνατόν  εϊη,  και  τά  βόρεια  πνεύματα  έπεισακτέον. 
μή  έπεχομένιυν  δέ  τών  Ιδρωτών  έπιμενετέον  τοις  έμ- 
πλάσμασι  τά  πρότερα  μή   όποσύραντας.    ει  bk  και  ούτως  μή 
φέροιτο,  έπι  πολύ  κεχυμένης  τής  μυρσίνης  σπόγγοις 

20  δι'  όευκράτου  ψυχρού  άπομάζαντες  έπι  τά  ώμοειδή 
χωρήσομεν  καταπλάσαντες  ότέ  μίν  κηκΐδι  όμφακιντ), 
ότέ  bk  συν  άσβέστψ,  ότέ  δέ  τρυγι  κεκαυμένΐ)  <ή  Σαμιςι  Τή  Μ^-       ι 

a  τά  κόμμεως  ή  μάννοις  ή  σιδίοις  λειοις,  ότέ  bk 

h  ψιλή  άσβέστψ).   μετά  δέ  ταύτα 
προσοίσομεν   τροφήν  ψυχράν  και  πολύτροφον,  μετά  [hk]  πο- 

μότων     ^  ^^ 
ψυχρών  προσεπιδιδόντες  τι  τών  ώρ(ων.    εΐ  δέ  μη- 
δέν ύπείκοι  προς  ταύτα,  κατά  δύναμιν  οίνοδοτέον, 
μετά  δέ  τροφήν  ή  σιτώδη  ή  κρεώδη  ή  διά  χιόνος  ή  δι- 
βά  μόνου  ψυχρού.    έΕής  bk  προτρεψόμεθα  ύπνουν 
αυτούς,  συλλαμβάνεσθαι,  τό  παν  τής  σωτηρίας  έν  τούτοις  τι- 
θέμενοι,   μή  έπεχομένων  bk  τών  \δρωπων  τους  μkv  φύσει 
λείους  τοις  διά  τών  βολβών  και  τρυγός  συγχριστέον  δλους 

7  τοις  om.  Ρ  άλλοτε  δέ  ρ  10  κατακλίσθωσαν  b^,  tum  epaiiom 
VIII  vel  IX  litt.,  ubi  quonriam  fuerunt  λεπταΐς  λινιαις  pro  quibus  cor- 
ruptis  habes  saniora  vel  masculinum  λιν(οις  vel  λιναίοις  vel  feinininum 
λινα{αις  similia  11  καταντλήσεις  Ρ,  κατακλίσεις  ρ;  ncutrum  ferendum 
qua  re  non  sine  quadam  dubitatione  coni.  καταχρίσεις  12  έμπαατέον 
Ρ  18  χρίσαντες  Ρ  14  χίονος  Ρ  διακλύσμασιν  ρ  1(5  τά  om.  ρ 
17  sq.  σπάσμασι  ρ,  έμπάσμασι  Ρ,  corr.  (cf.  12)  18  άποσύροντες  ρ. 
απόσυρα ντ€ς  Ρ,  corr.  20  διά  ρ  ομοειδή  ρ  21  χριυρήσαντες  ρ  κατά- 
πάσαντες  Ρ,    κσταπαύσσωμεν  ρ,   corr.  (cf.  12;  17  sq.j  22a  b  quae 

saepta  sunt  solus  exh.  ρ  22a  κόμμε  ρ,  corr.  μάννοις  fort,  μάνναις 
sc.  λιβάνου  1  προσοίσωμεν  ρ  πολύτροπον  Ρ  [bi]  om.  ρ,  cieci  - 
ψυχροΟ  ρ.  ψυχρόν  Ρ,  coir.  ορίων  ρ,  ώρίωνος  Ρ  3  ύπείκει  ρ  post 
ταΟτα  add.  προσοίσωμεν  ρ  οίνον  δοτέον  ρ  4  μετά  τροφής  ρ  4sq• 
ή  διά  usfjue  ad  ψυχροΟ  om.  ρ  5  ΰπνοις  ρ  G  άναλαμβάν€σθαι  ρ 
τιθεμένων  ρ 


Aus  Themisons  Werk  über  die  acuten  uod  chroiiisohen  Krankheiten    103 

fj  τοις  bx'  άσβεστου  και  κηκΐδος  και  φών  τοις  λ€υκοΐς.  τους 
bi.  πολυτρίχους  έμπΧαΟτέον  τοις  προ€ΐρημένοις.    οοτέον  ίο 

be  τούτοις  έκ  διαλειμμάτων  κατά  τον  τής  τροφής  καιρόν  κατα- 
ρροφεΐν  δκρατον.   πολλάκις  γαρ  τούτοις  ^ώννυται  το  πνεύμα, 
τής  bt  ώρας  καυματώοους  οοσης  ένουτέον  αυτούς  χι- 
τώνας ^ιαßpόχoυς  ψυχροϊς  και  πρότερον  τοις  όθονίοις  έ- 
Ε  ύδατος  χρηστίον  και  βεβρεγμίνοις  ώών  τοις  λευκοΐς.  ιβ 

ποικίλης  bi  ούσης  τής  των  συγκοπών  αίτιας  και  το 
βοηθήματα  άρμοττίσθαι  κατ'  αυτήν,    εΐ  bi  προκύπτει 
ήμϊν  τα  τής  βοηθείας,  άκόλουθόν  έστιν  ίτι   τών  άναληπτικών 
bia  ταχέος. 

Βουλίμου  αΙτία.    κε.  κβ  (11).  3ο 

Όνομαστι  μέν  του  πάθους  ο\  αρχαίοι  ούκ  έμνήσθησαν,  κατά 
bi  τήν  τούτων  άκολουθίαν  ψαμέν  αυτόν  γίνεσθαι  κατά 
ψύ£ιν  μέν  του  έμφυτου  πνεύματος,  κατά  πήΕιν  bi  του  έν 
*  :<9ύ  μεσεντερω  φλεβών  αϊματος  •  ταύτα  γάρ  αϊτια  καΐ  τής  όρ^Εεως.  ι 
Ό  bi  Ιπποκράτης  έν  τή  διαιτητική,    ό  bi  ΤΤραΕαγόρας 

έν  τή  περί 
νούσων,  6  bi  Διοκλής  έν  τή  περίπέψεως'  εϊπερ  ουν  ή  άνει- 
μένη  δρεΕις  μικρός  έστι  λιμός,  ή  έπιτεταμένη  βού- 
λιμος  δν  εϊη.   δτι  bi  ψύΕις  έστ\  του  αϊματος,  πιστοΟται  5 

bia  τό  έπιπολάίειν  έπΙ  γέροντας  τό  πάθος  μάλιστα,  πο- 
λλάκις καΐ  έν  χειμώνι,  καΐ  ή  θεραπεία  bi  δηλοΐ'  πυρία 
γάρ  καΐ  οΙνοποσία  καΐ  δριμέων  προσφορά  Ιώνται  τό 
νόσημα. 

9  ή  τους  ρ  9  sq.  τοΧς  bi  πολυτρίχοις  ρ  11  τά  δι'  άλειμά- 
TU)v  Ρ,  Ικ  διάλειμμα*  τ6ν  ρ  τόν  om.  ρ  11  sq.  καταροφ&ν  ρ  12 
ούτω  ^ώνυται  ρ  ί'ό  αύτοΐς  ρ  14  διαβρόχοις  ρ  ψυχροΟ  Ρ  πρό- 
τερον hi  όθονίοις  ρ,  πρ.  ταϊς  όθόναις  ή  Ρ,  corr.  1δ  ούών  mut.  in 
urv,  ni  ocali  falluDtnr  obscura  ista  correctione  Ρ         17  αυτών  ρ        18 

iarv  έπΙ  ρ  Caput  quod  est  de  bulimo  om.  ρ  20  κβ^  :  Ρ  21 
παθήματος  Mus.  Khen.  XLIX  54β  falsum  est  23  καΐ  πήΕιν  1. 1.  errore 
oculi  adductiis  exhibui,  κατά  π.  Ρ  1  μεσεντέρου  Ρ,  corr.  'ee  scheint 
also  ein  Adjeetiv  έμμεσέντερος  gebildet  zu  sein*  Kalbfleischius  (Goett. 
gel.  Anz.  J897  p.  826  not.  1);  »ollemne  esse  μ€σ^ντ€ρον  eubstantivom 
pro  μ€σεντ^ριον  in  librie  scriptie  post  illam  priorem  teztns  emieeionem 
non  semel  invcni  (cf.  e.  c.  41  ν  β;  70v  7)  neque  hao  Kalbfleieobi  me- 
dicina  tolluntur  reliqua  mala.  2  cf.  Peeadhipp.  de  diaeta  I  1  sqq- 
β  έπΙ  [f.  περί]      7  καΐ  fort,  amputandum 


Ν 

104  Fuchs 

Βουλίμου  σημεία. 

10  Τοις  bi  βουλιμιώσι  παρίπεται  το  άποψύχεσθαι  παν  το  σώμα 
και  μάλιστα  τά  δκρα  και  άπολιθοΰσθαι  σφόδρα  και  καταπιτττειν 
και  άσθμαίνειν  και  άλύειν,  ^ιαλίγεσθοι,  μή  εύτονεϊν,  σφυγμούς 
καθαιρεΐσθαι.    τινές  bk  αυτών  και  τροφήν  αΙτοΟσι. 

Βουλίμου  θεραπεία. 

16  Τους  bi  τοιούτους  κατακλιτίον  ίν  τόποις  θερμοϊς  καΐ  λιπον- 
τέον  παρά  φλογι  τό  σώμα  και  μαλακοΐς  μετά  την  τρΐψιν  όμφιάσ- 
μασι  σκεπαστέον.  τροφαι  ^ώόσθωσαν  ότέ  έκ  του  θερμού  κρά- 
ματος  δρτος    καΐ  ο\  λοιποί  πολύτροφοι  ίκαι  θερμόν  ποτόν  bi' 

οϊνου. 
ωφελεί  bi  τούτους  και  οριμυφαγία  κα\  ή  bia  πεπέρεως  και 

2οπητάνου  συν  οΙνομΑιτι  ή  γλυκεΐ  προποτισμφ.   παραθετέον 
bk  και  όπόν  δΕει  Μειμένον  έμβάμματος  τρόπον,  εΐ  bk  κλύ2Ιοιεν, 
καταρροφείτωσαν  έΕ  αύτοΰ.    συναλειφέσθιυσαν  bt  θερμαν• 
τικαΐς  όποΐά  έστι  τά  ϊρινα  καΐ  τά  δάφνινα  ή  γλεύκινα 
fj  άμαράνθινα  ή  τά  bi*  ελαίου  και  εύφορβίου  και  πυρέθρου  και 

καστορίου     Ρ  Κ) 
και  τοις  όμοίοις  τοις  bpιμέσιv  άκόποις,  οϊα  τά  bυσώbη,  τά 
bi'  εύφορβίου  ή  τά  χλωρά  άκοπα,    τοις  bi  προειρημίνοις 
μύροις  μικτ^ον  ίσθ'  βτε  καστόριον  ή  λιμνήστιον.    έπΙ  bk  τούτων 
όσφραντά  ίστω  μάλαθρον  ή  όρίγανον,  πήγανον,  θύμον, 
θύμβρα,  κλάboς  συκής  και  τά  τρόφιμα,   ωφελεί  bk  έκ 
bιαστημάτωv  καταρροφούμενος  άκρατος,    ίστω  bi  κατά 
τάς  επιζητήσεις  τά  της  τροφής  έτοίμως  μετά  κράματος 
θερμού  bιbόμεvα. 

ΎbpOφόßoυ  αΙτία.     κε.  κγ  (12). 

10  0\  αρχαίοι  ούκ  έμνήσθησαν  τούτου,    ίοικε  bi  γίνεσθαι  bia 
bισσήv  αΐτίαν.  ή  γάρ  υπό  λυσσώντος  κυνός  έvbακόvτoς 
και  έΕιώσαντος  τους  έν  τώ  σώματι  χυμούς  ή  χυμών  τοι- 
ούτων έντραφέντων  τψ  σώματι  οίον  bύvασθαι  έπαγαγεϊν  τό  πά- 
θος,   υπό  τούτων  bt  άναΕηραινομένου  του   σώματος  όλου  συν 

16  τψ  πνεύματι  και  του  στομάχου  εΙκός  έστι  και  τών  σπασμών 
Ισεσθαι  και  προς  τόν  τοϋ  υbατoς  ψόφον  άπεχθώς  έχων 
bia  τό  κατάΕηρον  τών  ορεκτικών  οργάνων,    ταύτα  γάρ  bia 
τήν  πολλήν  Εηρότητα  bυσκιvητεϊ,  ήν  bk  κινήται,  άλγεϊ. 

V2  άθμαίν€ΐν  Ρ  17  et  ^  κράμματος  Ρ  22  συναλείφήτιυσαν  Ρ, 
corr.  1  άμαράγκινα  Ρ  5  μάλαθρον  Missimilatione'  effeciuni  ex  μά- 
ραθρον  ί)  hoc  Caput  υιη.  ρ  15  τοίις  σπασμούς  an  gravier  iactura  latet? 
[quidni  τόν  σποσμόν?]       16  fort.  ίχ6ΐν 


Aus  Themieons  Werk  über  die  acuten  und  chrunischen  Krankheiten    105 

h\  αυτών  γάρ  €ΐς  κατάποσιν  υγρών  μάλιστα  άλλοτριουνται,  ώσ- 
περ  οΐ  Κ07τώ0€ΐς  bxa  τήν  Εηρότητα  την  άττό  τών  κόπων  τινομ6  ao 
νην  2>υσκινηντουσι.    παρ'  έκάστψ  γάρ  ή  οικβία  του  αίματος  ύ- 
τρότης  ευκινησίας  έστιν  αιτία. 

Υδρόφοβου  σημεία. 

ΟνΟι  5έ  υδροφοβικοί  δεδοίκασι  παν  ύγρόν,  ώστε  καΐ  μνη- 
σθίντες  εξίστανται  μετά  κραυγής,  τρόμου,  φόβου,  Ιδρώταιν 
ψυχρών,  οδόντων  πάταγων,   προκόπτοντος  δέ  έπΙ  τό  χεί- 
ρον πάντα  ταύτα  πάσχουσι  και  χωρίς  ύγροΟ  φαντασίας,  άλλοτρι- 
ουνται και  ψιθυρι2Ιουσι  και  ψόφους  υδάτων  δεδοίκασι,  s 
βαρύνονται  και  κραυγάς  άφνιδίους  .  .  .  .  ό  μ^ντοι  τρόμος  αύ- 

τοϊς  ουκ  ί- 
στι  διηνεκής,    άλλα   κατά   τάς   φαντασίας  επιτιθέμενος,   περι- 

ψύχον- 
ταί  γε  μην  άκρα  καΐ  σφυγμοί  πυκνουνται,  συνδιάκεινται 
μετά  ασθενείας  και  ει  τις  προσφέρει  ποτόν,  εκτρέπονται  και  κε• 
κράγασι  και  τό  πνεύμα  κλαυθμψ  διέχουσιν  ομοίως  ίο 

παισιν  άκολύμβοις  μέλλουσιν  εΙς  βυθόν  ^ίπτεσθαι.    λυγμός 
ούν  έπι  τό  χείρον  προϊοΟσι  παρέπεται  και  φωνή  άτονος 
και  ύλακη  παραπλήσιον  έπήχημα.    ίνιοι  δέ  τή  σφοδρότητι 
της  ταραχής  έν  τφ  βιάΣεσθαι  έπισπασθίντες  αποθανόν. 

Υδρόφοβου  θεραπεία.  ΐ5 

Τους  hk  υδροφοβικούς  κατακλιτέον  έν  τόποις  εύαέροις  και 
εύκράτοις.   τήν  ποτοΟ  λύσιν  αύτοϊς  έκ  παντός  έπιμηχα- 
νητέον  καΐ  μάλιστα  κατά  τους  παροΕυσμούς.    ίστω  δέ  μελίκρατον, 
ει  δέ  άδυνατοΐεν  τοΟτο  .  .  .  .,   έψητίον  μέλι,  ?ως  ου  κηρώδες 
τήν  σύστασιν  γίνηται,  ίπειτα  ώσπερ  ^αγας  κενάς  έμποιοΟν-      ao 
τες  καΐ  ταύτας  οδατος  έμπιπλώντες  και  έπιπωματίίοντες 
δίδοτε  καταπίνειν.    ούτως  γάρ  δν  τήν  τε  δίψαν  και  τό  κατάΕη- 
41γ  ρον  τών  σωμάτων  παρηγοροΐντο  ώς  άπό  μελικράτου  και  ούκ  άν 
παροΕυνθεϊεν  προς  τήν  του  ύγρου  δόσιν.    καταπλαστέον  bt 
αυτώ  τόν  στόμαχον  και  θώρακα  τοις  έμψύχουσι  πάσι,  τοις  φοί- 
νιΕι  μετά  μήλων  Κυδωνιών  ή  πέπονος  ή  κολοκύνθης  Εύσμασιν 

19  αυτόν  Ρ,  corr.  1  cf.  Robert  Fuchs,  Do  anonymo  Parieino 

quem  putaut  eeseSoranum  =  Festsclu'ift  Johannes  Vahleii  zum  siebtn- 
zigsten  Geburtstag  gewidmet  von  seineu  Schülern,  Berlin  U)00  p.  147  sq. 
'»  poet  άφνηΜους  (sie  P)  deest  tale  quäle  προΙΑσιν  8  άκρη  Ρ,  corr. 
αφυγμών  Ρ,  corr.  12  προϊούσα  Ρ,  corr.  17  [1.  δόσιν]  19  deest 
e  c  πΐ€ΐν  20  ^άγας  Ρ,  corr.  20  sq.  partieipia  IV  caau  infert  P, 
corr.      3  [fort,  πατητοϊς]      4  Ηύσματα  Ρ,  corr. 


108  Fuchs 

πυρός  έπι  πολύν  κόντες  χρόνον  και  τρίψεις  τών  δκρων. 
τάς  hk  συνολκάς  τών  δκριυν  ίμβροχαϊς  ταϊς  bi'  ελαίου  με- 
τ*  έρίιυν  κα\  όιακρατήσει  χειρών  παρηγορήσομεν.    εΐ  ht 
δέπιμένοιεν  ♦διοχλούσης,  τοις  bia  καστορίου  συναλείμμασι 
χρησόμεθα.   πουσαμίνης  hi  τής  προειρημένης  χολέρας 
τή  ίίχ\ς  συναλείψαντες  και  θρίψαντες  άναρρώσομεν. 
μετά  bi  τήν  οιάτριτον  μηδενός  κιυλύοντος  έπι  βαλανεϊα 
και  την  άκόλουθον  άγιυγήν  δΕομεν. 

10  κε.    ΕΙλεοΟ  αΙτία  (14). 

Όμοίιυς  και  τόν  είλεόν  συμφώνως  είπον  οΐ  αρχαίοι  γίνεσθαΐ' 
έμφραίιν  γάρ  είναι  τών  εντέρων  ήτοι  υπό  σκληρών 
σκυβάλιυν  ή  φλεγματικών  και  πεπηγότιυν  υγρών  ή  υ- 
πό Ιλίγγων  συστραφέντων  ή  bia  φλεγμονήν.    ό  bk  Διο- 
ιβκλής  ΙΜως  και  κατά  απόστημα  γίνεσθαι,    ΤΤραΕαγόρας  be 

κατά  πλή- 
ρωσιν  του  τυφλού  έντερου  και  κατάσπασιν  τών  εντέρων, 
έφ'  ών  6  ειλεός. 

ΕΙλεου  σημεία. 

Τοις  bi.  ειλεωοώς  όχλουμένοις  συνεόρεύει  πόνος  μετά  στροφού 
και  bia  τρόμου  ουδαμώς  στηρίζων,  έπιπορευόμενος  bt 

20  εις  δλον  τό  ύπογάστριον  και  κατ'  ελαχίστου  χρόνου  ο\ονει 
bηκτικώτεpov  έπιπίπτων  τείνει  τό  έπιγάστριον.    τών  έν 
τή  bιαθέσει  περικύρτων  μάλιστα  υποχονδρίων  άποκρα- 
τουνται  μετά  τών  άλλων  αποκρίσεων  φΟσαι  καΐ  ε! 
bιέλθoιεv  [bk]  τινές,  κουφίσουσιν.    ούκ  έκbίboται  bi  ovbi         V\ 
κόπριον  ώς  έπίπαν  oObfc  ένέματος  ένεθέντος,  άλλ*  αυτό 
μόνον  κεχρωσμένον  άπobίboται.    έπιτεινομένων  μέντοι  τών 
χρόνων  ii  άρθρων  δοκοΰσι  λύεσθαι   τών  κατά  γλουττούς  και 

α  αυτών 

5  τών  πλευρών,  ανατρέπεται  bk  και  στόμαχος  και  άπορριπτοίχη 
κατ'  αρχάς  μέν  φλεγματώbη,  ύστερον  bi  και  χολώδη,  είτα  προς 
τό  κινδυνεύειν  όντες  και  περίττωμα,  δεινή  παρ'  δλων  ανορεξία, 
ει  bi  και  προίοι  τό  κακόν,  άμαυρωσις  σφυγμών  και  αναπνοής, 
περίψυΕις  και  μελασμός  άκρων  τοις   ήbη  παντάπασιν  άσώτως 

10  έχουσιν.    ο\  κουφισμοι  bi  τών  είρημένων  τήν  έπι  τό  βέλτιον  ση- 

2  πολλόν  Ρ,  C01T.  τρ{ψ€ων  Ρ,  corr.  παρηγορίσομεν  Ρ,  corr. 
5  scripseris  διοχλούμενοι  [potius  διοχλοΟσαι]  G  χρησώμεθα  Ρ,  corr. 
7  άναριίισωμεν   Ρ,   corr.  14   συστραφεισών  Ρ,   corr.   Kalbfleiecliius 

(Wellmannus  1.  1.  149  η.  72)        16  fort,  κατά  σπάσιν        1  bi  eieci  (cf. 
45r  2)      7  [1.  δλον]      9  άσωστως  Ρ,  corr. 


Aus  Themieons  Werk  über  dif  acuten  und  chronischen  Krftnlcheiten    100 

μα{νου<Τι  μεταβολήν.    πολλάκις  bk  και  κοιλία  δμοια  γλοιψ 
όφθ6€ύουσα  λύσιν  ήνεγκε  του  πάθους. 

ΕΙλ€ου  θ€ραπ€ία. 

Ό  bi  €ΐλ€Ος  πάθος  όΗύτατον  καΐ  έπώδυνον  καθ€στηκώς,  επά- 
γω ν  bt  και  τόν  κίνδυνον  οϊκτιστον  ο\  γαρ  οιακρατηθίντ€ς 
έπι  διαχωρημάτων    έμέτοις  τελευτώσι.    ποικίλης    bi   και    ουκ 

άτολμου     u 
τής  θεραπείας   6εΐται  ατε  και  ύπό  διαφόρου  αΙτίας  γινόμενος, 
τους  μέν  οϋν  μείρακας  και  τους  ακμάζοντας  φλεβοτομητέον 
ανυπερθέτως,  ίτι  bk  και  τους  πρεσβύτας,  εΙ  έπώίχοιντο, 
fi  bk  μή  τάς  <κατά>  κατασχασμόν  σικύας   έπι   τούτων   παρα- 

ληπτίον, 
παραληπτέον  bi  έπΙ  πάντων  καΐ  τάς  bιασφiγεεις  προανατε-      ao 
θερμασμένων  των  άκρων,    τάς  bk  όούνας  παρηγορητέον  πυριςι 

b\'  έλαιο- 
βρόχων  έρίων  συναφεψημένου  κυμίνου  ή   πηγάνου.    εΐ    bi   έμ- 
ί3νμίνοιεν,  καταπλάσσομεν  ταϊς  b\ä  κυμίνου  ώμαΐς  λύ- 

σε<Τι  και  ταΐς  bia  των  τοιούτων  σπερμάτων.    ύπάΕομεν  bi  καΐ 
την  κοιλίαν  βαλάνοις  ταϊς  bia  πηγάνου.    και  καταπλαστέον 
τά  περί  τήν  Sbpav  μιγνυμένου  κυμίνου  και  μέλιτος,  εΐ  bk  έπιμέ- 
νοιεν  οι  πόνοι,  έγκαθιστέον  εΙς  θερμόν  ύορέλαιον  φροντίζοντας  5 
τής  εύαρεστήσεως.   τροφήν  bl  μετά  τήν  πρώτην  δοτέον  Ροφή- 
ματα και  πολτούς  καΐ  φά  ή  τόν  &ιάβροχον  άρτον  κατά  τάς 
ήμερινάς  εύαρεστήσεις  φεύγοντας  έπι  πάντων  τους  παροΕυ(Τμούς. 
επιμενόντων  bi  των  πόνων  ποικίλη  έστω  ή  προειρημένη  θερα- 
πεία, ότέ  μέν  άπό  πυριάσεων,  ότέ  bk  άπό  καταπλασμάτων.      ίο 
πυριαστέον  bk  τήν  έδραν,  ότέ  μέν  bia  σπόγγων  ή  άγαθibωv  ή  ό- 
στρακων ή  βολβών  συν  έλαίψ,  και  τρίψας  bi'  ευβ^φίας  χειρών 
προηλλαγμένων  επιτελούμενης,    προσεπιθλιπτέον  bέ,  εΐ  εύ- 
άρεστον  εϊη.    μετά  ταύτα  σκεπάσομεν  κυπρίναις  κηρωταϊς 
πηγάνου  και  στέατος  χηνός  συνεμβαλλομένου.  έγκειμένων  bk  τών  ιβ 
άλγημάτων  έπι  μέν  τών  τελεωτέρων  παίbωv  τοις  bia  πηγάνου  και 
ελαίου  χριστέον  ένέμασιν,   εΐ  bk  άνέχοιντο,    και  σικυών  προσ- 
βολαΐς  μετά  άμύ£εως.   έπι  bk  τών  μειζόνων  μικτέον 
κηρωταΐς    τάς    κοιλιακάς  bυvάμεις.    και  σκεπαστέον  τά  μέρη. 
έπι  bk  τών  κειμένων  τω  κιvbύvω  μετά  τήν  πρώτην  bia-  20 

19  κατά  inserui  at  habeat  unde  pendeat  κατασχασμόν  quod  corr. 
1  post  κυμίνου  exstiterat  ή  πηγάνου  in  Ρ  postea  lineoÜR  transversis 
(ietetum  12  βόλων  Ρ,  corr.  [i.  τρίψεις  bi'  εύαφίας]  1.')  προαλλη- 
λ€ΐγμίναιν  Ρ,  corr.    [1.  προαληλειμμένων]       15  συν€μβολομίνου  Ρ,  corr. 


110  Fuchs 

τρίτον  ίν^τέον  τό  bia  πηγάνου  και  κύμινου  συν  έλαίψ  άφίψη- 
μα  καΐ  όψίνθιον  ή  όποπάνακος  και  χαλβάνης  ή  οπίου 
δραχμήν  μετά  τήλειυς  αφεψήματος  ή  ασφάλτου  λείας  δραχμάςΡ 
b'  μετά  ελαίου  κυάθων  οκτώ.    τουτψ  bk  ται  ένέματι  oTba  προσ- 
μαρτυρουντας  πολλούς  έπι  τών  f\br\  κόπρια  έμούντιυν.   ει  δε 
τήν  ίκκρισιν  θέλομεν  παρορμίσαι,  καταπλάσσομεν  τοις  μέν  bi'  ά• 

6  σφάλτου*  νίτρον  και  ΰοιυρ'  τοις  bi.  bia  πηγάνου,  αψινθίου  και  τών 
άλλων  άλας.    εΐ  bk  δριμύτερου  χρήΣομεν  ένίματος,  άφεψη- 
μίνη  ρίίη  σικύου  προσβλητέον  κόκκου  Κνιδίου   δσον  τοις  τρι- 
σι  δακτύλοις  λαβείν  ίστι  καΐ  σμυρνης  δραχμήν  μίαν  και 
μέλιτος  τό  άρκουν.    κατεχομίνιυν   bk  τών   κλυσμών   κομιστ€ον 

10  bia  βαλάνου,    άριστη  bi  και  ή  bia  κύμινου  και  νίτρου  και  πη- 
γάνου μετά  μέλιτος,    εΐ  bk  μή  ύπακούσειε,  τη  τών  εύτόνιυν 
καθαρτικών  έπάΕομεν  πολυωφελους  της  εντεύθεν  έσο- 
μένης  επικουρίας,    τάς  bk  bia  τών  ένεμάτιυν  πυρίας  προ  της 
τροφής  καθ'  ήμέραν  παραληπτέον  και  προποτιστέον  bi'  οίνου 

'  άψιν- 

15  θίου  μετά  κυμίνου  ή  πάνακος  bi'  υbατoς  *  ή  καστόριον  και  άνκτον 
και  πέπερι  μετά  όΕυμέλιτος,  τριώβολον  bk  ίστιυ  ίκαστον.  ει  V  ί- 
πιμε'νοιεν  ή  bιάθεσις,    κολλητέον  σικύας  καθ'  δλου  του  έπιγα- 
στρίου  πειθηνίιυς  μετά  άμύΕειυς,  ίπειτα  έμβροχαΐς  παρηγο- 
ρητέον.    εΐ  bk  προς  ταύτα  μή  ύπείκοι,  προποτιστέον  άντιδότοις 

20  τη  θηριακή  και  τη  bia  τριών  πεπέρεων  καΐ  κιυλικοϊς  bk  τώ 
πολυαρχίψ  σκεπαστέον  τήν  τε  κοιλίαν  και  τήν  όσφύν.   τάς 
bk  τροφάς  μετά  τήν  bιάτpιτov  καθ'  ήμέραν  προσοίσομεν 
άbιoικήτoυς.   έν  bk  τοις  μεγίστοις  βοηθήμασι  θετέον  και  την    τ\ 
εις  τό  θερμόν  ίλαιον  ίμβασιν.    ει  bk  α\  τροφαι  ού  κατέχοιντο, 
boT^ov  και  τόν  έκ  ψυχρού  άρτον  και  τρομητά  ώά  και  όπυϋρών 
τά  εύστόμαχα*  μήλα  κυbώvια  και  ^οιάς  και  τάς  έκ  κίθρας 

βσταφυλάς.    ει  bk  απορρίπτεται,  καΐ  έκ  bευτέρoυ  boτέov.  ττροσ- 
φερέσθυυσαν  bk  και  οίνον  bia  ψυχρού  *  γενομένων  bk  τών  δλων  ίν 
μεταβολή  τάχιον  έπι  βαλανεΐα  και  οίνους  άκτέον.    ακρι- 
βής bk  ή  άνάληψις  έπι  τούτων  παραλαμβανέσθω. 

21  τόν  —  άφεψήματι  Ρ,  corr.  22  άφινθιψ  Ρ,  corr.  2  κυά• 
θους  Ρ,  corr.  β  eq.  άφ€ψημένης  ^(Ζης  Ρ,  corr.  11  ύττακούσο«  l^t 
corr.  14  sq.  expectes  άφινθίτου  lö  sq.  [1.  έπιμένοι]  19  avrxbo• 
τους  Ρ,  corr.  20  sq.  κωλικούς  bi  τό  πολυάρχιον  Ρ,  corr.  i^  τρο- 
μητά cf.  Ρ  42r  17  4  κίθρας  cf.  Ρ  37 ν  19  9  κβ'  postea  rubro 
colore  adpictum  in  Ρ,  Η  ρ 


Aus  Themisone  Werk  über  die  acuten  und  ohronierhen  Krankheiten    111 

Κωλικών  αΙτία.     κε.  κς  (15). 

Της  κιυλικής  διαθέσεως  οι  μέν  αρχαίοι  ουκ  έμνήσθησαν,        ίο 
ίνεστι  bk  αύτοϊς  ή  αίτια '  ήτοι  φλεγμονή  του  κώλου  ή  έν  τούτψ 
τών  παχειυν  πνευμάτων  μονή,  ύφ'  ών  περώιατεινόμενον  άλ- 
τήματα  παρέχει*  κατ'  αμφότερα  bi  τά  μέρη  του  σώματος  γίνεται, 
δτι  κα\  τό  κώλον  εϊς  τε  τά  δεΕιά  και  τά  αριστερά  παρήκει. 

Κωλικών  σημεία.  ιβ 

Τοις  bk  κωλικοΐς  συνεδρεύει  πόνος  εντέρων,  βορβορυγμός 
σύν  τψ  τήν  κοιλίαν  έστεγνώσθαι  ώστε  μr\bk  ττνευμα  bia- 
φορείν.    έπέχονται  bk  και  έρεγμοι  και  έπιγάστριον  διατείνεται, 
αυξανομένου  bk  του  πάθους  αυΕονται  και    οι  πόνοι  μετά  δια- 
τάσεως 
σφοορας  Ους  τάς  λαγόνας  δοκεΐν  ^ήγνυσθαι  και  φαντα-  2ο 

σίας  έχειν  <καΙ)  διϊστασθαι  τους  σπονδύλους,  ότέ  και  πυρετός 

αύτοϊς  παρα- 
κολουθεί και  ανορεΕία  και  δίψα,  αγρυπνία  και  (^ιπτασμός 
5γ  και  κεφαλής  πόνος,  ένίοις  δέ  και  παρακοπή  και  στομάχου  ανα- 
τροπή ώστε  καΐ  χολήν  παντοίαν 
ίμεϊν,  προς  δέ  τό  τελευταϊον  και  περίττωμα.  διορί2!εται  δέ  προς 
χρόνον  πλευράς  δλγημα  τψ  τε  ψόφω  και  βορβορυγμω.    καίτοι 
κρόμμυα  και  σκόροδα  ληφθέντα  κώλον  μίν  παροΕύνει,  πλευράς 

bk  κου-     6 

Κωλικών  θεραπεία. 

Των  bk  κωλικών  κατά   μέν   τάς    αρχάς   ως   προς   όΕύ   πάθος 

\στάμενοι 
παρηγορήσομεν  τους  παροΕυσμούς  ταϊς  τών  άκρων  διασφίγΕεσι 
και  πυρίαις  ταϊς  δι'  έλαιοβρόχων    έρίων  ή  κύστεων  ή    φακών 
και  ταϊς  δι'  ωμών  λύσεων  καταπλάσμασι  προσεμβεβλη- 

11  αότής  ρ  έντερου  Ρ,  έν  τούτων  ρ,  έν  τούτψ  em.  Kalbfleischius 
in  Goett.  gel.  Anz.  1897  p.  82i>  not.  1  12  τών  om.  ρ  μόνη  Ρ  διά 
τ€ΐνόμ€νων  ρ,  περιδιατεινομένων  Ρ,  corr.  14  εις  τά  ρ  τά  posterius 
om.  ρ  16  βορβορισμός  Ρ  17  σύν  τή  κοιλία  ρ  ώς  Ρρ,  corr.  18 
^πέγονται  Ρ  18  ύπογάστριον  ρ  19  αύΕουμένου  Ρ,  αύΕανομένου  bk 
τοΟ  πάθους  αοΕονται  ρ  in  marg.  manu  alt.  20  fortasse  Ο&στε  τους  ρ, 
τάς  Ρ  φαντασίαν  ρ  21  καΐ  inserai  ίχειν  δϊίστασθαι.  τους  δέ  ρ  22 
καΐ  δίψος  ρ,  δίψα  sine  καΐ  Ρ  καΐ  tertium  om.  Ρ  λιπασμός  Ρ,  ρυπασ- 
μός  ρ  1  έν  οΐς  Ρ  καΐ  στομάχου  ανατροπή:  —  in  marg.  ρ  manus 
ult.  add.,  om.  Ρ  ιίις  Ρρ,  corr.  2  τελευτάν  ρ  περισώδη  ρ  όρίΣεται 
Ρ  3  χρόνιον  ρ,  χρόνον  ex  χρόνιον  effecit  Ρ  άλγημάτων  τε  ψόφων 
καΐ  βορβορυγμόν  ρ  4  πλευρόν  ρ  κουφιΤειν  ρ  7  παρηγορήσωμεν 
ρ.  παρηγορίσομεν  Ρ     τοΙς  Ρ       8  έλ^ου*  βρέχω  ν  ρ       9  ταΐς  usque  ad 


112  Fuchs 

10  μένου  κύμινου  ή  πηγάνου  ή  τίνος  τών  θερμαντικών  σπερμάτων 
και  ένέμασι  τοις  δια  πηγάνου.   κατά  bk  τά  οιαβλήματα  σκεπά- 

σομεν  τό  ύπο- 
γάστριον  έρίψ   έλαιοβρεχεϊ   bxä   πηγάνου    ή    κηραιτής    της  bi' 

αύτου  π€- 
ποιημενης.    σικύαις  bi  χιυρις   άμύΕεως  έπι   τούτων  χρησόμεθα 
πολλού  πυρός,  πλείστη  γάρ  άπ'  αυτών  ανακύπτει  ωφέλεια,  άρμό- 
ττει  bk  και  ή  τών   ένεμάτιυν   συνεχής  προσφορά.    εύοοκιμοΟσι 

16  bi  καΐ  α\  πυρίαι  και  αι  ανώδυνοι  δυνάμεις,  άς  br\  όοτέον  περί 
την  έσπέραν  ή  τους  έπείζαντας  καιρούς,  άριστη  bi  και  ή  θηριακή 
καΐ  ή  bi'  εύφορβίου  κωλική  μετά  ψυχρού    κατά  τους    παροξυ- 
σμούς διδομένη,    κινδυ- 
νεύοντος  bi  του  πάθους  εΙς  είλεόν  μεταπεσεϊν  προσβλητέον 
μετά  κατασχασμοϋ  σικύύτς.   τροφαι  bi  λιται  και  εύδιοικοίκητοι 

και  8ep- 

20  μαι  ^τιυσαν.  παρακμάσαντος  bi  του  πάθους  έπι  βαλανεΐα  και 
οίνους  ταχύ  άκτέον.  έστω  bi  ακριβής  ή  μετά  ταύτα  άνάληψις. 
έν  bi  ταϊς  περιόδοις  του  πάθους  έγκριτέα  τά  πρώτα  ήσυχίαν  τ€ 
και  άσιτίαν,  ύπακτέον  bi  και  τήν  κοιλίαν  ή  βαλάνοις  ή  κλυ-Ρ 
σμοΐς  ή  δλλψ  είδει  τών  ήρεμα  καθαιρόντων.  ωφελεί  bi  και  ή  bi- 
ά  τής  \ερας  κάθαρσις  διά  πλειόνων  χρόνων  παραλαμβανομ6νης. 

λύει  γάρ 
τήν  περί  τό  κώλον  κατασκευήν  ύπάρχουσαν.    δριμυφαγέτωσον 

β  bi  διά  τίνων  ήμερων  και  τους  άπό  δείπνου  έμέτους  παραλαμ- 
βανέτωσαν.  έστω  δέ  και  ή  άνάληψις  γυμναστική  έπ'  αυτών  bia 
τε  αιώρας  κα\  περιπάτων  και  αναφωνήσεων  και  τρίψεων  δια  t6 

8  έτερων  και  δι'  έαυτοΟ  γινομένων  και  πνεύματος  κατοχή. 

a  χρησόμεθα  δέ  έπι  τούτοις  και  δρώπα- 

b  κι  έν  ήλίω  ή  υποκαύστοις  άλειπτηρίοις. 

C  ωφέλιμοι  δέ  οι  τε  διά  νίτρου  και  νά- 

προσ€μβ€βλημένου  om.  ρ  10  τινιίτν  ρ  11  ένάμασι  ρ  ταΐς  Ρ  κατά 
bi  τά  usque  ad  bia  πηγάνου  om.  Ρ,  ubi  σκεπάσιυμεν  et  ελαίυυ  βρέχ€«ν 
maluit  ρ  αυτής  Ρ  12  χρησώμεθα  Ρ,  χρισώμεθα  ρ,  corr.  13  πλή- 
στην  γάρ  έπ'  αυτήν  άνατυποΐ   ιϋφέλ€ΐαν  τούτοις  ρ  13  sq.  άρμόττει 

bi  om.  ρ  14  αΙμάτων  ρ  15  έκοιλίαι  pro  αϊ  πυρίαι  ρ  alteruin  αί 
om.  ρ  bi  boτέov  Ρ,  σηboτέov  ρ,  bή  coni.  16  έπιμίΕαντας  ρ  17  ψυχροο 
κατά  om.  Ρ  19  καταχασμου  Ρ,  κατχασμοΟ  ρ,  corr.  21  pro  οίνους 
ταχύ  lacuna  V  fere  litt,  iu  ρ,  item  post  άκτέον  spatium  IV  fere  lÜt-t 
ubi  tamen  oil  deesse  videtur  22  έγκράτειαν  ρ  3  παραλομβανομ^νη 
ρ  4  τόν  κιυλον  Ρ,  τών  κώλιυν  ρ,  corr.  5  άποδειπνους  vel  άπο 
δείπνους  ρ  (>  έφ*  έαυτφν  ρ  διά  τε  αΙώρας  om.  ρ  8  αύτοΟ  Ρ  a— π 
pm.  Ρ     a  χρησώμεθα  ρ,  corr.     bpouaxn  ρ,  oorr.      ο  ωφέλιμος  ρ*  corr. 


Aus  ThemieoDs  Werk  über  die  acuten  and  chronischen  Krankheiten    11. 'i 

πυος  φοινιγμοί,  a\  έμβάσ€ΐς  θ€ρμ6τ€ραι  d 

και  τα  αυτοφυή  τών  ύδάτυυν,  μάλιστα  τά  θ€ΐ-  e 

wlbx]  και  τά  έπι  'Ρώμης  ψυχρά  καλούμενα  t 

δρβουλα.   αρίστη  bi  καΐ  <ή>  6Γ  δμμου  ττυρία  g 

και  ή  οιά  θαλάττης  νήδις.   επιμένοντος  bi  του  πά-  n 

θους  καΐ  οΐ  bia  ^αφανίδιυν  ίμετοι  παραλα-  ι 

μβανέσθιυσαν.   προς  bi  τήν  παντελή  άποκα•  k 

τάστασιν  χωρητίον  και  έπΙ  τήν  bi   έλλεβόρου  ι 

κάθαρσιν,  μεθ'  ήν  μεταβολαϊς  άίρων  και  ταϊς  m 

bia  θολάττης  άποδημίαις  χρήσθιυσαν.  α 

Σατυριόσεως  αιτία.    κε.  κΐ  (16).  • 

*Η  bi  σατυρίασις  ίντασις  οοσα  τών  σπερματικών  αγγείων         ίο 
και  του  τραχήλου  και  του  καυλού  και  του  aiboiou  γίνεται  bia 

τίνα  με- 
ρικήν  φλεγμονήν  και  σπασμόν  ατε  ύποπιπτόντων  και   τούτων 
τή  προαιρετική  κινήσει  ύπό  τόν  τόπον. 

Σατυριόσεως  σημεία. 

Σατυριάσει   bi  παρέπεται  δρεΕις  σψοορά  και   οίστρώοης   προς  ιβ 
αφροδίσια  μετά  παρακοττής  <και)  του  μορίου  εντάσεως  πόνου  τε 
και  κινδύνου. 

Σατυριάσεως  θεραπεία. 

Τους  δέ  σατυριάσει  άλόντας  φλεβοτομητέον  και  την  κοιλίαν 
ύπακτίον  δριμεΐ  κατακλυσμοί  και  τηρητέον  μέχρι  δι- 
ατρίτου  έν  άβΐΊχμ.   έμβρεκτέον   bi  και  το   ήτρον  και  τά  ισχιακό 
και  τά  αΙδοΐα  οίσυπηροις  δι'  οινελαίου  τά  τε  υπερκείμενα 
διαδετέον  και  δίψαν  έπισχετέον.    μετά  ταύτα  τροφή  ν  δοτέον 
46r  σιτώδη  όλίγην  και  ποτόν  ύδωρ  μέχρι  τής  ιδ  παρά  μίαν  τρέ- 
φοντας,   κατά  δέ  τους  παροΕυσμους  έγκαθιστέον  εις  ύδρέλαιον 
θερμόν  ίχον  τών  χαλαστικών  τι  και  καταντλητικών  έπι   πλέον 
και  πυρίαις  προς  αύτοΐς  ή  καταπλάσμασι  τοις  δι'  ωμής  λύσεως, 
επιμένοντος  δέ  του  πάθους  σικυαστέον  μετά  άμύΕεως  6 

και  βδελλιστέον.    τήν  διάνοιαν  άπάΕομεν  άσωτων  και  συ- 
νουσίας εννοιών,  διαλογισμούς  αύτοϊς  περί  αναγκαίων 
πραγμάτων  παρεχόμενοι,    έπιμενούσης  δέ  τής  οχλήσεως 
καθαρτέον  εύτόνως  και  πάλιν  σικυαστέον  μετά  άμύΕεως 
και  βδελλιστέον.   ανάγκη  δέ  διά  τήν  άπόκρισιν  χαλασθήναι        ίο 

e  sq.  θυώδη  ρ,  corr.        g  de  αρβουλα  nil  inveni  in  libris  [aquae 

Älbulae.  F.  ß.]     ή  inserui        m  μεταβολάς  ρ,  corr.        η  χρήσωσαν  ρ, 

corr.        i)  Caput  de  satyriasi  deest  in  ρ      αίτια  Ρ,  corr.  16  καΐ  in* 
»erui       21  ύσωπηροϊς  Ρ,  cor-                      «μεν  Ρ,  corr. 

{UMili.  UiM.  L  Philol.  N.  V,  L•'  8 


114  Fuchs  Aue  Theroisons  Werk  etc. 

τήν  π€ρι  τοις  μορίοις  φλεγμονήν.    ένδόσεως  bk  γενομένης 
τάχιον  έπι  βαλανεϊα  και  κηριυτάς  κοί  τάς  άφλεγμάντους 
δυνάμεις  χιυρήσομεν  κατά  τάς  παρακμάς  και  τά  αυτοφυή 
ταιν  υδάτων  παραλαμβάνοντες.   ή  μέν  ούν  τών  όΐέων 
ιβπραγματεία  τοιαύτη  τις  ούσα  τέλος  έχίτω.  ?χομενί>έ 
και  τήν  τών  χρονιών  συναγωγήν  μετιέναι. 

13  χιυρήσωμεν  Ρ,  corr.  post  μετι^ναι  add.  qoi  hano  materiam 
medicam  iatrosophio  congcssit  hietoriolam  muHerie  satyriaai  affectae: 
TTcpi  σατυριάσειυς  γυναικός  τίνος  Ιφτ\  τις  τιΚιν  ί&ιωτΰινώς  άλοΟσα 
έκ€{νη  τφ  τοιφοε  νοσήματι  καΐ  έκ  τής  Αγαν  έιτιτεταμ^ης  κνησμονής 
νομίΐουσα  έ^οχάδας  έχεχν  βισσάλου  (ί.  e.  lateris,  νοχ  neograeca)  πλάκα 
έκΊτυρώσασα  καΐ  εΙς  ΟΕος  άποσβ^σασα  ύπεκαπνίσθη  πολλάκις  καΐ  απηλ- 
λάγη τοΟ  πάθους. 

Dresden.  R.  Fache. 

[An  der  Gestaltung  des  vorstehenden  Textes  war  ee  der  Red. 
nicht  möglich  in  dem  gewünschten  Maasse  sich  zu  betheiligen.  Einiges 
ist  ohne  weiteres  berichtigt  worden;  für  die  Intorpunction  auf  p.  72 
vl3  f.  und  92  v3  f ,  sowie  für  p.  90  '16  ö  τε  (ötc  P  ότέ  Fuchs)  trage 
ich  die  Verantwortung.  Meistens  musste  ich  mich  auf  kurze  Ad• 
merkungen  in  eckigen  Klammern  beschränken,  zu  denen  ich  hier  eine 
Nachlese  schon  darum  geben  muss,  weil  zu  Bogen  δ  letzte  Correcturen 
des  Herausgebers  (ξ),  zu  B.  6  Bemerkungen  Radermaohers  (R)  erst 
nach  dem  l>ruck  eintrafen. 

P.  70  ▼ll  l.  ύπαλλάττ€ΐν  12  1.  εοτακτος  71  '2  1.  κροκυδίΤουσι 
6  ι.  άποθνήσκοιβν  οΐ  έν  19  f.  έμβροχαΐ  b'  ές  ^5  ύπείκοι  ή  corr.  Κ 
72  ▼Ιδ  ι.  τινά  16  f.  θβμένους  '4  Ι.  €Οαφώς  cl.  78  «ΊΙ  73  ^21  1. 
καθ*  ούτό  22  tollenda  distinctio  cf.  79  J-2  ^8  1.  θ€ραπ€(ας  •♦.  πίσπς 
bi  έστΙ  ToO  <τοΟ)  πάθους  απαλλαγή  ναι  αυτάρκης  cf  79  «Ίδ  74  ^8  πιέ- 
ζονται δυσανακλήτως.  R  75  ^5  1.  αρχάς  ούδ€ΐς  7  Ι.  έπ'  αυτών  76, 13  tc] 
δέ  F  η  δέ  καΐ  αΐώραν  R  ϋ  f.  έγκριτ^ον  Ιατρικήν?  77,  12  1.  πρόακοψιν 
8  (in  adn.  lege:  [Ι.  κοΙ  έτΦν  κβ'])  78  vj7  1.  πυκνότητος  18  f.  προνα• 
λειότατα  pro  usitatiore  προπαλίστατα  G  βταν  suasore  R  seruari  iussit 
F  79  ^12  ι.  έπιμ€ν€τέον  '7  el]  Ι.  έκ  8  δέ  genuinum  9  τόν]  τόπον 
coni.  R  12  Ι.  ψυλάΕομεν  80,  3  1.  ταΐς  διά  τιΧιν  ipiwy  σκέπαις  81,  1^ 
αφηρημένους  ρ  opinor  recte  '9  1.  χωρήσομεν  1 1  έπιτρεπούσης  ρ  recte 
13  1.  χρησόμεθα  82,  9  corr.  παραθαλασσίοις  84,  22  s.  f.  ή  Κιμωλίαν 
γήν  δι*  ^6  distingue  ante  έπιτρεπ.,  ηοη  aote  μετά  7  f.  ή  (διά>  τού- 
των 11>  1.  προαληλειμμένην  cl.  8δ  '4  8δ  »"7  έπΙ]  εΐ  τι  R  11  καΐ  θάτ- 
τον.  τους  δέ  R  87,8  γένοιτο  Ρ:  seruari  iubet  R  14  1.  διαχριέσθυκϊαν 
1δ — 6  f.  έγκριτέον  δέ  κατά  τούτων  ίκαατον  τάς  καταλλήλους  διαχρ{στους. 
88  Ί  β  8.  έπεί  δέ  πλειστάκις  φαίνεται  (έτέραν)  ή  .  .  .  κατασκευήν  ^χον 
τό  πάθος  R  recte  90,  16 1  μηδετέρωσε  20  έπΙ]  περί  R  ^3  f.  <τά>  πινό- 
μενα  9  an  ώς  Οφαίρςι  εΙκός?  94,  6  f.  φλεβοτομήσομεν  9  1.  καταχεο- 
μένου  9Γ)  ▼Ιβ  corr.  δυσαναγώγαιν  96,  15  f.  <ούχ)  ήκιστα  δ'  17  f.  άνα- 
καθίΣονται  97,7  ένδέχοιτο  ρ  recte  98  ^11  δέ  tollendum  et  12  pro  τε 
res  ti  tue  η  dum,  distinguendum  poet  12  έσομένης  100,4  1.  κοΙ  τά  εδάφη 
10  ήκιστα  καΐ  ταραχής  αϊ.  γινόμενοι  ci.  R  101,  17  f.  ποιήσομεν  10:^, 
13  f.  περιειλεΐν  η  μ€τά  δέ  (ut  ν.  4)  πόμα  τιϊιν  ψυχρών,  R  103,  18  Ιτι] 
τι  ci.  R  104,22  immo  συναλιφήτωσαν  ib.  f.  θερμαντικοίς  10δ,3  f. 
προκύπτοντες  cl.  ν.  12  10(5  ^9  f.  ύπήλατόν  τι  φ.  108, 13.  14  συστρα- 
φεισών  servandum,  ne  quod  in  ύπό  Ιλίγγων  latet  ηοη  inveniatur  20  f. 
κατ'  ελάχιστον  χρόνου.     Η.  U.] 


DE  Μ.  VARRONE  Α  FAVONIO  EULOGIO 

EXPRESSO 


Perlegenti  mihi,  qnae  nuperrime  de  Favonü  Eulogii  com- 
mentario  Ciceroniano  dieeernit  Skatechins^,  egregiae  deleotationi 
e^rant  eae  viri  doctieeimi  Incabrationee,  qüibue  inter  Favoninm 
atque  Chalcidiüm,  Platonis  illum  Interpretern,  eimilitudines  quas- 
dam  intercedere  contendit.  lam  vero  de  similitadinie  illius  ori- 
gine  vel  causa  cum  diepntat,  qnaeetioni,  quam  movit,  quamvis 
nodosae,  quamvis  obscurae,  brevioribus  illis,  qnae  profert,  verbis 
minime  videtur  satis  fecisse.  Non  erat,  cur  arma  snspenderet  in 
templo,  discrimina  certaminis  critici  vix  fere  vel  haudquaquam 
periclitatus.  Etenim  cum  ponat,  Favoninm  vel  Chalcidiüm  vel 
Chalcidii  auctorem  secutnm  esse,  rei  suffecisse  sibi  videtur,  ad- 
modam  immerito!  Nonnullos  enim  Favonü  locos  si  perlustra- 
verimus,  non  modo  longe  plures  commentarii  partes  videbimus 
esse,  quae  concinant  cum  Chalcidio,  quam  Skutschius  indagavit, 
sed  fontis  qnoque,  unde  sua  mutuatus  sit  Favoniiis,  vestigia  satis 
diluoida  praesto  nobis  erunt. 

Ac  primum  quidem  ubi  de  senario  numero  agit  ^,  satis 
alienus  est  a  Chalcidio.  Hie  antem  ubi  senarium  nnmerum.  cir- 
cumscribit,  mirum  in  modnm  alius  sciptoris  Romani  premit  vestigia 
Macrobii,  id  quod  coUatis  locis  elucebit: 

Macr.  Comm.  in  Scip.  Chaleid.  ed.  Wrobel 

Somn.  I  6,  12.  p.   104,  6. 

Senarius  vero,    qui    cum  uno  Et   senarins    numerus   plenus 

coninnctus  septenarium  facit,  va-  et  perfectus  merito  habetur, 
riae  ao  multiplicis  religionis  et  quippe  qui  sit  aequalis  iis  par- 
potentiae  est:  primum  quod  so-  tibus,  ex  quibus  ipse  constat. 
lue  ex  Omnibus  numeris  qui  intra      Habet  enim  dimidietatem  in  tri- 


i  Philol.  LXI  193. 

*  ed.  Holder  p.  6,  12  sqq. 


116  Frioa 

deoem  sunt  de  euie  partibae  con-  biis,  habet  tertiam  portiocem  in 

etat.      Habet    enim  medietatem  duobus,    habet  sextam    in   qdo, 

et  tertiam  partem  et  sextam  par•  quae  simul  atqae  in  nnum  cod• 

tem:  et  eet  medietae  tria,  tertia  lecta  conplent  enndem. 
pars  duo,  eexta  pare  unum:  quae 
omnia  simnl  sex  faciunt. 

In  prioriLuB  enuntiati  partibue  Favoniue  cum  utroque  con- 
aentit,  cum  dicit  (6,  12  sqq.):  ^Senarius  vero,  qui  sequitur,  oa- 
merus  potentem  ac  divinam  nalurae  suae  obtinet  potestatem:  si- 
quidem  τέλ€ϊθς  primoe,  id  est  perfectus  eeee  reperitur.  Perfectuoi 
arithmetici  vocant,  qui  ee  implet  partibue  suis.  —  hie  ex  di- 
midia,  tertia,  eexta  coniunctie  penarium  numerum  complet.  Nam 
III,  Π  et  I  (quae  portio  eet  pexta)  senariam  expedit  qaantita- 
tem/  —  Audiendus  etiam  Censorinus,  qui  (d.  d.  nat.  11,  4)  'nam 
eum,  inquit,  telion  Graeci,  nos  autem  perfectum  vocamue,  quod 
eins  partes  tres,  sexta  et  tertia  et  dimidia,  id  est  unns  et  duo 
et  tres,  eundem  ipsum  perliciunt. 

Quod  Macrobius  senarium  ^  variae  ac  multiplicis  religionis 
et  potentiae  esse  dicit,  eundem  Favonius  potentem  ac  divinam 
naturae  suae  obtinere  potestatem*  contendit,  interease  aliqaid 
propinquitatis  inter  illos  nemo  negabit.  Apud  Chalcidium  nihil 
horum. 

lam  vero  testem  adhibeamus  neglectum  adhuc  Martianum 
Capellam,  qui  in  libro  VJl  ^  ubi  de  numeris  agit  de  senario  pro• 
fert  haec:  'Senarium  vero  perfectum  analogicumque  e^se  quis 
dubitet,  cum  suis  partibus  impleatur?  nam  et  sextam  sni  intra  se 
continet  quod  est  unus,  et  tertiam  quod  duo,  et  medietatem  quod 
tres.'  Permulta  autem  in  septimo  Martiani  libro  e  Varrone  de• 
Bumpta  esse  docet  Kyssenhardtius^.  De  Macrobio  Censorinoque 
Varronem  secutis  videbimus.  Favonius  autem  quae  Chaicidio 
praetermisso  verbo  fere  tenus  ad  Macrobii  similitudinem  exprimit 
de  senario  numero,  nonne  Varronem  redolent?  Quem  de  prin• 
cipiis  uumerorum,  de  arithmetica,  de  hebdomadibus  copioeos  con- 
Bcripsisse   libros  novimus^. 

Attamen  contra  nos  facere  videntur,  quae  apud  Theonem 
Smyrnaeum^,  vel  potius,  quem  exprimit,  Adrastum  Aphrodisien- 
Bcm  eane  simillima  legimus  illis:  Έτι  τε  τιυν  αριθμών  οι  μ€ν 
τίνες  τέλειοι  λέγονται, και  τέλειοι  μέν  είσιν  οΐ  τοις  αύ- 


I  ρ.  260,  21  sqq.  ed.  Eyssenhardt.  ^  praef.  s.  ed.  ρ.  LV. 

"  cf.  Ritschelii  opuscc.  III  442,  *  p.  45,  9  eqq.  ed.  Hiller. 


3 


De  Μ.  Varrone  a  FavoDio  Eulofjio  expreeso  117 

τών  μ€ρ€σιν  ϊσοι,  ώς  ο\  τών  ς'  μίρη.  γαρ  αυτού  ήμισυ  γ', 
τρίτον  β',  2κτον  α',  Suva  συντιθ€μ€να  ποΐ€Ϊ  τον  ς\  Aseevere- 
mue  paallulum  in  ϋβ  quae  de  eo  numero  dicuntar,  quem  τέλ€ΐον 
arithmetici  appellare  solebant.  Theonem  si  audiin αβ,  buc  per- 
tinent  ei  numeri,  Ol  τοις  αύταιν  μέρεσιν  ϊσοι,  simillime  Cbal- 
cidiue  (104,  7)  'qui  eit  aequalie  iie  partibus,  ex  quibus  ipee  con• 
etat*.  Martianus  autem  Capeila  perfectnm  dicit  eenariuin,  'cum 
suis  i^artibus  impleatur'  (1.  c.)  et  Fayonius  eum,  '  qai  ee  implet 
partibua  suis'. 

Vidimu8  Cbalcidium  sequi  Macrobium,  vidimus  eundem  ein- 
gulariter  concinere  cum  Tbeone  vel  Adrasto,  alioquin  eiue  auctore 
Primarien  Favonius  autem  Martiano  nee  non  Macrobio  similior. 
ftoid  ergo?  Cbalcidium  novimue  sequi  Peripateticum  illum  Adra• 
stum,  a  Tbeone  adumbr&tum.  Adrastas  cum  Piatonis  Timaeum 
commentaretur,  facere  non  poterat,  quin  Posidoniani  comraentarii 
rationem  baberet.  Varronem  quoque  multa  ex  Posidonio  bansisse 
consentaneum  verique  simillimum  est.  Quare  quod  si  consentiunt 
omnes,  quoe  attulimus,  in  quibusdam«  in  quibusdam  ab  alteris 
alteri  recedunt,  nil  alind  causae  est,  nisi  quod  Cbalcidius,  si  quid 
Video,  Adrastnm  exprimit,  ceteri  Varronem  adumbrant. 

Pergamus  iam  ad  ea  quae  de  septenario  Favonius  explicat. 
Quo  de  numero  aactoritae  nobis  praesto  A.  Gelli,  M.  Varronem 
'in  primo  librorum  qui  inscribuntur  Hebdomades  vel  de  imagini* 
bus'  verba  fecisse'.  'Septenarii  numeri,  inquit  bic,  quem  Oraeci 
έβοομάόα  appellant,  virtutes  potestatesque  varias  dicit  \  multaque 
Gellius  profert  ex  Varronianis,  unde,  siqnis  studeat,  amisei  libri 
tenorem  aliquatenus  possit  restituere. 

Proinde  singillatim  Favonium  de  septenario  audiamus  col- 
latie  aliornm  testimoniis: 

Favon.  7,  25  sqq.  Macrob.  I  6,  21:  Mart.  Cap.  II 1 08 : 

quod  primus  ex  duobus  tertia  [so.  con-          trias       quater- 

diversi  generis  plenns  est,  iunctio]  est  de  tri•  nario  sociata  bep- 

ex    tribus    imparibus    sei-  bus    et   quattuor,  tadem   facit.    VII 

licet    et   quatuor    paribus  quae  quantum  va-  738:  ex  tribus  et 

iunc'tus    fit   ipee    plenissi-  leat    revolvamus.  quattuor    Septem 

mus.  fiunt. 

Porro  de  planetis  in  banc  sententiam  agit  Favonius  (7,28): 
^Sidera,  quae  obluctantur  caelo,   sunt   septem,    si    ad   V  planetas 


1  cf.  Hiller,  Mus.  Rhen.  26,  582  sqq. 
«  Noctt.  Att.  III  10, 1. 


118 


Fries 


eolem  lanamqiie  iungamue,  totidem  circalie  evolantia  .  Varronis 
exhibet  Gellius  haec  (III  10):  'Je  namqae  nnmerue  eeptentriones 
maioree  minoreeqae  facit  in  caelo  — ,  facit  etiam  stellae,  qnae 
alii  erraticae,  P.  Nigidius  errones  appeilat,^  Similiter  Macrobins 
(I  6,  47):  'Non  parva  ergo,  inqait,  hino  potentia  naineri  huine 
oetenditar,  qaia  mundanae  animae  origo  septem  finibae  coDtinetor: 
Septem  quoqae  vagantiam  Rphaeraram  ordinem  ilii  etelliferae  et 
oniDes  continenti  eubiecit  artifex  fabricatoris  Providentia'  (cf.  I 
6,  18  ad  vagas  stellaram  et  lumiDum  spbaeras  refertur).  Mar- 
tianae  quoqae  adbibendne  VII  738  (262,24  sqq.  Eyse.):  'Item 
Septem  sunt  circali  et  tot  planetae  tot  dies  totque  transfusionee 
elementornm.*  Qaae  de  '  sphaera  aenea,  qnae  κρικωτή  dicitar*, 
disserit,  ex  Varrone  bansta  esse  Eyssenbardtias  (p.  LVII)  vidit, 
qui  illins  sententias  citat  a  Gellio  (III  10)  servatas :  ^circuloe 
qnoqae  ait  (Varro)  in  caelo  circam  longitadinem  axie  septem  eeee, 
e  qaibns  daos  minimos  qai  axem  extimum  tangunt,  πόλους  ap- 
pellari  dicit;  sed  eos  in  spbaera,  qnae  κρικωτή  vocatur,  propter 
brevitatem  non  inesse'.  De  eodem  nnmero  disserens  Cbalcidiue 
qaoque  planetae  affert  (p.  103,  13  Wr.)• 

Deinde    varias    lunae    species  Favonius    affert   easdem  fere 
qnas  Macrobius,  Martianas  Capeila,  Cbalcidiue. 

Favon  8, 3  sqq.      Macrob.  I  6, 55         Mart.  Cap. 


1 .  ανατολή 

2.  όμφίκυρτος 

3.  οιχότομος 

4.  πανσέληνος 

5.  οιχότομος 

6.  άμφικυρτος 

7.  συνοδική 


1.  cumnascitur 

2.  διχοτόμος 

3.  άμφίκυρτος 

4.  plena 

5.  όμφικυρτος 

6.  διχοτόμος 

7.  luminis  uni- 

yersitate 
privatur. 


VII  738 

1.  cornioulata 
μηνοβιδής 

2.  medilunia 
διχοτόμος  * 

3.  dimidiatio 
maior 
άμφίκυρτος 

4.  plena 
πληροσέ- 
ληνος 


Chaloidins 

1.  bicornie 

2.  seotilis 

3.  dimidiata 
maior 

4.  plena 

5.  maior  dimi- 
diata 

6.  sectilie 

7.  bicornis. 


(5—7=3—1). 
SuetoniuB  quoque  in  libro  quem  de  natnrie  rerum  conscripsit 
lunae  formas  bunc  in  modura    perlustrat:    1.  bicornis    2.  sectilie 
3.  dimidia    4.  plena    5.  dimidia     6.  sectilie    7.  bicornis  (Reiffer- 


^  Sic  enim  scribendum  pnto.  Eyesenhardtiue :  οιάτομον.  Optimi 
Codices  exbibent:  dicotomon,  in  alio  libro  altera  mann  mutatom  le- 
gitur:  diatoDion,  quod  Eyssenhardtius  adoptavit. 


De  Μ.  Varrone  a  Favonio  £ulogio  expresao 


119 


scheid  p.  210).  Apud  Theonem  (103,  19  eqq.)  hanc  partitionem 
invenimue  1.  διχοτόμος  2.  πλη(Τΐσέληνος  3.  διχοτόμος  4.  σύ- 
νοδος. Primam  lunae  speciem  Philo  quoque  Alexandrinue  eioat 
Martianus  μηνθ€ώή  appellat.  Chalcidiam  maxime  cam  Suetonio 
vidimiis  ooneentire,  ita  nt  illinc  quoque  nonnuUa  deeumpta  esse 
reamur.  lam  vero  Poeidonium  ipsum  adhibeamns  teetem,  etenim 
[ΤΤοσβιδώνιος  καΐ  ol  πλείστοι  τών  Στωικών]  σφαιροεώή  (jbl 
τφ  σχήματι)  σχηματίΣεσθαι  b'  αυτήν  πολλαχώς,  καΐ  γαρ  πον- 
σέληνον  γιγνομένην  καΐ  διχότομον  και  άμφίκυρτον  καΐ  μη- 
vo€ibf)  (Diele  Dox.  357b  14  eqq.).  Omnes  pendere  videmue  a 
Poeidonio,  ut  euepicor,  interprete  Varrone;  Chalcidins  autem  con- 
eulehat  Suetonium. 

In  his  certe  Favonium  a  nnllo  magis  aberrare  quam  a 
Chalcidio  videmue.  Martianus,  qui  omnia,  quae  de  hebdomade 
profert,  Varroni  videtur  debere^,  Graeca  cum  versione  Latina 
promit,  ad  exemplar,  ni  fallor,  eiusdem  Varronis.  Latina  con- 
cinunt  maiorem  in  partem  cum  Chalcidio,  (xraeca  cum  Macrobio 
et  Favonio;  non  omnia,  certe  multa.  Nonne  Varronianum  re- 
cuperavimus?  Maxime  illorum  consentiunt  inter  se  Macrobius  et 
Martianus,  quibns  haec  addenda: 

Gellius  III  10,  6  Maorob.  1  6,  52 

namdie[duo]detrice8i-         Hnius     ergo     vi- 

ginti  ooto  dierum  nu- 
meri  septenarins  ori- 
go  est..  Nam  si  ab 
uno  usque  ad  Septem 
quantum  singuli  nu- 
meri  exprimunt,  tan- 
tum  antecedentibus 
addendo  procedae,  in- 
venies  viginti  ooto 
nata  de  septem. 


Mart.Cap.Vn738 
Hio      numeruB 
lunae  oureum  si- 

gnificat:  nam 
unum     duo     tria 
quattuor   quinque 
sex  Septem  viginti 
octo  faciunt. 


mo  luna,  inquit  (sc.  Var- 
ro),  ex  quo  vestigio 
profecta  est,  eodem  re- 
dit.  —  Quod  is  numerus 
septenarius,  si  ab  uno 
profectus  dum  ad  se- 
met  ipsum  progreditur, 
omnes,  per  quos  pro- 
gressos  est,  numeros 
comprehendat,  ipsum- 
que  se  addat,  faoit  nu- 
merum  octo  et  viginti: 
quot  dies  sunt  curriculi 
lunaris. 

Quae  de   septem  motibus  animi  Favonins  (8,  7  sqq.)  a  Ma- 
crobio   non  aliena  profert  (I  6,  42  sq.),    levioris  tamen   momenti 


^  V.  Eyssenhardtii  praef.  in  Mart.  Gap.  p.  LY. 


120 


Fries 


sunt,  cnm  praeeertim  reliqui  taceant,  quam  quae  verbo  tenne  ex* 
hibeantur.  Chalcidium  ne  in  hie  quidem  sequitor  ille.  Sed  per• 
gendnm  ad  corporum  motue: 


Favon.  8,  15  sqq. 
Sunt  ergo  animi  motue  Sep- 
tem; at  vero  corporum  totidem. 
Primus  est  cnrcularis,  una  linea 
coroprehensuR.  Reliqui  sex,  dex- 
ter    sinister,    sursum    deorsum, 


Macrob.  I  6,  81 
Septem  motibus  omne  corpus 
agitatur:  aut  enim  accessio  est 
aut  recessio  aut  in  laevam  dex- 
tramve  deflexio  aut  sursum  qnis 
seu  deorsum  movetur  aut  in 
orbem  rotatur. 


ante  post. 

Iterura  vacat  Cbalcidius.  Venimus   ad  foramina  corporis  hu 
mani  septem: 


Macrob.  I  6,  81 
£t  quia  sensus 
eorumque  mini- 
steria  natura  in 
oapite  velut  in 
arce  constituii, 
Septem  forami- 
nibas  sensuum 
celebrantur  offi- 
cia,  id  est  oris 
ao  deinde  ocu- 
lorum  narium  et 
aurium  binis. 


Mart  Cp.VII  739 
dehinc      ideo 

homo  Septem 
meatae  habet  in 
capite    seneibus 

praeparatoB, 
duos  oculos  aa- 
resque  et  nares 
totidem    et    os 
unum. 


Chalcid.  10?,  4 
Dinumerantur 
quoque  eensuum 
omnium,  qai 
sunt  in  capite, 
Septem  meatas: 
oculorum ,  au* 
rium ,  nariaiti 
atque  oris. 


Favon.  8,  19 
Diximus  supra 

qninque    sensus 

esse    corporeos. 

Hi  Septem  fora• 

minibus     emit- 

tuDtur:    II  sunt 

visionis,    II   au- 

ditus,  I  gustatus 

atque  I  est  odo• 

ratus,    septimus 

tactus,   qui   per 

totius     corporis 

membra     diffu- 

BUS  est. 

Favonius  a  reliquie  discrepat,  cum  odoratus  foramen  appellet 

unum  addatque  eeptimum  tactum.  Skutechius  emeiidat:  atque 
duo  sunt  odoratus,  quintus  tactus  —  —  (nullum  habet  foramen^. 
At  audiamus  TuUium,  qui  (de  nat.  deor.  li  5ß,  140  sq.)  de  een- 
sibus  agit.  'Sensus  autem,  inquit,  interpretes  ac  nuntii  rerum 
in  capite  iamqtiam  in  arce  mirifice  ad  usus  necessarios  et  facti 
et  coUorati  punt.  Nam  oculi  tamquam  speculatores  altissimum 
locum  obtinent,  ex  quo  plurima  conspicientes  fungantur  euo 
munere/  Pergit  ad  aures,  ad  nares,  ad  gustatum,  denique  'tactne 
autem,  inquit,  toto  corpore  aequabiliter  fusus  est,  ut  omnes  ictüs 

• 

oninppqiie  minimoR  et  frigorlR  et  caloriR  appulflus  sentire  po?8i- 
mup/  In  primo  Tiiaculanarum  autem  (10,20)  legimus:  *Plato 
triplicem  finxit  animum:  cuius  principatum  id  est  rationem,  <« 
capite,  sicut  in  arce  poRuit/  Minucio  Felici  (Octav.  17)  omnee 
ceteri   senBUfl  velut  in  arce  compopiti',  Lactantio  (de  opif.  Jniindi8) 


De  Μ.  Varrone  a  Favonio  Eulogio  expreeso 


121 


in  Biiinmo  capite  conloccUa  famquam  in  arce  eublimi  videntur. 
cf.  Favon.  8,  24:  ^ministroe  eidem  sensne  septem  velnti  fenestris 
emitti  manifestara  est,  com  ilioe  Minervae  iamquam  in  arce  po- 
eitae  subiecerunt.'  Cioeronem  hos  eeqai  plnrimi  diount,  sed  ilie 
in  primo  Tueculanarum  libro  eundem  exprimit  quem  Varro  in 
primo  antiqüitatam  reram  divinarum,  Posidonittiii  ^  Neecio  an 
illa  quoque  ex  Varrone  derivata  eint.  Theo  obiter  stringit  hie: 
και  πόροι  hi  κεφαλής  επτά  (104,  14  sq.),  Posidonium,  ni  fallor, 
Ad  raste  teste,  eecntns. 

Septeoarins  numerus  anctore  Favonio  'merito  Minerva  eine 
matre,  virgo  sine  procreatione  perhibetur*  (9,  20),  cf.  Τΐϊβοη. 
Smyrn.  103,  3:  *  *Αθηνδ  ύπό  τών  ΤΤυθαγορικών  έκαλεϊτο,  ουτβ 
μητρός  τίνος  ούσα  οοτε  μήτηρ',  Maorob.  Ι  6,  11:  *  Pallas  ideo, 
qoia  ex  solins  monadis  fetu  et  raultiplicatione  processit,  sicut 
Minerva  sola  ex  uno  parente  nata  perhibetnr.*  Mart.  Cap.  p.  262, 
14  sqq.:  ^Quod  nullo  nascitur,  hinc  Minerva  est,  et  qnod  ex 
namens  tarn  masoalinis  quam  feminis  constet,  Pallas  virago  est 
appellata/  Chalcid.  102,  10:  *  proptereaqne  Minerva  est  a  veteribus 
cognominatus,  item  ut  illa  sine  matre  perpetnoqne  virgo.'  Agno- 
seimus  Posidonium  stilo  Varronis  posteris  traditam. 

Mart.  Cap. 


Favon.  9,  4 

dyas  et  paritar  ex 
singalis  et  ex  se  qua- 
ternarinm  creat.  Trias 
non  equidem  paritur, 
qoia  non  simiiibus  nu- 
meris  coenntibus  aggre- 
gatar,  sed  generat  sex. 
Quinarins  ipse  non  pa- 
ritar, sed  decimum  ex 
dnobus  sui  simiiibus 
parit;  in  quo,  ut  dictum 
est,  crescentiam  finis  est 
nnmerorum:  quorum 
ratio  oaeteris  in  versi- 
bos  sub  maiore  summa 
repetitur.  Sex  paritur 
qnidem,    sed    ipse  non 


Chalcid.  101,  13  sqq. 

Etenim  dno  duplicati 
pariunt  quattuor  nume- 
rum.  tria  nullo  dupli-^ 
cato  nasountur,  ipsa 
autem  dnplicata  pariunt 

senarium  numerum. 
quattuor  numerus  et  pa- 
ritur et  parit:  paritur 
quidem  a  bis  duobus, 
parit  autem  duplicatus 
octonarium  nameram. 
rursum  quinque  nume- 
rus a  nullo  na  seit  ur  bis 
snbputato,  ipse  autem 
bis  flubputatus  parit  de- 
cem.  item  sex  numerus 
nascitur  quidem  ex  dn- 


VII  738 
omnes     nu- 
meri  intra  de- 
cadem      positi 

aut  gignunt 
alios     aliisque 
gignuntur    aut 

procreantur: 
hexas  octas  ge• 
nerantur  tan- 
tummodo,  te- 
tras  autem  et 
creat  et  crea- 
tur,  at  heptas 
quod  nihil  gi• 
gnit ,    eo     par 

virgini    per- 
hibetur  — 


>  Sciunekel*  Zur  Gesohiohte  der  mittleren  Stoa  p.  144. 


..« 


122 


Fries 


parit:  duodecim  namqae 
secandi  yersus  incipit 
habere  relliquias  Κ  Oc• 
tavus  vero  ex  dnobne 
quatemariis  exortne,  in 
eedecim  duplicatus  ex- 
Qodat:  paritur  ergo,  non 
parit.  Enneadem  tree 
triplicati  pariuDt:  dao- 

devicesimae  seciiDdi 
vereue  est  numeme,  qai 
a  lege  oreandi  diversae 
eet.  Decas:  natne  qni- 
dem  ex  bis  quinie  co- 
gnoscitnr,  eed  XX,  qaos 
colligit  duplicatus  bic 
numerae,  non  possunt 
diotae    rationis    habere 


plicato  triente,  parit  an- 
tem  infra  decimanum 
limitem  neminem,  octa- 
Yue  naRcitnr  ex  bis  aub- 
pntatis  quattuor,  ipee 
antem  neminem  parit. 
nonue  naecitur  ex  ter 
tribus,  ipee  autem  ne- 
minem parit. 


deeimus  naeoitur  ex 
duplicato  numero  quin- 
que,  ipee  porro  nemi* 
nem  parit. 


coneortium. 

Similia  Theo  (103,  6  sqq.):  των  γαρ  αριθμών  των  έν  τη 
όεκάοι  ο\  μέν  γεννώσί  τι  και  γεννώνται,  ώς  6  b'  xewqi  μέν 
μ€τά  ^υάοος  τόν  η',  γεννάται  bk  ύπό  ^υά^ος  *  ο\  bk  γεννώνται 
μίν,  ου  γεννώσι  bi,  ώς  ό  ς  γεννάται  μέν  ύπό  β'  και  γ',  ου 
γε wqi  bk  ούοένα  τών  έν  τή  6εκά&ι '  ο\  bk  γεννώσι  μεν,  ου  γεν- 
νώνται bk,  ώς  6  γ'  καΐ  ό  ε  γεννώνται  μέν  H  ούοενός  συν- 
ουασμοΟ,  γεννώσι  bk  6  μέν  γ'  τόν  θ'  και  τόν  ς'  μετά  6υά6ος, 
ό  bk  ε'  γεννςι  μετά  ουά^ος  αυτόν  τόν  ι',  μόνος  bk  6  t  οοτε 
συνδυασθείς  τινι  γεννςΐ  τίνα  τών  έν  τή  6εκό6ι  οοτε  έκ  συν- 
δυασμού γεννάται,  επόμενος  bk  τή  φύσει  και  6  Πλάτων  έ£ 
έτττά  αριθμών  συνίστησι  τήν  ψυχή  ν  έν  τψ  Τι  μα  ί  ψ.  ήμερα  μέν 
γάρ  καΐ  νύΕ,  ώς  φησι  Ποσειδώνιο  ς,  άρτιου  καΐ  περιττού 
φύσιν  έχουσι.  £η  babemue  onde  manarint  illa,  commentarine 
Poeidonii  in  Piatonis  Timaeum  hie  quoque  in  promptu  eet,  extat- 
que  quaeetio  sola,  η  um  Varro  Poeidoniana  scriptoribue  illie  La- 
tinie  tradiderit,  an  e  Graeco  fönte  haueerint.  Neecio  an  hiceicut 
alioquin  M.  Terentium  de  septenario  numero  looupletieeimnm 
auctorem  adumbrarint,  praeeertim  cum  ea,  qnae  eequuntur  ex 
eodem  pendeant. 

Magnam  eeptenarii  numeri  vim   in  hominam   vita  eeee  de- 


>  de  Winterfeld  in  Corrigendis  a.  1.,  cf.  Skutech  p.  194. 


De  Μ.  Varrone  a  Favouio  Eulogio  expreeso  123 

monetrant  Fayoniue  (9,  22 — 10,  4)  Varro  Philo  Theo,  Martianas, 
Macrobias,  Censorinas  Cbalcidine  (11.  cc),  Vindiciani  fragmentam 
medicam^,  nee  ab  ullie  ulli  maiorem  in  modum  diecrepant.  Ce- 
ternm  Yarro  rem  in  libro  qai  inecriptas  erat  Tnbero  de  origine 
bamana  tractaverat  ^.  Qnäe  deinde  Favonius  (10,  4 J  de  Septem 
mneicomm  vocibne  in  eodem  rerum  contextn  profert,  apad  nul- 
Inm  inveni  praeter  Varronem  (Gell.  III  10).  Neque  baec  Cbal- 
eidius  habet  neqae  qnae  apud  Favoninm  de  eeptem  bypotbeticae 
conclasionie  modie  dicontar  (10,  8). 

Ad  geometrica  venimuB.  De  cubo  Favonius  com  agit,  hoo 
modo  nomen  vertit:  ^κύβον  Graeci,  nos  qnadrantal  dicimns\ 
Apud  Gellium  (l  20)  legimas:  'quadrata,  quae  κύβους  illi,  nos 
quadrantalia  dieimus'.  Totas  aatem  ille  Gelli  locus  a  Varrone 
desumptns  est,  qui  vel  ipse  nunoupatur.  Versionem  illam  eeteri 
non  habenty  qaoad  yideo,  certe  Favonium  ex  fönte  Latino,  non 
Graeco  hausisse  veri  simile  est.  Gogitandum  est  de  Varrone. 
De  eiedem  rebus  geometricis  agunt  Macrobins  (I  59;  II  2,  5) 
Martianus  Capella  (p.  246,  16  sqq.)  Cbalcidius  (p.  97  sqq.)  alii. 
LoDgum  est  omnia  referre,  qnae  qnisque  singillatim  cum  altero 
eommunia  babeat,  qnae  non  babeat.  In  Universum  nihil  credere 
probibet,  in  bis  quoque  posteros  Reatini  vestigia  pressisee. 

Quid,  quod  ipsnm  Varronem  Favonius  citat?  übi  de  Ion- 
gitudine,  latitudine,  altitudine  agit  (p.  11),  de  quibus  Varro  multus 
videtur  fuisse  (of.  Gell.  I  20),  Timaei  quoque  Platonici  mentionem 
facit,  scilicet  Varronem  sequitur  interpretem  Posidonii.  Deinde: 
'Ad  bunc,  inquit,  numerum  cybicum,  ut  Varroni  placet,  lunaris 
cursuB  congruit  reyolutio,  quae  XXVII  diebus  omne  tanti  sideris 
lumen  exhaurit .  Idem  fere  simillimis  verbis  tradunt  Macrobius 
(I  6,53)  et  Cbalcidius,  cuius  locum  afferam  (p.  180,  20):  lana, 
qnae  inxta  cubicum  numerum  viginti  et  Septem  diebus  circulum 
lustrat .     Eundem  exprimnnt,  unus  Favonius  nominat  ^ 

Venimns  ad  ea,  quae  similia  verbo  fere  tenus  inter  Favo- 
nium et  Cbalcidium  concinunt.  Skutschius,  qui  singula  oontulit, 
Favonium  hoc  looo  ex  Cbalcidio  sua  non  derivasse  putat.    Quam 

^  cf.  Schmekel  1.  c.  Wellmann,  Fragmentsammlung  der  griecb. 
Aerzte   p.  41  et  217.     Miror   Martianum    a   Schmekelio   plane   ncgle- 

Ctum    6886. 

«  Plin.  n.  h.  VII  160,  9.    Censorin  9,  1.    Diele  Dox.  201. 

•  Haec  breviter  iam  strinxeram,  ubi  de  Holder i  editione  Favonii 
egi  (Wochenschr.  f.  klaae.  Pbilol.  1901  p.  416),  priusquam  Skutsobiue 
ina  de  Favonio  et  Cbalcidio  prodidit. 


128  Kunze• 

θρ({1κην,  άλλα  μάλιστα  biä  τός  ττρώ- 

τας  ί)ύο  αιτίας.)   Ιστορ€Ϊ  hi  oFcui-         =  Strab.  ρ.  472:  6ΐς 

γράφος  και  Μδλίτην  πρότερον  τήν     Σαμοθράκην  καλουμένην 

Σαμοθρ(|Ικην  καλεϊσθαι   και  πλου-     πρότβρον  Μελίτην. 

σίαν    hi    elvai.     Κίλικες   γάρ, 

φησι»  πειράται  προς  πεσόντες 

λάθρςι   τό  έν  Σαμοθράκη  έσύ- 

λησαν   Ιερόν    και    άπήνεγκαν 

τάλαντα  πλείω  χιλίων. 

Durch  dieses  ausgedehnte  Strabofragment  erfahren  wir  ver- 
schiedenes Neue,  das  ich  hier  wie  auch  an  den  andern  Stellen 
durch  gesperrten  Druck  hervorhebe.  Am  besten  könnten  wir 
unser  Bruchstück  an  fr.  50  anreihen :  έκαλεΐτο  bi  ή  Σαμοθράκη 
Σάμος  πριν.  Wenn  sich  nun  einige  Angaben  mit  andern^  schon 
bekannten  Strabostellen  (zB.  p.  457)  decken,  so  denke  ich  mir 
den  Sachverhalt  nicht  derartig,  dass  sich  Eustathius  diese  No- 
tizen für  unsere  Stelle  mühsam  aus  verschiedenen  Strabo* 
angaben  zusammengesucht  hat,  sondern  er  fand  sie  vielmehr  alle 
vereinigt  an  der  von  ihm  ausgeschriebenen  Stelle  des  7.  Buches. 
Der  Einwand,  dsKs  ja  dann  Strabo  an  verschiedenen  Stellen  das- 
selbe sage,  ist  belanglos.  Denn  Strabo  wiederholt  sich  bekannt- 
lich sehr  oft,  und  ausserdem  spricht  für  meine  Auffassung  der 
enge  Zusammenhang,  wie  er  zB.  zwischen  den  Worten  besteht: 
Μελίτην  πρότερον  την  Σαμοθρ()Ικην  καλεΐσθαι  και  πλουσίαν  U 
εΤναι.  —  Bei  den  von  mir  eingeklammerten  Worten  (άλλοι  bis 
buo  αΙτίας)  hat  es  zwar  auf  den  ersten  Blick  den  Anschein,  als 
ob  Eustathius  den  Boden  der  strabonischen  Ue herlief erung  ver 
Hesse.  Aber  trotz  des  άλλοι  φασιν  möchte  ich  mich  zu  der 
Ansicht  bekennen,  dass  auch  hier  Eustathius  auf  Strabo  foest. 
Denn  davon  zu  schweigen,  dass  jene  Klammer  vollständig  von 
strabonischem  Gute  eingerahmt  ist,  lässt  sich  ja  auch  der  Inhalt 
mit  den  verschiedenen  Deutungsversuchen  des  Namens  Samathrake 
für  uns  noch  aus  Strabo  (p.  457)  belegen,  und  wenn  sich  Strabo 
am  meisten  für  die  Ableitung  von  οάμος  =r-  Höhe  erwärmt,  so 
klingt  ja  diese  Anschauung  noch  aus  den  vorliegenden  Worten 
des  Eustathius  heraus:  μάλιστα  bia  τάς  πρώτας  buo  αιτίας. 

3.    Odyss.    Ε  327    ρ.    1760,  40—  =  Strab.  ρ.  328:   το 

48:    ιερά   bk  κατά  τον    Γειυγρά-     μυθευόμενα      περί     της 
φον  δρυς  τιμάται  έν  Διυοώνη,  άρ-     ^pυός  κτλ. 
χαιότατον    ύποληφθεϊσα    φυ- 
τόν    και   πρώτον    τροφήν    άν- 


Strabobraohstüoke  bei  Eustathias  und  Stepbanue  fiyzAntiue      129 


θρώποις  παρασχόν.  ό  V  αυτός 
και  βίς  τάς  έκ€ΐ  λ€Τομένας  μαντικάς 
πβλείας  φησίν,  δτι  α\  πέλβιαι  βίς 
οιαινοσκοπίαν  υπονοούνται ,  κ  α  θ  ά 
και  κορακομάντεις  ήσαν  τί- 
νες. ο\  hk  τό  παλαιόν  μίν  δνορας 
προφητεύειν  φασίν,  ύστερον  bi  τρεις 
αποοειχθήναι  TPoti<^^  προφήτιόας,  &ς 
πε  λείας  καλεΐσθαι  γλώσση  Μολοτ- 
τών,  ώς  τους  γέροντος  ττελείους.  και 
πάσι  μέν  έκεΐ  γυναίκας  χρηματί^Ιειν, 
δ  έστι  χράσθαι  και  μαντεύεσθαι,  μό- 
νοις  bk  Βοιιυτοΐς  δνόρας.  και  τήν 
αιτίαν  ό  Γεωγράφος  εκτίθεται,  λέ- 
γων και  Τόμουρον  ή  Τμάρον  δρος 
θεσπρωτικόν,  έν  ψ  τό  Διυοωναΐον 
ιερόν,  bio  και  έν  τψ  'εΐ  μέν  αΐνή- 
σουσι  Διός  μεγάλοιο  θέμιστες  \  δπερ 
έν  τοις  μετά  ταύτα  γράψει  ό  ποιη- 
τής, ϊτεροι  γράφουσιν  *  εΐ  μέν  αΐνη- 
σουσι  Διός  μεγάλοιο  τόμουραι',  λέ- 
γοντες μη  ευ  ενταύθα  κεΐσθαι  τό 
θέμιστες,  άλλα  bεΐv  μάλλον  εΙπεΐν 
μαντεΐαι,   δ    bηλoυσιv  αΐ  τόμουραι. 

Die  herangezogenen  Strabostellen  zeigen  zwar,  dass  uns 
der  Inhalt  dieses  Fragmentes  seinem  grössten  Theile  nach  schon 
jetzt  bekannt  war,  aber  zugleich  ergiebt  sich,  dass  der  Bericht, 
den  wir  bisher  bloss  aus  Strabo  p.  402  kannten  (πάσι  μέν  έκεΐ 
γυναίκας  χρηματίίειν,  μόνοις  bi  Βοιωτοϊς  άνόρας.  και  τήν  αΐ- 
τίαν  6  Γεωγράφος  εκτίθεται)  von  Strabo  auch  in  der  Lücke  von 
Buch  7  behandelt  gewesen  sein  mues.  Das  macht  schon  die  Art 
des  Inhaltes  höchst  wahrscheinlich,  da  ja  Strabo  über  Dodona 
ausführlich  gegen  Ende  seines  7.  Buches  handelt  (p.  327  bis 
fr.  3).  Ferner  aber  schliesse  ich  es  aus  dem  untrennbaren  Zu- 
sammeubang  der  ganzen  Stelle,  namentlich  aus  den  sich  unmittelbar 
anschliessenden  Worten  λέγων  καΐ  Τόμουρον  κτλ.,  durch  die  wir 
ja  in  der  That  wieder  in  die  Nabe  der  grossen  Lücke  geführt 
werden  (p.  328  £nde).  —  Weiterhin  können  wir  auf  der  kurzen 
Bemerkung  des  Eustathius  (και  την  αιτιαν  ό  Γεωγράφος  εκτί- 
θεται) weiterbauen,  und  da  Eustatbius  selbst  uns  diese  Erzählung 
vorenthält»    sie  aus  Strabo  p.  401  sq.  für  unser  Buch  7  in  An-• 

UUein.  Mue.  f.  Philol  "  d 


=  Strab.  fr.  1*:  !αως 
bi  τίνα  πτήσιν  a\  τρεις 
ττεριστεραι  έπέτοντο  έΕ- 
αίρετον,  έΕ  div  αΐ  Ιέρειαι 
παρατηρουμεναι  προεθέ- 
σπιζον. 

=  Strab.  ρ.  329. 

=  Strab.  fr.  Ι»  :  φασί  δέ 
καΐ  κατά  τήν  τι&ν  MoXorrdiv 
καΐ  θεσιτρωτΦν  γλώτταν  τάς 
γρα(ας  πελίας  καλεΐσθαι  καΐ 
τους  γέροντας  πελιους  = 
fr.  2. 

=  Strab.  ρ.  402. 

=  Strab.  ρ.  328 
(Bude). 


[π  403] 

=  Strab.  ρ.  328 
(Bude). 


130  Kunze 

Spruch  nehmen  (natürlich  nur  dem  Sinne,  nicht  auch  dem  Wort- 
laute nach:  φη(Τι  b*  Έφορος  τους  μέν  θρςίκας  ποιησαμενους 
απονοάς  προς  τους  Βοιωτούς  έπιθέσθαι  νυκτιυρ  στρατοττε• 
beuouaiv  όλιγιυρότερον  ώς  εΙρήνης  γεγονυίας  *  οιακρουσαμενιυν 
b'  αυτούς  αΐτιωμένιυν  Τ6  &μα,  δτι  τάς  σπovbάς  παρββαινον, 
μή  παραβήναι  φόσκειν  εκείνους  *  συνθέσθαι  γαρ  ημέρας,  νύκτιορ 
b'  έπιθέσθαΓ  άφ'  ου  br\  και  την  παροιμίαν  είρήσθαι  Όρςικία 
παρεύρεσις*.  τους  bt  Πελασγούς  μένοντος  ίτι  του  πολέμου 
χρηστηριααομένους  άπελθεϊν,  άπελθεϊν  bt  και  τους  Βοιωτούς' 
τόν  μέν  OÖV  τοις  ΓΤελασγοϊς  boθέvτo  χρησμόν  ίφη  μή  ίχειν 
εΙπεΐν,  τοις  bk  Βοιιυτοΐς  άνελεϊν  την  προφήτιν  άσεβήααντας  ευ 
πράεειν  *  τους  bt  θεωρούς  ύπονοήσαντας  χαρι2[ομένην  τοις  Πε- 
λασγοϊς  την  προφήτιν  κατά  το  συγγενές  (έπεώή  και  το  Ιερόν 
ΓΤελασγικόν  έΕ  αρχής  ύπήρΕεν)  οοτως  άνελεϊν,  άρπάσαντας  τήν 
άνθρωπον  εΙς  πυράν  έμβαλεϊν  ένθυμηθέντας,  εϊτε  κακουργή- 
σασαν  είτε  μή,  προς  αμφότερα  ορθώς  ίχειν,  εΐ  μέν  παρεχρη- 
στηρίασε,  κολασθείσης  αυτής,  εΐ  b'  oObfcv  έκακουργησε,  το 
προςταχθέν  αυτών  πραΕάντων.  τους  bi  περί  το  Upov  το  μέν 
άκριτους  κτείνειν  τους  πράΕαντας,  και  ταΟτ'  έν  ϊερφ,  μή  boKi• 
μάσαι,  καθιστάναι  b'  εΙς  κρίσιν,  καλεΐν  b'  έπι  τάς  Ιέρειας,  ταύτας 
bk  είναι  τάς  πpoφήτιbας,  αϊ  λοιπαι  τριών  ούσών  περιήσαν. 
λεγόντων  b'  ώς  oύbαμoυ  νόμος  εΐη  bικάZ[ειv  γυναίκας,  προς- 
ελέσθαι  και  dvbpας  ίσους  ταΐς  γυναιΕι  τόν  αριθμόν  τους  μέν 
ουν  δvbpας  άπογνώναι,  τάς  bfe  γυναίκας  καταγνώναι,  ϊσων  b^ 
τών  ψήφων  γενομένων  τάς  άπολυούσας  νικήσαΐ'  έκ  b^  τούτων 
Βοιωτοΐς  μόνοις  δvbpας  προθεσπίίειν  έν  Δωbώvη.  Wie  nun 
als  Gewähremann  dieser  Anekdote  Ephorus  genannt  wird,  so 
8t088en  wir  auch  in  Buch  7  bei  Straboe  Beschreibung  yon  Dodona 
auf  diesen  Namen  (p.  H27  £nde:  έστι  b\  ώς  φησιν  Έφορος, 
Πελασγών  ΐbpυμα),  mag  dieser  nun  dem  Strabo  für  seinen  Gegen- 
stand unmittelbare  oder  mittelbare  Quelle   gewesen  sein. 

Kramer  hat  von  unsrer  Enstathiusstelle  zwar  Eenntnies  ge- 
habt (s.  seine  Anmerkung  p.  328  zu  Τόμαρος  ή  Τμάρος),  er 
unterlässt  es  aber,  aus  ihr  weiteren  Nutzen  zu  ziehen  und  den 
Strabo text  zu  ergänzen.  Die  andere  von  Kramer  angeführte 
Stelle  (Od.  π  403  =  Eust.  p.  1806,  39  ff.)  giebt  nur  wieder, 
was  wir  schon  alles  aus  Strabo  p.  328  (Ende)  fg.  wissen.  Daher 
brauche  ich  mich  für  meinen  Zweck  nicht  weiter  mit  ihr  zu  be- 
fassen. 

4.  II.  Β  760  ρ.  337,  6—15:  =  Strab.  ρ.  14:  ^€Ϊ  6  ΤΤη- 

δρχεται  bi  κατά  τόν  Γεωγρά-     νειός  έκ  τοΟ  TTίvboυ  όρους  bia 


Strabobruohstüoke  bei  Euetathiue  und  Stephan  üb  Hyzantiaa     131 


φον  έκ  Πίνοου  βρους  6  Πη- 
νειός, ττερι  δ  οΐ  ΓΤε(}^αιβοί.  (κα\ 
6ήλον  και  έκ  τούτου,  βτι  θβτ- 
ταλικοι  οΐ  ΤΤε^^αιβοί,  έπειοή  και 
τό  Πίνδο  ν  και  ό  Πηνειός  θετ- 
ταλικό).  περί  bk  Πηνειού  κα\ 
ταύτα  έν  τοις  του  Στράβω- 
νος φέρεται'  Πηνειός  δρχεται 
έκ  Πίνδου  *  έν  άριστερςί  δ'  άφεις 
Τρίκκην  φέρεται  ττερΙ  "Ατρακα 
και  Λάρισσαν  και  τους  έν  θετ- 
ταλιςι  δε£άμενος  ποταμούς  πρό- 
εισι  διά  ταιν  Τεμπών,  και  δτι 
δια  μέσης  ^έει  θετταλίας  πολ- 
λούς δεχόμενος  ποταμούς,  και 
δτι  Πηνειός  φέρεται  έν  άρι- 
στερςί  μέν  έχων  Όλυμπον,  έν 
δεΕίςΙ  δέ  "Οσσαν.  έπι  δέ  ταϊς 
έκβολαΐς  του  Πηνειού  έν  δεΕι^ 
Μαγνήτις  πόλις  ή  Γυρτών,  έν 
ή  Πειρίθους  καΐ  ΊΕίων  έβασί- 
λευσαν  απέχει  δ'  αυτών  (leg. 
αυτής)  ού  πολύ  πόλις  Κραννών, 
ης  ο\  πολίται  Έφυροι  έτερω- 
νύμως,  ώς  και  οΐ  τής  Γυρτώνος 
Φλ€τύαι. 

Die  Stelle  des  Eaetatbias  stimmt,  wie  ancb  ein  fläobtiger 
Blick  zeigt,  aufs  genaueste  mit  dem  schon  bekannten  Strabo- 
bmcbstück  tibereiu.  Vom  Aufspüren  unbekannter  Thatsacben 
kann  hier  also  leider  keine  Rede  sein.  Denn  auch  die  einzigen 
Worte,  die  das  Straboexcerpt  weniger  bietet  als  wie  Eustathius: 
έν  άριστερςί  άφεις  Τρίκκην  φέρεται  περί  *Ατρακα  και  Λάρισσαν, 
sind  uns  bisher  schon  aus  einer  andern  Strabostelle  bekannt 
(p.438:  αυτός  δ'  ό  Πηνειός  δρχεται  μέν  έκ  Πίνδου,  καθάπερ 
εΤρηται,  έν  άριστερςί  δ*  άφεις  Τρίκκην  τε  και  Πελινναΐον  καΐ 
Φαρκαδόνα  φέρεται  παρά  τε  "Αρτακα  και  Λάρισαν,  και  τους  έν 
τή  θετταλιώτιδι  δείάμενος  ποταμούς  πρόεισι  διά  τών  Τεμπών 
έπι  τάς  έκβολάς).  Wir  stossen  hier  demnach  wieder  auf  ein 
merkwürdiges  Beispiel  dafür,  wie  sich  Strabo  manchmal  in  der 
auffälligeten  Weise  wiederholt.  Dass  er  selbst  eich  der  Wieder- 
holung voll  bewusst  war,  liegt  meines  Erachtens  wenigstens  für 


μέσης  τής  θετταλίας  προς  έω. 
διελθών  δέ  τάς  τών  Λαπιθών 
πόλεις  και  Πε^^^αιβών  τινας 
συνάπτει  τοις  Τέμπεσι,  πάρα- 
λαβών  πλείους  ποταμούς.  .  .  . 
φέρεται  δ'  6  Πηνειός  άπό  τών 
στενών  τούτων  έπι  σταδ(ους 
τετταράκοντα,  έν  αριστερή  μέν 
έχων  τόν  "Ολυμπον,  Μακεδο- 
νικόν  όρος  μετεωρότατον,  (έν 
δέ  δεΕιςί  τήν  Όσσαν,  εγγύς) 
τών  εκβολών  του  ποταμού.  έπΙ 
μεν  δή  ταϊς  έκβολαΐς  τοΟ  Πη- 
νειού έν  δεΕιςΙ  Γυρτών  ϊδρυται, 
Περραιβική  πόλις  καΐ  Μαγνή- 
τις, έν  ή  Πειρίθους  τε  καΐ 
Ίζίων  έβασίλευσαν '  απέχει  δ' 
όσον  σταδίους  εκατόν  τής  Γυρ- 
τώνος πόλις  Κραννών,  καί  φα- 
σιν . . .  Έφύρους  λέγεσθαι  τους 
Κραννωνιους,  Φλεγύας  δέ  τους 
Γυρτωνίους. 

vgl.  auch  fr.  15  und  16. 


132  Kunze 

die  behandelte  Stelle  io  den  Worten  καθάιτερ  €ΐρηται  deutlich 
ausgedrückt.  Zugleich  können  die  Worte  έν  άρκΤτερ^  b*  άφϋς 
Τρίκκην  κτλ.  als  Beweis  dafür  gelten,  dase  Euetath  auch  hier 
nicht  etwa  schon  die  strahonisohe  Chrestomathie  benutzt  hat  (in 
der  ja  diese  Worte  fehlen!),  sondern  den  ganzen  Strabo  als 
Vorlage  gehabt  hat. 

Meineke  druckt  in  seiner  Ausgabe  dies  Fragment  nicht  be- 
sonders ab,  doch  hat  er  die  Schilderung  des  Eustathius  verwendet, 
um  fr.  14  aufs  glücklichste  zu  verbessern,  indem  er  vor  τών 
εκβολών  του  ποταμού  ergänzt  <,έν  bk  beEiqi  τήν  "Όσσαν,  έττύς"^• 

Ob  der  von  mir  eingeklammerte  Satz  (καΐ  οήλον  και  έκ 
τούτου  bis  θ€τταλικά)  auf  Strabo  zurückgeht  oder  dem  Enstathios 
*  selbst  zuzuschreiben  ist,  entzieht  sich  nnsrer  Entscheidung.  Je- 
doch ist  die  in  diesen  Worten  enthaltene  Weisheit  so  billig,  dase 
ich  sie  eher  auf  Rechnung  des  Eustathius  als  auf  die  des  Strabo 
setzen  möchte. 

5.    II.   Β  848   ρ.  359,   40—  =  Strab.  fr.  96  (Ende):  ou 

44:  ό  bi  Γεωγράφος  λέγει  μόνον  b'  6  *ΑΕιός  έκ  Παιάνων 
καΐ  δτι  Άειός  και  Στρυμών  έκ  £χει  τήν  ^ύσιν,  άλλα  καΐ  ό  Στρυ- 
ΤΤαιόνων  {»έουαχ  και  δτι  ο\  μέν  μών.  fr.  38 :  τους  bi  ΠαΙονας 
ΤΤαίονας  Φρυγών  άποικους,  οΐ  οΐ  μέν  άποικους  Φρυγών,  οΐ  b' 
bk  άρχηγέτας  άποφαίνουσι.  και  άρχηγέτας  άποφαίνουσι,  και 
τήν  ΤΤαιονίαν  μίχρι  ΓΤελαγονίας  τήν  ΓΤαιονίαν  μέχρι  ΤΤελαγο- 
κα\  Πιερίας  έκτετάσθαι  φασί.  νιας  και  Πιερίας  έκτετάσθαι 
λέγονται  bi  και  πολλή  ν  πάλαι  ψασί.  fr.  41:  δτι  και  πάλαι 
τής  Μακεόονίας  κατασχεϊν  και  και  νυν  ο1  Παίονες  φαίνονται 
μέχρι  Προποντίδος  προ-  πολλήν  της  νυν  Μακεδονίας 
ελθεϊν  και  Πέρινθον  πολιορ-  κατεσχηκότες,  ώς  και  Πέρινθον 
κήσαι.  πολιορκήσαι. 

Auch  hier  lassen  sich  fast  alle  Angaben  des  Enstathine 
durch  schon  bekannte  Strabostellen  belegen,  nur  die  Worte  μέχρι 
ΠροποντΛος  προελθεΐν  bedeuten  eine  wenn  auch  geringe  Er- 
weiterung unserer  Kenntnisse. 

6.  IL  Β  848  ρ.  359,28—31:  εΐ  γάρ  κατά  τόν  Γεω- 
γράφον  Πηλίου  και  Πηνειού  τών  θετταλικών  προς 
μεσόγαιαν  παράκεινται  Μακεδόνες  μέχρι  Παιονίας 
και  τών  'Ηπειρωτικών  εθνών,  έκ  bk  Παιάνων  συμμαχίαν 
έν  Τροίφ  είχον  οΐ  "Ελληνες,  ουσχερές  νοήσαι  τοις  Τραχτιν  ίλ• 
θεΐν  συμμαχίαν  έκ  τών  ^ηθέντων  πορριυτέριυ  Παιάνων.  Die 
Worte  Πηλίου  καΐ  Πηνειού  bis  Ηπειρωτικών  έθνων  habe  ich  in 
dieser   Fassung   nirgends   bei  Strabo  entdecken  können,    and    so 


Strabobrachstücke  bei  Euetatbiue  und  Stephanus  Byzantiue      133 

dürfen  wir  sie  wobl  als  ein  nenee  Brucbetttck  ansehen,  welobes 
sich  inhaltlich  noch  am  ehesten  an  fr.  12  anlehnt:  δτι  Πηνειός 
μέν  δρ{2ΐ€ΐ  τήν  κάτω  κα\  προς  θαλάττη  Μακ€Οονίαν  άιτό  θ€τ- 
ταλίας  καΐ  Μαγνησίας  .  .  .  και  ίτι  τους  Ήπειρώτας  και  τους 
ΤΤαίονας. 

Ob  auch  die  andern  ausgeschriebenen  Worte  (έκ  bk  Παιά- 
νων κτλ.)  aus  Strabo  geschöpft  sind,  ist  für  uns  aus  der  Form 
des  Satzgefüges  nicht  zu  erkennen.  Inhaltlich  könnten  sie  sehr 
wohl  strabonisch  sein,  wie  fr.  20  (Παίονας  έντ€υθ€ν  €ΐς  Τροίαν 
επικούρους  έλθβϊν)  und  fr.  38  (?να  τών  έκ  Παιονίας  στροτευ- 
σάντων  έπ'  Ίλιον  ήγεμάνιυν)  unverkennbar  zeigen. 

7.  Π.  Β  659  ρ.  316,  23  f.:  διάφοροι  bi,  Έφυραι,  €Τπ€ρ 
ό  Γεωγράφος  και  βίς  εννέα  ταύτας  μετρεΐ.  Weder 
liest  man  in  unserm  Strabo  diese  directe  Zahlenangabe,  noch  kann 
man  aus  ihm  soviel  Rphyrae  zusammenstellen:  der  index  von 
Krämer  meldet  uns  nur  von  7  Epbyrae.  Aber  die  Neunzahl  ist 
bei  Eustath  trotzdem  schwerlich  aus  der  Luft  gegriffen,  wie  uns 
Benselers  griechisches  Namenlexikon  erkennen  lehrt,  welches  in 
der  That  von  neun  verschiedenen  geographischen  Ephyrae  zu 
berichten  weiss.  In  unserm  Strabo  sind  Benselers  Nr.  8  und  9 
nicht  nachzuweisen.  —  Auch  hier  wird  der  Sachverhalt  wohl  der 
sein,  daes  Eustath  jene  Zahlenangaben  gleich  direct  bei  seinem 
Autor  Strabo  vorfand  und  sie  nicht  etwa  als  den  Ertrag  sorg- 
fältigen Suchen 8  niederschrieb. 

8.  II.  Β  844  ff.  p.  358,  34  f.:  =  Strab.  fr.  48:  ίστι  b'  ή 
6   bk    Γεωγράφος    καΐ   τό     θρ^κη  σύμπασα  έκ  6υ€ΐν   και 
πολύ   τής   θρςικικής   περιοχής     εϊκοσιν  εθνών  συνεστώσα. 
οηλιϋν  λέγει,  ώς  ή  θρ<)1κη  σύμ- 
πασα έκ  δύο  καΐ  εΤκοσι  εθνών 

συνέστηκεν. 

Leider  können  wir  uns  hier  unsres  Fundes  nicht  freuen, 
weil  uns  hier  nicht  das  geringste  Neue  durch  Eustathius  über- 
mittelt wird.  —  Ebenso  wenig  ist  dies  an  den  beiden  folgenden 
Stellen  der  Fall: 

9.  II.  Ν  301  ρ.  933,  26  f.:  =  Strab.  fr.  14:  έπ\  ταϊς 
Γυρτώνα  bk  πόλιν  λέγει  (seil,  έκβολαϊς  τοΟ  Πηνειού  έν  όεΕιςΙ 
ό  Γεωγράφος)  Μαγνήτιν  Γυρτών  ϊδρυται ,  Πε^^αιβική 
προς  ταϊς  τοΟ  Πηνειού  έκ-  πόλις  και  Μογνήτις.  vgl.  ρ.  439 
βολαΐς.  (Knde):  μέχρι  τής  εκβολής  αυ- 
τού (seil.  τοΟ  Πηνειού)  καΐ  Γυρ- 
τώνος  πόλειυς  Πεβή^ 


184  Knnze 

10.  Od.  Ο  101,  ρ.  1395,  53  f.:  =   Strab.   fr.  25:    Βρίτ€ς 

ÖTi  bi  Βρίγβς  και  o\  Φρύ-  θρ<)ΐκών  ?θνος,  ών  τιν€ς  όια- 
γ€ς  έλέγοντο,  όηλοϊ  ό  Fe  ω-  βάντβς  εΙς  τήν  Άσίαν  Φρύγες 
γράφος.  μετιυνομάσθησαν ,     vgl.    aocb 

Strab.  ρ.  295. 

11.  11.  Β  606  ρ.  301,  29  f.:  τάχα  bk  καΐ  ττληθυντικώς  λέ- 
γεται 'Ρίπαι,  έάν  6  Στράβων  περί  ταύτης  λίγη,  δτι 
'Ρίπαι  ουκ  οΙκοΟνται.  τήν  δέ  χώραν  *Ριπί6α  καλοΟσιν. 
άλλαχου  bk  σαφέστατα  φησιν,  ότι  'Ρίπην  Στρατίην  τε  και 
Ένίσπην  εύρεΐν  τε  χαλεπόν  και  εύροΟσιν  ούόέν  όφελος  bia  την 
έρημίαν.  Die  Angabe  άλλαχου  κτλ.  ist  auf  Strabo  ρ.  388  zartick- 
zuführen  (τών  οττό  του  ποιητου  λεγομένων  'Ρίττην  τε  Στρατίην 
τε  κα\  ήνεμόεσσαν  Ένίσπην  εύρεΐν  τε  χαλεπόν  και  εύρουσιν 
ovbky  όφελος  οιά  τήν  έρημίαν).  Dagegen  würden  wir  für  die 
Worte  'Ρίπαι  ουκ  οΙκοΟνται  (wovon  vielleicht  τήν  6έ  χώραν 
'Ριπίόα  καλοΰσιν  nicht  zu  trennen  ist)  bisher  vergeblich  nach 
einem  Belege  bei  Strabo  Buchen.  Auch  bleibt  für  une  immer 
noch  unklar,  an  welche«  Bruchettiok  von  Straboe  7.  Buche  wir 
dieses  neue  Fragment  angliedern  sollen,  ja  ob  es  überhaupt  zu 
Buch  7  gehört.  Denn  der  behandelte  Gegenstand  gehört  ja  eigent- 
lich gar  nicht  in  dieses  Buch,  sondern  kann  höchstens  nur  neben- 
bei gestreift  gewesen  sein.  Andererseits  aber  dürfen  wir  jenen 
Satz  auch  nicht  etwa  in  p.  388  neben  der  andern  Strabonotiz 
unterbringen  wollen,  da  der  Ausdruck  άλλαχοΟ  dafür  beweisend 
ist,  dass  Eustath  zwei  von  einander  getrennte  Strabostellen  vor 
Augen  hat. 

12.  II.  X  328  p.  1210,  49-52:  λίγει  b'  ό  Γεωγρά- 
φος και  δτι  τό  τών  Καυκώνων  γίνος  έζέφθαρται  τίλεον  (= 
Strab.  ρ.  544).  .  .  ίτι  φησιν  ό  Γεωγράφος  και  δτι  Καύ• 
κωνες  ο\  έν  ΤΤελοποννήσω,  'Αρκαδική  μοΐρα^  μη  άνε- 
χόμενοι  τό  Λεπρέου  γένος  κατάρχειν  αυτών  —  ήν 
γαρ  πονηρός  6  Λίπρεος  —  κατήραν  εκείθεν  εις  Λυ- 
κία ν.  Auch  hier  kann  man  nicht  ins  Klare  kommen,  welche 
Stelle  wir  diesem  beträchtlichen  Strabofragment  zuweisen  solleD. 
Auf  jeden  Fall  aber  haben  wir  die  Nachricht  des  Eustathius  um 
80  dankbarer  hinzunehmen,  als  sie  uns  über  dieEaukonen,  über 
Lepreoe  und  sein  Geschlecht  Thatsachen  berichtet,  die  wohl  kaam 
schon  durch  Erzählungen  anderer  Schriftsteller  bekannt  sein 
dürften. 

Nunmehr  habe  ich  noch  in  aller  Kürze  auf  die  eigenthüm- 
liche  Tbatsache  hinzuweisen,  dase  uns  Strabo  selbst  Bruchstücke 


) 


StrabobruchstDcke  bei  Eaetathias  and  Stephanue  Byzantiai     135 


eeines  7.  Bnohes  fiberliefert  bat,  indem  er  an  andern  Stellen 
eeinee  Werkes  gelegentlicb  Citate  aus  jenem  Bucbe  unterbringt. 
Zn  den  früher  von  mir  gefandenen  Beispielen  (β.  meinen  vorigen 
Aufsats  S.  447)  habe  ich  jetzt  nocb  folgende  zwei  hinzuzufügen  : 
13.  Strab.  p.  441  (Ende):  τής  όέ  =  fr.  1»:  ήν  \λ  πρό- 
Σκοτούσσης  έμνήσθημ€ν  και  έν  τβρον  π€ρΙ  ΣκοτοΟσσαν 
τοις  ΤΓ€ρΙ  Δωδώνης  λόγοι  ς  καΐ  πόλιν  τής  ΤΤ€λα(Ττιώτι6ος 
του  μαντ€ίου  του  έν  θετταλί()ΐ,  οιότι  τό  χρηστήριον. 
π€ρΙ  τοΟτον  όττήρΕε  τόν  τόπον. 

14.  Strab.  ρ.  590:  ίστι  \λ  και  ποταμός  "Αρισβος  ίν  θρ({1κτ|, 
ώσπ€ρ  εϊρηται,  καΐ  τούτου  πλησίον  ο1  Κεβρήνιοι  θρ^κ€ς• 
Dieses  Αςπ€ρ  €Ϊρηται  ist  bis  jetzt  in  seiner  Beziehung  nicht 
nachzuweisen  und  muss,  wie  auch  έν  θρ({1κΐ]  klar  beweist,  sich 
auf  das  Ende  von  Buch  7  bezogen  haben. 

Enstathius  pflügt  noch  weit  öfter,  als  wie  wir  es  gewöhn* 
lieh  zu  beweisen  im  Stande  sind,  mit  dem  Kalbe  Strabos.  Aus 
dem  Commentar  zu  Dionysins  periegetes  glaube  ich  früher  dies 
zur  Genüge  dargetban  zn  haben.  Auch  im  Homeroommentare 
Belege  dafür  zu  finden,  ist  freilich  mit  weit  grösseren  Schwierig- 
keiten verbunden,  weil  ja  der  Charakter  dieser  letzteren  Schrift 
längst  nicht  so  einheitlich  ist,  sondern  hier  natürlicherweise  das 
Geographische  sehr  in  den  Hintergrund  tritt.  Deshalb  bin  ich 
auch  gar  nicht  weiter  darauf  ausgegangen,  solche  mehr  oder 
weniger  unsichere  Spuren  zu  verfolgen,  sondern  ich  will  mich 
hier  mit  zwei  deutlichen,  zufällig  entdeckten  Beispielen  begnügen, 
welche  auch  dem  Blicke  Müllers  nicht  entgangen   sind : 

15.  II.  Β  596  ρ.  299,  8—  =  Strab.  fr.  18:  έντοΟθα 
10:  6  Κίκιυν  Όρφβύς,  δς  Όρ-  τόν  'Ορφέα  διατρΐψαί  φησι  τόν 
φ€ύς  τά  πριυτα  μέν  άγυρτεύων  Κίκονα,  fivbpa  γόητα,  άπό  μου- 
διέΖη,  €ΐτα  και  μει^Ιόνιυν  aSiuiv  σικής  5μα  και  μαντικής  καΐ 
εαυτόν  και  βχλον  και  όυναμιν  τών  περί  τάς  τ€λ€τας  όργια- 
περιποιουμενος6ΐ€φθάρηέ£έπι•  σμαιν  άγυρτεύοντα  τό  πρώτον, 
συστάσεως,  άνήρ  γόης  άπό  είτ'  ήόη  καΐ  μείΖονα  άΕιουντα 
μουσικής  τε  και  μαντικής  καΐ  εαυτόν  κα\  βχλον  καΐ  όύναμιν 
τών  περί  τάς  τελετάς  όργια-  κατασκευαίόμενον.  .  .  .  τινάς 
σμών.  b'  ύπιοομένους  έπιβουλήν    καΐ 

βίαν  έπισυστάντας  οιαφθεΐραι 
αυτόν. 

Ich  stehe  hier  mit  Müller  nicht  an,  dem  Wortlaute  des 
Eustath  grössere  Bedeutung  beizumessen  als  dem  der  straboni- 
Kchen  Epitome  und  das  με(2!ονα  des  fr.  18  auf  Grund  derFaüBMC 


136  Kunze 

defl  EnetathiuB  gegen  das  grammatiech  richtigere  μει2!όνων  ans* 
zawecbeeln. 

16.  Ebenso  etilleohweigend  holt  Mich  Eustathias  seine  Weis- 
heit aus  Strabo: 

II.  Β  596  ρ.  29«,  7  f.:   κα\  8τι  ==  Strab.    fr.    35   (An- 

έν  τή  ακτή  τή  περί  τόν  Άθων  fang) :  έν  bk  τη  άκτη  ταύττ) 
Θάμυρις  6  ΘρςΙΕ  έβασίλευσε  τών  Θάμυρις  ό  θραξ  έβασίλ€υσ€. 
αυτών  επιτηδευμάτων  γενόμενος,  ταιν  αυτών  επιτηδευμάτων 
ών  κα\  6  Κίκιυν  Όρφεύς.  γεγονώς,    ών   καΐ  Όρφεύς. 

Scblieeellch  πιαββ  ich  noch  mit  einigen  Worten  aaf  folgende 
Stelle  des  Eustathiue  eingehen,  obwohl  sie  aus  sofort  ersicht- 
lichem G-rnnde  nicht  auf  derselben  Stufe  steht  wie  die  erörterten 
16  Stellen: 

II.  Β  716  ρ.  329,  2  f.:  ό  Γεωγράφος  ht  ου  τους 
περί  Μεθώνην  μόνους  Φθίους  φησι  λέγεσθαι,  άλλα, 
ως  κα\  προείρηται,  κοινώς  τους  υπό  τώ  Άχιλλεΐ  και  τφ  TTpu)• 
τεσιλάψ  καΐ  τψ  Φιλοκτήτη.  Die  gesperrt  gedruckten  Worte 
scheinen  in  dieser  Fassung  bei  Strabo  nicht  nachgewiesen  werden 
zu  können,  während  die  übrigen  sich  in  p.  432  vorfinden.  Trotz- 
dem ist  in  jenen  auf  keinen  Fall  ein  bis  jetzt  unbekanntes  Strabo- 
fragment  zu  sehen,  sondern  Kustath  setzt  nur  in  ihnen  die  An- 
sicht des  Strabo  einer  andern  entgegen  unter  fast  wörtlicher  Ne* 
gierung  jener  andern  Meinung:  Es  heisst  nämlich  in  dem  un- 
mittelbar Vorausgehenden :  ΤΤορφύριος  bi  Φθίους  τους  ίκτης 
υπό  τφ  Φιλοκτήτη  Μεθώνης  καλεϊσθαι  \στορεϊ. 

b)  Strabo  und  Stephanus  Byzantius. 

Dass  auch  Stephanus  ßruchstiicke  aus  Strabos  7.  Boche 
aufweist,  zeigt  uns  zur  Genüge  Meinekes  Straboausgabe,  welche 
als  fr.  16%  16^  und  58*  (vgl.  auch  fr.  1)  Artikel  des  Stephann? 
ansetzt.  Freilich  ist  es  in  der  Natur  dieses  geographischen 
Wörterbuches  begründet,  dass  diese  Art  von  Strabofragmenten 
sehr  dürftig  ist  Und*  wenn  ich  glaube,  zu  Meinekes  Funden 
noch  einige  Ergänzungen  bringen  zu  können,  so  will  ich  gleich 
von  vornherein  erklären,  dass  es  sich  nur  um  ganz  wenige  Kleinig- 
keiten geringfügigster  Art  handelt: 

17.  Stephanus  u.  Κρουσ(ς*  Κρουσίς,  μοίρα  της 
Μυγοονίας.  Στράβων  έβδομη.  Vgl.  Strabo  fr.  21:  καθ€- 
λών  τά  έν  jfji  Κρουσ(δι  πολίσματα.  Also  ist  es  hier  die  Appo- 
sition μοίρα  τής  Μυγδονίας,  welche  eine  kleine  Bereicherung 
unserer  Kenntnisse  mit  sich  bringt. 


Strabobmcbstücke  bei  Eustathius  and  Stopbanue  Ryzantiun      137 

18.  Stepbanue  u.  ΆμφάΕιον*  ΆμφάΒον.  buo  μέρη 
λόγου,  πόλις.  τό  Ιϊ  αύτου  ΆμφαΕίτης.  Στράβων  ίβ- 
5όμη.  Vgl.  Strabo  ρ.  23  (ό  *Α£ιός  biaipuiv  την  τ€  Βοττιαίαν 
και  τήν  ΆμφαΕΐτιν  γήν)  nnd  besondere  fr.  11  (ΤΤαίον€ς  bt  τά 
TTepi  τόν  ΆΕιόν  ττοταμόν  και  τήν  καλουμένην  bia  τοΟτο  Άμ- 
φαΕΐτιν).  Hei  Strabo  vermiRsen  wir  bis  jetzt  den  von  Stepbanue 
als  straboniecb  bezeicbneten  Völkernamen  ΆμφαΕίτης.  leb  möcbte 
deebalb  in  fr.  11  hinter  ΤΤαίονες  bi  einschieben  ^κα\  ΆμφαΕΐ- 
ταΐ^,  nnd  ich  stütze  meine  Yermuthung  mit  dem  Hinweise  darauf, 
dass  erst  denn,  wenn  ΆμφαΕΐται  vorausgeht,  die  folgenden  Worte 
(τήν  καλουμένην  bia  τούτο  ΆμφαΕϊτιν)  einen  verständlichen 
Sinn  erbalten. 

Für  die  noch  folgenden  Stellen  genüge  blosse  Aufzählung, 
da  sie  uns  in  keiner  Weise  etwas  bisher  Unbekanntes  über- 
mittein. 

19.  Stephan.  Άβυδών,  Άβυόώνος,  χωρίον  Μακ€Οονίας, 
ώς  Στράβων  =  Strab.  fr.  20. 

20.  Stephan.  Αίνος,  πόλις  θρςίκης  .  .  .  Στράβων  1\  ^έν 
bi  τή  έκβολη  του  "Εβρου  διστόμου  δντος  πόλις  Αίνος,  κτίσμα 
<^Μιτυληναίων  και)  Κυμαίων'  =  Str.  fr.  52. 

21.  Stephan.  Κορπίλοι,  θρακών  τινβς.  Στράβων  1\  ή 
χώρα  Κορπιλική.  'ή  γαρ  Αίνος  Κ€ΐται  κατά  τήν  πρότ€ρον  *Αψυν- 
θίδα,  νυν  6έ  Κορπιλικήν  λεγομίνην*  =  Strab.  fr.  48  und  be- 
sonders fr.  58  (Ende). 

22.  Stephan.  Λήμνος*  ψκίσθη  b^  πραττον  ύπό  θρςικών, 
ο1  Σίντΐ€ς  έκαλοΟντο,  ώς  Στράβων   —  Strab.  fr.  46. 

23.  Stephan.  *05ρύσαι,  ίθνος  θρςίκης.  Στράβων  έβ- 
6όμτ|  =  Strab.  fr.  48. 

24.  Stephan.  Χαλάστρα,  πόλις  θρςίκης  περί  τόν  θερ- 
μαϊον  κόλπον.  .  .  .  Στράβων  b*  έν  έβοόμη  Μακεδονίας  αυτήν 
καλεί  =^  Strab.  fr.  21   (vgl.  auch  fr.  20,  23  und  24). 

Grimma.  R.  Kunze. 


140  van  Herwerden 

Nisi  forte  eclogarii  ant  Hbrarii  onlpä  qnaedam  omissa  Hunt 
neceeearia  ad  intellegendnra  verbum  Κ€ύθ€ΐν,  coniecerim  κλέ- 
πτε iv. 

Sopboclis  fr.  101. 

αλλ'  άϋως  ikelaq  ovbi.  μέν  (ούδ'  έμοί  Poreon)  τηκρώς' 
γένος  γάρ  εΙς  ίλεγχον  ίδιον  καλόν 
εΰκλειαν  &ν  κ  τή  σα  ι  το  μαλλον  f\  ψόγον. 
Blaydeeii  coniectura  λόγων  pro  καλόν  nibil  proficitnr.   Tam 
sententia  qnam  aermonie  ratio  poetalare  videntnr,  nt  reecribator: 
γίνους  γάρ  €ΐς  ίλεγχον  έΕιών  καλόν 
ευκλειαν  &ν  κτήσαιο  μάλλον  f\  ψόγον. 
Cf.  Sopb.  Philoct.  98.     Sed  καλόν  num  recte  ee    habeat   dabito. 

Sophoclis  fr.   139. 

οοΓτοι  γένειον  Jibe  χρή  οιηλιφές 
φοροΰντα  κόντίιταιοα  και  γένει  μέγαν 
μητρός  καλεισθαι  παβ^α,  του  πατρός  παρόν. 
Plura    in    bis  laborant.     Primam  όΐηλίφές  (eic  Casaubonns 
pro  όιήλειφες)  non  Banam  videtur,   quia  prooul  dubio  agitar  de 
barba  non  uncfa^    sed    spissa^    itaque    expectatar   6ιηρες>ές,  aot 
κατηρεφές,  deinde  vero  άντίπαις  vix  potait  appellari  bomo  bar• 
batue,  nee  γένει  μέγας  ferri  potest  dictum  pro  φύσει  μέγας,  qaod 
ipeum  poet  praegresea  tarpiter  abandaret.    Aperte  lenibns  reme- 
(iiie  locus  adeo  male  babitus  neqnit  sanari.     Venit  in  mentem 
ου  TOI  γένειον  S)be  χρή  οιηρεφές  (κατηρεφές?) 
φορουντα  κοο  τι  παιοίκ*  άντικνήμια 
μητρός  καλεισθαι  παΐδα,  τοΟ  πατρός  παρόν. 

Sopboolis  fr.  159. 

γλώσσης  μελίσσης  τψ  κατερρυηκότι. 
Suspicor: 

γλώσσης  μέλισσα  σής  κατερρυηχ'  δση! 

Sopboclis  fr.  165. 

άλλ'  obbk  μέν  5ή  κάνθαρος  τών  ΑΙτναίων  πάντως. 
Scbol.  Ar.  Pao.  73,  Σοφοκλής  Δαώάλψ'  'άλλ*  —  πάν- 
τως', λέγει  bk  πάντως  εΙκάΖων  εΙς  (ώς?)  μέγαν.  Gramma- 
ticus  voluisse  videtur  '  dicit  autem  (ita  poeta)  omnino  ,  non  vero 
'dicit  πάντως*,  et  πάvτως^hίnc  errore  repetitum  esse  poet  ee- 
narium  Hopbocleum 

αλλ'  ovbk  μεν  όή  κάνθαρος  τών  ΑΙτναίων, 
quem  cur  poetae    cum  Nauckio    abiudicemns  non  reperio  caueam 
idoneam. 


Novae  observationes  ad  tragicorum  Graecorum  fragmeuta      141 

Sophoolis  fr.  210. 

τοίγαρ  1ώ6η  φυλάξαι  χοίρος  ώστ€  Ο€σμιιυν. 

Fortaeee  legendum  est 

τί  γάρ; 

δν  b€i  φυλάΕαι  χοΐρον  ώστ€  bέύμιov. 

Sophoclis  fr.  324. 

τουτ'  έστιν  άλγιστ',  ήν  παρόν  θίσθαι  καλώς 
αυτός  τις  αύτψ  τήν  βλάβη  ν  προσθή  φίρων. 
Participium    φέρων,    qao    de    temeraria    actione   interdum 
Graeci  utuntur,  neecio  an  iniuria  tentetur.     Cf.  v.  c.  Plat.  Rep.  I 
354  Β  et  yide  Hemeterhnsium  ad  Lnciani  Dial.  Mort.  6,  3. 
Sophoclis  fr.  458. 

ή6ύ  ξανήσαι  καΐ  προγυμνάσαι  χέρα. 
Έοο  loco  poeitnm   ήόύ    num    ferri    poeeit    dubitat  Hilberg 
Princip  der  Silbenwägung  p.  215.      Si  vere,  poesie  v.  c.  ή  bei, 
eed  cf.  fr.  adeo  p.  458,  nbi  tarnen  cum  eodem,  coli,  adeo  p.  491, 
coiiici  poteet  όΕύς  βλέπείν,  et  Sopb.  fr.  790 
ώ  θ€θί,  τις  δρα  Κύττρις  ή  τις  ΐμ€ρος 
του6€  (τούτου?)  Ευνήιματο; 
SophocÜB  fr.  518. 

βιοτής  μέν  γάρ  χρόνος  έστ\  βραχύς, 
κρυφθείς  h'  ύιτό  γής  κείται  τεθνεώς 
τόν  δπαντα  χρόνον. 
Primo  obtntu  malis  κε{<Τΐ),  aed  si  sciremua  qna  opportuni- 
tate  haec  dicta  eint,  fortaeee  aliter  iudioaremue. 
Sophoclis  fr.  526. 

άλγβινά,  ΤΤρόκνη.  όήλον  άλλ'  δμως  χρεών 
τά  θεια  θνητούς  δντας  εύπετώς  φέρειν. 
θνητό  coniecit  Nauck  probante  Meinekio,  eed  ηόη  video 
quidni  mala  divinitue  immiesa  recte  θεια  dicantur.  Cf.  fr.  197 
ττώς  οΰν  μάχωμαι  θνητός  ών  θείςι  τύχη.  Accedit  quod  seqnente 
θνητούς  malto  faciliue  θεια  in  θνητά  quam  θνητά  in  θεια  de- 
pravari  potnit. 

Sophoclie  fr.  600. 

ττόλλ'  έν  κακοΐσι  θυμός  εύνηθείς  δρςί. 
Sententia  vix  integra.     Fortaeee    in    vereu    praegresso    fuit 
κακά,  V.  e.  έπε\  κακά  |  πόλλ'  κτέ.     Cf.  ad  fr.  7(>. 
Sophoclie  fr.  621. 

οδ  τοι  γυναικός  ουδέν  &ν  μεΐ2Ιον  κακόν 
κακής  άνήρ  κτήσαιτ'  δν  ούοέ  σάκρρονος 
κρεΐσσον  παθών  b'  έκαστος  ών  τύχη  λέγει. 


142 


et  ! 


et  foi 
( 

49,  50. 
Deiphoi  ■ 

ο 
et  ad  fabii. 

Έ: 

θντ- 
ubi  Busch   η 

θ  V  η  ι 
Cf.  fabulae  ai, 

Euripidis  ;. 

περισσί'. 
βρότειυν 


v-oos 


Novae  observationee  ad  tragioorum  Graeoorum  fragmenta.     145 

£nripidie  fr.  322,4. 
oub€iς  προσαιτών  βίοτον  ήράσθη  βροτών 
έν  τοις  b'  ίχουσιν  ήβητής  ηέφυχ'  δΟ€. 
uBtra  naper  Headlam: 

έν  τοις  V  ?χουσι  (βίοτον  vel  μάλλον)  ήβητής  δΙ>€ 
πίφυχ'. 
Nam  puer  Graecie  erat  Amor,  oon  pti5er,  et  reotiraime  reli- 
critici  omnes  ipsam  ήβητής  vitiosum    esse    seneenint.      Non 
όβροβάτης  quamvie  inoerta   conieotura  proposuit  Gomperz. 
Euripidis  fr.  362,29. 
κακοί  γαρ  έμπλησθέντες  ή  νομίσματος 
ή  πόλ€ος  έμπεσόντες  (έμπαίσαντες?)  εΙς  αρχήν  τίνα 
(Τκιρτώσιν,  άόόκητ'  εύτυχησάντιυν  δόμων, 
iicredibile    est    hyperbaton  έμπλη(Τθέντες  ή  pro  ή  έμπλη- 
Fortaeee  corrigendara 
κακοί  γαρ  ήτοι  'μττλήμενοι  νομίσματος  κτέ. 
i  participii  forma  miDua  nota  librariie  oeeserit  vulgatiori 
''ίντες. 
'Jem  fragmento  me  advertunt  aeyndeta  ve.  5  sqq. 
μώτον  φρένας  μέν  ήπιους  ίχειν  χρεών 
:>  πλουσιψ  τε  τψ  τε  μή  οιοούς  μέρος 
ον,  σεαυτόν  εύσεβεϊν  πασιν  bibou. 
)ϊν  πορόντοιν  πραγμάτων  προς  θάτερον 
ίμην  προσάπτων  τήν  έναντίαν  μίθες. 
ως  bk  μή  κτώ  χρήματ',  κτέ. 

'^reuam  7   et  9  aeyndesia  tribuenda  videtur  praecep- 
proponuntar  diversitati. 

s  fr.  510. 

κα\  σκοιός  ο  Ιός  έστ'  άνήρ. 
abuli    οίος    usum    νίχ    reliqni    loci    tuentur,    ubi 
]>eilativorum    aut  anperlativam    notionem    haben- 
>tponitur,  vim  äuget.     Hie  potiue  ούτος    expec- 

•r.  522. 
ων  μέν  άvbpάσιv  μέλοι  πόνος, 
•^'  δπλων  έμπέσοιεν  ήbovαί• 
τιστήμης  γαρ  έκπεπτωκότες 
αν  oObfev  εΐεν  οοθ'  ήμεϊς  έτι. 
'  k  Dobrei  correctionem  δ  ν  pro  γαρ,  eed  nesoio 
Rieum  vero  raovet   quod    Holzner  proposait 
>ις  νημάτων  πεπτωκότων.    Έκπίτττειν  έκ  τής 

;.  Ν.  F.  LVI1L  10 


τ 


144  VRU  Herwerden 


άνορός  φίλου  bk  {bk  ςραύλου  Gomperz)  χρυσός  άμαΟίας 
άχρηστος,^κτέ .  [μέτα 

£aripidi8  fr.  153. 

δ  μέν  δλβιος  ήν,  τό  ο'άπέκρυιμβν 
θ€Ος  έκ  K61VU1V  ταιν  ποτ€  λαμπρών. 
Ingeniöse  F.  Gr.  Schmidt  coniecit:  τόν  b^  ίρριψβν  et  κτεά- 
Viüv  aut  τιμών,  sed  Κ€ΐνα  τα  λαμπρά  («eil.  πράγματα)  neecio 
an  recte  dioantur  iüa  praeclara  eive  splendida.  Pro  illo  ilabitu 
an  melius  legatur  τόν  b'  ήρ€ΐψεν  aut  έκάλυψ€ν,  quo  seoeu 
verbum  adhibuit  Sophocles  0.  C.  283,  quae  si  vera  est  lectio, 
praepositio  έκ,   ut  saepe,    usarpatur  de  mutata  remm  oonditione. 

Euripidie  fr.   166. 

τό  μώρον  αυτψ  του  πατρός  νόσημ'  fvi  κτέ, 

Recte  emendatum  yidetar  αυτή,  seil.   Antigonae  (huins  eoim 

fabulae  hoc  fragmentum  est)    et  τούκ  πατρός,    sed   fortasse  Don 

p:orHU8  inutile  est  monere,  non  iungendnm  esse  τό  μώρον  νό(Τημ()[, 

sed  νό(Τημα  appositum  esse  voci  τό  μώρον  =  την  μωρίαν. 

EuHpidis  fr.  216. 

ου  χρή  ποτ'  £vbpa  οοΟλον  δντ'  ελευθέρας 

γνώμας  οιώκειν  ούό'  ές  dp  γ  ία  ν  βλεπειν. 

De  vitio  snspectam  mihi  est  όργίαν.     Nam  est  qoidem  ho- 

minie  liberi  (Τχολά2ΐ€ΐν,  non  vero   est  άργεΐν.     Quid   tarnen  sab- 

stituendnm  sit  me  latet. 

Euripidie  fr.  219. 

κόσμος  bi  σιγή  στέφανος  (ita  olim  correxi  pro  σιΤΠί 

στέφανος)  όνόρός  ου  κακοΟ' 
τό  6*  έκλαλουν  τουτ'  (istud)  ήόονής  μέν  δπτεται 
κακόν  b'  όμίλημ'  ασθενές  bi  και  πόλει. 

Correxerim: 

κακόν  6'  όμίλημ'  έστ'  ίτησι  και  πόλει 
sive  ίτη  τε  και  πόλει,  privatim  et  publice.     Cf,  Aeechyli  fr.  374 
οϋτε  bήμoς  ουτ'  ίτης  άνήρ,  ubi  coneulatnr  Nanckii  adnotatio. 

Euripidie  fr.  294. 

φθόνο Οσιν  αύτοι  χείρονες  πεφυκότες, 
εΙς  τάπίσημα  b'  ό  φθόνος  πηbώv  φίλεΐ. 
F.  G.  Schmidt  proposuit  φθονοΰσι  γαύροις,  eed  manifeeto 
superbis  (hoc  enim  eolum  yox  γαύρος  denotat  antiquiore  Gnieci- 
tate)  hie  locae  non  eet.  Praeetat  φθόνου σ^  άρίστοις,  ψ^*^' 
quam  fieri  poteet,  ut  locus  neglegentiue  excerptae  hanc  notionem 
in  praecedenti  vereu  ooutinuerit,  ita  ut  vitio  careat  αύτοΐ. 


Novae  observationee  ad  tragicorttm  Graeooram  fragmenta.     145 

Ettripidie  fr.  322,4. 

ού6€ΐς  προσαιταιν  ßioTOV  ήράσθη  βροτών 
έν  τοις  b'  ίχουσιν  ήβητής  ηέφυχ'  6be, 
Fraetra  oaper  Headlam^ 

έν  τοις  b*  ίχουσι  (βίοτον  νβΐ  μάλλον)  ήβητής  öb€ 
πέφυχ'. 
Nam  puer  Graecis  erat  Amor,  non  puber,  et  rectiesime  reli- 
qui  critici  omnes  ipsom  ήβητής  vitiosum    esse    eeneemnt.      Non 
male  άβροβάτης  quamvie  incerta   coniectura  proposuit  Gomperz. 
Euripidie  fr.  362.  29. 

κακο\  γαρ  έμπλησθέντ€ς  ή  νομίσματος 
ή  πόλ€ος  έμπεσόντες  (έμτταίσαντες?)  εΙς  αρχήν  τίνα 
σκιρτιϊισιν,  άόόκητ'  ευτύχησα ντων  δόμων. 
Incredibile    eet    hyperbaton  έμπλησθίντες  ή  pro  ή  έμπλη- 
(Τθέντες.     Fortaese  corrigendura 

κακοί  γαρ  ήτοι  'μιλημένοι  νομίσματος  κτέ. 
at  Attica  participii  forma  miDue  nota  Übrariis  oeseerit  vulgatiori 
έμπλησθίντες. 

In  eodem  fragmento  me  advertunt  aeyndeta  ve.  5  sqq. 
πρώτον  φρένας  μέν  ήπιους  ίχειν  χρεών 
τψ  πλουσίψ  τε  τψ  τε  μή  bxboύς  μέρος 
ϊσον,  σεαυτόν  εύσεβεϊν  πάσιν  bxbov, 
buoiv  παρόντοιν  πραγμάτων  προς  θάτερον 
γνώμην  προσάπτων  τήν  έναντίαν  μέθες. 
αδίκως  bk  μή  κτώ  χρήματ',  κτέ. 
Qaae  vereaum  7   et  9  asyndesia  tribuenda  yidetar  praeoep- 
torum  qaae  proponuntar  divereitati. 

Euripidie  fr.  510. 
παπαΐ,  νέος  και  σκαιός  ο  Ιός  έστ'  άνήρ. 

Huno  Yocabnli  οίος  usum  vix  reliqui  loci  tuentur,  ubi 
adiectivorum  saperlativorum  aut  superlativam  notionem  haben- 
tium,  quibus  poetponitur,  vim  äuget.  Hie  potius  ούτος  expec- 
taveram. 

Euripidie  fr.  522. 

εΐ  κερκίδων  μέν  άνδράσιν  μέλοι  πόνος, 
γυναιΕΙ  δ'  δπλων  έμπέσοιεν  ήδοναί* 
έκ  τής  επιστήμης  γαρ  έκπεπτωκότες 
κείνοι  τ'  δν  ουδέν  εΐεν  οοθ'  ήμεϊς  ?τι. 
Probat  Nauck  Dobrei  correctionem  δ  ν  pro  γαρ,  eed  nesoio 
an  praestet  δ'  δ  ν.     Risum  vero  movet   quod    Holzner  proposuit 
έκ  τών   έφ'   ίστοϊς  νημάτων  πεπτωκότων.     Έκπίπτειν  έκ  τής 

llhetn.  Μα•,  f.  Pbllol.  Κ.  F.  LVIIL  10 


1 


14β  van  Herwerden 


επιστήμης  eignificat  e£  ών  έπίστανται,  ut  έκπίπτ€ΐν  έκ  της  έλ- 
πί6ος  denotHt  Ü  ών  τις  έλπί2[€ΐ,  neo  qoidqaam  est  eaniue. 

Euripidie  fr.  572. 

?v  έστι  πάντων  πρώτον  eib^vai  του  τ]  (?) 
φέρ€ΐν  τά  συμπίπτοντα  μή  παλιγκότιυς ;  κτί. 
Graecum  sane  est  hoo  eeneu  συμπίπτβιν,  eed  Earipides  alibi 
oonstanter  utitur  verbo  προσπίπτ€ΐν.    Primum  verernn  alii  aliter 
oorrigant,  novissime  Tacker  ecribendo  beov,  poeeis  etiam  χρ€ών, 
eed  prorsas  incerta  est  correctio. 
fiuripidis  fr.  573,4. 

και  καρδίας  ίλυσε  τους  δγαν  πόνους. 
'Έπαυσε  malebat  Nauck,  eed  cf.  Pindar.  Pyth.  17  41. 
Euripidie  fr.  579. 

πάλαι  πάλαι  δη  &  έΕερωτήσαι  θέλων, 
σχολή  μ'  άπεϊρχε. 
Quo  pacto  otium  aliquem  impedire  poesit  quominus  aliqoid 
roget,  proreue  me  latet;  ipsum  contranum,  negotium^  intellegerem. 
Sed  ealva  res  est ;  una  deleta  literula  corrige 

χολή  μ'  άπ€Ϊρτ€ 
sive    tua    sive  mea    ira  intellegenda   est.     Notum   est  litteram  χ 

in  codicibus  saepe  sie  exarari,  ut  a  σχ  vix  distingui  possit. 

Euripidis  fr.  603. 

αΙνώ.  bibaEai  b\  ώ  τέκνον,  ae  βούλομαι. 
δ  τ  αν  μέν  ί5ς  παις,  μή  πλ^ον  παιδός  φρονεΐν, 
έν  παρθ^νοις  δέ  παρθένου  τρόπους  ?χ€ΐν, 
οταν  δ'  υπ'   ανδρός  χλαϊναν  ευγενούς  πίσης. 
<τΑνδον  φυλάσσειν  έν  δόμοις  καθημίνην  supplet  Hea<i- 

lam), 

τά  δ'  άλλ'  άφεΐναι  μηχανήματ'  άνδράσιν. 
Priore  loco  pro  οταν  aptius  est  ?στ'  fiv,  qtiamdiu, 

Euripidis  fr.  610. 

φθείρου*  το  γαρ  δραν  ουκ  ?χιυν  λόγους  ίχεις. 

Multo  acntius  hoc  dictum  est  quam  quod  viri  docti  propo- 
suerunt  λόγους  λίγεις  aut  έρεϊς.  Significat  enim  λόγους  ίχ^ις 
άντ'  ίργιυν. 

Euripidis  fr.  620. 

κλύετ'  ώ  μοΐραι  Διός  αϊ  τε  παρά 

θρόνον  άγχοτάτω  θεών  έίόμεναι. 
Sensu  cassum  est  τε,  et  reponenduni  γε.    Praeterea  Μοΐραι 
maiore  littera  initiali  scribendum  est.    θεών  non  pendet  ab  άγχο- 


Novae  observationee  ad  tragicorum  Graecorum  fragmenta.      147 

τάτιυ,  sed  est  genetivae  partitivus.     Verte:    audite  Parcae^   quae 
quidem  ex  deorum  numero  proxime  Jovis  solium  eonsidetis, 

£uripidi8  fr  668. 

fiveu  τύχης  γάρ,  ώσπερ  ή  παροιμία, 

πόνος  μονωθείς  ούκ^τ'  άλγύνβι  βροτούς./ 

Pro  ttltimifl  verbis  apte  coniectnm  est  ούκέτ' dXbatvei  ßpo- 
τούς  vel  oub^v  όλφάνει  βροτοΐς,  quarum  euRpioionam  utra  proba- 
bilior  eit  difficile  dictu  est.  In  äv€u  τύχης  —  μοννυθείς,  quod 
eadem  abundantia  dictom  est  quam  äv€u  —  μόνος  Ariat.  Lye.  143. 
Plat.  CoDv.  p.  217  A,  miram  est  eummos  critioos  haesiese,  in 
qaibns  Badham  et  Cobet,  qai  sine  nlla  aententia  ανευ  τύχης  in 
αν  (f|v)  ευτυχής  mutare  voluerant,  quamvie  ipeum  contrarium 
ήν  δυστυχής  minus  absurdum  fuieset.  Ab  hac  quidem  parte 
Don  peccavit  Vitelli  coniciens  πόνος  πονηθείς  et  oogitari  potu- 
erat  de  expungendo  δνευ  tanqaam  gloesa,  sed  quod  dixi,  nihil 
mutare  longe  praestat. 

Euripidis  fr.  773,  20. 

Chor 

κατά  γάν 

.  6ειλα  . .  α  .  κα  .  . .  μαι. 

Locus  Phaethontis    fabulae   desperatus,   ubi    tarnen,   ut    ar- 
guunt  verba  sequentia  μέλπει  b'  έν  bέvbpεσι  λεπτάν  |  άηbώv  άρμο- 
νίαν  όρθρευομένα  γόοις  κτέ.,  apparet    auroram    desoribi.    Com- 
parari  potest  lonis  Euripidei  oanticum  ve.  82  sqq. 
&ρματα  μίν  τάbε  λαμπρά  τεθρίππων 
ήλιος  ήbη  κάμπτει  κατά  γήν  κτέ. 

Euripidis  fr.  866. 

Alexander  Rhet.  vol.  8  ρ.  440  sq.  επιμονή  —  ή  έπι  πλεϊον 
ίπι  του  αύτου  νοήματος  επιμονή  μετά  αύΗήσεως.  Eύpιπίbης 
άλλ'  ήbε  μ'  έΕέσωσεν,- ήbε  μοι  τροφός, 
μήτηρ,  άbελφή,  bμωίς,  άγκυρα  στίγης. 
At  tria  ultima  vocabnla    aperte    frangiint    climacom    itaque 
ex  alio  επιμονής    exemplo,    sive    ex    eodem    sive    ex  alio  poeta 
(leBumto,   reliquis    adhaesisee  videntur.      Lacuna  igitur  statuatur 
post  αδελφή. 

Euripidis  fr.  919. 

Cornutus    Theol.  Gr.  comp.   c.  20  p.  35,15.    κορυφή    bfc 
θεών  κατά  τόν  Eύpιπίbηv 

ό  ηέρχΐ  χθόν'  ίχων 
φαεννός  αίθήρ. 


148  van  Herwerden 

Quo  sensu  aether  dearum  cacumen  sive  Vertex  dici  po- 
tuerit,  plane  me  fugit.  Vereor  igitur  ne  Cornntnm  oodicis  mendnm 
deoeperit,  et  poeta  dederit: 

οροφή  bk  6€uiv  6  πέριί  χθόν'  ίχαιν 
φα€ννός  αίθήρ. 

Euripidis  fr.  953,  1. 

ώ  πάτ€ρ,  έχρήν  μέν  οΟς  έγώ  λόγους  λίγω 
τούτους  λέγ€ΐν  σε. 
Sive  cum  Nauckio  scribendura    est  ^γωγ*  έρω  λόγους,  sire 
meoum  έρώ  λόγους  έγώ,    dubium    non  est  quin    propter  oppoei- 
tionem  reqniratur  emphaticum  ϋέ. 
Ibidem  vs.  34  sq. 

ÖT*  fjv  έγώ  παις,  τότε  σε  χρήν  ίητεϊν  έμοι 
fivbp'  φ  με  όώσεις. 
reqairo  optativam  οώσοις 

Euripidis  fr.   1029. 

ούκ  ίστιν  αρετής  κτήμα  τιμιιώτερον* 
ου  γάρ  πέφυκε  οουλον  οοτε  χρημάτων 
οοτ'  ευγενείας  οδτε  θωπείας  δχλου, 
αρετή  b'  δσωπερ  μάλλον  δν  χρήσθαι  θέλης, 
τοσφ6ε  μεί2Ιων  αΰίεται  τελούμενη. 
Nie!  confugere  quis  malit  ad  violentum  Meinekii  remediam 
substituentis   pro  inepto  participio  καθ'  ήμέραν,   quaerendom  eet 
verbum    aptius.      Tale     est    quod    olim     Wordeworth    proposoit 
μειούμενη,  sed  etiam  praestare  mihi  videtur  lenior  correctio  baece: 
τοσφ^ε  μεί2Ιων  αΰΕεται  'ναλουμένη. 
Dum  reliqua  κτήματα  όναλούμενα    minuuntur,  virtue  άνα- 
λουμένη  crescit. 

Euripidis  fr.   1044. 

oöt'  έκ  χερός  μεθέντα  καρτερόν  λίθον 
ßqiov  κατασχεϊν  ουτ'  άπό  γλώσσης  λόγον. 
Licet  nemo  sanus  probaverit  F.  G.  Scbmidtii  (Krit.  Stad.  Π 
ρ.  507)  coniecturam : 

öt'  έκ  χερών  άφέντα  κάρτα  και  πέτρον 
βςίον  κατασχεϊν  ή  τιν'  άπό  γλώσσης  λόγον, 
negari  tamen  nequit  eum  iure  haesisse  in  καρτερόν  improbantem 
Cobeti  coniecturam  καρτερας,    quia  sit  nihil    ad  rem  aut  lapidis 
aut   manne  κράτος.     Sed    buic    quidem    malo    faoile    medebimnr 
reddentcB  poetae 

oöt'  έκ  χερός  μεθέντα   μάρμαρον   λίθον  (πέτρον?), 


Novae  Observation  es  ad  tragicoruxn  Graecomin  fragmenta     149 

collato  Phoen.  1401 

λαβών  h^  όφήκ€  μάρμαρον  πέτρον, 
iit  scripsit  Homeri  secutus  exemplum  II.  XVI  785 

πέτρον  μάρμαρον  όκριόβντα. 
Alteram  movit  diffioaltatera  idem  vir  doctue  contendene, 
etiamei  poeeit  Naackio  aactore  defendi  comparativtie  ^^ov,  non 
poeee  defendi  qaod  difßcilius  esee  dicatur  id  qaod  omnino  fieri 
non  posNit.  Quia  tamen  in  Plotarchi  looo  de  garmlitate  p.  507  A, 
quem  affert  Nauck,  legitar  οοτ€  γάρ  πτηνόν  έκ  τών  χειρών 
άφίντα  ^(jibiov  έστιν  αύθις  κατασχεϊν  οοτε  λόγον  έκ  τοΟ 
(Ττόματος  προέμενον  yanain  hano  qaidem  moleetiam  eeee  apparet, 
et  existimandoin  eet  form  αϊ  am  ού  ß^ov  ironicam  esse  litolen  pro 
QU  δυνατόν,  eive  ούχ  οΙόν  τ€.  Ceterum  ei,  quae  fait  Naackii  een- 
tentia,  Plutarchns  hnno  ipsum  £uripidi8  locnm  reepicit,  statnendum 
aut  enm  πτηνόν  meraoriae  lapeu  scripsieee,  aat  hunc  eeee  librarii 
errorem  pro  λίθον,  aat  denique  eimilem  aliae  poetae  locnm  philo- 
eopho  Chaeronaeenei  obyereatnm  eeee.  Qnod  ei  ita  eet,  param 
caute  ageremne,  ei  Naackio  obtemperaatee,  in  fragmento  Earipideo 
e  Plntarcho  reponeremne:  oÖT*  έκ  χερών  αφέντες. 
Earipidie  fr.  1058. 

έγώ  γάρ  ?£ui  λέκτρα  αύτοϊς  καλώς  ίχειν 

δίκαιον  έστιν,  οΤσι  συγγηράσομαι. 
Acute  Headlam : 

έγώ  γάρ  Οιυ  λέκτρ',  &  τοις  καλοΐς  έχειν  κτέ. 
Sed  parum  aptum  eet  καλοΐς,  pro  quo  έ(Τθλθΐς  eive  K€b- 
νοΐς  expectatar. 

Earipidie  fr.  1063,2. 

οοποτ'  fivbpa  χρή  σοφόν 

λίαν  φυλάσσειν  δλοχον  έν  μυχοΐς  οόμιυν* 

έρ^  γάρ  δψις  τής  θύραθεν  ηδονής. 

έν  b*  άς>θόνοισι  τοϊσδ'  άναστριυφιυμένη 

βλέπουσα  τ'  εΙς  πάν  καΐ  παρούσα  πανταχού 

τήν  δψιν  έμπλήσασ'  άπήλλακται  κακών  κτέ. 
Legendam  videtur  ve.  3 

έρςί  γάρ  (ec.  άλοχος)  βψειυς  τών  θύραθεν  ήδέιυν, 
qaod  com  per  ee  melioe  dictum  eet,    tam  molto  commodiue  oon- 
iungitur  com  vereu  eequenti: 

έν  b'  άφθόνοισι  τοϊσδ'  άναστρωφωμένη. 
Earipidie  fr.  1066. 

ή  τοις  έν  οΤκιυ  χρήμασιν  λελείμμεθα, 

f|  b*  ευγένεια  καΐ  τό  γενναΐον  μένει. 


150  van  Herwerden 

Cum  Maehlyo  requiro  τών  —  χρημάτων.  Si  qnid  praeterea 
novanduTH,  non  και  pro  f\  scripeerim,  sed  potine  ei  cum  Gesnero, 
ita  tarnen  nt  in  altero  vereu  legam 

ή  τ'  ευγένεια  κα\  τό  γενναϊον  μίν€ΐ. 
Euripidie  fr.  1 109,  4. 

νυν  γάρ  κακώς  πράσσουσιν  έν  μάχη  οορός 
λόγχη  βιαίως  "Εκτορος  στροβουμένη. 
Elegantiae  Euripideae  est  έν  πάλη  οορός,  ut  legitur 
Heracl.  160  €Ϊς  πάλη  ν  καθίσταται  οορός  τό  πράγμα.  Cf. 
etiam  fr.  adeep.  72  Ις  Οίοίπου  bk  παΐδ€  —  "Αρης  κατίσκηψ'  ?ς 
τ€  μονομάχου  πάλης  αγώνα  νυν  έστασιν,  quod  fragmentam 
similiter   Euripidi    vindicaverim.     Procul    dubio    olim    in    codice 

μάχη 
legebatur  έν  πάλη  ^ορός. 

Adespot.  fr.  91. 

άπόλωλα  (βλωλα  Nauck)  *  πέπλων  μ'  ώλεσαν  περιπτυχαί. 
Haec    verba    dici    potuerunt    ab  Hercule,    fatali    Deianirae 
pallio  induto,  potuerunt  a  Creüsa,  Medeae  circumventa  dolie. 
Adeep.  fr.  127. 

φρονείτε  νυν  αιθέρος  υψηλότερον 
και  μεγάλων  πεδίων  ά  ρ  ο  υ  ρ  α  ς, 
φρονεΐθ'  υπερβάλλαμε νοι  κτέ. 
Hand  dubio  ecribendum  φρονείτε  νυν,  aed  dubitabnndo» 
propono 

φρονείτε  νυν  αΙθέρος  υψηλότερον 
παμμεγάλων  πεδίων  ά  ρ  ο  υ  ρ  α  ι  ς, 
ne  ορυβ  sit  cum  Meklero  statuere  lacunam  post  hnnc  versum.   Si 
recte  ita  conieci,  άρούραις  est  dativne  inetrumenti,  de  causa  mo* 
venti  usurpati.    Non  enim  ignoro  apud  antiquiores  formulam  μ^Τ^ 
φρονεΐν  oonetanter  iungi  cum  praepositione  έπι  c.  D.,  quam  ee- 
quiores  interdura  omittunt.     De  reliquia  alibi  monui. 
Adeepot.  fr.  138. 

έπει  σχολή  πάρεστι,  παΐ  Μενοιτίου. 
Fortasse  Antigonae  Euripideae  particula  est  hie  vereus. 

Adeepot.  fr.  208. 

Hesychiua 

έμπεδής  γαμόρος  μάρψεν  Άίδης. 
έμπεδον  ίλεγον  τον  "Αιδην,  ώς  ΊππώναΗ.  άντίον  του  ούν  (ουν 
τοΟ?)  έμπεδος  χθόνιος,    οί  δέ  ούτως*  ό  *Άιδης   επιμελής  έ(Τ"π 
γαμόρος  και  ασφαλής,   ούκ  αμελών  ούδενός,  άλλ'  εΙς  τήν  γήν 
λαμβάνων  τήν  μερίδα,  οΐον  τήν  γήν  μεριΣόμενος. 


Novae  observationee  ad  tragicoram  Graecoram  fragmenta      151 

Adnotat  Nauck  ^  locus  corruptus  oriticorum  conatue  elueit. 
afferri  ab  UeRychio  Aeachylea  verba  έμπέοας  (T€  γαμόρος  μάρ- 
ψ€ΐ€ν  *Άιοης  coniecit  Burgee  in  Aeacb.  Suppl.  p.  193.  pro  έμ- 
π€5ής  alioa  έμμ€λής  legiaae,  poetam  έμ  πέοης  scripaiaee  auapicatur 
M.  Schmidt'. 

üt  primum  Scbmidtio  reapondeam,  έμμ€λής  alioa  legiaae  ex 
HeRycbii  verbia  non  poteat  effici,  qaoniam  addit  και  ό(Τφαλής, 
qnod  reapondet  adiectivo  £  μ  π  €  b  ο  ς,  ai  autem  genaina  lectio  faerit 
ίμ  Ίΐ  ibxj^f  lonico  alicni  poetae  fragmentum  tribuendum,  quae 
opinio  tarnen  refatatnr  aeqnenti  γαμόρος  pro  γημόρος. 

Locaa  vero  band  dubie  corruptua  eat,  nam  neque  έμπ6δής 
vox  Graeca  eat  neque,  vel  ai  ίμπεόος  legimua,  probabilia  exire 
videtur  sententia.  Yix  igitur  dubito  quin  vetua  aliqna  cormptela 
grammaticoa  deceperit,  et  auapicari  auaim  latere  creticorum  re- 
liqnias  baace: 

έμ  πίδ(α>ις  χ'  όμ<μ>όρο<υ>ς  μάρψεν  ^Αίδης  ν^^. 

Adeapot.  fr.  288. 

ου  μνημονεύω  *  μή  λίαν  μ'  ήγου  σοφόν. 
Cf.  Eur.  Hipp.  518  δπιυς  μή  λίαν  φανής  σοφή.  Med.  310 
€ΐμι  ό'ούκαγαν  σοφή.  Ibidem  295  παΐδας  περισσώς 
έκοι6άσκ€σθαι  σοφούς.  Si  porro  reputamna  nullam  poetam 
tarn  frequ enter  uanrpaaae  adicctivum  σοφός  quam  Enripidea  (cf. 
trium  tragicorum  lexica),  non  abborret  a  probabilitate  auapicio, 
bunc  quoque  aenarium  eidem  poetae  tribuendum  eaae. 

Adeepot.  fr.  357. 

τής  Ο€ΐλιας  γάρ  αΙσχρά  γίγνετοι  τέκνα. 
Quoniam  Oraece    optime   dixeria    ή    btxKla    αΙσχρά    τίκτει, 
dubito  nam  neceaaaria  ait  Nauckii  coniectura    τέλη.     Uliua    uaua 
metapborici  permulta  reperiea  exempla  in  tragicorum  poetarum  et 
Nauckii  herum  fragmentorum   lexicia. 

Scribebam  Traieoti  ad  Rhenum  menae  Novembri  a.  1902. 

H.  van  Herwerden. 


MISCELLEN 


Ein  falsches  Diodorfiragment 

Noob  in  der  neneeten  Anegabe  den  Hietorikere  Diodor  ist, 
aus  der  Dindorfschen  übernommen,  unter  die  Fragmente  des 
Becbsten  Bucbes  gesetzt  (VI  8)  folgendes  Citat  aus  Eustathios 
Hom.  II.  Τ  400  ρ.  1190,50  R.:  Διόδωρος  bi  λίγβι  κατά 
μυθικήν  Ιστορίαν  Ξάνθον  κα\  Βαλίον  Τιτανας  elvai  πρό- 
τερον,  βοηθήσαι  hi  τψ  Διί,  Ξάνθον  μέν  ΤΤοσεΛώνος  έταϊρον 
δντα,  Βαλίον  bk  Διός,  και  έν  τή  μάχη  άΗιώσαι  μ€ταθέσθαι  την 
μορφήν,  οΙα  αΐδουμίνους  όρασθαι  υπό  τών  όμογβνών  Τιτάνων, 
και  γενίσθαι  τήν  αυτών  άΕι'αισιν  και  eTvai  τούτους  τους  τψ 
ΤΤηλ€Ϊ  δοθέντος,  bio,  φησί,  καΐ  Ξάνθος  μαντ€ύ€ται  τψ  Άχιλλ€Ϊ 
τόν  θάνατον. 

Diese  von  vornberein  verdächtig  klingende  Gescbiofate  iet 
aus  einer  von  Eustathios  wiederholt  benutzten ,  sehr  trüben 
Quelle,  der  Καινή  Ιστορία  des  Ptolemaios  Chennos  geflossen,  wie 
die  Excerpte  des  Photios  bei  Westermann  Mytbogr.  p.  192, 3 
(ans  dem  fünften  Buch):  ώς  Ξάνθος  και  Βαλίος  ο\  Άχιλλεως 
ϊπποι  πρότερον  Γίγαντβς  fjaav  καΐ  μόνοι  Γιγάντων  συνεμάχησαν 
τοις  θ€θϊς  κατά  τών  αδελφών  und  196,  5  (aus  dem  seebeten 
Buch):  ώς  ΓΤηλεΐ  έπΙ  τψ  τάμψ  φασ\  δωρήσασθαι  Ή(ραιστον 
μέν Ποσειδώνα  bk  ϊππους  Ξάνθον  κοί  Βαλίον  zeigen. 

Ptolemaios  hatte  also  behufs  grösserer  Beglaubigpng  seiner 
erlogenen  Geschichte  einen  Diodoros,  Verfasser  einer  μυθική 
ιστορία,  als  Gewährsmann  angeführt.  Daraus  folgt,  dass  es  der 
Historiker  nicht  sein  kann.  Gemäss  seiner  Gewohnheit  wird 
der  Falscher  dem  Namen  ein  Ethnikon  beigefügt  haben,  das  in 
den  bereits  von  Eustathios  benützten  Auszügen  weggelassen  war. 
Merkwürdiger  Weise  hat  Hercher  in  seiner  ausgezeichneten  Ar- 
beit ^üeber  die  Glaubwürdigkeit  der  neuen  Geschichte  des  Ptole- 
maens  Chennos'  (Jahrb.  f.  class.  Philol.  Supplementbd.  I  269— 
293)  dieses  Fragment  übersehen,  obwohl  es  bereits  Roulex  in 
seiner  Ausgabe  des  Ptolemaios  (Lipsiae,  Aquisgrani  et  Bnixellis 
1834)  p.  108  —  natürlich  ohne  Zweifel  an  der  Glaubwürdigkeit 
des  Gewährsmannes  —  angeführt  hatte.  Auch  Encher  (Artikel 
Balios  in  Wissowas  Real-Enoyklop.),  der  nur  das  letzte  Excerpt 
aus  Photios  kennt,  scheint  kein  Bedenken  zu  hegen.  Um  so  mehr 
dürfte  es  geboten  sein,  darauf  hinzuweisen,  dass  dieses  Fragment 
aus  dem  Texte  der  Bibliothek  zu  streichen  ist. 

Stettin.  G.  Enaack. 


Miscellen  153 

Ad  OelÜBiu 

1.  1.  XVII  2,  14:  ^Adpritne  crebriüSi  sei  cumprime  rariue 
tradnotumque  ex  eo  est,  quod  cumprimis  dicebant  pro  qnod  est 
inprimis.  Mihi  aut  cum  codice  X,  vetneto  ac  bonae  notae  libro, 
*  pro  eo,  qaod  est  inprimie  ecribendum  videtor,  qooDiam  in  eiue- 
modi  enuntiato,  ei  qnid  video,  pronomen  demonstrativnin  non  licet 
omitti,  aut  simpliciter  *pro  (qnod  est)  inprimis  .  Quamquam  de 
hoc  quoqae  dabitatio  restat,  nom  cai  iaste  praeponatnr,  prae- 
poeitio  omnino  poeeit  carere. 

2.  ibid.  §  23:  *" Mieerrimas,  inqnit,  vias  exegerunt,  et:  hie 
mimuB  in  otiie,  inquit,  oonBumptoB  est.  Elegantia  utrobique  ex 
multitudin«  numeri  quaeeita  est.'  Imnio  ^ex  mnltidinis  nnniero^, 
qnod  dicendnm  esse  et  per  se  patet  et  comparatis  libri  XIX  8 
paragraphie  3  (qaod  harena  numquam  multitiidinie  numero  appel- 
landa  eit),  11  (quadrigae  eemper,  etei  maltiiugae  non  sunt, 
multitudinie  tarnen  numero  tenentur),  13  (mel  et  vinum  atqne  id 
genns  alia  numerum  multitudinie  oapiunt)  etc.  eluoebit.  Nam 
aliter  comparatum  eet,  qnod  XIX  8,  12  legitur:  'tamquam  id 
vocabulum  (harena)  indigeat  numeri  amplitudine,^ 

3.  1.  XIX  8,  12:  'nam  cum  harena  singulari  in  numero  diota 
maltitadinem  tameu  et  copiam  significet/  Hie  cum  Parieino  Q 
m  potine  omittendum  quam  aliorum  dittographiam,  quae  videtar, 
retinendam  esse,  et  ratio  grammatioa  et  oonetans  alibi  neue  dooet. 
Conferae  velim  §  4  (plurativo  eemper  numero  dicendae),  §  5 
(quin  singulo  eemper  numero  dicenda  sint),  §  13  (nonnumquam 
eingalari  numero  appellavernnt),  §  17  (numero  eingnlari  dictum). 
Ad  hie  quoque  locin  in  praepositionem  obtrudendam  esse  putamus? 

4.  In  eadem  autem  paragrapho  cum  Madvigio  'eandemque 
rationem  habet  arena  pro  eo  quod  est  'habendam'  sribendum 
videtur.  Nam  quod  Hertzius  propoenit  ^habendam  harenae  ^  nee 
Rcntentiae  eatiefacit  nee  formae,  quoniam  neque  obliquae  orationi 
locu8  est  neo  locutioni  *  rationem  habere  alicuins  rei'.  Eidemque 
viro  doctieeimo  adetipnlamur  postulanti  'cum  ei  (vocabulo  harenae) 
eingulariter  dicto  [in  librie  scriptum  est  dici]  ingenita  sit  natu- 
ralis sui  multitudo\  Ceterum  aut  magnopere  fallor,  aut  aliud 
idque  gravins  in  bis  vitium  inesse  dicendum  est.  Quid  enim 
sibi  vuU  '^ui'?  Ut  breviter  dicam,  quod  sentio,  hanc  formaoi 
ortam  eeee  puto  ex  sua  et  supra  addito  vi  vocabulo,  quod  falso 
pro  correctura  ua  litterar  um  habebatur,  adiectivo  autem  naturailis 
ultimam  litteram  adimendam  esse,  ut  haec  iam  senteniia  evadat: 
'cum  ei  eingulariter  dicto  ingenita  sit  naturali  sua  vi  multitudo' 
id  est:  harena   multitudiois  notiouem  suapte  natura  accepit. 

5.  ibid.  §  18:  '  Uarenas  antem  πληθυντικώς  dictas  minore 
studio  quaerimus,  quia  praeter  C.  Caesarem,  quod  equidem  me- 
minerim,  nemo  id  doctoruni  hominum  dedit*  Ilaec  uti  scripta 
sunt,  recte  intellegi  nequeunt,  neque  vero  Gronovianum  edidit 
sententiae  eatiefacit.  Equidem  ooroparatis  eis,  quae  in  §  6  le- 
guntnr:  'eed  barenas  parum  latine  dici,  quis,  oro  te,  alius  aut 
scripsit  aut  dixit?*  paulo  audacius  coniciam  vetuit  pro  eo  quod  est 


154  Misoellen 


dedit.  Ceterum  harenas  πληθυντικές  dictae  habee  apiid  Bora- 
tinm  (C.  III  4,  32)  Vergilium  (G.  III  350)  Ovidium  (Met.  XV 
268)  Plinium  etc. 

Fuldae.  £d.   (joebel. 


PlangoA 

ΊΊλαγγών.  Erfinder  der  Salbe  ΤΤλατΤΟνιον'  leeen  wir  in 
Firks  Grieohiscben  PereonennameD^  S.  381,  und  auch  BenReler 
bat  im  Wörterbuch  der  Eigennamen  den  schon  von  Pape  mit 
Bertifnng  auf  Athenaeus  XV  S.  6ü0e  eingereihten  Männernamen 
ΤΤλαγγών  beibehalten,  den  ein  'Arzt  in  Elle,  Erfinder  einer  Salbe, 
welche  nach  ihm  ΤΤλαγγόνιον  genannt  wnrde',  geführt  haben 
soll.  Der  Name  ^  Puppe  ist  für  einen  Mann  ebenso  auffällig/ 
alfi  er  bei  Frauen  und  Mädchen  begreiflich  und  häufig  ist,  und 
einer  Frau  wird  die  Erfindung  des  ΤΤλαγγόνιον  auch  Ronet  zu- 
geechrieben,  so  in  Photios  Bibliothek  S.  532*»  15  Bekker  (Πλαγ- 
γόνιον  οπ€ρ  eöpe  γυνή  Ηλεία  καλούμενη  Πλογτών)  und  in  den 
Scholien  zu  Clemens  Alex,  IV  S.  124  Klotz  (ΤΤλαγγόνιον  από 
ΤΤλαγγόνος  τής  έφευρηκυίας).  Woher  Benseier  die  Runde  ge- 
irchöpft  bat,  dass  einem  Arzt  in  Elis  das  ΤΤλαγγόνιον  verdankt 
werde,  weins  ich  nicht;  Athenaeus  sagt  einfach  ΤΤολέμων  b'  iv 
τοις  προς  'Abaiov  παρά  Ήλείοις  φησι  μύρον  τι  ΤΤλαγγόνιον 
καλεΐσθαι,  εύρεθέν  ύπό  τίνος  ΤΤλαγγόνος.  Darnach  haben  wir 
also  keine  Veranlasfiung,  im  Widerspruch  zur  sonstigen  üeber- 
lieferung  hier  ΤΤλαγγών  für  einen  Mann  zu  halten,  und  das  weib- 
liche Geschlecbt  um  die  Ehre  einer  Erfindung  ärmer,  das  Lexikon 
um  einen  unglaublichen  Männernamen  reicher  zu  machen. 

Paul  Wolters. 


Finanznttthe  nnd  Kunstwerke  in  Knidos  und  anderwärts 

Die  bekannte  Nachricht  de«  Plinius  (36,  21)  über  die  kni- 
dische  Aphrodite:  'volait  eam  a  Cnidiis  postea  mercari  rex  Ni• 
comedes,  totum  aes  aliennm  quod  erat  ingens  civitatis  dissolu- 
turum  se  promittens',  findet  im  allgemeinen  ihre  richtige  Um- 
gebung durch  die  immer  reichlicher  sich  einfindenden  Belege  für 
die  Finanznoth  der  griechischen  Staaten  in  späterer  Zeit^,  aber 
sie  erhält  angeblich  auch  im  Besonderen  werthvolle  Bestätigung 
und  Beleuchtung  durch  eine  von  Newton  gefundene  Inschrift-, 
nach  welcher,  wie  es  heisst,  die  Stadt  Knidos  unverzinslich  Gelder 


1  Vgl.  C.  Wachemuth,  Rhein.  Museum  40,  1885,  S.  283.  E. 
Szaiito.  Wiener  Studien  7,  1885,  S.  23>.  8,  1886,  S.  1. 

2  Newton.  Diacoveriee  at  HalicarDassns,  Cnidus  and  Branchidae 
11  S.  f;89.  Dareate,  H.  C.  H.  4,  18H0,  S  341.  Ancient  Greek  inecriptions 
in  the  British  Museum  IV  1  Nr.  897  mit  G.  Hirschfelds  Erläuterungen 
(Ueeners  dort  angeführte  Bemerkung  steht  Rhein.  Museum  29,  1874, 
S.  49). 


Miscellen  lf)5 

von  ihren  reicheren  Bürgern  geliehen  hat  εΙς  την  (Ττοάν  ήν  6 
δήμος  άνατίθησιν  τψ  *  Απόλλωνι  και  βασιλ€ΐ  ΤΤτολεμαίψ.  Der 
Dank  ward  ihnen  durch  Verewigung  ihrer  Namen  έν  τη  τταρα- 
(Ττάδι  τής  (Ττοάς  ausgedrückt,  die  Rückzahlung  durch  Verpfän- 
dung verschiedener  Einkünfte  garantirt;  allerdinge  sind  es  be- 
zeichnender Weise  meist  zweite  Hypotheken,  mit  denen  sie  sich 
begnügen  müssen.  Dabei  werden  nun  anch  Bildwerke,  βΐκόνες, 
genannt,  und  schon  Newton  hat  sich  dabei  an  die  Erzählung  des 
Plinius  erinnert,  ohne  allerdings  die  Aufzählung  der  εικόνες  unter 
den  πόροι  erklären  zu  können.  W.  Klein  ^  hat  mit  mehr  Ent- 
schiedenheit die  Inschrift  zur  Erläuterung  des  Plinius  benutzt 
und,  im  Anschluss  an  Szanto,  hier  bezengt  gefunden,  dass  die 
Knidier  alle  nur  denkbaren  Staatseinnahmen  und  Staatsgüter,  ein- 
schliesslich des  Besitzes  an  Kunstwerken,  verpfändet  hätten.  Von 
dieser  Verpfändung  der  Statuen  bis  zu  ihrer  Veräusserung  wäre 
allerdinge  nicht  mehr  weit. 

Aber  diese  Auffassung  der  Inschrift  ist  irrig.  Einige  der 
früheren  Erklärer'  haben  offenbar  eine  ganz  andere  gehegt,  aber 
nur  allzn  kurz  angedeutet,  und  so  mögen  ein  paar  Worte  ge- 
stattet sein,  um  diese  richtige  Ansicht  wieder  zur  Geltung  zu 
bringen  und  die  armen  Knidier  vor  gar  zu  bösem  Leumund  zu 
bewahren.  Es  heiest  in  der  Inschrift  (Z.  9  £Γ.):  πόρους  υττο- 
κεΐσθαι  αυτοϊς  τους  τε  ύποτεθέντας  εΙς  το  βουλευτήριον  κομι- 
σαμίνα>ν  οίς  ττρότερον  ύττετέθησαν  ύποκεϊσθαι  bk  αύτοϊς  και 
τους  ύποτεθεντας  εΙς  τάς  εικόνας,  τήν  πεντηκοστην  και  τό 
τραφεΐον  τών  δρκων,  κομισαμένων  οΐς  πρότερον  έψήφισταΓ 
ύποκεϊσθαι  bl  αύτοΐς  και  έκ  τής  οΙκονομίας  έκαστου  ένιαυτοΟ 
τάλαντον,  δταν  έκκομίσωνται  αυτό  και  τον  τόκον  οΐ  δανείσαντες 
έπι  τοις  ύποτεθεϊσιν  αύτοϊς  άπό  τής  οΙκονομίας  SH  ταλάντοις' 
τα  bk  λοιπά  υπάρχει  ν  είς  τήν  οικονομίαν*  προςυποκεΐσθαι  bk 
και  τό  γενηθέν  Ικ  τής  στοάς,  πραθέντων  τών  κιόνων  και  τών 
£ύλ(υν  και  του  κεράμου  καΐ  τών  πλίνθων.  Nur  diese  letzte  Ein- 
kunft ist  den  neuen  Gläubigern  ganz  verschrieben,  der  Erlös  aus 
dem  Baumaterial  einer  älteren,  offenbar  zum  Abbruch  bestimmten 
Halle,  alles  übrige  sind  zweite  Hypotheken  auf  laufende  Ein- 
künfte, bei  denen  also  die  Rechte  der  ersten  Hypotheken  ge- 
wahrt bleiben  müssen.  Der  Staat  verpfändet  demnach  in  dieser 
Weise : 

1.  die  schon  εις  τό  βουλευτήριον  verpfändeten,  nicht  näher 
bezeichneten  Einkünfte,  aus  denen  aber  die  Inhaber  der  ersten 
Hypothek  vorher  befriedigt  werden  müssen, 

2.  unter  derselben  Einschränkung  (τους  πόρους)  τους  ύπο- 
τεθέντας  εΙς  τάς  εικόνας,  τήν  πεντηκοστην  και  τό  γραφεΐον 
τών  δρκων, 

3.  aus  der  οΙκονόμία  jeden  Jahres  ein  Talent,  nachdem  auch 
hier    ältere  Gläubiger  befriedigt  sind  (die  jährlich  je  ein  Talent 

1  Bei  Szanto  S.  14,  28  und  Praxiteles  S.  250. 
*  Dareete  8.  343,  dem  sich  G.  Hirechfeld  S.  74,    allerdings  nicht 
ohne  Bedenken,  anschliesst,  und  Wachsmuth  S.  285. 


156  Miecellen 

Rückzahlnng  und  Zinsen  von  der  im  ganzen  6  Talente  betragen- 
den Anleihe  zu  fordern  haben)  ^ 

Έβ  handelt  eich  also  (2)  nicht  um  eine  Verpfändang 
von  Bildwerken,  sondern  um  eine  zweite  Hypothek  auf  die- 
selben Einkünfte,  welche  bereits  mit  einer  ersten  Hypothek  €ΐς 
τάς  €ΐκόνας,  zur  Bestreitung  der  Herstellung  von  Sta- 
tuen, belastet  sind.  Diese  Einkünfte  werden  näher  bezeichnet, 
es  sind  die  π€ντηκο(Ττή,  der  Ein-  und  Ausfuhrzoll,  und  das  γρα• 
φ€Ϊον  των  δρκων,  die  Stempelsteuer  auf  Kaufverträge.  Aleo 
nicht  verpfändet  hat  die  verschuldete  Stadt  ihren  ererbten  Kunet- 
besitz,  sondern  sie  hat  Schulden  gemacht,  um  noch  neue  Statuen 
dazu  aufzustellen.  Welcher  Art  diese  letzteren  waren,  ist  leider 
nicht  angedeutet;  für  sicher  können  wir  nicht  halten,  daes  e6 
praxitelische  Aphroditen  waren.  Ebenso  gut  könnten  es  Denk- 
mäler gewesen  sein,  welche  nur  die  Höflichkeit  zu  setzen  zwan^, 
wie  ja  auch  die  neu  zu  bauende  Halle  TU)  Απόλλωνι  καΐ  ßacTiXei 
ΤΤτολ€μαίψ  geweiht  werden  sollte. 

Und  damit  könnte  diese  Ehrenrettung  der  Knidier  enden. 
Aber  ihr  Advokat  muss  zum  Schluss  gestehen,  dass  er  sich  viel 
kürzer  hätte  fassen  dürfen,  wenn  er  nur  den  ehemaligen  glück- 
lichen Besitzern  der  berühmtesten  Aphrodite  zu  Gefallen  dae 
Wort  ergriffen  hätte.  Denn  dann  wäre  die  Auslegung  der  be- 
denklichen Inschrift  für  seine  Clienten  ganz  gleichgültig:  die  In- 
schrift geht  nämlich  die  Enidier  gar  nichts  an.  Das  Versehen, 
welches  ihnen  derartige  Finanzoperationen  in  die  Schuhe  schiebt, 
geht  auf  Dareste  zurück,  der  zuerst  nach  Newton  diese  'In- 
scription  de  Cnide'  besprochen  hat,  und  ihm  sind  Waohsmutb, 
Szanto  und  Klein  gefolgt.  Newton  aber  (IIS.  691)  erzählt  aus- 
drücklich, dass  er  den  Stein  in  einem  türkischen  Hauae  westlich 
vom  Mausoleum  in  Halikamass  fand,  nicht  gar  zu  weit  von  dem 
Rest  der  Weiheinschrift  jener  auf  ihm  erwähnten  Stoa.  In  Hali- 
kamass also  stand  diese  Halle,  und  wir  wissen  demnach,  das« 
die  Residenzstadt  weiland  Königs  Maussolos  es  war,  die  zur  Be- 
zahlung ihrer  Bauten  und  Statuen  zu  Anleihen  griff,  wenn  eie 
kein  baares  Geld  hatte.  Aber  auch  ihr  dürfen  wir  nichts  Äer* 
geres  nachsagen ',  vor  allem  nicht,  sie  hätte  ihre  Kunstwerke  um 
schnöden  Mammon  verpfändet. 

Würzburg.  Paul  Wolters. 


^  Aus  der  οΙκονομ{α  wird  jührlich  ein  Talent  für  die  Schulden- 
tilpTUDg  vei  wendet,  dies  (darum  αΟτό  und  nicht  bestimmte  Zahlangal*) 
bekommen  die  älteren  Gläubiger,  bis  ihre  ganze  Forderung,  Kapital 
und  Zinsen,  beglichen  ist;  erst  von  diesem  Zeitpunkt  an  (δταν  έκκο• 
μ(σωνται)  haben  die  neuen  Gläubiger  Ansprüche.  Die  Zinsen  der  6 Ta- 
lente sind  anscheinend  ausser  der  Amortisation  von  1  Talent  jährlich 
zu  entrichten.  Ebenso  wie  mit  dieser  stellt  es  milden  übi  igen  zweiten 
Hypotheken,  deren  Tilgung  erst  nach  völliger  Tilgung  dvr  ersten 
beginnt. 

2  Verpfändung  von  Bauwerken  und  öffentlichen  Anlagen  wird 
thatsächlich  einigemale  berichtet:  aus  Lampsakos  (die  Akropolis,  Athen. 


Miecellen  157 

W^rmeer  VerfluehnB^etafeln 

Im  Paalus-Maseain  zu  Worme  befinden  sich  6  Bescbwörungs- 
täfelcben    aus  Blei,    welche   1885   bei  Kreuznacb  gefunden   sind. 
Veröffentlicht    und    besprochen    wurden  sie  von  A.  Weckerling, 
D.  röm.  Abtheilg.  des  P.-Mueenms    der  Stadt  Worms  II  (1887) 
65  ff.  Taf.  XIV,  XV,  XVIK    Durch  die  Güte  des  Herrn  Professor 
Dr.   Weckerling  hatte  ich  Gelegenheit,    die  Täfelchen  wiederholt 
ZQ   nDtersnchen;    es  seien   im  Folgenden  einige  Ergänzungen  zur 
Lesung  und  Erklärung  beigetragen. 
1.  Täfelchen. 
inimicorum  nomina  ad  inferos      Aninius  Victor 
Optafus  Silonis  Qnartio  Seueri 

Fautus  Oretto  Sinto  VcUefiiis 

Terentius  Ättisso  Luiumarus  lanius 

5  Atticinus  Ammonis  Similis  Crescentis  15 

Latinus  Valeri  Lucanus  Silonis 

Adiutor  luli  Communis  Mercatoris 

Teriius  Bomiti  Pviblius  offector 

Mansueius  Senodiftium  Aemilius  Siluanus 

10  Montantis  materiarius  Cossus  Matuinus  90 

1  ad  inferos  ans  Ende  der  2.  u.  3.  Zeile  geschrieben  —  3  lac. 
W(eckerling)  -  4  mit  Klein«  -ins  Nesso  (?)  W  —  8  [Z)]omiii(i)  W  — 
9  Senodatium  um  in  Ligat.  LM?  —  Senotaeuni  W  —  18  Sint[o]  W  — 
Ib  Tul?liu8  W;  doch  s.  S.  70  u.  71  —  19  Nime?iu8  W  1887,  Aemüius 
später  1894  —  20  Co[8]8U8  Matui[n7]i  W  —  MaesiH)  Klein  aO.  139. 

Die  Art  der  Benennung,  das»  der  Vatersnamen  im  Genetiv 
hinzugefügt  wird,  wie  sie  sich  2,  5,  12,  13,  15,  16,  17  findet, 
deutet  auf  peregrini  (so  auch  W  S.  70);  darüber  vgl.  Hang  in 
Bure.  Jahresb.ei  (1894),  254,  CagnatCours  d'Ep.  Lat.»  (1898)  58,  1. 

Bei  den  Formen  Valeri,  luli,  Bomiti  6—8  könnte  man  an 
die  Nominativformen  auf  -i  (-is)  der  Gentilicia  auf  -ins  denken  ^, 
eodaee  auch  die  hier  Genannten  römische  Bürger  wären;  aber 
einmal  erheben  sich  Bedenken  wegen  der  Zeit  (die  Täfelchen  setzt 
W  S.  71  ine  I.  Jahrb.  n.  Chr.),  zweitens  zeigt  unser  Täfelchen 
4,  11,  19  die  Gentilicia  stets  verbunden  mit  den  Cognomina. 
Eher  wird  man  in  diesen  Gentilnamen  den  Namen  des  peregrinen 
Vaters  zu  erkennen  haben;  über  den  Gebrauch  der  Gentilnamen 
als  Pränomen  vgl.  Cagnat  48  f.  Ein  Pränomen  als  Namen  er- 
scheint auf  unserm  Täfelchen:  18  Publius  offector, 

11,  508  /*),  aus  dem  äolischen  Kyme  (die  als  περίπατοι  dienenden 
στοαΐ,  Strabo  13,  622)  und  aus  den  kleinasiatischen  Städten  insgemein 
nach  dem  ersten  mithridatischen  Kriege  (θέατρα,  γυμνάσια,  τείχος,  λι- 
μένες, Appian  Mithr.  (VS). 

^  Weckerlinge   Text   wieder   abgedruckt   bei  ΛVün8ch  CIA.  app. 

p.  xxvm. 

^  In  der  Festschr.  z.  50jähr.  Jub.  d.  Ver.  von  Alterthunisfr.  im 
Rheinl.  1891,  140. 

^  lieber  diese  Nominativformen  vgl.  Hübner  Hdb.  1 668  f'.i  Cagnat 
50,  7,  G.  Mohl  Introduotion  k  la  Chronologie  du  latin  vulgaire  1899, 283  f. 


158  Miscellen 

2.  Täfelcheii. 

Valetis  Sinuc  sine  cUi  inimici  ?rmd  .  us 

VcHeniinus  Sinto  initnctis  sie  comdi  plurnbum 
sia>sidet  sie  Sintonem  et  Mariialem  Sint[onis 
et  Adiuforium  Sinfonis  ei  quisquis  contra 
β  Rubrium  Fr.  η  ...  et  me  Quartionem 
siqui  contraueniet  Sintonem  et  Adiuto 
rium  &ius  Sintonis  defero  ad  infero 
sie  nusquam  contra  nos  .  .  .  .  ssi  respond  .  . 

•  •  •  ■    •    ■     • 

nis  cum  loquantur  inferis  sie  öllwnus 

10  non  paventem  tamquam  inferos 

1  ali{i)  [?]  immici  8 W  —  2  comdi  .  .  ti  .  m  .  um  W,  vgl. 

S.73  —  3  suh  .  .  det  W,  vgl.  S.73  —  5  Eut>rium  i t  wf?" 

.  .  .  onem  W,  vgl.  S.  74  —  (>  contraven  .  .  .  W  —  8  nos ....  '"^  s»  . 

u^ton  .  W   —  9  hquanlur  ini  ^  .  %  .  ,  .  .  um^s  W   —    10   tamqua^ 
.  .  .  ris  W 

2  cotndi  =  qnomodi  dnrcb  Analogie  nach  eicuti,  sicnbi  ge- 
bildet =  quomodo;  vgl.  Wünsch  Rh.  Mus.  55,  240.  Der  Ane- 
fall  dee  ο  nach  m  iet  wohl  auf  die  Betonung  comodi  zurück- 
zuführen. —  4  Adiiäorium  schlägt  Herr  Professor  Wünsch  vor 
als  adiutorium  Bechtsbeistand'  zu  fassen;  doch  scheint  durch 
die  Nebeneinanderstellung  von  Martialem  Sintonis  et  Adiiäonum 
Sintonis  die  Annahme,  dass  hier  ein  zweiter  Sohn  des  Sinto  ge- 
nannt wird,  wahrscheinlicher.  —  5  Das  Wort  nach  Btibrium  kein 
Yerbum,  sondern  ein  Name,  etwa  Frontonis,  wie  auch  nach  Bu- 
hrium  zur  genaueren  Bezeichnung  zu  erwarten.  JRitbrius  und 
Quartio  waren  wohl  Brüder.  —  6  siqui  wohl  kein  Name,  wie 
Herr  Professor  Wünsch  vorschlägt,  sondern  Adverb  'in  irgend 
einer  Weise'.  —  8  am  Ende  könnte  man  an  respondere  Vor  Ge- 
richt erscheinen*  denken  oder  an  ein  davon  abgeleitetes  Wort, 
etwa  Substantivum.  —  9  nis  =  nisi? 

Als  Parallelen  vergleiche  man  aus  griechieohen  Defixionen 
zu  2f.:  Wünsch  CIA.  app.  105b:  ώς  οΰ[το1ς  ό  μόλυ[ρ5]ος 
ψυχρός  και  Α[θ]υμος,  [ούτως  και  τά  τών  ενταύθα  τ€τ]ραμμενων 
ψυχρ[ά  .  .  ?στω],  vgl.  auch  106  b,  107,4.  Zu  4f. :  ebend.  praef. 
XIII  (=  Bull,  de  corr.  Hell.  XVll  250)  1  Γράφω  πά[ντα]ς  τους 
έμοι  άντία  ποιουντας  μετά  τών  (ά)ώριυν.  94,  8  τά  δι- 
καιώματα (απαντ)α  &παρασκ€(υ)άί€ται  έπ'  έ,μέ.  Praef. 
XV  (=  Rh.  Mus.  9,  370)  24  ϊνα  μη  ουνηθή  (Ί)ωνικώ  άντίος 
€λθ€ϊν.  Praef.  XVIII  {-=  Proceedings  174,  Ι)  29  ϊνα  μή  δύ- 
νη(ταί)  μοι  μη[0€νι]  πράγματι  έναντιιυθήν(αι),  vgl, ebenJ. 
Proceed.  176  IV  14  f.\ 


*  An  die  Formeln  der  antiken  ßeschwörung,  wie  sie  auch  die« 
Täfelchen  zeigen,  erinnern  in  manchem  die  Formeln,  unter  denen  die 
miltelalterlifhen  (Joüesurtheile  vollzogen  wurden.  So  findet  sich  in 
diesen  ordines  iudicioram  dei,  gesammelt  bei  K.  Zeumer  1886  in  MG 
bist.  leg.  V  2,  die  typische  Form  des  Zauberspruches  durch  die  Gegen• 


Miscellen  159 

Der  Sinn  der  neuen  mit  8  beginnenden  ßeecliwörnng  kann 
leider  auch  jetzt  noch  nicht  erkannt  werden. 

4.  Täfelchen. 

Α  Fructus  Gra  Β  sie  non  ius 

eilis  et  Aurum  sii  r  esto 

AdUorium  9  r  h  qucis 

def 
5  i 
ris 

Α  1-2  wie  W  —  2/3  Äur  .  (elius)?  Um  |  mitoruu87  W  —  4 
Β  3  lac.  W. 

Α  4  —  6  ist  man  vereacht  zu  ergänzen:  def(eTo)  i(nfe)rie; 
bei  Β  2,  3  iet  in  r  vielleicht  eine  Abkürzung  zn  sehen,  etwa  für 
religatus,  relatus  oder  receptus  (sc.  ad  inferos),  vgl.  recipite  bei 
Wünsch  Rh.  Mus.  55,  240. 

5.  Täfelchen. 

Α  Data  nomina  Β  Bis  manibus  ?ms  v  , 

ad  inferos  .  .  L  Celi  f  haul  .  m  ,  ua 

et  siquis  alias  hos 

habe 
5  neca  illa  η  ,  .  . 

Α  2  nach  inferos  nt«  W  —  Β  1  ν  vielleicht  Abkürzung  für  voveo 
W,  oder  Zahlzeichen?  —  2  lac.  W   -  3  alias  bis  5  lac.  W 

Das  6.  Täfelchen  Hcheint  5  Zeilen  gehabt  zu  haben ;  doch 
lassen  die  Buchstaben,  soweit  sie  zu  erkennen  sind,  eine  Deutung 
nicht  zn. 

Lanbach  i.  H.  Fr.  Adam i. 


Ueber  τοίος  luid  τοιοΟτος 
In  dieser  Zeitschrift  55  S.  482  f.  hat  Radermacher  über 
το(Τούτος  gehandelt  und  den  Nachweis  versucht,  dass  τθ(ΤοΟτος 
nicht  bloss  eine  relative,  sondern  auch  eine  absolute  Bedeutung 
habe  (*eehr,  ausserordentlich  gross'),  womit  sich  die  üeberliefe- 
rung  in  Eur.  Ion  374  ές  γαρ  τοσούτον    άμαθίας    έλθοιμ€ν    αν, 

überstelluDg  mit  quomodo  —  sie  c^anz  ähnlich  in  dem  exorcismus  aque 
des  Priesters  S.  6f)7  Z.  30:  ut  sicuti  eam  {sc.  aquam)  in  baptismatis 
saeramento  ad  diluendas  sordes  criminum  in  te  credentium  consecrasti^ 
ita  ad  detegenda  huius  facti  crimina  per  te  sumat  potentiam,  ()(>5,  33: 
Deus  omnipotenSj  eicut  liberasii  tres  pueros  de  Camino  ignis  ardentis 
et  Susannam  de  faho  crimine  et  Danielem  de  lacu  leonum,  sie  innocentes 
pedes  .  .  salvos  .  .  conservari  digneris,  vgl.  B70,  2H;  β77,  40;  700,  19. 
Ebenso  findet  sich  die  fast  stehende  Erweiterung  der  Beschwörung 
durch  die  Formel  et  quisquis  zB.  βΓ)8,  1:  Ν.  et  quicumque  huius 
criminis  fraudem  commisit,  .  .  .  sentiat  interdictum,  ne  possit  .  .  .  vgl. 
ü59,  17,  37;  671,  11.  Beachtenswerth  ist  auch  die  Vorschrift  zB.  (>44, 
28:  Tunc  statim  proiciet  eos  in  aquam.  Haec  omni  α  dehent  it*iuni 
facere;  neque  Uli  anten  comedent,  qui  ipsos  mittunt  in  aquam  (,  quam 
qui  mittuntur  zugefügt  bei  649,  14)  Als  Erklärung  wird  zugefügt 
641,  42:  quia  per  ieiuniam  vincetur  dinbolum. 


160  Misoellen 

€l  τους  θεούς  άκοντας  έκπονήσομεν  φράΣβιν  &  μη  θέλοιχτιν 
κτέ.  rechtfertige.  Für  den  Nachweis  eind  Stellen  benatzt,  welcbe 
eine  andere  Auffassung  erfordern. 

Oefters  stehen  τοιούτος  (τοιόσδβ)  nnd  τοσοΟτος  ankündigend 
und  die  Eigenschaft  oder  Grösse,  welche  der  Schriftsteller  dabei 
im  Sinne  hat,  echliesst  sich  entweder  appositioneil  an  oder  wird 
in  einem  erklärenden  (γάρ)  Satze  gebracht,  zB.  Dem.  20,  18  το 
μέν  τοίνυν  της  πόλεως  ήθος  .  .  ϊδοι  τις  δν  τοιούτον,  άψευοίς 
και  χρηίΤτόν,  ου  το  λυσιτελέστατον  προς  άρχυριον  σκοπούν 
κτέ.,  18,  45  τοιουτονί  τι  πάθος  πεπονθόταιν  απάντων,  ουκ  έφ' 
ίαυτούς  έκαστων  οίομένων  το  οεινόν  ήΕειν,  Plat.  Staat  603  Ε 
άνήρ  .  .  επιεικής  τοιάσοε  τύχης  μετάσχων,  υ\όν  άπολέσας  .  . 
βςίστα  οΤσει  των  δλλων,  Lach.  189  Ε  και  ή  τοιά6ε  σκέψις  ε(ς 
ταύτόν  φέρει,  σχεοόν  6έ  τι  και  μάλλον  έΕ  αρχής  εϊη  δν.  εΐ  γάρ 
τυγχάνομεν  κτέ.  Hiernach  ist  Anduk.  π.  είρ.  33  zu  henrtheilen: 
είσι  bi  τίνες  οι  τοσαύτην  ύπερβολήν  της  επιθυμίας  ίχουσιν 
είρήνην  ώς  τάχιστα  γενέσθαι*  φασι  γάρ  και  τάς  τετταράκονθ' 
ημέρας  έν  αίς  ύμϊν  έΗεστι  βουλεύεσθαι  περίεργον  είναι  κτί 
Hier  steht  φασι  γάρ  statt  des  gewöhnlichen  ώστε  φάναι,  die 
Stelle  beweist  also  nichts  für  den  absoluten  Gebrauch  von  το- 
σούτος. Die  gleiche  Bewandtniss  hat  es  mit  Hei.  303  ές  γάρ 
τοσοΟτον  ήλθομεν  βάθος  κακών  α\  μέν  γάρ  δλλαι  bia  τό  κάλ- 
λος ευτυχείς  γυναίκες,  ήμας  b'  αυτό  τοΟτ*  άπώλεσεν.  Da  ee 
sich  aber  hier  mehr  um  die  eigentümliche  Beschaffenheit  als  um 
die  Grösse  des  Unglücks  handelt,  kann  man  toioGtov  vermutben. 
Die  Vertauschung  von  τοιοΟτος  und  τοσούτος  findet  sich  öftere. 
Im  Uebrigen  ist  τοσούτος  ohne  Anstoss,  von  einer  absoluten 
Bedeutung  von  τοσοΟτος  kann  jedenfalls  keine  Rede  sein.  Heliod. 
Aeth.  ly  4  kündigt  τοσούτον  das  folgende  όργυιών  πλήθος  an, 
gibt  also  auch  keinen  Anlass  zu  einer  anderen  als  der  gewöhn* 
liehen  Auffassung. 

£ine  einzige  Stelle  ist  mir  begegnet,  an  welcher  τοιούτος 
in  absolutem  Sinne  dem  Zusammenhang  aufs  Beste  entspricht, 
Aesch.  Pers.  239  και  στρατός  τοιούτος  ίρΗας  πολλά  b#i  Μήδους 
κακά.  Aber  auch  hier  genügt  die  gewöhnliche  Erklärung,  nach 
welcher  τοιούτος  durch  ίρΕας  näher  bestimmt  wird.  Es  bleibt, 
soviel  ich  sehe,  das  einzige  τοΐον  übrig,  wie  es  Aesch.  Sieb.  567 
steht;  f\  TOiov  ?ργον  και  θεοϊσι  προσφιλές,  zu  welcher  Stelle 
der  Schol.  mit  Recht  bemerkt:  καθ'  ύπόκρισιν,  oder  Schutzfl.  405 
εϊ  πού  τι  μη  τοΐον  τύχοι.  Vgl.  Hesych.  τοΐον*  οΰτως  αγαθόν, 
τάσσεται  καΐ  έπι  θαυμασμοΟ  (wohl  mit  Bezug  auf  die  angeführte 
Stelle  der  Sieben).  Dieser  Gebrauch  erklärt  sich  aus  Homer, 
wo  der  Vortragende  bei  μείδησε  bi  θυμφ  σαροάνιον  μάλα  τοΐον 
(υ  302)  mit  τοΐον  auf  das  Grinsen  seines  Gesichtes  hinwies 
(γέλως  ό  καθ'  ύπόκρισιν  γενόμενος  nach  Apollonios). 

München.  Ν.   Wecklein. 


Verantwortlicher  Redacteiir:   L.  Rader  mach  er  in  Fioiin. 

(8.  Januar  1903.) 


ν 


DREIHEIT 

(Fortseizong  von  Heft  I  S.  1  ff.) 


II 

Wie  weit  verbreitet  und  lange  wirkeam  im  Altertbume  dl• 
Neigung  war,  drei  Götter  zu  einer  Einheit  zaeammenssafateen, 
haben  wir  wahrgenommen.  E0  mneete  sieh  αηβ  die  Ueberzeugung 
aufdrängen,  dase  wir  vor  einem  wie  mit  der  Kraft  eine•  Natur^ 
gesetsea  waltenden  menschlichen  Triebe  •tehen*  Beobacbteride 
Forschung  mag  daran  Genüge  finden,  inaofern  da•  Gesetz  ft^r  Mit 
einzelne  Erscheinung  einen  ausreichenden  Grund  abgibt«  KrkUrt 
wird  diese  dadurch  nicht,  so  lange  nicht  das  Gesetz  selbst  s^ift« 
Erklärung  gefunden  hat  Danach  haben  wir  zu  soeben.  Kinlgs 
BeobaclituageD,  die  wir  fiber  Gotterdreibeit^n  anzureifi^  babei»^ 
werden  uas  allubäblick  tiefer  führen.  Aber  mo  einfautb  di^  Kf' 
kenntaies  audi  aeia  sag,  der  Weg  zu  ihr  urt  ά^ίτη^ΐπνοΜ,  dara« 
Yemag  ick  niekta  zu  ifidem« 

BILDLICHE  VOBftTELLr.VG 

1    Der  BeipiM  dw  Zw*i-Xrir>.  Ιλα  χλ*λ  atr  i«.  ^  aivt*  Z*i  .- 
form  At»  I^WM^M  usiC  λ  i*jL.r»r-ti.*rs  ι?>•ηκ•.ι  Λχ.*α  Ζ»,  ,  ^^t%,  Cvtif*3aL 

Yoe    giC-äd»»    l>vy}f^^''*t:tn.    vuc   J>^/v>^'«'"i>'*«r4  ^u*.f?w.r    ^ 
fundc•^.     Svjtsii*:  Ulit.*«'    iiti<«a.    **•.ν•    ν.^Λ   η    ir^  λ*  t  ν  .tv««!?*' 
kraft    Ä»  TiiJjM*   ituC    t*!»  ,Viiiv*af    jr*:^./•.      <u.*»»  ^j^:   *iv;t     r^t 

wof4ca  «nC    Jet  0«'  irtjuinittv  :j«uih•.*:    >>*:v»f»»    *i*    t.*^i    K^iur    uut 
oic  LeMBflknd^  dir  'iVv^/.iuii^,      Vif    u«>v;^<••  ti»t    <.»-4  /•*»5*<;ιλι. 


1  JfAua    #1    *-'  u 


162        ,  Usener 

Wir  kennen  bereite  die  fremdartige  Geetalt  der  indischen 
Trimurti,  drei  Köpfe  auf  einem  Bumpf  (S.  32),  nnd  haben  die 
nicht  minder  grotesken  Bildungen  gallischer  Oelgötzen  (S.  31) 
wenigstens  gestreift.  Der  gallische  Dreikopf  ^,  zuweilen  als  Glied 
einer  Dreieinheit  dargestellt,  öfter  allein  und  dann  meistens  auf 
den  Kopf  beschränkt,  wird  auf  dem  Altar  von  Beaune  so  gt- 
bildet,  dass  aus  einem  einheitlichen  Rumpfe  drei  zusammen- 
gewachsene Hälse  steigen,  auf  denen  drei  scheinbar  selbständige 
^  Köpfe  sitzen.  Gewöhnlicher  wird  ein  einheitlicher  Kopf  dadurch 
dreitheilig  gemacht,  dass  das  Antlitz  wie  aus  drei  Gesichtern 
zusammengewachsen  erscheint:  dreifache  Nase,  Mund  und  Bart, 
aber  die  Augen  sind  sparsamer  Weise  so  vertheilt,  dass  das  mitt- 
lere Antlitz  an  dem  linken  Auge  des  an  seiner  rechten  Seite  an- 
stossenden  und  an  dem  rechten  des  links  befindlichen  Gesichts 
theilhat,  also  nur  vier  oder  gar  zwei  Augen  dargestellt  werden; 
wir  werden  diese  Bildungsweise  noch  in  später  Zeit  fortleben 
sehn  (S.  181  f.).  Auf  alten  Thongefassen  belgischen  Ursprünge 
dagegen  wurde  die  Büste  eines  dreiköpfigen  Gottes '  so  gebildet, 
dass  ein  einheitlicher  Kopf  sich  in  drei  Geeichter  gliedert  und 
jedes  derselben  sein  eigenes  Augenpaar  erhält.  Das  vollständig 
erhaltene  Gefäss  des  Cabinet  des  modailles  zu  Paris  zeigt  die 
Büsten  der  sieben  Tageegötter,  durch  die  Abfolge  wird  der  Drei- 
kopf sicher  bestimmt:  es  ist  der  gallische  Mars.  Beachtene- 
werth,  obschon  von  S.  Reinach  als  fraglich  bezeichnet,  ist,  daes 
der  mittlere  der  drei  Köpfe  Ansätze  zu  zwei  Hörnern  zutragen 
scheint.  Ein  weiteres  Denkmal  derselben  Bildungsweise,  auf  das 
Herr  Sal.  Reinach  die  Güte  hatte  mich  aufmerksam  zu  machen, 
ist  vor  wenigen  Jahren  in  der  Dordogne  gefunden  worden',   es 

1  De  Witte  in  der  Revue  archcol.  1875  n.  s.  XXX  p.  383  ff. 
Alex.  Bertrand  in  Rev.  arch.  1880  n.  s.  XXXIX  p.  337  ff.  XL  1  ff.  70  ff., 
besonders  p.  7—13,  kurz  auch  Religion  des  Gaulois  p.  341  ff.  mit  den 
Abbildungen  p.  316  f.  Eine  Uebersicht  der  Denkmäler  und  Litteratur 
gibt  Sal.  Reinach,  Bronzes  figures  de  la  Gaule  Romaine  p.  187  ff.  I>er 
3köpfige  Gott  für  sich  dargestellt,  bärtig,  mit  Widderkopf  in  der  linken, 
ist  zu  Paris  gefunden,  jetzt  im  musee  Carnavalet,  Rev.  arch.  40,  9. 
Die  zu  Reims  gefundenen  Stelen  (Altäre)  sind  so  geformt,  dass  sie  in  einen 
Kopf  mit  drei  Gesichtern  zu  zwei  Augen  auslaufen,  aO.  40,  10  n.  5  ff. 

2  Abgebildet  von  Bertrand  in  Revue  archeol.  1893  t.  21,  288  f.. 
das  Pariser  Gefäss  auch  von  Babelon,  Guide  illustre  au  Cabioet  des 
modailles  (1900)  p.  24  und  F.  de  Villenoisy  im  Bulletin  de  Tlnstitut 
archeol.  Liegois  1892  t.  XXIII  auf  der  zweiten  Tafel  zu  p.  424  f. 

»  L'Anthropologie  t.  X  (1899)  p.  246  f.  mit  Abbildung. 


Dreiheit  16S 

ist  der  an  der  Bruet  abgebrochene  obere  Tbeil  einer  Statne :  die 
drei  eelbetändig  gedachten  aber  hinten  zaeammengewaoheenen 
Köpfe  zeigen  vollen  Haar-  nnd  Bartwache,  durch  welchen  der 
Hals  yerhiillt  wird;  der  mittlere  trägt  das  gallieohe  Haieband 
and  zeigt  zwei  kleine  Vertiefangen,  die  vermathen  lassen,  dass 
er  einmal  Homer  trag;  die  Gestalt  besitzt  nar  zwei  Arme,  eine 
die  linke  Seite  bedeckende  Chlamys  ist  so  zarfickgeschlagen,  dass 
auf  der  rechten  Seite  Schalter,  Arm  and  Brast  frei  werden.  Aach 
in  Sardinien  sind  mehrfach  rohe  dreiköpfige  Götzen  gefunden 
worden^.  Dae  sind  naive  Missbildungen,  die  man  einer  nicht 
darcb  die  Kunst  geschalten  Phantasie  zu  Lasten  schreiben  mag. 
Aber  der  Antrieb  zu  solchen  Bildungen  war  allenthalben  vor- 
handen. 

Das  bekannteete  Beispiel  dreigestaltiger  Bildung  aus  der 
hellenischen  und  hellenistischen  Welt  ist  Hekate.  £s  wird  nicht 
leicht  ein  Museum  antiker  Bildwerke  geben,  in  dem  sie  nicht 
vertreten  wäre.  Um  die  Sammlung  und  Sichtung  dieser  Zahl- 
zeichen Denkmäler  hat  sich  Eugen  Petersen^  verdient  gemacht, 
dessen  Abhandlung  es  mir  erspart  die  einzelnen  Belege  auf- 
zufahren. Die  einheitliche  Bildung  der  Hekate  ist  zwar  bis  in 
die  Eaiserzeit  hinein  bekannt  geblieben  ^    Aber  die  dreigestaltigen 


1  Abbildungen  bei  Guigniaut  Nouv.  galerie  mythol.  pl.  LVI  bis 
n.  314  c  La  Marmors  Voyage  en  Sardaigne  pl.  XXIV  n.  67  Oerhard 
Ges.  akad.  Abb.  Taf.  45  N.  1.  Von  unbekannter  Herkunft  (altetraskisch 
nennt  sie  der  Herausgeber)  und  daher  unbestimmbar  ist  eine  kleine 
Bronze  des  Museum  von  Lyon,  die  einen  bis  auf  die  mit  einer  Art 
von  Schurzfell  bedeckte  Scham  nackten  Mann  darstellt,  dem  neben  dem 
eigentlichen  Kopf  von  jeder  Schalter  je  ein  Hals  und  Kopf  emporragt 
(Gazette  archeol.  1880  t   VI  pl.  22  vgl.  £.  de  Chanot  ebend.  p.  136  f.). 

'  Archäologisch-epigraphisohe  Mittheilnngen  aus  Oesterreich  lY 
(1880)  140—174  V  (1881)  1—84,  vgl.  auch  Röscher  im  Mythol.  Lexikon 
1,  19(X)  ff.  und  £t.  Michon  in  den  Melanges  d'archeologie  de  Pecole 
fran^aise  de  Kome  XII  p.  407  ff.  Der  wichtigste  Zuwachs  ist  wohl  der 
Marmor  von  Marseille  (in  Fröhners  Katalog  der  antiken  Bildwerke  des 
mnsee  de  Marseille  n.  234  p.  95  f.),  eine  sehr  alterthümliche  Dar- 
stellung der  drei  mit  den  Rücken  an  einander  gelehnten  Gestalten,  ver- 
einigt mit  dem  darunter  angebrachten  Tanz  der  Mädchen  (Petersen 
5,  26  ff.). 

β  Petersen  aO.  4,  142  f.  fiingestaltig  war  das  hoch  verehrte 
Tempelbild  von  Lagina  bei  Stratonikeia,  oft  auf  Münzen  dieser  Stadt 
geprägt  8.  Cat.  Brit.  Mus.,  Caria  p.  150.  154  ff.  Taf.  XXIII  17  und 
Imhoof-Blumer  Griech.  Münzen  S.  152  (676)  f.  Taf.  X  14  Kleinasiat. 
Mz.  1,  156  f.;  aber  auch  auf  anderen  Münz<-  ^  begegnet  die 


16i  Usenet 

Darstellungen  waren  eo  sehr  die  Regel,  dass  Paneanias  (II  30, 2) 
an  dem  von  Myron  geschaffenen  Tempelbild  der  Hekate  auf  Aigina 
es  als  eine  Besonderheit  hervorhebt,  dass  Antlitz  and  Leib  ein- 
heitlich waren  ^.  Die  dreigestaltige  Bildung  führt  er  auf  das 
Vorbild  zurück,  das  Alkamenes  mit  seiner  Hekate  Epipyrgidia 
auf  der  Akropolis  gegeben  habe.  £r  brauchte  einen  berühmten 
KfLnstlernamen.  Aber  der  Künstler  konnte  nur  darstellen,  was 
in  der  Vorstellung  des  athenischen  Volks  lebendig  war;  und  sein 
Verdienst  konnte  nur  darin  bestehn,  dass  er  die  Tolksthümliche 
Vorstellung  mit  den  Forderungen  künstlerischer  Schönheit  glück- 
lich zu  vereinigen  verstand.  So  gefasst  kann  das  ürtheil  des 
Periegeten  zu  Recht  bestehn.  Sämmtliche  Bilder  der  dreigestal- 
tigen  Hekate,  soweit  sie  die  ganze  Figur  geben,  halten  bei  aller 
Verschiedenheit  des  Einzelnen  gemeinsame  Orundzüge  fest,  die 
nicht  durch  die  mythologische  Vorstellung  bedingt  sind,  also 
auf  ein  künstlerisches  Vorbild  zurückweisen.  Drei  selbständige 
Franengestalten  in  voller  Bekleidung,  den  Polos  oder  Kalathoe 
auf  dem  Haupt,  hohe  brennende  Fakeln  in  einer.  Schale  oder 
Kanne  in  der  anderen  Hand,  aber  auch  mit  herabhangenden  oder 
den  Oewandsaum  fassenden  Händen,  pflegen  um  eine  über  sie 
emporragende  runde  Säule  bezw.  dreieckigen  Pfeiler  aufgestellt 
zu  sein.  In  den  jüngeren  Bildern,  wie  sie  in  der  Kaiserzeit  ge- 
läufig waren,  auffallend  durch  die  rohe  Allegorik  der  Attribute, 
die  keiner  der  sechs  Hände  fehlen,  ist  der  Pfeiler  in  der  Mitte 
aufgegeben,  aber  die  Gruppierung  ist  die  gleiche:  die  drei  Frauen 
sind,  mehr  oder  weniger  enge,  mit  den  Rücken  an  einander  ge- 
schoben ;  diese  Fortbildung  war  schon  in  Denkmälern  der  älteren 
Gattung  vollzogen  worden,  wie  auf  dem  Mettemich*schen  Relief 
(Petersen  Taf.  V)  und  dem  phrygischen  Grabstein  eines  ββϊαβ 
(Bull,  de  corr.  hell.  XX  Taf.  XVI  p.  64).  Das  ist  die  Hekate 
τρίμορφος,  triformis  (Ovid  met.  7,  177  Valerius  7,  395),  terge- 
mina  (Vergil  Aen.  4,  511),  fernis  variaia  figuris  (Claudian  rapt 
Pros.  1,  15).  Auch  am  Pergamenischen  Altar'  wird  die  Selb- 
ständigkeit der  drei  Gestalten  festgehalten :  eine  kämpft  mit  bren* 


eingestaltige  Hekate,  s.  Imboof-Blumer  Grieoh.  Mz.  S.  150  (674)  und 
181  N.  551  Lyd.  Stadtmünzen  S.  122. 

1  Aegina  prägt  übrigens  unter  Septimius  Severns  das  Bild  der 
dreigestaltigeu  Hekate,  s.  Imhoof-Blumer  und  Gardner,  Numism.  oomio• 
on  Pausanias  p.  45  Taf.  L  III. 

3  (Pucheteins)  Beschreibung  der  Skulpturen  aus  Pergamon  1 
(1902),  23. 


Dreiheit  165 

nender  Fackel,  die  mittlere  mit  der  Lanze,  die  dritte  mit  dem 
Schwerte ;  aber  sie  sind  hinter  einander  gestellt  und  eng  zu• 
eammengerücht  um  die  iine  Hekate  zur  Darstellung  zu  bringen. 
Die  Vorstellung  der  Einheit  in  den  drei  Gestalten  musste  zu  ein- 
heitlicherer Zusammenfassung  des  Bildes  führen,  indem  eine  ein- 
heitliche Gestalt  die  Dreiheit  durch  drei  Köpfe  bekundete.  Häufig 
iet  80  Hekate  als  dreiköpfige  Herme  dargestellt  worden,  und 
gerne  scbmtickte  man  den  dreieckigen  oder  runden  Schaft  auch 
noch  mit  drei  tanzenden  Mädchen,  die  mit  den  Bildern  der  älteren 
Hekatäen  auffallende  Familienähnlichkeit  haben  ^:  die  Hekate 
τρικάρηνος,  τριαύχην  (Lykophron  1186),  τριπρόσωπος,  triceps 
(Ovid  met.  1,  194).  Auch  ein  ägyptisches  Zauberbuch  schreibt 
vor,  die  Göttin  ^mit  drei  Gesichtern  und  sechs  Händen',  die  Fa- 
kein  tragen  sollen,  zu  zeichnen^;  aber  hier  werden  die  Köpfe 
selbst  ins  gespensterhafte  variiert:  links  von  dem  menschlichen 
soll  der  Kopf  eines  Hundes,  rechts  einer  Kuh  (in  einem  anderen 
Falle :  einer  Ziege)  sitzen,  die  Gestalt  soll  die  einer  Sandalen 
tragenden  Jungfrau  sein.  Das  Streben  nach  Einheit  hat  dann 
noch  weiter  geführt.  Eine  kleine  Bronze  der  Pariser  National- 
bibliothek (Babelon-Blanchet  p.  308  n.  699)  stellt  Hekate  als 
einheitliche  Mädchengestalt  dar  mit  der  Bekleidung  der  Artemis 
als  Jägerin ;  auch  Hals  und  Kopf  sind  einheitlich  (das  Haar  oben 
zu  einem  Knoten  gebunden),  aber  der  Kopf  gliedert  sich  in  drei 
nach  verschiedenen  Seiten  schauende  Gesichter.  Eine  Terracotta 
aus  Smyrna  (Colleotion  J.  Gr^au  t.  II  n.  797  p.  183)  stellt  auf 
ein  dreiseitiges  Postament  einen  breiten  Hals,  aus  dem  ein  Kopf 
der  Hekate  mit  drei  gleichartigen  wie  Masken  behandelten  Ge- 
eichtem hervorwächst.  Also  nun  ein  Kopf  mit  drei  Gesichtern, 
die  H.  τριπρό(Τΐυπος  im  strengen  Sinn  des  Worts.  Man  hat  die 
getrennten  drei  Körper  der  Hekate,  weil  ein  Anhalt  zum  Ver- 
ständnies fehlte,  als  eine  künstlerische  ^Ausgestaltung'  der  drei- 
köpfigen Herme  betrachtet^.    Das  ist  eine  ümkehrung  des  Wegs, 


1  Petersen  aO.  5,  24  f.  26  ff.  Belege  zu  den  Benennungen  gibt 
derselbe  ß,  18  Anm. 

*  Grosser  Pariser  Zauberpap.  bei  Wessely  (Denkeohr.  d.  Wiener 
Akademie,  philol.-hiat.  Cl.  B.  XXXVI)  p.  98  Z.2119  ff.  Etwas  anders 
ebenda  p.  117  Z.  2878  λαβών  λ(θον  σιδηρίτην,  tv  φ  έττ€Τλύφθω  Εκάτη 
τριπρόσωπος,  καΐ  τό  μέν  μ^σον  irpoouiirov  ήτω  κ€ροσς>όρου  (mit  der 
Mondsichel)  παρθένου,  τό  bi  βύοίτνυμον  κυνός,  τό  6έ  άιτό  δ€Ειών  αίγός. 
Dazu  halte  man  den  orphisohen  Chronos  S.  168. 

'  Petersen  aO.  5,  19  mit  der  Anm.  57. 


166  Usener 

den  die  mythologiecbe  Voretellung  geben  mneste.  Das  Zeitver- 
bältnies  der  Denkmäler  vermag  bier  nicbt  zu  entecbeiden ;  die 
Zweckmäesigkeitegründe,  welcbe  zur  Aufstellung  an  Wegen  die 
Hermenform  bevorzugen  lieesen,  galten  nicbt  fUr  ein  Cultusbild, 
das  an  die  ureprünglicbe  Voretellung  von  der  Gottbeit  gebanden 
war.  Mit  den  Worten  eines  Hymnus,  die  im  Pariser  Zanber- 
papyrus  zweimal  vorkommen  und  dadurcb  sieb  beriebtigen  lassen  ^, 
wollen  wir  scbliesslicb  die  Dreibeitsvorstellungen,  die  man  mit 
Hekate  verband,  zusammenfassen: 

τρΙκτυπ€  τρίφθογγε  τρικάραν€  τριώνυμε  Μήνη, 
Τρινακία  τριπρόσιυπε  τριαύχενε  και  τριοδϊτι, 
f|  τρισσοις  ταλάροισιν  ίχεις  φλογός  όκάματον  πυρ 
και  rpiobujv  με^έεις,  τρισσών  δεκάδων  τε  άνάσσεις, 
5  κα\  τρισΐ  μορφαΐσιν  καΐ  φλέγμασι  κα\  σκυλάκεσσι 
biov  ύόν  λαγόνων  πέμπεις  Ü  ώκεανείων 
φρικτόν  άναυδήσασα  θεά  τρισσοΐς  στομάτεσσι  — , 

Der  dreifaltigen  Hekate  stellt  Vergil  (Äen.  4,  511)  die  tria 
virginis  ora  Oianae  zur  Seite.  In  der  Tbat  sind  aucb  Bildern  der 
Artemis  drei  Köpfe  gegeben  worden,  und  wir  dürfen  einer  An- 
spielung des  Komikers  Dipbilos  entnehmen,  dass  zu  Atben  solcbe 
Bilder,  vermutblicb  im  bäuslicben  Cultus,  sebr  üblicb  waren.  Die 
Diana  CelcHtis  eines  Denkmals  der  Sammlung  Modena  in  Wien 
entspricbt  ganz  den  älteren  Hekatebildern,  drei  Frauen  um  eine 
runde  Säule  gestellt;  wir  dürfen  uns  danacb  von  der  Artemis 
Kelkaia,  die  nacb  Arrian  Anab.  ΥΠ  19,  2  von  Xerxes  aus  Atben 
geraubt  worden  sein  soll,  einen  Begriff  machen.  Durcb  unwill- 
kürlicbe  Analogie  übertrug  sieb  die  Dreigestalt  der  Hekate  auf 
andere  ibr  wesensverwandte  Göttinnen.  So  wird  Brimo  von  Ly- 
kophron  1176  τρίμορφος  genannt.  Im  Aberglauben  läuft  Hekate 
mit  der  Königin  des  Todtenreicbs  in  eins  zusammen*  £in  Hymnus 
fübrt  neben  Artemis  aucb  Persepbone  geradezu  als  Beinamen  der 
Hekate  auf^;  ein  iambiscber  Zauberspruch  beginnt 


1  Bei  Weeeely  aO.  p.  107  f.  (vgl.  p.  30)  Z.  2524  f.  (=  A)  und 
115  Z.  2820  f.  (=  B).  V.  1  τρίφθογγε  Β:  τριφοντε  Α  |  τριώνυμε  σ£- 
λήνη  Β  σελήνη  Α:  das  Hauptwort  war  durch  die  Sigle  (  angedeutet! 
2  τριναχία  Α  θρινακία  Β  |  3  φλόγας  Α  |  αματον  Β  |  4  τριόδων  Α:  τρισ- 
σών Β  Ι  με5έ€ΐς  Β :  μ€θέπεις  Α  |  οεκατων  δε  Α  δ'  εκατϋιν  τε  Β  |  5  -  Τ 
fehlen  Β  |  5  τρεις  μορφαισΐ  Α  |  6  διονυν  εΕ  άτονων  πέμπεις  ο2Ιεανϊιυν  Α. 

'  Pariser  Zauberpapyrus  bei  Weeeely  aO.  Ζ.  2523  =  2819  *Άρτεμι 
Περσεφόνη  έληφηβόλε  νυκτοφ<&νεια.    lamb.  Zauberspruch  ebend.  ρ.  80, 


Dreiheit  167 

Πέμπω  τροφάς,  τρικάραν€  νυχΙα  παρθίν€, 
κλ€ΐοοΟχ€  Π€ρσέφασσα,  Ταρτάρου  κόρη, 
γορταπΓΐ  beivn  πυρΛρακοντόίωνε  παϊ. 
Mit  Hekate  als  Wegegöttin  (Ένοδία  ΤριοΝτις  Trivia)  be- 
rührt eich  Herinee  sehr  nahe.  Wenn  Arietophan ee  im  Triphalee 
TOD  einem  dreiköpfigen  Hermes  sprach  ^,  so  war  das  nicht  blos, 
wie  die  alten  Erklärer  angeben,  launige  Verdrehung  des  vier- 
kopfigen  (τετρακέφαλος)  Ή.,  der  an  einem  Kreuzweg  des  Eera- 
meikos  stand.  Aus  einer  Ortsangabe  des  Bedners  Isaios  kennen 
wir  einen  (Hermes)  Τρικέφαλος,  der  in  der  Zeit  der  Peisistra- 
tidoB  an  einem  Wege  aufgestellt  war  \  Und  es  wird  deren  noch 
mehr  im  alten  Athen  gegeben  haben,  vermuthlich  überall  da, 
wo  drei  Strassen  zusammen  stiessen  und  jeder  Kopf  auf  eine 
Strasse  zu  weisen  hatte.  Wir  dürfen  den  alten  Gelehrten  darin 
Glauben  schenken,  dass  die  zahlreichen  Hermen,  mit  denen  die 
Söhne  des  Peisistratos  und  ihre  Freunde  Athen  schmückten,  zu- 
gleich einen  praktischen  Zweck  hatten.  Aber  nicht  erst  durch 
diesen  war  die  Dreiköpfigkeit  hervorgerufen.  Dass  sie  durch 
ältere  Vorstellung  des  Cultus  begründet  war,  ersehen  wir  daraus, 
daee  zu  Nonakris  in  Arkadien,  einer  Stadt,  die  bei  der  Grtlndung 
von  Megalopolis  (370)  verlassen  wurde  und  zur  Zeit  des  Pau- 
sanias  nur  noch  an  dürftigen  Besten  kenntlich  war,  Hermes  als 
dreiköpfiger  Gott  verehrt  wurden  Zu  Trozen  wurde  Hermes 
in    der  Gestalt  eines  alten  Schnitzbildes    als  Ερμής  ΤΤολυγιος^ 

1401  vgl.  113,  2747  TTcpocqpova  τρικάραν€.  Ueber  Artemis  Kelkaia  and 
Diana  Celoeitis  s.  Petersen  aO.  5,  21  f. 

1  Ariatophanes  in  Meinekes  Com.  II  p.  116G,  XI  bei  Hesychios 
α.  'Ερμής  τρικέφαλος. 

^  Isaios  bei  Harpokration  p.  178,  3  (verbessert  von  Sauppe  fr. 
or.  p.  235^  3),  dazu  Photios  lex.  p.  601,  24  EM  766, 24.  Vgl.  Ev.  Otto 
De  tutela  viarum  p.  170  Sluiter  lect.  Andooid.  p.  41  f.  Für  Hekate- 
bilder  bezeugt  dieselbe  praktische  Verwendung  Ovid  fctsL  1,  141  'ora 
vides  Heoates  in  tres  vertentia  partes,  servet  ut  in  temas  compita 
secta  vias*. 

*  Lykopbron  680  Νυινακρι<&της  τρικέφαλος  φαι6ρός  θ€Ος  mit 
Tzetzes,  vgl.  CvHolzinger  z.  St.  p.  272.  Zur  Geschichte  der  Stadt  s. 
Paus   VIII  27,  4.  17,  6. 

^  Paus.  II  31, 10.  Die  Verderbnise  von  ui  in  ι  ist  sehr  gewöhn- 
lich. Ein  Bruder  der  Sappho  und  der  gleichfalls  aas  Mytilene,  ja 
wie  der  Vatersname  zeigt,  wohl  aus  demselben  Gesohlecht  stammende 
Feldherr  Alexanders  des  gr.  hiessen  Εύρύγυιος  (woraus  *Ερύγυιος  *Ep(- 
γυιος  geworden):    aber  Εύρύγιος   heisst  er  bei  Snidas   u.  Σαπφώ,   und 


168  üsener 

verehrt;  das  Bild  war  so  alt,  daee  die  Legende  es  aohon  in  der 
Zeit  des  Heraklee  yoranseetzen  konnte :  es  braucht  wohl  nur  ans- 
gesprochen  zu  werden,  daee  dieser  H.  ein  ιτολύγυιος  war  und 
diesen  Namen  von  den  sechs  Armen  (und  Beinen  ?)  hatte,  die  er 
den  Köpfen  entsprechend  führte.  Ihren  dreiköpfigen  Chronos 
beschrieb  die  Orphische  Theogonie  (fr.  36  Ab.)  als  Drachen: 
das  göttliche  Haupt  sass  in  der  Mitte  zwischen  einem  Stier-  und 
Löwenkopf;  das  erinnert  an  die  Hekate  der  Zauberbücher  (S.  165). 
Die  Vorstellung  war  im  Alterthum  verbreitet  und  geläufig. 
In  dem  Pariser  Zauberbuch  (Wesselj  S.  123  Z.  3131  f.)  wird 
nach  ägyptischen  Ueberlieferungen  eine  Anweisung  gegeben  zur 
Bildung  eines  dreiköpfigen  Dämon:  man  nehme  etruskiscbes 
Wachs  und  bilde  eine  Statuette  von  drei  Handbreiten ;  drei  Köpfe 
soll  sie  erhalten,  der  mittlere  sei  der  eines  Seehabiohts,  der  rechte 
eines  Hundsaffen,  der  links  einer  Ibis;  der  erste  soll  die  Könige- 
binde des  Horos,  der  HundsafPe  die  des  Hermannbis,  die  Ibis  die 
der  Isis  tragen;  die  einheitliche  Gestalt  soll  wie  Osiris  gekleidet 
sein,  aber  vier  ausgebreitete  Flügel  haben  und  die  beiden  Hände 
an  die  Brust  legen.  Auch  die  Traumbücher^  berücksichtigen  den 
Fall,  dass  einem  ein  Wesen  mit  3  Köpfen  erscheint;  und  so  sieht 
Aristeides  während  seiner  Krankheit  einmal  den  Asklepios:  die 
Statue  des  Gottes  hatte  drei  Köpfe  und  der  Körper  war  von 
Feuer  umleuchtet. 

2  An  den  feindseligen  Dämonen,  den  Räubern  des  himm- 
lischen Schatzes,  haftet  von  frühester  Zeit  an  die  Yorstellong  wie 
des  drachenartigen  Wesens,  so  der  Dreileibigkeit.  Unter  den 
verschiedenen  Namen,  welche  diese  Dämonen  im  Rigveda  fuhren, 
ist  wohl  der  älteste  ahi  zend.  ajshi  gr.  ίχις  (Schlange):  mit  ihm 
nimmt  Indra  (ursprünglich  Trita  Aptya)  den  Kampf  auf,  wie  es 
Rv.  X  1,  8  heisst,  *den  dreiköpfigen  mit  sieben  Schwänzen  echlng 
Indra';  ein  andermal^  wird  er  beschrieben  als  'der  sechsäogig^e, 
dreihänptige'  ^  Dreiköpfig  (trigiras)  und  schlangen  artig  ist  auch 
der  von  Trita  bezw.  Indra  erschlagene  Visvarupa,  der  Sohn  des 

bei  Plutarch  Alex.  10  liegt   hinter   der   hei.  Corruptel  δέ  φρύγιον  «η• 
nächst  b*  Εύρύγιον. 

^  Artemidor  1,  35  p.  37, 14  Horcher.  Aristeides  or.  eacr.  IV  bei 
Dindorf  t.  I  p.  517. 

3  Rigveda  X  99,  6  vgl.  Mnir  Orig.  eanekrit  texte  5,  98. 

β  Vgl.  R.  Roth  in  der  Ztschr.  d.  deutschen  morgenl.  Geeellechflft 
2,  220. 


Dreiheit  1B9 

Tyaslitar^;  dreiköpfig  nicht  minder  der  Asare  den  Viehnn,  und 
der  Rakshae  den  in  oft  erwähntem  Kampfe  Rama  tödtet;  eelbst 
Khuvera,  der  Gott  der  Schätze,  trä^t  bei  indischen  Lexikographen 
dieee  Bezeichnung.  Bei  den  Eraniem  ist  Wort  und  Vorstellung 
fortgepflanzt  worden:  die  Verheerende  Schlange'  a/shi  dahaka^ 
welche  im  Avesta  von  Thraetana  (dem  Trita-sohne)  erschlagen 
wird,  hat  drei  Rachen,  drei  Schwänze,  seohe  Augen  und  tausend 
Kräfte*.  Und  noch  im  Schahname  steht  dem  Helden  Feridun 
(ans  Thraetona)  als  feindseliger  Tyrann,  der  schon  dem  Knaben 
nach  dem  Leben  trachtet,  Zohak  (zuweilen  geradezu  ash  dehak 
genannt)  die  alte  verheerende  Schlange^  des  Avesta,  gegenüber. 
Auch  die  drei  Köpfe  sind  ihm  verblieben  :  das  menschlicbe  Haupt 
sitzt  ihm  mitten  zwischen  zwei  ans  den  Schultern  hervorgewach- 
senen Schlangenleibern;  einem  Kuss  des  Teufels,  heisst  es,  ver- 
dankte er  sie. 

Bei  den  Griechen  lebt  der  alte  ahi  fort  als  Echidna:  die 
appellativische  Geltung  des  Worts  hat  verhindert,  dass  es  eine 
ähnliche  mythologische  Bedeutung  erlangte  wie  die  östlichen 
Verwandten.  Aber  auf  das  Geschlecht  der  Echidna  ist  die  alte 
Vorstellung  tibergegangen.  Durch  Typhaon  wird  Echidna  Mutter 
mehrerer  üngethfime:  des  Namensvetters  des  ind.  Vritra  Or- 
thros  (oft  ist  Orthos  überliefert),  des  Hundes  der  die  Rinder- 
herde des  Geryones  bewacht;  mit  drei  Köpfen  ist  er  wenigstens 
auf  einem  alten  kyprischen  Relief  assyrischen  Stils  gebildet  ^ 
Sodann  des  Kerberos,  des  Höllenhundes,  der  alle  vertilgt, 
die  sich  aus  dem  Hades  herausstehlen  wollen  oder  denen,  die 
bei  einem  Erdbeben  von  der  Erde  verschlungen  sind,  das  Herz 
aus  dem  Leibe  frisst^.  Das  Ansehen  der  Theogonie,  die  ihm 
fünfzig  Köpfe  gibt,  hat  seine  drei  Köpfe  aus  Volksglaube,  Poesie 
und    Kunst ^  nicht   verdrängen    können.     Die    ältere  Vorstellung 


1  S.  Oldenberg,  Religion  des  Veda  S.  143.  Für  das  weitere  s. 
das  Petersburger  Wörterbuch  unter  tri^ras. 

*  Barnouf  im  Journal  asiat.  IVe  ser.  4,  493  vgl.  498  and  Roth 
aO.  219. 

8  Abbildung  zB.  in  Röschere  Myth.  Lex.  1,  1635  vgl.  3,  1218 
und  im  Journ.  of  hell,  etadies  13,  74. 

^  Nach  schoi.  Theog.  311.  Ein  arieches  Gegenstück  des  Kerberos 
begegnet  in  der  eraniscben  Sage  von  Kerega^pa  (bei  Firdusi  Gersbasp) 
dem  Sohne  des  Thrita:  die  von  ihm  bekämpfte  und  erlegte  Schlange 
beiast  aghi  grvara^  vgl.  Westergaard  in  Wobers  Ind.  Studien  3,  428  f. 

'  Nachweise  bei  Immisch  in  Roschers  Myth.  Lex.  2,  1125  f.   Kerb. 


170  ϋββηβΓ 

hält  daran  fest,  daae  er  drei  Handeköpfe  hat;  später  hat  mas 
variiert,  wie  zB.  dem  alexandrinischen  Serapis  ein  Kerberoe  bei- 
gegeben wnrde,  dessen  Löwenkopf  links  von  einem  Wolfs-,  recbtn 
von  einem  Hundekopf  umgeben  war^.  Die  alte  Drachennatur 
kam  in  der  Schlange,  die  den  Schweif  bildete,  und  in  zahlreichen 
aus  dem  Leib  hervorzüngelnden  Schlangen  zu  Tag: 
canis  angtiinea  redimitus  terga  caterva^ 
cui  tres  sunt  linguae  tergeminumque  caputj 
wie  ihn  Lygdamus  (4,  87)  beschreibt;  kein  Wunder  dase  man 
ihn  auch  wohl  geradezu  einen  Drachen  genannt  hat  (scbol.  Theog. 
311).  Wenn  nun  der  älteren,  auf  den  schwarzfigurigen  Vasen  herr- 
schenden Darstellung  des  Eerberos  mit  zwei  Köpfen,  wie  Löschcke 
nachgewiesen  hat,  auf  einzelnen  Denkmälern  zwei  Hadeshunde 
zur  Seite  stehen^,  wird  es  bedeutungsvoll,  dass  derselbe  Eari- 
pides,  der  ihn  als  dreiköpfig  bezeichnet,  ihm  drei  Leiber  zu- 
spricht: τόν  τρισώματον  κύνα  (Herakles  24).  Wir  haben  den 
Ausdruck  ebenso  wie  es  sich  bei  der  Hekate  bewährte,  wörtlich 
zu  nehmen  und  dürfen  uns  dafür  auch  auf  den  tergeminum  canem 
Ovids  (Trist  IV  7,  16)  berufen:  die  Vorstellung,  dass  Eerberos 
aus  drei  Leibern  bestehe,  war  noch  nicht  untergegangen,  als  die 
Kunst  ihn  als  έίηοη  Hund  mit  drei  Köpfen  zu  bilden  sieb  be- 
reits gewöhnt  hatte. 

Ein  Sprössling  der  Echidna  ist  auch  die  von  Bellerophon 
bewältigte  Chimaira.  Drei  Köpfe  gibt  ihr  die  Theogonie  321  f., 
eines  Löwen,  einer  Ziege  und  eines  starken  Drachen.  Aus  drei 
Leibern  dieser  Thiere  läset  der  bekannte  Memorialvers,  der  so- 
wohl in  die  Theogonie  323  wie  in  Ilias  Ζ  181  eingedrungen  ist, 
die  Chimaira  bestehn: 


heiest  τρίκρανος  Kur.  Herakles  611.  1277,  trieeps  bei  Cicero,  tria  ora 
spricht  ihm  Ovid  met.  4,  450  zu,  trUingue  08  Horaz  Od.  II  19,  άΙ. 
Drei  Hundsköpfe  deutlich  erkennbar  auf  der  Kupfermünze  von  £laia 
in  Theeprotien  Revue  iium.  1869—70  pl.  VI  7  vgl.  p.  174  f.,  in  der 
Pariser  Bronze  Babelon  et  Blanohet,  Catal.  des  bronzes  ant.  de  la  Bibl. 
nat.  n.  7^3  p.  341  usw.  Zur  hdua  centiceps  erhebt  ihn  Horaz  Od. 
II  13,  34. 

^  MaorobiuB  Sat.  I  20,  13  f.  Auf  Bronzen  der  Pariser  ßibl.  oat. 
(Babelon  et  Blanchet  n.  790-792  p.  340)  sind  Kopfe  von  Panther, 
Löwe  (in  der  Mitte)  und  Hund  vereinigt,  ebenso  GoUection  J.  Greau 
t.  I  p.  171  n.  850. 

3  Vgl.  die  Interpolation  bei  Horaz  carm.  III  11,  17*Orberus, 
quam  vis  furiale  centum  muniant  angues  caput  eius*»  ApoUod.  II  ^12. 

8  S.  Strena  Helbiglana  S.  318  f. 


Dreiheit  171 

πρόσθ€  λέων,  δπιθεν  bk  δράκων,  μέσση  bi  χίμαιρα, 
und  drei  Leiber  theilt  ihr  Euripidee  im  Ioq  204  zu.  Die  Dar- 
fitellung,  welche  das  alterthümlicbe  £rzbild  von  Arezzo  gibt, 
pflegt  eich  in  den  späteren  Denkmälern  za  wiederholen:  Löwen- 
körper mit  gähnendem  Rachen  und  gesträubter  Mähne,  ans  dem 
Racken  wächst  ein  Ziegenhals  hervor,  der  jetzt  verlorene  Schwanz 
musste,  wie  sonst,  als  Schlange  gebildet  sein.  Das  Feuerschnanben, 
das  häufig  betont  wird,  ist  ihr  mit  den  Drachen  deutscher  Sagen 
und  Märchen  gemeinsam.  Aber  vergeblich  wird  man  eich  nach 
vergleichbaren  dreifachen  Mischgestalten  umsehn.  Wie  die  Vor- 
stellung entstehen  konnte,  wird  sofort  verständlich,  sobald  man 
sich  klar  macht,  dass  die  Ziege  ursprünglich  nicht  zu  dem  Bilde 
gehören  konnte.  Die  Schlange  oder  den  Drachen  verstehen  wir, 
es  ist  das  älteste  und  allgemeinste  Bild  des  feindseligen  Dämon. 
An  die  Stelle  der  Schlange  konnte  unter  dem  Einfluss  des  Oriente 
eine  jüngere  Zeit  den  Löwen  setzen:  Bellerophon  der  Besieger 
der  Chimaira  ist  auch  einfach  Leophontes  genannt  worden  \  und 
so  wird  uns  bezeugt,  dass  manche  dem  üngethüm  nur  zwei 
Köpfe,  eines  Löwen  und  eines  Drachen  beilegten.  Die  Ziege  da- 
gegen ist  erst  jclurch  volksthümliche  Missdeutung  des  Worts  χί- 
μαιρα in  das  Bild  hereingetragen  worden.  Die  Ilias  bewahrt  in 
Χίμαιραν  όμαιμακέτην  (Ζ  179)  ein  alterthümliches  Beiwort^ 
das  unmittelbar  an  Zeus  Μαιμάκτης  gemahnen  mnss,  den  Sturm- 
gott  des  Winteranfangs,  dem  der  Monat  Maimakterion  heilig  ist. 
Wer  wird  nicht  in  Χίμαιρα  den  Stamm  χιμ-^  wiedererkennen, 
der,  um  von  nichtgrieohi sehen  Belegen  abzusehn,  in  5υ(Τχιμος 
χίμετλον  vorliegt  und  mit  Vocal Steigerung  zu  χ6ΐμα  χβιμών,  χ€ί- 
μέρος  (Arat.  797.  1084)  und  χειμέριος  fortgebildet  ist?  Von 
beiden  Stammformen  sind  Eigennamen  abgeleitet  worden,  Χίμαρος 
zB.  auf  Kreta  CIG  II  n.  2556,  4  und  Χείμαρος  zB.  ein  italischer 


1  Schol.  TownL  ζ  α  Ζ  155  Λεωφόντης  πρότερον  έκαλεΐτο.  Ensta- 
thioe  zu  Ζ  180  ρ.  634,  38  ο1  bi  6ύο  έχειν  έτερατεύσαντο  κεψαλάς  λέ- 
οντος τε  καΐ  Δράκοντος'  είσΐ  bk  οι  καΐ  μιφ  ήρκ^θησαν  κεφαλή  τή  τοΟ 
λέοντος  (das  wird  beglaubigt  durch  die  Variante  des  Namens;  was 
folgt,  steht  aber  dazu  in  innerem  Widerspruch),  λεοντόιτρόσωττον  cl• 
πάντες  αυτήν,  ούράν  αχούσαν  δράκοντος  καΐ  μέσον  σώμα  χιμαίρας. 

^  Pindar  sagt  von  der  stürmenden  Artemis  Pyth.  3,  33  ιτέμψεν 
(ΛροΠοη)  κασιγνήταν  μένει  θύοισαν  (dazu  s.  C.  Dilthey  Rh.  M.  25, 
827  ff.)  άμαιμακέτψ  und  vom  Dreizack  des  Poseidon  Isthm.  7,  35  τριό- 
6οντος  άμαιμακέτου. 

«  Vgl.  GCurtius  Gr.  Etym.  n.  194  p.  201  f. 


172  üsener 

Lokrer  IGA  537  (IGSI  630)  und  ein  Zeohgenoese  bei  Pindar 
fr.  128  Bgk.^,  ferner  Χ€(μ(υν,  in  Boiotien  Χ€ΐμίας,  in  Attika 
Χ€ΐμ€ύς.  Alle  dieee  Namen  sind  selten ;  sie  echeinen  früh  aneeer 
Cure  gesetzt  und  nur  wie  ausnahmsweise  in  einzelnen  Familien 
geführt  worden  zu  sein.  Um  so  wichtiger  ist  das  Vorkommen 
des  Worts  Χίμαρος  im  göttlichen  Gebiete.  Zu  Athen  gab  e«  ein 
GeBchlecht  der  Χιμαρίοαι  (Hesych),  dessen  Ahne  nur  ein  Xi- 
μαρος  gewesen  sein  kann.  Fassbarer  wird  der  Begriff  in  der 
Fortbildung  Χιμαιρ€υς,  mit  Lykos  zu  einem  Heroenpaar  vereinigt, 
dem  die  Spartaner  opferten:  der  Gegenpart  lässt  keinen  Zweifel, 
dass  Chimaireus  als  Wintergott  gedacht  war  *.  Noch  ein  weiteres 
Zeugniss  läset  sich  nun  anreihen :  von  den  beiden  Vorgebirgen, 
in  welche  die  Westküste  Kretas  ausl&uft,  hiess  das  südliche 
'Widderstirn*,  das  nördliche  Ki  μαρος  nach  den  Hss.',  wahr 
scheinlich  doch  Χίμαρος.  So  ergeben  sich  Χίμαρος  und  Χείμαρος 
als  ältere  Formen  des  Adjectivs  zu  χιμ-  χ€ΐμών  Winter,  das  in 
χείμερος  (s.  o.)  vorliegt.  Man  hat  die  Appellativa  χίμαρος  χί- 
μαιρα schlagend  als  ^einwintrig'  di.  einjährig  erklärt.  Da  die 
fertige  Sprache  den  ursprünglichen  Begriff  nur  in  Worten  mit 
verstärktem  Vooal  ausdrückte,  war  es  natürlich,  ja  fast  noth• 
wendig,  dass  die  zu  besonderer  concreter  Bedeutung  (Ziege)  ge- 
langten Adjectiva  des  unverstärkten  Stammes  ihren  Zusammen- 
hang mit  den  übrigen  Worten  des  Stammes  verloren  und  ihre 
Bedeutung  auch  dem  Eigennamen  Χ(μαιρα  aufdrängten.  So  wuche 
in  der  Volksvorstellung  zu  Schlange  und  Löwe  die  Ziege  hinzu; 
doch  ihrem  Kopf  bleibt  es,  dass  er  Feuer  schnaubt,  zum  Zeichen, 
dass  er  erst  aus  dem  missverstandenen  Namen  des  Ganzen  her- 
ausgewachsen ist. 

Es  war  nur  natürlich,  wenn  diese  Vorstellung  auch  auf 
andere  dämonische  Wesen  feindseliger  Art  übertragen  wurde. 
An  dem  Wehrgehäng,  woran  Agamemnon  seinen  Schild  trug, 

1  Im  Pindarfragment  bei  Athen.  X  p.  427^  sehe  ich  keinen  Grund 
das  überlieferte  Χ€ΐμάρψ  zu  ändern.  Dagegen  ist  der  Diphthong  im 
Namen  des  Kreters  bei  Polybios  XXIX  6,  l  Χειμάρψ  daroh  die  oben 
angeführte  kretische  Urkunde  verdächtigt.  Den  Lokrer  verstand  Kaibel 
IGST  630  p.  155  ohne  Noth  als  Χ€(μα(ρ)ος.  Auf  der  Ineobrift  von 
Akrai  in  Sicilien  IGA  507  IG8I  227  las  Röhl  [Λ]ύ<ης  ό  Χιμάρ(ρ)ου: 
aber  der  Stein  zeigt  ein  deutliches  T,  also  hiess  der  Vater  Τιμάρης. 

a  Rhein.  Mu8.  53,  374.  üebcr  Χιμαρίδαι  s.  auch  Töpffer  Att.  Ge- 
neal.  S.  311. 

'  Strabon  X  p.  474  τό  6'  άρκτικόν  Κ(μαρος,  β.  darüber  Gramer 
ζ.  St.  II  ρ.  393,  7. 


Dreibeii  179 

κυάν€ος  έλέλικτο  bpaxuiv,  κ€φαλα\  bi  ο\  ήσαν 
τρεις  άμφΐστρ€ς>έ6ς,  ενός  αύχένος  έκιτ€φυυΐαι  (Λ  39  f.). 
In  Evripidee'  Herakles  1271  f. 

ποίους  ποτ'  ή  λέοντας  ή  τρισιυμάτους 
ΤυςΜίινας  ή  Γίγαντας  new. 

hat  man  das  verkannt,  nnd  bald  durch  fiineetsnng  von  Γηρυόνας 
statt  Τυφώνας  oder  durch  Aenderung  des  Beiworts  in  π€λωρίους 
£inklang  mit  der  herkömmlichen  Sage  herzustellen  gesucht; 
schon  im  Alterthum  hatte  man  sich  daran  gestossen,  wie  man 
der  freien  Verwendung  der  Stelle  bei  Plutarch^  entnehmen  darf. 
Inzwischen  hat  sich  m  dem  Schutt  der  Akropolis,  den  die  Zer- 
störung des  Jahres  480  hinterlassen  hat,  das  Bruchstück  eines 
Giebelreliefs  gefunden,  auf  dem  Zeus  im  Kampfe  mit  dem  drei- 
leibigen  Typhon  dargestellt  ist  U.  ▼.  Wilamowitz  hat  darauf 
hin  mit  Becht  die  Ueberlieferung  wieder  hergestellt.  Auch 
Skylla  galt  als  τρίκρανος  ποντία  κύων^  und  ältere  Münzen 
von  Eyme  und  anderen  Orten  lassen  dem  Kopf  des  weibliehen 
Ungethfims  zwei  Bundeköpfe  zur  Seite  stehn;  auf  jüngeren  Münzen 
sinken  diese  dann  zur  Hüfte  herab,  und  schliesslich  wachsen  ihr 
in  statuarischen  und  Kelief-darstellungen  drei  Hundeleiber  an  der 
Scfaamgegend  hervor.  Anders  definiert  Ausonius  (gripkus  83) 
ihre  Dreifaltigkeit 

Scylla  iriplex^  eommissa  tribus:  cane  virgine  pisce. 
Auf  einem  aus  Etrurien  stammenden  Bronzegriff  der  Pariser  Na« 
tionalbibliothek  ist  Triton  so  dargestellt,  dass  der  lang  ge- 
streckte Fischleib  sich  an  einen  menschlichen  Oberkörper  mit 
drei  symmetrisch  vertheiiten  Köpfen  und  drei  Sohwimmbewegung 
machenden  Armpaaren  anschliesst;  die  Köpfe  haben  Glatze  nnd 
Spitzbarty  verrathen  also  einen  &λιος  γέριυν;  um  den  l^acken  des 


1  Plntarch  de  fort.  Alex.  3, 10  p.  34 1^  hat  ποίους  γάρ  Τυςρ<ΰνας 
ή  π€λωρίους  Γίγαντας,  β.  vWilamowitz  zur  Stelle  II^  270  mit  dem  Nach- 
trag S.  285. 

<  Anaxilas  in  Meinekes  Com.  III  p.  347  (I  4)  bei  Athen.  XIII 
p.  558».  Der  Nachweise  enthebt  mich  OWaser,  Skylla  nnd  Cbarybdis 
(Zürich  1894)  8.  79.  99  ff.  vgl.  ImboofBlumer  und  OKeller,  Thier-  und 
Pflanzenbilder  auf  Münzen  n.  Gemmen  Taf.  XIII.  Dazu  kommt  eine 
Bronzeschsle  von  Boscoreale  (Monnmenti  antichi  VIT  p,  618  fig.  75 
und  Walters,  Cat.  of  the  bronzes  in  the  Brit.  Mus.  p.  162  n.  882  plate 
XXY),  wo  Skylla  bis  zur  Scham  als  Weib  gebildet  ist;  der  Leib  läuft 
in  zwei  schlangenartige  Fischleiber  aus,  von  der  Scham  ragen  drei 
Hnndeleiber  hervor. 


174  Üeener 

Meergotts  ecblingt  ein  Jüngling  den  Arm,  es  ist  Heraklee  der 
ihn  za  würgen  Ruoht^.  Wenn  die  Orphisohen  Argonantika  den 
Taloe,  der  den  Seefahrern  die  Landung  an  der  heiligen  Ineel  Kreta 
wehrt,  τριγίγαντα  nennen  (V.  1351),  so  mass  das  nicht  anf  drei 
Leiber  bezogen  werden,  sondern  kann  auch  blos  hyperbolischer 
Ausdrack  des  Reckenhaften  sein. 

Unter  den  Ungetbümen  der  grieobisohen  Sage  ist  noch  be- 
sonders lehrreich  der  riesige  Geryones  (alt  ΓαρυΡόνας),  mit 
dem  Herakles  den  Kampf  um  die  Rinderherde  von  £rytheia  zu 
bestehen  hat.  Seine  Darstellungen  werfen  Licht  auch  auf  die 
Hekatebilder,  und  bestätigen  die  Auffassung,  die  wir  oben  ver- 
treten haben.  Für  Aeschylos  und  £uripides  war  er  noch  drei• 
leibig,  tergeminus  iricorpar  trimemhris  triplea  heisst  er  bei  la- 
teinischen Autoren^  tripectora  ter gemini  visGreryonai  bei  Lucretioe 
5,  28;  und  Stesichoros  hatte  ihn  als  geflügeltes  Wesen  mitseche 
Armen  und  sechs  Beinen  geschildert.  Die  bildende  Kunst  ist 
dieser  Vorstellung  in  der  Weise  gerecht  geworden,  dass  sie  drei 
eng  an  einander  geschlossene  Männer  darstellte.  So  war  es  aof 
dem  Kasten  des  Kypselos  ^  und  anf  vielen  Vasenbildem  glaubt 
man  drei  nebeneinander  stehende  Männer  zu  sehn.  Man  hat  dann 
die  Einheit  dadurch  hervorgehoben,  dass  man  ihm  drei  am  Bauch 
zusammengewachsene  Leiber  gab,  deren  Oberkörper  und  Beine 
selbständig  blieben:  so  beschreibt  ihn  Apollodor^,  und  die  alten 


^  Babelon  et  Blanchet,  Catal.  des  bronzes  antiques  de  la  Bibl. 
nat.  n.  65  p.  31  f.  Die  Herausgeber  verweisen  auf  die  ähnliche  Gnippe 
bei  A.  de  Longperier,  Notice  des  bronzes  antiques  du  Mnsee  du  Loavre 
p.  91  n.  437.  An  vergleichbare  Darstellungen  des  Kampfs  von  Herakles 
und  Triton  bei  Dressel,  Triton  I  (Würzen  1892)  S.  29  ff.  erinnert 
K.  Dilthey. 

^  Aesch.  Agam.  870  Eur.  Herakles  423  vgl.  Lydns  de  mens.  p.  % 
21  W.  τριοώματον  τόν  Γηρυόνην  φασ(ν ;  ier gemini  neee  Geryonae  Ver(?. 
Aen.  8,  202  und  Luor.  aO.,  tergeminmnque  virum  Ovid.  Tr.  IV  7,  16 
tricorpor  Silius  3, 422.  13,  201  vgl.  Verg.  Aen.  6,  289  trimembris  Hygin 
/*.  30.  151  Servius  Aen.  7,  ()62  triplex  Ausonius  griph.  82.  Stesicfaoroe 
fr.  6  im  schol.  Theog.  287. 

*  Pausan.  I  19,  1.  Nach  Weisungen  über  die  Denkm&ler  gibt 
Drexler  in  Koschere  Mytb.  Lex.  1,  1637  f ,  ein  sf.  Vasenbild  ebend. 
1β31;  s.  besonders  Gerhards  Auserl.  Yasenb.  II  Taf.  104—8. 

^  Apd.  II  5,  10  TpiOtiv  έχων  ανδρών  συμφυές  σώμα.  συνηγμ^ον 
€ΐς  Ιν  κατά  τήν  γαστέρα,  έσχισμένον  bi  €ΐς  τρεΙς  άπό  λαχόνων  τ€  καΐ 
μηρΰτν  vgl.  Lukians  Toxaris  62.  Statuetten  von  Kypros:  Sammlung 
CesDola  N.  187—9,  Doeli  in  den  Abhandl.  der  Petersburger  Akademie 


Dreüieit  175 

Vasenmaler  haben  theilweiee  eich  diesi^lbe  Vontellqng  gemacht. 
Noch  in  späten  Statnetten  der  Ineel  Eypros  wiederholt  eioh  diese 
Bildung.  NatargemSes  drängte  der  Gedanke  der  Einheit  dieee 
Dreiheit  noch  weiter  zurück  und  führte  zu  einem  einheitlichen 
Leib  mit  drei  Köpfen:  dreihänptig  nennt  schon  die  Theogonie  (S87) 
den  Geryones :  so  ist  er  in  dem  Grabgemälde  von  Corneto  neben 
den  Herrschern  der  Unterwelt  stehend,  als  gerüsteter  Krieger 
mit  drei  neben  einander  gestellten  Köpfen  {Gelun  lautet  die  Bei• 
Schrift)}  und  auf  der  merkwürdigen  Münze  von  Blayndos^  ge- 
bildet, wo  er  in  der  Linken  ein  Rad  mit  vier  Speichen  emporbttlt. 
Auf  der  Gruppe  von  Ostia  erscheint  er  neben  dem  riesenhaften 
Herakles  als  ein  gewappneter  Krieger  von  menschlicher  Grösse, 
dem  aus  dem  Rumpfe  drei  Hälse  mit  jugendlichen  Köpfen  hervor- 
gewachsen sind.  Daher  Fronto  (p.  65  Nah.)  tricipitem  Oeryonam, 
Während  nach  Hygin  f.  30  Herakles  den  dreileibigen  Rie- 
sen mit  oinem  Geschosse  tödtet,  deuten  die  alten  Vasenbilder 
einen  dreifachen  Kampf  an,  wie  ihn  die  drei  Leiber  forderten. 
Auf  einer  schwarzfigurigen  Vase  der  ehemaligen  Sammlung  Ca- 
stellani^  sinkt  vom  Keulenschlag  des  Helden  getroffen  der  vor- 
derste Leib  zurück;  auf  einer  Schale  des  Kuphronios  hat  ein 
Pfeil  des  Herakles  dieselbe  Wirkung;  ein  schwarzfiguriges  Ge- 
fäss  von  Cervetri  deutet  das  dadurch  an,  dass  es  einen  Kopf 
nebst  dem  schildtragenden  Arm  sich  zurückwenden  lässt.  Noch 
auf  einer  späten  Reliefplatte  aus  dem  Theater  zu  Delphi 
wird  dies  Motiv  in  eigen thfim lieber  Weise  wiederholt:  Geryones 
besteht  aus  drei  ausgebildeten  aber  mit  einander  verwachsenen 
Leibern;  der  eine  richtet  sich  auf,  um,  gedeckt  von  dem  Schild, 

XIX  (1873)  N.4  S.39f.  und  Taf.  Vll  8,  wiederholt  in  Rotchers  Mylb. 
Lex.  1,   1633. 

t  Gemälde  von  Corneto:  Monom,  deir  Intt.  1870  tav.  XV  vgl, 
Heibig  Annali  1870  p.  25.  Mönze:  Namitm.  chronicle  1845  voL  ΥΠ 
pl.  I  4  vgl.  p.  12.  βπφρβ  von  Oitia :  Maseo  Pio-€lementino  Π  tav,  7. 
Andere  Denkmäler  nennt  Dretler  aO,  V',ti2.  Mit  Ζ  Köpfen  auf  einen 
Leib  ist  G.  femer  aoch  aof  einer  Mfinze  von  Hadrianopoli»  dargestellt, 
bei  Pick  Arch.  Jahrb.  XII  ίΙ^Γί>-)  H4,  KV^enjio  dachte  tich  ihn  der  ür- 
heber  eine•  Bronzegriffe,  der  drei  ifi^.iche  barti)i(e  Köpfe  nehen  einander 
stellt,  in  Collectioti  J.  Greati  t,  I  p,  Ι7β  η.  ΗβΟ. 

•  Zeidmong  fans  dem  J  iH:*>'>)  im  Appanrat  d^  Areh.  Inirtitnte 
zu  Rom.  Schale  des  Eophromo^t:  M^nnmen««  de  Viniftifnty  f^ctir,n  fran- 
(aiae  pL  16—17,  vgl.  NoovaIIää  annale^  Η  ρ.  167.  270.  Va<ie  vr.n  f>T- 
vetri:  Mnseo  Ktr.  Greironano  U  t.  XLVfii  U.  i)A|phi«eh*i«  R^Hef; 
Bull,  de  oorr.  hell.  22,  KOI.    H.  nnv^n  ^.  1?^,  f. 


176  Osener 

den  Kampf  zu  erneuen;  der  zweite  sinkt  um;  der  dritte  steht 
in  voller  Oröese  da  und  sucht,  beide  Arme  erhebend  wie  um 
Steine  zu  werfen,  den  Gegner  zu  fiberwinden. 

3  Die  Italiker  haben  zwar  ihre  Götterdreiheiten  gehabt  so 
gut  wie  die  verwandten  Völker,  aber  die  mythologischen  Folge- 
rungen, die  sich  daraus  ergaben,  hat  ihr  nttchtemer  Sinn  zeitig 
abgestoseen  oder  auch  mildernd  umgebildet.  Für  beide  Vorgänge 
steht  ein  Beispiel  zu  Gebote. 

Bis  in  das  IV  Jh.  der  Stadt  ist  zu  Eom  in  der  gens  Lucräia 
der  Beiname  Tricipiiinus  fortgeführt  worden.  Bekannt  ist  Spurias 
der  Vater  der  Lucretia  (Liv.  I  59, 8) ;  der  Consul  des  J.  508  usd 
504  V.  Chr.  Titus  Lucretius  hiess  nach  dem  Chronographen  von 
354  Trioipitinus,  ebenso  die  Gonsuln  Lucius  von  462  nach  Lh. 
III  8,  2  und  Hostius  von  429  nach  Liv.  IV  30,  4 ;  zuletzt  führen 
zwei  tribuni  milUares  consulari  poiestate  jenes  Geschlechts,  Ρα- 
blius  vom  J.  419  (Liv.  IV  44,  13)  und  Lucius  von  391  (so  im 
gen.  Chronogr.)  und  388  (Liv.  VI  4,  7)  das  aufTallende  Cognomen. 
In  einer  Zeit  also  von  etwa  120  Jahren  tragen  ihn  sechs  zum 
höchsten  Amte  gelangte  Mitglieder  der  Lucrezischen  gens.  Wir 
schliessen  daraus,  dass  der  Geschlechtscultus  der  Lucretier  dnrch 
einen  dreiköpfigen  Gott  auffiel,  der  zu  jener  Benennung  des  mit 
seinem  Cultus  betrauten  Zweigs  Anläse  gab.  So  gewiss  wie  dae 
cognomen  Trioipitinus,  muss  der  dreiköpfige  Gott  der  Lucretier 
als  Thatsache  anerkannt  werden.  Und  mit  derselben  Gewissheit 
dürfen  wir  den  weiteren  Kückschluss  machen,  dass  hinter  dem 
dreiköpfigen  ursprünglich  ein  dreileibiger  Gott  gestanden  hat 
Nach  388  finden  wir  den  Namen  nicht  mehr:  der  Cultus  des 
*  Dreikopfs'  muss  spätestens  um  diese  Zeit,  vermuthlich  schon 
vorher  erloschen  sein. 

Nach  der  Sage  von  Terracina  ist  die  auch  sonst  in  Mittel- 
Italien  hochverehrte  Göttin  Feronia  Mutter  eines  fabelhaften  Hel- 
den £rulu8,  den  der  'brave  Mann*  (Euander  di.  Faunns)  in 
dreifachem  gewaltigem  Kampfe  erlegt.  £r  hat  drei  Seelen  mit 
auf  die  Welt  bekommen,  dreimal  muss  ihn  £uander  tödten: 

et  regem  hoc  Erulum  dexira  8ίώ  Tartara  misi, 

naacenti  cui  tris  animas  Feronia  mater 

{horrendutn  dictu)  dederat:  tema  arma  movenda^ 

ter  leio  stemendus  erat\ 

1  Vergü  Aen.  8,  663  f.  vgl.  Lydns  de  mens.  1,  11  p.  2, 24  W. 
Έρυλον  .  .  .  τρίψυχον  Τ€νέσθαι  ό  μΟθος  α1ν(ττ€ται  φιλοσοςκίττοτα. 


Dreiheit  177 

Was  die  Samniten  von  ihrem  Roesmensolien  Mares  erzählten,  daee 
er  dreimal  gestorben  sei  und  dreimal  gelebt  habe  (Aelian  v.  h. 
9,  16),  könnte  Entetelluog  der  gleichen  Vorstellung  sein.  Ale 
sicher  aber  dürfen  wir  betrachten,  dass  die  Vorstellung  von  £rulue 
eine  mildernde  Umbildung  der  ursprünglichen  Dreileibigkeit  ist. 
Aach  die  drei  Leiber  des  Gerjones  müssen  einer  nach  dem  an- 
dern von  Herakles  getödtet  werden»  Silius  Italiens  betont  denn 
auch  die  drei  Seelen  in  ihm  und  die  Nothwendigkeit  eines  drei- 
fachen Todes  (1,278  ff.);  und  eine  Korinthische  Münze  der  Ber- 
liner Sammlung  bringt  dasselbe  bei  der  üeberwindung  der  Chi- 
maira  durch  fiellerophon  zur  Anschauung^.  Zur  Gewissheit  ver- 
hilft uns  ein  Serbisches  Lied  vom  Kampfe  Markos  mit  dem  Al- 
banesen  Mussa,    einem   ebenbürtigen  Gegner,    bei  Talvj   1,  224: 

Todt  fiel  MuBsa,  lastet  schwer  auf  Marko, 
Dass  eich  Marko  kaum  hervor  kann  graben. 
Aber  als  er  nun  sich  aufgerichtet, 
Sah  inMussa  er  drei  Helden  herzen, 
Sah  drei  Rippen,  eine  auf  der  andern. 
Eins  der  Herzen  zuckte  matt  und  sterbend; 
Hat  das  zweite  raschen  Tanz  begonnen; 
Auf  dem  dritten  schläft  'ne  böse  Schlange. 
Als  die  Schlange  aus  dem  Schlaf  erwachte, 
Auf  dem  Festland  springt  der  todte  Musaa, 
Und  zu  Marko  spricht  die  böse  Schlange: 
Danke  Gott,  ο  Kraljewitsche  Marko, 
Dass  ich  nicht  erwacht,  als  Mussa  lebte. 
Dreifach  Wehe  hätt'  es  dir  bereitet. 

Die  alte  sinnfällige  Dreileibigkeit  hat  sich  verschämt  nach  innen 
verzogen;  die  drei  Leiber  sind  gewissermassen  ineinander  ge- 
steckt, drei  Rippen  und  Herzen  sitzen  hinter  einander:  die  drei 
Seelen    in  dem  einen  Leibe  haben  ihre  Berechtigung. 

Die  mythische  Vorstellang  der  Slaven,  von  der  das  ser- 
bische Lied  in  der  Schilderung  des  Mussa  nur  eine  nachträgliche 
Anwendung  macht,  hat  sich  in  der  ebenso  im  Süden  wie  im 
Norden  bekannten  Gestalt  des  Triglav  erhalten,  des  'Drei- 
kopfs', der  mit  dem  einen  Haupte  die  Erde,  mit  dem  andern  die 


1  Friedländer  beschrieb  sie  Archäol.  Zt.  1873  n.  F.  6,  102:  *Ihr 
Ziegenbals,  von  einem  Speer  durchbohrt,  senkt  sich  sterbend,  aber  der 
erhobene  Löwinkopf  der  Cbim.  beisst  in  den  Schaft  des  Speeres,  dessen 
unteres,  schon  abgebrochenes  Ende  die  Löwin  mit  einer  Vordertatze 
festhält'. 

aiwln.  Mo«,  f.  PhUol.  12 


1?8  Usener 

Luft  und  mit  dem  dritten  das  Wasser  beherrscht^,  oder,  wie  in 
Pommern  gesagt  wird,  mit  ihnen  die  Macht  im  Himmel,  auf 
Erden  und  in  der  Hölle  ausübt.  Uebertragungen  liegen  noch 
vor  zB.  in  einem  serbischen  Lied  bei  Gerhard,  Wila  1,  151: 

Wojwode  Balatsohko  hat  drei  Köpfe, 
Haucht  aus  einem  eine  blaue  Flamme, 
Aus  den  andern  beiden  kalte  Winde, 

und  im  slovenischen  Lied   vom  Riesen  Pegan,   der   in  Wien   die 

Helden  des  Kaisers  zum  Kampf  herausfordert  ^: 

Dn  wirst  ihn  mit  drei  Häuptern  sehn: 

Die  beiden  äussem  lasse  stehn, 

Das  Mittelhaupt  dein  Schwert  soll  mahn. 

Eine  Ueberfülle  des  Stoffs  liefern  die  Sagen  und  Märchen 
sämmtlicher  europäischer  Völker.  Ihren  Riesen  (nord.  Tursen 
und  Trollen)  und  Drachen  steht  die  Dreiköpfigkeit  ebenso  wie 
den  feindseligen  Dämonen  der  Arier  und  Griechen  von  Rechts 
wegen  zu.  Sogar  die  Dreileibigkeit  war  den  Skandinaviern  noch 
geläufig  ^  Im  Münster  von  Trondhjem  steht  eine  steinerne  Stele, 
auf  deren  Vorderseite  ein  Kopf  mit  einheitlicher  Stirne  und  drei- 
fachem Antlitz  dergestalt  abgebildet  ist,  dass  das  Relief  die  beiden 
äusseren  Geeichter  nur  zur  Hälfte  und  somit  überhaupt  nur  zwei 
Augen  hervortreten  lässt  (wir  haben  ähnliches  bei  den  Galliern 
S.  162  beobachtet);  der  Mund  ist  bei  allen  dreien  wie  zu  zornigein 
Aufschrei  geöffnet;  auf  der  Rückseite  erscheint  ein  zornig  ver- 
zerrtes einheitliches  Geeicht  wie  einer  bösen  Hexe^.  Eine  andere 
Bildungsweise  tritt  an  dem  kürzeren  der  zwei  bei  Oallehus  in  Nord- 
Jütland  gefundenen  goldenen  Hörner   hervor:  im  zweiten  Streifen 

^  Hanusch,  Wissensoh.  des  Slawischen  Mythus  S.  99  ff.  Anastuias 
Grün,  Volkslieder  aus  Krain  (Leipz.  1850)  S.  155  Temme's  Volkssagen 
aus  Pommern  und  Bügen  S.  49. 

s  Bei  An.  Grün  aO.  S.  89. 

*  Saxo  gramm.  VI  p.  178,  24  (Holder)  beginnt  ein  SchmEUied 
vor  dem  Zweikampf  mit  dem  Verse  Cum  8Ü  gigas  trieorpor  invietiS' 
Htnus.  Eines  dreiköpfigen  Riesen  (der  Unterwelt)  gedenkt  das  islän- 
dische Märchen  bei  Poestion  Isl.  Märchen  (Wien  1884)  S.  293  ff.  und 
das  Skimirlied  (angeführt  von  Golthei,  Handb.  d.  germ.  Mythologie 
S.  164);  mehr  bei  Grimm,  D.  M.  494  Panzer,  Beitr.  z.  d.  Myth.  2,64; 
ein   3köpfiger  Drache   zB.  in  Wenzigs  Westslav.  Märchenschatz  S.  74. 

*  Die  Kenntniss  davon  verdanke  ich  Herrn  0.  Kar0|  der  vtf• 
kleinerte  Nachbildungen  beider  Reliefs  besitzt.  Das  Hom  von  Gal* 
lehus,  auf  das  S.  Reinach  aO.  190  hinweist,  ist  bei  G.  Stephens,  Tbe 
<>ld-north6m  runic  monuments  1,  325  abgebildet. 


J 


Dreiheit  179 

erscheint  ein  nacktes  Wesen,  dem  sowohl  vom  Bampfe  wie  von 
beiden  Schaltern  je  ein  Kopf  mit  selbständigem  Halse  emporragt; 
in  der  rechten  Hand  hält  es  eine  Axt,  in  der  linken  an  korzer 
Leine  einen  Vierftissler.  Manchmal  begegnet  auch  noch  die  ohne 
Zweifel  älteste  Form  der  Vorstellnng,  dass  etwa  wie  in  den 
älteren  Hekatebildern  drei  selbständige  selbständig  handelnde 
Wesen  gleicher  Art  neben  einander  stehen:  so  im  deutschen  Mär- 
chen bei  Grimm  N.  111,  wo  drei  Riesen  das  schöne  Mädchen 
rauben,  oder  im  walachischen  (bei  Schott  S.  86  ff,)  und  im  grie- 
chischen Märchen  (bei  vHahn  2,  16  ff.  vgl.  269),  wo  drei  ein- 
köpfige Drachen,  einer  stärker  als  der  andere,  auftreten.  Beide 
Formen  werden  oft  gemischt,  dergestalt  dass  dem  ersten  Un- 
getfatim  3,  dem  sweiten  6,  dem  dritten  9  Köpfe  gegeben  werden^; 
in  einem  russischen  Märchen  ist  die  Steigerung  3,  6,  12.  Aber 
auch  wenn  bei  äinem  Riesen  oder  Drachen  die  Zahl  der  Köpfe 
gesteigert  ist  (gewöhnlich  zu  7),  wird  die  alte  Dreiheit  so  ge- 
wahrt, dass  drei  Kämpfe  stattfinden  und  die  Köpfe  in  drei  Strei- 
chen abgehauen  werden  *, 

Wie  die  römischen  Götterdreiheiten,  wie  die  gallischen  Drei- 
heiten  und  Dreiköpfe,  so  hat  man  die  dreiköpfigen  Riesen  ger- 
manischer Ueberlieferung  beanstandet  und  auf  fremde  Einflttsse 
zurückgeführt  Das  sind  unausbleibliche  Folgen  isolierender  Be- 
trachtung. Ich  hoffe,  daee  mein  Ueberblick  wenigstens  die  Wir- 
kung hat,  dass  künftig  an  dem  alten  Besitzthum  dreiheitlicher 
Vorstellungen  bei  den  einzelnen  Völkern  nicht  mehr  gezweifelt 
wird.  Oder  wollen  wir  nicht  vor  der  Absurdität  zurückschrecken, 
die  überall  sonst  abgelehnte  Vorstellung  schliesslich  bei  dem 
Volke  hangen  zu  lassen,  das  am  meisten  durch  künstlerischen 
Sinn  vor  ihr  behütet  sein  musste  und  sie  am  zweifellosesten  ge- 
hegt hat,  bei  den  Griechen?  Urtheile  lassen  sich  nicht  auf  zu- 
fälliges Nichtwissen  gründen. 


^  So  in  mehreren  norwegischen  Märchen  bei  AsbjÖrnsen  N.  27 
(1,  187  ff.).  9  (1,  64)  und  19  (1, 132  ff.),  dann  im  Märchen  vom  Männ- 
chen. Sonderbar  in  ü.  Jahn's  Volksmärchen  aus  Pommern  und  Rügen 
1,  125  f.  Die  Steigerung  3,  6,  12  in  A.  Dietriche  Rase.  Volkmärchen 
(Leipz.  1831)  N.  δ  S.  53  f. 

β  Deuteches  Märchen  bei  Grimm  N.  60  (1,  318),  Sicilisdiee  bei 
L.  Gonzeubach  N.  6(1,  35  f.).  Im  serbiechen  Märchen  bei  Vuk  Steph. 
Karadechidech  N.  8  8.  «9  ff.  hat  der  Schäfer  einen  dreimaligen  Ring- 
kampf mit  dem  Drachen  des  Sees  zu  bestehn. 


180  Üsen^y 

4  Wir  eind  mit  aneerer  üebersicbt  der  Verbildlichangen 
noch  nicht  am  Ende.  Auch  die  christliche  Dreifaltigkeit  hat  wie 
andere  mythologische  Dreiheiten  bildlich  yorgeetellt  and  dar* 
gestellt  werden  müssen.  Symbole  wie  das  Dreieck  mit  dem 
wachen  Auge  der  Gottheit,  oder  Darstellungen,  wie  sie  die  Jordan- 
taufe veranlasste:  Christus  im  Wasser,  über  ihm  die  Taube  und 
in  der  Höhe  Gott  Vater,  und  was  man  sonst  ehemals  und  noch 
jetzt  versucht  ^9  dergleichen  konnte  der  volksthümlichen  Vor- 
stellung nicht  volles  Genüge  thun.  In  der  That  hat  man  un- 
willkürlich dieselben  Wege  eingeschlagen,  die  wir  bisher  be- 
obachteten. 

In  einem  Seitenthale  des  oberen  Aniolaufs  (Vallepietra,  zur 
Diöcese  Anagni  gehörig)  liegt  an  steilem  Bergrand  in  einer 
Höhe  von  1137  Metern  ein  einsames  Wildkirchlein,  das  der 
Santissima  Trinitä  geweiht  ist  und  alljährlich  zum  Dreifaltigkeits- 
feste  (Sonntag  Trinitatis)  grosse  Schaaren  von  Bergbewohnern 
anzieht.  In  der  Kölnischen  Zeitung  hat  Dr.  Noack  unlängst* 
eine  sehr  anziehende  Schilderung  des  Wallfahrtsortes  und  seines 
Festtags  gebracht.  Ihr  entnehme  ich  die  Angabe,  dass  das  alte 
wunderthätige  Bild  des  Eirchleins,  sichtlich  nach  byzantinischem 
Vorbild  in  der  Anfangszeit  italiänischer  Malerei  entstanden,  Mie 
Trinität  in  Gestalt  von  drei  steif  nebeneinander  gereihten  bärtigen 
Köpfen  von  zwillingshafter  Aehnlichkeit '  zeigt ;  alle  drei  wieder- 
holen das  Bild  des  Heilands.  Dies  Nebeneinander  der  Gestalten 
berührt  sich  nahe  mit  den  älteren  Darstellungen  der  dreifachen 
Hekate  und  den  drei  Leibern  des  Geryones.  Das  Bild  von  Valle- 
pietra steht  keineswegs    allein.     Der  Herausgeber    des  Molanua 


^  In  meiner  Jugend  erinnere  ich  mich  mehrmals  Bilder  gesehen 
zu  haben,  welche  in  witziger  Weise  die  Dreifaltigkeit  so  veranschau- 
lichten, dass,  wenn  man  sie  gerade  anschaute,  man  Gott  Vater,  wenn 
schräg,  entweder  den  Sohn  oder  den  h.  Geist  erblickte:  auf  ein  Bild 
des  Vaters  waren  schmale  Glasleisten  gestellt,  die  von  der  einen  Seite 
das  Bild  Christi,  von  der  anderen  den  h.  Geist  zusammenfügten,  lieber 
andere  Darstellungen  s.  ausser  Didron  noch  Mono  im  Anzeiger  far 
Kunde  des  deutschen  Mittelalters  1834  S.  329  f.  und  FWHackwood, 
Christ  lere  (Lond.  1902)  p.  249  f. 

^  Köln.  Zeit,  von  Sonntag  9.  Juni  1901  N.  443,  erste  Beilage. 
Der  Güte  des  Herrn  Noack  in  Rom  verdanke  ich  eine  gute  farbige 
Copie  des  Bildes,  die  in  Subiaco  bei  Angelucci  hergestellt  ist  (danach, 
auf  74  verkleinert,  unten  S.  188);  eine  geringere  Copie  (ohne  Angabe 
des  Ursprungs,  nur  der  Zeit:  zehntes  Jahr  von  Leo's  XIII  Pontificat) 
hat  mir  Dr.,  Deubner  mitgebracht. 


Dreiheit  181 

erwähnt  Dooh  mehrere  gleichartige  Darstellungen^;  sie  müeeen 
sehr  verbreitet  gewesen  sein.  Man  hat  den  Typus  fortgebildet, 
indem  man  die  anstössige  Gleichheit  der  Figuren  durch  Diffe- 
renzierung milderte.  Eine  wie  jenes  italiSnische  Bild  noch  heute 
in  bunten  Gopien  umlaufende  Darstellung,  von  der  ich  der  Güte 
des  Herrn  Dr.  Deubner  ein  Exemplar  verdanke,  hält  zwar  die 
▼ollkommene  Gleichheit  des  Gesichts,  der  Haare,  der  Gewandung 
fest,  aber  unterscheidet  sie  nicht  nur  dadurch,  dass  Gott  der 
Vater  auf  erhöhtem  Sitz  über  die  beiden  andern  emporragt»  son- 
dern auch  dadurch,  dass  jede  Person  an  der  Brust  ein  unter- 
scheidendes, von  goldenen  Strahlen  umgebenes  Attribut  trägt, 
der  h.  Geist  die  Taube,  der  Vater  das  offene  Auge  im  Dreieck, 
der  Sohn  das  Lamm  Gottes,  der  Vater  ausserdem  in  der  Linken 
ein  Soepter  hält  und  der  Sohn  die  Nägelmale  an  Händen  und 
Fuss  zeigt.  Dies  Bild,  von  Deubner  an  einer  Kirche  Boms  er- 
worben, ist  merkwürdiger  Weise  im  modernen  Deutschland  nicht 
nur  yervielfältigt,  sondern  auch  geschaffen  worden:  es  trägt  den 
Namen  des  Künstlers  *  Leiber  und  den  Vermerk  'Imprimi  per- 
mittitur.  Ordinariatus  episcopalis  Limburgensis*,  muss  also  als 
eine  officielle  Darstellung  der  Dreieinheit  gelten. 

Dem  Einheitebegriff  ist  merkwürdiger  Weise  auch  im  Christen- 
thume  das  Zugeständniss  gemacht  worden,  dass  einem  einheit- 
lichen Leibe  drei  Köpfe  gegeben  wurden.  In  seiner  Iconographie 
chritienne'  hat  Didron  p.  596  einen  italienischen  Holzschnitt  aus 
dem  J.  1491  veröffentlicht,  dessen  Darstellung  an  sinnfälligem 
Heidenthum  nichts  zu  wünschen  läset;  eine  aus  Spanien  stam- 
mende Miniatur  des  XIII  Jb.  (p.  567)  vertheilt  die  Köpfe  nach 
den  verschiedenen  Seiten  und  verbirgt  so  den  dritten.  Man  ist 
dann  noch  einen  Schritt  weiter  gegangen  und  hat  aus  dreien 
iinen  Kopf  gebildet  mit  drei  Gesichtern.  So  sieht  man  die  Drei- 
faltigkeit in  der  von  Didron  p.  575  mitgetheilten  Darstellung, 
welche  im  XV  und  XVI  Jh.  sehr  verbreitet  war  und  dadurch, 
dass  sie  in  Mess-  und  Gebetbüchern  als  Vignette  für  die  Drei- 
faltigkeitsmesse  angebracht  war,  eine  gewisse  Sanction  empfangen 
hatte'.  Derselbe  Typus  wiederholt  sich  in  der  französischen 
Miniatur  des  XVI  Jh.  bei  D.  p.  580.    Didron  selbst  hat  bei  seiner 


1  J.  N.  Paquot  in  seiner  Ausgabe  des  J;  Molanus  De  historia  ss. 
imaginam  et  pioturaram  (Löwen  1771.  4P)  II  c.  3  p.  35  Anm.  C. 

^  Erschienen  in  der  GoUection  de  docaments  inodits  sur  l'hi- 
Btoire  de  Franoe,  ΙΠ•  s^rie:  Archäologie  Paris  1843.  40. 

'  Molanas  aO.  II  o.  4  p.  37. 


182  üaener 

Untereuchung  der  Kircbe  Notre  Dame  zu  Chalons  sar  Marne 
zwei  weitere  Belege  gefanden  und  veröffentlicbt,  eine  Scalptar 
des  XIII  Jh.  nnd  ein  eiaegemälde  dee  XVI ^.  Immer  dieselben 
'  Köpfe  mit  den  drei  &esichtem,  die  sich  in  die  vier  weise  dis- 
ponierten Angen  theilen.  Es  ist  als  ob  die  alten  gallischen  Götzen 
(oben  S.  162)  vor  uns  auflebten.  Kann  es  einen  handgreiflicheren 
Beweis  dafür  geben,  dass  bis  zum  vollen  Siege  künstlerischen 
Empfindens  das  bizarre  Bild  dreier  Köpfe  auf  iinem  Leib  stete 
und   tiberall  der  menschlichen  Vorstellung  sich  aufgedrängt  hat? 

Es  ist  der  Kirche  schwer  geworden  diese  Vorstellung  za 
zerstören.  Schon  um  die  Mitte  des  XV  Jh.  hat  Antoninus,  Erz- 
bischof von  Florenz  (1446 — 1459),  in  seiner  Summa  theologica 
scharfe  Worte  für  diesen  Missbrauch:  er  spricht  von  'monstrani 
in  rerum  natura^;  und  noch  Pabst  Urban  VIII  Hess  Bilder  der 
dreiköpfigen  TrinitSt  am  11  August  1628  öffentlich  verbrennen*. 
Es  war  weniger  die  Macht  der  Kirche  als  die  Tageshelle  der 
grossen  Kunst  und  der  fortschreitenden  Bildung,  welche  diese 
Ueberbleibsel  mythologischer  Vorstellung  schliesslich  verdrängte. 

Aber  bis  ins  XV  nnd  XVI  Jh.  war  die  Vorstellung  so  fest 
eingebürgert,  wenigstens  in  Frankreich,  dass  sie  auch  auf  andere 
tiberirdische  Begriffe  übertragen  wurde.  Didron  hat  zwei  fran- 
zösische Miniaturen  mitgetheilt',  welche  den  Teufel  selbst  in 
dieser  Form  als  Dreieinheit  darstellen.  In  Legenden  nimmt  der 
Versucher  wohl,  um  Fromme  zu  täuschen,  die  Gestalt  der  Drei- 
faltigkeit an^.  In  einem  englischen  Mysterienspiel  Castie  of  per• 
severance  (um  1400)  wird  eine  teuflische  Dreifaltigkeit  gebildet 
aus  Belial,  Mundus  und  Caro^,  eine  blasse  Abstraction  der  Kanzel, 
aber  nicht  ungeschickt  ausgeklügelt.  Auf  jenen  Bildern  erscheint 
er  selbst  in  seiner  vollen  Wirklichkeit,  als  höllisches  Gegenstück 
zur  himmlischen  Dreieinheit.  Eine  Miniatur  des  XIII  Jh.  leigt 
ihn  auf  gemauertem  Throne  sitzend  als  einheitliche  Person  mit 
drei  zusammenhängenden  bärtigen  Gesichtern,  über  welche  eine 
dreizackige  Krone  ragt:    das  Gewand  lässt  beide  Schultern  und 


^  Annalee  archeologiqnes  II  (Par.  1845)  Taf.  II. 

^  8.  BenedictuB  des  XIV  Bullarium  t.  I  p.  345^,  auch  in  der  Lo- 
wener Ausg.  (1771)  des  Molanus  p.  486. 

■  Iconogr.  ehret,  p.  544  f. 

^  S.  Molanus,  Bist.  es.  imaginnm  II  o.  4  p.  37. 

^  S.  Gushman,  The  Devil  and  the  Vice  in  the  english  dranoatic 
literature  before  Shakespeare  (in  Morsbaohs  Studien  zur  engl  Philo- 
logie VI)  S.  45. 


Dreiheit  188 

die  rechte  Brust  frei ;  in  jeder  Hand  hftlt  er  ein  anfgerichtetee 
blankes  Richtsohwert;  das  einzige  diabolinche  Merkmal  eind  die 
Krallen,  in  welche  die  Zehen  anelaofen.  um  eo  auBgelaseener 
ergeht  eich  die  Phantasie  einee  jüngeren  Miniaturmalers  aus  dem 
XV  Jh.,  um  die  Schrecken  der  Hölle  in  dieser  teuflischen  Drei- 
einheit zu  veranschaulichen.  Auch  dieser  Teufel  sitzt  auf  dem 
Herrsoherthrone  und  trügt  in  der  Rechten  ein  dünnes  Scepteri 
das  von  drei  Thierköpfen  gekrönt  wird,  aher  er  ist  gefesselt. 
Aus  dem  thierisch  zottigen  Leih  wachsen  verschiedene  Köpfe 
hervor  (aus  beiden  Knien,  der  Schamgegend,  den  Brüsten);  die 
drei  bärtigen  Gesichter  sind  auch  hier  zusammenhSngend,  aber 
aus  dem  Kopfe  ragen  drei  Greweihe,  zu  beiden  Seiten  der  Stirne 
wächst  ein  thierisches  Ohr  hervor,  jedes  der  drei  Mäuler  streckt 
die  Zunge  heraus. 

Merkwürdig  ist  auch  eine  andere  üebertragung.  In  einer 
Pariser  Hs.  des  Officium  ecclesiasticum^  findet  sich  am  Ende  des 
Januar  ein  Bild,  das  einen  jungen  Mann  vor  wohlbesetztem 
Tische,  einen  Pokal  zum  Munde  führend  zeigt.  Der  mit  auf- 
gekrämpter  Mütze  bedeckte  Kopf  hat  drei  bartlose  Gesichter,  dem 
Munde  des  mittleren  wird  der  Trunk  zugeführt.  £s  ist  ein  Bild 
der  Zeit,  und  wir  werden  dem  Herausgeber  beipflichten  müssen, 
wenn  er  das  mittlere  Antlitz  als  die  Gegenwart,  die  beiden  seit- 
lichen als  Vergangenheit  und  Zukunft  deutet. 

5  Schliesslich  darf  ich  einige  sagenhafte  Vorstellungen 
nicht  unerwähnt  lassen,  die  mit  den  bisher  erörterten  sich  nahe 
berühren.  Der  Athenatempel  auf  der  Burg  von  Argos  besase 
ein  Schnitzbild  des  Zeus  Herkeios,  das  alterthümlich  genug  war 
um  die  Legendenbildung  zu  gestatten,  dass  es  einst  im  Hofe  des 
Priamos  aufgestellt  gewesen  und  von  Sthenelos  als  Kriegsbeute 
nach  Argos  gebracht  worden  sei^.  Es  hatte  drei  Augen,  das 
dritte  mitten  auf  der  Stirne.  Der  Gott,  der  die  Dorier  bei  der 
Besiedelung}  der  karischen  Küste,  vornehmlich  von  Knidos  und 
Rhodos  als  führender  und  gründender  Helfer  begleitet  hatte,  hiess 
Triopas  oder  Triops;  das  Triopische  Heiligthum  war  der  sacrale 
Mittelpunkt  der  asiatischen  Dorier,  dort  fanden  die  Wettspiele 
des  Triopischen  Apollon  statt.     Der  Name    bedeutet,   wie  schon 


1  Bei  Didron  aO.  p.  547. 

^  Paus.  Π  24,  3  Ζ€ύς  Εόανον»  &ύο  μέν  i)  π€φύκαμ€ν  £χον  6ς>6αλ- 
μούς,  τρίτον  bk  iid  τοΟ  μετώπου.  τοΟτον  τόν  Δία  ΤΤριάμψ  φασίν  cTvai 
.  .  .  πατρφον  usw.    Schol.  Eur.  Troad.  16. 


184  üsener 

KOMtiller  gesehen,  nichts  anderes  als  Dreiauge.  In  einer  anderen 
peloponnesischen  Sage  wiederholt  sich  diese  Vorstellnng.  Den 
Herakliden  war  vom  Orakel  die  Weisung  ertheilt  worden,  bei 
ihrem  Zage  sich  'den  Dreiäugigen'  zum  Führer  zu  nehmen  ^  Die 
drei  Augen  wegzuläugnen  ist  den  euhemeristischen  Umhildnngen 
der  Sage  nicht  gelungen,  sie  haften  an  diesem  göttlichen  Führer 
ehenso  wie  am  Namen  des  Triopas.  Auch  sonst  finden  eich 
Spuren  der  seltsamen  Vorstellung.  Nach  Fherekjdes  hatte  Argoe 
Fanoptes  nur  drei  Augen,  deren  eines  im  Nacken  angebracht 
war*.  Wichtiger  noch  scheint  es  mir,  wenn  dasselbe  von  Hekate 
gesagt  wurde :  sie  hiess  auch  τρίγληνος  ^  und  zu  Athen  Τριγλαν- 
θίνη.  Der  indische  C^iva  führt  nicht  nur  den  Dreizack  (friovla), 
sondern  heisst  auch  seit  dem  Epos  'dreiäugig',  trüooana  oder 
(rianibaka^'j  das  letztere  Epitheton  trägt  Rudra  schon  im  Atbar- 
vayeda.  Ein  deutsches  Märchen  erzählt  von  drei  Schwestern 
Einäuglein,  Zweiäuglein  und  Dreiäuglein  ^,  mythische  Züge  fehlen 
ihm.  Etwas  mehr  ergeben  Slaven  und  Nengriechen.  Eine  dal- 
matinische Besprechungsformel®  lautet  ins  Deutsche  übertragen: 

Der  Urok  sitzt  an  der  Schwelle,  Es  regnet  das  Wasserauge, 

Die  Urcoina  unter  der  Schwelle,  Und  löscht  das  Feuerauge; 

Der  ürok  hat  drei  Augen:  Tragt  fort  das  Urokauge 

Ein  Wasserauge,  In  tiefe  Tiefen, 

Ein  Feuerauge,  In  hohe  Höhen, 

Ein  Urokauge.  In  breite  Breiten. 

Der  Dämon  Urok  ist  das  personifioierte  Unglück,  das  aus  dem 
Zauber  des  bösen  Blicks  entsteht.    In  einem  griechischen  Märchen^ 


1  Stoff  des  gr.  Epos  (Sitzungsb.  d.  Wiener  Akad.  B.  137)  S.  27. 
Ueber  das  Triopische  Heiligthum  Herod.  1,  144. 

«  Pherek.  fr.  22  FHG  1,  74  im  schol.  Eur.  Phoen.  1116. 

8  Athen.  VII  p.  325*  τή  hk  Εκάτη  άποδίδοται  ή  τρίγλη  διά  τήν 
τής  6νομασ(ας  κοινότητα*  τριοδίτις  γάρ  καΐ  τρίγληνος,  καΐ  ταΐς  τρια- 
κάσι  δ*  αυτή  τά  δ€ΐπνα  φέρουσι  (dass  Apollodoros  hier  Quelle  war  zeigt 
sich  nachher  325*»),  vgl.  325^  *Αθήνησι  δέ  καΐ  τόπος  τις  Τρίγλα  καλ€ΐται, 
καΐ  αυτόθι  ίστιν  ανάθημα  τή  *  Εκάτη  Τριγλανθίνη. 

^  Nach  dem  Petersb.  Wb.  bedeutet  dies  Wort  drei  Frauen  oder 
Schwestern  habend,  nach  den  ind.  Erklärern  dreiäag^g.  Und  diese  £j* 
klärnng  der  heimischen  Gelehrten  rechtfertigt  sich  wohl  durch  den 
gleichen  Gebrauch  von  gr.  κόρη  lat.  pupula  pupiÜa, 

»  Gebr.  Grimm  N.  130  B.  2,  211  ff.  vgl.  3,  213  und  K.  Haupt, 
Sagenbuch  der  Lausitz  2,  199. 

β  Mitgetheilt  von  Hovorka  in  der  Zeitschr.  f.  österr.  Yolkskande 
VI  (1900)  S.  19  vgl.  18. 


Dreiheit  185 

das  aaf  der  Ineel  KyproB  lebt^,  tritt  ein  Unhold  auf,  der  sowohl 
lebendige  Menecben  wie  frisch  bestattete  Leichen  frisst,  also  ein 
Werwolf;  er  ist  beliebiger  Yerwandlang  fähig,  aber  eigenthüm- 
lich  sind  ihm  drei  Augen,  daher  er  Trimmatos  heisst.  In  einem 
slowakischen  Märchen  *  erscheint  einem  Schafhirten  ein  feiner 
Herr,  der  plötzlich  seine  wahre  Gestalt  annimmt:  *Da  sah  der 
Schafhirt  einen  Zauherer  aus  den  Bergen  vor  sich  stehn;  er  er- 
kannte ihn,  weil  ein  Zauherer  drei  Augen  im  Eopfe  hat',  und 
fürchtete  sich  vor  'dem  dreiäugigen  Zauberer*. 

Sowohl  Zeus  in  Argos  als  Dreiäuglein  im  Märchen  trägt 
das  dritte  Auge  auf  der  Stirne:  das  berechtigte  W.  Grimm, 
diese  Vorstellung  mit  dem  Auge  des  Kyklopen  in  Zusammenhang 
zu  setzen.  Aber  nach  allem,  was  wir  hisher  gesehn  haben,  wer* 
den  wir  geneigter  sein,  eine  Verkürzung  ursprünglicher  Drei- 
leibigkeit  anzunehmen.  Gerade  bei  Hekate  ist  diese  Annahme 
wohl  Onausweichlich.  £s  ist  gar  nicht  nöthig,  dass  das  bildlich 
dargestellt  wurde.  Wenn  es  geschah,  so  lag  nichts  näher  als 
nacb  Art  der  alten  gallischen  und  der  christlichen  Bilder  drei 
Gesiebter  an  einem  Kopfe,  aber  mit  nur  drei  Augen,  über  der 
Nase,  zu  schaffen.  Als  eine  Abkürzung  der  Dreileibigkeit  müssen 
wir  es  auch  nehmen,  wenn  Aias  des  O'ilens  Sohn  mit  drei  Armen 
gedacht  wurde,  deren  dritten  er  auf  dem  Rücken  trug^:  die 
Nachricht,  die  ein  grelles  Streiflicht  auf  diese  sonst  zurücktretende 
Heroengestalt  wirft,  scheint  aus  Logographen,  also  aus  landschaft• 
licher  üeberlieferung  zu  stammen;  das  ionische  Epos  hat  diesen 
wie  anderen  überlebten  Sagenbestand  abgestreift.  Wird  man 
ferner  an  fortschreitender  Verkürzung  zweifeln,  wenn  das  weiland 
dreileibige  und  dreiköpfige  Schlangenwesen  in  jüngeren  Schilde- 
rungen mit  drei  Zungen  und  drei  Reihen  von  Zähnen  hinter- 
einander ausgestattet  wird?  So  wird  die  von  Eadmos  bei  Theben 
erlegte  Schlange  des  Ares  und  ebenso  die  Nemelsche,  welche  den 
Opheltes  tödtet,   gezeichnet^.     Drei  Zungen   hat    der    Kolchische 

1  Liebrecht  im  Jahrb.  f.  roman.  und  engl.  Litteratur  11,  345  ff., 
besser  bei  Misotakis,  Ansgew.  griech.  Volksmärchen  (Berl.  1889)  S.  124  ff. 

*  Wenzigs  Westelav.  Märchensohatz  S.  119. 

'  Servius  zur  Aeneis  1,  41  ^sane  hie  Aiax  Oilei  filiue  a  mnltis 
historicis  graeois  tertiaro  roannm  dicitur  post  tergpim  habuisse;  quod 
ideo  est  factum,  quia  (qui  Ausg.)  sie  oeleriter  utebatur  in  proelio  ma• 
nibas,  nt  tertiam  habere  putaretur*. 

^  Ovid  met.  3,  34  von  der  Schlange  des  Ares  tresque  vihrant 
Unguae,  iripUei  stant  ordine  dentes,  Statine  Theb  ^  ^^  "on  der  Ne- 
meiichen  ier  linffua  vibrai,  iema  agmina  adunr  ^^^olohisohe 


186  Ueener 

Drache,  der  das  goldene  Viiee  bewacht,  Pmdentiue  überträgt  das 
auf  die  Schlange  des  ParadiescR.  Sohlieeslich  wird  die  Zunge 
dreispaltig:  Unguis  micat  ore  frisulcis^j  ja  es  bildet  sich  der  natnr- 
geschichtliche  Mythos,  dass  die  Zungen  der  Schlangen  überhaupt 
dreitheilig  seien.  Wie  in  den  übereinander  sitzenden  drei  Rippeo 
des  serbischen  Mussa,  so  ist  hier  in  den  drei  Keihen  Zähnen  und 
den  Zungen  sichtlich  die  alte  Dreiheit  gewissermassen  nach  innen 
verlegt ;  es  hat  also  nicht  eine  selbständige  Anwendung  der  Drei- 
zahl,  sondern  eine  abgeleitete  mit  fortschreitender  Abkürzung  und 
Vereinfachung  stattgefunden. 

Anders  wird  ein  Rest  dreiheitlicher  Bildungen  beurtheilt 
werden  müssen.  In  Sage  und  Aberglauben  sind  uns  Deutschen 
bis  heute  dreibeinige  Pferde,  Esel,  Hasen,  Böcke  und  Hnnde^ 
geläufig.  Auf  classischem  Boden  sind  mir  bisher  derartige  Wesen 
nicht  begegnet  ausser  den  dreibeinigen  Hirschen  im  Lande  der 
^Oohsenköpfe',  von  denen  Lukian  in  der  Wahren  Geschichte  (2, 
44)  fabelt:  die  Vorderbeine  waren  ihnen  in  eins  zusammen- 
gewachsen. Möglich  wäre,  dass  der  Vers  eines  Tarentinischen 
Kinderspiels  'Ich  führ  den  lahmen  Bock  heraus  *  auf  einen  drei- 
beinigen Bock  gieng.  Alle  jene  Wesen  der  deutachen  Sage  sind 
gespenstig;  sie  wahrzunehmen  bringt  Unglück. 

Die  Todesgöttin  Hei  kommt  auf  dreibeinigem  Pferde  ge- 
ritten^ oder  erscheint  selbst  als  ein  solches  nach  schleawigischem 

Drache  ist  nach  Ovid  met.  7,  150  crista  lingtäsque  tribus  praesignüj 
vgl.  Prudentias  Gathemer.  3,  128  tU  mtUier  eoUa  triUnguia  ealce  terat, 

^  Verg.  georg.  3,  439  vgl.  Alcimus  Avitus  poem.  2,  135  irifidam 
dispergunt  guttura  linguam.  Plinius  n.  h.  11,  171  '(lingna)  teDm8siin& 
serpentibus  et  trisulca*. 

*  Pferd:  s.  unten,  Revue  des  traditions  populaires  XVI  (1901) 
S.  221  f.  (ans  Flandern).  Esel:  Roohholz  Schweizersagen  1,65 f.  Hase: 
Grimm  D.  Μ  872  Anm.  Panzere  Beitr.  1,  137.  2,  134.  156  Rochholz 
Schweizersagen  1,  99.  2,  70  Mannhardt  Germ.  Mythen  409  f.  413  f. 
A.  Haas  Aue  pommerschen  Hexenprozessakten  (Schiller- Realgymna- 
sium zu  Stettin  1896)  S.  6.  Bock :  Panzer  Beitr.  2, 103.  Hund :  Panzer 
1,  151.  40.  330.  2,  441. 

'  Hesycb  *ΕΕάγω  χωλόν  τραγ{σκον:  ιται&ι6ς  €Τ&ος  παρά  Τοραντί- 
νοις  vgl.  Bergkg  Poetae  lyr.  3,  G63.  Das  τρισκ€λές  Εόανον  des  Priapoe 
bei  Theokrit  epigr.  4  wollen  wir  nicht  heranziehen;  da  das  Bmstbild 
hermenartig  ans  einem  rohen  Baumstamm  herauswächst,  so  bestehn 
seine  drei  Glieder  aus  zwei  Armstümpfen  und  dem  Phallus. 

«  Grimm  D.  M.  804  Panzers  Beitr.  z.  d.  Myth.  1,  342.  Hei  alt 
3beinige8  Pferd:  Mnllenhoff  Sagen  usw.  der  Herzogthnmer  Schleswig - 
Holstein  u.  Lauenburg  S.  245   0.  Schade  Sage  v.  d.  h.  Ursula  S.  122. 


Dreiheit  187 

Glauben.  Vor  allem  ist  es  das  wttthende  Heer,  dem  dreibeinige 
Vierfüssler  zngeecbrieben  werden.  Man  glaubt,  daee  der  wilde 
Jäger  eelbst  auf  dreibeinigem  Schimmel  reite  ^.  Der  wilde  Jäger 
und  Scbimmelreiter  iet  kein  anderer  ale  Wuotan.  In  den  Dörfern 
des  Westrich  ^  glaubt  man,  daee  in  der  Adventszeit  sich  ein  drei- 
beiniger Hase  sehen  lasse,  und  die  männliche  Jugend  springt 
lärmend  hinter  ihm  her :  das  ist  die  Zeit,  wo  das  wüthende  Heer, 
das  um  die  Jahreswende  seine  Umzüge  hält,  sich  zu  zeigen  he- 
ginnt.  Wenn  man  in  Betracht  zieht,  dass  ehemals  dem  wilden 
Heere  auch  zweibeinige  Säugethiere  zugeschrieben'  und  dass  die 
einher  tosenden  Männer  oft  kopflos^  gedacht  wurden,  so  wird 
man  zu  der  Annahme  gedrängt,  dass  der  Volksglaube  hier  eine 
Verstümmelung  hervorhehen  wollte  um  den  Eindruck  des  Schauer- 
lichen und  Gespenstigen  zu  erhöhen.  Der  Einfluss  des  Christen- 
thums  ist  dabei  unverkennbar^:  es  sind  verdammte  Seelen,  die 
mit  teuflischen  Wesen  umherzujagen  verurtheilt  sind. 

So  viel  ich  sehe,  liegt  kein  Grund  vor  eine  andere  Er- 
klärung der  Vorstellung  zu  suchen.  Anders  wäre  es,  wenn  sich 
herausstellen  sollte,  dass  die  dreibeinigen  Wesen  schon  vor  der 
Einführung  des  Christen  thums  der  Sage  vom  wilden  Heere  an- 
gehört hätten.  Man  würde  dann  unwillkürlich  das  Dreibein^ 
{triquetrum,  τρΐ0Κ€λές)  heranziehen  müssen,  jenes  weithin  ver- 
breitete Symbol,  das  wegen  seiner  apotropäisohen  Kraft  ebenso 
wie  Donnerkeil  und  Gorgoneion  gern  als  schützendes  Zeichen  auf 
Schilden  angebracht  wurde.  Häufig  gehen  die  Schenkel  von 
einer  kreisrunden  Scheibe  aus ;  auf  einzelnen  sjrracusanischen 
Münzen  ist  darin  das  Medusenhaupt  eingezeichnet'^.    Die  Schenkel 


1  MällenhoflF  aO.  366  vgl.  Wolfe  Beitr.  z.  d.  Myth.  1,  26. 

^  Grünenwald  in  den  Mittheil.  d.  histor.  Vereins  der  Pfalz  XX 
(1896)  S.  187;  üher  die  Zeit  s.  Grimm  D.  M.  872  Anm. 

»  Panzer  Beitr.  2,  441.    . 

^  Kopflosigkeit  war  sogar  in  antiker  Kunst  nicht  unerhört.  Im 
Tempel  des  Dionysos  zu  Tanagra  stand  ein  kopfloses  Bild  des  Triton, 
Paus.  IX  20,  4  f. 

»  S.  Grimm  D.  M.  872  ff. 

^  Den  Stoff  hat  Ad.  Holm  in  der  Abhandlung  'La  triquetra*  in 
der  Bivista  Sicala  (Palermo)  1871  gesammelt.  Als  apotropäisches 
Schildzeichen  oft  in  Vasenbildern,  vgl.  Dioskorides  ep.  14  in  Anth. 
Pal.  6,  126. 

'  zB.  bei  Head,  Coins  of  Syracuse  (Numism.  Chron.  1874  v.  XIV) 
Taf.  Vni  7.  8  Tgl.  p.  44.  Auch  als  Beizeichen  wird  das  Dreihein  auf 
syrak.  M.  verwendet,  dann  ohne  Besonderheiten. 


188  Oiener 

Bind  anf  lykischen  UUnzen  wie  gekrümmte  Radspeiehen  geeldtet, 
sonst  meist  alt  meneoblJcbe  Beine,  und  zwar  ins  Knie  geetfitit 
wie  ZDm  ecbnellnten  Lauf,  κο  iB.  in  den  zahlreicben  Prigoogen 
TOD  Aapendoe';  auf  Silbermfinzen  von  Syrakns  wird  dH  Bild  der 
Scbnelligkeit  durcb  Flügel  an  den  Fersen  verstärkt.  Ueberblickt 
man  die  fiberlieferten  Typen,  wie  mir  daa  an  den  Abgäeten 
Imhoof-Blomere  mögliob  Wkr,  nnd  beachtet  man,  daaa  die  Ijki- 
Bchen  HQnsen*  jenes  Ereisrand  regelmässig  mit  einer  Oeffnnng 
dh.  Nabe,  gelegentliob  aucb  einem  Bolzen  db.  Äohse  daratellen 
und  vielfaob  vier  Speichen  etatt  dreier  geben,  so  verscblieest 
man  eiob  achwer  dem  Eindmck,  daea  diesem  Dreibein  eine 
Toratellang  des  Sonnenrade  zo  Gmnde  liegt;  apotropliscbe 
Kraft  konnte  nach  dem  Donnerkeil  kein  Zeichen  in  bUherem 
Uaasse  beeitzen  als  das  Symbol  der  Lichtquelle. 

Eine  Anzahl  ähnlicher 
Gebilde  drängt  sich  nni 
hier  nnwillkttrlich  anF. 
Wir  erinnern  ans  der 
Bolle,  die  der  DreifcH 
im  CnltDS  vornehm  lieh 
des  Apollon  spielt  Die 
Pythia  sitzt  anf  ihm, 
wenn  sie  vom  Ootte  er- 
fasst  werden  eoll.  Anf 
geflügeltem  DreifassAhrt 
Apollon  tiber  daa  Meer 
einher';  nm  eeinen  Be- 
sitz masa  der  Gott  mit 
Zq  S.  180  Herakles   atrelten.     Der 

>  Cat.  Brit.  Mne.,  Lyda  oew.  Taf,  XIX  1-7,  meist  als  Beizricbeo 
neben  dem  Scbleuderer,  Taf.  XIX  12  f.  XX.  Auch  hier  inmitten  der 
Scheibe  Oeffnung  (XIX  3}  oder  Zapfen  (XIX  b)  sichtbar.  Aehnlich  der 
Aependischeo  ist  die  Form  anf  einer  MäuEo  von  Hierapytns,  ■.  Svo- 
ronos  Nnroism.  de  la  Cräte  ano  Taf.  XTII  6. 

*  Oeffnung  inmitten  der  Scheibe  wird  sehr  oft  dentliob  gemachi 
iB.  Cat.  Br.  Mut.,  Lyoia  Taf.  II  8.  9.  U-17  ΙΠ  1.  4.  13  IV  3.  9-14 
US.,  statt  dessen  wird  ein  Zapfen  dh.  das  Ende  der  Acbae  sichtbir  aO- 
III  2.  3.  7-9  IV  1  VIII  10.  12.  14.  18  IX  l.  3.  Gel^entlich  tritt 
an  der  Stelle  ein  Τ  hervor  (aO.  VII  7),  wodnrch  wohl  der  Stift  an- 
gedeutet wird,  dur  das  Ende  der  Achse  festhslt.  Statt  des  Dreibeios 
ain  τίτρασκαίς  aO.  V  4-18   VI  6.  13.  IG. 

*  Sintfluthsagon  S.  133  Γ. 


Dreiheii  18d 

DoDDerkei),  die  Waffe  des  Zeus,  ist  regelmässig  dreizackig  (fidmen 
irisulcuin^)'i  in  den  stärksten  VArationen,  welcke  die  Kunst  beliebt 
hat,  ist  die  Grundform  nie  zu  verkennen.  Seinem  Bruder  Poseidon 
kommt  die  gleichartige  Waffe  des  Dreizacks  (τρίαινα  iridens) 
ZU;  in  einzelnen  Fällen  sind  Donnerkeil  und  Dreizack  völlig 
gleich  gestaltet,  sie  sind  eben  beide  wesensgleich.  Diesen  Götter- 
waffen entsprechend  hat  man  auch  dem  Herakles  und  Theseus 
eine  ^  dreiknotige'  Keule'  gegeben.  In  dieselbe  Vorstellnngsreihe 
gehört  es  endlich,  wenn  Griechen  und  Slaven  annehmen,  dass 
Götterberge    drei  Gipfel*  haben  müssen. 

VERVIELFACHUNG  ODER  SPALTUNG? 

6  Auf  der  Insel  Nisyros  bestand,  wie  wir  unlängst  durch 
eine  Inschrift  {IGIns.  III  n.  164)  erfahren  haben,  ein  Priester- 
thum  nicht  'des  Dionysos  ,  sondern  *der  Dionyse'  (Ιερέως  τών 
ΔιονοίΤαιν).  Ob  man  ihrer  zwei  oder  drei  verehrte,  wissen  wir 
nicht;  aber  durch  diese  ofibe  Frage  wird  an  der  wesentlichen 
Thatsache  nichts  geändert,  dass  der  Gott  als  eine  Mehrheit  ge- 
dacht und  verehrt  wurde.  Begreiflich  wird  das  durch  die  merk- 
würdige und  auf  den  ersten  Blick  räthselhafte  Erscheinung,  dass 
nicht  selten  gegebene  und  fertige  Göttergestalten  im  Cultus  ver- 
doppelt und  verdreifacht,  bezw.  in  zwei  oder  drei  Personen  ge- 
spalten wurden.  Wir  wollen  nicht  vorschnell  nach  einer  Er- 
klärung suchen,  wie  man  wohl  angesichts  befremdlicher  Denk- 
mäler gethan  hat:  was  im  einzelnen  Falle  sich  vielleicht  hören 
lassen  kann,  wird  werthlos,  wenn  das  einzelne  sich  in  die  Reihe 
gleichartiger  Erscheinungen  einordnet.     Dafür    haben    wir  vorab 


1  Varro  sat.  Men.  fr.  54  Baech.  vgl.  Festus  p.  352*  6  ua.  vgl. 
Ovid  ma.  2,  325  trifida  fumantia  flamma  corpora  Statius  silv.  I  1,  91 
loüis  ignis  iergeminus.  Es  wäre  sehr  wünechenswerth,  wenn  aus  Münzen, 
Vasenbildern  usw.  die  verschiedenen  Formen  des  Donnerkeils  gesammelt 
wurden,  wie  das  fiir  den  Dreizack  des  Poseidon  Walters  im  Journ.  of 
hell.  stud.  XIII  13—20  (s.  die  Tafel  p.  17)  gethan  bat. 

'  Herakles  führt  bei  Ovid  fast,  1, 575  elava  trinodiSy  ebenso  The- 
seas  im  Kampf  mit  dem  Minotauras  heroid.  4,  115. 

*  ΤΤτφον  6ρος  nach  Pindar  fr.  79  bei  Strabo  p.  413,  Τρικάρανον 
über  dem  Heraion  Xeu.  Hell.  VII  2,  1;  der  biceps  Parnassus  ist  auf 
einer  autonomen  Münze  von  Delphi  mit  drei  Spitzen  gebildet,  s.  Im- 
hoof-Blamer  u.  Gardner  Numism.  comm.  on  Pausanias  p.  118  n.  1. 
Slaviich:  Berg  Triglav;  in  einem  serbischen  Märchen  bei  Wak  n.  30 
S.  181  liegt  'ein  dreispitziger  Hügel'  über  der  Pferdewiese  der  ^^'^— 


190  Üsener 

zu  eorgen,   dnroh  einen  Ueberblick  über  die  Vorkommnisee,  zn- 
Däcbet  der  Yerdoppelnng  ^. 

Länget  wneste  man  aus  Pausaniae  (VII  5,  3)  und  ans  den 
Münzen,  daea  die  Göttin  Nemesie  zn  Smyrna  ala  eine  Zveiheit 
verehrt  wnrde.  Von  den  dortigen  Cultbildeni  gibt  uns  die  häufige 
Darstellung  der  Münzen  ^  eine  Vorstellung.  Die  beiden  GöttinceD 
werden  regelmässig  nicht  einfach  neben  einander^  sondern  sich 
gegenüber  gestellt;  sie  sind  voll  bekleidet,  angeflügelt',  aod 
ganz  gleich  gebildet,  auch  darin  übereinstimmend,  dase  die  Rechte 
nach  dem  oberen  Rande  des  Chiton  greift^.  Mar  in  den  AttribateD 
sind  sie  ebenso  regelmässig  unterschieden:  die  linke  (vom  Be- 
schauer) stehende  hält  in  der  Linken  den  Zügel,  die  etwas  grössere 


^  Ich  war  durch  die  Leetüre  des  Pausaniae  auf  die  Erscheinung 
aufmerksam  gemacht  worden.  Durch  meinen  Freund  Imhoof-Blamer 
wurde  ich  dann  auf  die  Münzen  von  Heraklei a  (unten  S.  197)  hin- 
gewiesen, die  mir  den  Umblick  nach  bildlichen  Darstellungen  nahe 
legen  mussten.  Auf  diesem  Gebiet  freue  ich  mich  K.  Dilthey  und  den 
Collegen  Löschcke  und  Karo  für  wesentliche  Förderung  meinen  Dank 
auszusprechen.  Der  einzige,  der  bisher  die  Erscheinung  planmassig  ins 
Auge  gefasst  hat,  freilich  mit  einem  durch  Creuzer  getrübten  Blick, 
ist  meines  Wissens  Ed.  Gerhard  im  Prodrom us  mythologischer  Kunst* 
erklarung  (Stuttg.  1828)  S.  121  f.  129  ff.  vgl.  45  ff.  und  im  VIII  Ber- 
liner Winckclmannsprogramm  von  1848  *Zwei  Minerven'  S.  5  ff.  Ich 
habe  im  folgenden  alle  die  Fälle  ausser  Betracht  gelassen,  in  welchen 
die  doppelte  Anwendung  derselben  Gottheit  auf  einen  ausserhalb  der 
religiösen  Yurstellung  liegenden  Grund  zurückgeführt  werden  mus». 
zB.  auf  die  Compositionsweise  der  Vasenzeichner  oder  auf  das  Streben 
nach  Symmetrie,  wie  auf  Sarkophagbildem  Attis  ua.;  dahin  stelle  ich 
auch  den  Karneol  der  Berliner  Gemmensammlung  N.  2565  (bei  Gerhard, 
Zwei  Minerven,  Taf.  n.  4)  mit  zwei  Athenen  auf  den  Seiten  eines 
Tropaion.  Mit  vollem  Recht  hat  im  Gegensatz  zn  Gerhard  Welcker  in 
den  alten  Denkm.  5,  320  ff.  diese  Gesichtspunkte  betont. 

«  Cat.  Brit.  Mus.,  lonia  Taf.  XXVI  8.  17  XXVIII  4  XXIX  14.  U^ 
vgl.  p.  250.  253  ff.  Eckhel  dootr.  num.  2,  548  ff.  Zuweilen  wird  zn 
Füssen  der  rechts  stehenden  Figur  ein  Rad  sichtbar  wie  XXVIII  4 
XXIX  14.  Nur  auf  einer  Münze  des  Com  modus  XXIX  9  vgl.  p.  281  sind 
die  Göttinnen  neben  einander  gestellt  auf  einem  von  von  zwei  Greifes 
gezogenen  Wagen,  aber  sonst  ohne  Abweichung  von  dem  üblichen  Bilde 

'  Auch  Pausanias  bezeugt  das  I  33,  7  έπ6ΐ  μηδέ  Σμυρναίοις  τά 
άγιώτατα  Εόανα  (der  Nemesis)  ίχ«  πτερά*  οΐ  bi  ύστερον  ....  Νεμίο«» 
πτ€ρά  ώςπ€ρ  Έρωτι  ποιοΟαιν  (wie  sie  auch  dem  Ammianus  Marc.  XI^ 
11,  2G  vor  Augen  steht). 

^  lieber  die  Bedeutung  dieses  Gestus  vgl.  0.  Jahns  Ardi.  Bei* 
träge  S.  150  Anm.  133. 


Dreiheit  1dl 

reohte  schultert  mit  derselben  Hand  die  Elle.  Das  Ansehn,  worin 
diese  Göttinnen  zu  Smyrna  standen,  zeigt  sich  darin,  dass  anf 
die  zum  Andenken  an  Städtebünde  (όμόνοιαι)  geprägten  Münzen^ 
das  Doppelbild  der  Nemeseis  als  Wahrzeichen  der  Stadt  gesetzt 
wurde. 

Man  hat,  soviel  ich  weiss,  an  dieser  Doppelung  keinen  An- 
stosB  genommen,  vermuthlich  weil  man  den  Begriff  für  dehnbar 
und  nicht  voliwerthig  ansah,  etwa  nach  Art  der  Muse,  Moira  usw. 
Das  ist  unberechtigt.  Nicht  nur  dass  sonst  immer  Nemesis  als 
Einheitsbegriff  erscheint,  auch  anf  Münzen  von  Smyrna  ist  nicht 
selten  nur  üne  Nemesis  dargestellt*.  Noch  bestimmter  dürfen 
wir  nach  Denkmälern  der  Insel  Thasos  urtheileu,  wohin  der 
Cultns  wohl  zeitig  von  Smyrna  her^  eingedrungen  war.  Ein 
Thasisches  Relief^  lässt  die  beiden,  neben  einander  in  einer  Nische 
stehend,  den  Beschauer  anblicken ;  beide  in  vollkommen  gleicher 
Tracht  und  Haltung,  ohne  irgend  welche  Differenzierung:  die 
linke  Hand,  über  weiche  das  Ende  des  Ueberkleids  fallt,  schultert 
die  Elle,  die  rechte  ist  an  die  Brust  gelegt.  Die  Unterschied- 
losigkeit  der  beiden  Gestalten  kann  nicht  Vereinfachung  oder 
Entstellung  der  differenzierenden  Bildung,  sondern  muss  das  Ur- 
sprüngliche sein.  Nun  sind  aber  auf  Thasos  zugleich  mit  jenem 
Relief  zwei  kleinere  Steine  gefunden  worden,  auf  denen  nur  έίηο 
Nemesis  in  wesentlich  gleicher  Gestaltung  erscheint  ^  Man  muss 
daraus  die  Ueberzeugnng  schöpfen,  dass  auch  da,  wo  eine  doppelte 
Nemesis  verehrt  wurde,  sowohl  in  Smyrna  wie  auf  Thasos,  gleich- 
wohl die  Einheitlichkeit  des  Gottesbegriffs  festgehalten  worden  ist. 

Anstoss  hat  zuerst  eine  merkwürdige  Vorstellung  der 
Göttermutter  gegeben.  Ein  aus  Athen  stammendes  Weih- 
relief® führt  uns  einen  kleinen  Tempel  vor,    der   zwei  fast  voll- 


1  Cat.  Br.  Mus.,  lonia  p.  110  f.,  vgl.  Taf.  XXXVIII  2. 

«  zB.  Cat.  Br.  M.,  Ion.  Taf.  XXVI  15  vgl.  p.  25-2  und  274  f. 

Β  Vgl.  Rossbach  in  Roschers  Myth.  Lex.3, 159.  Der  Smymäische 
Typas  hat  sich  bis  Sinope  verbreitet,  s.  Imhoof-Blumers  Kleinas.  Münzen 
1,  8  Taf.  I  10. 

^  Abgebildet  bei  Röscher  aO.  158. 

«  Vgl.  Rossbach  aO.  H,  157  f. 

^  Die  Abbildung  bei  Stephani,  Der  ausruhende  Herakles  Taf.  VII 2 
ist  nach  den  Angaben  von  Wolters  Gipsabg.  d.  Berl.  Mus.  1138  S.  372 
zu  berichtigen;  besser  bei  Mylonas  Ephim.  Arch.  1890  auf  der  ein- 
gelegten Tafel  SU  p.  1—10  Nr.  6  vgl.  p.  4, 1.  Bei  Wolters  findet  man 
auch   die  Nach  Weisungen   zu   den   weiter   erwähntei'  "^  das 


192  üeenef 

ständig  gleich   gestaltete    thronende  Bilder    der   grossen  Mutter» 
durch   einen    Pfeiler  getrennt,    enthält.     Beide    Göttinnen    zeigen 
dieselben  Gesichtszüge,    die   gleiche  Anordnung    der    Haare,    anf 
dem  Haupte  den  Polos    und  in  der  herabhangenden  Rechten  das 
Tympanon ;  der  einzige  Unterschied  besteht  darin,  dass  der  Löwe 
seitlich  der  einen  auf  dem  Boden  sitzt,  γοη  der  anderen  anf  dem 
Schoosse  gehalten  wird.     Das  von  Stephani  veröffentlichte  Relief 
schien  lange  allein  zu  stehen,    inzwischen    sind   mindestens  sechs 
gleichartige  hinzugekommen.     Schon  Foucart    bat    darauf  hinge- 
wiesen,  dass  die  Cultgenossenschaft  der  Göttermutter    im  Piräae 
in  ihren  Beschlüssen    statt  des  Singulars   ^die  Göttin     auch    ge- 
legentlich ganz  gleich werthig  den  Plural  *die  Göttinnen*  gebraucht^. 
Es  hat  natürlich  nicht  an  Versuchen  gefehlt,  den  beiden  Göttinnen 
verschiedene  Namen  zu  geben,    wie  Demeter   und  Köre  mit  An- 
gleichung  an  die  Göttermutter,  oder  Göttermutter  und  Aphrodite. 
Angesichte  der  Denkmäler,    welche  an    der  £inerleiheit  des  dar- 
gestellten göttlichen  Wesens  keinen  Zweifel  lassen,    muss  davon 
Abstand  genommen  werden.     Wie  die  Moires  und   Matnmae  ats 
Westens  immer  als  Dreiheit  aufgefasst  werden,  so  ist  die  Götter- 
mutter innerhalb  gewisser  Kreise  in  eine  Zweiheit  zerlegt  worden. 
Eine  andere  Thatsache  leistet  erwünschte  Hilfe.     Zu  Engyion  in 
Sioilien  bestand    ein  namhafter  Cultus  der  Göttermutter:   Mairis 
magnae  fanum  apud  Enguinos  est  sagt  Cicero  in  Verr.  IV  44,  97 
und  nennt  es  fanum  religiosissifimm.   Aber  ebenso  sicher  ist,  dan 
dort  *  Mütter'  verehrt  wurden;    sie    sollten    von   den  Ansiedlern 
aus  Kreta  mitgebracht  worden  sein  und  galten  als  die  Ammen  d» 
Zeus*.     Es    ist   unmöglich,    Cicero,    der    über    Sicilien    bestens 
unterrichtet  ist,    eines  Irrthums   zu   zeihen,    und  es  bedarf  kaum 
des  Hinweises  auf  den  ganz  gleichartigen  Fall    der  Fortuna  von 


siebente  Exemplar  hat  Schrader  Atben.  Mitth.  XXI  (18%)  S.  280  hin- 
zugefugt. 

1  CIA  II  622,  13  θβραπβύουσα  τάς  θ€άς  17  τοις  φιλοτιμουμένοις 
€ΐς  τάς  θ€άς  21  €ύσ€β€ΐσς  ?v€K€v  τής  βίς  τάς  θβάς,  vgl.  Foucart  Aeso- 
ciations  religieuses  ρ.  99  f. 

«  Diodor  4,  79  f.,  Plutarch  Marc.  20  πόλις  έστΙ  τής  Σικ€λίας 
Έγγύιον  ού  μβγάλη,  αρχαία  hk  πάνυ  καΐ  διά  θεών  έιηφάν€ΐαν  ^^δοΕος, 
&ς  καλοΟσι  Ματ^ρας.  ϊδρυμα  λέγβτσι  Κρητών  γβνέσθοι  τό  Upov.  Vgl. 
Höfer  in  Roscbers  Myth.  Lex.  2,  2931  f.  Die  Sage  machte  sie  zu  deo 
Kretischen  Ammen  des  Zeusknäbleine  und  fand  sie  am  Himmel  in  den 
beiden  Bären  wieder,  Arat.  31  ff.  Diodor  4,  80  vgl.  schol.  Q  Od.  €  272 
p.  270,  27  Dind.  Eratosth.  Katast.  2  p.  56—59  Rob. 


Dreiheit  193 

Antiam  (S.  202).  Die  grosse  Matter  von  Engyion  warde  eben 
als  eine  Mehrheit  gedacht,  auch  hier  von  zweien:  das  lehrt  die 
Sage,  dass  Zeas  sie  unter  die  Gestirne  versetzt  habe  als  die 
beiden  Bären  ^.  Eine  Bestätigung  gewähren  Sicilisohe  Schlender- 
bleie {IG8I  2407,  7  p.  609),  anf  denen  neben  Νίκη  Ματέρων 
nnd  Ν.  Μητέρων  auch  singularisch  Ν.  Ματέρος  vorkommt:  Kai  bei 
hat  mit  Becht  davor  gewarnt,  den  Singular  zu  ändern. 

E^ne  grosse  Ueberraschung  brachte  eine  in  der  Umgegend 
Athene  gefundene,  jetzt  im  Besitz  der  dortigen  archäologischen 
Gesellscliaft  befindliche  Beliefplatte  mit  doppelter  Pallas.  M7- 
lonae  hat  nicht  nur  für  eine  treue  Abbildung  gesorgt,  sondern 
auch,  indem  er  die  solide  Gelehrsamkeit  Ed.  Gerhards  aus  dem 
Creuzerschen  Schutt  des  Prodromus  herauszugrsben  wusste,  die 
mjerk  würdige  Darstellung  in  grösseren  Zusammenhang  gertlckt'. 
In  einem  zweitheiligen  Kapellchen,  dessen  Giebeldreieck  aufgesetzt 
war,  aber  verloren  ist,  stehen  zwei  Pallasbilder  von  alterthum* 
licher  Kunstart  neben  einander,  voll  bekleidet  (der  üeberwurf 
fällt  in  zwei  Zipfeln,  sorgfältig  gefältelt,  vorn  über  die  rechte 
Schulter  herab),  auf  dem  Kopf  den  Helm  mit  zwei  Bügein,  in 
der  Linken  den  grossen  kreisrunden  mit  Gorgoneion  bewehrten 
Schild,  mit  der  über  Kopfeshöhe  erhobenen  Rechten  fassen  sie 
die  mächtige  Lanze;  zwei  Schlangenleiber  ringeln  sich  unter  dem 
Schild  hervor  nach  dem  rechten  Arme  hin.  Beide  Gestalten  sind 
bis  auf  die  Fältchen  vollkommen  gleich  gebildet.  Nur  ein  kleiner 
Unterschied  besteht:  das  eine  Gorgoneion  streckt  die  Zunge 
heraus,  das  andere  nicht.  Diese  kleine  Unebenheit  wird  auf 
Rechnung  der  Laune  oder  des  Zufalls  zu  schreiben  sein  und  ge- 
nügt keinesfalls  um  dem  Bildner  die  Absicht  zuzuschreiben,  eine 
Athene  des  Kriegs  und  eine  des  Friedens  nebeneinander  zu  stellen, 
wie  der  Herausgeber  meinte :  das  lässt  sich  nicht  ernsthaft  wider- 
legen. Der  Urheber  des  Bildwerks  konnte  nur  gewillt  sein,  die 
eine  göttliche  Person  doppelt  darzustellen ;  und  dieser  Wille  kann 
nicht  durch  eine  Laune,  sondern  nur  durch  einen  Brauch  des 
Gultos  hervorgerufen  sein.  Die  athenischen  Darstellungen  der 
Göttermutter  und  der  thasische  Stein  mit  den  beiden  Nemeseis 
vereinigen  sich  mit  diesem  Relief  za  dem  Beweise,  dass  auch 
wenn  in  den  grossen  Tempeln  eine  solche  Doppelung  nicht  nach- 
weisbar sein  sollte,    es  doch    an    den  Strassen,    in    den  Häusern 


^  Weloker  Alte  Denkm.  2, 155  f.  nahm  trotzdem  drei  Mütter  an. 
^  Ephemeris  archaeol.  18«n  «   1  flr.  Taf.  1. 

KUtin.  Kiu.  f.  PbUoI.  N.  F.  LV  13 


194  üsener 

nnd  auf  dem  Lande  Hunderte  eolcber  kleiner  Denkmäler  —  wir 
dürfen  sie  Kapelloben   nennen  —  gegeben    haben    mnes,    welche 
in    alterthümlicher   Weise    doppelte    gleichförmige    Bilder   einer 
Gottheit  zur  Anbetung  anaetellten.     Aber  in  der  That  hatte  der 
Athenatempel  zu  Aigion  zwei  Bildnisse  der  Göttin  (Paus.  VII  23,9), 
und  zu  Theben  standen  zwei   Marmorbilder  der  Athena  Zosteria 
zusammen  (Paus.  IX  17,  3).     £s  ist  danach  begreiflich,  dase  die 
Sage  auch  für  den  Burgtempel  yon  Ilion  zwei  Palladien  voraus- 
setzte: eine  ins  Berliner  Museum  gelangte  Form  eines  Terracotta- 
reliefs  gibt  sowohl  dem  Odysseus  als  dem  Diomedes  ein  Palladion 
in  die  Hand^;    auf  derselben  Vorstellung    beruht    die  Annahme, 
dass  iin  Palladion   von   jenen  Helden    geraubt,    das    andere  tob 
Aeneas  nach  Italien  gerettet  worden  sei.     Mit  Recht    hat   schon 
Gerhard  ^   darauf    hingewiesen,   dass  mehrfach    zwei  Tempel  der 
Athena  begegnen,  auf  der  athenischen  Akropoiis  der  Athena  Polias 
und  der  Parthenos,  zu  Tegea  der  Ath.  Alea   und  Poliatis  (Paas. 
VIII  45,  4.  47,  5),   zu  Sparta  der  Ath.  Χαλκίοικος  =  Πολιούχος 
und  der  A.  Εργάνη  (Paus.  Ili  17,  2.  4),    auch  zu  Theben  nach 
Soph.  OT.  20  ττρός  Παλλάδος  διττλοΐς  ναοΐς,   dh.  der  'Ογκαία 
und  der  Ίσμηνία  (s.  Schol.). 

Unter  den  erhaltenen  Denkmälern  steht  das  Athenische 
Belief  nicht  allein.  loh  will  nicht  yon  Vasenbildem  reden,  auf 
denen  die  Unbeholfenheit  des  Zeichners  eine  Verdoppelung  ver- 
schuldet haben  kann.  Aber  noch  auf  dem  Deckel  eines  Etruskischen 
Spiegels  hat  eine  jüngere  Kunst  zwei  gegenüber  sitzende  Figuren 
der  bewaffneten  Athena  mit  vollkommener  Gleichheit,  nur  ejm- 
metrisoh  darzustellen  unternommen';  die  einzige  Abweichang 
besteht  darin,  dass  die  äussere  Hand  der  links  sitzenden  sich 
auf  den  Schlangenleib,  die  der  anderen  auf  den  Felsen  stützt. 
£ine  ähnliche  Darstellung,  nur  von  geringerer  Sorgfalt,  auch 
hier  mit  leiser  Differenzierung  in  der  Haltung  der  sonst  gleichen 
Gestalten,  bietet  ein  etruskischer  Spiegel  bei  Gerhard-Körte 
V  Taf.  7,  1  vgl.  S.  12  f. 

Dass  Mehrköpfigkeit  jüngere  Vereinfachung  von  Mehrleibig- 
keit  war,  haben  wir  schon  im  vorhergehenden  Abschnitt  zu  he- 


1  Abgebildet  Archäol.  Zeit.  IV  (1846)  Taf.  XXXVII  vgl.  Gerhard 
das.  S.  203—6. 

'  Prodromus  mythol.  Kunsterklärung  S.  120  f. 

β  Gerhard,  Zwei  Minerven  (s.  S.  190,  1)  S.  3  f.  £tr.  Spieg«!  HI 
241,  auch  Ephim.  Arch.  1890  auf  der  eingelegten  Tafel  su  p.  1-10 
D.  l.    Vgl.  Welcker,  Alte  Denkmäler  5,  320—6. 


Dreiheit  195 

obacbten  G-elegenbeit  gehabt:  hier  wird  es  uns  wieder  bestätigt. 
Das  Capitoliniecbe  Mueeam  besitzt  eine  Doppelherme  der  Atbena 
mit  zwei  völlig  gleichen  Köpfen.  Und  wenn  wir  zu  Athen,  wo 
noch  in  der  ersten  Hälfte  des  V  Jh.  das  Belief  mit  den  zwei 
Pallasbildern  geschaffen  wurde,  den  Doppelkopf  der  Göttin  als 
Münzstempel  finden,  der  anch  auf  Münzen  von  Uxentnm  und 
anderwärts  vorkommt  ^,  so  verstehen  wir  das  nun  als  folgerechte 
Entwicklung.  Sogar  den  letzten  Schritt  in  der  Abfolge  der 
Formen  sehen  wir  yoUzogen.  Eine  Münze  von  Attaleia  in 
Pamphylien  -  stellt  zwei  völlig  gleich  behelmte  Köpfe  der  Athena 
nach  rechts  gewendet  so  dar,  dass  sie  hinter  einander  zum  Vor- 
schein kommen  als,  um  mit  den  Engländern  zu  reden,  jugate 
hcads  *. 

Nach  der  eingehenderen  Erörterung  dieser  Fälle  darf  ich 
mich  begnügen,  die  übrigen  Thatsachen  übersichtlich  zusammen 
zu  stellen. 

Von  Aphrodite  waren  vor  dem  Tempel  des  Ares  zu  Athen 
zwei  Statuen  aufgestellt  (Paus.  I  8,  4).  Ein  alter  Tempel  zu  Sparta 
besass  ungewöhnlicher  Weise  ein  Obergeschose :  in  dem  unteren 
Tempel  stand  ein  Schnitzbild  der  gewappneten  Aphrodite,  der  obere 
war  der  Morpbo  geweiht  (einer  Benennung  der  Aphr.,  wie  Paus, 
bemerkt),  deren  Bild  Schleier  trug  und  Fesseln  an  den  Füssen 
hatte  (Paus.  III 15,  10  f.).  Zu  Elle  lag  neben  einem  abgesonderten 
heiligen  Bezirk  der  Aphr.  Pandemos  (von  Skopas  auf  einem  Bock 
sitzend  in  Erz  gebildet)  ein  Tempel  der  Aphr.  Urania  (mit  gold« 
elfenbeinernem  Bild  des  Pheidias)  nach  Paus.  VI  25,  1.  F&Ile  wie 
der  von  Paus.  Vlli  37,  12  erwähnte,  dass  neben  einem  älteren 
Schnitzbild  eine  Marmorstatue  der  Gottin  stand,  gehören  nicht 
hierher:  es  war  in  der  Zeit  der  entwickelten  Plastik  ebenso  natür- 
lich, dass  das  altfränkische  Holzbild  durch  ein  würdiges  Kunst- 
werk ersetzt  wurde,  wie  dass  das  alte  Bild  nach  wie  vor  den 
gläubigen  Verehrern  als  besonders  heilig  galt  und  darum  nicht 
beseitigt  werden  konnte. 

Apollo n:  vor  seinem  nahe  bei  der  Königshslle  zu  Athen  ge- 
legenen Tempel  waren  zwei  Bilder  des  Gottes  aufgestellt:  das  eine, 
ein  Werk  des  Leochares,  unbenannt,  das  andere,  Arbeit  des  Ka- 
iamis, wurde  als  Alexikakos  verehrt  (Paus.  I  3,4).  Gerhard  (Pro- 
dromus  S.  132^)  hat  damit  den  Brauch  der  Parrhasier  (Paus.  VIII 
38,  8)  verglichen,  bei  dem  alljährlichen  Apollonfeste  zuerst  dem 
Ap.  Epikurios  auf  dem  Markte  von  Lykosura  einen  Eber  zu  opfern 


1  Strena  Helbigiana  S.  328,  3—5. 

«  Cat.  Brit.  Mus.,  Lycia  uew.  Taf.  XXIII  3  vgl.  p.  110,  5. 

•  Üeber  diese  Form  s.  Strena  Hei*' 


196  üeener 

und  dann  mit  dem  Opferthier  in  Prooeesion  hinauf  zum  Tempel 
des  Ap.  Parrhasioe  (auch  Pythioa  genannt)  zu  ziehen,  um  dort  die 
Schenkelstfioke  auszuaohneiden  und  zu  verbrennen,  sowie  das  Opfe^ 
mahl  zu  halten.  Ob  zu  Sparta  die  nahe  bei  einander  (s.  Paas. 
III  13,  6)  aufgestellten  Bilder  des  Ap.  Kameios  und  A.  ApheUios 
(des  Gottes  zu  dem  beim  Antritt  des  Wettlau&  gebetet  wurde)  in 
Beziehung  gesetzt  waren,  bleibt  ft*aglich.  Den  Beinamen  Διδυμαΐος 
oder  Διδυμεύς,  den  Apollon  im  Cultus  Milets  führte,  versucht  ein 
Soholion  zu  Clemens  Alex.  (t.  IV  p.  112  Kl.)  auch  dadurch  sn  er- 
klären, dass  er  dort  zwei  Heiligthämer  gehabt  habe :  das  ist  will- 
kürliche Yermuthung,  wir  wiesen,  dass  Ap.  diesen  Namen  von  dem 
Ort  seines  Tempels  Δίδυμα  >  trug;  aber  die  Frage  darf  aufgeworfen 
werden,  ob  nicht  Orts-  und  Gottesname  in  einer  engeren  Beziehung 
standen,  welche  diesen  Apollon  in  unsere  Reihe  aufzunehmen  ge- 
stattete, 80  wie  die  μήτηρ  Δινδυμήνη  (S.  192.  344,  2). 

Artemis:  ihr  Tempel  zu  Mykalessos  in  Böotien  war  mit  zwei 
Marmorbildem  der  Göttin  geschmückt;  das  eine  trug  (zwei)  Fackeln, 
das  andere  machte  den  Eindruck,  als  schösse  sie  mit  dem  Bogen*; 
eine  gleiche  ZusammenstelluDg  dürfen  wir  für  Gortyn  annehmen. 
Zu  Athen  befand  sich  in  nächster  Nähe  der  Akademie  ein  um- 
friedetes Heiligthum  der  Artemis,  in  welchem  zwei  Schnitzbilder 
der  Göttin  standen,  das  eine  Ariste,  das  andere  Kalliste  benannt 
(Paus.  I  29,  2).  In  der  letzteren  erkennt  man  leicht  die  Voll- 
mondsgöttin  wieder;  ich  habe  dem,  was  ich  in  den  Göttemamen 
S.  53  f.  ausgeführt  habe,  nur  hinzuzufügen,  dass  sich  auf  Thera 
zwei  Felseninschriften  mit  ΚαλΑι  schlechthin  (IG Ins.  III  n.  380} 
gefunden  haben.  Die  Ariste  konnte  ich  damals  ua.  durch  die  Λ^ 
temis  Aristobule  stützen,  die  uns  als  eine  Todesgöttin  bezeugt  ist: 
jetzt  sehen  wir  in  dem  grossen  Pariser  Zauberpapyrus  *  unter  sahl- 
reichen  Göttern  und  Dämonen  der  Unterwelt  die  *Αρ^στη  χθονίο 
angerufen.    In   beiden  Fällen  ist  Differenzierung  beliebt   worden: 


^  Δίδυμοι  als  Ortsname  auch  in  der  Nähe  von  Hermione,  Paus- 
II  36,  3  (auch  da  Apollotempel). 

s  Paus.  IX  19,  6  ναός  bi  *  Αρτέμιδος  έστιν  ένταΟθα  κα)  αγάλματα 
λ(θου  λ€υκοΟ,  τό  μέν  δ<]1δας  φέρον,  τό  δέ  £οικ€  τοε€υούσΐ}.  Nach  dem 
Recht  von  Gortyn  hat  das  geschiedene  Weib  den  Reinigungseid,  der 
erforderlich  werden  kann,  bei  Artemis  zu  leisten,  indem  sie  an  das 
Bild  der  Το«α  herantritt,  III  7  f.  (p.  21  Bücheler-Zitelmann)  τάν  v>' 
ναΐκ'  άπομόσαι  τάν  "Αρτεμιν  παρ'  Άμυκλαΐον  παρ  τάνΤοκσίαν:  dasader 
£id  bei  Artemis  am  Bild  der  Bogenschützin  abgelegt  werden  soll, 
zwingt  zu  dem  Schlüsse,  dass  eine  zweite  verschieden  ausgestattete 
Statue  der  Artemis  nebenan  stand,  wie  Bücheier  Rh.  Mus.  40, 477  be- 
merkt hat. 

■  Bei  Wessely  in  den  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  XXX^^ 
S.  81  Z.  1450. 


Dreibeit  197 

ob  zu  Athen  der  doppelte  Name  daroh  verBcbiedene  Bildung  and 
Attribute  der  Xoana  begründet  war,  bleibt  fraglich.  Dagegen  bat 
von  dem  Artemietempel  zu  Trozen  Pansaniaa  (II  31,  1)  nur  zu 
berichten,  dass  er  'Bilder'  (αγάλματα)  der  Göttin  enthalten  habe. 

Demeter  hatte  zu  Thelpusa  in  Arkadien  ein  berühmtes  Heilig• 
thum,  worin  zwei  Schnitzbilder  der  Göttin  standen,  das  eine  als 
D.  Erinys,  das  andere  als  D.  Lusia  (Paus.  ΥΠΙ  25,  5  ff.)•  Wenn 
in  einem  Heiligthum  am  Aufgang  zur  Akropolis  Ge  Kurotrophos 
und  Demeter  Chloe  zusammen  verehrt  wurden  (Paus.  I  22,  3),  so 
wird  das  verstöndlich  unter  der  Annahme,  dass  in  demselben  zwei 
wesentlich  gleiche  Bilder  (der  Demeter)  aufgestellt  waren,  welche 
seit  dem  V  oder  VI  Jh.  durch  verschiedene  Benennung  auseinander 
gehalten  wurden;  neben  der  gerade  in  Athen  lange  festgehaltenen 
Sondergöttin  Kurotrophos  erweist  sich  die  Ge  Kurotrophos  als 
jüngere  Abstraction,  vgl.  zu  flygieia  S.  198. 

Dionysos:  sein  Tempel  zu  Megara  vereinigte  zwei  Schnitz- 
bilder des  Gottes,  als  Patroos  und  als  Dasyllios  (Paus.  I  43,  5). 
Zu  Korinth  am  Markte  standen  zwei  alte  Schnitzbilder  des  Dion., 
die  als  Bakoheios  und  Lysios  unterschieden  wurden  (Paus.  II  2,  6). 
Und  dieselbe  Benennung  trugen  zwei  geheim  gehaltene  Schnitz- 
bilder  zu  Sekyon  (Paus.  II  7,  5  f.).  Im  ältesten  Beiligthum  des  D. 
zu  Athen  waren  dem  Gotte  zwei  Tempel,  ein  jeder  mit  seinem 
Cultbild,  neben  einander  errichtet  (Paus.  I  20,  3).  Heraia  in  Ar- 
kadien besass  zwei  Dionysostempel,  einen  des  D.  Polites,  den  andern 
des  Auxites  (Paus.  VlII  26,  1);  auch  für  Tegea  werden  zwei  alte 
Tempel  des  D.  von  Paus.  VIII  «53,  7  bezeugt.  Nicht  in  Betracht 
kommen  die  beiden  Bildwerke  im  Musentempel  des  Helikon  (Paus. 
IX  30, 1):  zu  dem  von  Lysippos  geschaffenen  Dionysos  war  erst 
durch  die  Weihung  des  Sulla  die  Myronisobe  Statue  hinzugefügt 
worden.  Wohl  aber  mag  hier  noch  an  den  (€ρ€ύς  Διονύσων  auf 
Nisyros  (S.  189)  erinnert  werden. 

Hera  war  in  dem  grossen  Tempel  von  Plataeae  in  der  dop- 
pelten Gestalt  der  Ehefrau  (rcXcia)  und  der  Braut  (νυμφβυομ^η) 
dargestellt:  jene  ein  Werk  des  Praxiteles,  diese  des  Kallimachos 
(Paus.  IX  2,  7);  dafür  zu  Stymphalos  (S.  208)  eine  Dreiheit.  In 
anderer  Zweiheit  führt  sie  Kr  inagor  as  vor  in  einem  Gebet  um 
glückliche  Entbindung  der  Antonia  Anth.  Pal.  VI  244 
"Ηρη  'Εληθυιών  μήτηρ  *Ήρη  τ€  τ€λ€(η 
καΐ  Ζ€θ  γινομένοις  Ηυνός  άπασι  πάτβρ  — . 

Herakles  auf  Bronzemünzen  von  Herakleia  in  Lucanien  ver- 
doppelt: zwei  völlig  gleiche  Gestalten  schreiten  neben  einander 
nscb  links,  nackt,  das  Löwenfell  über  dem  linken  Arm,  mit  der 
l.  Hand  die  Keule  schulternd,  in  der  ausgestreckten  Rechten  eine 
Opferschale  haltend;  abgebildet  bei  Carelli  Uv.  GLXIII  49—51 
(q.  49  zeigt  keine  Opferscbale)  s.  Mionnet  supplom.  I  299  n.  668 
Archäol.  Zeit.  1853  Taf.  LVIII  4  Cat.  Br.  Mus.,  Italy  p.  238  n.  56. 
Ein  Gegenstück   dazu   befand  sich  unter  den  Weihgeschenken   zu 


198  Uscner 

Olympia,  ein  Paar  von  Heraklesbildern,  beide  nackt  und  in  jugend- 
lichem Alter,  zwischen  den  Weihegaben  der  Stadt  Akragas  uod 
eines  Tarentiners  Hippotion  auf  der  Umfaesungsmauer  der  Altis 
aufgestellt,  Paus.  V  25,  7.   Vgl.  unten  S.  208. 

Hermes  hatte  zu  Tanagra  zwei  Heil igthümer,  eines  als  Widder- 
träger  (Κριοφόρος),  das  andere  als  Vorkämpfer  (Πρόμαχος),  letz- 
terer scheint  auch  der  Gott  der  Ringsohule  gewesen  zu  sein,  s. 
Paus.  IX  22,  1  f.  Zu  Korinth  war  er  durch  zwei  firzstatuen  ver- 
treten, nur  eine  derselben  hatte  ihren  Tempel  (Paus.  Π  2,  8).  Em 
etruskischer  Spiegel  bei  Gerhard-Körte  V  Taf.  8,  1  vgl.  S.  13  f. 
stellt  zwei  Gestalten  des  Gottes  gegenüber. 

Hygieia:  Paus.  123,4  von  der  Akropolis  θ€ΐΙιν  αγάλματα  έστιν 
Ύγκίας  τβ,  ήν  ΆσκληπιοΟ  παΐδα  €Ϊναι  λέγουσι,  καΐ  'Αθηνάς  ivi- 
κλησιν  καΐ  ταύτης  Ύτΐ€(ας,  vgl.  diu  Zeugnisse  bei  Jahn-Micbaelis 
ρ.  47^  f.  Die  Vermuthung  liegt  nahe,  dass  die  beiden,  doch  wohl 
neben  einander  aufgestellten  Bilder  ein  i^oppelbild  der  Hygieia 
sein  sollten;  ähnlich  hatten  wir  schon  über  die  athenische  Demeter 
(S.  197)  urtheilen  müssen. 

Ρ  an  zeigt  zwar  schon  unmittelbar  nach  seiner  Einführung  in 
den  Gultus  .Athens  die  Fähigkeit  der  Vervielfältigung,  indem  er 
in   vereinzelten  Fällen  bei  Aeschylos,   Sophokles  (s.  schol.  Theokr. 

4,  62)  und  Aristophanes  (Ekkles.  10G9)  als  Mehrheit  angerufen  wird; 
aber  im  Cultus  und  deragemäss  zB.  auf  den  häufigen  Reliefs,  die 
ihn  in  Verbindung  zu  den  tanzenden  Nymphen  setzen  (Michaeli« 
Ann.  deir  Inst.  1863  t.  XXXV  292  ff.  Roschers  Myth.  Lex.  3, 
1421  ff.)  ist  er  als  einheitliche  Gottheit  festgehalten  worden.  & 
gehört  also  in  die  Reihe  der  hier  behandelten  Fälle,  wenn  uns  ein 
doppelter  Pan  auf  attischen  Denkmälern  begojvnet.  Schrader  hat 
deren  bereits  drei  vorgeführt  (Athen.  Mitth.  21,  275  ff.).  Auf  dem 
Votivrelief  der  Münchener  Glyptothek  N.  301  (aO.  Taf.  VIII  vgl. 

5.  276)  stehen  in  einer  Höhle  zwei  gehörnte  Pane  in  Vorderansicht, 
durch  Altar  und  Pinie  getrennt,  beide  bis  auf  den  über  den  Rücken 
fallenden  (Jeberwurf  nackt,  die  äussere  Hand  stützt  jeder  auf  einen 
anspringenden  Ziegenbock,  der  etwas  grössere  rechts  bläst  die 
Syrinx,  der  andere  schultert  mit  der  Linken .  das  Podum ;  auf  dem 
oberen  Plane  drei  tanzende  Mädchen  zwischen  einem  HekaUion 
(links)  und  einer  sitzenden  Gestalt.  Einem  gleichartigen  Bildwerk 
mag  ein  Bruchstück  des  Athen.  Nationalmuscums  (abgeb.  S.  27 il 
angehört  haben,  von  dem  nur  die  Bocksbeine  der  beiden  Pane 
und  der  sie  trennende  cylindrische  Altar  erhalten  sind.  Wenn  wir 
durch  Pausanias'  Beschreibung  der  Halle  beim  Tempel  der  Deepoina 
(VIII  37,2)  erfahren,  dass  in  dem  dritten  Relief  *  Nymphen  und 
Pane'  gebildet  waren,  wird  man  zunächst  an  diese  athenische  Dar- 
stellung erinnert  und  eine  Zweiheit  von  Pauen  voraussetzen.  Die 
Vorderfläohe  eines  Räucheraltars  aus  dem  lobakohenheiligthum 
läset  zwei  neben  einander  stehende  gehörnte  Pane  den  Beschtuer 
anblicken ;  der  nackte  links  führt  mit  der  Rechten  die  Syrinx  lum 


Dreibeit  109 

Munde  und  hält  in  der  gesenkten  Linken  das  Pedum,  der  andere 
hat  die  Reofate  in  den  Mantel  geschlagen  und  in  der  herabhangen- 
den Linken  eine  Syrinx  (abgeb.  aO.  S.  275).  Schon  früher  hatte 
W.  Fröhner  (Annali  dell'  Inst.  1884  t.  LVI  tav.  Μ  vgl.  p.  210)  das 
Bild  eines  zu  Neapel  befindlichen  Skyphos  veröffentlicht,  worauf 
das  Aufsteigen  (άνοδος)  der  Köre  dargestellt  ist:  am  die  bis  etwa 
zu  den  Knieen  aus  dem  Boden  empor  gestiegene  Oöttin  gerathen 
zwei  nackte  Pane,  mit  menschlichen  Beinen,  aber  Pferdeschwanz 
und  Ziegenbockakopf  ausgestattet,  in  Verzückung;  der  links  tanzt 
mit  hoch  erhobnem  rechtem  Bein,  der  zur  Linken  des  Beschauers 
scheint  sich  zu  nähern  um  das  schöne  Wunder  zu  betasten. 

Poseidon:  in  der  Vorhalle  des  Poseidontempels  am  Isthmos 
waren  zwei  £rzbilder  des  Poseidon  und  dazu  eines  der  Amphitrite 
aofgestellt  (Paus.  II  1,  7).  Von  einem  Unterschiede  der  beiden 
Bilder  des  Gottes  ist  nicht  die  Bede. 

Tyche  wird  auf  einigen  kilikischen  Münzen  verdoppelt.  Aus 
der  Waddington'schen  Sammlung  ist  in  der  Revue  numism.  1898 
t.  II  pl.  V  6  (p.  159  n.  4190)  eine  Münze  der  Colonie  Augasta  aus 
der  Zeit  des  Septimius  Severus  abgebildet,  deren  Rückseite  zwei 
gleichartige  Göttinnen  einander  zugewandt,  beide  voll  bekleidet 
zeigt;  die  nach  links  sitzt  und  scheint  einen  Polos  zu  tragen,  die 
andere  steht;  hinter  jeder  eine  Säule  mit  einem  Adler;  zwischen 
ihnen  in  der  Höhe  die  ägyptische  geflügelte  Sonnenscheibe.  Aehn- 
lieh  die  ebend.  pl  V  n.  10  (vgl.  p.  164  n.  4272)  mitgetheilte  Münze 
des  Philippus  pater  aus  Diokaisareia :  die  linke  mit  Polos,  sitzend, 
die  rechts  stehend;  zwischen  beiden  steht  ein  Steuerruder  am  Bo- 
den; unter  ihnen  erscheint  der  Oberkörper  eines  Schwimmers. 
Natürlich  bleiben  hier  die  Münzbilder  ausser  Betracht,  welche  die 
Tycheu  zweier  zu  ομόνοια  verbundener  Städte  darstellen. 

Zeus:  auf  der  athenischen  Akropolis  standen  zwei  Bilder  des 
Gottes  zusammen,  das  eine  ein  Werk  des  Leochares,  das  andere 
der  sogenannte  Stadtgott  (πολιβύς),  Paus.  I  24,  4;  am  Markt  von 
Aigion  befanden  sich  im  Temenos  des  Zens  Soter  zwei  eherne  Bilder 
des  GotteSf  eines  bärtig,  das  andere  un bärtig:  das  letztere  schien 
dem  Berichterstatter  (Paus.  VII  23,  9)  das  ältere  zu  sein.  Eine 
Münze  von  Mylasa  aus  der  Zeit  des  Caracalla  und  Geta  stellt  den 
Zeus  Osogos  und  den  Z.  Labrayndeus  gegenüber  (Cat.  Br.  Mus., 
Caria  p.  133  n.  3β).  In  der  Altis  von  Olympia  standen  zwei  Altäre 
des  Zeus  Hypsistos  (Paus.  V  15,  5) ;  auf  der  Höhe  des  Parnes  war 
nur  ein  ehernes  Standbild  des  Z.  aufgestellt,  aber  zwei  Altäre,  am 
einen  opferte  man  dem  Z.  Σημαλέος,  am  anderen  dem  Όμβριος 
und  *Απήμιος,  Paus.  I  32,  2.  Man  darf  unbedenklich  als  Wirkung 
derselben  Vorstellung  betrachten,  wenn  auf  dem  Gipfel  des  Lykaion 
vor  dem  Altar  des  Zeus  zwei  nach  Osten  gerichtete  Säulen  standen, 
deren  jede  ehemals  einen  vergoldeten  Adler  trug  (Paus.  VIII  38,  7). 
Mantineia  hatte  zwei  Tempel  des  Zeus,  des  Soter  und  des  Epi- 
dotes  (Paus.  Vlll  9,  2).    Veranschaulicht  wird  uns  die  Vorstellung 


SOO  üsener 

durch  eineD  Karneol  der  Berliner  Gemmensammlong  N.  2608,  auf 
dem  zwei  völlig  gleiche  Zeusgestalten  neben  einander  thronend 
und  nach  links  Behauend,  beide  in  der  Rechten  den  Donnerkeil, 
mit  der  Linken  das  vom  Adler  gekrönte  Scepter  haltend  dar- 
gestellt sind;  abgebildet  bei  Overbeck,  Kunstmythol.  I  Gemment. 
III  6  und  in  Furtwänglers  Beschreibung  der  geschnittenen  Steine 
des  Berl.  Antiqu.  Taf.  23,  vgl.  Overbeck  aO.  1,  257  f.  Auch  an 
die  Doppelung  des  Zeus  in  der  oben  S.  23  Anm.  1  angeführten 
Kretischen  Eidesformel  τόν  Δήνα  τόν  *Ατορα(!ον  καΐ  τόν  Δήνα  τόν 
Ταλλαΐον  darf  erinnert  werden. 

Noch  in  hellenistischer  Zeit  ist  die  alterthümliohe  Vorstellungs- 
weise  auf  die  beiden  Aegyptischen  Hauptgötter  angewandt  wor- 
den. Am  Aufstieg  zur  Hochstadt  von  Korinth  lagen  zwei  Tempel 
der  Isis,  der  eine  der  I.  als  Meeresgöttin  (ΤΤ€λαγ{α),  der  andere  als 
*der  Aegyptischen*,  und  dabei  waren  ebenso  viele  Tempel  des  Ss• 
rapis,  deren  einer  nur  die  Sonderbenennung  des  *Sar.  in  Kanobos' 
trug  (Paus.  II  4,  6). 

Wir  dürfen  auch  nicht  an  den  Fällen  yorbeigehn,  wo  uns 
unbekannte  Oötter  verdoppelt  erecheinen.  Wenn  wir  auch  bei 
dem  Mangel  litterarieoher  Zeugnisse  uns  versagen  müssen,  diese 
Gestalten  zu  benennen,  so  reden  doch  die  Bildwerke  eine  nicht 
misBza verstehende  Sprache.  Auf  Müozen  von  Aspendos  in 
Pamphylien  begegnet  öfter  ein  alterthümliohes  Idol,  das  an  die 
Form  der  Magnesisohen,  Ephesisohen,  Pergäischen  Artemis  er- 
innert, eine  mumienhafte  Gestalt  mit  eingewickelten  Armen:  nur 
Hals  und  Kopf  treten  frei  hervor,  der  Kopf  trägt  einen  Polo», 
von  dem  ein  Schleier  herabfällt.  Regelmässig  erscheint  dies  Idol 
verdoppelt.  Entweder  stehen  beide  einfach  neben  einander,  wie 
Coli.  Waddington  in  Bevne  numism.  1898  t.  II  p.  26  n.  3233  f. 
3236;  oder  sie  sind  in  anstossenden  Nischen  eines  sweitheiligen 
Tempels  aufgestellt,  wie  auf  der  aO.  pl.  II  17  (vgl.  p.  28  n.  3263  f.) 
abgebildeten  Münze  des  Gallienus  und  offenbar  auch  auf  der 
Hadrianisohen  des  Cat.  Br.  Mus.,  Lycla  usw.  Taf.  XXII  7  p.  103, 
79;  ebenso  Revue  num.  aO.  p.  27  N.  3244  und  3252.  In  einem 
viersäuligen  Tempel  sind  sie,  und  zwar  ohne  Scheidewand  vor- 
gestellt Cat.  Br.  Mus.,  aO.  Taf.  XXII  11  p.  106,  94.  Eine 
Münze  des  Gordianus  (Revue  num.  aO.  p.  27  n.  3246  Cat.  Br. 
M.  aO.  p.  107,  95)  stellt  eine  sitzende  Tyohe  dar,  die  aueoer 
dem  Füllhorn  auch  die  beiden  Xoana  unserer  Göttin  hält.  Auf 
Münzen  von  Selinus  in  Eilikien  sind  zwei  Göttinnen  mit  Schleier 
stehend  abgebildet,  s.  Imhoof-Blnmer  Monn.  grecques  p.  364,  48 
Gr.  Münzen  S.  190  (714),  581  Revue  num.  1898  pl.  VI  14. 

Besonders  ausgiebig  sind  die  Terracotten.     Auf  diesem  6e- 


Dreiheit  201 

biete  verdanke  ich  yolleren  Umblick  and  festeren  Boden  der 
G-üte  Winters  in  Innsbruck,  der  mir  den  Einblick  in  die  Ans- 
bängebogen  seines  bewundemswertben  Typenkatalogs  der  Terra- 
cotten  verstattete.  Am  reichsten  scheint  die  Insel  Eypros  an 
Darstellungen  zweier  gleichartiger  Göttinnen  zu  sein.  Die  alter- 
tbümlicbste,  die  bis  jetzt  bekannt  geworden,  befindet  sich  an 
einem  aus  Tamasos  stammenden  Steinbtichschen  des  Berliner 
Antiqnariums  (bei  Ohnefalsoh-Biobter,  Kypros  n.  die  Bibel  Taf. 
199,  6) :  in  viereckiger  Aedicula  zwei  nackte  Göttinnen,  beide 
Hände  nach  oben  gerichtet,  als  wollten  sie  die  Decke  stützen, 
auf  den  Köpfen  Polos.  Der  entwickelten  Kunst  gehört  ein  mehr- 
fach  in  Larnaka  vorgefundener  Tvpus  an  (Typenkat.  I  89,  8 
Ohnefalech-ßicbter  Taf.  205,  1  vgl.  38,  7):  zwei  vollbekleidete 
Göttinnen  mit  hohem  Kopfschmuck  und  rückwärts  fallendem 
Sohleier,  am  rechten  Oberarm  dreifache  Spange,  sitzen  auf  einem 
Thron  zusammen  in  der  Weise,  dass  die  rechts  sitzende  ihren 
linken  Arm  über  die  Schultern  ihrer  Nachbarin  legt  und  mit 
der  rechten  Hand  eine  Schale  hält;  die  andere  lässt  die  Rechte 
im  ScLoosse  ruhen  und  legt  die  Linke  an  den  Busen.  Auf  einem 
alterthümlicheren  Bild  (Obnefalsch-Bicbter  Taf.  38,  6)  stehen 
zwei  wjeibliche  Idole  unter  einer  Wölbung,  die  rechte  Hand  an 
die  Brust  gelegt;  Geeicht  und  Kopfschmuck  sind  bei  beiden  etwas 
verechieden.  Roher  das  Kyprische  Idol  der  Collection  Groau 
(p.  107  n.  423,  abgebildet  p.  290),  das  zwei  auf  einem  Throne 
sitzende  Göttinnen  durch  umgeschlagenen  Mantel  wie  zu  einem 
Wesen  vereint  darstellt. 

Die  alterthümlichste  Terracotta  stammt  aus  Tanagra;  sie 
stellt  zwei  thronende  Frauen  in  reich  geschmückten  Gewändern 
thronend  dar  mit  langen  Hälsen  und  Nasengesichtern :  der  figür- 
liche Schmuck  der  Kleider  rückt  sie  nahe  an  die  Mykenische  Zeit 
heran  (Typenkat.  I  5,  2).  Von  grossem  Interesse  für  die^ Ge- 
schichte der  Form  ist  dann  eine  Terracotta  aus  Kamiros  auf 
Rhodos,  bei  Salzmann  Nooropole  de  Gamirus  pl.  14  Typenkatal. 
I  20,  4:  aus  einem  cylindrischen  ungetheilten  Unterkörper,  der 
zu  jeder  Seite  ninen  Arm,  aber  drei  (ursprünglich  doch  4?)  weib- 
liche Brüste  zeigt,  wachsen,  völlig  getrennt,  zwei  Hälse  und 
Köpfe  hervor:  die  Gesichter  sind  unterschieden,  von  den  Köpfen 
fällt^nach  hinten  ein  Schleier.  Man  glaubt  an  dieser  Bildung 
den  Üebergang  {von  Zweileibigkeit  zur  Doppelherme  sich  voll- 
ziehen zu  sehen.  * ,  Eine  jüngere  Rhodische  Darstellung,  mit  ge- 
ringer Sorgfalt   gearbeitet,    liegt    in    mehreren    Exempl«"' 


tven       rrtw 


202  ütener 

(Typenkat.  I  52,  6):  über  zwei  thronenden  Göttinnen  wölbt  eich 
ein  Mantel  (V),  auch  die  Oberbeine  beider  sind  durch  έίη  Tuch 
bedeckt.  Von  den  liebenswürdigen  Gruppen  zweier  Mädchen, 
welche  die  griechische  Kunst  an  vielen  Orten  geschaffen  hat 
(Typenkat.  II  3 — 5),  dürfen  wir  hier  keinen  Gebrauch  machen, 
wenn  auch  einzelne  aus  Cultusvorstellungen  heraus  erwachsen 
sein  sollten. 

Den  Italikern  ist  diese  Zweifaltigkeit  so  wenig  fremd  wie 
die  Dreifaltigkeit.  In  einer  bekannten  Ode,  welche  im  Tone 
des  Cultuslieds  gehalten  ist,  verherrlicht  Horatins  (I  35)  die 
Fortuna  von  Antium,  und  behandelt  sie  ausschliesslich  als  einheit- 
lichen Gottesbegriff.  Und  doch  steht  fest,  dass  in  dem  herühmten 
Tempel  von  Antium  zwei  Fortunae  verehrt  wurden,  die  veriäicae 
sorores  (Martial  V  1,^).  Wir  kennen  sie  durch  mehrere  Münzen 
deR  Q.  Rustins  ^,  welche  die  Brustbilder  der  beiden  Göttinnen 
darstellen  und  durch  die  Beischrift  FORTVN^  ANTIATes  die 
Deutung  gewährleisten.  Auf  der  xu  einer  Fleimkehr  des  Augnetns 
geprägten  und  daher  auf  der  Rs.  einen  For(tunae)  re{dHci)  ge- 
weihten Altar  zeigenden  Münze  (1)  sind  beide  Brustbilder  nahe 
zusammen  hinter  einander  gerückt  in  der  Art  königlicher  Ehe- 
münzen  fjugate  heads'),  nach  rechts  gewandt,  die  vordere  be- 
helmt, die  hintere  mit  l)iadem  geschmückt:  auf  einer  von  Bahelon 
weggelassenen  (2)  sind  beide  ähnlich  gestellt  aber  weiter  aus- 
einander gerückt,  beide  mit  gleichem  Diadem  geschmückt,  bei  der 
vorderen  ist  die  rechte  Brust  entblösst.  Auf  einer  dritten  Münze 
sind  die  Köpfe  beider  gegenübergestellt,  der  linke  (wie  in  N.  1 ) 
behelmt,  der  zweite  mit  Diadem,  darunter  die  BeisohriftFORTVN^. 
Unter  den  Dagincourtschen  Terracotten  des  Vatican  befindet  sieh 
die  rückseitige  Hälfte  einer  Gussform  ^  welche  links  Athene, 
rechts  von  ihr  in  geringerer  Grösse  zwei  voll  bekleidete  Fortunae, 
in  der  Rechten  das  Füllhorn  tragend,  durch  einen  flammenden 
Altar  getrennt,  darstellt.  •  Wenn  daher  Statins  (8ilv.  I  3,  80) 
statt  von  der  Forfufia  Primigenia  des  Praenestinischen  Cultoe 
von  Praenestinae  sorores  spricht,  kann  an  einen  Irrthum  des 
Dichtere  nicht  gedacht  werden:  wir  haben  auch  hier  eine  Mehr- 


^  Bahelon,  Monnaiee  de  la  r^publique  rem.  2,  412  und  Peter  in 
Roechers  Myth.  Lex.  1,  1547.  N.  1  bei  Babelon  n.  3,  in  Gerhardi  Ant 
Bildwerken  Taf.  IV  4,  auch  bei  Peter  aO.  —  2  bei  Gerhard  Taf.  IV  3 
und  Peter  aO.  —  3  bei  Babelon  n.  2. 

^  Abgebildet  von  Gerhard  Ant.  Bildw.  Taf.  IV  2  vgl.  Prodromus 
Ό.  61.     Man  beachte  auch  das  Gemmenbild  ebend.  Taf.  IT  6. 


Dreiheit  S08 

beit  aniuArkennen,  gerade  wie  trotz  der  HoraziBchen  Ode  wir 
den  Manien  die  doppelte  Fortuna  von  Antiain  glauben  mtteeen. 
Snr  das  bleibt  vorläufig  dahingestellt,  ob  der  PraeneHtinieohen 
Glüobegöttinnen  zwei  oder  drei  w*ren.  Ee  steht  zu  hoffen,  dase  un« 
auoh  darüber  Terracottenfande  belehren  werden,  deren  geeobieht- 
liehe  Bedentang  man  allmählich  mehr  wUrdigen  wird  als  bither. 

ÄDB  Rom  nnd  Umgegend    etammen    zahlreiche  Terracotten, 
von    denen    Gerhard    Änt.    ßildw.   Taf,    II    III    und    Winter    im 
Typenkat.  I  134,  1.  2.  4.  8 
Proben    geben :    zwei   neben 
einander    thronende    Güttin- 
nen ,    zuweilen    verschleiert, 
mit  einem  KnKblein,  das  auf 
den    alt  ertb  Um  höheren  Exem- 
plaren   iwiscben    beiden  am 
Boden  kauert,  in  den  jüngeren 
von   der  rechts  sitzenden  auf 
dem   Sohooas   gehatten   wird. 
Neuerdings  sind  wieder  zahl- 
reiche Stücke  der  älteren  Art 
in  Rom  zu  Tage  gekommen, 
ofToDhar  aue  den  Ruinen  eines 
Tempels,    nnd    theile    in  dae 
Kneeo  dello  Terme  und  Bri- 
tische Uuseum,  theils  in  den 
Handel  gelangt:    die   beiste- 
hende Nachbildung  nach  einem  Exemplar  der  Bonner  Sammlung 
mag  iie  veranschaulichen.    Gerhard,  dem  Overbeok  {Kunstmyth.  3, 
485)  ZDstimmt,  hat  darin  Demeter,  Köre  nnd  lakchos-Plutos  gesehn. 
Ändere  Terracotten  derselben  Herkunft    stellen  zwei    steif  neben 
einander  thronende  Göttinnen  dar.     Bemerke  η  swerth  ist  noch  die 
bei  Gerhard  111  3  Typenk.  I  134,  7  Ohnefalsoh-Richter  Taf.  88, 
14  nnd    158,  4  abgebildete:  beide  Göttinnen  tragen  Kopfschmuck 
und  äohleier,  nach  dem  die  erhobene  Unke  Hand  greift,  während 
die    herabhängende    Rechte    Opfersohale    hält;    rechte   von    der 
Gruppe  erhebt  sich  ein  Palmbaura,    links    unt«n   zur  Göttin  ge- 
wendet ein  Böcklein,  in  der  Höhe  eine  Knabengestalt,   welche  die 
linke  Hand    an    den  Schleier  der  Göttin    legt  and    in  der  r.  ein 
Gefito»  hält.     Ans  Italien  stammt  auch  einejTerracotte',  die  zwei 

1  Abgeb.  bei  Biardot  Terres  cuites  pl.  XVIH  3  Collection  J.  Greaa 
Π  p.  38  n.  136. 


\ 


204  üsener 

voll  bekleidete  Göttinnerii  mit  Schleier  in  steifer  Haltung  sitzend, 
die  Hände    auf   die  Kniee    gelegt   auf   einem  Wagen    mit   zwei 
4speicbigen  Rädern  vorführt,  der  von  zwei  Hunden  gezogen  wird. 
Wenn  wir  nun  die  Frage    aufwerfen,    wie  die    vorgelegten 
Erscheinungen  aufzufassen,  ob  Spaltung  der  Gottheit  oder  einfache 
Verdoppelung  anzunehmen  sei,  so  werden  wir  uns  vor  dem  Mies- 
griffe hüten    müssen,    die  alterthümlicheren  Vorkommnisse   nach 
den  Vorstellungen   und  Gebilden    einer    vorgeschrittenen  Zeit  zu 
deuten.     So  gewiss   es  ist,    dass    der  Gedanke    einer  Doppelung 
höchst  alterthümlich  ist  und  wo  er  in  einer  jüngeren  bereite  der 
göttlichen  Einheit  zustrebenden  Zeit   auftritt,    nur   durch  unwill- 
kürliche Fortwirkung    der    alten    Anschaunngsform    erzeugt  sein 
kann,    so  noth wendig  ist    die  Forderung,    das  Wesen   der  Sache 
aus  den  ältesten    und  unbeeinflussten  Darstellungen  zu  ermitteln. 
Je  alterthümlicher    aber    ein  Bildwerk    ist,    desto  vollkommener 
pflegt  die  Gleichheit    der    beiden  Gestalten    zu    sein.     Die   zwei 
Idole  von  Aspendos  (S.  200)  und  die  Pallasbilder  der  athenischen 
Relief  platte  (8.  193)  unterscheiden  sich  durch  nichts.     Gerade  in 
diesen  Fällen  und    ebenso    in    den  Votivreliefs  der  Gottefmutter 
(S.  191)  beweist  die  Aufstellung  der  beiden  Göttinnen  in  zwei  an- 
stossenden  Nischen  eines  Tempels  bezw.  Kapelle  die  strenge  An- 
lehnung an  den  Cultusbrauch.     Und    wo  Stoff   zur  Vergleichung 
vorliegt  wie  bei  der  Nemesis  (S.  190  f.),  springt  es  in  die  Äugen, 
wie  das  ursprüngliche   unterschiedlose  Doppelwesen  nachträglich 
durch  Ausstattung  mit  verschiedenen  Attributen  zu  einer  Zweiheit 
verwandter   aber  verschiedener  Personen   umgebildet  worden  ist 
Nur  ganz  ausnahmsweise  kann  es  in  späterer  Zeit  geschehen  sein, 
dass  man  die  alte  Gleichförmigkeit  beider  Gestalten  festhielt  wie 
bei  Herakles  (S.  197);  aber  bei  den    Doppelköpfen  der  Hermen 
und  der  Münzen  blieb  sie  die  Regel.    Es  war  zunächst  ein  bloseer 
künstlerischer  Trieb,  der  die  beiden  Figuren  durch  leise  Aendernng 
der  Haltung  oder  der  Kleidung    oder  der  Attribute  unterschied: 
ich  erinnere  an    die    kleine  Verschiedenheit    des  Gorgoneion  aaf 
dem  athen.  Pallasrelief,  an  den  Löwen  der  Göttermntter  (S.  192), 
an  die  verschiedene  Haltung  der  Hände  an  den  Terraoottabildern 
(S.  201).     Schon  der  alte  Tanagräische  Thonbildner  (S.  201)  hat 
wenigstens    im  Schmuck    der  Gewandung   nach  Mann  ich  faltigkeit 
gestrebt.     Je    mehr    die    Einheitsvorstellung    durchdrang,    desto 
weniger  konnten  unterschiedlose  Doppelgänger  einer  Gottheit  ge* 
duldet  werden.    Wo  solche  für  den  Cultus  gegeben  waren,  unter- 
schied man  sie  mindestens  durch    den  Namen,    wie  die   doppelte 


Dreiheit  206 

Artemie  zu  Athen  (S.  196)  oder  den  Dionysos  (S.  197).  In  den 
meisten  Fällen  stattete  man  sie  mit  yerscbiedenen  Attributen  ans, 
wie  die  Nemesis  zu  Smyrna,  die  Artemis  zn  Hykalessos  nsw.,  um 
so  zwei  selbständige,  in  der  Regel  auch  durch  die  Benennung 
getrennte  Cultusformen  gegenüber  zu  stellen.  Nun  erst  ist  ein 
Yerbältniss  der  beiden  £inzelgottheiten  zum  Einheitsbegriff  ge- 
schaffen, das  als  Spaltung  des  Begriffs  bezeichnet  werden  darf 
und  als  solche  empfunden  wurde.  Nur  dürfen  wir  nicht  über- 
sehn,  dass  dies  erst  das  Ergebniss  weiterer  Entwicklung  war. 
Als  den  ursprünglichen  Vorgang  haben  wir  einfache  Verdoppe- 
luDg  eines  Oottesbegriffs  anzusehen.  Wir  müssen  uns  zunächst 
begnügen  dies  festzustellen. 

7  Auch  Verdreifachung  fertiger  Göttergestalten  ist  üblich 
gewesen.  Aber  ältere  Belege  sind  mir  nicht  bekannt;  auch  die 
Denkmäler  geben  meines  Wissens  fast  nichts  ans.  Wir  sind  yor- 
nebmlich  auf  die  Zeugnisse  des  Cultus  angewiesen.  Ich  stelle 
sie  kurz  alphabetisch  zusammen. 

Aphrodite:  ihr  Thebauischee  Heiligthum  vereinigte  drei  Schnitz- 
bilder 80  hohen  Alters,  daee  die  Sage  sie  sammt  ihren  Benennungen 
aof  Harmonia  zurückführen  konnte ;  das  eine  wurde  Urania,  das  andere 
Pandemos,  das  dritte  Apostrophia  zubenannt,  Paus.  IX  16, 3.  Ihr 
Tempel  zu  Megalopolis  enthielt  drei  Bilder:  das  eine  hiess  Urania,  das 
andere  Pandemos,  das  dritte  trug  keinen  Beinamen,  Paus.  VIII  32,  2. 
Hinter  dem  Heiligthum  der  Athens  Chalkioikos  zu  Sparta  lag  ein 
Tempel  der  Aphrodite  *Ap€(o,  deren  'alten  Schnitzbildern*  Paus.  ΙΠ 
17,  5  keine  alterthümlicheren  zur  Seite  zu  stellen  wusste:  ob  ihrer  drei 
oder  nur  zwei  waren,  vermögen  wir  nicht  zu  entscheiden.  In  dem 
Megarischen  Tempel  war  das  älteste  Bild  der  Göttin  aus  Elfenbein  ge- 
schnitzt und  trug  den  Zunamen  Praxis ;  zwei  andere  waren  von  Praxi- 
teles geschaffen,  vermuthlich  aus  Marmor,  und  wurden  Peitho  und  Par- 
egoros  benannt;  Skopas  hatte  dieser  Dreieinheit  eine  Dreiheit  bei- 
geordneter Götter:  Eros,  Himeros  und  Pothos  hinzugefügt.  Paus.  I 
43,  β.  Zu  Knidos  gab  es  drei  Tempel  der  Aphrodite:  in  dem  ältesten 
wurde  sie  als  die  *  Gabenreiche  *  (Δωρΐτις),  im  zweiten  als  Α kraia  (Burg- 
göttin?), im  jüngsten  als  Patronin  der  Seefahrt  (Euploia)  oder  kurzweg 
als  'knidische'  verehrt.  Paus.  I  1,3.  Man  sieht  leicht,  dass  diese  Drei- 
heiten  verschiedenen  Ursprungs  waren.  Zu  Megara  wie  zu  Knidos  war 
arsprunglich  nur  ein  Tempel  und  ein  Bild  vorhanden  gewesen ;  erst  in 
der  Höhezeit  der  Kunst  ist  zu  Megara  durch  die  Zufuguog  der  beiden 
Praxitelischen  Statuen  die  Dreizahl  hergestellt  worden.  Dem  Cultus 
von  Theben  (und  Megalopolis)  dagegen  liegt  eine  ursprüngliche  Zwei- 
heit,  A.  Urania  und  Pandemos  zu  Grunde;  und  da  der  begriffliche 
Gegensatz  der  Urania  nnd  Pandemos  in  voller  Klarheit  für  "*^«  «»Arst 


206  üsener 

im  Platonisohen  (p.  180d  181ο)  and  Xenophontisohen  (o.  8,  9)  Symposion 
auftritt  dh.  eine  Klügelei  der  Sophistenzeit,  vielleicht  des  Pausanias  ist, 
80  zeigt  sich  auch  hier  wieder,  dass  die  Sonderbenennungen  erst  nach- 
träglich hinzuersonnen  sein  können  und  ursprünglich  eine  einfache 
Doppelung  der  Götterbilder  stattgefunden  hatte,  wie  wir  sie  im  vor- 
hergegangenen Abschnitte  so  vielfach  kennen  gelernt  haben. 

Apollon:  sein  Tempel  auf  der  Burg  des  Alkatboos  zu  Megara 
war  dnrch  drei  alte  Schnitzbilder  des  Gottes  aus  Ebenholz  bemerkens- 
werth,  welche  durch  die  Beinamen  Pythios,  Dekatephoros  und  Arche 
getes  unterschieden  wurden  (Paus.  I  42,  5).  Die  beiden  erstgenannten 
machten  unserem  Berichterstatter  den  Eindruck  ägyptischer  Kunst,  das 
dritte  des  Archegetes  nennt  er  äginetischen  Werken  ähnlich.  Der 
Unterschied  des  Stils  lässt  den  Abstand  der  Entstehungszeit  ermessen. 
Schwerlich  vor  dem  dritten  Jahrzehnt  des  V  Jh.  ^  ist  das  dritte  Bild 
zugefügt  worden,  vorher  also  hatten  den  Tempel  zwei  gleichartige 
Bilder  des  Gottes  geschmückt,  wie  wir  das  auch  bei  Aphrodite  folgern 
konnten.  Nur  eben  die  Thatsache  einer  Apollinischen  Dreiheit  lehrt 
uns  der  Cultus  von  Hermione,  wo  es  drei  Tempel  des  Gottes  gab:  das 
Bild  des  ersten  galt  als  Apollon  schlechthin,  in  dem  zweiten  wurde 
Ap.  als  Pythaeus,  im  dritten  als  Grenzgott  ("Οριος)  verehrt,  Paus.  H 
35,  2.  Die  Zahl  der  von  Paus.  Ili  26,  5  zu  Leuktron  erwähnten  *  Schnitz* 
bilder*  des  Ap.  Kameios  bleibt  unbestimmt. 

Für  den  Tempel  der  Artemis  Σώτειρα  zu  Trozen  bezeugt  Paus. 
II  31,  1  eine  Mehrheit  von  Bildern  der  Göttin:  έν  τή  άγορ^  Τροιίηνίαιν 
ναός  καΐ  αγάλματα  *Αρτέμι6ος  ίατχ  Σωτε{ρας.  Da  Gründung  und  Name 
auf  Theseus  zurückgeführt  wurde,  darf  man  alte  Schnitzbilder  voraus- 
setzen. Die  sprachliche  Form  lässt  unentschieden,  ob  2  oder  3  Bilder 
vorhanden  waren. 

Athen a  hatte  zu  Megara  auf  der  Burg  des  Alkathoos  drei 
Tempel:  in  dem  vornehmsten  wurde  die  Göttin  als  solche,  ohne  Bei- 
namen verehrt,  das  Bild  war  vergoldet  bis  auf  Antlitz,  Hände  und 
Füsse,  die  von  Elfenbein  waren;  ein  zweiter  war  der  A.  Nike,  der 
dritte  der  A.  Aiantis  geweiht,  Paus.  1 42,  4.  Auch  auf  der  athenischeu 
Akropolis  befanden  sich  drei  Tempel  der  Göttin,  der  A.  ParthenoSf 
Polias  und  Nike,  vgl.  Kekule,  Balustrade  der  Athena  Nike  S.  9.  £iD 
attischer  Yolksbeschluss  über  die  Feier  der  Panathenäen  {CIÄ  Π 
η.  163)  fordert  besondere  Opfer  für  Athena  Hygieia,  A.  Polias  und  Λ. 
Nike.  Im  heiligen  Hain  von  Olympia  erwähnt  Pausanias  Υ  14,  5  drei 
Altäre'  der  Athene,  der  A.  Leitis,  Ergane  und  der  Athene  schlechthin. 
Während  in  allen  diesen  Fällen  die  Verdreifachung  von  Differenzierung 
begleitet   ist,    sehen  wir   zu  Sparta   einer   besonderen  Gestaltung   der 


^  Wenn  Pausanias  seine  Vorstellung  von  äginetischer  Kunst  aus 
den  Werken  des  Onatas  gewonnen  hatte  (vgl.  Υ  25,  13),  so  konnte  die 
Zeit  noch  etwas  herunter  gerückt  werden,  s.  Brunns  Gesch.  d.  gr.  Künstler 
1,  88  f. 


Dreiheit  207 

Atliene  als  Wegegottin  (Releutheia)  drei  alte  Tempel  geweiht,  die  der 
Sage  nach  Odysseus  errichtet  hatte,  Paus.  III  12,  4. 

Dionysos  wurde  in  seinem  Tempel  zu  Patrai  in  Achaia  in  drei 
Bildern  verehrt  als  Antheus,  Aroeos  und  Mesateus,  entsprechend  den 
drei  Ansiedelungen  Antheia,  Aroe  und  Mesatis,  aus  denen  Patrai  er- 
wachsen sein  sollte.  Paus.  Yll  21,  6  vgl.  18,  2  f.  Für  Athen  bezeugt 
Nonnos  Dion.  XL  VI  II  962  ff.  Verehrung  des  Gottes  in  dreifacher  Ge- 
stalt, als  Lyaios  (Zagreus),  Dionysos  (Bromios),  lakchos,  vgl.  R.  Köhler 
Dionys.  des  Nonnus  S.  92.  Sehr  beachtenswerth  ist  ein  Gultusbrauch 
von  Sekyon:  dort  war  im  Tempel  des  Dion.  zwar  nur  ein  goldelfen- 
beinernes  Bild  des  Gottes  aufgestellt,  aber  in  einer  bestimmten  Nacht 
des  Jahres  wurden  unter  Fackelschein  und  Hymnensang  die  Bilder  des 
D.  Bakcheios  und  Lysios,  die  sonst  im  Kosmeterion  unter  Verschluss 
gehalten  xwaren,  in  den  Tempel  übergeführt  und  so  wenigstens  für  die 
Dauer  einer  Nacht  drei  Gestalten  des  Gottes  vereinigt,  s.  Paus.  II  7, 5  f. 
Unsicher  bleibt  fürs  erste  ein  bildliches  Zeugniss:  auf  einem  der  im 
J.  1868  zu  Ostia  entdeckten  und  in  die  Vaticanische  Bibliothek  ge- 
brachten Wandgemälde,  das  eine  Scene  des  Dionysoscultus  darstellt, 
trägt  ein  Knabe  eine  Fahnenstange,  auf  deren  Querholz  drei  Götter- 
buaten  befestigt  sind:  leider  sind  sie  so  skizzenhaft  gehalten,  dass  sich 
nicht  sicher  entscheiden  lässt,  ob  alle  drei  oder  nur  die  beiden  linken 
männlich  sind^. 

Eileithyia  war  als  Augenblicksgottheit  an  sich  der  Verviel- 
fachung fähig,  daher  schon  bei  Homer  neben  der  Einheit  (TT  187  Τ  103) 
die  Mehrzahl  (Λ  270  Τ  119)  erscheint.  Danach  kann  es  nicht  auf- 
fallen, wenn  die  Regel,  dass  im  Gultus  eine  einheitliche  Eileithyia  ver- 
ehrt wurde,  zu  Megara  durchkreuzt  wird  durch  ein  Heiligthum  *der 
Eileithyien',  Paus.  I  44,  2.  Im  athenischen  Tempel  der  Gottin  waren 
drei  alte  Schnitzbilder  derselben  aufgestellt,  alle  bis  auf  die  Füsse  ver- 
schleiert, was  Pausanias  als  athenische  Besonderheit  bezeichnet  (1 18, 6)• 
das  älteste  sollte  noch  von  Erysichthon,  die  beiden  anderen  aus  Kreta 
mitgebracht  von  Phaidra  gestiftet  worden  sein:  auch  hier  also  war  die 
Dreiheit  nicht  ursprünglich,  dem  einen  ältesten  Bild  waren  zwei  jüngere 
zugefügt  worden.  Auf  dem  dreiseitigen  Borghesischen  Altar  hat  Vis- 
conti die  drei  jetzt  gewöhnhch  für  Moiren  gehaltenen  Göttinnen,  wie 
mir  scheint,  einleuchtend  als  Eileithyien  gedeutet^. 

Hekate  ist,  wie  wir  gesehn,  bis  in  späte  Zeit  drei  leibig  vor-  und 
dargestellt  worden.    In  ihrem  Tempel  zu  Argos  standen  drei  selbstän- 


^  Dr.  Amelung,  der  die  Güte  hatte  das  Bild  genauer  zu  unter- 
sucheo,  stellte  fest,  dass  die  beiden  Köpfe  von  links  her  männlich  sind; 
der  rechts  könnte  weiblich  sein :  *  wenigstens  hat  der  Maler  am  Kopf 
etwas  wie  eine  hohe  Frisur  angedeutet  und  über  der  1.  Schulter  einen 
Punkt  angegeben,  den  man  wohl  nur  als  kleinen  Gewandbausch  auf- 
fassen kann'.  Doch  betont  er  die  Skizzenhaftigkeit  der  Köpfe,  die  ein 
überzeugtes  Urtheil  über  den  dritten  Kopf  nicht  gestatte. 

2  Museo  Pio-Clement.  Vi  zu  Tuf.  Β  ρ.  291  f.  (Milan  1821). 


20β  Usener  Dreiheit 

dige  Bilder  der  Göttin:  zwei  ehernen,  die  Polyklet  und  sein  Bruder 
Nankydee  geschaffen  hatten,  war  ein  marmornes  τοη  Skopas  gegenüber• 
gestellt  worden,  Paus.  II  22,  7.  Wir  dürfen  nicht  unterlassen  fest- 
zustellen, dass  der  argivisohe  Cultus  nur  eine  Zweiheit  verlangt  hatte 
und  diese  erst  nachträglich   auf  die  uhliche  Dreiheit  gebracht  wurde. 

Hera  wurde  zu  Stymphalos  in  drei  alten  Tempeln  verehrt,  welche 
der  Legende  nach  von  dem  Pflegevater  der  Göttin,  Temenos  dem  Sobne 
des  Pelasgos  gegründet  waren;  der  eine  war  ihr  als  Mädchen  (ιταΐς), 
der  zweite  als  Ehefrau  (τ€λ€(α),  der  dritte  als  Wittwe  (χήρα)  zo- 
gesohrieben,  Paus.  YIII 22,  2  s.  oben  S.  197.  Die  Tempelsage  des  argi- 
vischen  Heraion  berichtete  von  drei  Ammen  der  Hera,  den  Töchtern 
des  Flüssohens  Asterion,  und  benannte  sie£uboia,  Prosymna  und  Akraii: 
das  sind  nach  C.  Roberts  treffender  Bemerkung  (zu  Prellers  Gr.  Myth. 
I  161,2)  'drei  Yorstellungsformen  der  Göttin  selbst*,  ihr  Begriff  war 
also  in  drei  zerlegt. 

Herakles  muss  in  volksthümlicher  Vorstellung  und  im  Sprich- 
wort als  dreifaltiger  geläufig  gewesen  sein.  Die  Sprich wortsammler 
bezeugen  Αλλος  οοτος  Ηρακλής;  aber  auch  τρίτος 'Ηρακλής  war  üblich, 
das  zeigt  Tertullians  tertius  qttod  aiunt  Hercules  (ad  nat.  U  10).  Und 
unter  den  lustigen  Mimenstoffen,  die  der  Göttersage  entlehnt  waren, 
nennt  TertuUian  (apolog.  15)  tres  Hercules  fameUcos,  Vgl.  oben  S.  197  f. 

Zeus:  die  Herakliden  sollen  nach  der  Eroberung  des  Peloponnes 
dem  'väterlichen  Zeus*  (πατρφου  Διός)  drei  Altäre  errichtet  haben, 
um  darauf  nach  vollzogenem  Opfer  nm  die  Vertheilung  der  Herrtchaft 
zu  losen  (ApoUod.  II  8,  4).  £8  ist  nur  eine  Sage,  die  uns  das  meldet, 
aber  diese  anschauliche  Einzelheit  konnte  in  die  Sage  nicht  eingetragen 
werden,  wenn  nicht  die  Thatsachen  des  Caltusbrauchs  das  Vorbild  daxu 
gaben.  Die  drei  Schwurgötter,  welche  das  Solonische  Gesetz  vorschrieb, 
deuteten  alte  Gelehrte  auf  drei  Gestaltungen  des  Zeus,  den  Erbanner, 
Reiniger  und  Heiland  (s.  oben  S.  17,  2).  Auf  dem  Markte  von  Neo- 
Korinth  standen  unter  freiem  Himmel  drei  Bilder  des  Zeus:  das  eine 
führte  keinen  besonderen  Namen,  das  andere  hiess  der  Unterirdiscbe 
(Χθόνιος),  das  dritte  der  Höchste  ('Ύψιστος),  Paus.  II  2,  8.  Wenn  end- 
lich Proklos  ^  den  Zeus  in  die  Triade:  Zeus,  Meer- Zeus  und  Unterwelts- 
Zeus  spaltet,  so  war  das  längst  vorgebildet.  Der  Cultus  kannte  einen 
Zeus  Chthonios  wie  zu  Korinth,  so  zu  Olympia  (Paus.  V  14,  3).  Und 
schon  Aeschylos  hat  Zeus  nicht  nur  mit  Hades  (τόν  uoXuSevUrnrrov 
Ζήνα  τιϊιν  κεκμηκόταιν  Hiket.  158  vgl.  231),  sondern  auch  mit  Poseidon 
(fr.  343)  identificiert. 

(Schluss  im  nächsten  Heft)  H.  U. 

1  Zu  Plat.  Kratylos  147  p.  88.  Er  macht  dabei  die  Künstelei, 
die  an  die  oben  S.  3  aus  der  Liturgie  der  Wasserweihe  beigebrachte 
Formel  erinnert,  mit  jeder  Nummer  die  Zahl  der  Epitheta  wachsen  zu 
lassen:  I  Zeus,  II  Z.  ενάλιος  —  Poseidon,  III  Z.  καταχθόνιος  —  Pluton 
—  Hades. 


HERMOGENES-HANDSCHRIFTEN 


Darch  dae  Fehlen  einer  kritischen  Hermogenes-Anegabe  war 
ich  schon  bei  der  Bearbeitung  der  Syriancommentare  gezwungen, 
auch  einige  Hss.  des  Textee  zu  prüfen  (Syr.  I  praef.  X).  Von 
dem  seither  vermehrten  Materiale  lege  ich  einen  Theil  yor,  welcher 
auch  in  seiner  Vereinzelung  schon  manchem  nützen  kann;  dazu 
will  ich  dem  künftigen  Herausgeber  yorarbeiten,  vor  allem 
aber  es  verhüten,  dass  der  Monac.  827  seine  bevorzugte  Stellung 
behält.  Bei  dem  Durchsuchen  der  Cataloge  fiel  mir  auf,  dass 
die  alten  Hss.  nicht  zahlreich  sind;  erst  vom  13.  Jahrb.  an 
haben  wir  mehr.  Vorweg  eine  grundsätzliche  Frage:  darf  man 
jüngere  Hermogenes-Hss.  ohne  weiteres  beiseite  lassen,  wenn 
ihre  Vorlage  verloren  ist?  Ein  Blick  auf  die  folgenden  GoUa- 
tionen  zeigt,  dass  drei  der  ältesten  Hss.,  LPgh,  geradezu  schlecht 
sind,  dass  auch  Pc  oft  versagt,  während  der  jüngere  Pb  eine 
gute  Abschrift  aus  einer  dem  alten  Pa  nahestehenden  He.  ist. 
Der  Herausgeber  wird  Richtung  und  Werth  der  erreichbaren  Hss. 
bis  zum  15.  Jahrh.  durch  Proben  festzustellen  haben;  mehr  als 
100  Hss.  werden  es  kaum  sein.  Hss.  des  16.  Jahrh.  können  ausser 
Acht  bleiben,  da  bei  der  Art  der  Erhaltung  unserer  Hss.  mit 
hoher  Wahrscheinlichkeit  angenommen  werden  kann,  dass  deren 
Vorlage  erhalten  ist. 

L       Laurent.  LX  15  membr.  saec.  XI — XII 

Μ      Monac.  gr.  327  bomb.  saec.  XIII 

Pa     Paris,  gr.  1983  membr.  saec.  X— XI 

Pb     Paris,  gr.  2916  bomb.  saec.  XIII 

Pc     Paris,  gr.  2977  membr.  saec.  XI 

Pd     Paris,  gr.  2917  bomb.  saec.  XIV 

Pe     Paris,  gr.  2918  bomb.  saec.  XIV 

Pf     Paris,  gr.  2978  bomb.  saec.  XIII 

Pg    Paris,  gr.  2983  membr.  saec.  XI 

Ph     Paris,  gr.  3032  membr.  saec.  XI  (ohne  TT.  lb€aiv) 

V      Vat.  gr.  107  membr.  saec.  XU 

BlMln.  Mus.  f.  Pbllol.  N.  F.  LVIII.  1^ 


TT.  Oiao.    188,  8  enpersor.  om.  MPdeg  (in  mg,  f\  τών  <Ττ. 

οιαίρεσις  Pd;   μίθοοος  τών  στ.  LPg);    οιαίρεσις   της  μεθόδου 

τών  στ.  PabcV ;  ή  μέθοδος  τών  στ.  Pf ;  περί  στάσεων  Ph     9 

οι  . 

προτιθίντος  Pc  ||  συνεστήκει  Pa;   συνεστήκοι  cet. 

11  αφανές  εϊη  Pf  12  γάρ  τό  στοχασμός  PbV  ||  ούσιώ- 
5[ης  βχ  ώς]  Pb;  η  in  ras.  Pg  et  (m.  post.)  L  13  ή  —  υποψίας 
om.  Ph,  cf.  Syr.  ^ 

16  τι  om.  Pf  18  έάν  M;  &v  oet.  ||  [έπι  lineola  deLjaxe- 
πτίον  Μ  19  λίγιυ  bt  ατελές  sup.  m  2  Pb  ||  ατελές  μέν  ώ  Fe  |1 
πρότεθέντος  Pb     20  τε  ευθύς  τι  γ.  LPdg 

20.  21  μετά  ταύτα  Pfh;  lin.  del.  Μ;  om.  oet     21  ουκ  ^χει 

LPfg  II  τό  πρ.  ίήτ.  oOb.  Pd ;  τό  πραγμα  om.  Pfh     22  όριστικήν 

αι 
Ph  II  ποι[εϊτ  in  rae.]  Μ;  ποιήση  Pd;  ποιήσει  oet.     23  οριστική 

d 
Ph      25  τις  ιδιιυτικά  Pf  \\  ύφέλετο  V ;  ύφείλετο  Pd 

27  öib.  καΐ  ώς  Pf  II  είναι  κλέπτης  LMPdgh      28  αν  Μ  || 

προστεθή  PaehV  (γρ'  προσθήις)  Ρο;  προτεθ[ίι  in  rae.]  Pb;  προσ- 

ή 
θής   LMPdf;   προσθείς  Pg  ||  κα\  τό  Pf;  τό  κα\  cet.     29  σαφής 

τε  LPdfg  II  ουκ  ίχει  Ιτ\  τό  Pg  et  (om.  ίτι)  L     30  Σήτησιν  ου- 

οεμίαν  ΜΥ 

139,  1  μέντι  Ph  ||  εΤη  Pf  3  δίκαιον  εΐ  νόμιμον  εΐ  συμ- 
φέρον ή  PabceV;  5ίκ.  ή  νόμ.  ή  συμφ.  ή  Pf;  5ίκ.  εΐ  συμφ.  εΐ 
ίννομον  ή  MPdg;  5ίκ.  εΐ  συμφ.  εΐ  νόμιμον,  in  mg.  m  1  εΐ  Ιν- 
νομον,  Ph;  συμφέρον  εΐ  δίκαιον  εΐ  ίννομον  L  4  τουτιυ  γένι- 
κόν  Pf    5  περί  τε  Pg 

6  ποιήσει  Pfh ;  ποιεί[Π  litt  er.]  Μ  7  έάν  MPh ;  δν  cet. 
8  πράγματος  μέλλοντος  Pf    10  ?στι  Pf 

11  μέλλοντος  πράγματος  MPf      12  τι  om.  Pf  ||  οουναι  ή 

τι 

PabceV;  ή  δούναι  τόδε  τι  ή  Pdh,  (om.  τι)  Pf;  ή  δοΟναι  ή  Μ; 
εΐ  (ex  η  m  1  L)  boOvcii  τόδε  τι  ή  LPg  13  δει  MPf;  χρή  cet.  || 
αθηναίοι  post  θάπτειν  Ph     15  μέν  βαρ.  m2M 

16  δ'  ουν  κα\  Pd  17  εΐ  γάρ  Ph  18  oö  PaboefV;  ουχί 
LMPdgh     19  τό  πεπραγμένον  κεκιυλύσθαι  Pf    20  ίστιν  δέ  Ph 


^  Erst  Gloeckner  hat  in  seinen  ergebnissreiohen  Quaest.  rhetor. 
(Breslau  1901;  These  2  der  Diss.)  darauf  hingewiesen,  dass  diese  Worte 
ein  spaterer  Zusatz  sind.  Ich  wage  noch  nicht  su  entscheiden,  ob  Ph 
wirklich  hier  alte  Ueberlieferung  hat,  also  als  einzige  unter  den  ge- 
prüften Hss. 


Hermogenos-Handschriften  211 

21   ώς   8up.  m2M       22  αποκηρύττει  MPfh   ||   &v   LPdgh 

23  όμολογβϊ  Ph;   όμολογήση  Pf     23.  24  πάλιν  τούτω  γενικόν 

Pd ;  τούτοι  γεν.  πάλ.  Pf;  πάλιν  ώς  γεν.  τούτω  LPg     24  τούτο 

Ph       24.  25  ουτιυς,  om.  κα\  τούτο,  Pf;    και  τούτο  ούτως  LPg 

25  ή  γάρ  Pdf  ||  παν  —  27  άναόίχητοι  βηρ.  m2Pb 

27  άναοέχηται  om.  Pf  ||  άντίστασιν  ποιεί'   ?στι  γάρ  Pf  || 

a 
γίγνεται  5έ  Ph     29  άνθιστήι  L  et  (η  in  ras.  m  1)  Pd;  άνθιΟΤή 

στησιν 
Pg;  άνθίστησιν  Ph;  άνθιστα,  βαρ.  m  2,  Μ;  άντεισάγη  Pf  ||  μεϊΣον 

PbdgV;  iineola  del.  Μ;  om.  Pe,  (in  mg.  suppl.  ra.  ant.  γρ' ευερ- 
γέτημα μεϊίον  öl*  αύτου)  Pa,  (in  mg.  ευεργέτημα  μεΐίον)  Po, 
cf.  Syr.  Π  139.  3  (Hermog.)  et  10  (Syr.);  suppl.  m.  poet.  LPfh 
31  ή  εΙς  —  32  παθόντα  om.  Po  31.  32  ή  εΙς  δλλό  τι 
?τερον  γίγνεταΓ  δν  μίν  γάρ  εΙς  τόν  παθόντα  Ph 

140,  2  άντεγκαλεϊ  Pbh;  ή  βχ  ει  m.  poet.  V  ||  έάν  MV  3 
τι  om.  Pf  II  μεθίστησι  V ;  άντιμεθίστησι  Pf;  μεθιστή  Ι.  et  (in 
ras.  m.  recentiss.)  Pd ;  μεθ((Ττη(Τΐ,  (Ττα  βαρ.  m2M,  α  sup.  m. 
1  (?)  Pg,  m.  post.  Ph  4  τι  κα\  όυνάμενον  Pc  5  πεποιηκέναι 
τί  LPg 

6  εΙς  βαρ.  m2M  8  μέν  om.  Pf;  bt  MPdh  9  δν  in 
rae.  V;  6  Pf    10  ταμείου  Pf,  ί  ex  εί  m.  poet.  Pd;  ταμιείου  Ph 

11  hi  κα\  MPf  12  παράδειγμα  om.  Pf  ||  o\  ante  5ιά  βαρ. 
m2M  14  τι  περί  PabdeghV;  τι  om.  MPcf  jj  τούτ[ου  in  rae.] 
Μ      14.  15  ίνεκα  poet  μεταστάσεως  add.  Ph,  m2M 

16  στάσεων  οδτως  έπ.  LPfg  17  μέν  om.  PbV;  μέν  ούν 
Ph  18  γίνεσθαι  ένταΟθα  Pf  ||  ένταυθοΐ  Μ;  ένταυθ[α  in  rae.J  Pd 
20  έν  τοις  βητοϊς  MV 

21  ίν  βητόν  ή  Pf  21.  22  συμβαίνει  γίνεσθαι  MPf  22 
βητά  5έ  λ^γω  Pf  ||  τι  om.  Pf  23  1)ΐαιρ[ή  er.  m  1]ται  Pb; 
^ιήιρηται  LPgh  ||  μ^ρη  poet  οιήιρ.  L  24  φαίνονται  χρώμενοι 
Μ  II  έάν  LPg  II  μέν  om.  Pf     25  τάς  περί  Ph 

26  κα\  μόνας  PabceV;  καΐ  om.  LMPdfgh  ||  ή  και  καθ'  PfV 
26.  27  μερών  γίγνεται  καΐ  ποιεϊ  ^ητόν  και  οιάνοιαν.  γίγνεται 
γάρ  Ph  et  (γίνεται  —  biavoiav  in  ras.)  Pd  27  prius  γίνεται 
om.  Pf  28  τό  poet  έπ\  om.  Ph  29  γε  βαρ.  m2M  30  olov 
εΐ  Ph  II  τείχος  άνελθών  τεθν.  Pf 

31  τψ  om.  Μ      32  τι  βαρ.  m2  Μ 

ο  U)V 

141,  1  άγον  MPbe;  δγωνΡβο;  άγovL;  συνάγον  ex  δγον 

er.  m.  poet  V      3  συνάγοντος  εΙς  ταύτόν  Pdgh  ||  συνάγοντός 

νος 
τίνος  εΙς  ταύτόν  L      3.  4  συνά[γοντος  τι  in  rae.]  Μ 


Ί 


ίίό  Habe 

TT.  0tacr.     188,  8  eupersor.  om.  MPdeg  (in  mg.  ή  τών  στ. 

διαίρεσις  Pd;   μέθοδος  τών  στ.  LPg);    όιαίρεσις   της  μ€θ66ου 

τών  στ.  PaboV ;  ή  μέθοδος  τών  στ.  Pf ;  περί  στάσεων  Ph     9 

οι  . 

προτιθέντος  Pc  ||  συνεστήκει  Pa;   συνεστήκοι  cet. 

11  αφανές  €Ϊη  Pf  12  γαρ  τό  στοχασμός  PbV  ||  ούσιώ- 
5[ης  βχ  ώς]  Pb;  η  in  ras.  Pg  et  (m.  post.)  L  13  ή  —  υποψίας 
om.  Pb,  of.  Syr.  ^ 

16  τι  om.  Pf  18  έάν  Μ;  &v  cet  ||  [dm  lineola  α6].]σκε- 
πτίον  Μ  19  λέγω  bk  ατελές  sup.  m  2  Pb  ||  ατελές  μέν  ώ  Pc  J 
προτεθίντος  Pb    20  τε  ευθύς  τι  γ.  LPdg 

20.  21  μετά  ταύτα  Pfh;  lin.  del.  Μ;  om.  cet.     21  ουκ  Ιχει 

LPfg  II  τό  πρ.  ίήτ.  oub.  Pd ;  τό  πραγμα  om.  Pfh     22  όριστικήν 

αι 
Pb  II  ποι[εΐτ  in  ras.]  Μ;  ποιήση  Pd;  ποιήσει  oet.     23  οριστική 

d 
Ph      25  τις  Ιδιωτικά  Pf  \\  ύφίλετο  V;  ύφείλετο  Pd 

27  b\b.  καΐ  ώς  Pf  II  εΤναι  κλέπτης  LMPdgh       28  δν  Μ  |; 

προστεθή  PaehV  (γρ'  προσθήις)  Pc;  προτεθ[ή  in  rae.]  Pb;  προσ- 

ή 
θής   LMPdf;   προσθείς  Pg  ||  κα\  τό  Pf;  τό  κο\  cet.     29  σαφής 

τε  LPdfg  ||  ουκ  ίχει  ίτι  τό  Pg  et  (om.  ?τι)  L     30  ίήτησιν  ού- 

οεμίαν  ΜΥ 

139,  1  μέντι  Ph  ||  εΤη  Pf  3  όίκαιον  εΐ  νόμιμον  εΐ  συμ- 
φέρον ή  PabceY;  5ίκ.  ή  νόμ.  ή  συμφ.  ή  Pf;  b\K,  εΐ  συμφ.  ει 
ίννομον  ή  MPdg;  5ίκ.  εΐ  συμφ.  εΐ  νόμιμον,  in  mg.  m  1  ei  fv- 
νομον,  Ph;  συμφέρον  εΐ  δίκαιον  εΐ  ίννομον  L  4  τούτω  γένι- 
κόν  Pf    5  περί  τε  Pg 

6  ποιήσει  Pfh;  ποιεϊ[ΙΙ  litt,  er.]  Μ  7  έάν  MPh;  άν  cet. 
8  πράγματος  μέλλοντος  Pf    10  ?στι  Pf 

11  μέλλοντος  πράγματος  MPf      12  τι  om.  Pf  ||  boövai  ή 

τι 
PabceV;   ή  boOvai  τό5ε  τι  ή  Pdh,  (om.  τι)  Pf;    ή  öoOvoi  f\  Μ; 

εΐ  (ex  η  m  1  L)  boOvdi  τάδε  τι  ή  LPg     13  5εϊ  MPf;  χρή  cet. 

αθηναίοι  post  θάπτειν  Ph     15  μέν  βπρ.  m2M 

16  b'  οδν  καΐ  Pd  17  εΐ  γάρ  Ph  18  ου  PaboefV;  ουχί 
LMPdgh     19  τό  πεπραγμένον  κεκωλύσθαι  Pf    20  ίστιν  5έ  Ph 


ι  Erst  Gloeckner  hat  in  seinen  ergebnissreichen  Quaest.  rhetor. 
(Breslau  190);  These  2  der  Diss.)  darauf  hingewiesen,  dass  diese  Worte 
ein  späterer  Zusatz  sind.  Ich  wage  noch  nicht  su  enteoheiden,  ob  Ph 
wirklich  hier  alte  U eberlief erung  hat,  also  als  einsige  unter  den  ge- 
prüften Hss. 


Hermogenos-Handechriften  211 

21   ώς   βαρ.  m2M       22  αποκηρύττε  MPfh   ||   Αν  LPdgh 

23  ομολογεί  Ph;   όμολογήση  Pf     23.  24  πάλιν  τούτω  γενικόν 

Pd ;  τούτοι  γβν.  πάλ.  Pf;  πάλιν  ώς  γ€ν.  τούτιυ  LPg    24  τούτο 

Ph       24.  25  οΰτιυς,  cm.  κα\  τούτο,  Pf;    κα\  τούτο  οοτως  LPg 

25  ή  γάρ  Pdf  ||  παν  —  27  άναόίχηται  βαρ.  m2Pb 

27  άναοέχηται  om.  Pf  ||  άντίστασιν  ποιεϊ*   ίστι  γάρ  Pf  || 

a 
γίγνεται  bi  Ph     29  άνθιστήι  L  et  (η  in  ras.  m  1)  Pd;  άνθιστή 

στησιν 
Pg;  άνθίστησιν  Ph;  άνθιστα,  sup.  m  2,  Μ;  άντεισάγη  Pf  ||  μεϊίον 

PbdgV;  iineola  del.  M;  om.  Pe,  (in  mg.  snppl.  m.  ant.  γρ'  ευερ- 
γέτημα μεΚον  bi*  αύτου)  Pa,  (in  mg.  ευεργέτημα  μεϊίον)  Po, 
cf.  Syr.  Π  139,  3  (Hermog.)  et  10  (Syr.);  suppl.  m.  poet.  LPfh 
31  ή  εΙς  —  32  παθόντα  om.  Pc  31.  32  ή  εΙς  δλλό  τι 
έτερον  γίγνεταΓ  δν  μέν  γάρ  εΙς  τόν  παθόντα  Ph 

140,  2  άντεγκαλεϊ  Pbh;  ή  βχ  ει  m.  poet.  V  ||  έάν  iMV  3 
τι  om.  Pf  II  μεθίστησι  V;  άντιμεθίστησι  Pf;  μεθιστή  L  et  (in 
ras.  m.  recentisB.)  Pd ;  μεθίοτησι,  0τά  βαρ.  m2M,  α  βαρ.  m. 
1  (?)  Pg,  m.  poet.  Ph  4  τι  καΐ  όυνάμενον  Pc  5  πεποιηκέναι 
τι  LPg 

6  εΙς  βαρ.  m2M  8  μέν  om.  Pf;  bi  MPdh  9  δν  in 
ras.  V;  6  Pf     10  ταμείου  Pf,  ί  ex  ει  m.  poet.  Pd;  ταμιείου  Ph 

11  bi  καΐ  MPf  12  παράδειγμα  om.  Pf  ||  o\  ante  bid  βαρ. 
m2M  14  τι  περί  PabdeghV;  τι  om.  MPcf  ||  τούτ[ου  in  rae.] 
If      14.  15  ένεκα  poet  μεταστάσεως  add.  Ph,  m2M 

16  στάσεων  οοτιυς  έπ.  LPfg  17  μέν  om.  PbV;  μέν  ούν 
Ph  18  γίνεσθαι  ένταΟθα  Pf  ||  ένταυθοΐ  Μ;  ένταυθ[α  in  rae.J  Pd 
20  έν  τοις  βητοϊς  MV 

21  Ιν  βητόν  ή  Pf  21.  22  συμβαίνει  γίνεσθαι  MPf  22 
ίητά  bi  λέγω  Pf  ||  τι  om.  Pf  23  οιαιρ[ή  er.  m  1]ται  Pb; 
όιήιρηται  LPgh  ||  μέρη  poet  οιήιρ.  L  24  φαίνονται  χρώμενοι 
Μ  II  έάν  LPg  II  μέν  om.  Pf     25  τάς  περί  Ph 

26  κα\  μόνας  PabceV;  καΐ  om.  LMPdfgh  ||  ή  κα\  καθ'  PfV 
26.  27  μερών  γίγνεται  καΐ  ποιεί  ^ητόν  και  biavoiav.  γίγνεται 
γάρ  Ph  et  (γίνεται  —  biavoiav  in  ras.)  Pd  27  priae  γίνεται 
om.  Pf  28  τό  poet  έπι  om.  Ph  29  γε  βαρ.  m2M  30  οίον 
εΐ  Ph  II  τείχος  άνελθών  τεθν.  Pf 

31  τψ  om.  Μ      32  τι  βαρ.  m2  Μ 

ο  U)V 

141,  1  άγον  MPbe;  δγωνΡβο;  άγovL;  συνάγον  βχ  4γον 
er.  m.  poet  V      3  συνάγοντος  εΙς  ταύτόν  Pdgh  ||  συνάγοντας 

νος 

Τίνος  εΙς  ταύτόν  L      3.  4  συνά[γοντος  τι  in  rae.]  Μ 


2U  Rabe 

bk  [ού  in  ras.]  m2  Pa ;  ώς  βαρ.  m2  Pbg ;  bi  ώς,  aap.  ου  m2,  in 
mg.  Tp'  τοτέ  b'  αυ  ού  ποιητικός,  Fe ;  5έ  ώς,  βαρ.  m.  poet  γρ 
ού,  L  (Syr.:  bk  ώς  cod.  V;  bk  ού,  eup.  ώς,  cod.  8)  32  ποτέ 
bk  συμβ.  Pf 

267i  1  f\  όικανικός  om.  L  4.  5  καταποικίλλας  Pbd  5 
δλλό  Pg;  α  add.  m.  poet.  Pd  8  επιτιμήσει  L;  έπιτιμήσ[η  in  ras.] 
Pa;  έπιτιμήσ[€ΐ  ex  η]  Pd,  m.  poet.  Pf;  έπιτιμήσ€ΐ€  Pc  10  θαυ- 
μάσασθαι  Μ  ||  &v  erae.  Pe     10.  11  μάλιστα  Pd 

13  έθ€λήσ€ΐ€ν  Pae,  ai  enp.  m2Po^  έθελήσειαν  Pg  14των 
πολιτικών  οιηηββ 

16  δτ[€  ex  ι  m.  poet.]  Pd  ||  συμβουλεύει  Pe;  συμβουλεύοι 
oet.  18  ποιή  L  19  χαλεπόν  PaV;  χαλεπ[ών  ex  όν  m.  poet] 
Pb     20  κα[Π  litt.  6Γ.]θαπερεΙ  Pa  ||  τισΐ  om.  Pg,  βαρ.  ml  L 

21  τοΟ  λόγου  Pg  II  bk  M;  bi\  cet.  22  αύτου  Pc  ||  τίλλο 
πάντα  τών  PabceV,  (om.  τών)  LPg ;  πάντα  om.  MPdf  23  5τ| 
om.  MPdf;    ex  bk  m.  poet.  L       24  εΤναι   om.  Μ  ||  εύρεΐν  post 

V 

οοκεΐ  Pg  II  bk  om.  Pf  ||  fjrrov  eup.  m2  Po  25  τό,  ν  eup.  m. 
poet,  V 

26  έστι  πρό  ημών  δστις  δσα  Pf  28  bk  καΐ  ήψαντο 
LPabcdefgV ;  κα\  om.  Μ  29  εΤπον  om.,  eed  poet  ειρήκοΟίν  m. 
poet.  add.,  L 

32  τοΟ[το  add.  m2]  Pa 

268,  1  λέγω  bi\  περί  L  3  περί  μέν  όημοσθ.  τάχα  αν  Pe 
5  φ[α  ex  η  m.  poβt.]σι  Pf  ||  μέν[τοι  add.  m.  poet.]  Pd  ||  παντός 
λόγου  ex  πάντα  λόγον  m.  poet.  Pd;  παντός  του  λόγου  LPce. 
(του  eup.  ml)  Pa 

6.  7  εϊ5η  Pc;  εϊο[ει  ex  η]  Pd  8  ταύτα  και  LPabcefgV; 
κα\  ταΟτα  MPd 

12  τάς  αρχάς  LPg;  τάς  add.  m.  poet  Pd  13  τε  om. Μ 
14.  15  δύνανται  PabceV;  δύναται  LMPdfg 

17  ύπό[σχ  in  rae.  ml]εσις  Pd;  ύπόθεσις  cet  Ib  bu)ö[t» 
ex  η  m.  poet]  Pd 

21  δπαν  Pace;  άπαντα  ex  άπαν  m2Pb;  δπα[ντα  in  ras.] 
Pg;  δπαντα  MPdf,  Syr.;  έν  δπασιν,  m.  poet.  Sv  άπαντα  er.,  L 
23  Iv  ταΟτα  πάντα  LPabcegV;  Iv  τα  π.  MPf;  ταύτα  poet  πάντα 
add.  m.  poet.  Pd  24  δλλ[ήλ  add.  m2]u)V  Pa  24.  25  γαρ  ό 
οημοσθ.  λόγος  Pc 

27  έφ'  έαυτάς  Pc  jj  \bέaς  om.  L      29  και  om.  Pc 
32  μηδενός  Pd  ||  έτερου  Μ ;  άλλου  cet. 


Hermogenes-HaDdsobriften  215 

269,  1  l>'  ?στιν  Μ;  [Vi  in  raejotai  V;  b'  Ιαταχ  oet  || 
cpavepurrepov !  ||  λέγομβν  Pd      2  προχβιριΖόμβθα  omnes. 

Die  Aaegabe  darf  natürlich  nicht  einen  eo  umfangreichen 
oder  gar  einen  entsprechend  der  noch  zu  prüfenden  Zahl  von 
Hes.  noch  umfangreicheren  Apparat  mitschleppen.  Ich  habe  ab- 
sichtlich auch  gleichgültige  Abweichungen  '  (aber  nicht  alle  Ra- 
suren und  Gorreoturen  der  schlechteren  Hss.)  verzeichnet,  um 
das  Verhältniss  der  Hss.  klarer  zu  machen. 

Schlechteste  Ueberlieferung  giebt  der  aus  keiner  von  den 
anderen  untersuchten  ν  Hss.  abgeschriebene,  also  insofern  selb- 
ständige Pf;  Flüchtigkeit  und  Willkür  scheinen  sich  vereinigt 
zu  haben.  Mit  Pf  gehen  gern  LPdghM.  Jede  Es.  dieser  Grruppe 
hat  wieder  ihre  Besonderheiten,  greift  auch  gelegentlich  in  die 
andere  Gruppe  über,  aber  immer  wieder  treffen  sie  zusammen; 
LPg  stehen  einander  besonders  nahe.  Unglücklicherweise  hat 
Spengel  seinen  Text  im  Wesentlichen  gerade  auf  einem  Vertreter 
dieser  Classe,  M,  aufgebaut.  Die  Zusammenstellung  mit  LPdfgh 
zeigt  jetzt  deutlich,  dass  Μ  nicht  aus  guter  Familie  ist. 

Betrachten  wir  den  anderen  Zweig  der  Ueberlieferung.  Pa 
ist  ausgezeichnet,  hat  jedoch  138,  13  auch  schon  die  starke  Ver- 
derbniss  (267,  19  χαλεττόν  statt  χαλεπών  udgl.  ist  keine  Va- 
riaote).  An  Pa  ragen  nahe  heran  die  eng  verwandten  PbV;  nach 
den  Proben  macht  Pb  auf  mich  den  Eindruck  grösserer  Ge- 
wiasenhaftigkeit.  Dann  kommt  Pc.  Auch  hier  liegt  die  gute 
Ueberlieferung  vor,  aber  der  Schreiber  (ob  dieser  Es.  oder  einer 
wer  weiss  wie  viele  Es.-Generationen  zurückliegenden  Vorlage) 
war  leichtfertiger,  besonders  Hess  er  kleine  Wörter  aus,  aber 
auch  Sätze,  änderte  sinnlos  die  Endungen,  schob  gelegentlich  ein 
Wörtohen  ein,  änderte  die  Stellung;  man  merkt  jedoch,  dass 
nicht  absichtliche  Aenderungen  vorliegen.  Pe  endlich,  14.  Jahrb., 
hat  keine  ausgeprägte  Eigenthümlichkeit ;  bisweilen  zeigt  sich 
bei  ihm  wie  bei  anderen  seiner  Sippe  ein  Eindringling  von  dem 
schlechten  Zweige;  vermuthlich  wird  Pe  entbehrlich  werden. 


1  Ich  habe  oft  beobachtet,  dase  bei  der  Weitergabe  eines  Textes 
die  äusserlicbeten  Kleinigkeiten  unangetastet  geblieben  sind,  während 
einschneidende  Textänderungen  vorgenommen  wurden.  Das  gilt  auch 
von  der  Interpunktion.  Möglich,  dass  man  für  die  Bestimmung  der 
Verwandtschaft  bei  wirr  durch  einander  gehender  Ueberlieferung  auch 
aus  der  Feststellung  der  Interpunktion  Gewinn  schöpfen  kann.  Nur 
nicht  den  Apparat  damit  belasten! 


216  Rabe 

Syrian  geht  mit  allen  oder  einigen  guten  Has  265,  6 ;  266, 
9.  10;  266,  31  (nur  Pc!);  mit  schlecliten  138,  13;  265,  14;  266, 
26  (thatsäohlich  keine  Variante);  268,  21.  Andere  Stellen  geben 
gar  nichts  ans,  wohl  aber  noch  die  folgende.  Syrian  I  79,  16 
hat  im  Hermogenee-Lemma  (TT.  ib.  368,  7)  die  Lesart  τροπή . . . 
άτηρ^  μηδέ  σκληρςί,  er  erklärt  *άτηράν  (άτ€ΐράν  cod.  Yen.) 
έκάλε(Τ€  τροιτήν  τήν  Ιταμιυτέραν  κα\  πόρρωθεν  έττάγουσαν  την 
τροττήν,  οΤαι  ήσαν  α\  προειρημέναι  και  τό  καταρρεΐ'.  Klar  ist 
eins:  dass  Syrian  in  seinem  Hermogenes-Text  nicht  αυ(ΤτηρςΙ 
las,    nnd  dass  nicht  erst  eine  spätere  Verderbniss  der  Syrian- 

Hss.  Yorliegt.     Nun  fand  ich  jene    falsche  Lesart  auch   in  Her- 

^    η    ^ 
mogenes-Hss.     V  hat  αυ[ατ]ρα,    yon  späterer  Hand   sind   υ(Ττη 

in  einer  Rasur  geschrieben,  welche  nur  2  Buchstaben  Baum 
bietet;  am  Rande  steht  von  derselben  späten  Hand  γρ'  καιότη- 
ρόν,  offenbar  auf  Herrn.  368,  14  (αόστηρόν  ούΙ>έ  σκληρόν)  wei- 
send; auch  hier  ist  αύ(Ττηρόν  im  Texte  erst  von  späterer  Hand 
hergestellt,  während  der  Raum  nur  für  άτηρόν  der  ersten  Haod 
reicht.  Cod.  F  79  der  Biblioteca  comunale  in  Perugia  (cbart. 
saec.  XIII)giebt  368,  7  αύστηρα,  368, 14  άτηρόν.  Pd  hat  368, 7 
ά[υσ  in  ras.  ml,  άτ  superscr.  m2]τηpfi,  aber  368,  14  άτηρόν 
ohne  Rasur.  Ferner  haben  368,  7  άτηρα  und  868,  14  άτηρόν 
die  Codd.  Yat.  gr.  103  (saec.  XIIT),  104  (saec.  XU),  106  (saec. 
XIII— XrV),  109  (saec.  XV);  dazu  8.368,  7  αυστηρά,  aber  368, 
14  άτηρόν  (von  später  Hand  in  αύστηρόν  geändert)  Vat.  gr.  898 
(saec.  XIV)  ^.  Da  nun  schon  Syrian  eine  Hs.  vorlag,  in  der  die 
falsche  Lesart  stand,  würde  der  £inwand,  dass  die  Lesart  an 
beiden  Stellen  erst  aus  Syrian  in  unsere  Hermogenes-Hss.  über- 
tragen sei,  jeder  Grrundlage  entbehren. 

*  Als  Probe  von  diesen  f)  Vaticani  kann  ich  nur  die  Abweichungeu 
zu  TT.  ib.  S.  265  Sp.  geben:  1.  1—4:  Ερμογένους  περί  Ibediv  Vat.  103, 
104,  898;  Έρμ.  τέχνη  Ρητορική  Vat.  109;  Έρμ.  τόμοι  θ«',  τόμος  ^Ρ^' 
τος.  περί  IbeOiv  Vat.  lOG.  Ι.  5:  κοί  om.  Vat.  103,  10(5,  109;  add.  m. 
post.  Vat.  104.  1.  β:  οπως  τέ  Vat.  104.  1.  8:  άν  om.  Vat.  109.  1.10: 
καΐ  om.  Vat.  109,  110.  1.  14.  15:  άπ€ν€χθήθ€ται  Vat.  109.  1.  1δ:  ή 
μέντοι,  ml  eup.  γάρ,  Vat.  898.  1.  10.  17:  γινόμ6νος,  ι  ex  €  ml,  Vat 
898.  1.  18:  άν  om.  Vat.  898.  1.  19:  οφάλοι  Vat.  109.  1.  22:  έθ^«» 
Vat.  104.  ίχοι  Vat.  103,  ΙΟβ,  109,  110.  1.  23:  άμορτάνοι  Vat.  104, 
898.  1.  24:  συλλαμβάνοι  Vat.  898;  συλλαμβάνονται,  ml  sup.  οιτο,  Vat 
104.  πλ6(ονι  Vat.  103,  104,  106,  109,  898.  1.  25:  τι  Vat.  106.  έργα- 
OoiTO  Vat.  103,  106,  109.  Ferner  haben  Vat.  106  u.  109  die  ober- 
ÜUBsige  Aenderung  S.  266,  9  έπ€ΐδή  ουδέ. 


Hermogenes-Handschriften  217 

Was  soll  nun  die  Auegabe  des  Hermogenes  bieten?  Ab- 
Bchliessend  wird  sie  nicht  sein  können ;  denn  in  den  Bibliotheken 
echlummern  noch  Gommentare,  deren  Material  zam  Theil,  viel- 
leicht gar  zum  grössten  Theit  unbekannt  ist;  es  erscheint  mir 
aneeiohteloe,  daes  dies  Material  in  absehbarer  Zeit  yerarbeitet 
wird.  Ich  finde  daher,  daes  wir  uns  hier  wohl  oder  übel  zu- 
nächst zu  bescheideneren  Anforderungen  bequemen  müssen,  als 
unsere  strenge  Wissenschaft  stellt. 

Von  Pa  ist  selbstverständlich  eine  genaue  CoUation  zu  geben, 
7.ur  Controle  auch  von  einigen  anderen  selbständigen  Hss.  der 
guten  Classe.  Aber  auch  die  schlechten  Hss.  dürfen  nicht  ein- 
fach unbeachtet  bleiben ;  diese  selber  sind,  um  von  ihren  Vor- 
lagen gar  nicht  zu  sprechen,  zum  Theil  schon  so  alt,  dass  sie 
auch  manchen  erhaltenen  Commentaren  —  und  nicht  nur  den 
allerjüngsten  —  als  Vorlage  gedient  haben  könnten,  dass  ihre 
Lesarten  also  auch  für  deren  Bearbeiter  werthvoll  sein  würden. 
Der  Herausgeber  hat  deshalb  nicht  nur,  wie  es  sonst  zu  ge- 
schehen pflegt,  die  für  die  Wiederherstellung  des  Urtextes  wich- 
tigen Lesarten  zu  verzeichnen,  er  muss  auch  für  dessen  Ge- 
schichte Beiträge  geben  und  so  seinerseits  den  Bearbeitern  der 
Commentare  vorarbeiten.  £s  wird  sich  daher  empfehlen,  etwa 
im  Anhang  besonders  zu  den  wichtigsten,  immer  wieder  benutzten 
Stellen  überher  eine  nicht  zu  kleine  Auswahl  bezeichnender  Les- 
arten mitzutheilen ;  aber  zu  den  Definitionen  im  wichtigsten  Ca- 
pitel  von  TT.  στάσεων,  138  —142  Sp.,  würde  ich  unbedingt  alle 
Abweichungen  ausser  den  orthographischen  sammeln.  Die  schon 
vorliegenden  Commentare  sind  natürlich  heranzuziehen,  werden 
aber  noch  nicht  viel  helfen;  Syrian  fördert  uns  hier  wenig,  für 
die  anderen  wäre  erst  die  handschriftliche  Grundlage  zu  beschaffen. 
Ehe  aber  die  Riesenarbeit  einer  Ausgabe  der  Hermogenescommen- 
tare  geleistet  ist,  wird,  wie  ich  fürchte,  eine  neue  Ausgabe  des 
Textes  herauskommen.  Dass  dieselbe  nicht  nur  das  Bedürfniss 
des  Buchhandels  befriedige,  sondern  auch  wissenschaftlich  wenig- 
stens das  einstweilen  Erreichbare  biete,  dazu  will  diese  Ver- 
öffentlichung beitragen. 

Hannover.  Hugo  Rabe. 


UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ROEMISCHEN 

KAISERGESCHICHTE 

[Fortaetzang  von  Band  LYII  S.  516.] 

« 

III.    Die  Inschriften  des  Timesithens. 

Der  Zuearomenbrncb  des  römischen  Principatee,  welchen  das 
unheilvolle  Walten  der  orientalischen  Dynastie  in  seinen  Gnind- 
lagen  untergraben  hatte,  führte  schon  nm  die  Mitte  des  dritten 
Jahrhunderts  zur  Auflösung  der  alten  Aemterordnung.  Das 
Schwanken  des  Baues  vor  seinem  Falle  beleuchten  nur  schwer 
zu  deutende  Zeugnisse  der  Inschriften. 

Die  beiden  merkwürdigen  Denkmäler  des  Timesitheue«  der 
für  den  Knaben  Gordianus  das  Reich  regiert  hat,  sollen  hier  als 
Zeugen  für  jenen  Wandel  erläutert  werden. 

Die  stadtrömisohe  Inschrift  ist  in  2  Copien  überliefert,  die 
ich  neben  einander  stellen  wilP. 

a.  b. 

VS  TIMISITHEVS  IS  •  TIMESITHEVS 

PRAEF  •  PRAETORTO  AEFF  •  PRETOLLMMVV 

"ATI  .  CVM  -  MAIOR  •  lARIS         MO  F0RTIS8IM0QVE 
MO  •  F0RTI8SIM0QVE 

Die  Herstellung  der  Inschrift  ist  durch  Mommsen  in  wesentlichen 
Punkten  gefördert  worden.  Er  hat  erkannt,  dass  die  maioriarii 
Soldaten  des  Praetoriums  sind,  deren  Dienst  auch  von  evocati 
versehen  werden  konnte^.  Vgl.  C.  III  6775  evooato  maioriario 
und  VI  3445  evok[ato]  [Aug(u8ti)  mai]oriario  prae[f(ecti)  pra^ 
(torio)]^.    Ihre  Bestimmung  im  Dienste  erhellt  aus  den  Insohrift^ 


ί  a  =  CIL.  VI  1611;  b  =  Roem.  Mitth.  1890,  91. 
2  Zu  C.  IX  1095  of.  3350  und  C.  III  6775. 
^  Man    könnte   auch    an  die  Ergänzung  prae[toriano]  oder  ^nt 
[torii]  denken,  wie  bei  den  statores  C.  VI  2951.  2953.  2954. 


Unteranchungen  zur  römischen  Kaieergeeohichte  219 

der  maioriarii  von  Priyatlenten :  CHI  12489  maio(riario)  rerum 
«uprascripti  et  supraecriptae  und  der  afrikaniaohen  Ineohrift  ^  Gra- 
nins  Fragi  ara(m)  Priapo  de  sno  feoit  maiorio  sno.  Man  wird 
in  diesen  Inschriften  maioriarius  als  Guts-  oder  YermÖgens- 
yerwalter  yerstehen  dürfen.  Demnach  waren  auch  die  maioriarii 
des  Praetoriams  bei  der  Verwaltung  des  kaiserlichen  Yermögene, 
vielleicht  der  Domänen,  thätig.  Da  diese  Inschriften  eine  enge 
Beziehung  zwischen  den  evocati^  und  den  maioriarii  sichern^  so 
ist  die  Ergänzung  von  a  v.  Β  evojcati^  cum  maioriariis  zulässig. 
Schon  die  Nennung  des  Timesitheus  im  Nominativ  zeigt,  dass  er 
mit  den  evocati  und  maioriarii  zusammen  das  Denkmal  gesetzt 
hat.  Beide  Chargen  stehen  an  Rang  unter  den  Ceuturionen.  Des- 
halb kann  Timesitheus  zu  jener  Zeit  nicht  praefectus  praetorio 
gewesen  sein;  ebenso  wenig  läset  sich  eines  der  Ritterämter, 
welche  die  Lyoner  Inschrift  des  Timesitheus  vollständig  aufzählt, 
hier  ergänzen,  da  keines  dieser  Aemter  zu  den  praefecti  prae- 
torio in  einer  erkennbaren  Beziehung  steht.  Vielmehr  hat  Ti- 
mesitheus damals  selbst  unter  den  milites  praetoriani  gedient  und 
eine  Charge  im  officium  der  praefecti  praetorio  bekleidet.  Der- 
jenige Principalis,  welcher  allein  die  evocati  an  Rang  übertrifft, 
ist  der  comicnlarius  praefecti  praetorio,  da  dieser  sofort  zu  den 
höheren  Centurionaten  der  Legion  befördert  wird*.  Wie  die 
Reste  der  Zeile  1  lehren,  hat  Timesitheus  damals  die  Namen 
Sabinius  Aquila  noch  nicht  geführt.  Er  wird  sie  erst  später, 
vielleicht  auf  Grund  einer  Adoption,  angenommen  haben,  in 
Zeile  4  hat  Mommsen  die  Beinamen  eines  Kaisers  erkannt.  Der 
einzige  Kaiser,  der  in  der  Periode,  die  durch  die  Laufbahn  des 
Timesitheus,  wie  sie  die  Lyoner  Inschrift  giebt,  im  Allgemeinen 
begrenzt  wird,  im  Leben  wie  im  Tode  um  seiner  militärischeu 
Tugenden  willen,    dh.  weil  er  den  miles  gregarius    spielte,    for- 

1  Von  Mommsen  zu  C.  III  6775  oitirt. 

^  Ueber  die  Verwendung  der  evocati  in  nicht  streng  militärischen 
Diensten  vgl.  Mommsen  Eph.  epigr.  V  p.  149  ff. 

*  Die  Ergänzung  Mommsens  C.  VI  1611  maies]tati  lässt  keine 
Construotion  zu. 

*  C.  III  3846;  V  öuppl.  1253;  VI  1645;  IX  5358;  XI  3108.  6055; 
II  2664  ist  zo  ergänzen.  [laliae  Mameae  Augustae  matri  Aug(usti)]  n. 
et  Castroram  [senatus]  ac  patriae  .  .  .  f](iliu5))  Sabatina  .  .  .  [p(rimus) 
p(ila8)]  leg(ioniB)  VII  G(eminae)  Severi(anae)  [Alexand(rianae)]  ex  cor• 
nical(ario)  [praef(ectoram)  pr]aet(orio)  e(minentiesimorum)  v(iroram) 
[Maximo  et]  Urbano  oos.  a.  234.  Es  ist  die  Basis  der  Statue,  welche 
im  Fahnenheiligthum  der  Legio  VII  stand.   Vgl.  Religion  d.  r.  H.  S.  72. 


220  ν.  Domaszeweki 

tieeimue  heisst,  ist  Caracalla.  Und  zwar  erhält  er  dae  Prädicai 
fast  immer  in  Yerbinduni^  mit  dem  Beinamen  felicieeimas  ^.  Also 
ans  der  Caliga  den  Pr&toriams  ist  Timeeithene,  wie  fast  alle  ein- 
flaeereicben  Männer  jener  enteetzlioben  Zeit,  hervorgegangen  nnd 
ist  auf  dem  Wege  über  den  Legionecenturionat  in  die  ritterliche 
Laufbahn  übergetreten*.  In  seiner  Lyoner  Inschrift  hat  Time- 
sitheas  seine  dunkle  Vergangenheit  in  Schweigen  yerbÜlU.  Die 
stadtrömisobe  Inschrift  hat  gelautet:  (Caracalla)  [C  Fun]ae  Ti• 
mesitheus  [oornic(ularius)]  praef(eotorum)  pr(aeiorio)  e(minen- 
tissimornm)  y(irorum)  [et  eyo]cati  cum  maioriaria  [felioissijmo 
fortissimoque  [principi]. 

Aber  jede  Ergänzung  einer  unsicher  überlieferten  Inscbrift 
ist  der  Oefahr  eines  Irrthums  unterworfen.  Ich  werde  daher  den 
historischen  Inhalt  der  Lyoner  Inschrift  des  Timesitheus  zu  er 
schliessen  suchen,  ohne  Rücksicht  auf  die  Chronologie  der  stadt^ 
römischen. 

Die  Lyoner  Inschrift  C.  XIII  1807  lautet: 
C  -  FVRIO  .  SABINIO  AQVILAE 
TIMESITHEO     PROC  •  PROV  •  LVGVD  ET 
AQVIT  -  PROC     PROV  •  ASIAE  IBI  .  VICE  -  XX 
ET    XXXX  -  ITEMQ  •  VICE  PROCOS  •  PROC 
δ  PROV  •  BITHYNIAE  •  PONTI  •  PAPHLAGON 
ΤΑΜ  -  PATRIMONI  •  QVAM  •  RAT  •  PRIVATAE 
IBI  .  VICE  -  PROC  -  XXXX  •  ITEM  -  VICE  -  PROC 
PATRIMON  •  PROV  -  BELGIC  -  ET  -  DVARM 
GERMANIAR  •  IBI  •  VICE  •  PRAESID  -  PROV 
10  GERMAN  •  INFERIOR    PROC  PROV  -  SY 

RIAE  ■  PALAE8TINAE  •  IBI  -  EXACTORI     RELI 

^  C.  III.  VIII  Index.  Den  Sinn  von  fortiBsimus  *der  nnvergleich• 
liehe  Krieger'  erläutern  Inschriften    wie  Dessau  inscr.   sei.  1097.  109^^ 

*  Vgl.  besonilers  die  bitteren  Klagen  Dios  78,  14.  15.  Die  In- 
schriften bestätigen  es  C.  III 3237  coh.  I.  Camp.  vol.  c.  R.  Antoniniana 
cur  agente  P.  Aol.  Valerie  trib.  ex  vet(erano)  Aspris  cos.  p.  Chr.  212. 
Veteranus  heisst  nur  wer  unter  den  milites  gedient  hat.  12659M.  Val- 
Speratus  vel(erauu8)  leg.  VII  Cl.  ex  bf.  cos.  dec(urio)  m(unicipii)  A(e1ii) 
V(iminacii)  —  der  Name  der  Stadt  wird  in  den  Inschriften  der  Ge• 
meindebeamten  von  Viminacium  regelmässig,  in  dieser  abgekürzten 
Form  hinzugefügt  —  praef(ecttts)  ooh(orti8)  I  Aquit(anorum)  in  Brit• 
t(ania).  Es  ist  der  britannische  Krieg  des  Septimius  Severus,  der  ^i^ 
Zerstörung  des  römischen  Heerwesens  begonnen  hat  —  C.  VII  953  tri• 
bunus  ex  evocato  palatino  794  tribunus  ex  evooato.  Vgl.  Rhein.  Mut. 
57  p.  512. 


UntenachaiigeD  zar  römischen  KaisergeMhiehte  221 

QVOR    ANNON  •  SACRAE  •  EXPEDITIO 
NIS  -  PROC  -  INVRBE  MAGISTRO  XX  •  IBI 
L0GI8TAE  ■  THYMELAE  •  PROC  ■  PROV 
ARABIAE    IBI  -  VICE     PRAESID    BIS  PROC 
RATION  •  PRIVAT  •  PER  •  BELGIC  .  ET     DVAS 
GERM  PRAEF    COH  -  I  -  GALLIC  •  IN  HISPAN 
C.  Fnrio  Sabinio  Aqailae  Timesitheo, 

proc(aratori)  proy(inoiaram)  Lugud(anen8iB)  et  Aqait(anioae), 
proc(aratori)  proy(inoiae)  Aeiae  ibi  vice  (vigesimae) 
et  (qnadragesimae)  itemque  vice  proco(n)8(ali8), 
proc(aratori)  proy(inoiae)  Bithyniae  Ponti  Paphlagon(iae)  tarn 
patrimoni  quam  rai(ionie)  privatae  ibi  vice  proo(aratorie)  (qna 
dragesimae)  item  vice  [.•.•] 

proc(aratori)  patrimon(ii)  proy(inciae)  Belgio(ae)  et  duaram 
Germaniarum  ibi  vice  prae8id(ie)  prov(inciae)  Germaii(iae)  in* 
feriür(ie), 

proc(uratori)  proy(inciae)  Syriae  Palaestinae  ibi  exactori   reli- 
quor(um)  anDon(ae)  eacrae  expeditionis, 

proc(üratori)  in  nrbe  magistro  (yieeeimae)  ibi  logietae  thymelaO) 
proc(aratori)  prov(inciae)  Arabiae  ibi  vice  prae8id(iB)  bie, 
proe(nratori)  ration(iB)  pTlYat(ae)  per  Belgic(ani)  et  daae  Ger- 
in(ania8), 
praef(ecto)  coli(ortiB)  I  Gallio(ae)  in  Hiepan(ia). 

Das  Eigenthümiiche  dieser  Lanf  babn  ist  die  ungemeine  Häu- 
fung der  Stellvertretung  eines  eenatorischen  Beamten  durch  einen 
Procurator  und  die  Cnmulirung  verschiedener  Procoratnren  in 
einer  Hand.  Diese  Erscheinung,  die  sonst  in  keiner  Inschrift  eine 
vollständige  Analogie  besitzt,  kann  nicht  auf  einem  individuellen 
Zufall  berohen,  sondern  nur  auf  der  bewnssten  Absicht  der  Re- 
gierenden. Die  allgemein  herrschende  Tendenz  des  dritten  Jahr* 
Hunderts,  die  senatorischen  Beamten  durch  Beamte  ans  dem  Ritter- 
stande zu  ersetzen,  hat  Caracalia  auf  dem  Wege  der  adleetio 
der  Ritter  in  den  Senat  verwirklicht  Zur  Zeit  seiner  Ermordung 
war  von  allen  den  Legaten,  die  er  zum  Partherkriege  versammelt 
hatte,  nur  einer  senatorischer  Herkunft  Dio  78,  12  Boias.  [τόν 
Αύρηλι]ανόν  τόν  καΐ  [μάνον  ούχ|  βττως  τών  ύπα[τ6υκάπϋν 
ά]λλα  κοί  [τών  όλως  βου]λ€υ6ντων  τ6τ€  παρόντα  nach  Bekkers 
sicheren  Ergänzungen.  Wie  Caracalia  verfuhr  beleuchten  einzelne 
Falle,  so  die  Grabschrift  von  Pila^fAbaU  Vater.  Dessau  478:  Seiito) 
Vario  Marcello  proc(Qratori)  A/pmr'^iim,  (centenario),  proc(nratori) 
provinc(tae'  Brit(anniae)  ΜιΐΛΛη;ιι•:Λ>    proc^uratori)  rationis  privatae 


222  ν.  Dotnaezeweki 

(trecenano)  ^  vice  praef(eotonim)  pr(aetorio)  et  orbi  faneto,  c(U- 
rissimo)  y(iro),  praef(eoto)  aerarii  militarifi,  leg(ato)  legiionie)  III 
Aug(üBtae)  praesidi  prov(inciae)  Numidiae  lulia  Soaemiae  BaeeiaDa 
c(lari8eima)  f(eiiiina)  cum  filie.  Septimius  Severus  hatte  die  Nichten 
seiner  Frau  mit  Männern  aus  dem  Ritteretande  vermählt,  die  er 
mit  gut  bezahlten  Procuraturen  abfand'.  Der  leicht  erkennbare 
Gedanke  leitete  ihn,  daes  die  Kinder,  die  diesen  £hen  enteprossten, 
nicht  successionsfähig  sein  sollten '^.  Nicht  nur  die  Vaterliebe, 
auch  der  fatalistieche  Glaube  an  den  Herrecherberuf  seiner  Fran^ 
liess  ihn  die  Knaben,  die  sie  gebar,  vor  der  Zeit  zu  Angoeti  er- 
heben. Aber  die  politische  Einsicht  des  Vaters  war  nicht  das 
£rbe  Garacallas.  Bei  seiner  wohlerwogenen  Familien  pol  itik  hätte 
Severus  zu  keiner  Zeit  die  Vertretung  der  beiden  höchsten  Aemter 
der  Hauptstadt  und  damit  das  Commando  über  die  ganze  Gamieon 
dem  Varius  Marcellus  übertragen.  Daher  kann  nur  Caracalla 
den  Mann  seiner  Cousine,  als  er  selbst  von  Rom  abwesend  war 
—  nur  so  ist  die  Vertretung  des  praefectus  praeforio  möglich  — , 
zum  Vicekaiser  ernannt  haben.  Und  zwar  fällt  diese  Stcllong 
des  Marcellus  in  die  ersten  Jahre  des  Caracalla,  also  etwa  in  die 
Jahre  213  —  215.    Denn  vor  dem  Tode  des  Caracalla  hatte  Flavins 

^  £s  ist  bezeichnend  für  den  Orientalen,  daas  er  der  erste  Pro- 
curator  ist,  in  dessen  Inschrift  alle  Gehalte,  die  er  bezogen,  vollzählig 
aufgezählt  werden.  Unter  dem  Principate  des  1.  und  2.  Jahrhamlerts 
wird  die  Gehaltsstufe  zum  Amte  nur  dann  hinzugefügt,  wenn  bei  gleich- 
benannten  Aemtern  die  verschiedenen  Rangstufen  angehören,  der  Zu- 
satz den  Rang  kenntlich  machen  soll,  wie  bei  dem  praefectus  vehica- 
lorum  und  dem  praefectus  legionis.  Denn  die  Betonung  der  Gehalte- 
stufe ist  dem  römischen  Geiste  zuwider,  dem  das  Amt  ein  honor  iet 
Die  orientalische  Dynastie  hat  im  Heere  wie  im  Staate  honor  durch 
Geld  ersetzt.  Vgl.  Neue  Heidelberger  Jahrbb.  10,  231.  Westd.  Corr.• 
Bl.  1S02,  23. 

^  Gessius  Marcianus,  der  Gemahl  Mameas  starb  als  Procorator 
Dio  78,  30.  Prosopogr.  2,  p.  117  u.  103.  Die  Ehrenstellung  der 
Frauen,  als  Angehörige  des  senatorischen  Standes,  wurde  durch  ein 
Privileg  gesichert,  Mommsen  Staatsr.  3  p.  4β8  η.  4. 

^  Vgl.  das  Verhalten  desAugustus  als  er  in  der  schwierigen  Lage 
war,  Julia,  die  bereits  zwei  Thronfolger  geboren  hatte,  nach  dem  Tode  des 
Agrippa  einen  Gatten  eu  geben.  Sueton  Aug.  63 :  Hoc  quoque  defoncto, 
multis  ac  diu,  etiam  ex  equestri  ordine,  ctrcumspectis  condicionibus, 
Tiberium  privignum  suum  elegit.  Das  Unrecht,  das  er  Tiberiue  vi- 
fugte,  wurde  dadurch  nur  um  so  grösser. 

*  Allerdings  scheint  die  kluge  Syrerin  ihre  Nativitat  nur  aus 
ihrem  semitischen  Namen  Martha,  römisch  Domna,  abgeleitet  zu  haben. 
Beligion  d.  r.  H.  p.  70  und  121. 


üntenachiingeii  sar  römiechen  Kaisergeiohichte  99  Η 

Matemianns  dasselbe  Amt  inne.  Herod.  4,  12,  4  Ματ€ρνΐανφ 
τινι  t6t€  πάσας  ύπ'  αύτοΟ  τάς  έν  'Ρώμη  πράΗχς  έτκ€χ€ΐρισ- 
μίνψ  =  Dio  78,  3,  2  Φλαουίψ  Ματβρνιανψ  τφ  τότ€  τών  έν 
αστ€ΐ  στρατιωτών  δρχοντι.  Όμ  Commando  über  die  Trappen 
der  Hauptstadt  ist  gleicbbedeatend  mit  der  Yerwaltang  der  prae- 
fectnra  praetorio  und  der  praefectara  nrbi.  Die  Scbriftsteller 
umschreiben  das  Amt,  weil  Maternianus  wie  Marcellus  nur  als 
Vertreter  die  Functionen  ausübt,,  weder  praefectus  praetorio  noch 
praefectos  urbi  war.  Dass  Marcellus  nach  einer  so  bedeutungsvollen 
Stellang  zu  dem  an  sich  geringfügigen  Amte  eines  praefectus  aerarii 
militarie  berufen  wurde,  bat  in  den  Zeitverhältnissen  seinen 
Grund.  In  die  Jahre  215/216  fällt  die  alles  Maass  überschrei- 
tende Erhöhung  der  praemia  militiae  \  die  aus  eben  dieser  Kasse 
bezahlt  werden  mussten.  Wenn  man  bedenkt,  welchen  Greuel  der 
Erpreseung  diese  Erhöhung  der  Veteranenversorgung  nach  sich 
zog,  so  ist  es  begreiflich,  dass  nur  ein  dem  Kaiser  gänzlich  er- 
gebener und  auch  in  Finanzgeschäften  erprobter  Mann  die  Leitung 
übernehmen  konnte.  Zum  Lohne  erhielt  Marcellus  das  Commando 
der  legio  III  Augusta  und  damit  die  Statthalterschaft  von  Nu- 
midien.  Das  ist  eine  Auszeichnung»  weil  die  legio  III  Augusta 
seit  Septimius  Severus  das  Haueregiment  der  Dynastie  ist*. 
Marcellus  starb  in  Velitrae,  wo  sein  Sarcophag  gefunden  wurde, 
wahrscheinlich  im  Jahre  217*,  weil  Soaemias  mit  keinem  Worte 
auf  die  Verwandtschaft  mit  dem  Kaiserhause  hindeutet.  Im 
Jahre  218  war  die  Frau  mit  ihren  Kindern  in  Emesa,  wohin 
Macrinus  in  seltsamer  Verblendung  die  ganze  Familie  der  Julia 
Domna  verwiesen  hatte ^.  Durch  Maesas  Klugheit  hat  wahr- 
scheinlich erst  damals  ihr  ältester  Enkel  Avitus  die  Würde  eines 
hohen  Priesters  des  Elagabal  erhalten.  Gerade  durch  diese  Weihe 
war  dem  Jüngling  der  stärkste  Einfluss  auf  die  orientalische 
Garde  der  Dynastie,  die  legio  II  Parthica,  gesichert^. 

Eine  ähnliche  Laufbahn  durchmass  nach  den  Zeugnissen  der 
Schriftsteller  Marcius  Agrippa.  Auch  er  wird  nach  den  gewich- 
tigen Aemtem  a  cognitionibus   und  ab  epistulis  in  den  Senat  als 


^  Dio  77,  24,  1  Boise,  und  meine  Verbesserung  Neue  Heidelb. 
Jahrb.  10,  236. 

s  Rhein.  Mus.  53,  639. 

Β  Dio  78,  30  sagt  nichts  über  die  Zeit  seines  Todes. 

*  Herodian  5,  3.    Dio  78,  30. 

^  Vgl.  Religion  d.  r.  H.  S.  38.  Die  scheussUchc  Lüge  von  der 
Blutschande  hat  dann  nachgeholfen. 


224  ▼.  Domassewiki 

praetorine  eingereiht.  Dio  78,  13,  4  τάς  Τ€  οιαγνώσεις  αυτοΟ 
κα\  τάς  έπιστολάς  &ιοικήσαντα  καΐ  τό  τελευταΐον  ές  τους  βου• 
λευτάς  τους  έστρατηγηκότας  άπωσθέντα,  δτι  μειράκια  Κυιρα 
ές  τήν  (Ττρατιάν  έπήκτο.  In  der  Begründung  erkannte  MommieD 
einen  Misebrauch,  den  Agrippa  als  Beamter  ab  epistuüs  getrieben, 
indem  er  Offioierspatente  an  exoleti  aasfertigte  ^.  Eben  darauf  be- 
zieht eich  das  Fragment  Dies  77,  24,  2  δτι  6  σώφρων  έκ€!νος 
(Caracalla),  &ς  γε  καΐ  ίλεγεν,  ό  τής  τών  άλλων  ασέλγειας  tm- 
τιμητής,  αίσχίστου  τε  δμα  καΐ  οεινοτάτου  τολμήματος  γενο- 
μένου IboJte  μέν  όργήν  πεποιήσθαι,  τψ  bi  bi\  μήτ'  έκεΐνη  κατ' 
άείαν  έπελθεΐν  καΐ  τοις  νεανίσκοις  προεπιτρέψαι  ποιεΐν  &  μη- 
&εΙς  μέχρι  τότε  έτετολμήκει,  πολύ  σφισιν  έλυμήνατο  μιμησα- 
μένοις  τά  των  έταιρατν  γυναικών  καΐ  τά  τών  άνορών  των  γ€• 
λωτοποιών.  Dass  beide  Schändlichkeiten  sich  in  derselben  Sphäre 
bewegen,  ist  klar.  Und  von  einer  über  alle  Grenzen  binaae- 
gehenden  Schamlosigkeit  ist  hier  die  Rede,  eben  wie  MommseD 
sie  in  der  ersten  Stelle  erkannte,  deren  Rückwirkung  auf  die 
Jagend  wegen  der  Straflosigkeit  des  Urhebers  Dio  scharf  tadelt 
Die  Yerstossang  in  den  Senat  machte  Caraoalla«  wenn  anch  nicht 
yollkommen,  gut  durch  die  Ernennung  des  Marcius  Agrippa  cum 
Commandanten  der  Flotte,  die  an  der  syrischen  Küste  für  den 
Partherkrieg  versammelt  war^. 

Noch  ein  anderes  Commando  dieser  Zeit  verdient  in  dieiem 
Zusammenhange  erörtert  zu  werden.  Von  einem  gewissen  θ€0- 
κριτος  berichtet  Dio  77, 21,  2  Boiss.  έκ  οούλου  και  il  όρχηστοΰ 
καΐ  στρατιάρχης  καΐ  ίπαρχος  έγένετο  —  οιεφοίτα  γαρ  4νω  καΐ 
κάτω  τής  τών  έπιτηοε(ων  καΐ  παρασκευής  και  καπηλείας  {v€K€v. 
und  erzählt  dann,  dass  er  auf  einer  solchen  Dienstreise  einen 
Frocurator  in  Alezandreia  hinrichten  Hess.  Was  unter  έπιτη6€ΐσ 
zu  verstehen  ist,  zeigt  am  deutlichsten  Herodian  8,  6,  3.  Die 
Aquileienser  eröffnen  einen  Markt  für  das  Heer  des  Maximinni 
ώνιον  παρέχοντες  τροφών  τε  παντοοαπών  και  ποτών  άφθονίσν, 
έσθήτός  τε  και  ύποοημάτων;  der  Mangel,  den  das  Heer  gelitteo, 
wird  im  Gegensatz  bezeichnet  mit  σπάνει  πάντων  τών  έτητη- 
οείων.     Vgl.  auch  5,  2,  6  σπανίΣοντες  τών  έπιτη&ε{ων.   Theo- 

1  Staatsr.  II,  851. 

'  Vita  Carac.  6  Marcius  Agrippa  qui  daesi  praeerat.  Mit  Recht 
sagt  Dessau  Prosop.  2  p.  335  n.  158  ei  quae  expeditionem  Aiisticam 
Garacallae  oomitabatur.  Die  classiarii  dienen  auch  als  Pioniere  im 
Landheere.  Vgl.  Marquardt  Staatsv.  II,  511  und  den  Papyrus  Hermes 
32  p.  274  ff. 


Untenucbungen  zur  römischen  Kaisergetcbiohte  225 

kritoe  war  demnach  ίπαρχος  τών  επιτηδείων  —  praefectus  co• 
piamm^,  dh.  Chef  der  ArmeeintendaDz.  Dieeee  Amt  wird  von 
Ritteroy  aber  aach  von  Freigelaeeenen  bekleidet,  so  daes  nur  die 
gemeine  Herkunft  des  Tbeokritoe  und  der  Miss  brauch,  den  er  mit 
eeiner  Gewalt  getrieben,  Dios  bitteres  Urtheil  rechtfertigt.  Auch 
eonet  vermag  ich  bei  einer  Durchmaeterang  der  Inschriften  von 
Statthaltern  und  Procuratoren  aus  Caracallae  Zeit  nirgends  Er- 
scheinangen  nachsaweisen,  wie  sie  uns  in  der  Inschrift  des  Ti• 
mesitbeus  entgegentreten. 

Maerinus,    der  als  Ritter  auch  nach    der  Aaffassnng  jener 
Zeit  zur  Thronfolge  nicht  berechtigt  war,  hat  nothgedrnngen  das 
System  Caracallas    befolgt  und  die  senatorischen  Heerescomman- 
den  mit  Vertrauensmännern  aus  dem  Ritterstande  besetst'.     Für 
Elagabals  Art  zu  regieren  hatten  solche  Kleinigkeiten»  wie  Stell- 
vertretong  und  Cumnlation   der  Aemter  überhaupt    keinen  Sinn, 
da    über  die  Besetzung  der  Aemter    nur    seine    persönliche  Zu- 
neigung entschied.     Demnach    ist  die,  bei  der    Zahl  der  Aemter, 
die  Timesitheos  verw^eitef  hat,  an  sich  einfachste  Annahme  auch 
die  wahrscheiniicjietey  daee  er  seine  Laufbahn  als  Ritter  erst  unter 
Severue  Alexander  begann•     Unter    dieser  Voraussetzung  ist  für 
den  ersten  Fall,  in  welchem  Timesitheue  den  senatorischen  Statt- 
halter  yertrat,    procurator   provinoiae   Arabiae  ibi  vice  praesidis 
bis,  die  historische  Veranlassung    leicht  nachzuweisen.     Um  das 
Jahr  226  war  an  der  Oetgrenze  des  Reiches  der  Sieg  der  neuen 
persischen  Dynastie    entsohieden,    die    römischen  Provinzen,    be- 
sonders  Mesopotamien,   waren   unmittelbar  bedroht.     Gegenüber 
dem  zu  erwartenden  Angriff  wurde  eine  Armee  in  Mesopotamien 
conoentrirt  Dio  80,  4  τοσαύττ)  γαρ  &μα  τρυφή  και  έ^ουσίφ  άν- 


1  Vgl.  Mommsen  Staatsr.  II  1031.  Dieser  Art  ist  C.  XI  .%01. 
Vgl.  Westd.  Gorr.-Bl.  1889  p.  46  sq.  praepositue  annonae  expeditionie 
[Ger]manicae.  Auch  die  Stellung,  die  Tiberius  lulius  Alexander  zu- 
erst im  Heere  des  Corbulo  (Tnc.  ann.  15,  28  ininifitram  hello  datum) 
und  dann  wieder  im  Heere  des  Titus  inne  hatte,  Mommsen  Hermes 
XIX  p.  644  in  der  von  ihm  so  glänzend  behandelten  Inschrift  des 
Plinius  άντ€πίτρο[πον  Τιβ€ρίο]υ  Ιουλίου  *Αλ[€]ε[άν5ρου  έπ]άρχου  [τ]οΟ 
Ίουοαι[κοΟ  στρατοΟ],  ist  die  Armeeiutendanz;  gerade  dass  Plinius  ihm 
als  sabprocnrator,  also  als  Finanzbeamtur,  zugetheilt  war,  zeigt  dass 
er  Armeeintendant  war  und  nicht,  wie  Mommsen  wollte,  C.  III  6809, 
Generalstahschef.  Die  Stellung  eines  Genera  Istabschefs  gab  es  aller- 
dings im  römischen  Heere:  aber  da  die  Generalität  senatorisch  ist,  seist 
auch  der  Generalstabschef  ein  Senator.  Es  ist  der  ranghöchste  der  oomites. 

«  Dio  78,  13.  14. 

KbeiD.  Mae.  i.  PUilol.  N.  F.  LVIII.  15 


226  ▼.  DomasEewski 

εηιπληΗίςι  τ€  χρώνται  ώστ€  τολμήσαι  τους  έν  Μ€σοτΓθταμία 
τόν  Αρχοντα  σςΜίτν  Φλάουιον  Ήρακλίυυνα  άποκτ€Ϊναι^  Dass 
das  Heer  Meeopotamiens  ans  den  Nachbarprovinzen  verstärkt 
wurde,  forderte  die  Lage  und  bezeugt  die  Tneohrift  des  Timesi- 
theuB.  Der  Legat  der  legio  III  Cyrenaica  und  zugleich  Statt- 
balter  der  Provinz  Arabien,  war  mit  seinen  Truppen  nach  He- 
eopotamien  abmarscbirt.  Timesitbeue  regierte  die  Provinz  an 
seiner  Stelle  und  zwar  ist  während  der  Abwesenbeit  der  Legion, 
wie  das  bis  zeigt,  ein  Wechsel  im  Commando  eingetreten. 

Ana  Arabien  kehrte  Timesitbeus  in  die  Hauptstadt  zurück 
und  war  zuerst  als  logista  tbymelae^  tbätig,  also  als  Director 
des  kaieerlicben  Hoftbeaters.  £e  sobeint,  daes  auf  diese  Tbitigkeit 
das  Lob  der  doctrina  zu  bezieben  ist*.  Vita  Gord.  23,  6  et 
adulescens  Gordianus  —  duxit  uxorem  filiam  Misitbei  doctiseimi 
viri  quem  [causa  eloquentiae  dignum  parentela  sua  putavit  et] 
praefeotum  statim  fecit,  post  quod  non  puerile  iam  et  eontemp- 
tibile  videbatur  Imperium,  si  quidem  [et]  optimi  eooeri  coneiliis 
adiuvaretur,  [et  ipse  pro  parte  aliquantum  saperet  nee  per  epa- 
dones  et  ministros  aulioos  matris  vel  ignorantia  vel  coniventia 
venderetur].  Zosimus  1,  17,  2  έν  τούτψ  5ή  προς  γάμον  βγεται 
Γοροιανός  Τιμησικλέους  θυγατέρα,  τών  ivA  παι5€ύσει  διαβοήτιυγ 
άνορός,  δν  υπάρχον  τής  αυλής  άναοειΕας  ^oE€v  το  6ιά  το 
νέον  τής  ηλικίας  τή  κηοεμονίςκ  ταίν  πραγμάτων  έλλβϊπον  άνσ- 
πληρουν.  Beide  üeberlieferungen  geben  auf  Dexippue  zurück; 
aber  man  siebt  wie  sehr  der  lateinische  Text  dnrcb  leere  Ampli- 
ficationen  gelitten  bat.  Später  wurde  Timesitbeus  magister  (vi- 
oesimae)^  in  der  Hauptstadt  Die  Beitreibung  dieser  unertrS;• 
lieb  gewordenen  Steuer  fordert  die  rücksichtsloseste  Ausübung  des 
Amtes.    So  wurde  er  geeignet  befunden  als  procurator  provinciae 


^  Das  Erergniss  ist  insoweit  cbronologisch  fixirt,  als  es  ,vor  das 
tweite  Gonsulat  Dios  fallt.  Auch  Ulpians  Ermordung,  die  gleich  darauf 
folgt,  ist  nicht  sicherer  festzulegen. 

*  Hiracbfeld  Untersuchungen  p.  155. 

^  Auch  die  Stellung  als  cornicularius  praefecti  praetorio  dh.  Tor- 
stand des  Offidums,  der  Kanzlei  setzt  eine  gewisse  Bildung  vorans, 
besonders  in  einer  Zeit  wo  die  Garde  aus  Analphabeten  der  Donaa* 
Provinzen  bestand.     Vgl.  oben  S.  219. 

*  Hirschfeld  Untersuchungen  IIG  Anm.  4  versteht  die  vicesima  ge- 
wiss mit  Recht  von  der  Erbschaftssteuer.  Er  ist  der  Unterbeamte  des 
procurator  vicesimae  hereditatium,  der  für  das  ganze  Reich  fungirti 
speciell  in  Rom. 


UntenaehaDgeB  zur  römiaehen  Kaiaer]grogci|io||(0  221 

Syriae  Palaeetinae  ibi  exaetor  reliqaomm  annonae  eaorae  ezpedi* 
tioniB  zu  fnngiren.  Gemeint  iat  der  Penenag  des  SeTenu  Ale- 
xander. Welche  Lart  die  eaera  expeditio  far  die  anglflokliehen 
ProTincialen  gewesen  iet,  sagt  die  Inachrift  eelbet.  Aueh  hatte  der 
neue  'Αλ^ανορος,  der  die  ΤΤέρσαι  nicht  einmal  sah,  allmählioh 
auf  dem  heimathlichen  Boden  «eine  wahre  Natar  entdeckt  He- 
rodian  6,  6,  6  δττ€ρ  μανθάνων  6  Άλί£αν6ρος  και  αυτός  έν  τή 
Άντιοχβίφ  bUrpißev '  6ύθυμότ€ρος  bi  και  όΟ€έσΓ€ρος  τ€νόμ€νος 
αναμένης  αύτφ  τής  πβρι  τα  πολεμικά  φροντί5ος,  ταϊς  τής  πό- 
λ€(ΐ>ς  έαχόλα£€  τριχραΐς^  Die  Hülfe  eines  so  bewährten  Dienere, 
obwohl  Steaererpressang  and  Heeresbeiehi  yüllig  verschiedene 
Gaben  erfordern,  konnte  man  auch  in  Zukunft  nicht  entbehren  als 
Matter  and  Sohn  die  unvermeidliche  Fahrt  an  den  Rhein  mit 
Zittern  und  Zagen  antraten.  Als  procurator  patrimonii  provinciae 
Belgicae  et  duarum  Germaniaram  erhielt  Timesitheas  zugleich 
das  Commando  über  das  niederrheinische  Ueer,  eine  so  wider- 
sinnige Combination,  dass  nur  die  Verzweiflung  sie  erdacht  haben 
kaun^.  Timesitheus  hat  seineu  kaiserlichen  Herrn  weder  unter- 
stützt noch  geiüoht  und  erwies  sich  im  Dienste  des  Maximinus 
Thrax  als  ein  nicht  minder  wilirähriges  Werkzeug.  Nach  der 
Chronologie  der  Inschrift  fallen  die  beiden  befremdendsten  Aemter, 
die  Cumnlirung  mehrerer  Procuraturen  verbunden  mit  der  Ver- 
tretoDg  des  senatorischen  Statthalters,  in  diese  Zeit. 

1.  procurator  provinciae  Asiae  ibi  vice  vicesimae  et  qua 
dragesimae  itemque  vice  proconsulis. 

2.  procurator  provinciae  Bithyniae  Ponti  Paphlagoniae  tarn 
patrimonii  quam  rationis  privatae  ibi  vice  proouratoris  quadra- 
gesimae  item  vice  .... 

Die  Schwierigkeit,  die  letzten  Worte  item  vice  mit  dem 
darauffolgenden:  procurator  patrimonii  Belgicae  et  duarum  Ger- 
maniaram   ibi    vice  praesidis  Germaniae  inferioris  zu  verbinden, 

1  Fortan  ist  er  sich  treu  geblieben  bis  an  sein  wohlverdientes 
Ende.  Herodian  6,  7,  10  (kurz  vor  der  Ermordung)  ol  μέντοι  στρα- 
τιΦται  χαλβπΦς  έφερον  διατριβής  τε  ματαίας  έτΤ»Τνομένης,  καΐ  μηδέν 
τι  γενναΐον  ή  πρόθυμον  ές  τό  πολιμεΐν  παρέχοντος  τοΟ  *  Αλεξάνδρου, 
άλλ'  ήνιοχε(αις  καΐ  τρυφαΐς  σχολάΖοντος. 

S  Der  procurator  patrimonii  einer  Provinz  gehört  zu  der  niedersten 
Stofe  und  entspricht  durchaus  nicht  dem  hochstehenden  zuletzt  von 
ihm  bekleideten  Amte  eines  procurator  Syriae  Palaestinae,  der  duoe• 
narius  ist  C.  III  6756.  6757.  Also  das  Commando  über  das  nieder- 
rheinische Heer  ist  die  Hauptsache.  Da  der  Germanenkrieg  geplant 
war,  so  stand  das  Ueer  in  seinen  Garnisonen. 


230   ▼.  Domaszewiki  Untereuclinnsfen  zar  rom.  Kaisergeschichte 

Erpreeenog,  sondern  ist  eine  Folge  des  Zueammenbrnebei  der 
eeldwirtbechaft  und  den  Verengene  der  indirecten  Steuern.  So 
verschwinden  die  Procn.ratoren  der  indirecten  Steuern  um  djwe 
Zeit  ganz  aus  den  InBcbriften.  Ancb  fttr  dieeen  Wandel  iet  die 
Inscbrift  des  Timesitbene  lebrreiob,  weil  sie  zeigt,  dase  diese 
Functionen,  so  weit  sie  noob  geübt  werden,  auf  den  Provineial- 
procurator  übergeben^. 

Timesitbeus  der  vielgewandte  bat  den  Sturm,  der  Maximinus 
wegfegte,  überdauert ;  unter  Gordianus  zuerst  Procurator  der  Log- 
dunensis,  wurde  er  Herrsober,  als  es  ibm  gelang  seine  Tochter 
dem  unmündigen  Kaiser  zu  vermählen.  Eine  Characteristik  des 
Mannes  besitzen  wir  nicht ^.  Aber  dass  der  Mann,  der  durch 
eine  solche  Schule  gegangen  war,  nicht  besser  und  nicht  andere 
als  der  Thraker  regiert  hat,  das  lehren  die  Iif Schriften. 

Deshalb  erscheint  ein  (bedanke,  den  ich  Nöldeke  verdanke, 
im  hohen  Grade  wahrscheinlich.  Die  constante  Schreibung  des 
Namens  in  der  lateinischen  Quelle  Misitbeus  ist  keine  Verderbnise, 
sondern  Absicht.  Im  Volksmunde  hiess  der  die  Gottheit  ehrende 
Timesitbeus  vielmehr  nach  seinem  Wirken  der  die  Gottheit 
hassende. 

Heidelberg.  v.  Domaszewski. 


^  Die  zahllosen  Schatzfunde  aus  der  zweiten  Hälfte  des  dritten 
Jahrhunderts  sind  nicht  eine  Folge  der  Barbareneinfalle,  sondern  des 
barbarischen  Regimentes  im  Innern.  Die  Menschen  flüchten  vor  der 
Stenerexeontion  ihr  baaree  Geld  in  den  Sohoss  der  Erde. 

*  Was  sich  dafür  giebt  Vita  Gordiani  Cap.  28,  ist  in  seinem  mili* 
tärischen  Abschnitt  einfach  läppisch.  Die  Vectigalia  arbis  sind  ein 
Anachronismus;  gemeint  ist  die  annona  sacrae  urbis  des  viertt^n  Jahr- 
hunderts. 


DIE  ERDMESSÜNG  DES  ERATOSTHENES  ^ 


'Die  Philologie  hat  die  Pflicht  die  ganze  Bedeatnng  des 
Mannee,  der  sich  zuerst  einen  Philologen  nannte  und  den  Namen 
vor  allen  zur  höchsten  Ehre  brachte,  sich  klar  zn  machen  and 
ans  Licht  zu  βΙβΙΙβηΓ'  Die  Lösung  der  Aufgabe  auf  den  ver« 
achiedenen  Gebieten  >der  Mathematik  und  Astronomie,  der  6eo* 
graphie  und  Chronologie,  der  Philosophie  und  litterarischen  Kritik 
wird  nur  durch  ein  Zusammenwirken  mehrerer  möglich  sein,  aber 
schwerlich  irgendwo  vollständiger  gelingen  als  bei  der  Geographie, 
in  der  sich  die  ganze  Vielseitigkeit  des  Wissens  und  Könnens 
des  Eratosthenes  auf  einen  Punkt  vereinigte/  So  schrieb  vor 
einem  Menschenalter  MüUenhoff,  als  er  mit  der  ihm  eigenthiim• 
liehen  Wucht  von  Gelehrsamkeit  und  Scharfsinn  die  Geographie 
des  Eratosthenes  als  Grundstein  für  den  Aufbau  der  Deutschen 
Alterthnmskunde  bearbeitete  ^.  Der  diesen  Worten  vorausgeschickte 
Wunsch  nach  einer  neuen  und  vollständigeren  Sammlung  der 
geographischen  Fragmente  ist  ein  Jahrzehnt  darauf  von  Hugo 
Berger  in  dankenswerther  Weise  erfüllt  worden^.  Es  liegt  auf 
der  Hand,  dass  der  jüngere  Forscher  seinen  Vorgänger  in  vielen 
Stücken  ergänzen  und  berichtigen  konnte.  Ob  er  dagegen  die 
Leistung  des  Eratosthenes  im  Grossen  richtiger  und  unbefangener 
gewürdigt  habe,  erscheint  zweifelhaft.  Freilich  wer  Auskunft 
sucht  über  die  Geistesthat  des  hellenischen  Meisters  deren  Buhm 
zwei  Jahrtausende  überdauert  bat,  wird  von  der  Skepsis  Bergers 
80  wenig  wie  von  dem  Enthusiasmus  Müllenhoffs  eine  befriedi- 
gende Antwort  erhalten.  Es  räckte  sich,  dass  beide  Forscher 
den  Anschluss    an    die   allgemeine   Wissenschaft    verpassten,    der 


1  Deutsche  Alterthuraekunde  I,  Berlin  1870,  p.  316.  17  und 
259-349. 

^  Die  geographischen  Fragmente  des  Eratosthenes,  Leipzig  1880. 
Den.  Qesohichte  der  wiseenschaffclichen  Erdkunde  der  Griechen  ΠΙ, 
Leipzig  1891,  p.  57—112. 


232  NiBRen 

seit  1865  durch  Peecbele  Geschichte  der  Erdkunde  eo  eehr  er- 
leichtert war.  Die  erete  and  einzige  Erdmeseung  aber  die  dae 
Alterthnm  zuwege  gebracht  hat,  ist  ein  Gegenstand  der  über  die 
engeren  Grenzen  der  Philologie  hinaus  die  Aufmerksamkeit  der 
Gebildeten  fesselt.  loh  glaube  im  Sinne  meines  ehemaligen  Lebrero 
Müllenhoff  zu  handeln,  wenn  ich  die  1869  von  ihm  verlassene 
Frage  einer  erneuten  Prüfung  unterziehe. 

Die  Erdmessung  bildet  das  Fundament  der  Erdbeschreibung, 
ist  aber  in  den  3  Büchern  der  Γεωγραφικά  nicht  dargelegt  ge- 
wesen. Man  hat  dies  mit  vollem  Recht  ans  dem  Gedankengaog 
bei  Strabo  geschlossen,  man  hat  das  wichtige  Zeugniss  übersehen 
das  den  Titel  des  betreffenden  Werkes  angab  ^.  Heron  in  der 
Dioptra  bespricht  die  Aufgabe  wie  die  Entfernung  zwischen  Rom 
und  Alexandria  zu  finden  sei,  vorausgesetzt  ÖTi  περίμετρος  της 
γής  σταδίων  έστΙ  μυριάδων  είκοσιπίντε  και  ?τι  δισχιλίων,  ώς 
ό  μάλιστα  των  άλλων  άκριβίστερον  πεπραγματευμένος  'Ερατο- 
σθένης όείκνυσιν  έν  (τφ)  έπιγραφομίνψ  περί  της  άνομετρή- 
σεως  τής  τής•  i^ie  Zeit  Herons  ist  viel  bestritten,  jünger  ali 
Hipparch  auf  dessen  Verzeich niss  der  Finsterniese  im  vorliegen- 
den Stück  angespielt  wird,  von  Posidonios  nicht  gar  weit  ent- 
fernt'. Unter  den  erhaltenen  Schriftstellern  ist  dies  der  älteste 
der  den  ermittelten  Erdumfang  zu  252  000  Stadien  angiebt.  — 
Das  nämliche  Maass  kehrt  bei  Galen  wieder,  dessen  Ausführungen 
uns  über  den  Inhalt  des  fraglichen  Buchs  näher  unterrichten'. 
Eratosthenes  hatte  darin  die  Grösse  des  Aeqnators,  den  Abstand 
der  Wende-  und  Polarkreise,  die  Ausdehnung  der  Polarzone, 
Grösse  und  Entfernung  von  Sonne  und  Mond,  totale  und  partielle 
Verfinsterungen  dieser  Himmelskörper,  Wechsel  der  Tagesllnge 
nach  den  verschiedenen  Breiten  und  Jahreszeiten,  kurz  und  gat 
was  wir  astronomische  oder  mathematische  Geographie  nennen, 
abgehandelt.  Von  den  44  Fragmenten  die  Berger  über  die  Erd- 
messung gesammelt  hat,  stammt  die  Mehrzahl  mittelbar  aus  diesem 
Werke  und  hat  mit  dem  zweiten  Buch  der  Erdbeschreibung,  dem 
sie  zugewiesen  wird,  nichts  zu  thun.  Es  leuchtet  aber  ein.  dass 
die  Angaben  über  die  Messung  der  Erde  nicht  von  den  Angaben 

^  Notices  et  extraits  des  manuscrits  de  la  bibl.  imp.  XIX  2  (Paris 
1858)  p.  320.  Heronis  AI.  rationes  dimetiendi  et  comm.  dtoptrica  rec 
Herrn.  Schöne  (Lips.  1903)  c.  35. 

2  Tittel  Rhein.  Mus.  LVI  404  fg. 

8  Galeni  iost.  logica  c.  12  p.  2β  Kalbfleisch,  fehlt  gleichfalls  is 
Bergere  Sammlung.  y  ^ 


Die  Erdmeesung  dce  Eratosthenee  233 

über  die  Heeeong  des  Himmele  getrennt  werden  dürfen.  —  Nach 
den  Worten  dee  Macrobiue  bat  Eratostbenes  in  libris  dimensionum 
aue  den  Mondftnsterniesen  das  Grössen  verb  alt  nies  der  Sonne  zur 
Erde  ermittelt^.  Aebnlich  wird  Aristarcb  έν  τώ  π€ρι  μ€γ€θών 
καΐ  αποστημάτων  unter  Auslaseang  von  ήλιου  καΐ  σελήνης  an- 
geführt*. Dass  der  Stoff  mehr  als  Ein  Bnch  ausgefüllt  habe, 
mag  richtig  sein.  Im  üebrigen  trifft  der  Titel  in  der  Fassung 
Herone  vollkommen  zu.  Denn  das  war  der  wichtige  Fortschritt 
in  der  Erforschung  des  Kosmos  der  Eratostbenes  verdankt  wurde, 
dass  er  die  bisherigen  Schätzungen  durch  ein  festes  Grnndmaass 
ersetzte.  Auch  frühere  Astronomen  hatten  mit  Erddurchmessern 
gerechnet,  Eratostbenes  bestimmte  den  Betrag  zu  80000  Stadien. 
Nach  ihm  befasste  die  Sonne  das  27fache  Volumen  der  Erde  ^ 
also  einen  Durchmesser  von  240000  Stadien,  und  wnr  34  Sonnen- 
102  Erdradien  oder  4080000  Stadien  von  dieser  entfernf^.  Der 
Abstand  des  Mondes  wird  zu  780000  Stadien  oder  197^  Erd- 
radien angegeben.  —  Hipparch  Posjdonios  und  andere  Forscher 
erhöhen  die  Abstände  auf  ein  Vielfaches.  Nichtsdestoweniger 
behaupten  sich  die  von  Eratostbenes  für  den  Erdumfang  und 
-durchmesser  gefundenen  Zahlen  mit  bemerkenswerther  Zähigkeit 
in  der  populären  Litteratur.  Nach  Plntarch  beträgt  der  Halb- 
messer  40000  Stadien  κατά  τους  μεσως  όναμετροΟντας  ^  Ma- 
crobiue schreibt:  evidentissimiif  ef  ίηάίώααΜΙϊΙηΐ8  dimensionibus 
consiitit  universae  terrae  anUntum,  quae  ubicumque  vel  incolitur  α 
quibuscumque  vel  inhäbitabUis  esfj  habere  stadiorum  milia  ducenia 
quinquoffinta  duo.  cum  ergo  tantum  ambifus  teneat,  sine  dubio 
ocioginta  milia  stadiorum  vel  non  multo  amplius  diametros  habet 
secufidum  triplicationem  cum  septimae  partis  adiectione,  quam  su- 
perius  de  diametro  et  circulo  regularüer  dlximus  *.  Während  hier 
nach  der  archimedischen  Bestimmung  der  Durchmesser  ^^/ηΧΆΛΐ 
im  Umfang  enthalten  ist,  rechnen  Andere  aus  Bequemlichkeit 
IT  =  3.  Im  Anschluss  setzen  sie  unter  Festhaltung  der  Ziffer 
für    den  umfang  84  000  für   den  Durchmesser  an^.     Umgekehrt 


1  Maorob.  somnium  Sdp.  I  20,  9. 

^  Plut.  de  fade  in  orbe  lunae  10  (p.  925). 

^  Macrob.  somn.  Soip.  I  20,  9. 

*  Plut.  de  placitie  pbil.  11  31   (p.  892)    Galen,  de  bist.  phil.  15 
(XIX  283  K.)  Stob.  ecl.  I  26  (p.  5<:«). 

*  Plut.  de  fade  in  orbe  lunae  10  (p.  925). 

*  Maorob.  somn.  Soip.  I  20,  20. 

7  Plin.  n.  h.  Π  248  Gemin.  16,  6. 


\ 


234  Nissen 

bleibt  der  DurcbnoesRer  von  80  000  unverändert  und  erleidet  der 
Umfang  eine  Abminderung  auf  250000,  wenn  die  Sonnenbahn 
(statt  720)  750  Sonnendurcbmeseern  gleich  genommen  wird,  um 
dadurch  ein  faselioheree  Verhältniee  und  eine  leichtere  Rechnung 
zu  erzielen^.  —  Namhafte  Gelehrte  sind  der  Meinung,  daes  das 
ursprüngliche  Ergebnies  für  den  gröeeten  Erdkreis  250000  ge- 
lautet habe,  daes  dieses  sodann  um  der  Theilbarkeit  willeD,  sei 
es  Ton  Eratosthenes  selbst,  sei  es  von  Hipparch  oder  einem  an- 
deren Nachfolger,  um  2000  erhöht  worden  sei.  Wenn  nun  Kleo- 
medes,  auf  den  sich  diese  Annahme  stützt,  wörtlich  schreibt:  tm 
CUV  ή  γη  πίντ€  και  είκοσι  μυριάδων  κατά  την  Ερατοσθένους 
ίφοδον  τόν  μεγιστον  ?χ€ΐ  κύκλον,  bei  τήν  οιάμετρον  αυτής 
πλβον  ή  μυριάδων  οκτώ  εΤναι,  so  sind  Zweifel  an  der  Zuver- 
lässigkeit des  Gewährsmannes  berechtigt.  Natürlich  mussten  die 
Zahlen  abgerundet  werden:  ein  Durohmesser  von  80000  giebt 
251429  umfang;  jener  steigt  auf  80182,  wenn  der  Umfang 
252000  beträgt.  Auch  mag,  um  mit  Plinius  zu  redend  die 
harmonica  ratio  quae  rogit  verum  naturam  sibi  ipsam  congmere 
mitgespielt  haben.  Aber  der  Grad  der  Abrundung  nnd  die  Weite 
des  Spielraums  kann  doch  erst  nach  gründlicher  Untersuchung 
festgestellt  werden. 

Die  Grösse  der  Erde  ist  vor  und  nach  Eratosthenes  durch 
Schätzung,  von  Eratosthenes  allein  durch  wirkliche  Messung  er 
mittelt  worden.  Man  fragt  unwillkürlich  warum  keiner  der  Nach- 
folger und  Gegner  die  Messung  in  einem  anderen  Lande  and 
unter  anderen  Bedingungen  wiederholt  habe.  Offenbar,  lautet  die 
Antwort,  war  das  Unternehmen  mit  einem  so  gewaltigen  Auf- 
wand von  Mitteln  durchgeführt  worden,  daes  jeder  Gedanke  an 
einen  Wettbewerb  im  Keime  erstickte.  Mit  der  königlichen  Pflege 
die  sie  den  Wissenschaften  angedeihen  Hessen,  verbanden  die 
Ptolemäer  Erwägungen  praktischer  Politik.  Aus  den  Gegenden 
vom  oberen  Nil  bezogen  sie  die  Elephanten,  welche  die  Ueber- 
legenheit  brechen  sollten,  die  der  Besitz  des  indischen  Kampf- 
thiers  den  Seleukiden  bisher  gewährt  hatte.  Es  war  von  un- 
leugbarem Nutzen  die  Ausdehnung  der  nubisohen  Jagdgrönde  im 
Voraus  zu  kennen,  die  Theorie  wusste  vermeintlichen  Rath.  An 
der  Küste  des  Rothen  Meeres  entfalteten  ägyptische  Seefahrer 
eine  eifrige  Thätigkeit  um   neue  Handelsgebiete   zu    erschlieeeen. 

^  Oleom,  de  motu  circ.  corp.  cael.  II  1. 
2  Plin.  n.  h.  II  248. 


Die  Erdmeesnnß:  des  Eratosthenes  235 

Für  die  Weienngen  die  der  König  den  ansgeeandten  Entdeckern 
mit  anf  den  Weg  gab,  diente  der  Gelehrte  naturgemäse  als  Sach- 
verständiger.  Die  erhaltenen  Nachrichten  sind  recht  dürftig^. 
Immerhin  tritt  die  äneeere  Gnnet  der  Verhältnieee,  die  eine  Erd- 
meeeung  in  groeeem  Stil  ermöglichte,  klar  zn  Tage. 

Die  nmfaeeenden  Beobachtungen  des  Sonnenetandee  in  Ale- 
xandria und  Syene  legten  das  Fundament  der  Arbeit  Für  die 
Polhöhe  beider  Städte  (vielleicht  auch  von  Meroe)  wurden  grosse 
Schattenfänger  aus  Kupfer  angefertigt,  die  eine  Bestimmung  von 
Minuten  gestatteten.  Welche  Feinheit  der  Theilung  von  den 
alexandrinischen  Mechanikern  erreicht  wurde,  bleibt  im  Dunkeln  ^. 
Indessen  sollte  die  Thatsache,  dass  es  noch  zu  Anfang  des  19.  Jahr- 
hunderts Schwierigkeiten  machte  Secunden Winkel  zn  lesen,  davon 
abhalten  die  von  Eratosthenes  gefundenen  Werthe  in  Secunden 
auszudrücken^.  Für  Alexandria  werden  ^folgen  de  Beobachtungen 
bezeug^ : 

1.  am  Sommersolstiz  war  der  Schatten  des  Gnomon  50  mal 
im  ganzen  Umfang  der  Halbkugel  die  den  Gnomon  umgab, 
enthalten.  Folglich  betrug  der  Abstand  der  Stadt  vom 
Wendekreis  Vbo  ^^^  Erdumfangs  =  7^12'*. 

2.  am  Wintereolstiz  wurde  sowohl  in  Alexandria  als  in  Syene 
das  Verhältniss  des  Schattens  zum  Ereisumfang  festgestellt. 
An  jenem  Ort  war  das  Verhältniss  Y50  höher  als  an  diesem : 
mithin  erfuhr  das  frühere  Ergebniss  eine  Bestätigung^ 
Müllenhoff  legt   einer   angeblich    dritten  Beobachtung    mit 

Unrecht  ein  hohes  Gewicht  bei.  Er  meint,  die  Aussage  Hipparchs, 
dass  zn  Alexandida  im  Aequinoctium  die  Schattenlänge  zum 
Gnomon  sich  verhalte  wie  3 : 5,  sei  aus  Eratoethenes]J*entlehnt. 
Das  Verhältniss  führt  auf  30°58'  N.  Br.«.  Aber  von  einer  sol- 
chen Entlehnung  kann  keine  Rede  sein;  denn  unter  den  sorg- 
fältigen Beobachtungen  der  Nachtgleiohen  die  Hipparch  aus  jenem 
Ort  aufzählt,  sucht  man  vergebens  nach  einer  die  dem  Erato- 
sthenes zugeschrieben  werden  dürfte '',     Die  Breiten  wurden  von 

1  Droysen,   Geschicbte^des  Hellenismus  ΠΙ>  ρ.  307   2  ρ.  336  fg. 
«  Ptol.  synt.  math.  ΠΙ  1  p.  195  vgl.  I  12  p.  64  Heiberg. 
^  Peschel,  Geschiebte  der  Erdkunde  p.  571. 

*  Oleom.  I  10,  55. 

*  Oleom.  I  10,  56. 

^  Ptolemaeos  wiederholt  [diese  Bestimmung  synt.  math.  V  12 
p.  407  Heib.,  rundet  sie  in  der  Geographie  auf  31^  ab. 

^  Hipparoh  bei  Strabo  II 133  Ptol.  synt.  math.  ΠΙ 1  p.  195  Heib. 
MüUenhoff  p.  270. 


236  Niesen 

den  Alten  durch  Schatten mepeung  an  dem  Aequinoctiam  beetimmt 
lind  fielen  nothwendig  um  einen  halben  Sonnen  du  rchroeiser  zu 
niedrig  aus,  weil  die  von  der  Spitze  des  Schattens  nach  der 
Spitze  des  Gnomon  gezogene  Linie  in  ihrer  Verlängerung  nicbt 
die  Mitte,  eondern  den  oberen  Rand  der  Sonnenscheibe  trifft ^ 
Diese  Fehlerquelle  blieb  den  Alten  zwar  nicht  verborgen,  wnrde 
aber  als  unerheblich  oder  unvermeidlich  in  der  Regel  von  ihnen 
vernachlässigt.  Auch  Eratosthenes  hat  sich  trotz  aller  Be- 
mühungen von  ihrem  fiinfluss  nicht  ganz  frei  machen  können.  — 
Das  Hauptfeld  seiner  Thätigkeit  lag  an  der  Südgrenze  Aegypteoe 
bei  Syene  in  der  Gegend  des  ersten  Katarakts.  Wenn  unsere 
Berichterstatter  durchweg  Syene  unter  den  Wendekreis  versetzen, 
so  wollen  wir  uns  daran  erinnern,  dass  der  Sprachgebrauch  ihnen 
mehr  Freiheit  Hess  als  uns  erlaubt  ist.  Berühmte  Schlachten 
wurden  nach  Städten  benannt,  obgleich  sie  in  einer  Entfernung 
von  10  und  mehr  deutschen  Meilen  geschlagen  worden  waren'. 
Bei  der  Erklärung  der  überlieferten  Zeugnisse  werden  wir  ons 
daher  nicht  ängstlich  an  die  heutige  Bestimmung  der  Polhöhe 
von  AsBuan-Syene  24^4^23'^  klammern,  sondern  einen  angemes- 
senen Spielraum  beanspruchen  dürfen.  Die  Schiefe  der  Ekliptik 
war  im  4.  Jahrhundert  zu  24^  angenommen  worden  ^  Nach 
neueren  Berechnungen  betrug  sie  300  v.  Chr.  23^44 '24",  200 
V.  Chr.  23^43^36''^.  Dies  ist  vom  Mittelpunkt  der  Sonnenscbeibe 
zu  verstehen:  fügt  man  16'  für  den  Halbmesser  zu  obigem  Werth 
hinzu,  so  hat  doch  auch  der  Nordrand  der  Sonne  den  Scheitel- 
punkt Syenes  zur  Zeit  der  Sonnenwende  nicht  erreicht,  sondern 
nur  bis  zum  Abstand  von  4'.  —  Zum  Gelingen  der  ganzen  Erd- 
messnng  kam  Alles  darauf  an  den  Wendekreis  mit  vollster  Schärfe 
zu  ziehen.  Es  wird  erzählt  (und  von  fachmännischer  Seite  zweck- 
mässig befunden),  dass  Eratosthenes  einen  Brunnen  habe  graben 
lassen  um  festzustellen,  dass  dieser  am  Mittag  der  Sonnenwende 
von  den  Sonnenstrahlen  ganz  erleuchtet  werden  Der  Gelehrte 
wird  von  einem  ansehnlichen  Stab  von  Gehülfen  unterstützt 
worden  sein  und  konnte  mit  deren  Beistand  ermitteln,  dass  die 
Sonne    im  fraglichen  Zeitpunkt  auf  einer  Strecke    von  300  Sta* 


1  Figürlich  erläutert  von  Peschel,  Gesch.  d.  Erdkunde  p.  40. 

*  Arrian  Anab.  VI  1 1,  5. 

^  Berger,  Gesch.  d.  wies.  Erdkunde  d.  Gr.  II  93. 

*  Director  Förster  von  der  Berliner  Sternwarte    bei  MüUenhoff 
Ρ   271. 

*  Plin.  n.  h.  II  183. 


Die  Erdmeesung  des  Eratostheiies  237 

dien,  was  einem  Sonnendurobmeeeer  oder  halben  Grad  entspricht, 
überhaupt  keinen  Schatten  werfe,  also  im  Zenitb  stehe  ^.  Aus  dieser 
ersten  Beobachtong  folgte  mithin,  dass  die  Schiefe  der  Ekliptik 
zwischen  24^  und  23^  28'  betrüge.  Enger  wurden  die  Grenzen 
der  Schwankung  am  Wintersolstiz  gezogen.  Eratosthenes  fand  für 
den  Abstand  der  beiden  Wendekreise  ziemlich  genau  (^γγκττα) 
^Vss  ^^  Kreisumfangs,  nach  unserer  Ausdrucksweise  47^42 '40'^ 
Hipparch  stimmte  zu.  Auch  Ptolemaeos  gelangte  ungefähr  zum 
gleichen  Werth  47^40 — 46'*.  Nach  den  Worten  dieses  unseres 
Gewährsmannes  ist  es  freilich  unstatthaft,  dem  Eratosthenes  einen 
haarscharfen  Ansatz  des  nördlichen  Wendekreises  auf  23^51^20^' 
zuzuschreiben.  Vielmehr  bleiben  wir  im  Ungewissen,  ob  die 
Grösse  um  ein  paar  Minuten  nach  oben  oder  unten  zu  rücken 
sei.  —  So  viel  man  sieht,  haben  die  Arbeiten  für  die  Erdmessung 
anderthalb  Jahr  in  Ansprach  genommen.  Die  Vermuthnng  bietet 
sich  ungesucht  dar,  dass  Eratosthenes  von  Alexandrien  aus  zu- 
nächst 240  Meilen  weit  nach  Meroe  reiste,  dann  auf  der  Bück- 
kehr die  oben  dargelegten  abschliessenden  Untersuchungen  in 
Syene  vornahm.  Für  Meroe  handelte  es  sich  darum  die  Angabe 
Philons  nachzuprüfen,  dass  die  Sonne  45  Tage  vor  der  Sommer- 
wende im  Zenith  des  Ortes  stehen  Die  Angabe  war  in  der 
That  vollkommen  richtig;  denn  für  den  Zenithstand  der  Sonne 
am  bezeichneten  Tage  im  3.  Jahrhundert  wird  eine  Folhöhe  von 
17^10 — 9'  berechnet,  Meroe  liegt  16°55 — 58',  somit  noch  inner- 
halb des  Bereichs  der  Sonnenscheibe.  Indessen  hat  Eratosthenes 
die  Entfernung  vom  Aequator  auf  11800  Stadien  16%^?  von  Syene 
auf  5000  Stadien  77?°,  von  Alexandria  auf  10  000  Stadien  14*/^^ 
abgerundet  ^.  Endgiltig  wurden  demnach  die  Breiten,  die  als  Ge- 
rüst für  die  Gradmessung  dienten,  folgendermassen  angesetzt : 

Meroe  16^51 '26''  heute   16^55—58' 

Wendekreis  23^50-57'  genau  23°44' 

Syene  24°  heute  24^4 '23" 

Alexandria  31^8 '34''  heute  31^12 Ί7" 

Ein  Vergleich  beider  Reihen  flösst  aufrichtigen  Respect  vor  der 
Sorgfalt  der  alten  Beobachter  ein.  Es  sind  die  genausten  Be- 
stimmungen   des  Alterthums    und    hätten    sich    noch  im   16.  und 


1  Cleom.  11  1,  76.  79   I  10,  53. 

2  Ptol.  synt.  math.  I  12  p.  68  Heib.  vgl.  Theon  Alex.  p.  60. 
8  Strabo  Π  77    MüUenhoff  p.  277. 

*  Strabo  1  63   II  72.  132. 


238  NiBsen 

17.  Jahrhundert  mit  £hren  sehen  lassen  können^.  Aas  den  Breiten 
erkennt  man  ohne  Weiteres,  dass  die  von  Kleomedes  für  den 
Erdumfang  bezeugte  Ziffer  von  250000  Stadien  unrichtig  sein 
muss  (S.  284).  Denn  läset  sich  auch  nicht  der  eratostheniscbe 
Werth  für  die  Schiefe  der  Ekliptik  auf  die  Minute  ermitteln,  so 
ist  er  unter  allen  Umständen  unter  24^  der  Breite  von  Syene 
geblieben.  Milderungsgründe  können  für  die  Nachlässigkeit  des 
Schriftstellers  ausgedacht  werden,  doch  lohnt  es  nicht  dabei  zu 
verweilen.  —  Eine  junge  Quelle  überliefert,  Eratosthenes  habe 
die  Strecke  von  Syene  bis  Meroe  per  mensares  regios  Ptdemaei 
ausmessen  lassen^.  Mit  seltener  Einmüthigkeit  wird  die  Nach- 
richt von  den  Neueren  verworfen.  Jedoch  klingt  sie  durchaus 
glaubwürdig.  An  eine  geodätische  Aufnahme  mit  Euthe  und 
Schnur  ist  selbstverständlich  nicht  zu  denken.  Grosse  Entfernungen 
wurden  im  Alterthum  durch  Schritt messung  bestimmt  Und  dass 
dem  Vorsteher  des  alexandrinischen  Museums  auf  seiner  aethio- 
pischen  Reise  königliche  Bematisten  mitgegeben  wurden,  be- 
fremdet in  keiner  Weise.  Erfahrungsmässig  fallen  Rontenangaben 
in  unbekannten  Gegenden  immer  zu  hoch  aus.  Während  in  La* 
tinm  die  Meilensteine  der  Via  Appia  mit  einem  Fehler  von  Vaoo 
am  richtigen  Fleck  stehen,  wächst  der  von  den  Bematisten  in 
der  aethiopischen  Wüste  begangene  Fehler  auf  12  vom  Hundert. 
Viel  besser  ist  die  Strecke  Alexandria-Syene  gelungen:  eine  be- 
sondere Messung  wird  nicht  ausdrücklich  bezeugt,  vielleicht  haben 
die  Entfernungsangaben  des  ägyptischen  Straesennetzes  zur  Ab- 
leitung genügt. 

Nach  dem  Gesagten  ist  ein  Meridianbogen  von  14%^  Aus* 
dehnung  zur  Bestimmung  des  Erdumfangs  verwandt  worden.  Mit 
begreiflicher  Spannung  sieht  man  dem  Ergebniss  der  weitschich- 
tigen Arbeiten  entgegen.  Die  Alten  haben  mit  ihrer  Anerkennung 
nicht  gekargt.  In  der  ganzen  Ehrlichkeit  mangelnden  Verstand- 
nisses  schreibt  Plinins^:  Universum  aiäem  circuUum  JSratodkenes 
in  omninnT^quidem  litferarum  suhiilitate  in  hac  uiique  praeter  et- 
teros  solers,  quem  cunciis  pröbari  videOj  CCLII  milium  stadiorum 
prodidit,  quae  mensura  Bomana  conputatione  efficit  treceniiens  quin- 
deciens  cenfena  milia  pussuum,  inprobum  ausum^  verum  ita  subiiU 


1  Vgl.  Peschel,  Gesch.  d.  ErdkiMide  351,   Wolf,  Gesch.  d.  Astro- 
nomie 375.  / 

2  Martian.  Cap.  VI  598. 
β  Plin.  u.  h.  Π  247. 


Die  firdmessung  des  Rratostbenes  239 

argumentatione  conprehensum  ut  pvdeat  non  credere.  Die  6e- 
wundemog  ist  in  der  Neozeit  noch  gesteigert  und  zu  dem  wunder- 
lichen Wahn  verdichtet  worden,  dasR  die  antike  Erdmesenng,  wee 
die  Zuverläsiiigkeit  des  Endreeultats  betrifft,  mit  den  modernen 
wetteifern  könne.  Zu  dem  Zweck  hatte  schon  Danville  dem 
Eratosthenes  ein  besonderes  Stadion  beigelegt.  Auf  diesem  Wege 
gelang  Letronne  in  einer  1816  gekrönten  Preisschrift  über  die 
Fragmente  Herons,  die  1851  nach  seinem  Tode  erschien,  und 
deren  Herausgeber  Vincent  der  verblüffende  Nachweis,  dass  der 
eratosthenische  G-rad  110,775  km  misst  und  mit  dem  für  Ober- 
agypten  festgestellten  Werth  des  Breitegrade  bis  auf  den  Meter 
übereinstimmt.  In  Urzeiten  sei  das  ägyptische  Stadion  nebst  der 
ägyptischen  Elle  in  ein  festes  Verhältniss  zum  wirklichen  Erd- 
umfang gesetzt  und  diese  alteinheimische  Wissenschaft  von  dem 
eiteln  Griechen  in  unziemlicher  Weise  ausgenutzt  worden.  Die 
Ableitung  des  Meter  aus  dem  nördlichen  Erdquadranten  erhielt 
somit  ein  Vorbild  in  der  Morgendämmerung  der  Gescbichte. 
Dieser  Gedanke  kehrt  auch  bei  anderen  französischen  Gelehrten 
der  Revolutionszeit  wieder^.  —  Mtillenhoff  will  von  der  mythi- 
schen Urweisheit  der  Aegypter  nichts  wissen  und  weist  den  An- 
griff auf  die  Ehre  des  Eratosthenes  würdig  zurück.  Er  betont 
richtig,  dass  Letronne  den  Werth  der  altägyptischen  Elle  2^^  ^t^ 
zu  hoch  rechne,  schliesst  sich  aber  im  Uebrigen  jenem  blindlings 
an  (p.  293):  'so  dass  darnach  der  eratosthenische  Grad  nur 
110,25  km  di.  861  m  weniger  als  der  mittlere  Grad  des  Meri- 
dianviertele von  111,111  km  enthält,  oder  dass  er  beinahe  V? 
einer  deutschen  Meile  kleiner  ist  als  der  Aequatorialgrad  von 
111,306  km.  Der  Fehler  aber  der  sich  dabei  von  etwa  42  Meilen 
für  den  Meridian  kreis»  von  wenig  mehr  als  51  für  den  Aequator 
ergibt,  ist  nicht  so  beträchtlich,  dass  700  eratosthenische  Stadien 
nicht  15  deutschen  Meilen  und  die  252  000  des  Erdumfangs  un- 
eern  5400  Meilen  unter  dem  Aequator  gleich  geachtet  werden 
können'.  —  Unerheblich  weicht  davon  Vivien  de  Saint-Martin 
ab^.    Er  rechnet  die  ägyptische  Elle  526  mm,  das  Stadion  158  m. 


1  Letronne,  Recherches  sur  les  fragroents  d'Heron  d'AIexandrie, 
Paris  1851  ed.  Vincent,  p.  129.  280.  200.  Ders.  Memoires  de  l'academie 
des  inecriptione  VI  (1822)  p.  2iU  fg.  Die  letztere  Abhandlung  wurde 
18.S8  von  Hoifmann  im  Anhang  zu  Lelewels  Pytheas  ins  Deutsche 
übersetzt. 

a  Histoire  de  la  Geopraphie,  Paris  1873,  p.  LSG— 40. 


240  Niesen 

Die  üngenauigkeiieii  des  Yerfafarene  werden  von  dem  erfabrenen 
Geographen  unnachsichtig  anfgedeokt,  indes een  schlieast  die  £^ 
örternng  ganz  versöhnend  ab,  da  £ratoethenee  nur  4000  Stadien 
zu  viel  gerechnet,  also  sich  um  ^/|^  geirrt  haben  soll.  —  Noch 
günstiger  lautet  das  Urtheil  von  Hultsch^  Darnach  hätte  Era- 
tosthenes  ein  neues  Stadion  von  157,5  m  zur  Vereinfachung  der 
Rechnung  erfunden  und  dieses  Maass  durch  Bematisten  in  der 
Wüste  erproben  lassen.  *  Soweit  f usste  Eratosthenes  um  den  Um- 
fang der  Erde  zu  bestimmen  auf  Schrittmessungen.  Ausserdem 
richtete  er  sich  nach  astronomischen  Beobachtungen,  die  bei  der 
U  η  Vollkommenheit  der  damaligen  Methoden  und  Instrumente  mit 
mancherlei  Fehlern  behaftet  sein  mussten.  Aber  die  Alten  ver- 
standen es  in  Staunenswerther  Weise,  die  bei  Beobachtungen  and 
Rechnungen  unvermeidlichen  Fehler  durch  eine  feine  oft  mehr 
unbewusste  Compensirung  auszugleichen,  so  dass  das  Endresoltat 
häufig  ein  überraschend  genaues  wurde.  Dies  gilt  ganz  beson- 
ders für  Kratosthenes'  Berechnung  des  Erdumfanges,  denn  die 
252  000  Stadien,  welche  er  schliesslich  ansetzte,  sind  so  viel  hU 
39700  km,  so  dass  nur  300  km  oder  Visz  ^^^  Ganzen  hinzum- 
fügen  sind,  um  den  wirklichen  Erdumfang  zu  erhalten.  —  End- 
lich sei  noch  erwähnt,  dass  nach  einer  beiläufigen  Bemerkung 
Susemihls  die  Angabe  250000  den  Meridiankreis,  252000  den 
Aequator  bezeichnen  sollte^.  Wie  Eratosthenes  die  Abplattung 
der  Pole  erkannt  hatte,  wird  leider  nicht  verrathen. 

Es  leuchtet  von  vornherein  ein,  dass  alle  diese  Ansichten 
mit  dem  wirklichen  Thatbestand  unvereinbar  sind:  das  schliees- 
Hohe  Ergebniss  der  Erdmessung  muss  einen  starken  Fehler  auf- 
gewiesen haben.  Nach  Eratosthenes  lagen  Alexandria  und  Sjene 
auf  demselben  Meridian,  während  der  Unterschied  3^  beträgt. 
Die  zu  5000  Stadien  angegebene  Entfernung  beider  Städte  ent- 
spricht der  Hypotenuse  eines  rechtwinkligen  Dreiecks,  dessen 
kleine  Kathete  3^  dh.  unter  31^  N.  Br.  rund  1600  Stadien  miset. 
Die  grosse  Kathete  ist  demnach  4740  Stadien  lang,  und  diesen 
Betrag  würde  Eratosthenes  erhalten  haben,  wenn  er  auf  dem 
Meridian  von  Syene  7^/7°  nordwärts  gegangen  wäre.  Derart 
wird  durch  einwandfreie  Rechnung  bewiesen,  dass  der  Grad  zwi- 
schen Alexandria  und  Syene  ^/^q  zu  hoch  gegriffen,  von  700  ^ni 


*  Griechieche  und  römische  Metrologie «,  Berlin  1882,  p.  fiO-63. 
^  Gesch.    d.  gr.  Litt,   in    der  Alexandrinerzeit,    Leipa^  1891,  I 
p.  416  A,  40. 


Die  ErdmessuDg  de«  Eratosthenes  241 

663  Stadien  abzaminderD  sei.  Für  die  Strecke  von  Syene-Heroe 
iet  der  Fehler  weit  geringer,  da  der  Längennnterechied  keinen 
vollen  Grad  erreicht.  Indessen  steht  die  Messung  in  der  nubi- 
sichen  Wüste  zweifellos  an  Genauigkeit  und  Zuverlässigkeit  weit 
hinter  der  innerhalb  Aegyptens  yorgenommenen  zurück.  —  Ein 
zweites  Vorurtheil  ist  gleichfalls  allgemein  verbreitet,  dass  näm- 
lich Eratosthenes  sich  des  ägyptischen  Maasses  bedient  haben 
soll.  Bei  Licht  betrachtet  sprechen  keine  Gründe  für  solche  An- 
nahme, aber  gewichtige  Gründe  dagegen.  Obwohl  er  in  Aegypten 
lebte  und  arbeitete,  blieb  der  Forscher  dennoch  Grieche,  schrieb 
griechisch,  stand  mit  gelehrten  Landsleuten  in  Verkehr.  Dass  er 
diesen  das  Yerständniss  durch  Einführung  oder  Erfindung  einer 
fremdartigen  Maassgrösse  erschwert  haben  sollte,  sieht  wenig 
glaubwürdig  aus.  Die  Alten  wissen  davon  nichts,  lassen  ihn 
vielmehr  den  gewöhnlichen  im  6.  Jahrhundert  in  Athen  und  Rom 
eingeführten  Fuss  von  296  mm,  dem  ein  Stadion  von  177,6  m 
entspricht,  gebrauchen.  Auf  die  römische  Millie  gehen  8Vg  dieser 
Stadien,  aus  Bequemlichkeit  wird  meistens  mit  einem  Fehler  von 
Vioo  ^^^  Bruch  vernachlässigt.  Ausdrücklich  lässt  Varro  dies 
Stadion  bei  der  Erdmessung  verwandt  sein  ^ :  nam  ut  Eratosthenes 
geometrica  ratiane  collegit  maximnin  terrae  eircuitufn  esse  sta' 
diorum  ducentum  quinquaginta  duum  milium,  ita  JPgthagoras  quot 
stadia  inter  terram  et  singulas  Stellas  esseni  indicavU.  Stadium 
autem  in  hoc  mundi  mensura  id  potissimum  intellegendum  est  quod 
Halicum  vocant,  pedum  sescentorum  viginti  quinque:  nam  suntprae- 
terea  et  alia  langitudine  discrepantia^  ut  Olympicum  quod  est  pe- 
dum  sescentumj  item  Pi^thicum  pedum  mille.  Aus  Yarro  hat  ferner 
geschöpft  Plinius:  Stadium  centum  viginti  quinque  nostros  efj/icit 
passus,  hoc  est  pedes  sexcenios  viginti  quinque^  der  demgemäss 
nach  dem  Yerhältniss  1:8  die  eratosthenisohen  Stadien  in  Mil- 
lien  umsetzt^.  Wenn  Yarros  Bestimmung  richtig  wäre,  so  hätte 
Eratosthenes  nach  einem  Fuss  von  308,33  mm,  wie  er  für  seine 
Heimat  Eyrene  wirklich  bezeugt  wird^,  und  einem  Stadion  von 
185  m  gerechnet.  Dann  hätte  er  für  den  Erdgrad  600  Stadien 
erhalten  sollen  und  um  ein  volles  Sechstel  zu  hoch  gegriffen. 
Allein  Yarro  hat  sich  geirrt   und    die  übliche  vereinfachte  Glei- 


1  Bei  Gensorin  d.  d.  n.  13,  2. 

«  Plin.  n.  h.  II  85.  247  VI  36.  171.  183.   Ebenso  Martiau.  Cap.  VI 
569.  609. 

*  Feldmesser  123  Lachm. 

^-vni,  16 


342  Niesen 

obiing  der  MilHe  mit  8  Stadien  verwechHelt  mit  der  genauen 
Norm.  Eine  metrologische  Tabelle  erklärt  in  deutlichen  Worten, 
daes  £ratoethenee  and  Strabo  8V3  Stadien  auf  die  römische  Meile 
rechneten,  die  Gegenwart  nur  7V2  Stadien  ^.  Eb  iet  ja  aaeh 
ganz  nnfaeebar,  wie  Pythagorae  und  andere  Gelehrte,  die  sieb 
in  hac  mundi  tnensura  bethätigt  hatten,  statt  des  allerwärts  be- 
kannten gemeing^echischen  auf  den  kyrenaeischen  oder  ptolemaei- 
sohen  Fuss  h&tten  verfallen  können.  Damit  mindert  sich  der 
bei  der  Erdmessnng  begangene  Fehler  nicht  unerheblioh;  denn 
der  Grad  befasst  625  gemeine  Stadien  und  die  eratosthenischen 
700  sind  weniger  als  ein  Achtel  und  mehr  als  ein  Neuntel 
zu  viel. 

Die  weitere  Geschichte  der  Erdmessungen  lehrt,  daes  man 
allen  Grund  hat,  mit  dem  Ausgang  dieses  ersten  Yereochs  zu- 
frieden zu  sein.  Es  dauert  mehr  als  ein  Jahrtausend,  bevor  er 
auf  Betrieh  des  Chalifen  Mamun  (813 — 33)  am  Euphrat  von 
arabischen  Astronomen  wiederholt  wurde.  Die  Verhältnisse  lagen 
günstiger,  wohlweislich  hatte  der  Fürst  seinen  Auftrag  auf  die 
Ausmessung  eines  Meridian bogens  von  2^  beschränkt:  trotzdem 
war  die  Endziffer  ^%oo  zu  hoch,  ein  wenig  besser  als  in  Aegypten, 
wo  sie  ^Vioo  gelautet  hatte'.  Nach  ferneren  800  Jahren  hat 
zuerst  Willebrord  Snell  in  seinem  1617  zu  Leiden  erschieoeoen 
Eratosthenus  Baiavus  de  terrae  ambitus  vera  quantUate  die  sichere 
trigonometrische  Messung  für  den  1^9^47'^  langen  Meridianbogen 
zwischen  Bergen  op  Zoom  und  Alkmaar  angewandt;  nur  etwa 
330  m  waren  als  Basis  fSr  das  Netz  der  Dreiecke  mit  der  Buthe 
bestimmt  worden.  Nichtsdestoweniger  blieb  er  um  Vioo  ^>oter 
der  Wahrheit  zurück•.  Bis  auf  ^/200  ^a™  i^r  Richard  Norwood 
nahe,  als  er  1635  den  2^28'  langen  Bogen  zwischen  London  und 
York  maass,  obwohl  sein  Verfahren  an  Zuverlässigkeit  entfernt 
nicht  dem  trigonometrischen  vergleichbar  war^.  Eine  neue  Me- 
thode befolgten  1645  die  Jesuiten  Riccioli  und  Grimaldi  in  der 
Romagna,  die  gar  trübselig  mit  einem  Zuviel  von  Vioo  ftbsohloss. 

Bei  diesem  flüchtigen  Ueberblick  fällt  sofort  in  die  Augen, 
dass    die  Nachfolger    zur  Feststellung   des  Erdumfangs  sich  mit 


1  Metr.  icr.  I  201.  Strab.  VII  332  fr.  57  spricht  eich  überdieee 
genaue  Gleichung  des  Polybios  aus,  braucht  aber  selbst  das  bequeme 
Verbältniss  1  : 8. 

^  Peschel,  Gesch.  d.  Erdkunde  p.  121. 

8  Peschel  aO.  p.  356. 

*  Wolf,  Gesch.  d.  Astronomie  p.  385. 


Die  ErdmeasttngQii  des  Eratoeihenee  243 

einem  6  — 12  mal  kleineren  Meridianbogen  begnügt  haben  ale 
Eratosthenee  auemeeeen  liess.  Und  doch  waren  die  Arbeiten  mit 
der  14^  langen  Strecke  von  Alexandria  bis  Meroe  keineswegs 
erschöpft  Zn  grösserer  Vorsicht  wurde  noch  am  Rothen  Meer 
zwischen  Berenike  and  Ptolemais  ein  Stück  der  Küste  in  der 
Ausdehnung  von  4820  Stadien  herangezogen  \  Da  die  Küste 
nicht  erheblich  vom  Mittagskreis  abweicht,  lagen  die  Yerhält- 
nisse  ganz  günstig.  Indessen  hat  Eratosthenes  weder  die  Gegend 
selbst  aufgesucht,  noch  genaue  Breiten beetimmungen  beschafft: 
überhaupt  lässt  sich  mit  den  bezüglichen  verworrenen  Nachrichten 
nichts  anfangen  ^.  —  In  der  Beschränkung  zeigt  sich  der  Meister. 
Ohne  Zweifel  wäre  Eratosthenes  der  Wahrheit  näher  gekommen, 
wenn  er  die  Länge  des  gemessenen  Bogens  verkürzt  und  dafür 
die  Sorgfalt  der  Messung  erhöht  hätte.  Allein  man  darf  den 
Ünterechied  der  Zeiten  nicht  vergessen.  In  der  Neuzeit  war  die 
Kugelgestalt  der  Erde  eine  erwiesene  Thatsache,  an  der  kein  im 
Besitz  seiner  fünf  Sinne  befindlicher  Mensch  zweifelte.  Im  Alter- 
thum  drang  die  Erkenntniss  nicht  über  einen  engen  Kreis  von 
Gebildeten  hinaus.  Ein  ansehnlicher  Bruchtheil  der  Bildung,  die 
Schale  Epikurs,  widersprach  mit  allem  Nachdruck.  Und  ferner 
umepaonte  der  Blick  des  Eratosthenes  nur  einen  geringen  Aus- 
schnitt des  Erdrunds.  Das  bewohnte  Land  begann  für  ihn  erst 
12^  nördlich  vom  Aequator  und  endigte  am  Polarkreis,  während 
es  sich  von  West  nach  Ost  an  1800  d.  Meilen  erstreckte.  Da 
hat  er  das  Bedttrfniss  gefühlt,  auf  einer  möglichst  langen  Me- 
ridianlinie sich  selbst  und  Andere  von  der  Wirklichkeit  der 
Kagelform  unseres  Planeten  zu  überzeugen.  —  Gescheitert  ist 
das  Unternehmen  schliesslich  an  derselben  Klippe  die  eine  zu- 
verlässige Lösung  der  Frage  nach  dem  Erdumfang  überhaupt  ver- 
wehrte, dem  Unvermögen  der  Alten  den  west-östliohen  Abstand 
zweier  Oerter  astronomisch  genau  zu  bestimmen.  Dass  dies  durch 
gleichzeitige  Beobachtungen  von  Mondfinsternissen  und  Stem- 
bedeckangen  zu  erreichen  sei,  war  ihnen  wohl  bekannt.  Um 
eine  zielbewusste  gemeinschaftliche  Arbeit  anzubahnen  und  zu 
erleichtern  hat  Hipparch  für  angeblich  600  Jahre  die  Finster- 
nisse voraus  berechnet.  Und  was  war  die  Frucht  seiner  Mühen  ? 
Ptolemaeos  hat  für  sein  Kartenwerk    keine  Himmelsbeobachtung 


1  Plin.  n.  h.  II  183  VI  171. 

s  Die  Ausführungen  Müllenhoffs  p.  277 — 8<3  sind  ebenso  künstlich 
wie  ^ivillWIrlich. 


244  Nissen 

nach  fiipparcli  und  überhaupt  nur  eine  einzige  älteren  Datums 
benutzt^.  Das  ist  die  berühmte  Mondfinsternise  vom  20.  Sep- 
tember 331  die  um  die  5.  Stunde  der  Nacht  zu  Arbela,  um  die 
2.  zu  Karthago  beobachtet  wurde.  Ptolemaeos  hält  die  Zeit- 
angaben für  richtig  und  setzt  danach  die  Entfernung  beider  Städte 
zu  45^  an.  In  Wahrheit  liegen  sie  nur  34^  aus  einander  and 
der  Beobachtungefehier  beträgt  nicht  weniger  als  44  Minuten l 
Der  Hangel  dee  Zusammenarbeitene,  das  Fehlen  einer  die  ver- 
sohiedenen  Sitze  der  Gelehrsamkeit  zusammen  haltenden  Organi- 
sation wird  zunächst  als  die  Ursache  betrachtet  werden,  weshalb 
die  Bestimmung  des  Erdumfangs  den  Alten  nicht  besser  gegluckt 
ist.  Allein  die  Hauptschuld  ist  den  unzulänglichen  Leistungen 
ihrer  Mechanik  beizumessen.  Die  Sternwarten  von  Rhodos  und 
Alezandria  standen  Jahrhunderte  lang  in  regem  Verkehr.  Trotz- 
dem verkannte  man,  dass  ihr  Längenunterschied  iVs^  betmg) 
schwankte  hinsichtlich  der  Entfernung  auf  und  ab,  bis  echliese- 
lich  der  verhängoissvolle  Ansatz  des  Posidonios,  der  die  Grösse 
unseres  Planeten  um  ein  Fünftel  verkürzte,  durch  Ptolemaeos 
kanonische  Geltung  erlangte.  Es  handelt  sich  hier  um  zwei  an- 
abhängige durchs  Meer  getrennte  rivalisirende  Stätten  der  Wissen- 
schaft. Aber  Alexandria  und  Sjene  lagen  im  Inland,  die  Beob- 
achtungen wurden  einheitlich  geleitet.  Wenn  es  nichtsdestoweniger 
dem  Eratosthenes  entging,  dass  beide  Orte  in  westöstlicher  Rich- 
tung 3^  von  einander  entfernt  waren,  so  verfügte  er  eben  nicht 
über  Uhren  die  den  Beobachtern  einen  Zeitunterschied  von  12  Mi- 
nuten bemerkbar  machten.  Gewiss  wäre  unter  günstigen  Ver- 
hältnissen dem  Fortschritt  der  Wissenschaften  auch  die  Technik 
gefolgt:  allein  die  bisherige  Gunst  der  Verhältnisse  ging  mit  der 
römischen  Weitherrschaft  unrettbar  verloren. 

Die  eratosthenische  Erdmessung  war  ein  erster  Versuch,  als 
solcher  nothwendiger  Weise  mit  vielen  Mängeln  behaftet.  Die 
schwächste  Seite  ist  die  astronomische,  die  Anwendung  auf  das 
Universum  (S.  233).  Aber  auch  das  Gradnetz,  die  erstaunliche 
Unkenntniss  Westeuropas  forderten  den  Widerspruch  heraos,  die 
Stoa  rührte  die  Lärmtrommel.  In  wie  weit  die  Gegner  den  Ge- 
lehrten des  Könige  von  Aegypten  aus  politischen  Gründen  be- 
kämpften, ob  sie  seiner  Leistung  gerecht  wurden,  lassen  wir  auf 
sich  beruhen.     Unleugbar  jedoch  ist  das   ganze    Problem  durch 


^  Ptol.  Geogr.  I  4.    Peachel,  Gesch.  d.  Erdkunde  p.  44. 
'  Zech,  Astron.  Unters,  ü.  d.  Finetern.  d.  Alterth.  p.  33.  47. 


Die  Erdmeseung  des  Eratosthenee  245 

• 

die  eineohneidende  Kritik,  im  Besonderen  darch  die  Arbeiten  Hip- 
parchs  mächtig  gefordert  worden.    Als  die  römische  Republik  ihre 
Wandlang  in  eine  Monarchie  begann,  war  es  für  eine  neue  Lösung 
reif.     Man  erstaunt  über  die  Leichtfertigkeit  mit  der  Posidonios, 
des  Pompeius  Freund,  den  grössten  Erdkreis  auf  180000  Stadien 
4320  d.  Meilen  herabsetzte.     Das  gefeierte  Schulhaupt  war  frei- 
lich   für  immer  im    stoischen  Lager   der  Beachtung    sicher.     In 
Gallien   jedoch    studirte  Caesar  die  Geographie  des    Eratosthenes 
und  stellte  die    Verschiebung    der  Tagesdauer    bei    zunehmender 
Breite  durch  Messungen  fest^    Wie  er  den  verrotteten  Kalender 
nach  ägyptischem  Muster  reformirte,    so  wäre  Caesar  der  Mann 
gewesen,  um  nach  dem  Vorgang  der  Ptolemaeer  eine  Erdmessung 
auf  wiseensohaftlicher  Grundlage  anzuordnen.     Ob    er  daran  ge- 
dacht habe,    wissen    wir  nicht:  jedenfalls  ist  der  Plan  nebst  so 
vielen  anderen  mit  Caesar  ins  Grab  gesunken.     Die    Nachfolger 
sonnten  sich  in  dem  eitlen  Wahn,  dass  die  ganze  bewohnte  Welt 
den  Bömern  huldige.     Seitdem   die   babylonische  Astrologie    die 
Seelen  erfüllte,  war  das  Yerständniss  für  die  Aufgaben  der  Natur- 
wiseenschaft  bei  den  Machthabem  erloschen. 

Bonn.  H.  Nissen. 


1  Caesar  Gall.  Krieg  V  13,  4   VI  24,  2. 


^ 


DER  TIMAIOSTEXT  DES  PROKLOS 


Für  die  neue  Ausgabe  des  Timaiosoommentare  des  Prokloe, 
welche  ich  nach  Prüfung  des  gesammten  handschriftlichen  Ma- 
terials Torbereite  —  Bd.  I  wird  yoraussichtlieh  vor  Jahressohlose 
erscheinen  —  bedurfte  es  der  Feststellung  des  Verhältnisses  der 
Lemmata  zum  begleitenden  Commentar  und  umgekehrt^  sowie 
beider  zur  directen  Platonüberlieferung  Κ  Die  Ergebnisse  dieser 
Untersuchung  möchte  ich  als  einen  Beitrag  zur  Textgeschiebte 
des  Piaton  überhaupt  hier  vorlegen  und  dieselben  wegen  der 
principielleri  Wtehtigkeit  der  Fragen  nicht  in  das  Vorwort  einer 
Ausgabe  vergraben.  Von  Vollständigkeit  und  Vertiefung  in  Einzel- 
heiten konnte  abgesehen  werden,  da  die  Lemmata  in  der  Ausgabe 
mit  erschöpfendem  kritischen  Apparat  versehen  sind. 

Voraus  schicke  ich  einen  gedrängten  Ueberblick  über  die 
handschriftliche  Grundlage  im  Anschluss  an  den  vorläufigen  Be- 
richt in  dieser  Zeitschrift  (54,  171  £Ρ.)λ 

cod.  C(oiBlinianus)  322  saec.  XI/XU  enthält  die  beiden  ersten 
Bücher,  doch  fehlen  zu  Anfang  wie  auch  späterhin  Quatemionen : 
der  einzige  Vertreter  der  ersten  Classe  bezw.  ersten  Stufe  der 
Ueberlieferung. 

cod.  P(arisinus)  1840  saec.  XVI  (=  F  Rh.  Mus.  Bd.  54) 
bricht  vor  Schluss  des  dritten  Buches  ab.  Er  ist  in  seinem  Kreise 
die  vollständigste  Handschrift  und  hat  nur  gegen  Ende  von 
Buch  1  eine  grössere  Lücke.  Ihm  verwandt,  doch  nicht  so  um- 
fangreich, ist 

cod.  M(arcianus)  195  (Zanetti)  aus  dem  Ende  des  XIV  Jh. 
Dieser    bestand    ursprünglich    nur    aus   23  Quatemionen  (2—4. 


^  Ich  verweise  auf  die  sehr  verdienstvolle  Vorarbeit  von  P.  Ra- 
waok  (de  Piatonis  Timaeo  quaestiones  criticae,  Berolini  1888),  der  nach 
Proklos  eine  Reihe  von  Platonetellen  zu  emendiren  versucht,  sodann 
(S.  40  £f.)  die  Testimonia  zum  Timaios  allerdings  ohne  Berücksichtigung 
der  vielgestaltigen  directen  Ueberlieferung  gesammelt  hat 


Der  Timaioetext  dei  Proklos  347 

6—8.    10-12.    15-23.    25—29).     Durch  mindeetens    ein  Zwi- 
schenglied getrennt  ist  er  die  getreue  Wiedergabe  einer  beträcht- 
lich altern  Vorlage,    die  auch  ihrerseits  nur  die  genannten  Qua- 
ternionen   umfasste.     Denn  im  cod.  B(tccardianQ8)  24  vom  An- 
fang des  XI y  Jh.,    der  den  vollständigen  Text  bis  zum  Beginn 
von  Buch  3  von  einer  Hand  geschrieben  enthält,    stimmen  die 
Abschnitte,  welche   den    besagten  Quaternionen  von  Μ  mit  Aus- 
nahme von  15 — 22  (nicht  28)  entsprechen,  mit  dem  Maroianus 
überein.    Die  Quaternionen  1 5 — 22  sind  also  in  dem  gemeinsamen 
Archetypus    erst   nach  der  Abschrift  der  unmittelbaren   Vorlage 
von    Μ   verloren    gegangen.     Die    grossen  Lücken  in  Μ  wurden 
im  15./16.  Jahrhundert    theils  (Qnat.  1   und  5)  aus    einem  sehr 
verderbten  Zweige  der  g-Ueberlieferung,    theils  (Qaat.  9.  13.  14) 
aus  einer  weit  besseren  Ν  (siehe  unten)  sehr  nahe  stehenden  Hand- 
schrift   ergänzt.     Diese  reichte,    wie  Ν  selbst,    nicht   weiter  als 
das  2.  Buch:    für  Quat.  24  und  von  Quat.  30  an  griff  man  auf 
ς  zurück.    Noch  verwickelter  liegen  die  Verhältnisse  für  cod.  R, 
der  wie  zu  M,  so  zu  Ν  und  ς  sichere  Beziehungen  aufweist,  so- 
dann aber  auch  zu  C  bezw.  dessen  Gemellus.     Sein  letzter  Qua- 
ternio  hört  innerhalb  des  2G.  Quat.  von  Μ  auf. 

cod.  N(eapolitanus)  Borb.  III  D  28  vom  J.  1314  erstreckt 
sieb,  wie  gesagt,  nur  auf  die  beiden  ersten  Bücher.  Er  ist  eine 
wirkliche,  selbständige  Recensio  mit  vielen  guten  und  minder 
guten  Gonjecturen,  MP  verwandt,  aber  ihnen  nicht  gleich werthig 
und  ist  nur,  wo  C  oder  Μ  oder  Ρ  versagt,  ein  willkommner  Ersatz. 
Diese  beste  Familie  der  II.  Classe  als  zweite  Ueberlieferungs- 
stufe  steht  in  ihrer  gesammten  Textgestalt  G  näher  als  den  übrigen 
Hss.,  mit  denen  sie  jedoch  wenige  ausschlaggebende  Verderbnisse 
gemeinsam  hat.  Für  den  grössten  Theil  von  Buch  3  sind  MP 
nooli  treffliche  Hilfsmittel  für  die  Recensio.  Nebenher  aber  ist 
man  auf  die  zweite  Gruppe  dieser  Classe  angewiesen,  die  erheb- 
lich hinter  der  ersten  zurücksteht  und  einen  weitern  Verfall  des 
Textee  bedeutet 

cod.  Q  (Paris,  suppl.  graec.  666  =  Ρ  Rh.  Mus.  Bd.  54)  aus 
dem  Anfang  des  XIV  Jh.  enthält  Buch  3—5. 

cod.  D  (Paris.  1838  s.  Rh.  Mus.  54, 172)  aus  dem  XVI  Jh. 
umfaest  alle  5  Bücher,  ist  aber  reich  an  Fehlern  und  muth willigen 
Aenderongen:  er  kommt  erst  in  Frage,  wenn  Μ  und  Ρ  fehlen, 
zur  Controle  von  Q,  er  ist  weniger  verstümmelt  als  die  ihm 
nächststehenden,  weniger  verderbten,  aber  für  eine  vollständige 
CoUation    leider  kaum    erreichbaren   cod.  Chis.  R  VIII  58  saec. 


248  Diehl 

XIII/XIV  (β.  Rh.  Mue.  54,  173.  197)  und  cod.  Eecorial.  Τ  III  2 
saec.  XyP:  doch  keine  der  3  Hes.  kommt  Q  gleich. 

Mit  ς*  bezeichne  ich  den  Text  der  Vnlgata,  wie  er  in  der 
Baseler  Ausgabe  von  1534  (nach  cod.  Oxon.  corp.  Christ.  98 
saec.  XVI)  sowie  in  derjenigen  von  Chr.  Schneider  (Breslau  1847, 
unter  Hinzuziehung  des  cod.  Monac.  382)  vorliegt.  Hierhin  ge- 
hören die  meisten  übrigen  Hes.  Was  ς  im  Gegensatz  zu  allen 
anderen  Codd.  Gutes  bietet,  beruht  auf  Conjectur:  für  die  Her- 
stellung des  Textes  also  kommt  die  Vulgata  nur  selten  in  Frage: 
dagegen  ist  sie  für  die  Textgeschichte  des  Commentars,  wie  später 
(S.  268)  gezeigt  wird,  nicht  ohne  Interesse. 

Die  Feststellung  des  Timaiostextes  des  Proklos  wird  zu- 
nächst dadurch  erschwert,  dass  die  Lemmata  in  den  beiden  ersten 
Büchern  vielfach  nur  die  Anfangs-  und  Schlussworte  des  be- 
treffenden Platoncitates  enthalten,  die  durch  ί\υς  του  mit  einander 
verknüpft  werden,  genauer:  in  allen  Hss.  der  II.  Classe  sind  die 
βή(Τ€ΐς  des  ersten  Buches  24  Mal  gekürzt,  die  des  zweiten  gar 
nicht,  wogegen  in  G  diese  Zusammenziehung  nicht  nur  allent- 
halben im  II.  Buch  begegnet,  sondern  im  ersten  noch  hSafiger, 
als  es  in  der  zweiten  Classe  der  Fall  ist;  sogar  durch  £ως  του 
bereits  gekürzte  Lemmata  haben  in  C  eine  noch  weiter  gehende 
Beschränkung  erfahren.  Doch  bietet  C  nie  mehr,  als  die  übrigen 
Hss.  Diese  Art  zu  citiren,  eine  Eigenthümlichkeit  der  ältesten 
Hss.,  führte  Diels'  auf  den  Autor  selbst  zurück.  In  den  jün- 
geren Hss.  der  II.  Classe  wäre  also  auch  in  diesem  Falle  der 
Piatontext  erst  nachträglich  vervollständigt  worden.  Wamm 
ergänzte  nun  aber  der  Interpolator  nur  die  ^ή(Τ€ΐς  des  zweiten 
Buches  vollständig,  die  des  ersten  nur  stückweise,  bisweilen  nur 
um  wenige  Worte,  wie  T.  18*^*  .  •  .  €ύμνημόν€υτον,  ?ως  του* 
€ύμνημόν€υτα  fj  λίγβις  zu  κα\  ταύτα  εύμνημόνευτα  ή  λέτ«ς 
oder  Τ.  18^  .  .  .  ώς  δριστοι  ?ως  του*  zu  ώς  Αριστοι  τ  ας  φύ- 
σει ς  ^ως  τοΟ*  und  oft?  Zu  diesem  mehr  äusserlichen  Bedenken 
gesellen  sich  innere  Gründe,  welche  die  Fassung  der  Lemmats 
in  C  als  nicht  ursprünglich,  dh.  dem  Archetypus  aller  Hss.  nicht 
angehörig  erscheinen  lassen. 

1.  Die  umfangreicheren  ζήσεις  der  II.  Classe  (MP[N]^)  ent- 
halten neue  Lesarten,  die  zT.  im  zugehörigen  Commentar,  an  an- 
deren Stellen  derselben  Schrift,  in  anderen  Werken  des  Pr.  oder 


*  Prod.  in  rem  publ.  ed.  Kroll  II  p.  YI.  p.  478. 

*  Simpliciue  in  Ariet.  phye.  I  p.  X  f . 


Der  TimaioBtext  des  Proklo«  249 

bei  andern  Autoren  wiederkebreu :  T.  20^  ist  6Ϊτ*  επιτήδειος  εϊτ' 
άνεπιτήδειός  έστιν  bei  Pr.  zu  εϊτ'  επιτήδειος  έστιν  εϊτε  μή  gekürzt 
(vgl.  Cbalcid.).  —  Τ.  27^  έπικαλίσαντα  Α  Platonie:  καλέσαντα 
*g  Fl. :  ή  καλίσαντα  Pr.,  wofür  Rawack  (aO.  30)  εϊη  καλίσαντα 
vorschlug.  —  Τ.  29*^  folgt  λόγους  auf  άποδοΟναι,  nicht  auf  όμολο- 
γουμένους  im  Gegensatz  zu  allen  Platonhss.  Der  Text  ^  (106*)  be- 
stätigt diese  Wortstellung.  —  T.  30^ :  Gott  schuf  die  Welt  als 
ίψον  tv  όρατόν  πάντα  δσα  αύτου  κατά  φύσιν  συγγενή  ίψα 
εντός  έχον  έαυτοΟ.  Bei  Pr.  fehlt  Ζψα  nicht  nur  in  der  ^ήσις, 
sondern  auch  im  Commentar  (132^),  in  dem  von  der  Welt  als 
εψον,  όρατόν,  πάντα  το  συγγενή  περιέχον,  letzteres  ότι  τών 
αίσθητών  έστι  περιληπτικόν  απάντων,  gehandelt  wird.  Noch 
zweimal  (140*  140^)  begegnet  dieselbe  Stelle,  beidemale  unter  Aus- 
lassung von  εψα,  das  auch  Ch(aloidiue)  nicht  übersetzt.  —  T.  28* 
steht  τήν  ib^av  και  την  όύναμιν  allerdings  im  Vatioanus  ο  des 
PL;  aber  auch  im  Republikcommentar  (I  110,  1),  sowie  bei  Sto- 
baeus  (I  p.  138,  1  W.)  findet  sich  dieselbe  Wiederholung  des 
Artikels.  Das  übereinstimmende  Citat  in  beiden  Schriften  des 
Pr.  ist  hier  ebenso  wenig  zufällig  wie  kurz  nachher  εΙς  γεγονός 
(MP  und  Vatic.  0  Platonie)  statt  εΙς  τό  γεγονός.  Vergl.  Τ.  38• 
S.  257. 

Neue  Lesungen  in  den  vermeintlichen  Zusätzen  der  ζήσεις 
könnten  ja  wohl  einer  uns  völlig  unbekannten  Quelle  entstammen, 
decken  sie  sich  aber  schon,  wie  zB.  die  Fortlassung  von  Ζψα, 
mit  der  anschliessenden  Interpretation,  dann  müsste  man  eine  sorg- 
fältige kritische  Durcharbeitung  annehmen,  welche,  wie  zahlreiche 
Widersprüche  zwischen  Commentar  und  Lemmata  beweisen  (vergl. 
S.  253  ff.),  nicht  stattgefunden  hat.  In  den  anderen  Fällen  kann  die 
mehrfach  gestützte  Lesart  unmöglich  auf  blossem  Zufall  beruhen. 

2.  Die  nahe  Verwandtschaft  einzelner  Platonhss.  bezw.  einer 
ganzen  Oruppe  mit  dem  Text  des  Pr.,  über  die  ich  später  aus- 
führlich handeln  werde,  tritt  auch  in  den  umfangreicheren  Lem- 
mata zu  Tage.  Die  betreffenden  Hss.  sind  0  X  (F)  Α  (b).  Ich 
erwähnte  bereits  T.  28*''  τήν  Ibiay  καΐ  τήν  ούναμιν  sowie  εις 
γεγονός  (statt  εΙς  τό  γεγονός)  als  durch  den  Vatic.  ο  bestätigt. 
Das  Gleiche    gilt   beispielsweise  für  ήγεν  (Τ.  30'')  bei  Pr.  statt 


^  loh  citire  Proklos  nach  den  Seiten  der  Baseler  Ausgabe,  die 
Schneider  von  10  zu  10  Zeilen  in  6  Abschnitte  Α  .  .  .  F  abgetheilt 
hat.  Auch  in  meiner  Auegabe  habe  ich  die  alte  Paginirung  und  Seiten- 
eintheilnng  beibehalten. 


250  Diehl 

ήγαγεν.  —  Τ.  29^  kennen  wir  ανίκητους  des  Pr.^  (statt  ακίνητους) 
nur  aus  dem  cod.  TubingenRie^  (Crusianns  =  Ϊ)  des  PL;  ebenso 
lasen  Ci(cero)  T.  8  neqtie  conuinci  pulest  and  Cb(alcidia8)  inex* 
pugnabilis,  —  T.  \1^  ist  ivboGev  der  Platonhes.  οΑΪ  für  fvbov 
aucb  durob  Pr.  geetfitzt,  wie  24^  παρά  πάντας  (ο  Α)  statt  πάντας. 
Für  weitere  Belege  verweise  icb  anf  S.  258  ff. 

Es  kann  somit  als  aasgemacht  gelten,  dass  die  Fassang  der 
Lemmata  der  Tl.  Classe  die  ursprünglicbe  ist,  db.  die  des  Arobe* 
typas  aller  Hss.,  denn  die  Efirzang  ist  im  ersten  Bnobe  in  11 
von  24  Fällen  die  gleicbe  in  beiden  Classen.  Die  VereinfachiiDg 
der  ^ή(Γεις  des  ersten  Bacbes  mag  sogar  Pr.  selbst  zagescbrieben 
werden,  die  er  im  2.  nnd  den  nachfolgenden  Büchern  ane  irgend 
welchem  Grunde  wieder  anfgab.     Siebe  S.  267. 

Eine  weitere  allerdings  weniger    bedeutsame  Kürzung  hat 
der  Piatontext  dadurch  erfahren,  dass  den  Dialog  kennzeichnende 
Zwischenreden,  zumeist  des  Timaios,  wie  17*  ταυτ'  iCTai,  17*^  voi, 
18*  παντάττασι  μέν  οδν,  ναί.  πάνυ  μέν  oöv,  18**  έλίχθη  καΐ  ταύτα 
ταύτη  ua.,  weil  für  die  Erklärung  belanglos,   in  Wegfall  kamen 
(vgl.  Rawack  aO.  3).     Von    diesem   Gesichtspunkt   aus   veratebt 
man  wohl   auch  in  T.  32^  das  Fehlen   von  άκου(Τας  oöv  παις; 
τί  τοΟτο  λέγεις,  φάναι  (Tim.  22*).    Doch  ist  Pr.  keineswegs  con- 
sequent:    in  T.   15*  scbliesst  das   Lemma   mit    den   Worten    des 
Timaios  (και  ταύτα)  εύμνημόνευτα  ή  λέγεις  (Τ.  18^).    Auf  an- 
dere   Inconcinnitäten    hat    ebenfalls  Rawack  (S.  3)  hingewiesen : 
Wiederholung  derselben  Perikope  ganz  oder  zum  Theit,  ohne  dass 
von  einer  doppelten  Besprechung  desselben  Passus  die  Rede  sein 
könnte:  T.  83«  πνεΟμά  τε  —  αναπνοής  (in  Tim.  164*  Ιβδ**),  35• 
τής  άμερΙστου  —  ουσίας  εΛος  (176*»«  185*»),   35*»  μίαν  όφειλε 
τό  πρώτον  —  πρώτης  (193°  205").     Schwerer  wiegt  das  Ueber- 
springen  eines  Tbeiles  des  Platontextes  zwischen  2  Lemmata:  in 
T.  27*  vermisst  man  in  der  üebersohrift  (T.  21*)  die  Worte  des 
Sokrates  κατά  τήν  Σόλωνος  άκοήν,   ohne    die  der    zugehörige 

*  Vgl.  in  T.  104*  νοΟς  oöv  ό  μόνος  ανίκητος. 

^  Die  kgl.  Universitätsbibliothek  in  Tübingen  übersandte  mir  in 
liebenswurdigetero  Entgegenkommen  den  berühmten  Crusianns  Mb  14 
(vergl.  Wilhelm  Sohmid  im  Verzeichniss  der  Doktoren  von  Tübingeu 
1902  S.  37  ff.)  an  die  Akademie  der  Wissenschaften  zu  München.  Ich 
cpllationirte  den  Theil  des  Timaios,  für  welchen  wir  den  Prokloscom* 
mentar  besitzen.  Der  junge  Corrector,  der  auch  Scholien  beischrieb, 
hat  Lesarten,  die  in  Υα  wiederkehren,  eingetragen.  Die  Bezeichnung 
der  Personen  stammt  von  3.  Hand,  welche  die  verwischte  2.  stellen- 
weise nachzog. 


Der  Timaioetext  des  Proklos  251 

Text  nnveratändlich.  Von  T.  24«  ίΕιυθ€ν  όρμηθεΐσαν  έκ  του 
*  Ατλαντικού  πελάγους  interpretirt  Pr.  die  einzelnen  Ausdrücke  (in 
T.  ö4^),  er  nmeohreibt  die  Phrase  55^  mit  bioncp  ί£ΐϋθ€ν  μέν 
ώρμήσθαι  τους  Άτλαντίνους  εΤπεν:  abermale  fehlen  die  bezüg- 
lichen Worte  im  Lemma.  In  ähnlioher  Weise  bezeugt  der  Com- 
mentar  (212•),  dass  Pr.  καΐ  bi\  κοί  τό  μιχθέν  —  άνηλώκ€ΐ  (36^) 
kannte.  Dagegen  ist  Τ.  22^  κα(  τίνα  εΙπειν  των  Ιερέων  ευ  μάλα 
παλαιόν  enthalten  in  den  zum  Lemma  überleitenden  Worten 
(Sl**):  και  ϊσως  ούτος  έστιν  6  Σαίτης  Ιερεύς  ό  προς  αυτόν  τα 
επόμενα  λέγων  und  kurz  vorher  θεασώμεθα  bi  &  φη(Γι  προς 
ταύτα  των  τις  παλαιών  Ιερέων. 

All  diese  Üngenauigkeiten ,  welche  allerdings  zTh.  rein 
äoBserlicb  sind,  zeigen,  dass  eich  Pr.  bei  der  Erklärung  einer  • 
Stelle  nicht  mit  peinlicher  Gewissenhaftigkeit  an  den  Wortlaut 
des  betreffenden  Platoncitates  gehalten  hat,  dass  somit  manche 
Widersprüche  zwischen  ^ή(Τΐς  und  Text  dem  Autor,  nicht  den 
Abechreibern  zu  Gute  zu  halten  sind,  zumal  Pr.  selbst  bezeugt, 
da 88  er  verschiedene  Piatonexemplare  zur  Hand  hatte. 

In  T.  235«  (zu  T.  37*»  έν  τφ  κινουμένψ  υπ'  αυτού)  sagt 
Pr.:  εΐ  bi,  ώς  έν  τοις  άκριβεστέροις  ευρομεν,  τοις  κεκο- 
λασμένοις,  μή  γράφοιτο  *έν  τψ  ύπ'  αύτοΟ  κινουμένψ',  ϊν' 
έπι  τόν  λόγον  ίχη  τήν  άναφοράν,  άλλα  *  τω  ύφ'  έαυτου  κινου- 
μένψ* πάσαν  δν  όηλοίη  τούτο  τήν  ψυχήν  άπό  του  όρκΤμοΟ 
σημαίνον  αυτήν.  Χ  (F)  und  der  diesen  nahestehende  q^  haben 
die  von  Pr.  gebilligte  Lesart  der  libri  caetigati  erhalten,  alle 
übrigen  geben  ύφ'  αύτου.  Der  Fall  ist  keineswegs  vereinzelt. 
—  Zu  T.  26®  άνεκπλύτου  γραφής  bemerkt  Pr.  (60^)  unter  Be- 
rufung auf  Jamblichos:  τό  bi  άνέκπλυτον  της  γραφής  ή  τής 
βαφής  —  λέγεται  γαρ  άμφοτέρως  —  τήν  άέναον  και  άνέκλει- 
πτον  ^ημιoυpγ(αv  (sc.  ενδείκνυται):  βαφής  lesen  wir  heute  noch 
im  Vaticanus  ο  und  dem  nach  0  durchcorrigirten  Laurent,  α.  — 
Durch  denselben  Vaticanus  sowie  den  Corr.  von  Σ  (β.  S.  264')  und 
den  aus  Pr.  schöpfenden  Corrector  von  F*  ist  T.  40^  für  είλλομένην 


1  Schanz  in  Fleckeisens  Jahrb.  1877   S.  486   Platocodex  S.  103. 

s  Die  Correctnren  des  Paris.  F  des  Piaton  —  mag  sich 
die  betreffende  Lesart  noch  in  andern  Hss.  finden  oder  nicht  —  sowohl 
die  am  Bande  als  die  im  Text  stammen,  wie  sich  jeder  leicht  über- 
zeugen kann,  aus  Pr.  Die  handschriftliche  Quelle  des  Correotors  be- 
sitsen  wir  nicht  mehr;  über  ihren  Werth  giebt  wohl  eine  Stelle  Aus- 
kunft: T.  Sb^  ist  in  F  am  Rande  zu  μοίρας  βσας  προαήκε  notirt  εΙς  &ς: 
Ijeonicus  Tbomaeus  (th),  der  einen  Theil  des  Gommentars  übersetzt  hat 


254  Diehl 

kannte,  wie  das  Citat  131•  und  die  Umecbreibnngen  130****  131* 
132^  lehren.  —  in  T.  147•  citirtPr.  ans  T.  32^  προσαρμόττουσι, 
doch  in  der  Interpretation  (149•  150***^•  1 52*)  συναρμόττουοι :  viel- 
leicht schwebte  ihra  T.  36•  προσήρμοττεν  vor.  —  Aehnliche  Fälle 
ans  dem  letzten  Drittel  der  Schrift,  wo  sowohl  C  als  MP(K) 
fehlen,  können  als  sichere  Belegstellen  hier  keinen  Platz  finden, 
da  in  der  guten  Ueberlieferung  sicherlich  ein  Theil  dieser  Ab- 
weichungen nicht  stand.  Als  einziges  Beispiel  führe  ich  an  aas 
dem  Lemma  347*  oötuj  και  ενταύθα  πορευομένοις  bicEiTeov, 
während  das  Platonische  (T.  44*^*)  oÖTU)  και  κατά  ταύτα  π.  b. 
im  Text  (348*)  doppelt  gestützt  ist. 

Widerspricht  der  Commentar  dem  Lemma  nnd  dem  Piaton- 
text,  dann  wird  man  unwichtigen  Varianten  nicht  allzu  grosse 
Bedeutung  beimessen  dürfen,  da  es  sich  immerhin  um  ein  un- 
freiwilliges Versehen  des  Autors  handeln  kann:  in  T.  108•  bv  ήν 
αΐτίαν  mit  Bezug  auf  bi'  ήν  τίνα  αιτίαν  108»  (Τ.  29*).  154*  άπο- 
λείττων  MPQg:  ύπολείπιυν  156*  (Τ.  32•).  236*  άναττείλη  DQg: 
biarreiXii  235*  (Τ.  37^).  282•  πρωτίστη  DQg:  πρώτην  280*^ 
(Τ.  40*=).  170*  stimmen  Lemma  und  Piatontext  (34^)  in  der  Le- 
sung bia  παντός  τε  f τείνε  überein.  Nur  scheinbar  weichen  172*^ 
bιατείvας,  1 72*  το  . . .  έκ  μέσου  πάντη  bιατείvειv,  172•  τό  bιέτειvε 
hiervon  ab :  eine  andere  Umschreibung'war  kaum  möglich.  Neben 
diesen  nur  geringfügigen  Textverschiebungen  innerhalb  desCom- 
mentars  sind  andere  der  grössten  Beachtung  werth:  T.  30^  hex 
λέγειν  τόvbε  τόν  κόσμον  ϊιμον  ίμψυχον  ίννουν  τε  τή  άληβεία 
bia  τήν  του  θεού  γενέσθαι  πρόνοιαν.  So  lautet  auch  das  Lemma 
125^,  in  C  allerdings  gekürzt.  Aber  schon  Rawack  (S.  12  £Γ.)  bat 
darauf  hingewiesen,  dass  nicht  nur  im  zugehörigen  Commentar 
(besondere  125®),  sondern  auch  allenthalben  in  der  ganzen  Schrift 
und  bei  Eusebius  (praep.  11,  29  p.  558•)  ZiDov  ίμψυχον  ίννουν 
als  Dreiheit  gefasst  wird,  wie  aus  PI.  selbst  erhellt,  also  nicht 
ίννουν  τε  zu  lesen  ist.  Dieser  Fall  ist  einzig  in  seiner  Art.  Ich 
glaube  nicht,  dass  τε  aus  den  Pl.hss.  stammt,  zumal  diese  Lesart 
Pr.  schwerlich  unbekannt  war.  —  Derselbe  Gelehrte  (S.  35)  wollte 
mit  Jac.  Bernays  eine  Spur  der  Lesart  Ps.-Philons  (de  incorr.  mund. 
2  p.  611  M.)  λυπεί  statt  λύει  (Τ.  33•)  in  λυπήσει  και  bιαλύσει  des 
Commentars  (157^)  trotz  λύει  der  ^ήσις  (157**),  λυόντιυν  (158*^) 
und  λύει  (159•)  der  Interpretation  erkennen.  —  T.  31*  sagt  PL 
von  dem  zuerst  aus  Feuer  nnd  Erde  im  Verlauf  der  Schöpfung 
bestehenden  All:  bύo  bi  μόνω  καλιΰς  συνίστασθαι  τρίτου  χω- 
ρίς ου  bυvατόv,  und  so  lautet  auch,  abgesehen  von  ganz  unwich- 


Der  Timaiostext  des  Proklos  355 

tigen  Abweichungen,  dae  Lemma  bei  Pr.  (143^j,  dieselbe  Stelle 
im  Coramentar  143®.  Nun  aber  liest  man  144*^:  biio  γάρ  τίνα 
καλώς  συνίστοσθαι  τρίτου  χωρίς  abuvoTOV  και  ό  μέν  ΤΤλάταιν 
καθόλου  προήν€γκ€  τόν  λόγον  είτιών  'τινά*'  πρόσθες  b€,  €ΐ 
βούλ€ΐ,  τα  παντάπασιν  εναντία  καΐ  ποιήσβις  άν€λ€Τκτότατον 
τόν  λόγον  καΐ  μάλλον  ώμολογημ^νον  buo  γάρ  τά  έναντιώτατα 
συν1)ραμ€ΐν  όλλήλοις  €ΐς  μίαν  σύστασιν  άούνατον  τρίτου  χωρίς. 
Angesichts  eines  so  bestimmten  Zeugnisses  wird  man  sich  sohwer- 
lich  bei  der  Annahme  eines  blossen  Versehens  des  Pr.  beruhigen 
können :  vielmehr  lernen  wir  hieraus  die  Variante  τινά  kennen, 
die  Pr.  trotz  vorhergehender  ausdrücklicher  Bezugnahme  auf  μόνω 
vielleicht  im  Anschluss  an  eine  Vorlage  unerwartet  auf- 
nimmt. Insofern  ist  ihm  der  Vorwurf  einer  Incorrectheit  nicht 
zu  ersparen.  —  Für  dies  wohl  unbewusste  Ueberspringen  von 
einer  Lesart  zu  einer  andern  fand  sich  ein  weiterer  sicherer  Beleg. 
Mit  Beziehung  auf  T.  37^«  sagt  Pr.  237^:  bei  bk  μr\b'  έκ€Ϊνα 
παρΛβϊν,  δτι  τόν  μέν  θατέρου  κύκλον  €Τπ€ν  ορθόν  Ιόντα  γιγνώ- 
σκ€ΐν  τά  αΙσθητά,  τόν  bfc  ταύτου  €Οτροχον  Ιόντα  (τά  νοητά). 
Τ.  87^  schwanken  die  Pl.hss.  zwischen  ορθός  ών  und  ορθός  ιών, 
während  bei  Pr.  im  Lemma  (235^)  Ιών  überliefert  ist.  37°  steht 
ευτροχος  ών  sozusagen  einhellig  bei  PI.  (nur  fehlt  ών  in  %F) 
und  in  der  ^ή(Τΐς  (286^)  in  DQg  Prodi,  sowie  im  Commentar 
(236®):  doch  weisen  auf  €Οτροχος  Ιών  237»  €υτρόχως  ...  κι- 
νουμένου und  237^  τήν  βυτροχον  κίνησιν.  —  Vielleicht  gehört 
hierhin  auch  Τ.  107®  θαυμασίως  des  Lemma  gegenüber  θαυ- 
μα(Ττώς  der  Interpretation,  das  auch  im  Vatic.  0  des  PI.  über- 
liefert (T.  29^),  oder  T.  21^  οικαιότατα  ο  PI.,  Pr.  (29*^  im  Lemma): 
^ικαtότατ^  δν  *ς  PI.,  Pr.  (im  Commentar  zweimal),  34**  πανταχή 
τ€  και  έκ  μέσου  ϊσον  ο  PI.,  Pr.  (169•;  Commentar  170^):  παν- 
ταχή τβ  έκ  μέσου  *ς  PL,  Pr.  (im  Commentar  170*),  Τ.  35»  κατά 
ταύτα  ΟΪΡ  PI.  und  Pr.  im  Lemma  (187®):  και  κατά  ταύτα  *ς 
PL,  Pr.  (187'  188»).  Zu  Τ.  36«  και  έν  ταύτφ  und  42«  θήρ€ΐον 
und  θηρίου  vergl.  S.  264. 

Nach  diesen  allgemeinen  Erörterungen  über  die  Arbeitsweise 
und  Zuverlässigkeit  des  Pr.  gehe  ich  zur  Beschreibung  des  Prok- 
liechen  Timaios  selbst  über.  Zwei  Hauptfragen  harren  der  Er- 
ledigung: 1.  Inwiefern  unterscheidet  sich  der  Piatontext,  wie  er 
uns  in  den  Lemmata  und  den  Interpretationen  entgegentritt,  von 
der  directen  Ueberlieferung  ?  2.  Giebt  es  Berührungspunkte  ge- 
wieser Platonhes.  bezw.  einer  Classe  mit  Pr.  und  was  folgt  daraus 
für  die  Textgeschichte  Pl.s  überhaupt? 


256  Diehl 

Eine  ereohöpfende  Bearbeitung  der  ersten  Frage  kann  hier 
nicht  gegeben  werden:  an  der  Hand  der  neaen  Ausgabe  kann 
jeder  sich  über  die  stellenweise  recht  beträchtlichen  Verschieden- 
heiten der  beiden  Fassungen  unterrichten.  Vieles  ist  schon  im 
Bekker'schen  Apparat  und  von  E.  F.  Hermann  notirt.  Hier  be- 
gnüge ich  mich  mit  einer  Auswahl  besondere  interessanter  Ab- 
weichungen^. T.  17^  beruht  die  von  Boeckh^  vorgeschJagene 
Tilgung  von  και  άφ'  έκαστου  τή  τίχνη  (ΑΪΡ)  bezw.  μίαν  έκαστη 
τ^χνην  (ο,  ähnlich  γρ.  Α)  oder  έκαστη  τέχνη  {*ς)  auf  Pr.,  bei 
dem  dieser  Zusatz,  den  auch  Ch.  nicht  kennt,  sowohl  im  Lemma 
(11')  fehlt,  als  im  Commentar  (12*):  τό  κατά  φύσιν  έκάστψ 
έπιτη6€υμα  έπιτηόβυειν  ^όομβν,  δ  έκάστψ  προσήκει  κατά  την 
παροΟσαν  έπιτηΟ€ΐότητα  τής  φύσεως  und  ebend.  Sv  έκάστψ 
όιανβμητέον  έπιτήοευμα  τών  πολιτών,  προς  δ  πέφυκεν.  Aehn- 
lich  12^:  von  τέχνη  ist  nirgends  die  Bede.  —  Zwei  weitere  neue 
Lesarten  φαμέν  (in  T.  17»,  Gh.?)  statt  ίφαμεν  (Τ.  19»),  τών  περί 
τήν  την  κατ'  ούρανόν  Ιόντων  παράλλαΕις  (in  Τ  35**)  an  Stelle 
von  τ.  π.  γ.  και  κατ'  ούρανόν  Ι.  π.  (Τ.  22®**)  empfahl  Rawack 
S.  7  ff.  12.  Letztere  findet  ihre  Bestätigung  im  Text :  35®  τήν  τών 
περί  τήν  Ιόντων  κατ*  ούρανόν  παράλλαΕιν  (so  C)  und  35'  οι 
κατ'  ούρανόν  περί  τήν  Ιόντες.  —  Τ.  23*•:  Athene  erloste  προτεραν 
μέν  τήν  παρ'  ύμϊν  (sc.  πόλιν)  ίτεσι  χιλίοις  έκ  τήζ  τε  και 
Ηφαίστου  τό  σπέρμα  παραλαβοΟσα  υμών,  τήνόε  (seil,  την 
Σάιν)  bi  ύστέραν.  Pr.  44*  schwanken  die  Hss.  zwischen  παρά- 
λαβοΟσαν  (MP^)  and  λαβοΟσαν  (C).  Verband  nicht  in  der  That 
Pr.  fälschlicherweise  das  Participiam  mit  πόλιν:  44**  είρητοι  τό 
σπέρμα  του  *  Ηφαίστου  μετά  τής  τής  ύποστήσαι  τήν  τ^νεσιν 
τών  Άθηναίιυν  έπει  κα\  κατά  τόν  μυθον  6  "Ηφαιστος  έρών 
τής  'Αθήνας  άφήκε  τό  σπέρμα  εΙς  τήν  καΐ  έκεϊθεν  έβλάστηα6 
τό  τών  'Αθηναίων  τ^νος?  —  Τ.  27•  πάντες  δσοι  καΐ  κατά  βραχύ 
σωφροσύνης  μετέχουσιν  έπι  παντός  ορμή  και  σμικρού  και  μ€• 
Τάλου  πράτματος  θεόν  άεί  που  καλουσιν  läset  Pr.  (66•)  καΐ 
μετάλου  aas,  was  auf  den  ersten  Blick  besticht.  Doch  bereite 
Vahlen^  hat  gezeigt,    dass  die  hs.liche  Lesung  ebensosehr  dem 

^  αύν  statt  Εύν,  τέλειος  statt  τέλβος,  αυτών  statt  αύτφν  έαυτατν? 
Unterlaesung  von  Elision  und  Krasis,  Ungenauigkeit  im  Gebrauch  der 
Partikel,  sogar  Verschiebungen  in  der  Wortstellung,  insofern  nicht  der 
Sinn  eine  Veränderung  erleidet  oder  die  Üeberlieferung  anderweitige 
Bestätigiing  findet,  können  kaum  in  die  Wagschale  fallen. 

2  Kl.  Schriften  ΙΠ  190  ff.   vgl.  auch  Rawack  aO.  5  f. 

β  Ind.  lect.  Berol.  aest.  1879  p.  4. 


Der  Timaiostext  des  Prokloe  257 

Platoniechen  wie  dem  ^eobischen  Spraobgebraucb  entspricbt. 
In  der  Fassong  des  Lemma  wiederbolt  den  Auedrack  Pr.  (66*^ 
Cye""  66')  1.  Er  spielt  wobl  auch  66®  τά  T€  έν  έκάστψ  σύμβολα 
miv  θ€αιν  και  τών  σμικροτάτιυν  βύρισκούαης  (ecil.  τής  ψυχής) 
auf  die  Platonetelle  an.  —  Τ.  33•  lae  Pr. 2(159')  έΕ  δλιυν  άττάν- 
TiUVy  das  in  der  Interpretation  zweimal  wiederkehrt  statt  δλων  iE 
απάντων;  vgl.  Ci.  Γ.  17  ea  ommbus  et  iotis  atque  perfectis^  Cb. 
ex  perfectis  omnibus.  — -  Γ.  37•  δτψ  τ'  dv  τι  ταύτόν  ή  και  δτου 
δν  2τ€ρον  weicht  Pr.  (233**)  nur  durch  die  Wiederholung  von  τι 
vor  έτερον  ab:  233^  und  233'  bestätigen  mehrfach  die  neue  Lee- 
art. —  T.  38®  1)€σμοΐς  τ6  έμψύχοις  σώματα  οεθίντα  ίψα  έγεν- 
νήθη  (sc.  τά  πλανητά):  σώματα  hat  Pr.  in  seiner  Vorlage  nicht 
gelesen,  wie  nicht  nur  das  Lemma  (260^)  und  der  anschliessende 
Commentar  beweisen  (260'  261**),  sondern  vor  allem  die  Wieder- 
holung derselben  Phrase  in  gleicher  Fassung  an  andern  Stellen 
(96»  260*)  und  in  dem  Commentar  zum  Kratylos  (97).  Ci.  und 
Ch.  hingegen  übersetzen  corpora  —  T.  39*  ήττερ  ουν  νους  ένού- 
σας  Ιοεας  τψ  δ  ?στι  ίώον  οΐαί  τ€  ίνεισι  και  δσαι  καθορςί, 
τοιαύτας  καΐ  τοσαύτας  5ΐ€νοήθη  beiv  και  TObe  σχ€Ϊν:  ίνβισι, 
welches  das  Torhergehende  ένούσας  wieder  aufnimmt,  fehlt  bei 
Pr.  in  der  βήσις  272•,  im  Text,  wie  ex  silentio  zu  erschliessen, 
267•  268»*,  femer  98•  121'  und  bei  Syrian  in  metaph.  p.  899»  25,— 
ανακυκλήσεις  im  Lemma  284*  statt  έπανακυκλήσεις  (Τ.  40®)  wird 
durch  den  Commentar  (284°  285*)  bestätigt.  —  T.  42«  verschlägt 
es  nicht  viel,  ob  wir  δ  τι  μη  κακών  αυτό  έαυτφ  γίγνοιτο  αίτιον 
(sc.  τό  θνητόν  ίφον)  mit  PL  lesen  oder  αυτό  mit  Pr.  (335»  335*) 
auslassen.  Doch  vergl.  335*.  —  T.  43*^  στερεφ  γής  PI.:  στβρεψ 
τής  ττάτψ  Pr.  (340*),  vergl.  340'  τόν  πάγον  (sc.  ένδείκνυσθαι 
^ητίον)  πεττηγυΐαν  γήν.  .  .  .  ή  bl  στερεά  και  πεττηγυϊα  (γή)  bia 
τό  άντίτυπον  λυπεί.  —  Ich  schliesse  diesen  Abschnitt  mit  der 
Variante  λήγει  statt  λέγει  (Τ.  37»),  von  der  Pr.  also  berichtet 
(233»*):  Porphyrios  kam  einmal  zu  Amelios  ins  Colleg,  wie 
dieser  eich  gerade  vergeblich  abmühte  für  λήγει  eine  Erklärung 
zu  finden.  Porphyrios  wies  ihn  auf  die  allein  richtige  und  allein 
bezeugte  Lesart  λέγει  hin,  worüber  Amelios  tieftraurig  wurde. 
Erst  später  fand  Porphyrios,  dass  auch  Sosikrates  λήγει  schrieb. 
Diese  Proben  mögen  genügen,  um  die  Verschiedenheit  des 
Proklischen  Piaton    von    der   gesammten  directen  Ueberliefernng 


^  Desgl.  Philoponus  adu.  Procl.  de  aet.  mundi  6,  18. 

2  Desgl.  Philop.  ebd.  13,  IG  Ps.-Philon  de  incorr.  mund.  2  p.  611  M. 

libeln.  Uue.  f.  PbÜol.  N.  F.  LVIII. 


258  Diehl 

darzuthon.  Das  eoblieeet  aber  nicht  ans,  dase  Berührangepnnkte 
einselner  Platonhes.  oder  einer  ganzen  Gruppe  mit  Pr.  bestehen, 
die  wir  infoigedeeeen  als  einen  bis  in  die  Zeit  des  Pr.  hinein• 
und  wohl  noch  darüber  hinaaeragenden  Zweig  der  Platonfibe^ 
liefernng  ansehen  müssten. 

loh  beginne  mit  der  Anfzfthlung  solcher  Stellen,  in  denen 
sich  alle  Prokloshss.  mit  einer  Platonhe.  decken. 

1    I=Prokloe 

Ueber  ανίκητους  statt  ακίνητους  (Τ.  29^)  habe  ich  schon 
oben  (S.  260)  gehandelt.  —  T.  39*^  προς  γης  Z\  Pr.  (263^  j :  προς 
Τήν  *ς^.  -—  Eine  wichtige  Beziehung  weist  Ϊ  mit  dem  Proklos- 
lemma 326*  (T.  42*)  auf:  πρώτον  μίν  αίσθησιν  άναγκαΐον  €ΐη 
πασιν  έκ  ßmiuiv  παθημάτων  σύμφυτον  γενέσθαι  im  Einklang 
mit  Stobaeus  (Ι  ρ.  301,2  W.).  Alle  übrigen  Platonhss.  geben 
μιαν  πάσιν.  Dies  scheint  Pr.  abzulehnen  327^:  ή  hl  ίνυλος 
αΤ(Τθη(Τις  (nnr  an  diese  kann  PI.  denken  im  Gegensatz  zu  der 
reinen,  schmerzlosen,  einfachen  Wahrnehmung  des  δχημα  der 
Seele,  des  Zwischengliedes  von  Leib  und  Seele,  sowie  der  lei- 
denden einfachen  der  δλογος  Ζχιη\)  τών  fSiuOev  προσπιπτόντων 
έστΙ  μόνον  και  τών  κινούντων  αυτήν,  έν  εαυτή  τα  θ€άματα  κατ- 
ίχ€ΐν  ου  δυναμένη,  μβριστή  ούσα  καΐ  ου  μία.  vgl.  Phaedr.  249^ 
bei  γάρ  δνθραπτον  Ευνιέναι  κατ'  βΤ^ος  λ€τόμ€νον  έκ  πολλών 
Ιόν  αίσθήσειυν  €ΐς  ty  λογισμψ  ευναιρούμενον.  Nach  Schanz ^ 
soll  aus  %  der  Paris.  F,  mit  dem  er  in  der  That  die  nächsten 
Beziehungen  aufweist,  abgeschrieben  sein.  Die  3  Lesarten,  die 
ich  eben  aus  %  gegeben  habe,  beweisen  zur  G-enüge,  dass  von 
einer  directen  Abschrift  ohne  Beeinflussung  aus  der  übrigen  Ueber 
lieferung  wohl  nicht  gesprochen  werden  kann.  In  einer  nicht 
ganz  unwichtigen  Lesart  gebt  sogar  F  allein  —  der  Corrector 
von  F  kommt,  wie  oben  (S.  251  Anm.  2)  gesagt  ist,  nicht  in 
Frage  —  mit  Pr.:  T.  30•  δλλο  τι  F,  Pr.  (im  Lemma  120',  Text 
126*^  14r  in  remp.  I  107,  29  II  208,  19)«:  δλλο  *ς.  WTeniger 
Bedeutung  ist  beizumessen  T.  39**  ταυτοΟ  F,  Pr.  (270°):  tgö 
τουτοΟ  *ς.     Dieselbe  Verderbniss   bei   beiden  findet  sich  T.  39^ 


1  προς  γήν  steht  allerdings  auch  ia  T)  Prodi;  doch  weisen  die 
Lemmata  dieser  Hs.  sichere  Sparen  einer  Ueberarbeitung  nach  einem 
Piatontext  auf.    s.  S.  269. 

«  Fleckeisens  Jahrb.  1877,  485  flf.    1878,  750  Anm.  1. 

•  Vergl.  auch  Ci.  T.  10  und  Ch.  quiequam. 


Der  Timaiostext  des  Proklos  259 

ουρανίων  F,  Pr.  (268^)^:  ούράνιον  *ς.  loh  wage  daher  nioht 
zu  schlieeeen,  dass  %F  bereite  zu  Pr.e  Zeit  getrennt  waren  und 
betrachte  T.  17"^  και  φυσ€ΐ  in  %F  (und  Pr.  ]2<')  etatt  &T€  φυσ€ΐ 
als  in  einem  Codex  bezeugt^. 

2    Α  =Proklo8 

T.  20"  ετοιμότατος  ών  Α,  Pr.  (23*)»:  ετοιμότατος  *ς 

[Τ.  21*  φρατβρων  Α,  Pr.  (28*  CP):  φρατόρων  %  Pr  (Νς)*] 

Τ.  23*»  ίχ€ΐν  Α,  Pr.  (41*):  σχεϊν  *ς 

Τ.  25•  ίχιυν  εΤσπλουν  Α,  Pr.  (55•):  βϊσπλουν  ίχιυν  *ς 

Τ.  36«  ταυτώι  Α,  Pr.  (217°)»:  τφ  αύτφ  *ς 

Τ.  37«  fjv  καΐ  Α,  Pr.  (249*):  ή  ν  *ς 

Τ.  39^  τελέωι  Α:  τ€λ€ίιυ  Pr.  (271*)*:  τελβιυτάτψ  *ς 

[Τ.  44*  τέ  τΐϋΐ  Α,  Pr.  (344«^  DQ):  γί  τψ  *ς,  Pr.  (^)] 
Mehrfach  hat  erst  der  Corrector  von  Δ    und    sogar   eine  junge 
Rand  die  mit  Pr.  gleichlautende  Leeart  eingetragen,  während  die 
nreprüngliche  mit  der  Vulgata  übereinstimmt'': 

T.  22®  κάτωθεν  παν  corr.  Α,  Pr.  (37») :  κάτωθεν  *ς 

ι 

Τ.  23•  ένθάΟ€  Α,  Pr.  (45*,  ένθ€ύ5€  C):  ένθάδβ  *ς 
Τ.  24*  Τ€  μήν  rc.  Α,  Pr.  (52•  ΜΝ:  bi  μην  ς):  μην  *ς 
Τ.  25•  έπβλθούσης  rc.  Α,  Pr.  (58*):  έλθούσης  *ς 
Τ.  31•  τ€  καΐ  rc.  Α,  Pr.  (143*.  vergl.  Text  143'j:  καΐ  *ς. 
Aus  Α  sollen  die  £xcerpte  in  dem  Palat-Vatic.  b  saeo.  ΧΠ 


1  Der  Commentar  läset  keinen  Zweifel,  dass  Pr.  ούράνιον  las 
(269**  273»*c)  und  dies  mit  πτηνόν    und  depoiropov  gleichstellte  (269o*). 

8  Doch  bleibt  zu  beachten,  dass  in  C  Prodi  das  Lemma  gekürzt 
erscheint  und  Pr.  (12•)  ώς  φύσ«  φίλσις  umschreibt. 

*  Aber  63*  fehlt  div  im  Text. 

*  Es  schwanken  die  Hss.  im  Commentar  27«'  29*. 

*  Im  Commentar  schwanken  die  Hss,:  217^  ταυτώ  Ρ:  τΟι  αύτώ 
Qg  (zweimal).    217«  τώ  αύτϋο  PQg. 

β  Ch.  perfeeto:  fehlt  Ci.  T.  34. 

'  Ich  halte  es  nicht  für  unmöglich,  dass  sowohl  der  alte  Cor- 
rector als  vor  allem  die  junge  Hand,  welche  übrigens  auch  mit  ob  Be- 
rührungspunkte hat,  einen  Theil  ihrer  neuen  Lesungen  aus  den  Proklos- 
lemmata geschöpft  haben,  wie  dies  für  die  zweite  Hand  von  F  fest- 
steht. Dass  schon  in  der  frühesten  Byzantinerzeit  der  Prokloscommentar 
mit  dem  jeweiligen  Piatontext  in  Verbindung  gebracht  wnrde,  lehren 
die  den  einzelnen  Commentaren  wie  zB.  zum  Staate  und  Timaios  ent- 
stammenden Platonscholien.  Solange  aber  die  Vorlagen  jener  Cor- 
rectoren  nicht  nachgewiesen  sind,  betrachte  idi  beide  als  selbständige 
Quellen. 


1 


260  Diehl 

eUmmenV  Wie  bezügliob  des  Yerhältnieees  von  X  zu  F,  mues 
ich  anoh  hier  gegen  die  Annahme  einer  directen  Abetammung 
auf  emiid  von  2  nur  in  b  nnd  bei  Pr.  eich  findender  Leearten 
Bedenken  äuesern: 
T.  28»  βτου  μέν  b,  Pr.  (81»):  δτου  μέν  ούν  *ς 
Τ.  33*»  πάντα  βσα  b,  Pr.  (160*^  πάνθ'  δσα):  πάντα  όπόσα  *; 
Die  sehr  nahe  Verwandtschaft  von  Α  und  b  rechtfertigt  auch 
wohl  hier  die  Anführung  der  aue  Ab  und  Pr.  allein  bekannten 
Lesungen : 

T.  32**  τούτων  και  τοιούτων  b  ro.  Δ,  Pr.  (155*;   vergl.  Text 
155**),   Ci.   T.  15:   τούτων   τοιούτων    bezw.   τοιούτων  (so 
Ch.)  *ς. 
Τ.  33»  γίνοιτ'  fiv  Ab,  Pr.  (157»;  vergl.  158^):  άν  γένοιτο*; 
Τ.  34**  ί&υθ€ν  Ab,  Pr.  (170^)•:  Οω  »ς 
Τ.  38»  μιμούμενου  Ab,  Pr.  (252**):  τε  μιμούμενου  *ς 
Τ.  41*»  άγίνητα  Ab,  Pr.  (306';    vgl.  307*  τά   γαρ    αυτά  και 

θνητά  έστι  και  άγίνητα):  γενητά  (bezw.  fehlt)  *ς 
Τ.  42»  τοιούτον  €Ϊη  γένος  Ab,  Pr.  (325*^):  εϊη  γένος  τοιού- 
τον *ς 
Τ.  42^  χρόνον  βιούς  Ab,  Pr.  (328»):  βιούς  χρόνον  *ς, 

3    0  =  Proklos 

Τ.  19**  αδ  γένος  ο,   Pr.  (21*):   γένος  αΰ   bezw.  γένος  Αν  *? 
Τ.  20*^  αυτά  ταύτα  ο  (oorr.  α»),  Pr.  (23^  ταύτα  αυτά  C),  Cb.: 

δν  TaOTa^^.bezw.  αυ  ταύτα  *ς 
Τ.  20•  οΙκεΐος  ήμϊν  καΐ  σφόόρα  φίλος  ο,  Pr.  (25•):  οΙκεΐος 

καΐ  σφόόρα  φίλος  ήμΐν  *ς 
Τ.  22*^  νέοι  γ€  ίστϊ  €ΐπ€  ο :  νέοι  έστέ  βΤπε  Pr.  (32*^) :  νέοι  έστέ 

εΙπεΐν  *? 
Τ.  22*^  πολλαι  κατά  πολλά  ο,    Pr.  (32*^)*:    πολλαΐ   και  κατά 

πολλά  *ς 
Τ.  25^  ώ  Σόλων  υμών  ο,  Pr.  (57*»):  υμών  ώ  Σόλων  *ς 
Τ.  26*^  βαφής  ο,  Pr.  (60**  als  var.  lect.  notirt):  γραφής  %  Ρ»"• 

(im  Lemma  60»);  vergl.  S.  251. 
zu  T.  28»*»  τή  V  ούναμιν  und  €ΐς  γεγονός  statt  εΙς  το  γεγονός 

8.  S.  249. 


1  Schan«    in   Fleck.  Jahrb,  1877,  486   Jordan,   Hermes  13,  4<i7 
Anm.  1. 

s  Vgl.  Ci.  T.  20  eatrinseeus. 

'  Der  Corrector  von  α  echöpft  aus  o. 

*  Ebenso  Clem.  Alex,  etrom.  5,  1,  9  S.  649  f.  P. 


Der  Timaioftezt  des  Proklo»  261 

T.  28^  μάλιστα  ο,  Pr.  (83ί;  vgl.  84*):  μάλιστ'  δν  ^ς 

Τ.  28«  τβκτηνάμβνος   ο,  Pr.  (97*;    im    Text    99'   100»   70«): 
τ€κταινόμ€νος  *ς 

2U  Τ.  29*  θαυμαστώς    und  30•  ήτ€ν   (βο   Fr.  118•  im    Text) 
verweise  ich  auf  S.  255  und  S.  249  f. 

T.  36*  re  και  τοις  τρισίν  ο,  Pr.  (221*)  ι :  καΐ  τοις  τρισίν  *ς 

Τ.  37*  δν  καΐ  ο,  Ργ.  (238«):  καΐ  ♦^ 

Τ.  39«  μήν  V  ο,  Pr.  (265«;  vgl.  265*):  μ€ΐς  hk  *ς 

zu  Τ.  40*  Ιλλομίνην  vgl.  S.  251  f. 

Τ.  40*  έγγόνοις  ο,  Pr.  (288^ ;  im  Commentar  288«  zweimal) : 
έκγόνοις  *ς 

Τ.  41»  έπ€ΐ  bi  ο,  Ργ.  (298«):  έπει  b'  oöv  bezw.  oöv  *ς 

Τ.  41«  τ€λίΐϋς  ο,  Pr.  (306θ:  τίλ€ος  (τίλ€ΐος)  *ς. 
Ich  fiige  solche  Beispiele   an,    in   denen   nur  ein  Theil  der  Uss. 
sich  mit  0  deckt,  während  die  übrigen  mit  der  Vulgata  überein- 
stimmen : 

T.  21«  ncpl  δν  ο,  Pr.  (29*  NP):  π€ρ\  δ  %  Pr.  (Og) 

T.  36•  και  τά  τριπλάσια  ο,  Pr.  (209«  MQg;  vgl.  Plut.  mus.  22 
p.   1138*):  και  τριπλάσιο  %  Pr.  (Ρ) 

Τ.  39«  τό  hi  ο,  Pr.  (272*>  DQ):  τφ  bt  *ς,  Pr.  {ς) 
Die   Auslassung    des   Artikels  (T.  36•)  beruht    wohl    auf   einem 
Fehler  in  P,    π€ρι  δν  ist   ein   leicht    erklärliches  Versehen  in  ο 
und  Ν  Ρ  des  Pr.,  doch  scheint  die  kaum  zu  rechtfertigende  Con- 
etrnction  (39«)  die  Zustimmung  von  Pr.  gefunden  zu  haben. 

4    Λ?,  r,  α,  Υ  =  Proklos 
Τ.  24^  προσφ€ρ€στάτους  α?,  Pr.  (51  Α):    προφερεστάτους  *ς 
Τ.  31«  δτι  μάλιστα  fehlt  in  τ  PI.,  bei   Ch.  und  Pr.  (143^  im 

Lemma,  143'  im  Commentar) 
T.  33»  ύπολ€λ€ΐμμίνον  α,  Pr.  (157»  MP  im  Lemma,  158*»  MPQ 
im  Text;  vgl.  die  Interpretation  ebd.  und  159*)  und  ebenso 
Stobaeus  I  p.  197,  22 :  ύπολ€λ€ΐμμ^νΐϋν  *ς  PL  und  ς  Pr.  aO. 
T.  44*^  βΐκότιυς  Υ,  Pr.  (347*  OQ/ζ):  εΙκότος  *ςτ. 
€ΐκότΐυς   ist   ein  offenkundiger  Fehler,    auch   ύπολ€λ€ΐμμ€νον   ist 
unhaltbar,    obwohl    scheinbar  von    Pr.  gebilligt:    alle    Lesarten 
aber  sind  nicht  derart,    dass   sie   nicht  unabhängig  von  Pr.  ent- 
standen sein  könnten. 

Hiermit  sind  alle  Beispiele  erschöpft,  wo  eine  Hs.  allein 
die  Lesart  des  Pr.  giebt.  Die  unter  4  angeführten  Fälle  sind 
zu  wenig  bedeutsam,  als  dass  man  auf  eine  Verwandtschaft  dieser 


1  Deflgl.  Hippel,  refut.  4,  8  p.  64,  21  Dnnck. 


2Γ,2  Piehl 

Ηβ8.  mit  Pr.  euhlieeeen  müeete.  Andere  wird  man  über  7(F\ 
A(b)y  0  urtheilen,  unter  denen  eich  besondere  letzterer  durch  die 
Anzahl  keineswegs  unwichtiger  gemeinsamer  Lesarten  mit  Pr. 
auszeichnet.  Aber  auch  zu  Gruppen  vereint  und  in  ihrer  Ge- 
sammtheit  weisen  diene  Hss.  engste  Berührungen  zu  Pr.  auf,  und 
zwar  in  der  Art,  dass  sich  0  als  nächstverwandt  der  Prokloe- 
überlieferung darstellt,  ohne  dass  jedoch  A(b),  ΐ(Ρ)  darebaus 
selbständiger  Beziehungen  zu  Pr.  entbehrten.  Für  alle  Möglich- 
keiten giebt  der  Text  interessante  Belege: 

OA  =  Proklos 

T.  24<*  παρά  πάντας  oA,  Pr.  (52«) :  πάντας  *ς 

Τ.  27^  λίτ€ΐν  Sv  οΑ,  Pr.  (62•):  \έ•χ^\\  Χ:  λβγβιν  άν  εϊη  *ς 

Τ.  32»  τό  μέσον  προς  οΑ,   Pr.  (145*^;   vgl.  145^):  τοΟτο  το 

μέσον  προς  *ς 
Τ.  37»  έκ  τής  0Α,  Pr.  (231•):  έκ  ♦? 

Τ.  37•  τοΟ  τούτου  ο  Α,  Pr.  (236^;  doch  vgl.  237^):  ταύτου  *? 
Τ.  37*  του  Σώου  οΑ,  Pr.  (240•;  dagegen  85*  Σώου):  ίώου*ζ 
Τ.  37•  δ  5ή  οΑ,  Pr.  (251*):   -que  haec  Gh.:  fehlt  *ς 
Τ.  39»  π€ριήΐ€ΐν  Δ,  Pr,  (261•  Q):   περιήει  έν  0:   πβριήει  Fr. 

(Ός):  π€ραόντα  u&.  *c 
Τ.  39»  όή  ταυτοΟ  ο  Α,  Pr.  (262*  DQ) :  qua  de  rau^a  fi^at  Ch. : 

bi  ταυτου  *ς  Pr.  (ς) 
Τ.  40•  Κρόνος    τ€   θΑ,   Pr.  (295^;    vgl.  295*  296*):   τ€  καί 

κρόνος  *ς 
Τ.  43•  αλλοτ€  6έ  θΑ:  δλλοτ€  Pr.  (343•):  τοτέ  b€  *ς 

0A(b)  =  Proklos 

Τ.  32*»  δ  τί  πβρ  ο  Ab.  Pr.  (152»):  δ  τι  *g 

Τ.  38*  και  τό  Ευγγβνές  oAb,  Pr.  (160•):  και  Ευγγ^νές  *ς 

Τ.  33•  ποθέν  oöbi  oAb,    Pr.  (165*;  vgl.  166*):  nee  uero  craf 

ufkle  Ci.  T.  18:  ποθέν  ουδέν  ου  (ουδέ  r)  *ς:   ποθίν  ου  Ι 
Τ.   42"  έκ  ο  Ab,  Pr.  (326•;   siehe  ebd.  im  Text  und  327'):  ex 

Ch.  vgl.  Ci.  T.  44:  έκβϊ  *ς 
Τ.  42''  παυόμβνός  τ€  oAb,  Pr.  (329^):  et  ei .  .  .  fuietn . . .  faciet 

Ci.  T.  45;  vgl.  Gh.:  παυόμ€νος  hi  *ς 

ϋΑΪ  =  Proklos 

Τ.  17*  ivboOev  ΟΑΪ,  Pr.  (12•;  vgl.  13»):  ένόον  *ς 
Τ.  20*  επτά  σοφώτατος  ο  Αϊ,  Pr.  (24•;  vgl.  25*):  επτά  σο- 
φών σοφώτατος  *c 
Τ.  23*^  γεγονότων  έτη  οΑΪ,  Pr.  (45θ:  έτη  γεγονότοίν  *? 


Der  Timaioetext  dee  Prokloe  2B3 

T.  26*  όπαισόμεθα  corr.  A,  Pr.  (nur  im  Text  60•  nnd  62*»  in 
P,  άπασόμεθα  Ν):  άπαϊσόμεθα  ο:  άπ'  έσόμ€θα  ϊ:  άιηυσό- 
μβθα  bzw.  όποσώμ€θα  *ς,  Fr.  (ς):   άπατησόμεθο  Ργ.  (C) 

Τ.  36•  €ΐς  ίν  κύκλψ  οΑ,  Pr.  (216•  Q^):  βίς  κύκλψ  ϊ,  Pr.  (Ρ): 
€ΐς  bzw.  ές  κύκλον  *ς 

Τ.  38*»  διαιωνίας  ο  Αϊ,  Pr.  (254•):  αΐιυνίας  (αΙωνίου  ς)  *ς 

Τ.  40•  φασκόγίϋ^ν  όΑ%  Ργ.  (288'):  φάσκουσιν  *ς 

0A(b)I  =  Prokloe 
Τ.  29•  πολλά  πολλών  oAb^,   Pr.*  (106*  CM;    πολλών    fehlt 

Ρ):  πολλά  πολλών  είπόντιυν  *ς  Pr.  (ς)^ 
Τ.  29•  αυτούς  αύτοϊς  οΑ:  αυτούς  έαυτοϊς  b,  Pr.  (106»;  vgl. 

106*):  secum  ipsa  Ci.  T.  8:    αυτούς    αυτοΐς    ϊ:  aö   τους 

αύτοϊς  bzw.  Sv  τους  αύτοΐς  uä.  *ς 
Τ.  29•  και  κόσμου  oAbiE,  Pr.  (112»;  vgl.   112•):   κόσμου  *ς 
Τ.  34*>  b\*  άρετην  bk  oAbS,  Pr.  (173*»):  5Γ  άρετήν  *ς 
Τ.  41•  ύμετ^ραν  oAbi,  Pr.  (309•;  vgl.  309*  231*»):  uestro  Ci. 

Τ.  41.    Ch.:  υμών  *ς. 

0A(b)F=  Prokloe 

Τ.  44•  ανόητος  obF  corr.  Α,  Pr.  (347*^;  vgl.  347•):  cum  stid- 
tUia  Ch.:  άνόνητος  *ς 

oAt(F)  =  Prokloe 

T.  23*  έν  τή  χώρςι  παρ'  oA^F,   Pr.  (39*):   έν  τή  χώρα  τή 

παρ'  *ς 
Τ.  24*»  και  δη  καΐ  oA^F,  Pr.  (48*»):  κο\  5ή  *9 
Τ.  27•  έπ\  παντός  ορμή  oAiEF,  Pr.  (66»;  oft  im  Commentar) : 

έπΙ  πάση  ορμή  *ς 
Τ.  32*»  στερεοεΛή  oF,  Pr.  fl47•;  vgl.  150•):  στεροεώή  A%: 

στερεόν  *ς 


1  Vgl.  106<^  τήν  bt  σύμπαααν  ^ήσιν  ^ουσάν  τίνα  δυακολίαν  κατά 
τήν  σύνταΕιν  οότιυσΐ  προς  ^αυτήν  άπευθυντ^ον  μετά  βραχείας  προσθήκης  * 
έάν,  ώ  Σώκρατες,  πολλά  λέγοντες  περί  πολλυϋν,  είτα  τίνων 
πολλών  δεικνύων  προσέθηκε  θεών  καΐ  τής  τοΟ  παντός  γενέσεως* 
καΐ  τ^ρ  καΙ  περί  τής  των  θεών  γενέσεως  τών  νέων  έρ ει  [42^]  καΐ  περί 
τής  τοΟ  παντός,  καΐ  ταΟτά  έστι  τά  πολλά  *  έάν  δ»  oCv,  φησί,  πολλά  περί 
πολλΟιν  λέγοντες  περί  γενέσεως  τής  τε  τοΟ  παντός  καΐ  θεών  τών  έν 
αύτφ,  πολλών  τούτων  όντων  έκατέρων,  μή  όυνώμεθα  άπηκριβω μένους 
άποδοΟναι  λόγους,  μή  θαυμάσης  und  dazu  Ci.  Τ.  8  diasermUs  statt 
disserentium.  Uebrigens  lasen  wie  Pr.  auch  Galen,  plac.  Hipp,  et  Plat. 
792  K.  812,  9  M.  codd.  FP  und  Stob.  II  p.  7,  6  oodd.  AST. 

2  ς  ist  natürlich  interpolirt;  vgl.  S.  268  f. 


264  Diehl 

Τ.  36*^  συνβπληρουτο  oAlF,  Pr.(209e;  vgl.  218^):  συνεπλήρου 

bzw.  Ευν6πλήρουσ€  *ς 
Τ.  38»»  ακριβές  oAjF,  Pr.  (253«):  ακριβώς  *ς 
Τ.  43*  πλην  oäXF,  Fr.  (342^),  Gh.:  και  πλην  bzw    και  πριν  ς 

0A(b)3;(F)  =  Proklos 
Τ.  33^  σχήμα  oAbXF,  Pr.  (160•),  Ci.  Τ.  17:  και  σχήμα  Ί 
Τ.  38«  πλανητά  AbF,  Pr.  (255•)  ^^:  πλανήται  οϊ:  πλάνητβς  Ί 
Τ.  4\^  bk  oAb^F,  Pr.  (306^):  ούν  *ς 

Τ.  42«  θήρ€ΐον  AbiF,  Pr.  (329*;  vgl.  329«):  θηρίιυν  Ο  (vgl. 
θηρίον  pr.  θ):   θηρίου  *?,  Pr.  (im  Commentar  329*^). 

0%  =  ProkloB 
Τ.  23•  Te  nach  νόμους  fehlt  οϊ,  Pr.  (45') 

oX(F)  =  Proklos 
T.  36«  έν  ταυτψ  oSF,    Pr.  (217«;    vgl.  Text    ebd.):    και    έν 
ταυτψ  *g,  Pr.  (im  Commentar  217«*). 

A3;(F)  =  Prokloe 
T.  37^  δν  και  AXF,  Pr.  (234*):  tuv  και  *ς. 

um  nicht   ins  uferlose    zu    steuern,   mnsste  ich    zum  Aue* 
gangspunkt  alle  die  Hsh.  nehmen,  welche  zunächst  einzeln',  dann 


1  Desgl.  Philop.  aO.  14,  3  Eueeb.  praep.  ev.  11,  32.  559*^  CF. 

8  255«  ff.  πλανήτας  πλανήταις  πλανήτων  πλανητά. 

^  Deshalb  liess  ich  die  Uebereinstimmung  von  Pr.  mit  oAlq 
(T.31b  χωρισθέν  bi:  χωρισθέν  τ€  b:  χιυρισθέν  bi  t€  *c),  oAtFg  (T.  28«^ 
bi  της;  vgl.  in  T.  41^:  bi  καΐ  τής  *ς.  Τ.  37«  τότ€:  καΐ  τότε  ♦c;  ebd. 
Τ6Τονότα:  γ€τονότος  *ς),  oAbtFg  (Τ.  42d  ίτι  ήν:  fehlt  S«:  έατί  *ζ) 
Ab^Fg  (Τ.  38*  διά  χρόνον  [τόν  χρόνον  q,  χρόνου  Ab]  ού6έ  γ^ν^θαι: 
fehlt  *g.  vergl.  in  Τ.  252«  und  2b3^  biä  χρόνον.  253a  bxä  τόν  χρόνον. 
2δ8•  und  253<^  zweimal  6ιά  χρόνου),  Ag  (Τ.  39<i  καΐ  τούτων :  τούτα»ν  *cK 
iFg  (Τ.  37b  dir'  αύτου:  ύφ'  έαυτοΟ  *ς)  in  den  Tabellen  unberöcksicli- 
tigt,  trotzdem  q,  wie  schon  oben  erwähnt,  in  naher  Beziehung  zu  ZV 
zu  stehen  scheint.  —  Hier  möchte  ich  auch  noch  auf  den  Gorrector 
von  Σ  eingehen :  wahrend  die  überarbeitenden  Hände  in  X,  F,  θ  — 
nach  F  durchcorrigirt  — ,  α,  vielleicht  sogar  in  Α  aus  bekannten 
Quellen  geschöpft  zu  haben  scheinen,  die  also  als  selbständige  Ueber- 
lieferun<r  nicht  in  Betracht  kommen  können,  stimmt  Corr.  Σ  bald  mit 
einzelnen  Gliedern  der  oAX-Gru}>pe  bzw.  dieser  ganzen  Classe  überein, 
bald  mit  der  Y-Üeberlieferung.  Dann  aber  erfahren  wir  durch  ihn 
gauz  neue  Lesarten.  Da  es  nun  keineewegs  ausgeschlossen  ist,  da^s  die 
Gorrectureu  verschiedenen  Quellen  entstammen,  zTh.  also  auch  der  Pr. 
verwandten  Handscbriftenclasse  ο  AI,  stelle  ich  wegen  ihrer  Wichtigkeit 
wenigstens  hier  die  Lesarten  zusammen,  in  denen  neben  den  bekannten 
Hss.  auch  corr.  Σ  mit  Pr.  geht:  T.  29**  öoov  οΙόντ€  oAbXF<2  corr.  Σ,  Pr. 


Der  Timaiostext  des  Proklo^  2β5 

in  kleineren  und  grösseren  Serien  und  schliesslich  als  geschlossene 
Einheit  sichere  Bertihrnngspunkte  mit  dem  Timaiostext  des  Pr. 
zeigten,  unbekfimraert  darum,  ob  die  sich  ergebende  Gruppirang 
der  Hss.  zn  der  bisherigen  Anffassung  über  deren  Zusammen- 
gehörigkeit in  Gegensatz  träte  oder  nicht. 

Α%Ό,  die  sich  von  der  gesamroten  handschriftlichen  lieber- 
lieferung  Pl.s  als  Pr.  nahe  verwandt  loslösten,  bezeichnete  Schanz^ 
früher  als  die  gute  Classe,  eine  Ansicht,  die  Jordan*  bekämpfte, 
jetzt  von  Schanz  selbst  wieder  aufgegeben  ist,  insofern  mit  Recht, 
als  ein  Classensystem  im  engern  Sinne  dh.  im  Sinne  einer  gegen- 
seitigen anssohlieeslichen  Abhängigkeit  bestimmter  Hss.  über- 
haupt undurchführbar  ist:  ich  erinnere  nur  an  den  Umstand, 
dass,  wo  0  oder  Α  oder  X  allein  zu  Pr.  standen,  die  beiden  an- 
dern Hss.,  wie  schon  aus  den  Tabellen  ersichtlich,  meistens  mit 
der  Y-Ueberlieferung  parallel  gingen.  Fernerhin  könnte  von  einer 
wenigstens  bis  Pr.  hinaufreichenden  engsten  Zusammengehörigkeit 
dieser  3  Hss.  nur  dann  die  Rede  sein,  wenn  sich  unter  Zu- 
grundelegung von  0  und  Zuhilfenahme  von  A(b)X(F)  der  voll- 
ständige Proklostimaios  gewinnen  Hesse.  Denn  solange  auch  nur 
ein  einziger  Vertreter  der  θΑΐ-Grnppe,  selbst  im  Gefolge  der 
ganzen  Y-Classe,  sich  mit  Pr.  deckt,  braucht  keine  Vermischung 
der  angeblichen  beiden  Hauptolassen  zu  Pr.s  Zeit  angenommen 
zu  werden.  Nun  treten  aber,  allerdings  äusserst  selten,  jedoch 
in  Hinblick  darauf,  dass  wir  nur  für  ein  Bruckstück  des  Timaios 
den  Coramentar  besitzen,  nicht  zu  unterschätzen,  oA(b)X(F)  ge- 
schlossen gegen  Pr.  auf,  während  Vertreter  der  Y-Ueberlieferung 
die  Lesart  des  Commentars  bieten: 

T.  19*  καλών  Σ8Ξ,  Pr.  (21^  im  Lemma  und  Commentar):  κα- 
λϋ&ν  δλλιυν  *ς 

Τ.  25•  έν  bt  οή  oAiF:  έν  οέ  *c,  Pr.  (56•) 

Τ.  25^  5ουλώσασθαι  S«,  Pr.  (57•  C):   καταοουλώσασθαι  Pr. 
(MN^):  οουλοΟσθαι  *ς 

Τ.  31*»  ?τ'  ίσται  oAb:  ?σται  ίτι  ZFq:  ίσχαχ  Ss  corr.  Σ,  Pr. 
(139•*^):  ?σ€ται  *ζ 


(vgl.  in  Τ.  104<>):  δσον  τ€  *?.  Τ.  3«^  έσόμενος  oAbXFg  oorr.  ΘΣ,  Pr. 
(vgl.  254  «d  Simpl.  in  phye.  p.  791,30):  iari  μόνος  beiw.  έστι  μόνως, 
ίαόμενός  iari  μόνος  (so  ς)  *ς.  Τ.  U^  βίς  σώμα  oAF^  +  ΘΣ  (prac- 
positioiie  rc.  addita),  Pr.  (vgl.  34β>):  fehlt  Χ:  σΦμα  bezw.  σώματι  *ς. 
Τ.  38*  κατά  obtFg  corr.  Σ,  Pr.:  καΐ  κατά  *ς.    Vergl.  S.  251  unten. 

1  In  Fleckeisens  Jahrb.  1H77»  4H6  S. 

^  Hermes  13,  468. 


266  Diebl 

Τ.  38*  ό  εωσφόρος  ES^^r,  Pr.  (257*):  εωσφόρος  *^ 
Τ.  41«  παν  TOb€  oAbϊFΘ'^•  πάν  %  Pr.  (303*;  aber  vgl.  ebJ. 
im  Text  TObe  τό  παν). 
iRt  ee  Zafall,  daee  hier  stete  (also  6ma1)  S  (Parie.  2010  aaec.  XIV) 
und  Pr.  übereinatimmen?  Wenn  also  bisweilen  einzelne  Hss.  der 
sogenannten  Y- Gruppe,  wie  θ^  oder  Ξ-  oder  Σ•  oder  auch 
mehrere^  derselben  Classe  sich  mit  AXo  und  Pr.  decken,  eo 
braucht  eine  diesseits  Pr.  liegende  Beeinflussung  jener  Glieder 
der  Y-Gruppe  aus  Αΐο  oder  gar  aus  Pr.  nicht  angenommen  zu 
werden. 

Die  Ströme  der  Ueberlieferung  fliessen  somit,  wenn  man 
nicht  eine  unbegrenzte  Zahl  selbständiger  Hss.  ansetzen  will,  seit 
dem  Alterthum  —  ich  verweise  nur  auf  Cicero  und  Chaloidiue, 
sowie  die  zahlreichen  Testimonia,  die  bald  zur  ProklosüberlieferuDg 
zu  stellen  waren,  bald  von  ihr  abwichen  —  und  während  dee 
ganzen  Mittelalters  derart  in  einander,  dass  nur  in  seltenen  Fällen 
die  Abschrift  einer  Hs.  von  einer  andern  oder  ihre  direete  Ab- 
stammung von  einer  bekannten  Vorlage  ohne  Beeinfluesung  vod 
fremder  Seite  mit  Sicherheit  angenommen  werden  kann.  Selbst  1) 
und  F  enthalten  trotz  ihrer  unbestreitbaren  Zugehörigkeit  zur  Δ- 
und  X-Ueberlieferung  nur  aus  Pr.  bekannte  Lesungen,  ein  Umstand, 
welcher  ihre  eigentlichen  Vorlagen  in  weiteste  Femen  rückt  für 
den,  der  an  zufällige  Aehnlichkeit,  an  Beeinflussung  von  an- 
bekannten Hss.  oder  aus  Pr.  selbst  nicht  glaubt. 

Doch  allen  diesen  Erwägungen  liegt  die  —  im  Voraus  ge- 


*  T.  19*  έπαυΕανομένων  οΑΘ,  Pr.  (17^;  vgl.  17c):  έπαυΕομένοΐν  V 
Τ.  400  γίν€σις  π€ρΙ  οΑΪΓΘ,  Pr.  (288';  vgl.  286e):  γ^σις  ή  πβρί  biw. 
Τέν€σις  καΐ  ΐΓ€ρΙ  *ς.  Ί\  44»  σΐς  6'  αν  οΑΪΓΘ,  Pr.  (345^ ;  vgl.  Mh^ : 
άν  b'  aö  *ς.  T.31C  bi  κάλλιστος  oAbiFö,  Pr.  (143^  und  zu  Eingang 
der  Interpretation):  b'  6  κάλλιστος  *?.  Τ.  38^  βίς  τόν  τάχ€ΐ  oAblFO 
pr.  Υ,  Pr.  (;257<ΐ;  vgl.  259» j:  €ΐς  τους  τάχ€ΐ  *ς.  Τ.  ;i8c  fjciv  ΑΙΘ:  ήΐ6ν 
Pr,  (257^;  vgl.  257•-'  ήιε):  ήτ€ν  ο  ί verbessere  ήιεν):  ϊν'  γρ.  Α:  €ΐη  γ:  ή€ΐ 
♦c.   Τ.  43b  προήΐ€ΐν  0pr  Α :  προή€ΐν  ϊ:  προήεΐ€ν  Pr.  (3.39^) :  προή€ΐ  *c. 

2  Τ.  37b  κατά  o\2FqE,  Pr.  (234<i;  vgl.  234«'  23Γ)»):  κατά  πρύς 
*c.  Τ.  38»  τ€Τονέναι  οΑίΚΞ,  Pr.  (252<>;  vgl,  252«):  fuisse  Ch:  t^ovc 
*c.  Τ.  43«  εναντία  .  .  .  άρχουσον  oAtFgE,  Pr.  (341b;  vgl.  zB.  .3410: 
καΐ  έπ^σχον  άρχουσαν  rcZ:  fehlt  *e. 

8  T.  21»  διητ€ΐτο  oAtFZ,  Pr.  (27»):  διηγείται  *g.  T.  29h  oö  πάσο 
oAbiF^I,  Pr.  (102»»):  aO  καΐ  πάσα  *c. 

*  Τ.  3Ha  αΙώνα  οΑΪΡ^ΘΞΣ,  Pr.  (252«;  vgl.  247«):  αΙώνας  *?- 
Τ.  44c  ορθή  τροφή  AbFEI,  Pr.  (347»):  6ρθή  τροφή  *ς.  Τ.  41«  γ^«<πν 
^^ΪΡ^ΘΞΣ,  Ργ.  (309«^;  vgl  231*):  έμήν  γένβσιν  •?. 


Der  Tiraaiostext  des  Proklos  2β7 

sagt  —  allerdings  richtige  Yoraaeeetznng  zu  Grande,  daea  die 
zahlreichen  Berührungeponkte  besagter  Hss.  nicht  etwa  auH  Pr. 
erst  hergenommen  sind,  eine  Möglichkeit,  die  jedenfalls  in  ihren 
Consequenzen  durchdacht  werden  muss.  Den  amgekehrten  Fall, 
dass  die  Lemmata  den  Platonhea.  angeglichen  wurden,  glaube  ich 
mit  Rücksicht  auf  die  principielle  Einheit  von  Lemma  und  Com- 
mentar,  die  gleiche  Citirweise  in  verschiedenen  Schriften  und 
bei  verechiedenen  Autoren  als  anmöglich  erwiesen  za  haben.  Es 
wäre  nun  aber  denkbar 

1.  dass  der  Archetypus  von  0  —  ich  nenne  nnr  eine  He. 
—  lediglich  eine  Zusammenetellung  der  Pr.iemmata  war; 

2.  dass  der  Archetypus  von  ο  nach  den  Lemmata  des  Prok- 
loscomraentars  durchcorrigirt  wurde,  wofür  der  heute  noch  er- 
kennbare Corrector  von  F  eine  treffende  Parallele  böte.  Dann 
wären  die  immerhin  zahlreichen  Abweichungen  vom  Proklostext 
leicht  dadurch  erklärt,  dass  jener  Excerptor,  wie  der  von  F,  nach 
Belieben  in  sein  Exemplar  die  Varianten  ans  Pr.  eintrug. 

Beiden  Möglichkeiten  aber  mussten  wir  zwei  Annahmen  zu 
Grunde  legen,  die  eich  kaum  beweisen  Hessen.  0  bewahrt  seine 
eigenthümliche  Sonderstellung  im  ganzen  Dialog.  Wäre  sein 
Archetypus  auf  die  angedeutete  Weise  entstanden  bzw.  über- 
arbeitet worden,  dann  müsste  in  jener  Zeit  noch  der  vollständige 
Commentar  erhalten  gewesen  sein.  Doch  nicht  nur  dies.  Für 
den  Archetypus  aller  Prokloshss.  mussten  wir  die  Kürzung  der 
Lemmata  des  ersten  Buches  durch  £ιυς  τοΟ  in  24  Fällen  an- 
setzen, aus  diesen  vermochte  jemand  weder  den  Piatontext  als 
Ganzes  zu  reconstruiren,  noch  neue  Lesarten  für  sein  Platon- 
exemplar  zu  gewinnen.  Dann  aber  wären  wir  gezwungen,  einen 
Pr.  mit  lauter  vollständigen  ζήσεις  anzusetzen  ^  Damit  würde 
der  Erklärer  allerdings  von  jener  Inconsequenz  freigesprochen 
werden;  allein  er  bedarf  nicht  dieser  Entlastung,  da  seine  Ar- 
beitsweise nicht  den  Maassstab  verträgt,  den  wir  an  die  philo- 
logische Textbehandlung  anzulegen   gewohnt  sind. 

Beständen  beide  Annahmen  zu  Recht,  sodass  sowohl  ο  als 
Α  als  Ϊ  erst  aus  Pr.  geschöpfte  Lesarten  enthalten,  so  blieben 
die  Varianten  bestehen,  die  schon  Pr.  selbst  bekannt  waren  und 
noch  heute  in  verschiedenen  Hrs.  überliefert  sind  (S.  251  ff.); 
nicht  wegdisputiren  läset  sich  ferner  die  Thatsache,  dass,  wie 
ein  Blick    in  die   obigen  Tabellen   und  die  Testimoniensammlung 

1  Aber  auch  so  bliebe  zB.  T.  26^  άπαΐ00μ€θα  (β.  S.  268  oben) 
unerklärt. 


268  Diehl 

Kawacke  lehrt,  ältere,  gleicbzeitige  und  jüngere  Autoren  wie  Pr. 
in  auffallender  Uebereinatimmung  mit  zTh.  ganz  jungen  Pla- 
tonhee.  oitireii.  Was  den  wenigen  von  Pr.  zufKllig  notirten,  von 
seinem  Text  abweicbenden  Lesarten,  sowie  den  Scbrifteteller- 
Zeugnissen  in  Bezug  auf  die  directe  Piatonüberlieferung  Becht 
ist,  muss  den  specifisoben  Lesungen  der  Lemmata  billig  sein. 
Wenn  sich  also  0  in  ro  b ervorragendem  Maasse  dem  Prokliscben 
PI.  nähert,  wenn  ausser  ihm  auch  Α  und  Ϊ  im  Gegensatz  zq 
allen  andern  Hss.  nicht  von  der  Hand  zu  weisende  Berübmngs- 
punkte  mit  Pr.  zeigen,  so  folgt  daraus,  dass  0,  weil  dem  Timaios- 
text  des  Pr.  weit  näher  verwandt  als  die  beiden  andern,  nicht 
aus  Α  und  nicht  aus  X,  und  erst  recht  nicht  aus  irgend  einer 
andern  uns  bekannten  Platonhs.  stammen  kann,  Α  ebensowenig 
als  Quelle  von  ΐ,  wie  als  letzter  und  einziger  Archetypus  der 
übrigen  Timaioshss.  der  fingirten  ersten  Classe,  geschweige  denn 
aller  Platonbss.  gelten  darf. 

Nur  eineii  Punkt  möchte  ich  noch  berühren,  der  für  die 
U  eberlief  er  ungRgeschichte  des  Commentars  nicht  ohne  Belang  ist. 
£s  handelt  sieb  um  die  Frage,  ob  in  den  verschiedenen  Ηββ.• 
classen  und  -familien  des  Pr.  nicht  doch  im  Einzelnen  Spuren 
von  Beeinflussung  durch  einen  Piatontext,  welche  für  die  Ge- 
sammtheit  als  ausgeschlossen  galt,  sich  erkennen  lassen,  dh.  ob 
die  in  den  verschiedenen  Zweigen  der  Ueberlieferung  begegnen- 
den Varianten  der  Lemmata  bloss  auf  Verschiebungen  des  be- 
treffenden Textes  als  solchen  beruhen  oder  einer  auf  PI.  zurück- 
greifenden Hand  zuzuschreiben  sind.  Ich  fasse  mich  kurz  und 
beschränke  mich  auf  die  Resultate  der  Untersuchung.  Vielfach 
weicht  ς•,  bekanntlich  keine  selbständige  Deberlieferungsquelle, 
von  den  übrigen  Hss.  ab,  ohne  dass  sich  irgend  ein  Stützpunkt 
für  die  scheinbar  neue  Lesart  in  den  Platonbss.  fände:  wohl 
meistens  offenbare  Gorruptelen.  Giebt  nun  aber  c  allein  den  uns 
bekannten  Piatontext  —  mag  dieser  auch  in  der  guten  Ueber- 
lieferung von  alters  her  verderbt  sein  oder  nicht  —  sei  es 
ohne,  sei  es  mit  Bestätigung  des  Commentars,  so  kann  die  be- 
treffende  Lesart    nur    auf    Emendation^    nach    einem    Piatontext 


1  T.  20e  προπάππου  PL,  Pr.  (25o  ς):  πάππου  Pr.  (CNP).  1.33«• 
ομοιον  άνομοίου  PL,  Pr.  (160b  ς;  vgl.  163*» «):  άνόμοιον  άνομοίου  Pr. 
(MPQ).  T.  35«  δύσμικτον  PL,  Pr.  (188^  Q?;  vgl.  Commentar  ebd.  und 
191C):  σύμμικτον  Pr.  (MP).  T.  39«  6ΐ€νοήθη  PL,  Pr.  (272«  ς ;  vgL  69•  CMPc 
98e  CNPg  268b  DQg):  δΐ€νοηθήναι  Pr.  (DQ).  T.  4V»  έκ€ίναιν  PL,  Pr. 
(305•  s;  vgl.  144«»MPQg):  έκ€!νον  Pr.  (DQ). 


Der  Tiraaiostext  des  Proklos  2β9 

beruhen,  die  aacb  wir  zu  acoeptiren  haben,  oder,  wae  natürlich 
häufiger  vorkommt,  auf  bloseer  Interpolation^,  die  auch  dann 
vorliegt)  wenn  ς  im  Gegensatz  zu  den  beeeeren  Ηββ.  die  Leeart 
nur  eines  Theilee  der  Platonhss.  wiedergiebt.  Die  Ueberarbeitung 
der  Lemmata  erstreckt  sich  vorzüglich  auf  «r»  ftber  auch  DQ  (vor 
allem  D  allein)  sind  nicht  frei  davon.  Doch  ist  die  eigentliche 
Quelle  des  jeweiligen  Kedactors,  die  ja  durch  den  Gegensatz  zu 
OAX  a  priori  gekennzeichnet  ist,  in  keinem  Falle  in  einem  be* 
stimmten  Arm  der  vorläufig  erreichbaren  directen  Platonüber- 
lieferung  zu  suchen. 

München.  Ernst  Diehl. 


*  Zwei  solcher  Fälle  wurden  schon  an  anderer  Stelle  erwähnt: 
T.  29«  πολλά  ΐΓΟλλΦν  oAbi,  Fr.  (CMP):  πολλά  πολλών  βΐπόντων  *ς, 
Fr.  <?)  S.  2ti3  und  T.  35»i>  ποιησάμ€νος  (μπαλιν  Fr.  (MF):  ^v  ποιησάμ€νος 
έμπαλιν  Fr.  (Qg) :  ποιηαάμβνος  £v  πάλιν  Fl.  S.  26.3.  ~  Ein  neuer  Beleg 
ist  T.  22«  κατά  bi  τήνδ€  χώραν  pr.  Α:  κατά  bi  τήν  χώραν  ο  pr.  Ξ, 
Fr.  (37»  MF):  κατά  6έ  τήνδ€  τήν  χώραν  •ς,  Fr.  (C):  κατά  bi  τήν 
χώραν  τήνδ€  Fr.  {ς).  —  Aehnlich  liegen  die  VerhältniMe  Τ.  25«  απαντάς 
Fl.,  Fr.  (57«  ς):  πάvταςFΓ.  (C):  παντός  Fr,  (Μ Ν).  —  Besondere  lehrreich 
ist  Τ.  19<ie:  Das  scheinbare  Oxymoron  χαλ€πόν  μέν  ^ργοις»  £τι  bi  χα- 
λ€πώτ€ρον  λόγοις  €θ  μιμ€ΐσθαι  ist  in  Μ  (20«)  allein  in  der  Frokliani• 
sehen  Fassung,  welche  auch  aus  den  Corruptelen  in  C  und  F  hervor- 
leuchtet, und  zwar  ohne  bi  überliefert.  Der  Commentar  20^  schliesst 
sich  in  den  guten  Hss.  auch  nicht  eng  an  die  Worte  des  Lemma  an, 
während  in  ς  sowohl  bi  ergänzt  ist,  als  Lemma  und  Interpretation 
angeglichen  wurden.  —  Sehr  complicirt  ist  die  Ueberlieferung  T.  38»: 
Die  Hss.  schwanken  zwischen  Συνιστάς  (Ευνιστάν,  Ηυνιστάντα,  Ευνιστα) 
τά  σώματα  oder  τφ  σώματι,  ς  Frocli  (157^)  liest  ebeufalls  ίυνιστάν 
τφ  σώματι,  während  in  MFQ  Lemma  und  Text  (158^  ff.)  die  richtige 
Leeart:  συστατφ  σώματι  erhalten  haben.  Vgl.  auch  in  remp.  II  9,3. 
—  T.  39«  τοιαύτας  καΐ  τοσαύτας  PL,  Fr.  (272«  ς):  τοσαύτας  Fr.  (DQ; 
vgl.  98«  CNFg  69»  CMF?).  —  T.  42^  bieten  κρατήσ€ΐ€ν  i\  die  meisten 
Platonhss.  und  Fr.  (327«  r),  während  im  Commentar  pluraliter  κρα• 
τήαασαι  έν  6(κΐ}  βιοΟσι  (seil,  αΐ  ψυχαί)  umschrieben  wird:  κρατήσοι 
έν  Ργ.  (Q):  κρατήσαι  έν  Fr.  (D):  κρατήσοΐ€ν  Ab:  Fr.  las  κρατήσοκν 
έν  mit  %q  oder  gar  κρατήσαιεν  έν  mit  Σ. 


^^ 


ZUR  POSITIONSDEHNUNG  VOR  MÜTA  CUM 
LIQUIDA  BEI  DEN  ATTISCHEN  DICHTERN 

Für  den  Haupttheil  der  vorliegenden  U η tereachung,  fiir  die 
attische  Tragödie,  hat  Kopp  in  der  Abhandlung  über  die  positio 
debilie  und  correptio  Attica  im  jambiaohen  Trimeter  der  Griechen^ 
eine  nach  der  technischen  Seite  im  Wesentlichen  abschliessende 
Bearbeitung  geliefert.  Eine  historische  Betrachtung  des  Verfahrene 
der  attischen  Dichter  lag  naturgemüss  nicht  in  seinem  Plan,  der 
darauf  ging,  die  Geschichte  der  positio  debilis  durch  di^n  jam- 
bischen Trinieter  zu  verfolgen,  unter  Ausschluss  sogar  des 
troch&isohen  Tetrameters.  Goebel,  der  vor  ihm  schrieb',  hatte 
sich  diese  Beschränkung  nicht  auferlegt,  Elegie  und  Trochäoe 
mit  hereingezogen,  ist  aber  gleichfalls  im  Allgemeinen  über  die 
technischen  Erwägungen  nicht  hinausgegangen  ^,  es  fehlte  ihm 
ausserdem  ein  wichtiges  Glied,  das  attische  Epigramm,  das  uns 
jetzt  in  solcher  Fülle  vorliegt,  dass  es  eine  Betrachtung  lohnt. 
Es  soll  versucht  werden,  nach  einer  Richtung,  in  der  Behandlung 
des  Vokals  in  der  positio  debilis,  aber  ohne  dabei  die  Gesammt- 
ent Wicklung  der  Sprache  in  den  verschiedenen  attischen  Dichtungs* 
arten  aus  dem  Auge  zu  lassen,  die  fortschreitende  Befreiung  von 
den  alten  MusterU)  Homer  und  den  jonischen  Elegikem  und 
Jambographen,  zu  verfolgen,  wie  sie  zur  Entstehnng  einer  attischen 
Dichtersprache,  verkörpert  in  der  Tragödie,  führt.  Wenigsten« 
einige  Etappen  lassen  sich,  wie  es  scheint,  noch  erkennen.  Die 
Komödie,    sowohl    in    ihrer  Sprache   als   auch    in    der    strengen 


i  Rhein.  Mus.  41  (1886)  S.  247  u.  876. 

^  De  corr.  Att.,  dies.  Bonn  1876. 

^  Darüber  hinausgehende  Bemerkungen  hat  Rumpel  (Qnaeet.  metr. 
Insterb.  Progr.  I  u.  II  1865/6),  der  erste  grundliche  Bearbeiter  dieser 
Frage  für  die  Tragiker,  gelegentlich  gemacht,  aber  nur  gans  ver- 
einzelt und  ohne  System. 


Zur  PositionsdehnuDg  vor  muta  cum  liquida  bei  d.  attiechen  Dichtern  271 

Darchführung  der  correptio  Attica  ^  eine  rein  attieche  Bildung, 
scheidet  ans,  zu  betrachten  ist  die  Elegie,  in  erster  Linie  Solon, 
zugleich  die  geringen  Reste  der  alten  Jamben  und  Trooh&en,  das 
ältere  Epigramm,  die  Tragödie. 

In  der  metrischen  Werthnng  des  kurzen  Vokals  vor  muta 
cum  liquida  stehen  sich  in  der  griechischen  Poesie  zwei  entgegen- 
gesetzte Principien  gegenüber,  bezeichnet  durch  Homer,  bei  dem 
die  Positionsdehnung  die  Regel  bildet,  und  die  attische  Komödie, 
wo  in  voller  Strenge  die  sogenannte  correptio  Attica  herrscht '. 
Ausnahmen  von  der  Regel  finden  sich  bei  Homer  fast  nur  bei 
der  Verbindung  von  muta  mit  ρ  und  λ^,  durch  metrischen  Zwangt 
und  durch  die  Stellung  im  Vers  ^  begründet.  Im  Innern  eines 
Worts  sind  sie  äusserst  selten,  am  ehesten  noch  in  einem  Com- 
positum zugelassen,  häufiger  bei  anlautender  muta  cum  liquida, 
entsprechend  den  drei  Arten,  respective  Abstufungen  der  positio 
debilis,  d.  h.  der  Stellung  des  kurzen  Vokals  vor  muta  cum 
liquida:  1)  vor  anlautender  muta  cum  liquida,  hier  ist  die  Po- 
sitionskraft  am  echwächsten,  2)  in  der  Junktur  oder  Compositions- 
fuge  eines  zusammengesetzten  Worts,  auch  hier  wird  sie  schwächer 
empfunden,  3)  im  Wortinnern,  hier  ist  die  Poaitionskraft  am 
stärksten.  Dieselben  Grundsätze  über  die  Positionskraft  gelten, 
wenn  auch  in  andrer  Abstufung,  auch  dort,  wo  wie  in  der 
Tragödie  die  correptio  herrscht  und  die  Positionsdehnung  als 
Ausnahme  auftritt:  dann  ist  die  letztere  vor  anlautender  muta 
cum  liquida  verpönt,  in  der  Junktur  gleichfalls  gemieden,  häufiger 
möglich  nur  im  Wortinnern. 

Die  bei  Homer  und  überhaupt  in  der  älteren  Dichtung  ^ 
herrschende  Uebnng  scheint,   wie  die  Behandlung  des  Vokals  im 

1  S.  Kopp,  Rhein.  Mub.  41  (1880)  S.  249  ff.  Die  üeberlieferung 
des  Aristophanes  zeigt,  abgesehen  von  einigen  Nachahmungen  der  Tra* 
gödie,  reepective  Homers  und  von  vereinzelten  Corruptelen  regelmässig 
correptio  Attica. 

'  Im  Folgenden  werden  die  herkömmlichen  Termini  technici  ver- 
werthet  werden. 

β  S.  La  Roche,  Hom.  Untersuch.  I  1869  S.  2. 

«  S.  La  Roche  S.  1. 

^  In  der  Regel  nach  der  ersten  Kürze  des  3.  u.  5.  Fusses,  s. 
Hartel,  Hom.  Stud.  Ρ  1873  S.  80  ff. 

^  Epos,  £legie,  Jambus,  äolische  Lyrik,  während  Pindar  und  die 
übrigen  eborischen  Lyriker  in  der  Mitte  zwischen  Homer  und  den  Dra- 
matikern stehen,  s.  Westphal,  Allg.  Theorie  der  gr.  Metrik»  S.  103  II 4. 


272  ν.  Μβββ 

Komparativ  und  Superlativ  bei  den  Adjektiven  auf  -ος  zeigt  \ 
auf  eine  gewisse  in  der  älteren  grieohischen  Sprache  '  allgemein 
vorhandene  Empfindung  für  die  positionRbildende  Kraft  von  muta 
cum  liquida  zurückzugehen  ^  weniger  auf  eine  specielie  £igen- 
thümliohkeit  des  joniechen  Dialekte,  die,  wie  ee  z.  B.  Westphal 
annimmt  ^  auf  seiner  Weichheit  beruhen  soll.  Daher  hat  allge- 
mein in  der  jüngeren  Dichtung,  auch  bei  den  joniechen  Elegikern 
und  Jambographen,  die  Neigung  zur  Positionedehnnng  allmählich 
abgenommen,  die  correptio  Attica  immer  mehr  au  Boden  ge- 
wonnen, wie  Goebel  ^  bereits  nachgewiesen  hat.  Das  jonieche 
Epigramm  zeigt,  so  weit  die  dürftigen  Reste  ein  Urtheil  erlauben, 
dieselbe  Technik   wie    die    übrigen  Stämme  *,    correptio  und  Po- 


1  Das  ο  wird  nicht  gedehnt,  wie  sonst  nach  kurzem  Vokal;  s. 
Kühner  Blass,  Griecb.  Gramm.  I  S.  557  fi'.,  dort  auch  Anm.  8  die  Aus- 
nahmen, >^ eiche  sich  bei  den  attischen  Dichtern  (Kur.,  Menander)  ündeu, 
wohl  unterstützt  durch  die  correptiu  Attica.  Als  neueste  Schrift  sei 
genannt  Grau,  Positiouslauge  Silbeu,  Beil.  Prügr.  1902  S.  IG. 

3  Im  Gegensatz  zum  Gebrauch  der  lateinischen  Sprache  (Plautos). 

'  Dass  aber  auch  Homer  (speciell  im  Anlaut)  die  Positionskraft 
dieser  Verbindung  viel  schwächer  empfand  als  die  andrer  Konsonanten- 
gruppen, zeigt  Hartel,  Hom.  Stud.  Ρ  1873  S.  85  ff. 

*  Allg.  Theorie  der  gr.  Metrik  ^  S.  104. 

δ  S.  7,  vgl.  0.  floffmann,  Gr.  Dialekte  III  S.  584  f. 

^  Ich  gebe  die  Beispiele  nach  Ernst  Hoffmaun,  Sylloge  epigr.  Gr. 
1893    u.  Otto  Hoffmann,  Gt,  Dial.  III  1898,   auf    spätere  Funde   habe 
ich  nicht  die  ganze  verstreute  Litteratur  durchmustern  können.    Hinzu 
kommt  vielleicht,    wenn  die  Ergänzungen  richtig  sind,    eine    alte    pa- 
rieche  Inschrift  (6.,  7.  Jahrh.)  bei  Hiller  v.  Gaertringen,  Jahresber.  des 
östr.  arch.  Inst,  δ  (1902)  8.  9  ff.   'Αφροδ](της  μ'  "Είλπις  «ΤραφΊ  Εύπά- 
λω[ι  xdjptv  φέ[ρων],    eine  andere  daselbst  mitgetheilte  Ergänzung  bat 
die  zwei  Positionsdehniingen  nicht,  die  aber  sehr  gut  zn  der  bis  nahe 
an  Archilochos  heranreichenden  Zeit  der  Inschrift  passen.     Die  übrigen 
Epigramme  stammen  etwa  aus  dem  5.  u.  4.  Jahrhundert  (zeigen  noch 
jonischen  Charakter).    Positionsdehnung  nnden  wir:  £.  Hoffmann  53,3 
[θ]υγατρός  289,3  πατρώων  (11,  2πατρω(ης  6.  Jh.)  321, 1  όβριμ[οιτάτρης] 
(387, 2  *ΑΓτρ]οτέρ[αν]  wohl  nicht  mehr  hierherzuziehen)  403  ΤΤατρδκλέους 
(c.400)  0.  Hoffmann  145, 2  πατρ(    8<$κρ[οι];  correptio:  Ε.  Η.  43 TTUTMO^t 
vor  schwerer  Verbindung,  die  sonst  fast  immer  Position  bildet  (s.  Kopp, 
Rhein.  Mus.  41  S.  248  u.  256    Kumpel,  Quaest.  meir.  II  3  f.)  61,2  Φα- 
νο[κ]ρ(τη  301  ποίημα  KpiTUiv(6€ui  321  von  0.  Hoffmann  37  gVLt  ergänzt 
[άν^θηκ€    χρυ]σήν   323,  1  'Αφροδίτης    2  Κύπρις    378,  1  Αοκρός  Ά<ην• 
κλ^ος   2  τήνδ€  βροτοίς  (diese    Basisinschrift  eines   samisohen  Känstiers 
für   einen  italischen  Lokrer   zeigt  in    der  Subscriptio    ein  Πυθατορβζ• 


Zar  PositioDsdehnung  vor  muta  cum  liquida  bei  d.  attischen  Dichtem   273 

sitionsdehnung  neben  einander,  am  Wortschloes  die  e'retere  herr- 
schend \  Die  chorieche  Lyrik  kann,  obgleich  uns  jetzt  ein  reiches 
Material  durch  Bacchylides  vorliegt,  keinen  Anfechlaee  geben,  da 
sie  eiperseits  dnrch  die  dorisch-äoliechen  Muster,  andrerseits 
durch  Homer  beeinflusst  ist,  doch  auch  hier  zeigt  sich  gegenüber 
Homer  eine  bedeutende  Verminderung  der  Neigung  zur  Positions- 
dehnung ^ 

Dem  attischen  Sprachgefühl  war  im  5.  Jahrhundert  die 
Positionsdehnung  vor  muta  cum  liquida  vollständig  fremd,  ebenso 
wie  dem  römischen,  das  zeigt  uns  die  Komödie^,  die  uns  allein 
die  Sprache  des  gewöhnlichen  Lebens  vorführt.  Von  diesem  ein- 
fachen und  streng  durchgeführten  Gebrauch  weichen  aber  die 
übrigen  Dichtungsgattungen  in  mehr  oder  weniger  starker  Weise 
ab.  Für  den  Dialog  der  Tragödie  gilt  die  correptio  Attica  zwar 
als  Regel,  aber  daneben  wird  die  Langmessung  zugelassen.  Für 
Solon,  den  Vertreter  der  alten  Elegie,  gilt,  wie  für  die  ältere 
jonische  Poesie,  der  Vokal  vor  muta  cum  liquida  als  lang^  Es 
entsteht  die  Frage:  giebt  er  uns  noch  eine  Neigung  der  älteren 
attischen  Sprache  wieder,  oder  folgt  er  der  Kunstübung  seiner 
Vorbilder,  der  Elegiker  und  Jambographen,  in  letzter  Linie  des 
homerischen  Epos?     Wir  sind  durch  die  Funde  hauptsächlich  der 


man  würde  den  Dialekt  für  attisch  halten,  wenn  nicht  die  Zeit,  nach 
472,  im  Wege  stünde)  392  [Φαι]συτλ(ης  (s.  Ernst  Hoffmann)  404,  5 
'  Ηρακλ€ώτης  (oder  Syniz.  ?,  Halik.,  5/4.  Jahrb.).  Singular  63,  3  robc 
μν[ήμ]α  (doch  nicht  unerhört,  vgl.  Westphal,  Allg.  Theorie  der  gr. 
Metr.  S.  107/8 ;  το  μνήμα  Ο.  Π.  68). 

^  Kein  Fall  dieser  Positionsdehnung  findet  sich  in  den  vor- 
liegenden jonischen  Epigrammen,  wohl  aber  in  den  dorischen  und 
attischen  (s.  S.  276). 

^  Am  Wortschluss  ist  bei  Bacchylides  die  correptio  gebräuch- 
licher, sogar  häufiger  als  bei  Pindar.  J.  Schöne,  De  dial.  Baoch.  dies. 
Lips.  1899  S.  299  zählt  39  Fälle  von  correptio,  24  von  Positions- 
dehnung, letztres  nicht  ganz  richtige  indem  er  (wie  überhaupt  in  seinen 
Tabellen)  zwei  Fälle  von  sogenannter  schwerer  Verbindung,  βλ  (bewirkt, 
wenn  auch  nicht  ausnahmslos,  in  der  Regel  Positionsdehnung,  s.  Kopp 
S.  248.  256  Westphal  106),  11,  17  und  19,  19  mitrechnet,  während 
Pindar  251  mal  correptio,  188  mal  Positionsdehnung  braucht;  im  Wort- 
innern  (incl.  Junctur)  beträgt  das  Verhaltniss  33,6%  bei  Pindar,  7,8 ^/^ 
bei  Bacchylides  (allerdings  mit  den  schweren  Verbindungen),  wohl  unter 
Einfluss  der  jonischen  Dichtung  (s.  Schöne  S.  304),  speciell  Homers. 

β  S.  S.  271,  über  die  schweren  Verbindungen  Anm.  2. 

*  Die  Ausnahmen  s.  unton  S.  275. 

Rhein.  Mue.  f.  Pbllol.  N.  F.  LVir  18 


274  ν.  ΜθΒβ 

neueren  Zeit  in  die  Lage  versetzt,  dieser  Frage  näher  treten  η 
können.  Das  attische  Epigramm  hat  uns  reiche  Prohen  der 
Dichtung,  wie  sie  im  attischen  Volk  geüht  wurde,  gebracht,  die 
bis  ins  6.  und  wohl  auch  7.  Jahrhundert  hineinreichen.  Wir 
können  jetzt  Solons  Gebrauch  mit  etwa  gleich  alten  Zeugen  yer 
gleichen. 

8olon  hat  47  Beispiele  von  Posxtionsdehnung  in  den  Elegies, 
8(9)  in  den  Jamben  und  Trochäen,  3  Beispiele  von  correptio  in 
den  Elegien  ^ 

Die  Beispiele  der  Positionsdehnung  sind  folgende ' : 

El.  2,  2  πατρΛ*  (19,  6) 

4,  3  όβριμοπάτρη 

4,  5  άςρραδίησιν 

4,  8  ΰβριος  (13,  11.  16),  4,  35  ößpiv  (8  Arietot.  Άθ.πολ. 
12  8.  14,  17  Bl.«) 

4,  14  θέμ€θλα 

4,  23  π€νιχριΣιν 

4,  24  ΙκνοΟνται 

5,  4  έφρασάμην  (13,  38  κατ€φράσατο  20,  2  έπβφρασάμην) 
9,  4  dibpiq 

11,  1  λυγρά 
11,  5  ϊχν€σι 
13,  1  τέκνα 

18,  5  πικρόν 

13,  10  πυθμένος  13,  20  πυθμένα 
13,  19  άτρυγέτοιο 
13,  27  άλιτρόν 
13,  35  δχρι 
13,  41  άχρήμων 
13,  48  λατρ€υ€ΐ 
δροτρον 
13,  49  πολυτέχν€(υ 
13,  62  μέτρο  ν  (16,  2) 
13,  70  αφροσύνης 
13,  73  διπλασίως 

19,  4  Κύπρις 


1  Die  Beispiele  gesammelt  bei  Goebel,  De  corr.  Att.  dies.  Bonn. 
1871,  S.  3.  Es  kommen  hinzu  die  Fragmente  aus  der  *Αθηνα(αιν  νολ. 
des  Aristoteles. 

2  Bergk,  Poetae  lyr.  Gr.  II*  S.  34  ff. 


Zar  Positionsdehnang  vor  muta  cum  liquida  bei  d.  attischen  Dichtern    275 

21,  1  δκλαυστος 

22,  1  Εανθότριχα 

πατρός 

23,  2  άγρευταί 

24,  4  αβρά 

26,  1  Κυπρογενους 

27,  6  λαχνουται 
am  Wortichlaee: 

4,  15  τα  γιγνόμενα  πρό  τ'  ίόντα  (of.  Hom.  II.  Α  70  τά 
τ'  έόντα,  τά  τ'  έσσόμενα  πρό  τ'  έόντα). 

13,  15  τό  πρώτον  (Hom.  Ψ  324  η.  β.,  die  Worte  wurden, 
ebenso  wie  τα  πρώτα,  als  ein  Ansdrack  empfunden  ') 

28,  1  έπ\  προχοήσι  (Hom.  Ρ  263) 

Arietot.  Άθ.  πολ.  5  S.  6,  17  Bl.^  ένΐ  φρεσί  (Hom.  oft), 
in  den  Jamben  und  Trochäen : 

32,  2  πατρίδος  (Arietot.  ΆΘ.  πολ.  12  S.  15,6  Bl.«),  36,6 
πατριό' 

33,  1  βαθύφριυν 

33,  7  κόπιτ€τρΐ<ρβαι 

34,  1  έφράσαντο 
36,  19  κακοφραοής 

Arietot.  Άθ.  πολ.  12  S.  14,  21  άφνεάν 

38,  1  Ττρια  ist  vielleicht  als  naturiang^  behandelt  worden. 

correptio  findet  eich  :  zweimal  am  Wortechluss:  4,  16  bi 
χρόνψ  und  4,  32  κακά  πλείστα  ^  einmal  im  Stamm  Arietot. 
ΆΘ.  πολ.  5  8.  6,  19  Bl.«  μετρίοισι^ 

Zu  beachten  ist,  daee  auf  circa  50  Poeitionsdehnungen  im 
Wortinnern  nur  eine  Kürze,  auf  4  am  8chluee  2  Fftile  von  cor- 
reptio kommen.  Von  den  Worten,  die  die  Dehnung  anfweieen, 
beeteht  ein  groeser  Theil  aus  homerischen,  poetischen,  die  andern 
sind  faet  alle  der  attischen  und  poetischen  Sprache  gemeinsam  ^ 

In  den  Jamben  und  Trochäen  hat  Solen,  wie  es  eoheiut, 
dieeelben  Geeotze  beobachtet.    Nur  reicht  dae  Material  zu  einem 


1  Vgl.  A.  Ladwich,  Rhein.  Mas.  41,  302  u.  480  zu  Dion.  Per.  694 

u.  786. 

3  S.  Kopp  aO.  S.  250.  Die  Etymologie  scheint  auf  Kürze  zu 
weisen,  vgl.  Leo  Meyer,  Gr.  £tym.  II  8.  35. 

•  Vgl.  Hom.  h  127  οθι  ιτλ€ΐστα. 

^  Metrischer  Zwang,  unhoraerisches  Wort,  dagegen  μ^τρον  mit 
Positionsdehnang. 

^  Ausser  vielleicht  διπλασίιιις  and  £πιτρ(βομαι. 


271)  ν.    Μ  688 

sicheren  Schlues  nicht  ganz  aus.  Es  findet  sich  keine  Poeitione- 
dehnung  am  Schlues  eines  Wortes,  femer  sind  sämmtlicfae  Fälle 
derart,  dass  auch  metrische  Gründe  für  die  Messung  in  Betracht 
kommen  Κ 

Von  diesem  Gehrauch  unterscheiden  sich  die  attischen 
Epigramme  nicht  unwesentlich.  Wir  werden  uns  hier  nur  mit 
den  älteren  Vertretern  dieser  Gattung  zu  beschäftigen  haben 
(vom  6.,  eventuell  7.  Jahrhundert  bis  zum  5. '). 

Am  Wortschluss  zeigen  die  Epigramme  keine  Positione- 
dehnung  und  sohliessen  sich  hierin  an  den  Sprachgebranch  an, 
den  wir  aus  den  attischen  Dramatikern  kennen,  das  einzige  Bei- 
spiel Nr.  260  3  .  .  .  ov  im  πλατ€[ΐ  Έλλησπόντιμ]  ist,  wie  Kirch- 
hoff  notirt  hat,  eine  homerische  Klausel^.  Im  Wortinnem  da- 
gegen erscheint  häufiger  die  Positionsdehnung  als  die  correptio, 
hier  stehen  sie  Solon  näher  als  dem  späteren  attischen  Usus. 

Bevor  wir  die  Folgerungen  ziehen,  müssen  wir  die  einzelnen 
Beispiele  prüfen.  Die  correptio  ist  in  5  Fällen  durch  die  Rück- 
sicht auf  das  Metrum  bedingt:  5,  1  [Τ]ούπικλέους,  32,  4  Σαλυ- 
βρίαν,  228,  2  πρ[θφρόνΐϋς] ,  253,  1  'Αφροδίτη  (vgl.  Homer), 
256, 2  [χρυ]σοτρία[ι]ν\  in  10  ohne  metrische  Veranlassung  zwingen- 
der Art :  33,  1  κυκλψ,  34,  12  πατ[ρίο']  (36,  2  πατρίδα,  ebenso 
42,  2  6),  41,  2  πατρί  (213,  2  πατρός),  215,  2  Άλκίφρονος,  236,2 
τέκνου  (351,  4  τέκνων,  aus  d.  J.  410—380),  271, 1  Λυσικλείοης^ 

Unter  den  Beispielen  von  Positionsdehnung  werden  durch 
das  Metrum  folgende  gefordert: 

9,  2  σαοφροσύνης 


^  κάπιτετρΐφθαι  sonst  unmöglich,  in  den  übrigen  Fällen  hätte 
Auflösung  der  Arsis  eintreten  müssen,  ein  Fall,  in  dem  auch  die  Tra- 
giker die  PositionsdehnuDg  vorzuziehen  pflegten,  s.  S.  272. 

^  Ich  gtibe  die  Beispiele  nach  Ernst  Hofimann,  Sylt,  epigr.  Gr. 
1893.  Ueber  die  Quantität  in  der  positio  debilis  Allen,  Greek  Tersi- 
fication  in  inscr.,  Papers  of  Amer.  school  at  Athene  IV  (1885/()) 
S.  80—99,  im  Wesentlichen  eine  blosse  Zusammenstellung,  ohne  Schei- 
dung nach  den  Dialekten,  denen  die  Epigramme  angehören. 

β  Bei  E.  Hoifmann,  s.  oben  Anm.  2.  Correptio  findet  sich:  2,4. 
7»,  1.  13,  2.  22,  1.  215,  2.  269,  2  Παλλάδι  τριτογ€ν€ΐ,  dasselbe  ist 
234,  2  nach  den  Resten  ergänzt  (273,  2  gehört  schon  in  den  Anfang 
des  4.  Jahrhunderts)  399  [τόδ*  έστΙ  γράμμα  τώ]ν  ΤΤοσείου  γραμμάτων. 
416,  1  (muthmasslich  5.  Jahrhundert). 

*  Hom.  Η  86  u.  ω  82. 

^  Wohl  noch  5.  Jahrh.,  β.  Koehler  bei  Ε.  Hoffmronn  aO. 

^  Mit  Verletzung  des  Metrums. 


Zur  Poeitionedehnunfr  vor  mata  cum  liqnida  hei  d.  attieoheti  Dichtem    277 

24,  2  Τιμοκλής  (in  der  Theeie) 

27,  2  [5ακρυ]0€ΐς  407,  2  Οακρυ0€ντα 

38,  2  Κ€κροπί5ος^ 

215,  3  τανυπέπλου 

216  [Ά]ριστοκλής  (in  der  Theeis) 

226,  1  έτρ€μάχςι 

227,  1  άκροπόλ€ΐ 

249,  1  άχνυόεντι  (ans  Herodot  5,  77  ergänzt) 

251,  1  κρατ€ρόφρ[ονι]  (261,  1). 

Zu  bemerken  ist,  dase  mit  Aneoalime  der  Namen  und 
ακροττόλει,  das  wie  ein  Name  gebraucht  wird,  diese  eämmtlichen 
Worte  aus  der  epischen  Poesie  stammen  ^.  Das  ist  nm  so  wich- 
tiger, als  bei  mehreren  dieser  Fälle  der  metrische  Zwang  streng 
genommen  nicht  in  Betracht  kommt,  4  Worte  könnten  durch 
Beseitigung  der  epischen  Form,  unter  Anwendung  der  Contraction  ^, 
ohne  Positionsdehnung  im  daktylischen  Vers  Verwendung  finden : 
(Ταοφρθ(Τύνης  und  die  Adjektive  auf  -Ο€ΐς.  Hier  ist  also  das 
epische  Wort  in  epischer  Form  und  mit  epischer  Prosodie  herüber- 
genommen worden. 

Neben  diesen  Fällen  ist  durch  sein  häufiges  Vorkommen 
bemerkenswerth  πότνια  (meist  mit  elidirtem  a),  das  sich  in  den 
altattiechen  Epigrammen  mit  kurz  gemessener  erster  Silbe  nicht 
findet.  Das  Wort  war  wohl  auch  der  alten  Atthis  nicht  fremd, 
jedenfalls  im  attischen  Gebrauch  vertreten,  aber  erstarrt  als  Name 
für  die  ΤΤότνίαι  *  und  als  Epitheton  in  den  Anrufungsformeln  von 
Göttinnen^,    seine  Domäne    ist  die  Poesie*.     Sein    regelmässiges 

ι  Vgl.  352, 1  Κ^κροπα  4  Κ€κροπιδών ;  350, 2  [Κ€κροπίος]  von  Kaibel 
ergänzt.    4.  Jahrh. 

3  άχνυΟ€ντι  ist  ans  dem  bei  Herodot  und  sonst  litterarisoh  nber- 
iiefertea  Epigramm  ergänzt,  überl.  ist  άχνυνθέντι,  άχνυθ^ηη,  άχλυόβνη. 
Für  uns  ist  es  άπαξ  λ€ΤΟμ€νον,  vgl.  άχνυμαι.  έγρεμάχς^  geht  nicht 
direkt  auf  die  epische  Poesie  zurück  (es  findet  sich  Hymn.  Hom.  Cer. 
424),  sondern,  wie  die  Form  zeigt,  auf  die  lyrische  Poesie,  vgl.  Soph. 
Oed.  C.  1054  oant.  dact. 

8  Vgl.  Kühner-Blass,  Gr.  Gramm.  I  S.  529  f.  Anm.  3. 

^  S.  Usener,  Götternamen  S.  225  f. 

»  Häufig  Aristophanes,  Lye.  742  u.  Ekkl.  369  sogar  mit  Positions- 
dehnung im  Triraeter:  (b  πότνι'  Ε1λ€{θυια,  aber  nach  tragischem  Bei- 
spiel, s.  Nauck,  Trag.  frg.  adesp.  58  Kopp  S.  250  Kumpel,  Quaestiones 
metr.,  Insterb.  Progr.  II  1866  S.  8  Anm.  11  (vgl.  Philemon  Meineke 
frg.  com.  IV  21, 1,  2  ώ  πότνι'). 

•  Hom. ff.;  von  den  Tragikern  bat  es  Aeschylus  nur  im  Chorlied 
und  in  den  Anapästen,  Soph.  auch  nur  einmal  im  Trimeter  Oed.  C.  84, 


278  ν.  Mc88 

Auftreten  mit  PoBitionedehniing  würde  schon  dadurch  eine  Er- 
klärung finden,  ee  kommt  aber  noch  ein  technischer  Grund  hinzu. 
Meist  tritt  es  in  fester  Verbindung  als  Epitheton  für  Athene  auf: 
219.  1  [πότ]νι'  'Αθηναία  241,  2  [πότνι']  'Αθηναία  242,  1  πότνι' 
Άθάνα^,  ebenso  ist  wahrscheinlich  257,  1  zu  ergänzen  πότ[νι' 
Αθηναία]*.  In  dieser  Verbindung  geht  es  ohne  Positionsdehnung 
nicht  in  den  Vers.  Das  masste  ein  Festwerden  der  metrischen 
Länge  befördern,  wie  wir  sie  ohne  diesen  Zwang  iu  zwei  Epi- 
grammen finden  (am  Versanfang,  wie  oben  mit  Ausnahme  von 
242,  1):  253,2  πότνια  (Aphrodite  wird  angerufen)  und  267,  l 
πότνι',  άπαρχήν  τήνοε  κτλ.*. 

In  diesen  Fällen  also  erklärt  sich  die  Langmessung  ans 
metrischen  Gründen  und  zugleich  aus  der  durch  den  poetischen 
Gebrauch  festgewordenen  Werthnng  der  betrefiTenden  Silben. 

Es  bleiben  aber  eine  Reihe  von  Fällen  übrig,  wo  wenig- 
stens eine  metrische  Veranlassung  nicht  vorliegt.  Doch  auch  hier 
ist  Charakter  und  Grund  der  Positionsdehnung  meist  deutlich  er- 
kennbar. 32,  4  haben  wir  πατρίοα,  in  einem  Epigramm,  das  in 
attischer  Sprache  zu  Ehren  eines  Dorers  gedichtet  ist,  daneben 
erscheinen  in  demselben,  ausser  der  dorischen  Form  seines  Hei- 
mathsorts  Σαλυβρία,  die  jonische  Form  Πυθαγόρην  (V.  2)  nnd 
die  epischen  Worte  Ιττττόβοτον,  ΪΚ€το,  δχος,  φθιμένου  *,  die  deut- 
lich einen  höheren  poetischen  Stil  verrathen  \  66, 2  πατρίδα  ΤΠν 
προλιπών  ist  homerische  Reminiszenz  (vgl.  ψ  120).  Dasselbe 
wie  von  πατρίδα  gilt  von  ößpiv  und  ^θν€α  249•,   von   άτ[ροο]' 

erst  Eur.  häufig  im  Dialog,  achtmal  mit  Langmessung  und  ebenso  oft 
mit  correptio,  s.  Kopp  8.  386,  Goebel  S.  40. 

1  Dasselbe  ergänzt  E.  Hofimann  244,  2. 

«  V.  2  steht  τλαυ[κώπιδι]. 

β  Leicht  Iftsst  sich  das  Wort  überhaupt  nicht  mit  correptio  im 
daktylischen  Vers  verwerthen,  auch  empfahl  sich  bei  einem  Wort,  das 
in  der  Anrede  gebraucht  war,  diese  Werthung,  vgl.  τ^κνον,  •α  31  m»\ 
bei  Sophokles  in  der  Anrede,  s.  S.  287. 

*  Vgl.  meine  Dissertation  Quaest.  de  epigr.  Att.  et  trag,  disl«, 
Bonn  1898  S.  14. 

^  Mit  correptio  s.  oben  S.  276. 

*  Ich  gebe  den  Text,  die  Ergänzungen  stammen  ans  der  litten' 
riechen  Ueberlieferung,  Herodot  n.  a. 

[δεσμφ  έν  άχνυόεντι  στδηρέψ  ^σβεσαν  hußjpiv 
trcttb€[q  *Α]θηνα{ων,  έργμα[σιν  έν  πολέμου] 
[£θν€α  Βοιωτιΐιν  καΐ  Χαλκιδέων  δαμάσαντες]* 
[τΦν  hί]ππoυς  δ€κά[την  Παλλάδι  τάςδ'  άνέβεν]. 
'  Kirchhoff  ergänzt:  άγ[ροΟ  in'  εσχατιάς]  nach  Hom.  ε  489  σ3δ8. 


Zar  Positionsdehnung^  vor  muta  omn  liquida  boi  d.  attischen  Dichtern    279 

266,  3.  Die  HerkuDft  selbst  begünstigte  die  Messung  in  [π]ότμος 
21,  2,  einem  epischen  und  poetischen  Wort^  in  dem  sich  auch 
die  Tragiker  gelegentlieh  die  Positionsdehnung  erlaubt  haben  ^, 
ebenso  40,  8  in  der  epischen  Formel  πατρί  φ{λψ'  und  7,  l  in 
κούρη  Κ€κλήσομαί  aiei  ^. 

Es  bleiben  höchstens  übrig:  7,  1  Φρασικλείας,  208,  3  . .  .] 
τέχνην?  256,  1  δγρας,   416,  2  μέτρον  ό5οιπορ(ας. 

Die  Positionsdehnung  erweist  sich  also  als  episches  Element 
im  attischen  Epigramm,  angewendet  unter  dem  Einfluss  metri- 
schen Zwanges  und  poetischer  Reminiszenzen,  ein  Eunstmittel 
der  dichterischen  Sprache. 

Interessant  ist  die  historische  Stellung  des  Epigramms  in 
der  Behandlung  des  Vokals  in  der  positio  debilis.  Es  bildet  die 
Uebergangsstufe  zur  späteren  attischen  Dichtung,  zur  Tragödie, 
aber  auch  zur  jüngeren  Elegie.  Solon,  die  ältere  Kunstdiohtung 
schliesst  sich  noch  voll  seinen  Vorbildern,  Homer  und  der  joni- 
scben  Elegie  an,  in  diesem  Punkt,  wie  auch  in  der  Grundfärbung 
des  Dialekts.  Nur  gewisse  Härten  meidet,  oder  mildert  er,  so, 
wie  es  scheint,  die  metrische  Dehnung  vor  anlautendejf  muta  cum 
liquida,  wie  er  auffallende  archaische  Formen  des  Epos  aus- 
schliesst,  dagegen  in  der  Hauptsache,  wie  wir  noch  erkennen 
können,  den  jonisohen  Vokalismus,  η  für  ä,  durchführt  ^  Das 
Epigramm  hat,  wie  es  jonisohe  Formen  nur  in  beschränktem  Um- 
fang aufnahm,  so  auch  die  Positionsdehnung  vor  muta  cum  li- 
quida nur  in  gewissen  Grenzen  übernommen,  die  härteste  Form, 
vor  anlautender  muta  cum  liquida,  gemieden. 

Wir  sind  in  der  glücklichen  Lage  auch  noch  einigermassen 
ausreichende  Bruchstücke  von  einem  jüngeren  attischen  Elegiker, 
Eritias,  zu  besitzen  (c.  60  Verse).  Er  zeigt  trotz  der  geringen 
Reste,  wie  im  Dialekt,  so  in  der  Prosodie  ein  vollständig  anderes 
Bild  als  Solon ^     Goebel  hat''  richtig  die  Beispiele,  25  von  oor- 


1  Oft  die  Tragiker  im  Chor  und  Dialog,  niemals  die  Komiker. 

>  Aesch.  frg.  169,  1  von  Poreon  für  ποθ'  άμός  conicirt,  Soph. 
Trach.  88  u.  frg.  787, 1,  vgl.  Goebel  S.  32.  38.  44. 

*  Hom.  κ  8  US. 

^  £pi8ch*poeti8che  Wendung,  a.  S.  289. 

^  Dies  zeigt  uns  wenigstens  noch  die  Ueberliefernng,  so  un- 
zuverlässig sie  auch  im  einzelnen  Falle  an  sich  ist.  Vgl.  meine  Disser- 
tation De  epigr.  Bonn  1898  S.  25  ff.;  über  die  Jamben,  wo  vielleicht 
der  attische  Vokalismus  vorherrschte,  S.  28  f. 

^  Sitzler,   Fleckeiseus  Jahrbücher  f.  Philol.  u.  Päd.  125  (1882) 


280  ν.  Mees 

reptio,  5  von  Langmeseung,  aufgezählt  und  den  grossen  Abstand 
konstatirt.  Am  Wortschloss  hat  er  stets  die  correptio  ^,  im  Wort- 
innern  14  Korzmessungen^,  5  Langmessungen.  Dies  Verhältoiee 
von  14  zu  5  verschiebt  sich  aber  noch  wesentlich  bei  genanerem 
Zusehen.  Drei  von  den  mit  Positionsdehnung  gebraacliten  Worten 
wären  mit  correptio  im  daktylischen  Vers  nicht  verwendbar:  2,8 
έεονομακλήοην,  ein  homerisches  Wort,  2,  17  φίλοφροσύνην,  5,1 
μ€ταλθφροσυνην  ^.  Ohne  diesen  Zwang  findet  Langmessang  der 
Silbe  statt  7,  2  in  Άνακρείοντα,  einem  Eigennamen  und  1,  4  in 
{öpa^.  Der  Gebrauch  unterscheidet  sich  kaum  von  den  Tragikern, 
am  wenigsten  von  Euripides,  der  nach  Goebels  Z&hlung^  im  Wort- 
innern  565  Positionsdehnungen  gegenüber  1621  Fällen  von  cor- 
reptio aufweist  (1  : 3).  Kritias  hat  sich  ^  von  den  prosodischen 
Gesetzen  des  Epos  und  der  alten  Elegie  befreit.  Zu  seiner  Zeit 
war  durch  die  attische  Tragödie  eine  selbständige  attische  Kunst- 
sprache geschaffen,  und  er,  selbst  Tragödiendichter,  hat  sich  in 
der  Ilauptsache  den  Regeln  der  epicborischen  Diohtersprache  an• 
scbliessen  können,  im  Gegensatz  zu  Solon.  Bemerk enswerth  ist 
dabei  der  Einfluss  verschiedener  Litteraturgattungen  auf  einander, 
wie  er  sich  zB.  in  den  Dorisroen  im  Dialog  der  Tragödie  zeigt, 
die  aus  der  lyrischen  Poesie  stammen  ^  der  manchmal  nicht  ge- 
nügend beachtet  oder  auch  gewaltsam  zu  beseitigen  gesucht  wird. 
Wir    können     uns    jetzt    den   Tragikern®  zuwenden.     Wir 


S.  507  ff.,  hat  beobachtet,  dass  bei  ihm,  wie  überhaupt  den  jüngeren 
Dichtern,  η  für  α  seltner  als  bei  den  älteren,  speciell  Soloo,  über• 
liefert  ist. 

^  S.  6  ff. 

1  1,  3.  4.  7.  8.  10.  12.  14.    2, 16.  24.  26  (2mal). 

*  1,  10  δίφρον  2,4  κύκλψ  2,  Π  άχλύς  14  οίκοτριβής  17  μ^ριον 
19  'Αφροδίτης  20  öirvov  23  μ^τρον  παραχρήμα  26  σύμμετρα  28  άμ^ 
τροισι   3, 4  άμέτρως   4, 2  έδρασα    7,  9  άκραισι. 

^  Von  den  Gorreptionen  beruhen  nur  swei  auf  metrischem  Zwang: 
2,  14  οίκοτριβής  u.  19  'Αφροδίτης. 

^  In  der  Tragödie  so  bei  Sophokles  frg.  821  u.  Euripides  Baccb. 
952;  vgl.  Goebel  S.  30.  35,  Kopp  S.  383. 

8  S.  44  f. 

^  Darin  vielleicht  am  weitesten  yon  den  jüngeren  Dichtern  gehend. 

'  8.  Gerth,  Quaest.  trag.,  dies.  Lips.  1868  S.  71  ff.;  Dorismen  im 
altattischen  Epigramm  s.  in  meiner  Dissertation,  De  epigr.  Att,  Bonn 
1898  S.  15  ff.,  in  der  epischen  Poesie  Rzaoh,  Fleckeisens  Jahrb.  Snppl• 
VIII  S.  465,  vgl.  auch  die  Aeolismen  bei  Homer. 

•  lambischer  Trimeter,  trochäischer  Tetrameter. 


Zur  Positionsdehnung  vor  muta  cum  Hquida  bei  d.  attischen  Dichtern    281 

haben  hier  scheinbar  eine  entgegengesetzte  Entwicklung,  wie  in 
der  Kiegie.  Aeeohylns,  der  älteste  uns  erhaltene  Tragiker,  hat 
die  wenigsten  Beispiele  von  Positionsdehnung,  Sophokles  eine 
etwas  grössere  Anzahl,  Euripides  weitaus  die  meisten.  RumpeP, 
der  zuerst  die  Beispiele  der  positio  debilis  zusammengestellt  und 
genauer  behandelt  hat,  ist  daher  zu  dem  für  ihn  selbst  über- 
raschenden Resultat  gekommen,  dass  Ae8ch3'lus  der  Neuerer  ge- 
wesen sei  und  Euripides  in  diesem  Punkt  ein  Bewahrer  des 
Alten  ^.  Goebel  und  Kopp  haben  diesen  Irrthum  widerlegt.  Eu- 
ripides hat,  wie  die  häufige  Verwendung  der  Auflösung  der  Α  reis, 
so  auch  die  Positionsdehnung  in  dem  bei  ihm  henrortretenden 
Umfang  als  metrische  Licenz,  als  ein  Mittel  leichterer  und  nach- 
lässigerer Versteohnik  eingeführt,  die  correptio  weder  gemieden, 
noch  eingeschränkt^.  Die  geringe  Erweiterung,  die  Sophokles 
der  Positionsdehnung  gegeben  hat,  hält  sich  innerhalb  strenger 
Grenzen  und  ist  ein  technisch  wohl  motivirter  Schritt ^  keine 
Rückkehr  zu  den  jonischen  Vorbildern.  Nur  das  Eine  bleibt 
bestehen,  dass  uns  bei  Aeschylus  zuerst  in  der  attischen  Litte- 
ratur  die  correptio  Attica  als  streng  durchgeführtes  und  nur 
wenige,  an  gewisse  Regeln  gebundene  Ausnahmen  duldendes 
Princip  entgegentritt,  das  von  der  attischen  Komödie  zu  einem 
unyerbiüchlichen  Gesetz  gemacht  wird. 

Bevor  wir  zunächst  auf  Aeschylus  eingehen,  müssen  wir 
die  allgemeinen  Bedingungen  betrachten,  die  eine  Ausnahme  von 
der  correptio  Attica  in  der  Tragödie,  dh.  in  der  strengeren 
Technik^,  als  legitim,  erscheinen  lassen.  Ich  werde  hier  Kopp 
im  Wesentlichen  folgen  können  und  nur  weniges  nachzutragen 
haben,  für  einige  Punkte,  die  er  und  seine  Vorgänger  nicht  be- 
friedigend erklären  konnten,  wird  eine  andere  Motivirung  er- 
gänzend eintreten  müssen. 

Von  den  drei  im  Anfang  erwähnten  Arten  ist  die  Positions- 
dehnung  vor    anlautender   muta  cum  liquida    so    gut    wie    aus- 

1  Quaest.  metr.  I  II,  Inaterb.  Progr.  1865/66. 

«  II  S.  16. 

^  Man  vergleiche  das  Verhältniss  der  Kurzmessungen  bei  positio 
debilis  zu  der  Verwendung  an  den  neutralen  Verssiellen  ^^:  Aesohylue 
hat  im  Wortinnern  2  mal  so  oft  den  Vokal  gekürzt,  als  ihn  an  neu- 
traler Stelle  gesetzt,  Soph.  2Va  mal  so  oft,  Euripides  fast  3  mal  häufiger. 
Genaueres  s.  Goebel  S.  43  ff. 

*  S.  S.  287. 

^  dh.  in  erster  Linie  bei  Aeschylus  und  Sophokles,  Euripides  ver- 
fuhr nachlässiger  und  willkürlicher. 


282  ν.  Μ  688 

geecfaloeeeii  ^,  in  der  Janctur  eehr  eelten  und  nnr  nnter  gewissen 
Bedingungen  erlaubt,  am  häufigsten  im  Wortinnern. 

Die  Abweichung  der  Tragödie  vom  strengeren  Gebranch  der 
Komödie,  trotz  desselben  Principe,  lag  sehr  nahe.  Die  Komödie 
hatte  zwei  andre  metrische  Hilfsmittel  voraus,  den  in  der  Tra- 
gödie fast  ganz  ansgeschlossenen  Anap&st  und  die  Auflösung,  die 
in  der  strengen  tragischen  Versteohnik  nur  selten  sugelaesen 
wurden  Als  Ersatz  für  diese  Einschränkung  tritt  in  erster  Linie 
die  Positionsdehnung  auf.  Hinzu  treten  einige  andere  Veranlas- 
sungen metrischer  Natur. 

Kopp  z&hlt  bei  Aeschylus  in  den  jambischen  Trimetem  der 
erhaltenen  Stücke  62  Positionsdehnungen'. 

Davon  kommen  3  auf  Worte,  die  anders  nicht  in  den  Vers 
gehen  * :  άκροθινια  Eum.  837  Άρταφρένης  Pers.  778.  [780]  μηλο- 
τρόφου  Pers.  765  ^ 

41  Beispiele  fallen  auf  Vermeidung  eines  dreisilbigen  Fneses 
(entweder  mit  zweisilbiger  Senkung*  oder  mit  zweisilbiger  He- 
bung). Die  Auflösung  hat  Aeschylus  nur  in  27  Füllen  vor* 
gezogen,  und  zwar  17  mal,  wenn  der  Vokal  in  die  Jnnctnr  fiel, 
10  mal  im  Wortinnern.  Die  Langmessung  dagegen  hat  er  35  mal 
im  Wortinnern,  6  mal  in  der  Junctur  (2  mal  bei  Augment  '^  an- 
gewendet. Das  Princip  ist  klar,  auffallend  nur  die  6  F&Ue  von 
Positionsdehnung  in  der  Junctur,  die  er  sonst,  auch  unter  stär- 
kerem metrischen  Zwang  (s.  unten  S.  288),  zu  vermeiden  wusste. 

Es  echliesst  sich  eine  zweite  Gruppe  von  6  (naeh  Kopp 
S.  262),  richtiger  5  Worten  an.  Sie  zeigen  alle  die  Messung 
Vi® Für  diese  Worte  kommt  bei  correptio  fast  nur  eine  Vers- 
steile,  von  der  Thesis  des  2.  Fusses  bis  zur  Theais  des  3.,  in 
Betracht    mit  Rücksicht  auf  die  lex  Porsoniana^     Ein  Ausweg 


1  S.  Goebel  S.  20  f.  u.  unten  S.  291. 
«  8.  C.  F.  Müller,  De  ped.  eolutie,  1866  S.  73  f. 
'  8.  259.    Den  trochäischen  Tetrameter,  der  dieselben  Regeln  be- 
folgt, behandelt  er  nicht  mit. 

*  8.  260. 

s  Doch  8.  unten  8.  286. 

•  Nur  •Αραχνο!ον  Ag.  321  (u.  άπδχρημάτοισι  Ch.  274),  β.  Kopp 
S.  260. 

"^  Ich  E'ahle  mit  Goebel  und   Kopp  Redupi icatioo    und  Augment 
unter  diesen  Fällen  mit. 

^  Vokal  in  der  positio  debilis. 

^  Wenn  ein  kretisohee  Wort  oder   ein  mit   einem  Monotyllabon 


Zur  PositionsdehnuDg  vor  muta  cum  liquida  bei  d.  attischen  Dichtern    283 

war  hier  nur  möglich,  wenn  die  erste  Silbe  mit  Langmeeeung 
gebraucht  wurde.  Er  war  unausweichlich,  wenn  bereite  ein 
zweites  dreieilbigee  Wort  mit  Betonung  auf  der  Mitteleilbe  die 
betreffende  Stelle  im  Verse  einnahm,  wie  Eum.  295 

φίλοις  άρήγουσ',  €Ϊτ€  Φλβγραίαν  πλάκα, 
aber  auch  sonst  manchmal   kaum  zu  vermeiden^.     Trotzdem  hat 
eich  Aeschylns  diese  Freiheit  nur  im  Wortinnern  erlaubt,  in  der 
Junctur    dagegen    nie,    indem    die  Composita    analoger  Messung 
stets  correptio  zeigen^. 

Es  bleiben  nur  zwölf  Fälle  zweisilbiger  Worte  mit  Lang- 
messung übrig,  unter  diesen  ist  4  mal  der  Stamm  πατρ-  ver- 
treten, 3  mal  πατρί^  und  einmal  πατρός^.  In  diesem  häufigen 
Wort  war  eine  vollständige  Ausschliessung  der  Positionsdehnung 
lästig,  für  πατρί  kaum  durchführbar  ^  Sophokles  hat  daher  in 
den  Stämmen  πατρ-  und  Τ€κν-  diese  Ausnahme  mit  voller  Ab- 
sicht aufgenommen  und  in  weitestem  Umfang  (85  Fälle),  aber 
innerhalb  streng  festgesteckter  Grenzen,  durchgeführt ^ 

Das  sind  die  metrischen  Gründe  für  die  Ausnahmen  von  der 


verbundenes  Wort  von  zwei  Silben,  das  so  einen  Kretious  ergiebt,  den 
Schlttss  eines  iambischen  Trimeters  bildet,  so  darf  kein  Spondeus  voran- 
gehen, der  einem  mehrsilbigen  Wort    angehört,  s.  Porson,   Praef.  Hec. 

S.  32. 

^  Kopps  zweite  Bedingung,  dass  in  jedem  Fall  erst  dies  zweite 
dreisilbige  Wort  den  Ausschlag  gebe,  ist  nicht  unbedingt  zutreffend, 
vgl.  Prom.  1000  κρ€ΐσσον  γαρ  οΐμαι  τή6€  λατρ€ύ€ΐν  ΐΐέτρη,  und  Kopp 
S.  263. 

3  Kopp  zählt  S.  264  etwa  40  Beispiele,  wie  Aesch.  Prom.  75  καΐ 
bi\  πέπρακται  (Ag.  556  Eum.  125),  344  ή  ούκ  οίσθ'  ακριβώς,  387  θ€ρ• 
μοίς  άπλή[σ]του.  Er  rechnet  allerdings  auch  die  Worte  von  der  Messung 
s-£-v^  mit  (über  ατρυτον  s.  S.  284). 

»  Pers.  612   Prom.  1001    Ch.  14. 

*  Sept.  70. 

^  Mit  correptio  und  der  2.  Silbe  in  der  Arsis  konnte  es  ohne 
Weiteres  nur  in  dem  6.  Fuss  stehen  wv^,  sonst  nur  vor  positions- 
bildender Consonantengruppe,  ein  relativ  seltner  Fall.  Es  findet  sich 
daher  bei  Aesohylus  mit  correptio  nur  im  6.  Fuss,  au  12  Stellen  (s. 
Kopp  S.  265).  Dasselbe  gilt  nach  Kopp  für  τέκνα  δάκρυ  usw.  Wir 
brauchen  zur  Erklärung  nicht  zu  einer  Erweiterung  des  Hilberg'schen 
Gesetzes  zu  greifen,  wie  Kopp  es  thut.  Hilberg,  Princip  der  Silbeu- 
wägung  1879  S.  206  statuirt:  Im  iambischen  Trimeter  .  .  .  dürfen 
vokalisoh  auslautende  Endsilben  trochäischer  Wortformen  keine  Hebung 
bilden.    Kopp  S.  264  dehnt  das  auf  die  Worte  mit  Schema  v^^w  aus. 

β  S.  Kopp  S.  381/2  u.  unten  S.  287. 


2H4  ν.  Μ  es» 

correptio  Attica,  sowohl  bei  Aesohyloe,  aU  auch,  wie  wir  nnten 
sehen  werden,  bei  Sophokles.  Mit  weniger  Glück  hat  Kopp  die 
noch  übrigen  Fälle  auf  demselben  Wege  za  erklären  gesucht 
(S.  265). 

Wir  können  uns  jetzt  den  Beispielen  zawenden,  bei  denen 
seine  Theorie  versagt  oder  nicht  aasreicht,  zunächst  der  Positiona- 
dehnung  in  der  Jnnotnr.  Unter  diesen  Fällen  ist  der  schwerste 
Enm.  406  ^νθεν  οιώκουσ*  ήλθον  δτρυτον  πόοα  (Athene).    Kopp 

hat  ihn  den   fünf  Beispielen    der  Messung  w angereiht,    ohne 

jedoch  selbst  zu  verkennen,  dass  er  sohlecht  dazu  paset.  Erstens 
werden  die  Composita  der  Messung  v^..  trotz  der  engen  metri- 
schen Verwendbarkeit  stets  mit  correptio  Attica  gebraucht,  zwei- 
tens zeigt  δτρυτον  eine  bequemere  Messung,  womit  das  Cha- 
rakteristicnm  der  ganzen  Gruppe  fortfällt^.  Die  Erklärung  liegt 
auf  anderer  Seite.  Aesohylus  hat,  als  er  den  Ausdruck  wählte, 
an  das  homerische  Epitheton  der  Athene  Άτρυτώνη  gedacht^ 
Daher  stammt  die  Positionsdehnung  in  dem  poetischen  Wort,  das 
sich  übrigens  auch  selbst  als  episch  nachweisen  lässt,  abgesehen 
von  der  Weiterbildung  Άτρυτώνη.  Die  ersten  Beispiele  finden 
sich  neben  den  Tragikern  schon  bei  den  Lyrikern,  und  zwar  bei 
den  letzteren  stets  mit  Langmessung ^),  daneben  erscheint  das 
Wort  bei  Herodot^  und  in  der  jonisohen  Poesie  bei  Heroodas^ 
Als  gemeinsame  Quelle  kann  nur  das  Jonische,  dh.  speciell  Γύτ 
die  Dichtung  das  Epos,  in  Betracht  kommen,  was  durch  Ατρυ- 
τώνη sowohl  als  auch  durch  die  späteren  daktylischen  Dichter 
bestätigt  wird^ 

Nicht  ausreichend  motivirt  waren  ferner  durch  den  metri- 
schen Grund,  Vermeidung  der  Auflösung,  die  6  Fälle  von  Po- 
sitionsdehnung  in  der  Jnnctur,  wie  schon  oben  bemerkt.  Bei 
zwei  von  ihnen  kommt  eine  von  Kopp  übersehene  metrische 
Erwägung    hinzu.      Eine    Auflösung    bei    nachfolgender    langer 

1  S.  S.  282.  283  Anm.  1. 

*  Wortepiele  sind  bei  den  Tragikern  hftnfig,  vgl.  Aesch.  Prom.  >νΐ 
Προμηθέα  —  προμηθέιυς  Pere.  769  (vgl.  schol.)  ua.,  Soph.  Aias  430  ΑΤας 
—  αίαΐ  frg.  880  Όουσσ€ύς  —  ώδύσαντο,  Eur.  Bscch.  367  ΤΤ€νθ€ύς  — 
πένθος  ua. 

8  Pind.  Pyth.  4.  178    Baccb.  5,  27.  9,  80. 

*  9,  52. 

*  8,  4,  mit  oorreptio. 

β  Theokrit  15,  7  ua.  Der  attischen  Prosa  ist  es  fremd,  e•  er- 
scheint erst  bei  Aristoteles. 


Zur  PoeitioDftdehnung  vor  mula  cum  liquida  bei  d.  attischen  Dichtern    285 

Theeie  wurde  von  Aeschylus,  wie  auch  Sophokles,  bei  Worten» 
wo  eich  die  Positionedebnung  darbot  (zB.  bei  der  Meeaung  ^cr-.), 
gemieden^  und  statt  dessen  die  Langmessung  vorgezogen^.  Da- 
her war  die  Langmessung  an  sich  das  Gegebene  bei  Prom.  24 
αποκρύψει  und  Uik.  632  έπεκρανεν^'  Daneben  aber  ist  zu  be- 
merken, dass  έπέκρανεν  ein  streng  episcbes  Wort  ist^,  und  daes 
die  Phrase  άποκρυψας  φάος  sich  bereits  bei  Α rchiloohos  findet  ^ 
Zu  Kopps  Beispielen  kommt  aus  den  Fragmenten  hinzu  οιπλόοι 
frg.  39,  1  (offene  Form^^  wenn  bei  ihm  überhaupt  die  Junotur 
empfunden  wurde. 

Bei  den  übrigen  Fällen  dieser  Art  kommen  metrische  Gründe 
für  Positionsdehnung  statt  Auflösung  nicbt  in  Betracbt.  Fe  sind 
ίθρισεν  Ag.  541  έπέφλεγεν  Pers.  398  θεοπρόπους  Prom.  686 
Ισ[τ]οτριβής  Ag.  1444. 

Für  ίθρισεν  würde  man  έθέρκτεν  erwarten,  und  Gr»beP  hat 
diese  Form  dureb  Conjectur  einsetzen  wollen.    Wir  finden  jedocb 


1  Ich  verweise  auf  Kopps  Znsammenstellung  für  Aeschylus  S.  260  f., 
für  Sophokles  S.  378,  die,  da  ν€θ6ρέπτους  Aesch.  Hik.  336  (über  v€0- 
vgl.  Christ  Metrik»  8.  28)  und  Έτ€θκλής  Soph.  Oed.  C.  1295  (s.  Kopp 
S.  378)  mit  Synizese  zu  lesen  sein  dürfte,  keine  einzige  derartige  Auf- 
lösung aufweist,  während  die  Auflösung  bei  nachfolgender  kurzer  Thesis 
häufig  statt  der  Positionsdehnung  gewählt  worden  ist. 

'  Nicht  richtig  ist  dagegen,  wenigstens  in  der  gegebenen  Fassung, 
die  von  C.  F.  Müller  (S.  75)  und  anderen  aufgestellte  Behauptung,  dass, 
speciell  im  4.  Fuss  (im  2.  ist  die  Auflosung  bei  Aeschylus  Ausnahme, 
s.  Oberdick,  Zeitschrift  für  öst.  Gymn.  22,  1871,  S.  664)  die  Auflösung 
vor  langer  Theeis,  wie  Sept.  1013  τυμβοχόα  χειρώματα,  überhaupt,  auch 
bei  Worten  ohne  muta  cum  liquida,  möglichst  gemieden  worden  sei. 
Seine  Aufzählung  ist  hier  lückenhaft. 

*  Auch  eine  Messung,  wie  >lvyw ,  unter  Yertheilung  der  zwei 

Kürzen  der  Arsis  auf  zwei  Worte  war  für  die  strengere  Technik  nicht 
zulässig,  möglich  nur  bei  vorausgehendem,  eng  zusammenhängendem 
Monosyllabon,  s.  C.  F.  Müller,  De  ped.  solutis  S.  24,  5,  wie  zB.  beim 
Artikel  (τόν  έμόν  Ag.  605). 

*  Horo.,  Aeschylus  sonst  nur  in  AnapSsten  und  Ghorlied,  So- 
phokles einmal  im  Anapäst  Phil.  1468,  bei  Euripides  und  den  Komikern 
ist  das  Wort  nicht  vertreten. 

δ  Bergk,  Poetae  lyr.  II*  74,  3  (Stob.  Flor.  100,  10)  έπβιδή  Ζβύς 
πατήρ  Όλυμπίυιν  έκ  μ€σημβρ(ης  <θηκε  νύκτ'  άιτοκρύψας  φάος  ηλίου 
λάμποντος,  schon  von  Diadorf  im  Lex.  Aesch.  notirt. 

*  Ueber  die  offenen  Formen  auf  -όος  bei  den  Tragikern  s.  Kühner- 
Blase,  Gr.  Gramm.  I  402  Anm.  3  ff. 

7  S.  22;  belegt  ist  θ€ρ(σας  Sopb.  Aias  239. 


286  ν.  Mose 

die  eynkopirte  Bildung  noch  zweimal  bei  Enripides,  anch  hier 
mit  Langmeesang:  Hei.  1188  κόμας  σίοηρον  έμβαλοΟσ'  άηέ- 
θρισας  Or.  128  €Tb€T€  παρ'  δκρας  ώς  άπέθρισ€ν  τρίχας.  Das 
weist  daraufhin,  dase  die  Positionedehnung  fest  war  und  dase 
die  Form  aus  der  joniechen  Poesie  herübergenommen  worden  ist 
Das  Wort  findet  sich  bei  Homer  nioht,  ist  aber  für  die  Jonier 
durch  Herodot^  bezeugt  und  mit  dem  sjnkopirten  Aorist  bei 
späteren  daktylischen  Dichtern  belegt'•  Wir  brauchen  diese  in- 
direkten Zeugen  nicht,  Archilochos^  hat  bereits  das  Wort:  Ινας 
hk  μεΖέων^  άπέθρισεν. 

Das  Compositum  έπέφλεγεν  ist,  wie  das  Simplex  φλ^τ^^^ν, 
ein  poetisches,  in  der  Prosa  sehr  seltnes  Wort^ 

Ebenso  gehört  θ€θπρόπος  der  episoh-poetisohen  Sprache  an^ 

Ισ[τ]οτριβής  ist  für  uns  ein  δπαε-λεγόμενον  und  kann  alt 
freie  poetische  Bildung  mit  Langmessung  verwendet  oder  ans 
einem  anderen  Dichter  herübergenommen  worden  sein. 

Ueber  das  aus  den  Trochäen  hinzukommende  όττοτροιτήν 
Pers.  220  wird  unten  S.  291  zu  sprechen  sein*^. 

Endlich  ist  auch  im  Compositum  μηλοτρόφου  Pers.  765 
('Acriboq  μηλοτρόφου)  der  scheinbar  swingende  metrische  Ornnd 
nicht  ausreichend,  da  Aeschylus,  wenn  er  irgend  einen  AnstoM 
.an  der  Langmessung  in  diesem  Wort  genommen  hätte,  keine 
Ursache  gehabt  hätte,  dieses  gleichgültige,  rein  konventionelle 
Epitheton  zu  brauchen.  Die  Erklärung  giebt  wieder  ein  Frag- 
ment des  Archilochos:  Άαίης  μηλοτρόφου  ^  auf  das  bereits 
Dindorf*  aufmerksam  gemacht  hat^^. 

1  4,  42  θ€ρ(οαντ€ς. 

s  Theodoridas  (3.  Jahrb.  vor  Chr.)  Anth.  Pal.  VU  439, 2  f θρισας 
Agathias  (6.  Jahrh.  n.  Chr.)  Υ  237,  8  άΐΓ€θρισάμην  ΥΙΙ  204,  5  dii^pioc; 
ιταρέθρισαν   Apoll.  Rhod.  2,  603. 

β  Frg.  138  Bergk,  PoeUe  lyr.  11^  S.  426  au•  Bekker  Anecd.  III 
1438  u.  Etym.  Gad.  390,  48. 

^  Schneidewin,  Die  Handschr.  μ€0^(υν,  μελ^ιυν. 

^  Hom.  u.  ff.,  8.  Yeitch,  Greek  verbs  irregul.*  S.  606  f.  Herodot 
hat  es  8,  32,  Thuk.  2,  77. 

β  Hom.,  Sophokles  Trach.  822  (Chor,  daktyl.  Vers)  u.  Trag.  ine. 
frg.  adesp.  106  im  Trimeter  θ€δπρόπ€  (Cobet  u.  Nauck  [vOv]  θ€διτρόπ€). 
Fehlt  in  der  Komödie. 

^  Die  Fragmente  unsichrer  Messung   sind   nicht   berüoksicbtigt. 

8  Frg.  26  Bergk,  Poetae  lyr.  II«  S.  390.  Auch  Sophokles  hat  das 
Wort  im  corrupten  Fragment  469. 

»  Lexik.  Aesch.  S.  46.  404. 

*®  Άρταφρένης  Pers.  778.  [780],  das  Aeschylus  als  Compositum  fasst 


Zur  PoflitionedehnuDg  vor  muta  cum  Hquida  bei  d.  Rttischen  Dichtem   9K7 

Wir  haben  hier  nur  die  eine  Art,  die  Positionedehnang  in 
der  Junotnr  betrachtet,  für  die  die  metrieche  Begründung  nicht 
anereicbte,  bevor  wir  zu  den  noch  übrig  bleibenden  F&Uen  des 
Aeschylns,  die  gröeetentheiU  eine  ganz  andre  Deutung  erfordern, 
übergehen,  mnesen  wir  uns  der  im  Wesentlichen  gleichen  Technik 
des  Sophokles  zuwenden. 

Zunächst   einiges  Allgemeine.     Sophokles  ^at  im  Trimeier 
nach  Kopp  ^  190  Positionsdehnungen,  Aescliylus  62,  auf  den  ersten 
Blick  ein  grosser  Unterschied.    Aber  erstens  enthalten  die  Stücke 
des  Sophokles  7568  Trimeter,  die  des  Aeschjlns  4308  ^  zweitens 
ist  die  Zahl  der  Stämme,  in   denen  sich  beide  die  Langmessung 
erlaubt   haben,    fast    genau    die   gleichen     Die    trotzdem    übrig 
bleibende  Differenz  in  der  Zahl  der  Fälle  erklärt  sich  ans  einer 
eng    begrenzten  Neuerung    oder    besser   Ausgestaltung^  des  So- 
phokles,   der    in    den    zwei    Stämmen   πατρ-  und  τεκν-  85  mal 
(54  +  31)  die  Positionsdehnung  angewendet  hat,  eine  bei  diesen 
häufigen  Worten  zur  Vermeidung  von  Gezwuugenheit  und  Härten 
sehr    glückliche  und  bereits  durch  Aeschylus  vorbereitete  Aen- 
derung.     Auch  hier  aber  hat  sich  Sophokles  streng   an   gewisse 
Regeln    gehalten,    in   τέκνον(-α)  den  Vokal  nur  in  der  Anrede 
lang  gemessen,  niemals  bei  Formen  mit  der  Messung  v^.  τέκνου, 
πάτρας^     Nach   Abzug    dieser    zwei    Worte   stimmt   das   Yer- 
hältniss    zwischen   Aeschylus   und   Sophokles    genau^.     Die   Be- 
dingungen sind  in   der  Hauptsache  dieselben  wie  bei  Aeschylus. 
In  56  Fällen  wird  die  Auflösung  vermieden,  an  13  Stellen  sind  es 
Worte  von  der  Messung  ^ ,  wie  Άτρεώών'^.    Nur  in  den  zwei- 
silbigen Wortformen  hat  Sophokles  wesentlich  häufiger,  32  mal, 
die  Langmessung  eintreten  lassen,  wo  ein  metrischer  Zwang  nicht 
vorlag,  doch  auch  hier  vielfach  nicht  ohne  Grund  ^. 

(vgl.  Pers.  769),    kann    als   durch   das  Metrum  gerecht  fertiget    gelten. 
'Αρταφέρνης  kommt  bei  Aeschylue  überhaupt  nicht  vor. 

»  S.  376. 

>  Mit  den  Fragmenten,  8.  Goebel  S.  25,  C.  F.  Müller  S.  73  f. 

8  Kopp  zählt  8.  379  bei  Aeschylus  39,  bei  Sophokles  41. 

*  Genaures  s.  oben  S.  283. 
s  S.  Kopp  S.  382. 

^  Aeschylus  62  Positionsdehnungen,  Sophokles  105,  entsprechend 
der  Zahl  der  Verse.  Correptio  läset  Aeschylus  361  mal,  Sophokles 
618  mal  stattfinden,  s.  Kopp  S.  257. 

'^  Fast  immer  neben  einem  zweiten  dreisilbigen  Wort  mit  Be- 
tonung auf  der  Mittelsilbe,  s.  Kopp  S.  379  ff. 

*  So  wiederholt  in  der  eogeu  Verbindung  mit  einer  Präposition, 


288  ν.  Mess 

Obgleich  er  die  Auflösung  bei  Worten  mit  muta  com  li- 
quida  seltner  zugelassen  bat  als  Aescbylus^,  so  hat  er  bei  po- 
sitio  debilis  in  der  Junotur  doch  dieselben  Bedingungen  beob- 
achtet προτρέπει  £1.  1193  άποκρίνας  Oed.  R.  640^,  πολύχρυ- 
σους El.  9  ^,  6μοκλή0αντ€ς  712^»  letztre  beiden  epische  Worten 
waren  auch  für  Sophokles  Technik  zur  Auflösung  nicht  geeignet 
wegen  der  dann  folgenden  langen  Thesis^  Ohne  metrischen 
Zwang  ist  die  Langmessung  der  Auflösung  vorgezogen  in  3  Wor- 
ten*^. ^π€φν€ν  mit  Positionsdehnung  in  der  Reduplication  ^  ist 
ein  episches  Wort,  häufig  bei  Homer,  selten  bei  den  Tragikern ' 
(nur  mit  Langmessung);  κακόφρονας  Ant.  1104  und  φΐλος>ρόνιυς 
Aias  751  sind  poetische  Worte '^,  in  den  Beispielen  aus  dem 
Dialog    der  Tragiker  tiberwiegt    bei    diesen  Zusammensetzungen 

wie  κατ'  Ακρας  (cf.  Hom.  Ν  772  us.),  mit  Wortspiel,  wie  Ant  1240 
Kctrai  bk  ν€κρός  π€ρΙ  ν€κρφ  (aber  auch  ohne  ein  solches  an  derselben 
Stelle  des  Verses,  nach  bi  frg.  795;  νεκρόν,  3.  Α  reis,  4.  Thesis,  Phiiokt 
94()).  Gewisse  Wortstärome  wurden  bevorzugt,  in  erster  Linie  άκρ- 
(5  Mal  mit  Präposition  Ακρος,  3  Mai  ohne,  das  Wort  ist  hanfig  bei 
Homer,  freilich  auch  bei  den  attischen  Prosaikern  gebräuchlich,  doch 
selten  bei  den  Rednern).  Am  weitesten  geht  der  Philoktet,  als  junge« 
Stück,  mit  einer  der  späteren  Zeit  entsprechenden  etwas  nachlässigeren 
Technik  (vgl.  Euripides);  s.  Kopp.  S.  381. 

»  S.  Kopp  S.  378. 

3  Der  Vers  ist  corrupt. 

β  Hom.  Hes.  Archil.  iamb.  frg.  25,  1  Bergk,  Poetae  lyr.  11^  S.  3Hli. 
die  Tragiker  in  Anapästen  und  Chor,  Euripides  imTrimeter  mit  Lang- 
messung Hec.  492  Androm.  2  Bacch.  13  [frg.  1132,  2  unecht],  Trag, 
ine.  frg.  322,  mit  correptio  Euripides  Hei.  928  (er  hat  sioh  also  hier 
diese  Auflösung  erlaubt). 

*  Hom.;  kommt  bei  den  Tragikern  nicht  vor,  Aesch.  hat  in 
Anapäst  όμοκλάν  frg.  57,  5. 

^  Hinzu  kommt  ans  den  Fragmenten  άποπλήκτψ  227,  das  wohl 
aus  einem  Trimeter  des  Dialogs  stammt. 

^  S.  oben  S.  284  f. 

^  Denn  Πάτροκλος  Phil.  434  kann,  als  Suffizbildung,  nicht  gut 
mit  Goebel  S.  22  als  Compositum  aufgeführt  werden  (vgl.  Usener,  Sint- 
fluthsagen  S.  51  ff.). 

8  Von  ΦΕΝ,  s.  Curtius,  Etymologie^  S.  299. 

^  Eur.  Andrem.  655  u.  frg.  adesp.  199.  Ob  Sophokles  freilich 
die  Junctur  empfunden  hat,  ist  überhaupt  zweifelhaft. 

10  Pind.  frg.  211  κακοφρονα  Aesch.  Ag.  100  (Anapäste)  Eur.  im 
Chor  Her.  372  Orest.  «24  El.  481,  im  troch.  Tetrameter  Iph.Aul.391 
und  im  jamb.  Triraetcr  Hik.  744  (beide  mal  mit  Langmessung),  dfti 
Wort  findet  sich  iu  Prosa   und  Komödie  nicht;    φιλόφρων  (-όνως)  bei 


Zur  PositioiisdebnuDg  vor  inuta  cum  liquida  bei  d.  attisüheuT  Üiohtern    289 

die  Poeitionedehnaog,  sie  findet  eich  im  Ganzen  vier  mal,  drei 
mal  in  κακόφρων  und  einmal,  in  dem  Beispiel  des  Sophokles,  in 
φίλοφρόνως;  die  correptio  nur  einmal,  bei  fiuripides,  in  φΐλό- 
ΦρίΑΐν'.  Diese  so  regelmässig  auftretende  irreguläre^  Lang- 
meesnng  vor  -φρυϋν  weist  auf  die  jonische  Poesie  als  Quelle 
zurück. 

Von  den  Worten  der  Messung  w erklärt  sich  in  Κ€κλή(Τθαι 

£1.  866  frg.  83  die  Positionsdehnung  zwar  aus  der  metrischen 
Schwierigkeit,  doch  insofern  nicht  zur  Genüge,  als  Aeschj^jus 
unter  gleichen  Bedingungen  in  der  Junctur  trotzdem  nur  die 
correptio  zugelassen  hat.  Es  ist  an  beiden  Stellen  dieselbe  Phrase : 
πατρός  πάντων  αρίστου  παΐ^α  κεκλήσθαι  und  του5€  Κ€κλήσθαι 
πατρός,  in  der  das  Wort  erscheint,  eine  seit  Homer  ^  den  Dich- 
tern geläufige  formelhafte  Wendung. 

Diese  Uebersicht  führt,  so  scheint  es,  zu  der  Annahme,  dass 
neben  den  metrischen  Gründen  auch  die  Herkunft  und  Verwen- 
dung eines  Wortes  einen  gewissen  Einfiuss  auf  seine  prosodische 
Werthung  ausgeübt  hat^,  in  derselben  Weise,  wie  in  zahlreichen 
Fällen,  in  erster  Linie  bei  Worten  der  Lyrik,  die  dialektische 
Form  dadurch  beeinfiusst  worden  ist^ 

Enripides  scheidet  infolge  seiner  nachlässigeren  Technik  aus 
dieser  Betrachtung  aus.  Zu  bemerken  ist  nur,  dass  auch  er  in 
der  Junctur  die  Positionsdehnung  nur  selten  zugelassen  hat,  wenn 
er  sich  auch  nicht  durchweg  auf  die  Fälle  beschränkt  hat,  wo 
metrischer  Zwang  oder  Entlehnung  aus  älteren  Vorbildern  mit- 
spielte®. 


Pind.  Pyth.  8, 1  Aesch.  Pers.  98  (Chor,  Joniker)  Eur.  Iph.  Taur.  lOGl 
(Trim.,  mit  correptio)  Eom.  anon.  frg.  184  Mein.  (Chor),  fehlt  bei 
Aristophanes  und  den  attischen  Prosaikern  ausser  Xenophon,  der  keine 
reine  Atthis  schreibt;  vgl.  φίλοφροσύνη  (Hom.  Krit.  2,  17  £mped. 
130,  2  D.,  doch  auch  bei  Prosaikern). 

1  S.  8.  288  Anm.  10. 

3  ])enn  auch  bei  Euripides  erscheint  sie  in  der  Junctur  nur 
selten,  s.  Goebel  S.  22  ff. 

^  Ilom.  Δ  61  αή  παράκοιτις  κέκλημαι  us.,  vgl.  auch  im  attischen 
Epigramm  S.  279. 

^  Natürlich  nur  insofern,  als  sie  die  Langmessnng  ermöglichte, 
nicht  etwa,  als  wenn  sie  die  correptio  ansschloss. 

6  S.  Gertb,  De  trag.  dial.  diss.  Lips.  1868  S.  52  ff.  (über  die 
jonischen  Worte)  und  S.  71  ff.  (dor.  Worte), ,  zur  Ergänzung  meine 
Dissertation,  De  epigr.  et  trag,  quaest.  dial.,  Bonn  1898  S.  39  ff. 

β  S.  Goebel  S.  22  ff. 

Bheln.  Mob.  f.  PhUol.  N.  F.  LYUI.  19 


290  ν.   Μ 688 

Wir  kehren  jetzt  zu  den  noch  unerledigten  Beispielen  des 
Aeechylns  zarück,  die  in  der  Hauptsache  aus  zweisilhigen  Worten 
mit  Positionsdehnung  im  Wortinnem  bestehen,  bei  denen  ein  me- 
trischer Zwäng  nicht  vorliegt^.  Von  ihnen  stehen  die  meisten 
und  gerade  die,  bei  denen  eine  Motivirung  aus  dem  sonstigen 
Gebrauch  nnmöglioh  ist,  in  den  Persern  ^.  Die  Perser,  die  älteste 
uns  erhaltene  datirte  Tragödie,  nehmen  auch  in  der  Zahl  der 
Positionsdehnungen  überhaupt  einen  auffallenden  Platz  ein.  In 
allfijn  erhaltenen  Stücken  zusammen  lesen  wir  65  Fällen  in  den 
543  iambischen  und  trochäischen  Versen  der  Perser  18  (1:30). 
Am  nächsten  kommt  der  Prometheus,  wo  wir  dieselbe  Zahl  haben, 
aber  in  774  Versen  (1 :43)^     Bleiben  für  die  übrigen  fünf  Tra- 


^  Kopp  hat  sich  bemüht,  auch  sie  unter  sein  Princip  zu  bringen, 
aber  mit  Ausnahme  von  κατ'  άκρας  (s.  Anm.  2)  ohne  Erfolg,  s.  S.  2β5. 

^  Hier  mögen  die  Fälle  aus  den  übrigen  Stücken  folgen.  Prom. 
91  κύκλον  ηλίου,  Kopp  schlägt  ηλίου  κύκλον  vor,  Soph.  frg.  672  κοκλον 
ηλίου  verbietet  eine  Aenderung;  es  ist  eine  feste  Wendung  (mit  cor• 
reptio  Aesch.  Pers.  507  Soph.  Ant.  416),  ausser  bei  den  Tragikern 
auch  in  der  daktylischen  Poesie  belegt  (£mped.  47  D.  άνακτος  .  .  tfla 
κύκλον)  and  wohl  älteren  Ursprungs.  Prom.  382  κορυφαΐς  έν  ακραις 
stammt  aus  epischer  Vorlage  (s.  Rhein.  Mus.  56  S.  171).  κατ'  άκρας 
Choeph.  687  ist  regulär,  vgl.  zu  Sophokles  S.  287  A.  8  und  Kopp  S.  265. 
In  ατμός  Ag.  1310  Fcheint  Neigung  zur  Langmessung  vorzuliegen,  zwar 
hat  es  Aeschylus  frg.  206,  2  mit  correptio,  Eum.  138  mit  syllaba  an- 
ceps,  aber  Euripides  nur  mit  Langmessung  frg.  781,  2.  53,  Sophokles 
braucht  es  nicht,  aber  άτμί2^€ΐν  frg.  341  mit  Positionsdehnung  (der  Ko- 
miker Pherekrates  bemerkenswerther  Weise  gleichfalls:  ήδιστον  άτμ(- 
2:οντα  Meineke  Ι  S.  300,  15 ;  άτμίς  mit  syll.  anc.  Nikostr.  III  S.  284,  Γι 
η.  Alexis  III  S.  440,  16,  wo  Schneidewin  ατμός  conicirt).  Auf  Con- 
jectur  beruht  πότμος  Aesch.  frg.  159,  1  (Person  für  ποθ^  &μός),  un* 
möglich  ist  die  Dehnung  nicht  in  diesem  episch-poetischen  Wort  (9. 
Soph.  bei  Kopp  S.  377  Eur.  8.  386  u.  S.  279).  πέλλυτρ'  frg.  259  ist 
sonst  nicht  belegt. 

^  Kopp  S.  259  zählt  62,  ein  Beispiel  Pers.  784,  das  gewöhnlich 
durch  CoDJectur  beseitigt  wird,  hat  er  übergangen,  zwei  kommen  aus 
den  Trochäen  hinzu  Pers.  220.  229. 

^  Die  Zeit  des  Prometheus  ist  nicht  überliefert,  die  chronologi- 
schen Indicien  scheinen  auf  eine  frühe  Zeit  hinzuweisen.  Wir  haben 
hier  nicht  auf  diese  Frage  einzugchen  (Wilamowitz  setzt  Herrn.  32 
S.395  Anm.  2  den  Prometheus  371—369).  Aus  der  Zahl  der  Positions- 
dehnungen dürfen  wir  keine  Schlüsse  ziehen,  zumal  da  sich  einige  aus 
besonderen  Umständen  erklären,  s.  Rhein.  Mus.  56  S.  171,  und  da  ihnen 
eine  recht  grosse  Anzahl  von  Correptioneu  gegenübersteht  (79,  s.  Kopp 


Zur  PositionsdehnuDg  vor  muta  cum  liquida  bei  d.  ttttischen  Dichtem    29t 

gödien  29  Beispiele.  Aber  die  Zahl  allein  ist  nicht  eatecheidend, 
wenngleich  hinzukommt,  dase  die  Zahl  der  Eurzmeesungen  ge- 
ringer ist,  wie  in  den  übrigen  Stücken^,  es  kommt  auf  die  Natur 
der  einzelnen  Fälle  an.  Von  den  regulären  Poeitionedehnungen 
finden  eich  folgende :  ενυπνίων  229  und  521  αριθμός  342  έπέ* 
φλ€Τ€ν  398  πατρώων  407  τοσουτάριθμον  435  ακμαίοι  444 
πατρί  612  αγρίας  617  μηλοτρόφου  765  Άρταφρίνης  778  [780J. 
^έεθρον  500  wird  streng  genommen  durch  das  Metrum^  nicht 
entschuldigt,  es  stand  ^€Ϊθρον  zur  Verfügung,  die  den  Tragikern 
im  Dialog  geläufige  Form ',  Aesohylus  hat  die  epische  Form  mit 
epischer  Positionsdehnung  verwendet.  Eine  von  der  Regel  ab- 
weichende Positionsdehnung  findet  sich  in  ν€κρών  Υ.  275  und  424, 
κυκλψ  371,  πέπλους  471,  lauter  zweisilbigen  Worten,  wo  von 
einem  metrischen  Zwang  nicht  die  Rede  sein  kannl  Dazu  kommt 
eine  singulare  Dehnung  in  der  Junctur  άποτροπήν  V.  220  (Troch.), 
ein  attisches  Wort,  das  der  epischen  Poesie  fremd  ist,  und  end- 
lich eine  Langmessuug  am  Wortschlnss,  die  man  als  einzigen 
Fall  derart  auf  verschiedene  Weise  herauszuemendiren  versucht 
hat.  V.  784  ist  überliefert  νέος  έών  νέα  φρον€Ϊ.  Man  kann 
durch  Umstellung  sowohl  das  epische,  im  tragischen  Dialog 
sonst  nicht  vorkommende  έών  ^,  als  auch  die  singulare  Positions- 
dehnung beseitigen:  ών  νέος  φρονεί  νέα.  Doch  die  Doppel- 
änderung muss  uns  warnen.  Die  beiden  auffallenden  Jonismen 
weisen  eher  darauf  hin,  dase  Aeschjlus  diese  proverbiale  Wen- 
dung aus  einem  jonischen  Dichter  genommen  hat  ®,  wie  wir  schon 


S.  257).  Positionsdehnung  findet  statt  in:  όχμάσαι  5  άιτοκρύψ€ΐ  24 
Αυπνος  32  κατοκνεΐς  <)7  κύκλον  ηλίου  91  έλαφρόν  279  άγρυπνον  874 
έν  Ακραις  382  άγρίαις  384  αριθμόν  475  ouvcbpCai  508  αχ€τλ(ςι  (ί7Ι 
θ€οπρόπους  686  κυκνόμορφον  821  άκραγ€ΐς  829  λατρ€ύ€ΐν  1000  πατρί 
1001   όκρίδα  1048. 

»  30  -f  6  in  den  Trochäen  (225.  238.  711.  743.  756.  758).  Am 
nächsten  stehen  die  Hiketiden  mit  33  in  450  Versen,  die  Gesammtzahl 
in  den  7  Stücken  beträgt  359  nach  Kopp  S.  257. 

^  Yermeidang  der  Auflösung. 

«  Aech.  Prom.  816    Soph.  Ant.  712   Eur.  El.  794. 

*  Auch  Kopp  macht  hier  kaum  noch  den  Versuch  einer  Recht- 
fertigung. 8.  8.  265;  übrigens  kommt  nicht  das  in  drei  Fällen  voran- 
gehende bi,  sondern  die  Stellung,  2.  Arsis  und  vor  der  Cäsur,  mit  dem 
verstärkten  Ictus,  in  Betracht  (über  diesen  s.  Rossbaoh,  Metrik  S.  217  f.). 

*  Aber  im  Chor  belegt,  Eur.  Andr.  124  έοΟααν  (daktyl.  Vers), 
eine  Form,  die  man,  so  viel  ich  sehe,  übersehen  hat. 

β  So  schon  Ileadlam,  Class.  Review  12  (1898)  S.  190. 


292  ν.  Μ  688 

wiederholt  BerühruDgen  mit  den  geringen  Resten  des  Arefailochos 
feststellen  konnten.  Es  wäre  eine  Parallele  zu  dem  aae  Archi- 
Jochos  abgeleiteten  Ά(Τί5ος  μηλοτρόφου  (Dehnung  in  der  Junctur^) 
in  Vers  765  desselben  Stückes.  Kühn  genug  bleibt  trotzdem 
dieser  Fall  von  Positionsdehnung,  wenngleich  als  feste  Verbin- 
dung nahe  mit  einem  Compositum  verwandt^,  und  nur  zu  er- 
klären aus  der  grösseren  Neigung  der  Perser  zur  Langmessung. 
Die  Perser  reichen  als  älteste  datirte  Tragödie  nahe  an  das 
Epochenjahr  480  heran  ^.  Es  liegt  nahe  anzunehmen,  dass  wir 
in  diesem  Stück  noch  eine  nähere  Berührung  mit  älterer  Technik 
vor  uns  haben  und  dass  das  singulare  Verhältnies  von  18  Po- 
sitionsdehnungen  zu  36  Fällen  von  correptio^  noch  einen  Ueber- 
rest  älterer  Kunstübung  darstellt.  Α  priori  unwahrscheinlich  ist 
es,  dass  die  ältere  attische  Tragödie,  speciell  die  voräschyleische, 
die  durch  keinen  grossen  Zwischenraum  von  Solons  Gedichten 
getrennt  war,  einen  diametral  entgegengesetzten  Weg  eingeschlagen 
haben  sollte,  wie  Solon  in  seinen  Jamben,  um  so  mehr,  als  auch 
die  gleichzeitige  populäre  Poesie,  von  der  wir  jetzt  reiche  Proben 
durch  das  Epigramm  haben,  einen  Mittelweg  eingeschlagen  hatte. 

Die  Perser  zeigen  nicht  bloss  nach  dieser  Richtung  ein 
alterthümliohes  Gepräge.  Es  föllt  in  ihnen  die  Zahl  der  Jonismen 
auf^  wie  ^έ€θρον,  έών  ua.,  und  vor  Allem  haben  sie  noch  ein 
Rudiment  alter  Technik  konservirt,  die  starke  Verwendung  des 
trochäischen  Tetrameters  im  Dialog^. 

Eine  andre  Erklärung   für  die  Jonismen  und  die  *  jonische 


1  s.  S.  286. 

2  Vgl.  Hom.  Δ  219  φίλα  φρονίων  us.  Emped.  17,  23  D.;  Hip- 
ponax  frg.  73,  Bergk  P.  1.  II*  S.  486,  όλίχα  φρονοΟσιν.  Zu  νέος  —  νέα 
vgl.  Ear.  Kykl.  28  νέμουσι  μήλα  νέα  v^oi  π€φυκότ€ς. 

°  Aufgeführt  in  Athen  472  (eine  Aufführung  in  Syrakus  vorher 
nimmt  Wilamowitz  Herrn.  32  S.  396  an).  Die  Hiketiden  werden  viel- 
fach früher  angesetzt  (vgl.  Wilamowitz  Hermes  21,608  u.  32,397;  von 
Jnrenka,  Wiener  Stud.  23,  1902,  S.  225  gleich  nach  den  Persern,  seine 
Gründe  sind  nicht  überzeugend),  aber  keineswegs  allgemein.  Bemerkens• 
werth  ist  immerhin  die  geringe  Anzahl  von  Correptionen. 

*  Ungerechnet  selbstverständlich  die  Correptionen  am  Wortschlass. 

^  Es  möge  eine  Verweisung  zB.  auf  Headlams  allerdings  unvoll- 
ständige Zusammenstellung,  Class.  Review  12,  1898,  S.  189,  genügen. 

ö  S.  Rossbach,  Gr.  Metr.^  S.  186 ;  in  grösserem  Umfang  erst  wieder 
in  der  neueren  Tragödie,  als  Kunstmittel  für  bewegte  Partien,  an- 
gewandt. 


Zur  Positionsdebnung  vor  muta  cum  liquida  bei  d.  attiecben  Dichtem  293 

Positionedebnung'  hatHeadlam  versucht  ^  Er  meint,  dase  Aesobylus 
durch  dieses  kleinasiatiscb-joniscbe  Element  dem  Ganzen  einen 
fremdländiRoben,  asiatiscben  Charakter  hätte  aufprägen  wollen  -. 
Diese  Hypothese  brancht  wohl  nicht  widerlegt  zu  werden^. 

Vielleicht  findet  dieser  Versuch,  eine  bistorische  Entwick- 
lung in  der  Behandlang  des  Vokals  in  der  positio  debilis  bei  den 
attiecben  Dichtern  nachzuweisen,  nacb  andrer  Ricbtung  eine  ge- 
wisse Bestätigung  durch  das  merkwürdige  Fragment  der  Phoe- 
nissen  des  Pbrynichos,  des  älteren  Zeitgenossen  des  Aescbylus, 
das  Diels  als  Markstein  in  der  Geschichte  der  tragischen  Sprache 
besprochen  und  gewürdigt  bat^: 

ές  bt  πρ]ωίην  δεβίλην  πλ€ίο[ν€ς  1)ΐσμυρ]ίων 
δνδρες  έκτείνοντο  [και  τρΙς  όψ(]ην  ές  ί>€ΐίλην^ 

München.  Α.  ν.  Mess. 


ϊ  Claee.  Review  12,  1898,  S.  189. 

s  Wie  er  es  durch  Anwendung  von  Worteu  wie  βΑρις  zB.  in  den 
Persern  und  Hiketiden  wohl  beabsichtigt  hat. 

*  Ueber  den  Vokal  in  der  positio  debilis  in  der  jüngeren  Jas 
8.  S.  272. 

^  Rhein.  Mus.  56  (1901)  S.  29  ff.,  aus  einem  Homerscbolion  Φ  111 
des  Ammonios,  Grenfell  u.  Hunt,  Oxyrbyncbos  Pap.  II:  Φρύ[νιχος  ό 
τρατ]ικός  έν  Φοιν(σααις  'δ€(λη  [διχώς]  .  .  .  (folgt  Citat). 

^  Nach  Diels  Ergänzungen. 


ZUR  GRIECHISCEN  ANTHOLOGIE 


I.    Leonidas   von    Alexandrien. 

Eine  der  eonderbareten  Ersoheinungen  unter  den  Griecbi- 
sehen  Dichterlingen  der  ersten  Eaiserzeit  ist  der  „Isopsepbist** 
Julius  Leonidas  von  Alexandrien.  Setti  bat  ibn  einer  Monographie 
gewürdigt  ,,Leonida  Alessandrino  Torino  1894'S  Stadtmüller  in 
verscbiedenen  Aufsätzen  seine  Gedichte  kritisch  behandelt.  An- 
lässlich einer  Arbeit  über  die  Dichter  des  Philippoekranzes,  bin 
ich  gezwungen  gewesen,  mich  mit  diesem  „sonderbaren  üeiligen'^ 
eingehend  zu  beschäftigen.  Die  Resultate  seien  hier  kurz  mit- 
getheilt. 

Die  datierbaren  Oedichte  weisen  auf  die  Zeit  des  Claudins 
und  Nero :  VI  329  gilt  der  Mutter  Neros  Agrippina  zum  Geburts- 
feste (6.  November),  wohl  lange  vor  März  59,  IX  355  ist  das 
Begleitgedicht  eines  Globus,  den  Leonidas  der  Kaiserin  Poppaea 
zum  Geburtstage  sendete,  also  zwischen  63  u.  65  verfasst  ^  ao 
Claudius  oder  Nero  ist  VI  321  gerichtet,  demselben  widmet  er 
das  dritte  Buch  der  Isopsepha  VI  328,  die  Rettung  des  Kaisers 
vielleicht  Nero's  nach  Agrippina's  Tod  feiert  IX  352. 

Nur  IX  349  wird  seit  Meineke  in  der  praefatio  zu :  Utrins- 
que  Leonidae  carmina  Lipsiae  1791  auf  Vespasian  bezogen.  Ich 
setze  das  kleine  Gedicht  hieher: 

*Ύί>ατά  σοι  ΚοτΓλεια  γενίθλιον  ήμαρ  όρώντι, 

Καίσαρ,  έττιβλύΖοι  σωρόν  όκ€σς>ορίης, 

δφρα  σε  κόσμος  δττας  πάττπον  (πάλιν)  αύγάΖηται, 

ώς  πατίρα  τρισσής  εϊσώεν  εύτοκίης. 

Es  ist  der  Wunsch  zum  Geburtsfeste  eines  Kaisers,  der  zum 


1  Den  Titel  Augusta  (Σεβαστιάς  V.  3)  erhielt  Poppaea  63  nach 
der  Geburt  einer  Tochter.   Tac.  ann.  15.  23. 


Zur  griechischen  Anthologie  295 

Curgehraoche  in  aquae  Cntiliae  weilt  und  von  einem  seiner  drei 
Kinder  urossvater  zu  werden  hofft.  In  Betracht  kommen  nur 
Claudius  und  Veepaiiian.  Veepasian  weilte  alljährlich  zur  Sommers- 
zeit in  Cutiliae  und  ist  daselbst  auch  gestorben,  auch  die  Zahl 
der  Kinder  stimmt.  Doch  spricht  meines  Erachtens  gegen  die 
Beziehung  des  Epigrammes  auf  ihn  folgendes:  Vespasian  ist  am 
18.  November  geboren.  Zu  dieser  Zeit  ist  ein  Cnrgebrauch  in 
dem  Abruzzenbade  kaum  denkbar.  Von  den  drei  Kindern  Titus, 
Domitian  und  Domitilla  war  die  Tochter  schon  vor  der  Thron- 
besteignog  des  Vaters  gestorben,  so  dass  von  einer  τρκτοή  €ύτοκιη 
nicht  mehr  die  Rede  sein  konnte.  Als  Enkelkind  käme,  da  Julia, 
die  Tochter  des  Titus  geboren  ist,  als  der  Grossvater  noch  Privat- 
mann war,  nur  der  Sohn  des  Domitian  von  der  Domitia  geboren  71 
in  Betracht.  Mir  scheint  die  Beziehung  des  Epigrammes  auf 
Claudius  wahrscheinlicher.  Zwar  ist  über  Benutzung  der  Schwefel- 
quellen von  Paterno  durch  denselben  nichts  tiberliefert,  doch  wissen 
wir  von  einer  Erkrankung  des  Kaisers  vielleicht  in  Folge  seines 
Magenleidens  im  Jahre  53.  Wichtiger  scheint  mir  folgendes: 
Claudius  ist  am  1.  August  geboren.  Als  er  zur  Regierung  kam, 
hatte  er  2  Töchter,  Antonia  von  der  Paetina  und  Octayia  von 
der  Messallina,  dazu  kam  im  ersten  Regierungsjahre  noch  ein 
Sohn  Britanniens.  Da  Octavias  Ehe  mit  Nero  kinderlos  blieb, 
Britanniens  unvermählt  starb,  könnte  es  sich  im  Epigramme  nur 
um  die  erwartete  Nachkommenschaft  der  Antonia  handeln.  Diese 
war  in  erster  Ehe  mit  Cn.  Pompeins  Magnus  vermählt  (41—46), 
naoli  diesem  Tode  mit  Faustus  Sulla.  Diesem  gebar  sie  noch  zu 
Lebzeiten  des  Vaters  einen  Sohn.  Dieses  Ereigniss  fallt  in  die 
Jahre  48 — 54^.  Das  Epigramm  würde  also,  wenn  man  auf  die 
früher  erwähnte  Erkrankung  des  Kaisers  Rücksicht  nähme,  im 
Jahre  58  abgefasst  sein^. 


1  Leider  ist  der  3.  Yere  lückenhaft,  das  ergänzte  (πάλιν)  macht 
nicht,  wie  Dnbner  behauptet,  beide  Disticba  gleichz'ählend,  ich  fand 
ohne  die  Ergänzung  6423 :  6652,  es  steckt  yielleicht  ein  Fehler  im 
ersten  Distichon,  ergänzt  man  πάλιν  (171),  so  ist  die  Differenz  400. 

s  Belegstellen  aus  Sueton:  Vesp.  c.  24.  Cutilias  ae  Reatina  rura, 
ubi  aestivare  quot  annis  soiebat,  petit.  ib.  c.  2.  natue  est  —  XV.  Kai. 
Dec.  ib.  c.  3.  ex  hac  (Flavia  DomilitU)  liberos  tulit  Titum  et  Domi- 
tillam.  Uxori  ac  filiae  snpertee  fait  atque  utramqne  adhuc  privatus 
amisit.  Titus  c.  4.  cum  qua  (Marcia  FnrnilM  sablata  filia  divortiuro 
fecit.     Domitian  c.  3.    uxorem  Domitiar-  ^Qundo  suo  con- 

snlatu  iilium  tulerat  ***  alteroque  anno  gustam.   Clau- 


296  Radinger 

Fttr  die  Scheidung  der  Epigramme  des  Leonidas  von  Alexan- 
drien  von  denen  des  Leonidae  von  Tarent  ist  die  leopsepbie  das 
beste  Griterium.  Dass  der  Alexandriner  auch  nicht  Ιοόψηφα 
geschrieben  habe,  läset  sich  nicht  erweisen  ^.  Durch  die  üeber• 
lieferung  sind  für  unsern  Poeten  gesichert  VI  321 — 329  Ιαόψηφα 
Λ€ωv(^oυ  ΆλβΕαν^ρ^ιυς  AC,  323  ist  nicht  isopseph  vielmehr  ein 
anastrepbon,  rührt  also  vielleicht  von  Nikodemos  her,  dessen 
Anastrepbonta  313 — 320  vorausgehen,  alle  anderen  sind  isopseph. 
VII  547—550  Aeiüvibou  Άλεξανορέως  Ισόφηςρον  C  richtig. 
Vn  668  Λεωνί&ου.  ϊστι  bk  Ισόψηφον  τό  επίγραμμα  C  richtig,  VII 
675  Λ€ωv(^oυ  Ισόψηφον  C  richtig.  IX  42  Ιουλίου  Aeumbou 
C  ist  isopseph,  IX  123  ob^OrroTov  oi  hk  Λεωνίοου  Άλείανορεαις 
=  353*  ist  isopseph.  IX  344 — 356  Λεωνίόου  'AXeEavbp^uiq  und 
am  Rande  Σήτει '  δτι  πάντα  τά  επιγράμματα  Aeuivibou  Ισόψηςκχ 
C,  sind  isopseph.  XI  70  ΛεuJv(^oυ  Ισόψηφον  Β  XII  20  Ιουλίου 
ΛεωνΙόου  Β  ist  isopseph;  ferner  sind  durch  Isopsephie  gesichert: 
IX  12  Λεωviboυ  A,  ebenso  XI  9,  187.  199.  200.  Λεωνίδου  Β. 
gegen  die  TJeberlieferung,  welche  Λεu}vfboυ  Ταραντίνου  gibt, 
ist  IX  78  von  Setti,  IX  79.  80,  106  u.  179  von  Stadtmuller  all 
ipopseph  erwiesen  worden.  Dagegen  scheint  XI  213  mir  das 
Lemma  Λειυνίοου  verderbt,  es  gehört  eher  dem  Lncillius  oder 
einem  seiner  Nachahmer.  Wir  haben  also  40  sichere  Epigramme 
des  Leonidas  von  Alexandrien. 

Stadtmüller  hat  ausser  den  schon  genannten  eine  Reihe  von 
Gedichten,  welche  in  der  Anthologie  nur  mit  Leonidas  fiberschrieben 
sind,  für  den  Alexandriner  in  Anspruch  genommen.  Es  sind  das 
VI  200,  262.  VII  19,  173,  190,  656,  660.  IX  337.  Ich  halte 
diese  Zuweisungen  für  verfehlt. 

VI  200.  Die  Aenderung  πρό  ποοών  in  πρό  πυλών  scheint 
unrichtig,  man  legt  schwerlich  Weihgaben  wie  bε(Tμά  κόμας  και 
πέπλον  vor  den  Tempelthüren  nieder,    wohl    aber  vor  der  Basie 


dius  c.  2.  Claudius  natue  est  Kai.  Aug.,  über  das  Weitere  vergleiche 
die  Artikel  Claudias,  Antonia,  Sulla  bei  Panly-Wissowa  BEß  II  2785, 
I  2641,  III  1522. 

1  Sakolowski  de  Anthologia  Palatina  quaestiones  Lipsiae  1893 
p.  53  wollte  wegen  IX  99.  107.  179  auch  nicht  isopsepha  annehmen; 
aber  in  179  hat  Stadtmuller  Isopsephie  hergestellt.  99  gehört  sicher 
dem  Tarentiner,  dem  es  beide  Sammlungen  zut heilen.  Die  Nachahmung 
durch  £aeno8,  der  Tor  den  Flaviern  gelebt  haben  muss  (IX  75),  u.  Ovid 
Fasti  II  353  ff.  kann  darüber  keinen  Zweifel  aufkommen  lassen.  107 
gehört  dem  jungem  Antipatros,  wie  Planudes  angibt. 


Zur  Griechischen  Aniholofjfie  297 

des  Götterbildes.  Wichtiger  scheint  mir  folgendes:  VI  202  ist 
eine  Variation  von  200,  dieses  wird  aber  auch  von  Stadtmüller 
dem  Tarentiner  belassen.  Nun  ahmt  der  Meleagreer  Perses  VI  272 
beide  Gedichte  nach,  man  vergleiche  272,  4  φυτοΰ(Τα  βάρος  mit 
200,  l  ώόΐνα  φυτοΟσα,  dann  5€κάτψ  μηνι  mit  200»  3  &€κάτψ  έπι 
μηνι,  ferner  272, 1.  ίώμά  τοι  —  και  άνθ€μΟ€ντα  κύπασσιν  mit 
202,  1.  ίώνην  τοι  —  καΐ  τόνΟ€  κύπασσιν,  auch  das  ώ  Λατωι  in  ν.  1 
stammt  aus  202,  3,  es  gehören  200  u.  202  demselben  Dichter,  dem 
Tarentiner,  der  dasselbe  Thema  gerne  variirt,  vgl.  Geffken  pg.  131. 
Die  alphabetische  Philipposreibe  ist  in  Wirklichkeit  nicht  vor- 
handen, 201  Argentarius  ist  nur  des  Inhaltes  wegen  zwiecben 
die  beiden  Gedichte  des  Leonidas  eingeschoben  ^. 

VI  262.  Mit  261  schliesst  deutlich  eine  alphabetische 
Philipposreihe  (227— 261  A-X),  die  folgenden  Epigramme  bis  313 
bilden  eine  Meleagrosreihe,  warum  soll  man  also  zwischen  die 
glatt  abschliessenden  Theile  etwas  fremdes  einschieben,  da  ausser- 
dem die  Herstellung  der  Isopsephie  so  gewaltsame  Aendernngen 
erfordert  und  das  του  αύτοΟ  von  263  einen  weiteren  Irrthum 
des  Schreibers  voraussetzt^). 

VII  19.  Die  Aenderung  des  sicher  verderbten  3.  Vers- 
schlusses  eö  b'  δγ€  Λυbός  ist  leicht,  entspricht  aber  nicht  dem 
Zusammenhange.  Hält  man  die  Worte  nicht  für  interpoliert  (ans 
18.  6),  so  ist  es  am  besten,  mit  Geff ken  eine  Lücke  anzunehmen. 
Gedichte  auf  berühmte  Dichter  finden  wir  beim  Tarentiner,  nicht 
aber  beim  Alexandriner,  vgl.  Geff  ken  n.  21 — 25  ^ 

VII 173.  όιοτίμου  οι  bk  Xeuivibou  CPl,  das  reizende  Epigramm 
gewinnt  durch  πυκνή  nicht,  es  ist  durch  die  Nachahmung  des 
£rykioe  174  als  alt  erwiesen.  Diotimos  wird  wirklich  der  Ver- 
fasser sein. 

VII 190.  άνυτησ  o\  bk  Xeuivibou  CPl  hat  Geff  ken  genügend 
verteidigt,  es  wird  von  einem  Philippeer  Argentarius  364  kopirt^ 

VII  656  u.  660  δ.  Die  Partie  622—665  zeigt  folgende  Zu- 
sammeoeetzung.  622 — 645  alphabetische  Philipposreihe  Β — Ω, 
es  folgt  eine  Maleagrieche  Partie  — 665,  die  durch  eine  Einlage 


1  Stadtmüller  Ausgabe  I  p.  328   Geffken  p.  8. 

8  Stadtmüller  Heidelberger  Programm  1894  p.  7  f.,  über  Auf- 
einanderfolge der  Reihen:  Weisshaupl  Orabgedichte  p.  25  f. 

8  Stadtmüller  Berl.  Phil.  Wochenschr.  1895  p.  357   Geffken  p.  66. 

*  Berliner  Phil.  Wochenschr.  1894  p.  1539  f.    Geffken  p.  9,  A.l 

^  Stadtmüllere  Aasgabe  II  p.  450  u.  453,  über  die  Reihe  Geffken 
p.  11.     Reitsenstein  Epigr.  u.  Scolion  Exe.  III  p.  22A« 


298  Radinger 

aus  der  Theokriteatnmluiig  658— 6β4  auseinandergeBprengt  wnrde, 
Bo  erklSren  eicb  am  besten  die  Schwankungen  der  Ueberlieferung. 
Da  660  auch  in  der  Theokritsammmlung  erecbeint,  die  ich  für 
bellenietisch  halten  mues,  hat  Stadtm&llere  Herstellung  der  leop- 
sephie  grosse  Bedenken.  Aber  aocb  656  bleibt  dem  Tarentiner, 
der  Stil,  vgl.  όλιγήριος  und  das  Dornmotiv  ist  echt  Leonidaeisch. 
Die  Aenderungen  Stadtmttller's  sind  gewaltsam. 

IX  337  λεωνίόου  ταραντίνου  C  wird  durch  die  Copie  des 
Erykios  IX  824  und  Satyros  X  1 L  ausreichend  geschützt.  Ausser- 
dem steht  es  am  Schlüsse  einer  Meleagrosreihe  313 — 338  (?}V\ 
dem  Tarentiner  muss  ich  auch  Plan.  171  \€uiv{bou  zuteilen, 
Meineke  und  Geffken  haben  es  weggelassen.  Es  ist  nicht  isop- 
seph  (8148:6291),  es  ist  Variante  von  1X320  (X€U)viba  Α 
ταραντίνου  C  in  meleagrischer  Reihe),  den  Ausschlag  gibt  Plan. 
177  φιλίτπτου,  das  eine  nach  Antimachos  (?)  IX  321  erweiterte 
Copie  unseres  Gedichtes  ist.  Damit  scheint  der  Alexandriner, 
der  nach  Philippos  lebte  und  ihn  copierte,  ausgeschlossen. 

Welcher  Sammlung  hat  der  Alexandriner  Leonidas  angehört? 
In  Frage  kommen  nur  der  Philipposkranz  und  die  sogenannte 
Diogeniansammlung.  Sakolowski  unterscheidet  zwischen  Epi- 
grammen, die  Leonidas  vor  seinem  römischen  Aufenthalte  ver- 
fertigt, diese  seien  im  Stephanos  des  Philippoe  gestanden  und 
zwischen  solchen,  die  er  in  Rom  geschrieben,  diese  seien  der 
Diogeniansammlung  zuzuweisen'.  Aber  Leonidas  hat  nach  dem 
ausdrücklichen  Zeugnisse  in  IX  344  erst  in  Rom  zu  dichten  an- 
gefangen, früher  war  er  nur  Astronom.  Gegen  die  Zugehörigkeit 
zum  Philipposkranze  spricht,  dass  die  datierbaren  Gedichte  in 
die  Zeit  des  Claudius  und  Nero  fallen,  also  nach  Abschluss  der 
Sammlung  des  Philippos  ^,  weiter  dass  Leonidas  den  Philippos 
copiert.  Unrichtig  ist  es,  wenn  Sakolowski  behauptet,  Isopsepha 
stünden  in  alphabetischen  Philippsreihen.  IX  105 — 107  ist  eine 
kleine  inhaltliche  Reihe  €!ς  ναυς,  zudem  ist  nicht  sicher,  ob  105 
άοέσποτον  im  Stephanos  stand;  auch  VII  668  steht  nicht  unter 
Philippeem,  667  ist  inschriftlich,  669  u.  670  stammen  aus  Laerf. 
Diog.  auch  672  u.  673  sind  Inschriften,  die  Reihe  ist  also  ganz  jong. 
Aber  auch  die  Zugehörigkeit  zum  Diogeniananthologion  ist  nicht 
zu  erweisen. 


1  Berliner  Phil.  Wochenechr.  1894  p.  1540. 

3  Sakolowski  p.  54— ή6. 

^  Philippoekranz  unter  Calignla  s.  Hillsoher  p.  413  ff. 


Zur  Griechischen  Anthologie  299 

Die  Epigramme  dee  XI.  Buches,  die  hier  in  Betracht  kom- 
men,  stammen  sämmtlioh  mit  einer  Ausnahme  ans  dem  Theile, 
der  nach  dem  Inhalte  in  einzelne  Capitel  zerf&llt,  so  dass 
nirgends  reine  alphahetische  Diogenianreihen  festzustellen  sind. 
XI  9  folgt  aher  auf  ein  sonst  inschriftlich  erhaltenes  Gedicht 
(Eaitel  646^)  aus  unbekannter  Zeit^  Ich  würde  mich  am  lieb- 
sten der  Weigand*8ohen  Ansicht  zuneigen,  der  die  Zugehörig- 
keit der  Isopsepha  zu  beiden  Auslesen  leugnet  und  als  Quelle 
die  eigenen  Sammlungen  des  Dichters  annimmt.  Freilich  hat 
Kephalas  nicht  diese  excerpirt,  sondern  Mittelquellen  benutzt. 
Für  Weigands  Ansicht  sprechen  die  längeren  Reihen  VI  321—329, 
Vn  547—550,  1X78—80,  IX  344—356,  wie  sie  sonst  nur  bei 
Simonides,  (Anakreon),  Theokritos,  Kallimachos,  Palladas,  also 
bei  Dichtern  vorkommen,  die  aus  Separat• Sammlungen  in  unsere 
Anthologie  gekommen  sind. 

Noch  einige  Worte  über  Leonidas  als  Dichter.  Sieht  man 
von  den  Gratulationsgediohten  ab,  wie  sie  auch  Erinagoras, 
Diodor,  Thallos,  der  jüngere  Antipatros  und  Philippoe  für  ihre 
Patrone  und  Gönner  geliefert  haben,  so  ist  er  geradezu  als  skla- 
vischer Nachahmer  der  älteren  Epigrammatiker  zu  bezeichnen. 
Für  dreiviertel  seiner  Epigramme  können  wir  heute  noch  die 
Quelle  nachweisen,  Meleagreer,  besonders  aber  Philippeer,  am 
häufigsten  Philippos,  für  die  Skoptika  ist  er  gewiss  durch 
Lucillius  beeinflusst  worden.  Freier  als  in  der  Wahl  der  Stoffe 
ist  er  in  der  Ausführung,  wörtliche  Nachahmung  war  durch  die 
Isopsephie  ausgeschlossen,  doch  hat  er  gerne  Einzelheiten  beson- 
ders aus  Kallimachos  herübergenommen. 

Selbstwiederholnngen  sind  nicht  selten,  werden  aber  durch 
den  Zwang  der  Isopsephie  entschuldigt.  Der  Sprachschatz  zeigt 
mancherlei  Neuerungen:  Ableitungen  und  Zusammensetzungen, 
auch  seltenes  Homerisches  und  Ti'agisches  Sprachgut.  Manches 
eigenthümliche  wie  das  passivische  Ιθύνω  VI  328,  3,  προφέρω 
c.  acc.  VI  344,  4,  der  Gebrauch  von  ϊοιος  IX  354,  2  erklärt 
sich  durch  den  Zwang  der  Isopsephie.  Im  Allgemeinen  kann 
man  Boissonades  Erstaunen  über  die  Correctheit  und  glatte  Form 
des  Leonidas  gerecht  finden  Valde  mirabile  est  potuisse  Leoni- 
dem  talibus  constrictum  vinculis  tam  libera  ac  facili  vena  versus 
fnndere*.     Freilich   den  Namen  eines  Dichters    verdient    er  des- 


*  Franke:   de  Pallada  epi<»»'»"»'«e*^flrraOho  Lipeiae   1899    p.  65. 
Weigand,  Rhein.  Mus.  1845  ρ 


ίίΟΟ 

hall)  • 
poet•'. 
Alter• 

iROpS» 

aiiR    (*: 

inöcl:!• 
in  jeT.• 
φοι.  '. 

zu    i]vl• 

phoiita 
lereiei 
älterer 
I 
und  S 
sämnitl. 
komnu'i 

I. 

Vi 
7666,  i: 
IX  34S. 
ΧΠ  20: 

L<• 

Vll 
die  Ιβορ*-• 
Das  MotiN 
Vn   522. 

VII 
und  304h 
in  Vers  1  i- 
Das  Verbu 
gebildet  vou 
N.p.633j  V 
νοις  άναλύΖ 

VII  5Γ)' 
χύμα  (für  xe 

IX  345. 
4226  =  6422, 
fälecblich  2  UM 
dann  vöv  in  π 


Zur  üriecbisübeu  Anthulugie  301 

Αινόπαρις  bei  Ilumer  und  αινόλυκος  bei  unserem  Leonidae  VII 
550,  damit  iet  die  Differenz  auägegliclien.     6422. 

1X350:  ich  fand  4136  +  3590  =  7726  und  3460  +  4575 
=  8035,  also  Unterschied  809.  Der  Fehler  steckt  in  dem  un- 
verständlichen άτονώΟ€α,  durch  rein  mechanisches  Probieren  ver- 
fiel ich  auf  das  richtige  χιονώΟ€α  'schnee weiss ^  vgl.  Lukillios 
XI  410,  5  χιονώ&€α  βόλβον.  AT  und  XI  konnten  leicht  ver- 
wechselt werden.     Resultat  8035  (610  statt  301). 

IX  352  ergab  sich  3419  +  3839  =  7258;  4861  -f  2357 
=  7218.  Differenz  40,  schreibt  man  θύβρώος  (vgl.  Θύβριν  IX 
219,  4),  wie  Stadtmiiller  vorschlug  und  σω(ι)2[ομένιμ,  so  hat  man 
beiderseits  7218. 

IX  353  ursprünglich  3318  +  1728  =  5046  und  2581  -h 
8210  =  5741,  Differenz  695;  im  ersten  Distichon  -{-115,  im 
zweiten  —  580,  durch  β€βαιότατον  für  βεβαιότατε  (Reiske)  und 
άοι5οπόλος  für  άιοοοπόλων  (Heringa)  5161. 

JX  854  ich  fand  5408  -f  2908  =  8316  und  4806  -f  8500 
=  8306,  die  kleine  Differenz  lässt  sich  durch  θνήίι)Εομ'  be- 
Reitigen.  Stadtmüllers  Aenderungen  sind  gewaltsam:  'Ovnep 
^Αρης  für  'Όν  πόλεμος  und  άθέψ  für  Ιοιψ.  An  der  Wieder- 
holung von  πόλεμος  stosse  ich  mich  bei  einem  isopsephon  nicht, 
άθέψ  macht  die  gezwungene  Ausdrucks  weise  in  Vers  2  nicht 
besser.  ϊ5ιος  πόλεμος  würde  man  frei  mit  'innerer  Krieg'  über- 
setzen können. 

IX  355  ergab  die  Berechnung  2460  +  3957  =  6417  und 
2789  +  3633  =  6422,  also  5  Differenz,  behoben  durch  die  Schrei- 
bung μ(ε)ίμημα.  ^ 

1X356:  4109  +  3564  =  7673  und  4858  -f  2522  =  7380, 
also  Differenz  293,  schreibt  man  ll  Ιερής  für  il  έτέρης  (10  für 
305),  so  erhält  man  7378:  7380,  noch  näher  kommt  Stadtmüllers 
έκ  νεαρής,  doch  ist  es  paläographisch  schwieriger. 

XI  9:  ich  zählte  3698  +  4082  =  7780  und  4032  +  4142 
=  8174,  also  eine  Differenz  von  394,  schreibt  man  im  ersten 
Distichon  μου  für  μοι,  sowie  δντα  mit  Piccolos  für  δρτα,  im 
zweiten  nach  Casaubonus  άγροπόνοκτι  für  das  unsinnige  έργο- 
πόνοκτι,  so  ist  die  Isopsephie  tadellos.  Settis  χάρμα  entspricht 
nicht  dem  Sinne.     7780  +  390  =  8170,  8174  —  4  =  8170. 

XI  187  ist  die  Isopsephie  durch  die  Verdoppelung  des  μ  in 
Σίμμυλος  herge«tellt  4881  +  5090  =  9971  und  6519  +  3492 
=  10011  durch  +  40  (=  μ)  wird  auch  im  ersten  Distichon  10011 
erreicht. 


302  Radinger 

In  eiDigen  Fällen  bin  ich  nicht  zu  sicheren  Besultaten  ge- 
kommen : 

IX  42  fand  ich  nicht  Sakolowskis  8011  :  8051,  sondern  in 
wiederholter  Rechnung  7911:8060,  die  Differenz  von  149  lässt 
sich  durch  den  Plural  κύμασι  für  dae  überlieferte  κυματι  auf  49 
bringen.  Schriebe  man  όργέστης  θ'  δτ'  i.h\)Oe  νβώς  τρόπιν, 
άσπΑ)*  όνήψα  σψθεις  κ€κριμένην  κύματι  κα\  πολ^μψ,  βο  bliebe 
nur  2  Differenz,  doch  ist  dies  allee  unsicher.     Der  Fehler  steckt 

in  aamba  b'  ίσχον. 

IX  78  fand  ich  3207  +  2696  =  5903»  liest  man  im  zweiteo 
Distichon  statt  des  unzulässigen  κλά&ΟΜΤι  mit  G.  Hermann  κλα- 
beUJCTi  und  mit  der  Plauudea  ύφέλκ€ΐ  statt  έφέλκ€ΐ,  βο  hat  man 
3367  +  2586  =  5953,  es  fehlen  also  50. 

IX  79  fand  ich  tibereinstimmend  mit  Stadtmüller:  3573  + 
3662  =  7235  und  3107  +  4123  -=  7230,  also  5  Differenz.  Doch 
ist  die  Aenderung  πάντοτε  |  in  παΟ(Τον  gewagt. 

IX  106:  2916  +  2332  =  5248  und  2925  +  2379  =  5304 
schreibt  man  mit  Planudes  <άν>έφλε£€,  so  verringert  sich  die 
Differenz  von  56  auf  5,  <έν>έφλ€£€  würde  die  Differenz  1  er- 
geben. 

IX  179:  Stadtmtiller  hat  mit  den  leichten  Aenderungen  tod 
ποθ'  in  που  und  von  Κ€ΐται  in  κ€Ϊ(Ται  die  Isopsephie  8540  her- 
gestellt.    Schwerer  sind  die  Aenderungen  desselben  bei: 

IX  346,  wo  er  νήσους  in  πόντους  verwandelt  und  TP<>^^ 
mit  C  schreibt  und  bei: 

IX  347,  wo  er  εύάροτον  in  €ύάροτοι  ändert  und  statt  δέλ- 
φινας γαίη:  δελφϊν'  αύθις  τή  setzt,  üeber  IX  349  wurde 
schon  flüher  gesprochen. 

XI  200 :  ich  zählte  2919  +  4232  =  7151  und  3299  +  3837 
=  7136.  Die  Differenz  von  15  würde  durch  κατακάετο  für 
κατ€κα{€Τ0  fast  ausgeglichen:  7137:  7136. 

II.    Zum    Maroianus  481;    dem  Antographon    des 

Planudes. 

I.  Auf  dem  vorderen  Umschlagblatte  stehen  von  später 
Hand  eingetragen  mehrere  Inschriftencopien.  Oben  griechisckee 
und  lateinisches  Alphabet;  hierauf:  Ad  äconif  portum.  Die  be- 
kannte Aufschrift  des  Hafenthores  von  Ancona  CiL.  IX  5894  mit 
dem  Fehler  IXI  statt  IX,  der  allen  von  Cyriacus  abhängigen 
Abschriften  gemeinRam  ist,   hierauf  folgt:  apud  croetam  insulam. 


Zar  Griechischen  Anthologie  Ü(VI 

.  ΛΑΜΤπΤΑΙΟΝ  . 
Η  .  πΟΛΙΣ  .  MAPKON  .  ΛΥΡΗΛΙΟΝ  .  ΚΛΗΣΙΠ- 
πΟΝ  .  ΤΕΙΜΗΣ  .  ΚΑΙ .  ΜΝΗΜΗΣ  ΧΑΡ- 

IN 
es  ist  GIGr.  2584.  Mabillon  Iter  Italicum  p.  33  hat  sie  aus 
unserem  Codex  abgeschrieben,  wie  aus  seinen  Worten  hervor* 
geht :  ^  in  vacuo  folio  eninsdam  veterrimi  codicis  exstat  inscriptio 
de  Lappaeo  Cratae  opido  cum  hoc  titolo:  apnd  Cretam  insnlam 
etc/  Die  einzige  Ungenanigkeit  der  folgenden  Abschrift  besteht 
aasser  der  Zeilenabtheilung  in  XAP.  statt  XAP- 1  IN. 

Dann  folgen  aaf  der  Rückseite  des  Blattes  CIGr.  2574, 
wieder  nach  Cyriacns  vgl.  Mommsen  Prenss.  Jahrb.  IV  p.  89, 
dann:  Apnd  hierapetram  CIGr.  2581  n.  2582,  endlich  das  be- 
kannte Epigramm  auf  Sappbo  CIGr.  3555,  zu  dem  man  Knbit- 
scbek  Arch.  Mittb.  ans  Oesterreich  VIII  p.  103  and  Stadtmüllers 
Anthologieansgabe  II  l  p.  13  nnd  praef.  LXIX  vergleiche.  Das- 
selbe Epigramm  kehrt  auf  dem  Sohlnssblatte  f.  123^  von  der- 
selben Hand  zweimal  geschrieben  wieder.  Die  Ueberschrift  lantet 
wie  im  Bodleianns  €ΐς  Πέργαμον  τής  'Ασίας  ncpl  Σαπφούς.  Die 
Varianten  sind  belanglos. 

Sämmtliche  Inschriften  geben  auf  die  Scheden  des  Cyriacus 
von  Ancona  zurück. 

II.  Datirung:  der  Codex  enthält  ausser  der  Anthologie  des 
Planndes  f.  1  —  10(F  noch  die  Nonnos-Metaphrase  des  Johannes* 
evangeliams.  Am  Schlnsse  derselben  steht  folgende  subscriptio: 
έγράφη  f|  μ€τάφρασις  αοτη  του  κατά  Ίιυάννην  άγιου  €ύατγ€λίου 
χειρι  ΜαΗίμου  μονάχου  του  Πλανούδη  εντός  Κονσταντινου- 
πόλεαις  κατά  τήν  μονήν  του  Σιυτήρος  Χρίστου  τήν  του  άκα- 
λήπτου  έπονομαίομίνην  μηνι  Σ€πτ€μβρ(ψ  Ινδικτιώνος  ιγ'  ίτους 
ςω  1>€κάτου :  τ :  τ :  —  Die  Handschrift  wnrde  also  im  September 
6810  *=  1301  vollendet.  Die  Indiction  ist  die  des  vorhergehen- 
den Jahres. 

III.  Am  Schlüsse  der  Anthologie  anf  fol.  lOO'  steht  von 
späterer  Hand  das  bekannte  Epigramm  auf  Apollodors  Bibliothek 
(aus  Photios  cod.  186)  mit  der  Aufschrift  «χ»  -f  clc  τά  πεντή- 
κοντα βιβλία  του  Ιστορικού  Κώνωνος.  «^  Die  Varianten  sind 
werthloe.  V.  1  πείρημα,  γ'  άπ\  V.  2  πάλαι  γβνεασ.  V.  4  μή 
5έ.     V.  5  Schluss  von    mir    notirt  έκ?    bk    μ€?   άθρών?    V.  6 

€ύρΐσ€ΐσ. 

IV.  Einen  guten  Einblick  in  die  Arbeitsweise  des  Planndes 
gibt  die   Randnotiz  fol.  46^  unten:  προ  τών  εΙς  τους  θεούς  έπι- 


ι 

ι 

304  Uadingcr  | 

γραμμάτων  ώφειλ€  κ€ΐσθαι  κατά  τήν  τιΰν  στοιχείων  άκολουθίαν 
δσα  εις  2[α)γράφους  και  Iwa  και  ήρωας  και  θάλατταν  κατά  66 
λήθην  II  έτίθη  υστέρα,  ει  bi  τις  εντεύθεν  μεταγράφει,  πρώτον 
τά  τιΰν  Ζωγράφων  και  Ζώων  καΐ  ηρώων  και  ήχους  και  θαλάττης 
γραφέτω,  είτα  τά  των  θεών.  Planudes  hatte  aleo  aae  seinen 
Ezcerpten  das  Capitel  εΙς  αγάλματα  θεών  an  unrichtiger  Stelle 
eingefügt.  Als  er  es  bemerkte,  war  es  zur  Aenderung  zn  spät 
und  er  verwies  durch  die  Handnote  auf  seinen  Irrthum.  Auch 
sonst  finden  sich  solche  Redactionsfehler;  so  stehen  auf  fol.  43* 
bis  45^  unten  die  Epigramme  auf  die  Statuen  der  Rennfahrer  im 
Hippodrom,  hierauf  folgen  die  Rubriken :  εΙς  εικόνας  βακχών  und 
βασιλέων,  dann  auf  fol.  46''  und  46*  die  Epigramme  auf  Renn- 
fahrer PI.  379—887  als  Nachtrag.  Die  Anordnung  des  Gapitele 
εΙς  αγάλματα  θεών  ist  alphabetisch  nach  den  Götternamen,  da- 
gegen ist  sie  im  Nachtrage  fol.  98'  und  98^  eine  freie. 

V.  Innerhalb  der  Capitel  sind  Reste  der  Primaerquellen 
stehen  geblieben,  die  ich  kurz  anführe: 

Meleagroskranz:  131.  Antipatros  132. Theodoridas  133. 
Antipatros  134.  Meleagros  ||  170.  Hermodoros  171.  Leonidas  172. 
Alexandres  Aitolos.  ||  188.  189.  Nikias  190.  Leonidas  191.  Ni- 
kainetos.  ||  12.  άδηλον  13.  Piaton  227.  o.  L.  228.  Anyte  229. 
o.  L.    230.  Leonidas    231.  Anyte  ||  236.  Leonidas    237.  Tymnes^ 

Philipposkranz:  103.  Geminos  Ή  104.  Philippos  Ή 
105?  0.  L.  Θ.  II  135?  o.  L.  Τ  136.  Antiphilos  Τ  137.  Philippoe 
Τ  II  138?  άδέσποτον  Δ.  140?  ο.  L.  Δ.  141.  Philippoe  Κ.  142. 
ο.  D.  Μ.  143?  Antipatros  Μ.  ||  195.  SatyrosT  196?  Alkaios  Τ 
197.  Antipatros  Τ  |  198.  Maikios  Κ.  199.  Krinagoras  Κ.  ||  214. 
SecundusZ  215.  Philippos  Σ  216.  Parmenion  Q.  ||  240.  Philippoe 
Q    241.  Argentarius  Ω    242.  Erykios  Ω. 

Agathiaskyklos:  86.  Agathias  37.  Leontios  38.  Johannes 
39.  Arabios.  ||  107.  108.  Julianos  109.  Agathias  ||  277.  278.  Paulos 
Silent.  ||  283—288.  Leontios. 

VL  Verfassernamen:  Ich  beschränke  mich  einige  wichtige 
Abweichungen  der  Lemmata  des  Marcianus  von  denen  unserer 
Ausgaben  mitzutheilen. 

PL  186  lautet  das  Autorlemma  Ξενοκρίτου  nicht  Ξενο- 
κράτους. Der  Dichter  Xenokrates  ist  somit  zu  streichen.  Der 
Xenokritos  unseres  Epigrammes  ist  vielleicht  derselbe  wie  der 
Verfasser  von  VIT  291,  wo  C  zuerst  Ξενοκράτους  ^Pobiou  schrieb, 


^  Ueber  eine  Meleagrosreihe  des  Nachtrages  siehe  anter  VL 


Zur  Griechiflolien  Antholofrie  905 

dann  aber  Ξενοκρίτου  änderte.    Das  *Pob{ou  fehlt  aach  bei  dieaem 
Lemma  in  der  Planndea. 

PI.  235.  Da  die  einzige  üeberlieferung  *  Απολλώνιου  Σμυρ- 
ναίου gibt,  80  dürfen  wir  wobl  ecbwerlicb  ändern  und  müeeen 
von  dem  ApoUonidee  des  Philipposkranzes,  deeaen  Ethnikon  nn• 
bekannt  iet:,  den  ApoUonioa  von  Smyma  trennen.  Doch  gehörte 
auch  dieser  sicher  dem  Kranze  an,  vgl.  Y.  2. 

P).  213.  Στράτωνος  f|  Μελβάγρου.  Das  Epigramm  ist 
trotz  des  Lemmas  sicher  von  Meleagros  (die  Vorsetzblätter  des 
Palatinns  schreiben  Acuivfba,  in  R  nnd  BS  fehlt  das  Lemma), 
man  vergleiche:  πτίρυγβς  ταχιναι]  V.  179,  10  ταχινάς  πτέ- 
ρυγας.  Σκυθικαι]  vgl.  V.  179,  2  Σκυθικήν  —  φαρέτρην;  zu 
άκίΟ€ς  vgl.  XII  76,  2  άκιοας  an  derselben  Yersstelle.  φ^ύΈομ^ 
Έρως]  vgl.  V.  57,  2  φ€ύΕ€τ'  Έρως  an  derselben  Versstelle.  τί 
bi  πλέον]  vgl.  ΧΠ  122,  5  an  derselben  Versstelle  und  V.  176,  1 
τί  bi  τό  πλέον  ebd.;  zum  Schlüsse  vergl.  ΧΠ  101,  5.  6.  117, 
5.  6.  Kleine  Selbstwiederholungen  sind  für  Meleagros  charak- 
teristisch. 

Dem  Meleagros  theile  ich  auch  PI.  251  zu,  es  steht  ohne 
Lemma  im  Nachtrage  zum  IV.  Buche  auf  f.  98'  des  Maroianua 
im  Capitel  εΙς  θ€θύς  und  folgt  auf  eine  kleine  Reihe  aus  dem 
Stephanus:  IX  144  άνυτησ,  IX  321  ο.  D.  ('Αντιμάχου  Ρ),  249 
ο.  D.  (peloponnes.  Richtung),  IX  332  ο.  D.  (Νοσσιόος  Λ€σβίας 
Ρ),  1X333  ο.  D.  (Μνασάλκου  Ρ).    Ich  setze  das  Epigramm  her: 

ΤΤτανψ  πτανόν  Έρωτα  τίς  αντίο  ν  ίπλασ'  *Ερωτΐ; 

ά  Νέμβσις  τό£φ  τό£ον  αμυνόμενα, 

ως  KC  πάθΓ)  τά  γ'  ^pcSev*  ό  bk  θρασύς,  ό  πριν  άταρβής 
6ακρύ€ΐ  ιηκρών  γευσάμβνος  β€λέων, 

ές  bk  βαθύν  τρΙς  κόλπον  άπέπτυσεν.  Ά  μίγα  θαύμα* 
φ\έΗ\  τις  πυρι  πΟρ*  ήψατ  Έρωτος  Έρως. 
Ich  verweise  zunächst  auf  die  für  Meleagros  bezeichnende  Neben- 
einanderstellung desselben  Wortes  in  verschiedenem  Casus.  V.  1. 
πτανψ  πτανόν  "Ερωτα  —  Έρωτι.  V.  2.  τόΕψ  τόδον.  V.  6. 
πυρΙ  πυρ  und  Έρωτος  Έρως,  dann  auf  folgende  Parallelstellen 
V.  3  άταρβής,  an  derselben  Stelle  V.  177,  6.  V.  4.  πικρών  Τ€υ- 
σάμενος  β€λέων],  vgl.  XII  β1 ,  2  του  πικρού  τ€υσάμ€νοι  μέλιτος. 
V.  5.  δ  μέχα  θαύμα],  vgl.  V  160,  3  ού  μίγα  θαύμα.  V.  6. 
φ\α€\  τις  πυρΙ  πυρ]  vgl.  Χ  Π  109,  4  φλέγεται  πυρ  πυρι  καιό- 
μ€νον  und  XII  63,  2  και  Ζηνός  φλΟω  πΟρ.  V.  6.  ήψατ'  Έρω- 
τος Έρως] ,  vgl.  ΧΠ  54,  4  κρείσσων  ούτος  Έρωτος  Έρως. 
θρα(Τύς  (in  Υ.  3)  ist  Lieblingswort  des  Meleagros  V  178,  2,  XH 

Übeln.  Μαβ.  f.  ΡΐιΠοΙ.  Ν.  F.  LVIU.  20 


SOa  Radingfer 

86,  4.  101,  3,  Νέμ€σις  erscheint  auch  XII  33,  4.  Der  Scfalnss 
dee  zweiten  Pentameters  iet  nachgeahmt  von  Philippoe  (?):  IX 
265,  2  τό£ψ  τόΕον  αμυνόμενος^. 

Dae  in  der  vorhergehenden  Meleagrosreihe  stehende  Epi- 
gramm 249  0.  D.  möchte  ich  für  Anyte  oder  einen  ihrer  Nach- 
ahmer Mnasalkas,  Nikias  in  Anspruch  nehmen.  Man  vergleiche 
V.  1  5€ρκόμ€νος  Εόανον  καλόν  τό^ε  mit  IX  144, 4  λιπαρόν 
^ερχόμενος  Εόανον  und  Υ.  4  πορφυρέας  κύμα  παρ*  ήϊόνος  mit 
IX  314,  2  πολιδς  έγγύθεν  άϊόνος.  Die  herangezogenen  Epi- 
gramme sind  von  Anyte. 

Vn.     Bemerkungen  zu  einzelnen  Epigrammen: 

PI.  227  0.  D.  auch  in  RF  tiberliefert,  vgl.  Schneidewin 
Progjmnasmata  S.  17  u.  25.  V.  2  hat  der  Marcianus  fialsch 
καμάτου,  R  hat  κόπου,  F  πόνου;  κόπου  wird  das  richtige  sein. 
Verdorben  ist  das  letzte  Distichon,  es  lautet  in  RF  nach  Schneidewin : 
καύμα  b"  όπαιρηνοΐο  φυγών  κυνός  αιας  αμείψεις 
αιπ*  έρημιη  τουτ'  ένέσποντι  τπθου. 
Der  Marcianus  hat  eine  Doppelleeeart,  Planudes  ist  also  von  der 
Schuld,  interpoliert  zu  haben,  freizusprechen.  Er  gab,  was  er 
vorfand  : 

καύματ*  ότηυρινοΐο  φυγών  κυνός  &λμα  b'  αμείψεις 
Ν  έρμείη       τοΟτ*  έν^ποντι* 

αδριον  ευτόοίσοι  πανί  λίγοντι  πίθου. 
Man  wird  also  zum  Th.  mit  Schneidewin  lesen  müssen  : 
καΟμα  ο'όπωρινοΐο  φυγών  κυνός  Αλσος    (oder  αΤπος)  αμείψεις 
αΰριον*  Έρμείη  τουτ'  ένε'ποντι  πίθου  ^ 

PI.  8.  Alkaios  (Fol.  53^).    Υ  2.  διάτρητων    und  ttberall 
die  Formen  mit  η :  3.  άθήνησ.  6.  θνητός  —  θείην.  άΛην. 

PI.  231.  Anyte.  4.  ήϋτόκιυν  nicht  ήυκόμιυν.    Das  letztere 
scheint  ohne  handschriftliche  Gewähr. 

IX  332.    Nossis.    (o.  L.)  3.  πολΐαρχις,    nicht  πολυαρχίς 
wie  Ρ  hat. 

PL  230.  Leonidas  (von  Tarent).    1.  μή  σύγέ' πόΐονόμοιο; 


*  Ueberliefert  ist  V.  1  τόν  und  V.  3  τά  κ*,  die  Verbewerungen 
sind  von  Hecker  u.  Jacobe,  über  Selbstwiederholnngen  Meleagers  meinen 
Meleagros  p.  41  ff.,  über  die  Nebenein anderetellung  p.  47  f. 

^  Im  Marcianus  ist  es  zweifelhaft  ob  ένέσποντι  oder  ένέποντι  siebt, 
das  σ  kann  auch  der  Accent  von  λέγοντι  sein. 

^  Für  αΰριον  könnte  man  an  ein  Adjectiv  zu  Αλσος  oder  αΤιτος 
denken,  aber  Sebneidewins  αΐπύ  ist  geschmacklos  und  fordert  die  loter• 
polation  <σύ  δ'),  also  viell.  αΤσιον  glückbedeutend? 


Zur  GrMchisoben  Ant)tolo|;ie  HOT 

die  ncbtige  Abtheilaog  hat  die  RuphenuMim,  «ieb»  Ht)hniiidi»win 
Progymnumatft  p.  16»  was  Geffken  pg.  38  ttberiehoii  bftt.  0<ir 
MarciaDQs  bat  weitere  Ακρην  und  KCiC^t^,  die  KupbemUimlenD• 
art  ταυτον  παρ  κεΐναν  feblt  bei  Oeifken. 

PI.  12.  ά&ηλον,  im  Lemroa  \στομ^νου.  Dei*  Maroiaiui« 
bat  wie  ΡΣ  7  und  die  Euphemiana  26.  ίρχ€υ  η.  ή  2.  κεκλιμένη. 

IX  334.  Persee.  4.  τυχών  ohne  Acoent. 

Ρ].  237.  Tymnes.  2.  φώρ.  ».  <V€K€V  fehlt,  tut  aber  iiAoh 
dem  Original  des  Leonidae  PL  236.  4  iioher  ku  ergünisen. 

PL  131.  AntipatroB.  3.  κόραις  wie  Hkaliger. 

PL  133.  Der 8.  1.  χ€ΐρανέν€υκασ. 

PL  265  vielleicht  vom  Sidonier;  nur  da«  »rut^  Ui^tiahtm 
ist  zweimal  gesehrieben.  Da«  erstemal  έ09\θϊθί  und  antnkaaaiOf 
V.  7  u.  9  fälacblich  ά  μέν  und  &  bc  0€0i)Q00, 

PI.  239.  Apollonidas,  V,  3.  Vm  richUfgtt  Φυ(ίύμα%μς, 
über  den  Kanstler  dieees  Namens  ytirgWinUtt  Hru$m  Μ  f#    443, 

PL  235.  Apollooios.  WH.  A\u  KrkUruh^  von  ^rX^/vi/>M 
igt  όστροοανησ  beigMchrieb^^ 

FL  240-  Philip  ρ  OS.  V.  2.  l>L^rJj<rfifH  i*^t  da*  f'ring^sfAriÄfc^« 
najth  οΙάχαύ.    Mmm  bleibe  datd. 

PL  141.  Derselbe.  V.  4^  KHr'^niTi/AÄn. 

IX  70e.  Derselbe.  W'^.  /'/Wj  */>*:«  ^'z/*•/;  7.  ^κ/Κ^λΛ^Η 
πλώον  wabreftd  F  ?pr  ^'  aiJ/  ^^/ii^i  iM. 

Fl.  fT€.  Biasi/r.  V.  3J.  //fij  c  '^^  ^*ß^^//f'  /:Ay/^  w^KiiaoA»^ 
d^r  Pasimsuc  177*0  iro^i'   kvw  ΐι*ί•.     <;'  rf-i^  ^Aj^fcv^H  ^*>\Λ*. 

PL  TU.  GJaiiko*.    V.  -t     rj^/^^^/f^^if  ί',αΛ  n^^.Ot^m^viy. 

PI   23^.  Luiciau-   V.  )i.  </,i^v/.K>*f^  i'«'"*  ^ Vf \;/.;i*f|^. 

Α  liO  BTiui : 

ΓΣ  7(>:.  :.  uvöe  τ  iu*  viK•    i•.• 

FL  3üJL  1.  ψίμΐιος  ιμ#γ  ψψμν»  •►'**  üi*  iiuy^uirti*  ^JA 
:u  l'J\  a. 

F*.  1Ü54.  ί .  ^iveiit*  ijic«'  vuviifiv 

FL  l^fi».  1.  tttpunu'  w**    bMu,.> 

PI.  204  f..  ttinot-:  ^<ruji 

F:.   ii(W^     1    μ^ΛΟ. 


DE  PALAEPHATI  CODICE  HARRISIANO 


Nova  qaae  nuper  prodiit  Palaephati  editio  a  Nicoiao  Feeta 
compoeita^  qnamqaam  diligentiesimam  exhibet  codicum  recen• 
eionem  tarnen  memoriae  et  antiquiseimae  et  gravieeimae  rationem 
non  habet.  Verum  hoc  non  tarn  editoris  est  culpa  quam  eius, 
qni  illam  memoriam  publici  fecit  iuris.  Alexandriae  iu  urbe 
extat  archaeologorum  eodalicium,  cuiue  studia  oummaxime  in  de- 
tegendis  atque  coneervandis  veterum  monumentis  ooneietunt.  Haec 
cum  in  dies  maiore  cum  fructu  fierent»  condita  est  ephemeris 
Bulletin  de  la  Soointi  archiologique  d'Alexandrie',  qnae  licet 
multoe  ueque  ad  hunc  diem  fugisRe  videatur,  tarnen  haud  pancs 
oontinet,  quae  maximi  sunt  momenti^.  Hac  in  ephemeride  le- 
guntur  (II  p.  74 — 75,  Alexandriae  1899)  quae  deincepe  ad  ver- 
bum  exBcribam,  quo  melius  de  totius  notitiae  pretio  poesit  in• 
dicari••. 

'  ün  codex  de  Pcdaephattis.  —  Dans  un  apographe  provenant, 
je  oroie,  de  feu  Sir  Harris,  je  trouve  le  commencement  du  trait^ 
de  Palephatus  π€ρι  απκττιυν  ιστοριών.  L*apograpbe  en  queation 
ne  donne  que  la  premiere  page  du  ms.,  qui  est  &  deux  colonnes. 
J'en  donne  ici  la  transcription. 

Col.  1  Col.  II 

ΤΤαλαίφατου  Ακται-  και  γενόμενα  απο 

ου  του  Αμαίαντεως  τε  [κ]αι  νυν  ουκ  εισι,  τα 

περί  άπιστων  ιστορι-  τοιαύτα  ουκ  εγενετο* 

U1V  συγγεγραφατων  ει  γαρ  τότε  και  άλλο  τι 


^  Mythographi  graeci  vol.  III  fasc^  II,  Palaephati  περί  απίστων, 
Heracliti  qui  fertor  libellus  περί  diriOTuiv,  £xcerpta  Yaticana  (vulgo 
Anonymus  de  incredibilibus)  edidit  Nicolaus  Feeta,  Lipsiae  MCMII. 

^  De  papyris  Alexandrinis  (Bull.  II  p.  65  sqq.)  cf.  Wilcken  Ar- 
chiv f.  Pap.  I  172  sqq. 

*  Primam  huius  memoriae  notitiam  debeo  Franoogalloram  p•- 
pyrologo  S.  de  Ricci  Rev.  d.  Et.  Or.  1901,  203. 


De  Palaephati  codice  Harri niano 


300 


[5]  ανθρώπων  οι  μ€ν 
γαρ  π€ΐθονται  πασι 
τοις  λ€Τθμ€νοις  ως 
ανονιλητοι  σοφίας 
και  επιστήμης  •  οι  b€ 

[10]  πυκνότεροι  την  φυ- 
σιν  και  πολυπράγμο- 
νες απκττουσι  το  πα- 
ραν  μηόεν  γϊνεσθαι 
τούτων.    Εμοι  bc  bo- 

[ιβ]  κ€ΐ  γενέσθαι  πάντα 
τα  λεγόμενα*  ου  γαρ  ό- 
νομα μεν  ον  εγενονί?)' 
το'  λόγος  bε  περί  αυ- 
τών oυbεις  υπερ- 

[ao]  εεν,  άλλα  προτερον 
τα  έργα•  ειθ'  ούτως 
ο  λόγος  ο  περί  αυτών 
οσα  bεεt  bη  και  Γα]μορ 
φαι  εισι  λεγόμενα  .  .  . 


εγενετο  και  νυν  τερι- 
νεται  και  αύθις  /  εσται 
bει  b'  εγωγε  επαινώ 
τους  συγγραφέας  Με- 
λισσον  και  Λαμισκον 
τον  εαμιον  εν  αρχηι 
λέγοντας•  Εστίν  οΓς  ρε 
νε  το  και  νυν  εσται  γε- 
νόμενα bε  ετι  ναοί  ποι- 
ηται  και  λογογραφοι 
παρετρεψαν  εις  το  α- 
πιστοτερον  και  θαυ- 
μα[σ]τωτερον  του  θαυ- 
μάζει ν  ενεκε  τους  αν- 
θρώπους" εγω  bε  γινω- 
σκω  οτι  ου  bυvαται 
τα  τοιαύτα  είναι  οια 
και  λέγεται  του  τobε• 
και  bιειληq>ας 
εγενετο  ουκ  ανελεγε- 


το  απελθων  bε  και 

C*eet  Evident  que  le  ms.  a  ^te  oopio  par  qaelqa'an  qui 
n'avait  qu'ane  modiocre  oonnaieeanoe  de  la  langne  grecque.  II  me 
semble  oependant  de  faire  utile  cboae  en  donnant  ici  oet  apo- 
graphe,  tel  quMl  est.* 

Harrisii  codex  cuinenam  fuerit  aetatie  cum  nihil  omnino  de 
hoc  libro  traditum  eit  accnrate  qnidem  definiri  non  potest.  Tarnen 
CTim  Terbornm  epecies  (εν  αρχηι  Π  10,  abeunt  accentue  et  api- 
ritaa  signa)  tum  totius  paginae  condioio  infra  eaeoalnm  decimnm 
nndecimnmve  procedi  vetant.  Immo  ei  qaid  video  codex  ille  lit- 
terie  maioribue  qnos  unciales  yocamns  fait  oonecriptne  praebetque 
apographum  Harrieianam  primam  codicis  membranaoei  saecali 
VIII  eive  IX  paginam^  Sed  fac  hunc  codicem  saecnlo  XI  de- 
mum  exaratum  eflse:  vetustiReirouR  eoram  libroram  quoe  Feeta 
adbibnit  eaeculo  XIII  adecribitur  (ParisiDos  gr.  854,  of.  p.  ΥΠ), 
ex  qno  quantum  codex  Alexandrinue  oeteris  libris  aetate  praeetet 
statim  apparet. 

*  Mitto  menda  quaedam  levidensia  (velut  ανονιλητοι  pro  dvo- 
μίλητοι  I  8,  υπ€ρ£€ν  Ι  19  pro  ύπήρ£€ν)  quae  illi  eine  dubio  tribuenda 
sunt,  qui  apographum  confecit.  Bottii  denique  eive  typothetae  factum 
Sit  culpa  quod  I  23  corruptum  legitur. 


310  Crönert 

Verum  etiam  propter  yerboram  memoriam  primiiiD  eibi  τίη• 
dioat  in  taut«  teetiam  tarba  locum^.    Palaepbati  libellns  nti  hodie 
sese  babet   ab    bis   verbis   inoipit:   Παλαΐφάτου   irepi    dmcTTiuv 
Ιστοριών*.   Tabe  wcpl  τών•  άπίστιυν  συγγέγραςΗΧ,  verum  codei 
Harrisiaiiue,  quem  abbinc  littera  Η  notabo:  Παλαΐφάτου  *Ακταίου 
του  ΆμαΣαντέως  πβρι  απίστων  Ιστοριών  συγγέγραςΜΧ.    Qnattuor 
afferontur  in  Snidae  lexico  viri,  quibne  nomen  Palaepbati  fnieset 
inditαπl^  quornm  primus  bis  verbis  Signatar:  Παλαύρατος  Άθή* 
νησιν  έποποιός  υ\ός  ΆκταΙου  καΐ  ΒοιοΟς*  ο1  Μ  Ίοκλ^ους  και 
MeTttVcipou'  ο\  bi  Έρμου*  γίγονε  κτλ.,  alter  bis:  ΤΤαλαίφατος 
Πάριος   ή   Πριηνεύς,   γεγονώς   κατά  ΆρταΕίρΕην  Άττίσταιν 
βιβλία  έ'  τινές  bk  τούτα  είς  τόν  ^Αθηναιον^  άνα(ρέρουσι*  πλην 
κα\  ούτος  ίγραψε.     Concinit   ergo  codicis  Η  ezordinm  com  bio- 
grapbioomm  memoria*.     Demi  nomen  ant   ex   eodem  fönte   bio- 
grapbioo    manavit   ant    ab   eo,    qui   opus   Palaepbateam  oonfecit, 
andacter  fictnm  est,  quo  maiorem  11  bell us  baberet  fidem.    Pristi- 
num  vero  buius  libelli  exordinm  tale  fere  fuisee  suspicor :  Tobe 
Παλαίφατος  Άκτοίου  *Αμο£αντεύς  περί  απίστων  Ιστοριαιν  συγ- 
γέγραφα*^.     Quod    cum  praeter    morem    esset    ecriptum,    alii  ab 
auctoris  potius  nomine  inripere  maluerunt  termino  paullulum  ma- 
tato  (cf.  H)^;   alii  insuper  partem  tituli  repetierunt,    ut  evaderet 
ΤΤαλαιφάτου  περί  άπίστιυν  Ιστοριών.    Τάδε  περί  άπίστιυν  συγ- 
γέγραφα. 


^  cf.  etiam  ΑΕΙ  in  ΔΕΙ  convereum  II  7. 

'  Ιστοριιΐιν  om.  S  et  pars  stirpis  B. 

■  TÄ»v  om.  A. 

^  De  bis  notitiis  maximam  partem  fabulosis  cf.  imprimie  Sueemihl 
Alex.  Litt.  II  54—57.  Nomen  ΤΤαλα(φατος  praeterea  neqiie  in  litteris 
neque  in  titulis  tradi  moiiendum  esse  videtur. 

^  Etiam  quartus  ille  Palaepbatus  a  nonnullis  Athenieneis  dicitur, 
cf.  ΤΤαλαίφατος  ΑΙγύπτιος  ή  'Αθηναίος,  γραμματικός*  Μυθικιΰν  ßipXiov 
d'  Λύσεις  τϋίιν  μυθικώς  €(ρημένιυν'  Τριυικά  et  Festa  ρ.  XXXVIII. 

®  Άκταΐος    alibi    quoque    inter    numina  Atbenis  frequi*ntata  ap 
paret:   Άκτ]αΐος  Οίμιυνος  Άθμον€ύς,    [Φα{&]ρυλλα  Άκταίου  Άθμονέως 
γυνή  CIA.  II   171Η    (aetatis  Lagidaram),   cf.  etiam  Άκτιος  Ζωοίμου 
Άθμον€ύς  CIA.  III  1122,  "Ακτιος  1090.  1129. 

'  cf.  e.  g.  Τάδ€  συνέγραψ€ν  Όκ€λλος  ό  Λευκανός  π€ρΙ  της  τοΰ 
παντός  φύσειυς  in  initio  operis  pariter  falsi. 

β  Soloeoa  codids  Η  ecriptura  aliquid  mutatum  esse  apertc  probst. 
Yoluerat  nempe  interpolator  ΤΤαλαιφάτου  Άκταίου  τ.  *A.  περί  άιτίστυιν 
Ιστορκϊιν,  sed  aliud  agene  vocem  συγγ^ροφα  addidit  novi  tituli  im• 
memor. 


De  Palaephati  oodioe  Harrieiano  Sil 

Binae  libelli  de  quo  agitur  recensiones  traditae  eese  statuit 
Festa  Vitellio  dace,  quaram  altera  brevior  codioam  stirpibus  A£  ^, 
altera  amplior  stirpibus  BS  nititnr  (cf.  p.  IX). 

In  titulö  \(Ttopiu)V  omittitar  a  stirpe  S,  est  in  Β  (ex  parte)  AH. 

1 1  (ed.  Fest.)  Άνθρώτπυν  γάρ  o\  μ^ν  €ύπ€ΐθέστ€ροι  πεί- 
θονται πασι  τοις  λβγομένοις  Festa  cum  BS.  At  multo  reotiue 
AH  Τών  άνθρώπιυν  ol  μέν  γαρ  πείθονται  κτλ.  lUud  ευπβι- 
θέ<Ττ€ροι  ab  interpolatore  propter  verba  deincepe  sequentia:  o\ 
bk  πυκνότεροι  την  φυσιν  καΐ  πολυπράγματοι  άιηστώσι  τό 
παράπαν  illatum. 

1 8  ώς  όνομίλητοι  σοφίας  και  επιστήμης,  ο\  bk  ττυκνότεροι 
τήν  φύσιν  ΑΗ  (F.),  οΐ  bk  πυκνότεροι  τήν  φύσιν  <καΙ  8  (d)) 
άνομίλητοι  σοφίας  BS  perperam. 

1 4  πολυπράγματοι  Β  (et  Festa),  πολυπράγμονες  ΔΗ,  stirpis 
S  memoria  turbatur;  πολυπραγμοτεΐας  d,  πολυπράγμονες  cum 
dubia  vocie  πολυπράγματος  natura  (of.  Thes.  Ling.  Gr.  VI  1412^) 
tum  codicis  Η  testimonium  snadet. 

1 5  μr\bi.  γενέσθαι  τι  τούτων  ΒΑ  (F.),  μηδέν  γ.  τούτων  S, 
μηδέν  γίνεσθαι  τούτων  Η.  ütrumque  cum  per  se  dioi  possit 
(γίνεσθαι  Η  merum  est  vitium),  praestat  tamen  μηδέν  γενέσθαι 
τούτων,  nam  sequitur:  έμοι  bk  δοκεΐ  γενέσθαι  πάντα  τά  λε- 
γόμενα. 

1 7  ου  γάρ  ονόματα  μόνον  έγένοντο  S  (F.),  ου  γ.  ό.  μ. 
ύπήρΕεν  Β,  ού  γ.  ό.  μ.  έγένετο  Α,  ου  γάρ  δνομα  μενον  (sie) 
έγένοντο  Η.  Qnod  habet  Η  δνομα  nil  est,  cum  sequatnr  λόγος 
bk  περί  αυτών  (seil,  τών  ονομάτων),  υττήρΣεν  Β  yitiose  ex  in- 
eequenti  enuntiato  huc  translatnm. 

1  8  πρότερον  έγένετο  τό  ίργον  BS  (F.),  πρότερον  τά  ίργα 
A(c)  Η,  πρότερον  τό  ίργον  A(u).  Admiror  orationem  qualem 
Festa  concinnavit.  Etenim  tota  periodus  haec  est:  αλλά  πρό- 
τερον έγένετο  τό  ίργον,  εΤθ'  ούτως  ό  λόγος  ό  περί  αυτών. 
Quorsum  quaeso  spectat  illud  αυτών?  Et  qnanam  de  causa  αυ- 
τών in  αυτού  mutatum  est  in  stirpe  S(dh^)?  Rescribendum  igitur 
πρότερον  τά  έργα  omissa  voce  έγένετο,  quam  taoite  qnivis  lector 
suppleverit. 

1  9  βσα  bk  εϊδη  και  μορφαί  είσι  λεγόμεναι  και  γενόμεναι 
τότε  αι  νυν  ουκ  είσί,  τά  (τά  om.  Β)  τοιαΟτα  ούκ  (ού  1,  om. 
cett.  stirpis  Β)  έγένοντο  BS  (ubi  ουδέ  τώ  τότε  b  pro  τά  τοιαύτα 


1  In  librorum  familia  £  deest  praefatio,  ultra  quam  pagina  Η 
non  exoedit. 


312  Crönert 

OÖK  d)  Festa,  ita  etiam  Α  (eed  ijiyero  ο  pro  έγίνοντο  cett.), 
—  λεγόμενα  και  γενόμενα  ποτέ  [κ]αι  νυν  ουκ  εισί  (eic  ea,  qua« 
leviter  corrupta  sunt,  emendanda  eese  censeo),  τά  τοιαύτα  ουκ 
έγένετο  Η.  Librum  Harrieiannm  si  diligenter  interpretarie,  ceterie 
longe  praestare  apparet.  Primum  enim  λεγόμενα  κα\  γενόμενα 
reotiue  dicitur  quam  λεγόμεναι  και  γενόμεναι,  cum  autecedant 
vooee  varii  genens  (εΠ)η  κα\  μορφαί)  et  seqaatur  τά  τοιαύτα, 
deinde  melius  indefinite  Bcribi  ποτέ  quam  τότε  nemo  negabit.  Sed 
cum  verba  λεγ.  κα\  γεν.  feminioi  eeeent  generis  factae,  και  vOv 
in  a\  vOv  mutari  in  propinqno  erat. 

1 11  εί  γάρ  ποτέ  καΐ  Αλλοτε  έγίνετο  και  νυν  τε  γίνεται 
και  αδθις  ίσται  Β8Α(μ)  Feeta  (qui  ecribit  γάρ  (τί>  ποτέ),  ει 
γάρ  πότε  κτλ.  Α(ο),  εΐ  γάρ  τότε  κα\  άλλο  τι  έγένετο  κτλ.  Η*. 
Ruraue  codice  Η  reperto  omnie  est  enblata  difficuUae.  Qu  od 
enim  sensu  oassum  erat  άλλο  τε  in  άλλο  τι  abit,  qua  scriptiira 
simul  partioula  illa  τι  quam  Festa  requirit  introducitur.  Nunc 
vero  τότε  magis  loci  sententiae  convenire  videtur,  nam  spectat 
ad  illud  ποτέ  vs.  10. 

2 1  ίγαιγε  SAH,  έγώ  Β. 

2  8  in  Melissi  Lamiscique '  sententia  *  Β  perperam  ecribit 
ίστιν  δ  κα\  έγένετο,  sed  SAH  fcTnv  δ  έγ. 


*  Qu  od  legitur  in  Η  τερινεται  fortasse  ex  ΤΕΓΙΝΕΤΑΙ  comiptnm 
eet.     Et  profecto  optima  legitur:   καΐ  vOv  τ€  γίνεται  καΐ  αΟθις  ^σται. 

•  ΆεΙ  bi  ίγωγε  επαινώ  τους  συγγραφέας  Μέλισσον  "καΐ  Λαμίοχον 
τόν  Σάμιον  iv  αρχή  λέοντος  (perperam  '  iw  dpxfl'  λέγοντας  Festa) 
•«στιν  a  έγένετο,  καΐ  νΟν  ίατα\\  cf.  Meliee.  fr.  6  Mull.  (Phil.  Gr.  Fr. 
I  262)  ex  Simplicio:  aUl  ήν  öti  ήν  καΐ  aUl  ίσται*  cl  γάρ  έγένετο, 
άναγκαΐόν  έστι  πρΙν  γενέσθαι  €ΐναι  μηδέν,  εΐ  τοίνυν  μηδέν  ήν,  ούδαμή 
έγένετο  μηδέν  έκ  μηδενός,  quae  tarnen  sententia  cum  illa  non  quadrat. 
Ät  valde  dubito  num  Palaephati  testimonium  sibi  constet.  Quid  enim  sibi 
vult  καΐ  vOv  έσται?  Sententiarum  autera  conexus  postulat  καΐ  dcl  Corai. 
—  Lamisci  memoriam  admodum  fallaoem  iudico.  Componitur  quidem 
ille  vir  cum  familiari  quodam  Arohytae  (Dingen.  III  15,  Plat.  epist. 
VII  3S)0^)  a  Papio  Onomastici  conditore,  propter  nullam  aliam  caasam 
quam  pareni  nominis  formam.  Sed  nonne  Melissus  ipse  quoqoe  Samius 
fuit  (Μέλισσος  Ιθαγενούς  €άμιος  Diog.  IX  24)?  Cur  ergo  non  τους 
Οαμίους  dixit  Palaephatus?  An  potius  scripsit  τόν  συγγραφέα  Μέλισσον 
τόν  Λαμίσκου  τόν  €άμιον,  έν  αρχή  λέγοντα  κτλ.?  Nam  patris  uomen 
variare  iu  philosophorum  historia  saepius  usu  venit,  cf.  e.  fr.  Heraclitus, 
Xenophanes,  Democritue.  Huc  acoedit  quod  έν  αρχή  λέγοντας  niani- 
feeto  ad  unius  operie  initium  provocat,  scripaitque  revera  Meliasus  non 
nisi  tv  σύγγραμμα  (Diogen.  L.  Prooem.  IG). 


De  Palaephati  codice  Harrisiano  .313 

24  γενομένων  bi  τίνα  o\  ποιηται  και  λογογράφοι  ιχαρέ- 
τρ€ψαν  €ίς  τό  άπιστότερον  FeeU,  γενομένων  bi  τίνων  κτλ.  BS 
(faleo  ποιητικοί  Β  pro  ποιηται  καί  S),  γενόμενα  bl  τίνα  ΑΗ. 
Quamqaam  aptiue  dixeris  velat  θαυμαΰτώς  bk  γενόμενα  τίνα, 
tarnen  tradita  verba  γενόμενα  bi  τίνα  ('facta  quaedam')  Don  est 
qnod  corrigamas. 

2  5  θαυμασιώτερον  BSA,  θαυμα[σ]τώτερον  Η.  lila  vox 
alibi  in  Palaephati  li hello  non  recurrit,  haec  33  a,  51  β. 

2  β  του  θαυμάίειν  ένεκα  BSA(c),  —  ένεκε  A(a)H.  Formam 
linguae  volgarig^  iam  a  Loheokio  notatam  (ad  Phryn.  284)  uti- 
que  recipiendam  eese  arhitror  quippe  Byzantinoram  aetate  fere 
ohlitteratam. 

2  8  τούτο  bk  και  οιείληφα,  δτι,  εΐ  μή  έγένετο,  ουκ  δν  έλέ- 
γετο  BSA,  του  τοδε  και  όιειληφας  έγένετο  κτλ.  Η,  aperta  cor- 
raptela. 

2  9  έπελθών  bi,  και  πλείστας  χώρας  BSA(u),  άπελθών  κτλ, 
A(c)H.     Illod  unioe  verum  est,  cf.  etiam  έπελθών  vs.  13. 

Ex  hie  quanti  pagella  Harrieiana  sit  aestimanda  primo  ob- 
tttta  apparere  arhitror.  Et  iam  totius  conspectne  summam  pro- 
ponamne: 

Η  üum  Α  conspirat  contra  B8  eexies  (la,  s,  8,  u,  24,  β). 

Η  cum  AS  conepirat  contra  Β  eexiee  (I4,  7,  2i,  t,  4,  7). 

Η  cum  AB  facit  contra  S  semel  (li). 

Η  cnm  S  facit  contra  Α  semel  (I7). 

Η  veram  lectionem  unice  eervat  bis  terve  (l•,  11,  25). 

Η  plane  cormptus  est  semel  (28). 

Quae  cum  ita  sint,  confirmatnr  Fischeri  sententia  memoriam 
breviorem  appellatam,  quam  codicnm  familiis  Α  Ε  tradi  snpra 
memoratnm  est  p.  311,  genuinam  esse  hahendam.  Rectius  Nico- 
laue  Festa  recensionem  AE  primo  loco  dedisset  hisque  addidisset, 
qnidquid  exstaret  in  AS  gravioris  momenti.  Nunc  vero  totius 
libelli  species  aegre  ex  adnotatione  critica  concinnanda  est  le- 
ctori,  mrsusque  consulenda  Westermanni  editio,  in  qua  utramque 
reoeneionem  seorsum  puhlicatam  tenemus. 

Verum  etiam  hoc  animadvertendum  yidetur,  quinquiee  codi- 
cem  Η  cum  parte  tantum  familiae  Α  conspirare  (1  8,  11  bis,  26,9), 
ueque  solum  in  probis  lectionibus,  verum  etiam  in  vitio  quodam 


^  fv6KC  τοΟ  Lebas-Wadd.  406  7  (Myiasis  β.  I  ρ.  C.)i  μνείας  ίνεκε 
BCH  II  612  (tit.  Cibyrat.  b.  II— ΙΠ  p.  C.)  ιτολαιών  ?νεκε  πραγμάτυιν 
Artemidor.  ed.  Herch.  179 1  L  cod.  opt.  etc. 


314  Grönert  1>β  Palaephati  codice  Harrieiaiio 

(29).  Contra  alterius  quoqae  reoensionis  formam  probatam  videmus 
ab  Harrieiano  (l  7).  Hiece  cognitis  nalli  stirpi  librom  Η  addici 
poese  manifestom  est;  proxime  ad  Α  accedit,  yerum  neqae  a 
vitiis  buiue  recensionis  sese  abetinet  neqne  abi  BS  et  Α  inter 
ee  dieeentiunt  illam  partem  ubique  improbat.  Contra  familiae  B. 
quam  plarimi  facit  Feata  (cf.  p.  X)  tamquam  propria  yia  ex  arebe• 
typo  omnium  codicum  derivatae,  nusquam  Harrieianam  videmus 
accedere,  neque  allo  negotio  quam  confecit  Italus  tabulam  lectio* 
num  buic  eiirpi  pecnliarium  (p.  XI)  dieeolvere  posenm. 

Hac  commentatiuncnla  neu  mm  esse  epero,  qni  postmodum 
memoriae  Palaepbateae  curam  adbibebit^.  Ac  fortaeee  codicie 
illins  Harrisiani  sire  Alexandrini  veatigia  qni  indagaverit,  plnra 
recuperabit  quam  hucnsqne  nobiscum  communicata  sunt.  Ade• 
andue   in   primis  est  dr.  G.  Botti,  musei  Alexandrini  moderator. 

Bonnae.  Gnilelmue  Crönert 


^  In  quaestione  de  libelli  indole  instituenda  in  sermonem  quo- 
que  auotoris  atqiie  interpolatürum  inquiri  oportere  moneo.  Haud 
pauca  enim  ni  fallor  adliuc  feruiituri  quae  Atticae  asui  ita  sunt  con- 
traria, ut  louica  potius  dixeris.  Veluti  ίαχνον  legitur  in  AK  dnobas 
locis  (83,099),  ubi  BS  έσίνοντο  praebent,  cf.  Galeu.  Lex.  Hippocr.  393 10, 
qui  aivtu  lonum  formam  eeee  dicit;  al  θρήσσαι  tradunt  AB  50i  (θρη• 
νοΟσαι  £  corrupte)  pro  vulgato  Opljtoaat ;  dTpcinriuv  Ε  36 11  pro  άλιέυιν 
(άγρ€υτής  poetarum  vox). 


MISCELLEN 


Φόβος 

L.  Deubner  hat  αηβ  soeben  das  Wesen  des  Gottes  Pbobos 
und  die  Geschichte  des  Gottesbegriifes  schon  entwickelt  ^  Viel- 
leicht gibt  es  für  diesen  Gott  noch  ein  Zeugniss.  Plutarch  de 
Alexandri  Magni  fort,  aut  virt.  343  Ε  schildert,  wie  Alexander  in 
voller  Waffenrtistung  von  der  Maaer  sprang,  und  sagt  bei  der  Ge- 
legenheit: Άλ€ζάν&ρου  V  έν  ΌΕυ^ράκαις  ττή^ημα  —  τίνι  dv  τις 
€{κάσ€ΐ€ν  ή  πυρι  κ€ραυνίψ  ^αγέντι  και  φ€ρομένψ  μετά  πνεύ- 
ματος, οίον  έτη  τήν  κατίσκηψ€  φάσμα  Φοίβου  φλογοεώέσιν 
δπλοις  πβριλαμπόμενον;  οΐ^έτό  πρώτον  έκπλαγέντες  δμα 
Φρίκη  ^ιέτp€σαv.  Φο(βου  scheinen  die  Herausgeber  mit  δπλοις 
ζα  verbinden,  aber  des  Phoibos  Waffen  sind  Pfeil  und  Bogen, 
Alexander  ist  in  Hoplitenrüstung,  also  ist  das  überhaupt  kein 
möglicher  Vergleich.  Nimmt  man  φά(Τμα  Φο(βου  zusammen, 
was  gerade  so  gut  denkbar  ist,  so  fehlt  für  das  Bild  der  mytho- 
logische Hintergrund:  Apollon  in  voller  Rüstung  schwergewappnet 
auf  die  £rde  springend  —  dafür  wüsste  ich  kein  Praecedens. 
Wohl  aber  für  Phobos,  der  mitten  im  Handgemenge  plötzlich  auf- 
taucht. Man  wird  auf  das  Epitheton  φλογοει^ής  hinweisen,  das 
auf  Phoibös  allein  zu  passen  scheint ;  das  wäre  indess  ein  Irrthum, 
φλoτo€l^ής  heisst  bei  Plutarch  einfach  'glänzend',  so  gleich 
371  F:  άμπβχόνη  bk  φλογοεώεΐ  στέλλουσιν  αύτοΟ  τάς  €ΐκόνας. 
Also  möchte  ich  vorschlagen  φάσμα  Φόβου,  φλοτο€ΐ6έ(Τΐν  δπλοις 
π€ριλαμπόμ€νον  zu  lesen.  Wie  Alexander  zur  Erde  hinabsprang 
in  seiner  glänzenden  Rüstung,  da  ward  er  den  Feinden,  die 
unten  standen,  zum  Phobos,  dem  Sohne  des  Ares, 

βς  τ'  έφόβησε  ταλάφρονά  π€ρ  πολεμιστήν, 
zu  dem  Gotte,  der  den  panischen  Schrecken  verhängt',  und  die 
Wirkung  tritt  ja  auch  auf  der  Stelle  ein:  o\  bk  τό  πρώτον  έκ- 
πλαγέντες  αμα  φρίκη  ^ιέτρεσαν.  Die  Bezeichnung  als 
φά(Τμα  wird  jetzt  prägnanter;  denn  als  φά(Τμα  geht  Phobos  that- 
sächlich  um.     So  muss  gerade  zu  Plutarchs  Zeit  der  Glaube  ge- 


1  Mitth.  des  K.  D.  Arch.  Institutr   -  **^  -  XXVH  S.  263  ff. 
'  Apptan  Fun.  21,  Deubner  aO. 


316  MiecHllen 

wesen  eein^.     Diese  Gespenster  sind  von  durchaus  solider  Natur, 
wohl  im  Stande  Waffen   zu  tragen*. 

Bonn.  L.  Radermacher. 


Taeiti  bist.  I  40 

Xenophontis  Agesilaus  per  totam  antiquitatem  lectitatue  non 
miraberie  quod  Komano  quoque  ecriptori  elocutionis  florem  prae- 
buit,  qui  similem  laudationem  piae  raemoriae  plenam  conscripeit. 
Quamquam  non  in  Agricola  Taoiti  sed  in  historiarum  I  40  quod 
legitur  de  hominum  tnrba  Galbae  necem  obeervantium :  'non  tu- 
multus.  non  quies,  quäle  magni  metue  et  magnae  irae  silentium 
est'  apparet  scriptum  esse  ex  imitatione  Agesilai  II  12  κραυγή 
μέν  ούόεμία  παρήν,  ου  μήν  ovbk  σιγή,  φωνή  hi  τις  ήν  τοιαύτη 
οΐαν  όρτή  Τ€  και  μάχη  παράσχοιτ'  δν,  nisi  quod  etiam  subtilius 
Tacitus  loquitur,  commodius  Xenophon. 

Bonnae.  L.  Radermacber. 


Zur  Etymelfgie  von  Havore 

Da  man  schwerlich  Mars  als  aus  Mavore  entetanden  an- 
nehmen kann  —  die  Form  Itfaurte  CIL.  I  63  kann  als  Mittel• 
form  nicht  gelten  ^  —  so  hat  man  wohl  von  Mars  als  der  Ur- 
form auszn gehen.  Nun  giebt  es  Rednplikationsformen  vod  Mars: 
Marmar,  Mamere.  Sollte  etwa  in  Mavors  auch  eine  solcbe 
stecken?  Auch  v.  Planta  I  p.  803  spricht  den  Gedanken  aus, 
wenn  er  ihn  auch  für  sehr  fraglich  hält.  Nach  Festus  Thewr. 
109  ist  Mamers  die  oskische  Form  für  Mars,  nach  Varro  1.  1. 
y  73  die  sabinische.  Diese  Form  musste  bei  starker  Betonung 
der  ersten  Silbe  zu  M4mrs,  diese  zu  Mafors  werden.  Denn  nach 
Solmsen  E.  Z.  34,  18,  dem  ich  beistimme,  wird  mr  zu  for.  Ma- 
fors wird  nun  von  dem  freilich  sehr  spät  erst  belegten  (527 
p.  Chr.)  Mafortius  vorausgesetzt.  Vgl.  CIL.  XII  +  5340  Ma- 
fortiu  V.  c.  cons.  Wenn  diese  Form  auch  so  sp&t  erst  schriftlich 
uns  vorliegt,  so  kann  sie  als  vulgäre,  dialektische  lange  vorher 
im  mündlichen  Sprachgebrauch  doch  existirt  haben.  Nun  mnse 
in  den  italischen  Dialekten  bezw.  im  Vulgärlatein  Uebergang  von 
V  zu  f  und  umgekehrt  von  f  zu  ν  nicht  selten  vorgekommen 
sein.     Ist  doch  die    ältere  gemeinsame  italische  Bezeichnung  dee 


1  Deubner  aO.  S.  25G  fif. 

3  Vgl.  zB.  die  Euthymoslegende,  Paueanias  VI  6,  7  fif.  Das  φάσμα 
des  Thesene  in  WafiTeu  steht  den  Athenern  bei  Marathon  bei.  Plat 
Ί  hes.  35  a.  £. 

^  Aber  selbst  angenommen,  Mars  könnte  aus  Mavore  entstanden 
sein,  dann  würde  daraus  doch  folgen,  dass  Mare  eine  bedeutend  jüngere 
Form  ale  Mavore  sei;  noch  jünger  wären  dann  als  Mavors  die  aas 
Mars  euletandenen  Keduplikationeformen  Mamere  und  Mar  mar  ^  und 
das  ist  bezüglich  des  letztern  doch  gewiss  nicht  ansunehmen. 


Miaoellen  317 

f  vh  gewesen  (vgl.  v.  Planta  I  42);  ν  und  f  müeeen  den  Italikern 
also  ähnlich  geklangen  bähen.  Im  Yolekiechen  gab  ee  eine  Stadt 
Privernum,  im  Veetinischen  hingegen  finden  wir  Prifernum.  CIL. 
YIII  3521  und  20525  steht  /Ixit  für  vixit,  lU  14599^  oacafit  für 
cacavit.  Ist  gr.  Σαυνΐται  neben  osk.  Sa/lnim  nicht  ebenfalle  hiefttr 
beweieend  ?  Und  gar  erst  die  Gloesen  bieten  zahlreiche  Beispiele  für 
diesen  TJebergang.  Ich  citire  hier  nach  dem  Thes.  gloss.  emend. 
von  Goetz :  de/exnm  neben  derexnra,  epi/ates  neben  epif;ate8  (επι- 
βάτης, epibata),  in/esteni  neben  int;eetem,  nl/a  neben  ulva,  /ascnlum 
neben  t;a8oalum,  /ielum  neben  t;elum,  bi/arins  neben  vivarium, 
/irbius  neben  Firbius,  noatum  neben  ficatum,  t;abQlQm  neben  fabu- 
Inm  (fabae  corium).  Ich  halte  dämm  auch  Schuchardts  Berleitnng 
des  frz.  manvais  ital.  malvagio  von  einer  lat.  Form  malivatiue, 
die  neben  mali/atius  sich  gebildet  habe  (vgl.  Bonifatius),  für 
richtig.  Und  so  dürfte  denn  auch  in  irgend  einem  italischen 
Dialekte  —  Mamers  war  ja  die  oskische  Form  —  Mavors  sich 
neben  Mafors  eingeschlichen  und  allmählich  die  Alleinherrschaft 
an  sich  gerissen  haben  ^.  Vielleicht  mag  vertere  in  seiner  Be- 
deutung niederwerfen,  zu  Grunde  richten'  hierbei  mit  von  Ein- 
fluss  gewesen  sein.  Die  Formen  mit  f  und  ν  weist  auch  das 
ziemlich  gleichlautende  Ist.  Wort  Auf,  das  einen  kurzen  Mantel 
bezeichnet.  Vgl.  C.  gl.  L.  Υ  604,  29  mafortia,  ibid.  30  mafortes; 
V  371,  33  maforte;  V  220,  10  mafortiam ;  Nonius  542,  1  ma- 
furtium,  Serv.  Aen.  I  282  maforte;  aber  C.  gl  L.  V  221,31 
mat;ortiam.  Zu  berücksichtigen  ist  hierbei  doch  auch»  dass  Mavors 
ein  £igenname  ist,  die  ja  in  allen  Sprachen  noch  am  längsten 
dialektische  bezw.  vulgäre  Formen  zu  bewahren  pflegen.  Der 
oskische  Name  Alfius  erhielt  sich  im  Latein  neben  Albins,  der 
vulgäre  Clodius  neben  Claudius  usw. 

Breslau.  A.  Zimmermann. 


Artisten-Wärter 

Eine  lateinische  Inschrift,  welche  dem  Verständniss  allerlei 
Schwierigkeiten  macht  und  desto  mehr  zu  Versuchen  reizt,  sie 
befriedigend  zu  erklären,  ist  die  im  Corpus  V  2787  gedruckte, 
jüngst  von  Dessau  inscr.  selectae  5202  wiederholte,  welche  von 
den  berühmten  Schwefel-Heilquellen  bei  Padua  stammt.  Mommsen 
als  Augenzeuge  bezeichnet  die  Lesung  sogar  jedes  Punktes  als 
zweifellos  sicher.  Sie  lautet  —  mit  den  selbstverständlichen  Auf- 
lösungen abgekürzter  Silben  —  Q,  Magurius  Q,  f,  Fab(ia)  Feroa 
lus{or)  epidiaib(u8)  et  ceiaes  I  II  III  in  greg(e)  Veiurian{a)  quae 
et  iuniorunit  A(qui8)  Äipani)  dicavit  euras  VIII  et  pertic.  unci- 
nor{um)  XII  n.  CCL  IX,  Ich  will  hier  nicht  auf  den  Namen 
jener   patavinischen  Spiele,  welche  in  der  Geschichte  Neros  und 


1  Selbst  unmittelbarer  Uebergang  von  Mamors  zu  Mavors  ist 
denkbar,  vgl.  kelt.  Borvo  neben  Bormo,  Κ€μεννον  neben  Cevenna  Caes. 
b.  g.  7,  ö,  2. 


320  MiBoelleTi 

aber  der  Daretellang  und  Abbildung  von  Ginzrot  (Wagen-  und 
Fuhrwerke  der  Gr.  u.  R.,  München  1817)  S.  111  glauben  darf, 
die  Franzosen  P^qnignon,  wie  Littr^  erklärt,  ^  bände  de  fer  dont 
on  garnit  le  deesous  de  la  fus^e  d*nn  eseiea  de  bois'.  Wie  die 
ευραΐ  zwischen  Achse  und  Ead,  so  werden  unere  eurae  die  Ver- 
mittelung  gebildet  haben  zwischen  der  pertica  und  den  an  ihr 
und  um  sie  vom  Gaukler  bewegten  und  gezeigten  leblosen  oder 
gar  lebenden  Körpern;  ich  denke  mir  eine  Art  Ketten,  Reifen, 
Schlingen  von  Metall,  welche  seitwärts  an  die  grosse  Holz-8tange 
angeschlossen  und  eingehakt  als  Träger  oder  Stützen  für  die 
Wunderdinge  des  πέτ€υρον  dienten.  Das  Etymon  ist  nicht  evi- 
dent, hilft  somit  nicht,  vor  entfernteren  Möglichkeiten  (έώρα)  schieo 
mir  besser  anzuknüpfen  an  €ύρύς,  €ύρά£  ^quer'. 

Bleibt  der  genaue  Sinn  von  ewae  auch  noch  im  Dunkeln, 
die  Existenz  des  Wortes  steht  fest,  und  dadurch  hat  die  lat.  In- 
schrift einigen  Nutzen  für  die  Kritik  des  PoUux.  Denn  hier 
geben  an  der  angeführten  Stelle  von  Bethes  Handschriltra  nur 
BC  jenes  €ύραί,  und  Bethe  hat  abweichend  von  den  Vorgängern 
θύραι  vorgezogen  p.  47,  16  des  Textes,  p.  VI  der  Vorrede.  leb 
weiss  zwischen  Legblech  und  Thür,  den  bei  den  Griechen  grade 
Holz,  Bretter  und  Balken  von  Holz  roarkirenden  θύραι  (Thukjd. 
VI  101),  keine  Aehnlichkeit  zu  finden,  welche  diese  Benennung 
motivirte,  und  kann  in  θύραι  nur  die  Conjectur  eines  Byzantiners 
sehen,  welcher  ein  unverständliches  Wort  verständlich  zu  machen 
Ruchte.  Nach  meiner  Meinung  sind  wenigstens  an  dieser  Stelle 
BC  die  treueren  Zeugen  der  Urschrift:  Eisen,  Einfügung  in  Holz- 
werk, Reibung  durch  Drehung  und  Bewegung  von  aussen  dürfen 
für  jene  eurae  wie  selbstverständlich  gelten,  das  sind  eben  die 
vom  Grammatiker  hervorgehobenen  Charakteristika  der  eupaL 
Hier  wurden   sie   in  θύραι  verwandelt,    ob    nicht  auch  sonstwo? 

F.  B. 


Verantwortlicher  Redacteur:   L.  Radermaoher  in  Bonn, 

(8.  April  1903.) 


DREIHEIT  ^h-^o^ 

(ForteetsoDg  γοη  Heft  II  S.  161  ff.)^ 


In  einer  Anzahl  von  Fällen  konnten  wir  beobachten,  dase 
die  durch  scheinbare  Spaltung  entstandene  Dreiheit  nicht  zum 
ursprünglichen  Bestand  des  Cultus  gehörte,  sondern  aus  einer 
Zweiheit  oder  Einheit  hervorgewachsen  war.  Es  liegt  nahe,  auch 
die  nicht  seltenen  Fälle,  wo  zwei  durch  Beinamen  charakterisierte 
Sonderbegriffe  neben  dem  reinen,  nicht  unterschiedenen  Gotte 
stehen,  auf  denselben  Vorgang  zurückzuführen  und  anzunehmen, 
dass  dem  ursprünglich  einheitlichen  Oott  zwei  Nebengestalten 
zugesellt  worden  sind,  um  eine  Dreiheit  herzustellen.  Die  diffe- 
renzierende Anwendung  von  Epitheta  ist  ein  Beweis  dafür,  dass 
die  Absicht  bestand,  den  einheitlichen  Gottesbegriff  zu  spalten, 
aber  zugleich  dafür,  dass  diese  Spaltungen  erst  verhältnissmässig 
spät  vollzogen  sein  können.  Und  dafür  fehlt  es  nicht  an  un- 
mittelbaren Beweisen.  Die  Apollinische  Dreiheit  von  Megara 
ist  schwerlich  vor  480  vollendet  worden;  mehrfach  sehen  wir 
Praxiteles  und  Skopae  die  Zahl  erfüllen,  Praxiteles  zu  Megara 
und  Enidos  die  der  Aphrodite,  Skopas  zu  Argos  die  der  Hekate. 
Diese  dreifache  Zerlegung  des  Gottesbegriffe  scheint  demnach  im 
V  Jh.  sich  verbreitet  zu  haben ;  sie  war  üblich,  als  370  Megalo- 
polis  von  den  Arkadiern  gegründet  wurde:    die  dreifache  Aphro- 


1  Auch  auf  nichtgriechische  Religion  hat  man  den  Vorgang  trini- 
tarischer  Begriffsspaltung  übertragen.  Phil.  Berger  hat  in  der  Gazette 
archeol.  V  (1879)  133  ff.  222  ff.  VI  (1880)  18  ff.  wahrscheinlich  zu 
machen  gesucht,  dass  die  Karthagische  Tanit  (luno  caelestis)  in  drei 
Gestalten,  Urania,  Pandemos  und  Pelagia  zerlegt  worden  sei  (s.  VI  31), 
er  nennt  das  la  triniti  Carthaginoise,  Aber  ich  furchte,  der  Boden 
dieser  Combination  ist  wenig  fest  und  der  Gegensatz  einer  Urania  und 
Pandemos  wird  so  wenig  karthagisch  sein,  als  er  ursprünglich  griechisch 
war  (s.  S.  205  f.).    Seh  Ines  zu  S.  2 

aiMin.  Miu.  i.  PhiloL  M.  F.  LVUI.  21 


322  Üsener 

dite  hat  man  offenbar  dem  thebanieoben  Guitue  entlehnt;  zwei 
Beinamen  hielt  man  fest,  den  fremdartigen  dritten  (Apoetrophia) 
lieee  man  fallen.  Das  jüngste  mir  bekannte  Beispiel  sind  die 
Zensstatnen  in  Nen-Eorinth.  Nach  dieser  Zeit  ist  Begriffsepaltnng 
wohl  höchstens  noch  von  philosophischer  und  theosophischer  Spe- 
cnlation  geübt  worden:  das  Bedürfhiss,  die  Vielheit  der  Götter 
ztir<^ Einheit  zusammenzufassen,  war  erwacht  und  wurde  immer 
st&rkei*. 

Gegenüber  diesen  Spaltungen  sind  sichere  VervielfachuDgen 
nur  in  den  drei  Spartanischen  Tempeln  der  Athena  Eeleutheia 
und  in  den  drei  Altären  des  Zeus  Patroos,  von  denen  die  He- 
raklidensage  erzählt,  zu  erkennen.  Dreiheit  der  Altäre  mag  über- 
haupt die  älteste  Form  der  Verdreifachung  bei  grossen  Göttern 
gewesen  sein.  Wir  kennen  ans  Herodot  die  dreifachen  Altare 
eines  ägyptischen  Tempels  (s.  S.  33) ;  drei  Altäre  der  Athena 
hatte  die  Altis  von  Olympia;  im  Heiligthum  des  Asklepios  aof 
der  römischen  Tiberineel  wurde  auf  einem  dreifachen  Altar 
(τρ(βωμον)  geopfert,  wie  wir  aus  einem  Reclamestein  der  dortigen 
Wunderheilungen  {TGSI  966,  8.  12  p.  256  f.)  erfahren.  Eine 
andere  sehr  primitive  Form,  die  gewiss  weitere  Verbreitung  hatte, 
ist  für  die  alten  Araber  bezeugt :  ihre  Göttin  Uzza  wurde  an  der 
Cnltusstätte  der  Quraisch  in  der  Form  von  drei  Samurabäumen 
vorgestellt,  in  denen  sie  nach  dem  Glauben  hauste  ^. 

Einen  weiteren  Ausblick  eröffnen  uns  die  drei  attischen 
Eileithyien  (S.  207).  Wir  können  uns  nicht  länger  der  Einsicht 
verschliessen,  dass  die  zahlreichen  Gruppen  dreier  gleichartiger 
Gottheiten  (S.  4.  9  f.)  unter  denselben  Gesichtspunkt  zu  rücken 
sind.  Wie  anders  konnte  man  darauf  verfallen,  die  Gottheit 
einer  Quelle  in  der  Gestalt  von  drei  Nymphen  anzuschauen? 
Warum  ist  statt  der  einen  Moira,  der  einen  Muse,  die  noch  ans 
den  Homerischen  Gedichten  nicht  ganz  verschwunden  sind,  die 
Dreiheit  durchgedrungen  ?  In  Makedonien  und  zu  Theben  bat 
man  den  einen  Kabiren  verehrt,  warum  anderwärts  ihrer  zwei 
und  drei?  Dem  einen  Kyklopen  Polyphemos  hat  die  Odyseee 
gleich  ein  ganzes  Eyklopenvolk  hinzugedichtet,  die  Theogonie, 
noch  glaubenstreuer,  zählt  drei  Kyklopen  auf.  In  allen  diesen 
und  den  vielen  ähnlichen  Fällen  kann  weder  an  Spaltung  noch 
an  Abrundung  eines  Mehrheitsbegriffs,  sondern  nur  an  Verviel- 
fachung gedacht  werden. 


1  Wellhausen,    Reste  arabischen  Heidentums  S.  36^  f.  i^gl.  38.  4. 


Üreilieit  3^3 

Wirkliebe  BegrifPeepaltiingen,  wie  wir  sie  nicbt  selten  an- 
erkennen mneeten,  dürfen  wir  nunmehr  —  ihre  Entetehungezeit 
weist  nne  daraaf  —  als  Analogiebildungen  nach  den  zahlreichen, 
Olanben  und  Cnltne  beherrschenden  Dreiheiten  betrachten;  sie 
scheiden  damit  aus  der  Zahl  der  ursprtünglichen  und  anwillkür- 
liohen  Ersoheinangen  ans. 

Wir  haben  bisher  nur  Thatsachen  geordnet  und  gesichtet. 
Um  für  ihr  Verständniss  eine  sichere  Unterlage  zn  gewinnen  ist 
es  unerlässlioh,  eine  weitere  Beobachtung  über  den 

PORTSCHRITT  VON  ZWEI  ZU  DREI 
anzureihen. 

8  Die  Belege  strömen,  sobald  man  erst  darauf  achtet,  von 
allen  Seiten  zu.  Das  hat  nicht  verhindern  können,  dass  man 
gelegentlich  Zeugnisse  der  Zweiheit  verdächtigte.  Eine  kurze 
Uebersicht  der  wichtigeren  Fälle  wird  künftige  Zweifel  aus- 
schliessen. 

Entscheidend  könnten  allein  schon  die  Vereine  von  Göttinnen 
und  Göttern  sein,  in  denen  die  Dreiheit  gleichsam  heimisch  ist. 
Am  Throne  des  Amykläischen  Apollon  war  eine  Zweiheit  sowohl 
der  Chariten  wie  der  Hören  dargestellt  (Paus.  III  18,  10) ^ 
Unweit  der  Stadt  am  Flüsschen  Tiasa  lag  ein  altes  Heiligthum 
der  Chariten,  sie  wurden  dort  in  Zweizabl  verehrt,  und  hiessen 
Phaenna  und  Kleta,  Alkman  hatte  ihrer  gedacht  (Paus.  ΠΙ  18,  6). 
Auch  zu  Athen  galt  die  Zweiheit  seit  Altere  sowohl  für  die 
Hören  wie  die  Chariten:  die  letzteren  hiessen  Auxo  und  Hege- 
mone, die  Hören  Thallo  und  Earpo  (Paus.  IX  35,  2).  Noch  zu 
Megalopolis  wurden  an  einem  Opfertisch  im  Heiligthum  der  grossen 
Göttinnen  zwei  Hören  mit  Pan  und  Apollon  vereinigt';  so  Pan 
und  zwei  Hören  auf  einer  Triptolemosvase  aus  Ruvo.  Von  diesen 
Göttinnen  des  Flursegens  lässt  sich  eine  Zweiheit  nicht  trennen, 
die  im  Peloponnes  und  auf  Aigina  verehrt  und  zu  Epidauros 
unter  dem  Namen  der  θ€αΙ  'ΑΖόσιαι  (IGFel.  1  η.  1539)  zu- 
sammengefasst  wurde  ^:  Δαμία  und  ΑύΕησία  nach  Herodot  in 
Epidauros  und  Aigina,    ebenso    zu   Trozen    nach  Pausanias;    in- 


i  Vgl.  Göttern.  133  f.  134  f. 

2  Paus.  VIII 31, 3  δύο  τε  —  *ßpat  καΐ  ίχαιν  Πάν  σύριγγα  καΐ  Απόλ- 
λων κιθαρ<Ζων.  Das  Vasenbild  mit  Beischrift  l-QPAl  Stephani  Μέΐ.  gr. 
rom.  I  547,  3   Preller  Arch.  Zeit.  13,  158  f. 

»  8.  M.  Fränkel  zu  IGPd,  I  p.  242.  373»  Göttern.  129  f.  Da- 
nielsson  im  Eranoe  (Upsala  1896)  1,  7t>  ff. 


3d4  Üsener 

scbriftliob  auf  Aigina  Mvta  und  ΑύΣβσία  IGFd.  I  1 588,  za  Epi- 
dauroe  Mveia  nnd  Mlr\ala  ebend.  1010.  1054,  Μνία  and  Άίοσία 
im  III  Jb.  n.  Cbr.  1062,  in  Sparta  [Αυεη?]σία  nnd  Δαμοία 
Εβ  ist  eobon  öfter  darauf  bingewieeen  worden,  wie  der  Begriff 
der  Hören,  Cbariten  nnd  Nympben  oft  bis  ine  Unterecbiedslose 
zneammenflieeet  ^  Wir  dürfen  für  alle  diese  Ornppen  yon 
Göttinnen  dee  Wacbstbume  nnd  Segens  die  Zweibeit  als  ältere 
Yorstnfe  der  im  gesammtgriecbiscben  Glauben  durcbgedrnngenen 
Dreibeit  voraussetzen.  Eine  Terracotta  aus  Tanagra  stellt  in 
einer  ciedicula  den  Hermes  mit  zwei  vollbekleideten  MSdcben  zn- 
sammen,  die  breiten  Ealatboe,  Halskette  und  an  beiden  Sobnltem 
je  eine  grosse  Rosette  tragen';  wir  werden  sie  als  Nympben 
fassen  dürfen,  und  erbalten  somit  denselben  Vorgang,  der  ffir 
Hören  und  Cbariten  bezeugt  ist,  auob  für  die  Nympben  bestätigt 
Gleicbem  Vorstellungskreis  geboren  die  Ammen  der  göttlicben 
Kinder  an.  Bei  ibnen  berreobt  die  Zweizabl  vor:  in  verscbie- 
denen  örtlicben  Sagen  bat  Zeus  zwei  Ammen',  eben  so  viele 
Hermes,  Apollon  und  Artemis;  aber  eine  Dreibeit  gab  dem  Zeus 
die  Ueberlieferung  der  Umwobner  des  Lykaion',  der  Hera  die 
argiviscbe  Sage  (oben  S.  208). 

Wir  baben  früber  (S.  9)  eine  zu  Eleon  in  Boiotien  verebrte  Gruppe 
von  drei  'Jungfrauen'  kennen  gelernt.  Derselbe  Begrifif*  wiederholt 
sich  au  andereu  Orten  derselben  Landschaft,  aber  in  der  Zweizabl.   Zn 


^  Petersen  in  den  Arcb.  epigr.  Mitth.  aus  Oesterreich  5, 42  ff. 
Wemicke  in  Rosebers  Myth.  Lex.  3,  1425  ua. 

*  Terracotte  des  Berliner  Antiquarium  6678,  in  Winters  Typen• 
katalog  I  64,  1. 

β  Vgl.  Preller-Robert  Gr.  Myth.  1,  133  f.  Nach  der  arkadiscfaeo 
Sage  bei  Paus.  YIIl  38,  3  pflegen  Tbeisoa,  Neda  und  Hagno  das  Zeus* 
knäblein. 

*  Dieser  Gottesbegriff  begegnet  in  der  Einzahl  nicht  bloss  bei 
Athena:  von  der  Insel  Thera  kennen  wir  eine  Παρθένος  Λερία  IGIns. 
XU  440;  in  der  tauriscben  Cbersonesos  (h.  Sebastopol),  einer  dorischen 
Niederlassung,  hatte  die  Parthenos  einen  Tempel  sowohl  innerhalb  der 
Stadt  als  auf  dem  nach  ihr  benannten  Vorgebirg  (Strabon  ΥΠ  ρ.  308), 
und  im  dortigen  Biirgereid  (oben  S.  23, 2)  steht  ihr  Name  unmittelbar 
hinter  der  alten  Trias  (S.  18,  1).  In  diesen  beiden  Fällen  ist  die  Gott- 
heit nicht  genauer  zu  bestimmen  (s.  unten  S.  326).  Die  Yierzabl  bei 
den  Töchtern  des  Hyakintbos  (Apollod.  III  15,  8,  3)  scheint  mir  nicht 
ausreichend  bezeugt.  Dagegen  würde  die  Siebenzabi  im  siebenthorigen 
Theben  am  Platz  sein,  wenn  der  επτά  παρθένων  (Niobiden)  τάφος  mebt 
^on  Euripides  Phoen.  159  erdichtet  wäre  nach  Aristodemos   im  sdiol. 

271,  5  Schw. 


■^ 


Dreiheit  825 

Orchomenos  stand  in  hohen  Ehren  ein  Heiligthum  der  'Jungfrauen*, 
genauer  der  Κορα)ν{6€ς  παρθένοι,  denen  alljährlich  von  Jünglingen  und 
Mädchen  Opfer  gebracht  worden;  man  nannte  sie  Metioche  und  Me• 
nippe,  Töchter  des  Orion,  die  freiwillig  den  Tod  gesucht  haben  sollten 
um  ihr  Land  von  einer  Pest  zu  befreien  (AntoninusLib.  25  Ovid  met. 
13,  692  £f).  'Jungfrauen'  hiessen  auch  die  zwei  Töchter  des  Skedasos, 
die  sogen.  Λευκτρίδες,  die  der  Sage  nach  von  zwei  Spartanern  ge- 
schändet worden  waren:  an  ihrem  Grabmal  wird  vor  der  Schlacht  bei 
Leuktra  ein  weisses  Füllen  geopfert,  und  die  Boiotier  erringen  dann 
den  wunderbaren  Sieg  über  die  überlegene  Zahl  der  Spartaner ';  als 
ihre  Namen  werden  Hippo  und  Miletia(?),  oder  Theano  und  Euxippe 
angegeben.  Nach  Thebanischer  Sage  (Paus  IX  17,  1)  sind  es  zwei 
Töchter  des  Antipoinos,  Androkleia  und  Alkis,  die,  um  ihrer  Vater- 
stadt den  Sieg  in  einem  Krieg  gegen  Orchomenos  zu  sichern,  sich  selbst 
entleiben ;  im  Heiligthum  der  Artemis  Eukleia  sollten  sie  aufgewachsen 
sein,  offenbar  Doppelgängerinnen  der  Artemis  selbst ;  doch  ist  nicht  zu 
übersehen,  dass  bei  den  Makedoniern  Athena  unter  dem  Namen  Alkis 
verehrt  wurde  (vgl.  *Αλαλκομξνη(ς).  An  solche  Nothh elferinnen  läset 
sichtlich  auch  Euripides  den  Boten  seiner  Elektra  (761)  denken,  wenn 
er  die  Nachricht  vom  Fall  des  Aigisthos  mit  den  Worten  einleitet 

*Q  καλλ{νικοι  παρθένοι  Μυκην{δ€ς, 

νικΦντ'  Όρέατην  πΑσιν  άγγέλλω  φίλοις. 
In  attischer  Landessage  stehen  neben  den  drei  Töchtern  (κόραι)  des 
Leos,  welchen  das  oft  genannte  Heiligthum  auf  dem  Markte,  Acuikö- 
piov,  angehörte*,  die  '  Jungfrauen ',  genauer  παρθένοι  Ύακινθ{66ς,  deren 
zwei,  Protogeneia  und  Pandora,  sich  bei  einem  feindlichen  Einfall  der 
Boiotier  opfern  liessen';  der  Anstoss,  den  der  dorische  Oultusbegpriff 
geben  musste,  wurde  theils  so  gehoben,  dass  man  den  Opfertod  auf 
einen  'Hyakinthoshüger  verlegte,  theils  durch  die  parallele  Legende, 
dass  die  vier  Töchter  des  von  Sparta  nach  Athen  übergesiedelten  Hya- 
kinthos  bei  dem  Rachezug  des  Minos  von  den  Athenern  nach  einem 
Orakelspruch  geopfert  wurden.  Zu  Delphi  sprach  man  von  den  '  weissen 
Damen*,  ΛευκαΙ  κόραι.  Als  in  der  Noth  des  Galliereinfalls  von  dem 
Ootte  die  Weisung  kam 

'  Laset  meine  Sorg'  es  und  der  weissen  Damen  sein*, 
deutete   man  das  auf  die  beiden  Göttinnen,   deren   alte  Tempel  inner- 
halb des  Apollinischen  Heiligthums  standen,  Athena  πρόναος  und  Ar- 


^  Plutaroh  narr.  amat.  3  p.  77db  f.  hat  den  Stoff  zu  einer  ge- 
schichtlichen Novelle  gestaltet;  vgl.  Plut.  Pelop.  20  f.  Xenophon  Hellen. 
VI  4,  7  ua 

*  C.  Wachsmuth  hat  Stadt  Athen  II  1,  413  ff.  den  Gegenstand 
vortrefflich  behandelt. 

•  Phanodemos  fr.  3  (FEG  J,  366)  bei  Photios  lex.  p.  397,  7  vgl. 
Hesych.,  Apostol.  prov.  14,  7.  Von  den  Töchtern  des  Hyakinthos  Apollod. 
III  16,  8,  3  Harpokr.  p.  178,  28  vgl.  Wesseling  zu  Diod.  XVII 15  p.  171, 
6δ   Heyne  Ad  Apo*'  "^^  p.  346  f.,  oben  S.  324,4. 


326  Usener 

temia^.  Aus  lakedaemonischem  Galt  dürfen  wir  die  *  Schimmelreite• 
rinnen*  (Λ€υκιππ(δ€ς)  heranziehen,  das  weibliche  Gegenstück  der  Dioe• 
kuren.  Mit  Leukippos,  dem  Messenier  und  Sohn  des  Perieres,  sind  sie 
erst  nachträglich  in  Besicbung  gesetzt  worden;  noch  im  Kyprischen 
Epos  waren  sie  Töchter  des  Apollon*,  und  ihre  eigentliche  Ueimsth 
war  das  lakonische  Aphidna,  neben  ihnen  steht  eine  Leukippe  in  Ein- 
zahl. Sie  sind  mit  den  Dioskuren  vermählt^  die  sie  geraubt  haben, 
nach  der  Sage  an  dem  Hochzeitsfest,  an  welchem  sie  von  den  Apha- 
riden  heimgeführt  werden  sollten.  Dieser  Raub  war  sowohl  am  Tempel 
der  Athena  Chalkioikos  als  am  aroykläischen  Thron  dargestellt.  Aber 
über  den  Rang  von  Gestalten  der  Heldensage  erhob  sie  der  Umstand, 
dass  sie  einen  Tempel  zu  Sparta  hatten ;  ihre  Priesterinnen  wurden  wie 
die  Gottinnen  Αευκιππίοες  genannt.  Die  Sondemamen  der  beiden  sind 
bedeutungsvoll  Φο(βη  und  Ίλάειρα  (mit  der  Variante  'EXdctpa).  Man 
sah  in  ihnen  später,  wie  zu  Delphi  in  den  'weissen  Damen*,  einfach 
die  Schwestergöttinnen  Artemi•  und  Athene,  und  glich  den  Wider- 
spruch so  aus,  das•  man  sie  Priesterinnen,  die  eine  der  Artemis,  die 
andre  der  Athena  sein  liess'.  Für  ursprünglich  kann  ich  diese  Aus- 
deutung weder  zu  Delphi  noch  zu  Sparta  halten.  Die  Vorstellung 
göttlicher  Helferinnen  konnte  freilich  nicht  wirkungsvoller  gestaltet 
werden  als  durch  Verdoppelung  der  Athena  oder  der  Artemis,  wie 
denn  beide  und  mit  Vorliebe  Athena  als  Jungfrauen  gefasst  werden. 
Aber  nichts  hinderte  jene  Vorstellung  in  einem  Jungfranenpaar  xu 
verkörpern,  das  selbständig  neben  jenen  Göttern  stand ;  auch  die  Cher- 
sonesische  'Jungfrau'  (S.  324  Anm.  4)  trug  kein  Attribut,  das  sie  für 
Athena  oder  Artemis  zu  erklären  berechtigt  hätte,  Strabon  nennt  sie 
kurzweg  'eine  gewisse  Gottheit'  (δαίμονος  τίνος).  Auch  hätte  die  Zwei- 
heit  nicht  so  leicht  sich  zur  Dreiheit  fortbilden  können,  wie  zn  Eleon 
und  in  Athen  bei  den  Leostöchtern,  wenn,  die  einzelnen  Gestalten  in 
jener  Weise  festgelegt  gewesen  wären.  Auf  welche  Zahl  sich  die  rö- 
mischen Virgines  divae  (Henzen  z.  Acta  Arv.  p.  145)  beliefen,  ist  an- 
bekannt. 


1  Diodor  XXII  fr.  9,  5  Cicero  de  div.  I  37,  81  Justin  XXIV  8,  h 
Sprichwortsammlung  bei  E.  Miller  Μέΐ.  de  lit.  gr.  p.  362  (vgl.  Paroe- 
miogr.  Gott.  1,403)  ΈμοΙ  μελήσει  ταΟτα  κοί  Λ€υκα1ς  κόραις. 

^  Eypria  fr.  7  Κ.  bei  Paus.  III  16,  1.  Ihre  wahre  Heimath  ist 
Apbidna,  das  in  der  Dioskurensage  mythische  Bedeutung  hat,  Steph. 
Byz.  149,  16  ίστι  κοΙ  τής  Λακωνικής,  δθ€ν  ί^οαν  αΐ  Α€υκιιπι{οες  Φο(βη 
καΐ  Έλάειρα,  als  Schauplatz  des  Kampfs  zwischen  Dioskuren  undApht- 
riden  um  den  Besitz  der  Mädchen  genannt  von  Ovia  fast.  5,  708.  Tempel 
in  Sparta.  Paus.  III  16,  1  Plnt.  qu.  gr.  48  p.  302;  die  Prieeterinnen 
ΑευκιππίΟΕς  Paus.  aO.  vgl.  13,  7.  Darstellungen  des  Raubs:  Paus.  III 
17,  3.  18, 11. 

^  Hygin  f.  80  'Phoebe  sacerdos  Minervae,  Ilaira  Dianae'  mit 
offenbarer  Verwechslung  statt  '  Dianae,  Π.  Minervae*. 


Dreiheit  327 

£ine  verwandte  Enoheinung  sind  die  my thisohen  Hyperboreerinnen 
des  Artemisoaltus  von  Delos.  Mit  Apollon  und  Artemis  selbst  waren 
nach  Delos  Arge  und  Opis  gekommen,  wieHerodot  4,35  überliefert, 
oder  Opis  und  Hekaerge,  wie  sie  sonst  heissen;  die  Weihegaben  ans 
dem  Hyperboreerland  soll  zuerst  das  Paar  Hyperoche  und  Laodike 
(mit  der  gewiss  echten  Variante  Laodoke)  überbracht  haben  (Her.  4, 
33.  35).  Aber  bei  Kallimachos  (H.  auf  Delos  292)  ua.  ist  das  Paar 
KOT  Dreiheit  Opis  Loxo  Hekaerge  fortgebildet ^.  Hier  handelt  es 
sich,  wie  man  längst  aus  den  durchsichtigen  Benennungen  geschlossen 
hat,  durchweg  um  Sondergestaltungen  der  Artemis  selbst;  die  Ver- 
muthung  drängt  sich  auf,  dass  die  Vorstellung  an  einem  alterthüm- 
liehen  Doppelbild  der  Artemis  einen  Anhalt  gefunden  hatte.  £ine 
jüngere  Generation  ist  dann  von  dem  Paar  zur  Dreieinheit  vor- 
geschritten. 

In  die  Heroensage  sind  wir  schon  durch  die  Ueberliefemngen 
geführt  worden,  die  sich  an  die  'Jungfrauen*  knüpfen.  Es  fehlt  nicht 
an  weiteren  Fällen.  Drei  Töchter  des  Proitos:  Iphinoe  (Hipponoe  bei 
Servius),  Lysippe  (Ghrysippe:  Myth.  Vat.),  Jphianassa  (Kyrianassa:  Ser- 
vius)  nennt  die  verbreitete  Sage  s.  Apollod.  Π  2,  2  Servius  und  schol. 
Bern.  (p.  800  Hagen)  zu  Verg.  ecl.  6,  48  Mythogr.  Vat.  I  c.  86  (Mai 
Glass.  auct.  8,  33):  nur  zwei  kennt  Pherekydes  fr.  24  im  Schol.  Od.  ο 
225  (Lysippe  und  Iphianassa)  und  Aelian  v.  h.  3,  42  (Elege  und  Ke- 
laine).  Während  an  der  Schlachtung  des  Pelias  das  berühmte  Belief 
(Friederichs- Wolters  N.  1200)  und  Vasenbilder  zwei  Töchter  betheiligen, 
setzt  ein  Pompejanisches  Wandgemälde  (Heibig  1261  b  S.  270)  drei 
Peliaden'  in  Handlung. 

Im  athenischen  Tempel  der  Eumeniden  waren  drei  der  'ehr- 
würdigen Göttinnen*  (Σεμναί)  aufgestellt,  in  der  Mitte  ein  Werk  des 
Kaiamis,  zu  beiden  Seiten  je  eine  Marmorstatne  des  Skopas.  Aber  aus- 
drücklich bezeugt  Phylarchos  Zweiheit  der  athenischen  'Ehrwürdigen', 
auch  ihrer  Bilder'.  Also  kann  erst  nach  der  Zeit  des  Skopas  durch 
die  Einfügung  des  älteren  Bildwerks  die  Dreizahl  erfüllt  worden  sein. 
Das  delphische  Heiligthum  des  Apollon  hatte  zwei  Schicksalsgöttinnen 
(Motpat)  statt  der  üblichen  Dreizahl,  Zeus  und  Apollon  standen  bei 
ihnen  als  Μοιραγ^ται  (Paus.  X  24,  4). 

Von  den  Sirenen  erzählte  die  Odyssee  im  Dual  (μ  167  νήσον 
Σειρήνοην  185  νωιτέρην  όπα);  der  die  Warnung  der  Kirke  (μ  39  ff.) 
und  des  Odyssens  an  die  Gefährten  (μ  158)  hinzudichtete,  hat  sich 
schon   des   Plurals   bedient:   bei  Lykophron  (712  ff.)  und  den  Mytho- 


1  Die  weiteren  Belege  s.  bei  Preller-Robert  I  299,  1. 

s  Eine  Vatioanisobe  Kylix  (Arch.  Zeit.  1846  Taf.  40  vgl.  Helbigs 
Führer  U  Mus.  Greg.  N.  179)  zeigt  auf  der  einen  Aussenseite  zwei,  auf 
der  anderen,  wo  Medeia  den  Widder  bringt,  drei  Peliaden:  daraus 
läest  eich  ein  Zeugniss  für  die  Ueberlieferung  nicht  ableiten. 

«  Preller  Pole•^   -   ''«  f  Göttemamen  226  Anm.  18. 


328  Usener 

graphen  (Apollod.  epit.  7,  18)  bilden  sie  eine  Dreiheit^.  Den  Fort- 
Bcbritt  der  Graien.uus  einem  Paare,  wie  es  die  Theogonie  kennt,  zu 
einer  Dreiheit  haben  wir  schon  S.  9  bemerkt  Der  Harpyien.  sind 
zwei  nach  der  Theogonie  267  und  Apollodor  I  9,  21,  6  (122  f.),  auch 
in  der  Ucberliefernng,  welche  sie  zu  Töchtern  des  Phineas  macht*,  aber 
drei  nach  Hygin  f,  14  Servius  z.  Aen.  3,  207  Tzetzes  zn  Lyk.  166, 
vielleicht  anch  Vergil  Aen.  3,  211  f. 

Der  bisher  ausschliesslich  an  Göttinnen  verfolgte  Vorgang  war 
natürlich  nicht  ein  weibliches  Vorrecht.  Als  Todtenrichter  erscheint 
bei  Isokrates  und  öfter  bei  lateinischen  Dichtem,  die  auf  griechische 
Vorgänger  zurück  zu  schliessen  n9thigen,  der  eine  Aiakos;  einigemal 
das  Paar  Minos  und  Rhadamanthys  (Apollod.  III  1,  2,  3  Diodor  V 
79,  2):  im  V  Jh.  scheint  die  Dreiheit  durchgedrungen  zu  sein,  aber 
zunächst  schwankte  man:  neben  der  aus  jenen  drei  Namen  gebildeten 
Liste,  welche  durchdrang  und  zuerst  bei  Piaton  Gorg.  p.  523«  auftritt, 
wurde  in  Attika  auch  die  Gruppe  Triptolemos  Aiakos  Rhadamanthys 
aufgestellt,  die  auf  einer  Neapolitanischen  Amphora  durch  Beischrift 
gesichert  ist;  weshalb  denn  Piaton  Apol.  p.  41%  um  dem  Volksglauben 
gerecht  zu  werden,  beide  Listen  vereinigt  und  vier  Todtenrichter  nennt'. 
Während  für  Dioskuren  und  Anakes  die  Zweizahl  feststeht  und  auch 
für  Kabiren  (s.  S.  322)  und  Kureten  meistens  festgehalten  wird,  ist  man 
doch  auch  bei  diesen  Begriffen  zur  Dreiheit  übergegangen:  die  Ho- 
monymentafel  Ciceros  (de  nat.  d.  III  21,  53)  macht  zwei  Triaden  von 
Dioskuren  namhaft,  die  'Anakes*  Tritopatreus  £ubuleus  Dionysos,  und 
die  Atreussöhno  Alkon  Melampus  Tmolos;  statt  der  üblichen  zwei 
führen  drei  Kureten  ihren  Waffentanz  um  das  Zeusknäblein  auf  in 
einem  Terracottarelief^;  die  heilige  Sage  der  Anaktotelesten  sprach 
von  drei  Korybanten  oder  Kabiren  ^;  F.  Marx  hat  uns  göttliche  Zwil- 
lingsknaben in  Bildwerken  weit  aus  einander  liegender  griechischer 
Orte  und  in  litterarischen  Zeugnissen  nachgewiesen^,  aber  ein  gleich- 
artiges Denkmal  zu  Brasiai,  das  ihm  nicht  entgangen  ist,  stellte  drei 
knabenhafte  Götter  dar. 

Der  alte  Mythus  von  den  drei  Brüdern  (oben  S.  7  f.)  wird  in 
den  Märchen  durchweg  so  gewendet,  dass  die  zwei  älteren,   nachdem 


1  Vgl.  Eustath.  z.  Od.  p.  1709,  44  f.  Im  schol.  μ  39  ρ.  531, 17 
werden  vier  genannt,  dh.  die  vierte  Αίγεια  ist  aus  Lykophron  726  zu 
den  üblichen  drei  Namen  zugesetzt. 

3  Bei  Palaiphatos  c.  22  Tzetzes  zu  Lyk.  166. 

8  Vgl.  Rohde  Psyche  I«  310  f.    Roschers  Myth.  Lex.  1.  113. 

*  Annali  dell'  Inst.  XII  tav.  2Γ,  Roschers  Myth.  Lex.  2,  1603. 
Dieselbe  Zahl  bezeugen  die  theolog.  arithm.  9  p.  58  Äst. 

^  Oben  S.  8,  1  und  mehr  bei  Immisch  in  Roschers  M.  L.  2,  1621  f. 
Eine  bildliche  Darstellung  gibt  ein  Etruskischer  Spiegel  bei  Babelon- 
Blanchet,  Catal.  des  bronzes  ant.  de  la  Bibl.  nat.  p.  521. 

^  Athen.  Mitth.  10,81  ff.   Brasiai:  Paus.  III  24, 5  vgl.  Marx  S.  86. 


Dreiheit  329 

sie  den  jüngsten  treulos  beseitigt  haben,  sich  das  Verdienst  seiner  Gross- 
that  beimessen  und  deren  Früchte  geniessen,  bis  der  wahre  Held  er- 
scheint, sich  als  solchen  erweist  und  die  Betrüger  zu  weichen  nöthigt. 
Der  Eindruck,  den  die  Gestalt  des  Jüngsten  auf  die  Hörer  macht,  wird 
gewiss  gesteigert,  wenn  er,  der  raissachtete,  zwei  Brüder  in  Schatten 
stellt.  Aber  wesentlich  und  unentbehrlich  war  dies  Kunstmittel  nicht. 
In  der  That  gibt  es  noch  manche  altertbümliche  Märchen,  welche  dem 
braven  Helden  nur  einen  Bruder  gegenüberstellen^.  Und  in  der  grie- 
chischen Sage  sehen  wir  die  Zweiheit  weit  überwiegen.  In  zahlreichen 
Varianten  ist  hier  das  Motiv  des  feindlichen  Brüderpaares  ausgeführt 
worden,  tragisch  gestaltet  wie  bei  Atreus  und  Thyestes,  Eteokles  und 
Polyneikes,  oft  verschärft  durch  den  Umstand,  dass  sie  als  Zwülings- 
brüder  geboren  werden  wie  zB.  Proklee  und  Eurysthenes  (einzelne 
Paare  fangen  schon  im  Mutterleibe  an  sich  zu  raufen  wie  Proitos  und 
Akrisios,  Panopeus  und  Krissos).  In  vielen  Fällen  verdrängen  sich  die 
beiden  Brüder  gegenseitig  aus  der  Herrschaft,  so  Proitos  und  Akrisios, 
Aigyptos  und  Danaos,  Aietes  und  Perses,  Pelias  und  Neleus,  Hippokoon 
und  Tyndareos  die  Söhne  des  Oibalos,  Aphareus  und  Leukippos  als 
Söhne  des  Perieres  bezeichnet,  Medon  und  Neileus  die  ältesten  Söhne 
des  Kodros  (Paus.  VII  2,  1),  die  Söhne  des  Pandion  Aigeus  undLykos 
(Rh.  Mus.  53,  373),  während  nach  Thebanischer  Sage  Nykteus  und  Ly- 
kos  sich  wenigstens  in  der  Herrschaft  ablösen.  Diese  Befehdung  und 
Ablösung  war  das  sachgemässe  Bild  für  den  Wechsel  von  Tag  und 
Nacht,  Sommer  und  Winter^.  Selbst  in  diese  Mythen  hat  sich  ge- 
legentlich die  Dretzahl  eingeschlichen.  Oibalos  hat  drei  Söhne:  Tyn- 
dareos Hippokoon  Ikarios,  nach  der  Ueberlieferung  bei  Apollodor  (III 
10,  5)  verjagt  Hippokoon  die  beiden  Brüder,  nach  Pausanias  (III  1,  4) 
steht  Ikarios  auf  der  Seite  des  Hippokoon.  Von  den  drei  Söhnen  des 
Portheus,  welche  schon  die  Ilias  (Ξ  115  f.)  nennt,  Agrios  Melas  Oineus, 
werden  in  der  Sage  Agrios  und  Oineus  in  gegensätzliche  Beziehung 
gesetzt 8;  Μέλας  und  "Αγριος  sind  sichtlich  begriffliche  Doppelgänger. 
Hinter  vielen  der  Triaden,  die  une  der  Cultue  bezeugt, 
stehen  ältere  Zweiheiten,  die  oft  lange  der  Herrschaft  der  Drei- 


^  In  den  Schwedischen  Märchen  von  Cavallius  (deutsch  von  C. 
Oberleitner,  Wien  1848)  reden  zwei  Varianten  von  drei  Brüdern  (S.  25. 
85  ff.),  während  eine  dritte  alterthümlichere  Form  (S.  46  ff.)  nur  zwei 
Brüder  kennt.  Auch  ein  serbisches  Märchen  (bei  Vuk  Karadschitsch, 
Berl.  1853)  N.  16  S.  127  f.  stellt  einen  gerechten  und  ungerechten 
Bruder  gegenüber.  Ich  schliesse  die  Bemerkung  an,  dass  das  Aschen- 
brödelmärchen  nicht  selten  auf  zwei  Schwestern  beschränkt  wird;  das 
gilt  gerade  von  den  nach  Form  und  Inhalt  alterthümlichsten  Gestal- 
tungen, die  mir  bekannt  geworden  sind,  in  Wenzigs  Westslavischem 
Märchenschatz  S.  21  ff.  und  45  ff. 

a  S.  Rhein.  Mus.  53,  374  f.  Sintfluths.  S.  195. 

8  S.  Rhein.  Mus.  53,  375  f.,  über  Μίλας  s.  ebend.  304— 8. 


330  üsener 

zahl  widerstanden  haben.  Zn  vollerem  Einblick  in  den  That- 
bestand  wäre  es  erforderlich,  den  früheren  Listen  die  Götter- 
zweiheiten  gegentiberzustellen,  die  sich  aus  der  Litteratar,  vorab 
Pausanias,  den  Inschriften  und  Denkmälern  ergeben.  lob  darf 
mich  hier  auf  einige  wichtigere  Fälle  beschränken,  welche  genügen 
werden,  die  Thatsache  selbst  erkennen  zu  lassen. 

Demeter  und  Persephone  (Köre)  sind  trotz  der  eleneiniecben 
Trias  doch  den  Athenern  immer  schlechtweg  τώ  θ€ώ,  *die  beiden 
Göttinnen*  geblieben.  Und  so  wendet  sich  unter  den  YerwnuschuDgs- 
tafeln  von  Knidos  nur  eine  an  die  infernale  Dreiheit  Demeter,  Köre, 
Pluton;  die  anderen  folgen  dem  älteren  Brauch,  die  Zweiheit  Demeter 
und  Köre  anzurufen  (CIA  append.  p.  X — XII).  Von  den  Tempeln,  io 
denen  die  beiden  Göttinnen  allenthalben  verehrt  wui*den,  wäre  über- 
flüssig zu  reden,  ebenso  wie  bei  Apollon  und  Artemis,  Zeus  und 
Hera  udgl. 

Merkwürdiger  ist  die  Vereinigung  von  Zeus  und  Athena.  Ab 
ursprünglichere  Zweiheit  läset  sie  sich  mit  Sicherheit  schon  ans  deo 
Variationen  der  Trinitat  erschliessen,  die  wir  oben  S.  14,  4.  6.  9.  19,3. 
20,  ϋ.  10.  21,  14.  27,  25  f.  kennen  gelernt  haben.  So  kann  es  nicht 
überraschen,  dass  der  Gultus  aller  Griechenstämme  an  dieser  bedeutungs- 
vollen Zweiheit  zähe  festgehalten  hat^.  Selbst  im  Schwur  erscheint  sie 
noch  bei  Libanios  (II  p.  102,6). 

Auch  sonst  tritt  im  Schwur  neben  der  üblichen  Dreiheit  eine 
ältere  Zweiheit  göttlicher  Eideshelfer  hervor.  Gerade  für  die  altsr- 
thümlichste  und  verbreitetste  Gruppe  von  Schwurgöttem  (S.  18  f.) 
können  wir  das  beobachten.  Euripides  läset  Modeia  dem  Aigeus  die 
Schwurformel  vorschreiben 

746  δμνυ  πέοον  Γής  πατέρα  θ'  Ήλιον  πατρός, 
und  Aigeus  schwört  demgemäss 


^  Einige  Belege,    wie  sie  mir  gerade  zur  Hand  sind:    in  Attika 
sind    beide    die  θεοί   φράτριοι    nach  Piaton  Enthyd.  302^^,    im  Piraeas 
hervorragendes  ΆθηνΑς  καΐ  Διός  τέμενος  Paus.  11,3;  zn  Stageira  Ζευς 
σωτήρ  und  *  Αθήνα  οιίττειρα  nach  dem  Testament  des  Aristoteles  Laert. 
Diog.  5,  16;  zu  Erythrai  besteht  je  ein  Priesterthum  für  Ζευς  Φήμιος 
καΐ  Άθηνα  Φημ(α,  Ζευς  'Αποτρόπαιος  καΐ  *  Αθήνα  *Aπoτpoπα(α(Dittβnb. 
Syll.2  η.  600  »25.  ^19  vgl.  ο2);    zu  Anaphe  Ζευς   πάτριος    und  'Αθηνά 
πατρία  IG  Ins.  III  η.  262;   zu  Aigion    waren    Ζευς  τε   καΐ  ΆθηνΑ  ίο* 
sammen  aufgestellt  (mit  Poseidon  und  Herakles,  als  θεοί  Άργείοι)  Paas. 
VII  23,  10;  ebenso  zu  Koroneia  im  Tempel  der  *Αθηνα  Ίτατνία  Paus.  IX 
34,  1;  auf  Rhodos  haben  *Αθάνα  πολιάς  (bezw.  ΛινΜα)  καΐ  Ζευς  πολιεύς 
einen  gemeinsamen  Priester  IG  Ins.  I  n.  705,  16.  768  usw.;    auf  The« 
IGIne.  III  427 ;   auf  Lesbos  ein  Ort  ΎπερδΟιον,    wo  Ζεος  ύπερδβιος 
und  Άθ.  οπερδεΕία  verehrt  wurden  (Steph.  Byz.  p.  650,  13),    aoeh  in 
Rhodos  IGIns,  I  22  p.  14;  für  Pergamon  s.  Frankels  Regiator  9.516". 


Dreiheit  331 

752  ομνυμι  Γαίαν  *Ηλ(ου  θ*  άγνόν  σέβας 
θ€θύς  Τ6  πάντας,  έμμενεΐν  ä  σου  κλύω, 
lason  fragt  Modeia  nach  dem  Kindermord 

1327  καΐ  ταΟτα  δράσασ'  Ήλιόν  τ€  προσβλέπεις 
καΐ  Γαΐαν,  £ργον  τλΑσα  δυσσεβέστατον ; 
auch  £arip.  Hippel.  601  ώ  Γαία  μήτΕρ  'Ηλίου  τ'  άναπτυχα{  und  672 
tu)  ΓΑ  καΐ  φώς  zeugen  für  diese  Voretellung.  Erde  und  Himmelslicbt, 
das  ist  das  grosse  Götterpaar,  das  in  seinem  weiten  Abstand  alle  übrigen 
göttlichen  Mächte  einzuschliessen  scheint;  neben  der  Sonne  war  der 
Gott  der  Tageshelle,  Zeus  an  sich  nicht  erforderlich,  als  der  höhere 
und  umfassendere  Begriff  ist  er  wie  ein  Schlussstein  zugefugt  worden. 
Umgekehrt  ruft  der  Riohtereid  von  Eresos,  der  aus  der  Zeit  Alexanders 
des  gr.  stammt,  nur  Zeus  und  Helios  zu  Zeugen  (IGIns.  II  526  c  20 
p.  114),  was  sich  aus  den  Grundvorstellungen  vom  Gericht  (s.  Göttern. 
180  ff.)  erklärt;  auch  Aietes,  von  der  eignen  Tochter  betrogen,  erhebt 
bei  Apollonios  Argon.  4,  228  f.  seine  Hände  zu  Zeus  und  Helios  als 
den  κακών  έπιμάρτυρες  £ργων. 

Die  Götter  der  Ringhalle  sind  erst  zu  Athen  durch  Zufügung  des 
Theseos  auf  die  Zahl  drei  gebracht  worden.  Vieler  Orten  hat  sich  das 
alte  Paar  Hermes  und  Herakles  behauptet,  nicht  nur  bei  Doriern,  wie 
auf  den  Inseln  Thera  und  Melos  und  zu  Methana  (Paus.  II  34,  1),  so- 
gar in  Stadt  und  Landschaft  Megalopolis  hat  man  daran  festgehalten 
(Paus.  VIII  32,  3.  35,  2). 

Die  Dreiheit  der  Heilgötter  sahen  wir  (S.  14)  zu  Epidauros  sich 
erst  spät  feststellen.  Früher  wurden  dort  die  Opfer  und  Weihegaben 
dem  Apollon  Maleatas  und  Asklepios  dargebracht.  Im  städtischen 
Heiligthnm  von  Epidauros  stand  neben  Asklepios  Epione  (Göttern. 
166  f.),  in  Sparta  Artemis  Daphnaia  (Paus.  III  24.  8).  Die  geläufigste 
Verbindung  war  Asklepios  und  Hygieia.  Ihnen  galt  das  athenische 
Heiligthum  am  Südabhang  der  Burg;  die  erhaltene  Tempelordnung 
spricht  kurzweg  von  *den  beiden  Göttern*  (BCif  5,  262  n.  2).  Die- 
selbe Zweiheit  galt  in  Korinth  (Paus.  II  4,  5),  Sekyon  (Paus.  Uli,  6), 
Argos  (Paus.  II  23,  4),  Trozen  [IGPeL  I  772),  Aigion  Paus.  VII  23, 7), 
Megalopolis  (Paus.  VHI  32,  4),  auf  Rhodos  (IGIns,  I  26),  Melos  (ebend. 
III  1084 — 7)  usw.  Noch  unter  Trajan  stiftet  die  Stadt  Ptolemais  in 
Aegypten  Tempel  und  heiligen  Raum  dem  Asklepios  und  der  Hygieia, 
während  doch  ein  der  Weihinschrift  boigegebener  Paian  die  vollständige 
Liste  der  Kinder  des  Asklepios  und  der  Epione  herzählt^.  Und  diese 
Zweiheit  erstreckt  sich  auch  auf  die  heilkräftigen  Heroen:  das  Homerische 
Paar  des  Podaleirios  und  Machaon  wiederholt  sich  in  der  peloponne- 
sischen  Zweiheit  Alexanor  und  Euhamerion  zu  Titane  (Paus.  II  37,  7), 
die  mit  den  Dfoskuren  den  Wechsel  von  Sterblichkeit  und  Unsterb- 
lichkeit  theilt,    und    schliesslich   bei  den  Dioskuren,  die  wir  als  Heil- 

1  Reyue  archeolog.  1889  t.  XIII  70  ff.    Ziebarth  in  den  Commen- 
tatioues  philologicae  des  Münr»»— '-  « — «-«rs  1891  p.  1. 


382  üsaner 

götter  wenigstens  aus  einer  doriseben  Golonie,  Bysanz,  kennen*.  Von 
dort  haben  sie  dann,  obristlich  umgebildet,  als  die  heiligen  *  Gratis- 
ärzte' (dvdpTupoi)  Koamas  und  Damianus  ihren  Weg  durch  die  Christen- 
weit  gemacht.  Und  nach  ihrem  Muster  schuf  noch  im  fünften  Jh.  un- 
serer Zeitrechnung  für  das  Bedürfniss  Alexandreias  Kyrilloe  das  neoe 
Heiligenpaar  Kyros  und  Johannes,  durch  welche  er  den  Incnbatione- 
cultus  der  Isis  zu  Menuthis  verdrängte.  So  setzt  sieb  die  alte  Zwei- 
heit  bis  tief  ins  Ghristenthum  fort. 

loh  brauche  nicht  mehr  die  Fälle  besondere  anfsnfuhren, 
die  flieh  uns  vorhin  bei  den  Spaltungen  eines  Gottesbegriffs  in 
drei  ergaben  und  den  Weg  zur  jetzigen  Betraohtang  bahnten. 
Aber  ein  Fall  darunter  verdient  genauere  Erwägung,  weil  er  uns 
weiter  zu  fuhren  verspricht. 

9  Der  Cultus  von  Argos  hatte  bis  in  die  Zeit  des  Polyklet 
die  Zweileibigkeit  der  Hekate  bewahrt  (S.  207  f.)  ;  sie  wurde  in  zwei 
selbständigen  Gestalten  dargestellt,  der  ursprünglichen  Form  der 
Verdoppelung.  Diese  Thatsache  des  argivisohen  Galtae  ist  nw 
ein  werthvoUes  Zeugnies,  wenn  es  ans  auch  nichts  lehrt,  wae 
wir  nicht  durch  sicheren  Rücksohluss  selbst  hätten  wissen  können. 
Es  ist  bekannt,  dass  Hekate,  wenn  sie  eingestaltig  gebildet  wird, 
in  jeder  Hand  eine  brennende  Fackel  zu  tragen  pflegt  Aristo- 
phanes  schildert  sie  (Frösche  1361)  οιιτυρους  όνέχουσα  λαμπάδας 
όΕυτάτας  χεροΐν  Έκάτα,  das  stimmt  zu  den  zahlreichen  Dar- 
stellungen auf  Münzen  und  Vasen.  Aber  auch  Artemis  heisit 
bei  Sophokles  Trach.  2H  άμφίπυρος*.  Und  nichts  anderes  ist 
es,  wenn  Kratinos  der  Thrakischen  Bendis  das  Beiwort  όίλογχος 
gab:  Lanze  wie  Pfeil  ist  ein  altes  Bild  des  Lichtstrahls ^  Ver- 
anschaulicht werden  diese  Ausdrücke  auch  durch  ein  antikes 
Wandgemälde  der  Yaticanischen  Bibliothek,  das  im  J.  1868  zn 
Ostia  ausgegraben  und  mir  durch  A.  Dieterioh  bekannt  wurde. 
Es  stellt  eine  Festfeier  der  Artemis  vor.  Eine  Prooession,  durch 
fünf  Knaben  angedeutet,  die  Weintrauben  und  andere  Früchte 
tragen,  tritt  eben  den  Rückzug  an.      Auf  der  linken  Seite  flehen 

1  Ludw.  Deubner  De  inoubatione  (Lips.  1900)  p.  77  ff.  Auch  die 
christlichen  Repliken  sind  in  dieser  verdienstlichen  Schrift  eingehend 
dargestellt. 

3  Vgl.  das  Seholion  zur  St.  παρ^  6σον  άμς>οτέροης  ταΐς  χ€ρσΙ  hq• 
δουχ€ΐ,  ή  αυτή  οΟσα  τή  Έκάτΐ].  —  Kratinos  (Mein.  2,  6G)  bei  Hesycb. 
u.  δ(λογχον. 

*  Vgl.  Soph.  fr.  492  "Ηλιε  δέσποτα  καΐ  πΟρ  Upov,  τής  ανοδύις 
'Εκάτης  ^γχος,  τό  δι*  Ούλύμπου  ιτυιλοΟσα  φέρει  κοί  γής  να(ουο*  Ιεράς 
τριόδους. 


t>reitieit  333 

yier  Knaben  mit  erhobenen  brennenden  Fackeln  zur  Artemis. 
Diese  steht,  als  Jägerin  dargestellt  mit  hochgeschürztem  Chiton, 
in  der  linken  den  Bogen  vorstreckend,  mit  dem  erhobenen  rechten 
Arm  nach  einem  Pfeil  im  Köcher  langend,  anf  hohem  cylindrischem 
Postament.  Za  jeder  Seite  aber  dieses  Standbildes  erhebt  sich 
eine  hohe  brennende  Fackel  über  die  Kopfhöhe  der  Göttin;  die 
beiden  Fackelpfähle  sind  durch  ein  Querholz  wie  zu  einem  Joche 
verbunden.  Das  ist  handgreiflich  Artemis  αμφίττυρος.  Auch 
ohne  die  Fesseln  solchen  Cultusbrauchs  hat  sich  trotz  der  un- 
bestrittenen Herrschaft  der  Dreizahl  die  Vorstellung  von  der 
Doppelseitigkeit  der  Hekate  lange  erhalten :  noch  Vergil  nennt 
Hecaten  caeioque  Ereboque  potentem  (Aen.  6,  247)  und  Plutarch 
unterscheidet  wiederholt  die  irdische  und  himmlische  ^.  Der  wahre 
Anläse  zur  Verdoppelung  ist  in  diesem  Falle  leicht  zu  fassen.  Der 
natürlichen  Anschauung,  die  noch  heute  den  Aberglauben  be- 
herrscht, scheidet  sich  der  Mondlauf  in  zwei  entgegengesetzte 
Hälften,  den  zunehmenden  und  den  abnehmenden  Mond,  eine 
helle  und  dunkle,  gute  und  böse  oder,  wie  die  Inder  sagend 
weisse  und  schwarze  Hälfte;  ihre  Grenzen  sind  Neumond  und 
Vollmond,  die  zwei  heiligsten  Zeiten  des  Monats.  Während  die 
orientalischen  Völker,  so  viel  mir  bekannt,  durchweg  die  Monats- 
tage vom  ersten  bis  zum  letzten  gerade  durchzählen,  haben  einzelne 
europäische  Völker  aus  jener  Beobachtung  die  naheliegende  Folge- 
rung gezogen,  die  Tage  des  zunehmenden  Monds  aufeteigend,  die 
des  abnehmenden  rückläufig  zu  zählen :  unwillkürlich  sucht  sich 
das  Bild  der  von  Tag  zu  Tag  verkleinerten  Mondscheibe  einen 
entsprechenden  Ausdruck  in  der  Verringerung  der  Zahl  und  um- 
gekehrt Dieser  Brauch  ist  am  längsten  von  den  Langobarden 
in  Italien  rein  erhalten  worden.  Die  von  den  Diplomatikern 
fälschlich  so  benannte  consuetudo  BononiensiSj  dh.  eben  diese 
aufsteigende  Zählung  der  Tage  bis  zum  XVten  und  absteigende 
in  der  zweiten  Monatshälfte ^,  ist  seit  dem  VIH  Jh.  nachweisbar 
in  Oberitalien  und  im  langobardischen  Bereich  Unteritaliens.   Ur- 


1  Plnt.  de  def.  or.  13  p.  416«  de  Is.  et  Oe.  44  p.  868^  vgl.Ser- 
viu8  z.  Aen.  4,511  'qoidam  Hecaten  diotam  esee  tradunt,  quod  eadem 
et  Diana  eit  et  Proeerpina,  άπό  tuiv  έκατέρυιν*. 

s  S.  A.  Weber  in  den  Abb.  d.  Herl.  Akademie  1862  S.  42. 

^  Franz  Rühl  hat  jetzt  in  der  Chronologie  des  Mittelalters  und 
der  Neuzeit  S.  75  f.  das  wesentliche  bündig  gegeben.  Vereinzelte  An- 
wendung in  deutschen  Urkunden  seit  Mitte  des  XIII  Jh.  weist  H. 
Grotefend  nach  im  "™»ι.   ^^^  j^jg^.    Chronologie  S.  34  f. 


dd4  üeener 

sprÜTiglich  rotiseen  auch  die  Bömer  gerade  eo  gezählt  haben.  Die 
Iden,  der  Lichttag  des  Vollmonde,  bilden  den  Schneidepiinkt, 
nach  welchem  die  Tage  der  zweiten  Monatflhftlfte  zn  allen  Zeiten 
rticklänfig  gezählt  wurden.  Durch  die  Nonae  wird  die  erste 
Hälfte  noch  einmal  halbiert^.  Aber  es  ist  einleuchtend,  dass 
diese  erst  nachträglich  den  alten  zwei  Mondtagen  der  Kaienden 
und  Iden  hinzugefügt  worden  sind:  während  alle  Iden  dem 
Juppiter  und  alle  Kaienden  der  Juno  heilig  sind,  entbehren  die 
Nonen  einer  stehenden  Heiligung  durch  den  Gultus: 

VindiccU  Äusoniitö  lunonis  cura  kalendas, 
idibtis  alba  lovi  grandior  agna  cadit: 

nonarum  tutela  deo  caret  (Ovid  fast.  1,  55) '. 
Nachdem  damit  die  alte  natürliche  Ordnung  des  Monate  durch- 
brochen war,  hat  man  die  rückläufige  Zählung,  welche  die  lange 
Tagereihe  der  zweiten  Monatshälfte  zur  Gewöhnung  gemacht 
hatte,  widernatürlicher  Weise  auch  auf  die  beiden  Abschnitte  des 
zunehmenden  Monds  übertragen.  Noch  stärker  ist  bei  den 
Griechen  die  alte  Zählweise  zerstört  worden.  Die  normale 
Schätzung  des  Monats  zu  30  Tagen  hatte  es  ihnen  nahe  gelegt, 
denselben  in  drei  scheinbar  gleiche  Theile  von  je  zehn  Tagen  zn 
zerlegen.  Aber  diese  Dekaden  wurden  nicht  eine  jede  für  sich 
genommen,  sondern  man  zählte  aufsteigend  durch  bis  zum 
zwanzigsten  (€ΐκάΟ€ς),  um  dann  die  letzte  Dekade  in  alter  Weise 
rückläufig  zu  beziffern.  In  Folge  davon  ist  der  Nenmondstag 
die  einzige  Mondphase,  welche  für  die  Tageszählung  eine  Be- 
deutung behalten  hat;  der  Vollmondstag  ist  zu  den  übrigen  ge• 
wissermassen  in  Beih  und  Glied  zurückgetreten  Κ  Auch  die 
Griechen  müssen  ursprünglich  den  Monat  halbiert  und  die  ganze 
zweite  Hälfte  rückläufig  gezählt  haben ;  eine  Spur  hat  sich  noch 
in  der  attischen  Benennung  des  XXI  erhalten,  der  bexdrn)  ύοτέρα 
heisst   im   Gegensatz    zum    aufsteigend    gezählten    zehnten»    der 


^  Mommsen  Rom.  Chronol.  240  f.*  hat  auch  in  der  zweiten  Mo* 
natshälfte  einen  den  nonae  entsprechenden  Einschnitt  zu  finden  ge- 
glaubt, die  nundinae.  Wenn  das  richtig  wäre,  so  müsste  dieser  Tag 
sich  in  der  Zählnog  bemerklich  gemacht  haben.  Vgl.  auch  Hartmann 
Ordo  iudiciomm  S.  83,  5  und  Husobke,  Das  alte  rÖm.  Jahr  u.  seine 
Tage  S.  288  ff.    . 

9  Vgl.  Macrobius  Sat.  I  15,  21. 

^  Im  phrygischen  Gült  des  Men  sind  Opfer  zulässig  nur  bei  zu- 
nehmendem Mond,  if  νουμηνίας  μέχρι  π€ντ€καιδεκάτης  CIA  III  74, 19 
(Foucart  Assoo.  relig.  p.  220). 


DreSieit  33& 

&€κάτη  πρότερα.  Εβ  int  ein  grober  Widersprach  gegen  dan 
WeeeD  und  die  Absiebt  der  rtickläafigen  Zählung,  wenn  die  Tage 
vom  XYI  bis  zum  XX  aufsteigend,  der  Rest  absteigend  gezählt 
werden,  das  kann  nar  die  Folge  des  gewaltsamen  Eingriffs  sein, 
der  die  Drittelung  an  Stelle  der  arsprünglioben  Halbierung  setzte. 
Aber  was  konnte  Griechen  und  Römer  zn  einem  solchen  Eingriff 
veranlassen?  Die  Erscheinungen  des  Mondlaufe  selbst  gewiss 
nicht.  Der  konnte,  wenn  man  einmal  von  der  natürlichen  Hal- 
bierung abgehn  wollte,  nur  zur  Viertheilung  führen.  Aber  kein 
Volk  des  Alterthums  ist  zu  ihr  vorgeschritten.  Die  griechische 
und  romische  Monatsordnung  muss  also  die  Wirkung  eines  ausser- 
halb der  Sache  stehenden  Antriebs  sein,  den  wir  nur  in  der 
Form  der  Dreiheit  finden  können.  Das  Bedürfniss,  die  wichtigsten 
und  heiligsten  Ordnungen  des  Lebens  durch  diese  Zahl  zu  nor- 
mieren, hat  die  Griechen  zur  Einführung  ihrer  Dekaden,  die 
Römer  zur  nachträglichen  Theilung  der  ersten  Monatshälfte  ver- 
anlasst. Und  diese  Anschauung,  nachdem  sie  einmal  durch- 
gedrungen war,  hat  unaufhaltsam  auch  die  Vorstellung  der  Mond- 
göttin ergriffen  und  die  Dreileibigkeit  mit  ihren  Gefolgserschei- 
nungen  herbeigeführt 

So  auffallend  diese  Wahrnehmungen  sein  mögen,  so  augen- 
fällig und  zweifellos  scheinen  sie  mir  zu  sein.  Sie  stehen  durch- 
aus nicht  vereinzelt  da. 

Der  tägliche  Umlauf  der  Erde  um  die  Sonne  erzeugt  ein 
natürliches  Paar  von  Gegensätzen,  Tag  und  Nacht,  deren  Grenzen, 
Morgen  und  Abend,  die  gewiesenen,  allgemeinsten  und  weitest 
verbreiteten  Zeiten  für  Gebet  und  Opfer  sind.  Sie  sind  gewiss 
überall  lange  die  einzigen  geblieben,  und  ihre  ursprüngliche  Aus- 
schliesslichkeit hat  nach  vollerem  Ausbau  des  Gottesdienstes 
noch  insofern  fortgewirkt,  als  jene  zwei  Zeiten  immer  als  die 
unerlässlichsten  gegolten  haben.  Als  man  zu  weiterer  Theilung 
schritt,  blieb  man  begreiflicher  Weise  bei  demjenigen  Theilpunkt 
stehen,  den  die  sinnliche  Wahrnehmung  darbot.  Man  erkannte 
an,  dass  durch  die  Mittagshöhe  der  Sonne  der  Tag  in  zwei 
Hälften  zerlegt  wird,  des  zu-  und  abnehmenden  Lichtes,  an 
welche  Glauben  und  Cultus  dieselben  A^orstellungen  knüpfte  wie 
an  die  beiden  Hälften  des  Monats.  Aber  zu  einer  entsprechenden 
Theilung  der  Nacht,  zu  einer  Viertheilung  des  astronomischen 
Tags  ist  man  erst  spät,  vielleicht  erst  unter  dem  Einfluss  der 
erwachenden  Wissenschaft  vom  Himmel  fortgeschritten.  Mittag 
ist  sowohl  Griechen    als    Lateinern    zeitig    ein   einfacher  Begriff 


396  üeener 

geworden,  gr.  μεσημβρία,  tat.  meridies  darob  Hypostaee  ans 
tmeriäie  erwachsen ;  Mitternacht  ist  beiden  Sprachen  ein  znaammen- 
geeettter  Begriff  geblieben:  gr.  μέααι  νύκτες,  lat.  media  nox; 
erat  in  der  Zeit  der  Lyrik  treten  die  Adjeotiva  μεσόνυΕ  nnd 
μεσονύκτιος  hervor.  Für  une  ist  Mitternacht  die  Zeit,  wo  Geister 
und  Geepenster  umgehen.  Die  Yoraneeetsung  dieses  Aberglaubene 
ist  die  Vorstellung,  dass  Mitternacht  die  Fuge  zweier  Zeitrfiume 
bildet,  in  welcher  Erde  und  Himmel  sich  aufthun,  die  Zukunft 
sichtbar  wird  und  andere  Wunder  geschehen,  wie  dass  die  Haus- 
thiere  in  menschlicher  Sprache  sich  unterhalten  usw.  Für  die 
Griechen»  denen  mit  Sonnenuntergang  ein  neuer  Tag  begann,  hat 
Mitternacht  eine  solche  Zeitgrenze  nicht  gebildet;  ihnen  schien 
die  Tageszeit,  wo  die  Sonne  am  höchsten  steht  und  gleichsam 
rastet,  wo  vor  ihrer  Gluth  der  Mensch  sich  unter  dem  Schatten 
seines  Daches  birgt,  gefährlich  durch  die  Erscheinung  von  Göttern 
und  Dämonen.  Dem  Geepensterspuk  gehört  die  ganze  Nacht, 
sobald  erst  der  Lärm  des  Tags  verstummt  ist  \  und  er  weicht  erst 
mit  dem  Hahnenschrei.  Dass  er  gerade  auf  Mitternacht  gelegt 
wttrde,  erinnere  ich  mich  nicht  aus  der  ältereo  und  classischen 
Litteratur.  Erst  bei  römischen  Dichtern,  in  den  ägyptischen 
Zauberbüchem  und  unter  dem  Einflnss  derselben '  werden  Be- 
schwörungen von  Todten  und  von  unterirdischen  Göttern  an  Mitter- 
nacht geknüpft.  Nun,  die  Aegypter  haben  gleichwie  die  Römer 
den  bürgerlichen  Tag  von  Mitternacht  zu  Mittemacht  gerechnet'. 


^  Der  Umgang  von  Gespenttern  beginnt  πβρί  πρΑ^τον  (hrvov  Lq- 
kian  Pbilopeeud.  81  vgl.  19.  Die  Bedingung  dafür  ist  nUntium  noctis 
nach  Plinius  epiet.  VE  27,  5.  8,  vgl.  den  Leidener  Zauberpapyrus  in 
Dieterichs  Abraxas  p.  180,  15  δταν  ησυχία  γένηται. 

s  Vergil  Aen.  5,  721.  738  f.  Lucan  6,  570  f.  Lukian  Philope.  U 
und  Menipp.  7  (von  Dilthey  nachgewiesen)  περί  μέσας  νύκτας  (Phüostr. 
ν.  Apoll.  1,  26  darf  wenigstens  als  indirectes  Zeugniss  gelten).  Au 
den  Zauberböchern  weist  mir  Dieterich  den  Leidner  Papyrus,  Abraxu 
p.  180,  14  τό  μβσονύκτιον  nnd  Wesselys  Neue  Zauber pap.  (Denkschr. 
d.  Wiener  Akad.  XLII)  p.  35  μέσης  νυκτός  nach,  Dilthey  die  Beschwö- 
rung des  Apollon  im  grossen  Pariser  Pap.  (Weesely  in  den  Denkschr. 
d.  W.  A.  XXXVI)  Z.  447  und  1968  (Rhein.  Mus.  27,  411  f.)  μ€σάτοισιν 
iv  (ΰραις.  Wenn  ein  Anakreontisches  Liedchen  n.  33  den  kleinen  Ei^e 
μεσονυκτίοις  ποθ'  ώραις  an  die  Thür  pochen  lässt  (das  Motiv  wiederholt 
sich  in  der  Christophorus-Legende,  aber  hier  wird  nur  von  Schlafens- 
zeit gesprochen,  Leg.  aur.  100  p.  432  Gr.),  so  ist  das  ein  Wink  (or 
Zeit  und  Herkunft  des  Dichters. 

'  Plinius  tt.  h.  2,  188  'sacerdotes  Romani  et  qui   diem   definiere 


Dreibeit  537 

Dae  Jahr  theilt  die  Natur  selbst  in  Sommer  und  Winter ; 
eine  Fülle  von  Sagen  and  Bräncben  der  alten  wie  der  neueren 
Völker  gilt  der  Ablösung  dieser  Zeiträume;  es  ist  kein  Zweifel, 
dass  dies  bei  Grieoben  ^  wie  bei  Germanen  die  ursprttngliohe  Jabr- 
tbeilung  war.  Die  Zweitbeilung  nach  Semestern,  die  nicbt  notb- 
wendig  mit  den  natttrlicben  Jabresbälften  zusammenfallen  mussten, 
war  in  vielen  Staaten  Oriecbenlands  üblicb  und  mit  Amtweohsel 
verbunden,  so  in  Thessalien,  zu  Knidos,  im  Branchidentempel  zu 
Milet  US.  Man  konnte  da  von  6  monatliobem  Jahre  spreoben. 
Die  'secbsmonatlicben  Jahre  der  Karer  und  Akamanen  waren 
so  geordnet,  dass  in  ihnen  abwechselnd  die  Tage  länger  und 
kürzer  wurden  und  durch  die  Vereinigung  von  zweien  ein  grosses 
Jahr,  eine  Art  Trieteris  entstand',  dh.  es  begann  das  eine  mit 
der  winterlichen,  das  andere  mit  der  Sommersonn  wende.  Aber 
früh  ist  die  Dreitheilung  eingedrungen.  Sie  stand  fest  für  das 
alte  Aegypten:  auch  der  Laie  kann  sie  aus  den  Hieroglyphen 
der  12  Monate  ablesen.  Die  älteren  Griechen  unterscheiden  nur 
Winter,  Frühling  und  Sommer:  χειμών  ίαρ  θέρος  bei  Aesch. 
Prom.  453,  χειμών  ίαρ  όπώρα  (urspr.  όπώρα)"  Aristoph.  Vögel 
710  f.  Und  das  gleiche  bezeugt  Tacitus  (Germ.  26)  von  den 
alten  Deutschen :  '  biems  et  ver  et  aestas  intellectum  ao  vocabula 
haben t,  autumni  perinde  nomen  ac  bona  ignorantnr  \  Auch  diese 
Dreitheilung  ist  im  Stäatsleben  angewandt  worden:  zu  Erytbrai 
haben  die  Strategen  und  der  Agoranomos  eine  Amtsdauer  von 
nur  4  Monaten  ^  ebenso  zu  Orcbomenos  in  Boiotien  der  Scbatz- 
meister;  und  in  verschiedenen  Landschaften  Deutschlands  ent- 
spricht diesen   Jahresdritteln    Zahl    und  Lage    der  ungebotenen 


civilem  (dh.  die  Juristen),  item  Aeg^tii  et  Hipparchas  a  media  noote 
in  mediam*  Comm.  Luc.  p.  211,4  'nam  Romani  et  philosophi  aiunt 
ab  hora  sexta  noctis  dicm  iucipere*.  Für  Rom  haben  wir  das  Zeugniss 
Varros  bei  Gellius  3,  2    Censorin  23,  3   Macrob.  Sat.  I  3,  G  fif.  utw. 

1  Ideler  Handb.  d.  Chronol.  1,  241  f. 

>  Gensorinus  d,  n.  19,  7  wohl  nach  Varro ;  nur  die  Akamanen 
nennt  Plutarcb  im  Numa  c.  18  Macrobius  Sat.  I  12,  2  Augastinue  c.  d. 
15,  12. 

^  όπώρα  schon  Homerisch  λ  191  ua.,  aber  nicht  für  Herbst,  son- 
dern Hochsommer:  der  Hundstern  ist  αστήρ  όπωρινός  Ε  5  Χ  27. 

«  Hugo  Gaebler,  Erythrä  (Berl.  1892)  S.  118.  122  f.  Orcbomenos 
CIGS  I  3172,  114  τόν  τομίον  τόν  ιτροάρχοντα  τάν  τρίταν  π€τράμ€ΐνον. 
Drittelang  des  Jahres  aus  Gründen  der  Zweckmässigkeit,  wie  Augustus 
sie  für  die  Getreideanweisungen  beliebte  (Suet.  Aug.  40),  gehört  nicht 
hierher. 

Kheln.  Mas.  f.  Philol.  N.  F.  LVIII.  22 


dde  Üeener 

Dinge.  Aber  es  iet  bedentungevoll,  dass  der  Ansdmck  fflr  Frnb- 
ling,  den  die  arinchen  wie  die  europäisoben  Sprachen  (für  die 
eermanen  zeugt  altnord.  var)  aus  derselben  Wurzel  bilden^,  im 
Litaniecben  vasara  unter  Wahrung  dee  ursprünglichen  Lautbe- 
stands  yielmehr  den  Scmmer  beseicbnet.  Dieeer  Ausdruck  scheint 
demnach  für  die  ursprüngliche  Zweitheilung  geprttgt,  und  seine 
Umwerthung  hatte  zur  Folge,  dass  unsere  Sprachen  nun  in  der 
Bezeichnung  des  Sommers  so  weit  aus  einander  gehn.  Es  ist  so 
wenig  richtig  die  Dreitheilung  mit  J.  Orimm  (Oesch.  d.  d.  8pr.  72) 
für  ursprünglich  zu  halten,  als  mit  Pfannensohmidt  (Germ.  Ernte- 
feste S.  326  ff.)  den  Germanen,  Tacitus  zum  Trotz,  eine  Vier- 
theilung aufzuzwingen.  Gewiss,  unter  keinem  Klima  machen 
sich  die  vier  Jahreszeiten  so  bemerk  lieh  als  in  Deutschland,  und 
nichts  musste  sich  auch  laienhafter  Beobachtung  mehr  als  Unter- 
lage der  Jahrtheiiung  empfehlen  als  die  vier  Jahrpunkte.  Wenn 
gleichwohl  unsere  Völker  von  der  Zweitheilung  zunächst  nicht 
zur  Viertheilung,  sondern  zur  Dreitheilung  fortschritten  und  nur 
langsam  unter  dem  Einfluss  der  Wissenschaft  sich  zu  der  natür- 
lichen Viertheilung  erhoben,  so  ist  auch  hier  die  Zwingherrsohaft 
der  Zahl  greifbar. 

Sogar  in  den  Himmelsgegenden  hat  sich  die  Dreizahl  geltend 
gemacht.  Ihr  Werk  ist  es,  wenn  es  den  Anschein  gewinnt,  als 
hätten  die  Alten  eine  Zeit  lang  nicht  vermocht  zwei  Linien  sich 
über  den  Schneidepunkt  hinaus  kreuzen  zu  lassen.  Die  Tbeogonie 
erkennti  wie  wir  sahen  (S.  5  f.),  nur  drei  Winde  an,  und  streicht 
den  Ostwind.  Aehnlich  ist  es  in  Deutschland  vieliaeh  üblich 
gewesen  den  Thttrmer  des  Nachts  nur  von  drei  Seiten,  mit  Aas- 
schluss  der  nördlichen  blasen  zu  lassen^.  Man  hatte  sich  lange 
begnügt  die  Zweiheit  Ost  und  West  zu  beachten  —  man  sieht 
das  an  ihrer  auguralen  Werthung  im  fiomer  und  versteht  unter 
dieser  Voraussetzung  die  schwankende  Normierung  des  iemplum  — 
und  langsam  fortschreitend  war  man  zunächst  an  die  Dreizahl 
gebannt.  Damit  fällt  denn  auch  Licht  auf  die  antiken  Benen- 
nungen der  Kreuzwege.  Die  älteste  Vorstellung  liegt  wohl  vor 
in  ή  δμφοοος;  die  Vulgärsprache  hat  es  festgehalten  in  αμψο^ον' 

1  Curtius  Gr.  Etym.  n.  589  S.  388. 

*  eB.  in  Greifewald  auf  dem  Thurm  der  Nicolaikirohe,  s.  Temme's 
Yolkesagen  von  Pommern  und  Rügen  S.  161. 

Β  Εν.  Marci  11,4  £πΙ  τοΟ  άμφόδου  Pariser  Zauberpapyrus  be 
Weesely  I  Z.  349  und  371  €ΐς  πΑν  Αμφοδον.  Lnkian  rhet  praec.  24 
hat  άμφό6ιον. 


Dreiheit  339 

und  όμφόόΐον.  Das  lat.  ambimum  kenDen  wir  jetzt  nar  durch 
Varro,  aber  eine  plebeische  gens  war  danach  benannt :  wir  kennen 
den  Sohanspieler  und  aue  Cicero  (pro  Cluentio  59,  163)  einen 
Wirth  Ambiviue;  geläufiger  blieb  bivium.  Das  übliche  ist  bei 
Griechen  und  Bömern  der  Dreiweg,  τρίοοος  trivium.  Die  Römer 
sind  zum  quadrivium  fortgeschritten,  bei  den  Griechen  haben  die 
Worte  TCTpaobia  und  τετραόοιον  nur  lexikales  Dasein;  ein 
Orakelspruch  (Paus.  YUI  9,  4)  nennt  freilich  Mantineia  eine 
Stadt  ofi  τρίοοος  κα\  τετράοοος  καΐ  πεντακέλευθος.  Sollen  wir 
aus  der  üngeläufigkeit  des  Begrifi^s  etwa  folgern,  dass  die  eriechen 
es  vermieden  hätten  zwei  Strassenzüge  sich  schneiden  zu  lassen? 
Nein,  sie  schalten  die  Linie  aus,  auf  der  sie  gekommen  sind,  und 
sehen  so  drei  Strassen  vor  sich,  ebenso  wie  sie  beim  wirklichen 
Dreiweg  nur  die  Gabelung  zweier  Wege  sehen:  dem  alten  V 
gibt  man  einen  Stiel  und  es  entsteht  die  lUtera  Pyihagorae  Y. 
Entscheidend  für  diese  Art  zu  sehen  war  die  Zahl,  wie  sich  an 
den  genau  entsprechenden  Vorstellungen  von  den  Wegegöttem, 
vor  allem  der  Hekate  gezeigt  hat;  auch  die  alten  zwei  Lares 
compitaUs  der  Römer  sind  durch  Einfügung  des  genius  Äugusti 
auf  die  Dreizahl  gebracht  worden  ^. 

Bis  tief  hinein  in  die  Zeit  wissenschaftlicher  Geographie 
reicht  die  Lehre  von  den  zwei  Welttheilen,  Asien  und  Europa. 
Und  kein  geringerer  als  der  Begründer  dieser  Wissenschaft 
Eratosthenes  hat  ihr  seine  Autorität  geliehen  Κ  Es  war  die  alte 
Yolksthümliche  Vorstellung,  dass  es  je  einen  Erdtheil  des  Auf- 
gangs und  des  Niedergangs  der  Sonne  gebe.  Noch  Varro  hat 
an  dieser  Theilung  festgehalten^,  und  wie  die  Fugen  der  Zeit- 
räume (oben  S.  336),  so  ist  auch  der  Ort,  wo  Ost  und  West  mit 
gleichem  Abstand  sich  berühren  \    als    heiliger   Mittelpunkt    der 


^  Wissowa,  Religion  und  Caltus  der  Römer  S.  152  Boiesier,  La 
religion  romaine  1,  153  ff. 

'  Varro  de  re  mst.  1 2,  3.  Die  volksthümliche  AnschauQng  spricht 
Isokrates  aus  R.  4,  179  τής  γ^ρ  τής  άπάσης  .  .  .  δίχα  Τ€τμημένης  καΐ 
τής  μέν  *Ασ{ας  τής  b*  Ευρώπης  κ€κλημένης  vgl.  Soph.  Trach.  101  δισ- 
σαίοιν  άπ€{ροις  fr.  1018  Ν.*  τώ  δύ'  ήπ€(ρω  uew. 

β  Varro  de  Ι.  Ι,  5,  31  und  Commenta  Lucani  9,  411  ρ.  301, 10. 

^  Die  Fugen  des  Raumes,  vor  allem  die  Kreuzwege  und  Grenzen» 
unterliegen  denselben  Vorstellungen  wie  die  der  Zeit,  und  sie  sind,  so 
gewiss  als  die  Sprache  ihre  Zeitbegriffe  mit  Ausdrucken  des  Raums 
bestreitet»  die  ursprünglicheren.  Der  Aberglaube  der  Kreuzwege  ua. 
wird  erst  unter  diesem  Qesichtspunkt  verständlich. 


340  üeener 

Erde  ausgezeiobnet  durch  göttliche  Offenbamngen.  An  dem 
'  Nabel '  der  Erde,  dem  mit  Wollnetz  bekleideten  FetischBtein  def 
delpbieohen  Heiligthums,  standen  zwei  goldene  Adler,  und  die 
Sage  gieng,  daee  sie,  von  Zeus  am  östlichen  and  westlichen  Ende 
der  Erde  aufgelassen  um  die  Mitte  der  Erde  festzustellen,  an  der 
Orakelstfttte  zusammen  getroffen  seiend  Mit  den  damals  be- 
kannten Thatsaoben  stand  in  diesem  Fall  allein  die  Dreitheilnng 
in  Einklang ;  sie  ist  nach  dem  Vorgang  zB.  des  Alexander  Poly- 
histor und  des  Plinius  (nai,  hist.  3,  3)  Eigenthnm  der  Schule 
geworden*  Aber  noch  Luoanus  sträubt  sich  kräftig  gegen  diese 
Lehre  (9,  411): 

tertia  pars  rerum  Libye^  si  credere  fanuie 
cuneta  velis;  af  si  venios  caelumque  aeguariSy 
pars  erU  Europae  usw. 

10  Selbstverständlich  hat  die  Dreiheit,  wo  sie  in  Wider- 
spruch zu  den  Thatsachen  stand,  sich  auf  die  Dauer  nicht  be- 
haupten können.  Die  Viertheilung  des  Himmels  und  des  Erd- 
bodens drang  durch  und  wurde  zur  Grundlage  sacraler  und 
bürgerlicher  Ordnung.  Der  Wegegott  Hermes,  wie  er  früher  als 
Vierkantiger*  (τετράγαινος)  Stein  verehrt  wurde,  konnte  nun  vier 
Köpfe  tragen,  wie  an  dem  Werk  des  Telesarchides  im  Kerameikoi^ 
und  an  einer  kleinen  Bronze  gallo-römischer  Arbeit  ans  Bordeaux, 
oder  man  schrieb  ihm  vier  Erfindungen  zu ;  auch  das  Bild  des 
Svantovit  auf  Rügen  zeigte  nach  Saxo  gramm.  (p.  565,  5  Holder] 
vier  Köpfe  und  Hälse ;  während  noch  Pherekydes  dem  ^ansehen- 
den Argos  nur  drei  Augen  gab  (s.  S.  184),  Hess  ihn  der  Dichter 
des  Aigimios  'mit  vier  Augen  hierhin  und  dahin  schauen*  '.  Da- 
gegen   war   im    italischen  Janus    die  Doppelseitigkeit  so  festge- 


^  Vgl.  J.  Grimm  Kl.  Schrr.  2,  70.  Auf  einem  Kyzikener  ist  der 
mit  Wollbinden  überhangene  Omphalos  abgebildet,  auf  dem  zwei  Adler, 
rechte  und  links,  sich  gegenüber  sitzen,  Numiem.  Chronide  1887  (ser. 
III  V.  νΠ)  Taf.  I  23  vgl.  p.  58. 

s  Rhet.  Lex.  bei  Eustath.  zu  Q  836  p.  13&3,8  Hesych  u.  Ερμής 
τpικέqMlλoς  und  Phot.  lex.  p.  15, 17.  Statuette:  Babeloa  et  Blancbet,  Catal. 
des  bronzes  ant.  de  la  Bibl.  nat.  p.  159  n.  362.  Die  Geläufigkeit  solcher 
Bilder  sieht  man  daran,  dass  die  Yierköpfigkeit  als  Wahnbild  Tor- 
komrat:  Katzenjammer  schildert  Menander  (Mein.  Com.  4,  88) :  dviora- 
μα\  γοΟν  τέτταρας  κ€φαλάς  έχων.  Vier  Erfindungen  des  Hermes :  Apollod. 
fr.  30  (FHG  1,  433)  beim  Schol.  φ  198. 

β  Fr.  5  des  Aigimios  im  schol.  £ur.  Phoen.  11  IG  τέτρασιν  όφθαλ- 
μοίσιν  όρώμ€νον  ένθα  καΐ  £νθα. 


Dreiheit  841 

wurzelt,  daes  er  aae  einem  bifrona  ohne  Zwisebenstafe  zom 
quadrifrons  wurde.  Den  4  Winden  wird  in  halepeinlioben  Oe- 
riohtsordnnngen  die  Asche  des  Verbrechere  übergeben  oder  nach 
den  4  Weltgegenden  zerstrent;  im  M&rohen  auch  seine  Leiche 
geyiertheilt  nnd  die  Theile  nach  den  verschiedenen  Himmels- 
gegenden geworfen  oder  vergraben  ^.  Das  merkwürdigste  Wahr- 
zeichen der  viertheiligen  Weltauffassang  ist  die  Thatsache,  dass 
ein  wissenschaftlich  denkender  Mann  wie  Timostbenes,  der  Ad- 
mirai  des  Ptolemaios  Philadelpbos,  die  Yiertbeilang  des  Himmele 
anf  die  Erde  übertragen  und  als  vierten  Erdtheil  Aegypten  aufstellen 
konnte  ' :  der  Fall  wird  für  jeden  lehrreich  sein,  den  die  voraus- 
geschiokten  Betrachtungen  noch  nicht  vollständig  über  den  form- 
gebenden Einilues  der  Zahl  aufgeklärt  haben  sollten.  Aber  wir 
dürfen  nicht  vergessen,  dass  auf  griechischem  Boden  die  Yier- 
zahl  diese  Wirkung  spät  und  dürftig  äussert:  die  Zeit,  als  sie 
durchdrang»  war  schon  zu  hell  um  ihr  eine  durchgreifende  Um- 
gestaltung der  überlieferten  Vorstellungen  zu  gestatten.  Nur 
vereinzelte  Anwendungen  sind  in  den  Mythus  eingedrungen,  wie 
im  Apollodorischen  Handbuch  4  Hesperiden  (II  5,  11)  und 
Hyakinthostöchter  (HI  15,  8)  gezählt  werden ».  Dürftig  sind 
die  Spuren  im  gottesdienstlichen  Brauch :  4  mal  wird  das  Gebet 
an  die  Pales  gesprochen  (Ov.  f.  4,  778),  4  Altäre  des  Neptunus 
finden  wir  in  der  Aeneide  5,  639.  Vereine  von  4  Göttern  treten 
anfange  selten  auf,  wie  bei  den  '  Rathsgöttem'  (θεοί  άμβούλιοι) 
Sparjtae,  die  sich  aus  Zeus,  Athena  und  den  Dioskuren  zusammen- 
setzen (Paus.  III  13,  6);  seit  der  hellenistischen  Zeit,  wo  die 
ägyptische  Tetras  Sarapis  Isis  Anubis  Harpokrates    hervortritt^, 


1  zB.  Woycicki's  Poln.  Yolkesagen  und  Märchen  übers,  von  Le- 
westam  S.  114,  vgl.  dort  auch  133. 

3  Commenta  Lucani  9,411  p.  801,12.  Diese  Yiertheilung  der 
Erde  nach  den  Himmelsgegenden  wendet  auch  Agfatharchides  an  bei 
Phot.  bibl.  p.  454b  .30. 

^  Es  gibt  auch  ein  Märchen  von  den  vier  Brüdern,  bei  Grimm 
N.  129  (2,  206  ff.)  und  in  Wenzige  Westslav.  Märohenschatz  S.  140  ff., 
wozu  die  *  Bremer  Stadtmusikanten'  bei  Grimm  N.  27  zu  stellen  sind. 
Mit  dem  Mythus  von  den  3  Brüdern  (S.  7  f.)  hat  es  nichts  zu  thun. 
Die  4zahl  ist  bestimmt  durch  die  vier  Seiten  des  Kreuzwegs,  an  dem 
sie  sich  trennen ;  der  Vater  fragt  (Grimm  2,  207)  bei  der  Rückkehr  der 
Söhne  sehr  bezeichnend  'hat  euch  der  Wind  wieder  zu  mir  geweht?* 

*  Auf  Inschrr.  zB.  von  Delos  BGH  6,  317  ff.  N.  1—12.  22.  Ein 
zu  Orange  gefundenes  Bronzegehänge  vereinigt  die  oapitolinische  Trias 


842  Usener 

werden  sie  häufiger,  um  dann  in  der  Kaiserzeit  aaf  galliecb- 
germaniechem  Gebiet  nach  Ausweis  der  zahlreichen  Viergötter- 
steine  so  zu  sagen  Regel  zu  werden^. 

in 

Der  gleiche  Vorgang  hat,  wie  wir  zuletzt  feststellen  konnten, 
sowohl  die  Vorstellungen  des  Glaubens  wie  die  allgemeineren 
Erkenntnisse  beherrscht.  Wir  dürfen  die  bisherigen  fÜnzelbeob- 
aohtungen  zu  dem  Satze  yerallgemeinem,  dass  bei  allen  nicht 
unmittelbar  dem  Maass  unterworfenen  Begriffen  ein  Fortschritt 
yon  der  Zwei-  zur  Dreizahl  stattgefunden  hat,  und  dass  anch  bei 
Beobachtungen  der  Natur  nicht  so  sehr  der  Bestand  der  That- 
Sachen  wie  die  Form  der  Zahl  massgebend  war.  Ist  das  richtig, 
so  ist  damit  jeder  Versuch  gerichtet,  tiefere  Symbolik  in  diesen 
Zahlen  zu  ergründen.  Doch  wird  es  zur  Klärung  beitragen,  die 
aus  der  Natur  einzelner  Begriffe  abgeleiteten  Erklärungen  auf 
ihre  Berechtigung  zu  prüfen. 

1  Gerade  die  Zweiheit  besitzt  allerdings  eine  feete  Stutze 
in  der  Doppelseitigkeit,  welche  der  Mensch  von  sich  aus  unwill* 
kürlich  auf  die  ihn  umgebende  Welt  überträgt.  Der  Gegensatz 
von  rechts  und  links  wiederholt  sich  ihm  in  den  durch  den 
Sonnenlauf  bestimmten  Himmelsgegenden  und  setzt  sich  hier 
unter  dem  Einfluss  des  Aberglaubens  vom  Angang  in  die  Be- 
griffe Glück  und  Unglück,  gut  und  böse  um ;  Geburt  und  Sterben, 
Leben  und  Tod  wiederholt  sich  täglich  im  Auf-  und  Untergang 
der  Sonne*.  Ein  ganzes  Weltbild  gestaltet  sich  mit  dieser  Form 
der  Zweiseitigkeit  Himmel  und  Erde  tbeilen  sich  in  Ost  und 
Westf  die  Zeit  in  Tag  und  Nacht,  Morgen  und  Abend,  zu-  und 
abnehmenden  Mond,  Sommer  und  Winter.  Man  blieb  bei  dem 
greifbaren    nicht    stehen.     Der  regelmässige  Wechsel    voller  und 

mit  Hermes,  der  als  pantheistiBcher  Trager  verwerthet  wird  s  Babelon• 
Blanohet  aO.  p.  160  N.  363. 

^  Haug  in  der  WestdeutBchen  Zeitschr.  X  (1891)  9  ff.,  vgl.  auch 
Hettners  Rom.  Stein denkmäler  zu  Trier  S.  14  ff.  Auch  in  Italien  kom- 
men 48eitige  Altäre  mit  4  Göttern  vor  zB.  Matz-vDuhn,  Ant.  Bildwerke 
in  Rom  3,  96  N.  2642. 

'  Rhein.  Mus.  56,  487.  Hierhin  gehört  anch  die  merkwürdige 
Umbildung  des  Mythus  von  den  Kroniden  bei  Laotantius  inst.l  11,31: 
in  Wahrheit  sei  dem  Zeus  orientia  imperium,  dem  Pluton  pars  ocddentis 
zugefallen. 


Dreiheit  343 

hobler  Monate  yeranlasete,  zwei  Monate  zusammenzufaeeeB,  die 
man  darum  als  Mann  und  Frau,  auch  wohl  als  Brttder  dachte. 
Einzelne  Fälle  dieser  Art  hat  aus  der  deutechen  und  anderen 
verwandten  Sprachen  J.  Grimm  ^  nachgewieeen,  er  erinnert  auch 
an  gleichbenannte  Monatepaare  der  Araber  und  Syrer.  Die  Liefen 
der  zwölf  Götter,  die  ureprünglich  ohne  Zweifel  einfach  Pereoni- 
fioationen  der  Monate  waren  und  erst  später,  hauptsächlich  wohl 
mit  Rücksicht  auf  den  Festkalender,  aus  den  grossen  Göttern 
ausgelesen  wurden,  bestehen  durchweg  aus  sechs  Paaren,  wie 
schon  die  Titanenliste  ^.  In  praktischem  Gebrauch  ist  diese 
Doppelung  zu  Äkragas  gewesen:  ein  Yolksbeschiuss  wird  dem 
sechsten  Doppelmonat  zugeschrieben  (άλ(α0μα  ίκτας  οιμήνου 
IQSI  952,  8);  die  Inder  zerlegen  das  Jahr  in  sechs  Doppel- 
monate, die  beiden  Glieder  jedes  Paares  sind  meist  durch  Bil- 
dungen desselben  Wortstamms  bezeichnet  wie  nabhaa  nabhasya^. 
Um  dfts  Mondjahr  mit  dem  Sonnenlauf  auszugleichen  hat 
man  frtihe  zwei  Jahre  verbunden  und  ihnen  einen  Sohaltmonat  an- 
gefügt (2.  354  +  30).  Die  Trieteris,  so  unvollkommen  sie  war 
und  so  zeitig  aus  ihr  durch  Vervierfach ung  und  Streichung  des 
vierten  Sohaltmonats  die  Ennaeteris  (8.  354  +  3.  30)  abgeleitet 
werden  musste,  ist  durchaus  nicht  ein  blosses  Hirngespinst  syste- 
matisierender Chronologen :  bis  in  späte  Zeit  ist  sie  heilige  Fest- 
periode weit  und  breit  im  Dienste  des  Dionysos  gewesen,  ebenso 
wurde  sie  für  die  isthmischen  und  nemeischen  Spiele  beobachtet ; 
zu  Perg^mon  waren,  vielleicht  nach  makedonischem  Brauch,  die 
Preisspiele  zu  Ehren  der  Athena  Nikephoros  trieterisch;  in  Ar- 
kadien galt  diese  Periode  für  Demeter  und  für  die  grossen 
Göttinnen  ^ ;    und    noch   in  der  Antoninenzeit  hat  Alexander  von 


1  Gesch.  der  deutechen  Sprache  S.  111  vgl.  Weinhold,   Dentsohe 
Monatsnamen  (Halle   1869)  S.  13.  23  us.     A.  Tille  Tule  and  Christmas 
S.  12  ff.    An  der  Riviera  hört  man  den  Spruch 
Nl•  nd  Mario  nh  nel  Mareon 
Levati  il  peliceion: 
die  Möglichkeit,  März  und  April  ipraohlich  zusammenzufaesen,  ist  dem 
Reim  zu  Hilfe  gekommen. 

^  Auch  für  die  Etrusker  bezeugt  Amob.  3,40  sex  mores  et  fe- 
minas  nominibus  ignotis.  Dass  die  zusammengehörigen  Paare  auf  die 
zwei  Hälften  des  Tbierkreises  vertheilt  werden,  hat  Boll  Sphaera  S.  478 
aufgehellt.  Daher  nach  sohol.  Pind.  Ol.  11,  29  Herakles  den  12  Göttern 
nur  6  Altäre  errichtet. 

»  J.  Grimm  aO.  111  f. 

*  Νικηφόρια  Inschr.  v.  Pergamon  167,  17   vgl.  Fränkel  p.  105^ 


i 


344  Utener 

AbonateiehoB  deo  Feste jklue  eeinee  neaeD  Heilgottee  trieteiiKli 
gecUltet.  Die  volkethumliehe  Lehre  von  den  zwei  firdtheileii 
kennen  wir  (β.  8.  339) ;  aber  ebenso  hat  man  noch  die  Weltkugel 
sweitbeilig  sein  lassen  ^;  die  eine  Hemisphire  gehörte  den  Himmels- 
gdttern,  die  andere  den  anterirdisehen.  'Jedes  Ding  hat  zwei 
Seiten  —  ausser   den   Bucheckern'  heisst   es   im  Yolksmnnd. 

Merkwürdige  Anwendungen  sind  von  dieser  Zweiseitigkeit 
der  Welt  gemacht  worden.  Nicht  nor  Götterberge  mnssten  zwei 
Gipfel  haben'.  Auch  göttlichen  Hohlen  schrieb  man  doppelte 
Oefinnngen,  nach  Osten  nnd  Westen,  zu:  an  der  Höhle  des 
Philoktetes  hebt  das  Sophokles  hervor  (Phil.  16  f.  1081  f.),  es 
galt  auch  vom  Lager  des  nemeischen  Löwen  (ΔροΙΙ.  U  5,  IX 
nnd  den  Beinamen  des  Dionysos  Διθύραμβος  durfte  man  darauf 
hin  von  dem  δντρον  biOupov  ableiten  ',  in  dem  das  göttliche  Knäb* 
lein  aufgezogen  sein  sollte.  Der  Donnerkeil  des  Zeus  ist  immer 
so  gestaltet,  dasa  er  in  der  Mitte  gefasst  wird  und  nach  beiden 
Seiten  in  die  üblichen  drei  Zacken  ansl&nit,  wird  daher  von 
Dichtern  κεραυνός  άμφίπυρος,  άμφήκης,  δίπαλτος  genannt ^ 

Wichtiger  sind  uns  hier  andere  Wirkungen  auf  die  Dichter• 
spräche.    Die  Doppeltheilung  wird  unwillkürlich  zu  einer  Doppe- 
lung: die  Erde  verdoppelt  sich  dem  Ovid  ex  Panio  I  4,  29 
Caesaris  ira  mihi  nocuitt  quem  Sdis  ab  crtu 
Solls  ad  oceasus  utraque  terra  tremif 
oder  met.  3,  151    nunc  Phoebus  uiraque  distat    idem    terra    (zur 


Im  Demetercult  ku  Pheneos  wird  παρά  ίτος  eine  τελετή  με{Ιαιν  ab- 
gehalten, Paus.  YIU  15,  2  and  zu  Bathos  άγουσι  τελετήν  διά  €τους 
τρίτου  θεαίς  Μεγάλαις  Ρ.  ΥΙΙΙ  29,  1.    Lukians  Alezander  41. 

»  Axiochoe  ρ.  371^ 

'  Den  Götterberg,  von  dem  sich  Helios  erhebt,  schildert  Apollon. 
Rh.  3,  161  nach  Ibykos  6οιώ  bi  πόλοι  dv^ouoi  κάρηνα  οψηλιΰν  όρ^ων 
vgl.  Bergks  Kl.  philol.  Scbrr.  2,  704;  der  Berg  des  Aethiopenlands, 
wo  Andromeda  dem  Meerungeheuer  preisgegeben  wurde,  hat  δισοάς 
πέτρας  Lykophr.  836;  Hesiod  fr.  147  (jutzt  122)  Rz.  von  Koroiiis  Δι< 
δύμους  Ιερούς  ναίουσα  κολυινούς,  nnd  so  war  zu  Pessinas  und  Kyzikos 
der  Galt  der  Göttermatter  an  den  Berg  Δ{νδυμον  (:=  δ(6υμον  wie  Td• 
ληις  Τάνταλος),  auch  iu  der  Troas  nach  Steph.  B.  231,  6  Δ(ν6υμα  6ρη 
τής  Τρψάδος,  άφ*  ών  Δινδυμήνη  ή  *Ρ^α.  Ueber  die  mythischen  zwei 
Gipfel  des  Parnass  s.  Urlicbs'  Reisen  und  Forschungen  1,  48.  55. 

>  Proklos  bei  Phot.  bibl.  239  p.  320•  27  schol.  Apoll.  Rh.  4, 1 131. 

^  Zu  den  Rh.  M.  53,  336  Anm.  angefahrten  Belegen  füge  ich 
£ar.  Troad.  1102  δίπαλτον  Ιερόν  .  .  .  κεραυνοφαές  πΟρ  Kleanthes  bei 
Stob.  I  1,  12  ρ.  2δ,  13  W.  άμφήκη  πυρόεντ'  αΐεΐ  Ζώοντα  κεραυνόν. 


Dreiheit  845 

Mittagezeit),  und  nicht  minder  das  Meer  Ovid  a.  a,  1,  173  nempe 
ab  utroque  mari  iuvenesy  αΰ  utroque  puellae  venere]  seit  Yergil 
Aen.  7,  100  qua  Sol  utrumque  recftrrens  aspicit  oceanum  iet  bis 
zu  Claudian  tUerque  oceanus  römisehen  Diobtern  geläufig  \  kühn 
bildete  danach  Yergil  georg.  3,  33  triumphatas  utroque  ah  litore 
gentes  und  nach  ihm  Properz  IV  (III)  9,  53  currus  utroque  ab 
litore  ovantes.  Man  spricht  von  dem  doppelten  Haas  des  Sonnen- 
gottes :  Solis  uiramque  domum  Ovid  her.  9,  16  vgl.  Seneca  Herc. 
Oet.  2  utraeqite  Phoebi  .  .  .  domus,  oder  von  seinen  beiden  Seiten 
Solis  utrumque  latus  Ov.  fast  2,  136;  eine  Bronzemünze  von 
Temenothyra  stattet  den  Helios  aaf  seinem  Viergespann  mit  zwei 
Fackeln  aαβ^  wie  sonst  Hekate  usw.  Mit  dem  Gedanken  an 
diese  Doppelseitigkeit  war  die  Verdoppelung  der  Gottheit  selbst 
gegeben.  Ovid  met.  1,  338  liiora  voce  replet  sub  utroque  iacentia 
JPhoebOy  Petron  beginnt  sein  Gedicht  vom  Bürgerkrieg 
Orbem  iam  toiutn  Victor  Romanus  habebatf 
qua  marCy  qua  terrae^  qua  sidus  currit  utrumque, 
Claudian  b.  Gild.  48  ad  Solem  victrix  utrumque  cucurri.  Das 
gleiche  gilt  von  der  Gottheit  des  Meere:  Gatullus  31,  3  {insu- 
larurn)  quascumque  .  .  .  fert  täerque  Neptunus,  erst  von  Schrader 
(aO.  p.  84)  richtig  erklärt,  Seneca  Herc.  Oet.  1902  audiat  icttis 
utraque  T^hys,  Man  wird  geneigt  sein,  diese  kühnen  Wendungen 
der  Dichter  durch  einfache  Metonymie  aus  utrumque  mare  usw. 
abzuleiten.  Ist  utraque  terra^  uterque  oceanus  nicht  ebenso  kühn 
gedacht?  Wir  erinnern  uns  der  zahlreichen  Doppelbilder  des 
Gultus,  und  erkennen  im  dichterischen  Sprachgebrauch  den  letzten 
Nachhall  alterthümlicher  Vorstellung  von  der  nach  beiden  Seiten 
der  Welt  waltenden  Gottheit. 

Das  Gewicht  dieser  Vorstellung  lässt  sich  daran  erkennen, 
dass  sie  selbst  sprachlich  ausgeprägt  wurde.  Die  Arier  hatten 
einen  'Zwilling'  als  Himmelsgott,  ind.  Yama  eran.  Fima  =  lat. 
geminuSj  lange  bevor  ihm  in  Indien  ein  weibliches  Gegenstück 
Yaml  gegeben  und  damit  das  Daseinsrecht  erhöht  war.  Sein 
nächster  Verwandter  ist  der  römische  lanus  geminuSy  dessen  Zwei- 
seitigkeit im  doppelten  Antlitz  verständlichen  Ausdruck  findet  ^ 
Bei  den  Griechen  hat  das  Zahlwort  ambh-  zur  Bildung  desselben 


^  Mehr  gibt  Jan  Schrader  Emendat.  p.  83  f. 
'  Coli.    Waddington    in    Revue    numism.    ser.  IV    t.  II   p.  603 
Taf.  XVII  4. 

"  S.  Strena  Helbigiana  S.  325  ff. 


346  Usener 

Begriffe  gedient.  Es  liess  eich  zeigen,  dase  sowohl  'Αμφιάραος 
hIb  Άμφίιυν  Fortbildungen  des  einfachen  'Άμφίος  CAμφtας  *Αμφΐς) 
sind,  denen  dae  Epos  Verbreitung  und  Herreohaft  erwirkte  ^. 
Auch  der  Name  Άμφοτερός  begegnet»  eo  heiest  ein  Genosse 
des  Sarpedon  TT  415  and  ein  Sohn  des  Alkmeon  (Paus.  VIII 
24,  9  Apoll.  III  7,  6).  Man  versteht  danach  den  Namen  der 
Meeresgöttin  'Αμφιτρίτη  neben  Τρίτη  Τριτώ  Τριτωνία  Τρίτων  und 
wird  im  TToOeibuiv  Άμφίβαιος  von  Kyrene  ^  sowie  in  dem  Poseido- 
nischen Heros  Άμφιοάμας  das  Gegenstück  zu  wtergue  Neptunus 
finden.  Zu  Tdalion  auf  Eypros  wurde  ein  Gott  ΆμφίοέΕιος  ver- 
ehrt ^  doch  nicht  als  Bogenschütze,  wie  man  gemeint  hat,  sondern 
vermuthlich  ein  Himmelsgott,  der  günstige  Vorzeichen  selbst  auf 
ungünstiger  Seite  zu  senden  vermag.  Ein  Beiwort  der  Athena 
Άμφείρα  bei  Lykophron  1163  ist  unaufgeklärt  und  scheint  mir 
unsicher;  eine  aus  der  Nähe  von  Epidauros  bekannte  Gottheit 
'ΆμφοΕυς^  ist  unter  Hinweis  auf  das  Homerische  ό{ύς  "Αρης  mit 
Recht  als  eine  nach  beiden  Seiten  streitbare  wie  Άμ(ράλκης  ge- 
fasst  worden.  Den  Spuren  alter  Cultusbegriffe,  die  sich  in 
anderen  Namen 'von  Heroen,  Menschen  und  Orten  finden,  kann 
hier  nicht  nachgegangen  werden;  es  genügt  an  Amphitryon  den 
Nebenvater  des  Herakles  zu  erinnern,  der  sich  als  Sohlenderer 
des  Blitzes  nach  Ost  und  West  und  somit  als  Vertreter  des 
Zeus  ergibt  (Rh.  M.  58,  336). 

Hinter  diesen  Vorstellungen  zweiseitiger  und  verdoppelter 
Gottheit  liegt  die  Verbindung  gegensätzlicher  und  sich  ergänzender 
Götter  zu  einem  Einheitsbegrifi^,  den  die  Sprache  bildet,  indem 
sie  die  nebeneinander  gerückten  Theilbegrifi^e  zu  einem  Doppel- 
wort (dvandva)  zusammen  wachsen  läset.  Sowohl  den  Indern 
wie  den  Griechen  waren  solche  Doppelbegriffe  geläufig  ^  Es  ist 
ebenso  klar,  dass  eine  Begriffsbildung  wie  ind.  Mürüvarunä  alter- 
thüm lieber  ist  als  lat.  lanus  geminus^  wie  dass  die  Erinnerung 
an  die  ursprüngliche  Doppel heit  es  erleichtern  musste  in  dem 
jüngeren  Einheitebegriff  die  zwei  Seiten  festzuhalten.    Ich  erinnere 


^  Ueber  Amphiaraoe  s.  Stoff  des  gr.  Epos  (Sitzungsber.  d.  Wiener 
Akad.  ß.  137,  3)  S.  40  f.,  über  Amphion  Rhein.  M.  53,  344  f. 

8  Schol.  zu  Lykophr.  749  bei  Potter  p.  83.  Zu  Amphidamas  s. 
Rhein.  M.  53,  358. 

3  Hoffniann,  Die  griech.  Dialekte  1,  73  f.  N.  137.  Er  verglich 
Hesych.  άμφΐ&€ε{οις  xcpoi'  ταΐς  Tiihr  τοξοτών. 

*  CIGPel  I  1611  vgl.  Fränkel  im  Rhein.  M.  56,427  f. 

Β  Strena  Helbigiana  S.  315-7. 


Dreiheit  947 

an  die  beiden  Dionyee  (S.  197) :  Dionysos  selbst  ist  ein  Doppel- 
wort:  Tag-Nacht,  ähnlich  wie  sich  aus  dem  Διοχθώνοας  der 
boiotisohen  Sage  (schol.  Apollon.  Bh.  1,  230)  ein  *Διόχθων  Him- 
mel-Erde ergibt. 

• 

2  Ganz  andere  steht  es  um  die  Dreizahl.  Die  drei  Augen 
des  Zeus  Herkeios  begründet  Pausanias  (Π  24,  4)  damit,  dass 
ihm  die  Herrschaft  im  Himmel,  in  der  Erde  und  im  Wasser  zu- 
stehe. Das  war  nahe  gelegt  durch  die  Yertheilung  der  Welt 
unter  die  drei  Kroniden.  Aber  auch  unabhängig  von  einem  ge- 
gebenen Mythologem  sind  die  Slaven  dazu  gelangt  die  Köpfe 
ihres  Triglav  mit  den  drei  Weltreichen,  Erde  Luft  und  Wasser 
in  Verbindung  zu  setzen  (obenS.  177  f.);  und  die  gleiche  Deutung 
hat  Porphyrios^  für  die  Köpfe  des  Kerberos  und  die  Gestalten 
der  Hekate.  Er  Hess  sich  dabei  offenbar  durch  den  Orphischen 
Hymnus  (1,  2)  bestimmen,  der  Hekate  anruft  als  ούρανίην 
χθονίην  T€  και  €ΐναλίην.  Für  Hekate  hat  man  noch  andere  Er 
klärungen  yersncht:  sie  sei  dreigestaltig  wegen  der  drei  Haupt- 
formen der  Mondscheibe,  Vollmond  und  den  beiden  Vierteln,  so 
Cornutus  (34  p.  72,  8  L.);  oder  weil  sie  dreifache  Macht,  über 
Geburt,  Leben  und  Tod  habe,  wobei  dann  ihre  drei  Gestalten  als 
Lucina  Diana  Hecate,  oder  wie  sie  in  einem  Orakel  sich  folgen, 
Eore  Phoibe  Eileithyia,  definiert  wurden^;  oder  auch  (und  dies 
ist  die  verbreitetste,  auch  an  den  späteren  Hekatebildern  zur 
Anschauung  gebrachte  Ansicht)  wegen  ihrer  Herrschaft  über 
Himmel,  Erde  und  Unterwelt,  als  Luna  Diana  Proserpina ^.  Diese 
Proben  genügen  ja  wohl  um  zu  überzeugen,  dass  die  theologische 
Reflexion  den  überlieferten  Dreiheiten  völlig  hilflos  gegenüber 
stand  und  sich  einfach  aufs  Rathen  verlegte.  Die  Deutungen, 
die  so  zu  stände  kamen,  konnten  von  der  Schule  aas  ihren  Weg 
in  Dichtung  und  Kunsthandwerk  später  Zeit  finden;  für  das 
Wesen  der  Erscheinung  sind  sie  belanglos. 

üeberhaupt  entbehrt  die  Dreizahl  einer  sinnfälligen  ünter- 


*  Proph.  de  orao.  p.  150  W.  bei  Enseb.  praep.  ev.  IV  23, 6 
p.  175b. 

3  Servioa  zur  Aen.  4,  511  Cornutus  34  p.  73,  18  f.  L.  Das  Orakel 
führt  Euseb.  praep.  ev.  IV  23,  7  p.  175^  nach  Porphyrios  an  (natürlich 
ist  im  ersten  Vers  Κόρη  nicht  κόρη  zu  lesen);  es  deutet  V.  4  fif.  nosh 
eine  verschiedene  Erklärung  an. 

^  Serv.  z.  Aen.  4,  511.  6,  118  uö.  vgl.  Koscher  im  Myth.  Lex.  I 
1890,  48. 


94S  '''*"•' 

•    wir  βίβ  /Ör  die  Zweiheit  feststellen  konnten.     Man  Ju 

'*^'  sn^'den  Gliedern  des  Fingers    bis   drei  gezahlt,    aber  diese 

^^e^f  iet  ««  geringfügig  und  vereinzelt,    als  daes  sie  Vorbild 

'        den  können.     Die  Dimensionen  des  Baums  und  die  Zeit- 

kte  der   Vergangenheit,   Gegenwart    und    Zukunft    sind    Ab- 

^     tionen:  f^f  ^*•  Volk,  das  seit  frfiber  Zeit  die  Dreizahl  auf 


β 


II  g  Heilige  and  Weltliohe  anwandte,    waren  sie  so  wenig  ror- 

h  nden  wie  die  Arietotelische  Formel:    Anfang,  Mitte   und  Ende 

/Q  jj    Woher  also  kommt  diese  Herrschaft  der  Dreizahl?  Wenn 

e«  nnmöglieh  geworden    ist   ihr    einen    symbolischen  Charakter 

ansadiohtenf    so    mnss    die  Erklärung   in    der    Entwicklung   des 

mensoblichen  Geistes  selbst  gesucht  werden. 

3  Man  darf  von  einer  mythologischen  Zahlenlehre  sprechen: 
eie  verlangt  Ausbau,  wie  alles,  was  dazu  helfen  kann  die  ür- 
g^eechichte  des  menschlichen  Geistes  aufzuhellen.  Die  vomtehen- 
den  Betrachtungen  haben  uns  mitten  hinein  geführt,  und  drängen 
dazu,  in  grösseren  Zusammenhang  gerückt  zu  werden. 

Die  Zahlenlehre  der  Pythagoreer  hat  sich  zu  einer  arith- 
metischen Theologie  erhoben,  wie  sie  in  den  lambliohisohen 
Tbeologumena  arithmeticae^  ihre  Orgien  feiert;  die  bequemste 
Zusaromenstellnng  gibt  der  Denarius  Pythagoricus  des  J.  Menraius 
(Lngd.  1631).  Durch  dieses  Vorbild  sind  wir  dermaaseen  ge- 
wöhnt, jede  nicht  von  den  Dingen  geforderte  willkürliche  An- 
wendung der  Zahl  ohne  weiteres  aus  Symbolik  abzuleiten,  dass 
es  uns  schwer  wird  den  Bann  dieser  Vorstellung  zu  brechen. 
Niemand  wird  läugnen,  dass  die  Pythagoreer,  als  eie  Maase 
und  Form  der  Dinge  in  der  Zahl  erkannt  hatten,  wie  von  einem 
Bausch  ergriffen  bewasst  willkürliche  Zahlensymbolik  übten ;  und 
jeder  weiss,  bis  zu  welcher  Höhe  des  Unfugs  Kabbala  und 
Gnosis  ihre  symbolische  Zahlenspielerei  getrieben  haben.  Aber 
was  verirrte  Wissenschaft  und  was  Afterweisheit  ersinnen,  liegt 
weit  abseits  von  den  einfachen  und  unwillkürlichen  Gedanken- 
gängen des  Volks.  Es  ist  ein  offenbarer  Missgriff,  in  den  massen- 
haften Zahlenanwendungen,  die  sich  in  Sage  and  Brauch  des 
Volkes  finden,  Symbolik  zu  suchen.  Durchweg  ist  da  vielmehr 
die  Zahl  als  eine  gegebene,  bereit  stehende  Form  zu  betrachten, 
in  welche  sich  eine  Vorstellung  unwillkürlich  gegossen  hat.    Die 


1  Eine  der  darin  benutzten  Quellen,   der  jetzt  von  Heiberg  ans 
Licht  gezogene  Auatolioe  hält  sieb  von  Mystik  frei. 


Dreiheit  349 

Zahlen  waren  gewissermaaeeen  za  festen  Typen  oder  Schablonen 
geworden,  die,  natürlich  unter  der  Herrschaft  des  Analogiegesetzes, 
immer  weitere  Anwendung  fanden.  In  diesen  Zustand  gleichsam 
erstarrter,  abgekälteter  Form  konnten  die  Zahlen  freilich  nicht 
kommen,  wenn  sie  nicht  vorher  in  festen  Verbindangen  Gelegen- 
heit gehabt  hatten,  sich  bedeutsam  einzuprägen  und  geläufig  zu 
werden. 

Wenn  man  nun  die  Zahlen  darchmnstert,  welche  typische 
Geltung  erlangt  haben,  so  scheiden  sich  zwei  Gruppen  ganz  ver- 
schiedener Entstehung  und  Art  von  einander.  Die  weitaus 
grössere  nmfasst  die  Anwendungen  von  Zeitbegriffen  ^.  Die 
ausserordentliche  Bolle,  welche  die  7  spielt  ^,  ist,  soweit  orien* 
talische  Einflüsse  angenommen  werden  können,  auf  die  planetarische 
Woche  zurückzuführend  Und  diese  Einflüsse  gehen  in  hohes 
Alterthum  zurück.  In  den  sieben  Adityas  des  Yeda  hat  Olden- 
berg  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  die  Tagesgötter  erkannt^. 
Für  die  Griechen  genügt  es  an  das  siebenthorige  Theben  zu  er- 
innern, das  von  Johannes  Brandts  (Hermes  2,  259  ff.)  aufgeklärt 
ist.  Aber  es  finden  sich  daneben  auf  griechischem  Boden  nicht 
wenige  Anwendungen  der  Siebenzahl,  denen  man  jeden  Gedanken 
an  semitische  Herkunft  ferne  halten  muss.  Die  Heiligkeit  der 
Siebenzahl  in  Apollinischen  Bräuchen  und  Sagen  ^  beruht  darauf, 
dass  der  Vü  in  Delphi,  Athen  us.  als  Geburtstag  des  Apollon 
galt,  daher  er  als  Έβ&όμ€ΐος  und  Έβοομαγέτης  verehrt  wurde; 
auch  einen  Dionysos  Έβοομβύς  kennen  wir  aus  Lesbos  (IGIns, 
Π  123).  Zu  diesem  Ansatz  kann  nur  eine  Lichtphase  bestimmt 
haben :  man  hat  nicht  den  Vollmond  gewählt,  sondern  das  zweite 


^  Das  hat  schon  Welcker  Gr.  Götterl.  1,  52  richtig  bemerkt. 

^  Eine  reiche  Stoffsammlung  gab  der  Orientalist  Hammer-Purg• 
stall  in  den  Wiener  Jahrbüchern  der  Literatur  1848  B.  CXXII  S.  182— 
225  CXXIII  1-54  CXXIV  1-105  vgl.  W.  Wollner,  Untere,  über  die 
Yolksepik  der  Groseruseen  (Leipz.  Diss.  1879)  S.  13  f.  Gomperz,  Gr. 
Denker  1, 234  Meyer-Benfey  iu  der  Beilage  zur  Münchencr  Allg.  Zeitung 
1900  N.  2δ7  S.  4  usw.  Eine  volksthüm liehe  Steigerung  ist  77,  schon 
ev.  Matth.  18,  21  f.  Daher  iu  Besprechungsformeln  von  77  Fiebern, 
Gichten,  Rosen  geredet  wird,  in  einem  serbischen  Märchen  hat  der 
Fuchs  71  fachen,  der  Igel  nur  3fachen  Verstand  (Jagio  Arch.  f.  slav. 
Philol.  1,  273)  Ja  auf  einem  Kirchhof  des  dep.  Finist^re  sollen  7777 
Heilige  begraben  sein  s.  Tradition  V  (1892)  p.  4ϋ. 

»  S.  Diels  in  der  Festechrift  für  Gomperz  S.  8  ff. 

*  Die  Religion  des  Veda  S.  188—193. 

ß  Röscher  im  Philologus  GO  (ii.  F.  14),  360  ff. 


360  üsener 

Viertel;  wie  denn  bekanntlich  die  Kelten  ihre  Monatetage  über- 
haupt vom  s weiten  Viertel  an  zählten  (Plin.  n.  λ.  16,  250).  Dase 
diese  Phase  anch  für  die  Griechen  Bedeutung  hatte,  sehn  wir 
daraus,  dass  sie  stets  einen  schulfreien  Tag  brachte  ^ ;  ein  Opfer- 
kuohen»  den  man  der  Mondgöttin  darbrachte,  hiess  βους  2β5ομος. 
Das  Hauptfest  der  Mondgöttin  wurde  zu  Antiocheia  in  Syrien, 
doch  nach  makedonischem  Brauch,  am  VII  Artemisios  gefeiert; 
entsprechend  war  im  Phrygischen  Dienst  des  Men  der  siebente 
des  Monats  der  normale  Opfertag;  in  auffälliger  Weise  wird  von 
ApoUonios  die  Siebenzahl  im  Dienst  der  Hekate  betont  3,  860  f. 
und  noch  bei  Valerins  Flaccus  klingt  das  7,  464  nach  in  septmo 
fnurmure.  Schon  im  Veda  wird  mehrmals  von  'sieben  Strahlen* 
der  Sonne  gesprochen  und  diese  Zahl  wird  bei  dem  Strahlenkranz 
des  Ilelios  auf  Mitbras-Denk malern  bevorzugt^.  Aber  hier  treten 
wir  bereits  auf  ein  Gebiet,  wo  es  zweifelhaft  wird,  was  auf  alte 
babylonische  Einflüsse,  was  auf  die  Zahl  des  zweiten  Mondviertels 
zurückzuführen  ist,  wie  zB.  die  sieben  Weihen  des  Mithraa  und 
andere  Anwendungen  der  Zahl  in  seinem  Dienste ^  oder  der 
sieben  strahlige  Stern,  den  ein  Yotivrelief  an  Men  über  der  Mond- 
sichel zeigt.  In  einzelnen  Fällen,  wie  bei  den  indischen  Rishi 
scheint  die  Zahl  durch  das  Siebengestirn  des  grossen  Bären  be- 
stimmt worden  zu  sein. 

Die  Zahl  der  Monate  eines  Jahres  fand  ihr  unmittelbares 
Abbild  in  den  zwölf  Göttern,  deren  Zahl  überall  und  immer 
ebenso  fest  gestanden  hat  wie  die  Namen  schwankten.  Griechen  ^ 
Italikern  und  Germanen  ist  der  Zwölfgötterverein  geläufig,  auch 
auf  die  indischen  Adityas  ist  die  Zahl   übertragen  worden.     Als 


1  Herondas  3,  53  vgl.  Lukians  Pseudolog.  16  Geilius  XY  2,  3. 
βοΟς  Ιβδομος:  Kleidemos  fr.  16  (FHG  1,  362)  bei  Hesych.  Antiocheia: 
Libanios  t.  I  p.  236  R.  Grün  dun  gsurkunde  aus  der  Gegend  von  Laa- 
rion  CIA  III  74,  16  ό  hi  Θυσιά2:ων  τή  έβδομη  τά  καθήκοντα  πάντα 
ποΐ€{τω  τφ  θ€φ  κτλ. 

^  Ehni,  Mythus  des  Yama  S.  92.  Camont,  Mystdres  de  Mithm 
1,  123  vgl.  das  pompejanische  Bild  (Heibig  N.  947)  in  Roschers  Myth. 
Lex.  1,2003. 

^  Camont  aO.  1,  119  f.  Yotivrelief  an  Men:  Wolter«  in  der  Fest- 
schrift für  OBenndorf  S.  128. 

«  Gerhard  Ges.  akad.  Abb.  1, 192  ff.  Chr.  Petersen,  Das  Zwölf- 
göttersystem  der  Griechen  in  zwei  Hamburger  akad.  Programmen  von 
1853.  1868  (4)  und  in  der  Sammlung  wissensch.  Yortr&ge  hg.  von 
Virchow  und  vHoltsendorff  V  99  (Berl.  1870). 


Dreiheit  351 

die  in  Babylon  and  Aegypten  entwickelte  Yoretellnng,  dase  jeder 
Monat,  jedes  Bild  dee  Thierkreieee  dem  Schatze  eines  dieser 
Götter  unterstehe,  darch  Eadozos  den  Europäern  zugeführt 
wurde  ^,  brauchte  nur,  was  im  Volksglauben  länget  vorhanden 
war,  in  syitematische  Form  gebracht  zu  werden.  Endlos  sind 
die  Anwendungen,  welche  diese  Zahl  gefunden  hat;  eine  der 
ältesten  und  wichtigsten  ist  der  Glaube  von  den  12  Tagen  oder 
^Nächten',  welche  den  Jahreslauf  eröffnen  und  Schicksalstage  für 
die  entsprechenden  kommenden  Monate  sind. 

Nach  populärer  Anschauung  hat  der  Monat  die  Durch- 
schnittszahl von  30  Tagen,  das  Jahr  also  rund  360.  Ich  füge 
den  von  anderen'  gesammelten  Anwendungen  hinzu,  dass  die 
Satrapie  Kilikien  zur  Zeit  des  Dareios  als  jährlichen  Tribut  ua. 
*  weisser  Pferde  860,  für  jeden  Tag  eines*  abzuliefern  hatte 
(Herod.  3,  90),  und  dass  Eyros  von  dem  Fluss  Gyudes  zur  Strafe 
daftir,  dass  darin  eines  der  heiligen  Eosse  ertrunken  war,  2.  180 
Kanäle  ableiten  Hess  (Herod.  1,  189  vgl.  5,  52).  Nach  einem 
spaten  Eräutergedicht  hat  der  grosse  Zeus  860  Engel  zu  Wächtern 
bestellt':  und  so  war  im  Orphischen  Testament  für  die  unter 
Zeus  stehenden  Götter  die  Zahl  360  angegeben,  355  nach  dem 
etwas  genaueren  Bericht  des  Autolykos.  Von  besonderem  In- 
teresse ist  die  Sage,  wie  sie  von  Aelian  (i;.  h,  4,  5)  tlberliefert 
wird,  dass  dem  Herakles  in  seinem  Kampf  wider  die  Molioniden 
860  Kleonäer  beigestanden  hätten  und  sämmtlich  gefallen  seien. 
Denn  es  ist  augenfällig  nur  eine  Variation  desselben  Mythos, 
wenn  nach  geschichtlicher  Legende  um  den  Besitz  der  Tbyreatis 
300  Spartaner  und  ebensoviele  Argiver  kämpfen  und  sich  gegen- 
seitig aufreiben  (Herod.  1,  82  Paus.  U  38,  5),  wenn  am  Gremera 
die  300  (genau  306)  Fabier^  fallen,  wenn  sich  bei  Thermopylä 
800   erlesene    Spartaner   dem  Tode    weihen,    oder    selbst    wenn 


1  S.  Franz  Boll,  Sphaera  S.  476  f. 

'  Meineke  bist.  orit.  com.  p.  310    Lobeck  Aglaoph.  p.  172  ib. 

*  AnoD.  de  herbis  168  in  den  Poetae  buool.  et  didact.  der  Didot• 
sehen  Sammlung,  Anhang  p.  173.     Abels  Orphica  p.  145. 

^  lieber  die  Zahl  s.  Seh  weglers  Rom.  Geach.  2,  525.  —  Die  Zahl 
ist  schon  Od.  ν  390  typisch  verwendet  κα{  κ€  τριηκοσίοισιν  έγών  dv- 
6ρ€σσι  μαχο(μην  *σύν  σοί.  Es  mag  daran  erinnert  werden,  dass  der 
ΐ€ρός  λόχος,  den  Gorgidas  379  za  Theben  schuf,  il•  dvbpdiv  έπιλέκτυιν 
τριακοσίων  (Plut.  Pelop.  18)  bestand  und  ebenso  das  Ehrengeleit,  das 
dem  Themistokles  von  Sparta  bis  zur  Grenze  vouTegea  gegebea  wurde 
(Herod.  8,  124). 


352  üsener 

Periander  300  Eerkyräieche  Knaben  nach  Sardes  sohiokt,  um  sie 
dort  za  Eunuchen  machen  zu  lassen  (Herod.  3,  48).  Auch  die 
360  weissen  Rosse  der  Perser  finden  ihr  Gegenstück  an  den  300 
heiligen  Pferden,  welche  auf  Etlgen  dem  Syantovit  gehalten 
wurden  —  das  Leibpferd  des  Gottes  war  von  weisser  Farbe  \ 
Wem  auch  so  noch  das  Wesen  der  Rundzahl  300  nicht  klar 
geworden  sein  sollte,  der  mag  an  die  trecentos  loves^  sine  luppi- 
teres  dicendoa^  svne  capUibus  einer  Varronischen  satura  Menippea 
erinnert  werden,  die  bereits  in  den  Δί€ς  des  Menippos  selbst 
vorgebildet  war  :  auf  Kreta  hörte  man  noch  Δία  in  der  Bedeutung 
von  dies  sagen  ^.  Der  Brauch,  das  abgelaufene  Jahr  durch  Be- 
stattung oder  Austreibung  zu  verabschieden,  ist  ehemals  sehr 
lebendig  und  bei  unseren  verwandten  Völkern  wohl  allgemein 
gewesen'.  Da  die  300  Tage  einem  zehnnionatlichen  Jahr  ent- 
sprechen, so  kann  der  alte  Kretische  Brauch  durch  den  christ- 
lichen Heiligenkalender  in  helles  Licht  gesetzt  werden.  Die 
Kirche  feiert  am  23  December  das  Gedächtniss  der  zehn  Märtyrer 
von  Kreta^  Der  23  December  war  aber  in  dem  dortigen  Ka- 
lender der  Kaiserzeit  der  Schlusstag  des  Jahres:  am  24  Dec. 
begann  der  Metarchios  di.  der  Monat  des  Amts  wechsele.  Bis 
tief  in  die  christliche  Zeit  hinein  hatte  sich  also  in  Bräuchen  des 

I 

Volks  die  Erinnerung  eines  alten  zehnmonatlichen  Jahres  zu  rund 
300  Tagen  erhalten.  Nur  einer  sacralen  Zeitordnung  konnte  es 
angehören.  Eine  fassbare  Spur  davon  liegt  vor  in  den  sicher 
an  eine  bestimmte  Periode  gebundenen  Umzügen  der  Metragyrten, 
die  mit  ihrem  Idol  der  Göttermutter  vorschriftsmässig  dreihundert 
Städte  besuchen  mussten.  Nach  meiner  Ueberzeugung  auch  in 
der  Fabierlegende.     Es  steht  fest,  dass  die  Römer  ein  lOmonat- 


1  Saxo  gramm.  p.  566,  30  Hold.,  über  das  weisse  Rose  p.  567, 7  ff. 
Zum  folgenden  vgl.  die  Bemerkungen  bei  Fränkel  zu  den  Inschrr.  y. 
Pergamon  l,  14  f. 

'  Gleichen  Ursprung  hat  es,  wenn  bei  Homer  Λ  697  φ  19  ge- 
raubte Herden  auf  die  Zahl  von  300  Schafen  normiert  werden.  Die 
Hexe  im  Märchen  vom  Qoldapinnen  hat  300  Katzen,  U.  Jahns  Volks- 
märchen aus  Pommern  und  Rügen  I  S.  4  ff. 

>  Vgl.  Rhein.  Mus.  30,  194  ff. 

*  Das  μαρτύριον  τιΰν  άγίαιν  οέκα  μαρτύρυιν  ist  von  Papadopulos 
Keramevs  *Ανάλ€κτα  Ί€ροσολυμιτικής  σταχυολογ(ας  4,  224  ff.  aus  einer 
Hs.  des  Klosters  des  h.  Sabas  herausgegeben.  Sie  fehlen  nicht  im 
officiellen  Martyrologium  Romanum.  Umgekehrt  hat  sich  in  Unter• 
italien  die  Erinnerung  an  das  ehemalige  byzantinische  Neujahr  in  dar 
Verehrung  der  h.  'zwölf  Brüder'   am  1.  September  erhalten. 


Dreiheit  853 

liobee  Jahr  za  304  Tagen  wenigstens  bis  zur  Kalenderordnung 
dee  Xlltafelgesetzes  gebraucht  habend  Die  cykliBche  Rechnung, 
ohne  die  ein  solches  Jahr  nicht  zu  denken  ist,  war  nicht  schwer 
zu  finden:  die  Periode  bestand  aus  6  zehnmooatlichen  Jahren, 
5  zu  804,  das  letzte  zu  den  306  Tagen,  welche  die  Fabierlegende 
fordert:  das  ergibt  die  Summe  von  1826  Tagen  dh.  von  5 
Sonnenjahren,  womit  dann  endlich  verständlich  wird,  wie  die 
Römer  zn  einem  5  jährigen  lustrum  kommen  konnten.  Es  war 
eine  sacrale  Periode,  wie  wir  deren  eine  im  Heracult  von  Platää 
kennen,  die  Periode  der  Daidala^,  die  aus  7  kleinen  Jahren  zu 
7  Monaten  bestand  und  gleich  einer  Pentaeteris  (4.12  +  1  Mon.) 
war.  Der  Einfluss  babylonischer  Ueberliefernng  zeigt  sich  darin, 
dass  die  Periode  der  grossen  Daidala  einem  Zeitraum  von  60 
Sonnenjahren,  also  einem  Sossos  entsprach,  während  nach  rö- 
mischer Rechnung  zwei  lustra  zwölf  10  monatliche  Jahre  um- 
fassten ;  dort  wurde  mit  7,  hier  mit  10  getheilt.  Wir  verstehen 
nun  auch  wie  den  Römern  frecenti^  und  die  Verdoppelung  sexcenti 
typische  Bezeichnung  der  Vielheit  sein  mussten. 

Die  babylonische  Zeittheilung,  die  uns  Franz  Boll  in  so  über- 
raschender Weise  aufgehellt  hat,  übertrug  die  Zwölfsahl  der 
Thierkreisbilder  auch  auf  den  Kreis  der  Jahre.  Die  Hälfte  dieser 
12  jährigen  Periode  ergab  72  Monate,  abgerundet  70.  Die  Zahl 
ist  jedem  geläufig  von  den  Jüngern  Christi  (Luk.  10,  1.  17),  den 
Uebersetzern  des  alten  Testaments  (6  von  jedem  Stamme),  den 
Kindern  des  Herakles  ^ 

^  8.  Mommsens  Rom.  Chronologie  47^  ff". 

^  Die  kleinen  Daidala  wurden  in  einer  Periode  von  7  Jahren  ge- 
feiert (Paus.  1X3,  3);  die  grossen  bei  der  15.  Wiederkehr  dieser  Periode, 
und  das  traf  nach  Ablauf  von  (>0  wirklichen  Jahren  ein  (aO.  §  5). 
Daraus  ergibt  sich,  dass  das  kleine  Jahr  des  Festcyklus  aus  7  Monaten 
hefltand,  also  der  Cyklus  von  7  solchen  Jahren  einer  Pentaeteris  ent* 
sprach.  Die  grosse  Periode  war  also  aus  7.7.7 -f  7.7.7  +  7.7  Monaten 
aufgebaut. 

8  Plaut,  aulul.  518  merc.  75  mil.  gl.  250  Pers.  410.  668  Irin. 
9(>4  Catull  11,  18.  12,  10  Verg.  georg.  1,  15  Aen.  4,  510  Hör.  sat.  I 
r>,  12   carm.  II  14,  5    III  4.  79. 

*  Aristot.  hist.  an.  7,  6  p.  785^  23  (γυνα1κ€ς  Ζ.  22  ist  sinnlose 
Interpolation)  vgl.  Antigonus  mir.  111.  £in  Fabrikant  aus  Hierapolis 
Fl.  Zenais  rühmt  sich  die  Reise  nach  Italien  72mal  gemacht  zu  haben, 
Altert.  V.  Hierap.  S.  92  N.  51.  Die  h.  Thekla  wohnt  72  Jahre  lang  in 
ihrer  Höhlte  (Lipsius'  Acta  apost.  apocr.  1,  270.  272)  usw.  Die  έβδο- 
μήκοντα  στέφανοι,  die  nach  Bakchyl.  2,  9  Keer  an  den  Isthmien  er- 
rungen haben,  sind  über  denselben  Leisten  geschlagen. 

Kbein.  Mae.  f.  Phllol.  N.  F.  LVIU.  23 


354  tlsener 

Wie  hier,  so  kommt  überall  für  Zeiträume,  ivelche  den 
Umfang  eines  Jahres  überschreiten,  die  Zahl  nicht  der  Tage 
sondern  der  Monate  in  Betracht.  Die  gemeingrieohische  Ennaeteris, 
zu  der,  wie  bemerkt,  die  Griechen  zeitig  von  der  Trieterie  über- 
gegangen waren,  bestand  aus  8  Mondjahren  mit  drei  Schalt- 
monaten, also  99,  rund  100  Monaten.  Erst  seit  der  Neuordnung 
der  Pythien  im  J.  586  wurde  die  Theilang  dieses  grossen  Jahrs 
(49  +  50  Monate)  dh.  die  Pentaeteris  allgemeine  Norm  für 
grössere  Feste.  Die  ausserordentlich  häufige  Anwendung  der  aas 
diesen  Perioden  abgeleiteten  runden  Zahlen  100  und  50  ist 
sattsam  bekannt ;  für  mythographische  Forschung  ist  zu  beachten, 
dass  bei  widerstreitender  Ueberlieferuog  die  Zahl  100  den  An- 
spruch auf  höheres  Alter  als  die  50  hat^:  das  folgt  aus  der 
Entstehung  dieser  Rundzahlen.  Auf  einen  Fall  will  ich  eingehn, 
weil  er  zeigen  kann,  wie  die  Beachtung  dieser  Rundzahlen  lehr- 
reiche geschichtliche  Folgerungen  gestattet. 

Der  kyklische  Chor  der  grossen  Dionysien  setzte  sich  aus 
50  Chore  Uten  zusammen,  und  diesen  Chor  hat,  als  sie  sich  aus 
dem  Dithyrambos  herausbildete,  die  älteste  Tragödie  des  Thespis 
und  seiner  Nachfolger  übernommen.  Wie  die  Zahl  der  Opfer- 
thiere  sich  nach  den  Monaten  des  Zeitraums  bemaass,  für  dessen 
glücklichen  Verlauf  gebetet  wurden  so  musste  auch  die  Zahl 
der  im  Namen  der  Gemeinde  vor  dem  Gott  auftretenden  Tänxer 
yon  der  Monatszahl  abbangen.  Man  hat  8eltsame  Vermuthangen 
über  jene  50  Choreuten  aufgestellt  ^.  Schon  der  Name  χοροι 
κύκλιοι  widerstreitet  den  üblichen  Erklärungsversuchen :  er  kann 
sich  weder  auf  die  Aufstellung  um  die  Thymele  beziehen  —  den 
Zuschauern  zugewandt  können  die  Choreuten  nur  einen  Halbkreis 
bilden  — ,  noch  auf  den  Kreislauf  der  strophischen  Composition. 
Man  nennt  κύκλος  auch  den  Umkreis  des  Jahres,  wie  das  lat. 
annus  zeigt,  mit  altem  und  volk^mässigem  Bilde.  Wir  werden 
dannch  die  Bezeichnung  χοροί  κύκλιοι  am  natürlichsten  aus  ihrem 
Zweck  erklären,  den  neuen  Kreislauf  eines  grossen  Jahres  glück- 
verheissend  zu  eröffnen^.    Damit  ist  aber  gesagt,  dass  die  grossen 

1  Vgl.  Sintfluthsagen  S.  193  f. 

3  Jahresopfer  war  die  &ιυ2>εκάς  oder  δωδ€κη(ς,  s.  Hesych.  u.  d. 
W.,  Eustath.  zu  α  25  ρ.  1386,49  λ  130  ρ.  1676,  40  und  CIG  3847?* 
(Le  Bas  Ili  1011)  Z.  24  6ω6€κάβοιόν  τ€  θυ[σι'αν  dci  κατ*  £το]ς  «ιτή- 
σασαν.  Die  εκατόμβη  mues  ursprünglich  wenigstens  ennaeterisches  Opfer 
gewesen  sein. 

i'  s.  M.  Schmidt  diatribe  in  dithyrambum  p.  229  ff. 

^   l)en  Zusamnu-nliang  der  Chöre  mit  Zeitbegnffen   aeigt   s^oq 


Dreiheit  866 

Dionysien,  dae  zur  Entfaltung  des  Dithyrambos  and  mittelbar  der 
Tragödie  geschaffene  Fest,  areprünglich  pentaeteriech  war,  eine 
Schöpfung  des  Peiaistratoe  wie  die  Panathenaen.  Erst  als  Phry- 
niohos  nnd  dann  mit  ihm  Aescbylos  für  die  attische  Bühne  ar- 
beiteten, machte  die  Schaulust  des  Publicum  und  das  Bedürfniss 
der  Dichter  eine  häufigere  Wiederholung  des  Feste  unvermeidlich. 
Man  war  genöthigt,  die  grossen  Dionysien  zu  einem  jährlichen 
Feste  zu  machen.  Aber  nun  konnte  nur  ein  Chor  von  12  Cho- 
reuten vor  dem  &ott  auftreten.  Um  dieser  Fordernng  religiöser 
Logik  zu  entsprechen  und  zugleich  die  vom  Staate  einmal  an- 
geordnete Zahl  von  50  festzuhalten,  griff  man  zu  der  merkwür- 
digen Maassregel,  die  nicht  ohne  Mitwirkung  der  Dichter  selbst 
zu  Stande  gekommen  sein  kann,  eine  Reihe  so  vieler  dramatischer 
Dichtungen,  als  der  Zeitraum  Jahre  zählte,  zur  Conourrenz- 
bedingung  des  Festspiels  zu  machen.  So  traten  bis  zur  Sopho- 
kleischen  Neuerung  in  den  drei  Tragödien  und  dem  Satyrdrama 
je  zwölf  Choreuten  auf,  der  Zuschauer  sah  nie  mehr  als  die  vom 
Jahreslauf  geforderte  Zahl  vor  sich ;  aber  die  von  der  Phyle  ge- 
stellte Zahl  von  50  kam  zur  Verwendung,  die  beiden  über- 
schüssigen vermuthlioh  als  οορυφορήματο.  Bestätigt  wird  diese 
Beurtheilung  der  Chorzahlen  durch  die  alte  Komödie.  Sie  hat 
sich,  wie  nachzuweisen  nicht  dieses  Orts  ist,  aus  dem  Festbrauch 
der  Lenäen  herausgebildet  Die  Zahl  der  Choreuten  wird  auf 
24  angesetzt,  und  so  viele  sehen  wir  auch  da  hervortreten,  wo 
die  Choreuten  einzeln  zu  Wort  kommen,  wie  in  der  Parodos  der 
Aristophanischen  Wespen.  Mag  nun  in  dieser  Zahl  der  Chor- 
führer miteingerechnet  sein  oder  darf  er,  wie  mir  nicht  unwahr- 
scheinlich scheint,  als  25ter  ^  hinzugedacht  werden,  in  beiden 
Fällen  ist  es  klar,  dass  die  Zahl  des  Chors  sich  bereits  zu  einer 
Zeit  festgestellt  hatte,  als  die  Lenäen  noch  gemäss  d6m  allge- 
meinen Brauch  der  Dionysosfeier  ein  trieterisches  Fest  waren. 

Es  war  einmal  meine  Absicht,  die  &enesis  der  Zeitbegriffe 
und  dabei  die  weitverzweigte  Umbildung  derselben  zu  typischen 
Zahlen  darzulegen.   Hier  mnsste  ich  mich  auf  Proben  beschränken. 


der  Umstand,  dass  die  Procession  der  gr.  Dionysien  auf  dem  Markt 
anhielt,  um  am  Altar  der  12  Götter  Chortänze  aufführen  zu  lassen 
(Xenoph.  hipp.  3,  2),  8.  S.  J50  f.  Herakles  fügt  bei  seinem  grossen 
Opfer  (Soph.  Trach.  760  f.)  zu  100  Schafen  12  Rinder. 

^  Die  Namenliste  eines  χορός  Διονυσιακός,  freilich  eines  dithy- 
rambischen (der  Aulet  und  der  μ€λοποιός  werden  genannt)  CIA  ΠΙ 
u.  78  umfasst  25  Mitglieder. 


366  Usener 

■ο weit  et  eben  nöthig  echien  um  dae  Weeen  dieser  Art  von  Rasd- 
zahlen  klar  zu  stellen.  Doch  hängen  mit  Zeit  begriffen  anch  noefa 
andere  Anwendungen  zasammen.  So  gibt  es  Zahlen,  die  aas  dem 
Lauf  des  menschlichen  Lebens  abgeleitet  sind,  wie  die  40,  unser 
Schwabenalter:  Rud.  Hirzel  hat  die  Bedeutung  dieser  Zahl  und 
ihrer  Vielfachen  in  dankenswerther  Weise  verfolgt  ^.  Eine  weitere 
Gruppe  scheint  zwar  den  Zeitbegriffen  ganz  ferne  zu  stehen  und 
uns  in  das  Dämmerlicht  der  Symbolik  zu  fahren:  die  aus  der 
Pythagoreischen  Zahlenlehre  bekannte  Gleichsetzung  ron  Gottes- 
namen mit  Zahlen.  Aber  sie  ist  wichtig  —  als  Fundgrube  far 
den  dorischen  Festkalender.  Durchgängig  beruht  die  Gleichung 
von  Gott  und  Zahl  darauf,  dass  der  Gott  mit  der  Zahl  des 
Tages  geglichen  wird,  der  durch  das  Hauptfest  des  Gottes  aus- 
gezeichnet,  also  ihm  heilig  war:  wiederholt  wird  das  ausdrück- 
lich bezeugt,  zB.  von  8  =  Poseidon  Asphalios.  In  einzelnen 
Fällen  scheint  sogar  das  Volk  schon  auf  diesem  Wege  voran- 
gegangen  zu  sein,  wie  in  der  Redensart:  '  Du  bist  an  einem  Vierten 
geboren'  (τβτράοι  γέγονας)  für  einen  Menschen,  der  viel  Last 
und  Mühe  für  andre  hat,  weil  an  dem  Tage  Hermes  und  Herakles 
geboren  sein  sollten. 

4  Sehr  verschiedenartig  ist  die  Verwendung,  welche  die 
niederen  Zahlen  finden.  Hier  fällt  es  zunächst  auf,  dass  die- 
jenige Zahl,  welche  durch  die  Finger  der  Hand  und  die  Zehen 
des  Fusses  dem  Menschen  fortwährend  nahe  gebracht  wird  und 
sich  dadurch  als  allgemeiner  Ausdruck  einer  Mehrheit,  als  Rund- 
zahl  empfiehlt,  von  typischer  Verwendung  so  gut  wie  ausgeschlossen 
ist.  £ine  Stadt  schickt  wohl  statt  der  üblichen  3  zuweilen  5  Ge- 
sandte^, 5  '  Gerechte' (00101 ),  auf  Lebenszeit  erwählt,  stehendem 
delphischen  Heiligthnm  vor  (Plut.  qu.  gr.  9) :  dergleichen  sind 
die  spärlichen  Anwendungen,  welche  bei  Griechen  vorkommen; 
schwerer  scheint  iu  Rom  die  5jährige  Periode  des  histrum  zo 
wiegen,  aber  sie  war  thatsächlich  (s.  S.  353)  durch  die  Seohszahl 
bestimmt.  Es  handelt  sich  also  nur  um  die  2  und  3  und  um 
ihre  Vielfachen  (2+2,  3-f3^  3.3,  3.3.3).     Aber  die  Zweifaeit 


1  Berichte  der  sächs.  Gesellsch.  d.  Wxssensch.   1885  S.  6  ff. 

'  Im  übrigen  verlangt  die  Verwendung  der  Zahl  in  staatlichen 
Ordnungen  eine  Untereuchung  für  sich,  und  ich  habe  sonst  absichtlich 
vermieden  auf  dieses  Gebiet  hinüberzugreifen. 

'  Bei  Plautiif  hat  die  Sechn  typische  Geltang  s.  Kieseling  Rh. 
Mus.  23,418  Anm.  2.     üeber  die  Geltung  der  sexcenii  s.  oben  8.  353. 


Dreiheit  367 

war,  wie  wir  geeehn,  mehr  und  mehr  von  der  Dreizabl  zarfick- 
geschoben  worden,  nnd  diese  iet  Herrecherin  im  Glauben  und 
Aberglauben  bis  ins  Chrietentbum,  ja  bis  auf  unsere  Tage  ge- 
blieben. 

Zablreicbe  Wortbildungen  und  Redensarten  zeigen  nun  nocb 
eine  Verwendung  der  Drei,  die  nicbt  einfach  als  typisch  oder 
symbolisch  genommen  werden  darf,  sondern  sie  als  absoluten 
Ausdruck  der  Vielheit  erscheinen  lässt.  Ein  mittelgriecbisches 
Sprichwort^  "ftgt  t  ^  Einer  ist  keiner,  zwei  viele,  drei  eine  Menge, 
vier  ein  Jahrmarkt  \  Wir  verwünsoben  *  in  drei  Teufels  Namen  *, 
und  wenn  den  Griecben  'die  drei  Uebel'  sprichwörtlich  geworden 
sind*,  wird  auch  hier  der  Anläse  in  einer  Verwünsch nngeformel 
gelegen  haben,  welche  die  Drei  als  Ausdruck  der  Vielheit  ver• 
wandte.  Man  vergleiche  unser  Sprichwort  'aller  guten  Dinge 
sind  drei',  nnd  das  stehende  Motiv  der  Sage,  dass  drei  Wünsche 
gewährt  werden:  da  wird  eine  geschlossene,  beschränkte  Vielheit 
beabsichtigt.  Dagegen  Horaz  Od.  I  3,  9  iUi  robur  et  aes  triplex 
circa  pecfus  erat,  Aristoph.  Lys.  338  τριτάλαντον  βάρος  Eur. 
Kykl.  235  κλιυψ  τριπήχει  na.  zur  Steigerung  ins  Wunderbare 
sich  der  Dreizahl  bedienen.     Seit  der  Odyssee  21  154 

τρις  μάκαρ€ς  μέν  σοί  Τ€  πατήρ  καΐ  ττότνια  μήτηρ, 

τρις  μάκαρ€ς  bk  κασίγνητοι 
ist  die  Steigerung  der  Adjectiva  μάκαρ  μακάριος,  βλβιος«  βύ- 
2>αίμιυν  und  umgekehrt  άθλιος,  όιΖυρός,  κακο^αίμιυν,  κατάρατος, 
κατάτΓτυστος  uä.  durch  das  Zahlwort  τρις  geläufig.  Dieselbe 
Verbindung  dient  dazu,  Nominalbe^H'iffe  gleichsam  auf  die  hdchtte 
Polens  zu  erheben:  τρίδουλος  (Soph.  CT.  1063  us.),  M/ur  und 
irifitrcifer  bei  Plautus,  Hermes  Trismegistos,  Trimalcbio,  TpUTa- 
ρ€ΐοπσττται  für  gestrenge  Richter  (Cic.  ad  Att.  IV  15,  4) ;  oder 
auch  um  eine  wunderbare  Vielheit  zu  bezeichnen :  Τρις>άλης  hiens 
eibe  gegen  Alkibiades  gerichtete  Komödie  des  Aristophanes,  Tri* 
f>iu2Üu9  eine  satura  Varro^,  aber  schon  einem  Tbrakerstamm  hieng 
der  Same  Τριβαλλοί  an,  worin  die  griechische  Aspirata  durch 
β  vertreten  wird,  vgl.  τρίορχος   τριόρχης.     Der  Sinn  des  ZahU 


1  Mofkaner  Sammlirag  hg.  von  Krambacher  io  den  Μ  απ  ebener 
>itrer4rs>Är.  IK»  S.  412  N.  104:  €ίς  ούδ€(ς.  Wo  aoXAoC  τρος  οχλος, 
τ€<70αρ6ς  «βνήτνρις 

'  Photioe  l^x.  ρ.  |>I3«  4  Tiinr  τριύτν  κακύητ  ly  vgL  fchoL  Find. 
OL  1,  i»T  Xaa<rk  za  Soph.  fr.  hOS*  Zenobic«  β.  11.  3,  100  as.  Die  ein- 
zelcen  Airweodangen  ond  Deatai»gen  der  AU€ii  haben  hier  kein  In- 
t.igasF      Wir  fprecben  ao  τοπ  d^  böeen  Sieben. 


358  üsener 

wortB  macht  eich  nicht  minder  bemerklich,  wenn  eine  höhere  Zahl 
hinzugefügt  wird: 

τριχθά  T€  και  τ€τραχθά  οιατρυφέν  iKnece  (Εί<ρος)  χβιρός 

Γ  363 

τρ\ς  μάκαρ€ς  Δαναοί  και  τετράκις  ό\  τότ'  δλοντο  €  306 
ο  terque  quaterque  beati  Υ  erg.  Aen.  1,  94  ter  vindicia  quaterque 
imposita  Hör.  eat.  11  7,  76  uö. 

Wir  pflegen  den  tiefsten  Stand  geistiger  F&higkeit  mit 
der  Redensart  za  zeichnen :  ^  er  kann  nicht  bis  drei  zählen'. 
Die  Griechen  vergassen  nicht  leicht  in  dem  Scherzgebilde  des 
dummen  Tropfe,  dem  Margites,  Eoroibos  usw.,  den  Zng  anza- 
bringen,  dass  er  am  Strande  die  Meereswellen  zählt  und  nickt 
über  drei  hinaus  kommt.  Aber  der  Wogenschlag,  in  dem  die 
Kömer  decumani  fluctus  sahen,  ist  den  Griechen  alle  Zeit  eine 
τρικυμία  geblieben  ^  Ihre  Sprache  ist  in  dem  Punkte  nicht  über 
die  Stufe  des  Margites  hinaus  gelangt. 

5  Die  betrachteten  Ausdrücke  verrathen  eine  Werthung  der 
Drei  als  vollkommener  und  jede  Ueberbietung  ausschlieesender 
Vielheit;  so  jung  sie  auch  zum  Theil  sein  mögen,  sie  können 
nur  als  Nachwirkungen  einer  Zeit  verstanden  werden,  in  welcher 
die  Zahlbegrifl^e  nicht  über  die  Drei  hinaus  entwickelt  waren,  wie 
bei  den  griechischen  und  unseren  Dummköpfen.  Aber  was  in 
heller  Zeit  scherzhaft  und  spottenswerth  erscheint,  war  in  dunk- 
lerer einmal  bitterer  Ernst. 

Ein  ausgezeichneter  ethnographischer  Forscher,  Karl  von 
den  Steinen,  hat  bei  den  Bakairi,  einem  Stamme  des  inneren  Bra* 
siliens,  eine  Zählweise  vorgefunden,  die  thatsächlich  nicht  über 
die  Zwei  hinausgeht '.    Sie  zählen  mit  Hilfe  der  Finger  der  linken 


'  Eine  beabsichtigte  Uebertreibang  wie  bei  Lukian  de  merc  cond. 
2  τάς  τρικυμίας  καΐ  νή  Δία  πεντακυμίας  Τ€  καΐ  2>εκακυμ(ας  kann  dieser 
Behauptung  höchstens  zur  Stütze  gereichen. 

^  KvdSteinen,  Unter  den  Naturyölkem  Zentral- Brasiliens  (Berl. 
1897)  S.  84  f.  Den  grössten  Tiefstand  der  Arithmetik  scheinen  die 
Tsikitos,  ein  Volk  der  Anden,  festzuhalten.  Sie  haben  nur  für  die  Eins 
ein  Wort  ausgeprägt  etama  und  kennen  daneben  nur  unbestimmte  Aus- 
drücke der  Vielheit,  wie  ominana  wenige,  aitsiri  viele,  anaama  alle. 
Wollen  sie  bestimmte  Zahlangaben  machen,  so  strecken  sie  die  eni- 
sprechende  Anzahl  von  Fingern  hin  und  sagen  *so  viel  wie  diese 
Finger*  (ofKina  hane).  In  dfl^flexion  unterscheiden  sie  Einzahl  nod 
Mehrzahl.  Nach  F.  Müller,  QfU2(/;>R  **?  der  Sprachwissenschaft  II  1,  407 
vgl.  Pott,  Quinate  und  vigei^  Hode  S.  3  Anm. 

f 


Dreiheit  859 

Hand:  indem  eie  den  kleinsten  Finger  fafieen,  eagen  sie  tokah] 
sie  legen  dann  zn  diesem  den  nächsten  Finger  nnd  sprecben 
ahage;  wollen  sie  weiter  zählen,  so  fugen  sie  za  dem  genannten 
Paare  den  Mittelfinger  und  sagen  alMge  iokale  {2  + 1);  dann  legen 
sie  Mittel-  und  Zeigefinger  zu  einem  neuen  Paare  zusammen: 
<ihage  ahage  (2  +  2),  und  so  weiter  bei  5  nnd  6,  wo  zum  Klein- 
finger der  rechten  Hand  tibergegriffen  wird.  Das  grausame  Spiel 
weiter  zu  treiben  sind  sie  nicht  leicht  zu  bewegen.  Sie  be- 
streiten also  ihre  ganze  Arithmetik  mit  den  Ausdrücken  fttr  Ein- 
heit und  Zweiheit:  fokale  und  ahage.  Und  daran  wird  nichts 
geändert  durch  die  Thatsache,  dass  für  die  3  neben  ahage  iokale 
anch  die  einheitliche  Bezeichnung  ahewao  zulässig  ist,  da  diese 
zum  Ausdruck  höherer  Zahlen  nie  verwendet  wird. 

Man  darf  also  sagen :  die  Bakairi  zählen  zwar  bis  drei, 
aber  sind  auf  der  Stufe  stehen  geblieben,  wo  zwei  der  höchste 
sprachlich  ausgeprägte  Zahlbegriff  war.  Sie  stehen  darin  nicht 
allein.  Sogar  solche  Völker  des  südamerikanischen  Binnenlandes) 
welche  sich  zu  einem  decimalen  bzw.  vigesimalen  Zahlsystem 
erhoben  haben,  wie  die  Lules  im  Gran  chaco  und  die  Abiponer 
in  Argentinien,  haben  aus  älterer  Stufe  die  Bezeichnung  der  drei 
als  2  -|-  l  festgehalten  ^.  Die  australischen  Sprachen  sind  grössten- 
theils  bis  zur  Dreizahl  fortgeschritten,  die  durch  die  Glieder  des 
Fingere  gegeben  war ;  aber  die  Dippil-spracfae  '  macht  sowenig 
wie  die  der  Bakairi  bei  der  Zusammensetzung  höherer  Zahlen 
Gebrauch  von  dem  Zahlwort  für  drei,  sie  zählt  weiter  2+2, 
2  +  2  +  1.  Ja  das  Wiradurei^  bleibt  noch  hinter  den  Bakairi 
zurück;  es  zählt:  1  nuwlbai^  2  hula,  3  hula-nunihai  (also  2  +  1) 
und  bezeichnet  die  Vier  durch  den  Ausdruck  bungu  di.  viel, 
mit  dem  die  Arithmetik  ihr  Ende  hat.  Erwünschte  Belehrung 
bringt  uns  die  Sprache  der  Buschmänner^.  Sie  haben  nur  Aus- 
drücke für  eins:  foai  und  zwei:  fku  oder  fu;  die  Bezeichnung 
der  drei:  ioaya  bedeutet  eigentlich  'vier   nnd  ist  zugleich  Aus- 


1  F.  Möller  aO.  Π  1,  411.  416  vgl.  Pott  aO.  S.  4. 

<  F.  Maller  aO.  II  1,  43  f.  Die  Sprache  der  Enoonnter-bay 
(Müller  ebend.  58  f.)  hat  besondere  Ausdrücke  für  die  drei  ersten 
Zahlen,  aber  macht  von  ihnen  bei  der  Bezeichnung  höherer  Zahlen 
keinen  Gebrauch;  sie  sagen  für  4  kuko  kuko  (=  Paar?),  5  küko  ktsko 
ki  usw.,  über  7  gehn  sie  nicht. 

»  F.  Müller  aO.  Π  1,  23  f. 

«  F.  Müller  aO.  I  2,  26  f.  Durch  /  und  /  sind  verschiedene 
Schnalzlaute  angedeutet. 


3ß0  ϋββηβΓ 

druck  für  die  höheren  Zahlen,  indem  sie  zn  der  an  den  Fingern 
einer  oder  beider  Hände  veranechanlichten  Zahl  ane^reeprochen 
wird.  Hier  ist  also,  was  wir  für  eine  frühe  Vorstufe  unserer 
verwandten  Völker  vorauRsetzen  müssen,  noch  heute  hei  einem 
Naturvolk  lebendige  Wirklichkeit,  der  völlige  Zusaramenfall  des 
Vielheitsbegriffs  mit  der  Dreizahl.  Eine  wichtige  Bestätigung 
bieten  die  Sprachen  der  Polynesier  (auf  Samoa,  Tahiti  usw.).  Des 
persönliche  Pronomen  hat  dort  einen  Dualis  und  Pluralis  ent- 
wickelt, jener  wird  durch  die  Zusammensetzung  mit  dem  Zahl- 
wort zwei,  dieser  mit  dem  Worte  für  drei  gebildet^.  Der  Plural 
ist  also  ein  richtiger  Trialis,  mit  anderen  Worten  :  die  Dreizahl 
ist  Ausdruck  der  Vielheit.  Die  melanesischen  Sprachen,  welche 
gleichfalls  einen  Dualis  nnd  Trialis  bilden  ^  unterscheiden  sich 
dadurch  wesentlich,  dass  neben  diesen  beiden  Zahlformen  auch  ein 
Plural  besteht  und  dass  dieser  die  Grundform  ist,  aus  welcher 
dnrch  Zusammensetzung  mit  Zahlworten  erst  Dual  und  Trial  ab- 
geleitet werden.  Doch  legen  auch  diese  Sprachen  uns  Zeugniss 
ab,  insofern  ihr  Trialis  keineswegs  auf  die  Dreizahl  beschränkt 
wird,  sondern  zur  Bezeichnung  einer  begrenzten  Vielheit  (zB.  der 
Anwesenden)  dient  und  daher  in  der  I  und  II  Person  meist  den 
Plural  vertritt^. 

6  Wir  konnten  feststellen,  dass  es  heute  noch  Völker  gibt^ 
welche  keine  Zahlbegriffe  über  die  Zwei  hinaus  entwickelt  haben, 
und  andere  denen  drei  die  höchste  Zahl  und  gleichbedeutend  mit 
viel  ist;  wir  haben  beobachtet,  wie  auch  solche,  die  sich  zu  dem 
decimalen  oder  vigesimalen  Zahlsjstem  erhoben  haben,  gleich- 
wohl in  dem  Ausdruck  für  die  Drei  das  Denkzeichen  der  langen 
Zeit  mit  sich  tragen,  in  welcher  sie  noch  nicht  über  zwei  zählen 
konnten.  Unausweichlich  ergibt  sich  die  Folgerung,  dass  es 
allen  Völkern,  auch  den  höchst  entwickelten  nicht  erspart  ge- 
wesen ist  diese  niederen  Stufen  geistiger  Entwicklung  zu  durch- 
laufen. Wir  stellen  uns  nur  mühsam  vor,  welche  Anhäufung 
geistiger  Arbeit  von  Jahrtausenden  uns  mit  der  Muttersprache 
als  Erbe  zufällt.  Das  verleiht  uns  kein  Recht  für  uns  und  unsere 
Verwandten     eine    Ausnahme     zn     beanspruchen.     Von     durch- 


1  F.  Müller  aO.  Π  2,  23  ff.  vgl.  WvHumboldt  Kawisprache  (Abh. 
d.  Berl.  Akad.  1832)  3,  807,  785  f. 

«  F.  Maller  aO.  II  2,  59  ff.  76  I  1,  114  vgl.  vdGabelentz  in  den 
Abh.  d.  Sachs.  Gesellsch.  ΠΙ  (1861)  25  f. 

»  vdGabelentz  aO.  S.  38  f. 


Dreiheit  '  361 

Rchlagender  Beweiekraft  würde  allein  eclion  die  Beobachtung 
(S.  35H)  sein,  daes  bei  den  Griecben  die  FUnfzabl  keine  Bedeutung 
erlangt  hat.  Unsere  Völkergruppe  ιηαββ  sehr  lange  anf  der  Stnfe 
verharrt  haben,  die  alle  ihre  Zahlen  noch  an  den  Gliedern  eines 
Fingers  ablesen  konnte,  wo  drei  und  viel  einerlei  war.  Der 
Fortschritt  zur  4  und  5  und  zum  dekadischen  System  muse  dann 
sich  rasch  und  unaufhaltsam  vollzogen  haben.  Die  Zwei  und 
Drei  hatten  sich  zur  Vor stel lungeform  gestalten  können:  die 
Periode,  in  der  man  bis  5  gelangt  war  und  noch  nicht  die  Finger 
der  beiden  HSnde  arithmetisch  überschaute,  war  zu  kurz  um  sich 
dem  Volksgeist  einzuprägen.  Ein  unmittelbares  Zeugniss  ent- 
halten jene  Formeln  und  Ausdrucke,  in  denen  die  absolute  Viel- 
heit sich  mit  der  Dreizahl  begnügt.  Wie  diese  Ansdrticke,  so 
müssen  auch  die  religiösen  Anwendungen  der  Dreiheit,  von  denen 
wir  ausgiengen,  als  Ueberlebsel  und  Nachwirkungen  der  Urzeit 
betrachtet  werden,  deren  Zählkunst  bei  drei  stehen  blieb.  Die 
Zweiheiten  bilden  eine  noch  ältere  Schicht.  Dass  sie  häufig  gute 
innere  Begründung  haben,  ist  kein  Beweis  dafür,  dass  sie  alle 
anders  entstanden  sein  müssten  als  durch  die  Analogetik  der  Zahl- 
form. Wäre  in  ihnen  durchweg  thatsächliche  Doppelheit  ausgeprägt 
gewesen  und  im  Bewusstsein  erhalten  worden,  so  hätten  sie  nicht 
den  Fortschritt  zur  Dreiheit  mitmachen  können,  den  wir  geradezu 
als  Eegel  aufstellen  konnten.  Anschaulich  tritt  uns  dieser  Fort- 
schritt vor  Augen  in  dem  echt  lateinischen  Ausdruck  für  drei- 
fach trigeminus  und  tergeminus,  dem  sich  das  in  der  Mark 
Brandenburg  übliche  'dreidoppelt  zugesellt.  Dass  diese  Anwen- 
dungen der  Zwei-  und  Dreizahl  ein  so  zähes  Leben  haben,  dass 
so  lange  immer  neue  Gebilde  ihrer  Art  entstehen,  noch  nach 
Jahrtausenden,  nachdem  die  Zählkunst  längst  über  die  ursprüng- 
liche Schranke  hinweggeschritten,  das  erklärt  sich  durch  die 
Dauerhaftigkeit  der  Form,  und  diese  Dauerhaftigkeit  steht  in 
naturgegebenem  Verhältniss  zur  Dauer  der  Zeit,  für  welche  die 
Form  den  Werth  der  höchsten  Zahl  besessen  hatte;  nur  muss  in 
Anrechnung  gebracht  werden,  dass  wie  beim  einzelnen  Menschen, 
so  wohl  auch  beim  Volk  die  Jugendeindrücke  die  tiefsten  und 
nachhaltigsten  zu  sein  pflegen.  Je  früher  und  tiefer  eine  Vor- 
stellung sich  einprägt,  je  länger  sie  Zeit  findet  sich  einzuleben, 
um  so  mehr  erhält  sie  die  Fähigkeit,  eine  Anschauungsform  zu 
werden,  womit  der  Geist  neues    sich  vermittelt.     Hier    liegt  die 

«  

Wurzel  wie  für  die  Metaphern,    die  Bilder,    die  mythischen  und 
novellistischen  Motive,    so  auch  für  die  Zahlen,    insofern  sie  als 


8B2  Usener  Dreifaeit 

VorstelluDgeformen  auftreten.  Der  Mensch  überkommt  die  Zahl 
mit  ihren  Anwendungen;  auch  wenn  nicht  er  selbst  schon  sie 
als  Form  handhabte,  würde  sie  ihm  dazu  durch  die  Analogie. 
So  kann  die  Form  um  Jahrtausende  die  Zeit  überdauern,  deren 
Nachklang  sie  ist;  ohnehin  gilt  für  alle  geistige  Form,  die 
Sprache  einbegriffen,  das  Gesetz,  dass  sie  erst  aus  dem  Zusammen- 
hang, in  dem  sie  gewachsen  ist,  gelöst  sein  muss,  um  freie  Form 
werden  zu  können.  Unendlich  lang  scheint  es  zu  dauern,  bis 
eine  solche  Form  im  Fortschritt  der  Zeit  überwunden  wird ;  sogar 
die  Zeit  des  Stillstands,  wo  zwar  die  überkommenen  Anwen- 
dungen fortdauern  aber  nicht  mehr  neue  geschaffen  werden,  ist 
schwer  zu  messen.  Unsere  Völkergruppe  hatte  schon  vor  ihrer 
Trennung  ein  dekadisches  Zahlensystem  bis  hundert  entwickelt. 
Und  noch  heute  halten  wir  in  zahlreichen  Wendungen  die  Drei 
als  allgemeinen  Ausdruck  der  Vielheit  hoch,  ja  VITendungen  wie 
'doppelt  genäht  hält  fester',  Moppelt  und  dreifach*  klingen  noch 
an  die  älteste  Werthung  der  Zwei  an.  Wann  die  Dreizahl  Form 
der  Vorstellung  zu  werden  anfieng,  wer  möchte  das  bestimmen 
wollen  ?  Und  doch  ist  diese  Form  in  vielen  Fällen  erst  im  VI 
bis  IV  Jh.  planmässig  durchgeführt  worden. 

Wir  können  bei  der  Erkenntniss,  die  wir  erreicht,  benihigt 
stehen  bleiben.  Denn  dass  in  einer  Menge  von  Fällen  die  Wahr- 
nehmung selbst  der  Vorstellung  die  Zweiheit  aufdrängte,  kann 
genügen,  um  alle  weitere  Entwicklung  mit  Hilfe  der  Analogie 
gesetzmässig  abzuleiten.  So  darf  ich  denn  von  dem  schon  zu 
lange  hingehaltenen  Leser  Abschied  nehmen.  Ich  thue  es,  indem 
ich  der  Freude  Ausdruck  gebe,  in  dem  Endergebniss  meiner 
Untersuchungen  mich  in  vollkommenem  Einklang  mit  H.  Diele 
zu  sehn,  der  im  Archiv  für  Geschichte  der  Philosophie  X  (1897) 
232  und  in  der  Festschrift  für  Th.  Gomperz  S.  8,  3  die  typische 
Geltung  der  Dreizahl  daraus  ableitete,  dass  sie  die  ^  ursprüngliche 
Endzahl  der  primitiven  Menschheit'  war. 

H.  U. 


Izte,  wobei  er  an  die  Stelle  dee  VaticanuB  n.  5772  dessen 
lege,  den  Taurinensie  F  IV  25,  eelzen  konnte.  So  war  ea 
m  möglich,  den  Text  Sauppee  von  den  vielen  nur  dem  LateranuR 
igenen  Flucti tigkeiten  ία  reinigen.  Er  ging  aber  weiter  nnd 
kehrte  dae  VerhtiUnieN  der  beiden  Hee-Klaeeen  um:  wie  Sanppe 
in  ZweifelariiDen  der  durch  den  Laterannn  vertretenen  nnter- 
italiachen  Elaeee  den  Vorzug  gegeben  hatte,  folgte  er,  ao  weit 
es  anging,  der  zweiten,  die  in  Bobbio  und  Mailand  localieirt  ist. 
Dabei  blieb  er  auch  in  seiner  Ausgabe'  atehen. 

Neuerdinga  bat  Tb.  Mommsen  die  Untereuchong  wieder 
aufgenommen,  Sauppes  Schätzung  der  Elasaen  gegen  Enöll  ver- 
tbeidigt*,  lucb  den  deatechen  Hei.  ihren  bescheidenen  Platz  im 
Apparat  angewieaen^  und  nach  den  so  feetgeal eilten  Grundsätzen 

>  ÄuoWre•  antiquiseimi  1 2  (Berolini  1877). 

*  Üas  Hsa.-Terhältnii»  der  Vita  ».  Sererini  des  Eugippiut  (Wiener 
S.-B,  XCV  M&ff.,  Wien  J879). 

»  C.  S,  E.  L.  Villi  2  (Vindobonae  1886). 

*  Eugippiana  I  (Hermet  XXXII  454  ff.)- 

Α  Eugippiaoa  II  (Hermaa  XXXIII  160  ff.). 


364  ν.  Winterfeld 

die  Vita    neu    heranegegeben  ^    mit  einem  fast  überreichen,    aber 
meisterhaft  bewältigten  Apparat. 

Gleichzeitig  erechien  eine  Abhandlung  von  R.  Schweizar', 
der  im  wesentlichen  Knolle  Principien  folgt»  aber  die  Mfinchener 
Hs.  wieder  zu  Ehren  bringen  will. 

Wo  sich  die  Ansichten  so  schroff  gegenüberstehen,  dürfen 
wir  kein  Hilfsmittel  der  Textkritik  unversucht  lassen.  Es  bleiben« 
soviel  ich  sehe,  noch  zwei  Instanzen.  Einmal  die  Textgeschichte, 
di.  in  diesem  Falle  die  Geschichte  des  grossen  Passionais,  worin 
uns  die  Vita  s.  Severini  allein  erhalten  ist;  diese  Untersuchung 
hätte  vielleicht  mit  der  Ausgabe  der  daraus  entnommenen  mero> 
wingischen  Heiligenleben  im  Rahmen  der  Mon.  Germ.  bist,  ver- 
knüpft werden  können:  es  ist  nicht  geschehen,  und  ich  meines 
Theils  bin  ausser  Stande,  dies  nachzuholen.  So  bleibt  der  Satz- 
schluss. 

Wie  W.  Meyer  schon  1893  ausgesprochen  hat^,  befolgt 
Eugippius  den  rhythmischen  Satzschluss.  Es  gilt  also  zu  unter- 
suchen, welche  der  beiden  Klassen  da,  wo  der  Satzschluss  die 
Entscheidung  giebt,  sich  als  zuverlässig  bewährt.  Die  regel- 
mässigen Clauseln  sind,  nach  der  Betonung,  aber  mit  gewissen 
Quantitätsresten : 

^w,  w-iw        cursus  planus, 

^vy,  v^-iww     cursus  tardus, 

-iww,  wo-i-w  cursus  velox, 

^w,  wo-iw     (meist  quantitirend,  als  iVa  Cretici). 
daneben    vereinzelt   in   schwachen  Pausen    etwa  die   dactjlischen 
Schlüsse  (^v^v^,  ±^  und  j.ww,  ±\jJ)  oder  ein  mehrsilbiges  Wort. 


Pag.  1,  14  Mommsen.  quae  cum  auctor  epistolae  pr<iefaiae 
rescissef,  \  animo  promptiSre  mandaviU  |  t<<  .  .  I  R  Mommsen,  was 
der  Vorliebe  des  Eugippius  für  den  Comparativ  entspricht*; 
prompto  remandavü  Π  Knöll,  bei  dieser  Quantität  mindestens 
sehr  bedenklich,  und  unpassend,  da  es  sich  um  keine  Antwort 
handelt,  sondern  ein  Briefverkehr  erst  angeknüpft  werden  soll. 

'  Scriptoree  rerum  Germanicarom  (Berolini  1898). 

^  Studien  über  das  Hss.-Verhältnise  der  Vita  s.  Severini  des  Abtes 
Eugippius  (Prager  Studien  aus  dem  Gebiet  der  Geschichtswissenechaft  I, 
Prag  1898). 

»  Gott.  gel.  Anz.  1893,  S   21). 

*  Knöll,  Hss.-V.,  S.  86;  Mommsen,  Eugippiana  I  467. 


Die  Handschriften  des  Eugippius  und  der  rhythmische  Saizschlass   365 

1,  22  rogarctiir  efficere  I  Mommsen;  eff teere  rogaretur 
II  Κ  Knöll :  beides  ist  rh>thuiiRch  tadellos,  aber  der  Carsus  velox 
verdient  als  solcher  vor  dem  tardus  den  Vorrang. 

2,  26  uhi  disciplinae  liberalis  ntUla  constrüctio,  |  nuUus  gram- 
matici  cultninis  decor  eaiUit  L  II  Mommsen  KnöJl;  ea^lstU  CG, 
existai  K,  die  deatechen  Uas.  schwanken  (meist  eatitit^  je  eine 
existit  and  eastat).  Das  an  sich  richtige  Klassenprinoip,  dase 
Uebereinstimmnng  einer  Klasse  mit  einem  Theile  der  andern  die 
La.  des  Archetypen  verbürgt^,  leidet  in  diesem  Falle  und  andern 
ähnlichen  eine  Ausnahme:  existU  und  extitit^  reUnquit  und  reli- 
quit  udgl.  werden  so  häufig  vertauscht,  dass  an  derselben  Stelle 
mehrere  Zeugen  einen  solchen  Fehler  unabhängig  von  einander 
begangen  haben  können,  exisiit  wird  vom  Rhythmus  gefordert, 
und  wer  die  ganze  Stelle  im  Zusammenhang  erwägt,  wird  das 
Präsens  schon  wegen  der  Analogie  von  iniervenil  und  suhicitur 
(2,  23)  vorziehen. 

3,  14.  Diese  Stelle  ist  besonders  wichtig,  weil  Mommsen 
sein  Urtheil  über  die  angebliche  Interpolation  der  zweiten  Klasse 
besonders  auf  die  hier  begegnenden  Abweichungen  stützt,  sane 
pßtria, '  de  qua  füerit  oriündiia^  \  fortasse  necessario  α  nobis  in- 
quiritur,  \  unde,  sicut  moris  est,  texendae  cuiuspiam  vitae  sumatur 
exordUtm,] 


de  qua  licet  me  fatear  nuUum 
evidens    habere    documentum, 


de    qua  me  fateor   nuUum  em- 

dens  habere  documenium.  \  fkim 

cum  multi  sacerdotes  usw.  tarnen  quid  hinc  ab  ineunte  ae- 

tate  cognoverim,  tion  tacebo.  \ 
cum  multi  igitur  sacerdotes  usw. 

Sauppe  meint  p.  XIV,  wenn  Eugippius  ab  ineunte  aelaie  bei 
Heverinus  gewesen  wäre,  so  würde  er  nicht  p.  1,  19  geschrie- 
ben haben  ex  notissima  nobis  et  cottidiana  maiorum  relatione. 
loh  kann  hier  trotz  Mommsens  Verdtct  ebensowenig  wie  Knöll 
8.  488  f.  einen  Widerspruch  finden.  Severinus  ist  um  482  ge- 
storben, Eugippius,  der  ihn  noch  gekannt  hat,  dagegen  erst  nach 
533;  da  kann  er  doch  um  480  noch  nicht  in  reiferen  Jahren 
gestanden  haben,  und  muss  andererseits  für  alles,  was  vor  der 
Bekanntschaft  liegt,  auf  andere  angewiesen  gewesen  sein.  Auch 
was  Mommsen  einwendet,  dass  die  folgende  Erzählung  keine 
Auskunft  über  Severins  üeimath  gebe,  sondern  nur  die  Unkennt- 

^  Mommsen,  Eugippiana  1  465. 
^  Eugippiana  1  456  f. 


366  ν.  Winterfeld 

nies  des  Eu^ippius  beweise,  verschlägt  nichts.  Sicheres  weiss  er 
nicht,  will  aber  ein  Gerücht  nicht  nnterdrücken :  zugegen  gewesen 
ist  er  schwerlich  bei  der  Abfertigung  des  Primenins  durch  den 
Heiligen.  So  bliebe  denn  nur  eines,  dass  nämlich  eine  Hs.  der 
II.  Klasse  licet  .  .  fateor  bietet;  aber  darin  yermag  ich  nur  einen 
zufälligen,  vereinzelten  Schreibfehler  zu  sehen,  nicht  einen  Rest 
des  Ursprünglichen.  Auch  wüsste  ich  nicht  zu  sagen,  wodurch 
der  Interpolator  bewogen  worden  sei,  die  Stelle  zu  erweitern. 
Ist  dagegen  die  längere  Fassung  echt,  so  mochte  der  gleiche 
Anfang  von  tarnen  und  tacebo  hier  Verwirrung  stiften;  ein  ähn- 
licher Fall  liegt  p.  7,  28  vor.  Der  Satzschluss  endlich  spricht 
durchaus  für  die  Echtheit:  cognovenm  non  tacibo  ist  ein  tadel- 
loser cursuR  velox.  Ob  hinc  richtig  ist,  ist  eine  Frage  für  sich. 
3,  20  wird  der  ausserordentlich  lange,  bis  dahin  pausenlose 
Satz  durch  eine  Satzech lussform  geschlosseni  die  ich  gedoppelten 
oder  gestützten  oursus  velox  nennen  möchte  und  die  in  solchen 
Fällen  gar  nicht  so  selten  ist:  nam  cum  muUi  .  .  vel  indlgenae 
vel  de  longinquis  ad  eum  regionibus  conftuintes  \  saepius  haesi- 
tarent]  darnach  sollte  Komma  stehen,  ehe  es  weitergeht  inier  se 
quaerenies  usw.:  Participien  dieser  Art  werden  so  losgelöst  vom 
Vorangehenden,  wie  ein  dieev^  udgl.  regelmässig  ausserhalb  des 
cursns  stehen,  einfach  weil  zweisilbige  Wörter  nicht  in  die  Stelle 
der  drei  besten  Schlüsse  passen.  Liest  man  nun  aber  wie 
Mommsen  mit  I  haeaitaverint  \  so  zerstört  man  gerade  die  zweite 
stärkere  Pause,  und  verdirbt  den  Ausdruck;  denn  der  Sinn  ver- 
trägt nur  das  Imperfeot  oder  Plusquamperfect. 

6,  2  in  oppido  quod  Ä'sturis  vocabatur  II  Knöil;  vocaiur 
I  Mommsen.  11,6  steht  zwar  das  Praesens  port^o,  quod  Äst%aris 
dicitury  oppido;  aber  12,  12  ad  proaimumy  quod  Comagenis  appel- 
labatur,  oppidum;  25,  9  schwankt  die  Ueberliefernng. 

7,  28    quod    8ignt4m    deinceps   aqua    penitus   non  e^xcedebat 

I  Mommsen;  quod  Signum  numquam  deinceps  aqua  pinitus  tx^ 
ccdebat  II  KnölI.  Hier  genügt  nur  IE  dem  cursus;  und  es  lässt 
sich  auch,  vom  cursus  ganz  abgesehen,  erweisen,  dass  die  La. 
von  I  auf  einer  argen  Interpolation  beruht.     Denn  es   ist  die  in 

II  aufbewahrte  richtige  La.  Signum  numquam  unzweifelhaft  ein- 
mal verderbt  worden  zu  Signum  quam;  dies  gab  keinen  Sinn, 
und  so  strich  man  das  störende  quam  aus,  vermieste  die  Negation 


'  Dass   hier  eine   Hb.   der    Π.    Klasse  mit  der  I.  geht,   beweist 
nichts;  ebenso  güht  umgekehrt  eine  der  I.  Klasse  mit  der  II. 


Die  Handscbrifien  des  £ugippius  und  der  rhythmisohe  Satzechlass    ^67 

ttnd  setzte  sie  da  ein,  wo  man  sie  zunächst  sucLt,  vor  dem  Ver- 
bum  exeedehaL  Auch  wenn  nur  dieser  eine  Fall  von  Interpolation 
der  I.  Klasse  anerkannt  wird,  muss  er  zur  Vorsicht  mahnen  und 
eine  einseitige  Ueberschätznng  dieser  Ueberlieferung  yerhindem. 

8,  32  de  leproso  mundatOt  qui  reverti  ad  propria^  ne  lepram 
peccati  incurreretj  evitavU  II  Knöll;  vUavit  I  Mommsen.  Auch 
sonst  sind  mehrmals  seltene  Wörter  dem  Satzschluss  zu  Liebe 
gesetzt  statt  des  Gewöhnlichen;  ich  nenne  6,  7  civücUulae  Favianis. 
34,  5  nuUatenus  adquUmt^  ebenso  43,  12  cdiquatenus  exhibiri  und 
54,  14  ntdlatenus  comtnendeUum  Κ  45,  2  incurreret  eaorasse,  wo 
Sulpicius  Severus  dial.  1,  20,  7  firtür  örässe  sagt,  und  ebenso 
43,2  lacrimabilUer  eaorare,  49,  11  attaminare  pertempies  (denn 
temptes  wurde  gegen  das  Grundgesetz  der  mindestens  zweisilbigen 
Senkung  Verstössen).     50,  18  vincla  diligere  (s.  u.). 

10,  4  indieta  signaoerit  II  Knöli  Mommsen ;  indicia  I. 

10,  15  quomodo  etiam  diem  transUus  sui  sancto  Lucülo 
pre^ytero  manifestius  indicaverit  I  (ausser  L),  Mommsen;  indl• 
carit  L,  indicavU  II  Kuöll.  Der  Indicatiy  steht  nirgends  in 
diesem  Eapitelverzeichniss  fest,  ob  er  gleich  ein  paar  Mal  dem 
Satzschluss  zu  Gute  kommen  würde:  8,  30  praemunivit  1  ausser  L; 
9,  19  lUieras  revocaverit.  So  wage  ich  ihn  auch  hier  nicht  zu 
empfehlen.  Wohl  aber  spricht  ausser  dem  cursus  auch  die  Ueber- 
einstimmung  des  Lateranus  mit  der  II.  Klasse  für  eine  viersilbige 
Form:  das  Richtige  wird  also  indicarit  sein,  woraus  sich  in 
einigen  Hss.  indicaf?erit^  in  anderen  indicavU  entwickelt  hat. 
Schade,  daes  wir  hier  nicht  die  Laa.  der  anderen  üss.  der 
I.  Klasse  haben,  die  an  den  Stellen  von  Mommsens  Specimen 
mehrfach  mit  L  gehen.  Wenn  ja  noch  eine  weitere  Bereicherung 
des  Apparates  wünsohenswerth  ist,  so  wäre  es  die,  dass  neben  L 
noch  eine  näher  mit  L  als  mit  KGG  verwandte  Hs.  träte. 

12,  13  hoc  barbarorum  intrinsecus  consistCfUium,  qui  cum 
Romanis  foedus  inierant,  custodia  serväbatur  artissima.  So  die 
Hss.  nnd  Ausgaben.  Aber  Mommsen  hat  mit  Recht  p.  XXXII 
die  Genitivformen  des  Participium  in  -ntum  verfochten,  und  wer 
einmal  erkannt  hat,  wie  Eugippius  an  zweien  der  vier  von 
Mommsen  beigebrachten  Stellen  (17,  23  insidiis  adversanium, 
36,  28  in  manibus  ministranlum;  wo  die  Ueberlieferung  beidemal 
schwankt)    diese  Form    dem  Satzschluss    dienstbar  macht,    wird 


1  Vgl.   F.  Schneider,   Studien  zu  Johannes  von  Victring,  Neues 
Archiv  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  XXVIII   17(>  Anm.  2. 


368  ν.  Winterfeld 

kein    Bedenken   tragen,    anob    hier,    wo  das  gewählte  intrinsecus 
den  cui'8U8  velox  empfiehlt^,  consistentum  zu  verbessern. 

14,  30  exeunles  igitur  in  secundo  müiario  super  rivum,  qui 
vocatur  Tiguniia^  praedictos  leUrones  invenerunt  I  Mommsen. 
Dieser  Rhythmus  ist  zwar  erlaubt,  aber  er  begegnet  meist  nur 
als  die  alte  metrieche  Form  von  IV2  Cretici  mit  Auflösung  der 
zweiten  Länge  des  ersten  (zB.  18,  22  vider^  cüpiebant).  Also 
wird  hier  mit  KnöU  nach  II  zu  schreiben  sein  kUrones  inveniutä. 
Das  Perfect  ist  vielleicht  doch  nicht  blosse  Versohreibnng ;  denn 
es  wird  zunächst  im  Perfect  weitererzählt,  sustideruni  und  addu- 
.vere,  ehe  mit  dem  Praesens  fortgefahren  wird  aüoquitur.  Dies 
adduaere  I  laommBen  (ctdduwerunt  II  SR  Knöll)  ist  allein  richtig; 
denn  diese  Formen  zieht  Kugippius  dort  vor,  wo  sie  ihm  dazu 
dienen,  die  'Scheiuprosodie'^  aufrecht  zu  halten,  die  durch  die 
Form  in  -rimt  zerstört  werden  wurde;  ich  führe  ein  paar  Bei- 
spiele an,  die  mir  gerade  zur  Hand  sind:  22,  12  reddidere  cap- 
ttvos,  25,  29  deposnere  languentis,  26,  19  habuere  consiniciam, 
39,  28  adiere  supplkiter. 

20,  i  quippe  cum  sibi  nullam  spem  promitterenf,  macerati 
diuturnis  ergasttdis  I  SR  Mommsen;  spem  vUae  promütereni  II 
Knöll,  mit  einer  erwünschten,  wenn  auch  nicht  unbedingt  nöthigen 
Nebenpause.  Dass  die  contaminirten  Hilfsklassen  SR  hier  die 
falsche  La.  bieten,  ist  nicht  befremdlich,  nachdem  wir  bei  (tädu- 
aere^  -runt  soeben  das  Gleiche  gesehen  haben;  sie  sind  eben 
werthlos  und  fuhren  ebenso  oft  in  die  Irre  wie  sie  dem  Richtigen 
eine  gewisse  Bestätigung  bieten:  man  kann  sie  ohne  Schaden 
ganz  vernachlässigen. 

20,  9  voniam  petitura  I  SR  Mommsen,  richtig :  das  auffallende 
Participium  futuri  gerade  des  cursus  wegen  gesetzt;  poscejts 
II  Knöll. 

22,  1  huic  quadam  die  praecepit  vir  dei,  \  dicens  I  R  Momm- 
sen; huic  qucuUim  die  praecepit  II  S  Knöll,  ebenfalls  corsus  planus, 
aber  besser,  weil  wir  so  nicht  genöthigt  werden,  Verletzung  der 
Scheinprosodie  anzunehmen. 


^  An  der  anderen  Belegstelle,  p.  13,  0  intrinsecus  jMhitantfs 
extSrritij  liegt  zwar  cursus  tardus  vor,  aber  es  ist  doch  sehr  zu  beachten, 
dass  auch  die  Verbindung  intrinsecus  iMhitanies  den  cursus  velox  er- 
geben würde,  freilich  mit  einer  missliebigen,  aber  von  Eugippius  nicht 
streng  gemiedenen  Quantität. 

8  W.  Meyer,  üött.  gel.  Anz.  1893,  S.  21. 


Die  Handscbriften  des  £agippiu8  and  der  rhythmisohe  Satzechluss  369 

28»  18  qutbus  tarn  laeta  solliciiudine  ministrabaty  \  ut  tunc  se 
crederet  tantümmodo  saturari  [vel  abundare  bonis  omnibus]^  \  quando 
videbat  egentum  corpora  snstentari.  Die  von  mir  eingeklammerten 
Worte  halte  ich  für  ein  Gloeeem.  Sie  zerstören  den  Satzschlase 
verwässern  den  prägnant  herausgearbeiteten  Gedanken  nnd  vor- 
rathen  sich  darch  ihre  Form;  denn  mit  vel  (geschrieben  /)  werden 
ja  Varianten  eingeführt.  Worte  von  der  Quantität  sätürari  sind 
im  oursus  velox  bei  Eugippius  selten,  aber  nicht  unerhört;  ich 
habe  mir  angemerkt  23,  23  predbus  adierunt.  36,  3  gladius  ini- 
micL  52,  8  diripcre  memmaia:  und  wenn  man  einwenden  wollte, 
dass  hier  die  alte  metrische  Form  ^s^w,  5iv_^  vorläge  (=  IV2 
Cretici),  so  gilt  das  nicht  für  17,  7  itiam  minimorum,  17,  20se- 
dibits  fugientes.     48,  13  solitudinem  redigSntur. 

28,  26  quod  mandatum  licet  cunctis  ex  lege  notissimum  stt^  \ 
(amen  qv(isi  ex  ore  angeli  praesenfis  audireni,  |  grata  devotione 
serväbant  I  (ausser  L) ,  8R,  Mommsen ;  sit  fehlt  L  II  Knöll. 
Beides  ist  möglieb,  dem  Sinne  nach  (obwohl  man  zweifeln  darf, 
ob  nicht  esset  angemessener  wäre)  wie  dem  Ehythmus  nach  (denn 
einsilbige  Formen  von  esse  bleiben  am  Schiasse  ausser  Ansatz^); 
die   Entscheidung  giebt  die  Uebereinstimmung  von  L  mit  Π. 

28,  31  aktcer  permaneret  I  SR  Mommsen;  maneret  II  EnöU. 

32,  10  bringt  Mommsens  Conjectur  ohne  Noth  eine  Ver- 
letzung des  Gesetzes  der  Scheinprosodie  hinein ;  weil  die  I.  Klasse 
etwas  Falsches  bietet  {ut  desertum  sicut  cetera  superiora  castella 
cultore  destituio  remaneat),  ändert  er  lieber  destitutum^  statt  aus 
der  doch  auf  jeden  Fall  unabhängigen  II.  Klasse  destituta  aufzu- 
nehmen. Uebrigens  Verstössen  auch  andere  Gonjecturen  mehrfach 
gegen  den  Satzschluss:  11,  7  Mommsen.  21,  13  Sauppe.  23,  32 
Sanppe  und  Hirschfeld.     24,  25  Sauppe.     27,  5  Hartel. 

39,  14  ist  abweichend  von  den  Ausgaben  zu  interpungiren : 
quapropfer  memorafi  cives  veniam  α  Christi  famulo  precäbantur, 
hutnilUer  confitentes  usw. 

40,  16  debeant  ordittari  I  SR  Mommsen,  richtig;  debent  II 
Knoll. 

43,  7  Bonosus  .  .  oculorum  inibecillitate  plurimum  praegra- 
vatus  I  medeiam  sibi  praestari  eins  oratione  poscebat  I  SR  Mommsen, 
während  Knöll  die  arge  Interpolation  aus  II  aufgenommen  hat 
oculorum  imhecilUtatem  plurimam  patiebatur  medelamque  ,  .  poscd>aty 
wodurch  der  Satzsuhluss  zerstört  wird. 


ι  W.  Meyer,  S.  2. 

Bhein.  Hu•,  f.  PhiloU  N.  F.  LVIIL  24 


370         ν.  Winter feld  Die  Handschriften  des  Eugippius  usw. 

50,  18  vincla  düigere  I  (ausser  L);  vincuJa  L  II  Enöll 
Mommsen.  Die  synoopirte  Form  ist  einmal  wegen  des  Satz- 
schluBses  aufzunehmen,  aber  auch  deswegen,  weil  es  von  vorne 
herein  viel  wahrscheinlicher  ist,  dass  aus  dem  Seltenen  das  Ge- 
läufige wird,  als  umgekehrt. 

55,  1Ί8.  Gegen  diese  nur  in  I  stehende  Partie  ist  vom 
SatzBchluss  aus  nichts  einzuwenden.  55,  4  wird  einmal  die  Schein- 
prosodie  verletzt  {corpus  transtret):  aber  das  kommt  hin  und 
wieder  auch  sonst  vor.  Gleich  darnach  würde  man  bei  se  duci 
rogat  eine  Pause  erwarten:  wenn  man  bedenkt,  dass  nachher  das 
Perfect  mdit  folgt  (vorher  heisst  es  freilich  interrogat)  und  hier 
das  Correctiv  der  II.  Klasse  fehlt,  wird  es  kaum  zu  kühn  er- 
scheinen, wenn  ich  hier  se  duci  rogavü  vermnthe.  55,  9  wird 
gaudiis  rettulerunt  zu  schreiben  sein,  nicht  r^tiUerunt, 

Ich  fasse  zusammen.  Wo  wir  an  dem  rhythmischen  Satz- 
schluBS  ein  Mittel  in  der  Hand  haben,  die  Ueberlieferung  za 
prüfen,  bewährt  sich  bald  die  eine,  bald  die  andere  Klasse,  bald 
die  oberitalienische  (II),  bald  die  am  Entstehungsort  verbliebene 
(I).  Es  ist  ungerechtfertigt,  eine  der  beiden  Klassen  als  die 
bessere  hinzustellen:  jede  hat  nicht  bloss  ihre  eigenthümlichen 
Schreibfehler,  sondern  auch  bare  Willkürlichkeiten,  und  wer  sich, 
so  weit  es  irgend  gehen  will,  einer  von  ihnen  anschliesst,  wird 
zwar  vieles  Richtige  aus  ihr  aufnehmen,  aber  nicht  weniger 
Falsches.  Die  Wahrheit  liegt  in  der  Mitte;  nur  eine  eclectische 
Kritik,  die  ohne  Yorurtheil  das  Gute  nimmt,  wo  sie  es  findet, 
kann  zum  Ziele  führen. 

Berlin.  Paul  v.  Winterfeld. 


WIE  SOLL  MAN  DIE  METRISCHEN 
KLAUSELN  STUDIREN? 


Das  Studium  der  metrisohen  Elansein  in  der  lateinischen 
Sprache  wurde  zuerst,  besonders  in  Frankreich,  nur  mit  Spott 
angenommeUj  und  als  eine  Nichtigkeit  behandelt;  zur  Zeit  hat 
es  sich  endlich  sein  Bürgerrecht  errungen.  In  Frankreich  wird 
ihm  von  den  Herren  Dr.  abbi  Bayard  und  Reno  Pichon  in  ihren 
Forschungen  über  Cyprian  ^  und  Lactanz^,  ein  Platz  eingeräumt;  in 
Deutschland  drückte  sich  Herr  Prof.  Skutsch  voriges  Jahr  in  fol- 
gender Weise  aus^:  'Nach  den  Darlegungen  W.  Meyers,  E.  Müllers, 
Nordens  ua.  sollte  eigentlich  jeder  Herausgeber  eines  lateinischen 
Prosaikers  die  Stellung  seines  Autors  zum  rhythmischen^  Satz- 
schluss  untersuchen'.  Darum  ist  es  von  Bedeutung,  die  Methode 
festzustellen,  welche  dabei  anzuwenden  ist;  sie  soll  überhaupt  nur 
eine  vorläufige  sein,  da  die  Bahn  kaum  gebrochen  ist,  welche 
sich  vor  uns  dank  dem  Studium  der  metrischen  Klauseln  geöffnet 
hat;  selbstverständlich  sehe  ich  gleichfalls  von  allen  oftmals  nur 
aus  W orter örterungen  bestehenden  Nebenfragen  ab,  welche  die 
Elisionen,  die  einsilbigen  Schlusswörter  usw.  betreffen. 

Jedoch,  ehe  wir  versuchen,  die  Methode  festzustellen,  müssen 
wir  zuerst  über  die  Frage  ins  Klare  kommen :  warum  studirt  man 
die  metrischen  Klauseln  der  lateinischen  Prosaiker?  Zunächst  um 
in  den  inneren  Bau  des  lateinischen  Satzes  besser  einzudringen; 
vor  allem  aber  um  dieselben  bei  der  Feststellung  der  Texte  zu 
Nutzen  zu  ziehen.  Wie  sich  Herr  Prof.  Dr.  Landgraf  so  richtig 
ausspricht^:  '  Was  aber  das  wichtigste  ist,  wir  haben  in  diesem 

1  Lt  XaXin  de  Saint  Cyprien,  S.  298-307. 

2  Lactance,  S.  439  f. 

«  Philologus,  1902,  S.  193. 

^  Oder,  besser  gesagt,  *zum  metrischen  Satzschluss*. 
*  Iw.  Müller,   Jahresber.  ü.  d.  Fortschr.  d.  class.  ÄUerthumsw., 
1902,  S.  85.    Vgl    gleichfalls  Kroll,  Berliner  philol  WocK  1903,  S.  207. 


372  Bornecque 

Elauselgeeetz  ein  nenee  ^Arbeiteinstrument*  erhalten,  das  .... 
der  Textkritik  ein  nicht  zu  unter-  (aber  auch  nicht  zu  über-) 
schätzendes  Hilfemittel  bilden  wird  und  muee*.  Pae  Studium  der 
Klauseln  βυΐΐ  uns  also  in  den  Stand  setzen,  hinsichtlich  eines 
Autors,  der  sich  metrischen  Regeln  unterwirft,  diejenigen  Klauseln 
aufzufinden,  welche  nicht  in  die  metrischen  gehören,  und  dadurch 
den  Text  als  entstellt  und  korrekturbedürftig  kennzeichnen.  Wie 
kann  man  es  aber  zu  Stande  bringen,  mit  Sicherheit  und  so  zq 
sagen  mathematisch  zu  bestimmen,  welche  Klauseln  metrisch  und 
welche  unmetrisch  sind.  Das  ist  es  eben,  was  ich  hier  untersuchen 
möchte.  Meine  werthen  Leser  mögen  es  gefällig  nicht  übersehen; 
sonst  könnten  ihnen  einige  der  weiter  unten  entwickelten  Be- 
merkungen als  unberechtigt  erscheinen. 

Bei  der  Betrachtung  der  Forschungen  derjenigen  Gelehrten, 
die  sich  mit  dieser  Frage  befasst  haben,  fällt  sogleich  ein  Haupt• 
unterschied  ins  Auge.     £s  stehen  zwei  Schulen  einander   gegen- 
über.    Die  Anhänger  der  ersteren,  welche  Wuest  begründete  und 
Havet    beförderte,    achten  auf  die  metrische   Form  des    Schluss- 
Wortes  und   auf  den   Finfluss,    den    es    auf   die    vorhergehenden 
Wörter  ausübt.     Sie    bringen    alle  Beispiele    zusammen,     welche 
Wörter  von  gleichem  metrischen  Typus  am  Satzschluss  betreffen, 
und  untersucheui  welche  Füsse  ihnen  vorangehen.    Ihnen   besteht 
eine  Schrift  aus  metrischer  Prosa,  sobald  die  metrische  Form  des 
vorletzten  Wortes  durch  die  metrische    Form    des  Schluss wertes 
veranlasst  wird.    Dieser  Methode  wird  zweierlei  entgegengehalten: 
erstens  ist  sie  zu  sehr  complicirt  ^ ;  zweitens  wird  deren  Anhängern 
vorgeworfen,  dass  sie  bei  deren  Anwendung  'ne  gonoralisent  pas 
assez  et  offrent  souvent  de  simples  statistiques^  ^.     Die  Vorwürfe 
möchte  ich  unbeantwortet  lassen ;  man  steht  immer  in  Verdacht, 
wenn  man  seine   eigene  Sache,     wäre   es    auch    nur  anscheinend, 
vertheidigt.    Ich  will  sogar  bekennen,  diese  Methode  sei  scheinbar 
complicirt,  und  könne  vielleicht,  durch  ihren  manchmal  mathema- 
tischen Anblick,  die  Leser  verscheuchen. 

Ihr  steht  die  zweite  Methode  grundverschieden  gegenüber. 
Nach  ihren  Anhängern  gibt  es  eine  gewisse  Anzahl  von  Formen, 
welche  je  nachdem  sie  an-  oder  abwesend  sind,  die  Geg^enwart 
oder  die  Abwesenheit  metrischer  Klauseln  bei  einem  bestimmten 


*  Gurlitt,  Bursians  Jahresbericht, Bd.  105, S.  180 .-'erschreckend« 
Complicirtheit*. 

^  De  Jonge,  La  clausuk  oratoire  cPaprhs  Saint  Cyprien^  S.  6. 


Wie  soll  man  die  metrischen  Klauseln  stiidiren?  373 

Scbriftsteller  nacli  sicli  ziehen.  *Nur  diejenigen  Schrifteteller 
beobachten  den  rhythmischen  Satzschluss* ,  eo  schreibt  Ed.  Norden  \ 
'bei  denen  die  ursprünglichen  Formen  der  Klausel  (ohne  auf- 
gelöste Längen,    ohne    irrationale  Längen    für  Kürzen),    nämlich 

«w w',  -»^--wv^r",  -w-i>,  weitaus  überwiegen*.     Dieser  Theorie 

schliesst  sich  endgültig  auch  Skutsch^  an,  wenn  er  sich  über  den 
Favonius  folgender  Weise  ausdrückt:  'Fe  wäre  leicht  zu  ersehen 

gewesen ,    dass    Favonius die    drei    Formen    Dicretious 

(_^ w-)',   Creticus  +  Trochäus,    Ditrochäus  oder   Dispondeus 

(möglichst  mit  vorausgehendem  Creticus)  anwendet'.  Jenen  drei 
Typen  fügt  endlich  J.  Wolff*  einen  vierten  hinzu:  «w-w-,  nach 
Skutscbs  Beispiel  ^  und,  gleichfalls  wie  letzterer,  nimmt  er  Auf- 
lösung der  Längen  an;  nach  Wolff^  wären  also  die  metrischen 
Typen  echliesslich  folgende: 

A:     1  «.w-  «^^ 
2 rv 

3  wv^w-  *^  (vgl.  5) 
B:     4  -o» «^ 

5  -w^w-  «V»  (vgl.  2) 

6  www——  •'^ 

7  «ww «^ 


C:     8  -w— 


w— — w 


rx• 


9 w 

10  — www— w  *'^ 
XX  www  — — w  *"^* 
12    «.ww  — — w    *'^ 

D:  13  -w-w  »^ 

14    „ww-w    •^*^ 

Daraus  folgt,  wie  man  sehen  kann,  daes  Norden,  Skutsch 
und  Wolff  sich  darauf  beschränken,  die  Verbindungen  der  Längen 
und  Kürzen  in  Betracht  zu  ziehen,  indem  sie  die  Art,  wie  die- 


*  Die  metrische  Kunstprosay  S.  930. 
«  PhOologus,  1902,  S.  193. 

β  Hinsichtlich  der  Formen:  aüstiHerdt  dolorem  u.  aique  orhJStnm 
ten^et,  schreibt  May  (ArehiO,  XII  S.  594) :  'Metrisch  ist  kein  unter- 
schied, ob  davor  ein  Kretious  oder  Molossus  steht*. 

*  De  dausulis  Ciceronianis,  S.  584. 

^  Bursians  Jahresbericht,  Bd.  105,  S.  180. 

*  Op.  dt,  S.  584  u.  592. 

^  Das  Zeichen  «χ»  bedeutet  eine  Oemeinsilbe. 


374  Bornecqne 

selben  anter  die  Wörter  vertheilt  sind,  als  blosse  Nebensache 
aneeben.  Ich  sehe  von  der  Frage  ab,  ob  die  Texte  der  alten 
Grammatiker  ein  solches  Verfahren  zulassen ;  ich  möchte  nur 
nntersnchen,  ob  alle  in  dieser  Liste  enthaltenen  Klanseln  metrisch 
sind,  and  amgekehrt  ob  alle  metrischen  Klauseln  darin  ent- 
halten sind. 

1.  Sind  alle  in  dieser  Liste  enthaltenen  Klauseln 
metrisch?  Dem  2.  Typus  wird  niemals  begegnet;  so  oft  die 
Schriftsteller  am  Satzschluss  einen  Dispondens  gebrauchen  müssen, 
lassen  sie  ihm  einen  Trochäus  oder  einen  Creticus  vorangehen^; 
übrigens  vermeiden  sie  solche  Wörter:  in  der  gewöhnlichen 
Sprache  sind  sie  im  Yerhältniss  von  2,1%  vorhanden.  Im  Brutus 
findet  man  deren  nur  0,5  %,  bei  Minucius  Felix  nur  0,7  %.  Die 
metrischen  Schriftsteller  bieten  gleichfalls  kein  Beispiel  des 
7.  Typus  dar. 

Zweitens  können  jene  Klauseln,  welche  manchmal  aus  sieben 
auf  einander  folgenden  Silben  bestehen,  nicht  immer  durch  ein 
einziges  Wort  gebildet  werden;  die  darin  vorhandenen  Silben 
werden  gewöhnlich  unter  mehrere  Wörter  vertheilt^.  Die  1.  Klausel 

zB.  kann  abgeschnitten  werden,  wie  folgt:    .^  || ,    oder:     _ 

^ Aber  alle  sich  aus  den  verschiedenen  möglichen  Cäsaren^ 

ergebenden  Formen  sind  nicht  nothwendig  metrisch.  Indem  ich 
nur  fünf  Werke  oder  Werkgruppen  verschiedener  Gattung  und 
Zeit  in  Betracht  ziehe,  nämlich :  Orator,  sieben  Reden  des  Cicero 
(De  imperio  Cn.  Pompei,  Pro  Murena,  Pro  Archia,  Pro  Marcello, 
Pro  Ligario,  Pro  Rege  Oeiofaro,  Philippica  i),  Epitoma  des 
Florus,  Ociavius  des  Minucius  Felix,  Relationes  des  Symmachus, 
gelange  ich  zu  den  folgenden  Ergebnissen: 

1  _w  II  -  «>^         Vermieden  von  Minucius  Felix;  zweifelhaft  bei 

Symmachus. 
3  www  II  -  •^      Vermieden  von  Minucius  Felix  und  Symmachus. 
ww  II  w-  «^  id. 

.  II  .  <x»   Erscheint  weder   in   den  Reden,    noch    bei  Mi- 
nucius Felix  oder  Symmachus. 

www  II «^    Erscheint   weder  im  Brutus  noch  bei  Minucius 

Felix;  selten  bei  Symmachus. 


www. 


1  Eine  von  Kroll   aufgestellte  Kritik,   in   seiner  Recension   über 
Wolffs  Werk,  Berliner  phüol   Woch,,  1903,  S.  205. 

2  Wolf,  op.  et*.  S.  599. 

'  Vgl.  eine  ähnliche  Kritik  in  E.  de  Jonge,  op.  ett.,  S.  6  f. 


Wie  soll  man  die  metriechen  Klauseln  städiren?  375 

wo||w «^  Vermieden  von  Minuciue  Felix  und  Symmaohns. 

9  —  ll-w.  id. 

„||„w-  id. 

10  -wwo»-  II  w-  Erecbeint  weder  in  den  Beden,  noch  bei  Minucine 

Felix  oder  Symmaohne. 
— vv-zwll  — w—  ifl• 

-ww  II  w-w-    Erecheint  niemals. 

11  www- II  .w~    Vermieden  von  Minucine  Felix  und  Symmaohns. 

12  -ww-  II  -w-   Vermieden  von  Florns,  Minuciue  Felix  und  Sym- 

maohns. 
-ww|| — w-    Vermieden  von  Minnoius  Felix  und  Sjmmachus. 

13  -w-  II  w-         Vermieden  von  Minuciue  Felix. 

-w  II  .w-         Vermieden  von  Florus,  Minnoius  Felix  und  Sym- 

macbus. 

14  .ww  II  -.w-      Erscheint  weder  in  den  Reden,  noch  im  Brutus^ 

noch  bei  Minnoius  Felix  oder  Symmaohns. 
-w  II  w-w-  Erscheint  niemals. 
Endlich  manche  ans  dieser  Liste  sich  ergebenden  Bestimmungen 
sind  zwar  nicht  unrichtig,  doch  unvollständig.  Was  den  1.  Typus 
betrifft,  wenn  die  ihn  bildenden  Silben  in  -  ||  w vertheilt  wer- 
den, so  ist  die  Klausel  bei  Symmachus  nur  dann  metrisch,  wenn 
der  ersten  Länge  eine  andere  Länge  vorangeht:  sie  erecheint 
nicht  am  Schluss  eines  Cretious  oder  Choriambus.    Ebenso  werden 

die    Schluss  Wörter    des  Typus  .^ von    Florus    oder  Minuciue 

Felix  mit  Vorliebe  gebraucht,  da  dieselben  bei  ihnen  im  Ver- 
hältnies von  9,3%  und  21,4%  zu  finden  sind,  während  die 
Sprache  deren  nur  3,2%  darbietet;  jedoch  dürfen  ihnen,  zB.  im 
Octavit$s^  nur  ein  Spondeus,  ein  Creticus,  ein  Choriambus  oder  ein 
Daktylus  vorangehen.    Und  gleichfalls,  wenn  die  4.  Klausel  unter 

der  Form  -.||w erscheint,    sorgt  Minuciue  Felix  dafür,    dass 

die  erste  Länge  den  Schluss  eines  Spondeus  oder  einee  Cretious 
bilden  eoU;  noch  strenger  verfährt  Symmaohns,  indem  er  den 
Spondeus  ausschliesst.  Was  endlich  den  13.  Typus  anbetrifft, 
wenn  er  von  den  Schriftstellern  unter  der  Form  -w-  ||  w-  oder 
.w  II  .w-  gebraucht  wird,  so  wird  dafür  gesorgt,  dass  der  ersten 
Länge  entweder  eine  andere  Länge,  oder  seltener  ein  Daktylus 
vorangeht. 

2.  Enthält  diese  Liste  sämmtliche  metrische 
Klauseln?  Es  soll  zuerst  die  Abwesenheit  aller  Klauseln  fest- 
gestellt werden,  deren  Schluss  aus  Wörtern  dee  Typus  videar 
und  poUiceor  besteht.     Sie    bilden    aber   ungefähr    den    zwölften 


376  Borneoque 

Theil  der  Gesammtzahl  der  Klaneeln,  abgesehen  von  den  Wörtern 
mit  fünf  oder  mehr  Silben  ^  Sollte  man  mir  einwenden,  daes 
man  sie  durch  Auflösung  der  Längen  von  den  Typen  1,  2,  3,  4, 
6  und  7  herleiten  kann,  so  möchte  ich  darauf  antworten,  dass 
selbst  bei  dieser  Betrachtungsweise  die  Klauseln  2  und  7  keine 
metrischen  sind.  Hinsichtlich  der  anderen  gibt  es  zu  unter- 
scheiden: die  Münze  des  Typus  1  -w  |Κ^  *^  wird  von  Minucius 
Felix  vertrieben,  und  erscheint  selten  bei  Symmachus;  von  der 
Münze  des  3.  Typus  ^^w  ||  ww  «^  finden  sich  nur  einige  Beispiele 
bei  Symmachus;  endlich  erscheint  die  Münze  des  6.  Typus  www-; 
ww  «^  weder  im  Brutus,  noch  bei  Minucius  Felix.  Wenn  wir 
übrigens  diese  Auflösung  der  Längen  annehmen,  welchen  Platz 
könnte  man,  in  der  oben  erwähnten  Liste,  den  folgenden  Klauseln 
einräumen:  teniöriüm  ßrünt  (tO  Mal  im  BrutuSy  30  bei  Florus). 
ftümnüflrls  ftrüntür  (10  Mal  im  Brutus^  7  bei  Florus),  flUös 
audirent  (8  Mal  im  Brutus^  8  bei  Florus),  ftUis  pöUiceor  (5  Mal 
bei  Florus),  flUis  andinunl  (8  Mal  im  Brutus  ^  17  bei  FloruB», 
flümmif^rös  aüdlmint  (15  Mal  im  BrutttSy  9  bei  Florus),  um  von 
den  verhältnismässig  seltenen  Fällen  nichts  zu  sagen.  Kurz, 
wenn  man  sich  der  oben  angezeigten  Unrichtigkeiten  erinnert*, 
so  wird  man  constatiren,  dass  unter  1246  mit  ein-,  drei*  oder 
viersilbigen  Wörtern  schliessenden  metrischen  Klauseln,  die  man 
bei  Florus  aufzeichnet,  nur  864,  dh.  69,4%,  in  der  von  mir  oben 
erörterten  Liste  stehen;  für  den  Ociavius  sind  die  Zahlen  363 
und  642,  dh.  67%. 

Die  Antwort  auf  die  beiden  Fragen  ist  also  eine  negative. 
Diese  Liste  enthält  eine  gewisse  Anzahl  von  Klauseln,  die  nie- 
mals oder  wenigstens  nicht  bei  allen  Schriftstellern  metrisch  sind ; 
und  wenn  man  sogar  alle  Längen  auflöst,  gibt  es  noch  einige 
metrische  Klauseln,  die  darein  nicht  gehören. 

Es  Hessen  sich  nämlich  durch  zweierlei  Rücksichten  die- 
jenigen führen,  welche  dieser  Methode  huldigten.  Sie  gehorchten 
zunächst  dem  Wunsch,  einfache  Gresetze  aufzubauen ;  es  gibt  that- 
sächlich  nichts  einfacheres,  als  das  Norden'sohe  Gresetz,  ob  es 
gleich  etwas  complicirter  wird,  wenn  Wolff  es  anwendet ^  dessen 
Formeln  jedoch  und  Tafeln  leicht  verständlich  sind.  Man  hat  es 
sogar  weiter  gebracht,    als  Norden:    W.  Meyer  will    sämmtliche 


^  Vgl.  de  Jonge,  op,  ctt.,  S.  21. 

8  VgL  S.  375. 

^  Vgl.  de  Jonge,  op.  cit,  S.  9. 


Wie  soll  man  die  metrischen  Klauseln  studiren?  377 

Klauseln  durch  den  Greticus  erklären,  und  Zielinski^  führt  sie 
alle  auf  eine  einzige  typiRche  Klausel  zurück.  Zwar  ist  die 
Absicht  lobenswerth;  leider,  wie  es  öfters  vorkommt^  wenn  man 
zu  sehr  vereinfacht,  wird  die  Sache  zu  sehr  verallgemeinert,  und 
die  erreichten  Schlüsse  werden,  mehr  oder  weniger,  durch  die 
Thatsachen  widerlegt. 

Zweitens  gingen  Norden,  Skutsoh  und  deren  Schüler  Wolff 
von  der  Idee  aus,  die  Gesetze  der  metrischen  Klauseln  seien  für 
die  Römer  zur  Zeit  Ciceros  festgesetzt  worden,  und  immer  sich 
selbst  identisch  geblieben:  'Norden  hat  nach  E.  Müllers  und  W. 
Meyers  Vorgang  als  die  zuerst  von  Griechen,  dann  von  Römern, 
namentlich  von  Cicero  und  fortan  durch  mehr  als  ein  Jahr- 
hundert gebrauchten  Schlüsse   die  Formen erwiesen'^. 

Nun  weichen,  wie  wir  es  angezeigt  haben,  die  von  Florus  be- 
folgten Gesetze  von  denjenigen  ab,  die  Symmachus  anwendet, 
und  die  metrischen  Klauseln  der  Reden  Giceros  sind  nicht  ganz 
die  nämlichen  wie  im  Brutus.  Noch  mehr:  es  gibt  Unterschiede 
zwischen  dem  Brutus  und  aemOrator^.  Im  Brutus  gehen  einem 
Wort  des  Typus  ferantur  gleich  gültig  Spondeen,  Choriambi, 
Daktyli,  4.  Päonen  oder  Cretici  voran:  im  Orator  trifft  man  nur 
auf  Spondeen  und  4.  Päonen.  Im  Brutus  ist  der  Greticus  vor 
Schlusswörtern  des  Typus  audirent  zulässig;  im  Orator  wird  er 
ausgeschlossen.  Im  Orator  steht  der  erste  Päon  vor  Schluss- 
wörtern des  Typus  videantur;  es  findet  sich  kein  Beispiel  im 
Brutus;  umgekehrt  in  letzterem  Werke  ist  der  Trochäus  vor  einem 
Schlussdispondeus  zulässig,  nicht  aber  im  Orator.  Dies  kann  also 
nicht  bezweifelt  werden:  die  Gesetze  der  metrischen  Prosa  sind 
nicht  immer  dieselben  geblieben,  und  Prof.  Dr.  Havet  schrieb  mit 
Recht  in  seinem  Werk  über  La  prose  tnetrique  de  Symmaque^i 
'De  Gicoron  ä  Pllne,  de  Pline  a  Symmaque,  la  prose  motrique  a  du 
se  modifier  par  nne  sorie  d'appauvrissements'.  Ist  jenes  Verarmen 
ein  beständiges  gewesen?  Ich  möchte  es  nicht  behaupten;  eins  ist 
aber  sicher,  nämlich,  däss  Verschiedenheiten  bestehen,  nicht  bloss 
von  dem  einen  Schriftsteller  zum  andern,  sondern  auch  bei  dem- 
selben Schriftsteller,  von  dem  einen  Werke  zum  andern,  je  nach 
der  Gattung  oder  der  Zeit  der  Entstehung.    Es  müssen  also  —  und 

1  Deutsche  Litter aturzeitung,  1901,  S.  1558. 
^  Skutsch,   von  Gnrlitt   citirt,   Bursians  Jahresbericht  ^   Bd.  105, 
S.  178-179. 

«  Vgl.  Krolle  Anmerkung,  l  l  S.  205. 
*  8.  100,  §  222. 


378  ßornecqae 

dies  iet  der  erste  Schluee,  zu  welchem  wir  gelangen  —  die  ver- 
schiedenen Werke  einzeln  studirt  werden:  jedoch,  wenn  es  sich 
um  eine  seltene  Form  des  Schluseworts  handelt,  wie  zB.  der- 
jenigen des  Typus  memoriamf  ferentibus,  oder  mancher  ffinfeilbiger 
Wörter,  80  ist  es  rathsam  —  aber  nur  in  diesem  Fall  — , 
die  erreichten  Resultate  mit  denjenigen  zu  vergleichen,  die  aus 
dem  Studium  der  anderen  Werke  desselben  Autors  entstehen, 
oder,  wenn  keine  anderen  von  ihm  vorhanden  sind,  der  Werke 
gleichzeitiger  Autoren. 

Damit  fertig,  entsteht  nun  eine  zweite  Frage.  Darf  man 
bei  einem  Werke  sich  mit  einigen  willkürlich  gewählten  Stellen 
begnügen,  oder  mnss  man  dessen  sämmtliche  Satzsohlüsee  unter 
suchen?  Die  Antwort  kann  nicht  zweifelhaft  sein.  Will  man  sich 
mit  einigen  Stellen  begnügen,  so  läuft  man  Gefahr,  anfechtbare 
Ergebnisse  zu  erlangen.  Der  1.  Päon  ist  zB.  im  Inneren  dei 
Satzes  verhältnissmässig  Gelten  (25  ^/oo);  ebenfalle  der  4.  PäoD, 
dem  eine  Länge  vorangeht  (33Voo)•  Gewisse  Sohlusswörter  vor 
denen  sie  stehen,  die  des  Typus  audi  zB.,  werden  von  den  Autoren 
nicht  besonders  gebraucht:  in  der  Epitoma  des  Florus  zB.,  einem 
Werke  von  mittlerem  umfang,  gibt  es  deren  82  Beispiele  für 
1236  zwei-,  drei-  und  viersilbige  Satzschlüsse.  Unter  diesen 
Umständen  zeigt  eine  sehr  einfache  mathematische  Berechnung, 
dass  man  regelmässig  2  erste  Päonen  oder  3  vierte  PSonen  mit 
einer  vorangehenden  Länge  finden  muss.  Wenn  man  aber  nicht 
das  ganze  Werk  untersucht  hat,  wie  kann  man  behaupten,  der- 
artige Ftisse  seien  darin  nicht  zu  entdecken,  und  der  Autor  habe 
sie  also  vermieden?  Zweitens,  aus  gewissen,  oft  zufälligen  Um- 
ständen, folgt  es,  dass  man  in  einem  ganzen  Theil  einee  Werke« 
keinem  Beispiel  von  Satzschlüssen  oder  Wörtern  mit  einer  ge- 
wissen metrischen  Form  begegnet,  oder,  am  vorletzten  Platz,  von 
gewissen  Füssen,  welche  doch  vom  Autor  mit  Vorliebe  gebraucht 
werden.  In  den  ersten  10  Kapiteln  des  Octavius  gibt  es  zB.  am 
Satzschluss  keine  Wörter  des  Typus  audi,  während  den  Schluee• 
Wörtern  des  Typus  audirenl  niemals  ein  1.  Päon  vor  dem  §  8 
des  12.  Kapitels  vorangeht,  was  jedoch  im  ganzen  Werke  27  Mai 
vorkommt.  Man  könnte  also  sehr  leicht  unvollständige  oder 
falsche  Schlüsse  ziehen,  wollte  man  sich  mit  den  ersten  10  Ka- 
piteln des  Octavius  zufriedenstellen.  Uebrigens  geschieht  es  nicht 
selten,  dass  ganze  Theile  eines  Werkes  in  metrischer  Prosa  ge- 
schrieben sind,  andere  aber  nicht,  zum  Beispiel  weil  der  sonst 
seine  Klauseln  metrisch  schliessende  Autor  eine  Quelle  nachahmt 


Wie  soll  man  die  metrischen  Klauseln  studiren?  379 

wo  die  Gesetze  der  metriecben  Klauseln  keine  Anwendung  ge- 
funden haben.  Aus  der  Abwesenheit  oder  Gegenwart  der  me- 
trieohen  Klauseln  konnte  Herr  Dr.  Paul  von  Winterfeld  ^,  bei  der 
Untersuchung  der  in  der  Historia  Augusfa  enthaltenen  '  Vita 
Jladriant,  genau  bestimmen,  was  von  Marius  Maximns  entlehnt, 
was  hingegen  Wort  für  Wort  aus  einer  lateinischen  Autobiographie 
abgeschrieben  worden.  Man  kann  unmöglich  solche  Schlüsse  er- 
langen, die  so  viel  Neues  bringen  und  von  so  grosser  Bedeutung 
für  die  Litt eraturgesch ich te  sind,  wenn  man  seiner  Untersuchung 
nur  einen  Theil  des  Werkes  unterwirft. 

Welche  Klauseln  sollen  in  dem  betreffenden  Werke  skandirt 
werden  ?  Muss  man  sich  mit  den  Satzschltlssen  begnügen,  dh.  mit 
den  durch  eine  starke  Interpunktion  .  ;  :  ?  !  bezeichneten  Sinn- 
abschnitten? oder  ist  es  vorgeschrieben,  auch  die  Klauseln  in  Be- 
tracht zu  ziehen,  denen  nur  ein  Komma  folgt?  Zunächst  kann 
man  im  Voraus  nicht  wissen,  ob  alle  lateinischen  Schriftsteller, 
welche  ihre  Sätze  mit  einem  metrischen  Schlues  versehen,  sich 
um  die  Abschnitte  gleiche  Ifühe  gaben.  Will  man  noch  dazu 
erwägen,  dass  für  eine  einzige  Stelle  die  Anzahl  der  Abschnitte 
von  einer  Ausgabe  zur  anderen  nicht  die  nämliche  bleibt,  selbst 
wenn  die  Ausgaben  von  Männern  gleichen  Stammes^,  noch  mehr 
wenn  die  eine  von  einem  Franzosen,  die  andere  von  einem 
Deutschen  herrührt,  so  wird  man  gleich  einsehen,  dass  die  Sta- 
tistiken nur  auf  die  Satzsohl  üsse  aufgebaut  werden  dürfen.  Letz- 
tere sogar  sind  leider  nicht  immer  ganz  sicher  festgestellt:  es 
kommt  Öfters  vor,  dass  eine  Verletzung  der  Gesetze  der  metrischen 
Klauseln  dadurch  verbessert  wird,  dass  an  die  Stelle  der  bis 
jetzt  angenommenen  starken  Interpunktion  eine  schwache  tritt. 
Darum  ist  es  noth wendig,  so  oft  es  möglich  ist,  für  die  Briefe^ 
zB.  wie  es  überhaupt  Prof.  Havet  in  seinem  Symmachus  gethan 
hat,  zunächst  die  Briefschlüsse  zu  untersuchen,  von  denen  man 
mit  Sicherheit  annehmen  darf,  dass  sie  aus  Satzsohltissen  be- 
stehen, und  nur  dann  die  Satzschlüsse  vorzunehmen.  Hat  man 
die  metrischen  Gesetze  einmal  aufgestellt,  welche  der  betreffende 
Autor  im  untersuchten  Werke  anwendet,  so  fragt  man  sich,  ob 
er  sich  ihnen  auch  am  Schlues  der  Abschnitte  unterworfen,  und 
man  kann  mit  deren  Hülfe  die  Interpunktion  genau  bestimmen. 
Wollte  man  anders  verfahren,  so  würde  man  sich  der  Versuchung 


1  Bhein.  Museum  1902,  S.  549—555. 
9  Havet  op.  dt  S.  24  §  39. 


380  Bornecque 

auesetzen,  einen  Abechnitteecblofie  da  zu  ÜDden,  wo  ein  metriecber 
Satzechlnee  steht ;  man  würde  zu  Sclilüenen  gelangen,  die  vor  der 
Prüfung  der  Thateachen  nicht  immer  Stand  halten*. 

Es  bleibt  nnr  noch    eine  Frage    za    erörtern.     Sämmt liehe 
SatzBchlüeee  sind  ekandirt  worden;   man   hat    die    yerechiedeneD 
Ftisee  notirt,  die  man  vor  den  verschiedenen  Typen  des  Schluse- 
wortes  findet,  und,  für  jeden  Fall,  die  Beispiele  aufgezählt.  Dürfen 
alle  notirten  Verbindungen  für  metrisch    gehalten   werden?    Sind 
sie  vom  Schriftsteller   absichtlich    gebraucht   worden,   oder   kann 
man  sie  nur  aus  dem  häufigen  Vorkommen  der  Wörter  im  Latein 
mit  dieser  oder  jener  metrischen  Form  erklären?  Es  wird  darauf 
geantwortet,    indem   man   die  Anzahl  der   von  dem    betreffenden 
Werke  gelieferten  Füsse  mit  denjenigen  vergleicht,    die  man  er- 
wartete.    ZB.  bei  Minucins  Felix,  nachdem  wir  die  Wörter    mit 
zweifelhafter   Quantität    und     die    kurzen    Sätze    ansgeacbloeseD 
haben,  bleiben  am  Satzschluss  37  Beispiele  von  Wörtern  des  Typnn 
ardeo,  vor  denen  man  31  Cretici,  3  Trochäen,  1  Daktylus,  1  Spon- 
deus  und  1  vierten  Päon   mit  einer  vorangehenden  Länge  findet: 
wenn    man   aber   die   Anzahl    der    Wörter    in    Erwägung    zieht, 
durch    welche    im  Latein   jene  verschiedenen   Füsse   im   inneren 
Satz  gebildet  werden,  so  sollte  man  9  Cretici,  9  Troohäi,  2  Daktyli, 
18  Spondei  und  1  vierten  Päon  haben ;  es  folgt  daraus,  dass  der 
einzige  Creticus  von  Minucius  Felix  mit  Vorliebe  gebraucht  wird: 
und    übrigens    gibt   die  genauere  Prüfung  der  6    falschen    Satz- 
schlüsse Anlass  zu  Korrekturen.     Ebenfalls  gehen  im  Orator  den 
85  sich  am  Satzschluss  befindenden  Wörtern  des  Typus  ferantur 
38  Cretici,  29  Spondei,  8  Choriambi,  4  Daktyli,  2  vierte  Päonen 
und  3  Trochäen  voran.    Dem  Sprachgebrauch  gemäss  sollte  man 
18  Cretici,  33  Spondei,  8  Choriambi,  4  Daktyli,  3  vierte  Päonen 
und  19  Troohäi  erwarten.    Der  Vergleich  der  beiden  Zahlenreihen 
zeigt  genügend,  dass  Cicero  nur  den  Trochäus  vermied:  alle  an- 
deren Formen  sind  metrisch. 

« 

Um  alles  zusammenzufassen,  wird  die  Methode,  wodurch 
man  festsetzen  kann,  welche  Klauseln  in  einem  bestimmten  Werke 
metrisch  sind,  aus  den  drei  folgenden  Erwägungen  hergeleitet, 
die  selbst  ans  den  Thatsachen  folgen: 

1.  Die  angewandten  Gesetze  sind  nicht  nothwendig  die  näm- 
lichen bei   allen  Schriftstellern,    sogar    nicht    in    allen  Schriften 


1  Vgl.  Zielinski,  Deutsche  LitteraiurMeUung,  1901,  S.  3245. 


Wie  BoH  man  die  metrischen  Klauseln  siudiren?  381 

desselben  Autors;  man  kann  nicht  behaupten,  dieselben  a  priori 
bestimmen  zu  können.  Man  kann  also  unmöglich  sagen,  welchen 
metrischen  Gesetzen  ein  Autor  in  einem  bestimmten  Werke  folgt, 
wenn  man  nicht  vorerst  das  ganze  Werk  skandirt  hat. 

2.  Die  nämlichen  Verbindungen  von  Längen  und  Kürzen 
können  metrisch  sein  oder  nicht,  je  nach  der  Art,  auf  welche  die 
Silben  unter  die  Wörter  vertheilt  sind.  Man  muss  also  die  vor 
den  verschiedenen  Sohlusswörtern  mit  gleicher  metrischer  Form 
angewandten  Kegeln  einzeln  studiren. 

3.  Da  die  lateinische  Sprache  die  verschiedenen  vor  dem 
Schlussworte  stehenden  Füsse  in  einem  bestimmten  Yerhältniss 
selbst  darbietet,  ist  es  nothwendig,  die  Anzahl  der  bei  dem  Autor 
vorkommenden  Füsse  mit  derjenigen  zu  vergleichen,  die  man  er- 
warten sollte:  ist  sie  eine  höhere  oder  eine  ziemlich  gleiche,  so 
ist  der  Fuse  für  einen  metrischen  zu  halten;  ist  sie  eine  kleinere, 
so  ist  es  von  Bedeutung»  die  unrichtigen  Satzschlüsse  zu  unter- 
suchen, um  sie  in  eine  metrische  Gattung  einzuführen,  indem  man 
für  das  eine  Wort  der  Klausel  eine  andere  Form  oder  Ortho- 
graphie annimmt,  oder  indem  man  in  den  Handschriften  eine  das 
Uebel  heilende  Lesart  sucht,  oder  endlich  bei  hülflosen  Fällen 
eine  Conjeotur  vorschlägt. 

Man  kann  also  zum  letzten  Schluss  sagen,  dass  die  Klauseln 
eines  Schriftstellers  in  einem  bestimmten  Werke  metrisch  sind, 
wenn  er  vor  den  Schluss  Wörtern  mit  gleicher  metrischer  Form 
solche  Wörter  oder  Wörtergruppen  annimmt,  welche  bestimmte 
Füsse  bilden,  und  er,  fast  ausnahmslos,  alle  anderen  ausschliesst. 

Lille.  H.  Bornecque. 


UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ROEMISCHEN 

KAISERGESCHICHTE 

[Fortsetzung  von  oben  S.  230.] 


IV.    Die  Piraterie  im  Mittelmeere  unter  Seyerae 

Alexander. 

Von  den  vielen  Uebeln,  an  welchen  die  Kegiernng  des  Se- 
yerns  Alexander  krankte,  war  dae  schlimmte  der  Geist  der  Auf- 
lehnung, der  das  Heer  erfüllte.  Schon  in  den  ersten  Jahren, 
als  der  Historiker  Dio  noch  th'ätigen  Antheil  an  den  Staate• 
geschäften  nahm,  reihte  sich  Eevolte  an  Revolte,  die  endlich  ic 
der  Ermordung  des  Gardepräfecten  Ulpianus  gipfelten^.  Sie 
wurde  Dio  ein  Zeichen,  die  Hauptstadt  zu  verlassen  und  für  immer 
in  seine  bithynische  Heimat  zurückzukehren.  Die  Unbotmäseig- 
keit  der  Truppen  wurde  unter  der  späteren  Regierung  des  Kaisers 
nicht  gebändigt,  sondern  noch  gesteigert.  Schon  als  der  Kaiser 
zum  Perserzuge  in  Syrien  eintraf,  begrüsste  das  Heer  das  Er- 
scheinen des  schlaffen  Fürsten  mit  offener  Auflehnung  und  der 
Wfihl  eines  Gegenkaisers'.    Der  ehrlos  geführte  Krieg  erschütterte 


^  Dio  80,  3  πολλαΐ  6έ  καΐ  παρά  πολλών  έπαναστάσ€ΐς  γ€νόμ€ναι 
κα{  τιν€ς  καΐ  Ισχυρώς  έκφοβήσασαι,  κατβπαϋθηααν  *  τά  bk  iv  τή  Μ€• 
αοποταμίςι  καΐ  φοβ€ρ(ί)Τ€ρα,  καΐ  άληθέατερον  δέος  σύμπασιν,  ούχ  δτι 
τοις  hf  'Ρώμη  άλλα  καΐ  τοις  δλλοις,  παρέσχεν.  —  Es  folgt  die  Bedrohune 
Mesopotamiens  durch  den  ersten  Sassaniden  Artaxerxes  —  άλλ'  ort 
οοτω  τά  στρατιωτικά  ήμίν  διάκειται  ώστε  τους  μέν  καΐ  προστίθεσθαι 
αύτφ  τους  6έ  ούκ  έθέλειν  άμύνεσθαι.  τοσαύτη  γάρ  άμα  τρυφί)  καΐ  iiov- 
aiq.  άνεπιπληΕίςι  τε  χρώντσι  ώστε  τολμήσαι  τους  μέν  έν  τή  Μεσοττο- 
ταμίη.  τόν  άρχοντα  σφών  Φλάουιον  Ήρακλέωνα  άποκτεΐναι,  καΐ  τους 
δορυφόρους  προς  τψ  Ούλπιανψ  καΐ  έμέ  αΐτιάσασθαι  δτι  τών  έν  τή  ΤΤσν- 
voviqi  στρατιωτών  έγκρατώς  ήρΕα,  καΐ  έΕαιτήσαι,  ς)θβηθέντας  μή  καί 
έκε{νους  τις  όμο{ως  τοις  ΤΤαννονικοΙς  άρχεσθαι  καταναγκάση. 

2  Herodian  6,  4,  7  έγένοντό  τίνες  καΐ  αποστάσεις  στροτιαττών 
άπό  τε  ΑΙγύπτου  έληλυθότων,  άλλα  μήν  καΐ  τών  κατά  Συρ(αν,  καινοτο• 
μήσα{  τίνα  έπιχειρησάντων  περί  τήν  βασιλείαν. 


Untereuchungen  zur  römischon  Kaisergeschiohte  383 

das  Ansehen  des  Kaisers  noch  tiefer,  und  die  letzte  Revolte  am 
Hhein  endete  mit  der  Ermordung  Alexanders.  Unter  dem  Ein- 
druck dieser  entsetzlichen  Wirren  schloss  Dio  sein  Geschiohtwerk 
mit  den  Versen  Homers: 

Έκτορα  6'  έκ  βελίιυν  υπάγε  Ζευς  ίκ  Τ€  κονίης 
ίκ  τ'  άνδροκτασίης  Ικ  θ'  αίματος  ίκ  τε  κυοοιμου. 
Das  einzige  Mittel  Alexandere,  das  Wohlwollen  der  Trappen 
zu  gewinnen,  war  immer  wieder  die  Bestechung  durch  maaslose 
Geldgeschenke^.  Und  doch  beklagten  sich  die  Soldaten  über 
Mamea,  die  das  Geld  zusammenscharrte,  wofür  ihr  die  bewährte 
Freigebigkeit  der  Severi  nur  ein  Vorwand  gewesen  sei•.  Dies 
führt  auf  die  eigentliche  Ursache  der  Unzufriedenheit  im  Heere, 
das  doch  das  Regiment  eines  Elagabal  ohne  Murren  getragen 
hatte.  Eine  neuentdeokte  Inschrift  ans  Afrika  hat  zum  ersten- 
male  gelehrt,  dass  Mamea  und  ihr  senatorischer  Beirath  am  Be- 
ginne der  Regierung  dazu  schritten,  den  Aufwand  für  das  Heer 
zu  verringern.  Die  Zahl  der  Principales  in  den  Legionen  wurde 
herabgesetzt ^  ebenso  der  Mannschaftstand  herabgedrückt  ^  Die  ent- 
scheidende Massregel  war  jedoch  die  Rednction  des  Soldes.  Schon 
Macrinus  hatte  es  als  nothwendig  bezeichnet,  den  Sold  auf  den 
Betrag,  den  Septimius  Severus  festgestellt  hatte,  herabzusetzen, 
um  den  vollständigen  Banquerott  des  Staates  hintanzuhalten  ^ 
Diese  Massregel  muss  die  senatorische  Regierung  Mameas  er- 
griffen haben.  Denn  nur  dann  ist  es  denkbar,  dass  Maximinus 
Thrax  den  Truppen sold  verdoppelte;  unter  ihm  waren  die  goldenen 
Tage  Caracallas   wiedergekehrt    mit    noch  herrlicherem  Glänze^. 


^  Herodian  6,  6,  4  τους  τ€  στρστιώτας  άνβκτΑτο,  καΐ  ίφ'  οΐς 
έλ€λύΐΓηντο,  ιταρ€μυθ€ΐτο  μεγαλοδωρίςι  χρημάταη»•  τοΟτο  γάρ  μόνον  Ις 
εύνοίας  άνάκτηαιν  στρατιωτών  ένόμιΖε  φάρμακον.  Vgl.  auch  den  Pa- 
pyrus Neue  Heidelb.  Jahrb.  9,  192. 

'  Herodian  6,  1,  8  προσποιούμενη  γάρ  άθρο(2^€ΐν  αυτά  Υνα  ίχοι 
τοις  στρατιώταις  άφθόνως  καΐ  ^(]ΐδ{ως  ό  Άλ^Ηανδρος  χαρ<2:εσθαι,  \biq, 
έθησαύρι2^ε  6,  9,  4  οΧ  6έ  τήν  μητέρα  έμέμφοντο  ώς  φΐλάργυρον  καΐ  τά 
χρήματα  άποκλείουσαν,  διά  τε  μικρολογ{αν  καΐ  τό  προς  τάς  επιδόσεις 
όκνηρόν  τοΟ  'Αλεξάνδρου  μεμισημένου. 

8  Weetd.  Corr.-Bl.  1902,  23. 

^  Herodian  G,  7,  5  τά  στρατόπεδα  καΙ  τά  φρούρια  έπιμελέστερον 
τειχ(σας  καΐ  πληριύσας  έκαστα  τοΟ  ώρισμένου  στρατοΟ.  Die  Truppen 
waren  also  nicht  auf  ihrem  vollen  Stande. 

*  Neue  Heidelberger  Jahrb.  10,  23f). 

•  Herodian  6,  8,  8  τά  τε  σιτηρέσια  έδιπλασίασε.  Eine  Verdoppe• 
long  des  Soldes,  den  Caracalla  gewährt  hatte,  von  750  Denaren  für  den 


384  ν.  Domaszewski 

In  diesen  Zeiten  wurde  dae  Heer,  aus  dem  die  dieciplina 
Romana  zugleich  mit  der  virtus  et  honos  Romanorum  entwichen 
war\  der  Schrecken  des  eigenen  Landes  und  der  Spott  der 
Feinde.  Ueherall  brachen  die  Barbaren  über  die  Grenzen,  von 
den  römischen  Truppen  nicht  bekämpft,  sundern  unterstützt-. 

In  gleicher  Weise  wie  das  Landheer  alle  Schlagkraft  ver- 
loren  hatte,  war  auch  die  Flotte,  welche  die  Seepolizei  im  Mittel- 
meere hätte  üben  sollen,  gänzlich  verfallen•  Wie  es  um  die 
Sicherheit  im  Mittelmeere  stand,  zeigt  ein  Seecommando,  das  man 
nothgedrnngen  errichtete,  als  Severus  Alexander  zum  Perser- 
kriege nach  dem  Osten  aufbrach. 

CIGr.  2509  ΤΤό(πλιον)  Σαλλόύστιον  Σεμπρώνιον  Ούίκτορα, 
τον  κράτιστον  ίπαρχον  β€ΐκούλων, 
ήΤ€μόνα  και  δουκηνάριον  Σαροονίας, 
τής  έπι  πασαν  θάλασσαν  ήγησάμενον 

€ΐρήνης  μ€τ'  έΕουσίας  σώήρου, 
οουκηνάριον  του  Σεβαστού  Πόντου  και  Βειθυνίας. 
Die  Zeit,  wann  Sallustius  Victor^  das  imperiom  infinitum  auf 
allen  Meeren  bekleidet  hat,  ist  jetzt  bestimmt  durch  eine  In- 
schrift, welche  ihn  am  £nde  der  Regierung  des  Severus  Alexander 
als  procurator  Mauretaniae  Caesariensis  nennt^.  In  dem  Zweck•' 
dieses  Commandos  ist  es  deutlich  ausgesprochen,  dass  das  Meer 
von   Piraten    beunruhigt    war.     Der   Zusammenbruch    des    Prin- 


gemeinen  Legionär,  ist  unmöglich.  Auch  so  stieg  der  Sold  auf  1000  De- 
nare. Vgl.  Neue  Heidelb.  Jahrb.  10,  335.  Maximinus  war  gezwungen 
das  ganze  Reich  auszuplündern,  um  die  Gier  seiner  Söldner  zu  stillt  n. 
Herodian  7,  3,  5  μετήλθεν  έπΙ  τά  δημόσια,  καΙ  είτινα  χρήματα  ή  ν  πο• 
λιτικά  ές  εύθηνίας  καΐ  νομάς  τιΧιν  δημοτών  αθροιζόμενα  cTtc  OcdTpou 
ή  πανηγύρεσιν  άνακείμενα,  ές  εαυτόν  μετήγε,  ναιϊ»ν  τε  αναθήματα  θεΰΎ 
τε  αγάλματα  καΐ  ηρώων  τιμάς,  καΐ  ε!  τις  ή  ν  κόσμος  δημοσίου  ^ρτ^ν 
ή  καλλώπισμα  πόλεως  ή  Ολη  νόμισμα  ποιήσαι  δυναμένη,  παν  ^xuivcuctü 
1  Religion  d.  r.  Η.  S.  43.    Westd.  Corr.-Bl.  1900,  146. 

*  Vgl.  Dios  Zeugniss  S.  382  Anm.  1.  Herodian  6,  7,  2  Γερμα>^> 
'Ρήνον  καΐ  *Ίστρον  διαβαίνοντες  τήν  'Ρωμαίου  πορθοΟσιν  αρχήν  καΐ  τ» 
έπΙ  ταΐς  όχθαις  στρατόπεδα  επικείμενα  πόλεις  τε  καΐ  κώμας  πολλή  hv- 
νάμει  κατατρ^χουσιν. 

Β  Es  muBs  darauf  hingewiesen  werden,  dass  auch  die  erste  Gt- 
mahlin  des  Kaisers  Onaea  Seia  Herennia  Sallustia  Orbiana  Aagi]«t:i 
Pros.  3,  193  n.  2f)2  den  Namen  Sallustia  führte;  die  Vertrauensstelluiii 
des  Sallustius  Victor  könnte  durch  verwandtschaftliche  Beziehunc^' 
zum  Kaiserhause  bedingt  sein. 

*  Prosop.  3  p.  160  n.  69. 


Untersuchungen  zur  römischen  Raisergeschichte  38^ 

cipatee,  der  sich  unter  Severne  Alexander  bereite  vollzog,  kündigt 
eich  in  merkwürdiger  Weise  an  durch  dieses  Commando.  Wie 
einst  beim  Sturze  der  Oligarchie,  so  suchten  auch  in  diesen  Zeiten 
die  Menschen,  weiche  der  Steuerdruck  und  die  verheerenden 
Grenzkriege  zur  Verzweiflung  brachten,  eine  Freistatt  auf  dem 
Meere. 

Durch  die  ausserordentlichen  Massnahmen,  welche  Severus 
Alexander  traf,  erhalten  auch  andere  Inschriften  dieser  Periode 
erst  ihre  volle  historische  Bedeutung. 

Die  Trennung  des  Dienstes  in  der  Flotte  und  im  Landheere 
ist  unter  dem  Principate  eine  vollkommene,  weil  den  Flotten- 
soldaten ursprünglich  der  Makel  der  unfreien  Geburt  anhafteten 
Nur  den  höchsten  Graden  der  Flotte,  den  Nauarchen  und  Trier- 
archen, ist  seit  Pius  das  Avancement  zum  Legionscenturionat  er- 
öffnet worden. 

Dessau  inscr.  sei.  2841': 

(Marens  und   Verus)  —   div[i]  Ne[r]vae  ab  nepotibus 
[nauarchi  et  trier]archi    olassis  praetor(iae)  Misen(en8is) 

[quod  ad  duos  cejnturionatus  quibus  divus  Pius 
[classem  suam  honojraverat  adiecto  tertio  ordine 

[optimum  princi]pem  aequaverint. 

Mommsen  verstand  die  Inschrift  so,  dass  Pius  den  Trierarchen 
den  Rang  von  Genturionen  verliehen  habe,  Marcus  und  Verus 
nach  diesem  Vorgange  eine  dritte  Gruppe  von  Principales  in 
gleicher  Weise  unter  die  Genturionen  einreihten  Dagegen  läset 
sich  einwenden,  dass  die  Genturionen  der  Flotte  an  Rang  unter 
den  Schiffscapitänen  stehen.  Tacit.  aun.  14,  8  respicit  Auicetum 
trieraroho  Herculeio  et  Obarito   centurione  classiario  comitatum^. 


^  Marquardt,  Staatsv.  II 510.  Die  Rechtsstellung  hat  sich  später 
gebessert,  aber  die  Grenze  blieb  bestehen. 

3  Mit  Mommsens  Ergänzungen,  nur  in  Zeile  3  habe  ich  statt 
alteros  duos  geschrieben. 

Β  lam  cum  ex  titulo  quamvis  mutilo  satis  intellegatur  Pius  al• 
terum  centurionatum  in  classe  instituisse,  Marcum  et  Verum  tertium 
ordinem  adidisse,  verisimile  est  trierarchos  a  Pio  ita  exornatos  esse,  ut 
altcri  quodamodo  centuriones  fierent.  Ad  id  exemplum  fratres  im- 
peratores  aliud  genus  principalium  similiter  commodis  et  honoribus  ad 
centurionum  exemplum  exornavisse  videntnr. 

*  Auch  aus  der  Statnenbasis  (C.  X  n.  3441)  des  Septimius  Severus, 
errichtet  von  den  nauarchi  et  trierarchi  cl.  pr.  Mis.,  geht  hervor,  dass 
die  Capitane   die    ranghöchsten   Chargen    der  Flotte    sind.     Im  Land- 

Hholn.  Mus.  f.  PhUol.  N.  F.  LYIll.  25 


388  ν.  Domaszcweki 

den  der  Kaiser  errichtete,  besitzt^,  so  kann  er  nicht  nanarchus, 
sondern  nnr  praepositus  reliquationi  gewesen  sein.  Gerade  dieses 
Amt  praepositus  reliquationi  classis  praetoriae  Misenatiam  piae 
vindicis  et  thensauris  dominicis  et  bastagis  copiarnm  devehen- 
daruin  bezieht  sich  auf  den  Perserzug  des  Severue  Alexander. 
Damals  war,  wie  wir  oben  sahen  ^,  die  Flotte  unter  Sallustins 
Victor  zur  Sicherung  des  Meeres  ausgefahren.  Das  Commandu 
über  die  zurückgebliebenen  Schiffe  und  die  Arsenale^  erhielt 
jener  Sulgius  Caecilianus.  Zugleich  wurde  ihm  der  Auftrag,  die 
Transporte  des  ungeheueren  Apparates  einer  kaiserlichen  Hof- 
haltung^, sowie  die  für  die  Armeeintendanz  bestimmten  Material- 
nachschübe^  über  das  Meer  nach  Syrien  zu  leiten.  Die  Aufgabe 
der  Flotte  jener  Zeit,  die  schnellsegelnden  Piraten  in  das  klippeD- 
reiche,  enge  Fahrwasser  ihrer  Schlupfwinkel  zu  verfolgen,  ba: 
zum  Bau  einer  neuen  Gattung  von  Schiffen  geführt.  Es  ist  die» 
die  in  Nr.  4  erwähnte  pristis,  eine  Gattung  kleiner  Scbiffe  το& 
geringem  Tiefgang  und  schmaler  Bauart^. 

Aber  diese  Bemühungen  der  Piraterie,  die  das  Elend  ilfr 
Zeit  geboren  hatte,  Herr  zu  werden,  waren  ganz  vergebücL 
Schon  um  die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  durchziehen  «1^ 
Gothen,  die  keine  Seefahrer  waren  und  keine  Schiffe  besaeeen' 
auf  den  Schiffen  der  verbündeten  Piraten  das  Mittel meer. 


einen  Zufall  einmal  aufgewühlt.     Auch   die  Inschrift  Dessau  2H41,  \c 
oben  S.  385  im  Texte,  stammt  von  demselben  Orte. 

*  Die  Cura  übte    der  höchste    am  Orte  anwesende  Officier,   ll& 
ligion  d.  r.  Π.  S.  111. 

8  S.  384. 

^  Reliquatio  ist  gebildet  wie  vexillatio  und  bedeutet  den  zurück 
gebliebenen  Theil  der  Flotte.  1 

^  Der  Kaiser  selbst  hatte  den  Landweg  eingeschlagen.    Hero<]iJij 
6,  4,  3. 

β  Vgl.  Rhein.  Mus.  58,  225. 

ß  Die  pristis  wird  erwähnt  Polyb.  1(ί,  2  σύν  δέ  τούτοις  δ<ρροκτ^ 
λέμβοι    bi    σύν  ταϊς  πρίστβσιν   εκατόν   καΐ  πεντήκοντα.     18,  1  Huli 
πέντ€  λέμβους  ?χων  καΐ  μίαν  πρίστιν  έφ  ής  αυτός  (Philipp  V)  έπένλα 
Livius  32,  32,  9  cum  quinque  lembis  et    una  nave  rostrata  Liv.  H.\ 
tres  tectas  oaves  et  lembos  pristisque  44,  28,  1  cum  quadraginta  ie?- 
—  adiectae  ad  hunc  numeruni  quinque  pristis  erant  —  Nonius  p. 
Pristis  navigii  genus  a  forma  pristium  maiinarum,  quae  longi  c(>r^< 
sunt,  sed  angustae. 

'  Vgl.  die   Schilderung  der  Gothenzüge  Momrasen,  Rom.  G 
6,  222. 


UntersuchuDgen  zur  römischen  Kaisergeechiohte  389 

Die  Ohnmauht  des  römischen  Staates,  der  wie  in  den  Zeiten, 
als  Cicero  eeine  Reden  gegen  VerreH  schrieb,  nicht  mehr  im  Stande 
war,  auch  nur  die  Küsten  zu  schützen,  tritt  grell  hervor  in  einer 
lykischen  Inschrift  ^ 

Bull,  de  Corr.  Hell-  1886,  227 :  OöaXepiov  Στατείλιον  Κά• 
στον  τον  κράτιστον  σύμμαχον  των  Σ€βαστών  πραιπόσιτον  βι- 
Ειλατιώνιυν,  Τερμησσβων  τ[ώ]ν  προς  Οινοάνοοις  ή  βουλή  και  ό 
6ήμος  και  f\  γερουσία  τόν  €ύ€ργίτην  προνοησάμβνον  της  ειρήνης 
κατά  θάλασσαν  και  κατά  γήν  έπώημήσαντα  τή  λαμπρςί  ημών 
πόλει  μετά  πάσης  εύκοσμίας  ήμερων  ιβ',  άγάγοντα  bk  και  Ιν- 
πέριον  φίλοτείμως  έν  τψ  λουσωρίψ  τη  πρό  ς'  ε15(ών)  νο€μ- 
βρί(υυν)  έν  7)  [ή]μ^ρςι  έκομίσθη  εΐκών  Ιερά  του  κυρίου  ημών 
Ούαλεριανου  νέου  Σεβαστού. 

Mummsen  hat  in  dem  Valerianus  der  Inschrift  den  älteren 
Sohn  des  uallienus  erkannt^.  Holleaux  und  Paris  haben  ge* 
sehen,  dass  Valerius  Statilius  Castus  mit  dem  Schutze  der  Ijkischen 
Küste  gegen  Angriffe  der  Piraten  betraut  war.  Die  ganz  sin- 
gulare Bezeichnung  σύμμαχος  τών  Σεβαστών  könnte  eine  un- 
geschickte Uebersetzung  von  comes  Augustorum  sein,  wird  aber 
wahrscheinlicher  socius  Augustorum  bedeuten.  Dann  wäre  dieser 
Mann  ein  lykischer  Bergfürst  gewesen,  der  mit  dem  Landsturm 
(praepositus  vexillationum)  und  einer  Flottille  vor  Küstenfahrern 
die  Küsten  schützt.  Die  französischen  Herausgeber  haben  die 
eigenthümliche  Wendung  Imperium  egit  in  lusorio  auf  das  Com- 
inando  über  naves  lusoriae  gedeutet.  Aber  bei  dieser  Erklärung 
bleibt  es  unverständlich,  warum  das  Commando  nur  auf  den  Tag 
der  Bildnissverehrung  bezogen  wird  und  den  technischen  Namen 
Imperium  erhält.  Vielmehr  wird  lusorium  auf  die  Gladiatoren- 
spiele  und  Yenationes  zu   beziehen    sein^,    mit    denen    man    den 


^  Benndorfs  Güte  danke  ich  die  genaue  Copie,  welche  Heberdey 
von  dem  Steine  genommen  hat.  Der  Name  des  Kaisers  Valerianus 
steht  ausser  Zweifel. 

^  Staatsr.  II 2  p.  X.  Die  Bildnissversendung  des  neuen  Herrschers, 
die  sich  hier  zuerst  findet,  hat  bereits  eine  Analogie  in  früherer  Zeit 
Herodian  8,  G,  2  (nach  der  Ermordung  des  Maximinus  Thrax):  ol  bi 
των  *Ακυλησ(ων  στρατηγοί  τάς  μέν  πύλας  άνοΙΕαι  ούκ  επέτρεψαν,  προ- 
θέντες  bi  τάς  εΙκόνας  ΜαΗίμου  καΐ  Βαλβίνου  ΓορδιανοΟ  τε  Καίσαρος 
οτεφάνοις  καΐ  δάφναις  κεκοσμημένας  αοτο{  τε  εύφήμουν,  καΐ  τους  στρα- 
τιώτας  ήξ{ουν  γνωρίσαι  καί  άνειπβΐν  εύφημήσα{  τε  τους  ύπό  'Ρωμαίων 
καΐ  συγκλήτου  άνα&ειχθέντας  αυτοκράτορας. 

'  lusorium  für  Amphitheater :  Schol.  ad  luvenal.  sat.  4, 100.  Vita 


394 


Jahn 


Varro 

Gatiiliue 

Hestodus     1 

Theophraet. 

Cato 

I 

64,12 

629 

(III  20,7) 

129 

(7.5) 

39/41 

779 

III  20,  2 

138 

22,  1  u.  3 

48 

795/7 

III  20.  2 

23,1 

288/91 

802/4        : 

Afranius  1 

23,  1  u.  2 

384/6 

arcturus? 

Α  rat  US 

AttioB  1 

23,5 

,  65,  23 

1 

10  ff. 

ApoUonius 

(27,  1) 

66,  1 

HeeioduB 

25/8 

Rhodins 

27,2 

3 

theogonia 

45/8 

fraglich 

27,2 

48 

134 

(263) 

Bion  1?? 

28,1 

64/70 

820/2 

345/7 

Calllma- 

(28,  2) 

66 

1 

(742  flf.) 

chus  1 

32,1 

66 

Theocritus 

Demoer  itas 

({32,  2)) 

57/62 

I  123/4 

Homerus 

(durch  Ve^ 

34,1 

V  124/5 

Ilias 

mittelung)2 

((34, 1)) 

Hesiodas 

VII  77 

V  500 

Euniae  1 

37,  1  u.  3 

opera 

(X  48/51) 

XVI  384/92 

Eratostheoes 

44,  1 

ι  42.  47.  50 

XXI  1 

XVIU  486/7 

Hermes    eio 

44,  2  u.  3 

{90/2.  101. 

(489) 

Abeclmitt 

51,  1  u.  2 

f  117/18 

Theophraet. 

XX  151 

Proverbiuml 

52,1 

1                       ■ 

46 

historia 

durch  Ver- 

Sophocles 

55,7 

299/302 

II  4,2 

mitteluDg. 

durch   Ver• 

1 

57,  1  u.  2 

8υ1  u.  307 

IV  5,  1  u.  2 

1   XXI  257/62 

1 

mittelun^'  1 

391/2 

IV  5,4 

Varro  Ata- 

II 

394/5 

((VII  11,  3)) 

Odyssea 

oinus  1 

((K3/4)) 

420/;^5 

ein  ähnliches 

XI   15  u.  19 

((1,  7» 

457 

Capitel  wie 

XI  308/16 

Zudem  zahl- 

ß,5 

458/61 

VIII  1 

1 

,     reiche     ife- 

465/7 

VIII  7,  4 

'         Cato 

1 

Ziehungen 

Triodites 

473 

((VIU  6,  1)) 

'       ((2. 8)) 

auf  die 

494 

IX  4,5 

2,4 

Eklogen. 

CatuUue 

511/2 

(31,  2) 

11,5 

529/31 

caueae 

37,3 

(62,  20) 

585 

(ΙΠ  4, 1) 

((39)) 

« 

1  Quid  faciat  laetas  segetes.  quo  eidere  terram 
vertere,  Maeoenas,  ulmisque  adiungere  vitee 
conveniat,  quae  cura  bonm,  qui  cultue  habende 
eit  pecorl,  apibus  quanta  experientia  parcie, 
hinc  canere  incipiam. 
Siehe  unten! 

5  (voe^  ο  clariesima  mundi 

lumina,)  {labentem^  caelo  quae  ducitie  annum;) 
Liber  et  alma  CereSj  (veetro  '  ei  munere  tellue 
Chaoniam  pingui  glandem  mutavit  arista. 


Die  Quellen  ui  d  Muster  des  cieicu  Buchs  der  Georgica  Vergile    395 

poculaqne  inventie  Acheloia  miecuit  ovis;) 
10  et  yo8,  agreetnm  prueseniia  nnmina,  fauni, 

ferte  eimol  faunique  pedem  \dryad€sque  puelhie: 
mnnera  vestra  cano.     taqne  o,  cui  prima  freroentem 
fudil  eqnoiD  magno  tellus  percOssa  tridenti, 
Neptone ;  et  cnltor  nemorum,  cui  pingnia  Ceae 
15  ter  centnm  nivei  tondent  dummeta  invenci; 
[ipse  nemns  linqaene  patrinm  saUusque  [Lycaei 
Parij  ovium  cuetoe,  tua  si  tibi  Maenala  curae, 
adsis,']  0  Tegeaee,  favene;  (oleaeqne*  Minerva 
inventrix,)  uncique  poer  monetrator  aratri, 
20  et  teneram  ab  radice  (ferens,)  Silvane,  [cupressum\ 
dique  deaeque  omnes,  etndium  quibae  arva  tneri, 
(qniqne  ^  novas  alitis  non  nllo  semine  fragee, 
quique  satis  largara  caelo  demittitis  imbrem;) 
V.  I  1,  5  ruft  beim  Beginn    seines  Werkes   an:    illos  ΧΠ 
deos,    qui  maxnme  agricolarum  daces  sunt,     (primum  ^  qni  om- 
nie    fractus    agricultnrae  cado    et  terra  continent,   lovem  et  Tel- 
lurem:)  ....  secundo    (Solem^  et   Lnnam,)    (quornm^   tempora 
observantur,  cum  quaedam  seruntar  et  conduntur.)  tertio  Cererem 
et  Liberum^  (quod^  borum  fructus  maxime  necessarii  ad  viotum: 
ab  bis  enim  cibns  et  potio  venit  e   fundo.)  .  .  .  (item  adveneror 
Mifusrvam)  et  Venerem,  (quarum  nnius  procnratio  Olivetti)  alterius 
hortorum.     Nr.  5  zwar    durch  Varro  Nr.  5  hervorgerufen,   aber 
bei  Vergil    nicht   allein   auf  Jnppiter   und  Juno    bezogen.     Auch 
Vergil    wollte    wohl    wie  Varro   zwölf  Götter  resp.  Classen  von 
Göttern    aufzählen.      Sicher    zunächst    folgende    zehn:     1.  Liber, 
2.  Ceres,    3.  fauni,    4.  dryades   (je  eins  männlich,    eins  weiblich 
wie  bei  Yarro  im  Anfang),   5.  Neptun,   6.  Aristaeus,  7.  Pan,   8. 
Minerva,    9.  Triptolemus,    10.  Silvanns.     Mit  Nr.  1  sind    sicher 
gemeint,  Varro  entsprechend,    Sol  et  Luna.      Durch  Zurechnung 
dieser  ergäben  sich  zwölf,  Vers  21/3  würden  die  vorhergehenden 
zusammenfassen.    Da  Sol  und  Luna  aber  nicht  getrennt  aufgeführt 
werden,  ist  es  richtiger,   sie   als  eine  Classe  zu  fassen    und    die 
21/3  erwähnten  £rd-  und  Himmelsgötter  als  die  zwölfte. 

Ausser  der  varronischen  Götteranrufung  ist  aber  auch  die, 
mit  der  Lucrez  sein  Werk  beginnt,  ausgenutzt,  und  zwar  für 
Vers  5 — 42,  also  auch  für  den  zweiten  Theil,  die  Anrufung  des 
Augustus.  L.  I  2  alma  Venus,  caeli  subter  labentia  signa  quae 
mara  navigerum,  quae  terras  frugifercntis  concelebras  .  .  .  Dann 
28  quo  magis  aeternum  da  dictis,  diva,  leporem.    alma  von  Yenus 


396  Jahn 

auf  Ceres  übertragen,  ein  Ausdrack  (caelo  iabi)  daraus  entnommeB 
cf.  366,  ebenso  "^da  in  Vers  40,  aber  statt  der  Venus  bei  LncretiD> 
ist  es  ihr  £nkel  August.  Auf  diesen  sind  die  Functionen  seiner 
Abnfrau  übertragen,  wie  ans  cingens  materna  tempora  myrto  er- 
sichtlich ist,  nämlich  die  Functionen  der  lukrezischen  Venus  als 
einer  Göttin,  die  Gewalt  hat  über  das  Meer,  die  früchtetragende 
£rde  und  die  Stürme.  Bei  Lucretius  ist  Venus  natürlich  nicht 
wirklich  wie  hier  August  beherrschende  Gottheit  der  Naturkräfte, 
sondern  nur  als  Liebesgöttin  Herrin  des  Meeres  und  der  Erde> 
Dem  mare  navigerum  entsprechen  hier  deus  immensi  maris  ond 
nautae,  dem  terrae  frugiferentis  hier  orbis  .  .  auotorem  frugum, 
wobei  auf  das,  was  bei  Lucretius  nur  Nebennmstand  war,  da» 
Gewicht  gelegt  ist.  Ferner  gab  L.  I  7  te  dea,  te  fugiunt  vecti 
Anlass  zu  tempestatumque  potentem.  £in  drittes  Muster  gab  eine 
Götteranrufung  bei  Theokrit.  Tb.  1  123  ff.  (benutzt  zu  ecl.  X  15 
^Q  Πάν  Πάν»  €Ϊτ'  έσσι  κατ'  ώρεα  μακρά  Λυκαίω,  cTre  τύγ' 
άμφίπολεΐς  μίγα  Μαίναλο  ν,  ίνθ'.  Ferner  sind  benutzt  Apo- 
theosen zu  Theil  2.  Catull  66  gab  Vergil  ein  Vorbild  für  die 
Aufnahme  unter  die  Sternbilder.  Es  ist  dann  dies  Gedicht  auch 
sonst  stark  im  1.  Theil  des  I.Buches  ausgenutzt.  Catull  66, ^>i 
sidus  iu  antiquis  diva  novum  posuit:  virginis  et  saevi  oontingens 
namque  leonis  lumina  Callisto  iuncta  Lycaoniae  yertor  in  occa- 
sum,  tardutn  dux  ante  Booten,  qui  vix  sero  alto  mergitur  Oceano: 
sed  quamquam  nie  noote  premunt  vestigia  divum,  lux  autem 
canae  Tethyi  restituit  etc.  Durch  die  beiden  letzten  dieser  Verse 
ist  Vergil  wohl  auf  die  Geschichte  von  der  bald  unter,  bald  über 
der  Erde  hausenden  Proserpina  abgeleitet  worden.  Lycaoniiie 
Anläse  zu  138  Lycaonis  arcton.  66,  1  auch  lumina  mundi,  da• 
nach  mundi  lumina  Vers  5 — 6.  In  Varros  Triodites  Tripyliu§ 
stieg  Hercules  am  Skorpion  vorüber  zum  Himmel  empor;  vor 
August  hat  derselbe  solche  Angst,  dass  er  ihm  freiwillig  Platx 
macht.  Servius  z.  I  32  ff.  .  .  .  tres  vias :  unam  ad  Signum  scor- 
pionis,  qua  Hercules  ad  deos  isse  videretur  etc.  Gewiss  kannte 
und  verwerthete  Vergil  noch  weit  mehr  Götteranrufungen  und 
Apotheosen,  die  uns  verloren  gegangen  sind.  Mit  Fan,  oviam 
custOB  (cf.  ecl.  Π  33  Fan  curat  ο  vis  oviumque  magistros),  in  ecl. 
X  24  f.  Silvanus  zusammen  genannt  in  einem  Götteraufmarsch: 
venit  et  agresti  capitis  Silvanus  honore  florentis  ferulas  et  grandi« 
lilia  quassans.  Silvanus  trägt  hier  aber  etwas  Auderes,  nämlich 
was  wohl  passender  Tempe  Catull  64,  288,  in  einem  vielfach 
ausgenutzten  Gedicht,  trägt.     Auch  dort  Göttcraufmarsch :    nam> 


Die  Quellen  uuJ  Muster  de»  ursten  liuclis  der  Georgica  Vergile     397 

qua  ille  [tnlit]  radicitus  altas  fagos  ac  recto  procerae  etipite 
laurus  non  Bine  nntanti  platano  lentaqae  eorore  flammati  Phae• 
tontie  et  aeria  [cupressu*  Etwaige  bildliche  Darstellungen  sind 
von  Yergil  beeinfluset,  nicht  amgekebrt.  Nach  diesem  Gedicht 
auch  agreetnm  praeeentia  namina.  Catnll  64.  384  praeeeutee  nam 
ante  domoe  invieere  caetas  heroum  et  eese  mortali  ostendere  coetu 
caelicolae  nondum  Rpreta  pietate  eolebant.  Dazu  cf.  auch  II 
498  f.  und  ecl.  I  41  praesentie  .  .  divoe.  üeber  die  fauni  eiehe 
ecl.  VI  27,  Vers  11  cf.  ecl.  V  58  ergo  alacris  Silvas  et  cetera 
rura  voluptas  Panaqne  pastoresque  tenet  [dryadasque  puellas.  In 
Vers  12  f.  ist  mit  Bewnsstsein  eine  lukrezische  Wendung  be- 
nutzt. L.  V  917:  tempore  quo  primum  teUus  animalia  fudit 
Wie  dort  die  Thiere  im  Allgemeinen,  so  hier  das  Ross.  Die 
Erde  fundit  flores  ecl.  IV  23  und  IX  41.  nivei  invenci  auch 
ecl.  VI  46.  Auch  Vers  5  hinc  can[ere  incipiam]  und  die  in- 
directen  Fragesätze  wohl  durch  L.  I  55  (noch  zur  Einleitung 
gehörig)  disserere  incipiam]  und  die  dortigen  indirecten  Frage- 
sätze beeinflusst.  Auch  audacibus  coeptis  noch  in  Erinnerung  an 
die  Einleitnng  des  Lucretius:  I  66  primum  Graius  homo  mor- 
talis  tendere  contra  est  oculos  ausns  etc.  cf.  übrigens  IV  565 
und  Π  175. 

24  tuqae  adeo,  quem  mox  qtiae  sint  habitura  deorum 

25  concilia  incertum  est,  urbisne  invisere,  Caesar, 
terrarumque  velis  curam,  et  te  maxurans  orbis 
(auctorem  frugum)  (tempestatumqae  potentem) 
accipiat  cingens  materna  tempora  myrto, 

(an  deus  immensi  venias  maris  ac  tua  nautae 
30  numina  sola  colant,)  tibi  serviat  ultima  Thyle 
teque  sibi  generum  Tethys  emat  [omnibus  undiSf 
anne  novom  iardis  sidus  te  mensibus  addas, 
qua  locus  Erigonen  inter  ohelas[gue  sequentis 
panditur,  ipse  tibi  iam  bracchia  contrahit  ardens 
35  ScorpiuR  et  caeli  iusta  plus  parte  relinquit,  — 
quidquid  eris,  nam  te  nee  sperant  Tartara  regem 
nee  tibi  regnandi  veniat  tam  dira  cupido, 
quamvis  Elysios  miretur  Graecia  campos 
nee  repetita  sequi  curet  Proserpina  matrem, 
40  da  facilem  cursum  atqne  audacibus  adnue  coeptis, 
ignarosque  viae  mecum  miseratus  agrestis 
ingredere  et  votis  iam  nunc  adsuesce  vocari. 


398  Jahn 

Ueber  die  Quellen  dieees  Stücke  siebe  oben! 

Nur  durch  Vermittlung  ist  benutzt  zu  31  Earipides  Medea 
234  χρημάτων  uncpßoXrj  πόσιν  ιτρίασθαι.  [omnibue  undis  L.  VI 
1077.  Zu  29  cf.  eol.  VII  62  myrtue  Veneri.  33  [que  eequent;» 
auch  106.  424.  cf.  Π  374.  (IV  230).  III  11.  Solcbe  Yen- 
ecblfieee  stellten  sich  von  selbst  öfter  wieder  ein.  Dieser  war 
ihm  geläufig  aus  L.  zB.  Π  48,  III  315,  IV  367  na. 

43  {Vere  novo^  gelidus  canis  cum  montibns  umor 
liquitnr  et  zepbyro  putris  se  glaeba  resolvit,) 

45  (depresso*  incipiat  iam  tum  mihi  taurns  [areUro 
ingemere  et]  sulco  attritus  splendescere  vomer.) 
(illa'  seges  demum  votis  respondet  avari 
agricolae,  bis  quae  solem,  bis  frigora  sensit; 
illius  immensae  ruperunt  korrea  messes.) 

Die  Verse  sollen  folgende  Hesiods  ersetzen: 
458  (€ύτ'^  δν  bi\  πρώτιστ'  δροτος  θνητοϊσι  φανβίη,) 
{bi\^  TOT*  έφορμηθήναι  όμως  bμώές  τε  καΐ  αυτός 
αΰην  καΐ  biepfjv  dpoujv  άρότοιο  καθ'  Αραν,) 
πρωί  μάλα  aneubuiv,  (ίνα'  τοι  ττλήθωσιν  δρουραι.) 
cf.  Hes.  301  βιότου   bk  τεήν  πίμττλησι    καλιήν.    cf.  aach  307. 
Für  den  lateinischen  Ausdruck  boten  das  Muster  die  für  diesen  Ab- 
schnitt besondere  häufig  benutzten  Verse  L.  V  208  ff.  vom  Pflügen: 
bidenti  ingemere  et]   terram  presais  proscindere  [arairis,    si  non 
fecundas  vertentes  vmnere  glaebas  etc.     cf.  L  V  142  putribus  ir 
glaebis.     Die  Ausführung  von  V.  47 — 49  nicht  nach  V.  I  27,  2. 
sondern  vielleicht  nach  der  theopbrasteisohen  Quelle.     Theophr. 
c.  III  4,  1  an  in  Buch  Π   stark   ausgenutzter  Stelle   vom   Baom 
pflanzen:    bö  τούς  γύρους  προορύττειν  έκ  πολλών  μάλιστα  bi 
ένιαυτψ   πρότβρον,   δπως  ή   γή  κα\  ήλιωθή  κα\  χειμασθη  καθ' 
έκατέραν  την  ώραν.     c  III  20,  7  darauf  zurückgewiesen.     DuV 
von  Feldfrüchten  ή  bi  κατεργασία  έν  τφ  vcqiv  κατ'  άμφοτερας 
τάς  ώρας  καΐ  θέρους  και  χειμώνας,  δπως  χειμασθη  και  ήλιιυ(Η] 
ή  γή  καθάπερ   και  έπι  τής  φυτείας  έλίχθη.     Ich  mache  daraut 
aufmerksam,   dass  Th.   c.  III  20,2  sieber    zu  Vers  63  ff.   au< 
gebeutet  ist.     Las  Vergil  in  seiner  Quelle  ήλιαιθή  και  χειμασθή 
καθ'  έκατέραν  την  ώραν,  so  war  das  Μ issverständniss  bis  eolem. 
bis  frigora  möglich;    nämlich    zu   jeder   der   beiden  Jahreszeitn 
sowohl  χειμασθή  als   ήλιωθή.     Vergil    hat    χειμασθή    wohl   « ^ 
bloflsen  Gegensatz    zu  Won    der  Sonne    beschienen    werden     ε^ 
fasst ;  er  kann  bei   frigora  im  Gegensatz  zu  sol  an  die  Naoht  odtfi 


DiefQaellen  und  Muster  dee  ersten  Buchs  der  Georgica  Vergils     B99 

an  Stürme  gedacht  haben.  Dann  wäre  der  Sinn:  die  Sehollen 
mtissen  durch  das  Pflügen  zweimal  dem  Temperatarwechsel  aae- 
geaetzt  werden,  dem  Gegensatz  von  Wärme  und  Kälte,  der,  wenn 
die  Schollen  unter  dem  Boden  liegen  bleiben,  wegfällt.  Das 
solem  et  frigora  sentire  würde  dann  nichte  weiter  bedeuten  als 
*an  der  Oberfläche  frei  liegen',  und  das  soll  zweimal  geschehen. 
Auch  könnte  man  frigora  noch  andere  erklären.  In  jedem  Fall 
aber  will  Vergil  nur  umschreiben  das  varronische  I  27,  2  neque 
eam  minus  binis  arandnm.  Das  vierfache  Pflügen,  das  eich  fast 
über  zwei  Jahre  hin  erstrecken  müsete,  kann  doch  nur  seltene 
Ausnahme  gewesen  sein,  wird  —  und  das  ist  wichtig  —  nicht 
von  Vorgängern  erwähnt,  sondern  erst  von  Späteren,  vere  novo 
schon  eol.  X  74. 

50  (at  prius  ignotum  ferro  quam  scindimue  aeqoor,) 
(ventos  et  varium  caeli  praediscere  morem 
cura  sit)  9c  (patrios  cultusque  habitusque  locorum,) 
et  quid  quaeque  ferat  regio  et  quid  quaeque  recuset. 
Quelle    und   Muster   zugleich  V.  I  3  f.  eaque    est  scientia, 
quae  sunt  in  quoque  agro  serenda  ao  facienda,  quo  terra  maximos 
perpetuo    reddat    fructus.      eius    principia    sunt  .  •    (aqua,    terra, 
anima  et  sol.    haec  enim  cognoscenda),  {priusquam  iacias  semina) 
und  y.  I  44,  1  (observabis,    quantum   in   ea  regione   consuetudo 
erit  serendi,)  nt  tantum  facias,  quod  tan  tum  valet  regio  ac  genus 
terrae. 

54  hie  (segeteSf)  illic  veniunt  felicius  (uvae,) 

55  arborei  fetus  alibi,  atque  iniussa  virescunt 
(gramina) 

Wieder  Varro.  I  28,  1  consideranda,  quae  et  quo  quidque 
loco  maxime  expediat  serere.  (alia  enim  loca  adposita  sunt  ad 
(faenum),  alia  ad  (frumentum),  alfa  ad  (vinum.)  Nach  ähnlicher 
Erörterung  Y.  I  7,  5  alins  est  ad  (vitem)  adpositue,  alins  ad 
(frumentum.)  .  .  alius  ad  aliam  rem.  V.  Τ  6,  5  segetes  meliores 
esse  existimantur  campestres,  (vineae)  coUinae. 

56  nonnt  vide$\  croceos  ut   Tmolus  [odoresj 
India  mittit  ebur,  moUes  sua  tura  Sabaei^ 

at  Chalybes  nudi  ferrum,  virosaqne  Pantus 
castorea,  Eliadum  palmas  £piroe  equarnm? 
Parallelstelle  Π  109  ff.    cf.  Bacchus  amat  colles ;  sola  India 
nigram  fert  hebenum ;  solis  est  turea  virga  Sabaeis.    Die  beiden 


400  Jahn 

letzteren  Angaben  sind  dort  sicher  ans  Theophraet  entnommeD. 
Der  Weihrauch  der  Sabaei  etanamt  aus  Th.  h.  IX  4,  5.  Die^ee 
Kapitel  ist  im  zweiten  Buch  an  der  angegebenen  Stelle  mit  Th. 
h.  IV  4  u.  5  zuRammen  verwerthet.  Nun  vergleiche  man  h.  IV 
5,  4  olov  6  μέν  Τμώλος  ίχ€ΐ  .  .  πολύ  τό  κάρυον  και  την 
οιοσβάλανον,  ίτ\  bk  βμπελον  καΐ  μηλέαν  καΐ  ^όαν  und  h.  IV 
5,  1:  Im  Norden  τά  φάρμα κώοη  ταΐς  {ίίίαις  και  τοις  όποίς 
οίον  έλλέβορος  έλατήριον  σκαμμωνία  .  .  .  τά  μέν  γαρ  έν  τψ 
Πόντψ  .  .  γίνεται  und  andern  Ländern,  φαρμακώόεις  γάρ 
και  αύται.  ΑΙβο  dort  von  sabäiechem  Weibranch,  von  dem  an 
Giften  reichen  PontuR,  von  firzeugnissen  des  Tmolos  die  Rede: 
aber  weder  beim  Pontue  caetoreumf  noch  beim  Tmolns  crocns. 
Schon  ecl.  VIII  95  Ponto  lecta  venena.  Die  Erwähnung  des  in- 
dischen Elfenbeins  lag  sehr  nahe.  L.  II  537  elephantoe,  India 
quorum  .  .  vallo  munitur  eburno,  Catull  64,  48  Indo  .  .  .  dente 
politum.  In  dem  hier  sehr  häufig  ausgenutzten  Gedicht  Catnll 
66,  48  Juppiter,  ut  Chalybon  omne  genus  pereat  et  qui  principii) 
Rub  terra  quaerere  venas  institit  et  ferri  frangere  duritieni.  Eisen 
bearbeitende  Chalyber  auch  bei  dem  Vergil  vielleicht  bekannt^o 
Apollonius  Rhodius  Π  374  fi".,  1003  ff.  und  IV  1473.  castorenui 
L.  VI  794.  Zu  molles  Sabaei  cf.  Catull  XI  5  (häufig  benutzt) 
Arabesque  molles.  59  cf.  III  102  vom  Rose  quae  gloria  palmae. 
Zu  croceos  IV  109  invitent  croceis  halantes  floribue  horti  und 
die  dort  benutzte  Stelle  L.  II  416  f.  et  cum  scena  croco  (Ciliri; 
perfusa  recens  est  araque  Panchaeos  exhalat  propter  [odorcs. 
Epirus  cf.  III  121,  dort  das  epirotische  Vieh  aus  Varro.  nonnt 
vides]  L.  zB.  Π  263,  196,  207.  IV  807,  1286.  V  382  usw. 
Vergil  noch  III  103  und  250.  Wir  würden  übrigens  erwarten, 
nur  von  Pflanzen,  nicht  von  allen  möglichen  Erzeagnissen  za 
hören. 

60  c(mt%nuö\  has  leges  aetemaqne  foedera  certis 
imposuit  natura  loois,  quo  tempore  primum 
(Dencalion)  vacuom  lapides  iactami  in  orbem, 
unde  (homines)  nati,  durum  genus. 
cf.  ecl.  VI  41  lapides  (Pyrrhae)  iuctos,     L.  V  917  ff.    917 
tempore  quo  primum  tellus  animalia  fudit.    923  et  omnes  foedvrc 
naturae    certo    diacrimina    servant.     At  genus  (humanum)    multt) 
fiiit  illud  in  arvis  durius,    ut  decuit,    tellus  quod   dura  creassei. 
continuo]  cf.  356.  III  158.  271.  386.  468.  IV  69.  254.    L.  zB.  IJ 
754.  771.    IV  284.  345.  63  cf.  Π  340  virumque  ferrea  progenies 
duris  Caput  extulit  arvis. 


Fiie  Quellen  und  Muster  des  ersten  Buchs  der  Georgica  Vergils     401 

63  ergo  age,  {terrae, 

pingue  eolnm)  (primie  extemplo  a  meneibus  anni) 

65   (fortes  invortant  tauri,)  ghebcisqvLe  iacentis 
pulveralenta  (ooquat)  matnrie  solibus  aeetae; 
(at  ei  non  fnerit  tellue  fecunda,)  (sob  ipsum 
arotarnm)  tenni  eat  erit  suspendere  eulco: 
(illiCy  officiant  laetie  ne  frugibus  barbae,) 

70  (hie,  eterilem  exiguus  ne  deeerat  nmor  harenam.) 
Paralleletelle  zu  43  ff.     Th.  c.  III  20,  2  bei  γάρ,  τήν  μέν 

.  .  .  {πί€ΐραν)  (θέρους)  (έργάΖβσθαι  καΐ  τοις  άρότροις)  καΐ 
τη  σκαπάνη,  (τήν  bk  Εηράν  και  μανή  ν  και  τήν  λετττήν  και 
κούφην)  (του  χβιμΛνος.)  (ούναται  γαρ  ή  μέν  Εηραίνειν),  ή  bk 
χειμερινή  παχυνειν  και  ύγραινειν.)  (cf.  amor).  Zam  lateinischen 
Ausdrack  auch  Varro.  V.  I  27,  2  (zu  84  ff.  benutzt)  (vere)  sa- 
tiones  quae  fiunt,  {terram  rudern  proeoindere  oportet),  (quae  eant 
ex  ea  enata,  priuequam  ex  iis  quid  eeminiR  cadat,  ut  eint  era- 
dicata;)  et  simul  glaebis  a  sole  (percalefactie)  aptiores  faoere  ad 
accipiendum  imbrem  et  ad  opue  faciliores  relaxatas;  neque  eam 
minus  binie  arandum,  ter  meliae,  si.  o.  zu  47  ff .  .  .  Danach  leise 
von  Theophrast  abgewichen,  cf.  65  (validis)  terram  proscinde 
(Varro)  (iuvencis).  L.  VI  962  principio  terram  sol  excoquit.  G. 
Π  259  terram- excoquere.  (L.  Υ  742  pulverulenta  Ceres.)  II  251 
humida  maioree  herbas  alit  ipsaque  iusto  laetior, 

71  AUernis  idem  toueas  cessare  novalis, 

et  segnem  patiere  situ  duresoere  campum; 

aut  ibi  flava  serts  mutato  sidere  farra, 

unde  prias  laetum  süiqxia  quassante  legwmen 
75  aut  tenuis  fetus  viciae  tristisque  lupini 

snstnleris  fragilie  calamos  silvamt^tie  sonanfem. 

(urit)  enim  lini  campum  eeges,  (urit)  avenae, 

urunt  Lethaeo  perfusa  papavera  somno: 

set  tamen  älternis  facilie  labor,  arida  tantuni 
80   ne  saturare  fimo  pingai  pudeat  sola  neve 

effetos  cinerem  immundum  iactare  [per  agros. 

sie  quoque  mutatis  requiescunt  fetibus  arya; 

nee  nulla  interea  est  inaratae  gratia  terrae. 

V.  I  44,  2  (§  1  zu    Y.  52   benutzt),    illud   quoque    multum 

interest,   in  rudi  terra,  an  in  ea  seras,  quae  quotannis  obsita  sit, 

.  .  an  in  vervacto,  quae  interdum  requierit  ....   Agrum  älternis 

annis  relinqui  oportet  paulo  aut  levioribus  sationibus,  id  est  quaQ 

BbelQ.  Mus.  f.  Pbllol.  K.  F.  LYIII.  26 


402  Jahn 

niinns  (sngant)  terram.  V.  I  23,  2  legumen  §  3  quaedam  etiair 
sereoda  non  tarn  propter  praeeentem  frnotuin  qnam  in  annnn] 
prospicientem,  quod  ibi  eabsecta  atqne  relicta  terram  faciont 
meliorem.  itaque  lupinum,  com  minue  eilicnlam  cepit,  et  non 
Tinmquam  fabalia,  ei  ad  siliquas  noD  ita  pervenit,  nt  fabam  le- 
gere expediaty  ei  ager  macrior  est,  pro  Rtercore  inarare  eolent. 
Vorber  §  1  ocimnin,  farrago,  viciat  cytisam,  lupinnm.  Ecl.  X  .>S 
laooe[gt<e  sonantis,  ebenso  IV  364.  IV  545  Lethaea  papavera. 
cf.  212.  Dort  auch  Uni  Begetem.  fimo  pingui  Η  347.  [per  agros 
L.  V  972.  1104.  1366.  VI  642  na.  In  den  Georgica  anch  II 
54.  346.  IV  522. 

84  eaepe  etiam  steriles  incendere  profnit  agroa, 

85  atque  levera  stipulam  crepitantibus  nrere  flammis: 
sive  inde  occnltas  vires  et  pabula  terrae 
pinguia  ooncipiunt,  sive  illis  omne  per  ignem 
(excoquitur)  vitinm  atqne  exsudat  inntilia  umor, 
seu  plnres  calor  ille  vias  et  caeoa  rekunat 

90  epiramenta,  noyas  (veniat  qna  sncns  in  berbas ;) 
seu  dnrat  magis,  et  venas  adstringit  biantis, 
ne  tennes  plnviae^  \rapidive  potentia  solis^ 
aorior  ant  Boreae  penetrabUe  frigus^  adurat. 
Qnelle  unbekannt.     Muster:  V.  I  27,  2  (schon  zu  63  ff.)  et 
simul    glaebis   a   sole  (perco^f actis)  aptiores  facere  (ad  accipien- 
dum  imbrem)  et  ad  opus  faciliores  relcixatas.     L.  VI  154  ne«  res 
ulla  magis  quam  Phoebi  Delpbica  lanrus  terribili  sonitn  flanma 
crepUante  crematur.    (L.  Vi  962  zu  excoquitur.)     L.  I  494  per- 
manat    calor  argentum   penetraleque  frigus.     An    beiden  Lukrez- 
stellen  werden  in  ganz  ähnlicher  Weise  die  Wirkungen  der  Hitze 
und  Kälte  besprochen.    Daraue,  dass  Vergil  sie  zusammen  be- 
nutzt  hat,  ersehen  wir,  dass  es  sich  nicht  um  blosse  Erinnerung 
handelt,  sondern  dass  er  auch  hier  förmlich  Studien  gemacht  bat. 
L.  V  215  die  Saaten  interdum   —  (aut^  nimiis  torret  fervoribü§ 
aetherius  sol,)  (aut^  subiti   peremunt  imbres)  (gelidaeqne '  prni- 
nae.)      Danach    die    drei    Arten    der    Schädigung,     rapidive    po- 
tentia solis    entspricht   auch   metrisch  Hep.  414    μένος    όΕ^ος 
ήελιοιο.     Lateinisch  nach  Catull  66,  3  (hier  oft  benutzt)  rapnh 
solis  nitor.    cf.  424    solem  rapidum.     II  321   rapidus  Sol.  II  373 
solemque  potentem,    cf.  I  321  culmumque  levem  stipnlasqne  vo- 
lantis  und  I  289.     saepe  etiam]  auch  322.  365.    III  132.  IV  42 
und  203. 


Die  Quellen  und  Muster  des  ersten  Buch^  der  ßeorgica  Vergils     403 

94  mnltnm  adeo,  rastrie  glaebas  qni  frangit  inertin 

95  viinineaeque  trabit  crates,  iuvat  arva,  neqne  illam 
flava  Ceres  alto  nequiqüam  special  Olympo; 

et  qai,  (prosdsso^  qnae  suecitat  aequore  terga,) 
(rarsus*  in  obliquom  verso  perrumpit  aratro,) 
exercetque  frequene  tellurem  atqne  imperat  arvia. 
Der  Gedanke  *  Arbeite,  damit  dir  Ceree  bilft*  auR  Hes.  299 
^pTttCtu,  Πίρση,  biov  τ^νος,  δφρα  σ€  λιμός  έχθαίρη,  φιλίη  bi 
σ'  έυστίφανος  Δη  μη  τη  ρ  αlboίη,  βιότου  bi.  τ€ήν  πίμττλησι 
καλιήν,  λιμός  γάρ  τοι  ττάμτταν  Ο€ργώ  σύμφορος  ovbpi.  Auf 
diese  Verse  bezieht  sich  Vergil  bald  noch  einmal.  Aber  Ceres 
flava  durch  Vermittlung  nach  IL  V  500  ξανθή  Δη  μη  τη  ρ. 
Ferner,  was  der  bisweilen  benutzte  Callimacbus  von  Artemis 
sagt,  wie  Vergil  es  häufig  thut,  auf  Ceres  übertragen.  Call,  in 
Oian.  120  οΟς  bi  K€v  €ύμ€ώής  T€  και  ϊλαος  αύγάσσηαι, 
κβίνοις  eö  μέν  δρουρα  φέρει  στάχυν.  Also  wieder  Parallel- 
stellen gesammelt.  Quelle  und  Muster  Varro.  V.  I  32,  1  ri 
proscifleris^,  offringi^  oportet,  id  est  iterare,  ut  frangantnr  glaebae. 
cf.  V.  Ϊ  23,  5  vimina,  unde  viendo  quid  facias,  ut  sirpeas,  vallus, 
crates.  166  arbuteae  crates.  Vers  97  zunächst  nach  Varro,  aber 
poetisch  nach  CatuU  64,  12.  Dort  vom  Schiff  proscidit  aequor, 
cf.  auch  oben  50.  Zu  94  cf.  II  399.  Der  Gegensatz  rastris, 
aratro  aus  Theophr.  c.  III  20,  2  (zu  Vers  63  ff.  abgedruckt).  Zu 
94  cf.  il  399,  zu  99  cf.  Π  369  f. 

100  umida  solstitia  atque  hiemes  orate  serenas,- 
agricolae:  hiberno  (laetissima)  pulvere  farra^ 
laetus  dger;  nullo  tantum  ee  Mysia  oultu 
iactat  et  ipsa  euae  mirentur  Gargara  messes. 
Altes  Sprichwort    nach    Servius    und    Macrobius  Sat.   V  20 
hiberno  pulvere,   verno    luto  (grandia)  farra^    Camille,  seres.     An 
V.  I  2,  7  wohl  kaum  gedacht.     Gargara  auch  111  269. 

104  quid  dicam,  iaoto  qui  semine  comminus  arva 

105  insequitnr  cumulosque  ruit  male  pinguis  harenae, 
deinde  (satis)  fluvium  inducit  rlvos[que  sequentis 
et,  cum  eaustus  ager  ntorientibus  aestuat  herbis, 
ecoe  supercilio  clivosi  (tramitis)  undam 

elicit?  illa  cadens  raucum  per  levia  murmur 
110  saxa  ciet,  scatebrieque  arentia  temperat  arva. 
Quelle  II.  XXI  257  ώς  b'  δτ'  άνηρ  όχετηγός  άπό  κρήνης 
μ€λανύ5ρου  (άμ'  φυτά  και  κήπους)  υοατι  ^όο^  ^^«»ονεύη 


404  Jflhn 

χερσι  μόκελλαν  ίχων,  άμάρης  il•  ίχματα  βάλλαιν.  του  μέ\  τί 
προρίοντος  ύττό  ψηφΐοες  &πασαι  όχλ€υνται.  το  bi  τ'  ώκα 
κατειβόμενον  κελαρύΣει  χώρψ  ένι  προαλεΐ,  φθάν€ΐ  δ€  τ€ 
και  τον  δγοντα.  Znm  lateinischen  Ausdruck  etadirt  CatnJ 
β8,  57  qualis  in  aerio  perlncens  (vertice  montis)  rivus  muf^coeo 
prosilit  e  lapide»  qni  oam  de  prona  praeoeps  e8t  Talle  voinfnp. 
per  medium  denpi  transit  (iter)  populi,  dulce  viatori  la9Ro  in  «u- 
dore  levamen,  cum  gravi»  exustos  aesfus  hiulcat  agros.  Verdi 
hat  für  den  'rauschenden  Bach'  Studien  gemacht,  echliesslirh 
aher  nur  einen  Nebenumstand  verwerthet.  Die  Hitze  ausser 
nach  Catull  nach  ecl.  VFI  57  aret  ager ;  vitio  morie^ts  »itit  aeri? 
herba.  of.  TU  432.  Aupercilio  durch  Vermittlung  eines  Lateiner* 
ans  II.  XX  151  έπ'  όφρύσΐ  Καλλικολώνης  .  .  quid  dicam  311. 
cf.  ecl.  VI  74. 

111   (quid  qui  ne  gravidis  procumbat  culmus  aristis, 
luxuriem  segefum  tenera  depascii  in  herba,) 
cum  primum  sulcos  aeqnant  sata,  quique  paladie 
conlectum  umorem  bibula  deducit  [harena7 
115  praesertim  incertis  si  mensibns  amnis  abundane 
exit  et  obducto  late  tenet  omnia  limo, 
unde  cayae  tepido  sudant  umore  lacunae. 
Quelle  für    die  erste  Hälfte  Theophr.  h.  VIII  7,  4  έν   hi 
ταϊς   άγαθαϊς   χώραις    (ττρός    τό  μή   φυλλομανεϊν   έπινε- 
μου(Τΐ)  καΐ  έττικείρουσι  (τό  σϊτον).     Danach  luxuriem    segetum. 
Das  φυλλομανεΐν  aber  weiter  poetisch  umschrieben  nach  Hee.  473 
Obbi  κεν   άοροσύνη    στάχυες   νεύοιεν   ίραίε.     L.  Π  37.5 
qua  mollibus  undis  litoris  incurvi  bibulam  pavit  aeqnor  [karennm. 
(Bei  115/7  denkt  wohl  jeder  an  den  Nil.     Von   diesem  Lucretia$ 
VI  712  redundnt,    713  amnis^   720  cum    mare    permotum    ventis 
mit  intus  [harenam.  s.  o.  105.)    L.  VI  943  saxa  —  sudenf  umore. 
118  ff.  zunächst  angeregt  durch  Hesiod.    42  κρύψαντες  γαρ 
ίχουσι  θεοί  βίον  άνθρώποισιν.    Sonst  hätte  man  die  Arbeit  leicht 
und  ein  bequemes  Leben.     47  άλλα  Ζευς  έκρυψε  χολωσάμενος 
φρε(Τΐν    f)(7lV.      50  κρύψε  bk    πυρ.     Dann    nach    einem   Exkurs: 
90  πριν  μέν    γαρ    Ιώ^Οκον   έπι    χθονι   φυλ'  ανθρώπων  νόσφιν 
Ατερ  τε  κακών  και  δτερ  χαλεποϊο  πόνοιο  κτέ.  . .  101  πλείη  μέν 
γαρ  γαία  κακών,  πλείη  bk.  θάλασσα.    1 1 7  καρπόν  5'  ίφερε  Lei- 
οωρος  άρουρα  αυτόματη  πολλόν  τε  και  δφθονον.     Danach  121 
pater  ipse  colendi  haud  facilem  esse   viam  voluit  eto.     125  ante 
lovem  nulli  subigebant  arva  coloni  etc.     127  ipsa    tellue  omnia 


Die  Quellen  und  Muster  des  ersten  Buchs  der  Georgica  Vergils     40o 

liberiQs  nnllo  poscente  ferebat.  Nach  Hes.  101  Vers  129/30 
serpentee,  lupi  üebel  za  Land,  pontam  moveri  (so.  remis)  Uebel 
zur  See.  131  ignemqne  removit.  Neben  Hesiod  bat  auf  diesen 
Abschnitt  Lucretias  V  925  ff.  starken  Einflass  geübt,  wie  weiter 
unten  im  Einzelnen  aasgeführt  werden  wird.  V.  128  cf.  L.  V 
942;  V.  130  cf.  L.  V  1000  ff.;  V.  134/5  cf.  L.  V  1450  ff.; 
y.  140  cf.  L.  V  1250  f.;  V.  143  cf.  L.  V  1241  resp.  1286; 
V.    148  resp.  159  cf.  L.  V  939  ff.  resp.  965. 

118  Nee  fameny  haec  cum  sint  (hominamqae  houmque  [labores) 

vei'sando  tcrram  experti,  nihil  improbus    anser 
120  Strymoniaeque  grues  et  amaris  intiba  fibris 
offieiant  aat  tmbra  nocet  (pater  ipse  colendi 
band  facilem  esse  viam  volaitj  primn8[^U0  per  artem 
moyit  agros  curis  acuens  mortalia  corda, 
nee  torpere  gravi  passus  sna  regna  veterno. 
125  (ante  lovem  nulli  βποίρώαηέ  arva  coloni;) 
ne  signare  quidem  aat  partiri  limite  campum 
fas  erat:  in  medium  quaerebant,  (ipsaque  tellus 
omnia  liberius  nulle  poscente  [ferebat.) 
Muster  zunächst  L.  V  206   quod   saperest   arvi,   tarnen    id 
natura  sua  vi  sentibus  obducat,  ni  vis  humana  resistat  vitai  causa 
valido  consneta  bidenti   ingemere   et    ierram    pressis    proscindere 
aratris.    si  non  fecundas  verteiltes  vomere  glaebas  terraique  solum 
subigentes  cimus  ad  ortue,  sponte  sua  nequeant   liquidas  existere 
in  auras,    et  tcmen   interdum    magno  quaesiia  [labore  —  werden 
vernichtet.     Dazu  kam  L.  11   1156   sed  genuit  tellus  eadem  quae 
nunc  .  .  .  ipsa  dedit  .  .  .  quae  nunc  vix  nostro  gr&ndescunt  aacta 
[labore^   (conterimusque    boves    et    viriii    agricolarum),    confioimus 
ferrum  vix  arvis  suppeditati.     Die  eingeklammerten  Worte  haben 
zu  hominumque  boumque  labores   Anläse  gegeben.    Hesiod  über- 
setzt nach  der  (sogleich  wieder  benutzten)  Lieblingsstelle  Vergils 
L.  V  942  plurima  tum  tellus  etiam  maiora  [ferebat.    ίργα  βοών 
Hes.  46,  ίργα  ανθρώπων  U.  XVI  392,    XIX  131.     Od.  VI  256 
u.  Bonst.     boumque  labores  auch  325.    improbus  cf.  146,  388  u. 
III  431.    mortalia  corda  auch  330.     V.  121  cf.  ecl.  X  76  noceni 
et  frugibus  umbrae.    pater  cf.  328,  Li  325.     [que  per  artem  L.  V 
10  flV  847).     Theophr.  h.  VII  11,  ?>  braucht  nicht  für  die 'bittere 
Cichorie'  benutzt  zu  sein,  ebenso  wenig  wie  Theophr.  h.  VIII  6, 1 : 
das  Getreide  geschädigt  βρνκτιν  ή  βλλοίς  θηρίοις. 


406  Jahn 

129  (ille  malum  virus  serpentibus  addidit  atris 

130  praedariqne  lupos  iuseit  pontumque  tnoveri) 
mellaque  decuseit  foliie  ipnemque  removit, 

et  passim  rivis  currmtia  vina  repressit, 
ut  yariae  ustts  meditando  extunderet  artes 
paulatim]  et  sulcie  frumenti  quaereret  herbam. 
185  ut  eilicis  yenis  abstrueum  excuderet  ignem. 
Ueber    die  Anlehnung   an  Hesiod    β.  o.  .  .     Zu    V.    132  cf. 
L.  V  911  aurea    tum    dioat   per  terrae  flumina  yolgo  fluxiese  et 
gemmis  florere  arbusta    euesee.     Besondere   yergleiche    die  Schil- 
derung des  goldenen  Zeitalters  u.  ä.  in  den  Eklogen.     ecl.  III  ^l^ 
mdla  fluant  illi  und  die  dort  benutzte  Tbeokritstelle  V  124Ίμ€ρα 
άνθ*  υοατος  βειτω  γάλα  και  τυ  bk  Κράθι  οΐνψ  πορφύροις 
κτέ.    ecl.  IV  24  occidet   et   serpens  etc.    ecl.  V   60  neo  lupus  in- 
sidias  pecori.     Also  Gegensatz  zur  goldenen  Zeit,     qaaereret  ans 
L.  V  213  s.  0.     Y.  231  cf.  II  404   silyis  decuseus    bonos,    dort 
aus  Varro.      V.  133   cf.  IV  315    extudit   artem.      L.  V   lOOO  ff. 
yom  Meer  ähnlich.     Besonders  1450  usus  et  impigrae  eimul  ei• 
perientia    mentis  [paulatim]    docuit    pedetemtim  progredientis  . . 
artibus  ad  summum  donec  yenere  cacumen. 

136  tunc  alnos  primum  fluyii  sensere  cayatas; 
nayita  tum  stellis  numeros  et  nomina  fecit 
pleiadas^  hyadas,]  claramque  Lycaonis  arcton; 
V.  136  cf.  II  451.    numeros   et  nomina  cf.  262  u.   III  15>. 
Σ  486  ΤΤληιάοας   θ'  Ύάοας]   T€    τό    τε    σθένος    Όρίιυνος 
αρκτον  θ*  κτέ.     Dazu  bewusste  Anspielung    auf  das  hier  yiel- 
fach  ausgenutzte  6H.  Gedicht  Catulls.     66,  66  Callisto  iuncfa  Ly- 
caoniae.    Das  Ganze  geht  durch  oder  ohne  Vermittlung  aufstellen 
zurück    wie  Sopb.    Naup.    fr.  2    έφευρε   b'    δστριυν    μέτρα   και 
καταστροφάς  .  .  δρκτου  ούσιν  τε  καΐ  Κυνός  ψυχράν  ούσιν  oder 
Arat.  373  τά  τις  ανδρών  ούκίτ'  έόντων  έφράσατ'  ή5'  ένόησεν 
δπαντ'  όνομαστί  καλίσσαι. 

139  tum  laqueie  captare  feras  et  fallere  yisco 

140  inyentum  et  magn[o5  canibus  circumdare  saJtus; 

L.  V  1250  an  der  hauptsächlich  ausgenutzten  Stelle:  nani 
fovea  atque  igni  prius  est  venarier  ortum  quam  s^epire  plagis 
saltum  canibusque  eiere,  cf.  auch  ecl.  V  60  s.  o.  nee  retia  cervis 
ulla  dolum  meditantur.  Dazu  hat  Vergil  seinen  VersschlusR  ecl. 
X  57  wieder  benutzt:  non  me  ulla  yetabunt  frigora  Partheni[o> 
canibus  circumdare  salhis. 


Die  Quellen  und  Muster  des  ersten  Buchs  der  Georgica  Vergils     407 

141  atque  alias  latam  fanda  iam  verberat  amnem, 
alta  petene,  pelagoqne  alius  trahit  timida  lina; 
(tum  ferri  rigor)  atque  argntae  lammina  eerrae, 
nam  primi  cuneie  scindebant  fieeile  lignam, 
145  tum  varitMe]  veoere  artes.     (labor  omnia   vicit 
improbus  et  daris  nrgens  in  rebus  egeetae.) 
142  cf.  IV  117  vela  traham.     143  cf.  L.  1492  rigor  auri. 
L.  y  1241  β.  0.     quod  superest,  aes  atque  aurum  ferrumque  re- 
pertumst.    1286  posterius  ferri  vis  est  aerisque  reperta.  tum  variae] 
L.  VI  363  u.  Georg,  l  181  u.  IV  406.     Zu  V.  145  f.  cf.Theocrit. 
XXI  1  ά  πενία  Διόφαντ€  μόνα  τάς  τίχνας  εγείρει.     Ob  Vergil 
an  diesen,  einen  ersten  Vers,  oder  an  einen  ähnlichen  eines  Un- 
bekannten gedacht  hat,  lasse  ich  dahingestellt. 

147  prima  Ceres  ferro  mortalis  vertere   terram 

instituitf]  cum  iam  glandes  atque  arhuta  saorae 
deficerent  silvae  et  yictnm  Dodona  negaret. 
Wieder  Anscbluss  an  L.  V.  Dort  939  gl<mdiferas  inter 
cnrabant  corpora  quercus  plerumque:  et  qnae  nunc  hiberno  tem- 
pore cemis  arbita  puniceo  iieri  matura  colore  plurima  tum  tellus 
etiam  maiora  ferebat,  s.  o.  zu  V.  128.  L.  V  965  vel  pretium 
glandes  atque  arbita  vel  pira  lecta.  Uebrigens  stellt  auch  Varro 
diese  Früchte  in  seiner  Schilderung  der  goldenen  Zeit  II  1,  3/4 
zusammen.  Sonst  cf.  L.  V  14  namque  Geres  fertur  fruges  .  .  . 
mortalibus  instituisse.  Ferner  V.  1  quo  sid[tfre  terram  vertere^ 
dann  7  Liber  et  alma  Ceres^  vestro  si  munere  tellus  Chaoniam 
pingui  glandem  mutavit  arista.  ecl.  II  32  Pan  primum  calamos 
cera  coniungere  pluris   instituit\,    cf.  II  250   dant   arbuta  silvae. 

150  roox  et  framentis  labor  additns,  ut  mala  culq^os 
esset  robigo,  segnisque  horreret  [in  arvis 
carduos:]  intereunt  segetes,  subit  aspera  silva, 
lappaeque  tribolique,  interque  nitentia  culta 
infelia  lolium  et  steriles]  dominan[ittr  avenae. 
(Die  Schädigung  durch  robigo  auch  bei  V.  I  1,6.)     Vergil 
spielt  mit  vollem  Bewusstsein  an  auf  ecl.  V  37  infelix  lolium  et 
steriles^  na8cu[w^ur  avenae ;  pro  molli  viola,  pro  purpurea  narcisso 
carduosl^  et  spinis  surgit  paliunis  acntis.    cf.  III  385  [aspera  Silva 
lappaeque  tribolique  absint, '\     [in  arvis  L.  zB.  I  314.    111  785.    V 
129.  395.  806.     Vergil  111  75. 


408  Jahn 

156  quod  niei  et  adsiduis  berbam  insectabere  [rastris, 
et  eonitn  terrebis  aves,  et  rarie  opaci 
fcUce  premes  unU)r<u^  votieqne  vocaveria  imbrem, 
heil  magnum  cUferius  froetra  apectabis  acervom, 
concuesaque  famem  in  silvis  solabere  quercu. 
Im  Gedanken  nach  Hes.  299  ipfal^v.  Πέρση,  Mov  Τ^νος, 
δφρα  σ€  λιμός  έχθαίρη  (β.  ο.  ζα  Vers  94  ff.)  and  nacb  Hes.  394  : 
Da  mueet  dich  mühen,    μη    ιτως   τά   μέταΐ^  χατίΐων   ΤΓτώσστ}ς 
άλλο  τ  ρ  (ους   οϊκους  κα\  μηδέν  άνύσσης.     üebrigene  beziehen 
sieh  Υ.  155/7  zarück  aaf  118  ff.     Danach  die  £intheilang.    Der 
poetische  Schmnck  nach   dem  Lieblingsgedicbt  Catall  64,  39  non 
hnmilis  curvis  pnrgatur  vinea  rastris  .  .  non  falx  attenuat  fron- 
datoram  arboris  umbram,    L.  II  1.    Saave  mari  magno  tarbantibus 
aequora  ventis,  e  terra  magnum  alier  ins  spectare  laborem.    (Aach 
zu  197.)     Hier    einmal  deutlich    blosse  Erinnerung.     Der    letzte 
Vers    wieder   Erinnerung    an    L.  V  939    s.   o.  glandiferas     inter 
curabant  corpora  [quercus,    cf.  zu  concussa  IV  81. 

160  Dicendum  et,  qoae  eint  duris  agrestibns  arma, 
quis  sine  nee  potuere  seri  nee  surgere  messes: 
vomis  et  inflexi  primum  grave  robur  arairi 
tardaque  Eleusinae  matris  volventia  plaustra 
tribulaque  traheaeqne  et  iniquo  pondere  rastri] 
165  virgea  praeterea  Celei  vilisqne  supellex, 
arbuteae  crates  et  mystica  vannns  laochi. 
V.  I  22,  1   zählt  unter  den  zum  Ackerbau  nöthigen  Gerath- 
Schäften  unter  andern  auf:   quae  ex  viminibwi  et  materia  rustica 
fiunt,  ut  corbes,  fiscinae,  trihulat  valli,  rastelli,  dann  §  3  plosfra 
maiora  tria,  aratra  cum  vomeribus  sex,  crates  stercorarias  quattuor. 
In  derselben   Aufzählung   bei  Cato  X  fehlen    tribula.     cf.  95  vi- 
mineas  .  .  crates.     robur   aratri   cf.  L.  I  882  robore  saxi.    L.  II 
449  dnri  robora  ferri. 

167  omnia  quae]  multo  ante  memor  provisa  repones, 
si  te  digna  manet  divini  gloria  ruris. 
Nach  Hes.  457  τών    πρόσθεν    μελέτην   έχέμεν    οΐ- 
κήια  θέαθαι.     Auch   dort  handelt  es  sich  um  Wagen  und  6e- 
räthe.    omnia  quae]  ecl.  VI  82.    L.  zB.  II  321.  1033.    IV  608.  V 
1377  ua.    Gloria  cf.  IV  205  generandi  gloria  mellis. 

169  continuo  in  silvis  magna  vi  fleaa  domatur 

170  in  burim  et  curvi  formam  accipit  tdmus  arairi. 


I>ie  Qaellen  und  Muster  des  ersten  Buchs  der  Georgica  Vergils    409 

haic  a  stirpe  pedes  temo  protentns  in  ociOy 
binae  anree,  daplioi  aptantnr  dentalia  doreo, 
caeditvr  et  tilia  ante  iugo  levis  altaque  fagns 
stivaqne,  quae  cnrrne  a  tergo  torqneat  imos, 

175  et  suspensa  focis  explorat  robora  fumus, 

V.  169/75  sollen  ersetze n,  nicht  fiberfetzen  Hes.  420  ff. 
τήμος  άοηκτοτάτη  πέλ€ται  τμηθεΐσα  σώήρψ  υλη,  φύλλα  b'  Ipale 
XieXj  πτόρθοιό  τε  λήτ€ΐ,  τήμος  fip'  ύλοτομεϊν  μ^μνημίνος 
ώριον  ίρτον.  δλμον  μέν  τριττόΙ>ην  τάμνειν,  υπ€ρον  bk  τρίπηχυν, 
δΕονα  b'  έπταττόΙ>ην•  μάλα  γάρ  νύ  τοι  δρμενον  οοτιυ:  cl  bi 
K€V  όκταπόδην,  άπό  και  σφΟράν  Ke  τάμοιο*  τρισττίθαμον  b' 
δψιν  τάμνειν  οεκαοώριμ  όμά£η.  πόλλ'  έπικάμιτυλα  κδλα. 
φέρ€ΐν  bk  γύην,  δτ'  δν  ευρης,  €ΐς  οίκον,  κατ'  δρος  οιίήμβνος 
ή  κατ'  δρουραν,  πρίνινον.  8ς  γάρ  βουσίν  άρουν  όχυρώτατός 
έστιν,  €υτ'  δν  Άθηναίης  bμωöς  έν  έ  λύμα  τι  ττήΕας  γόμφοισιν 
πελάσας  ττροσαρήρεται  \στοβοήι  ....  δάφνης  b'  ή  τττελίης 
άκιώτατοι  \στοβοή€ς.  Nach  μεμνημένος  auch  167  memor. 
Ηββ.  629  πηδάλιον  b*  ευεργές  όπερ  καπνού  κρεμάσασθαι 
in  ähnlicher  Verbindung  (Hes.  45  ganz  andere). 

176  Poeeam  mnlta  tibi  veternm  praecepta  referre, 
ni  refagis  tennisqae  piget  oognoscere  caras. 

Dazu  wird  verglichen  L.  I  400  multaque  praeterea  possum 
tibi  commemorando  argumenta  fidem  dictis  conradere  nostris  ohne 
zwingenden  Qrnnd,  cf.  IV  6  in  tenai  labor,  at  tenuis  non  gloria  etc. 

178  area  cum  primis  ingenti  aequanda  cylindro 
et  vertenda  manu  et  creta  solidanda  tenaci, 
180  (ne  subeant  herbae)  nea  (pulvere  victa  fatiaoat,) 
(tum  variae  inludant  peetee:)  saepe  exiguns  mus 
sub  terris  posuitque  domoe  atque  horrea  feoit, 
aat  ooulis  oapti  fordere  cnbilia  talpa^ 
inventusqne  cavie  bufo  et  quae  plurima  terrae 
185  monstra  ferunt,  populatque  ingentem  farris  aoervom 
curculio  atque  inopi  metnens  formica  seneotae. 
Die    Vorschriften    der    Ackerbauschriftsteller    in    durchaus 
dichterischer    Weise    umschrieben.     V.  I   51    Beschreibung   der 
area :  soHda  terra  pavita,  maxime  si  est  (argilla),  (ne  aestu  pae- 
minosa  si  sit,  in  rimis  eins  grana  oblitesoant)  et  reoipiant  aquam 
(et  Ostia  aperiant  muribus  ac  formicis).    itaqne  amurca  solent  per- 
fundere :  ea  enim  herbarum  et  formicarum  et  talpanim  venenum. 


410  Jahn 

quidam  aream  ut  babeant  soldamy  maniunt  lapide  aut  etiani  fa• 
ciunt  pavimentum.  V.  I  57,  1  Vorecbrift  für  granaria  ähnlich: 
dort  aliae  .  .  adspargit  .  .  creiam  .  .  .  nachher:  quo  enim  Rpinroi 
non  pervenit,  ibi  non  oritur  curctdio.  Daza  Cato  129  Aream,  nti 
frumentum  teratar»  sie  facito.  confodiatnr  minnte  terra,  amurra 
bene  conepargatar  et  combibat  aquam  quam  plarimmn.  commi• 
naito  terram  et  cylinäro  aut  pavicula  coaeguato.  abi  coaeqnau 
ent,  neqQe  formicae  molestae  erant,  et  cum  pluerit,  latum  noo 
erit.  Cato  91  Aream  eic  facito.  locum  ubi  facicR  confodito. 
poetea  am  Urea  conepargito  bene  einitoque  combibat.  postea  com* 
minuito  glaebas  bene,  deinde  coaeguato  et  paviculis  verberato. 
pofltea  denao  amurca  conepargito  einitoque  arescat.  si  ita  fe- 
ceris,  neque  formicae  nocebunt  (neque  herbM  naecentur.)  Gleich 
darauf:  Frumento  ne  noceat  curculio  neu  mures  tangant.  Inter* 
eseant.  Vergil  hat  hier  nicht  Varro  allein  vor  Augen  gehabt; 
denn  aequanda  cylindro  erklärt  sich  aus  diesem  nicht.  Er  hat 
sich  aber  auch  nicht  an  Cato  allein  gehalten;  denn  bei  diesem 
fehlen  talpae,  creta  und  etwas  dem  solidanda  Entsprecbendcp. 
Benutzt  sind  V.  und  Cato  129,  nicht  aber  Cato  91.  Zu  [fatiscai: 
das  Wort  auch  L.  III  458  cf.  Π  249.  tum  variae]  145.  in- 
ludunt]  Π  375.  Versschluss  [is  aoervom  auch  158.  Einmal  ver- 
wendete Versschlüsse  kommen  Vergil  öfters  wieder  in  den  Mund, 
so  gleich  V.   ΙΘΘ  und  ecl.  II  II  [it  dentis,    cubilia  cf.  I  411. 

187  contemplator  itemy  cuni\  nux  se  plurima  silvie 
induet  in  florem  et  ramos  ourvabit  olentis. 
si  superant  fetus,  pariter  frumenta  sequentur, 
190  magnaque  cum  magno  veniet  tritura  calore; 
at  si  luxuria  foliorum  ezu berat  umbra, 
nequiquam  pinguis  palea  teret  area  ouimos. 
Hier  lag  wohl  eine  ähnliche  Vorschrift  zu  Grunde,  wie  sie 
Arat.  1047  giebt  ττρϊνοι  μέν  θαμινής  άκύλου  κατά  μίτρον  ίχουσαι 
χειμώνας  κ€  λίγοιεν  έπι  πλίον  Ισχύσοντος.    μη    μέν  δδην  ίκ- 
παγλα   περιβρίθοΐ€ν   άττάντη  ,    τηλοτίριυ  V  σύχμοϊο   συναστσ- 
χύοιεν  αρουραι.     Zum  Versanfang  187  cf.  L.  Π   114  und  L.  ΤΙ 
189  contemplator  enim  cum.     Zu  induet:  IV  143,  zu   191  cf.  112 
luxuriem    segetum,    zu   192  cf.  298  at  medio   tostas  aeetu  [terit 
area]  fruges. 

193  semina  vidi  equidem  multos  medioare  serentia 
et  nitro  prius  et  nigra  perfundere  amurca^ 


Die  Quellen  und  Muster  des  ersten  Bucbs  der  Georgica  Vergils     4 1 1 

195  grandior  ut  fetus  siliquis  faliacibus  eeset, 
et  quamvie  igni  exigno  properata  maderent. 
Quelle  Theophr.  h.  II  4,  2  οΐον  προς  τό  τα  όσπρια  μη 
γίνεσθαι  άτεράμονα  βρίΕαντα  κελεύουσιν  έν  νίτρψ  νυκτι  τή 
ύστεραίςι  σπείρε  ι  ν  έν  Εηρα.  φακούς  ώστε  αδρούς  γίνεσθαι 
φυτεύουσιν  έν  βολίτψ.  τους  έρεβίνθους  bi  ώστε  μεγάλους 
αύτοΐς  τοις  κελύφεσι  βρέΗαντα  σπείρειν.  Die  amurca 
kam  aus  Varro  hinzu.  In  den  soeben  benutzten  Stellen  war  von 
ihr  die  Rede  gewesen,  danach  noch  hier  perfundere  amurca, 
V.  55,  7  von  amurca:  circum  arborum  radices  infundi  solet  et 
ubicumque  in  agro  herba  nocet,  (üeber  amurca  noch  V.  1  57,1): 
amurca  Versschluss  auch  III  448.    Grandior  aus  Varro  s.  u. 

197  vidi  leota  diu  et  multo  [spectata  labore 

degenerare  tarnen,    \ni  vis  humana]  quotannis 
(maxima)  quaeque  manu  legeret,     sie  omnia  fatis 
200  in  peius  ruere  ac  retro  sublapsa  referri, 

non  aliter  quam  qiii  adverso  vix  flumine  lembum 
remigiis  subigit,  ei  bracohia  forte  remisit, 
atqtie  illum  praeceps  prono]  rapit  alveus  amni. 
Zunächst    im  Anschluss    an  V.  I  52,  1    quae    seges  {gran- 
dissima)  (danach   195  grandior)  atqne    optima  fuerit,    seorsum  in 
aream  secerni  oportet  spicas,  ut  semen  Optimum  habeat.     Muster : 
die  schon  oft  benutzte  Stelle  L.  V  206  quod  superest  arvi,  tamen 
id    natura    sua    vi  sentibus  obducat  [ni  vis  humana]  resistat  und 
L.  II  1  (zu  158  benutzt).    Suave  mari  magno  turbantibus  aequora 
ventis  e  terra  magnum  alterius  [spectare  laborem.    degenerare  cf. 
II  59  pomaque   degenerant    sucos   oblita  priores.     Zu  dem  Ver- 
gleich vom  Fortgerissen  werden  cf.  I  512  ff.    Versanfang  aus  Catull 
05,  23    vom  Apfel:    aique   illud  prono  praeceps']  agitur    decursu. 
non  aliter']  auch  IV  176. 

204  Praeterea  tam  sunt  arcturi  sidera  nobis 

205  haedorumque  dies  servandi  et  lucidus  anguis, 
quam  quibus  in  patriam  yentosa  per  aequora  vectis 
pontus  et  ostriferi  fauces  temptantur  lÄbydi» 

V.  I  28  beginnen  die  diesem  Abschnitt  entsprechenden  Er- 
örterungen: suptilius  discretis  temporibus  observcmda  quaedam 
sunt  (cf.  V.  I  1,  5).  üebergang  durch  praeterea  L.  zB.  III  367. 
IV  199.  230.  V  76.  351.  VI  616  ua.  Auf  arcturus  und  haedi 
könnte  Vergil  durch  Ärat  157  gekommen  sein,  der  nachher  für 


412  Jahn 

eineo  langen  AbBchnitt  benutzt  ist;  aber  auch  Hee.  566  anü  bt 
sondere  610  wird  für  Aehnlichee  empfohlen,  auf  άρκτοϋρος  ζα 
achten,  oetriferi  Abydi  nach  Ennius  Heduphagetica:  mures  βα:.- 
Aeni,  spisea  ostrea  plurima  [Abydi  resp.  nach  dem  jetzt  onter 
den  Priapea  aufgeführten  Gedicht  Catnll  XVUI  (zn  IV  111)  on 
Helleepontia  ceteris  ostreosior  oris.  Namentlich  Arat.  742  i. 
steht  im  Gedanken  sehr  nahe;  der  Arkturue  und  andere  Stene 
ebenso  wichtig  für  Ackerbau,  wie  für  Schifffahrt :  υδρη  μ€ν  τ 
όρό(Ται  νειούς*  ώρη  bk  φυτευσαι  έκ  Διός  ήοη  πάντα  π^φαο- 
μένα  πάντοθι  κείται,  και  μίν  τις  και  νηι  πολυκλύστου  χειμώνος 
έφράσατ*  f\  bcivoO  μεμνημ^νος  άρκτούροιο  ή  έτίων  δλλιυν  κτέ. 

208  (libra  die  somniqne  paree  ubi  fecerit  horas,) 

et  medium  lud  atque  umbris  iam  [dividii  orbem : 

210  exercete,  viri,  tauroe,   seriie  hordea  campie 

tisque  sub  extremum  brumae  intraotabilie  imbrem; 
Nach  V.  I  34,  1  (ab  aeqninoctio  autumnali)  incipere  ecribuiit 
oportere  serere  usque  ad  diem  nonagesimum  nnum;  poet  brumam, 
nisi  quae  neceesaria  causa  coegerit,  non  serere.  Sogar  die  Con- 
struction  beibehalten.  Nun  aber  sehr  angemessen  poetisch  aui^- 
geschmückt  nach  L.  V  684  ff.  Dort  von  Sol :  et  in  partis  noc 
aequas  \dividit  orbem.  Zwei  Verse  weiter:  donec  ad  id  signum 
caeli  pervenit,  ubi  anni  nodus  nocturnas  exaequat  lucibus  umhras: 
nam  medio  cursu  flatus  aquilonis  et  austri  distinet.  Zu  211  cf. 
259  frigidus  agricolam  siquando  continet  imber.  Das  den  Versen 
208—250  entsprechende  Kapitel  des  Theophrast  ist  h.  VIII  1. 
Dort  findet  sich  manches  Abweichende^  manches  Aehnliche.  Ei 
ist  jedenfalls  nicht  direct  benutzt,  aber  sicher  eine  entsprechende 
Abhandlung  eines  Späteren.  Das  geht  eben  daraus  hervor»  das« 
Vergil,  ohne  hier  Theophrast  zu  kennen,  den  seinigen  parallele 
Angaben  macht. 

212  nee  non  et  lini  segetem  et  Cereale  papaver 

tempus  humo  tegere  et  iamdudum  incumbere  aratris, 
dum  sicca  tellure  licet,  dum  nubila   pendent. 
Quelle  unbekannt,    cf.  aber  77  urit  enim  lini  campum  setfes. 
urit  avenae,  urunt  Lethaeo  perfusa  papavera  somno.     humo  teger« 
auch  III  558. 

215  vere  fabi»  satio;  tum  te  quoque,  medica,  putres 
accipiunt  sulci,  et  milio  venit  annna  oura» 


Die  Quellen  und  Muster  des  ereten  Buche  der  Georgioa  Vergils     413 

candidue  auratie  aperit  cum  cornibus  annam 
tanrus,  et  ayerso  cedens  canis  occidit  astro. 
Die  Quelle  iet  auch  hier  unbekannt.  Die  Angaben  Theo- 
phrasts  und  Yarroe  sind  folgende.  V.  I  34,  1  fabam  optime  seri 
in  vergiliarnm  occasu:  später  haec  aliquot  regionibus,  ubi  ma- 
turine  frigora  fiunt  aspe'riora,  melius  verno  tempore.  Th.  h.  VIII 
1,4  o\  bk  και  τόν  κύαμον  όψέ  σπείρουσιν.  Später  τρίτη  bi 
των  θ€ριναιν  ήν  εϊπομειν  έν  ή  κίγχρος  σπείρεται  καΐ  μΑινος 
κτέ.  215  putree  sulci  cf.  Ι  44  putris  glaeba  und  dort  L.;  II  204 
putre  solura.  Zu  217  cf.  V.  I  28  (also  den  hier  mehrfach  ein- 
gesehenen Abschnitt),  dies  primus  est  .  .  .  aestatis  in  tauro.  (cf. 
auch  Π  1,  7  ab  iis  prineipibus  duodecim  signa  multi  numerant, 
ab  ariete  et  tauro).  candidus  cf.  II  320  Candida]  venit  avie. 
Bei  aperit  denke  man  an  die  varronieohe  Ableitung  von  Aprilie 
1.  I.  V  4.  Man  vergleiche  auch  IV  371  et  gemina  auratue  tau« 
rino  comua  voltn  Eridanus. 

219  at  si  triticeam  in  messem    robustaque  farra 

220  exercebis  humum  solisque  inetabis  aristis, 
ante  tibi  eoae  Ätlantides  abscondantur 
Cnosiaque  ardentiB  decedat  Stella  coronae, 
debita  quam  sulois  committas  semina  quamque 
inyitae  properes  anni  epem  credere  terrae. 

Die  nicht  erhaltene  Quelle  mögen  die  Angaben  Theophrasts 
ersetzen.  Tb.  h.  VIII  1,  2  vom  Getreide  Jipai  bk  του  απόρου 
των  πλείστων  buo'  πρώτη  μέν  και  μάλιστα  ή  περί  πλειάδος 
ούσιν  (cf.  auch  c.  IV  7,  1).  Für  Vers  222  kennen  wir  die 
Urquelle  der  dort  vertretenen  Ansicht,  aber  nicht  die  von  Vergil 
direct  benutzte.  Geoponica  II  14,  4  ans  Didymus :  Δημόκριτος 
bi  φυκικήν  τίνα  παρατήρησιν  παραδιοούς,  περί  τήν  του  Στε- 
φάνου μάλιστα  ούσιν  σπείρειν  συμβουλεύει  κτέ.  Gedacht  ist 
auch  an  Res.  383  ΤΤληιάοων  Άτλαγενέων  έπιτελλομενάων 
αρχεσθ'  άμήτου,  άρότοιο  bk  ουσομενάων.  (Schon  Theuphr. 
c.  IV  G  πυρός  ή  κριθή  unter  den  Ισχυρότατα.)  exercebis  cf.  99 
exercetque  freqnens  tellurem,  auch  210. 

225  multi  ante  occasum  Maiae  coepere;  sed  illos 
expectata  seges  vanis  elusit  avenis 
Quelle   unbekannt.     Maia  für  'Plejaden'.     Unter    ihnen    bei 
dem    nach  Vers  «351    die   Hauptquelle    bildenden    Arat.  263  καΐ 
πότνια  Μαϊα, 


414  Jahn 

227  ei  yero  viciamqae  seree  vileinque  phaeelnm, 
nee  PeluBiacae  ouram  aepernabere  lentis, 
haud  obscara  oadene  mittet  tibi  signa   Bootes: 

230  incipe  et  ad  medias  sementem  extende  prainas. 

Bei  Y.  I  32,  2  viciam,  lentem  zasammen,  aber  nach  ihm 
vielmebr  im  Hochsommer  za  säen.     230  of.  211. 

Dieser  ganze  Abschnitt  geht,  wie  gesagt,  ajiif  eine  nnf:  den. 
Namen  nach  nicht  mehr  bekannte,  aber  Theophr.  h.  VIII  1  ent- 
sprechende litterarische  Quelle  zurück.  Daneben  ist  Varrc 
verwerthet.  Wer  etwa  glaubt,  dass  Vergil  Bauernregeln  seiner 
Heimat  wiedergiebt,  verkennt  ihn  ganz;  sein  Bestreben  ist  viel- 
mehr auch  hier  ^die  Gelehrsamkeit  der  Gelehrsamkeiten'  vorm- 
tragen. 

Nun  folgen  Abschnitte,  deren  Vorbilder  erhalten   sind. 

231  Idcirco  certis  dimensam  partibus  orbem 
per  duodena  regit  mnndi  sol  aureus  astra. 
{quinque  tenent  caelum  zonae:)  quarum  una  corasco 
semper  soIe  ruhens  et  iorrida  sempcr  ab  igni; 

235  quam  circum  e^iremae  [dextra  laevague  iraJamittr 
caeruleae,  {glacie  concretae  atque  imbrüms  atris;) 
has  inter  mediamque  dvae  [morfalibiis  aegris 
munere  concessae  divom,   et  via  secta  per  ambas, 
oblicus  qua  se  signorum  verteret  ordo. 
Durch  V.  I  2,  3  und  4,    wo  von    den  Vorzügen    der  La^e 
Italiens    gesprochen    und  Eratosthenes*  £intheilung   der  £rde   i« 
folgenden  Worten    erwähnt    wird;    primum   cum  orbis  terrae  d> 
Visus    sit    in   duas  partes  ab  Eratostbene  maxume  secundum  ni- 
turam,  ad  meridiem  versus  et  ad  septemtriones  etc.  ist  Yergil  anf 
diesen  selbst  geführt  worden.     Eratosthenes  Hermes:    π€ντ€  i^ 
o\   ε  ων  α  ι  περιειλάοες  έσπείρηντο  α\  buo  μέν  γλαυκοΐο  κ6• 
λαινότεραι  κυάνοιο,  ή  bk  μία    ψαφαρή    τε   και   έκ   πυρός 
οίον  (αΐέν)  ερυθρή,   ή  μέν    έήν  μεσάτη,  έκέκαυτο  bk    πάσα 
περιπρό  τυπτομίνη  φλογμοϊσιν,    έπεί   pa   ?    μοίραν  ύπ'  αυτήν 
κεκλιμένην  ακτίνες  άειθερέες  πυρόιυσιν.   αΐ  hk  δύω  έκάτερθ« 
πόλοις  περιπεπτηυΐαι  αΐεΐ  κρυμαλίαι,  αίει  b'  öbaaif 
μογέουσαι.   ου    μέν  öbuüp,   άλλ'  αυτός  άπ'  ούρανόθεν  κρι*-^ 
σταλλος  κείται  άναμττίσχε.    περιψυκτός  bk   τέτυκτο.    άλλα  ι 
μky  χερσαία  καΐ   άμβατά  όνθρώποισιν.    b  ο  ι  α  ι  b'  δλλαι  ^ασιΐ 
έναντίαι  άλλήλησιν  μεσσηγύς  βε'ρεός  τε  και  ύ  ε  τ  ί  ο  υ  κ  ρ  υ 
σ  τ  ά  λ  λ  ο  υ  δμφιυ  ευκρητοί  τε  και  όμπνιον  όλbiσκouσαι  καρποί 
Έλευσίνης  Δημήτερος.    (έν  bd  μιν  Svbpες  άvτίπob€ς  vr'     cnvj 


Die  Quellen  und  Muster  des  ersten  Buchs  der  Oeorgica  Vergils     415 

Sol  aureus  eohon  Enniue  Annal.  I  95  p.  24  Heeeel;  in  den  Oe- 
orgica auch  17  51  und  I  431  aurea  Phoehe.  233  tenent  nach 
L.  Υ  201  (vor  der  so  oft  henutzten  Stelle)  inde  avide  partem 
silvae  monteeque  ferarum  poeeedere,  tenent  rupes  vastaeque  pa• 
ludee.  Dort  ist  auch  von  den  Zonen  der  Erde  die  Rede.  Vergil 
hat  die  ihm  erreichbaren  Abhandlungen  über  diese  zusammen- 
getragen; aus  dieser  speoiell  nur  einen  Ausdruck  verwendet. 
Auch  II  144,  wo  ebenfalls  von  Erdgegenden  die  Rede  ist,  be- 
zieht sich  Yergil  auf  dieselben  Lukrezverse.  Zu  mundi  astra  cf. 
5  mundi  lumina  und  sidera  mundi  L.  I  788.  II  328.  V  514. 
V.  235  unwillkürliche  Erinnerung  an  L.  IV  276  inde  fores  ipsae 
[deatra  laevaque  sequuntur,  [imbribus  atris  auch  323.  Vers  237/9 
zunächst  auch  im  Anschluss  an  Eratosthenes,  in  derselben  Reihen- 
folge. Dann  aber  nach  Varro  Atacinus  (Wernsdorf  p.  L.  m.  V 
1403)  sie  terrae  extremas  inter  mediamque  coluntur.  Nach  ex- 
tremas  in  v.  235  extremae.  Also  auch  dort  gab  es  eine  Ab- 
handlung über  die  Zonen,  die  Yergil  ebenso  gut  wie  die  übrigen 
verwendete.  Ferner  Muster  L.  V  692  (die  vorhergehenden  Yerse 
waren  zu  209  verwerthet)  propter  signiferi  posituram  totius  orbis 
obliquL  Noch  eine  unwillkürliche  Erinnerung  an  L.  Υ  272  qua 
via  secta  semel  liquido  pede  detulit  undas.  [martalibus  ciegris  L. 
YI  1.  Zu  Yers  247  sind  λ  15  ff.  benutzt.  Dort  19  0€ΐλοϊσι 
ßpOTOicTtv.  Das  ist  interessant.  Offenbar  nämlich  hatte  Yergil 
sich  Sammlungen  angelegt  über  die  Beschaffenheit  der  Zonen  usw. 
In  diesen  fand  sich  auch  die  Homerstelle,  aus  der  er  hier  nur 
den  Auedruck  beiXoi(Tiv  ßpOTOiCTiv  verwerthet,  den  er  dann  wieder 
nach  Lucretins*  Vorgang  übersetzt. 

240  mundus,  ut  ad  Soythiam  Riphaeasque  arduus  arces 
consurgit,  premitur  Libyae  devexus  in  austrop. 
(hie  t^ertex  nobis  semper  sMimis)  at  illum 
sub  pedibua]  Styx  atra  mdet  manesque  profund i.) 
mcuvumus  hio  [flexu  sinuoso]  elabitur  anguis 
245  cireum  perque  duas  in  morem  fluminis  arcfoSy 
arctos  oceani  mettientes  aequore  iingui, 
Arat.  25  περί  b*  ούρανόν  αυτόν  άγινεϊ.    και  μιν  πειραί- 
νουσι  δύω  πόλοι  άμφοτέριυθεν.    (άλλ'  ό  μέν  ουκ  έπίοπτος, 
ob'  όντίος  έκ  βορέαο  ύψόθεν  ώκεάνοιο.)    Auch  diese  Stelle  als 
den  vorigen    ähnlich    von  Yergil    herangezogen.     Man   achte  auf 
die  übertreibende  Wiedergabe  von  έτηοτΓτος.     Auch  dabei  dachte 
er  schon    wie   bei  2B7    an  die   zu   247  ff.  ausgebeuteten   Homer- 


416  Jahn 

verse.  Arat.  45  τάς  bk  bi'  άμφοτίρος  οΥη  ποταμό  ίο  άπορ 
ρώΕ  €\λ€ΐται  μέγα  θαύμα,  δράκων  περί  τ'  άμφί  τ'  [έαγώς 
μύριος.  α\  b'  δρα  ο\  σπείρης  έκάτερβε  φέρονται  δ  ρ  κ  τ  ο  ι  κνα 
νέου  πεφυλαγμέναι  ωκεανοί  ο.  Ζα  246  nioht  etwa  Homer 
(Π.  XVIII  489.  Od.  V  273  f.)  eiDgeeehen.  Ripbaeas  arcee  cf 
IV  461  Rhodopeiae  arcee.  Ripbaei  noch  III  382.  IV  518.  Die 
Ripäerherge  und  die  Scythen  wurden  wohl  oft  nebeneiDander  er- 
wähnt, wie  zB.  Apolloniue  Rh.  IV  286  des  l8ter  πηγαι  TOf> 
υπέρ  πνοιής  βορέαο  'Ριπαίοις  έν  δρεσσιν  όπόπροθι  μορμύρουα; 
nachher  Σκυθίιυν.  sub  pedibue]  auch  von  der  Unterwelt  L.  III 
27  (L.  V  1137),  auf  den  Gedanken  führte  ihn  dae  άντίποΟ€ς 
dee  Eratostbenes. 

247  (illic,  ut  perbibent,  aiU  iniempesta  eilet  nox 
semper  et  obienta  densentnr  nocte  tenebrae,) 
aut  redit  a  nobie  Aurora  diemque  reduoit; 
250  noeque  abi  primae  equie  Oriens    adflavit  anhelie, 
illifl  sera  rubene  [accendit  lumina]  Vesper. 
Nach  einer  Homer•  und  einer  Lukrezstelle  bearbeitet,    λ  Γ' 
(άλλ*  έπΙνύΕ    όλοή   τίταται   bεtλoΐσι   βροτοϊσιν.     15  (ήίρ: 
και  νεφέλη  κεκαλυμμένοι,)   beides  von  dem  Eimmerierlande  bei 
Odysaeus'  Hadeafahrt.     nox  intempeeta  schon  Enniue  annal.  10t' 
und  172  und  L.  V  984.     In  den  drei  letzten  Versen  ist  der  Aus- 
druck vielfach  entlehnt  aus  L.  V  650,   einer  Erörterung,  die  in 
Gedanken    den   schon    benutzten   nahe  steht.     At  f?ar  obmit  ic- 
genti  caligine  terras,  au/  ubi  de  longo  cursu  sol  ultima  caeli  in.- 
pulit  atqne  suos  efflavit  languidus   ignis  cononssos  itere  et  labe- 
faotoR  aere  mnlto,  aut  quia  sub  terras  cnrsum   convortere    cogit 
vis  eadem,  supra  quae  terras  pertulit  orbem.    Tempore  item  certv 
roseam  Matuta  per  oras  aetheris  auroram  differt  et  lumina  pao- 
dit|  aut  quia  sol  idem,  sub  terras  ille  revertens,  anticipat  caelum 
radiis  accetidere  temptans  etc.    Zum  Gedanken  L.  I  1065  illi  cun: 
videant  solem,    nos   sidera    noctis    cernere    et  altemie    nobiscuB. 
tempora  caeli  dividere  et  noctes  parilis  agitare  diebus.    L.  I  11  IT 
ita  res  [accendent  lumin(i\  rebus,     eol  equis  cf.  III  358  nee  cun 
invectus    equis  altum    petit  aethera;    dort   von  Zeretreuaog    der 
Schatten  die  Rede. 

252  hinc  tempestates  dubio  praediscere  caelo 

possumus,  hinc  messisque  diem  iempusoue  serendi^ 
et  qnando  infidum  remis  impellerr 


Die  Quellen  und  Muster  des  ersten  Buchs  der  Georgica  Vergils  usw.    417 

255  conveniaty  quando  armatas  dedncere  olaesie 
ant  tempestivam  silviR  evertere  pinum. 

257  Nee  fruetra  signorum  obitue  speculamur   et   ortue 

258  temporibusque  parem  diversis  quattuor  aDnam: 

Vers  233 — 251  waren  eine  DigresBion,  Vers  252  nimmt  den 
Gedanken  von  231/2  auf.  Nämliob  231/2  +  252/8  frei  nach 
Α  rat.  10.  Dort  von  Ζευς:  λίγει  b'  öre  βώλος  αρίστη  βουσί  τ€ 
και  μακέλησιν.  λέγει  b'  δτε  bliiai  ώραι  κα\  φυτό  γυρώσαι  καΐ 
σπέρματα  πάντα  βαλέσθαι.  αυτός  γάρ  τάδε  σήματ' 
έν  ούρανψ  έστήριΕεν  δστρα  οιακρίνας.  έσκέψατο  b'  εΙς  ένιαυ- 
τόν  αστέρας,  οϊ  κε  μάλιστα  τετυγμένα  σημαίνοιεν  άνοράσιν 
ώράιυν,  όφρ'  ίμπε^α  πάντα  φύωνται.  praediecere  cf.  51  varium 
caeli  [praediscere]  morem.  marmor  schon  Ennius  p.  57.  Vahlen 
und  L.  II  766.  pinum  tempestivam  nicht  aus  Theophr.  h.  V 
1,  1  πεύκην  ώραίαν  είναι.  Siehe  Cato  31,  2  ulmeam  pineam 
etc.  .  .  materiem  omnem  cum  effodiee,  Inna  decrescente  eximito 
post  meridiem  sine  vento  austro.  tum  erit  tempestiva,  cum  semen 
suum  maturum  erit.  Weder  Cato  noch  Theophrast  brauchen  hier 
Vergils  directe  Quellen  gewesen  zu  sein,  aber  offenbar  war  von 
pinus  tempestiva  auch  in  Vergils  Quelle  die  Rede.  Zu  V.  258 
merke  ich  V.  I  27,  1  an,  trotzdem  ich  weiss,  dase  Vergil  nicht 
nöthig  hatte,  sich  dort  über  die  vier  Jahreszeiten  zu  unterrichten. 
Dort  von  der  Sonne:  eins  cnrsus  annalis  primum  fere  circiter 
ternie  mensibus  ad  fructus  est  divisus  in  IV  partis. 

259  frigidus  agricokm  siquando  corUinet  imber^ 

260  multa,  forent  quae  mox  caelo  properanda  sereno, 
maturare  datur:  durum  procudit  arator 
vomeris  obtnnsi  dentem,  cavat  arbore  untres 

aut  pecori  signnm  aut  numeros  impressit  acervis. 

exacuunt  alii  vallos  fnrcasque  bicomis, 
265  atque  Amerina  parant  lentae  retinacula   viti. 

(nunc  facilis  Rubea  texatur  fiscina  virga^ 

nunc  torrete  igni  fruges,  nunc  frangite  scuvo,) 
Hes.  494  warnt  zu  faulenzen  ujpi]  χειμερίη  οπότε 
κρύος  άνέρας  ίργιυν  ϊσχει.  Dadurch  wurde  Vergil  zu- 
nächst angeregt.  Dann  aber  bog  er  seiner  Gewohnheit  gemäss 
ab.  Solche  Abschnitte  wie  dieser  waren  bei  Ackerbauschrift- 
etellern gebräuchlich,  cf.  Cato  39  ubi  tempestates  malae  erunt. 
Dort  dann  aber  andere  Beschäftigungen ;  zum  Schluss  per  imbrem 
in  villa  ouaerito,  quid    fieri  possit.     Ferner  Cato  2,  3  cum  tem- 

P^  \H.F.  LVIIL  27 


418  Jahn 

peetatee  plnviae  faerint,  quae  opera  per  imbrem  fieri  potaerint; 
aber  ebenfalls  andere  Besehäftigungen.  Zu  V.  264/5  cf.  Gate 
37,  3,  wo  solche  Arbeiten  vielmehr  ftir  den  Winter  yorgesohriebeD 
werden:  per  hiemem  lucnbratione  haec  facito.  ridicas  et  palos^ 
qnos  pridie  in  tecto  posneris,  siecos  dolato,  facnlae  faoito,  eterco» 
egerito.  Dem  frigid us  imber  Vergils  lag  ja  anch  κρύος  ωρτ] 
χειμερίΐ}  bei  Hesiod  zu  Grrnnde.  Za  262  dentem  Π  406  carvo 
Satnmi  dente.  Zu  264  cf.  II  25  acuto  robore  vallos.  Zu  266/7 
cf.  Cato  2,  4.  Siehe  sogleich  anten.  Zu  266  ecl.  X  71  dnm 
sedet  et  gracili  fisceUam  teait  hibisoo.  267  stammt  der  poetische 
Ausdruck  ans  L.  I  887  conveniebat  enim  fruges  qaoqne  saepe, 
minaci  robore  cum  saxi  franguntur ^  mittere  signnm  sanguinis. 

268  (qüippe  etiam  (festis)  qnaedam  exercere  (diebus) 

fas  et  iura  sinunt:)  (rivos^  dedaoere)  nuUa 
270  religio  yetnit,  segeti  praetendere  saepem, 
insidias  avibus  moliri,  (incendere  vepres^ 
balantnmqoe  gregem  flnvio  mersare  salnbri. 
(saepe  oUo  tardi  costas  agitator  aselU 
vilibus  aut  onerat  pomis,   lapidemque  revertens 
275  incnsnm  ant  atrae  massam  picis  urbe  reportai.) 
Cato  2,  4»    also  unmittelbar    nach  den  Beschäftigungen    bei 
Regenwetter:  (per  ferias  potnisse)  (fossas^  veteris  tergeri),   yiam 
publicam  muniri,  (vepres  recidi),   hostum  fodiri,    pratum  purgari, 
virgas  vinciri  (letzteres  zu  V.  266),   spinas  runcari  (expinsi  far) 
(zu  y.  267),    munditias  fieri.     Dadurch    zugleich    das    rivos    de- 
ducere  erklärt  cf.  113  quique  paludis  conlectum  umorem  bibnU 
deducit  arena.     InbetrefP   des   Streites,    ob    die    bei   Vergil    auf- 
gezählten Arbeiten  wirklich  erlaubt  waren,  verweise  ich  aaf  die 
alten  Erklärer.     Weiter  Cato  138  boves  (feriis)  coniungere  licet, 
haec  licet  facere.     arvehant  ligna,  fabalia,   frumentam,   qnod  non 
datnrus  sit.     mulis,  equis,  {asinis  feriae  nullae,)  nisi  ei  in  familia 
sunt     Die  Belastung  der  £sel  nach  V.  II  6,  5  greges  finnt  mer- 
catorum,  ut  eorum  qui  e  Brundisino  autApulia  aseUis  doesnarii« 
comportant  ad  mare  oleum  atä  vinum  itemque  frumentum  aut  quid 
alint.     268  festis  .  .  diebus    findet    sich    bei  L.  V   1165    horror. 
qui  delubra  deum  nova  toto  suscitat  orbi  terrarum  et  festis  cogit 
celebrare    diebus.     Vergil   war  so  im  Lucret.  belesen,    daes   sieb 
bei  Anwendung  des  Ausdrucks  dieselbe  Stellung   im  Verse    von 
selbst    ergab,     mersare  cf.  III  447.     Zu  274   cf.  227    vileinque 
phaselnm. 


Die  Quellen  und  Master  des  ersten  Buchs  der  Georgica  Vergils  usw.    419 

276  (Tpsa  dies  alios  alio  dedit  ordine  Inna 

felicie  operum.)  quintam  fuge:  pallidne  Horcus 
'Etimenidesque  sattie;  tum  partu   Terra  (nefando) 

Coeumgue]  lapeiumque  erecU  eaevomque   Typlwea 
280  et  coninratoe  oaelum  reacindere  fratres. 

ter  sunJt  conafi  imponere  Pelio  Ossam 

eoilicet  atque  Ossae  frondosum  involvere  Olympttm; 

ter  pater  extrnctoe  dieiecit  falmine   montis. 

septuma  post  decumam  felix  et  ponere  yitem 
285  et  prensos  domiiare  boves  et  licia  telae 

addere.  nona  fugae  melior,  contraria  fnrtis. 
Veranlasst  ebenso  wohl  durch  V.  I  37  dies  lunares  quoque, 
observandi  .  .  .  quaedam  facienda  in  agris  potins  crescente  luna 
quam  decrescente  als  durch  Hesiod  705  ff.  Vergil  wollte  an- 
deutungsweise etwas  Aehnliches  geben,  wie  dort  zu  lesen  war; 
aber  nicht  das  Gleiche.  277/8  ans  Hes.  802  πέμπτας  V  ii- 
αλίασθαι,  έπ€\  χαλβπαί  τε  καΐ  αΐνοΐ.  έν  πέμπττ)  γάρ  φασιν 
ΐρινύας  άμφιπολεύευειν  "Ορκον  γείνομενον,  τόν  Έρις 
τέκ€  πήμ' έπιόρκοις.  Vergil  hat  Hesiod  offenbar  missverstanden  : 
tue  Erynien  hätten  Horcus  bei  der  Geburt  umgeben,  seien  also 
mit  ihm  zugleich  geboren.  (Theogon.  213  *Ορκος  Sohn  der  Έρις 
185  Έρινυς  Kinder  der  Erde.)  Auf  diesen  fünften  Tag  sollte 
noch  mehr  Unheil  gehäuft  werden;  so  übertrug  Vergil,  ohne  in 
Bezug  auf  den  Tag  seiner  Quelle  zu  folgen,  auf  ihn  die  Geburt 
anderer  Ungeheuer  nach  Hes.  theogon.  134.  γαία  τίκ€  .  .  . 
Κοϊόν  τ€]  Κρβΐόν  θ'  Ύπερίονα  τ'  Ίάπετόν  τ€  und  820  αύ- 
τάρ  έπεί  Τιτηνας  άπ  ουρανού  έεέλασ€  Ζδύς,  όπλότατον  τίκε 
παϊδα  Τυφώνα  Γαϊα  π6λώρη  (Ταρτάρου  έν  φιλότητι)  bia  χρυ- 
αίην  Άφροοίτην.  Wie  Vergil  auf  280  ff.  kam,  erklärt  der  zweite 
der  hier  abgedruckten  Hesiodverse  (Τιτήνας).  Otos  und  Ephialtes 
sind  nicht  Kinder  der  Erde.  Der  Irrthum  erklärt  sich  durch 
λ  307  ff.  Dort  heisst  es  von  Iphimedeia:  κα\  β'  ίτ€κεν  buo 
παΐδας,  μινυνθοΜω  bk  τ€νίσθην,  "Ότόν  τ'  άντίθεον,  τηλεκλειτόν 
τ*  Έφιάλτην,  οΟς  οή  μηκίστους  θρίψε  Σείδιυρος  δρουρα. 
Nachher  315  von  ihnen:  Όσσαν  έπ'  Ούλύμπψ  μέμασαν 
θέμεν,  αύτάρ  έπ' *Οσση  ΤΤήλ  ιον  είνοσίφυλ  λον,  ϊν' 
ουρανός  όμβατός  εΤη,  was  Vergil  mit  poetischer  Freiheit  gerade 
wie  vorhin  übertragen  hat.  Auch  hat  bei  Homer  nicht  Ζευς 
selbst  die  Brüder  vernichtet.  Daran  übrigens,  dass  Vergil  Homer 
zu  dieser  Zeit  ganz  kannte,  ist  kein  Gedanke ;  dergleichen  Re- 
miniscenzen  stammen  aus  Sammlungen  von  Memorierversen.  Wahr- 


430  Jahn 

scbeinlioh  gab  Vergils  Quelle  die  Verse  erst  anfangend  mit  ^Οτόν 
T^  όντίθ€θν;  dann  konnte  Vergil  gar  nicht  andere  als  sie  fiir 
Söhne  der  Γαία  halten.  (Man  beachte  ter.  S.  h.  Programm  I 
p.  14.)  Die  Berge  zerschmettert  Jnppiter  mit  dem  Blitz  auch 
332.  Die  Verse  285/6  verdanken  anoh  Hesiod  ihre  Entstehung, 
aber  die  Tage  für  die  Beschäftigungen  sind  abgeändert;  wir 
wissen  nicht,  ans  welchem  Grunde.  Η  es.  794  έσθλή  V  ανδρο- 
γόνος δεκάτη,  κούρη  bi  τε  τετράς  μέσση.  τή  bi  τ€  μήλα  και 
είλίποδας  έλικας  βουςκαΐ  κύνα  καρχαρόοοντα  και  ου- 
ρήας  ταλαεργούς  πρηΟνειν,  έπΙ  χεϊρα  τιθείς.  Femer  779, 
auch  an  anderem  Tage  als  Vergil,  τή  t*  \στόν  στήσαιτο 
γυνή.  Zu  prensos  cf.  III  207  von  Pferden  prensique  negabunt 
yerbera  lenta  pati.  Plinius  XVIII  32  meint,  Vergil  sei  hier  dem 
Demokrit  gefolgt:  namque  Vergilius  etiam  in  numeros  lunae  di- 
gerenda  quaedam  putavit  Democriti  secutus  ostentationem.  Ob 
dies  richtig  ist,  können  wir  nicht  wissen;  jedenfalls  kam  Vergil 
durch  Varro  auf  die  dies  lunares  und  folgte  dann  Hesiod,  von 
ihm  jedoch  vielleicht  wieder  zuweilen  nach  unbekannter  Quelle 
abweichend. 

287  Multa  adeo  gelida  melius  se  noote  dedere, 
aut  cum  sole  novo  terras  inrorat  eous. 
nocte  leves  melius  stipulae,  nocte  arida  prata 
290  tondentur,  noctis  lentus  non  deficit  umor. 
et  quidam  serös  hibemi  ad  luminis  ignes 
pervigilat,  ferroque  faoes  inspicat  aouto; 
interea  longum  oantu  solata  laborem 
arguto  coniunx  percurrit  pectine  telas, 
295  aut  dulcis  musti  Volcano  decoquit  umorem 
et  foliis  und  am  trepidi  despumat  aheni. 
Quelle  in  der  Hauptsache  unbekannt.    292  Cato  37,  3  (s.  o.) 
per   hiemem  .  .  .  faculas  facito.     (V.  I  36,  2  über  dergleichen.) 
novos  soles  Π  332.     Tau  am  Morgen  III  824  ff.     Uebrigens  ver- 
gleiche man  zu  287—310  das  Winterleben  Π  519  ff.    inrorat  III 
304.     arguto  143. 

297  (nee  rubiounda  oeres  medio  succiditur  aestn, 
at  medio  tostas  aestu  terit  area   frnges.) 
Nach  Vorschrift  wie  etwa  Theocrit  X  48  οΐτον  άλοιώντας 
φεύγειν  τό  μεσαμβρινόν  δπνος.    έκ   καλάμας   δχυρον   τελέθει 
τημόσοε  μάλιστα,    δρχεσθαι  b'  άμώντας  έγειρομένιυ  κορυδάλλω, 


Die  Qaellen  and  Muster  des  ersten  Buohs  der  Georgica  Yergils  usw.    421 

κα\  λήτ€ΐν   ευοοντος,   έλινΟσαι  bk  τό  καύμα.     297  cf.  III  331 
aeetibue  .  .  mediie;  154.    IV  401.    ecl.  X  65. 

299  niidus  ara^  sere  nudus: 
Aue  Hee.  391  γυμνόν  σπ€ίρ6ΐν,  γυμνόν  bk  βοω• 
T€iv,  γυμνόν  b'  άμάαν. 

299  hiemps  ignava  colono. 

300  frigoribne  parto  agricolae  plernmqne  frnantur, 
mntuaqae  inter  se  laeti  convivia  enrant. 
invitat  genialis  hiems  curasque  reeolvit, 

ceu  preeeae  cum  iam  partum  tetigere  carinae 
pupptbua  et  laeti  ncmtae  imposuere  Coronas. 
305  set  tarnen  et  qaemas  g]  and  es  tnm  stringere  tempus 
et  lauri  bacae  oleamque  omentaque  myrta, 
tum  gruibne  pedicas  et  retia  ponere  cervis 
auritosqxke  eeqai  leporeSj  tum  figere  dammae 
stnppea  torqaentem  Balearis  verbera  fundae, 
310  cum  nix  alta  iacet,  glaciem  qnom  flumina  trudunt. 
Das  Tbema  gaben  Verse  wie  die  des  Bion  VI  5.     Welche 
Jahreszeit  gefällt  Dir?   t\  και   χβιμα  ΰύσεργον;    έπ€ΐ  κα\ 
χβίματι  πολλοί  θαλπόμενοι  θέλγονται  άεργίςι  τε  καΐ  δκνιμ.    Durch 
solche  Worte  konnte  Vergil   auf  Schilderung  der  Winterfreuden 
geführt  werden.     V.  303  in  merkwürdiger  Weise  aus  Arat.  über- 
tragen.    Vers  303/4  ist  zu  constrniren   et  puppibus.     So    haben 
die  alten  Nachahmer  Vergils  verstanden,  so  ist  es  durch  die  Vers- 
theilung    angedeutet.     Auch    scheint  zu   imponere  ein  Dativ  der 
Ergänzung  angemessen  und  carinae  puppibus  für  naves  puppibus 
wäre  sehr  gewagt.    Der  beste  Beweis  aber  ist  die  Wiederholung 
des  Verses  durch  Vergil  selbst  Aen.  IV  418  vooat  iam  carbasus 
auras,  puppibus  et  laeti  nautae  imposuere  carinas.    Die  angedeutete 
Sitte  erscheint  etwas  wunderbar,   wird  nur    scheinbar    von    spä- 
teren Dichtem  bestätigt;   denn   diese  haben  Vergil  einfach  nach- 
gebetet.    Das  Ganze   erklärt  sich  sehr  einfach  aus  einem  Miss- 
verständniss.     Arat.  344    heisst    es    von    der  Argo  am  Himmel: 
άλλ'  δπιθεν  φέρεται  τετραμμένη,  οίο  κεν  αύτα\  ν  ή  ε  ς    έ  π  ι  - 
ατρέψωαι  κορώνην  δρμον  έσερχόμεναι.    Nachher: 
ώς   ή  γε  πρύμνηθεν  Ίησονις   έλκεται  'Αργώ.     Vergil    las,    ob 
durch    seine,    ob    durch    eines  Abschreibers    Schuld,    iniOTl- 
ψωσι  statt  έπιστρέψωσι.     Dass  επιστέφω  bei  den  Bechern  als 
'bekränzen'  verstanden  worden   ist,    ist  ja    bekannt.     Ob  Vergil 


422  Jahn 

κορώνη,  das  ja  an  dieser  Stelle  allein  ^Hinlertbeir  bedeutet, 
falsch  verstand  and  doch  Corona  übersetzt,  lasse  iob  dahingestellt; 
nimmt  man  έπιατέςκυ  für  'bekränzen',  so  bedeutet  ja,  auch  richtig 
verstanden,  έπισαέψωσΐ  κορώνη  puppi  coronam  impouere•  Das 
Wortspiel  mit  κορώνη  und  corona  konnte  Vergil  für  eine  be- 
sondere Feinheit  halten.  Einige  ähnliche  Falle  habe  ich  im  Pro• 
gramm  II  p.  16  (Vergil  und  Theokrit  Berlin  1897/9  Köllnisches 
Gymn.)  zusammengestellt.  Nämlich  ecl.  II  36  steht  an  Stelle 
eines  theokriteischen  €ύπάκτοιο(Ι  128)  ein  ganz  anders  ge- 
meintes compoc^a.  eol.  X  22  ist  cura  noch  Anklang  an  κ  ώ  ρ  α 
Ι  82,  ecl.  Π  29  figere  noch  nach  π  α  Ε  α  ι  XI  66,  bei  Theokrit 
dann  fortgefahren  τυρόν,  bei  Vergil  cervos;  ecl.  II  50  pingii 
vaccinia  soll  das  γραπτά  υάκινθος  Χ  28  in  eleganter  Weise 
umdeuten.  V.  305  cf.  ecl.  X  20  uvidus  hiberna  venit  de  glande 
Menalcas.  V.  307  gruibus  cf.  112,  ferner  ecl.  V  60  nee  retia 
ceri^is  ulla  dolum  meditantur.  V.  308  auritos  lepores  nach  Afra- 
nius  (Macrob.  Sat.  VI  5).  Ferner  ecl.  II  29  et  (figere)  cervos. 
torquere  cf.  ecl.  X  59  libet  Partho  torquere  Cydonia  cornu  spi- 
cula.  Zu  310  vergleiche  III  369  ff.,  die  Hyperboreer,  und  IV 
136  et  glacie  cursus  frenaret  aquarum.  302  invitat]  cf.  IV  109 
invitentj. 

311   Quid  tempestates  autumni  et  sidera  dicam, 

atque,  ubi  iam  breviorque  dies  et  moUior  aestas, 
quae  vigilanda  viris;  vel  cum  ruit  imbriferum  ver, 
(spicea  iam  campis  cum  messh  inhorruit  et  cum 
315  frumenta  in  viridi  stipula  lactentia  turgent?) 

(saepe)  ego,   cum  flavis  messorem  indnceret  arvis 
agricola  et  fragili  iam  stringeret  hordea  culmo, 
(omnia  ventorum  concurrere  proelia  vidi,) 
quae  gravidaro  late  segetem  [ah  radicibus  imis 
320  sublimem  expulsam  eruerent,  ita  [furbine  nigro] 

ferret  hiems  culmnmque  levem  stipulasque  volantis. 
Wenn  man  noch  322  hinzunimmt,  so  findet  man  den  Ge- 
dankengang der  Lieblingestelle  Vergils  L.  V  213  ff.  wieder:  et 
tarnen  (interdum)  magno  quaesita  labore,  (cum  iam  per  terrae 
frondent  atque  omnia  florent,)  aut  nimiis  torret  fervoribus  aethe- 
rius  sol,  (aut  subiti  peremunt  imbres)  gelidaeque  pruinae,  (flabra- 
que  ventorum  violento  [furbine]  vexant.)  Natürlich  giebt  es  die 
üblichen  Verschiebungen.  314/5  entspricht  L.  214,  316  saepe 
..  213  interdum,    318  (320)  L.  217,  322  ff.    L.  216.     Einzelne 


Die  Qaellen  und  Muster  des  ersten  Buchs  der  Georgica  Yergils  usw.    423 

Aoedrtioke,  selbst  Conetructionen,  sind  sorgfältig  den  Stellen,  wo 
Lakrez  Stürme  usw.  schildert,  nachgebildet.  Ein  denkwürdiges 
Beispiel  ist  L.  I  271  (auch  sonst  benutzt)  principio  venti  vis 
verberat  inoita  pontum  ingentisqae  mit  navis  et  nubila  differt, 
interdum  rapido  percurrens  [/tir&ine]  campos  arboribus  magnis 
stemit  montisqne  supremos  silvifragis  vexat  flabris:  ita  perfurit 
acri  cum  fremitu  saevitque  minaci  murmure  ventus.  Diese  Sturm- 
schilderung hat  Vergil  offenbar  eingesehen,  aber  nichts  aus  der- 
selben verwendet  als  die  auffallende  Satzverbindung  durch  ita. 
Femer  benutzt,  ebenfalls  aus  Sturmschilderang  L.  VI  141  arbusta 
evolvens  radidbus  haurit  ab  [imis]  bei  L.  Baumpflanzungen,  bei 
Vergil  Saaten.  Dort  bei  L.  kurz  vorher  116  concurrere  nubes. 
L.  I  352  [ab  radidbus  imis.  Zweifelhaft  ob  L.  Υ  608  benutzt 
isty  wo  vom  Feuer  die  Rede  ist :  segetes  [stipulamque]  videmus  etc. 
Vers  314/5  Nachbildung  von  Versen  wie  IL  XXIII  597  τοϊο 
bk  θυμός  Ιάνθη,  ώςεί  t€  π€ρι  σταχύ€σσιγ  έίρση  ληΐου  άλ- 
6ήσκοντος,  δτ€  φρίσσουσιναρουραι.  V.  319  nach  Attius 
Medea  1  mblime  veniis  eapfdsum  rapi  saxum  aut  procellis  (Rib- 
beck y.  396).  turbine  an  betreffender  Yersstelle  überaus  häufig 
bei  Lukrez.  Zu  319  cf.  II  143  gravidae  frnges,  Π  111  gravidis 
aristis,  Π  5  gravidus  ager.    Zu  321  cf.  368. 

322  {saepe  etiam  immensum  cado  venit  agmen  aquarum,) 
et  foedam  glomerant  tempest[atem  imbribus  airis 
coUectae  ex  alto  nubes;  (ruit  arduus  [aether,) 
325  et  pluvia  ingenti  sata  laeta  {[boumgue  labores) 
diluit;  {implentur  fossae  et  cava  flumina  crescunt) 
cum  sonüu  /isrt^^que  fretis  spirantibus   aequor. 
ipse  pater  media  [nimborum  in  nocie  corusca 
ftdmina  mciitur  dextra:  quo  maxuma  motu 
330  terra  tremit;  fugere  ferae  et  mortalia  corda 
per  gentes  humilis  stravit  (pavor:)  ille  flagranti 
aut  Äthan  aut  Rhodopen]  aut  alta  Ceraunia  telo 
deicit;  ingeminant  austri  et  (densissimus)  imbery 
nunc  nemora  ingenti  vento,  nunc  litora  plangunt. 
Hauptsächlich    angeschlossen    an    die  Schilderang    des  Ge- 
witters L.  VI  246  ff.     Nämlich  253  usque  adeo  tetra  [nimborum 
nocte  coorta  impendent  atrae    formidinis    ora   superne,  cum  com- 
moliri   tempestas  fulmina  coeptat.     256  praeterea  ^^rsaepe  niger 
quoque  per  mare  nimbus  ut   picis  e  caelo    demissum    flamen,   in 
undas    sie  cadit  effertus  procul  et  trahit  atram    fulminibus    gra- 


424  Jahn 

vidam  f^mpestcUem  atqae  procellie.  267  {flumina  abundare  at  h- 
ciant)  caxnpoeqae  natare.  283  ferturque  [coruscis  omnla  luminibüt• 
luetrane  loca  peroitus  ardor.  287  inde  tremor  terrcis  graviter 
pertemptat.  290  quo  de  (concueeu)  sequitar  gravis  imber  et  (über*, 
omnis  uti  videatnr'  in  tmi^em  vertier  [aether  atqae  ita  (prae• 
cipitane)  ad  dilaviem  revocari.  Aber  auch  sonet  Shnlicbe  Kapitel 
des  Lakrez  verglichen.  V.  323  foedam  nach  L.  IV  169  fem- 
pestas  perquam  enbito  fit  torbida  foede.  V.  328  pater  cf.  121 
II  325  bei  ähnlicher  Schilderung.  Ihn  gerade  hier  als  pater  zc 
bezeichnen,  dazu  ist  er  durch  L.  V  399  angeregt  worden,  wu 
aucb  Juppiter  den  Blitz  schleudert:  at  pater  omnipotens  ira  tum 
percitus  acri  magnanimum  Phaethonta  repenti  ftüminis  ictn  de- 
turbavit  equie  in  terram.  Zu  330  cf.  L.  V  1236  und  L.  VI  544 
terra  tremit  Der  Blitz  trifft  die  höcbsten  Spitzen  L.  VI  421 
altaque  cur  plerumque  petit  loca,  plurimaque  eius  montibus  in 
eummie  vestigia  cemimus  ignieP  Dafür  eetzt  Vergil  nacb  seiner 
Gewohnheit  bestimmte  Bergnamen  ein,  hier  noch  einmal  naeb 
Theocrit  VII  77  ή  Ά  θ  ω  ή  Τ  ob  όπα  ν  ή  Καύκασον  έσχα 
τόιυντα,  dem  Verse,  der  schon  ecl.  VIII  44  aut  Tmaroe  aut 
Rhodope  aut  extremi  Garamantes  Verwendung  fand.  Dazu  Ce* 
raunia,  ihm  bekannt  aus  Stellen  wie  Δροΐΐοη.  IV  518  ol  b'  έν 
δρ€σσιν  ένναίουσιν,  &π€ρ  le  Κεραύνια  κικλήσκονται  έκ  τόθεν, 
α.  δτ€  τούςτ€  Διός  Kpovi'bao  κεραυνοί  νήσον  ίς  dvrm^paiov 
άπέτραπον  όρμηθήναι.  Da  gab  es  wirklich  ein  ^montee  deicere*. 
Uebrigens  L.  V  1125  fulmen  deicit.  cf.  283  ter  pater  exstructos 
disiecit  fulmine  montes.  telum  vom  Blitz  schon  L.  II  1103.  L 
VI  421  f.  habe  ich  schon  angeführt,  sogleich  wieder  427  benutxt. 
Dort  vom  Wirbelwind  quam  freta  circura  fervescunt  graviter  spi- 
rantibus  incita  flabris.  Zur  weitern  Ausmalung  ist  die  Schilde- 
rung des  Unwetters  bei  Hesiod  herangezogen.  511  και  πάΰα 
ßoqi  τότε  νήριτος  υ  λ  η.  512  θήρες  bfc  φρίσσουσ',  ουράς 
b'  ύττό  μέίε'  ίθεντο.  529  και  τότε  bή  κεραοί  τε  καΐ  νήκεροι 
ύληκοϊται  λυγρόν  μυλιόωντες  άνά  bplo  βησσήεντα  φεύγουσιν. 
maxima  terra  erinnert  an  das  hesiod eische  γαΐα  πελώρη  (β.  ο.). 
Vers  325/7  neben  Lucretius  nach  Homer  II.  16,  384  (einem  Gleich- 
iiiss).  ώς  b'  ύπό  λαίλαπι  πάσα  κ  ε  λ  α  ι  ν  ή  βέβριθε  χθων  ήματ 
όπιυρινψ,  δτε  λαβρότατον  χίει  υ  b  ω  ρ  Ζευς  . .  .  [τών  bi 
τε  πάντες  μεν  ποταμοί  πλήθουσι  ^ίοντες],  πολλάς  bk  κλχτνς 
τότ'  άποτμήγουσι  xapdbpai,  ές  b'  δλα  πορφυρ^ην  μεγάλα  στί- 
νάχουσι  ^ίουσαι,  έΕ  όρέιυν  έπι  κάρ,  μινύθει  bi  τε  [ίργ'  άνθρώ- 
πιυν].     Vieles  könnte  aus  Lukrez  allein  nrklärt  werden,  aber  die 


Die  Quellen  und  Muster  des  ersten  Buchs  der  Oeorgica  Yergils  usw.    425 

^PT'  ανθρώπων  finden  eich  dort  nicht,  λαβρότατον  öbuip  wieder- 
gegeben durch  immenenm  agmen  aquarnm,  das  πλήθου(Τΐ  durch 
implentur.  Nun  aber  ersetzt  Yergil  ipf  ανθρώπων  durch  boum- 
que  labores.  Dazu  kam  er  einerseits  durch  Heeiod  Ipya  βοών 
(46),  anderseits  durch  die,  wie  aus  andern  Benutzungen  feststeht, 
ihm  bekannten  Verse  Apollon.  1280  ήέ  Tiv^  δμβρον  δσπ€- 
τον,  δστ6  βοών  κατά  μυρία  ίκλυσ€ν  ^PT^t.  Dem  δμβρον 
ασπετον  entspricht  pluvia  ingenti.  Ich  bemerke  zu  diesen  Ver- 
gleichungen,  dass  ich  sehr  wohl  weiss,  dass  in  dergleichen  Schil- 
derungen Aehnliches  sich  wiederholen  muss;  aber  es  fanden  sich 
überall  auch  Aehnlichkeiten,  die  sich  nicht  wiederholen  mussten, 
sondern  Bekanntschaft  erwiesen.  Uebrigens  zu  sonitn  cf.  die 
oben  benutzten  Verse  L.  VI  132  ff.  Dort  dreimal  sonitus,  aller- 
dings vom  Winde.  Das  Wort  zu  verwenden^  lag  Vergil,  nach- 
dem er  die  Verse  gelesen  hatte,  nahe,  [imbribus  atris  s.  o.  236. 
[mortalia  corda  auch  123.  saepe  etiam]  auch  84,  365,  III  132, 
IV  42,  203. 

335  hoc  metnens  caeli  menses  et  sidera  serva, 
frigida  Satumi  sese  quo  Stella  receptet; 
quos  ignis  cado  Cyllenius  erret  in  orbis. 
V.  335  soll  nach  Nonius  Marcellus  (unter  servare)  aus  Me- 
nander  sein;    dann  natürlich  durch  Vermittelung.     ignis  so  vom 
Stern   zB.  Catull  62,  20.     Hespere,    qui    caelo    fertur    crudelior 
ignis.     335  cf.  III  327  caeli  .  .  hora,  IV  100  caeli  tempore. 

338  (in  primis  venerare  deos,  atque  annua  magnae 

Sacra  refer  Cereri  laetis  operatus  in  herbis) 
840  extremae  sub  casum  hiemis,  iam  vere  sereno. 
tum  pingues  agni  et  tum  mollissima  νίηα^ 
tum  somni  dulces  densaeque  in  [montibus  umhrae, 
cuncta  tibi  Cererem  pubes  agrestis  adoret: 
quoi  tu  lacte  favos  et  miti  dilue  baccho, 
345  terque  novas  circum  felix  eat  hostia  frnges, 
omnis  quam  cborus  et  socii  comitentur  ovantes, 
et  Cererem  clamore  vocent  in  tecta;  neque  ante 
falcem  maturie  quisquam  supponat  aristis, 
quam  Cereri  torta  redimitus  tempora  queren 
350  det  motus  incompositos  et  carmina   dicat. 
Diese  Verne  verdanken  ihre  Entstehung  zunächst  Hes.  465 
[€Οχ€σθαι  b^Ail  χθον{ψ  Δημήτερί  θ'  αγνή]  έκτελέα  βριθεΐν 
Δημήτερος  \ερόν  όκτήν  αρχόμενος  τα  πρώτ'  άρότου.    Die  Zeit- 
bestimmung ist   eine  andere,   auch  die  Details  sind  anderswoher 


426       Jahn  Die  Quellen  und  Muster  der  Georgioa  Yergils  usw. 

genommen  (nicht  aoe  V.  Π  4,  9  reep.  Gato  134).  341  aufi  He« 
585  τήμος  πιόταταί  τ'  αίγες  και  οίνος  δριστος.  Dorr 
aber  galt  das  vom  heissen  Sommer.  Zu  350  incompoeitoe  cf.  il 
386  vereibue  incomptis»  ecl.  II  4  haec  incondita.  montibua  umbna] 
schon  ecl.  I  83.  Nun  folgt  ein  längerer  im  engsten  Anschln»» 
an  Arat  gefertigter  Abschnitt,  auf  den  ich  in  diesem  AufealK 
nicht  mehr  eingehe. 

Zum  SchlusB  gebe  ich  eine  üebersicht  über  die  in  dieses 
Abschnitt  benutzten  Uauptquellen,  indem  ich  die  Muster  für  Spneb- 
liches  und  für  Kleinigkeiten  ausschliesse.  Damit  ist  nicht  ge- 
sagt» dass  nicht  noch  andere  uns  unbekannte  Quellen  su  Grunilr 
liegen,  und  dass  die  betreffenden  Stellen  für  die  betreffenden  Ab- 
schnitte die  alleinige  Quelle  bildeten.  Natürlich  kommt  bei 
■olcher  Zusammenstellung  Lucretius  zu  kurz. 


Yen 

l/5a 
5b/23 

24/42 


43/9 

50/3 

54/6a 

56b/9 

60/3a 

63b/70 

71/83 

84/93 

94/9 

100/3 
104/10 

118  ff.  ganz  frei  an  Hesiod  an- 
gelehnt, daneben  an  L., 
Ende  des  Y.  Buches 

155/9       angeregt  durch   Hes.  394 

li)0/8  anj^eregt  durch  Hes.  457 
-f  V.  1  22,  1 

169/75     erset/cn  Hes.  420  ff. 

176/7       — U  ebergang 

Berlin. 


V.  1  1,  5  f.  +  L.  1  ff.  + 
Theoer.  I  123  ff.  -H  Catull 
66,  64  ff.  +  Varro  Trio- 
dites  +? 
Hes.  458  ff.  (+  Theophr. 

c.  III  20,  7) 
V.  I  3  f.  -f  44,  1 
V.  (I  6, 5  od.  7, 5  od.  23, 1) 
Th.  h.  IV  5,  1  u.  4  (h.  IX 

4.  5) 

Th.  c.  III  20,  2 

V.  I  44,  2  -f  23,  1  -  3 

Hee.  299  ff,  +  V.  I  32,  1 
+  Th.  c.  III  20,  2  8.  o. 
Sprichwort 
II.  XXI  257  ff 


Vera 

178/86    V.  l  51  +  57,  2  -f  Uu 

129 

187/92 

193/6      Th.  h.II4,2  +  V.I55.T 
197/203  angeregt  durch  V.  I  52,  l 
204/7      angeregt  durch  V.  1  Ä^ 
208/11    V.  I  34,  1 
212/30    (Quelle  enUpreehend  Tl 

h.  VIII  1) 
2il/9      Eratosthenes  +  Varro 

Atac. 
240/6       Arat   25  ff.  -+-  45  ff. 
247/51     Od.  XI  15  ff.  -f   L. 
252/8      frei  nach  Arat.  10  ff. 
259/67    angeregt  durch   lies.  4^4 

(+  Cato?) 
2ii8/75    Cato  2, 4  +   136  (+  V.  U 

β,  5) 
276/8<)    Hes.  705  ff.,  angeregt  durcl 
V.  I  37 

287/96 

297/8 
299 


vielleicht  Theocrit  X4^r 
Hes  391 
300/10    das  Thema  gegeben  durc- 

Verse  wie  Bion  Vi  5 
311/34     L.  verschiedene  Stellen  ' 

Hes.  511  ff. 
335/7      (Menander?) 
33^/50    angeregt  durch  He«.  4*>5  f 

P.  Jahn. 


EUSTATHIOS 


Der  by^aDtiΏiBche  Boman  von  Hyemine  und  Hysminias  ist 
in  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  von  Enstathios  Ma- 
le rembolites  verfasst  worden  ^.  Von  den  Lebensverhältnissen  dieses 
Mannes  ist  uns  sehr  wenig  bekannt,  selbst  sein  Name  bleibt  un- 
sicher. Zwar  kann  die  Form  ΤΤαρεμβολ(της  ausser  Acht  gelassen 
werden,  seitdem  wir  durch  Hilbergs  Untersuchungen  wissen 
(p.  IX  seiner  Ausgabe,  Vindobonae  1876),  dass  sie  nur  in  einer 
einzigen  geringwerthigen  Handschriftengruppe  sich  findet.  Den 
Vornamen  Εύμάθιος  aber  nennt  eine  Gruppe,  welche  durch  den 
im  übrigen  durchaus  zuverlässigen  Cod.  Vaticanus  114  (E  ed. 
Hilb.)  s.  XIII  am  besten  vertreten  ist.  Doch  bietet  sich  zu- 
nächst zur  Entscheidung  kein  Kriterium.  Makrembolites  muss 
der  vornehmen  Oesellschaft  der  Hauptstadt  angehört  haben,  denn 
er  führte  die  Titel  eines  Eparchen '  und  eines  Protonobilissimus  Κ 
Wir  dürfen  ihn  auch  für  einen  Angehörigen  des  geistlichen 
Standes  halten,  obwohl  in  der  Angabe  der  Handschriftenclasse  e, 
welche  ihn  μέγας  χαρτοφύλα£  im  Titel  nennt,    insofern  ein  Irr- 


^  Seitdem  E.  Miller,  Annuaire  de  l'aseoc.  18  (1884)  18  einen  Brief 
des  Theodorot  Baleamon  (2.  Hälfte  des  1*3.  Jahrh.s)  τψ  έπάρχψ  κυρψ 
Εύμαθ(ψ  τψ  Μακρ€μβολ(τη  veröffentlicht  und  L.  Voltz  aus  den  im  Roman 
vorkommenden  Monatsbildem  gefolgert  hat,  dass  das  Werk  nicht  vor 
dem  Jahre  1131  geechrieben  sein  kann  (Bye.  Z.  4  [1885]  557),  brauche 
ich  auf  die  früher  bestehenden  Zweifel  aber  die  Zeit  des  Roman- 
scbreibers  nicht  einzugehen. 

3  Ein  Amt  hatte  der  Eparch  im  12.  Jahrb.  nicht  mehr;  seine 
ehemaligen  Befugnisse  als  Polizeidirector  waren  dem  λογοθέτης  τοΟ 
γ€νικοΟ  zugefallen,  den  seit  dem  Ende  des  12.  Jahrhunderts  in  dieser 
Function  der  μέγας  λογοθέτης  vertritt. 

'  Der  Titel  ist  selten  verliehen  worden;  ich  notire  deshalb  den 
3β.  Brief  drs  Metropoliten  Eiistathios  τφ  πρωτονωβ€λιοοίμψ  οπ€ρτάτψ 
καΐ  λογοθέτη  τφ  Άγιοθ€θ6ωρήτψ,  Migne  Patr.  gr.  13β  col.  1302. 


428  Heisenberg 

thum  vorzuliegen  scheint,  als  dem  ühartophylaz,  einem  der 
höchsten  richterlichen  Beamten  des  Patriarchats,  der  Titel  μ€τας 
erst  im  Jahre  1328  verliehen  worden  sein  soll  ^.  In  zahlreichen 
Handschriften  wird  er  ausserdem  als  φΐλό<Τθφθς  d.i.  Gelehrter 
bezeichnet 

Die  Berechtigung  des  Makrembelitee,  diesen  Namen  sich 
beizulegen,  kann  sein  Roman  beweisen,  dessen  Eigenart  wir 
später  noch  genauer  betrachten  müssen.  Hier  nur  so  viel,  da^i 
der  Verfasser  sich  als  Kenner  des  Homer  und  des  Heeiod,  de» 
Aischylos  und  Sophokles  erweist ;  häufiger  als  die  beiden  letz- 
teren citirt  er  den  Euripides,  und  am  stärksten  ist  er  durch  Cho- 
rikios  von  Gaza  beeinflusst  worden^.  Seine  Beleeenheit  in  der 
Bibel  zeigen  uns  die  Citate  aus  den  Psalmen  und  anderen  Stellet 
des  alten  Testamentes;  die  Schriften  der  Väter  waren  ihm  eben• 
falls  vertraut. 

Der  Roman  von  Hysmine  und  Hysminiae  ist  bisher  ^d 
gleicher  Linie  mit  den  drei  anderen  sophistischen  Romanen  der 
Byzantiner  behandelt  worden,  mit  der  Erzählung  des  Theodoro« 
Prodromos  von  Rodanthe  und  Dosikles,  des  Niketas  Eugeniano^ 
von  Drosilla  und  Charikles  und  des  Eonstantinos  Manaaees  vuc 
Aristandros  und  Eallithea.  In  der  That  liegen  sie  zeitlich  eefar 
nahe  beisammen,  denn  sie  gehören  alle  dem  Zeitalter  der  littera* 
riechen  Renaissance  unter  den  Komnenen  an.  E.  Rohde,  der 
die  Byzantiner  überhaupt  nicht  würdigen  wollte,  hat  sicli 
natürlich  keine  Mühe  gegeben ,  eine  Entwickelungsreihe  fest- 
zustellen ;  aber  ohne  den  Grund  anzugeben  traf  er  das  rieb- 
tige,  indem  er  den  Roman  des  Eustathios  zuerst  behandelte. 
Auch  ist  aus  dem  Titel  der  Pariser  Handschrift  des  Eugeniam^ 
bekannt,  dass  dieser  Schriftsteller  κατά  μίμη(Τιν  του  μακαρίτου 
φιλοσόφου  του  Προδρόμου  arbeitete.  Manasses  ist  der  jüngste 
von  allen  und  leitet,  worauf  Krumbacher  (Byz.  L.^  377)  hie 
gewiesen,  durch  die  Anwendung  des  vulgären  fünfzehnsilbi^er 
Verses  auf  das  volksthümliche  Romangedicht  hinüber.  Es  i&i 
aber  schon  aus  dem  Umstand,  dass  Makrembolites  in  Prou. 
Prodromos  in  Trimetern  schrieb,  der  Schluss  gerechtfertigt,  das» 
jenem  die  Priorität  gebührt.  So  stellt  sich  denn  vom  litterar 
historischen  Standpunkt  ans  der  Roman  von  Hysmine  und  Hyi^* 
minias  als  eine  bemerkenBwerthe  That  insofern  dar,  aU  der  Ver• 


1  Darauf  hat  E.  Rohde  hingewiesen,  Roman^  S.  557. 

2  Das  hat  erst  die  Ausgabe  von  Hilberg  (S.  228  £P.)  erwiesen. 


EuBtathios  429 

faeser  den  ersten  VersOch  macht,  den  altgriechieohen  Sophisten- 
roman  wieder  zn  beleben  und  so  der  byzantinieohen  Litteratnr  ein 
verlorenes  Gebiet  wieder  zu  erobern,  vielleicht  auch  als  ein  prakti- 
scher Versuch,  diejenige  byzantinische  Litteratur,  welche  bis  da• 
hin  die  Stelle  des  Romans  nothdtirftig  vertrat,  dnrch  Hinweis  auf 
roastergttltige  Vorbilder  zu  reformiren. 

Zn  gleicher  Zeit  lebte  in  Konstantinopel  in  derselben  vor- 
nehmen Hofgesellschaft  ein  anderer  Eustathios,  ebenfalls  ein  Geist- 
licher, ebenfalls  ein  gründlicher  Kenner  und  begeisterter  Ver- 
ehrer des  Homer  und  der  übrigen  alten  Dichter,  der  ebenfalls 
sich  als  Lebensaufgabe  stellte,  die  Werke  der  alten  Klassiker 
seinen  Zeitgenossen  nahe  zu  bringen  und  sie  zu  ihrem  lebendigen 
Eigenthum  zu  machen.  Und  als  dieser  gründliche  Kenner  und 
Gelehrte  im  Jahre  1175  Erzbischof  von  Thessalonike  wurde  und 
sich  auf  die  praktischen  Aufgaben  des  geistlichen  Standes  hin- 
gewiesen sah,  suchte  er  mit  unermüdetem  Eifer  das  geistige 
Leben  seiner  Untergebenen,  in  erster  Linie  des  Mönchstandes, 
zu  reformiren,  wie  er  zuvor  die  Litteratur  seiner  Zeit  durch 
Hinweis  auf  die  unvergänglichen  Muster  der  Alten  zn  beleben 
und  zu  veredeln  gesucht  hatte. 

Sollen  diese  zwei  Männer  gleichen  Namens,  die  in  ihrem 
Lebensgange  so  viele  Parallelen  bieten,  wirklich  nicht  identisch 
gewesen  sein?  Man  müsste  fast  annehmen,  das  fönde  man  wohl 
irgendwo  in  der  byzantinischen  Litteratur  vermerkt  An  die 
Identität  aber  hat  man  schon  früh  geglaubt,  und  dann  lange  daran 
festgehalten.  Im  Cod.  Monacensis  405,  der  im  15.(?)  Jahrhundert 
geschrieben  ist,  hat  eine  jüngere  Hand,  die  aber  nicht  jünger  als 
das  16.  Jahrhundert  zu  sein  scheint,  dem  Titel  des  Romans  am 
Rande  hinzugefügt  του  καΐ  δστερον  χρηματίσαντος  μητροπολίτου 
θβίΤαοιλονίκης.  Auch  der  erste  Herausgeber  des  griechischen  Ori- 
ginals, Gaulminus  (161 7),  hat  die  Identität  nicht  bestritten,  obwohl 
ihm  jene  Notiz  der  Münchener  Handschrift  nicht  bekannt  war. 
Das  geschah  zuerst  durch  Huet,  de  Torigine  des  romans  (Paris 
1670,  2.  Aufl.  1678  p.  90),  der  in  Abrede  stellt,  que  le  docte 
commentateur  d'Hom^re  a  iti  oapable  de  faire  un  aussi  miso• 
rable  ouvrage  qu'est  celui-ci.  Diesem  Verdikt  schlössen  sich 
nicht  alle  Gelehrten  an;  aber  seit  Th.  Grässe  im  4.  Suppl.-B. 
der  Neuen  Jahrb.  f.  Philol.  1836  8.  267  f.  in  einem  Aufsatz 
'Ueber  den  griechischen  Erotiker  Eustathios  und  dessen  auf  uns 
gekommenen  Roman'  das  Urtheil  abgab :  'die  Geistesarmuth  und 
Trivialität  unseres    Erotikers    kann    auf   keine    Weise  dem   fein 


490  Heisenberg 

gebildeten  und  ernsten  Geiete  jenes  gelehrten  Erzbiecliofe  an  di^ 
Seite  gestellt  werden*,  schien  die  Verschiedenheit  der  Personeo 
ausser  Zweifel  za  stehen.  Die  Herausgeber  des  Romane  epracheo 
überhaupt  nicht  mehr  von  dem  Commentator  Homere  and  aocb 
E.  Rohde  nimmt  die  Trennung  flir  ein  erwiesenes  Faktara ;  ebeni^• 
Erumbacher  und  alle  Späteren. 

Die  Annahme  eines  von  dem  nachmaligen  Patriarchen  Eo- 
stathios  verschiedenen  Romanschreibers  Eustathios  ist  also  aus- 
schliesslich auf  der  Missachtung  begründet,  welche  der  Roman  zu 
verdienen  schien.  Vielleicht  ist  es  jetzt,  da  wir  leider  nicht  mehr 
als  Aesthetiker  urtheilen  dürfen,  wieder  möglich  geworden,  η 
einem  objektiveren  Urtheil  über  den  absoluten  Werth  des  RomaD« 
und  über  seine  litterarhistorische  Stellung  zu  gelangen.  Den  Inhalt 
gebe  ich,  da  ich  ihn  in  der  hier  nothwendigen  Kurze  nicht  benser 
vortragen  kann,  mit  E.  Rohdes  Worten :  'In  den  elf  Büchern  sein«: 
^Drama*^  erzählt  Eustathius,  wie  Hysminias,  aus  Enrykomis,  al$ 
Festherold  zu  den  Diasien  nach  Aulikomis  gesandt,  dort  ein 
Liebesbündniss  mit  Hysmine,  der  Tochter  seines  Gaatfreundes, 
schliesst,  dann  bei  Gelegenheit  eines  Gegenbesuches  deeeelben  und 
seiner  ganzen  Familie  in  Eurykomis  mit  der  einem  Andern  ver- 
lobten  Geliebten  zu  Schiff  entflieht.  Bei  einem  ausbrechender 
Sturme  wird  Hysmine,  als  Sühnopfer,  ins  Wasser  gestürzt,  der 
lästig  jammernde  Hysminias  ans  Land  gesetzt.  Aethiopische 
Räuber  bemächtigen  sich  seiner ;  Soldaten  jagen  ihn  mit  anderer 
Beute  den  Räubern  wieder  ab  und  verkaufen  ihn  nach  Daphne* 
polis.  Mit  seinem  Herren  einst  nach  Artykomis  gekommen,  findet 
er  im  Hause  des  Sostratus  die  durch  ein  Wunder  gerettete  Hys- 
mine als  Sklavin  wieder ;  sie  geben  Rieh  als  Geschwister  aoa.  Die 
ganze  Gesellschaft  zieht  nach  Daphnepolis  zurück.  Hysminia.« 
widersteht  allen  Liebeslockungen  der  eigenen  Herrin  und  der 
Herrin  der  Hysmine.  Die  Eltern  des  Paares,  nach  Daphnepolif 
gekommen,  um  das  dortige  Orakel  des  Apollo  nach  dem  Sohickfa) 
ihrer  Kinder  zu  fragen,  treffen  die  Vermiesten  dort  an ;  anf  Für- 
bitten des  Priesters  von  ihren  Herren  freigelassen,  feiern,  naeh 
einer  glücklich  bestandenen  Keuschheitsprobe  der  Hysmine,  die 
beiden  ihre   Hochzeit.' 

Originalität  der  Erfindung  ist  allerdings  dem  Werke  ab* 
zusprechen;  überall  stösst  man  auf  die  Spuren  der  Vorgänger, 
insbesondere  auf  des  Achilles  Tatius  Roman  von  Leukippe  nn^ 
Kleitophon.  Von  dort  her  entlehnte  Enstathios  die  Namen  meh- 
rerer seiner  Figuren,  so  des  Sosthenes,  der  Panthia,  dea  Soatratos 


Enertatbios  481 

und  derRhodope^;  yon  dort  übernahm  er  aach  den  Einfall,  den 
ganzen  Roman  von  dem  Helden  desselben  ens&blen  zn  lassen. 
Das  näcbtiicbe  Stelldichein  der  beiden  Liebenden  and  die  darauf 
folgende  Flucht  zu  Schiffe  mit  Hilfe  eines  Freundes  werden 
ebenso  bei  Tatius  (I  4.  II  22  —  31)  erzählt.  Es  war  auch  ein 
schon  dort  gebrauchtes  Motiv,  dass  der  Liebende  die  Oeliebte 
nach  langer  Trennung  in  der  Fremde  als  Sklavin  wieder  findet, 
und  ebenso  war  das  entscheidende  Auftreten  des  Priesters  der 
Diana  fttr  die  Liebenden  schon  von  Tatius  in  den  Roman  ein- 
geführt worden  (YII 13).  Die  Keusohheitsprobe  kennt  schon  Tatius 
(VIII  β),  der  den  Philostrat  und  Musaios  benutzte;  die  Be- 
schreibung des  Gartens  bei  dem  Hause  des  Sosthenes  ist  eben- 
falls dem  Tatius  (I  15)  nachgebildet  worden,  und  zu  der  häufigen 
Schilderung  von  Gemälden  scheint  Eustathios  auch  von  dorther 
beeinflusst  worden  zu  sein  (I  1.  III  7,  8).  Aber  Eustathios  be- 
nutzte als  Vorlage  nicht  das  Werk  des  Achilles  Tatius  allein, 
wie  E.  Rohde  anzunehmen  scheint,  sondern  auch  die  Aethiopica 
des  Heliodor.  Wie  dort  gibt  sich  auch  im  Roman  des  Eustathios 
die  Liebende  in  der  Sklaverei  als  Schwester  des  Geliebten  aus, 
um  einen  ungestörten  Verkehr  zu  ermöglichen ;  den  Seesturm , 
den  Ueberfall  durch  die  Seeräuber,  die  Sklaverei  kannte  schon 
Heliodor  ebenso  wie  die  Keuschheitsprobe,  aber  alles  dies  war 
ja  auch  bei  ihm  nicht  neue  Erfindung»  sondern  gehörte  länget 
dem  griechisch-römischen  Reise-  und  Räuberroman  an. 

Was  hat  dagegen  Eustathios  selbständig  erfunden?  Wenig 
genug,  aber  doch  einiges.  Das  erste  Zusammentreffen  der  Lieben- 
den ist  durch  die  Gesandtschaft  des  Hysminias  einfach  und  aus- 
reichend motivirt.  Ebenso  wird  die  Flucht  der  beiden  von  Eu- 
stathios viel  natHrlicher  motivirt  als  von  Achilles  Tatius.  Dieser 
läset  sie  fliehen,  weil  die  Mutter  der  Leu  kippe  die  nächtliche  Zu- 
sammenkunft entdeckt  hat ;  bei  Eustathios  hat  der  Entschluss  zur 
Flucht  die  tiefere  Ursache,  dass  der  Vater  der  Hysmine  die  Ab- 
sicht aussprach,  sie  in  nächster  Zeit  einem  ungeliebten  Manne  zu 
vermählen.  Ebenso  ist  Eustaihios  durchaus  zu  seinem  Vortheil 
von  seinem  Vorgänger  abgewichen,  wenn  das  spätere  Wieder- 
finden in  der  Sklaverei  nicht  erst  wie  bei  Tatius  durch  ein  von 


1  Den  Namen  der  Heldin  Hyemine  (d.i.  'die  Standhafte')  erfand 
E.;  man  darf  wohl  an  die  Stelle  im  Commentar  zur  nia8N713(p.  956, 
22)  erinnern:  *άπό  γάρ  τοΟ  όπομέν€ΐν  φασί  τήν  οσμίνην  γ<ν€σθοι,  ob- 
wohl sie  natürlich  für  die  Identität  nicht  viel  beweist. 


432  Heisenberg 

der  Leukippe  belaaechtee  Selbetgeepräob  des  Kleitophon  herbei- 
geführt wird,  sondern  Hysmine  beim  ersten  Anblick  den  Hj»- 
minias  erkennt  und  sieb  nnn  brieflieb  mit  ibm  verständigt.  Rohde 
bat  unseren  Roman  eine  Karrikatur  von  der  Ersäblung  des  Acbille« 
Tatine  genannt.  Nichts  einseitiger  als  das !  Denn  Bobde  sab  nor 
die  Entlehnungen,  nicht  aber  die  Auslassungen.  Berficksichtigt 
man  aber  diese,  beobachtet  man,  welche  Episoden  im  Romane  de« 
Achilles  Tatius  der  Byzantiner  unbeachtet  beiseite  liese,  überlegt 
man  die  Gründe,  aus  welchen  das  geschehen  sein  könnte,  so  wird 
man  bald  zu  der  Ueberzeugung  kommen,  dass  hinsichtlich  des 
guten  Creschmackes  und  des  feineren  Empfindens  Eustathios  weit 
über  Tatius  steht  ^  Die  verworrene,  nur  aus  roher  Freude  am 
Spektakel  zu  erklärende  Häufung  von  schauerlichen  Mord- 
geschichten,  Ueberfällen,  Entführungen  und  Verführungen,  die 
Wiederholung  von  Seestürmen,  Sklaverei,  Gefängniss  und  Ge- 
richtsscenen,  Ermordungen  mit  einem  Theaterdolob  und  Blut- 
vergiessen  aus  einem  vorgebundenen  Schlauch,  dann  lebendig 
Begrabenwerden  und  Wiederanfersteben,  die  würdelose  Behand- 
lung des  Heiligen  und  Göttlichen,  das  sind  die  Requisiten,  mit 
denen  Achilles  Tatius  in  kaum  zu  überbietender  Verirrung  seine 
Ijcser  unterhalten  zu  müssen  glaubt.  Dazu  kommen  eine  Reihe 
von  Digressionen,  oft  der  abgeschmacktesten  Art,  welche  den 
Gang  der  Handlung  unnöthig  unterbrechen,  wie  sB.  eine  lang- 
weilige Auseinandersetzung  über  die  Liebe  der  Pfauen,  der  Pflan- 
zen, des  Magnete  ua.  (I  16 — 18),  sicher  beliebte  Kunststücke 
der  Sopbistenscbulen,  aber  im  Roman  so  unpassend  wie  mög- 
lich, wenngleich  nicht  neu.  Femer  eine  Deklamation  gegen  die 
Frauen  (I  8),  eine  Erörterung  über  die  Vorzüge  der  Weiberliebe 
oder  der  Knabenliebe  (U  35 — 38),  der  an  Widerwärtigkeit  wenige 


1  Nicht  als  Beweis  für  diese  Behauptung  aber  doch  als  be- 
merkenswerthe  Tbatsaobe  erwähne  ich,  dass  der  Roman  des  Eustathios 
früher  und  öfter  in  moderne  Sprachen  übertragen  worden  ist»  als  d» 
Werk  des  Achilles  Tatius.  Auch  auf  die  vulgärgriechischen  byzanti- 
nischen Romane  scheint  Eustathios  viel  mehr  eingewirkt  ?.u  haben,  ab 
man  bisher  angenommen  hat.  Auf  'Kallimaclios  und  Chrysorrboe*  ist 
der  Einflnss  am  stärksten  gewesen  (Krumbacher  aaO.^  857),  aber  auch 
in  der  'Achilleis*  (ed.  Wagner)  sind  die  verschiedenen  εκφράσεις  Vers 
710—835  erst  nachträglich  nach  dem  Vorbilde  des  Eustathios  eingefügt 
worden,  wahrscheinlich  von  demselben  Bearbeiter,  welcher  eine  Version 
des  echten  byzantinischen  Digenis-Epos  durch  Anfügen  der  Einleitung 
and  des  Schlusses   erst  in   einen  AchiUeMomAQ  zu  verwandeln  suchte. 


£u8tathio8  433 

Stücke  der  alten  Liiteratar  zu  vergleioben  eind ;  aber  faet  macht 
ihr  die  in  Zweideutigkeiten  und  verhüllten  Zoten  sieh  ergehende 
Bede  des  Artemisprieeters  (VIII  9)  den  Rang  streitig.  Es  mag 
eein,  wie  Rohde  meint,  daes  diese  Redeweise  zu  den  besonderen 
Kunststücken  der  Rhetorik  gehörte;  jedenfalls  darf  man  nicht 
den  Roman  eines  Späteren,  der  sich  mit  geläutertem  Geschmack 
und  feinerem  Empfinden  bewusst  von  all  diesen  Roheiten  fern 
hält,  eine  blosse  Karrikatur  nennen. 

Wie  Eustathios  in  seinem  Roman  den  Gang  der  Handlung  klar 
und  einfach  gestattet  bat,  so  trägt  auch  seine  Darstellungs weise  den 
Stempel  der  Schlichtheit  und  Klarheit.    Allerdings  nur  bis  zu  einem 
gewissen  Grade.     Denn    die  Sucht   nach  geistreichen  Antithesen, 
nach  Wortspielen,  nach  glänzenden  und  klingenden  Wendungen  um 
jeden  Preis  kann  Eustathios  nicht    verleugnen;    da  erkennt  man 
den  Schüler  der  Rhetoren,  und  Eusthatios  war  ja  auch  —  dh.  der 
spätere  Erzbischof   war    das   —    in    seiner    früheren    Lebenszeit 
Lehrer  der  Beredsamkeit  gewesen.    Eine  Vertiefung  der  psycho- 
logischen Vorgänge,  die  übrigens  ja  niemals  Aufgabe  des  griechi- 
schen Romans,  sondern  des  Dramas  gewesen  war,  hat  auch  Eu- 
stathios   weder  erstrebt  noch   erreicht.     Er   schildert    nicht    die 
Charaktere  der  Liebenden,    sondern    zeigt  sie  uns  mit  bewusster 
Absicht  als  Spielball  in  den  Händen  des  Eros,    und    statt   wirk- 
lichen Fortschreiteos  der   seelischen    Empfindungen  erhalten    wir 
nur  immer  neue  Reflexionen  über  Liebesfreuden  und  Liebesqualen 
und    die   unüberwindliche    beschwerliche    Macht   der  Liebe.      So 
hat    Eustathios    auch    in    der    Art    der    Darstellung   nicht    etwa 
Neues   seinen  Zeitgenossen   geboten.     Aber    wenn    es   eine   Mög- 
lichkeit gab,  den  griechischen  Roman  wieder  lebendig  und  wirk- 
sam zu  machen  für  die  Gebildeten  des  12.  Jahrhunderts,  die  ihren 
Geschmack  an  den  besten  Mustern  geläutert  hatten,  so  traf   Eu- 
stathios das    Richtige,    indem    er    zunächst    zur    Einfachheit  und 
Schlichtheit  zurückkehrte  und  sich  darin   von  keinem  Geringeren 
als  Homer  unterweisen  Hess.    Dass  ihm  die  Einfachheit  des  Epos 
stets  vor  Augen  stand,    erkennt   man    auf  Schritt  und  Tritt,  aus 
zahlreichen  Einzelheiten  wie  ans  ganzen  Entlehnungen  *.     Suchen 

^  Er  macht  gar  kein  Hehl  aus  denselben,  und  Rohdes  zornige 
Behauptung,  er  habe  die  alte  Bezeichnung  des  Freundes  als  Αλλος 
αυτός  eich  durch  die  Worte:  oÖxui  γάρ  έγώ  τόν  φ(λον  όρ{2Ιομαι  (Ι  7) 
als  seine  Erfindung  ausgegeben,  beruht  auf  der  Verkennung  des  spät- 
griechischen  kffh  und  der  Vorstellungen,  welche  die  Byzantiner  über 
geistiges  und  litterarisohes  Eigenthum  hatten. 

fihein.  MxkM,  f.  PhUol.  N.  F.  LVIU.  28 


GRÜNDGEDANKE  UND  DISPOSITION  VON 

HÖR.  SAT.  I  1. 


I. 
Vv.  28—40. 

Da  für  das  VerRtändnise  des  Gedicht ee  die  richtige  Ani- 
fassang  von  Vv.  28 — 40  von  heeonderer  Wichtigkeit  eein  dürfte, 
80  möge  die  Betrachtang  dieses  Abschnittes  an  die  Spitze  treten. 
Die  Aasleger  sind,  wie  es  scheint  ohne  Aasnahme,  der  Ansicht, 
dass  die  vier  Personen,  welche  der  Dichter  hier  einfuhrt  und  die 
Ertragung  ihres  mühseligen  Erwerbes  darch  die  Aueeicht  auf  das 
einstige  mühelose  Geniesson  begründen  lässt,  durch  die  Worte  quae 
sifnul  bis  zu  Ende  der  Stelle  von  ihm  der  Unwahrheit  bezichtigt 
werden  und  dass  als  ihr  wirklicher  Beweggrand  die  Habeocht 
angesprochen  wird^.  Zur  Widerlegung  dieser  Ansicht  diene  fol- 
gendes. Man  beachte  zunächst,  dass^  da  jene  Leute  in  der  dritten 
Person  eingeführt  waren  {aiurU),  man  auch  bei  ihrer  Widerlegung 
diese  Person  und  nicht  die  zweite  (fe)  hätte  erwarten  dürfen. 
Will  man  sich  die  Anrede  aber  aus  einer  Errregtheit  erklären, 
in  die  der  Dichter  sich  allmählich  hineingeredet  hätte  (eine  £r> 
regtheit  übrigens,  die,  wie  sich  bald  zeigen  wird,  in  Anbetracht 
mangelnder  Beziehungen  des  Dichters  zu  diesen  Leuten  weni|r 
erklärlich  sein  würde),  so  bliebe  es  noch  immer  befremdlich, 
dass  er  te  und  nicht  vos  gesetzt  hat.  Ferner  verträgt  sich  mit 
der    Annahme,    dass    mit    quae    simul   die  Widerlegung    beginnt 


^  Nach  L.  Müller  iet  te  in  Y.  38  *ein  beliebiger  aus  der  grosseu 
Menge',  so  dass  es  scheinen  könnte,  als  habe  er  gemeint,  dass  der 
Dichter  hier  von  den  obigen  vier  Personen  abgesehen  habe.  Allein  da 
der  bezeichnete  Gelehrte  gleich  den  übrigen  Auslegern  die  Aunsti^ 
dieser  Personen  als  blossen  Vorwand  auffasst,  muse  auch  er  te  min- 
destens zunächst  auf  sie  bezogen  haben. 


Grundgedanke  und  Disposition  von  Her.  Sat.  I  1  437 

('aber  dieee,  sobald  .  .  /),  sohlecbt  das  Vorhergehende,  so  weit 
68  eich  auf  die  Ameise  bezieht:  sicut  parvola  .  .  .  futuri.  Denn 
mag  man  diese  Worte,  wie  es  die  Ausleger  zu  thnn  pflegen,  als 
Fortsetzung  der  Aenssernngen  der  vier  aufgeführten  Personen 
auffassen  oder  dem  Dichter  selbst  zuschreiben,  in  beiden  Fällen 
geben  sie  sich  unstreitig  als  dazu  bestimmt  zu  erkennen,  das 
thatsächliche  Thun  der  Ameise  als  mit  dem  Thun,  zu  welchem 
sich  jene  Personen  bekennen,  in  üebereinstimmung  erscheinen  zu 
lassen.  Unter  diesem  Oesiohtepnnkt  aber  betrachtet,  ist  das, 
worauf  es  in  dem  Thun  der  Ameise  hauptsächlich  ankommt, 
nicht  etwa  ihr  mühseliges  Sammeln,  sondern  das  dies  Sammeln 
seiner  Zeit  ablösende  mühelose  Geniessen,  also  das,  was  in  den 
Worten  quat  »imul  .  .  .  quaesitis  sapiens  zum  Ausdruck  kommt. 
Sind  es  daher  die  vier  aufgeführten  Personen,  welche  sich  des 
Spiegelbildes  der  Ameise  bedienen,  so  sind  sie  es  auch,  die  den 
in  den  eben  gedachten  Worten  ausgedrückten  Gedanken  hin- 
zufügen und  seinen  Ausdruck  nicht  einem  andern  überlassen 
mussten.  Wenn  die  Ausleger  diesem  Bedenken  durch  die  An- 
nahme zu  begegnen  glauben,  dass  der  Dichter  den  Leuten  in  die 
Rede  fällt,  so  ist  das  hinfällig.  Der  Dichter  konnte  das  thun, 
wenn  er  Grund  hatte,  die  noch  ausstehenden  Worte  der  andern 
für  nichtig  und  werthlos  zu  halten,  nicht  aber,  wenn,  wie  das 
hier  der  Fall  ist,  seine  eigene  Rede  mit  der  seitens  jener  zu  er- 
wartenden sich  genau  deckt.  Ausserdem  bemerke  man  eine  sprach- 
liche Seite  der  Stelle,  welche  es  dem  Leser  erheblich  erschwert 
zu  merken,  dass  erst  mit  qiiae  simül  die  eigenen  Worte  des 
Dichtere  beginnen  sollen.  Das  sind  —  ein  Anstoss,  über  welchen 
schon  F.  A.  Wolf  in  seiner  Monographie  über  diese  Satire,  Halle 
1818,  nicht  glatt  hinwegkam  —  in  den  vermeintlichen  Worten 
jener  Leute  die  Indicative  trahit  potesi  addit  struUf  statt  deren  die 
Abhängigkeit  von  cUurU  die  entsprechenden  Conjnnctivformen 
gefordet  hätte.  Wollte  man  aber  das  Beispiel  der  Ameise  als 
vom  Dichter  selbst  angeführt  und  demgem&ss  schon  die  Worte 
siciU  parvola  .  .  .  futuri  als  die  seinigen  ansehen,  so  würde  er 
sich  zu  der  Absicht  bekennen,  das  thatsächliche  Thun  der  Ameise 
als  mit  der  Aussage  jener  Leute  im  Einklang  erscheinen  zu  lassen 
und  dann  würde  er  seinerseits  diese  Absicht  dadurch  verleugnen, 
dass  er  das  für  den  Einklang  Wesenlichste  dazu  benutzt  hätte, 
nicht  eben  diesen  Einklang,  sondern  einen  zwischen  den  beiden 
Seiten  bestehenden  Gegensatz  festzustellen. 

Wir  behaupten  ferner,  dass  der  in  ie  Angere^' 


438  Teiohmüller 

gesehen  von  seiner  oben  besproofaenen  Einfübrung  in  dieser  Fon 
Seiten  aufweist,  welche  seine  Identität  mit  jenen  vier  Persosf 
bestimmt  ansschliessen.  Er  ist  zunächst  reich.  Er  erwirbt  niek. 
um  zu  haben,  dessen  er  bedarf,  sondern  (nach  Y.  40),  ne  se  <•■' 
ditior  aiter,  und  er  ist  derselbe  mit  dem,  von  welchem  ee  V.  41 
heisst,  dass  er  eine  ungeheure  Menge  Gold  und  Silber  in  dpi 
Erde  birgt.  Jene  aber  stellen  sich  als  pauperes  and  als  Boith 
dar,  die  zu  allernächst  zu  dem  Zwecke  erwerben,  nicht  zu  Ter• 
hungern,  und  an  ein  Uebersparen  und  Zurücklegen  erst  in  sweitir 
Linie  denken  können.  Der  erste  von  ihnen  pflügt,  wie  das  dorrl 
den  Bau  des  ihm  gewidmeten  Verses  gemalt  iet,  im  Schweiz 
seines  Angesichts  seinen  Acker  selbst  und  verräth  dadurch,  d»t 
er  weit  entfernt  ist,  ein  Latifundienbesitzer  zu  eein.  Das«  m» 
den  canpo  nicht  etwa  unsern  grossen  Hotelbesitzern  gleicbseuet 
darf,  ist  bekannt.  Wie  wenig  der  miles  in  der  Lage  ist,  Scbitze 
zu  sammeln,  wird  einleuchten,  wenn  man  sich  an  die  Tac.  Ann.! 
wiedergegebenen  Klagen  der  meuternden  Soldaten  erinnert.  Ws» 
den  nauta  betrifft,  so  mnss  belanglos  erscheinen,  dass  dae  Wor 
C.  I  28,  28  möglicher  Weise  von  einem  Rheder  gebraucht  vrord« 
ist.  Für  die  Erklärung  der  Satiren  ist  der  prosaische  Sprach 
gebrauch  massgebend,  und  dieser  ist,  soweit  Horaz'  Satiren  oc^ 
Episteln  in  Betracht  kommen,  ausser  der  vorliegenden  Stelle 
Sat.  I  5  vertreten,  wo  unter  nauiis  solche  zu  verstehen  sind,  die 
auf  einem  Canale  den  Fährdienst  besorgen,  die  mit  den  Sclaveii 
der  Reisenden  Schimpfreden  wechseln,  und  von  denen  einer  weger 
Lässigkeit  von  einem  Fahrgast  Prügel  bekommt.  Schon  F.  A. 
Wolf  hat  sich  nicht  entschliessen  können,  den  natäa  an  unserer 
Stelle  als  mercator  aufzufassen.  Man  erwäge  ferner  die  Gefabren, 
denen  der  Angeredete  nach  der  Aussage  des  Dichters  V.  3S  f. 
Trotz  bietet.  Man  sieht  nicht  ein,  wie  der  kleine  Landwirt}} 
und  der  Schankwirth  durch  ihren  Beruf  Gefahr  laufen,  die  tog 
Feuer,  Meer  und  Schwert  droht. 

Endlich  zeigt  sich  der  Angeredete  von  den  andern  βehrτe^ 
schieden,  wenn  man  die  beiderseitigen  Reden  vergleicht.  Dnra 
die  Worte  V.  43  und  51 :  quod  si  conminuaSt  vüem  redigcA^  ^ 
assevn  und  (U  suave  est,  ex  magno  tollere  acervo  gibt  er  nniwei• 
deutig  zu  verstehen,  dass  er  weit  entfernt  ist,  für  sein  Semmeln 
Zweck  des  Gebrauchs  und  Genusses  massgebend  sein  t^ 
\«lm8RI.  Jene  dagegen  bekennen  sich  zu  einer  auseerordentlicl) 
^oVieix  Werthschätzung  des  Genusses.  Man  erwäge,  dase,  vi« 
of»A  Wmerkt  wurde,   vom  Erwerbe   dieser  Leute  ihr  Leben  »^* 


Grundgedanke  und  Dispoeition  von  Hör.  Sat.  I  1  439 

bängig  ist.  Wenn  sie  nun  trotzdem  ihre  dem  Erwerbe  gewidmete 
Mtibe  gar  nicht  durch  den  Zweck,  ihr  Leben  zu  erhalten,  sondern 
einzig  und  allein  durch  die  Auesicht  auf  den  einstigen  mühelosen 
Genuss  begründen,  geben  sie  unstreitig  zu  erkennen,  dass  sie  den 
mühelosen  Genuss  sogar  höher  als  das  Leben  schätzen  und  ohne 
die  HofiPnung  auf  jenen  auch  auf  dieses  verzichten  würden. 

Gegen  diese  an  der  bisherigen  Auffassung  der  Stelle  geübte 
Kritik  könnten  einige  Einwände  erhoben  werden,  denen  begegnet 
werden  muss. 

1.    Der  von  den  Auslegern  dem  ganzen  Gedichte  zugeschrie- 
bene Plan  verlangt,    dass  die   vier    besprochenen  Personen    sich 
als  Habsüchtige   darstellen,   wie  denn  Döderlein  gegen  Kirchner, 
der    gleich    uns   an    der    vorliegenden  Stelle  'Bezeichnungen  des 
niederen  Gewerbestandes'  findet,   ohne  jedoch  zu  bestreiten,  das• 
diese  Leute  der  Habsucht  bezichtigt  werden,  bemerkt:  ^die  Pro- 
letarier .  .  .  können  bei  einer  Diatribe  gegen  Geiz  und  Habsucht 
gar  nicht  in  Betracht  kommen* .    Dass  diese  sich  auf  den  Grund- 
gedanken   der  Satire  beziehende  Ansicht  unbegründet    ist,    wird 
weiter  unten  gezeigt  werden.  —  2.  Diese  vier  Personen  müssen 
darum    als  Habsüchtige    aufgefasst    werden,    weil    sie    entweder 
völlig   oder  doch  im  Grossen  und  Ganzen  mit  den  vier  im  Ein- 
gang des  Gedichtes  eingeführten  Personen  identisch  sind ;    denn 
diese    sollen    für  Habsüchtige    gelten.     Dieser  Einwand   erledigt 
flieh  einmal   dadurch,    dass,    wie    sich   unten  ergeben    wird,    die 
Personen    des  Eingangs  vom  Dichter  gar   nicht  als  Habsüchtige 
ausgesprochen  werden,    andrerseits   dadurch,    dass    nicht    einmal 
jene  Identität  vorliegt.     Zum  Beweise  hierfür  ist  zunächst  darauf 
hinzuweisen,    dass,    die   Richtigkeit   der  Ueberlieferung  unserer 
Stelle  vorausgesetzt,  die  Figuren  des  Eingangs  an  ihr  nicht  ein- 
mal  nach  der  Meinung  der  Ausleger  ausnahmslos   wiederkehren. 
Und  doch  musste  dies    geschehen,    wenn    der  Dichter  die  Miene 
annahm,  eine  Gesellschaft  zum  zweiten  Male  auftreten  zu  lassen ; 
er  hätte  sich  sonst  entschieden   ein  Armuthszeugniss  ausgestellt. 
Von  diesem  Gefühle  haben  sich  diejenigen  Ausleger  leiten  lassen, 
die  die   ofi^enbare   Incongruenz    zwischen    dem    hier   befindlichen 
caupo  mit  dem  dortigen  iurisperitus  durch  Conjectur  zu  beheben 
gesucht   haben.     In  Wirklichkeit   aber   herrscht  die  Incongruenz 
durchweg.     Was  den  nauta  betrifft,  so  wurde  er  schon  oben  als 
ein  Mann  gekennzeichnet,    den  mit    dem  merccUor    des  Eingangs 
identisch  zu  setzen  man  sich  nicht  getrieben  fühlen  kann.    Dass 
der  dortige  agricola  nicht  d*««»•!»»•   ^st  wie   der  hier  ftgurirende 


440  Teichmüller 

kleine  Landmann,  folgt  daraus,  daee  er  seine  Unzufnedenbeit  mit 
seinem  Berufe  durch  die  Unbequemlichkeit  begründet,  mit  der 
für  ihn  der  Besuch  der  Stadt  verbunden  ist;  mtisste  er,  wie  jener, 
in  eigener  Person  den  Acker  pflUgen,  so  würde  seine  Klage 
zweifellos  anders  lauten.  Die  beiden  müUes  erweisen  sich  da- 
durch  als  zweierlei  Personen,  dass  der  erste  nach  der  üeber- 
liefernngy  welche  zu  ändern  kein  ausreichender  Grnnd  vorliegt, 
gravis  annis  ist,  währeud  der  zweite  sagt,  dass  er  fürs  Alter 
spart  und  sich  demnach  diesseits  des  Alters  befindet.  Aber  noeb 
mehr:  der  Dichter  hatte  guten  Grund,  die  Auffassung  der  Iden- 
tität der  beiderseitigen  Personen  geflissentlich  zu  verhüten.  Sake 
man  an  der  zweiten  Stelle  die  Personen  der  ersten  wiederkehren, 
80  sähe  man  sie  auch  in  auffallender  Weise  ans  ihrer  Bolie 
fallen.  Ihre  Bolle  bestand  in  Klagen,  die  sie  über  ihr  Los  er- 
heben; hier  würden  sie  sich  als  solche  darstellen,  die  eich  mit 
ihrem  Lose  abgefunden  haben. 

3.   Endlich  und  vorzugsweise   wird  man  gegen  uns  geltend 
machen,    dass    der  Dichter   von  jenen    Leuten   nicht    einfach  hac 
mente  ferunty  sondern  hac  mente  aiunt  sese  ferre  sagt  und  schon 
dadurch    ihre  Angabe   als  Unwahrheit    stempelt.     Nun    aber    ist 
einerseits  bekannt,  dass  aio  weit  entfernt  ist,    stets    ein    nnwahr- 
haftiges  Vorgeben  zu  bezeichnen.    Bei  Horaz  kommt  es  in  diesem 
Sinne  niemals  vor,  und  auch  die  Ausleger  haben  es  hier   sicher- 
lich nur  darum  so  aufgefasst,  weil  sie  im  Folgenden  die  Wider- 
legung   seines  Objectes    zu    sehen    vermeinten.     In   Wirklichkeit 
bekundet  der  Dichter  durch  diese  Ausdrucksweise  weiter  nichts, 
als  dass  er  es  unterlässt,  für  die  Thatsächlichkeit   der   von   ihm 
berichteten  Aussage  die  Bürgschaft    zu    übernehmen.     Will  man 
annehmen,   dass   dadurch    zugleich   ein  Zweifel  an  der  Wahrheit 
der  Aussage  zum  Ausdruck  kommen  sollte,   so  ist  doch  die  An- 
sicht, welche  für  den  Dichter  die   plausiblere   ist,    auf   der    der 
Auffassung    der    Ausleger    entgegengesetzten    Seite    zu    suohen. 
Traute    er    einem    grösseren    oder    kleineren  Theile   jener  Leute 
nicht  zu,    dass  sie  die  Mühseligkeit  ihres  Erwerbes   in   der  Ab- 
sicht auf  sich  nahm,  fürs  Alter  zu  sparen  und  in  diesem  zu  ge- 
messen, so  hatte  das  in  Gemässheit  der   oben   gekennzeichneten 
Beecha£Penheit    dieser  Leute   seinen  einfachen  Grund  darin,    dass 
er,  sei  es  in  Folge  schwieriger  Verhältnisse  und  schlechter  Zeiten, 
sei  es  wegen  ihrer  eigenen  Energielosigkeit  und  Gennsssucht  (wie 
denn  die  eine  einfache  Lebensweise  predigende  Eede  des  Bauern 
Ofellus   II   2    wenigstens    das    Gewissen    des    hier    figurirenden 


erundgedanke  und  Disposition  von  Hör.  Sat.  I  1  441 

kleinen  Landmanne  schärfen  könnte)  es  für  möglieb  hielt,  dase 
sie  es  zum  Üebereparen  und  selbst  zum  emstlicben  Vorsatze  dazu 
nicht  bringen  konnten.  Aber  nicht  sowohl,  am  einen  Zweifel 
an  der  Wahrheit  der  in  Hede  stehenden  Aussage  zu  äussern, 
wird  der  Dichter  sieh  ihrer  Verbürgung  enthalten  haben,  als 
vielmehr  darum,  weil  er  letztere  als  tiberflüssig  erachten  durfte. 
Er  durfte  dies,  weil  es  ihm  darauf  ankam,  eine  der  der  Hab- 
süchtigen entgegengesetzte  Gesinnung  zu  zeichnen,  und  weil  für 
diesen  Zweck  auch  die  Darstellung  eines  Bekenntnisses  zu 
der  entgegengesetzten  Gesinnung  ausreichte.  Ausserdem  bemerke 
man,  dass  gerade  durch  Einführung  dieses  Bekenntnisses  das 
Raisonnement  harmonischer  wird ;  denn  auch  die  Habsüchtigen 
läset  der  Dichter  an  den  oben  angeführten  Stellen  ihre  Beweg- 
gründe selbst  vortragen. 

Heinze,  welcher  in  seiner  Schrift  De  Horatio  Bionis  imi- 
tatore  gleich  den  übrigen  Auslegern  die  in  Rede  Stehenden  als 
der  Habsucht  Angeklagte  anffasst,  glaubt  an  unserer  Stelle  wieder- 
zufinden, was  in  Gnomol.  Byz.  έκ  των  Δημοκρίτου  Ισοκράτους 
Επικτήτου  η.  207  durch  die  Worte  ausgedrückt  ist:  bia  φίλαρ- 
γυρίαν  μ€τά  πόνων  γεωργεϊς,  πλεϊς  μ€τά  κινδύνων  τήν  θάλασ- 
σαν, στρατ€ύΓ|  καθ'  ώραν  φονεύειν  ή  φον€ύ€σθαι  προσδοκών. 
Nun  kann  doch  aber  nimmermehr  geleugnet  werden,  dass  im 
Alterthume  so  gut,  wie  das  bei  uns  der  Fall  ist,  das  Gros  der 
Vertreter  der  in  diesen  Worten  gezeichneten  Berufsarten  dem 
Berufe  nicht  aus  Habsucht,  sondern  um  der  Subsistenz  willen 
gewidmet  war,  und  man  darf  daher  behaupten,  dass  jener  Grieche 
entweder  Unyerständiges  vorgebracht  hat,  das  Horaz  sich  an- 
zueignen sich  sicherlich  nicht  die  Blosse  geben  konnte,  oder, 
was  wahrscheinlicher  ist,  dass  als  der  von  ihm  Angeredete  nicht 
ein  beliebiger  Vertreter  jener  Berufsarten,  sondern  einer  aus  der 
kleinen  Zahl  derer  zu  verstehen  ist,  denen  ihr  Beiohthum  ver- 
stattete,  sich  jeglicher  Erwerbsthätigkeit  zu  enthalten. 

Das  Ergebnies  dieser  Untersuchung  ist,  dass  die  vier  an 
unserer  Stelle  eingeführten  Personen,  weit  entfernt  vom  Dichter 
der  Habsucht  bezichtigt  zu  werden,  vielmehr  als  solche  gedacht 
sind,  durch  deren  Bekenntniss  die  Habsüchtigen  beschämt  werden 
sollen. 


442  Teiohmüller 

υ. 

Prüfung    der    üblichen    Meinungen    über     den    Grund- 
gedanken und  die  Diepoeition  des  Gedichtee. 

Wir  treten  nunmehr  an  unsere  eigentliche  Aufgabe  heran, 
welche  sich  auf  die  Auffaseung  der  Gesammtheit  dee  Gedichtes 
bezieht.  Auch  hier  sind  zunächst  die  Aneichten  der  Ausleg-er 
zu  prüfen.  Dieselben  stimmen  unsere  Wissens  aaenaliineloe  dario 
überein,  dass  Horaz  es  sich  zur  Aufgabe  gemacht  hat,  die  Er- 
scheinung zu  erklären,  dass  die  Menschen  ihr  Lebeneglück  zu 
verfehlen  pflegen,  und  dass  er  diese  Erscheinung  aus  der  Hab- 
sucht erklärt.  Verschieden  wird  die  Auslegung  dadurch,  das$ 
nach  den  einen,  welche  die  im  Eingang  gezeichnete  μεμψιμοιρία 
mit  dem  verfehlten  Lebensglück  zusammenfallen  laeeeD,  jene  Er- 
klärung das  Thema  der  ganzen  Satire,  nach  den  andern  das  ihres 
grössten  Theiles  bildet,  nämlich  von  V.  23  bis  zum  Seh  Ines.  Da 
die  erstere  Auffassung  die  der  Majorität  ist,  so  werden  wir  uns 
vorzugsweise  mit  ihr  beschäftigen. 

1.    Zunächst    lassen  wir  die  Frage  offen,    ob  Horaz    über- 
haupt das  verfehlte  Lebensglück  als  Wirkung  der  Habeucht  bat 
aufgefasst  wissen  wollen,    und   beschränken    uns    darauf    zu    be* 
streiten,  dass  er  diese  Erklärung  auf  so  viele  Menschen  bat  aus• 
dehnen    können,    wie    nach    dem    Wortlaute    des    Gedichtee    an- 
genommen werden  milsste.     Da  nämlich  nach  nemo  in   V.   1   alle 
Menschen,    und    nach  raro  in  Y.  117    fast    alle    Menseben    das 
Lebensglück  verfehlen,   so  müssen,    wenn  dies  die  Wirkung    der 
Habeucht    ist,    nach    der  ersten  Stelle   alle  Menschen  ohne  Aus- 
nahme,   und    nach    der   zweiten  fast  alle  habsüchtig  sein.     Das•« 
nun  der  Dichter  sich  zu  dieser  Meinung  bekannt  hätte,  kann  mao 
ihm  zunächst  unter  der  Voraussetzung    nicht   zutrauen,    dass    er 
ein  verständiger  Mensch  war.     Er  würde  durch  ein  solches  Be- 
kenntniss  einmal  eine  unglaubliche  Unkenntniss  des  menschlichen 
Herzens  im  allgemeinen  verrathen  haben.    Es  hat  zu  allen  Zeiten 
Begierden    und  Leidenschaften    gegeben,    die    dadurch,    dass    nie 
ihrerseits  das  Herz   einnahmen,    der  Habsucht    nur    in    geringem 
Masse    oder    gar  nicht  Zutritt  gewährten.     Um    sodann    zu    er- 
messen,   wie    fern   es  dem  Dichter    liegen    musste,    die    avaritia 
seinen  Zeitgenossen  insbesondere  als  allgemein  verbreiteten  Fehler 
zur  Last    zu  legen,    ist   zuvörderst    der  Begriff,    den  Horaz    mit 
diesem  Worte  hat  verbunden  wissen  wollen,  festzustellen.    Wenn 
man  sich    nämlich  eine    avaritia    auch    solcher    vorstellen    kann, 


Grundgedanke  and  Disposition  von  Hör.  Sat.  I  1  443 

welche  viel  besitzen  wollen,  um  viel  zu  yerbrauchen,  so  ist  von 
der  Auffassung  des  Wortes  in  diesem  Sinne  im  vorliegenden  Ge- 
dichte durchaus  abzusehen.  Im  vorliegenden  Gedichte  darf  für 
den  Begriff  der  avaritia  nur  die  Zeichnung  massgebend  sein, 
welche  in  ihm  selbst  von  den  avaris  gegeben  wird.  Diese  Zeich- 
nung befindet  sich  in  dem  grossen  Stücke  Vv.  88 — 107,  und 
hier  giebt  es  keine  andern  avari  als  solche,  welche  lediglich  zu 
dem  Zwecke  erwerben  und  sammeln,  um  zu  besitzen.  In  diesem 
Sinne  aber  aufgefasst,  stellt  avaritia  wahrlich  nicht  einen  Fehler 
dar,  an  dem  die  Zeitgenossen  des  Dichters  vorzugweise  krankten, 
insofern  bekanntlich  gerade  bei  ihnen  die  ausschweifendste  XJeppig- 
keit  und  der  schrankenloseste  Aufwand  an  der  Tagesordnung 
waren.  Ausserdem  würde  Horaz  durch  jene  Behauptung  mit 
seinen  eigenen  Gedichten  in  starken  Widerspruch  gerathen.  Zum 
Beweise  hierfür  werden  einige  Andeutungen  genügen.  Passionen, 
die  der  Habsucht  in  sehr  wirksamer  Weise  den  Besitz  des  mensch- 
lichen Herzens  streitig  machen,  sind  die  meisten  von  den  C.  I  1 
aufgeführten,  besonders  die  des  kleinen  Landmanns,  der  seine 
ererbte  Armut  nicht  für  die  Schätze  eines  Attalus  hergeben  will. 
Die  Dichter  werden  Ep.  Π  119  ausdrücklich  von  der  Habsucht 
freigesprochen.  Nach  der  A.  P.  gegebenen  Charakteristik  der 
Lebensalter  ist  Geiz  und  Habsucht  eine  Eigenthümlichkeit  der 
Greise.  Dass  dem  Horaz  der  oben  erwähnte  Hang  seiner  Zeit- 
genossen zuUeppigkeit  und  Verschwendung  nicht  unbekannt  war, 
bezeugen  seine  Gedichte  zur  Genüge.  Nichts  ist  in  ihnen  häufiger 
als  die  Erwähnung  von  Prachtliebe,  die  sich  im  Bau  herrlicher 
und  theilweise  im  Meer  fundirter  Gebäude  und  ihrer  Ausstattung 
entfaltet,  von  lucnllischen  Mahlzeiten  u.  dgl.  Auch  weiss  der 
Dichter,  dass  die  Bewerbung  um  Ehrenstellen  sehr  viel  Geld 
kostet ;  S.  II  3  wird  diese  Bestrebung  durch  den  Mund  des  Ser- 
vius  Oppidius  der  Verschwendungssucht  gleichgesetzt.  Ep.  1  18, 
21  ist  von  der  damnosa  vetmSy  der  kostspieligen  Verbuhltheit,  die 
Rede.  Dass  Horaz  gerade  das  Gros  der  Gesellschaft  nicht  für 
haushälterisch  hält,  verräth  er  Ep.  I  2,  27  ff.  durch  die  Worte 
no8  ,  .  •  nebulones  Älcinoique  in  cute  curanda  plus  aequo  operafa 
inventus.  Auch  die  oben  erwähnte  Predigt  des  Ofellus  setzt 
voraus,  dass  wenigstens  bei  den  Bauern  das  Wohlleben  vertreten 
war.  Endlich  kennen  die  Horazischen  Gedichte  auch  solche  Leute, 
die  zwischen  Sparen  und  Verbrauchen  die  richtige  Mitte  zu  halten 
wiesen  und  somit  ebenfalls  sich  von  den  Habsüchtigen  unter- 
scheiden.   Hierher  gehört  ausser  dem  eben  genannten  OfAlIna  der 


444  teiohmüller 

praeoo  Volteine,  von  dem  es  £p.  I  7,  56  f.  heiset  notum  ä  pro- 
perare  loco  et  cessare  et  quaerere  et  utL 

Wollte  man  aber  trotz  des  Gesagten  ee  für  möglich  halteo, 
dase  der  Dichter  sich  zu  der  Annahme  einer  so  allgemein  ver- 
breiteten Habsucht  bekannt  hätte,  so  müsste  es  immer  noch  für 
unglaublich  gelten,  dass  er  das  im  vorliegenden  Gedichte  ge- 
than  hätte.  Das  folgt  aus  der  Art  und  Weise,  in  welcher  die 
in  diesem  Gedichte  selbst  vorkommenden  Personen  gezeichnet 
sind.  Zunächst  entsprechen  sie  nicht  der  billigen  Forderang, 
dase  wenigstens  sie  sich  sämmtlioh  als  Habsüchtige  daretelleo 
müssen.  Die  vier  Personen  des  Eingangs  hätten  ebenso  gnt 
demjenigen  als  Typen  dienen  können,  der  umgekehrt  die  Men- 
schen als  von  der  Habsucht  frei  erscheinen  lassen  wollte.  Auf 
den  Rheder  und  den  Landmann  trifft  dies  zu,  weil  jener  den 
armen  Soldaten^  dieser  den  unentgeltlich  arbeitenden  Becbts* 
gelehrten  beneidet.  Der  Soldat  aber  und  der  Reohtsgelehrte  ver- 
leugnen die  Habsucht  dadurch,  dass  jener  den  Tausch  mit  dem 
reichen  Rheder,  dieser  den  mit  dem  Geld  verdienenden  Land- 
mann verschmäht.  Dass  diese  vier  Personen  vom  Dichter  nieht 
als  Habsüchtige  gedacht  sind,  dafür  erklärt  sich  besonders  aof^- 
drücklich  auch  Heinze  aaO.  —  Was  aber  ungleich  mehr  sagen 
will,  es  giebt  an  zwei  Stellen  Personen,  welche  zu  den  Hab- 
süchtigen geflissentlich  in  Gegensatz  gestellt  sind.  Das  sind 
nach  unserer  anfanglichen  Untersuchung  erstlich  die  Vv.  28—30 
Aufgeführten  und  zweitens  die  Klasse  der  vappae  und  nebukmes^ 
von  welcher  Vv.  101  —  104  die  Rede  ist.  Endlich  bemerke  man, 
dass  selbst  der  umfangreiche  Abschnitt  Vv.  38 — 100,  der  unstreitig 
lauter  Habsüchtige  geisselt,  wenig  geeignet  ist,  ihren  Fehler 
als  einen  allgemein  verbreiteten  erscheinen  zu  lassen.  Denn  alle 
diese  Leute  sind  sehr  reicb  und  bilden  daher  nur  einen  kleinen 
Bruchtheil  der  Gesellschaft. 

Nun  giebt  es  aber  in  unserm  Gedichte  eine  Stelle,  an  welcher 
nacb  der  Auslegung  der  berufensten  Gelehrten  der  Dichter  den- 
noch schlechterdings  den  Vorwurf  der  Habsucht  auf  alle  Men- 
schen ausgedehnt  hat.  Meineke,  Haupt,  Kiessling,  L.  Müller  und 
andere  schreiben  V.  108  mit  dem  ältesten  Blandinier  qui  nemo 
ut  avarus,  und  die  beiden  zuletzt  Genannten  sagen  ausdrücklich, 
dass  ut  gleich  titpoie  und  causal  zu  verstehen  sei.  Hiernach 
würden  denn  allerdings  die  Worte  die  Behauptung  enthalten, 
dass  jedermann  habsüchtig  sei.  Auch  in  einer  von  andern  be- 
vorzugten Lesart,  nemon  ut  avarus,    wird  das  ut  wahrscheinlich 


Grundgedanke  und  Disposition  von  Hör.  Sat.  I  1  445 

meistens  causal  verstanden  werden.  Gesetzt  nun  aber,  dass  man 
eich  notbwendig  für  eine  dieser  beiden  Lesarten  entscheiden 
müsste,  hätte  man  doch  allen  Grund,  ihre  eben  angeführte  Er- 
klärung zu  beanstanden.  Ganz  abgesehen  von  den  obigen  Er- 
örterungen, nach  welchen  es  dem  Dichter  nicht  einfallen  konnte, 
eine  so  allgemeine  Verbreitung  der  Habsucht  sei  es  irgendwo 
sonst,  sei  es  in  dieser  Satire  zu  behaupten,  musste  ihm  das  an 
dieser  Stelle  besonders  fern  liegen,  nachdem  er  fast  unmittelbar 
vorher  von  den  vappis  und  nehulonibus  gesprochen  hatte.  Es 
kommt  aber  etwas  hinzu,  auf  Grund  dessen  gerade  die  Mehrzahl 
der  Ausleger  diese  Auffassung  aufzugeben  gezwungen  ist.  Die 
Worte,  in  welche  ut  avarus  eingeschaltet  ist,  sind,  wie  Niemand 
bezweifelt,  eine  Wiederholung  der  an  die  Spitze  des  Gedichtes 
gestellten  Frage.  Auf  diese  Frage  aber  bildet  nach  der  Mehr- 
zahl der  Ausleger  der  Umstand,  dass  alle  Menschen  habsüchtig 
sind,  die  Antwort.  Demnach  hätte  denn  der  Dichter  hier  das 
Unglaubliche  geleistet,  seine  Frage  in  einer  Gestalt  zu  wieder- 
holen, welche  ihre  Beantwortung  einschloss.  Wenn  Kiessling 
an  diesem  Widersinn  keinen  Anstoss  nimmt  und  zur  Erklärung 
der  vorliegenden  Stelle  ausdrücklich  sagt:  Mch  kehre  zum  Aus- 
gangspunkt zurück,  wie  es  doch  komme,  dass  niemand  aus  Ge- 
winnsucht (sie!)  mit  seinem  Lose  zufrieden  ist',  so  dürfte  das 
schwer  zu  begreifen  sein.  Die  in  Rede  stehende  Auslegung 
des  ut  darf  man  aber  um  so  ungescheuter  verwerfen,  als  die 
Partikel  ganz  ungezwungen  sich  in  der  Bedeutung  von  sicut 
auffassen  lässt,  dem  zufolge  die  Menschen  im  allgemeinen  mit 
der  Klasse  der  Habsüchtigen  nur  verglichen  uhd  eben  dadurch 
als  von  ihnen  geschieden  würden  dargestellt  werden.  In  diesem 
Sinne  Wieland  ^Wenn,  gleich  dem  Geizhals,  jeder  unzufrieden 
mit  seinem  Lose  .  .  .'  Dass  der  Dichter  durch  vorher  Gesagtes 
berechtigt  war,  die  Habsüchtigen  als  $e  tum  probantes  anzu- 
sprechen, wird  unten  zu  bemerken  sein. 

Wir  gingen  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  man  sich 
für  eine  der  beiden  obigen  Lesarten  entscheiden  müsse.  In 
Wirklichkeit  aber  wird  man  dies  bezweifeln  dürfen  und  sogar 
diejenigen  Gelehrten  zu  beachten  haben,  welche,  wie  Fritzsche, 
Kohl,  Cartault,  auch  avarus  an  dieser  Stelle  für  verderbte  Ueber- 
lieferung  halten.  Giebt  man  ihnen  Recht,  so  erscheint  selbst* 
verständlich  die  in  Rede  stehende  Behauptung  des  Dichters  von 
dieser  Stelle  noch  weit  bestimmter  ausgeschlossen.  Will  man 
avarus  ändern,  so  könnte  man   an   nemo  tU    sibi  carus    denken; 


446  Teichmfiller 

*Iob  kehre  zu  dem  Punkte  zurück,  von  dem  ich  mich  entfernt  bak 
wie  wenig  ein  jeder  sich  selbst  gut  und  mit  eich  zufrieden  m 
und  vielmehr  .  .  /  Carum  sibi  vivere  Ep.  I  3,  29;  ähnlieh  il. 
18,  101  quid  te  tibi  reddat  amicum  und  S.  II  2,  97  te  tibi  inl• 
quum.  Eine  andere  Vermutbung  betreffend  die  Gestalt  dieser 
Stelle  wird  weiter  unten  Platz  finden.  An  die  oben  angefahrte 
Lesung  qui  nemo  ui  wird  man  sich  um  so  weniger  gefesselt 
fiiblen,  als  qui  nemo  se  probet  im  Sinne  von  qui  fiat  ut  nemo  y 
probet  gewiss  nicht  ansprechendes  Latein  ist.  —  Daas  ebeow 
wenig  wie  in  den  eben  betrachteten  Versen  die  Habeacht  in  dem 
übrigen  Theile  des  Sohlnssstücks  als  allgemeiner  Fehler  der 
Menschen  figurirt,  wird  sich  bald  herausstellen.  Wir  dürfea 
demnach  für  ausgemacht  halten,  dass  unserm  Gedichte  die  Ver- 
tretung der  Meinung,  dass  alle  oder  fast  alle  Menschen  hab- 
süchtig sind,  fremd  ist. 

2.  Aus  dem  eben  festgestellten  Ergebnies  folgt  unmittelbar, 
dass,  wenn  Horaz  das  verfehlte  Lebensglück  aus  der  Habsacht 
erklärt  hat,  er  diese  Erklärung  nicht,  wie  man  nach  den  Äos- 
legern  annehmen  müsste,  auf  alle  oder  fast  alle  Menschen  hat 
ausdehnen  können.  Wir  wenden  uns  jetzt  dem  Beweise  zu,  das.« 
der  Dichter  das  bezeichnete  Uebel  überhaupt  nicht  ans  der 
Habsucht  erklärt  hat. 

Für  diejenigen,  welche,  wie  Heinze  aaO.,  die  μ€μψιμοιρία 
der  vier  Personen  des  Eingangs  τοη  dem  zu  erklärenden  ver- 
fehlten Lebensglück  geschieden  wissen  wollen,  kommen  diese 
Personen  hier  nicht  in  Betracht.  Die  Mehrzahl  der  Ausleger  aber 
ist  andrer  Ansicht,  und  demgemäss  muss  zunächst  von  dieses 
Personen  gezeigt  werden,  dass  ihr  Uebel  nicht  aus  der  Habsucht 
erklärt  wird.  Zu  diesem  Zwecke  erinnern  wir  einerseits  daran, 
dass  diese  Personen  vom  Dichter  gar  nicht  als  Habsüchtige  ge- 
dacht sind,  und  weisen  andrerseits  darauf  hin,  dass  die  tob 
ihnen  vorgebrachten  Klagen,  die  des  Veteranen  über  gehäufte 
Strapazen,  die  des  Rheders  über  die  Gefahr  des  Seesturmes,  die 
des  Rechtsconsnlenten  über  die  gestörte  Nachtruhe,  die  des  Land- 
manns  über  den  unbequemen  Besuch  der  Stadt  an  sich  selbst  so 
verständlich  sind,  dass  man  ein  Bedürfniss,  sie  erklärt  zu  sehen, 
überhaupt  nicht  empfindet.  Was  sodann  die  vier  Vv.  28  ff.  ein- 
geführten Personen  betrifft,  so  gehen  sie  uns  darum  nicht  an. 
weil  sie  nicht  unzufrieden  sind  und  darum  auch  keine  Unzu- 
friedenheit bei  ihnen  zu  erklären  ist.  Um  so  mehr  Grund  hat 
p&an,  dem  folgenden  grossen  Stück  von  der  Habsucht  seine  Auf- 


Grandgedanke  und  Disposition  von  Hör.  Sat.  I  1  447 

merksamkeit  zuzuwenden.  Ist  es  die  Aufgabe  dieser  Satire,  die 
Habeucbt  aU  Ureache  der  Unzufriedenbeit  und  des  yerfeblten 
LebenBglücke  zu  erweisen,  so  müssen,  wenn  irgend  jemand,  die 
in  diesem  Stücke  gezeicbneten  Habsüchtigen  als  mit  jenem  Uebel 
behaftet  erscheinen.  Daher  pflegen  denn  auch  die  Ausleger  dies 
Stück  in  dem  bezeichneten  Sinne  aufzufassen.  So  bemerkt  Kirchner 
zu  y.  108:  'Er  .  .  .  lenkt  die  Unterhaltung  auf  das  ursprüng- 
liche allgemeine  Thema,  die  Unzufriedenheit  der  Menschen  mit 
ihrem  Lose  zurück:  aber  mit  dem  gewonnenen  Zusätze  avarus, 
wodurch  die  avaritia  nach  dem  Obigen  als  Quelle  dieser  Mempsi- 
moiria  bezeichnet  wird\  und  Schütz  sagt  ebenfalls  von  dem  in 
Rede  stehenden  Abschnitt  ausdrücklich,  dass  in  ihm  nachgewiesen, 
sei,  'dass  der  Grrund  der  Unzufriedenheit  in  der  Habsucht  liege'. 
Nun  verhält  sich  das  aber  in  Wirklichkeit  ganz  anders.  Un- 
zweifelhaft will  der  Dichter  die  Habsüchtigen  als  elend  und 
beklagenswerth  erscheinen  lassen ;  aber  von  ihrer  Unzufriedenheit 
findet  sich  in  diesem  Stück  so  wenig  eine  Spur,  dass  sie  sich 
vielmehr  als  mit  ihrem  Lose  sehr  zufrieden  darstellen.  V.  51  : 
at  suave  est  ex  magno  tollere  acervo.  V.  53  f:  iίώeas  miserum 
esse,  libenter  qtuUenus  id  facit,  Y.  66  f :  populus  me  sibilatj  cU 
mihi  plaudo  .  .  . 

Nichts  aber  kann  in  dem  Gedichte  für  die  Entecheidung  der 
uns  jetzt  beschäftigenden  Frage  eine  ebenso  grosse  Bedeutung  in 
Anspruch  nehmen  wie  das  Schlussstück,  in  welchem  der  Dichter 
durch  die  Worte  Vv.  117  ff.:  Inde  fit  ut  rar  ο  .  .  .  sich  aus- 
drücklich dazu  bekennt,  das  von  ihm  gezeichnete  Uebel  erklären 
zu  wollen.  Wenn  irgendwo,  muss  hier  die  Habsucht  als  Ursache 
der  zu  erklärenden  Wirkung  klar  werden.  Nun  aber  ergiebt 
sich  unschwer,  dass  dies  nicht  der  Fall  ist.  Zunächst  bemerke 
man,  dass  Inde  nicht  unmittelbar  auf  die  Habsucht  hinweist;  der 
Punkt,  auf  den  es  sich  unmittelbar  bezieht,  ist  vielmehr  ein  eifer- 
süchtiger Wettstreit.  Es  müsste  also  durch  diesen  die  Ursäch- 
lichkeit der  Habsucht  vermittelt  sein,  es  müsste  die  Habsucht 
zunächst  als  Quelle  des  eifersüchtigen  Wettstreites  sich  darstellen. 
Und  so  haben  denn  auch  die  Ausleger  die  Sache  aufgefasst.  So 
zB.  Heinze:  ^Haec  sane  inmdia  (nach  seiner  Auffassung  im  Gegen- 
satz zu  der  invidia  der  vier  Personen  des  Eingangs  zu  verstehen) 
recte  dinitiarum  cupiditate  explicatur.  In  Wahrheit  aber  ist  das 
Verhältniss,  in  dem  die  beiden  in  Rede  stehenden  Uebel  zu 
einander  zu  denken  sind,  das  umgekehrte.  Einerseits  wird  aus 
der  Natur  der  Sache   selbst  einleuchten,   dass   man   durch    Neid 


448  Teichmüller 

leichter  zum  Trachten  nach  Vergröseerang  eeines  Beeitzee  ί,ΐ 
durch  dieeee  zu  jenem  getrieben  wird.  Andrereeite  aber,  vi.« 
hier  unzweifelhaft  ausschlaggebend  ist,  bekennt  eich  zu  der  Mei- 
nung, dass  die  Habsucht  dem  Neide  entstammt,  der  Dichter  as»- 
drticklich  selbst.  Er  thut  dies  Vv.  38—40:  cum  .  .  .  nü  obstz* 
tibit  dum  ne  sU  te  ditior  aller.  Nichts  kann  weniger  beetrittec 
werden,  als  dass  diese  Worte  die  Habsucht  des  Angeredetes 
aus  seiner  Eifersucht  erklären.  Kiessling  greift  darum  abermaU 
in  befremdlicher  Weise  fehl,  wenn  er  in  offenbarer  AnlehnnD? 
an  die  eben  angeführten  Worte  in  der  Inhaltsangabe  zu  dieser 
Satire  sagt:  ^Die  elende  Gewinnsucht  ist  es,  welche  jeden  mit 
•Unzufriedenheit  und  Neid  (man  beachte  die  beiden  letzten  Worte 
erfüllt:  damit  ja  nicht  der  andre  ihn  an  Besitz  tibertrifft,  hastet 
jeder  im  Jagen  nach  Geld  wie  auf  der  Rennbahn'.  Was  in  der 
zweiten  Hälfte  dieser  Worte  in  Uebereinstimmung  mit  der  Mei- 
nung des  Dichters  sich  als  Beweggrund  und  Ursache  der  Gewinn- 
sucht darstellt,  ist  in  der  ersten  Hälfte  als  ihre  Wirkung  gekena• 
zeichnet. 

Es  kommt  aber    noch    ein    andres    gewichtiges    Argument 
hinzu.     Nach  dem  Wortlaut  des  Sohlussstücks,  der  für  die  Aui^- 
leger  massgebend  gewesen  ist,    handelt  es   sich    bei    dem     eifer- 
süchtigen Wettstreite  nur  um  Geld  und  Gut.     Nun  aber  streben 
thatsächlich  die  Menschen  um  die  Wette  nicht  bloss  nach  dieseo 
Dingen,  sondern  nach  allen,  die  ihnen  begehrenswerth  erecheinen, 
insbesondere  nach  Ehre  und  Ansehn,  Ruhm  und  Macht,   und  ein 
um  solche  Ziele  entzündeter    Wettstreit    ist    unzweifelhaft    nich: 
weniger  fähig,  die  Lebensfreude  zu  vergällen,  als  jener.     £e  ist 
der  Mühe  werth,  mit  unserer  Stelle  einen  von  Heinze  bemerkten 
Abschnitt  aus  Plut.  n€pi  ευθυμίας    zu    vergleichen,     in    Cap.  9 
dieser  Schrift  wird  wie  bei  Horaz  der   Hang   der   Menschen  ge• 
geisselt,  es  den   vor    ihnen    Bevorzugten    gleichthun    zu    wollen: 
aber  als  Güter,    deren    grösserer    Besitz    den    Vorzug    verleibt, 
werden   neben    Geld    und    Gut    eine    ganze    Reihe    anderer    be- 
sprochen.    Will  man  nicht  annehmen,    dass   Horaz  in    psycholo- 
gischer   Einsicht  hinter   Flutaroh   weit   zurückgeblieben    sei,   β«• 
bleibt  nichts  anderes  übrig,  als  die  Ausdrücke  pauperiorum   und 
locupletior  gewissermassen  als  metaphorische  aufzufassen  und  deo 
geschilderten    Wettstreit    als   einen    allen   möglichen   Gütern    zu- 
gewandten zu  verstehen.    Man  bemerke,  dass  die  Worte  Vv.  110  f.: 
quodqt*e   aliena   capella  gerat  distentius  über,  tabescat   den    Ein- 
druck   bildlicher    Redeweise    machen    und    dem    Dichter    GrunJ 


Grundgedanke  und  Dispoeition  von  Hör.  Sat.  I  1  449 

geben  konnten  darauf  zu  rechnen,  dass  auoh  das  übrige  nicbt 
ohne  jegliche  Interpretation  aufgenommen  werden  würde.  Spricht 
nun  aber  Horaz  von  einem  Wettstreite,  dessen  Ziele  ganz  andere 
als  die  der  Habsucht  sein  können,  so  darf  an  die  Erklärung 
dieses  iVettstreites  aus  der  Habsucht  gar  nicht  gedacht  werden. 
Zum  Ueberfluss  vergleiche  man  noch  einmal  die  eben  angezogene 
Stelle  aus  Plutarch.  Selbstverständlich  ist  auch  bei  ihm  von 
einer  Zurückführnng  der  von  ihm  gerügten  Eifersucht  auf  die 
Habsucht  keine  Spur. 

3.  Es  bleibt  noch  übrig  zu  untersuchen,  mit  welchem  Rechte 
die  meisten  Ausleger  das  Uebel,  in  dessen  Erklärung  sie  den 
eigentlichen  Plan  des  Gedichtes  sehen,  in  der  Regel  schon  in  dem 
ersten  Stücke,  Vv.  1 — 22  bezeichnet  zu  finden  glauben.  Man 
folgt  dem  Dichter  unschwer,  wenn  er  im  letzten  Abschnitt  aus 
dem  dort  gemalten  rast-  und  nutzlosen  Wettstreite  die  .zerstörte 
Lebensfreude  herleitet.  Aber  die  erste  Schilderung  macht  einen 
ganz  andern  Eindruck.  Man  fühlt  keine  Veranlassung,  die  hier 
Vorgeführten  für  unglücklich  oder  auch  nur  für  wirklich  unzu- 
frieden zu  halten.  Denn  einmal  weisen  sie  die  gebotene  Ge- 
legenheit, sich  ihres  Loses  zu  entaassern,  von  der  Hand,  und 
andrerseits  beziehen  sich  ihre  Klagen  lediglich  auf  gelegentliche 
und  vorübergehende  Uebelstände.  Dass  dies  letztere  sich  so  ver- 
hält, liegt  bei  dem  Kaufmann,  dem  Rechtegelehrten  und  dem 
Landmann  auf  der  Hand.  Aber  auch  den  Veteranen  betreffend 
kann  man  im  Gegensatz  zu  der  üblichen  Auffassung  ohne  Schwierig- 
keit annehmen,  dass  das  muUo  tarn  fractus  membra  labere  von 
einem  Zustande  gesagt  ist,  in  dem  sich  der  Krieger  an  einem 
einzelnen  Tage  nach  strapaziösen  Stunden  befindet ,  eine  Er- 
klärung, die  gravis  annis  von  dem  ihm  gemachten  Vorwurfe  der 
Tautologie  um  so  wirksamer  entlastet.  Am  lehrreichsten  aber 
für  die  uns  jetzt  beschäftigende  Frage  ist  eine  aufmerksame  Be- 
trachtung der  schon  oben  berührten  Stelle  Vv.  117—119:  Inde 
fit  .  ,  .  queamus.  Soll  nämlich  die  im  Eingang  gezeichnete 
Klagesncht  mit  dem  am  Schluss  auftretenden  verfehlten  Lebens- 
gluck  als  identisch  aufgefasst  werden,  so  muss  nothwendig  die  an 
der  eben  angeführten  Stelle  gegebene  Erklärung  des  einen  der 
beiden  üebel  gleichzeitig  die  des  andern  sein;  es  muss  also,  da  an 
dieser  Stelle  als  Ursache  des  verfehlten  Lebensglticks  der  eifer- 
Rüchtige  Wettstreit  angegeben  wird,  derselbe  eifersüchtige  Wett- 
streit sich  als  Ursache  der  Klagesncht  auffassen  lassen.  In  Wirk- 
lichkeit aber  verhält  sich  das  wesentlich  anders.    Die  Schilderung 

BUelD.  Mo•.  L  FlUloL  H.  F.  LVJII.  20 


450  Teichmüller 

des  WetUtreites  beginnt  mit  den  Worten  V.  110  f . :  quodqm 
(diena  capella  gerat  distetitius  libert  iabescai^  und  sie  ist  dum 
diese  Worte  an  das  unmittelbar  vorhergehende  nemo  .  .  .  st  probe 
ac  potius  landet  dhersa  sequentes  in  einer  Weise  angeknüpft,  d&is 
der  Wettstreit  als  Aasflues  und  Wirkung  des  in  den  zaletzt  an- 
geführten Worten  gekennzeichneten  Verhaltens  erscheint.  Nod 
ist  aber  diee  Verhalten  kein  anderes  als  die  (hier  ζααι  zweiten 
Male  auftretende)  Kiageeucht,  und  wenn,  wie  wir  eben  gesehen 
haben,  von  dieser  der  Wettstreit  die  Wirkung  ist,  kann  er  nicht 
gleichzeitig  ihre  Ursache  sein.  Hiernach  ist  die  Bemerkung 
Kiesslings  zu  V.  117  zu  beurtheilen:  ^Inde  fit  ist  also  die  Ant- 
wort auf  das  Qui  fit  V.  Γ.  Das  Richtigere  liegt  auf  der  Hand. 
Das  Inde  fit  ist  der  Aufgabe,  die  Frage  des  Eingangs  zu  beant- 
worten, ganz  fremd  und  bringt  lediglich  die  Erklärung  des  am 
Schluss  figurirenden  Uebels,  und  die  in  jene  Frage  gefasste  Er- 

m 

scheinung  ist  so  wenig  mit  diesem  Uebel  identisch  gesetzt,  da^ 
sie  vielmehr  als  seine  mittelbare  Ursache  erscheint.  Fragt  man 
aber,  an  welcher  Stelle  des  Gedichtes  in  Wirklichkeit  die  Frage 
des  Eingangs  beantwortet  wird,  so  ist  zu  erwidern,  dass  das  an 
keiner  Stelle  geschieht.  Dies  aber  wird  darin  seinen  Grund  haben, 
dass  der  Dichter  die  Frageform  bloss  als  Ausdruck  der  Verwun- 
derung gemeint  hat,  und  dass  die  betreifenden  Worte  auch  so 
hätten  lauten  können :  Nonne  nUrum  est^  MaecenaSf  quod  nemo  .  . . 
vivit,  laudat  .  .  .? 

III. 

Der  Grundgedanke  und  die  Disposition  selbst. 

Nach  diesen  grösstentheils  kritischen  Betrachtungen  schreiten 
wir  dazu,  unsere  eigene  Meinung  über  das  Gedicht  darzulegen. 
Der  Gesichtspunkt,  unter  dem  alles  angeschaut  sein  will,  ist 
durch  die  in  den  ersten  Versen  des  Gedichtes  vorgeführte  Er- 
scheinung gegeben,  die  wir  als  den  in  der  menschlichen  Natur 
begründeten  Hang  ansprechen,  an  Stelle  des  Eigenen  sich  da« 
dem  andern  Beschiedene  zu  wünschen.  Dass  der  Dichter  es  sich 
nicht  zur  Aufgabe  gemacht  hat,  diesen  Hang  zu  erklären,  wurde 
schon  bemerkt.  Seine  wirkliche  Besprechung  ist  eine  doppelte, 
nnd  zwar  wird  er  einerseits,  Vv.  4 — 22,  als  Thatsache  nach- 
gewiesen und  andrerseits,  in  den  übrigen  Versen,  als  Ursache 
zweier  Uebel  dargestellt.  Der  Beweis  seiner  Thatsäohlichkeit 
dh.  der  Beweis,  dass  man  sich  das  dem  andern  Beschiedene 
wünscht,  nicht,  weil  man  sich  von  seinem  Vorzuge  ^**  '  *   ^ 


Orandgedanke  und  Disposition  von  Hör.  Sat.  I  1  4δ1 

sondern  eo  ipso,  weil  ee  das  des  andern  iat,  wird  im  ersten 
Theile  durch  die  Scene  erbracht,  in  welcher  die  Vertreter  des 
Hanges  das  von  ihnen  Begehrte,  als  es  ihnen  angeboten  wird, 
verschmähen.  Denn  da  sich  inzwischen  an  dem  Begehrten  nichts 
weiter  geändert  hat,  als  dass  es  aufhören  soll,  das  des  andern  zu 
sein,  verrathen  sie  durch  ihr  Verschmähen  des  Begehrten,  dass 
sein  Reiz  für  sie  lediglich  auf  der  bezeichneten  Eigenschaft  be- 
ruht hat. 

Von  den  beiden  aus  dem  Hange  erwachsenden  Uebeln  wird 
das  eine  Vv.  23 — 107  abgehandelt.  Es  ergreift  diejenigen,  welche 
unter  dem,  was  dem  andern  besohieden  ist,  das  Mass  seines  Be- 
sitzes ins  Auge  fassen,  und  es  besteht  in  der  Habsucht.  Der 
Habsüchtige  schätzt  den  Besitz  nicht  wegen  des  Gebrauchs  und 
Genusses,  den  er  bietet,  sondern  weil  er  beim  andern  erschienen 
ist.  Dass  dies  seine  Meinung  ist,  bekundet  der  Dichter  klar  und 
nachdrücklich  in  seinem  ersten  Ausfall  auf  den  Habsüchtigen 
Vv.  38 — 40  dnrch  die  Worte  dum  ne  sif  fe  difior  alter,  und  man 
beachte  wohl,  dass  für  das  Verständniss  des  eben  von  uns  be- 
rührten Gegensatzes,  in  welchem  der  Beweggrund  des  Hab- 
süchtigen zu  dem  Zwecke  des  Gebrauchs  und  Genusses  steht, 
durch  das  unmittelbar  voraufgehende  Bekenntniss  des  kleinen 
Landmanns  und  Genossen  zur  Genüge  gesorgt  ist  Das  zu  diesem 
Theile  überleitende  Praeterta  V.  23  entspricht  folgendem  Ge- 
dankengange: *Der  bezeichnete  Hang  ist,  wie  wir  gesehen  haben, 
an  sich  thöricht ;  ausserdem  aber  ist  er  auch  die  Quelle  schwerer 
Uebel*.  Uebrigens  leuchtet  ein,  wie  sehr  diese  Auffassung  des 
Capitels  von  der  Habsucht  von  der  üblichen  abweicht.  Einerseits 
redet  nach  ihr  der  Dichter  in  diesem  Abschnitt  nicht  von  den 
Menschen  im  allgemeinen,  sondern  eben  nur  von  den  Habsüchtigen, 
und  andererseits  wird  die  Habsucht,  weit  entfernt  als  Ursache 
der  im  Eingange  gezeichneten  Erscheinung  sich  darzustellen,  als 
ihre  Folge  und  Wirkung  angesprochen.  Könnte  der  Dichter  das 
Missverständniss  wahrnehmen,  das  seinen  Ausführungen  in  diesem 
Punkte  widerfahren  ist,  würde  ihm  das,  wie  wir  fürchten,  um  so 
verdriesslicher  sein,  als  er  sich  vermuthlich  gerade  auf  diese  seine 
Lehre  von  der  Entstehung  der  Habsucht,  und  zwar,  wie  wir 
meinen,  nicht  ohne  Grund,  etwas  zu  gute  gethan  hat 

Mit  dem  zweiten  der  aus  jenem  Hange  entspringenden  Uebeln 
beschäftigt  sich  das  mit  V.  108  beginnende  Schlussstück.  Dies 
Uebel  ergreift  nicht  wie  die  Habsucht  nur  einen  ziemlich  kleinen 
Bruchtheil  der  Iß—     '  '^rn  nach  rcaro  in  V.  117  die  aller- 


452     Teichmüller  Grundgedanke  und  Disposition  von  Hör.  Sat  1 1 

meisten,  und  es  besteht  in  dem  verfehlten  Lebensglücke.  Da^^ 
dies  die  Beziehung  ist,  in  welchem  das  Schlussstück  zu  dem  £ΐο 
gange  steht,  wurde  schon  zu  Ende  der  kritischen  BetrachtuDges 
bemerkt.  Der  Gegenstand  des  begehrend  aaf  den  andern  ge- 
richteten Blickes  sind  hier  aller  Art  thatsächliohe  Vorzüge  des 
andern.  Diese  Richtung  des  in  Rede  stehenden  Hanges  ist,  wa§ 
zu  sehen  der  Dichter  dem  Leser  überlässt,  mit  dem  Fehler  ver- 
bunden, dass  man  zu  fragen  unterlässt,  ob  das  Eigene,  wenn  aneb 
nicht  ebenso  gut  wie  das  Fremde,  nicht  wenigstens  gut  genug, 
und  ob  es  nicht  sogar  das  der  Individualität  und  den  beeondem 
Verhältnissen  des  Subjekts  Angemessene  ist.  Vgl.  Ep.  Τ  7,  98: 
metiri  se  quemque  suo  tnodulo  ac  pede  verum  est.  Das  hieraa$ 
erwachsende  Unheil  aber  besteht  darin,  dass,  indem  man  stet^ 
von  neuem  besser  Ausgestattete  erblickt,  in  einen  Wettstreit 
hineingeriesen  wird,  der  weder  zur  Ruhe  noch  zu  befriedigendem 
.Ziele  gelangt.  Die  Gestalt  des  ersten  Verses  dieses  Abschnitles 
könnte  entweder  die  oben  vorgetragene  sein :  nemo  ut  sibi  carus  . . . 
oder  nach  einem  Vorschlage,  den  wir  schon  im  Gnesener  Gjm* 
nasial Programm  1865  gemacht  haben,  und  der  nach  unb  auch  von 
andern  veröffentlicht  ist:  Illuc  unde  abii,  redeo.  Quia  nemo  ui 
avartis  (tU  natürlich  im  Sinne  von  sicut),  wonach  dann  im  In- 
dicativ  fortzufahren  Aväre  mit  probat  tabescit  comparat  laborai  ob- 
stat und  Inde  fit  als  Nachsatz  fungiren  wurde.  Hierdurch  würde 
ein  sehr  übersichtliches  und  nicht  mit  Schütz  als  Ungetüm  za 
verurtheilendes  Satzgefüge  entstehen. 

Die  meisten  Ausleger  haben  Einheitlichkeit  des  Gedichtes 
angenommen,  sie  aber  irriger  Weise  in  der  Herrschaft  des  Ge- 
dankens der  Habsucht  zu  finden  gemeint.  Andere,  wie  nament- 
lich Heinze,  haben,  indem  sie  die  Herrschaft  dieses  Gedankens 
für  die  erste  Partie  des  Gedichtes  leugneten,  sich  genöthigt  ge- 
sehen, die  Einheitlichkeit  desselben  aufzugeben.  Heinze  sagt  un- 
umwunden, dass  der  Dichter  beim  Eintritt  in  den  letzten  Theii 
(V.  108)  vergessen  hat,  wovon  er  im  Eingange  gesprochen. 
Unsrerseits  glauben  wir  einmal  den  im  Eingange  der  Satire  ge- 
zeichneten Hang  als  den  eigentlichen  Grundgedanken  nachgewiesen 
and  andrerseits  gezeigt  zu  haben,  dass  durch  ihn  das  Gedicht  za 
einem  wohlgefügten  und  einheitlichen  Ganzen  geworden  ist. 

Wittstook  a.  d.  Dosse.  F.  Teichmüller. 


UEBER  ALKIPHRON 


Indem  ich  die  romanhaft  sophistischen  Briefe  in  der  nenen 
holländischen  Ausgabe  (Alciphronis  epist.  libri  IV,  annotatione 
critica  instruxit  M.  A.  Schepers,  Groningen  1901)  neu  las,  er- 
kannte ich  mit  Dank  an  wie  die  Vermehrung  und  Verbesserung 
des  kritischen  Apparates,  so  manchen  Fortschritt  in  der  Text- 
behandlung gegen  Meinekee  und  Herchers  Ausgaben,  vor  allem 
die  Vorsicht  und  kluge  Mässigung  mit  welcher  Hr.  Polak,  der 
Berather  des  Hrn.  Sohepers,  und  dieser  selbst,  namentlich  ihres 
grossen  Landsmannes  und  Lehrers  Cobet  Einwendungen  und  Ein- 
griffe abgewiesen  haben,  welche  der  Zeit  und  Art  des  Sophisten, 
der  Genesis  und  Natur  jenes  Werkes  gerade  so  wenig  gerecht 
wurden,  wie  die  Peerlkampsohe  Kritik  dem  geschichtlichen  Cha- 
rakter der  horazischen  Odendichtung.  Aber  die  Ausgabe  zeigte 
mir  zugleich  den  grossen  Rückstand,  in  dem  sich  auch  jetzt  noch 
Kritik  und  Exegese  dieses  Schriftstellers  befindet ;  man  erhält 
keine  volle  und  klare  Uebersicht  des  handschriftlichen  Materials, 
der  mehrfach  gespaltenen  Tradition,  welche  den  sicheren  Grund 
legt  für  die  Recension  des  Textes,  und  obgleich  der  Herausgeber 
gelegentlich  auf  Latinismen  oder  andere  Idiotismen  des  Alkiphron 
aufmerksam  macht,  eine  ausführliche  und  planmässige  Exegese 
auch  nur  des  Sprachlichen  ist  nicht  versucht,  und  wie  will  man 
ohne  solche  einen  sicheren  »Schritt  thun  in  der  Kritik  eines 
Rhetors,  dessen  Sprache  und  Stil  Attisches  und  Gemeines,  Poeti- 
sches und  Prosaisches,  Seltenstes  und  Trivialstes,  Griechisches 
und  Halbbarbarisches  vielleicht  mit  Grazie,  aber  jedesfalls  bis 
ins  ungeheuerliche  mischt.  'Diesen  will  ich  zum  Mann  haben', 
schliesst  Brief  111  [III  1],  *oder  wie  die  Sappho,  nicht  vom 
leukadischen  Felsen,  aber  άπό  τών  Πειραϊκών  προβόλων  Ιμαυ- 
τήν  €ΐς  τό  κλυοώνιον  ακτω*.  Man  braucht  bloss  das  letzte  Wort 
zu  nehmen  und  zu  wägen,  und  wird  sich  überzeugen,    dass  die^ 


454  Bfioheler 

bloss  für  einen  raffinirt  verdrehten  Schreiber  möglicbee,  in  k 
That  nngrieobiscbes  Grieohisch  ist. 

Zahlreiche  Stellen  der  Briefe  könnte  ich  vorfahren,  welcV 
in  Rücksicht  auf  das  Vorgesagte  andere  behandelt  nnd  gtitui 
werden  müssen  als  sie  noch  in  Schepers*  Ausgabe  zn  lesen  stekt. 
Da  aber  einen  grossen  Theil  der  verständige  Leser  von  selbst 
berichtigen  kann  nnd  die  Herstellung  des  Ueberlieferten,  de• 
erlässlioh  bei  künftiger  Textbereitung,  im  Uebrigen  kaum  be- 
sonderer Worte  zu  bedürfen  scheint,  so  wähle  ich  für  diesiof 
sätzlein  nur  ein  paar  Stellen  aus,  wo  der  Rhetor  prunkend  vu 
der  Rabe  in  der  Fabel  mit  Pfauenfedern  sich  schmückte,  welclf 
die  Editoren  ihm  grausam  wieder  ausgerissen  haben,  ich  meiof 
einige  sprachliche  Raritäten,  welche  jedesfalle  als  solcbe  »- 
gemerkt  zu  werden  verdienen,  auch  wenn  sie  den  heutigen  Gr&e- 
cisten  bekannter  sein  mögen  als  den  früheren. 

I  9,  3  ein  Fischhändler  will  sich  die  Gonst  hoher  reicher 
Herren  verschaffen,  die  ihn  gelegentlich  bewahren  können  vor 
der  harten  Hand  τών  άγορανόμων,  o'i  καθ'  ίκάστην  έπι  τα 
σφ€τέρψ  κέρΟ€ΐ  εΙς  τους  όπράγμονας  έμφοροΟσιν  ύβρεις.  ^ 
dm  τφ  σφ.  κέροει  die  Aufgaben  seit  Reiske,  so  schon  zwri 
jüngere  Bes.,  so  auch  Schepers,  aus  dessen  Anmerkung  ich  wieder- 
hole: *έπΙ  τώ  σφ.  κέρ{>€ΐ  κεροαίνειν  Flor.  Α  [Wiener  Ηβ.  β.  XV; 
Vulg.,  έπΙ  τφ  αφ,  κεροαίνειν  ora.  κέρ^ει  Ven.  Ν  [dies  die  älteste 
Pariser  Hs.  s.  XIII],  έπι  τφ  σφ.  κεροαίνοντι  Meinekins  corL 
Schaefero  .  .  .  apparet  Kepbaiveiv  in  margine  adscriptum  fniu^ 
Wie  so  erhellt  das?  und  Avar  dieser  Randschreiber  von  Sinnen/ 
Vielmehr  apparet  κέροει  in  marg.  adscriptum  fuisee,  das  Recbu 
war  und  ist  έπι  τφ  σφβτέρψ  κεροαίνειν,  vergleichbar  den  βΗ• 
bekannten  lat.  Wendungen  bei  Persius  nostrum  istud  vivere  M^ 
und  in  Trimalchios  Munde  meum  inteUigere  nulla  pecunia  vend'• 
Das  von  Alkiphron  direct  copierte  Beispiel  kenne  ich  nicht  od^ 
finde  ich  nicht  in  den  gäng  und  gäben  Grammatiken,  welche  jetzt, 
seit  Krüger,  auch  ημών  τό  φρονεΐν  und  ähnliche  Wenduoge- 
verzeichnen.  Vielleicht  ergötzt  andre  wie  mich  eine  geeobicfi^* 
liehe  Beminiscenz :  bis  gegen  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  l^' 
man  in  Xenophons  anab.  VH  7,  24  γιγνώσκιυ  τάς  τούτων  άΐΓ(ΐ• 
λάς  ούχ  ήττον  σιυφρονιίούσας  ή  δλλων  τάς  ήί>η  κολάσεις,  ι^^ 
dazu  die  Anmerkung  bei  dem  Einen  'nuper  τό  ή^η  κολά21(^^ 
restitui  coeptum  est  .  .  .  vereor  tarnen  ne  ita  accusativue  άλλου^ 
tantum  non  necessario  requiratur,  bei  dem  Andern  zu  der  faai^''' 
schriftlich  bewährten,    allein  richtigen  Lesart  'at  graece  ita  di^' 


üeber  Alkipbron  455 

poese  a  nuilo  demonetratam  e8t\  wie  aue  Battmann,  Matthiae 
und  Rost  zu  lernen  sei.  Die  lateiniscben  Beispiele  sind  doch 
wahrecheinlioh  griechischen  nachgemacht,  Plaatus'  iuom  amare 
(Coro.  28)  einem  τό  σόν  έραν. 

Ι  15  [Ι  12],  3:  ein  feiner  Städter  will  mit  Fischern  auf  dem 
Schiff  fahren,  mag  aber  nicht  auf  dem  Verdeck  liegen,    sondern 
verlangt  ein  Schattendach,    da  er   die  Sonnenstrahlen    nicht    er- 
tragen kann,    ήμΐν  b^,  nicht  nur  den  Schiffern,  sondern  schlechter- 
dings   allen    nicht   reichen  Leuten,   σττουοάΖεται  ίστίν  όύ  buva- 
μένοις    τή    elXij    θέρεσθαι.     Dies    die  Vulgata,    die  besten  Uss. 
setzen  f\  vor  (Τπουοάεεται   zu  und  geben,    was  übrigens  an  sich 
gleichgültig  wäre,  l(ST\v  ού.    Schepers  sagt:  Mllud  f\  unde  venerit 
ignoro,  sed  sequentia  sunt  corruptissima' ,    er  schlägt  vor  (Τπου- 
οάΖεται  ττερί  του  ούνασθαι  τή  εΤλη  θέρεσθαι,  und  das  mag  dem 
Sinne  ungefähr  genügen,  aber  klärlich  sonst  nicht.     Die  Vulgata 
ist  unverständlich,  die  lat.  Uebersetznng  in  der  Didotiana  *nobis 
curae  e6t,  nonnumquam  ei  possimus   apricari    stimmt    weder  mit 
dem  griechischen  Wortlaut  (auch  dann  nicht  wenn  wir  Herchers 
^(TTiv  δτε  annähmen),   noch    bringt    sie  den  vom  Zusammenhang 
geforderten   Gedanken:    der    verwöhnte  Herr    kann    die  Sonnen* 
wärme  nicht  ertragen,    welche    wir  armen  Leute  nicht    erlangen 
können.    Also  richtig  die  Hss.  Ιστιν  ού  ^υναμένοις  . .  θέρεσθαι, 
das  heisst:  es  steht  nicht  in  unsern  Kräften,  liegt  ausser  unserm 
Vermögen,    die   partioipiale  Umschreibung    im  Granzen    auf  £ins 
hinauslaufend    mit  ήμεΐς  ού  δυνάμεθα.    Auf   den  Ursprung  der 
Redeweise  zurückzugehen    wäre   vom  Uebel  —  sie   ist   hier  ge- 
schickt und  genau  genug  gebraucht:  das  fragliche  πάθημα  trifft 
uns  wohl,  aber  ohne  dass  wir  Macht  darüber  haben  —  es  reicht 
völlig  aus,    auf  das  classische  Muster  und  Vorbild   hinzuweisen, 
ήμΐν  ίστιν  ού  βουλομένοις  'es  ist  uns  nicht  nach  Wunsch*  (wie 
Tbukydides  II 3  τψ  ττλήθει  τών  Πλαταιών  ού  βουλομένψ  ήν  τών 
'Αθηναίων  όφ{(Ττα(Τθαι    und  viel  Andres).     Die  Lateiner  haben 
ihre  Nachahmung  auf  dies  oine  Verbum  beschränkt,    so  viel  ich 
weiss,  quüms  bellum  volentibus  erat,  bei  den  Grriechen  ist  die  Um- 
schreibung von  Alters  her  auch  auf  Verba  des  Hoffens  und  Er- 
wartens, freudigen  oder  leidigen  Theilnehmens  an  der  Handlung 
ausgedehnt,  der  Leser  des  Tbukydides  kennt  das  schwierige  τού- 
των KOI  πεπειραμένοις  δν  τι  γένοιτο  V  111.    Haben  wir  so  den 
Hss.  folgend    richtig    verbunden    und    erklärt,    so    ergiebt    sich 
weiter,   dass  das  in  den  Hss.  vor    σπουοά2[εται  bewahrte  f|  wie 
80  oft,    wie    gerade    auch   in  den  Alkiphronhss.  (zB.  UI  38  [I 


456  Bucheler 

21],  1)  itacistieche  Schreibang  für  €1  iet,  das  Ganze  also  η 
lauten  hat  ήμϊν  b^  .  .  .  ei  σπουοάΖεται,  ίστιν  ου  ουναμένοις 
'^ή  ^^λη  θ€ρε(Τθαι,  Vir  aber,  wenn  wir  uns  Mühe  darum  gthti. 
haben  nicht  die  Möglichkeit  der  Erwärmang'.  Den  Unterscbied 
zwischen  dieser  persönlichen  Wendung  und  einem  veralig'emeitierter: 
έΟτΧν  αδύνατον  wird  der  Sprachkundige  schon  heranefiihlen,  frei- 
lich wohl  auch  lächeln  über  so  empfindsam  gekünstelte  Sprache. 
Zu  diesen  ungewöhnlichen  Dingen  möchte  ich  noch  etvnt 
von  andrer  Art,  zu  den  syntaktisch-stilistischen  Eigenheiten  noch 
eine  lexikalische  hinzufügen  aus  dem  Brief  IV  15  [li  3],  in 
welchem  Menander  seiner  Grlykera  darlegt,  warum  er  die  Eis- 
ladung des  Ptolemaeus  nach  Aegypten  ausschlage.  Dieser  Briei 
so  wie  der  folgende,  die  Antwort  der  Glykera,  enthalten  auch 
im  neuesten  Text  noch  eine  ganze  Reihe  von  Stellen,  welche  su 
oder  so  geändert  werden  müssen.  Falsch  zB.  ist  die  Inter- 
punction  §  10  πάντα  τά  έν  ταϊς  αύλαΐς  έττίφθονα,  παρά  τούτοις 
αγαθά  φυόμενα,  schon  des  Gedankens  wegen  der  auf  τά  iv  ταϊς 
αύλαΐς  αγαθά  hinaus  will  und  muss,  dann  weil  so  allerdinp 
φυόμενα  nicht  bestehen  könnte,  dessen  Bedeutung  und  Betonung 
von  έν  ταΐς  αυλαΐς  abhängt;  also  zusammen  gehört  τά  έν  ταίς 
αύλαΐς  φυόμενα  αγαθά,  und  ebenso  έπίφθονα  παρά  τούτοις: 
der  Begriff  bona  aulica  ist  in  zwei  Kommata  zerlegt,  zwischtfo 
ihnen  vor  dem  Stichwort  (bona)  ist  ein  drittes  Komma  eingefufrt 
(invidiosa  apud  aulicos),  wie  um  das  Stichwort  ritardando  besser 
zu  markieren,  durch  Spannung  die  Wirkung  zu  verstärken.  Hier 
warMeineke  schuld  an  dem  Missverständniss  und  den  vielen  gar 
zu  wohlfeilen  Gonjecturen,  er  der  doch  gleich  darauf  §  11  so 
richtig  'emendirt^  hat  έν  ταΐς  \εραΐς  κόμαις,  während  die  hol- 
ländische Ausgabe  wieder  έν  τοις  Ιεροΐς  κώμοις  bringt,  emen- 
dirt,  das  heisst  die  handschriftliche  Lesung  wieder  eingesetzt. 
Dass  Menander  die  Archonten  im  heiligen  Uaarschmuck  κεκισ- 
Οωμένους  sieht  und  nicht  mit  Myrtenkranz,  mag  für  die  Vor- 
stellungen der  Kaiserzeit,  den  historischen  Verstand  und  lexika- 
lischen Geschmack  des  Rhetors  und  zu  welchem  Ende  sonst  notirt 
werden,  berechtigt  aber  nicht,  weder  κώμοις  zu  schreiben  noch 
was  wohl  weniger  gewaltsam  wäre  als  die  dreidoppelte  Aende- 
rung,  πομπαΐς.  Aber  ich  kehre  zu  dem  Passus  §  10  zurück, 
zu  den  griechischen  Worten,  welche  an  die  vorhin  besprochenen 
unmittelbar  anschliessen :  ich  tausche  allen  Luxus,  alle  Herrlich- 
keiten des  Hofes  nicht  ein  ταιν  κατ'  Ιτος  Χοών  και  τών  έν  τοις 
θεάτροις  Ληναίιυν   καΐ   της  χθιίής  ομολογίας  και  τών  του  Λυ- 


Üeber  Alkiphron  457 

κείου  γυμνασίων  και  τής  ιεράς  Άκαοημείας,  womit  die  eigensten 
Herrlichkeiten  Athens  beschiossen  sind,  5  Kommata  übertrumpfen 
die  4  höfiechen.     Was  soll   das   dritte,    της    χθι2Ιής    ομολογίας? 
Meineke  schrieb  ^verba  haec  sunt  corruptissima  et  adhuc  frustra 
temptata.    coniectant  της  σής  ομιλίας,  αστικής  vel  αττικής  στω- 
μυλίας,  σχολικής  ομολογίας,     requiritur  aliquid  qnod  cum  pub- 
licie  ludis  coniunctum  est,  idque  repperisse  mihi  visus  sum  coni- 
ciene  χρυσής  βωμολοχίας,    qoibus  verbis    ludicros  et   petulantes 
comoediae  iocos  significari  puto  .     Seitdem  sind  andre  Vorechläge 
hinzugekommen,    welche   Schepers    verzeichnet,    und    doch    fehlt 
bei  ihm,    der  wenigstens  besser  war  als  jene    andern,    Ilerchers 
πιθοιγίας.     Mehr  und  mehr  ist  anerkannt  worden  und  darf  jetzt 
für  gewiss  gelten,  dass  an  χθιΖής  nicht  zu  rütteln  ist:    von  den 
Festzeiten  und  Tagen    schlägt    das  Gestern    gut    die  Brücke    zu 
den  Stätten  und  Oertlichkeiten.     Der  Fehler  liegt  in  ομολογίας, 
dies  ist  verderbt,  cenam  beri  condictam  mit  CFrHermann  darunter 
zu  verstehen    ist  nicht  möglich,    da    der    selbstverständliche  Ge- 
brauch   von    όμολογεΐν    auch    bei    solcher  Verabredung  zu  Ge- 
selligkeit und  Mahl  nicht  beweist,  dass  ομολογία  an  sich  jemals 
diesen  Sonderbegriff  ausdrückte.     Nun    muss    man    wissen,    dass 
eine  der  besten  Hss.,  die  Florentiner  άμαλογίας  darbietet,  mehre 
andre  die  Spur  davon  in  άνολογίας,  das  vermuthlich  dusch  Ver- 
quickung mit   dem   geläufigeren  όναλ-  entstanden,    muss    weiter 
wissen  was  ich  aus  den  lat.  Glossaren    gelernt  habe,    dass  άμα- 
λογία  ein  zwar  unsern  Lexika  unbekanntes,  aber  in  der  späteren 
Graecität  gar  nicht  seltenes  Wort  war,   das  dem  hier  von  guten 
Kritikern  mit  στωμυλίας  und  βωμολοχίας  erstrebten  Sinn  nicht 
nur  nächst  kam,    sondern    ihn    noch  drastischer  aussprach    nach 
Art  des  Mimus  und  vielleicht  mit  deutlichem  Bezug  auf  mimische 
Kunst,  sodass  ähnlich  wie  ich  von  χθιΖΙής  sagte,  die  mit  Possen 
und  Possenspiel  durchaus  verwandte  άμαλογία  gut  überleitet  von 
den  Theatern  zu  den  Gymnasien.     Möglich,  dass  das  Wort  schon 
bei  Menander    gelesen    und  aus  einer  Komödie  vom    Rhetor  auf- 
gegriffen ward.     Aber  weder  über  den  Ursprung  desselben  kann 
zur  Zeit  entschieden  werden,  ob  es  mit  &μα  (όμοΟ)  gebildet,  ob 
68  etwa  ionischer  Herkunft,    Kurzform    für  όμαλολογία,    ob  der 
Anfang    hier   und   in    gewissen  Namen    wo    die  Alten  8μα    ver- 
standen und  selbst  όμο-  substituierten,  nicht  auf  Naturlaute  zurück- 
geht, welche  von  der  Amme  her  uns  vertraut  sind    —   das  Erste 
mag  das  Wahrscheinlichnte  sein  und   lässt    sich    nach    den  hom. 
όματροχιαί  probabel  erklaren,   aber  sicher  weiss  ich  weder  dies 


468  Bacheler  üeber  Alkiphron 

noch  ob  der  spiritus  lenis  oder  asper  mehr  Glauben  ▼erdient. 
Die  Zeugnisse  der  Glossare  für  das  Wort  findet  man  kurx  zu- 
sammengedrängt im  index  graeoolatinus  den  Heraeus  Tiir  da« 
corpus  gloss.  lat.  verfertigt  hat,  vol.  VQ  p.  451  ;  für  nneern 
Zweck  mnss  ich  die  Glossen  selbst  ausschreiben:  II  19,31  (so^ 
Philoxenos)  apinae  όμαλογίαι ,  mit  dem  lat.  Wort  bezeichnet 
Martial  seine  jugendlichen  nugae,  verbindet  er  die  auch  drama- 
tischer Behandlung  nicht  fremden  tricae,  der  Glossator  gibt  e> 
nachher  wieder  durch  άφάννας.  32,  17  garndus  φλύαρος,  βατ- 
τολάλος,  άμαλόγος  (in  der  Hs.  proparoxytoniert).  67,  40  effid^* 
όμολοΤ€Ϊ:  dazu  Goetz  VI  p.  377  *scr.  άμαλογεΐ*  mit  Verweiennp 
auf  apintte,  ohne  Frage  richtig,  dem  Schreiber  ist  dieselbe  Ver- 
wechslung widerfahren,  welche  in  Alkiphrons  Text  vorliegt;  zooi 
lat.  singulären  Wort  sei  Horazens  Vers  verglichen  efPafire  levi- 
indigna  tragoedia  versus  oder  Varros  Bemerkung  über  das  ko- 
mische euax :  verbum  nihil  significat  sed  effatitum  natoraliter  e«t. 
Endlich  561,  16  (Papyrusfragment  wo  die  lat.  mit  G  anfangenden 
Vocabeln  jetzt  weggeschnitten  sind)  €ΐύγίνΐα  wodurch  generostid^ 
erklärt  war,  όμοαλογία  für  ganntWas,  folgt  (Ττερρότης  für  gra- 
vitas.  In  unsrer  Glosse  musste  ο  punktirt  sein»  zweifellos  hi 
άμαλογία  gemeint.  Wer  diese  Zeugnisse  zusammennimmt  und 
die  Netar  solcher  Glossare  bedenkt,  wo  selten  das  eine  Wort 
ein  genaues  Aequivalent  des  fremdsprachigen  ist,  zur  exacten 
Wertbestimmung  meist  etwas  zu-  und  abgethan  werden  mos^^ 
wird  hoffentlich  einräumen,  dass  τής  χθιΖΙής  άμαλογίας  für  de« 
Alkiphron  Schilderung  aach  in  dem  Betracht  passt,  dass  wir  eir 
Öffentliches  Schaustück  neben  Theater  und  Gymnasium  genannt 
zu  sehen  wünschen.  Geringschätzig  ist  der  Ausdruck  mehr  oder 
weniger;  Horaz  preist  den  Fnndanius  als  grössten  lebenden  Eo 
miker,  lässt  um  der  Kunstgattung  willen  ihn  garrire;  wollte  der 
Rhetor  die  Eunstgenossen  Menanders  damit  persönlich  getroffer 
haben,  so  wollen  wir  ihm  €u  όποοουναι  αυτή  τή  λέΕεΓ  άμα• 
λογεΐ  γάρ. 

Bonn.  F.  Bücheier. 


MISCELLEN 


Von  dem  tragischen  Dichter  Sosiphanes,  den  im  Alterthume 
einige  xur  Pleias  rechneten  ^,  gieht  uns  Suidas  folgende  Vita : 
Οιυείφάνης,  Οωακλέους,  Ουρακούοιος,  τραγικός,  έοίοαίε  ορά- 
ματα ογ'»  έν1κη€€ν  ί>έ  ΐ.  fcTi  5έ  κα\  αυτός  έκ  τών  t  τραγι- 
κών, οϊτιν€ς  ώνομάοθηςαν  ΤΤλ€ΐάς.  έγ^νετο  5έ  έπΙ  τών  τελευ- 
ταίων χρόνιυν  Φιλίππου*  ο1  5έ  'ΑλεΗάν^ρου  του  Μακεοόνος. 
τελευτςί  οέ  ριο  όλυμπιάοι  ί336)•  ο\  Ιλ  pib'  (324).  ο\  5έ  άκ- 
μάεαι  αυτόν  γράφουςι.  Der  er^te  Blick  zeigt,  daes  sich  diese 
Zeitangaben  nicht  mit  einander  vertragen.  Denn  auch  die  Worte 
έκ  τών  t  τραγικών  sind  für  Snidas  eine  Zeitangabe,  gleichbedeu- 
tend mit  ol.  124.  284  oder  auch  mit  έπΙ  τοΰ  Φιλαοέλφου  Πτο- 
λεμαίου, vgl.  8.  "Ομηρος  *Αν5ρομάχου•  ουνηριθμήθη  τοις  επτά 
.  .  .  ήκμαίεν  όλυμπιάοι  ρκ5'.  β.  Οωοίθεο^•  τών  τής  ΤΤλειάοος 
εΙς  •  .  .  άκμάοας  κατά  τήν  pHb'  [1.  ρκ5  ]  ολυμπιάδα,  β.  Φι- 
λίοκος  Κερκυραίος•  έπΙ  του  Φιλαοίλ<ρου  Πτολεμαίου  γεγονώς 
....  &τι  hi  τής  δευτέρας  τάΕειυς  τών  τραγικών,  οϊτιν^ς  είςιν 
Ζ\  Man  hat  an  den  Zahlen  ohne  Erfolg  herumgedoctert.  Aber 
der  Aenderung  ρκα'  —  ρκδ',  die  Clinton  FH  III  a.  278  vor- 
schlägt, widerstreben  die  Königsnamen ^;  denn  ol.  111  bezeichnet 
das  Todesjahr  Philipps;  ol.  Γ24  das  Alexanders.  So  fragt  man 
sich,  ob  Snidas  hier  vielleicht  durch  Homonymie  getäuscht  zwei 

^  Vgl.  besonders  Choirobosc.  Exe^.  in  Hephaest.  [Studemunds 
Aneod.  Var.  I  74,  9  ff.]  IcT^ov  öri  έπΙ  τών  χρόνιυν  ΤΤτολ€μα(ου  τοΟ 
Φιλα6Ας>ου  επτά  dpiCToi  γεγόνα»  τραγικοί,  οΟς  ΤΤλβιάδα  ^xdXccav  bta 
τό  λαμπρούς  είναι  έν  τή  τραγική  ώς  τα  acxpa  τής  ΤΤλ€ΐάδος•  cid  hi 
υύτοί'  "Ομηρος  .  .  καΐ  Οιυ€(θ€θς  καΐ  Λυκόφρων  καΐ  Άλ^Ηανδρος,  Aiav- 
τιάδης,  Οωοιφάνης,  καΐ  ούτος  ό  Φ<λικος.  τινές  άντΙ  τοΟ  ΑΙαντιάδου  καΐ 
Οωοιςκϋνους  Διονυ»ά&ην  καΐ  Εόφρόνιον  τή  TTXeidbt  cuvTdrrouctv.  Ι 

3  Andere  Vermuthungen  sind  überhaupt  nicht  diskutabel.  Vor 
Aenderung  der  Zahlen  warnt  mit  Recht  Rohde  Rhein.  Mus.  XXXIII 
1878  p.  219,  1  =  Kl.  Sehr.  I  178,  1.     Er   will   unter  ol.  114  das  Ge-  ι 

burtsdatum  (γέγονβ  —  έγένβτο)  des  Sosiphanes  verstehen,  dem  dann  die 
Epoche  der  Pleias  ol.  124  als  ακμή  entspräche.  Dem  Richtigen  am 
nächsten  kommt  Wilhelm  Athen.  Mittheil.  XXII  18}i7  p.  211  es  wird 
nicht   ausgeschlossen    sein,   dass   gerade   die  Verwechselung   der   zwei  ι 

Dichter,  die  wir  jetzt  unterscheiden  können,  Snidas  Nachricht  für  uns 
unverständlich  und  unbrauchbar  gemacht  hat*. 


4β0  Miscellen 

Yiten  zu  einer  verschmolzen  hat,  ob  nicht  der  Satz  &Tl  bi.  m 
αυτός  —  Πλειάς  Rest  der  Vita  eines  jüngeren  Soeiphanes  ist. 
Und  diese  Vermothung  wird  zur  Gewissheit,  wenn  das  neue 
Bruchstück  der  Parischen  Marmorchronik  (Athen.  Mittheil.  XXII 
1897  p.  183  ff.)  wirklich  zwei  Dichter  des  Namens  Soeiphaoe» 
kennt.  Da  heisst  es  ep.  15  v.  18  όφ'  ου  Οω€ΐφά|νης  ποιητής 
τελευται,    έτη  ΔΔΔΔΠΙΙΙΙ,    άρχοντος  'Α[θ]ή[ν]η€ΐν  [Θ]€θ[φρ]ά- 

οτου  (313/2),  βι[ού]ς  ίτη  ΔΔΔΔΠ.    Und  ep.  22   ν.  27*  άφ'  ού 

Οιυοιφάνης    ό   ποιητής   έτί[ν€το ίτη    ΔΔΔΔΙΙ,   dp- 

χοντος  Άθήνη]€[ι  Κ]οροίβου  (306/5).  Es  liegt  doch  auf  der 
Hand,  wie  gut  die  genauen  Angaben  über  des  ersten  Soeiphanes' 
Leben,  das  in  die  Jahre  357—313  fällt  (denn  die  Zahl  45  m 
nach  Wilhelm  sicher),  zu  dem  einen  Ansätze  des  Suidas  έτη  τών 
τ€λ€υταία)ν  χρόνιυν  Φιλίππου,  ο\  hk.  Άλ€Εάνί>ρου  του  Μακε- 
^όνος  passen.  Denn  das  sind  ja  nicht  zwei  verschiedene  Ansätze, 
wie  Suidas  in  seiner  Einfalt  annimmt;  oder  höchstens  ineofen•, 
als  unter  Philipp  die  Geburt  (έτέν€το),  unter  Alexander  das  erste 
Auftreten  und  die  Blüte  des  Mannes  fällt.  Auch  sein  Zweifel 
zwischen  Tod  und  ακμή  ist  doch  nur  eine  Confusion,  die  ihre 
Analogieen  hat  ^  Und  andrerseits  kann  das  Mitglied  der  Pleias 
wohl  306  geboren  sein.  Hier  stimmt  alles;  und  es  ist  undankbar 
gegen  die  neue  (Quelle,  wenn  Munro  (Claseical  Rev.  XV  1901 
p.  361)  einen  Fehler  des  Steinmetzen  vermuthet  und  ep,  22  Cui* 
ςίθεος  έ[τ]€[λ€ύτη€6ν  (?  oder  έγενβτο)  schreiben  will.  Gerade 
das  Γ  erscheint  nach  den  Angaben  und  Abbildungen  sicher. 
Und  mit  Susemihl  Alex.  Litt.  1  270  zu  glauben,  der  frühe  Tod 
sei  der  Grund  gewesen,  um  deseentwillen  Sosiphanes  von  einigen 
nicht  mehr  zur  Pleias  gerechnet  sei,  verbietet  sich  auch.  Sof^i- 
theos  sollte  nach  Munros  Besserung  ja  auch  schon  306  geetorbeB 
sein^;  und  doch  hat  Niemand  seine  Stellung  in  der  Pleias  be* 
zweifelt.  Dieses  Schwanken  in  den  Namen  der  Mitglieder  wird 
sich  einfacher  erklären:  man  hatte  mehr  als  sieben  Tragiker. 
Aber  die  Pleias  hatte  nur  sieben  Sterne.  Da  kam  die  Auswahl 
auf  das  individuelle  Urtheil  hinaus.  Man  denke  an  die  Catalo^- 
der  Sieben  Weisen. 

Wir  werden  also  zwei  Tragiker  des  Namens  Sosiphanes  an- 
erkennen  ;  der  ältere  ein  Zeitgenosse  Alexanders  d.  Gr.  lebte  von 
357  —  313/2.     ihm  möchte    ich  auch  die  didaskalischen  Angaben 


^  Das  bekannteste  Beispiel  Suidas  s.  v.  CoXuiv  γέγονβ  bi  ln\  της 
μΓ  [1.  μς  594]  Ολυμπιάδος,  οΐ  δέ  ν?'.  Rohde  hat  das  zweite  Datum  mv 
Recht  als  das  des  Todes  anf^fosprochen.  Ob  auch  bei  Sosiphanes  das 
γέγονε  an  der  Confusion  Schuld  ist,  mag  dahingestellt  bleiben. 

2  Denn  nur,  wenn  man  έ[τ]€[λ€ύτης€ν  ergänzt,  hat  ja  die  Namens- 
änderuiit^  Sittu.  Nur  das  doppelte  Todcsdatum  könnte  Anläse  sein,  eine 
Confiisio»  des  Steinmetzen  zu  verniuthen.  Wenn  aber  ep.  15  der  Tod. 
ep.  2*2  die  Geburt  eines  Sosiphanes  verzeichnet  war,  wenn  diese  An- 
gaben das  Yerständniss  der  sonstigen  Ueberlieferung  erst  ermöglichen, 
warum  dann  die  Annahme  eines  Fehlers  im  Marmor? 


Miscellen  461 

zuveieen.  Sein  Schauplatz  war  wohl  Athen,  während  der  jüngere 
in  Alexandreia  aufgeführt  hat.  Der  letztere  aher  ist  306/5  ge- 
boren; er  lebte  unter  Philadelphoe  und  wurde  gemeinhin  zur 
Pleiae  gerechnet.  Vielleicht  war  auch  er  Sohn  eines  Sosiklee, 
was  die  Veranlaseung  zur  Verschmelzung  beider  Viten  gegeben 
haben  mag,  und  ein  Enkel  des  vorigen.  Das  ist  wohl  möglich, 
da  er  52  Jahre  später  geboren  ist,  als  der  erste  Sosiphanes. 
Berlin- Westend.  F.  Jacoby. 


Die  Beieetinngen  Alexandere  des  tiroesen 

Nachdem  sich  der  erste  Ptolemaier  der  Leiche  Alexandere 
bemächtigt  hatte,  Hess  er  sie,  wie  Diodor  XV] II  28,  3  Strabon 
XVll  p.  794  Aelian  v.  h.  XII  64  berichten,  in  Alexandreia,  wie 
Pausanias  I  6,  3  (vgl.  Ps.-Kallisthen.  111  34)  angiebt,  in  Memphis 
beisetzen.  Das  neue  Bruchstück  des  Parischen  Marmors  hat  zu 
Gunsten  der  letzteren  Nachricht  entschieden:  ep.  11  v.  11/13 
άφ'  ού  *Αντίτονος  εΙς  τήν  'Aciav  οιίβη  και  ΆλίΗανορος  εΙς 
Μίμφιν  έτίθη  —  —  —  f τη  57  —  δρχοντος  Άθήνηοι  Άρχίπ- 
που  (321/0).  Damit  erledigt  sich  die  Ansicht  von  Karst  Rhein. 
Mus.  LH  1897  p.  56  f.,  der  die  Beisetzung  in  Memphis  über- 
haupt leugnete.  £s  war  auch  unverständlich,  wie  Pausanias  und 
Pfl.-Eallisthenes  zu  ihrer  Nachricht  gekommen  sein  sollten,  wenn 
sie  nicht  richtig  war;  dagegen  erklärt  sich  die  Auslassung  von 
Memphis  bei  Diodor  Strabon  Aelian  leicht  genug  durch  die  über- 
ragende Bedeutung  Alexandreias  für  den  Colt  seines  κτίοτης. 
Sie  erklärt  sich,  auch  wenn  die  Beisetzung  in  Memphis  nicht  nur 
eine  ganz  provisorische  war.  Denn  ich  sehe,  nachdem  sich  der 
Bericht  des  Pausanias  in  einem  Punkte  bestätigt  hat,  keinen 
Grund,  der  Richtigkeit  des  zweiten  zu  misetrauen.  I  7,  1  sagt 
er  von  Ptolemaios  Philadelphos  και  τόν  'AXeSavbpou  V€KQOv 
ούτος  6  καταγαγών  ήν  Ικ  Μίμφώος.  Wenn  Ε.  Kornemann  in 
Lehmanns  Beiträgen  zur  alten  Geschichte  I  1902  p.  61,  3  be- 
hauptet: *  Pausanias  hat  offenbar  die  Verbringung  der  Leiche  in 
das  von  Philadelphos  neuerbaute  grossartige  Sema  verwechselt 
mit  der  XJeberführung  nach  Alexandreia  überhaupt.  Alexander 
ist  in  Aegypten  dreimal  beigesetzt  worden:  durch  Ptolemaios  I 
zuerst  in  Memphis,  dann  in  Alexandreia,  schliesslich  durch  Ptole- 
maios II  ebenda,  aber  in  der  neuen  grossartigen,  zugleich  als 
Mausoleum  des  ptolemäischen  Hauses  gedachten  Grabstätte.  .  .  . 
Auf  die  beiden  Beisetzungen  in  Alexandreia  spielt  Strabon  aaO. 
an,  wenn  er  sagt:  τό  bi  οώμα  του  ΆλεΕάν^ρου  κομίοας  ό  Πτο- 
λεμαίος έκήΟ€υ€€ν  έν  τή  'AXeHavbpeiiy  δπου  νυν  έτι  κείται,  ού 
μην  έν  τή  αυτή  πυέλψ',  so  giebt  die  Ueberlieferung  wahrlich 
keinen  Anlass  zu  dieser  Darstellung.  Denn  die  eine  Reihe  der 
Zeogoisee  kennt  nur  die  Beisetzung  in  Alexandreia,  die  andere 
noch  die  vorhergehende  in  Memphis;  von  drei  Beisetzungen  ist 
nirgends  die  Rede.  Den  Schluss  ex  ailentio,  dass  in  dem  neuen 
Fragment  des  Pariers  wenigstens  bis  zum  Jahre  310  die  Ueher- 


4ßQ  Miseellen 

fübning  nach  Alexasdreia  nicht  berichtet  wird,  daee  diese  U«be^ 
führung  also  jedenfalls  nicht,  wie  Kornemano  aaO.  p.  61  glaobt, 
'nach  der  glücklichen  Beendigung  des  Kampfes  mit  Perdikka»' 
stattgefanden  habe,  diesen  Schloss  will  ich  hier  nicht  macbn 
Aber  die  Strabonstelle  bütte  Kornemann  lieber  za  Ende  lesen 
sollen.  Es  heisst  nämlich  weiter:  υαλίνη  γαρ  αδτη,  έκ€Ϊνος  b' 
έν  xpucqj  κατίθηκεν  dcuXnce  b'  αυτήν  6  Κόκκης  και  TTapcic- 
ακτος  έπικληθ€ΐς  Πτολεμαίος,  έκ  τής  Ουρίας  έπελβών  και  ίκ- 
πεοών  ευθύς,  ώοτ'  άνόνητα  αύτψ  τα  cöXa  γενίοθαι.  Weit  eot- 
femt  also,  dass  Strabon  auf  swei  Beisetzungen  in  Alexandreii 
anspielte,  sagt  er  ausdrücklich,  dass  Ptolemaios  die  Leiche  da 
beigesetzt  habe  δπου  νυν  ίτ\  κείται.  Nur  der  Sarg  sei  ein  an- 
derer; nicht  mehr  ein  goldener,  der  dem  Raube  zum  Opfer  ge- 
fallen, sondern  ein  gläserner.  Auch  Strabon  kennt  aleo  nur  eine 
Beisetzung  in  Alexandreia,  nur  dass  er  sie  mit  Diodor  und  Aelito 
durch  den  ersten  Ptolemaier  vollziehen  laset.  Das  ist  die  Folge 
des  Uebergehens  von  Memphis.  Wir  werden  danach  Paaaanias' 
Angaben  als  correct  anerkennen  ^ :  Ptolemaios  I  hat  den  Leichnam 
Alexanders  in  Memphis  beigesetzt;  Ptolemaios  Π  hat  ihn  nach 
Alexandreia  in  das  neuerbaute  Mausoleum  überführt.  DerGlani 
des  Cultes  in  dieser  Stadt  hat  in  einem  Theile  der  Ueberliefe- 
rnng  die  ursprüngliche  Beisetzung  in  Memphis  in  Vergessenheit 
gebracht.  Aber  mit  der  Thatsache  dieser  Beisetzung  wie  der 
Ueberführung  der  Leiche  erst  durch  den  zweiten  Ptolemaier- 
müssen  die  Untersuchungen  über  Entstehung  und  Entwicklon/r 
des  Alexandercttltes  in  Aegypten  rechnen. 

Berlin-Westend.  F.  Jacobj. 


Spraehliehes  aae  den  PseadeacroBiaelien  HeraisebelieB 

Ν  Dem  oft  beklagten  Mangel  einer  zuverlässigen  kritischen 
Ausgabe  der  Psendoncronischen  Horazscholien  hat  nunmehr  0. 
Keller  in  dankenswerther  Weise  abzuhelfen  begonnen.  Sein  iir 
vorigen  Jahre  erschienener  Text  der  älteren  Peeudoacronischen 
Scholienmasse  zu  den  Oden  und  Epoden,  auf  neuer  handschrift- 
licher Grundlage  aufgebaut  und  daher  in  ganz  anderer  Geetalt 
uns  entgegentretend,  als  in  den  unzulänglichen  und  u  η  Wissenschaft• 
liehen  Ausgaben  von  Pauly  (1861)  und  von  Hauihal  (18G4J. 
bieten  so  viel  sprachlich  und  sachlich  interessantes,  dasa  ea  sieb 


1  Wie  das  auch  Droysen  Hellen.^  II  1  p.  112,  l  Niese  Gesch. 
d.  Gr.  u.  Mak.  Staaten  II  113  WilamowiU  Nachrichten  d.  QöUing. 
Ges.  d.  W.  1894  p.  28  thun.  Dagegen  will  MahafiTy  the  Empire  of  tht• 
Ptolemies  1895  p.  102  dem  Philadelphos  nur  die  Eskorte  des  Leich- 
nam» zugestehen,  wahrend  die  Ueberführang  selbst  zu  Zeiten  und  auf 
Befehl  des  Vaters  geschehen  sei;  Kornemann,  wie  oben  gesagt,  I&s^t 
nur  die  Ueberführung  in  das  Sema  durch  Phila/lelphos  geecbeheo. 

2  Zenob.  III  97  erzählt  gar  die  Errichtung  des  Seraas  und  Ale- 
xanders Beisetzung  in  ihm  als  That  des  Philopator. 


Mitoellen  463 

wohl  lobnty  einiges  herauszugreifen.  Das  merkwürdigste  ist  wohl 
die  Bildung  hocannivuSf  die  uns  mit  ansdrücklicben  Worten 
als  plebejisch  durch  die  Schollen  einiger  Handschriften  zu  ep.  2, 
47  bezeugt  wird.  Während  nämlich  die  zwei  zu  Grunde  liegen- 
den, biaher  noch  fast  gar  nicht  ausgenntzien  Handschriften,  welche 
die  Ueberliefecung  am  reinsten  und  interpolationsfreisten  dar- 
stellen (Δ  «  cod.  Pariflinus  Lat.  7900  Α  «aec.  X,  V  =  cod.  Va- 
ticanus  Lat.  3257  saec.  ΧΠ),  das  Horazische  horna  (vina)  mit 
novella  glossiren,  wozu  man  die  in  ihrer  Art  seltene  Notiz  zu 
Carm.  III  23,  3  orna]  vino  novella.  nunc  uaque  enim  Tusci  homa 
rina  novella  dieimt  vergleiche,  geben  die  Handschriften  der  neuen, 
von  Keller  mit  Γ  bezeichneten  Gruppe  die  Notiz:  huius  anni^ 
quod  plebei  dicunt  'hocannium\  Damit  wird  wieder  einmal  die 
Ueberlieferung  lateinischer  Glossarien  glänzend  bestätigt,  wie 
dies  Büoheler  kürzlich  in  dieser  Zeitschrift  LVII  82β  an  der 
Bildung  indoles  επίπονος,  σπουδαίος  CGIL.  II  80,  54  (indoles 
επίπονοι  ebd.  81,  3)  unter  Hinweis  auf  CIL.  XI  5748  dargethan 
hat.  In  dem  an  Merkwürdigkeiten  reichen  sog.  Cyrillglossar  CGIL• 
II  320,  64  findet  sich  nämlich  έφέτειος  mit  hocannivus  annotinu» 
interpretirt,  ebd.  Z..  66  έςρέτιον  ocannivum  (vgl.  Z.  65  έφ*  έτος 
hoc  anno).  Im  Thesaurus  gloss.  emend.  (vol.  VI  des  Corpus)  ist 
die  schöne  vulgäre  Bildung  leider  unter  dem  Stichwort  annuus 
versteckt,  im  Thesaurus  linguae  latinae  vol.  I  ist  annitmm  aus 
Ps.-Acro  'aufgeführt,  ich  weiss  nicht,  auf  welche  Handschriften 
gegründet.  Jedenfalls  ist  nunmehr  an  der  Bildung  hocanniws 
(denn  dass  bei  Ps.-Acro  hocannium  aus  hocannivttm  leicht  ver- 
dorben ist,  dürfte  aus  den  Glossen  klar  sein)  nicht  mehr  zu 
zweifeln.  Ans  dem  fest  gewordenen  hoc  anno,  womit  man  unser 
*heuer'  aus  instrumentalem  hin  jarü,  griech.  τήτες  von  Ιτος  nä. 
vergleiche,  hat  also  das  Volk  ein  Adjectivum  auf  -ivus  ent- 
sprechend seiner  Vorliebe  für  diese  Endung  neugebildet,  wofür 
es  zwar  an  einer  genau  entsprechenden  Analogie  fehlt  (vgl.  die 
überaus  fleissigen  Zusammenstellung  der  Adjectiva  auf  -ivus  bei 
Pancker,  Materialien  zur  lat.  Wortbildungsgesch.  1884  S.  111  ff.). 
Wie  sehr  aber  gerade  das  zu  Grunde  liegende  hocanno  volks- 
tbümlioh  war,  sieht  man  aus  dem  Romanischen,  wo  es  im  ita- 
lienischen uguctnno  ua.  fortlebt  (prov.  ogan,  altportug.  ogano  etc.). 
In  Glossen  wird  horno  mit  hoc  anno  erklärt  (s.  Thes.  gl.  em. 
s.  V.  horno),  in  dem  Cyrillglossar  steht  έφ*  ίτος  Jioc  atmo  zwi- 
schen den  oben  citirten  Glossen  mit  hocannivus.  Davon  also  hoe- 
annivus  als  jüngste  Bezeichnung  des  'heurigen'.  Die  klassischen 
homu8  und  homoiinua  scheinen  nie  volksthümlich  gewesen  zu  sein, 
ersteres  wohl  schon  wegen  der  Gefahr  der  Kollision  mit  Subst. 
omu3',  noO€llu8t  über  dessen  lokalen  Gebrauch  uns  das  oben  an- 
geführte Ps.-Aoronische  Scholion  zu  Carm.  III  23,  3  belehrt,  war  zu 
allgemein.  Dagegen  waren  Ableitungen  von  annus  wie  annotinuSy 
anniculus  (CGI.  Π  582,  2  wird  homus  durch  diese  beiden  Wörter 
glossirt),  anniculatus  (lex.  Sal.),  annuus^  annualis  allzeit  beliebt, 
vgl.  Thes.  linguae  lat.  vol.  I. 


464  Miscellen 

Von  anderen  Angaben  über  einen  bestimmten  Spracbgebrauch 
namentlich  dee  Volks,  wie  jenes  hocannivus^  erwähne  ich  die 
Notiz  zu  Carra.  III  17,  1  Aeliorum  familia  α  Lamo  Formiarttm 
rege  oriri  adfirmata  est^  unde  et  Lamiae  cognomen  nobüibus  in- 
ditum  (soweit  aus  Porphyrie  geschöpft),  quod  vulgus  LamniiiufH 
genus  vocabat.  So  der  Parisinus,  während'  die  übrigen  Hdechr. 
Lamninum  oder  ähnliches  geben,  was  Keller  vorzuziehen  ge- 
neigt scheint.  Wie  dem  auch  sei,  gebildet  ist  der  Ausdruck 
ohne  Zweifel  im  Hinblick  auf  die  lamnac  der  Lamier,  dh.  ihr 
Geld ;  vgl  über  lamna  =  Geld  Friedländer  zu  Petr.  57  numquid 
pater  fetutn  emit  lamna  (58  lamellulas  paravi)  und  zu  Mart.  V 
19,  12  e  lumnisve  Tagt,  —  Zu  ep.  12,  5  hirctis  (Acheelgernch) 
bemerken  die  Soholien:  ab  hircorum  fetare  didi  sunt  et  olenies 
titilli,  womit  man  die  neapolitanische  Bezeichnung  der  Achsel- 
höhle tetelleca  von  ^<7 //^icore  *  kitzeln'  vergleiche,  einer  Weiterbildung 
von  titillare,  die  auch  die  Glossen  kennen:  CGI.  III  1H2,  55  fg. 
titillico  γαγγαλίίω  etc.  (im  Thes.  gloss.  emend.  vol.  VII  unter  fi- 
tillo  eingereiht).  Der  Bedeutungswandel  erklärt  sich  leicht,  ver- 
muthlich    hat    aber  auch  griechisches  τίτυρος   dabei  mitgewirkt. 

—  Eine  räthselhafte  Bezeichnung  einer  Art  Diskus  geben  die 
Schollen  zu  carm.  I  8,  11  disco]  posinaclum  dicebant  cerfi  pon- 
deris  discumy  quo  iuvenes  in  agöne  eonfendebant  (vgl.  Du  Gange). 

—  Dass  man  vulgär  lapathus  in  lapa  verkürzte,  lehrt  das  neue 
Scholion  zu  ep.  2,  57  herba  lapafhi]  quam  vulgo  lapam  dicimus 
etc.,  wozu  man  C61L.  II  585,  16  lappa :  lappacktm  herba  ver- 
gleiche: denn  lapacium  uä.  =  lapathium  λαπάθιον)  heisst  der 
Sauerampfer  in  den  botanischen  Glossen  (Thes.  gl.  em.  s.  v.  la- 
pathum),  und  die  oft  überlieferte  Glosse  lappacium  (oder  lapa- 
cium) iparada  III  592,81  etc.  geht  auf  dasselbe  Kraut,  nach 
Ausweis  des  spanischen  paradda  'Sauerampfer\  —  Schwierig  ist 
die  Erklärung  der  Notiz  zu  carm.  1  37,  21  fatale  monstrtm]  fa- 
talem diait  turpem,  unde  et  prostantes  fatales  dicuntutj  wofür 
mir  kein  Beleg  zur  Hand  ist.  —  Merkwürdig  ist  die  Bezeichnung 
eines  lokalen  (s.  Jordan  bei  Preller,  Köm.  Myth.  I  380  A.  1) 
Faunusfestes  carm.  111  18,  10  nonis  Decembribus  Faunalia  (dies 
auch  bei  Porphyrie)  (jquaey  et  Faunorum  culta  dieebcmtur,  wo 
Keller  zweifelnd  eultus  vermuthet.  Jedenfalls  aber  war  es  un- 
nöthig,  mit  Hauthal  qtiae  einzuschalten.  Die  kurze  Auedrucks- 
weise nonis  Dec,  Faunalia  dicώantur  {Faunalia  nahm  der  Sehe- 
Hast  aus  Porphyrie  und  fügte  aus  eignem  et  Faunorum  culta 
hinzu  als  zweite  Bezeichnung)  entspricht  nicht  nur  der  zu  carm. 
III  8,  1  Kalendis  Martiis  Matronalia  dicd>antur  oder  zu  IV  12, 
18  Sulpicia  horrea  dicebanturt  ubi  nunc  Galbae,  sondern  findet 
sich  zB.  auch  bei  Varro  1.  1.  VI  20  vinali^i  rustica  dicdxmtnr 
α.  d,  XII  Kai,  Sept, ;  vgl.  über  diese  Breviloquenz  in  den  beiden 
alten  Sprachen  ausser  anderen  Madvig  emend.  Liv.  p.  462  ed.  Π 
zu  Liv.  XXXI  2,  6  per  Umbriam^  qua  tribum  Sapiniam  vocant 
(Liv.  XXXII  39,  6  ha^d  procul  urbe  Mycenica  vacaiur),  —  Das 
Epitheton  trimorfa  der  Diana  hat  Keller  in  dem  Scholion  lo 


Miscellen  465 

carm.  III  28,  12  mit  Recht   in  den  Text    gesetzt:    propter    quod 
trimorfa  dicitur.    ipsa  enim  Luna^  ipsa  Diana  et  ipsa  Proserpina^ 
wo  ipsa   nach    spätem  Sprachgebrauch  eadem    vertritt.     Hauthal 
wagte  trimorfa  nicht  zu    schreiben,    obwohl    es    durch    die  Ver- 
derbnisse   der   Hdschr.  trimorsa,    trimosa    uä.   genügend    indioirt 
war,  und    setzte   das  landläufige  Mformis  dafür  ein.     Sollte    die 
Bildung  nicht  auch   in  der  Corruptel  der  Cyrillglosse  II  459,  22 
τρίμορφος  irimormaj  trimormus^  triformis  stecken,  wo  Martinius 
triforma^  triformus  vermuthete,  was  so  wenig  wie  biformus  oder 
quadrifornms  nachweisbar  ist,  wenn  es  auch  an  analogen  Bildungen 
nicht  mangelt?    —    Ob  Keller    zu    carm.  l  9,  8  diota]  vinarium 
vasculum  id  est  magarum  mit  Streichung  des  id  estj  das  in* einer 
Hdschr.  fehlt,  das  Richtige  getroffen  hat,  wonach  dann  die  diota 
als  ein  von  Zauberinnen  gebrauchtes  Weingefass  erklärt   würde, 
ist    mir    sehr  zweifelhaft.     Die  früheren  Herausgeber  verwiesen 
auf  Suidas  s.  v.  ματτάνα*    δτι   τό   οινηρόν  άτγ€Ϊον   έκ   Ηύλιυν 
κατεσκ^υασμένον    μαγγάναν    ΊταλοΙ    όνομάέουσιν.     Sicherer 
scheint  mir,    dass  die  gute  Ueberlieferung  von  ihm  verkannt  ist 
im  Scholion    zu  ep.  12,  16  pereat  male  quae  fe  Lesbia  (es  folgt 
bei  Horaz:   qnaerenti  taurum   monstravit  inertem)]  maulistriae 
Lesbiae  imprecatur,    quae  eum  osieixdit^  dum  Ufa  validiorem  quae- 
reret  taurum,    hoc  est  iurenem  satisfacientem,     Maulistriae  bieten 
die  massgebenden  Hdschr.  AV,  eine  geringere  fnala  ipsi,  Hauthal 
vermuthete  mala  isti,  Keller  setzt  nach  eigner  Yermuthung  mala 
aulistriae  in  den  Text.     Allein  maulisfria  ist  tadellos,  es  ist  das 
griechische    μαυλί(Ττρια    (s.   Steph.  thes.  s.  v.),    das   soviel    als 
Kupplerin  bedeutet,  als  welche  die  Lesbia  in  der  That  nach  den 
Worten    des  Horaz  erscheint,    während  von  einer  Flötenspielerin 
nichts  aus  ihnen  herauszulesen  ist.    Maulistis  =  μαυλκΤτής  findet 
eich  zB.  in  der    angelsächsischen  Glosse    des    codex  Epinalensis 
CGI.  V  372,  24  mit  scyhend  (von  scyhan  rathen,    antreiben)  er- 
klärt.    Die  Güte  von  AV  zeigt  sich  hier  aufs  glänzendste. 

Die  Bezeichnung  der  mannbaren  Jungfrau  durch  viripotens 
ist  doch   nicht  so  ungewöhnlich,  dass  in  dem  Scholion  zu  carm. 
I  23,  12  tempestiva  sequi  viro^  iam  matura  viroy  matura  et  viri 
potens  et  coniunctioni    apfa    etc.    die    Aenderung    der   Ausgaben 
viri  patiens,  die  Keller  befolgt,  nöthig  wäre.     Sie  erscheint,    ge- 
wöhnlich in   der  Zusammenschreibung  viripotens^    ausser   in    den 
von    den    Lexicis    citirten    Juristenstellen    und    Fest.   p.  250^  7 
fetnifia  α  duodecim  viri  potens  sive  pafiens  ut  quidam  putant  sehr 
oft  in  den  bilinguen  Glossen,  s.  Thes.  s.  v.  viripotens.  —  Nicht 
richtig  ausgedeutet  scheint  mir   die  Ueberlieferung  von  den  bis- 
herigen Herausgebern,    Keller   nicht  ausgenommen,   in  der  Notiz 
zu   carm.  II  19,  17   tu  flectis  amnes]  domas  s^ive  superas  —  aut 
flectis  per  giras^  quia  et  Dionisus  Nili  fontem  siad  Hercules  quaesi^it. 
Unerhört  ist  die  Form  gira  für  gyruSy  weshalb  einige  ältere  Aus- 
gaben   giros   einsetzten;    ausserdem    sieht    man    auch   keine  Be- 
ziehung der  folgenden  Begründung  quia  .  .  .  quaesiit  zu  der  Er- 
klärung  flectis  per  giras.     Diese    wird    hergestellt,    sobald    man 
pergiras    liest,    was  etwa  klassischem  lustras  entspricht.     Das 

Rhein.  Mus.  f.  Phllol.  N.  F.  LYIII.  30 


466  Misoellen 

Verbum  pergyrare  findet  sich  in  der  Feregrinatio  Silviae  p.  66  R 
{civitatem  perg,),  zahlreiche  andere  Compoeita  von  gyrart  au« 
dem  Spätlatein  habe  ich  Archiv  f.  Lex.  XII  S.  49  fg*.  zusammer• 
gestellt  (dazu  kommt  praegyrare  in  der  Mulomedicina  Chironis^ : 
ebd.  S.  406). 

Einen    späten    Sprachgebrauch    hat  Keller    mit    allen   bis- 
herigen Kritikern  in  dem  Soholion    zu  carm.  I  4,  5   taut  Cyiher^c 
choros  ducit   Venus  verkannt.     Die  gute  Ueberliefernng^  deeeelbec 
lautet  dementia  dicit    temporis  et  tarn  ad  ludum   animos  imifari. 
ita  ut  innoctem  saltantibiis  vacent  voluptate  facienie,  unde  η 
Veneretn  posuit.    Richtig  hat  K.  saltantibus  in  salfatibus  geändert', 
ohne  Noth  dagegen  voluptatcm  satiantes  mit  älteren  Ausgaben  qd•! 
Pauly  (Hauthal  bezweifelte  die  Latinität  dieses  Ausdrucks,  doch 
wohl  irrig,    und   schrieb  völupfatem   facientes).      Denn    die  Um- 
schreibung mit  faciente  zur  Bezeichnung    der  Urheberschaft,   der 
Veranlassung,    des  Beweggrundes  uä.    ist    dem  Spätlatein    eigei.• 
thümlich.     Man  vergleiche  Schol.   luv.  I  64  lectica  enim  luxuria 
faciente  α  sex  hominibus  portabatur,  VII  200  fbriuna  faciente  ai 
hoc  pervenerunt,    V  147  qui  (Claudius)  fungo   uaore  stm   faeitnt' 
mortuus  estf  XIV  109   frugaliiate  faciente   pafrimonia   sua  cuslo- 
diunt,    Serv.  Verg.  Aen.  XI  866    Ärruns   faciente   numinis   ini- 
cnndia  est  relictus,  Η  626  faciente  Vettere  lasonem  adamavit  (ähn- 
lich J  651.  XI  351.    Schol.  Pers.  1  100  Libero  faciente),    Prisr. 
CGr.  L.  Π  2,  8  si  elegantiora  in  unutn  coeafit  corpus  meo  labort 
faciente,  Rist.  Apoll,  p.  18,  1  Riese  vestra  felicitate  faciente  hucu^- 
que  ad  vos  sum  delatvs  (die  ß-Recension  hat  favente).  Acta  disput. 
S.  Achatii  bei  Gebhardt,    Acta  martyrnm  p.  118  Adam   primum 
dextera  sua  faciente  formavit,  £dictu8  Rothari  §  225  si  casu  fa- 
ciente  sine    heredes    mortuus    fuerit.     In  vielen  dieser  Beispiele, 
wie  in  den  vier  zuletzt  aufgeführten,  ist  faciente  geradezu   pleo- 
nastisch.     Ein  Ansatz    zeigt    sich    schon    bei  Ovid    met.    Π  54" 
lingua  fuit  damno\  Ungua  faciente  loquaci   qui  color    alhus    erat. 
nunc  est  contrarius  älbo  (durch  die  Schuld  der  Z.).     Auch  in  der 
Grabscbrift  auf  eine    Hündin  Anth.  lat.  ep.  n.  1176,  11   lamt*er• 
tu  calicem  lingua  rapiente  8θΙώα3  ist,   da   die  Buchstaben  r  na. 
ρ  in  rapiente   als  unsicher   bezeichnet    werden,    vielleicht    lingud 
faciente  das  Echte. 

Einige     kritische    Kleinigkeiten    seien     hier   angeschlosser. 
Carm.  I  l,  11    sarcido]    genus    ferramenti    rustici    quod    Graf 
(Τκαλίοιον  vocant    ist    das    griechische  Wort  in  den   Hdecbr.  ver- 
dorben:   τοραιον,    todion,    tondion,    doch    näher    als    ακαλί^ιον 
oder,  was  andere  vermuthet  haben  (Τκαφ€Ϊον,  liegt  όρύγιον  (CG IL 
II  387,  31  öpuH  sarculum)    oder  das  späte  τΐάτΐΐον    (CGIL.  III 


^  Ob  er  auch  Schol.  zu  carm.  III  22,  3  ipsa  (Diana)  enim  vennn 
tibus  praeesse  dicebatur  richtig  venatibus  geändert  hat,  ist  mir  iweifr'• 
haft.     So  heisi^t  es  im  Scholion  zum  carm.saec.  17  quae  praees  gign^f 
tibus  vel  partibus,  und  ähnlich  öft.r  in  Glossen,   zli.  pronuba  ettt,  q^i 
nubentibus  pracest^   während  anderswo  nuptiis  überliefert  ist  (Thes.  k 
emend.  β.  ν.  pronuba).  ' 


1 


Mieoellen  4B7 

262,  62  rasier  μακέλη  το  τίάτπον,  vgl.  ital.  zappa  *Hacke*,  frz. 
sape,  sapeur).  —  Carm.  I  9,  18  morosa]  guae  totum  tarda  de• 
hheratione  faciat  (Horaz  donec  virenti  canities  abest  morosa)  ver- 
steht man  tarda  deliberatione  nar,  wenn  man  annimmt,  dase  der 
Scholiaet  m^rosus  für  morosus  gehalten  hat,  das  Georges  aus 
Caesian.  coli.  17,  5,  3  (morosus  reditus)  belegt  und  auch  sonst 
im  Spätlatein  vorkommt  (ital.  woroso),  wie  in  der  Regel  Benedicts 
58,  29  ed.  Wölfflin  morosa  deliberatione,  CGIL.  V  414,  4  mit 
diuturna  vel  longa  erklärt,  wohl  anch  bei  Nonius  p.  22  tricones: 
morosi  et  ad  reddendum  duri.  Aber  totum  ist  unerklärlich,  man 
erwartet  einen  Begriff  wie  lentum.  —  Carm.  I  12,  30  concidunt 
venti]  fugantur  ut  est:  et  vernis  parcebant  flatibus  Euri  (Yergil- 
citat).  Die  anpassende  Erklärung  fugantur  stammt  sichtlich  aus 
dem  folgenden  Scholion  fugiunfque  ntd>es^  fugantur.  Es  fragt  sich 
nur,  ob  sie,  wie  Keller  thut,  zu  streichen  oder  zu  corrigiren  ist, 
in  letzterem  Falle  liegt  sedantur  näher  als  die  Vorschläge  cessant 
und  mitigantur,  vgl.  Schol.  zu  I  9,  12  sedato  flatu  ventorum.  ~ 
Carm.  1  15,  21  non  Laertiaden]  singulos  velut  exitiaies  duees 
fjiinatur,  üliicen  et  Nestorem  Fglium^  (^Nelei)  filium:  so  schreibt 
Keller  nach  eigner  Yermuthun^.  Der  Parisinus  hat  pylium  filium, 
wo  filium  mehr  nach  einer  Doublette  von  Pylium  aussieht,  die 
einfach  zu  streichen  sein  wird  (auch  in  der  Horazstelle  steht 
bloss  Pylium  Nestora) ;  die  Lesart  der  übrigen  Ildschr.  pylii 
filium  erklärt  sich  leicht  als  Interpolation  aus  jener  Lesart.  —  Carm. 
II  1,  6  aleae]  ut:  fCogit  alea  belli.  Die  von  Keller  mit  Kreuz 
versehenen  Worte  sind  ein  Citat  aus  Lucan,  der  in  diesen  Scho- 
llen viel  benutzt  ist:  VI  60  coit  area  belli,  wo  die  Hdschr.  GF 
bei  Hosius  alea  bieten.  —  Carm.  11  15,  17  per  hoc  significat  sim' 
plicem  vitam  veferibus  Romanis  fuisse  nee  magna  cura  privatas 
opes  euratas  ist  das  letzte  Wort  vielleicht  durch  das  vorher- 
gebende cura  alterirt  und  paratas  das  ursprüngliche  gewesen. 
—  Carm.  II  18,  29  schreibt  Keller  quamvis  serius  ociusve  cunctae 
(^resy  fluant  cet„  aber  einfacher  entwickelt  sich  wohl  cuncta  ef" 
fluant  aus  der  üeberlieferung.  —  Carm.  111  3,  28  Hectoreis  opibus] 
opes  pro  auxiliis  ponuntur,  tamquam  sint  auailio  Hectoris  vidi: 
vidi  hat  Keller  ans  einer  Hdschr.  aufgenommen,  da  aber  der 
Parisin  US  vati  giebt,  so  ist  dies  vielleicht  aus  (jpriyvati  oder 
(^orybati  verstümmelt. 

Offenbach  a.  M.  Wilhelm  Heraeus. 


Eine  Ueberliefernng  der  Briefe  des  jüngeren  Plinias  in  Verona 

Die  Handschriftenclasse  der  Pliniusbriefe,  welche  die  ersten 
sieben  Bücher  und  an  achter  Stelle  das  neunte  umfasst,  ist  uns 
nur  aus  einer  Menge  von  sehr  verderbten  Handschriften  des  XY. 
.Jahrhunderts  bekannt.  Nach  Keils  Annahme  waren  bis  zu  dieser 
Zeit  in  Italien  nur  die  100  Briefe  (B.  I — V  6)  bekannt  gewesen, 
erst  um   14*20  sei   von    auswärts   ein    Exemplar    '        "'     ^lasse 


468  MiBcellen 

nach  Italien  gebracht,  dae  1429  zum  ersten  Male  und  später  oft 
abgeschrieben  sei  und  1471  zur  Herstellung  der  editio  prioce^Q 
gedient  habe.  Später  wurde  bekannt,  dass  schon  1419  nacli 
einem  damals  in  Venedig  aufgefundenen  Elxemplar  der  gleickr. 
Art  von  Guarino  und  Flavius  Blondus  für  den  Mailänder  Erz- 
bischof Bartolomeus  Capra  eine  Abschrift  besorgt  sei,  von  der 
mehrere  Abkömmlinge  noch  heute  in  der  Ambroeiana  vorhuides 
sind  Κ 

Ein  Versuch,  diesen  Zweig  der  Ueberlieferung  über  de^ 
Venetianer  Archetypus  von  1419  hinauf  zu  verfolgen,  ist  scboi 
deshalb  nicht  unberechtigt,  weil  die  III.  Klasse  trotz  ihrer  Mangel- 
haftigkeit und  Verderbtheit  für  die  Textkritik  besonders  iu 
zweiten  Theile  der  Briefe,  wo  Riccardianus  und  Florentinus  auf- 
hören, als  Ergänzung  der  voUästndigen  Handschriften  in  Betrack 
kommt. 

In  den  zwanziger  Jahren  des  XIV.  Jahrhunderts  schrieb 
der  Priester  Johannes  mit  dem  Beinamen  Diaconne  oder  Mansio- 
narius  in  Verona  seine  brevis  annotatio  de  duobus  Pliniis,  π 
welcher  er  den  jüngeren  von  dem  älteren  schied  und  den  Nach- 
weis zu  führen  suchte,  dass  beide  in  Verona  ihre  Heimat  gehatt 
hätten^.  Noch  wenige  Jahre  vorher,  als  er  seine  historia  im- 
perialis  verfasste,  scheint  er  von  einer  Unterscheidung  der  beideri 
Schriftsteller  nichts  gewussfc  zu  haben,  inzwischen  war  ihm  ab^r 
ein  Corpus  Piinianischer  Briefe  zu  Gesicht  gekommen,  dem  er 
genauere  Nachrichten  über  beide  Männer  entnahm^.  Diese  Ηβη«!- 
Schrift  nun  glich  auffallend  den  von  1420  an  auftauchenden  der 
III.  Klasse.  Sie  umfasste  nach  Johannes'  eigener  Aussage  acht 
Bücher:  fecit  etiam  Plinins  iste  epistularum  suarum  ad  Septition: 
libros  VIII;  aus  diesen  citiert  er  ausführlich  oder  verweist  auf 
Stellen  aus  den  ersten  sechs  Büchern  (I  6,  III  5,  IV  30,  V  \ 
VI  12.  16,  20,  34).  Er  entnahm,  wie  es  scheint,  der  HanJ- 
Schrift  auch  den  Namen  und  Titel  des  jüngeren  Plinius,  'Junior 
Plinius  titulum  habet  talem:  C.  Plinii  Secundi  Oratoris  VeronenfH 
Novo  Comensis*,  denn  fast  genau  so  lautet  der  Titel  im  Dr« 
densis,  nur  der  Zusatz  Veronensis  findet  sich  erst  in  den  epäten 
Handschriften  und  in  der  römischen  Ausgabe  von  1474.     Kben«'* 


1  Sabbadini,  Sallustius,  Ovidius,  Plinius  etc.  cum  novis  codicibu' 
conlati  atque  emendati  1887,  s.  Ströbel  in  Bursians  Jahreeber.  H;^,  24Tt 

2  Ueber  die  Annotatio  uud  die  historia  imperialis  desselben  Ver 
faseers  oriontiren  die  Briefe  Tartarottis  in  d.  Kaccolta  d'opuscoH  t.  XMi• 
(1738)  p.  135  flf.  und  ebenda  t.  XKVIII  (1743)  py  l'  ff".,  bekannter  i' 
die  Aasgabe  von  Rezzonico  in  d.  disquisiliones  Piinianae  tom.  I  (iTHv- 
wo  die  in  der  Annot.  enthaltenen  Irrthümer  behandelt  werden.  Ha* 
Job.  Mansionarius  nicht  der  erste  war,  der  die  Plinii  für  Verona  it 
Anspruch  nahm,  zeigt  eine  Stelle  der  historia  imperialis  (Raccol• 
t.  XVIII  p.  145):  60  tempore  (unter  Trajan)  Plinius,  orator  et  bist  • 
ricus,  natione  Veronensis,  ut  in  quadam  historia  legitur,  floruit. 

^  Vgl.  den  Schluss  der  annotatio :  haec  et  alia  in  corpore  die' 
libri  epistularum  ego  vidi  et  in  bis,  (juae  superius  memoravi,  dili^n- 
iector  inveniet  (Text  uach  den  beiden  Vaticanischen  Handsohriftenl. 


Mieoellen  469 

ist  die  Form,  in  welcher  die  Kamen  der  Adressaten  gegeben 
werden,  der  III.  Klasne  eigenthtimlicli  (zB.  I  6  ad  Cornelinm 
Tacitnm,  HI  5  ad  Macrnm,  IV  30  ad  Suraro,  V  8  ad  Capitonem) 
und  von  den  vollständigen  Handschriften  nnd  den  100  Briefen 
verschieden.  Schließlich  erstreckt  sich  die  Uebereinstimmung 
auf  den  Text  (vgl.  III  5,  1  qui  sint  omnes,  III  5,  2  haec  quoqne, 
y  8,  4  domesticnm  exemplum,  om.  quoqne). 

Es  existirte  also  schon  am  Anfange  des  XIV.  Jahrhunderts 
in  Verona,  wahrscheinlich  in  der  Capitularbibliothek,  die  Johannes 
Mansionarius  auch  sonst  benutzt  hat,  eine  acht  Bücher  umfassende 
Pliniashandschrift   der  Vulgärclasse. 

Dies  Ergehniss  wird  durch  handschriftliche  Funde  bestätigt. 
In  den  1329  von  einem  unbekannten  Verfasser  in  Verona  aus 
den  Beständen  der  Capitularbibliothek  zumeist  zusammengestellten 
Flores  mnralium  auctoritatum,  deren  0  rigin  al  band  seh  rift  wir  in 
dem  Codex  bibl.  capit.  155  (168)  besitzen,  finden  sich  folgende 
Citate  aus  den  Briefen  des  jüngeren  Plinius^:    I  3,  8  si  hnmiles 

—  ceperit  (fol.  11,  col.  1),  5,  13  stultissimum  —  proponere  (9^  1 
und   10,  1),    6,  3  proinde    —     inerrare  (11,  2),    9,  5 — 6    mecum 

—  dicatis  (so  I  12,  2),  10,  4  ut  —  eapientes  (8,  1),  10,8  Pom- 
peius  —  elegit  (8\  2),  10,  10  affirmant  —  iustitiam  (13,  2),  17, 
4  scias  —  amat  (5,2),  20,17  neque  —  terrarnmque  (18,2),  Π  3, 
5 — 6  nos  qui  —  innoxia  est  (19,  1),  3,  9  legendi  —  affigit  (lU, 
1),  10,  5  dispice  —  praestes  (6^,  1),  11,  10  inscitum  (sol)  — 
noscendi  (12^,  1),  12,  5  numerantur  —  ins  est  (19,  1),  III  6,  16 
perire  —  impenderet  (so !)  (11^,1),  8,2  neque  enim  —  puloriores 
(22,  2),  9,  26  fides  —  laudaturque  (6^  1),  IV  16,  1  adhuo  — 
durat  (11^  1),  16,  3  studeamus  —  elaboremns  (11^  l),  25,  5 
ubique  —  fortiora  (5^  l),  V  3,  11  amicos  plures  —  fuit  (26^,  2), 
9,  7  est  omnino  —  accipinnt  (15*,  1),  17,  3  etenim  —  decet 
(11^,  1),  20,  3  multum  —  gestus  (15,  1),  20,  8  et  seonndis  gratia 

—  caret  (21  ^  2),  VI  2,  8  primam  religionis  —  necessaria  (18,  2), 
11,  3  quid  propositum  (11 S  2),  17,  5  equidem  —  contempnatur 
(lli,  2),  22,  8  tam  —  miserum  (23,  1),  VII  17,  8  optime 
indicant  (19^,  1),  33,  10  nee  hystoria  —  sufficit.  Aus  der 
Citierweise  und  den  Seibetverbesserungen  ergiebt  sich,  dass  der 
Excerptor  nicht  ein  älteres  Florileg,  sondern  eine  vollständige 
Handschrift  der  Briefe  vor  sich  hatte.  Welcher  Art  war  diese? 
Die  100  Briefe  scheiden  gleich  aus,  ebenso  die  vollständigen 
Handschriften  wegen  der  schon  in  ihrem  Archetypus  vorhandenen 
Lücken  im  ersten  und  dritten  Buche  (I  16,  1 — 20,  7,  III  1, 
12 — 3,  5;  9,  1 — 28),  die  das  Veroneser  Exemplar  nicht  kennt 
(vgl.  die  Excerpte  I  17,  4  und  III  9,  26),  es  bleibt  also  zur 
Vergleichung  die  III.  Klasse.  In  dieser  fehlen  im  ersten  Buche 
die  Briefe  8,  12,  23,  24,  nnd  im  fünften  ist  die  Ordnung  ver- 
wirrt, derart  dass  Br.  21  und  15  auf  8  folgen  und  9  an  letzter 


^  Collationen  und  Photographien  der  wichtigen  Florilegienhand- 
ßchrift  verdanke    ich   meinem  Freunde  Friedrich  Vollmer  in  München. 


470  Misoellen 

Stelle  hinter  20  steht.  Die  gleiche  Verwirrung  hatte  schon  «i*- 
Exemplar  des  Veroneser  Excerptore.  Es  folgt  nämlich  auf  ei: 
Citat  ane  V  20  (li.  V  ep.  XXa)  ohne  Angahe  der  BriefnOmm'^: 
ein  solches,  das  die  letzten  Sätze  des  9.  Briefes  umfasst.  O'iti^ 
moss  am  Ende  des  fünften  Baches  gestanden  haben,  denn  ^r: 
Excerptor  hatte  es  anfangs  als  lihri  sexti  bezeichnet,  und  er< 
nachträglich  seinen  Irrthum  verhessert.  Die  im  Dresdensis  ao« 
gelassenen  Briefe  des  ersten  Buches  fehlen  anch  hier^  und  dtrr 
umstand,  dass  Brief  17  unserer  Ansgahen  in  den  £xcerpten  aN 
14.  bezeichnet  wird,  beweist  das  Fehlen  von  8  und  12  ^  Der 
von  dem  Excerptor  benutzte  Veroneser  Codex  hatte  also  dieeeUr: 
Lücken  und  die  gleiche  Ordnung  der  Briefe  wie  die  100  Jahre 
jüngeren  uns  bekannten  Handschriften.  Auch  die  Ver/^leicbn:.; 
des  Textes  der  Excerpte  mit  dem  Dresdensis  und  der  editio  pnc- 
ceps  zeigt  durchgehende  Uebereinstimmung  in  den  für  die  III 
Klasse  charakteristischen  Lesarten,  zB.  1  3,  3  vig^Hae,  I  9,  5 
dnlce»  I  10,  4  sculptore,  V  9,  7  inimicum,  VI  2,  8  religioni^ 
doch  hatte  der  Veronensis  die  ursprüngliche  Lesart  reiner  be- 
wahrt als  die  uns  bekannten  Handschriften,  so  das«  die  Γαΐ' 
Stellungen  und  Verschreibnngen  des  Dresdeneis  zB.  nicht  a!« 
Eigenthümlichkeiten  der  Handschriftenklasse  anzusehen  sind.  Fr- 
Interpolationen  aus  den  100  Briefen,  die  in  fast  alle  jünger^fr 
Handschriften  übergegangen  sind  sind  gleichfalls  dem  Verone^r 
Codex  fremd.  Für  die  Textverbesserangen  geben  die  Excerpte 
soweit  sie  mir  bekannt  sind,  natürlich  wenig  aus,  erwähnt  ^r: 
nur,  dass  die  von  Stangl  (Philologas  46,669),  Otto  (Hermes  21. 
295)  und  Ströbel  (Burs.  Jahresber.  63,  246)  nach  den  ftltest<>r 
Ausgaben  eingesetzte  und  als  richtig  erwiesene  Leeart  I  3.  4 
effinge  aliquid  et  excude  hier  auch  ihre  handschriftliche  Bestäti- 
gung findet. 

Nur  in  einem  Punkte  weicht  die  Veroneser  Handschrift  von 
den  jüngeren  erheblich  ab.  Die  Excerpte  schliessen  mit  der 
letzten  Worten  des  VIL  Buches,  und  es  ist  wahrscheinlich,  da^.« 
die  39  wild  durcheinander  geworfenen  Briefe  des  IX.  Buches,  die 
in  den  Handschriften  des  XY.  Jahrhunderts  an  das  VQ.  sich  &Q- 
schliessen,  in  der  Vorlage  des  Excerptore  noch  nicht  angefüft 
waren.  So  würde  das  bisher  unerklärte  Fehlen  des  VIIl.  Buches 
in  den  Handschriften  verständlich  werden. 

Wenn  das  von  Johannes  Mansionarius  benutzte  Corpus  der 
Briefe  wirklich  acht  Bücher  umfasste,  kann  seine  Vorlage  nich*. 
dieselbe  gewesen  sein  wie  die  des  Excerptors ;  es  müssten  zu  An- 
fang des  XIV.  Jahrhunderts  in  Verona  zwei  Plininshandschrifter 
vorhanden  gewesen  sein,  von  denen  die  B.  I — VII  enthaltende 
die  ältere  Form  der  üeberlieferung  zu  bezeichnen  scheint 

Ob  das  1419  in  Venedig  aufgefundene  Exemplar  mit  dieser 
Veroneser  üeberlieferung    zusammenhing,    lässt    sich    nicht    est* 


^  Bei   der  Zählung    ist    zu   herücksichtigen,   dass  Brief  10  olm^ 
Adresse  überliefert  und  deshalb  mit  9  als  einer  gezählt  ist. 


Misoellen  471 

scheiden,  eicher  weisen  aber  dahin  die  Handschriften,  denen  die 
breyie  annotatio  des  Johannes  vorgesetzt  ist.  Die  älteste  von 
diesen  scheint  cod.  Lanrentianus  47,  34  zu  seini  der  nach  dem 
Bandinischen  Cataloge  (11  421)  dem  XIV.  Jahrhundert  angehört, 
eine  Angabe,  an  der  wir  nicht  mehr  mit  Keil  (ed.  mai.  p.  XIV) 
zn  zweifeln  brauchen,  da  nun  die  Ueberlieferung  der  III.  Klasse 
in  Italien  feststeht. 

Was  das  Alter  und  die  Herkunft  dieses  Zweiges  der  Ueber- 
lieferung angeht,  so  steht  der  Text  der  III.  Klasse  dem  der  voll- 
ständigen Handschriften  allerdings  nahe,  doch  ist  an  eine  Ab- 
leitung aus  einem  Exemplar  der  let/.teren,  die  man  angenommen 
hat,  schon  deshalb  nicht  zu  denken,  weil  die  schon  im  Arche- 
typus der  vollständigen  Handschriften  vorhandenen  Lücken  hier 
fehlen.  Wir  haben  also  eine  besondere  Ueberlieferung,  die  über 
den  Ursprung  der  vollständigen  Codices  (IX.  oder  X.  Jahrhundert) 
hinaufreicht  und  trotz  vieler  Entstellungen  und  lülängel  doch 
manches  aus  dem  beiden  Klassen  gemeinsamen  Archetypus  be- 
wahrt hatte. 

Im  Zusammenhange  damit  mag  auf  die  ältesten  Spuren  einer 
Pliniustiberlieferung  in  Verona  hingewiesen  werden.  Im  X.  Jahr- 
hundert bat  Rather  von  Verona  die  Briefe  in  seinen  Schriften 
benutzt,  er  erwähnt  sie  im  Zusammenhange  mit  Giceros  und  Senecas 
Briefen  und  führt  an  anderer  Stelle  ein  Citat  aus  dem  5.  Briefe 
des  I.  Buches  an  \  Dass  er  diesen  damals  so  seltenen  Schrift- 
steller ebenso  wie  die  Briefe  Ciceros  und  Catulls  Gedichte  in  der 
reichen  Bibliothek  seiner  Bischofsstadt  Verona  erst  kennen  ge- 
lernt hat,  unterliegt  kaum  einem  Zweifel.  Und  wenn  allgemein 
anfi^enommen  wird,  dass  die  alte  Catullhandschrift,  die  uns  im 
XIV.  Jahrhundert  den  Dichter  wiedergeschenkt  hat,  schon  in 
Rathers  Hand  gelten  hat,  so  wird  wohl  der  Sohluse  erlaubt 
sein,  auch  die  Tradition  der  Pliniusbriefe,  der  wir  im  Anfange 
des  XIV.  Jahrhunderts  in  Verona  begegnen,  gehe  zurück  auf  jene 
Zeit,  in  der  Verona  den  Mittelpunkt  geistigen  Lebens  in  Italien 
bildete. 

Hamburg.  Karl  Lohmeyer. 


Zb  den  Spriehwörtern  der  RVmer 

Dass  meine  'Nachträge  und  Ergänzungen  zu  Otto:  Die 
Sprichwörter'  (Diss.  Jena  1892)  nur  einen  Bruch theil  von  dem 
damals  gesammelten  Material  enthalten  konnten,  darf  wohl  nicht 
erst  erörtert  werden.  Bei  einer  neuerlichen  Durchsicht  desselben 
habe  ich  eine  ganze  Reihe  von  Stellen  zusammengetragen,  die 
ich  hier  in  alphab.  Ordnung  im  Anschluss  an  die  von  Otto  fest- 
gestellte Eintbeilung  folgen  lasse.    Anhangsweise  werde  ich  solche 


1  ManitiuB,  Philologus  47,  566  f. 


474  Miscellen 

avarus  3,  "^  eemper  avarus  eget*  Hier.  com.  in  Isae.  1 
(Migne  24  col.  36).  leid.  orig.  10,9.  eent.  2,  41,  7.  orig.  Uli• 
et  Sallostii  (Cat.  11):  qnod  avurilia  neque  copia  neque  inopii 
minuitnr.  Sen.  Herc.  168  congeeto  pauper  in  anro.  —  <tvarui<h. 
Hier.  ep.  125,  2  =  adv.  Pelag.  2  (Migne  23  col.  753);  ad  mon. 
(M.  30  col.  322);  reg.  mon.  4  (ebenda  ool.  345). 

avis  2,  *rara  avie'  Hier.  com.  in  Oeeam  prol.  a.  E.  (M.  T^ 
col.  860).    com.  in  Tit.  2  (M.  26  col.  721). 

Barha,  Antb.  lat.  343,  3  R.  cnr  tna  .  .  infami.  mann 
barbula  vulsa  cadit?    S.  Sittl,  Gebärd.  S.  105. 

bellum  1,  Hör.  sat.  2,  2,  111  in  pace  ut  sapiens  aptarit 
idonea  bello. 

beneficium  L  App.  eent.  238  R.  acceptius  beneficinm  reddil 
celeritae.  —  beneficium  J2.  Kacbtr.  S.  26.  Pnbl.  Sjr.  eent.  493 
R.  probo  beneficium  qui  dat,  ex  parte  accipit. 

bos  4,     Aug.  ep.  73,  4  boe  laesus  .  .  fortius  fi^e  pedem. 

brachium  1.  Zu  molli  bracbio  obiurgas'  s.  Sittl,  Gebärd.  S.  43. 

Caecus  1,  Aug.  ep.  93,  48  qnis  vel  caecus  ignorat?  de 
doctr.  Cbr.  4,  7,  12  (M.  34  col.  94)  hoc  et  qui  stertit,  adYertit. 
serm.  22,  4,  4  (M.  38  col.   151)  caecorum  oculos  ferinni. 

caelum  L  Cic  ad  Att.  8,  11,  2  omnes  terrae,  omnia  roara 
movere.  Verg.  Aen.  11,  351  et  caelum  territat  armis.  —  caelum  7. 
Sen.  de  ira  2,  35,  5  ei  aliter  nocere  non  poseit,  terrae  mare 
eaelum  ruere  cupientem.  —  caelum  6,  Tib.  4,  13,  13  nnne  lice: 
β  caelo  mittatur  amica  Tibullo.  —  caelum  9.  Gell.  13,31,  1  Un- 
dabat  venditabatque  se,  tamqnam  unus  esset  in  omni  caelo.  — 
caelum  10.  Ov.  ex  Pont.  2,  2,  9  non  ego  concepi,  clara  mea 
tangi  sidera  posse  manu. 

cala  3.  Hier.  com.  in  Isae.  (M.  24  col.  534)  pervenit  ad 
calcem. 

Cancer,  Plaut.  Gas.  2,  8,  7  citiren  Fest.  p.  164  M.,  165,25. 
Non.  145,  13.  —   Plaut.  Pseud.  955  citirt  Varr.  ling.  lat.   7,  81. 

canis  2,  Hier,  praef.  in  Paral.  (M.  30  col.  1394)  canino  dente 
me  rodunt.  —  canis  3.  Cic.  fam.  5,  10%  2  si  meherculee  Appii 
OS  haberem.  Hier.  reg.  mon.  (M.  30  col.  354)  procednnt  in  publi- 
cum, ut  caninam  exerceant  facundiam:  Isid.  sent.  3,  56,  2  antiqai 
forensem  eloquentiam  caninam  facundiam  nuncupabant.  Isid.  in 
£xod.  14,  9  wird  diese,  musca  canina,  genannt.  —  canis  12  ki\m. 
Cic.  Yerr.  4,  13,  31  canes  venaticos  diceres,  .  .  ita  odorabantar 
orania.  —  canis  14.  obvenisse  nisum  cani  macrae*  prov.  CGIL 
5,  89,  2;  36,  18;  124,  58.  —  canis  17.  Hier.  1  Sam.  c.  25  (M.  2•^ 
col.  654)  si  reliquero  de  omnibus,  quae  ad  eum  pertinent,  usque 
mane  [canem]  mingentem  ad  parietem,  db.,  aucb  nur  das  aller- 
geringste. 

caniherius  1.     Plaut.  Men.  395  citirt  Fest.   273,  5  M. 

capui  1.  Hier.  com.  in  Isae.  (M.  24  col.  294)  nee  prii.- 
cipium  habuerint  neo  finem,  id  est,  nee  caput  nee  c<mdamn 

carba  1.     Ter.  Ad.  849  citirt  Serv.  Aen.  11,788. 


Miscellen  475 

dato  1.  Cassiod.  Var.  1,  27  ad  circum  neHciuni  convenire 
Catones. 

certus  1.  Fronto  p.  102  a.  E.  N.  potior  est  certus  praesens 
frnctus,  qnam  fntnri  spes  incerta. 

cervi4S  2.  Nachtr.  S.  7  u.  17.  Stat.  Theb.4,  271  trepidoe 
praevertere  cervos.  Cat.  64,  341  flammea  praevertet  celeris  ve- 
Rtigia  cervae.     Hör.  od.  2,   16,  23  ocior  cervis. 

cervia.  Cic.  Verr.  3,  59,  135  qui  tantis  erunt  cervicibiis, 
qni  andeant. 

clavus  2.     leid.  sent.  2,  39,  23  clavus  clavum  expellit. 

cogifaiio  2.     Cic.  Tusc.  4,  4,  7  sunt  enim  iadicia  libera. 

columba  1,  Verg.  ecl.  9,  13  (valent)  quaiitum  Cbaonias  di- 
cuTit  aquila  veniente  columbae.  —  columba  2.  Nachtr.  S.  7.  Prop. 
1,  9,  5  non  me  Cbaoniae  vincant  in  amore  columbae.  Plaut. 
Α  ein.  209  quasi  columbae  pulli  in  ore  ambae   meo  usque  eratis. 

cornix  1.  Antb.  lat.  1672  M.  cornix  et  caries  vetusque 
bustum,  von  einem  alten  Weibe.  —  cornix  2,  Hier,  praef.  in 
Paralip.  (M.  30  col.  1392)  cornicum,  ut  dicitur,  oculos  configere. 

cornu  3.  leid.  orig.  8,  9,  44  excitat  lites,  id  est,  quasi 
cornna  dat.  Cic.  de  divin.  2,  10,  26  cornua  disputationis  tuae.  — 
cornu  4.  Amm.  Marc.  21,  16,  1  numqnam  erigens  cornua  mili- 
tarium,  er  läset  sie  nicht  aufmucken.  Ov.  Trist.  4,  9,  27  cornua 
sumpsi,  ich  fasste  Mut. 

corpus,     Cic.  Cat.  1,  6,  15  wird  citirt  bei  Serv.  Aen.  9,  439. 

corvits  4.  Apul.  de  deo  Socr.  prol.  108  ne  id  mihi  evenerit, 
quod  Corvo  suo  evenisse  Aesopus  fabnJatur. 

Crassus.     Cic.  ad  Att.   1,  4,  3  supero  Crassum  divitiis. 

cribrum  3.  Vergl.  Sen.  ep.  99,  5  perforato  animo  haurie- 
bamus  et  transmittente  quicquid  acceperat. 

crus  1.     Sen.  exo.  contr.  3,  5,  26  in  securem  incurris. 

Cucurbita  1.  Griech.  Parallelen  s.  bei  Schmidt,  Ehein.  Mus. 
33  S.  637  u.  Birt,  ebenda  46  S.   152. 

cunäbula,  'ab  incunabulis'  Apul.  apol.  18,  434.  Hier•  praef. 
in  lob.   (M.  28  col.  1141).     Isid.  de  ort.  et  ob.  32,  54. 

Curius.  Mart.  7,  58,  7  quaere  aliquem  Curios  semper  Fa- 
biosqne   loquentem.     9,  27,  6  Curios,  Camillos  loqueris. 

currere.  Hier.  reg.  mon.  29  (M.  30  col.  395)  sed  quod  cur- 
rentem  impellam.  Aug.  ep.  218,  1  cnrrentem  incitemus.  Serv. 
Aen.  2,  652  simile  est,  ut  currentem  incitare,  praecipitantem  im- 
pellere.     Sen.  ep.  109,  6  currentem  hortatur. 

curvus  2.  Zu  Ήύλον  άγκύλον  ούδέποτ'  ορθόν*  vergl.  Quint. 
1,  3,  12  frangas  enim  citius  quam  corrigas,  quae  in  pravum 
induruerunt,  und  H.  Lewy,  Phil.  58  (1899)  S.  82. 

cutis  2.  Pers.  1,  7  nee  te  quaesiveris  extra.  4,  52  tecum 
habita.  Hör.  sat.  2,  3,  324  teneas,  Damasippe,  tuis  te,  fege  vor 
deiner  eigenen  Thür.  Macrob.  so.  Sc.  1,  9,  3  nee  se  quaesierit 
extra.  (Forts,  folgt) 

Berlin.  Victor  Szelinski. 


476  Misoellen 

Zur  Geschichte  der  le^.  II  Traiana  anfer  Traian 

Eine  Erklärung  der  Inschrift  aus  Sidon  C.  III  151  (vgl 
666tj)  ist,  nachdem  '  Mommeen  seinen  im  Text  des  Corpus  ge- 
roachten Vorschlag  im  Index  p.  1139  selbst  zurückgezogen  bat. 
meines  Wissens  nicht  versucht  worden.  Der  im  Corpus  gegebene, 
nach  Mommeen  in  der  Lesung  überall  feststehende  Text  der  Id- 
schrift  lautet: 

G   ANTUE 

COS  G  lü 

LlüSFABI 

ANUS   GF 

CYÜTI  Μ 

LGIITRAIF 

ÜIXITANN 

LMILTANO 
XXIII 
Ich  löse  auf:  G{aio)  Anf{istio)  Ve{fere)  \  coin)s(uIe)  G{(yu$^ 
Iu\lhis  Fabilonus    G{ai)  flilius)    Cy{rina^)   üii{ca)    m(iles)  lU)- 
g(ionis)    II  Trai(anae)   f{oriis)  vixit    ann{os)  L,    miliilavii)  an- 
{n)ois)  XXIIL 

Wie  die  zu  Anfang  stehende  Consulatsangabe  zu  verstehen 
ist,  lehrt  die  alexandrinische  Inschrift  C.  III  6603 : 

*  leg(ionis)  III  Cyr(enaicae)  (centuria)  luli  Saturnini  imp(cra- 
tore)  Tito  VIII  coin)e(ule)  a(nno8)  XXII  TCitus)  Cominius  Bassu« 
Damasco  militavit  annos  XXII,  vixit  annos  XXXX  h(ic)  B(itue)  e(et,i. 
Die  eigenthümliche  Fassung  des  Textes  erklärt  eich  daraus», 
dass  hier  ein  wortgetreuer  vollständiger  Auszug  aus  der 
Stammrolle  der  Truppe  vorliegt,  welchem  am  Schluss,  dem  Cha- 
rakter der  Grabinschrift  gemäss,  die  Angabe  über  das  Lebensalter 
und  die  Formel  *hic  situs  est^  nur  ganz  äusserlich  angefügt  ist. 
Die  Listen,  an  deren  Spitze  die  Bezeichnung  des  betreffendeD 
Truppentheiles  stand,  führten  die  Mannschaften  nach  den  Centurien 
(bei  den  alae  und  Reitern  der  Auxiliarcohorten  nach  Türmen)  ge- 
ordnet und  innerhalb  der  Centurien  wieder  naoh  den  Consuljahren. 
in  welchen  die  einzelnen  Leute  in  den  Dienst  getreten  waren, 
auf:  der  Consulname^  der  alexandrinischen  Inschrift  bezeichnet 
also  das  Jahr  des  Diensteintritts  zur  Bestimmung  de^ 
Dienstalters,  des  ^numerus  stipendiorum  ,  des  Mannes,  welcher  Ja- 
nach im  Jahre  101  gestorben  ist.     Die  Form  dieses  Auszuges  ist 


*  Die  Schreihung  Cyrina  =  Quirina  ist  in  lateinischen  Denk- 
mälern des  griechischen  Sprachgebietes  nicht  selten,  vpl  C.  III  β7.ν> 
Tiitoj  Flavio  Castoris  f(ilio)  Cyr(ina)  Alexandro,  auch  C.  X  532  T(itu5t 
T(iti)  f(iliu8)  FlaviuB  Agrippa  Cyn«(a)  Capitolia(de);  griechisch  bekannt- 
lich stets  Κυρ(€){να. 

^  Die  Nennung  nur  eines  Consuls  begegnet,    auch    wenn   diesrr 
kein  Angehöriger  des  Kaiserhausos  ist,  in  ähnlichen  Fällen  häufig;  2B 
C.  VI  20i)  gesetzt  von  sieben  Prätori anern,    die  Hibero  oo(n)8(ule),   d» 
im  Jahre  133  und  Serviano  III  co(u)s(ule),  also  im  Jahr  I3i  eSDg^ret4?r 
waren,  ferner  VI  221  C.  Clodio  Crispino  co(n)e(ule)  a.  113. 


Misoellen  477 

in  der  üreprüngliohen  Fasenng  äusseret  selten,  und  niemals  so 
vollständig  in  den  Grabinschriften  beibehalten  worden:  ähnlich 
sind  noch  die  gleichfalls  aus  Alexandria  stammende  Inschrift 
C.    III    6598   Meg(ionis)   XXll    I)eioter(ianae)   (centuria)    Caeselli 

Fusci  M.  Pontius  M.  f.  Col(lina)  Saburianu[8]  6a[i]ata  vixit * 

und  die  Mainzer  Inschrift  Bramb.  1200  'railes  leg(ionis)  XVI  (cen- 
turia) Viatoris  Sex(tu8)  Lartidius  Sex(ti)  f(ilius)  Vel(ina)  Pistoris 
ann(orum)  XXVI  8tip(endioruTO)  IV  b(ic)  s(itus)  e(st)*  (vgl.  auch 
bei  C.  V  8272  leg(ionie  XIUI  gem(inae)  M.  Aurelius  miles  .  .  . 
die  Voranstellung  der  Truppen bezeichnung  vor  den  Namen  des 
Verstorbenen).  In  der  weitaus  überwiegenden  Masse  der  Soldaten- 
grabschriften  aus  dem  1.  und  den  ersten  Jahrzehnten  des  2.  Jahr- 
hunderts sind  zwar  auch  die  meisten  Angaben  der  Listen  —  nur 
mit  Ausschluss  des  Datums  des  Diensteintritts  —  aufgenommen^ 
(vgl.  Domaszewski  Fahnen  S.  21,  Anm.  4),  aber  in  eine  andere  dem 
Charakter  der  Grabschrift  besser  angepasste  Form  gebracht:  auf 
die  am  Anfang  stehenden  Namen  und  Heimatsangabe  des  Ver- 
storbenen folgt  die  Bezeichnung  der  Truppe  und  Charge,  häufig 
unter  Beifügung  der  Centurie  bez.  Turma,  dann  die  Daten  über 
Lebensalter  und  Zahl  der  Dienst  jähre. 

Nach  dem  Beispiel  der  alexandrinischen  Inschrift  vom  Jahre 
101  kann  es  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  auch  in  der  Inschrift 
von  Sidon  der  zu  Anfang  stehende  Consulname  den  Jahrgang  der 
in  der  legio  U  Traiana  dienenden  Mannschaften  bezeichnet,  unter 
welchem  der  Julius  Fabianus  in  den  Dienstlisten  geführt  wurde. 
Der  einzige  der  Zeit  nach  in  Betracht  kommende  consul  Ordinarius 
dieses  Namens  ist  der  C.  Antistius  Vetus,  welcher  im  J.  96  mit 
Manlius  Valens  die  Fasces  führte.  Danach  ist  Julius  Fabianns 
im  Jahre  96  Soldat  geworden,  sein  Tod  erfolgte  nach  23  Dienst- 
jahren,  also  im  Jahre  118.  —  Durch  diese  genaue  Datirung 
gewinnt  die  Inschrift  in  mehrfacher  Hinsicht  Interesse. 

Da  die  legio  U  Traiana  im  J.  96  noch  nicht  bestand,  muss 
Fabianus,  bevor  er  in  diese  Legion  eintrat,  in  einer  anderen  Truppe, 
wahrscheinlich,  worauf  seine  origo  hinweist,  in  der  afrikanischen 
III  Augusta,  oder  auch  einer  der  damaligen  ägyptischen  Legionen  * 
III  Cyrenaica  und  XXfl  Deiotariana,  gedient  haben.  Ob  er 
dann  gleich  bei  Errichtung  der  neuen  Legion  durch  Trajan  in 
diese  aufgenommen    wurde  ^   oder  erst   später,  nachdem  dieeelbe 

^  Ans  diesem  engen  Anschlüsse  der  Grabechriften  an  die  Dienet- 
listen  erklären  eich  manche  Eigenthümlichkeiten  der  ersteren  nament- 
lich in  der  Nomenclatur  und  Chargenbezeichnung;  darauf  soll  in  an- 
derem Zusammenhange  demnächst  eingegangen  werden. 

*  In  den  ägyptischen  Legionen  dienten  Leute  aus  den  afrikani- 
schen Provinzen  mehrfach:  so  im  1.  Jahrhundert  III  6602  ein  Mann 
aus  ütica ,  im  2.  Jahrhundert  in  der  II  Traiana  ein  Hadrumetaner 
(ill  6580,  II 2)  und  ein  Carthager  (6580,  II  37).  vgl.  auch  X  1772,  diese 
brauchen  nicht  nothwendig,  wie  der  III 12057  =  14130  genannte  Afri- 
kaner, aus  der  III  Augusta  transferirt  zu  sein. 

^  Die  Abgabe  eines  Stammes  gedienter  Leute  aus  d*^-  ^"'-  ^^' 
Augusta    an   die   neu  errichtete  XXX  Ulpia  im  J.  98  ha^  ' 


478  Miscellen 

in  Aegypten  ihr  Standquartier  hatte,  übertrat,  läest  eich  mit 
Sicherheit  leider  nicht  entscheiden. 

Doch  dürfte  die  letztere  Möglichkeit  mehr  Wahrscheinlich- 
keit für  sich  haben,  da  Fabianus  zur  Zeit  der  Errichtang  der 
II  Traiana  erst  drei  bis  vier  Dienstjahre  zählte,  also  kaum  ge- 
eignet war,  in  den  Stamm  altgedienter  Leute,  welcher  bei  Bil- 
dung neuer  Legionen  zweifelsohne  den  Rekruten  beigemischt 
wurde,  aufgenommen  zu  werden;  andererseits  die  'translatio'  von 
Legionaren  aus  einer  in  die  andere  Legion  namentlich  seit  dem 
Anfang  des  2.  Jahrhunderts  weit  häufiger  und  in  grösserem  Um- 
fange stattgefunden  zu  haben  scheint  als  gemeinhin  angenommen 
wird  ^. 

Jedenfalls  gewinnen  wir  durch  die  richtige  Erklärung  der 
sidonischen  Inschrift  einen  Beleg  für  die  Thatsache,  dass  die  leg.  II 
Traiana  entweder  ganz  oder  mit  einer  Vexillation  im  Jahre  118 
im  Oriente  stand  ^:  die  Veranlassung  ist  ohne  Zweifel  in  den  ge- 
fährlichen Judenaufständen  zu  sehen,  welche  in  Trajans  letzten 
Jahren  ausgebrochen  und  bei  Hadrians  Regierungsantritt  noch 
nicht  vollständig  unterdrückt  waren  ^ 

Mit  diesem  zeitweilige^  Aufenthalte  der  Legion  in  Syrien 
könnte  man  versucht  sein  ein  zweites  inschriftliches  Zeugnis« 
zusammenzubringen,  nach  welchem  die  II  Traiana  zu  einer  ge- 
wissen Zeit  von  einem  Legaten  befehligt  wurde,  also  ausser- 
halb Aegyptens,  ihrer  eigentlichen  Garnisonsprovinz ,  gestanden 
haben  muss.  Die  Aemterlaufbahn  des  [An?]niue  Gallus  Yecilias 
Crispinus  Mansuanius  Marcellinus  Numisius  Sabinns,  wie  sie  in 
der  zu  Antiochia  Pisidiae  gefundenen  Inschrift  C.  III  6813  ent- 
halten ist^,  fallt  mit  ihren  Anfängen  noch  unter  Domitian,  banpt- 

leg.  I  Min.  et  XXX  Ulpia  p.  39,  allerdings  auf  wenig  sicherer  Grund- 
lage, vermuthet. 

1  Aus  solchen  im  Zusammenhange  mit  kriegerischen  Yorgängec 
oder  sonst  im  Interesse  des  Dienstes  erfolgten  Translationen  grösseren 
Umfanges  erklären  sich  die  nach  Einführung  der  örtlichen  Conscriptian 
in  verschiedenen  Legionen  auftretenden  aus  von  der  Garnisonsprovinz 
weit  entlegenen  Ländern  stammenden  Mannschaften :  so  zB.  Afrikaner 
in  der  legio  II  adiutrix,  Syrer,  andere  Orientalen  und  Daker  in  der  III 
Augusts,  Thraker  in  der  I  Minervia  ua.  Ganz  anders  zu  beurtheilen 
ist  die  Versetzung  von  Leuten  aus  einer  in  eine  andere  Truppe  ioner- 
halb  desselben  exercitus  (vgl.  den  laterculus  der  Coh.  I  Lusitan  vom 
J.  156  EE  VII  p.  456  ff.). 

^  Vermuthet  hatte  dies  bereits,  ohne  die  Bedeutung  unserer  In- 
schrift erkannt  zu  haben,  Tromrasdorff  Quaestiones  duae  ad  histor 
legion.  spectantia.  Lip9.  1896,  p.  35.  Die  Lyoner  Inschrift  C.  XIII  IKh? 
wird  man  als  weitere  Bestätigung  aber  wohl  kaum  verwerthen  dürfen, 
da  ganz  abgesehen  von  der  höchst  zweifelhaften  Ergänzung  der  let/ten 
Zeile  das  hier  ev.  erwähnte  Commando  des  Claudius  Quartinus  frühe- 
stens nach  dem  Jahre  119  fallen  kann,  wahrscheinlich  aber  einige  Jahre 
später  anzusetzen  ist. 

^  Vgl.  auch  C.  III  13587,  nach  der  zu  Ende  Trajans  eine  Vexil- 
lation der  arabischen  III  Cyrenaica  in  Jerusalem  stand. 

*  .  .  lc^(ato)  Aug(ueti)  pro  pr(aetore)  provinciar(um)  Galatiae. 
Pisid(iae)  [Pjaphlagonine  sodali  Flaviali  proco(n)s(uli)  prov(inciae)  Sar- 


Miscellen  479 

sächlich  aber  in  die  Zeit  Trajans^,  event.  die  ersten  Jahre  seines 
Nachfolgers,  bietet  aber  in  dem  Proconsulat  von  Sardinien  die 
Möglichkeit  einer  näheren  zeitlichen  Bestimmung.  Diese  Insel 
hat  in  der  K&iserzeit  stets  unter  der  Verwaltung  ritterlicher  Pro- 
kuratoren gestanden;  nur  für  zwei  kurze  Zeitabschnitte  lassen 
8ich  Proconsuln  dort  nachweisen:  unter  Nero,  der  die  Insel  als 
Ersatz  für  das  mit  der  Freiheit  beschenkte  Achaia  dem  Senate 
zuwies,  und  später  unter  Marcus  und  Coromodus  ebenfalls  als 
Ersatz  für  die  vom  Kaiser  in  eigene  Verwaltung  genommene 
Provinz  Baetica  (Marquardt  Staats.- Verw.  I^  248  f.).  In  gleicher 
Weise  findet  auch  die  durch  III  6813  bezeugte  proconsularische 
Verwaltung  Sardiniens  unter  Trajan  ihre  Erklärung:  im  Jahre  111 
schickte  dieser  Kaiser  nach  der  bisher  von  senatorischen  Pro- 
consuln verwalteten  Provinz  Pontus-Bithynia  einen  ausserordent* 
liehen  kaiserlichen  Commissar,  den  jüngeren  Plinius,  welchem, 
wohl  unmittelbar,  dessen  Freund  C.  Julius  Cornutus  Tertullus  folgte 
(Marquardt  Ρ  352,  Brandis  in  Pauly-Wissowa  IUI,  Sp.  328f); 
während  der  Dauer  dieser  Verwaltung  hat  der  Kaiser  die  Pro- 
vinz Sardinien  dem  Senate  für  einen  der  zur  jährlichen  Loosung 
um  die  kleineren  Proconsularprovinzen  berechtigten  Prätorier  über- 
lassen^. Danach  hat  Gallus  das  Proconsulat  von  Sardinien  im 
Amtsjahre  111/12  oder  einem  der  nächstfolgenden  geführt^,  die 
beiden  Legionen  1  Italien  und  II  Traiana  —  übrigens  nicht  ge- 
meinsam,   sondern    nacheinander   — ,    einige   Jahre   vorher   be- 

d(ini8e)  leg(ato)  legionuro  I  Italicae  et  II  Traianae  [fjortis  praef(ecto) 
(f)rum(enti)  dandi  curatori  viar(uTD)  Clodiae  Cassiae  Anniae  Giminiae 
Traianae  novae  praetori  trib(uno)  pl(ebi8)  quaestori  provinc{iae)  Ponti 
et  [B]ithyniae  leg(ato)  Asiae  III  vir(o)  capital(i)  [trib]  milit(um)  leg(ioni8) 
XXI  rapacis.  .  . 

'  Die  zeitlichen  Grenzen  geben  der  Tribunat  in  der  unter  Domitian 
aufgelösten  XXI  rapax,  .andererseits  die  Erwähnung  der  nach  Trajan 
benannten  Strasse  und  Legion. 

*  Die  Verringerung  der  Zahl  der  pratorischen  Senatsprovinzen, 
auch  nur  für  wenige  Jahre,  hatte  die  Carriere  der  damaligen  Prätorier 
nothwendig  ungünstig  beeinfluest,  und  hat  ein  die  Rechte  des  Senates 
und  seiner  einzelnen  Mitglieder  so  peinlich  berücksichtigender  Kaiser 
wie  Trajan  sicherlich  nicht  eine  Provinz  der  jährlichen  Loosung  entzogen 
ohne  dafür  eine  andere  als  Ersatz  gestellt  zu  haben.  Die  Zahl  der 
kleineren  Senatsprovinzen  ist  schon  unter  Augustus  durch  die  Zahl  der 
jährlich  amtirenden  Prätoren  bestimmt  und  entsprechend  deren  Wachsen 
erhöbt  worden.  Erst  durch  die  weitere  Vermehrung  der  jährlichen  Prä- 
torenzahl bis  iuf  18  (vgl.  Mommsen  Staatsr.  11^  203),  mit  welcher  die 
der  Provinzen  nicht  gleichen  Schritt  halten  konnte,  ist  der  Zeitraum 
zwischen  städtischem  Amt  und  Statthalterschaft  verlängert  worden. 

*|  Die  Rückgabe  Bithyniens  in  senatorische  Verwaltung  rauss 
schon  in  Trajans  letzten  Jahren,  jedenfalls  aber  unter  seinem  Nach- 
folger erfolgt  sein.  Die  Provinzen  Galatia  Pisidia  Paphlagonia  wird 
Gallus  noch  unter  Trajan,  aber  frühestens  seit  dem  Jahre  114,  in 
welchem  die  Pontusländer  von  diesem  Verwaltungsgebiet  abgetrennt 
zu  sein  scheinen,  verwaltet  babeö,  und  dürfte  er  hier  wohl  der  unmittel- 
bare Vorgänger  des  unbekannten  Statthalters  um  das  Jahr  117,  dessen 
Laufbahn  in  C.  III  6819  erhalten  ist,  gewesen  sein. 


480  Miecellen 

fehligt.  Da  letztere  Legion  epäteetens  im  Winter  108/109  — 
wahrscheinlich  im  J.  106  oder  107  (Trommedorf  1.  l.  p.  22)  nach 
Aegypten  kam,  wo  sie  am  22.  Fehruar  109  genannt  wird  (C.  HI 
79),  80  kommen  wir  mit  dem  Comraando  dieser  Legion  zurück 
bis  in  die  Zeit  der  dacischen  Kriege  Trajans^.  Und  dase  die 
Legion  in  der  That  an  diesen  Kriegen  ruhmvollen  Antheil  ge- 
nommen hat,  folgt  mit  Sicherheit  aus  dem  Beinamen  'fortis', 
welchen  sie  sowohl  in  der  Inschrift  des  Gallns  wie  zu  Anfang 
des  Jahres  109  bereits  führt,  und  den  sie  nicht  durch  Zurück- 
weisung irgend  eines  gänzlich  unbekannten  Blemmyereinfalles 
oder  Niederwerfung  des  Judenaufstandes  erworben  haben  kann  ^ 
der  vielmehr  mit  Sicherheit  hinweist  auf  die  Betheilignng  an 
einem  unter  des  Kaisers  Augen  geführten  Kriege  im  grossen  Stile, 
als  welcher  den  Zeitverhältnissen  nach  nur  der  dacische  in  Betracht 
kommt.  Wahrscheinlich  hat  die  Legion  damals  zum  niedermöeischen 
Heere  gehört  und  wird  Grallus,  als  er  Λvegen  ihrer  Versetzung  nach 
Aegypten  ^  sein  Kommando  aufgeben  musste,  danach  den  Befehl 
über  die  ebenfalls  nntermösische  I  Italica  übernommen  und  etwa 
in  den  Jahren  108/110  geführt  haben.  Hat  die  II  Traiana  aber  in 
den  dacischen  Kriegen,  wenigstens  im  zweiten  gefochten,  so  darf 
auch  ihre  Errichtung,  ebenso  wie  die  der  XX Κ  Ulpia,  mit  den 
Vorbereitungen  zu  diesem  Entscheidungskampfe,  dessen  Bedeutung 
und  Gefahr  Trajan  von  Anfang  an  nicht  unterschätzt  hat,  in  Ver- 
bindung gebracht  werden  und  dürfte  danach  kaum  später  als  im 
Jahre  100  erfolgt    sein. 

Wiesbaden.  E.  Ritterling. 


^  Wenn  in  der  Inschrift  des  Gallus  keine  damals  erworbenen  dona 
militaria  erwähnt  werden,  so  wird  man  diesen  Umstand  nicht  ernsthaft 
gegen  die  obige  Datirung  anführen  können;  vgl.  zB.  die  cilicische  1d- 
schrift  des  Q.  Pom peius  Falco  G.  III  12117,  der  nach  einer  anderen 
Ehreninsohrift  C.  X  6321  im  Dakerkriege  dekörirt  worden  war;  ebenso 
des  P.  Cominius  Clemens  C.  V  8659,  der  nach  der  Inschrift  Notiz, 
dcgli  scavi  1890  p.  173  im  Partherkriege  des  Verus  sich  ausgezeichnet 
hatte  uam. 

*  Das  erkennt  mit  Recht  an  Trommsdorff  1.  1.  p.  23,  und  ver- 
wirft ebenso  die  Vermuthung  von  Cicborius,  dass  der  Beiname  von  An- 
fang an  der  guten  Vorbedeutung  wegen  der  Legion  verliehen  wor- 
den sei. 

Β  Sie  wird  an  der  Donau  ersetzt  sein  durch  XI  Claudia  aus  Pan- 
nouien,  welche  nicht  erst  seit  120,  wie  van  de  Wcerd  Musee  beige  1900 
glaubt,  sondern  bereits  unter  Trajan  an  der  unteren  Donau  stand,  wo- 
für au  anderer  Stelle  Beweis  erbracht  werden  soll. 


Verantwortlicher  Redacteur:   August  Brinkmann  in  Bonn. 

(18.  Juni  1903.) 


zu  DEN  PERSERN  DES  TIMOTHEOS 


^ 


Neben  der  meisterhaften  Einleitung  nnd  der  sicheren  und 
glücklichen  Behandlung  des  Textes  erfreut  die  erste  Ausgabe  der 
Perser  des  Timotheos  das  Philologenherz  besondere  durch  die 
technische  Vorlage  des  Materials,  die  hoffentlich  fUr  alle  Publi- 
cationen  wichtiger  Papyrnsfnnde  vorbildlich  wird.  Wer  nicht 
selbst  den  ehrwürdigen  Papyrus  einsehen  kann,  ist  durch  die 
klaren,  wohlgelungenen  Lichtdrucktafeln,  die  nun  jedermann  zu- 
gänglich sind,  zur  Mitarbeit  wohl  ausgestattet.  So  habe  ich 
denn  im  folgenden  eine  Nachlese  angestellt  und  die  Emendation 
einer  grössern  Textpartie  versucht,  wo  noch  Lücken  klaffen,  die 
sicher  ansgefüllt  werden  können,  und  wo  Schäden  der  Ueber* 
lieferung  geheilt  werden  müssen,  welche  die  schönen  Verse  ent- 
stellen. Ich  sage  die  schönen  Verse,  denn  das  günstige  Urtheil, 
das  der  erste  Herausgeber  über  diese  eigenartige  Dichtung  geföllt 
hat,  wird  sich  immer  mehr  bestätigen,  je  reiner  der  Text  heraus- 
gearbeitet wird. 

Nach  dem  änseerliohen  Gesichtspunkte  der  Erhaltung  des 
Papyrus  kann  der  Text  in  drei  Partien  zerlegt  werden.  Bis 
Vers  69  ist  die  Wiederherstellung  nur  theil weise  möglich.  Von 
Vers  150  ab  hat  die  erste  Ausgabe  ziemlich  erledigt,  was  er- 
ledigt werden  konnte  ^.     Das  dazwischen  liegende  Stück  V.  70 — 


^  V.  152  ist  ev.  άγοι  am  Ende  der  Papyruszeile  zu  emendiren, 
wofür  sich  mehreres  anbietet.  —  Y.  158  ist  sicher  zu  interpungiren : 
Έλλάδ'  εμπλοκών  *Acidbi  φωνΑι  διάτορον,  womit  aus  dem  folgenden  für 
eich  stehenden  Οφραγίδα  θραύων  οτόματος  jede  Schwierigkeit  schwindet; 
οπό  δ^ους  τ€  καΐ  κακοΟ  ^ρρη^ε  φωνήν«  drückt  es  Herodot  (Ι  85)  aus. 
—  Das  Asyndeton  179  sähe  man  gerne  schwinden.  Es  wird  eine  kleine 
Lücke,  wie  mehrfach,  festzustellen  sein.  Y.  174  ff.  können  bis  178 
trochäisch  gelesen  werden,  dann  [καΐ)  TT€pc(6a  οτολήν  π€ρΙ.  Aber  besser 
wohl  ncpdko  [bi]  οτολήν,  Dochmius  wie  8ß,  115,  182,  204,  iamb.  Tri- 
meter  usf.  Mit  V.  18β  ό  bi  (wo  καΐ  Druckfehler  ist)  παλινπόρ€υτον 
wieder  Trochäen.  —  Vielleicht  für  immer  verloren  ist  234 — 3β.  Or- 
pheus, dessen  Name  sicher  genannt  war  (gegen  Danielsson)  —  er  steckt 
tlbeiu.  Uo•.  f.  Fhilol.  N.  P.  LVIII.  31 


482  Sudhaut 

150,  das  zwieohen  beiden  Partien  etwa  die   Mitte  hält,    boU  hier 
im  Zneammenhange  besprochen  werden. 

Die  letzen  Yeree  der  Tl.  Golamne  können  nur  dem  Sinne 
nach  hergestellt  werden.  Sie  mögen  hier  voranetehn,  weil  sie 
die  Situation  schildern : 

έομ[ό]ς 
67  [δτΓ]€ΐρος  [έφίρετ'  άμ]φΙ  να- 

[\]ο\ς  τρύ[φ€€ΐν  *  έ]λιχθ€ΐς 
Γοκηπτούς  9]uXa[ccuiv  άλιτρό]φ(λΐν 
[πν]€υμά[τιυν ' 

Der  Wind  geht  stark,  die  Schiffbrüchigen  Ruohen  vor  dieeem 
Verbündeten  der  Hellenen  Schutz.  Da  bricht  schon  von  der 
andern  Seite  eine  gewaltige  Bö  los,  schaumige  Gischt  schlägt 
den  Barbaren  ins  Gesicht  und  raubt  ihnen  im  Bunde  mit  des 
unberechenbar  umspringenden  Winden  Athem»  Math  und  Be- 
sinnung : 

70  [8t€]  bi  ται  λβίποιεν  αύ-  ww^ ^^ 

ραι,  ταώ' ^έπειςίπιπτον,  ^-  w 

όφραιι  bi  <π€ριέε€0€ν>  άβαχχίωτος  δμίβρος,  w-w^- ^-w-^- 

Die  Ueberlieferung  ist  so,  wie  sie  im  Texte  gegeben  ist. 
Nur  erscheint  hinter  άφρώι  ein  unterpunktirtes  Σ ,  mit  dem 
nichts  anzufangen  ist.  Der  Herausgeber  bemerkt:  *anter  dem 
letzen  Σ  ein  Punkt,  der,  wenn  ihm  oben  einer  entsprach,  Tilgung 
bedeuten  könnte;  er  kann  auch  bedeutungslos  sein*.  Ich  habe 
eine  kleine  Lücke  angenommen,  wie  sie  der  Text  leider  an 
mehreren  Stellen  aufweist  -.  Die  Emendation  αφρώδης  zieht 
auch  die  guten  Verse  70,  71  in  Mitleidenschaft.  Was  der  Dichter 
hier,  und  zwar  mit  schneidender  Ironie  ausdrücken  will,  ist  ja 
klar.  *Das  ist  etwas  anderes  als  der  perlende  Wein  daheim, 
dieser  Schaumtrunk,  den  euch  die  griechische  See  eingiebt* : 


in  OPITIYNETEKNQIE  —  werden  wie  Terpander  4  glykoneische  Verse 
gewidmet  sein.  Darin  wird,  wie  die  zehn-  und  elfsaitige  Leier  der 
beiden  Kunstnachfolger,  die  neunaaitige  des  Orpheus  (Schol.  Λ  rat.  269  usX 
die  er  nach  der  Zahl  der  Musen  beepannte,  genannt  gewesen  tein. 
schliesslich  die  Heimath.  Also  Orpheus -Terpander-Timotbeoe;  9,  h\ 
11  Saiten  (die  geringe  Abweichung  spielt  er  apologetisch  aus);  Pieriea* 
Lesbos-Milet. 

1  άμφΐ  ναΤοις  τρύφεαν  Dauielsson,  £ranos  V  S.  16  in  dem  sehr 
beachtenswerthen  Aufsatz  Zu  den  Persern  des  Timotheoa. 

3  Vgl.  Wilam.  sichere  Emendation  zu  V.  204,  239  und  die  Fest- 
stellung der  Lücke  V.  195,  auch  235  gehört  dahin.    Anderea  unten. 


V^w^  .      V^«  — 


V^—     l^—      v^~_ 


Zu  den  Pereem  dee  Timotlidos  483 

73  €ΐς  bi  τρόφίμον  αγγος  (v^)-w--  v^ 

έχεΐτο-  Ιπύ  bi  άμβόλιμος  αλ- 
τ δ      μα  οτόματος  ύιτ€ρέθυιεν, 

όευπαραυδήτωι  b 

qxjuväi  παρακόπιυι  b 

Τ6  bolax  φρενών  b 

κατοκορής  άπείλει 
80  γόμφοις  έμπρίων 
μιμούμενος  λυμεώ- 
VI  οώματος  θαλάοοαι. 

In  diesem  kleinen  Brayonretück,  in  dem  man  bis  V.  75 
(ύπερέθυιεν)  das  Aufsteigen  und  Vorquellen  von  &λμα  und  φοινά 
förmlich  nachempfindet,  wo  dann  in  erregten  Dochmien,  wie  sie 
die  steigende  Unruhe  der  lamben  vorbereitet  hatte,  die  wahn- 
witzige Todesangst  gemalt  wird,  machen  2  einfache  Dimeter  den 
Schlass.  Warum?  Weil  Timotheos  hier  eine  persönliche,  ich 
möchte  sagen  technische  Bemerkung  über  die  folgende  Gesang- 
uummer  macht,  die  das  Publikum  orientirt.  Aber  die  Stelle 
muss  erst  corrigirt  werden.  Schon  der  Abschreiber  hat  sie  miss- 
verstanden  und  λυμειϊινι  falsch  zu  άττειλει  construirt. 

Der  Dichter  hatte  geschildert  das  Ausspeien  des  Salswassers, 
den  gellenden  Schrei,  das  Zähneknirschen^  und  dazu  die  Ver- 
wirrung der  Sinne  des  Ertrinkenden.  Wem  der  nachahmt  kann 
nicht  zweifelhaft  sein.  Brüllend,  knirschend,  speiend,  schnaufend 
ahmt  der  Unglückliche  in  Wahnsinn  und  Noth  unwillkürlich 
seinem  Verderber  nach,  dem  heulenden,  tosenden,  schäumenden 
Meer  mit  seiner  Gischt  und  Wallung.  So  kann  auch  nicht  zweifel- 
haft sein,  dass  wir  die  ohnehin  an  einer  Stelle  verderbte  Ueber- 
liefernng  λυμε(λΐνΐ€ωματθ€θαλα€α€  zu  verändern  haben  in  λυμεώνα 
οώματος  OaXaccav.  Das  άπείλει  kann  absolut  stehn,  er  drohte, 
natürlich  dem  Meer,  aber  das  versteht  man  so.  Μιμούμενος 
dagegen  darf  nicht  in  der  Luft  schweben.  Γόμφοις  έμπρίων 
άττειλει  gehört  eng  zusammen,  ebenso  81  und  82. 

Kalt  berichtet  der  Dichter,  gleichsam  seine  Schilderung  von 
V.  74 — 80  zusammenfassend,  der  Barbar  habe  mit  seinen  Evo- 
lutionen   dem    übermächtigen  Verderber    nachgeahmt.     Und  nun 

^  Dass  γόμφοις  Ιμηρίχυν  molaribns  frendens  bedeutet,  zeigen  zahl- 
reiche Parallelen,  das  reichste  Material  wohl  bei  Schulze  Qiisest.  ep. 
S.  171,  der  für  den  Ausdruck  gesammelt  hat.  γόμφοις  έμπρίων  μι- 
μούμ€νος  (bia  μιμήοΕως  τοΐς  oboOci  καταπρ(ων)  kann  nicht  zusammen•• 
genommen  werden.    Vgl.  auch  Danielsson  S.  17. 


484  Sudhfta» 

kommt  diese  Drohrede,  in  der  das  Meereetosen  nach  Timothec^ 
eigener  Angabe  nachgeahmt  wurde.  Er  sagt  ja  deatlicli,  er  hah^ 
mit  gellend  unnatürlichen  Laoten  und  im  WafansiTin  ersättigt^ 
unter  Zähneknirschen  Drohungen  ausgeetossen,  das  Meer  nach- 
ahmend. Gewiss  nicht  nur  mit  dem  Zähneknirschen,  sondern  mi! 
dem  ganzen  verzweifelten  Gehahren.  Diesen  unseligen  Mimer. 
hat  nun  die  'Darstellung*,  die  μίμηοις  des  Timotheos  in  der  fol- 
genden Gesangnummer  vorgeführt  83 — 92.  Das  Lied  war,  wenn 
ich  einen  Ausdruck  des  Aeschylos  (fr.  57)  variiren  darf,  ein 
θαλα€€Οφθοττος  μίμος,  und  das  muss  in  der  Musik  dargestellt 
gewesen  sein.  Man  hörte  den  schrillen  Verzweiflungsschrei  (87! 
des  Ertrinkenden,  über  dem  die  brüllende  See  zusam  me  η  schlägt  *. 
—  Ich  würde  nicht  so  viele  Worte  machen,  wenn  die  Saebe 
nicht  so  wichtig  wäre.  Denn  wenn  anders  der  Barbar  das  Meer 
'nachahmt',  Timotheos  aber  83 — 92  diesen  θαλαοοόμιμος  *dar- 
stelit%  so  haben  wir  ja  eine  Parallele  zu  jener  Naupliospartie 
vor  uns,  in  der  Timotheos  einst  mit  musikalischen  Mitteln  den 
Sturm    am  Cap  Kaphereus  darstellte*.     Das  Lied  lautet: 

83  '"H^T]  6pac€ia  και  πάρος  — v^-  w-w- 

λάβρον  αυχένα  &χ€ς  έμ  -w-^-w- 

85      πέδαι  καταίευχθΕΪοα  Xivob^Tuii  τεόν.  w-w- ^-w  w-^- 

νυν  bi  c€  αναταράζει 

έμός  avai  έμός  b 
ττεύκακιν  όριγόνοιοιν.  έγ- 
κλήΐ€€ΐ  b^  πβοία  πλόιμα  νομάοιν 

αύγαΐς.  — ^^J  ν^^^^^^  ^_. 

^  Satt,  übersatt  von  unfreiwillig  genossenem  Meereswaaser,  ein 
discreter  Auedruck  für  Uebelkeit  (94 — 96). 

'  Im  Metrum  dergleichen  heraushören  zu  wollen,  ist  riatOrlich 
misslich,  aber  vielleicht  kann  man  die  steigende  Hast  der  ersten 
3  Verse  anfuhren,  nur  einmal  ist  die  Kürze  unterdrückt;  dann  der 
Dochmiuft  87  und  der  gewiss  iu  rasender  Eile  vorgestossene  V.  89,  mit 
der  unruhigste   im  ganzen  Gedicht;  dann  Hemmungen  in  den  Flachen 

am  Schluss  90—92,    der    letzte  schlaffe  Vers   (www  ^»,  ^ )  vielleicht 

schon  halb  verklingend,  morüur  querimonia.  Vielleicht  sind  auch  die 
2  Dutzend  Zischlaute  beabsichtigt  und  die  (sonst  gemiedene)  Allitte- 
ration ,  2  mal  in  V.  89.  V.  90  vielleicht  παλαιόμ  μ(α|μα,  wie  man 
von  einem  παλαιός  Σένος  redet.  In  τταλΕομίοημα  kann  ich  mich  nicht 
hineindenken,  aber  das  mag  subjectiv  sein;  vgl.  229. 

■  Athen.  VIII  p.  38Ha  Aelitiliche  technische  Vorbemerkungen  vor 
Reden  sind  1Γ>8— βΐ,  190  (κυμαίναιν)  und  auch  114,  woraus  man  er- 
sieht, wer  im  folgenden  singt. 


Mvy<^««       ^.^  — 


—  —  VV**»*       «^-»V^  — 


Zu  den  Persern  des  Timotheos  485 


90  οίοτρομανές  τταλ^ομί- 

οημα  dmctov  τ€  άγκάλι- 
ομα  κλυ€ΐ5ρομά6ος  αύρας/ 

In  Vers  89  fällt  die  doppelte  Allitteration  auf,  die  der 
Dichter  8onet  verschmäht^.  Hier  ist  nämlich,  wieechou  Danielseon 
yorechlägf,  za  schrei hen  nebia  πλόιμα  νομάα  ναύταις.  Freilich 
die  Erklärung  *er  wird  die  schiffbaren  Felder  mit  streifenden 
Seeleuten  zuschliessen*,  scheint  mir  ebenso  unmöglich  wie  v.  Wila- 
mowitz'  Erläuterung  des  αυγαΐς,  der  König  werde  die  schiffbaren 
Flächen  'mit  seinen  schweifenden  Augen  einschlieseen  (um- 
spannen/. Beides  wäre  ebenso  seltsam  als  matt,  und  letzteren 
Vorwurf  wird  man  Timotheos  zu  allerletzt  machen.  Die  Cor- 
mptel  der  ohnehin  verderbten  Stelle  (νομμααναυγαιο)  liegt  in 
έτκλήΐ€€ΐ  Von  der  Uellespontbrücke  hebt  der  Ertrinkende  an. 
"^Da  hattest  den  Nacken  schon  einmal  im  Joch,  du  wirst  auch 
hier  (in  derselben  Weise,  durch  Brückenbau)  gezäumt  und  ge- 
zähmt werden,  tolle  Bestie.'  Durch  Aeschylos*  Perser  723  laset 
eich  dann  der  Sinn  des  folgenden  noch  näher  bestimmen.  Dareioe 
ist  betroffen  über  Xerxes  frevelhaftes  üeberspringen  der  Natur- 
grenzen, er  hat  den   Bosporus   zugesperrt: 

και  tob'  έδίπραΕεν,  i&cre  Βόοπορον  κλήκαι  μβγαν; 
So  wird  Xerxes  auch  hier,  Ftchtenstämme  einrammend  oder  besser 
sie  als  Brücke  zusammenkoppelnd  (λινο5€Τους  nach  85)  und  wie 
einen  Zaum  übers  Meer  legend,  das  wilde  Ross  zügeln  und 
meistern  ^.  Durch  die  Hrückenzäume  wird  er  aber  den  Schiffern 
die  Sunde    znschliessen*: 

νυν  hl  c€  άναταράΕει 

έμός  αναΗ  έμός  b 

7Γ€ύκαιοιν  όριγόνοιοιν,  έπ[ι- 

κλήιθ€ΐ  bi  π€5ία  πλόιμα  νομάα  ναύταις'.  — ^^^  w-w**«-  w — 

Das  deucht  dem  Sinkenden  gut,  lauter  Brücken,  wo  es  noth 
thut,  nur  nicht  aufs  Schiff,  das  muss  in  Zukunft  aufhören.  Cedet 
et  ipsc  mori  vecfor  (Verg.  ed.  IV  *\S),  So  phantasirt  der  Barbar, 
aber  der  seefahrende  lonier  lachte  gewiss  bei  den  irren  Worten: 

1  Vgl.  Wil.  8.  47. 

2  Vgl.  zR.  Aesch.  Pere.  71  πολύτομφον  βδιομα  ίυγόν  αμφίβολων 
ούχένι  πόντου. 

»  Das  Γ  in  ΑΥΓΑΙΣ  möchte  ich  mit  dem  Τ  auf  Tafel  IV  24 
(ςύντονος)  vergleichen;  es  eieht  so  aus,  als  wäre  links  die  Tinte  ab• 
gespi  ungen.    Aber  auch  bei  ganz  klarem  Γ  — ^-'>-  •-*»  ναύταις  omeudireu 


_V^ww      \^^^ 


__V«/"^^      V>^V^**w 


.^  W  —  —        N^  — .  — . 
^'v  v^%/%/       \^_^  ,„.  ^ 


4g6  Sadhaae 

'mein  Herr  wird   die   schiffbaren  Flächen    für    die    scli weifenden 
Seefahrer  echlieesen/     Das  ist  vocoq  9p€Vt£rv  (Aeecfa.  Pen.  750. 

93  Φάτο  Αςθματι  €τρ€υτόμ€νος 

ßXocupav  bi  έεέβαλλ€ν 
95  δχναν  έπαν(α)€ρ€υγόμ€νος 

€τόματι  βρύχιον  δλμαν. 

Der  Dichter  wirft  ηαη  einen  Blick  auf  die  allg'emeine  Lage: 

97  φυγαι  bi  πάλιν  Ϊ6Τ0  ΤΤέρ- 
α\ς  οτρατός  έπιοττίρχιυν. 

Aber  sogleich  eilt  er  wieder  zu  einem  einzelnen  Momentbilde, 
indem  er  uns  gleichsam  einen  Blick  auf  das  Elend  anter  Deck 
thun  läset.  Die  6  Verse  stehen  in  engstem  Zusammen  bang.  E^ 
sind  3  anapästische  und  3  andere,  die  v.  Wilamowitz  in  der 
grundlegenden  Abhandlung  der  Sitzb.  der  Berl.  Ak.  1902,  865 
choriambische  Dimeter^  genannt  hat: 

Άλλα  b'  δλλαν  OpaOcv  ούρτις    2  anap. 
100      μακραυχενόπλους,  anap. 

XeipiXiv  b^  έγβαλλον  όρείους    paroem. 
πό6ας  ναός,  οτόματος 
b'  έΕήλλοντο  μαρμαροφεγ- 
γεϊς  παίδες  ουγκρουόμενοι. 

Das  Rollen  der  stürmischen  See  giebt  Timotheos  in  Ana- 
pästen. Dort  ziehe  ich  μακραυχενόπλους  ζα  ουρτις,  nicht  za 
πόοας.  Das  Adjectiv  ist  einige  zwanzig  Mal  nachgestellt,  be 
sonders  in  Fällen  wo  das  Substantiv  schon  andere  Zusätze  hat. 
wie  hier  £λλα  (δλλαν).  Im  Wirbel  der  Brandung  zerschmettert 
eine  Woge  die  andere,  mit  langem  Kamme  heranrollend.  Wer 
nun  wirft,  windet  oder  schmettert  —  alles  kann  in  έκβάλλειν 
liegen  —  die  Schiffsfüsse  aus  den  Händen?  Entweder  die  Ruderer 
selbst  oder  die  Brandungswellen,  die  wegen  δλλα  δλλαν  ja  Plural 
sind,  {γβαλλεν  ist  ja  ausgeschlossen.  Im  letzteren  Falle  hingen 
die  Verse  99 — 101  eng  zusammen.  Die  Wellen,  im  schmalen  Sund 
gegeneinander,  übereinander  brandend,  schmettern  was  in  ihre 
Wirbel  geräth  kreisend  durcheinander.  Wie  die  Winde  macht 
die  griechische  See  gleichsam  die  patriotische  Erregung  mit,  das 
klingt  in  der  Dichtung  vielmals  durch.  Sie  ringen  den  Rüderem 
die  Ruder  aus  den  Händen,  statt  des  αλα  τύπτειν  regieren  sie 
einmal  die  Stangen,  und  diese  unregierbaren  Stangen  fahren  nun 


* 

—  -.  — V^"     — v>v^  — 

—  —    —  WW-. 


1  Bei  Plantus  eracheinen  sie  mit  reiz.  u.  ion.  (7)  Sfcioiitts  S  ff. 


Zu  den  Persern  des  Timotheus  487 

in  der  Enge  des  Galeerendecke  herum.  Das  ist  echlimm  für  die 
Ruderer,  denn  es  setzt  Beulen,  blutige  Köpfe  und  ~  ich  kann 
nicht  helfen  —  es  kostet  Zähne:  €ΤΟματος  b'  έΣήλλόντο  μαρ- 
μαροφ€ΤΤ€ΐς  παΐb€ς  €υγκρουόμ€νοι.  Der  Zusammenhang  der 
drei  Satzglieder  wird  durch  die  Verba  Bpaueiv,  έκβάλλ€ΐν,  ουγ- 
Kp0U€iv  —  έΕάλλ€€θοι  gegeben.  Ich  stimme  dem  ersten  Heraus- 
geber darin  zu,  dass  ein  willkürlich  herausgegrifTenes  ^die  Zähne 
flogen'  abscheulich  wäre,  obgleich  wir  von  der  vorigen  Scene 
her  (74.  95)  nicht  eben  verwöhnt  sind.  Wenn  aber  eine  typische 
Calamität  der  Ruderer  im  engen  Räume  unter  Deck  geschildert 
wird,  wenn  dieser  Moment  beim  Kampf  auf  stürmischer  See  und 
eben  in  der  Verwirrung  der  Flucht,  beim  Drehen  und  Drängen 
(dem  πάλιν  t€ceai  97,  dem  ίπΐ€πέρχ€ΐν  98)  einzutreten  pflegte, 
so  tri£Ft  den  Dichter  kein  Tadel  mehr,  wenn  er  discret  genug 
sagt :  *da  sprangen  aus  dem  Munde  die  marmorgleissenden  Kinder, 
zerschmettert . 

Weit  grösserer  Tadel  würde  meines  Erachtens  den  Dichter 
treffen,  wenn  er  die  Dollen,  kleine  Holzpflöcke,  die  doch  wohl 
geölt,  vom  Seewasser  grau  oder  vom  Rudern  zerfasert  waren,  die 
hinter  Ruder  und  δεκιυμα  ziemlich  verschwinden  mussten,  als 
marmorschimmernde  Kinder  bezeichnet  hätte,  weil  kein  Publicum 
das  verstehen  konnte  \ 

Nun  wirft  der  Dichter  wieder  einen  Blick  auf  das  Ge- 
sammtbild.  Das  Werk  der  Zerstörung  ist  vollendet.  Wind  und 
Wellen  haben  zuletzt  das  ihre  gethan,  und  nun  ist  im  Gegensatz 
zu  der  rollenden  Brandung  (99)  etwas  Stille  eingetreten.  Es 
wirbelt  nicht  mehr  alles  durch  einander.  Da  sieht  man  έκ  λιπο- 
πνόης  (wie  έκ  γαλήνης,  έκ  νην€μίης,  von  dem  Moment  ab,  wo 
der  Wind  sich  gelegt  hat)  auf  dem  immer  noch  hochgehenden 
Meere  ein  neues  Bild.  Der  dunkle  Ponton  ist  mit  Leichen  wie 
mit  Sternen  besät: 

105      κατάοτ€ρος  bi,  πόντος       ^-v^-  w 

έγ  λιποπνόης  λιι .  cxepiciv    -ν.^^-  w-w-'- 

έγάρταφ6  οώμαοιν, 
έβρίθοντο  b'  άιόν€ς. 

Um  die  Doppelwendung  Vegen  Atemverlust  seelenberaubt' 
zu  meiden,  die  mir  nicht  glticklich  scheint  und  in  der  Lücke  ein 
Verschreiben  λιπθ€Τ€ρέ€ΐν  statt  ψυχοοτβρέαν  voraussetzt,  schlage 

1  V.  4  ff.  halte  ich  für  nnemendirt.  Wohin  gehört  das,  was  am 
Rande  nachgetragen  ist? 


488  Sudbaue 

ich  XivoCT€p^civ  vor.  Den  Leibern  muss  etwas  Steroenbaftr? 
eigen  sein,  doch  wohl  der  Glanz,  wodurch  das  ecböne,  eiDnlieh 
und  lebhaft  empfundene  Bild  entsteht^.  Auf  dem  dankeln  Grunde 
treiben  die  hellen  Leiber,  dass  es  auseieht  wie  die  Sterne  ac. 
blauen  Hirame].  Aber  nur  der  nackte  Körper  ist  hell  (vgl.  V.  Il• 
u.  147,  der  zu  emendiren  i^t).  Der  δγριος  κλύ&υυν  hat  ihnei 
alles,  auch  das  Linnenhemd,  vom  Leibe  gerissen,  dass  sie  splitter- 
nackt auf  dem  Was  Her  treiben. 

Hier  stehen  wir  nun  am  Ende  eines  Abschnittes,  ül>fr 
ol  b*  (V.  109)  hat  ursprünglich  ein  Interpunctionszeichen  geetandeo. 

Die  folgenden  6  Veree  109 — 114  lese  ich  wie  der  Heraus- 
geber, nur  möchte  ich  V.  114  den  Trimeter  zusanamenfassen  und 
die  Myserklage  mit  dem  voretürzenden  Dochmius  Ίϋι  Muciai  be- 
ginnen. 

Ol]  b'  έττ'  άκταϊς  ένάλοις  -v^»   -ww_ 

110       ήμ€νοι  τυμνοτταγεις  -w-   -wv^- 

άυται  τ€  και  δάκρυ-  ^ w-^^- 

€τατ€Ϊ  [τ|όω[Γ|  οτερνοκτύποι  w-w-   --^_ 

γοηταΐ  θρηνώδει  κατείχοντ'  όδυρμΟϋΐ,  4  bacch. 

δμα  bk  |ταν]  πατρίαν  έπανεκαλεοντο •  ..^^^   _^_  ^_.^. 

01  b'  zu  Anfang  ist  sichere  Emendation.  Aber,  bemerkt 
der  Herauegeber,  'das  erste  Zeichen  sieht  eher  wie  das  obere 
Rund  von  Β  aus;  vom  zweiten  eine  geringe  Spur  unten,  und 
nichts  weiter,  obwohl  der  Papyrus  erhalten  ist'.  Das  I  war  nach 
rechts  geschwungen.  Ich  sehe  es  unten  und  oben  dicht  unter 
der  Paragraphos.  Denn  was  wie  das  obere  Rund  von  Β  aus- 
sieht ist  der  Ausläufer  einer  Paragraphos.  V.  109 — 150  ist  rUv 
als  Einheit  gefasst.  Dieser  Zeilenanfang  ΟΙΔ  sah  einmal  genäu 
so  aus  wie  der  entsprechende  in  Tafel  IV  21  nach  dem  Schlusi• 
der  Phrygerrede. 

In  dem  grossen  Gesänge  der  Asiaten  V.  115 — 150  UmI 
sich  zuerst  ein  Repräsentant  der  Mj'ser  vernehmen.  Er  ist  am 
Arganthonischen  Gebirge  zu  Hause.  Das  Mysische  Gebet  ist  in 
dringend  flehenden  lamben  gehalten,  von  grosser  Verve,  ah«-: 
das  ungestüme  Flehen  ist  schnell  verklungen.  Es  sind  nur  dre. 
kurze  Kola  und  ein  längerer  Satz,  in  dem  er  seinen  Grott  an- 
ruft. Mit  dem  trochäischen  Takte  ΤΤλόιμον  Έλλαν  setzt  ein 
Lyder  auff  Sardes  ein,  der  bis    zum    Schlüsse    das  Wort    behalt 


^  Dass  der  Leichen   eu   viele  sind  (έγάργαιρε),    kommt   dann   aI^ 
zweites  Moment  des  Ycrglciches  hiuzu. 


Zu  den  Pereorn  des  Timotheoe  489 

Ein  dritter  eingt  nicht.  Der  Sarder,  der  wie  der  MyRer  eein 
Vaterlnnd  angiebt  (vgl.  114),  redet  ruhiger  und  gemeesener.  Kr 
iKt  üultivirter  als  der  Myser,  aber  auch  aU  weichlich  charakte- 
risirt,  zainal  am  i^chluRB,  der  etwaR  weinerlich  klingt,  aber  von 
^rospeni  Wohllaut  iet.  In  dem  Augenblick,  wo  er  zur  groRsen  Mutter 
von  Sardes  betet,  setzen  die  äolischen  Rhythmen  ein  (V.  138). 
Wo  seine  Angst  und  Unruhe  steigt,  gehn  ^ie  in  daktylische  und 
iain bische  Reihen  über.  Myser  und  Lyder  sind  als  Pendant  be- 
handelt, 2  asiatische  Typen  \  rechte  Gegensätze  und  durch  die 
Götter,  zu  denen  sie  beten,  scharf  gekennzeichnet:  dort  der  arme 
niysische  Localdämon,  hier  die  reiche,  üppige  Göttin  vom  Tmolos. 
Selbst  die  Anreden  πάτ€ρ  (120)  und  ματ€ρ  (139)  sind  gewiss  auf- 
einander eingestellt. 

Das  Myeion  setzt  bei  v.  Wilamowitz  so  ein  : 
115  Ίώ  Μύααι 

öevbpoeOeipai  τττυχαί, 
[iuc]acee  μ'  dveev[b'j,  ϊν'  άή- 

ταις  φ€ρόμ6θα'  ου  γάρ  ίτι  ποτ'  ά- 

μόν  [€αι]μα  biHjax  [κόν]ις. 
Gleich  der  Anfang  ist  verderbt.  Denn  darin  hat  v.  Wila- 
mowitz gegen  Danielsson  Recht,  dass  er  in  der  Ueberlieferung 
.  .  .  •  ac9€  μ'  ένθίν56  νυν  άήταις  φ€ρόμ€θα  eine  Corruptel  an- 
nimmt. Aber  sie  steckt  in  φ€ρόμ€θα.  TOcacOe  scheint  für  die 
Lücke  etwas  zu  kurz,  aber  am  Anfang  wird  öfters  mit  Raum- 
versch Wendung  geschrieben-,  und  man  erwartet  einen  Begriff  wie 
CK€n€iv,  οτίγειν,  κεύθειν,  ^U€c8ai.  Allein  seltsam  wird  doch 
diese  Anrufung  der  Heimat  berge,  wenn  wir  pucacOe  ένθένδε  zu- 
sammen nehmen  'entführt  mich  rettend  von  hier,  wo  wir  von 
Winden  getragen  werden'.  Das  ist  doppelt  seltsam,  da  sie  doch 
auf  den  Klippen  sitzen  (109).  Und  wo  haben  Wälder,  Thäler, 
Berge  solche  persönlichen  Functionen,  was  ist  es  mit  dieser  Wir- 
kung in  die  Ferne?  Πώς  βββηλον  δλοος  δν  ^ύοιτό  με  fragen 
die   Hiketiden  (509). 

Situation,  Wunsch,  Gebet  sind  hier  ganz  wie  in  Aeschylos' 
Hiketiden  777  ff.,  die  auf  Erden  keine  Zuflucht  mehr  wissen  und 
in  ein  anderes  Reich  flüchten  möchten,  sei  es  unter  den  Boden, 
sei  es  in  die  Luft : 

7Γ0Ϊ  φύγωμεν  Άπίας 
χθονός,  κελαινόν  εϊ  τι  κεΟθός  icTX  που; 

1  Vgl.  Wil.  S.  60;  nur  ist  der  Bewohner  der  τ«Λ•β  ^,ι  eliminiren. 
^  Sogleich  119  [€ΐ2ι]μα,  das  sicher  cmenr^'  nielssonj. 


490  Sudhaus 

μέλας  γενοίμαν  καπνός  νέφ€€€ΐ  γειτοναίτν  Διός,        Γ• 
το  παν  b'  δφοντος  άμπ6τής  διοτος  ώς 
κόνις  δτ€ρθ€  πτερύγων  όχοίμαν*. 

Der  Wunsch  entrückt  zu  werden  nimmt  meist  die  Forn 
an:  hätte  ich  Flügel.  Δι'  αίθίρος  eTGe  ποτανοι  τ^νοίμεβα  hth< 
es  in  dem  echönen  Schifferliede  der  Helena  (1487).  An  Hippo- 
lytoe  (732)  darf  ich  nur  erinnern.  Der  Myser  aber  wünacbt  eio 
άναρπά2ΐ€θθαι,  φερεοθαι  θυΑλαις,  oder  wie  er  eie  ^wiss  nicht 
zufällig,  im  Gegensatz  zu  den  höeen  αδραι  (70.  92.  142),  nesst 
άήταις  φίρεοθαι,  er  möchte  von  den  Winden  fortgetragen  werieo. 
An  den  Strand  geworfen,  auf  den  nackten  Klippen  kanernc, 
schutzlos  und  frierend,  den  Kiementen  oder  dem  Feinde  verfalieo. 
sieht  er  unwillkürlich  das  Bild  der  sichern,  bergenden,  w&ld* 
bedeckten  Thalgründe  Mjsiens.  Wie  den  Hirsch  bei  Homer  alt 
bacKXoq  υλη  (0  273)  schützend  aufnimmt  (elpucaro),  möchte  aacs 
er  in  die  Mysischen  Wälder  entrückt,  dem  Verfolger  entgehen. 
Aus  der  Lage  entspringt  die  Vision  des  heimischen  Bergwalde» 
und   der  Wunsch: 

Ίώ  Μύααι  ^-  -s^- 

δενδροέθειραι  πτυχαί,  -w^-  -ν>_ 

^uc]ac0i  μ'•  ένθέν[1)]ε  νυν  άήταις    — ^_  -w-  ^ 

φερο^ί^μεθα'  ου  γάρ  ίτι  ποτ'  ά- 
μόν  [εώ]μα  δεΗεται  .  .  .  ις. 

'Ρύεαεθε  lässt  sich  halten,  ich  ziehe  indeesen  weg^en  (ρε- 
ροίμεθα  auch  an  der  ersten  Stelle  den  Optativ  vor.  Auch  da? 
Asyndeton  der  beiden  kurzen  Stosssenfzer,  an  sich  ja  veratänd- 
lich,  wird  so  weniger  fühlbar. 

Das  folgende  bestätigt  die  Emendation:  er  möchte  dnrcL 
die  Lüfte  fort,  denn  aufs  Wasser  wird  er  bei  Leibe  nicht 
mehr  gehen.  Ου  γάρ  έτι  ποτ'  άμόν  €ώμα  b^Scrat  —  dv 
Wasser,  ναΟς,  θάλαοεα.  Am  schönsten  und  vollsten  käme  der 
Ausdruck  heraus,  wenn  er  sagte:  wir  werden  unsern  Leib  nicht 
mehr  dem  Griechischen  Meere  anvertrauen  (ώς  έόντι  οολερι: 

1  Trotz  des  Scholions  schreibe  ich  οχοίμαν  für  όλοίμοίν.  Di« 
Mädchen  denken  hier  noch  nicht  an  Untergang,  sie  wollen  bloss  fort, 
verwandelt  wollen  sie,  aber  nicht  vernichtet  werden  (Anders  Ζ  34^. 
Androm.  847).  'Ich  möchte  zu  schwarzem  Rauch  werden,  den  Wolke- 
des  Zeus  benachbart.*  Aber  .da  sähe  man  sie  noch,  so  fahrt  sie  fort 
*ich  möchte  ganz  und  gar  unsichtbar,  aufflatternd  wie  unaichtbsavr 
Staub  ohne  Flügel  schweben*.  Vgl.  aber  v.  Wilamowitz  Commentar 
metr.  II  19  (Gott.  ind.  schol.  1S96). 


S^  —  V^  —       \^  ****  v^  .« 


Zu  den  Persern  des  Timotheos  491 

Herod.  VI  35).  Den  gewiss  ziemlich  persönlich  gedachten  όήται 
würde  passend  die  Personification  des  Meeres  gegentiberstehn, 
θβτίς  wäre  das  Lebendigste.  Gewitzigt  wird  er  und  seines 
Gleichen  nicht  mehr  temptare  Thefin  rcUibiis.  θίτίς  passt  haar- 
scharf in  den  Raum,  ich  glaube,  dass  es  einst  dastand  :  ου  γάρ 
ΐτ\  ποτ   άμόν  οώμα  οίΗβται  [θίτ|ις. 

Die  folgenden  klaffenden  Lücken^  hat  Danielseon  S.  30  so 
aus^efiillt:  κ€Ϊθ6τ  γάρ  χ€ρι(ρ)ρατές  Νυμφαιοτόν(Οον•  ίκιον  δν- 
τρον,  δθεν  εναλίας  κατά  πέΐας  μόλον.  €ΪΘ'  8  βαθύτ6ρον  ττόν- 
τοιο  χάομα  άπ€χ€  μάχιμον  πλόιμον  "Ελλαν'.  €Ϊθ€  μή  ςτίγην 
^όειμβν  ήμιτ€λ€Οπορον  έμός  όβοπότης.  Darin  sind  die  Worte 
δ  βαθύτ€ρον  —  μάχιμον  schon  ganz  richtig  gefasst.  Aber  den 
*  schiff  baren  Griechen'  bedauert  man  bei  dem  scharfsinnigen  Ge- 
lehrten zu  finden.  Scandierbare  Verse  sind  es  auch  nur  zur  Hälfte, 
und  dae  Ganze  ist  eine  gemuthliohe  sonderbare  Prosa,  die  von 
dem  Muciov  noch  wenig  herausbringt.  Das  muss  klingen  wie 
der  Vers  aus  AischyW  Mysern  (143  N.):  Ίώ  ΚόϊΚ€  Muctai  τ' 
έπιρροαΐ  oder  Και  cx^v'  fipacce  κάπιβόα  το  Muciov  (Pers.  1054). 

Auszugehen  ist  von  δπ€χ€  μάχιμον.  Wer  ist  der  Noth• 
helfer,  der  'ihm  den  streitbaren  (Hellenen)  vom  Leibe  halten 
8oll?^  £r  ist  im  Thalamos  der  Nymphe,  im  νυμφαΐον  geboren, 
ein  Nymphensohn,  ein  [ένά]λιος,  ein  mysischer  WasserdSmon. 
Und  löten  wir  von  den  rätheelhaften  Buchstaben  ΑΣΤΑΚΑΤΤΕ 
das  zweite  &π€[χε]  los,  so  haben  wir  die  Anrede  ''AcraKe,  damit 
aber  ist  der  Schlüssel  der  Stelle  gefunden  ^  Denn  das  übrige 
findet  eich  nun  leicht,  πά[τ]€Γρ]  vor  νυμφαιόγονε,  αντρον  o[i- 
Kurv],  wo  nun  bloss  noch  der  Name  der  Höhle  fehlt.  In  der 
Licbtdmcktafel  las  ich  statt  ON  |  .  .  .  .  ON  mit  Sicherheit  OPI  .  | 
....  ON,  vor  dem  letzten  ON  noch  den  Fuss  eines  I.  Milohhöfers  Ge- 
lehrsamkeit verdanke  ich  den  Hinweis  auf  Eustathios  zu  Dionysioi 
Periegeee  322.     Myeos,  der  Eponymos  des  Volkes,  ist  danach  ein 


1  Die  erste  Ausgabe  giebt  120—127  so: 
κ[Ορ]€γ  γάρ  χερΙ  πα[λ]€[ο]νυμ- 
φαγόνον  [Αβατ]ον  δντρον 

ο ^ιαΓΓακαπ€  .  .  . 

.  .  .  δον€ΐτ€θ  βαθΟ[τ]€ρον  πόντοιο  τ[έρμ]ο. 
δπ€χ€  μ*  άχ{  μο[ι  κ]α[τά] 

πλόιμον  'Έλλαν  €0[πατ]ή  ετέγην  £6ειμ€ 
[τ]η[λ€τ]€λ6οπόρον  έμός  |  0€€ΤΓΟτης. 
»  Der  Athosdnrchstich  soll  gemeint  sein. 
'  Vgl.  Röscher  unter  Astakos,  Olbia. 


492  Sudhaus 

• 
Sohn  der  Ariratithone,  Άργανθώνης  τής  Τ£νναίας  της  op€Cißioi 

wo  Bchoii  Valckeiiaer  (Diatr.  p.  lO^C)  den  Eigennamen  vennnthtrl• 
und  wo  nun  die  V^erbeeeerung  Όρηοΐβίου  durch  den  ehrwürdige- 
Papyrus  ber^tätigt  wird.  Jetzt  leee  ich  übrigens  deatlicb  OPl• 
.  .  .  lON.  Die  fehlenden  Buchstaben  waren,  nach  dem  Räume  zu 
schliessen,  nur  klein,  am  Opn[ciß]lOV  dvTpOV  ist  kein  Zweifel  meb 
Südwestlich  von  der  alten  Megarischen  Colonie  Aetakos,  d:' 
dem  AstakeniRclien  Golf  den  Namen  gegeben,  zieht  eich  vul 
Osten  nach  Westen  das  ArganthoniRche  Gebirge,  die  Heimat  Ut> 
llylas,  Astakos,  Mysos  und  ihrer  Sippen.  Wo  eich  dae  Gebir^r 
mit  dem  Cap  Poseidion  in  die  Propontis  erstreckt,  mag  dir 
Nymphe  Olbia  dem  Poseidon  den  Astakos  geboren  haben,  dor 
wird  man  die  Oresi bische  Giotte  zu  suchen  haben  and  vielleicb' 
noch  einmal  finden.  Astakos,  im  Thalamoe  der  Nymphe  Er- 
hören, in  der  Grotte  wohnend,  ist  einer  jener  theriomorpbr: 
Localdämonen,  an  denen  die  ganze  Küste  südlich  des  Ponto:^  ori 
der  Propontis  ruich  war.  Höhlen-  und  Nymphenculte  treffen  wir 
dort  in  grosser  Zahl.  Für  uns  ist  diese  ganze  theriomorphe  Er 
ligionsschicbf,  die  gegenüber  der  Entwicklung  der  griecbiscbt: 
Götterwelt  so  alterthtimlicb  erscheint,  so  gut  wie  verschollen. 

Timotheos  nun,  um  endlich  zum  Texte  zurückzukommei. 
charakterisirt  den  Harburen  durch  den  Gott,  den  er  anruft,  l•^ 
mögen  denn  seine  Zuhörer  zuerst  ganz  ernsthaft  die  Worte  al- 
gehört  haben  χέρι  πάτερ  νυμφαιόγονε  Όρηοίβιον  δντρον  οικύτ» 
ενάλιε  —  als  aber  das  Wort  "Άοτακε  fiel,  und  nun  das  χέμ 
nicht  mehr  wie  üand,  sondern  wie  Schere  klang,  da  wird  ee  κ 
einem  Heiterkeitserfolge  nicht  gefehlt  haben,  am  so  weniger,  }i 
stürmischer  das  heisse  Gebet  an  die    Krabbe*   erklang. 

Abgesehen  vom  ersten  Wort,  wo  ich  anders  lese,  als  dK 
erste  Ausgabe  verzeichnet,  lautet  dieses  Gebet: 

κ  .  0€T  γαρ  χέρι,  τΓάΙτ1ε[ρ]  ^--.   --^_ 

νυμφαιόγον*  Όρη[αβ|ιον  άντρον  οίικών,  «_^ — ,^_    .. 

ένάίλι'  "AcTttK*,  άττε[χ'  dßuc-  ^^^^  w«-^_ 

COV  εϊτε  δ  βαθύ[τ]€ρον  ττόν-  ^^κ^^^   ^__ 

τοιο  χ[ά€]μα  δττεχε  μάχιμο[ν  Ί]ά[ονα.  -ο-  ^^^^«^  ^-.. 

An  erster  Stelle  las  ich  von  Anfang  an  ein  schadhafte» 
M.  Es  Avar  nicht  grösser  als  die  ersten  Μ  auf  Tafel  IV.  l•* 
Schein  von  Κ  entsteht  durch  die  Verstümmelnng  rechte  o\ 
Der  dritte  Buchstabe  war  Θ,  denn  die  Bauchung  (:sr  :^  ai 
links  erscheint  ein  Schimmer,  so  dass  die  elliptische  Form  m 


Zu  den  Persern  des  Timoibeos  493 

bar  wird)  ist  grösser  als  es  bei  einem  0  Kegel  ist  (2  mm); 
seine  Stellnng  und  Zeilenböbe  soblieeAt  P,  seine  rnnde  Gestalt 
ecblieeet  Φ  aus  (φ).  —  Μ  .  ΘΕΓΓΑΡ  läset  aber  kaum  eine 
andere  Ergänzung  zu  als  μεθέγ»  μeθέv^  die  erforderlicbe  Er- 
gänzung zu  απ€χ€|  arce  α  me.  Das  letzte  Wort,  das  dem  Sinne 
nach  ^Grieche'  bedeuten  muss,  das  Substantivnm  zu  μάχιμον, 
das  vor  dem  Λ  oder  Α  noch  einen  ganz  kleinen  ßucbstaben,  zum 
Schlnsee  höchstens  3  hatte,  ist  Ίάονα^  aUo:  μάχιμοΓν  Ί]ά[ονα]. 
So  nennt  der  asiatische  Barbare  den  Hellenen:  ου  λήψι  XpOco 
)(<αυνόπρωκτ'  Ίάονα  (Ar.  Ach.  104). 

Im  einzelnen  ist  fast  jedes  Wort  gesichert,  am  wenigsten 
äßuccov  χάομα,  wo  ich  jedoch  von  äßuccov  das  zweite  Σ  im 
Lichtdruck  zu  erkennen  glaube;  wenigstens  wtisste  ich  nicht, 
welcher  andre  Buchstabe  es  sein  sollte,  von  Δ  sehe  ich  nichts. 
Aach  das  χ  von  χάζμα  verräth  ein  winziger  Ansatz  an  den  Punkt 
oben  links,  der  als  Τ  gelesen  ist,  und  der  Schimmer  des  von 
links  unten  beginnenden  Querstriche.  Für  die  Ergänzung  spricht 
Eur.  Phoen.  1604,  schon  von  Danielsson  angeführt:  Ταρτάρου 
γαρ  ώφελεν  έλθ€ΐν  Κιθαιρών  ύς  Sßucca  χάοματα.  Auch  hier 
iBt  der  Hades  gemeint.  Denn  das  ganze  will  besagen :  'Von  mir 
halte  denn  du  mit  der  Hand,  Vater,  in  der  Nymphengrotte  ge- 
borner,  der  du  die  Oresibische  Höhle  bewohnest,  Meergott  Astakos, 
halte  ab  den  grundlosen  Meeres-  oder  was  noch  tiefer  ist  als 
des  Meeres  Schlund,  halte  ab  den  kriegerischen  laon.'  Der  ist 
schlimmer  als  der  Tod. 

Mit  V.  125  dringt  nun  aus  dem  Stimmengewirr  der  schiff- 
brüchigen Barbaren  ein  anderer  Ton  an  unser  Ohr.  Der  Papyrus 
setzt  hier  die  Zeile  ab  wie  am  Schlüsse  der  beiden  folgenden 
Reden.  Ja,  es  ist  sogar  das  schon  geschriebene  wieder  fort- 
gelöscht  und  die  Zeile  frei  gemacht.  ^Varum?  um  die  Rede  ab- 
zusetzen, oder  weil  er  sich  verschrieben  hatte?  Nach  dem,  was 
ich  auf  der  Tafel  von  dem  Ausgelöschten  lese^,  muss  ich  das 
erstere  annehmen. 

So  beginnt  denn  die  Lyderklagö  mit  dem  Satz: 


»  Vgl    Kaibel  Com.  Graeo.  fr.  S.  157. 

3  Mir  will  es  scheinen,  als  hätte  nach  dem  Fusse  des  Α  von 
1dova  ein  Doppelpunkt  gestanden,  dann  ΤΤΛ01Μ,  dann  anter  ΑΘΥ  der 
vorhergehenden  Zeile  freier  Rnum  (n  :  ΤΤΛΟΙΜ  .  .  .).  Genau  so  wird 
aber  in  der  Perikeirome*«'*  "«    Personenwechsel  angegeben. 


—  v^  — ν>       S^'WWV/ 


494  Sudhaus 

125  ΤΤλόιμον  Έλλαν  €ύ[πατ]ή  cri-     ^^s^ —   _w- 
γην  Α€ΐμ'  έ[κ]η[λοτ]€λ€θ- 
ττόρον*  έμός  δεοττότης. 

Für  ein  κατά  oder  ähnlichee  iet  kein  Platz,  and  ich  g'eetehe,  da» 
ich  κατά  πλόιμον  "Ελλαν  gerne  fortfallen  eehe.  Aber  kann  mu 
sagen  Έλλαν  .  .  .  οτίγην  ίb€ιμe?  Ja  nnd  nein.  Wenn  r»  nir^i 
ein  Barbar  spräche,  der  eich  gleich  mit  dem  ersten  Worte  cbA* 
rakteriairt,  würde  ichs  nicht  glauben.  Ans  seinen  Worten  n<i^^ 
ΰβρίς  nnd  όφροούνη.  So  sprechen,  die  bei  Herodot  VIi35  den 
Helieepont  peitschen,  dazu  βάρβαρα  Τ€  καΐ  ότάοθαλα.  So  var 
auch  die  wirre  Rede  jenes  ήπ€ΐρώτης  κατ'  έΕοχήν  V.  86  ff.  ge* 
halten,  den  die  Ironie  des  Schicksals  in  dem  verbaesten  und  fre- 
fürchteten  Elemente  untergehen  Hess.  Der  Dünkel  des  Barbarer 
läset  die  bekannte  groteske  Vorstellung  entstehen :  mein  Herr 
schafft  den  Meeresarm  zum  Festiande  um.  Die  dünkelhafte  Vc^r- 
Stellung,  in  prableriscbe  Worte  umgesetzt,  erwirkt  die  enteprecheDi« 
grammatische  Construction  eines  doppelten  Accusativs,  der  eir 
Gestalten,  Umbilden  zu  etwas  zum  Ausdruck  bringen  soll,  ncd 
dem  kommt  die  allgemeine  Bedeutung  von  δέμειν  *banen,  te- 
legen als^  entgegen.  Beispiele  giebt  die  Komödie.  So  aagt  der 
Chor  der  Acbarner  V  300  δν  έγώ  τβμώ  Tofciv  lirrrcOo  καττί>• 
ματα,  der  Wursthändier  in  den  Bittern  370  meint  in  bnrleeker 
Prahlerei  bepiXi  C€  θύλακον,  und  Strepsiades  redet  in  den  Woiker 
442  von  einem  acKOV  beipeiv  το  οώμα.  Damit  ist  die  Wendonf 
'mein  Herr  legte  den  schiffbaren  Helieepont  als  eine  wohlgeffi^tt 
und  gemftchllch  zum  Ziele  führende  Decke  an*,  in  die  nothi^ 
Beleuchtung  gesetzt.  Timotheos  lässt  hier  jenen  Barbaren  vi« 
Arietophanes  seine  Renommisten  reden.  Die  Emendation  vo: 
Wilamowitz  €ύπατή^  sitzt  zu  fest,  als  dass  man  daran  rutteli 
könnte.  Das  ganze  würde  man  etwa  paraphrasiren :  τον  'Ελ- 
λή€ποντον  τόν  φύζ€\  πλόιμον  όντα  και  έπικίνδυνον  ό  έμός  b« 
οπότης  (εΙς)  οτ^γην  μ€Τ€0Κ€ύα€€ν  €ύοτιβή  και  όοφαλαις  παρο 


^  έκηλοτ€λ€οπόρον  habe  ich  τηλ€Τ€λ€οπόρον  vorgezogen,  «ρ 
diesen  Hydrophoben  der  Gesichtspankt  der  Sicherheit  und  'Gemicn 
lichkeit*  obenan  steht.  Nur  kein  πόδα  τέγγβιν!  —  Der  Weg  fuhr. 
weit,  die  Brücke  führt  sicher. 

^  Der  Haum  ist  nicht  zu  knapp  bemessen,  wie  Danielsson  gUal•! 
weil  der  Fetzen,  auf  dem  ΗΣΤ  steht,  etwas  nach  rechts  zu  rücken  i«' 
Seine  Emendation  €Ϊθ€  μή  würde  auch  in  den  Baum  passen.  Das  T<^ 
ist  aber  auch  ohne  das  €ΐθ€  μή  verständlich.  Fretum  natfig€ώtU  ^^ 
minus  tneus  iegumentum  effecit  firmum  ei  tutum;  neque  enim  aUter  tt 


Zu  den  Persern  des  Timotheos  495 

πέμπουοαν    προς   τό   τέλος.     Die  πλόιμα   πεοία  (89)   werden 
βάοιμα.    Aeeohylos  sagt  Pere.  747  καΐ  πόρον  μετερρύθμιΖΙε  1 

Während  ihm  sein  Herr  in  mehr  als  menschlicher  Grösse 
erscheint,  offenbart  er  den  eigenen  Kleinmuth  annmwanden.  Ohne 
die  verhängniesYolle  Brücke  wäre  er  hübsch  daheim  geblieben, 
nun  ist  guter  Rath  theuer: 

130  NOv]  bk  παι  τις  ου€ίκφ€υκ[τ]ον  €Ö- 
ρηι  τλυκ€ΐαν  μόρου  καταφυγήν; 
Ίλιοπόρος  κακών  λυαί- 

α  μόνα  γένοιτ'  άν, 
ei  δυνατά  ττρός  μελαμττεταλο- 
135       χ{τωνα  Ματρός  ούρεί- 

ας  οεοπόουνα  γόνατα  πεοεϊν, 
εύιυλένους  τε  χείρας  όμφέβαλλον. 
XOcov  χρυοοπλόκαμε  θεά 
Ματερ,  ΙκνοΟμαι, 
140  έμόν  έμόν  αΙώνα  bvcix- 
φευκτον,  έπεί  με 
αύτίκα  λαιμοτόμαιι  τις  άποίοεται 

ένθάδε  μήοτορι  cibapuji 
ή  κατακυμοτακεΐς  ναυοίφθόροι 
145       αυραι  νυκτιπαγεΐ  βορέαι  οια  |  ραίοονται. 

134  buvacTtt  135  λακιτιυνα  137  αμφίβαλλιυνλιαων. 

Ίλιοπόρος  ^nach  Ilion  befördernd*  ist  grammatisch  schwer  zu 
rechtfertigen.  —  Auch  ist  es  fraglich,  ob  die  grosse  Matter  vom 
Ida  im  5.  Jahrhundert  in  Ilion  eine  Cultstätte  von  einiger  Be- 
deutung hatte.  Wenigstens  opfern  Xerxes  und  im  Jabre  411 
Mindaros  dort  der  Athene^.  Dagegen  besass  die  grosse  Mutter, 
die  ja  ihre  Hauptoultstätten  in  Phrygien  und  Lydien  hat,  in  Sardes 
ein  berühmtes  Heiligthum,  das  im  ionischen  Aufstande  verbrannt 
war  und  in  den  Beziehungen  zwischen  Persern  und  Griechen  eine 
Rolle  gespielt  hatte  (Herod.  V  112),  und  ein  Sarder  spricht.  Vor 
allem  aber  scheint  es  mir,  dass  Ίλιοπόρος  gar  nicht  im  Papyrus 
steht,  und  ich  vermisse  hier  schmerzlich  die  Eineicht  in  das  Original. 

In  der  Lichtdrucktafel  erscheint  es  wie  ιαιοποροο.    Δ  sitzt  dicht 
auf    dem  Α  auf,    dichter    noch    als    hinter    ΒΟΡΕΑ  (V.  145  = 


1  ilerod.  VH  43,  Xen.  Hell.  1  1,  4,  vgl  A.  Brückner  bei  Dörpfeld 
Troja  u.  Ilion  S.  575. 


498  Sudhaus 

beides  nach  wie  vor  unverständlich  bleibt,  mfLg  aber  anch  nicht« 
vorschlagen  wie  άλάοτορι,  καταγυίοτακεΐς ,  das  bat  ja  keior 
Gewähr.  ΤΤαμμήοταιρ  heisst  anf  dem  Groldtäfelcben  bei  Diel«. 
Festeohr.  f.  Gomperz  12  die  Μοίρα,  bei  Nanck  TOF  adeej. 
129  Ares. 

Aber  in  dem  letzten  Abschnitt  kann  man  den  Dichter,  wif 
mir  deucht,  mit  Sicherheit  von  einem  jener  geeachten  und  od- 
klaren  Ausdrücke  befreien,  die  seinen  Text  entetellen.  —  Der 
attische  Boreas  weht  scharf  über  die  Klippen.  £r  kann  wie  mit 
Nadein  stechen,  und  der  Sarder  ist  nackt.  Der  arme  άβρόβιος. 
nun  wird  er  gar  erfrieren,  er  kommt  sich  selber  recht  bejam- 
memswerth  vor: 

π€ρΙ  γαρ  κλύ^ιυν 
άγριος  άνέρρη&ν  άπαγ 

γυίων  εΠ>ος  υφαντό  ν 
ένθα  κ€{€ομαι  οΙκτρός  όρ- 
150        νίθαιν  iGveciv  ώμοβρώοι  θοινά.*   — 

Er  wird  erfrieren,  denn  zerrissen  sind  —  nicht  etwa  seine  Kleider, 
wie  man  denken  sollte,  sondern  *die  ganze  gewebte  Gestalt  der 
Glieder*.  Hier,  meine  ich,  hilft  die  Logik  dazu,  den  preciöeen 
Ausdruck  zu  verscheuchen.  Um  das  γαρ  zur  Geltung  zo  bringer. 
muBS  man  einen  Ausdruck  wie  Hülle  der  Glieder  postulirec. 
Der  flüchtige  Schreiber  bat  das  in  dieser  Schrift  dem  ΕΙΔΟΣ 
sehr  ähnliche  ΕΡΚΟΣ  falsch  gelesen.  So  erst  erhält  das  γάρ 
Sinn,  wenn  er  sagt:  der  Nachtfrost  wird  mich  tödten,  irepi  γβρ 
κλύοων  δγριος  άνίρρηΗεν  δπαν  γυίων  ϊρκος  ύφαντόν  (wie  17!^ 
die  οτολή  εύυφής).  Das  'gewebte  Gehege'  hätte  ihm  den  Boreas 
abgehalten.  Das  Wort  ist  gut  gewählt,  δτι  παν  öcov  fiv  €ν€κα 
καιλύ€€ΐϋς  βϊργη  τι  πβριίχον,  ?ρκος  βΙκός  όνομάΖειν  (Plat.  SopL. 
220  ϋ).     Ε  315  ist  Aphroditee  Peplos  ein  ίρκος  β€λέιυν. 


So  ist  denn  der  ehrwürdige  Papyrus,  der  vielleicht  nur 
durch  ein  Menschenalter  von  Timotheos  letzten  Jahren  getrennt 
ist,  von  zahlreichen  Fehlem  entstellt,  die  Verwilderung  reiset  ein 
Die  dritte,  vierte  Abschrift  würde  wahrscheinlich  schon  weit  be- 
denklicher aussehen.  Aber  hier  sind  diese  zahlreichen  Fehler 
zum  Glück  noch  harmloser  Natur,  v.  Wilamowitz  hat  sie  zum 
grössten  Theil  mit  sicherer  Hand  entfernt.  Nur  eine  Form  der 
Yerderbniss,  die  meiner  Ansicht  nach  überhaupt  weit  mehr  be• 


Zu  den  Persern  des  Timotheos  499 

rücksicbtig^  werden  mnee,  ale  es  gemeiniglich  geschieht,  er- 
echreokt,  die  Lücken  im  Text,  deren  ich  sieben  yermuthe.  Zwei 
stehen  am  Zeilenschlnss  άφρώι  bi  72  nnd  να€ς  bi  195.  Zwei 
sind  relativ  harmlos  τ€τρά<ορ)ον  204  und  ΑΙολία  <vi)v  239. 
Derselben  Fehlergattung  begegnen  wir  in  Xic<€c6ai(?)  —  bic)- 
cijüv  1 37.  Undurchsichtig  bleibt  zunächst  noch  234,  unsicher  die 
Lücke  179. 


Unter  v.  Wilamowitz'  Händen  hat  der  kitharodische  Nomos 
des  Dichtere  Timotheos  schnell  Farbe  und  Leben  gewonnen,  und 
doch  war  die  Aufnahme  des  unschätzbaren  Litteraturstückes  selbst 
im  ganzen  ziemlich  kühl.  Eigentlich  ist  das  auch  kein  Wunder, 
denn  es  fehlt  uns  ja  für  immer  der  Componist  Timotheos,  dem 
Ohre  wird  seine  Dichtung  nicht  mehr  vernehmlich,  und  wir  ver- 
spüren immer  nur  die  Hälfte  seines  Geistes.  Nun  fällt  es  ja 
niemand  ein,  wider  das  Urtheil  des  ausgehenden  fünften  und  der 
folgenden  Jahrhunderte  anzugehen,  wir  glauben,  dass  Timotheos 
ein  tüchtiger,  begabter  Künstler  war,  aber  was  wir  nicht  im 
Innern  spüren,  glauben  wir  nur  halb.  Indessen  läset  sich  hoffen» 
dasB  wir  die  verlorene  Musik  —  fremdartig  wäre  ja  auch  sie  — 
durch  Einleben  in  den  metrischen  Aufbau  der  Dichtung  einiger- 
massen  ersetzen  können.  Wenn  man  dann  eine  Partie  dieses 
Textes,  beispielsweise ^ den  Gesang  'der  Asiaten'  aufmerksam 
durchgeht^  und  verfolgt,  wie  in  den  wohllautenden  Versen  der 
Rhythmus»  oft  so  merklich,  dem  Inhalte  angepasst  ist,  wie  hier 
allea  von  dem  Fortissimo  des  leidenschaftlichen  Einganges  bis  zu 
dem  schmelzenden  Ausklang  ^  kunstvoll  in  mannigfaltigem  Wechsel 
abgetönt  ist,  so  glaubt  man  doch  etwas  von  der  Gewalt  zu  ver- 
spüren, mit  der  einst  der  Diohtercomponist  seine  Hörer  ergriff, 
dase  sie  lachen  und  weinen,  jubeln  nnd  zittern  mussten,  und  ver- 
steht so  allmählich  das  Urtheil,  das  die  Zeitgenossen  über  die 
berühmte  Dichtung  fällten. 

Kiel.  S.  Sudhaus. 


^  Aus  Philodem  TTcpl  ποιημάτων  könnte  man  das  fast  für  jeden 
Bttchetaben  darstellen,  es  wird  Zeit,  dass  diese  Schrift  herausgegeben  wird. 


EINE  RATHSVERSAMMLUNG  AUF  EINEM 

ITALISCHEN  RELIEF 
AUS  DEM  VI.  JAHRHUNDERT  v.  CHR. 


Unter  den  thönemen  Friesplatten,  die  im  Jahre  1784  ic 
Velletri  entdeckt  worden  und  deren  archaischer  Stil  aof  dae  6.  Jahr- 
hundert V.  Chr.  zurückweist,  hat  das  durch  die  beistehende  Ab- 
bildung reproducirte  Exemplar^  noch  nicht  die  gebührende  Be- 
rücksichtigung gefunden.  Man  sieht  darauf  zwei  Jünglinge,  die 
vor  vier  auf  Klappstühlen  sitzenden  M&nnern  stehen  und  von 
denen  der  vordere  in  der  Rechten  einen  Pfeil    und    einen   Bogeo 


hält.  Auf  der  rechten  Seite  ist  die  Platte  unvollständig.  Ton 
einer  fünften  sitzenden  Figur,  die  auf  dem  verlorenen  Stücke  dar- 
gestellt war,  hat  sich  nur  die  untere  Hälfte  der  Beine  erhalteo. 
Doch  war  die  Darstellung  mit  dieser  Figur  noch  nicht  ab- 
geschlossen. Vielmehr  bot  die  Platte,  wenn  wir  für  sie  dir 
gleiche  Länge  von  0,70  M.  voraussetzen,  welche  die  zu  derselben 


^  Nach  Miluni  Studi  e  materiaU  dt  archeologia  e  numisnuUiea  1 
p.  105  Fig.  12  (vgl.  p.  106).  Pellegrini  hat  daselbst  die  ältere  Li:• 
teratur  zuBammengeBtelli,  die  eich  auf  diese  Platte  bezieht. 


Eine  Rat hs Versammlung  auf  einem  italischen  Relief  501 

Serie  gehöriefen,  vollständig  erhaltenen  Exemplare  haben,  noch 
Raum  dar,  nm  am  rechten  Ende  eine  sechste  sitzende  oder  zwei 
dicht  neben  einander  stehende  Fignreii  anzubringen. 

Die  erhobene  Linke  des  mit  dem  Bogen  bewehrten  Jüng- 
lings, die  Bewegungen,  welche  sein  Genosse  mit  beiden  Händen 
macht,  und  der  vorgestreckte  Unterarm  des  unmittelbar  vor  den 
Jünglingen  sitzenden  Mannes  lassen  deutlich  erkennen,  dass  die 
drei  Personen  in  einem  Gespräche  begriffen  sind.  Die  sitzenden 
Figuren  tragen  durchweg  eine  bis  zu  den  Füssen  herabreichende, 
dem  χιτών  ποοήρης  entsprechende  Tunica,  einen  knappen  Mantel, 
der  eng  an  dem  Körper  anliegt  und  in  dem  wir  einen  vorklassi- 
schen  Typus  der  Toga  erkennen  dürfen,  und,  wie  es  scheint, 
Schuhe  mit  leicht  emporgebogenen  Spitzen^.  Die  vorderste  und 
die  vierte  von  links  zeigen  keilförmige  Einnbftrte,  aber  keine 
Spur  eines  Schnurrbartes  und  stützen  jede  mit  der  Rechten  ein 
Scepter  auf  den  Boden.  Die  beiden  zwischen  ihnen  sitzenden 
Figuren  sind  bartlos;  die  eine  hält  in  der  Rechten  einen  am 
oberen  Ende  gekrümmten  Stab;  das  Haupt  der  anderen  ist  mit 
einem  kegelförmigen  Hute  bedeckt,  den  ein  Römer  als  püleus 
oder  iutulus  bezeichnet  haben  würde.  Die  beiden  bartlosen  Fi- 
guren sind  im  Gegensatze  zu  der  streng  typischen  und  im  Wesent- 
lichen gleichartigen  Charakteristik  der  beiden  Alten  in  freierer 
und  individuellerer  Weise  behandelt.  Der  junge  Mann  mit  dem 
Krumm  Stabe  wendet,  die  Linke  auf  das  Sitzbrett  stützend,  seinen 
Kopf  nach  dem  hinter  ihm  sitzenden  Pilleatus  um;  der  letztere 
hält  die  Rechte  auf  den  Rücken  gelegt,  stützt  den  linken  Ellen- 
bogen auf  den  Oberschenkel,  das  Kinn  auf  die  linke  Hand  und 
scheint  aufmerksam  der  Rede  zu  lauschen,  die  der  sich  um- 
kehrende Genosse  an  ihn  riohtet. 

Wenn  Pellegrini^  die  dargestellte  Handlung  als  eine  scena 
di  adoraeione  e  di  Offerte  agli  dei  bezeichnet,  also  die  beiden  am 
linken  Ende  der  Platte  angebrachten  Jünglinge  für  Adoranten, 
die  sitzenden  Figuren  für  Götter  oder  für  Idole  von  solchen 
erklärt,  so  ist  diese  Erklärung  entschieden  unzulässig.  Die  Ge- 
berden der  beiden  Jünglinge  sind  keineswegs  die  beim  Gebete 
üblichen,  sondern  entsprechen   denjenigen,    mit   denen    man    eine 


^  Vgl.  Athen.  Mittheüungen  II  (1877)  p.  460  Anm.  1.  Daremberg 
et  Saglio  DkHonnaire  des  antiquites  II  p.  819.  Perrot  Histoiirt  de  Vart 
IV  p.  562- 5«4. 

«  Bei  Milani  Studi  e  maieriali  I  p.  106. 


502  Holbig 

lebhafte   Rede   begleitet.     Die   sitzenden    Figuren     können    keior 
Götteridole  sein,    weil   ein  Idol    eine  in  sich  abg'eecfaloseene  Hal- 
tung erfordert,  wogegen  der  zu  vorderst  sitzende  Alte  durch  dit 
Bewegung  seines  linken  Unterarmes  zu    den    vor    ihm    stehenden 
Jünglingen  in  Beziehung  gesetzt  ist,  der  den  Krnmmstab  haltende 
Mann  sich  nach   dem  hinter  ihm  sitzenden  umwendet   und  hiermit 
dessen  Aufmerksamkeit  auf  sich  zieht.    Aber  auch   die  Annahme, 
dass  ein  Götterverein  dargestellt  sei,   stösst  auf  Schwierigkeiten. 
Es  yersteht  sich,   dass   die   für  eine  solche  Darstellung  erforder 
liehen  Bedingungen  erst  vorlagen,  nachdem  die  Begriffe  der  Gott- 
heiten in  Cultusbildern  feste  Formen  empfangen  hatten  und  hier 
mit    diese    Formen    allgemein    geläufig    geworden    waren.      Nqq 
dürfen    wir  aber  mit  Sicherheit   annehmen,    dass   der    Cultus  aai 
der  Apenninhalbinsel  ursprünglich  bildlos  war  und  daes  das  Idol 
daselbst  verhältnissmässig  spät  Eingang  fand.     In  Rom  erfolgtt 
diese  Neuerung  erst  im  6.  Jahrhundert  v.  Chr.,    als    eine    etrus• 
kisohe  Dynastie    den  Staat   beherrschte^.     In    Etrurien     mag    sie 
etwas    früher    eingetreten    sein,    da  diese  Landschaft    den    über- 
seeischen Einflüssen  leichter  zugänglich  war  und  die  monumentale 
Kunst  sich  hier  früher  entwickelte  und  rascher  fortschritt  als  in 
Latium.    Das  älteste  Beispiel  eines  etruskischen  Idols    wird,  wie 
es  scheint,  durch  eine  der  bemalten  Thonplatten '  dargeboten,  mit 
denen  die  Wände    einer    gewiss    hoch    in    die    erste  Hälfte    dei 
6.  Jahrhunderts  hinaufreichenden,  caeretaner  Grabkammer  inkrustirt 
waren,  Platten,    die  aus  der  Sammlung  Campana  in    den   Louvre 
Übergingen.     Man  sieht  darauf  ein  weibliches  Idol,  das  auf  einer 
hohen,    aus    verschiedenfarbigen    Steinen    oder    Thonplatten    zu- 
sammengefügten   Basis    steht;    die    Göttin    trägt    einen    kuppei- 
förmigen   Tntulus,  der  unten  von  einem  metallenen  Diademe  um- 
geben ist;  vor  der  Basis  bäumt  sich  eine  Schlange  empor.    Doch 
zeigt  die   auf    dieser  Platte    angebrachte  Darstellung    mancherlei 
Eigenthümlichkeiten,    die  Verdacht   gegen   ihre  Authenticität  er- 
wecken könnten.    Was  im  Besonderen  das  Idol  betrifft,  so  bekundet 
es    eine    merkwürdige  Aehnlichkeit    mit    dem  Idole    der    Göttitt 
Chryse,  wie  dasselbe  auf  mehreren  rothfigurigen  attischen  Vaseo 
fortgeschrittenen  Stiles    dargestellt    ist^,    eine  Aehnlichkeit,    die 

*  Die  Hauptstelle:  Varro  bei  Augustin.  de  civitate  dei  IV  .*U. 
Vgl.  Detlefsen  de  arte  Bomanorum  afUiquissima  I  p.  3.  Wieso« 
Reliffion  und  KuUna  der  Bömer  p.  28. 

a  Mon.  delV  Inst.  VI  T.  XXX  n.  VI;  Ann.  1859  p.  aH9-:i40 

8  Milani  ü  mito  dt  FHottete  T.  I  1,  4,  5. 


Eine  RathsvcrsammUing  anf  einem  italischen  Relief  503 

noibwendi^  befremden  muss.  Sebr  sonderbar  erecbeint  femer 
die  Behandlung  dea  Tatalas.  Auf  den  archaischen  Bildwerken 
tragen  die  Etmskerinnen  häufig  ein  mantelartiges  Kopftuch,  ent- 
weder um  die  Schultern  gelegt^  oder  über  den  Tutulue  empor- 
gezogen ^.  Da  der  Tutulns  des  auf  der  caeretaner  Platte  dar- 
gestellten Idols  auf  der  hinteren  Seite  yon  leicht  gebogenen 
Linien  durchscbnitten  ist,  so  wird  man  geneigt  sein,  in  diesen 
Linien  die  Umrisse  und  Falten  des  über  die  Haube  gezogenen 
Kopftuches  zu  erkennen.  Doch  mues  es  dann  auffallen,  dass  der 
Maler  es  unterlassen  hat,  den  nach  den  Schultern  hinabreiohenden 
unteren  Theil  dieses  Gewandstückes  wiederzugeben.  Wir  em- 
pfangen somit  den  Eindruck,  dass  der  Maler  von  dem  archaischen 
Trachtmotive,  das  er  darstellen  wollte,  keinen  deutlichen  Begriff 
hatte  und  dasselbe  in  Folge  dessen  nur  theilweise  zum  Ausdruck 
gebracht  hat.  Unter  solchen  Umständen  gebietet  die  Vorsicht, 
keine  Schlüsse  auf  jenes  Idol  zu  gründen,  bis  eine  genaue  Unter- 
suchung festgestellt  bat,  ob  dasselbe  in  der  That  zu  dem  antiken 
Bestände  der  Malerei  gehört  oder  seinen  Ursprung  einer  Retouche 
verdankt,  die  Campanas  erfindungsreicher  Restaurator,  Pennelli, 
auf  der  Platte  vorgenommen. 

Wie  aber  auch  die  Entscheidung  ausfallen  mag,  jedenfalls 
ist  die  Existenz  zweier  Götterbilder  in  Rom  für  das  6.  Jahr- 
hundert V.  Chr.  in  durchaus  glaubwürdiger  Weise  bezeugt.  Es 
waren  dies  die  Thonstatue  des  lupiter  optimus  maximus,  deren 
Ausführung  für  den  damals  im  Bau  begriffenen  capitolinischen 
Tempel  einem  veienter  Künstler  übertragen  wurde  ^,  und  das 
nach  einem  Artemisidol  der  Massalioten  copirte  Holzbild  im 
Tempel  der  Diana  auf  dem  Aventin,  ein  Tempel,  dessen  Grün- 
dung die  Ueberlieferung  dem  König  Servius  TuUius  zuschrieb^. 
Wie  sich  im  Weiteren  herausstellen  wird,  spricht  die  grösste 
Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  die  auf  der  Platte  von  Velletri 
dargestellte  Composition  etruskischen  Ursprunges  ist.  Wenn  wir 
voraussetzen  dürfen,  dass  der  Gebrauch  der  Cultusbilder  in  Etru- 
rien  eher  Eingang  fand  als  in  Latium,  so  steht  allerdings  der 
Annahme  nichts  im  Wege,  dass  dem  Künstler,  welcher  jene  Com• 


1  Helbig    das    homerische    Epos   aus    den   Denkmälern   erläutert 
2.  Aaeg.  p.  322  Fig.  «4,  ii5. 

a  Helbig  aaO.  p.  219  Fig.  ()3,  p.  222  Fig.  66. 

3  Plin.  n.  h,  XXXV  157.    Vgl.  Detlefsen  aaO.  I  p.  3,  p.  6  ff. 

♦  Strabo  IV  p.  1«0.    Detlefsen  aaO.  I  p.  10. 


504  Heibig 

poRition  gestaltete,  bereite  Götteridole  geläufig  waren.  Doch  be- 
durfte ee  nacb  der  EinfÜbrung  des  neuen  Gebraachee  g'ewiee  Ώorϊ 
geraumer  Zeit,  btR  die  Kunst  die  Fftbigkeit  erwarb,  Götterfigurer 
zu  schaffen,  deren  Charakteristik,  im  Gegensatz  zn  den  starrer 
Typen  der  idole,  durch  eine  bestimmte  Handlung  oder  eine  be- 
stimmte Situation  bedingt  war.  Mochte  auch  dieser  Fortschrit: 
durch  die  Benutzung  hellenischer  Vorbilder  erleichtert  werden, 
immerhin  durfte  er  nur  ganz  allmählich  erfolgen,  da  die  Be- 
deutung der  Götterfiguren  unklar  geworden  wäre,  wenn  die  Kun;^ 
urplötzlich  mit  den  durch  die  Idole  überlieferten  Typen  gebrochen 
hätte.  Nach  alledem  scheint  es  wenig  glaublich,  dass  ein  ita- 
lischer Künstler  des  6.  Jahrhunderte  Götterfiguren  mit  den  leb- 
haften und  individuellen  Bewegungen  dargestellt  habe,  wie  sie 
den  beiden  bartlosen  sitzenden  Figuren  auf  dem  Relief  von  Vellefri 
zu  eigen  sind.  Ausserdem  spricht  gegen  Pellegrinie  Deutung 
noch  ein  anderer  Umstand.  Es  fehlt  nämlich  an  jeglichem  sicher 
beglaubigten  Beispiele,  dass  die  damalige  italische  Kunst  Götter 
oder  Göttinnen  in  unmittelbare  Beziehung  zu  Sterblichen  ge- 
setzt habe. 

Pellegrini  sucltt  seine  Deutung  durch  den  Hinweis  auf 
^  analoghe  scene  di  adorazione  agli  dei  zu  stützen,  die  auf  etrus- 
kisühen  Buccherovasen  dargestellt  seien,  und  führt  als  Beispiele 
die  bei  Micali  Monumenfi  per  servire  alfa  storia  degli  imiicki 
popoli  iialiani  T.  XYIII  2  {storia  III  ,p.  15)  und  T.  XX  2,  12 
(storia  III  p.  16  — 17)  abgebildeten  Gefäsae  an.  Poch  fragt  es 
sich,  ob  wir  die  Reliefs  der  Buccherovasen  überhaupt  bei  einer 
die  italische  Kunst  betreffenden  Untersuchung  benutzen  dürfen. 
da  alle  Wahrscheinlichkeit  dafür  spricht,  dasK  die  Formen  und 
Cylinder,  deren  sich  die  Etrusker  bei  der  Herstellung  dieser 
Reliefs  bedienten,  aus  dem  hellenischen  Osten  eingeführt  oder  in 
Etrurien  nach  importirten  Exemplaren  copirt  wurden  *.  Lassen 
wir  aber  auch  diesen  Gesichtspunkt  ausser  Betracht,  jedenfalh 
sprechen  gegen  die  Weise,  in  welcher  Pellegrini  jene  auf  der 
Bucchervovasen  angebrachten  Scenen  auffasst,  ähnliche  Thatsacher 
wie  die,  welche  bei  der  Besprechung  der  Friesplatte  von  Velletri 
hervorgehoben  wurden.  Die  sitzenden  Figuren,  die  Pellegrini 
für  Idole  oder  für  Gottheiten  erklärt,  gestikuliren  nämlich,  der 
vor  ihnen  stehenden  Personen  zugewendet,  in  der  Regel  heftir 
mit  beiden  Armen.     Es    leuchtet    ein,    dass    eine    derartige   Dar- 


^  Vgl.  Karo  de  arte  vasadaria  antiquissima  (Bonnae  1896)  p.  9  u.  11 


Eine  RathsverianiTnlunp  auf  einem  italischen  Relief  505 

fltellungf) weise  dem  Charakter  (iee  Idole  zuwiderläuft.  Auf  Götter 
übertragen,  die  von  »Sterblichen  durch  Spenden  geehrt  werden, 
wurde  sie  den  komischen  Eindruck  erwecken,  als  seien  die  Götter 
mit  den  ihnen  dargebrachten  Gaben  unzufrieden  und  hielten  deshalb 
ihren  Verehrern  eine  Strafpredigt.  Für  eine  scharfe  Interpretation 
bieten  die  Reliefe  der  Buccherogefässe  keine  geeignete  Grundlage 
dar,  da  ihre  stumpfen  Silhouetten  uns  nicht  nur  über  zahlreiche 
Einzelheiten,  sondern  häufig  genug  sogar  über  das  Geschlecht  der 
Figuren  im  Unklaren  lassen.  Karo^  hat  nachgewiesen,  dass  die 
Decoration  dieser  Gefässe  vorwiegend  durch  ionische  Vorbilder 
bestimmt  wurde.  Nun  beweist  aber  die  Beschreibung  des  Schildes 
des  Achill,  daes  die  ionische  Metalltechnik  während  der  Zeit,  in 
welcher  die  Entwicklung  des  Epos  noch  im  Gange  war,  häufig 
ländliche  Scenen  zur  Darstellung  brachte.  Hiernach  kann  ich 
nicht  umhin,  den  Kennern  die  Frage  vorzulegen,  ob  nicht  jene 
von  Pellegrini  auf  den  Cultns  bezogeuen  Scenen  demselben  Kreise 
angehören  und  demnach  auf  Landleute  zu  deuten  sind,  welche 
der  Guteherrschaft  den  Ertrag  der  Ernte  abliefern.  Wenn  nur 
ein  sitzender  Mann  mit  den  die  Gaben  darbringenden  Personen 
verhandelt,  dann  wäre  derselbe  für  den  Guteherrn  zu  erklären. 
Sind  mehrere  solcher  Figuren  dargestellt,  dann  wäre  der  Guts- 
herr von  seiner  FamiUe  umgeben.  Die  Unzufriedenheit  oder 
Aerger  ausdrückenden  Geberden,  welche  in  der  Regel  den  sitzen- 
den Figuren  beigelegt  sind,  würden  bei  dieser  Auffassung  eine 
ganz  natürliche  Erklärung  finden. 

Die  Friesplatte  von  Velletri  stellt,  um  meine  Deutung  mög- 
lichst kurz  zu  fassen,  zwei  Kundschafter  dar,  welche  den  Auto- 
ritäten ihres  Staates  über  eine  von  ihnen  vorgenommene  Re- 
cognoscirung  berichten^.  Der  vordere  der  beiden  Jünglinge  ist 
durch  Pfeil  und  Bogen  als  Bogenschütze  charakterisirt,  gehört 
also  einer  leichten  Truppe  an,  die  sich  besonders  zum  Kund- 
Bchafterdienste  eignete.  Dass  die  Römer  bereits  in  sehr  früher 
Zeit  über  eine  solche  Truppe  verfügten,  beweist  die  offenbar  ur- 
alte   Bildung    des    Substantives    arquites^.      Der    bärtige    Mann, 

1  aaO.  p.  9. 

*  Der  Vermuthung,  dass  die  beiden  Jünglinge  über  den  Ausgang 
eines  Treffens  berichten,  widerspricht  die  ruhige  Haltung  des  vor  ihnen 
pitzenden  Mannes.  Die  Geberden  dea  letzteren  würden,  je  nachdem  die 
Boten  einen  Sieg  oder  eine  Niederlage  melden,  Freude  oder  Bestürzung 
bekunden. 

'  Pauli  exe.   '^   '         "'*   Müller:    *arquitee  arou    proeliantes   q»' 


506  Heibig 

welcher  unter  den  sitzenden  Personen  die  vorderete  Stelle  ein 
nimmt  und  an  den  die  beiden  Kundeohafter  zunächst  ihre  Rfi 
richten,  iRt  der  Vornehmste  in  der  Vereammlong,  also  der  rex 
Den  unmittelbar  hinter  ihm  sitzenden  jungen  Mann  dürfen  wi 
für  einen  Augur  erklären.  Der  Kmmmstab  in  seiner  Hand  kam 
kein  Pedum,  ein  Attribut,  welches  für  ein  Mitglied  einer  so  τογ 
nehmen  Versammlung  durchaus  unpassend  gewesen  sein  wörde 
sondern  nur  eine  primitive  Form  des  Lituus  sein  Κ  Die  foigendt 
Figur  könnte  man  nach  dem  ihr  Haupt  bedeckenden  pilleue  odei 
tntulns  auf  einen  Priester  deuten.  Doch  scheint  auch  die  Mög 
lichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  es  sich  um  einen  praeco  odei 
calator  des  rex  oder  des  Rathes  handelt,  da  anf  einer  anderen 
in  Velletri  gefundenen  Platte  ein  Mann,  welcher  einen  ähnlicheo 
Hut  trägt,  durch  den  Caduceus,  den  er  in  der  Rechten  hält,  deut- 
lich als  Herold  bezeichnet  ist^  Der  bärtige  Mann,  welcher  unter 
den  sitzenden  Figuren  die  vierte  Stelle  einnimmt  und  dessen 
Charakteristik  auffällig  an  diejenige  des  muthmaselichen  rex  er- 
innert, ist  ein  Mitglied  des  Hathee,  also  auf  Römisch  ausgedruckt 
ein  Senator.  Das  Gleiche  dürfen  wir  für  die  Figur  annehmen, 
die  weiter  rechts  dargestellt  war,  da  die  erhaltenen  Reste  der- 
selben auf  einen  ähnlichen  Typus  sohliessen  lassen,  wie  ihn  die 
soeben  besprochene  Figur  zeigt. 

nunc   dicuntur    sagittarii*.     Weiteres  im  Thesaurus   linguae  laiinat  II 
p.  631. 

^  Das    beinah   spiralförmig   umgebogene  Ende  des  Lituus  macfat 
den  Eindruck  einer  barocken  Verschnörkelung  des  ursprünglichen  Mo- 
tive   und    ist  erst   gegen  Ende  der  Republik    nachweisbar.    Die  wich- 
tigsten Denkmäler,  die  zu  dieser  Annahme  berechtigen,  sind  beiDaren*i 
berg  et  Saglio  Dictionnaire  des  antiquiUs  V  s.  v.  lituus  p.  1278  cosammeo-, 
gestellt.     Aeltere  einfachere    Formen    sind   bezeugt    durch   Cicero  di 
divinatione  I  17  (Romuli  lituus,    id  est   incurvum   et    leviter  a  lumnio 
inßexum  barillnmj,    wie    durch  Livius  1  18   (augur  ad  laevain  eius  - 
Numae  —  capite  velato  sedem  cepit,  dextra  manu  baculum  eine  nodö 
aduncum    tonens    quem    lituum    appellant).      Unter    den    Denkmäleral 
dürften    für  die  die   älteren  Formen  betreffende  Frage  im  Besondertol 
die  folgenden  Denkmäler  zu   berücksichtigen   sein:  Inghirami  Mon«B.\ 
ctruschi   Ser.  VI   Taf.  Ρ  5   η.  1—5;    NoHsie  degli  scaw  1892  p.  ^ 
Conestabile   dei  monutnenti  dt  Perugia  T.  IX— XXXV,   T.  X-XXX^L 
Notizie  I8H4  T.  III  p.  270  ff.     Milani  Studi  e  materiali  I  p.  %  Fig.^t 
ΜέΙαηρββ  Perrot  p.  1«8  Fig.  1.     Notizie  1900   p.  324  Fig.  27,  p.  32?; 
Rendiconti  delV  acc.  dei  Lincei  IX  (1900)  p.  300  Fig.  7.   Notizie  \^ 
p.  462. 

«  Milani  Studi  e  materiali  I  p.  101  Fig.  8. 


Eine  Rathsvenammlung  auf  eiiiem  italischen  Relief  507 

In  dieeer  Weise  anfgefaset,  entepricht  das  Relief,  hinsicht- 
lich 86) nee  &e/renetande8,  darchaas  den  Darstellungen,  denen  wir 
auf  anderen  Platten  derselben  Gattung  begegnen.  Sehr  häufig 
kommen  darauf  Kriegsscenen  vor.  Ein  Exemplar,  welches  zu  der 
in  Velletri  gefundenen  Serie  gehört,  zeigt  drei  equites  im  alten 
Sinne  dee  Wortes,  das  heisst  Krieger,  die  als  berittene  Hopliten 
ins  Feld  rückten,  wie  sie  einhersprengen,  jeder  von  einem  be- 
rittenen Knappen  begleitet^.  Es  kann  demnach  keineswegs  auf- 
fallen, wenn  in  denselben  Fries  eine  Scene  eingefügt  war,  die 
zum  Kriege  in  engster  Beziehung  stand,  aber  dornt  vorging. 

Diese  Scene  würde  an  Wichtigkeit  gewinnen,  wenn  wir 
ihren  Inhalt  für  Rom  als  mustergültig  betrachten  und  daraus  die 
Tracht  reconetrniren  durften,  welche  den  dortigen  Würden trügem 
während  des  6.  Jahrhunderts  v.  Chr.  zu  eigen  war.  Doch  müssen 
wir,  nm  uns  hierüber  ein  Urtheil  zu  bilden,  die  wichtigsten  That- 
Sachen  ine  Gedächtniss  zurückrufen,  die  sich  flir  die  ganze  Denk* 
mälergattung  mit  Sicherheit  feststellen  lassen.  Pellegrini^  hat 
diese  Thataachen  im  Ganzen  richtig  dargelegt.  Polychrome,  thö* 
neme  Friesplatten,  deren  Stil  auf  das  6.  Jahrhundert  v.  Chr. 
deatet,  oder  Fragmente  solcher  Platten  haben  sich  in  Etrurien 
bei  Cervetri  (Caere),  Toscanella  (Tuscania?)  und  Pitigliano  (8ta- 
tonia?),  im  Yolskergebiete  bei  Velletri  (Velitrae)  und  Conca  (Sa- 
tricam),  in  Rom  auf  dem  Palatino  und  letzthin  auf  dem  Forum 
gefunden^.     Und  zwar  lassen  die  Fundumstände,   wenn  wir  über 


*  Milani  Sttidi  I  p.  104  Fig.  10.  Ich  werde  die  Ansicht,  das^s 
die  celeres  oder  eqaiteit  ursprünglich  eine  Truppe  berittener  Hopliten 
bildeten,  demnächst  ausführlich  in  den  Siteunifsb^nchten  tUrba^erischrn 
Akademie  begründen.    Vor  der  Hand  v^l.  Melanffi^s  Prm^t  ρ  1(^1> — 17i\ 

2  Bei  Milani  Studi  I  ρ  H7  ff.  Ich  citire  die  Seiten zahlo η  die»»  r 
Abhandlung  nur,  wenn  sich  eine  darin  enthaltene  Bemerkung  an  einer 
Stelle  findet,  an  welcher  sie  dem  Leser  leicht  entirehen  könnte.  Ausser• 
dem  Inge  ich  natürlich  das  die  Frage  betreffeude  Material  bei,  welches 
nach  Abschluss  des  I.  Bandes  der  Sttidi  zu  Τη^;«.'  gekommen  ist. 

*  Siudi  I  p.  106. 

*  I.  Notisie  degli  scati  1S!>9  p.  1<J7  Fig.  IT  (vgl.  p.  157):  Stark 
frag^inentirte  Platte,  auf  welcher,  wie  es  scheint,  ein  eques  im  alten 
Sinne  des  Wortes  (vgl.  die  vorhergehende  Anm.  1)  dargsetellt  war>  im 
Begriff  sein  Pferd  anzuhalten  oder  im  Schritt  zu  bewahrten.  Sie  leigt 
unter  allen  bisher  bekannten  Exemplaren  der  in  Rede  stehenden  Denk- 
mälergattung  den  alterthüniüohsten  Stil.  —  11.  ^oiizie  IWO  p.  :äl 
Fig.  21  «vgl.  p.  320.  —  III.  yntizie  1900  p.  Λ2^  Fig.  *.>8  (vgL  p.  32β^ 
Ν.  II  und  ΠΙ  rühren  von  einer  oder  zwei   verschiedenen  Platten    her> 


508  Helbif^ 

dieselben  genauer  unterrichtet  Rind,  durchweg  darauf  echliemer.. 
daes  die  Platten  zur  Decoration  archaiacber  Holztempel  gehör 
haben.  Die  in  Rom  zu  Tage  gekommenen  Fragmente  dfirfen  vir 
unbedenklich  zu  Tempeln  dieser  Art  in  Beziehang  setzen,  dir 
dereinst  auf  dem  Palatin  und  dem  Forum  standen  und  später 
durch  Steinbauten  ersetzt  wurden.  Nach  Allem,  was  wir  toi 
der  Entwicklung  der  italischen  Kunst  wissen,  ecbeint  die  Fabri- 
kation solcher  Platten  in  einem  kunstinduetri eilen  Centrnm  de^ 
Riidlichen  Etruriens  begonnen  zu  haben.  Doch  mnes  sie  eich  vor 
hier  aus  baldigst  weiter  verbreitet  haben,  da  die  an  den  ver- 
schiedenen Stellen  gefundenen  Exemplare  bei  im  Wesentlich•- r 
gleichartigen  Stile  hinsichtlich  der  Qualität  nnd  Schiern  mang  de 
Thones  mannigfache  Unterschiede  aufweisen.  Offenbar  wnrdf 
diese  rasche  Verbreitung  dadurch  gefördert,  daea  man  in  drc 
Städten,  in  welche  solche  Platten  aus  älteren  Fabrikorten  eic- 
geftihrt  worden  waren,  die  importirten  Exemplare  nur  ab«• 
drücken  brauchte,  um  Formen  zu  erzielen,  die  zur  Reprodoctios 
der  darauf  dargestellten  Reliefs  geeignet  waren,  unter  solcher 
Umständen  fällt  es  schwer  zu  entscheiden,  ob  die  im  Voi^ker- 
gebiete  und  in  Rom  gefundenen  Platten  etruekieohe  oder  eis 
heimische  Fabrikate  sind.  Zwar  berichtete  Varro^,  dass  bis  wr 
Erbauung  des  neben  dem  Circus  maximus  gelegenen  Cerestenipek 
der  i.  J.  493  v.  Chr.  geweiht  und  dessen  plastieoher  wie  male 
rischer  Schmuck  von  zwei  hellenischen  Künstlern,  Damophilo? 
und  Gorgasos,  ausgeführt  wurde,  die  Decoration  sämmtlichcr 
römischen  Tempel  tuskanisch  gewesen  sei.  Doch  sind  wir  keiix^* 
wegs  dazu  genöthigt,  diese  Angabe  dabin  zu  denten,  dass  all^ 
jene  Deoorationsstücke  in  Etrurien  oder  von  nach  Rom  berufeneB. 
etruskischen  Künstlern  hergestellt  worden  seien.  Vielmehr  dürfet 
wir  sie,  da  die  etruskische  Kunst,  bevor  der  hellenische  Einfln« 
unmittelbar  auf  Latium  zu  wirken  anfing,  in  ganz  MittelitaH^i^ 
die  leitende  Stellung  einnahm,  mit  gleichem  Rechte  auf  den  ^^'' 


welche  dem  veliternir  Exemplare  mit  den  drei  Reiterpaaren  (Milißi 
Studi  I  p.  104  Fipf.  10)  entsprachen.  Das  sehr  kleine  Fragment  X  Α 
zeigt  die  beiden  Füsee  des  dem  mittleren  Paare  angeböngen,  mit  de• 
Schwerte  bewehrten  Reiters  und  unten  Reste  der  Hinterbeine  der  vt* 
diesem  Paare  gerittenen  Pferde.  Welches  der  drei  Paare  durch  Ν  Π* 
wiederholt  wird,  läset  sich  nicht  entscheiden,  da  gerade  die  für  die 
einzelnen  Paare  bezeichnenden  Motive  fehlen. 

ι  Bei  Plin.  n,  h,  XXXV  154.     Vgl.  Detlefsen  de  arte  BomoMor^ 
antiquissima  I  p.  10—12. 


Eine  Rathsvenammlang  auf  einem  italieohen  Relief  509 

beziehen   und  demnach  nnter  den  ^tneoanica'  des  Yarro  auch  rö- 
mische Produote  einbegreifen,   die  in   dem    damals  herrschenden 
Stile  gearbeitet  waren.    Wie  dem  aber  auch  sei,  jedenfalls  leuchtet 
es  ein,  dass  die  Friesplatten,  welches  Ursprunges  sie  auch  sein 
mochten,   hinsichtlich  des  Inhaltes  ihrer  Darstellungen  mehr  oder 
minder  den  CultnrverhSltnissen  der  Stadt  entsprechen  mussten,  in 
welcher    sie    decorative    Verwendung    fanden;    denn    kein    Volk 
eohmüokt  seine  Heiligthümer  mit  Bildwerken,  die  vollständig  aus 
seinem   Gesichtskreise   heraustreten.     Hiernach    kann    es  keinem 
Zweifel  unterliegen,    dass    die  Veliterner  die  Scene,    welche    auf 
der    in  ihrem  Boden  gefundenen  Platte    dargestellt    ist,   für   ge- 
eignet hielten,  Versammlungen  zu  vergegenwärtigen,  wie  sie  von 
ihren  eigenen  Notabein  abgehalten  wurden.     £s  hat  dies  duroh- 
ane  nichts  Befremdendes,  da  es  sich  mit  dem  Fortschreiten   der 
Ausgrabungen  immer  deutlicher   herausstellt,    dass  während    der 
älteren  Zeit  die  äussere  Cultur  der  Etrnsker,   Falisker,  Latiner, 
Voleker  und  tiherhaupt  aller  in   Mittelitalien   ansässigen   Völker- 
schaften im  Wesentlichen  die  gleiche  war  und  Unterschiede  nur 
insofern  hervortreten,    als    die  Ent Wickelung  in    den    den    über- 
seeischen Einflüssen  leichter  zugänglichen  Ettstengegenden  rascher, 
im  Binnenlande  hingegen  langsamer  von  Statten  ging.     Ist  doch 
auch    die    Serie    der  in  Velletri    gefundenen   Friesplatten   durch 
zahlreiche  Berührungspunkte  mit  den  Fragmenten  römischer  Pro- 
venienz verknüpft.     Zwei    der   auf   dem  Palatin    ausgegrahenen 
Fragmente  rubren,  wie  Pellegrini  ^  richtig  erkannt  hat,  von  einer 
Platte  her,  welche  eine  Auffahrt  von  Wagen,  eröffnet  von  einem 
üerolde,    darstellte   und    genau   einem   der  veliterner  Exemplare 
entsprach^.     Ein    drittes  Fragment  zeigt  Reste    der   bereits    er- 
wähnten  Gomposition    mit    den   drei    Reiterpaaren  ^,    ein    viertes 
Reste  der  eine  veliterner  Platte  verzierenden  Bankettscene^.  Zwei 
der  aus  dem  Boden  des  Forums  zu  Tage  gekommenen  Fragmente^ 
gehörten    zu   einer  oder  zwei  verschiedenen  Platten,    auf    denen 
ebenfalls    die  drei  Reiterpaare    dargestellt    waren.     Man    ersieht 
aus  alledem   deutlich,    dass    sowohl    die  Voleker  wie  die  Römer 
die  betreffenden  Scenen,   mochten   sie  auch  in  Etrurien   gestaltet 


1  Milani  Studi  I  p.  106. 
«  Studi  I  p.  101  Fig.  8. 
β  Sttidi  I  p.  104  Fig.  10. 

*  Studi  I  p.  105  Fig.  11. 

*  Siehe  unsere  Anmerkung  4  auf  Seite  507—508. 


510     Heibig  Eine  Ratbsveraammlunir  auf  einem  italiechen  Belief 

sein,  als  typisch  betrachteten  für  Vorgänge,  die  in  der  sie  di^ 
mittelbar  umgebenden  Ansäen  weit  Statt  fanden,  eine  AufTaesnng. 
die  nnr  dann  entstehen  konnte,  wenn  diese  Vorgänge  hier  wie 
dort  eine  ähnliche  Erscheinungsweise  darboten. 

Doch  spricht  alle  Wahrscheinlichkeit  daftir,  daee  die  Etmekrr 
einen  stärkeren  Einflnse  auf  die  ihnen  unmittelbar  benachbartei: 
Römer  als  auf  die  in  grösserer  Entfernung  ansäeeigen  Volsker 
ausübten.  Die  zahlreichen  Angaben,  nach  welchen  die  Römer 
die  Tracht  und  die  Insignien  ihrer  Magistrate,  den  rex  eio- 
begriffen,  aus  Etrarien  entlehnt  hätten  ^  tibertreiben  vielleicht 
den  realen  Sachverhalt,  mögen  aber  doch  in  so  weit  der  Wahr- 
heit entsprechen,  als  die  prächtigere  Ausgestaltung  and  tjpisclif 
Fixirung  jenes  Apparates  zunächst  in  Etrurien  erfolgte.  Dif 
Annahme,  dass  der  etruskische  Einfluss  besonders  nachdrücklich 
während  des  6.  Jahrhunderts  wirkte,  als  die  Dynastie  der  Tur- 
quinier  den  römischen  Staat  beherrschte,  ist  an  nnd  für  »eh 
wahrscheinlich  und  wird  durch  die  Zeugnisse  bestätigt,  welche 
über  den  damals  eingeführten  Cultus  der  drei  capitoliniscbeB 
Gottheiten  vorliegen^.  Gegen  die  Annahme,  dass  dieser  CdHii« 
durch  etruskische  Vermittelung  in  Rom  Eingang  fand,  dürfte  sieb 
Rohwerlich  ein  stichhaltiger  Einwand  erheben  lassen.  Jeden falU 
waren  die  Anlage  und  die  Decoration  des  capitolinischen  Tempels 
tuskanisch,  das  Cultusbild  des  lupiter  optimus  maximaa  das 
Werk  eines  veienter  Plasten.  Mag  demnach  auch  die  derselbfn 
Periode  angebörige  Compoeition,  dej*en  Erklärung  ich  yersnobt 
habe,  in  Etrurien  entworfen  sein,  jedenfalls  wird  sie  mancherlei 
Züge  enthalten,  die  auch  für  das  gleichzeitige  Rom  massgebend 
waren.  Wir  dürfen  sie  daher  immerhin  berücksichtigen,  wenn 
CR  gilt  ein  Bild  zu  gewinnen  von  einer  römischen  Raths Versamm- 
lung, die  von  Servius  TuUius  oder  Tarquinius  Superbas  prasidirt 
war  nnd  in  der  ein  Officier  der  arquites  über  die  Bewegungen 
der  Sabiner,  Ardeaten  oder  anderer  feindlicher  Trappen  Bericht 
abstattete. 

W.  Heibig. 

1  0.  Mueller-Deecke  die  Etnisker  I  p.  245—247,    p.  341-343, 
p.  :H4-347. 

2  Jordan  Topographie  der  Stadt  Eom  I  2  p.  8  flf.    Wiasowa  Bdigion 
und  Kultus  p.  36. 


ZUE  ALTGRIECHISCHEN  TRACHT 


\J 


Beim  Stndinm  der  griechischen  Tracht  und  ihrer  Entwick- 
InngBgeechichte  scheint  man  mir  einige  sehr  wichtige  Angahen 
der  Literatur  nnheachtet  gelaeeen,  oder  nicht  ganz  richtig  ver- 
standen, und  deren  Vernachläeeignng  zn  nnrichtigen  Auffaeenngen 
and  znr  falschen  Deutung  einiger  auf  den  Denkm&lern  vorkom- 
menden Trachten  geführt  zu  hahen.  Wir  wollen  daher  im  Fol- 
genden nochmals  kurz  die  verschiedenen  griechischen  Kleidungs- 
Rtücke,  von  denen  die  Schriftsteller  uns  Bericht  erstatten,  he- 
trachten  und  sehen  inwiefern  die  Forschung  schon  die  Stellen 
der  Litteratur  erschöpft  und  das  Rechte  erkannt  zu  hahen  scheint. 

Vorher  sei  in  Erinnerung  gebracht»  dass  man  jetzt  ziem- 
lich allgemein  die  Darstellung  Studniczkas  angenommen  hat,  der 
in  seinem  trefflichen  Buche  'Beiträge  zur  Geschichte  der  alt- 
g'riechischen  Tracht*,  welches  auch  unsren  Studien  zn  β-runde 
liegt,  sich  fast  ausschliesslich  auf  die  beiden  bekannten  Stellen 
des  Herodot  (V  87)  und  Thukydides  (1  6)  und  die  Untersuchung 
der  Denkmäler  stützend,  hauptsächlich  folgende  Meinung  vor- 
getragen hat :  es  habe  in  Griechenland  zwei  Eleidprincipien  neben 
einander  gegeben,  von  denen  das  dorische  (der  Name  wird  der 
Herodotstelle  entnommen)  ein  wollenes  Kleid  sei,  das  mit  Fibeln 
auf  beiden  Schultern  geheftet,  auf  der  einen  Seite  entweder  offen 
oder  geschlossen  gewesen  sei.  Aehnlich  dem  dorischen  Kleide  soll 
das  von  Herodot  erwähnte  alterthümliche  Frauenkleid  gewesen 
sein,  mit  dem  S.  zweifellos  richtig  den  Peplos  der  Homerischen 
Frauen  identiiiciert.  Neben  der  dorischen  hat  es  eine  ionische 
Tracht  gegeben,  nach  S.  ein  gesehloesenes  leinenes  Hemd.  Im 
Folgenden  wird  sich  aber  zeigen,  dass  das  Kleid,  welches  S.  das 
dorische  genannt  hat,  wohl  der  dorischen  Tracht  angehört  hat, 
aber  nur  eine  der  vielen  Arten  dieser  gewesen  ist,  während  wir 
ausserdem  verschiedene  andere  verwandte  Kleidformen  finden  wer- 
den, denen  ebenfalls  der  Name  'dorisch'  gebührt.  Auch  der 
Peplos  war  gewiss  mit  dieser  dorischen  Tracht  verwandt;    seine 


512  Holwerda 

Form  aber,  und  die  Weise  des  Anlegens  mass  eioh,  wie  eicli 
zeigen  wird,  anders  gestaltet  haben,  als  S.  gemeint  hat.  Yod  der 
ionischen  Tracht  endlich  lässt  sich  erweisen,  dass  sie  nicht  da« 
einfache  Hemd,  sondern  ganz  anderes  gewesen  ist. 

Fangen  wir  mit  dem  Peplos  der  Homerieeben  Franen  an^ 
welche,  nach  Studniczkas  allgemein  angenommene^  Daretellnng  eine 
Art  Himation  gewesen  sein  soll,  das  auf  den  beiden  Schaltern 
mit  Nadeln  geheftet  warde,  genan  so  wie  das  Kleid,  das  man 
jetzt  allgemein  Mas  dorische  Gewand*  nennt,  welches  sich  häufig 
anf  den  Denkmälern  nachweisen  lässt  (vgl.  Stadniczka  a.  T.  S.  S  f.,. 
Auch  Beibig  stimmt  in  der  zweiten  Auflage  seines  'Homerischen 
£pos'  dieser  Ansicht  vollkommen  bei,  scheint  mir  aber  damit 
eine  von  ihm  selbst  vorgetragene  Meinung  (H.  E.  I.  Aufl.  S.  Ho) 
aufzugeben,  welche,  obwohl  allerdings  theilweise  unrichtig,  des- 
noch  anderseits  der  Wahrheit  näher  stand  als  die  von  S.  vertretene. 

Denn  obwohl  man  S.  beistimmen  muss  wenn  er  behauptet, 
der  Peplos  sei  ein  einfaches  viereckiges  Zeugstück  gewesen,  das 
mit  Nadeln  geheftet  wurde,  so  scheinen  sich  doch  die  zwei  t^e- 
kannten  Homerstellen,  welche  hier,  immer  von  den  £rklärern 
herangezogen  werden,  bei  genauerer  Betrachtung  nur  in  der  Weise 
deuten  zu  lassen,  wie  es  Heibig  in  seiner  ersten  Auflage  gethao, 
nämlich  wenn  man  annimmt,  dass  das  Kleid  vor  der  Brust  ge- 
schlitzt gewesen  sei. 

Erstens  lesen  wir  Iliae  Ξ  180  vom  Gewand  der  Hera 
χρυσείης  b'  ένετήσι  κατά  στήθος  περονατο.  Nun  meint  Stud- 
niczka,  diese  Worte  lassen  sich  erklären,  als  ob  das  Kleid,  wie 
bei  den  von  ihm  (S.  98)  angeführten  Figuren  der  Francoisvase 
nicht  gerade  auf  dem  Scheitel  der  Schultern,  sondern  ziemlich 
tief  herab  genestelt  wäre.  Diese  Erklärung  scheint  mir  aber 
weder  mit  der  Bedeutung  der  Präposition  κατά  noch  mit  der 
des  Substantivs  (Ττήθος  in  Einklang,  während  der  ganze  Satz 
auf  eine  andere  Tracht  hinweist.  Erstens  müssen  wir  vorauf- 
schicken, dass  es  nicht  anzunehmen  idt,  die  homerische  Poesie, 
welche  immer  gewohnt  ist  die  verschiedenen  Körpertheile  über- 
aus genau  anzugeben  und  zu  unterscheiden,  zB.  in  den  Schilde 
rungen  der  Kampfscenen,  habe  es  hier  nicht  so  genau  mit  der 
präcisen  Stelle  genommen.  Wenn  wir  bei  Homer  ^Brust^  leeen, 
80  ist  auch  die  Brust,  nicht  die  Schulter  gemeint.  Nun  unter- 
scheidet Homer  erstens  den  ώμος,  das  heisst  nicht  nur  den 
Scheitel   der  Schulter,    sondern  auch  die  Vorderseite    derselben; 


Zur  altgriechischen  Tracht  513 

wird  doch  oft  im  Nahekampf  ein  Held  von  seinem  Gegner  κατ' 
ώμον  gestochen  (vgl.  zB.  E.  Ε  46  Λ  507  TT  341),  natürlich  von 
vorn  in  die  Schalter.  Unter  der  Schulter  liegt  die  κλη\ς,  welche 
άπο^ργ€ΐ  αύχίνα  T€  στήθος  τε  (Θ  326) ;  sie  wird  genau  von 
der  Schuller  unterschieden  (vgl.  Ε  579).  Das  στήθος  liegt  also 
wieder  unter  der  κληΐς,  und  wird  wiederum  genau  von  dieser 
unterschieden;  hei  dem  bewaffneten  Mann  wird  es  von  der  Wöl- 
bung des  Panzers  bedeckt  (N  586).  Wie  man  nun  auch  die 
Sache  betrachten  mag,  das  Kleid  der  Figuren  der  Fran9oi8vase 
ist,  wenn  auch  nicht  auf  dem  Scheitel  der  Schulter,  doch  gewiss 
auf  der  Schulter,  nicht  einmal  auf  der  κληίς,  und  gewiss  nicht 
auf  der  Brust  geheftet,  und  es  scheint  überhaupt  nicht  anzunehmen 
dass  Homer,  ein  solches  Kleid  beschreibend,  anstatt  des  ώμος 
von  dem  bedeutend  tiefer  liegenden,  scharf  geschiedenen  στήθος 
reden  würde,  Auch  der  Präposition  κατά  wird,  wie  mir  scheint, 
von  S.  eine  Bedeutung  beigelegt,  welche  ihr  nicht  zukommt.  Sie 
Rcbeint  ganz  geeignet  zur  Andeutung  der  Heftung  eines  Gewandes, 
das  auf  der  Brust,  dh.  in  einer  gewissen  Ausdehnung  über  die 
Brust  zusammen  gefügt  wurde,  'an  die  Brust',  wie  es  S.  will, 
kann  sie  aber  nur  bezeichnen,  wenn  sie  bei  einem  Verbum  steht, 
das  treffen  bedeutet,  jedenfalls  eine  Bewegung  von  aussen  in 
die  Richtung  der  Brust  ausdrückt  (βάλλ€ΐν  κατά  στήθος,  vuSc 
κατ'  ώμον  usw.  IL  Ε  46  Λ  507  TT  341  Λ  108  Μ  202  Ξ  412 
Ν  586  TT  606  usw.).  An  unserer  Stelle  scheint  also  nur  die  lieber- 
Setzung  'auf  der  Bru8t\  dh.  'über  die  Brust  hin'  zulässig.  Der 
ganze  Satz  endlich,  welcher  von  mehreren  ένεται  redet,  macht 
nicht  den  Eindruck,  dass  nur  eine  einzige  Nadel  auf  jeder  Schulter 
angebracht  sei,  sondern  dass  viele  Nadeln  zur  Heftung  'über  die 
Brust  hin  benutzt  worden  sind.  Die  einzig  richtige  Erklärung 
scheint  mir  also  immer  noch  diese :  der  Peplos  war  ein  an  der 
Vorderseite  über  der  Brust  geschlitztes  Gewand,  das  eben  dort 
mit  Fibeln  geschlossen  wurde. 

Auch  an  der  zweiten  bekannten  Homerstelle  (IL  X  80) 
scheint  mir  bei  genauerer  Betrachtung  nur  eine  Deutung  in  dieser 
Weise  zulässig.  Wir  lesen  dort  dass  Hekabe  κόλπον  άνιεμένη 
(έτίρηφι  ht  μαΣόν  άνέσχβν),  welche  Worte  Studniczka  (S.  104) 
als  'den  Busen  herausthuend'  übersetzen  zu  dürfen  meint.  Nun 
kann  άνίεσθαι  freilich  ^freilassen'  bedeuten,  das  heisst  'von  sich 
weggehen  lassen* ;  unmöglich  ist  es  aber  dass  mit  diesen  Worten 
gemeint  sei  sich  das  Kleid  vor  dem  Busen  wegnehmen,  sodass 
dieser   frei    kommt.     Das  Object    des    Verbums    selbst    άνίεται, 

BheiD.  Μοβ.  f.  Philol.  N.  F.  LVni.  33 


hli  Holwerda 

nicht  der  Gegenstand  der  dnrcb  die  Η  and  long  entblöset  wiH. 
üeberdies  int  zu  bemerken  dass,  wenn  eine  Fran  wie  jene  Fi- 
guren der  Fran^oievase,  eich  das  Kleid  anf  der  einen  Seite  löttt. 
nicht  der  ganze  Busen,  sondern  nur  die  eine  Seite,  der  eine 
μαεός,  nicht  der  κόλπος  bloss  wird.  Meint  man  nnn  aber  mao 
sollte  das  hier  nicht  so  genau  nehmen,  der  Dichter  habe  wirk- 
lich nur  die  eine  Brust  mit  κόλπος  gemeint,  so  wurde  κόλιτον 
άνιεμένη  (nach  S.  'die  Brust  heransthuend*)  genau  dasselbe  sein 
wie  μαΖόν  άνέ<Τχ€ν.  Wir  sahen  aber  bereits  dass  die  Bedentunir 
von  avi€06ai  'freilassen*  hier  überhaupt  nicht  passend,  und  daher 
jene  Uebersetzung  unrichtig  sei.  Άν(€0θαι  kann  also  hier  nur 
"lösen,  öffnen'  bezeichnen,  wie  zB.  in  οέσμον  aviex  (Od.  θ  359 
πυλας  δνεσαν  (11.  Φ  537)  und  ebenfalls  in  dem  von  S.  citirten 
αΤγας  άνΐ€μίνους  (Od.  β  300)  ^. 

An  unsrer  Stelle  kann  also  nur  die  Rede  sein  vona  κόλπος 
des  Gewandes,  der  geöffnet  wird,  und  immer  bleibt  sie  noch  eir 
Beweis  für  die  Ansicht,  der  Peplos  sei  ein  an  der  Vorderseite 
geschlitztes  Gewand  gewesen. 

Wenn  wir  also  wiederum  diese  Thatsaobe  erkannt  haben 
und  doch  mit  Studniczka  annehmen  müssen,  der  Peploa  war  ein 
himationartiges  Kleidungsstück,  das  um  den  Körper  gescblagen 
wurde,  so  fragt  es  sich  wie  wir  uns  eine  solche  Tracht  vor- 
zustellen haben. 

Die  Antwort  hierauf  wird  uns  gegeben  von  einer  ebenfalle 
sehr  bekannten,  aber  von  Studniczka  nicht  richtig  verstandenen 
Stelle  des  Eustathios  (Od.  σ  292):  Πέπλον  bk  φασχ  ηνες  τον 
ενταύθα  μέγαν  και  π€ρικαλλέα  καΐ  ποικίλον  π€ριβόλαιον  €?ναι. 
σκίπον  τόν  άριστβρόν  ώμον,  καΐ  έμπροσθεν  και  όπισθεν  συνότον 
τος  buo  πτέρυγας  εΙς  τήν  οεΕιάν  πλευράν,  γυμνήν  έών  την 
^εEιάv  χείρα  κα\  τόν  ώμον  *  €ΐ  bk  τοΟΘ'  ουηυς  ίχει,  τί  br\  ποτ€ 
bώ^εκα  περόνας  έχρήν  ίχειν  αυτόν  μανουοειοή  όντα;  δοκεί 
bi\  μάλιστα  γυναικείο  ν  ίμάτιον  εΤναι  ό  πίπλος  κατά  τα  Δω- 
ρικά, σχιστόν  έπΙ  μόνα  τά  έμπροσθεν  και  bia  τοΟτο  περόνας 
έθέλον  πολλάς.  Mit  Unrecht  meint  S.  (S.  93®),  Eustathios  be- 
kämpfe hier  das   von  ihm  mitgetheilte  Scholion.     Der  Ausdruck 


^  αίγας  άνΐ€μένους  heisst  doch  wohl  nicht  den  Ziegen  die  Harn 
absieben,  eondern  einfach  die  Tbiere  'öffnen',  ihnen  den  Bauch  auf- 
schneiden. So  spricht  auch  dieec  Stelle  eben  für  die  Auffassung,  dtr 
Peplos  sei  an  der  Vorderseite  geschlitzt  gewesen,  und  werde  von  He- 
kabe  vor  der  Brust  geöffnet. 


Zur  altgriechiechen  Tracbt  515 

bi\  μάλιστα  kann  unmögliob  dazu  dienen  eine  Einwendung  gegen 
eine  frühere  Behauptung  einzuleiten ;  er  wird  dagegen  immer  ge- 
braucht für  nähere  Bestätigung  oder  Hervorhebung  gewisser  Ein- 
zelheiten. Der  Zusatz  des  E.,  der  mit  diesen  Worten  anfängt, 
enthält  also  eine  nähere  Erklärung  der  Mittheilung  des  Scholions. 
Er  meint:  'wenn  das  Soholion  Recht  hat,  wie  hat  man  sich  dann 
die  zwölf  Nadeln  zu  denken*,  und  giebt  dann  eine  genauere  Be- 
schreibung des  in  Rede  stehenden  Gewandes.  Ja,  mit  den  Worten 
σχι0τόν  iia  μόνα  τα  Ιμπροσθεν  scheint  er  sogar  einem  mög- 
lichen Missverständniss  der  Worte  εΙς  την  be£iav  πλευραν  vor- 
beugen zu  wollen,  indem  er  sagt,  das  Kleid  wurde  zwar  auf  der 
rechten  Seite,  aber  an  der  Vorderseite  zusammengeheftet.  Nach 
Rustathios^  war  also  der  Peplos  ein  grosses  einfaches  Zeugstfick, 
eine  Art  Himation,  das  über  die  linke  Schulter  geschlagen  wurde, 
und  diese  sammt  dem  linken  Arm  ganz  bedeckte.  Von  den  herab- 
liängenden  Theilen  des  Kleides  (τττέρυγες)  wurde  der  eine  um 
den  Körper  geschlagen  und  unter  dem  rechten  Arm  durchgezogen, 
der  andere  von  vorn  um  den  Körper  geschlagen,  und  die  beiden 
Enden  auf  der  rechten  Seite  des  Körpers  zusammengebracht  (die 
rechte  Schulter  und  der  Arm  blieben  also  unbedeckt),  und  dort 
wurde  der  Schlitz,  der  natürlich  an  der  Vorderseite  entstand,  mit 
Nadeln  auf  der  Brust  geheftet.  Anstatt  'unrichtig'  oder  confus' 
zu  sein,  giebt  uns  dieses  Scholion  eine  ganz  klare  Beschreibung 
des  Peplos,  welche  vollkommen  mit  den  Angaben  des  Homer- 
textes  übereinstimmt.  Einerseits  sehen  wir  wie  Studniczka  Recht 
hatte  wo  er  behauptete,  der  Peplos  sei  ein  einfaches  Zengstüok, 
eine  Art  Himation  gewesen,  aber  anderseits  wird  uns  klar  wie 
dieses  Gewand  dennoch  an  der  Vorderseite  geschlitzt  gewesen. 
Jetzt  verstehen  wir  wie  es  κατά  στήθος  χρυσείης  ένετήσι  π€- 
ρονατο;  jetzt  verstehen  wir  wie  Hekabe,  Hektor  anflehend,  mit 
der  rechten  Hand  sich  das  Gewand  über  der  Brust  ein  wenig 
öffnet,  und  mit  der  anderen  Hand,  welche  selbst  auch  unter  dem 
Kleide  sich  befand,  die  eine  Brust  durch  den  Schlitz  des  Kleides 
emporhalten  konnte. 

Wir  haben  also  in  dem  alterthüm  liehen  Frauen- 
kleide, dem  Peplos    der    homerischen    Gedichte,  ein 


ί  Auf  seinen  Autdruck  ίμάτιον  κατά  τά  Δωρικά  kommen  wir 
nachher  zurück.  Es  leuchtet  ein  dass  was  oben  sich  über  dco  Peplos 
heraustellt,  auch  unsre  Ansicht  des  sogenannten  dorischen  Kleides  be- 
deutend ändern  wird. 


518  Holwerda 

Rteller  hier  redet  von  einer  έσθής  ές  τόν  νυν  τρόπον,  (ή)  ffpdr 
τοι  Λακεδαιμόνιοι  έχρή(Ταντο,  βο  fragt  eich,  welchee  Kleid  er 
damit  gemeint  haben  kann.  Daas  dies  'zu  seiner  Zeit  übliclie 
Kleid'  der  gewöhnliche  Aerroelcbiton  sein  würde,  daran  hat,  fo 
viel  ich  weise,  niemand  gedacht.  £e  ist  auch  nnmöglicb  die« 
gewöhnliche  Hemd  als  das  hier  genannte  lakonische  Gewani 
der  Mftnner  zn  betrachten.  Aber  noch  weniger  kann,  wie  mu 
zu  meinen  scheint,  die  Tracht,  welche  jetzt  allgemein  als  <iie 
dorische*  angesehen  wird,  gemeint  sein.  Ist  doch  letzteres  tuf 
beiden  Schaltern  genestelte  Kleid  eine  specielle  Fraaentracbt. 
welche  nicht  von  Männern  getragen  wurde,  während  doch  Ti 
nur  von  der  Tracht  der  Männer  handelt.  Was  war  nan  aber 
das  zur  Zeit  des  Th.  allgemein  übliche  Männergewand?  Was 
anders  als  ihr  gewöhnliches  Oberkleid.  Dieses  wnrde  dahernacl 
Th.  als  lakonisches  betrachtet.  Aber  dieses  Oberkleid,  was  könnte 
es  anders  gewesen  sein  als  das  gewöhnliche  Himation,  und  diese» 
Himation  ^ans  Sparta',  was  ist  es  anders  als  das  Ιμάτιον  κότα 
τά  Δωρικά  des  Enstathios,  die  Δωρις  des  Herodot,  das  viereckige 
Tuch,  das  auch  schon  in  den  Homerischen  Zeiten  als  Peploa  ode: 
Chlaina  getragen  wurde?  Es  hat  sich  also  herausgestellt,  die 
dorische  Tracht  war  einfach  das  viereckige  TncK 
das  durch  das  ganze  Alterthum  hindurch,  nur  in  ver- 
schiedenen Zeiten  und  unter  verschieden  en  Umstandei: 
in  verschiedener  Weise  angelegt,  von  beiden  Ge- 
schlechtern getragen  wurde,  und  ich  stehe  nicht  an  aack 
in  dem  sogenannten  'dorischen*  Kleide  Studniczkas  (a.  T.  8.  ' 
dasselbe  viereckige  Tuch  zu  erkennen.  Nur  ist  es  hier  nicht  mr 
auf  der  einen,  sondern  auf  beiden  Schultern  geheftet.  Diester. 
Umstand  auegenommen,  giebt  es  überhaupt,  der  Form  und  Art 
des  Kleides  selbst  nach,  zwischen  diesem  Gewände  und  den  ober. 
behandelten  keinen  Unterschied.  So  ist  daher  das  Kleid• 
das  man  bis  jetzt  allgemein  als  das  specielle  dorischi 
Gewand  betrachtet  hat,  nur  eine  der  vielen  Spiel- 
arten desselben.  Peplos  oder  Chlaina,  klassisches  Hi- 
mation entweder  auf  einer  Schulter  genestelt  oder 
frei  umgeschlagen,  und  endlich  auch  das  auf  beiden 
Schultern  geheftete  Zeugstück,  das  allein  als  dorische? 
Kleid  gegolten  hat,  alle  sind  nur  Mod  ifi  cationen  der- 
selben dorischen  Tracht,  des  einfachen  viereckige^ 
Tuches. 

Mit    Recht    hat    man    bemerkt,    dass    das     vielbesprocheoe 


Znr  altgriechischen  Tracht  519 

Kleid  der  epartaniechen  Mädchen  ein  doriechee  f^eweeen  sein  mnee 
(vgl.  Studn.  a.  T.  S.  8.  Boehlau,  Quaest.  de  re  veet.  S.  79).  Be- 
trachten wir  die  von  Boehlau  zaeamm engebrachten  Stellen^,  welche 
von  diesem  Kleide  handeln,  so  l&sst  eich  sofort  bemerken,  daea 
die  Mädchen  keinen  Chiton,  sondern  nur  ein  Himation  tmgen, 
welches  freilich  nicht  hinreichte  den  ganzen  Körper,  besonders  die 
Beine  genügend  zu  verdecken.  Nun  fand  man  weiter  eine  grosse 
Schwierigkeit  darin,  dass  das  Scholion  des  Enrip.  von  einem  Kleide 
spricht,  das  Ιφ*  έκοτ^ρου,  die  übrigen  dagegen  von  einem,  das 
nnr  auf  einer  Schulter  geheftet  wurde.  Boehlau  hat  in  sehr  ver- 
nünftiger Weise  auf  philologischem  Wege  die  Schwierigkeit  zu 
heben  versucht;  nach  unsrer  Auffassung  von  der  Art  des  dori- 
schen Kleides  besteht  aber  eine  solche  Schwierigkeit  überhaupt 
nicht.  Wurde  doch  das  viereckige  Tuch  sowohl  auf  einer  als 
auf  beiden  Schultern  geheftet  getragen,  sodass  beide  Tracht- 
weisen  auch  bei  den  spartanischen  Mädchen  Üblich  gewesen  sein 
müssen,  wie  sie  auch  bei  den  Frauen  im  Allgemeinen  nebeneinander 
vorkommen,  ohne  dass  ein  wirklicher  Unterschied  da  ist.  Man 
vergleiche  zB.  die  Pailasstatuen  in  Neapel  (Reinach,  Rupert,  d.  1. 
Stat.  I  S.  226*),  Albani  (R.  I  226^.  236«),  Hope  (R.  I  227») 
b  Dresden  (R.  I  2B2*  u.  «)  Cavall.  (R.  II  293)  und  sehr  viele 
andere,  welche  uns  das  Kleid  auf  der  einen  Schulter  genestelt 
«eigen,  mit  den  Pallasfiguren  im  Capitol  (R.  I  228»),  in  Stock- 
holm (R.  I  229*),  in  Neapel  (R.  1  230*),  in  Rom  (R.  I  236»), 
der  Parthenos  des  Pheidias,  und  fast  unzähligen  andren  Figuren 
der  Gross-  und  Kleinkunst,  wo  es  auf  beiden  Schultern  geheftet 
ist  (Studniczka  Abb.  S.  8).  Ausgenommen  diese  Nestelung  giebt 
es  doch  überhaupt  keinen  Unterschied  zwischen  beiden  Tracht- 
weisen ;  alle  Figuren  sind  mit  demselben  viereckigen  Tuche  be- 
kleidet. Auch  diese  Stellen,  welche  vom  spartanischen  Mädchen- 
kleide  handeln,  scheinen  mir  also  eine  Bestätigung  unsrer  Anaiebt 
vom  dorischen  Kleide  als  dem  verschieden  angelegten  viereeki^w. 
Zeugstück  zu  enthalten.  Zur  dorischen  Tracht  gebOr•?*! 
daher  sowohl  die  homerischen  ττέπλος  nniti-T^^t 


1  Es  sind  hauptsächlich:  Schol.  BMI  ad  Eurip  ^λ^όλ  «1^4  « 
Λακ€δαιμόνιαι  κόραι  διημ€ρ€ύουσι  άΐωοτοι  καΐ  dxi^u*«^'.  μ^Τλιο» 
ίχουσαι  π€πορπημένον  ίφ'  έκατ^ρου  τών  Λμων  trv.  ugi^g«  %-.  -.4 
und  Gros  beide  ungefähr  gleichlautend:  al  κατά  •4».ρ^υ•Ρΐιΐΐ!υ  <■-/->« 
διημέρευον  älworox  καΐ  άχίτωνβς  ίμάτιον  μάνον  #Λ 
πημέναι. 


520  Holwerda 

(φαρος),  als  die  verschiedenen  Spi  e  1  arten  des 
klaseisohen  Himation  entweder  frei  umgeschU- 
gen,  oder  sowohl  anf  der  einen  al8  auf  beiden 
Schaltern  genestelt. 

Es  fragt  eich  jetzt  wie  wir  uns  das  andere  von  Herodo: 
erwähnte  Kleid  za  denken  haben,  die  Ίάς,  den  leinenen  Chiton, 
welchen  die  Frauen  anstatt  des  Peplos  getragen  haben.  Des 
Worten  dieses  Schriftstellers  läset  sich  nur  noch  entnehmen^  daw 
er  darin  eine  ursprünglich  fremde  Tracht  gesehen  hat.  Mehr 
lehrt  uns  bei  richtiger  Erklärung  wohl  jene  Stelle  des  Thukydid« 
(T  6).  Nachdem  er  von  den  rohen  Zeiten  des  (Τΐ2)ηροφθρ€ΐν  er- 
zählt hat,  fährt  er  fort:  *die  Athener  sind  die  ersten  gewesen,  die 
τόν  T€  (Τΐοηρον  κατίθ6ντο  und  sich  grösserem  Luxus  zugewendet 
haben.  Und  es  ist  noch  nicht  so  lange  her  daes  die  πρ€(ίβύτ€ροι 
τών  ευδαιμόνιυν  bia  το  aßpobiairov  χιτώνας  τ€  λινούς  έτταυ- 
σαντο  ς)οροοντ€ς  usw.,  άφ'  ού  και  Ίώνιυν  τους  πρεσβυτέρους 
κατά  τό  συγγενές  έπι  πολύ  αοτη  ή  σκευή  κάτασχε.  Ein  ein- 
facheres Kleid,  wie  wir  es  jetzt  tragen,  hatten  die  Lakedaimonier 
am  ersten,  bei  welchen  auch  in  anderer  Hinsicht  προς  τους 
πολλούς  ol  τά  μείίιυ  κεκτημένοι  Ισοδίαιτοι  μάλιστα  κοτίστησαν.' 
Man  hat  einen  gewissen  Widerspruch  zwischen  den  Worten  des 
Thuk.  und  des  Herodot  angenommen  (Studn.  S.  19),  weil  ereterer 
behauptet  haben  soll,  der  von  Herodot  ionisch  genannte  Chiton 
sei  umgekehrt  in  Athen  erfunden  und  von  dort  nach  lonien  ge- 
kommen. Allein  so  etwas  läset  sich  bei  Thuk.  überhaupt  nicht 
herauslesen.  Wenn  er  sagt,  die  athenischen  Männer  hätten  zu- 
erst dieses  Kleid  getragen,  so  folgt  daraus  durchaus  nicht  da^s 
die  Kleidform  selbst  auch  in  Athen  erfunden  sein  müsse;  die 
Männer  konnten  sie  doch  ebensogut  anders  woher  bekommei] 
haben.  Ebensowenig  geht  aus  der  Behauptung,  die  lonier  hätten 
sie  κατά  τό  συγγενές  noch  länger  beibehalten,  hervor  daes  sie 
dieses  Gewand  von  den  Athenern  kennen  gelernt  hatten.  ^ 
lassen  sich  vielmehr  beide  Stellen  sehr  gut  mit  einander  in  Ein- 
klang bringen.  Beide  reden  von  demselben  Gewände;  nach 
Herodot  war  es  ein  ionisches  Frauenkleid,  nach  Thuk.  ein  Kleid. 
das  bei  zunehmender  Weichlichkeit  von  Männern ,  ioniecben 
und  attischen  getragen  wurde.  Das  eine  schliesst  das  anden• 
keineswegs  aus.  Scheint  doch  jene  Weichlichkeit  (άβροοίαιτονί 
eben  darin  bestanden  zu  haben,  daes  auch  Männer  ein  Klei•!. 
das     ursprünglich    Frauentracht     war,     angenommen    haben.    ^ 


Zur  altgriechiscben  Traoht  521 

spricht  Th.  auch  nicht  von  einer  allgemeinen  Männertraehi,  die 
zu  jenen  Zeiten  in  Athen  üblich;  er  behauptet  nicht,  wie  man 
zu  meinen  scheint,  dasR  der  leinene  Chiton,  welchen  später  die 
alten  coneervativen  Vornehmen  beibehielten,  einmal  dae  allgemein 
gebrauchte  Kleid  der  attischen  Männer  gewesen  sei.  Im  Gegen- 
theiJ:  wenn  er  sagt  Vs  ist  noch  nicht  so  lange  her,  dass  die 
älteren  Männer  unter  den  Reichen  die  leinenen  Chitone  zu 
tragen  aufhörten;  das  Kleid  das  wir  jetzt  tragen,  stammt  von 
den  Spartanern,  bei  welchen  auch  in  anderer  Hinsicht  die  Vor- 
nehmern mit  der  Menge  iaobiaiTOi  waren',  so  liegt  darin  eine 
unverkennbare  Andeutung,  dass  letzteres  in  Athen  zur  Zeit,  als  jene 
leinenen  Chitone  getragen  wurden,  nicht  der  Fall  war,  dass  jene 
Chitone  nur  eine  specielle  Tracht  der  in  Lebensgewohnheiten 
von  den  Armen  stark  abweichenden  Vornehmem  war.  Ol  πολλοί 
trugen  in  den  alten  Zeiten  ein  mehr  gewöhnliches  Kleid,  aber 
ein  besonderes  Zeichen  der  damals  herrschenden  Weichlichkeit 
war  es,  dass  bisweilen  Männer  vornehmen  Standes  das  weibliche 
Lnxuekleid  trugen.  So  erst  erklärt  sich  auch  jene  von  Pau- 
saniae^  erwähnte  Terapellegende,  nach  welcher  Theseus  in  einen 
solchen  leinenen  Chiton  gekleidet  als  Mädchen  verspottet  wurde; 
trug  er  doch  wirklich  ein  Franenkleid. 

Schon  aus  diesen  Erwägungen  ergiebt  es  sich,  dass  wir 
in  diesem  ionischen  Chiton  nicht  das  Kleid  zu  erkennen  haben 
dae  man  allgemein  so  zu  nennen  gewöhnt  ist,  das  genähte  Hemd 
dessen  Schema  Studniczka  (S.  13)  gezeichnet.  Wurde  doch  dieses 
Hemd,  wie  Studn.  selbst  gezeigt,  schon  von  homerischen  Männern 
unter  ihrem  Panzer  getragen,  und  gehört  mithin  wohl  schon  den 
Zeiten  des  σΐοηροφορβΐν  an.  Ein  Hemd  zu  tragen  kann  doch 
auch  unmöglich  als  grosser  Luxus  betrachtet  werden  (τό  άβρο- 
biaiTOV).  Aber  Thuk.  selbst  scheint  uns  sogar  nachdrücklich  zu 
bezeugen,  der  ionische  Chiton,  von  dem  er  redet,  sei  nicht  das 
Hemd  gewesen.  Sagt  er  doch  dass  es  nicht  so  lange  her  sei 
dass  die  älteren  angesehenen  Männer  den  ionischen  Chiton  ab- 
gelegt hätten,  dass  dieser  also  bei  seinen  Lebzeiten  überhaupt 
nicht  mehr  getragen  wurde,  während  doch  das  Hemd,  der  Chitoo, 
wie  ihn  Studn.  zeichnet,  nicht  nur  noch  im  fünften  Jahrhanden 

^  I  19,  ],  wo    über  den    Bau   des  delphischen   Tempels  gereOB" 
wird :  λέγουσιν  ιίις  .  .  .  .  άγνώς   τοΙς    πασιν   άφίκβτο    Θη0€ύς  ές  τηι 

πόλιν,  οία  bi  χιτΟινα  ίχοντος  αύτοΟ  ποοήρη οΐ  οίκοδομντκ: 

ήροντο  σύν  χ\€υασ\μ  6  τι  δή   παρθένος  έν    ιορςι  γάμου  nXav&mmm^ 
(vgl.  Studniczka  S.   19). 


522  Holwerda 

sondern  fast  dan  ganze  Alterthnm  hindarch  eine  sohr  gewöhnliclf^ 
Tracht  war. 

Wenn  Boehlau  in  dem  ioniecben  Chiton  nnr  ein  eolchei 
groeeea  Hemd  zn  erkennen  meint,  dessen  typische  Eigenacfatft 
der  grosse  Sinns  sei,  so  sei  bemerkt,  daes  ein  längerer  oder 
kürzerer  Sinus  nie  als  Eigenschaft  eines  Gewandee  betrachtet 
werden  kann.  Entsteht  doch  der  Sinus  erst  wenn  man  das  Kleid 
oberhalb  eines  Gürtels  emporzieht  und  dann  herabfallen  \i»st 
Bei  jedem  Kleide  kann  man  nach  Belieben  den  Sinne  grösMr 
oder  kleiner  machen,  oder  sogar  ganz  wegfallen  lassen. 

Unmöglich,  wie  gesagt,  kann  aber  auch  das  gewöhnlicb«' 
Hemd  das  von  Thukydides.  erwähnte  Luxnsgewand  gewesen  sein. 
Das  stattliche  Kleid,  das  bia  τό  άβροοίαιτον  getragen  wurde, 
das  nach  Herodot  aus  dem  Osten  zn  den  Griechen  gekommen 
ist,  muss  eine  Art  Obergewand  gewesen  sein,  ein  χίτιυν  έπ€νούτηςΙ 
der  im  Anfange  des  fünften  Jahrhunderts  ungefähr  aus  der  Mode 
gekommen  ist. 

Ein  solches  stattliches  Oberkleid  meine  ich  in  der  Tracht 
der  bekannten  archaischen  Gewandfiguren  zu  erkennen,  wie  eie 
an  vielen  Stätten  Griechenlands,  besonders  aber  auf  der  Akro- 
polis  in  Athen  gefunden  sind.  Die  Kleidung  dieser  Figuren. 
welche,  wie  uns  nicht  nur  die  Sculpturen  selbst,  sondern  ft$t 
zahllose  Vasenbilder  zeigen,  in  den  archaischen  Zeiten  eine  all- 
gemeine verbreitete  Prauentracht  gewesen  ist  und  nur  bisweilen 
auch  von  Männern  getragen  wurde  (vgl.  zB.  die  Vasenbilder 
Gerb.  Auserl.  Vas.  77,  319.  Annali  1830  B,  Samml.  de  Lnjne« 
19  usw.),  ist,  soweit  mir  bekannt  ist,  nur  von  Kalkmann  (Jahr- 
buch 1896  S.  30)  eingehender  behandelt.  Er  behauptet,  sie 
hätte  AUS  einem  langen  Aermelohiton  bestanden,  über  welchen 
ein  schräger  Mantel  gehängt  sei.  Diese  Ansicht  scheint  mir  aber 
unhaltbar.  Denn  es  läset  sich  nun  einmal  nicht  leugnen,  da<» 
eine  gleiche  Bemalung  des  unteren  Teiles  der  Figur  und  der 
herabfallenden  Gewandmasse  wirklich  darauf  hinweist,  dass  sie 
zusammen  ein  und  dasselbe  Kleid  bilden.  Dann  aber  ist  auch 
das,  was  K.  gegen    letztere   auf  der   Hand    liegende   Auffassung 


^  Vgl.  Pollux  VII  41  und  besonders  die  von  ihm  citirten  Stellen 
des  Sophokles :  πέπλους  Τ€  νήσαι  λινοτ€ν€Ϊς  τ'  έπενδύτας  und  des  Nikn- 
charee  φ^ρ€  νΟν  ταχέιυς  χιτώνα  τόνδ'  έπ€νδύτην.  Auch  in  dem  be- 
kannten Ίάον€ς  έλκεχιτων€ς  ist  offenbar  von  einem  Obergewand  die 
Rede. 


Zur  altgriechiscben  Tracht  523 

einwendet,  anstatthaft.  Denn  obwohl  es  richtig  ist,  daes  der 
echräge  Rand  vor  der  Brust  nicht  als  Bausch  des  Unterkleides 
zu  verstehen  sei»  sondern  dass  dieser  Bausch  beim  Anlegen 
des  Oberkleides  in  diesem  Kleide  selbst  entstanden  sein  muss, 
so  ist  dieser  doch  viel  zu  schmal  um  als  Ueberschlaf^  eines 
Mantels  gedeutet  werden  zu  können,  wie  es  K.  thut.  Der  Haupt- 
einwand  Kalkmanns  gegen  den  Zusammenhang  des  unteren  Teiles 
und  der  herabfallenden  Gewandmasse  ist  nun  aber,  dase  ein 
solches  Obergewand  bis  auf  die  Füsse  herabfallen  und  den  Chiton 
unter  dem  Kleide  ganz  verdecken  würde.  Allerdings  beweist 
diese  Bemerkung,  dass  ein  solches  Obergewand  nicht  ein  über 
einem  Aermelchiton  angezogenes  sogenanntes  dorisches  Kleid 
gewesen  sein  kann,  weil  dieses  niemals  so  weit  hinabreicht;  dass 
es  aber  kein  Obergewand  überhaupt  sein  könnte,  beweist  sie 
durchaus  nicht. 

Dass  es  übrigens  wirklich  derartige  echräge  Mäntel  gegeben 
hat  wie  K.  annimmt  steht  ausser  Zweifel.  Eben  eine  Vergleichung 
dieser  Mäntel  mit  der  Tracht  nnsrer  archaischen  Gewandfiguren 
zeigt  aber  sofort,  dass  letztere  ein  ganz  anderes  Kleid  tragen. 
Nehmen  wir  als  Beispiel  eines  solchen  Mantels  die  von  K.  (Jahrb. 
S.  35)  dargestellte  Figur  (16),  so  sehen  wir  wie  dort  ein  ziem- 
lich grosser  Mantel  umgehängt  und  nur  auf  der  Schulter  ge- 
nestelt ist;  die  Faltelung  des  Ueberschlages  sowie  die  des  Mantels 
selbst  ist  hier  eine  ganz  natürliche.  Ganz  anders  ist  aber  der 
Fall  des  Kleides  bei  einer  archaischen  Gewandfigur  wie  K.  sie 
in  Fig.  13  giebt.  Wie  schon  bemerkt,  ist  der  sogenannte  lieber- 
schlag,  der  schräge  Rand  vor  der  Brust  hier  viel  kleiner,  ja  viel 
zu  klein,  um  wirklich  als  üeberschlag  zu  gelten,  verschwindet 
er  doch  auf  der  rechten  Schulter  ganz,^  während  der  Üeber- 
schlag des  Mantels  (Fig.  16)  nach  der  Nestelung  wieder  herab- 
fällt; besonders  aber  verdient  es  Beachtung,  dass  das  Kleid 
unsrer  Sculptnren  über  den  ganzen  rechten  Arm  hin  zusammen- 
geknöpft ist,  während  der  Mantel  nur  genestelt  ist.  Dass  man 
ein  so  kleines  Mäntelchen,  wie  das  dieser  Figuren  nach  K.  wäre, 
nicht  einfach  über  die  Schulter  werfen  oder  auf  der  Schulter 
nesteln  würde,  sondern  mit  vielen  Knöpfen  zusammengeknöpft 
hätte,  scheint  mir  geradezu  undenkbar;  ein  Gewandstück,  das 
mit  so  vielen  Knöpfen  über  den  ganzen  Arm  hin  befestigt  würde, 
muss  ein   grösseres  Kleid  gewesen  sein. 

Die  Figur  Nr.    594    des    Akropolismuseums    scheint    mir 
aber  die  Frage  zu  erledigen.    Dort  sehen  wir  ein  Gewand,  genau 


524  Holwerda 

wie  wir  e8  bei  uneren  Sculpturen  antreffen.  Von  der  linken 
Schulter  hängt  überdieR  noch  ein  Mäntelchen  herab,  das  über  den 
Hucken  hingezogen  nm  den  rechten  Arm  gewickelt  zu  eeiD 
eirheint.  Daes  eine  nnd  dieselbe  Pereon  zwei  kleine,  verschie- 
den nmgehängte  Mäntelchen  tragen  würde  ist  wohl  andenkbar, 
die  herabfallende  Gewand roasse  zar  Rechten  wird  aleo  ale  zum 
Gewände  selbst  gehörig  zn  deuten  sein.  £e  scheint  also  an- 
umgänglich  in  der  Tracht  dieser  Figuren  ein  über  einem  ein- 
fachen Chiton  angezogenes  grosees  Gewand  zu  erkennen. 

Dass  dieses  Gewand  nicht  zur  dorischen  Tracht  gehört,  ist 
echon  von  Kalk  mann  erwiesen  und  fallt  auch  schon  beim  ersten 
Anblick  ine  Auge,  iet  es  doch  im  Gegensatz  zu  jener  Tracht  ein 
grosses  stattlichcR  Gewand,  auf  den  Seiten  geschlossen  nnd  über 
den  rechten  Arm  zusammengeknöpft,  ohne  jede  Fibel  angelegt. 
Eben  diese  letztere  Thatsache  scheint,  uns  zu  berechtigen  ic 
unsrem  Gewände  das  ionische  Princip  zu  erkennen,  wie  denn  auch 
schon  Studiiirzka  dies  Kleid  ein  'ionisierendes  nennt  (vgl.  Athen, 
Mitth.  1886  S.  354.  Jahrb.  1896  S.  80  A.32).  Auch  die  folgenden 
Thatsachen  scheinen  mir  noch  auf  die  Richtigkeit  unsrer  Deutung 
dieses  Kleides  als  das  von  Herodot  und  Thukydides  genannte 
ionische  hinzuweisen.  Für  diese  Figuren  mit  ihrem  stattlichen 
Kleide  (vgl.  τό  άβροοίαιτον)  scheint  das  bekannte  Epitheton 
Ίάονες  έλκεχίτωνβς  wie  geschaffen.  Fasst  doch  dieses  Adjectiv 
nicht  zu  einem  Kleide  das,  wie  der  gewöhnliche  Chiton  (der  von 
Studniczka  als  ionisch  bezeichnete)  nur  bisweilen  zu  den  Füssen 
herabreichte,  bisweilen  sogar  kurz  getragen  wurde,  sondern  das 
Nachschleppen  über  den  Boden  rouss  eine  typische  Eigenschaft 
desselben  sein.  Der  von  uns  als  ionisch  ermittelte  Chiton  επεν- 
δύτης, das  Kleid,  das  von  der  Person  meistens,  wie  der  Rock  von 
unsren  Damen,  mit  der  Hand  aufgehalten  wird,  damit  es  nicht 
über  den  Boden  schleppe,  ist  soviel  ich  nachzuweisen  vermag 
das  einzige  griechische  Gewand,  das  diese  Eigenschaft  hat;  nur 
bei  der  Betrachtnng  unsrer  Gewandfiguren  versteht  man  da? 
Epitheton  richtig. 

Dann  aber  muss  das  Kleid  dieser  Figuren,  mit  seinen 
vielen  feinen  Falten  aus  feinem  Stoffe  gemacht  sein.  Bei  eineiD 
roheren  wollenen  Stoffe  würde  nicht  eine  so  feine  Fälteiung  auf- 
treten, es  muss  also,  wie  uns  vom  ionischen  Chiton  berichtet 
wird,  aus  Leinen  gewesen  sein  (vgl.  die  Bemerkung  Stndniczktu* 
S.  51  f.).  Endlich  ist  dieses  Gewand  wie  schon  bemerkt  in  dec 
archaischen  Zeiten  von  Frauen  allgemein,  von  Männern  nur  bi»- 


Zur  altgriechischen  Tracht  525 

weilen  getragen  und  im  fünften  Jahrhundert  ganz  verechwunden, 
wie   ee  Thukydides  vom  ioniechen  Kleide  bezeagt. 

Ist  also  die  ionischeTrachtsicherlich  nicht, 
wie  man  gewöhnlich  annimm  t,  der  allgemein  üb- 
liche Aermelohiton  gewesen,  sondern  war  sie 
eine  selbständige  Modeerscheinnng,  ein  Ober- 
kleid (χιτών  επενδύτης),  so  finden  wir  im  Ge- 
wände der  archaischen  Kleidfiguren  wahr- 
scheinlich dieses  Oberkleid  wieder. 

Neben  diesem  stattlichen  Kleide  lässt  sich  noch  eine  andere 
Art  έπ€νούτης    nachweisen,  welcher  einfacher  als  jener,  von  den 
Frauen  besonders  im  fünften  Jahrhundert  und  auch  später  noch  ge- 
tragen wurde.    Läset  doch  Studniczka  aus  dem  auf  beiden  Schultern 
genestelten  dorischen  Himation  durch  Zusammennähung  des  Schlitzes 
auf  der  Seite  des  Körpers  eine  Art  Chiton  entstehen  (a.  T.  S.  10), 
welcher  freilich  öfters  über  dem  nackten  Körper  getragen,  mei- 
stens aber  als  Oberkleid  benutzt  ist.     Das  Beispiel  des  Zusammen- 
nähens hatten  freilich  schon  vorher  die  ionischen  Chitone  gegeben. 
Merkwürdig    scheint  es  aber  dass    sich  diese   Chitonart   noch  in 
anderer  Richtung    weiter    entwickelt    hat.     Ist   doch    schon  von 
Boehlan  (Qnaest.  de  re  v.  Gr.  S.  39)  bemerkt,  dass  sich  viele  Bei- 
spiele nachweisen  lassen  eines  Chitons  der  mit  Aermeln  versehen, 
übrigens  einem  gewöhnlichen  Hemde   gleicht,    wo   wir  aber   ge- 
nau wie  bei   diesem  sogen,  dorischen  Chiton,   einen    Ueberschlag 
antreffen    (vgl.  zB.    die    von    B.    abgebildeten    Figuren).      Diese 
Combination  von  Aermel  und  Ueberschlag   lässt    sich   leicht    er- 
klären bei  einer  Betrachtung  der  vielen  in  diesen  επενδύτης  ge- 
kleideten Statuen,  bei  welchen    der   Oberarm,  grossentheils   vom 
Kleide  eingeschlossen,  nur  durch  den  Schlitz    über    seine    Länge 
hin  sichtbar  ist  (vgl.  zB.  die  Nike  Capit.  Brunn  Ant.  Denkm.  263 ; 
das  schlagendste  Beispiel  eines  solchen    Kleides   zeigt   die    Flora 
Id  Madrid  Rein.  Report.  I  195^).    Denken  wir  uns  diesen  Schlitz 
zugeknöpft,  so  würde  der  Arm  von  einem    Aermel    umschlossen 
sein,  an  dem  auch  der  Ueberschlag  fest  war,  genau  wie  wir   es 
bei  jenen  von  Boehlan  angeführten  Figuren  sehen.     So  lässt   es 
eich  erklären,  dass  wir  bisweilen  diesen  sogen,  dorischen  Chiton 
mit  Aermeln  versehen  antreffen  und  dass  seine  Formen  mit  denen 
des  gewöhnlichen  Aermelohitons  durcheinander  zu  laufen  scheinen. 
Es  scheint  sich  diese   soiren.    dorische   επενδύτης- Form,    welche 
ich  nur   von    F*  -•    nachzuweisen    vermöchte,    noch 


52(i  Η  ο  1  w  e  r  d  a 

längere  Zeit  erbalten  zu  haben.     Allmählich  tritt  aber  aneh  m 
vor  dem  frei  amgescblagenen  dorischen  Himation  zurück. 

Unter  den    bie   jetzt    beeprochenen    Oberkleidem    hat   idad 
meistens  das  gewöhnliche  Hemd  getragen,  den  einfachen  Chitoc. 
dessen  Schema  Studniczka  gezeichnet.     Dass  dieser  mit   Unrecht 
von  ihm  ionisch  genannt  wurde,  haben  wir  gesehen.     Nun  fratrt 
sich  noch,  war  dieser  einfache  Chiton,  der  entweder  länger  oder 
kürzer,  mit  oder  ohne  Aermel,  immer  doch  derselbe  nach  onfen 
geöffnete  Sack  war  mit  Oeffnungen  für  Kopf  und  Arme,  wirklich, 
wie  Htudn.  annimmt,  aus  Leinen  gefertigt?  Dies  läset  sich  über- 
haupt nicht  beweisen;  Studn.  hat  dafür  keine  einzige  Stelle  an- 
geführt, und  auch  ich  vermag  keine  nachzuweisen.     Was  ersten» 
den  Chiton  bei  Homer  betrifft,  die  Frage  ob  wirklich  der  Leinen- 
stoff  im  eebrauch  gewesen,  mag  dahingestellt  bleiben  (ygl.  Stodn. 
a.  T.  S.  45),  während  daran  erinnert  sei  dass  die  Wolle  als  ntr 
meist    übliche    Stoff   erwähnt    wird  (vgl.  Studn.  a.  T.    a.  s.  S.). 
'Ueber  Stoff  und  Form  des  Chiton  sagen  die  Texte,  ausdrucklich 
wenigstens,  so  gut  wie  nichts.    Wenn  sich  die  meisten  Neuern  . . . 
für  einen  .  .  Wollenohiton  entscheiden,  so  ist  das  Willkür',  sa^ 
Studn.  (a.  T.  S.  56).     Willkür  scheint  es    aber   aneh,    wenn   er 
eich  hier  ohne  eigentliche  Gründe   für   einen    Linnenchiton  aoe- 
spricht.     £s  lässt  sich  überhaupt  nicht  feststellen,    aus    welchem 
Stoffe  der  homerische  Chiton  gemacht  war. 

Aber  auch  die  Annahme,  der  Chiton,  das  Hemd  der  elassi- 
Rchen  Zeiten  sei  aus  Leinen  gefertigt  gewesen,  scheint  jedet 
Grundes  zu  entbehren.  Autorstellen,  welche  so  etwas  beweiseD 
sollten,  werden  nicht  angeführt,  nur  ,die  Thateaehe  dass  der 
Chiton  genäht  war,  scheint  als  Beweis  geltend  gemacht  zu  werden 
(vgl.  Studn.  a.  T.  S.  13).  Obwohl  es  aber  richtig  ist  dass  ein 
leinenes  Kleid  nicht  dazu  geeignet  war  mit  Nadeln  geheftet  zq 
werden,  so  folgt  daraus  doch  gar  nicht,  dass  jedes  genähte  Kleid 
ein  leinenes  gewesen  sein  muss. 

Es  bleibt  also  nur  noch  die  Erwägung  Studniczkaa  das» 
das  Wort  χΐτών  ein  semitisches  Lehnwort  sei,  und  es  in  dieser 
Sprache  einen  verwandten  Stamm  gebe,  der  Leinen  bezeichnet. 
so  dass  das  Wort  im  Semitischen  Leinenrock  bedeutet  haben  soll. 
Es  liesse  sich  aber  sehr  wohl  denken,  dass  ein  und  dasselbe 
Wort  einen  gewissen  Stoff  bedeutet  und  ein  gewiseea  Kleid,  ohn« 
dass  letzteres  speciell  aus  diesem  Stoffe  gefertigt  zu  sein  braucht 
Bedeutet  doch  zB.  das  deutsche  'Laken    erstens  den    bekannten 


Zar  altgriechisohen  Tracht  527 

wollenartigen  Stoff,  dann  aber  auch  z6.  ein  Betttuch,  welches 
doch  immer  ans  Leinen  oder  einem  ähnlichen  Stoffe,  niemale  ans 
Laken  gemacht  ist.  Angenommen  aber,  das  eemitieohe  Kleid 
war  ans  Leinen  gefertigt,  bo  braucht  doch  das  griechische,  wenn 
die  Griechen  den  Namen  übernommen  haben,  nicht  ebenfalls 
ein  leinenes  gewesen  zu  sein. 

£e  läset  sich  also  überhaupt  nichts  Sicheres  über  den  Stoff, 
aus  dem  der  gewöhnliche  Chiton  gemacht  wurde,  feststellen,  und 
es  scheint  an  sich  anch  geringe  Wahrscheinlichkeit  zu  haben, 
dass  man  für  ihn  immer  denselben  gebraucht  habe.  Dieser 
Chiton  also,  entweder  aus  Leinen  oder  Wolle,  schon 
von  den  homerischen  Helden  getragen,  und  noch  von 
den  spätesten  Schriftstellern  erwähnt,  war  das  ein- 
fache Hemd,  mit  oder  ohne  Aermel,  das  von  allen.^ 
selbst  von  den  ärmsten,  ja  von  Sklaven  getragen 
wurde,  also  gewiss  kein  fremdartiges  Kleid,  das  nur 
einigeZeit  in  der  Mode  gewesen,  wie  es  uns  vom  ioni- 
schen Leinenchiton  berichtet  wird,  sondern  ein  Klei- 
dungsstück, das  sich  das  ganze  Alterthum  hindurch 
erhalten  hat. 

Kurz  gefasst  lässt  sich  also  die  Geschichte  der  griechischen 
Tracht  folgenderweise  darstellen. 

In  den  frühesten  Zeiten,  den  Zeiten  des  (Τΐ6ηροφορ€ΐν  trugen 
Männer  und  Frauen  dasselbe  Kleid,  von  Homer  bisweilen  φ&ρος 
genannt,  das  später  das  dorische  genannt  wurde,  welchem  Namen 
wir  gewiss  nicht  zu  viel  Gewicht  beizulegen  brauchen;  versteht 
es  sich  doch  leicht,  dass  man  im  Gegensatz  zu  dem  stattlichen 
Luxusgewande  aus  lonien  das  mehr  einfache  das  dorische  ge- 
nannt hat.  Dieses  Kleid  war  bloss  ein  viereckiges  Tuch,  das 
die  Männer  als  χλαΐνα  entweder  frei  umschlugen,  oder  mit  einer 
Fibula  auf  der  Schulter  hefteten,  während  die  Frauen,  deren 
einziges  Kleidungsstück  es  bildete,  ihrem  natürlichen  Verhüllungs- 
bedürfniss  gemäss  es  als  πέπλος  so  anlegten,  dass  nur  der  rechte 
Arm  frei  blieb,  es  aber  durch  Zusammenheftung  mit  Fibeln  auf 
der  Brust  zu  einem  geschlossenen  Gewände  machten. 

Unter  diesem  Kleide,  ja  selbst  unter  ihrem  Panzer  trugen 
die  Männer  jener  Zeit  das  Hemd,  den  Chiton,  welcher  ohne 
Zweifel,  obwohl  wir  darüber  nicht  unterrichtet  werden,  nach- 
her auch  von  den  Frauen  angenommen  ist. 

Das  muss  auch  in  Athen   die   gewöhnliche   Tr  \, 


528  Ho  Ι  wer  da  Zur  alt^riechischen  Tracht 

sein,  1)18  die  Frauen  ein  von  lonien  hergekommenee,  sUttlicbe» 
Gewand  annahmen,  wie  die  von  Herodot  erzählte  Sage  mit- 
theilt.  Dase  die  dorische  Tracht  nicht  abge8cha£ft  worden  i$t, 
läeet  sich  der  Thateache  entnehmen,  daee  dieees  mit  Fibeln  g^ 
heftete  Himation  öftere  auf  den  archaischen  Denkmälern  vorkommt. 
Die  Tracht  dee  ionischen  Chitone,  descen  Form  ond  Gestalton? 
une  wahrecbeinlich  die  bekannten  archaischen  Gewandfignr^^n 
kennen  lehren,  ist  aber  auf  den  alterthüm liehen  Vasenbilderc 
sehr  allgemein. 

Als  die  roheren  Zeiten  vorüber  waren,  die  Männer  nicht 
mehr  fortwährend  bewaffnet  zu  gehen  braachten,  wendeten  sie 
sich  gröBserem  Luxus  zu.  Als  Beweis  hierfür  lesen  wir  bei 
Thukydides,  dass  die  Reichen  sogar  manchmal  den  leinenen  Ober- 
chiton der  Frauen  getragen  haben.  Die  Gemeinen  aber  behielten 
immer  ihre  selbe  Tracht,  Chiton  (Hemd)  und  dorisches  Himation, 
das  jetzt  von  ihnen  meistens  frei  umgeschlagen  wurde,  und  »o- 
gar  vielfach  das  einzige  von  ihnen  getragene  Kleidungsstück  war. 
Die  Vornehmeren  haben  nachher,  um  den  Anfang  des  fänfteo 
Jahrhunderts  ihren  Luxus  aufgegeben  und  die  gewöhnliche  Tracht 
wieder  angenommen,  welche  jetzt  von  allen  Männern  das  gante 
Alterthüm  hindurch  beibehalten  wurde. 

Auch  die  Frauen  haben  allmählich  auf  ihr  stattlicbpr 
ionisches  Gewand  verzichtet.  Trugen  sie  im  5.  Jahrb.  meiateo^ 
über  ihrem  Hemde  noch  eine  andere  Art  έπενούτης,  von  Stn'i- 
niczka  entweder  mit  Recht  oder  nicht  geschloseenes  dorischee 
Kleid  genannt,  das  sogar  nicht  selten  auch  als  einziges  Klei- 
dungsstück benutzt  wurde,  obwohl  sich  dieses  Oberkleid  das 
ganze  Alterthüm  hinduroh  erhalten  hat  (vgl.  zB.  die  bekannte 
Agrippinastatue  des  Conservatorenpalastes),  so  wurde  es  dorb 
nachher  allmählich  von  dem  gewöhnlichen  dorischen  Himation 
in  den  Hintergrund  gedrängt,  welches  erst  vielfach  mit  Fibeln 
auf  einer  oder  beiden  Schultern  genestelt,  später  aber  meistens 
frei  in  verschiedener  Weise  umgeschlagen  wurde,  wie  es  uns  die 
hübschen  koketten  Frauenfiguren  des  4.  Jahrhunderts  zeigen. 

Schiedam  (Holland).  J.  H.   Hol  wer  da. 


zu  DER  REDE  DES  L.  MARCIUS  PHILIPPUS 
AUS  SALLUSTS  HISTORIEN 


§  3  in.  bietet  die  HandBcbrift:  pro  dt  boni^  qui  hatte  urbem 
omissa  cura  adhuc  tegitis.  Die  meisten  neueren  Herausgeber 
haben  anerkannt,  dass  hier  die  Worte  omissa  cura  nicht  befriedi- 
gend erklärt  werden  können.  Die  in  älterer  and  neuerer  Zeit 
gemachten  Versuche,  der  U eberlief erung  einen  verständigen  Sinn 
abzugewinnen,  haben  zu  ganz  unzureichenden  Ergebnissen  geführt. 
Die  Aneichten  der  älteren  Erklärer  verdienen  gar  keine  Erwäh- 
nung. Aber  auch  die  Meinung  von  Kritz  (in  der  Ausgabe  von 
1856),  dass  omissa  cura  ein  zu  hanc  urbem  gehöriger  Ablativus 
qualitatie  sei,  und  dass  mit  hanc  urbem  omissa  cura  gesagt  werde: 
hanc  urbem  sine  cura  oder  hanc  urbem,  cuius  cura  omissa  est, 
sc.  ab  eis,  quos  illam  curare  ac  iueri  decebat,  bedarf  kaum  einer 
Widerlegung.  Denn,  um  von  der  Eigenartigkeit  des  von  Kritz 
angenommenen  Ablativus  qualitatie  ganz  abzusehen,  liegt  es  ja 
auf  der  Hand,  dass  die  Ergänzung  von  ab  eis  quos  illam  curare 
ac  iueri  decebat,  wobei  Kritz  an  die  Senatoren  dachte,  ganz 
willkürlich  und  durchaus  unzulässig  ist.  Wir  können  omissa 
cura  nur  ganz  allgemein,  nur  von  dem  Wegfall  j  e  d  e  r  Fürsorge 
für  die  Stadt  verstehen,  womit  aber  freilich  die  Erwähnung  der 
Fortdauer  des  Schutzes  der  Götter  in  unvereinbarem  Widerspruch 
steht.  £e  ist  eben  dieser  Widerspruch,  der  die  Annahme  einer 
Schadhaftigkeit  des  überlieferten  Textes  nothwendig  macht. 

Nun  hat  es  keineswegs  an  Bemühungen  gefehlt,  den  ur- 
sprünglichen Wortlaut  unseres  Relativsatzes  wieder  herzustellen; 
aber  keine  der  mir  bekannt  gewordenen  Vermnthungen  kann 
meines  Erachtens  irgendwie  auf  Wahrscheinlichkeit  Anspruch 
machen.  Orelli  schlug  vor,  zwischen  omissa  und  cura  die  Worte 
α  senaiu  einzufügen.  Hiermit  würde  bestimmt  ausgesprochen, 
was  Kritz  in  den  überlieferten  Text  hinei"  '  ^-önnen  ge- 

Uheln.  Kn•.  f.  Phllol.  N.  F.  LVUX. 


530  Steup 

glaubt  hat.  Aber  bei  näherer  Erwägung  dee  sonstigen  Inbahs 
unserer  Rede  und  der  UmRtände,  unter  welchen  sie  gehalten 
wurde,  mues  man  sagen,  dass  Philippns  hier  unmöglich  von  einem 
Wegfall  der  Fürsorge  des  Senate  für  die  Stadt  schlechtweg  and 
wie  von  etwas  vorläufig  Unabänderlichem  hat  sprechen  können. 
Der  Redner  missbilligt  aufs  Entschiedenste  das  bisherige  schwäcb- 
liohe  Verhalten  des  Senats  Lepidus  gegenüber  und  er  verlangt 
nachdrücklich  die  Ergreifung  energischerer  Massregeln ;  dass  aber 
der  Senat  seit  längerer  oder  kürzerer  Zeit  ganz  onthätig  sei. 
davon  enthält  die  Rede  sonst  nirgendwo  eine  Andeutung.  Hinzu 
kommt,  dass  Philippns  doch  im  Senat  redet,  und  dass  er  durch 
seine  Rede  das  Senatusconeultum  extremum  atque  ultimum  her- 
beizuführen sucht.  Ganz  unannehmbar  ist  auch  M.  Haupts  (Rb. 
Mus.  N.  F.  1,  473  =  Op.  1,  149)  A^ermuthung  amissa  curia, 
welche  von  Dietsch  u.  A.  in  den  Text  gesetzt  worden  ist.  Pbi- 
lippus,  der  im  Senat  spricht  und  den  Senat  zu  gewissen  Be- 
schlüssen veranlassen  will,  kann  schlechterdings  nicht  die  Curie, 
den  Senat  als  verloren,  als  nicht  mehr  vorhanden  bezeichnen. 
L.  Lange,  der  in  einem  Leipziger  Universitätsprogramm  von  1879 
die  uns  beschäftigende  Stelle  ausführlich  behandelt  hat,  ver- 
muthete,  dass  die  Worte  vatum  carminiSy  welche  die  Handschrift 
einige  Zeilen  später  bietet,  und  welche  man  gewöhnlich  in  vatum 
carminibuit  abgeändert  hat,  in  unser  η  Relativsatz  und  zwar  hinter 
omissa  cura  zu  versetzen  seien.  Zu  diesem  kühnen  Vorschlag, 
zu  dem  an  dar  späteren  Stelle  noch  die  Streichung  des  vor  vatum 
carminis  überlieferten  et  und  die  Einführung  von  re  vor  cUftn- 
ditis  hinzukommen,  ist  Lange  besonders  durch  zwei  Umstände 
veranlasst  worden.  Einmal  schien  es  ihm  aus  historischen  Grün- 
den, wenn  auch  nicht  geradezu  unmöglich,  so  doch  sehr  mie«* 
lieh,  Philippns  an  der  späteren  Stelle,  wie  die  Erklärer  gewöhn- 
lich gethan  haben,  von  einer  Befragung  der  sibyllinischen  Bücher 
reden  zu  lassen  ;  und  dann  glaubte  er  nach  einer  Beobachtung, 
die  er  gemacht  haben  wollte,  mit  Bestimmtheit  behaupten  zo 
können,  dass  bei  einem  Ablativus  absolutus  mit  dem  Part,  per:* 
pass.  omissus  das  handelnde  Subject  nur  dasjenige  des  Haupt* 
verbums  sein  könne,  so  daes  an  unserer  Stelle  zu  ondssa  cura^ 
was  die  Mehrzahl  der  Erklärer  mit  Recht  als  Abi.  abs.  aufgefai^^t 
habe,  jedenfalls  α  dis  hinzuzudenken  sei.  Was  den  ersten  Punkt 
betriJBPt,  so  ist  richtig,  daes  bei  dem  Brande  des  Capitols  vom 
Jahre  83  v.  Chr.  auch  die  sibyllinischen  Bücher  in  Flammen 
aufgegangen  waren,    und    dass  erst  im  Jahre  76,    ein  Jahr  nacb 


Zu  der  Rede  des  L.  Marcius  J'hilippas  aus  Sallusts  Historien    531 

unserer  Senatsverbandlung,  ein  neues  Exemplar  dieser  fiücber 
durch  Gesandtschaften,  die  nach  Unteritalien,  Griechenland  und 
Kleinasien  geschickt  worden,  beschafft  worden  ist.  Aber  ab- 
gesehen davon,  dass,  wenn  auch  eine  eigentliche  Befragung  der 
sibjllinischen  Bücher  zur  Zeit  unserer  Rede  nicht  möglich  ge- 
wesen ist,  doch  vielleicht  irgendwie  auf  bekannte  Sprüche,  die 
in  denselben  enthalten  waren,  hat  £ezug  genommen  werden  können 
(vgl.  Th.  Bergk,  Opusc.  philol.  1,  654  f.),  braucht  man  bei  dem 
allgemeinen  Ausdruck  vatum  carminibtis  gar  nicht  notbwendig  an 
die  sibyllinischen  Bücher  zu  denken.  Ich  glaube  daher,  dass  die 
Worte  vatum  carminibus  da,  wo  wir  sie  in  den  Ausgaben  finden, 
doch  nicht  unmöglich  sind,  und  dass  wir  dort  einen  erträglichen 
Sinn  haben,  wenn  wir  übersetzen :  'ihr  stellt  Lepidus  unter  Zögern 
und  Zandern  nur  Worte  und  Sehersprüche  entgegen,  durch  die 
ihr  mehr  den  Wunsch  kund  thnt,  den  Frieden  zu  erhalten,  als 
dass  ihr  diesen  vertheidigt\  Wie  man  aber  auch  über  die  spätere 
Stelle  nrtheilen  mag,  auf  alle  Fälle  wird  in  unserem  Relativsatze 
durch  die  Einfügung  von  vatum  carminis  durchaus  kein  befriedi- 
gender Text  gewonnen.  Nach  Lange  hätte  Philippus  dem  Weg- 
fall der  Fürsorge  der  Götter  für  die  sibyllinischen  Bücher,  die 
sie  hätten  verbrennen  lassen,  die  Fortdauer  von  deren  Fürsorge 
für  die  Stadt  gegenüber  gestellt.  Eine  derartige  Nebeneinander- 
stellung der  Stadt  und  der  sibyllinischen  Bücher  wäre  aber  doch 
geradezu  wunderbar.  Auch  müsste  die  Bezeichnung  der  sibylli- 
nischen Bücher  mit  vatum  Carmen  wegen  des  Singularis  Carmen 
neben  dem  Pluralis  vatum  sehr  befremden.  Der  Pluralis  vates 
würde  an  sich  gar  nichts  Auffallendes  haben,  und  Lange  hat 
auch  mit  Recht  daran  erinnert,  dass  die  sibyllinischen  Bücher 
von  Dichtern  gelegentlich  Carmen  Cumaeumy  Evboicum^  fatidicum 
genannt  werden;  aber  die  Verbindung  des  Singularis  Carmen  mit 
dem  Pluralis  vatum  ist  von  Lange  nirgendwoher  belegt  worden 
und  wird  sich  auch  überhaupt  schwerlich  irgendwoher  belegen 
lassen. 

Im  üebrigen  vermag  ich  auch  Langes  Behauptung  über  die 
Äblativi  absoluti    mit   dem  Participium  omissus  nicht  als  richtig 
anzuerkennen.     Bekanntlich    wird    durch    den  AblatiYUs  abs.  mit 
dem  Participium  perf.  pass.  meistens    eine  von  dem  Subject  des 
Hauptverbums  ausgehende   Handlung   bezeichnet;   aber    es    giebt 
doch  auch  viele  Feille  anderer  Art,  und   man  sieht  an  sich  durch- 
aus nicht  ein,  warum  es  mit  omissus  in   dieser  Hinsicht  eine  be- 
sondere   Bewandtnise    haben    sollte.      Thatsäohlich    widerstreiten 


UNTERSUCHUNGEN  ZUR  ROE MISCHEN 

KAISERGESCHICHTE 

[Fortsetzung  von  oben  S.  390.] 

V.    Denkmäler  ans  der  Zeit  des  Maximinns  Thrax. 

Inschrift    ans   Lavini  η  m.     In  Pratica,    der  Stätte  at^ 
alten  LaTininras.  ist  vor  Kurzem  eine  Inschrift  gefonden  wordr- 
über  welche  Lanciaoi  berichtet^:     Piedistallo  di  rozza  fatton. 
paleografia  seadente,    e  porta  sni  fianchi  i   simboli  del  simpolo 
della  patera,    Cnstodita  dal  sig.  Principe   del  Vivaro  nel  giardir. 
del  castello. 

ALERIO    CLAVD 
ACILIOPRISCILIAN 
VGVRILAVR.  LABI 
NN  .  ISTER  XX  .  COS 
δ      BERIS    RIPARVM 
\QVAE    SACRAE 
^LARI  ORDINÄR 
ELAR    QVAEST- 
^0   QVAEST 
10  PONTIFICI 

1  -  TRIVM 
ONETARVM 
Έ      SEVIRO 
OM - TVR 
15       OB  EXIMIVM 
EMIXCIVKS 
CERDOTALESET 
VSSVEPECTNIAB 
OSTERVNT 


I  Munnmenti  dei  Liucei  13  (1903)  p.  ΠΤ. 


üntersachungen  zur  römischen  Kaisergeschichte  539 

Bei  der  argen  YerBtümmelnng  stöeet  die  Ergänzung  der  In- 
Bcbrift  anf  nicht  geringe  Schwierigkeiten. 

Ans  dem  Anlasse  der  Ehrung  am  Schlüsse  geht  hervor, 
daes  in  der  Lücke  von  Zeile  15  nach  der  Ziffer  der  turma^  das 
Wort  ptitrono  zu  ergänzen  ist.  Demnach  ist  der  Schluss  zu 
lesen:  patronö]  ob  eaimium  [amor\em  in  cives  [suos  8a]c€rdot€Ues 
ei  [popui]us  eue  pecuniae  [dee(urionum)  dec(reto)  p]osuerunt*. 
In    der   Lücke    zwischen    den    beiden    vorhergehenden    Aemtern 

Zeile  11—14:  irium[viro  fn]oneiarum^ et  seviro  [equi- 

t{ufn)  K]am(anorum)  tur(mae)  .  .,  kann  nach  der  Aemterordnung 
entweder  praefeeius  feriarum  Latinarum  oder  IrUmnua  legionis 
gestanden  haben.  Auf  letzteres  Amt  weist  das  erhaltene  et,  das 
auf  die  Ergänzung  [trih{ufto)  leglionis)  X  Fr']etiensis)  führt.  In 
Zeile  10  ist  pontifici  ein  rounicipales  Priesterthnm,  da  die  Priester- 
thümer  des  römischen  Staates  an  der  Spitze  der  Aemter  stehen. 
Der  Fundort,  sowie  der  Eest  nach  der  Lücke  in  Zeile  11  sichert 
die  Ergänzung  pontifici  [Laur{entium)  L(ib]i(natium),  Wahr- 
scheinlich ist  deshalb  auch  vor  pontifici  einzusetzen  [praet{ori)  et], 
die  Praetur  von  Lavinium*. 

Die  doppelte  Quaeetur,  da^  städtische  Amt  neben  dem  pro- 
vincialen,  findet  sich  gerade  in  dieser  Zeit  wiederholt,  zB.  iii 
der  Inschrift  des  Q.  Petronius  Meliert  Dann  war  in  der  Lücke 
der  Zeile  9  die  Provinz  genannt.  Nur  unter  der  Annahme  eines 
Steinmetzfehlers  lässt  sich  die  Lücke  sachgemäss  ergänzen:  [pro- 
v{ineiae)  Nar^o{nensi8) ;  oder  man  müsste  einen  Schreibfehler  des 
Concipienten  voraussetzen  und  [prov{inciae)  Cyp\ro  ergänzen.  Das 
Fehlen  der  Aemter  tribunus  plebis  oder  aedilis  in  der  Laufbahn 
wird  dadurch  bedingt  sein,  dass  der  Geehrte  Patricier  war^  wenn 
auch  diese  Aemter  bereite  unter  Severus  Alexander  aus  der 
Aemterreihe    zu   verschwinden    beginnen'.     Die  Ergänzung    von 

^  Vgl.  Mommsen,  Staatsr.  3,  528  f.  Die  Ergänzung  iiir(mw)  [du- 
cendis]  scheint  mir  minder  wahrscheinlich. 

a  CIL.  XIV  2069. 

^  monetaram  für  das  in  späterer  Zeit  gewöhnliche  monetalis  findet 
sich  nur  hier. 

*  CIL.  XIV  n.  17L  Möglich  wäre  auch,  dem  vorhergehenden 
quaestori  entsprechend,  urhano. 

δ  C  XI  3367.    Vgl.  Mommsen,  Staatsr.  2,  259. 

^  Mommsen,  Staatsr.  1,  559. 

"^  Aelins  Aurelius  Theo,  Legionslegat  unter  Valerianus  und  Gal• 
lienus,  war  Volkstribnn,  hat  also  dieses  Amt  jedenfalls  nach  Severus 
Alexander  bekleidet. 


540  ν.  Domaiseweki 

Zeile  5 — 8  eicbern  die  erhaltenen  Theile:  [^titr(aiori)  aim  Γι} 
beris  riparvm  [cloacaru]fnquae  sacrae  [urbis,  cons^täari  ordinariw 
[praet(ori)  tuQelarii),  Consnlari  innerhalb  der  Laufbahn  findet 
eich  anter  Seyerns  Alexander^;  aber  consalari  ordinario  wei» 
ich  eoDBt  nicht  zq  belegen. 

Das  hietorieoh  merkwürdigste  Amt  nennt  Zeile  4:  inh 
(viginti)  co(n)s(ulare8).  Ee  ist  deatlicb,  daas  hiermit  ein  anseer- 
ordentlicher  Aneachnse  des  Senates  bezeichnet  wird.  Wegen  der 
Zahl  jener  Conanlare  kann,  wie  Lanciani  bemerkt  hat,  nur  u 
jene  20  Männer  gedacht  werden,  die  unter  Gordianas  dem  Aelterea 
die  Vertheidignng  Italiens  gegen  Maximinns  geleitet  habend  Die 
Nachrichten  der  Sohrifteteller  über  die  Zwanzigmftnner  der  Zeit 
des  Gordianns  lauten  : 

Vita  Gordiani  10  Sed  ianta  gratulatione  facios  cotUraMaxf 
fninum  imperatores  (die  Gordiani)  senaius  aceepit^  ut  nm  soivm 
gesia  haec  probarettf,  sed  etiam  viginii  viros  eligerenif  inier  quos 
erat  Maximus  sive  Puppientts  ei  Clodius  Balbinus,  qiii  ambo  im- 
peratores sunt  creaiij  posieaguam  Gordiani  duo  in  Africa  inter- 
cepti  sunt,  illos  sane  viginti  senatores  ad  hoc  creaverunt,  ut  di- 
viderent  his  Kalieas  regiones  contra  Maximinum  pro  Gordiam 
tuendas^.  Danach  die  fingirte  Rede  des  Maximinas  14:  impera- 
tores fecerunt.  et  ne  hoc  parum  esset,  factum  Äfrorum  nobüis 
üle  senaius  agnovit,  et  pro  quorum  liberis  arma  poriamus,  hi  conira 
nos  viginti  viros  sfatuerunt. 

22  Post  mortem  dfwrum  Gordianorum  senaius  trepidus  e^ 
Maximinum  vehementius  limens  ex  viginti  viris,  quos  ad  rem- 
publicam  tuendam  delegerat,  Puppienum  sive  Aiaximum  et  Clodktm 
Balbinum  Augustos  appdlavii  ambos  ex  consulUms,  Hier  ist  aurh 
der  volle  Titel  mit  einer  leichten  Abänderung,  die  sich  durch 
die  Rückübersetzung  aus  dem  Griechischen  des  Dexippas  erklärt, 
erhalten.  Vgl.  CIL.  XIV  2902  L.  Caesomus  Lucillua  Macer  Ru- 
finianus — .    XX  viros  ex  senatus  consulto  r(ei)  p{ublica€)  curand<u. 


ι  CIL.  XIV  3900. 

^  Der  als  Consilium  gedachte  Regieningiaueschuas  am  Beginne 
der  Herrschaft  des  Severus  Alexander  bestand  nur  aus  16  Männern: 
Herodian  β,  1,  2.     Vgl.  Mommseo,  Staater.  2,  903. 

^  Diese  Nachricht  hat  eine  urkundliche  Bestätigung  erhalten 
durch  die  Mainzer  Inschrift  des  .\nnianu8  Westd.  Corr.-Bl.  1892  p.  231 
und  1893  p.  37:  missus  adv(er8us)  h{o8iea)  p{Mieo8)  in  re[g{ionem 
Tran8p]ad{anam)  Ur(on%tm8)  legend{i8)  et  arm(ts)  fabr{ieandis)  in  \urbe) 
Me]diol(anio). 


Unter sachungen  zur  römischen  Kaieergesohichte  541 

Zu  den  Zwanzigmäbnern  gehörten  auch  die  Yertheidiger  Aqni- 
leias,  TuIHqb  Menophilus^  und  Criepinue,  wahrecheinlioh  L.  Brnt- 
tiua  Criepinue,  der  Coneul  dee  Jahree  224^• 

Auch  in  Vita  Maximi  et  Balbini  1.  2  erfolgt  die  Wahl  des 
Mazimue  und  Balbinue  zu  Kaisern  erst  nach  der  Ermordung  der 
Gordiani.  Hier  ist  jedoch  nur  Herodian  (6,  10)  benutzt,  der  von 
den  Zwanzigmännern  überhaupt  nicht  spricht,  sondern  nur  die 
Wahl  der  beiden  Kaiser  nach   dem  Tode  der  Gordiani  berichtet. 

Zosimus  1,  14:  Die  Erhebung  der  Gordiani  ist  in  Rom  be- 
kannt geworden,  προχειρί2Ιονται  της  βουλής  δνδρας  €Τκοσι 
στρατηγίας  έμπειρους '  έκ  τούτων  αυτοκράτορας  έλόμενοι  δυο, 
Βαλβΐνον  και  Μά£ιμον.  Dass  die  Wahl  der  Kaiser  unmittelbar 
auf  die  Einsetzung  der  Zwanzigmänner  erfolgt,  ist  nur  durch 
ungenaue  Verkürzung  der  Vorlage  entstanden  ^  Unsere  Inschrift 
läset  auch  erkennen,  dass  der  Ausschuss  der  Zwanzigmänner 
nach  der  Wahl  des  Maximus  und  Balbinue  sich  aufgelöst  hat. 
Er  war  nur  ins  Leben  getreten,  um  für  die  abwesenden  Gordiani 
die  Vertheidigung  Italiens  zu  leiten.  Das  doppelte  Ν  am  An- 
fange der  Zeile  4,  wenn  die  Lesung  richtig  ist^,  weist  darauf 
hin,  dass  ein  durch  die  Nennung  der  zwei  Kaiser  determinirtes 
Amt  vorherging.  Es  kann  dies  [comiti  d{ominorum)]  n{o$trorum) 
gewesen  sein.  Denn  der  Senatsausschuss,  der  in  Abwesenheit  der 
früheren  Kaiser  fungirt  hatte,  verwandelt  sich  in  diesen  Kriegs- 
zeiten angemessen  in  die  Comites  der  neuen  Kaiser^,  die  die 
Oberleitung  des  Kampfes  aufnehmen. 

Die  Stellung  von  Laur{en8)  Labi{nas)  nach  Augur  zeigt, 
dass  Laurens  Lavinas  ein  Priesterthum  des  römischen  Staates 
ist,  das  nicht  mit  dem  municipalen  Priesterthum  der  Lavinatee, 
das  die  Inschrift  gleichfalls  nennt,  verwechselt  werden  darf. 

Die  Namen  des  Geehrten  scheinen  erst  mit  einem  Gognomen, 
das  in  Zeile  3  dem  Priesteramte  Augur  vorherging,  geschlossen 
zu  haben.     Denn  nach  den  Normen,  die  in  der  Kaiserzeit  ftlr  die 


»  Proeop.  3,  341,  281. 

«  Proeop.  1,  303,  241. 

'  Denn  die  Quelle  ist  gleichfalls  Dexippus.  Mommsen,  Staatsr. 
2,  708  setzt  die  Wahl  der  Zwanzigmänner  nach  die  Ermordung  der 
Gordiani,  im  Widerspruch  zu  allen  Quellen. 

^  Landani  sagt :  le  due  sigle  non  sono  chiare  e  mi  e  sembrato 
leggere  NAT;  ma  non  ose  affirmarlo.  Doch  hat  er  NN  in  den  Text 
gesetzt.    Wäre  nat  richtig,  so  müsste  man  [electus  α  se]nat{u)  ergänzen. 

&  Gordianus  III  war  nur  Caesar. 


542  ▼.  Domaszewski 

Bekleidung  der  PHeBterthümer  galten,  sind  anch  die  vornebmsten 
Männer  des  Staates  nur  Mitglieder  eines  der  quattnor  amplissinii 
collegia  ^  Ein  Consul  Ordinarius  des  Namens  Priscillianns  findet 
sich  nur  im  Jahre  230  n.  Chr.,  in  den  griechiecben  Fasten  Chnm. 
min.  3  p.  377  und  392,  dann  Brambach  n.  231  Priscilliano  et 
Agricola.  Sonst  ist  für  das  Jahr  230  als  Name  des  zweiten 
üonsuls  neben  Agricola,  Sex.  Catins  Ciementianus  überliefert 
Man  nimmt  daher  an,  dass  PriscilHanus  das  zweite  Cognomen  de<i 
Ciementianus  gewesen  sei*.  Ist  dies  richtig,  so  wäre  in  der  In- 
schrift  zu    ergänzen :     [Sex   CcUio   .  .  ]al€rh    Claud{io) 

Acilio  PriscüUan{o)  [Clementian{o)\  Vielleicht  aber  war  Priwi! 
Hanns  ein  suffeotus  des  Jahres  230,  der  an  Stelle  des  Clemei- 
tianus,  den  die  Acht  getroffen  hätte,  getreten  war.  Unsere  faftod- 
schriftlich  überlieferten  Fasten  berücksichtigen  normal  die  damnat:» 
memoriae  nicht  mehr  bei  den  Consul aten  der  späteren  Kaiserzfit 
So  hat  Heer  in  tiberzeugender  Weise  den  Nachweis  gegeben, 
dass  auf  der  Inschrift  des  Commodusoolosses  die  Gonsuln  Quin' 
tianus  (a.  180)  und  Silanus  (a.  188)  fehlten.  Die  Fasten  neoneD 
sie  doch  als  Eponyme^. 

Auch  die  Möglichkeit  wird  man  nicht  ganz  ablehnen  dürfei), 
dass  der  Priscillianns  unserer  Inschrift,  vielleicht  verschieden  irt 
von  dem  gleichnamigen  Manne,  den  die  Fasten  des  Jahres  2o0 
nennen,  vielmehr  einer  der  Consuln  der  Jabre  214 — 237  gewesen 
wäre,  deren  Gentilicia  wir  nicht  kenneu. 

Die  Inschrift  hat  mit  den  Ergänzungen  gelautet: 

[Sex,  Catio?  .  .]al€rio  Claudijo) 

AcUio  PrisciUian{o)  [Clementiano? 
a]ugurh  Laur{enti)  Labi{nati),  [comiti  d{omifiorum)] 
n{ostrorufn),  inter  {oiginti)  co{n)sulares)f 


^  Ausnahmen  wie  Prosop.  2,  415,  10  sind  durch  die  kaiserlidie 
Willkür  bedingt  bei  politisch  ganz  besondere  hervorragenden  Pereonen. 
Jener  Suetrius  Sabinus,  pontifex  und  augur,  war  während  CeracÄll»^ 
Orieutzug  electus  ad  corrigendum  statum  Itäliae,  Unter  diesem  Tit^• 
verbirgt  sich  die  Statthalterschaft  Italiens.  Vgl.  über  die  analoge  Ver 
waltung  Roms  in  dieser  Zeit  oben  S.  223. 

2  Prosop.  1,321.  471. 

^  Philol.  Suppl.  9  p.  169.  Allerdings  ist  nach  Com  modus  Tode  (i•' 
restitutio  memoriae  eingetreten.  Wenn  die  Inschrilten  des  Jahres  2•'•^ 
Clementiano  et  Agricola  ohne  Rasur  nennen,  so  kann  dies  wenig  ^' 
weisen  unter  der  Schatten herrschaft  eines  Severue  Alexander,  der  &>^ 
anders  als  dem  Namen  nach  regiert  hat. 


Üntersucliungen  zur  romiFcben  Kaisergeschiohte  543 

[cur(atari)  alvei  Ti]beri8  riparum  [cloa- 
caru]mquae  sacrae  [urbis^  cons]ulari  ordinär- 
(/o),  [pr(aeiori  tut]elar{i),  quaest^ori)  [pro- 
v(inciae)  Nar^bo(nensis),  quaestari,  [praetori  et] 
potififici  [Laur{entium)  L(U)]i{natiufn),  Mum- 
[tnro  m]ofietarum^  [trib{uno)  leg(ionis)  X  Fr^et- 
(en8is)y  semro  \equii{um)  Blomianorum)  tur- 
(mae)  [.  .  .  patrono]  ob  eaimium  [amor'jem 
4n  cives  [suos  sa\cerdotales  et  Jipopul]us 
sue  pecuniae  [dec{urionum)  dec{reto)  p]o- 
suerunt» 

Mainzer  Inschrift:  Zangemeietere  Scharfblick  erkannte 
auf  einem  scheinbar  unbeschriebenen  Altar  des  Mainzer  Museums 
die  Reste  einer  ausgem'eisselten  Inschrift.  Mit  meiner  Unter- 
stützung gelang  es  ihm,  den  wesentlichen  Inhalt  des  Denkmale 
zu  entziffern  * : 

Fortunae  BegUtiae)  \  duci  eternae  cohiortis)  |  II  priaetoriae) 
p(iae)  tiindkis)  Maximinia  \nae  cura[fn]  ageni(ibus)  \  (centurionibus) 
coh{arii8)  s(upra)  [s(criplae)  mi]l(Uum)  B[r]ii(tonum)  \  e[t]  [Os- 
roe]nor{um)  \  —  es  folgen  die  unlesbaren  Namen  der  Centurionen 
—  [cohiors)  II  pr{aetoria)  p(ia)  ij(index)  Mcuximiniana]  \  [a]ram 
[d\ic\a\vit  \  [de  su\o  pro  scUute  eo  |riim. 

In  der  ganz  verwitterten  Stelle,  Zeile  2  nach  dttch  glaubte 
Zangemeister  Reste  des  Wortes  ΜΔ  ΝΑΕ  zu  erkennen ;  ich  sah 
darin  ETERNAE.  Die  Fortuna  aeterna  wäre  eine  Form  des 
orientalischen  Glaubens^,  der  in  jener  Zeit  immer  mehr  der 
herrschende  wurde.  Auf  der  rechten  Nebenseite  des  Steines  ist 
auf  einem  Altar  als  Opfergabe  ein  Fisch  dargestellt.  Er  wird, 
wie  im  christlichen  Glauben,  mystische  Bedeutung  haben.  Die 
Glückssoldaten  in  Maximinus  Heer  sahen,  wie  ihr  Kaiser,  in  der 
Fortuna  ihre  wahre  Göttin. 

Der  Name  Maximiniana  ist  seicht  abgemeisselt,  wie  die 
anderen  Buchstaben  der  Inschrift.  Der  Name  des  Truppenkörpers 
in  Zeile  6  ist  dagegen  mit  Bedacht  tief  ausgemeisselt.  Demnach 
darf  man  annehmen,  dass  die  Rasur  des  Truppenkörpers  einen 
anderen  Grund  hatte  als  den  Sturz  des  Tyrannen.  Unter  Maxi- 
minus ist  aber,   wenigstens  am  Rheine,  ein  bestimmter  Truppen- 

1  Gedruckt  CIL.  XIII  6677». 

2  Religion  des  röm.  Heeres 'S,  38:  Victor* 


544  ν.  Domaszewski 

körper  der  damnatio  memoriae  verfallen.  Es  waren  dies  die 
oerboenieoben  Sobützen,  welcbe  Seveme  Alezander  znr  Bekämpfanf 
der  Germanen  ans  dem  Oriente  herbeigeführt  hatte.  Diese  Orien- 
talen, ibrem  Kaiser  treu  ergeben,  batten  den  Versacb  gewäft, 
nach  Maximinne  Tbronbeeteignng  einen  Gegenkaiser  za  erhebcD. 
Kaum  batte  er  den  Purpur  angelegt,  so  warde  er  scbon  dnrd 
Verratb  beseitigt.  Herodian  7,  1,  9:  έγ^νετο  bi  τις  και  Ό(ί• 
ροηνών  τοΕοτών  άπόστασις,  ο'ι  πάνυ  άλγοΟντες  im  τή  'Αλε- 
Edvbpou  τ€λ€υτη,  π6ριτυχόντ€ς  τών  άττό  ύττατείας  ^  και  φίλυη» 
*Αλ€Εάνί)ρου  τινί  (Κουαρτϊνος  hl  ήν  δνομα,  δν  ΜαΕιμϊνος  h- 
πέμψας  ήν  του  στρατού)  άρττάσοντες  ίκοντα  και  ούί)έν  προ- 
εώότα  στρατηγόν  εαυτών  κατέστησαν,  πορφύρφ  τ€  και  πυρί 
προπομπεύοντι,  όλ^θρίοις  τιμαΐς,  έκόσμησαν,  im  τ€  την  άρχπν 
ήγον  0Ö  τι  βουλ6μ€νον.  έκ€Ϊνος  μέν  oöv  έν  τή  σκηνή  KoOeubunf 
έπιβουλ€υθ€ΐς  νύκτιυρ  αΙφνιδίως  άνηρέθη  ύπό  τοΟ  (Τυνόντος 
αύτφ  καΐ  δοκουντος  φίλου,  τών  τε  Όσροηνών  πρότερον  ήγοι^ 
μίνου  (Μακεδών  fjv  δνόμα  αύτψ),  καίτοι  της  αρπαγής  wi 
τής  αποστάσεως  αρχηγού.  Die  gleicblautenden  Berichte:  Viu 
Maximini  11;  trig.  tyr.  82  schöpfen  nur  aus  Herodian*. 

Der  Truppenkörper,  der  auf  der  Mainzer  Inschrift  aos- 
gemeisselt  wurde,  ist  der  der  Osroeni. 

Dass  Genturionen  der  Garde  das  Commando  tiber  die  no- 
meri  führen,  ist  durch  die  Kriegslage  bedingt'.  Einer  dieser 
Offioiere,  welcbe  im  Germanenkriege  des  Maximinus,  Osroeni  onil 
Brittones  befehligt  haben,  ist  auf  einer  Ebreninschriffc  aus  Falerii 
genannt  ^ : 

praepositio)   ....  }rum,   prae[posit(o) rianor(«m\ 

praepositio)  [sagitiar]is  Orrhoenis,  praepos[U{o)  e]aploratumis  Seio- 
pensts  [et]  numeri  Aurelianensis,  praeposito  numeri  Bri[t]toMm^ 
praeposifo  ann[o]nae  eapeditionis  [Ger]manicae. 

1  Es  liegt  kein  Grand  vor,  wie  es  in  der  Prosop.  2*  114, 8  ge- 
schieht, zu  bezweifeln,  daes  Quartinus  consalaris  war. 

2  Wenn  die  Vitae  den  Quartinus  Titue  nennen,  so  ist  das  nor 
ein  Schreibfehler  ihrer  Vorlage,  wahrscheinlich  einer  lateinischen  lieber- 
Setzung  des  Herodian.  Die  Angaben  über  die  Familienverhältnisse  iQ 
den  trig.  tyr.  sind  purer  Schwindel. 

°  Normal  werden  die  Commandanten  der  numeri,  immer  pr^^ 
positi  genannt,  den  Genturionen  des  Provinzialheeres  entnommen.  Re- 
ligion des  röm.  Heeres  S.  82. 

*  CIL.  XI  3104.  Hier  nach  einer  handschriftlichen  Copie  tüs 
Michaelis,  die  dieser  mir  gütigst  überlassen  hat. 


ν.   Do m aszewski  UntersuchaDgen  zur  römischen  Kaieergeschiohte    545 

Da    die  Osroeni    nur    während    dee  Germanenkriegee,    den 

Alexander  vorbereitete  und  Maximinus  später  führte,  am  Rheine 

erwähnt  werden,  so  ist  man  berechtigt,  in  dem  Unbekannten  der 

Inschrift  ans  Falerii  einen  der  Officiere  zu  erkennen,  die  in  dem 

Germanenkriege  dee  Maximinns  die  numeri  am  obergermanischen 

Limes  befehligten.    Denn,  wie  ioh  in  einer  früheren  Untersuchung 

gezeigt  habe^    lagen  diese  numeri    des    obergermanieohen  Limes 

in    Miltenberg  und  Oehringen.    Dadurch  ist  der  Schauplatz  dieses 

Krieges,  das  heutige  Württemberg,  bestimmt  und  für  diese  Lage 

spricht  auch  der  Meilenstein,  der  bei  Tübingen  gefunden  wurde  ^ : 

[Imp.  Cctesar]  \  C.  lulius  Verus]  \  Maa^iin]in[us]  p,  fd.]  | 

Aug,  [p.]  wt.  Ger,  niax.  \  Dac.  mcue.  [S]  arm.  |  mcuc.  trib.  [p.  III 

im]p.  [  V  I  cos,  p.  p.  pro\cos  et  \  [c.  iulius  verus  \  maaimus  neb. 

Caesar  .  .  . 

£e  sind  dieselben  Gegner,  welche  Caracalla  im  Jahre  213 
n.  Chr.  bekämpft  hatten  Nach  den  Orten  der  Beneficiarierstationen 
am  obergermanischeu  Limes  werden  die  Römer  bei  Osterburcken^ 
in  Germanien  eingedrungen  sein.  Als  Schauplatz  des  entschei- 
<ienden  Kampfes  bezeichnet  Herodian  einen  grossen  Moor^  Viel- 
leicht dass  es  Landeskundigen  nach  diesen  Voraussetzungen  ge- 
lingt, den  Schlachtort  zu  bestimmen. 

Heidelberg.  y.  Domaszewski. 


ι  Weetd.  Corr.-Bl.  1889  S.  46  f. 

^  Brambach  1β46.  Richtig  hergestellt  von  Pauly,  Stuttgarter 
Programm  1831,  20.  Auf  dieser  Strasse  standen  sicher  Meilensteine, 
Westd.  Zeitschr.  20  (1902),  202. 

3  Mommsen,  £phem.  epigr.  1  p.  134.     Brambach  n.  1573. 

*  Westd.  Zeitschr.  20  (1902),  205. 

5  Herodian  7,  2,  6. 


I 

I 


Bbeln.  Mm.  t  PhUol.  ».  P.  LVUl.  ^^ 


EÜRIPIDES  ALS  LIITERARISCHER 

KRITIKER 


Ee  giebt  ZeQgnieee,  die  verratben,  welch  tiefen  Eindraek 
die  Wiedererkennungeecene  der  äecbyleiechen  Choepboren  in 
Altertbum  gemaobt  bat;  keines  von  ihnen  redet  lebendiger,  ah 
die  Scene  der  euripideiscben  £lektra,  in  der  an  der  firfiodoBg 
des  Aeecbylns  leidensohaftlicbe  Kritik  geübt  wird.  £«  mos^ 
Wunder  nehmen,  daee  diese  Partie  für  unecht  erklärt  und  dem 
Euripidee  abgesprochen  worden  ist^;  wer  das  Stück  ricbtig  ver 
etebt  und  einschätzt,  sieht  in  ihr  vielmehr  einen  der  Oipfelpnnkte 
des  Dramas,  das  durch  und  durch  Tendenzarbeit  ist  und  gegeo 
die  Vorgänger  angebt.  Und  doch  stehen  in  diesem  Auftritt 
Verse,  die  ich  aus  einem  bestimmten  Grunde  nicht  für  echt  baltea 
kann.  Ich  muss  die  Entwicklung  der  Handlung  kurz  in  das  Ge- 
dächtuiss  des  Lesers  zurückrufen,  um  ihm  über  die  Dinge,  aof 
die  es  ankommt,  ein  eignes  Urtheil  zu  ermöglichen. 

Elektra  und  ibr  Mann  haben  die  fremden  Gäete  in  ibre 
Hütte  eingeladen;  nun  erscheint  der  Greis,  nach  dem  geschickt 
worden  war,  mit  Kränzen,  Wein  und  Essvorrath.  Er  hat  ^ul 
dem  Wege  das  Grab  Agamemnons  besucht  und  darauf  eine  blonde 
Haarlocke  gefunden;  der  Anblick  bat  ihn  zu  Thränen  gerfihrt, 
da  er  gleicb  vermutbete,  die  Locke  könne  nur  von  Oreste« 
stammen.  Jetzt  fordert  er  Elektra  auf,  sie  mit  ihrem  eigeneo 
Haupthaar  zu  vergleichen:  φιλεΐ  γάρ,  αΤμα  ταύτόν  οίς  &ν  ή 
πατρός,  τά  πόλλ'  δμοια  σώματος  πεφυκίναι  (Ve.  508— 52a ' 
Elektra  weist  die  Bitte  mit  Entrüstung  ab;  einmal  sei  es  nielK 
wahrscbeinlicb,  dass  ibr  Bruder,  der  Held,    heimlich  ins  Im^ 


^  Von  August  Mau  in   den  Commentationes  in  honorem  Tbeod 
Mommseni  S.  295  ff. 


Euripides  als  litterarisoher  Kritiker  547 

zurückkehren  werde,  zweitens  könne  die  Locke  unmöglich  den 
ihrigen  gleichen;  denn  er  sei  ein  Mann  und  sie  ein  Mädchen. 
πολλοίς  b'  δν  ευροις  βοστρύχους  όμοτττίρους  καΐ  μή  χ^χώσιν 
αίματος  ταυτοΟ,  γφον  (Ve.  523—531).  Darauf  neue  Aufforderung 
des  Pädagogen;  ich  setze  die  Verse,  die  folgen,  am  besten 
hierher : 

532  —  συ  V  €ΐς  ϊχνος  βασ'  άρβύλης  Οκέψαχ  βάσιν 
ei  σύμμετρος  σψ  ποΜ  γ€νήσ€ται,  τίκνον. 

—  πώς  b'  δν  χίνοιτ*  δν  έν  κραταιλίψ  πίbψ 
535        γαίας  πobαrv  ίκμακτρον;  el  b'  ίστιν  TObe, 

bυoϊv  ob€X90iv  πους  δν  ου  χίνοιτ'  ϊσος 
όvbpός  τ€  και  γυναικός,  άλλ*  δρσην  κρατεί. 

—  et  b'  ίστιν,  el  κα\  γήν  κασίγνητος  μολών, 
κepκίboς  δτψ  γνο(ης  δν  έΕύφασμα  σής, 

540         έν  φ  ποτ'  αυτόν  έΕέκλεψα  μή  θανεϊν; 

—  ουκ  οίσθ*,  'Ορέστης  ήνίκ'  εκπίπτει  χθονός, 
νίαν  μ'  ίτ'  ουσαν,  el  bk  κδκρεκον  πίπλους, 
πώς  δν  τότ'  ών  παις  νυν  ταΰτ'  δν  ίχοι  φάρη, 
el  μή  ΕυναύΕοινθ'  ο\  πέπλοι  τώ  σώματι; 

545         άλλ'  ή  τις  αύτου  τάφον  έποικτείρας  Ηνος 
έκείρατ'  ή  τήσb€  σκοπούς  λαθών  χθονός  ^. 

Der  Versuch,  den  Aeschylus  in  diesen  Versen  fortgesetzt 
lächerlich  zu  machen,  ist  so  klar,  dass  darüber  kein  Wort  zu 
verlieren  ist.  Nun  ist  schon  lange  ^  aufgefallen,  dass  in  den 
beiden  letzten  Trimetern  (545/46)  allein  auf  das  üaaropfer  Bezug 
genommen  wird,  so  dass  sie  sich  eigentlich  am  natürlichsten  an  531 
unmittelbar  anschliessen.  Diese  Beobachtung  hat  F.  W.  Schmidt 
auf  den  Gedanken  geführt^,  dass  Vs.  532 — 544  einschl.  ein  spä- 
terer Einschub  sein  könnten,  und  um  den  Einfall  einigermassen 
zu  begründen,  hat  er  ausgeführt,  wie  geschmacklos  und  lächerlich 
diese  Verse  seien.  Ich  kann  ihm  auf  dem  besohrittenen  Wege 
nicht  folgen,  obwohl  ich  auf  Grund  einer  anderen  Erwägung  meine, 
ihm  Recht  geben  zu  müssen.  Wir  wollen  es  dabei  als  selbst- 
verständlich hinnehmen,  dass  Euripides  seinen  Athenern  zumuthen 
konnte,    das  Grab   des  Agamemnon    sich    als    felsigen  Boden    zu 


1  Der  Gedanke  ist  vielleicht  nicht  corrumpiert,  sondern  bloss  un- 
vollständig überliefert,  so  dass  ein  Vers  fehlen  würde,  wie  schon  Mau 
vermatbet. 

2  Paley  und  Weil  schieben  darum  545/46  nach  531  ein. 

>  Kritische  Studien  zu  den  griechiaehen  Dramatikern  III  S.  25C  f. 


548  Radermacher 

denken,  wollen  vielmehr  die  Scenene  des  Stückes  ine  Äag« 
fassen.  Der  Pädagog  ist  einen  weiten  Weg  gewandert;  Elektn 
wohnt  ja  an  der  Grenze  des  Argiverlandes,  am  Inachoe  (341  ff.L 
Agamemnons  Grab  dagegen  haben  wir  uns  in  der  Nähe  der 
Haaptetadt,  jedenfalls  nicht  aaf  der  Bühne,  vorzoetellen  ^.  Nun 
lese  man  nicht  etwa  die  Seene,  sondern  denke  sie  eich  gespielt 
Es  versteht  sich  eigentlich  von  selbst  and  geht  doch  auch  ani 
dem  Wortlaut  des  Verses  520  hervor,  dass  der  Alte  eine  Probe 
des  Haares,  das  er  am  Grabe  Agamemnons  fand,  an  sieh  ge- 
nommen hat  und  der  Elektra  vorzeigt'.  Jedenfalls  mnss  zu* 
gegeben  werden,  dass  die  Vergleichung  der  Locken  auf  der 
Bühne  sehr  wohl  ausführbar  und  das  natürliche  ist.  Hierauf  fol^ 
die  zweite  Aufforderung  mit  den  Worten  :  *^So  tritt  in  die  Spar 
des  Schuhes  und  vergleiche  sie  mit  deinem  Schritt.  Das  heiesr 
sicher  nicht,  dass  diese  Fnssspur  von  dem  Alten  ausgehoben  und 
mitgebracht  ist,  dass  er  sie  jetzt  Elektra  zu  Füssen  legt  mit 
dem  Ersuchen,  hineinzutreten.  Und  doch  muss  man  entsprechend 
der  Probe,  die  voranging,  zunächst  etwas  derartiges  erwarten, 
und  erst  nachträglich  wird  einem  klar,  dass  der  Elektra  hier  eine 
Reise  zum  Grabe  Agamemnons  zugemuthet  wird.  Rein  formal 
betrachtet,  ist  die  Fassung  der  zweiten  Aufforderung  so  ungeschickt 
wie  möglich,  zumal  da  die  dritte,  die  nunmehr  folgt,  wieder 
für  die  Bühne  richtig  berechnet  ist;  denn  entweder  ist  es  so, 
dass  der  Alte  eine  Flocke  vom  Gewand  in  der  Hand  trägt,  oder 
ganz  allgemein  auf  die  Möglichkeit  deutet,  dass  Elektra  dem  Orefrt 
begegnen  und  ihn  am  Kleide  erkennen  könne.  Ich  weiss  nicht, 
ob  ich  ausspreche,  was  ein  Unbefangener  gegenüber  diesen  Yersea 
empfindet,  und  so  mögen  andere  über  das  entscheiden,  was  ich 
noch  einmal  kurz  zusammenfasse.  Lässt  jemand  eine  Schauspiel- 
figur der  Reihe  nach  wörtlich  folgende  Bitten  thun: 

vergleiche   die  Haarlocke    mit   den    deinen    (und   die  Probe 
lässt  sich  ohne  weiteres   vornehmen). 


^  Dies  ist  bereits  von  A.  Mau  aO.  hinlänglich  klargelegt  uod 
braucht  darum  nicht  von  neuem  bewiesen  zu  werden. 

3  520  σκέψαι  bi  χαίτην  προστιθ€!σα  αί\  κόμη.  Dies  muss  gegen- 
über Α.  Mau  festgestellt  werden.  Auch  ihm  ist  es  übrigens  aufgefalleQ, 
dass  das  Grab  Agamemnons  nicht  auf  der  Bühne  lag  und  dass  'o^er 
Alte  der  Elektra  einen  längeren  Weg  zumuthet'  (S.  297).  Alter  dit 
Sache  liegt  verwickelter,  als  er  annimmt,  und  die  Conseqaenien  hat  ir 
von  seinem  Standpunkt  aus  auch  nicht  ziehen  können. 


Euripides  als  litiorarischer  Kritiker  549 

tritt   in    die    Fneespnr    (sie    befindet    sich    indes 
weitab), 

sieb,  ob  da  den  Bruder  am  Gewände  erkennst  (falle  er  dir 
begegnet), 
80  bat  er  dabei  die  sceniecbe  Auefübrbarkeit,  die  Möglicbkeit  einer 
wirklichen  Daretellnng  für  den  zweiten  Fall  nicbt  binlänglicb  be- 
dacht, oder  damit  überhaupt  nicbt  gerechnet.  Mit  anderen  Worten, 
die  Scene,  wie  sie  vorliegt,  iet  für  einen  Lee  er  erträglich,  wäh- 
rend sie  auf  der  Bühne  zum  mindesten  seltsam  erscheinen  muss ; 
sie  ist  componiert  nicht  mit  Rücksicht  auf  die  dramatische  Scenerie 
bei  £uripide8,  sondern  mit  Rücksicht  auf  die  Scenerie  des 
Aescbylus,    wo  sich  Agamemnons  Grab    auf  der  Bühne  befindet. 

Ein  Dichter,  der  ein  ernstes  Stück  für  das  Theater  schreibt, 
hat  doch  die  Pflicht,  in  dem  Zuschauer  wenigstens  die  Illusion 
zu  erwecken,  dass  jede  Forderung,  die  im  Zusammenhang  des 
scenischen  Spiels  erhoben  wird,  auch  ernsthaft  gemeint  sei.  Thut 
er  es  nicht,  so  verzichtet  er  darauf,  selbst  vom  Hörer  ernsthaft 
genommen  zu  werden,  und  arbeitet  dem  Eindrucke  entgegen, 
den  er  erzielen  wollte.  Mir  scheint,  Euripides  hatte  allen 
Grand,  gerade  an  dieser  Stelle  den  Charakter  des  Burlesken 
ängstlich  zu  meiden.  Also  auch  angenommen,  die  Bitte,  in  die 
Fnssstapfen  zu  treten,  verlange  ohne  Weiteres  so  verstanden  zu 
werden,  dass  damit  der  Elektra  eine  Wanderung  zum  Grabe  des 
Vaters  auferlegt  wird,  so  wäre  dies  immer  noch  in  hohem  Grade 
sonderbar,  weil  es  sich  mit  dem  Ethos,  das  mir  die  Handlung 
im  übrigen  zu  wahren  scheint,  nicht  vertrüge.  Wo  der  Dichter 
sonst  kritisiert,  thut  er  es  nicht  in  der  Weise  des  Aristophanes, 
Rondern  mehr  wie  ein  eifernder  Lehrmeister,  mit  viel  Pathos  und 
ein  wenig  Pedanterie.  So  giebt  er  sich  in  den  voranfgehenden 
Versen,  in  denen  die  Lockenprobe  des  Aescbylus  als  absurd  nach- 
gewiesen wird;  richtig  gespielt,  entbehren  sie  thatsächlich  nicht 
einer  gewissen  Würde  und  vertragen  sich  allenfalls  mit  dem 
Ernste  der  Tragödie. 

Ich  greife  noch  einmal  zurück.    Der  Alte  giebt  in  Vs.  513  ff. 
selber  an,  was  er  auf  dem  Grabhügel  Agamemnons  gefunden  habe : 
πύρας  b'  έπ'  αυτής  οΤν  μβλάγχιμον  πόκψ 
σφάχιον  έσεϊδον  αϊμά  τ*  ού  πάλαι  χυθέν, 
Εανθής  T€  χαίτης  βοστρύχους  κεκαρμίνους, 
dh.  die  Reste  eines  Lammopfers  und  blonde  Flechten.    Auch  hier 
ist  von  der  Fussspur   keine  Rede,    noch   selbstverst&ndlich    von 
«lern   Gewand,    das    nach  Vs.  538  ff.   die  Wiedere-^" 


550  Radormacher 

mitteln  könnte.  Im  übrigen  hat  fär  diese  letzte  Partie  (538  ffj 
das  oben  angeführte  Tndieiam  keine  Gültigkeit,  und  eo  kann  mu 
zweifeln,  ob  ihre  Atheteee  gerechtfertigt  sein  würde.  Indeesei 
kommt  nne  die  Beobachtung  zu  Hülfe,  daee  in  den  Versen. 
welche  die  ganze  Scene  beeohlieaeen,  wieder  allein  auf  die  Loeken- 
probe  Bezug  genommen  wird  (545/46),  so  daee  sie  sich  eigentlicii 
unmittelbar  an  531  anreihen.  Hat  sich  bei  einem  Theile  des 
Zwischenstücks  ein  deutliches  Anzeichen  dafür  ergeben,  am 
Flickarbeit  vorliegt,  so  kommen  wir  nur  schwer  an  der  Folgerung 
vorbei,  dass  das  Ganze  eine  Interpolation  ist.  Es  mass  die  Arbeit 
eines  Mannes  sein,  der  den  Aeschylus  kannte  und  sich  darüber 
wunderte,  dass  bei  £uripides  nur  auf  die  Haarvergleichn&g 
Rücksicht  genommen  wird.  Er  hat  darum  yerstfcht,  das  Fehleode 
nachzuholen.  Aber  für  Euripides  wie  für  dessen  Zeitgenosier 
ist  das  Charakteristische  an  der  ganzen  Aeechylusscene  gerade 
die  Haarprobe  gewesen ;  so  redet  Aristophanee  von  ihr  in  den 
Wolken  ^  Es  ist  also  weiter  nicht  zu  verwundern,  wenn  i\a 
der  jüngere  Dichter  auf  eine  Kritik  dieses  όναγνιυρΜΤμός  be- 
schränkt, weil  er  damit  doch  den  Vorgänger  in  seinem  Baopt- 
effekt  traf;  das  Uebrige  hat  er  beiseite  gelassen,  da  es  in  die 
bei  ihm  gänzlich  veränderte  Scenerie  nicht  mehr  hineinpasste. 

Für  die  ünechtheit  von  Vers  538-44  spricht  non  nocli 
ein  weiteres  Kriterium,  das  uns  zugleich  der  Persönlichkeit  dei^ 
Urhebers  der  Interpolation  näher  bringt.  Wie  es  möglich  war. 
dass  die  äschyleische  Elektra  den  Bruder  an  den  Thiermoüteni 
seines  Rockes  wiedererkannte,  hat  v.  Wilamowitz*  treffend  dar- 
gelegt: 'Dem  Aischylos  und  seinen  Athenern  war  es  ganz  eelbst- 
verständlich,  dass  Orestes  einen  Rock  von  Elektrae  Arbeit  tmg, 
denn  sie  trugen  die  Gewebe  ihrer  weiblichen  Familienmitglieder. 
Wie  wahrscheinlich  oder  unwahrscheinlich  es  war,  dass  Elektra 
ihrem  Bruder  ein  Packet  nach  Phokis  geschickt  hätte,  ob  nü 
Vorwissen  oder  hinter  dem  Rücken  ihrer  Mutter,  kümmert  nur 
einen  Pedanten  oder  einen  Sophisten/  Wussten  es  sonet  die 
Athener,  so  wird  auch  Euripides  gewusst  haben,  wie  dieser  dritte 
άναγνωρκτμός  eigentlich  verstanden  werden    sollte,     um  so  bd• 

1  534  ff.: 

vOv  oöv  Ήλ^κτραν  κατ'  έκ€(νην  i\b*  ή  κωμψ5(α 
ίητοΟσ*  ήλθ*,  ήν  που  Ίτιτύχη  θβαταΐς  οοτω  σοφοΐς* 
γνώσβται  γάρ,  ήν  περ  Τοη,  τάδελφοΟ  τόν  βόστρυχον. 
Vgl.  ν.  Wilamowitz,  Aischylos  Orestie,  zweites  Stück  S.  169. 

«  aO.  S.  170. 


Eunpides  als  litteraritcher  Kritiker  551 

verantwortlicber  wäre  es,  hatte  er  die  Verse  gedichtet,  die  jetzt 
in  seiner  Elektra  538  ff.  zu  lesen  sind.  Denn  sie  würden  als- 
dann nichts  anderes  bedeuten,  als  eine  absichtliche  Verdrehung 
des  Thatbestandes.  Ehrliche  Polemik  wäre  das  nicht  mehr  ge- 
wesen. Es  ist  etwas  anderes,  wenn  sich  jemand  darüber  lustig 
macht,  dass  sich  zwei  Geschwister  an  der  Gleichheit  ihrer  Haar- 
farbe wiedererkennen  sollten,  als  wenn  er  den  Worten  eines  Vor- 
gängers einen  falschen  Sinn  unterschiebt,  um  sie  alsdann  dem 
Gespötte  preiszugeben.  Und  war  nicht  zu  befürchten,  dass  die 
Athener,  die  doch  ihren  Aischylos  in  guter  Erinnerung  be- 
halten hatten  (das  Citat  in  den  Wolken  beweist  es),  eine  ab- 
sichtliche Entstellung  des  Sinnes  seiner  Worte  übel  aufgenommen 
haben  würden  ?  Euripides  musste  zum  mindesten  mit  dieser  Mög- 
lichkeit rechnen ;  ein  Späterer  brauchte  es  nicht  mehr.  Spätere 
haben  zudem  den  Aeschylus  offenbar  nicht  mehr  richtig  verstanden. 
Zu  den  Versen  Choeph.  223: 

iboO  b'  ύφασμα  τούτο,  σής  ίργον  χβρός, 
σπάθης  τ€  πληγάς  6Ϊς  τβ  θήρειον  τραφήν 
besitzen    wir    die  Scholiennotiz:    ού    πάντως  έν  τψ  νΟν  χιτώνι, 
άλλ'  εΙκός  αυτόν  βωθεν  ίχ€ΐν  παιοικόν  σπάργανον.    Also  nicht 
der  Kock,  den  Orestes  trägt,    vermittelt  die  Erkennung  der  Ge- 
schwister, sondern  ein  Einderkleidchen.     Und  dies  ist  ja  gerade 
der  Gegenstand  des  Spottes  in  den  Versen  der  Elektra  541  ff.: 
ουκ  οίσθ'  Όρίστης  ήνίκ'  εκπίπτει  χθονός, 
νέαν  μ'  Ιτ'  οΰσαν;  €i  hi  κάκρεκον  πέπλους, 
πώς  δν  τότ'  ών  παις  ♦νΟν  ταΟτ'  Αν  ίχοι  φάρη, 
€i  μή  ευναύζοινθ'  ο\  πέπλοι  τψ  σώματι. 
Die  Folgerung  liegt  nahe,  dass  der  VerfMser  dintinr  Vi*rNe  nioht 
bloss  den  Aeschylus  gelesen  hat,  soridorn  mioh  h^inlf«  A\v^    ΗιΊΐιΐ- 
lien   zur  Stelle   kannte.     Er   ist  d«mna»h  VMrhÜlMilMNmHMNlK   npHt 
anzusetzen,    und   mit    dieser  Annahme  stiMiMtt    <ilD  IlMiitmohiiuiiri 
dass  die  Interpolation  erfolgt  sein  muns^  als  lU«  Hllluk  hiuhl  iiitthi* 
wirklich  aufgeführt  worden   ist.     Viellsinlil   slaiiimt   «1«  m«!  au« 
der  Zeit,  in  der  auch  die  Iphigenia  AulidsniilN  orw^ltml  uml  mit 
dem  unechten  Schluss  versehen  worden  int. 

Die  behandelten  Verse  haben  dem  Kuripidns  von  einem 
seiner  besten  Freunde  den  Vorwurf  elender  Hophisterei  ein- 
getragen. Es  sollte  mich  freuen,  wenn  ich  es  wahrscheinlich  ge- 
macht hätte,  dass  der  Dichter  so  scharfen  Tadel  nioht  verdient  hat 

Greifswald.  L.  Radermaoher. 


STUDIEN  ÜBER  CICEROS  SCHRIFT 

DE  ORATORE. 


I.    Der  Excnre  des  dritten  Buches. 

Wer  die  Commentare  zu  Ciceros  Büchern  de  oratore  durch- 
mustert, wird  mit  Verwunderung  sehen,  daes  för  die  Erklämn^ 
der  Worte  and  einzelner  rhetorischer  Lehren  viel,  för  das  Ver- 
ständniss  des  Ganzen  recht  wenig  geleistet  ist.  Wer  über  Ciceroe 
eigentliche  Ahsicht  bei  Abfassung  der  Schrift  in  den  Rinleitangen 
der  Ausgaben  zu  lesen  steht,  ist  meist  falsch  oder  nur  halb  zu- 
treffend ^.  Aber  auch  die  These  von  Marx  (anct.  ad  Her.  S.  141  ff.V 
die  Nordens  Billigung  gefanden  hat  (Kunstproea  S.  222  ff.),  nach 
der  Cicero  eine  Streitschrift  gegen  die  Jafini  rhetores  beabsichtigt 
haben  soll,  scheint  mir  nicht  das  Richtige  zu  treffen*.  Nirgends 
in  der  umfangreichen  Schrift  nimmt  Cicero  Gelegenheit,  diese 
Tendenz  auch  nur  mit  einem  Worte  anzudeuten;  an  der  einzigcD 
Stelle,  wo  er  von  der  Aufhebung  der  lateinischen  Rhetoren- 
schulen  durch  Crassus  spricht,  geschieht  es  zu  dem  Zwecke,  dem 
Bilde  des  Crassus  einen  persöulichen  Zug  zuzufügen^.  Aller 
dings    polemisiert     er   an     vielen   Stellen   mit  groeeer  Heftigkeit 


^  Wenn  man  Piderit  I^  S.  11  ff.  glauben  soll,  so  hätt«  Cicero  in 
dieser  Schrift  die  Resultate  seiner  Lebenserfahrung  niedergelegt  and 
von  sohrifblichen  Quellen  nur  Aristoteles  und  Isokratee  benutzt  (die  er 
gerade  nicht  gelesen  hat). 

^  Vgl.  Ammon,  Bursians  Jahresb.  105,  S.  223. 

®  III 93.  um  diesen  Zug  anzubringen,  erfindet  Cicero  eine  merk- 
würdige Motivierung.  Die  griechischen  Rhetoren  hätten  nicht  mehr 
die  nothwendige  allgemeine  Bildung  besessen,  und  deshalb  wären  in 
der  jüngsten  Zeit  lateinische  Rhetoren  aufgetreten.  Aber  wenn  dies<' 
eine  so  löbliche  Richtung  verfolgt  hätten,  so  1^  gar  kein  Grund  vor^ 
gegen  sie  als  einen  ludtts  impudentiae  einzuschreiten.  Es  ist  klar,  dass 
Cicero  den  Grund  erfindet,  um  die  Thatsache  in  den  Zusammenhang 
einzufügen,  in  dem  er  sich  gerade  bewegt. 


Studien  über  Ciceros  Schrift  de  oratore  553 

gegen  die  Sohnlrhetoren,  aber  gerade  gegen  die  griechischen, 
und  er  rechnet  tiberhaapt  nur  mit  griechischen  Handbüchern,  wie 
schon  I  23  zeigt:  noti  quo  illa  contemvam^  quae  Graeci  dicendi 
artifices  et  doctores  reliquerunt;  vgl.  105:  qui  van  Graeci  aU- 
cuiits  cotidianam  loquacitaiem  sine  usu  nequc  ex  scholis  cantl• 
lenam  requiruni  (III  228).  Ansserdem  scheinen  die  lateinischen 
Bhetoren  nur  eine  ephemere  Erscheinung  gewesen  zu  sein;  denn 
dass  Plotins  Gallus^  der  36  Jahre  vorher  ihr  Anführer  gewesen 
war,  im  J.  56  eine  Anklagerede  gegen  Caelius  Eufus  verfasste, 
beweist  nichts  für  das  Fortbestehen  ihrer  Schule;  Plotins  wird 
nachher  griechisch  dociert  haben,  um  seine  Existenz  nicht  zu  ver- 
lieren ^. 

Ueberhaupt  wird  man  stets  in  die  Irre  gehen,  wenn  man 
nach  einer 'Tendenz'  unserer  Schrift  forscht;  sie  enthält  eine 
solche  ebcfiso  wenig  wie  die  philosophischen  Dialoge,  sondern 
ihre  Absicht  ist  gewisse  Anschauungen  zu  verbreiten,  vor  allem 
die,  dass  ein  guter  Redner  nicht  mit  den  Schulregeln  auskommt, 
sondern  einen  weiteren  Blick  und  umfassendere  Kenntnisse  be- 
sitzen mnss.  Schon  durch  diese  Absicht  ist,  wie  es  scheint,  eine 
gewisse  Doppelheit  des  Inhalts  gegeben:  es  mnss  die  Rede  sein 
sowohl  von  den  Schulregeln,  da  sie  schliesslich  doch  unentbehr- 
lich sind,  als  auch  von  den  höheren  Gesichtspunkten,  die  erst 
den  Redner  nach  Ciceros  Herzen  ausmachen.  Wer  den  Inhalt 
der  Schrift  sorgfältig  analysiert,  wird  dieser  Ewägung  im  Ganzen 
bestätigt  finden ;  es  sondern  sich  technologische  Partieen,  um 
Ciceros  eigenen  Ausdruck  zu  gebrauchen*,  und  philosophische 
Erörterungen;  sie  sondern  sich  freilich  erst,  wenn  man  den  duf- 
tigen Schleier,  den  Ciceros  wunderbare  schriftstellerische  Kunst 
über  das  Ganze  gebreitet  hat,  hin  wegzieht.  Es  wäre  vielleicht 
das  bequemste  und  sicherste  Verfahren,  zuerst  die  rhetorischen 
Lehren  herauszuschälen;  aber  es  ergiebt  kein  überraschendes 
Resultat,  man  stösst  vielmehr  überall  auf  die  Spuren  der  üb- 
lichen   Handbücher    von    der   Art    dessen,    das  Cicero    in    seiner 


^  In  dem  von  Sueton  (de  rhet.  2)  mitgetheilten  Briefe  an  Ti- 
tinnias  redet  Cicero  von  Plotius  wie  von  einem  obscuren  Menschen: 
equidem  memoria  teneo  pueris  nobis  primum  latinc  docere  coepisne  Plo- 
tiutn  quendam.  Den  Cestius  Pius  durfte  Marx  nicht  zu  den  rheiorts 
laiini  rechnen ;  für  alle  Rhetoren  musste  der  Ton,  den  Cicero  gegen 
dieses  genua  hebes  atque  impolitum  (II  13'])  anschlug,  sehr  ärgerlich  sein. 

2  ad  Att.  IV  1B,3  et  erat  primi  libri  sermo  non  alienus  aScaevolae 
stiAdiis;  reliqui  libri  τβχνολογίαν  habentt  ut  acis. 


554  Kroll 

Jugend  tibersetzt  hat^  Dagegen  ist  der  andere  Weg,  dieDore))• 
forsohung  der  pbiloaopbiechen  Partieen,  zwar  domenToll,  »ber 
von  V.  Arnim  '  mit  so  gntem  Erfolge  beacbritten  worden,  düs 
es  verlockend  scbeint  seinen  Sparen  nacbzngehen. 

Im  dritten  Bucbe  ist  in  die  Lebre  vom  Ansdrnok,  epeciell 
vom  ornatns,  ein  grosser  £xcars  eingelegt  (54 — 143],  der,  wi« 
V.  Arnim  vortrefTlicb  naobgewiesen  bat,  trotz  mancher  Störungts 
der  Disposition  in  sich  eine  Einheit  bildet  ^  Da  Cicero  selbit 
in  nicht  misszuverstebender  Weise'  auf  eine  akademische  Quelle 
hinweist,  da  die  Tendenz  des  Ganzen  auf  eine  Versöhnung  tod 
Philosophie  und  Rhetorik  ausgebt,  wie  sie  Pbilon  von  Laris» 
angestrebt  bat,  und  da  Pbilon  selbst  genannt  ist,  so  hat  τ.  Aniim 
ihn  als  die  Quelle  hingestellt  und  auch  den  Beifall  v.  Wilaioo- 
witz'  gefunden^.     Ich  glaube,    dass  dieses  Resultat  einer  klemen 

^  Angedeutet  hat  das  schon  L.  Spengel,  Rb.  Mus.  18,  S.  496.  IH« 
fleissigen  Diseertiktionen  von  Merchant,  de  CiceroDis  partitioniboi  on• 
toriis.  Berlin  1890,  und  W.  Heinicke,  de  Cic.  doctrina  qoae  pertinet 
ad  materiam  artis  rhetorieae.  Königsberg  1891,  bieten  zwar  das  W. 
Cicero  selbst  vorliegende  Material,  behandeln  ihn  aber  als  das,  wti  e: 
um  keinen  Preis  sein  wollte,  als  einen  Rhetor,  der  sich  seibat  mit  der 
Theorie  der  Rhetorik  abplagte.  Die  Einsicht,  daas  man  die  griecbiscb«& 
Handbücber  durcharbeiten  muss,  wenn  man  Ciceroe  rbetorische  Dogm^ 
richtig  verstehen  will,  ist  leider  noch  wenig  verbreitet.  Auf  eioig^ 
Punkte  werde  ich  unten  zu  eprecbeu  kommen. 

8  Dio  von  Prusa,  S.  97  ff. 

'  Ein  Widersprach,  auf  den  mich  A.  Gercke  hinweist,  ist  viel- 
leicht entschuldbar  und  nötbigt  nicht  zur  Annahme  veracbiedener  Qaellen. 
In  §  60  beisst  es,  Sokrates  und  Piaton  hatten  nicht  mehr  Lehrer  dci 
Weisheit  und  der  Beredsamkeit  zugleich  sein  wollen  wie  die  Sophi>t<n• 
sondern  nur  noch  Philosophen;  infolge  dessen  sei  die  bedaoerlicbe 
Trennung  der  beiden  Professionen  eingetreten  (§61  vgl.  69.  72).  Aber 
in  den  §§  139—141  erscheinen  Sokrates,  Piaton  und  Aristoteles  dodi 
wieder  als  Vertreter  der  alten  sophistischen  Vielseitigkeit,  die  iQci^ 
Staatsmänner  und  Redner  ausbildete,  und  Piaton  wird  ausdrücklich  ao« 
linguae  solunit  verum  etiam  animi  ac  virtutis  magister  genannt  ub^ 
neben  Isokrates  gestellt,  freilich  nicht  den  einseitigen  Rhetor,  zn  den: 
er  erst  später  wurde  {§  141),  sondern  den  φΐλόσοςκ>ς,  der  einem  Tiin<^ 
theos  seine  politische  und  philosophische  (das  beiaat  doetissimum)  Aa^ 
bildung  gegeben  hatte.  Hier  hat  dem  Autor  der  Wunsch,  unter  dö 
wirklichen  Philosophen  Vorgänger  zu  besitzen,  die  wie  er  sich  oi«^^ 
auf  philosophischen  Unterricht  beschränkt  hatten,  einen  kleinen  Streict 
gespielt.  Uebrigens  hatte  er  doch  schon  in  §  72  gesagt,  dssa  diePbii<^ 
sophen  und  R betören  trotz  aller  gegenseitigen  Verachtung  Anleib^s 
bei  einander  gemacbt  hätten. 

«  Hermes  35,  S.  18• 


Studien  über  Ciceros  Schrift  de  oratore  555 

Correctnr    bedarf.     Von    §  Γ16    an    giebt  Cicero    eine    bietorische 
Uebersicht  über  die  Entwicklnng  des  Verbältniesee  zwieohen  Phi- 
loHophie  nnd  Rhetorik,  die  bis  anf  die  Nenzeit  herabgnht  und  in 
§71    mit  dem  Reenltat  schlieeet,  heutzutage  eeien  nnr  Akademiker 
und   Peripatetiker  im  Stande,  das  Ideal  der  philosopbiechen  Rhe- 
torik zn  verwirklichen.  Hier  mnse  ich  freilich  zuerst  v.  Arnim  gegen 
sieb   selbst  in  Schutz  nehmen.     Er  hat  daran  gezweifelt,    oh  die 
§  63 — 71    aus   derselben  Quelle  stammten,    'da  Cicero  mit  §  63 
den   Zusammenhang  seiner  Quelle  unterbricht  und  einen  hier  gar 
nicht  hergehörigen  Abschnitt  einschiebt,    von  dem  es  zweifelhaft 
bleibt,  ob  er  überhaupt  demselben  Autor  wie  das  übrige  gehört' 
(S.  101),  andererseits  doch  auch  diesen  Abschnitt  zur  Bestimmung 
der   Quelle    verwendet  (S.    103).     Dem    gegenüber   behaupte  ich, 
daee    der  Gedankengang  von  Ciceros  Quelle  gar  nicht  mit  §  63 
abbrechen    konnte;    denn  dass    von  Sokrates    viele  Schulen  aus- 
gegangen seien,    von  denen  einige  nicht  mehr  beständen,    ist  für 
den  Zusammenhang  an    sich  gleiobgiltig  und  hat  nur  dann  einen 
Zweck,    wenn  im  Anschluss    daran  die  Stellung  der  bestehenden 
Schulen    zur  Rhetorik   uud  ihre  Fähigkeit,    den  Idealredner  aus- 
zubilden,   erörtert  wurde,   wobei  natürlich  die  eigene  Schule  als 
die  am  besten  geeignete  angeprieRcn  werden  musste.    Auch  paest 
die  Polemik  gegen  die  gewöhnlichen  Processredner  und  die  τεχνο* 
γράφοι  (§70),  das  Lob  des  Perikles  und  Demosthenes  (71  vgl.  59) 
so  ausgezeichnet  zur  Tendenz  des   ganzen  Abschnittes,    dass  wir 
m.  £.  kein   Recht  haben,    diese  Partie  als  einen  Einschub  zu  be- 
trachten^.    Nun  heisst  es  §  67:    reliqui  sunt  PeripaJtetici  et  Acm- 
demici;    quamguam  Academicorum  nomen  est  unum^    sententiae 
duae.     Die    älteren  Akademiker    bis    anf  Polemon    und  Krantor 
seien  nämlich  derselben  Ansicht  wie  die  Peripatetiker;  erstArke- 
silas   habe  durch  die  Betonung  der  skeptischen  Lehren  die  neuere 
Akademie  begründet,  deren  Hauptvertreter  Earneades  sei.   Diene 
Sätze  hat  Philon  nicht  echreihen  können ;   denn  er,  der  mitten  in 
der  Skepsis  stand,  hielt  diese  ebenso  wie  ihr  BegrüodfB-Arke^iJajt  2 
für   echte  platonische  Lehre,  konnte  also  eine  Spallsi^  der  Aka^ 


^  Dass    in    §  127    wieder    auf    die    Zeit   der  Sifitten   zvrii',^, 
gegangen  wird,    beweist  für    v.  Arnims  Ansicht  aacft  waebt»;   fler$r,  »1 
§62  würde  127  doch  nicht  aDschliessen.    Ich  bitte  mngm»  m»ch  r.jcnr 
misszaverstehen,  als  hielte  ich  Cicero  für  eioeii  Vmmm  Γ•Ηίχ»τ%τ'^>- .  ^ 
schaltet  vielmehr    recht  frei  mit   dem  GLiiiiiiiiM'rtiirf    »i^n  «•  üks- 
nimmt. 

a  Zeller  IV»  498. 


564  Kroll 

Wiesen  findet  man  aber  nur  bei  den  Philosophen,  genauer  ge- 
sagt bei  Akademikern  und  Peripatetikern ;  ganz  besondere  beieet 
es  von  Aristoteles:  itaque  ornavit  et  inlustravü  docirinam  illam 
omnem  (die  Rhetorik)  rerumque  coffnitionem  cum  orationis  earer- 
citatione  coniunant  (141).  Auch  diese  Ansicht  läset  sich  mit  Wahr- 
scheinlichkeit auf  Antiochos  zurückfahren;  er  gerade  macht  der 
Stoa  den  Vorwurf,  dass  ihr  Wissensstoff  ein  beschränkter,  der 
des  Peripatos  dagegen  ein  besonders  reichhaltiger  sei,  und  weist 
auf  Zoologie  und  Botanik  hin  (de  fin.  IV  12  f.).  Wir  glauben 
sogar  die  Sclilagworte  unseres  Excurses  zu  hören,  wenn  wir  lesen 
(de  fin.  y  7) :  tum  varietas  est  tcmta  ariium^  ut  tiemo  sine  eo 
instrumento  ad  ullam  rem  illustriorem  satis  ornatus  possii 
accedere;  hier  werden  unter  denen,  welche  die  Peripatetiker  auf 
Grund  ihrer  umfassenden  Kenntnisse  ausgebildet  haben,  zuerst 
die  Redner  genannt. 

Aber  auch  das  war  vorläufig  nur  eine  Behauptung  und  kein 
Beweis,    und   jeder  Rhetor    hatte    das    gute  Recht  zu  verlaD^eo, 
dass  ihm  die  einzelnen  Punkte  aufgezeigt  würden,    an  denen   die 
vielgerühmte  Silva  rerum^    über  die  angeblich  nur  der  Philosoph 
verfügte,    wirklich  in  der  Rede,  auch  der  gewöhnlichen  Procese- 
rede   zu    verwerthen    war.     Solche    Punkte    hat  Antiochos    aach 
wirklich    angegeben.     In    §  110    klagt  er  darüber,    dass  die   all- 
gemeinen Streitfragen,  die  θέσεις,  in  den  gewöhnlichen  rhetorischen 
Handbüchern  nur  in  der  Einleitung  figurierten,  über  ihre  Behand- 
lung aber  gar  keine  Vorschriften  gegeben  würden.    Es  folgt  nun 
(§  111  —  118)  eine  Eintheilung  der  θέσεις  nach  den  für  die   con- 
creten  Rechtsfälle  (υποθέσεις)  seit  Hermagoras  üblichen  στά<Τ€ΐς, 
die  durch  ihren  Schematismus  von  den  allgemeinen  Erörterungen 
unseres   Excurses    einigermaseen    absticht    und    deren   Zweck    an 
dieser  Stelle  nicht  ganz  klar  wäre,  wenn  es  nicht  in  §  120  hiesee, 
man    müsse    alle    speciellen    Processfälle    auf    diese    allgemeinen 
θέσεις  zurückführen:  dadurch  bekomme  man  freie  Bahn,  dadurch 
würden    die    Reden    ornafissimae.      Wirft    man    einen   Blick     auf 
die  Beispiele,    die  für  die    einzelnen  θέσεις  gegeben   werden,    so 
sieht  man,    dass  sie  alle    philosophischen   Inhaltes  sind,    und   er< 
kennt,  dass  man  hier  einen  Angelpunkt  der  ganzen   Auseinander- 
setzung vor  sich  hat.    Denn  wenn  man  wirklich  in  jede  Procef»«- 
ri*ae  die   biecussion    einer  solchen  θέσις    einschieben  konnte  oder 
musste  (wie  sihie  aliquando  tnentiri  boni  viri?    aequvmne  >il 
ή    iniurias   etiam    propinquorum?    §  113.  116),    so   war    «ler 
;h    philosophischer  Bildung    für  den  Redner  erwieseo.     Und 


Studien  über  Ciceroa  Schrift  de  oratore  565 

daee  Cicero  wirklich  in  diesen  θέ(Τ€ΐς  das  charakteristische  Merk- 
mal seiner  dh.  der  akademischen  Rhetorik  sah,  zeigt  deatlioh 
seine  Aeusserang  über  den  Lehrer  seines  Sohnes  (ad  Qu.  fr.  ΙΓΙ 
3, 34  October  d.  J.  54) :  .«e^  nosfrvm  insfifuendi  genus  esse  pcado 
erndiiius  et  θετικώτερον  non  igrwras\  doch  fände  der  Knabe 
selbst  an  dem  declamaiorio  genere  (vgl.  de  or.  I  73  III  1 38) 
mehr  Gefallen.  Macht  es  nun  schon  die  Wichtigkeit,  mit  der 
dieser  Abschnitt  eingeflihrt  wird,  wahrscheinlich,  dass  wir  es  hier 
mit  einer  Neuerung  des  Antiochos,  mit  einem  selbstSndigen 
Eingriff  in  die  Rhetorik  zu  thun  haben,  so  treten  andere  Er* 
wägungen  bestätigend  hinzu.  Hermagoras,  der  eigentliche  Be- 
gründer der  Stasislehre,  hatte  nach  allem,  was  wir  wissen,  nur 
die  υποθέσεις  nach  den  στάσεις  eingetheilt,  für  die  θέσεις  aber 
höchstens  einige  Beispiele  angeführt  ^  Poseidonios,  der  dem 
Hermagoras  die  θέσεις  streitig  machte  (y.  Arnim  93),  theilt 
solche  Beispiele  mit  und  wirft  ihm  vor,  er  sei  gar  nicht  fähig 
gewesen,  sie  kunstvoll  zu  behandeln^.  Aber  ganz  selbständig 
ist  Antiochos  doch  wieder  nicht.  Denn  dass  alle  υποθέσεις  sich 
auf  θέσεις  zurückführen  lassen,  oder  mit  anderen  Worten,  dass 
in  jeder  ύπόθεσις  eine  θέσις  stecke,  hatte  schon  der  Rhetor 
Athenaios  bemerkt  ^  Und  wenn  Antiochos  die  θέσεις  in  zwei 
Hauptgattungen  theilte,  in  theoretische  und  praktische,  so  mnss 
auch  das  schon  in  irgend  einem  Handbuche  gestanden  haben; 
denn  es  kehrt  bei  den  Progymnasmatikem  Theon,  Hermogenes 
und  Aplitbonios  wieder  (Rhet.  gr.  Π  17.  49.  121  Sp.),  die  ganz 
gewiss  nicht  von  Antiochos  abhängig  sind,  sondern  von  einem 
älteren  Handbuch  der  Gattung,  die  von  den  Philosophen  so  ver- 
ächtlich behandelt  wurde  ^. 


1  Thiele,  Hermagoras,  S.  27  ff. 

*  Cicero  de  inv.  I  8,  wo  nach  der  Vermuthnng  von  Philippeon 
iNeue  Jahrb.  133,  S.  420)  die  Polemik  des  Poe.  vorliegt.  Es  iat  mög- 
lich, dass  die  Auswahl  der  hier  gegebenen  Beispiele  eine  Bosheit  des 
Gegners  ist  (v.  Arnim  95),  aber  philosophische  dh.  aus  der  Ethik 
entnommene  hat  Hermagoras  gewiss  angeführt.  Aach  vor  Pos.  gab  es 
schon  ähnliche  Polemik:  Philod.  I  20β. 

«  Qoint.  III  5,5  dazu  Thiele  183).  Cic.  giebt  den  Satz  in  der- 
selben Form  Top.  80:  itaque  propositum  tsd  pars  eaueae. 

*  Bei  diesen  ist  aber  von  der  weiteren  complicierten  Eintheilang 
nach  den  στάσεις  keine  Spar,  ein  deutlicher  Fingerzeig,  dass  diese  von 
einem  Philosophen  ausgedacht  ist,  der  auf  die  rhetorische  Tradition 
keinen  Einflass  hatte.     Dp'— ^•'*«t  sie  ebenso  wie  in  de  or.  in  den 


56β  Kroll 

Der  kritische  Leeer  wird  nach  den  Beispielen  eehent  ^i^ 
Cicero  für  die  einzelnen  θέ(Τ€ΐς  anführt,  nm  feetzaetellen,  ob  ne 
nicht  nach  einer  hestimmten  Richtung  weisen.  Nun  konnte  frei- 
lich Cicero  seihst  sich  diese  Beispiele  ausgedacht  bähen;  aber 
wenn  man  sieht,  dass  zum  Theil  dieselben  in  den  Topica  wieder- 
kehren, dh.  in  einer,  abgesehen  von  der  Einleitung,  ans  dem 
Griechischen  übersetzten  Schrift,  so  wird  man  auch  die  Beispiele 
aus  der  Quelle  herzuleiten  geneigt  sein.  Hier  weist  auf  aka- 
demisch-peripatetische  Quelle  die  Dreitheilung  der  Güter  (Πό 
Top.  83)  und  die  Fragestellung:  sitne  id  aequum  quod  ei  qui 
plus  potest  utilest  (Top.  83,  etwas  verändert  de  or.  III  115).  die 
aus  Piatons  Staat  I  338^  entlehnt  ist.  Die  Schätzung  des  Ruhme«, 
die  sich  in  der  Frage  ausspricht :  laus  an  divitiae  magis  expeien- 
dae  sint?  (116,  vgl.:  eapetendane  sU  gioria?^  beide  auch  Top. 84 
und:  sitne  honestum  gioriae  causa  mortem  obire?)  weist  nach  der- 
selben Richtung,  und  gerade  Antiochos  hat  die  euboSia  geschätzt 
wie  man  aus  de  fin.  IV  62  (vgl.  V  64)  schliessen  darf\  Aof 
die  Stellung  der  Rhetorik  bezieht  sich:  Ornate  dicere  proprmmnt 
Sit  oratoris  an  id  etiam  aliquis  praeterea  facere  possit?  (115,  in 
den  Top.  82.  85  zwei  andere  auf  die  Beredsamkeit  bezüglicbe 
Fragen),  von  Antiochos  sehr  entschieden  zu  Gunsten  des  Redner» 
beantwortet.  Auf  die  Probleme  des  ersten  Buches  von  de  legi- 
bus weisen  die  beiden  θέ(Τεις :  naturane  sit  iits  inter  hommes  asi 
in  opinionibus?  und:  quod  sit  initium  legum  autrerum  jjublicarum't 
(114,  Top.  82).  Die  Frage,  ob  der  Weise  sich  am  Staatsleben 
betheiligen  solle  (112,  Top.  82),  hat  den  Antiochos  besonders  be- 
schäftigt und  i^t  von  ihm  in  bejahendem  Sinne  beantwortet 
worden  (s.  oben  S.  558  f.).  Einige  recht  eigentlich  stoische  Pro- 
bleme passen  vortrefflich  zu  der  ganzen  Richtung  unseres  Philo- 
sophen, so  das  der  Realität  des  Weisen  (113),  von  Poseidonio^^ 
eingehend  erörtert  (Schmekel  278),  und  die  Yerlierharkeit  der 
Tugend  (114).  Solche  Erwägungen  können  und  sollen  natürlich 
nicht  beweisen,  dass  diese  Beispiele  von  Antiochos  stammen, 
sondern  nur  dass  sie  zu    seinem  Interessenkreise  stimmen. 

Die    praktischen  Thesen    werden  ziemlich   kurz  abgeferti^, 
aber  auf  ihre  grosse  Bedeutung  aufmerksam  gemacht;  denn  weni) 


Τυρ.  80-^•    und  mit  ^erin^en  Abänderungen   und  anderen  Bei^piekt 
in  den  part.  or.  ί)2 — (i?  vor;  darüber  unten  S.  590. 

^  Doege  42.  Vgl.  auch  de  fin.  V  69  leg.  I  32  und  den  Abn» 
der  peripatetiechen  Ethik  bei  Stobaio«,  der  von  Antiochos  abhängig  i' 
seiu  scheint»  II  122,  4:  €i  b' ό  έπαινος  δι'  εαυτόν  αίρβτός,  καΐ  ή  €ύδοίί& 


Studien  über  CiceroB  Schrift  de  oratore  567 

es  beieet,  dase  es  eicb  hier  entweder  um  Tugenden  und  Laster 
oder  um  die  Aifecte  bandelt,  und  von  der  zweiten  Gattung  ge- 
sagt wird  :  huic  generi  subiectae  sunt  cohorMianes  obiurgatioties 
consolaiiones  miseratiopes  omnisque  ad  omnem  animi  motum  et  itn- 
ptilsio  et,  si  ita  res  feret,  mitigatw  (118),  so  sieht  man,  wie 
wichtig  sie  für  das  ηθικόν  und  παθητικόν  μβρος  der  Rhetorik 
werden  könnend  Von  hier  aus  wird  klar,  wesshalb  an  einigen 
anderen  philosophischen  Einfluss  verratbenden  Stellen  unserer 
Schrift  ebenfalls  die  cohortationes  usw.  erscheinen,  überraschend 
für  den,  der  die  rhetorischen  Handbücher  kennt  und  dort  nie 
etwas  von  solchen  Themen  gelesen  hat.  So  in  dem  grossen  Hym- 
nus auf  die  Beredsamkeit  Π  33 — 37,  wo  es  nach  der  Erwähnung 
der  Volks-  und  Gerichtsrede  heisat  (§  35):  quis  cohortari  ad  vir- 
tutem  ardentiuSf  quis  α  vitiis  acrius  revocarCy  quis  üituperare  im' 
prdbos  asperiuSj  quis  laudare  bonos  ornafius^  quis  cupiditatem  vehe- 
mentius  frangere  accusmido  potest,  quis  maerorem  levare  miiius  conso- 
lando?  Man  bezieht  diese  Sätze  allgemein  auf  die  epideiktische 
Beredsamkeit,  und  für  vituperare  und  laudare  trifft  das  auch  ohne 
Weiteres  zu,  auch  die  anderen  Gattungen  liessen  sich  hier  unter- 
bringen^; aber  es  scheint  doch  vielmehr  an  Theile  der  politischen 
und  Proceserede  gedacht  zu  sein  ^  eben  an  die,  wo  die  πρακτικαι 
θ€(Τ€ΐς  zu  verwerthen  waren ;  das  ist  denn  auch  in  §  50  mit  aller 
Deutlichkeit  ausgesprochen:  neque  habent  suum  locum  uUum  in 
divistone  partium  neque  certum  praeceptorum  genus  et  agenda  sunt 
non  minus  diserie  quam  quae  in  Ute  dicuntur,  obiurgatio  co- 
hortatio  consolatio^.     Für    die  Tendenz    unseres  Philosophen 


1  Ganz  entsprechend  Top.  86,  zB.:  rursusque  oratio  tum  ircicun' 
diam  restinguens  tum  metum  eripiens  tum  exüUantem  laetitiam  com- 
pritnena  tum  aegritudinem  abstergens, 

^  Philodem  1  212  bezeichnet  es  als  die  Aufgabe  der  epideiktieohen 
Hede,  knl  τάς  άρ€τάς  προτρέπειν  καΐ  τών  καχιΰιν  άτταλλάττβιν. 

β  Vgl.  II  68,  wo  es  hei  est,  der  Redner  müsse  Themen  aus  der 
Politik  Physik  £thik  (letztere  in  §  67  specialisiert)  beherrschen :  si  minus 
ut  separatim  de  iis  rebus  philosopharum  more  respondeaty  at  certe  ut  in 
causas  prudenter  posait  intexere.  Aehnlich  heisst  es  im  orat.  118, 
der  Redner  müsse  auch  auf  dem  ganzen  Gebiete  der  Ethik  bewandert 
sein,  weil  Punkte  aus  der  Ethik  oft  in  Processreden  zur  Sprache  kämen 
und  von  ungebildeten  Rednern  dürftig  behandelt  würden. 

*  Ebenso  klagt  er  Π  64  darüber,  dass  cohortationes  praeeepta  eon* 
solationes  admomta  in  den  Schulbüchern  vernachlässigt  seien.  Es  ist 
schwerlich  Zufall,  wenn  in  der  Seligpreisung  des  Weisen,  die  den  Sohlass 
von  de  leg.  I  bildet,  nach   der  Logik  auch  die  Rhetorik  genan*^'      '   ^ 


5β8  Kroll 

sind  diese  Aeaeeerungen  sehr  lehrreich:  wer  Rogar  die  προτρ€π• 
τικοί  und  Troetreden  dem  Redner  tiberantworten  wollte,  der 
museie  von  der  Bedeutung  der  kunstleriRchen  Form  tief  durch- 
drungen sein.  Aber  wer  soweit  ging  znzugeben,  daae  jeder  ge- 
wöhnliche Redner  den  rhetorisch  nicht  gebildeten  Philosophen 
auf  seinem  eigenen  Gebiete  in  die  Enge  treiben  könne  (DI  791 
der  kam  ganz  folgerichtig  zu  dieser  Concesaion.  Es  ist  dus 
natürlich  kein  Zufall,  wenn  in  de  fin.  IV  6  der  glänzende  Stil 
gelobt  wird,  in  dem  die  alten  Peripatetiker  ethische  Themen 
(darunter  auch  de  capessenda  re  publica)  zu  behandeln  wussten. 
und  dabei  ihre  ronsolationes  und  cohorfationes,  ihre  moniia  d 
consiUa  scripta  ad  summos  viros  besonders  hervorgehoben  werden^. 
Antiochos  hatte  also  wahrscheinlich  auch  am  Schlüsse  eeiDer 
Erörterung  über  die  θέ(Τ6ΐς,  wie  sie  in  de  or.  111  111 — 118  vor- 
liegt, noch  einmal  ausdrücklich  darauf  hingewiesen,  dass  man  die 
besten  Vorbilder  für  eine  eindrucksvolle  Behandlung  dieser  Stoffe 
bei  den  alten  Philosophen  finde,  deren  Lehre  er  zu  erneuern  be- 
müht war^ 

Wir    haben    dabei    ganz    vergessen,    dass  unser  Excars  ic 
das  Kapitel    vom    ornatus  orationis    eingeschoben   iet.     Wahrend 


und  als  ihre  Bethätigungen  u.  A.  auch  die  folgenden:  qua  laudH  dam 
viros,  qua  praecepta  salutis  et  laudis  apte  ad  persuadendum  edat  sui* 
civibuSf  qua  hortari  ad  decus,  revoeare  α  flagitio,  congolari  possit  ad- 
flictos.  —  Eine  weitere  Perspective  eröffnet,  dass  der  sonst  von  Antiochos 
beeinflusste  Akademiker  Eu  de  Γ  08  bei  Stob  II  44  zur  praktischen  Philo- 
sophie den  ϋποθΕΤίκός,  προτρ€πτικός  und  παραμυθητικός  rechnet,  nua 
PoseidonioB  bei  Sen.  ep.  95,  65  die  praecepiio,  suasio,  consolatio  und 
exhortatio  in  die  Ethik  hineinzieht;  ist  vielleicht  A.  schon  von  ihm  bp* 
einflusst?  Ein  weiteres  Indicium  dafür  könnte  man  in  III 115  (:=Top.  83i 
finden,  wo  die  Beschreibung  ethischer  Typen,  wie  des  Geizigen,  dm 
Schmeichlers,  unter  den  Thesen  aufgeführt  wird;  denn  nach  Senecs 
aaO.  hat  Pos.  die  ηθολογία  oder  den  χαρακτηρισμός  dh.  die  Be- 
schreibung der  einzelnen  Tugenden  und  Fehler  unter  die  Aufgaben  des 
Philosophen  gerechnet. 

^  Er  denkt  an  Krantor  π€ρΙ  πένθους,  an  Aristoteles'  προτρ€ΐΓηκό<„ 
seine  Briefe  und  πβρί  βασιλ€(ας,  an  die  Piatonbriefe;  Platons  Einfln^^ 
auf  Dions  Politik  wird  auch  de  or.  III  139  gepriesen. 

^  Cicero  macht  in  §  119  ausdrücklich  darauf  aufmerksam,  da» 
die  hier  gegebene  Eintheilung  der  στάσ€ΐς  eine  andere  ist  als  die  voa 
Antonius  aufgestellte.  Dabei  kann  er  nur  an  II  104  (1^2)  denken,  wo 
Antonius  die  Stasislehre  für  die  ύποθέσβις  gegeben  hatte;  wenn  die£^ 
klärer  auf  II  163  verweisen,  dh  auf  die  Darlegung  der  Topik,  so  ^^ 
das  ein  Irrthum. 


Studien  über  Cioeros  Schrift  de  oratore  6β9 

viele  Erörternngen,  zB.  die  hiptorieohen  §  55  (f.  126  (f.,  Ηίβκβ« 
Thema  echeinbar  ganz  ane  dem  Auge  verlieren,  iKt  gerade  der 
zuletzt  besprochene  Abechnitt  über  die  θέ(Τ€ΐς  einigermaaMen  mit 
der  Lehre  vom  ornafe  dicere  verknüpft.  Craeeue  besinnt  sich 
nämlich,  nachdem  er  schon  vorher  (§91)  einen  Anlauf  dazu  ge- 
nommen  hat,  in  §  96  von  Nenem,  dass  er  ja  vom  orfinte  dicere 
reden  wollte,  and  giebt  nunmehr  wirkliche  Vorschriften  darüber, 
die  folgende  Punkte  bebandeln: 

1)  Man  muRS  «ich  vor  einer  übertriebenen  Anwendung  der- 
selben Stilmittel  hüten,  weil  dadurch  8üeelichkeit  und  Utbar' 
Sättigung  entsteht:  96 — 103.  Dass  dieser  Gedanke  nicht  zu  den 
üblichen  Schulregeln  gehört,  wird  in  g  97•  103  deutlich  gesagt, 
und  dass  hier  ein  Philonoph  zu  uns  spricht,  zeigt  die  Zuspitzung 
auch  dieaea  Abachnittea  auf  die  gUta  rerum  ae  $enUntiarum  (103, 
und  die  feineinnige  p»jrehologiache  Begründung,  die  kein  Rhetor 
zu  geben  Termoeht  bitten 

2)  Man  muss  sich  auf  α(ιΕη<ης  (und  ταιτ€ίνυκίις)  Teratebeu. 
Diesem  Satze  wird  halb  unter*  halb  beigeordnet  —  Cieero  iet 
darüber  nicht  ganz  klar  —  die  Hegel,  daaa  man  mit  I^b  und  Ta4el 
sowie  mit  den  loci  ecmmuime»  richtig  umgeben  roüMe.  Hiebt  «aa 
sich  in  den  Handbuehem  um,  wo  findet  man  die  α6£ηαΐς  entweder 
bei  der  epideiktiseben  db.  Lob-  und  Tadelrede  abgehandelt 
(Anaxim.  3.  Ariatot.  rLet.  1  9,  III  17 1  c^der  bei  der  Ijthrt  riß» 
Epilog  der  GericLtsrede,  wif  »ie  dazu  dient  die  Leideni^cliaflen 
der  Richter  zu  erregen:  uijO  zwar  wttftu  io  dem  Han^i^uebe« 
daa  Cieero  in  aeiner  Jugebd  benutzt  b^tte,  die  U^^i  ^j/mmi»f*ei>  dem 
^L^t^^Lt,    der    αΟ£ΐ)Οις    üDtergeor';f>e»*       Werf;    b*f    t/e.'i*'»    r^r- 


*  Im  omt  T-'i  Wird  'j»**e  J/*  »•'*  f^yr  ^*^*f^  **  w»'»  *  •*»  h-^-r  t.,*',ti* 
•  rnähuter  Au^fVpruvL  Cet  Aj*••  ,*^  *<.y«*  '  t*  *  ^  ***  y  *.w  *«ί.*4  *  '^*  Λ•»*•^ 
hiich  oie  HiiDdoUcb•^  e  ίί*Ί   Α*/••«,*•'  "•      <    λ*  *<    *>/*   *;**   **>•  • '/♦-  j/p/ä'••* 

II   ITT  %|r-    bc   Her.  !*    /*     ct    .<.»     ί    .♦     |,.  *      ',*    %* 

Korauf  die  »■pe*'**-  **.   Ι^ί-'*•    *•^ι.  *'t    /.- >  ■    /  '    ,   h  » >   *•   ^  >       /  -i  • 

liCt.   Cit-   Ö*•  Jij"*    :'.*''**       Ir  iti     i  •.  '  I    y    '  i  >    I    t    >/  "'      /      •     Α  ^     "  *' 

jpt  eiL  AO'itr'  aVirT"*cc<  όρ/^/.ν^  .^' /*, .   4','v«,.v         '•'     ν    .     '/-    j  , 

'H^.-'i*      ^V•'      *^^'-ί^'*'       i     -^*  .*..<'       •//         ,\       '      .  '  .•  t,     . 


570  Kroll 

einigt  wird,  bo  spricht  kein  gewöhnlicher  Rhetor,  sondern  ein 
Mann,  der  über  den  Seh  αϊ  regeln  steht  und  ihren  dürren  Schematis- 
mus zu  beleben  sucht.  Dieses  Resultat  wird  bestätigt  durch  die 
Betrachtung  der  Lehre  von  den  loci  communeSy  zu  der  Cicero 
sich  in  §  106/7  wendet.  Diese  werden  nämlich  in  drei  Gattungen 
zerlegt:  a)  Angriffe  auf  das  Verbrechen,  das  man  in  der  ton- 
firmaifo  soeben  bewiesen  hat  und  nun  in  den  schwärzesten  Farben 
ausmalt;  b)  in  der  Vertheidigungsrede  Fürbitte  für  den  An- 
geklagten ;  c)  ancipifes  dispufationes,  in  quibus  de  unit^erso  genere 
in  utramque  partem  disseri  copiose  licet.  —  Diese  Dreitheilung 
ist  eine  ganz  ungewöhnliche;  nach  der  üblichen  Regel  gehört 
nur  die  Gattung  a)  zum  τόττος  im  engeren  Sinne;  b),  die  miseratio, 
gehört  allerdinge  zu  den  Theilen  des  Epiloges,  ist  aber  dem  τό- 
πος beigeordnet*;  die  Unterordnung,  wie  sie  hier  vorliegt,  ist 
daher  schon  eine  Correctur  der  Handbücher.  Dagegen  tritt  die 
dritte  Gattung,  die  ancipifes  dispuiaiiones  überhaupt  nur  hier 
in  diesem  Zusammenhange  auf.  Nun  kann  Cicero  natürlich  nicht 
sagen  wollen,  dass  man  im  Epilog  über  ethische  Fragen  in  uiraw- 
gue  partem  reden  soll,  da  man  dort  vielmehr  ganz  einseitig  die- 
jenigen Seiten  der  Frage  hervorkehren  mnss,  die  für  den  Clienten 
günstig  sind;  seine  Meinung  kann  nur  sein,  dass  der  Redner  immer 
Erörterungen  für  und  wider  gewisse  Dinge  im  Kopfe  haben  mus*. 
um  sie  vorkommenden  Falles  zu  verwerthen.  Es  ist  also  bei  c) 
nicht  an  den  Epilog  gedacht,  sondern  an  die  ganze  Rede,  ob- 
wohl a)  und  b)  nur  im  Epilog  verwendbar  sind ;  es  ist  also  locus 
commuftis  hier  in  doppeltem  Sinne  gebraucht,  einmal  in  dem  spe- 
ciellen,  den  Theons  Definition  (S.  569*)  am  besten  erklärt,  und 
dann  in  dem  allgemeinen,  in  dem  es  argumenta  guae  transferri 
in  muVas  causas  possunt  bedeutet  (de  inv.  D  48  vgl.  Brnt.  46. 
124,  orat.  126).  In  diesem  allgemeinen  Sinne  ist  es  auch  Π  146 
gemeint,  wo  es  heisst,  der  Redner  müsse  einen  Vorrath  von  Ge- 
danken im  Kopfe  haben  und  nicht  immer    erst  für  den  einzelnen 

auf  die  Lehre  vom  Epilog  zu  sprechen  kommt,  ansnihrlich  über  αο^η<ης 
und  τόπος  handelt;  aber  dort  ist  er  ganz  kurz  (Π  332),  oaturlich  mit 
voller  Abeicht,  um  nicht  in  den  trockenen  Ton  der  verhassten  Hand- 
bücher zu  verfallen. 

1  Auct.  ad  Her.  Π  47.50,  Cic.  de  inv.  I  98.  106,  der  den  Ausdruck 
ct>nqvefitio  braucht  (ίλ€ος  Apsin.  l  300  Sp.).  Aehnlich  wie  hier  in  part 
or.,  wo  eine  akademische  Rhetorik  bearbeitet  ist:  hier  erscheinen  ali 
Theile  des  Epilogne  nur  atnplificatio  nnd  efiwmeratiOf  und  die  mufratie 
ist  bei  jener  mit  abgehandelt  (§  52—60). 


Stadien  über  Ciceros  Schrift  de  oratore  571 

Fall  neu  entwerfen;  dazu  gehören  auch  die  li  118  genannten 
aus  dem  uralten  Bestände  der  Rhetorik  stammenden  Erörterungen 
für  und  gegen  Documente,  Zeugenaussagen  und  auf  der  Folter 
erzwungene  Geständnisse^;  aber  unser  Philosoph  denkt  an  diese, 
wenn  überhaupt,  so  erst  in  letzter  Linie;  ihm  ist  es  zunüchst  um 
die  mehr  oder  weniger  philosophischen  Thesen  zu  thnn,  deren 
Verwendbarkeit  in  der  Rede  er  auf  alle  Fälle  darthnn  muss. 
So  nennt  er  denn  als  derartige  Gegenstände  de  viriute^  de  officio^ 
de  aequo  et  bono,  de  dignitate  utilitale  honore  ignominia  praemio 
poena  (vgl.  Π  67)  und  sagt  ausdrücklich,  dass  man  jetzt  die 
Kunst  für  und  wider  diese  Dinge  zu  reden  nur  von  den  Aka- 
demikern und  Peripatetikern  lernen  könne,  während  sie  eigent- 
lich ins  Bereich  des  Redners  fallen,  des  Redners  der  Zukunft, 
der  zugleich  auch  Philosoph  und  Politiker  sei.  Daran  schliesst 
sich  dann  die  detailMerte  Lehre  von  den  θέλεις,  die  wir  bereits 
besprochen  haben*. 

Wir  haben  nunmehr  Gedankeninhalt  und  Tendenz  unseres 
Excurses  kennen  gelernt;  eine  weitere  Frage  ist,  wie  er  sich  in 
den  Zusammenhang  fügt,  in  den  Cicero  ihn  gestellt  hat.  Ich 
muss  dazu  etwas  weiter  ausholen.  Cicero  unternimmt  das  Wag- 
niss,  ein  rhetorisches  Thema  in  einem  Dialoge  zu  behandeln  dh. 
in  einer  Schrift,  an  deren  künstlerische  Abrundung  man  hohe 
Anforderungen  stellen  konnte;  er  steht  also  einer  ähnlichen  Auf- 
gabe gegenüber  wie  ein  Dichter,  der  sich  einen  trockenen,  zB. 
raedicinischen  oder  astrologischen,  Vorwurf  gewählt  hat,  und  löst 
sie  in    ähnlicher  Weise,    nämlich  indem    er  möglichst    viele  be- 


1  Vgl.  Π  130:  oportet  .  .  .  habere  certos  locos,  qui  ut  Htterae  ad 
verbum  scribevdum,  sie  iüi  ad  causam  explicafidam  statim  oceurrunt. 
part.  ΟΓ.  131  meditata  nobis  .  .  .  esse  dehefntnt  ea,  quae  dicenda  erunt  in 
orationibus  de  natura,  de  legibus,  de  more  maiorum,  de  proptdsanda  in- 
iuria,  de  uleiscendat  de  omni  parte  iuris j  wobei  offenbar  an  βέσ€ΐς  ge- 
dacht ist,  wie  sie  de  or.  IIl  111  ff.  aufgezählt  werden.  Wese  res  und 
sententiae,  welche  vi  sua  verbn  parient  (II  lUi),  sind  eben  die  silva  des 
Antiochos.  Ich  bitte  auoh  hier  de  fin.  IV  10  zu  vergleichen:  von  den 
*  alten'  Philosophen  kann  man  die  Kunst  lernen,  an  gewissen  Stellen 
die  Argumente  zu  finden,  dio  man  braucht.  W^r  diese  Kunst  ver- 
steht, ist  nicht  überall  von  seinen  Scliulheften  abhängig,  sondern  kann 
sich  in  jedem  Angenblick  selbst  zurecht  finden.  —  Was  man  für  und 
wider  βάσανοι  μαρτυρίαι  δρκοι  vorbrin^^en  kaiin,  steht  schon  bei  Anaum. 
15—17,  Arist   rhet.  I  15. 

8  Ich  verdanke  natürlich  sehr  viel  der  vortrefflichen  Darlegung 
v.  Arnims  S.  106  ff.,  weiche  aber  in  manchen  Punkten  von  ihr  ab. 


572  Kroll 

lebende  Excurse  einecbiebt.  Wenn  man  dem  Gedankengange 
unserer  Scbrift  zu  folgen  sucht  (wozu  in  unseren  erklärenden 
Ausgaben  nur  AnsKtze  gemacht  sind),  so  erkennt  man  bald,  daaa 
Cicero  die  τεχνολογία,  wie  er  selbst  sie  nennt,  durch  allerlei  Ab- 
schweifungen ihres  trockenen  Charaktere  zu  entkleiden  sucht. 
Er  musste  das  um  so  mehr  im  Auge  behalten,  als  er  den  Tadel, 
eine  τέχνη  geschrieben  zu  haben,  nicht  bloss  als  Schriftsteller 
fürchtet,  sondern  auch  als  römischer  Senator,  der  sich  doppelt 
davor  hüten  musp,  auf  das  Niveau  des  Graectdus  ofiosus  ei  L•- 
qucux  (I  102)  hinabzusteigen;  und  weil  er  so  ängstlich  bemüht 
ist,  diesen  Schein  zu  vermeiden,  hat  er  in  unsere  Schrift  auf- 
fällig viele  heftige  Ausfälle  gegen  die  Griechen  und  besonders 
die  Rhetoren  eingelegt ^  Als  Schrifsteller  scheut  er  den  Schein 
ein  τεχνογράφος  zu  sein,  weil  es  für  ausgemacht  galt,  dass 
diese  Leute  nicht  im  Stande  seien  sich  gut  auszudrücken^  und 
ihre  Schriften  daher  nicht  zur  Litteratur  gerechnet  wurden*. 
Wie  unangenehm  aber  dem  vornehmen  Römer  die  Verwecbelnng 
mit  den  Schulrhetoren  war,  zeigt  das  Verhalten  des  Crasens. 
als  er  seinen  Vortrag  beginnt  und  die  Anwesenden  bittet,  seine 
ineptiae  nicht  auszuplaudern:  indessen  werde  er  sich  schon  be- 
mühen den  Eindruck  zu  vermeiden,  als  trüge  er  vor  wie  ein 
Schulmeister  (T  111).  Noch  deutlicher  zeigt  es  der  in  den  Oraler 
eingelegte  Excurs  (§  140 — 148),  in  dem  sich  Cicero  ausführlich 
gegen  den  Vorwurf  vertheidigt,  dass  es  einem  Manne  von  so 
hoher  politischer  Bedeutung  nicht  zieme,  soviel  über  einen  Schul• 


^  Ich  gebe  nur  eine  kleine  Blüthenleee.  I  47  Gtaectdos  hownncs 
contentionis  cupidiores  quam  veritati».  105  Grcteei  aJicuius  eottdianam 
loquacitatem  sine  uau  (vgl.  II  75).  221  ut  ii  qui  audiant  aut  ülum  inep- 
tum  aut  Graeculum  putent,  II  19  die  grossen  griechischen  Staatsmänner 
sind  nicht  horum  Graecorum  qui  ge  ineulcant  auribus  nostris^  simiies 
gewesen.  II  77  quis  enim  est  istorum  Graeeorum,  qui  quemquam  no9- 
trum  quicquam  intellegere  arbitretur?  133  von  den  Rhetoren:  quam  sit 
genus  hoc  eorum,  qui  sibi  eruditt  videntur,  hebes  atque  impoUtum»  III  7h 
hos  omniSy  qui  artis  rhetoricas  exponuntj  perridietilos.  93  rerum  est  silva 
magna,  quam  cum  Graeci  iam  non  tenerent  ...  131  otio  difßucntes, 

*  Polemik  des  Charmadas  I  91,  vgl.  den  Tadel  (des  Poseidonios?» 
über  Hermagoras'  Stil  de  inv.  I  8;  auch  Philod.  I  210,  14  scheint  das 
sagen  zu  wollen. 

"  II  10  sagt  er  zu  Quintus:  rhetorieis  quibusdam  libris,  quos  tu 
irestis  putas  (vgl.  weiter  unten:  propter  eorum^  qui  de  dicendi  ra- 
ne  disputarunU  ieiunitatem  bonarum  aTtium)\  in  demselben 
ine  spricht  er  von  agrestiores  Musae  or.  12. 


Studien  über  Giceroe  Schrift  de  oratore  573 

gegenständ  za  schreibend  So  erklärt  eich  auch  die  angleich- 
mässige  und  sprunghafte  Art,  in  der  die  eigentlich  rhetorischen 
Lehren  besprochen  werden :  Cicero  kann  sie  nicht  ganz  entbehren, 
aber  er  fertigt  sie  möglichst  rasch  ab,  womöglich  in  der  Form 
der  Praeteritio,  wie  man  es  an  der  kurzen  Uebersicht  sehen  kann, 
die  Crassus  von  den  Schulregela  giebt  (1  137 — 145);  die  ganze 
Stasislehre  steckt  hier  in  zwei  Paragraphen  und  auch  im  zweiten 
Buche,  wo  man  sie  ansführlich  dargelegt  zu  sehen  erwartet,  wird 
sie  mit  einer  flüchtigen  Erwähnung  abgethan  (11104,  ygl.  132); 
dagegen  wird  die  Eintheilung  der  θέ(Τεις  nach  den  0τά(Τεις  ganz 
eingehend  mitgetheilt  (Ul  111 — 118),  eben  weil  sie  in  den  ge- 
wöhnlichen Handbüchern  fehlt,  und  die  Abhandlung  über  den 
Witz  nimmt  ans  demselben  Grunde  einen  grossen  Theil  des 
zweiten  Buches  ein.  Demselben  Zweck  dienen,  wie  gesagt,  die 
£xcurse,  was  ein  Beispiel  aus  dem  zweiten  Buche  veranschaulichen 
mag.  Antonius  beginnt  seinen  Lehrvortrag  II  41  mit  der  Schei- 
dung von  Θέ0€ΐς  und  υποθέσεις  und  theilt  die  letzteren  wieder- 
um in  Gerichts-  und  Volksreden;  das  γένος  έγκωμιαστικόν  schliesst 
er  aus,  weil  es  keiner  besonderen  Kegeln  bedürfe^.     Dieser  Ge- 


1  de  artifieio  dicendi:   das  ist  etwas  ganz  anderes  als  de  arte. 

^  Trotzdem  giebt  Antonius  einige  Begeln  dafür  und  zwar,  wie 
sich  zeigen  läset,  die  gewöhnlichen  Schulregeln.  Man  soll  beim  έγκώ- 
μιον  die  peripatetische  Eintheilung  der  Güter  zu  Grunde  legen,  die 
überaus  geschickt  durch  das  Citat  aus  Crassus'  Rede  eingeführt  wird, 
thatsächlich  aber  in  den  Handbüchern  stand:  v^l.  Theon  II  109, 29Sp. 
(Alexander  ebda.  556, 14  Ps.  Diouys.  ars  S.  18,20  Us.).  [Am  Ende  von 
§  45  vielleicht  eine  Lücke:  inteUeget  exponenda  sibi  esse  {primum  na- 
iurae  ei}  fortunae  hona\.  Wenn  dabei  das  ingenium  zu  den  körperlichen 
Vorzügen  gestellt  wird,  so  entspricht  die  Zutheilung  der  ευαισθησία  zu 
den  σώματος  αγαθά  zfi.  bei  dem  Peripatetiker  Stob.  II  122,22  136,12 
und  bei  Theon  110,  0.  Besitzt  der  Betreffende  körperliche  und  Glücks- 
güter, so  muss  man  zeigen,  dass  er  einen  verständigen  Gebrauch  davon 
gemacht  hat  s  Theon  111, 15  έφ'  έκαστου  6«κνύντ€ς,  δτι  μή  άνοήτως 
άλλα  φρον(μυις  καΐ  ώς  Ihu  αύτοίς  έχρήσατο.  Si  ηοη  Jiahuerit,  sapienter 
caruisse  s  Theon  21 :  el  bi  μηδέν  τιΙ>ν  προειρημένων  αγαθών  έχοι,  λε- 
κτέον  (kl  άτυχων  ταπεινός  ούκ  ήν  ουδέ  πενόμενος  άδικος  ουδέ  δεόμενος 
άνδραποδώδης.  Dann  soll  mau  die  guten  Tliaten  aufzählen,  die  aus 
seinen  verschiedenen  Tugenden  entsprungen  sind  =s  Theon  112,  2.  Will 
man  tadeln,  so  geht  mau  von  den  entgegengesetzten  Eigenschaften  aus 
=  Theon  112, 17  ίκ  μίν  τούτων  έπαινεσόμεθα,  ψέΕομεν  bi  ix  τών  εναν- 
τίων, eine  Bemerkung,  die  recht  eigentlich  zum  Handbuchstil  gehört. 
[Sie  zeigt  überdies,  dass  es  den  ψόγος  schon  vor  der  Kaiserzeit  gab, 
alao  die  Progymnasmata  der  Sache  nach  schon  damals  bestanden,    wie 


574  Kroll 

danke  wird  die  Veranlassung  za  einer  langen  Abschweifang; 
denn  es  werden  andere  Zweige  der  Beredsamkeit  genannt,  die 
auch  ohne  feste  Kegeln  beeteben  könnten,  nnd  eines  davon,  die 
GeeühichtRSchreibung,  aueführlicb  behandelt»  sogar  ihre  historische 
Entwicklung  skizziert.  Das  ist  für  den  vorliegenden  Zweck  nicht 
erforderlich,  aber  es  bringt  Abwechslung  mit  sieb  und  erweckt 
den  Eindruck  der  ungezwungenen  Unterhaltung,  die  der  Dialog 
nachahmen  sollte  und  deren  Ton  zu  treifen  Cicero  in  ausgezeichneter 
Weise  gelungen  ist^  Erst  in  §  78  findet  Antoniae  den  Weg 
zum  Hauptthema  zurück  und  beginnt  wieder  an  demselben  Pnokte, 
den   er  in  §  il   verlassen  hatte. 

Man  muBS  also  damit  rechnen,  dass  Cicero  absichtlich  von 
der  strengen  Gedankenfolge  abweicht  und  dass,  was  in  einem 
'  bestimmten  Zusammenhange  erwähnt  ist,  unter  Umständen  zn 
diesem  Zusammenhange  nur  lockere  Beziehungen  hat.  Aach  mit 
dem  grossen  Excurse  des  dritten  Buches  steht  es  nicht  andere- 
Crassus  disponiert  seinen  Vortrag  über  den  Ausdruck  anfänglich 
ganz  in  der  Weise  eines  Lehrbuches  und  erklärt,  man  müsse 
sich  1)  Latine  2)  plane  3)  ornate  4)  apte  ausdrücken  (§  37), 
nachdem  er  schon  I  144  diese  Eintheilung  gebracht  hat;  es  ist, 
wie  orat.  79  zeigt,  im  Grunde  die  des  Theopbrast,  aus  aristote- 
lischen Gedanken  weitergebildet^.    Nachdem  Punkt  1  nnd  2  ziem- 


ich  wegen  Radennacher  zu  Demetr.  S.  112  bemerke.  Ich  verbessere 
noch  Theon  110,7  ψυχικά  δέ  αγαθά  τά  σπουδαία  ήθη  καΐ  αΐ  (ηθικά  καΐ 
vulg.)  τούτοις  άκολουθοΟσαι  πράξεις.  So  echoo  Finckh  Neue  Jbb.  89, 769]. 

1  Die  Theorie,  die  mit  Artemon  wohl  in  ältere  peripatetische 
Zeit  hinaufreicht,  setzte  für  den  Dialog  ähnliche  Regeln  fest  wie  für 
den  Brief. 

^  H.  Rabe  de  Theophr.  libris  ucpl  λ^Εβως  S.  41.    Ganz  davon  zu 

trennen  ist  wohl  ursprünglich  die  Lehre  von  den  άρεταΐ  διηγήσ€«υς,  die 

aber  bei  Cic.  part.  or.  19  zum  Theil  auf  den  Ausdruck  im  Allgemeinen 

übertragen  sind.  'Eine  andere  Modification  der  theophrasteischen  Lehre 

liegt    beim   auct.    ad  Her.  IV  17    vor,    wo    drei    Hauptt heile   gemacht 

werden,  ehgantia  compositio  dignttas;  der  elegantia  werden  Latine  und 

plane  untergeordnet,  die  dignttas  deckt  sich  dem  Begriff,  nicht  der  Aos- 

fübrung    nach,    mit   dem  ornaius,    die  compoHtio ^  ist  die  ούνθ€σις,  <ϋ•* 

Cicero  beim  ornatus  mit  abmacht  (§  171  ff.).    Auch  Longinos  1 188^3  ^p. 

spricht    ganz  ähnlich    nur  von  καθαριΰς,    Οαφύις  und    σβμνότης.     Gtoz 

davon  verschieden  ist  die  Eintheilung  nach    τρόπος  αχήμα  «λάσμα  liei 

Philod.  I  H>4,  die  Reitzenstein  Strassb.  Festschr.  8.  14β  besprochen  hat. 

Wenn  Cicero  weiter  die  Lehre  vom  ornaius  nach  einzelnen  Worten 

149-170),  Wortfügung  (171—198)  und  Figuren  eint  heilt  (200- 20m. 

entspricht  das  genau  dem  theophrasteischen  Schema  εκλογή,  <ιύνθ€<ης, 


χ' 


Studien  über  Ciceros  Schrift  de  oratore  575 

lieh  rasch  abgethan  sind,  wendet  sich  Craeeus  in  §  52  zu  den 
Regeln  über  den  ornatus;  aber  es  wird  sofort  der  Excnrs  ein- 
geschoben und  die  speciellen,  diesmal  ausnahmsweise  ziemlich 
schulmässigen  Vorschriften  werden  erst  nachher  gegeben^.  In 
dem  £xcaree  selbst  steht  von  diesen  speciellen  Regeln  nichts, 
und  wenn  man  seinen  Inhalt  genau  betrachtet,  so  findet  man,  dass 
er  gar  nicht  den  κ00μος  τής  λέΕβαις  behandelt,  sondern  die 
Stellung  der  Rhetorik  zur  Philosophie.  Zwar  kommt  der  Aus- 
druck Ornate  dicere  darin  vor,  aber  nicht  eigentlich  in  dem  engen 
Sinne,  den  Crassus'  Disposition  voraussetzt,  sondern  in  dem  weiteren 
der  künstlerischen  Rede,  den  das  Wort  auch  sonst  hat'.  Und 
was  von  Regeln  mitgetheilt  wird,  bezieht  sich  anf  αοΕηαις,  τόποι 
und  θέα€ΐς,  also  nicht  auf  die  Lehre  vom  Ausdruck,  sondern 
vielmehr  auf  die  von  der  Erfindung.  Das  hat  Cicero  natürlich 
gewnsst  und  deshalb  Crassus  schon  zu  Anfang  seines  Vortrages 
sagen  lassen,  Inhalt  und  Form  seien  nicht  von  einander  zu  trennen 
und  es  sei  daher  eigentlich  unsinnig,  dass  er  über  die  Form 
allein  sprechen  solle  (§  19),  und  ebenso  hat  er  zu  Beginn  des 
£xcurses  das  Auftreten  sachlicher  G-esichte punkte  dadurch  vor- 
bereitet, dass  er  in  §  53  von  illuminate  et  rebus  et  verUs  spricht, 
während  man  nach  §  37  nur  die  verha  berücksichtigt  zu  sehen 
erwartet.  Cicero  bat  also  weittragende  Gedanken  eines  Philo- 
sophen  in  einen  engeren  Zusammenhang  gestellt,  indem  er  sie 
der  Disposition  eines  rhetorischen  Lehrbuches  unterordnet^. 


σχήματα,  das  Dionys  in  der  Schrift  über  Isokratee  (c.  8)  anwendet. 
Allerdings  ist  diese  Disposition  bei  Cicero  dadurch  verdunkelt,  dass  in 
§  199  eine  Bemerkung  über  die  drei  Stilarten  eingeschoben  wird;  die 
sollten  doch  auch  erwähnt  werden,  waren  aber  nicht  leicht  unter- 
zubringen. 

1  §  145-208  (8.  vorige  Anm.). 

«  III  53.  76  vgl.  I  21.  48.  54.  64  (wo  es  alle  Vorzüge  des  Aus- 
drucks umfasst)  II  34.  45  de  fin.  IV  6  und  oft,  wo  es  gar  keinen  tech- 
nischen Beigeschmack  hat,  z.  B.  de  fin.  III  19  istiusmodi  autem  res 
dicere  ornaie  velle  puerile  est;  de  imp.  52  multa  contra  virum  fortem 
graviter  ornateque  dixisti ;  pro  Cael.  28  iliam  partem  causae  facile  patior 
graviter  et  ornate  α  Μ.  Crasso  peroratam.  Das  ist  nicht  mehr  als  ευ 
λέγ^^ν,  was  mit  anderen  Worten  auch  Causeret  sagt  (langue  de  la  rhe- 
torique  dans  Ciceron.  Paris  1H86,  S.  172),  bei  dem  man  für  ornatus  und 
(tmamenta  weitere  Beispiele  finden  kann,  ornatus  kann  natürlich  Huch 
=  κατασκευή  »ein,  und  so  wird  bei  Philod.  I  162  die  εκλογή  als  eine 
Gattung  der  κατασκευή  bezeichnet. 

*  Aahnlich  schon  v.  Arnim  S.  105£Γ. 


576  Kroll 

Es  ist  möglich  und  sogar  wabrecheiDÜch,  dass  Antiochoe 
einen  Theil  dieser  Gedanken  von  seinem  Lehrer  Philon  herüber- 
genommen hat;  denn  dieser  hatte  natürlich  die  Pflicht,  den  Brach 
mit  der  Schaltradition,  der  in  der  Beschäftigung  mit  der  Rhetorik 
lag,  zu  rechtfertigen.  Nicht  philonisch  ist  zB.  wahrscheinlich 
die  Berufung  auf  die  peripatetischen  Vorgänger;  denn  Philon 
konnte  und  wollte  sich  nicht,  wie  Antiochoe,  als  einen  Fort- 
setzer peripatetischer  Sohulübung  hinstellen.  In  jedem  Falle 
scheint  es  mir  erwiesen,  dass  Cicero  diese  Gedanken  unmittelbar 
dem  Antiochoe  verdankt,  der  ja  auch  sonst  einen  so  grossen  Ein- 
fluss  auf  ihn  ausgeübt  hat.  Wichtiger  vielleicht  als  dieses  Er- 
gebnies ist  die  Erkenntniss,  die  ich  im  Folgenden  begründen 
will,  dass  die  Bücher  de  oratore  auch  sonst  von  Gedanken  des 
Antiochoe  durchsetzt  sind. 

II.    Die  anderen  antiocheischen  Partieen. 

Jedem  aufmerksamen  Leser  unserer  Schrift  wird  es  auffallen, 
dass  die  in  dem  grossen  Excurse  des  dritten  Buches  ausführlich 
begründeten  Gedanken  auch  an  vielen  anderen  Stellen  anklingen. 
Es  ist  natürlich  nicht  möglich,  mit  der  Scheere  die  Partieen 
herauszuschneiden,  welche  Cicero  seiner  philosophiechen  Quelle 
entlehnt  haben  soll ;  denn  was  er  als  Jüngling  in  der  Akademie 
gelernt  hatte,  stand  noch  so  lebendig  vor  seinem  geistigen  Auge, 
dass  er  es  in  jedem  Augenblick  reproduoieren  konnte.  Aber  es 
finden  sich  gewisse  Abschnitte,  in  denen  philosophische  Gedanken 
so  dicht  gedrängt  erscheineui  dass  man  sie  aus  der  rhetorischen 
Umgebung  herausschälen  kann,  eine  Arbeit,  die  für  das  Ver- 
ständnis der  Composition  des  Ganzen  unerlässlioh  ist.  Denn  diese 
ist  in  der  Hauptsache  erklärt,  wenn  man  weiss,  dass  Cicero  ein 
Handbuch  der  Art,  wie  er  es  in  seiner  Jugend  benutzt  hat,  durch 
die  Lehren  belebt,  mit  denen  ihn  die  Hörsäle  der  Akademie  ver- 
traut gemacht  hatten. 

Das  erste  Buch  beginnt  mit  einem  Prooemium,  in  dem 
Cicero,  ausgehend  von  der  Beobachtung,  dass  es  immer  nur  sehr 
wenige  grosse  Redner  gegeben  hat,  sich  über  die  Höbe  der  an 
den  Redner  zu  stellenden  Anforderungen  auslässt  (§  16 — 23). 
Er  braucht  eine  scientia  rerum  plurimarum  (§  17),  eine  omnium 
verum  magnarum  atque  artium  scientia  (§  20),  von  der  man  so- 
fort erkennt,    dass  sie  mit  der    silva  rerum  in  III  identisch  ist^ 

1  Vgl.  III  121  maximarmn  rerum.  Π  5  sine  omni  sapieniia  kann 
mau  es  in  der  Beredsamkeit  zu  nichts  bringen,   or.  4  magnarum  artium 


Stadien  über  GiceroB  Schrift  de  oratore  577 

Ohne  sie  bleiben  seine  Worte  leer  und  kindisch;  denn,  wie  es 
III 125  heisst,  der  Gedanke  mnes  zuerst  vorhanden  sein^  er  schafft 
sich  selbst  seinen  Aasdrack^.  Sie  besteht  zum  Theil  aus  histo- 
rischen und  joristischen  Kenntnissen  (§  18);  namentlich  die 
letzteren  verlangt  Cicero  immer  wieder  (§  60)  und  legt  in  das 
erste  Buch  einen  langen  £xcurB  ein  (§  165 — 200),  der  ihre  Noth- 
wendigkeit  darthun  soll*.  Sie  besteht  ausserdem  in  einer  genauen 
Kenntniss  der  menschlichen  Seele,  weil  auf  Erregung  und  Be- 
schwichtigung der  πάθη  für  den  Redner  alles  ankommt  (§  17). 
Dieser  Gedanke  ist  keineswegs  neu,  denn  schon  Aristoteles  hat 
die  für  den  Redner  wichtigen  πάθη  beschrieben,  wird  aber  von 
Cicero  besonders  stark  betont  mit  der  Zuspitzung,  dass  man  um 
der  πάθη  willen  Philosophie  studieren  müsse.  Auch  das  war  nicht 
neu;  denn  bereits  Piaton  (Phaedr.  271*)  und  der  von  v.  Arnim 
S.  45  ff.  ans  Licht  gezogene  Nausiphanes  hatten  Aehnliches  be* 
hauptet^  So  heisst  es  in  §  53,  dass  ohne  gründliche  Kenntniss 
der  menschlichen  Natur  die  rechte  Behandlung  der  πάθη  unmög- 
lich sei  und  dass  dies  ein  Gebiet  sei,  welches  der  Redner  bereit• 


discipUms.  part.  or.  140  sine  iUis  maximarum  rerum  aritbus,  womit  hier 
deutlich  die  akademische  Philosophie  bezeichnet  ist,  kann  der  voll- 
kommene Redner  nicht  existieren.  Diese  Polemik  hat  doch  den  Erfolg 
gehabt,  dass  die  Rhetoren  die  encyclopädische  Bildung  verlangten ;  vgl. 
Dionys  de  comp.  25  ύφορώμαί  τίνα  προς  ταΟτα  καταδρομήν  ανθρώπων 
της  μέν  εγκυκλίου  παι6€{ας  άπειρων,  τό  6'  άγοραϊον  τής  (ρητορι- 
κής μέρος  όδοΟ  τβ  καΐ  τέχνης  χωρίς  έπιτηδευόντων.  TheonlI99:  früher 
studierte  Niemand  Rhetorik,  der  nicht  vorher  einige  Bekanntschaft  mit 
der  Philosophie  gemacht  hätte;  jetzt  aber  besitzen  die  Zöglinge  kaum 
noch  die  allgemeine  Bildung. 

'  Besonders  stark  I  50 f.:  quid  enim  est  tarn  furiosum  quam 
verborum  . .  .  sonitus  inanis  nuUa  subiecta  sententia  nee  scientia^  vgl. 
4S  a.  £.  Dionys  Isoer.  12  βούλεται  bi  ή  φύσις  τοΐς  νοήμασιν  έπεσθαι 
τήν  λέξιν,  οϋ  τή  λέϊ€ΐ  τά  νοήματα. 

2  Vgl.  or.  120  part.  100.  Für  Antiochos  ergab  sich  diese  Forde- 
rung schon  daraus,  dass  sein  Universalgenie  auch  Politiker  sein  sollte; 
er  hatte  ja  auch  selbst  über  die  Grundlagen  des  Rechts  gehandelt  (Je 
leg.  I).  Wenn  I  198  auf  die  Redner  gescholten  wird,  die  ihre  juris- 
tischen Kenntnisse  von  πραγματικοί  beziehen  (vgl.  253),  so  wird  auch 
drtS  auf  ihn  zurückgehen:  denn  ihm  war  jeder  Anläse  willkommen,  den 
Rhetoren  seine  Meinung  zu  sagen.  Im  einzelnen  ist  der  Excurs  Ciceros 
Werk,  ein  Beweis  für  sein  ausserordentliches  Gedächtniss. 

^  ^  Aus  der  Polemik  gegen  ihn  hebe  ich  Philodem.  II  23,16  her- 
aus: τάχα  μήτ€  τά  ήθη  λ€λοτισμένος  μήτε  κατά  φύσιν  πάθη  τ€  καΐ 
πραγμάτια. 

Rhein.  Mu•.  t  PhUoL  Ν.  F.  LVUL  37 


578  Kroll 

willig  dem  Pbiloeoplien  einräumen  werde.  Damit  verwandt  iit 
die  Π  348  f.  aufgestellte  Forderung,  der  Redner  müsse  mit  dem 
Wesen  der  Tugenden  und  Laster  vertraut  sein,  wenn  er  Lob- 
und  Tadelreden  richtig  behandeln  wolle.  Im  orat.  15  wird  diese 
Forderung  durch  das  Citat  aus  dem  Phaidros  269*  ff.  gestützt, 
wo  Perikles'  rednerische  Bedeutung  auf  seinen  Unterricht  bei 
Anaxagoras  zurückgeführt  wird  (vgl.  ΠΙ  138  Philod.  Π  299  fr.  7)1 

Hier  war  einer  der  nicht  eben  zahlreichen  Punkte,  wo  eich 
die  Zusammengehörigkeit  von  Philosophie  und  Rhetorik  erweisen 
Hess,  und  auf  keinen  Fall  durfte  sich  unser  Philosoph  dieses 
wichtige  Argument  entgehen  lassen.  —  Ist  nun  der  Umkreis  der 
für  den  Redner  erforderlichen  Kenntnisse  ein  so  grosser,  so  ist 
es  klar,  dass  die  üblichen  Rhetorschulen  keine  ausreichende  Vor- 
bildung geben  (§  19),  andererseits  ist  doch  auch  eine  specifiech 
rhetorische  Durchbildung,  die  sich  zB.  auf  Ausdruck,  Vortrag 
und  Gedächtniss  erstreckt,  unentbehrlich  (§  17  f.).  So  kann  mit 
den  aliae  quaedam  eaercitationeSj  die  als  der  wahre  Weg  zur  voll- 
endeten Redekunst  hingestellt  werden,  kaum  etwas  Anderes  ge- 
meint sein  als  die  rhetorischen  Vorlesungen,  wie  sie  Philon  wieder 
in  die  Akademie  eingefühH  hatte.  Auf  sie  weist  ja  auch  der 
Excurs  des  dritten  Buches  hin,  wenn  er  die  jetzigen  Schulen  als 
ärmlich  bezeichnet  und  ihnen  ausdrücklich  die  akademisch- perl- 
patetischen  Uebungen  gegenüberstellt  (1Π  54.  70.  75  f.  92). 

Das  eigentliche  Gespräch  beginnt  mit  einem  Enkomion  auf 
die  Rhetorik  (1  30 — 34),  das  sich  fast  ganz  mit  der  Einleitung 
zu  de  ittventione  (I  2 — 5)  deckt.  Philippeon ^  hat  gezeigt,  dase 
hier  Gedanken  des  Poseidonios  vorliegen,  pnd  nichts  berechtigt 
zu  der  Annahme,  dass  sie  etwa  durch  Antiochos  vermittelt  seien. 

1  Vgl.  I  48.  60.  69  hie  locus  de  vita  et  morihus  iotus  est  oraiari 
pereUscendus.  Gharmadas  (§  87)  wirft  den  Rediiem  die  Unkenntoies 
der  menschlichen  Aflecte  vor,  die  man  nur  durch  Vertiefung  in  philo- 
sophische Studien  kennen  lerne.  Später  bestreitet  Antonius  (1  219)  die 
Nothwendigkeit  psychologischen  Wissens,  aber  innerhalb  der  Erörte- 
rungen, die  er  nachher  (H  40)  zurücknimmt.  Bei  Philod.  1  370  weist 
ein  Gegner  der  Rhetorik  (Ariston?)  darauf  hin,  dass  die  Rhetoren  zwar 
die  übrige  τ^χνη  des  Aristoteles  ausplündern,  sich  aber  an  die  Kapitel 
über  die  πάθη  nicht  heranwagen. 

«  Neue  Jahrb.  133,  S.  417  vgl.  Norden  Neue  Jahrb.  Suppl.  XIX 
427.  Dass  die  Rede  concilitUrix  humanae  societatis  ist,  steht  auch  de 
leg.  I  27,  de  off.  I  .'SO:  es  ist  ein  abgegriffener  Gedanke,  der  Cioer• 
überall  einfallen  konnte  und  den  man  für  die  Quellenbestimmung  kaum 
verwerthen  darf. 


Stadien  aber  Gioeros  Schrift  de  oratore  579 

Darauf    erwidert  Scaevola   mit  Einw&nden,    die    aas    der    philo- 
Rophiechen    Polemik    des    zweiten    Jahrhunderte    entlehnt    sind^. 
Pieee  Einwände  vereacht  Crassae  in  längerer  Aneführang  za  ent- 
kräften (§  45 — 71);    er  habe  sie  zwar  in  Athen  seihet    aus  dem 
Monde  der  dortigen  Diadochen  gehört,  aber  er  sei  anderer  Meinung 
gewesen  als  diese.    Dae  heisst  mit  anderen  Worten :  es  wird  jetzt 
die  Ansicht    der  jüngeren    rbetoren  freund  liehen  Philosophen  ver- 
treten, die  sich  gegen  die  Polemik  der  um  110 v.Chr.  herrschen* 
den  Generation  wendeten.    Piatons  Gorgias  wird  mit  einem  feinen 
Compliment  beiseite  geschoben;  er  war  von  den  Philosophen  für 
ihre  Polemik    gegen    die  Rbetoren    stark    ausgebeutet    worden', 
und  es  war  für  einen  Akademiker  besonders  nothwendig  sich  mit 
ihm    auseinanderzusetzen.     Auch    III  129    wird    der    unbequeme 
Stein,  den  Piaton  durch  den  Gorgias  seinen   Nachfolgern  in  den 
Weg  gerollt  hatte,    durch  eine  geschickte  Wendung    umgangen  ^ 

^  £r    behauptet   erstens,    dase    nicht  Redner   sondern  Weise  den 
Staat   gegründet   haben   [stoisches  Argument,    von  Kritolaos  nicht  ge- 
billigt,   wie  Philod.  II  155  zeigt]    und    die   Beredsamkeit   den    Staaten 
nur  geschadet  hat;  wenn  dabei  die  Wortkargheit  der  alten  Römer  ins 
Feld  geführt  wird  (§  37),    so  hat   nicht  erst  Cicero  diese  an  die  Stelle 
der  ursprünglich  hier  stehenden  SpRrtaner  (Sext.  adv.  rhet.  21)  gesetzt, 
wie  Philod.  1 14  fr.  5  zeigt:  τοιγαροΟν  iiteX  'Ρωμαίοι  καΐ  Λάκιυν€ς  άνευ 
τ#)ς  διατριβής   τής  Ρητορικής  καΐ  τά    π€ρΙ  τών  συμβολαίων  οΙκονομοΟσι 
καΐ  π€ρΙ  τών  δημο<ίίων(?)  vgl.  II  65  fr.  2.     Die  Gracchen,  welche  durch 
ihre  Beredsamkeit  den  Staat  erschüttern  (§  38),  sind  nur  eine  Illustra- 
tion des  allgemeinen  Satzes,  dass  ή  Ρητορική  κατά  τών  νόμων  είσκεκύ- 
κληται  (Sext   38).     Zweitens   greift  er   einen  Satz    an,   der  zwar    sonst 
oft    vorkommt   (schon  I  21),    den    aber   Grassus    gar    nicht    aufgestellt 
hatte,  dass  der  Redner  über  Gegenstände  aus  allen  Gebieten  am  besten 
sprechen  könne  (vgl.  Philod.  I  204,16),  den  Sext.  52  flf.  noch  viel  heftiger 
bekämpft;  die  Mathematiker,  Grammatiker  und  Musiker,  die  sich  ohne 
Kenntniss  rhetorischer  Vorschriften  gut  auszudrücken  verstehen  (§  44), 
erscheinen  auch  bei  Philod.  I  184.  190. 

^  Radermacher  im  Suppl.  zu  Philodem  S.  XXII. 
'  Was  an  dieser  Stelle  und  in  §  122  über  den  Gorgias  gesap^t 
wird,  erscheint  zunächst  so  stark,  dass  man  sich  scheut  es  einem  Aka- 
demiker in  den  Mund  zu  legen.  Aber  diese  Aeusserungen  sind  mit  den 
akademischen  Grundgedanken  des  ganzen  Excurses  aufs  Engste  ver- 
knüpft, und  dio  Art,  wie  vom  Gorgias  gesprochen  wird,  ist  nicht  die 
eines  Gegners  Piatons,  sondern  eines  Freundes,  dem  dieser  Dialog  höchst 
unbequem  war;  daher  die  Ausflüchte  in  §  129.  In  §  122  mag  der  Gorgias 
und  das  aus  §  108  wiederholte  Motiv  ein  Zusatz  Ciceros  sein,  gemacht, 
um  das  richtige  Ethos  für  Crassus  zu  gewinnen ;  detin  Cicero  war  sich, 
wie   die  Einleitung  zu  II  beweist,    ziemlich  klar  darüber,    dass  Crassus 


&80  Kroll 

—  üeberbaupt  bandle  es  sich  bei  dieser  ganzen  Polemik  mn 
einen  Wortstreit  (was  sebr  an  Antiocboe*  Methode  erinnert,  sach- 
licbe  Differenzen  aus  einer  blossen  Verscbiedenheit  der  Termino- 
logie berznleiten) ;  denn  ancb  der  gewöbnlicbe  Volks-  and  Ge- 
ricbtsredner  braucbe  aasgebreitete  Kenntnisse  aas  Becbt,  Politik 
and  Philosophie,  dh.  die  ans  schon  bekannte  fnaanmarum  rerum 
seientia»  Namentlich  muss  er  mit  der  Psychologie  vertraut  sein, 
am  sich  aaf  Erregung  and  Beruhigung  der  πάθη  ζα  yeretehen: 
Gedanken,  die  uns  aus  dem  Prooemium  schon  bekannt  sind  (S.  577). 
Die  Beredsamkeit  wird  dabei  nach  stoischem  Vorgänge  als  eine 
Tagend  betrachtet,  so  wie  es  in  dem  Excnrse  des  dritten  Buches 
geschieht  (III  55  vgl.  S.  558).  Wenn  manche  Philosophen  einen 
glänzenden  Stil  geschrieben  haben,  so  sind  sie  insofern  eben 
Redner  dh.  die  Rhetorik  hat  ihr  eigenthümiiohes  Ziel»  da• 
κατα0Κ€υό2[€ΐν  καλήν  λέΕιν,  wenn  es  ihr  auch  von  manchen 
Gegnern  bestritten  worden  war^;  Sachkenntniss  ohne  formale 
Schulung  hat  noch  nie  einen  guten  Redner  ausgemacht  (§  63). 
Dass  es  nicht  die  Philosophie  ist,  welche  den  guten  Ausdruck 
lehrt,  zeigt  der  ungeniessbare  Stil  eines  Chrjsipp':  wobei  man 
sich  erinnert,  dass  Antiochos  sich  von  der  Trockenheit  der  stoi- 
schen Dialektiker  besonders  abgestossen  gefühlt  hat  (S.  560  f.). 
Daher  vermag  der  Redner  über  alle  nicht  eigentlich  tech- 
nisch-philosophischen Themata  (πολιτικά  ζητήματα  würde  Herma- 
goras  sagen)  eindrucksvoller  zu  sprechen  altf  die  Philosophen 
selbst,  deren  Vortrag  eben  nur  auf  ihren  Hörsaal  und  nicht  aof 
die  grosse  Menge  berechnet  ist  (§56  f.).  Das  ist  die  Sprache 
desselben  Mannes,  der  zugiebt,  dass  jeder  scharfsinnige  Mensch 
die  Wahrheiten  der  Philosophie  finden  und,  wenn  er  auch  nur 
den  rhetorischen  Schulunterricht  genossen  habe,  den  Philosophen 
von  Fach  hart  zusetzen  könne  (III  78  oben  S.562)'.    Er  musste 

viel  mehr  Praktiker  und  viel  weniger  Theoretiker  gewesen  war,  ab  er 
ihn  hinstellte.  Auch  bitte  ich  im  Auge  zu  behalten,  dass  alle  dieee 
Erörterungen  auf  rhetorische  Vorlesungen  des  Antiochos  zurück- 
zuführen sind,  in  denen  er  den  ernsthaften  Versuch  machte  als  Rhetor 
aufzutreten  und  manches  sagte,  was  in  einer  philosophischen  Vorleeaog 
schwer  über  seine  Lippen  gekommen  wäre.  Vielleicht  waren  diese  Ρη- 
τορικοί συνουσ{αι  ανέκδοτοι  und  Cicero  folgt  seinem  CoUeghefl. 

1  Sext.  52  fif.  Philodem  Buch  IV  (Sudhaus  I  praef.  XXXVIl).   Dem 
strengen  Beweis  giebt  Cic.  de  or.  II  36. 

^  Vgl.    die   Testimonia  24  fr,    bei   v.  Arnim    Stoicornm   veteram 
fragm.  II  S.  10. 

^  Das   gerade  Gegentheil   davon   behauptet  Philodem  im  vierten 


»ί 


Studien  über  Ciceroe  Sohrift  de  oratore  681 

ja  aach  die  forenses  nervi  (ΠΙ  80)  von  seinem  Redner  verlangen, 
der  moht  in  der  Sohalstnbe  verknöchern  sollte,  sondern  zn  thStiger 
Antheilnahme  an  Politik  und  Oesetzgebang  berufen  war;  und 
er  bedauerte  es  aufs  Lebhafteste,  dass  die  Philosophen  auf  diese 
kräftige  Bedeweise  ganz  verzichtet  hatten,  ebenso  wie  die  Rhe- 
toren  infolge  des  unseligen  discidium  linguae  atque  cordis  (III 61) 
alle  Gelehrsamkeit  als  unnützen  Ballast  über  Bord  geworfen 
hatten  \ 

Aber  obgleich  die  Rhetorik  als  eine  vollberechtigte  Disciplin 
anerkannt  wird,  werden  doch  ihre  jetzigen  Vertreter  (isH  magistri 
qui  rheioriei  vocantur  §  52)  verächtlich  behandelt,  wie  das  die 
Gewohnheit  unseres  Philosophen  ist^.     Wenn  Lykurg  und  Solon 

Buche:  dieRbetoren  werden  durch  ibre  Kunstgriffe  und  die  Angst  vor 
Soloikismen  und  Barbarismen  zu  einem  schlechten  und  unnatürlichen 
Ausdruck  verleitet,  der  Philosoph  dagegen  bält  sich  von  diesen  Fehlern 
frei.  I  158,18  έκ€ΐνο  δέ  λέγ€ΐν,  βτι  μόνος  6  νοούμενος  1δ(υις  σοφός 
€ΐλικρινιΙις  καΐ  άμεταπτώτως  καθαρός  έστι  τύιν  τοιούτων  κακκίιν.  Man 
mnss  sich  diese  Polemik,  von  der  Cicero  nur  wenig  giebt,  weil  sie  ihn 
und  sein  Publikum  nicht  interessiert,  immer  gegenwärtig  halten,  um 
die  Schwere  des  von  Philon  und  Antiochos  gethanen  Schrittes  zn  er- 
messen. 

^  or.  13:  sie  ehquefiHa  h<iee  forensis  spreta  α  philosophis  ,  .  .  üa 
et  doetis  doquentia  popuiaris  et  disertis  eUgans  doetrina  defuit.  Der 
Grieche  wird  von  der  αγωνιστική  λέϊις  (oder  εναγώνιος,  wie  man  da- 
mals sagte)  gesprochen  haben,  die  Aristoteles  in  einem  überaus  wichtigen 
Kapitel  seiner  Rhetorik  (III 12)  von  der  γραφική  geschieden  hatte  (da- 
nach de  or.  III  177,  Panaitios  bei  Cic.  de  off.  I  132).  Vgl.  or.  46  non 
ad  phüoaophorum  morem  tenuiter  disserendi,  sed  ad  eopiam  rhetorum, 
62  quamquam  et  phüosophi  quidatn  omcUe  locuti  simt  .  .  .  tarnen  horum 
oratio  neque  nervös  neqne  aeuleos  oratorios  ae  forenses  habet,  95. 
127.  de  or.  II  68 :  der  Redner  soll  über  ethische  Fragen  reden  wie  die 
Gesetzgeber  (III  56,  I  58)  sitte  uUa  serie  disputaJtUmum  et  sine  ieiuna 
coneertatione  verborwn.  Diese  Gedanken  haben  Cicero  auch  zur  Ab- 
fassung seiner  Paradoxa  Stoicorum  veranlasst,  wie  die  Einleitung  deut- 
lich zeigt:  M.  Cato  habe  stoische  Sätze  in  dem  trockenen  Stil  der  Stoa 
vertheidigt  und  doch  Glauben  gefunden :  nun  wolle  er  es  einmal  damit 
vArauohen,  ein  Anhänger  der  Schule  quae  peperit  dieendi  eopiam',  er 
wolle  die  Probe  machen,  ob  die  Paradoxa  possentne  proferri  in  lucem 
id  est  in  forum  (was  man  lieber  nicht  streichen  wird)  et  ita  diei  ut  pro- 
barentur,  an  alia  quaedam  esset  erudita  alia  popuiaris  oratio.  Das 
sind  ganz  antiooheisühe  Gedanken  und  man  kann  erwägen,  ob  nicht 
schon  Antiochos  selbst  die  Paradoxa,  mit  denen  er  einverstanden  war 
(S.  561),  der  Uebung  halber  θ€τικώς  hat  behandeln  lassen.  So  erklärt 
ee  sich  auch,  weshalb  sie  als  maxime  Socratica  angepriesen  werden. 

^  Ausser   den   oben    angeführten  Stellen   nenne   ich    noch  I  145 


582  Kroll 

dabei  als  Redner  hingestellt  werden  (§  58),  so  erklärt  eich  das 
au8  der  III  56  entwickelten  Anschauung,  nach  der  jene  alteD 
Weisen  und  Gesetzgeber  auch  die  vis  dicendi  ihr  eigen  nannten, 
die  auch  im  Brut.  27  berücksichtigt  ist.  Das  Resultat  des  ganzen 
Abschnittes  wird  in  §  64  zusaromengefasst:  der  vollkommene 
Redner  ist  derjenige,  der  über  jedes  ihm  vorgelegte  Thema  so 
redet,  dass  er  den  an  €υρ€σις  τάΕις  \έΙ\ς  μνήμη  und  ύττόκρισις, 
die  fünf  ίρτ«  του  βήτορος,  gestellten  Anforderungen  entepricht 
(vgl.  §51.59).  Dieselbe  Forderung  wird  im  £xcurse  des  dritten 
Buches  erhoben  (§  76):  Uta  vis  autem  eloqueniiae  tanta  esf^  ui 
.  .  .  omni  α  quae  cid  quamcumque  rem  pet^tineant  arnate  copioseque 
dicat^,  Sie  steht  im  schärfsten  Gegensatz  zu  der  Forderung 
mancher  Philosophen,  der  Redner  habe  sich  auf  Gerichte-  und 
Volksrede  zu  beschränken  (§  44  Philod.  I  207).  Im  Anechloss 
daran  wird  noch  einmal  genaue  Kenntniss  der  £thik  (§  69)  und 
der  encyclopädischen  Disciplinen  (§  72  f.)  als  Minimum  gefordert 
und  betont,  dass  die  gewöhnlichen  Declamationfiübungen  in  keinem 
Falle  genügen  (vgl.  III  138). 

Ich  möchte  hier  noch  genauer  auf  die  Ansicht  eingehen, 
die  zwar  auch  sonst  vorkommt,  aber  in  unserem  Abschnitt  be- 
sonders deutlich  geäussert  wird  (§  53.  60),  die  nämlich,  dass 
für  den  Redner  so  gut  wie  nlles  auf  £rregung  und  Beschwich- 
tigung der    πάθη  ankommt^.     Hier  wird   man  zunächst  zweifeln, 

or.  17  ad  has  tot  tantasque  res  adhilfenda  sunt  ornamenta  innumera- 
bilia;  quae  sola  tum  quidem  tradebantur  ab  iis,  qui  dicendi  numeraban- 
tur  magistri;  quo  fit,  ut  veram  illam  et  absolutam  ehquentiam  nemo  com- 
sequatur  (in  dem  Absi-hnitt,  den  v.  Arnim  S.  103  mit  Recht  als  eine 
Recapitulation  der  Grundji^edanken  von  de  oratore  beseiohnet  hat). 

1  Falle  er  dabei  Kenntnisse  aus  irgend  einer  Fachwissenschaft 
braucht,  so  genügt  es,  wenn  er  sich  von  einem  Vertreter  derselben  be- 
rathen  läset:  §  51.  β5.  09  vgl.  II  87.  Diese  Clansel  wird  gemacht,  am 
dem  Einwurf  zu  begegnen,  der  Redner,  der  über  alle  Themen  sprechen 
wolle,  müsse  auch  alle  Finzelwissen Schäften  beherrschen.  Philod.  I  205 
€1  μky  καΐ  προς  ^καστον  των  έν  Ιατρική  καΐ  μουσική  καΐ  γ€ωμ€τρίςι  καΐ 
των  Αλλων  τους  ένδ€χομένους  €ύρ(σκ€ΐν  λόγους  φασί  τήν  ^ητορικήν,  τά 
πάντ'  αυτήν  €ίναι  νομίίουσι,  καΐ  δηλονότι  φαίνονται  κατά  τήν  έΐΓ0ΤΤ€- 
λίαν  προς  πάντ*  €ύποροΟντ€ς  usw. 

3  Vgl.  1 17  omfiis  vis  ratioque  dicendi  in  eorum  qui  audiunt  mentt- 
bus  aut  sedandis  aut  excitandis  expromenda  est.  II  215  eommovere  non 
possunty  in  quo  sunt  omnia  II  201  wird  darüber  Klage  geführt,  da•^ 
die  Rhetoren  über  die  ήθη  (die  auch  sehr  wichtig  sind:  §  184)  aud 
πάθη  keine  Regeln  geben,  und  es  folgt  (§  206—211)  eine  DarstcUnniBr 
der  für  den  Redner  wichtigsten  Affeote,  die  ganz  aus  Aristoteles'  Rhe- 


Studien  über  Ciceros  Schrift  de  oratore  583 

ob  man  einen  Philosophen  sprechen  hört,  zumal  wenn  man  bei 
Cicero  eelbst  klar  auegesprocben  findet,  dase  die  Art,  wie  der 
Redner  auf  die  πάθη  ausgeht,  sieh  weder  mit  der  stoischen  άπά- 
θ€ΐα  noch  mit  der  peripatetisch-akademisohen  μετριοπάθεια  ver- 
trägt (I  220  f.).  Aber  es  lässt  sich  aus  Cicero  selbst  zeigen, 
dase  das  nicht  ganz  zutrifft;  denn  in  den  Tnsc.  IV  43  wird  die 
Meinung  eines  Peripatetikers  mitgetheilt,  nach  der  ohne  Zorn  der 
Redner  gar  nicht  seine  Aufgabe  erfüllen  könne;  und  wenn  es 
ihm  nicht  möglich  war,  wirklich  in  Zorn  zu  gerathen,  so  mnsste 
er  ihn  wenigstens  heucheln^.  Welcher  Pcripatetiker  es  ist,  dessen 
Ansicht  hier  wiedergegeben  wird,  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit 
feetstellen,  und  ich  will  auch  kein  Argument  daraus  herleiten, 
dass  die  im  folgenden  Paragraphen  angeführte  peripatetische 
Meinung  ganz  sicher  die  des  Antiochos  ist^.  Aber  ich  erinnere 
daran,  dase  Antiochos  sehr  entschieden  die  stoische  Beredsamkeit 
verwarf,  die  ihr  Gepräge  hauptsächlich  dadurch  erhielt,  dass  der 
Stoiker  auch  auf  der  Rednerbühne  die  idealen  Anforderungen 
erfüllen  wollte,  die  an  den  Weisen  gestellt  wurden.  Das  zeigt 
das  Referat  über  die  stoische  Ansicht  Tusc.  IV55:  oratorem  vero 
ircLSci  minime  decei^  simulare  non  dedecet.  an  tibi  irasci  tum  vide* 
mar,  cum  quid  in  causis  acrius  et  vehementius  dicimus?  und  noch 
deutlicher  die  Geschichten  von  Rutilius,  die  I  227  ff.  erzählt 
werden.  Dieser  hatte  Reden  des  Crassus  und  Galba  heftig  ge- 
tadelt, weil  sie  auf  den  Standpunkt  der  Menge  herabgestiegen 
waren  und  auf  Mitleid  speculiert  hatten,  und  in  seiner  eigenen 
Vertheidigungsrede  habe  er  auf  jede  Erregung  des  Affectes  ver- 
zichtet,   ^damit  man   es  nicht  den  Stoikern  petzte*^.     Wie  wenig 


torik  entlehnt  ist.  Diese  ist  aber  nicht  direct  benutzt  (wie  auch  sonst 
nirgends  in  unserer  Schrift)  und  man  kann  die  Frage  aufwerfen,  ob 
ihre  Kenntniss  Cicero  durch  eine  philosophische  Quelle  vermittelt  ist. 
Ich  wage  sie  nicht  zu  entscheiden,  weise  aber  darauf  hin,  dass  die 
Tugend  in  §209.  211  in  den  Vordergrund  gestellt  wird,  wo  Aristoteles 
nur  von  dvdSiai  εύπραγίαι  und  επιεικείς  gesprochen  hatte.  Eine  Schilde- 
rung der  πάθη  nach  der  stoischen  Viertheilung  findet  sich  beim  s.  g. 
Kornutos  §  222—28. 

^  Dieselbe  Ansicht  äussert  Antonius  II  189  ff.,  wo  §  194  die  von 
Piaton  und  Demokrit  betonte  μανία  des  Dichters  zum  Vergleiche  her- 
angezogen wird. 

s  Dies  hat  Hirzel  Unters,  zu  Cic.  III  466  durch  den  Vergleich 
mit  de  fin.  V  48  bewiesen. 

*  Vgl.  Brut.  113  ff.  Dieser  ethische  Gesichtspunkt  erscheint  mir 
wichtiger  als  die  eigene  rhetorische  Theorie  der  Stoa,  die  sich  von  der 


584  Kroll 

Antioohoe  damit  einverBtanden  war,  zeigt  III  66,  wo  er  der  Stoa 
wegen  ihree  moralischen  Rigoriemus  jeden  Beruf  zur  Aasbildang 
des  Redners  abspricht  (vgl.  S.  561).  Aber,  wird  man  mir  hier 
einwenden,  gerade  Antiocbos  verlangte  vom  Weisen  völlige  Apa- 
thie, wie  Acad.  pr.  135  nnwiderleglich  zeigt.  Aber  das  ist 
Antiocbos  der  Philosoph  und  nicht  Antiocbos  der  Rhetor,  der 
nicht  abgeneigt  war,  von  den  strengen  moralischen  Forderungen 
seiner  stoischen  Ethik  etwas  nachzulassen.  Das  wird  ja  eben 
III  66  unverhohlen  gesagt:  älia  enim  et  bona  et  mala  videniur 
Stoicis  et  ceteris  chtbus  vel  poiius  gentibus,  alia  vis  honoris  igno- 
miniae praemii  supplicii ;  vere  an  secus  nihil  ad  hoe  tempus 
—  sed  ea  si  segiiamur^  nullam  umquam  rem  dicendo  expedire  posM- 
mus.  Das  kann  doch  nur  heissen:  im  Grunde  haben  die  Stoiker, 
80  paradox  ihre  Satze  klingen,  vielleicht  Recht,  aber  sie  kleiden 
ihre  ethischen  Ansichten  in  Sätze,  die  kein  Mensch  versteht  und 
die  der  Redner  daher  nicht  gebrauchen  kann.  Genau  dasselbe 
ist  de  fin.  IV  21  fif.  gesagt,  wo  gezeigt  wird,  dass  für  Zeno  gar 
keine  Veranlassung  vorlag,  sich  von  der  ak ademisch -peripatetiscben 
Schule  loszusagen,  und  dass  seine  veränderte  Terminologie  die 
Philosophie  für  die  Praxis  ganz  unbrauchbar  machte:  haec  vide- 
licet  est  correctio  philosophiae  veteris  et  emendatioj  quae  omnino 
aditum  nullum  habere potest  in  urbem^  in  forum,  in  curiam 
.  .  .  Patronusne  causae  in  epilogo  pro  reo  dicens  negaret  esse 
malum  easilium^  pullicaiionem  bonorum?  ...  An  senatus^  cum 
triumphum  Africano  decerneret,  ^quod  eins  virtute  aut  yelicitafe* 
posset  dicere,  si  neque  virtus  in  uüo  nisi  in  sapiente  nee  fdidtas 
vere  dici  potest?  Hier  haben  wir  in  einer  philosophischen  Er- 
örterung kaum  weniger  starke  Ausdrücke  als  in  der  rhetorischen, 
die  in  de  or.  III  benutzt  ist  ^.  Noch  weiter  geht  der  akademische 
Abriss  der  Rhetorik,  den  Cicero  in  den  Partitiones  übersetzt  hat: 
der  Redner  darf  sich  nicht  bloss  nach  der  Wahrheit  richten, 
sondern    auch  nach    den  Anschauungen    seiner  Zuhörer,    er  mnse 


peripatetiscben  Grundlage  nie  sehr  weit  entfernt  hat.  V^gl.  Reitzen* 
stein,  Strassb.  Festschrift,  S.  143  flF.  —  Der  Process  des  Sokrates  (I  231  ff.) 
ist  von  den  Rhetoren  gegen  die  Philosophen  ausgespielt  worden,  wie 
Philod.  I  2ß5.  267  zeigt. 

^  Schon  Panaitios  hatte,  wie  Doegc  S.  39  hervorhebt,  in  seinen 
populären  Schriften  eine  verständlichere  Terminologie  angewendet. 
Ganz  im  Sinne  des  Antiochos  ist  auch  de  fin.  II 17  gesprochen:  sed  hae 
rhetorica  philosophorum,  non  nostra  iüaforensi,  quam  neeesse  est,  cum  po- 
pulär Her  loquaturf  esse  interdnm  paulo  hebetiorem.   Vgl.  Philod.  1 373,6. 


Stadien  über  Ciceros  Schrift  de  oratore  585 

daher  anter  ümetandeii  auch  den  Gewinn  und  die  Lust  loben, 
den  Schmerz  und  die  Schande  ale  ein  Unglück  hinstellen^.  Da- 
mit ist  aber  zugleich  gegeben,  daee  er  die  πάθη  erregen  darf; 
denn  wer  Lust  und  Reichthum  als  eretrebenswerth  hinstellt,  der 
erregt  die  φιληδονία  und  φίλοπλουτία,  welche  Unterarten  der 
επιθυμία  sind. 

Hat  Antiochos  wirklich  der  rhetorischen  Praxis  so  weit- 
gehende Zugeständnisse  gemacht,  so  erscheint  es  vielleicht  nicht 
unglaublich,  dass  seine  Gedanken  sogar  hier  und  da  für  die  grosse 
Polemik  gegen  die  philosophische  Rhetorik  verwendet  sind,  die 
Cicero  dem  Antonius  in  den  Mund  gelegt  hat  (1209  ff.);  nur  hat 
natürlich  Cicero  die  Beschränkung  auf  das  rein  Praktische  be- 
sonders nachdrücklich  betont,  theils  um  das  richtige  Ethos  für 
Antonius  zu  gewinnen,  theils  weil  seine  eigenen  Erfahrungen 
nicht  durchaus  die  Berechtigung  aller  Forderungen  seines  Lehrers 
Antiochos  bestätigen  mochten^.  So  ist  die  Polemik  gegen  die 
stoische  Rhetorik  (§  225  ff.)  mit  der  Verwendung  von  Sokrates' 
YerCheidigung,    wie   wir    soeben  gesehen  haben,    ganz  in  seinem 


^  §  90  ff.  Hier  ist  echt  antiocheisch  die  Ansicht,  dass  der  Mensch 
von  Natur  zur  Sittlichkeit  bestimmt  ist,  aber  durch  sohlechte  Er- 
ziehung u.  dgl.  verdorben  wird.  Das  steht  de  leg.  I  33,  hier  §  91 ;  nun 
kommen  für  die  part.  or.  nur  Philon  und  Antiochos  als  Quelle  in  Be- 
tracht, für  de  leg.  I  von  diesen  beiden  nur  Antiochos;  darin  liegt  zu- 
(^leich  eine  Entscheidung  der  Quellenfrage  für  dieses  Buch.  Vgl.  auch 
90  volupias  quae  maxime  est  inimica  virtuti  bonique  naturam  faüfieiter 
imitando  adtUterat  mit  de  leg.  1  31.  47  imitatrix  boni  voluptas]  das  ist 
die  (auf  Chrysipp  zurückgehende)  Ansicht  des  Antiochos  (Reitzenstein 
Drei  Vermuthangen  S.  6*). 

^  Dem  Antonius  liegt  mehr  daran  den  Crassus  zu  widerlegen, 
als  seine  eigene  Meinung  zu  äussern:  I  263  II  40  (übrigens  erklärt  er 
sich  in  §  250  mit  der  Forderung  der  eopia  rerutn  ganz  einverstanden); 
auch  stellte  er  sich  gern,  als  ob  er  von  griechischer  Wissenschaft  weniger 
i^üsste  als  thatsachlich  der  Fall  war:  II  4  vgl.  153.  156.  Ich  weiss 
nicht,  ob  das  Prooemium  von  II  immer  richtig  verstanden  wird :  Cicero 
hatte  dem  Crassus  und  Antonius  eine  feinere  Bildung  zugeschrieben  als 
sie  thatsachlich  besessen  hatten;  das  war  das  gute  Recht  des  Dialoges, 
in  dem  man  seine  eigene  Meinung  Anderen  in  den  Mund  legte,  die  viel- 
leicht ganz  anders  dachten;  aber  Cicero  war  nicht  sicher,  ob  seine  Leser 
auch  alle  dieses  Recht  kennen  und  anerkennen  würden,  zumal  noch 
viele  lebten,  die  eine  lebendige  Erinnerung  an  jene  Männer  hatten. 
Vielsagend  ist  derSchluss,  den  er  in  §6  macht:  Antonius  und  Crassus 
hätten  nicht  so  hervorragende  Redner  sein  können,  wenn  sie  nicht  viel- 
seitig gebildet  gewesen  wären. 


586  '  Kroll 

Sinne.  Aber  Cicero  ist  ein  viel  za  gewandter  Scbrifteteller,  als  daes 
ee  erlaubt  wäre,  seine  Schrift  mit  der  Scbeere  zu  zereofaneiden, 
und  man  mnee  daher  oft  zufrieden  sein,  wenn  man  die  Herkunft 
eines  Gedankens  aufgezeigt  hat. 

I  107 — 110  wird  die  Frage  besprochen,  ob  die  Rhetorik 
eine  τέχνη  sei,  bekanntlich  ein  alter  Zankapfel  zwischen  Rhetoren 
und  Philosophen;  nach  dem  Vorgange  des  Diogenes  und  Krito• 
laos  hatte  soeben  noch  Charmadas  in  einer  lebhaften  und  stark 
polemischen  Erörterung  der  Rhetorik  diesen  Charakter  ab- 
gesprochen^. Cicero  behandelt  sie  etwas  von  oben  herab,  weil 
es  sich  dabei  nur  um  einen  Wortstreit  handle  (was  an  I  47  and 
verwandte  Aeusserungen  des  Antiochos  erinnert);  nach  der  strengen 
philosophischen  Definition  sei  sie  keine  τέχνη,  denn  sie  sei  kein 
αύ(Ττημα  έκ  καταλήψεων,  insofern  sie  sich  den  Vorstellungen  der 
grossen  Menge  anbequeme:  auch  das  soeben  von  uns  als  Aneicht 
des  Antiochos  erkannt  ^  Aber  insofern  sie  die  durch  die  Er- 
fahrung gewonnenen  Regeln  sammle  und  in  eine  gewisse  Ordnung 
bringe  (als  ολοσχερής  παρατήρησις  στοχαεομίνη  του  ώς  έτϋ  το 
πολύ  και  κατά  τό  εδλογον  Philod.  Suppl.*  27,  9),  sei  sie  im  ge- 
wöhnlichen Worteinne  doch  eine  τέχνη.  Dieselben  Gedanken 
stehen  II  30  —  33,    wo  der  Anfang    der  Rhetorik  des  Aristoteles 


^  Wir  kennen  sie  aus  I  85 — 92,  wo  ein  Dialog  des  Charmadas 
wiedergegeben  zu  sein  scheint,  und  ans  Sext.  adv.  rhet.  10  ff.,  wo  ol 
περί  Πλάτωνα  (§  12)  wohl  auf  ihn  zu  beziehen  ist;  vgl.  20  Κλειτόμαχος 
καΐ  Χαρμ(^ας.  Seine  Hauptgründe  sind  die  folgenden:  Erstens  heisst 
es  (§  87),  dass  es  den  Rhetoren  an  der  boSa  επιεικής  fehle  ( Anaxim.  38, 
Arietot.  rhet.  I  2),  so  wie  ihnen  eine  niedrige  Moral  auch  sonst  zum 
Vorwurf  gemacht  wird  (Philod.  Π  270  πάμπολλοι  ^ήτορ€ς  μ^ν  cloi  hv- 
νατώτατοι,  τφ  b'  ήθ€ΐ  παμπόνηροι.  Man  vergleicht  sie  nach  Pindar 
fr.  19  mit  Polypen:  II  74.  Sext.  26 ff.  43 ff.  Pas  gute  ήθος  giebt  nur 
die  Philosophie:  Philod.  II  280  fr.  1);  deshalb  fordert  Antiochos  von 
seinem  Idealredner  die  Verbindung  der  Beredsamkeit  mit  pfMta$  und 
prudentia  (III  55),  sonst  wäre  er  wie  ein  Rasender,  der  ein  Schwert 
in  die  Hände  bekommen  hat  (vgl.  Philod.  Π  142  bibuiotv  ζ(φη  τοΙς 
πονηροΐς  144,  5).  Ferner  (§  90  f.)  sei  die  Rednergabe  jedem  Menschen 
angehören  (Sext.  17;  Quint.  II  17,5;  Philod.  II  125)  und  Mancher  habe 
sich  ohne  jeden  Unterricht  zu  einem  grossen  Redner  entwickelt  (Sext.  1^ 
Philod.  Π  71  fr.  8.  97  fr.  8).  Endlich  (§  92)  arbeite  die  Rhetorik 
nicht  mit  feststehenden  Begriffen  (καταλήψ€ΐς  Sext.  10  ff.  Qaint.  1^' 
und  habe  kein  festes  Ziel  (έστηκός  τ^ος  Sext.  13  ff.  Quint.  22).  Das 
steht  zum  Theil  schon  im  Phaidros  259^  ff. 

^  Ich  verweise  noch  auf  Top.  73  (unten  S.  591). 


Stadien  über  Gicerod  Schrift  de  oratore  587 

citiert  wird  (§  82).  Diesen  AnefÜbrnngen  enteprecben  die  Be- 
zeioboungen,  die  Cicero  für  die  Redekunst  brancbt:  vd  studii  vel 
artfficii  vel  facfilfatis  I  96,  sive  artificium  sive  Studium  (wo  Stu- 
dium ~  μελέτη  oder  δσκησις  ist,  vgl.  Pbilod.  II  71,8  Sappl.  20,4) 
II  29,  ratio  quam  licetj  si  volumus,  appellemus  artem  II  147  haec 
ars  tofa  dicendi,  sive  artis  imago  quaedam  et  similitudo  est  II  356. 
Damit  wird  der  pbilosopbisoben  Polemik  ein  Zagest&ndnies  ge- 
maobt,  zn  dem  sieb  ein  gewöbnlicber  Rbetor  nie  berabgelassen » 
bätte;  für  ibn  blieb  seine  Kunst  nattirlicb  immer  eine  τέχνη, 
böcbstens  gab  er  zu,  dass  sie  keine  έπκττήμη  sei  \  Wir  können 
bier  sehen,  wie  Antiocbos  Compromisse  scbliesst;  denn  indem  er 
der  Beredsamkeit  den  Charakter  einer  Tugend  beilegt,  hält  er 
sieb  an  die  stoische  Meinung;  aber  indem  er  die  Rhetorik  nicht 
als  έπκττήμη  bezeichnet  und  nicht  einmal  auf  ihre  Benennung  als 
τέχνη  Werth  legt,  weicht  er  vom  stoischen  Dogma  ab^. 

Dass  zu  dem  Excuree  über  die  Noth wendigkeit  juristischer 
Kenntnisse  (1 165 — 200)  Antiocbos  wenigstens  die  Anregung  ge- 
geben hat,  haben  wir  bereits  gesehen  (S.  577).  Auch  in  den 
folgenden  Paragraphen  (§  201 -- 203)  wird  man  seine  Gedanken 
unschwer  erkennen.  Der  Redner  braucht  historische  und  poli- 
tische Kenntnisse  (vgl.  §  18  or.  120);  denn  er  will  doch  mehr 
sein  als  ein  gewöhnlicher  Advocat  (I  46  264  III  81),  da  er  die 
Kunst  der  Rede  beherrscht,  die  den  Menschen  vor  allen  Ge- 
eohöpfen  auszeichnet'.     Seine    hohen  Aufgaben,    zu    denen    auch 


^  Siehe  Alexander  Numenioe'  Polemik  gegen  die  Apollodoreer  beim 
8.  g.  KomutoB  30  ff.  Hier  ist  es  aber  wirklich  ein  Streit  um  Worte,  da 
Apollodor  επιστήμη  in  dem  Sinne  braucht,  in  dem  Diogenes  von  Baby- 
Ion,  Karneades  und  Kritolaos  von  τ^χνη  gesprochen  hatten. 

2  Auch  die  folgende  Erörterung  (§  113  ff.),  wonach  nicht  die 
technische  Ausbildung,  sondern  natura  und  ingemum  das  Wichtigste 
sind,  könnte  vielleicht  von  Antiocbos  stammen;  damit  ist  zu  vergleichen, 
was  U  147  ff.  über  den  Werth  gesagt  ist,  den  ingenium  und  diligentia 
für  die  inventio  baben,  wobei  perpaulum  loci  reliquum  est  arti  (vgl. 
1  156);  ähnlich  Philod.  snppl.  32,  5  τό  πλ€ΐστον  τής  ώφ€λ(ας  έν  τψ 
τυμνάΖΙεσθαι  προς  τό  λέγ€ΐν  π^πτωκ€  καΐ  μνημον€ύ€ΐν.  Damit 
braucht  de  fin.  IV  10  nicht  im  Widerspruche  zu  stehen:  eist  ingeniis 
fdtagnis  yraediti  qyidam  dicendi  copiam  sine  ratione  consequentur,  ars 
tarnen  est  dux  certior  quam  natura^  db.  die  methodische  Unterweisung 
ist  für  die  Meisten  unentbehrlich  und  nur  Leute  mit  genialer  Anlage 
können  es  auch  ohne  sie  zu  grossen  Rednern  bringen. 

"  Vgl.  I  31  qui  id  quod  omnibus  natura  sit  datum  vel  solus  vei 
cum  perpaveis  facere  possit.    Für  Antiocbos  war  virtus  ja  eben  perfecta 


588  Kroll 

die  Herrschaft  über  die  Seelen  seiner  Hörer  gehört  (§  1 7),  werden 
mit  begeisterten  Worten  geschildet.  Bei  den  τεχνογράφοι  kann 
man  freilieb  diese  Dinge  nicht  lernen  (§  19),  aber  auch  der  Philo- 
soph kann  nur  die  Wege  zu  den  Quellen  aufzeigen  und  oicht 
alle  Einzelheiten  lehren,  was  auch  gar  nicht  nöthig  ist.  Dieser 
Gedanke  wird  in  unserer  Schrift  oft  wiederholt  (II  44  ff.  117. 
162.  174  III  123),  wobei  gerade  das  Bild  γοη  den  Quellen  ^m 
verwendet  wird ;  und  da  es  sich  auch  Aoad.  post  8  findet  {tä  ea  e 
fofUtbus  potius  hauriant  quam  rivulos  consectenturj  ganz  wie  de 
or.  II  117;  vgl.  auch  part.  or.  140),  so  wird  man  wenigstens  die 
Vermuthung  aussprechen  dürfen,  dass  es  auf  Antiochos  zurück- 
geht, dessen  Sprache  an  eindruoksYollen  Bildern  reich  gewesen 
zu  sein  scheint. 

Wenn  wir  im  zweiten  Buche  Umschau  halten,  so  fallt 
gleich  der  Anfang  von  Antonius*  Vortrag  auf.  Was  zunächst 
über  die  Frage  gesagt  wird,  ob  die  Beredsamkeit  eine  Kunst 
sei,  deckt  sich  mit  der  soeben  behandelten  Partie  des  ersten 
Buches  (§  107  ff.).  Dann  folgt  ein  Hymnus  auf  die  Redekunst, 
der  durch  seine  Stellung  an  den  in  I  (§  30  ff.)  erinnert,  im  Inhalt 
aber  abweicht.  £s  wird  zuerst  der  ästhetische  Oenuss  geschildert, 
den  eine  kunstvolle  Rede  bereitet,  wobei  Inhalt  und  Form  in 
Parallele  gesetzt,  der  Stoffreichthum  der  Rede  besonders  betont 
wird  {omni  genere  verum  cumulata  oratio  §  34  vgl.  III  92  und 
oben  S.  563  über  die  süva  rerum).  Jedes  Thema,  über  das  sich 
ornaie  (S.  575^  und  gravUer  sprechen  lässt,  fällt  ins  Bereich  des 
Redners,  nicht  bloss  Senats-,  Volks-  und  Oerichtsrede,  sondern 
auch  εγκώμιο V  und  ψόγος,  προτροπή  βίς  άρβτήν  und  αποτροπή 
άπό  κακίας,  τόπος  {cupiditatem  frangere  accusando)  und  Trost^ 
rede,  dh.  die  praktischen  Thesen  des  Antiochos  (S.  568).  Nach- 
dem zu  den  Aufgaben  des  Redners  noch  die  Geschichtsohreibung 
hinzugefügt  ist,  die  für  viele  ein  viertes  βίδος  der  Beredsamkeit 
war,  folgt  ein  syllogistischer  Schluss,  durch  den  die  Autonomie 
der  Redekunst  bewiesen  wird  und  der  in  Kürze  dasselbe  enthält, 
was  bereits  155  ff.  ausführlich  dargelegt  war  (S.  580^  vgl.  orat.  61). 

Nur  kurz  anzudeuten  brauche  ich,  dass  alles,  was  in  §  64 — 70 
über  die  Vernachlässigung  der  infinUa  süva  dh.  der  θέ<Τ€ΐς 
durch  die  Rhetoren  gesagt  ist,  in  dem  Excurse  des  dritten  Buches 


■natura,  und  wer  die  jedem  Menschen  innewohnende  rednerische  An• 
Gige  in  sich  zur  Vollendung  brachte,  der  erwarb  dadurch  eine  Togend 
bB.  leg.  I  45  fin.  V  59  f.). 


Stadien  über  Ciceroe  Schrift  de  oratore  589 

wiederkelirt  and    bei  dessen  Bespreobnng  von  uns  berücksiclitigt 
ist  (S.  563  f.). 

Einen   wichtigen    Theil    von  Antonius^  Vortrag    bildet    die 
eigentliche  Topik,    die    selbst    nur  §  163 — 173  füllt,    aber  schon 
§  145  eingeleitet  wird:    einer  der  Punkte,  wo  man  so  recht  das 
grosse  Geschick  be wundem  kann,  mit  dem  Cicero  einen  knappen 
nnd    dürftigen  Stoff   zu    erweitern    nnd    aaszngestalten   versteht. 
£r  geht   dayon  aus,    dass    der  Redner   zunächst    das  Gredanken- 
material   beherrschen  müsse,    die  Worte    würden    sich  dann  von 
selbst  einstellen  (III  125  vgl.  S.  577^).     Dabei  wird  angedeutet, 
dass  alle  ύποθέσβις  (bezeichnet  durch  in  hominum  innutnerabüibus 
personis   neque  in  infinita   iemporum  varietate)  sich  zurückführen 
laßsen  auf  θέσεις  (generum  causae  wie  §  66.  71)  und  dass  es  nur 
wenige  Arten   von  θέ(Τ€ΐς  gebe,    ein  deutlicher  Hinweis  auf  die 
III  111  ff.  gegebene  Eintheilung.    Das  6edankenmaterial  zu  finden 
lehrt  die  ars^  und  hierin  liegt  ihre  Hauptbedeutung.    Daher  sollte 
man  auch  erwarten,    dass  die  Rhetoren   die  Regeln  für  die  Auf- 
findung des  Stoffes  gegeben  haben;  das  ist  jedoch  nicht  der  Fall, 
sondern  Aristoteles  hat,    von  viel  weiteren  Gesichtspunkten  aus- 
gehend   (§  160),    in   seiner  Topik    diese  Aufgabe    gelöst  —  ein 
Trumpf,    den  natürlich    ein  Philosoph    gegen   die  Rhetoren    aus- 
spielt^.   Ueberhaupt  kommen  von  den  verschiedenen  Philosophen- 
schulen  für  den  Redner,  speciell  für  die  Lehre  von  der  €δρε(Τΐς, 
nur  Peripatos    und  Akademie    in  Betracht,    nicht  die  Stoa  (noch 
der  κήπος,    wie  man   aus  III  63  hinzusetzen  darf);    das  ist    das 
Resultat,    zu  dem    auch    der  Excurs    des  dritten  Buches  gelangt 
(§71.  80.  107).    Bei  dieser  Gelegenheit  wird  eine  doppelte  Kritik 
an  der  stoischen  Dialektik  geübt:  erstens  hilft  sie  nicht  zur  Auf- 
findung des  Stoffes,  sondern  nur  zur  Beurtheilung  des  Gefundenen, 
mit  anderen  Worten,  sie  ist  eine  rein  formale  Disciplin  (§  157); 
zweitens  geräth  sie  mit  aller  ihrer  Spitzfindigkeit  nur  in  Schwierig- 
keiten, ans  denen  sie  selbst  keinen  Ausweg  findet.    Dazu  kommt 
noch    der  trockene    und  zerhackte  Stil    der  Stoiker,    der  auf  die 
groese  Menge  nicht  wirkt,  deren  Geschmack  der  Redner  Rechnung 
tragen    mnss  (vgl.  S.  584).  —  Von   diesen  beiden  Punkten  wird 
der  erste  noch  zweimal  von  Cicero  besprochen,    nnd  zwar  indem 

^  Man  darf  aus  der  dem  Antonius  in  den  Mund  gelegten  Aeuese• 
rang,  er  kenne  Aristoteles'  rhetorische  Schriften  (§  160  vgl.  153),  natür- 
liob  nicht  schliessen,  dass  Cicero  diese  direct  benutzt  hat;  gut  handelt 
darüber  H.  Jentscb,  Aristotelis  ex  arte  rhetorica  quid  habeat  Cicero. 
Berlin  1866,  S.  30. 


590  Kroll 

ebenso  wie  hier  der  unfruchtbaren  stoischen  Dialektik  Arietote les" 
Leistungen  sowohl  für  die  eigentliche  Logik  als  auch  für  die 
Topik  gegenüber  gestellt  werden.  Die  eine  von  diesen  Stellen , 
de  fin.  IV 10,  geht  sicher  auf  Antiochos  zurück;  von  der  anderen 
(Top.  6)  hat  Wallies  es  mit  guten  Gründen  vermuthet^.  Was 
den  zweiten  angeht,  so  scheint  gerade  die  stoische  Logik  mit 
ihren  Absonderlichkeiten  für  den  raschen  und,  wenn  ich  Zellers 
Ausdruck  gebrauchen  darf,  oberflächlichen  Geist  des  Antiocbos 
ungeniessbar  gewesen  zu  sein;  so  hat  er  besonders  heftig  die 
von  der  Stoa  aufgenommenen  Haufenschlüsse  getadelt  (Acad.  pr.  49) 
und  das  Bild  von  den  Stacheln,  mit  denen  die  stoischen  Dia- 
lektiker stechen,  besonders  gern  gebraucht*.  —  Warum  als  Ver- 
treter der  Akademie  Karneades  erscheint  (§  161),  haben  wir  be- 
reits gesehen  (S.  557);  hier  war  er  ausserdem  schon  dadurch  ge- 
geben, dass  Cicero  in  geschickter  Weise  die  Philosophengeeand- 
schaft  des  J.  155  zum  Ausgangspunkt  genommen  hat. 

Nach  diesen  weit  ausholenden  Vorbemerkungen  wird  in  aller 
Kürze  die  eigentliche  Topik  gegeben,  in  allen  Punkten  genau  mit 
der  ausführlichen  Behandlung  des  Gegenstandes  in  den  Topica 
übereinstimmend,  wie  das  bereits  Wallies  bemerkt  hat.  Dieser 
hat  bekanntlich  als  die  wahrscheinliche  Quelle  der  Topica  den 
Antiochos  bezeichnet,  hauptsächlich  wegen  des  starken  Einflusses 
der  stoischen  Logik,  die  mit  der  aristotelischen  Grundlage  ver- 
quickt ist.  loh  halte  dieses  Resultat  für  richtig,  nicht  weil  die 
von  Wallies  beigebrachten  Gründe  etwa  durchaus  zwingend  sind, 
auch  nicht  weil  kein  Widerspruch  gegen  seine  Behauptung  laut 
geworden  ist,  sondern  weil  neue  Gründe  hinzukommen.  Wir 
haben  soeben  gesehen,  dass  das  in  §  6  ausgesprochene  Urtheil 
über  die  stoische  Logik  das  des  Antiochos  ist,  und  dürfen  auf 
die  Wahrscheinlichkeit  aufmerksam  machen,  dass  dieser  Philosoph 


*  De  fontibus  Topicorum  Giceronie.  Halle  1878.  Vgl.  auch  de 
fin.  V  10  (nachdem  Aristoteles  und  Theophrast  genannt  sind)  ;  disstrendu 
que  ab  isdem  non  dialectice  solum  (mit  deutlichem  Seitenblick  auf  dir 
Stoa),  sed  etiam  oratorie  praecepta  sunt  tradüa. 

«  De  fin.  IV  6.  79  Tusc.  IV  9  erat.  114  parad.  2.  Gebraucht,  aber 
vielleicht  nicht  gebildet,  da  schon  Philon  sich  ähnlich  geäussert  zu  haben 
scheint;  vgl.  Hirzel  III  455^  Acad.  pr.  98.  —  Das  gleich  folgende  Bild 
von  dem  Gewände,  das  wieder  aufgetrennt  werden  muss,  steht  Acad. 
pr.  95.  Im  erat.  115  wird  dem  Redner  einige  Kenntnits  der  Logik 
empfohlen  und  ihm  die  Auswahl  zwischen  Aristoteles  und  Cbrysipp  ge- 
lassen, aber  vor  dem  squalor  dieser  Disciplin  gewarnt. 


Studien  über  Ciceros  Scbrift  de  oratore  591 

den  Wunsch  haben  musete  eine  Topik  zu  schaffen,  eben  weil  die 
Stoa  keine   bot  und    die  des  Aristoteles    nur  von   wenigen  Ααβ- 
erwählten  studiert  wurde,    auch  für  die  Bedürfnisse  des  Redners 
zu  umfangreich    und  zu  schwer   verständlich  war,    sagen  wir  zu 
wiesensohaftiich.     Ich    verweise    ferner    auf   die    Schätzung   der 
Tugend,  die  in  §  73  (76)  hervortritt  und  sehr  an  de  or.  II  209. 
211  (S.  582')  und  part.  or.  71  ff.  erinnert,  und  an  die  ebenda  aus- 
gesprochene   Anschauung,    dass    der    philosophische  Redner    das 
sacrifizio    dell'  intelletto    bringen   und   sich    den  Meinungen    der 
Menge    anpassen    mttsse^.     Ausserdem   berufe  ich    mich  auf   die 
genaue  üebereinstimmung    von  §  80 — 86  mit  de  or.  ΠΙ  111  ff., 
von  der  schon  oben  (S.  566^)  die  Rede  gewesen  ist.     Hier  muss 
ich   freilich  Wailies    gegen  sich    selbst    in  Schutz    nehmen.     £r 
hat  in  einer  kurzen  Schlnssbemerkung  (S.  48)  die  letzten  Kapitel 
der  Schrift  (§  79  ff.)  einer  anderen  Quelle  zugewiesen,  ohne  aus- 
reichende Gründe    anzuführen.     Denn    dass    die  Lehre    von    den 
θέ<Τεις,    wie  sie  in   §  80 — 86    vorliegt,   zur  Topik    im   strengen 
Sinne  nicht  gehört,  ist  allerdings  richtig;    aber  wie  nahe  lag  es 
für  Antiochos,  diese  Lehre,  auf  deren  Ausgestaltung  er  sich  etwas 
einbilden   mochte,    in  einem  Anhange   nachzutragen!     Auch  dass 
stoische  Spuren   in    diesen  Kapiteln  sich  nicht  finden,    hat  seine 
Richtigkeit,    aber    es    ist    doch    wohl    nicht    ausgemacht,    dass 
Antiochos    nur  da    vorliegt,    wo  solche  Spuren    bemerkbar  sind, 
und    man  sieht  auch   nicht  recht,    wie  sich    für  diese  specifisch 
rhetorischen    Kapitel   stoische  Lehren    hätten    verwenden  lassen. 
Dass    die   §  81  ff.   von  Aristoteles    abhängig   sind,    hat    Wallies 
selbst    S.  14  ff.    eingehend    nachgewiesen    (vgl.  S.  22),    dh.    die 
Hanptquelle    ist  hier  dieselbe  wie   im  ersten  Theile  der  Schrift, 
was    doch  gewiss  nicht   auf  eine  Verschiedenheit    des  Autors  zu 
eohliessen    berechtigt'.     Da  ich  oben   zu  zeigen    versucht  habe, 


*  Nam  et  ingeniosos  et  opüUntos  et  aetatis  spatio  probatos  dignoB 
quibus  credantur  piUant;  non  recte  fortasse,  sed  vidgi  opinio  mutari 
vix  potest  ad  eamque  omnia  dirigunt  et  qui  iudieant  et  qtU  existimant 
qui  enim  rebus  hi8  quae  dixi  exceUunt,  ipm  virtute  videntur  excdlere. 
Dazu  vgl.  oben  S.  586.  Dass  die  Menge  Eigenschaften,  die  an  sich  wert- 
los sind,  deshalb  schätzt,  weil  aie  sie  mit  der  Tagend  verwechselt,  steht 
auch  de  leg.  I  32  vgl.  fin.  V  69. 

'  Ich  glaube  Wallies  nicht  Unrecht  zu  thun,  wenn  ich  jene  Schluss- 
bemerkung  für  eine  δευτέρα  φροντ(ς  halte;  denn  auf  S.  22  ist  die  Üeber- 
einstimmung mit  den  part.  or.  im  entgegengesetzten  Sinne  verwandt 
wie  hier. 


592  Kroll 

daee  die  Beispiele  für  die  Βέύ€\ς,  welche  den  Topica  nnd  de  or.  ΙΠ 
gemein  sind»  auch  anf  Antiochos  hinweisen,  so  will  ich  hier  noch 
einige  besprechen,  die  nur  in  den  Topica  vorkominen.  In  §  82 
erscheint  die  Frage:  ecquidnam  sU  honestum,  ecquid  aeqtmm  η 
vera  an  haec  tantum  in  opinione  sint,  die  auch  de  leg.  I  46  er* 
örtert  wird;  aber  selbst  wenn  hier,  wie  Schmekel  behauptet, 
Panaitios  die  Quelle  wäre,  so  steht  es  doch  fest,  dass  Antiocboe 
sich  mit  dieser  Frage  beschäftigt  und  ebenso  wie  Panaitios  die 
sittlichen  Begriffe  ans  der  Natur  abgeleitet  hat^  Die  Frage,  ob 
die  Beredsamkeit  yerlierbar  sei,  wird  dadurch  erst  verständlich, 
dass  Antiochos  im  Anschlüsse  an  die  Stoa  sie  als  eine  Tugend 
bezeichnete,  und  über  die  Verlierbarkeit  der  Tugend  viel  discutiert 
worden  ist ;  in  hominemne  solutn  cadat  an  etiam  in  heluas  aegri- 
iudo  (§  83)  hat  Poseidonios  erörtert,  also  hat  yielleicht  Panai- 
tios ihm  und  Antiochos  die  Anregung  dazu  gegeben'.  Bei  den 
Thesen  honestumne  sit  pro  patria  mori  (§  84)  und  suscipiendinf 
sint  liberi  (§  86)  erinnert  man  sich  daran,  dass  es  dem  stoischen 
Weisen  zukommt  συγκαταβαίνβιν  καΐ  €ίς  γάμον  και  eiς  τβκνο- 
γονίαν  καΐ  αυτοΟ  χάριν  και  τής  πατρίδος  καΐ  ύπομένειν  π€ρι 
ταύτης  ...  καΐ  πόνους  και  θάνατον  (Stob.  U  94.14  uö.)  und 
dass  in  der  £thik  des  Akademikers  Eudoros  die  Erörterung  περί 
γάμου  ein  besonderes  Kapitel  bildete  (Stob.  II  45,1)^•  Damit 
soll  nur  gezeigt  werden,  dass  auch  diese  Beispiele  von  Antiochos 
selbst  ausgewählt  sein  können. 

Ich  möchte  nicht  unterlassen,  auf  ein  Bild  aufmerksam  za 
machen,  das  Cicero  bei  dieser  Gelegenheit  braucht.  Er  vergleicht 
die  Topik  mit  einem  vergrabenen  Schatze,  den  man  dem  Suchen- 
den nicht  selbst  auszugraben  brauche;  es  genüge  vielmehr  die 
Stellen  kenntlich  zu  machen,  an  denen  er  verscharrt  ist  (§  174). 
Da  sich  dieses  Bild  in  genau  demselben  Zusammenhange  auch 
de  fin.  ly  10  findet,  so  ist  dadurch  sehr  wahrscheinlich  gemacht, 


^  Schinekel  S.  396.  Gegen  ihn  richtet  sich  also  wohl  die  Kritik 
des  Ainesidemos  bei  Phot  cod.  212  und  nicht  gegen  Philon,  wie  Hirzel 
III  230  ff.  zu  zeigen  versucht. 

^  Galen,  de  Hipp.  plac.  476:  δσα  μέν  oOv  τιΧιν  Ιψων  6υσκ(νητ<ί 
τέ  έστι  καΐ  προσπεφυκότα  6ίκην  φυτών  πέτραις  ή  τισιν  έτέροις  τοιού- 
τοις,  έπιθυμίςι  μόνη  διοικεΐσθαι  λέγει  aörd,  τά  bi  Αλλα  Αλογα  σύμπαντα 
ταΐς  δυνάμεσιν  άμφοτέραις  χρήσθαι,  τή  τε  έπιθυμητικ^Ι  ^ο\  τή  θυμοειοεί 

"  Vgl.  auch  die  wohl  von  Antiochos  beeinflasste  peripatetiscbe 
Ethik  bei  Stob.  II  144,  8:  διό  καΐ  γαμήσειν  καΐ  παιδοποιήσεσθαι  (τόν 
σπουδαΐον). 


Studien  über  Ciceros  Schrift  de  oratore  593 

daee  es  von  Antiochoe  erdacht  ist  (vgl.  auch  pari.  or.  109).  Man 
wird  eich  dabei  an  das  bereite  beeprochene  Bild  von  den  Qnellen 
erinnern  (8.  588),  dae  an  eich  ahnlich  und  von  Antiochoe  in  der- 
selben Tendenz  verwendet  worden  ist,  den  Werth  der  anf  alle 
und  jede  Einzelheiten  eingehenden  Τ€χνολοτ(οΐ  herabzueetzen ;  denn 
trotz  eeiner  Weitherzigkeit  mueete  ee  ihm  peinlich  eein,  in  eeinen 
Vorleenngen  die  ganze  Weieheit  der  rhetorieohen  Handbücher 
auazti kramen,  die  nicht  ohne  Grnnd  von  jeher  von  den  Philo- 
eophen  verächtlich  behandelt  worden  waren. 

Indem  ich  andere  theile  nneichere  theile  vereinzelte  Sparen 
übergehe^,  will  ich  anf  II  342  hinweieeo,  wo  philoeophischer 
Rinfluee  auf  die  Rhetorik  unverkennbar  iet.  Hier  handelt  es 
sich  nm  die  Frage,  wae  man  eigentlich  in  der  Lobrede  am 
Menschen  loben  eolle;  eigentlich  nur  die  Tugend  und  nicht  die. 
körperlichen  und  äueeeren  Gtlter;  aber  weil  eich  gerade  in  der 
richtigen  Behandlung  dieser  Güter  die  Tugend  zeige,  eo  seien 
doch  auch  sie  zu  berücksichtigen;  besonders  lobenswerth  sei,  wer 
von  Macht  und  Geld  keinen  unrechten  Gebrauch  mache  und  sich 
nicht  durch  sie  zur  üeberhebung  verleiten  lasse.  Dieses  ist  die 
Einleitung  zu  einer  Erörterung,  für  die  Aristoteles  (rhet.  I  9) 
die  einzige  Quelle  ist;  aber  obwohl  dieser  auch  die  Tugend  sehr 
in  den  Vordergrund  etellt,  so  hat  er  doch  für  ihr  Verhältnise  zu 
den  anderen  Gütern  nicht  diese  scharfe  Formulierung  gefunden, 
(zB.  erlaubt  er  κτήματα  ακαρπα  als  έλ€υθ€ριώτερα  ζα  loben 
S.  1367*  27).  Diese  stammt  von  einem  jüngeren  Peripatetiker, 
der  die  stoische  Ansicht  von  der  αυτάρκ€ΐα  der  Tugend  nicht 
mehr  recht  zu  leugnen  wagte,  aber  doch  auch  von  der  Dreiheit 
der  Güter  nicht  abgehen  wollte,  und  findet  sich  auch  in  dem  Ab- 
riss  bei  Stob.  II  126, 14  ουκ  εΤναι  συμπλήρωμα  τό  τέΚος  έκ  tujv 
σωματικών  και  έκ  των  έΕωθεν  αγαθών  ουδέ  τό  τύγχανε  ιν  απάν- 
των, άλλα  μάλλον  τό  κατ'  άρ€την  ίήν  έν  τοις  περί  σώμα  και 
τοις  Κωθεν  άγαθοϊς  ή  πάσιν  ή  τοις  πλείστοις  και  κυριωτάτοις 
=  131,5.  Dass  es  die  Anschauung  des  Antiochoe  ist,  hat  schon 
Wachemutb    in  eeiner  Anmerkung  zur   letzteren  Stelle  durch  den 

^  Dazu  gehört  II  335,  wo  es  heisst,  dass  für  die  Volksrede  nicht 
bloss  der  Streit  zwischen  zwei  nützlichen,  sondern  auch  zwischen  einem 
nützlichen  und  einem  sittlichen  Vorschlage  in  Betracht  kommt.  Das- 
selbe steht  part.  or.  89,  wird  also  Antiochos'  Meinung  sein,  aber  aucl 
schon  de  inv.  II 156,  scheint  also  eine  unter  Panaitios-Foseidonii 
flusse  an  Aristoteles^  Lehre  vorgenommene  Correctur  zu 
vom  συμφέρον  spricht. 

Bhalii.  Mae.  f.  Philol.  N.  F.  LVIU.  38 


r 


596  Kroll 

den  Scblase  von  Crassas'  Rede  bildet  (§213—227).  Die  Katar 
bat  UDS  eine  Stimme  gegeben,  die  je  nacb  nneeren  Affecten  modo- 
lationsfäbig  ist  (§  216);  sie  bat  unseren  Aagen  die  Fähigkeit 
verlieben,  die  vereebiedenen  ßemütbsbewegungen  anazodrSckeD, 
sowie  anob  andere  Gescböpfe  ibre  Organe  dafür  beeitsen^  Ge- 
sicbtsansdrack,  Stimme  und  Gesten  sind  für  jedes  ττάθας  ron 
Natur  verscbieden,  wobei  man  an  de  fin.  V  35  erinoero  kann: 
est  andern  ^etiaim  actio  quaedam  corporis,  quae  motus  ei  statm 
naturae  congruentes  ttnet.  Beim  Gebrancbe  der  Stimme  ist 
die  Abwecbslung  von  besonderer  Wiobtigkeit  (§  224  f.).  £e 
wird  darüber  geklagt,  dass  anch  anf  diesem  Gebiete  (S.  563)  die 
Redner  sieb  baben  verdrängen  lassen  und  zwar  von  den  Scbao- 
Spielern,  die  nicbt  einmal  wie  sie  mitten  im  Leben  eteben  (§  214), 
ganz  wie  in  dem  Enkomion  II  34,  das  wir  oben  auf  Antiocbos 
znrückznfübren  unternommen  baben  ^.  Die  Affecte  muss  man  beim 
Reden  selbst  empfinden  oder  docb  benebeln  (§  215):  das  ist  der 
peripatetisebe  Standpunkt,  den  wir  aus  Tusc.  IV  43  kennen  (S.  583). 
Abhängigkeit  von  der  pbilosopbisoben  Polemik  des  zweiten  Jahr- 
hunderts zeigt  der  Yergleicb  mit  Philodem  I  193  ff.  Hier  findet 
sich  das  Apophtbegma  des  Demostbenes  (196,  3  =  §  213);  daee 
jedes  Pathos  Stimme  und  Körperhaltung  in  besonderer  Weise 
beeinflusst,  steht  196,8;  daher  drücken  auch  Laien  und  Barbaren, 
sogar  Thiere,  ibre  Affecte  auf  diese  Weise  aus  =  §  222  f.  Der 
Redner  muss  vieles  mitbringen,  zB.  eine  wobiklingende  Stimme: 
196,  19  =  §  224  vgl.  I  114  ff.  (or.  59). 

Wer  Cicero  unbefangen  liest,  wird  den  nachhaltigen  £1η< 
druck  nicht  verkennen,  den  des  Antiocbos  geistvolle  und  glänzend 
vorgetragene  Darlegungen  in  ihm  hinterlassen  baben.  Es  wäre 
sonst  auch  nicht  zu  verstehen,  dass  er  nacb  einer  langen  redne- 
rischen Praxis,  in  der  er  die  Grundsätze  des  Antiocbos  anza- 
wenden  wenig  Gelegenheit  gehabt  hatte,  docb  das  Bedurfniu 
fühlt,  in  einer  theoretischen  Schrift  diese  selben  Grundsätze  za 
vertreten;  nur  manchmal  kommt  durch  den  Mund  des  Antonios 
der  Zwiespalt  zum  Auedruck,    der  zwischen  Theorie    und  Praxis 


^  §  222,  womit  zu  vergleichen  ist  de  leg.  I  26  {natura)  specim 
ita  formavit  oris,  ut  in  ea  penitus  reconditos  mores  effingeret:  nam  ei 
oculi  nimis  arguti,  quemadmodum  animo  affecti  simus,  loquantur. 

'  Antiocboe  musste  immer  wieder  betonen,  dass  sein  Redner  zu- 
gleich Staatsmann,  also  durchaus  έμπρακτος  war;  es  ist  daber  in  seinein 
Sinne,  die  σοφισταί  dh.  die  Lehrer  in  den  Rhetorenscbalen  als  hominei 
expertea  veritatis  a=r  άπρακτοι  über  die  Achsel  anzusehen:  II 81  vgl.  55.  72. 


Stadien  über  Giceros  Schrift  de  oratore  597 

obwaltete.  Aber  was  für  Cicero  bestimmend  war,  der  feeeelnde 
Eindruck  einer  interessanten  Persönlichkeit,  das  wirkte  anf  die 
Späteren  nicht  mehr;  nnd  so  dürfen  wir  uns  nicht  wundem,  wenn 
wir  von  der  Einmischung  des  Antiochos  in  die  Rhetorik  nur 
durch  ihn  etwas  erfahren,  während  sie  an  der  Schultradition 
spurlos  vorübergegangen  ist.  Hier  wie  sonst  zeigt  sich  die 
Macht  dieser  Jahrhunderte  alten  Tradition,  anf  die  selbst  ein 
Aristoteles  keinen  entscheidenden  Einfluss  hatte  gewinnen  können 
und  die  am  ehesten  noch  ein  zünftiger  Rheior  in  andere  Bahnen 
zu  lenken  vermochte;  Antiochos  mit  seinem  Ideal  einer  um- 
fassenden Bildung,  seinen  Thesen  und  seiner  Topik  ist  im  Ver- 
gleich zu  ihr  eine  ephemere  Erscheinung  geblieben. 

Greifswald.  W.  Kroll. 


VJ 


THESSALIOTIS  UND  PELASGIOTIS 


So  reiob  und  lehrreich  die  Litteratnr  iet,  die  die  theeealiffbe 
Sotairosinschrift  in  den  wenigen  Jahren    seit  ihrer   ersten  Pobü- 
cation  durch  Hatzizogidee  in  den  Athen.  Mittheil.  21,  110.  24^  i. 
ins  Leben  gerufen  hat  —  ich  verweise  auf  die  Zueammenstellnn^ 
in  meinen  Inscriptiones  eelectae  N.  10   — ,    ist    doch  das  meioer 
Meinung    nach    Beste    und  Werthvollste,    was    -wir    aas    ihr  fu 
Sprache  und  Geschichte  der  nördlichsten  griechischen  Landschaft 
lernen  können,  bisher  nicht  oder  nicht  mit  genügender  Bestimmt- 
heit zum  Ausdruck  gebracht  worden.     Die  Inschrift  enthält  eine 
Ehrung    des  Korinthers  Sotairos    seitens    der  G-emeinde  der  θη• 
τώνίοι,  wie  Bruno  Keil  (Hermes  34, 192)  mit  glücklichem  Scharf- 
sinn unter  Heranziehung  einer  mit  leichter  Yerderbnise  behafteten 
Notiz    des  Stephanus  von  Byzanz  (θηγώνιον  πόλις  Θεσσαλίας. 
Ελλάνικος   πρώτη  Δευκαλιωνείας  *  τό  έθνικόν    θητώνιος)  er- 
kannt hat.     Nach  dem  Fundort  der  Bronzeplatte  ist  nicht  zu  be- 
zweifeln, dass  dieses  Gemeinwesen  in  der  Nähe  von  Kierion,  dea 
Hauptorte  der  Thessaliotis,    gelegen  war,    und    der  der    zweites 
Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  angehörige  Text  entspricht  denn  ancb 
in    seinen    Sprachformen     den    Eigenheiten     dieses    Theiles   tod 
Thessalien,   die  uns  schon  aus  anderen,    den    gleichen  Gegendes 
entstammenden  Urkunden  jüngerer  Zeit  geläufig  waren,   zugleich 
aber  erweitert  er  unsere  Kenntniss  derselben  in  höchst  bemerkenr 
werther  Weise.     £s  empfiehlt  sich  diese  Besonderheiten,  die  di« 
Mundart  der  Thessaliotis  von  derjenigen  der  Pelaegiotis  scheiden, 
zunächst  in  möglichster  Vollständigkeit  aufzuzählen,  um  dann  zc 
den  geschichtlichen  Schlusefolgerungen  überzugehen,  zu  denen  sie 
berechtigen ;    es    versteht   sich,    dass  ich  zu  diesem  Behufe  aacb 
die   jüngeren   Inschriften     yerwerthe.     Das  wenige,    was    die  an 
Zahl  überaus  dürftigen  Denkmäler,   die    uns    ans    der  Hietiaoti^ 
und  der  Perrhäbia  zur  Verfügung  stehen,  für  die  Sprache  dieser 
beiden    weiteren    Gebiete     erkennen    lassen,    die    zusammen    mit 


Theisaliotis  und  Pelasgiotis  699 

Tbeesaliotie  und  Pelasgiotis  die  relative  Dialekteinheit  des  Nord- 
thessalisohen  im  Gegensatz  zar  Phthiotis  ausmachen,  soll  jeweils 
an  seinem  Orte  zur  Sprache  kommen. 

L    Laute. 

1.  Dem  κις  der  Pelasgiotis,  das  schon  das  im  5.  Jh.  auf- 
gezeichnete Gesetz  von  Phalanna  Kern  (Inscr.  Thess.  antiquissi• 
marum  sylloge  Ind.  lect.  Rostoch.  1901/2  N.)  XXI  »  Hoffm(ann 
Dial.  Π  Ν.)  5  ebenso  wie  spätere  Steine  bieten  (s.  Hoffmann 
S•  495),  stellt  die  Sotairosinschrift  τις  gegenüber. 

2.  Die  dem  hesiodisehen  Adjeotivum  θ€0(Τ6οτος  (Op.  320) 
entsprechende  Namensform  erscheint  wie  in  Böotien  (θ€ΐό(Τ6οτος 
θεόεοτος  θ€Οσ2Ιοτος  θιό2Ιοτος)  auch  in  Larisa  (Θ€θ2Ιότ€ΐος)  und 
Pherae  (θιοΣότοι  θιο2[ότ€ΐος)  mit  l  =  ab,  aber  in  Matropolis  an 
der  Grenze  von  Tbeesaliotie  und  Histiäotis  (θίορδότβιος)  und  in 
Pharsalos  (θ€θροότ€ΐος)  mit  pb;  s.  die  Belege  bei  Hoffmann 
S.  513  und  wegen  des  Ursprungs  dieser  Form  auch  Eretschmer 
KZ.  33,  570. 

3.  In  χρήμασιν  (vor  άσυλίαν)  weist  die  Sotairosurkunde 
ephelkystisches  ν  auf,  während  dem  sonstigen  Thessalisohen  dieser 
Laut  im  Dat.  PI.  auf  -€(T(Ti  ebensowohl  wie  in  der  3.  Sg.  des  Verbs 
auf  -€  und  -τι,  der  3.  Plur.  auf -νθι  und  in  κε  völlig  fremd  ist  (Hoff- 
mann S.  477);  auch  in  Pharsalos  entbehrt  Übrigens  das  einzige  uns 
daher  bekannte  Beispiel  eines  Dat.  PI.  (συνπολ[€μ€ΐσάντ6]σσι 
vor  πάν(Τα  Hoffm.  65, 1)  des  v.  Die  in  Larisa  üblichen  Endungen 
auf  -€iv  statt  des  im  gesammten  übrigen  Griechenland  herrschen- 
den -ai  (-νθειν,  -αθειν  -ατειν,  -σειν  Inf.  Aor.)  stehen  auf  einem 
besonderen  Blatte,  und  dass  es  sich  in  δΐν  Krannon  Hoffm.  54, 13 
nicht  um  ephelkystisches  ν  handelt,  beweist  schon  das  as.-äol. 
αΤιν,  das  bei  Herodian  Η  951,  12  Ltz.  als  Nebenform  von  all 
bezw.  dt,  wie  unsere  Inschriften  geben,  bezeugt  ist;  denn  auch 
dem  asiatischen  Schwesterdialekt  des  Thessalisohen  geht  das 
ephelkystische  ν  gänzlich  &b ;  aTtv  δΐν  und  all  δχ  sind  ver- 
schiedene Casusformen  eines  durch  got.  aiwi-ns  Acc.  PI.  repräsen- 
tirten  i-Stammes  (J.  Schmidt  KZ.  27,  298  f.). 

4.  €  vor  Vocal  bleibt  in  den  meisten  Gegenden  Thessaliens 
unverändert« —  die  Endung  -ιος  der  Stoffadjeotiva,  die  in  ganz 
Nordthessalien  ebenso  wie  in  der  asiatischen  Aeolis  herrscht,  ist 
nicht  auf  griechischem  Boden  aus  -€θς  entstanden,  sondern  be- 
reits indogermanische  Ablautsform  zu  -€ίος  (KZ.  32,  551)  — , 
aber  in  Matropolis  in  der  Histiäotis  und  Kierion  ist  es  in  ι  über- 


600  Solmeen 

gegangen:  Κλιόν[5]αιος  Έροτοκλίας  Λίων  Matropolie,  Είρακλιος 
Kierion.  Indes  ist  dieser  Wandel  jnngen  Datams,  wie  die  So- 
tairosinscbrift  mit  ihrem  buXöp^OVTOg  beweist,  and  niobt  auf  den 
Westen  der  Landschaft  beschränk  t :  anch  in  Pherae  in  der  eod- 
östlicben  Pelasgiotis  finden  wir  Λιόντ€ΐος  θιόΖΙοτος  Κλιόμαχος 
Κρατ[€ΐ]σικλίας  neben  Κλ€θτ[ιμ€ία]  Λευκαθέαι,  und  aus  Eranoon 
ist  neuerdings  ein  vereinzeltes  θιός  ΐΕφ.  όρχ.  1900,53  Ν.  2, 1, 
aus  Larisa  ein  -ρομένίος  ebend.  1901,  132  Ν.  8,9  zn  Tage  ge- 
kommen. In  Pbarsalos,  sUdwestlicb  von  Pherae,  ist  uns  in  dieser 
Stellung  nur  ε  bezeugt :  die  groese  Liste  Hoffm.  65  hat  sabl- 
reiobe  Namen  mit  Κλεο-  als  erstem  und  -κλέας  als  zweitem  6e- 
standtheil  und  mit  θεο-  am  Anfang  und  Ende,  dazu  Νέουν  Ζ.  153, 
und  die  archaische  Grabschrift  des  Diokleas  in  Distichen  (HofFm. 
71  =  Kern  X)  den  Namen  des  Todten  in  dieser  Gestalt  und 
άοελφεός. 

5.  Nur  mit  allem  Vorbehalt  kann  όν-  in  άγγράψαι  der 
Inschrift  von  Eierxon  Hoffm.  63,  11  genannt  werden,  dem  in  der 
Pelasgiotis  als  die  von  den  archaischen  Texten  (Kern  XVIL  XVHI. 
XX)  an  gebräuchliche  Form  der  Präposition  όν-  wie  in  der  klein- 
asiatischen Aeolis  gegenübersteht.  Da  die  Inschrift  erst  ums 
Jahr  168  v.  Chr.  abgefasst  ist,  so  kann  άν-  aus  der  Gemein- 
sprache eingedrungen  sein,  es  kann  aber  auch  zusammen  mit 
Kiap[iot]  und  den  Dativen  auf  -oi  statt  -uii,  von  denen  nachher  noch 
die  Rede  sein  wird,  als  Dorismus  angesprochen  werden  (vgl. 
Hoffmann  S.  358).  Auch  in  Larisa  begegnet  άν•  im  Hexameter 
(Kern  XIII)  und  in  jungen  Weihinsohrifteu  in  κοινή  (Hoffm. 
23a.  31),  und  in  Pharsalos  Hoffm.  68, 1  als  Eindringling  aus  der 
Gemeinsprache  neben  echt  dialektischem  όν-  Hoffm.  67,  4. 

II.    Formen. 

6.  Mit  Φιλονίκδ  und  Βελφαίό  hat  sich  Thetonion  zu  der 
Formation  des  Gen.  Sg.  der  o-Stämme  auf  -tu,  jünger  -ou  gestellt, 
die,  wie  wir  schon  früher  Wussten,  für  Kierion  und  Pharsalof 
cbarakteristiech  ist  im  Gegensatz  zur  Pelasgiotis  und  Perrh&bia, 
in  denen  dieser  Casus  auf  -Ol  ausgeht  (Hoffmann  532  f.).  Hoff- 
mann  führt  zwar  anch  aus  Gyrton  und  Phalauna  ein  paar  Belege 
für  -ου  an,  aber  sie  sind  zu  streichen:  auf  dem  Stein  aus  Gjrton 
Hoffm.  2  steht  nicht  Φιλάγρου  Μενεσταίοι,  sondern,  wie  die 
Neuvergleichung  Kerns  ergeben  hat  (Hermes  37,  631  Anm.  2J. 
Φιλάγροιο  Μενεσταίοΐ;  in  dem  NeubürgerverEeichniss  von  Pha- 
lanna  Hoffm.  6   rechte  2    ist  Τηλέφου   mit  Fick  (s.  Hoffmann  i- 


Thessaliotis  und  Pelasgiotis  601 

Inecbr.i)  und  W.  Schulze  6GA.  1897,  882  nicht  als  Genetiv  des 
Vaternamens  zn  Ταρούλα,  Rondern  als  Dativ  eines  ursprünglichen 
Sklavennainene  aufzufassen;  die  Grabschrift  aus  Phalanna  Hoff- 
mann  15  b  Δεινίας  Διονυσίου  ist  in  κοινή,  nicht  in  der  Mundart 
gehalten,  wie  ja  auch  das  einfache  ν  statt  des  echt  dialektischen 
w  im  Namen  des  Vaters  zeigt,  und  das  nunmehr  allein  ver- 
bleibende θρα(Τύλαος  Σιμύλου  Hoffm.  6  rechts  14  f.  wird  man 
zu  den  Fehlem  des  Steinmetzen  oder  Conoipienten  der  Liste  zu 
rechnen  ha)>en,  der  auch  sonst  mit  den  Casus  manchmal  will- 
kürlich umspringt  und  hier  einmal  den  Dativ  statt  des  Genetivs 
verbrochen  hat. 

7.  Das  schon  genannte  Decret  aus  Kierion  Hoffm.  63  giebt 
die  Dat.  Sg.  der  o-Stämme  mit  dem  Ausgang  -Ol,  während  sonst 
durch  ganz  Thessalien  (auch  Pharsalos)  -ου  ans  -tu  -uii  als  £n- 
düng  dieses  Casus  hindurchgeht.  Hoffmann  hat  deshalb  auch  eine 
Orakelinschrift  aus  Dodona,  die  zum  mindesten  in  έρουται  ein 
deutliches  Zeichen  thessalischer  Herkunft  an  sich  trägt,  aber  da- 
neben αυτοί  als  Dativ  aufweist,  nach  Kierion  gesetzt  (N.  64). 
Ob  wir  darum  nun  aber  auch  die  Dative  der  Sotairosinschrift 
Σδταίροι  τοι  Κορίνθιοι  καύτοι  mit  -οι  und  nicht  vielmehr  mit 
-Ol  zn  umschreiben  haben,  steht  dahin,  s.  unten. 

8.  Der  Gen.  Sg.  der  masculinen  ä-Stämme  geht  auf  der 
Sotairosbronze  auf  -ao  aus:  Όρέοταο.  Mit  Recht  bemerkt  Fick 
Hezz.  Beitr.  26,  120,  dass  auch  in  der  metrisch  abgefassten  ar- 
chaischen Grabschrift  des  Pyrrhiadas  aus  Kierion  Hoffm.  70  = 
Kern  VI  der  erste  Vers,  ein  Hexameter,  der  auf  dem  Steine  so 
aussieht : 

Μναμ'  έμΐ  ΤΤυρ(ρ)ιά5α,  höq  ούκ  Ιπίστατο  φ€ύτ€ν, 
vollständig  in  Ordnung  kommt,  wenn  wir  als  die  Meinung  des 
Verfassers  selbst  ΤΤυρ(ρ)ιά5αο  annehmen^.  Hingegen  in  der 
Weihinschrift  vorionischen  Alphabets  aas  Phalanna  Hoffm.  8  = 
Kern  XX  lesen  wir  *Ορ€στάοα.  In  jüngeren  Zeiten  hat  sich 
dieser  Unterschied  verwischt:  wie  überall  sonst  in  Thessalien  lautet 
die  Endung  auch  in  Kierion  (Hoffm.  63  Μνο0σά  Μαχάτα)  und 
Pharsalos  (Hoffm.  66  Εύμειλι^α)  -ä.    Wenn  ein  kürzlich  bekannt 


1  Doch  hat  Fick  nachträglich  (Bezz.  Beitr.  26,  119)  diese  richtige 
Annahme   zu  Gunsten  der  unrichtigen  Hoffmann'schen  zurückgezogen. 

8  Die  Weglassung  des  -o  in  der  Niederschrift  kann  sich  aus  der 
Gewöhnung  der  lebendigen  Rede,  schliessenden  Vocal  vor  vocalischem 
Anlaut  bezw.  h  zu  elidieren,  erklären. 


602  Solmeen 

gewordener,  allem  Anscheine  naob  recht  junger  Stein  ane  Larisa 
Έφ.  άρχ.  1901,  132  Ν.  8  Ζ.  10  Μαρσύαο,  11  ΤΤειθόλαο  and 
daneben  5  πολέμοιο  aufweist,  so  kann  ich  mich  des  Verdachtes 
nicht  erwehren,  dass  wir  es  in  beiden  Formen  mit  kunetlicheo 
Archaismen  zu  thnn  haben. 

9.  Der  Gen.  Plur.  der  α-Stämme  προΕεννιοΟν  in  Kierioo 
Hoffm.  63,  6  findet  sein  Gegenstück,  wie  W.  Schulze  6ΘΛ.  1897, 
899  gesehen  hat,  in  der  Legende  Γομφιτουν  der  Münzen  von 
Gomphoi  in  der  Histiäotis.  In  der  Perrhäbia  und  der  Pelasgiotii 
ist  *auiv  zu  -αν  contrahiert  (Hoffmann  S.  293  f.),  in  Krannon  znm 
Theil  offen  geblieben  :  κοινάουν  Hoffm.  53,  13.    πολιτάουν54, 17. 

Ά άουν  Έφ.  άρχ.  1900,  53  Ν.  2,  9,    zum  Theil    ebenfalls 

zu  -dv  zusammengezogen:  άτ  τάν  κοιναν  ποθό&ο[υν]  Έφ•  άρχ. 
1900,  51  Ν.  1,9;  in  dem  letztgenannten  Beispiel  hat  die  zuerst 
beim  proklitischen  Artikel  eingetretene  Contraotion  (J.  Schmidt 
KZ.  38,  26)  auf  das  zugehörige  Adjectiv  übergegriffen,  ebenso 
wie  im  Asiatisch-Aeolischen  die  kürzere  Form  des  Dat.  Plur.  auf 
-οις  -αις  vom  Artikel  auf  das  nebenstehende  Adjectiv  übertragen 
worden  ist,  zB.  τοις  πρώτοις  προ(Τθη(Τομένοισι  (vgl.  Ahrens  1, 
112.  Uoffmann  Dial.  2,  539  f.  Philol.  N.  F.  13,  42  ff.).  Aus 
Pharsalos  besitzen  wir  noch  keinen  Beleg  für  den  Casus.  —  Ob 
auch  Ίουν€ΐος  MatropoHs  (Hist.)  Hoffm.  62,  1  neben  Ίάνειος 
Larisa  16,  71  auf  ΊαώνΕίος  Ίαόν€ΐος  beruht,  wie  W.  Schulze 
aaO.,  oder  von  einem  kürzeren  Stamme  *lu)v  ausgegangen  ist, 
wie  Hoffmann  S.  296.  552  meint,  läset  sich  nicht  entscheiden. 

10.  Der  schon  unter  3  angeführte  Dat.  Plur.  χρήμα<Τΐν  der 
Sotairosbronze  stellt  sich  nicht  nur  mit  seinem  -v,  sondern  auch 
mit  der  ganzen  Gestalt  der  Endung  -Otv  als  Singularität  dar: 
die  Pelasgiotis  und  ebenso  Pharsalos  kennen  nur  -£(T(Ti  (Huffman d 
S.  471). 

11.  Des  weiteren  hat  der  Gen.  Sg.  Part,  hυλöpέovτoς  der 
Sotairosurkunde  nicht  seines  gleichen  in  Thessalien ;  alle  anderen, 
aus  der  Pelasgiotis  stammenden  Belege  des  Part.  Praes.  Act.  der 
Verba  auf  -έιυ  zeigen  den  Uebei*tritt  in  die  unthematiscbe  Fle- 
xionsweise (εύεργβτίς  στραταγίντος  κατοικίντβσσι  ua.  bei  Hoff 
mann  S.  574).  Hoffmann  deutet  allerdings  auch  κατοικ€ΐουνθι  in 
einem  fragmentierten  Texte  aus  Larisa  1 7,  3  als  Dativ  eines  Par- 
ticips  (z.  Inschr.  und  S.  552),  und  Fick  Bezz.  Beitr.  26,  117  tritt 
dem  bei.  Aber  eine  derartige  Bildung  mit  Vereinigung  von  -Cl- 
aus -η-  und  -ου-  aus  -ιυ-  wäre  beispiellos,  nicht  minder  der 
Wandel  von  -VT-  in  -νθ•  im  Partioip,  und  es  kann  deshalb  keinem 


TheeealioÜB  und  Pelaegiotis  60S 

Zweifel  unterliegen,  dase  wir  in  κατοικείουνθι  mit  W.  Schalze 
GGA.  1897,  881  vielmehr  die  3.  Flur.  Coni.  zu  κατοίκ€ΐμι  ζα 
enohen  and  die  Inschrift  demgemäss  zu  ergänzen  haben.  Wie 
man  in  Pharsalos  diese  Formen  bildete,  ist  uns  nicht  bekannt, 
für  Kierion  aber  fragt  sich  nunmehr  ernstlich,  ob  in  dem  Decret 
HofiPm.  63  der  Eingang  [Στρατατέ]ντος,  wie  man  bisher  thut,  und 
nicht  vielmehr  [Στραταγίο]ντος  (vgl.  N.  4)  zu  vervollständigen  ist. 

12.  Mit  dem  Inf.  έίΕανακάο^ν  tritt  Thetonion  an  die  Seite 
von  Pharsalos,  wober  wir  ίχειν  (und  in  dem  unter  N.  8  citierten 
Hexameter  φ€ύγ€ν)  kennen ;  Larisa  und  Erannon  haben  κρεννέμεν 
πρασσέμεν  ύπαρχέμεν  (Hoffmann  S.  333.  566). 

ΠΙ.    Syntax. 

13.  Eine  der  charakteristischen  Eigenthümliohkeiten  des 
Nordthessalischen  bildet  die  Hinznfagung  des  Vaternamens  znm 
Namen  des  Individuums  nicht  im  Genetiv,  sondern  in  Gestalt 
eines  mit  -ιος  -ειος  gebildeten  Adjectivs.  Diese  Weise  hat  sich 
behauptet,  so  lange  der  Dialekt  überhaupt  lebendig  blieb,  und 
nur  verhältnissmässig  wenige  Ausnahmen  begegnen,  zum  Theil 
aus  gutem  Grunde:  die  ΑισχυλΙς  Σάτυροι,  die  Hoffm.  3  dem 
Apollon  ελευθέρια  darbringt,  ist  eine  Freigelassene,  die  keinen 
Anspruch  erheben  kann  ihr  έπιπατρόφίον  in  der  Art  der  Voll- 
bürger auszudrücken,  und  mit  ihr  ist  gewiss  die  ΑΙσχυλις  Σάτυροι 
κόρα  von  Hoffm.  4  identisch,  wie  auch  Hoffmann  annimmt;  die 
grosse  Liste  Hoffm.  6,  die  die  Verleihung  des  Bürgerrechts  von 
Pbalanna  an  ΓΤερραιβοι  και  Δόλοττες  και  Αινιανες  και  'Αχαιοί 
και  Μάγνειτες  και  οΐ  ές  ταν  Φαλανναιάν  verkündet^  wechselt 
in  scheinbar  ganz  regelloser  Weise  zwischen  Genetiv  und  Ad- 
jeotiv  (zB.  rechte  Schmalseite  6  ff.  hinter  einander  ^Α(ΤΤΟκράτει 
ΤΤειθολάοι,  Έρμία  Ήρακλεώαίου);  da  sie  den  in  der  Datierung 
genannten  Beamten,  also  echten  Vollbürgern,  ausnahmslos  das  Ad- 
jectiv  giebt,  so  ist  vielleicht  die  Vermuthung  gestattet,  dass 
diejenigen  von  den  Neubürgern,  die  den  Vaternamen  im  Genitiv 
bekommen,  von  Geburt  Angehörige  der  Stämme  waren,  die  diese 
Weise  der  Bezeichnung  hatten,  also  etwa  Doloper,  Aenianen, 
Achäer,  die  anderen  Perrhäber  und  Magneten;  nur  in  Hoffm.  11 
(Pbalanna)  erscheint  bei  der  Nennung  der  ττολίαρχοί  das  Schwan- 
ken zwischen  Adjectiv  und  Genetiv  ganz  willkürlich.  Auch  die 
Inschriften  epichorischen  Alphabete  weisen  das  patronymische 
Adjectiv  auf:  Μεθίστας  ΤΤίθουνειος  £retria  in  der  Phthiotis  hart 
an  der  Grenze  sowohl  der  Pelasgiotis   als   auch  der  Thessaliotis 


604  Solmeen 

Kern  IIP.  Σίμον  ό  MuXibcog  Pharealoe  IX*.  Ρασ(6αμος  ΤΓα[ϊ]ς 
.  Ε  .  θόν€θς  Phalanna  ΧΤΧ,  neben  denen  als  Beleg  für  diese»  wie 
die  Vergleichung  der  verwandten  Sprachen,  insbesondere  der  ita- 
lischen und  slavipchen,  lehrt,  sehr  alterthttmliohe  Art  die  Za- 
gehörigkeit  zum  Attsdrnck  zu  bringen  noch  ΤΤολυΕεναία  έμμί,  dh• 
στάλλα,  Larisa  XT  (vgl.  LoHing  Ath.  Mitth.  7,  223  Anm.)  ge- 
nannt werden  kann;  eine  Aasnahme  bildet  nur  XX  (Phalanna) 
—ς  'OpeOTaba  όνέθ€Κ€  ται  θ^μισστι,  doch  ist  über  sie  ein  eigent- 
liches Urtheil  wegen  der  Yerstümmelang  des  Anfangs  nicht  mög- 
lich. Dazu  stellt  sich  nnn  in  scharfen  Gegensatz  die  Sotairos- 
Inschrift:  für  welche  der  beiden  Auffassungen  des  unvollständigen 
Einganges  und  Schlusses,  die  von  allen  bisher  vorgebrachten 
meiner  Meinung  nach  allein  möglich  sind,  man  eich  auch  ent- 
scheiden mag,   für  die  Danielsson-Keil'sche  (£ranoe  1,  137  f.  und 


^  Dieser  Träger  des  Namens  Πίθων  reiht  eich  den  in  diesem 
Mus.  53,  137  f.  aufgezählten  an.  Aus  Thessalien,  wo  der  Name  offenbar 
besonders  beliebt  war,  habe  ich  für  ihn  ausserdem  noch  einen  Text 
aus  Krannon  Έφ.  άρχ.  1900,  52  Ν.  1,  10  (vgl.  S.  111)  an  der  Hand, 
aus  Eretria  in  Euböa,  das  in  seinem  Namenschatze  starke  Berührungen 
mit  Thessalien  zeigt,  die  Liste  Έφ.  άρχ.  1895,  131  ff.  Ζ.  33.  168.  169. 
170.  Ich  benutze  die  Gelegenheit  ein  paar  weitere  Bildungen  mit  dem 
Element  ΤΤι(τ)θ-  nachzubringen,  die  mir  inzwischen  aufgestossen  sind : 
πίτθις  Delphi  Bull.  corr.  hell.  23,  626  N.  12,  16.  527  N.  13,  3.  530 
N.  14.  CoUitz-Bechtel  2718,  6  (in  der  Schreibung  Πίθθιος  Gen.).  Milet 
Greek  Coins  Brit.  Mus.  Jonia  192.  Πιχθύλος  Korkyra  Coll.-Becht.  3219 
(CIGr.  1913).  Πιθαιού  (=  -ώ)  Trikka  CoU.-Becht.  335.  VieUeicht  ist 
auch  IGIns.  II  92  (Mytilene)  ....  ιτβω  Έρμων€{α  zu  ΤΤΙτβαι  zu  er* 
ganzen  (vgl.  die  ΤΤιτθιίι  in  der  Freilaesungsurkunde  aus  Olympia  Inschr. 
V.  Olympia  12,  5). 

'  Kern  scheint,  nach  der  Accentuation  Μυλιδ^ος  zu  schliessen,  darin 
den  Genitiv  eines  *ΜυλιΟ€ύς  zu  sehen.  Doch  sind  mir  Eigennamen  mit 
dem  Suffix  -ιΟ€ύς  nicht  bekannt.  Die  Weglassung  des  -i-  zwischen  dsn 
Yocalen  hat  zahlreiche  Parallelen,  speciell  bei  den  Patronymika  in  dem 
oben  sogleich  folgenden  Beleg,  in  Μανιχέω  Coll.-Becht.  328  und  Ίσ• 
στια(€ος  Hoffm.  65,  95.  —  Der  Artikel  ist  mit  Spiritus  lenis,  nicht  asper 
zu  versehen,  wie  Kern  thut;  die  Inschrift  schreibt  wie  alle  im  eio- 
heimischen  Alphabet,  soweit  sie  nicht  im  epischen  oder  elegischen  Yers- 
mass  verfasst  sind,  den  Asper  mit  h  in  /ied.  Aspirationslosigkeit  wird 
auch  durch  KOI,  nicht  XOI,  =  καΐ  ol  XVIIIa  bezeugt  (vgl.  noch  κοί 
Krannon  *Εφ.  άρχ.  1900,  53  Ν.  2,  6).  Auf  Grund  dieser  beiden  That- 
Sachen  habe  ich  auch  in  der  grossen  Inschrift  aus  Larisa  in  meinen 
Inscr.  selectae  N.  9  dem  Artikel  den  Lenis  gegeben.  Der  frühzeitige 
Verlust  des  rauhen  Hauches  grade  bei  dieser  Wortsippe  kehrt  in  nicht 


Thessaliotis  und  Pelasgiotie  605 

Hermes  34,  187  ff.^)  oder  die  Hoffmann'sohe  (Philol.  N.  F.  15, 
245  ff.),  in  jedem  Falle  sehen  wir  in  ihr  den  Vaternamen  im 
Genetiv  zu  dem  des  Hyloren  hinzugefügt:  Φιλονίκδ  Ηύΐος  oder 
Όρίσταο  Φερεκρατ — ες  (di.  entweder  Φερ€κρί&Τ€ς  mit  einer  eigen- 
artigen Contraction  von  €0,  vergleichhar  derjenigen,  die  in  den 
von  Bechtel  Bezz.  Beitr.  20,  241  f.  ans  Licht  gezogenen  Gen. 
θεστιάοος  Όρθιάδος  Χαρτάδος  von  Nominativen  auf  -άοης  in 
Tenos  vorliegt,  oder  Φερεκράτεος  mit  irrthümlicher  Weglassung 
des  o,  wie  sie  dem  Graveur  heim  Zurückgehen  vom  unteren 
Rande  der  Tafel  zum  oberen  sohon  passieren  konnte).  In  späterer 
Zeit  ist  dann  freilich  die  gemeinthessalische  Wiedergabe  des  έπι- 
πατρόφίον  durch  das  Adjectiv  auch  in  den  Westen  der  Land- 
schaft vorgedrungen:  wir  treffen  sie  wie  in  Pharsalos  so  auch 
in  Kierion  (Hoffm.  63)  und  Matropolis  (Hoffm.  62),  in  Trikka 
(Hoffm.  57),  Phayttos  (Hoffm.  59.  61)  und  Pelinna  (Coll.-Becht.  336) 
in  der  Bistiäotis. 


Die  vorstehend  aufgeführten  Thatsachen  sind  als  Unter- 
schiede zwischen  Thessaliotis  und  Pelasgiotis  zum  Theil  schon 
von  anderen  Forschem  angemerkt  worden:  soweit  sie  bereite 
früher  bekannt  waren,  namentlich  von  Prellwitz  in  seiner  Disser- 
tation De  dialeoto  Thessalica  (1886)  und  von  0.  Hoffmann  in 
seiner  Dissertation  De  mixtis  Graecae  linguae  dialectis  (1888) 
S.  5  ff.  und  im  zweiten  Bande  seiner  Dialekte;  soweit  sie  uns 
durch  die  Bronze  von  Thetonion  klar  geworden  sind,  insbesondere 
von  Meister  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1896,  259  ff.,  Dauielsson 
Eranos  1,  144  ff.,  Keil  Hermes  34,  193.  Wie  sollen  wir  sie  aber 
geschichtlich  verstehen?  Wer  sich  zu  dem  Satze  bekennt,  den  in 
den  letzten  Jahren  vornehmlich  die  Fortschritte  der  deutschen 
Dialektkunde  entscheidend  festgelegt  haben,  dass  Sprachgeschichte 


wenigen  Mundarten  wieder,  s.  Thumb  Spiritus  asper  Index  S.  100  unter 
ό  ή  ol.  Der  Unterschied  in  den  Aspirationsverh'ältniseen  zwischen 
Prosa  und  einem  freieren  Metrum  wie  dem  der  Grabschrift  des  Pyr- 
rhiadas  (Fick  Bezz.  Beitr.  26,  120)  einerseits,  dem  epischen  und  elegi- 
schen Versmass  andererseits  ist  höchst  bemerkenswerth  für  die  Be- 
urtheilung  dieser  Dinge  bei  Homer. 

^  In  der  Adnotatio  zu  N.  10  meiner  Inscr.  selectae  ist  leider 
durch  ein  Versehen  neben  dem  Namen  Keils  derjenige  des  ausgezeich- 
neten schwedischen  Forschers  fortgeblieben,  der  schon  vor  Keil  die 
Ansicht  vertreten  hatte,  dass  die  uns  erhaltene  Platte  eine  einzelne  aus 
einer  fortlaufenden  grösseren  Reihe  darstelle. 


606  Solmsen 

mit  Stammes-  und  Siedelungsgescbiehte  in  innigstem  Zueammen- 
hange  steht,  dem  wird  sich  die  Frage  aufdrängen,  ob  jene  Ver- 
schiedenheiten nicht  durch  das  Eindringen  einer  weetgriechiscben 
Bevölkerung  in  die  einst  Üolische  Landschaft  Theeealien  ursäch- 
lich bedingt  sind  (Hdt.  7,  176  θ€σσαλθΐ  ήλθον  έκ  θβσπραττών 
οΐκήσοντβς  (so  Klasse  β  der  Ηββ.,  οΙκήσαντ€ς  α)  γήν  τήν  AloXiba 
τήνπ€ρ  νυν  έκτέαται).  Um  sie  zu  beantworten,  müssen  wir  frei- 
lich suvor  aus  unserem  Materiale  alles  ausscheiden,  was  späteren 
Ursprungs  ist  oder  sein  kann. 

Dessen  ist  nicht  wenig.     Wenn  die  Pelasgiotis  κις,  die  So- 
tairosinschrift  ebenso  wie  das  Asiatisch-Aeolische  τις  haben  (oben 
Nr.   1),    so  ist  jenes  κις  neben    lat.  g[ui$  nicht  etwa,    wie  die  io 
den  Kreisen    der  Philologen    wohl    immer    noch    vorherrschende 
Meinung  besagt,    etwas  sehr  alterthümliches,  sondern  im  Gegen- 
theil  zusammen  mit  Herodots  κώς  κότβρος  usw.  eine  nnursprüng- 
liche  Unregelmässigkeit;    sie  beruht  nach  einer  Yermuthung,  die 
der  Verfasser  dieser  Zeilen  KZ.  33,  299  und  W.  Schulze  GGA. 
1897,  908  unabhängig  von  einander  vorgetragen  haben,    auf  se- 
cundärer  Verallgemeinerung   von  den  Verbindungen   mit  der  Ne- 
gation οΰκις  οοκως  usw.  aus,  in  denen  der  Wegfall  des  tf-Nach- 
klangs  hinter    dem  Guttural   lautgesetzlich  erfordert  war.     Auch 
der  Uebergang  des  tönenden  g  in  r  in  θεόροοτος  (Nr.  2)  kann 
jungen  Datums  sein;  historischer  Zusammenhang  mit  dem  Rhota- 
zismus  in  derselben  lautlichen  Stellung  in  der  euböischen  Namens- 
form  Μίρτος  (Eretria  Bechtel  Inscbr.  ion.  Dial.  16,  14)  Mtpyuiv 
(Styra  ib.  19,  25.  70)  gegenüber  att.  Μίσγων  (CIA.  U  1280,  1), 
wie  ihn  Bechtel  aaO.  S.  18  vertritt,  braucht  nicht  zu  besteheD,  so 
wenig  wie  er  mit  der  gleichen  Erscheinung  in  gortynisoh  κόρμος 
für  κόσμος  (KZ.  29, 124.  32,  538  Anm.  1.  Rhein.  Mus.  56,  506  f.l 
besteht;  der  Wandel  ist  physiologisch  so  naheliegend,  daas  er  qd- 
abhängig    an  den  verschiedensten  Orten    immer  wieder  eintreten 
kann,    und  für  Eretria   ist  die  Neigung    dazu  durch    den    Ueber* 
gang    auch   des    intervooalischen    <T  in  ρ    ohnehin    gewährleistet. 
Dass  die  Ersetzung  von  ε  vor  Vocal  durch  ι  in  einigen  Städten 
nicht  alt  ist,  ist  jetzt,  wie  schon  unter  N.  4  hervorgehoben,  darcb 
die  Sotairosurkunde  mit  ihrem  hυλόpέovτoς  erwiesen.    Damit  i^t^ 
wie  mir  scheint,  die  von  mir  KZ.  32,  550  und  Idg.  Forsch.  Adz.  5, 
46  f.    gegen    Hoffmann    (De   mixt.    dial.  19  f.    Dial.  2,  385)    ver* 
tretene  Anschauung,    dieses   Phänomen    und    das   gleichartige    in 
Böotien    seien  nicht    aus  einer    geraeinsamen    alten   Wurzel     ent- 
sprossen,   endgiltig  sichergestellt.     Höchstens    soviel  könnte    ich 


Thesealiotis  und  Pelasgiotis  607 

Hoffmann  zugeben,  dass  entweder  die  allerersten  Keime  der  Ver- 
änderung in  beide  Gebiete  aus  gemeinschaftlicher  Vorzeit  mit- 
gebracht worden  sind  oder  (was  ich  dann  noch  eher  glauben 
möchte)  der  Wandel  yon  Böotien  aus,  wo'  wir  seine  Anfange 
schon  vor  Einführung  des  ionischen  Alphabets  beobachten,  im 
4.  Jahrhundert  oder  später  nach  dem  südlichen  Thessalien  vor- 
gerückt ist 

Aus  dem  Bereicbe  der  Formenlehre  ist  ohne  Beweiskraft, 
was  unter  8,  9,  12  verzeichnet  ist.  Die  frühzeitigere  Zusammen- 
ziehung von  -Qo  zu  -öt  im  Osten  gegenüber  dem  Westen  braucht 
nicht  mit  Stammesunterschieden  zusammenzuhängen.  Da  die 
asiatischen  Aeoler  nach  Ausweis  des  Epos  -So  in  ihre  neue 
Heimath  mitgebracht  haben,  müssen  auch  ihre  in  Thessalien  ver- 
bliebenen Stammesgenossen  kürzere  oder  längere  Zeit  noch  diese 
Form  der  Endung  gebraucht  haben.  Allem  Anscheine  nach  ist 
dann  die  Contraotion  zuerst  in  den  Östlichen  Gegenden  eingetreten 
und  hat  sich  von  da  allmählich,  wie  das  dem 'Leben  der  Sprache* 
gemäss  ist,  weiter  ausgebreitet.  Auch  im  Gen.  Plur.  ist  -dujv 
zur  Zeit  der  Auswanderung  nach  Kleinasien  noch  uncontrahiert 
gewesen,  wie  die  Verhältnisse  in  geschichtlicher  Zeit  in  Krannon 
und  die  Sprache  Homere  beweisen.  Es  kann  also  Zufall  sein, 
wenn  die  Verschmelzung,  als  sie  durchgeführt  wurde,  in  den 
meisten  Theilen  des  Gebietes  -αν,  im  Westen  -oGv  ergab.  Anderer-, 
seits  kann  man  freilich  die  Möglichkeit,  dass  doch  Stammes- 
verschiedenheiten im  Spiele  sind,  nicht  völlig  ausschliessen,  wenn 
man  bedenkt,  dass  in  den  anderen  ^äolischen'  Landschaften  -aiu-, 
wo  es  überhaupt  Zusammenziehung  erlitt,  zu  -ör  wurde  (as.-äol. 
Tdv  biKav,  böot.  ταν).  Doch  ist  uns  auch  aus  'dorischen  Landen 
als  Gontracttonsprodact  von  -äui-  sonst  nur  -δ-,  nirgends  -ιυ-  be- 
zeugt. In  dem  Infinitiv  auf  -ην  -ειν  stimmt  der  Süden  und  Westen 
Thessaliens  mit  der  asiatischen  Aeolis,  in  dem  auf  -έμεν  der 
Nordosten  mit  Böotien  überein.  Unter  Berücksichtigung  des 
homerischen  Sprachgebrauchs  werden  wir  wohl  anzunehmen  haben, 
dass  in  der  Periode  der  uraolischen  Einheit  die  thematischen 
Verba  den  Infinitiv  sowohl  auf  -ίμενοι  -ίμεν  als  auch  auf  -εεν 
(ans  *-ε(Τ€ν)  bezw.  schon  -ην  ausgehen  lassen  konnten  und  dass 
eine  jüngere  Zeit  diesen  Reichthum  in  den  verschiedenen  Gegen- 
den verschieden  vereinfacht  hat;  anders  Hoffmann  S.  565  f.,  der 
aber  den  homerischen  Zustand  nicht  in  Betracht  zieht. 

Schwieriger  zu    urtheilen  ist    über  den  Genetiv   und  Dativ 
Sing,  der  o-Stämme  (N.  6  und  7).    -uj  und  -oi  sind  aus  der  ein- 


608  Solmsen 

heitlicben  Grundform  -oio  hervorgegangen,  wie  sie  dae  Epos 
noch  bietet,  wie  sie  also  in  urSoliecher  Zeit  noch  existiert  haben 
muB8.  -Ol  ist  daraus,  wie  nach  den  Darlegungen  J.  Schmidts 
KZ.  38,  29 ff.  und  der  Auffindung  von  Beispielen  für  -oio  eof 
dem  Boden  Theesaliens  selbst  (vgl.  Bechtel  Hermes  37,  631 
Anm.  2f  jedoch  auch  oben  S.  602)  nicht  mehr  bezweifelt  werden 
kann,  durch  Wegfall  des  schliessenden  o^,  -ui  durch  Schwund 
des  ι  zwischen  den  Vocalen  und  nachfolgende  Contraction  ent- 
standen. Diese  verschiedenartige  Entwicklung  kann  durch  Stammee- 
unterschiede  verursacht  sein,  denn  die^Westgriechen'  kennen  nur 
-u)  -ου  in  diesem  Casus,  sie  kann  aber  ebensogut  auf  Zufall  be- 
ruhen, denn  auch  die  asiatischen  Aeoler  haben  -oio  zu  -u)  um- 
gestaltet. Die  Dative  auf  -Ol  der  Inschrift  von  Rierion  müsseo 
zusammen  mit  der  Namensform  Κιαρ[ίθΐ]  Ζ.  2  desselben  Teitee 
mit  α  vor  ρ  statt  der  in  der  Litteratur  herrschenden  und  durch 
die  Münzaufschriften  KiepieiuJV  (Head  Hist.  nnm.  249)  beetatigten 
mit  €  betrachtet  werden.  Beide  Erscheinungen  gehören  zu  den 
Characteristika  der  mittelgriechischen  Mundarten  von  Akamanien 
bis  Böotien,  und  Hoffmann  S.  272  f.  führt  sie  deshalb  auf  die 
nichtäolischen  Elemente  der  Bevölkerung  von  Kierion  zurück,  die 
Βοιωτοί,  die  nach  der  Tradition  (Thuk.  1,  12)  in  ihre  geschieht* 
liehen  Wohnsitze  zunächst  von  Arne,  wie  Eierion  in  'mykenischer* 
Zeit  hiess  (Steph.  Byz.  s.  v.),  eingerückt  sind,  und  die  θ€Τταλού 
Indess  haben  sich  die  Dative  auf  -Ol  —  gleichgiltig  ob  sie  durch 
Verkürzung  aus  -uii  entstanden  oder  ursprüngliche  Locative  sind 
—  nachweislich  von  Böotien  aus,  wo  wir  sie  zufrtthest  treffen« 
in  jüngerer  Zeit,  von  400  an,  sowohl  nach  Osten  (Euböa)  ale 
auch  nach  Westen  (Delphi)  ausgebreitet,  und  die  Münzen  mit 
Kiep-  gehören  schon  dem  Zeitraum  von  400  bis  344  v.  Chr.  an. 


^  Wie  Bchon  Ahrene  Dial.  1,  222  meinte.  Im  übrigen  ersoheizit 
mir  von  Schmidts  Theorie  sicher  nur  so  viel,  dass  die  Verkürzung 
von  -010  zu  -Ol  ihren  Ausgang  im  Artikel  genommen  hat.  Ob  sie  bei 
diesem  durch  die  Proklise  veranlasst  ist,  wie  Schmidt  glaubt,  oder  zu- 
erst in  der  Stellung  vor  vocalischem  Anlaut  eingetreten,  dann  verall- 
gemeinert ist,  wie  Fick  Odyssee  29  annimmt,  oder  ob  beide  Anlässe? 
zusammengewirkt  haben,  möchte  ich  bei  dieser  wie  bei  anderen  der 
von  Schmidt  in  der  letzten  Arbeit  seines  Lebens  behandelten  Formationeu 
dahingestellt  sein  lassen.  Mit  Recht  lehnt  Schmidt  jedenfalls  (S.  .'U, 
den  Gedanken  Kretscbmers  ab,  den  thessaliscben  Genetiv  auf  -oi  mit 
dem  messupischen  auf  -aihi  zu  combinieren  (Einleitung  275  ff.);  er  wini. 
von  anderen  Erwägungen  zu  schweigen,  schon  durch  die  geographische 
Yertbeilnng  von  -oi  und  -ui  in  Thessalien  widerlegt. 


hessaliotie  und  Pelasgiotis  609 

während  die  Urkunde  mit  Ktap-  erst  um  168  y.  Chr.  nieder- 
geeohrieben  ist.  Wir  müseen  daher  mit  der  Möglichkeit  rechnen, 
daes  beide  Eigenthümlichkeiten  erat  in  späteren  Jahrhunderten 
durch  Beeinflussung  vom  Süden  her  nach  Eierion  gMangt  sind, 
und  die  Frage,  wie  die  -oi  der  Sotairosbronze  zu  verstehen  seien, 
bleibt  nach  wie  vor  offen. 

Was  nach  diesen  Abzügen  nun  noch  von  unserem  Materiale 
übrig  ist,  das  muss  allerdings,  wie  ich  meine,  auf  Rechnung 
der  Stammesunterschiede  gesetzt  werden:  um  von  άν-  (Ν.  5)  ab- 
zusehen, der  Dativ  χρήμασιν,  der  Gen.  Part,  hυλöpέovτoς,  die 
Wiedergabe  des  Vaternamens  durch  den  Genetiv,  alle  drei  also 
Eigenheiten  der  Inschrift  von  Thetonion.  Für  die  zuletzt  ge- 
nannte hat  denn  auch  schon  Keil  aaO.  193  die  Nähe  des  dori- 
schen Sprachgebiets'  verantwortlich  gemacht,  ohne  dass  aus 
seinen  Worten  deutlich  hervorginge,  wie  er  sich  die  Sache  historisch 
genommen  des  genaueren  vorstellt,  ob  nachträgliche  Beeinflussung 
von  jenseit  der  Dialektgreoze  oder  Mischung  mit  'dorischen' 
Stammeselementen  am  Orte  selbst.  In  den  beiden  anderen  Formen 
aber  wollen  Meister  und  Danielsson  aaO.  die  älteste  Bildungs- 
weise  des  Thessalischen  als  solchen  erblicken,  und  auf  einem  ähn- 
lichen Standpunkt  steht  für  χρήμα(Τΐν  auch  Wackernagel  Idg. 
Forsch.  14,  375,  der  den  Gegensatz  zwischen  diesem  Dativ  und 
den  anderen  in  Thessalien  belegten  auf  -e(T(Tl  aus  dem  neutralen 
Geschlecht  des  ersteren  ableitet  ^     Allein  die   Uebereinstimmung 


Mm  Vorbeigehen  sei  eine  Bemerkung  zu  einem  anderen  Punkte 
angefügt,  den  Wackernagel  in  dem  schönen  oben  citierten  Aufsatz  be- 
rührt. S.  370  Anm.  1  wird  im  Anechlusse  an  Blase  gezeigt,  dass  von 
den  Doppelformen  ion.  ένθαΟτα  ένθεΟτεν  und  att.  ένταΟθα  έντεΟθεν  die 
ersteren  entwicklungsgeschichtlich  die  älteren  sind.  Damit  fällt  Licht 
auf  eine  Schreibung  am  Schlüsse  des  alten  Bündnissvertrages  zwischen 
Eleern  und  Ervaoern  Inschr.  v.  Olympia  9,  mit  der  man  bisher  nicht 
hat  fertig  werden  können :  έν  τέπιάροι .  .  τοί  ΎταΟτ*  έτραμ(μ)ένοι.  Man 
wird  sich  hier  zu  Blase*  Lesung  (Coll.-Becht.  1149)  το1(ν)  τούτε  (γε)- 
γραμ(μ)ένοι  nur  entschli essen,  wenn  keine  Möglichkeit  vorhanden  ist 
'νταΟτ'  als  ένταΟθα  zu  verstehen.  Diese  kann  ich  in  Meisters  Erklärung 
(Dial.  2,  54  f.),  θ  sei  explosiv  geblieben  und  τ  geschrieben  worden,  'wo 
es  durch  Umspringen  der  Aspiration  aus  τ  entstanden  ist,  ένταΟθα:  έν- 
ταύτα'  nicht  finden,  obwohl  ihr  Dittenberger  aaO.  beistimmt.  Wohl 
aber  gewinnen  wir  sie,  wenn  wir  annehmen,  auch  das  Eleische  habe 
die  alte  Form  ένθαΟτα  besessen  und  habe  dem  überall  sonst  spirantisch 
gewordenen  θ  seine  Geltung  als  Aspirata  wie  hinter  σ,  so  auch  hinter 
V  belassen    und  es    desshalb  in    diesen  beiden  Lagen  mit  τ  bezeichnet. 

Rhein.  Mae.  f.  PMlol.  N.  V.  LVIIL  39 


612  Solmien 

dann  in  den  jüngeren  Texten  aus  dem  Westen  die  gemeintheest- 
lieche  Bezeichnangeart  des  έπιπατρόφίον  anf  Kosten  der  alten 
Sonderweise  durchgedrungen  ist  (o.  S.  605),  wird  niemand  wnnd^ 
nehmen,  der  weiss,  wie  Sprache  leht.  Aber  auch  darüber  hinans 
finden  wir  in  jenen  Aeolisches,  dessen  Alter  in  diesen  Gegenden 
unbestimmt  bleiben  mnss:  in  Matropolis  Hoffm.  62,  20  Έροτο- 
κλ(ας  mit  dem  bezeichnenden  -po-S  in  Kierion  63  μειννός  mit 
w  und  ττόλλιος  προΕεννίαν  προίεννιουν  Δαμματρείου  mit  dem 
für  das  Aeolisohe  charakteristischen  Debergang  des  vocaliscben 
t  in  das  halbyocalische  ^  und  den  dadurch  veranlassten  Folge- 
erscheinungen (Prell witz  Dial.  thess.  12.  25.  Hoffmann  S.  453  f. 
W.  Schulze  6GA.  1897,  903),  dazu  in  der  gleichen  Urkunde  zwei- 
mal Μνασσβς,  in  Pharsalos  Άγασσας  Άσαδς  Άμεισσας  Νικασ- 
σας  ΤΤεισσας,  die,  wie  Fick  Bezz.  Beitr.  26,  121  f.  evident 
richtig  gesehen  hat,  kraft  desselben  Triebes  aus  Μνααίας  Άγα- 
αίας  'Ασίας  Άμειψίας  Νικασίας  ΤΤεισίας  entstanden  sind^ 

Auf  der  anderen  Seite  hat  bereits  W.  Schulze  in  seiner  in- 
haltreichen  Anzeige  des  zweiten  Bandes  der  Hoffmannscben  Dialekte 
G6A.  1897,  870  ff.  zwei  Erscheinungen  ins  Licht  geruckt,  die 
nicht  äolischen;  sondern 'westgriechischen  Ursprunges  sind,  nichts 
desto  weniger  aber  durch  ganz  Thessalien,  den  Osten  so  gut 
wie  den  Westen,  hindurchgehen.  Einmal  (S.  900  ff.)  das  TT  in 
dem  Fthnikon  Φαΰττιος  und  den  Personennamen  Κόττυφος  in 
Pharsalos  und  Larisa^  und  Μόλοτος  in  Larisa  (neben  Μολό<Τ<7€ΐος 


Op.  57  f.  ώι  KCv  δπαντ€ς  τέρπωνται  κατά  θυμόν  ^όν  κακόν  άμςκίΓανών- 
τες,  den  Apollonios  π.  dvr.  143  6  tadelt  (vgl.  Brugmann  Gr.  Gr.'  422), 
auf  FntlehnuDg  aus  der  Umgangssprache  seiner  Heimathlandschaft  so 
weisen.  Eine  erneute  Aufarbeitung  der  Hesiodischen  Sprache  unter  Be- 
nutzung der  uns  jetzt  zu  Gebote  stehenden  Mittel  aus  den  Dialekten 
würde,  wie  ich  nicht  zweifle,  höchst  iuteressante  Ergebnisse  auch  für 
die  ältere  Dialekt-  und  Stammesgeschichte  Mittelgriechenlands  zeitigen. 

^  Oder  ist  dies  erst  secundär  durch  Assimilation  an  das  folgende 
ο  aus  •ρα-  erwachsen? 

^  Wenn  es  noch  einer  Bestätigung  für  diese  Ansicht  bedorA 
hätte,  so  ist  sie  inzwischen  durch  das  τυμνασσαρχ€{σαντα  eines  Steine« 
aus  Larisa  Έφ.  άρχ.  1900,  59  Ν.  17  anstatt  des  üblichen  γυμνασιαρχ• 
geliefert  worden.  Die  Anschauungen,  die  Fick  gleichzeitig  über  die 
Acoentverhältnisse   vorträgt,    halte    ich    übrigens  für    nicht  zutreffend. 

^  Zu  den  beiden  von  Schulze  namhaft  gemachten  Trägem  des 
Namens  ist  seither  itoch  ein  θβοσαλός  ohne  nähere  Ortsangabe  hinzu- 
gekommen, der  im  Jahre  343  v.  Chr.  in  Delphi  Hieromnaroon  war: 
ColL-Becht.  2504  linke  Col.  Z.  22.    Bull.  oorr.  hell.  22,  304,  Z.  24.  25, 


Theesaliotis  and  Pelasgiotis  613 

in  Pberae),  vielleioht  aucli  in  den  freilich  nicht  einwandfrei  als 
thesealieoh  bezeugten  πίττα  θάλαττα,  und  dae  aus  TT  durch  Um- 
springen des  Hauches  hervorgegangene  τθ  in  dem  Stammnamen 
der  ΤΤετθαλοί  selbst;  diese  Lautgebung  steht  im  Widerspruch 
mit  den  Gewohnheiten  des  Asiatisch- Α eolischen,  sie  findet  aber 
ihre  Parallelen  erstens  in  Böotien,  von  wo  sie  nach  Attika  und 
£nböa  weitergedrungen  ist,  zweitens  in  Aetolien.  Sodann  (S.  893) 
die  in  allen  Theilen  der  Landschaft,  auch  der  Phthiotis,  häufigen 
Namen  auf  -κλέας;  auch  sie  fehlen  an  der  kleinasiatischen  Küste, 
wenn  ich  nichts  übersehe,  völlig  und  begegnen  ausserhalb  Thessa- 
liens, wie  die  Sammlungen  bei  Ahrens  Dial.  2,  560  ff.  Bechtel-Fiok 
Personenn.^  169.  Usener  Sintfiuthsagen  51  f.  ergeben,  im  wesent- 
lichen nur  in  Böotien,  Phokis,  Doris,  Aetolien^. 

Weiteres  lässt  sich  hinzufügen.  Nur  mit  Vorbehalt  die 
Aoristformation  der  Verba  auf  -Ζω  mit  -£•,  die  uns  durch  ψαφί- 
ίαμένας  Ζ.  9.  39.  ψαφ(εασθ6ΐν  Ζ.  14  der  grossen  Inschrift  von 
Larisa  Hoffm.  16  bekannt  geworden  und  neuerdings  durch  έργά- 
{ατο  zweier  archaischer  Texte  ebendaher  Kern  XY.  XYIII  b  auch 
für  ältere  Zeit  gesichert  ist.  Auch  hier  zeigt  die  asiatische  Aeolis 
einen  anderen  Typus,  nämlich  durchgehendes  -(T(T-  (οικά(Τ(Τα(Τθαι 
χαρί(Τ(Τονται  usw.  Hoffmann  S.  471  f.),  hingegen  stimmen  zum 
Thessalisohen  die  sämmtlichen  dorischen  Mundarten.  Indees  ist 
Vorsicht  im  ürtheil  von  Nöthen•  Auch  das  Arkadische  nämlich 
und  vielleicht  auch  das  Kyprisohe  kennen  den  Guttural-Aorist 
(ark.  παρ€τά£ωνσι  ιταρέταΕαμενος,  kypr.  έεορύΕη?  Hoffmann  l, 
265)  und  lehren  damit,  dass  die  Bildungsweise  wahrscheinlich 
nicht  ein  speoifisoher  Alleinbesitz  des  'Westgriechisohen  war. 
Zudem  finden  wir  in  der  homerischen  Sprache  den  Kampf 
zwischen  den  Gutturalstämmen  mit  -£-  und  den  Dentalst&mmen 
mit  '(S(7'9  dessen  verschiedener  Ausgang  bekanntlich  in  einem 
Tbeile  der  griechischen  Mundarten  zum  Siege  des  -£-,  in  einem 
anderen  zum  Durchdringen  des  -(T(T-  geführt  hat,  noch  nicht  zum 


112  f.  Z.  49.  26,  6  f.  N.  I  16.  41.    Ebenda  haben  wir  auch  die  Bekannt- 
schaft eines  Κόττυφος  ans  Lamia   gemacht  Bull.  corr.  hell.  26,  6  I  4 
er  reiht  sich  den  von  Schulze  S.  901  gegebenen  Belegen  für  rr  in  der 
Phthiotie  an. 

1  -κλέας  ist  zu  Stande  gekommen,  indem  die  Kurzform  auf 
-κλος  um  -έας  erweitert  wurde  (Beohtel-Fick^  29).  Die  Zwillingsform 
dieses  Suffixes,  -(ας,  ist  in  der  gleichen  Function  verwendet  in  einem 
Namentypas,  der  in  Megara  auftritt:  Εύκλίας  GIGSept.  I  4,  14.  5,  14. 
6,  14.  150,  wonach  Dittenberger  ib.  27,  26  Σωκλ[{]ας  ergänzt  hat. 


614  Solmsen 

Absoblnee  gelangt.  Ee  iet  daher  zum  wenigsten  denkbar,  daie  zur 
Zeit  als  die  kleinaeiatiscben  Aeoler  eich  von  dem  im  Matterlande 
verbleibenden  Grundstock  ablöeten,  beide  Bildangstypen  noch, 
etwa  in  der  nach  den  zu  Grunde  liegenden  Stämmen  berechtigten  Ab- 
grenzung, neben  einander  standen  und  die  Auegleichnng  zu  Gunelen 
je  eines  von  beiden  erst  in  der  Sonderexistenz  der  beiden  Mund- 
arten, und  zwar  nach  verschiedener  Richtung,  vorgenommen 
wurde.  Das  Böotische  nimmt  eine  Mittelstellung  ein:  es  über- 
wiegt die  Klasse  mit  •ττ•  =  as.-äol.  -(Τσ-:  κομιττάμενοι  κατα- 
1)ουλίττασθη  κατασκευάττη  ua.  bei  Meister  Dial.  1,  264,  aber 
es  finden  sich  daneben  auch  Beispiele  für  -E-:  \ap€io£a(Ta  CTG 
Sept.  Ϊ  1816  (Leuktra).  2876,  3  (Koronea). 

Mit  etwas  grösserer  Bestimmtheit  möchte  ich  als  'weet- 
griechisch*  das  Zahlsubstantiv  Ικάς  in  dem  grossen  Decret  von 
Larisa  Hoffm.  16,  10  in  Anspruch  nehmen,  üeberblickt  man  die 
in  meinen  Unters,  z.  gr.  Laut-  u.  Versl.  252  f.  sowie  S.  V  f.  zu- 
sammengestellten Belege  für  die  Formen  des  Zahlworts  'zwanzig 
nebst  Zubehör  in  den  verschiedenen  Gegenden  Griechenlande  ^ 
so  fühlt  man  sich  zu  dem  Schlüsse  gedrängt,  daes  sie  ursprünglicli 
einmal  so  vertheilt  waren:  die  mit  Prothese,  mit  ο  und  mit  0, 
έ(Γ)ίκθ(Τΐ  und  daraus  contrahiert  €ΪΚ0(Τΐ,  bei  den  alten  Stämmen, 
die  in  der  mykenischen'  Epoche  im  eigentlichen  Griechenland, 
dh.  im  Peloponnes,  in  Mittelgriechenland  (oder  zum  mindesten 
der  östlichen  Hälfte  dieses  Abschnittes)  und  in  Nordgriechenland 
östlich  vom  Pindos  passen,  daher  in  geschichtlicher  Zeit  bei 
loniem,  Attikern,  asiatischen  Aeolern,  Arkadern  (über  Kypros  sind 
wir  nicht  unterrichtet);  die  ohne  Prothese,  mit  α  und  mit  τ,  Ρίκατι, 
bei  den  Gebirgsvölkern,  die  erst  durch  die  grossen  Wanderungea 
ins  eigentliche  Griechenland  getragen  wurden,  daher  bei  des 
Dorern  sämmtlich  mit  Einschlnss  der  Pamphylier,  den  Eleem, 
Böotern.  Dem  fügen  sich  auch  die  Belege  für  daa  Ordinale,  so- 
weit wir  solche  besitzen:  ion.  att.  εΙκο(Ττός,  as.-äol.  €Ϊκοιστος 
IGIns.  Π  6,  39.  82,  15.  17.  20.  212,    aber  böot.  Ρικαστός  CIG 


^  Ich  trage  aus  neueren  Funden  nach:  ΐκατι  Delphi  Ball.  coir. 
hell.  22,  304  Z.  52.  321  Z.  51.  26,  6  f.  N.  I  9.  10.  41  I  Π.  12.  62  I  24. 
II  8.  16.  Ίκάδιος  Μόλλιος  *Αλ€Εανδρ€ύς  Olue  (Kreta)  Bull.  corr.  hell 
24,  225  N.  1,  (iO.  ΊκαΜαιν  Άρχικώμιυ  Όλόντιος  Dittenb.  Syll.a  δ14,  4'Λ 
aus  älteren,  die  mir  entgangen  waren:  ΡικαΜων  Kreta  CIGr.  2598,  2. 
ΊκαΜων  Epidauroe  CIGPelop.  I  1484,  80. 

«  Diese  Form,  die  für  6,  39  =  Coll.-Becht.  214.  HoflFm.  83  auf 
Grund  der  Lesungen  Kieperts,  Lollings,  Newtons  längst  hätte  Anerken- 


Tlieeealiotie  und  Pelasgiotis  615 

Sept.  I  3172,  109.  Hingegen  die  für  das  Zahlenbstantiv  scheinen 
nicht  ganz  zu  stimmen:  zwar  heisst  es  im  Ionisch- Attischen  εΐκάς 
nebst  ΕΙκάοιος  CIA.  Π  983  II 132.  CIGr.  3089,  5  (Teos),  in  allen 
dorischen  Mundarten  \κάς  nebst  Ίκάοιος  ΊκαΟ€ύς  ΊκαΜων,  im 
Böotischen  FtKabiUJV  CIGSept.  I  3180,  50  (Orchomenos),  wonach 
auch  625  (Tanagra)  EIKADION  mit  Meister  und  Caner  als  Γικα- 
ötuiv  zu  verstehen  ist,  aber  die  Gleichmässigkeit  wird  gestört 
durch  den  Τρίτιος  FiKabiiu  auf  einer  Liste  aus  dem  arkadischen 
Mantinea  Coll.-Becht.  1203,  8.  Man  wird  sich  aber  diesem  Zeug- 
nisse gegenüber  skeptisch  gestimmt  fühlen,  wenn  man  hört,  dass 
der  Stein  derselbe  ist,  der  in  den  Schreibungen  des  Steinmetzen 
oder  den  Lesungen  Foucarts  auch  sonst  notorische  Fehler  auf- 
weist, anderer  verdächtig  ist  (darunter  gerade  in  Sachen  des 
Digammas  die  epigraphische  Singularität  ΓκΤτίαυ  Unters,  z.  gr. 
Laut-  und  Yersl.  214);  danach  wird  die  Frage  nicht  überkühn 
erscheinen,  ob  auf  ihm  in  Wahrheit  nicht  ElKabiuj  zu  lesen  ist. 
Im  Hinblick  auf  diesen  Sachverhalt  bin  ich  geneigt  das  thess. 
Ικάς  aus  der  Sprache  der  Eroberer  herzuleiten,  aber  ich  gebe 
bereitwillig  zu,  dass  die  endgiltige  Entscheidung  erst  fallen  kann, 
wenn  der  thessalischen  Erde  ein  Beleg  für  das  Cardinalzahlwort 
selbst  entstiegen  sein  wird '. 

Weitaus  das  wichtigste  und  interessanteste  sind  indese  die 
Sprachformen,  die  mit  der  Assibilation  des  τ  vor  hellen  Yocalen 
zu  (T  in  Zusammenhang  stehen.  Mit  vollem  Recht  erklärt  Ed. 
Meyer  Gesch  des  Altert.  2  §  49  Anm.  diese  Erscheinung  für 
eines  der  wesentlichsten  Unterscheidungsmerkmale  innerhalb  der 
griechischen  Dialekte.  Wir  können  nach  dem  heutigen  Stande 
unserer  Kenntnisse  von  ihr  dasselbe  sagen,  was  wir  soeben  von 
έΡίκοσΐ— Ρίκατι  gesagt  haben:  diejenigen  Griechen,  die  in  der 
'  mykenischen'  Epoche,  die  man  besser  die  'achäisohe'  nennen 
würde,  das  eigentliche  Griechenland  bewohnten,  haben  sie  in  be- 

nuDg  finden  sollen,  bildet  einen  neuen,  grade  für  das  kleinasiatische 
Aeolisch  sehr  werthvollen  Beleg  für  die  Entwicklung  von  ι  aus  σ  vor 
Consonant;  man  halte  dazu  das  neugefnndene  böotieche  αΤστ€α  =  δστεα 
und  sehe  die  Bemerkung  von  Danielsson  Idg.  Forsch.  14,  378  f.  Anm.  2 
ein.  Zu  einer  Aenderung  der  bei  Brugmann  Gr.  Gr.**  74  f.  codificierten 
Lehre  von  den  lautgesetzlichen  Schicksalen  von  ν  vor  σ  +  Consonant 
giebt  die  neue  Form,  wie  mir  scheint,  keinen  Anläse. 

^  Jedenfalls  ist  der  von  Prellwitz  Dial.  thess.  12  und  Hoffmann  2, 
387  vorgetragenen,  schon  an  sich  wenig  wahrscheinlichen  Theorie  von 
Ικάς  mit  t  als  Ablautsform  zu  cTkooi  mit  €i  durch  das  theräische  hlKabi 
mit  \  im  Senar  (Hermes  36,  184  ff.)  der  Boden  völlig  entzogen. 


616  Solmeen 

etimmtem  ziemlich  weit  reichendem  Masstabe  beeeeeen»  diejenii^eD, 
die  damals  noch  in  den  Bergen  des  Nordweetene  haoeten,  haben 
eie  zwar   auch  gekannt,    aber  in  viel    geringerem   Umfange.     Im 
einzelnen  ist  es  schwer  diesen  Umfang  ganz  genaa  abzugrenzen, 
ebenso    wie    die    lautgesetzlichen  Bedingungen,    unter    denen  die 
Assibilation    auf   beiden    grossen  Dialektgebieten     theile    eintrat 
theile    unterblieb, ,  meines  Erachtens  bis    beute  trotz    der  darauf 
gerichteten  Bemühungen   von  Kretschmer  (KZ.   30,   565  ff.)  einer- 
seits,   von   Goidanich    (I   continnatori   ellenici    di    ti   indoeuropeo 
Salerno  1893  ^)  und  Brngmann  (Idg.  Forsch.  Anz.   5«  50  f.  Ber.  d. 
Sachs.  Ges.  d.  Wies.  1895  S.  46  ff.  Gr.  Gr."  ^^)  andererseite  nicht 
mit  hinreichender  Klarheit  und  Schärfe  haben  feet^eatellt  werden 
können.     Jedenfalls    aber  tritt    der  Gegensatz    grade  bei  einigen 
wichtigen  Kategorien,  die  daher  in  unseren  in  schriftlichen  Quellen 
glücklicherweise  reichlich  belegt  sind,  vor  allem  bei  den  3.  Pen. 
Sg.  und  Plur.    auf  urgr.  -τι  und  -ντι    und    bei    den  Zahlwörtern 
für   zwanzig'  und  die  Hunderter  von  200  an,  deutlich  genug  her- 
vor,   dass  wir  jeder  der  in  historischer  Zeit  zu  unterecheidenden 
Mundarten    ihren  Platz   anweisen   können  :     -Cit  haben   die  lonier 
und  Attiker,    die  Arkader    und  Kyprier,    die    asiatischen  Aeoler, 
-Ti  die  gesammten  Dorer  einschliesslich  der  Pamphylier,  die  Eleer, 
die  Böoter.     Das  Thessalische  nun    stellt  sich  im  Gegensatz    zur 
kleinasiatischen    'Schweeter'mnndart    zu     der    letzteren    Gruppe: 
κατοικείουνθι  3.  Plur.  Coni.  lesen  wir  Hoffm.  17,3  (Larisa)  nach 
der  Deutung   W.  Schulzes  (o.  S.  603 )«    und    zwei  Thessaler  sind 
uns  bekannt  Namens  Μυρτίλος,  einer  wahrscheinlich  aus  Gyrton 
durch  die  delphische  Inschrift  Coll.-Becht.  2580,   123,  der  andere 
nicht  genauer  zu  localisierende  als  Mitunterredner  in  des  Athenaios 
Deipnosophisten  XIII  568  D.  XV  677  A,  also  in  der  Form,    die 
den  dorischen  Mundarten  geläufig  war,  während  die  kleinasiatische 
Aeolis  dafür  Μύρσιλος  brauchte  (Belege  bei  W.  Schulze  GGA. 
1897,  892)^.    Man  wird  von  vornherein  nicht  zweifeln,  dass  beide 


^  Mir  nur  durch  die  Referate  Bru<7mann8  aaO.  bekannt. 

*  Ob  der  Μύντιλος  Ath.  Mitth.  11,  49,  den  Schulze  ebenda  .\nin.  4 
einen  Thessaler  nennt,  wirklich  ein  solcher  war,  ist  durchaus  fraglich: 
denn  die  Grabinschriften  aus  Pagasae,  unter  denen  sein  Name  be- 
gegnet, gelten  Leuten  aus  allen  Theilen  der  griechischen  Welt.  —  Den 
Gegensatz  zwischen  thess.  πότ  aus  ποτί  und  a8.-äol.  ιτρός  πρ^ς  (Ho6F- 
mann  S.  592)  lasse  ich  hier  unbesprochen ;  es  ist  wohl  möglich,  dass 
auch  er  mit  Stammeeunterschieden  zusammenhängt  (vgl.  die  letzte  Er- 
örterung des  Ursprungs  von   πός  προς  durch  J.  Schmidt  KZ.  38, 5  f.), 


Tbesealiotis  und  Pelaegiotis  617 

Formen  Veetgriecbisches*  Spracbgui  darstellen,  nnd  die  verbale 
trägt  den  Stempel  dieaer  Herkunft  obnebin  dentliub  genug  zur 
Schau  in  ibrem  -νθ-,  das  ebenso  wie  das  -νθ-  in  έγίνονθο  und 
έφάντρ€νθ€ΐν  der  grossen  Inschrift  von  Larisa  (HofFm.  16,  12.  41) 
seinesgleichen  nur  noch  in  Böotien  nnd  Phokis  findet.  Zum  üeber- 
flnss  glaube  iob  wenigstens  im  Beispiel  für  die  nach  den  Ge- 
pflogenbeiten  der  asiatischen  Aeolis  einst  auch  fUr  das  Matter- 
land vorauszusetzende  Assibilation  aufzeigen  zu  können,  nämlich 
in  dem  Eigennamen  Κυρ(Τίλος  Κ  Dieser  war  seit  langem  durcb 
Strabon  XI  530  bekannt  für  einen  Geschichtsschreiber  aus  Phar- 
ealos,  der  im  Gefolge  Alexanders  des  Grossen  dessen  Feldzüge 
mitmachte,  und  wir  haben  neuerdings  durch  einen  der  in  Delphi 
gefundenen  Texte  (Bull.  corr.  hell.  24,  474  Col.  Π  Α  14)  ein 
gleichnamiges  Individuum  aus  Pberae  kennen  gelernt.  Sonst  ist 
der  Name,  soviel  iob  gefunden  habe,  noch  aus  Attika  und  Naxos 
bezeugt;  dort  biess  so  naob  Dem.  18,  204  ein  Mann,  der  zur 
Zeit  des  Xerxeszugea  im  Gegensatz  zu  Themistokles  der  Unter- 
werfung unter  den  Grosskönig  das  Wort  redete,  hier  steht  er  auf 
einer  in  Sjros  geschriebenen,  von  Böckh  in  die  Zeit  etwa  des 
Pompejus  gesetzten  Inschrift  CIGr.  2347  ο  1.  67.  Ich  deute  ihn 
aus  *Κυρτίλος  und  leite  ibn  von  κυρτός  *krumm,  bucklig'  ab,  in- 
dem ich  hinsichtlich  des  Sachlichen  und  wegen  allfälliger  weiterer 
Bildungen  von  diesem  Adjectiv  auf  Bechtel  Personenn.  aus  Spitz- 
namen 31  verweise^.  Lautlich  verhält  sioh  Κυρ(Τίλος  zu  κυρτός 
wie  Μυρ(Τίλος  zu  μύρτος  μύρτον,  und  das  Suffix  ist  das  gleiche 
wie  in  Σοφίλος  CIA.  II  2674  neben  σοφός,  ΓοργΙλος  CIA.  II 
459  a  2.  Coll.-Becht.  356  (Larisa)  neben  γοργός  ua.  Im  Atti- 
scben  erwarten  wir  '^Κυρρίλος,  wie  es  hier  μυρρίνη  sammt  Μυρρι- 
νοΰς  und  ΜυρρινοΟττα  aus  μυρσίνη  und  weiter  μυρτίνη  lautet. 
In  der  That  erscheint  CIA.  II  2273  ein  Κυρρίας  Λαμτητρεύς,  der 
also  wohl  auf  •Κυρ<Τίας  *Κυρτίας  zurückgehen  wird.  Wenn 
Demosthenes,  aus  dem  alle  späteren  die  Geschichte  und  den 
Namen  baben  —  Herodot  erwähnt  nichts  von  beiden  — ,  Κυρ<Τί• 


doch  würde  ein  näheres  Eingehen  auf  dieses  von  besonderen  Schwierig- 
keiten umlagerte  Problem  zu  weit  abführen. 

^  χρ€ΐσ(μουν  Larisa  Hoffm.  16,  16  und  Namen  mit  -ax-  am  Schlüsse 
des  ersten  Gliedes  wie  Μνασ{&αμος  Pharsalos  Hoffm.  6f>,  97  dürfen  hier 
nicht  herangezogen  werden,  da  in  derartigen  Formationen  auch  das 
'Westgriechische*  an  der  Assibilation  theilnimmt. 

3  Was  hat  man  von  dem  Κυρτόσανορος  Κύλω  aus  Eleutbema 
(Gortyn  Amer.  Joum.  of  Arch.  II  Ser.  l  (1897),  186  N.  16 E)  zu  halten? 


618  Solmsen 

« 

λος  sagt,  80  iet  das  ein  Beweis,  das»  er  ans  einer  Quelle  mit 
ioniecber  Lautgebung  schöpft,  und  das  kann  für  ein  Ereignisse 
des  Jahres  480  v.  Chr.  nicht  befremden.  In  einem  in  Delphi 
zu  Tage  getretenen  Schiedsspruch  über  Streitigkeiten  wegen 
Ländereien  zwischen  Melitaia  und  Chala  (?)  einer-,  Penmatos 
andererseits,  also  zwischen  Städten  in  der  Phthiotis,  wird  eine 
Oertlichkeit  έπι  τον  Κυρσιλίδο  τόπον  und  άπό  του  Κυρσιλί^α 
genannt  (Bull.  corr.  hell.  25,  337  Ν.  1  Ζ.  11).  Also  würde,  die 
Richtigkeit  unserer  Namenerklärung  vorausgesetzt,  auch  in  jener 
Gegend  einmal  die  ^äolische  Assibilation  des  τ  vor  ι  üblich  ge- 
wesen sein;  das  stellt  aicW  zu  den  äolischen  π  vor  €,  die  ebeo- 
dort  in  ΤΤευμστός  =  Τευμησσός  (Fick  zu  Coll.-Becht.  380,  5 
S.  389.  W.Schulze  GGA.  1897,  910)  und  in  Πέλωρ  Πελωρεύς, 
wie  ein  dort  beheimatheter  Gigant  heisst  (KZ.  34,  538),  nach- 
gewiesen sind,  zu  dem  Έπίαλος  aus  Thanmakoi  Coll.-Becht 
1457,  8.  16,  in  dem  Schulze  aaO.  876  einen  Namensvetter  des 
έττίαλος  »=  εφιάλτης  bei  Alkaios  entdeckt  hat,  und  zu  den  Bei- 
spielen für  das  patrony mische  Adjectiv  auf  -€ΐος  auf  phtbiotischen 
Steinen,  die  Cauer  Grdfr.  der  Homerkritik  S.  150  namhaft  macht. 
Wie  vor  i,  ist  τ  auch  vor  6  in  den  nicht  zu  den  *west- 
griechischen'  zählenden  Mundarten  in  gewissem  Umfange  zu  (T 
geworden^.  Das  zeigen  hom.  ion.  πε(Τέομαι  att.  π€(Τουμαι  ans 
♦πετεομαι  (Wackernagel  KZ.  30,  315),  hom.  ion.  att,  ίττεσες 
ίπ€σ€  aus  dor.  ίπβτες  ίπετε  (Brugmann  Ber.  sächs.  Ges.  d.  Wiss. 
1895,  49  f.  Aom.  2),  denen  ίπεσον  aus  ίπετον  gefolgt  ist*,  viel- 
leicht die  Hesycbglosse  κυρ(Τ€ρ(0€ς'  τά  τών  μελισσαιν  αγγεία. 
κυψελΛες,  wenn  das  Wort  ans  *κυρτερίΙ>ες  entstanden  und  mit 
der  Sippe  von  κύρτος  'alles  aus  Binsen  geflochtene,  zB.  Binsen- 
korb*  (vgl.  insbesondere  κύρτος  'Vogelkäfig'  Anth.  9,  562,  1  und 
κυρτίς*  όρνιθοτροφεΐον  Hes.)  zusammenzubringen  ist^  und  vor 
allem  der  Name  des  Poseidon.  Der  ist  ein  rechtes  Schibboleth 
für  die  griechischen  Mundarten.     So   wirr  und  regellos  nämlich 


*  Desgleichen  vor  υ:  Brugmann  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss. 
1901,  89  ff. 

2  Die  (aeiatischen)  Aeoler  sagten  nach  Anecd.  Ox.  I  179,  3  ίιτ€τον. 
und  dus  ist  Ale.  60  B.*  bezeugt.  Sie  haben  also  das  lautgesetzliche 
hier  bewahrt  und  vermnthlich  die  2.  3.  Sg.  sich  nach  der  1.  nsw. 
richten  lassen.  Doch  ist  Sa.  42  (bei  Maxim  Tyr.  24,  9)  4μιτ€σών  über- 
liefert; Fick  und  Hoffmann  schreiben  dafür  ^μττ^των. 

^  M.  Schmidts  Anknüpfungsvorschläge  für  die  Glosse  sind  nicht 
durchführbar. 


Thesnaliotis  und  Pelasgiotie  619 

der  bei  ihm  herrechende  Wechsel  zwischen  τ  und  (T  zunächst 
erscheint,  so  schälen  sich  bei  genauerem  Zusehen  doch  zwei  feste 
Punkte  deutlich  heraus,  die  dem  ürtheil  eine  Handhabe  gewähren: 
bei  allen  echten,  von  der  StammesmiHchung  verschont  gebliebenen 
Niichkommen  der  Vordorischen*  Griechen  tritt  nur  <T  auf,  und  τ 
treffen  wir  ausschliesslioh  in  Gegenden,  deren  Bevölkerung  ent- 
weder rein  'westgriechiscV  war  oder  ein  'westgriechisches*  Fer- 
ment enthielt  (s.  die  Sammlungen  der  Belege  namentlich  bei  Prell- 
witz Bezz.  Beitr.  9,  328  f.  Ktihner-Blass  I»  425.  Preller-ßobert 
I*  567):  ΤΤοσεώίων  nebst  ΤΤοσώηιών  ΤΤοσι6€(ι)ών  ΤΤοσίδηιον 
ΤΤοσί5€ΐος  sagten  die  lonier,  Ποσειδών  nebst  ΤΤοσώηιών  ΤΤοσι- 
6€ών  ΤΤοσίδηιος  ΤΤοσίδβίος  die  Attiker,  ΤΤοσεώάων  später  ΤΤο- 
(T€tbav  die  asiatischen  Aeoler  (ersteres  bei  Homer,  letzteres  bei 
Alkaios)^,  ΤΤοσοώάν  nebst  ΤΤοσοίοαιος,  worin  das  oi  für  ei 
offenbar  nach  Vollzug  der  Assibilation  durch  Angleichung  an  das 
ο  der  vorhergehenden  Silbe  eingetreten  ist,  ähnlich  wie  das  ο  in 
'Απόλλων  statt  ursprünglichem  ΆττΑλων  durch  Assimilation  an 
das  ο  der  folgenden  zu  Stande  gekommen  ist  (J.  Schmidt  KZ. 
32,  327  ff.),  die  Arkader,  daneben,  wenn  man  der  jungen  Inschrift 
von  Mantinea  Dittenb.  Syll.'  840,  1  (100  v.  Chr.)  noch  trauen 
darf,  auch  ΤΤοσιοάν;  andererseits  TToreibaFtüV  TToxeibav  TToTibav 
nebst  TToreibaia  die  Korinther,  TToxibav  und  ΤΤοτΐοάς  die  Syra- 
k nsaner  (ersteres  £picharm  54,  letzteres  derselbe  81  und  So- 
phron  131;  die  Ueberlieferung  lässt  zweifelhaft  erscheinen,  ob 
die  Formen  nicht  daneben  auch  mit  ei  gebraucht  wurden,  vgl. 
Kaibels  Bemerkungen  zu  diesen  Fragmenten  und  Epich.  115), 
TToTClbauJV  die  Kreter  von  Lebena  (Mus.  ital.  di  ant.  cl.  III  727 
N.  178,  7),  noT€ibav  die  von  Vaxos  (Mon.  ant.  III  188,  1),  TTo- 
T€ibav  nebst  TToribaiov  die  Rhodier  und  Karpathier  (s.  IGTns.  I 
Index  235),  die  Bewohner  von  Telos  (IGIns.  III  37),  die  Delphier 
(Labyadeninschr.  GoU.-Becht.  2561  Β  13.  Bull.  corr.  hell.  26, 65  III  a 
12)  und  anderen  Phoker  (CIGSept.  III  1,  119,  10),  endlich  TToxei- 
batüv  die  Böoter  (Korinna  1  und  CIGSept.  I  2465)  nebst  ΤΤοτι- 
δάιχος  ΤΤοτιδας,  deren  ι  durch  das  Zeugniss  der  Texte  CIGSept. 
I  27.  308  als  nicht  aus  €i  entstanden,  also  als  kurz  erwiesen  wird'. 


^  Die  von  den  Grammatikern  den  ΑΙολ€Ϊς  zugeschriebene  Form 
ΤΤοτώαν  bezieht  Meister  Dial.  1 ,  124  wohl,  wenn  überhaupt  etwas  hinter 
ihr  steckt,  mit  Recht  auf  die  Böoter.  In  der  Inschrift  aus  Chios  Bull, 
corr.  hell.  3,  323  N.  9  ist  Haussoulliers  Ergänzung  des  Anfangs  zu 
TToTT€t[6övt]  unzulässig. 

2  ΤΤοτοιΜιχος,  wie  Meister  CoU.-Becht.  474,  12  lesen  wollte,  hat 


620  SolmBen 

Daneben  begegnen  allerdinge  Formen  mit  α  ancb  in  dorieohen  Lan* 
den:  TToboibav  aus  ΤΤοσοιοάν  bieee  der  Gott  bei  den  Lakoniem, 
ΤΤοσειοάν  auf  dem  letbmae  (CIGPel.  1  201,  4),  in  Mjkenae  (ebend. 
499),  in  Ealaurea  (840  ff.)  und  Epidauroe  (1316  f.),  in  Melo« 
(IGIns.  III  1096  4.  Jb.),  bei  den  Kretern  von  Lato  (CIGr.  2554, 
179  ΤΤθ(Τ€ΐοδς?),  den  Rbodiern  nnd  Karpatbiern  (IGIne.  I  Index 
235).  Soweit  wir  es  in  ibnen  nicbt  mit  Einflüeeen  der  Gemeineprache 
zu  tbun  baben,  wird  der  Weg  zn  ibrem  Verständnies  einmal 
dnrcb  die  lakoniecbe  Gestalt  des  Namens  gewiesen:  so  gut  wir 
in  dieser  nacb  bente  wobl  allgemeinem  Einrerständniss  ein  üeber- 
bleibsel  ans  der  Spracbe  der  yordoriscben  Bevölkerung  des  Pe- 
loponnes  vor  nns  baben,  so  gut  werden  wir  das  gleicbe  f&r  den 
TToaeibav  etwa  von  Melos  und  Lato  annebmen  müssen;  denn 
aueb  in  der  Spracbe  der  doriseben  Inseln  des  ägäiscben  Moeree 
tritt  allmäblicb,  je  mebr  die  Funde  wacbsen,  der  nicbtdorieche 
Untergrund  beller  bervor,  der  in  ibr  von  der  den  Dorem  voran* 
gegangenen  'acbäiscben'  Bevölkerung  binterblieben  ist^  An  der 
Ostkttste  des  Peloponnes  sodann  vom  Istbmus  bis  Hermione  wird 
das  ioniscbe  (T  im  Namen  des  Gottes  niemand  iiberraseben,  der 
sieb  der  Angaben  der  Alten  über  einstmaliges  autocbtbones  lonier• 
tbüm  in  diesen  Gegenden  und  der  Beziebnngen  der  letzteren  zu 
Attika,  die  in  religiöser  Hinsiebt  grade  an  den  Cnlt  des  Meer- 
gottes anknüpfen,  erinnert  (vgl.  Ed.  Meyer  Gescb.  d.  Alt.  2  §  128. 
V.  Wilamowitz  Gott  Nacbr.  1896,  158  ff.).  Somit  bestand  im 
zweiten  Jabrtausend  v.  Cbr.  auch  bei  TToT€tb-  TToTtb-  nnd  TTo- 
a£tb-  TTo(Tib-  eine  reinlicbe  Scbeidung  zwischen  den  Griecben  in 
den  Bergen  des  Nordwestens  und  denen  in  den  Bezirken  der 
'mykenischen'    Cultnr '. 

sieb    bei   der  Revision  des  Steines   durch  Lolling  CIGSept  I  3191   als 
nicht  stichhaltig  herausgestellt. 

^  Ich  erionere,  um  nur  eines  zu  nennen,  an  das  Partie.  TcAceipo- 
ρ^ντ€ς  in  Kyrene  Coll.-Becbt.  4837.  Mit  Recht  behauptet  Blase  in  der 
Einleitung  S.  195  von  ibm,  es  lasse  sich  nur  an  Arkadien  anknüpfen, 
aber  die  Gründe,  weshalb  wir  dieses  und  anderes  'Arkadische*  in  der 
Pflanzstadt  von  Thera  finden,  lassen  sich  docb  wohl  noch  andei*«  denken 
als  Blass  ausfuhrt.  Neuerdings  sind  durch  die  von  Frankel  Stzber.  d. 
Berl.  Akad.  1903,  83  f.  aus  einem  Fourmont'schen  Manuscript  ans 
Licht  gezogene  Inschrift  sogar  so  ausgesprochene  Aeolismen  wie  dW|- 
κοισαν  προτ€τονο(σαις  für  Kyrene  belegt. 

*  Brugmanns  Urtheil  über  TToT(e)ih-  TToa(c)t6-  Ber.  d.  sachs.  Ges. 
d.  Wiss.  1895,  47  Anro.  2  kann  ich  mir  nicht  aneignen,  da  ich  die 
Grundlage,  iiuf  der  es  ruht,    nicbt  anzuerkennen  vermag,    n&mlicb  die 


ThesBaliotia  und  Pelasgiotis  621 

Wiedenim  nun  tritt  das  bistorieclie  Thesealieohe  nicht  neben 
das  Aeolisohe  Kleinaeiene,  sondern  neben  das  'Weetgriechieche^: 
TToT€ibouv  ist  in  ihm  die  allein  bezeugte  Namensform  (aus  Larisa 
und  Atrax  westlicb  von  Larisa  Hoffmann  S.  505);  wenn  wir 
als  Personennamen  ΤΤο<Τ€ΐ5ίππου  Hoffm.  6,  31  (Phalanna)  und  Εΰ- 
βουλος  ΤΤ(κΤΐ&ιούν€ΐος  Coll.-Beoht.  1314  (Larisa)  lesen,  so  wird 
der  letztere  schon  durch  den  des  Sohnes  als  nicht  echt  theesaiisch 
erh&rtet,  der  erstere  aber  gehört  zu  denen  der  Neubürger,  in 
deren  Reihen  Ausländer  genug  vertreten  sind.  Offenbar  hat  sich 
in  Thessalien  der  umgekehrte  Process  abgespielt  wie  in  Lakonika : 
dort  haben  die  neu  eingewanderten  Eroberer  in  allem  wesent- 
lichen ihre  aus  der  Heimath  mitgebrachte  Sprache  bewahrt,  aber 
den  Cult  und  damit  auch  den  Namen  des  Gottes  von  dem  unter- 
worfenen Stamme  übernommen,  hier  hat  das  siegreiche  Volk  mit 
der  Cultur  in  den  meisten  Punkten  auch  die  Sprechweise  seiner 
Penesten  sich  angeeignet,  aber  den  Namen  seines  Gottes  in  der 
alten  Form  erhalten.  Es  ist  religions-  und  culturgeschichtlioh  höchst 
bemerkenswerth,  dass  auch  sonst  in  den  Götternamen  ein  tief 
gehender  Unterschied  zwischen  Thessalien  und  der  kleinasiatischen 
Aeolis  obwaltet:  hier  'Απόλλων  aus  Άιτέλλων  mit  der  starken, 
dort  ''Απλούν  mit  der  schwachen,  sonst  in  Griechenland  nirgends 
nachweisbaren  Stammgestalt  des  dem  Namen  nach  Prellwitz* 
schöner  Etymologie  (Bezz.  Beitr.  24,  214  f.  291)  zu  Grunde  liegen- 


Pott-Prellwitz-Fick'sche  Etymologie  des  GotteBnamene  (Etym.  Forsch.  1  ^ 
92.  Bezz.  Beitr.  9,  331.  PersoneDn.  *  440).  Nach  ihr  soll  er  'der  Ent- 
gegenscliwellende,  Heraniluthende*  (cf.  ΤΤροακλύστιος  Argolis  Paus.  II 
22,  4)  besagen  und  die  Präposition  ποτ{  πότ  πός  und  den  Stamm  von 
olb&v  oXbμa  (θαλάσσης)  enthalten.  Aber  das  ist  sachlich  und  sprachlich 
gleich  zweifelhaft.  Dass  Poseidon  von  allem  Anfang  Gott  des  Meeres 
war,  ist  nichts  weniger  als  ausgemacht  (Ed.  Meyer  Gesch.  d.  Alterth.  2 
§  69,  dem  auch  Robert  zuzustimmen  scheint  aaO.  S.  828).  Und  den 
Stamm  von  οΐδάν  οΤδμα  οίδος  kennen  wir  ausschliesslich  mit  dieser 
Vocalisation,  nicht  nur  im  Griechischen  (das  von  Prellwitz  Etym.  Wtb. 
126.  220  dazu  gezogene  ibr\  'Waldgebirge*  gehört  nicht  hierher,  sondern 
findet  anderen  Anschluss),  sondern  auch  in  den  verwandten  Sprachen: 
arm.  aitnum  'ich  schwelle*  aitumn  'Geschwulst*,  ahd.  eig  'Geschwür' 
eitar  aisl.  äir  'Eiter,  Gift*,  altbulg.  jadro  'Schwellung,  Busen*  mit  ja 
aus  e  aus  oi  (Brugmann  Grundries  Ρ  179),  nirgends  mit  ei  oder  t,  in 
dem  Namen  des  Gottes  aber  sind  gerade  diese  beiden  Yocale  von  Alters 
her  mit  einander  im  Wechsel,  und  -ot-  in  der  arkadisch-südpeloponne- 
siscben  Form  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  secnndar  entwickelt 
(o.  S.  619). 


632  Solmten 

den  Nomene  apel{o)'  'Kraft'  in  hom.  όλιγ-ηπελβαιν  ion.  άνηπελίη 
ασθένεια  Hee.  einerseite,  aiel.  α/Ζ  *  Kraft,  Hilfe'  ahd.  abalön  ^rJt 
haben  anderereeite ;  hier  Δωμάτηρ,  dort  Δαματηρ  mit  der  ii 
Ionisch-Attischen,  Arkadisch-Kypriechen,  Doriechen  durcbgebL- 
den  Form  des  Namens^;  hier  Έρμας,  dort  Έρμαυος  Έρμσος. 
das  sioii  in  gewissem  Maasse  dem  dor.  Έρμαν*  aus  ΈρμαΡον- 
nähert'  (Belege  aus  beiden  Mundarten  bei  Hoffmann  S.  587• 
Demgegenüber  finden  wir  eine  specifische  Ue berein etimmoo ς 
1  wischen  beiden  eigentlich  nur  in  der  Stammform  θ€μι<ΧΤ-  (Be- 
lege bei  Hoffmann  S.  297),  die  indese  nach  Ausweis  der  £igeD- 
iiamen  mit  θεμκττο-  im  ersten  Gliede  (Bechtel-Fick  Personenn.^ 
141  f.)  einmal  durch  ganz  Griechenland  verbreitet  gewesen  sein 
mnss  und  vermuthlich  erst  secundär  infolge  Umbildung  τοπ 
Nominativ  aus  durch  θεμίτ-  θεμίο-  θεμί-  ersetzt  worden  i^t. 
Wir  werden  uns  somit  kaum  der  Scblusefolgerang  entziehen 
können,  dass  zum  wenigsten  im  officiellen  Gebrauch  die  religiöse 
Nomenclatur  —  und  das  bedeutet  wohl  auch  die  religiöeen  Vor- 
stellungen —  der  Thessaler  im  engeren  Sinne  des  Wortes  dit 
altein  beimische  erstickt  hat.  Nur  ein  schwacher  Nachhall  der 
letzteren  reicht  möglicherweise  in  einer  Einzelheit  noch  bis  ao 
unser  Ohr:  wenn  die  Ansicht  Meistere  Dial.  1,  75  und  Kerc;« 
Paulj' Wieso  was  Realencykl.  17  2714  zutrifft,  dass  dae  Δώτιον 
πεδίον  ^im  Gebiete  der  alten  pelasgischen  Bevölkerung  Thessa- 
liens, wo  die  bedeutungsvolle  Sage  vom  Triopae  oder  Erysi- 
chthon,  dem  Frevler  am  Heiligthum  der  Demeter,  zu  Hause  war 
(Preller- Robert  I*  753),  seinen  Namen  von  der  Δώς  hat,  wie 
sich  Demeter  im  homerischen  Hymnus  122  nennt  and  was  al^ 
die  Δωμάτηρ  zu  Grunde  liegende  oder  ans  ihm  verkürzte  Form 
zu  gelten  hat  (Kretschmer  aaO.  526),  so  dürfen  wir  in  der  Orts- 
bezeichnung ein  urkundliches  Zeugniss  der  alten  äolischen  Herr- 
lichkeit jener  Landstriche  begrüssen,  das  lebenskräftiger  als  sie 
selbst  in  die  Folgezeit  hineinragt '. 

^  Ein  beachtenswerther  Vertucb,  die  im  Altcrthum  herrschen <!•? 
etymolcifische  Deutung  des  Namens  wieder  zu  Ehren  zu  bringen,  nener- 
diiigs  bei  Kretschmer  Wiener  Stud.  24,  523  ff. 

^  Έρμίίων  steht  auch  bei  Hesiod  Fr.  23  (45)  Rz.  Auch  in  d^r 
archaischen  Inschrift  von  Tegea  Coll.-Becht.  1217  hat  Foucart  Ηερμ[ανο]ς 
ergänzt,  ansprechend,  doch  nicht  sicher. 

^  ΔιΟς  ist  in  den  homerischen  Hymnus,  der  daneben  die  zu  Δα• 
ματηρ  gehörige  Kur/furm  Δηώ  braucht  (47.211),  vermuthlich  8α^ 
Äolischer  epischer  Poesie  ori»]cAmmi»n.  Denkbar  ist  freilich  auch,  dass 
es  aus  Eleusis  selbst  s*  ^tztes  Ueberbleibsel  des  Aeole^ 


Thessaliotis  und  Pelasgiotis  623 

Es  ist  ein  in  den  Einzelheiten  wie  in  der  Gesammtwirknng 
^ar  buntes  Bild,  das  auf  den  vorstehenden  Blättern  entrollt  worden 
ist.  Aber  grade  diese  Buntheit  bestärkt  mich  in  der  Ueber- 
zengung,  dass  es  wahr  sei.  Denn  überall,  wo  Sprache  wirklicb 
lebendig  ist,  ist  Fülle  und  Mannigfaltigkeit,  und  zumal  wo  Sprach- 
mischungen stattgefunden  haben.  Deren  Erscheinungen  hat  der 
Historiker  nicht  auf  Grund  irgend  welcher  vorgefassten  Theorie 
zu  beurtheilen,  sondern  er  hat  jeden  einzelnen  Process  so  kritisch 
und  nüchtern  als  möglich  zu  analysieren  und  die  Ergebnisse  dieser 
Analyse  zu  registrieren.  Schwerlich  wird  er  je  finden,  dass  ein 
Pall  ganz  genau  so  verlaufen  ist  wie  ein  anderer.  Man  braucht 
nur  in  die  übrigen  von  der  grossen  Umwälzung  am  Ende  der 
^achäischen'  Periode  betroffenen  Theile  Griechenlands  zu  blicken, 
um  das  bestätigt  zu  finden.  Wie  verschieden  ist  nicht,  am  nur 
ein  Beispiel  anzuführen,  das  Resultat,  zu  dem  die  Verschmelzung 
'äolischer  und  'westgriechischer  Redeweise  in  den  beiden  Naoh- 
barlandschaften  Böotien  und  Phokis  geführt  hat!  Dort,  wenn  auch 
im  ganzen  der  'westgriecbische'  Typus  gesiegt  hat,  doch  zahl- 
reiche Nachwirkungen  des  äolischen  in  Lauten,  Formen,  Wort- 
schatz und  Wortfügung,  hier  ein  so  überwältigendes  Durchdringen 
des  ersteren,  dass  sichere  Ueberreste  des  letzteren  nur  in 
einigen  wenigen,  bestimmten  Wörtern  erkennbar  sind.  Es  lockt 
die  Geschichte  auch  dieser  Gegenden  mit  Hilfe  der  sprachlichen 
Mittel  deutlicher  zu  erhellen.  Aber  es  wäre  unbillig  für  dieses 
Mal  die  Geduld  des  Lesers  noch  länger  in  Anspruch  zu  nehmen, 
und  so  mag  die  Ausführung  dieses  Vorsatzes  auf  eine  andere 
Gelegenheit  verschoben  werden.  Nur  eines  darf  schon  hier  her- 
vorgehoben werden:  im  grossen  betrachtet,  ist  es  in  Mittel- 
griechenland nicht  andere  wie  in  Nordgriechenland;  je  weiter 
nach  Westen,  um  so  mächtiger  das  *  westgriechische*  Element  in 
der  Mundart,  je  weiter  nach  Osten,  um  so  mehr  ist  offenbar  die 
Fluth  der  neuen  Sehaaren,  die  sich  aus  den  Bergen  über  die 
Fruchtgefilde  wälzten,  abgeebbt  und  um  so  kräftigeren  Widerstand 
leistete  die  alteingesessene  Bevölkerung  und  Cultur,  um  so  mehr 
Bestandtheile  aus  der  'achäischen'  Zeit  konnten  sich  folglich  in 
die  aus  der  Stammesmischung  schliesslich  hervorgehende  Sprach- 
form hineinretten. 

Bonn.  Felix  Solmeen. 

thums,  das  einst  so  weit  nach  Süden  gereicht  haben  kann ;  dann  würde 
es  sich  dem  Imniarados  der  eleusinischen  Cultlegende  an  die  Seite 
stellen,  der  in  seinem  μμ  und  vielleicht  auch  in  seinem  Suffix  -αδος 
äolisches  Gepräge  trägt  und  über  den  i^h  auch  Idg.  Forsch.  7,48  Anm. 
noch  unrichtig  geurtheilt  habe. 


MISCELLEN 


Eine  YerbeeeerDHg  Petrons 

Seit  ich  1885   in  diesem  Mneeom  XL!  S.  160  zum    ersten 
Mal  die  nnüeficia  agitaiorum   auf  einer  Bleiplatte  von  Kartha^ro 
nachwies,    sind    genug  andere  Zeugnisse   dieser  mit    den  Circus- 
Rennen  verknüpften  Hexerei  zu  Tage  getreten ;  deren  und  über- 
haupt der  Devotionen  Zahl  wächst  in  diesen  Jahren  ständig  der- 
massen,    dass    man    wünschen  mnss,    die  Sammlung,    welche    im 
Anhang    zum  Corpus  inscr.  Atticarum    und    doch    erst    kürzlich 
veranstaltet  ist,  recht  bald    erneuert  und  durch  das  hinzugekom- 
mene Material  vervollständigt  zu  sehen.     Darunter  ist   manches 
aus  diesem  oder  jenem  Grunde  wichtig,    wie    das   soeben  in  den 
Notizie  d.  scavi  1903  p.  171  edierte  griech.  Fragment  aus  Cumae 
durch    sein  Alter   und    seine  Dialektformen:   τα  Όιτορί^ος    και 
Άστυρονος  [dieser  Name  unsicher]  ότελέα    κα\   ίπ€α  και  Ιρτα 
€(ϊ)ναι,   τά  ΌπορΛος   και  *Αστύρο[ν]ος  6(ΐ)ναι,   και  Γτις  προ 
έκίνον   δλλος   διαλέλετται  —  so  viel  erlaub'  ich   mir    vortiber- 
eilend    zu  transcribieren  oder  interpretieren,    weil  in  den  Notizie 
gar  kein  Versuch  dazu   gemacht  ist.     Aber   mit  besonderem  lo• 
teresse  las  ich  die  lateinische  zu  Hadrumetum  (jetzt  Sonese)  ge- 
fundene,   der    späteren    Eaiserzeit    und    wieder   dem    Renneport 
angehörende    Devotionstafel,    welche  Hr.  Audollent    im    Bulletin 
archoologique  du  comito  des  travaux  bist.  1902  p.  418  veröffent- 
licht   und    auf  Tafel  L  trefflich    facsimiliert    hat:    ich    habe   im 
Eacsimile  das  Wort,  auf  das  es  mir  ankommt,  geprüft  und  dessen 
Lesung    richtig    gefunden.      Die  Umschrift,    ein    an    die    Unter- 
irdischen gerichtetes  Gebet,  lautet  MigcUe  et  gravaie  equos  veneti 
et  russei  (natürlich  der  gegnerischen  Farben),  ne  currere  possint 
nee  frenis  audire  possint  nee  se  nio(O)ere  possifitt  sei  cadani  firan• 
gant  dislf]rattganturf  et  agitanies  veneti  ei  russei  vertani  nee  lora 
teneani  nee  agilare  possint  nee  retiner e  equos  possint  nee  ante  $( 
nee  adversarios  suos  mdeant  nee  vincatU  :  vertanL    Die  dazwischen 
stehende  Schrift  bringt  zahlreiche  Namen  von  Rennern,  das  heiset 
Wagenlenkern  und  Pferden :    Z.  5  ff.  GUmcu  Arguiu  veneti,  De- 
siroiugu   [lies    Oestro-    gleich  Deatro-,    vielleicht  Appellati  vom] 
Glauci  cadantj   Lydu  Alumnu  cadantj    Italu  Tyriu  cadant^  Faru 
cadant,  Croceu  cadani,  Elegantu  cadant,    lYancaiiu  [gemiee  der 


Misoellen  625 

ancli    sonst    aus  Inecbriften    und  Handschriften  bekannten  Meta- 
thesie  des  r  bei  pancratium]  Oclopecfa  Virbosu  cadant,  Adamatu 
ccidantj    Securu  Matitineu  Prevalente   cadant  usw.     Z.  17    kehrt 
wieder  Endes  cadant^   Verbosu  cadant.     Z.  19  liest  sieh  wie  ein 
Hexameter  Frivatianu    cadcd    vertat   frangat   nude  giret,    indem 
die  Claueel  ^w^v^  nur    hier  zugesetzt  ist,    während   cadat  vertat 
frangat  bis  gegen  den  Schlnss  hin   regelmässig  wiederholt  wird. 
Catttll    erzahlt    wie   jemand    der  Bewunderung  des   Calvos 
koiniechen  Ausdruck  gab  mit  sälaputium  disertum;  in  der  Catull- 
Ueberlieferung  ist  das  einzige  Wort  verderbt^  hergestellt  werden 
konnte  es  ans  dem  Citat  beim    altern  Seneca,    dass    es    bestätigt 
werde  durch   die   afrikanische  Inschrift  CIL.  VIII  10570  (suppl. 
14464))  wo  ein  kleiner  Beamter  unter  Commodus  den  Spitznamen 
Sa1apfiti{u)8  trägt,   cura    agente   C,  lulio   [Fel]ope  Sadaputi   ma- 
g(istro),  ist  in  diesem  Museum  XXXVU  S.  530  und   nun  auch  in 
den  Catull-Commentaren  angemerkt.     Ebenso,  glaub*  ich,  kommt 
uns  für  die  Litteratur  zu  statten  das  Wort,  welches  wir  in  jener 
Bleitafel  als  Eigennamen  eines  Renners  zwischen  Pancratius  und 
Verbosus  lesen,  das  Wort  odopecta,  nämlich  für  die  Verbesserung 
der    Stelle    im    Petronius   cap.  35:    Trimalchio    läset    zu  Anfang 
de«  Uahls    ein  Repositorinm    mit  den    Zeichen    des  Thierkreises 
auftischen,    wo  auf  jedem  Zeichen  etwas  ßssbares  liegt  das  dem 
Zodiakalbild    entspricht,    auf  dem  Stier  Ochsenfleisob,    auf   dem 
Wassermann  eine  Gans  usw.    So  legte  der  Küchenmeister  super 
sagittarium   octopetam.     Dies    unbekannte    und    darum    schon    in 
einem  Theil  der  Abschriften  {odopetam  hpi)^  dann  von  den  Heraus- 
gebern   geänderte  Wort  hab'  ich  in  den  Text  wieder   eingesetzt 
und  yertheidigt,  'apte  vooabnlum  ab  oculis  et  petendo  deductnm 
videtur  sagittario  convenire,  etsi  oibum  quem  illud  significet  igno- 
ramus*.     Ich  dachte  mir  das  Wort    als   gleichbedeutend  mit  qui 
oculo  petita  und   wohl  in  demselben  Sinne   übersetzt  Friedlaender 
*einen   Augenzieler',    aber    Heraens    (Sprache    des    Petron  S.  26 
Anm.  3)  vergleicht    was  Isidor   vom  Raben  sagt:    hie    prior   in 
cadaveribus  oculum  petit  und  zeigt,  dass  auch  Vögel  solcher  Art, 
wie    die  £leter,    unter   den  Gerichten    der    römischen  Tafel    ge- 
legentlich vorkommen.    Schon  diese  Differenz  über  die  Bedeutung 
des  Compositums  scheint  der  gewöhnlichen  Lesung  nicht  günstig; 
bei  der  zweiten  Auffassung,    wird    man    urtheilen   müssen,    gebt 
die  Aehnliohkeit   mit    dem  Schützen   verloren,    bei  der  ersten  ist 
petere  gewiss   ein  zu  allgemeines  und    mit  unserem  ^Zielen'  sich 
kaum  deckendes  Verbum.    Auch  die  Form  der  Composition  macht 
Bedenken  :  woher  das  ο  in  der  Fuge,  zumal  wenn  gemeint  wäre 
qui  oculum  petit,    warum   nicht  wie   oclifuga  ocliferia,    nicht  wie 
heredipeta  lucripeta*?  Abgesehen  von  Archaischem  und  Vereinzeltem, 
ist  0  als  der  griecbieche  Compositionsvooal    regelmässig    nur    in 
hibriden ,     mittels    griechischer   Worte    oder    nach    griechisohem 
Muster    gemachten    Bildungen    wie    Graecostasis    oder   melofolia^ 
dexirocherium  oder  Calcet  monosoles^  Gätlograeei  tnulofnedici  usw. 
So  werden  wir  denn  auf  ein  hibrides  Compositum  gewiesen,  auf 

Bheln.  Mne.  f.  Pbflol.  N.  F.  LVni.  40 


636  Misoellen 

das  durch  die  Inschrift  beglaubigte  oclopecta.  Denn  wer  eich  der 
Lautgeechicbte  zB.  von  lactuca  bis  zam  mhd.  latech  erinnert  oder 
daee  der  üolder'eohe  Porpbyrio  zu  Horaz  od.  I  34,  14  cum  flec- 
tWus  ei  lamentcUione  schreibt  oder  daes  die  Trauer  Hb.  des  Patron, 
sie  allein,  cap.  55  im  Eingang  der  Syrue•  Verse  ritu  statt  rictu 
darbietet,  der  wird  zugeben,  daes  es  kein  sonderliches  Wagniee 
ist,  das  oclopetam  derselben  Hs.  für  oclopeciam  zu  nehmen,  worin 
der  Begriff  des  Stierens,  festen  und  unverwandten  Blickes,  klar 
und  deutlich  ausgesprochen  ist,  rein  lateinisch  oclifixcremt  wenn 
man  dem  eoclesiastischen  crucifiaor  solch  Wort  nachbilden  darf; 
Dichter  konnten  es  durch  lumina  fixus  ersetzen  und  haben  es 
durch  derart  Wendungen  ersetzt,  denn  das  üblichste  lat.  Yerbum 
für  den  Fall  war  figere  (Vergil  sagt  vom  Schützen  Mnestheue 
pariterque  oculos  telumque  tetendit). 

Ich  gestehe,  dass  beim  ersten  Lesen  des  insohriftlichen  l(a- 
mens  mir  der  Gedanke  kam  ihn  als  oclopaecta^  das  zweite  Glied 
als  παίκτης  zu  fassen,   wahrscheinlich  unter  £influs8   der  vielen 
hiermit   componierten,    zum  Theil    auch    ins  untere  Latein  über- 
gegangenen Wörter,   vgl.  oben  S.  318  oder  W.  Schmitz  in    den 
Anmerkungen  zu  den  notae  Tironianae  Tafel  107,  59:    für  meine 
Darlegung  mag  mit  Nutzen  noch  zugesetzt   werden,    dass  in  den 
Glossarien    der    Ventilator   (annilusor)  nicht    bloss    durch    όπλο• 
παίκτης  erklärt  wird,  sondern  auch  durch  όπλοπετής  II  206,  2, 
worin  Scaliger,    wie    ich  meine,    mit  Recht  nur  Verderbniss  von 
jenem  gesehen  hat.     Mit  παί2[€ΐν  aber  hat  unser  Wort  nichts  zu 
schaffen;  der  griechische  Sprachgebranch  aller  Perioden,  in  Poesie 
und  Prosa  lehrt,    dass  es  zu  πήΕαΐ  gehört,    κατά    χθονός    oder 
ποδών  πάρος  δμματα  πήξας,  das  ständige  οφθαλμοί  π€πητότ€ς 
ζΒ.  in   der  Physiognomonik,    bei  Piaton    προς  όατρονομίαν  Ομ- 
ματα πέπηγεν,    bei  Philostrat   für  den  Fang  der  Thunfische  bei 
πεπηγεναι  τους  οφθαλμούς    4ς    τήν    θάλατταν   έΕικνεΐσθαί  τ€ 
πορρωτάτω    dem  Späher,    welcher    vom  Mast    herab  das  Signal 
zum  Fange  giebt  usw.     Desgleichen  ist  der  Schütze,  muss  er  bei 
Ausübung   des  Berufes  natürlich  sein  όφθαλμοπήκτης,    wiewohl 
dies  griech.   Wort    bisher    so  wenig  gefunden  ist  als  jenes  ocl(h 
pecta.    Also  aufs  Beste  passt  in  die  Petronstelle  super  sagüiwrium 
oclopeciam.     Freilich  ist  damit  nur  die  halbe  Lösung  des  Rätsels 
erreicht,  denn  es  bleibt  die  Frage,    welche  Speise   oder  welche« 
Nahrungsmittel    so    benannt    ward.     'Ignoramus'   wiederhole  ich 
auch  heute ;  bei  Unsicherem   mag  ich  nicht  verweilen,    will  aber 
die   Vermuthung   nicht    unterdrücken,    dass    ein   Schalthier    oder 
Fisch  gemeint  ist.     Denn    nach    meiner    lexikalischen  Erfahrung 
begegnen    in    diesem    zoologischen  Revier    die    meisten    uns  un- 
bekannten ,    seltenen    oder    neuen    Wörter    (zB.  helio);    dann  er- 
scheinen nnter  den  Fischen  ähnliche  Namen,  όφθαλμίας,  ocukäa. 
ούρανοσκόπος,  πάγουρος;  endlich  ist  bei  Krebsen  und  Astakiden 
das  Glotzauge  besonders  auffällig  und  den  Alten  zum  Sprichwort 
geworden  (Herondas  4,  44;  Physiogn.  I  p.  144,  6  Foerster). 

F.  ß. 


i 


Misoellen  627 

Nene  Anfsehlüsse  über  Timeeithens  und  die  Perserkriege 

Da  die  Historiae  August,  über  Gordian  III  hinaus  bis  auf 
Valerian  fehlen,  so  ist  auch  die  Greechichte  des  römischen  Reichs 
im  Ausgange  des  III.  Jahrhunderts  in  Dunkel  gehüllt.  Noch 
jüngst  bat  v.  Domaszewdki.  indem  er  die  spärlichen  Nachrichten 
über  Timesitheus  sammelte  ^,  darüber  Klage  geführt,  und  so  glaube 
ich  recht  daran  zu  thun,  wenn  ich  über  jene  Epoche  den  classi- 
schen  Philologen  einige  Daten  vorführe,  die,  abseits  von  ihrem 
Forschungsgebiete   gelegen,    bis   jetzt  unbekannt  geblieben  sind. 

Diese  Daten  finden  sich  in  der  sogenannten  jüdischen  (nicht 
zu  verwechseln  mit  der  ohristliohen)  Elia-Apokalypse.  In  der 
Form  von  Enthüllungen,  die  der  Prophet  Elia  macht,  behandelt 
dieses  Schriftchen ^  einen  römisch-persischen  Krieg,  nennt  die 
Herrscher  beziehungsweise  die  Generale  der  Krieg  'führenden 
Parteien,  giebt  Daten  über  die  Stärke  der  Armeen  und  auch  über 
den  Ausgang  des  Krieges.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass 
den  jüdischen  Autor  in  erster  Reihe  die  Schicksale  des  jüdischen 
Volkes  interessierten,  und  demgemäss  behandelt  er  auch  etwas 
weitläufiger  diejenige  Phase  des  Krieges,  durch  welche  in  Pa- 
lästina eine  Reihe  von  Städten  zerstört  wurde;  aber  gerade  dieser 
Umstand  erhöht  den  Werth  der  Nachricht,  weil  es  sich  um  Be- 
gebenheiten handelt,  die  den  Autor  nahe  angingen  und  also  Ver- 
trautheit mit  der  Sache  voraussetzen  lassen. 

Schon  von  seiner  Stellung  her  als  Procurator  prov.  Arabiae 
vice  praesidis  mochte  Timesitheus  den  Juden  bekannt  gewesen 
sein,  noch  mehr  aber  war  er  das  infolge  seiner  späteren  Eigen- 
schaft als  proc.  prov.  Syriae  Palaestinae^.  Die  Lyoner  Inschrift, 
die  uns  über  die  eigenthümliche  Carriere  des  Timesitheus  belehrt, 
hat  bei  seiner  Function  in  Syrien  die  bedeutsame  Nachricht,  dass 
er  die  rückständigen  Getreidelieferungen  für  die  'heilige  Ex- 
pedition eintrieb^.  Dass  damit  die  Rüstungen  zum  persischen 
Krieg  gemeint  sind,  wird  allgemein  zugestanden,  es  fragt  sich 
nur  zu  welchem  der  vielen  damals  geführten  Perserkriege.  Nun 
hat    es   V.   Domaszewski   wahrscheinlich    gemacht,    dass    des  Ti- 


»  Rhein.  Mus.  für  Philol.,  N.  F.,  LVIII  217—230. 

^  Der  Text  erschien  zuerst  in  Saloniki  1743,  dann  gab  denselben 
Text  Jellinek  noch  einmal  heraus  in  dem  Sammelwerke  Bet-ha- Midrasch 
111  i)B  f ,  zuletzt  unter  dem  Titel  'Die  hebräische  Elias- Apokalypse'  mit  ^^ 
hebr.  Texte,  mit  Anmerkungen  und  deutscher  Uebersetzung  gab  ihn 
M.  Butten  wieser  heraus,  Leipzig  1897.  Die  Texte  variieren  unter  einander 
nur  unbedeutend ,  doch  ist  Butten wiesers  Text,  nach  der  Münchener 
Ilschr.  cod.  hebr.  Nr.  222  gefertigt,  im  Allgemeinen  richtiger. 

^  Der  Ausdruck  spricht  für  die  Vereinigung  Palästinas  mit  Syrien 
zu  einer  Provinz,  so  dass  Palästina  keine  selbständige  Provinz  gewesen 
wäre.  S.  über  die  Frage:  Borghesi,  Oeuvres  IV  161 ;  Kuhn.  Die  städt. 
u.  bürgerl.  Verf.  des  röm.  Reiches  II  197;  Marquardt,  Rom.  Staats- 
verwaltung  I  203. 

*  CIL  XII1 110. 1S07:  pro(;(uratori)  prov(inciae)  Syriae  Palaestinae 
ibi  exactori  reliqnor(um)  annon(a6)  sacrae  expeditionis. 


628  MisceUeti 

meeitbeae  Statthalterechaft  in  Arabien,  und  zwar  bis,  im  Zu- 
eammenbange  stehe  mit  den  Pereerkriegen ;  um  das  Jahr  226 
wäre  der  Statthalter  von  Arabien  mit  seiner  Legion  an  die  be- 
drohte Ostgrenze  des  Beiobs  abmarschiert,  und  an  seiner  Stelle 
fungierte  Timesitbeus  zweimal.  Der  Krieg  hätte  somit  mindeateni 
zwei  Jahre  gedauert,  doch  wird  von  einem  förmlichen  Kriege  in 
den  ersten  Jahren  des  neupersisoben  Reiches  nichts  berichtet,  so 
dass  die  arabischen  Truppen,  die  leg.  II I  Cyrenaica,  an  der 
persischen  Grenze  wohl  nur  zur  Demonstration  der  römiechen 
Macht  anwesend  gewesen  sein  werden.  Den  Charakter  des  Feld- 
zages zu  constatieren  ist  nöthig  im  Hinblick  auf  den  zu  erklären- 
den Text,  in  welchem  ausdrücklich  von  drei  Perserkriegen  die 
Rede  ist,  zu  denen  also  jene  erste  Rüstung,  bei  der  es  zu  keinem 
Kriege  kam,  nicht  zu  zählen  ist.  Die  Zeitdauer  zu  ermitteln 
ist  aber  wegen  der  Carriöre  des  Timesitbeus  nöthig.  Wenn  T. 
in  den  Jahren  226,  227,  eventuell  228,  in  Arabien  fungierte,  so 
fallen  seine  Aemter  in  der  Hauptstadt  als  magister  vicesimae  und 
logista  thymelae,  falls  man  in  dieser  späten  Zeit  die  normale 
Amtszeit  von  einem  Jahre  noch  ferner  bestehen  läset,  auf  die 
Jahre  228  und  229,  höchstens  230.  Da  nun  des  Alexander  Se- 
verus  Perserzug  auf  das  Jahr  233  fällt  und  T.  damals  Procurator 
von  Syrien  war,  so  hat  diese  Procuratur  mindestens  drei  Jahre 
gedauert,  was  sowohl  für  die  Verwaltungsgeschichte  der  wich- 
tigen Provinz  Syrien  von  Belang  ist,  als  auch  von  Bedeutung 
für  den  langen  cursus  honorum  des  T.,  von  dessen  übrigen 
Aemtern  schwerlich  auch  nur  eines  drei  Jahre  gedauert  haben  wird. 
Wenn  man  der  jüdischen  Elia-Apokalypse  &lauben  schenken 
darf,  so  hat  der  erste  Zusammenstoss  zwischen  Römern  und 
Persem  12  Monate  gedauert.  £s  heisst  darüber  wörtlich:  *Der 
letzte^  König  von  Persien  zieht  gegen  Rom  drei  Jahre'  nach* 
einander,  so  dass  er  sich  12  Monate  darin  (in  dem  römischen 
Reich)  ausbreiten  wird^  Es  ziehen  aber  gegen  ihn  vom  Meer 
her^  drei  Kriegshelden  und  sie  werden  seinen  Händen  fiber- 
liefert*. —  Die  drei  Kriegshelden  sind  unschwer  zu  erkennen; 
es  sind  die  Legaten  von  Mesopotamien,  Syrien  und  Arabien.  Das 
ist  eine  präcise  Sprache,  und  ist  für  unseren  Text  vertrauen- 
erweckend. Wir  erfahren  zugleich,  dass  dieser  erste  Zusammen- 
stoss —  noch  kein  förmlicher  Krieg  —  mit  einer  Schlappe  der 
Römer    geendet    habe,   was    um    so    glaubwürdiger    ist,    als  ja 


1  *Der  letzte*  im  Sinne  des  Schreibers  des  Textes,  der  mit  den 
Ereignissen  gleichzeitig  zu  sein  scheint;  also  soviel  als  'jüngste*. 

'  Wir  fanden  oben  mindestens  zwei  Jahre,  es  werden  aber  die 
drei  Jahre  richtig  sein. 

*  Das  ist  etwas  Neues,  wovon  in  den  classischen  Quellen  nichts 
EU  finden. 

^  *Vom  Meere  her'  bedeutet  die  röm.  Provinzen  im  Allgemeinen; 
es  ist  übrigens  möglich,  da^s  ein  Theil  der  röm.  Streitkräfte  zu  Schiffe 
auf  dem  Euphrat  kam,  wovon  übrigens  noch  die  Rede  sein  wird. 


Mieoellen  629 

nach  einigen  Jahren  der  Kaiser    den   Kampf  wieder    aufnehmen 
mneste. 

Kaiser  Alexander  Severae  unternahm  283  einen  Feldzug 
gegen  die  Perser,  und  bei  dieser  Veranlassung  war  es,  dass  Ti- 
meeitbeus  in  Syrien  und  Palästina  die  Snbsidien  des  Krieges  mit 
einer  Härte  eintrieb,  deren  Spur  selbst  in  der  wortkargen  In- 
schrift zum  Dnrchbrnch  kommt.  Betheiligt  am  Kampfe  war  er 
ebensowenig  wie  sein  kaiserlicher  Herr ,  der  den  persischen 
Pfeilen  wohlweislich  auswich  und  sich  in  Antiochia  gütlich  that. 
Seine  Generäle  schlugen  sich  mit  den  Persern  mit  zweifelhaftem 
Erfolg;  das  ist  Alles,  was  den  spärlichen  Quellen  (Dio  LXXX 
3.  4,  Herodian  VI  2—5,  Lampridius  50—56)  zu  entnehmen  ist. 
Auch  die  jüdische  Quelle  erwähnt  blos  das  Factum  des  Krieges 
nebst  einer  eigenartig  apokalyptischen  Schilderung  des  Kaisers. 
*Ein  König,  der  geringste  unter  den  Königen,  der  Sohn  der  Magd 
GUgith^  [zieht]  gegen  ihn  vom  Meere  her  .  .  .  ^.  Verflucht  sei 
unter  den  Frauen,  die  ihn  gebar  1  Das  ist  das  Hörn,  welches 
Daniel  sah,  und  an  selbigem  Tage  war  Drangsal  und  Krieg  für 
Israel.  —  Diese  Züge  passen  auf  Alexander  Severus,  denn  nicht 
nur  die  Berufung  auf  Daniel  (VII  8),  eine  Stelle,  die  sich  be- 
kanntlich auf  Alexander  d.  Grr.  bezieht,  deutet  in  geschickter 
Weise  den  Namen  des  gegenwärtigen  römischen  Kaisers  an  — 
und  AI.  Seyerns  hatte  sich  thatsächlioh  als  ein  neuer  Alexander 
d.  Gr.  geriert  — ,  sondern  auch  die  Bezeichnung  als  Sohn  der 
Magd  Gigifh  kennzeichnet  diesen  Kaiser  zur  Genüge.  Das  neu- 
hebräische  Wort  Gigith  bedeutet  nämlich  Röhre,  eine  witzige 
Anspielung  auf  den  Namen  der  Mutter  des  Kaisers:  Mammaea  ^ 
weibliche  Brust  ^.  Sie  wird  eine  Magd  genannt,  gewiss  nur  ans 
Spottsucht,  obzwar  sie  die  Tochter  der  Julia  Maesa,  also  von 
hoher  Abkunft  war.  So  wird  eine  andere  Frau,  die  in  den 
darauffolgenden  Wirren  eine  grosse  Rolle  spielte,  die  Julia  Domna, 
eine  Frau  von  niedriger  Herkunft  genannt  ^  Weil  die  Mammaea 
einen  unheilvollen  Finfluss  auf  ihren  Sohn  ausübte,  da  dieser  ge- 
rade infolge  der  übertriebenen  Sorgsamkeit  der  Mutter  zu  einem 


1  Es  folgt  eine  Schildernnflf  der  körperlichen  Beschaffenheit  des 
römischen  Kaisers;  an  dieser  Schilderung  ist  nichts  besonderes,  denn 
sie  ist  das  ständige  Bild  des  Antichristus,  der  nach  jüdischer  Auffassang 
ein  römischer  Kaiser  ist  und  Arinillus  (=s  Romulus)  heisst.  Jene  Schil- 
derang findet  sich  zB.  auch  bei  Galigula.  —  Auch  die  sonstige  Dar- 
stellung der  messianischen  Zeit  und  die  Leiden  der  Juden  lasse  ich 
hier  aus,  da  ich  blos  diejenigen  Zöge  erörtern  will,  die  ein  Historicum 
zu  enthalten  scheinen. 

'  Die  nähere,  besonders  sprachliche  Begründung  dieser  Deutung 
habe  ich  gegeben  in  meinem  Aufsatze:  'Der  römisch-persische  Krieg  in 
der  jüd.  Elia• Apokalypse'  (lewish  Qaarterly  Review  XIV  359— 372).  Ich 
habe  seitdem  zur  Begründung  meiner  Ansicht  neues  Material  gefunden 
und  weiche  deshalb  in  einigen  Punkten  von  meinen  früheren  Auf- 
stellungen ab. 

■  Dio  LXXVIII 24  ^κ  οημοτικοΟ  γένους,  obzwar  sie  dem  Priester- 
geschlechte  von  Emesa  angehörte  (s.  Durny,  Hist.  des  Rom.  VI'  114  N.  2). 


630  Miscellen 

feigen  und  verweichlichten  Herrscher  eich  anehildete,  wird  er  in 
der  Apokalypse  ^der  geringste  unter  den  Königen*  ^  genannt. 

'Den  zweiten  Krieg  —  so  heisst  es  in  der  Apokalypse 
weiter  —  führt  Demetros,  Sohn  des  Poripos,  und  AnpoUpos^  Sohn 
des  Panpos^  nnd  mit  ihnen  sind  10  Myriaden  Reiter,  10  Myriaden 
Fassvolk,  und  auf  den  Schiffen  sind  verhorgen  10  Myriaden/  . . . 
Ich  hahe  die  Namen  η iedergesch riehen  wie  sie  im  Texte  lauten ^ 
aher  es  ist  hegreiflich,  dass  ich  an  ihnen  erst  eine  Heilung  vor- 
nehmen mnss.  Diese  augenscheinlich  lateinischen  Namen 
wurden  Generationen  hindurch  von  Copisten  verdorhen,  hie  sie 
ihre  gegenwärtige  Gestalt  hekamen ;  wie  sollten  auch  unwieeende 
jüdische  Copisten,  denen  die  eine  Form  des  Wortes  ehenso  — 
lateinisch  war  wie  die  andere,  die  ursprüngliche  Form  hewahrt 
hahen?  Ich  lese:  Timesitheus  Sohn  des  Furins^  und 
Philippus  Sohn  des  Philippus*.  Das  waren  die  Führer  des  ro- 
mischen Heeres  unter  Gordian  lli.  im  Jahre  241 — 243.  Time- 
sitheus, der  Schwiegervater  des  Kaisers,  damals  im  Range  eines 
Praefectus  praetorio,  ist  uns  als  Sieger  im  persischen  Kriege 
durch  des  Kaisers  Bericht  an  den  Senat  bekannt^,  den  zweiten 
Rang  nach  ihm  nahm  wohl  schon  damals  Philippus  ein,  da  er 
gleich  nach  des  Misitheus®  Tod  als  Präfect  an  die  Spitze  des 
Heeres  trat,  so  dass  die  jüdische  Quelle  sie  hei  de  als  die  Leiter 
des  persischen  Krieges  bezeichnen  konnte.  Wie  genau  diese 
Quelle  ist,  zeigt  der  Umstand,  dass  sie  diese  Commandanten  nicht 
*König^  nennt,  ohzwar  einer  von  ihnen,  Philippus,  später  den 
Purpur  nahm ;  sie  nennt  bei  diesem  zweiten  Kriege  überhaupt 
keinen  Kaiser,  da  der  jugendliche  Gordian  III.  auf  den  Gang 
des  Krieges    nicht   einfloss*^.     Die  Stärke    der   Heeresmacht  ver- 


^  Έλ  braucht  kaum  gesagt  zu  werden,  dass  'König'  nur  darum 
steht,  weil  für  'Kaiser*  das  Hebräische  keinen  Ausdruck  hat. 

^  Zur  Erleichterung  der   Controlo    setze    ich    das  Original    her: 

^  Wie  die  bekannte  stadtrömische  Inschrift  (CIL.  VI  1611)  zeigt, 
hatte  Timesitheus  anfangs  seine  Hegleitnamen  noch  nicht;  die  Namen 
C.  Funus  Sabinus  Α quila  erhielt  er  wohl  erst  auf  Grund  einer  Adoption, 
nnd  so  kann  er  in  einem  gewissen  Sinne  Sohn  des  Furius  heissen.  Im 
jüdischen  Texte  lautet  der  Name  etwa  Furifus,  mit  Einschiebung  eine« 
f,  und  dazu  mag  als  Analogie  dienen  der  Umstand,  dass  der  Name  der 
Tochter  des  TimesitheuSi  Furia  Sabinia  Tranquillina,  auf  griechischen 
Münzen  ΦΡΟΥ[ΡΙΑ]  lautet,  s.  Eckhel,  Doctr.  Num.  VH  319,  und  Pro«)p. 
Imp.  Rom.  II  102. 

^  Philipps  Vater  (und  auch  sein  Sohn)  hiess  bekanntlich  eben- 
falls Philippus.  Die  beiden  Namen  lauten  zwar  im  jüdischen  Texte 
nicht  gleichmässig,  das  ist  aber  blos  Differenzierung,  denn  in  beiden  ist 
Philippus  leicht  zu  erkennen. 

*  S.  Duruy  VI  336. 

^  Die  von  v.  Domaszewski  im  Namen  Nöldekes  mitgetheUte  An- 
sicht, die  Namensform  Misitheus  sei  eine  absichtliche  Verdrehung  de• 
Namens,  um  den  Mann  als  Gotthasser  zu  bezeichnen,  steht  schon  bei 
Eokhel  aaO. 

'^  In  der  Elia- Apokalypse  wird  Gordian  überhaupt  nicht  genannt, 


Miecellea  631 

räth  sich  schon  durch  die  künstliche  fiintheilung  —  100,000  Reiter, 
100,000  Fossvolk,  100,000  Seeleute  —  als  ein  Phantasiestück, 
aber  ganz  ohne  Werth  ist  auch  diese  Angabe  nicht,  denn  die 
Verwendung  der  Kriegsflotte  im  persischen  Kriege  beruht  auf 
guter  Erinnerung^. 

'Den  dritten  Krieg  führte  Mkz  Kirtalos,  und  es  waren  alle 
Provinzen  mit  ihm^,  ein  ungemein  grosses  Volk,  von  der  grossen 
£bene  (Mesopotamien)  bis  Joppe  und  Askalon/  Ich  habe  den 
Namen  des  römiRchen  Feldherrn  wiederum  so  mitgetheilt,  wie  er 
im  hebräischen  Texte  steht,  denn  der  Name  ist  gar  nicht  leicht 
zu  erklären.  Ich  selbst  habe  früher  an  Messius  (Mexius)  Decius 
und  bei  dem  zweiten  Namen  an  Carinus  gedacht,  doch  ist  unter 
Decius  ein  Perserkrieg  nicht  bekannt,  und  auch  der  Name  stimmt 
nicht  völlig.  Ich  denke  aber,  dass  Maecius  Gordianus  vortreff- 
lich passt,  denn  das  hebräische  MJpz  ist  so  deutlich  wie  möglich. 
Mekz  di.  Maecius  und  Kirtulos,  lies  Kortalos^,  ist  einfach  aus 
Gordianus  verderbt.  Maecius  Gordianus,  ein  Verwandter  des 
Kaisers  Gordianus,  war  Präfect  im  Jahre  244  (Vita  Gord.  c.  30)^, 
also  noch  im  Laufe  des  persischen  Krieges.  Wenn  es  heisst, 
dass  viel  Kriegsvolk  mit  ihm  war,  von  der  grossen  Ebene  her 
bis  Joppe  und  Askalon,  so  ist  das  in  der  officiellen  Sprache 
nichts  anderes,  als  dass  die  Legionen  der  Provinzen  Mesopotamia, 
Syria  Palaestina  und  Arabia  mit  ihm  waren,  wie  doch  natürlich. 
Ueber  den  Verlauf  dieser  Phase  des  Krieges  wird  auch  in  der 
jüdischen  Quelle  nichts  gesagt,  wohl  darum,  weil  Philippus,  da- 
mals schon  Kaiser,  mit  den  Persern  alsbald  Frieden  schloss. 

Aus  der  Apokalypse  gehört  noch  hieher  der  Satz:  'Dann 
liess  Gott  den  Gog  und  Magog  und  alle  seine  Hilfsschaaren 
heranrücken'.  Damit  sind  deutlich  die  Gothen  bezeichnet,  die 
auch  die  Kirchenväter  für  Gog  und  Magog  halten,  und  that- 
sächlich  verlor  Decius  gegen  sie  Schlacht  und  Leben  im  Jahre  251. 
Nichts  konnte  nunmehr  den  Siegeslauf  des  Perserkönigs  Sapores 
aufhalten,  er  drang  ins  Herz  Syriens  vor  und  nahm  260  den 
Kaiser  Valerian  gefangen.     Das  sind  bekannte  Thatsachen;  nicht 


um  80  häufiger  aber  im  Talmud  ui)d  Midrasch,  wo  ihm  (welchem  Gor- 
dian?  dem  I.,  II.  oder  III.?)  der  Besitz  eines  grossen  Golddenars  zu- 
geschrieben wird.  Findet  sich  etwas  Aehnliches  in  den  olassischeu 
Quellen? 

^  Die  Kriegsflotte  operierte  auch  unter  Alexander  Severus  und  im 
Jahre  .%8  auch  unter  Julian  (Amm.  Marc,  XXIII  2,  1,  6). 

2  Im  Texte  steht  'mit  ihnen';  das  rührt  daher,  dass  der  Copist 
die  zwei  römischen  Namen  für  die  Bezeichnung  von  ebenso  vielen 
Personen  hielt,  nicht  wissend,  dass  die  Römer  Begleitnamen  hatten. 

8  Bei  hebräischen  Charakteren  ist  die  Verwechselung  von  t  und 
0  sehr  leicht;  die  übrigen  Corruptelen  überschreiten  das  Mass  nicht, 
in  welchem  römische  Namen  in  diesem  Schriftthum  zur  Darstellung  zu 
gelangen  pflegen. 

*  0.  Hirschfeld,  Untersuchungen  auf  dem  Geb.  der  röm.  Ver- 
waltungsgesch.  I  237. 


632  Miecellen 

bekannt  ist  aber  der  nähere  Weg,  den  das  persische  Heer  ein- 
geechlagen,  das  Ziel,  wie  weit  es  vorgedrungen,  und  was  es  auf 
seinem  Zuge  ansgeriohtet  habe.  Die  jüdische  Qnelle  giebt  uns 
die  syrisoh-palästinischen  Städte,  die  dabei  zerstört  warden,  ge- 
nan  an.  'Und  folgende  Städte  werden  zerstört  werden  ' :  Jericho, 
Beerorh,  Bet-Choron,  Susin,  Malka,  Dora,  Salom,  Sobimron,  Bet• 
Magdiel,  Tyrns,  Bet-Chalsut,  Lydda,  Buz,  Bet-£nam,  Ghamat- 
Sefar,  Adasa,  Antiochia,  Alexandria  und  Edom  (=  Idumaea)\  — 
Einige  dieser  Städte  hatten  nachweislich  eine  römische  Besatzung, 
wie  Jericho,  Bet-Choron,  Susin  (=  Hippos)*;  andere,  wie  Änli• 
ochia,  werden  auch  in  den  classischen  Quellen  als  Beute  der 
Perser  angegeben,  wieder  andere,  wie  Dora,  findet  man  in  des 
Hieronymas  Schriften  als  verödet  bezeichnet,  so  dass  sich  die 
Liste  bewahrheitet.  Doch  möchte  ich  die  Geschichtlichkeit  dieses 
Verzeichnisses  nicht  allzusehr  betonen.  Einiges  mag  ja  dem 
Schreiber  untergelaufen  sein,  was  irrig  ist,  aber  im  Grossen  und 
Ganzen  scheint  er  gut  unterrichtet  zu  sein.  Der  Begriff  'zer- 
stört' ist  nicht  strict  zu  nehmen,  denn  Antiochia  zB.  wurde  ge- 
nommen aber  nicht  zerstört,  und  so  wird  es  auch  mit  anderen 
Städten  sein.  Auffallend  ist  die  Nennnng  von  Alexandria,  es  ist 
aber  nicht  unmöglich,  dass  die  Perser  vom  Süden  Palästinas  her 
auch  darauf  einen  kühnen  Angriff  wagten.  Ebenso  auffallend  ist 
am  Ende  die  Nennung  der  Provinz  Edom  (=  Idumaea),  da 
sonst  nnr  Städte  genannt  sind;  sollten  es  die  Perser  auf  die 
Heimat  des  damals  regierenden  Kaiserhauses,  auf  Arabia  Tracho- 
nitis',  womit  sich  doch  Idumaea  einigermassen  deckt,  besonders 
abgesehen  haben?  Leider  läset  sich  jene  jüdische  Liste  nicht 
controllieren,  und  so  müssen  viele  Fragen  offen  bleiben. 

Merkwürdig  ist  es  auch,  dass  unser  Text,  der  bei  jedem 
der  drei  Perserkriege  die  Namen  der  römischen  Führer  anzugeben 
weiss  —  für  die  Sache  int  es  einerlei,  ob  wir  diese  Namen  gut 
ermittelt  haben  oder  nicht  —  die  persischen  Regenten  gleichwohl 
nicht  nennt,  obzwar  zB.  Sapores  (=  Schabur)  sonst  in  jüdischen 
Schriften,  im  Talmud  und  Midrasch,  oft  erwähnt  wird  ^.  Nur  am 
Anfange  der  Apokalypse,  aber  nicht  bei  den  einzelnen  Feldzügen, 
ist  der  Begründer  der  neupersischen  Dynastie,  Ardeschir  oder 
Artaxerxes,  in  mehreren  Formen  ganz  deutlich  namhaft  gemacht, 
und  das  schien  dem  Apokaljptiker  genug  zu  sein.  Das  Auf- 
treten der  Perser  und  die  furchtbaren  Niederlagen,    die    sie  den 


^  Das  Futnrum  ist  gesetzt  infolge  des  apokalyptischen  Teoon 
des  Schriftchens,  das  ja  die  Zukunft  verkünden  will. 

'  Die  näheren  Nachweise  s.  in  meiner  oben  genannten  Schrift: 
Jewish  Quarterly  Review  XIY  371.  Die  röm.  Besatzung  musete  ver 
trieben  werden. 

*  Philippus  stammte  aus  Bostra  in  Arabia  Trachonitis.  Eine  der 
aufgeführten  Städte,  Bet-Magdiel,  läset  sich  direct  mit  diesem  Lind- 
strich in  Verbindunfr  bringen. 

^  S.  meinen  Artikel  'Babylonia'  in  der  Jewish  Encyclopedis; 
ferner  meinen  Artikel  'Antioche'  in  Revue  des  Etudes  Inives  XLV  4t^. 


Misoellen  633 

Eömern  beibrachten,  liees  bei  den  Jaden  den  Gedanken  anf- 
kommen,  dass  das  Ende  der  römiscben  Weltmacht  nnd  damit 
auch  das  Ende  d^r  Zeiten  eingetroffen  sei;  nimmt  man  noch  den 
Aufmarech  der  Gothen  hinzu,  ferner  die  grosse  Christen  Verfolgung 
unter  Decius  und  endlich  die  grosse  Pest,  die  15  Jahre  hindurch 
das  Reich  verheerte,  so  ist  es  begreiflich,  dass  die  religiöse 
Schwärmerei  in  Entzücken  gerieth  und  in  der  Form  der  Apo- 
kalyptik  in  eschatologische  Träume  versank. 

Budapest.  Samuel  Krauss. 

Capareotna  »  LeggftD  in  Oalilaea 

Es  ist  längst  erkannt  worden,  dass  der  jetzige  Name  einer 
in  der  ^grossen  Ebene'  Palästinas  gelegenen  Trümmerstätte  Leggün^ 
(Ledjün,  Chan-el-Ledschün),  ebenso  wie  der  eines  gleichnamigen 
Ortes  im  alten  Moab',  auf  ein  antikes  'Legione*  zurückgeht. 
Demnach  sind  beide  Orte  zu  einer  gewissen  Zeit  Standlager  je 
einer  römischen  Legion  ^  gewesen.  In  dem  moabitischen,  zur 
römischen  Provinz  Arabia  gehörigen  Leggün  garnisonirte  die 
gegen  Ende  des  3.  Jahrhunderts  errichtete  legio  IUI  Martia;  für 
das  galiläische  Leggun  kann  nur  eine  der  beiden  Legionen  der 
Provinz  Palaestina  in  Betracht  kommen.  Da  die  eine  dieser 
Legionen,  die  X  fretensis,  seit  Vespasians  Zeiten  in  Hierosolyma 
lagerte,  bleibt  für  die  Besatzung  des  nördlicheren  Legionslagers 
nur  die  VI  ferrata  übrig. 

Die  Verlegung  dieser  im  1.  Jahrhundert  dem  syrischen 
Heere  angehörigen  *,  zur  Zeit  des  unter  Pius  geschriebenen  Le- 
gions Verzeichnisses  (VI  3492)^  ebenso    wie    zu    der   des  Cassius 


1  Siehe  Kiepei-t,  Handbuch  der  alten  Geographie  §  159.  Ro- 
binson Palaestina  III  412  ff..  Neuere  Biblische  Forschungen  153  f.;  vgl. 
auch  Ebers-Outhe,  Palästina  in  Bild  und  Wort  I  280  ff^  und  Anm.  63. 

^  lieber  Lage,  antiken  Namen  und  Besatzung  des  Ortes:  Do- 
maseewski  in  der  Festschrift  für  H.  Kiepert  1898  S.  66  ff. 

^  Dass  es  sich  dabei  nur  um  Legionen  im  eigentlichen  alten 
Sinne,  nicht  um  andere  numeri  der  nachdiocletianischen  Zeit  handeln 
kann,  bedarf  keines  Beweises. 

«  Tacitns  AnnaL  II  79  und  81;  Histor.  II  83;  Josephus  Bell.  VII 
7,  1.  Ihr  damaliges  Standlager  lässt  sich  bis  jetzt  mit  Sicherheit  nicht 
bestimmen,  da  aus  Tacitas  Annal.  II  79  nur  so  viel  folgt,  dass  es  nicht 
allzuweit  von  dem  Seehafen  Laodicea  gele^^en  haben  kann.  Vielleicht 
stand  die  Legion,  wie  die  XII  fulminata  bis  zum  Jahre  70,  in  Rha- 
phaneae  (losephus  bell.  VII  1,  3),  worauf  die  leider  nur  in  unvoll- 
kommener Abschrift  veröffentlichte  loschrift  C  III  Suppl.  14165^^  hin- 
weisen könnte.  Ob  freilich  Rhaphaneae  das  Doppellager  des  syrischen 
Heeres  gewesen,  oder  ob  beide  Legionen  nacheinander  hier  garniso- 
nierten,  bleibt  völlig  zweifelhaft. 

*  Der  Zweifel  Mommsens  (zu  C.  III  6641  p.  3215)  an  der  Rich- 
tigkeit des  dionischen  Zeugnisses:  .  .  ^κτον  bk  έν  Ίουδα{ςι,  τ6  σιδη- 
ροΟν  beruht  wohl  nur  auf  einem  Versehen,  da  die  Reihenfolge  der  Le- 
gionen des  Orients  in  dem  Legionsverzeiohnisse :  Uli  Scyth.  XVI  Flav. 


634  Miscellen 

Dio  (55,  23,  3)  in  Syria  Palaestina  Rtehenden  Legion  ist  in  nn- 
mittelbarem  AnschlnsB  an  den  gropFen  Judenaofetand  anter  Rateer 
Hadrinn  erfolgt  ^  und  ohne  Zweifel  durch  ihn  yeranlaest  worden ; 
seit  dieser  Zeit  war  der  Statthalter  der  aus  *Iudaea'  in  'Syria 
Palaeetina'  umgetauften  Provinz  ein  Mann  consulariachen  —  statt 
wie  bisher  prätorischen  ^  Ranges,  weil  er  ein  Heer  von  zwei 
Legionen  befehligte.  Den  Namen  der  Oertlichkeit,  an  welcher 
die  Legion  ihr  neues  Standlager  angewiesen  erhielt,  lehren  zwei 
in  Antiochia  Pisidiae  gefunden^  Inschriften  (C.  III  6814.  6816). 
Zur  Zeit  des  Pins,  und  zwar  nach  dem  Jahre  152^  geschrieben, 
sind  sie  zu  Ehren  eines  jungen  offenbar  einem  vornehmen  Ge- 
schlecht dieser  römischen  Coloni&  entsprossenen  Mannee  senatoh- 
sehen  Banges  C.  Novius  Rusticus  Yenul(ein8)  Apronianus  gesetzt, 
welcher  den  kurzen  für  die  senatorische  Aemterlaufbahn  der  da• 
maligen  Zeit  die  Vorstufe  bildenden  Militärdienst  als 

Urib{vnu$)  l{aii)ciiafnu8)  l£g(ionis)  VI  [ferr{atae)]  Caparc! 
{so  6814 ;  Urib{unfis)  latic(lamus)  leg{ionis)  VIferr{atae)  Capar . .  .* 
(6816),  wohl  einige  Jahre  vor  150  geleistet  hatte.  Dass  in  dem 
der  Legionsbezeichnung  folgen  ien  Worte  ein  Ortsname,  und  zwar 
der  des  Standquartiere  der  Truppe,  verborgen  sei,  hat  Hirechfeld 
richtig  erkannt^;  bei  der  von  ihm  vorgeschlagenen  Beziehung 
auf  den  Ort  Capar(eae)  in  Syrien  ist  aber  ausser  Acht  ge- 
lassen, dass  die  Legion  zur  Zeit  des  Pius  nicht  mehr  dem  syri- 
schen, sondern  dem  palästinensischen  Heere  angehörte.  Vielmehr 
dürfte  aufzulösen  sein:  Caparc(otae)  oder  Caparc{otnae). 
Ptolemaeus  V  15  nennt  als  Ortschaften  Galilaeas:  Σαιτςκ)υρ€ΐ, 
Καπαρκοτνεΐ,  Ίουλιάς,  Τιβεριάς;  den  an  zweiter  Steile  ge- 
nannten Ort  setzt  er  10  Gradminuten  südlich  und  ebenso  viel 
östlich  von  Sepphoris  ( Diocaesarea)  an.  Ferner  erscheint  auf  der 
tabula  Peutingeriana  als  einzige  Station  von  Bedeutung  an  der 
Strasse    Caesarea — Scythopolis^   der    Ort    Caporcotam,    dessen 


VI  ferr.  X  fret.  .  .  unzweideutig  die  VI  ferrata  vom  syrischen  Heere 
trennt  und  dem  palästinensischen  zuweist  (vgl.  Ritterling  de  legione  X 
gemina  p.  50  adnot.  1). 

1  Diese  Tbatsache,  bereits  von  mir  (aaO.)  und  Rohden,  De  Artbia 
provincia  rom.  p.  31  behauptet,  ist  jetzt  nach  AufBndung  des  for 
Truppen  von  Syria  Palaestina  ausgestellten  Diploms  aus  dem  Jahr  1•^ 
(C.  III  S.  p.  2528^0)  ausser  Zweifel  gesetzt:  der  damalige  Statthalter 
Calpurnius  Atilianus  hatte  bereits  im  Jahr  135  als  Consul  ordinarios 
(P.  Calpurnius  Atticus  Atilianus)  die  Fasces  geführt,  muss  also  zwei 
Legionen  unter  seinem  Commando  gehabt  haben. 

^  Der  in  beiden  Inschriften  bereits  als  Consul  bezeichnete  Vater 
des  Geehrten,  C.  Novius  Priscus,  kann  doch  kaum  verschieden  sein  von 
dem  Consul  im  Jahre  152  (Diplom  des  Pius  C.  III  S.  LXII  p.  1987)  vgl 
auch  C.  VI  350. 

^  Zu  C.  III  β814:  'videtur  intelligendum  esse  Caparfeis);  locas 
enim  castrorum  eodem  modo  adiunctus  est  in  titulo  urbano  C.  VI  14t>^: 
leg.  XVI  Fl(aviae)  fiirmae)  Samosate*  .... 

^  Diese  Strasse  muss«  wenn  die  Gleichung  Caparcotna  ^  Legio 
richtig  ist,  nicht  in  einem  sudlichen  Bogen  durch    das    Bergland    toq 


Mieoellen  685 

EntfernODg  von  ereterer  Stadt  mit  28  römiecben  Meilen  (etwa 
42  Eilom.),  von  letzterer  mit  24  Meilen  (etwa  SSVg  Kilom.)  an- 
gegeben wird.  r>ieeen  Ort,  Caparcolna  oder  Caparcota  welchen 
die  Tabula  gleich  anderen  hervorragenden  Plätzen,  zB.  auch  dem 
arabischen  Legionelager  Bostra,  mit  dem  Bilde  zweier  Tbtirme 
auszeichnet,  wird  man  nicht  trennen  können  von  dem  Caparc . ..., 
dem  Standlager  der  leg.  VI  ferrata  um  die  Mitte  des  2.  Jahr- 
hunderte, welches  in  eben  dieser  Gegend  gelegen  haben  mnss. 
Dadurch  wird  es  in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  dass  Caparcotna 
nichts  anderes  ist^  als  der  alte  einheimische  Name  für  das  im 
officiellen  Sprachgebrauch  ihn  später  verdrängende^ 'Legio ,  wel- 
ches eine  ganze  Anzahl  von  Angaben  im  Onomasticon  des  £u- 
sebins  aufweisen :  hier  erscheint  Λεγεών  als  der  Fixpnnkt  für 
alle  geographischen  Festlegungen  und  Ortsbestimmungen  in  der 
'grossen  Ebene^^,  die  danach  ganz  allgemein  auch  nebiov  της 
Λεγεώνος  heisst  (Eusebius  Onomasticon  p.  130,  6.  Hieronymus 
p.  248,  5).  Wie  lange  das  alte  Caparcotna  diese  ihm  nur  als 
Lager  einer  Legion  zukommende  hohe  Bedeutung  behalten  hat, 
lässt  sich  nicht  mehr  erkennen ;  in  der  Notitia  Dignitatum  be- 
gegnet, vielleicht  allerdings  nur  in  Folge  eines  Ausfalls  in  den 
Handschriften,  weder  von  der  Legion  noch  vom  Orte  eine  Spur. 
Wiesbaden.  E.  Ritterling. 


Samaria,  sondern  etwas  nördlicher  durch  die  'groese  Ebene'  geführt 
haben. 

^  H.  Guthe  macht  mich  brieflich  darauf  aufmerksam,  dass  der 
Name  eines  heute  westlich  von  Dschenin  gelegenen  Ortes  Kefr  kiid 
sehr  an  das  alte  Καπαρκότνα  anklinge  und  verweist  auf  Robinson, 
Palaestiua  III  1.  389  f.  III  2,  79?  f.  Neuere  Biblische  Forschungen  157. 
Doch  kann  der  Anklang  des  Namens  bei  der  Häu6<vkeit  des  'Kefr  in 
Ortsnamen  dieser  Gegend  für  die  Gleichsetzung  mit  Caparcotna  kaum 
ins  Gewicht  fallen.  Auch  würde  man  bei  der  Ansetzuog  des  Καπαρ- 
κ(ότνα)  an  dieser  Stelle  zu  der  Annahme  gedrängt,  dass  die  leg.  Vi 
ferrata  ihr  Lager  zur  Zeit  des  Pius  hier  im  Berglande  gehabt  und  erst 
später  nach  dem  wenig  uönllichor  gelegenen  *Legio'  verlegt  worden 
sei,  eine  Annahme,  die  mit  Allem,  was  wir  sonst  über  die  militärischen 
Verhältnisse  der  Kaiserzeit  wissen,  unvereinbar  scheint.  Wenn  der  alte 
Ortsname  in  der  späteren  Litteratur,  wie  es  scheint,  sonst  nirgends  be- 
fitgnet,  so  erklärt  sich  dies  wohl  am  Einfachsten  aus  seiner  Ersetzung 
durch  einen  anderen.  Sehr  auffallend  wäre  doch  das  gänzliche  Fehlen 
dieses  nicht  unbedeutenden  Ortes  bei  dem  Special  forscher  Eusebius, 
wenn  er  ihn  nicht  eben  unter  dem  zu  seiner  Zeit  üblichen  officiellen 
Namen  verstanden  hätte. 

'  Aehnlich  hat  zB.  bei  dem  moabitischen  Leggün  der  officielle 
römische  Name  den  alten  einheimischen  'Betthoro*,  welcher  noch  iu 
der  Notitia  erscheint,  verdrängt.  Im  Occident  ist  zu  vergleichen 
Legio  =  Leon  in  S'-anien  (Lager  der  leg.  VII  gemina);  ebenso  zählen 
Meilensteine  des  Septimius  Severus  in  Raetien  a  leg(ione)  di.  von 
Regensburg  (Gastra  Regina). 

*  zB.  28,  14— lii  *ΑφραΤμ  .  .  .  απέχουσα  Αβγειίινος  έν  βορ€(οις 
μ(λια  ^Ε;  230,  11  —  13  *Εσ6ραηλά  κώμη  .  .  .  μεταξύ  Σκυθοπόλεως  καΐ  τής 

Λεγεώνος  2%  ΝαΖαρέθ  .  .  .  αντικρύ  τής  Λεγεώνος  ώς  άπό  σημείατν  ϊε 
προς  ανατολάς  vgl.  54,  6;  92,  G;  208,  11;  214,  12;  228,2;  246,  10. 


636  MiBoellen 

Die  Zeit  der  Asinaria 

unter  den  Siücken  dee  Plantue  bietet  die  Aeinaria  bedoodere 
Scbwierigkeiteny  eowobl  was  die  Frage  des  attiecben  Originale 
anbelangt,  als  auch  mit  Rücksicbt  auf  das  Datum  ihrer  ersten 
Aufföhung.  Um  das  Jahr  194  wird  sie  von  Tenffel  angesetzt, 
leider  ohne  jede  Angabe  von  Gründen  ^.  Hfiffner'  hat  das  Stock 
für  eines  der  ältesten  erklärt,  zunächst  weil  es  nur  ein  Can• 
ticum  habe,  indess  hat  er  selbst  zugegeben,  dass  sich  auch  im 
Mercator  (nach  196)  und  im  Curculio  bloss  ein  Ganticnm  finde, 
dass  anderseits  die  Cistellaria,  die  noch  vor  dem  £nde  des  sweiten 
punischen  Krieges  auf  die  Bühne  kam,  ihrer  mehrere  beeitzt. 
Man  kann  also  dieses  Kriterium  kein  aasschlaggebendea  nennen. 
Wo  die  Lage  der  Dinge  eine  derartig  prekäre  ist,  mag  jeder 
Versuch  erlaubt  sein,  Licht  in  das  Dunkel  zu  bringen.  Die  Ko- 
mödien, die  nicht  datiert  sind,  enthalten  gelegentlich  wenigstens 
eine  Anspielung  auf  bestimmte  Verhältnisse,  die  es  ermöglicht, 
ihre  Zeit  festzulegen.  Solch  einen  Anhaltspunkt  meine  ich  aueh 
in  der  Asinaria  zu  finden.  V.  123  bemerkt  Demänetas: 
Nam  ego  illuc  argentum  tam  paratum  filio 
Scio  esse  quam  me  hunc  scipionem  oontui. 
Man  könnte  gegen  diese  Bethenrung  nichts  einwenden,  wenn 
ihre  Fassung  eine  ganz  natürliche  wäre.  Aber  das  ist  sie  doch 
wohl  nicht.  Zwei  Beispiele  mögen  verdeutlichen,  was  ich  meine. 
£8  wird  niemand  sagen:  Mein  Sohn  bekommt  das  Geld,  so  wahr 
ich  diesen  Bock  an  meinem  Leibe  sehe,  sondern  'so  wahr  ich 
diesen  Rock  auf  dem  Leibe  tragen  Man  sagt  wohl:  'so  wahr 
ich  fünf  Finger  an  der  Hand  habe*;  wem  aber  wird  es  ein- 
fallen, statt  dessen  'fünf  Finger  an  der  Hand  zn  sehen'?  Wenn 
also  der  Alte  Werth  darauf  legt,  dass  er  seinen  Spazierstock 
(denn  er  als  alter  Mann  trägt  den  Stock')  sehe,  so  mnss  er 
dafür  eine  Veranlassung  haben,  und  dieser  Grund  ist  meines 
Erachtens  ein  kleines  scherzhaftes  Wortspiel.  Wohl  hebt  De- 
mänetus  in  dem  Augenblick,  wo  er  spricht,  den  Stock  und  blickt 


1  Geschichte  der  römischen  Litteratnr  Ρ  §  97^. 
'  De  Planti  comoediarum  exemplis  Atticis  p.  49. 
^  Dass  die  alten  Leute  den  Stock  trugen  (vgl.  Ussing  zur  Stelle, 
unklar  Boemer,  Aristophanesstudien  S.  47^),  zeigt  unter  anderem  schon 
das  Bätsei,  das  die  Sphinx  dem   Oedipus  giebt.    Ein  neues  Zeugnis• 
jetzt  im  Epigramm  des  Poeidippus  (Diels  B.  Sitz.-B.  1898  S.  853): 
γήραϊ  μυστικόν  οΤμον  £π1  'Ραδάμανθυν  Ικοίμην 
άσκ{πων  έν  ποσσί  καΐ  όρθοβπής  Αχρι  χηλοΟ. 
Er  will  also  selbst  im  Alter  ohne  Stock   gehen,  Adenau  wie  der  Greis 
bei  Juvenal  Sat.  III  24:  proponimus  illuc 

ire,  fatigatas  ubi  Daedalus  exuit  alas, 
dum  nova  canities,  dum  prima  et  recta  senectus, 
dum  supereet  Lachesi,  quod  torqueat,  et  pedibus  me 
ρστίο  meis  nuUo  dextram  subeunte  badUo. 
Heut  entscheiden  freilich  nicht  mehr  Scholienzeugnisse,  die  nicht  sHe 
klar  sind,  solche  Fragen,  sondern  die  auf  Vasen  und  sonst  erhaltenen 
Bilder;  da  tragen  Greise  den  Stab. 


Misoellen  637 

ihn  an,  aber  er  hält  ihn  dabei  in  bestimmter  Richtung  nach  dem 
Zneobauerraum,  weist  mit  dem  scipio  auf  einen  Soipio. 

£s  ergeben  sich  freilich  hier  zwei  Fragen,  erstens  ob  es 
wohl  denkbar  ist,  dass  Plautns  sich  solch  einen  Scherz  (der 
in  diesem  Falle  freilich  auf  die  £hrung  eines  ausgezeichneten 
Mannes  hinauslaufen  würde)  überhaupt  erlauben  durfte,  zweitens 
woher  er  denn  wissen  konnte,  dass  ein  Scipio  im  Theater  war. 
Ich  will  die  zweite  Frage  zuerst  beantworten.  £in  Scipio  musste 
unter  allen  Umständen  bei  der  Aufführung  zugegen  sein,  wenn 
er  curator  Indomm  war,  und  da  haben  wir  folgende  Daten  in 
Anschlag  zu  ziehen:  212  P.  Cornelius  Soipio  (Afrioanus  Maior) 
curulischer  Aedil,  197  P.  C.  Scipio  Nasica  curulischer  Aedil, 
195  L.  C.  Scipio  (Asiaticus)  curulischer  Aedil,  194  P.  C.  Scipio 
Nasica  Praetor,  193  L.  C.  Scipio  (Asiaticus)  Praetor.  Doch  dürften 
die  beiden  letzten  Daten  kaum  in  Betracht  kommen,  da  sich  die 
Thätigkeit  des  Praetors  auf  die  ludi  Apollinares  beschränkte. 
Einiges  Recht  auf  Berücksichtigung  hat  das  Jahr  197;  denn  P. 
C.  Scipio  Nasica  ist  es,  den  der  Senat  im  Jahre  204  für  den 
'besten  Mann'  Roms  erklärte  und  auswählte,  das  Bild  der  Magna 
roater,  das  von  Pessinus  kam,  zu  empfangen;  er  ist  somit  schon 
als  Aedil  eine  bekannte  und  berühmte  Persönlichkeit  gewesen, 
von  der  es  sich  verstehen  liesse,  wenn  Plautus  sie  in  besonderer 
Weise  auszeichnete.  Aber  es  giebt  eine  andere  Combination,  die, 
wie  ich  meine,  bestechend  ist.  Gerade  im  Prolog  der  Asinaria 
stehen  die  Verse  (10  f.): 

Dicam:  huic  nomen  Graece  Onagost  fabulae. 
Demophilus  scripsit,  Maccus  vertit  barbare. 
Die  allein  zulässige  Erklärung  dieser  Namensform  hat  Buecheler 
gegeben.  *Maccus'  'Poseenmacher*  heisst  der  Lustspieldichter;  er 
hat  sich  daraus  den  Geschlechtsnamen  Maccius  gebildet,  als  er  römi- 
scher Bürger  wurde  Κ  Weist  nun  nicht  der  Name  Maccus  auf  die 
erste  Zeit  des  Dichters?^  Und  wenn  sich  weiter,  wie  wir  ver- 
mntheten,  in  dem  Stücke  eine  Hindeutung  auf  einen  Scipio  findet, 
führt  dann  nicht  die  Combination  dieser  beiden  Judicien  aufs 
Jahr  212?  Die  Asinaria  würde  damit  wohl  an  die  Spitze  der 
plautinischen  Komödien  treten.  Ich  muss  es  den  Kennern  dieser 
Dinge  überlassen,  auf  die  Fragen,  die  hier  formuliert  sind,  eine 
entscheidende  Antwort  zu  geben. 

£ine  andere  Frage  war,  ob  man  dem  Plautus  einen  solchen 
Scherz  überhaupt  zutrauen  dürfe.  Zum  Stil  der  altattischen  Ko- 
mödie gehören,  wie  man  weiss,  unmittelbare  Anreden  ans  Pub- 
likum; die  neuere  Komödie  hat  sich  dergleichen  kaum  gestattet. 
Bei  Plautus  liegt  die  Sache  thatsächlich  auch  etwas  anders.  £r 
giebt  ein  Wortspiel,  um  dem  Publikum  einen  vornehmen  Mann  in 
Erinnerung  zu  bringen,  der  im  Theater  sitzt;   dieser  dürfte  sich 


1  Bnecheler  Rh.  Mus.  XLI  S.  12. 

'  Auch  Hüffner  aO.  benutzt  den  Maccus,  uro  die  Asinaria  mög- 
lichst hoch  hinaufzurückeu. 


638  Misoellen 

nicht  gekränkt  gefühlt  haben  ^  Also  paset  auch  das  Beispüel 
des  Naevins  nicht  nnniittelbar,  der  anf  offner  Bühne  gegen  die 
Marcelli  loszog;  dies  Beispiel  lehrt  jedoch  wenigetene,  daee  man 
sich  in  der  römischen  Komödie  vor  einem  nnmittelbareo  Angriff 
anf  Persönlichkeiten  der  Gesellschaft  nicht  gescheut  hat.  Wir 
lernen  dns  eine  daraus,  dass  es  dem  Plantus  unverwehrt  war, 
den  Namen  eines  Zeitgenossen  in  einer  Komödie  zu  nennen;  eo 
hat  er  sich  ja  anch  einmal  einen  versteckten  Hinweis  auf  den 
Dichter  Naevins  erlaubt. 

Greifs wald.  L.  Radermaoher. 


Zum  Orakel  vob  Tralles 

I 

E.  Ziebarth  veröffentlicht  im  diesjährigen  Programm  dee 
Wilhelm-Gymnasiums  zu  Hamburg  aus  einer  Handschrift  der  Ham- 
burger Stadtbibliothek  eine  Reihe  von  unedierten  griechischen  In- 
schriften, deren  Erhaltung  Cyriacus  von  Ancona  verdankt  wird. 
Am  meisten  Interesse  beansprucht  wohl  Nr.  12  der  Sammlung, 
ein  Orakelspruch  über  das  Geschick  der  Stadt  Trallee,  der  einem 
gewissen  Pausanias  gegeben  wurde.  Im  Texte  dieses  Stückes  hat 
der  Herausgeber,  zum  Theil  von  dem  Bestreben  beeinflusst  Hexa- 
meter herzustellen,  allerlei  Aenderungen  vorgenommen,  die  sich 
ihm  selbst  und  mir,  als  wir  in  den  Osterferien  gemeinsam  den 
Text  lasen,  als  unnöthig  erwiesen  haben.  Auch  Zuschriften  von 
>\'ilamowitz  und  Sudhaus  an  den  Herausgeber  forderten  die 
Wiederherstellung  des  Textes,  den  ich  deshalb  von  neuem  hier- 
hersetze: 

Χρησμός  <6οθ6ΐς)  ΤΤαυσανίςι  τψ  προίόρψ. 
Τήσόε  πόλεως  Τράλεως  τό  κάλλος  χρόνιυ  έσεΐται 
σβεννύμενον  τό  δέ  πολλοστόν  ταύτης  καταλ€ΐς)θέν 
dv  ύστάτοις  έκφοβηθήσβται  ?θν€ΐ  άνάρχψ, 
5  σαλβυθήσεται  bk  ουδαμώς,  είτα  άνακαινισθήσεται 
παρά  δυνατού  Νικωνυμου,  δς  όκταπλήν  άγλαώς  ένάδα 
βιώση  δίσκων  και  τρΙς  επτά  κύκλον  πάλιν  'Αττάλου  λαμ- 
πρύνει 
καΐ  τό  παρόν  'Ηρακλείου  πολίχνιον*  φ  και  πόλεις  έσπίριαι 
ύποκύψουσι  και  αγέρωχοι  ύποκλιθήσονται  ποιδικώς. 

1  χρησμός  ΤΤαυσανίου  cod.,  προέδρου  add.  Laur.  2  χρόνψ  ^o\> 
ποτ')  Ζ.  3  τόδε  *  Ζ.  4  εθνειαν  αρχωι  cod.  όθνείψ  άρχψ  J.  Geffcken 
bei  Ζ.  5  αλ€υθησεται  cod.  σαλευθήσεται  Geflfck.  καταλυθήσεται  Wil. 
(ί  Νικονιμου  cod.  Νικωνύμου  Ζ.  Νικόδημου  Sudh.  εναδα  ood.  δεκάδα 
Geifck.  7  βιωσση  cod.  δισσόν  pro  δίσκων  Geffck.  8  πολιχιονω 
cod.  πολίχνιον  (om.  uj)  Geffck.  πόλεις  εσ  περί  αιυπ.  cod.  πόλεις  ές 
περί,  α'ι  Ζ.      9  υποκλιτησσονται  cod. 

1  Aul.  718  werden  die  Zuschauer  angeredet  und  auf  die  Herrea 
in  der  Orchestra,  darunter  gar  fureB  complures,  hingewiesen.  Vgl.  auch 
PopnuluB  597  (Anrede   an  die  Zuschauer)    30  f.  (curatoree  ladoroin) 


Miscellen  639 

Das  Orakel  wird  vom  HerauRgeber  nach  der  spracblichen 
Form  in  das  dritte  nachchriHtliche  Jahrhundert  gesetzt.  Danach 
würden  die  der  Stadt  drohenden  kriegerischen  Erschütterangen 
am  besten  auf  gotische  Einfalle  zu  beziehen  sein,  wozu  das  wieder- 
hergestellte ίθνει  άνάρχψ  (1.  3)  gut  passt. 

Zum  Schlu^ee  noch  zwei  Einzelheiten:  1.  4  άλ€υθή(7€ται 
(von  άλεύο)  =  άλέω  zermalmen)  wage  ich  aus  Mangel  an  Belegen 
nicht  zu  halten.  1.  6  dvaba  =  dvveaba  ist  ganz  analog  ένάκις 
und  ίνατος  gebildet. 

Cuxhaven.  Hans  Wegehaupt. 

U 

Im  Jahre  1279  —  so  erzählt  Georgios  Pachymeres  VI  20 
—  sandte  Kaiser  Michael  VIII  Palaiologos  seinen  Sohn  und 
Mitregenten  Andronikos  Π  nach  dem  südwestlichen  Eleinasien, 
um  die  durch  beständige  Raubzüge  der  Türken  furchtbar  heim- 
gesuchten erenzlande  zu  schützen  und  zu  sichern.  Entzückt  von 
der  herrlichen  Lage  des  einst  so  blühenden  Tralles  bescbliesst 
der  Kronprinz  die  verfallene  Stadt  wiederherzustellen  und  zu 
einem  starken  Bollwerk  auszubauen,  ώς  γουν  έργου  ήπτοντο 
καΐ  προυκοπτον  άνοικοοομουντες,  τήν  €ίς  τό  πον€Ϊν  προθυμίαν 
και  μάλλον  έϊτηό£€ΐ  χρησμός  6ύρ€θ€ΐς  έκ€ΐσ€  εγγεγραμμένος 
μαρμάρψ,  ώς  δήθεν  άναστήσοντός  τίνος  ταύτην  πεσοΟσαν  και 
προς  τό  κρεΐττον  ή  πρότερον  έπανάΕοντος.  6ς  6ή  και  παρεμ- 
φερής έφκει  προς  τε  τά  πραττόμενα  και  τον  άναστήσοντα  κατά 
πάντα,  ώστ'  αυτόν  λογίζεσθαι  βασιλέα  καθ'  δν  ευ  πράΕειν 
έχρησμολογεϊτο  τήν  πόλιν.  καΐ  bia  ταύτα  πολύς  ήν  'Ανδρόνικος 
βασιλεύς  επισπεύδων  τήν  τής  πόλεως  έΗανάστασιν  είμαρμέ- 
νους  και  γάρ  χρόνους  έδίδου  τψ  άναστήσοντι  ό  χρησμός. 
Hierzu  ist  am  Bande  einer  barberinischen  Handschrift,  wie  Poesinns 
in  seiner  Note  S.  682  f.  Bonn,  angiebt,  der  Wortlaut  des  von 
Ziebarth  veröffentlichten  Orakels  nachgetragen  mit  der  lieber• 
Schrift  ούτος  ό  χρησμός  ΤΤαυσανίου  προέδρου.  Sollte  nicht 
dieser  oder  ein  ihm  nächst  verwandter  Codex  Cyriacus'  Quelle 
gewesen  sein? 

Nikephoros  Greguras,  der  den  Vorgang  ebenso  nur  kürzer 
berichtet  und  die  Inschrift  in  seine  Geschichtserzählung  selbst 
einflicht  Υ  5,  knüpft  daran  die  Bemerkung  S.  143,  9  ff.  Bonn, 
ούτος  ό  χρησμός  τοις  πολλοίς  ού  παλαιός  έοόκει  χρησμός  άλλα 
νεωτέρων  πλάσμα  τινών  ήσαν  b'  οι  και  πιστόν  ήγοΟντο  και 
αληθή.  In  der  That,  erwägt  man  die  eigenartige  Form  sowie 
den  auf  die  Zeit  der  ^Auffindung'  genau  zugeschnittenen  Inhalt 
dieser  alsbald  so  grausam  Lügen  gestraften  Prophezeiung,  und 
vergegenwärtigt  man  sich,  welche  Rolle  im  Leben  des  über  die 
Massen  abergläubischen  Herrschers  Zeichen  und  Orakel  aller  Art 
gespielt  haben,  so  wird  man  sich  der  Ansicht  jener  Skeptiker 
kaum  verschliessen  können. 

Für  den  Text  der  Inschrift  ergiebt  sich  aus  der  tJeber- 
lieferung  der  beiden  Historiker  noch  Z.  2  Τράλλεων  Ρ  (Τράλλεως 


640  Misoollen 

G)i  χρόνοις,  5  άλιυθησβται  Ρ  (άλώσ€ται  G),  6  έννά^α  G,  7  βιώσ€ΐ, 
κύκλων,  Btatt  το  παρόν  Ηρακλείου  πολιχνιον  8,  ivae  bei  G  fehlt, 
giebt  Ρ  τό  παρ*  Ήρ.  π.  Aueeerdem  zeigt  ihre  DaretellnDg,  daes 
νικώνυμος  appeliativ  im  Sinne  von  τής  νίκης  επώνυμος  gemeiat 
ist.  Man  Latte  das  freilich  auch  ohnehin  sehen  können :  die 
directe  Nennung  eines  bestimmten  Eigennamens  verstöast  gegen 
den  Orakelton,  der  οΰτ€  λέγει  oöre  κρύπτει  άλλα  σημαίνει. 
Bonn.  Α.  Brinkmann. 

NiUheiliuig  des  Κ.  D.  Arehftologieehen  Instituts 

HANS  von  PROTT  ist  in  der  Nacht  vom  13.  zum  14.  Sep- 
tember in  selbst  gewähltem  Tode  von  uns  geschieden.  Wir  haben 
ihn  heute  in  attischer  £rde  gebettet.  Wir  klagen  um  den  treuen 
Mitarbeiter,  um  den  ausgezeichneten  Gelehrten,  um  den  Mann 
von  makelloser  Reinheit  und  schlichtem  Adel  der  Gesinnung. 
Wir  suchen  schmerzlich  nach  einer  £rkl&rung  fttr  die  Katastrophe, 
die  ihn  uns  geraubt  hat,  und  gewinnen  fest  und  fester  die  Ueber- 
zeugung,  dass  eine  in  wenig  Tagen  rasch  zunehmende  Umnachtung 
des  klaren   Geistes  ihn  in  den  Tod  geführt  hat. 

Seit  seinen  Universitätejahren  war  die  Erforschung  der  grie- 
chischen Religion  die  Hauptaufgabe  seiner  Studien:  hier  sah  er 
den  Schlüssel  für  das  Yerständniss  der  griechischen  Kultur  und 
Kunst.  In  mühsamen  Einzelarbeiten  hatte  er  seit  Jahren  die 
sichere  Grundlage  gelegt  und  unablässig  war  er  den  Zusammen- 
hängen nachgegangen,  wieder  und  wieder  belohnt  dureh  weitere 
Ausblicke,  tiefere  Einsichten.  Und  nun  that  sich  ihm  in  den 
letzten  >Vochen  ein  Ideenkreis  auf,  der  ihm  über  Alles  ein  neues, 
fast  grelles  Licht  zu  verbreiten  schien.  Von  Kaibels  letzter  wissen- 
schaftlicher Arbeit,  dem  Aufsatze  über  die  Daktylen,  ausgehend 
glaubte  er  endlich  die  Zauberformel  gefunden  zu  haben,  die  das 
Geheimniss  der  ältesten  Stufen  der  griechischen  Religion  zu  lösen 
versprach.  Und  nun  drang  die  Fülle  der  Ideen  mit  solcher  Gewalt 
auf  ihn  ein,  dass  er  Tag  und  Nacht  keine  Ruhe  fand,  beglückt 
und  doch  geängstigt  durch  diese  Rastlosigkeit  des  Schanens  und 
Yerstehens.  Er  versuchte  durch  eine  Reise  sich  abzulenken  — 
er  kam  elend  heim.  Und  nun  kamen  Tage  der  Ermattung,  in 
denen  ihn  die  Angst  ergriff  und  nicht  losliess,  er  werde  über 
seiner  Arbeit  dem  Wahnsinn  verfallen.  Schon  glaubten  wir  ihn 
überredet  zu  haben,  in  Kephissia  Erholung  zu  suchen  —  da 
schied  er  freiwillig  aus  dem  Leben.  Sein  Andenken  wird  anter 
uns  fortleben  —  fiel  er,  so  fiel  er  im  Ringen  um  ein  grossei 
Ziel.     Er  war  ein  ganzer  Mann. 

Athen,  den  14.  September  1903. 

Wilhelm  Dörpfeld  Hans  Schrader 

zur  Zeit  in  Pergamon  Athen. 


Verantwortlicher  Redacteur:   August  Brinkmann  in  Bonn. 

(29.  September  1903.) 


Register 


Adraetus  Aphrodisiensis   116,   124 
Aegyptische  Götterdreibeiten  33 
Agrippa,  Maroius  223  f. 
AischyloB,  Positionsdehnung  bei  A. 

284    —    Choeph.  von  Euripides 

kritisiert  547  ff.   (Pers.  784)  291 

Suppl.  (781)  4901 
ακραίοι  θ€ο{  15 

Alexandere  d.  G.  Beisetzungen  461  f. 
Alexander  Severus  629  f. 
Alkiphron,  Sprache  und  Stil  453  f. 

(I  9,  3)  454  (1  11  ==  III  l)  453 

(I  15=112,3)  455  (IV  15=  II 

3.10  u.  11)  456  ff. 
Altäre  dreifache  322 
άμαλόγος  άμαλογ^  άμαλοτ€ΐν457ί. 
άμφ-    in    mythischen    Namen  346 
Anthologie,  zur  Kritik  und  Exegese 

der  gr.  A.  294  ff.  cod.  Marcian. 

(481)  302  ff. 
Antiochos   von   Askalon,    benutzt 

von  Cicero  (de  or.)  554  ff.  (part. 

0Γ.)  585^  (top.)  590  ff.  sonst  557« 
Artemis    dreigestaltig    166    άμφ{- 

πυρος  332  f. 
Artisten-Wörter  317 
Asklepiaden  in  Kos,  Stammbaum  62 
Astakos  491  f. 
Ατρυτος  284 
Augen,    drei  bei  Göttern  und  im 

Märchen  183  f. 
Avienus  48« 
ΆΙόαιαι  θ€α{  323  f. 

Breitenbestimmung,  geogr.  im  Al- 

terthum  235  f. 
Brimo  166 
Bttccherovasen  504  f. 

Caparcotna  ■=  Leggun  in  Galilaea 

633  ff. 
Caracalla  221  f. 
Chalcidius  (p.  104.  6)  115.  118 
Charmadas    der   Akademiker  576 
Chimaira  170 
Chiton  521  ff. 
Chlaina  516  ff. 

Choreuten,  Zahl  d.  Ch.  354  f. 
Chronos  dreiköpfig  168 

BheliL  Mub.  f.  PhlloL  N.  P.  LYIII. 


Cicero,  de  or.  552  ff.  paradoxa581i 
part.  or.  585»  topica  566.  590  ff. 

Clausein,  metrische  371  ff.  s.  Satz- 
schi uss 

cornicularius  praefecti  praetorio 
219 

correptio  Attioa  270  f. 

culta  Faunorum  464 

Cultus  selbständiger  Götter  in  Tria- 
den 13  f. 

Cyrina  =  Quirina  476' 

Dämonen  mit  drei  Köpfen  168 

Devotionsinschriften  25.    157.  624 

Diodorfragment,  falsches  152 

Dionyse  189 

Doppelherme  der  Athene  195 

Doppelung,  poetische  344  f. 

Drei  Gipfel  der  Götterberge  189^ 

Dreibeinige  Thiere  186  f. 

Dreieinigkeit  36  f. 

Dreifaltigkeit  hl.,  bildlich  dar- 
gestellt 180  f. 

Dreiheit  im  Glauben  und  Cultus 
1  ff.  161  ff.  321  ff.  in  bildlicher 
Darstellung  göttlicher  Wesen 
162  ff.  der  göttl.  Gliedmassen 
185  ff.  in  Symbolen  187  ff.  der 
Altäre  322 

Dreiköpfigkeit  der  Riesen  und 
Drachen  in  Sage  und  Märchen 
178  f. 

Drei  köpf  gallischer  162 

Dreileibigkeit  feindseliger  Dämonen 
168  f.  172  f. 

Dreizahl  1  f.  s.  Dreiheit,  D.  der 
Winde  5  f.  der  Jahreszeiten  337, 
der  Himmelsgegenden  338.  D. 
zur  Steigerung  dienend  357,  Aus- 
druck der  Vielheit  357  f.,  End- 
zahl der  primitiven  Menschheit 
362 

Echidna  169 

Eid  17 

Elegie,  jüngere  attische  279  f. 

Elia- Apokalypse,  jüdische   627  ff. 

Elle,  ägyptische  239 

ένθαΟτα,  έντοΟτα  609» 

41 


642 


Regitier 


Epigramm,  attisches  276 

Erdmessung  231  f. 

Eratosthenes,    Erdmessung   231  f. 

Erdtheile  389 

Erulus  176 

Eudoros  der  Akademiker  568 

Eugippius  Vita  s.  Severini,  lieber- 
lieferung  363  rhythmischer  Satz- 
schluss  364    Kritisches  364  fif. 

eiMToe  €ύρα(  3J9 

Euripides,  als  litterarischer  Kri- 
tiker (Elektro  532  ff.)  546  ff. 
(Herakles  1271  f.)  173 

Eustathios,  Benutzer  Strabos  126  f. 
(in  Hom.  II.  Τ  400  ρ.  1190, 50  R) 
152  (in  Od.  σ  292)  514 

Eustathios  Makrembolites  der  Ro- 
manschriftsteller identisch  mit 
dem  Erzbisohof  von  Thesssalonike 
427  ff.  —  Eumathios  s.  Tauf- 
name 434  —  s.  Rätsel  435  — 
Verf.  des  Χριστός  πάσχων?  485 

Evangelium   Matthaei   (28,  19)  39 

evocati  219 

facere  {voluptate  faciente  u.  ä.)  460 

fatales  =  proetantes  464 

Favonius  Eulogius,  Quellen  des  F. 
E.  115  f. 

Feier,  kirchliche  der  Dreifaltig- 
keit 45 

Finanznöthe  in  Knidos  154 

Flores  moralium  auetoritatum  469 

Flotte«  römische  unter  Sev.  Alex. 
384  ff. 

Friesplatten,  thönerne  des  6.  Jahrh. 
aus  Italien  500.  507  ff. 

Galen  (X  5)  63 

Geist,  hl.  37  f ,  weiblich  41  f. 

Gellius  117,  119    Kritisches  153 

Germanicus,Aratea  Kritisches  und 
Exegetisches  48  f. 

Germanische  Götterdreiheiten  31 

Geryones  τρισώματος  174 

Gnostiker  41  f. 

Götterbilder,  älteste  in  Italien  502f. 

Götterdreiheiten  3  f.  24  f.  erweitert 
28  f.  bei  nichtgriechischen  Völ- 
kern 29  f.  322^  statt  urspr.  Zwei- 
heiten  323  ff. 

Göttermutter  verdoppelt  192 

Handschriften  des  Hermogenes 
209  ff.  von  Proklos•  Timaios- 
Commentar  246  ff.  cod.  Harri- 
sianus  in  Alexandria  308  ff. 
Marcian.  (481)  802  ff.   Paris,  gr. 


(2324)  68   (suppl.  636)  67  f.  - 

des  Eugippius  363  ff.  cod.  Broxell 

(1342- 1350)  56  ff.   Veron.  (bibl 

capit.  155=  168)  469 
Heilgötter  zu  dreien  14  f.  zu  zweien 

331  f. 
Hekate  τρίμορφος  163  f.  347    τρι- 

κάρηνος  165    zweileibig  332 
Hermogenes -Handschriften  209  f. 

Ausgabe  217 
Hermes  τρικέφαλος  167 
Heron  232 

Hesiod,  Theogonie  4  f.  (378  ff.)  5 
Hipparchos  243 
Hippokratesvita,  neue  56  f.    Liste 

der    Schüler  64      Schriftenver- 

zoichniss  64 
hocannivus  463 
Herodot  (V  88)  517 
Historia  Augusta:  v.  Gordiani  (10) 

540 
Homer  (Λ  39  f.)  173  (Ξ  180)  512  f. 

(X  80)  513  f. 
Horatius,  sat.  I  Grundgedanke  and 

Disposition  463  ff.    —     (I  108) 

444  ff.  452 

Jabrestheilung  337  ff. 

Indische  Götterdreiheiten  32 

Infinitiv,  substantivierter  im  Griech. 
(τό  σφέτερον  κερδα(νειν)  454 

Inschriften,  griech.  des  thcstal 
Dialekts  598  ff.  —  (CIG.  2509) 
384  (Ancient  gr.  inicr.  in  the 
British  Museum  IV  1  Ν  897)  154 
(Athen.  Mitth.  XXII  183)  460. 461 
(Bull.  d.  C.  H.  188Ü.  227)  389 
(Notizie  d.  scavi  1903,  171)  624 

Inschriften,  lat.  (CIL.  II  2664)219* 
(in  151)  476  (6813)  478  (6814. 
6816)634  (IV  581.  1679)  35  (V 
2787)  317  (VI  1611)  218  (XI 3104) 
544  (XIII  1807)  220.  627  (3162} 
228  (6677»)  543  (Dessau  IS. 47^) 
221  (2841)  385  (Bull.  arch.  1902, 
418)  624  (Rom.  Mitth.  1890,  91) 
219(Monum.d.Lincei  13,117)598 

Johannes  Diaconus,  Mansionariai 
468  ff. 

lonismen  in  der  Tragödie  291  f 

Isopsephie  294.  296  f. 

Italische  Gultur  des  6.  Jahrh.  509  f. 

Italische  Götterdreiheiten  29 

Jungfrauen,  göttliche  in  Zweisshl 
324  ff. 

Keltische  Götterdreiheiten  31 
Kerberos  169 


R^gitter 


643 


Kleomedes  234 
KnidoB  154  f. 
κοντο«α(κτης  319 
Kreazwege  339 
Kritiae  279 
Κυρσ(λος  617  f. 

Lamnitium  und  Lamninum  genus 

4β4 
Uipa  464 

Legio,  OrUname  635 
Legionen  (T  Italica)  479  f.  (II  Tra- 

iana)  476  ff.  (VI  ferrata)  633  f. 

(XI  Claudia)    480'  -  translatio 

418 
Leonidas  von  Alexandria  294  f. 
Leukippiden  326 
lituus  506^ 
loci  commanee,  Lehre  von  den  1.  c. 

570 
lusor  318 
lustFum  353.  356 

Macrobius  (Comm.  in  Scip.   eomn. 

I  6,12)  115    (I  6,21)  117  (I  6, 

55)  118  (I  «,81)  120 
MaeciuB  Gordianus  631 
Märchen    von   den   drei   Brüdern 

7  f.  328  f.    vom  Aschenbrödel  9. 

13« 
Maesa  223 
maioriariue  219 

Makedonische  Götterdrei heiten   29 
Marmor    Parium   (ep.  15,  18)   460 

(ep.  11,11  ff.)  461 
Martianus  Capeila  116.  117  f. 
Maternianus,  Flaviue  223 
Mavors,  Etymologie  316 
matdistria  465 

mensores  regii  Ptolemaei  238 
Misitheus-Timesitheus  230.  630 
Mitternacht  als  GeiRterstunde  336 
Monatstheilung  3'ό'Λ  f. 
Mongoliche  Götterdreiheiten  34 
murosus  467 

Nemesis  verdoppelt  190  f. 
νικιύνυμος  640 

ochpecta  6>b  f. 
Orakel  von  Tralles  638  f. 
Orphische  Theosophie  6 
Orthros  169 

Palaiphatos,  Handschrift  308  f. 
Pallas  doppelt  193 
Participium    im  Griech.  (£στιν  ού 
δυνομίνοις)  455 


πάθη,  ßedeutnng  für  den  Redner 

577  f.  582  f.  596 
Paulus,  Korintherbriefe  38 
ιταυτοΛκΐιται  θ€ο{  14 
Peplos  512  ff. 
pergyrare  465  f. 
Perserkriege  des  3.  Jahrh.  n.  Chr. 

627  ff. 
periica  319 
Petronius  (35)  625  f. 
Philodemos,  rhet.  Schriften  559  ff. 

579  ff.  586.  596  (I  14  fr.  5)  579* 

(II  30,  7)  561* 
Φόβος  315 

Phrygische  Götterdreiheiten  29 
Piraterie  unter  Severus  Alexander 

382 
Πίθων  und  verwandte  Namen  604* 
Plangon  154 
Planndes  302  f. 
Piaton,    Timaiostezt   bei   Proklos 

246  f. 
Plantns,  Zeit  der  Asinaria  (123  f.) 

636  ff. 
Plinius  (n.  h.  2,  247)  238   (36,  21) 

154 
Plinius,    eine   Ueberlieferung    der 

Briefe  in  Verona  467  ff. 
Plutarch  (de    Alex.    M.  fort,    aut 

virt.  343  E)  315 
πολιείς  θεοί  15 
Pollux  (I  146)  320 
Poseidon,    Formen    des     Namens 

619  ff.    Etymologie  620« 
Poseidonios  119,  125 
posinaclum  464 
Positionsdehnung   bei    attischen 

Dichtern  270  f. 
praefectus  copiarum  225 
praemia  militiae  223 
procuratores  221 
Proklos,  Timaiostext  246  f. 
Prott,  H.  V.  640 
Pseudo-AorOjHorazscholien.Sprach- 

Hohes  462  ff.     Kritisches  466  f. 
Ptolemaios  244 
Ptolemaios  Cbennos  καινή  Ιστορία 

152 

Kathsversammlung  auf  ital.  Relief 

500  ff. 
Rhetorik,  ob  eine  τέχνη  686 
Römische  Kaiserj^eschichte,  Unter- 
suchungen 218  ff.  382  ff.  f>38  ff. 

Sage  von  den  drei  Brüdern  7  f. 
328  f.  von  drei  Schwestern  13. 
13^.  133 


644 


Register 


SalluetiuB  Hiet.  or.  Philippi  (§3)  529 
(§  10)  533  (§  16)  535  f.  (§  17)  537 

Satz8ohlu88,  rhythmischer  371  ff. 
bei  Kugippius  363  ff.  bei  Gioero, 
Florus,  Mioacins  Felix,  Sym- 
machus  374  ff. 

Schotzgötter  der  städtischen  Ge- 
meinde 15  f. 

Schwur  bei  dreien  17  f. 

SchwurgÖtter  (Dreiheiten)  18  f. 
(Zweiheiten)  330  f. 

Semitische  Götterdreiheiten  32 

Serbisches  Lied  (Talvj  1,  224J 177 

Siebenzahl  349  f. 

Skylla  173 

Skythitche  Trias  34 

Solon,  Positionsdehnung  bei  S.  274 

Sosiphanes,  zwei  Tragiker  dieses 
Namens  459  ff.  Lebenszeit  460  f. 

Sotairos- Inschrift  598  ff. 

Spaltung  einer  Gottheit  204.  321 

Sprichwörter  der  Römer  471  ff. 

Stadion  des  Eratosthenes  239  f. 

Stepbanus  Byzantius  benutzt  den 
Strabo  136  f. 

Strabo  bei  Eustathios  126  f.  bei 
Steph.  Byz.  136  (XVII  794)461  f. 

Suidas  459 

Tacitus  (bist.  I  40)  316 

Tages theilung:  335  f. 

Tageszählung  338  f. 

Taufbefehl,  trinitaricher  39 

Taufe  und  Dreiheit  40,  auf  den 
Namen  Christi  40 

ter  unus  36 

Teufel  als  Dreieinheit  dargestellt 
182 

Themison,  über  die  acuten  und 
chronischen  Krankheiten  67  ff. 

Theo,  progymnasmata  573^ 

Theo  Smyrnaeus  116,  122 

θέσ€ΐς,  rhetorische  564  ff. 

Thessaliotis  und  Pelasgiotis  598  ff. 

Thessalischer  Dialekt,  Unterschiede 
im  Th.  D.  599  ff.  begründet  in 
Stammesunterschieden  609  ff. 

Thrakische  (iötterdreiheiten  29 

Timesitheus,  Inschriften  des  T.  218  f. 
—  T.  und  die  Perserkriege  627  ff. 

Thukydides  (I  6)  517  f.  520  f. 

Timotheos'  Perser  481  ff. 

tüaius  464 

τοίος  und  τοιοΟτος  159 

Tracht,  altgriechische  511  ff.  alt- 
italische 501  ff. 


Tragicorum  Graec.  fragmenta,  Kri- 
tisches 138  ff. 

Tragiker,  Positionsdehnang  bei  den 
T.  280  f. 

Tralles  638  f. 

Trialis  360 

Tricipitinus  176 

Triglav  177  f. 

trimorfus  464  f. 

triquetrum  187  f. 

Triton  173 

τΖάπιον  466  f. 

Tzetzes  (Chil.  VII  hist.  155)  63 

V  und  f  im  Italischen  316 

üi  in  ι  verdorben  167* 

Uebelabwehrende  Gottheiten   13  f. 

Vanus  Maroellus  222 

Varro  M.,  Quelle  des  Favonius  Ealo- 

gius  115  f.  von  Vergils  georgica 

392  ff.    (bei  Censorinus  d.  d.  n. 

13,  2)  241 
Vater name,  in  adj.  Form  statt  des 

Gen.  603  f. 
Verdoppelung  einer  Gottheit  190  f. 

195  f.  bei  unbekannten  Gottern 

200    auf  Terraeotten    201.    203 

bei  den  lUlikem  202  f. 
Verdreifachung  einer  Gottheit  ^205  f. 
Vergilius  (ecl3,60)  491  georg.  (I 

1.^50)  Quellen  und  Master  39 1  ff. 

üebcrsicht  ders   426 
Verflachungstafeln  aus  Worms  157 

s.  Devotionsinschriften 
Verpfändung    von    Bauwerken    n. 

dergl.  156 
Vierzahl    in    Glaube    und    Brauch 

340  ff. 
Viginti  viri  anter  Gordian  d.  Aelt. 

540  f. 
viripoiens  465 

Wasserweihe  2 

Weibliche  Dreiheiten   9  f.     Zwei- 
heiten 323  ff. 
Wendekreis,  Bestimmung  des  W.  23(i 

Xenophon  (Ages.  II  12)  316 

Zahlen,  typische   (7.    12.  800.   70. 

50)  349  ff. 
Zahlenlehre,  mythologische  348  ff. 
Zählweise  primitiver  Völker  368  ff. 
Zweiheit  342  ff.    göttlicher  Weeen 

161.  190.  322  ff. 
Zweiseitigkeit,  mythologische  344  ff. 


Carl  Qeorgi,  ÜniTeveltite>Buohdnickerei  In  Bonn. 


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4.^ 


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