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Full text of "Rheinisches Museum für Philologie"

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Rheiniſches Muſeum 


Philboblogie. 


Herausgegeben 
von 


% ©. Welcker und F. Ritſchl. 








Neue Folge, 
Dehtöngenrsonn 


Srankfurt am Main. 


Verlag von Johann David Sauerländer. 


1845. 


Kamen der Mitarbeiter. 


Herr H. L. Ahrens in Ilfelv. 


F. Bamberger in Braunfchweig. 
Th. Bergk in Marburg. 


F. H. Bothe in Leipzig. 


E. Braun in Rom- 

H. Brunn in Kom. 

3. Cäfar in Stlarburg. 
€. Curtius in Berlin, 
&. Curtins in Dresden. 


I. 6. Droyfen in Kiel. 


F. Dübner in Paris. 

G. von Eckenbrecher in Berlin. 
A. Eckermann in Göttingen. 
AR Emperius in Braunfchweig. 
R. Enger in Oppeln. 

B. Fabricius in Dresden. 


. ©. Firnhaber in Hanan. 


I. Franz in Berlin. 
J. Geel in Leiden. 
€. Gerhard in Berlin. 


C. E. Gläfer in Breslau. 
.W. Göttling ın Jena. 
G. F. Grotefend in Hannover. 


F. Haaſe in Breslau. 
M. Haupt in Leipzig. 
F. Heimſoeth in Bonn. 


A. F. Hermann in Göttingen. 


IM. Hertz in Berlin. 

©. Jahn in Greifswald. 
fi. Lachmann in Berlin. 
Ch. Ladewig in Neuftrelitz- 


vI 


Herr 


Namen der Mitarbeiter. 


A. Lehrs in fönigsberg. 
L. Lerfchsin Bonn. 

V. Loers in Trier. 

R. Merkel in Magdeburg. 

F. Ofann in Giefsen. 

C. Peter in Meiningen. 
Ch. Preffel aus Tübingen. 

F. Ritfchl in Bonn. 

F. Ritter in Bonn. 

£. Rofs in Athen. 

H. Sauppe in Bürich. 

W. von Schlegel in Bonn. 

O. Schnewer in Gotha. 
W. Schneidewin in Göttingen. 
&. Schöne in Herford. 
&. Schwenck in Frankfurt a. M. 
IN. Seebeck aus Stleiningen. 
A. Sintenis in Zerbſt. 

£. Stephani aus Leipzig. 
G. Studer in Bern. 
W. Teuffel in Tübingen. 
. N. Ulrichs in Athen. # 
f. WUrlichs in Bonn. 
Ch. Dömel in Frankfurt a. M. 
©. Weigand in Berlin. 
G. Welcker in Bonn. 
C. Wer in Schwerin. 

F. Woltmann in Charlottenburg. 
W. 3umpt in Berlin. 


Seite 
Ueber die Kritif im Theognis. Don Th. Bergk in Marburg . 206, 396 


Ueber den religiöfen Standpunft BPindars. Bon M. Seebed aus 


Meiningen . ; - i & ; . . . . 504 
Aeſchylus' Aetna und die Palifen. Bon F. W. Schneidemwin 
in Göttingen  . - Ä —— — 70 


De fontibus et ordine Anthologiae Cephalanae. Scripsit G. 
Was astdeBerolin. u. N. IE EN Re 745 


Spieilegium epigrammatum Graecorum. Bon F. G. Welder. 234 
Die Bormundfhaftsrehnung des Demoſthenes. Bon 9. Th. 

Bömel in Franffurt a. M. R ; . . } . 434 
Ueber tie Schlußpartie der Schrift des Apolloniug Dysfolus 

ng Eriooyuctov. Bon D. Schneider in Gotha .. 446 
Schediasma de loco Clementis Alexandrini Strom. Vl, p. 624 Sylb. 

Bon Ge Geel in Leiden - 5 ß . & . 128 


Das Leben des Thucydides, aus Scholien zur Thucydideiſcheu Ger 
Ihichte gefchöpft von Marcellinus. Bon % Ritter in 
Bonn -» . h . : . h - & N 432 


Inscriptiones Graecae ineditae: collegit ediditque L. Rossius. 
Fasc. II. (Athen. 1842.) Bon 3. Franz in Beln. . 84 


vıu Sah ala 


Einleitungen und Anmerfungen zu Blautinifchen Luftfpielen. Bon u 
Th. Lade wig in Neuftrelig. 
l. Zur Gafina . ö h & ; e . 179. 537 
1. Zur Giftellaria . \ © : . : 520 
Ueber die ſchwachen Verba ver lateinifchen Sprache. Bon E. Peter 
in Meiningen — . . . . 5 ; ... 95. 360 


Die Marmorwerfe von Kanthos in Lyeien. Von E. Braun in Rom. 481 
Ueber die Lage Troja's. Bon 9. N. Ulrihs in Athen — 7a 
Ueber die leges annales der Römer. Von C. Wer in Schwerin . 276 


Ueber die Entſtehung und hiſtoriſche Entwicelung des Colonats. 
Von A. W. Zumpt in Berlin . : . . : et 


Miscellen 


Litterargefchichtliches. 
Divasfalien. Don D. Jahn in Greifswald f ß . 140 
Horatius’ Cinara und Sabinum. Bon ©. F. Grotefend 
in Hannover - : x : R a : . 469 
Die Horazifchen Scholiaſten. Von W. Zenffel in Tübingen. 473 
Palladius. Von D. Jahn. £ x : : : seem 


Mittheilungen aus und über Handfhriften. 
Ariſtophanes Kofalos (bei Macrobius.) Von F. W. Shnei- 


dewin - . . A . 141 
Guripides. Plutarh. Bon 8. G. Welder h ® . 468 
Inſchriften bei Ligorio (auf Menander, Oppian, Anafreon.) 

Bon Demfelben N h h R . . Be 465 
Ovid's funfzehnter Brief. Bon F. W. Schneidewin . 14 
Vita Donati. Bon D. Jahn - i R Ä : „146 

Epigraphijches- 
Sfisinfchrift-e Von F. G. Welder . . B R 24 
Tabula lliaca. Bon Demfelben - 4 — 6 
Scherzhaftes Epigramm. Bon J. Franz - 289 


Fragment des Capitoliniſchen Plans. Bon M. Herk in Berlin. 467 


Sahbalt IX 


Ihr Kritik und Erklärung der alten Texte. 
Aeſchyſus (Eumen.) Bon 9. 8%. Ahrens in Slfed . 296 
(Prometh.) Bon W. Teuffel . \ 5 621 


Sophofles (Oed. Col., Philoct., Electr., Trach., Antig.) 
Don 8. Schwenk in Franffart a. M. . h h 3.029 


Guripides (Fragm.) Bon Demfelben — .. 300 
Nriftophanes (Lysistr.), Bon R. Enger in Oppeln . 302 
Komiferfragment (bei Apulejus). Don D. Jahn e . 479 
Theofrit, Bion, Moſchus. Bon D. Schneider . ». 630 
Plato (Leg.) Don F. Dübner in Paris . j . 631 
Kritifche Nachlefe in Kenophons Anabafis. Vou F. 9: Bothe 

in eipig 5 . R A ö 2 088 


Hefyhius. Don K. — . 156. 638 
Gatull. Von 8. Ritfdhl. . . . . . 407 


Horaz Oden. Bon 8. Lahmann in Berlin i . . 615 

„ Eatirn. Von M. Haupt in Leipzig ; : . 146 
Properz. Bon Demfelben . 1 5 . 2100 
Nabirius (bei Fulgentius) Von Demfelben — - .,..307 
Plinius' Kunftgefhichte (Zemis). Bon X . aan . 475 
Tacitus. Don M. Haupt und ©. F. Örotefend . — 


Frontinus (de aquaed.) Von M. Haupt - A h all 

Ki (Strateg.) Von F. Haaſe in Breslau . ae 
Plinius Panegyr. Ben F. Dübner . - i : 2153 
Sronte. Bon D. Jahn . . . , 3 . 66 
Probus. Von Demſelbeu 618 


Feſtus Bon M. Herb . 3 x R 5 : se 
Charifius. Von Demfelben - ON TRUE . . 319 
Grammatifches. 


Jugeribus, iugere. Venditur, perditur. Don 8. Lade 
mann » 5 3 ; h 2 s ä : . 609 


Etymologien. Von & Shwend 2.0. 29 


x SUBHTtE 


Mythologiſches. (Epeur, Karkinen.) Bon Demfelben 


Archäologiſches. (Koloſſalkopf der Billa Ludovift. FR 
Don F ©. Melder. : : x ; 


In Propertium Aeneidos praeconem. Bon AM. von Shlegel. 


Getir 


138 


460 


320 


Weber die Entſtehung und bifterifhe Ent— 
wicfelung des Eolonats. 


Es giebt viele Inſtitutionen in dem Leben der alten Völker, 
deren Urſprung und allmähliges Entſtehen ſich der Geſchichte entzieht: 
fie treten erſt dann hervor, wann fie, ausgebildet und verbreitet, 
Einfluß auf andere Verhältniſſe gewinnen Wie fie begonnen und 
woher fie ihren Anfang genommen, erfahren wir nur, wenn ein al 
ter Hiftorifer felber, mit der Kraft, Kritik zu üben, auch den Willen 
dazu verbindend, fich über ihren Urfprung und ihre Entwidelung 
äußert. Wie felten dies der Fall ift, erfährt Jeder, der die Erſchei— 
nungen in der Gefchichte der alten Völker nicht als abgeriffene und 
felbftandige Thatfachen, fondern in ihrem Zufammenhange betrachten 
will. Die alten Hiftorifer überhaupt, die meift Gefchichte ihrer 
Zeitgenoffen und für Zeitgenoffen fehrieben, haben felten Intereſſe 
daran, die Entwickelung eines Inſtituts zu verfolgen. Vermuthung 
wird alſo immer ergänzend eintreten müffen, und glüdfich noch, wenn 
fie Die Thatfachen felber, an die fie fich anfchliegen kann, aufgezeichnet 
findet. In den fpäteren Zeiten des Karferreichs, auf die unfere Ins 
terfuchung fich beziehen foll, it diefes nur ſehr mangelhaft der Fall 
Daher kommt es, daß zu ven Zeiten Conftantin’s ein in viele Ver— 
bäftniffe des Staate- und Privatlebens tief eingreifendes Anftitut, 
der Colonat, in feiner Hauptfache ausgebildet erfcheint, von def 
fon Entjtehen ſich in den uns erhaltenen Gefchichtsquellen feine. be— 
ſtimmte Nachricht findet. Es iſt überhaupt erft in neuerer Zeit in 
ſeinem Weſen und feiner Eigenthümlichfeit wieder anerkannt worden, 
nachdem es fange Zeit die hiftorifch ſcheinbare Abgeriffenheit, in der 
es erfcheint, der Forfchung entzogen hatte, Savigny hat zuerft das 
Rechtsverhältniß des fogenannten Eofonats (denn diefen auch in den 

Muf. f. Philolog. N. F. IM. 1 


2 Ueber die Entftehung 


Rechtsquellen vorkommenden Namen, den er ihm gegeben, behalten 
wir bei) vollkommen erkannt, und mit folcher Klarheit und Beftimmt- 
beit auseinandergeſetzt, daß darüber weder fernere Unterfuchung, 
noch Zweifel Statt finden dürfen. Siehe feine Abhandlung rüber 
den Römischen Colonat«, in den Abhandlungen der Afademie der 
Wiffenfchaften zu Berlin, Jahrgang 1822. Ueber die gefchichtliche 
Entftehung diefes Snftituts aber äußert fih Savigny nicht; er nennt 
Diefe Seite des Gegenftandes die dunfelfte (S. 20. feiner Abhand- 
lung), und läßt fich, obwohl er die Anfichten älterer Juriften, na— 
mentlich von Cujacius und Gothofredus verwirft, felber auf Ferne 
beſtimmte Erklärung ein. Wir wollen im Folgenden verfuchen, auge 
gehend von der juriftifchen Anseinanderfegung des Rechtsverhältniſſes, 
den hiſtoriſchen Zuſammenhang, aus den es hervorgegangen ift, feft- 
zuſtellen. * 
Zuvörderſt aber ſind einige Bemerkungen über die Natur und 
das Weſen des Colonats nöthig, die wir indeſſen nur als Auszug 
aus Savigny's Unterſuchungen betrachtet wiſſen wollen. Der Colo— 
nat iſt eine Art von Hörigkeit, geſchaffen, wie man deutlich erkennt, 
in der Abſicht, um einen beſſeren Anbau des Landes zu veranlaſſen. 
Colonen alſo ſind Bauern, gebunden an die Scholle, auf der ſie 
wohnen, mit ihrer ganzen Familie. Sie ſind nicht Grundeigenthümer 
des Bodens, den ſie bebauen: ſie wohnen auf großen Landgütern, 
und die Eigenthümer dieſer Güter ſind damit zugleich auch Eigenthü— 
mer der Colonen. Kein Verhältniß, nicht einmal der Herr des Gutes, 
zu dem ſie gehören, kann ſie aus ihrer Abhängigkeit erlöſen. Per— 
ſönlich find fie frei: ſie ſind römiſche Bürger, nicht Selaven, doch 
auch außerdem daß fie Feine Abzugsfreiheit haben, vielfach beſchränkt, 
um von ihnen für den Anbau des Bodens, zu deni fie gehören, den 
möglichften Nutzen zu ziehen. Ste haben ihr eigenes Vermögen, 
aber nicht freie Dispofition darüber: ohne Eimwilligung des Guts— 
heren dürfen fie nichts veräußern. Zum Gutsherrn ſelbſt ftehen fie 
fo, daß fie demfelben einen jährlichen Canon, fer es in Früchten 
oder in Geld, geben: diefer Canon darf nicht willführkich von Seite 
des Heren erhöht werden, fonft fteht den Colonen Klage zu. Diefer 
kann alfo , fobald ex ferne Abgaben an feinen Herrn richtig bezahlt, 


und biftorifhe Entwickelung des Colonats. 3 


gewiſſermaßen frei auf feinem Lande Teben, Notbwendiger Weije 
indeffen muß fich zwifchen dem Heren und dem Colonen mit der 
Zeit ein Pietätsverhältniß bilden, fo daß der Colone feinen Herrn 
nicht gerichtlich befangen Fann, und auch mäßige Züchtigung von ihm 
hinnehmen muß: etwas das fpäter auch gefeßlich feftgeftelft wird. 
Mit dem Staate ftcht der Colone direct eigentlich in gar Feiner 
Verbindung: nur indireet durch den Gutsheren zahlt er Abgaben, 
und die Pflicht des Soldatendienftes erfüllt ev nım, wenn fein Here 
ihn ſtellt. — Dies iſt im Wefentlichen das Rechtsverhältniß des 
Eolonats, wie es ſich im Laufe der Zeit allmählig ausgebildet hat, 
wie es aber, wo es hiſtoriſch auftritt, zur Zeit Conftantin’s ſogleich 
in der Hauptfache vollendet erfcheint. 

Die Wichtigkeit, die es im ganzen Leben der Kaiſerzeit gewinnen 
mußte, Teuchtet auf den erſten Blif ein. Für den Staat fag in ihm 
das hauptfüchlichfte Mittel, feine Einkünfte zu vermehren und feine 
Heere zu erhalten: es mußte ihm an feiner Erhaltung und Vers 
mehrung weit mehr Tiegen, als an der der Sclaven, die in erſterer 
Beziehung wenigftens nur indirect etwas, in letzterer gar nichts lei— 
fteten; denn Sclaven wurden nur in den Fällen der Noth zum 
Kriegsdienft zugelaffen, in fpäterer Zeit 3. B. im Jahre 405, wo 
Radagaiſus und feine Schaaren in Italien einbrachen. (Siebe den 
Theodoſianus Codex 7, 13 (de tironibus) 1. 16). In den Pri— 
vatserhältniffen mußte nothiwendiger Weiſe der nene Stand, der fo 
gefchaffen wurde, nicht geringeren Einfluß gewinnen, als früher das 
Anwachſen des Sclavenftandes gehabt hatte. Es verlohnt fich alſo 
wohl auch der Wichtigkeit der Sache halber der Mühe, die hiftorifche 
Entwickelung diefes Verhältniffes näher zu beleuchten und die Anfänge 
veffelben aufzufuchen. 

Der Zweck des ganzen Inſtitnts war, wie wir oben fagten, den 
Ackerbau, der immer reißender abnahm und dem Neiche den Unter» 
gang drohte, neu zu beleben und dauernd zu fihern. Daß diefes 
Verhältniß am Ende des zweiten und Beginn des dritten Jahrhun— 
derts wirffich Statt fand und ach lebhaft gefühlt wurde, dürfen 
wir nach den Unterfuchungen in C. ©, Zumpt's Abhandlung üher 
den Stand der Benölferung und die Volksvermehrung im Alterthum 


4 Ueber die Entftehbung 


(in den Mhandfungen der Akademie der Wiffenfchaften in Berlin, 
Sahrgang 1841) ©. 39 u. flgd. als erwiefen  vorausfegen. Wir 
führen bier nur zwei Thatfachen aus verfchiedenen Zeiten an, die 
das Uebel in feinem fteten Fortichritte erkennen Taffen. Schon 
Tiherius Gracchus hatte, wie bei Plutarch in feinem Leben Cap. 8 
fein Bruder Gajus erzähft, mit Betrübniß gefehen, daß in Etrurien, 
durch das er nach Numantia reifte, die Aecker verwüſtet lägen, daß 
das Land in den Händen weniger großer Grundeigenthümer wäre, 
die es nicht von freien Leuten, fondern von Sclaven bebauen Liegen. 
Dies war der hauptſächlichſte Grund, weshalb er feine agrarifchen 
Geſetze gab. Seine Berfuche ſchlugen zwar nicht ganz fehl, führten 
aber doc Fein Syſtem herbei, wodurch auf die Dauer ein Fräftiger 
Mittelftand gefchaffen werden konnte. Die Cultur des Bodens nah 
troß aller fpäteren Bemühungen ab. Bemerfenswerth iſt die Aeuße— 
zung von Plinius in feiner Naturgefchichte Buch 18, 7: vdie Lati— 
fundien haben Italien zu Grunde gerichtet und richten jet auch 
die Provinzen zu Grunde. Sechs Herren befaßen das halbe Afrıca, 
als fie ein Dpfer Nerv’s wurden.“ Wiederum die Klage über grofe 
Örundergenthümer, Die der. Eultur des Bodens entgegen ftehen. 
Daß diefer Zuftand des Aderbaues auch fpäter fortwährte, ft nicht 
zu läugnen. 

Nur ein Theil des Landes mag beffer angebaut gewefen fein, 
das dem Staate zugehörige Land, auf dem Colonien angefiedelt was 
ven, Wenigſtens Fonnte es nicht in großen Maffen in eine Hand 
zufummenfallen. Denn es laßt fi) nicht daran zweifeln, daß das 
einem Coloniften gegebene Grundſtück unveräiußerfich blieb, und wenn 
des Coloniften Familie ausgeftorben war, wieder an den Staat zus 
rücfiel. Doch auch diefe Eolonien verfielen. Schon unter Nero, 
fagt Taritus in den Annalen Buch 14, 27, daß Tarent und Antium, 
wo Soldaten aus Provinziallegionen als Coloniften angefiedelt was 
ven, ſchnell oerfielen. „Sie zerſtreuten ſich theils in die Provinzen, 
in denen fie gedient hatten, theils, nicht gewöhnt, in der Ehe zu 
leben und Kinder aufzuziehen, Tiefen fie ihre Häufer verwarft ohne 
Nachkommen“ Geſchah dies mit Colonien, die in der. Nähe von 
Rom lagen, und gewiß ganz befondere Sorgfalt von Seiten der 


und hiſtoriſche Entwidelung des Colonats. 5 


Regierung genoffen, wie viel mehr wird es bei den andern, ent- 
fernten Colonien der Fall gewefen fein. Der Staat mußte alfy 
eine große Menge Domänen erhalten, an deren Bebauung ihm ge> 
legen fein mußte. 

Doch kommen wir auf die Latifundien der Privatleute, von Des 
nen wir oben gefprochen, zurück. Wie wurden fie bebaut und durch 
wen? Für die Herren der Güter war es am müßlichften und ein- 
träglichften, wenn fie das Land durch Sclaven, die ihnen nicht durch 
Soldatenpflicht entzogen wurden, bebauen ließen, bei einigen Zweigen 
der Landwirthfchaft wenigftens. Varro de re rustica I, 17 fagt, an 
ungefunden Drten, und zu fehwereren Arbeiten, z. B. den Einbrins 
gen der Ernte und der Weinfefe, ferien Tagelöhner beffer als Scla— 
ven, weil deren Gefundheit nämlich von den Herren gefchont werden 
mußte. Wo er aber von den Arbeitern, die zur Viehzucht nöthig 
find, ſpricht (de re rustica I, 10), erwähnt ex Freie gar nicht: 
fie wurde alfo wohl größtentheils durch Selaven getrieben. Freilich 
Fam daber, wie wir auch unten an einem Beiſpiele fehen werden, 
viel auf die Gebräuche der verfihtedenen Gegenden an. Dem Staate 
indeffen Fonnte es nicht gleichgültig fen, ob Selaven oder Freie bet 
der Pandwirthichaft angewendet wurden: er mifchte fich ſchon früh 
hinein und beffimmte gefetlih eine Anzahl von Freien, Die jeder 
Gutsbefiger zu Halten verpflichtet war, zulegt Cäſar (Sueton im ſei— 
nem Leben 42), der als Minimum ein Drittheil Freigeborne feft- 
feste. 

Schon aus diefer Beftimmung ergiebt fich, daß im Durchſchnitt 
genommen die Selaven ein wichtiges Mittel zum Ackerbau waren, 
Doch auch ihre Anzahl verringerte fich ficherlih mit der Abnahme 
der Bevölferung im Allgememen. Der Zufhuß an Kriegsgefange- 
nen war feit Cäfar, der bei der Eroberung von Gallien, wie Plu— 
tarch in feinem Leben c. 15 erzählt, eine Milton Gefangene ge- 
macht haben fol, nicht fehr beveutend. Die Einfuhr durch Sclaven— 
händler gefhah ohne Zweifel Hauptfächlih aus germaniſchen Stäm- 
men. Je mehr diefe aber gegen das vömifche Neich vordrangen 
und ihm gewachfen wurden, um fo mehr mußte ſich nothwendiger 
Weiſe die Sclaveneinfuhr von ihnen verringern. Seit fir das Reich 


Ö Leber die Entftehung 


faum mehr durch eigene Kraft ſchützen konnte, zogen fie bequemer 
und leichter von den Nömern Geld, entweder dadurch daß fie in rö— 
miſche Kriegsdienfte traten und noch Belohnungen und Ehren dazu 
erhielten, oder dadurch daß fie plündernd und vaubend in das römi— 
ſche Gebiet einftelen. Beftimmte Zeugniffe über die Abnahme der 
Selaven Taffen fich zwar nicht anführen, eben fo wenig, wie über 
ihre Zahl und Zufuhr in früheren Zeiten: doch aus den angegebenen 
Umftänden läßt fih mit Sicherheit Schließen, daß der Aderbau auch 
in den Gegenden, wo er vorzugsweiſe durch Sclaven betrieben wurde, 
durch die Abnahme diefer bedeutend gehindert werden mußte. 

Daher in unfern Rechtsquellen die zahlreichen Beftimmungen 
über die agri deserli: fie mehrten fich fortwährend, und die Gefeg- 
gebung mußte zu harten und drückenden Maßregeln ſchreiten, um 
den Ausfall, Der dadurch in den Staatsernfünften entftand, zu deden. 
Ein wirffameres und nachhaltigeres Mittel Dagegen fand mar im 
Eofonat, darin daß man einen Stand fehuf, der an den Grund und 
Boden gefettet war, dem alle andern Wege zum Unterhalt verfchlof- 
fen waren, der alfo bloß um leben zu Fünnen, zum Anbau des 
Landes gezwungen war, Für die Entftehung diefes Standes find im 
Allgemeinen zwei Fälle möglich, Entweder entwicelte er ſich natur- 
gemäß aus den Innern des römischen Lebens heraus und wurde 
durch die Geſetzgebung nur näher. beftimmt und begränzt, oder er 
wurde fünftlih durch Hinzuziehung fremder Elemente gefchaffen.! 

Im erften Fall, daß der Colonat ſich aus Nömern felber bil- 
dete, find wieder zwer Fälle denkbar. Es fonnte nämlich erftens ein 
foicher Stand entftehen dadurch, daß freigeborne, aber arnıe Bürger 
allmählig durch Unglüf und Schulden herabſanken, und dann durch 
die Gefeggebung in ihrem Zuftande gefeffelt wurden. Es fcheint 
Manches dafür zu fprechen. Sch will hier nicht die Stelfe aus 
Varro de re rustica I, 17 anführen, wo als eine bejondere Art 
von Knechten, die für Lohn auf den Gütern arbeiteten, obaerarii 
genannt werden, deren cs, wie Varro ſich ausdrückt, noch zu feiner 
Zeit in Afien, Aegypten und Illyrien eine ziemliche Anzahl gab. ) 


1) Die Stelle aus Varro lautet folgendermaßen: Omnes agri colun- 
tur hominibus servis aut liberis aut utrisque. Liberis, aut cum ipsi 


und biftorifhe Entwidelung des Colonats. 7 


Schon diefer Ausdruck, noch zu feiner Zeit gebe es obaerarii in 
den genannten Ländern, zeigt, Daß das ganze Verhältniß ſich aus 
früherer Zeit herfchreibt und zu Varro's Zeit im Erlöfchen begriffen 
war, alfo in dem großen Zeitraume, der zwifchen feiner Zeit und 
dem Ende des zweiten Jahrhunderts Liegt, wirklich erloſchen ift. 
Neberdem gründete es ſich auf die ſpeciellen Berhäftniffe nur weniger 
Linder, die Rom für fein ganzes Neich gewiß nicht annahm, und 
in Syrien, das unter jenen Ländern genannt wird, bildete fich, wie 
wir fpäter fehen werden, der Colonat erft frät aus, Eher fann 
man hieher die Nachricht ziehen, die der jüngere Plinius über die 
Bebauung feiner Güter (in feinen Briefen Buch II, 19) giebt; fie 
fteht auch der Zeit nach den Verhältniffen, auf Die es uns hier an— 
kommt, bedeutend näher als die vorige. Man erficht daraus, daß 
in der Gegend bei Comum in Oberitalien (denn da, denke ich, bei 
dem Geburtsorte von Plinius, waren diefe Güter gelegen) die all 
gemeine Sitte herrfchte, daß die größeren Grundeigenthümer das Land 
in kleineren Stücken an Pächter gegen Erlegung einer beftimmten 
Geldſumme überließen, die den Viehſtand und Ackergeräth als Eigen- 
thum befaßen, und alfo nur den Grund und Boden pachteten. In— 
deffen diefe Pächter Fonnten nicht beftehen: die Zeiten, felbft unter 
Trajan waren zu fhfecht (communi temporis iniquitate), die Preiſe 
der Landgüter waren um mehr als ein Drittel gefunfen (von quin- 
quagies, fagt Plinius a. a. D., auf tricies). Die Pächter blieben 
nit ihren Zahlungen an den Gutsheren im Nückftande : ihr Vermö— 
gen wurde, um die Nefte zu decken, verfauft und fie verloren ihre 
Pachtung. Dafür trat eine andere Art, die Güter zu nutzen, ein, 
Der Gutsherr feste auch eine Art von Pächtern (Plinius nennt fie 
mancipes) ein, doch er rüftete fie felber mit Vich und Adergeräth 
aus (instruebat) : dies Inventarium bfieb fein Eigenthunt. 2) 
colunt, ut plerique pauperculi cum sua progenie, aut mercenariis, cum 
eonductieiis liberorum operis res maiores, ut vindemias ac faenisicia ad- 
ministrant: iique quos obaeratos nostri vocitarunt et etiamnune sunt in 
Asia atque Aegyplo et in Illyrico complures. 

2) Die Worte von Plinius, woraus ſich auf diefe doppelte Art von 
Pächtern ſchließen läßt, find folgende: Sed haec felicitas terrae imbeeillis 


eultoribus fatigatur. Nam possessor prior saepius vendidit pignora (das 
heißt doch: er verkaufte das Ackergeräth und das Vich feiner Pächter, um 


“i 


8 Ueber die Entftehung 


Wir haben bier zwer Arten von Pächtern, von denen -befonders 
die fester, wenn die Zeiten unglüdlih waren, in ihrem ganzen fac- 
tifchen Zuftande nicht viel von den fpäteren Colonen verschieden fein 
mochten. Doch rechtlich blieb ein wefentlicher Unterfchied  zwifchen 
ihnen. Ein fofcher manceps fonnte an und für ſich dadurch) an ein 
Grundftüc gebunden fein, daß ihm Fein andrer Erwerbszweig offen 
fand, auch wohl dadurch, daß er immer in Schulden bei feinem 
Herrn, diefen nicht verlafjen durfte, Doc feine Kinder waren frei: 
fie durften fih andre Erwerbszweige fuchen und ſich empor ſchwingen. 
Es gehörte alſo von Seiten der Gefesgebung eine gewaltfane Maß— 
regel dazu, um einen fo vollfommen verfchiedenen Zuftand berbeizu- 
führen, und die Nothwendigfeit feftzufegen, Daß nicht etwa bfoß ein 
Kind, fondern alle gleihmäßig ebenfalls, wie er, an Grund und Bo— 
den gefeffelt waren. Einer ſolchen gewaltfamen Maßregel aber, die 
ſelbſt in den bürftigen Geſchichtsquellen, die von der Zeit Trajan's 
bis auf Conftantin vorhanden find, nicht übergangen werden durfte, 
gejhteht nirgends Erwähnung. Schon dadurd muß es fehr zweifel- 
baft werden, vb man zu einer ſolchen Maßregel gefchritten iftz auch 
giebt Savigny ©. 25 feiner Abhandlung zu, eine fo willführliche, 
durch ein Geſetz berbeigeführte Unterwerfung fer den Grundfägen 
des Altern Nechts Feinesweges angemeſſen. Unhaltbarer wird . die 
Anſicht, daß. Freie gewaltfam in das Colonatsverhältniß hinabgeſto— 
gen feren, noch dadurch, wenn man bedenkt, welche Grundſätze man 
hätte aufjtellen follen, um zu beftimmen, ob ein folcher Zeitpächter 
zum ewig dienenden Colonen ſollte erniedrigt werden oder nicht. 
Man könnte annehmen, die verſchuldeten Pächter ſeien in ewige 
Knechtſchaft geſunken. Doch, wenn auch eine dem Charakter des 
ausgebildeten römischen Nechts jo fremde Mafregel in den uns er— 
haltenen Geſetzſammlungen übergangen werden fonnte, ein Stand 
der Colonen konnte ſich auf diefe Were nur allmählig bilden, wäh— 
vend er mit einem Male zahlreich und weit verbreitet erjcheint. 
damit die Nefte des Pachtaeldes zu decken): et dum reliqua eolonorum minuit 
(die Rückſtände der Pächter an Pachtgelp) ad tempus, vires in posterum 
exhausit, quarum defectione rursus reliqua creverunt. Sunt ergo in- 


struendi 'complures frugi mancipes. Ungewiß ift, welche Art von Rächtern 
die war, welche Plinius Epist. 10, 25 auf feinen Gütern erwähnt. 


und hiftorifche Entwicdelung des Colonats. 9 


Es verſteht ſich hierbei won felbft, daß immer nur von dem 
urſprünglichen Stamme, der zuerft den Stand der Colonen begrün- 
dete, Die Rede iſt. War er einmal gegründet, fo konnte ein ſolches 
Herabfinfen der Freien in ihn leichter Statt finden, und daß es ge— 
ſchehen, iſt nicht zu läugnen: wir werden fpäter jelber auf dieſes 
Efement zur Vermehrung der Colonen aufmerkſam machen. 

Es bleibt, wenn man die Entſtehung des Colonats aus dem 
innern römiſchen Leben heraus erklären will, nod die andre Mög— 
lichfeit übrig, Daß die Selaven in den Stand. derfelben erhoben 
wurden. Savigny in feiner Abhandlung S. 24 hält diefe Anficht 
noch für die wahrſcheinlichſte von allen: ev fagt, zur Beſtätigung 
derfelben fönne der Umftand angeführt werden, daß für den Gute- 
herrn der Name palronus gebraucht wird (ſ. feine Abhandlung ©. 
8), der ber don Freigelaffenen gewöhnlich ift. Doch fügt er auch 
felber das Hinzu, was dieſe Anficht nothwendiger Weiſe wieder um— 
ſtoßen muß, daß in dieſer fo modificirten Manumiſſion etwas ganz 
neues, dem alten Necht völlig fremdes gelegen haben würde, dag, 
ſetze ich Hinzu, auch im unſern Nechtsquellen nicht fo ganz und gar 
verſchwinden Fonnte. Es fteht diefer Anficht aber noch ein entſchie— 
denes Zeugniß entgegen. Theodoſius nämlich in einem Geſetze im 
Juſtinianeiſchen Coder 11, 51 (de colonis Thracensibus) ſagt 
son den Colonen: licet condieione videantur ingenui, servi lamen 
terrae ipsius, cui nali sunt, existimenlur, Wie Fonnten die Co— 
Ionen als ingenui angefehen werden, alle ohne Ausnahme, wen fie 
noch täglich aus den Selaven ergänzt wurden? Weshalb follten 
auch die Herren ihre Selaven frei laſſen? Sie hatten denfelben 
und noch mehr Nusen von ihnen, wenn fie Selaven blieben und als 
folche die Güter bebauten. Es werden servi ruslici erwähnt, und 
zwar war ihre Lage etwas felbftändiger, als die der übrigen Selaven : 
die Geſetzgebung hatte befonore Nücficht auf fie genommen. (Siehe 
den Juſtinianiſchen Codex 11, 47 (de agricolis) und 3, 38 (comm. 
utr. ind.) 1. 1). Sie fanden factifch, wenn auch nicht rechtlich, 
gewiß eben ſo gut als die Colonen. Wie iſt es endlich denkbar, 
daß man mit einem Male alle oder den größten Theil der Selaven, 
die man hatte, follte freigelaffen haben? Zumal da wir ſchon oben 


10 Ueber die Entftehung 


darauf aufmerffam gemacht haben, daß fih die Zahl der Sclaven 
gegen früher ım Allgemeinen verminderte. 

Es bleibt alfo nıtr die Annahme übrig, daß der Stand der Co- 
Ionen durch ein fremdes Element Fünftlich gefchaffen wurde. Diefes 
Element fann aber zunächft nur das germanifche fein, mit dem die 
Nömer in die häufigſten und mannichfachften Berührungen Famen. 
Wir wollen alfo diefe Verhältniſſe zwiſchen Römern und Germanen 
genauer betrachten und fehen, ob ſich in den hiſtoriſchen Berichten 
über diefefben eine Andeutung von dent Verhältniſſe des Colonats findet, 

Zuvor jedoch wird es von Intereſſe fein, kurz zu erinnern, wie 
die römiſche Negierung der abnehmenden Cultur des Landes früher 
hatte abzuhelfen fuchen. Die raschen erkannten das Uebel zuerft, 
und ſahen das Unheil, welches daraus entftehen wirde, voraus. 
Wie brgegneten fie ihm? » Italien war damals noch bevöffert, und 
die römiſchen Bürger, zu jener Zeit noch auf Rom felbft und fein 
unmittelbares Gebiet eingefehränft, fo zahlreich, daß man hoffen 
durfte, durch fie allen, wenn ihre Kräfte richtig angewendet wurden, 
die Bevölferung wieder auffrifchen und ergänzen zu können. Sie 
fiedelten alfo arme römifhe Bürger an und gaben ihnen Staats: 
ländereien, die fie gegen Entrichtung einer Abgabe bebauen folten, 
aber nicht veräußern durften. Seit Marius aus Mangel an Er . 
ſatzmannſchaft aus den wohlhabenden Klaffen der Bevölferung zuerft 
feine Heere aus Proletaviern gebildet, änderte ſich das Verfahren. 
Zuerft aus politischen Rücdfichten wurden Soldaten von Sulla als 
Eoloniften angefievelt, Cäfar verband damit fehon die Abficht, Ita— 
bien beffer zu bevöffern und einen Fräftigen Bauernftand zu Schaffen, 
und Auguſt, auf feine Pläne eingehend, führte das wag jener nicht 
hatte vollenden fünnen, aus. Leitendes Prineip blieb hierbei, daß 
folches Eolonifteneigenthum nur durch eine beftimmte Zeit von Krieges 
dienft erworben wurde; die Eoloniften bewohnten Städte, die durch 
fie gleichlam Keftungen wurden, und von dort aus bebauten fie das 
Land. Alle Provinzen wurden am, Ende mit ſolchen Colonien er— 
füllt, befonders aber an den Gränzen überall befeftigte Orte ange— 
legt, die gegen die Einfälle der Barbaren fchügen follten, Auguſt's 
Abfichten zu einer Zeit, da das römiſche Reich nach Außen hin in 


und hiſtoriſche Entwidelung des Colonats. 11 


feiner vollſten Blüthe ftand, waren hauptſächlich auf die Belebung 
des Ackerbaues gerichtet gewefenz indeffen mehr und, mehr. trat der 
lebelftand hervor, daß ausgediente Soldaten fchlechte Yandleute wa- 
von: die Mafregel wurde am Ende rein militäriſch. Zugleich ging 
die Abnahme der Bevölkerung im Allgemeinen tros aller angewand— 
ten Mittel, ihren Gang fort (ſ. €. G. Zumpt in der angeführten 
Abhandlung S. 63 u, flgd.): nur durch immer wachſende Ausveh- 
nung des Bürgerrechts erhielt fich der Staat und durch Hülfstrup— 
ven von Barbaren die römifchen Heere. Die alten Colonien wa— 
ren nur noch Feftungen und leifteten nichts mehr für den Aderbau. 
Um diefen zu heben fand man feine Elemente mehr unter den Rö— 
mern felber: man mußte fie unter Fremden fuchen. Barbarifche Colo— 
niften follten das leiften, wofür das römiſche Reich felber nicht mehr 
Hände genug hatte. In fo fern erfennen wir alſo in dem fugenanns 
ten Colonat eine Fortſetzung der früheren Colonien, und die Urſache, 
warum er entitand, finden, wir ın der Abnahme der Bevölkerung. 
Für alle diefe Verhältniffe bildet der Marcomannenkrieg, der 
ein anderer Punifcher dem Neiche den Untergang drohte, einen ent» 
foheidenden Wendepunft. Bis dahin hatten die Römer entjchieden 
durch die Gewalt der Waffen die Oberhand gehabt, und, was fie 
befiegt hatten, ihrem Neiche einverleibt, Von jest an änderte fich 
das Verhältniß. Nom fiegte Scheinbar zwar auch noch ferner, aber 
nur, indem es Elemente germanifcher Besölferung entweder in feine 
Beſitzungen aufnahm vder fie durch Geld gewant. Zur Zeit des 
Marcomannifchen Krieges (im Jahre 169 n. Chr.), da germanifche 
und farmatifhe Völker von allen Seiten die römiſchen Gränzen an- 
fielen, trat im römifchen Neiche ein bedeutender Menfchenmangel 
hervor. Eine ungeheure, aus dem im Partherfriege eroberten Se— 
leueia mitgebrachte Pet (Ammian. Marcellinus Buch 23, 6, 245 
Capitolin im Leben von Verus Cap. 8) hatte das ganze Neich, be— 
fonders auch Italien, entvölkert, und die römischen Legionen waren 
faft vernichtet (Lapitolin im Leben von Mareus 13 u. 215 Eutrop 
8, 65 Drofius 7, 15). Der Kaifer mußte die größten Anſtren— 
gungen machen, um die Legionen nur einigermaßen zu ergänzen und 
den Barbaren Wiverftand zu leiſten. GSelaven und Oladiatoren 


12 Ueber die Entftebung 


wurden, wie im zwerten punifchen Kriege, bewaffnet, Räuber in Sold 
genommen, germaniſche Hülfswölfer gemiethet. Die Feinde wurden 
endlich zurücigetrieben und befiegt. Was war das Nefultat? In 
früheren Zeiten Cund noch Trajan hatte es fo gemacht) würden vie 
Länder der beftegten Völker erobert und zu Provinzen des Neichs 
gemacht worden fen. Das fonnte Mare Aurel nicht mehr thun: 
er hätte das Eroberte nicht auf die Dauer halten können. Umge— 
tehrt nahm er die befiegten Völker in fein Reich, in feine Provinzen 
auf. Accepit in deditionem Marcomannos, fagt fein Lebensbe— 
fgreiber Capitolin Cap. 22, plurimis in Italiam traductis. Aus— 
führficher berichtet Div Buch 71 Cap. 11: „In Daecien, in Pan- 
nonien, Möften, Germanen, ja ſelbſt in Italien wurden barbarifche 
Eofoniften angefiedelt.v Das Letztere gereute zwar den Katfer wie 
der. Einige Barbaren, die in der Gegend von Navenna atgefiedelt 
waren, verfuchten diefe Stadt zu überrumpeln und zu pfündern, und 
der Kaiſer ſah ſich genöthigt, um Aehnliches für die Zufunft zu vers 
meiden, nicht nur feine Barbaren mehr in Italien anzuſiedeln, ſon— 
dern ſogar die, welche dort ſchon angeficvelt waren, nach andern 
Provinzen zu verpflanzen. 

Es entfteht hier die Frage: welches die Lage diefer barbartfchen 
Eoloniften war? Ich beziehe darauf, was in den Fragmenten von 
Kiphilinus bei Div Buch 71 Cap. 19 verworren genug angegeben 
wird. /Mareus nahm von den Barbaren diejenigen, die an ihn 
Gefandte ſchickten, auf, jedoch nicht alle unter denſelben Bedingun— 
gen; ſondern, wie ſie es verdienten, gab er einigen das Bürgerrecht, 
andern immerwährende, noch andern nur auf beſtimmte Zeit Abga— 
benfreiheit. Den Jazygen, von denen er bedeutenden Nutzen erwar— 
tete, erließ er das Meiſte oder vielmehr Alles, was er ihnen aufer— 
legt hatte: nur beſchränkte er ſie in ihrer Handelsfreiheit. Sie 
ſollten keine eigenen Schiffe auf der Donau haben, ſich nicht auf 
den Inſeln in derſelben anſiedeln und mit den Roxolanen nur dann 
Verkehr treiben, wenn der Befehlshaber von Dacien ihnen den 
Durchzug durch dieſe Provinz verſtattete.“ Denn daß dieſe Stelle 
von den Barbaren, die im römiſchen Reiche angeſiedelt wurden, zu 
verſtehen iſt, zeigt die Erwähnung der Jazygen. Sie hatten früher 


und hHiftorifhe Entwidelung bes Colonate, 13 


neben den Roxolanen gewohnt; jetzt, da fie in den römiſchen Pro— 
vinzen wohnten, ſollten ſie zwar auch noch ferner mit ihren Stamm— 
verwandten Handelsverkehr treiben, jedoch nur in beſchränktem Maße. 

Im Ganzen alſo ſieht man, als Selaven wurden die im rö— 
miſchen Reiche angepflanzten Barbaren nicht angeſehen: ſie waren 
frei und ſollten nur das theils durch die Peſt theils durch die Kriege 
verwüſtete Land, beſonders in den germaniſchen Gränzprovinzen, 
wieder anbauen helfen. Nabe liegt für dieſe Zeiten die Anſicht, 
daß fie, wie früher die römischen Coloniften behandelt wurden und 
Städte erhielten, die fie bewohnten und zu denen Land gehörte. 
Doch erweiſt fih diefe Anficht bei näherer Betrachtung als nicht 
wahrſcheinlich. ES war gegen Die römiſche Politik, Barbaren in 
Maſſe in die Städte zu verpflanzen, und ihnen dadurch das zu ges 
währen, woran ihre Angriffe auf das römiſche Gebiet bisher ge— 
foheitert waren, befeftigte Orte. Auch wiverfpricht dieſem die einzige 
nähere Nachricht, die wir won ihren Anfiedlungen haben. „Um 
Ravenna, fagt Div, wurden Barbaren angefievelt und fie fuchten 
diefe Stadt zu überrumpeln.“ Was heißt Das anders, als fie wur— 
den nur auf dem Lande angefievelt: die Stadt blieb ihnen verfagt. 
Auf der andern Seite aber iſt es weder glaublich noch irgendwie 
bezeugt, daß die Barbaren ſchon damals in das Colonatsverhältniß, 
wie es fpäter beftand, traten. Damals alfo bildeten diefe Colonien 
von Barbaren ein Mittelving zwifchen ven Cofonien, wie fie früher 
von den Römern angefievelt zu werden pflegten, und denen, wie 
fie fich ſpäter aus hörigen Lenten bildeten: fie mußten fich nothwen— 
diger Weiſe, je mehr fich bei der zunehmenden Schwäche des Reichs 
die wirklichen Römer in die Städte zurüczogen, allmählig zum letz— 
tern Verhältniß umgeftalten. Daß die Barbaren, die angeſiedelt 
wurden, nicht alle das römiſche Bürgerrecht erhielten, iſt von kei— 
nem Belang: wo nicht früher, fo erhielten fie es doch ſicherlich 
durch Caracalla, 

Dieß iſt die erfte Anfiedfung von Barbaren im römifchen Nei- 
che, die Statt gefunden hat. Der Kaiſer Mareus felber fuchte vor 
dem Mareomannenkriege für Spanien, das durch Truppenaushebun- 
gen erichöpft war, Coloniften in Italien. Trajan hatte Dies Durch 


14 Neber dire Entftehbung 


ein Gefeß verboten (ſ. Eapitolin im Leben von Mareus Cav. 11 
mit den Noten der Ausleger), weil er Italien fihonen wollte, und 
Marecus würde dies ficherkih nit, wenn auch nur modeste, wie 
Capitolin ſich ausdrückt, übertreten haben, wenn ihm damals ein 
anderes Mittel zu Gebote geftanden hätte, Früher aber fehen wir 
Trajan, da er das von ihm eroberte und zur Provinz gemachte 
Dacien bevölfern wollte, römiſche Bürger aus der ganzen römiſchen 
Welt, wie Eutrop 8, 3 fih ausdrückt, als Cofoniften herbeiziehen: 
son Barbaren tft nicht die Rede. 

Es fiheint auch wirklich, als habe es vor der Hand bei diefer 
erften Anfiedelung von Barbaren fein Bewenden gehabt, Was 
Alexander Severus that, ift wefentlich davon verſchieden. Gein Le— 
bensbefchreiber Lamprivius Cap. 57 erzählt, er habe die Gefanges 
nen, die er von den barbariichen Völkern gemacht, zum Theil feinen 
Freunden gefchenft, si aetas puerilis aut iuvenilis permisit, das 
beißt doch, er fehenkte fie ihnen als Selaven. Si qui tamen regii 
aut nobiliores fuerant, fährt er fort, eos mililiae, non lamen 
magnae, deputavit. Er nahm fie affo in feine Heere auf, ein 
Berfpiel, das Später in immer erweitertem Maße von den Nömern 
nachgeadint wurde, Derfelbe Kaiſer vertheilte das den Barbaren 
genommene (ich denke, vielmehr das wieder abgenommene) Yand un— 
ter die römiſchen Gränzfoldaten als Coloniſteneigenthum, mit der 
Bedingung, daß fie und ihre Nachkommen dafür Kriegsdienfte thun 
mußten, und es niemals verfaufen durften; „denn bei dem Mangel 
an Menfchen , heißt es, wurde das den Barbaren benachbarte Land 
aufgegeben’, was der Kaifer für ſehr ſchimpflich bielt. 

Diefer Bericht über Merander’s Gränzeofonien veranlaßt ung 
noch zu einer rückgängigen Betrachtung über die Anfiedelungen von 
Barbaren, die zuerfi Mare Aurel vornahm. Der Kater wies ihnen 
Land zum Anbauen an: glauben wir, daß er ihnen erlaubte, es zu 
serfaufen? Gewiß nicht, eine folhe Erlaubniß mufite ihn aller 
Bortheile, die er von einer folchen Anfiedelung erwerben fonnte, bes 
rauben, Es kam ihm nicht darauf an, Menfchen zu haben, fondern 
Ackerbauer. Die Barbaren aber würden, wenn es erlaubt gewefen 
wire, bafd ihre Grundftüce veräußert und fich einem herumſchwei— 


and hiſtoriſche Entwidelung des Colonats. 15 


fenden Leben ergeben haben, Aber der Kaiſer mußte in der Be— 
ſchränkung diefer Anſiedler noch weiter geben. Er mußte ihnen 
nicht bloß die Veräußerung der erhaltenen Grundſtücke unterfagen, 
fondern fie überhaupt an diefelben feffeln, und zwar nicht bloß fie 
felber, fondern auch ihre Kinder, oder wenigſtens eines ihrer Kinder, 
Sonſt entftand immer wieder Gefahr, daß die Anſiedler ſich zer 
firenten und das Land unbebaut blieb, Wir finden hier alſo zwei 
nothwendige Beftimmungen im Schieffal der Cofonen, die wohl jet 
noch nicht gefeßlich fein mochten, die aber doch nothwendig aus der 
Abſicht, weshalb fie angefiedelt wurden , folgten und ſo auch am 
Ende gefeglich werden mußten. Die barbariſcheu Anſiedler waren 
erſtens felber an das Land, das fie bebauten, gebunden, zweitens 
auch noch ihre Kinder, wenigftens zum Theil. Nur in einem Stüde, 
denfe ich, beftand ein wefentlicher Unterfchied zwifchen dem Zuftande 
diefer von Mare Aurel angefiedelten Colonen und dem geſetzlich be— 
gründeten Zuftande der fpäteren Colonen. Die Letztern hatten 
unmittelbare Herren, die Eigenthümer des Grundſtücks, auf dem fie 
lebten, und ber ihnen mußten fich daher Die oben angedeuteten Ver— 
hältniſſe fehärfer und firenger ausprägen: diefe erfien Barbaren da— 
F gegen, die als Colonen in das römiſche Neich eintraten, hatten noch 
feine Herren. Wo nämlich d. h. auf welchen Ländereien, glauben 
wir, daß der Kaiſer diefe Barbaren anfievelte? Gie waren Bes 
fiegte, Kriegsgefangene d. h. Sclaven des Staates, der fie befiegt 
batte, In früheren Zeiten wurden die Kriegsgefangenen öffentlich 
verkauft und das aus diefer Auction gelöfte Gefd bildete eine be— 
dentende Einnahme des Staatsſchatzes. Es ft nicht glaublich, daß 
der Staat zu Mare Aurel's Zeit, wo gerade auch folcher Geld— 
mangel berrfchte, daß der Karfer, um die Mittel zum Kriege zu 
gewinnen, eine Auction von kaiſerlichen Meubeln u. f. w. anftellen 
mußte, freigebiger und weniger auf feinen Vortheil bedacht gewefen 
fei, als in alten Zeiten. Der Staat aber und der Princeps waren 
auch Grundeigenthümer, und die Domänen bebdurften auch Hände, 
um gehörig angebaut werben zu können. Nichts alfo natürlicher, 
als daß der Staat die Barbaren zunächft auf feinen eigenen Be— 
fisungen anſiedelte: er hatte fo nicht bloß den Vortheil von ihnen, 


16 Ueber die Entftehbung 


den überhaupt Colonen gewährten, fondern er zog von ihnen auch 
noch einen Pachtzins als Grumdherr. | 
Doch wir kommen auf die Berichte über Anfiedefungen von 
Barbaren im römifehen Reiche zurück. Die auf Merander Severus 
folgenden Katfer, die mit Tapferkeit auch Sorge für die innere Er- 
haltung des römischen Neiches verbanden, haben alle, fobald ihnen 
neben ihren Kämpfen Zeit dazu blieb, durch barbarifche Anfiedelungen 
die Bevölkerung und die Cuftur des römischen Bodens zu heben 
gefucht. Decius bätte es ficherlih getban, wenn ihn nach feinen 
Kriegen mit den Gotben nicht ein fehneller Tod ereilt hätte: wenig— 
ſtens wird ung nicht berichtet, daß er es nicht gethan hat. Was er 
nicht gekonnt, führte Claudius aus. Sein Hauptverdienft beftand 
darın, daß er die Gothen, welche 15 Sahre lang Illyrien und Ma- 
eedonien verwüftet hatten (Droſius B. 2 C. 23), befiegte. Darauf 
bezieht fih die Stelle bei feinem Lebensbefchreiber Trebellius Pollio 
Cap. 9: »Angefüllt wurden mit barbarifchen Selaven und Ader- 
bauern die römifchen Provinzen. Aus dem Gothen wurde ein bar- 
barifcher Soldat und Landmann Ceolonus), und es war feine Ge- 
gend, die nicht einen Gothen zum Selaven in einer Art von Tris 
umphalfnechtichaft gehabt hätte.“ Der Bericht ift etwas verworren ” 
und wegen der byperbofiichen Redeweiſe unficher; Doch feheint daraus 
bervorzugehen, daß die befiegten Gothen theils wirklich als Selaven, 
theils, und wahrfcheinfich in größerer Menge, als Bauern auf öden 
Feldern angefiedelt wurden: als folche hatten fie denn auch die Ver— 
pflichtung, die römischen Heere zu ergänzen, In welchen Gegenden 
diefe Anfiedlungen von Claudius vorgenpmmen wurden, wird nicht 
gefagt: ich denke, hauptfächlich in Denen, die am meiften durch die 
Berwüftungen der Barbaren gelitten hatten, in Illyrien und Mace— 
donien. Bemerfenswertb ift Diefer Bericht über Claudius noch des» 
halb, weil in ihm zuerft der Name coloni von den barbarifchen An— 
ſiedlern vorkommt. | 
Bon Aurelian wird nicht gemeldet, daß er auf ähnliche Art die 
Bevölkerung des römischen Neiches zu mehren gefucht habe : bat er 
es auch nicht getban (ich glaube aber, daß uns nur der Bericht das 
yon verloren gegangen iſt), ſo war es bei ihm auch weniger nötbig. 





und biftorifhe Entwidelung des Colonats. 17 


Er gab das von Trafan zur römiſchen Provinz gemachte Dacien de- 
finitiv auf, und fonnte mit den Eoloniften, die er von dort zurückzog, 
die öden Felder in Syrien und Möften bevölkern (Wopise, im feinem 
Leben ec. 39). 

Auf Aurelian folgte in kurzem Zwiſchenraume Probus. Er 
nahm, außerdem daß er 16000 germanische Nefruten in kleinen 
Maffen unter die römiſchen Legionen vertheilte, auch bedeutende An— 
fiedelungen von. Barbaren in feinem Neihe vor. Sein Lebensbe— 
ſchreiber Vopiscus Cap. 18 fagt von ihm, er habe 100000 Ba- 
ftarner nach Thracien verfegt. Ebenſo bätte er auch von den Ge- 
piden und Bandalen fehr viele auf römischen Grund und Boden ver- 
pflanzt; allein diefe hätten, während Probus mit einigen Aufrührern 
zu kämpfen gehabt hätte, ihre Wohnfige verlaffen und feiern raubend 
und plündernd im Reiche umbergezogen, bis fie endlich durch er- 
neute Anftrengungen befiegt worden wären.” Daß bier ebenfalls 
an Anfiedelung von Cofoniften zu denken iſt, nicht etwa daran, daß 
jene gefangenen Barbaren zu Selaven gemacht wurden, zeigen die 
Berichte anderer Gefchichtsfchreiber. Zofimus B. 1 C. 65 erzählt, 
Probus habe alle Burgunder und Vandalen, die in feine Gefangen- 
fchaft geratben wären, nah Britannien gefchafft und ihnen dort 
Wohnfise angewiefen (Camden in feinem epigraphifchen Werke Bri- 
tannia (Londini 1607) P. 156 glaubt in Cambridgefbire), und 
diefe Anftedler hatten fich auch bet fpäter erfolgten Aufftänden dem 
Kaiſer ſehr nützlich erwieſen. Bon den Baftarnern berichtet derjelbe 
Zoſimus 1, 7L, der Kaiſer habe ihnen in Thracien Land angewie- 
fen, und fie hätten bald römiſche Sitten und Geſetze angenommen. 
Mit andern Anftedlern glückte es dem Kaiſer nicht gleich gut; von 
einent Theile der vandalifchen: Colonen berichtet Vopiscus, daß fte 
erft Durch die Gewalt der Waffen wieder unterworfen werden muß— 
ten. Einer Schaar Franken glücte es nach fühnen und abentener- 
lichen Fahrten wirkfih, von den Wohnfigen, die ihnen der Kaiſer 
angewiefen hatte, in ihr Vaterland zurückhzufehren. Ste waren am 
Pontus Eurinus angefiedelt, bemächtigten ſich aber durch einen Zu— 
fall einer dort befindfichen römiſchen Flotte, und befchloffen, auf 
ihr nach ihrem Heimathlande zurüczufeget. Sie gingen durch den 

Mus. f. Philolog. N. F. TI. 2 


18 Ueber vie Entftehung 


Hellespont, fuhren an den Küften Kleinaſiens und befonders Grie- 
chenfands entlang, überall anfandend und die wehrlofen und nichts 
ahnenden Städte plündernd und verwüftend. Sie fegelten dann 
nach der africaniſchen Küfte, Iandeten dafelbft in der Gegend von 
Carthago, und nur durch eiligft herbeigehofte Truppen Fonnte diefe 
Stadt dem Untergange entriffen werden. Was den Barbaren hier 
nicht geglückt war, gelang ihnen in Sicilien an Syracus, wohin fie 
demnächſt fegelten. Die Stadt wurde erobert, geplündert und ver— 
brannt. Durch die Meerenge von Gibraltar und dann an den Kü— 
ften Spaniens und Gaͤllien's herumſegelnd gelangten fie endlich, 
glücklich und Fühn zugleich, nach dem Lande der Bataver und Fri— 
fen (Zoſimus 1, 71 und Eumenius im Panegyrieus auf den Cäfar 
Conſtantius c. 19). 

Die auf Probus folgenden römiſchen Kaiſer, hauptlächlich Div- 
eletian und Conftantius Chlorus, die neben der DVertheidigung des 
Reiches auch notbgedrungen größere Sorgfalt auf die Conſolidirung 
deſſelben im Innern verwenden mußten, nahmen zahlreiche Anſiede— 
lungen von Barbaren auf römiſchem Gebiete vor. Bon Diocletian 
erzählt der Rhetor Eumenius in feiner Lobrede auf den Cäfar Eon- 
ftantins Cap. 21: vauf feinen Befehl habe Aften mit feinen Ein- 
wohnern die unbebauten Gegenden Thraciens ergänzt.“ Wann diefe 
Eofonifation gefchehen fer, wiffen wir nicht. Man fünnte vielleicht 
annehmen, erft im Jahre 296 n. Chr. nach Beftegung feines Ge— 
genfaifers Achilles in Aegypten, bei welcher Gelegenheit er, wie 
Eutrop. 9, 15 fagt, Vieles anordnete und einrichtete, habe Diveletian 
diefe Anfiedelung vorgenommen, Doch theils waren damals die 
Perfer wieder glücklich , theils erwähnt Eumenius jenen ägyptifchen 
Sieg nisht, fo daß diefer fammt der Anfiedelung von Barbaren erjt 
nachdem er fernen Panegyrieus gehalten, erfolgt fein muß. Wahr- 
ſcheinlich alfo erfolgte fie bald nach feiner Erhebung zum Kaiſer, 
da er glücklich gegen die Perfer Krieg geführt hatte (S. des Ma— 
mertinus Lobrede auf Marimintan Cap. 7, 5). Bedeutender aber 
jedenfalls als diefe Anſiedelung, war eine andere, die Diveletian im 
Jahre 295 vornahm. Eutrop. 9, 15 erzählt davon: „Sie (d. h. 
die Kaiſer Diveletian und fein Cäfar Galerius) führten darauf, theils 


und biftoriihe Entwidelung des Colonats. 14 


zufammen, theils einzeln verfchiedene. Kriege, unterjochten die Carper 
und Baſtarner und befiegten die Sarmaten, aus welchen Völfern fte 
ungeheure Schaaren von Gefangenen im römifchen Gebiete anfiedel- 
ten.a Der Ausdruck ift hier etwas unbeftunmt, ungenauer :noch bet 
Drofius 7, 25, der, offenbar aus derfelsen Duelle ſchöpfend, von 
derfelben Sache erzählt: quorum (i. e. Carporum , Bastarnarum, 
Sarmalarum) copiosissimam captivorum multitudmem per Ro- 
manorum finium dispersere praesidia. Wollte man aus Diefer 
letztern Nachricht fehließen , Diveletian habe die Gefangenen in die 
römischen Feftungen vertheilt, fo würde man dem Kaiſer eine neuere 
Idee aufbringen, die ihm weder einfallen, noch nützlich erſcheinen 
Fonnte, Richtiger drückt ſich Euſebius im Chronicon s. a. aus: Die 
Bölfer der Carver und Baftarner feien auf römifchen Grund und 
Boden verpflanzt worden“, am beftimmteften aber Ammian Buch 
28 €. 1,5, der von einem zu feiner Zeit vornehmen Manne, gewe— 
fenen Präſes von Corfica, Sardinien, und Tuscien fprechend, erzählt, 
diefer ftamme ab von den Carpern, Die Diveletian aus ihren alten 
Siten nach Pannonien verpflanzt habe, Auf die Anſiedelung der 
Sarmaten aber beziehe ich, was der fehon angeführte Ahetor Eume— 
nius c. 5 von den Thaten Diveletian’s erzählt: adoratae sint mihi 
Sarmaticae vietoriae, quibus illa gens prope omnis extincla 
est .et paene cum solo nomine: relieta, quo serviat. Denn der 
fette Ausdruck von der Kechtfchaft der Barbaren geht eben darauf, 
daß die Gefangenen vömifche Aecker bebauen mußten. 

Doch auch Diveletian’s Mitkaifer, Marimian, hatte Barbaren 
eofonifirt. Der Franke, jagt Eumenius an ver angeführten Stelle, 
bebaute nach Deinem Befehl, froh wieder in unfern ‚Staat und un— 
fere Gefege aufgenommen die wüſt liegenden Gefilde der Nervier 
und Trevirer.“ (tuo nutu Nerviorum'ei Treverorum arva lacen- 
tia, laetus postliminio reslilulus ei receplus in ‚leges, Francus 
excoluit). Ich muß bei diefer Stelle etwas Länger verweilen, weil 
man ihr theilweife eine andre Deutung gegeben bat. Gothofredus 
nämlich, zum TIheodofianus Coder 7, 20: (de veteranis) 10 und 
Balefius zu Ammian 16, Li, 4 erfennen in der vorliegenden Stelle 
die frühefte Erwähnung der fogenannten Laeli, von denen wir weiter 


20 Ueber die Entftebung 


unten befonders handeln werden: fie nehmen Laelti als Subftantivum, 
und tadeln die Herausgeber der Panegyrifer, welche die Stelle bis- 
ber immer anders erklärt haben. Sch Schließe mich ihnen indeffen 
an, zunächſt aus einem grammatifchen Grunde, weil Eumenius, wenn 
er zwei verfchiedene Völker bezeichnen wollte, den Plural excolue- 
runt fegen mußte. Dann aber ftellt auch Eumenius die Anfiedelun- 
gen Marimian’s ganz ın Parallele mit denen von Diveletian und 
Conftantius, und da diefe entfchieven ein Colonatsverhältniß zur Folge 
batten, iſt es nicht glaublich, daß Maximianus anders verfahren fer. 
Die Franken erfchienen um das Jahr 257, wo Carauſius fich in 
Britannien unabhängig machte, anfäffıg auf der Inſel der Bataver, 
von wo aus fie Seeräuberer trieben. Sie verbanden fich mit Ca- 
rauſius (Eumenius in der Lobrede auf Conftantius Gay. 17) und 
plünderten Gallien ; daher befriegte fie Maximinian, und verpflanzte 
einen Theil von ihnen in das innere Gallien als Colonen. So 
fonnte Eumenius fagen, daf fie postliminio restituli wären, weil 
das Yand, das fie bewohnt hatten, bis ungefähr zur Probus’ Zeit 
zum römiſchen Neiche gehört hatte. Daß der lobpreiſende Rhetor 
fie laeti deshalb nennt, iſt ganz feiner fonftigen ſchwülſtigen Sprache 
angemeffen. 

Die genaueften Nachrichten aber haben wir von den Anfiedelun- 
gen, die der Cäſar Conftantius um das Jahr 296 vornahm, als er 
zuerft Gallien von den Angriffen der Barbaren befreit, dann Britan- 
nien wieder erobert hatte, Von ihm fagt Eumenius Cap. 8: „Die 
Barbaren (welche Gallien verwüftet hatten) konnten ſich in den 
Schlupfwinkeln der Wälder nicht ſchützen; fie wurden gezwungen, 
fih dir alle auf Gnade und Ungnade zu ergeben, und mit Frauen 
und Kindern und der übrigen Schaar der Verwandten und ihrer ganz 
zen Habe nach früher öden Gegenden zu wandern, um das, was fie 
vielleicht felber meist durch Plünderungen verwüftet hatten, in Knecht- 
ſchaft wieder zu bebauen.“ Wir bemerfen bier dreierlei, erftens, 
daß die Barbaren fich hatten ergeben müffen, daß fie alfo Kriegs- 
gefangene waren, zweitens, daß ihre Anſiedelung geſchah, um die 
Bebauung Öder Yandftriche zu förden, drittens, daß fie nicht als freie 
Grundeigentbümer , fondern im dienftbarem Verhältniß (denn mebr 


und biftvorifhe Entwidelung des Colonats. U 


Laßt fi) aus Eumenius' Ausdruck servilus nicht ſchließen) den Acer 
bauen follten. Der Lobredner führt, Die Folgen jenes Steges mit 
glänzenden Karben ſchildernd, alfo fort: „In allen Hallen der Städte 
fisen gefangene Schaaren von Barbaren, Männer, zitternd in nie 
dergefchmetterter Wi.dheit, Mütter, fchauend auf die Wildheit ihrer 
Söhne, Gattinnen, auf die ihrer Männer, gebunden in Feffeln, Kna— 
ben und Mädchen, in traulichem Geſpräche ſchmeichelnd, und alle 
Diefe unter unfern Provinzialen zu Dienftlerftungen vertheilt, bis fie 
zum Anbau der für fie beſtimmten Einöden abgeführt werden.“ Und 
weiterhin: „Es ackert alſo jett für mich der Chamave und der Frife, 
und er, der früber Beute fuchend umherſchweifte, beftellt, von der 
Arbeit ſchmutzig, Das Feld, und fehieft auf unfere Märkte Vieh zum 
Berfauf, und der Barbare, das Land bebauend , trägt zum Sinfen 
der Getreidepreife bei. Ja, wenn er zur Aushebung berufen wird, 
eilt er herbei, und wird durch den Dienft aufgerteben und durch 
Schläge gebändigt und freut fich, Daß er als Soldat in unfrer Knecht- 
ſchaft ſteht,.“ Später (Cap. 21) nennt Eumenius-als Gegenden, 
die durch dieſe Anftedfer wieder erblüben follten, das Gebiet der Am— 
bianeu, Bellovacen, Trieaffiner und Lingonen. Man darf fich durch 
die hyperboliſche Sprache von Eumenius nicht täufchen Taffen und 
glauben, die gefangenen Barbaren feien Sclaven geworden. Wäre 
dies der Fall gewefen, ſo fonnte weder fo entichieden gefagt werden, 
ihre Beftimmung fer für immer, den Acker zu bauen, noch als zweite 
Beftimmung der Kriegsdienft angegeben werden. Wir haben ſchon 
erwähnt, daß Selaven nie in Die römischen Heere eintraten, und 
Capitolin im Leben Marc Aurel’s Cap. 21, wo er erzählt, daß diefer 
Kaiſer im Mareomannenfriege es habe thun müſſen, ſpricht in ſol— 
chen Ausdrücen davon, daß man fieht, bis zu feiner d. h. Divele- 
tian's Zeit war es außerdem noch nicht vorgefommen. Vor der 
Hand mochten die Barbaren zwar gefeffelt fein, damit fie den Städ- 
ten, im denen fie verweilten, feinen Schaden zufügen Fonnten, und 
fo in Feffeln wurden fie unter die Provinziafen vertheilt, um ihnen, 
denfe ich, bei der Wiederherftellung der von den Barbaren zerftörten 
Gebäude zu helfen: fpäter verloren fie die Feffeln und gingen als 
Colonen auf das Land. Ohne ſolche hyperboliſche Ausdrücke fpricht 


22 Ueber die Entftehung 


auch derfelbe Eumenins über diefelbe Sache in feiner Lobrede auf 
den Kaiſer Eonftantin Cap. 6: „deſſen Bater Conftantius habe die 
im innerften Franfen wohnenden Nationen von ihren, heimathfichen 
Sitzen [osgeriffen und in den mwüften Gegenden Galliens angefievelt, 
um den Frieden des römifchen Neiches durch Aderbau zu fördern, 
deffen Truppen durch Rekruten.“ 

Die auf Diveletian folgenden innern Unruhen, der ftete Wechſel 
der Herrfcher, die fich unter einander anfeindeten, waren Unterneb- 
mungen , die auf das Wohl der Bürger abzwecten und nur durd 
Anftrengungen nach Außen bin durchgeſetzt werden konnten, nicht 
günftig: wir hören nichts von Anftedelungen. Erſt als die Zahl 
der römifchen Negenten fich bis auf zwei vermindert hatte, und Con— 
ftantin ſchon feines: Uebergewichtes über Licinius gewiß war, nahm 
er eine ſolche Coloniſation vor. Er war im Jahre 322 in das Land 
der Sarmaten felber eingedrungen, hatte ihren König Rauſimodus 
getödtet, und ein großer Stamm des Volkes hatte fich ihm ergeben. 
Er führte e8 in das römifche Neich und vertheilte es an die Städte 
(diaveiuag rTovrovg als noksoıv fagt Zofimus 2, 22), Es tritt 
bier zuerſt hiftorifch ein neues Moment in der Entwicelung des Co— 
Yonatsperhältniffes ein. Wir haben oben gefehen, daß das Natür- 
lihfte war, daß der Kaiſer die Gefangenen, die er gemacht hatte, 
auch unmittelbar fi und dem Staat zu Gute Fommen ließ d. h. 
daß er die Barbaren auf Domänen anfievelte, Hier heißt es, daß 
er fie an die Städte vertbeilt habe. Es läßt fich dieß fo verftehen, 
daß er fie nicht einzeln an Privatleute verfchenft, fondern daß er 
den Städten, als Corporationen, eine bejtimmte Anzahl zuertheilt 
habe. Es ift befannt, daß die ftädtifchen Communen servi publici 
hatten, ferner daß fie Gemeindeland befaßen, won deffen Einfünften 
fie die Öffentlichen Ausgaben beftritten. Warum follten fie alfo nicht 
auch Colonen haben, die gleichlam öffentliches und gemeinfames Ei- 
genthum waren? Der Raifer konnte jeder Commune eine Anzahl 
Colonen geben, um ihre wüft Tiegenden Aecker zu bebauen : dafür 
mußte fie Dann natürlich eine höhere Grundſteuer bezahlen, bezog 
aber felber von ihren Colonen Pachtgeld und vertrat bei ihnen über- 
haupt Die Stelle des Herren, Sp erſcheint ſpäter das Verhältniß 


und biftorifhe Entwidelung des Eolvnats. 23 


in Aegypten im Theodofifchen Codex 11,24 (de palrociniis vicorum) 
l. 6, wo vieis ascripli erwähnt werden, von denen wir weiter unten 
mehr veden werden. Doch in andern Ländern erfcheint fein ähnliches 
Verhältniß, und ich glaube daher, daß Eonftantin die Barbaren wirf- 
lich an Privatperfonen vertheilte, an die Einwohner fofcher Städte, 
die befonders durch Die Berwüftungen der Barbaren gelitten hatten. 
Man Fann fragen, weshalb der Kaifer die Colonen nicht mehr auf 
den Domänen, was das Natürlichfte war, angefievelt habe. Ich 
denke, fie machten zu viel Aufficht nöthig: man fand es deshalb für 
zweckmäßiger, Die Domänen durch) das Verhältniß der Emphyteufe 
zu müßen. 

Wir find jest mit unfrer Unterfuchung bis auf die Zeit gefom- 
men, wo in den ung erhaltenen Rechtsquellen der Colonat zuerft - 
beſtimmt erwähnt wird. Das. ältefte Gefes der Art iſt von. Con— 
ftantin im Jahre 321 gegeben (Thevdofianus Codex 9, 21 de falsa 
moneta 1. 2), aus dem fich indeffen über das Verhältniß felber 
nichts Schließen läßt. Conſtantin beftimmt nur, daß, wenn ein aclor 
fundi , vel servus vel incola vel colonus ſich Falſchmünzerei zu 
Schulden fommen läßt, diefer mit dem Tode beftraft, Das Grundſtück 
felber aber, auf dem falfch Geld geprägt wurde, felbft wenn der 
Herr deffelben nichts Davon wußte, dem Staate verfallen follte, Je— 
doch Das zweite ung befannte Gefes, ebenfalls son Conftantin, vom 
Sahre 332, im Thevdofianus Cod. 5, 9 (de fugitivis colonis) 
giebt uns fchon näheren Aufſchluß. ES heißt darin: Apud quem- 
eunque colonus iuris alieni fuerit inventus, is non solum eun- 
dem origini suae reslilual, verum super eodem capitationem 
lemporis agnoscat. Für den Eolonen felber aber wird als Strafe 
feftgefeßt, daß er künftig ın Feffeln, wie ein Selave, arbeiten foll. 
In Bezug auf das Verhältniß der Colonen zu ihren Herren ergiebt 
ſich, daß diefelben an das Land, das fie bebauten, gebunden waren 
und daß die Herren unmittelbar die capitatio für fie Leifteten, Ob 
Die Herren folcher coloni ſchon Privatleute waren, oder bloß der 
Fiseus und Stadtgemeinden, von denen beiden wir es oben nachge- 
wiefen haben, fieht man hieraus nicht. Die Annahme, daß damals 
ſchon Privatleute Colonen gehabt haben, iſt nicht nothwendig, um 


24 Ueber die Entſtehung 


den Ausdruck colonum juris alieni zu erklären, indeß ift es doch 
wahrſcheinlich. Die Colonen felber, erfennt man, fühlten fchon das 
Drückende ihrer Lage: fie fuchten- derfelben durch Flucht zu entgeben ; 
daher die Strafe für ihr Entlaufen, die fpäter immer mehr gefchärft 
wurde, 

Um nun bier ein Endrefultat über die Frage, aus welchem Efe- 
mente der Stamm der Colonen hervorging, zu gewinnen, faffen wir 
die Hauptfachen der bisherigen Auseinauderſetzung zufammen. Seit 
dem Mareomannenfriege Mare Aurel’s wurden Schaaren germanı- 
fcher Völker auf römiſchem Grund und Boden angefievelt, mit dem 
Doppelt ausgefprochenen Zwecke, einmal dem Acerbau die nöthigen 
Hände zur Arbeit zu verfchaffen, zweitens das Heer durch Nefruten 
zu ergänzen. Von ihrer Lage und ihrem rechtlichen Verhältniß wird 
ung anfangs nichts berichtet; doch lag es in der Abficht, in der fie 
angefiedelt wurden, daß fie weder in Stäbten wohnten, noch wirklich 
Eigenthümer des Bodens, den fie bebauten, waren. Sobald ums 
aber Nachrichten über ihr Verbältmf gegeben werden, erfcheint es 
als ein abhängiges, als ein dienftbares, das einer Sclaverei ‘gleich 
geachtet wird. Jedoch von der Sclaverei felber iſt es bauptlächlich 
dadurch unterfehieden, daß es die Fähigkeit und Verpflichtung zum 
Kriegsdienfte in fih trägt. Wir fragen, was für ein anderes Ver- 
hältniß kann dieß fein, als Colonat, der eben die Eigenthümlichkeiten 
bat, die wir in der Lage der angefiedelten Barbaren erfannt haben? 
Wie wäre es denn auch möglich, daß die Anfiedelung fo vieler Bar— 
baren, die fich zufammengenommen wohl auf einige Millionen Men- 
ſchen belaufen mochte, fo ganz ohne Spuren in den rechtlichen Ver- 
hältniſſen der Nömer geblieben wäre ? 

Solche Anfiedelungen erfcheinen nun in den merften Provinzen 
des Neichs, in Gallien, in Illyrien, Pannonien, Möften, Macedonien, 
wenige nur in Afien. Daß es fie auch in Spanien gegeben, vermag 
ich nicht nachzuweiſen; über Aegypten, wo befondere Verhältniſſe 
berrfchten,, werde ich ſpäter ſprechen 5; daß es in Africa welche gege- 
ben, beweift das an den Procurator Alricae im Sabre 370 erlal- 
fene Gefeg, worin coloni rei privalae erwähnt werden. Ur— 
fprüngfich ferner fanden Die Niederlaffungen von Barbaren nur auf 


und biftorifhe Entwicelung des Eolonats. 25 


den Ffaiferfichen Domänen ftatt, daher die coloni rei privatae 
nostrae oder coloni Tamiaci, dominici, patrimoniales , die vor 
den auf Privatgütern arbeitenden Colonen beſondere Borrechte 
hatten, Siehe den Thevdof, Cod. 11, 16 (de extraordinariis) 
l. 5 und 13, 1 cde lustrali collatione) 1. 8 und 1. 10; ferner 
12, (de decurionibus) 1. 335. Später exft erfcheinen barbarifche 
Coloniſten auf Privatgütern. 

Es wird jest der Ausdruck coloni von den neuen Anftedlern, 
und colonia pyn den Anftevelungen in Vergleich mit der Bedeutung, 
die er in alten Zeiten hatte, vollkommen gerechtfertigt erfcheinen : ja 
gr war der natürliche, den man gebrauchen mußte, , Und gewiß war 
das Verhältniß der neuen Colonen im Anfange nicht eben viel un- 
günftiger, als das der Coloniſten, Die einft Die römiſche Nepublif an- 
gefiedelt hatte... Es mußte fich nur nothwendiger Werfe verfchlimmern, 
je mehr auf der einen Seite Vie Schwäche des Reichs zunahm und 
je ungerner auf der andern Seite die Barbaren, im Gefühle ihrer 
Kraft,. fich dem ruhigen Looſe des Landmanns fügtem Sp begreift 
man, wie ein ſolches Verhältniß fich bilden Fonnte, indem die Bar- 
baren das Schwert der Sieger zwang, ſich ın die Abhängigkeit des 
Colonats zu begeben, die Nömer Nückficht auf Die Bermehrung der 
Staatseinfünfte abhielt, die Defiegten ganz zu Sclaven zu machen. 

Man Fünnte gegen unfre Anficht von der Zeit und der Art der 
Entftehung des Eolonats den Einwand geltend machen, Daß fich weder 
in den Digeften irgend eine beftimmte Andentung über das Colo— 
natsverhältniß findet, noch in den Nechtsquellen überhaupt, fo weit 
wir fie bisher betrachtet haben, erwähnt wird, daß Barbaren den 
Stamm der Colonen gebildet. In Bezug auf den erften Einwand 
werden von Savigny in feiner Abhandlung ©. 20 zwei Stellen aus 
den Digeften angeführt. Die eine spn ihnen Dig. 50, 15 (de 
censibus) I. 4 $. 8, wo inquilinus vel colonus erwähnt werden, 
wird von ihm mit Recht von gewöhnlichen Miethern oder Pächtern 
erklärt; bei der andern Dig. 30, 1 (de legatis) 1. 112 pr. Si- 
quis inquilinos, sine praediis quibus adhaerent, legaverit, inu- 
tile est legatum. Sed an aeslimalio debealur , ex voluntate 
defuncli statuendum esse, Divi Marcus et Commodus rescri- 


26 Leber die Entftehung 


pserunt, wird von ihm Die Möglichkeit anerfannt, daß fie bloß von 
Miethern verftanden werde. ch behaupte, fie kann nur von ihnen ver- 
ftanden werden, wenn gleich nicht zu läugnen iſt, daß die Gutsinſaſſen 
bier Schon in Zufammenhang mit dem Gute erfcheinen, aber doch noch) 
nicht in notbwendiger Hörigkeit: erließ ſchon Mare Aurel über das 
wirkliche Colonatsverhältniß ein Nefeript, fo muß es ſich Schon früher 
gebildet haben. Es ıft dieß aber nach dem oben auseinandergefeg- 
ten von den Colonen überhaupt nicht möglich, noch wiel weniger von 
den bier erwähnten Inquilini, Die, wie wir weiter unten zeigen wer- 
den, ſich im Colonatsverhältniß noch fpäter gebifdet haben. In ven 
ganzen Digeften alfo kommt feine Erwähnung des. Colonats vor. Warum 
nicht? Ich finde den Grund davon darin, daß der Colonat bis auf 
Eonftantin’s Zeit bloß auf die Faiferfichen Domänen beſchränkt blieb. 
Es konnte alfo in Bezug auf fie nur von adminiftrativen Maßregeln, 
nicht son juriftifchen Beftimmungen die Rede fein. Den Privatper- 
fonen gegenüber fanden die Colonen in dem Berhäftniffe von pe- 
regrini oder cives; nur dem Staate und den Farjerlichen Procura— 
toren gegenüber fonnte auf ihre eigenthümliche Stellung als Colsnen 
Nückficht gensimmen werden, Im Thevdofianifhen Codex befolgte 
man andere Prineipien und nahm auch adminiftrative Beftimmungen 
auf; denn folcher Art find Die merften Gefege über den Colonat. 
Daß aber auch in diefen uns erhaltenen Rechtsquellen der Ent 
ftehung des Colonats fo geringe Erwähnung geſchieht, Tiegt theils 
in der Schuld der Sammler derfelben , theils in dem Colonatsver- 
hältniß ſelber. Die Sammler wollten aus den Gefegen der frübe- 
ven Kaiſer nur das auswählen, was dauernden Beſtand hatte; woher 
alſo die einzefnen Schaaren der Colonen ſtammten, hatte zwar für 
den Augenblick Intereffe, für die Folge nicht. Die Colonen hörten 
auf Fremde zu fein, jo bald fie in den römiſchen Staatsserband 
traten. Eben fo wenig, wie bei den Selaven und Freigelaffenen auf 
ihr früheres Vaterland Nitekficht genommen wird, brauchte man ber 
der Beſtimmung der Nechtsverhältniffe der Colonen auf ihren Ur— 
fprung zurüczugehen. Dann aber übte auch die hohe Cultur ver 
römiſchen Welt auf die bis dahın an ein rohes und zügellofes Yeben 
gewöhnten Barbaren eine zerſetzende und auflöfende Kraft aus. Ich 


und hiftorifhe Entwidelung des Colonats. 27 


beziehe mich hier auf das, was men Oheim in feiner Abhandlung 
über den Stand der Bevölferung u. |. w. ©. 71 im Allgemeinen 
auseinandergefegt hat. ı Er beweift durch das Beiſpiel der Gallier, 
Helvetier und Bataver, daß alle Barbaren, die unter römische Ho— 
beit kamen, durch die verfeinerte Cultur gebändigt, ihre rohe Kraft 
verloren und den Römern’ gleich wurden. So ging es auch mit die— 
fen barbarifchen Coloniften. Kaum waren einige Jahre vergangen, 
und der Sinn für ihr beimatbliches, wildes Leben war erfchlafft: fie 
wurden treue Unterthanen Rom's. Daß dieß wirklich der Fall ge- 
wefen, berichtet Zofimus von den nach Britannien verpflanzten Ban- 
dalen und Burgundern, ſo wie von den Baſtarnern ausdrücklich. 

Wir haben gefehen, woher der. Stamm der Colonen ‚entftanden 
iſt: wie betrachten jest die Vermehrung und Erweiterung deſſelben, 
ſo wie Die Fortbildung des ganzen Inftituts. Dieſe Vermehrung 
geſchah zunächſt wieder durch Deductionen von Barbaren. 

Die nächfte Ueberfievelung von Barbaren, die erwähnt wird, 
geſchah noch unter Conftantin dem Großen. Es berichten von ihr 
die Ereerpte über Conſtantin $. 32 Chinter den Ausgaben von Am- 
mian). Im Jahre 334 brach unter den dem vömifchen Reiche be- 
nachbarten Sarmaten ein Bürgerkrieg aus: die Selaven emwörten 
fih gegen ihre Herren und vertrieben diefelben. Diefe flüchteten fich 
theils zu benachbarten Stämmen (ſ. Ammian's Erzählung B. XVII, 
12, 17 u. flgd.), theils baten fie den Kaiſer um Ländereien. Quos 
pulsos, fagen jene Excerpte, Constantinus libenter accepit et am- 
plius trecenta milia hominum mistae aetatis et sexus per Thra- 
ciam, Scythiam (ich denke, Moesiam) , Macedoniam Italiamque 
divisit. Daß diefe Sarınaten wirklich als Colonen, nicht unter den 
Berbältniffen, unter denen fpäter Sarmaten im römiſchen Reiche er- 
wähnt werben, angefiedelt wurden, ſchließe ich theil® aus den Wohn: 
fisen, die fie erhielten , theils aus der Zeit, in der die Anfiedelung 
geſchah. S. darüber weiter unten. 

Die Nachfolger Conftantin’s waren zunächſt mehr mit Innern 
Streitigkeiten als der Bekämpfung äußerer Feinde beſchäftigt; wir 
wiffen wenigftens nicht, daß fie Barbaren in das römiſche Reich 
aufnahmen. Als aber das Glück des Krieges über die Krone ent- 


28 Ueber die Entftebung 


ſchieden, und fie dent alleinigen Befige von Conſtantius zugefallen 
war, begannen wieder in der Negel glückliche Kämpfe gegen die Bar- 
baren, und in Folge davon Meberfiedlungen derfelben auf römifches 
Gebiet. Ich beziehe hierauf, was von dem damaligen Cäſar Julian 
berichtet wird. Nach feinem berühmten Stege bei Straßburg über 
die Alamannen unternahm er noch mehrere Streifzüge gegen andere 
Grenzvölker, unter andern im Jahre 358 gegen die ſaliſchen Fran— 
fen. Unvermuthet überfiel er fie, jamque precantes potius, quam 
resistentes, in opportunam clementiae partem effectu. vietoriae 
flexo, dedentes se cum opibus liberisque suscepit, jagt Ammian 
17, 8, 4. Ueber diefelbe Sache berichtet Libanius in feiner Leichen- 
rede auf Julian Olusgabe von Neisfe I p. 546), er hätte die Bar- 
baren durch feinen plößlichen Ueberfall fo erſchreckt, daß fie gewünſcht 
hätten auszuwandern und einen Theil feines Reiches zu bilden. ' Sie 
hätten Pand gefordert und erhalten, und er hätte Barbaren gegen 
Barbaren gebraucht (700 zugod To omueslov wigovrog Eu Wüg 
OTuureveı zul negl Tov norauov doroawas &Ivog Ohov ovrwg 
ESenınkev, Wor' vSiovv werozeiv zul u£g0g Elvar Tng alıroV 
Baoıkerag zul ynv yrovv zul Ehaußavor rar Baoßagoıg Ent 
Bagßaoovg 270770). Unvolftändiger berichtet Zoſimus 3, 8, er 
hätte Die Salier als Soldaten unter die Legionen gemischt. Es kann 
nach diefen ungenauen Ueberlieferungen zweifelhaft erſcheinen, ob diefe 
Anfiedler aus den Saltfchen Franfen wirklich in das Colonatsver— 
hältniß traten oder ob fie nur als fogenannte Laeli Wohnſitze er- 
hielten, eim Verhältniß, das viel freier und nur militäriſch war. 
Siehe darüber unten. Sch entfcheide mich für das Erfte. Denn 
die Barbaren waren, wie wir aus Ammian feben, wirklich dediticii, 
und Julian ftand den Germanen fo fiegreich gegenüber, daß wir nicht 
glauben können, er babe nicht das für Nom vortheilhaftefte Verhältniß 
für die neuen Anfiedfer gewählt. Abgefehen davon mochte ex mit der 
waffenfähigen Mannfchaft der Salter feine eigenen Truppen ergänzen 

Sch glaube dieß um fo mehr, da Conftantius ein Jahr ſpäter, 
359 n. Ehr., in einem ähnlichen Ralle ähnlich verfuhr oder vielmehr 
verfabren wollte. Er hatte einen Feldzug unternommen gegen einen 
Theil der Sarmaten, der den Beinamen Pinigantes führte. Die 


und biftorifche Entwidelung des Colonats. U 


Barbaren fchiefen, um Frieden bittend, Geſandte. Weiter erzählt 
Ammtan 19, 11, 6: Qui vana quaedam causantes et irrila, pa- 
vore adigente menliri, Prineipem exorabant in veniam, obse- 
erantes, ut simultate abolita, Iransmisso flumine ad eum venire 
permitierenlur, docturi quae suslinerent incommoda: parali- 
que intra spatia orbis Romani, si id placueril, terras suscipere 
longe diseretas, ut diuturno otio involuti et quielem colentes 
lamquam salutarem deam tributariorum onera subirent et no- 
men. Der Name tributarii iſt für das Colonatsverhältniß gewöhn— 
fh (ſ. Savigny S. 19): was können alfo Die Sarmaten. hier 
anderes anbieten, als in das Colonatsverhältniß treten zu wollen ? 
Wenn aber folche Barbaren im vömifchen Neiche angefiedelt wurden, 
fo war es zweckmäßig, damit fie weder im Einverftändnig mit ihren 
Stammgenoffen blieben, noch flüchten Eonnten, fie in entfernt gele- 
gene Gegenden zu serpflanzen, Auch dieß wollen fih die Sarma- 
ten gefallen Laffen : fie wollen den Ader bauen, fie wollen tributa- 
riorum onera subire et nomen d.h. die Abgaben zahlen und Kriegs: 
dienfte thun, wie die Colonen thun, und ſich auch in das rechtliche 
Verhältniß derfelben fügen. Die Hofleute vedeten dem Kaiſer, wie 
Ammian weiter berichtet, zu, das Anerbieten der Barbaren anzuneb- 
men: proletarios lucrabitur plures et tirocinia capere poterit 
validissima: aurum quippe gratanter provinciales corporibus 
dabunt d. h. er würde mehr Aderbauer und Colonen haben (denn 
diefe verſteht Ammian unter den Proletariern) und Fräftige Rekruten 
ausheben Fünnen: die Provinzialen würden lieber Geld als Nefruten 
geben. Wo der Kaiſer diefe Barbaren anzufiedeln gedachte, ob auf 
feinen eigenen Gütern oder auf Privatbefigungen, wird nicht gefagt. 
Es wurde auch aus der ganzen Anſiedlung nichts, weil die Sarma— 
ten nach ihrer Ergebung einen Angriff auf den Karfer machten und 
von dem römiſchen Heere niedergemegelt wurden. Früher ſchon 
hatten eben diefe Limigantes Sarmatae fih unterwerfen wollen, 
aber auswandern nach entlegenen Theilen des vömifchen Neiches 
hatten fie nicht wollen. Ammian 17, 13, 3 fagt: tribulum an- 
nuum delectumque validae iuventutis et servitium spoponde- 
runt; abnuere parati, si iuberentur aliorsum migrare. Man 


30 Ueber die Entftehung 


ſieht alfo, daß die Anfiedelung der gefangenen Barbaren als Colo— 
ten das gewöhnliche Mittel war, deffen fih die Römer bedienten, 
um aus ihren Siegen den größtmögfichen Nusen zu ziehen, 

In diefer Zeit von Conftantius kommen zuerft fichere Bewerfe 
vor, daß auch auf Privatgütern Colonen waren. Sch finde fie erft- 
fich in dem Geſetz des Conftantius vom Jahre 359 im Juſtinian. 
End. 11, 47 (de agricolis) 1. 2, worin es verboten wird, beim 
Verkauf eines Gutes durch befondere Stipulation beim Kauf (pri- 
vata pactione) die Colonen fich vorzubehalten und diefe dann auf 
ein anderes Gut zu verpflanzen, ein Gefeg, welches andeutet, daß 
ſchon früher die Beftimmung galt, wenn Fein befonderes Abkommen 
beim Berfauf eines Gutes getroffen würde, follten die Colonen im— 
ner mit zum Gute gehören. Nothwendiger Weife mußten alfo 
damals fchon Längere Zeit Colonen auf Privatgütern fein. Daffelbe 
erhellt aus den Gefegen im Theodoſianiſchen Codex 13, 1 (de lu- 
strali collatione) 1. 3 und 11, 1 (de annona et tributis) 1. 7 
vom Jahre 361, wo den Colonen auf den Gütern der Senatoren 
befondere Vorrechte bewilligt werden; ferner aus dem Thevdoftani- 
fen Coder 10, 12 (si vagum petatur) 1. 2 vom Jahre 365 und 
11, 1 cde annona et tributis) 1. 14 vom Sahre 371. Eben— 
daffelbe Fönnte man endlich aus dem Gefege im Thevdof. Cod. 9, 42 
(de bonis proscriptorum) 1. 7 vom Sabre 369 ſchließen wollen. 
In dem Inventarium, das von den Gütern der Geächteten angefer- 
tigt werden fol, heißt es, folfe angegeben werden quot sint casarii 
vel eoloni. Der Ausdruck casarii, für den Gothofredus hier feine 
beftimmte Deutung hat, erffäre ich für Sirten, amd vergleiche Dazu, 
was Rutilius, ein Dichter aus dem Anfange des fünften Jahrhun— 
derts, lib. 1, 30 von feinen durch die Gothen verwüfteten gaflifchen 
Gütern fagt: lam tempus, laceris post saeva incendia fundis, 
vel pastorales aedificare casas. Cr meint, wieder ordentlich be- 
bauen werde er feine Güter wohl noch nicht können, aber er wolle 
wenigſtens Viehzucht auf ihnen treiben. Sp verfteht alfo Valenti- 
nian in dem angeführten Geſetze unter casarii Hirten, unter coloni 
Ackerbauer im Allgemeinen, ohne weiter Niückficht zu nehmen, ob fie 
hörige oder freie Colonen find, 


und biftorifhe Entwidelung des Eolonats. SI 


Doch kommen wir auf die Anftedelungen von Barbaren im rö— 
mifchen Neiche zurück. Conſtantius' nächfte Nachfolger, Julian und 
Jovian, hatten mit den im Occident wohnenden Barbaren weniger 
zu thun: fie fochten im Orient und zwar größtentheils unglücklich : 
an Eolonifation war alfv nicht zu denken, Inter Valentinian aber 
fhemen mehrere folche Anftevelungen vorgekommen zu fein. Won 
der erftew berichtet Amımian 28, 5, 15. Thevdofius, der Water des 
fpäteren Ratfers, hatte die Alamannen in Verein mit den Burgun— 
dern angegriffen und kämpfte glücklich: pluribus caesis, quoscun- 
que cepit, ad Italiam iussu Principis misit, ubi fertilibus (ich 
denfe nicht mit Gothofred zum Thevdof. Cod. 3, 14 (de muptüs 
gentilium lex unic. Tom. I p. 349 edit. Lipsiae 1736) daß es 
infertilibus heißen muß; denn alle Aecker in Stalten find fruchtbar; 
unangebaut und öde können fie dabej doch fein) pagis acceplis iam 
tributarü circumeolunt Padum. Denn daß tributarii eben nur 
untertbänige Colonen find, haben wir ſchon oben erwähnt, und bie 
angefiedelten Barbaren waren deditieii. Balentinian’s Sohn Gra— 
titan nahm auch eine folhe Colonifation vor. Es erwähnt fie Au- 
fonius in der Danffagungsrede an Gratian, feinen Schüfer, Cap. 4, 
wo er fagt, er könne diefen Kaifer Alemannicum nennen tradu- 
etione captorum, Dies fann doch nur heißen: weil er Gefan— 
gene auf römifchen Grund und Boden angefievelt habe.“ Dieſe 
Anfievelung kann, da Aufonius feine Nede im Jahre 379 hielt, nur 
3770, Chr. Statt gefunden haben, wo Gratian die Alamanni Leu- 
tienses in einer bedeutenden Schlacht beſiegte. Viele Barbareır 
fönnem es indeß nicht gewefen fein; denn Ammian, der diefe Käm— 
pfe ziemlich ausführlich beſchreibt (lib. 31, 10, 6 ete.), erwähnt 
eine Anſiedelung nicht, laßt aber doch die Möglichkeit zu, daß fie 
damals gefchehen fer. 3 

Um diefelbe Zeit, wo diefe legte Anſiedelung Statt fand, und 
ſchon etwas früher hatte Nom fihwere und faft vernichtende Kriege 
mit den Gothen zu beftehen. Es wird uns dabei von vielen An— 
fiedelungen von Barbaren auf römiſchem Gebiete erzählt; von welcher 
Art fie gewefen und unter welchen Verhältniffen fie Statt gefunden, 
wird nicht ausdrücklich berichtet. Ammian fpricht davon folgender⸗ 


32 Leber die Entftebung 


mafßen 31, 4, 1: Itaque duce Alarico ripas oceupavere Danu- 
bii: (die Thüringer nämlich oder Weſtgothen) missisque oratori- 
bus ad Valentem, suseipi se humili prece poscebant, et quiete 
vicluros se pollicentes ei daluros, si res llagilasset, auxilia. 
Sie verlangen alfo Aecker und verfprechen dagegen vubig zu leben 
und Nefruten zu ftellen: von irgend einer andern Art von Abhän- 
gigfeit, in die fie treten follten, ft nicht Die Rede. Der Katfer be- 
willigt der Barbaren Bitte gern; denn die Hofleute preifen ſchmei— 
chefnd fein Glück: „daß ſich plötzlich fo viele Rekruten freiwillig 
darböten, aus denen er das ftärkfte Heer bilden Fünnte, ferner daß 
feine Revenüen, durch Die Geldzahlungen, welche die Provinzialen 
gern ftatt Nefruten zu ftelfen, Leifteten, wachfen würden‘ (Ammian 
31, 4, DH: Der Raifer bejchließt alfo ihnen Ländereien zum Anbau 
zu geben (subigendos agros tribui statuerat Imperator, Ammian 
a. a. O. 88. In den Gränzprovinzen follen indeffen diefe Bar- 
bareien keinesweges angeſiedelt werden, ſie ſollen nach entfernten 
Gegenden wandern. Eine Schaar Gothen war, nebſt ihren Füh— 
rern Suenidus und Colias, ſchon früher in das römiſche Gebiet 
aufgenommen worden, und hielt ſich einſtweilen, bis ſie im Frühjahr 
nach ihren Beſtimmungsorten abgehen könnte, bei Hadrianopel auf. 
Sie erhalten jest plötzlich den Befehl, nach Aſieu überzugeben 
(Ammian 31, 6). Ih kann mir nicht denken, daß die Gothen fich 
wirklich in das Colonatsverhältniß begeben wollten; auch erwähnt 
Ammian nichts, woraus man mit einiger Sicherheit darauf fchließen 
fönnte. Der Katfer freut fich nicht über ihre Ankunft, weil fie ihm 
Steuern geben würden, fondern bloß weil er von ihnen brauchbare 
Rekruten erhalten würde; er denft nicht, daß er prolelarios lucra- 
bitur plures, wie Conftantius im früheren Zeiten. So wollten 
alfo wohl die Gothen, die weder dediticii noch belli capti waren, 
bloß als foederati in den römischen Staat eintreten. Sch glaube 
dieß un fo mehr, da 4 Jahre fpäter, als Theodoſius dur feine 
Thätigkeit das vömifche Neich bergeftellt hatte, die Gothen, im 
Kriege befiegt, als foederati in Thracien und Möſien angefievdelt 
wurden, wie Jornandes Cap. 28 berichtet.  Ebenfo wurden im 
Jahre 386 die befiegten Schaaren der Geutbrungen in Phrygien 


und biftorifehe Entwidelung des Colonats. 33 


angefievelt (f. Claudian in Eultropium 2, 152), nicht als coloni, 
fondern als foederati, fie waren nicht bloß frei, fondern bildeten 
abgefonderte und felbftändige Gemeinden. 

Es ift ein Zeichen von der Auflöfung des vömifchen Seien, 
daß es nicht mehr die Kraft in fih fühlte, die barbarifchen Elemente, 
die es in fih aufnahm, vollſtändig zu romaniſiren, fondern ihnen 
felbftändige Geltung einräumte. Und glauben wir, daß es ſich nach 
der Theilung, die Theodofius bei feinem Tode vornahm, im Abend- 
lande wenigftens, wieder fo erholte, daß es die Barbaren befiegen 
und zwingen fonnte, ſich in das Colonatsverhältniß zu fügen? Wir 
leſen von vielen Barbaren, die fih unter Honorius und feinen Nach⸗ 
folgern in Gallien und Spanien anſiedelten; doch keine dieſer Co— 
loniſationen fand unter ſolchen Umſtänden ſtatt, daß man auf die 
Vermuthung kommen könnte, die Barbaren hätten ſich Dienſtbarkeit 
gefallen laſſen. Im Abendlande alſo hört die Vermehrung des 
Stammes der Colonen durch neue barbariſche Anſiedler auf. 

Nicht ſo im Morgenlande. Die barbariſchen Schaaren, die in 
unaufhaltſamen Zügen über die Donau ſtrömten, hatten zwar Thra— 
eien und Macedonien, auch Griechenland ſelbſt verwüſtet, aber Con— 
ſtantinopel und der Hellespont wehrten ſie von Aſien ab. Nothge— 
drungen alſo zogen ſie, da ſie im morgenländiſchen Reiche Alles, 
was ſie erreichen konnten, geplündert hatten, vom Hunger getrieben 
nach Italien und den weſtlichen Provinzen. Das Reich von Con— 
ſtantinopel conſolidirte ſich wieder und gewann die Kraft, einzelne 
Barbarenhorden, die es angriffen, vollſtändig zu bezwingen. So 
hören wir denn ſchon unter Theodoſius dem jüngern, im Jahre 409, 
von einer Anſiedelung von Colonen. Wir haben darüber doppelte 
und ſo vollſtändige Berichte, wie bei keiner andern ähnlichen Anſie— 
delung, einen von Sozomenus in ſeiner Kirchengeſchichte B. 9 Cap. 
5, den andern in den zuerſt von Peyron bekannt gemachten Frag— 
menten des Thevdofianifchen Codex aus dem Turiner Palimpſeſt. 
Es verlohnt ſich der Mühe, bei dieſen Berichten, die allein, wenn 
auch keine andern Gründe dazu kämen, über die Entſtehung des Co— 
lonates Aufſchluß geben würden, etwas genauer zu verweilen, und 
zwar beginnen wir mit dem des Sozomenus. 

Muſ. f. Philolog. N. F. II. 3 


34 Ueber die Entftehung 


Er erzählt an der angeführten Stelle nach den unheilvollen 
Ereigniſſen des Jahres 408 im Deeident, dem Morde Stilicho's und der 
Verwüſtung Italien's, zu derſelben Zeit ſei Uldis, Anführer der Hunnen 
jenſeits der Donau, mit zahlreichen Schaaren über dieſen Fluß gegangen, 
und, da ihm niemand Widerſtand geleiſtet hätte, habe er ungeſtraft 
Möſien und Thracien verheert, und auf die vortheilhaften Bedin— 
gungen, die ihm von Conſtantinopel geſtellt wurden, um ihn zu einem 
Vertrage zu bewegen, nicht eingehen wollen. Da hätten die Römer 
durch Liſt zu erreichen geſucht, was auf andere Weiſe nicht möglich 
war. Sie hätten feine Unterfeldherren durch Beftechungen gewon- 
nen, und feien dann mit ihnen gegen den übrigen. Theil des hunni— 
ſchen Heeres gezogen. Uldis habe ſich Faum mit einigen Ueberbleib— 
feln ferner Schaar über die Donau retten fünnen, die übrigen feien 
getödtet oder gefangen genommen worden. Befonders aber feien die 
fogenannten Scyren, ein früher bedeutendes Wolf, ganz und gar zu 
Grunde gegangen ‚ da fie fich verfätet Hätten. Die Gefangenen 
feten darauf nach Conftantinopel gebracht worden. J0Sav d& Toig 
aoyovor, führt Sozomenus fort, Ödtavelun zovrovg, un Tı, 
nn og Ovies, veursglowor, ovg ulv En’ Öllyoıg Tıumuaor 
ün£dovro, Tovg dE noAkoig nvoliza dovievsw nag&dooev, En 
to iijte Kovoravrırovanorkewg unte naong Evgwnng enıßar- 
veıv zal rn u£on Jahaoon ywgileodar ToV Eyv@woLevov aVToig 
Tono», ’E% Tovrov To nınJos angarov negıuleıpder, Grhog 
alkayn dtatorBen &tayInoav‘ nmollovg feè Emi ung Bidvviag 
Tedeunur ng0S 1 zarovyulvo Ohvunm 008 onogadnv olxoür- 
Tag zal ToVGg avrodı Kopovg zul Unwoelag YEwgyovvrag. 
Der Kaiſer hätte fie wahrfheinfich am Kebften auf feinen eigenen 
Gütern angefiedelt, aber die Nückficht auf die Sicherheit des Reichs 
erlaubte dieß nicht. Die Barbaren mußten, damit fie feinen Auf 
ftand erregen Fonnten, vertheilt und unmittelbar Herren untergeben 
werden. Ein Theil wurde alfo als Selaven ‚verkauft, der andere 
als Colonen angefiedelt, welches Verhältniß Sozomenus auch mit 
dem Worte HovAeveev bezeichnet. Und zwar wurden fie umfonft 
am die Befiger von Pandgütern vertheilt, jedoch unter der Bedin— 
gung, fie nur in den überfeeifchen Provinzen zu balten, weshalb 


und biftorifhe Entwiedelung des Colonats. 35 


denn Sozomenus eine große ı Menge von ihnen im Bithy- 
nien traf. 

Ausführlicher noch laßt fi) über diefe Coloniſation Theodoſius 
felber in dem Gefege, wodurch er diefelbe verfügte, aus (im Theo— 
dofianifchen Coder 5, 4 de bonis militum 1. 3 ed. Wenck.), 
ein Gefeg, deren viele auch in früheren Zeiten erlaffen fein mögen, 
die nur, weil die Sammler des Theodofianifchen Codex die tempo— 
rären Verfügungen ausließen, uns nicht erhalten find. Wir führen 
die Worte des Gefeges, zumal da fie einiger Verbefferungen be— 
dürfen, vollftändig hier an: Scyras (ich denfe Scyros, denn fo wird das 
Volk auch von Zofimus 4, 34 und 5, 22 genannt) barbaram na- 
tionem maximis [Hunjnorum, quibus se coniunxerant, copiis 
Jusis,, (imperio nostro subegimus. Ideoque damus omnibus 
copiam, ex praedicta gente hominibus agros proprios frequen- 
tandi, ita ut omnes scianl, susceplos non alio iure quam co- 
lonatus apud se fuluros; nullique licere ex hoc genere colo- 
norum ab eo, cui semel attribuli fuerint vel fraude. aliquem 
abducere vel fugientem suscipere, poena proposita, quae re- 
eipientes alienis censibus ascriplos vel non proprios colonos 
insequilur. Opera aulem eorum terrarum. domini libera futan- 
tur] ac nulli subacla peraequationi vel censui f[subjiaceant, 
nullique liceai, velut donatos, eos a iure census in servilutem 
trahere urbanisve obsequüs addicere, [Porro] intra biennium 
suscipientibus liceal, pro rei frumenlariae angustiis, in quibus- 
libet provincis, transmarinis taniummodo, eos relinere et po- 
stea in sedis perpeluae [fundo lojcare, ‘a parlibus Thraciae 
vel Ulyriei habitalione corum penitus prohibenda, et intra 
quinquennium dumtaxat intra 'eius provinciae fines coram tra- 
duelione, prout libuerit, concedenda; iuniorum quoque intra 
praedictos viginli annos praebitione cessante. Ita ut per 
libellos sedem tuam adfeuntibus] his, qui voluerint, per trans- 
inarinas provincias eorum distributio fat. Das ganze Gefeß 
iſt erlaffen an den Praefectus praelorio Anthemius. Wir haben 
es nach der Recenfion von Wenck gegeben, indem wir die ergänzten 
Worte durch Klammern bezeichneten. 


36 Leber die Entftebung 


Es zerfällt nach der Einleitung, welche furz die äußere VBeranlaf- 
fung deffelben erwähnt, in drei Theile. Der erfte handelt über den 
Schuß, den die Herren der neuen Colonen vom Staate haben follen. 
Ein Colone, den ein Herr auf fein Gut aufnimmt und dem er ein 
Stüf Land zum Anbau anwerft, verurfacht Anfangs nicht wenige 
Koften: er muß Adergeräth und Vieh vom Herren erhalten. Es 
ift alfo billig, daß dieſer in feinem Befise gefchüst wird, damit er 
durch fpätern Gewinn feine gegenwärtigen Unfoften decken kann. 
Deshalb fagt Theodofius zuerft, die Barbaren folfen non alio quam 
eolonatus iure fein, d. 5. nicht etwa als bloße Pächter, die frei 
abziehen können, fondern an das Grundftüc ihres Herren gebunden, 
Es iſt hier alfo colonatus ius nicht der servitus, wie Wenck will, 
fondern dem Zuftande eines freien Colonen (liber colonus) entge- 
gengefeßt. Sp gelten alfo für diefe Colonen die Beftimmungen, die 
überhaupt für die fugitivi coloni gelten. Der zweite Theil des 
Geſetzes, der über das Verhältniß der Colonen in Bezug auf die 
Abgaben an den Staat handelt, bietet Fritifhe Schwierigkeiten, die 
auch auf den Sinn felber Einfluß haben, dar. Er lautet in dem 
Palimpfeft folgender Maßen: Opera autem eorum terrarum do- 
minisliheralii iuyi. ac nullus subacta peraequatione vel cen- 
sui....ac.nt Betrachten wir zuerft die Ergänzungen der 
Wen fchen Ausgabe dazu. Der Sinn des erften Satzes von Opera 
bis ulantur würde dann fen: „die Colonen follten als Freie ar— 
beitena, und es fcheint Dies gut zu paffen zu dem Folgenden, wo eg 
beißt, fie dürften nicht in Kuechtfchaft gebracht werden. Indeſſen, 
daß der Kaiſer nicht unmittelbar die Freiheit der Colonen, fondern 
die Erhaltung der Staatsernkünfte beabfichtigte, zeigt der Ausdruck 
a jure census, und was dazwifchen fteht ac nulli subacta perae- 
qualioni vel censui subiaceant, bezieht fich offenbar auf etwas 
ganz anderes. Diefe dazwifchenftehenden Worte ferner erflärt Wen 
fo: „dieſe neu bebauten Aecker (subacta) follten Feine höheren Ab— 
gaben zu zahlen haben, als fie bisher gezahlt hätten.“ Doc wie 
kann diefer Sinn in ihnen Liegen, da die Worte ganz deutlich befa- 
gen, fie follten feiner Ausgleichung der Abgaben oder Schätung 
überhaupt unterliegen? Läge aber auch jener Sinn darin, wie wäre 


und hiſtoriſche Entwidelung bes Colonats. 37 


die Sache möglich? Der Raifer alfo ſollte gar Feinen Vortheil von 
den neuen Colonen, von feinem Stege haben? er follte die Erhöhung 
der Abgaben freiwillig aufgeben? Wie reimt ſich dieß mit der Ten— 
denz jener Zeiten, wo man felbft mit Härte die Abgaben erhöhte, 
gefihweige daß man eine bilfige Vermehrung derfelben hätte von der 
Hand werfen follen? Welches war num das natürliche Verhältnif, 
das zwifchen dem Staate und den neu angefiedelten Colonen in Be— 
zug auf die Abgaben entftehen mußte? Hätte der Kaifer erklärt, 
fogleich den Gutsherren tie neuen Anfiedfer in Anrechnung bringen 
zu wollen: wer würde fich wohl bereit gefunden haben, fie aufzır- 
nehmen, da er vor der Hand viele Ausgaben, aber feinen hervortre— 
tenden Nusen abfehen konnte? Es ıft natürlich und zu jeder Zeit 
und von jeder Regierung beobachtet worden, daß neuen Cofpniften 
auf eine Zeit lang die Abgaben erfaffen wurden: und warum follte 
es Theodoſius nicht gethan haben? Es Fanıı hier alfo nur gefagt 
werden, daß für eine beſtimmte Zeit für die neuen Colonen 
feine Abgaben bezahlt werben follten, Um die Dauer diefer Abga- 
benfreiheit zu beftimmen, benusen wir eine Andentung im Tebten 
Theile diefes Geſetzes. Cs heißt dort: Juniorum quoque intra 
praediclos viginti annos praebitione cessanle. Es ift gewiß, 
daß dort von der Stellung der Nefruten (denn diefe werden häufig 
iuniores genannt) die Nede ift: innerhalb der nächften zwanzig Jahre 
alfo follen von den neuen Colonen feine Nefruten geftellt werden. 
Wie aber ift der Ausdruck praediclos zu verfteben? Wend ver- 
wirft die etwas fchwanfende Erklärung Peyron's und fagt felber, es 
fet gleich praefinitos, in ipsa colonorum concessione conslitutos 
ideoque certos, was uns ebenfalls weder klar noch dem Sinne des 
Wortes angemeffen erſcheint. Praedietum kann nur das heißen, 
„was vorher erwähnt ift.u Nun findet fich aber von einem Termin 
von zwanzig Sahren nichts vorher erwähnt, und die Annahme, dieß 


ganze Gefet fer nur das Bruchftücf einer größeren Verordnung, ent- - 


behrt aller fonftigen Wahrfcheinlichfeit. Natürlich alfo, daß man die 
Erwähnung dieſes Termin's da fucht, wo einerfeits eine Lücke, an- 
perfeits die Angabe eines Termins nothwendig ft. Sch vermuthe 
alfo, es muß fo heißen: Opera aulem eorum terrarum domini 


38 Leber die Entftehung 


liberaintra viginti annosacnullisubiecta peraequatiom 
vel censui habeant; denn wenn ich in die Lücke, welche Peyron 
mit esse sciant, Wenck mit utanlur ausfüllen, ein Wort mehr als 
jene fege, fo denfe ich, daß fie fich nicht fo genau beftimmen läßt, 
um die Anzahl der Buchftaben, die fehlen, angeben zu fünnen, und 
man fann auch fchreiben intra XX annos. Wie aber? wird man 
fagen, bei der Stellung der Rekruten begreift man, weshalb fie erft 
nach zwanzig Jahren eintreten fol. Nimmt man nämlich an, daß 
nur waffenfähige Männer aus dem Volke der Sceyren über die Do— 
nau gezogen, oder wenigſtens nur folhe als Colonen angefiedelt 
waren, fo ıft ein fo langer Erlaß von Nefruten nothwendig, wenn 
der Staat nicht die Colonen felber, die er meift anfievelte, als Re— 
Iruten zurücknehmen fol; denn nad Thevdof. Cod. 7, 13 (de liro- 
nibus) 1. 1 werden die Nefruten von 19 Jahr an angenonmen. 
Es fonnte auch dent Herrn gar nicht an den gealterten Colonen ſel— 
ber gelegen fein. Warum aber ein vollftändiger Erlaß alfer Steuern 
auf jo Lange Zeit eintreten ſollte, begreift man nicht. Ich denfe 
auch nicht, daß der Kaifer es wirklich jo meint, Nach den Unterſu— 
Hungen Savigny's hatte der Eigenthümer eines Cuts eine doppelte 
Art von Steuer zu zahlen, einmal eine Grundftener , die ſich nach 
der Größe und der Fruchtbarkeit des Gutes richtete, dann eine Kopf- 
fieuer für die auf dem Gute eingefchriebenen Colonen, die zwar die 
Colonen eigentlich felber zu zahlen hatten, Die aber der Herr für fie 
auslegte und dann von ihnen eintriedb. Wenn nun Thevdofius fagt, 
die terrarum domini, Die Gutsherren, follen die opera colonorum 
libera ac nulli subiecta peraequalioni vel censui haben, fo 
fann er nicht meinen, die Colonen follten Feine Kopfſteuer zu zahlen 
haben, fondern nur, die auf dem Gute haftende Grundfteuer follte 
nicht im Verhältniß zu dem größeren Ertrage, den es durch die Anz 
fiedelung der Colonen geben mußte, wenigſtens nicht innerhalb dev 
‚erften 20 Sabre, erhöht werden. Denn bei der Beftimmung diefer 
Grundfteuer wurden, wie wir aus Lactantius de mortibus' perse- 
culorum cap. 25 wiffen, Weinftöce und Bäume gezählt, die Thiere 
alfer Art verzeichnet, Kurz das ganze Inventarium genau aufgenommen. 
Vermehrte fich dieß, fo mußte Der Betrag der Grundfteuer für das 


und hiftorifhe Entwidelung des Colonats. 5% 


Gut natürlich auch fteigen. In dem Iangen Termine übrigens, für 
den Theodoſius einen Theil der Abgaben erlich, erfenne ich überdem 
fein Beftreben, dem Ackerbau aufzubelfen und die Theuerung zu mil⸗ 
dern, die, wie wir aus dem Theodoſianus Cod. 14, 16 (de fru- 
mento urb. Constantinop.) 1. 1 wiffen, gerade in dem Sabre, in 
dem das vorliegende Gefeb gegeben wurde, herrfchte. An diefe Ber: 
fügung über den Steuererfaß fließt fich dann ganz zwedmäßig Die 
verwahrende Claufel an, daß es den Gutsherren nicht erlaubt fein 
ſolle, die Colonen wirklich als Selaven zu behandeln oder gar fie 
unter die Selaven, die fie in den Städten hatten, zu mifchen, in wel- 
chem Falle der Staat feine Kopfſteuer von ihnen erhalten haben würde, 

Der dritte Theil diefes Gefeges endlich enthält außer der Be— 
flimmung in Betreff der Refrutenftellung Verordnungen über die 
Bertheilung der Colonen. Sie follen exftlich niemals in Thracien 
und Illyrien, oder, wie Sozomenus ſich ausdrückt, überhaupt nicht 
in den europälfchen Provinzen des morgenländifchen Reiches angefie- 
delt werden. Warum nicht? Weil fie fich fonft bei wiederholten 
Einfällen der Barbaren, die wohl zu fürchten waren, mit diefen 
würden verbunden und dem Neiche Gefahr gedroht haben. Zweitens 
follten fie, weil im Jahre 409, wie oben erwähnt, Theuerung 
berrfchte, vorläufig in jeder beliebigen, wenn nur jenſeits des Hel- 
lespont Yiegenden, Provinz angefiedelt werden fünnen, und erſt nach 
zwei Jahren an den Ort, wo fie für immer bleiben follten, hinge- 
führt werben, während fonft ein folches Wechfeln der Güter nicht 
erlaubt war. Drittens endlich follten diefe Colonen, wenn fie nad 
2 Jahren in einer beftimmten Provinz, in der fie dann immer bleiben 
mußten, ongefiedelt waren, doch noch von einem Gute auf das an- 
dere verfegt werden können; indeffen nur innerhalb der nächften fünf 
Jahre war folhe Verfegung erlaubt. Warum diefe Beſchränkungen? 
Sch denke, damit die Steuerroffen nicht durch das viele Umherziehen 
der Eolonen in Unordnung kämen. In den Worten, welche diefe 
legte Beftimmung enthalten, finde ich, kann die Lehart coram Ira- 
ductione, die auch Wenck nicht genügend zu erklären vermag, un— 
möglich richtig fein. Ich verbeffere eorum (nämlich colonorum) 
traduclione. 


40 Ueber die Entftehung 


Den Schluß des Gefeges bildet die Beftimmung, auf welthe 
Weiſe die DVertheilung der Colonen gefchehen fol. Die Gutsherren 
müffen fih ſchriftlich (per libellos) an den Praefectus Orientis, 
damals Antbemius, wenden, und von ihm geht die Vertheilung aus. 
Sch billige bier die Ergänzung , die Wend hat, adeuntibus , nicht, 
da mit ihr das zu Anfang ftehende Ita ub nicht vereinbar iſt: ich 
ergänze vielmehr Ita, ut per libellos sedem tuam adierint, his, 
qui voluerint eic., d. h. unter diefen Bedingungen Gita) foll die 
Bertheilung an die, welche Colonen wünfchen, gefchehen, und zwar 
in der Reihenfolge Cub) , wie fie fi) an den Praefectus praetorio 
mit ihren fchriftlichen Gefuchen darum wenden. 

Wir befchließen mit diefem merkwürdigen Geſetze Theodoſius 
des Jüngern, das die ausführlichfte hiftorifche Erwähnung des Colo— 
nats enthält, die Aufzählung der Eolonifationen von Barbaren im 
römifchen Reiche; was fpäter im morgenländifchen Kaiſerthum der 
Art gefchehen fein mag, laſſen wir unberührt: es gehört nicht mehr 
zur Gefchichte des römiſchen Colonats, da jenes ganze Neich ſeit 
jener Zeit von Nom getrennt einen andern Charakter anzunehmen 
begann, 

War nun aber auch der Stamm der Eolonen barbarıfchen Ur— 
forungs, fpäter, als das Rechtsverhältniß fich fefigeftellt und in fei= 
ner vermeintlichen Nüglichkeit bewährt hatte, Fonnten ſich auch an- 
dere Elemente aus dem römiſchen Leben felber anfchließen. Und wir 
finden, es iſt gefchehen. Freigeborne Nömer Famen theils freiwillig, 
angelockt durch die augenblicklichen Bortheile, die es dem Unbemittel- 
ten brachte, theils durch das Geſetz gezwungen in das Colonatsver— 
hältniß und verloren dadurch, wenn auch nicht die Freiheit jelber, 
doch den Gebrauch derjelben. 

Die erfte Erwähnung folder Colonen, die nicht Barbaren, ſon— 
dern freie Nömer waren, finde ich in einem Gefege von Conftantius 
vom Sabre 342 im Thevdofianifchen Codex 12, 1 (de decurioni- 
bus) J. 35, dag an den Comes Orientis gerichtet ift. Es ift be- 
fannt, wie drücfend zu jener Zeit die Laften der Decurionen waren 
und wie man alle Mittel anwendete, um diefem Stande zu entgeben. 
Ueber die Befähigung zum Deeurionat oder vielmehr über den Be— 


und hiftorifche Entwidelung des Colonats. 4 


trag des Vermögens, das die Verpflichtung zu demfelben mit fich 
brachte, galt nun, wie wir aus dem vorliegenden Geſetze erfehen, 
die Beftimmung, daß jeder, der über 25 Morgen Land befüße, dazu 
gezwungen fein ſollte. Biele alſo, deren Befistbum fo groß war, 
ſuchten ihrer Verpflichtung dadurch zu entgehen, daß fie noch neben- 
bet Colonen auf den Domänen des Karfers wurden; denn als folche 
waren fie von der Verpflichtung zum Deeurionate befreit. Conftan- 
tius verbietet nun Feinesweges, daß jemand auf feinen Gütern follte 
Colone werden fünnen, fondern er hebt nur die ungleiche Vertheilung 
der Laſten, die aus folchem Verhältniß entfieben mußte, auf. Er 
beftimmt alſo, daß jeder, der neben den Faiferlichen Domänen, bie 
er colonatus iure bewirthfchaftete, noch an eigenem Beſitzthum mehr 
als 25 Morgen befäße, zum Decurionat verpflichtet fein follte, 
Ebenſo follte der Decuriv werden, der zwar nicht als Eigenthum 25 
Morgen hätte, aber eben fo viel oder etwas weniger Land von den 
Domänen des Kaifers bebaute, 

Ich wage nicht zu entfcheiden, ob dieß Gefeg für das gefammte 
römische Neich oder bloß für den Drient, auf den es fich zunächft 
bezog, Geltung hatte. Ich glaube das Lestere, da zu Conftantius’ 
Zeit in den aftatifchen Provinzen jedenfalls noch wenig barbarifche 
Eolonen waren. Man ficht daraus, fehon vor Conſtantin fuchten 
die Kaiſer, da der Friegsgefangenen Barbaren verbältnifmäßig nur 
wenige waren und Hände zum Aderbau fehlfen, ihre Domänen durch 
freie Römer, die fie Durch Vortheile in ihrer übrigen äußern Stel: 
lung anlockten, zu bevöffern. Ebenfalls Laßt fih hieraus ſchließen, 
daß, wie wir es oben bei den barbariichen Coloniften gefehen haben, 
auch diefe römiſchen nur auf den Privatgütern des Katfers waren, 
und erft fpäter auch auf den Gütern von Privatperfonen entftanden. 

Eine Art von Vertrag mochte Privatleuten Colonen diefes 
Standes verichaffen Arme, die ihren Unterhalt nicht auf eigene 
Hand gewinnen Fonnten, gingen in den Dienft und auf die Güter 
der Reichen. Hier erhielten fie ein Stück Land nebft Adergeräth, 
wovon fie den Gutsheren einen jährlichen Pachtzins zahlen mußten. 
Sie ftanden dann in einem Verhältniß, das dem der eigentlichen 
Colonen im Uebrigen ganz gleich und nur darin verfihieden war, daß 


42 Ueber die Entftehung 


bei diefem eine Auflöfung möglich war, bei jenem nicht. Später, 
da man überhaupt im römischen Neiche alle Stände zu firiren und 
eine Art von Kaften zu fchaffen fuchte, da es eine erbliche Zwangs— 
verpflichtung zum Decurionat und zum Kriegsdienfte gab, beftimmte 
man, der Analogie der barbariſchen Coloniften folgend, daß auch bei 
diefem Pachtverhältniß zwifchen dem Grundherrn und dem befislofen 
Landmann Feine Auflöfung mehr möglich fein follte. Das erfte Ge— 
ſetz, in dem ich ſolche freiwillige Colonen erwähnt finde, ift vom 
Sahre 368 n. Chr. son Valentinian im Theodoſianiſchen Codex 10, 
12 (Si vagum pelatur maneipium) 1. 2. Es ift hier die Rede 
son der Zurücbringung entlaufener Selaven zu ihren Herren, und 
bei diefer Gelegenheit werden auch über ähnliche Fälle Beftimmun- 
gen gegeben. Si quis eliam, beißt es, vel tributarius reperitur 
vel inquilinus osiendilur , ad eum protinus redeat, cuius se 
esse profitetur. Beide, tributarii und inquilini, werden nachher 
unter dem gemeinfamen Namen coloni zufammengefaßt. Es kommt 
bier zuerft der Ausdruck inquilini vor, den ich für diefe Kaffe von 
Colonen eigenthümlich halte, Eigentlich bedeutet er unfer deutfches 
„Miethsmann“, den, der nicht in feinem Eigenthum, fondern nur 
zur Miethe wohnt, und fo wird das Wort 3. B. in den Pandekten 
gebraucht lib. 43, 32, 1 8. 1, ebenfo bei Sueton Claud. 38 in- 
quilini praediorum suorum. Daß es aber auch gerade won diefer 
Klaffe von Colonen gebraucht. wird, zeigt eine befannte Stelle aus 
Salvian’s Buch de gubernatione dei lib. V. Salvian ſpricht 
bier von dem unerträglichen Drucfe, der zu feiner Zeit auf den Fer 
nen Grundeigenthümern, insbefondere in Gallien Taftete, Sie wur- 
den von Steuern und Abgaben erdrückt und, wenn fie diefe nicht 
mehr bezahlen konnten, aus ihrem Eigenthum vertrieben. Die Noth 
zwang fie dann, wie Salvian ſich ausdrückt, coloni auf den Gütern 
der Reichen zu werden. Isti, ſagt er, qui habere amplius vel 
sedem vel dignitatem suorum natalium non queunt, iugo se 
inquilinae abiecetionis addiewnt. Er befehreibt ferner, wie 
diefe Armen, wenn fie ſich auf die Güter der Neichen begeben haben, 
gleichfam durch das Zaubermittel einer Ciree verwandelt, zu Selaven 
werden, ihre Freiheit und ihr Recht als Freie verlieren Man er- 


und hiftorifhe Entwickelung des’ Eolonats. 43 


fieht aus diefer Steffe zweierlei, erftens, daß der alfgemeine Aus: 
druck für die, welche an die Scholle gebunden den Acer bauen und 
erbunterthänig find, coloni ift, infofern fie zum Anbau des Landes 
verwendet werden, inquilini »aber eigentlich die heißen, welche aus 
dem Stande der Freien in den folcher unterthänigen Bauern herab- 
finfen. Zweitens erfennt man, daß diefe inquilini zu Salvian’s Zeit 
im Wefentlichen den ausländifhen Colonen ganz gleich: waren, und 
daß durch einen gewaltfamen Akt der Geſetzgebung diefes Sinabfto- 
pen in Knechtſchaft fatt gefunden haben muß. 

Sollte fi von einem ſolchen Aft Feine Erwähnung in den zahl⸗ 
reichen Rechtsquellen, die wir aus jener Zeit haben, finden? Das 
iſt nicht wahrſcheinlich. Sch erkenne auch wirklich die Erwähnung 
einer folhen gewaltfamen Mafregel in dem Gefege der Kaiſer Var 
Iontinian, Theodoſius und Arcadius im Juſtinianiſchen Cover lib. 11, 
50 (de colonis Palaestinis). Das Gefeg ift gerichtet an Cyne- 
gius, praefeclus praelorio Orienlis von 334 big 389 n. Chr., 
wie Gothofredus in der Prosopographtä Theodosiani Codieis. S. 
v. beweift, muß alfo, da Arcadius im Sabre 384 zum Auguſtus er⸗ 
klärt wurde, in einem der oben angegebenen 6 Jahre gegeben fein. 
Es lautet: Cum per alias provincias, quae subiacent nostrae 
serenilatis imperio, lex a maioribus, constituta colonos quodam 
aclernitalis iure delineat, ila ut illis non liceat ex his locis, 
quorum fructu relevantur, abscedere, nec ea deserere, quae 
scmel colenda susceperunt, neque id Palaestinae provinciae 
possessoribus suflragetüur : -sancimus, ul eliam per: Palaestinam 
nullus omnino colonorum $uo iure velut vagus ac:liber exul- 
tet, sed exemplo aliarum .provinciarum ita a ‘domino fundi 
teneatur, ul sine poena suseipienlis non possit abscedere. Die 
Colonen alſo, die in andern, Provinzen nach einer in früherer Zeit 
(denn weiter bedeutet a maioribus nichts) -erlaffenen Verordnung 
ihre Abzugsfreiheit verloren hatten, follten fie künftig auch nicht mehr , 
in Paläftina haben. Es kann indeffen zweifelhaft fein, welche Art. 
von Eolonen hier Theodoſius, yon dem dies Geſetz ausging, unter 
dem allgemeinen Ausdruck coloni. verſteht, ob er nicht barbariſche 
Coloniſten darunter verſtanden wiſſen will. Es iſt dieß an und für 


4 Ueber die Entſtehung 


ſich nicht recht wahrſcheinlich, da wohl kaum Barbaren in Paläſtina 
angeſiedelt waren. Ich denke, er verſteht hier unter coloni Pächter 
im Allgemeinen, die freie römiſche Bürger waren. Dieſen Ausdruck 
und die ganze Maßregel von Theodoſius erläutert aber noch weit 
mehr das im Juſtinianeiſchen Codex folgende Geſetz til. 51 de co- 
lonis Thracensibus som Jahre 394. Siehe Gothofredus in der 
Prosopographia zum Theodoſ. Cod. s. v. Rulinus. Denn Savigny, 
der in feiner Abhandlung über die römifche Steuerverfaffung dieß 
Gefeg Theodoſius I. und Valentinian II. zufchreibt, kann ich micht 
beiftimmen. Es lautet folgender Maßen: Per universam dioece- 
sim Thraciarum sublato in perpeluum humanae capilationis 
censu, iugalio tantum terrena solvalur. Et ne forte colonis 
tributariae sortis nexibus absolulis vagandi et quo libuerit 
recedendi facultas permissa videatur , ipsi quidem originario 
iure teneantur et licet condilione videantur ingenui, servi ta- 
men terrae ipsius, cui nati sunt , exislimentur etc. Warum 
bringt hier Theodoſius die Aufhebung der Kopfſteuer mit der Aufhe— 
bung der Abzugsfreiheit der Colonen in Verbindung? Savigny in 
feiner Abhandlung über die römiſche Steuerverfaſſung ©. 37 u. flgd. 
bat beiwiefen, daß feit Licinius die Kopffteuer für die ftädtifche Plebs 
im vömifchen Reiche aufgehoben war und nur noch für die eigen- 
thumstofen Landbewohner fortbeftand. Auch fpäter noch befolgte die 
römiſche Regierung den Grundſatz, die Zahl der Kopfftenerpflichtigen 
zu vermindern, da ihre Erhebung außer bei den hörigen Colonen 
und den Sclaven, für die der Herr ftehen mußte, Schwiertigfeiten 
haben mußte. Diefer Grundfaß erhellt deutlich aus dem vorliegen- 
den Gefege von Thevdofius. Der Kaiſer hebt die Kopffteuer auf, 
nicht weil er überhaupt eine Erfeichterung der Abgaben eintreten Yaf- 
fen will, fondern weil er die Abgaben auf den Grund und Boden, 
der denfelben auf feine Werfe entzogen werden fonnte, zulegen wollte, 
Wie war die Kopffteer diefer befislofen Pächter und Tagelöhner 
früher bezahlt worden ? Man Fan es fich nach Anleitung dieſes 
Geſetzes nur ſo denfen. Die Tagelöhner und Pächter, die auf einem 
Gute arbeiteten, waren in die Steuerrolle des Gutes felber mit ein- 
getragen, in derfelben Werfe, wie es die eigentlichen hörigen coloni 


und hiftorifhe Entwidelung des Colonats. 45 


waren (ſ. Savigny über die römische Steuerverfaffung S. 33:) der 
Grundherr legte die Steuer für fie aus und trieb fie von ihnen auf 
eigene Gefahr wieder ein. Das ift tributaria sors jener Pächter, 
wie es in dieſem Geſetze heißt, und darin Tag das Band, dag diefe 
Pächter an das Land knüpfte, da fie wohl großen Theils in Schul- 
den beim Gutsherrn, ihn nicht verlaffen durften. Theodoſius hob 
die Grundfteuer auf, das Band, das die Pächter an das Gut fnüpfte, 
Töfte ſich, wenn auch nicht gleich, doch allmählig, und der Pächter 
erhielt die Möglichkeit, von dem Gute, auf dem er gedient, abzuziehen. 
Dieß wollte der Karfer verhindern, theils um nicht dem Ackerbau im 
Allgemeinen Schaden zuzufügen , theil um den Grundbeſitzern, die 
in Folge der Aufhebung fiherlih eine größere Grundftener traf, 
Entfchädigung zu gewähren. Er beftimmt alfo, daß jene Pächter 
fünftig originario iure teneantur d. h. wenn der Vater Colone 
ift, fo follen auch feine Nachfommen coloni fein: er fügt dann noch 
hinzu, obwohl fie dabei ihrem Stande nach ingenui blieben, follten 
fie doch für Selaven des Landes, das fie bebauten, gelten. So blieb 
ſich das Steuerverhältniß im Ganzen gleich, gewährte jedoch dem 
Staate eine größere Sicherheit, da der Grundherr die Steuer als 
eigene, nicht als bloß für den Colonen übernommen zu tragen hatte, 
Der Grundherr felber fonnte ſich dann dadurch fchadlos halten, daß 
er den Eolonen eine größere Wacht auferlegte. Ob zu gleicher Zeit 
auch Die som Kaifer Valens eingeführte Einvichtung, daß bei den 
barbarifchen Eoloniften der Grundherr die Kopffteuer der Colonen 
zahlte, aber dann fie von denfelben wieder auf eigene Nechnung ein 
trieb (ſ. Savigny a. a. D.), aufgehoben wurde, oder ob diefe Bes 
freiung von der Kopfſteuer bloß ein Vorzug der aus Freien entftan- 
denen Colonen war, wagen wir nicht zu entfcheiden. 

Doch kommen wir wieder auf die Frage, was für Colonen in diefem 
und dem vorhergehenden Gefege, das wir erläutert haben, gemeint find, 
zurück. Es wird in dem letzteren Gefege die tribularia sors entfchie- 
den dem Nechtsverhältniffe der hörigen coloni entgegengefest; da 
diefe Ießtern aber, wie wir bewiefen haben, Barbaren waren und 
ſpäter fchwerlich Barbaren mit Abzugsfreiheit als Colonen angefie- 
delt wurden, ſo folgt Daraus nothwendig, daß die in den genannten 


46 Ueber die Entftehung 


Gefegen erwähnten Colonen römifche Bürger waren,. die in das Ver- 
hältniß der barbarifchen Coloniften durch Einſchreiten der Geſetzgebung 
hinabgeſtoßen wurden. Was aber iſt die lex a maioribus consli- 
tuta, die in dem erften der vorher angeführten Gefege erwähnt wird? 
Es Laßt fich darüber zwar nichts Beſtimmtes fagen, aber doch eine 
Vermuthung aufftellen. Nämlich das im Juſtin. Cod. zunächſt fol- 
gende Gefeg de colonis Illyricianis Cib. 11 til. 52) enthält eben- 
diefelbe Verordnung, mie die beiden vorhergehenden, und ıft nach 
der Lesart der beften Handfchriften, denen Savigny a. a. D. ©. 37 
wieder Geltung verichafft hat, im Jahre 371 unter Valentinian I. 
gegeben, fo daß es Theodoſius fehr wohl als von feinen Vorfahren 
gegeben anfehen Fonnte, Es heißt fo: Colonos inquilinosque per 
Illyricum vieinasque regiones abeundi rure, in quo eos originis 
agnationisque merito certum est immorari , licenliam habere 
non posse censemus, Inserviant terris non tribulario nexu, 
sed nomine et titulo colonorum. Nachher werden noch Die Stra— 
fen beftimmt, welche die Colonen felber, die entiveichen, oder Herren, 
die fremde Colonen aufnehmen, treffen follen. Durch diefes Gefes 
wird den Colonen, die factifch ſchon früher auf ein und demfelben 
Gute geblieben waren, rechtlich die Abzugsfreiheit genommen und 
auch ihre Nachkommen werden in daffelbe Berhältniß gebunden. Zu 
bemerken ift in dem Gefege, daß neben den eolonı auch inquilini 
genannt werden, und tribularius nexus wieder dem Colonat entge- 
gengeſetzt wird. 

Als Zeitpunkt alfo, wo zuerft freie römiſche Bürger in das 
Colonatsverhältniß hevabfanfen, findet fi) die Regierung von Va— 
Ventinian I. und damit fiimmt das früher angeführte Geſetz deſſelben 
Kaifers. vom Jahre 365 im Theodoſ. Cod. 10, 12,2, wo auch 'be= 
ftimmt wird, die tributarüi und inquilini folfen auf die Güter, zu 
denen fie gehören, zurückkehren. Es Liegt in Diefem der Anfang der 
Verordnungen, die eine folche Erniedrigung der früher freien Päch- 
ter herbeiführten. Es wird in ihm bloß gefagt, die tribularii und 
inquilini follen von den Gütern, die fie bebauten, ſich nicht entfer- 
nen; eine Strafe wird noch nicht auf die Entfernung gefeßt, auch 
der rechtliche Zuftand der Pächter noch nicht verfchlechtert. Da 


und biftorifhe Entwidelung des Colonats. 47 


aber die Pächter troß dem. fih von den Grundſtücken entfernten, 
ſchritten die folgenden Gefete ftrenger ein: fie beftinimen entfchieden, 
daß die Pächter in das Colonatsverhältniß treten follen, und auf 
ihre Entfernung von den Gütern wird eine Strafe gefebt. 

Sn die Zeit von Theodoſius fällt noch ein anderes Geſetz, 
welches von dem Beftreben zeugt, den befiglofen Pöbel durch Zwangs— 
mafregeln in ein höriges Verhältniß zu. bringen und dadurch für 
den Staat nüßlicher zu machen. Diefes Beftreben erhellt nämlich 
deutlich aus einer Berordnung des Kaifers Balentinian I. vom Jahre 
382 im Theod. Cod. 14, 18 (de mendicantibus non invalidis). 
Sie beftinmte, daß alle Bettler in Nom, die arbeitsfähig und frei 
wären, im einen colonatus perpeluus gebracht werden follten, 
d. h. nicht bloß fie felber follten in ſolchem dienſtbaren Verhältniß 
ſtehen, ſondern auch ihre Nachkommen. Auf weſſen Gütern ſollten 
fie angeſiedelt werden? Wahrſcheinlich auf Staatsgütern; denn Pri— 
vatleuten wird der Kaiſer nicht ein fo bedeutendes Geſchenk bewil- 
ligt haben. Die Beftimmung über die Bettler der Stadt Rom ift 
ung erhalten, doch ftellte man einmal diefen Grundfas auf, fo Fam 
man. von felber dazu, ihn auch bei andern großen Städten und 
überhaupt bei jeder Art von Bettlern und Vagabunden anzuwenden. 
Und daß man dieß wirffich that, beweift der Umftand, daß Valenti- 
nian's Geſetz unverändert in Juſtinian's — (11, 25) überge- 
gangen ift. 

Daß vor der Mitte des vierten — noch keine — 
römiſchen Bürger in das Verhältniß des Colonats herabgeſunken 
waren, ſcheint mir aus einem Geſetze Conſtantin's vom Jahre 321 
im Theodofianifchen Codex 9, 21 (de falsa monela) 1. 2 hervor: 
zugehen. Es ift dort von der Beftrafung der Falſchmünzer die Rede, 
und e8 wird der Grundfag aufgeftellt, daß der Eigenthümer eines 
Grundſtücks für feine Untergebenen in fo fern ftehen muß, als nicht 
auf dem Grundftück felber falfh Geld geprägt werden darf. Es 
heißt: Wenn auf einem Grundſtück ohne Wiffen des Eigenthümers 
falſch Geld geprägt wird, fo wird das Grundſtück felber confiscirt, 
der actor fundi vel servus vel incola vel colonus mit dem Tode 
beftraft. Dffenbar will der Gefeßgeber hier alfe Arten von 


# 


48 Ueber die Entftehung 


Berhältniffen, in denen der Eigenthümer zu den Bebauern des Bo— 
dens felber ftehen Fann, erfchöpfen. Nimmt man den Ausdruck in- 
cola mit Gothofred als gleichbedeutend mit inquilinus, fo kann man 
zwar fchon in diefer Stelle eine Bezeichnung son urfprünglich freien 
Hörigen finden; doch hat man dazu feine Berechtigung. Unter co- 
lonus fann man in diefem Geſetze nach unfern obigen Auseinander- 
feßungen noch nicht wohl barbarifhe Coloniften verſtehen, ſondern 
gewöhnliche Pächter; incolae alſo werden etwa Tagelöhner, die auf 
dent Gute arbeiten, fein, Vorläufer der fpäteren inquilini, aber von 
ihnen durch den bedeutenden Unterfchied getrennt, daß fie Abzugs- 
freiheit hatten, jene nicht. 

Wir haben oben gezeigt, wie fich der Eolonat unter den freien 
Nömern allmählig in den einzelnen Provinzen des Reichs ausbrei= 
tete, und ficherlich find ung mehrere Gefege, die daffelbe in andern 
bezweeften, verloren gegangen. Dennoch aber war gegen Ende des 
vierten Jahrhunderts die Hörigfeit der Pächter noch nicht überall in 
Gebrauch. Zeugniß davon giebt ung ein Geſetz des Honorius, ge- 
richtet an den Praelectus praetorio Galliarum, vom Jahre 399 im 
Theodoſianiſchen Codex lib. 11, 1 (de annona et tributis) 1. 26. 
Es ift dort von gleicher Steuervertheilung die Nede, und der Kai— 
fer fagt: Omni amolo privilegio beneficiorum possessores 
Sublimitas Tua praeeipiet universos muneribus (d. h. tribulis) 
astringi, earum scilicet provinciarum, ex quibus orta queri- 
monia est aut in quibus haec retinendae plebis ratio ascriplio- 
que servatur. &s fommt hier auf die Erklärung der Worte reli- 
nendae plebis ratio ascriplioque an. Gothofred fagt, relineri 
heiße e8 von der Plebs, wenn bei dem Verkaufe eines Gutes der 
Berfäufer durch eine befondere Stipulation die Abgaben, die für die 
Eolonen und die Plebs zu Leiften find, für fich behält und auf fich 
nimmt, ein Verfahren, deffen Nefultat am Ende war, daß für den 
Staat das P and, an das er fih bei der Eintreibung der Abgaben 
halten konnte, verloren ging. Daß Verkäufe unter folchen Bedin- 
gungen geſchahen, ift ficher z.aber daß dieß einfach durch den Aus- 
druck relinere plebem bezeichnet wird, hat Gothofred nicht erwie- 
fen. Jedenfalls war es immer nur ein Misbrauch, der hier nicht 


and biftorifhe Entwidelung des Colonats. 49 


durch den Ausdruck servare bezeichnet werben kann. Mir ſcheint, 
daß relinere plebem hier nichts bedeuten kann, als: „beſitzloſe 
Leute am Gute fefthaltens, und deshalb wird damit ascriplio ver— 
bunden, was entjchieven nur davon gebraucht wird, wenn befislofe 
Bauern in die Steuerrolle eines Gutes eingetragen werden und 
dadurch in ein Hörigfeitsverhäftmß treten, Man fiebt alſo aus 
dieſer Gefegesftelle, daß in einigen Provinzen der praefectura Gal- 
liarum Colonen vömifchen Urfprungs auf den Gütern dienten (cer- 
tus plebis numerus erat ascriplus, wie es gleich darauf heißt), 
in andern aber folches Verhältniß nicht vorfam. Zu den Iestern 
Provinzen gehört befonders Spanien ; denn wir haben feine Spur, 
daß dort irgend ein Colonatsverhäftnig beftand, Sedo) breitete 
fih die Hörigkeit in noch immer mehreren Provinzen aus; denn 
Honorius fagt in dieſem Gefege, von dem wir fprechen, etwas ſpä— 
ter: cum plebem constet non tam hominibus quam praediis 
ascribendam (fo nach Gothofred's Verbefferung) neque auferen- 
dam ab eo, cui semel posthac deputalta fuerit, worin derfelbe 
Nechtsgrundfak, der bisher gegolten hatte, auch für die Folge aus- 
gefprochen wird, Hiermit ftimmt denn auch Die Nachricht Salvian’s 
über Gallien überein, die wir oben angeführt haben. Site beweift, 
daß zu feiner Zeit wegen des unerträglichen Druckes, der auf den 
Kleinen Grundeigenthümern Laftete, das Colonatsverhältniß ſich fehr 
ftarf mehrte. 

Im Morgenlande treffen wir ebenfalls eine gefesliche Ziwangs- 
maßregel, welche die Colonen vermehren follte, Der Kater Ana— 
ftafius nämlich verordnete in einem Gefese, dag uns im Juſtin. 
Cod. lib. XI tit. XLVII (de agricolis) 1. 18 erhalten ıft, daß das 
Hörigfeitsverhäftni fortwährend durch Verjährung entftehen follte, 
daß nämfich jeder, der 30 Jahre lang als Colone auf ein und 
demſelben Gute gearbeitet hätte, die Abzugsfreiheit verlieren follte ; 
denn, feste der Kaiſer hinzu, hoc et domino et agricolis utilius 
est. Jedoch ſollten diefe durch Berjährung entftandenen coloni 
größere perſönliche Freiheit haben, als die andern: fie follten ein 
‚eigenes, vom Herrn unabhängiges Vermögen befigen dürfen. Es 
entftand nun die Frage: find Die Nachfommen ſolcher coloni auch 

Muf. f. Philolog. N. 3. I. 4 


50 leber die Entftehbung 


an das Gut gebunden, auf dem ihre Väter waren? Yuftinian ent- 
fihied diefen Punkt in g.1 1. 23 eod. titul. dahin, daß fie es fein 
follten, die. soboles, qualiseunque sexus vel aclalis-sit, wodurch 
denn das Gefeg auch rückwirkende Kraft auf die Kinder der früher 
dur) I Serjährung entftandenen coloni erhielt. 

Bir haben jest die Elemente, aus denen ſich der Stand der 
Eofonen bildete, angegeben; denn daß die Annahme, er babe fh 
auch aus Sclaven ergänzt, unwahrfcheinlich ift, Haben wir oben ſchon 
gezeigt. Wir haben auch die Fortbildung des Inſtituts bis auf die 
Zeiten. verfolgt, wo im Abendlande die Barbaren neue Reiche zu 
gründen und eine neue Epoche der Cultur zu bilden anfingen, das 
Morgenland aber dem eigentlich römischen Wefen ſich abzuwenden 
begann. Betrachten wir nun noch die Namen, unter denen die Co— 
Ionen im Allgemeinen vorkommen. Sie find, wie Savigny fie in 
feiner Abhandlung S. 2 angeführt hat, fechs: Coloni, Originarii, 
Inquilini, Tribularii, Ascriptieii und Censili. Die allgemeinfte 
Bezeichnung von ihnen ift der Name coloni. Colonus bezeichnete 
in den Zeiten der Republik und dem Anfange des Karferreiches 
eigentlich jeden Pächter; ein befonderer pubkeiftifcher Gebrauch aber 
war cs, daß es von Anfiedlern gefagt wurde, die der Staat an einen 
Ort gefchiekt hatte. Die erſte Bedeutung behielt es auch in der 
fpätern Zeit unveräindertz die letztere änderte fih in fo fern, als 
man darımter eigentlich Barbaren, die auf römiſchem Grund und 
Boden angefiedelt waren, verftand, in der Folge auch Nömer, die in 
daffelbe Verhältniß, wie jene Barbaren getreten waren, und wo 
der Ausdruck colonalus vorkommt, gift er immer nur von folchen 
Hörigkeitsverhältniß. Inquilinus bedeutet, wie oben gezeigt worden, 
eigentlich den, der auf fremden Eigenthum wohnt; es Tiegt in ihm 
nicht die Bezeichnung, daß der Bebauer von anderswoher gefommen 
ſei, e8 wird alfo von dem Nömer gebraucht, der fih in das Colo— 
natsverhältnißg auf ein fremdes Gut begiebt. in Beweis für 
meine Behauptung Liegt darin, daß der Ausdruck inquilinus niemals 
alfern zur Bezeichnung des ganzen Standes der Colonen gebraucht, 
fondern immer mit einem andern allgemeineren verbunden wird; 
woraus nothwendiger Weife hevvorgeht, daß inquilinus nicht, wie 


und biftorifhe Entwidelung des Colonats, 51 


Savigny S. 19 will, ein bloß provineieffer Ausdruck für colonus 
ift, fondern wirklich eine Unterabtheilung der Colouen bezeichnet. 
Und daß dieſe Feine andere fein kann, als die angegebene, ift oben 
aus Salvian eriviefen. Daß beide Ausdrüde gleich ferien, laßt ſich 
feinesweges aus einen Gefege von Honorius im Juſtin. Cod. lib. 
XI, 47 (de agricolis) 1.13 erweiſen. Es heißt dort: Definimus, 
ut inter inquilinos colonosve (quorum quanlum ad originem 
perlinet vindicandam, indiscrela eademque paene videlur esse 
eondilio, licet sit diserimen in nomine) suscepti liberi etc. 
Origo iſt hier gleich proles, der Geburtsftand, Die Nachfommeu 5 
beide nämlich, fowohl die inquilini, als die eigentlichen coloni d. h. 
die angefiedelten Barbaren, find mit allen ihren Nachkommen an 
das Land gebunden. Alfo ift ihre condilio in diefer Hinficht in- 
disereta. Warum aber eadem paene? Ich denke nur wegen 
der verfchiedenen Art, wie beide mit ihren Nachfommen an Das 
Land gebunden wurden, die einen fogleich, wie fie angefiedelt wur— 
den, Die andern fpäter allmählig berabfinfend. Daß aber ım Na— 
men ein Unterfchied Tiegt, giebt das Geſetz felber zu: es werden 
dadurch Die beiden serfchiedenen Entftchungsarten bezeichnet. 

Der Name tribultarius bedeutet urjprünglich nur den, der tri- 
"butum zahlt. Tributum ift aber immer eine an den Staat gezahlte 
direete Abgabe; alfo heißen die Colonen nicht etwa Lribularii, weil 
fie an den Grundherrn eine Nente zu zahlen haben. Da aber die 
Eolonen fein Grundeigentbum haben, alfo Feine Grundftener zahfen 
fönnen, muß unter tributum die zweite direete Steuer, die Kopf— 
fteuer, verftanden werden. Wir haben fehon oben erwähnt, daß im 
Anfange des vierten Jahrhunderts nur von den auf dem Lande 
wohnenden Plebejern Kopffteuer erhoben wurde; da dieſe aber 
theils ſchon won früher her aus hörigen Colonen beftanden, theils 
allmählig in dieß Verhältniß hinabſanken, fiel der Name Colone 
und tributarius zufammen. Und fo finden wir denn auch, daß ın 
dem oben angeführten Gefege von Thevdofius (Juſtin. Cod. 11,51 
(de colonis Thracensib.) ausdrücklich gefagt wird, da die Kopf— 
fteuer aufgehoben würde, fielen auch die lribultariae sorlis nexus 
weg. Tribularius wird daher gleichmäßig ſowohl für die urſprüng— 


52 Ueber die Entftehbung 


fich barbarifchen als für die aus vömifhen Bürgern entjtandenen 
Colonen gebraucht. Jenes erhellt befonders aus den oben angeführ- 
ten Stellen Ammians 19, 11, 6 und 28, 5, 15. An der lestern 
heißt es, Die in das römifche Reich übergefiedelten Alamannen tri- 
butarii eircumcolunt Padum, d.h. nad) dem-Sprachgebrauch jener 
Zeiten, fie wohnen auf dem Lande und haben fein Grundeigenthum, 
find folglich coloni. 

Der Name censili, der fich indeffen nur als Adjeetivum, nicht 
als Subftantivum findet, hat denfelben Urſprung und diefelbe Bedeu- 
tung, wie tribularius. Er ift eigentlich, wie man aus Juſtin. Cod. 11,47 
(de agricol.) 7 fteht, den Colonen und Selaven gemeinschaftlich, 
wird aber zuweilen auch von den erftern alfein gebraucht, die in 
Bezug auf die Steuerrolfen eigentlich mit dem Ausdruck aseriplicii 
bezeichnet werden. Er findet fi) merkwürdiger Werfe in diefer 
Forn noch nicht im Theodoſianiſchen Coder, obwohl er in Verord— 
nungen, älter als Thevdofius, im Suftintanifchen vorkommt. Gleich— 
bedeutend find censibus et possessionibus aseripli. Sn den 
Cenſusliſten war bei einem Gute nach dem Grund und Boden zıterft 
Das ganze Inventarium, d. h. das Vieh und die Sclaven, verzeich- 
netz hinterher, in einer befondern Nubrif, famen die Colonen, wes— 
halb fie ascripli censibus heißen, zum Interfchiede von dem, was 
den Cenſus felber bildete, was eigentlich censitum war. Der 
Ausdruck ift daher für die beiden Klaſſen von Colonen, die barba= 
rischen und die urfprünglich römischen, gemeinschaftlich. Es erhellt 
dieß aus dem Gefege Valentinian’s im Juſtin. Cod. 11, 47 (de 
agricolis) I. 6. Omnes omnino fugitivos ascriplicios colonos 
vel inquilinos u. f. w. Es werden hier Feinesweges, wie Gotho— 
fredus im Varatitlon zum Theod. Cod. 5, 9 (de fugitivis colonis) 
will, drei Klaffen von Colonen aufgeftellt, fondern nur zwei. Der 
Gefeßgeber fagt zuerft omnes fugitivos; da aber diefer Ausdruck 
der eigentliche für entlaufene Selaven iſt, fo fest er, um die Co— 
(onen im Allgemeinen zu bezeichnen, aseriplicios hinzu d. h. folche, 
die nicht seripli sunt in censibus, sed ascripli. Und diefe ascri- 
ptieii theilt ev dann wieder in zwei Klaſſen, die eigentlichen coloni, 
d. h. Barbaren, und inquilini , römifchen Urſprungs. Es wird 


und biftorifhe Entwidelung des Colonats. 59 


nach diefer Darftellung auch eine andere Stelle, im Juſtin. Cod. 
11, 49 (in quibus causis coloni) I. 2 prince. die richtige Erläu— 
terung finden können. Arendins giebt dort eine Beſtimmung darü— 
ber, in welchen Fällen es Colonen erlaubt fein foll, gegen Die 
Grundherren, denen fie dienen, als Kläger aufzutreten. Er fügt: 
Coloni censibus dunlaxat ascripli sieuti ab his liberi sunt, 
quibus eos triputa subiectos non faciunt, ita his quibus an- 
nuis functionibus et debito conditionis obnoxii sunt, paene 
est, ut quadam dediti servilute videanlur u. f. w. Man könnte 
bier mit Gothofred a. a. D. verfucht werden, anzunehmen, »ie 
censibus duntaxat ascripti feien eine Unterabtheilung der coloni 
gewefen und hätten eine etwas freiere Lage gehabt, die Hauptfächlich 
in dem perfönfichen Verhältniß zu andern römischen Bürgern beftanden 
babe. Doch ift diefe Annahme ganz unbegründet und nicht beweis- 
bar. Wir wiffen aus vielen Gefegen, in denen die ascriplicii er— 
wähnt werden, daß diefe, wie alfe übrigen Colonen, mit alfen ihren 
Kindern und ihrer ganzen Nachfommenfchaft an das Gut, zu dem fie 
gehörten, gebunden waren, ferner daß fie nur em peculium und 
darüber nur eine befchränfte Verfügung hatten, nicht etwa, wie die 
oben erwähnten aus Verjährung entftandenen liberi coloni, ein 
eigenes freies Vermögen befaßen. Wenn alfo in diefen beiden Haupt- 
beziehungen fein Unterſchied zwifchen den ascripticii und coloni be- 
ftand: weshalb ſoll es in anderen, unbedeutenden Hinfichten der Fall 
gewefen fein? Und weshalb follen die übrigen coloni, die doch im— 
mer als frei gelten, eine befchränftere verfönliche Freiheit gehabt 
haben, als die aseriplici? Es muß alfo obige Stelle anders ver> 
ftanden werden. Die Eolonen werden dort im Oegenfage zu den 
Selaven gedacht, die jedem freien Römer obnoxii find. Es heißt 
alſo coloni censibus tantum ascripti, nicht scripti in censibus, 
wie es die Sclaven waren, die nicht als Perfonen, fondern als Sa— 
hen galten. Der Sim alfo ift: die Colonen, weil fie nicht Sclaven 
find, gelten im Verhältni zu andern für vollkommen frei, nicht aber 
im Verhältniß zu ihrem Grundherrn. 

Ale Colonen alſo waren mit ihren Nachkommen an den Boden, 
den fie bebauten, gebunden: originis agnationisque merito , wie 


54 Ueber die Entftehung 


es im Suftin. Cod. 11, 52 (de colonis Ilyrie.) Heißt, bebauten 
fie das Land, Daher ihr überaus häufiger Name originarii, der 
weiter Feiner Erläuterung bedarf. 

Faffen wir nun die Nefultate über die biftorifche Entftehung 
der Colonen aus freien römifchen Bürgern zufammen, Das Zufam- 
menfallen großer Pandgüter in die Hände Einzelner hatte die Befig- 
Yofigfeit der Armen zur Folge, und diefe wurden gezwungen, als 
Pächter auf größere Güter zu geben. Die immer zunehmende Nab- 
rungsiofigfeit der Zeiten, die ihnen feinen andern Erwerb geftatteten, 
auch Rückſtände an Vachtzins machten die Pächter den Gutsherren 
zuerft factiſch unterthänig; doch blieb dabei noch für die Nachkommen 
des Pächters die Möglichkeit, ſich aus ihrem Verhältniſſe zu befreien. 
Diefe Befreiung wurde fodann durch die Geſetzgebung erſchwert, ja 
unmöglich gemacht. Am Anfange des vierten Jahrhunderts waren 
im ganzen römischen Neiche zwei Arten directer Steuern eingeführt, 
die Grundfteuer bei den Befigenden (possessores), die Kopffteuer 
für die Befisfofen Ginquilini). Für die Erhebung der letztern Steuer 
auf dem Lande erfand man die, den Staat und feine Einkünfte fichernde 
Form, daß die Landbefiser gleichem die Erheber der Steuer wurden: 
die Befitlofen wurden bei den Gütern, auf denen fie wohnten, in 
befondern Steuerrolfen eingefihrieben; fie errichteten die Kopfftener 
direet an den Gutsheren, der fie den Staate vorgefchoffen hatte. 
Natürlich aber war es, daß der Staat diefem, um ihn gegen Aus— 
fälfe bei der Eintreibung der Steuern zu ſchützen, Gewalt über die 
Einfaffen auf feinen Gütern verleihen mußte. Ein folcher Einfaffe 
konnte ſich alfo zwar aus feinem Verhältniß befreien; es ftand ihm 
rechtlich Fein Hinderniß entgegen: aber es wurde ihm unmöglich bei 
der Höhe der Steuern und der Erwerbslofigfeit der Zeiten, die ihn 
nie aus den Nückftänden an feinen Heren herauskommen Tießen. Das 
ift tribularia sors, das inquilina abiectio — ein Verhältniß, das 
som wirffichen Colonat rechtlich noch verfihieden , faetifch ihm gleich 
war. Sch kann daher Savigny’s Endrefultat über das Steuerweſen 
unter den Kaifern, das er am Ende feiner Abhandlung darüber aus- 
foricht,, durchaus nicht beiftimmen. Gr fagt: „die Steuerverfaffung 
ſelbſt fer fo befchaffen gewefen, daß daber ein blühender Zuftand des 


- 


und biftorifche Entwidelung des Colonats. 55 


Landes recht wohl beftchen konnte; fie fei aber durch die Ausführung, 
unter den Händen unweiſer und gewiffenfofer Fürften Höchft verderb- 
lich für das Neid, geworden. Nein, jedes Steuerfyftem, das die 
Eintreibung der Abgaben, um dem Staate das Gefchäft zu erleichtern, 
den Neicheren von den Armen überläßt, und ihnen deshalb Macht 
über deren Erwerb und Familie einräumt, iſt verderblich und führt 
Dienftbarfeit eins Theils der Bevölferung herbei. Was für Folgen 
daſſelbe im römischen Reiche hatte, Liegt vor Augen. Die Regierung 
ſah fi) trotz dem genöthigt, die Kopfſteuer großen Theils aufzuheben, 
aber die Hörigkeit der Befisfofen, die an dem Verhältniſſe der an- 
gefiedelten Barbaren fich ausgebildet hatte, konnte fie nicht aufheben, 
Sie führte alſo in der Mitte des vierten Jahrhunderts auch bei ur- 
ſprünglich freien Römern das wirkliche Colonatsverhältniß ein, das 
die Familien der Befitlofen auf A Zeiten in die Dienftbarfeit 
der Landbeſitzer  feffelte. 

Ich kann die Entwicfelung des Colonatsverhältniſſes nicht be— 
ſchließen, ohne noch auf einen Umſtand aufmerkſam zn machen, der 
von denen, die bisher darüber geſchrieben, nicht beachtet, wenigfteng 
nicht gehörig hervorgehoben ift. Er wird zugleich einen weſentlichen 
Unterfchied zwifchen dem Colonatsverhältniß und den früheren Colo— 
nien zeigen. Der Zweck bei- der Stiftun: g des Colonats war Anfangs 
die Beförderung des Ackerbaues gewefen. Man wählte, um ihn 
troß der Abneigung der Zeit dafür zu erreichen, Fünftliche und ftrenge 
Maßregeln, die in fih den Keim zur Zerſtörung des erſten und 
hauptſächlichſten Zweckes trugen und ihn allmählig immer mehr ent— 
wickelten. Um durch Zwang eine Ackerbau treibende Bevölkerung 
zu ſchaffen, beſtimmte man, daß alle Nachkommen von dem, der ein— 
mal Colone geweſen wäre, auch Colonen ſein ſollten. Anders war 
es früher bei den Colonien zur Zeit der freien Republik und im 
Beginn des Kaiſerreichs geweſen. Da die Colonen noch meiſt Latiner 
wurden, und die römiſchen Anſiedler dadurch, daß ſie in die Colonie 
eintraten, von dem Stande eines römiſchen Bürgers in den eines 
latiniſchen Bundesgenoſſen herabſanken, folgten zwar auch die gefamm- 
ten Nachkommen dem Stande des Vaters, indeſſen ſtand doch den 
Söhnen, die nicht eben als Nachfolger ihres Vaters das Colonats- 


56 Ueber die Entftehung 


grundſtück übernahmen, mannichfache Gelegenheit offen, das römifche 
Bürgerrecht wieder zu erlangen, eine Ausficht, die den Colonen auf 
alle Weife verfchloffen war (f. 3. B. den Juftin. Cod. 11, 47 de 
agricolis ]. 15. ita glebis inhaerere praeeipimus, ut nee puncto 
quidem temporis debeant amoveri a. fo vft), weshalb gefagt 
wird, fie feien quodam aeternitatis vinculo detenti Juſt. Co. 
11, 50 de colonis Palaeslinis. Cpäter, da nur Cofonien von rö— 
mifchen Bürgern gegründet wurden, ftand es unbezwerfelt in der Macht 
des Colonen, das Colonatsverhältniß Dadurch aufzulöfen, daß er fein 
Landloos aufgab, worauf er dann fich anfiedeln Fonnte, wo er wollte. 
Dieß beweifen Die Fälle, wo erzählt wird, daß die an einem Orte 
angefiedelten Colonen fich wieder zerftreut hätten. 3. B. Tacitus 
Annal. 14, 27 fagt, daß die in Tarent und Antium von Nero an— 
gefiedelten Veteranen aus Provinciallegionen fich bald zerftreut hätten 
und in Die Provinzen, wo fie gedient hätten, zurücfgegaugen wären. 

Alles dieß war den fpätern Colonen durch die Gefeßgebung un- 
möglich gemacht, in der Abficht, fie an die Cultur des Bodens zu 
feffeln. Sa man ging noch weiter. Man beftimmte, daß der Co— 
one auf dem Gute, auf dem er einmal angefiedelt wäre, mit feiner 
ganzen Nachkommenfchaft für ewige Zeiten bleiben ſollte. Der eigene 
Herr durfte ihn nicht davon trennen: veräußerte er das But, fo 
mußte er alle Colonen, die zu demfelben gehörten, mit veräußern. 
Höchftens war es erlaubt, daß der Befiser mehrerer Güter von ei— 
nem Gute, das er hatte, eine Anzahl Colonen auf ein anderes ver- 
vflanzen konnte. Alle andern Heberfiedlungen der Colonen von dem 
Gute, auf dem fie einmal eingefchrieben waren, wurden auf das 
Strengfte verboten. Siehe die Beweiſe davon in Saviguy’s Abhand- 
fung über den Eofonat S. 9. Was war aber die Folge diefer Ver- 
pronungen? Der Zwed, den der Colonat urfprünglich gehabt hatte, 
wurde vereitelt und das ganze Inftitut diente nur als fiscafifche 
Mafregel. Es war natürlich, daß, wenn ein Gut allmählig Ueber— 
fluß an Cofonen gewann, der Gutsherr, der auf andre Weiſe feinen 
Nutzen von feinen Hörigen ziehen Eonnte, die Colonen außerhalb des 
Gutes mit andrer Arbeit als dem Anbau des Landes befchäftigte : 
er mochte fie auch ganz gehen und auf eigene Hand Erwerb fuchen 


und hiftorifhe Entwickelung des Colonats. 57 


laſſen; denn er Tief dabei feine Gefahr und konnte fie in jedem Au— 
genbli wieder zurücfordern. In jeden Falle mußte der Colone 
den Canon an feinen Gutsherrn, und mit ihm die Kopffteuer an den 
Staat entrichten. Daß folhe Verhältniſſe wirklich beftanden, bewei- 
fen. mehrere in den Gefegesquellen ung erhaltene Andeutungen. Es 
gehört hierher befonders ein Gefes Juſtinian's in feinem Codex ib. 
11,47 (de agrieolis) 1. 22 $. 1. Es wird dort folgende Nechts- 
frage aufgeworfen : der Sohn eines Colonen lebt 30 oder 40 Jahre 
oder noch länger als Freier und fein Vater bezahlt für ihn feinen 
Canon. Der Vater ftirbt aber oder wird zum Ackerbau untüchtig: 
hat dann der Gutsherr noch das Necht, den Sohn wieder auf fein 
Gut zur Felvarbeit heranzırziehen, um von ihm den ihm zuftebenden 
Canon zu erhalten? Der Karfer entfcheivet fich dafür, daß er eg 
babe, Wie fonnte folche Nechtsfrage entftehen, wenn es nicht dem 
Colonen, der auf dem Gute nicht nöthig war, erlaubt wurde, ſich 
auf andre Werfe als durch Ackerbau Unterhalt zu verfchaffen * Aehn— 
liches geht aus den Beftimmungen hervor über die Fälle, wann ein 
Colone in den geiftlichen Stand treten darf. Sp heißt es im Ju— 
fiinian. Cod. I, 3 (de episcopis et clericis ete.) 1. 37, ascri- 
plieii fönnten auf den Gütern, auf denen fie eingefchrieben wären, 
auch gegen den Willen ihrer Grundherren Geiftliche werden, nur 
müßten fie in diefem Falle ihre Pflichten beim Ackerbau durch Stell- 
vertreter erfüllen. Ebenfo im Theodoſ. Cod. 5, 3 (de bonis cle- 
ricor. el monach.): „Wenn ein Geiftlicher ftürbe, fo folfte fein 
Bermögen an die Kirche, zu der er gehörte, fallen: doch wenn er 
censibus ascriptus ſei, follte ihn dev Grundherr beerben.“ Wie 
konnten folche Fälle eintreten, wenn nicht Die Colonen auch außer- 
halb des Gutes ſich eine Laufbahn ſuchen durften, woher fie aber 
immer mit dem gefeglichen Canon an daffelbe verpflichtet blieben? 
So bildete ſich alfo, verfchieden von den Coloniften früherer Zeiten, 
ein Stand der Colonen, der zwar größtentheils mit Landarbeit 
befchäftigt war, aber doch zum Theil auch in andere Lebensverhält- 
niſſe eintrat, . 
Das andere Bedürfniß, das zur Errichtung des Colonats trieb, 
war, wie wir oben auseinandergefeßt haben, das, brauchbare Rekru— 


58 Ueber die Entſtehung 


ten für die Armee zu erhaften. Es wurde verhältnißmäßig am we— 
nigften befriedigt, und zwar deshalb, weil man die Stellung der Ne- 
fruten dem Gutsherren überließ. Diefe, die von ihren unterthänigen 
Bauern eine gewiffe Anzahl Rekruten liefern mußten, fuchten dazu 
natürlich die für den Ackerbau unbrauchbarſten aus, und Gunſt und 
Beſtechungen verhinderten die gewiffenhafte Befolgung der geſetzlichen 
Beſtimmungen, die über die Beſchaffenheit und Tauglichkeit der Ti- 
ronen gegeben waren. Giehe Begetius de re militari 1, 7, ter 
weitläuftige Klagen deshalb anhebt. Ein Theil der barbarifchen 
Eoloniften, die nicht gerade in den innerften Provinzen des Neiches 
angefiedelt waren, mochte ſich auch bei den Einfällen der Barbaren, 
die oft tief eindrangen , zerfiveuen oder nach ihren alten Wohnfigen 
zurückwandern. Die Kaifer wurden alfo genöthigt, noch andere Wege 
einzufchlagen, um dem dringenden Bedürfniß, die Heere zu ergänzen, 
abzuhelfen. Es bfieb aber wieder fein anderer übrig als der, Bar: 
baren in das römische Neich zu ziehen, und fie durch ein gewiffes 
Intereſſe an daffelbe zu feffeln. Denn die Barbaren, die bloß als 
Söldner angewworben wurden, waren teils koſtſpielig, theils bei der 
immer zunehmenden Schwäche des Reichs gefährlich. 

Sndeffen fehwerlich würden fich die Barbaren dazu -verftanden 
haben, unter der Bedingung des Colonatsverhäffniffes in das römi— 
fche Gebiet einzutreten und fich dort anzufiedefn: fie waren nicht 
befiegt, ihr ganzes Verhältniß zu Nom hatte fich wefentlich geändert: 
fie wollten den Römern gleich ftehen. Konnten fie aber dieß, fo 
kamen fie gern in die römischen Provinzen, um die Vortheile der 
römischen Cultur zu genießen. Der allgemeine Name für folche frei= 
willig in das römische Reich übergetretene Barbaren iſt Laeti. Go— 
thofred in feinem Commentar zur 1. 12 des Theodoſ. Cod. 7, 20 
(de veteranis) hat ausführlich das, was über fie befannt ift, ges 
fammelt und größten Theils das Material für die nachfolgende Un- 
terfuhung zuſammen geftellt. 

Die erfte Erwähnung folcher Laeli findet man gemeiniglich in 
Eumenius Panegyrieus auf den Cäſar Conſtantius c. 20; doch oben 
haben wir gezeigt, daß diefe Stelle vielmehr von angefiedelten Co— 
Ionen, als von Laclis zu verftehen iſt. Die erfte fihere Erwähnung 


und biftorifhe Entwicdelung des Colonats. 59 


der Laeli iſt alfo bei Zofimus 2, 54, der von Magnentiug, dem 
Gegenfaifer des Conftantius, der 353 befiegt wurde, fagt: er habe 
abgeftammt aus barbarifchem Geſchlechte, habe fich aber dann unter 
den Laeli, einem galfifchen Bolfe angefiedelt (neroıznoag eig Ae- 
zovg, &9vog Tararızor). Denfelden Magnentius nennt Vietor de 
Caesaribus c. 41 gentis barbarae, und in der Epitome de Cac- 
saribus c. 42 heißt er ortus parenlibus barbaris, qui Galliam 
inhabitant. Ausführficher noch fpricht über feine Abftammung Julian 
in feiner Lobrede auf Conftantius I: dvduanodor yao yv zw» 
&zeivov (des Conftans, Sohn's son Conflantin dem Großen) n00- 
yovov, ts and Teouuvav Asiag Asııyavov Övorvyig nEoto@- 
Cousvov, welcher letztere Ausdruck faft anzuzeigen ſcheint, daß die 
Barbaren, aus denen Magnentius abftammte, im Colonatsverhältniß 
ftanden. Das dem indeß nicht fo ift, beweiſen Die folgenden Erwäh— 
nungen der Laeli. Ammian 16, 11, 4 erzählt: als Julian im 
Sabre 357 gegen die Allemannen zu Felde 309, und feine Truppen, 
in zwei Theile getrennt, in doppelten Lager einander gegenüber ftanz 
den, fehlichen ſich Laeli barbari ad tempestiva furla sollertes 
zwischen den beiden Lagern hindurch und griffen Lyon an. Die Lıft 
gelang ihnen nicht. Sie gelangten zwar nach Lyon und verbrannten 
die Vorſtädte; die Stadt felber, durch ihre Mauern gefchüst, blieb 
unserfehrt, und Sultan vernichtete den größten Theil der vom Raub— 
zuge heimfehrenden Barbaren. Weiter erfahren wir aus Ammian’s 
Bericht nichts: er nennt nur beiläufig die Barbaren Germani. Go— 
thofred in der oben angeführten Stelle zum Theod. Cod. 7, 20, 12 
will an diefer Stelle Ammtan’s Laeli nicht als nomen proprium 
verftanden wiffen, fondern als Adjectivum; indeffen Valefius und die 
andern Ausleger Ammian’s widerfprechen ihm, und ich fehe auch in 
der That nicht ein, wie er hier bloß barbari im Allgemeinen fagen 
fonnte oder wie fi) das Adjeet, zweckmäßig erklären ließe, Drei 
Sahre fpäter (360 n. Chr.) erklärt Sultan bet Ammian 20, 8, 13 
in dem Briefe an Conftantius, der die Bedingungen enthält, unter 
denen er als Mitkaifer angenommen zu werden wünfcht: er wolle 
dem Conftantius jährlich fehiefen miscendos gentilibus alque scu- 
lariis adolescentes Letos quosdam, cis Rhenum edilam barba- 


60 lleber die Entftehung 


rorum progeniem, vel certe ex dediliciis, qui ad nostra de- 
scendunt, und wiederum im folgenden Jahre werden unter den Trup- 
ven, die Conftantius gegen Julian führt, Laeli genannt, die unter 
Anführung des magister armorum Gomoarius ftehen (Ammian. 
21, 13, 16). 

In den uns erhaltenen Nechtsquelfen werden Laeli nur im Theo— 
doſianiſchen Codex angeführt, zuerft in einem Geſetze Valentinian’s 1. 
vom Sabre 365 ım Theod. Cod. 7, 20 (de veteranis) 10, wo 
von den praeposilis derfefben die Nede ft. Die beiden andern Er- 
wähnungen find im Theod. Cod. 13, 11 (de censitoribus) 1. 9 und 
lib. 7, 20 (de veteranis) 1. 12. Was läßt fi) aus Diefen No— 
tizen über ihren rechtlichen Zuftand im römischen Neiche, über ihren 
Urſprung und ihre Abftammung fehließen ? 

Was zuerft ihren rechtlichen Zuftand betrifft, fo ft es aus dem 
oben Geſagten wahrſcheinlich, daß derfelbe beffer war, als der der 
Eofonen, und gewiß wird dieß aus der angeführten Stelfe Ammian's 
20, 8, 13, der den Laetis geradezu die dediticii entgegenfegt. In 
welcher Lage befanden fie fich alfo ? Es iſt nur denkbar, daß fie foe- 
derali waren; denn wären fie völlig in das Necht vömifcher Bür- 
ger übergegangen, fo würden fie nicht ftets als ein abgefondertes 
Corps und als Fremdlinge Cbarbari) bezeichnet werden. Sch erfenne 
eine Erwähnung diefer Laeli und ihres Verhältniffes in Honorius' 
Geſetz yon Jahre 406 im Theod. Cod. 7, 13 (de tironib.) 16, 
wo der Kaifer, damals bedrängt durch Die Schaaren unter Radagai— 
fus, um die Heere vollzählig zu machen, auch Sclaven zu den Waf- 
fen ruft. Er fagt: praeeipue sane eorum servos, quos militia 
armala detenlat, foederatorum nihilominus et dediticiorum, quo- 
niam ipsos quoque una cum dominis constat bella traclare. 
Er kann hier unter deditieii, die Kriegsdienfte thun, nur Colonen, 
unter loederati diefe fogenannten Laeti verfiehen. Auf dieſes Ver— 
hältniß der Laeli läßt fih aber noch aus einem andern Umftande 
ſchließen. Sie wurden im römifchen Reiche angefiedelt, d. b., fie 
erhielten Land, das fie bebauten, Es ſpricht darüber Honorius im 
Theod. Cod. 13, 11 (de censitoribus) 9: Quoniam ex mullis 
gentibus sequentes Romanam felicitatem se ad nostrum impe- 


und hiftorifhe Entwidelung des Colonats. 61 


rium contulerunt, quibus terrae Laeticae administrandae sunt, 
nullus ex his agri aliquid, nisi ex nostra annotalione merealur. 
Man erfieht Hieraus: erftlich , daß die Leberfievelung der Barbaren 
in das römische Neich freiwillig geſchah: fie waren alſo nicht dedi- 
ticii und ihre Lage mußte nothwendiger Weife beffer fein alg die 
der Colonen, die im Krige überivunden waren. Der Kaifer fagt 
auch nicht, Daß der Zweck ihrer Anfievelung der Anbau des Landes 
fer; er ftelft es vielmehr fo dar, als ob die Anweiſung von Land 
für fie eine Belohnung fer, Ste fonnten alſo unmöglich, wie bie 
Colonen, an das Land gebunden fein, noch Herren haben, wie diefe. 
Nur eine Befchränfung int Befise des Landes, das fie bebauten, war 
möglich und natürlich: daß man ihnen Ländereien nur unter der Be— 
dingung und nur für die Zeit gab, wo fie ihre Dienfte erfüllten, 
Sie wären alfo in diefer Hinficht mit den Coloniſten der Republik 
zu vergleichen, die auch ihr Landloos nicht als volles Eigenthunt er- 
hielten: fondern fie hatten Das Servitut des Kriegsdienftes und be— 
hielten ihr Land nur unter diefer Bedingung. 

Aus diefem Verhältniß, Das ich auseinander gefeßt, ging noch 
ein anderes hervor. Die Laeli bildeten nämlich, da fie nicht zum 
Neiche gehörten, eigene, in fich abgefchloffene Gemeinfchaften, und 
lebten auch gewiß nad) ihren eigenen Geſetzen; daher ihre nur bei- 
läufige Erwähnung in unfern Nechtsquellen. Indeſſen, da fie im 
vömifchen Neiche Tebten, mußten fie doch fowohl mit der Negierung 
als mit Privatleuten in mannigfache Berührung treten, und um diefe 
Berbhältniffe zu leiten, hatten fie einen Praeposilus oder Praefe- 
ctus, wie er in der Nolitia dignitatum heißt. Ex wird erwähnt im 
Thepd. Cod. 7, 20 (de veteranis) 1. 10, wo der Kaifer Valenti— 
nian I. die halb militärischen Aemter aufzählt, deren Inhaber nicht 
die Privilegien der aetiven Militärperfonen genießen, Er fagt: Si 
quis praepositus fuerit aut fabricae aut classi aut Laelis , iti- 
dem si praepositus Rom. Jlargitionum vel cohortis gesserit 
iribunatum, aut quicunque his administrationibus, ad quas non- 
nisi cum certis fideiussoribus singuli quique veniunt, fortasse 

praefuerit — his privilegiis careat, quae militaribus palatinisque 
_ tribuuntur, Man erfieht hieraus, das Amt eines Praepositus Lae- 


62 Ucher die Entftehung 


torum wird mit folchen Aemtern zufammengeftellt, die halb militä— 
vifch find: der Praeposilus hatte es alfo nur mit der Aufficht über 
die Gemeinden zu thun: er war nicht der Anführer im Kriege.  Db 
ex beim Antritte feines Amtes Bürgen zu ftellen hatte, oder nicht, 
was ein Streitpunkt zwifchen Gothofred und Valeſius iſt (ſ. Go— 
thofred's Commentar zu dieſem Gefeg), iſt für ung gleichgültig, 
jedoch das Erftere nicht unwahrfcheinfich, und des Kaiſers Worte wi— 
derfprechen dem nicht. 

Bildeten aber diefe Laeli eigene, nicht nach römiſchen Geſetzen 
lebende Niederlaffungen, blieben fie, auch mitten im römiſchen Rei— 
he, Barbaren, fo fand auf fie eine andre Verordnung des Karfers 
Balentinian I. Anwendung, der im Theodoſ. Cod. 3, 14 (de nupliis 
genlilium) allen Römern jedes Standes bei Todesftrafe die Ehe 
mit Barbaren verbietet. Was den nächften Anlaß zu dieſem Geſetze 
gegeben, wiffen wir nicht; jedoch war es immer die Politif des rö— 
mischen Staates gewefen, die fremden Elemente, Die es nicht roma— 
nifiren konnte, ganz von ſich fern zu halten, Indeſſen ſchon die harte 
Strafe, die Valentinian auf folhe Heiratben feste, zeigt, daß die— 
felben häufig waren, und fein Geſetz felber war auch nicht im Stande, 
die Bermifchung der Römer mit den ihrer Lebensart treu gebliebenen 
Barbaren zu hindern. Der Kaifer dispenfirte zuerft, wie ſchon Theo— 
doſius der Große eine folche Che erlaubte (ber Eunapius, Fragmentla 
legationum p. 14 edit. Hoeschel.), und Prudentius gegen Sym— 
mahus 2, 612 deutet offen an, daß zu feiner Zeit d. h. unter der 
Regierung von Honorius ein fürmliches connubium zwifchen Rö— 
mern und Barbaren beftand. 

Was waren nun die Verpflichtungen, welche die Laeli zu er- 
füllen hatten Sie waren alle insgefammt zum Kriegsdienft ver- 
pflichtet: fie bildeten vein militärische Colonien. Anders war es mit 
den eigentlichen Colonen. Diefe traten nur dann in den Kriegsdienft, 
wenn ihr Gutsherr Nefruten ftellen mußte, und nur in folcher An- 
zahl, als verlangt wurde. Diefe Verpflichtung der Laeli erhellt 
aus dem Gefese von Honorius im Thevdof. Cod. 7, 20 (de ve- 
teranis) 12. Es ift dert von den Dienftentlaffungszeugniffen als 
Veteranen Die Nede, die fich viele zum Dienft verpflichtete durch 


und biftorifhe Entwickelung des Colonats. 6 


Gunft und Beftehung zu verfhaffen wußten, ohre entweder über- 
haupt oder doch noch nicht Die gefeßliche Zeit gedient zu haben. Quis- 
quis igitur, fährt Honorius fort, Laetus, (denn daß dort fo emen- 
dirt werden muß, haben alle Interpreten eingefehen,) Alamannus, 
Sarmala, vagus vel filius veleräni aut cuiuslibet corporis, dile- 
elibus obnoxius et florentissimis legionibus 'inserendus, testi- 
monialem — oblinuit , tirociniis castrensibus imbuatur. Es 
werben bier zuerft 5 Klaffen von dienftpflichtigen Leuten angeführt, 
Laeli, Alamanni, Sarmatae , vagi d. h. Nefruten, die dienen follen, 
aber fich durch Flucht dem Kriegsdienfte entzogen haben, endlich die 
Söhne von Veteranen; nachher werden noch in einem allgemeinen 
Ausdruck Alle, die fonft Kriegspienfte thun müſſen, zufanmengefaßt. 
Die Laeli werden alfo in diefer Beziehung ganz den Söhnen der 
Beteranen gleichgeftellt, die ohne Ausnahme zum Kriegsvienfte ver- 
pflichtet waren. Alſo auch die Laeti; jedoch dienten fie in abgefon- 
derten Corps, wie man aus ihrer Erwähnung in der Notilia digni- 
lalum erkennt; eine Ausnahme if, was Ammian 20, 8, 13 erzählt, 
fie hätten unter andere Truppen gemifcht werden follen, 

Es bleibt noch Einiges über die Entftchung der Laeli zu. fagen 
übrig. Sie erfiheinen bei den Hiftorifern,, deren Notizen über fie 
wir oben angegeben haben, als ein barbariſches Volk, aber wohnend 
in Gallien; denn wenn Zofimus fie &Ivog T’ararızoy nennt, fo kann 
er damit nur ihren Wohnſitz, nicht ihre Abkunft bezeichnen wollen, 
die unbeftritten von alfen andern als germanifh angegeben wird, 
Daß ihr Name davon herfomme, weil fie fröhlich in die Schlacht 
gingen, wie Mannert Germanien S. 297 will, kann ich nicht glauben. 
Ich halte Laeti für den Namen eines deutfchen Volksſtammes, ver 
in der. vömifchen Ueberlieferung fi) einem befannten lat. Worte 
affimilirte. Anfangs nämlich war es gewiß nur ein Stamm, der 
son den Römern auf diefe Werfe in ihren Staat aufgenommen wurde, 
fpäter gefellten ſich mehrere Hinzu. Es erhellt dieß fehon aus Ho— 
norins’ oben angeführtent Gefeg, der fagt: ex mullis gentibus fä— 
men Schaaren in das römische Neich und erhielten Laelicae terrae 
zum Anbau. Am deutlichften aber ergieht fich dieß aus der Nolitia 
dignitatum occidentis, wo ihre Cantonirungen , die unter Präfe— 


64. Ueber die Entftehbung 


eten fanden, alle einzeln aufgeführt werden. Es werden zwölf auf- 
geführt, alfe in Gallien gelegen, und zwar folgende (fol. 179 ed. 
Pancirol. Lugduni 1608; p. 119 ed. Böcking.): Laeli Teu- 
toniciani, im Gebiete der alten Carnunten, in der Gegend des heu- 
tigen Orleans; Laeli Balavi und Suevi im Gebiete der alten Bo- 
«iocasser (jest Bayeux) und in Constantia Gjetzt Coulances) ; die 
Laeli Franci im Lande der alten Redones (jest Rennes) ;: die 
Laeli Lingonenses, zerftreut an verfihiedenen Drten der provineia 
Belgica prima; die Laeli Acti in Epusum (dem heutigen Cari- 
gnan); die Laeli Nervii in Fanum Martis (jet Famars bei Va- 
lenciennes) ; die Laeli Batavi Nemetacenses im Gebiete der alten 
Alrebati (bet Arras); die Laeti Batavi Contraginnenses bet No- 
viomagum (jegt Nimwegen); die Laeti Lagenses hei Tungri Getzt 
Tongern). Die Beinamen der drei andern Cantonnirungen der Laeli 
find in den Handfcpriften verloren gegangen; die Cantonnirungen 
felber Ingen im Lande der alten Cenomannen in der provincia Lug- 
dunensis tertia, der Nemer und Silvaneeter beim heutigen Senlis, 
der Arverner in der Provinz Aquilanica prima beim heutigen Cler- 
mont. Diefe Anfievelungen,, fiebt man, lagen alle, bis auf die 
fette, die in Aquitanien war, an der Gränze gegen Deutfchland. 
Die Beinamen der Laeli find theils son den Orten, in denen ihre 
Colonien lagen, bergenommen, 3. B. Die der Laeli Lingonenses 
und Nervii, theils von den Völferfchaften, aus denen fie abftammten 
3. B. Laeti Franei und Suevi. Eine nähere Erläuterung derjelben 
würde ung hier zu wert won unferem Zwecke abführen. 

In ganz ähnlicher Lage, wie die Laeli, ftanden die Sarmalen, 
deren fchon oben in dem Gefege von Honorius Erwähnung gefihah. 
Senes Geſetz beweiſt, daß fie in Hinficht auf den Kriegsdienft die— 
felben Verpflichtungen zu erfüllen hatten; die Aufzählung ihrer eben- 
falls unter Präfeeten ftehenden Cantonnirungen in der Nolitia digni- 
tatum unmittelbar nach den Laeli zeigt, daß ihre Anfiedelungen von 
derfefben Art waren; endlich der Beiname Gentiles, den fie eben- 
falls in der Nolitia dignitatum führen, daß fie als foederati und 
abgefondert vom römischen Stantsverbande lebten. Sie fcheinen 
aber wirklich alle zufammen nur aus den einen Stamme der Sar- 


und biftorifhe Entwidelung des Colonats. 65 


maten gewefen zu fein; wenigftens werden ihnen in der Notilia feine 
Beinamen gegeben, nur bei einer von ihren Kolonien werden neben 
Sarmaten auch gentiles Taifali erwähnt, ein Bol, das Ammian 
17, 13, 11 ein gothifches nennt. Solcher Nieverlaffungen , werden 
in Unteritalien zwei, in der Provinz Apulien und Calabrien und in 
Bruttien und Lucanien, erwähnt, ebenfalls zwei im mittleren Ita— 
lien, doch die genauere Beftimmung derfelben ift in den Handſchrif— 
ten der Notilie dignilatum serloren gegangen. In Dberitalien 
befanden ſich 13 folcher Nienerlaffungen, eine bedeutende Anzahl, 
wie man fieht, um den Zugang nach Italien zu bewachen, in Foro— 
fulsium (jetzt Balenza), Opitergium, Patavium, Berona, Cremona, 
Taurinum, Dertona, Novaria, Vercelli, Sena, Bononia, Eporedia, 
Polentia. Im Gallien endlich waren noch 6 folcher Colonien, im 
Lande der Pictaver, beim heutigen Poitiers, bei Paris, im Lande 
der Nemer und Ambianer (bei Rheims und Amiens), an der Rhone 
im Lande der alten Allobroger, im Lande der Lingonen am Voge— 
fengebirge endlich bei Auguftodunum (Autun). 

Die Zeit, wann dieſe Sarmaten zum Schuß der römiſchen 
Gränzen unter den oben angegebenen Bedingungen im römiſchen Nei- 
ehe angefiedelt wurden , läßt fich etwas genauer beftinenen, Es 
giebt uns Nachricht davon Aufonius in feiner Moſella v. 9, wo er 
feine Neife nach der Moſel befchreibt, und zwiſchen Dummiffus Gebt 
Deufen) und Nivomagus Gebt Neumagen) anführt arva Sauro- 
matum nuper metata colonis. Wenn man die Zeit der Abfaſſung 
diefes Gedichts, nach der gewöhnlichen Annahme, ungefähr in das 
Jahr 370 n. Chr, fest, fo wird die Anfiedelung der Sarmaten wohl 
Julian zuzufchreiben fein, da Conftantius kurz vor ihm (358 n. Chr.) 
Kriege mit denfelben geführt hatte, Auſonius meint bier übrigens 
die. Colonie der Sarmaten, welche die Notitia dignitatum in dag 
Gebiet der Lingonen fest. Daß er nicht aber etwa andeutet, befiegte 
Sarmaten feien als wirkliche coloni in das römiſche Neich verfegt 
worden, fiheint mir daraus hervorzugehen, daß die Sarmaten ihre 
MWohnfise fo dicht am der deutfchen Gränze erhielten, wo, bei den 
fortdauernden verheerenden Einfällen der Deutſchen, barbarifche Co— 
fonen wicht gut auf den Gütern erhalten werden Fonnten. Auch 

Muf. f. Philolog. N, 8. I. 5 


66 lIeber die Entftehung 


würde er fich gewiß lobender über Die Befiegung derfelben ausge 
forochen haben, wenn fie wirflih als Unterjoshte und im dienenden 
Verhältniß angefiedelt worden wären. 

Doc von Laelis und Sarmaten finden fih nur im abendlän— 
difchen Reiche Spuren: im Morgenlande mißglückten ähnliche Ver— 
fuche , verbündete Barbaren im römifchen Gebiete anzufiedeln,, und 
das unglückliche Ende des Kaiſer Valens mußte dagegen warnen. 
Man bat indeffen auch bier, und zwar in einem von den Einfällen 
der damals drohenden Barbaren entfernten Lande, in Aegypten, 
fihere Spuren eines folchen Verhältniſſes entdecken wollen, Wir ha— 
ben die Betrachtung darüber mit Willen bis hierher verfchoben, weit 
die Verhältniffe Aegypten's befonderer Art und verſchieden yon denen 
der übrigen Länder waren. Im Allgememen begünftigte die Negterung, 
wie wir oben gefehen haben, die Verbreitung des Colpnatsverhälte 
niffes und der Hörigfeit: in Aegypten verfuhr fie anders. Seit der 
Gründung von Conftantinopel hatte dieß Land die Verpflichtung, die 
neue Hauptftadt des Neiches mit Getreide zu verſorgen (f. Gotho— 
fred im Commentar zum Theod. Cod. XI, 24 de patrociniis vico- 
rum 1. DJ: je mehr deren Größe und Volfsmenge wuchs, deſto 
höher mußten die Oetreivelieferungen ftergen. Der Druck der Na— 
turallieferungen wurde den Bauern unerträglich: fie fuchten ihm da— 
durch zu entgehen, daß fie fich in den Schuß der Neihen und Mäch— 
tigen, hauptfächlich der Faiferfichen Beamten begaben, die fie vor den 
Abgaben ficher ftellten. Es Tag im Intereſſe der Kaiſer, dieß zu 
hindern, und bit. 24 des Theod. Cod. lib. XI. de patrociniis vi- 
corum enthält die Verordnungen darüber, die fich alle auf Aegypten 
beziehen. Die Strafen für die, welche Bauern in Schuß nahmen, 
fo wie für die Bauern felber, ftiegen immer höher; im fünften Ge— 
feg darüber fest Arcadius im Jahre 399 für die erftern fowohl als 
die letztern Verfuft der Güter als Strafe feft. Und dennoch ließ 
fich der Misbrauch nicht hindern und Theodofius I. ſah ſich 415 
n. Chr.) genöthigt, alle folche patrocinia, die feit dem Jahre 397 
beftanden hätten, zu beftätigen. Im diefem Gefes werden homologi 
coloni erwähnt, von denen es heißt: hi sane, qui vieis, quibus 
ascripli sunt, dereliclis et qui homologi more gentilicio nun- 


und hiftorifhe Entwidelung des Colonats. 67 


eupanlur, ad alios seu vicos seu dominos lransierunt, ad se- 
dem desolati ruris constrietis detenlatoribus redire coganlur, 
Diefe homologi nun, von denen wir dieß Dreies erfahren, erftens, 
daß fie coloni waren, zweitens daß fie vicis ascripli waren, drit- 
tens daß fie more gentilicio fo hießen, ſtellt Gothofred in dieſelbe 
Kategorie wie die Laeli, und zwar deshalb weil ihr Name homologi 
d. h. foederati und ihre Abkunft barbarifch fer, * 
Indeſſen dieſe Anſicht muß bei genauerer Betrachtung unbegrün⸗ 
det erſcheinen. Erſtens, wie iſt es möglich, das Verhältniß der foe- 
derali und der ascriplicit mit einander zu einen? Denn mögen 
fie Herren oder Dörfern aseripli fein, die natürfiche Folge war im⸗ 
mer, daß ſie an das Land, das ſie bebauten, gefeſſelt waren, wie 
es denn auch wirklich in dem vorliegenden Geſetze heißt, die ascriptich, - 
die ſich von den Dörfern entfernt hätten, ſollten auf dieſelben zu— 
rückgebracht werden. Zweitens haben wir geſehen, daß das Colo— 
natsverhältniß weſentlich von dem ſolcher angeſiedelten Toederati 
verſchieden war, und wenn dieſe homologi ihren Namen more gen- 
tilicio hatten, wie Gothofred will, folgt daraus noch nicht, daß ſie 
ſelber gentiles d. h. Barbaren waren. Endlich erſcheint in dieſem 
Geſetze als Zweck, weshalb die homologi an das Land gebunden 
waren, Bebauung des Landes und in Folge davon regelmäßige Lie— 
ferung der Naturalabgaben : bei den verbündeten Barbaren dagegen 
fonnte der Zweck nur Landesvertheidigung fein. Wie aber ift nun 
der Name homologi zu erflären, der einen ähnlichen Begriff, wie 
das Tat. foederatus enthält? Denn homologus bedeutet den, der 
in Folge eines Vertrages fich in irgend ein Verhältniß begeben bat. 
Ich weiß feinen andern Ausweg, als daß man die homologi für 
römiſche Bürger freigebornen Standes hält, die ſich in Folge eines 
Vertrages in das Colonatsverhältniß (denn diefes wird durch den 
Ausdruck ascriptieius bezeichnet) begaben. Gewiß waren auch in 
Aegypten, dem lange am ftärfften bewölferten Lande des Alterthums, 
mit der Zeit Lücken in der Bevölkerung entftanden und dieß hatte 
natürlicher Weife auch einen Ausfall in den Naturallieferungen her 
beigeführt. Die Kaifer fuchten dem einbrechenden Nebel anders zu 
begegnen, als in den übrigen Provinzen des Reichs. Zwar wurden 


68 Ucber die Entftehung 


auch bier befiglofe Lente auf Ländereien angefievelt und an diefelben 
gebunden, aber nicht in den Dienft von Herren gegeben. Die Ne- 
gterung begünftigte große Grundeigenthümer in Aegypten nicht, viel— 
feicht auch, weil fie, nach altem Prinzipe, von ihnen Gefahr für den 
fichern Befig des Landes fürchtete. ES wurden den Gemeinden der 
Dörfer befislofe Leute als Coloniften zuertheilt: diefe hatten für 
das Pand, das. fie erhielten, einen beftimmten Theil der Lieferungen, 
die das Dorf im Ganzen zu tragen hatte, beizufteuern, und traten 
alſo gegen die Gemeinde des Dorfes in ein Colonatsverhältniß. 
Durch diefe Annahme erklärt fih der Ausdruck vieis ascripti und 
homologi, und auch, daß fie im Allgemeinen coloni hießen. Nur, 
was in unferm Geſetze binzugefegt wird, more gentilicio homologi 
nuneupanlur, macht Schwierigkeit. More gentilicio fann hier nur 
mit homologi genau verbunden werden, fo daß dadurch dann Leute 
bezeichnet werden, die fih durch einen Vertrag in das Verhältniß 
begeben, in dent fonft nur gentiles d. h. Barbaren zu ftehen pflegen. 
Es liegt alfo hierin die Andentung, daß die Colonen eigentlich Bar— 
baren find, und daß freie Nömer durch einen Vertrag in daffelbe - 
treten können, und dieſe ganze Claffe der homologi gehört zu den 
mit eigentlichem Namen inquilini Genannten, von denen wir oben 
gefprochen haben, nur daß die befondern Verhältniſſe Aegypten's fie 
Gemeinden, nicht einzelnen Herren unterthänig machten. 

Mir fchließen bier unfere Unterfuchung 5; denn weder der all- 
mählige Verfall des Colonats im Morgenlande, noch feine Auflöfung 
im Abendlande nach der Zerftörung des Neichs durch die Deutfchen 
gehört in diefe Abhandlung. Wen aber fällt nicht bei der Betrach— 
tung der rechtlichen Zuftände am Ende des römischen Neiches die 
Aehnlichkeit auf, welche diefelben mit denen am Anfange deffelben 
haben ? Auch zu Anfang des römischen Staats erfcheinen Hörige 
(elientes) , Patronen unterwürfig, ohne freien Pandbefis, ohne poli— 
tische Nechte und ohne Möglichkeit der Auflöfung ihrer Dienftbarfeit 
für fich und ihre Nachkommen. Die Entwicelung des römifchen 
Staates befteht darin, daß Diefes firenge Verhältniß gemildert und 
am Ende aufgehoben wird, und der Staat blüht, fo lange jeder Bür— 
ger ohne Unterfchied feiner Geburt, durch Feine Faftenartigen Feſſeln 


und biftorifhe Entwidelung des Colonats. 69 


befehränft, fi) den Lebensweg erwählen kann, den Talent und Ver— 
mögen ibm geftatten. Doch Kriege und allmählige Abnahme der 
Bevölkerung führen zunächft Ungleichheit im Vermögen herbei, das 
hauptſächlich auf Grundbefig „beruht : es ſcheiden fich die Landbeſitzer 
(possessores) von den Beſitzloſen; die Lestern gerathen factiſch in 
ein Abhängigkeitsverhältniß. Die Negierung fehreitet, fo lange fie 
auf Erfolg rechnen kann, ein, um das Uebel, das fie erfennt, auf- 
zubalten. Da fie es nicht mehr hemmen kann, benußt fie es zu ihren 
eigenen Zwecken, und macht die Dienftbarfeit der Eigenthumsloſen 
unter die Eigenthümer gefeslih. Sp endet alfo die Gefchichte des 
mas, wie fie beginnt, mit zwei Klaſſen von Bürgern, 
mit Defigenden, die politifche Nechte haben, und Befislofen, die auch 
nicht einmal perſönlich frei find, denen felbft nicht durch die Ehe 
weder willführliche Vermifchung unter einander noch mit den Beſi⸗ 
tzenden frei ſtand; denn auch dieſer Punkt der Vergleichung zwiſchen 
den Colonen und den früheren Clienten darf nicht außer Acht gelaf- 
fen werden. Indeſſen fowohl die Befreiung der. einftigen Clienten 
als die Entſtehung der Colonen entſtand nicht ohne Beihülfe eines 
fremden Elementes. Jene gewannen ihre Freiheit dadurch daß ſie 
den aus fremden Völkern übergeſiedelten Plebejern nachahmten, dieſe 
geriethen in Dienſtbarkeit nach dem Beiſpiel, das germaniſche beſiegte 
Völker gegeben hatten. 
A. W. Zumpt. 





Aeſchylos Aetna und die Paliken. 





Als Hieron von Syrakus Ol. LXXVI, 1. die Stadt Katana 
mit neuen Bewohnern Doriſchen Stammes, namentlich aus dem Pe— 
loponnes bevölkert, fie nach dem nahen Berge Aetna beugnnt und 
unter feinen Sohn Deinomenes geftellt hatte; da ward diefe Stiftung 

durch ein Drama des Aefchylos gefeiert, der damals nad Sieilien 
\ gekommen war. Die Vita Aeschyli: ErYwy &is Sıreriav lIEoo- 
vog tore znv Altumv zhılovrog Enedsikaro rag Altvarag (vulg. 
Altwas: jenes ‚haben 3 Hdfehrr.), olwvılöusvos Brov dyagor 
roĩ ovvorzodoı zyv nohiv. Außer einzelnen abgeriffenen Ausdrücken 
und. der Notiz bei Laur. Lyd. de mensib.’p. 274 Hase (p. 116, 
6. Bekk.) von der Herrſchaft des Kronos in (Libyen und) Sicilien 
und der Gründung von Kronia durch ihn, gewährt nur das, was 
son den auf der Inſel hochgefeierten Paliken vorfam, einen Blick in 
die Anlage des merkwürdigen Stüdes. Allein gerade Diefen einzigen 
Anhaltspunkt für" einigermaßen begründete Vermuthungen über. deffen 
Inhalt, infofern diefe von den Worten des Dichters ſelbſt ausgehen, 
bat man fich durch eine einzige feheinbar einfache, in der That aber 
trügerifche Emendation eines einzigen Worts aus den Händen gege- 
ben. In der Hauptftelfe über die Palifen bei Macrob. Sat. V, 10. 
beißt 08: Aeschyli tragoedia est, quae inscribilur Aetna. ) In 
hac cum de Palieis loqueretur, sic ait: 


1) Jetzt nennt man das Stück gewöhnlih Airveiaı. Allein Macro- 
bius allein jchon mußte genügen, auch Arryn over Alva als gegebenen 
Titel zu beglaubigen. Und auch bet Steph. Byz. s. v. WTekızy hat Statt 
der Bulgata A204. Ev Altvatoıs, wofür alien Handſchrr. „Altyalcıs, 
ver Rehdiger. 2v re und bei Laur. Lyd, . fteht Eon d.h. ein, 
im oder. "Aber außer dem hinlänglich — Titel Alıvaiaı (worz 
aus in- den Schol. BKV. Hom. I. 177, 185. 2» Altvaıs und oben in der 
Stelle ver Vita Alwves nur Corruptel iſt) findet fih Lirvaios nit 


— 
— 


Aeſchylos Aetna und die Paliken. 


T d79ev avroiz ovoua TiYevraı Booror; 
Ssuvovg nullzovg Levg Epierar zakeiv, 
Hzaı nukızww zUv)0ywg ever parız 
Ilakıv yag ixovo’ &x 0x0T0vVG To y’ EG puwog. 
Haec Aeschylus. 
Genau fo find die Worte gefehrieben in der von Joach, Camerarius 
beforgten Bafeler Ausgabe des Jo. Hervagius von 1535., der ers 
ften welche die griechifchen Stellen in diefem Capitel enthält. *) 
In dem erften Verfe des Aeſchylos hatten die Herausgeber der 
Bruchſtücke das unmetrifhe rlderrae — welches übrigens der 
Herr Panofka in einem allen Liebhabern philologifcher Erbaufichkeiten 


blos in den Ausgaben des Steph. Byz., jondern im VBerzeichniffe der Tra— 
gödien: Adtweioe ya7cıoı, Altwaioı od. Welcker Tragöd. ©. 57. 
verwirft dieß. Ich halte Arrverfchen der Ungewöhnlichfeit wegen für den 
urfprünglichen Titel: das Stück unterschied ſich ſchon dadurch von den ge— 
wöhnlichen Aeſchyleiſchen Dramen als — Aber Artyaiar 
und Altyeioı fcheinen auch nicht ohne Grund in Umlauf gefommen zu 
fein. Jener Titel weit auf einen weiblichen Chor, Alıweioı auf einen 
männlichen. Sollten wir nicht befugt fein Bil dem Echluffe, Daß der Chor 
des Stücks ein nn aus Jungfrauen und Sungtengen der neuen Stadt 
beftehender war? Es iſt dieß um fo annehmlicher, da ja die Chorgeſänge 
wohl die Dauptjache, die Handlung untergeordnet gene fein mag. Dis 
Si hat Müller in dem Lertionsverzeihnig für den Winter 1835. für 
Phrynichos Phöniſſen aus gewichtigen Gründen in Anfpruch genommen und 
in andern Dramen nachgewiefen. 

2) Samerarius ſagt in feiner Epistola nuncupatoria an Paulus Baro 
ad Schuuartzenberg , Pabenbergae et Vuireipurgi ete. Collega Canoni- 
cus, praepositus Hagiensis etc. fol. a, 2 vers.: „Cum mea opella non- 
nihil essem aliquando in Macrobiano quasi ruinoso codice architectalus, 
et accessisset postea , velut fabrilis aliquot librorum ex antiquis qui- 
busdam cartis manus, speraremque cum ad delectationem tum ur 
modum publicum opus illud a me perfiei posse: allatum mihi fuit, 
insperatum, ita pulcerrimum et maximum adiumentum veleris Eu 
eodieis. In quo pleni omnes hiatus essent, ubi in vulgatis ewemplis 
Graeca desiderantur. Quae lamen coneinnalio eiusmodi erat, ut inge- 
nium non prorsus hebes, industriam vero et laborem singularem evidens 
.deseriptio postularet. Ezxrarata enim omnia erant semigraeeis literis 
sine apieibus sineque discrimine vocum, ut divinandum uno plaerungwe 
versu de reliquis esset. Huius libri copia facta mihi fuerat a Tustino 
GOBLERO seriba Confluentino. Dafjelbe gilt vom Paris. 6571. Came— 
rarius Verdienſt muß auch hier ſehr hoch angefchlagen werden. Bekanntlich 
find griechifche Stellen in lateinifchen Schriftitellern meift fehr verwahrloft, 
wie beim Priscian. Camerarius hat bei jener Beichaffenheit des Coder 
Bedeutendes geleiftet. Mas Spätere für Macrobius gethan, iſt Dagegen 
kaum der Rede werth. Ob jener Coblenzer Coder noch irgendwo vorhanden 
ſein mag? Darüber giebt vielleicht Herr L. v. San zu Schweinfurt, der 
den Macrobius bearbeiten will, Auskunft. 


72 Aeſchylos Aetna 


beftens recommandirten Auffage über die Palifen in Erfh und Gru— 
bers Encyklopädie nebft alfen übrigen Fehlern arglos gewähren läßt 
— mit dem von J. Gronov aus dent codex Thuani hervorgezoge— 
nen Fnoovraz vertaufht. Dagegen hat G. Hermann in ver 
Dissert. de Aeschyli Aetnaeis, Lips. 1857. p. 8 sq. oder Opuse. 
VII, p. 323. Einſprache gethan, weil jenes Inoovrau eine bloße 
Eonjeetur zu fern ſcheine: Repugnant enim lerlius versus el 
quarlus, ex quibus apparet, non de imponendo, sed de dudum 
imposilo nomine esse quaesitum. Deshalb wagt er, cum Ac- 
Schylus in Sicilia Siculum et priscum sermonem diligere coeperit, 
— was fo hingeftellt Teicht gemisdeutet werben kann —, die Stelle 
fo zu verbeffern : 
Tı 079 29 avroig ovoua rıyeataı Pooror; 

Ob nun gerade Aefchylos auf Sicilien eimen folhen Jonismus fich 
angeeignet haben möchte, bleibe, fo unglaublich das fcheint, dahinge— 
ſtellt; auch fol nicht weiter vom Bau des Verſes die Nede fein, 
dem man feinen ähnlichen aus allen Stüden des Aeſchylos dürfte 
zur Seite ftellen fünnen. Sollte aber wirklich der dritte und vierte 
Ders für Hermanns Annahıne fprechen? Daß eine Stihompthie 
vorliegt, fpringt in die Augen: über den Zufammenhang der Fragen 
und Antworten erklärt fih Hermann nicht weiter. Pauw, Heath, 
Schütz ftellen ganz unhaltbare Behauptungen auf, namentlich faflt 
Letzterer den dritten Vers ganz fihief: num etiam probabili cum 
causa hoc Palicorum nomen manet? Gerade das unrichtige 
Verſtändniß dieſes Berfes hat alle Irrungen verſchuldet. Auch der 
neuſte Herausgeber, Herr E. A. J. Ahrens in der Didotſchen 
Sammlung überſetzt falſch: Num eliam Palicorum fama merito 
manet? Man muß nur den Aecent von were in zevsd verändern, 
um den richtigen Sinn und Zufammenhang zu gewinnen: Num eb 
Palicorum appellalio , rei ralioni congruenler , manebit ? 
„Alſo fol auch der Name Paliken, dem Urſprunge gemäß, fort- 
beftehen ?“ Evroywg geht auf Die gleich durch Die Benennung aus— 
gedrücte Eigenthümlichkeit der Gottheiten. Sp fest der Valasger- 
König Suppl. 249. &uod Ö’ avanrog EUAROYWgG Enwvuuor yEvog 
Ileiooyov. Und vom Epaphos heißt cs 46 sq. Erwvuuug Ö' 


und die Palifen. 73 


Entxrgalvero uogoruog alov edA0ywg "Enapov 1’ Eyevvaoev 
(nämlich nach Zeus Epawız der 0.) 

Es wäre doch ferner rathſam geweſen, den nächften Nachbar 
des rıdearaı nicht vorbeizugeben, den zweiten Vers. Wie follte ſich 
das Präfens Eprerar mit der von Hermann empfohlenen Auslegung 
vertragen? Alfe Ueberfeger der Worte haben das Unpaſſende darin 
durch ein Feines Kanftftück zu bemänteln gefucht: der alte Cluver 
Sieil. antiq. p. 342 voluit vocari; Schü Juppiter indigitavit; 
Ahrens vocari üussit. 

Bortrefflich feimmt dagegen Alles zum Futurum Yn7oovraı. 
Aeſchylos ließ, das fcheint fih mit Gewißheit zu ergeben, einen vom 
Zeus abgeordneten Heros oder Gott, wohl den Götterboten wie im 
Prometheus, nach dem wunderbaren Hervorfteigen der im Mutter- 
leibe der Thalia vergrabenen Palifen ang Tageslicht, den Sifulern 
feinen Willen verkünden, wie feine Söhne genannt und von den 
Snfelbewohnern hoch verehrt werden follten. Es entfpann ſich ein 
Wechfelgefpräch zwifchen Hermes und einer Perſon des Stüdes oder 
dem Chor. Lesterer fragt: „Wie follen denn die neuen Gottheiten 
fünftig von den Gterblichen genannt werden 24u. Hermes: „Hehre 
Paliken befiehlt Zeus fie zu heißen.“ Jener: „Alſo fol, der Ent- 
ftehung gemäß, auch der Palikenname ihnen bleiben 2a Hermes: 
„Sind fie doch aus der Erde wiederum ans Licht des Tages zurüd- 
gekommen.“ 

Hierdurch erhalten wir ein wichtiges Moment, woran ſich wei— 
tere Vorſtellungen von dem Gange des Stückes anlehnen können. 

Aeſchylos Drama drehte ſich demnach hauptſächlich um die Ein— 
ſetzung Doriſch-Sikuliſcher Culte für die neue Gründung. Sein 
Stück ſollte dieſer eine höhere religiöſe Weihe geben. Unter den 
Gottheiten Aetnas nahmen aber die reichen Segen ſpendenden Pali— 
fen eine Hauptftelfe ein. Um ihre Entftehung und die Einfesung 
ihres Cults mag fih das Drama befonders bewegt haben. Die 
Nymphe Thalia, in der Nähe des Symäthos vom Zeus in Geftalt 
eines Geiers gefehwängert, fürchtet den Groll der Hera: um ihren 
Berfolgungen auszubeugen oder zuvorzukommen wünſcht fie-von der 
Erde verfihlungen zu werden, Nach Ablauf der Zeit ftiegen ihre 


74 Aeſchylos Aetna 


Zwillingsſöhne aus dem Boden auf. Aeſchylos mag num nach den 
Leiden der Hephäftostochter dag Staunen der Menfchen über die 
ſeltſame Geburt ihrer Kinder, vielleicht ihr Sträuben fie aufzuneb- 
men, gefehildert und dag Stück mit der Einfeßung der Feier der Pa- 
Yifen auf Zeus, des Vaters ‚Befehl, der. Schilderung ihrer Segnun- 
gen u. f. mw. fröhliches Gedeihen der neuen Gründung vorherfagend 
beendigt haben. Wie auch die Eumeniden mit der Einfegung der 
Göttinnen in ihre Nechte zu Athen auf Athenas Mahnung und den 
Berheißungen ihres Segens ſchließen. Daß andere Götter » Culte 
dadurch von dem Stücke ausgefchloffen gewefen feien ſoll nicht be- 
bauptet werden: Nur waren die Paliken wohl die Hauptfache. Auch 
Steh. Byz. fagt S. v. Ilakızn: Aloyukog Ev Airvaloız yevsa- 
"Koyel Jıög zul Oarslas ıns "Hyaiorov u. f. w., woraus her⸗ 
vorgeht, daß auch ihre Abſtammung in dem Stücke wirklich vorkam. 
Die vor Aeſchylos noch nirgend in die Poeſie eingeführten Localgott— 
heiten mochten den Dichter gerade gereizt und dem Stücke einen 
großen: Neiz verliehen haben. 

Sollte der angedeutete Inhalt bes Stückes einen zu einfachen 
PH an zu verrathen feheinen, fo bevenfe man Folgendes, Gewiß müſ— 
fen wir uns hüten, alle verforenen griechifehen Tragödien nach den 
erhaltenen, im Ganzen ohne Zweifel den vorzüglichften, zu beurtheifen. 
Gerade wenn eine Kunſt auf ihrer Höhe ſteht, gefallen fich ihre 
Meifter darin, neben den eigentlichen Hauptleiftungen allerlei Seiten— 
ſprößlinge luſtig aufſchießen zu laſſen. Ein Gefegenheitsftück zumal, 
wie Aetna, darf man vollends’ nicht mit gleicher Elfe meffen. Sicher 
ftand eg ſowohl, als manche andre Aefchyleifche Tragödie, wie 3. B. 
die Perfer, der ältern Form der Tragödie weit näher; Chorgeſänge 
überwogen die eigentliche Handlung 5; und habe ich oben über die 
Titel des Stückes richtig geurtheilt, ſo beſtätigen auch jene auf er⸗ 
wünſchte Weiſe die aus der innern Beſchaffenheit des Stoffes ent⸗ 
lehnten Stützpunkte. Unſer Drama in eine kunſtreiche Trilogie zu 
zwingen, wie neuerlich mit großer Keckheit geſchehen, heißt dem: Zeug- 
niffe des Biographen Gewalt anthun. Bon Welcker felbit ift dieß 
auch nicht son ferne verfucht worden. 7) — 


— 


3) Welcker Aeſch. Trilog. S. 566. „Mythiſch kann der Inhalt 


und die Palifen. 75 


Kehren wir zu Aefchylos Verfen zurüd. Senes Inoovzaı habe 
ich kürzlich, als ich zu anderm Behufe den. Eoder nachſchlug und 
beim Blättern auf das mir ſeit Tanger Zeit .intereffante Palikencapi— 
tel ſtieß, in dem herrlichen ‚cod. Paris. 637 1. saec. XI. gefunden; 
es ift vielleicht eben ‚jener Thuaneus des Gronovius. Das Alter 
und die Vorzüglichfeit des Codex, in welchem das Griechiſche treu- 
lichſt in Uncialen nachgemalt ift, ſchlägt gleich von eheran jeden 
Verdacht einer Conjectur nieder. 

In demſelben Verſe gründete ce feine auf * Vulg. 
d79Ev fußende Emendation rl 079 Ev x. r. A. darauf, daß sepa- 
ralim de utroque fratre die Nede gewefen und nun gefragt werde, 
weshalb beide einen Namen hätten? - Schon Welcker Trag. 
©. 58. hielt diefes für gezwungen... Mir ift an und für fich jene 
Annahme hoͤchſt  unwahrfcheinlich „ Weil die Paliken immer nur als 
untrennbares Brüderpaar auftreten, fo daß nicht wohl son Einem 
von Beiden die Nede fein konnte. Allem weitern Zweifel macht die 
vortreffliche Lesart des Codex ein Ende: TI AHTEINAYTOIC 
ONOMA OHCONTAIBPOTOL. 


Im folgenden Verſe Hat derfelbe EDYETAI. 

Im vierten lieſt er: ITAAIN TAPHKOYCEKCTOY- 
‚CTOIEICDAOT. Richtig Hat Hermann oxörov, wofür Macro- 
bius felbft wohl die gewöhnliche Form G40T0VG geſetzt, der Abſchrei⸗ 


nicht wohl geweſen fein, t weil gerade, das Neue, Gegenwärtige gepriefen und 
die Hoffnungen für die Zukunft belebt weeden ‚follten. Vielleicht erſchienen 
die Götter des Orts (aus dem Bruchſtück wird dieß noch wahrſcheinlicher), 
vielleicht die, Doriſchen Stamm-Eponymen, die Heroen. Dyman, Pamphylos 
und Hyllos, vielleicht allegoriſche PBerjonen ‚vor dem. jungfräulichen Chor. 
Daß die Einrichtung von der gewöhnlichen BaE ——— wäre, verräth 
ſich durch nichts.“ Ganz anders Tragöd. S. wo Welcker Her— 
mannen beiſtimmt, I: über den Inhalt fi — einmal eine Ahnung 
faſſen laſſe. Deshalb fchwanft er, ob das Stück den Dramen dämoniſch— 
beroifchen Inhalts oder denen geichichtlichen Stoffs beizuzählen fei. Biel: 
leicht gelingt es mir, beide verehrte Männer, jebt anders zu ſtimmen. — 
Herr Droyfen*in der Ueberfeßung S. 511.. der zweiten Auflage bringt 
die Aetnäerinnen in einen idealen Zufammenhang. mit — Alkmene und den 
Herafliven, fo. daß ‘Die wechſelnden Schickſale des Dorifchen Stammes in 
diefen geſchildert, im letzten Stücke zu gedeihlicher Behaglichkeit am Fuße 
des feuerfpeienden Berges hinaus geführt feien. Iſt über den Leiften der 
Berfertrilogie gearbeitet. Mit Anmut wird diefe Droyfenfche Poeſie nach— 
erzählt von’ Herrn E A. 8. Ahrens in Coburg, Fragm. Aeschyli 
p- 242 sqq. EL iz ah ’ LE ⸗ 


76 Aeſchylos Aetna 


ber aber nur orovg gefchrieben , zurückgeführt, dem Gebrauch des 
Hefchylos gemäß. Auch bei Pindar iſt fie einigemale verdrängt wor- 
den. Das mit Necht aus H. Stenbanus Ausgabe von 1585. (amd 
der des Pontanus von 1597.) an die Stelle von 70y” gefeßte Tod’ 
beftätigt die Handſchrift, die zus ftatt Es nicht gut lieſt. Hat nun 
aber Aefchylos wirklich Fxovo’, nicht wie der Cover giebt, 7x0v0’ 
gefehrieben, fo möchte ich doch darin Feineswegs einen Einfluß Siei- 
liſcher Redeweiſe ſehen, wovon überhaupt viel falfche Vorftellungen 
aufgebracht find , fondern diefelbe Tediglich auf das Streben zurück— 
führen, den Öleichflang der IIar ı z0. auszudrücken. Jedenfalls ift 
ovo' der Bedeutung nach ganz gleih 7xovo’. Demnach lauten 
die Verſe: 
A. Ti dyT En’ avrorg ovona $roovraı Peorot; 
B. Seuvovg Ilakızovg Zeug Epierau xaleir. 
A. ’Hxai Iakızav euükoywg ueveigarıg,; 
B. IlaAıv yao lÜxovo’ Ex 0Ox0Tov Tod’ Eg paoc. 
Sp wenig ald Hermanns Annahme einer Interpolation in 
Inoovraı ſich als haltbar gezeigt bat, hält feine Anficht von einer 
zweiten in den Worten des Polempn die Probe aus. Ich ſetze Die 
hin und wieder noch der Nachhülfe bedürftige Stelle ganz her, wie 
fie bei Camerarius ſteht; man vergleiche damit Prellers Samm- 
Yung der Ueberrefte des Polemon S. 126 sqq. Macrobius fagt: 
Polemon vero in libro qui inscribitur 292 zwv &v Sızerla 
Iavualouevov nortausv Sic ait: OL dE Ilairxoı no000Y0- 
gevousvor na0@ TOIG Eyywoloısg wiroydoves Heol vouiLovrar. 
Önkoyovor (vnaoyovov Pont.) de rovrw». Adepo xou- 
5rrosg zauallnkoı, noooı&var dE @yıorsvovreg 207 (ayıoTevor- 
tas yon Pont.) noög wvrovg ano TE (ano re Pont.) navrog 
ayovg xal ovvovolag, &v Te (Ev re Pont.) zaıyov Evdvuaror. 
Deverar ÖE an’ avrov 00un Paosla Ielov. xal Toig nAnorov 
iotaugvors zuonßaonoıw Zunnıovoa dewnv. To Ö8 vdwo Eore 
10 $0%2009 (avrov add. Pont.), zul Trv Yo0av Öuororarov yaucı 
Öunm Azvam. Digsrar dE xoAnovueröv TE zal napıalor, olaı 
eioıw al Ölvar rwv Leovrwv dvaßokadınv. üdarwr. Puaoiv Ö’ 


5; J x D.' * ‚ — ’ [(d} 
eivar zul TO DUI0g anegavıovy TWV KOUTNOWV TOVIWV, WOTE 


und die Paliken. 77 


zal Bovg Elonsoovrag npariodaı (Yyarlodaı Pont), zaı Lev- 
yos ögıx0» (0gıx0» Pont.) EAavröusvor, Erı d& pooßadag Evak- 15 
Aouevas, 6oxog dE Eorı (£orıv Pont.) roig Iıxeiiwraug ueyı- 
0705 zuIngausvov av ngozAmderıov, ol ÖE Ögxwral yoau- 
uarıov Eyovreg, dyogevovor (ayogevovoıv Pont.) rotg 60x0Vu&vorg 
negl @v dnamnoovor zyv Ögxmv (vov ögxov Pont, und fo ſchon 
Hervagius in den Corrigendis auf dem legten Dlatte), Iarroyv 20 
‚zoadalvwv, dorzuugvog, ulworog zal uovozyIitwv, Epantöqevog 
Too xoartnoog EE Unoßorng disioı Tüv 00x0v, Kal av uEv Eu- 
nedwoı (Eunsdworv Pont.) Toug g79Evras 09xovg downs une 
oıw (aoıyng aneıoıw Pont.) olxads. nuoußarng dE yeröusvog 
zwv Jewv Eunodwv Teisvrd. Tovrov (tovzwv Pont.) de yı-25 
voucvwvy Eyyvmrag ÜnIOYVoDrTaL ZUTROTHOEIV TOlg LEgEDO, 
2av ti (2av vı Pont.) veagov yeınmrar zadagoıv dpktoxavovor 
(OpAıozavovoıv Pont.), zovg negıyırouevovg, negl Ö& ToV Tonov 
zovzwv (rovrov Pont.) wxnoav Ilarızeıvor mol Erwvvuov 
(erwvvuov Pont.) rovzwv tov daıuovwv nakızsıvnv. 30 
Zeile 3. bat cod. ftatt avzoysoves nur AYOONEC, mit 
Ueberfpringen der Mittelſylbe, Welcher Fehler dem Abfchreiber, 
der nur Buchſtaben Hinfchrieb ohne ihren Sinn zu verftehen, 
auch im Folgenden. öfter widerfahren if. In den darauf fol- 
genden Worten Unaoyovor dE Tovrwv. Adergoi x. 7. 
%. haben fpätere Ausgaben die Lücke unbezeichnet gelaffen. Erſt 
Hermann hat fie bemerkt und Durch ein eingefihobenes duo aus- 
gefüllt. So fagt allerdings der kurz vorher angezogene Kallias: 
ovzor zgarnoss ÖvVo eo. Mancher würde cs vielleicht noch 
annehmlicher finden, 02 ZFERRor. vorzufgieben, da Polemon den 
Namen der Palifenbrüder fonft nicht nennt und die Aehnlichkeit der 
Schriftzüge leicht das Ausfallen veranlaſſen konnte. Indeß bewerft 
der cod. Paris. eine ftärfere Verderbniß, indem ex lieſt: TOYToN 
O4ECMAP»AAEADOL Und daß darin eine Ortsbeze ich— 
nung verſteckt Kiegt, erhellt aus den Worten des Macrobius: Nec 
longe inde lacus breves sunt, sed immensum profundi, aqua- 
rum scalurigine semper ebullientes, quos incolae crateras vo- 
cant et nomine Dellos appellant fratresque eos Palicorum 


78 Mefhylos Aetna 


aeslimant et habentur in cultu maximo. Er hat vom Symäthos 
vorher geredet, an deflen Ufer der Thalia fih die Erde aufgethan 
haben follte. „Von dieſem Fluffe muß. doch auch Polemon gefprochen 
haben fehon deshalb, weil unfere Stelle ein Excerpt feiner Schrift 
neol Twv Ev Zirehig Yavualouevov noraumv iſt. Indeß will 
es mir big jest nicht gelingen, eine den wunderlichen Buchftaben des 
Codex ihr Necht Laffende Verbefferung zu finden; — denn Unao- 
yovoı dE TOVTWV 0V navv ‚vder .0v uaka n0000 oder 00 10000 
01: error fcheint nicht völlig zu genügen; — empfehle fie daher 
dem Scharffinn Anderer, Nur möge man auf der Hut fein und be— 
achten, daß auch bier ein Ueberfprin; gen von Buchftaben die Corruptel 
verurfacht- zu haben fcheint. 

Zeile 7. bat. Hermann die von Gronovius aus dem 
Thuaneus angeführte Verbefferung verſchmähend gefchrieben: &v re 
zavo. Erdvuarı. Ein folcher. Gebrauch läßt fich fehwerlich bei an- 
dern Feierlichkeiten der Art nachweifen. Die vortreffliche Lesart des 
Thuaneus ſteht auch im Paris., Zrı re zur zıvov 2dsoua- 
to», nur CYNOYCILAO, alfo O ftatt C, und EAEECMATÜN 
‚mit falfch gefehriebenem boppelten & wıRöv. So geht üyıorevovrag 
auf das Ganze: man mußte rein fein von allem ayos, der ovvov- 
oia, und fich gewiffer Speifen enthalten. Auch fagt Macrobius 
nur: ab omni.conlagione mundi. 

Zeife 10. wird aurov vom Codex beftätigt. Hieraus, fo wie 
aus dem von Pontanus (oder H. Stephanus?) überall, unſerm Co— 
dex gemäß, hinzugefügten v Epelxvorıxov vielleicht auch aus dem 
3. 29, richtig gefegten zovzov geht hervor, daß Pontanus (oder 
Stephanus) doch Hin und wieder eine Handſchrift nachgefehen ha— 
ben muß, ohne indeß a RER daraus verbeffern zu 
können. 

Ebendaſelbſt hat der Coder KAITHKIXPOAN. Ich rathe 
nicht, daraus auf ein Compofitum mit 7n7&ı— zu ſchließen. KI 
ift aus N geworden. — Nachher fihreibt Hermann zuuagvunw 
als Namen einer Blume, her 

Zeile 13. Coder ToNKAILPoN mit Wegfall des P und 
Bertaufhung von TAI mit 111. 


und die Paliken. 79 


Zeile 15. Db Es eAavvousrov? — Nichtig der Codex & Eva- 
A ouevag. 

Zeile 16. MEICTOC, mit Ausfall des T. 

Zeile 18. oder ATEPOYCOYCIN. Gleich weiter fteht: 
NEPISONANAPHZYOIN TOYC OPKOYC. Danach dürfte . 
zu lefen fein: neoc ov av anaıtacıv Tovg 00xovg, wag 
ziemlich Elar in der Uncialſchrift vorliegt „zumal wenn man fich ers 
innert, daß der Schreiber für 0 abwechſelnd P und II fest, Mit. 
dem Plural zovg Öpzoug vgl. 3. 23. 

Zeile 21. 4ZMECTOC und 22, MEICIM, d.; ATGICHN. 
(Mebrigens fehlt hier das » Eyeizvorızov bei Pontanus.) Prellers 
Eunedwon wird nicht beſtätigt. Es iſt aber nothwendig. | 

Zeile 27. Cover: GIHNEAPONTENHTAI KAOAP- 
CIN OMEKANOYCINTOYPEMENOYC. Danach) darf man 
vielleicht e Tu veagöv yEryraz, fohreiben. Aber im Uebrigen behält 
wohl Camerarius Recht. Bon dpAtoxavovom war D überſehen 
und AIC in ME übergegangen, Ob aber zovg megıyevousvovg 
in den Zügen liegt? Dann wären wieder einige Buchftaben über- 
forungen. Sch zweifle. Ueber die ganze Procedur hat Preller 
l. c. gelehrt gefprochen. 

Zeife 29. gut TOYTON mit Pontanus. Darauf WIKEI- 
CANTLAAIKEINOMOAIN und an Ende ILAAINKEINHN. 
Allein damit ift nichts anzufangen. Die Vulg. ift fehr richtig won 
Hermann verbeffert: axr7oav Ilakızmvoi nökım Enwvvuov rov- 
Tov ray daıuovov Tlakızyv. Letteres bat fehon- der alte Chu— 
ver p. 342. ſtillſchweigend gefchrieben. Das won Hermann 
Opuse, 1. c. p. 320. gegen Prellers Iladızzvo hinlänglich 
gerechtfertigte Ilarıznvor ſteht übrigens an beiden Stellen des Steph. 
Byz. S. v. Ilarıxn im cod. Rehdiger. Auch kann noch die Ile- - 
Amon #onvn aus Theophilos bei Steph. 1. c. hierhergezogen wer- 
den, wofür man neuerdings auch fälſchlich Iladızıym en 
findet, er 
Gehen wir nun zum Zeugniß des Kenagoras in tertia histo- 
ria sua über: Kal Iızelov ıns yas ayooovong EIvoa» Tıvd 
nomılngoszusurrog alrois vod &x Ilarlızav yonoryolov, zul 


80 Aeſchylos Aetna 


uEra ν Enavolov ıng Evpoglag nokhois dwpoıs rov Pwuov 
av Ilahızwv Eveninoav. 

Hinter EIvoav hat Camerarius eine von allen ſpätern Ausga- 
ben unbezeichnet gelaffene Lücke von etwa neun Buchftaben. Nun 
hatte fchon Welcker in den Annali dell’ Inst. arch. Vol. II, p. 
254. in dem zis 7owg Cheroi cuidam Macrobius) den Hadra- 
nos Wiederzueriennen geglaubt, ohne die Lücke zu beachten: Her— 
mann fest ohne Bedenken Aöoavo in den Text. Hadranos war 
Feog Tıg Tiumusvog dıapegovrwog Ev Ohm Sızeile, Plutarch. 
Timol. 12., oder &nızwgıog darum» nach) Nymphodoros ap. Aclian. 
N. Anim. XI, 20. (eommentirt von Ebert Dissertalt. Sicul. p. 
152 sq.;) er wurde in der am Gipfel des Aetna vom Dionyfios 
erbauten Stadt Hadranon verehrt. Seine nahe Verbindung mit den 
Paliken fo wie mit Hephäftos, worüber Schneider zu Aclian. 
l. ec. und Marquardt Cyzicus elc. p. 108., beweiſt Heſychius: 
Adoaro Övo yevvovraı vior Ilarızor, 0% (richtig Hermann n) 
viv ıng Svouxovolag Elol #00Tn085 01 zakovuevor Ilalızol, ot 
zal xaroıznoavres avın. (Irrthümlich fteht bei Herm. ©. 322. 
zweimal z75 Iızerdas.) Da nun die Palifen ſelbſt durch ihr 
Drafel an einen gewiffen Heros weifen, fo wäre der Ausdruck 
von dem Jeog oder darum, ihrem Vater, namentlich in die— 
ſem Falle außerft auffallend. Xenagoras hatte einen andern Heros ges 
nannt. Der Cover: OGEYCANIIEAEIOKPATEITINIHP I. 
So lernen wir einen meines Wiſſens fonft unbekannten. Heros 
von GSieilien Fennen. Der Name Iledıoxoarng it ge 
bildet wie IledıozAns, Smifythos Sohn, Aruıevs, Böckh Corp. 
Inser. 115. An ein Adjectivum nedıozoarns wird Niemand den- 
fen wollen. 

Bis hieher habe ich die Stelle des Kallias in seplima historia 
de rebus Sieulis aufgefpart: FI JE ’Eovxn Tyg utv T’elwas 000» 
evevnzovra oradım dıeornzev. Enisix@g dE yE0005 Eorıv TO 
T’ 0005 zul zo naraıov Nıxelwv yeyevnudın nöhls, op N 
zal roug Achhovg (derikovg Pont.) zaAovuEevovg eivar oVU- 
Beßnzev. ovzor Ö8 x001j085 Övo Eloıw, oug adsApovg TwWv 


Jlarizwv oi Sızekirar vowilovor (vowiLovorv Pont.), zag ds 


und die Palıfen. 81 


avapoous ν nouporlvyov nuvanınolag Poalovoug Eyovor 
(&zovoıv Pont.) _ 

Daß die Worte Enrerxog de bis Öp’ 7 Unſinn enthalten, mag 
. gleich Chuvers Ueberfegung darthun: Valde autem deserla et 
inculta sunt cum mons tum quod olim in eo Sienlorum fait 
oppidum. Schon deshalb abgefchmackt, weil ja aus 7 ’Eovzn dıe- 
ornzev hervorgeht, daß die Stadt noch fand, Was der Stelle im 
Allgemeinen Noth thut, ſah Valcken aer, indem er ftatt 70 na- 
Aarov am Rande feines Macrobius 10 Tlurızov corrigirte. Her- 
mann fett dieſes in den Tert. So nothwendig aber die Bezeichnung 
der Palifenftadt in den Worten iſt, fo wenig werden die Uebelſtände 
der Vulg. hierdurch gehoben, ja ein großer neuer Anftoß der GStelfe 
aufgebürdet. Ich meine zo Tlakızov, Sıxelov yeysvnuevn 
nörıs. Was follte Doch yeyernuson ohne TO naraıorv ? Dazu 
kommt, von den vorhergehenden Worten und ihrer grammatifchen Ver— 
bindung ganz abgefehen, daß 70 Ilarızov als Name der Stadt 
nicht nachweisbar ift. Es müßte vom. rewevos der Paliken gefagt 
fein; aber dazu würde yeyernuern nöktg wieder nicht wohl ſtim— 
men. Es it ein Verſehen Hermanns, daß er bei Theognoſtos 
in Beckers An. p. 1569. Gest vollſtändiger Cramer. An. Ox. 
I, p. 60.) Ilarız 6» herſtellen zu dürfen glaubt: der Kanon geht 
nur auf Die eig xog Anyorra zaIagov, unter denen die dod ua- 
x00v &y8ı 70 Tonusıoiusde. Zum Schluffe heift es: 70 zauı- 
x65, 0voua norauod &v Itxelle , OSvvöusvov zal dia Too i, 
yoamousvov, dupißoAov &yzı ToV yeovov Tod 1. romüro» dR zul 
10 Ilarıxos, urn zal aUTO, nölıg Stzehlag (Nıxekızn 
Cramer.), &p’ 7 (öp’ 7 Hermann.) oi dnvguevsg zgarnoec. 
(Reineswegs will — das ı in Iladızos als mittelzeitig 
angeben ; deutlich aus dem ebenfalls aus Herodianos fchöpfenden Ar- 
cad. p. 52,2 2. Seomusiorar TO za uıxog 0&Urovov zal &yov 
10 i uaxoov, ws To naAızog. Theognoſts zoroVrov d} zur 
geht nur auf das 0SUWreodaı.) 

Befeitigen wir alfo Valckenaers 70 Ilakızov in behal- 
ten nothgedrungen 70 naraıov, fo Liegt zu Tage, daß wir den 
Namen der Stadt einfegen müſſen. Kallias mag gefchrieben haben : 

Mus. f. Philolog. N. 3. III. 6 


32 Aefhylos Aetna 


za |n Marızy], To nakaıov zrh., fo daß 7 ITakızry durch 
das nachfolgende TO raAmıov verdrängt worden. Kallias kannte die 
Stadt nicht mehr. Sie war nad) Divdor Al, 55. Ol. LXAXXI, 4. 
von dem Syrafufifchen Feldherrn Dufetias erbaut zAnorov zov te- 
uevovg tor Groualoufvov Ilakızov. Allen nach Eurzer Zeit 
wurde fie, fo raſch fie fih auch gehoben, zerftört und blieb bis auf 
Divdors Zeiten wüfte, f. AL, 90. Daher fagt ja auch Volemon: 
TEOL TOV TOnOV TOUToV wanoan ————— zu). und Heſych 
Ss: V. Adoavo: N vvvV Tns Svoazovalag Eat ZUGTNVESN. f. w, 

Etwas Achnlihes hat Kallias — in den Worten ge— 
ſagt: Emisixwg dE yE0005 Eorıy To T’ 0905 zalzı). Statt deren 
giebt der Cover: JIEEX YTOCECTINOTOPOC, woraus ganz 
unzweifelhaft zu nehmen: enıeiz@g de Eyvodg Eorıv 6 Tonog. 
Die Bemerkung über die auf einem hoben Gipfel gelegne Bersfefte 
ift eben fo wahr, als dem Werfe des Kallias*), al negi Aya- 
JoriEa 1oToglaı, angemeffen. 

Haben wir aber darin Kallias Hand richtig erkannt, fo Teuchtet 
nun ein, daß Maerobius in feinen Worten etwas überfprungen bat, 
was für feinen Zweck gleichgültig war. Denn wir verlieren nun 
das TE, was in der Vulg. zu zw! zo naraıov in Verhältniß zu 
ſtehen ſchien. Man betrachte aber nur genauer die grammatifche 
Fügung des Satzes, um uns vollfommen Necht zu geben, daß etwas 
wegzefauen fen muß. Das am Anfange ſtehende 7 de Eouan 
ins uev Terwag — dusornzev heifcht nothwendig ein 755 de 


*) Kallias von Syrafus hatte (noch vor Timäos) in 22 Büchern 
(Diodor. Excerpt. XXI. p. 492.) die Gefchichte Des Agathofles geſchrie— 
ben. Bon feinem Helden bejtechen hatte ev fich nicht geichämt, ſelbſt die 
ärgſten Schattenfeiten defjelben in glänzendes Licht zu ftellen A Diodor. Ex- 
cerpt. de virtut. et vit. p 561. und daraus Suidas s. v. Im Geifte der 
peripatetifchen Hiſtoriographen verfchmähte er es nicht, Die Sefchichte mit 
allerhand Nachrichten von Merkwürdigkeiten zu RN REeT. wie er nach 
Dionys. Hal. Archaeol. J, p. 182, 15. Rsk. won der Troerin Eu die 
den Aboriginerfönig Latinos heiratet; nach Aelian. N. A. XVI, 28 von 
böfen Schlangen; nach Schol. Ap. Rhod. III, 43. von der Hephältesinfel 
Hiera unter den Neolifchen; nach Athen. VIII, p. 342, A. von der zyros 
genannten IZevoowiris in Sicilien; nach der oben angeführten Stelle des 
Aelian von den Hunden im Heiligthum des Hadranos erzäblt hatte. Außer 
Vossius de Hist. Graee. p. 68. (103. Westerm.) ijt über ihn Glinten Fast. 
Hell. III, p, 488. zu vergleichen. 


und die Palifen. 83 


. .. . Diefes aber ift weggeblieben und danach iſt die ganze 
Stelfe fo anzuordnen: FI de ’Eoven ng uev Telwag 0009 Evevn. 
xovıa oradım dıeotyrev* Enizizog ÖE Eyvgog Lorıv Ö TOnoc. 
— Kai [n Ilalırn], 70 naraıov Sızeiav yeyernulvn nohıs, 
op’ 7 „al rovg Aklhovg zakovusvovg elvar ovußeßnzev. Statt 


Aekhovs bat übrigens der Coder JEAAAOYC *). 


Nachſchrift. Meberzeugt, Daß ich mich vergeblich mühen würde, 
die Neftitution der Macrobiana Graeca noch weiter zu fürdern, aber mit 
den läftigen Gefühl, noch Einiges unentjchieden gelaffen zu haben, bat ich 
meinen Gollegen C. Fr. Hermann um feine Hülfe. Diefer erkannte al- 
fobald, daß in Polemons Worten: &2 zu vewoov yernraı za Iaooıy oypkı- 
ozavovoe TOYPEMENOYC offenbar Too Teuevous zu jchreiben Jet. 
Dadurch bringen wir das Zeugniß ver Ariftotelifchen Mirabb. 58. 6 dn 
haußdveiv Toy leoka nao’ @vrov Eyyvav UnEo ToÜ zatuaigsıy 
Teva ro icoov mit Polemon in Einklaug und bedürfen Prellers Po- 
lem. p. 130. Ausweg nicht. — 

Es würde mir jehr verdrießlich fein, dieß nicht auch gefunden zu ha— 
ben, wüßte ich nicht, daß man einmal in den Schlingen einer angewöhnten 
Vulgate gefangen felbit das auf flacher Hand Liegende nicht ficht; man 
traut dem gedruckten Worte zu viel und büßt darüber die nöthige Unbefan- 
genheit ein. Auch darin muß ich Hermann Recht geben, daß kurz vorher 
ftatt des von mir vorgefchlagnen & dnauıooıy die Züge ANAPHZYOIN 
auf@v» zonLwoıv führen. Dagegen bleibt es mir noch zweifelhaft, 
ob man fih in den Worten des Kallias mit der oben verfuchten Herftellung 
Ündoxovoı dE Tovıwy oU n0oow oi Aklloı begnügen darf. 


F. W. Shneidewin. 


Insceriptiones Graecae ineditae. 
Collegit ediditque L. Rossius. Fascie. II. Athenis e 
typographeo regio. 1842. 4. (pagg. 93.) *) 


Diefes Heft enthält Infchriften aus den Inſeln Andros, Jos, 
Tenos, Syros, Amorgos, Mykonos, Paros, Aſtypaläa, Nifyros, 
Telos, Kos, Kalymna, Leros, Patmos, Samos, Lesbos, Thera, 
Anaphe, Peparethos. Von dieſen Inſchriften ſind n. 87. 88. 89. 
102. 106. 224. 225. bereits durch Le Bas (Inscr. Graec. et Lat.) 
veröffentlicht worden und aus diefem in die Addenda Corp. inser. Gr. 
Vol. II. übergegangen. N. 89, hätte der verderbte Name I ZEITION 
aus der Abfchrift des Trifupis verbeffert und gefchrieben werben follen, 
TANTION @. h. Cantium). Bekannt waren außerdem n. 134. 
161. Durch die beffere Abfchrift von n. 160. 161. kann Corp. 
inser. Gr. n. 2490. 2495. berichtigt werden. Aber n. 134. ift 
son Hrn. Roß mit Unrecht unter den Amorginifchen Infchriften auf- 
geführt worden. Der wahre Fundort der Inſchrift ift Delphi (Corp. 
inser. n. 1716.). Es rührt lediglich von einem Irrthum her, den 
die Namen Alyınkewog und Aıyıaın veranlaßt haben mögen, 
wenn der Demarchos Demetrios Gaura diefe Inſchrift nach den Rui— 
nen von Arceſine verſetzt. Es iſt auch nicht nachzuwerfen, daß die 
Inſchrift in Delphi und Amorgos zugleich aufgeftellt worden, wie 
die Mitylenäiſche (n. 2189.) auch in Thyatira (n. 3486.) geſetzt 
war. Bon anderen Inſchriften, die bier zum erften Male beraus- 
gegeben find, hat Hr. Roß bereits früher Abfchriften öffentlich mit- 
geteilt pder an Hrn. Böckh gelangen laſſen, wonach felbige in den 
Addendis des Corp. inser. Vol. I. ihre Stelle finden werden. 

*) Die Aufnahme diefer zweiten Anzeige, welche vor Verfendung Des 
dritten Hefts des vorigen Jahrgangs einging, wird Feine Nechtfertigung 


bedürfen, fondern Danf verdienen. 
D. Red. 


Inscriptiones Graecae ineditae 85 


Dahin gehören n. 97. 108. 109. 110. 111. 119. 126. 146. 147. 
148. 209. 218. 219. 153b, 154. 

Um den Werth der neuen Mittheilung näher Fennen zu lernen, 
wollen wir die Infchriften und Infehriften-Fragmente, mit Ausſchluß 
von n. 87. 88. 89. 154. 160. 161., in Klaffen gevronet betrach- 
ten, und die intereffanteren Gefichtspunfte bei jeder einzelnen Klaſſe 
befonders hervorheben. 

l. Die Staats- und Korporationg » Urfunden beftehen in Eh— 
rendefreten von Yängerer und fürzerer Form, wie die von Jos 93. 
Syros 109. 110. Amorgos 120—122. 136. Paros 1504, Afty- 
paläa 158. 159. 162. Telos 169. Kos 175. Kalymna 186, 
Leros 188. Patmos 189., woran ſich die Prorenie- Infchriften an— 
fließen von Sos 94. 95.96. Amorgos 113. Paros 147. 148.: 
die meiften in fehr fragmentarifchem Zuftande, Hiezu fommen noch 
die Fragmente von Thera 198, eine teftamentlihe Verordnung ent- 
haltend, und von Paros 146, deſſen Inhalt höchft intereffant wer- 
den fünnte, wenn es vollftändiger wäre. Ber anderen Fragmenten 
tritt der Inhalt nicht beftimmt hervor, wie bei Kalymna 182, Kos 
176, Amorgos 144, Tenos 99. 103, 

Unter diefen Infchriften ift die von Kos 175 intereffant wegen 
der Genoffenfchaft zur ovunogsvousvov naga Ala'Yerıov. Ob 
es im Anfang dauagyov vder zwueoyov hieß, ift allerding fehr 
zweifelhaft. ES fragt fich überhaupt, ob eine Magiftratswürbe hier 
genannt war; ob es nicht hieß End Nizaoyov Nızopoovog mit 
ausgelaffenem Artifel zov vor dem zweiten Namen. Bol. n. 180. 
Vs. 30. 31. ſchreibt H. N. zfeJoavrwv, was gegen die gangbare 
Ausdrucksweiſe verftößt. Es wird FusgıJoavzwv zu fehreiben fein. 
Wichtiger ft das Fragment von Tenos 103. Aus Corp. inser. 
Gr. n. 2338 fennen wir die Namen von neun Phylen auf Tenos. 
Hier finden wir eine zehnte Phyle, [voaeis genannt; welcher Name 
auch n. 102. zweimal abgekürzt vorkommt. Nichtig ft die Bemer- 
fung des Hrn, R., daß in n. 2338. vs. 20, ODYPALAOF eben 
dieſer Name in der Femininform I voaidog enthalten fer. Auf ei- 
nen Berg von Tenos I'voov, Tvourav nergev, T'voaz nergag 
macht derfelde aufmerkfam. Etwas Neues bietet auch die wohler— 


86 Insceriptiones Graecae ineditae 


balterre Infchrift von Syros 109, welche unlängft auch Hr. Curtius 
im Nhemifhen Mufenm N. F. I. p. 103. herausgegeben hat. 
Diefe Itefert nämlich Die Remininform aoyeirn, wofür man früher 
nur @oyis Fannte, Daffelbe Wort fand Hr. N. auch in einer at- 
tischen noch nicht edirten Inſchrift aus der Zeit der Antonine (ov- 
vagyelvn)., Alles diefes würde aber Leicht übertroffen werden durch 
dag einzige Fragment von Leros 158, wenn die mit ziemlicher Zu— 
verficht aufgeftellte Vermuthung des Hrn. R. gegründet wäre, Die 
Bewohner von Leros ehren einen Hefatävg «geıns Eveza za Enı- 
uekeiag mv [Ezwv diareist n]egl avrovs. Diefes Faktum bringt 
Hr. R. in Verbindung mit der Erzählung des Herodotos V, 125, 
wonach der befannte Gefchichtfchreiber Hefatäos den Joniern den 
Rath ertheilte, auf der Inſel Leros eine Feftung zu errichten und 
von dort aus den Krieg weiter zu betreiben. Nun wiffen wir aus 
alten attifchen Tributverzeichniffen, daß Leros von den Meilefiern 
befegt war. Hr. R. fchließt daher, daß bereits damals in Folge 
des Nathes des Hekatäos die Infel mit milefifchen Kleruchen befegt 
wurde (2) und daß diefe Kleruchen denfelben Hefatäos gleichfam als 
ihren olzıorng oder n005Ev0G durch das vorliegende Dekret ehrten. 
Aber obgleich die Anfangsworte der Infchrift fehlen, fo iſt doch fo 
viel Ear, daß Hekatäos weder als orıorng geehrt noch zum m90- 
Sevog ernannt wird. Hefatäos hat fi) um die Bewohner der In— 
fel verdient gemacht. Sie beloben ihn dafür vnd fihern ihm und 
feinen Nachkommen Freundschaft und MWohlwolfen. Abgefehen von 
diefem nüchternen Inhalte, fo zeigt auch die Abfaffung des Defretes 
und feine ganze Form, daß wir an ein fo hohes Alter (DIE. 70,1.) 
nicht denken können. Die Form der Buchftaben läßt fich nicht als 
Maßſtab der Beurtheilung anlegen, da diefe auf dem Stein faft 
unleferlich find. Sp fehr aber Inhalt und Form der Infchrift gegen 
die Bermuthung des Hrn. N. fpricht, fo wollen wir doch die Unhalt- 
barfeit derjelben noch weiter nachweisen. Der Vater des bier ge— 
lobten Hekatäos ift nicht Hegefandros. Sein Name ift in den noch 
übrigen Buchftaben im Anfang der erften Zeile enthalten. Die 
Buchftaben OAIT2IIER geben offenbar PIO-NFLIIER, und 
der Anfang der Inſchrift lautet fo: 


eollegit ediditque L. Rossius. 87 


"Edoss Milnolov rois 8) Akom zuroızovow* - 

6 deiva toV deivog &insv- ’Ensıdn "Ezare- 

dog I1]oAvlwidew zuyy[alofsı dia navrög ev- 

vJoıa[v] za noosvuv dızalav nagelyo]usvols 

Es] TOVG Ev 197 vn0W »aroızoüvrag ıwv [n0- 

Alırwy cet. 
Diefes Dokument, welchem ein anderes vworausgegangen fein mag, 
wie man aus Vss. 13. 14. 15. fohließen fann, gehört offenbar der 
Zeit Alexanders des Großen an. 

Sn den übrigen hierher gehörigen Infchriften und Infchriften- 
Fragmenten läßt fi) die und da Einiges ergänzen und berichtigen, 
wie 3. B. 308 93. 3. 5. «yadod zıvog wel nulgultıov yevo- 
uevov; 3.6. unoxowolaı]; 3. 9. naguyer[ousvos, wo naga- 
yernraı ohne Sinn wäre. Syros 110. 3.9. eis 7 PovAn 
[&xoıwe]; 3. 12. &)evIeooıg, nicht dnekevdegoıg; 3. 20. En 
rorzwv [ou]v vyei« cet. Diefes Fragment wird nebft einem an- 
dern größeren, welches ohne Zweifel dazu gehört, ex schedis Rossi 
et Cocconidis im Corp. inser. Vol. U. Add. p. 1060. beraus- 
gegeben. Amorgos 122. 3. 22. 23. fann es nicht geheißen haben: 
ovv JE zul Swryoryor, Athenäos, der Sohn des Kanachos, hat 
nur eine Tochter Euphemia binterlaffen. Soterichos, der durch die 
Inſchrift B geehrt wird, iſt nicht Sohn deffelben Athenäos, fo we— 
nig als die C genannte Euphemia diefelbe ift, welche Athenäos hin— 
terlaffen hat. Beide gehören aber zur Berwandtfihaft des Athenäos, 
des Sohnes des Kanachos. Deßhalb wurden fie beide in demfelben 
Grab beftattet. Aftypal. 158. iſt MMeverov ganz richtig, und 159. 
3.4. ift Fausde]oIaı zu fehreiben. Telos 169. 3. 5. zus 
[r]o[9]odovs; 3.6. &yoorny]noe. 3.11. ala za av] z[a9] 
a[vro]y yoslav cet. Patmos 189. im Anfang vermuthet Hr. N. 
die ausdrückliche Angabe der Magiftratswürde des Sopolis. Die 
überlieferten Buchftaben führen jedoch geradezu auf den Baternamen, 
3. B. Avrouerwvog, mit ausgelaffenem Artifel zov. 3. 16. 17. 
eonjieirt Hr. N. ra Eograoıuaia, was fich nicht halten läßt. Die 
Buchftaben ZINALA find nicht richtig  gelefen. Wir glauben 
OEMATA darin zu erfennen; rag Te Hvolas En[ı]re[2]eoafı 


88 Inscriptiones Gracecae ineditae 


xal [a [IEJuolr]® vrnodeyeodar. Vgl. Corp. inser. n. 2954. 
B. 3082. 3493. Später 3. 20. 21. ift AreS[avdosiw|v zu 
ſchreiben. 

An dieſe Klaſſe von Inſchriften reihen ſich die tiluli honorarii 
der Kaiſer (Amorgos 130. Aſtypal. 153%. Kos 180. Samos 192. 
Peparethos 224. 225.) und Privatperſonen (Andros 90. Amorgos 
128. Aſtypal. 133b6. Kos 181. Samos 193. Lesbos 196. 197. 
Thera 215. 216. 221.), welche theils vom Staate, theils von 
Korporationen und Einzelnen ausgehen. Zu legteren gehören Thera 
205. 207. und die auf Verſtorbene bezüglichen Thera 203. - 204. 
206. 208. 209. 210. 211..212..213.214. 218. Amorgos 115. 
Unter diefen iſt n. 225. nicht unintereffant. Sie giebt eine dritte 
Stadt auf Peparethos, Gelinus genannt. Diefe Infchrift Hat Le 
Bas herausgegeben nebft drei anderen von derfelben Snfel, worun- 
ter fih auch n. 224, befindet, Nach der Virlet'ſchen Abfchrift bei 
Le Das fteht 3. 4. IKECIOSNCIKOOIDXCDOHTTIOC, 
wonach zu fehreiben ft: Zxeouog Neızopnuov Iprrruog. In der 
anderen Inſchrift n. 224. iſt nach der Virlet'ſchen Abfchrift bei Le 
Bas 3. 5 ff. zu leſen: Diraderpog 6 zur Xaugskıavög &x Tav 
dor. Aug dem Namen Narpfardravos läßt ſich fchließen, daß 
der @oyısoevg Philadelphos als der Karferfamilie Aelia zugethan 
gelten wollte, Beide Infchriften von Peparethos werden im Corp. 
inscr. Vol. II. Addend. p. 1021. erfcheinen. In der Lesbifchen 
Inſchrift n. 196, Haben wir 3.3. Fezovvdov [I10]02ARov zu Iefen. 
Auf dem Steine fand wahrſcheinlich ZONPO. Am Schluß fehlt 
eine Zeile, welche offenbar AILOAA2NOF enthielt. Jetzt iſt 
diefe Inſchrift ex schedis Kieperti im Corp. inser. Vol. IH. Ad- 
dend. p. 1027. aufgenommen. 

Zu den öffentlichen Urkunden gehören auch die Briefe von Kö— 
nigen und Kaiſern. Auch folche finden ſich unter den mitgetheilten 
Sragmenten. N. 166. enthält einen Brief des Königs Philippos, 
Sohnes des Demetrivs, an die Nifyrier, in Verbindung mit einen 
Bolfsbefchluffe, der fi) auf den Brief bezieht. Der Volksbeſchluß 
ift jedoch nicht vollftändig. Unter den Amorginiſchen Inſchriften fin- 
den wir einen fehr verſtümmelten Brief, der nad Hrn. R. nicht 


collegit ediditque L. Rossius. 89 


ungegründeter Bermuthung von dem Karfer Antoninus Pius herſtammt. 
Aus der Ueberſchrift find noch ein Paar Sylben erhalten: — — — 
Adrozgaıwg — — — Miwntav rn Bovjın zul [to dyum 
xal Tois @9yovor yaigeıv,. Nicht unintereffant ift der Brief des 
römifchen Senates an einen vir senatorius auf Paros 152b., ver 
vom Sabre 204 unferer Zeitrechnung datirt iſt. 

U. Der Klaſſe der Kataloge fallen mehrere Fragmente zu, 
wie von Tenos 98, ein Verzeichnig von Magiftratsperfonen, nad) 
Semeftern aufgeführt, ähnlich ven aus dem Corp. inser. 205. 206. 
befannten; 100 em Namenverzeihmiß nach Phylen; von Samos 
191. ein längeres Berzeichniß von veozodeı, welches durch die Da— 
tirung nad) der epocha Acliaca ausgezeichnet iſt und auch wegen 
der Andentung einer römifchen Kolonie, die ebenfalls zur Aufnahme 
einer neuen Hera Anfaß gegeben, Erwähnung verdient, In diefem 
Verzeichniß iſt Col. A. 3. 21.22. zu leſen: Mnrooßiov, gvl[oeı] 
dE A ıd, Swxrng Ilvdados. Ein anderes Fragment yon My— 
fonos 45. enthält Aufzählung von Weihgefchenfen, von heiligen 
Geldern, und von Ausgaben für heilige Spiele. 3.23. 24. feheint 
gefagt zu werden: zul 7 Bvoow [7 Eyovoa] Erarov [yJofa]s IM. 
Wenn der Kyzifener Apollodoros (3. 92.) derfelbe ift, der im 
Corp. inser. n. 1590. vs. 25. erwähnt wird, fo iſt diefe Infchrift‘ 
um Olymp. 132. verfaßt. Andere Fragmente geben bloße Namen, 
wie das von Samos 173. vder erwähnen einzefne Weibgefchenfe, 
wie das bereits von Thierfch herausgegebene Fragment von Paros 
150b. c- welches jet im Corp. inser. Vol. II. Addend. p. 1076. 
aufgenommen ift. Im erfteren fommt der Name Seruazng vor, 
welche Form Hr. R. mit dem neugriechifchen Gebrauch (Ilaviuzns, 
Anuntoeens) vergleicht. Jene Form gehört aber offenbar einem 
antifen Barbarismus an, welcher fich von Verfien herſchreibt. Man 
vergleiche die fremden Namen Daovazıs, ”Aoodzms und Corp. 
inser. Vol. I. p. 115b. An das andere Extrem erinnert die 
Anfiht des Hrn. N. (P. 20.) über die Formen Sxonag, Iloo- 
zag, Agıoreas, welche noch von den Pelasgern herrühren follen. 
Intereſſant ift das teniſche DVerzeihniß von Ausftattungen, 102. 
welches auch. Le Bas a. a. O. n. 158. berausgegeben hat. Um 


90 Inscriptiones Graecae ineditae 


das Verftändnif diefes Fragmentes zu erleichtern, Taffen wir hier 
die Neftitution von Z. 5. an folgen: 

‘O deiva ı@ delvı noolxa Eene]dwzev Eni 77 Suyargl TH avrov 
Eunsdia [aoyvorov douyuag Tooag zal Tooag. 6 dE delva 
Enstiunoe no0S Tnv nooixa a zwola ra &v Oim "Yulzıydızao 
zal ta &v Keoroew zal tarla ra aülrov. 6 deiva zw deivı 
nooia Enedwxev Eni rn Ioyalıol 7 avrov Daıwiozn doyvglov 
do@yuas dıoyl[irklas. 6 deiva Too deivog Terlsıdı — — ngoie« 
enedwxrev En cn Ivyorgi ın avrov] Agıororkeign agyvgiov 
doayuas Jdıoyıhlas. Teloıs [DE aneriunoe noog nv mo0iza 
Ta ovToV navra. 06 delva ı@ delvı tov deivog] — vov Tu- 
galEevV5) Zevmvı Ilıoro(£evov) HAovalxed) Enedwxe moolxa [Eri 
zn Ivyaroi Ti) aurod — — — — aoyvglov dgayuas TOoag 
xal tooug. Bevov de aneriunoe no]dg Tr noolxa Ta @WÜToV 
EWR ln 6 deiva nooiza EnE- 
Öwxe zo deivı] ’Aoıoro(zoarovg) I vou(ed) Ent Nixnoöm m 
untol 19 a|örov aoyvolov doayuas TOoag zul tooeog cet. Alfo 
der Mann, der die mo0lS empfängt, anorıuz va &avrod eig mv 
zooisa (vgl. n. 126.) oder n005 mv none (wgl. Poll. VI. 
142.). Ueber das dnoriunue f. Meier u. Schömann Att. Proe. 
II. 2. p. 419. Bon dem neuen Phylennamen T'voasvg iſt fchon 
oben geforochen worden. Das Olov 'Yazıvdızov kommt auch in 
einer andern Tenifchen Infchrift n. 103. vor. — Endlich finden fich 
noch Verzeichniſſe von Ländereien aus ziemlich fpäter Zeit, drei von 
Thera 220, und ein ähnliches Fragment aus Aſtypaläa, welches 
ohne Nummer auf dem erften lithographirten Blatt ſteht. Diefe 
haben eine eigenthümliche Form und find hie und da wegen ge- 
wiffer Abkürzungen ſchwierig zu leſen. Treffend fcheint die Be— 
merfung des Hrn. N. daß das siglum I iugera und FTP ver 
IT over T, welches bei den Olivenbäumen fteht, yvow_ vder 
yvomuara bezeichnet. N. 220 A beginnt ASeonoriag Evpgo- 
ovyng Suyoroog Ilaonyogiov. 3. 6. Asonoriag Ilagnyoglov 
&5 anoygapns Aovrıavod, u. f. f. Die verfihiedenen zw- 
oa, welde einer deonoria zufallen, find mit befonderen Na- 
men aufgeführt. Dann folgt die Angabe, wie viel y7 omogıuos, 


collegit ediditque L. Rossius. 91 


wie viel @uneroı und E&Aalaı fie umfaffen, nebft anderen Be- 
merfungen, 

II. Geringer ift die Anzahl von Weihinfehriften: Jos 97. 
Syros 107. Amorgos 114. 135. 137. Paros 149. Aſtypaläa 
154. 155. 156. 163. Kos 172. 177. Kalymna 179. Patmos 
190. Samos 194. 195. Anaphe 222. 223. Hier verdient die 
metrifche Infchrift von Patmos 190. eine Erwähnung. Sie lehrt, 
daß auf Patmos, gleichwie auf Ikaros (Strab. 639.) , ein Heilig- 
thum der ſkythiſchen Artemis war, Die Infchrift iſt fchwer zu leſen. 
Einiges hat Hr. R. wiederzuftellen gefucht. Alles zur Klarheit zu 
bringen, iſt bei der Befchaffenheit der Abfchrift wohl unmöglich. 
Am fhwierigften find 3. 5. u. 14.5 daß aber 3.5. der Geburts: 
ort der Kydippe angegeben war, fcheint als ausgemacht betrachtet 
werden zu fünnen. Ber den Buchftaben INOEN 3. 9. muß der 
Steinhauer felbft einen Fehler begangen haben. Mean bemerkt auch 
eine Korreftion über IN, welche dem Diphthong EI nahe kömmt. 
Es fcheint fein Zweifel zu fein, daß dort Ipılyevsıa]v ftand. Ipı- 
yersıa ift der Hefate, gleichgeftelft (Hlerod. IV. 105. Paus. 1.43. 1.) 
Die Hermionenfer hatten auch ein Heiligthum der Aorswig Enı- 
#Amoıv Igıygveıa (Paus. II. 35. 1.). 3. 3. Ilervin ift eine 
andere Form für Ilarvog (3. 6.) oder Ilarwos, wie man "Ixa- 
005 und Ixagıa fagte. Die ganze Infchrift würden wir fo Iefen: 

Ayasy vuyn‘ 
Avrn naoderızn ’Erapmßorog aunreıoav 
Irzaro Kvdlinnn]o , Ifra]vriew Iuyaroa, 
Üdoopogor 7v [ev] Ilarvin napap[w]ua 6851 
onagdvrwv alyov Eußova zarkıdurwr. 
5 zn alaleloln alev A9]pwall]y ralorıg, 7 dE udn 
&x yelvlelt]ns Blalely] &xroopos Eorı Ilarvog, 
vn0006 alpa]v[volrarn [A]nrwidog, 75 ngoß&ßnze 
[B]ev9e0ıv Altyarlng Edoava Gvouern: 
 [ells öre Iyılyeveia]v agnlog eloev "Ogeorng 
10 [EvIa0’ avızu]Evng unroopovov arınz. 
zyv 0’) "Ezarlyv]) plün 97 Ivylaryo oopoV intngog 
Thavxılew, PojvAle]is Agreudog. Irvgung 


92 Inscriptiones Graecae ineditae 


Aiyalov n)[w]o[ao]a [E0]ov dvoysinzoov ordus 
volyıla zofıwwveliv, [ö]s erus, nyAaioer. 

Evrvyus. 
3. 5. Anfg. war auf dem Stein TIIIAFH, wie T und P au 
3. 10. verbunden erfcheint. AImvaln mokıs iſt pretiös f. zorız 
AInvov vd. aorv ’AImvor. 3.14. ift gedacht wore zuırwvsiv 
ois Voyıalovor. Für die Structur ogyıa zowwveiv läßt fich 
vergleichen Eurip. Electr. 1048. . 

IV. Auch in den Grabinfchriften finden wir die gangbaren 
Formeln wieder, wie fie nach dem früher befannten Inſchriftenſchatz 
in den Elem. epigr. Graec. verzeichnet find. Entweder fteht der 
einfache Name im Nominativus, 0 deiva, wie Amorg. 142. Ka— 
Iymna 183. 184. 185. Thera 199. 201b, wozu; bisweilen auch 
der Vatername tritt, 6 deiva Tov deivog, wie Amorg. 116. 125. 
138. 139. 141. Nifyr. 168. Kos 178. Thera 217. 219. und 
hie und da die Formeln, yadoe Amorg. 140. Kos 178. oder zonore 
zaloe Ten. 101. Amorg. 124. Paros 151. Kalymna 187., vder 
005 zxaroe Amorg. 117. 133. 143. auch xonors üylaıve Afty- 
pal. 157.5 oder der Name fteht im Genitivus, zo delvog, Amorg. 
119. Kos 170. 171. 178. Nifyros 168. Kalymna 183. Thera 
200. 201a. 202. 219., mit dem Beifag C7 Amorg. 112. Hieher 
können wir auch die in chriftlichen Zeiten übliche Form zov deivog 
Ö Tonog rechnen, wie Andros 91. (vgl. Elem. epigr. Graec. p. 
542.) , wenngleich hierüber nicht immer mit Sicherheit entſchieden 
werden kann. Denn nicht felten wird ein Platz im Theater oder 
fonft ein Befis damit bezeichnet (vgl. Elem. epigr, Gr. p. 338.). 
Die weitfchweifige Form fpäterer Zeiten 6 deiva To urnuslov xa- 
TEoxeVa0EV &avıo cet. (f. Elem. p. 341.) iſt durch das einzige 
Beispiel vom Kalymna 187 repräfentivt. Unter diefen Grabinſchrif— 
ten veihen fich die n. 119. 199. 201%. 201b. an die Alteften von 
der Nechten zur Linken gefchriebenen Theräiſchen an (Elem. epigr. 
Gr. p. 51.), welche Hr. Noß (Annal. dell’ Inst. cet, Vol. XI. 
fasc. 1. 1542. p. 18.) einem nod) weit höheren Alterthum zufchreibt, 
als es won Hrn. Böckh und dem Unterzeichneten gefiheben iſt. Da 
Hr. R. unferen Gründen Feine anderen gegenüberftellt, fondern nur 


ceollegit ediditque L. Rossius. 95 


fein individuelles Urtheif zum Ausdrud bringt, fo können wir bie 
Sache einfiweilen auf ſich beruhen Taffen. 

Aukerdem finden wir hier einige metrifche Grabinſchriften, 
welche jedoch meift ziemlich fehlecht erhalten find, Syros 106. 111. 
Amsrgos 118. 123. 131. 132. Paros 151. Aftypal. 164. Kos 
174. Die Inſchrift 111 wird ex schedis Cocconidis im Corp. 
inser. Vol. II. Addend. erſcheinen. Nach diefer Abſchrift Laßt fich 
Einiges beffer in Ordnung bringen, wie 5. B. a. 3, 1. Esoxo]p 
evd’ Zniknnıov Env cei. und 3. 11.12. zal Iar’] ayos Asınwv 
nonnw ueyarvdei porl [Movoaıw cet. Die Infchrift 118 le— 
fen wir fo: 

O wovooreyv[n]s w Ear]ocpsı Kardır[oır]og 
naoav uasnoıw Vuvolnlofı]ov Evdidovg. 
eis ueroa [0’] H[B]ns Ss Evnolzlounv, tote 
[@]®g05 zis aforoen]tov [oxölunv T[on]ov. 
Eysıg ünavra uvIov: zÜo[dsı, eve. 
wo worgenzog tonog = "Adns. 3.1.3. hat Hr. Keil ebenfo 
gelefen. Die Inſchrift n. 131 iſt aus fpäter Zeit und ungefchickt 
abgefaßt. Am unglücklichſten war der VBerfaffer im erften Hexameter: 
Xairooıg naoı Boorois, Evrvyov [ex]yor[e], naos Pine, 
Karorvys, [£n7ou]s Avzaßavrag TEOoa0azoVTa* 
nAn|yleis Evxepgaroıo zaxuv uo00v Eläjereli]eo[olalg 
&v ue)uF0010L Aınav aA0y0V xzal vanıa Texva. 
In der Grabfohrift n. 174. 3. 1. wird man leſen müffen: 
Taxelra[ı] & [uar]n7o, Sleuvolorore, daxovyEovoa. 

V. Zu den terminis (Elem. epigr. Gr. p. 333.) gehört 
Eyr. 108. Amorg. 126. wo Hr. R. eine ähnliche noch) nicht edirte 
attifche Inſchrift mittheift, und die Worte auf einer Mauer in Ni— 
ſyros 165 ano rov reiysog daudoıv To ywglov nevrs nodag, 
wodurch verboten wird, in unmittelbarer Nähe der Mauer etwas 
zu bauen. Auch einen lateiniſchen Terminus aus Paros verzeichnet 
DEI, n. 192. 

VI. Die griehifhe Hymnologie hat ebenfalls einen Fleinen 
Zuwachs erhalten durch den fragmentarifchen Preisgefang der Iſis 
son Andros 92. und durch ein noch unvolftändigeres Fragment von 


04 Insceriptiones Graecae ineditae. 


Tenos 104., deren Diftion an Nonnos und feine Schule erinnert. 
Der Hymnus auf die Jfis hat unterdeffen an Herrn Hermann Sauppe 
CYuvog eig ’Ioıv, Turici, 1842, 4.) einen Bearbeiter gefunden. 
Hoffentlich erhalten wir durch Hrn. Prof. Welcker, der fi mit 
demfelben bereits in Athen befchäftigt hat, eine volfftändigere Ab- 
fehrift diefes Hymnus. 

VI. Endlich findet fih auf einem Stein von Amorgos 1297. 
auch die Spielerei mit dem griechifchen Alphabet, die wir aus Va— 
fen und etruffifchen Gräbern Fennen (Elem. epigr. Gr. p. 22.), 
fo wie aus zweien im Mufeum zu Leyden befindlichen in Aegypten 
gefundenen Tafeln (Neuvens in Leltres aMr. Letronne 5, p. 111.). 
Daß diefer Spielerei irgend ein Zweck zum Grunde Kiegt, braucht 
nicht bemerft zu werden. Aber diefer Zweck kann nicht überall der- 
felbe fein. Vaſen, wie die in den Elem. a, a, O. befchriebene, 
mögen allerdings ein inftructives Gefchenf für Kinder gebildet haben, 
Aber der Amorginiſche Stein, auf dem das ioniſche Alphabet mehr 
als zwanzigmal wiederholt erfcheint, zeigt deutlich, daß der Stein— 
bauer entweder im Einhauen der Buchftaben fi üben wollte vder 
dadurch ein Zeugniß von feiner Qualification als quadratarius ab- 
legte. Ein Seitenftück dazu findet fih auf einem römischen Ziegel 
im Mufenm zu Leyden (Zeitfehr. f. Alterthumswiſſ. 1541. P. 1032.). 
Sonſt hat auch die Magie von dem’ Alphabet Gebrauch gemacht, 
worauf O. Jahn (Bullet. dell’ Instit. cet. 1838. p. 153.) hin- 
weiſet. 

Berlin. J. Franz. 


Weber die ſchwachen Verba der Tateinifchen 
Sprade. 


Die nachftehende Unterfuchung über die ſchwachen Verba der 
lateiniſchen Sprache bedarf zu ihrer Begründung einiger Lehrfäße 
aus andern Theilen der Sprachforichung, die ich der Bollftändigfeit 
wegen mit wenigen Worten voranftelle, 

Der erfte Sab ift fchon von J. Grimm (D. Gr. II. S. 85. 
IV. S. 50) ausgefprochen worden. Um fo kürzer kann ich mich 
dabei faſſen. Ich meine die Nichtigfeit der Unterſcheidung zwifchen 
tranfitiven und intranfitiven, oder, wie fie 3. Berker nennt, zwifchen 
fubjeetiven und objeetiven Verben, welche, wenn auch nicht im fpä- 
tern Gebrauch einer Sprache, fo doch vom Standpunft der Sprach— 
forfhung ganz zufammenfallen. An fih iſt fein Berbum weder 
fubjeetio noch objectiv; das Iegtere wird es erft durch das hinzuge— 
fügte Object, ") und wenigſtens in Bezug auf das Griechifche und 
Lateinische Fann man, wenn man für leßteres den dichterifchen Ge— 
brauch mit Hinzunimmt, geradezu behaupten, daß jedes Verbum einen 
Acenfativ zu fih nehmen könne. Freilich wird das eine Verbum 
vermöge feiner Bedeutung dazu geeigneter fein als das andere, und 
wenn es denmach häufiger einen Accufativ bei fich hat, fo wird dieß 
feicht auf das Verbum felbft zurüchvirken, und fonach der tranfitive 
Gebrauch nach und nach etwas ihm Inhärirendes werden. Für die 
etymologiſche Betrachtung ift dieß aber gleichgültig, und wir wer— 
den alſo jene Unterfcheivung, außer wo es fi um den bloßen Ge- 
brauch handelt, bei unfrer Unterfuchung als hemmend und irrend 
ganz unberückfichtigt Taffen. 


1) Eben fo fpricht ſich auh 3. A. Hartung, Ueber die Caſus ıc, ꝛc. 
©. 56, hierüber aus. 


96 Ueber die fhwahen Verba 


Der andere Satz bezieht fih auf die hiſtoriſche Umbildung der 
lateinischen Sprache, welche befanntlich ein Zweig des weitverbrei- 
teten Sanffritfprachftammes ıft. Wenn wir nämlich annehmen, wie 
denn nach den Nefultaten der neueften Forſchungen darüber kaum 
ein Zweifel obwalten kann, daß die lateinische Sprache als eine ein 
gewanderte angefehn werden muß: fo wird man es wenigftens als 
möglich und nicht unmwahrfcheinfich gelten laſſen, daß in ihr auch 
noch in der fpätern Zeit, als vermöge der veränderten Dertlichfeit 
und fonftiger Umftände andere Sprachgefebe eintraten, dennoch) 
manche Spuren eines älteren Spracheharaeters erhalten worden feien, 
welche einer Zeit angehören, wo das die Sprache redende Volf noch 
in anderen Gegenden lebte und in anderen Verbindungen ftand. Und 
diefe Spuren wird man vorzüglich in folchen Bildungen fuchen, 
welche in der früheften Zeit entftanden und uachher durch Zufam- 
menziehung oder andere Uebergänge unfenntlich geworden find. Man 
wird fich daher nicht wundern dürfen, wenn man bei Zerlegung von 
Worten und Formen 3. DB. auf Vokale ftößt, welche fonft, wo fie 
offen lagen, im Lateinifchen eme beſtimmte Veränderung erfuhren, 
und wird daher in manchen Fällen als den eigentlichen Grund» und 
Stammookal nicht den fonft im Lateinischen herrfchenden, fondern 
einen andern urfprünglicheren anzunehmen haben, der fih am häu— 
figften als folcher im Sanffrit erkennen laffen wird. Ein intereffan- 
tes Beifpiel hierzu Tiefert der Conjunctiv Präfentis und das mit 
dieſem in der Zten und Aten Conjugation zufammenfallende Futu— 
rum. Diefe Formen, welche fonft offenbar auf dieſelbe Art ent- 
ftanden fein müffen, zeigen nämlich auf der andern Geite wieder 
manche Abweichungen, die ſich aber auf einmal erklären, wenn man 
mit Bopp (Conj. Syft. S. 98) vom Sanffrit ausgeht und dem- 
nach als den urfprünglihen Bindevokal a (nicht das fpäter im La— 
teinischen an deffen Stelle getretene ©), und als Charafteriftifum des 
Conjunctivs I annimmt, Hiernach würde alfo die urfprüngliche 
Form eigentlich amaim, doceaim, legaim, finiaim gelautet haben. 
Indem man aber entweder ai in € zufammenzog, oder dag i durch 
a verfehlingen ließ, fo entftand daraus amem oder doceam, legam, 
finiam , und eben fo Fonnte dann in der ten Perfon der beiden 


der fateinifhen Sprache. 97 


zufeßt genannten Formen entweder das a beibehalten oder wieder © gefegt 
werben, was man benußte, um den Conj. Präf. und das Futurum 
zu unterfcherden. Endlich erklären fich auch die Conjunetiven sim, 
velim, edim, duim (f. Etruve, lat. Deel, u. Eon). S. 146) auf 
diefelbe Art, indem bei ihnen nicht i durch a, fondern a duch i 
serfchlungen ward. 

Bon diefer allgemeinen Bemerkung werden wir infofern Ge- 
branch machen, als wir daraus zunächft wenigftens Die Möglichkeit 
abfeiten, daß die Nomina der 2ten Declination, welche im Nomina- 
tiv auf us oder um auslauten, in gewiffen Ableitungen nicht u, 
fondern a als Auslaut des Stammes bewerfen können. Dieß iſt 
nämlich der entfprechende Auslaut im Sanffrit, und wenn diefes A 
fich im Lateiniſchen fonft in u verwandelte, fo wäre demnach anzu— 
nehmen, daß jene Ableitungen wor diefer Umwandlung entftanden 
wären, und daß die Umwandlung fih nicht auf fie erftreeft hätte, 
weil die Analoge für das Sprachgefühl verdeeft war. Hat fih 
Doch jenes a nach Potts wohlbegründeter Anficht Ch. Etym. Forſch. 
1. ©. 429) in einigen Nominen auch, wo es ganzxoffen lag, er— 
halten: denn die Maseulina der erſten Declination, wie scriba, 
auriga u. f. w., find wohl unzweifelhaft nichts anderes als Nomina 
agenlis, die im Sanffrit a zum Auslaut haben, welches fonft im 
Lat. in u übergegangen iſt, in jenen Beifpielen fi) aber als Aus- 
nahme erhalten hat. 

Mit denen auf us fallen aber auch die Nomma der 2ten 
Decl. auf er, ir, ur zufammen, denn diefe find Durch Abwerfung 
der Endung us entftanden und machen alfo in Diefer Beziehung Feine 
Ausnahme, f. Schneider, Formenl. ©. 56 und Bopp, Berge. Gramm. 
S1ät. 

Danach würden alfo außer den Nominen der erften Deelina- 
tion möglicher Weife auch die der zweiten Deel. in Ableitungen ein 
a als Auslaut des Stammes zeigen fünnen. 

Aber auch Die Nomina der fünften Declination haben a zum 
Auslaut des Stammes; denn deren Endung und Bildung iſt ur— 
fprünglich ganz identisch mit der erften Deelimation, mit der fie ja 
auch häufig die Form wechfeln, wie barbaria neben. barbaries, 

Muſ. f. Philolog. N. 3. II. 2 


98 Ueber die [hwadhen Derba 


duritia, materia, luxuria, mollitia, planitia a. f. w. neben duri- 
ties u. f. w., ſ. Schneider, Formenl. ©. 483. Bopp vergl. Gr. 
©. 141 ff.) erilärt die Entjtehung der Form der fünften Declina— 
tion dadurch, daß e ftatt a eingetreten und, was allerdings beim 
Femininum ein feltner, aber vollfummen ag Fall ift, das 
Nominativzeichen S angefügt worden fer. 

Endlich ift noch zu bemerken, daß die Nomina der Iten und 
äten Declination fehr haufig erft durch Abkürzung der Endung in 
dieſe Deelination eingetreten find, während fie urfprünglich der er— 
ften oder noch häufiger der zweiten Declination angehörten: fo daß 
alfo auch ber ihnen nicht felten a ald Stammauslaut angenommen 
werden kann. Man fieht dieß darin, daß von vielen Nominen, 
welche fonft im gewöhnlichen Gebrauch die Endung abgeworfen ha- 
ben, die vollere Form noch nachgewiefen werden fan. So bezeugt 
Feſtus die Formen decurionus, centurionus, curionus ftatt de- 
eurio, cenlurio, curio, und fo wird vasum neben vas, glulinum 
neben gluten, vomica neben vomex (f. Schneider, Formenl. ©. 113), 
eassida neben cassis, chlamyda neben chlamys, cratera neben 
crater, termen ueben terminus angeführt, und der gleihe Fall 
findet auch bei den Adjectiven ſtatt, wenn unter dieſen z. B. gra- 
cilus neben gracilis exiſtirt, was bekanntlich ſehr häufig vor— 
kommt. Am deutlichſten iſt aber die Verkürzung in den meiſt als 
Composita vorkommenden Nomina agenlis wie iudex, auspex, 
anlistes, hospes, tibicen, wo theils die volle Endung des Mascu— 
finums feloft in andern Compofitis (wie caussidicus, prospieus 
und despicus) , theils wenigftens die des Feminins (wie anlistila, 
hospita, tibieina) noch erhalten if. 

Die vierte Declination aber befteht durchgehend aus Nominen, 
welche Durch Anhängung des Sanftritfuffirums vas gebildet worden 
find. Diefes Suffixum mußte im. Lateinifchen vus lauten G. B. 
caeduus, pascua, arvum); man fließ aber von den beiden zuſam— 
menftoßenden u dag eine, meift das der Endung aus, und fo entftand 
diefe neue Deelmation, welche ſonach nur urfprüngliche Nomina der 
zweiten Deelmation enthält. ) Wie leicht eim ſolches U ausge- 

2) Freilich) Scheint Hier das s des Genitiv Sing. und das Nom. Blur, 


der lateinischen Syrade. 99 


worfen wurde, fieht man aus DBeifpielen wie savium ftatt und ne— 
ben suavium, promiscam ftatt promiscuam oder promiscue, (f. 
Feſt. s. v. vgl. Sell. XVI, 13, 4, wo promiscus adjectisifch ge— 
braucht ift), protinam von einem Adjectivum prolinus neben con- 
linuus (ſ. Barr. 1.1: VII, 105 Müll. u. a.), pascalis ft. pascua- 
lis (ſ. Feſt. s. v. u. S. v. solox), und andere durch Vergleichung 
des Sanffrit zu gewinnende Beifpiele bet Bopp, Bergl. Gramm. 
©. 470, Daß-aber die vierte Deel, durch Herauswerfung eines 
jener zwei u entftand, fcheint am deutlichften daraus hervorzugehn, 
daß nicht nur das u der Endung felbft, fondern auch das dem 
Suffirum als charafteriftifch angehörige u (der V) in vielen Wor> 
ten heransgeworfen ward, wodurch Diefe geradezu in Die zweite De- 
elination übergingen. So fommen folgende Formen: tumulti, 
quaesti, sumpli, senali, exercili, flucü, lucli, aspecli, aesti, 
piscali,-porli, salü, parti, frucli, advenli, gemili, ornali, arci, 
ieli, strepiti, soniti, victi, versi, caeslis, felis, versorum und 
versis, lacis, pedato, quercorum °) neben tumultus u. ſ. w. vor, 
neben torus gebraucht Varro (I. 1. V, 142. 167) torvus, woraus 
fi ergiebt, daß auch. diefes Wort feine gewöhnliche Form durch 
Herauswerfung des v des Guffirums erhalten, und das Gleiche gilt 
auch von sonus, yon welchem Siſenna (ſ. Non. S. 491) die Form 
sonu gebrauchte, 9) 


noch einen bedeutenden Anterfchicd zn machen. Wenn diefes aber jetzt in 
der erſten und zweiten lat. Deck. fehlt, fo dürfte dieß Feineswegs auch ur— 
fprünglich jo der Fall gewejen fein. Wenigitens in der erſten Dec. find 
die archaiftifchern Formen familias und ähnliche befannt genug, neben denen 
die Inſchriften die neh urjprünglicheren Saturniaes, Proculaes, dominaes 
u. a. darbieten, und Die ofeische und umbrifche Declination, "welche manches 
Urfprüngliche der lateinischen Sprache erhalten zu haben ſcheint, hat das s 
am Ende noch in weiterem Umfange bewahrt: fo daß es Feine allzugroße 
Kühnheit zu fein feheint, wenn wir annehmen, daß das s in jenen Gafus 
der erften und zweiten Dec, nur nad) und nach abgefchliffen werden fei, 
- obgleich wir diefen Satz, durch den die lat: Deck. überhaupt manches Licht 
erhalten Fann, bier nicht ausführen Fönnen. _ ; 

- 8) Die angeführten Beifpiele find aus einer Abhandlung von Teipel 
(3. f. Alterthumsw. 1842. ©. 71) entnommen. 

4). &3 liegen fich diefe Beifpiele leicht nad) vermehren. Sch ziehe, es 
indeg vor, an einem den oben befchriebenen Hergang zu erläufern, 
So hat senatus nach meiner Anficht zum Stumm senatvu oder nad) den 
Vokalſyſtem des Sunffrit senatva. Aus senatvu mußte mit Anhängung 


100 Ueber die ſchwachen Verba 


Nach dieſen Vorbereitungen glauben wir nun zu unſrer eigent— 
lichen Aufgabe ſchreiten zu können, nämlich zu dem Beweiſe, daß 
die Verba der erſten und vierten Conjugation De— 
nominativa ſind, nämlich jene von Nominen mit 
Stämmen, welche auf a, diefe von Nominen mit 
Stämmen, die aufi auslauten. Die Berba der zwei- 
ten Eonjugation find auch abgeleitet, aber nidt von 
Nominal- fondern von Berbalftämmen. 

Die Berba der erften Conjugation find fo entjtanden, indem 
man die Fleriongendungen des Berbum, 3. B. im Infinitiv re oder 
mit dem Bindevofal ere, an den Stamm auf a anhängte, z. 2. 
acgrolare aus aegrolä und Ere. In der vierten Comjugation 
muß man yon Stämmen auf I ausgeben, 3. B. fini (der Stamm 
von finis), woraus im Infinitiv wieder eben fo ire, in dem ange- 
führten Beiſpiele finire wird, wie aegrotare aus aegrolä. Man 
fieht, daß hierdurch dieſe zwei Conjugationen eine eben fo unter- 
ſchiedene als an fi evidente Ableitung erhalten, und auch die zweite 
Conjugation wird fich durch Ausführung unferes Satzes wieder klar 
von jenen beiven Conjugationen unterfcheiden, während man bisher 
die drei Conjugationen entweder ganz unerklärt gelaffen oder fie 
durch Zurückführung der einen oder der andern auf die 10te Sar- 
ſkriteon jugation nur theilweiſe erklärt oder endlich, wenn man ſie 
alle auf dieſe Conjugation zurückführte, ſie wenigſtens in der Er— 
klärung nicht von einander geſchieden hat; und doch läßt ſich nicht 
annehmen, daß drei in der Form ſo verſchiedene Bildungen dem 
Weſen nach ganz identiſch ſein ſollten. 

Die Bedeutung der drei Conjugationen iſt überall die cauſa— 
tive, d. h. die Verba drücken aus, daß im Allgemeinen der durch 


des Nominativzeichens s der Nominativ senatyus gebildet — wofür 
man mit Herauswerfung des u der Endung senatus fette. Der Genitiv 
mußte nad) dem Vokalſyſtem des Eanjfrit senatvasya oder senatväs lauten, 
und diefev Genitiv iſt wirflich im SC. de Bacch. in der Form senatvos 
erhalten, wo nut nach d den Geſetzen des lateiniſchen Lautſyſtems a mit o 


vertauſcht iſt. Diejeso (wofür auch u gefegt wurde, wie in den Genitiven 
nominus, venerus ı. ſ. hol wurde herausgeworfen und ſo entſtand die 
gewöhnliche Form senatus. Oder man warf das v des Suffirums heraus, 


und da Die Genitivendung os oder us gewöhnlicher is lautete, ſo entſtand 
auf dieſe Art senalis oder mit Abwerfung des s senati. 


der Iateinifhen Sprade. 101 


den Nominal- vder Verbafftamm bezeichnete Begriff in Bewegung 
gefegt werde. Sp müffen wir nämlich fagen, wenn wir für fie 
ſämmtlich eine Einheit und eine gemeinfame Formel finden wollen, 

Wir fönnten demnach Die ſämmtlichen Verba einer jeden Con- 
jugation als durchaus gleichartig unter eine Rubrik bringen. Wir 
ziehen es indeß vor, wenigftens an der erften Conjugation fie nach) 
den verfchiedenen Nichtungen, die jene gemeinfan caufative Bedeu— 
tung im Gebrauch eingefchlagen hat, in verfchiedene Klaffen zu thei- 
len, wobei wir indeß jene Einheit immer als zu Grunde Tiegend 
feftzuhalten bitten, 

Noch wollen wir im Voraus bemerken: 

1) Die Verba, welche erft bei fpätern Schriftſtellern nach der 
augufteifchen Zeit vorkommen, fünnen in feiner Weiſe als normativ 
angefehen werden, da man feit diefer Zeit hei dem erloſchenen fe- 
bendigen Sprachgefühl ſich vielfach uncorrecte und unorganiſche Bil— 
dungen erlaubt hat. Wir wiffen zwar wohl, daß auch viele alter- 
thümliche Worte und Bildungen in der fpätern Zeit wieder auftau- 
chen. Wo man aber feinen befondern Beweis für einen folchen Fall 
führen fann, wird man ſich wenigftens hüten müffen, aus Beiſpielen 
der fpätern Zeit irgend ein Gefeg der Sprache ableiten zu wollen. 
Wir Haben daher ſolche ſpäte Verba durch eckige Klammern bemerk— 
lich gemacht. Ganz werthloſe neue Bildungen der Kirchensäter aber 
find ohne Weiteres übergangen. 

2) Dagegen haben Worte und Bildungen, welche dem archai— 
ſchen Zeitalter angehören, (d. h. welche entftanden find, che etwa 
feit dem jüngern Geipiv die griechische Sprache und Literatur einen 
allgemeineren und eingreifenderen Einfluß gewann,) in vielen Fäl- 
len einen vorzüglichen Werth. Wir haben fie daher öfters Durch 
Hinzufügung des Orts, wo fie ſich finden, hervorgehoben. 

3) Von den mit Präpofitionen zufammengefegten Verben find 
nur diejenigen aufgeführt, welche aus irgend eimer Urfache eine be— 
fondere Erwähnung verdienen. 

4) Statt der Stämme führen wir in der Negel die Nomina— 
tisformen an, da man nach den obigen Bemerfungen jene aus dieſen 
leicht wird abnehmen können. 


109 leber die ſchwachen Verba 


A. Erfte Declination. 

1. Eine nicht unbedeutende Anzahl von Verben der erften 
Conjugation iſt von Perfonennamen oder Adjeetiven gebildet und 
drückt ein Nachahmen der durch das Stammnomen bezeichneten Per— 
fon oder ein Aeußern der im Adjeetiv enthaltenen Eigenfchaft aus. 
Diefe Verba werden meift neutral gebraudt G. B. adullerare, 
ein Ehebrecher fein), obgleich fie durch den Gebrauch auch 
wieder tranfitive Bedeutung annehmen können G. B. adulterare 
ius, malronas). Smmer aber ſcheint cs, als bezeichneten fie nicht 
fowohl als Caufativa ein Machen, fondern vielmehr ein Sein. 
Sie find aber gleichwohl Caufativa. Wir fagen auch: „Den Philo- 
ſophen machen oder darftellen oder fpielen“, und fo dienen auch die 
Yateinifchen Caufativa dazu, um das Darftellen einer Perſon (mit 
ihren Eigenfehaften) oder einer Eigenfchaft auszudrüden. Ein glei= 
cher Gebrauch findet ſich auch im Sanſtrit, f. Bopp, fl. Sanffrit- 
gramm. $. 520, und im Griechifchen find befonders die Verba auf 
io und Ew, wie gulınnılo, gYikooopew zu vergleichen. Und 
auch im Deutfchen ſcheint es, find Berba wie franfen, ftarren, 
bangen, und ım Mittelhochdeutfchen ſmaln (vilescere), alten 
‘(senescere) , funden (manifeslari), fwaden (debilitari), 
grifen (senescere), röten Qubere), baren (geslire, von 
bar), Eebfen (adulterare son Febfe) u. a. eben fo aufzufaffen. 

Im Lateinifchen gehören unter dieſe Klaffe, die wir mancher, 
wie ung dünkt, intereffanter etymologifcher Deutungen wegen voil- 
fündig aufführen, folgeude Verba: 

[absentare, abwefend fein, Sivon. von absens], adulle- 
rare yon adulter (Stamm: adultera), aedificare son AEDIFI- 
CUS (Analogie: munifieus u. v. a.), aeditımari oder aedituari 
son acdilumus oder aedituus (ſ. Barr. R.R. 1,2. Gell. X, 10. 
vgl. Non, S. 75), aegrolare yon aegrotus, aemuları [und ae- 
mulare, Apypul.] son aemulus, aequiparare (oder, wie in vielen 
guten Handfchriften fteht, aequiperare) son AEQUIPERUS (vgl. 
unten parere), aequare, gleich fein, von aequus, [aeruscare, 
betteln, Feſt. Gell., von AERUSCUS, vgl. coruscus, fuscus, 
priscus und Pott, Et. F. 1. ©. 512 ff.], aestumare yon AES- 


der lateinifhen Sprache. 103 


TUMUS, eig. Münzwart fein, vgl. aeditumari,, aulumare; 
aestivare, ven Sommer zubringen ‚ von aeslivus, [agrico- 
lari von agricola, Capitolin., albicare, in der Bed, weiß fein, 
von ALBICUS, Horat. Catull.], alucinari yon einem ALUCEN, 
deffen Ableitung wir jest dahingeftellt fein Yaffen (Stamm: alueina, 
vgl. libicen, Fem. tibicina), vgl, latrocinari, lenocinari, patro- 
einari, raliocinari, sermocinari, tuburcinari, vaticinari; ambulare 
von AMBULUS, amplificare son amplificus, ancillart yon ancilla, 
anclare (häufiger exanclare) mit der Grundbed. dienen, flatt 
ber volleren bei Feft. Ss. v. ancillae erwähnten Form anculare, 
welches ebendaf. richtig durch ministrare erffärt wird, von anculus, 
dem Diminutivum von ancus, Diener 5); anlicipare yon AN- 
TICEPS (Stamm: anticipa), vgl. princeps, anceps u, a., und 
für das Verbum felbft vgl. aucupare, mancipare, occupare, 
prineipari; apricart [und apricare, Pallad.], fih wärmen, von 
apricus, arbitrare (Want. Cie., leßterer jedoch nur als Paſſivum) 
und arbitrars (Plaut. Cie. u. f. w.) von arbiter, eig. Schieds- 
richter fein, archilectari yon archilectus, argutari [und ar- 
gutare, Propert.] von argulus, arielari, den Widder nad; 
ahmen, d. b. wie ein Widder fioßen, Plaut., von aries, ©) 
[astrificare von astrilicus, Mare. Cay., allicissare, welches, weil 


5) Die gewöhnliche, von den Alten felbit herrührende Ableitung ift 
von dvaleiv, |. z. B. Felt. s. v. Allen O. Müller (z. d. St. p. 11) hat 
diefe Ableitung mit Recht verworfen. Anculi und anculae werden bei Fe— 
ſtus (s. v. ancillae) und auf Infchriften (ſ. Forcellin. s. v.) eine dienende 
Klaffe der Götter genannt, und das als N. pr. erhaltene Brimitivum ancus 
dürfte jedenfalls auch nichts anderes als Diener heißen und von am uud 
dem Suffix cus oder icus abzuleiten fein,vgl. plancus jt. planicus, caldus 
ft. calidus u. a., und wegen der Bed. das griech. Aumpinokog. 

6) Sch Halte es micht für unmöglich, daß aries, welches urfprünglich 
nach Varro (1. 1. V, 98, wo D. Müller, wie es ſcheint, ganz. ohne Grund 
die handjchriftliche Lesart Durch Conjectur geändert hat) ares lautete, von 
der Präpof. ar—ad (f. Schneider, Elementarl. S. 257) und von ire ab— 
zuleiten fei, vgl. paries (aus pari und it), comes, eques, pedes, Pott 
&t. Forſch. I. ©. 448. Die Endung it im Stamm ift eben fo verkürzt 
ftatt ita, wie stit ft. stita. Der Zufanmenhang mit „ZPHN, den man ges 
wöhnlich annimmt, ift fehr unficher und erflärt wenig. Die Bedeutung 
„der Darauflosgeher, dev Stoßer“ fcheint paffend genug. Ueber das auch 
im Genitiv bei aries wie bei paries beibehaltene e ftatti |. Pott Et. F. 1. 
©. 108. 


104 Leber die ſchwachen Berba 


dem griechifchen arrızilzıv entſprechend, mit unter diefe Klaffe zu 
rechnen iſt, Appul. u. in einem Prol. des Plaut., auclificare won 
auclificus, Arnyb.], auclorare [und auctorari, Pompon. Ulp. 
u. a.], deffen Bedeutungen ſich alle aus auclorem esse ableiten 
Yaffen, son auclor ft. auctorus, vgl. honorus, decorus, canorus 
n. a., aucupare (P laut. Emm.) und aucupari (Maut, Eie. u. a.) 
yon auceps (Stamm: aucupa), augurare oder augurari (beide 
Genera gleich alt und ächt) von augur oder auger, 7) vgl. armi- 
ger und mit der vollen Form morigerus, aurigare gder aurigari 
(beides b. Barry) von auriga, auspicare (Naco. Plaut.) und 
auspicari yon auspex (Stamm: auspica), aulumare, behaup— 
tend etwag fagen, von AUTUMUS, 8) bacchari und bacchare 
Gwenigfteng kommt bacchari paffisifh vor, Birgil), wie Bac- 
chantinnen ſchwärmen, von Baccha,9) beiligerare [und bel- 
ligerari, Hygin.] von belliger, blaterare, yon BLATER, 10) bovare 


7) Die alte Form iſt auger, f. Prise. P. 554. P., und avem gerere 
ift gerade fo gefagt, wie curam, potestatem, rempublicam gerere. Alſo iſt 
wohl weder an einen griechifchen (mit Döpderlein) noch an einen tufeifchen 
Urjprung des Worts (mit Freund) zu denfen. Bon augur oder auger iſt 
augustus eben ſo gebildet wie vetustus yon vetus (Stamm: veter), onu- 
stus yon onus (Stamm: oner) u. a. 

8) Diefe Ableitung ſtützt fech befonders auf die Analogie von aeditu- 
mare und aestimare. Die erite Silbe fann man wegen aucupare, augu- 
rare, auspicare nicht wohl anders als von avis ableiten. igentlich alje: 
„ein Beobachter des Bogelflugs fein.‘ 

9) Bon Baccha nämlich möchte ich der leichtern Erklärung der Be 
deutung wegen dieß Verbum lieber ableiten als von Bacchus. Freund leitet 
es von leßterm ab und stellt als Grundbedeutung auf „das Belt Des Bae— 
us begeben.” Allein Bacchus heißt nirgends „das Bacchusfeſt.“ Nach 
unver Anficht it die Grundbedeutung: „die Bacchantinnen fpielen oder nach— 
ahmen.“ 

10) Von gleicher Bedeutung mit blaterare iſt das bei Plautus und 
in Gloſſaren vorkommende Verbum blatere (es it nämlich Fein Grund 
vorhanden, blatire als Infinitiv anzunehmen, wie gewöhnlich gejchieht, jelbit 
wenn fich blatio, außer blatis die einzige Form, welche erwähnt wird, als 
ächt nachweifen ließe, f. Bothe, Poet. scen. Vol. VI. ©. 176). Won bla- 
tere iſt blatero, der Schwätzer, abgeleitet, und fo wie neben -ger oder 
-gerus, —* -bibus auch gero, volo und -bibo vorkömmt (f. Bott a. 
a. DM. ©! 570), fo glaube ih auch) annehmen zu können, Daß neben 
blatero ein later von blatere gebildet werden Fonnte, sgl. liber von W. 
2 scaber yon W. scab, lacer von W. lac, Integer von W. tag —— 

Oder da blaterare wohl jedenfalls mit balare zufanımenbängt (f. Döder— 
len, Int. Syn. u. E. B. 3. ©. 87, und wegen des Ausfalls des a val. 


der lateinifhen Sprade. 105 


(— boare) von bos (Stamm: bova), 1) bovinari, freien, 
yon bovinus , 1?) Dubulcitare (Barr.) und bubuleitari (Plaut.), 
Ninderbirt fein, Frequentativum von BUBULCARE , von 
bubuleus, [bubulare, wie ein Uhu fohreien, von BUBULUS, 
und diefes von bubo], eaecultare, welches Feftus (P. 35 L.) fehr 
richtig durch caecos imitari erklärt, ftatt caeculitare, das Frequen- 
tativum von CAECULARE, dem Denominatioum von CAECULUS, 
[eaerulans son caerulus, AZulgent.], calcitrare von CALCITER 
(Stamm: caleitra), auf welches caleitro hinweiſt, ſ. oben Am. 10, 
[cancerare, frebsartig fein, d. h. eitern, von cancer, 
Plin., candicare, weiß fein, von CANDICUS, Plin., cantillare 
von CANTILLUS, Appul.], caperare, son Nonius (P. 8) richtig 
erffärt durch: rugis frontem contrahere et asperare, lraclum a 
caprorum frontibus erispis, yon caper (zivar gew. Stamm: ca- 
pra, indeß haben wir denfelben Wechfel auch in aspra ft. aspera, 
oprae ft. operae, canceris u. canceres ft. cancri), carnificare, 
hinrichten, von carnifex, castigare yon CASTIGUS, 19 cau- 
ponari son caupo (urfprünglich cauponus, daher auch das Tem. 
caupona, die Krämerin, caussificari, Borwände maden, 


clamare von calere), fo könnte man auch ohne Vermittlung durch blatere 
von balare ausgehen, wo dann obliterare (lino- litus- liter; b. Gell. XIX, 
7, 4 kommt noch das Adj. obliter vor) eine genaue Analogie bieten würde, 
Immer aber würden wir ein blater in der Bed. Schwätzer vorausfegen 
und davon blaterare ableiten müſſen. 

11) Bon bos war nachweislich die urfprüngliche Form bovis, f. 
Freunds Wörterb. 5. v., und das von Gharifins p. 58 erwähnte bovus 
dürfte als Nebenforn von bovis anzufehen fei, worauf auch bovatim hin— 
deutet. Nückfichtlih der Bed. fann man das von Pott a. a. O. J. ©. 110 
angeführte Litthauifche baubti, wie ein Ochs brüllen, vergleichen. 

12) Die literarifchen Nachweifungen über das Wort ſ. b. O. Müller 
3. Feſt. P. 30. Uebrigens vgl. unten vulpinari. 

13) Das vorausgefeste castigus bejtcht aus castus ımd dem in pro- 
digus, indigus und mit verfürzter Endung in remex erhaltenen -igus von 
ago, vgl. elarigare, lasligare, fatigare, Kammigare, fumigare, fustigare, 
gnarigare, humigare, iurgare, levigare, litigare, mitigare, navigare, pur- 
gare, remigare, rumigare-, insligare (?), vesligare (?), variegare. Die 
Läuge des i iſt bei fatigo aus dem zum Stamme von fatis (allatim) ges 
börenden i zu erfliven, bei casligo, fastigo, insligo, vestigo vielleicht dar— 
aus, daß der Bindevokal (vol. caussilicari u. a.) beibehalten werden jet 
und Durch die Zuſammenziehung mit i in igus ausnahmsweije Die Läuge 
bewirkt habe, 


106 Ueber die ſchwachen Verba 


von CAUSSIFICUS , celerare, in der Bed. ſchnell fein, von 
celer (urfprünglich celerus, daher auch das Adv. celere, Enn. u. 
Nov. b. Non. p. 510), [cerzficare , von ceriſicus, Plin.), cer- 
nuare, Barr. [cernulare, Sen.], kopfüber fallen, son cer- 
nuus, einer der fopfüber fpringt, ein Gaukler, '%) 
clarigare yon CLARIGUS, claudicare, von CLAUDICUS , [co- 
cionari, mäfeln, von cocio, Quint. zw., vgl. cauponari], 
columbari, ſich [hnäbeln wie die Tauben, von columba, 
comilari und comitare ([e&teres bei Dvid ımd, fofern Cicero co- 
mitatus pafftivifch gebraucht, auch bei diefen) vom comes, coneipi- 
lare, ergreifen von CONCIPILUS, concordare , discordare 
und recordari (auch recordare, Duadrig. b. Non. p. 475) von 
concors, discors und RECORS, convivari und convivare yon 
conviva, coquinare, kochen, von coquinus (vgl. bovinari, 
Anm. 12.), lcoracinare, wie ein Rabe (zöoaS) freien, 
von CORACINUS, vgl. vulpinari, Sfiv., cornicari, wie eine 
Krähe ſchwatzen, von cornix, Verf.], coruscare, fhimmern, 
son coruscus, [erassificare son CRASSIFICUS, Coel. Aur. Tard., 
crebrare, (sder increbrare, Plant.), oft fommen, von cereber, 
cruciare son cerucius, quälend, '5) cubare son CUBUS, 16) 
[eueulare, Kukuk rufen, von cuculus, Auct. Carm. Phil.], 
dapinare, auftifhen, bewirthben, von DAPINUS (etwa 
wirtblich), gaftfrei, vgl. coquinare u. Anm. 11), dieare 
von DICUS (f. Anm. 16), diurnare, Lange dauern, Quadrig. 
bei Gel. XVII, 2, 16 u. b. Non. p. 100 (son diurnus in der 
fonft nicht vorfommenden Bed. lange, die es aber eben fo gut 
haben fan, als diu bei Tage und lange heißt), dominari (und 


14) eernuus ift nicht mit Nonius (p. 20) son cerno, fondern, wie 
eervix, auf ein mit giras (Sanffrit) und zepe verwandtes Wort für 
Haupt zurückzuführen. 

15) Feſt. p. 41: Crucium, quo cruciat. Unde Lucilius vinum in- 
suave crucium dieit. 

16) Diefes eubus, dag Nomen agens von cumbo, findet fich in incu- 
bus. Die Nomina agentis müflen unten noch befprochen werden. Wie mit 
eubare, fo verhält es fich mit erepare, dicare, educare (welches ein edu- 
eus voransfest, ein Compoſ. von ducus, der vollft. Form für dux, fodare, 
labare, ligare (vgl. Anm. 27), parare (vgl. Anm. 35), plicare, vorare. 


der lateinifhen Sprache. 107 


wie man, da dominari bei Enmius und Nigivius auch paſſiviſch 
vorkommt, auch annehmen kann, dominare) son dominus, [donifi- 
care, Hygin., von DONIFICUS], educare von EDUCUS (ſ. Ann, 
16), durare in der Bed. ausharren, von durus, equilare won 
eques, errare yon ERRUS (welches man wegen erro annehmen 
fan, f. Anm. 10), exulare yon exul (Stamm exula 17), ex- 
irare, herausgehen, von exterus 18), [fumigerare, befannt 
machen, Gloss. Philox.], famulari son famulus , fastigare won 
FASTIGUS '9) , fatigo yon FATIGUS, [fatuari, begeiftert 
fein, Suftin., febricitare, fiebern, Colum. Sen., das Frequen— 
tativum son FEBRICARE, dem Denominatisum von FEBRICUS, 
etwa fieberhaft,] festinare yon feslinus, ‚[festivare, ein 
Feft feiern, von festivus, Gloss. Vet., fetificare son lelificus, 


17) Die zweite Hälfte in consul, praesul, exul ift von der Wurzel 
sal des V. salio och Reden gehen bedeutet (vgl. die Sanffritw. 
sri, Bott, Etym. Forſch. J. ©. 225, und wegen DA — von r in | 
vgl. 3. B. dolere und dolare mit dri, ebend. ©. 229). Jene Wurzel mit 
ihrer Grundbedeutung ift noch am deutlichſten in consulere , eig. zufans 
mengehen, näml. um zu ber athen, zu erkennen. Bon Diejer Wurzel 
wurde sulus gerade fo gebildet wie cupus oder cipus von we mit derſel⸗ 
ben Bertaufcehung des I mit u, die vor pP, m md auch vor I (querulus, 
insulsus) häufig vorkommt. Sulus wurde nun aber, wie cupus oder eipus, 
verkürzt, jedoch ohne Das s als Nominativzeichen beizubehalten, denn Diejes 
pflegt bei den liquidis auszufallen, vgl. fidicen, lyricen, liticen, tibicen, 
tubicen, cornicen, armiger, pauper, frugifer, PN die liquidae felbft einen 
dem römifehen Drgan zufagenden Auslaut bildeten. 

18) extrare fommt bei Afranius in der von Nonius (p. 104) ange— 
führten Stelle vor: Simul Jimen extrabo, illi intrabunt illico, und hat 
an intrare felbit, ferner an superare und penelrare eine Deutliche Analogie, 
Exterus und superus werden als Adjectiva gebraucht, von interus ift we— 
nigftens der Comp. interior im Gebrauch, und auch ein mit penitus ver— 
wandtes peniterus wird man annehmen Dürfen. Das e ift ansgefallen, 
wie in dem oben erwähnten aspri, er: und wie das I in caccultare (val. 
auch magistrare und magisterare), und in Verbindung damit das i in pe— 
niterus H, e verwandelt worden. Bon jenen Mpjertiven felbjt wird man 
exterus, interus, peniterus für Gomparativen halten Dürfen, Die ganz an 
der Stelle find, weil der Begriff, den jie ausdrücken, ein durchaus relativer 
ift, vgl. dexter, sinister, JeSıreoog, unſer der innere, Äußere, obere, 
untere. Daß aber extrare nicht bedeutet draußeu fein, fordern hin 
ausgehen, läßt fih auch fehr wohl erklären. Die deutfchen oben ©. 102 
erwähnten Denominativen unfrer Klaffe find auch meift Inchoativa, und da 
das Gauffativum nur das Hervorbringen des Begriffs oder feiner Erfcheis 
nung bezeichnet, fo ijt Diefe Bedeutung ſogar Die näher liegende. 

19) fastigare verhält fich zu fastigium, wie litigare zu Jitigium, 
Ueber die Etymologie des Wortes vgl. Döderlein a. a. O. B.2. ©, 109. 


108 Ueber die ſchwachen Verba 


Plin., fetare, gebären, Colum., von felus, ſchwang er, auch 
geboren habend, fidieinare yon fidicen, Gloss. Phil.], flu- 
grare von FLAGER von der W. flag, brennen Con welcher 
flamma), [flammigare (oder nach anderer Lesart flammigerare) 
von FLAMMIGUS (oder flammiger), Gelf.], profligare von PRO- 
FLIGUS ?0), fodicare son FODICUS dem Adjectivum von lodio, 
fodare son FODUS, Enn. b. Feft. p. 148. vgl. Müller z. d. Et. 
u. p- 63 u. oben Anm. 16, [follicare, welf fein, von FOL- 
LICUS, dem Adject. von follis, der Blafebalg, Appul., for- 
micare, dem Stich der Ameife gleichen (venarum formi- 
cans percussus, Plin.), son formica, fortificare von FORTIFICUS, 
Coel. Aur. Tard., fruclificare son FRUCTIFICUS , Galyurn.], 
fumificare son fumilicus, fumigare von FUMIGUS, furari (paſſi- 
viſch bei Appul.) von fur, [fasägare, yrügeln, von FUSTIGUS, 
Glossar. Philox.], gallare, fo viel wie bacchari, von gallus 
(Prieſter der Cybele), Varr., geminare, doppelt fei, von ge- 
minus 2), degenerare, entarten, von degener ??), praegnans 
(Participium eines ungebräuchlichen praegnare) yon PRAEGENUS >), 
[glaciare in der Bed. zu Eis werden, von glacies, Pin, 
gnarigare (= narrare) von GNARIGUS, Liv. Andr. b. Feſt. S. V., 


20) Auch von Berben, welche nicht als eigentliche Wurzelverben anzu— 
fehen find, fommen Aojectiva von der Norm der Adj. agentis vor, jo par- 
cus, mergus, florus, vescus, pandus, promus u. a. Man kann alſo, ab: 
geſehen von der zweifelhaften Etymologie des V. fligere, ein figus und 
daher auch ein profligus verausjegen. Much confligare fommt vor, obwohl 
erſt ſpät (bei Frontin.). Vgl. auch appellare. 

21) Luer. IV, 452 kommt vor: geminare supellex se. videtur; Plaut. 
Amph. II, 2, 154: omnes congeminavimus, welches man daher nicht, wie 
Lindemann thut, von congeminasco ableiten darf, zumal es bier nicht ein= 
mal ganz ficher it, das die Bedeutung neutral ſei. Wir werden übrigens 
auf die Erklärung folcher Perfecta duch Zurücführung auf Inchoation noch 
unter C zurückfommen. 

22) Generare jelbjt und regenerare haben aftive Bedeutung- 

25) Eben fo iſt das e in malignus, benignus, privignus ausgewor— 
fen, währeng es in coeligenus (Varr.), multigenus (Luer.) u. a. erhalten 
iſt. Vielleicht find die zahlreichen Adjeetiven auf Inus durch Efthlipfe aus 
ignus entitanden, wenigitens kommt bei mehreren Adfectiven die doppelte 
Form mit und ohne & noch vor, fo bignae (Reit. s.v.) und binae, capri- 
genus und caprinus, aprugnus und aprinus, omnigenus und omnino, val- 
arvigna (Barr- I. 1. V, 95) mit arvina, exilis ft. exigilis (vol. exiguus), 
slimulus ft. stigmulus u a 


der lateinifhen Sprade. 109 


[graecissare, wie allicissare, Prolog. b. Plaut.], gralificari von 
gralificus, gralari (= gralulari) yon gralus, graluları yon GRA- 
TULUS, gubernare von GUBERNUS, ver Steuermann, da— 
ber Steuermann fein 9), hariolari yon hariolus, harpagare, 
ſtehlen, von harpagus, heluari son HELUUS (welches man we— 
gen helus annehmen fan, f. Anm. 10), [hippicare von innıxoc, 
atbmen wie ein Pferd, Feſt. Cwelcher indeß hippacare hat, 
was aber falfch fen dürfte) Sfivor., honorificare son honorificus, 
Sactant.], horrificare von horrificus, [horripilare und horripiari, 
ftarres Haar haben, von HORRIPILUS, Appul. u. Gloſſ. 
Philor., hospitari yon hospes (Stamm: hospila), Sen. Plin., 
humificare son humilicus, Aufon., humigare yon HUMIGUS, 
Vindician., teiunare faften, von ieiunus, Tertull., ignicare, 
ſtrahlen, von IGNICUS , Sul. Valer.], imitari und ümitare 
Clegteres b. Barr.) von IMITUS, 25) [indigitare, anrufen (wo- 
son indigitamenla), Frequentativum von INDIGUS, 26)] intrare 


24) Bott, Et. F. 1. ©. 140 leitet zußsovdy von zunto ab; eben fo 
it gubernare von der W. cub des V. cumbere abzuleiten. Davon wurde 
das im Gloss. Gr. lat. erwähnte guber (mit der häufigen Vertauſchung der ur— 
jprünglich nicht unterfchiedenen Buchſtaben c und g) gebildet, welches aber 
dort Durch zuPßeorntys erklärt wird, und hieraus wird das Ndj. gubernus, 
welches wir vorausſetzen, durch Anhängung diefes gewöhnlichen Suffirums 
entitanden jein. 

25) Bei der Erklärung von imitari ift von dem Adverbium simitu 
(penultima furz und lang), welches bei Plautus und Lucilius für simul 
öfters vorkommt, und weiter zurück von dem durch die Sanffritfprachen durch— 
gehenden Adverbium sam mit, gleich, (j. Bopp, kl. Sifritgr. ©. 111) 
auszugehen. Am wahrjcheinlichiten dürfte es fein, daß Yon diefem sam ein 
simes (wie comes) jtatt simitus und davon ſowohl simitu als simitari 
(wie comitari) abgeleitet worden fei. Das s verfehwand, wie wir es an 
sam ſelbſt im Griechifchen fehen, wo due daraus geworden ift, wo alfo 
wenigitens das s zum Spiritus afper erweicht ift, der dann oft zum Spi- 
ritus lenis wird. Ich finde diefes am auch in Zupw, ambo (duo over 
duo mit dem vorgeſetzten am, und mit Meglaffung des d, wie in bis, vi- 
ginti), und auch aemulus gehört hierher, dann das ae ift durch Gunirung 
des i entitanden; ohne Guna würde es imatus, ganz analog mit similis 
lauten. (Bett, &. 5. I 194. I. 84 bringt imitari mit Sanffritw. mä, 
gr. wıueiodyer zufammen, und ambo mit Sifr. ubha, ebend. I. ©. 111; 
mir fcheinen indeß dieſe Combinationen etwas zu Fünftlih.) 

26) Die Wurzel ift diefelbe wie vom griechiichen deizvuur. lat. dico, 
dignus u. |. w., mit der Bed. zeigen und fagen. Digitus, der Finger, 
heißt nach M. Schmidts (Progr. Halle, 1835) Erklärung eig. der Zei- 
ger, und ſonach könnte man indigitare auch unmittelbar von einem indi- 
gitus ableiten. 


110 Ueber die ſchwachen Verba 


von INTERUS, f. Anm. 18, iadicare von iudex (Stamm : indica), 
iurgare (und iurguri, Horat. Juſt) von IIRIGUSs, f, Anm. 13, 
iuvenari, vearilo, yon iuvenis, Hor., laborare von LABORUS, 
wofür labosus (gleich laboriosus) vorkommt, f. Lucil. b. Non. 
p- 489, laniare, zerfleifchen, son lanius, der Fleiſcher, 
latroeinari son latro, f. oben zu alucinari, lavare son LAVUS, 
f. Anm. 16, lenocinari son leno, ſ. oben zu alueinari, levigare 
son LEVIGUS, f. Anm, 13, ligare son LIGUS, ?7) Ktigare (und 
vilililigare, Cato b. Blin.) von LITIGUS, f, Anm, 12, lucubrare 
son LUCUBER 28), Tudificare und ludificari son ludifieus (9), 
lupari, Huren, von lupa, die Hure, lurcare und hircari, 
fhlemmen, von LURCUS, welches man wegen lurco annehmen 
fann, [magisirare, Syart., und magisterare, Feft. Ss. v., len- 
fen, von magister], magnificare, hoch ſchätzen, von magnifi- 
cus 29) , [malignare oder malignari son malignus, Ammian. 
(venena malignantes i. e. maligne fundentes)], mancipare, 
verfaufen, von manceps, medicari (und medicare, Birg. Col. 
Plin.) von medicus, [mellificare yon mellifieus, Plin.], mendi- 
care yon mendicus, promenervare, vathen, von Minerva 30), 


27) Das oben angenemmene ligus ift von Jeso eben jo gebildet wie 
-ficus yon facio, -spieus von specio n. a. Die Bedeutung kann dieſe 
Herleitung nicht wanfend machen. Ligare beißt anlegen, was wir auch) 
für. anbinden, befejtigen gebrauchen; das, was hingelegt ift, entbehrt 
der freien Bewegung, und fo kann hinlegen auch in die Bedeutung zur 
Ruhe bringen, binden übergehen. 

25) Ueber die erfte Hälfte Diefes Worts wage ich nichts zu beſtimmen 
(f. Döderlein B. 6. ©. 02); die zweite dürfte das Suffix -ber fein, 
worüber f. Bott a. a. O. U. ©. 365, welches mit -fer identisch iſt und 
alfo active Bedeutung Hat, fo daß luculus ein bei Naht Arbeitender 
fein würde, 

29) Da magnificus auch für Herrlich glänzend gebraucht wird, 
jo könnte man zweifelhaft fein, ob man magnilicare nicht lieber als cin 
gewöhnliches Cauſſativum anfchen folle. Indeß fpricht Doch die Analogie 
der zahlreichen andern auf -heare ausgehenden Verben dagegen, und Die 
Grundbedeutung yon magnilicus iſt Doch immer: qui magnı aliquid faeit, 
und Dieß entweder in dem Sinn: der etwas Großes hut (wder aud) 
iwie wir jagen: Der groß thuf) oder: der etwas hoch ſchaͤtzt. 

30) Belt. s. v.: Promenervat item quod monet. Die Göttin Mi— 
nerva wurde, auch wenn der Name das eigentlich nicht bedeutete (was aber 
die Alten annahmen, |. Bet. P. 91, Dagegen Pott al Dr 683 . 
Sum, als die Göttin des Raths angefchen, und fo — davon leicht ein 

Denominativum minervare mit der oben angegebenen Bedeutung gebildet 
werden, 


der lateiniſchen Sprade. 111 


militare son miles, ministrare yon minister, miserari und mi- 
serare, bemitleiden, von miser ®'), [milificare yon milificus, 
Plin.], mitigare son MITIGUS, f. Anm. 13, [modificari yon 
modificus, Gelf.], moechissare, uoıyıleıy, son mocchus, [moe- 
chari yon moechus, Horat. Catull,, molestare, (äftig fein, 
beläftigen, von molestus, Petron. Appul.], morigerari und 
morigerare yon morigerus, mörari, thöricht fein, von twoög 
(Plaut. Mit. II, 4, 17, vgl. Taubmann und Lindemann z. d. St., 
Sueton. Ner. 33), [morsicare son MORSICUS, Appul.], mulcare 
von MULCUS 32), promulgare son PROMULGUS 3%), munificare 
son munificus, narrare ftatt gnarigare, son GNARIGUS 39), 


31) Eigentlich heißt alfo miserari einen Unglücklichen, Trans 
renden darjtellen, oder fih als ſolchen geberden. Neben mise- 
rari giebt es noch dag Synonymum misereri, zu welchem es fich nach 
Doͤderlein (B. 1. ©. XXI. ©. 171. B. 2. ©. 168) fo verhält „wie ein 
innerer Zuftand zu dev Neußerung- diefes Zuftandes durch Mort und That.“ 
Mir werden unten, wenn wir von den fchwachen Verben der zweiten Gon- 
jugation handeln werden, fehen, wie Diefer im Ganzen richtig aufgefaßte 
Unterfchied fich etymologifch vollfommen begründen läßt. 

32) Das Wort bedeutet eigentlih weich machen, wie mulcere, 
und ift allerdings mit dem gr. uekazileıy oder ur)doosır verwandt, mit 
dem es gewöhnlich identifteirt wird. Indeß ift dadurch die Form des Wor— 
tes nicht erflärt, und deßhalb wird man beffer won mollis ausgehen und 
von Ddiefem, wie MITIGUS von mitis, fo zuerſt MOLLIGUS Bilden, wofür man 
durch Syncope des I (vgl. iurgo) und durch Vertaufhung von c und 8 
muleus ſagte: Was Die Bedeutung anbetrifft, fo heißt es eigentlich zu— 
richten, daher gew. male mulcatus d. h. übel zugerichtet, eig. frei— 
lich nur von demjenigen Zurichten, welches durch Gerben gefchieht (ueie- 
ziseıv heißt ebenfalls gerben); dieſes Gerben ift aber ſelbſt wieder ein 
Ausdruck des gemeinen Lebens für dvurhprügeln, wofür man ja auch 
fagt einen wei oder windelweid Schlagen; daher auch subigere 
(gerben) häufig in diefem Sinne gebraucht wird. 

33) Mulgare in promulgare ijt der Fern nach von dem Anm. 32 be- 
ſprochenen mulcare nicht verjchieden ; es ift aber von einen Verbum mellere 
abzuleiten, von dent remeligo gebildet it (f. Müller zum Felt. ©. 224). 
Bon diefem ift auch promuleus und remuleus oder remulcum (ſ. Feft. s. wv.), 
das Bugfierfhiff oder Schlepptau, oder überhaupt Der uber das 
Fortbewegende gebildet und hierauf dürfte denn auch promulgare am 
beten zurückzuführen fein. Jenes mellere Ffommt in dem Compoſitum 
promellere noch vor, |. Belt. Ss. v.: promellere litem promovere, und es 
ſcheint, als habe es zu unferm mulgäre wie zu mulcare auch ein entſpre— 
hendes mulcere gegeben, ſ. Ent. b. Priscian. p- S70: Mulserat huc na- 
vem.compulsam dluctibus pontus, wo mulferat nichts Anderes heißen kann 
als admoverat. ; 

34) &o hat Pott (II. ©. 54) narrare bereits erffärt und nur auf 
diefe Art ſieht man ein, wo das zweiter herfommt. Cs ficht nämlich 


J 


112 Ueber die ſchwachen Verba 


[naufragare yon naulragus, Petron. Sivon.], navigare yon NA- 
VIGUS, f. Anm. 13, [repolari, fywelgen, von nepos, Gen,, 
nigricare, ſchwar z fein, von NIGRICUS, mugrificare, fc wär- 
zen, von NIGRIFICUS, Marcell. Emy.], mwigrare, ſchwarz fein, 
yon niger, nolifcare son NOTIFICUS (Pompon. b. Non, p. 14, 
nubilare, wolfig werden, von nubilus °5), nuntiare yon 
nunlius, nulricare (und nulricari, Cic., bei dem jedoch die Les- 
art zweifelhaft, Varr. Appul.) son nulrix ?0), odorari son odo- 
rus 7), opilulare und opilulare yon opilulus (Das Adjectivum 
bei Feftus), orbifieare, zur Waife machen, von ORBIFICUS, 
pacificare und pacificart yon pacificus, palari, f, Anm. 39, 
[pandare in der Bed. ſich Frümmen, von pandus], parasitari 
son parasita, parare nebft aequiperare, imperare, viluperare, 
properare son PARUS >&), participare in der Bed. Theil neb- 
nen (es beißt auch theilhaftig machen, Plaut.) von parli- 
ceps, [expatare „in locum palentum se dare*, Feft. von 


ftatt des g durch Afjimilation, wie &2206 ft. dAuos, zostırwv ft. zosıziwr, 
j- Bopp, Val. Gr. ©. 724. Bott zweifelt noch, ob er nicht von einem 
gnaruvare ausgehen folle; indeß dürfte Doch der Umſtand für gnarigare 
entjcheidend fein, Daß Diefes Wort als bei Livius Andronicus vorkommend 
von Feſtus bezeugt iſt. Vgl. Anm. 99, 

35) Ueber die inchwative Bedeutung f. Anm. 18. . 

36) Die Quantität des i von nutricare ift, obgleich man es gewöhnlich 
als lang bezeichnet, ungewiß. Der einzige Beweis wäre Daraus zu entnch- 
men, daß in einem Verſe des Lucilins (Non. p. 478) nutricatum vorfommt- 
Diefer Vers ift aber fehr corrupt und wohl ned) aus andern Gründen nu- 
tritum vorzuziehen. Wo das Wort bei Plautus vorfommt, kann i lang 
und kurz fein. Wäre es als Furz anzunehmen, jo würde man von nulricus 
ausgehen müſſen. 

37) Odorus kommt wenigftens in dem Birgilifchen odora canum vis 
activifch vor; es ift aber zu bemerfen, daß wie in unferem „riechen, vie 
chend“, Die Begriffe „Geruch ausgehen lafjen“ und RO) einathmen“ ſehr 
häufig verwechſelt werden. Von odorus, wohlriehend, wird man odo- 
rari jchwerlich nach einem bejtimmten Geſetz ableiten Fünnen. 

38) Dal. Anm. 16. Das ftarfe Verbum, worauf parare zurückzufüh— 
ven, iſt parere, vgl. Bott U, 330. Das hiervon abzuleitende -parus iſt 
in oviparus, opiparus und in puerpera erhalten. Die Beventung gebäh- 
ven ift aber, wie Bott vichtig bemerkt, nicht die einzige, nicht einmal vie 
erſte, ſondeln dieſe it hervorbringen (viell, iſt die noch urfprünglichere 
Bed. brechen). Die Erklärung des oben mit angeführten properare von 
— (vorw ärtsm achend) bejtätigt fich Durch Die genaue Analogie 
von prolte isch, 


ber lateiniſchen Sprache. 113 


EXPATUS 39], patrissare, nah dem Bater gerathen, von 
pater, Pl. Ter., appellare und compellare son -PELLUS (son 
pellere, f, Anm. 20), penetrare (bei Plaut. auch se penelrare, 
wo dann das Verbum natürlich nicht unter diefe Kaffe gehört) von 
PENITERUS (f. Ann. 18), peregrinari (und peregrinare, Gloss. 
gr. lat.) von peregrinus, [expergificare, von expergificus, Gelf.], 
philosophari (und yaffisifch, Pl.) son philosophus, pigrari, 
faul fein, vor piger %0), plöcare yon PLICUS (f. Anm. 16) 77), 
poetari (und poetare, Berus Aug. b. Front) von poela, postu- 
lare son POSTULUS 32), praecipitare in der Ber. fih (kopf— 
lings) berabftürzen, von praeceps (Stamm: praecipila), 
vgl. vben cernuare , praestolari yon PRAESTOLUS 9°), [prin- 
eipari, von Princeps, Sivon. und hiervon principaius], procare 
fordern, von procus 99), [expromare yon -promus, Apie. zw. 
Lef.], propinguare und gew. appropinguare yon propinquus, 
proximare yon proximus (Cic. N. D. II, 44), [pugiari von 


39) Patus fann wegen patulus vorausgefeht werden, und wie bon patus 
das obige Verbum, fo wurde von patulus eig. patulare, wofür palari ge— 
bildet, welches auf diefe Art fich beſſer erflärt, als wenn man es mit Rott 
(1. 192. M. 285) von pagus ableitet: Für die Gfthlipfe bietet palus, 
der Pfahl, von pango, sella yon sedere, scala yon scando, caelum und 
eaelare ftatt cacdulum und caedulare, Analogien- 


40) Auch pigrare kömmt vor und zwar ebenfalld in der Bed. faul 
fein, f. Luer. I, 411 (wo das pigraris wegen des entfprechenden recesse- 
ris nicht von pigror abgeleitet werden Fann) u. Mec- b. Non. p. 153, denn 
auch an den Hier angeführten Stellen fann pigrare wenigftens eben fo gut 
neutrale Bedeutung haben. 

41) Der Stamm tft nAezsıv und im Lat: mit der Verſtärkung des 
AYuslauts plectere. Die Compoſita duplicare, multiplicare u. a dergl. 
find nicht hierher zu ziehen, da fie heißen: zn einem duplex, multipler 
u. fe w. machen, dagegen gehören applicare, explicare, implicare mit 
hierher. 

42) Ueber postnlare vol. Pott 1. 269. Jedenfalls ift es mit poscere 
in Berbindung zu feßen, und postulus (ft. poscitulus) heißt „der Fordernde.“ 
Am pafjendften ift die Analogie cantillare, welche Pott anführt: 

43) Diefe Ableitung ift von Scaliger und G. I. Voß gemaht, ſ. 
Döderlein Syn. B.3. ©. 58, und fie empfiehlt ſich beſonders durch das Ad— 
verbium praesto, welches auf ein Adjectivum praestus hinweiſt. Weber das 
oft. u, fj. Pott I, 62. 

4A) Seit. p. 123: Procare poscere. Unde procares meretrices ab 
assidue poscendo, et pruri uxorem poscentes in matrimonium. Bal. 


Müller 3. d. St. und Feſt. s. v. prurum. 
Muf. f. Philolog. N. F. I. *9 8 


114 Ueber die ſchwachen Verba 


pugil, Appul., punicare (punicans), roth fein, von punicus, 
Appuf.], purgare von PURGUS (I. Anm. 13), ‚quadrare in ver 
Bed. viereckig oder paffend fein, von quadrus vder qua- 
drum, ralioeinari von RATIOCINUS, f. allueinari, recentari, 
ſich erneuern, von reeens (Mat. bei Gel. XV, 25 u. Non. 
p. 16737) reciprocare in der. Bed. fi rückwärts oder hin— 
und herbew egen, von reciprocus %5), recuperare von RECU- 
PER 30) , [religuari und reliquare, mit einer Schuld im 
Rückſtand fein, von reliquus, Ulp.J, remigare son remex, 
rhetoricari, rhetoriſiren, yon rhelorieus, Nov. b. Non. 
p. 476, rhelorissare, daffelbe, yon rhetor, Pompon. b. Non. 
p. 166., rotare in’ der Bed. fi herumdrehen, von rola, 
Birg., rumificare, durch d as G erücht heru mtragen von 
RUMIFICUS, [rumigerari, daſſelbe, von RUMIGER, rumigare, 
ſwiederkäuen, son RUMIGUS7J], rusticari, auf dem Lande 
leben, von ruslicus, rulilare, in der Bed. roth fein (Att. b. 
Varr. J. l. VIEH 83. Virg. Plin.), von rulilus, sacrificare von 
sacrilicus,. [sanguimare, blutfarbig fein, Appul., und bhut— 
dürftig fein, Tae., von sanguis (oder sanguen , vgl. gluten 
und glulinum)], obseaevare oder obscenare (Plaut. Af.- I, 1, 
18), üble Vorb ed Ne geben, von - Scauris oder obsce— 


45) Reeiprocus ſaͤbſt wird von Pott (1,64. in, 156) yon reque pro— 
que abgeleitet. Indeß dürfte es Doch vielleicht einfacher fein, von re und 
capere (vgl. recipere) auszugehen, wo man freilich au dem o ftatt i (re— 
eiprocus jt. recipricus) Anſtoß AT könnte. Die Bedeutung des Ad- 
jeetivs wie des Verbs wird auf dieſem Wege vollkommen erklärlich. Reci- 
procus heißt ſelbſt meiſt zurückkehrend; daß aber das Verb die Bedeu— 
tung ſich hin und herbewegen befommen fonute, wird aus dem Wefen 
dieſer ganzen Klaſſe von Werben deutlich. Ein Gegenſtänd, der das reci- 
procun als Eigenſchaft in fih aufgenommen hat und darſtellt, muß ſich, 
weil ex fich oft zurückbewegt, zugleich auch oft wieder hinbewegen. 

46) Caper yon capio. ijt wie liber, von der W. lib, miser von W. 
mir. (wovon moerere) gebildet, und das Comp. recuper würde alfo eig. 
beißen: einer, Der efwas wiederbefommt. 

47) Diefe drei Werben find Yon ruma, der Schlu nd, abzuleiten, 
welches mit dem fpäter EEE rumen gleich und außer einer ne 
Stelle des Arnobius (VII, 250) auch durch das von Feftus (p- 135) er- 
wähnte rumare (gleich Tuminare) gefichert iſt. Wie die Bedeutungen wie— 
derfäünen und im Gerücht umhertragen zuſammenhängen, iſt an ſich 
klar, and es wird ihr Zuſammenhang auch noch dadurch bewieſen, daß ru- 
minari beide Bedeutungen in ſich vereimiat. 


der lateiniſchen Sprache. 115 


nus 98), [scarificare, ſchröpfe n, von SCARIEICUS 99) |, Scin- 
tillare ,. ffimmern, son seintila , seitari ‚wiffen wollen, 
yon seitus, wiffend, scortari, Huren, son Scorlum,. conscri- 
billare, befrißeln, von CONSRIBILLUS (vgl. cantillare), scur- 
rari yon scurra, ‚obsecundare , geboren, son - secumdus, 
[sensificare, empfindend maden, son sensilicus, Mart. Cap., 
‚sentifi care, daffelbe, Clau. Mam., son SENTIFICUS |, assentari 
son ASSENTUS (f. Anm. 19.), serenare in der Bed. heiter 
fein, von. serenus (alter Dichter bei Cie. Div. 1. $. 18), ser- 
mocinari yon SERMOCINUS (vgl, allucinari),; perseverare (und 
. asseverare) yon -Severus, significare yon SIGNIFICUS , sor- 
billare, ſchlürfen, son SORBILLUS 59), sororiare, ſchweſter— 
lich anſchwellen (von den weiblichen Brüſten), von sororius 
aut. b. Feſt. P. 297. M.y, [spernari, Front. u.] ‚aspernari, 
von - SPERNUS 5!), [splendicare, g The yon SPLENDICUS, 


48) Wenn obscaevare (was and Nenins p. 145 hat) richtig iſt, ſo 
iſt die Ableitung von scaevus von ſelbſt klar. Much obscenare iſt aber au 
fih vollkommen paſſend, denn obscenus ſelbſt wird vom ungünſtigen Anen 
und vorzugsweiſe in der Verbindung mit volueres gejagt, j- Non. p. 356-, 
und zwar dürfte dieß die urfprüngliche Bedentung fein. Denn wie obscen, 
fo ift auch obscenus oder obscoenus yon Ob und cano abzuleiten ; Das ol 
fteht ftatt ai, und ift Dr Gunirung aus i entjtanden, vgl. loebesum von 
der MW. lib, foedus yon W. Tid, und wegen des Ucbergangs von al in oe 
und € vgl, amoenus (it ama ung), amecus lte Formſt. amicus, aus 
ama —icus) u. 

49) Ueber = Wort ſ. Pott J. ©. 140. 68 if. ſehr —— daß 
es, aus dem griechtſchen GRegıpeodeı. entitanden, durch eine Afterbildung 
ſich erſt an unſere Klaſſe von Verben angeſchloſ ſſen habe, der es aber auch 
in dieſem Falle zuzuzählen iſt. 

. = Adverbium-sorbilo, ſchlürfe — font noch bei 
— ‚2, 186) und bei Cäcilius (Feſt. P. 339. M.) vor, f, Müller zu 
Tel. wa D Mal. sanlillare , conscnibillare , obstrigillare De 

Ä En Spargo und sperno oder spernari werden allgemein amd mit Necht 
als zu. einer und derfelben Wurzel gehörig betrachtet. Bott (1 239) glaubt 
als. Grundbedeutung yon spernere „trennen, von ſich fern halten“ anneh- 
men zu können, und es ließe ſich dieſe Annahme allerdings durch einige 
Stellen, wo SUFUNETe „pie Bed. trennen zu haben ſcheint, en pfehlen, wie 
Plaut. Capt. I, 3, 2: auxiliague a me segregant spernunlque se, und 
Enn. 6b. Non. p. 399: nam. sacpe virtutem mali naneisceuntur , jus alque 
aequum se a malis spermit ——— Judeß iſt dech immer ſtreuen, ve 
ſtreuen als die Grundbedeutung der zahlreichen verwandten Verben .anz 
ſehen und auch an den angeführten Beifpielen läßt fie fich feſthalten. & 
möchte daher lieber glauben, Daß spernere oder spernari Neiße: für©&preu 


116 Ueber die ſchwachen Verba 


Appul., splendificare, yon splendificus, Mart. Cap.], slagnare, 
ein ftehbendes Waffer bilden, von stagnum, consternare 
son - STERNUS 52), instigare son INSTIGUS 5%), obstrigillare, 
binderlich fein, von obstrigillus 5%), summanare son Sum- 
manus 55), superare son superus (f. Anm, 18.), suüperslitare 
in der Bed, übrig fein, von superstes, [syncopare, ohnmäch— 
tig werden, son ouyzonos, ohnmächtig, Peget.], talipe- 
dare, von TALIPEDUS 5%) , tergiversari yon TERGIVERSUS 
(vgl. controversus u. a.), terrificare yon lerrilicus, testificari 
son TESTIFICUS, testari und testare (fegteres Prise, p. 797 und 
testalus, paſſiviſch, Cie), von teslis 57), [ebicinare son tibi- 
cen Aulgent.], alligare, berühren, von ATTIGUS 58), titil- 


achtend. h. für nihts, ein Ähnlicher Ausdruck ift der Deutfche: „in 
die Späne gehen“ (Tieck) für zu nichts werden. Spernari verhält fich 
zu spernere wie fligari zu fligere n. ſ. w., ſ. Anm. 20. 

52) Ein sternus ift ein folcher, qui sternit, f. Anm. 20. 

53) ©. Anm. 18. Bol. Rott I, 198. II, 174. und unten Anm. 68. 

54) Obstrigillus wird noch in der Bed. feftgebundner Schuh in 
den Drigines des Iſidor erwähnt. Man ficht, daß es von obstringere ab- 
zuleiten ijt und daß obstrigillus eig. heißt: fejtzubindend Daher 
jene Bedeutung von obstrigillare. 

55) Summanus iſt bef. ein Name des Gottes Pluto; daher summa- 
nare: dDiefen Gott fpielen, und gleich ihn etwas feithalten 
(Virg.: Sed revocare gradum superasque evadere ad auras. Hoc opus, 
hie labor est) ; daher Plaut. Cure. III, 45: vestimenta summanare. 

56) Felt: p.359 M.: Talipedare antiqui dicebant pro vacillare pe- 
dibus lassitudine „ quasi qui trahit pedes, ut talis videatur insistere. 
Diefe Ableitung der erjten Hälfte von talus, der Knöchel, ſcheint un- 
zweifelhaft zu jein; für die’zweite Hälfte bietet fich die Wurzel pad, gehen 
(Pott I, 244), dar, woran pes, zoös, und zwar it pedus hiervon die eig. 
vollftändige Borm für das nachher abgefürzte pes (ber Gehende). 

57) Testis ift von Benfey (griech. Wurzeller. I. ©. 114) unzweifel- 
haft richtig Yon dem Sanffritpräfium ati und stare abgeleitet, eig. der 
dabei ftehende, vgl. antestari und das auch in der Bed. Zeuge ge: 
brauchte superstess Eben fo ift nach Pott (I, 242) daſſelbe Präfixum in 
taedium enthalten, und daß stis (ftatt stus, vgl. das oben erwähnte prae- 
stus) yon stare abzuleiten, ift auch Potts Anficht (IL, 573), vgl. coelestis, 
agrestis. Mir haben fo an testis ein neues Beifpiel eines Nomens, wel- 
ches, obgleich es jpäter im Auslauf i angenommen, doch urjprünglich den 
Stamm auf a hatte und davon Ableitungen bilvete- 

58) Dieß Wort findet ſich Turpil. b. Non. p. 75. Preund meint, daß 
es dafür wahrfcheinlich attiges oder attigas heißen mülle, indeß würde ein 
Verb attigere neben attingere nicht ficherer fein, als das nad) zahlreichen 
Analogieen gebildete attigare, und Jauch dürften eher Die zwei andern Stel 


vr 


FE 


der lateiniſchen Sprade. 117 


lare, fißeln, von TILLUS 59%), trepidare yon trepidus 09), 
jtripodare (gleichbedeutend mit tripudiare) von TRIPODUS 6'), 
iristari, tvaurig fein, von lrislis, Sen.], Zrucido von TRU- 
CIDUS 62) , tubureinari, ſchlingen, von TUBURCINUS 63), 
Iudieulare, herumrühren, von TUDICULUS ©), turpificare 
(turpifiealus, Cic. Off. IL. $. 105) von TURPIFICUS, uberare, 
im Ueberfluß vorhanden fein, von uber, wlulare und 
adulari yon ULULUS 65), [ustulare, fengen, von USTULUS, 
Ritr.], usurpare son USURPUS ftatt usuripus, vadari (und 
vadatus paffivifch, Plaut. Lucil.), bürgen von vas, vagari und 


len des. Attins und Plautus zu ändern fein. An der des Plautus (Bacch. 
111,3, 41) hat Ritſchl nad) Handfchriften attingas drucken laſſen. Es blei— 
ben freilich noch andere Stellen des Plautus übrig und tagere felbit ift als 
eine alte Form für tangere überliefert: indeß dürften jene Stellen des 
Plautus doch noch einer Fritifchen Prüfung bedürfen: 

59) Benfey (a. a. O. IL, 260) führt titillare auf terere zurück. Viel— 
Leicht dürfte e8 der Ded. wegen noch palfender von tango zu beziehen fein 
u ft. titigilus). Neber die Reduplication ſ. Benfey a. a. O. I, 123. 
illare fommt im Comp. attillare in fehr ſpäter Zeit vor. 

60) Feftus erwähnt (s. v.) noch das Stammverbum : trepit, vertit. 

61)-In repudium, propudianus ager (Felt. s. v.) und auch in pudire 
fcheint eine Wurzel pud oder pod, [hlagen, zu Grunde zu liegen, won 
der es zweifelhaft ift, ob fie mit der Anm. 56 erwähnten W pad, gehen, 
treten, identisch ift, vol. Bott 1. 51. 246. Wie nun tripadium und 
tripudiare, jo ift auch tripodare ebenfalls hiervon abzuleiten und zwar durch 
DVermittelung von dem oben angenommenen Wwipodus vgl. talipedare Der 
erite Theil der Zufanımenfegung fcheint faba (vfeifch terum) zu fein, wie 
in tribus, und wie man auch refriva faba ftatt referiva (Felt. S. 277. M.) 
ſagte. Das Verbum tripodare kommt übrigens in den Inſchriften der Ar- 
valifchen Brüder vor. 

62) Trucidus oder trucida ijt wie parricida gebildet. Mit paffiver 
Bedeutung hat man von demfelben Verb bucaeda. Als der erite Theil ift 
wohl lieber mit Pott (1. ©. 109) trux, als mit Döderlein taurus anzu- 
Sehen. 

63) Die Aufführung dieſes etymologiſch fehr dunfeln, aus Plautus und 
Titinnins bei Non. P- 179 angeführten Wortes gründet fih nur auf die 
Analogie von allueinari und der übrigen unter diefem Worte angeführten 
Berben. 

64) Von diefem Adj. ift jedenfalls tudicula, Die fleine Delmühle, 
abzuleiten. Das Stammverbum ijt tundere. 


65) Adulari ſteht bei Luer. V, 1069 im eigentlichen Sinne von dem 
(freundlichen) Bellen der Hunde, und demmach dürfte es rathfamer- fein, bei 
der gewöhnlichen Ableitung des Wortes, wonach es durch Zufammenziehung 
aus adululare entjtanden, zu verbleiben, als eg mit Döverlein (1. 175) von 


aula abzuleiten. 7 


* 


148 Leber die ſchwachen Berba 


vagare (festeres. Enn. Att. Turpil. Varr. b. Rom. p. 67). von 
vagus, obvagulare (und vagulalio), ſch reien, klagen, von 
VAGULUS om Verbum vagio), Al ‚tabb. be Feſt. , varicare, 
krätſchen, und praevaricani, daffelbe (Plin. Feft.) und betrü— 
gen, von varicus, frummbeinig, [variegare, bunt machen. 
und bunt fein, von VARIEGUS 66) ], ‚vaßcinari von valici- 
nus,. velilicar! [und velificare, Pin: Prop.] von ‚velifieus , veli- 
iari, p fänfeln (zanten) von -veles, vellicare e von VELLICUS - 
(Stammoerb. vellere), [perbigerare von VERBIGER , Appul], 
verecundari von vereceundus; [oernare, grüne n,.und prae- 
vernäl, der. Frühling fängt zeitig an, von vernus, Plin.J, 
verruncare. und ‚averruncare son VERRUNCUS md AVERRUN- 
CUS 077, versificare , von [versificus], vesiigare. und önvesligare 
von VESTIGUS 68) , [eicinari, benachbart fein, von Vvici- 
nus, Sidon.) , tigllare yon vigil, villicure (Cie.) und villicari 


+66). ©. -Anm. 13. Ueber das © ſt. i ſ. Pott J. Sa64. 

67) Verruncare wird aus Attius und Paenvius bei Monius (P.- 
vgl. Cic- de Div. J, 45) angeführt. Averruncus fund ſonach auch verrun- 
Ko) wird von Pott (II. 165) fehr wahrjcheinlih von Avertens mit 
dem nochmaligen Sufſtrum cus — leilet, fo daß alſo ri durch Afſimila— 
tion in rr übergegangen, und te (denn der Stamm Son Avertens- ijt Aver- 
tent) durch Weglaffung- dest zu c geworden wäre. Eben jo —— 
aus Mamert-cus und- Marcus aus. Mart-cus. 

68) Pott (1. 198) erkennt in ve richtig das Präfirum ve (val. vesli- 
bulum, vesanus, vegrandis u. a.), auseinander. Um aber vesligare au 
erffären, darf man nicht yon. vestigium ausgehen, fondern man muß beides 
auf Das »ben angenommene vestigus zurückführen, und dieſes letztere muß 
man ohne Zweifel- auf demſelben Wege zn erläutern ſuchen, wie das oben— 
wegen instigare angenommene instigus. Wäre diefes letztere yon der Wurz. 
zel sie (eiker Erweiterung der BD: sta) abzuleiten, wie z · Bi Benfey (a. a. O. 
1. ©. 647) thut, fo würde die Länge. des i unerklärlich fein (vgl- stimulas), 
und ſo ſehr daher auch vas naheliegende instinguere lockt, jo glaube ich 
doc) dieſen Weg verlaffen zu müſſen. Bielmehr wie man neben rumare 
(ſ. Anm. 47) rumigare und neben variare eben fo variegare. hatte, fo-aud) 
instigare neben instare (wobei man freilich = instus annehmen muß, vgl» 
Anm. 43 u. 57). Ueber die Erklärung der Fänge in dieſem Falle ſ. Ant. 
15. Much ijt ja die, Bedeutung jener beiden Verba verwandt genug. So— 
nach iſt auch bei vesligare won einen VESTUS und VESTARE auszugehen; 2 
diejes heißt entfernt treten, und das davon abyeleitete vesligare drückt 
die längere Fortſetzung dieſer Thätigkeit aus. Man verläßt aber den ge— 
bahnten Weg, um einer Spur uch zugehen, und fo entitand Die Bedeutung 

nd chſpüren; vesligium -aber iſt d dasjenige, dem man nachſpürt, alſo 
die Spur. 


der lateiniſchen Sprade, 119 


(Pomp. Ar. Turpil. b. Non. 186. 157), Outsverwalter 
fein, anf vem Lande Leben, von villicus,, vindicare, yon 
vindex 09), violare son VIOLUS 70), devirginare, aus dem 
Jüngliigsalter treten, von virgo (Varr. b. Non. 459), 
viridare, geün fein, von viridis (vöridans, Luer. Birg. Pin), 
vitulari, fröhlich fein, von VITULUS 71), vociferare (Varr.) 
l vociferari von VOCIFERUS, vocificare von VOCIFICUS, 
vorare von. VORUS 72), vutpinari, ſchlau fein, von vulpinus, 
füchſig, Varr. b. Non. 46. 

Bei einer großen Anzahl der eben angeführten Verben wird 
man gegeit die angewendete Deutung wohl faum etwas einzuwen— 
den haben. Ich meine diejenigen, welche von Perfonen oder fol- 
chen -Subftantiven, welche in diefem Falle ftatt der Perfonennanen 
ſtehen (wie aries in arietare, hos in bovare) abgeleitet find, alſo 
adulterare, arbilrare, aurigare, cauponari, dominari, equilare, 
exulare u. ſ. w. 

Nur das Eine. könnte als Stoff zu einem Einwand. dienen, 
daß eine große Anzahl derſelben aus zer befteht: Mean 
fünnte demnach. fagen, diefe feien Palfıva, und 3.8. dominari heiße 
eigentliche zum Herren gemaht werden Ein folder Ein- 
wand widerlegt ſich freilich fchon dadurch, daß dies nicht bei alfen 
der Fall iſt: denn wie ſollen nun die übrig bleibenden erklärt wer— 
den? Außerdem iſt aber. wohl zu bemerken, erſtens, daß. diejenigen, 
welche in der gewöhnlichen Sprache Deponentia find, meift eben-. 
inne und zwar vorzugsweife bei den älteſten Autoren als Activa 


60) Es ift zu — daß man von der ſchon gegebenen Ablei— 
fung. aus venum, und dieo abgegangen if. Die Freilaffung geſchah ja in 
der Form eines Kaufs per aes et libram. Döpderlein leitet das Wort von 
avadtyeodeı, Benfey (a. a. ©. 11. 331) yon einer W. vid ab. 

70) Ueber das 0 f. Bott I. 64. Das Adj. violus ift noch in violens 
und olentus erfenntlich. Ka k 

71) Feſtus (p. 369 M.) leitet das. Verbun ven vitulus ab, was aber 
mit der Quantität unvereinbar iſt. Wen aber der Name der Göttin Vi- 
tula (f. Hartung, Mel. d. N. 11. ©. 256) ſtatt Victula,. yon vincere ab- 
zuleiten ift, fo dürfte auch die gleiche Ableitung des Adj. vitulus zuläſſig fein. 


pu 72) Bgl. Anm. 16.-- Vorus fommt noch im dem omnivorus des 
lin. vor; j 


120 Ueber die ſchwachen Berba 


vorkommen, wie man aus dem obigen Verzeichniffe mit Leichtigkeit 
evfehen Fann, und zweitens, daß fih auch unter ven Verben, welche 
wie in die zweite Kaffe ftellen werden und die man jedenfalls "als 
Cauſativa anerfennen muß, eime nicht minder große Anzahl von 
Deponentien findet. Alfe diefe Deponentia find nämlich dadurch entftan- 
den, Daß die Bedeutung, Die überall urfprünglich caufativ war, indem fie 
fich, fo zu fagen, ihrem Urfprung entfremdete, zu einer neutralen 
wurde, und daß man diefe Befchaffenheit der Bedeutung auch durch 
die Form auszudrüden ſuchte: wodurd der ſchon erwähnte Umftand 
feine volle Erklärung findet, daß die meiften diefer Verba im der 
älteften Sprache noch als Activa erfcheinen. 

Wir wollen eine Anzahl folcher zur zweiten Klaffe gehörigen 
Deponentia zum Beweiſe hierher fegen, obgleich fie freilich wenig- 
ftens zum Theil erſt fpäter ihre wolle Erffärung finden werden. 

Altercari, ampullari, annonari, aquari, argumentari, calumniari, 
caussari, cavillari, eircuları, consiliari, contemplari, controver- 
sari, conviciari, copiari, eriminari, degrumari, digladiari, di- 
gnari, epulari, fenerari, feriari, fluctuari, frumentari, frustrari, 
gesticulari, gloriari, grassari, hortari, jaculari, imaginari, infi- 
tiari, iniuriari, insidiari, iocari, latibulari, lignari, lucrari, ma- 
teriari, mercari, mirari, morari, negoliari, nidari, nidulari, 
nugari, ominari, pabulari, peculari, periclitari, periculari, proe- 
liari, prooemiari, facemari, radicari, rixari, seclari, spaciari, 
“ sltabulari, slipendiari, stipulari, stomachari, stramenlari, iri- 
cari, tumultuari, vermiculari. 

Der andere Theil der oben angeführten Verben beftebt aus 
jofchen, die von Adjectiven abgeleitet find, und hier find allerdings 
mehrere Einwände möglich, die wir jedoch alfe widerlegen zu kön— 
nen glauben. 

Die meiften jenen zu Grund gelegten Adjeetiven gehören zu der 
Klaſſe der fog. Nomina agenlis. Sp nennt man nämlich in der 
Sansfritgrammatif Die zahlreichen durch Anhängung des Guffixes 
a an die Wurzel gebildete Nomina, welche den Vollbringer der in 
der Wurzel enthaltenen Thätigkeit bezeichnen (Ch, Bopp, kl. San— 
ffritgr. $. 575). Diefe Nomina find nun aber nicht minder zahl: 


der lateiniſchen Sprade. 121 


reich im Pateinifchen, wo fie meift als zweites Glied in der Zus 
fammenfegung und zwar theils mit adjectiviſcher theils mit fubftan- 
tivifcher Bedeutung vorfommen, f. Pott, Et. Forſch. 1. ©. 482, 
wo auch eine große, indeß noch ber Wertem nicht erfchöpfende Zahl 
von Beifpielen angeführt wird. Wir haben ©. 98 ſchon einige Worte 
diefer Art in einer andern Beziehung kennen gelernt. Es findet fich 
nämlich gerade unter ihnen nicht felten, daß die Endung, welche 
eigentlich us Yauten müßte, verkürzt oder abgeworfen wird, wie 
auspex ft. auspicus (vgl. prospicus) und fidicen ft. fidieinus 
(ogl. fidieina), und wir wollen hier hinzufegen, daß diefer Fall bei 
denjenigen einzutreten pflegt, welche Die Bedeutung von Subftanti=. 
ven annehmen; ein Hergang, der ſich auch durch) innere Gründe be- 
ftätigen Laßt, auf welche wir uns jedoch an diefer Stelle nicht ein- 
laffen können. 

Daß wir nun Verba, wie auspicari, belligerare, nuncupare, 
usurpare, u. ſ. w., nicht als eig. Compofita, fondern als Paraſyn— 
theta, d.h. als aus zufammengefesten Nomen gebildet anfehen, dürfte, 
obgleich es gewöhnlich nicht gefchieht, Dennoch wenig Widerſpruch 
finden. Die zufammengefesten Nomen find meiſt oder wenigftens 
fehr oft wirklich vorhanden, die Verben in der Form, wie fie in der 
Zufammenfesung evrfcheinen, find nur in wenigen Fällen (ſ. Anm. 16) 
nachzuweifen. Auch haben wir Grimms Auctorität für ung, wel- 
cher ebenfalls bei diefer Art von Verben Nomina auf - fex, -ficus, 
-[er zu Grunde gelegt wiffen will CD. Gr. IL ©. 969). 

Man fünnte aber einwenden, daß diefe Adjectiven wenigftens 
in manchen Fallen paffive Bedeutung haben dürften, wo dann un- 
fere Erflärung fich allerdings von felbft aufheben würde. Antici- 
pare würde alsdann z. DB. heißen: etwas zu einem Voraus— 
genommenen mahen Allen fo viele diefer Adjectiven vor— 
kommen, fo haben fie mit wenigen Ausnahmen active Bedeutung: 
man würde alfo ſicherlich zu vorfichtig fein, wenn man eine Negel, 
die fih an hundert Beifpielen beftätigt, wicht auch auf die wenigen 
noch übrigen, ganz analogen Fälle ausdehnen wollte. Und felbft 
dieſe wenigen Ausnahmen einer paffiven Bedeutung find großentheils 
nur ſcheinbar: denn eine genauere Betrachtung ergiebt einen wefent- 


12 Ueber die ſchwachen Verba 


lichen Unterſchied der Bildung, auf den wir mit wenigen Worten och auf- 
merkſam machen wollen. Wir Haben allerdings collega son legeré 
mit paſſiver Bedeutung und diefes Wort fcheint ein Nomen agentis 
zu fein, wie alle andere, denn die Endung a ift, nach Potts (II. 
430) richtiger Bemerkung, mit der Endung us dent Urfprung nad) 
identiſch. Allein das e ift Yang, wie auch in lex ımd in legare, 
wo — eine paſſive Bedeutung zu Grunde liegt (lex iſt das 
Gelegte, Geſetzte, legare zu einem Ge wählten ma- 
heit, d. he zu etwas beſtimmen). ‚Eben fo: iſt pagare “(in 
propagare) zwar von. bango Cpflanzen, Cato) und alſo von 
‚einem pagus abzuleiten, aber dieſes pagus hat das kurze a (ogl. 
pepigi) verlängert und hat daher. paffive Bedeutung; seculum, 
das Jahrhundert, ift wohl eben fo wie seeula, die Sichel, 
von secare abzuleiten, es bedeutet “eigentlich Abſchnitt wie 
tempus, annus and Die meiften zur befondern- Be zeichnung von 
Zeit- und Raumgrößen urſprünglich nur - eine ſolche allgemeine Be— 
deutung haben), es hat aber fanges e » weil es das Abgeſchnittene, 
nicht das Abſchneidende bedeutet; indages son-ago hat ebenfalls 
langes a, weil es den Ort bedeutet, wohin getrieben wird, und das 
indaga veri des Matt, Capella mit deriaftisen Bedeutung und dem 
kurzen a Kann deßhalb vollkommen richtig ſein; pax von paco 
(päeiscor) hat das lange a mit demfelben Recht, wie lex, denn 
es iſt das fe ſtgeſetzte, eben ſo vox neben vocare, und diefe. 
Beiſpiele, wo alſo Die paſſive Bedeutung durch die Quantität des 
Wurzelvocals, durch welche das Wort gleichſam einen größern Nach— 
druck erhält, bezeichnet wird, laſſen ſich vielleicht bei fortgefegter 
Beobachtung noch. vermehren. Die angeführten werden jedoch. hin— 
reichen, um jeden etwa aus dieſen Wortem zu führenden Beweis 
für die paffive Bedeutung der nomina agenlis zu entkräften. Nur 
agger (neben armiger) bleibt mit paffiver Bedeuturg übrig, wo— 
hingegen rex (ſtatt regus, wie dux ftatt ducus) , obgleich von 
aftiver Bedeutung, Das e fang hat, 

We wir übrigens ſchon mit einer Anzahl von einfachen Ver— 
ben (wie cubare u. f. w. f. Anm. 16) gethan haben, fo möchten 
wir auch noch einige andere auf dieſelbe Art durch Zurückfüh— 


der lateiniſchen Sprade, 123 


vung auf nomina agenlis erklären, die wir wegen ihrer ungewif- 
fon Ableitung in dem obigen Verzeichniß nicht mit haben aufnehmen 
wollen. Nämlich: amare, calare, [chalare], eremare,. creare, 
ereparc, dolare, domare, flare, fricare oder friare, hiare, la- 
bare, ‚melari, micare, ininari, nare, rigare, Togare, Secare, 
[subare], tonare, vacare, velare, vocare, volare, und dazu noch 
Die Compoſita amtruare (oder andruare, anlroare, von der W.: 
900, f. Bonfey. 0.08... 351), inquinare. und interpolare. 
Alte biefe Worte haben diefelbe einfache Geſtalt mit einander ge⸗ 
mein, mehrere (wie: erepare,. donare, secare,' lonare, velare) 
haben in der‘ Bildung. des Perfects und Supinums noch neberreſte 
des ſtarken Wurzelverbums erhalten, neben inquinare wird cunire 
bei Feftus mit derſelben Bedeutung erwähnt, und yon crepare und 
vocare- kommt dus Nomen agenlis noch in perterricrepus (Luer.) 
und. aequivgcus (Iſidor. Orig.) vor, und auch tonus dürfte als. 
ein ſolches zu lonaré anzuſehen fein. Die ſonſtigen Verſuche, die 
angeführten Worte auf bekannte Wurzeln zurückzuführen, wollen wir 
hier des Raums wegen übergehen, obgleich namentlich Pott mehrere— 
ſehr glücklich aufgehellt hat. Wegen der Bildungen, wie agreslis, 
superstes, und wegen sistlere und slälum wird man endlich auch— 
stare noch fo anfehen können. Auch haben wir bereits oben Ann. 
43 und. 57 ein praeslus angenommen. Dagegen wird man dare 
wegen des. kurzen a als ein unabgeleitetes Verbum betrachten müſ⸗ 
fin 7°) as iſt ein Ueberreſt des Sanſkritbindevocals a), hier— 
von aber wurde das Suffix dus im erudus, madidus ır. a. (f. Pott, 
1. S. 667) gebiet), und von. Diefem ift mandare (manu-dus, 
vgl. mancipare) gebildet, welches demnach mit zu der in Nede hi 
henden Elaffe von Verben zu rechnen iſt. 

Es wird hier an der Stelle fein, ſogleich noch eine Anzohl. 
anderer Verba anzureihen, deren Ableitung ebenfalls zu zweifelhaft 


73) Es kann ak daß die Murzel a Verbums demnach nur 
aus einem Conſonanten zu beſtehen ſcheint. Vielleicht it u ausgefallen, 
welches in duit,,-perduit und ähnlichen Formen bei Plautus noch erhalten 
und wahrfcheinlich auch in induo zu erfennen it Jene Auffaſſung des A 
als Bindevokal wird bejonders Dur) die Compoſita unterſtützt, wo-das € 
ſtatt deſſen wirklich eintritt. u 


124 Ueber die ſchwachen Verba 


ift, als daß fie in das obige Verzeichniß mit hätten aufgenommen 
werden fönnen, für deren Anführung unter diefer Claffe aber den— 
noch ein pder der andere Grund fich geltend machen läßt. 

In diefer Weiſe führe ich zunächft folgende Verba an, von des 
nen die meiften von Gubftantiven der dritten Deelination auf us 
(wie onus) abgeleitet zu werden pflegen: considerare , deli- 
berare, [funerare], lamberare, onerare, operari, ponderare, 
scelerare, temperare, ulcerare, venerari, verberare, und die 
ähnlichen: caslrare [lragrare] , latrare, migrare, patrare, tole- 
rare, vibrare (nebft vibrissare).. Unter diefen haben folgende ent- 
fprechende Neutra der oben befchriebenen Art: funerare (funus), 
onerare (onus), operari (opus), ponderare (pondus), scelerare 
(scelus), temperare (lempus, alte Form: temper!), ulcerare 
Culcus), verberare (das ungebr. verber, Plural: verbera). Sind 
num dieſe wirffih von diefen Subftantivis abzuleiten? Sch halte 
es wenigftens für zweifelhaft. 

Selbſt wenn fie von denfelben abzuleiten wären, fo würde man 
die Subftantiva für abgekürzt zu halten haben, und als die urfprüngliche 
Form Junerum, onsumn. |. w. anerkennen müffen. Wir haben 
eine ſolche vollftändige Form noch in jugerum, welches nicht minder 
wie die genannten Subftantiva, im Plural nach der dritten Deck 
nation fleetivrt zu werden pflegt. Dadurch geben fich aber dieſe 
Subjtantive als urjprüngliche Adjeetiva mit dem Suffix - rus (10) 
fund, über welche Pott II. ©. 597. Von dieſen dürften fie als— 
dann vielleicht unmittelbar vichtiger abzuleiten fein, als durch das 
Medium jener Neutra. Ber zweien derfelben haben wir zn diefer 
Annahme noch eine befondere Berechtigung. Es fiheint nämlich nicht 
anders thunfich zu fein, als zur Erklärung der Stelle Virg. Aen. 
IX, 456: nec te tua funera mater produxit, mit Servius ein 
Adjectivum funerus oder funer anzunehmen, welches leidtragend 
beißen und ähnlich gefest fein würde, wie funestus Varr. J. J. V, 
23 : donec inhumatus sit, familia funesta manet, und eben fo 
ift für Plant. Pfeud. II, 2, 25 ein scelerus anzunehmen, wie auch 
Foreellint gethan. Und auch von den übrigen ift deliberare mit 
Sicherheit von dem Adjectivum liber abzuleiten, und als ein zu 


der lateiniſchen Sprache. 125 


gegenwärtiger Klaſſe gehöriges Cauſativum zu erklären. Liber ſteht 
namlich ber Plautus (Amphitr. Prol. v. 105) in der Bedeutung, 
welche als Grundbedeutung anzufehen ift, da fich in ihr die Herlei— 
tung deutlich ausfpricht und da aus ihr die übrigen Bedeutungen 
feicht abgeleitet werben fünnen, nämlich in dem Sinn: Belteber, 
Liebhaber. Die Stelle lautet: Quam liber harum rerum mul- 
tarum siet, quantusque amator sit etc. Liberare heißt demnach 
ein Belieber fein, und deliberare gleichſam: alles Möge 
liche durchbelieben, d.h. überlegen. Wir befipränfen uns 
mit diefen wenigen Bemerkungen über die obigen Verba, miüffen je- 
doch hinzufügen, daß die mit dem Suffix -ro gebildeten Adjeftive 
keineswegs alle active Bedeutung haben, ſo daß auch unter der ges 
machten Vorausſetzung Die Einreidung jener Berba unter unfre Klaſſe 
noch ſehr zweifelhaft bleibt. 

Mit größerer Wahrfcheinlichfeit gehört pinsare (Varr. R. r. 
I, 63, bei Ron. p. 163 : pisare) hierder, welches, wenn die Les— 
art richtig, dort für pinsere fteht, ferner Ülubare mit der oben 
bei titillare ſchon bemerkten und von Benfey an der dort angeführ- 
ten Stelle mit weitern Deifpielen belegten Reduplikation, ferner 
missiculare und [pensiculare], beide, wie es fcheint, von ven 
Adjeetiven missiculus und pensiculus gebildet, manducare von 
Manducus, einem Gotte des Freſſens mit aufgefverrtem Rachen, 
f. Feſt s. v. u. Müller z. d. St. p. 128, sardare (Naco. b. Feſt. 
p. 146. 252. M.) wiffen, von SARDUS, wiffend, wovon 
absurdus, ruspari, erforſchen, vielleicht son RESIPUS over 
RESUPUS (sipus oder sibus, wiffend, wird bei Feſtus erwähnt), 
flagitare son der bei flagrare erwähnten W. lag, brennen, 
vacillare und sugillare von VACILLUS und SUGILLUS (ogl. 
cantillare), carinare, ſchelten, von CARINUS und dieſes won 
carere, främpeln, manare yon MADINUS (glei madidus 
von madere). Folgende endlich find ganz unficherer Ableitung ; 
refragari und suffragari, peccare, occare, oscitari. 

Meber die Inchoativa wird unten bei den Verben der zweiten 
Conjugation zu handeln fein, 

Es find aber noch einige Subftantiva zu erwähnen, welche der 


126 Ueber die ſchwachen Berba 


Form nach von Verben der erſten Conjugation abzuleiten ſind, die 
alsdann keine ‚andere, als eine diefer Kaffe entforechende Erklärung 
zufaffen. Sp [aequildtatio ; die Paralellität, von aequila- 
tare, Bitr,, caculalum, „serviium*; Feſt. 8. v., von cacula, 
Der. Diener, und caculare, Diener fein. caussidicalus, 
„Jizwuohoylar, Gloſſ. ducalus, die Anführerfhaft, Suct], 
magisiralus yon magistrare neben dem oben angeführten wirklich 
vorkommenden magislrare, primalus nebft mehreren anderen Amts⸗ 
namen, wie: aedilatus, curionalus, decurionatus, optionatus, sa- 
liatus, tribunalus ; ſelbſt senatus und senaculum ſcheinen ein se⸗ 
nare yon senex vorauszuſetzen. Und auch von den Adverbien auf 
alim verlangen einige dag Verbum in gleicher Bedeutung, wie ca- 
natim, .columbatim (wozu. columbari noch vorhanden), columbu- 
latim, bovalim, sualim (Nigid. b. Non. p. 40), tualim und ur- 
banalim, ’ — 
Endlich iſt zu bemerken, daß einige von den Verben, welche 
unter dieſer Klaſſe angeführt worden ſind oder allenfalls noch hätten 
angeführt werden können, noch eine andere Deutung zulaſſen. Wir 
haben z. B. celerare in der Bed. ſchnell fein mitgenannt. Wir 
fagen aber auch im Deutſchen [hell machen und wir denfen 
uns dabei dabei das Objekt als ‚ein unbeflimmtes hinzu, und chen 
fo ließen fi acquare, crebrare, ilterare u. a. auffaffen. "Wenn 
wir aber dem Linterfchied zwifchen der erften und zweiten Klaſſe 
etwas tiefer nachforfchen, fo werden wir ihn befonders darin finden, 
daß in beiden Fällen das Hervorbringen einer Thätigfeit zu Grunde 
liegt, jedoch fo, daß bei den Verben der erſten Klaffe die Thätigkeit 
an dem Subjekt felbft, bei denen der zweiten "ber einem Dinge außer 
dem Subjekt hervorgebracht: wird. Wenn nun. ein von einem Ad— 
jectiv oder Gubftantiv abgeleitetes Cauſativum intranſitiv gebraucht 
it, ſo liegt 68 in der Sache, daß es öfters zweifelhaft fein wird, 
ob man fagen folle, daß die entfprechende Thätigfeit am dem Sub— 
jeet felbft vder an einem Dinge außerhalb demfelben erfcheine, Wir 
haben immer das Wahrſcheinlichſte zu wählen geſucht und daher 
Berba aequare, celerare, cocuscare, ‘crebrare, durare, exirare 
u, f, w., ferner Diejenigen, welche Farben bezeichnen, unter die erſte 


Ueber die [wachen Verbader fat. Sprade. 127 


Klaffe geftellt, während folche, wie iterare, conlinuare, frequen- 
tare, verare, variare, weil bier, auch wenn die Verba ohne Ob- 
jekt ſtehen, doch in der Negel etwas Anderes als das varium, 
continuum,. frequens, verum, varium erfcheint, in der zweiten 
Kaffe folgen werden, Eben dafelbft. werden auch gemmare, geni- 
eulare, frulicari einen vichtigeren. Pla ſinden, weil dieſe Dinge, 
auch natürlicher als etwas außer dem Subjekt, wiewohl mit ihm 
Verbundenes, betrachtet werden. | | or 


Schluß folgt.) 


Hacobi Geelii Schediasma de 1000 
Cliementis Alexandrini Strom. %H. 
p. 624. Sylib. 


Adverlit me nuperrime Osanni commentalio in Museo 
Rhen. Ann. II. p. 495—510. de sophista Hippia archacologo. 
Quoties enim disserentem aliquem video de sophistis Socra- 
tici lemporis, renovalur mihi memoria strenui nec tamen salis 





fructuosi laboris mei, quippe ab imparato, invitante materia, 
suscepli, et ab iudieibus certaminis nimis benigne probali. 
Itaque retraciandi operis, quod iamdiu destinalum occupationes 
meae interceperunt,, efleeit. consilium , ut quae viri docli ab 
viginti inde annis de eodem argumento dispulaverunt, quan- 
tum polui, diligenter, exploraverim: in quibus nunc haec est 
commentatio Osanni, viri perdocli el ingeniosi, mihique bene 
eupientis: quod enim dolere se professus est, librum meum 
adhiberi non potuisse, accipio ambiguae significalionis bene- 
volentiam. 

Vsus est Osannus loco quodam insigni Clementis Alexan- 
drini, Strom. VI. p. 624. Sylb. quo demonstraret Hippiam 
Eleum scripsisse opus vel sermonem archaeologicum. Minus 
recle eum Clemenlis verbis usum esse si ostendero, haud 
aegre ferel, sat scio, vir egregius: qui si erroris me convi- 
“cerit, gralus ampleclar animadversionem. 

Clementis verba haec sunt: ’4A4” iva un enınkeov nooin 
6 Aöyog, pihoriuovusvwv Huov TO Evenipogov El; #Aonnv rwv 
“Erhnvwv ara Tovg Aöyovg xal Ta doyuara Enıdsizvuvar, WEgE 


” - en ‚ * x \ * J ee 
avrızgvg uaorvoovvra nulv Inniav Tov ooyıornv vov helor, 


De loco Clementis Alexandrini. 129 


Ög 709 WVToV neo! TOD no0xeluEvoV uoı OxetarTog nreıv A0- 
yov NREÜOTNOWLEIR WE nws Akyovra 
Tovrov towg sionrar ra uev Ogpel* ra d& Movoalw 
xaraßgayv, aA allayov a de Howdw* za d8 
Ounow- ra dE Tois aAdoıg ToV noımrov* a Ö8 &v ayy- 
yoapals- a uiv "Eihnoı* va ds Baoßaooıs. ”’Eya de 
Er navrwv TOVTWV Ta nEyıora xal Öuopvia ovvdeis, 
rToũrov xaıvöv zal noAvsıdn TOV Aoyov noLmo0uGt. 
Nihil differunt in his verbis editio Potteriana et, quod 
mireris, Klotziana, quamquam uleus subest, quod quomodo sibi 
sanaverint, qui silentio transmiserunt, discere pervelim. Et- 
enim in illis p&os ayrızovg — de nwg A&yovra nemo inter- 
pretalus est interiecla ög 709 aurov — Hueıv A6yov: nam vera 
interpretatio non est eius, quisquis in Sylburgiana sic verlit: 
quâ — id ipsum Traclabat , quod ad considerandum est nobis 
propositum. Quid autem proposilum erat Clemenli ad consi- 
derandum? — furta, ut pulo, literaria Graecorum inter ipsos: 
hoc nunc agebal, devertens ab dispulatione de velerum syın- 
bolica. —— igilur? scripſeratne Hippias de eiusdem gene— 
ris furlis? — profecto non persuadebit Beckerus, „si recte 
intelligo, in scripto. quod mox citabo; ipsa. verba Hippiae, ab 
Clemente laudata, longe aliud eum egisse declarant. Itadue 
nihil-iuvat coniectura Sylburgü, pro 7xsıv corrigentis &yeı vel 
yet, ulrumque per se alienum. Osannum quoque "haesisse 
puto, etiamsi non significaverit: ego denique iam in eo eram 
ul desperarem‘ de loco depravalo: ‚ qui religuorum. mihi imtel- 
ligentiam praecluderet, quum depreliendere “mihi viderer imi- 
tationem verborum Platonis, in Görgia, p. 521. e. — ody E50 
010 hey Ev m diraorngio* Ö avzog dE wor‘ mr A0yos, 
evaso noog IlwAov ‚eheyon : - aaa admissa, lusit Clemens in mi- 
nime frita significalione verbi hzei, eb in eo quoque, ut arbi- 
Iror,: - quod utringque sophistae alicuius parles sunt :"erit aulem 
pro d5 Tov avıov cörrigendum "wg ion adzo, ‚id est, wore rt. 
'@. age ‚Ginquit) ) manifesio adstipulanten nobis Hippiam sophi- 


stam Eleum, la ul idem sermo- (quo, ille usus‘ est) ad me per- 
Mif. . Philol —1L 9 


130 Deloco 


tineat in proposita consideratione, adducamus cet. Vnde ap- 
paret non nimis premendum esse vim verbi uaorvgeiv. 

In iis quae sequuntur Hippiae hoc quoque integrum non 
est, quod Clemens eum dicentem facit: z« d& Movoaıvy za- 
Taßoayı, alım dikayov. Quo enim referendum &%.w? ad 
aliumne nescio puem poelam? — at deinde plenius comme- 
morat eos, quorum nomina omittit: Ta JE Toic akkoıg zwv 
noımtov. Locum sic corrigi et interpungi velim: rovzwv lowg 
eioyraı Ta usv 'Oopel, ta de Movoam, zataßoayd arkwg 
ailayod, i. e. sparsim alias aliter: scilicet perlinent haec ad 
Orpheum et Musaeum, vel quod uterque multa breviora car- 
mina scripserat, in quo ab Hesiodo et Homero differebant, 
vel aliam ob causam, His contigua denique sie interpungen- 
da: za d& Ev avyyoagpals, ta ev "Eirnoı, a de Baoßapoıs. 

Excilata Clementi verba Hippiae ita circumseripsit Osan- 
nus, ul pro postremis haberet 70070» zuvov zal noAveudn Tov 
Aöyov noıyoouaı, et in nola monuit, sequentia sibi Clementis, 
non Hippiae esse verba videri: ög dE un @uoıgov Tyv Te QI- 
Aooopiar ınv TE ioroolav, Alk umdE mv 6mroginyv Tod 
öwolov EAEyyov negudwusv, zal Tourwv oklya nagaseoFaL 
svAoyov, Ahzpalavog yao xıh. Quae quod dubitanter pro- 
nuntiavit Osannus, hine ortum puto, quod quaestionem de 
celebrato loco Clementino introspicere supersedit: lectores 
brevitalis causa mitlit ad Beckerum (Seebode, Neues Archiv, 
etc. 1. Jahrg. p. 71) quem ubi consulueris, «ro«zrog redibis. 
Namgque dixerat Ruhnkenius in Hist, crit. Orat. P. LII. „Vetu- 
süssimus grammalicus libro de scriptorum furtis, quem Clemens 
Alexandrinus, nihil similem furti actionem veritus, eompilavit 
cet.“ Haec non scripsit, ut suspicatur Beckerus, confundens 
Hippiam cum vetuslissimo grammalico, sed egregie divinans, 
omnem hanc digressionem Clementis nili velusto aliquo scripto 
neot xkonns, qua de re haud vulgaria dispulavit Cobetius 
meus in Obss. crit. in Platonem Comic, p. 68. sqq. Quae 
autem sequuntur apud Clementem post 70» Aoyov noımoouaı, 
haec ex alius quam ex Clemenlis persona dici putare (pace 


Clementis Alexandrini. i31 


Osanni dixerim) absurdum foret. Sed ego plura molior, qui 
ne postrema quidem illa, &y0 d& &x navıwv Tovrwv — notm- 
oouaı, Hippiae esse credam. Sunt Clemenlis: quod quo magis 
apparecat, totius loci continualionem et cum reliquis nexum 
persequamur, Inde a pag. 618. d. Sylb. Graecorum inter se 
poelarum furta, si dis placet, recensentur, intermixtis perpaucis 
ex prosae orationis scriptoribus: haec absolvuntur in ima 
pag. 623: quod si tenemus, in promiu est intelligere, quid sit 
quamobrem seriem furtorum poelicorum interrumpat Clemens 
iis verbis, de quibus agimus. Nempe praeparat transitum ad 
ea furla, quae facta sunt ab seriptoribus inter se et ex poelis. 
Itaque , ne oratio Cinquit) mea longius excurrat , comprehen- 
dam onmem rem G. e. eircumsceribam argumenlum) paucis 
verbis. Hippiae, quae ad consilium meum faciunt: tum allert 
sophistae verba : zovrwv iowg — a dE Bagßavorg: in quibus 
ovyyoagai significant cuiuscumque generis xararLoyadnv Scri- 
pla, praeler- historica, philosophica et rhetorica: quamquam 
potuerinine haec omnino excludi, viderit Hippias , vel Cle- 
mens, qui sine controversia, ul sequentlia ostendunt, exclusit. 
Sed Clemens ita pergil: &y® d& — noıyooner: in quibus ver- 
bis nihil est, quod de hoc excursu suo dicere non poluerit, 
quippe revera za et noAvsıder, id est ex variis aliorum 
sententiis composilo , cuius generis scriplionem sophistae va- 
nitas non admississet. noımooumı non tantum ad ea perlinel, 
quae sequunlur, sed ad praegressa, speclatque lotius demon- 
strationis comprehensionem. Quodsi Hippias dixisset , se &x 
NAVTWv I0VTWv Ta yeyıora xal Önogpvia conlulisse, male 
sentenliam orsus esset verbis 200g &iorraeı, quandoquidem in 
hac verborum composilione iowg necessario significal fortasse. 
Denique &y& da opponit Clementem Hippiae, quae indicalio, 
quaniumvis necessaria post inserla verba aliena, plane desi- 
deratur in sequentibus: @g de un @uoıgov zrA. — Posiremo 
promiltii Clemens se adiecturum de historieis, philosophis, 
oratoribus, idque debitum solvit scilicet. 

Haec si probabiliter conclusa esse concesserit Osannus, 


139 De 1loco 


* 


intelliget cur mihi nondum persuaserit fragmentum Hippiae 
decerptum esse ex libello archaeologico. Si enim, ut conii- 
cit Osannus, Hippias iactare voluisset, oralionis materiem se 
collegisse ex omni historia deorum, heroum, populorum , ho- 
minum, ac poetarum scriplorumque auctoritate apud auditores 
nili studuisset, profecto non diffidenter, tamquam in dubia 
re, dieturus erat: horum fortasse nonnulla cecinit Orpheus 
cet. Immo aliud genus arroganliae latere suspicor, eumque 
verbis istis usum esse in argumento aliquo, quod ipse de’ suo 
amplificare et ornare cogitando inveniendoque poluerit, etiamsi 
alii scriptores eandem rem vel dala opera elaborassent,  vel 
obiter atligissent. Hoc argumentum quale fuerit, incerla con- 
iectura est; a qua tamen periclitanda mihi temperare nequeo. 
Potuit enim Hippias in epilogo orationis, quam Lacedaemone 
se habuisse gloriatur apud Platonem (Hipp.. mai. p. 97.f.) de 
studiüs quibus adolescentes incumbere deceat, iis verbis uli, 
quibus Clemens abusus est. Quamvis enim di@royog fuit, ov 
A0yog, ul. confirmat Philesiratus p. 495, ex Platone hoc pe— 
tens (ut coniicit Osannus, egoque conieceram in Hist. erit. 
Soph. p. 191) tamen, finito sermone Nestorem inter ei Neo- 
plolemum, potuit sophista venlosus signilicare, seripsisse for- 
tasse multos de eadem re, aliundeque peti potuisse- praecepla- 
erudiendae iuventutis, se vero in illo sermone promsisse quae. 
multo hominum ac rerum usu suaque medilalione ipse inve- 
nissel. 

Ceterum haud dubie Hippias-saepe de antiquitate locutus 
est; quod ego, ul nunc Osannus , conlirmavi p. 155 ex Pla- 
tone 1. J. p. 97. e. nee intercedo quominus ista rerum anli- 
quarum scienlia archaeologiae nomen et honorem consequalur; 
sed disciplinae formam induisse et diiudicavisse quae vera, 
quae incerta, quae falsa denique essent, omnino archaeologiam 
illam fuisse, qualem hodie condimus interpretamurque, quoties 
eo vocabulo ulimur, hoc igitur eredere.non licet, nisi si quis 
demonstraverit, velulas nulrices fabellas de rebus anliqui tem- 
poris narrantes archacologas esse. Meram quaerebat Hippias 


Clementis Alexandrini. 155 


auditorum delectalionem , quod palam eum Plato sic BT 
tem facit: nsol Tov ysvav, @ Swrgutes, ToVv TE NOWWV zul 
Tov urdownwv, xal TWwv KaToLXioewv, @G TO aoyalov Euri- 
09n00v al nolsıg, zal ovAAnddnv nmaong Tns doyaokoylag 
ndıora axgo@vraı. Videtur iucundus fuisse narralor historia- 
rum et fabularum , eaque prae ceteris declamasse , quae tum 
eventuum et vicissitudinum in rebus, tum in dicente memo- 
riae ädmiratlionem moverent. 

Denique, ne hic quoque sermo Bu henn nooin, breviter, 
sed meis verbis, dicam, non videri Clementem Hippiae libel- 
lum novisse. Haud’ dubie fragmentum illud ex aliquo petit 
- velustiore grammalico, qui aplius usurpavisset, quam Clemens, 
homo furax supra Graecos, quos pelulanier et imperite ex- 
agitabat. | 


Lugd. Batavorum die 21 Iulii 1843. 


Miscellen. 





Epigraphiſches. 





Der Inhalt der Iſisinſchrift von Andros, wovon 
Bd. II. ©. 326 und 436 die Rede war, iſt möglichſt ins Kurze 
gezogen, in der folgenden Weihung einer Statue der Sfis an die 
Göttin felbft im Museo epigrafico des Studienpalafts in Neapel 
TE TIBdi) 

VNAQVAE 

ESOMNIA 

DEA ISIS 

ARRIV SBAL 

BINVS V. €. 
Doc der pantheiftifche Charakter des Sfisvienfts war auch vorher 
befannt genug. Das Wichtigfte, was zur Erklärung des Monu— 
ments in Andros beygebracht werden Eonnte, führte Sauppe an 
in feiner auch an andern guten Bemerkungen veichen befondern Aus, 
gabe deffelben, Zürich 1842, die Angabe nemlich des Divdor I, 27 
son den Gräbern der Iſis und des Dfiris im Arabifchen Nyfa, je- 
des mit einer Stele und einer Infchrift daran, wovon die anf Iſis ans 
fängt: &y@ "Iors eiru 7 Baorkıooa. Da nun diefem Herausgeber 
auch ein Grab der Sfis zu Memphis befannt war, fo ift zu be- 
dauern, daß ihm entgieng, wie unfre Inſchrift fich giebt fir die 
Stimme der Stele — der Grabftele nemlich — der Iſis zu 
Memphis an ihre Nerehrer, indem ew I, 7 falfch abtheifte und 
emendivte : Amoig dnvoma Ayo, xovoogoovog Eioıs, anftatt 
(orahay) amvorour Ey Yovoodoovos, und daher auch im fol— 
genden anftatt de V. 14, 34. 36, 39, wie 26 und II, 21 Hosç 


Epigraphiſches.“ 135 


Eyo, immer adE ſetzte. Die ganze Geſtalt des Gedichtes, das kei— 
neswegs ein Hymmus, wie es genannt wird, fondern eine Gr ab- 
fohrift ver Iſis ift, hängt von diefem Hauptumftand ab, in Anfehung 
deffen mit mir Bergk übereinftimmt,. Diefer hatte bey feiner Ar- 
beit über diefe Inſchrift in der Zeitfchrift für die Altertbumswifl. 
1843 ©. 36 die meinige nicht vor Augen, da er in derfelben Zeit- 
ſchrift erſt ſpäter S. 190 bemerkt, daß die Infchrift auch von mir 
beſprochen worden fey, fo wie er bey feiner Herftellung auch von 
der Sauppefihen ganz unabhängig war, auf die er nur ein einziges 
Wort,layida) zurücdführt. Um fo beſſer: fo empfehlen fich "die 
Emendationen und Ergänzungen, worin wir alle drey übereinftin- 
men, fihon hierdurch. Es find dieß I, 1 Awooroie, 29 nAay- 
xtav, 33 dıavim, 35 7vvoa, 37 o8.avas, 39 yorywv, AÖ Eorv- 
yov, 47 edowuevog, 1, 6 reıuav (Sauppe fehrieb fo am Nand 
in einem miv-mitgetheilten Exemplar), 7 renooorF und dvayzar, 
13 dorlo, 14 onnkuysı, 23 vaoos, 25 nediwv, 33 Ivaroioır. 
Zu ändern habe ich in meinem Tert nach Sauppe und Bergk nur 
I, 10 deıgaleo Ö’ “Eonavos, wie der Stein giebt, 31 Yalvon« 
und II, 11 «dunseraow TnFuv, aus TPIOTN, wo Roß ſich 
ftärfer verfehn bat als ich gerade bey ihm worausfegen mochte, in— 
dem auf dem Stein wirffih THOTN zu leſen iſt; auch iſt II, 24 
das. Komma beffer nach avra zu ſetzen. In einer Stelle, I, 41, 
hatte ich unter dem dwgrouois der Abfchrift daffelbe verftanden, 
was der Stein, wie ich felbft nachher fah, enthält, zwgıowozs, von 
zovoilsıv, erziehen, während Sauppe und Bergf, denen auch ©. 
Hermann beyſtimmt, gefegt haben dwomozois, donis, wovon nicht 
abzufehn ift, wie fie den Kindern Ehrfurcht gegen die Eltern bey- 
bringen follten. Im Uebrigen trifft Berge noch mehrmals mit mix 
zufanmen, während Sauppe das Richtige allerdings nicht batz fo I, 
14 in dgavaoa, 42 in uvzauovog, 43 in Aldos, 45 in dulsar- 
dowv, wo es mir angenehm ift, die Beftätignng meiner Annahnte 
diefes neuen Worts in der Stelfe Diodors I, 14 bey Sauppe und 
Berge zu finden, wonach Ifis wirklich die Nahrung mit Menfchen- 
fleiſch durch Einführung des Getreides abfchafft (was in dem dar- 
auf folgenden AHOMEIPAN ftede, hat noch Yiemand getroffen) 


136 Miszellen. 


— ferner H,.5 in oneigoya navım, .6 in ÖnoxAaloroa (nach 
dem Stein; Önoxlalaven iſt Druckfehler), 31 in uareo’ dneı- 
»aLoıoav Cetzteres bey Bergk in den Anmerfüngen). Dagegen 
fand ich mit Sauppe 1, 38 awida, H, 11 & S’ anegarors, und 
Tpreibt nur Bergk falfh : &de zugarrw mosoßa Koovo Yvya- 
«no, für ads TYPANNQ2N ngeoße, Koovw Hvyarng, wie 
nyeoßa Khvuevoro Yvyargov. Als Beyname von Zeus iſt zu-. 
gavvog im Corp. Inser. Gr. n. 34385 diefer Beyname fteht den 
Göttern überhaupt, dem Kronss nicht inshbefondere zu. Auch ift 
es nach dem. Styl’ des Dichters nicht nöthig I, 43 merumpagov 
in ben gen. pl. zu ändern (Sauppe: alralam voraginum custo- 
diam); #7 nLoıcı, ftatt #A7loıoa, I, 29, bey Berge ift nur Drud- 
fehler. Gegen beyve halte ich I, 12 meine Erklärung feft, indem 
ich nicht: däuog,, ſondern dauog (önuovs) feße, wonach Sfis 
den ſchauerlichen isoög Aoyog ſchrieb für die Myſten, und was. die 
Völker auf: den gemeinfamen Mad brachte, nemlich die Geſetze 
(V. 20 Yeouoderig egonwv), Hieroglyphen und demotiſche 
Schrift ſind weder in den Worten gegeben, noch als angemeſſen der 
Griechiſchen Iſis zu denken, die, unerachtet der Fiction einer Abſchrift 
von der Gtele zu Memphis, allen und durchhin geſchildert iſt, - fo 
wie in ber" angeblichen Nyſäiſchen Inſchrift bey Diodor mehr Die 
Aegy ptiſt che. Auch iſt der Anſtoß, welchen G. Hermann in der 
Zeitſchr. f. d. AW. ©: 379, indem auch ex diefe Erklärung be 
folgt, Die er übrigens mit Recht für uuverträglich mit den Worten 
wie ſie ſind erklärt, an dem yoapideooı zureSvoa, Taloı zaoasa, 
nimmt, in der. That nicht zureichend, um und zu einer durchgreifen⸗ 
den Umſchmelzung zu treiben. Nur wenn man nicht unterſcheidet 
die Erfindung der Schrift des tiefgehenden Hermes, die nemlich 
Iſis als Hermes ſelbſt macht (evpoueva), wie fie ſelbſt Amphi— 
trite, — u. ſ. w. iſt, und das, wozu fie die Erfindung an 
wendet, iſt jene Wiederholung: des Schreibens unglaublich, Daß 
Wn6z0vpw oVvußoru deıwv nur die Schrift überhaupt, als wun- 
derbar and geheim dem nicht in ihre Kenntniß Eingeweihten, bedeu⸗ 
tet, iſt auch daraus klar, daß dieſe Worte beydes, den 80 A0y0S, - 
bie Weiheformel (wie in den Myſterien der Demeter), und. das 


Epigraphiſches. 137 


Andere, was man für demotiſch oder offenbar nimmt, umfaßt. 
Widerſprechend iſt nach Hermanns fünf veränderten Worten in fünf 
Verſen, wodurch. nur der eine wirkliche Fehler NAPAZAZ, f. 
x#905a, gerettet wird, der Sinn, daß Iſis ans tiefer Seele 
ans Licht gebracht habe, was Hermes für die Eingeweihten als 
heilige Lehre, und was er für das Bolt für jedermann verftändlich 
gefhrieben Habe. Nein, son ihr ſelbſt geht hier alles aus, 
und Piyfterien und Gefese find feine Kleinigkeit. — Auch in einer 
andern ſchwierigen Stelfe U, 18 f. verfehlten ſowohl Berge als 
Sauppe den Sinn, wo fie ändern Eoraoe (f. Eoraca) und damit 
verbinden, jener evloyia in der Bedeutung Nächkommenfchaft, dies 
fer die Emendation evAoyia. Dffenbar Iſis ſelbſt ftellt in den 
Schiffen einen Reigen der Doris auf, nach einer ſchönen Verglei— 
Hung, einen Nereivenzug, und zwar evRoyig, wohlgeſchaart: nach 
ETAOXIA ift für einen Buchftaben Lücke, Eine befonders ſchwül— 
ftige Stelle ift I, 41—44, wo allein Hermann'den wahren Sinn 
erkannt hatz mit der Erziehung dev Kinder zur Ehrfurcht gegen die 
Eltern ift verbunden, nicht die Abwehr der Krankheit son den Klei— 
nen, wie ich wähnte, fondern die-Strafe der doropyoı Bagunduo- 
ve, die ſich a den Eltern vergeht, im Hades, Uebrigeng Tann, 
wer die Befchaffenheit des. Steins ſelbſt kennt und. ihn mit andern 
vergleicht, mehreren Vorſchlägen Hermanns, ohne Darum irgend die 
gelehrte ‚Erfindfantkeit in dem, was er umdichtend oder zur Ausfül- 
fung fest, zu verkennen, unmöglich zuſtimmen. Auch ift aus der 
Sade felbft mancherley einzuwenden. So ift 1,14 rvoavvov ſchon 
darum nicht- in Foyaromv zu ändern, weil dem Kronos niemals 
eine Anzahl von Töchtern beygelegt ft, obgleich er verfchiedenen 
Göttern einzeln, bier oder dort, um ihr Alterthum auszudrüden, zum 
Bater gegeben wird. Auch werden Ausdrücke wie I, 14 &« @oe- 
vog üpdvaoe, I, 45 nvgvorozw, wo ex, das Geſuchte vorziehen, 
Brod flatt der Frucht dachte, diefem Dichter zu gut gehalten wer- 
ben müſſen. Es ſteht dahin, ob er nicht II, 8 AN AT2, für 
ahhum, auch felbft ſchrieb. Auch norevayayov.I, 24 zufammen- 
zuziehn iſt nicht nöthig, da das Hervorrufen der Inſeln im Aegäer⸗ 
meer (worüber Reinganum in der Zeitſchrift f. d. Aw. 1835 


138 Miseellen. 


©. 1105 und Roß Reifen auf die Griech. Inſeln I, 88 zu verglei— 
hen ift) einem beftimmten Zeitpunft (rorE) angehört, Styl und 
Ausdruck unfers unbefannten Dichters find übrigens im Ganzen nicht 
als frey und als ihm überhaupt oder feiner Zeit eigenthümlich zu be— 
urtheifen, fondern funftreich eingerichtet nach der Klaffe und der Beftin- 
mung des Gedichts. Einen neuen Abdruck deffelben bat auch Hr. 8. 
Schmit aus Hachen, der fich feit einigen Jahren unter den Eng- 
liſchen Philologen eine ehrenvolle Stellung erworben bat, im dent 
Classical Museum, wovon er unlängft in London das erſte Stüd 
— volffommen würdig der allgemeinen Beachtung und Theilnahme 
auch unter ung — ans Licht treten Kieß, beforgt (p. 34—40). 
% © Velder 


Mythologiſches. 


wir 

Auf dem Etruskiſchen Spiegel des franzöſiſchen Münzeabinets, 
von welchem in dem erften Bande dieſes Muſeums ©. 416 ff. 
gehandelt wird, enthält die. obere Darftellung den Tinia, d. t. bei 
dem Mangel der Media im Etrusfifchen Dina, Zeus, vor ihm 
Herffe, d. i. Heraffes, mit einem nadten, dicken, geflügelten Knäb— 
hen auf dem Iinfen Arme, Namens Epeur, hinter Herafles Turan 
die Etrusfifche Göttin der Lebe, und hinter Zeus Thalna mit einer 
Gans neben fih. Diefer Heine Epeur kann nach dem Verhältniß 
der Etrusfifchen Schreibwerfe zur Griechiſchen vollkommen einent grie- 
chiichen H/ßatog oder nßauog entforechen, d. ti. dem Jungen, dem 
Kleinen, und die VBerjüngung des Heraffes eben fo gut andeuten 
als feine Vermählung mit Hebe, der Jugend, fein Eingehen zur 
ewigen Jugend nach Vollendung des irdiſchen Dafeyns bezeichnet. 
Demnach möchte wohl der Name des Heinen Fräftigblühenden Kna— 
ben ihn als den Jungen oder Kleinen bezeichnen. Daß 7 als e 
dargeftelft werde, zeigt z. B. Thelaphe, d. i. TyAepos, Herkle, 
dv. i. Hoaxang, Pele, d. i. Ilmrevs. Wie Hermes bei den Etrus- 


Mythologiſches. 139 


fern in der Form Turms d. i. urms mit dent vorgefeßten t, wofür 
auch th evfcheint in Thalmeti, d. i. Admetus, wie Emil Braun 
überzeugend erklärt (nur darin ſich zu allgemein ausfprechend, wenn 
er fagt 1 und t fönnten vertauſcht werden, da nur d und | ver 
taufcht werden und daher, wo das Etruskifche b nicht für d fteht, 
ein Bedenfen ſeyn möchte folches als mit I vertauſcht anzufehen), fo 
könnte die Liebesgöttin Turan Hera feyn mit vorgefegtem I, an aber 
eine Endung wie in Mean. 


2. Die Karkinen. 

Die Karkinen, welche von L. Bos für zaoa wivovres als eine 
Art Korybanten erklärt wurden, was Creuzer wahrfcheinlicher fehlen 
als fie für Zangenführer und Schmiedegötter zu erklären, während 
Welcker, fo wie ich felbft einft, dieſe darin erblickte, verdanfen ihren 
Urforung der Angabe bei Hefychius, welche lautet: Kapzıgoı zag- 
xivoı. navv ÖE rıuwvrar ovror Ev Anaym wg Yeol- Asyovrau 
de eivar Hoparorov naides. Fragt man aber, wie kommt ein 
Erffärer dazu, ein befanntes Wort, wie zudsıgor durch ein fonft 
völlig unbekanntes zu erklären, denn fonft weiß Niemand von Göt- 
tern, welche zwozivor geheißen, fo fehlt Die Antwort darauf. Ein 
ſolches Berfahren fteht grade fo vereinzelt, wie die Karkinen felbft, 
liegt durchaus nicht in der Weiſe der Gloffenfanmlung des Hely- 
ins, und felbft ein eingefchobenes 7 würde nicht einmal abhelfen, 
Bis beffere Gewähr als diefe geboten wird, haben wir auf die 
Karkinen als Götter oder dämoniſche Weſen zu verzichten, und 
müßen an eine Corruptel der angeführten Stelfen denken, denn an 
Eorruptelen ift diefe Sammlung veich, ja überreich. Es drängt fich 
auf, daß in die Gloſſe zaßsıgoı, . . . navv dE 2,7. A. durch Ver⸗ 
wirrung zagapßoı (oder zaßovooı) zaoxivor , wie ein Gloſſar ent- 
hält, gerieth, fo daß das durch »ugxivor erklärte Wort verloren 
gieng und feinerfeits einen Zufas zu »aßeıgoı werdrängte. Das 
Zufammenwirren zweier Gloffen in eine mit dem Ausſtoßen des zu 
erklärenden Wortes ıft grade häufig zu finden, und eben aus diefem 
Grunde Fönnen fie wenig zur Begründung fonfther nicht befannter 
Dinge dienen. K. Schwenck. 


140 - Miscellen. 
Litterarhiſtoriſches. 


HD 4-08 Earl Lens, 


Für die von Wer (N. Rhein. Muf. I. p. 146) angenom- 
mene alphabetifche Anordnung der Euripideiſchen Tragödien läßt fich 
außer dem bereits angeführten Albaniſchen Marmor vgl. Welcker 
Griech. Trag. P. 444 ff.) uoch anderes anführen. So iſt ja dus 
erhaltene Verzeichniß der Aiſchyliſchen Tragödien ebenfalls nad) dem 
Alphabet geordnet. Auch in der Nömifchen Litteratur find ähnliche 
Beifpiele bekannt; der alphabetifchen Ordnung der Plautinifchen Ko— 
mödie zu gefehweigen, welche nach Müllers Meinung G. Varr. L. 
L. p. 303 f) son Varro herrührt (ogl. Ritſchl, de Plauti Bacch. 
p- 3f), fo führt Varro nach Müllers fcharffinniger Benterfung 
(L. L. VII, 197 f.) die Komödien des Nävius nach der Neihen- 
folge der Anfangsbuchſtaben an, wiewohl ich nicht in Abrede ftelfen 
fan, daß es mir ſchwer wird, mich zu überzeugen, was aus biefer 
Annahme folgt; daß der Nomulus des Nävius eine Komödie gewe⸗ 
fen ſei, obgleich auch Welcker dies annimmt (Griech. Trag. P. 1370). 
Ferner hat Niebuhr darauf aufmerkſam gemacht, daß in alter Zeit 
die Reden des Cicero in eben derſelben Weiſe geordnet waren (3. 
Cie. Fragm. p. 66 ff. vgl. Mat ;. Schol. Bob. p. 283 Bob.). 
Ich will nur noch an ein yaar Stellen der Schofien zum Euripides 
erinnert, welche bieher gehören. In einer derfelben heißt es G. 
Dreft. 1483): os zul &v zw rom Joduarı oVTog gpmow &v 
zw yooo zo Kaduog Euore Die Bakchen aber find in 
der -afphabetifchen Reihenfolge der jest erhaltenen Tragödien des 
Euripides das dritte Stüf, eine folche liegt alfo der Anführung 
zum Orunde, Anders tft e8 bei der folgenden Stelfe G. Dreft. 210): 
Ilekovos onuaiveı Övo , tov.01ehov, WS Evradda, zal Eidos 
Huuarog, Tor ToV nAaxoVVIra, @g Aloyvrog Ev roltw gynoiv, 
denn gemeint iſt hier Pers. 204, und die Perfer,. welche auch 
jegt die dritte Stelle einnehmen, konnten es nie nach alphabetifcher 
Ordnung. 


Litterarhiftorifches, 141 


2, Palladine. 


Nicht genau zu beftimmen war bis jetzt das Zeitalter des Pal- 
ladius Rutilius Taurus Acmilianus , deffen Schrift de re ruslica 
in vierzehn Büchern wir noch befitenz aus der nicht feltenen Erwäh— 
mung des Gargilius Marlialis geht hervor, daß er nach Alexander 
Severus lebte, und nad) dem Styl feines Werks hat man ihn in 
das vierte Jahrhundert gefest. ES wird nicht ganz überflüffig fein, 
darauf aufmerkfam zu machen, daß Borgheſi eine fichere Stütze für 
diefe Anficht ausfindig gemacht zu haben glaubt, indem er den von 
Palladius im wierzehnten Buche angereveten Pasiphilus für bentig 
bält mit dem Fabius Felix Pasiflus Paulinus, welcher im 3. 355 
praefeclus urbi war, wie er in einer trefflichen — g nach⸗ 
weiſt (Dichiarazione d'una lapide Gruteriana, per cui si de- 
termina il tempo della prefettura urbana. di Pasifilo e l’etä di 
Palladio Rutilio Tauro.) Ebendaſelbſt ift auch gründlich erwiefen, 
daß die ziemlich allgemein angenommene Regel Sirmonds G. Sidon. 
Apoll. praef. p: 3), daß son den in den fpAtern Zeiten gebräud;- 
lichen vielen Namen der Römer der eigentliche, unterfcheidende Name 
immer bie letzte Stelle einnehme, ungegründet ft, und in diefer Be— 
ziehung die größte Willkür herrſcht. 

u DO, Sahn. 


Mittbeilunge n aus Handfehriften. 





1. Ariſtophanes Kokalos. 


+ Macrobius Saturn. V, 18. Apud Graecos proprie in aquae 
significalione ponebatur . Achelous. Neque id frusira; nam 
causa, quoque eius rei cum cura relala est. Sed priusquam 
causam proponam, illud antiquo poela leste monstrabo , hine 
morem-loquendi. pervagalum fuisse , ut- Acheloum pro quavis 
aqua dicerent. Aristophanes, velus comicus, in’ comoedia 
Cocalo sic ait: 


142 Miscellen. 


"Huovv üyoıov Baoos. 
"Hreigev yao Tor w’ olvog oV wuyeig noue 
Ays)lom. 

„ gravabar, inquit, vino, cui aqua non fuisset admixta, id est, 
mero. — Sp die Ausgaben, nur daß in der des Joachim Ca- 
merarius, Bafel bei Hervagius 1535, welche die griechifchen 
Stelfen zuerft. enthält, IzEeRwov geſchrieben fteht, vermuthlich da- 
mit man zuyeis auf odvog beziehen und nora mit AyeAwov verbin- 
ven ſollte. Brunck nahm es mit Metrik und Sprache nicht eben 
genan, wenn er zu den Worten Er. VI): 

Huovv ayoıov Ba00g, 

Freıge yag Tor w’ 0lvog oV wuyeis noum 

Ayshoom 
bemerkte: Huius yo70ews initium medelam flagilat. Mit grie- 
chifchen Stelfen in lateiniſchen Schriftftellern ſieht's in der Regel 
böfe aus. An unferen Verſen haben die neueften Herausgeber der 
Bruchſtücke ein Uebriges gethan. Herr Dindorf macht Glyko— 
seen, Th. Bergk Anapäften. Jener ſchreibt Ir. VII; 

"Huovv aygıov Bagog 

zutsıuE YaO 0lvog 0V 

wıyeis Ayehom, 
was ziemlich zu Macrobius Umfchreibung ſtimmt. Herrn Bergk 
erfchien Dindorfs Refiitution minus probabilis. Iſt aber diefe 
feine Faſſung etwa probabfer, fr. VI, p. 1094 Meinek. ;, 

"Huovv aygıov 

B&g0g: mysıoev yao Tol u olvog 

un ovunızdes Ayslom —? 
Da beide Herren die Gründe ihrer Kritif nicht einmal angedeutet 
haben, fp muß man fie errathen. Das ift nicht ſchwer. Offenbar 
haben 26040 beide geftrichen, weil weder die Form Die Attifche ıft, 
vgl. Porſon z. Eur. Hecub. 392, noch auch das Wort zu auyes 
paßt. Sodann fünnen die Worte zuevv aygıov Bugos nicht den 
Ausgang des Trimeters gebildet haben; endlich fügte fich das 
Wort, um deffentwillen Maerobius eben unfere Stelle anführt, 


Mittheilungen aus Handſchriften. 143 


Aysıoo, nicht dem Eingange des Trimeters. Darum ſuchen fie 
diefen Uebelftänden durch Streichen und Umftellen abzubelfen. 

Dabei find doch allerlei Bedenken. Könnte man denn nicht, 
eingedenf des Ayerwiog deyvgodtvng, die epifche Form Ayerwim 
brauchen 2 Doch wohl. Denn e8 fpringt in die Augen, daß Art- 
fiophanes einen hochtrabenden tragischen und dithyrambiſchen Ausdruck 
abfichtlich gewählt hat. Beifpiele des Gebrauchs aus Euripides 
giebt Elmsley zu Eurip. Bacch. 625, Gteht aber "Ayerwdp, fo 
wird auch zog nicht ungeftraft angetaftet werden Dürfen. Die 
Anfangsworte, denen Leicht ohnehin zum Metrum zu helfen wäre, 
kann man getroſt fo ftehen lafſen, da Macrobius den Vers zufam- 
menzog, an deffen wörtlicher Faſſung ihm nicht lag. 

Um die Berfe des Dichters mit einiger Wahrfcheinlichfeit her— 
fielen zu können, muß man die ächte handſchriftliche Lesart kennen. 
As ich Fürzlich den höchſt vortrefflichen cod. regius 6371. saec. 
AL. zu anderm Zwecke nachſchlug, habe ich die Ariftophanifche Stelle, 
die mir zufällig zu Geficht Fam, fo gefchrieben gefunden : 

HI EIPENTAPOINOCOYMEIZACHOMA. 
Richtig gelefen und mit Heiner Nachhülfe heißt das: 

nuovv...ayoıov Paooc 

NYELQE TREU wm’ 0olvog, 03 wifag noum 

’Ayslolo, | 
h. e. nempe stimulabat vinum , cum ego potum non miscuis- 
sem Iympha. Freilich ein wunderlicher nominalivus absolulus, 
den man ſchon mit in den Kauf nehmen muß, zumal man nicht wiſ— 
fen kann, welchen Scherz Ariftophanes damit trieb. Aehnliche Ab- 
weichungen von der regelmäßigen Structur hat kürzlich, um Vulgä— 
res zu übergehen, Meinefe Praef. Comic. IV, p. X gegeben. 
Gerade folhe Geltfamfeiten, die viel zur Nafchheit und Individuali— 
tät der Nede beitragen, find oft durch falfhe Nachbeſſerung ver- 
wicht worden, Daß das Partieipium hier nachfteht, fonft meift 
voran, thut ſo wenig zurSache, als Daß des Macrobius Paraphrafe 
darauf verzichtet hat, Die eigenthümfiche Färbung des Driginals im 
Lateiniſchen wiederzugeben. Ganz ähnlich fagt übrigens doch auch 
Euripides Hef, 970, aldwg w Eyxeı ’Ev rwde nörum TvyYa- 


144 Miscellen. 


vovo’, iv’ eiui vor, ebenſo ———— im Sim Yapend wie Ari⸗ 
ſtophanes nyeıgöum To olive. 2 


%, Dvids funfzehnter Brief. 
gl. Jahrg. I, 138) — 

Sapphos Brief an Phaon iſt doch — erft im 
funfzehnten Jahrhundert gemacht. 

Es hat nach dem Druck meines Heinen Aufſatzes nicht an viele. 
feitiger Berftimmung gefehlt; Widerſpruch ift. bis jest nicht erhoben 
worden. Sa mancherler neue Indicien für meine Vermuthung tra- 
ten hervor. in Codex des Tibull, Catull, Properz aus dem 
Endedes XV. Jahrh. zu Mons hat nah Bethmanns An— 
gabe ©. 473 den Titel: Sappho ad Phonem auctore Ovidio, 
ut ferunt nonnulli. Kin Kenner Lateinifcher Poefie, Fr. Düb— 
ner, vollkommen beiftimmend, bemerkte, er habe den Brief mitten 
unter Italiäniſchen Gedichten zit wiederholten Malen gefunden. Dem 
vaftfofen ‚ aufopfernden Nachforfehen meines Freundes babe ich. es 
zu danken, daß ich kurz nach jener Aeußerung eines Beſſern be⸗ 
lehrt worden bin. 

Ein von Dübner für mich des Martialis wegen hervorgeſpür⸗ 
ter Excerptencodex lateiniſcher Dichter, ehedem der Bibliothek von 
Notre Dame (nr. 188.) angehörend, hat mitten unter Verſen aus 
den übrigen Heroiden wirklich auch einige Verſe aus dem AV. Briefe, 
Er gehört aber entſchieden ins dreizehnte Jahrhundert. Die am 
Rande mit, vother Farbe bemerften Heberfchriften find‘ indeß wert 
jünger ‚ vielleicht erſt aus den XV. Jahrhundert. Hinler Uyper⸗ 
mmestra Lynceo und vor Paris Helenae folgt an der gewöhnlichen 
Stelfe wirklich Sappko Phaoni. Dann die‘ vier Verſe: 

Sum brevis al nomen quod terras’ impleat ömnes’ 

Est mihi mensuram nominis ipsa fero. Wr 39. wi 

Ipsis dolor artibus obstat’ 

Ingenium nimiis deficit ‘omne malum @. 195. 196) 

In der erſten Stelfe betätigt ver Codex die allein aus der Hand: 
ſchrift des Naugerius, der beften des Briefes, gefloſſene — 
rend alle übrigen die Verunftaltung haben: 


Mittheilungen aus Handfriften. 145 


‚Nec me despicias, si sum libi corpore parva, 
Mensuramque brevis nominis ipsa fero. 
Die zweite Stelle lautet nach alfen Handfchriften: 
Nunc vellem facunda forent: dolor arlibus obstat 
Ingeniumque meis subslilit omne malis. 

Hier gebt Naungerius Hülfe aus. Der zweite Vers hieß alfo ur- 
fprüngfich als sentenlia generalis: Ingenium nimüs delieit omne 
malis. Daß auch der erftere nicht im urfprünglicher Faſſung vor— 
liegt, beweift ipsis in den Excerpten. So bedeutende Abweichun- 
gen in ein paar Verſen zeigen deutlich, daß dem Briefe, fer er von 
wen er wolle, viel Unbilde widerfahren if. Da er aber älter als 
das XV. Jahrh. fein muß, fo gleitet alfer Halt, die Zeit der Ent- 
ftehung genauer zu beftimmen, zwifchen den Fingern weg. Denn 
Niemand wird glauben, daß irgend wer vor dem AV. Jahrh. im 
Stande gewefen wäre, ein folches Produet zu fihaffen. Aelter als 
das Mittelalter muß er fein. Aber darum ift er noch nicht vom 
Ovidius Naſo, da alle in meiner Abhandlung aus der innern An— 
lage entlehnten Beweife des Gegentheils in voller Kraft bleiben. 

Ich glaube, es giebt nur einen vernünftigen Ausweg in der 
Annahme, daß ein poetifivender Rhetorenſchüler fich fpäter an dem 
von Ovid bearbeiteten Thema verfucht hat, nicht ohne Ovidiſche An- 
klänge zu wahren und ihm einzefne Wendungen und GSentenzen ab-- 
borgend. Diefes Machwerk ift aber, da es lange Zeit vom Corpus 
Ovidianum unabhängig umgeirrt, von Abfchreibern und Gelehrten 
des AV. Jahrh. förmlich verhungt worden, noch Ärger als andere 
Ovidiana in neuern Abfchriften. Nur im Codex des Naugerius war 
die urfprüngliche Geftalt weit treuer bewahrt. Seinen überiviegen- 
den Werth beftätigt unfer dem XV. Jahrh. woraufliegender Coder. 
Zugleich zeigt diefer, daß das Machwerk noch ehe es ſo ſchändlich 
interpolirt, fchon in diefen Jahrhunderten — denn die Exeerpte find 
natürfich weit früher gemacht als im XI. Jahrh. — fih an un- 
rechtmäßiger Stelle eingedrängt hatte. Wer für Ovid in die Schran- 
fen treten wollte, müßte das Unglaubliche annehmen, daß von des 
Dichters Hand das Wenigſte übriggeblieben wäre, Et habent sua 
fata Jibelli. 

Muf, f. Philolog. N. F. IL 10 


146 Miscellen. 


Wie kommt 08 aber, daß der Brief son Heinfius an die funf- 
zehnte Stelfe gefeßt worden iſt, wo ihn unfer Excerptor wirklich 
vorfand? | 

Nov. 1842. 3 W. Schneidewin. 


3 ra. Dioenat, 
(Aus briefliher Mitteilung.) 


Ich wollte eine vita Donati grammatici hinzufügen, die ich 
mir in Paris abgefchrieben,, allein ich fehe, daß fie ſchon bei Fa— 
bricius Bibl. Lat. II p. 408 f. abgedruckt iſt, wenn auch nicht 
ganz genau; namentlich ift p. 408 3. E. das Gricchifche wegge- 
Yaffen, das im Cod. fo gemalt ift: 

BAKZoK Co AAvNI1OYCTONMH A» 40Call PINCINAN. 
Sie fteht im cod. Reg. 7730 fol. 39 v., aus dem. 10ten Jahrh., 
it aber Später hinzugefchrieben , doch fchwerlih nah dem 1Liten 
Jahrh. 

D. Zahn. 


Zur Keritif und Erflärung der alten Texte, 


1 DI SL A 


Die Ausleger des Hpratius ſcheinen mir in der Benutzung der 
alten Scholien hier und da fehr willkürlich und Teichtfinnig zu ver- 
fahren, indem fie, namentlich ber der Erklärung von Anfpielungen, 
mehr nach Gutdünken und vorgefaßter Meinung als nach firenger 
Prüfung bald billigen bald verwerfen, was die Scholtaften anmer- 
fen, Wenn fie billigen, haben fie fich oft die Unterfuchung erfpart, 
ob nicht die Angaben der alten Erflärer bloß aus einer Deutung 
der Worte des Dichters, und nicht aus anderer Kenntniß bevrübren ; 
wo es denn rathſam iſt mit Umnbefangenheit aus derfelden Duelle 
die Erklärung zu ſchöpfen: wenn fie verwerfen unterlaffen fie oft, 


Zur Kritif und Erflärung der alten Texte. 147 


was zu völliger Ueberzeugung nöthig iſt, nachzumweifen, woher der 
Irrthum der Schofiaften komme. Ich will son dieſem ungenügenden 
Verfahren einige Beifpiele aus dem erſten Buche der Satiren ge- 
ben, in, der unfichern Hoffnung neue, wenn auch geringfügige, Be— 
merfungen mitzutheifen: denn wer hätte alles zur Hand oder Selbft- 
überwindung genug alles zu lefen, was über Horatius gefchrieben 
ift 2 
Die zweite Satire ſchließt der Dichter mit einem Geitenftreiche 
auf einen Zeitgenoffen, Deprendi miserum est : Fabio vel iudice 
vincam. Hierzu bemerkt Acron: Salis urbane significat  Fabium 
pro adultero iudicalurum , si iudex in hanc rem conslituatur, 
qui harum rerum et sectalor sit, tamen miserum esse depre- 
hendi. et probe ait: nam si istum qui est adulter inlerrogem 
de qualitate adulterii, respondebit malum esse et probari po- 
terit quod non expedit adulterari. Aehnlich Porphyrio, Salis 
urbane. si, inquit, Fabius pro adultero iudicaturus iudex in 
hanc rem constituatur, qui harum rerum sit ipse seclator, 
malum esse deprehendi consebit. &twas anders die Cruquiſchen 
Scholien, Id est, etiam si Fabius adulter iudex sit, lamen non 
poterit negare miserum esse deprehendi in adulterio. satis 
urbane notat Fabium iurisconsultum aliquando in adulterio de- 
prehensum fuisse. Die neueren Ausleger denken, wie billig, bei 
indice an feinen eigentlichen Nichter oder Nechtsgefehrten, und Ei— 
nige erfennen vielmehr in dem hier erwähnten Fabius den Stoifer, 
deffen Geſchwätz in der erften Satire verfpottet wird; aber meines 
Wiſſens Alle Taffen fih die Angabe der Cruquiſchen Scholien gefal- 
Ten, daß Fabius einmal fer als Ehebrecher ertappt worden. Sp er— 
flärt z. B. Orelli: Si vel ex Fabio, ridiculo illo stoico (Sat. 
I, 1, 14), quaeram, approbabit is sententiam meam, utpote 
qui ipse aliquando in adulierio deprensus eiusmodi. poenas 
luerit.. Alfein in diefer Erklärung fteht das vel in einem Wider- 
ſpruche mit dem Gedanken. Unmöglich kann der Dichter fagen, daß 
es ein fchlimmes Ding ift ertappt zu werden, Das wird mir ſelbſt 
Fabius zugeben, der dieß aus eigener Erfahrung weiß. Keiner wird 
dieß eher zugeben: alſo erlangt man bei dieſer Erklärung nicht ein 


148 Miseellen. 


Selbft, fondern ein Wenigftens. Acrons und Porphyrios undeut- 
liche Erklärung Kiuft darauf hinaus „ daß der Dichter meine, er— 
tappt zu werden ift ein Flägliches Ding: das wird mir felbft Fa— 
bins zugeben, wie fehr er fich auch in verbotenen Liebeshändeln ges 
fallen mag. Darin ıft fein Widerfpruch, aber auch Feine Kraft des 
Gedanfens. Des Dichters Meinung ift offenbar diefe. Im Ehe— 
bruche ertappt werden ift ein klägliches Ding : die wird mir ſelbſt 
der Schwäßer Fabius zugeben, wie viel er auch fonft als Stoifer 
davon reden mag, daß Geldverfuft, Schmerz, Befchimpfung, die dem 
Ertappten drohen, an fich Feine Uebel find. Zu diefem nothwendi— 
gen Gedanfen könnte allenfalls noch Verſpottung des Fabius als 
eines ertappten Ehebrechers kommen, daß im Ehebruche erfappt zu 
werden ein Uebel ift, wird mir felbft der Stoifer Fabius zugeftehen, 
wie viel er auch fonft von wahrem Gut und wahrem Uebel ſchwat— 
zen mag: denn hierin bat ihn die Erfahrung eines Befferen belehrt. 
Allen auch mit diefer Erklärung verträgt ſich vel nicht; es müßte 
auch dann heißen, dieß wenigſtens wird Fabius mir zugeftehen. Und 
es ift gegen alle gefunde Auslegung den Chebruch des Fabius den— 
felben Scholiaften zu glauben, die in ihm den Stoiker verfennen 
und den nothiwendigen Gedanken überfehen. Wir werden vielmehr 
behaupten dürfen , daß die Scholiaften die Anfpielung nicht verftan- 
den und deßhalb auf Das viethen was in der Nähe lag, auf einen 
Ehebrecher Fabius, die am meiften irrig, die fich einen ertappten 
Ehebrecher erfanden. Der Dichter verfpottet bloß das breite philo— 
fophifche Geſchwätz des Fabius, hier wie in der erften Satire, 
Wie das Städtchen hieß, Das der Dichter in der fünften Sa— 
tire (87 ff.) durch die Worte quod versu dicere non est und 
durch die Erwähnung des dort berrfchenden Waffermangels und des 
trefflihen Brotes, das dort gebacken wurde, bezeichnet, Das werden 
wir wohl nie erfahren, wenn nicht etwa einmal eine Inſchrift in 
paffender Gegend einen mit dem Herameter verträglichen Drtsna- 
men zu Tage bringt, Daß Equus tulicus nicht gemeint fein Fan, 
fehen die Ausleger ein: weder die Lage Diefes Ortes paßt zu der 
Richtung der Neife des Dichters, noch hätte es große Mühe gefo- 
ſtet feinen Namen in den Vers zu bringen. Aber mit Unvecht ver- 


Zur Rritif und Erflärung der alten Torte, 149 


ſäumt man die Unterfichung, wodurd denn die Scholiaften auf die- 
fen Ort geriethen. Gewiß nicht bloß durch die Form Equotutium 
(ſo fteht bei ihnen, und es mag dieß oder wenigftens Equotulicum 
eine vulgäre Form ftatt Equus tuticus gewefen fein, wie Ptole— 
mäus Tovrızov hat), fondern durch eine Misdeutung deifen, was 
der Dichter von Canufium fagt, aquae non ditior urna Qui lo- 
cus a forti Dion:ede est condilus olim. Es verſteht ſich von 
ſelbſt, daß es nicht nöthig ıft den Divmedes auch als Gründer je— 
nes uns unbekannten Städtchens anzunehmen; aber die Scholiaften 
haben die Stelle fo gefaßt, indem fie wußten, was Servius zu 
Aen. 8, 9 von Divmedes fagt, und vielleicht wußten fie es bloß 
daher, tenuit partes Apuliae et edomila omni montis Gargani 
multitudine in eodem traclu civitales plurimas condidit. nam 
et Beneventum et Equum tulicum ipse condidit u. ſ. w. Hier— 
mit ift es klar, daß die Scholiaften, die an Equus tuticus dachten, 
dadurch Zeugniß für den von Bentley mit Unrecht verworfenen 92, 
Bers ablegen, wenn fie ihn auch nicht gloffieren. Warum übrigens 
Orelli in diefen Verſe eine Parodie irgend einer Stelle des Ennius 
erblickt, weiß ich eben fo wenig als ich anderwärts einen Grund zu 
berfelben Vermuthung fehe, 

Sn der fechften Satire (30 ff.) wird ein Barrus erwähnt, der 
auf feine Schönheit eitef ift, Ul si qui aegrotet quo morbo Bar- 
rus, haberi Ut cupiat formosus, eat quacunque, puellis Injiciat 
curam quaerendi singula, quali sit facie, sura, quali pede, 
dente, capillo: es folgt, ©» reizt, wer fi) um Chrenftellen be- 
wirbt, dazn auf, nach feiner Abkunft zu forfchen. Bon dieſem Bar- 
rus erzählen die Ausleger mehr als fie wiffen fünnen. Orelli z. B. 
bemerft Cfr. Sat. I, 4, 110. homo, antequam inops fieret, for- 
mae studio immodice deditus et adulterarum sectator; worin 
das antequam inops fieret mit der unrichtigen Annahme zuſam— 
menhängt, daß die fechfte Satire vor der vierten gedichtet fer, In 
jener Stelle der vierten Satire aber iſt der Name fehr unficher : 
aus dem Schwanfen der Handfchriften und befonders aus dem Bajus 
der vierten Blandinifchen ergibt ſich Barus, was Meinefe gefest hat, 
mit größerer Wahrſcheinlichkeit als Barrus, während hier die Ueber: 


150 Miscellen. 


lieferung in Barrus übereinftimmt. Diefen Barrus nun einen adul- 
terarum sectator oder mit Pambin libidinosus et mulierosus el 
adulter zu nennen, iſt in den Worten des Dichters, die nur feine 
Eiteffeit bezeichnen, durchaus Fein Anlaß. Woher alfo die Kenntniß 
der Ausleger ? Aus den Scholien, die fogar von einem neefte 
wiffen. Orelli wiederholt aus den Cruquiſchen Scholien Barrus 
moechus fuit, propler incestum Aemiliae , virginis Vestalis, 
condemnatus, fegt aber ein Fragezeichen hinzu. Die Antwort auf 
diefe Frage iſt leicht. Der Proceß der Veſtalinnen Aemilia, Ma— 
rin und Licinia, etwa 75 Jahre ehe Horatius diefe Satire ſchrieb, 
ift befannt genug. Der römifhe Nitter, der fie verführt hatte, und 
defien Sflave das Verbrechen verrietd, heißt ber Drofius 5, 15 in 
den Ausgaben L. Veturius, bei Plutarch quaest. Rom. 83 Bov- 
erıog Baoßagos, allein Franz Fabricius Gum Oroſius) verbeſſert 
Berovrıog Bégoôoc, und vorher ift nicht Baoßaoov, fondern Bag- 
gov TIVos Innızod Heganov zu leſen. Eines T. Betueius Bar— 
rus aus Asculum Beredſamkeit rühmt Cicero in Brutus 46 (169) 
und es ıft möglich, daß man ihn mit Recht fir denfelben halt. Daß 
aber die Schuliaften des Horatius in dem eiteln Stußer, den der 
Dichter verfpottet und der offenbar als lebend zu denfen ift, mit 
Unrecht jenen Barrus fuchen, daran iſt Fein Zweifel. Alfo würden 
die Ausleger wohl thun, Alles was fie von diefem eiteln Menfchen 
mehr fagen als bei dem Dichter zu leſen fteht, ungefagt zu Laffen. 


DE DE ONE TER, 
Prop. 4 (3), 22, 7 
Tu licet aspicias caclum omne Atlanta gerentem, 
Sectaque Persea Phorcidos ora manu, 
Geryonae slabula, et luetantum in pulvere signa 
10 Herceulis Antaeique, Hesperidumque choros, 
Tuque tuo Colchum propellas remige Phasin, 
Peliacaeque trabis tolum iter ipse legas , 
Qua rudis Argoa natat inter saxa columba 
In faciem prorae pinus adacla novac, 


Zur Rritif und Erklärung der alten Texte. 151 


15 Et si, qua Ortygiae visenda est ora Caystıi, 
Et qua sceptenas temperat unda vias, 
Omnia Romanaec cedent miracula terrae: 
Natura hie possit, quiequid ubique fuit. 

Im 15. Verf, wo die Wolferbütteler Handfchrift origae, die Gro— 
ninger orige bietet, Puccius aus der Handfchrift des Bernardinns 
Valla Orygae anmerft, bat Lachmann ohne Zweifel richtig den als 
ten Namen von Ephefus, Ortygia, erfannt: allein den Dativus und 
die ganze Faſſung des Verſes halte ich für unvichtig. Lachmann gibt 
in feiner erften Ausgabe die Erklärung Qua Caystri ora est, lam 
vieina illa Ortygiae ut huic videnda sit, Mir fcheint dieß Her- 
vorheben der Nachbarfchaft bedeutungsios, visere nicht. das rechte 
Wort für diefen Sinn, feine Form unpaſſend. Denn, Das fer 
des Cayftrus, Epheſus fo nahe, daß man es von dort aus fehen 
muß, ift ein feltfamer Ausdruck; daß man es fehen kann, bedeutet 
visenda nicht. Madvig bemerft Gu Cicero de fin. ©. 16), daft 
potentiale Participia Futuri paſſivi zuerft bei Dpid vorfommen: Pro⸗ 
perz kennt fie nicht, obwohl im urfprünglichen Sinne genug folcher 
Participia bei ihm gefunden werden, aspiciendus 5, 1,107. ca- 
vendus 1, 10,20. domandus 3, 34, 50. exorandus 4, 18, 23. 
ferendus 5, 11, 76. flendus 4, 12,13. fugiendus 3, 23, 1. fu- 
randus 4,8, 39. gravandus 4, 3, 22. imitandus 5, 11,44. me- 
morandus 4, 17,29. metuendus 5, 9,9. 55. mirandus 4,12, 23. 
peicndus 1,10,19, 4, 22,40. 5,1, 108. piandus 5, 1, 50. plo- 
randus 5, 3, 26. ponendus 3, 26, 87. 4,20, 15. probandus 2, 3,40. 
pudendus 5, 4, 36. 8,26. reticendus 3,24, 4, scribendus4, 20, 16. 
sionandus 4, 20, 15. sperandus 4,3, 17. tangeudus 2, 1, 51. 
5,8, 72. terendus 4,3, 18. 18, 22. tinguendus 5, 4, 24. vene- 
randus 5,0, 69. vigilandus 4, 15,2. 20, 22. vincendus5, 3, 25. 
Anders bat Lachmanns Lesart Friedrich Jacob gefaßt: er erffärt 
Et si iter llectas qua ora Caystri Ephesii visu digna est, fo 
daß der Genitivus Ortygiae den Begriff des Adjectivums verträte: 
es läßt fich aber nicht wohl einfehen, warum der Dichter Tieber 
diefen ſchwerfälligen und unklaren Ausdruck ſollte gebraucht haben 
als den einfachen Genitivus des Adjectivums, Orlygii. Auch Et si 


152 Miscellen. 


ohne Verbum ift mir wenig wahrſcheinlich; nicht als ob bei Properz 
nicht an anderen Stelfen Verba auf ähnliche Weife zu ergänzen 
wären, wie man hier aus dem Vorhergehenden ein cas oder sis ent- 
Iehnen müßte, aber hier verändert Si die bisherige Form der Vor— 
derfäße (Tu licet aspicias, Tuque propellas) ohne daß dadurch 
der Ausdruck gewinnt. Und gar zu nahe Liegt eine Aenderung, die 
allem Anſtoße abhilft. Sch halte es nämlich für unbedenklich fo zu 
ſchreiben, 
Et sis qua Ortygie et visenda est ora Cayslri. 

Eine Form wie Orlygie ift dem Dichter gerecht und fie feheint 
durch die Handfchriften mehr angedeutet als Orlygia — Visenda 
ift fo viel als admiranda. 


SER Ras DER, 


Die Herausgeber des Agricola feinen ermattet von ihren 
Mühen die fetten Zeilen des Buches nur mit halber Aufmerkfan- 
feit gefefen zu haben. Taeitus fließt es mit den Worten quic- 
quid ex Agricola amavimus , quiequid mirati sumus , manel 
mansurumque est in animis hominum, in aeternilate tempo- 
rum, fama rerum. nam multos veterum velut inglorios et igno- 
biles oblivio obruet: Agricola posterilali narralus et traditus 
superstes erit. Diefe Befchränfung künftiger Vergeſſenheit auf Män— 
ner aus alter Zeit ift ungeſchickt. Fehlte velerum, fo wäre obruet 
paſſend; da es fteht, fo verlangt Angemeffenheit des Gedanfens das 
Präteritum obruit. Aus den vergangenen Zeiten dauert der Name 
nur weniger, die meiften hat Vergeſſenheit bedeckt: Agricolas Ruhm 
wird auf die Nachwelt gelangen. Das folgende Futurum erit hat 


das falfche obruel veranfaßt. 
M. Haupt. 


Da Hr. Prof. Ritter im zweiten Jahrg. des Rheinischen Mu— 
ſeums ©. 494. aus den Worten des Tacitug A. XV, 41. „Fuere 
qui adnolarent XIV. Kalend. Sextiles prineipium incendi hu- 


Zur Kritik und Erklärung der alten Texte. 159 


“ jus orlum, quo et Senones caplam urbem inflammaverint: alii 
eo usque cura progressi sunt, ut tolidem annos mensesque 
et dies inter ulraque incendia numerent,* den Schluß gezogen 
bat, daß noch unter der Negierung des Kaiſers Nero einige glaub- 
ten, Rom habe beim Einbruche der Gallier nicht 364, fondern ſchon 
452 vder vielmehr 454 Jahre geftanden ; fo halte ich es für nicht 
überfläffig, auf das allgemeine Mißverftändnig jener Stelle aufmerf- 
fam zu machen. Hätte Tacitus gefagt, wie Walther bei der Ver— 
werfung der zwifchen inter und ulraque eingefchalteten Worte con- 
ditam urbem et annimmt, daß zwifchen Noms Erbauung und der 
Einäfcherung durch die Gallier eben fo viele Zeit verfioffen fei, als 
zwifchen den beiden großen Bränden; fo müßte, wie Gcaliger de 
emend. temp. 1. V p. 472 mit Recht bemerkt, die Stadt Nom an 
demfelben Jahrestage erbaut fein, am welchem die beiden Brände 
ausbrachen, und fo wäre von feinem Ueberfchuffe an Monathen und 
Tagen die Rede. Wer aber auch des Taeitus Gebrauch der Par- 
tifel que für atque bei Gfeichheitsbezeichnungen beachtet, wird nicht 
lange anftehen, den Schluß der angeführten Stelle alfo zu über- 
fegen: „Andere find in ihrer Forfhung fo weit gegangen, daß fie 
gleich viele Jahre, als Monate und Tage, zwifchen beiden Feuers: 
brünften zählen,“ d. h. 418 Jahre, 418 Monathe und 418 Tage, 
oder 454 Jahre weniger acht Tage. Wenn der Mangel diefer acht 
Tage an einem vollen Jahre nach der gegebenen Erklärung noch 
Anſtoß finden follte, fo erwäge man, daß, fowie der Brand unter 
Nero einer alten Inſchrift zufolge neun Tage währte, fo auch nach 
Livius V, 43 fowohl als nach Plutarchos im Leben des Camillus 
c. 22 nach der Schlacht am Alla noch viele Tage verfloffen, ehe 
Noms gänzliche Verbrennung durch die Gallier erfolgte und auf: 


hörte, 
©. F. Grotefend. 


Jn —— 


Die ſämmtlichen Handſchriften, von denen, ſo viel ich weiß, 
bis jetzt ſiebenzehn benutzt ſind, bieten mehrere Lücken oder vielmehr 


154 Miscellen. 


Steffen, wo Sinn und Conftruetion unterbrochen ſcheinen. Diefe 
find von allen Herausgebern meift aus den Ausgaben won Eatanäus 
und Euspinian ergänzt worden. (Des letztern Sohn in der Vor— 
rede fagt: integras etiam chartas ille noster reperit, in vetu- 
stissimis suis exemplaribus). Diefe Ergänzungen find ſämmt— 
fich von der Art, daß fie von einen aufmerffamen und unterrich- 
teten Leſer ex ingenio gemacht werden Eonnten: höchftens über die 
im 5öten Cay. fünnte man zweifeln, $. 9, Praeterea ut quisque 
factus est — big aeterna est. inigen Yiegt auch ein Mißver— 
ftändni zum Grunde. Die übrigen Lesarten der genannten Ausga- 
ben machen feinesweges wahrſcheinlich, Daß ber ihnen Handfchriften 
einer andern Familie benugt worden feyen, als die der noch vor— 
handenen. Die tria folia des Valımpfeft von M. Mat (am Sym— 
machus) enthalten leider Feine einzige diefer ergänzten Stellen. Da— 
gegen bieten fie die Ergänzung einer im jenen Ausgaben unverän- 
derten Stelle, Cap. 86, $. 4, stetit Caesar in illa amiciliae spe- 
eula, precatusque maria, celeremque . .. recursum. Der Pa- 
limpſeſt, ... specula, stelit precatusque est prona maria... 
offenbar Acht, ob er gleich fonft mehrere Interpolationen enthält, 
von denen unfere fpäteren Handfchriften frei find. Ueber dieſen 
Punkt find nun Unterſuchungen anzuftellen, und überhaupt der Text 
des Panegyricus zu revidiren, der bei Gierig und Schäfer weniger 
gut ift als bei Schwarz. Die genannten Herausgeber haben über- 
haupt die kritiſchen Materialien ber Schwarz viel zu leichtfertig an— 
gefehen. Jetzt kömmt noch eine ziemlich genaue Colfation dreier Pa- 
riſer Handfchriften hinzu in der Burnoufſchen Ausgabe von 1834 
(in der von 1842 ift fie weggelaffen). Diefe Handfchriften,, ob— 
gleich ganz new, klären doch die Schwarzifchen Notizen febr auf, 
wann diefer, wie leider zu oft, feine Handfehriften in Baufch und 
Bogen nennt. Nun über einige Stellen. Cap. 2, $. 7: Nos ipsi 
divinilatem prineipis nostri, an humanitatem . . . celebrare 
universi solemus ? Viele Handfhriften laſſen celebrare weg; der 
alte Vaticanus bei Schwarz X. Jahrh.) und drei andere geben 
universi praedicare solemus. Zu fihreiben, universi colimus, 
mit Beränderung eines einzigen Birchftabens : denn in den älteften 


1* 


Zur Kritik und Erklärung der alten Terte. 155 


Handſchriften Herrfcht eine immerwährende Fluctuation zwiſchen E 
und I, ohne Zweifel wegen der Ausſprache der Zeit. Cap. 9, $.6 
find die Worte posse pules (die in feiner Handſchr. ftehen) vf- 
fenbare Interpolation, nach Philomuſus (bei Schwarz ©. 501) in 
quibusdam exemplaribus, nämlich in den Ausgaben von Catanius 
und Cufpinian. Die Cap. 11,.$. 4, nach Catanäus mit fechs 
Worten ausgefüllte Lücke war urfprünglih ohne Zweifel weit grö- 
fer. Cap. 43, $. 4: Donavit pater tuus multa, et ipse multa 
donasli : cesserit parum gralus; manent tamen ii qui bonis 
eius fruanlur,, nihilque ex illis ad te nisi gloria redit. Die 
Stelfe ift fehr Kar, aber fruantur fehlt in allen Handfehriften, uud 
erſcheint zuerft bei Catanäus und Cufpinian, Das ii kann aus der 
Abbreviation von tamen entftanden vder durch qui herbeigeführt 
ſeyn: jedenfalls wird durch die geringe Veränderung von qui in Sul 
und ein eingefchobenes 1, in, das fruanlur entbehrfich: manent ta- 
men sw in bonis eius, nihilque etc. Der Zufammenhang macht 
das Wort heredes unnütz, und ohne Zweifel find bei einem aus 
faiferlicher Freigebigfeit reichen Undanfbaren nur die sui heredes 
berücfichtigt worden und nicht ganz im allgemeinen ii qui bonis 
eius fruantur. Cap. 80, $. 3: O vere principis, atque etiam 
consulis, reconciliare aemulas civilales, etc. Alfe Handſchriflen 
haben decoris für consulis , was -zuerft bei Catanäus erfcheint. 
Das Dlatt des Palimpſeſt hört ber alque auf, wie in einem hie= 
figen alten Codex der duodecim poelae scholiastici, deren Zeit 
ungewiß iſt, qui floruerunt Pos... ., das nach post folgende und 
einige Aufklärung verforechende herausgeriffen ift. Cufpinian hat 
alque etiam consularis decoris. Da im Palimyfeft fteht veras 
und das S in ganz alten Handfchriften,, wie dem Salmasianus der 
Anthologie, unglaublich oft vorkömmt an Stellen wo es gar nicht 
bingebört, fo fann man denfen an O vera principis atque con- 
sulis decora. CS fonnte nach atque Teicht mit ET verwechfelt 
werden. Doc tft die Stelle noch weiter zu unterſuchen. Die Ca- 
pitel 85 und 86 find die einzigen, wo der Palimpſeſt weſentliche 
Dienfte Teiftet. 
Paris, Zr. Dübner. 


156 Miscellen. 


5. Trvonto. 


In Ritſchls Abhandlung über den Namen des Plantus finde 
ich eine Stelle des Fronto nicht angeführt, in welcher er noch 
Aceius Plautus genannt wird. Sie iſt fehr verftümmelt, und cs 
heißt darin gegen dag Ende (de oratt. 3 p. 251 ed. Rom.): 

. hoc genus verborum Accius Plautus sanus .. ., man 
fieht aber wohl, daß, da ein m vorhergeht, auch hier Maccius zu 
leſen iſt, wie denn ſchwer einzufehen ift, was gegen jene Beweis— 
führung vorgebracht werben fünnte. Eine andere Stelle aus derfel- 
ben Schrift des Fronto bedarf noch einer Heinen Nachhülfe; fie 
lautet fo (de oralt. 1 p. 239): Confusam eam ego eloquentiam, 
catachannae ritu, parlim igneis nucibus Catonis , parlim Se- 
necae molliculis et febriculosis prunuleis (prunulis) insitam 
subvertendam censeo radieitus. Catachanna hieß ein Baum, 
auf welcher verfchiedenartige Sorten gepfropft waren, vgl. epp. ad 
M. Caes. II, 14. Die igneae nuces des Cato aber haben mit 
Recht Anftoß gegeben, Buttmann verbefferte lögneis nucibus d. t. 
duris ; mir fcheint öligneis yaffender. Die Frucht der ilex, roivog 
wird zwar gewöhnlich glans genannt, allein Die allgemeine Benen- 
nung nux iſt umfoweniger anftößig, da ja die iuglandes auch nu- 
ces heißen. Paffend kann man den Gebrauch des Griechischen zor- 
vırog vergleichen, wie beim Ariftophanes (Ach. 150) die orınzor 
yEgovrss nolvıvor, die mit dem alten, Cato nahe verwandt find. 

D. Jahn. 


8.’ HET YHIRS 
yoda. 
yoda, £vregu. Moaxrsdoves. Wäre diefe Stelle richtig, fo 
wäre der Griechiſche Sprachſchatz um ein fonft unbefanntes Wort 
bereichert, aber wir erfahren hiev nur, daß die Macedonier ftatt 
x0hadeg, yokadez fagten, was eigentlich nicht berichtet zu werden 
brauchte, da es fich von felbft verfteht, weil fie fich der media ftatt 


zur Sritif und Erfläarnng der alten Texte. 157 


der adfpirata bedienten. Daß A in FI corrumpirt wird, gehört zu 
den häufigften Fehlern, und es ift alfo zu fehreiben yora.. .. 
Evreoa. Falſch ift I ebenfalls in yodar, xAalsıv. Köngıoı, denn 
es tft yo.@v zu fehreiben, mag nun die Nebenform zu yorv gelau- 
tet haben, wie fie wolle, mir dürfen annehmen, daß d aus einem 
Vocal entftanden ſey. 


yaocava. 


yaooava , povyava. Kontes. Daß ftatt yapoava, rug- 
oava zu leſen ſey, ſcheint fo klar zu Tage zu liegen, daß es über- 
flüßig ſeyn möchte, noch ein Wort hinzuzufügen. 


* ’ 
auvduvalı. 


duvdaraı, »ovwar. Ein Wort auvdaraı , in der Bedeu— 
tung des Bergens ift zu auffallend, um nicht Bedenken zu erregen. 
Don einer vernünftigen Ableitung deffelben kann Feine Nede feyn, 
und ſo möchte es wohl als verderbt aus dem befannten Worte 
anardvvar betrachtet werden dürfen. Im Etymologieum Magnum 
Iefen wir auardivar, anozgvyar,, was zeigt, daß man diefes 
Wort durch zovwar zu erklären pflegte. Schol. Apoll. Rh. J. 834. 


> 4 > 4 ’ 
aualdvvovon apavıLovoa zul anNoxEUNTOVORT, 


zeuavra. 


»zuavra x0Fa0a, evwdn. Line Ableitung von zeuarre ift 
unmöglich und es findet ſich auch fonft nirgends, und hat wohl nie 
beftanden, ehe es fein Dafeyn einem Schreibfehler verdankte. Kr7w- 
evra iſt das Wort, welchem die beiden Begriffe, die als Erflärung 
gegeben find, gebühren, wie denn auch vom Heſychius xr7wev durch 
za$apov, evoduov erklärt wird. 


zıav, yalkn. 

Sn zıav ein Griechiſches Wort, welches Wiefel bedeuten könnte, 
erbliefen zu wollen wird Niemand einfallen. Doch fegen wir ı ba= 
vor, ſo wird IKTIN son IKLAN nicht fo weit abftehen, daß 
es Leicht in dieß Hätte verderbt werden können, und Dann würde 


158 Miscellen. 


zıav ein verderbtes Bruchſtück aus einem Artikel ſeyn, welcher die 
Wörter izriv und ixris behandelte, welche in dieſen Gloſſen fehlen. 


% Yaxıvdıdec. 

vazivdides, Enmvuuoı ’ Andilwvog, ano “Yazıvdov. Die 
Hyafinthiden haben wohl ihren Namen vom Hyakinthos, aber fie 
find feine Enwvvnor des Apollon. Es ift daher diefer Name zu 
ftreihen und Erwvuuo. . . . zu fehreiben: Wahrſcheinlich war die- 
fer Artitel in dem woraus er ausgezogen iſt Fortfeßung des Arti- 
feld Yaxivda, &oorn Anöllwvog Ev Auxredainovı, eioyraı e 
ano zov "Yaxıvdov,, und aus diefem ward Anolkwvog noch ein- 
mal falſch gefest. 


ngonulc. 


noOnWIS, ö 70007WY0S, MROTGONOG , zul UAVTIS. UROTOO- 
zevoıs. Diefe Stelle ift verwirrt und verberbt, denn erftlich fehlt 
die wirkliche Bedeutung von zoonaıs, und die ihm fcheinbar zuge- 
ſchriebenen paſſen nicht dazu. Lefen wir aber noonaıs ..... 
[nvonaudevrng] 6 ngoaywyog x. T. A. dann iſt mooaywyog und 
uavrız erffärt. uaorgonog aber gehört dazu im Sinne von zo0«- 
yoyds, wie es fich auch unter diefem Lemma findet, wo noch uo- 
vos uavkrorng hinzugefügt wird, fo wie unter wuorgonög das 
Wort uavilwv. Für uaoroonevors fehlt das erklärte Wort, 
und es foheint zoonardevoıs in diefem Sinne gebraucht worden 
zu ſeyn, daß aber mit moonadevew der üble Begriff verbunden 
ward, kann nicht wundern, da wir auch mooayogsveıv fo gebraucht 
finden, Unter ng00ywyOog iſt uovog vor uavkıorzs falſch, und 
es gehörte stelleicht zu einem längeren Artifel und entftand aus 
UavTıiS. 

yaysvuı. 

yaysvaı , yrozsiar, ferner yarv, ydv. yAvzus, yazovde, 
Hllonara, yaxovrrayns, Hdvnorıorns, find alle ſo weit falſch als 
TAK aus PAK entftand, und die verderbten Wörter in die 
Reihe gefegt wurden, als feyen fie recht, was ſo vft, wenn. auch 


Zur Sritif und Erklärung der alten Terte. 159 


nicht immer in diefer Sammlung gefchehen iſt. yaysvar ift alfo 
Yhuzeiar, wozu die Erklärung 7deiar fehlt, nah yazv, ndv ift 
ykvxvs ohne die Erklärung 7dUg geblieben, yazxovdıa find yAvav- 
dia: Unter YAr.orvllavns, ndvnororns fcheint ein Gefäß ver: 
ftanden werden zu müffen, da wenigſtens die Hedypotiden, mit wel- 
chen die Nhodier mit den Therifleifchen wetteiferten, Trinkgefäße 
waren, und fo fünnte yAvzvuavns zu Iefen feyn, der Manes aber 
Chei Nikon von Thon) diente auch zum Kottabos, wie aus Antipha- 
nes und Hermippos durch Athenäos erwiefen wird. 


Opgov, Eiapoov. 


@po0r, EAaugpoov. Daß diefe Stelle ung in @goov ein ver— 
derbtes Wort biete, iſt Mar, und es bietet fich der Verdacht dar, 
daß P00v aus Elapgov an dag w in wpgo» gerückt fey, fo daft 
wir nichts als co behalten, erklärt durch ZAugoov, welches zur Er- 
klärung von @xv dienen könnte, da beide Wörter in ihrer Bedeu— 
tung ähnlich find, und daher einander erklären können. So fagt 
z. B. Vindar wzeiag yvadovg, wo aud jenes Beiwort ganz paf- 
fend gewefen wäre. Die Gloſſe aoıuoxeı, oxevaleı ift dozei, ox. 
‚zu leſen und «or ift durch falfhe Verdoppelung des Anfangs von 
0oxeL entftanden. 


. 
urgEuanals. 


Statt der verderben Gloſſe urgsunals, Iyrcın. Maxedöveg, 
Yefen wir im Etym. M. dxoala, nais Irksıa üno Maxedovo, 
worin ein Fehler enthalten feyn muß, da fi durchaus nicht erflä- 
ven läßt, wie ein weibliches Kind im irgend einem Griechiſchen Dia- 
Yeft axoara hätte heißen fünnen. Seen wir für Iryreıa das na- 
hefiegende rerera, fo kann Fein Anſtoß mehr feyn, da rererog für 
den Begriff des Ausgewachfenen ein paſſendes Wort ift, und droara 
in diefem Sinne durch releia erklärt werden kann, wie auch &xow 
durch zErog erklärt wird. Ber Heſychius: erge, drpönokıs, do- 
yn n ıekoc. 


160 Miscellen. 


aavda, 

aarda. &1J0og Eronlov naga "Akzuarı, 7 "Avtoropareı. 
Für 7 wird zae vorgeſchlagen und Welcker billigt dieß in feiner 
Ausgabe der Tragmente des Alkman, vermutbend es fpreche dieß 
Wort ein bei Ariftophanes vorfommender Lafonier. Es Fann dieß 
zwar nicht mit Beſtimmtheit verworfen werden, Doch vermutbe ich, 
daß der Orammatifer Ariſtophanes gemeint und der Artikel aus 
deffen Lakoniſchen Gloſſen genommen ſey, wie es kurz vorher heißt: 
dada. Evdeın. Aurwves. ovrw zal Agıorogarng &v ykwoouaıs. 
Daß jedoch das Wort aarIa ganz richtig von Heſychius in diefer 
Form überkiefert fey, tft nicht anzunehmen, denn es läßt fich gar 
nicht erklären und ficht nicht darnach aus, als vb es Act fey. 
Die Verdoppelung des « feheint den Fehler zu enthalten, wie auch 
dagızov und dar mit diefem Fehler fich vorfinden, und avd« 
wäre dann Dorifche Form fir &v97, vom Schmuck gebraucht von 
Alkman wie ardeuor und zwar grade auch son dem Schmuck der 
Ohren gebraucht ift in dem kleineren Homerifchen Hymnus auf Aphro— 
dite; doch ift nicht einmal eine Verdoppelung des d anzunehmen 
nöthig, da auch Die Verderbung durch ein bloßes Zuſammenſchreiben 
entſtanden ſeyn könnte, fo daß a avda (für 7 dvd) caοog u. ſ. w. 
die richtige Gloſſe gewefen ſeyn könnte. 


ax901. 

w2901, Gxoaı, 7 dovr0or. Aufer diefer verderbten Stelle bie- 
tet fih noch dxomoryjs, Jovkos und «xomolokovyog, Jovkog dar, 
wo aber richtig denorns vermuthet wird, indem 7 in AK verderbt 
ward, Der gleiche Fall ift mit axgor, axoaı, wenn nicht alle 
Wahrſcheinlichkeit trügt, eingetreten und diefe serderbten , falfche 
Wiederholung oder ein zweites verderbtes Wort befundenden Wör- 
ter enthalten doyorar, und da 7 auf ein zweites Wort ſchließen 
läßt, hinter dieſem dganeraı wozu 7 VovAor paßt. Sp erklärt 
Heſychus dezorur, Öganerar, 7 duvvaror und dpaozaı, Ögunitaı, 


8. Shwend, 


De fontibus et ordine Anthelogiae 
h CTephalanae. 


Legenti mihi, quae Fridericus lacobsius, Vir Summus, 
in Prolegomenis ad Anthologiam Graecam (Animadv. ad Anth. 
Gr. V. IP. I p. LXI-LXXIX) de Anthologia Constäntini Ce- 
phalae et codice Valicano scripsit, operae pretium visum est; 
ea, quae ille de fontibus, e quibus Constantinus Anthologiam 
suam derivaverit, et de ordine, quo carmina sese excipiant, 
pro consilii sui ratione generalim indicasse satis habuit, ex- 
emplis illustrare et, si forte possim, ulterius persequi. Neque 
quum partem huius dissertalionis eamque luculentissimam a 
Francisco Passovio in Quaestione de vestigiis Coronarum Me- 
leagri et Philippi in Anthologia Constantini Cephalae (prae- 
missa indieci lectionum in univ. litt. Vratisl. per aest-MDCCCXXVII 
instit. et. in Passov. opusc. acad. ed. Nic. Bach. Lip. 1835 
repelita) praeoccupatam esse viderem, quo minus hanc ipsam 
retractarem reliquasque, quarum unam, observationes suas in 
Cyclum Agathiae, in fine quaestionis laudatae promisit Passo- 
vius, adderem,, delerritus sum : persuaseram enim mihi, hanc 
quaestionem, ut antiquarum epigrammatum collectionum accu- 
raliorem inde et pleniorem adsequeremur cognitionem, ita ad 
aetatem multorum poetarum carminumque anonymorum defi- 
niendam et ad homonymos poelas seiungendos non posse non 
conferre. 

Nobis non nisi de capp. V. VI. VII. IX. X. XI Antholo- 
giae Palatinae agendum esse, quicunque in veram codicis ra- 
tionem et.compositionem inquisiverit, intelliget: his enim ipsis 
Anthologia Constantini Cephalae conlinelur.  Caput quidem 

Muf, f. Philol. N. 3. IM. 11 


162 De fontibus et ordine 


XH, wovoa naıdırn Stoarovos, ab ipso Constanlino colleclioni 
suae additum est, sed, ut Jacobsii in Proll. p. XLIX verbis 
utar, num hie integrum Stralonis. receperit opus, an carmi- 
num dilectum habuerit , ordinemque a Sardiano poeta institu- 
tum utrum servaverit, an turbaverit, plane incompertum habe- 
mus. Cap. XII erıyoaumara dıapoowv uerowv etsi lae. in - 
Proll. p. LXXIII non negaverit veteris illius Anthologiae par- 
iem esse, hoc, quum lemma ceteris capp. praemissum. desit, 
valde dubium profecto est. Ut vero fuerit pars Anthologiae 
illius, ne- sic quidem quaestionis nostrae integritali multum 
detrahetur. Triginta et unum epp. tanlum in hoc cap. sunt, 
si 18 Parmenonlis, 6 et 17 anonyma et 31 Timocreonlis 
Rhodii exceperis, poetarum, quos in Corona Meleagri fuisse 
aut scimus aut probabiliter suspicamur. 

Quod ad ordinem altinet, Gephalas epigrammata secun- 
dum argumenlum in octo vel cap. AI addito novem capp. 
videtur disposuisse. Capp. All et XIII exclusis haee sex no- 
bis restant: V Anth. Pal. &owrızwv, VI aradnuarızav, VI 
enırvußiov, IX emidsirtızov, X noorgentizov, Al ovunorı- 
xov zal oxwntızov. Unum enim ad arles speclans in codice 
Palatino perit: vide lac. in Proll. p. LAXXVI. In ipsis autem 
capp. eliam carmına similis argumenli coniungere studuit 
Constantinus: cuius compositionis in cap. V pro rei natura 
nulla fere vestigia apparent: amaloria enim nullam divisionem 
admittere videbantur. — In cap. VI nonnulla saltem exstanl, 
ut 11—16, 179—187 tres fratres Pani, 17—20 meretrices 
Veneri, 23>—30 piscatores, 47—48 Bitto Veneri, 62—6S seriba 
Musis et Mercurio, 69—70 Crantus Neptuno, 109—116 vena- 
tores dona ferunt, 21—22 Priapo, 31—37 Priapo et Pani 
(36 Cereri), 40—41 ab agricolis Cereri dona consecrantur, 
121—132 arma dono dantur, 190—191 Veneri Leonidas, 192 
— 193 piscator, 200-203 mulieres post puerperium, 204— 205 
faber lignarius Minervae dona dicant, 206—211 Veneri, 212 
— 215 post viclorias quaedam consecrantur, 217—220 fabula 
de Gallo et leone narralur, 222—224 in belluas marinas sunt 


Anthologiae Gephalanae. 165 


seripta, 266—268 Dianae quaedam dedicantur , 269-—274 de 
puerperio, 275—279 de corona agitur, 314—-320. avaorge- 
povra, 321— 320 dooynga sunt, — In cap. VII 1-- 55 in poe- 
tas conscripta sunt, 56-68 in philosophos, 69—71 in Archi- 
lochum, 72—74 in Epicurum et Themistoclem, 83—135 in 
philosophos , 136—152 in viros fortes e bello Troiano, 162 
— 180 in homines obseuros, 181— 158 in puellas, 189—216 
in animalia, 217—224 in puellas, 226— 234 praeter 228 et 
‚230 in viros fortes, 248—253 in eos, qui ad Thermopylas 
ceciderunt, 254—258 in alios in pugna oceisos, 263—294 in 
eos, qui in mari perierunt, maxime in naufragos , 313—320 
in Timonem, 356—360 in latronem, qui hominem a se inter- 
fectum sepeliverat, 406—420 maximam partem in poetas, 421 
— 429 figuras aenigmalicas cippis insculptas explicant, 450— 
438 in homines fortes et constantes scripta sunt, 454—457 
in vinosum et vinosas, 463—469, 481—484 , 486—490 de 
immatura liberorum et puellarum. ante nuptias morte agitur, 
494—-506 in eos, qui in mari defuncti sunt, 6581—653 in 
naufragos , 681— 688 in Gessium conlecta sunt. — Cap. IX 
multa quidem eius, quem quaerimus, ordinis vesligia sunl im- 
pressa, sed plerumque duo vel tria epp. lantum similis aut 
eiusdem argumenli sese excipiunt. Quibus missis maiores 
tanlum huiusmodi partes enumero : 17—22 in animalia, 30— 
36 in naves, 151—156 in Corinlhum et Troiam eversas, 163 
— 175 (170—172 similis certe argumenti) in Grammaticam, 
180—183 in templum Fortunae, 184—214 praeter 204 et 
209 in poeltas et scriptores orationis prosac, 222—227 prae- 
ter 225, 299— 303, 370—373 in animalia, 423—427 in urbes 
eonseripla sunt, 316— 338 de-diis agitur, 457—480 personae 
mytihicae, dii loquuntur, 585—605 in imagines, tabulas voti- 
vas, statuas, (606 eis zonovg) 606—640 in balnea, 648— 711 
in domus, templa, basilicas, suggesta, latrinas, hortos, pharos, 
‚urbes, fontes, balnea, portas, aquaeductus, staluas et similia, 
(713 eis &oya) 713—742, 795—708 in Myronis bovem, 743 
— 747 in animalium imagines, 745—827 in varia arlis opera 


164 De fontibus et ordine 


facta sunt. — Cap. X, quod ad ordinem altinet, simillimum 
est cap. V. Certa ordinis vestigia non insunt, nisi quod I— 
9 praeler 3, 14—16 Priapus ad navigalionem adhortatur 
opemque suam pollicetur. — Contra cap. XI, cuius altera pars 
ovunorız«a 1—64 continet, alteri parti, ozwnrixoig, 65—449, 
ordinis a nobis quaesili vestigia clarissima sunt impressa: 
quem ordinem Graeca lemmata quoque demonstrant, singulis 
partibus praelixa: 65—74 eis yoalav, quod singulis fere 
omnibus adscriptum est (in 70 tamen vetula tanlum comme- 
moralur, non est in velulam seriptum), 75—81 &g nvzrug 
82—86 eis dooueag, quorum 84 in pancratiastam scriplum 
est, 87 eis uaxoov, 88—06 in pusillos et macilentos,, 97 in 
hominem ingenlis amplitudinis, 98 in oppidum obscurum , 09 
— 111 excepto 105 in pusillos et macilentos, 112— 126 eis 
laroov, 127—138 eis nomrag, 138—140 eis youuuarızovg, 
141—152 eis önrogag, 153—153 eig Yırooöpovg, 159-164 
eis uavısıs, 165—173 eig wıxooAoyuvg, 174—184 eig vAentag 
(180 et 181 in iudices venales), 185—189 eis zı9aomwdovg 
ak) unv zal Toaywöodg zal zwumdovg, 190-191 eis zor- 
oeas, 192-193 eis gIovsgovg, 194 eis Iroarag inepto lem- 
mate, 106-204 es aloyovg (197 et 202 non videntur huius 
loci esse), 205—207 &is «nkrorovg, 208 iis anneclilur pro- 
pter coenae commemoralionem: in gulosum enim non conscri- 
ptum est, 209 eis nagooıorag, 210 - 211 eig deırovg, QAI2— 
215 zig Toyouyovs, 216-225 zig woeiyeis, 226—232 eis 
novnooVg, 239—234 &ıis vouızovg, 235—238 in Chios, Cili- 
ces, Cappadoces, 239—242 eis Papvoduovs, 243 zig Paia- 
vedov yvyo6v (lalsum lemma, ut videtur), 244 eis wikragıov 
wvyoov, 245 248 zig nloia oaIou zul Packen, 249 &s 
ayoovs, 250 eis nayır, 251 eis dvszwgovg. Reliqua huius 
cap. carmina, 252—437, ea sunt magnam partem, ut ad ti- 
tulos iamiam memoralos pertineant, et ut raro tantum eius- 
dem argumenti epp. consociata sint, sedecies duo, quater tria 
(253 - 255, 266—268, 269—271, 283—285) , semel septem 
(299—305). Constantinus igitur postquam omnes, qui sibi 


Anthologiae Cephalanae. 165 


praesto erant, titulos absolvit, iterum atque iterum fontes suos 
perquisivisse videtur et spicilegium quasi fecisse, quo in ne- 
gotio in nonnullos sane novos incidit Litulos, ut 259—255 &is 
agpveis 0oynorag, 262 in meretricem, 269—271 in templum 
et statuas, 273 &ıs ywAov, 274 in loquacem, 276—277 in pi- 
gros, 2835—285 in Demonicum rapacem, 295 in vappam, 297 
— 298 is yuvaiza uedvorgida, 299—305 zig Üßgıoryv, 313 
— 314 in convivium, 316 &is adınras, 323 eig xokarag, 341 
in herniosum, 350 &ız dızoAoyov adızovürra, A093 eis nodaygav 
(ov Paulss. suppl.), 411 zis Buravelov Eunvpov (vid. Paulss.). 
458—441 quatuor senarii sunt, populorum quorundam Grae- 
ciae indolem breviter indicantes, 442 in Pisisıratum scriptum 
est. Omisi quaedam varii argumenti enumerare. 

lam antequam ad alteraım, quae fontes Anthologiae Ce- 
phalanae traclabit, dissertationis meae parlem transeo, duae 
res tangendae sunt, quae huc maxime pertinent. Quaedam 
enim epp. falso loco posila esse videmus. Nobis autem non 
id agentibus, ut Constanlini operam emendemus, sed ut eius 
rationem in universum exponamus, quosdam huiusmodi locos 
digito monstrasse sulfieit. Ac profecto non tanti est, errores 
ab eo commissos corrigere et causas errorum investigare: 
praeserlim quum ipse epp. divisionem tentaturus prorsus alia 
alque Cephalas via incederem. Cuius rei specimen in disser- 
talione mea de Antipatris Sidonio et Thessalonicensi poelis 
epigrammatieis Vralisl. ap. los Max. 1840 dedi: ibi quod in 
duobus poelis feci, ad totam Anthologiam transferre alio for- 
tasse tempore conabor, — Al ut ad consilium meum redeam, 
epp. nonnulla a C. Cephala ineplis locis exhibita nunc desi- 
gnabo. Cap. VI, 88 erolicum est, 348 sepulcrale, 256 et 304 
epidieticis annumerem, 219 mera fabulae enarratio est. Cap. 
VII multa insunt in viros claros, quae, ut sepulcro inscripta 
cogitari quidem possint, nihil nisi Jaudem illorum continent. 
Sepuleralibus vero eximendum est 217 in Archeanassam ad- 
huc viventem compositum , 641 epidicticis addendum, in quo 
de horologio aquario agitur: oyua procul dubio Constantino 


166 De fontibus et ordine 


fraudi fuit. Cap. IX, cuius inscriptio latissime patet, multa 
insunt, quae aeque bene ceteris capp. inseri potuerunt: 15 
et 16 2owrıza esse iam scholiastes vidit: 411 in Musam 
puerilem referendum esse lac. dieit. Cap. XI, 37 nulla alia 
de causa rTodg ovgmorıxofs immixtum esse videri potest, quam 
quod v. 3 de uvis messis memoribus agitur. 

Altera res, quae hic nolatu digna visa est, quasdam An- 
Ihologiae Cephalanae partes altinet, quae nullo modo epp. 
vocari possunt, ut hymni IX, 524 et 525 (788) X, 104; Iy- 
rica Anacreontlis Xl, 47. 48; Comici cuiusdam senarii, ul 
videntur, X, 116; Philemonis senarii IX, 450; versus nonnulli 
ex Empedoclis za9uouors IX, 569; unus e Nicandri Theriacis 
inter IX, 505 et 504; hymnus ex Heliodori Aethiopieis IX, 
485; versus e Nonni Dionysiacis X, 120; e Nestoris Laran- 
densis Metamorphosibus, ut videtur, IX, 129. 364. 556 (837); 
ex Herodolo IX, 703, itaque verba orationis solutae. 


De fontibus Authologiae Cephalanae. 


Tria fontium genera reperi: 

I. Anthologiae, unde longe plurima carmina derivata sunt. 
Anthologias vero epigrammaltum collectiones dico a diversis 
hominibus confectorum : 

1) Meleagri Gadareni Corona. 

2) Philippi Thessalonicensis Corona. 

3) Diogeniani Heracleotae Anthologium. 
4) Stratonis Sardiani Musa puerilis. 

5) Diogenis Laertii Pammetrus, 

6) Agathiae Myrinaei Cyelus. 

7) Gregorii collectio. 

II. Collectiones epigrammatum unius auctoris, sive ab 
ipso, sive ab aliis factae: 

1) Leonidae Alexandrini epigrammala. 
2) Palladae Alexandrini epp. 
3) Nicodemi Heracleotae epp. 


Anthologiae Gephalanae. 167 


-  Fortasse 4) Theocriti et Moschi epp. 5) Aristotelis peplus. 

6) Epigrammata e codieibus Thueydidis et Themislii. 

11. Seriptores, qui epp. cilant. 

Huic fonlium generi nonnullos locos addo, quos Constan- 
linus e seriploribus non epigrammalieis descripsit. 

Hi fontes Anthologiae Cephalanae  demonstrari possunt, 
ita ul eireiter Cb epp. restent, quae, unde collegerit Conslan- 
tinus, nescimus. Haec in seclione IV traclabo. 


I. Anthologiae. 


1. Meleagri Gadareni Corona. 


Vide, quae de ea sacculo fere ante Christum facta la- 
cobsius dixib in Prolegg. p. XXXVI sqq. Quaestionem de 
Meleagri et Philippi Coronarum vestigiis a Passovio iam insti- 
iutam , quae a me ipso in universum comprobetur,, cur hie 
reiraclem, duae inprimis causae me impellunt. Singulos enim 
poelas, quos ille breviter tanlum significavit, accuralius per- 
traclandos sumsi: alia addere alia emendare me posse confido. 
Exordium igitur a succincla «quaestionis Passovianae enarra- 
tione lacio. Vestigia Meleagri et Philippi Coronarum inda- 
gaturo duplex datum est indieium : prooemia elegiaca ab ulro- 
que Anthologiae suae praefixa, e quibus nomina poetarum, a 
quibus profecerunt, si non omnium, tamen praestanlissimorum 
cognovimus et scholiastae in codice Palatino verba, Melea- 
grum ovvraSaı avrov [70» oreparov] zara oroıyelov, 1. €. 
epp. secundum litterarum ordinem disposuisse qua in re Phi- 
lippus, perpetuus Meleagri imitator, a ducis exemplo non de- 
flexit. Ubicunque igitur per longius spalium conlinuae repe- 
riantur epp. series, quorum scriptoribus in Meleagri aut Phi- 
lippi hortulis locum fuisse scimus, singulorumque poematum 
initia ad ordinem illum decurrant, ibi haud ambigua alterius 
Coronae vestigia deprehendimus. Quo consilio si Anthologia 
Gephalae perlustratur, maxime in fine et in initio singulorum 
capp., nonnunquam eliam in medis, multa eiusmodi epp. cuın 


168 De fontibus et ordine 


aliis permixla reperimus, quos locos partim significavit Pas- 
sovius. Neque tamen longiores epp. series, in Quibus nomina 
poetarum ab ipso Meleagro laudatorum offeruntur, desunt: V, 
134—215. VI, 109—163. 262—313. VII, 406—529. 646— 
665. IX, 313—338. 563— 569: alterius indicii binae tantum 
reliquiae VII, 194—203 et 264—271, quibus, si tanti est, 
addere licet, VI, 110 - 112. Quocirca non ipsa amplius Me— 
leagri Corona, sed ex hac derivata usus esse Cephalas vide- 
tur. Eo quidem, quod multi poetae, qui a Meleagro non re- 
eensentur, in locis his reperiunlur, ratiocinalio tola non tur- 
batur: noluit enim Meleager omnes nominare, ut ipse testatur, 
alque sunt ii aut eiusmodi, quorum aetas aliunde salis nola 
Meleagrea est antiquior vel eadem, aut eiusmodi, qui proba- 
bilibus coniecturis iisdem temporibus assignantur, aut eius- 
modi, qui aetate plane incerla, quos vecygaga Eyvn Meleager 
in prooemio praetermisit, esse videntur. Perpauca sane eius 
Coronae inserla inveniunlur, quae ei inseri nequaquam pole- 
rant: Antipalri Thessalonicensis VI, 409. 413. 495, Crinago- 
rae VI, 161, Philippi Thessalonicensis VI, 114, qui omnes ad 
Philippi Coronam perlinuerunt; Gaetulici VI, 154 et Sabini 
Grammatici VI, 155, nomina cum temporibus Meleagri non 
salis convenire videntur: Nicarchus denique VI, 255. IX, 330 
eliam post Philippum vixisse censendus est. In Anlipalri qui- 
dem carminibus in promptu est, de permutatione gentilium 
eogilare, ac profecta digna sunt, quae Antipatro Sidonio, me- 
liori poetae quam Thessalonicensi, tribuanlur. Sed faciamus, 
huic quoque bis terve risisse Musam, tantum abest, ul sen- 
tenliae summa his exceplionibus convellatur, ul suspicio de 
recenliore sylloge a Cephala usurpata *confirmationem hinc 
accipiat. Haec Passovius de Meleagricae Coronae vestigiis, 
nominalis quoque iis poelis, qui in illas tres classes divisi 
poetis a Meleagro ipso nominatis adiungendi sunt. — lam 
accedant per me quaedam epp. series, minores illae quidem 
fere omnes,, sed non minus quam illae Passovianae e Meleagri 
Corona sumtae: V, 52—57. VI, (42) 43—53. 210— 226. 351 


Anthologiae Cephalanae. 169 


— 358. VII, 5—16. 19—31. 207—212. 246—254. 295—303. 
535—542 (forlasse —546). 707— 740. Augeo quoque duos 
locos a Passovio inventos. Praeter VII, 264—271. 256— 263. 
272 et 273 Meleagro,debentur : praeter VII, 194—203. 192 
et 193 quoque poetarum Meleagricorum sunt. Epigrammalis 
vero illis, quae aliunde inserta sunt, addo VII, 416, quod nisi 
ipsum Meleagrum epitaphium sibi scripsisse slaluas, in eius 
Corona fuisse non facile potest: eximo VI, 114 (vide paullo 
inferius, quae ad Samium dixi, poetam Meleagricum.) Ple- 
rumque in fragmentis Anthologiae Meleagricae carmina singula 
secundum argumentum eomposila sunt: quem ordinem Con- 
stantinus Cephalas fortasse in sua sylloge, quam non amplius 
Meleagri genuinam fuisse suspicali sumus , invenit. Epp. au- 
tem alinnde inserta fere omnia propter argumenti similitudi- 
nem assumta esse videmus. Jam ad singulos poetas enumerandos 
me converlo, primo ad eos, quos Meleager ipse appellat, deinde 
ad eos,-quos Passovius adiunxit, denique ad eos, quos ipse addo. 
Singulorum carminum locos singulis poelis non adscribam, 
nisi ubi dispulalio id flagitet: lectores ad Indicem poetarum 
in Tomo Il Anthologiae Palatinae p. 1015—1019 delego. 
Cuius Indieis menda suo loco corrigam, in usum eorum, qui 
in posterum hoc Indice utantur. Adscribam autem semper 
ea epp., quae poctae alicui non Pal. cod. auctoritate, sed 
Anthologiae Planudeae vel alio testimenio tribuuntur, aut alias 
ob raliones tribuenda videntur, Quae omnia a Jac. in Indice 
pro consilio suo non nominata adscribens non ingralam iis 
operam .me praestare pulo, qui singulis poetis studere velint. 
(Ea hoc compendio addam: [A. i.....] i. e. addo incerta.....) 
Quod ad vitam attinet singulorum poetarum, lectores ad Ca- 
talogum Poetarum, qui epigrammala scripserunt, in Antholo- 
giae Lipsiensis Tomo XII p. 829—964 remitto: hanc quae- 
stionem igitur intactam relinquo, nisi ubi a lac. sententia 
descisco vel ubi quaedam addenda habeo. 


170 De fontibus et ordine 


Poetae a Meleagro nominati secundum ordinem , quem ipse 
secutus est. 


Anyte, VII, 492 Mitylenaea vocatur in parte Coronae 
Meleagricae. VI, 153, item in parte Mel. Cor., Tegeatidis esse 
debet. Fortasse librarius erravit et una tantum fuit Anyle 
Tegealis, forlasse duae in Cor. Mel., iam ab hoc ipso confu- 
sae. [A. i. V, 82. Vil, 189. 236, quae tamen Anylae non 
esse videntur.] Myro sive Moero Byzantia. Sappho. Obli- 
tus est lac. in Ind. poet. VU, 505. Ad VIl, 495 in Commen- 
tario critico ad Anthologiam Palatinam nomen poetriae omis- 
sum est. Melanippidis nihil exstat. Simonides. Complurium 
homonymorum carmina confusa sunt. Inveniuntur enim m 
Anlhologia, quae neuliguam veteris Simonidis esse possinl, 
quorum tamen pars, sicuti ceterorum in partibus Anth. Mel. 
legitur, ita ut hie iam diversorum epp. auctorum confudisse 
videatur. Quae antiqui Simonidis esse possint, quae non 
possint, dixit lJac. in Catalogo: inquirere in reliqua, nostrum 
non est. Addendum Ind, poet, VII, 187, altero loco Philippi, 
altero loco post VII, 344 rod avrod [Ituwvrdov] insceriplum : 
cl. Paulss. [A. i. VI, 144. VI, 257. IX, 147.] Nossis ipsa 
se Locrensem adpellat: quare lemma codicis IX, 332: Nooor- 
dos Aeoßlag, ut lac. staluit, errori videtur deberi. Rhia- 
nus. [A. i. X, 121] Erinna. Tria, quae supersunt, epp. in 
parlibus Cor. Mel. leguntur. VIL, 710 Mitylenaea vocalur. 
Fortasse duae fuerunt, velustior et recentior: VI, 352, priscae 
‘ simplieitatis fortasse Teiae vel Teniae vel Rhodiae est: VII, 
710 et 712 illum colorem non habent. Alcaeus. Lemmata 
exhibent epp. Alcaei, Alcaei Mitylenaei, Alcaei Messenü. 
Utriusque poetae epp. in partibus Cor. Mel. reperiuntur, quod 
de illo VI, 218. VII, 5. 429, de hoc VII, 412. 495 testantur. 
Alcaei autem Messeuii sunt propter lemma VII, 1. 412. 495. 
IX, 518. 519, propter argumentum VII, 247. IX, 588. XI, 12. 
Plan. 5. Alcaei Mitylenaei propter lemma VI, 187. 218. VII, 


r 


5. 429. Cetera, ulrius sint, diei non facile potest propler 


Anthologiae Cephalanae. 171 


nomen gentile utrumque nomini poetae addilum, VII, 55, pro- 
pter nudum Alcaei nomen V, 10. VII, 536. XII, 29. 30. 64. 
Plan. 7. 8. 106. 226. lacobsio, qui omnia epp. Alcaeo Messe- 
nio Iribuere velit et lemma Mitylenaei sciolo deberi putat, ad- 
stipulari nequeo neque Passovius adstipulatus esse videlur, qui 
inter poelas a se Coronae additos Alcaeum Messenium nun- 
cupans, eum, quem Meleager ipse nominat, Mitylenaeum luisse 
procul dubio eredidit. Ceterum emenda e meo indice epp. 
Alcaeorum Ind. poet. [A. i. VII, 89.] Samius vel Samus VI, 
116: addo VI, 114 Duınnov et Tov® avroV i. e. Simmiae in 
cod. inscriptum, in Plan. Simmiae (ef. Paulss. suppl.), a 
Brunckio bene : Samii. Is qui lemma codici appinxit, bis er- 
rasse videlur, et Philippo ep. in Philippum scriplum assignans 
et Simmiam cum Samio conlundens, cuius ep. in eandem rem 
habemus, VI, 116. Quae $uspicio si vera est, ordo poelarum 
Meleagricorum non turbatur et VI, 115 Antipatri inscriptum 
Sidonii habendum est. [A. i. VII, 647, quod tamen Simmiae 
est.] Leonidae nomini duo gentilia apposita sunt, Tarentini. 
elegantis poetae in Cor. Mel. et Alexandrini, qui loowngoıs 
enıyoauuaoıy, frigidissimo lusu delectatus est et primo post 
Christum saeculo vixit. Pleraque autem epp. in Antb. Ceph. 
nudum Leonidae nomen prae se ferunt, quorum magna pars 
nunc inter ulrumque dividi potest. Leonidae Tarentini sunt 
a) propter nomen gentile adscriptum ea, quae lac. in Ind. 
poet. nominat, quibus adde VII, 659 sine lemmate quidem, 
sed cohaerens cum antecedente, 664 (proximum enim lemma 
est Tod avrod Aewvıdov): exime Xl, 70, quod Leonidae in- 
seriptum Alexandrini est. b) quia in parlibus Cor. Mel. le- 
gunlur, haec iam a Passovio in quaest. pag. 10 enumerala: 
V1,:129. 131. 262. 263. 281..286. 288. 280. 293.206. 2498. 
300. 302. 305. 309. VII, 408. 452. 455. 463. 466. 478. 480. 
503. 504. 506. 662—665. IX, 318. 563. In ep. tamen VII, 
309 Leonidae nomen sola Anth. Plan. addit: de VII, 664 iam 
dixi. c) omisit Passovius V, 188. 206. VI, 110. 120. VI, 
472. d) addenda e partibus Cor. Mel. per me constitulis: 


172 .. De fontibus et ordine 


VI, 226. 355. VII, 13. 19. 264. 266. 273. (316) 726. 731. 740. 
e) ex lac. sententia VI, 221, et fortasse VII, 715 in tumulum 
poelae. De epp. Leonidae Alexandrini et de incertis infra 
dicam. Mnasalcas Sicyonius. In Ind. poet. pro App. 52 lege 
App. 53. Pamphilus. Pancrates. Tymnes. Nicias. XI, 398 
Nicarchi procul dubio est, quod infra demonstrabitur. Euphe- 
‚mus: cuius nihil habemus. Damagetus. Callimachus. Ex Ind. 
poet. exime VII, 346, quod Anacreonlis est et VII, 415, non 
Callimachi, sed inter Callimachea incerti auctoris relalum. [A. 
is; V. 14. VII, 89.558. 729. IX,..15. 67.,235:; 391.],,,.Eupho- 
rio, Dioscorides. (VI, 76 ZYtogzooov, IX, 734 LJıoxoıdo/ in- 
scriptum est.) Duo huius nominis fuerunt poetae: alter Ma- 
chonis, ut videtur, aequalis, qui Alexandri Magni temporibus 
vixit , Meleagriceus: aller Nicopolita VII, 178, qui in Mel. Cor. 
non fuil. Nicopolis enim Epirolica ab Augusto, Armenia a 
Pompeio exstructa est. (Tertia in Cilicia est, auctore Stra- 
bone.) Dioscoridis Meleagrici omnia sunt in parlibus eius 
Coronae; V, 138. 193. VI, 220. 290. VII, 31. 37. 407. 410. 
411. 430. 456. 484. 485. 707. 708. Eiusdem esse lac. 
vult V, 53, ergo V, 52—56. Propter Nilum resque Aegy- 
pliacas „ commemoralas,, quibus regionibus Dioscorides 
Meleagricus vixisse videlur, addo: VI, 76. XI, 369. 
Incerta, utrius sint, forlasse lamen non minus Dioscori- 
dis: Meleagrici ‚VI ,,162...166...178. .229...351.. IX ‚734. 
XII, 14. 37. 42. 169—171. Hegesippus. Perses, VII, 445 
Thebanus, 487 Macedo appellatus. Quo in lemmate si libra- 
rius non erraveril, duo fuerunt Persae in Mel. Cor. Diotimus 
IX, 391. ZJoriuog vocalur.), V, 106 Mirnorov in parte Cor. 
Phil. , VII, 420 in parte Cor. Mel. "4I7valov rov honsiIovg 
inscriptum, cetera Diotimi sine nomine gentili. Duo igitur 
fuerunt Diotimi : aller Athkeniensis in Cor. Mel. Huius itaque 
sunt VI, 267. 358. VII, 261. 420. 475. 733. Alter Milesius 
V, 106 in.Phil. Cor. cuius fragmenta infra indicabuntur. In- 
certa ulrius sint: VII, 173. 227. IX, 391. Plan. 158, proba- 
biliter aulem, si epp. circumdantia et duplicia lemmata respexeris, 


Anthologiae Cephalanae. -175 


Alheniensi tribuenda. lam ex hac dispulalione, quae lac. in 
Ind. et Cat. pt, de Diolimo- dixit, emendare poteris. Mene- 
erates, IX, 54. 55 Samius, 390 Smyrnaeus. . Cuius  poectae, 
quamquam a Meleagro nominalur, reliquiae in parlibus eius 
Cor. non leguntur. Lemma quoque duplum in IX, 55, car- 
mina antecedentia in IX, 590 dubitationem iniiciunt, num hic 
habeamus eius Menecratis epp., quem Meleager receperit. 
Gentile Samii nomen fortasse librarii errore additum est, 
Ephesium novimus, qui Jac. sententia bene. poluit Smyrnaeus 
vocari, Nicaenetus, Phaennus, Simmias, Thebanus VII, 21.22, 
Grammaticus VI, 113, ambo in Cor. Mel. Thebani epp. adden- 
dum fortasse VH, 60. Ambigua, utrius sint, VII, 195. 203. 
647. Dele igitur in Ind. poct. VII, 24. 25, quae Simonidis 
sunt, adde unum omissum VII, 60. JA. i. VI, 114. 158.] Par- 
thenidis nullum recepit ep. C. Cephalas. Bacchylides. Ana- 
creon VII, 226 Teius appellatus. In. Ind. poet. oblittera VI, 
146, quod Anlipatri Sidonii est: 145 Eustathius se legisse 
dieit in Aristolelis peplo. .Iam Meleager igitur hoc ep. Ana- 
ereontis nomine cognovisse videlur. Archilochus. Alexander. 
VI, 182 ’4).. Meyvrrov non in parte Cor. Mel., VII, 709 Ale- 
xandri sine nomine gentili in parte Cor. Mel. Plan. 172. 7. 
Altwiov. Si librario fidimus, Magnes in Mel. Cor. fuisse 
videtur : Aetolus enim tantum in Plan. exstat. Quod Melea- 
ger ipse his verbis prooemii: veovg Ögnnzag Ehalng Akssarv- 
ög0o:0 confirmare videlur. Alexandrum Aetolum enim non Salis 
bene veov, sibi fere aequalem adpellare poluit. Aliter statuit 
Iac. TA. i. VII, 507. 534.] Polyclets nihil superest. Polysira- 
tus VII, 297 non est in parte Cor. Mel., All, 41 tamen inter 
epp. poetarum Meleagricorum positum. Antipater 'Sidonius ad 
Meleagricam, Thessalonicensis ad Philippicanr Coronam perli- 
nuit. In diss. meae cap. I p. 11—16 epp. enumeravi, quae 
cod. singulis tribuit, Passovius iis vindicavit, ipse iis assignavi. 
Cap. IV reliqua, quae aut Antipatri nudi nomen prae se fe- 
runt, aut variis hominibus tribuuntur, auctoribus suis reddere 
studui, loco ultiimo ea nominans, quae etiamnunc in medio 


174 De fontibus et ordine 


relinquo. Inter uaec VI, 114 mihi nune Sidonii esse videtur 
(cf. quae ad Samium dixi). IA. i. VII, 12. 282. 470. IX, 45. 
101. 107. 549. Xl, 331.] Hermodorus. Plan. 170. [A.i. IX, 
77.1 Poseidippus vel Posidippus. In Ind. poet. seribe. Plan. 
119 pro Plan. 118. [A. i. V, 191. 215.] Hedylus. [A. i. V, 
159. 161.] Asclepiades Sicelides, ut eum Meleager appellat, 
vel Samius. Huic omnia epp. in Anth. Ceph. danda esse 
censeo, quum Asclepiades Adramyltenus tanlum in Musa Stra- 
tonis exstet, X, 36. Plan. 68 debet esse Samii. [A.i. IX, 
762.] Plato. Meleager phiülosophum significare voluisse, epi- 
theton 9slog in. prooemio declarat: VII, 669 6 gıAöoogyos, IX, 
45°6 u&yag perhibetur. : Neque tamen omnia eius sunl. IX, 13. 
748. 751 iunioris et IX, 359 comici, eiusdem, ut videlur, 
hominis,, non in partibus Cor. Mel. scripla: quamquam ad 
eam perlinuisse possunt. Cetera philosopho tribuenda esse 
videntur eaque €. Ceph. partim e Mel. Cor. partim e Diogene 
Laertio sumpsit. Ex Ind. poet. in Platone aufer IX, 13, quod 
Platoni iuniori addas. [A. i. IX, 750. 826. 897. XI, 170.] 
Aratus , XI, 457 in fine cap., XII, 129 inter epp. poelarum 
Meleagricorum. IIlo loco zoıntns appellatur. Chaeremon. 
Phaedimus. In Ind. poet. scribe All pro XU. Antagoras 
Rhodius. TA. i. VII, 105.] Theodoridas, Vl, 222 Theoridas, 
VII, 529 in Plan. Theodoritus appellatus. In Ind. poet. seribe 
VI, 738 pro VII, 739. „IX“ ante 743 deest. Adde VI, 252 
in parte Cor. Mel. Theodori inseriptum , qui fortasse idem 
est cum Theodorida, fortasse diversus, quum Diogenes Laer- 
tius Theodorum, .epp. poelam, commemoret. XI, 198 eliam 
Theodori inseriptum Brunckius Theodoro Proconsuli dedit, 
cuius est VII, 556: nescio cur: propter epp. Leonidae sequen- 
tia Theodoro vel Theodoridae , poelae Meleagrico , tribuere 
malim. Phanias sive Phaenias, VII, 537 Grammaticus adpel- 
latus. Meleager ipse. In Ind. poet. pro V, 95 lege V, 96, 
adde XII, 165. [A. i. V, 2. 24. 189. VI, 416. IX, 459. 


x 


Anthologiae Gephalanae. 175 


Poelue , quos in tres elasses, quas iam significavi , divisos 


Passovius Cor. Mel. vindicavi. 


I. Empedocles. 1X, 569. App. 21. Adde VII, 508 eod.: 
Simonidis, Diog. La. rectius: Empedoclis. — Mihi hie poela 
in Mel. Cor. receptus esse non videtur. Tria enim eius epp. 
eliam Diogenes servavit, quo non minus usus est Gonstanli- 
nus in Anthologia sua concinnanda. Inter ea unum non est 
in Anth. Ceph., sed in App. epp.: secundum cod Simonidi 
adseribit: tertium positum est inter 365 - 368 poelarum Me- 
leagricorum et 570 Philodemi, poetae Cor. Philippicae, versi- 
bus hexametris scriptum ei e xasaguors Empedoclis deriva- 
tum. Vide ceteros, qui v. 1 et 2 citant, in Sturz. comment, 
de Emped. p. 466 sqq. Nullus praeter Diogenem cum seri- 
ptura cod. Pal. plane consenlit, ila ut dubitari nequeat, quin 
ex hoc scriptore Const. IX, 569 sumserit. Antimachus. Phi- 
letas in VI, 210 et VII, (quod in Ind. poet. deest) 431 Pı- 
kıra oalov inseriptis. Samius igitur receplus fuil, non Cous, 
quod Passovius affırmat. Theocritus. Unum Chii inscriptum 
est, non in Anth. Ceph., sed in App. 38, epica dialeclo scri- 
ptum. Epp. autem Theocriti, quae in Anth. Geph. sunt, do- 
ricam exhibent. Quorum quatuor in partibus Cor. Mel. sunt, 
Vil, 262 ©. BovxoAızov, IX, 338 ©. Zvgaxovorov, VII, 658. 
659, ubi lemmata inter Leonidam et Theoeritum fluctuant: 
ceterorum 432—437 bucolico data, VI, 336— 540 propter 
dialectum non minus Syracusani poetae sunt. Restant All, 3 
et XV, 21 Theocrili Syracusani. Hunc igitur solum in Mel. 
Cor. receptum esse patet, et quid iudicandum sit de Passovü 
verbis: sive is Syracusanus fuerit poeta, sive Chius rhetor. 
[A. i. VI, 177. VII, 664.] De Alcaeo Messenio disseruimus. 
Nicander Colophonius XI, 7, quod non est in parte Cor. Mel., 
recte lac. Nicarcho adscripsit. Adde, post IX, 503 versum 
e Nicandri Theriacis scriplum esse, quem C. Ceph. vel ex 
ipso auctore , vel e Mel. Cor. depromsit. [A. i. Al, 169. 170 


176 De fontibus et ordine 


cum cod. Nicarcho, non Nicandro, ut Stobaco et quibusdam 
edd. Plan. Anth. placet, tribuenda.] 

II. Aristo, Leonidae Tarentini felix imitator. [A. i. IX, 77.] 
Theaetetus, cuius epp. sunt in Cranlorem et Pylhagoram. 
Quatuor epp. in Anth. Ceph. nudo Theaetelo adseripta sunt, 
ad unum omnia in partibus Cor. Mel.: VI, 357. VII, 444. 490. 
727., quibus accedant App. 36. 37, servata a Diog. La., ita- 
que necessario Theaetelo antiquiori adscribenda. Alius enim 
est Theaetetus Scholasticus , quem vide infra in quaest. de 
Agathiae Cyclo. Agis, in Plan. vulgo Aegis, Alexandri Ma- 
cedonis, ut Passovio videtur, famosus adulator. 

III. Aristodicus Rhodius. Damostratus, de quo recle 
Passovius praeeunte lacobsio haec prolert: si quidem huius 
ep: fuerit auctor, quod ab alio quoque poeta Damostrati no- 
niine composilum esse potest. Dionysius. Desperal lac., cerli 
quid de variis Enıyoauuaroygapoıs, quibus Dionysis nomen 
sit, statui posse. Rhodius VII, 716 fuit in Cor. Mel. Andrü 
est VII, 533 sequentibus 535- 546 poelarum Meleagricorum, 
Cyziceni VII, 78, inclusum in 75—S1 poetarum Meleagricorum. 
Igitur hi quoque recepli fuisse videntur. Jam VI, 3 inler 
Platonis, Simonidis et Leonidae epp., VII, 462 in parte Cor. 
Mel., XII, 408 poetis Meleagrieis eircumdatum, nudo Dionysio 
adscripia, his tribus, verisimillime Rhodio tribuenda sunt. 
Restant tria Dionysii epp., de quibus. in disputatione de Dio- 
geniani Anthologia agelur. [A. i. V, 82. 83. VII, 51. IX, 523.] 
Hegemo. Heracletus, VII, 465. (Plan. perperam Heraclidi tri- 
buit.) Hune poetam a lac. cum Heraclide Sinopensi VI, 281. 
392 in Cor. Phil. confusum Passovius ab illo recte distinxil. 
[A. i. Al, 203.] Hermocreo. FPhalaecus. Habemus epp. Pha- 
laeci, Flacci, Placci, Phalacei , Statyllii vel Statylli Flacci, 
Tullii Flacci. — VII, 650 Flacci vel Phalaeci et VII, 542 Flacei 
in parte Cor. Mel. sunt, praelerea Alil, 5. 27 Phalaeeci inter 
poetas Meleagricos collocata sunt. Itaque idem homo esse 
videtur Phalaecus et Flaceus, in Mel. Cor. receptus. Cuius 
sunt: a) Phalaeci nomine inscripta XII, 5. 27. App. 93. b) 


Anthologiae Cephalanae. 177 


Phalacei VI, 165. ce) Flacei vel Phalaeei VII, 650. d) Flacei 
VI, 195. VII, 542. XII, 12. Non tamen negandum est, no- 
men Flacci non bene convenire Mel. Cor., quippe Romanum, 
multo ‚melius Philippicae.: statuendum igitur videtur, homini illi 
nomen Phalaeco fuisse , quod librarius temere cum Flacco 
aliquoties commutavit, quum Flacei quoque Statyllii cognomi- 
nati, epp. in Anth. sint. Eodem dueit inseriptio VI, 165, quae 
iransitum a Phalaeco ad Flaccum monstrat. Alter Statyllius, 
Statyllus vel Tullius Flaceus est, qui non quidem in partibus 
Cor. Phil. a nobis designandis, sed tamen cum poetis Philip- 
pieis fere ubique iunctus apparet, Vide eum in disp. de Phil. 
Cor. Philoxenus. Theodorus, qui iam tractatus est una cum 
Theodorida. 


Poetae, quos ipse Cor. Mel. addo. 


Ii, de quorum aetate conslat: 

Pisander Rhodius (Ol. 33): quem quo iure addamus, in 
disputatione de Addaeo, poeta Cor. Phil. demonstrabitur. 
Aeschylus VI, 255. Epp. 246—254 et 256—273 poetarum 
Mel sunt. X, 110 in fine cap. Aeschyli esse non videtur. 
Adde Ind. poet. App. 3, quod errore ad Aeschinem transla- 
tum est. Haec duo epp. ad hanc quaeslionem non perlinent. 
Moschus: quem tractabo in sect. IV n. 4. Demetrius Bithy- 
nus IX, 730 in Myronis vaccam inter epp. Mel. et Phil. Cor. 
lam si fuit noster Panaetii discipulus, ad illam adnumerandus 
esse videlur. [A. i. IX, 731.] 

Incertae actalis: Addaeus Mitytenaeus. Vide infra disp. 
de Addaeo Mac. in Phil. Cor. Carphyllides VI, 260. 256— 
273 pars Cor. Mel. sunt. IX, 52. Glaucus Nicopolita vocatur 
VII, 285, Atheniensis IX, 774. 775. Plan. II—IX, 341. XI, 
44 nudi Glauci inscripla Iac. eiusdem auctoris esse putat, 
XII, 44 inter poetas Meleagricos immissum est: quamobrem 
IX, 341 et XII, 44 a Glauco, poeta Meleagrico, profecla esse 
censeo, qui fortasse idem est alque Atheniensis. De Nicopolita 

Muf. f. Philolog. N. 8. TU. 12 


178 De fontibus et ordine AnthologiaeCephalan. 


res plane incerla restat. Nicomachus VII, 299. 295—303 e 
Cor. Mel. sunt. 

lam epp. anonyma, quae in parlibus Cor. Mel. leguntur, 
non amplius omni temporis nola carent, ante Meleagrum enim, 
i. e. anno centesimo a Chr. iam scripla esse debent. Haec 
Pass. nominat: V, 135. 142. 168. 200. 201. 205. VI, 130. 280. 
283. 254. VII, 416. 431.449. 474. 482. 485. 494. IX, 317. 
3%5. Addenda VII, 415 non Callimachi ipsius, sed incerli 
auctoris, e partibus Cor. Mel. a me indagatis VII, 5. 7. 10. 
12. 28. 257. 298. 714. 715. 717. 723. 734. 737, fortasse 
etiam VI, 44. 45. 48. 49. 51. VII, 543. 544. 546. 


Continuabitur. 


Einfeitungen und Anmerkungen zu PM anti: 
niſchen Zuftipielen. | 


3ur Cafına 


Zwei Punkte verdienen bei der Benrtheilung der Mautinifchen 
Luftipiele befondere Beachtung: die Zeit ihrer erften Aufführung und 
die Art und Werfe, wie Plautus fein griechiſches Driginal für die rö— 
mifche Bühne bearbeitete. Beide Unterfuchungen hängen auf das Engfte 
zufammen, da der erfte Punft son weſentlichem Einfluß auf den 
zweiten fein mußte. Kann man überhaupt feinen Schriftſteller ge— 
recht würdigen, ohne die Zeit, der er angehört, genau zu berückſich— 
tigen, ſo tritt dieſe Rückſicht beſonders bei einem Bühnendichter her— 
vor, der, wenn er an Bildung auch weit über der Menge hervor— 
ragt, ſich doch ganz dem Urtheile ſeines Publicums unterwirft, deſſen 
Gunſt und Beifall er ſich erſt gewinnen muß, ehe es ihm gelingen 
kann dieſes weiter zu bilden und zu ſeiner Höhe heraufzuziehen. 
Muß ſo jeder Bühnendichter, der Glück machen will, ſich, beſonders 
bei ſeinem erſten Auftreten, mehr oder weniger dem Geſchmack und 
der Richtung feines Publieums accommodiren, fo war die Aufgabe 
des Mautus noch viel ſchwieriger, da er nicht bloß dahin zu ftreben 
hatte, fich und feine Dichterwerfe beim Publicum beliebt zu machen, 
fondern der ganzen Gattung erft Anfehn und Geltung verfchaffen mußte. 
Denn wenn auch Schon Livius Andronieus mit Ueberfegungen griecht- 
fcher Luftfpiele aufgetreten war, fo war es doch dem Plautus mit 
feinem etwas älteren Freunde Nävius vorbehalten, die fab. palliata 
in Rom zu Ehren zu bringen, und daß dieß feine Teichte Aufgabe 
war, fieht man daraus, daß noch 50 Jahre ſpäter die Römer dem 
gefeierten dimidiatus Menander aus dem Theater Tiefen, als fich 


150 Einleitungen und Anmerfungen 


die Nachricht verbreitete, es gäbe Gladiatorenkämpfe zu fehen. 
Diefe Gleichgültigkeit der Nömer gegen die fahulae pallialae er- 
flärt fich leicht, wenn man bevenft, ein wie gewagtes Unternehmen 
des Livius Andronicus es war, griechifche Luftfpiele in Ueberſetzungen 
nach Nom zu verpflanzen; denn nicht nur, daß die Römer damals 
überhaupt noch viel zu roh und ungebildet waren, um an den feinen 
attiſchen Puftfpielen Gefallen zu finden, fo fam „das Anftößige frem— 
der Sitten, Gefinnungen und Verhältniſſe dazu, worauf diefe Dra- 
men rubten, die in geringer Analogie zur nationalen Eultur ftanden 
(Bernd. Grunde. d. Röm. Litt. ©. 166). Deffenungeachtet aber 
anzunehmen, Liv. Andron, und feine Nachfolger hätten, ohne den 
Bildungsgrad und den Geſchmack ihrer Zuſchauer zu berückfichtigen, 
fo fange den Römern griechifche Luftfpiele vorgeführt, bis dieſe ſich 
endlich in die ihnen fremde Welt verfegt und ihre frühere Abneigung 
gegen diefe Dramen überwunden, ſcheint mir aller Wahrfcheinlichkeit 
Hohn zu ſprechen. Auch ohne daß es uns ausdrücklich berichtet 
wird, müffen wir annehmen, daß die Dichter ihren Zuſchauern ent— 
gegenkamen und die attiſchen Speiſen mit römiſchen Zuthaten würzten, 
um ſie ihnen erſt mundgerecht zu machen. Da nun die Römer da— 
mals bereits den saluris und den Atellanen Intereſſen abgewonnen 
hatten, ſo liegt die Vermuthung ſehr nahe, daß die römiſchen Komiker 
anfangs ihre lab. pall. dieſen rohen Poſſen möglichſt näherten, alſo 
die Anlage des griechiſchen Drama nur in ihren Umriſſen beibehielten, 
Charafteriftif und Defonomie aber bintanfegten, um durch derbe 
Späße, arge Obfeönitäten, Prügelfeenen, Verwicklungen, die weni— 
ger den Charakter der feinen Intrigue, als mehr den der gememen 
Chicane trugen, die Yachmusfeln der Nömer in Bewegung zu fegen. 
Se mehr aber die Bildung in Nom ftieg und der Geſchmack geläu- 
tert wurde, defto mehr fonnte die fab. pall. ſich von diefen itafifchen 
Poſſen Iosmachen und fich deſto enger an die griechifchen Originale 
anſchließen. Hiernach glaube ih 3 Perioden annehmen zu fünnen, 
welche die fab. pall, in Nom durchlief. Die erfte reicht bis zum 
Ende des zweiten Punerfrieges und iſt die eben bezeichnete atel- 
lanenartige z die zweite geht bis zur Beftegung des Antiochus. Fien— 
gen die Sitten der Nömer in diefer Zeit ſchon an bedeutend von 


zu Plautinifhen Luftfpielen. 181 


der früheren Reinheit zu verlieren, zeigte fich jest auch nicht mehr 
die Großartigfeit der Gefinnung und der Heroismus der früheren 
Zeit, fo gewann Nom auf der andern Seite durch die ftete Berüh— 
rung mit Griechenland ungemein viel, Künfte und Wiffenfchaften 
brauchten fih jett nicht mehr wie früher zu verfriechen und das 
Beifpiel des damals den Ton angebenden Scipio Africanus wirkte 
nachhaltig in weiten Kreifen. Diefe Zeit war die Glanzperiode des 
Plautus; fih, wie Terentiug, eng feinem Driginale anzufchließen, 
erlaubte ihm fein ſtets fich hervordrängender Wig, überhaupt feine 
Genialität nicht. Aber diefe Zeit ertrug auch noch Feine Luftfpiele, 
wie Terentius fie ſpäter aufführte : allerdings verlangte man jegt nicht 
mehr rohe Poſſen, fondern forderte ſchon mehr wirkliche Luftfpiele, 
aber dieſe follten Doch noch weit entfernt fein von der melanchofi- 
hen Auffaffung des Lebens, wie fie fi bei Menander zeigt, mit 
frifchen Farben und kecken Zügen follte das griechifche Leben darge— 
ftellt werden und derber Humor follte das Bild beleben. Im We— 
fentlihen, nur mit mehr Mäßigung und Zügelung des oft über- 
forudelnden Witzes blieb Plautus diefer Richtung auch in der dritten 
Periode, Die mit der Beſiegung des Antiochus beginnt, treu. Afias 
tiſcher Luxus, der von jest an unaufhaltfam in Nom eindrang, die 
Sitten nicht mehr bloß lockerte, fondern in erftaunlich Furzer Zeit 
total ummandelte, fo wie griechifche Bildung, die nun immer allge 
meiner wurde, machten es den römischen Komikern jest leicht, atti— 
fche Dramen nah Nom zu verpflanzen. Jetzt follte der Dichter, 
wie fih aus den Vorwürfen erkennen läßt, die fih Terentiug und 
Luseius Lanuvinus machten, feine Charaktere Scharf und naturgetreu 
zeichnen, follte auf den Brettern wirklich die griechifche Welt ım 
Kleinen darftellen, follte in der Defonomie des Stüds, in Auftra- 
gung der Farben und in Handhabung der Sprache billigen und ge— 
rechten Anforderungen genügen. Doch erhielt ſich dieſe Gefchmads- 
richtung des römiſchen Publicums nicht Lange, denn bald nach dem Tore 
des Terentius wurde einerfeits Durch Die Ausbildung der Atellanen der 
Sinn für das Grotesk-Komiſche und Poſſenhafte wieder fo erweckt, 
andrerjeits von den Palliatendichtern ern fo genaues Anfchmiegen an 
das Original verlangt, daß, wer bei der Benugung griechiſcher 


182 Einleitungen und Anmerfungen 


Dramen noch felbftändig und originell fein wollte, fab. togalas 
dichten mußte. Dieß möchte im Allgemeinen der Gang fein, den 
die fab. pall. in Nom nahm; welche Mittel und Wege aber im 
Einzelnen Plautus wählte, um die Römer für das griechifche Luft- 
fpiel zu gewinnen, würde ſich mit ziemlicher Sicherheit angeben Laf- 
fen, wenn wir genau die chronologiſche Folge der uns erhaltenen 
Stürfe fennten. 

Doch, Leider! find wir darüber noch fehr im Dunfeln und wer- 
ben bei jetziger Befchaffenheit der Dinge es hierin auch wohl nur big 
zur Wahrfcheinkichkeit, nicht bis zur unumftößlichen Gewißheit brin- 
gen können. Didaskalien, wie zu den Stücken des Terentius, find uns 
zum Plautus nur zwer, und auch diefe ſehr verftümmelt und ent— 
ftelft, erhalten; doch iſt es dem Scharfſinne Ritſchl's gelungen, 
vermöge derfelben das Aufführungsjahr des Pſeudolus und des Sti— 
chus zu ermitteln. Hinfihtlich der ubrigen Stüde aber find wır 
durchaus auf diefe felbft verwiefen, und enthalten manche derfelben 
auch fo viel Hiftorifche Anfpielungen und Bezüge, daß fich daraus 
ihr Abfaffungsjahr mit ziemlicher Gewißheit beftimmen läßt, fo bleibt 
doch immer noch die fehwer zu befeitigende Frage in Rückhalt, vb 
denn auch alle diefe Anfpielnngen wirklich von Plautus felbjt ber- 
rühren, oder ob nicht manche derfelben bei fpäterer Aufführung der 
Plautiniſchen Stücke hinzugefügt find. Als ſolche fpätere Zufäse bat 
Dfann einige Verſe im Plautus nicht ohne Grund verdächtigt; doch 
fann man in feiner Zwerfelfucht auch Leicht zu weit geben, wie das 
Dfann felbft öfter ergangen iſt. ) 


1) Bon der Stelle Baech. IV, 8, 149—52 ift das jest allgemein 
befannt, von zwei andern will ich das Gleiche hier nachweifen. In den 
Anal. crit. p. 177 hält Ofann die Worte des Prologs zum Amphitruo von 
v. 64— 74 für einen ſpäteren Zuſatz, weil die Sitte, den Schaufpieleru 
Palmen oder jonftige Auszeichnungen zu geben, exit in jpäterer Zeit aufge— 
fommen fei.. Derfelben Meinung ijt Blanc ad Enn. Med. p. 58. Indeſ— 
jen fagt Livius X, 47 : Eodem anno coronali primum, ob res bello bene 
gestas, Judos Romanos spectaverunt: palmaeque tum primum translato 
e Graecia more victoribus datae. Das war 294 a. Chr. Wenn auch 
hierbei vielleiht nur an Gladiatorenfämpfe gu denfen iſt, fo it doch Fein 
Grund abzuſehen, weßhalb die Mömer, nachdem fie einmal die Eitte Talm- 
imerge ala Belohnungen anszutheilen von den Griechen angenemmen hatten, 
dieje Auszeichnung jpater den Schaufptelern jollten vorenthalten haben 


zu Plautiniſchen Luftfpielen. 183 


Noch mehr Schwierigkeiten bieten diejenigen Stüde, in denen 
ſich gar feine hiſtoriſche Anfpielungen zu finden feheinen. Hier Tann 
man nicht genau, genug die Stücke felbft nnd die römifchen Hiftori- 
fer Iefen, um doch vielleicht einer verfteckten Anfpielung auf die 
Spur zu fommen. In der Hoffnung, daß jeder Beitrag diefer Art 
den Freunden des Plautus willkommen fein werde, wage ich es, 
eine Bermuthung Hinfichtlich des Aufführungsjahres des Amphitruo 
auszufprechen, die, wenn auch an ſich fehr problematifch, Doch viel- 
feicht Andere auf einen vichtigeren Weg binführen kann. Bekannt— 
lich findet fi im Stücke felbft — mit Ausnahme der Verweiſung 


Etwas ausführlicher muß ich die zweite hierhergehörige Behauptung Oſanns 
behandeln, weil fie gerade die Caſina vorzugsweife betrifft. Oſann meint 
nämlich p. 182— 83, alle Stellen des Plautus, in denen der Name villi- 
sus vorkomme, alfo außer den von ihm felbft angeführten Cas. IN, 5, 55. 
73. IV, 1, 9. und Poenul. I, 1, 66, auch noch Cas. I, 10. I, 2,24. 3, 
38:53. 57.4, 9. 7, 5. 6. 10. 8, 26. Il, 5, 79. 83. IV, 1,4.12. 2,18. 
Poenul. I, 1, 42. 3, 6. III, 1, 55. 5, 34. Merc. Il, 2, 6 feien interpo- 
lirt, weil der Name villieus zu Plautus Zeiten noch nicht hätte üblich fein 
können, da ja damals der Name villa felbjt noch nicht pervulgatum gewe— 
fen. Deßhalb beruft er fi) auf Plin. hist. nat XIX, 19: In XII tabulis 
legum nostrarum nusquam nominatur villa, semper in significatione ea 
hortus:.in horti vero heredium. Er hätte auch Feſtus p- 102 ed. M. 
anführen fönnen, wo es heißt: hortus apud antiquos omnis villa dicebatur. 
Dann fest Oſann hinzu: Plautus ubique aut hortum vel rus dicit, villam 
nusquam, quamquam Terentius ea voce passim utitur. So viele Stellen 
des Plautus aber des bloßen Ausdrucks villieus wegen zu verbächtigen, 
hätte Hrn. Oſann doch bedenflih machen follen, zumal wenn er bedacht 
hätte, daß fih in mehr denn 200 Jahren doc Vieles ändern mußte. Wenn 
Dfann übrigens fagt, der Name villa felbft fei zu Plautus Zeiten in Rom 
noch nicht ſehr üblich geweſen, fo meint er das doch wol nur von den fpäs 
ter fo üblichen Landhäufern, oder hat er wirflic) an die villa publica in 
Nom nicht gedacht? Uebrigens ift es auch falfch, wenn Oſann fagt, Plau— 
tus gebrauche zur Bezeichnung der Landhänfer nur hortus oder rus, nie 
villa, denn lesterer Ausdruck jteht ja Cas. I, 32. Cistell. I, 1, 21. Mere. 
11. 2, 6. Trucul. IN, 1, 4., hortus aber bezeichnet bei Plautus nie ein 
Landhaus, fondern ftets den Garten hinter oder neben dem Haufe, wie be— 
fonders aus Cas. III, 4, 23. Merc. V, 4, 49. und Trucul. II, 2, 48—50. 
hervorgeht, wo auch nicht im Entfernteſten an ein Landhans oder Landgut 
gedacht werben fann, ja Mostell. V, 1, 3—5 fteht der hortas geradezu dem 
rus entgegen. Der Grund übrigens, weßhalb fonjt bei Plautus allerdings 
rus, nicht villa gebraucht wird, ift wol der, daß es in damaligen Zeiten 
freilich fchon villae rusticae, aber noch feine villae urbanae gab, und der 
Herr alfo, wenn er auf feinem Gute war, ftch den größten Theil des Ta- 
ges auf dem Acer oder im Gehöfte aufhielt, aber nicht in ber villa ru- 
stica, die wenig Bequemlichfeit bot. 


A 


184 Einleitungen und Anmerfungen 


auf die tresviri nocturni und des Verſes II, 2, 46: quam (uxo- 
rem) adeo cives Thebani vero rumificant probam, der als 
Seitenhieb auf die Läfterfucht der Thebaner zur Beftätigung meiner 
in d. Progr. Ueber den Kanon des Volcat. Sedig. P. 23—24 
ausgefprochenen Behauptung, daß der Amphitruo nicht aus dem Epi- 
charmus, fondern aus einem attifchen Komiker ?) entfehnt fer, dienen 
mag — feine einzige Hiftorifche Anfpielung, aber im Prologe leſen 
wir v. 91—92 die merfwirdigen Worte: 
Etiam histriones anno quom in poscenio hic 
Jovem invocarunt: venit, auxilio eis fuit. 

Da wir nun aus Livius XXIX, 22 und XXXIV, 44 wiffen, daß 
der im Gefängniß figende Q. Pleminius mit einigen Mitverſchwor— 
nen den Wan gefaßt hatte, Nom, während die Bürger im Theater 
füßen, anzuzünden, der Pan aber verrathen und vereitelt wurde, 
fo beziehen fich wielleicht die angeführten Worte hierauf. Ein Schau— 
ſpieler konnte nämlich, da die Sache ruchtbar, aber noch nicht völlig 
entlarot war, den Jupiter im Theater um Hülfe angerufen haben. ) 
Dieß Ereigniß trug fih zu im Jahre 196, alſo wäre darnach der 
Amphitruo 195 aufgeführt: ein Nefultat, in dem ich fo ziemlich mit 
Beterfen übereinftimme, der Allg. Schulztg. 1836 No. 77 aus Pro- 
log v. 32, wo des obwaltenden Friedens und des blühenden Hans 
dels gedacht wird, auf das Jahr 194 ſchließt. 

Fehlen. aber alle und jede Hiftorifche Anfpielungen in ven 
Stücken, fo iſt man auf innere Gründe verwiefen, um die Auffüh- 


2) Ohne geradezu zu behaupten, Plautns habe feinen Amphitruo aus 
dem gleichnamigen Stücke des Archippus überfeßt, will ich nur darauf aufs 
merffam machen, daß fih die meiſten Fragen des Stücks ſehr gut im Plau⸗ 
tiniſchen Amphitruo unterbringen laſſen, nämlich Fr. 1: zei Tavı’ &ywv 10 ÖU- 
yyos oVLW6I urzo6v gehört zu I, 1, 291, wo Soſia feine Aehnlichkeit mit 
dem Mercur bejchreibt, fr. 3 70 ozügos ift die mehrmals G. 2. 1, 1, 107) 
erwähnte palera aurea, aus der König Pterela zu — pflegte. Fr. 6 
o zUwv fonnte vorkommen I, 1 oder IV, 2. Ir. 7 @oxodVlazos ift die 
himea I], 1, 276. fr. 4 und 5 "enthalten nur die beiden Ausdrücke En evur 
1108V und ————— So bleibt denn nur fr. 2:75 dxkonoe oyov, o 
x«er0daıuoy, ioov Low, dem fih in dem erhaltenen Theile des ‘Planti- 
niichen Stücks Fein Plag anweilen läßt, 

) Ueber das Impropifiren der Schauſpieler ſ. Gryſar, Allg. Schulte. 
1832. No. 45 ©. 353. 


zu Blautinifhen Luftfpielen. 185 


rungszeit zu ermitteln. Diefe innern Gründe aber fuche ich ledig— 
lich in der Art und Werfe, wie das Stüc feinem Originale nachge- 
bildet if, indem ich daraus auf den Bildungsgrad der Zuſchauer und 
von da weiter auf die Zeit feiner Aufführung ſchließe. Freilich ift 
das ein fehr gewagtes Unternehmen, das dazu nur zu einem fehr 
allgemeinen Nefultate führen kann, indeffen wüßte ih von alfen 
Luftfpielen des Plautus auch nur ein einziges, wo diefes Kriterium 
allein anzuwenden wäre, in allen andern fommen hiftorifche Anfpie- 
lungen zu Hüffe. 

Für die Cafina nun hat Peterfen 1. 1. p. 614—15 eins der 
Sabre 2Q15—12 als Aufführungszeit ermittelt, indem bie auf den 
Krieg bezüglichen Verſe des prol. 87—885 doch alt zu fein und 
die Gefahren des zweiten punifchen Krieges anzudeuten fehienen: ferner 
die III, 6, 19 (lepide, nitide coenare volo; nihil iam moror, 
barbarico ritu sane esse) und V, 4, 1 (ubi tu es, qui colere 
mores Massiliensis postulas?) als einfach im Gegenfaß gegen bie 
griechifchen gefchilderten römifchen Sitten für diefe früheren Zeiten 
fprächen, endlich die Beziehung auf den Colar des Nävius IL, 1, 
9—10 nicht, unwichtig fer, wenn nicht Plautus fein eigenes Stück 
des Namens meine. Don allen diefen Stellen ſcheint mir nur die 
eine, UI, 6, 19 von einigem Gewicht; denn die Verfe des Pro— 
logs: Valete, bene rem gerite et vincite Virtute vera, quod 
feeistis anlidhae find fo allgemein, daß man nicht fieht, warum 
man dabei gerade an den zweiten punifchen Krieg denfen ſoll; aus den 
beiden andern Stellen möchte ſich noch weniger eine Beftimmung 
für die Aufführungszeit entnehmen Laffen. MUeberhaupt aber läßt 
fih wol in diefer Beziehung weiter Nichts bewerfen, als daß das 
Stück zu den frühften des Plautus gehöre und während des zweiten 
punifchen Krieges gefchrieben fer. Indem ich für diefe Anficht eben- 
falls die ſchon erwähnte Stelle III, 6, 19 in Anfpruch nehme, füge 
ich dazu noch einen andern Außern Grund aus den Worten des 
prol. v. 11—15: 

Nos postquam populi rumorem intelleximus, 
Studiose expetere vos Plautinas fabulas: 
Antiquam eius edimus comoediam, 


186 Einleitungen und Anmerfungen 


Quam vos probastis, qui estis in serioribus: 

Nam iuniorum qui sunt, non norunl scio. 
Hier feheint die anligua comoedia nur von einem der älteren 
Stücke des Dichters verftanden werden zu können: denn follte es 
nur ein damals fehr altes Stück bezeichnen, fo wäre das anliqua 
dem Vorhergehenden nach völlig pleonaſtiſch, und doch ruht gerade 
der Nachdruck darauf. Diefen äußeren Gründen fehließe ich einige 
innere an, muß aber, um für diefe erft eine fefte Grundlage zu ge- 
winnen, zuvor auf Die andere Frage, wie Plautus bei der Bearbei- 
tung der Caſina verfahren fer, näher eingehen. 

Wie wir aus dem Prologe erfahren, ift die Cafına aus den 
Kingovueror des Diphilus überfegt. Leider führt fein Gramma— 
tifer aus dieſem Stücke auch nur ein einziges Wort an, aus den 
Ir. inc. Taffen fi mit einiger Wahrfcheintichfeit auch nur folgende 
zwei auf dieß Drama zurücdführen: fr. Q1: ardong gYiLov zul 
ovyyEovg yao olziav | aurod vowilew del ToV 009085 ovyyern 
als Worte des Alcefimus in der Scene II, 1, und, freilich mit 
größerer Unficherheit, fr. 26: Boneg xzvasılovo’ evioF zu 7 
Tuyn| Ev ayadov Emıy&aoa tgl’ Enavriel zaxra, als Worte des 
Stalino, entfprechend feiner Aeußerung III, 4, 26—23: Qua ego 
hune amorem mi esse avi dicam datum, Aut quid ego un- 
quam erga Venerem inique fecerim, Quoi sic lot amanli mi 
obviam eveniant morae? So find wir denn alfo faft ganz auf 
die Plautinifche Caſina verwiefen, um ung eine Vorftellung von dem 
Gange des Diphileifchen Drama zu bilden. Da drängt fich denn 
zunächft Die Frage auf: Iſt es wahrſcheinlich, daß Plautus Dieß 
Stüf, ſowie wir es haben, natürlich mutalis mulandis, ganz aus 
den Kinoovgevor des Diphilus genommen habe? Diefe Frage 
glaube ich aus den triftigften Gründen entfchieden verneinen zu kön— 
nen; denn einmal iſt es ganz unglaublich, wenigſtens berechtigt auch 
fein einziges Fragment zu der Annahme, daß ein griechifcher Dichter der 
mittleren oder neuen Komödie einen fo vbfeönen Gegenftand , wie 
der von Plautus IV, 3 bis zum GSchluffe der Caſina dargeftellte 
ft, feinen Zufchauern vorzuführen gewagt babe; fodann aber hängen 
die einzelnen Theile des Plautinifchen Stückes von Il, 2. au fo loſe 


zu Plautiniſchen Luftfpielen. 187 


zufanmen, find fo wenig motivirt, fo unwahrſcheinlich an ſich, daß 
diefer ganze Theil des Stüces unmöglich won dem berühmten Di- 
philus gedichtet und vor dem gebifveten attifchen Publieum aufge- 
führt fein kann. Zur Nechtfertigung diefes Urtheils muß ich Die 
zweite Hälfte der Cafına ausführlicher beſprechen. Zunächft find 
bier die Scenen III, 2—4, die eine Art Zwifchenfpiel bilden, für 
fich zu betrachten. Cleoſtrata foll, fo ift es zwifchen ihrem Manne, 
dein Stalins, und deffen Freunde, den Alcefimus, abgemacht, die 
Murrhina, die Gattin des Alceſimus, zu fich zu holen, um von ihr 
bei der Anordnung des Hochzeitſchmauſes unterftüst zu werden. 
Murrhina fist in vollem Putze zu Haufe und wartet ſchon Tange 
darauf, von der Efeoftrata abgeholt zu werden. Diefe aber will 
einen Zwift zwiſchen den beiden Ehemännern herbeiführen, erklärt 
daher dem Alcefimus, fie brauche die Unterftüsung feiner. Fran nicht, 
und fagt dann ihrem Manne, Alceſimus wolle, ihrer Bitten nnge- 
achtet, feine Frau nicht zu ihr ſchicken. Dadurch führt fie nun 
allerdings einen Streit zwifchen den beiden Männern berbei, doch 
Härt fih die Sache bald auf und Alceſimus geht in fein Haus, um 
feine Frau zur Cleoſtrata zu ſchicken. Hierbei ıft nun erftens gar 
nicht abzufehen, was die Cleoſtrata dadurch zu gewinnen hoffe, daß 
fie ein Gezänk zwifchen ihrem Manne und feinem Freunde herbei- 
führt, da fie fich doch felbft fagen mußte, daß der wahre Zuſam— 
menhang der Sache bald ans Licht kommen müffe umd fie ſich durch 
ihr Benehmen gerechten Vorwürfen ihres Mannes ausfeße. Sodann 
aber ift das im diefen drei Scenen Dargeftellte auch zum Theil un— 
wahrfcheinfich. II, 2, 27 geht Alceſimus ing Haus, um feiner un- 
geduldig harrenden Frau die erfreuliche Nachricht zu bringen, er fe 
som Stalins gefoppt worden, ihre Hülfe werde nicht von der Cleo— 
ftrata im Anfpruch genommen. Das mußte eine Chefeene geben, 
und aus Furcht vor diefer defonders ift Alceſimus fo ärgerlich über 
den ihm von Gtalino gefpielten Streich, und die Vorwürfe, die er 
feiner Leichtgläubigfeit und Bereitwilligfeit wegen hat hinnehmen 
müffen, treiben ihn in höchft ärgerficher Stimmung II, 4 aus dem 
Haufe zum Stalins, um an diefem feinen Neger auszulaffen. Als 
ihm aber Stalino den Inhalt feiner Unterredung mit der Cleoſtrata 


188 Cinleitungen und Anmerkungen 


berichtet und fein früheres Gefuch wiederholt, da ift Aleeſimus ſo⸗ 
gleich bereit, ſeine Frau zur Cleoſtrata zu ſchicken. Das iſt un— 
wahrſcheinlich, denn wie ſollte ſich von der Murrhina jetzt ſogleich 
Folgſamkeit und Bereitwilligkeit erwarten laſſen? Gleich hierauf 
folgt eine noch abentheuerlichere Erfindung: die Caſina ſoll 
wahnſinnig geworden ſein, ein Schwert ergriffen haben und den ihr 
aufgedrungenen Olympio ſammt dem Stalino töden wollen. Das 
Alles ſucht die ſchadenfrohe Pardalisca dem Alten einzureden und 
es gelingt ihr auch, den Stalino nicht wenig in Furcht zu ſetzen. 
Kaum aber hat die Pardalisca den Stalino verlaſſen, ſo erſcheint 
Olympio mit einem Koche, Stalino hat plötzlich das Schwert der 
Caſina und ſeine Angſt ganz vergeſſen und ſcherzt wohlgemuth mit 
ſeinem villicus, bis ihm endlich das Schwert wieder einfällt, er 
theilt nun dem Olympio das von der Pardalisca Berichtete mit, 
Olympio verſpottet ihn anfangs, wird aber zuletzt doch auch von 
der Angſt des Stalino angeſteckt und am Ende der Seene erhebt ſich 
ein Streit zwiſchen den beiden Liebhabern, indem keiner aus Furcht 
vor der bewaffneten Caſina ins Haus treten will. Jetzt werden 
die neuen Anſchläge der Cleoſtrata von der Pardalisca in einem 
Monologe auseinandergeſetzt, IV, 1. Chalinus nämlich wird als 
Caſina verkleidet, und der verliebte Stalino ſoll, ohne einen Biſſen 
zu bekommen, den Olympio mit ſeiner vermeinten Braut geleiten; 
darnach ſind denn den Köchen Inſtructionen ertheilt, die von dieſen 
nur zu getreu erfüllt werden: kurz, der ganze Anſchlag gelingt der 
Cleoſtrata, wie wir aus der folgenden Scene erfahren, und IV, 3 
fehen wir die hungrigen Liebhaber vor der Thüre ftehen und unge: 
duldig der erfehnten Braut harren. IV, 4 erfcheint denn endlich 
der als Caſina verfleivete Chalinus und wird im Freudentaumel von 
den beiden Alten fortgeführt. Dieß Alles, was theils an ſich un— 
wahrſcheinlich ift, theils fich wohl für,eine Poffe, aber nicht für ein 
feines attifches Luſtſpiel eignet, muß Zuthat des Plautus fein. So 
fprechen denn innere Gründe dafür, daß Pautus mit HL, 2 fein 
Driginaf verlaffen und die zweite Hälfte des Stückes ſelbſt binzu- 
gedichtet habe. Aber es find auch Äußere Grinde vorhanden, die 
Darauf hinweifen, daß das Drama des Diphilus eine völlig verſchie— 


zu Plautiniſchen Luftfpielen. 189 


dene Entwicklung und einen ganz andern Schluß gehabt habe, als 
die Caſina des Plautus. Im Prologe wird nämlich v. 35—63 
erzählt, ein Sklave des Stalino habe vor 16 Jahren gefehen, daß 
ein Weib ein Mädchen ausfese, er habe ſich von der Frau das Kind 
geben laffen, es zu feiner Herrin getragen und diefe gebeten, es zn 
erziehen ; Cleoſtrata habe das Kind genommen und wie ihr eigenes 
erzogen. AS das Mädchen aber herangewachſen fei, hätten fich 
der Mann und der Sohn der Cleoſtrata in daſſelbe verliebt, beive 
hätten im Stillen, ohne daß der Eine von der Liebe des Andern 
etwas gemerft babe, gegen einander operirt, der Vater habe feinen 
villieus, der Sohn feinen Sklaven vermocht, nm die Caſina zu 
werben. Die Cleoſtrata habe die Liebe ihres Mannes zur Cafina 
gemerft und feine Abficht durchfchaut und fer deßhalb auf den Plan 
des Sohnes eingegangen. Da habe denn Staliny im Sohne den 
Rivalen erfannt und ihn, um ſich von dem gefährlichen Gegner zu 
befreien, in die Fremde geſchickt; die Cleoſtrata aber habe deſſen— 
ungeachtet auch in der Abwefenheit des Sohnes deffen Plan nad) 
Kräften gefördert. Darauf heißt es nun im Prologe v. 64—66: 
Is, ne exspectelis, hodie in hac comocdia In urbem non re- 
dibit: Plautus noluit: Pontem interrupit, qui erat ei in itinere, 
Hieran fehließe ich gleich die Worte der grex zum Schluſſe des 
Stückes: Spectalores, quod futurum est intus, hic memorabi- 
mus. Haec Casina huius reperietur filia esse e' proxumo, 
Eaque nubet Euthynico nostro herili filio. Hier drängt fich 
uns nun fogleich die Frage auf: Woher hat der Verfaffer des Pro- 
logs alle diefe Nachrichten? Aus der Cafina des Plautus nicht, 
oder follten wir dieß Stück nicht ganz befigen? Sollten gerade die 
Scenen ausgefallen fein, worin von der Herfunft der Cafina gere- 
det, ferner die, in welchen erzählt wird, daß Chalinus fih nur fei- 
nes Heren wegen fo eifrig um die Caſina bewerbe, endlich die, aus 
denen wir erfahren hätten, daß die Murrhina eine Tochter ausge- 
fegt babe? Allerdings ift es möglich, ja wahrfcheinfich, daß wir 
die Caſina nicht vollſtändig befigen; darauf führen mich nicht die 
Verſe, die von Örammatifern aus der Cafina citirt werden, fich 
jest aber nicht mehr darin finden — denn der Vers: Perii, illie 


190 Sinleitungen und Anmerfungen 


habebit flocco iam lumbos meos, feheint dem fo überaus verſtüm— 
melten Ießten Acte anzugehören, wo es Worte des Stalins vder 
Olympio, die fich vor dem Spotte des Chalinus fürchten, fein kön— 
nen; ebenfo kann der andere Vers: Intro eo ad uxorem suble- 
ramque tergum meum ob iniuriam dem letzten Acte angehören, 
oder auch, und das iſt mir wahrfcheinlicher, andere Lesart fein für 
die Worte II, 2, 27: Ibo intro, ut subducam navim rursum 
in pulvinarium. Das taedeo endlich, was Cledonius aus der Ca— 
fina anführt, gehört ficher zu I, 54, wo zu Iefen tft: faedeo ser- 
monis tui — fondern die Worte V, 4, 34: hanc ex longa lon- 
giorem ne faciamus fabulam. Nun ift aber gerade die Caſina 
von allen Plautinifchen Stüden, die wir vollſtändig zu befigen 
fcheinen, mit Ausnahme des Cureuliv und des Epidieus gerade das 
alferfürzefte. Auch Pseudol. prol.-25 Heißt es: Plautina longa la- 
bula in scenam venit, aber der Pfeudolus hat auch 1330 Berfe, 
die Cafına nur 830. Daraus feheint fih allerdings zu ergeben, 
daß ein beträchtlicher Theil des Stüdes fehle )5 doc welcher ? 
laßt fich wol fehwerlich noch ermitteln, wenn nicht die von Ritſchl 
verglichenen Handfehriften darauf führen. Sp viel indeffen ſteht wohl 
feft, daß durch die ausgefallenen Scenen die Handlung jelbjt nicht 
erweitert, fonderu nur im Geifte der zweiten Hälfte des Stückes 
aufgehalten fein kann, da durchaus Nichts zu der Annahme berech— 
tigt, daß auch dem Sklaven, der die Caſina zur Cleoſtrata brachte, 
eine Rolle gegeben fer, und da es auch an ſich unwahrſcheinlich iſt, 
daß das Gelage, worauf Vardalisca IV, 1, 19—21 hinweift, einen 
Theil des Stüdes gebildet hätte, — Oder follte der Verf. des 
Prologs feine Nachrichten aus dem verlornen Prologe des Plautus 
gefchöpft haben Auch das iſt unwahrſcheinlich, denn zu welchem 
Zwecke follte Plautus feine Zuhörer mit Dingen bebelligt baben, 
Die zum Verftändniffe des Stückes felbft gar Nichts beitragen; wozu 
folften die Zufchauer erfahren, daß Caſina ausgefegt und von einem 

4) Oder fellten wir auch Hierin einen Grund mehr für die Annahme 
finden fönnen, daß die Gafina zu den frühften Stücken des Plautus gehöre? 
Vielleicht nämlich waren die Dichter Damals noch gezwungen, ihren Luſtſpie— 


len feine zu große Ausdehnung’ zu geben, fo daß ein Stück von der Länge 
ver Caſina damals ſchon ungewöhnlid lang war. 


zu Plautiniſchen Auftfpielen. 191 


Sklaven der Cleoftrata überbracht ſei? wozu, daß Euthynieus die 
Eaſina liebe? Es bleibt alfo nur die Annahme übrig, daß alle 
dDiefe Angaben aus dem Drama des Diphilns gefchöpft ſeien, und 
daß der Verfaffer des Prologs zu unferm Glücke ungefchiekt genug 
war, Dinge zu verrathen, die mit dem Pautinifchen Stüde in gar 
feinem Zuſammenhange ftehen. Damit erhalten wir nun aber wich- 
tige Aufſchlüſſe über die Befchaffenheit der Kinoovusvo. Da im 
Prologe der Nachricht, Euthynicus werde nicht in die Stadt zurüd- 
febren, die Worte Plautus noluit hinzugefügt find, fo ift wol ge- 
wiß, daß Diphilus den Euthynicus in die Stadt zurückbrachte und 
ihm alfo eine Rolle in feinem Drama gab, und aus dem von ber 
grex Berichteten läßt fich entnehmen, daß die Erfennungsfcene der 
Caſina den Schluß der KAnoovusvoı bildete. Hieraus folgt für 
dieß Drama nun weiter, Daß auch der Sklave der Clevftrata eine 
Rolle erhalten und die Nolle der Murrhina beträchtlich erweitert 
fein mußte; es mußten ferner Chalinus, Cleoſtrata, auch Stalino 
von der Liebe des Euthynieus zur Cafina reden. Sp waren denn 
die Kino. des Diphilus ein binfichtlich ihrer Anlage und Durch— 
führung ganzlich von der Caſina des Plautus verfchiedenes Stück, 
die Defonomie war beim griechifchen Dichter Funftgemäß, bot feine 
Unwahrfcheintichfeiten, und die Zufchauer blieben mit den Poffen 
und Dbfeönitäten der zweiten Hälfte der Caſina verſchont. Wie 
fam aber Plautus dazu, durch diefe Abweichungen vom Originale 
feinem Stücke eine fp ganz andere Geftalt zu geben? Wohl ohne 
Zweifel deßwegen, weil er befürchten mußte, durch ein enges An— 
fohließen an fein Driginal feine Zufchauer zu ermivden. Man denfe 
ſich nur den Inhalt diefes zweiten Theiles, und man wird finden, 
daß römiſche Zufchauer wenig Gefallen daran finden konnten: zuerft 
die Rückkehr des Euthynicus, Klagen eines Liebhabers und Klagen 
über dag traurige Loos der Menfchen, viel Sentenzen; dann lange 
Reden des Kochs, der auch bei Plaut. IT, 6, aber in einer fehr 
untergevroneten Nolle exfcheint, Anpreifungen feiner Runft, Bera- 
thungen über die vorzufegenden Speifen; nun das Gelage felbft, 
vielleicht einige Griphen, VBerfpottungen des Euripides oder lebender 
- Athener, endlich die Erkennungsſeene. Das Alles war Nichts für 


192 Sinleitungen und Anmerfungen 


Römer und mußte deßhalb bedeutend verfürzt, am beften ganz ge- 
firichen und dafür aus einem andern griechiſchen Drama Paſſendes 
fubftituiet werden, oder der römiſche Dichter mußte aus eigenen 
Mitteln dafür Anderes bringen. Daß Plautus Lesteres nun fo 
gethan, wie er es gethan bat, das deutet auf die Zeit hin, in wel- 
cher das Stück für die Bühne bearbeitet wurde. Da nämlich die 
zweite Hälfte der Caſina mehr vom Charakter der Atellanen (man 
vgl. 3. B. die Macei gemini des Pomponius), als von dem des 
attiſchen Luftipiels an fich zu tragen ſcheint, und nicht nur das Pu— 
blicum dieß Stück ganz befonders günftig aufnahm Cprol. v. 17: 
Haec quom primum acla est, vicit omnes fabulas) 5) , fondern 
auch der Dichter felbft ganz naiv feine Freude über die wohlgelun- 
gene Erfindung der zweiten Hälfte ausfpriht (G. 1, 7—S: nec 
fallaciam aslutiorem ullus fecit Poöta, alque ut haec est fabre 
facta a nobis), fo feheint das Alles zur Beftätigung der vorhin 
ausgefprochenen Anficht zu dienen, daß die Caſina eins der frühften 
Stücke des Plautus fer. 

Einige noch hierher gehörige Einzelnheiten Fnüpfe ich an die 
folgende genauere Durchnahme der einzelnen Acte und Scenen, die 
nothwendig ift, um meine Anficht über die Art, wie Pautus feine 
Gafına nach den Kino. des Diphilus gearbeitet babe, näher darzır- 
legen; denn wenn ich gleich ſchon öfter darauf hingewieſen babe, 
daß der erfte Theil aus dem Diphilus entlehnt, der zweite Dagegen 
som Plautus felbft hinzugedichtet fei, fo erleidet dieß Urtheil Doch 
noch manche Modifieationen, wie das Folgende zeigen foll. 

Vom erften Acte iſt weiter Nichts zu fagen, als daß er ganz 
aus dem Diphilus genommen fein kann. Wenn übrigens cine grö- 
fere Partie des Stückes verloren iſt, ſo muß fie hinter dieſem Aete 
oder hinter ML, 1 angenonmen werden, denn alle übrigen Scenen 
hängen fo eng mit einander zufammen, daß da an Feine. Lücken zu 


5) Wenn übrigens dieß Stück auch fpäter noch oft mit vielem. Bei- 
falle aufgeführt wurde, jo erklärt fi das: 1) aus der großen Vorliebe der 
Römer für ihre älteiten Dichter, jo wie für das Alterthümliche überhaupt, 
wovon fhon der prol. v. 7—S fpriht; 2) aus dem Reichthum an Wis, 
der alle Plautiniſchen Stücke charakterifirt, und 3) aus der oben beſprochenen 
Annäherung der älteren Stücke des Plautus an die Atellanen, 


zu Plautiniſchen Luftfpielen. 193 


benfen if. Daß in den Kino. der erfie Aft länger war, leidet 
wohl feinen Zweifel; doch will ich alle Vermuthungen über den fer- 
neren Inhalt deffelben ganz unterdrücken, da es doch nur reine Ver— 
muthungen bleiben müßten. Aus U, 1, 4., wo die Parbalisca die 
zu ihrer Freundin Murrhina gehende Cleoftrata daran erinnert, 
daß Stalino ein prandium beftellt babe, könnte man fliegen, daß 
eine dieß prandium betreffende Scene ausgefallen ſei; doch. mehr 
möchte die Vermuthung für fich haben, daß I, 1. Zufag des Plau— 
tus ſei. Wie nämlich Akt]. zur Expoſition des Diphileiſchen Stückes 
diente, fo bat M autus diefe Scene wol zur Expofition feiner Aen- 
derungen benutzt; denn wenn es richtig ft, was vorhin behauptet 
wurde, daß IV. V. und ein Theil von IH. Zuthaten des Plautus 
feien, fo muß auch diefe Scene ihm angehören, da Cleoſtrata hier 
genau ihren fpäter ausgeführten Plan vorzeichnet, wenn fie v. S— 
11. fagt: ego illum fame, ego illum sili, Maledielis, malefa- 
clis, amatorem uleiscar ; Ego illum ‘pol probe incommodis 
dielis angam; Faciam, ut proinde est dignus, vilam colat. I, 
2. iſt wahrfcheinfich wieder aus dem Diphilus genommen, aber fehr 
serftümmelt; denn faum iſt die Nede auf die Caſina und die Liebe 
des Stalino gefommen, fo wird die Unterhaltung auf eine fehr un- 
erwartete Weiſe durch das Auftreten des Stalino unterbrochen, 
Dazu kommt Die völlig unmotivirte und höchſt auffallende Furcht der 
Cleoſtrata vor ihrem Manne, die einen merkwürdigen Contraft zu 
ihrem fonjtigen Benehmen gegen diefen bildet. Das führt mic) auf 
die Vermuthung, daß diefe Scene nur fehr unvollftändig aus dem 
Diphilus genommen tft, wozu freilich Plautus dadurch, daß er den 
ganzen Plan des griechifehen Drama duderte, gezwungen wurde; 
nur hätte er dann der ganzen Unterredung eine andere Wendung 
geben, oder noch beffer ftatt diefer und der vorigen Seene eine 
Unterredung zwifchen der Cleoſtrata und dem Chalinus eintreten 
laſſen follen, worin dag, was in diefen beiden Scenen verhandelt 
ift, weit beſſer feine Erledigung hätte finden können; doch ift wiel- 
leicht gerade eine folche Seene verloren gegangen, Alle übrigen 
Scenen des zweiten Aktes dagegen ſcheinen wörtlich aus dem Diphi— 
[us genommen zu fein; sch mache beſonders auf. folgende Stellen 
Muf. f. Philolog. N. F. IH. 13 


194 Einleitungen und Anmerkungen 


aufmerffam: IT, 3, 1—11. 4, 19. 5, 383—41. Daft II, 6. dem 
Diphilus gehöre, bedarf weiter feines Bewerfes, da die Cano. ja 
ihren Namen von der Handlung diefer Scene tragen; außerdem 
aber hat diefe ganze Scene auch auffallende Aehnlichkeit mit Nud. 
IV, 4. und verräth leicht denfelben Dichter. III, 1. dagegen ift 
freifich auch aus dem Diphilus genommen, doch fehr zufammergezo- 
gen, und zwar, wie es fcheint, fo, daß alle Einwürfe, die, wie 
Staliny fagt, Alceſimus ihm machen fönne, in weitläufigen Vortrage 
auseinandergefeßt und abgehandelt waren, und daß, nachdem Alcefi- 
mus endlich feine Einwilligung gegeben hatte, das unter ihnen ver- 
abredet wurde, was bei Plautus Stalino bereits II, 8, 41-50. 
als eine zwifchen ihm umd feinem Freunde abgemachte Sache dem 
Olympiodor mittheilte. Chalinus freilich Fonnte dann diefe Unterre- 
dung zwifchen den beiden Alten nicht auch noch behorchen, aber das 
war auch unnöthig, da ſich von jest an die Wege des Diphilus 
und Plautus trennen, Die folgenden Scenen Ill, 2—4. find ſchon 
oben als Eigentum des Plautus nachgewiefen, doch kann Einiges 
davon dem Diphifus angehören, nämlich II, 3, 1—16. und 4, 26 
— 28. Betrachtet man nun diefe drei Seenen für fich, fo läßt fich 
nicht leugnen, daß fie ihren Zweck, komiſchen Effect zu machen, voll- 
ftändig erreichen mußten; denn die Neberrafchung und BVerlegenheit 
des Alceſimus IN, 2. machte gewiß, wenn man dabei an die leb— 
hafte Geftifulation der Alten denkt, einen höchſt ergöglichen Ein- 
druck, In noch höherem Grade gift dieß von der Scene III, 4., 
in welcher die Ueberraſchung und das Erſtaunen der beiden Alten, 
dann der ſich befonders v. 15—19. höchſt poffirfih äußernde Vers 
druß des Aleeſimus reichen Stoff zum Lachen bot. Es folgen die 
beiden Schlußfeenen des dritten Akts, von denen dem Diphilus wohl 
Nichts weiter angehört, als etwa die Verſe II, 6, 1—6. Einen 
neuen Beweis dafür, daß dieß Alles Zuthat des Plautus fer, finde 
ich in den Worten der Pardal. II, 5, 31—35: audi Malum pes- 
simum, quod modo intus apud nos Tua ancilla hoc paclo ex- 
ordiri coëpit, Quod haud Atlicam condecet diseiplinam. ie 
nämfich in den Worten Perf. III, 1, 63—67 zunächſt freilich eine 
Anfpielung auf den höheren Werth der Attifchen, als der Sieiliſchen 


zu Plautinifhen Luftfpielen. 195 


Münzen, fodann aber auch (ſ. m. Progr. p. 22— 25.) die Berfiche- 
rung liegt, Plautus habe fein Stück nad) Attifchen, nicht nach Sieili— 
fhen Muſtern gearbeitet: fo finde ich in diefer Stelle ähnlichen 
Doppelfinn. Denn wenn Pardalisca zunächſt auch nur verfichert, 
daß das Treiben der Caſina fih nicht für ein Attifches Mädchen 
fihiefe, fo Tiegt doch ferner anch darin das Zugeſtändniß, daß folche 
Anfchläge fich bei Attifchen Dichtern nicht finden. Uebrigens muß— 
ten dieſe beiden Scenen, die ungemein viel Beweglichkeit und Aus— 
druck haben, ven Nömern fehr gefallen: zunächft ergößte Die erheu- 
chelte Angſt der Pardalisca, wegen deren Urfache fie den Stalino 
lange genug in Ungewißheit erhält und ihn dabei nicht wenig foppt 
(wie mit dem: ne cadam, amabo, tene, tene me, v. 15., mit: 
conline pectus, face ventulum, amabo , — pallio, v. 16—17., 
endlich mit dem: obline aures, v. 21.), bis er vix, ac ne vix 
quidem das Unglaubliche erfährt und dadurch denn auch fo in Angft 
gefest wird, daß er wiederholt feine Liebe zur Cafina verräth v.53 
—55. 81-85. (ein Scherz, mit Glück wiederhoft aus II, 6, 13— 
18.), dann auf komifche Weife fein Unglück beklagt, v. 74., endfich 
der Pardalisca große Belohnungen verfpricht, wenn fie die Cafina 
berubige, In der folgenden Scene knüpfen fih Scherze daran, daß 
Dlympiodor feinen Herrn Anfangs nicht erkennt, daß ihm der Hun- 
ger mehr Sorge macht, als die Liebe, und daß er endlich Yon der 
Angft feines Heren angeftedt wird. War im dritten Akte doch noch 
Einiges aus dem Diphilus beibehalten, fo verläßt P autug vom 
vierten Akte an fein Original gänzlich und benutzt IV, 1. dazu, 
durch Die Pardalisca die weitere Crpofition der beiden Schlußakte 
zu geben. Hier find nun befonders IV, 3. und 4, im höchſten 
Grade belebt und reich an komiſchen Effecten; denn höchſt ergüglich 
it es, wie in der erften Scene Olympiodor und Stalino vor der 
Thüre ungeduldig der Caſina harren und den Hymenäus anftimmen, 
der von Seiten des Olympiodor durch Klagen über den vor Hun- 
ger Inurrenden Magen, vom Stalins durch Schmerzensrufe über 
Geitenfticpe unterbrochen wird. Endlich, heben in der folgenden 
Scene zwei Mägde den als Caſina verfleiveten Chalinus über Die 
Schwelle und geben ihm komiſche Eheſtandswünſche mit auf den 


196 Einleitungen und Anmerfungen 


Weg. Nachdem Stalino fih nun davon überzeugt hat, daß feine 
Frau ins Haus gegangen fer, überläßt er ſich ganz den ungeftümen 
Ausbrüchen feiner Freude und überfehüttet die vermeinte Caſina mit 
Schmeichelnamen. Während dadurch die Eiferfucht des Olympiodor 
erregt wird und auch er fich näher an den Chalinus anfchmiegt, 
tritt diefer dem Dfympiodor auf den Fuß, giebt dann dem Gtalino 
und endlich auch den Olympiodor einen derben Rippenſtoß, was zu 
fomifchen Klagen und daran fich reibenden Späffen Anlaß giebt. 
Ueber den fo außerordentlich verftümmelten letzten Akt, in welchem 
die Begebenheiten der Brautnacht mit großer Ausführlichkeit erzählt 
und Dfympivdor mit feinem faubern Herrn, wie fie es verdient ha— 
ben, verfpottet werden, bis endfich die erzürnte Cleoſtrata ihren 
reu⸗ und wehmüthrgen Gatten wieder zu Gnaden annimmt, genüge 
die Bemerfung, daß er für die Römer, welche zu allen Zeiten große 
Freunde des Obſeönen waren, großen Neiz befigen und reichlichen 
Etoff zum Lachen bieten mußte. 

Ber den wenigen Anmerkungen, die ich diefer Einfeitung nach⸗ 
ſchicke, leitet mich der Wunſch, zum beſſeren Verſtändniß des Ein— 
zelnen mein Scherflein beizutragen: Erklärung des Sinnes und Zu— 
ſammenhangs und richtige Perſouenabtheilung, von der bei einem 
dramatiſchen Dichter ſo viel abhängt, iſt demnach vorzugsweiſe von 
mir berückſichtigt; mit metriſch verdorbenen Stellen habe ich mich 
gar nicht befaßt, weil, meiner Ueberzengung nach, jeder Verſuch zu 
ihrer Verbeſſerung vor der Ritſchl'ſchen Ausgabe ein ſehr mißliches 
und undankbares Unternehmen iſt, kritiſch endlich aus demſelben 
Grunde nur folche Stellen behandelt, zu deren Heilung mir unfere 
jegigen Hülfsmittel ganz ficher den Weg zu zeigen fihienen. 

I, 3, 39. Stalino will die größeren Annehmfichfeiten, die 
der Caſina aus der Ehe mit feinem villicus evwachfen würden, im 
Gegenfag zu ihrem Loofe als Frau des Chalinus hervorheben; fo 
fagt er denn, als Frau des Olympiodor werde fie lienum, aquam 
calidam, eibum, vestimenta und Mittel, ihre Kinder zu ernähren, 
finden, während fie beim Ehalinus darben müffe, da diefer auch nicht 
einen Helfer peculium beſitze. Was ift unter dem lignum und der 
aqua calida zu verftehen? Die Herausgeber fehwergen darüber, 


zu Plautiniſchen Luftfpielen. 197 


Ich kann dabei nur am eine Privatbadeanftalt, denfen, Iſt das 
richtig, und die Worte fcheinen gar nicht anders verffanden werden 
‚zu fönnen, fo folgt daraus: 1) daß es fehon zu Plautus Zeiten 
Privatbadeanftalten felbft auf dem Lande, und zwar auch für Skla— 
ven gab; und 2) daß die Sklaven felbft ſich aus ihrem peculium 
diefe Badeanftalten halten mußten : beides Punkte, über die Becker 
in f. Gallus wie im Charikles ſchweigt. 


II, 4, 4-5: 
Ch. Stultitia est, ei te esse tristem, quoius potestas plus 
9 potest. 
St. Pro! bonae frugi hominem te esse arbitror. Ch. Intel- 
lego. 


So ift die gewöhnliche Verfonenabtheifung, Die mir ganz verwerf— 
Lich -[cheint, weil dadurch Chalinus der ihm zugedachten Rolle ganz 
untreu werden würde. Troßig und furz angebunden erfcheint Cha- 
linus wor feinem Herrn und fieht finfter drein, weßhalb auch Sta⸗ 
lino ihm zuerſt ein freundliches Geſicht empfiehlt. Stimmte Chali⸗ 
nus ihm jest bei, ſagte er, ein finſteres Geſicht paſſe fich nicht für 
‚den Sflaven, wenn er feinem Herrn gegenüber ftehe, fo wäre er 
nicht mehr der trotzige Sklave, der ſich ſtützend auf den Beiftand 
der Frau des Haufes und deren Sohn felbft dem Heren trotzen zu 
können glaubt. Im Munde des Stalino hingegen machen fich die 
Worte ſehr gut. Nachdem diefer nämlich den Chalinus v. 3. auf- 
gefordert hat, ein freundlicheres Geficht zu zeigen, Chalinus aber 
feine Miene nicht ändert, auch dem Herru nicht antwortet, da er- 
innert ihn Stalino v. 4. an die Macht und die Gewalt des Herrn, 
in deffen Hand es ftehe, den Sklaven hart zu beſtrafen. Als aber 
Chalinus auch dieſe Warnung unbeachtet läßt, da ſieht Stalino, 
daß er mit Drohungen bei dem trotzigen Chalinus Nichts ausrichten 
könne, und daß er einen andern Ton anſtimmen müſſe, wenn er 
von dem Sklaven Etwas erreichen wolle. Deßhalb fährt er nun 
nach einer Kleinen Pauſe fort: bonae frugi hominem. ie. „esse 
arbitror. Wenn nun hierauf Chalinus. mit intellego antwortet, ſo 
bedarf es wohl keines Beweiſes, daß dieß ironiſch zu nehmen ſei, 
wenn ſich Weiſe auch dagegen erklärt. Das pro! zu Anfang v. 5: 


108 Einleitungen und Anmerfungen 


halte ith für entſchieden falfh, da pro als Ausruf beim Plautus 
ebenfo wie vae ftets nur in Verbindung mit andern Wörtern vor— 
kommt, aber nicht allein daſteht. 
1451718. Ch. Satis placet. 
St. Ego pol istam iam aliquovorsum tragulam decidero. 

Weiſe will salis ftreichen, weil es hier ganz müßig ftehe. Aller— 
dings hätte das einfache placet genügt, allein das hinzugefügte salis 
dient dazu, die Gleichgültigkeit des Chafinus zu bezeichnen, der, fei- 
ner Cache gewiß, fich Alles gefallen läßt, was Stalino vornimmt; 
satis pl. alfo Heißt: ich habe Nichts dagegen. Schwieriger ift der 
folg. Vers. Gewöhnlich verfteht man tragula son einer Lift der 
Cleoſtrata, die Stalino vereiteln wolfe, nimmt decidere in vem 
Sinne son: einen Knoten zerhauen, und faht die Stelle alfo fo, 
wie fie Freund s. v. deeidere überfeßts diefen Pfeil will ich ſchon 
irgendivie Yoswerden, d. i. mit diefem Angriffe, diefen Ränken will 
ich fchon fertig werden. Dagegen erffärt fih Weiſe aus dem 
Grunde, weil die Cfeoftrata noch feinen Angriff gemacht, noch Feine 
Ränke gezeigt habe. Doch diefer Grund hält nicht Stich, denn 
Stalins Fonnte die MWergerung des Chaliuus, auf feinen Vorfchlag 
einzugeben, als Eingebung der Cleoftrata betrachten und alfo darin 
eine Lift erblicken. Vielmehr ift die gewöhnliche Erklärung zu ver 
werfen: 1) wegen der Worte des folg. Verfes, wo Stalins fagt: 
si sic nihil impetrare potero, alfo von einer vergeblichen Lift 
foricht, die er felbft angewendet babe, 2) wegen v. 22., wo Cha- 
linus zu ihm jagt: machinare quod lubet, quovis modo. Alſo 
bat Werfe gewiß Necht, wenn er tragula son der Liſt des Stalino 
verfteht, durch das lockende Verfprechen der Freiheit den Chalinus 
zu bewegen, die Caſina abzutreten. Diefe Lift konnte Stalino durch 
istam tragulam bezeichnen, weil er jest einen neuen Man gefaßt 
bat. Aber was foll nun decidere heißen? Stände für tragulam: 
rem oder controversiam, fo würde decid. ganz paſſend fein, in 
Verbindung mit trag. aber weiß ich es nicht zu erklären. Denn 
wenn Weiſe fagt: decidere quodammodo potest esse i. q. deii- 
cere, a caedere, quasi deorsum a turri aut muro, fo paßt das 
nicht zu der tragula, die ja feine Waffe fürs Handgemenge war, 


zu Plautiniſchen Yuftfpielen. 199 


mit der man alfo nicht hauen, caedere, konnte. Da nun an den 
beiden andern Stellen, in welchen bei Plautus tragula vorkommt, 
Epid. V, 2,23. und Pſeudol. 1, 4, 44., dieß Wort mit inicere 
verbunden fteht, fo halte idy deeidero ‚für eine fehon frühzeitige 
Corruptel diefer Stelle, ausgegangen von Abſchreibern, die eben auch 
das Ganze son Liften und Ränken der Cleoſtrata, die Stalins uns 
ſchädlich machen wolle, verftanden, und halte deiecero, was Pipfius 
in einem Cod. gefunden haben will, für das Nichtige, Dann iſt 
der Sinn: den Angriff, der mir jetzt abgefchlagen ift, will ich den— 
noch fehon ausführen, und zwar von einem günftigeren Standpunkte 
aus (deiecero) , nämlich durchs Loos. Stalino ſpricht hier. alfo 
ebenfo zuverfichtlich über den Ausfall des Loofens, wie im vorigen 
Verſe Chalinus. 

ll, 4, 27: Si non impetravit, etiam specula in sorti’'st 
mihi. Bet der Verbefferung diefer in den Handfchriften gar ver- 
fchieden gefefenen Stelle haben fih die Herausgeber darauf be- 
ſchränkt, zu fehreiden: si non impelravit, etiam specula in sorli- 
tu’st mihi, oder: in sorli’st mihi, oder: in sorti restat mihi, 
gders est mihi in sorlitu, ohne zu bevenfen, daß das etiam ganz 
am unvechten Drte ftehe; denn es könnte nur heißen: fogar mur 
eine Feine Hoffnung, während der Stun verlangt: auch nur mil 
nis). Behält man mit den Herausg, specula bei, fo muß etiam 
jedenfalls zu dem vorhergehenden si non impetravit gezogen wer- 
den: hat fie ihn noch nicht überredet, fo ift Doch noch eine Kleine 
Hoffnung im Loofen. Doc ift mir dag specula verdächtig, und da 
einige codd. dafür spicula geben, fo halte ich spinula für die urs 
fprüngliche Lesart, wofür durch einen Schreibfehler spicula in den 
Tert kam, was, da es unpaffend ift, weiter in specula geändert 
wurde. Spinula aber tft hier in der Bedeutung zu nehmen , in 
welcher spina z. B. bei Horat. ep. I, 14, 4 ſteht: Certemus, 
spinas animone ego forlius an lu Evellas agro. Der Ginn 
alſo ift: und wenn fie ihn noch nicht überredet hat, fo hat doch 
auch Das Poofen noch feinen Hafen, 

1,06,7—-10: 

St. Te uno adest plus, quam ego volo. 


200 Cinleitungen und Anmerfungen 


Ch. Tibi quidem edepol ita videtur: stimulus ego nune sum 
übi: 

Fodico corculum: adsultascit iam ex metu. St. Mastigia...! 

Cle. Tace, Chaline! Ol. Comprime istum. Ch. Imo istum, 
qui didicit dare. 

Dffenbar find Hier die einzelnen Worte nicht den rechten Per— 
fonen zugetheilt. v. 8—9. fann unmöglich Chalinus zum Staliny 
fagen, da er ja erft in der achten Seene des Afts erfährt, daß 
Stalins ſelbſt die Cafına liebt. Diefe beiden Verſe muß nothwen— 
dig Chalinus zum Olympiodor ſprechen, woraus denn weiter folgt, 
daß die zweite Hälfte von v. 7. nicht von Stalins, fondern yon Olym— 
piodor gefprochen fer, daß ferner das mastigia ebenfalls dem Olym— 
piodor gehöre, das tace, Chaline dem Stalins, der dem Gezänk ſei— 
ner Sflaven ein Ende machen will, So weit alſo ſtimme ich mit 
der Verfonenabtheilung überein, die Weiſe am Schluffe feiner An- 
merkung proponirt, aber binfichtlih des Folgenden weiche ich ab. 
Die Worte qui didieit dare nämlich find ſeit Lipſius fälſchlich in 
obfeönem Sinne genommen, wober man gar nicht bedacht bat, 
daß dann doch se nothiwendig zu dare hätte hinzugefügt werden 
müſſen. Vielmehr tft bei dare zu ſuppliren convicia, wie das 
eomprime istum deutlich zeigt. Alſo iſt auch gar fein Grund, mit 
Weiſe an der Echtheit der Verfe zu zweifeln. Imo istum, qui 
didieit dare mußte hier von dem geſagt werden, der von dem An— 
dern zuerſt geſchmäht war, alfo vom Chalinus, denn diefen hatte 
Dfympiodor gereizt durch die Worte: te uno adest plus, quam 
ego volo. Das comprime istum gehört mithin dent Olympiodor, 
der, als er fieht, daß Stalins feinen Gegner zur Ruhe verwerft, 
den Heren noch mehr zum Tadeln aufmuntern will, 

II, 6, 57: Ut quidem tu herele canem et furcam feras. 
Die neueren Heransg. und auch Becker Gall. I. p. 131. verftehen 
unter canis ein Halseiſen und berufen ſich zur Begründung diefer 
Erklärung auf calulus. Da fich indeſſen fonft feine Spur von Die- 
for Bedeutung des canis findet, fo möchte ich bier Lieber unter 
canis das unglückliche Loos verſtehen, worauf canis fehr leicht vom 
Würfelſpiele übertragen werden konnte. Freilich ſcheint zu dieſer 


zu Plautiniſchen uftfpielen. | 901 


Bedeutung nicht ganz das ferre zu paffen, indeffen ſchließt fich dies 
ſes auch mehr an das zumächftftehende furcam- an, konnte übrigens 
nach Analogie son repulsam ferre auch wohl mit c canem in diefer 
übertragenen Bedeutung verbunden werden. 

I, 8, 10: At candidatus eedit hie mastigia, Es — ſich, 
ob Olympiodor als Bräutigam oder als Freigelaſſener candidatus 
erſcheine. Außer den Herausgebern erklärt ſich auch Becker, Gall. 
I. p. 17. für die letztere Annahme, Indeſſen da es IV, 1,9. von 
Olympiodor heißt; villicus hie autem cum corona, candide Ve- 
stitus laute exornalusque ambulat, fo ſcheint doch, zumal da auch 
des Kranzes Erwähnung gefchicht, nur an den feftlichen Schmud 
des Bräutigams gedacht werden zu fünnen. Dazu kommt, daß fich 
aus dem ganzen Stücke deutlich zeigen läßt, daß Olymp. noch gar 
nicht ein libertus iſt, fondern nad) wie vor Sklave bleibt: 1) 
nämlich ift im Prologe immer nur die Nede von series nupliae. 
9) II, 3, 39, ei nennt Stalino den Olympiodor feinen Sklaven, 
II, 6, 8. V,2, 2. dagegen Olympiodor den Stalin feinen Herrn; 
ja I, 8, 38. fagt Stalin zum Olympiodor: si quidem crus 
censes posse te mitti manu: 3) I, 5, 4—7. ſpricht ſich Olym⸗ 
piodor gegen die Cleoſtrata offen dahin aus, daß er ſich jeden Tag 
die Freiheit erkaufen könne, aber keine Luſt dazu habe. Mit dieſer 
Behauptung ſteht die vom Olympiodor gegen fernen Herrn II, 5, 
26—28. geäuferte Befürchtung „es möchte ihm nach dem Tode 
feines Herrn fehlecht ergehen, nicht im Widerſpruch, da es doch tms 
mer vom Heren abhing, ob er dem Sklaven geffatten wollte ſich 
frei zu kaufen. Nur eine Stelle ſcheint dafür zu ſprechen, daß 
Olympiodor bereits ein libertus iſt, nämlich II, 6, 19—21. Hier 
nennt Stalino den Olympiodor ſeinen Sklaven, dieſer aber ver— 
weiſt ihm das mit den Worten: Non sum ego.liber ?:Memento, 
memento; doch darf aus der. Stelle nicht u viel gefofgert wer- 
den. Wie öfter, fo läßt auch hier Plautus den Sklaven im Laufe 
von ſeinem Herrn aufgehalten werden, der Sklave will den Herrn 
nicht erkennen und benutzt die Gelegenheit, gegen den Herrn grob zu 
fein. Olympiodor aber durfte fich um fo größere Freiheit gegen feinen 
Heren nehmen, da deſſen ‚ganzes Glück in’ feiner Hand lag, und da 


202 Einleitungen und Annerfungen 


ihn Stalino ſchon Die Freiheit zugefichert hatte, In feiner. Freude 
betrachtet er fich daher ſchon als Freien, Stalins gebt darauf ein 
und nennt fich felbft im Folgenden den Sklaven des Olympiodor. 

II, 8, 17—31. Diefe Stelle ift weder von Bothe noch von 
Werfe verftanden. Chalinus behorcht die Unterredung des Stalins 
mit dem Olympiodor und da er die Ausbrüche der Zärtlichkeit des 
Stalino vernimmt, fie ſich aber durchaus nicht zu erklären weiß vie 
Liebe des Staling zur Caſina erfährt er erſt im Verlaufe dieſes 
Geſprächs), fo wiederholt er verwunderungsvoll die Worte des 
Stalino. Als diefer alſo gefagt Hat: Vix reprimo labra „Ob 
istanc rem, quia te deosculer, voluptas mea! ſo fragt Chalinus 
befremdet: Quid? deosculer ? quae res? voluptas quae tua? 
Statt deffen ſchreibt nun Bothe: Quid ? deosculere? quae res? 
quae voluplas ua? Weiſe behält davon die Umftellung der letz— 
ten Worte bei und bemerft zu quae res: dielio quae res? sign. 
i. d. quid hoc sibi vult? Sodann fragt Stal. v. 20. den Olym— 
pivdor: Liceine amplecli te? und Chalinus wiederholt das wieder 
ftaunend: Quid? amplecti licet? Statt defjen folgt Werfe der 
alten Abtheilung und giebt das lieel dem Dfymp. „ obgleich ſchon 
Gruterus vichtig bemerkt hatte, daß das licet fih im Munde des 
Olymp., der fih den Prebfofungen feines Herrn nach Kräften wider— 
fest, ſ. v. 22., Schlecht mache. Da die Liebfofungen nun fein Ende 
nehmen, fo kommt Chalinus auf den Gedanken, Stalino ſei en 
Päderaſt, und Ipricht diefe Vermuthung v. 24— 28. aus. Wie 
versteht das Alles aber Werfe? Er erflärt v. 10—28. für unecht 
mit Ausnahme von v. 24., der hinter. v. 30. zu feßen ſei. Wie 
viel würde dieſe Scene verlieren, firihe man die bezeichneten Verfe! 
Die Unſetzung von v. 24. aber iſt wieder einer jener unbefonnenen 
Einfälle, deren ſich fo viele in der Werfe’fchen Ausg. des P autus 
finden. Bon v. 29-31. befteht das Komische gerade in der öfte— 
von Wiederholung dev mit uE eingeleiteten Ausrufe; v. 24. dazivi- 
ſchen geſchoben, fo wird die. beabfichtigte Wirkung ganz vernichtet 
und die ſpäteren Erelamationen mit ul haben viel Froftiges. 

II, 8, 48: Illa hie cubabit, vir aberit, faxo, domo. Da- 
für Schreibt Bothe: Ila Auc cubabit, sed vir faxo aderit domi. 


zu Dlautinifhen Luſtſpielen. 203 


Stalins foricht hier von den Vorkehrungen, Die er getroffen hat, 
um mit dem Olympiodor und der Cafina alfein im Haufe des Al- 
eefimns zu fein; bei dem, was er Dort vorhatte, Fonnte er den Al- 
eefimus nicht brauchen, der ihm daher verfprochen hatte, auszugehen. 
Wie fommt denn nun Bothe zu der unglücklichen Conjectur aderit 
domi? Wahrfcheinlich hat er bei feiner Flüchtigkeit fo gefchrieben 
wegen I, 4, 16., wo Alcefimus dem Stalino verfpricht, die ganze 
Zeit über zu Haufe zu fein; allein Alcefimus will nur fo lange zu 
Haufe bleiben, bis feine Frau mit der ganzen Dienerfchaft ins Haus 
des Stalino gewandert tft, und fich dann auch entfernen. — Die 
Bertheidigung des hue cub. Hrn. Bothe überlaffend, bemerfe ich 
nur noch, daß es ein Verfehen ift, wenn Freund s. v. cubare 
dieß verb. hier som Beifchlafe verfteht. 
11,:8,.65—67.: 
Aequum oras: abi! 

Argento parei nolo; obsonato ampliter. 

Nam mihi vicino hoc etiam convento est ‘opus, 

Ut, quod mandavi, curet. Ol. Iamne abeo? St. Volo. 
Diefe Berfe ftehen, wie ich überzengt bin, in unrechter Ordnung. 
Was foll dag nam v. 66. bedeuten? Es fiheint mie feinem Zwei— 
fel zu unterliegen, daß v. 65. erſt auf v. 67. folgen muß, alsdann 
giebt der Sag mit nam die Begründung des abi an: mach, daß 
du fortkommſt, denn ich habe noch wiel zu thun. Dem nun wegge- 
henden Olympiodor ruft darauf Stalino noch die Worte von v. 65. 
nad). 

II, 3, 22—23 : 

Non matronarum offieium est, sed meretricium, 

Viris alienis, mi vir, subblandirier. 
Offieium fcheint Zufag eines Abfchreibers zu fein; im den Pall. 
fteht theifs: non matr. parum est, sed mer,, theils: non matr. 
est, sed mer. Frühere Herausg. Anderen parum in paratum, 
Bothe in partum f, partium. Vielleicht ift zu Iefen: Parum est 
hoc matronarum, sed meretricium. Meretricium ift das Neutr. 
des Adj., ſ. Schneider Forml. p. 260., und fteht ebenfo Moſtell. 
l, 3, 33: malronae, non merelricium, est, unum inservire 


204 ‚Einfeitungen und Anmerfungen 
amantem. Das parum aber gebraucht‘ die Cfeoftrata als ſpöttiſche 
Wiederholung des von ihrem Manne im vor. V. gebrauchten pa- 
rum: blanda es parum. Solche abſi chtliche Wiederholung eines 
von einem Andern gebrauchten Wortes iſt im Plaut. noch nicht ge— 
nug beachtet. Es ſei vergönnt, in dieſer Beziehung die Stelle Trin. 
III, 3,,32—34. genauer zu beſprechen. Callicles ſpricht hier ge— 
gen ſeinen Freund Megaronides die zuverſichtliche Erwartung aus, 
er werde das ihm nöthige Geld von einem Freunde bekommen kön— 
nen. Megaronides geräth. über dieſes Geſtändniß in nicht geringe 
‚Angft, den fehr. natürlich muß er erwarten, daß Callieles fih mit 
dieſer Bitte zuerft an ihn felbft wenden werde. Der Ungelegenheit, 
dem Freunde diefe Bitte geradezu abzufihlagen, wird er für jet 
noch dadurch enthoben, daß Callicles nur im Allgemeinen von feinen 
Freunden .gefprochen hätte; diefen Umftand benußt er daher ſogleich 
ſchlauer Weife ‚um dem Callicles auf- feine Werfe zu verftehen zu 
‚geben, welcher. Antwort er fich in dieſem Falle von ihm zu verſe— 
ben habe, denn als Caftieles ihm auf feine Frage nochmals verfi- 
chert hat, er- hoffe zuverſichtlich von einem ſeiner Freunde das nö— 
thige Geld zu bekommen, da ruft er: 

Gerrae! nae tu illad verbum actulum inveneris: 

„Mihi quidem 'hercle nen est; quod dem mutuom.“ 

+Ca,: Malim herele ut verum dicas, quam ut.des muluom. 
In diefen Worten nun bat Kampmann in ſeiner Abhand— 
lung de Ab praepos. usu Plaut. p. 11. Anſtoß genommen an 
dem verbum  inveneris , wofür verbum audiveris hätte geſchrie— 
ben fein müffen, wenn der Sinn fein follte: Du: wirft ſogleich folg. 
Spruch hören. Kampmann ändert daher verbum in verum , ſo 
daß der. Sinn nun wäre: Du wirſt folg. Spruch fogleich wahr 
(durch die Erfahrung beſtätigt) finden. Wenn auch G. Hermann 
in Jahn N. Jahrb. XXXV, 2. p. 193. dieſer Conjectur feine Bei— 
ſtimmung geſchenkt hat, ſo kann ich mich doch nicht davon überzeu— 
gen, daß die handſchr.L !esart zu ändern feiz denn warum ſoll verb. 
iny. nich ht heißen fönnen:- Du wirst fogleich auf folg: Spruch fio- 
fen? " Das. invenire ift bier ebenſo gebraucht, wie Aulul. IV, 2, 
13: perscrulabor Janum, si, inveniam uspiam aurum: sed si 


zu Plautiniſchen Luſtſpielen— — 205 


reperero cet. Dazu fommt, daß verum inv., meiner Anſicht 
nach, nur heißen könnte: Du wirſt finden, daß ſich das, was ſie 
ſagen (nämlich, ſie hätten kein Geld), ſich wirklich ſo verhält: Wenn 
Kampmann ferner meint, die Worte des Callicles ſchlöſſen ſich hier- 
an fehr vaffend an, ila ut Call. dicat, pluris sua interesse ut 
. Megaronides verwm sibi dicat, fidum sibi suppeditetconsilium, 
quam ut muluum det argentum, fo kann ich diefer Erklärung vol⸗ 
lends nicht beitreten. Vielmehr zeigt die höhnende Wiederholung 
des von Megaronides gebrauchten hercle , daß die Worte des Cal— 
licles nur bittere Ironie enthalten eten Da Calliecles nämlich 
die Abficht des Megaronides, der fpeciell an ihn gerichteten Bitte 
um Geld durch eine feine Wendung zuworzufommen, durchſchauet, fo 
geräth er in Eifer und fagt; Lieber möchte ic, daß du die Wahr- 
heit fagteft (nämlich wirklich Fein Geld hätteft) ‚als daß vu mir 
etwas lieheſt (da du es fo ungern thueft). Megaronides ift hier 
durch überrafcht, will weder Geld geben noch die Freundfchaft des 
Callieles verlieren, ftrengt feinen Geiſt recht an und hat nun plößs 
lich ein sceitum consilium. 


Neuſtrelitz. | | Th. a ade w ig. 


Ueber die Kritit im Theognis. 


Sn meiner Gefammtausgabe der griechifcehen Lyriker konnte ich 
bei der compendidfen Behandlung, welche mir der Umfang und die 
Beftimmung des Werkes auferlegten, in der adnotatio crilica 
nur ganz kurz und ſummariſch das Verhältniß der Terxtesrecenfion 
zu der handſchriftlichen Ueberlieferung angeben, es erfcheint daher 
wohl nicht unangemeffen, wenn ich bier beifpielsweife an einem 
größeren zuſammenhängenden Ganzen mein Verfahren etwas genauer 
begründe und zugleich diefe Gelegenheit benuge, um Mandjes zur 
Berichtigung und Ergänzung des dort Gebotenen mitzutheilen, da 
inzwifchen während des Drucdes mehr als zwei Jahre verfloifen 
find. Ich wähle dazu den Theognis, weil die Ueberrefte diefes 
Dichters, ungeachtet der vielfachen Bemühungen um die Herftellung 
des Textes, dennoch vielfach verderbt find: an vielen Stellen wird 
fih freilich eine befonnene Kritik damit begnügen müffen, ein nega- 
tives Nefultat gewonnen zu haben. 

Bekanntlich hat die Kritif des Theognis erft durch J. Bekker, 
welcher in feiner zweiten Ausgabe die Vergleichungen von ſiebzehn 
Handfchriften benutzte, eine fichere Grundlage gewonnen: und vor 
allen bat der Codex Mutinenfis (A) den beveutendften Beitrag zur 
Herftellung des Textes geliefert. Ihm am nächften ftehen der Ve— 
netus 2 CK) und der Vaticanus 2 (O), welche zufammen die beffere 
Claſſe der. Handfchriften bilden, während alle übrigen, mögen fie 
nun mehr oder weniger mit einander übereinftimmen, offenbar eben- 
falls aus gemeinfamer Duelle ftammen und im Ganzen für die 
Kritik des Theognis nur von untergeordnetem Werthe find. Wie 
ſchon Bekker die Wichtigkeit des Codex A und feiner beiden Genoſſen 


Neber die Kritik im Theognis. 207 


richtig erfannt hat, fo haben auch die neueften Herausgeber Schnei- 
dewin und Orelli fih noch näher anzufchließen gefucht, und na= 
mentlich Orelli theitt in feiner Ausgabe die vollftändige Vergleichung 
des Codex A und der Aldina mit, um dadurch anfchaulich zu ma— 
chen, wie er felbft im Vorworte äußert: „quaenam sit indoles 
codieum vulgarium comparala cum illo omnium longe prae- 
stanlissimo, quosque inde a Vineto et Camerario usque ad 
nostram aetatem in librorum vitiis sensim tollendis crilici pro- 
gressus fecerint.* Diefen Werth des Cod. A will ich nun auch 
feineswegs in Abrede ftellen, ja ich werde nachher zeigen, wie der- 
felbe noch nicht einmal vollftändig gewürdigt und beachtet worden 
ift, gleichwohl find im mir im Verlaufe meiner Arbeit mehrfache 
Bedenken gegen die unbedingte Autorität diefer Handſchrift aufge— 
ftiegen. 

Sch fagte die codd. A. K. O Hilden die beffere Familie, 
gleichwohl fo oft fie auch übereinftimmen und allein das Nichtige 
darbieten, fo findet fich doch eine bedeutende Anzahl von Stellen, wo 
der Cod. A von O und K abweicht. Indeffen wird man meiſt 
zugeben müffen, daß gerade auch da der Cod. A feine Trefflichfeit 
bewähre, jo, um mur einige Stellen anzuführen, V. 35: 

EoIwv usv yao dan’ 2E0I.a uadnosaı mv dt xaxoloıv 

ovuuıyInGg, anolels zal TOV Eovra voor. 

Sp die Vulgata, KO ovuyns, A ganz richtig ovumıoynus 
(ovuwioyns), vergl, Theognis B. 1166: zois ayadois ovuuı- 
oy&, zazoloı d&E unnog öuagreı. Herod. 11, 64: zal tov "Aoen 
anoTgomor yEvouevov, ELIEV ESavögmusrorv, EFELOvIa 77 un- 
zol ovuuisor, und daf. Valckenaer. Ariſtoph. Eccleſiaz. V. 516: 
ovdewd yao deworega oov ZvuuSao’ oda yvrarzı. — Ebenſo 
121; 

Ei d& Qihov voov avdoog Evi ormdeooı Aelndn 

wvdgog Ewv, dulıov d’ Ev PoEoIv 7rog Ey. 
fo oder vielmehr AeAy In und &/mı hat der A. Dagegen K O Ae- 
Inder, was vollkommen unftatthaft, Die Übrigen AEry9e, und im 
folgenden Verſe alle insgefammt exe. An der Verbindung der 
Partikel eu mit dem Conjunetiv wird Niemand mehr Anftoß nehmen, 


u Ueber die Rritif 


id habe ebenfo bei Theognis V. 276 zonuara Ö' 0 zaradıng 
noLR' avınga nadov ftatt en 5, was von dem vorausgegange⸗ 
nen: naldag 'Errel Iocyaıo za a0 OUEVE TavTu NR.0G0%015 ab⸗ 
hängig fein müßte, und ber Solon III V. 29 éöoe O nurıwg, 
Et zul Tıg Devyov Ev ud 7 Haha ov hergeſtellt, ſtatt der 
völlig unrichtigen Lesart der Handſchr. u yE zıs (ein yE rız) 
peiyov Ev uuyQ 7 Iaraup.*) Bei Theognis V. 321 hat der 
Cod. A allein Die richtige Lesart bewahrt: ed dE Heog zaxm avdge 
Brov zal nkoöTov Onaoon für ei — dnuooeı, Bol. Tyrtäus IX, 
35: a de pÜyn usv zng@ Tavmkeyeog Javaroıo, vırnoag Ö’ 
alzung aykaov avdog Ein. Umgekehrt babe ich bei Solon XII, 
29 mv dE pvywow avrol unde YJewv al ENLOVO« zUyn aus 
Hoſchr. für ed bergeftellt. Bei Theognis V. 43 mv uıs — 
nach den beſſeren Hoſchr. für ed, ferner V. 340 mit Hermann e 
w dnorıoauevov wolga ziyoı Iarorov für ziyn. — Br 163: 
| Eloiv ö’ 08 Bovin 7’ aya9ı zal daruorı dei 127) 
mozgLlovor,, TEkog d’ Eoyuaoıw ovy Ensrau. 

So der Cod. A, was durch das Vorhergehende zoAdor roı goov- 
Tai deıkals pgsoı,.daruorı. d’ od beftätigt wird, KO za 
unmetrifch, Die Übrigen yavim. — Kerner 219: 

„ Ilndev ayay VoyahkE Ta0a000uEı0v nohımr&w». 
So A, dagegen KO wiederum unmetriſch moAıraov, die fehlechten 
Höfehr. nokımcwv. Ganz ähnlich V. 343 A usguuveov, O ue- 
gLivawy, die übrigen uegumor. — Ferner V. 441: 

"Ovdeis yag navr' Eoti navoAßıog. 

Sp der Cod. A, im KO fehlt yao, die übrigen ro. — B. 466: 
Mnde 6 vızarw x£gdog,, 0, T’ aloyoüv En. 
So Cod.A, ſinnlos KO 89er, die Vulgärhandſchriften ou. — 9.482: 


*) Die gewöhnliche, Lesart it ſchon deshalb zu verwerfen, weil uuzos 
wenigjtens bei älteren Dic)teru nie abfolut ſteht, ſondern immer nur in 
Verbindungen, wie —J „doyeos zhıoins, ayroov, duuov, u. f. w. er— 
Icheint, und jo findet fi) denn &v uuzo Yahduov häufig, jo, Hm. Dd. n. 
35: 8% uuzov vıyykou dakduov. x. 180: Jahduoıo uvgor zarte ıb. 
41: ug derduwv. Pindar Sen, I, 62: 2 Yekduov LA evgur. 
Der Gedanke it ganz derjelbe wie in der .befannten Stelle des Demoſth. 
de Cor. 97: 12005 uty yao ‚& 12019 dydownoıs Lori ol Plov IEyu- 
105, zav &v vlzlozm Tıg "aöroy zudeloges TnoN: 


im Theognis, 209 


MovSsitar Ö’ anarayıya, Ta vnpooı yivaraı aloyoa. 
So der Cod. A vollfommen richtig, KO vypovoı yivaraı 
unmetrifch, die übrigen mit kecker Aenderung 77povo’ zide- 
tar. Nngooe ift eine vollkommen tadellofe Bildungz vom Parti- 
eipium vy7pwv, vnpovrog ſtammt das vein abjeetive vnpor, vn- 
povos. Berge. B. 697: mloyo0v roı uedVorra nap’ avdgacı 
vnpoow zivar, wo alle Hofer. aufer A 259000' darbieten. Ganz 
ähnlich bei Homer Il. IV, 7 Joal yao Meveram aomyovss eioi 
FEeaov, nur daß hier die Grammatifer die veränderte Bedeutung 
auch durch veränderten Accent deutlich machten, vergl. Schol. zu 
St. V, 511: aonyeov. ’Aglorapyog o&vrirwg: zul ÖmAov. &x 
uns nAoylov- dot iv Meveram domyoves,, und in. berfelben 
Weiſe Il. XXIV, 253 zarnporss. Ob Ariſtarchus mit Necht fo 
aecentuirte, will ich dahin geftelft laſſen, wenigftens möchte ich. nicht 
der Homerifchen Paradofis zu Liebe nun auch v7 pPooı und Aehn— 
liches fchreiben. Wie hier v7pw», fo in ganz ähnlicher Weife im 
Iſishymnus Col. IB. 31: zai nvooevrov agkıov nwAov ayj- 
7000 palvovu xuUrkwv &s no00V i$vveorov, Sp der Stein, wo 
ich ohne. Noth paivona geändert habe. Ganz fo verhält es ſich 
mit aiIov ; urfprünglich Partieipium, wird es zum Adjectivum ai- 
Iov, al3ov0g , und darans erft bildet ſich durch Verlängerung, die 
gewöhnliche Form alIwr, aIwvog ; aber neben diefer Form hat 
fich die urſprüngliche Kürze fange im Gebrauch erhalten. W. Din: 
dorf hat fie auf handfchriftliche Autorität Soph. MU. V. 292: av- 
dgos aldovog dyyehia hergeftellt, wo man gewöhnlich aldonog 
las, ich dem Heſiod. Op. B. 361 0 Ö’ arvseraı aiFova Aruov 
ebenfalls ft. aıdon« , mit Beziehung auf Tzetz. ad Lyc. v. 1369 
und Bachm. Anecd. T. I p. 281: Asov d& 0 "EovoryIwv dıa 
zo Praov ToV Aıuov Enexindn, og al Hoiodos: 6 d’ aw- 
Seraı aldona Aıuov. Bergl. Heſych.: Aidova: ueyav, wo Mufu- 
rus felbft gegen die Folge der Buchftaben aidwva interpolirt hat, 
Alle drei Varianten finden wir bei Hefiod. Op. v. 741: aidwnrı 
oıdnomw, wo der Cod. Gal. audonı yo. aidovı hat. Vielleicht ift 
auch diefe Form bet Hefiod. Clyp. V. 133 ff. herzuſtellen, die in 
alfen neueren Ausgaben (die Ranfefche ft mir nicht zur Hand) fo 

Muf. f. Philol. N. F. II. 14 


210 lleber die Aritif 


gefehrieben find: Meoooı d& Zeoroi, negıumrees: aurag Dnıodev 
Moogvolo Dieyvao zaAvnıöusroı nregvyeoow ’Hoav: 6 Ö' 
0Bg1u0ov Eyy0g arayusvov &hero yarhrı. Hier hat eine Hdſchr. 
und die älteren Ausgaben ft. eiiero yarım aldonı yarıı, 
gewiß Fein Schreibfehler für das unentbehrliche ziiero, dagegen 
finde ich 70a@r wahrhaft monſtrös; es ift offenbar zu verbeffern: 
nreovysoow* EeilAEro d’ Oßpıuov 2yyog uzayusvov aldonı 
zahro oder vielleicht noch beffer ar!Fovı yarzo. 

In ganz ähnlicher Werfe tritt die Differenz der beiden Hdſchr. 
KO zwifchen dem Mutinenſis einerfeits und den interpolirten ander- 
ferts hervor 9. 666: 

Kai ow@gpgwv Hjungre zal upgovı nolkazı doka 
EONETO Kal TIUNG zul zar0g wv Ehayev. 
So der Cod. A, dagegen KO zuun, die interpolivten Codd. ruun, 
gegen die gewohnte Structur des Verbum Aayyarsır, vergl. V. 
934. 1111. Ganz richtig dagegen ift B.453 Auyyarsır mit dem 
Aceuf. verbunden: wrdgwn’, El yroung Ehuyss EODGg Wgneo 
avoms, wie bei Simonides XLVIII, 4: zeivov yao loov Aayov 
weoos oi T ayayol dorıg te zaxog. — Ferner ®, 711: 

AN a0a zal zeiten nakıvy nivIe Stovpos 7005 
fo Cod A, während unmetrifh fowohl KO nurır 7.98 odovgpög 
y’ nos als auch die übrigen Hoſch. eraupog nakıy nivdev 7005, 
letzteres offenbar aus Conjectur. Kurz vorher V. 702 baben 
ebenfalls alle Handfehr. denfelben Fehler: nAsrova d’ eideing Alo- 
Jıdov Stovgyov, nur A Stovgpov Alorröeo. — B. 001 Cod. A: 

"Eorıv 6 ul» zeiowr, 0 0’ ausivymv» Eoyov &xaoıov 
während KO «ueivor, die interpolixten ausıwdv y. — V. 935: 

Tlavrss uw tıuwoıv Ouwg veoı, 08 TE zar’ avıov 

X80nSg Eixovoıv, Tol Te nakaröregoı, 

denn fo ift mit Cod. A zu ſchreiben; KO ywoorg eizovom of te, 
die übrigen mit offenbarer Interpolation &ixovomw ywgans of re. 
Sch habe diefe interpolirte Yesart in meiner Ausgabe beibehalten, 
indem ich bemerkte: „ro ve Bekkerus ex eoniectura ut videtur“ 
wober ich vergeffen hatte die 1ſte Ausgabe Bekkers einzufeben, wo 
es ausdrücklich heißt: „Mox pro o: Mut. habet zo.“ Daß ber 


im Theognis, 211 


Tyrtäus IX, 39 nad) Stobäus gelefen wird: ndvres d’ Ev Iw- 
xoıoıv Öumg veoı ol Te nat’ aurov Eixovo’ Ex ywons ol Ts 
ra,aroreooı, thut natürfich nichts zur Sache; wir haben ung zu— 
nächft nur. an den Text zu halten, wie er fi in unfern Hand» 
ſchriften überfiefert findet. — V. 973: 

Oddeis avdowunov, 0v no@r Eni yala xakvyn. 

So der Cod. Ay öv nor’ Eni KO. Die Vulgarhandſchriften bieten 
eine fehr unglücliche Conjectur 0v Enel more, — V. 987: 

Alte avaxra pEgovoi dogVo000V &g röyov avdomm. 
So ganz vortrefflih Cod. A, al 7’ avapegovo: KO, die übrigen 
alte neo avdon geoovon. — V. 1129: 

Eunidouaı neving SvuopI0oou oV ueledulvwan. 

So Cod. A. EAniounı — uerledatvo K (ON, alle übrigen ei 
niounı — yeredanto. 

Ich denfe aus den angeführten Beifpielen läßt ſich das Ver— 
hältniß der Handfchriften zu einander am beiten beurtheilen. Der 
Baticanus 2 und Venetus 2, die, wenn man von einer verhältnif- 
mäßig geringen Zahl meift unweſentlicher Abwerhungen abficht, mit 
einander übereinftimmen, bieten uns den zwar vielfach verderbten 
aber faft nirgends Interpolirten Text der Theognidea dar: felbft 
offenbare metrifche und grammatifche Fehler haben die Abfchreiber 
getreufich wiedergegeben, ohne fich irgend eine Aenderung zu geftat- 
ten, Diefer verberbte Tert, wie er in den Handſchr. K und O 
vorliegt, bildet nun weiter die Bafis für alle übrigen Handfhriften 
mit Ausnahme des A, aber bier find jene offenbaren Fehler gewöhn- 
lich entfernt; Einzelnes iſt allerdings richtig verbeffert und wird 
durch den Cod. A beftätigt, das Meiſte jedoch iſt willführkih und 
ohne Geſchick eorrigirt, kurz e8 verrät) durchaus Alles das Verfah- 
ren eines nicht ganz Der Sprade und Metrik unfundigen Abfchrei- 
berg, nirgends findet fih eine Spur, daß etwa irgend eine ältere 
und beffere Handſchrift bei jenen Correeturen benußt worden fer: 
der Gebrauch alfo, der von jenen zahlreichen Hdſchr. zu machen ift, 
kann nur ein ſehr befchränfter und untergeordneter fein. Wie ver- 
Halt es fi nun aber mit dem Codex Mutinenfis? Schon die 
eben mitgetheilten Stellen zeigen deutlich, wie verfelbe unbedingt 


212 Leber die Rritif 


den Worzug verdient vor allen übrigen Handſchriften, ja das Treff- 
liche, was er bietet, 1ft gewiß im Allgemeinen nicht hervorgegangen 
aus Berbefferung der Srrthümer, Die wir im KO finden, fondern 
vielmehr tft es das Urfvrüngliche, aus dem durch allmähliche Ver- 
fihlechterung fih ein Text gebildet, wie er in KO vorliegt. Am 
deutlichften fpricht für feine Vortrefflichfeit der Umftand, daß er 
am Schluß 159 bisher unbekannte Verfe unter dem Titel EAeyeiov 
PB enthält, und ſchon darum iſt nicht daran zu denfen, als ob etwa 
KO auf einer älteren urfprünglicheren Grundlage beruhten, als der 
Codex Mutinenfis. 

Wir würden demnach drei Perioden der Textes - Kritif des 
Theognis zu unterfcherden haben, die erfte, wo die Elegieen des 
Dichters im Ganzen in fehlerfreier lesbarer Geftalt vorliegen, re— 
präfentivt durch den Codex A, von dem Bekker fagt, ex ſei „insigni 
scripturae et elegantia et antiquitate“ wobei man ungern eine 
genauere Beſtimmung vermißt. Natürlich tft dieſe Handſchrift troß 
ihres Alters gewiß nicht diefer erften Periode angehörig, die wir 
wohl mit Eicherheit in die vorbyzantinische Zeit fegen fünnen , ſon— 
dern nur eine forgfane Abſchrift eines ungleich älteren Codex, wo- 
bei denn natürlich ungeachtet der Sorgfalt des Abſchreibers nicht 
alle Fehler vermieden werden Fonnten: nicht zu gewagt dürfte wohl 
die Vermuthung fein, daß die Ältere Handfehrift, welche dem Ab- 
fehreiber des Cod. A vorlag, in Uncialen gefchrieben war, daher 
rührt es denn wohl auch, daß hier, wie überhaupt in den älteren 
Hdſchr. das ı subser. bald daneben gefihrieben, bald ganz wegge- 
laſſen tft. Die zweite Periode zeigt uns den Tert in ferner all- 
mählichen Entftellung und Verderbniß, die aber nicht etwa durch 
willführliche Interpolation, fondern durch das wiederholte Abfchrei- 
ben herbeigeführt ift, nur daß man den Testen Theil des Gedichtes 
ganz wegließ, vielleicht aus päpagogifchen Gründen, weil er aus— 
fchließlich radıza enthielt. Neben vielen Irrthümern bat fich doch 
auch viel Gutes und Richtiges aus der vorigen Periode erhalten. 
Diefe Periode wird etwa der frühern byzantinifchen Zeit angebören, 
und fie wird vertreten durch Cod. K und ©. Die dritte Periode 
endlich ftelit den entfchiedenften Abfall von der urſprünglichen und 


im Theognis. 213 


Achten Form des Textes dar, denn nicht nur dringen neue Fehler 
und Irrthümer ein, fondern vor allem zeigt fih das Beftreben, die 
offenbaren grammatifchen und metrifchen Verfehen durch Conjectur 
zu heben. Diefe Interpslationen gehören wohl im Ganzen der 
fpäteren byzantinifchen Zeit an, wo irgend ein Orammatifer den 
Tert der Theognidea, wie er in den damals gewöhnlichen Hand» 
fihriiten vorlag, Die dem K oder O nahe famen, einer durchgehen— 
den Necenfion unterwarf: und dieſer interpolirte Text bildet dann 
die Baſis für alle übrigen Handfchriften. 

Aber die Aritit des Thevgnis bat mit ganz andern Schwierig— 
feiten zu Fämpfen, als die der meiſten alten Autoren, denn wir 
haben ja nicht etwa ein wohlgeoronetes, zufammenhängendes Wert 
vor uns, fondern nichts als Trümmer und dürftige Nefte, die nicht 
einmal Einem, fondern verfchiedenen Dichtern angehören. Jene 
Homerifchen und Hefiopifchen Dichtungen, mag man auch noch fo 
verfchiedene Anfichten über ihre Entftehung und Fortbildung begen, 
bilden doch immer in gewiffem Sinne etwas Ganzes, Abgefchloffe- 
nes, Fertiges: in der Geftalt, in welcher fie gegenwärtig vorliegen, 
kannte fie ſchon nicht etwa blos die alerandrinifche Kritikerſchule, 
fondern auch das ganze griechiſche Alterthum. Anders verhält es 
fih mit den Elegieen des Theognis, welche Plato und Kenophon, 
ich vermag nicht zu fagen in ihrer urfprünglichen, jedenfalls aber 
in anderer, reinerer Form Fannten. Denn gegenwärtig Tiegt ung 
nicht etwa eine Sammlung der Elegicen des Theognis vor, fondern 
wir haben es zu thun mit einer chaotiſchen Maffe von Fragmenten, 
welche bald dieſem, bald jenen Elegifer von Tyrtäus am bis auf 
Euenus hinab und vielleicht noch weiter angehören, welche aus 
allem Zufammenhang berausgeriffen find, oft eine ganz andere Be— 
ziebung erhalten, mit völlig fremdartigen Beftandtheilen zufanmen- 
gefchmolzen find. Einen Haven Blid in ven Zuftand dieſer Samm— 
Yung eröffnen uns die anderwärts vollftändig erbaltenen Efegieen 
jener Dichter, welche bier in dürftigen Reſten bald da, bald dort 
auftauchen. 

Stobäus LI. hat uns unter Nr. 1. 14 Berfe des Tyrtäus 
erhalten, offenbar den Anfang eines Kriegsliedes, was auch Plato 


214 Ueber die Kritik 


öfter berückſichtigt: 
Ovt’ av urnoaiumv our’ &v Aöyw avdga rıderunv 
DVTE NOIWV MgEıng oOVTE naAmonoovVvnS, 
ovr’ &i Kux)wnwv usv Eyoı usyedög 15 Binv te, 
vızon dE IEwv Oonizıov Booenv, 
ovd’ U Tıdwvolo punv yuvıdoregog &in, 
nkovroin de Midew zul Kıyvono nAsov, 
ovd' &i Tavraridew Tlekonos BaoıLevregog Ein, 
yAoooav d’ 2donorov weikıyoynovv Eyoı, 
oVvl’ Ei naoav Eyoı dosuv nimv Jovgıdog ahkung* 
0V yag arno dyadog ya Ev nokEum, 
&l un Terkain tv Ög0V YOVov aluurösvra 
zul Onlov H0EyoıT’ Eyyudev lotuusvog. 
nd’ aosın , Tod’ aeI.ov Ev avdownorsıy apıorov 
zu)Atorov TE pEgeıv yırzıaı avdot vem. 
Nun bat aber ebendaſelbſt Stobäus unter Nr. 5 noh 30 Verfe 
des Tyrtäus erhalten, welche offenbar damit zufammenbängen und 
mit vollfommenem Nechte von den Herausgebern des Tyrtäus un— 
mittelbar an jene 14 Verſe angefügt find: die gegenfeitigen Bezie— 
hungen, welche in diefen beiden Ueberreſten fich finden, find ſo klar 
und deutlich, daß an dem Zuſammenhange diefer beiven Bruchftüce 
wohl Niemand zweifeln wird. Hatte der Dichter den Preis kriege— 
rifcher Tapferkeit und Ausdauer über allen andern irdiſchen Ruhm 
boch erhoben (B. 1-14) und mit ven Worten gefehloffen: 70’ 
«gern, TO0' aEI.ov Ev dvdgwnoıoıv agıorov Karkıorov Te 
p£osıy yiveraı avdoi ven, fo hebt er nun den Gewinn hervor, 
der aus folcher Tapferkeit dem Ganzen zu Theil wird; 
Evrov Ö’ £09%0v Toiro nolyi re navıl Te Öyum, 
dorıg avno dıaßag Ev nonuayoıoı uevn 
vorzuiog xuh. V. 15—22 (alfo der Anfang des zweiten Bruch 
ſtücke), wo denn beſonders V. 20 ovrog ayjo ayadög ylvsraı 
Ev nokeum ganz deutlich zurückweiſt auf V. 10 Calfo im eriten 
Bruchſtücke) oV yao dvno ayadyog yıiveraz Ev nok£um. Alsdann 
kehrt ver Dichter zu dem Hauptgedanfen zurück, daß dem tapfern 
Baterlandsvertheidiger, der nicht Kos fih, fondern Stadt und Volk 


im Theognis. 215 


dadurch ehrt, fowohl im Tode (V. 23—34) als auch im Leben 
(B. 35—49) unfterbliher Ruhm zu Theil werde, und ſchließt dann 
mit der Aufforderung ; 
Tavrng vov Tıg avng Egerijg Eis axo0v iIncodaı 
nzı0a090 Jvum, un wedLeig nokzuov. 
Wir haben ſomit sine zwar einfache, aber vollfommen abgefchloffene 
und wohlgevrönete Compofition vor und. Wie erfiheint nun dieſe 
vollftändige Elegie des Tyrtäus in der Sammlung des Theognis? 
B. 13—16 zwei Diftichen, die freilich, wie wir fahen, auch bei 
Tyrtäus zufammenftanden, aber fo daß das eine das Ende einer 
Gedanfenreihe bildet und ohne das PVorausgegangene, worauf es 
fich bezieht, faft unverftändfich ift, während das andere einen ganz 
neuen Gedanken beginnt und mit dem Folgenden aufs Engfte zu— 
fanmenhängt: diefe beiden Diftichen erfiheinen hier bei Theognis V. 
1003— 1006 völlig iſolirt: 
“Ho” aosrn, 700° asILov Ev drIgwnoıoıy agıorov 
»ahlLOTovy TE pEgEIV yırzıaı avdol 00pW. 
gv»o» d’ 2090» Tovro noAni te nur Te dnum, 
dotıs avno dıußas Ev ngouugoıoı uery. 
Die Abweichungen find zum Theil gering, und kommen nur auf 
Rechnung des Abfcpreibers; fo iſt z. B. zed’ aedAov — agıorov 
aus Thevgnis auch bei Tyrtäus bergeftellt, während bei Stobäus 
die Handfchr. theilweife leſen: 700° (70 y’) agıorov — asdkor. 
Umgekehrt iſt aus Tyrtäus bei Theognis uuevn bergeftellt, während 
bier alle Hoſchr. Eve bieten, nur Cod. A kommt dem Wahren fehr 
nahe, indem er were hat, Dagegen avdgi oop@ bei Theognis 
für erdgi ven des Tyrtäus ift unmöglich den Abfchreibern zus 
zurechnen, fondern wir haben bier wohl eine willführliche Aenderung 
des Bearbeiters vor uns, Kerner der ſchöne Gedanke bei Tyrtäus, 
daß dem Tapfern im Leben die höchite Verehrung zu Theil werde, 
der gegen Ende des Gedichtes fteht, V. 35 ff.: 
Ei d& puyn uev 2790 Tavnkeycog Yuvaroıo, 
vırmoag 0’ alyung aykaov zugog En, 
navısg Av TIUmoV Ouwg vEeoı ndE nahme, 


x X \ x ” J DAN 
noAla de reonva nudw» Eoysıuı &is Aidnv. 


216 Leber die Kritif 


navısg Ö’ Er Iwroıoıv Öums veoı ol TE zur’ aurovy 
ElK0V0’ EX YWong 0 TE nahaldoregnı. 
yn9uorov Ö’ dortoloı uerangensı, 0VdE Tıg alrov 
Phanteiv oVT’ aldoüg oute ding EIER — 
diefer erfcheint bei Theognis an einer früheren Stelle V. 933 ff. 
verfürzt und verfümmert, ja fogar zu einem ganz andern Gedanken 
umgeftaltet, mit Fragmenten eines anderen Dichters wunderbar ver- 
miſcht: 
Hoavoots avIownwv gern zal zahhog onndel: 
OABLOS Og TOVTwv auporeowv Ehuyer, 
AAVTEG uv TIuWoıvw‘ Öu@g veor ol TE zur’ avıov 
ZWOnNS Elxovomv, Tol TE nwlmıöregot. 
yn9aoxwv Ö’ doroloı uerang£neı, oVdE TIg @uToV 
Biantsıv ovı’ aldoug ovre ding EIEheı. 
Im Einzelnen natürlich dient das Eine zur Verbefferung des An— 
dern. Sp fteht bei Tyrtäus nad) Stobäus das Diftihon y7gaozwr 
— EIKE, vor dem andern nurıes Ö’ &v Iwzoıoım — nakaıdte- 
001. Thierſch in ven Act. Monac. IN. p. 636. hat mit ziemlicher 
Wahrſcheinlichkeit nach Theognis jene Difiichen umgeftellt. Dage- 
gen babe ich bei Theognis auch Tyrtäus Y7odozwv d’ aoroioı ge- 
fohrieben, während die Partikel in den Hdſchr. des Thevgnis fehlt; 
in den meiſten fehlechteren Hdſchr. fehlt Freilich überhaupt das ganze 
Diftihon, fei es daß die Abfchreiber an dem Afyndeton oder an 
dem Gedanfen Anftoß nahmen. Ber Thepgnis ferner haben fünmt- 
Yiche Höfchr. mit Ausnahme des Cod. A: Öueg l!ooı (loc) of 
TE zar’ avröv, nur Cod. A hat mit Tyrtäus v&or, Dagegen mag 
wohl im folgenden Verfe ber Thevgnis das Nichtige erhalten fein: 
Jwong E20v01V TOl TE n@AaLOTEgOL , wodurd die gewöhnfiche 
Structur von elzeıv hergeftellt wird, eine Form wie or aber hat 
bei Tyrtäus ganz und gar nichts befremdliches. Uebrigens Tann 
ich nicht verbehlen, daß mir die Umftelfung, welche Thierfeh im 
Tyrtäus vorgenommen bat, dem auch ich gefolgt bin, jest nicht ge- 
vechtfertigt vorfommt. Der Gedanfe erfcheint vielmehr in der uber- 
hererten Aufeinanderfolge durdaus angemeffen und richtig: Den 
Tapfern ehrt Alt und Jung, (V. 36) und fo Yange er lebt, genießt 


im Theognis. 217 


er alles Gute (V. 37), wenn er alt wird, ift er allen Bürgern 
Gegenfiand der Achtung, feiner wagt ihn in feiner Ehre vder fei- 
nen Rechte zu kränken, (B. 38. 39) fondern alles junge und 
gleichalterige, ja fogar noch ältere Greiſe machen ihm Platz. (B. 40. 
41.) Der Dichter hatte Eoyeraı eis aidnv B. 37 gefagt, und 
dieß führt ihm die Borftellung des Alters zu, und fo fohildert er, 
nachdem er im Allgemeinen gefagt hatte, der Held genieße bis zum 
Tode nur Ehrenvolles und Gutes, noch einmal befonders, wie auch) 
fein Greifenalter nicht etwa hülflos und verachtet fer, wie wohl 
fonft, fondern wie ihn auch hier die allgemeine Achtung begleite, 
feiner ihn zu Fränfen wage. Die Borftellung der ads führt 
nun namentlich zu den im folgenden Diftichon weiter ausgeführten 
Beweifen der Chrerbietung, navres 0’ Ev Hwxoroıv xrA. inden 
wie gewöhnlich auf die negative Form des Gedanfens eine pofitive 
folgt. Daß aber bier nicht vom Helden im Allgemeinen, fondern 
som Helden im Greifenalter die Rede ſei und daher die überlie- 
ferte Aufeinanderfolge der Verfe vollkommen richtig tft, beweiſt nicht 
nur die Ausprucsweife des Tyrtäus Ouwg veoı of Te var’ avıov 
— ol re nakaıoregoıd, h. die älter find als er felbft, ver 
doch auch ſchon Greis ift, (während es oben, wo von der Ehrer- 
bietung ganz im Allgemeinen die Rede war, dus veoı ndE nu- 
karoı hieß,) als auch die griechifche, und befonders lacedämoniſche 
Sitte, wornah man nur vor den Greifen aufftand, vergl. 
Herod. I. 80: ovupssorzm de zal Tode ao Alyvnrıoı “EA- 
Anvov uovvorı Auxsdarmoviooı* 01 vewregoı avrav Toioı 
nYVEOPVTEIOLGL OVVIVyYavorreg &ix0vor ıng 6dod zul ExTganov- 
Tal, zul Eniovoı EE Edong Unaniorearaı. Tode uevror aAkorot 
“Eirnvov ordauorsı ovupeoorrar; jedoch auch zu Athen im äl- 
terer Zeit, fiehe Ariſt. Nub. v. 998. wo der Zixauog Aoyog fagt: 
zanıoryoEe — TWv Jaxwv Toig nosoßvrevooıg Unaviotaodaı 
ng0g1000. Xenoph. Mem. II. 3. 16: od yao zul Ödov na- 
gaywgnowt ToV vewregov 1 ngsoßvregwW OvaTvyyaroyıı nav- 
T0yoV vowleru zal Kusruevov Unavaoınvar zal xolın uahuzn 
Tiunoaı zal Aöoyov üUnelkaı. 


sh führe noch ein zweites Beifpiel an, um die Art umd 


918 lleber die Kritik 


Weiſe zu zeigen, wie die ächten und vollftändigen Elegieen in un- 
ferev Sammlung zerftüdelt and verunftaltet find. Stobäus IX. 25 
bat ung eine Elegie des Eolon (XI erhalten aus 76 Verſen be- 
ftehend, wo der Dichter um mäßigen, gerecht erworbenen Reichthum 
bittet, und nachweift, wie das Streben nach Neihthum jedem einge⸗ 
pflanzt ſei, in den verſchiedenſten Geſtalten erſcheine, gar häufig 
aber alles Thun und Treiben der Menſchen übel ſei. So ſchließt 
nun der Dichter mit den Worten: 
Ilaoı d& ros. xivdvvog En’ Eoyuaoır, oοα Tıg older, 
N uehheı 07j0E1W yuyuarog @oyouerov. 
aah 6 dv. Ev Eodew neiuw@uevog ov ngovoroug 
ES ueyalıv arıv zul zakennv Eneoer , 
zo de zan@g Epdovre Heog negl navra didwow 
ovyruyinv ayasıv , Exhvow apyoouvns. 
nkovrov Ö’ oVdiv TEgua nepaousvov aydoaoı xelrau 
ob yag vür Nusav mAelorov Eyovoı Biov, 
dınkaolwg OnevdovoL‘ TIg AV x0080E1EV EnavTaSs ; 
xEgdea r0L Iynrois wnaoev adauvaroı' 
arn Ö’ &5 altwv dvagalverar, yv önorav Zeug 
aeunyy Tıgousvnv, alhore ahhog Eyei. 
Diefer Schluß der Elegie erſcheint in unferer Sammlung in zwei 
Stücke zerriffen, V. 65—70 fteht bei Theognis V. 585—59) 
unter Sentenzen ähnlichen Inhalts, V. 71—76 dagegen um ein 
aut. Stück vorher V. 227—232 in ganz beterogener Umgebung. 
Dabei find die Abweichungen nicht unbedeutend , jedoch auch bier 
der Art, daß gegenfeitig Cins das Andere ergänzt. V. 65 des 
Solon hat Theognis zcorv vor, wie fo oft noch in dieſen abge- 
riffenen Bruchftücken die verbinvdende Partikel getilgt fein mag. — 
B. 66 hat Thevgnis = 7 (wenigftens A mit einer andern Hdſchr.; 
die übrigen 100) oynosıv uekkeı ngyyuaros agyouEvoV, 
was ich unbebingt für die ächte, Solonifche Lesart halte; ich babe 
jedoch abfichtlich in meiner Ausgabe die Lesart des Stobäus nicht 
ändern wollen. — V. 67 U Egdew hat Stobäus vollkommen 
richtig, gerade wie V. 69 zo de zuxwg Egdorze, wo ich zuxos 
zuerſt aus zwei Hofchr. ber Schow bergeftellt babe, während man 


im Thevgnis. 219 


gewöhnlich raus las, was völlig dem Gedankenzuſammenhange 
widerftrebt, da man hier den Gegenſatz des Früheren nothwendig 
verlangt, und was auch durch das Folgende ErAvomw apgoovnng 
durchaus als irrig bezeichnet wird. Theognis hat dafür aAr’ 6 
uev evdoxı melv neıgwuevos und ro de rakAwg noLsorr. 
wo ich ebenfalls den offenbaren Fehler zeig getilgt und zureg 
gefchrieben habe; fonft aber find die Lesarten bei Theognis auf kei— 
nen Fall vorzuziehen. — no0v070ag , wie auch bei Theognis gele- 
fen wird, bietet bei Stobäus nur eine Hdſchr., die übrigen das 
barbarifhe no000yoas. — DB. 68 Es habe ich aus den befferen 
Hdſchr. des Theognis für eis an beiden Orten hergeftellt. — V. 
69 didwoıw bei Stobäusz hier möchte ich die Yesart bei Theognis 
ziImorv bei weiten vorziehen. — V. 71 ift avdgaoı zerraı ficher 
die allein richtige Yesart, die vollfommen beftitigt wird durch das 
Citat bei Ariftot. Pol, I. 3: 7 yao ı75 roLwVrng xrnoswg wv- 
tuoxeıa nY0g dyadınv Loyv our ünsıgög Eorıv, won:g Norwv 
Pnol noınoag* nkovrov d’ oddEy Teoua nepaouevov avdgacı 
#eltaı" xeitaı yaO wonEo Kal Tuis ahharg TEyvaıc. 
Dagegen Thevgnis ardownoıoı, und diefe Lesart wird als Soloniſch 
angeführt von Put. de diy. cupid. c. 4: 69ev eu no0g rovzovg 
Aehertaı uno Tov Iuhwvog* nAlavrov Ö’ oWdEv Tegua nepa- 
ousvov Arduwnoroıw. — V. 72 jucwv Stobäus, juav Thev- 
gnis; ebendaf. Bro» Stob., wie es der Gedanke erfordert, dagegen 
Theognis in ganz anderem Einne voor. — V. 73 dinkaorwg 
Stobäus wohl vihtig, Thevgnis dınkaoıov. — V. 74 für das 
Mildere und Humanere der Soloniſchen Weltanficht: zeodeu roı 
Irynrois wnaoev aIavaroı (womit man vergleichen kann den äch— 
ten Theognis V. 133: ovders, Kıgr, arng al #E0deog wlrıog 
wvros, dla Yeoı Tovrwv dwroges duporeoov) Yefen wir bei 
Theognis zommara zo Iınyrols ylysraı apg00VV7, und demge- 
mäß ift nun auch im folgenden Verſe ary 0’ &5 avrav dvagar- 
vera in aın d’ &E avrng avagpalverar verwandelt. Ohne 
Belang dagegen ift Onore bei Theognis für özör’ av bei Stobäus. 
Aber V. 76 zıoouevnv bei Stobäus ift offenbar der Lesart des 
Theognis reıgogevors vorzuziehen, während aus Theognis a@AAore 


290 lleber die Rritif 


@rhog &yeı hergeftellt ift, wofür im Stobäus arkore 7’ arrog 
zei, ahkor' av arrog &yoı u. He. zu leſen ift. Ich unterlaffe 
es andere Stellen des Theognis, die fich anderwärts und unter an- 
derem Namen erhalten haben, genauer zu befprechen: das eben mit- 
getheilte genügt um zu zeigen, daß es unmöglich tft, die ächte und 
urfprüngliche Form diefer Fragmente wieder herzuſtellen. Ich nenne 
fie Fragmente, denn Bruchſtücke und Trümmer find es durchgehends, 
nur in größerem oder geringerem Grade entftellt, eine vollftändige 
Elegie findet fich nirgends: eines der am wenigften verſtümmelten 
Bruchſtücke iſt z. B. von V. 237— 252, was man wohl nicht 
mit Unrecht als die Schlufelegie des Theognis betrachtet hat, wor- 
über ich werter unten Einiges mittheilen werde, ebenfo V. 475— 
402, 699— 718. 903— 922, 1135— 1150 u. a. m. Letztere Stelle 
erffärt Schneidewin wirklich für eine vollſtändige Elegie, aber fo 
dürftig und unbedeutend darf man fich die elegifche Poefie der Grie— 
chen nicht vorfiellen. Cine viel veichere Anlage verratben deutlich 
die wohl erhaltenen Ueberrefte des Tyrtäus, Solon, Zenophanes, 
die doch zum Theil eben auch nichts Anderes als Bruchftüde find. 
— a fogar aus der Sammlung felbft können wir noch einigemal 
erfennen,, wie der Cpitomator oder vielmehr die Epitomatoren ver 
fuhren, indem wir diefelbe Stelle zweimal, bald mehr, bald went- 
ger verfürzt finden, z. B. V. 213—218: denn beide Bruchſtücke 
gehören zufammen, nur bat der Epitomator dazwifchen Einiges aus— 
gelaffen : 
Kvore, gi.ovg zara navrag Eniorgeps noırlkov 790g, 
09Y7v ovuloywv, hvrıy’ Eraorog Eyei, 
* * * 
novAvnov 00Y7» loye nokvnkorov, O5 norti neron, 
7% noogowAnon, rodog ldeiv Eparn. 
voy uiv TNd’ Epenov, rorè Ö’ dkholog gooa yıyov' 
x08L000v Tor vopin ylvsıaı argoning. 
Dieß Fragment iſt V. 1071 mit Ausfcheidung des Gleichniſſes fo 
verunftaltet ; 
Kvove , gUhovg no0G navrag Eniotgepe noızlkov „905 


’ 3 \ 7 e u 
OVUMOYWYy 00Yn»P 0105 EXUROTOS epv' 


[50] 
ro 
— 


im Theognis. 


vöv usv md’ Epenov, tor: d’ dhholog nehev doynv' 
x08000v ToL 00pln xal ueyalng dgerng. 
Nachdem die Vergleichung weggefallen war, mußte natürlich auch 
das Poetifche des Ausdruds im Folgenden abgeftreift werben, und 
fo ward znde in zmds, yooa yıvov in nelev Ooyyv, argonin 
in das Abftraetum aoery verwandelt. 

Nun ift uns freilich nicht vergönnt einen tieferen Blick in die 
Werkftätte des Epitomators zu werfen, der die Denfmäler der grie— 
chiſchen Elegie auf fo ſchonungsloſe Weiſe zerftörte, ja wir haben 
es gewiß nicht mit Einen allein Zu thun, fundern nachdem der Weg 
einmal betreten war, folgten bald andere und fetten das Werf der 
Zerftörung fort. Dffenbar ging aber das Beftreben des Epitoma— 
tors darauf hinaus, alles rein Individuelle, alfo gerade das Werth- 
vollſte, den eigentlichen Mittelpunkt der Iyrifchen Poeſie auszufcher- 
den und nur die Summe allgemeiner Gedanfen und BVBorfchriften, 
welche die Elegie der Griechen in fo reichem Maaße enthielt, zu- 
rüczulaffen. Sp ift denn, da es nur auf den Gedanfenhalt ankam, 
alles Poetifche, alle Ausſchmückung, gleichfam Fleiſch und Blut ab- 
geftreift, und nur ein dürftiges Gerippe verblieben, was ung eini- 
germaßen den Werth und die Bedeutung des Ganzen ahnen läßt. 
Namentlich Anfang und Ende der Elegieen, weil gerade hier der 
Grundgedanke bei der einfachen Compofitionswerfe der griechifchen 
Elegie am entfchiedenften hervortrat, mag ſich fo erhalten haben. 
Alles andere, was zur Begründung und weiteren Ausführung des 
Themas diente, ward fohonungslos weggelaffen. Einen ſolchen An- 
fang und Schluß einer Elegie glaube ich zu erfennen 3. B. V. 895 
— 830: 

Ilos vuiv TEerinzEV ün’ avImtnoog asıdaıyv 

Svuos ; yng 0’ oVoog Yalveraı EE ayoons, 

NTE ToEpEL zagnoloıy &v Eilanıwng Yooeovrag 

SardIng aupi z0ung nogpvo£ovg oTepavovg. 
AN aye dn, Ixvda, zeige om, anonave Ö& zauor, 
nevdeı 0’ EVavIn YW00v anokkryevor. 
wo übrigens die Anrede Irvdu völlig unftatthaft iſt, denn dieſer 


292 lleber die Kritik 


Szvsns konnte doch nur ein Sklavenname fein: mist als ob Gen» 
tifia als VPerfonennamen gebraucht den Griechen unbekannt gewefen, 
G: B. ‘Ayauös , Borlwrog, O&ooarog, ’Hkelog, Iov, a. f. w. 
find gar nicht ungewöhnliche Namen): ‚aber SzvIns als Name eines 
Freien, und feine Freunde redet doch hier offenbar. der Dichter an, 
erfcheint ganz ungewöhnlich, wenigftens in fo früher Zeit, und tft 
wohl wie Sons, Terms, AJaos u. ſ. w. als: Selavenname zu be- 
trachten. Nur bei Demofthen, e. Stephan. I. T. II. P. 348. ed. 
Bekk. fommt als Zeuge vor ein Ieudng Aouuteog Kudady- 
varevg, aber wie aus dem ganzen Sachverhältniß ziemlich klar ber- 
vorgeht, ein attifcher Plebejer. Aber wie follte der Eupatrive Thev- 
gnis mit einem Freunde Namens Irudng verkehren, und mit einem 
ächten Gedichte des Theognis haben wir es bier gewiß zu thun; 
Megara, vie Vaterftadt des Dichters iſt es, die in folcher Noth 
fich befindet, daß die Stadt auf Ihren geringen Umfang befchränft 
iſt, das umliegende Gebiet verloren hat: yig ovgog Yarverar &5 
ayoons. Dabei it wohl an einen Aufftand des Landvolkes, ver 
Awoop9o0ı gegen die ftädtifchen Eupatriden zu denfen, Die der 
Stadt alle Zufuhr abſchneiden, die aber doch in Beſitz ihrer Rechte 
gelangen, worüber fich der Dichter V. 53 beffagt: Kugve, nolıs 
udv &9 de nolıg, Aaol dE dm akroı, ol no0g9° ovre ding 
ndeoav ovre vouovg, all aupi nkevgnoı dovag alyov zare- 
toıßov, &&w Ö’ wor’ Eapoı T70Ö' Ev&uovro moAEog, al vor 
210’ ayoadol zr4. An einen Krieg gegen äußere Feinde iſt wohl 
nicht zu denfen, wie Schneivewin die Stelle gefaht zu haben fiheint, 
wenn er fagt: „Bello devicli tondebant, eapillos ea lege con- 
dita, ut ne quis eivium denuo aleret, quam recuperata ea agri 
parte, quae in hoslium polestalem esset redacla, v. Herod. I. 
82. Plat. Phaed. p. 89. C. Taeit. Hist. IV, 61.° Am wenigften 
it an den Verferfrieg zu denfen, worüber nachher; behauptet doch 
auch damals der Dichter feinen heitern Sinn im Vertrauen auf den 
Beiftand der Götter, vergl. B. 773: Doiße avas, aurög wer Envg- 
yooag mökw arg» Aksagop Ilekonog nad yguoıLloöusvog, 
avrog JE orgarov Wpgıoryv Mlndwv anegvxe tmode noksog, 


tva 001 kuoi Ev EUÜWEOGUVN 1005 Eneoyousvov xheıTas neu 


im Theognis. 223 


n00 &xaröußag, Teonduervor xıdaon val Iaklng Eoarng nura- 
vov TE yogols laynol Te 00» neue Bouov. Denn bier fpricht 
offenbar der Megarenfifche Dichter Theognis (wenn gleich Die Er- 
wähnung des Perferfrieges bei Theognis chronologiſche Schwierigfer- 
ten bat, wovon ein andermal), und fo gehört ihm wohl auch das 
benachbarte Fragment, wo er geradezu zum Lebensgenuß und zur 
Verachtung der Kriegsgefahr auffordert, V. 761: Poguys 0’ ad 
FIEYyorF 1E00V uehog ndE zul avkög, nusls dE onordas Fe- 
olvıy agEOoOAuEVvoL nivonEv yaglevra wer dkknkoroı Aeyoyreg 
undsv vov Mydov deudioreg noRsuov zrA. obwohl er nicht ohne 
Beſorgniß vor der Uneinigkeit der Griechen ift, vergl, im erften 
Gedicht B. 780: 7 yao &ywye dedorz agoadinv Eooowv zur 
oracıy Eirnvov AaopIogov. Dagegen trauert der Dichter, wo 
die Eriftenz feiner Standesgenoffen auf dem Spiele fteht, wo das 
Landoolf gleiche Rechte mit den Eupatriven verlangt, und bier ta- 
delt er die Sorglofigfeit feiner Freunde, welche die Michtigfeit der 
Gefahr nicht erfennen, fondern in gewohnter Weife ihre Gelage 
feiern: darum fordert er feinen Freund auf davon abzufaffen und 
fih das Haupthaar zu fcheeren, was natürlich nicht wörtlich zu ver- 
ftehen iſt, ſondern nur ſymboliſch als Zeichen der Trauer fteht. Ich 
fefe nun, wie ich auch nur in den Addendis vorgefchlagen habe: 
AN aye dm Eyxzvri zeige zone 

oder In "yzwrii vergl, Archiloch. Fr. MAXIV.: zarınv dr’ Bun» 
Eyzvrig »exaguevos. Kallimachus bet Joh. Mer. P. 38, 20: oö 
0’ Eyavri Tervor ErEooo. Die Synizefe tft bei Theognis nicht 
eben felten, und öfter verwifcht, fo habe sch V. 574 ontdıen ayys- 
An aus Cod. O hergeftellt, womit eigentlich auch A übereinftimmt 
Onidiayyehıln, die übrigen Ondın dyyekıy. Die gewöhnfiche Les- 
art SevIa fonnte um fo Teichter entftehen, weil man vielleicht an 
die Sitte der Seytben dachte, welche Sophofles im Denom. bei 
Athen. IX. p. 410. C. andeutet Ixvgtori ZELIOUHRZTOOV Exxe- 
zaguevos. Vergl. damit außerdem Hefyih. v. Ixvsozl yeıooua- 
»zoov und Schol. Pind. Isthm. IV. 91. — Im folgenden Verſe 
babe ich eıavd Z000r für ediwdn zaoov hregeſtellt, was völlig 
unpaffend iſt, wol. damit B. 11909: zu wor xoadınv Enurufe 


294 Ueber die Kritif 


uckamvav, orte uoı Evavdeis arkoı Eyovoıy aygovg. Dagegen 
bat das mittlere Diftichon wie fo oft durch Zufammendrängen und 
Berfürzen gelitten und ift vollfommen unverftändlich ; am erjten würde 
man es noch mit dem Vorigen in Zufammenhang bringen, wenn 
man oudE rosper zugnoioıw xrA. fchreibt, indeß hier muß die 
Kritik von vorneherein auf ein ficheres Nefultat verzichten. 

So iſt gewiß noch oft eine ganze Elegie auf die wenigen Verfe 
des Anfangs und des Schluffes reducirt worden, man vergl. befon- 
ders noch V. 773—782 womit vielleicht noch V. 1—10 zu ver- 
binden, DV. 185—192%, 903—930 (denn auch bier haben wir 
offenbar zufammengehörige Bruchftüce eines Gedichtes vor uns, nur 
daß wohl vor V. 903 noch ein Diftichon voranging, wo der Dich- 
ter feinen Freund Demokles anredete.) Anderwärts ift Anfang und 
Ende des Gedichtes zwar erhalten, aber weit von einander getrennt. 
3: B. 2. 119—128: 

Xovood xıßdyk0ıo zal aoyvgov dvoyerög urn, 

Kvove, zal ESevgeiv oadıovy avdol 00opW. xTA. 
ift der Anfang einer Clegie, aus der ung auch noch andere Bruch- 
ftücfe erhalten find, dazu gehört der Schluß vielleicht felbft verkürzt 
B. 963— 970: 
Mn nor Enawrjong, noiv av eidng avrga oaymas, 
Coynv zal Gvduov zal Tgönov Öorıs av 9. 
noAror zoı zißdnhov Enix.omov 790g &yovreg 
zoUnTovo’, Evdeuevor Fvuov Epnu£gıor. 
zovrov Ö’ Zupalveı navıwg x00v0g n90g Exaorov. 
zal ya0 2yW0 yvoung noAhöv ag’ Exrog Ednv* 
EpInv alvmoas nglv 00v zara navra danvar 
neo" vov d’ 7dn vnũc ar’ Axomg dıeyw. 
Dann find ung wieder vereinzelte Liederanfänge erhalten, wie z. B. 
B 1197: 
"Oovıdog Ywrnv, [loAvnaidn, 0&v Bowons 
nx0ov0', nre Bo0TolS ayyehog 7.9 aoorov xrA. 
Bergl. auch V. 1—4. V. 11—14 u. a. m. Dover auch Schluß— 
verfe, wie 1055: 
Aha höyov uv Todro» Laoouev, avTao Euol oV 


Io 
0 
or 


im Thevgnis. 


avAsı zald Movocwv urnoöusd’ duporeon:. 
adraı Jap Tal’ Ebwrav Eykıy xeyagıousva dwga 
vol zul Euol xal unv aupınsgırriooıv. 
Nur eine Stelle will ich noch genauer befprechen, wo ebenfalls An- 
fang und Ende der Elegie erhalten zu fein fiheint, V. 783 ff.: 
"ArF0v usv yro Eymye zul € Sıreinv note yalav, 
nı$ov 0’ Evßorns dunshoev nedtor, 
Snagtnv ı’ Evdosra dovaxorgopov dykaov aorv 
xai u Epihevv no0Pg0VWS navzes Ensgyouevor. 
AAK ovrıg nor TEOWIG Eni polvag nıdEv Exsivor. 
oöTws oWöV &0’ 7v piAtspov aAko narong. 
wo alfo Die Vaterlandsliebe den Hauptinhalt des Gedichtes ausma- 
chen mochte. Daß aber jene Berfe von TIheognis felbft herrühren, 
wie die Herausgeber ohne Weiteres annehmen, ift denn doch kei— 
neswegs fiher. Daß Theognis in Sicilien ſich aufbielt, tft aller— 
dings hiftorifch gewiß, allein darauf hin ihm diefe Verſe vindieiren 
und annehmen, er habe ſich auch in Eubda und Sparta aufgehalten 
ift siel zu gewagt. Wie nun wenn die Verfe von Zenophanes her- 
rührten, der ja ebenfalls feit feiner Verbannung aus Kolophon viel- 
fah in Griechenland herumgetrieben ward, wie.er. felbft ſagt VIL: 
"Hön d’ inra ı’ Eaoı zul &önxovı” Eeviavrol 
‚BinorgiLovres Eunv peorud’ av’ "Er)ada yav- 
&x yevsıns ÖE TOT’ moav Eeirooı nevre TE no0g Tols, 
EinEg ey@ negl TovÖ’ oda Adyeın ETVLIWG. 
und in Sicilien namentlich hat fi ich Kenophans längere Zeit aufge- 
halten, vid. Diog. IX, 18: 00TOG Ernsowv zns nargidog Ev 
Zayahn tns Sızeklag dıerguße zul &v Karavn. Sch bin weit 
entfernt deshalb zu behaupten daß dieſe Verſe dem Tenophanes ge- 
hören, ich will nur. darthun, wie der Möglichkeiten mehrere find, 
- nichts unbedingt für Theognis ſpricht. Auch ſchreibt ſie Harpokration 
pP. 95 ausdrücklich dem Theognis zu ovrog d’ mv Meyaosis ano 
TWv 7005 zn "Artımn Meyaowr. avUrtog yao Ppnow ö — 
Noo yao Eywye zal eig IıneArv note yalav, © un Entt- 
ornoag IMarwv &v @ Nouwv rov £v Sırehia Meyapewv 
Muf. f. Philolog. N. 3. IH. 15 


296 Leber die Kritif 


nolınv Epaoxzev. Denn die vielen Beziehungen, welche D. Mül- 
fer und Andere auf Sparta in den Gedichten des Thevgnis finden 
wollen, kann ich nicht wahrnehmen. V. 870: 
11V olvov, Tov &uol Koougpng ano Tmüyeroro 
Aumskor yVeyzav, Tag Eyirevo' Ö yEomv 
ovpeog &v Broonoı Feoloı pılos Oeorıuog, 
&x nAaTaVIOTOVVTOg*) yuyoov vdwo Eneyov. 
tod ntvwv ano ukv yalsnag oxrsduosız usrkedwvag, 
IwonyIeis 0’ Eosar moAkov ELupgötsgog. 
führt Müller Litteraturgefh. Th. I. S. 219 Not. auf eine Elegie 
zurück, „die Theognis für einen fyartanifchen Gaſtfreund dichtete, 
der auf dem Taygetos einen Weinberg hatte.“ was ich nicht ver— 
ftehe , denn Theognis wird Doch nicht etwa wie ein Gelegenheits- 
dichter für d. h. im Namen eines Andern eine Elegie vorfaßt haben 
folfen. Es ift unmöglich, daß bier Thevgnis redet, ſelbſt wenn er 
fi eine zeitfang in Sparta ſollte aufgehalten haben, offenbar redet 
ein ın Sparta anfäffiger Dichter, ob Tyrtäus wage ich nicht zu fa- 
gen, und will dafür auch nicht etwa Aeußerlichkeiten, die ganz zu— 
fällig find, anführen, wie Tyrtäus II V. 1: Huereom Baoııyı Ie- 
odoı pw Oennöuno. Noch weniger vermag ich eine Beziehung 
auf Sparta zu entdecken V. 1086: 
Kootog zul Tlorvdevnsg, ol Ev Aazedaluorı din 
voarer' En’ Evowra zarNıo0w noraum, 
ei note Bovkevommı pl zarov, avrog Eyoıı“ 
si dE TU zelvog Euor, dic Tooov avrog Eyoı. 
Die Verſe mögen immerhin dem Thevgnis gehören, wenigſtens kehrt 
der Gedanfe in mancherlei Variationen wieder an anderen Stellen, 
welche ficher dem Theognis gehören, V. 237. 811 u. ſ. w. wenn- 
gleich dieß eine allgemein = griechifche Anficht ift, nichts dem Theo— 
gnis eigenthümliches enthält; aber aus der Amufung der Divgfuren 
folgt noch keineswegs, daß der Dichter gerade in Lacedämon weilt, 
nein er ruft die Divsfuren, als die Schußpatrone der Freundfchaft 
) Es ijt offenbar ZZAatravıoroürros als Nomen proprium zu 


fehreiben, wie ich in den Addendis bemerft habe, was, wie ich eben ehe, 
auch Oſann vermuthet Beitr. z. Litt. T. I. ©. 66. 


im Theognis. 227 


zu Zeugen an, weil er gerade von der Freundſchaft fpricht: und 
der Zufab &v Aarsdaruorı In deutet nicht fowohl auf Aufent- 
balt in Sparta, fondern vielmehr auf das Gegentheil. Am meiften 
noch ſcheint dafür zu fprechen V. 1002, wo eine everdng Aazaıva 
x00n bei Tifche aufwartet, in Verfen welche Athen. VIL. p. 310. B 
ausdrücklich dem Theognis zufchreibt, wenn nur überhaupt ſich er- 
weifen Tieße, daß Athenäus den vollftändigen Theognis gefannt, und 
nicht vielmehr unfere Sammlung benust hätte. Ebenſowenig beweift 
2. 891: | 
Ol uoı avamrıng, and ev Kyoıvdog HAwAev, 
Ankavrov Ö’ ayadov reigeraı olvonedor, 
01 Ö’ ayadol peuyovor, nölır dE xurol dıenovonr. 
os dn Kuwerdov Zevg.o1kosıe yEvog, 

wenn diefe Stelle überhaupt von Theognis herrührt, irgend eiwas 
für feinen Aufenthalt in Eubön. Wie die Reifen des Theognis, fo 
beruht auch alles übrige, was von den Lebensverhältniffen des 
Thevgnis bei den Neuern erzählt wird, auf fehr ſchwachem Grunde 
indem man alles ohne weitere Prüfung auf guten Glauben für Poe— 
fie des Theognis hinnahm. inen recht anmuthigen Roman, aber 
auch nur einen Roman, dem alle Realität abgeht, erzählt uns DO. 
Müller Litteraturgefh. T. I. ©. 215. Theognis hatte gleich in der 
erften Elfegie, deren Nefte uns V. 183—196 vorliegen, bitter den 
Untergang des Adels beffagt, der durch Verheirathung mit den Ple- 
bejern die Reinheit feines Blutes ſchände: denn Megara war ja 
früher ein oligarchifcher Staat, in den Händen weniger Adelsge— 
fhlechter, die nur durch ſolche Sonderung von dem Demos ihre Herr- 
Ichaft behaupten konnten, gerade wie ung Korinth von Herodot ges 
ſchildert wird V. 92%: Kogiwdrorsı yao nv nöhlog zuraotaoıg 
toımde* nv olıyagyin‘ zal ovroı Barzındar zarksousvor Eve- 
wov zyv nolıv  Edıdooav dE zal nyovro 2&£ @Mly)wv. Es iſt 
ein rein politiſches Intereſſe, was der Ariſtokrat Theognis daran 
nimmt, ſo viel wir aus den Ueberreſten wahrnehmen können; dabei 
mag allerdings irgend ein ſpecieller Umſtand, ein individuelles Ver— 
hältniß dem Dichter Anlaß zu jener Elegie gegeben haben, wie ja 
dieß überall der Boden der lyriſchen Poefie iſt und ſein muß; 


228 Ueber die Kritik 


wahrfcheinfich Hat gerade ein befreundeter oder verwandter Standeg- 
genoffe eine ſolche Mißheirath gefchloffen, um feine zerrütteten Ver- 
mögensverhältmffe durch die Mitgift der reichen De zu ord- 
nen, darauf deutet V. 195: 
AvTog ToL Tavrnv Eldwg zaxonargıv Eovoav 
&ig 01%0vG aysraı yonumoı neıhöuevog, 
svdoEog xax0doEov,, Enel »guTE07 wıv avayan 
evrVeı, nr’ dvdoog TAruova Iixe voor. 
denn ftatt auzog ou Tavımv ftanden gewiß beftimmte Namen, die 
der Epitomator , der alles Verfünliche- und Individuelle möglichft 
verwifcht hat, mit dem vagen Pronomen vertauſchte. Müller aber 
fhiebt dem Theognis einen ganz andern Grund unter: »Diefe Klage 
tönte gewiß in Theognis Munde um fo bitterer, da er felbft bei 
der Bewerbung um ein geliebtes Mädchen von den Eltern verfelben 
einem weit fchlechtevn d. h. unadligen Manne nachgefest worden 
wars (B. 261). Man traut faum feinen Augen, wenn man die 
angeführte Stelle vergleicht : | 
"Innos .2yo xarın zal asPın, aha xaxıorov 
avdou PEOw, zal or ToVT avınooraroy. 
nolkazı 0’ nus)inoo diagonSaoa yakıyov 
pevysıv, WoauErn TOV 20x0V NVioyon. 
Auch Welcker und Schneidewin beziehen die Stelle auf ein Mäd— 
chen, was möglich iſt, auch Fünnen die Verſe von Theognis feldft 
herrühren, aber dann laſſen fie auch eben fo gut eine andere, gleich- 
falls ſymboliſche Deutung zu, dar Roß iſt Megara, der Noffelenfer 
der Tyrann, den Theognis feiner Vaterſtadt fo oft prophezeit, wie 
V. 39 ff. 52. 108 u. a. a. St. und in nicht unähnlicher Weiſe 
fpricht der Dichter W. 845: Aa5 eni Padyum zeveopgorı, Tunte 
de zEerrow OEL, zul Leiyinv bvckoporv aupırıde. Vergl. 
Solon Ar. XXXV. 9, 18: zEvroov d’ arkog wg &0 Aaßwv xa- 
x0poRdNS TE zul pihorıruwv avjo oUx av zarloye Yvuov zUh. 
Auf feinen Fall aber kann man folche Beziehungen darin finden, 
wie Müller, der fortfährt: » Doc hatte das Mädchen mehr Sinn 
für die Standesvorrechte auf Theognis Seite: ſie haßt den ſchlech— 
ten Mann, und kommt verhüllt zu dem Dichter, mit dem leichten 


im Theognis. 229 


Sinne eines Heinen Vögleins, wie er fagt ®. 1091). Und fo 
läßt ſich noch aus einigen andern Stellen ein. Heiner Liebesroman 
zuſammenſetzen, der auf eine anziehende Weiſe in die Standesver— 
hältniſſe eingreift, und zwar auf eine ganz andere Weiſe, als man 
es gewohnt iſt, indem das Mädchen hier die Rolle übernommen hat 
die Standesehre behaupten zu wollen, nicht ſtolze und tyranniſche 
Eltern. Alles, was zu dieſer Liebesgeſchichte gehört, muß offenbar 
in einer beſondern Elegie enthalten geweſen ſein.“ Mit dieſer zwei— 
ten Stelle ſteht es aber um nichts beſſer. Denn die Worte: 
“Hdn xal nreguysooıw Enaigouaı , @OTs neTEimoV 
&x ueyahng Aveng Avdoa zarov noopVyW@V, 
Boöyov anogönsag- ou d’ Euns Yihöryrog Auaorov 
VOTEOOV Hjusreonv yvwon Enıipooovvm. 
fpricht offenbar der Dichter, d. b. der Mann zum Sünglinge, und 
avdoa zarov ift auf den Vogelfteller zu beziehen; Awweng ft. Au 
ars babe ich wohl mit Recht hergeftellt, das Masculinum 700- 
yvyov und anogönsas fteht wie gewöhnlich in der Vergleihung 
wo fie abgekürzt wird, mit Beziehung auf die Hauptperſon; ſpräche 
eine Frau, fo müßte es entweder noopvyovaa — unogonsaoa, 
oder ngoWvyov — anogorsav heißen, fo ift alfo Müllers Erffä- 
rung ſchon aus grammatifchen Gründen durchaus unftattbaft. Mül— 
ler ward durch dag avdga zaro» zu jener unrichtigen Erklärung 
verleitet, indem er V. 579 im Sinne batte: 
EyIalow xarov avdon, zahvıyarızın dE nagsıuı, 
O1UKONS 0091dog xoögpov £yovoa voov 
was aber fo wenig beweift als die Schilverung der Hetäre V. 862, 
die Müller wohl auch ins Auge gefaßt bat: 
Oi us yıloı ngodıdovoı zul oUx &IEkovor rı dovvaı 
avdg@V (A0TIWv) gpurvouevor AAR &y@ avrouarn 
goneoin U’ ESsinı xal 0007 addıg Egeiuı, 
Nuog aherıgvorwv PIoyyog EyEıgousvmn. 
Ebenſo Unficheres hat man über Kyrnus und deffen Perfünlich fe t 
bingeftellt, 3. B. er fer als Theoros nad Delphi gefandt, was man 
aus B. 805 ff. gefchloffen hat (wo übrigens zöorov zul oraguıng 
zul yrauovog ardga Fewpeiv zudvregov Nonuwn, Kügve, 


230 Ueber die Rritit 


pvAmooousvor zu fihreiben ift, was ver handſchriftlichen Ue— 
berlieferung am nächften fommt) aber Cyrnus, der junge, unerfabrne 
Geliebte des Theognis, wie er überall in diefen Gedichten gefchil- 
dert wird, der follte als Gefandter nach Delphi gefchieft fein in einem 
Auftrage, den Thevgnis felbit als Ichwierig, als Sache des Mannes 
bezeichnet, der fonft überall nur erprobten und tüchtigen Männern 
zu Theil wird, 3. B. die den Staatsgefchäften nicht fremd find, 
man vergl. nur Demofth. de falsa leg. T. 11. p. 343: odrw oyE£- 
TaIa — TOVG Ta.aInWgOVG naoysıy Dwxdas, WOTE unte ToVg 
&r 155 Boving IEwooVg une Tovg Heouoderag eig ra Ilidıa 
näuwyar, akh dnoorhnvaı Tng nurolov Hewglac. 

Aus diefen Trümmern von Elegieen, die den verfchtevdenften 
Diehtern zugebören, die vielfach umgeftaltet und des poetiſchen 
Schmuckes entfleivet find, irgend wie ein Ganzes wiederherzuſtellen 
it unmöglich, wiewohl man hie und da einen nicht ganz umwahr- 
ſcheinlichen Neftanrationsverfuch wohl wagen dürfte: fo ließe ſich 
3: B. aus einigen längeren Bruchftücen folgende Soloniſche Elegie 
berftelfen, wober ich abfichtlich unterlaffe, die etwa noch vorhandenen 
Lücken durch das Einfchieben Heinerer zweifelhafter Ueberrefte einiger- 
maßen auszufüllen : 

Zei gQike, Yavualw 08 00 yao narrsooıw avaooeıs (373) 
Tuumv avrog Eywv zal eyahnv Övvauır 
drdownwv Ö’ U 0109 viov zal Ivuov &zaorov, (375) 
00» JE #gaTog navıwv 809 ünarov, Baoıle. 
5 n@g dn oev, Koovidn, rolud voog avögug alırgovg 
Ev Tavrn uolgn ıdv TE diraov Eye, 
nv 7’ Enl 0Wpo0oOUVNV TEEPFN voog yv Te noög vßow 
ardgonwv adızoız Zoyuaoı nzeıIousrov, (350) 
oVdE Tı zExg91uEV0v no0g deiuovog Eorı Booroloıy 
10 0oWd’ 0dov Zv tusmav ddavaroıcıy adoı. 
* * * 
&unng Ö’ 04ßov Eyovorw anijuove’ told’ ano derl@» (383) 
&oywv loyovraı Ivrov, Öuwg nevinv 
untEg’ aunyaving Eiaßov, ra dizama Yihevviss, (555) 
77 dvdowv nagaysı Ivuov ES aunkaxinv, 


15 


20 


10 
or 


30 


35 


45 


im Theognis. 231 


. . E ns D 
Pkantovo’ &v 01798001 po&vas »garegng Un’ avayang“ 
rorud Ö’ oVr EFLhaov alaysa nolha geusın, 
X9nunovın kizwn, n dr zaxa nolka didaoreı, 
wevdeu T' e&anarag T’ oukousvas T' Eordug, (390) 
u J x > EN ” 
avdom xml oa EIEhovra. xaxrov ÖE 01 0VdEy Eoıner, 
N yao »al yahennv Tiere aunyarınv. 
xal Toür, adavarwv BaoıLeÜ, nos Eorı dizamov, (743) 
ce \ > x N 0, ; 
Eoywv doTıg avng Exrög Ewv udixwu 
⸗ ‚ ’ ,’ 1 ” ’ 
um Tıv' üneoßaolnv zareywv ur$ Oorov alıraov,. (745) 
> x N yı x x ar: , 
al). Öixalog ewv un va dizaa nayn; 
ns x Una E x - » 
zig dn xev Aaorog wAr.og OgW@v ng0G ToVToy , Enzıra 
cr 2 > ’ Y ’ x „ 
aloız’ EIavarovs, zul Tıva Jvuov Eywr, 
c 9 ER | u \ > ’ EZ 3 NA 
Önnor’ avno wdızog zal ATa0FaA0g, ovrs TEv avdoög 
2 ‘ — I» ’ 
0VTE TEVv uFavarwv unviv @hevouEvog, (750) 
vBgıln nAovrw xerogmusvog: oi de dizaoı 
ToUgovraı gaheın TEIgUuevo nevin; 
noAk0i ToL RAovreVoL 2a20L, ayadol de nevovrzaı (315) 
IA)’ musls aurois ou d TIER? 
GA)” muslig avrois 00 dinusıyousdu 
- F} » \ — > J J \ 72 a 
TS EgETNS ToV nAoVToV, Enel TO uEv Eunedov ale, 
’ ’ 2 u 22 
xonuara Ö' avd3ownwv allore arkog Eyeır 
ER a ‚ N x x 
zonua Ö’ 0 usv ı09eV zul ovv dlan ardgi yErnrur (197) 
x0l xuF0gWg , aleı naguovıuov TErLEFE. 
b) » 207 x x BEIN rs Ss 
& 0’ adıxwg na0R xuıg0v avno Yihozsgdei Yvum 
‘ vg» c ⸗ \ x — c ’ 
KTHOETaL, EB 09xW nag 10 Öıizarav ehwv, (200) 
[4 ’ v — 2* x x 
avrıza uEv Tı pEgsıv wEodos dozel, E; de TeAevınv 
67 ⸗ ⸗ — > c ‚ r 
audıg Eyerıo zaxov,, Yewv Ö’ vneg£oye voog. 
arıa ud” avdgwnapy dnarz voor. 0V yag En’ aaTov 
Tivovraı uuzaoss noryuorog vunkaziac. 
} \ E77 \ ’ a S\ ‘ — 
ahh 6, Ey aÜTOg Erios 2020V yasog, 05 de pikoroıv (2053) 
” »u N J 2 ’ 
aTnv ESONIOW TIRLOLV EITERGEUMGEN , 
De ’ > ’ ww) ’ x 2 
avrov Ö' 0v zarguapıye dizn? Favarog yag awaudng 
nvogdev Eni Bhepanoız Elsro 2790 PEgwv. 
Zei nareo, eidı yEvoıro FJeolg piha Toig uev alırools (731) 
U er ’ ad ’ ’ 
vßoıw Gdelv, #01 opıv TOUTO yEvoıro yı.ov 


932 Leber die Aritif 


Ivum, oyfrkıa &oya usta pyeolv dortıg dImons 
50  £oyaloızo, Jewv under’ omıluuevog, 
avToV Ensıra nakıy ıloaı zaza, unde T’ onloow - (735) 
nuroos draodarlaı nat yEvoıyıo xax0v. 
naldes 3, oiT’ adızov nurgög ta diraıa vozdyreg 
noıworw, Koovidn, 00V z0Aov alouevor, 
55 EE aoyis Ta dixaa wer’ aoroloıw gpiheovreg, 
un Tv üneoßaoınv avrırivsıv nategwv (740) 
tavT’ Ein uaxa0s001ı YEols piha* viv Ö’ 0 usw Eodwv 
Erpeuysı, TO xux0v Ö' aAkog Ensıta pEgei. 
Ich fagte, eine Solonifche Elegie, nicht etwa deßhalb weil ich 
ein Bruchſtück VB. 31—54 (V. 315— 318 der gewöhnlichen Samm— 
Yung) was anerfanntermaßen dem Solon gehört (ſiehe Fr. AVI) 
bier untergebracht habe, fundern weil in ſämmtlichen Bruchftüden, 
die ich hier aneinander gereiht habe, ſich ein ganz anderer Geift 
ausfpricht als wir fonft bei Theognis zu finden gewohnt find: es 
tritt uns bier ein Ernſt der Weltanſchauung, eine Tiefe des fittli- 
hen Bewußtfeinsg entgegen, wie wir fie bei Solon vornehmlich, 
wahrnehmen: ja es ftimmen die hier ausgefprochenen Gedanfen auf 
das überrafchendfte überein mit der Soloniſchen Elegie All: man 
vergleiche 3. B. mit der bier V. 35 ff. ausgefprochenen Betrachtung 
B. 9 ff. der eben genannten Splonifchen Elegie 
Ilkovrog 0’, 0v uEv dwoı Heor, nagayivsrar avdgl 
Zunsdog 8% vearov nvduLvog Elg 200vPpnV. 
du d’ avdoss ueriworw Öp’ VPgLoG, OV. xark x00410V 
doyerar, AAN adixoıg Eoyuacı neıFousvog 
oUx 2IEOV Eneraı, tayEwg d’ dvanloysıar arm arı. 
Ferner mit der Anficht von der Beftrafung des Böſen B. 10—58 
vergleiche man jene Elegie V. 25: 
Towwvrn Zmvög neheraı rioıg, od’ &p’ EXCOTO , 
@gnE0 Iynrog avno, yiveraı 68UY0A0G. 
aleı Ö’ ou & Adımde diaunmsosg , orig dkıryov 
Ivuov Eysı, navıwg Ö’ &g TEelog Egeparn! 
GAR 6 usv adrık Erioev, 6 d’ Vorsgov' nv dE puywoır 


avrol, unte Hewv uolo' EntovVoa Kiyn, 


im Theognis. 233 


nAv9s navıwg avre‘ xul Ayrıra &oya TIivovoıv 
n naldes Tovrwv n yevog ESoniow. 
und außerdem Solon II. V. 14 ff. Jene Uebereinftimmung läßt 
fich felbft bis ins Einzelne der Dietion nachweifen, 3. B. 2. 8 
ardownwv adızoıg Eoyuaoı neıdousrwv ganz ebenfo bei Solon 
I. 8. 11 und Xil. V. 12, 


Schluß folgt. 


Spicilegium Epigrammalum Grae- 
corum. 


1; 
Styinv INaosevonng tdıog yausıng Enolnoev 
JAalvus, akoyw Toüro yagılöusvog. 

Athenis desceripsi in stoa, quam dicunt, Hadriani (Cala- 
logi generalis n. 3575). Edidit L. Rossius in Ed. Gerhardi 
Ephem. archaeolog. 1843 p. 112, qui EMOHCEN legit et 
AAINHC. Sculptoris incuria CTHAAHN et A1A0OXO 
scriptum est et in ILAPONOTFHC omissa vocalis &. Uxoris 
elfigies, sacerdotis Isiacae ornalu, in stele maiore sculpta 
est, titulo supra scripto. Arlificem fuisse maritum non dixe- 
rim, quum zoo de cippis saepe, ul Romanorum facere, 
curam et impensam significet, quo speclare videlur gagılous- 
vos. In exemplum huius usus verbi now multa congessi in 
L. Zimmermanni Diario Scholast. 1830 p. 603. 


2; 
Eoopis. 
Tnroö nargıdog 000° &Iuvov xAeıvals Ev Adnvaıg 
"Eoons, yroroloıy naoı kınoloa noFor. 

Alhenis inventum 1540 m. Martio: v. L. Ross. Bullett. 
di corrispond. archeolog. 1541 p. 55. In Ephem. archaeol. 
Atheniensi n. 359 p. 302 editum est ws EIavov et naoı Alnog 
dnosovoa. Sic isti legunt inscripliones Graecas. Literae enim 
hae sunt: TH AOTIATPIAOSOE — EPSHISTN2TOISIN- 
J1LAZIAITIOZAILOOON. “Esonis, ab "Eyon. Rossius au- 
tem nescio quid velit, cum dicat nomen defunclae omissum 
esse. Inscriptio est quarli ante Christum sacenli. 


Spicilegium Epigrammatum Graecorum. 255 


« Kr 
Evdads yn xartyeı rirdnv naldwv Jroysitov 
&x Ilskonovvjoov ınvds dizmorurme. 
Meakiya Kudnoie. 

Athenis in stele marmorea cum imagine Cytheriae Ma- 
lachae, cuius caput solum superest. Cytheriae nomen ad pa- 
triam, Cytheren insulam , par est referri, quum &* IleAonov- 
vroov ad ipsam, non ad dominum perlinere videatur. "Epnusg. 
doyaror. Vol. I p. 229 n. 273. Nutrices autem ex Sparta 
peti solitas diseimus ex Plutarcho Lycurg. 16. Rossius Butlet- 
tino 1841 p. 56 eliam. hos versus quarto seculo vel lertii 
inilio scriptos esse censet, et metaplasmi genus, quale est 
roysitov pro Jıoyeitovog, eliam in aliis marmoribus inveniri 
ail. urn dizaoraın, ut Syll. Epigr. Gr. n. 61 yaige dixutog 
wv, Bullett. 1843 p. 136 zoror: zul dixare Ilargwv yaige. 
urnua dixaroovrng huius Musei T. I p. 203 n. 4. 


4. 
Xaipoıte. 

Sulwv Erdad’ &yw xeluar, 

Swlorv , xAelvog avo[ er] in’ avdgaoı ToLol Te TupdEls, 

xal Uno navıwv Avdowv Erdızlag vuxrtög TETUYNKWG. 

Hv yag En xauol enta Te nal elxoot. 

Athenis in horto Angeli Gerontis. Inscriptio a lapicida 
composita et in aliguam metri formam redacta videtur. Ae— 
tatem seriorem produnt etiam lilterae a lithographo depictae 
in Ephem. archaeol. n. 594 p. 427. Quam maxime mirum est 
yao in fine, neque minus K4MOI, V. 3 vvxrög pro caede 
in illa nocte peracta. Hexameter polerat scribi omisso @v- 
dowv. V. 2 avwdev posui, quum olyın sculpta sit AN? ; 
forma © octies in aliis vocabulis extat. Editor Graecus ex 
his tribus litteris facit rıo’v. In zoıo. male producitur voca- 
lis. V. AENMTATEKAIK, ut in L. Rossii Inscriptionibus 
n. 151 v. 2 hexameter exit AYKABANTAZM, kvxaßavıaz 
7E0060u«xovr«. Penlametrum igitur sibi visus est facere pes- 


236 Spicilegium 


simus versificator. Exterum hominem fuisse Sozontem, inde 
liquet, quod non additum est patris nomen. 


5. 


Svvvadsvg Ieoanov AmolAavioc ev$ude Mooyov 

kun ©no oTnAn xErkiuar WrUU0g0G* 

nv nagloıg eupnuog ae, Keve, und’ Emil Avun 

zeloa Pakoıs: pIıusvwov Bxvrarn vEueoig. 

In Piraeo, in domo privata, cum facie Apollonii, male scul- 
pta , ita ut tıtulus tertium seculum post Chr. non videatur an- 
tecedere. Edidit L. Rossius in Gerhardi Ephemeride archaeol. 
1543 Iul. p. 124. In Svvvadevg melri caussa producla, in 
"Anoikwrıog correpla est syllaba secunda. Ceterum iunge $e- 
ouanov Maoyov. V. 2 AEITH et CTHAAH. 


6. 

Thebis in ecclesia diruta $. Lucae sarcophagus extat 
praegrandis et ornatu quodam sculpturae singularis, qui for- 
lasse non antiquus est, sed eo tempore addiius, quo in illo 
Sancli corpus condilum primum ferebatur. Epitaphium decem 
hexametrorum inde reporlatum a Sponio post multos alios 
Boeckhius edidit in €. I. n. 1656. In opposito autem huius 
arcae latere duae aliae extant inscripliones, quarum ne men- 
lionem quidem video factam praeterquam a Clarkio, qui sar- 
cophagum dat delineatum T. II Sect. 3 p. 57 ed. maioris. 
Upon the north side of the same soros there is also an in- 
scription, but the butiress of one of the arched niches of the 
altar of the chapel has been erected against it, in such a 
manner as to leave only a few of the characters visible. 
Praecedunt decem (hie quoque) hexamelri, quorum minima 
pars nunc legi potest, adeo detritum et laceralum est mar- 
mor. Sequuntur, lineola interposita separati, id quod nus- 
quam praeterea vidi,. octo iambi, quinque versibus perscripli. 
Haec ego raptim deseripsi, dum Henzenus meus deseribendo 
epigrammate, quod dudum editum esse non certo meminera- 
mus, et quod hodie minus integrum est quam vidit Sponius, 


Epigrammatum Graecorum. 237 


suam mihi praestabat operam. Et hexametrorum fragmenlis 
alius fortasse verba quaedam adiiciet, quem minus quam nos 
tunc teneat tantarum rerum memoria, coeli Graeci serenitas, 
situs loci, in quo fuit olim Ismenion, vicinae Dirces, tumuli 
non longinqui Argivorum in altero bello Thebano eaesorum 
prope Glisantem «desiderium. 
JJ 
vndvuov Unvov Eyovıa a . . . HVoLg TE nagovra- 
Öv Önuog zavon oregam . 2. nn. 
En 


BEBERET- Ps ea 


or 


Zwoiluog viog Eygaye, TO YO T . 2.0. 
a ENWARNERFIEETER AI LTE 
"Doris H’av Torua HeoIaı vervv Eis Zus vndiv, 

zwgls Tod naudög nareoog, 0v E4w xara yaoTgog, 


10 dwosı ide nos zal ro zaulı]lew. AN. MYPIA. 


Ilhnong 6 psorog &ori wor, zalög Eye, 

xeltaı yag vnduv eig Eunv ’Ayndvuog, 

»a# tovde naıdog mals yeyas Avmdvuog, 

Toro de naudog vov naıno 6 Zworuog. 
‚5. Moaıv $eov zig wor dorw xal ovvpvorwy- 

av yao Syn tıs eig avorkıv znv Eumv, 

und &hnidwv dvarıo, un zexvov 0710005, 

AfAR] &% yEvovg 0A0ıTo nav dorcw yEvog. 
In iambis nihil emendandum erat nisi v. 7 OMAYTO, si 
recie vidi, et v. 8 OPIZw, ubi praeterea- legitur ETTE- 
NOYC. Loquitur sarcophagus, in cuius ventrem (vndvv, ya- 
orega) deposili sunt Anedymus, nepos eius Anedymus, deni- 
que huius pater Zosimus, quo mortuo addili sunt iambi, quum 
hexametri vivente adhuc Zosimo inscripti fuerint, cui desti- 
nalur sepultura in hac arca v. 9. Eo autem tempore, quo 
Zosimus filius (v. 6) patrem sepeliret, ipsius filius iam condi- 
tus erat, quod liquet ex v. 10. Atque hoc confirmatur tertio 
epigrammate prius edito (quod in lacobsii Appendice legitur 


238 Spieilegium. 


n. 200), vel potius primo ideoque anterius arcae latus occu- 
pante. In hoc enim Zosimus paler et Ada& Italica maler 
deflent flium Nedymum. Mirum autem est, hie Nydvuov ap- 
pellari, qui in iambis bis vocatur ’Arndvuog. Ceterum eodem 
modo saepe, ut infra n. 25, parentes, filium dum condunt, 
idem sibi sepulerum constituunt, alium inferri vetanles. 


1: 


Soinıziov Laxoooıo Avyoa nals Er$a|de velıaı) 
Kjeikıruyn, IV Erwv nAnoauern der[adus. 

In ecclesia S. Lucae, ad pedem montis Pyrgarthis, qui 
nunc dieitur, in quo sita fuit Ascra, in lapide quadralo. De- 
seripsit H. N. Ulrichs. 

8. 


Ev$ade Iornoov Kaıpwven, yahxeolr]eyvnv, 
Aldmyod Öfans]dov Tov pikıov zalreyler. 

Avr’ Wöiag nargıldog yJag Einn]veoev evdalds vareır, 

talg ikagals alleı 7001 Teonouevog.] 

Non longe a ruderibus et fontibus calidis Aedepsi, in 
eccelesia diruta prope vicum Lipson, in tabula marmorea , lit- 
teris imperii Romani tempora prodentlibus. Desecripsit et sup- 
plevit Ulrichs. Nomen Swr7005 v. Syll. Epigr. Gr. n. 27. 

9, 
"Anerovgıos ASe|ue]ousvov gaioe. 

’Ejvda[de para za]u[öjvr«, rov ESoyov Ev nganideooıw 
Ejö[Bo][as Eoarlas, ade »Ersvde xovıS, 

2]o9A0» [eoög dorol]; Anarovgıov, ov 9" Exadnuov 
KEjoyaı zali nıvvro]s uidog ein]aykuioer. 

5 IloPAa 00 u|iv Asıd]ov nagıdı, Zeve, dargva xardois, 

oVy öoin x[eveag r|wdE veusıv yagıraz 

ar]ıa noo|daxov]oag. dvouarıvrov Evvene yaloEıy, 

roũ]to nupfar zeVdo]lg Evvov aueıßoueros. 

Kovugpe] ont xölvıs @0’j "Erepnvogis HoTem #0UNTOL, 


3. \ a er 0 
10 nvpvns [yow]s, elvenu Owpooouvag. 


Epigrammatum Graecorum. 239 


AIATOYPIOE 
44..PMENOY 
XAIPE 
. N9A....M.NTATONEZSOXONENIPAIIIAEZSIN 
In N: An ASZAAEKEKEYOEKONIE 
BOAON:. rei ZAMNATOYPIONONOEKAAHMOY 
BEA Yr at SMYOOSE.: AT AAIZEN. 
ER QNI APIOIZENEJAKPYAKANOOIS 
OYXO2ZIHL. «ij... QIAENEMEINXAPITAZ 
IEIANMPO.::..: ZA2SONOMAKAYTONENNETIEX AIPELN 
SW IRAPr.. SSYNONAMEIBOMENOSE 


22. 201K0....EAEDHNOPISOSTEAKPYILTOI 
„.@®YH2 ..,. SEINEKAZ2DPOSYNAZ 

Aihenis cum sequenti annolalione ad me misit paucos 
menses ante mortem infelicissimam idem, cui duo epigram- 
mata praecedenlia debentur , Vir egregius. nobisque dum in 
vivis eral amieissimus , doctrina is et ingenio, moribus atque 
animo praestiantissimus, et cuius merita et virlutes vel Graeci 
agnoscebant, antequam nova potestas, repentina vi exorla, 
inde incepit, quo alia imperia post feliciora tempora lapsa 
sunt , ut exturbarent professores. 

Obige Schrift steht auf einer weissen Marmorplatte , die 
mit einem einfachen Giebel verziert ist und früher eine der 
Treppenstufen eines Hauses in Chaleis bildete. Jetzt ist sie 
ausgehoben und im Besitz meines Freundes, des Obristlieu- 
tenants Fabricius. Die Züge der Buchstaben sind mit Aus- 
nahme der dreizeiligen Ueberschrift klein, ungleich und nach- 
lässig. Von dem Namen der zweiten Zeile sind zwei Buch- 
staben durch ein eingegrabenes Loch weggefallen. Eine an- 
dere Zerstörung hat das Epigramm selbst dadurch erlitten, 
dass von der dritten Zeile. an eine senkrechte Rille einge- 
hauen ist, welche acht Zeilen durchschneidet. Ausserdem 
sind die Anfänge der Zeilen sehr verwischt und schwer zu 
lesen. Alles, was erkenntlich war, habe ich mit Genauigkeit 


240 Spieilegium 


abgeschrieben und darauf eine Ergänzung versucht, die ihren 
Zweck erreicht hat, wenn der Sinn einigermassen getroffen 
scheint. Die lückenhaften Anfänge habe ich mit je zwölf bis 
fünfzehn Buchstaben ergänzt; nur die letzte Zeile wollte sich 
nicht fügen und gab immer zu wenig Buchstaben. Es lässt 
sich indess annehmen, dass hier irgend eine schadhafte Stelle 
im Stein übersprungen werden musste, oder man könnte, um 
die Buchstabenzahl gleich zu machen, die beiden letzten Verse 
folgendermassen lesen: 

“Hows , 001 »oıLas ’Elepnvogis 00TE8 xgunto 

nöpvrs, ueyahas elvera OWpg00VVaG. 

Der Name des Vaters lässt sich nicht anders als Sauaouesvos 
lesen, wie bei Pausanias V, 13 $. 4 ein alter Eretriensischer 
Fischer heisst. Unsere Inschrift mag nach den Schriftzügen 
zu urtheilen in oder gegen die römische Zeit fallen. Das 
Wort ’Erepyvoois ist als Adjectiv zu fassen und kann dichte- 
risch füglich so viel als Euböisch bedeuten, wie Theseisch so 
viel als Attisch u. dgl. Elephenor war bekanntlich der Heer- 
führer der Euböer gegen Troja. 


10: 
[H nöAıs] Tnv o8uvor@rnv zei eüyeveoriınv Hodzıeıey Teioausvoü 
nega 17 dyıwıdın Oodir Aprewmdı ÄÜdovoaro, aperys naons zei 
OWpg00VynS zai Elosßeias Evexa, ng0o0desautvov 10 dvdhoue 1oÜ 
ng00Yıleordrov dvdoos alrjs Mco. Aug. Evruyıeyoö zo |[Evrv- 
xıavoü.] 


2 ‚ ’ E \ x 
Akınv Ilmvelonsıav Eyeivaro zvdallun yYwv 
Inaorn, Tiouusvov Feoneolov Fuyarga. 
’ - ” ER ed \ ’ > \ 
Ton untıv Env nd’ ndea xal voov EOd)0V 
eoya 7 Asnvalng ndE o@opgooVUrnV. 
Tavrn zo yEvog Eoyeg Eryrvuorv, Hoazxısıo, 
Hoaxkeovg, Doißov, noog de v’ [Orv]ufaıa]dor' 
01.08 zar[oıyowernv &]owıoıw avnosiyalrd] ais, 


avroxasıyı[nınv] Faxov Es &0v [HEuevoı]. 


Epigrammatum Graecorum. 241 


Sparlae. V. L. Rossii Iter Peloponnesiacum (Reisen und 
Reiserouten in Griechenland) T. I p. 21—24. Comparanlur 
feminae cum Penelope non modo Spartae (Corp. Inscr. n. 1409. 
1447), sed in Italia quoque, in Sylloge nostra n, 56. Quod 
Penelopen retulit Heraclea mente, moribus, animi candore, 
Palladia arte (nam cum Pallade ipsa non comparatur), mode- 
stia, „desshalb (ravrn), ut verbis utar amicissimi interpretis, 
erkennt der Dichter seiner Heldin, auf ihren Namen anspie- 
lend, gegründeten Anspruch zu auf Verwandtschaft mit He- 
rakles, Phoebos und den Bewohnerinnen des Olymp.“ At 
neque Penelope ipsa, neque Heraclea ut Spartana mulier, pa- 
riter alque Penelope, genere aliquid commune habebat cum 
Hercule, Phoebo, Olympicis deabus. Nil igitur restat quam 
ut adulatione prorsus inepta y&vog &ryruuov dici statuamus pro- 
pinquitatem communione coeli comprobatam, quo evecta_diei- 
tur Heraclea, per anticipationem igitur eius, quod sequitur et 
quod etiam alia illius aetatis epitaphia exhibent, inter deos 
defunctum aliquem sublatum esse. V. Syll. Ep. Gr. p.29. Quia 
altera Penelope erat, post mortem a diis ad sedes suas effer- 
tur et inter deos tanquam dea versabitur. Avienus de se ad 
deam Nortiam v. 9: 

Ibis in optatas sedes, nam Iupiter aethram 

pandit, Feste, tibi , candidus ut venias. 

Iamque venis, tendit dextras chorus inde deorum, 

et toto tibi iam plauditur ecce polo. 
Cf. Wernsd. Poet. min. V, 3 p. 1311. 
11. 

"Avdoa oopov Movoaıoı zereiusvov, 209h0v Eraioov 

naoı plhoıs, ayadW zomoausvov Bıorw, 

Eioyvaıov £öezto, narong Meoonnidog ovra, 

Zvoog. 

In. Syro, ubi in urbis Museo vidi. Post alios edidit 
Boeckhius in Corp. Inser. Graec. T. I p. 1062 n. 2347 p. Pes- 
sime habitus est titulus in Ephem. archaeol. p. 387 n. 509. 
Meoonnis seu Meoonig est Cos. 

Muf. f. Philolog. N. 3. IU. 16 


242 Spieilegium 


12 


-. 


Xonorod Teyvavog uynua tov Dovyog rode, 
Os vov noseivog yEyove Tols Ev an noAtı, 

Corp. Inser. Gr. Vol. II p. 1046 n. 2322 42, ubi Boeckhius 
haec: „In cippo marmoris candidi a. 1829 reperto, quem Sa- 
lamini tribuit Pittacus : sed reliqui tituli, qui in ea parte sche- 
darum scripti sunt, omnes Deliaci sunt sive ex Rhenea allati, 
ac nihilo minus ab illo partim Salamine inventi esse tradun- 
tur. OQuare hunc quoque in Rheneae monumentis refero.* 
Teyvav, ul Ilaroueowv, contraclum ut Arruav. @ovE pro 
servo dielum. 


13. 


Tov veov öyra, Yikoı, Intioate zal »adıdorres 

zuvBov Euov W j0wv Övoualere, © gilE, zul 00 
2oyoue[v]o[s] nao’ 650 000 piRov Ovra vocı 
naoı ÖE yalgs AEyw Toloı nW0EOKDUEVOLG. 

In Amorgo insula. L. Rossii Inser. Gr. ined. Athenis 
1842 p. 31 n. 125 „Cippus quadratus, in casa sacerdolis, 
litteris pessimae formae negligenter inscriptus. Epigramma 
et invenusium el insulsum — cuius sensum (siquidem sensus 
inest) non satis expedio.“ Ita Rossius, dum v. 3 supplet &o- 
xduevov. Elegans autem polius est epigramma. Opponitur 
enim amicus dilectus amicis, quales solent esse multi: horum 
se commendat memoriae , sepulcrum suum uli visilent rogat, 
amicum quoliescunque praeteriens ad viam illud conspiciat 
amoris sui meminisse, omnes, etiam quos amicos compellare 
non possit, valere iubet. V. 1 K40I1J0ONTES, ex usu se- 
rioris aetatis. Ex MEIKPAINA Rossi acumen elicuit IME- 
HPWAN, quum inscriplio antecedens ex iisdem ruderibus 
protracta formam praebeat HPOAN. Male incisum est eliam 
ONOMAZETEI. Pro TOI autem fortasse extat Z0I. La- 
tinilatem sapil yeioe AEyw PTO yaroeın. 


Epigrammatum Graecorum. 245 


14. 


H novaoiorn Inovön Evdade zelunı Erwv zu. 

In eadem insula ap. Rossium p. 55 n. 132. Litleras nu- 
merales tanquam litteras pronunlialas et in versum coaclas 
habes infra n. 27 et in Sylloge nostra p. 106 n. 73: oo 
En n)roug, ngog rovroıg unv Eßiov «, in senario ibi ex- 
scripto, praeterea in titulo Valicano inter Osanni Inscriplio- 
nes p. 443: Ylızlag roısing za umav d &vdade zelraı, 
Snovdn nomen novum, sed ex classe satis frequente, de quo 
v. Syll. Epigr. Gr. ad ep. 44 (ubi quod dixi Teyva esse nomen 
proprium, confirmat Teyvn Avda, C. I. n. 2542) et Papeus in 
Onomatologico p. 2 d. Similia sunt etiam “YA, Hippoer. Epidem, 
IV p. 535 Kuhn. Iogpooovvn, Aıxaıoovon et ’dosrn, nomina 
filiarum Dionysii maioris, Plut. de fort. Alex. II, ’EinYs, Rufin, 
ep. 25, Ditia, Phila, Osann. Syll. Inscr, p. 221, 575, 405% 
(Draovia) ib. p. 463, "Ouovora, Tacobs. Append. n. 210, Ei- 
osoıg, Fabreit. p. 465 n. 100, Teveoıs, Plutarch, Symp. p. 
178 b, Genesis, Grut. p. 602, 9, Sıyn, meretrix ap. Athen. 
XI p. 583 e, Euplia (EvnAoca), Grut. p. 723, 4, Telete 
(Hateria), Anthol. Lat. II p. 181.n. 1521 ed, H. Meyer, “4ßoo- 
ovvn infra n. 23 et ©.I.n. 2223. Evnogra, Venetiis, Thiersch. 
Reisen in Italien 1 p. 267, Jloırızn,. Mnyavn, Asonorie, 
Ross. Inser. n. 220, Thymele Paleque, Sidon. Ap. Carm, IX, 
13, Palaestra, Felicitas, Pietas, Hilaritas, O. Jahn. Spec. epigr. 
p. 97, Rariora sunt masculina et neulra, ul 45906, Syll. 
Epigr, n. 28, Tauog, Lueill. ep. 24, OaARog, 


15, 


ER RE . , daxgv[yaong 
aonasag 6’ 'Aldas 0av Euagavev üxuav' 
ovyx&yvraı yeverag de Tloosıdınnog, xAvToV Eovog 
Cakwrov nevyag Deoosgüvag Iahanoız, 
aorıyvovv, yovewv Einlda Ynoahenv. 
In Co insula , in veteris urbis acropoli. Rossi Inscript. 
I p. 59 n. 174, ex schedis Helpmani, unde nuper etiam in 


244 Spieilegium 


Anglia et quas Rossius habet et viginti tres aliae inscripliones 
editae sunt, v. Transaclions of the R. society .of literature. 
Second. Series Vol. I 1843 p. 254 n. 30 cf. p. 17. Primum 
versum , quum in quatuor sequentibus ne una quidem litterula 
‘ dubia sit, iusto mireris adeo perverse descriptum esse ut 
difficulter vel omnino non possit extricari: OXAJOTAAI.. 
HPSASTSTOAEAAKPY. Pentamelrum tamen .inesse et 
litterarum et versuum, quales in lapide insculpti sunt, inter se 
comparatorum ratio docet. V. ultimo Rossius emendavit yn- 
ourEwv, quod non probo. 


16. 


"Agreuidwgos Elapivp zai Znoow Tois Ederyois uyeids yagıy. 


Tnde zarapdındvovg didvnovg dvo Pwrag agiorovg 
‘ Eiaoıvov zuvßog zal Inögov Eis Layer‘ 
‚Narolg ö” Hoaxısıa, zal Agreuidwgog ö Tevkag 
Aalvov dugoreoos Bwuov ÜnsgIe Tayov. 
Pydnae, ubi nunc Kitro, in Macedonia. Ex Leakii Itin. 
Graec. septentr. 'repeliit Boeckhius in Corp. Inser. Vol. II p. 
989 n. 1957 b. 


17. 
ZuBplioy Zrepdvor. 
’EpIaosng , Övorave, tuyng InlAnjunoı, za oev 
navıa hEhEImT” Gyerig, 0lg Enıtovyölus]$a , 
7905, vovg, azun- Movoaı dE 0’ [aelı[ö]elu]lev Hueiv 
— vovi Yonvohoyovor, Takav. 

uoregı nEvdog Epvs, Auna narol* [oila de devdoov 

zhov [vü]v Eriao9ng Ev]dgouog eis Alduv, 

Sußßiov* ahh 2orw o0l Ö müs xovgyols] Ardols, ee [yle 

naoı na00g Lowv 75 o[Ü] moognwörarog. 

In Taurica Chersoneso vel vicinia repertus titulus , quem 
ex schedis ad se missis edidit Fr. Graefius in Epistola erit. ad 
God. Hermannum. in Act. Acad. Petropol. 1845 Ser. VI Vol.VIp. 
3—10, Boeckhius in C. I. Gr. Vol. Ip. 1003 n. 2113 ©. „Seriptus 


"Or 


Epigrammatum Graecorum. 245 


ille est in cippo sepulchrali, qui fastigio instructus est duabus 
columnis suffulto; inter columnas stat vir modice barbatus 
-capite nudo, dextra demissa partem pallii levans, 'sinistra vo- 
lumen tenens: huic ad.dextram adstat puerulus, manibus su- 
per ventre compr>ssis.“ Lacunas explevit Graefius. PS7777111077 
ap. Boeckhium n. 2150, 57 est Saußiov,. Vs. 2: „sententia 
st: Omnes virtutis dotes, quas habueras, reliquisti ;ob quae 
a te iam relicta dolore conficimur* V. 4 activum reonovoaı, 
V. 6 &udoowos adiectivum nove dicta sunt. V. 7 formam 
rr900nV0rarog illius plagae Graecitati corruptae tribuunt edito- 
res. V. 4 NYNEI , emendant vov oe: sed displicet repeli- 
tum o& 
18. 
Xarooıg, © nugodira, Tuung eioazovoov &uslo. 
ovvoua dn Thvziav Eoooüg Eu: nuoFEvov odoar 
zyv Ö’ a9’ &umv vedınta naryo Ilaldeowg Eveyauıyer 
zal untno Thvxia zaı euer: ö aleApös, 
5 untowsg Mugxos zul Neizvg‘ ai dE TE uaulaı 
Tıuoyevis al Puyn Tyv Eyyovov Eriunoav... nV ounore 
nArıoa Tim. 
’Erovs 059 unvog Alov. 
In oppido Kula prope Sardes apud Eliam Savo Bodrolu. 
Supra sculpta est virgo, dextra florem, sinistra sudarium te- 
nens, slans in porticu distylo. Minusculis tantum edidit 
Boeckhius C. I. n. 3440; qua de caussa appono apographum 
I. R. Steuarti Neapoli ab ipso acceplum, quod habebam etiam 
antea, quum H. P. Borrell, Vir numismatices Graecae insigni- 
ter peritus, Smyrnae amplius viginli annos degens, qui eo 
usus fuerat, Syllogen suam inseriplionum, duobus voluminibus 
a se conscriplam , mihi., ul iter faciens excerperem, commi- 
sisset. Forma littierae 2 est ut €. I. n. 3318. | 
XAIPOS2ILAPOIEITATEIMHE 
IEAKOYSONEMEIOSJOYNO 
MAAHTAY.. ANESOPASEMEITAP 


246 . Spicilegium 


OENONOYZSA.QJ THNAAPEMHN 

NEOTHTANATHPN. . AEPQZENE 

IPAPENG/ KAIMHTHPTAYKIAKAI 

TEIMOTENH3OAAIEADOFSK/ MHIL 

QONESMAFPKOSKAINEIKYZSEAETE 

MA. MA .<&/ TEMOTENISKAIYXH 

THANEITONONETEIMHSANTEMENHN 

OYTIOTEHATLISATEIMHN. 

ETOYZISQOMAAEIOY. PI 

V. 2 .Boeckh. de we. V. 5. In MHN2NEZ inesse vi- 
detur MHTP2E2. Amicorum Steuarti aliquis coniiciebat 
J1AILIIONEZ (pro nannoı). Certe falsum videtur quod ex 
Keppelii Itinerario habet Boeckhius Mrioves. EAETEMAM- 
ME, ila ul eliam Jledeowog v. 3 pronuncialum esse liqueat. 
V. 6. Boeckh. Zusv, quod &u& esse putal; at in lapide est 
TENIEN. Annus est 299 (Boeckhii verba sunt), mensis 
primus; igitur est annus ab u. c. 1021 vel 1022, p. Chr. 268 
vel 269. Sed diei eliam nota adiecla est. 


19. 
lloiewv Meveuvdıog noAstıng, Enıpavov 
Ilovuvnooswv Te zul oopwv Korıacwr, 
Hoenzog yevousvog Zwrixod, Acwvidns, 
Popaso #AyIels, ravra Toig pihoıg Aeyw 
nallov, TOVpmo0V , [700v* anodavelv oE dei. 
HOAE2NMENE 
MYAIOSIIOAEITH>Z 
ENI®AN2NIPY 
MNHZZSERNTEK AI 
SODA2NKOTLA 
E2NOPEITOF 
TENOMENOSZATI 
KOYAE2NIAH>ITFO 
DAZOKAHOEIS 
TAYTATOISDLAOIE 


Epigrammatum Graccorum. 247 


AET2ILAIZONTPYO®H 
SONZHZONAILO 
OANEINZSEAEI 

- ÖEONEOIOPXHSAI 

In ara sepulcrali, in vico Kutaieh, in templo Turcarum. 
Deseripsit et aliquando edet, uli speramus, cum aliis inscri- 
ptionibus ex itinere Asiatico.reportatis I. R. Steuartus. Forma 
litterae A est A, 2 ut n. 19: aliquolies lilterae, ut NE, 
TE, THE, NTP, ligatae sunt. Urbs Meveuvdız  prorsus 
ignota esse videtur, ut ex hoc titulo geographia vetus augeri 
possit. Ilovurnooos, urbs Phrygiae, memoralur a Pausania 
V, 21, 11. Aliam in Caria novit Stephanus Byzantinus, qui 
Ilovuvnoiav dieit, elhnicum Ilovumnorsvg: PopaSog, nam F 
pronuntiando exleritur, wopa&, wogwdns, est nagwvvnov 
sive &nwvvuıor. Kin9ers, pro vulgari Enızarovusvog, ut ap. 
Suidam Zenodotus iunior 6 &v aoret «Anders. Homo autem, 
qui a tribus urbibus civitate donatus esset, histrio sive mimus 
fuisse videtur, eoque referas quae infra iambos , quamvis 
corrupta, leguntur. Tum autem Josnrog hic, ut eliam aliis in 
locis, non est verna or#0rToa@pz<s, servilis conditionis. Menan- 
der in sententiis singularibus 452: Ilorro ovy 6 ysrvnoas, 
arN 0 Yocwaz oe. In disticho, quod in Tacobsii App. est n. 
189, pro 76’ lapis habet OPEIITOR. V. doctissimi Cavedonii 
Museo del Catajo, Modena 1342 p. 61. Sed ibi est nomen pr. 
Ooenrog, ut Toopiuos n. 22. 

20. 

"Anargın yayorra zarkoye ue Tag alle, 

arrav "Erradıza[v] xevJousra Fayooı, 

Prope Ilium novum in vico Halileli, in basi fres pedes 
alta; ex schedis Köhlerianis. €. I. Gr. Vol. I p. 905 n. 3632. 
In anoroln (peregrina habitatione el quasi exilio) Ionica ter- 
minalio euphoniae caussa assumpta videtur. "Araroia vox 
inusitala est. Forma y79o, de qua v. Bullmannus in Gramm. 
Gr. ampl. T. I p. 97, in hoc quidem epigr. cerlissima 'esl. 
Mire vero xevdouera sensu medio usurpalur. BOECKH. 


248 Spicilegium 


21. 


JSwovvoodwpou Toü Ilvdkov. 
hovvoodwge yalpe. Kal oV y’, w gihe. 
To viv Eyov yivwore 1 WdE zeiusvov 
xal0v zal ayasov zul xuhag Elwxoze, 
kıuvalylevn yeyovora, naoı ngoogyuAn. 

Inscriptio lapidis Cyzico a. 1830 asporlati, sub qua 
sculpta est navis. C. I. Gr. II p. 935 n. 3684. De formula 
xal ov yev. ad.n. 1956. Vs. 2 TONYNEX2MEIN2KE, 
correxit Boeckhius: zo vov Eyov est nunc. Vs. 4 Aıuvaysvn 
Dionysodorum vocari Boeckhius coniicit, quia natus fuerit in 
sacra regione rov Aruıvov, quas Cyzici fuisse, quum Lenaca 
ibi agerentur, pröbabile sit. Mihi, ratione habita navis infra 
positae, Aruvayevng, quum Aruvn apud poelas ab Homero 
iude saepe pro mari ponatur, nautam significare videtur, qui, 
in nave natus, totam fere vitam in itineribus maritimis trans- 
egerit: quo tamen simul alluditur ad Bacchum Aruvayevy. 

N. 

"Idoıs A9nvains Toöpıuos rüde on Enornow 

GUTW xul TIx&sooıv‘ &G nuersgov Ö’ aoa tuußov 

05 x Ereoov Jan, |ö ye] nowig eiveza dwoeı 

To raum xovoov[s] oxraxı Tor dıxarovg, 

Prope Serdschilar in valle Tichai Deresi, ex parielinis 
Hadrianorum ad Olympum in Bithynia, in cippo marmoris 
candidi. C. I. Gr. Vol. II p. 978 n. 3797 4. V. 1 ISIOIL. 
idoıw "Adnvains navrwv Zıovioıov E&oyov, Syll. Epigr. Gr. n. 
85. V. 2 IE pro &. V.3% ye melri caussa addidit Boeckh. 
Eandem formulam versibus inclusam habes n. 6, in ‚Sylloge 
Epigr. Graec.n.71* (ubi ex marmore corr. v.3 TOYT2 pro 
now, v. 4 TICOI et KON[IJCIN, pedieulis; zw ec. gen. 
ut rioao9aı) et in Mus. Rhen. 1833 T. I p. 285 n. 5. Epi- 
grammala ex duobus hexamelris uno pentamelro sequenle 
factis v. Syll.n. 74 ss. Simile est quod sequitur apud Boeck- 
hium. Mirum est numerale dexarovg. 


Epigrammatum Graecorum. ‚249 


23.. 


H rüv aneıgeoıov Iynıav Plov Exreiouou 
ABooouyn Aoyın, nᷣ 

Aaungorarn, xedvn, [7000@ 

Evdogwg &x0r0v Auzaßuvrog, Evdade xeiuaı 

onuarı TWV yeverWrv. 

In veteris Bithyniae vico Beyjik in muro templi Turcarum, 
ap. W. J: Hamiltonum Researches in Asia Minor, Pontus and 
Armenia Vol. I p. 400 n. 3. V. 1 legitur 4ITEIPE>ION. 
Postea AANIIPOTATH, KEIME, 


24. 

Magrvgıov do9oo Biov, G ovvelnoev osuwa@g 
GvVverauev TE ovverexvwoe [ze}* 

zul vov, Orte del yagıraz ue Außelv 

ZUUGTWV TE Kal TEXVOV, 

ine 1 &v zaudromı uovov zul vınıa TERvo; 

NS 00 nors Aroow &yw xelvng naA|ov] Eoyav, 

N [rlarav Ev p[Hi]uevorı yelya]s Yirorzyrlı] wuyedp. 

In oppido Vizir Keupri in regione Phazemonitide ad Ha- 
Iyn. Hamilt. p. 412 n. 67. Litterarum formae non sunt ro- 
tundae, sed 2 :E 2. V.2 2 sine iota. V. 3 pro TE 
seripsi we. V. 6 Ag xeivng, dietum sine exemplo. V. 7 
H.AAANENDOMENOIZ]. Vocalivus zaAov, loco inter- 
jectionis. 

25. 
Znuara [ov]vIgavoderra nakaıyeveov Howw|[v 
&v uaxgoloı xoovoıg Aovxıog Houdaaro- 
zoryag do[oı Tlıuärs tapovg veruwv, nagodei|eu 
Aovzıov eiloyliuws tier’ ausıpouevor. 

Prope Amasiam, Ponti olim metropolin rudi charactere in 
rupibus. V. Hamilton. p.413 n. 74. V. 1 CHMATAT.N- 
OPAYCOENTA. V. 2 0C.. .. €IMATE. V.40Y.. 
HMwCTEIETAMEIBOMENOI. A primae litterae cerla, 


250 Spieilegium 


si quid video, alque facili correctione pendet sensus, qui in 
altero disticho latebat. 


26. 


[Hi$eov] u arlnov dueltızros [nonaoe] Modon 

Golr]ı xrvrov Ilapins awausvov Iakauor, 
— Ö’ 0%, öocoroı[v &dose] Aıneiv na[rEo’ 2]v ueraIooolı. 
Ei d2 Hersıs yyvavar Tov Euov Blov, w nagodeitw, 

5 7 wer wor [r]Eyvn AaoSoog, ovvoua Meıidiag, 
&s dE Heovg avervoa |[z]ai dIavar[oro]ı wersiufır 
0000v5 yao gıklkovoı JEol Ivnozovam. 
TPL 

In alia parte lapidis: AoAnmıadng zal ’Aprsuolia] To 
yhoxvraro [rtEx]vw zal &afv]roifs]) urnung yaow. [EL] rıs 
rolumosı EnavvSao[dar E]jxrög Tav yeygauusvwv, InoEı elg To 
iE0wrarov tausiov XBD, 

In vico Kespit. Hamilton. p. 465 n. 325. Ut videat le- 
clor, quam defunctorie descriplum sit epigramma., et quam 
certo vel sic fere totum restitui possit, tolum apponam. 
MAIZHONAMEIAIKTO 
EPTANEMOIPHAPTIKAY 
T2NILADIHLAPAMEN. 
NOAAAMDB2NENOELI 
AOY.XOLIOILLAYLEX 
ONAILIEINILALAEEPO 
NMEAAOPOILEIJEOEA 
EIETN2NAITONEMON 
BION2IMAPOJEITAH 
MENMOIEXNHAAOZO 
OLOYNOMAMELAIALE 
LAEOEOYEANEAYZAN 
AIAOANATOLEIMETELM 
OELOYLTAP®IAEOYLT 
OEOIONHLKOYLIN 

IRT 


Epigrammatum Graecorum. 251 


Integrum videtur epigramma , quamvis verbum in’ fronte 
necessario ponendum non explet versum ad modulum reliquo- 
rum. In «@ueikızrog spreta vis positionis. V. 3 heptameter, 
ut in epigr. sequ. v. 3. et in alio in Museo Rhen. T. IV p. 414. 
CH. Syll. Ep. Gr. p. XXIV. nersea od öoıa, a Parca' oux 
öolwg inflieta. Pro YEEXON quod magis salislaciat, 
quantum ad litterarum notas, non invenio quam E4OSE. 
Ad rem accommodala est acerbitas quaedam, quae hoc 
loco et verbo et omisso pronomini inest,. Qui EPTANE 
v. 1 dedit pro HPIIAZE, non mirum si eliam sex lilleras 
deinceps corrupit. — Ross. Inser. n. 131 £v ueraggoroı Aı- 
nv @A0yov zul vnnıa terva. V.5 Media, bisyllabum ut 
Daudias Syll. n. 171, Saßßiov supra n. 17, 7 et dollwg in- 
fra n. 44, 7. V. 6 dveivoo, ut in longiore epigrammalte ab 
Amatio edito Giornale Arcadico 1825 Dec. p. 364, cuius ini- 
tio usus sum Syll. p. XXIV zod nws wor Peßiwrar zul nwg 
aveivon uo9yor. V. 7 Syll. n. 9, 13: 
n]6a® #ar0v [verog Eor’, ed un wevd]ing Aoyos andow, 

noldals anodvnoxsıv] oVg pırdovon Yeol. 
Ubi quem attuli Menandri versus, 0v oi Ysol giAovow ano- 
Ivyoxsı v&og, is ad Disexapatonta a Meinekio Comic, Gr. IV 
p. 105 refertur. Insigne in hanc sententiam est epigramma 
in Jacobs. Append. n. 195. Annus 363, ZFI' (ut ap. Ha- 
miltonum n. 328 ETOYCTKE et ex eodem fonte infra n, 28 
€.ITE) si ad aeram Seleucidarum referas, nostrae est 51. 
In iis, quae sequuntur, &navvSaodaı est anavoıSaodaı. Con- 
ira ap. Hamilt. n. 388 TAYKOITATH. V. Keil. Anal. 
epigraph. p. 163. Supra n. 5. TAYTHN THN KAINHN 
MHOITEIN, Ignarra de phratr. p. 125. Hamilt. n. 62 zar 
ovdeig Eregog avorseı era TO Sud zararedvyvar (Sic), Eneiror 
dwosı 77 Auungorarm zoAwveig K AD. 
TR 
Xeioe. 
”Avdog dvepzousvov Sısparngogog Evdads xeirar' 
snuavıog [plev avre [ooov alyou[o]v Ifıa zjırdnv 


252 Spiceilegium 


Aißıaknfv] Nvupov naoa [AJovrooıg Motoa[v] ErAno[e]v 
&tov y. 

In eodem vico deseripsit Hamiltonus p. 465 n. 32%6. 
Quomodo fecerit, oculis propono lectoris, ut de sententia, 
quae v. 2 ex hoc apographo constituenda videtur, iudicari 
possit. 

XAIPE 

ANOOCANEP 
AOMENON 
CTEDANHVOO 
 POCENOAAEKEI. 
TAIILHMANHTOC 
IHGLANTEIS 
NOM®NA .... 
ITOHNAIBIAAH 
NYMP2NTATA 
OYTPOICMOIPA 
EITAHCAN 
EToNT | 

"Av$os avgnoas Syli. Epigr. Gr. n. 78. Heptametros 
qualis est v. 3. habes supra.n. 26, et similes exilus versuum 
n. 14. Nomen Aißlaios, apud Nonnum et Parthenium, quod 
Papeus in Onomatologico in Alyıarog mutare volebat, hac 
inscriplione defenditur, in qua „4 et 4 Hamiltoni errore lo- 
cum commulaverunt, ut in ep. antecedente in Z1A0300L. 


28. 
Miytoav ’Erdnuov Eysı .Tapos oVTog aAvnor, 
voßeorov Aunnv nüoı Aundvra piloıc. 
T'. H | T 
ETZMTOPIIITAIOYB 
MHTPANLZEAHOYE 
XITADBOLOYTOLAAY 
JIONAEBYLTONAY 
IIHNILALILAITIONTA®I 
AOIL 


Epigrammatum Graccorum. 253 


In- vico Injicler, quem Saitlarum , Lydiae urbis, situm 
occupare putant. Hamilton. p. 467 n. 339. EXI pro EXEI. 
kınav Aunag Syll. Epigr. n. 13. Mensis Gorpiaeus Macedo- 
nicorum, quorum usus in Asia lale propagatus erat, ex vul- 
gari ordine undecimus est. Sigla priora. autem indicare vi- 
dentur Zrovg TTS, unvos (hoc ut €. In. 308. 3417), al- 


— H — 
terum 5 Pyte. N. 386 ETOYSHIKALILMILANHMOYE. 


29. 
+ Ilavro yI90v gie za Zunalıv dugpizaköntei* 
 Tovvera um OTovayol Tıs dno yIovög zig zIova dvvwr. 
"Orav zaung, ToVTo TEAog. 
Bosrae prope theatrum. Voyage dans les plaines du 
Haouran en Syrie, Bullettino Rom. 1837 p. 169. 


30. 
’Hvi]d’, "ArsSavdoıe, x007 00n0A0g Aiovvoov , 
 n]aoropooos re Heüg Neihwridog Eiordog ayvns , 

g]ixooı dis nImowoaoa xoorw xeiraı Avzaßavıwn. 

Florentiae- in Villa Strozziorum ad montem Hugonis. 
Montefale. Diar. Ital.. p. 361. Gorii Inseripptt. ant. Etr, T. I 
p. 373 n. 128. Praecedunt in ära sepulcrali eadem fere La- 
tino sermone expressa, sed non integra. Comparet aulem no- 
men Alexandria, quod sacerdotis est, non ethnicum, ut visum 
erat editoribus. V. Syll. Epigr. n. 88. Ita Kaovoruog et” Av- 
doros (ANAPIOIO) in vasculis pietis, quod nominum genus 
ex proxenia originem trahere probabilis est coniectura Meieri 
in egregia Commentatione de eadem scripta p. 28. Hestiaea 
Alexandrina apud Strabonem al. Ut "Arekavdoevs ei "Ake- 
Eavdors, ita etiam "AAeSavdosıos dicebatur , teste Steph. Byz. 
In rinowooao« longa corripitur. 


31, 
Adrov Erav roıa]xovra, Tov ayAıov, 7onaoe Moioa . 
vnhns], Tov yegagais yEg0L Tapevra narTgos. 


254 Spieilegium 


Neapoli in Museo Regio, in coronide sepuleri in sacelli 
modum conslrueli, quae quum unum pedem alta sit, longa 
plus seplem, longior eliam fuit, quam nunc est ex frustis re- 
composila: nam inter anconem anliquum ei inilium litterarum 
minus est spalium quam mensura lillerarum , quas ex melro 
cerlum est deesse. Aulus si non placet, pone Baooov. ye- 
oagai; ad senectutem palris refero. Martorellius de Iheca 
calam. p. 473 ab initio supplevit navdauarsıoa Aoalxovra, el 
in altero versu zovordıov, dum legit JON: sed non dubium 
est TON. 


32. 


Asizıe Eigyoovos. Evpowv “Hoazleidov. 

“Hö’ Evvoorıdeov Ian, Eve, Evpgova zovnreı 

yonorov, ug Ev Lworg mn Exevde vom. 

In parielibus hypogei Neapoletani, prope portam Divi Ta- 
nuarii a. 1790 detecti, nomina aliquot defunctorum super lo- 
culos, vel sola vel addita formula XPHCTE, XPHCTH 
XAIPE, minio sceripta sunt inventa una cum hoc  epigram- 
male, quod delineatum dedit Ignarra de phratrüs p. 126, de 
Eunostidarum phratria agens. Litterae eius prorsus generis 
sunt, quod regnat in papyris Herculanensibus. Quae post di- 
stichon maioribus litteris »seripla sequunlur,, exceisa media 
parte, vix devinando expleri poterunt. 

KAIAGCEOKPIH. 4. 2er EON 

KPHETHNH ns. Wiener ODEIAOE 

TcH & 
Atque haec tectorii pars nunc inter pieturas Herculanenses el 
Pompeianas adservatur. Non potui aulem, quum auclumno 
anni 1842 Neapoli versabar, examinare, quia, non suppetente 
piclurarum copiae, qui iis nune assignatus est, loco, multae 
ila positae sunt cumulatim, ut contegantur inferiores. Fallitur 
Ignarra, quod z070z0v hic pro defuncto aceipi. HIIIA 
pictum est, non elisa ullima vocali. 

Atque hic, quum Ignarra p. 124 venustum epilaphium in 


Epigrammatum Graecorum. 255 


vieinia hypogei minio litterali anno 1758 inventum, primum a 
se anlea editum, repelat, quod post alios Iacobsius traclavit in 
Paralipomenis ex libris editis et marmoribus p. 755 n. 1 et 
in Append. Epigr. p. 791 n. 98, marmore , quod nunc est in 
colleclione anaglyphorum Musei Regii Neapolitani (@ r. museo 
Borbonico descritto da Giambat. Finati 1842 p. 248 n. 32), 
denuo nuper inspecto,, hie adscribam. Est autem dialogus 
inter vialorem et Mercurium, qui nunc ipsum, dum ille fit 
obviam, animam abducere fingitur. Quam quum homo co- 
gnoscere cupiat , deus intento in anaglyphum cippi digito, 
huius pueruli esse dieit stanlis inter parentes, et valedicenlis 
quidem habitu, dextra palri data dum mater ipsius humero 
manum imponit. Huius igilur se animam auferre. Quod non 
ad idem redit ac si viator conspecto cippo a se ipso quaere- 
ret: quis igitur hic sepullus? et examinato anaglypho, sibi 
responderet: puer. Nam quot fuerit annorum puer et ,qua- 
lium parentum, divinatione non poterat assequi: hoc a deo 
accipit. 
A. Ayyehe Degospovns, "Eouf , tiva Tovds nponouneic 
sig ov Ausiöntov Taorugov Allen ; 
B. Moioa zıg wlrerıog rov ’Agtorov’ nonao’ an’ alyng 
EnTaetn, 1EOOOG Ö’ Eoriv 6 nals yersıwv. 
A. Jaxgvyaons Ilkovrwv , oV nveiuara navra Booteıa 
vol veusrarz; vi Tovyüs Ouparag NAızlag; 
Mercurius respondere visus est etiam Mitscherlichio et lacob- 
sio, APICT®N nomen proprium esse, et Ignarra docuit et 
Heynius: 'neque. offendit articulus. _ Sic’ o Zworuog supra.n. 6 
Malim. tamen: ita intelligere, ul ziva zövde v.1 non ad nomen,. 
quod infra. appositum esse poterat cum formula zoige, ‚sed 
ad personam spectet, quum tres efliclae sint. Tum zo» di- 
clum est pro zovds et APICT®N perlinet ad yevsrwr- 
Moio« rıg alzekıog Tv aglorwv jonao’ un’ avyng 
entaeın (uEooog Ö’ Eoriv 0 nals) yeverwv. 
Atque hoc multo est elegantius. V.1 ILPOIIOMNEIC non 
ausus sum mulare in zpongunsıs, quum a moonounog verbum 


256° Spiceilegium 


deduetum esse possit, qualia sunt orxodousw, Eoyolaßtw, alia. 
V. 3 AGIKEAIOC et AYTHC, quorum illud non recle, 
hoc bene legit Ignarra. V. 4 accusalivo EUTAETH male 
additum est /, quod in TPYT'AIC recte expressum. Seriptura 
quam maxime rudis est et lectu diffieilis. Zoega Anagl. T. I 
p. 141 ultimo disticho Ceui simile ‚est: in Syll. Epigr. n. 78 
tertium) memoriter 'adscripto pro JlAovrw» posuit ’Aidng. 
Ceterum carmen expressum puto ex Tibullo III, 5, 6: 
Quid fraudare iuvat vitem crescentibus uvis 
ei:modo nata mala vellere poma manu? 
Parcite, pallentes undas quicunque tenetis 
duraque sorlili tertia regna dei. 

Meminerit lector versuum Latinorum ex poctis elegiacis parie- 
libus basilicae Pompeianae levi stilo inseriptorum, quos nunc, 
postquam a. 1836 Londini ediderat Woosdword, tectorio caute 
exsecalo, Neapoli servant in Museo Regio. Quanta sculpto- 
rum interdum  fuerit litterarum ignoranlia ex una eiusdem 
Musei inseriptione prae aliis disci polest, quam vide apud 
Osannum Inseript. p. 434 n. 89. In ea enim v.5 M incisum 
est pro AA, v. 9 O pro ©, v. 10 » pro EI, v. 12 4 pro 
A, quae diu est quod correxerunt editores. Falsus autem est 
Osannus, qui hunc lapidem inter Vaticanos posuerit. Ita quem 
ego in Sylloge n. 69 Pompeiis Romam apporlatum retuli, 
erutus est olim Neapoli in suburbio extra S. Januarii porlam, 
quod ex Martorellio de theca calamaria p. 472 disco: et 
transierat quidem is Romae postea ad alium negotiatorem. 
Bulletino dell’ inst. archeol. 1830 p. 48. Cum nomine, quod 
conlinet , "Aorn, congruit ”Agıaorig, in huius Musei T. I p.. 


202, n. 3, «orn sanguinis inprimis puri, ao77 &yyuntn. 


35. 
Aitltev\o z0de [onue] nano ayado nılvurw re, 
Hynıov znd[evoals owua , To d’ adavarov 
5 unxaowv avop[ovo]s zEao* yuyn yag ası Lw@[e', 
“A N nn ’ \ [ Ü 
n 0 [6]yv naosyelv], sad Heopın nagefn. 


Epigrammalum Graecorum. 257 


toyeo [oV] orevayem, nalte]o, loye dE unreo', adsApovg. 

oolue yiltwv wuyns, Tov dE Heov 08ße wor. 

Lapidem, in vico Sabinorum Scandriglia inventum, accu- 
rate in aere sculplum dedit et commentlatione nonaginta qua- 
iuor cum addita appendice paginarum illustravit V. cl. Ber- 
nardus Quaranta: Commento sopra una Greca tscrizione mu- 
tla, Neapoli 1826. Qui quae in primo disticho destructa 
sunt recte supplevit, non addita tamen, quam alter versus 
flagitat, syllaba wov , et ingeniose restituit versum ultimum, 
in reliquis non aeque feliciter versatus, qui v. 3—5 scripserit: 

Eoue zuzwv avogovos #200, Wvyn ap’ ası Lwv, 

H’ To [nv nageysı zar Feopıv zareßpn. 

Ioyso avotzvaywv natso, ı0y8 de unteo’ aderpovg« 

Cor germen morbi exsiluit; sed coelitus orta 
Mens , quae et fons vitae est, ipsa perennis erit. 

Te luctu et matrem et fratres pater eripe: corpus cet. 
Quo perlinet Appendix de cognitione aneurismatum interno- 
rum veteribus vindicata. V. 1 omissum est, ut sexcenties 
factum, avednze. V. 5 ex vocabulo MAE.4F®N absum- 
tae quidem sunt mediarum litterarum KAP parties quaedam, 
sed ita tamen, ut de litteris ipsis dubitari nequeat, et sic 
eliam, quod in FYXHLAP lineam perpendicularem in T 
maluimus mulare, quam dativum formare, adscripto iota, 
quamvis in AIALAN®I et ATAOWI adscriptum est, non 
censebimur errasse. V. 4 de littera Z superstes est linea 
transversalis. V..5 in ICXEO.,..ICTCIIAX®N, cum oö 
non possit deesse, lilterae Y indicia minus incerla quam in 
apographo extare coniicio. 

34. 
O. . 
Evdade »sitaı dvno nolAwv avrafıöog «Aıwv, 
Ilounniog Lhoxins, teoua Tuywv oogpIng. 

In sarcophago Musei regii Neapolitani. B. Quaranta in 
Commentatione ad ep. antecedens citata p. 62. r&oua tuywr, 
v. Matthiae Gramm. $. 328. 

Muſ. f. Philolog. N. 8. IM. 17 


253 Spieilegium 


5. 


©. K. Ocıvaudky ddelpo, Adnviov Avonılov) Kedvio Nlılzelov 
urnuns yaoır. 
’Erdade Kovuaro[v] zerunı zarng Enl yalns, 
nhizins telEoag dig dexa zul dv’ Ern 
Inseriptio Cumana, nunc Puteolis in Seminario S. Fran- 
eisci, quam mecum -communicavit Augustinus Gervasio, Aca- 
demiae Herceulanensis et Pontanianae socius, Vir epigraphices, 
anliquilalum palriae suae et historiae litterariae scienlissimus, 
raro, praeserlim inter suos, Graecarum litterarum studio, nec 
minus aniımi candore et modeslia quam solida doctrina insi- 
gnis, qui Syllogen Inscriptionum Neapolitanarum metro con- 
striclarum conscripsit uberrimis commentariis illustralam et 
olim edendam. Vellem autem ex his diligentissimi hominis 
sentenliam peliissem de iis, quae distichon antecedunt, quum 
et punctorum in apographo ratio diversa, et qualuor nominum 
insolenlium concursus paulo incertum faciant, 
OK: 

OEINAMAZHA 

4EADDAOH . 

NI®NANOLT. 

KEANI®ON. KAIOY 

MNHMHCXAPIN 

... OAIEKYMAI® 

KEIMAIKAAHCEINI 

TAIHOC.HAIKIHC.TEAEG 

CAC.AIC. AEKAKALAYE 

TH 

Ocıvauosn, composilum ut Aonarvxog, Eysvnis, duredvuos, 
ErzeroiBwv. Kedvıog, UL zaIugıog , Erevdeoıog, Avrıyövıos, 
Ilaonyöguog, Swryouog al. v. Keil. Anal. epigraph. p. 179. 
Alhenio maritus videtur esse Thinamaxes. 


Epigrammatum Graecorum. 259 


36. 

Od Paroı, oV rororo Tov 2Zuov Tapov dupis Eyovoın, 

ovd’ OAoAvyala vuxreglg Aunttarar‘ 

arıa ue nüv ÖEVdgog yagiev neol Gloxov aveonei, 

xuxAodev EURUONDIG #AWOLV Ayahköuevor, 
5  Ilwraroı dE neoıS Aıyvon uwvolorg.' andav 
zal teıtıs yAvreools yellcoı Asıoa yEov, 

zul 0090 To@vAllovom yerıdovig n TE Aıyunvovg 

@xoıg And orngovg Hdv yEovom we£kog. 

Ilarowv 6000 Poorolcıy Eoaonıa navı” Eriheoon, 
10 ogpow zal eiv ’Aidn Teonvov Eyoımı Tonov, 

tarıa 02 nav9’ a Aeloına zal Ev veormrı zarezınv 

wyero, mınv a noiv Lwv ansxapnıodunn. 

Romae in sepulero a Georgio Petro Campana, Viro an- 
tiquitatis studiosissimo, detecto, de quo Rev. P. Secchius, 
Bibliothecarius et Professor Collegii Romani, disseruit nuper- 
rime, ita ut eius Commentatio (Monumenti inediti d’un antico 
sepolero di famiglia Greca, scoperto in Roma sulla via la- 
tina) nondum ad me pervenerit. Epigramma haud inelegans 
et optime conservalum edo ex apographo ad me misso ab 
amico. V. 2. Adi. oAoAvyauog et zuwvoloroıe v. d. nondum 
lecta fuerunt, quod sciam. V.3. n&v idem quod zo nu», &g zö 
nav. Rarior est singularis zo devdoogs. Riscum Donatus ad 
Terent. Eun. IV, 6, 16 cistam ait esse pelle contectam, et ad 
mundum muliebrem refert Ulpianus Digest. XXXIV, 2, 26, 
Gloss. vet. explicant zıßorog ueyaln, Aaovas. Cf. T. H. ad 
Poll. X, 137. V. 10. INAIZH, pro eiv, ut EXI n. 28. 41, 
MI®EIN n. 45,5, HFTIPATOn.51,1, IKONA n. 52, TE- 
NHOICA Ross. Inser. n. 73. V. 12 OIXHTAI, pro OI- 
XETAI, sed poelam scripsisse @yero quis dubitet? Et sic 
emendavit eliam Secchius, quod disco ex libello menstruo 
instituti archaeologici quod Romae floret (Baullettino) 1843 
Sept. p. 141. Qui Vir doctissimus et sagacissimus, cuius 
uberiorem carminis explicationem cupide expectamus, v. 11 
edidit zarıa, quo totius distichi constructio adeo impeditur, 


260 Spicilegium 


ut maluerim emendare. Lapis enim habet MANTA. Elisa 
est littera finalis v. 9 JILANTETEAEZS>A,, expressa autem 
v. 5 MINYPISTPIAAHA®N. 


Sl. 


Ilaroo}v [ei], zaroig Avfziw]v ELoysvouro [yala , 

dykaja 0’ Ev Tıuais noulyuara uov pEolera:, 

2] uaxzao [EvI]eE [T]eerrov narıw ſoön ano]nguneıs 

evnal|roid’ Ev Seıyn T7R0]9[1]. Iarrouevolv. 

Ex libello modo laudato excerpta ex Secchiana Commen- 
tatione exhibente p. 137 sumsi. Est enim eiusdem sepulchri 
aliud ad eundem Palronem spectans epigramma, ad basin 
imagunculae eius, ut videtür, perlinens. Non omnes tamen 
coniecturas editoris doclissimi recepi, qui ires posteriores 
versus in hunce modum concinnavit: 

nosoßela Ö’ Ev Tıuais now[xT0ogo us oreplerau, 

@] vurug, [Evd]esd’ derlov, marıy [oVx Erı] neuneıg 

svnulrgid' Ev Övoun 7740]9]ı] Sarrouevolv. 

Sum Pairo: et Lyciae patriae telluris alumnus 

Mittor et a geslis rebus honore fruor. 

O dea, solis eget, nec adhuc oriente remiltes 

Patricium, oceidua qui sepelitur humo. 
Quum non longe a Patronis sepulero marmor inventum fue- 
rit Niciae Xanlhii, Augustorum (M. Aurelii et Lucii Veri — 
Yeov avazıov, v. Syil. Epigr. n. 159 —) sacerdolis , terlium 
legati pro palria Lycia, nomine ornatum, Secchius in syllabis 
ON et BEIC in anaglypho eiusdem sepulchri scriptis Patronem et 
nogoßeıs agnovit, ellicios eos pulo in illo opere, in quo nunc 
una lanlum figura superest, Idem ad hanc legationem refert 
temporis notam in alio huius sepulchri lapide, eumque annum 
decimum terlium aeram indicare Lyciae in provinciae Roma- 
nae formam redactae et in annum noslrae aerae 86 incidere 
sollerter demonstrat. Vides, quo iure zosoßea, non debuerit 
quidem, sed potuerit, suppleri: minus probo no«xtoga cum 
illo coniunctum, et or&perar pro orepeı ne Graecum quidem 


Epigrammalum Graecorum. 261 


est. In eo, quod substilui, &» riueis legationem indicat. 
Tum in sequ. v. offendit deus invocatus, quem quis esse pos- 
sit ex iis quae expressa sunt. nemo facile definiat ; &vdeiro 
Hklov autem, ut verum fatear, jeiunum videtur, neque po=uis- 
set vir ingeniosissimus, nisi vi quadam lilterae EEQ ad 
hoc solum compellere visae essent. Denique euzargıda non 
nobilitatem hoc loco, sed patriae (ut apud Sophoclem EI. 1080 
patris) amorem significare existimo, quum nobilitas et occi- 
dentalis terra non apte componantur , ad illud autem antithe- 
sis opportuna &v-Eeivn, obvio in epitaphiis enuntiato , sponte 
se praebeat, quo elegantiae non parum consulitur. ZErn, sine 
yn, 2woa, ut Snoa et al. Sic ex Plutarcho Eni rag Sevng et 
ano Eevng nagayıvsodaı ab H. Stephano proferuntur. De mea 
tertii versus restitutione ut iudicari possit, tenendum est, Pa- 
tronem fuisse medicum; in iympano enim aediculae una cum 
aliis inscriptionibus in sepulero inyentae legitur ILATP. NOC 
.2 TPOY. Hinc & udzag retuli ad Aesculapium eumque &v- 
Ieov nAlov, nove quidem, sed perquam apte diei puto,us qui 
filius Apollinis sit et alyınsıc, alyıano, aykaonng ipse, Hesy- 
chio teste, a quibusdam etiam Sri rg filius dicatur. Aeschy- 
lus Eumen. 27 zeyıng dE vır Zeig Ev9eov zrioag goeva. 
Lapis autem quum praebeat MAKAP...EEOAEAIOY, 
mutandum mihi fuit ante spiritum lenem © in T, ul in prae- 
cedente epigrammate ante aspiratam T in ©, ubi nv & 
scripsi pro navra. V.3 nah dnoneunewv, ut Sophocles dicit 
El. 53 awoogov nalıy, et Sylloges nostrae Epigr. n. 81 vov 
Zunahıv 08 vooTov. 


38. 39. 

Kıailsı uev 08 TExvov, z.alsı Ö’ ’Ayadayyshos wvno, 

uvoousvog Pıklnv TEonvorarnv ah0Y0V, 

’ N —3 » 5 D v 
wvoovroı Öd’ adergpor IMnvas zal Jawırloz auıpo 

U > ’ —3 
nd’ 00001 0’ Eypikovv xnnodeov dıokov: 
9 J a 

5 ynoalEnv ÖE zoumnoklnv nal),ovoa nad wgav 


Nodov dupte reov, Movoa, yEew daxova 
IN Lt p ) X Br ® 


262 Spiceilegium 


dir Ab AO 
Keiocı dn TExvov xaA0v no0AMnoVo«, Toxmag 
NdE za0ıyvrTovGg zul nöow auyıdarn, 

vovoov Und orvyeoig dedauaouevn. wvrag Zuoi ys 
10 n&v9og dvimtov xahkıneg Olxtgorarn* 

yoala Ö’ dvmxsorov n&vIog zura uoloav 2/0000 

augpl renv oryınv, Movoa tezvov, yEouaı. 

Exstat lapis Romae in Museo Kircheriano , characteri- 
bus aequaliter perspicuis scriptus, singulis versibus ad carmi- 
nis tenorem distinctis. Forma litterarum E, F et 2 est ro- 
tunda, nisi quod semel v. ultimo ETHAHN exhibetur. Po- 
suit cippum filiae Musae mater, cuius nomen hodie quidem 
non legitur, sed superscriptum forte fuit, quamvis non de- 
sunt alia epigrammalta sine nomine eius qui posuit. V.1 
ATAOANTEAOC. X. 3. Prosodiam neglectam, qualiter 
fil in adseAgpoi, non exspectabas in carmine haud ineleganti, 
V.5 zounoAln, Haargrau, Grauhaar, composilum novum eius 
classis, ad quam perlinent dorvnaraıa el fortasse Ilviagyn el 
pauca quaedam alia. IAMOVCA. V.10. ANEIHTON. Ib. 
OIKTPOTATH, littera I non adscripta. V. 12 yeouaı, 
ıevdog, quasi Xoyv, Exovo@, quod habet. Ita Asıdov dazova 
supra n. 9, 5. 

40. 

Ilavres yalo w Er0]9ovv, munv yag nüoı ng00nVnG, 

xal orTepavovg Epogovv, mollA0rz d’ Era]ooıcıy Eyowunr, 

zal [usv ayaorov] Exoıuwunv #lıo[u]o [reoıyoVoo] , 

evdeduumv dE To o@|w Eodyua]oı zowuaoı Yeroıs , 

5 »ahdog Eyovow Tunoro[ı]. Tapyg Ervyov uera Tovro, 
zul [oO zoVx EIavov zolov [Eyovoa] rapor. 
AABIOIGION ITLANTECTAI 

OOYNHUHNTAPILACIIIPOCHNHOY 

KAICTEDANOYCEDOPOYNNOAA 

POICINEXP®@UHNYyKALI IE 

EKOIJuou HNK AIC.© 


Epigrammatum Graecorum. 263 


ENJEAYUHNAETOCD 
CIXP@u ACIGEIOICY/ 
KAAAOCEXOYCATYILOIC 
TADHCETYXONUETATOYTO 
KAIZ® KOYKE9ANONTOION 
TAOONM 


Romae in Museo Kircheriano , in lapide unum dimidia- 
tumque pedem alto, cuius paullo obscuriores sunt litterae. 
Epigramma in mimam videtur scriptum. In quo quum plura 
satis mira sint, zunovg observes inter ornamenta mulierculae 
exsplendescentes. Eiusdem autem generis esse videntur atque 
oi Tunoı negizeluevor TOdg ornyeoı, quibus Dionysius A. R. 
II, 19 sacerdotes Cybeles, tam mares quam feminas, ornatos 
refert, quibusque matrona huic deae operans in Winckelmanni 
Mon. ined. tab. 8 et peclus et caput ornalum habet. 

In eodem Museo servatur aliud fragmentum ineditum, 
epitaphii sex hexametrorum anteriorem partem contlinens 


AOYKIAAHTOJIESHMAKA 
MHTPITEIIPEZBYTATH 
OITEKAIOISITEKEZ2SIK 
O2TEIYONPIATHNOI 
KAITHNMENIPOTEPH 
AYTOKASITNHTHNET 


41. 


O y9ovog, wg #0X0v Eorıv, Eysı [dE] TU xaAov Ev avım 


r \ m U J 
Inne yao PIOVEEWV Ourata zul xg00lnV. 


ODOONOCWCKAKONECTIN 
EXITAPTIKAAONENAYTO 
THKIT®NDOONEP@N 
OMMATAKAIKPAALHN 


264 Spieilegium 


DM 
LVCRETIAEVALEPIAE 
SEXVIDIVSHERMEPOS 
CONGYVGISIBIMEPIT 
ETSIBIVIVVSPOSVIT 
ETSVBASCIADEDI 
CAVIT 
Lugduni. Exscripsi in Syll. Epigr. p. 94, et novum apogra- 
phum vidi Florentiae ap. lacobum Millingen. Epigramma, in 
quo yao in d& mulandum esse dixi, aliquot verbis mutalis 
legitur etiam inter scoptica in Anthol. Gr. XI, 195. In Lati- 
nis ter P sculptum est pro R. Ita eliam quod in Anthol. X, 
111 assumlum est: 

O pIivog arrög Euvrov Eos Berzsooı daualeı 
Zacynthi insculptum est in epistylio marmoreo porlae eccle- 
siae in monte Elato, teste G. Chrysoberge Zraroıßn negt 
ins &v Zurvvdo Eiimvırns Enıyoapns, &v Navaıım 1834 
p. 16. Hine igitur liquet sentenliam, iam Isocralis aetate per 
ora hominum volitantem, ad invidiam et violenliam arcendam, 
fere ut phalli symbolum, inscribi solitam esse. Eodem refer- 
tur a Millingenio, qui de superslitione inter Italos etiamnum 
vigente (occhio callivo) ei olim seripsit et uberius data oc- 
casione exponet, formula in marmoribus, praesertim Lugdu- 
nensibus frequens, sub ascia. 


Epitaphia Christiana. 
42. 

Dijaooroura Beßnza nnyas Eis Euag 

’ ’ x DER | ’ ; en: = 
}]einovou deouov, W Yvoıg ovVeize we. 
ine vois dena yao TEooug’ Exnhy0oao' E17, 
n£untp 70 0@u@ zuraklhona na0IEVog, 
ET) ” 7 < 4 
unarg, avvupog, nideog" Orw d' 20wG 


- „ u ‚ 
Lmng Evsotıv KPI0V0S, YNOROREIW. 


Epigrammatum Graecorum. 265 


Descripsi in ecclesia S. Theodori in loco deserto, ubi 


olim fuit Crommyon. Est ibidem etiam alia inscriptio Chri- 
stiana. V.2. 3 etd ad » ex usu horum temporum constanli 


non adscriptum est iota. 


49. 


Tir9ov yevoausvn Prorod Ywrog Evduds zeiua 
zul OpErEowv TOxEwv navoa nagampaoınv' 
ar ade x ‚ » a y \ 
arh Eunng wuyn ucya ynFe, 0 dirtva Avyoa 
x ‚Rn 2 ’ 
zal yosoag nuyidag noovpvyov aunkazins. 


— ; dovln tod Yeoo Magie n; zai IIergızia u. engyk . 


ivd. B. oVo« day OT. 


Prope Aeginam urbem , non longe a molis aquariis ver- 


sus septentrionem, in arca domus privalae. - Vocalis longa 
in pwrog correpla ut n. 30 in nAngwoaoe«, ut producitur bre- 
vis in &yeı n. 28. Eliam hanc inscriptionem Athenis edendam 
mecum communicavit iucundissimus amicus Ulrichs, ‚qui Aegi- 
nae, anlequam novae civitatis administratio Athenas transfer- 
relur, litteras in Gymnasio docuerat. 


10 


44. 
To Cnv 0 Inlolas zur Iavwv In rovv piloıg, 
6 xıwusvog de noAld, un Tovg@v oVv rols ylloız, 
ovzog Te|dv]nze — zal CH verolos yelylws. 
Eyo Ö’ erovpnoa, un voowv 7x0 [oxevog] Tode, 
ueredwv Eumvrov navra Tn yvyn zahle, 
vuuzws EPiwow uelra Yıllwv zul NEBEN 
unde noꝰ vnoviwg, [und] dorws Aurav rum. 
ovrog Ö Plog uoı yEyove Orav Elwv Eyo. 
eis navt@ Ö’ mVrvyno’, Eis avrov nıorev[ou]s He[ov 
[dezouaı] dedouevov [üngoonzov] 77 pvor [r]E2o0s. 
Poügpl[os] nv. auyosevsiuov yAuzuraıp neroi 
zei Ilavksiv[e . .|piavdolos] ueyor TEhovs. 


Prope urbem Dinair. Hamilton. Asia Minor T. II p. 442 


n. 201. V. 1 TONDIAOIZ. Vitam qui inter amicos de- 


266 Spieilegium 


git, cam post mortem inter eosdem, in eorum memoria, agil, 
V. 2 lilterae omissae in KT2MNOL et TPYO2NYN, ul 
in duobus ullimis inscriplionis verbis. zovpar, laute, non 
sordide, liberaliter vivere, hie in bonam partem acceptum. 
V.4. ETIQJEETPY®HLAMHNOLONHKOLKEHYETA- 
OLE. oxzevosg, facele de arca morluaria, ut n. 36 lepor 
quaesitus est in oroxog. V. 6 KLYNIEN®N. K pro zer, 
quod non infrequens in numis tempore imperii Romani (Ra- 
sche L. N. T. II P..2 p. 1266 ss.), in papyris (ut zeyyns 
zevdalaoonı in iis quos Petrettinius edidit) el in marmori- 
bus, et oceurrit aliquoties in aliis Hamiltonianis. Cf. Corsin. 
Not. Gr. p. 33. Jablonsk. de Memn. III, 4 p. 88. Syll. Epigr. 
Gr. p. 51. V. 7 AAAON. Lacuna est quatuor lilterarum: 
dorrwg est bisyllabum. V.8 LEPONN, yeyovs. V.9. AHY- 
TYXHLAAEIEAYTONILILTEY. LOE®. V,10 1040.. 
AIdOMENONANMPA®KATHO®YTIEAOL. In his quam 
incerla sint, si non sententia , al saltem verba , quivis videt. 
In 1040 . . manilesto latet verbum, conformatio sentenliae 
in binis versibus est eadem vel omissio copulae similis atque 
in v. 4. Quod posui imitatur Homericum deyouuı Knoa Jl. 
XVIH, 155. In AIPAGKA misere hallucinatus est Hamil- 
tonus neque ego, quid debuerit scribere, divinaverim. Cete- 
rum mireris hominem nıorsvovr@ zig Tov Yeov, sSimulque 
menltem vilamque Epicureorum ingenue profitentem. Versus 
sunt inconeinni et senariis quinque tolidem immixti septenarii. 
vV.11 KILAYAEIN. V. 12 emendavimuss DZIAANAPL2- 
MEXITAOYE. Formae 2 et ® alternant in apographo, ila 
ul lacile poluerint commulari inter se. Quod si est in lapide 
OC, Hamiltonus legit © et scripsit 2. 
45. 
"Angı &yo zeluaı Meverkel ueya ımde ouv avdgı“ 
zul yao Lovreg Öu[od] zovro yEoag Aayouer. 
Kai kınousv Övo rexva, veov de ye "Aorsewdwgor, 
05 yagıy EVoEßIng yevosv Tuußov pIıuEvooım. 


* ’ c ’ ” ’ c x * N 
Aaroeıv Ö’ 01 nwgıivres xeuyag VEOI vneg @vrov. 


Epigrammalum Graecorum. 267 


In vico Phrygiae Dinair, apud Hamiltonum p. 443 n. 205. 
— V. 140014. 'V. 4 PEY3EN. ‚V.5 XAIPIMOIII- 
TAPIONTESKAIEYXASOESOYILEPAYTOY,. Ad yar- 
osıw adsume zinare ex sequenli evyag HEoIe, quo Chrisliani 
sensus veteri formulae adiungunlur. An fuit yarosre? 


46. 
2 0 BE ERDE NURFB ALL. 
+ noruEvog G0loTov TWv FE0gENTWwV 
nv [8] nagodira urnua ns urnung yaoır. 
Maseınov Etev£s TOVTO Tolg növorg, 
5 @AR is ueiwow NiFE To yoovm note, 
NnEQ Ovvundgysi TOIG xg0V0L5 üUnmogtıg 
6 0° Evvousıog xawioag Tnv Ovoraoıy, 
BG 00P0S ünagxwv largüg xal yevvadag , 
NYEIGEV avTo mOOYOvIRng Pnung xapıv, 
10 ovrog mg0sVuwg, #Amg0VoUnOaG, Sg nahal. , 

Hamilton. Asia Minor T. II p. 434 n. 162, in Eski Kara 
Hissar. V. 3 inserui @. V.5 4AMEIEMI®LIN. V.6 HTEP. 
V. 7 Evvouıos, nomen melri caussa corruplum. KAINIEAL: 
V. 10 KAHPOMHLAL. 

47. 
ern 0. 2b ın untegı Mektive zei 
10 vio Teip zei ıd ddeApo uov Kia. Eıkop de oüderi L£soraı 1E- 
Iyvaı xwgis Toy nooyleyplauusvor. ös de av Enummdsioeı, Zoıas 
air noos 109 Lüvıe Heov zwi vüy zwi &v 77 zo10/um nufoc. 

Karov TO ynoav zul TO un ynoüv zahov 

xa.0v TO Fyroxsıv oig 10 Liv vBgıv pegeı, 

nag’ nv TO ynoag zal p£gsı ng0oWnLoV, 

In sepulereto veteris Eumeniae, ubi nunc Ishekli. Hamil- 
ton. p. 472 n. 363. Dedicatio una cum sentenlia adiecta in 
formam arae perscripla est. Nomen MeArtıyy contractum ut 
Meiras apud Pausaniam, Begvixn ap. Ross. Inscr. Gr. In. 109, 
Astruosg Cabinet Pourtales tab. 26 al.: neque inaudilum est 
Merrvvo, lola dativis nusquam adscriptum. Pro zedjvau 


268 Spieilegium 


legitur TEONHNAI ut n. 26 exir. Jambum primum audacius 
emendavi. Pro xa40» enim in fine lapis dat TPIEXEI- 
P2KAKON, quibus lapidarius suam de hac re opinionem li- 
berius intrusisse videlur, fere ut librarii haud raro in poetis 
eonsulto corrumpendis luserunt. V. JLAPHNTOFTHPOE 
KAIDEPEI IIPOLOTLIEION. Non intelligo. 


48. 


7 ’ 2 
Ovrosg Iwxaorng Tooorvrıog PIovbov viög], 
navrolng dosrag E£oyog Mvloyog, 
[a3 ’ x ” * J ’ > ’ 
0v untng wev Erixtev Evi Konyın eigen, 


nA ’ ’ 
nvzouos SIevin, peurarm Avooyıav 


[81 


e]uy7798lo’ Un’ Eowrı, zaoıyyyrovg TE x’ aolorovg 
za TAEIOTWV UNGTWV #0E000v05 YyEuovas. 

"Alra & vovoog Eungwe zarn zal uoiga Bagele 
7000 noiv ldeiv naldug aesougvong. 

Tovrov zovgidin ah0yog zul »[edv]a zidvile 

10 £orno’ EingaSız, zödog &7 narordfı. 

0 yao rıg zara yalav, vonıg Jı09ev yEvos [eori', 

ueißovra ınde norhsı 200u0V EInze [negı. 

Thebis supra fontem Paraporti. Plenius quam in Corp. 
Inser. Graec. n. 1654 edidit H. N. Ulrichs in Actis Acad. 
Monac. Cl. philosophico - philol. Vol. 3 p. 433 s8. Nuperrime 
editum vidi eliam ex schedis Rossi, Wlad. Davidolf, a Frid. 
Graefio in Actis Petropolit. 1843 T. VI p. 41—43. V.1 Po- 
cockius post Tooruvıog IOIIO, unde TovArov viog vel Ovinior, 
’ErPßiov vel simile quid scribendum esse. vidit Graelius: pater 
enim Socarlis s. Socratis erat Romanus. Alter editor minus bene 
supplevit &v9«de zeiraı, quod pugnat cum Eoryoe v. 10. Recte 
autem idem eonstituit versum 5. quum Graelius, distincto post 
Aiooviov sermone, scribat ö]vvndero’ ün’ Eowrı, zaoıyvjrovs 
töxje] nf2]eco[v]ls. V. 9. Graefius [x]a[a zlar[e) eidvilea]. 
V. 10. Idem: „Staluam ponendam curavit Eupraxis uxor, sed 


Epigrammalum Graecorum. 269 


neque haec loquitur, sed magistralus,.ut videlur, urbis splen- 
didum monumentum nactae, foemina nobili sumtus liberaliter 
faciente. Ita et Eupraxis a grata civitate laudari poluit.* 
Non laudatur Eupraxis, sed #ödog perlinet ad omissum &ixov« 
(v. 2), quod demoustrant quae sequuntur, et‘ poterat illa de sc 
loqui terlia persona. 


49. 
"Ayasn Tun. 
Avtn nagsevinn Elapnßolos donreıgav 
Inzaro Kvdlian]yv Tiavzıew Iuyarga, 
Übgopogov 7v [E]vy Ilarıın naoaßwuıa dEiaı, 
oraLgovyrW» alyav Eußgva xzahkıdurwr. 
5 [Tn]) «o’ side Te[xovo’] @[Ar]n alarelis, 5 de zum 
&x [ylelvlens Blele[y] &rzo0P0S &orı Ilarvog, * 
vn005 alplavloo]rary Anrwidos, 55 ngoßeßnre 
Bev$eoıw, doing Edgava gvouern 
ylals, 07 Eplaivero]' Ev9ev agniog sioev ’Ogeorng, 
10 ls Afu]3g’ E[x]pvyev 75 unroopsvov navıng. 
Tjnds zaraıfoouevn Sv]yarng oogpoo intnoog 
Iravzı[ew], Plo]vAeis "Agrsudog Irvding, 
Aiyolov n.w0[e0]a g[6]ov dvozeiusgov ordum, 
00Y1@ »[a]Ar[oovon] &s us ıyAaioer. 
Evtvgog. 
In insula Patmo. Lud. Rossii Inscriptt. Graec. ined. fasc. 
II p. 72 n. 190 cf. tabula lithographica, de cuius viri conie- 
eturis et tota explicandi raltione dixi in huius Musei T. II p. 
334—39, ubi simul nostram adstruere conatus sum, ex qua 
inscriptio perlinet ad statuam Cydippae, sacerdoti Dianae Tau- 
ricae in insula Palmo, positam. Hecaten, cui statuam a Cydippe 
dedicari putabat Rossius, v. 11 revocavit Franzius, qui post 
me epigramma fentavit in eiusdem Musei Voluminis tertii fasc. 
I p. 91, ita tamen, ut non statuam, sed deam ipsam: intelli- 
geret. Quod quamvis falsum esse censeo, minus tamen miror, 
quam quod vir doclissimus, quem mea quoque ante oculos 


270 Spieilegium 


habuisse video (p. 94), in quibus tria alia apographa cum 
Rossiano conferuntur, in hoc tantum sibi pluribus locis libere 
coniectando licere putavit. V. 3 ANIIATNIH, Rossius &rv 
Ilarvo. Comparaveram ’4Juooyia pro "Auooyog apud Ross. n. 
120. Ita vjoog rıs Ivorn, Pootn et Pioe, 'Izagıa et "Iraoos, 
Saodovin Syll. Epigr. Gr. n. 57, 3 ubi v. similia. Hodie K«- 
ovoreia. V.5 . NAPEIAETEIDHNAPHIN.. X in quibus, si 
verum vidi, minus offendit KOYZ in IDHN, qum AAin Pa 
Rossio mutalum. De «oa pro «o@ a poelis melri causa usur- 
pato nuper dixit Schneidewinus meus in Not. er. ad Pindari 
novam editionem Ol. VII, 46. Hic tamen ideo fortasse 4 
omissum est, quod in hiatu parum audilur. Franzius 77 zaron 
usv Adnvain nölıs. V. 6 &x yevejg neoıdwrov Jacobs. App. 
n.163. Rossius BAT, alii BIH, BH, unde aın posueram, 
quum v. sequenli eadem insula ex Rossii opinione a[u]avgo- 
rarn dicatur, post autem praetuleram «yavoorarmm. V.8 AN 
. HZ, Franzius Alyalns, puto quasi hoc epitheton, ceteroquin 
novum et ignotum, Dianae aptum sit, quatenus ex illo mari 
prodeunt insulae. Ego quod posui, @AAoing Edoava Gvousrn 
et v. sequ. y7g, OT &paivero, pendet ex &ioev, quod non 
habet quod regat quam ipsam insulam. Patmus igitur cogi- 
tanda est ex mari emergens ut Delus, et, ut Delus, vaga per 
undas sedem varians, dum fixam nanciscerelur, et quidem, 
ut illa nato in ea Apolline cum Diana et cultu illius instituto, 
sic Patmus, Scythicae Dianae ab Oreste ibi purgato ara po- 
sita. Similiter Rhegini narrabant, Probo ad Virgilium et 
Scholiasta Theoerili referentibus, Orestem e Taurica reducem, 
unde sororem deaeque simulacrum reporlaret, in finibus suis 
septem fluviorum conlinuofum aqua ablutum et sanatum esse, 
a qua ficlione inseparabilis est simulacri cultus institutus. V. 
Schneidewini Dissertatio de Diana Phacelitide et Oreste apud 
Rheginos et Sieulos Gottingae 1832. V. 9 F.SOTEI®II.. 
. INOEN. Franzius eis öre ’Ipıyevsıav, priorum lilterarum 
cum hac coniectura convenientia in errorem induclus neque 
deterritus litteris ultimis, quas omnino excludit, quamvis etiam 


Epigrammatum Graecorum. 271 


anonymus fide dienus, cuius schedis usus sum, exhibet NOEN 
ei quamvis repeti quidem temere syllabas in marmoribus haud 
raro videmus, syllabas prorsus alienas immisceri maudilum 
est, Tolum distichon adscribo. 
eils Öre ’Ipılyevsia]v aontog zioev 'Ogeorng 
[Ev9ad? dvızw]evng unroopövov uarıng. 

Quis autem credat Iphigeniam diei et solo hoc nomine hie 
appellari potuisse deam Tauricam, cuius cultum Iphigenia sacerdos, 
a fratre recuperata et in itinere Palmum advecta, vel certe 
Oresles institut? Epitheton Iphigeniae a quibusdam Dianae 
vel Hecatae datum non facit ut credamus. V. 10. Rossius 
.24.0OIE..TYIEN, in quibus I muto in P, suppleo K 
et DYTEN corrigo ex duobus apographis eorum , quae in- 
spexi Smyrnae acceptis. Ab initio Rossius falso tria, v. 11 et 
12 bina puncta ut signa lacunarum posuit. V. 11 .II AEKA- 
TMI®.... ZATHP, in quibus litterae MI® facilem sub- 
eunt mutationem quum scribimus AIP. V.12 TAAYKIO.- 
P.YAAI2. Scripseram ad vesligia lilterarum TIavxrov &o- 
nvAkıs, producla ullima in eonvirds, ministra ; sed praefero 
nunc quod dedit Franzius, quo repelitur quod primi versus 
indicant, PovAais. In quo tamen cave, ne cum hoc iungas 
n)w000@, quasi Cydippe antequam natale solum relinqueret a 
Diana in suum servitium vocata fuerit. Immo cohaerent inter 
se zararpouevn el niwoaon, Bovilaig et Yylaloev, V. 13 
IIAOOZ..APOY, Rossius n.wovow vel nAwoaou nögov, 
Franzius öoov. V. 14 Rossius OPIIAKROAA...INOS, 
unum eorum quae contuli apographum habet OPTIAK. Ex 
meo cetera interpretandi modo non invenio quid sequentes 
Jitterae continere potuerint uam KAAAOSYNH, et H cum 
N, qui huius est character in hoc lapide, facilius quam vulgo 
commulari poterat. Pulchritudinis autem in sacerdote laudem 
immisceri eo minus mirum, quod honesli et divitis viri filia 
non alia re quam ipsa suadenie, per somnia. nimirum, dea 
mota fuisse dicitur, ut Dianae Tauricae ministerio se et vir- 
ginitati destinaret. Ultima haec Franzius hoc modo refingit: 


272 Spicilegium 


znv 0’ Era] plıiRn 7 Ivlyarng 00poV Inejoog 
Pravzi[ew, Polv[}]ais Aorsudos Ixvdılng 
Alyalov nıwoao® 600v Jvoyeiusoov oldua 
voyıa zolıvove]iv, @s Hug , 7yhaloer. 
In quibus quod “Exarıv 7yAaloev voyıa zoıwwveiv dielum esse 
contendit pro wore x0mwwvsiv Tois Hoyıalovcıv, vereor, ut ad 
Dianae Tauricae ritus, capras maclalas ei sacerdotem aquam 
sive ad sacrificii usum sive ad lusirationem gestantem, salis 
quadret ogyıa zoıwwvelv. Maior eliam est. difficultas in ver- 
borum constructione. 


50. 

Tovde Avzo[zreidng zul Zewaydoas] zur” Ovsıgov 

to) Zeivov Epoom Pouov &dEvro Lit. 

In ara inventa in Alhenarum acropoli; edidit L. Rossius 
Kunstblatt 1840 p. 67. Lilterae Romani imperii produnt tem- 
pora. Exaraiog zar’ oveıoov, Jovi dedicat anaglyphum. Ross. 
Inser. n. 172. 


ol. 


O zo0rsg05 mollodyog avas Nysıoaro Tacınv 
veruatı TOD OPETEOW yahxorvnov nurkuaıg 
oryhnv Evkavoıo, 10» eV E&vonoaro FEouog 
nElFOUEVov OXnnTo0IG alsv @470Q0L0Lc. 
A2oz20 ol, QiroS, WdE voruova Textova galxoo 
Houıorov oopIyS 0@u@ wWıumoauevor. 
Sinope in basi muro urbis infixa apud Hamiltonum p. 410 
n. 58. V. 1 HFTIPATO, forma insöolens, verbum probum: 
noveramus. enim £yeiosım VneoWov, Zaua, nvgyovs, num, 
Toonaıov, Tuußov (Syll. Epier. n. 40.3 V.3 EYAANOIO, 
Evirvov. An emendabimus EYAAAIOIO? Yeouos, impe- 
rator. Iryjin autem pro slatua (Bildsäule) , quod ignorank 
lexica nosira, nonnunquam ponilur a scriptoribus infimae 
Graeeilatis , ut ait Zoega de Obel. p. 571 n. 4: reclius quam 
Gisb. Cuperus in nolis ad Lactant. c. 19 p. 460 ed. Dufresn. 


Epigrammatum Graecorum. 273 


qui hane significalionem eliam in aliquot locos Aeschinis et 
Plutarchi falso ingerit. Vit. Plat. in Bibliotheca Gotting. velt. 
Jitterarum et arlis fasc. V Ined. p. 15 yvvrz yag rıg annıdev 
z9n00uEvn, el.del ayv oTHANV avrov ovvrasaı Tois ayak- 
ua@ocı ov Iewr.  Fab. Aesop. Cod. Florent. 169 zerodvnv 
oryAnv Öuoldav avdoc., Tzeizes Chil. VI, 610 o77;%nv Memno- 
nis tangit, quam fallitur Osannus Syll. Inser. p. 17 negans esse 
statuam. In Anthol. Planudea l. V. habemus epigrammata zz 
Tas &v m innodgouw ornAag zwv adınror, et in. IV eig &- 
zovas Posidippi epigramma eis oryAnv ’ArsSavögov (a Lysippo 
factam). Vid. etiam Gloss. vett. et Suid. s. v. Quibus locis 
quum accedat epigramma  nostrum, eliam in Cvziceno illo 
Anthol. Pal. VI, 342, quo de disserit etiam Boeckhius in Expll. 
ad Pind. Ol. VII p. 172, orarar, 791707 orvAlda, in templo 
Gratiarum , primae arlis sculptoriae (r&g nowrag teyvag) opus 
et a Pallade ipsa faclum donaltumque Cyzicenis, quum pri- 
mum in Asia ii templum condidissent,, non triangularem ecip- 
pum sive columellam,, Wriadis Graliarum symbolum , unde po- 
stea mortalis alicuius ingenio et invento ars prognata sit, cum 
Buttmanno ei Boeckhio esse credo, sed opus vere, sculpte- 
rium, statuam triplicom et unam Graliarum, fere ut Hecates 
trigeminae imagines. 


52, 
‘"H Bovin Tiunosv ayaooauıevn Tov aoıdov 
N20709@ zul wolnng sivez@ zul ıorov' 
sixora 0’ ESereleooe xal Eioaro nurgidog Koywv 
Koovovrog Iarsong Ev reusveooı Koons, 

090% zul dıyiyovol' eg 29 Gorel nuldeg &yorev 

onum Yıhoseving zul Öereang oogping. 

Cyzici a. 1741 repertum et cum Peyssonelio communi- 
eatum. V. 1 TEIMESSEN.. V. 3 IKONA, post quod 
deest particula , ei peccatum est etiam in EZETEAEZSEN. 
V. 4 TAMENESSE,  V.6 ®ILAOZENLAZ. Corp. Inser. 
Up. 935 n. 3671. 

Muf. f. Philolog. N, F. II 18 


274 Spieilegium 


Kal uera Aaopovov Erpog vıEog 7082200 naToN, 

zreiva 0° Ayıllya yroaog eigoadın' 

5 d&zarov Ö’ 2200rno@ Ilaveiaıyov Evıavzov, 

noös de wurov Morowv ovrıg &ysı dvvaoıy. 

Ex marmore in Angliam allato edidit Leakius Transa- 
etions of the R. Society of literature, Second Series T.1 1845 
p. 274. 305. Loquitur Priamus, cuius slatua basi hoc epi- 
grammate insiructae imposita erat. Et glorialur is, se eliam 
post Hectoris necem patriae defendendae parem fuisse. Noti 
enim strategematis, quo Achilles Paridis et Deiphobi manu 
periit, auctor ferebatur Priamus. Dictys IV, 10. Tum utroque 
exercitu sacrificio insistente Priamus, Tempus nactus, Idaeum 
ad Achillem super Polyxena cum mandatis mitt cet. Schol. 
Eurip. Hec. 385. Atysrar yao #Andnvaı arTov nooug tod Tloıu- 
uov wg pihov zul povevdnvar noös AksSandoov dia Perovg. 
Tzetz. Posthom. 5857 neagarpaorroı IIoıauov, Tangit hanc 
fabulam etiam Lycophro 271. 


54. 


On AIava Avvanıosg Aauoosernv.. 

Trimeter seriplus in protome Demosthenis, Canosae re- 
perta, quue Neapoli fuit apud Archiepiscopum Rossium, a. 
1837 vita defunctum. Notizia di un busto inedito di Demo- 
sthene, letta all’ Academia Ercolanese nell’ anno 1834 dal 
Cav. F. M. Avellino, Napoli nella stamperia reale 1841. Qui 
Vir praesianlissimus quae et de imagine deque imaginum dis 
dedicandarum usu, et de tituli, characterum, dialecli ratione 
monenda erant, absolvit doctissime. Miror tamen eum per- 
suaderi sibi passum esse, in nomine dedicantis et dedicati et 
ipsius, si diis placet, deae , cui marmor dedicalur , quippe 
quam eliam IIevıada vocalam esse sciunt doctiores, alium 
quam fortuitum significationis concursum existere. Faclum est 


Epigrammatum Graecorum. 275 


opus haud vulgare Romani imperii tempore; Dynamii nomen 
extat ap. Gruter. p. MLIX, 1 et in fastis consularibus anni 
post Christum 488. 
55. 
Ilivs Akycı TO yAvnue, zal EodıE zal neglxeı0o 
avden: ToivroL yeıvousd’ ESanılvmg. 

In sarda annulari, litteris ex albo colore exstantibus, 
superne hominis calvaria, infra scalpta mensa dapibus referta. 
Edidit Gorius Inser, ani. Eiruriae T. HL p. 21. Qui quod 
coronam e floribus contextam desiderat, fallitur: zouovror spe- 
clat ad eranium. XAIPEKALILINE legitur in annulo aureo 
nuper inveuto. V. Gerhardi Archaeol. Zeitung 1843 p. 128. 
In vase fietili Sileno vinum ex ulre in cralerem eflundentli ad- 
seriplum est SLAANOS TEPIION HEAVS HOINOS, de 
Witte Cabinet d’antiqu. Etrusques p. 85, in quo T&onwv pro 
Teomöuesvog sumilur (se rejouissant), quo significatu legimus 
zeonovocı n. 17, potest lamen eliam aliler intelligi. 


F. Th. Welcker. 


leber die leges annales der Römer. 


Auf die Frage, welches find denn die in der lex Villia * 
für die einzelnen Staatsämter feftgeftellten Jahre, iſt es herkömm— 
Ich zu antworten; Cicero rühmt von fi), Daß er omnes honores 
anno suo erlangt habe; mithin kann man die Lebensjahre Cicero's, 
in welchen er die einzelnen Aemter verwaltet hat, als die gefeklich 
beftimmten anfchen. In dieſem Räſonnement ſind zwei bedeutende 
Fehler zu rügen. 

a) Cicero ſagt nirgends, daß er ommes honores suo anno 
erlangt habe. Cie. Agrar. II, c. 2 und Brut. 94, 323 behauptet 
er dies Glos vom Confulate, und de off. I, 17, sq. nam pro 
amplitudine honorum, quos cunclis suffragiis adepti sumus no- 
stro quidem anno, sane exiguus sumplus aedilitatis fuit, ift 
doch sffenbar die Quäſtur und Aedilität ausgefchloffen, und nur die 
Prätur und das Eonfulat bezeichnet. Hinfichtlih der übrigen Aem— 
ter rühmt er fich blog quaesior in prümis, aedilis prior geworden 
zu fein in Pison. c. 1. | 

b) Der Ausdruc anno meo, anno suo, behaupte ich, bezieht 
fich überhaupt gar nicht auf das Lebensalter des Bewerbers, 
fondern vielmehr auf die geſetzliche Friſt, die nach Verwaltung des 
nächft vorhergehenden Amtes verfloffen fein mußte, ehe einer das 
höhere Amt erlangen konnte. War diefe Zwifchenzeit verftrihen — 
nach Cie. ad fam. X, 25 war es ein biennium, was fich auch aus 
Cie. Phil. V, 17. si amno superiore quaestor fuisset folgern 


*) Cie. XL, 44. Eo anno rogatio primum lata est ab L. Villio 
tribuno plebis, quot annos nati quemque magistratum peterent cape- 
venlque. Ovid. Fast, V, 65. finitaque certis legibus est aetas, unde 
petatur honos. 


leber die leges annales der Römer. 277 


läßt — fo trat dann ver annus suus ein, wo einer gefeßlich be— 
rechtigt war, auf das höhere Amt Anſpruch zu machen. Wenige 
jedoch erreichten hoc modo das Confulat und homines novi vor 
Gicero nie, (Agrar. I. c. 29). Wenn nun jemand in dem gefeß- 
lich erlaubten früheſten Alter in das erfte Amt: eintrat, dann fiel 
freilich der annus suus und das in der lex annalis unter jener 
Borausfesung feftgeftellte normale Lebensjahr zufammen; aber der 
Ginzelne, der die erften Aemter ſpäter verwaltete, als es geſetzlich 
erlaubt war, konnte die höheren Aemter anno suo erlangt haben, 
ohne Darum fie auch in dem gefeklich erlaubten früheften Lebensalter 
erhalten zu haben. Für dieſe Deutung des annus suus. fprechen 
folgende Beweiſe. 

1) Cie. ad fam. X. 25. multi elarissimi viri annum peli- 
tionis suae non obierunt. Quod eo facilius nobis est, quod 
non est annus hie tibi destinatus, ut, si aedilis fuisses, post 
biennium tuus annus esset. Hier ift offenbar der annus luus 
nicht von dem Pebensafter, fondern von dem biennium post aedi- 
litatem abhängig gemacht. 

2) Cie. Agrar. Il ce. 2. reperietis, novos homines multis 
annis post pelisse quam praelores fuissent, aliquanto serius, 
quam per aelatem ac leges liceret: qui autem suo «anno pe— 
tierint cet. Hier zeigt fich deutlich, was der gegemüberftehende 
annus suus bedeute. » Während die homines novi gewöhnlich erſt 
mullis annis post praeturam fich zu bewerben wagten, bewarb fich 
Cicero quam primum lieitum fuit und wurde Conſul (gleich nad 
dem biennium oder) anno suo, Die anderen serius quam per 
leges licebat und natürlich nun auch zugleich serius quam per 
aetatem licebat. Das per aetatem ac leges ift aljv von einan- 
der zu ſcheiden. 

3) Cie. Brut. 93, 321. atque ut multa omittam, in hoc 
spatio (i. e. per hoc tempus) et [in] his post aedilitatem an- 
nis et praetor primus et incredibili populi voluntate sum fa- 
elus. Nichtig erkannte Orelli, daß bier et-et-et fich entipreche, 
und his (i. e. tam paucis) post aedilitatem annis als eine ver 
drei Auszeichnungen, welche Cicero bei feiner Bewerbung um die 


278 Ucber die leges annales 


Prätur erfahren hat, anzufehen fer, Fälſchlich hielt Effendt jene 
Worte für eine Erffärung von in hoc spatio und wollte fie darum 
als Gloſſem ftreichen. 

4) Wäre Obiges nicht die richtige Erflärung des annus suus, 
fo dürfte Cicero gar nicht von fich fagen, daß er das Coufulat anno 
suo erlangt habe, Denn Cicero trat 3 Tage nach Antritt des 
Conſulates in fein 44. Jahr, war alfo Conſul anno actatis LAIV, 
was noch Niemand für das normale Yebensjahr angefehen hat. 

5) Nach Plin. Ep. VI, 16. waren Plinius und Tiro zuſam— 
men Duäftoren. Vebterer wurde durch Dispenfation ein Jahr frit- 
her Tribun als Plinius; aber Plinius holte ihn in der Prätur wie- 
der ein, weil diefem bei Bewerbung um die Prätur ein Jahr er 
faffen wurde. Dies ſetzt voraus, daß bei dem früheren Eintritte 
in ein vorhergehendes Amt auch das höhere früher erreicht wurde, 
Jene Dispenfation bezog fich auf mie Zwiſchenfriſt, nicht auf das 
Lebensalter, was für jenen Fall auch Maffon Vita Plin. p. 42. 
richtig bemerkt. 

6) Auch das Jahr, in welchem jemand nach Verwaltung des 
Conſulates oder der Prätur auf eine Provinz Anſpruch machen durfte, 
heißt annus suus. Hier aber fann von keinem Pebensjahr, fondern 
nur von der Zeit nach der Berwaltung des Amtes, welche zn man- 
chen Zeiten geſetzlich feftgeftellt war (Div Eaff. 53, 14), die Rede 
fern. Sueton Galb. 3. prohibilusque a Tiberio sorliri anno suo 
proconsulatum. Daffelbe ift Tac. Agrie. c. 42. aderat jam annus, 
quo proconsulatum sortirelur. 

Eine zweite Vorfrage erbeifcht eine Behauptung von Manutius 
de legg. Romanis. Cicero pro lege Manil. 21, 62 fagt: quid 
lam singulare,, quam ut ex senalusconsulto legibus solutus, 
consul ante fieret, quam zllım altim magistratum per leges 
capere lieuisset. Pompejus bewarb fi) um das Conſulat nad 
Appian b. eiv. I. 121. &r05 &ywv TEraorov En! Toig TYLaRoV- 
==, nach genanerer Nechnung war er beim Antritt des Confulates 
5%, Sahr alt. Es it alſo offenbar, daß an jener Stelle blos 
von don magistratus curules die Rede iſt, mithin muß man ven 
Ausoruf ullum alium magisiralum der ariſtokratiſch gefärbten 


der Römer. | 979 


Rhetorik des neuen Prätors zu Gute halten, der num die nichteuru- 
liſchen Memter nicht mehr für voll anfieht, wie er eben fo in feinem 
Staate (de leg. I, 3, 7.) befonders hervorhebt: ollisque (ae- 
dilibus) ad honoris amplioris gradum is primus ascensus esto, 
während ev noch in Verr. Act. c. 4. die quaesiura den Primus 
gradus honoris fein Yäßt, wie Ulpian de off. quaestoris (Dig. 1 
tit. 13.) ingressus est enim (quaestura) et quasi primordium 
gerendorum honorum. Manutius aber p. 108 geht weiter und 
behauptet, daß die lex annalis fich überhaupt gar nicht auf die 
nichteuruliſchen Aemter bezogen habe. Die Beifpiele, die ihm Lipfius 
de magistratibus entgegenftellt , wo der Ausdruck aelas quaesto- 
via vorkommt, möchten freifich nicht viel gegen Manutius beweifen, 
weil fie ſämmtlich aus der Ratferzeit entnommen find, wo anerkannt 
für die Quäſtur ein beftimmtes Jahr feftgeftellt war. Zu diefen 
zähle ich auch das Beiſpiel aus Quintil. XII, 6, wo zwar von 
Männern der Republik die Rede ift, aber der Ausdruck "quaestoria 
aetas Jeicht aus dem Eprachgebrauche der Quintilianiſchen Zeit 
entnommen ſein könnte. Manutius könnte fich auch berufen auf 
Latinus Pacatus panegyrico Theodosii, welcher fagt: cuius qui- 
dem rei ila fuit ‚cura maioribus, ut non in amplissimis ma- 
gistratibus adipiscendis solum, sed in praeturis quoque aut 
aedilitatibus capessendis actas spectata sit petitorum; wo aller⸗ 
dings befremden Tann, Daß jener blos bis zu der Aedilität herab— 
fteigt 5; aber auf jenen Schriftſteller ift wohl nichts zu bauen. 
Allerdings iſt in feinem Schriftfteller der Republik irgendwo von 
einem zur Duäftur erforderlichen Alter die Rede, und es ließe ſich 
leicht denken, daß bei der Quäſtur, als einem urfprünglich rein 
militärifchen Amte (Tac. Ann. XL, 22) dergleichen Beflimmungen 
nicht nöthig waren, weil die Zulaffung zu demfelben durch. Die 
Kriegsdienfte und das militärifche Avancement bedingt war. Nach 
Polybius VI, 19. waren zehnjährige Kriegsdienfte zum Eintritt in 
das erfte Staatsamt erforderlih. Daß auch noch zur Kaiferzeit der 
Kriegsdienſt in die Staatscarriere einführte,. beweift Seneca ep. 47. 
quam multos splendidissime nalos senalorium per militiam au-- 
spicantes gradum forluna depressit. Dip Caſſ. 67, 11. ’Zovruos 


250 lleber die leges annales 


Kakovaorgog zeyıhıagymzwg 85 Povisiag Ehnida. Vielleicht 
war Dies; auch der Grund, warum Gracchus @Plut. Gr. c. 5) das 
Geſetz gab vEenregov Ovın intra zul Öiza Erov un zuralyeoduı 
oTgarıoryv, weil die Vortheile, welche der frühe Eintritt in den 
Keiegsvienft bot (Ciy. 25, 5. ut qui 'minores annis seplem et 
decem; sacramento dixissent, iis proinde stipendia procederent, 
ac si septem et decem 'annorum aut maiores milites facli' es- 
sent) son der Ariftofratie zu fehr benutzt wurde. 

Aber wir fehen, Daß, wo von dent Anfange der Staatslaufbahn 
und den Darauf gegründeten Anciennetäts -Anfprüchen die Rede ft, 
immer auf Die Quäſtur zurücdgegangen wird." Erwägen wir. num, 
daß die Hauptbeftinmung des Geſetzes eigentlich auf die Zwiſchen— 
zeit zwiſchen den einzelnen Aemtern fich bezog, dennoch aber im 
Örfeß es heißt, quot annos nati quemque magistralum pelerent 
eaperenique, fo muß man ſchließen, daß beide Beſtimmungen in 
das Gefeg aufgenommen waren im der Werfe, daß in Einklang 
mit jenen Zwiſchenfriſten das normale Lebensjahr im Geſetze hinge- 
fielt war. Dann aber wäre es ſeltſam, "wenn in dieſer Norm 
nicht auch für den erfien Eintritt in vie honores eine aetas ange: 
nommen und feftgeftellt gewefen wäre. Auch gab es ja viele, welche 
nicht homines militares waren, und propter juris eivilis scienliam auf 
die Staats-Nemter Anfpruch machten (Cic. pro Mur. c. 23 sq.). 
Auf dieſe mußte doch die Norm auch anwendbar fern. Vorzüglich 
aber fpricht für jene Annahme die Analogie, infofern in der Katfer- 
zeit (fiehe nachher) und in den Municivien ſchon früher für den 
erften Eintritt in Die Staatsämter ein beſtimmtes Alter erfordert 
wurde. Daß übrigens nicht etwa blos durch die Aedilität, fondern 
durch die Duäftur die zum zeitigen Eintritt in die höheren Staats— 
ämter erforderliche Anciennetät bedingt war, was freilich Manutius 
wohl nicht leugnen würde, erhellt aus folgenden Stellen. Cie. pro 
Mur. F. 18. Hagt Sulpieius, daß Murena statt feiner zum Conful 
erwählt fei, und bemerkt quaesiuram una petit et sum ego fa- 
elus di. e. renunlialus) prior. ie, Phil. V, 17. wird zu Gun- 
ften Octavians decretirt: eiusque ralionem, quemeunque magi- 
stralum petet, ita haberi, ut haberi per leges.liceret, si anno 


der Römer. 281 


superiore quaesior fuisset d. i. er erhielt die Anciennetät eines 
32jährigen quaestorius. Zugleich wurde ihm (Div Caſſ. 46, 29. 
Cie. ad Brut. ep. 15 statuam Philippus decrevit,  celeritatem 
pelitionis primo Servius , post celeriorem etiam Servilius) ge- 
ftattet, 10 Sahre vor der gefetlichen Zeit fi um das Confulat zu 
bewerben, d. h. nach jenem vorausgegangenen Derrete, es folle fo 
angefehen werben, ald ob er 42 Jahre alt wäre. Mir frheint die— 
fes auf einen decursus honorum Hinzudeuten, der 12 Jahre um- 
faßte som 30-—42 Lebensjahre. Für die Bedeutſamkrit der frübe- 
ren Aemter ift wichtig Cic. pro Plane. e. 21. wo er viele Bei— 
fpiele anführt von ſolchen, die, ohne Aedilen gewefen zu fen, zu 
Conſuln erwählt worden wären, aber als weit merfwürdiger bie 
Fälfe hervorhebt, wo einer Conſul geworben fei, ohne vorher Iri- 
bunus plebis und quaestor, ja ohne tribunus militum gemwefen 
zu fein, 
Daß die gewöhnliche, angeblich auf Cicero's Lebensjahre fich 

ftüßende Anficht, daß das 31. 37. 40. 43. Lebensjahr in der lex 
Villia feftgeftefft gewefen fei, wober man zugleich unentfchieven läßt, 
9b jenes Jahr vollendet oder angetreten, ob es das Jahr der 
Amtsführung oder der Bewerbung gewefen fer, nicht gehörig. be— 
gründet tft, glaube ich oben nachgewiefen zu haben, Nach meiner 
Meinung war zur Zeit der Republik 

für die Quäſtur das Alter von 30 Jahren 

ERS FREUE IE ERNEST TI, 

BEDIETHEDIRE FUN IN 86 

RED DEREN EBEN 

as Conan, 
erforderlich. Daber möchte ich den befannten juriftifchen Kanon der 
foäteren Zeit, annus coeptus pro pleno. habetur *) nur von ver 
Zeit der Bewerbung gelten laffen, fo daß alfo einer nach Vollen— 
des 41. Jahres fih um das Confulat bewerben und furz vor oder 
gleich nach Vollendung des 42. Jahres daſſelbe antreten Fonnte. 

*) L. 8 de muneribus et honoribus (Dig. 50 fit. 4): annus autem 


eoeptus pro pleno habetur; hoc .enim in honoribus favoris caussa con- 
stitutum est, nt pro. plenis inchoatos accipiamus. 


Ueber vie leges annales 


IN) 
[0,0] 
m 


Hierzu. ſtimmt genau: die Beftimmung der aelas- consularis 
bei Cie. Phil. V, 17. Macedo Alexander nonne terlio et trice- 
simo anno mortem obiit? quae est aetas nostris legibus de- 
cem minor quam consularis. Alexander ſtarb 32 Jahre 2 Mo— 
nate alt. Alſo ver ‚beginnende annus XLIII aetatis war zur Ver— 
waltung des Confulates hinveichend. Cicero aber war Conſul anno | 
aelatis XLIV , weil er erſt anno aetalis XXXII Quäſtor gewor> 
den war. Für die Quäſtur das Jahr 30 anzunehmen ‚ bat gleich- 
falls mehr für fi als 31, weil jenes Jahr anderweitig in ähnli— 
chen Berhältniffen als Normaljahr gilt. So z. DB. iſt in der lex. 
Servilia die Wahlfähigfeit zu den CDLviris durch das 30. Jahr 
bedingt. “(Monum. legg. ed. Haubold. p. 33. 35. Briffen. de 
form. 11,,24.): In der tabula Heracleensis ift das 30. Jahr 
ausdrücklich" als das gefekliche für den Eintritt in die Staatsämter 
in den Municipien feftgeftellt: qui minor XXX annis est, erit, 
ne quis eorum in munieipio, colonia, praefectura duumviratum 
qualuorviralum, neve quem alium magistralum neve petito 
neve gerito (Haub. Monum. p. 119). Diefe Beftimmungen für die 
Municipien find fiherlih den Gefesen in Rom nachgebilvet, und 
fo dürfen wir wohl auch Das vom Prätor C. Claudius für Die 
Halesini'entiworfene Statut, ne quis minor XAX annis natus sena- 
tor :cooptaretur (Cie. in Verr. acc. lib: I, 49, 122) und vie für 
die Bithynier durch die lex Pompeia getroffene Beftimmung nequis, 
capiat magistratum neve sit in senatu minor NXX annorum 
(Plin. ep. X, 83) um fo mehr mit anführen, da ſeit Auguſtus, wo 
in Nom jene Geſetze fich änderten, auch in den Provinzen dieſe 
Statuten (Plin. 1. 1) umgeſtaltet wurden. 

Die häufig fchon in der Republik sorfommenden Ausnahmen, 
wo einzelne Männer, che fie jenes Alter erreicht hatten, die Aem— 
ter erlangten (Garatoni ad Phil. V, 17. Drafenb. ad Liv. 25, 2. 
Bal, Mar. VIH, 15. Manutius de legg.) find nicht als willkühr— 
liche Exemtisnen anzuſehen, fondern waren zum großen Theile vn 
dem Geſetze felbft begründet. Militäriſche Auszeichnung und 
Verdienſte geftatteten eine frühere Bewerbung. Cie, Acad. II, 1. 
Lucullus quaestor permultos annos admirabili quadam laude 


der Nömer 285 


praefuit, deinde absens factus aedilis, conlinuo praelor, licebat 
enim celerius‘praemio legis. Cie. Phil. XI, 5. (Bestia) alter 
Caesar Vopiscus ille, qui ex aedilitate. consulatum pelit, sol- 
vatur legibus, quanquam leges eum .non tenent propter exi- 
miam, credo , dignitatem. Auf feine Berdienfte berief ſich auch 
wohl Furnius, wenn er (Cie. ep. ad fam. X, 25), ohne Aedil ge- 
wefen zu fein, ſich um die. Prätur bewarb: - Ber Appian b. eiv. I. 
101. will Dfella dem son Sulla son neuem eingefihärften Gefege 
(oTgur7yElv aneine ngiv Tauıevonı zul Unareveiv nglv 0T00- 
zyynoar) ſich nicht fügen, fondern will dıa To u£ysdog Tav Ei0- 
yaousıov Zara naluıov Eos Conful werden, ohne Quä— 
for und Prätor gewefen zu fein Wenn dagegen Antroniug, der 
zuglich mit Cicero Quäſtor war, (pro Sull. VL, 15) dennoch zwei 
Sahre früher als Cicero zum Conſul deſignirt wurde, fo war Die 
nur eine durch Umtriebe der Catilinarifchen Parthei erfchlichene Un— 
gefeslichfeit, vie ihm auch eine Anklage de ambitu nnd die Ver- 
dammung zuzog. Die wegen befonderer Verdienfte Cato zuerfannte 
Auszeihnung (Val. Mar. V, 1, 14. Blut. c. 39). ut praetura 
extravordinem. ei daretur , bezog ſich wohl nicht auf feine aclas, 
wie Div Caſſ. 39, 23 meint, orgurnylav'avıo dodmvar zaneg 
undenw ngosyzovoer, fondern, wie Manutius de legg. zu er- 
werfen fucht, auf den Wahlmodus: campestrem experiri temeri- 
tatem quam curiae benelicio uti satius duxil fagt Val. Mar. J. J. 
‚Ehe wir zur Kaiferzeit übergehen, müſſen wir noch die häufig 
angeregte Frage beantworten, ob es vor der lex Yillia (574) ſchon 
eine ähnliche geſetzliche Beſtimmung gegeben habe. Daß in ver 
älteren Zeit feine lex annalis vorhanden gewefen fer, fagen aus- 
drücklich Tac. Ann..Xl, 22. Cic. Phil. V, 17. Doch wiederholt 
hat man behauptet, daß die lex Villia nicht die erſte geweſen fei. 
Sp fand man eine Spur einer anderen lex annalis, deren Priv- 
vität man freilich nicht geradezu behauptete, weil Die Zeit derfelben 
unbefannt fei, bei Cic. de orat. 11, 64, 261. ut olim, Rusca quum 
legem ferret annalem, dissuasor M. Servilius, die mihi, inquit, 
M. Pinari, si contra te dixero, mihi male dieinrus es? Aber 
bei Liv. 40, 18. wird cin Prätor des Jahres 573 M. Pinarius 


25 Ueber die leges annales 


Posca (andere codd. Pusca) erwähnt, Was Liegt näher, als daß 
jener M. Pinarius Nusca bei” Cicero und M. Pinarius Pusea 
(ſchreibe: Rusca) bei Livius eine und dieſelbe Perſon iſt? Auch 
der genannte Gegner von Rusca, M. Servilius, findet ſich bei Liv. 
40, 27. als Kriegstribun des Jahres 574. Es fiheint alfo, daß 
jener Rusca an den Debatten über die lex Villia lebhaften An- 
theil genommen und als suasor derfelben aufgetreten iſt. Will 
man aber den Ausdruck Cicero's quum legem ferret annalem ur— 
given, fo ließe fich vielleicht auch annehmen, daß bei Liv. 40, 44 
eo anno rogalio primum lata.est fo zu werfichen fer, daß durch 
Das primum lata est auf eine in den nächften Jahren (durch 
Tu) erfolgte nochmalige Beantragung derfeiben Bill hingewiefen 
wird. Bol. Liv. 10, 0, tertio ea (lex Valeria) tum lata est. 
Die Hauptftelle aber, auf Die man fich beruft, iſt Liv. 25, 2. 
Huic (P. Scipioni Africano) petenti aedilitatem quum Rn 
rent tribuni plebis, neganles rationem eius habendam esse, quod 
nondum ad petendum legilima aetas esset, si me, inquit, omnes 
Quirites aedilem facere volunt, satis annorum habeo. Dürfte 
man bier legitimus in der anderwärts, namentlich bei Plinius oft 
sorfommenden. weiteren Bedeutung nehmen, daß es nicht geſetzlich, 
fondern gehörig, ſchicklich, paſſend bedeute — man bevenfe 
daß Scipio damals Faum 22 Jahre alt war — fo wäre Die Schiwie- 
vigfeit beſeitigt. Auch paßt Hierzu die Antwort Scipio's: salis an- 
norum habeo, si me Quirites aedilem facere volunt, und fo 
ift wohl auch, wenn Scipio Liv. 38, 51 fagt, ila si ab annis 
septendeeim ad senectulem semper vos aelatem meam hono- 
ribus vestris anleislis, ego vestros honores rebus gerendis 
praecessi , bei jener aelas nur an die große Jugend Scipio's, 
nicht an ein hinter gefeglichen Beſtimmungen zurückſtehendes Alter 
zu denfen. Aber es läßt fich nicht leugnen, ein folcher Gebrauch 
des Wortes legilimus in folhem Zufammenbange wirde durchaus 
zu tadeln fein. Mit Heineccius Comment. ad leg. Iuliam ei Pa- 
piam Poppaeam p. 205. an das Jahr der Majsrennität zu denken, 
ift ganz unftatthaft, da in der Zeit der Nepublif nirgends eine Spur 
fih findet, daß die Majorennität mit dem Antritt der honores in 


der Römer. 255 


Verbindung geftanden babe. Daß für die Cache felbft, ich meine 
für das Vorhandenfein einer lex annalis zur jener Zeit nichts aus 
jener Stelle gefolgert werben dürfe, ſcheint mir deutlich aus Poly— 
bins X, 4 sq. hervorzugeben, welcher, obwohl er über jene Be- 
werbung und über Seipio's mannigfaches Bedenfen dabei aus— 
führlich ſpricht, nichts von einem entgegenftehenden Gefege andeu— 
tet. Es bleibt alfo nichts übrig, als bei Livius einen Anachronis- 
mus anzunehmen. Derſelbe Anachronismus tritt in einem ähnlichen 
Falle ber Putarch entgegen. Nämlich bei Liv. XXXII, 7. bewirbt 
fih T. Quintius Flamininus gleich nach der Quäſtur, als ev noch 
niht 30 Jahre alt war (Put. Flamin. c. 2), um das Confulat. 
Die Tribunen widerfegen fich diefer Bewerbung mit dem Bemerfen : 
nobiles homines aedilitatem praeturamque faslidire , et media 
transcendendo summa imis continuare. Aber der Senat ent: 
ſchied: qui honorem, quem sibi capere per leges liceret, pe- 
teret, in eo populo ereandi quem velit potestatem fieri aeguum 
esse. Es gab alfo damals noch feine lex annalis. Dennoch aber 
fagt Plutarh c. 2. die Tribunen hätten fih gegen jene Bewerbung 
erflärt, weil ev naga rovg vouovg eisßıuleodar Es vyw 
ueylornv aoynv. 

Große Veränderungen erlitt das Geſetz feit Auguflus. Nach 
Div Caſſ. 52, 20 as de To ovredgıov (zurareysodaı z0n) 
MEVTERWIELZODLETEIG" valıEVoavıeg TE zul ayoguvouroanreg )) 
Önuagynoavrss OTIATNyEITWORV TOLazovroureı yerouevor trat 
man jest mit dem 25. Jahre in vie Quäſtur und den Senat ein, 
und mit dem 30. in die Prätur. Zwar iſt bei Div Caſſ. J. J. 
jene Beftimmung nur als ein Vorfchlag dargeſtellt, den Mäcenas 
Auguftus gemacht babe, aber fein bemerkt Lipſius (Exec. ad T. Ann. 
II, 29), daß Div in diefer fingivten Rede gewiß nur die damals 
wirklich von Auguſtus eingeführte Norm zu Grunde gelegt habe, 
Daß dem fo fer, dafür laſſen ſich noch) andere Beweife beibringen, 
Zunächſt ſcheint mir Diefe neue Faſſung des Gefeses, wenigftens was 
Die Zeit des Eintrittes betrifft, durchaus Dem alten Geſetze analog. 
In den älteften Zeiten waren fünfjährige Feldzüge erforderlich, um 
Kriegstribun, und zehn, um Quäſtor zu werden (Polyb. VI, 19). 


986 Leber dieleges annales 


Auguſtus ließ nun die Senatorenfühne aleich mit dem Nange eines 
trihunus in das. Heer, eintreten (Sueton Detav. 38, Tib, c. ©. 
Tac. Arie. c. 5); demnach wurde ihre Laufbahn um 5 Jahre ge- 
zeitigt, und fie konnten nun fchon im 25. ftatt im 30. Jahre Quä— 
ftor werden. Als Hanptbeleg für jenes Statut führt man mit Necht 
an L. 2. de mineribus XXV annis (Dig. IV. tit. 4): nec per 
liberos suos rem suam malurius a curatoribus recipiat; quod 
enim legibus cavelur, ut singuli anni per singulos liberos re- 
imittantur, ad honores pertinere divus Severus ait, non ad 
rem suam reeipiendam. Lipſius bemerft hierüber: quae lex 
subtilius considerala adstruit hoc aevum; derſelbe ſagt Exc. ad 
Tac. Ann. II. 29. colligas idem non. obscure ex l. II. de mi- 
noribus. Vermuthlich meint er, wäre nicht das 25. Jahr zu- 
gleich das Jahr der Maforennität und des Eintritts in Die Staats— 
ämter gewefen, fo hätte es Niemanden beikommen können, Begün— 
ſtigungen, die man beim Eintritt in die Staatsämter in Anſpruch 
nehmen durfte (ſiehe nachher über vie lex Iulia et Papia Poppaea), 
auch auf die Majorennität auszudehnen. Deutlicher fpricht für die 
obige Annahme L. 8 de muneribus et honorihus (Dig. 50 Üit. 4): 
ad rempublicam administrandam ante vicesimum quinlum an- 
num, vel ad munera, quae non patrimonit sunt, vel honores 
admitti minores non oporlet. Wendet man mir ein, daß jenes 
Buch der die. yon den Municipien und. Provinzen handle, fo mag 
dies Jacobus Gothofredus, der in feinen fonles qualuor juris ci- 
vilis jener Gefehesftelfe allgemeine Gültigkeit giebt, bei den Juri— 
ften vertreten... Auch die durch kaiſerliche Deerete bewilligten Erem— 
tionen weifen auf das 25. Jahr als Eintrittsjahr hin. So wird 
bei Div Caſſ. 53, 38 und 54, 10 dem Tiberius, als er noch nicht 
ganz 20 Sabre aft war, bewilligt, quinquennio malurius magi- 
stralus adire. Germanicus erhielt nad) Sueton Calig. 1. in fer 
nem 19, Sabre quaesturam quinquennio ante quam per leges 
liceret. Aehnliche Exemtionen ſiehe bei Div Caſſ. 56, 17. 26. 28, 
58, 23. 59, 92,60, 5; Tac. Ann. II. 29, Lampridius Com- 
modo c. 2 Spartianus Iuliano Capitolinus Marco. 


. 


Geſetzlicher Erlaß eines oder mehrerer Jahre wurde verfügt 


der Römer. 987 


durch die lex Julia et Papia Poppaea feit 760, welche ven Ver— 
beiratheten, namentlich denen, welche Kinder hatten, außer anderen 
rechtlichen und privatrechtlichen Vortheilen auch manche Begünſti— 
gungen bei’ der Bewerbung um CEhrenſtellen ertheilte. Nach Hei— 
neccius (Gommentar. ad legem luliam et: Papiam Poppaeam) 
lautete das betreffende caput dieſer lex (VIIID: qui candidatorum 
plures liberos habebit, praeferlur: petentibusque honores sin- 
guli anni remitluntor, eisque honores eilius quam per leges 
annarias licet petere sine fraude liceat. Die Belege aus den 
alten Schriftftellern find Tac. Ann, I, 51. II, 56. XV, 19. 
Sueton Tib. c. 35. Plin. ep. VII, 16. Ulpian L. 2. de mino- 
ribus XXV annis. Berichtigen müffen wir hierbei einen Irrthum 
von Heineeeius, der P. 221. als Belege: für jene geſetzliche Exem- 
tion auch Infchriften aus Gruterus und Neinefius anführt, auf 
welchen verftorbene ein- und zwerjährige Kinder bene  merentes 
genannt werden. Heineccius meint, jene Kinder fünnten doch weiter 
fein Verdienſt gehabt haben, als daß fie durch ihr Dafein ven 
Bätern jene rechtlichen Begunftigungen verfchafft hätten. Hätte 
Heiueccius noch mehr Inſchrifteu nachgefehen, jo würde er gefunden 
haben, daß bei den Römern die Todten faſt immer bene merentes 
genannt werden. Es Tiegt alfo "ie Vermuthung nahe, daß das 
bene merens bei den Römern ein ähnliches epilhetlon ornans ver 
Todten war, wie bei ung „ver ſelige“. Einen ähnlichen Gebrauch 
bei anderen alten Völkern habe ich nachgewiefen in der Brochüre: 
Herr Prof. Ewald als Punier gewürdigt p. 32. Aber einen treff- 
lichen Beleg für jenes Geſetz bietet Tac. Agric. c. 6 auclus est 
ibi filia, in subsidium simul et solatium, nam filium ante sub- 
latum .brevi amisit. Fragt man fi) Hier, inwiefern die Tochter 
den Agricola subsidio fein konnte, fo wird man kaum eine andere 
Antwort finden können, als daß fie ihm die durch die lex Iulia. et 
Papia Poppaea zugeficherten Begunftigungen. in feiner Staatslauf— 
bahn verfihaffte. "Hätte Walch, der p. 413 feines Commentars mit: 
feiner dürftigen Kenntniß ver lex annalis die ganze Taeiteifche 
Chronologie in Confufion bringt, erwogen, daß Agricola verheirathet 
war und Kinder hatte, und daß diefes beides von bedeutendem Cin- 


988 Ueber die leges annales der Römer. 


ftuffe hierbei war — Div Caff. 53, 13. 54, 6 und öfter fiheivet 
roũ Te Yauov zul 175 nandonouas aIa — ſo würde er ung 
mit dem dortigen chronologiſchen Räfonnement verfehont haben, wel- 
ches feine antiquarifchen Kenntniffe wie feine Rechenfunft gleich ver- 


dächtig macht. 
C. Wer. 


Miscellen. 


Epigrapbifches. 


Ein fherzbaftes Epigramm. 


Hamilton (Acgypliaca p. 5.) und Gau (Denfmäler Nubiens 
tab. XII. n. 39) haben ein Epigramm von der Infel Philae mit- 
getheilt, welches einen Katiliws, auch Nikanor genannt, Sohn des 
Nikanor, zum PVerfaffer hat. Dieles Epigramm bat Hr. Letronne 
(Bulletin des sciences historiques, antiquiles, philologie, pu- 
blie sous la direction de M. le Bar. de Ferussac, T. IH: 1825. 
p- 399) fehr fchön veftituirt und befindet es fich in des Hrn, Wel- 
fer Syll. epigr. Gr. n. 169. p. 217. edit. see. Es lautet folgen- 
dermaßen : | 

Katoogı novrousdorrı zul aneıgwv zguTEovıt 

Zavi', 1m &x Zuvog norgös, "Erevdegiw, 

deonörg Evgwnag te zul ’Aoldog, doTom anaoag 
“Eiradog, [05] swr[n]o Zeug avfelrfsı]a[e] weyas, 
’Ioıdoc &v vaoo Kle[rı Ag ayvov Ednre 

yolauu’ an’ TArzSavdoov Jjeügo wofi]ov moAuog, 

xal usyav [Ex] ueyalıwv] Tovgdarıoy, avdoa dizauov, 

Alyinto naoag P£Eorarov aysuove , 

orarıa Eveoraiwmosv, iv’ sis rods vaow Ede|F]Aov 
nüs 6 uoAo» dumm mov ysovog [0)]Bo[d]orav, 
ads Dikar pwrevvrı: x|aA0]|v n&oas Alyunroo 

&]une xal AlYıonwv yas ÖgLov vearac. 

Karı[A]vov rov zur 
Nıxavogog 
Muf. f. Philol. N. 3. I. 19 


200 Miscellen. 


too Nixavoloog. £. 

7 Kuroaoos, 

DouevoI 18. 

Eni Neilov oroarnyov. 
Die Unterfchrift giebt das Negierungsjabr des Karfers Auguftus 
nach Hamilton K, nad) Senormant, deffen Abſchrift Hrn. Letron— 
ne ſpäter zukam, KT’; welche letztere Leſeart wahrſcheinlich Die 
richtige iſt. So wäre demnach dieſes Epigramm am 8ten März, 
im 7ten Jahre vor Chr. geſchrieben. Mit dieſem Datum läßt ſich 
Hrn. Letronne's Vermuthung über den Verfaſſer recht wohl verei— 
nigen. Er glaubt nämlich, Katilios ſei ein Enkel des bekannten 
alexandriniſchen Philoſophen Artus, deſſen Unterricht Auguſtus in 
ſeiner Jugend genoß (Div Caſſ. LI. 16. ibique Reimar. Plutarch. 
Anton. 81.). Dieſer Arius hatte zwer Söhne, Dionyſius und 
Nikanor, welche von Auguftus ebenfalls in feine Näbe gezogen 
wurden (Sueton, Aug. 89.). Und fo iſt es nicht unwahrſcheinlich, 
daß Katilivs, der fich eben auch Nifanor nannte, ein Sohn des 
einen Sohnes des Artus, des Nikanor war. Wie dem aber auch 
fer, son demfelben Katilios rührt das tambifhe Epigramm ber, 
welches Gau in Philae fand, aber Leider fehr verftimmelt mittheilte 


(tab. XII. n. 40.) 
ANACKAIDIAAI 


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B 222.2 WAENONENEKOQAALENIAPo® 
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. TOIMHCYNSLEYKTAIZENE 
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PIE HAIOYAEKAPDOCEBAABH 
10... A RTNDCIOR NICK OLRTUNAR, 
2, CKAIBEOICT » . . oMENOC 
‚ OI-KAIKAIKA .. .. C®oLOIKYNPIC 
xal Drkaı 


. yeoıv 


Epigrapbifhes. 291 


. E]nefi]9wv Außoras Karikıog 
vuvod, kaßo]v yonpslov, &is uvauav Tode 
5 'Ooeigıdog yodım’) ayvov Evexorawev [rjalplo‘ 
. ngogwjnoıg ag xuras douzwv Dikag 
zw un ovvelsvarar, Seve, 
Na —— FE0lc 
—6 ordE zaopos EBAaßn, 
10 220.20. ovußlamooı? [9e]odorjof:] ruzaı, 
naoa Bgoroloı] zul Heois Tjeıu)ouevos, 
. zal zafka] owLoı Kungıs. 


Die Worte 3. 3. dußorag Kardıog, und 3. 12. za xaAn 
owoLoı Koönoıs hat Hr. Letronne in der Abhandlung über das erfte 
Epigramm angeführt: Mit dieſem Fragmente ift nicht viel anzufan- 
gen. Sp viel fieht man aber doch, daß es nicht wohl dazu ge- 
braucht werden fann, wozu es Hr. Letronne anwenden wollte, ob— 
gleih die Erwähnung der Eypris für ſich allerdings an Auguflus 
denfen Tiefe. 

Diefes alles fehieften wir als Baſis für die folgende Mitther- 
fung voraus. Auf der Inſel Philae iſt nämlich ferner ein Epigramm 
gefunden worden (Hamilton Aeg. p. 51. Gau Il. c. tab. XII. 53), 
welches in der Sylloge epigrammatum Graecorum des Hrn. Wel- 
er, wo es.n. 194. p. 244 sq. mit einigen Bemerfungen von 
Letronne und Jacobs aufgenommen iſt, feine Erklärung gefunden 
bat. Aus den beiden Abjchriften ergiebt fich folgender Tert; 


KAMOTONEYTEXNOY®2TOCCTIXON2DIAEBHMA 
TIMIONANMAYCACETMAOEKAIXAPICAI 
AITAICICTOPIAICAITONTIONONOIATMETILAITMAI 
OYKENAMHNYQ2NOYIIEPE®DYNTENETOY 

5 TOYJEKAAOYIARBCACD,HCIZENEXEYMATANELAOT 
KAIPONEX2DA2NEINXAIPETENOAAADIAAI 
NIK2MAITLETPAICTEKAIOYPECINBKATAPAKTAL 
KATDEXBTEYXEINICTOPIKANCE ALAA 
NOCTHCACKAIIA2NNIKANOPAKAITENOCAAAO 
POCKATAAOITIONEX2TOYTOT APECTITE AOC 


. 


292 Miscellen. 


‚>. * N — N D 3 , * 
Kau|e] 709 sur&yyov pwrog oriyor, @ pire, Byuu 
’ „ D 
Tiuıov aunavoag EyuaFE zal yayıomı 
kırals lorogiaıg kırov novor, Ola nenwtytaı 


ov[d]eva unviov ouneo Epvv yer&tov. 


or 


„tod dE narhov nAwong, Pnoi, eve, yevuara Neikov 
zagon E30 pwreivy* yaloere nolka, Dikaı. 

vırouaı nEeTyaıg TE zul 0V0E0IW, @ zutuoartaL' 
x0y0 EyW TEUVJYELV lotogianv o8llda 

vooryoas xal idwv Nızavooa zul yErog.” @kıo 


ı. —* - ’ ’ n 
10 005 zarakoınov &4@* TOVTO yao Eotı TEA0L. 


Das. Epigramm Spricht felbft und giebt ſich den Schein , als 
ob es den Verfaffer nicht angeben wollte. Es ſpricht nur von den 
Empfindungen des Dichters bei feiner Ankunft in Philae und ver- 
räth 3.9, den Vater deſſelben, Nikanor. Daß das Ganze auf 
einem Scherze beruht, fieht man fchon theils aus dem fonderbaren 
Brua Tıiuov aunavoas theils aus den Worten vie nenarmyuaı 
cet. Es ıft ein Akroftichon feltener Art. Nimmt man die Anfangs- 
buchitaben der Zeilen, bald zwei bald drei zufammen, jo erhält man 

Ka- 


005 
denfelben Dichter, von dem wir die obigen zwer Epigramme haben. 
Scherzbaft fagt das Cpigramm am Ende: @Ako 005 xarakoımov 
&yw * Tovto yao gorı tEhog, d. 1. „noch eines, ein oog, habe 
ich übrig, was ich jagen muß; denn das macht erſt das Ende aus.“ 


Y Franz. 


Etymologiſches. 293 


Etymologiſches. 


bibo. Für bibo muß bib- als Stamm gelten, da es im 
Perfeetum nicht bibi Yauten Fünnte, wenn es reduplicirt wäre und 
folglich in bi-bo aufgelöft werden müßte, Wenn auch ein anlau- 
tendes b in einem Wort, wo das entiprechende griechiſche ein an— 
Yautendes 7 zeigt, als einzelne Anomalie, deren Grund und ver- 
borgen fein fünnte, gelten dürfte, folglich bibo mit mio, zivo als 
verwandt ericheinen möchte, fo bleiben derartige Ausnahmen doch 
mißlich und zweifelhaft, wenigfiens wenn ſich noch eine genügende 
Zufammenftellung mit einem griechifchen Wort darbietet. Entſpre— 
hen wirde den Worte bibo ganz genau ein griechifches Prypw, 
welches ſich nicht findet, aber eben fo gut kann es verwandt fein 
mit einem griechifchen Papyw und diefes findet ſich vor, und, es 
fann ſich die Bedeutung des Trinkens daran Fnüpfen; denn wie 
auch aus Poczw erhellt und aus udus, madidus, fällt der Begriff 
des Trinkens mit dem des Feuchtens, Nebens zufammen. Statt 
der griechiichen Endung Po Tiebt die lateiniſche bo, z. B. glubo, 
scribo, sorbeo, und wo griechifihe Stimme ein « im Stamm zei- 
gen, finden wir im Lateinischen zum öftern ein i z.B. Yeayo, 
scribo, dı-daoxw, disco, nayvs, pinguis, Bareiv, bitere, zu, 
hio. Demnach möchte. ich glauben bibo fei von polo zu trennen 
als durchaus unverwandt und mit 6490 zufammenzuftellen. 

letialis. Die Abweichungen bei Divnyfius und Plutarch 
lafen einen Zweifel, ob let- oder lel- als Stamm dieſes Wortes 
anzunehmen fein dürfte, und es kann überhaupt Niemand. einfallen 
eine gewiffe Ableitung deffelben geben zu wollen. Doch um der 
biitoriichen Phantaſtrer willen iſt es zweckmäßig wenigftens nachzu- 
weiſen, daß es nicht unlateinisch fein miffe. Da uns Varro be- 
richtet, Die Fetialen feien oralores gewefen, fo fünnen fie ab orando 
benannt jein, oder da fie es nicht find, von einem ſynonymen Wort, | 
als z.B. a lando. Zu lari findet ſich die Formation: lat- in la- 
leor , und davon hätte es ein Wort falium, Nede, geben können, 


204 Miscellen. 


welches aber nicht erifiirt, und son fatium füme richtig lalialis, fo 
daß wenn es ftatt felialis, fatialis hiefe, nur ein Thor an ver 
Ableitung von ſal- zweifeln fünnte. Kann man nun auch durchaus 
nicht e8 für gewiß annehmen, es babe ein Uebergang von latialis 
in Jetialis ftatt gefunden, fo darf dies doch auch nicht fo abgewiefen 
werden, als jei es nicht möglich und im Lateinischen unerhört, denn 
Beifviele des Uebergangs find vorhanden, 3. B. gressus zu gradi, 
jessus zu fatisco, leno d. i. lecno zu lacio (in allicio u. f. w. 
erhalten), frequens zu. fareio , plectere zu plagere , plangere. 
Der einem ficherfih in cin hohes Altertbum zurückgehenden Worte 
darf eine ſolche Ableitung uns nicht mehr als möglich, darum aber 
nicht als wahrfcheinfich gelten. Zeigt fich doch noch eine andere 
Möglichkeit, welche. vielleicht, wenn son Wahricheinfichfeit überhaupt 
die Nede fein Fünnte, freilich weniger wahrſcheinlich wäre, nämlich 
son facere, wovon wir facit- auf den Eugubiniſchen Tafeln in 
Teit- zufanmengezogen finden, und da wir den Urfprung der Fetia- 
Ion nicht kennen, fo ließe fich der Name auch als in einem Dialeft 
entfianden denfen, welcher Jeit- für facit- ſagte. Solche Möglich— 
feiten wird der bevenfen, welcher nicht entfchloffen ft, über unbe- 
Fannte Eprachgegenftände abzufprechen, um mit dem was er nicht 
verftanden bat, unter dem Schein, er durchfchaue es, erträumte 
Geſchichten über die alte Bevölkerung Italiens zu beweifen. 
solium. Zu dem Worte solium, Thron, Sitz (aud; Wanne 
und Sarg) bietet fi Fein Zeitwort zur Ableitung, wohl aber zur 
Vergleichung und Zufammenftellung dar, wie fern es auch dieſem 
Worte feiner Bedeutung nach zu ſtehen feheinen mag. Diefes iſt 
soleo,, womit die Gewohnheit ausgedrüct wird, und welches nad) 
meiner, wie ich zuverläffig glaube, richtigen Zufammenftellung mit 
sueo, d. 1. seo (mit eingeichobenem v, wie Iueor = leor u. a, m.) 
den Begriff des Sitzens zum Grundbegriff bat, fo daß die Gewohn- 
beit, im Deutfchen vom Begriff des Wohnens hergenommen, im 
Lateinischen als ein Feftfitendes, Bleibendes, nicht Wandelbares be- 
zeichnet wird, während im Griechiſchen &Ios Gewohnheit und EIr0g 
das Wolf, als ein zufammenwohnendes, bezeichnet. Seo entipricht 
dem griechiſchen Eo als einem das Eigen bezeihnenden Stamm, und 


Etymologiſches. 295 


das net l weitergebilvete sölere iſt der Stamm von sölere und 
nach meiner Meinung auch von sölium, fo daß diefes den Sig be- 
deutet. Ob sölum, der Boden, der Grund, von solus, (sölidus 
und sölox haben das furze 0 wie dad verwandte 0Aog) dicht, feft, 
berfonme, over ebenfalls den Sitz bezeichne und zu dem Worte s6- 
lium in Berwandtichaft ftehe, wage ich nicht zu entfcheiven. 

lis, Jitis.. Da in dem Worte lis, wie aus dem Genitiv 
erhellt, it als der Stamm ſich ergiebt, fo kann dieſer der vollſtän— 
Dige, jedoch eben fo Leicht der unvolftändige fein, weil die Länge 
des Vocals eben fo gut ſtammhaft als durch Zufammenziehung ent— 
ftanden fein kann, wodurd die Ableitung einem Zweifel unterworfen 
wird, welcher bei furzem Vocal nicht ftattfinden könnte. Diefem 
Worte und denen, welche die Nechtsverhältniffe bezeichnen, fo wie 
denen, welche ſich auf Krieg und Jagd beziehen, haben hiſtoriſche 
Phantafie und Träume keck ohne alle Unterfuchung das Tateinifche 
Element abgefprohen, was ihnen auch dann noch nicht abzufprechen 
war, wenn felbft Fein einziges derfelben auf einen befannten Stamm 
ſich zurückführen ließe. Ohne den Stamm lit mit Gewißheit ab— 
Veiten zu Fünnen, wird es doch immer eine Thorheit bleiben, ihn 
für unlateinisch auszugeben, wenn eine fehr wahrfcheinfiche Ableitung 
nahe Tiegt, deren Unwahrheit und Unwahrſcheinlichkeit erſt in volles 
Licht gefegt werden müßte, ehe viefes Wort der hiſtoriſchen oder 
vielmehr unhiftoriichen Träumerei als einer ihrer Belege dienen 
darf. Nahe aber Tiegt es Fit als aus liekt entftanden anzufehen, 
wie nitor aus niclor entftanden ift (was aus nixus unwiderleglich 
hervorgeht), vita aus vicla von vigere, woher viguo ver Form 
vivo weichend in vixi, victus, wieder zum Vorſchein kommend. 
War nun lick der eigentliche Stamm, dann ift das Wort licere 
die Duelle deffelben, und dies erfcheint in liceor, licitor, lietor, 
und das Sprechen, das Hadern und GStreiten mit Worten iſt die 
Hauptbedeutung von lis. Daß fprechen eine dieſem Wortftamme 
zufommende Bedeutung fer, geht aus polliceri, verfprechen, deutlich 
bervor, und daß hadern ein fih daran knüpfender Begriff fer, zeigt 
fih darın, daß Ennius lieitari inter se vom Hadern, Streiten, 
gebrauchte, 8. Shwend. 


296 Miscellen. 


Zur Keitif und Erflärung der alten Texte, 


1. Aefhylus. 


Bol. Jahrg. I, S 300 ff- 

Eumenid V. 468. Nir zaraoroogar vewv YEoLlwr. 
Die Kritif Hat gänzlich über diefe Stelle gefchwiegen, welche doch 
ſchwere Bedenfen darbietet, wie auf den erften Blick daraus her— 
vorgeht, daß gerade das anfcheinend umgefehrte, nemlich vor zara- 
orgogai nalaıov FEouov, einen durchaus befriedigenden Sinn 
geben würde nnd daß jenes auf feinen Fall einen wefentlich abwei- 
chenden Sinn haben darf. Denn ohne Zweifel beflagen fi vie 
Eumeniden über den Umfturz der alten Gefege, wie V. 748, der 
ganze Chorgefang, die ganze Tragddie zeigen. Wie ift alfo den 
Cregeten das Kunſtſtück gelungen zu beweifen, daß xzuraozgoyat 
veov Jeouiov gleichbedeutend fein fünne mit zaraorgopul na- 
kawv Yeoulor? Stanley überfekt um den Sinn unbefümmert 
durch) nunc eversio novarum legum ; nach Schüß bedeutet dage— 
gen zaraoronogyal „vicissiludinem novarum rerum, quibus pri- 
stinae leges abolentur“ oder vielmehr, wenn wir den nicht vom 
Dichter gemachten Zuſatz ausicheiven, ven Wendepunct, von 
wo die neuen Sabungen anheben. Man wird leicht einge- 
ſtehen, daß diefe Erflärung, auch ihre Möglichkeit zugegeben, ſehr 
unnatürlich ift, und felbft Ser herausgebrachte Sinn iſt wenig an- 
gemeffen, da die Eumeniden in dem ganzen Liede, ja in den gan— 
zen Drama nicht fowohl über Einführung von neuen Geſetzen als 
über die Vernichtung der alten Hagen (diefe iſt deshalb auch von 
Schüß in die Erflärung eingeichmuggelt), und der Ausdruck iſt ſehr 
matt. Müller überfeet „neu Geſetz erfchüttert jest alte Macht“, 
nahm alſo Heouo» als fubjectiven Genitiv, was wenig glaublich 
ift, und ſupplirte den unentbehrlichen Begriff der alten Macht, al- 
ten Gefege. Gegen beide Erklärungen aber ıft zu erinnern, daß 
fein Zuhörer in xaraoroogal vewv YEowwv etwas anderes ver— 
jteben fonnte als Vernichtung der neuen Gefege, aljo offenbaren 
Unſinn. Kurz die Stelle ift entfchieven corrupt und verlangt eine 


* 


Sur Kritii und Erklärung der alten Terte. 297 


Verbefferung, wodurch der nothwendige Gedanfe, der ſich mit Ge- 
walt felbft in jene Erklärungen eindrängt, Vernichtung der 
alten Geſetze hergeftellt wird. Ich vermuthe: 

vov xaraorgopal vouwv Heoulwv 
d. J der rechtmäßigen Satzungen, da die Eumeniden nur 
die alten Geſetze anerkennen, während ſie die neuen nur für Ge— 
waltmaßregeln halten. 

V. 523. Tov avrıroruov de — ae 

Ta noAku navröpvor avev dlang 

Bıaros Eiv yoovw xasnoeid 

kalgposg elc. 
Es ıft naoßarav nur eine Ältere Conjectur von Hermann; ‚Med. 
Rob. Ald. (alſo au gewiß Guelph.) haben neoaıßadav, Turn. 
aus Conjeetur zavaıßarav,, Vic. nagußadar. Indeß ift durch 
jene Aenderung noch nicht einmal das Metrum genügend hergeftellt. 
Denn in den antiftrophiichen Verfen ift, wenn man die treffliche, 
Emendation Aanadvov von Hermann und FTrisfche annimmt, nicht 
der geringfte Grund zu weiterm Verdachte und man erkennt auf 
eine natürliche und nothwendige Weife folgende Berfe: 


4‘ 
EI N a EN AL WESEN DE 
4 i 1 fi 
a I — En 
TE a 


Endlich ift auch za noAia narrogvgr’ Bielen mit Recht anſtößig 
geweſen, weil der Accuſativ ſich an kein Wort anſchließen läßt; 
denn wenn Fritzſche, Hermann (wie es ſcheint) und Wieſeler es 
von zadyow abhängen laſſen, fo geſtehe ich Dies. nicht zu begrei⸗ 
fen. Die vielen Emendationsverfuhe, die man bei Wellauer: und 
Wiefeler zufammengeftellt findet, haben, um anderes zu übergehen, 
alle den Fehler gemeinfam, daß fie entwever die Conjectur des 
Zurnebus nagadaurav annehmen oder daraus durch eine neue 
Eonjectur nugßarav machen. Man Könnte freilich ‚meinen , daß 
diefe Yesart des Turnebus aus dem Scholion zugaıßadar, 10V 
nugapednrora gemacht fei und durch daffelbe geſchützt werde. 
Allein ich vermuthe ftarf, daß fich diefe Gloſſe noch nicht bei No- 
bortellus findet, den ich leider nicht einſehen kann, ſondern erft wie J 


298 Miscellen 


manche andere von Victorius ex ingenio zugefest ift. Aber auch 
im andern Falle würde ich feinen Werth darauf legen, da wohl ein 
Halbwiffer darauf fallen konnte, das dunkle neguıßadav yon ne- 
e«@ abzuleiten und fo zu erfliren. Kurz ich glaube, daß man vie 
allein beglaubigte Lesart zu Grunde legen muß und daß in paul 
negaßadav Ta etwas ganz anderes ſteckt als man gefucht hat, 
nemlih yau üneoßıa dasvra, alfo: 
209 arzizoluov dE pay üneoßıa 
dusvra noAla navröpvor avev dizng 
Pıalws Sur yoovw zusnosın 
koftpog elc. 
En ıft dem Metrum und dem Sinne zugleich geholfen ; Sndoß 
dasıs ft dem Homerifchen adewiorın zıdag u. a. nachgebilvet. 
3.601. And oroureiag yao wıv Nunoknzöra 
7a nAslor' aueıvov Evpvooıw dedeyueın 
do0oıTN , neowvrı Aovroa zani Teouarı 
PA00g naosoxnvwoer. 

In den beiden erften Verfen beruhige ich mich wegen 7uno- 
AN2@g aueıvo» mit der von Lobeck zu Soph. A. 978 gegebnen 
Erklärung dur Berrıov annalayora und nehme zuggooı mit 
Hermann als freundliche Neden. Dagegen kann ich im Folgenden 
feine der verjuchten contorten Erklärungen erträglich finden; ich weiß 
weder doorzn noch neg@vrı auf eine wahrfcheinfiche Weiſe zu con— 
firuiven noch zaı zu erklären (um mit Hermann za. im Sinne von 
eira nach dem Participium nehmen zu Fünnen, müßte zum wenigften 
der Aorift defauern ftehn), und endlich nehme ich an nausozn- 
vooEv den größten Anftoß; obwohl Niemand Bedenken dabei gehabt 
bat als ein Grammatıfer, der, wie die Robortelliana und die Scho— 
lien zeigen, negsormrwoev, freilich eine unmögliche Form, aber 
doch mit etwas mehr Sinn, corrigirte. Man erklärt, fie brei— 
tet ven Mantel wie ein Zelt ver Wanne (oder neben dem 
Ayamemnon) aus, was fi wohl hinreichend ſelbſt als abgeſchmackt 
haracterifirt, fo wie auch die Vergleichung von going zaraorn- 
vora V. 995), dag man doch mit ven Scholien als Sarglaken 
verſteht, eine Teichtfertige if. Schüs erklärt durch praebuit, 


Zur Kritik und Erflarung der alten Terte. 209 


zeigt aber nicht, wie die Bedeutung möglich if. Und daß in dem 
Worte ein Fehler ſteckt, verräth die Pesart des Mediceus nage- 
07008 , die freilich Durch das in ver Weigelfchen Collation ange- 
gebne nugsoxıwoev Leider unficherer wird. Indeß zweifle ich 
nicht, daß jene Angabe richtig, daß nausoxnrooer ein alter Emen- 
dationsverſuch (oielfeicht auch ſchon im Mediceus von zweiter Hand) 
und daß eine der vielen Dorifchen Formen Herzuftellen iſt, welche 
Aeſchylus in Sieilten angenommen hatte, nemlich nausoxevwoer im 
Sinne wie nageoxsvaoer,, wie ihn Schütz verlangte. Denn aus 
zwei Formen im Teftament der Epifteta Corp. Inser. n. 2448, 
IV, 15 und VIII, 25 zarseoxevwxe und zaraozevad9n wiffen wir, 
daß die Dorier eine Form ozevow neben oxrevalo hatten. est 
kann man auch mit größerer Sicherheit die Verbefferung des lebri- 
gen wagen, und zwar vermuthe ich: 

doorng Eowırı Aovroa zanl Teonarı 

PRGOG NAGEOKEUWMOEN, 
Den Ngamemnon mit freundlihen Worten empfan— 
gend [haffte fie ibm, als er nad der Badewanne fid 
fehnte, das Bad und am Ende (des Bades) den Ba 
demantel. ever Anſtoß ift jetzt vollfommen gehoben. 

V. 816. Kur 00 Tıulav 

&dgav Eyovoa no0g douog ’Evsydewg, 

TeVsn na’ avdoov za Yuvaızeiov OT, 

donv nag’ akıwv ovnor’ av 0789015 Boorwv. 

Wie man fich gequält hat aus dieſen Worten einen erträgli- 
chen Sinn herauszubringen, findet man bei Wiefeler. Allein ſchon 
das einzige dor fträubt fih entſchieden gegen alle gemachten Er- 
Flärungsverfuche ; denn weder Fann es auf Edya» bezogen werden, 
wie es die natürliche Conſtruction verlangt, weil dony Edoav nicht 
qualem ac quam insignem aedem sedemve sacram (nad) Abrefch) 
bedeuten fann, fondern nur quantam sedem, alſo etwas ganz wi- 
derfinniges, noch höchſt Fünftliher Weiſe mit Wellauer und Fritzſche 
auf ein aus rıulav zu entnehmendes zıuns, noch kann mit Wiefe- 
fer conftruivt werden (70007) rıylar, donv, weil es dann wenig- 
ſtens 6009 heißen müßte. Man kann aber durch eine fo leichte 


300 Miscellen. 


Aenderung helfen, daß fie einem Jeden auf den erften Blick einfal- 
Yen zu müffen fcheint. Man fehreibe nemlich: 60° av nao’ arm» 
ovnor’ av oy&doıs Boorar. Doppeltes ar in demſelben Satze 
ift ber Aefchylus gar nicht felten, |. Well. Lexie. I p. 38. Der 
Einn ift num vollkommen Har: ehbrenvollen Sit habend 
wirft du von Männern und Vroceffionen der Weiber 
fo viele Öaben erhalten, wie von feinem andern 
Sterblihen. Ebenſo verfpriht auch V. 771 Athene den Eu— 
meniden beides, ehrenvollen ib und Ehre von den Bürgern. 
Ilfeld. HAhrens 


2. Euripides. 
Danae. Das achte Fragment, nach Matthiä's Ausgabe, lautet: 

"Eowg yao aoyov 

ovdeig no00a11oV Blorov n0a09n Boorwr, 

ev Tols Ö’ Eyovow Kßneng nepvy’ ode. 
Daß ;Pnens falfch fei, zeigt ver Vers, und an Verfuchen dem Feh— 
fer abzuhelfen haben es tüchtige Männer nicht mangeln Laffen, doch 
iſt nichts vorgebracht worden, was irgend annehmbar wäre, was 
daran zu liegen ſcheint, daß man eine Buchſtabencorruptel annahm, 
aus welcher ſich 467746 gebildet haben müßte. Auf dieſem Wege 
dürfte das rechte Wort wohl nie gefunden werden, denn HPnuns 
paßt dem Einne nach und bezeichnet den Eros wie er in den Ber- 
fen befchrieben ift: | 

yihel zaronıya xal x0uns Savdiouata, 

yeuysı dE MoyYong. 
Laſſen wir die andere fehr häufige Corruptel durch ‚eine Gloſſe bier 
gelten und nehmen das Wort, für welches nPnezs als Gloſſe ganz 
geeignet ift, fo wird dem Berfe vollkommen geholfen, und demnach 
ſchlage ich vor zu leſen: 

ev Tois d’ &yovow 19805 nepug ode. 
n9eos ift eben fo viel als Hdnıng und wird als Attifh von Dio— 
nyſius Aelius bezeugt, wie es auch bei Sophokles ftebt, bei Cupo— 
(iS und wer es fonft noch gebraucht haben mag. Der Sinn iſt; 


Zur Kritif und Erklärung der alten Texte. 301 


Eros wächft bei ven Neichen als ein ftarfer blühender Yüngling. 
Gerade fo war in dem zwölften Fragment; 

pthovor yag To wv ur OAdımv Booroi 

oopovVg nyslodar ToVg Aöyoug, | 
die Gloſſe 7ysdodaı erklärend an die Gtelle des rechten Wortes, 
welches Valckenaer in 20906080 fand, gerückt. 

Antiope. Fragment 40 bei Matthiä: 

x00u0g dE oLyng oTEpavos Avdoog 0V xax0oV ' 

10.0’ &xkalouv 00° Hdorng uev ünterur, 

zaxov OD win, aodevig dE nal nokeı. 
orte usv iſt verdächtig und kann nicht als wichtig erwiefen werben, 
weßhalb wir die Stelle als einer Verbeſſerung bedürftig anfehen 
müſſen. Elmsley führt fie zu den Hevafliven an mit der Aende— 
rung des 009° in zoo”. Wer das Ausplaudern dem, Schweigen 
entgegenftellt, und es diefem als dem Trefflichen gegenüber, ver- 
wirft, befonders um einen ihm wegen des Verſchweigens gemachten 
Vorwurf abzuwenden, kann nicht füglich ſchlechthin behaupten, das 
Ausplaudern bringe Vergnügen für den Plauderer, fei aber für An- 
dere nachtheilig, fondern kann höchftens fagen, es bringe zwar für 
den Augenblit durch Befriedigung des Triebs zum Ausplaudern 
Vergnügen, werde aber dem Plauderer nachtheilig. Denn wenn es 
bloß Andern nachteilig wäre, dem Plauderer aber auf alfe Fälle 
Vergnügen fehlechthin gewähren würde, fo wäre die Verwerfung des 
Ausſchwatzens, die gerade dem, welcher fi wegen eines ihm darü— 
ber gemachten VBorwurfs verteidigt, geziemt, nicht vollftändig, was 
fie erft fl, wenn an dem Ausfhwagen nichts Gutes gelaffen wird, 
fo daß es dem Plauderer feine Freude einträgt, dem Nebenmenfchen 
aber und felbft dem Gemeinweſen nachtheilig wird. Setzt man 
ovd', da ovdE wer verbunden werden, ſo heißt es, der Plauderer 
aber, auch nicht einmal feines Theils erwirbt er ſich eine Freude, 
und ift Andern nicht nüslich ſondern ſchädlich. 

8. Shwend, 


302 Miscellen. 
3. Ariftophanes. 


Im dritten Theile der Ueberfekung des Ariftophanes von 
Droyfen, in der Einleitung zur Lyſiſtrata ©. 159. findet fich 
folgende Stelfe: Kür die Form der antifen Komödie iſt 
die vorliegende in mander Hinſicht Lehrreih. Die 
durchgehende Gegeneinanderftellung der beiden Chö— 
ve macht eine Anwendung der Räumlichkeiten noth- 
wendig, wie fie in feinem Stücke fonft vorzufummen 
fheint. Der Weiberchor bat die Bühne inne; er 
ftebt Hoch genug über dem anrückenden Chor der Al- 
ten, um auf denfelben hinab wiederholentlid die 
Eimer ausgießen zu fünnen Ein weiteres Verfol— 
gen diefer Betrachtung fheint für die Einrihtung 
der Attifhen Bühne wefentlihe Nefultate zu ver- 
fprehen. Allerdings wären die Nefultate fehr wefentlih, da fie 
unfere bisherige Kenntniß von der Eimrihtung und der Bedeutung 
der Scene und der Drcheftra gradezu umftoßen wurden. Doc 
wird es gerathen fein, vor der weiteren Verfolgung diefer Vetrach- 
tung erft die Nichtigkeit jener Annahme einer gründfichen Prüfung 
zu unterwerfen. Denn nach aller Ueberliefernng ıft die Bühne für 
die Schaufpieler und die Orcheftra für den Chor beftimmt. Zwar 
wollte auch Frisfche in feiner Ausgabe der Thesmophoriazufen ©. 
160 den halben Chor auf die Bühne verpflanzen, doch verhält fich 
bei ihm dieſer Halbchor wenigftens ruhig und ftumm, während er 
bier auf der Bühne tanzen und fingen fol. Wenn nun auch Droy— 
fen feine Anficht wahrſcheinlich aus fich felbft gefchöpft bat, fo 
fönnte er fie doch auch dem Scholiaften verdanken, welcher zu B. 
321. der Lyſiſtrata bemerkt: vo» Eorıv muryogıov TO Atyov Ex 
yvraızov &L0E07DUEvwv arwder, Iva zul TO V)wg alrav xu- 
tay&worw avoder. To dE wAAo Huıyogıov EE avdo@v zarwFev 
ENEOYOUEIWV Talg Ev 117 argonoksı Eis nolıooxiav.*) Diefes 


Scholion hat Bothe nicht verftanden, wie es freilich nicht leicht iſt, 


*) Gang beitimmt ſpricht ſich darüber der Ravennaſche Scholiaſt zu 
V. 539. aus: Eodysı aiıas Opyovusvas Ey 1] Oxnvi- 


Zur Kritif und Erklärung der alten Terte. 305 


fid in eine fo  abfonderliche Anficht Hineinzufinden, und ftatt des 
erften avoIen fehreiben wollen «vo sursum, da ja der Chor der 
Weiber mit den gefüllten Wafferfrügen aus der Stadt auf die 
Burg berauffomme.  Alfein gegen diefe Berbefferung iſt ſowohl der 
Gegenfag zurwder, als auch befonders die Worte ira za 70 ung 
arzav xaraylworw aroIer. Der Scholiaft denkt fih die Sache 
fo, daß der Chor der Greiſe gegen die Burg heranrürfe, der Chor der 
Weiber aber ihm entgegenkomme, um von oben herab auf ihn die Waf- 
fereimer herabzugießen. Natürlich fann bei diefer Anficht der Chor 
der Werber nur die Bühne inne haben, und der Schofiaft ſtimmt 
ganz mit Droyfen überein, Fragen wir aber, was zu dieſer An- 
nahme berechtigt, fo finden wir bei dem Scholiaften und Droyfen 
nur den einen Grund angegeben: der Chor der Weiber müffe 
höher ftehen, um auf den Chor der Öreife die Eimer 
ausgiefen zu fünnen. Man fann doch aber wohl auch Je- 
mand begießen, ohne gerade höher zu ftehen, und wenn Droyfen 
an dem Gelingen eines folchen Kunſtſtückes zweifelt, fo möge er die 
Lyfiftrata befragen, wie fie es angefangen, da fie V. 603. den 
Probulos mit Waſſer begießt, der doch nicht etwa in der Orcheſtra 
feinen Plat haben foll. Gar Vieles läßt ſich aber gegen diefe An- 
fiht aus der Lyſiſtrata felbft anführen, So ift es ganz undenkbar, 
wie der Greis den Fuß zum Stoß gegen das Weib erheben Fann, 
wenn dieſe auf der Bühne fteht, und Vieles Andere, was zu er- 
wähnen zu weit führen würde. Schon das Eine reicht hin, jene 
Anficht zurüczumweifen, daß die Antiftrophien fo eingerichtet find, 
daß die Strophe von den Greifen, die Gegenftrophe aber von den 
Weibern gefungen wird. Natürlich macht davon der erfte Gefang 
eine Ausnahme, da bei dem gefonderten Cintreten in. die Orcheftra 
die Antiftrophen unter jeden der beiden Halbchöre vertheilt werden 
mußten. Der Chor in der Lofiftrata iſt alfo, wie fonft, in zwei 
Halbchöre getheilt, und der. Unterfchied befteht nur darin, daß die 
Halbehöre Fängere Zeit getheilt bleiben, und der eine aus Greifen, 
der andere aus Weibern befteht. 

Doch wir müffen bei diefem Gegenftande noch einige Zeit ver- 
weilen. Für Droyfen ſtimmen namlich nicht nur Die Handfchriften, 


304 Miscellen. 


fondern auch ſämmtliche Herausgeber und Ueberſetzer der Lofiftrata, 
obwohl ganz gegen ihren Willen, wie es fcheint. Eine Verfon aus 
dem Chore ift die Stratyllis; diefe fommt aber V. 439 auf der 
Bühne vor, fo daß alſo auch der Chor auf der Bühne angenommen 
werden muß. Freilich ift es einem Jeden befannt, wie wenig in 
diefer Beziehung auf Handfchriften, zumal auf fo wenige und fehlechte, 
als wir zur Lyſiſtrata haben, zu geben ift, und auch den Herausge- 
bern wollen wir nicht Unrecht thun, vie ſich wohl nicht eben viel 
daber dachten, wenn fie bei der Perfonenvertheilung es beim Her- 
gebrachten bewenden Tiefen; indeffen iſt diefe ganze Scene, befon- 
‚ders von V. 430. bis V. 455. von fo vielfachen Schwierigfeiten 
und fteht in fo unmittelbarer Beziehung zu der angeregten Streit- 
frage, daß wir fie etwas ausführlicher befprechen zu müffen glauben. 

Bekanntlich nehmen im der Lyſiſtrata Die Werber die Burg ein 
und verrammeln die Thore. Gegen fie rückt der Chor der Greife 
heran, um, wenn jie nicht freiwillig die Thore öffneten, fie anzu- 
zünden 5 zu Hülfe aber kommt der Chor der Weiber, um das Feuer 
zu löſchen. Endlich erſcheint der Probulos mit Seythen, welche die 
Thore erbrechen ſollen. Indeſſen tritt Lyſiſtrata freiwillig hervor, 
und der Probulos befiehlt, fie zu feſſeln. Auf ihre Drohung ent— 
läuft der Scythe; es wird ein zweiter zu Hülfe genommen; doch 
auch diefer entläuft, als Stratyllis zum Schus der Lyfiftrata auf- 
tritt, V. 439. So die Bücher, die im Folgenden die VV. 443. 
444, ver Lofiftrata, Die "VB. 447. 448. wieder der Stratyllis bei- 
legen, nur daß der Voffianus die Stratglis gar nicht aufführt, 
fondern an beiden Stellen ftatt ihrer die Lyſiſtrata, und die Jun— 
tina auch VV. 443. 444. der Stratyliis beilegt. Gegen die ge- 
wöhnliche Perfonenvertheilung erflärt fih Dobree folgendermaßen : 
Lysistratae opponuntur duo lictores, terlius Stralyllidi 442. 
Prodit deinde tertia mulier 443. (forsan legendum Mvogırn) 
cui assignalur quartus lietor 445. Tum prodeunte quarla 
muliere 447. (non Xzo.) exclamat Probulus deficere lielores 
sibi (erikerwovoı Vesp. 1436.). Qualuor autem esse Scythas 
liquet e xas, v. 455. Dindorf fügt hinzu : Verissime haec Do- 
braeus. Ilaque personarum descriplio sic est emendanda, ut 


Zur Kritik und Erflärung der alten Terte. 305 


versui 439. nowrn yvvn , 445. devr&un, 447. Toten praescri- 
batur. Wir wundern uns über diefe unbedingte Zuftimmung Din- 
dorfs, da Dobree offenbar nad fehr flüchtigem Ueberfefen der 
Stelle die angeführte Bemerkung hingefchrieben hat, was ſchon dar— 
aus hervorgeht, daß, während V. 439, ver Stratyliis, einer Chor- 
perſon gelaffen, doch V. 443. der Myrrhine beigelegt wird, vie 
fi mit den andern Frauen in der Burg befindet. Die Hauptfache 
ferner, daß der Probulos 4 Seythen mitgebracht habe, foll aus dem 
za in V. 453. hervorgehen, Auch das zeugt von fehr fluchtigem 
Durchlefen der Stelle. Wenn die 4 auf der Bühne befindlichen 
Frauen mit den Seythen verglichen würden, dann Fünnte man wohl 
eine folche Folgerung machen, allein Yyfiftrata fagt ja ganz aus» 
drücklich Orı al nwo’ nulv zicı TErTagEg Aoyoı uayiuwr yv- 
vamxov Evdov ESmnkıousvo». Cie fpricht alfo von den 
Frauen in der Burg, und nicht von den vier auf der Bühne be- 
findfichen, und ſo werben auch jene zum Kampf hervorgerufen V. 
456. &xFeir Evdoser. Auch der ganze Zufammenhang der Stelle 
fpricht gegen diefe Anficht. Denn wie kann der Probulos glauben, 
daß die 4 Scythen, die es einzeln mit den A Frauen aufzunehmen 
nicht im Stande waren, bei einem gemeinfchaftlichen Angriff fiegen 
werden? Dffenbar wird ſich doch jede Frau einen Scythen aus— 
wählen, und dann tritt der vorige Fall wieder ein. Es ift feinem 
Zweifel unterworfen, daß ver Probulos eine ziemliche Anzahl von 
Seythen mitbringt. Wie er nun fieht, daß fie einzeln nichts aus— 
richten, läßt er fie ſämmtlich in geordneter Schaar gegen den Feind 
rücken, theils um ihren Muth zu erhöhen, theils um durch die Ue— 
bermacht den Feind zu erdrüden. Darauf antwortet Lyſiſtrata: 
ihr werdet erfahren, daß auch ung eine Schaar ge 
rüfteter Räwpfer zu Gebote ſteht. Warum fie rerragss 
A0yor fagt, ift dunkel. Der eine Scholiaft fagt, es feien in Lace— 
dämon nicht 4, fondern 5 Lochen; ver andere bemerkt: ori zur 
napa Aaxsdauovioıs TEooageg Ünagyovor Adyoı, vis xEyon- 
zaı 6 Paoılevg, was aus dem Scholion zu Acharn. 1073. wie- 
derholt if. Wie dem auch fei, fo viel iſt gewiß, daß dieſe Worte 
nicht mit Dobree und Dindorf auf die 4 Scythen bezogen werben 
Muf. f. Philolog. N. J. II. 20 


306 Miscellen. 


können. Noch fchlimmer ſteht es um die dritte Behauptung Do- 
bree’s, daß der Probulos V. 449, ausruft, es ferien ihm nun die 
Sceythen ausgegangen. Wie wäre das möglich, da ihm ja alle feine 
Sceythen noch zu Gebote ſtehen. Denn diefe hatten ja von den 3 
Frauen abgelaffen, und ganz fortgelaufen find fie nicht, da fie gleich 
darauf wieder sorrüden. Der VProbulos fagt: Eruhekoıp’ 6 7o- 
Sorns und meint offenbar, wie der Artifel zeigt, den Scythen, dem 
er V. 445. befohlen hatte, die Frau zu feffeln. — Unfere Anficht 
von dieſer ganzen Scene ift folgende. Der Probulos ift von einer 
Schaar Sceythen begleitet, won denen er 2 verwendet, un das Thor 
zu öffnen, wie aus V. 426. hervorgeht. Dem einen von diefen 
befiehlt er dann die Lyſiſtrata zu feffeln, und da diefer vor ihrer 
Drohung zurückſchrickt Cedyoas B. 437. was Bergf flat} Edsioag 
vorschlägt, wäre ganz unvaffend), ruft er auch ven andern herbei. 
Diefem ſtellt fih nun entgegen nicht die Etratyliis, fondern eine 
Frau, Die eben aus der Burg tritt, fer es nun Myrrhine oder Ka- 
fonife sder eine andere, und beide Seythen laufen davon. Jlov 
’orıv Ereoog ToSorns fagt nun der Probulos und befiehlt einem 
dritten Seythen: Tavrnv noor&gav Evvdnoov, nooTEgev, weil 
er fih um die weggelaufenen Seythen nicht weiter kümmert: Diefer 
ſoll zuerft die angefonmtene Vorlaute, dann die Lpyſiſtrata feffeln. 
Da tritt eine zweite Frau aus der Burg, der Scythe erweift fich 
nicht tapferer, als die vorigen, und der Probulus ruft aus: 
Tovıl dd nv; mod TOSOTng ; TavTng Eyov. 
navow Tıv' vuwv TN700’ Evo rag ESodov. 

Nach der gewöhnlichen Erffärung der Stelle muß our. zu nv; fo 
aufgefaßt werden, daß fich der Probulos über die Reigheit des Scy- 
then wundert. Dann müßte man aber auch, wie denn dies wirflich 
geichehen ift, mov roSorns; näher damit verbinden: wo der Tra- 
bant? wie Voß überfegt. Daß dieß nicht angeht, zeigt der feh— 
(ende Artikel und das nackt daftehende ravrys Eyov. Die Worte 
nod ToSörns; Tavıng Eyov müffen nothwendig ganz fo aufgefaßt 
werden wie V. 441. 00 ’orıy &r8005 To&öryg; Tavınv noorE- 
gav Zurdnoov. Nun fann aber die Erflärung von zovri mi nv 
nicht mehr vichtig fein, da der Probulos unmöglich fagen kann: 


Zur Kritik und Erklärung der alten Terte, 307 


Wie? der Trabant ift entfloben? wo ıft ein Trabant? 
nimm diefe feft. Wenigftens müßte es doch heißen mov 'orıw 
ErTE005 To&örng;, wie vorhin. Vielmehr ift die Sache fo zu ver- 
ftehben, daß fich der Probulos wundert, daß eine zweite Frau aus 
der Burg berausgefommen if. Darum befiehlt er dem vierten 
Scythen, diefe zu feffeln, damit den Frauen die Luſt vergehen foll, 
noch ferner aus der Burg zum Schuß der andern herauszufommen. 
Denn fo find die Worte navow ri? Tumr Tod’ Eywm tig 2E0- 
dov zu verſtehen. Allein ehe ſich der Scythe diefer Frau genäbert, 
fommt eine dritte aus der Burg und vertreibt den Scythen, fo daß 
der Probulos fich genöthigt fieht, feine Taktik zu ändern und in ge- 
ſchloſſener Reihe einen Angriff zu wagen. 
R, Enger. 


4, Ueber einen vermeintlihen Vers des Nabiriug 
bei Fulgentius. 


Im Anhänge meines Gratis habe ich Bemerfungen uber das 
Geſchlecht einer Anzahl lateinischer Subftantiva herausgegeben , in 
denen dreimal Worte des Nabirins angeführt werden; denn vie 
beiden Mal wo in der Handfchrift rubirius und rabius fteht werde 
ich den Namen wohl richtig erkannt haben, Epiſches Gepräge tra- 
gen von dieſen drei Beifpielen zwei, 78, 11 Portarumque fuit cu- 
stos ericius, was in der Beichreitung einer Belagerung, wie der 
von Peluſium oder von Alexandria, geftanden haben mag, und 78, 
17 Ac veluti Numidis elephas circumdatur altus , ver Anfang 
eines Gfeichniffes, mit der gewöhnlichen Formel, über die ich Obss. 
eritt. S. 38. gefprochen habe. Verſäumt habe ich dort Lachmann 
Anficht, daß bei Prop. 3, 15, 51 Ac veluti gleich einem Veluti 
ftehe, Durch eine metrifche Inſchrift zu beftätigen, die in Burmanns 
Anthologie Bd. 2 C. 108 und richtiger in Jahns Specimen epi- 
graphicum &. 108 fteht und gleich beginnt Ac veluli formosa 
rosast, cum tempore prodit. Die dritte Stelle des Nabirius, 99, 


308 Miscellen. 


8, Tautete, wenn ich richtig vermuthet habe, In tenerum est de- 
ducta serum pars intima laclis. Auch dieſe Worte widerftreben 
nicht dem Epos noch dem magni Rabirius oris. Cie fheinen 
ebenfalls in einem Sleichniife geftanden zu haben, wie es, um ganz 
in der Nähe zu bleiben, bei Ovid, Met. 12, 454 ff., heißt: Fra- 
eta volubilitas capitis lalıssima, perque os Perque cavas nares 
oculosque auresque cerebrum Molle fluit, veluti concretum 
vimine querno Lac solet utve liquor rari sub pondere eribri 
Manat et exprimitur per densa foramina spissus. So etwas 
fommt uns unverträglich mit einem ernften Gedichte vor, wie denn 
etwas ähnliches im Don Quijote mit befter Wirkung komiſch ver- 
wendet wird: das Altertbum und das Mittelalter waren in ihren 
Öfeichniffen fehr unbefangen. Aber Rabirius ſoll ja auch Satiren 
gefchrieben haben, fo daß die Annahme eines epiſchen Gleichniſſes 
überflüffig wäre. Ber Tulgentius, Expos. serm. ant. ©. 567 M. 
heißt es Abstemius dieitur observans. sicut Rabirius in salıra 
ait Abstemium meruleta fugit metenia nomen. So haben die 
neuejten Herausgeber nach ihren Handſchriften gefest. Geredet iſt 
über diefe Stelle viel worden son Weichert (De L. Varii et Cassii 
Parmensis vita et carminibus &, 160—163). Er beginnt mit 
den Worten Rabirius utique seripsit eliam saliras, geräth aber 
am Ende nach drei Seiten auf andere Gedanfen, indem er fagt lam 
cum unius Fulgentii, quem futilem et nullius fidei seriplorem 
appellat Ruhnkenius ad Rutil. Lup. p. 104, testimonio cogno- 
scamus, a Rabirio satiras scriptas esse, in disceptationem 
vocari potest, num forte vulgatum ibi nomen Rubrii praefe- 
rendum sit ac defendendum. Ich dächte, wer mit Ruhnken den 
Fulgentius für einen futilis et nullius fidei seriplor hält (und 
das iſt er, ein Lügner, troß der oberflächlichen Vertheidigung in 
Herrn Gerlachs Vorrede), der ſollte nicht fragen vb jene Worte 
dem Rabirius, von deffen Satiren wir fonft nichts wiffen, angebö- 
ven, fondern er follte prüfen ob fich nicht völlige Erdichtung des 
Fufgentius verräth. In dem meruleta der Hanpfchriften haben 
Früherere und fihon der erfte Herausgeber mit einfachen Sinne 
merulenta erkannt; Andere Haben daran gekünſtelt; am unglücklich— 


Zur Kritik und Erklärung der alten Terte. 309 


fichften vermuthet Herr Gerlach meri laela, denn dies iſt gegen 
den Vers (und ein Vers ift doch unverkennbar) und macht die alber- 
nen Worte noch) um ein weniges matter. Merulentus fommt frei- 
lich nur noch einmal vor, aber. gerade wiederum bei Fulgentius, 
Myth. I S. 607 Stav., Hoc itaque sacrificali carmine Gorgonei 
fontis aspergine madidas et praepelis ungulae rivo merulen- 
tas Pierides abslraxi, mag nun Aulgentius das Wort erfunden 
oder irgendwo aufgelefen haben, wie es ihm im Mittelalter Altheim 
abborgt. An dem überlieferten melenia (pder mecenia) hat man 
verfchiedentlich fich verfucht, zum Theil mit Tächerlichen Einfällen. 
Sn neuerer Zeit hat eine Vermuthung von Giraldus und von Oſann 
Beifall gefunden, Melhymnia , was eine vetula vinosa bedeuten 
fol, weil ver methymnäiſche Wein berühmt war. Auf die Wider- 
fegung folher Einbilduugen brauche ich mich nicht eimzulaffen, da ich 
die Beziehung des Verſes in folgenden ziemlich befannten Stellen 
darlegen kann. Plinius H. N. 14, 13 Invenimus inter exempla, 
Egnatii Mecenii (Maetenni) uxorem, quod vinum bibisset e 
dolio, interfeclam fuisse a marito eumque caedis a Romulo 
absolulum. Valerius Marimus 6, 3, 9 Egnatii aulem Metelli 
— qui uxorem, «quod vinum bibisset, fuste percussam inlere- 
mit. Tertullianus Apol. 6 Sub Romulo vero quae vinum alli- 
gerat, impune a Mecenio trucidata est. Servius zu Aen. I, 
757 femina quae sub Romulo vinum bibit occisa est a marilo. 
Mecennius (Metenius, Metennius) absolutus : id enim nomen 
marilo. Daß Metenia ber Fulgentius auf diefe Gefchichte zielt 
Scheint mir nicht zu bezweifeln. Ebenſo unzweifelhaft iſt cs aber, 
daß weder Rabirius noch fonft ein Schriftſteller in irgend alter Zeit 
die Frau des Egnatius Mecenius oder Metennius (wie Perizomus 
zu Ael. V. H. 8, 38 wilf, Egnatus Metennius) fonnte Mecenia 
oder Metennia nennen, oder welche Form Die rechte fein mag. 
Warum Fulgentius feinen Vers, uber deffen Silbenmaß zu veden 
fih nun nicht mehr verlohnt, gerade dem Nabivius unterjchieb, 
weiß ich nicht: aber zu ändern tft nichts an dem Namen; zu den 
bisher benußten Handfchriften fommen noch andere vie ihn beftäti- 
gen. Pit Satiren zeigt ſich Fulgentius auch fonft noch freigebig. 


310 Miscellen. 


— Daß ber Plinius für Suisse von Valerius Marimus fuste ge- 
nommen werden kann, hat man bereits bemerft. 


5. Frontinus. 


Srontinus de aquis 1 f£ — primum ac polissimum exisli- 
mo, sicut in celeris negoliis institueram, nosse quod suscepi. 
neque enim ullum omnis actus certius fundamentum credide- 
rim aut aliter quae facienda quaeque vilanda sint posse de- 
cerni aliudve tam indecorum tolerabili viro quam delegatum 
olficium ex adiutorum agere praeceptis, quod fieri necesse est 
quoliens imperilia praecessit eius ad cuius crebro decurritur 
usum: quorum elsi necessariae parles sunt ad ministerium, 
tamen sint nonnisi manus quaedam et instrumentum agenlis. 
Schuls überfeßt omnis actus durch „alles Handelns“, wogegen 
nichts einzuwenden ift, da aclus in diefer Bedeutung ſchon vor 
Frontinus bei Profaifern und Dichtern nicht felten gefunden wird, 
wenn auch dem Cicero venfelben Gebrauch Davies mit Unrecht zu- 
traut. Herr Dederich dagegen meint, wenn man die ganze Stelle 
richtig faffe, fo ergebe fi) für aclus die engere Bedeutung »Staats- 
dienft“, wie bald Darauf agenlis fo viel fer als »des Staatsdieners“, 
Allerdings heißt aclus um diefe Zeit und Später zuweilen ungefähr 
fo viel als munus, allem bier iſt Diefe Erflärung nicht möglich. 
Schon an fich ift der allgemeine Ausdruck der gefchieftere, da nicht 
bloß der Staatsvienft, fondern jedes Geſchäft Sachkenntniß (nosse 
quod susceperis) verlangt, und fundamenlum aclus pder muneris 
fann hier in dem Stimme, den Herr D. verlangt, eben fo wenig 
gefagt werden als wer Far denkt und fein Deutjch verficht fageu 
wird, Kenntniß der Sache fei die fiherfte Grundlage eines Amtes. 
Wohl aber kann man Sachkenntniß die ficherfte Grundlage alles 
Handelns nennen. Ebenſo wie bier wäre bei agenlis die neue Er— 
Marung und der Tadel der Wörterbücher, Die agens in der Be— 
deutung »Staatspiener« nicht kennen, beffer gefpart worden. Wer 
diefe Stelle fo fihreibt und agenlis fo nimmt, der follte doch fehen 
daß dann dieſe Bedeutuug durch Das vorangehende ministerium 


Zur Kritifund Erflärung der alten Terte. St! 


bedingt ift (denn ministerium agere fommt vor), nicht aber agens 
an fih einen Beamten bezeichnet. Beffer aber wird man die Ge— 
hülfen ganz einfach als Hände und Werkzeuge des Handelnden, 
deffen von dem das eigentliche Handeln ausgeht, faffen: in ähnli— 
chem Sinne fünnte agendi ftehen. Che man aber jenes omnis 
actus erffärte hätte man doch nachfehen follen was die Handjchrift 
gibt: ich fage, Die Handſchrift; denn wo von Ueberlieferung die 
Nede ift Fann nur Die Handfıhrift von Monte Caſſino in Betracht 
fommen, wenn die Kritik eine regelrechte und fichere fein fol. Die 
Handſchrift aber gibt, wovon man bei Herrn D. fein Wort erfährt, 
etwas ganz anderes als die Ausgaben. Poleno theilt (auf Tafel 
T, zu ©. 19 feiner Prolegomena) ein Facſimile des Anfangs der 
Handjchrift nit, Darin ſteht deutlich Nep eni ullu omisaclus 
cerlius fundatius (us in Einem Zuge) erediderim: und hieraus 
ergibt fich mit völliger Gewißheit Neque enim ullum homini sa- 
tius cerlius fundatius erediderim. An ullum flatt quidquam 
wird man nicht mehr Anſtoß nehmen als bei Livius 2, 59 an nemo 
ullius nisi fugae memor, um Stellen zu ſparen wo nullum für 
nihil oder nulla res vorkommt. 

Die Worte quod fieri — decurritur usum serftehe ich nicht; 
auch nicht Die Ueberſetzung was nothwendig gefchehen muß, fo oft 
ins Amt Unfunde vorangegangen iſt vou Seiten eines folchen, zu 
deffen praftiicher Erfahrung haufig Zuflucht genommen wird“, ob- 
wohl „praftiihe Erfahrung“ überdeutlich iſt. Liegt es aber viel 
leicht am mir, daß ich finnlos finde wovon Herr D, fagt sentenlia 
sallem egregia est, fo weiß ich doch daß feine Geftaltung dieſer 
Worte ganz willfürlich if. Die Handſchrift hat quod fieri necesse 
est quotiens' imperilia P co sit (fo nach Polens, praeeosit nach 
Herrn D.) ei adi..orua (oder arua) decurrit usum. Man 
möchte wiffen wie groß die Lücke ift: es ſcheinen nur einige Buch— 
ftaben zu fehlen und das Richtige hat wohl ohne Zweifel Schulg 
gefunden, quoliens imperitia praepositi ad illorum decurrit usum, 
fo oft des Vorgeſetzten Unerfahrenheit zur Erfahrung jener ihre 
Zuflucht nimmt. Herr D. wendet ein, Ulorum fünne von feinem 
Abſchreiber aus Unkunde verftümmelt fen. Wird denn in Haud— 


312 Miscellen. 


fehriften nichts verwifcht, befleckt, ausgeriffen ? Praepositi erffärt ex 
fehr übel durch curatoris aquarum: yon den Wafferleitungen ift 
bier gar nicht Die Rede. Praepositus ift, wie in diefer Zeit häufig, 
ganz allgemein ein Vorgeſetzter. Uebrigens ergibt fi aus prae co 
sit ei von felbft praepositei, mit alter Orthographie, wie aus Der 
Handfchrift vorher ceivilalis und manches Aehnliche entnommen 
werden kann. 

Sm Folgenden iſt sint, für das ul der Handfchrift, von Herrn 
D.: es foll esse debent bedeuten, worauf ich nicht verfallen wäre: 
und nonnisi, wovon die Handfchrift Feine Spur hat, fol ausgefal- 
len fein ob quandam similitudinem quam vocabula manus et 
nonnist in codicibus obtulerint. Ebenſo unnöthig, wenn auch 
geichiefter , haben ſchon Andere bier allerlei vermuthet. An dem 
was die Handfchrift gibt iſt fein Buchftabe zu ändern, quorum si 
necessariae partes, sunt ad ministerium tamen ut manus quae- 
dam et instrumentum agentis. Weber etsi ftatt si, noch tantum 
anftatt oder neben tamen ift nöthig. 

Aber, methodische Kritik thut dem Buche des Frontinus noch 
an manchen Stellen north. Vorher heißt eg — aquarum iniun- 
etum offieium, ad usum, tum ad salubrilatem atque eliam se- 
euritatem urbis perlinens. So fteht in der Handfchrift, und ich 
wüßte daran nicht das mindefte auszufegen. Andere Handſchriften 
fihieben tum nach officium und ad nach etiam ein. Es fann beides 
ausgefallen fein; aber mit folcher leerer Möglichkeit hat die Kritik 
nichts zu Schaffen. Denn da es ebenfo wahrfcheiniih und wahr— 
fcheinficher ift, daß beides wilffürlich eingefchoben wurde, fo bleibt 
nichts übrig als ſich an die untadelhafte Ueberlieferung der zuver- 
läſſigſten Handſchrift zu halten. M. Haupt. 


6. Ad Frontin. Strategg. II, c.9 extr. et c. 12,8. 2. 


Decem fere anni sunl, ex quo de colligendis et edendis 
rei militaris scriploribus graecis lalinisque consilia inii, quos 


Zur Rritif und Erflarung der alten Terte. 315 


adhuc miserandum in modum neglectos esse videram tum 
quum ad Xenoph. lib. de rep. Lacedd. Spartanorum arlem 
tacticam explicabam. Nec vero ignorabam dilficillimum me 
opus aggredi; sed tamen quot illae quantaeque diflicultates 
essent, postea demum plane intellexi, quum lotum illud sep- 
tuaginta fere librorum ounvog excilassem, quorum paene ter- 
tia pars inedila adhuc iaceret, reliqui autem ad unum omnes 
adeo vel raro vel viliose edili essent, ut tota haec anliqua- 
rum lilterarum pars communibus studiis videretur paene erepla 
esse. Non enim vel e Graecis Aeneam, Aelianum, Onosan- 
drum, Polyaenum, vel e Latinis Vegetium Frontinumve exci- 
pio, qui recenlioribus atque etiam diligentioribus aliquot edi- 
tionibus vulgati sunt. Nolo nunc narrare reliquis quid acci- 
derit; exemplo erit unus Frontinus, cui videri possit haud 
male consulltum esse, quum Fr. Modius, G. Stewechius, P. 
Scriverius, Sam. Tennulius, Fr. Oudendorpius, Nic. Schwebe- 
lius cum aliis diligenter in eo et explicando et emendando 
versali sint, adhibitis eliam speciosis librorum mss. copiis, 
quorum numerus est supra viginli, vel eliam triginta, si quis 
numerare velit undecim codd. Paris., quorum lectiones varias 
texius se subiecisse scribit los. Valart, homo ventosissimus, 
qui Frontinum capitali plane levitate edidit Lutetiae a. 1769. 
Sed tot collatorum codicum qui fructus fuerit, facile aeslima- 
bitur, quando emendavero locos lib. I, c. 9. extr. et c. 12. 
$. 2, quorum ille plane iam a viris doctis desperatus est, hic 
vero aul silentio praetermissus aut frigide excusatus, ulerque 
denique vexatus infelicibus coniecturis. Ceterum plane sin- 
gularis in illis locis casus versalus est, de quo iam olim e 
codd. collatis cognosci poluit, si accuralius collati essent; 
ego rem repperi, quum Parisiis in conferendis aut describen- 
dis graeeis rei militaris scriploribus occupatus Fronlinum ibi 
nondum atligissem. Conligit enim, ul quum forte tabernam 
librariam Labillii intrassem alios quosdam libros quaesiturus, 
venalis esset codex quidam ms. Frontini charlac. sec, XV., 
quem haud magno precio emium slalim absluli ei oculis. per- 


314 Miscellen. 


lustravi. Fuit aulem olim is liber „B. Mariae in Salem“, et, 
quanlum cognoscere polui, ab aliquo cenlurione vel tribuno 
Francogallico est in praeda Parisios delatus et deinde vendi- 
tus, nunc vero a me in patriam reductus; bibliotheea mona- 
sterii Salemitani, quod est prope Constanliam, quando direpla 
sit, equidem ignoro ; neque enim verisimile est totam a. 1697 
incendio absumplam esse, quod aflırmavit Dan. Schoepflinus, 
gquum superiore seculo locum quendam Leonardi Arelini 
ex illius bibliothecae codice descriplum infelici errore pro 
Livii fragmento venditaret; vid. Drakenb. praef. ad Liv. vol. 
AV, pag. CXXXV sqq. ed. Stuttg. Ile igitur codex meus 
quamvis novicius quum alia habet memorabilia, de quibus 
nunc taceo, tum illud me statim adverlit, quod lib. IL, c. 9 
exir. post verba haec : quar& meta illi 7 cum aduentaret- rece- 
pi aciem persecuti acie in fossas ceciderat eiusdem librarii 
manus rubris litteris addidit haec: Nota hic deftm di. e. de- 
fectum) magnaz. Et sane sequitur hine non cap. 10 et 11. 
sed cap. 12.inde a $. 3, posita tamen capitis 12 inseriplione 
ea, quae est in edd. et addito falso numero his verbis: Ca- 
pilulum Decimum. Ad eundem locum recentiore manu posi- 
tum est in marg. tale signum HF. Sequitur deinceps suo loco 
cap. 13, atque id etiam a prima manu inscriptum est Capitlm 
iredecimum, in marg. vero recenlior manus haec adseripsit: 
hic defieiunt XIn et XIIm Capitula » sunt in fine kibri descripla 
circa tale ® signum. Iam vero post ullimum, i. e. seplimum 
caput libri IV ponunlur ea quae hie omissa sunt et quidem 
ita, ut librarius ea videalur pro parte extrema eius libri ha- 
buisse, quamquam quod est lib. II cap. 10 in quarto libro non 
octavum sed septimum capitulum appellavit; rec. manus. vero 
nomum inscripsit et in marg. addidit haee : ista tria capla per- 
inet ad rubrum sub 29 kbro eirca tale signum + itemque 
caput sequens, quod est lib. U. 11, a prima m. inscribitur 
Octauum, quam vocem rec. m. delevit, non correxit, eadem- 
que in marg. adseripsit: Ista duo sequencia capitula perlinent 
ad rubricas sub secundo libro contentas circa tale $ signum. 


Zur Kritif und Erflärung der alten Terte. 315 


Postremo loco positum est lib. Il, cap. 12, $. 1 et 2, repe- 
lita huius cap. inscriplione, quae iam antea eral reliquae eius 
cap. parli praeposila; numerum vero neulra manus addidit. 
Apparet igitur, omissa suo loco fuisse omnia quae sunt inler 
lib. II. cap. 9 extr. et cap. 12 $. 3 init, eaque extremo libro 
addita esse alque id animadversum etiam ab ipso librario, sed 
accuralius nolatum ab altero, quamquam hic quoque erravit 
bifariam. Initio enim duo tantum capita transposita esse pu- 
tavil eaque exeidisse statuit ante lib. II, cap. 13. deinde cum 
iria capila esse omissa intelligeret, hoc quoque postea in 
marg. adscripsit; diversum enim tempus alramenti quoque 
color arguit; simul signo aliquo indicavit, non solum ante 
cap. 13. sed etiam continuo post cap. 9. lacunam esse, ubi 
prima iam manus defectum magnum nolaverat; verumlamen 
quum duas partes unius cap. 12., quarum posterior suo loco 
posila, prior in fine addita est, pro duobus capitibus haberet, 
et quum illam partem videret tamquam cap. 10 inscriplam, 
fecit quod unum religuum erat, si constare numeros vellet, 
ul id quod re vera est cap. 10, nonum insceriberet coniungi- 
que vellet cum eo, quod est re vera nonum, deinceps sequi 
pularet cap. 12, $. 5 et 4 tamquam cap. 10, et hine rursus 
interponenda esse inlegrum cap. 11. et capitis 12 8. 1 ct 2, 
duorum capitum loco, quae praecederent cap. 13. Facile in- 
telligilur, recenliorem hunc codieis mei correctorem suo Marte 
rem gessisse, aut si forte aliud exemplum inspexit, tamen 
plus eum sui codieis numeris tribuisse, quum non reputaret, 
quam facile fieri potuerit, ut capitis 12 pars posterior capili 
nono subiecta caput decimum inscriberetur a librario, qui 
vellet numerorum ordinem servare, quamvis aliquid exeidisse 
non ignorarel. Ceterum quamquam ex unius huius codieis 
indieiis inlellexi, quid in vulgalis Frontini editionibus corru- 
plum sit, tamen anlequam id doceam, addendum est, non 
recentem esse aul mei cod. propriam illam capitum duorum 
eum dimidio transpositionem. Habet enim plane eandem cod. 
Bernensis, qui est sec. XV, signalus numero 438. b. et olim 


316 Miscellen. 


fuit Iac. Bongarsii de Bodney; eius libri collationem habeo 
diligenlissime confectam a Bremio, qui tamen in numeris ca- 
pitum siquid forte librarius mulavit, non perseripsit. Accedit 
praelerea codex, qui est inter Parisienses oplimus et velu- 
stissimus sec. XII. membran. olim Colbertinus, nunc in bibl. 
regia signatus numero 7240. in quo cod. post cap. 9. idem 
librarius, qui totum librum perseripsit, maiusculis litteris ad- 
iecit haec: Duo capitula sunt requirenda. Deinceps posuit capilis 
12 inscriptionem atque ipsum caput 12, inde a $.3; veros nu- 
meros hic non mulavit; omissa autem et in fine posita capita 
adnumeravit libri IV capitibus, quorum quum septimum, quod 
nobis ultimum est, quintum numeraret, subiecta illie lib. I, 
ap. 10 et 11 et initium cap. 12 fecit libri IV capp. 6 et 7 
et 8. Denique eiusdem erroris eliam velustiorem testem habeo 
codicem Gothanum, quem Fr. Iacobsius, vir praeslantissimus, 
judicat seculo VIIN. scriptum ; neque ego alium vetustiorem 
Frontini codicem vidi. Ille vero liber post Eutropii libros X. 
subiungit Frontini librum IV integrum, deinde reliquoräm libro- 
rum praefationes et inilia; quarto autem libro adhaerent illa 
ipsa, quae in meo quoque cod. et in Bern. et Paris. dixi e 
libro II. in finem reiecta esse; neque magis ea a lib. IV. 
cap. 7. ullo indicio separata sunt, praeserlim quum capita 
nulla numeris insignita, sint; alque post lib. II, c. 12, $. 2. 
legitur etiam subscripfio haec: Juli Frontini Strategematon 
liber quartus explieit. ut iam dubitari nullo modo possit, 
quin ille quoque codex, e quo vetustissimus Golhanus fluxit, 
plane cum nostris illis consenserit. Origo autem tanlae per- 
turbationis quae fuerit, facile est coniicere ; quum enim ea, 
quae e libro II. transposita sunt, videantur commode duas 
paginas implere poluisse, probabile est in aliquo codice aut 
folium integrum defuisse aul librarium eius codieis, e quo de- 
scriberet suum, duo folia pro uno verlisse, ut quum in lib. II, 
cap. 9. exir. pagina terminaretur, sequenlibus duabus paginis 
omissis stalim cap. 12, $. 3 subiungeret, erroremque deinde 
ila corrigerel, ut post cap. 9 lacunam esse aliquo modo si- 


Zur Kritik und Erflarung der alten Terte, 317 


enificaret, omissa vero in calce libri adderet. Deinde quum 
alius librarius errorem in tempore animadverleret, reposuit 
ea, quae in fine erant, post lib. II, c. 9. qua in re tamen 
novum errorem commisit, qui ex illo tempore in alios multos 
codices propagatus est, et denique in ediliones omnes. Sci- 
licet plane iam manilestum est verba postrema capilis ©. 
transponenda esse in finem cap. 12 $. 2. fossarum enim men- 
tio illo quidem loco fieri prorsus nullo modo poluit; nam 
strategema Hermocralis, quod est notissimum ex Thucyd. VII, 
ec. 73. Diodor. Sic. XII, 18. Polyaen. 1, 43, 2. Plut. Nie. c, 
26., hoc fuit, quod falso de itineribus praeoccupalis nuncio 
permovit Niciam, ut non proxima post acceplam cladem nocte 
discederet cum exercitu sed aliquot dies morarelur, quo qui- 
dem tempore Syracusani e communi crapula et vicloriae gau- 
dio resipuerunt et praegressi vias insederunt; nec vero po- 
stea Athenienses in fossas ceciderunt; quis enim credibile 
putabit, fossas appellari pro Assinaro fluvio, de quo vid. Thuc. 
VI, ec. 84. neque etliam par erat Alhenienses sic simpliciter 
dicere victos esse, qui paene ad internecionem caesi sunt. 
Contra cap. 12, $. 2. fossarum mentio quam maxime neces- 
saria est; posiquam enim narravit Frontinus Sertorium contra 
hostium equitatum usque ad munitiones ipsius ferociter suc- 
cedentem scrobes aperuisse, necesse erat addere, quid illis 
scrobibus factum esset; scilicet hostes persecuti Sertorii aciem 
in eos deciderunt et ita victi sunt. Quae vero Oudendorpius 
commentus est de scrobium consilio, ea plane falsa esse nemo 
non intelligit. Quare sic statuendum est. Librarius is, cui 
tota haec perturbatio debetur, usus est codice, cuius una ali- 
qua pagina terminaretur his verbis cap. 9, $. 7: dispositas 
etiam ubique a Syracusanis insidias - quarum melu — hinc 
quae sequebantur in duabus proximis paginis, ea praetermisit 
et in tertia inde pagina verba prima repperit illa: illi quum 
adventarent recepit aciem- perseculi aciem in fossas decide_ 
runt et eo modo victt sunt. quae verba quoniam cum illis 
recte videbantur coniungi et numero pauca erant neque ma- 


318 Miscellen. 


nifestum aliquod diversi capilis indieium habebant, capiti nono 
adhaeserunt, neque eliam postea ab eo disiuncla sunt, quum 
animadversus esset sceribendi error, quippe qui ad integra 
lantum capila videretur perlinere; eoque modo illud quoque 
factum est, ul quum omissae paginae in fine describerentur, 
periret tamen eapitis noni clausula, quia id iam plenum atque 
integrum videbatur esse. Neque magis ille rem sensit, qui 
postea capila omissa in suum locum reduxit; quae quum po- 
nenda essent ante verba illa: el quum adventarent — victi 
sunt, post ea posila sunt. Alque hanc fuisse insignis corru- 
ptelae originem quum per se salis perspicuum est, tum ac- 
cedunt eliam quasi quaedam testimonia in meo Bernensique 
codd. servala, e quibus colligi videtur, librarios quoque verba 
ea, quae demonstravi transponenda esse, ab loco suo aliena 
iudicasse; nam in Bern. cod. post quarım metu aliquantum 
spacii vacuum relictum est; in meo vero quamquam verba 
omnia continuantur, tamen post ei, quae vox in extrema 
linea posita est, conspieilur lineola “, quae ulrum pro. com- 
mate habenda sit an item lacunae indicium servet, reieclum 
illud ultra unam vocem &llö in marginem, in ambiguo relin- 
quam; neque enim opus est Bernensis libri fidem alio tesli- 
monio confirmare. Superest ul utrumque locum e codd. emen- 
dalum proponam. 

Lib, I, c. 9, $. 7. Idem rebus prospere gestis ei ob id re- 
solutis suis in nimiam securitalem somnoque et mero 
pressis , in castra transfugam misit, qui praemonerel se 
fuga elapsum ; dispositas eliam ubique a Syracusanis in- 
sidias. quarum melu ® * *, 

Lib. II, e. 12, S.2. 0. Sertorius in Hispania hostium equilalui 
maxime impar, qui usque ad ipsas munitiones nimia fidu- 
cia succedebat, nocte scrobes aperuit et ante eos aciem 
direxit. Cum deinde turmales secundum consueludinem 
redire vellent, pronunciavit comperisse se insidias ab 
hostibus dispositas; ideirco ne discederent a signis neve 
aomen laxarent. Quod cum solerter ex disciplina fecis- 


Zur Kritik und Erfläarung der alten Terte, 319 


set, exceptus forte veris insidiis, quia praedixerat, inter- 

ritos milites habuit; illi cum adventarent, recepit aciem ; 

in fossas deciderunt et eo modo vicli sunt. 
In his quae praeter transposita verba mutavi, nec mulla sunt 
nec magni momenli, et singulatim ea excutere nunc non va- 
cat; salis habeo uno maxime insigni exemplo ostendisse, in 
amplissimis codie"m mss. copiis nequaquam adhuc parem 
fuisse editorem diligentiam, atque id simul testimonium volo 
esse iis, qui me in edendis rei militaris scriptoribus vel copiis 
suis adiuverunt vel verbis honorificis ad festinationem exhor- 
tati sunt, non abiecisse me consilium, sed distulisse ei certam 
nunc spem habere, fore ut mox conala perliciam. 

F. Haase. 


7. Charifins de versu Saturnio. 


Am Schluffe des Fragments des Charifius de versu Salurnio 
wird als die letzte der aufgeftellten möglichen Ableitungen für den 
Namen des Saturnius die angegeben, quod eodem [scil. Saturno] 
defuncto «nos&woıg hac dictione sit celebrata, cuius exem- 
plum adhuc ligneis lib. reperitur. So lieſt der gelehrte erfte 
Herausgeber des Fragments, Herr Prof. Schneivewin, vermutbet 
aber, da die libri lignei kaum eine geficherte Erflärung finden 
möchten, linteis libris, worin ifm H. Weißenborn Ztſchr. f. Alter- 
thwſch. 1841 N. 96 ©. 793 beitritt, während Grotefend ebenda- 
ſelbſt N. 46 ©. 379 in nonnullis libris Yefen will, was ich we- 
nigftens, bejonders nach Vergleih des fünf Zeilen vorher gefchrie- 
benen nonnulli, aus den Schaiftzügen des mitgetheilten Facfimile 
des Mf. auf feine Weiſe berauslefen fann. Dagegen Iaffen fich 
dieſelben ebenfogut ygneis Iefen als ligneis und danach vermuthe 
ih ygineis libris. Die poetiſchen Studien des Julius Hyginus 
find befannt: über feine Commentare zu dem Propempticon des 
Cinna (bei Charifius felbft zweimal citirt p. 108 sq. Putsch. cf. 
Lindentann p. 97 n. 19) und zu Vergilius verweife ich der Kürze 


320 Miscellen. 


halber auf Suringar Hist. erit. schol. lat. I p. 264—266, II p. 
172— 154; außerdem aber fcheint er ſich in den libris exemplo- 
rum, an die hier vorzugsweiſe zu denken fein möchte, mit Fitterar- 
hiſtoriſchen Forfchungen befchäftigt zu haben, wie das Gellius N. A. 
X. 18 beweiſt: “extal nunc quoque Theodecti tragoedia, quae 
inseribitur Mausolus: in qua eum magis quam in prosa pla- 
cuisse Hyginus in exemplis refert'. Zu Titel und Inhalt diefes 
Buchs würde ein exemplum poetifcher Apotheoſe Des Saturn fehr 
wohl paſſen; die Schreibart Yginus aber für Hyginus, vie nach 
Serivertus auch bei Servius einige Male in den Mſſ. fih finden 
ſoll, haben wir ebenfalls bei Feftus s. u. orba p. 152 M. und 
Achnliches giebt Conr. Leop. Schneider in der Elementarlehre 1 p. 
192. Iſt fonach, wie ich glaube, Titterarhiftorifch und orthographiſch 
meine Vermuthung gerechtfertigt, fo bleibt freifich ein Anftoß, we- 
niger an dem fehlenden in, das Grotefend in der Schneidewinſchen 
Lesart vermißt, als an dem Gebrauche der adjectiviſchen Form auf 
eus im diefer Weiſe. M. Herk. 


In Propertium Aeneidos praeconem. 
(Nescio quid maius nascitur Hliade.) 


Indulges genio nimia tu laude Maronis, 
Vitra fas ludens, aemule Callimachi. 
Romano fastu decoras dum Aeneida palma, 
Pelidae insultas Maeonioque seni. 
Nempe Iovis dapibus divinus gaudet Homerus: 
Virgilius coenae Caesaris aptus erat. 
A.G. a Schlegel. 





Bonn, gebrudt bei Earl Georgi. 


Das Leben des Thuchdides, aus Scholien zur 

Thuchdideifchen Gefchichte geichopft von Mar— 

eellinus. Quellen und geichichtlicher Werth 
diefer Lebensbeſchreibung. 


Die weitläufige Auseinanderfesung über das Leben und das 
Gefchichtswerf des Thucydides, welche der Kürze wegen als eine 
von Marcellinus verfaßte Lebensbefchreibung bezeichnet wird, 
mußte fowol durch ihren Inhalt als durch die ſeltſame darin herr- 
fhende Ordnung der Therle bei denkenden Vefern Befremden erre— 
gen, und daher ift als nicht zu bezweifelnde Wahrheit Schon feit 
längerer Zeit faft allgemein anerfannt worden, daß das Ganze nicht 
als das Werk eines einzigen Berfaffers anzufehen fer. Die meiften 
von ihren bisherigen Bearbeitern befennen fich zu der Annahme, daß 
nur der größere Theil dieſer Abhandlung demjenigen gehöre, unter 
deffen Namen fie umhergehe, daß diefem Theile aber von fremder 
Hand mehrfache Zuſätze beigefchrieben fern. Halten wir die neuere 
Abtheilung in 57 Paragraphen feft, jo ſoll nach Poppo (Ausg. 
des Thucyd, 1. 1. ©. 21), der übrigens auf die Frage nach dem 
Berfaffer nicht näher eingeht, der erfte Theil viefer Arbeit aus $. 1 
bis 34, der zweite aus $. 35 bis 45, der dritte aus $. 46 bis 
53, der vierte aus $. 54 bis 57 beftehen. Dagegen will der un- 
genannte Berfaffer einer Abhandlung im Journal littöraire à la 
Haye (v. 3. 1714, IV. &, 499-433. vgl. Fabric. Bibl. Gr. 1. 
©, 721) dem Marcellinus die erften 45 Paragraphen zuwerfen und 
den Neft, nämlıh $. 6 bis 49 und $. 50 bis 57, unter zwei 
unbekannte Biographen vertheilen. Bon ihm weicht W. 9. Grau— 
ert (ad Marcellini vitam Thucyd. observaliones crit. im Nhein. 
Mufeum für Jurisprud., Philologie u. ſ. w. v. J. 1827. Bd. J. 

Muf. f. Philolog. N. F. IM. 21 


3% Das Leben des Thucydides 


S. 169-193) darin ab, daß er dem Marcellinus von dem erften 
Theile einen Paragraphen weniger ($. 1-44) zufchreißt und ven 
Reſt zwar auch unter zwei Verfaſſer vertheilt, jedoch ſo daß der 
Erſtere die Paragraphen 45 big 53, der Andere 54 bis 57 erbal- 
ten Soll. 9. Wuttke ſtimmt mit Grauert in der Hauptfache 
überein, gebt aber in ſofern von ihm ab, als er auch den Aöften 
Paragraphen als Eigentum des Marcellinus fefthält, und für den 
Reſt einen einzigen Urheber sorausfest und als trüglichen Marcel- 
finus bezeichnet. ©. De Thucydide seriptore belli Peloponne- 
siaci specimen. Serips. H. Wuttke. Vratisl. 1835. ©. 10 
_ 9, Bei dem Namen Marcellinus denfen Ginige an den Am— 
mianus Marcellinus, Andere an einen Conmentator Des 
Hermogenes aus dem vierten Jahrhundert nach Chr., Andere an 
einen Nachahmer des Aelius Ariſtides. Vgl. Poppo a. a D. und 
RW. Krügers Unterſuchungen über d. Leben d. Thukydides 
S. 8. Anm. 3. ' 

Keine der bisherigen Vorausſetzungen iſt fo beſchaſſen, daß die 
gegenwärtige Geſtalt dieſer Lebensbeſchreibung daraus vollkommen 
begreiflich wird, oder daß die Probleme, welche Kritik und Ausle— 
gung dieſer Schrift darbieten, eine befriedigende Löſung erhalten. 
Daher ſieht der Ver aſſer gegenwärtiger Unterſuchung ſich oeran⸗ 
laßt, eine neue Anſicht über die in Rede ſtehende Biographie vor- 
zufragen und den Verſuch zu machen, einige Kragen, welche ſich 
daran knüpfen und bisher entweder gar nicht oder unvollſtändig be— 
antwortet wurden , ihrer Erledigung entgegenzuführen. 

Den Weg zur richtigen Würdigung der Schrift des Marcelli— 
nus ſoll uns die Ueberſchrift derſelben in der Pfälzer Handfehrift 
ver Heidelberger Bibliothek (E bei Better) bahnen, eine Ueberſchrift 
die von Poppo, Grauert und Wuttke zwar gekannt aber 
nicht benutzt und zuerſt von Immanuel Bekker in der fleine- 
von Ausgabe des Thucydides (v. J. 1839) in ihr Necht eingefest 
worden ift. Dieſe heißt Maoxer.lvov Er Ta» Eis Oovxv- 
Jidnv oyoklov negl tod Piov aurov Oovzudidov xal ng 
too Aöyov lWEas, und zeigt, daß Marcellinus feine Nachrichten über 
das Lesen des Thueydides nicht unmittelbar ang den alten Schrift- 


son Marcellinus, 325 


ſtellern, welche in der Biographie genannt werben, fondern aus 
einer Scholien- Sammlung zufunmengefihrieben und aus derfelben 
Duelle auch Die Urtheile über Stil und gefchichtliche Darftellung 
des Thucydides entnommen bat, daß ihm felbft Demnach von der 
ganzen Arbeit fo gut wie nichts gehört. Die frühere Leberfchrift, 
welche aus der Aldiniſchen Ausgabe in die übrigen bis zur neueften 
Zeit fich fortgepflanzt hat und ſelbſt noch in der zweiten Göllerſchen 
som J. 1836 evfcheint, Magzerktvov negl Tov Govzvdidov 
Biov zul a7s ideas avrov ano rag ÖAng Evyyoapng magsx- 
Born , hat die Meinung veranlaft, daß Mareellinus feine Angaben 
aus den alten und urſprünglichen Quellen, welche in dem Werkchen 
namhaft gemacht werden, gefchöpft habe. Allein diefe Worte fünnen 
eben fo gut den Sinn der Heberfchrift in der Pfälziſchen Handfchrift 
enthalten, und dann ift es auch noch ungewiß, ob fie auf einer 
fiheren handfehriftlichen Gewähr beruhen und nicht vielmehr vom 
erften Herausgeber des Thueydides willkürlich zurecht geftust find, 
Da nun überdies die Ueberſchrift ver Pfälzer Handfchrift *) durch 
Die gegenwärtige Geftalt jener Lebensbefchreibung als die richtige 
entſchieden ‚beftätigt wird, wovon wir uns bald überzeugen. werden, 
fo iſt die Aldiniſche ohne Bedenken aufzugeben, nicht als ob fie in 
der That einen andern Sinn gäbe, fondern weil ihr Sinn zweiden- 
tig und dunfel ift. 

Die von Mareellinus benutzte Scholienſammlung, welche an 
Umfang und Gediegenheit die uns erhaltenen höchſt mageren Stüc- 
chen Thueydideiſcher Scholien übertroffen haben muß, begann, wie 
mandhe andere Scholienfammlungen zu andern Schriftftellern, mit 
Nachrichten über das Leben des Thucydides und mit Bemerkungen 
über feinen Stil und die Werfe feiner Geſchichtſchreibung. Was 
einzelne Litteratoren darüber geſchrieben hatten, war der Reihe nach, 
wenn auch zum Theil abgekürzt, darin mitgetheilt. Diefe Vorbe— 
merkungen hat Mareellinus, wahrfcheinfich ein Byzantinifcher Kloſter— 
mönch Pater Marcellin), ver fhwerkih früher als Photius 


\ *), Sn der Parifer Ausgabe des Thuchdides vom Sabre 1840 wird 
am. Schluſſe ©. 137 ein Coder des Thucydides erwähnt, deſſen Vita Mar- 
eellini mit dem Tert der Heidelberger Handſchrift genan übereinftimme: 
ohne Zweifel wird diefe Mebereinftimmung auch die Ueberſchrift betreffen. 


9324 Das Leben des Thucydides 


lebte, vielleicht noch fräter, aber doch vor Suidas, der ihn in dem 
Artikel Aber Thucydides benust und auch unter dom Worte and 
Javoe und uergrog citirt, abgefchrieben,, um eine möglichſt voll— 
ſtändige Biographie des Thucydides und cin erfhöpfendes Kunflur- 
tbeil für vie Pefer dieſes Gefchichtfchreibers anzufertigen. Das 
Ganze der Abhandlung befteht aber aus vier Stüden, wovon je— 
des der drei erften wieder in zwei Beſtandtheile zerfällt, Das 
vierte aber nur eine einzige Notiz enthält. 

Das erfte ſowol an Umfang als Inhalt bedeutendfte Stud 
reicht sen $. 1 bis 45, und enthält außer der Einleitung ($. 1) 
einen biographifchen und einen litterariſchen oder afthetifchen Theil, 
den erfteren von. $. 2 bis 34, den andern von $. 35 bis 45. 
Das ganze Stück bezeihne ich mit A, feine beiden Beftandtbeife 
mit a und b. In ihm herrſcht, mit wenigen fpäter zu erflärenden 
Ausnahmen, von Anfang bis zu Ende der nämliche Stil, und da— 
ber hat Poppo, wie auch Grauert richtig bemerkt, nicht wohl daran 
gethan, daß er das erſte Stück ſchon mit $. 34 enden laßt. Auch 
bat der Verfaffer diefes Stüdes gleich im Eingange (H. 1) ausge- 
fürochen, daß er Zwererler beibringen wolle, und daß er die biv- 
graphifchen Angaben als eine notbwendige Ergänzung des Kunft- 
urtheiles betrachte. Der nämliche Berfaffer, aus dem diefes Stüd 
in die alte Scholienſammlung und aus ihr ın Die Schrift des Mar- 
eellinus aufgenommen tft, hatte unmittelbar vorher in gleicher Werfe 
über das Yeben des Demofthenes und über die in feinen Neden 
herrſchende Darftellung fi verbreitet. Daher beginnt er in feiner 
hochtrabenden Weiſe: 

Nachdem wir in die göttlichen Reden und Kämpfe des Demo— 
fthenes eingeweibet, mit Gedanfen aus Raths- und Gerichtsreden 
erfüllt und vollfommen gefättigt worden find, ift es Zeit auch 
mit den Geheimniffen des Thucydides vertraut zu werden: denn 
veich ıft dev Mann an Funftreichen Wendungen und Pracht der 
Reden, an forgfältig erzählten Thatfachen, an ftrategifchen Rath— 
ſchlägen und feftmäßigen Gedanfen. Zuvor aber ift erfoderlich 
des Mannes Abkunft und Peben zu melden: denn Rerftändige 
müffen dieſes, che fie an feine Schriften gehen, erforfchen‘, 


von Mareellinus. 325 


Der zweite Beftandtheil des erften Stückes oder die äſthetiſche Er— 
örterung fchließt ſcheinbar wieder mit einer biograpbiichen Notiz 
($: 45) : an&dave dE wera zuv nukzuov 10V Ile)onovvnoıaxov 
ev ın Ogdzn, ovyyoagov Ta nguayuara Tov &lzoorov® zul 
NOWEOV Eriavrod Eix00ı yao xul Ente zarloyev 0 nohsuog. 
za dE av arlwv E5 Erwv noayuara avanıngol 6 re Geo- 
nounog zul 6 Bevogov, oig ovvanısı vnv "Ehkmmıxyv loro- 
oiav *). Daher wollte Granert diefe Worte mit dem folgenden 
Stücke verbinden und das erſte mit $. 44 ſchließen. Allein zu 
den folgenden biographiſchen Angaben paſſen fie nicht: Dagegen ent- 
halten fie eine Ergänzung und Erläuterung desjenigen, was vorher 
($. 43 und 44) über den eigenthümlichen Charakter des achten 
Buches der Gefchichte des Thucydives bemerft worden war. 
Menden wir ung weiter zum zweiten Stüde ($. 46—53), 
fo fehen wir, daß diefes nicht allein durch ein ber folchen Leber: 
gängen zu neuen Bemerkungen in den Scholien haufig vorkommen— 
des Toreov dè eingeführt wird, fondern auch, gerade wie das erfte, 
aus einem biographiichen und einem äſthetiſchen Theile befteht. 
Das ganze Stück bezeichne ich mit B, feinen erſten Beſtandtheil 
($. 46-47) mit a, den andern (K. 48—53) mit b. Der bis- 
graphiſche iſt im Vergleich zu dem afthetifchen unbedeutend und von 
geringem Umfange, wahrfcheinfih darum weil der Scholien-Samm- 
ler, welchen Mareellinus ausſchrieb, ihn ſtark befchnitten hat und 
nicht wiederholen mochte, was bereits im erſten Theile des erften 
Stückes mitgetheilt war. Daher wird nur das Mißgeſchick, welches 
den Thucydides im achten Jahre des Peloponneſiſchen Krieges, als 


) Sn feiner willfürliden Abſtraction faßt der Echreiber die Kenephon- 
tifchen Hellenifa als zwei Werke auf, als das eine nämlich die Beſchrei— 
bung der fechs von Thucydides nicht behandelten Jahre des Peloponneſiſchen 
Krieges im erfien und zweiten Buche, als Das andere die Darstellung der 
folgenden Begebenheiten in den fünf übrigen Büchern, welche im Gegen— 
faße zur Ergänzung des Thucydides als eigentliche ZAAyvızy Evıoote un= 
gefchiet genug bezeichnet werden. Grauert wollte den unangemeſſenen 
Ausdruck entfernen durch Veränderung des ors in os, und Niebuhr fand 
in diefer Stelle eine Bertätigung feiner unhaltbaren Anſicht, daß Kenophons 
Griechiſche Gefchichte aus zwei verfchledenen Werfen beitche. ©. Rhein— 
Mufenm J. ©. 104 fag. Bol. Krügers hiſtoriſch philolog. Studien’ 
gegen Ende. 


326 Das Leben des Thucydides 


er eine Abtheilung der Athenienfifchen Flotte der Thraciſchen Küfte 
gegenüber befehligte, ohne feine Schul betraf (ſ. Thucyd. IV 104 
— 106), mit deffen Folgen erzählt. Denn obgleich diefes Ereigniß 
auch bereits im erften Stücke erwähnt war, fo wollte der Samm- 
Ver die zweite Nachricht Doch nicht unterdrüden, weil fie in einem 
Punkte im Widerſpruche mit der erften ftand, in einem andern aber 
diefe zu ergänzen fihien. Denn während der Berfaffer des erſten 
Stückes mit Necht behauptet ($. 26), daß Thucydives troß feiner 
Verbannung weder die Athenienfer noch den Kleon feine Entrüftung 
fühlen laſſe, ſondern in ver Darftelfung und Auffaffung feines 
Stoffes die Wahrheit zur einzigen Nichtfchnur nehme, und während 
er auch von einer Anfeindung des Kleon gegen Thuecydides nichts 
erwähnt, erzählt der Urheber des zweiten Stückes ($. 46), Thu- 
eydides fer in Folge der Verläumdung des Kleon mit dem Exil be— 
ſtraft und darum führe er den Kleon überall als einen Nafenden 
auf: Epvyadevdgn in’ "A9nvaror,, ‚dıadarkkovrog avrov TOD 
Krewvos‘ dıo zur ansydareıaı ıW Kifwvı zal Ws ueumvora 
avrov eioaycı navyzayod. Was weiter ($. 47) berichtet wird, 
daß Thucydives in der Verbannung auf feinen Gütern in Thracien 
die bereits früher zu Stande gebrachten Vorarbeiten zu einer Be— 
ſchreibung des Peloponnefifchen Krieges gehörig verbunden und zu 
einem fhönen Ganzen componirt habe, obgleich Die Nachricht ficher 
nur eine unvichtige Vermuthung des Berfaffers ıft, Inutet beſtimm— 
ter und umftändficher, Als was im erſten Stüde darüber gefagt 
war, Grund genug für den alten Scholiaften, dieſer Partie noch 
eine Stelle in feiner Sammlung einzuräumen. Das jest ($. 48 
— 53) folgende ausführfiche Kunfturtbeil enthielt, wenn auch in 
manchen Punkten mit dem des erften Stückes übereinftimmend, noch 
fo viel Cigenthümliches und war fo unabhängig von dem erſten ab- 
gefaßt, daß der Sammler fein Bevenfen trug daſſelbe vollſtändig 
aufzunehmen. So erklärt fih die große Verſchiedenheit des Um— 
fanges der beiden Theile im zweiten Gtüde unfrer Lebensbe— 
fchreibung. 

Im dritten Stücke (C) find de beiden Theile, die biographi— 
fhen Notizen und das Kunſturtheil ungefähr von gleichem und 


von Marcellinus. 327 


beide von unbedeutendem Umfange, In dem erfteren ($. 54 und 
55) wird zunächſt ein Punkt berührt, der bisher noch micht zur 
Sprache gefommen war, namlich das perfünfiche Verhältniß des 
Thucydides zu feinem Zeitgenoffen Herodotus. Der Verfaſſer er— 
innert, daß beide des Ueberfalls von Platää duch Die Thebaner 
gedenken, und zieht daraus dem richtigen Schluß, daß fie Zeitge- 
noffen gewefen ferew. Daran knüpft er das Märchen, Ihucydiveg 
habe einftens den Herodotus feine Gefchichte sortragen gehört und 
fei vor Rührung in Thränen ausgebrochen: Agyerar JE rı zac 
Toıwvrov, @g note rov “Hoodurov Tas IWlag torogiug Enıdet- 
zvvusvov nagWv Ti axroouosı Oovxrvdidng zul arovoag &da- 
xovosv * Eneıra @aoı zuv "Hoodorov Tovro Jenauusvov eineiv 
@UTOV. mo0g ToV nareow Tov "OR000v „w ORogEe, 0974 y pV- 
015 TOD wiov 00V moög wasyunra”. Ich habe die Worte felbft 
hergefihrieben , um aufinerffam darauf zu machen, Daß unfer Ber- 
faffer von dem ganzen Borfalle nur eine fehr unbeftimmte Kunde 
erhalten hat, daß er ferner nichts Davon weiß, daß den Thucydides 
als Knaben die vorgeblihe Rührung ergriffen habe, was Pho— 
tins (Bibl. cod. 60) und Suidas (Ss. v. Oovxvdıdns) md 
Tzetzes (bei Poppo I. 1. ©. 321) hinzuſetzen, die Einzigen bei 
welchen ‚jene Anefoste sorfommt, daß er zulegt den Ort der: Vor 
lefung, wie auch Photius und Tzetzes, unbeftimmt laßt, während 
Suidas Ol ympia*) nennt. Die übrigen biographiſchen Angaben 
berichten, daß Thucydives in Thracien geftsrben und feine Gebeine 
heimlich nach Athen gebracht und hier beigefest feien. Der Samm— 
Ver bat dies noch mitaufgensmmen, weil das Verbrechen des Ver— 
vathes als Die Urfache der Verbannung des Thucydides bier zum 
erftenmal angedeutet wird, Ich fage angedeutet, weil ver Ver— 


*) An irgend einen öffentlichen Schauplatz der Borlefung denkt 
aber auch der Gewährsmann des Marcellinus und ebenfo Photius, deſſen 
Worte Akysıcı Evayıyyoozousvns tjs loropias zouıdn veor Ovıa naou 
79 neroi OovzvVdidnv axoöcer nichts weiter befagen, als daß der junge 
Thucydives an der Seite feines Vaters ſtand. Krüger, Der im Leben des 
Thukyd. ©. 11—24 die Wahrheit jener Erzählung vergeblich zu vertheidi— 
gen fucht, denkt (©. 24) an eine Scene im häuslichen Kreife, und ihm bez 
deuten die Worte aeoe 19 nergi im Haufe des Baters, 


323 Das Leben des Thucydides 


bannung vorher von dem dritten Berfaffer nicht gedacht war, ob— 
gleich Die Worte zov End noodoorg pevyovra fie vorausſetzen, 
ein Beweis daß der Sammler einen Theil der biographiſchen No- 
tizen übergangen hat, um nicht daffelbe mehrmals zu erzählen. 
Wenn er aber Die Etelle über das Thueydideiſche Grabmal zu 
Athen aufnimmt, obgleich davon fehon früher ($. 17) gehandelt 
war, fo mochte er dieſe wegen des darin eitirten Antyllus nicht 
aufgeben wollen. Cinen andern Grund, der ihn dazır beftinmte, 
können wir erft fpäter anführen. — Das Kunfturtheil des dritten 
Stückes ($. 56) bezieht ſich größten Theils auf die bei Thucydides 
sorfommenden Reden, wird aber mit Wenigem abgethan, weil der 
Sammler ſchon Gefagtes nicht wiederholen mochte, | 

Das vierte und letzte Stüf CD), welches Mareellinus aus 
den ihm zugänglichen Echolien zum Thucydives entnommen hat, 
beginnt mit Tor&ov de, und bezeichnet fich ſowol dadurch als auch 
durch feinen Inhalt als etwas Neues und zum Vorigen nicht Ge- 
höriges. Denn bier haben wir weder biographifche Angaben noch 
ein Kunſturtheil, fondern eine kurze Mittbeilung über die verſchie— 
dene Abtheilung der Thueydideiſchen Gefchichte in einzelne Bücher. 

Die Frage, was der Gewährsmann des Mareellinus, d. h. 
der Urheber jener von Marcellinus benusten Scholien - Cammlung, 
an der Lebensbefchreibung des Thueydides . eigentlich gethan habe, 
ift durch die bisherige Erörterung wenigftens zur Hälfte bereits be- 
antwortet, Er hat nämlich in dem zweiten Stücke weggefchnitten, 
was ſchon im erften gefagt war, tm dritten Alles entfernt, was 
Tchon im erften oder zweiten bemerkt war. Allein mit diefer Ver: 
fürzung des Borhandenen hat er fich nicht begnügt, fondern er hat 
den vorgefundenen Stoff auch aus eigenen Mitteln zu bereichern 
gefucht, Seine eigenen Zuſätze verrathen fich als folche theils durch 
ihren Inhalt, theils durch die Stelfe, an ver fie zum Borfchein 
fommen. 

Zuerft ertappen wir den Scholiaften in den $$. 16 und 17. 
Denn der Verfaffer des erften Stückes eröffnet ferne Biographie 
mit der Behauptung, Thueydides fer mit Miltiades und Cimon ver 
wandt gewefen, und ſucht Diefelbe Durch eine weitlänftge Erzählung 


von Marcellinus. 329 


($. 3—15) zu erhärten. Am Schluffe derfelben bemerft er, nicht 
ohne felbftgefältigen Nückblik auf Die voraufgehende Auseinander— 
feßung: "Ihucydides hat uns felbft ohne Abficht zu einer Unterfu- 
hung veranlaßt, weil er feiner Herkunft nicht gedenft, Daran 
fihließt fich die erft $. 18 folgende Angabe, daß Thucydides nach 
Hermippus auch von den Pififtrativen, d. h. nicht allein von Mil- 
tiades und Cimon, abftamme, aber dazwischen fährt der Scholiaſt 
mit feiner eigenen Weisheit: 
"Möge uns diefes doch nicht entgehen, daß Orolos fein Vater 
beißt, fo daß die erfte Sylbe das o hat, die zweite das A. 
Denn diefe Schreibweise, wie fie auch Didymus gelten läßt, ift 
fehlerhaft. Denn daß er Orolos heißt, bewerft die Säule wel- 
he auf feinem Grabe fteht, worauf eingehauen ift Thufy- 
dides des Drolos Sohn aus Halımus. Denn an den 
fogenannten Melttifchen Pforten in Koile befinden fih die foge- 
nannten Rimonifchen Denkmäler, wo das Grab des Herodotos 
(l. Herodes) und Thukydides gezeigt wird. ES ergiebt fich Har, 
daß er wirklich dem Gefchlechte des Miltiades angehört: denn 
fein Fremder wird dort begraben. Auch Polemon in dem Werfe 
über die Afropolis Tegt dafür Zeugniß ab; dort erzählt er auch, 
daß er einen Sohn Timotheos gehabt habe.’ 
Daß diefe Worte zu den übrigen nicht paffen und im ihrer ganzen 
Haltung davon abftechen, ift Leicht zu fehen. Zuerſt unterbrechen 
fie den Zufammenhang, und zwar mit der anmafenden Formel (um 
ayvoousv dE Tovro), mit welcher diefer ſchwache aber eingebilvete 
Stiliſt noch zweimal eigene Zufäge einführt. Ferner fteht die Be- 
hauptung, der Name Oloros müffe Orolos gefchrieben werben, 
nicht allein mit der ganzen übrigen Biographie im Widerfpruche, 
fondern auch mit Thueydides felbft und mit vielen. Stellen alter 
Shriftftelfer, worin der Vater des Thucydides oder ein älterer 
Thracifcher König, von dem er abſtammte, mit feltener Ueberein- 
flimmung der Handfchriften Oloros, nicht Drolos, genannt 
wird, Geinen Widerfpruch mit den übrigen Stellen der Biogra— 
phie, worin der Name vorkommt, erfennt der Schreiber felbft an 
mit den Worten avzy yao 7 yoapn (d. h. die dem Scholiaſten 


330 Das Leben des Thucydides 


in feiner erſten Duelle vorliegende Schreibung des Namens Oloros) 
zucgrnrar = diefe Schreibung ift fehlerhaft. Daher 
ift an Diefer Stelle durchaus nichts zu ändern, wie Örauert 
verfucht hat. Er muß auch, um den Widerfpruch zu heben, nicht 
alfein viermal Oloros fiatt Orolos fohreiben, ſondern auch, 
wenn Congruenz erreicht werben ſoll, in den Worten 775 udv ngw- 
ins ovAkußns To Q Eyovong, ıng Öd& devıegag 70 % die Stelle 
der Buchftaben 9 und A vertaufehen, was er felbft sergeffen oder 
zu thun nicht gewagt hat. Daß Divymus, auf den ſich der Ber- 
faffer nach der gewöhnlichen Deutung der Worte avın yagın 
yoapy, ws za hdvum boxed, nuagrnrar bei feiner Neuerung 
berufen foll, die Schreibung "Oooros empfohlen Habe, ift unmöglich, 
nicht allein weil in einem Citat aus Didymus beim Scholiaſten zu 
Pindars Nem. II 19 deutlich Oloros, nicht Orolos geſchrieben 
ſteht, ſondern weil die dem Scholiaſten in ſeinem Excerpte vorlie— 
gende gewöhnliche Schreibweiſe (atrn 7 yoapr) aus Didymus ſelbſt, 
wie fih unten ergeben wird, entnommen iſt. Daher darf der Zwi— 
ſchenſatz ös zul Audüum dozei nicht auf das Zeitwort zuaornraı 
bezogen werden, fondern iſt nähere Beſtimmung zu dem Nomen 
aurn.y yoRpy, mit dem Sinne sg. yoapsodaı zal Advum 
dozel. Die Unbeftimmtheit und Zweideutigfeit des Ausdrurfes fällt 
dem Scholiaften zur Laftz feine Behauptung aber über eine abwer- 
chende Schreibung des Namens Dloros verliert jebt jede Stüße, 
und iſt wahrſcheinlich aus einem Verſehen entſtanden, infofern ex 
in einer Nachricht über jene den Thucydides betreffende. Inſchrift 
ven Schnitzer Drolos wirklich gefunden oder hineingefefen haben 
mag... Was der Schokiaft weiter über, das Grabmal des Thucydi- 
des meldet, bat er aus den $$. 31 und 32, vorzüglich aber aus 
dem dritten Stüde ($. 55) vorweggenommen, nur ſo daß dort der 
Bater des Thucydides in Uebereinſtimmung mit allen übrigen An— 
gaben Oloros in der Grabes - Infchrift genannt wird. Das 
Citat aus dem Werfe des Polemon über die Akropolis — zur 
llor&uwv dE &v 1 negt ‚dxgonllewg Tovrorg uagrvgei — iſt 
son der Art, daß ungerwiß bleibt, was und wie viel ex. bezeugte, 
Wahrfeheintih erwähnte Polemon der Thucydideiſchen Grabes-In— 


von Marcellinus. 331 


fehrift, und führte an, daß ein Sohn Timotheos in der Nähe des 
Thucydides begraben Tiege. 
Eine andere Stelle, wo die Hand des alten Scholiaften fennt- 
lich ıft, finden wir $. 25-30: 
"Möge es ung doch nicht entgeben, daß viele Thukydides gelebt 
haben, diefer nämlich der Sohn des Oloros *), zweitens ein 
Bolfsleiter, der auch mit Perikles in der Staatsverwaltung ge 
wetteifert hat, Sohn des Milefiasz ein Dritter von Herkunft 
Pharſalier, deſſen Polemon gevenft in feinen Mittheilungen über 
die Afropolis, angebend er fer Sohn des Menon. : Ein vierter 
anderer Thukydides, ein Dichter, ans dem Acherdufifchen Demos, 
deffen Androtion in der Atthis gedenkt, meldend er ſei Sohn des 
Ariſton; er lebte aber, wie Prariphanes in dem Buche über Ge- 
fhichte fagt, zu derfelben Zeit mit Platon dem Komiker, Agathon 
dem Tragiker, Niteratos dem Epiker und Chörilos und Melanip— 
pides. Und fo Yange Archelaos am Leben war, wurde er *”) fehr 


*) Von feiner eigenen Neuerung wagt der Scholien- Sammler -felbft 
nicht Gebranch zu machen. 


**) Diefer ift ohne Zweifel der Dichter Thueydides, nicht der Gefchicht- 
fchreiber, auf den —— Worte früher allgemein bezogen wurden, bis Krüger 
im Leben des Thuk. ©. 61 und 62 fie richtig deutete und Bekker in jeiner 
Hleineren Ausgabe (a 1832) demgemäß abtheilte, obgleich Göller in feiner 
ame Ausgabe vom Sahre 1836 an der alten Anficht noch feithält (vol. 
» P- 39). Ih bemerfe weiter, das die obige Stelle aus Praxiphanes eine 
für Die eat Litteraturgefchichte bisher nicht erfannte Wichtigfeit Bahn 
denn Die darin genannten Dichter haben ſämmtlich an Deut 
Marktonifkn Hufe des Königs Arhelaos und feines Bar 
ters Perdiccas gelebt... Bon Agathon nämlich, Chörilus und, Mela— 
nippides dem Jüngeren willen wir diefes auch aus andern Quellen, für den 
Komiker Platon, den Epifer Nikeratus und den Dichter Thueydides folgt 
das Nämliche aus der Mittheilung des Praxiphanes: denn erft fo erhalten 
die Worte "fo lange Archelaos am Leben war, wurde er fehr wenig geach— 
tet, nachher aber ausgezeichnet bewundert‘ einen gehörigen Sinn. Archelaos 
nämlich wußte den Werth dieſes bei ihn lebenden Dichters wenig zu ſchät— 
zen, und den Geſchmack des Königs theilte feine Umgebung: nach dem 
Tode des Archelaos aber, d. bh. nach Olymp. 95, 1, machte der Nuhm die: 
fes Dichters ſich geltend. Es bleibt daher auch kaum zweifelhaft, daß ein 
yon dem Biographen des Euripides erhaltenes Epigramm, worüber es im Le— 
ben Des Guripibes heißt zevor@gyıor Ö aurou ev. Adyynow EYEVETO, zei 
niyoauue eney eyoaıııo Oovzudidov TOD LOTORLOYOR«FOU NOWMOLVIOS 
4 Tıuoeov To0 uerononov, ein Erzeugniß Des Dichters Thucydides iſt, 
der mit Guripides an dem nämlichen Hofe gelebt hatte. 


332 Das Leben des Thucydides 


wenig geachtet, wie felbft Prariphanes zu erkennen giebt, fpäter 
aber ausgezeichnet bewundert.’ 

Diefe Notizen, ihrem Inhalte nach gewiß gar nicht werächt- 
lich, können von dem DVerfaffer des erften Stückes nicht herrühren: 
denn diefer würde ihnen wenigſtens eine paſſendere Stelle, und 
zwar entweder nach $. 34 oder nach 45, angewiefen haben: wo 
fie jest ftehen, unterbrechen fie fo offenbar den Zufammenhang, daß 
an einem Zufaße fremder Hand nicht zu zweifeln iſt. Denn vor— 
her ift Die Nede von dem Mißgefchiefe des Thucydides in Betreff 
der Stadt Amphipolis, von der darauf erfolgten Verbannung und 
feinem Aufenthalte in Thracien ($. 23—27). Daran fchließt ſich 
die weitere Mittheilung ($. 31), daß nach Einigen Thucydives fein 
Leben in Thracien, dem Orte ferner Verbannung, befchloffen habe, 
nach Anderen aber wieder nach Athen gekommen fer. Che demnach 
diefe zufammengehörigen Angaben über die Lebens - Schieffale des 
Thucydides beendigt waren, werben die obigen Notizen über Andere 
dieſes Namens mitten dazwiſchen gefchoben. Dieſe aber hat der 
Scholien - Sammler aus guten Quellen entnommen und mit feiner 
lächerlichen Wichtigthuerer vorgetragen (un ayvowuev dE cet.). 
Daß er das Werk des Prariphanes neol Lorogias felbft gelefen 
babe, iſt nicht wahrſcheinlich. 

Als unzeitige Zwifchenbemerfung des Scholiaften müffen auch 
die Worte des 40ſten Paragraphen bezeichnet werden. In dem 
vorhergehenden ($. 39) wird geſagt, daß Thueydides von den drei 
Stilen der Rede, dem erhabenen und mageren und mittleren, 
dem erhabenen nachgeſtrebt habe, weil er dieſen als ſeinem eigenen 
Weſen zuſagend und der Größe des Krieges angemeſſen erkannt 
hätte. Zur Begründung des von der Größe des Krieges geſagten 
wird hinzugeſetzt: ou yao ai noussıs ueyahgı, zul Tov zegl 
avrav Engene Abyov Eoızevaı tal; noaseoıw. Daran fihlieft 
fih die Bemerkung des Alften Paragraphen, daß Thucydides we- 
gen feines erhabenen Stils auch poetische Ausdrücke und gewiffe 
Metaphern gebrauche. Der zudringliche Sammler aber führt da- 
zwifchen mit diefer Belehrung: 

Damit aber deiner Kenntniß auch die übrigen Stilarten nicht 


son Mareellinus. 333 


entgehen, fo wiffe, daß Herodotos fich des mittleren Stils be— 
dient hat, der weder erhaben iſt noch mager, des mageren aber 
Xenophon. 
Die Bemerkung unterbricht nicht allein den Zuſammenhang, ſondern 
iſt auch bei ihrer Dürftigkeit des rhetoriſch wohlgebildeten Mannes, 
der das übrige Kunſturtheil abgefaßt hat, unwürdig; auch wird. 
fie wieder mit der bei dem Scholiaften uns ſchon befannten und 
wichtigthuenden Formel (iva de unde ayvons) vorgetragen. 

Daf auch der 45ſte Paragraph einen Zufas des Schofien- 
Sammlers enthält, wird ſich erft fpater überzeugend darthuen laſ— 
fen. Zuletzt ift die Hand des Schohiaften auch im dritten Stücke 
unfrer Vebensbefchreibung erfennbar. Dort nämlich "wird ($. 55) 
it Berufung auf den Nhetor Antyllus erzählt, das Grabmal des 
Thueydides finde fi nahe den Thoren Athens in Koile, Fenntlich 
Durch einen Säulenfchaft mit folgender Auffchrift Oovrvd.dng 'OR0- - 
g0v "Akıuovoros. Der Scholiaft, welcher feine Notiz über das 
Grab und die Inſchrift auf der Grabes- Säule ſchon oben ($, 
16 und 17) verfehrt genug angebracht hatte, fand hier Gefegen- 
heit, von feiner Weisheit noch einmal Gebrauch zu machen, und 
ſetzte demnach hinzu: 

Einige aber haben noch hinzugeſetzt das „ruhet hier«“: allein 

ich ſage, daß dieſes verſtanden und mit dabei vernommen wird: 

denn in der Aufſchrift war es nicht enthalten.’ 
Hoffentlich wird der Lefer den Ton und die Weiſe des Scholien- 
Sammlers aus den bisher dargelegten Proben fchon fo weit’ fennen, 
um auch hier deſſen Wichtigfeits-Miene wieder zu finden. Ueberdies 
fällt die Breite des Ausdruckes, namentlich das örı voovusvor &orı 
TOUTO #0 N000Vn@20V0uEvov, und deſſen fubjective Haltung auf, 
da in den übrigen biographifchen Mittheilungen ($. 54—55) Die- 
fes Stitefes nicht auf eigene K EN fondern auf die —— und auf 
Antyllus gebauet wird. 

Die wichtigſten Fragen, Weide fih an die beſprochene Lebens 
beſchreibung knüpfen, betreffen ihre Quellen und die geſchichtliche 
Glaubwürdigkeit der einzelnen in ihr gegebenen Nachrichten. Was 
nun zuerſt die in den vorliegenden Stücken enthaltenen Quellen 


334 - Das Leben des Thucyvdides 


betrifft, fo hat man ſich bisher damit begnügt, Die einzelnen Schrift- 
ftelfe, welche in ver Lebensbeſchreibung genannt werden, näher zu 
bezeichnen und ihr Zeitalter, foweit es anging, zu beftimmen. Al— 
fein wenn wir vier Stücke mit Necht annehmen, fo muß jedes der— 
felben, wenn es.nicht abermals in mehrere zerfallen ſoll, wenigftens 
der Hauptfache nah das Werk eines einzigen Verfaſſers fein. 
Diefes ergiebt ſich für das erfte und wichtigfte Stü überdies aus 
feiner Einleitung, worin. der Berfaffer die biographifchen Mitthei- 
fungen und das darauf folgende Kunſturtheil als eine zuſammenge— 
börige und ſich wechfeffeitig ergänzende Darftellung bezeichnet. 
Woher iſt alfo dieſes Etüf entnommen? Aus einem Werfe des 
Grammatifers Divymus mit dem Beinamen 6 zurzerrepog, der 
zur Zeit des Cicero und noch unter Auguſtus durch feinen eifernen 
Fleiß und durch eine Unzahl von Schriften Church mehr als 3500 
Bucher nach Athenaus und Suidas) Auffehen erregte. Daß er 
auch über Thucydides gefihrieben, erfahren wir eben aus unſrer 
Lebenshefchreibung: denn er ift der erfie weiher in ihr (H. 3) 
eitirt wird.  Ebendalelbft wird ein ziemlich ausführliches Bruchſtück 
des Vhereeydes aus Divymus mitgetheilt, und fo iſt es auch nicht 
zu bezweifeln, daß die bald nachher (F. 2) Folgende Erwähnung 
des Hellanifus auf ihn zurüdgeht. Ber beiden wird das eitixte 
Werk genannt, ber Pherecydes das erſte Buch feiner Gefchichte, ber 
Hellanifus. deffen Afopis, Dagegen wird das Werk des Didymus 
nicht namhaft gemacht: wenn nämlich das ganze Stück aus ihm ent- 
nommen und die Erwähnung feines Namens im Anfange unterbfie- 
ben war, fo war es natürlich, das bier davon nicht mehr Die Rede 
fein konnte. Die mit $. 3 beginnende Bewersführung, als deren 
Urheber Didymus deutlich genug bezeichnet ift, veicht aber bis $. 14, 
und fo darf feine Autorſchaft ſchon für einen guten Theil der Bio— 
graphie als ficher vorausgefegt werben. Dazu kommt nun weiter, 
daß der Scholien- Sammler in einem eigenen Zuſatze ($. 16) 
den Divymus als denjenigen bezeichnet, auf deſſen Auctorität es 
vorzüglich anfomme und welchem er fonft als feinem Gewährsmanne 
folge, ohne jedoch auch hier fen Werk namhaft zu machen, obgleich 
er ber dem gleich nachher genannten Polemon dieſes keineswegs 


von Marcellinus. 335” 


unterläßt und überhaupt bei allen Autoren, die er felbft eitirt, die 
Namen ihrer Bücher genan angiebt ($. 2330). Ferner wird 
für einen andern Hauptpunft aus dem Leben des Thucydides, für 
feine Nücfehr aus der Verbannung und feinen Tod, ebenfalls Di- 
dymus als Gewährsmann angeführt (6. 39), wieder ohne daß fein 
Werk genannt wird, und feine Meinung wird weitläufig auseinan- 
dergefeßt. Gr ſelbſt berief fih auf den Zopyrus, veffen Werk er 
in früheren Theilen feiner Schrift erwahnt haben mochte und da— 
her hier nicht weiter namhaft macht. An einer vierten Stelle ($. 
14) ift der Name eines Gewährsmannes ausgefallen, und zwar 
am Schluffe eines Punktes, für welchen‘ gleich Anfangs Didymus 
angeführt war ($. 3). Es ift daher nicht zu zweifeln, daß auch 
$. 14 fein Name 'herzuftellen fer, nämlich ano zovrov or» Hı- 
ÖJvuog zaraysodaı pro, wo die Handfehriften und Die alten 
Ausgaben eine Lücke darbieten, welche durch diefen Namen paffend 
ausgefüllt wird. Cine halbe und nothrürftige Kritif wäre es, Die 
Lücke nicht zu berüdfichtigen und gaoe ftatt des handſchriftlich über- 
Vieferten proı zu ändern. 

Nachdem wir uns überzeugt haben, an dem erften Etüde der 
Lebensbeſchreibung des Thucydides ein Cxcerpt des Didymus zu 
befigen, entfteht Die Trage, aus welchem der zahlreichen Werfe deſ— 
felben der alte Sammler Thueydideiſcher Scholien dieſes Bruchftüd 
entnommen haben möge, Will Jemand einen Eommentar des Di- 
dymus zu Der Geſchichte des Thucydides und dieſe Lebensbefchrer- 
bung als Anfang und Einleitung deſſelben vorausſetzen, ſo wird 
zwar eine derartige Schrift unter den Werken dieſes Vielſchreibers 
nirgends erwähnt, allein das Nämliche iſt mit vielen andern Bü— 
chern deſſelben geſchehen und kann bei der Unzahl derſelben kaum 
befremden. Dazu kommt daß ein Commentar des Didymus zum 
Demoſthenes von Athenäus und Harpokration angeführt wird; die— 
ſer könnte demnach als das Werk betrachtet werden, auf welches 
im Anfange der Abhandlung über Thucydides (H. 1) fo pomphaft 
verwieſen wird. Obgleich ich dieſe Möglichkeit nicht geradezu in 
Abrede ſtellen mag, ſo haben doch einige andere Spuren mich zu 
einem andern Buche des Didymus geleitet, worin ich jene Erörte— 


336 Das Neben des Thucydides 


rung über Demoftbenes und Thucydives mit mehr Wahrſcheinlich— 
feit nachweiſen zu fünnen glaube. Didymus hatte namlich ein gro- 
fies Werk unter dem Namen Ivunoorara verfaßt und darin fo- 
wol von Dichtern als Profarfern und von ihren Echriften gehan— 
delt, wie folgende. Erwähnungen veffelben zeigen; Clemens Alex. 
Stromat. IV p. 523 Sylb.: zugangunouu Toryvv Tag ahkasg, 
dıa TO unxog TOO Adyov uyre tag nommrolag zura)eywv, Ko- 
oıwvav zai Terkoı)av Mviav re za Sanyo, n tus loyod- 
gpovg, za9uneg Eioyvnyv 100 Kourivov Svyuariga zul Ava- 
Eavdoav od Neuixzovs, ws Pmol Aldvuog £v Ivunooıazois. 
. Stephanus Byz. s. v. "Hreia ... 09ev 79 Mvowv, &is zwv 
inte oogor. .. . Aldvuog ÖdE Svunooıozwv dexurm "Hriov 
avrov zahle. KEtymol: M. s. v. Sz0orıa: Advuis ynoıv 
Jıapooovg Ervuoroplag Ev TW roltw rwv Ivunoocıazav. Dio- 
genes Laert. V 76: Advuog de Ev Ivunooıaroiz zal Augı- 
Toßl.£gagov zal Auunsıw zarzloIar avıov (Demetrium Pha- 
lereum) gmo1v and tıvog Eraloas. 

Wie reiche und freigebige Leute ihre Gäſte mit Sperfen und 
Getränfen bewirtben, fo labte und fättigte der belefene Didymus, 
diefer Mann von eijernem Fleiße und unverwüftlichem Eingeweide, 
feine Lefer mit Erzählung, der Lebensichieffale berühmter Schriftftel- 
fer und mit Beurtheilung ihrer Schriften, oder er hatte feinem Werfe 
die Form eines Tifchgefpräches gegeben. Daraus wird ung Die 
ſeltſame Metapher begreiflich werden, womit das erfte Stück unfrer 
Biographie anfängt ($. 1): Twv Anuoodevovg uvorag yeyern- 
uervovs Helwv Aöywv TE zul ayarov, ovußovkevrızwv TE zul 
dizavızav vonuaov UEOTOVGg yEvousvovg zal ixavag 
EugpognYEvras, wow [Aoınov] *) za zwv Oovzvdıdov re- 
)erov Errög zaraoııvor. Auch wird erklärlich, wie in einem 
derartigen Werke über Dempoftbenes und Thucydides ın 


*) Didymus felbit Fonnte, da er ja fein weitläufiges Buch mit der 
Abhandlung über Thueydides noch nicht beſchließen wollte, paſſender Weiſe 
nur @o@ fchreiben: der Excerpten-Urheber oder ein anderer Corrector jchrieb 
daneben Avınov, weil hier nur noch) von Thucydides die Rede war. Dieje 
beiden Kesarten hat der überlieferte Tert verbunden, und die Kritif iſt big- 
her jtillfchweigend an dem jeltfamen Ausdrucke vorbeigegangen. 


von Marcellinus, Se ij 


unmittelbarer Nähe geſprochen werden konnte. Didymus ſtellte 
nämlich dieſe zuſammen, weil beide im erhabenen Stile geſch rieben 
hatten und weil ſie als die beſten Muſter deſſelben anempfohlen 
werden ſollten. Unter den Dichtern wird er den Pindar (ogl. $. 35) 
und wahrſcheinlich den Aeſchylus als Muſter des erhabenen Stils 
aufgeführt haben. Wer unſere Anſicht ) über den Verfaſſer des 
erſten Stücks beſtreiten will, der muß vor allem uns ein Werk aus 
dem Alterthume aufzeigen, worin uber Demoſthenes und Thueydi— 
des biographiſch und äſthetiſch gehandelt worden ſei. Die bisher 
ziemlich gangbare Meinung, d daß Marcellinus Verfaſſer eines grö⸗ 
ßeren rhetoriſchen Werkes geweſen, kann nicht mehr beſtehen, weil. 
erſtens die Autorſchaft des Marcellinus in nichts aufgegangen iſt, 
und weil es zweitens unbegreiflich wäre, wie in einem Lehrbuche 
der Rhetorik ſo weitlaufige biographiſche Diseufſiouen vorkommen 
fönnten. 

"Kehren wir demnach zu Dibgimus che und halten an ihm 
- als dem Urheber des erften Stückes feſt, fo finden wir nicht allein 
deutliche Spuren eines befefenen Vielſchreibers, fondern auch merk— 
würdige Proben von der Manier der "fpäteren Alexandriniſchen 
Grammatiker. "Denn es beſteht dieſes Excerpt von Anfang bis zu 
Ende faſt nur aus Problemen und Auflöfungen. Das 
erſte Problem wird $. A aufgeſtellt: @Ar” ovx av einor ig, u 
auro ng05 Oovzvdidnv; die Auflöfung- deffelben erfolgt in alfer 
Breite. (F. 5—15) und am Schluſſe derfelben ein wohlgefälliger 
Rückblick auf die glücklich gelöfte Inryoıs. Das zweite Bevenfen 
"wird $. 21 erhoben: Iyenreov dia vi cet., und gleich daranf ge— 
föft (zu Aeyonev örı). Die Löfung folder Bedenfen, wenn auch, 
nicht unter: der gewöhnlichen Form, enthalten ferner die Paragra- 
phen 51 und 32, ebenſo $. 35: . Etwas ſpäter ($. 41—42) er- 
feheinen wieder zwei Streitfragen und Antworten auf dieſelben; zu- 
erft wird gefragt, ob die Geſchichte zur Poefie gehöre, und darauf. 
giebt unfer im: Auflöfen geſchickte Mann (vrıx0s) die Entſcheidung: 


*) Diefe iſt übrigens hier nur furz vorgetragen: eine ausführlichere 
. Begründung vderjelben foll nächſtens in einer beſonderen Bearbeitung der fo 
genannten Vita Marcellimi und eine: andern bisher ebenfalls nicht erfannten 
Schrift des Divymus erfolgen. 


Muf. f. Philolog. N. 3. TIL. 22 


338 Das Leben des Thucydides 


Örı iv oUz Eorı noımrır)g, O7kov EE @v 0uy Unoninre grow 
zııe. Darauf heißt es weiter eu de zug nulv avrsinor Orı cet., und 
die Löſung diefes neuen Bedenkens folgt gleich darauf mit A&youev Orı 
u... w. Zu neuen Bedenken und Löſungsverſuchen bietet zuletzt die von 
den übrigen Büchern des Thucydives einigermagen abweichende Geftalt 
des achten Stoff dar, in fo fern dieſem nämlich die Demegorien feh- 
len, was die Grammatiker verleitet hat, noch andere Verſchieden— 
heiten darin zu finden. Diefe Gelegenheit wird zuguterlegt auch 
fieißig ausgebeutet ($. 45 und 44). Kin erläuterndes Supple— 
ment dazu iſt Die Angabe, das Thucydides in Thracien geftorben 
jet und nur 21 Jahre des Veloponnefifchen Krieges befchrieben habe 
($. 45). Diefe muß indeffen von dem Sammler der alten Schv- 
lien hinzugefügt fein: denn von Divymus fann fie nicht herrühren, 
weil er den Thucydides in Athen umkommen hieß, und die Mei 
nung, Thucydides fer in Thracien gefiorben , für einen albernen 
Einfall hielt. Vol H. 32 und 33. Ohne Zweifel hat ſchon der 
alte Scholienfammler vie Abhandlung des Didymus bedeutend ab- 
gekürzt, und eben diefes ift Die Weranlaffung geworden, ihn viermal 
mit Namen zu nennen, weil der Sammler, ftatt im Exreerpiren fort- 
zufahren, bisweilen fih damit begmügte, die Anficht des Divymus 
anzuführen. Ob die übrigen in dieſem Stüfe erwähnten Autoren 
alle von Didymus ſchon eitirt waren, vder einige von dem Scho- 
lienſammler hinzugeſetzt find, bleibt ungewiß: jedoch iſt das erftere 
wahrſcheinlich, weil alle der Zeit nach vor Divymus gelebt haben. 
Bon Pherecydes, aus dem $. 3 eine Stelle mitgetheilt ift, wird 
ausdrüdlich bemerkt, daß Divymus ihn angeführt habe, und daraus 
folgt, wie ſchon erwähnt worden, dafjelbe für den gleich nachher in 
der nämlichen Sache angezugenen Hellanikus ($. N. Die Beru— 
fung auf Hersdotus (H. 12) muß ebenfalls fchon bei Didymus ge— 
ftanden haben, weil fie mitten in der Auflöfung des erften Problems 
sorfommt, und weil der fedfe Ton (ee ye un ‘Hoödorog weude- 
rar) eher dem gelehrten Polyhiftor als einem Echolienfammler an- 
gemeffen erfcheint. Daffelbe gilt von der Verweifung auf Zopyrus 
(S. 39): rovro dE pnoı (Aidvuos) Zwnvgov 1otoosiv, ebenfo 
von der auf Hermippus ($. 18), weil deſſen Anficht als die eigene 


von Marcellinus. 339 


des Didymus fpäter (H. 32) vorausgefegt wird. Als die Quelle 
des erſten Stückes zeigt ſich Didymus zufest beſonders dadurch, 
daß er der einzige unter den citirten Autoreniſt, 
welcher ſich wieder aufandere beruft. 

Nachdem die Unterfuchung bis zu dieſem Punfte geführt wor- 
den iſt, wird es auch erlaubt fein, einiges Gewicht darauf zu legen, 
‚daß der verkehrten und einfeitigen und wahrhaft lächerlichen Kritik, 
welche Divnyfius von Haltfarnafjus in drei noch erhaltenen Schrif- 
ten an Thueydides geubt und ſich Dadurch nicht wenig compromittirt 
hat, in dem erften Stüde noch gar nicht gedacht wird, Divymus 
nämlich war älterer Zeitgenoß des Dionyfius und hat Die verun- 
glückten kritiſchen Berfuche- deffelben ſchwerlich noch zu Geficht be- 
kommen, wirde fie aber auch, wenn fie ihm befannt geworden wä— 
ven, fiher ignorirt haben, weil die Alten auf eine Polemik gegen 
Zeitgenoffen fich felten einlaffen. 

Bei den noch übrigen unbedeutenderen Stücken unfrer Pebens- 
befchreibung können die. Urheber nicht mehr mit Sicherheit ermittelt 
werden, In dem zweiten wird gar fein Gewährsmann erwähnt: 
allein auf die verunglückte Kritik des Dionyfius wird mit Nachdruck 
hingewiefen ($. 53) und ihre Duelle vichtig angedeutet: TyP uev- 
101 IdERVv avıov ıWv A8Scwv zul 1Wwv OvVvPEOEWwv ulrıorrar ol 
n)Eloves, @v Eori hovvoros 6 Akızagvaoosvg‘ euperar yao 
av wg neln zul nokırımy Aeleı Jonodaı un Övvausım, oVx 
eilwg Orı Övvauswg Lotı Tara navra neguting zal Eswg 
n\eovesia. Auch wird in dem übrigen Kunfturtheile, was zum 
größten Theil vortrefflich abgefaßt ift, Darauf Nückfiht genommen 
und einer vernünftigeren und billigeren Beurtheilung des Thucydives 
überall das Wort geredet. Wenn cs nun kaum ausbleiben konnte, 
daß der wunderliche Ausfall des Dionyſius gegen Thucydides Wi— 
derſpruch hervorrief, ſo möchte man annehmen, daß die Schrift eines 
jüngeren Divymus neo Twv Nungryusrov naoa ınv araroylav 
Govrvdidn betitelt und von Suidas namhaft gemacht, weniger 
darauf ausging, dem Thueydides wirffiche Tehler nachzuweisen als 
die von Dionyfius und Anderen gerügten zu eriläven und gegen 
ungerechten Tadel in Schuß zu nehmen. Dieſer Didymus lebte zu 


340 Das Peben des Thucydides 


Nom, führte den Beinamen Klaudins ind mag diefen durch Ma- 
numiffion von dem Nömifchen Kaiſer Klaudius erhalten haben. 
Daß er wenigſtens um die Zeit ſeiner Regierung lebte, läßt ſich 
daraus abnehmen, daß Suidas vier Grammatiker mit Namen Di— 
dymus in chronologiſcher Folge aufführt, von welchen Didymus oͤ 
Narxevregog die erſte Stelle einnimmt, die zweite, Didymus »vEog, 
ebenfalls Alexandriniſcher Grammatiker und Sohn des vorigen, die 
dritte Didymus o XLAcvdioc und die letzte ein Grammatiker und Muſiker, 
der am Hofe des Kaiſers Ner o gelebt hat. As Vermuthung wenig⸗ 
ſtens werden wir daher ausſprechen dürfen, daß die Schrift des 
Klaudius Didymus gegen Dionyſius von Halikarnaſſus gerich— 
tet war, und. daß das zweite” Excerpt unfrer. Lebensbeſchreibung 
daraus abgeleitet iſt. Daß dieſes aus einer größeren Schrift ger 
Koffen fer, laßt fih aus einer Stelle noch erkennen, nämlich aus 
$. 51, wo wir Iefen oipeı: yovv navy’ avim goovnuw Tleoızıe-. 
ar mvola ,& Zara u£gog dnıdeiv 
n2ıga00ueda. Diefe ins Einzelne gehende Erörterung iſt aber 
‚nnterbfieben "und ohne Zweifel von dem Scholien— — über⸗ 
BET worden. 

Das dritte Stück iſt wahrſcheiulich zum großen Theil aus 
einem Werke des Rhetors (ſo bezeichnet ihn Suidas) Antyl⸗ 
(ug, den auch Didymus ($. 36) anführt, aber gewiß mit großen 
Abkürzungen entnommen Er wird dort als ein vorzüglich einfichts- 
voller und zuverläffiger Gewährsmann gepriefen (6. 55): 'aSuonı-" 
0705 Avno uagrvonoaı zal’ioroglav yvavar zul dıdasaı dei- 
vog. Der namliche wird duch dreimal in den erhaftenen Scholien 
zum Thu als’ Erklärer Thueydideiſcher Stellen dl 95; IV ‚19 
und 25) erwähnt, iſt uns aber weiter nicht bekannt. EN 

Das feste Stück, welches nur eine Notiz. über: die verſchiedene 
von den Grammatikern verſuchte Eintheilung der Geſchichte des 
Thucydides in Bücher enthält, führt an, daß Afklepiades für De 
Abtheilung des ganzen Werfes in acht Bücher ſich entſchieden babe. 
Der Name des- Aſkl epiades iſt übrigens, wahrſcheinlich durch falſche 
Auflöfung einer Abkürzung, in Loxrnmıös verfehrieben, unter wel- 
chem Namen fein Orammatifer oder Kritiker bekannt iſt. Aſtlepia— 


von Marcellinns. 341° 


des aus Myrlea, der hier gemeint iſt, Tebte als Jüngling unter 
dem vierten Ptolemäus Philopator) und blühete unter den Perga- 
-menifihen Königen Attalus und Eumenes. Aus dem Worte En eE- 
»ouve möchte ich nicht folgern, was Krüger im Leben des Thuly⸗ 
dides daraus entnommen hat, Gr meint nämlich (S. 83 fg), vie 
Kritik der Pergameniſchen Grammatiker ſei im Verhältniß zu ihren 
= Alexandriniſchen. Vorgängern zum Theil nur Epikritik geweſen, 
und daraus erklaͤre fi ch der Ausdruck beim Marcellinus: allein 
J——— wird von jeder Kritik geſagt, die an einem früher vor— 
handenen Werke geübt wird. So auch in unſrer Biographie — 
Die Frage nach dem geſchichtlichen Werthe dieſer —— — 
iſt noch zu beantworten und jetzt um ſo weniger abzuweiſen, 
wir das Hauptſtück derſelben auf einen a und —— 
Berfaffer. zurücfgefürt Haben. . 

Nun iſt es feine feltene Erſcheinung, vaß —— und 
Erklärer den Werth ſolcher Schriften, mit welchen ſie ſich viel be— 
ſchäftigt haben, überſchätzen und deren Mängel nicht gewahr werben, 
. wie es auch manchen Bätern mit ihren Kindern ergeht. Der In— 
halt der in Rede ſtehenden Lebensbeichreibung ift aber von der Art, 

Daß wir zu dieſem Fehler nicht ſo leicht verleitet werden en 
. > Zwar möchte, ich. wünſchen, darüber recht viel Vortheilhaftes ausſagen 
und die Wichtigkeit der überlieferten Nachrichten mit. haltbaren 

“ Gründen beweifen zu Tünnen. . Allein leider muß ich, wie es die 
Wahrheit verlangt, ſchon jetzt erklären, daß der geſchichtliche Werth 
dieſer Biographie ſich auf Null reducirt, eine Behauptung welche 
hier für die drei biographiſchen Theile bewieſen werden ſoll. 

Vor allem kann es einem aufmerkſamen Lefer nicht entgehen, 
daß unſere drei Erzähler nichts geben können, was einer Lebensbe— 
ſchreibung auch nur entfernt ähnlich wäre, ſondern daß ihre Anga— 
ben ſich um drei einzelne Punkte aus dem Leben des Thucydides 
berumfagern, um Herkunft, Verbannung, Lebensende. 
Für die beiden erſten ſtützen fie ſich auf zwei Aeußerungen des 
Thueydides ſelbſt, für den Tod auf einen Säulenſchaft mit einer 
- auf den Gefihihtfchreiber Yautenden Inſchrift, der unfer den Cimo⸗ 
niſchen Denkmälern in Koile nahe dem Melitiſchen Thore gezeigt 


342 Das Leben des Thueydides 


wurde. Betrachten wir Die drei genannten Punkte der Reihe nad) 
genauer ! 
Das der Bater des Thucydives Olorus genannt worden 
fer, wußte Divymus, der Berfaffer des erſten Stückes unfrer Le— 
bensbefchreibung, aus Thucydides IV 104 und aus der fihon mehr 
erwähnten Grabes-Infchriftz auch war ihm aus der erften Stelle 
cc. 105) befannt, daß dem Thucydides Goldminen an der Thraci— 
[hen Küfte, der Inſel Thafus gegenüber, angehörten, und daß er 
dort im achten Jahre des Peloponnefifchen Krieges einen Theil der 
Athenienſiſchen Flotte befehligt habe. Der Vater Olorus, die Gold⸗ 
bergwerfe in Thracien, Thucydides der Feldherr, Alles diefes lei— 
tete ihn auf vie an fich nicht unwahrfcheinfiche Vermuthung *), Daß 
Thucydides mit Miltiades dem Sieger von Marathon und. deifen 
noch berühmteren Sohne Cimon verwandt gewefen ſei. Da Alles 
aber auf Vermuthung beruhete, fo wußte er den Grad diefer Ver— 
wandtfchaft Durchaus nicht näher zu beftinmen und fuchte durch Aus- 
führfichfeit der Erzählung (HK. 3—15) feine Pefer zu entfchädigen. 
Aus Herodotus nämlich (VI 30) hatte er gelernt, daß Miltiades, 
der Anführer der Athenienfer bei Marathon, mit Hegeſipyle, 
der Torhter eines Thraciſchen Fürſten Olo rus, vermahlt gewefen 
war. Hier glaubte er einen Anfnüpfungspunft gefunden zu haben, 
und in der Freude darüber erzählte er, ebenfalls aus Herodotus 
(VI 34— 38), die ganze, ‚feiner eigenen Aufgabe fremde, Gefchichte 
von der Anſiedlung des Thracifchen Cherfonefus durch einen älteren 
Miltiades, und führte noch zum Ueberfluß mit Hülfe des Pherecy- 
des und Hellanifus das Gefchlecht des Miltiades auf Aeakus ven 
Sohn des Zeus hinauf ($. 34), um dadurch auch den Thucydi- 
des zu verherrlichen. Allen in der Hauptfache ließen ihn ſowohl 
Herodotus als Pherecydes und Hellanifus im Stiche, da feiner von 
ihnen des Thucydives gedachte, und Daher fieht er fih am Ende 
doch genöthigt anzudeuten, daß Die vorgeblihe Nerwandtfchaft nur 
auf Vermuthung beruhe, Seine Angaben enthalten bier Die von 

*), Mahrfcheinlih wird diefe Vermuthung durch das Grabmal des 


Thucydides unter den Cimonifchen Denfmälern, obgleich auch. darauf nicht 
mit voller Sicherheit zu bauen ift, wie wir nachher fehen werden. 


son Mareellinus. 343 


Mareellinus ausgefchriebenen Scholien nicht ohne Abfürzungen ($. 14 
-—15): Won diefem (Miltiades) alfo, fagt Divymus, werde das 
Gefchlecht des Thueydides abgeleitet, und für das ficherfte Wahr- 
zeichen halten fie das große Vermögen und die Goldminen in Sca— 
pteſyle. Der Scholien-Sanmler begnügt fi, das ſicherſte Wahr— 
zeichen für die Abſtammung des Thucydives aus dem Gefihlechte 
des Miltiades nah Didymus (ihm ſtimmten vielleicht noch Andere 
bei, daher vor Lovoe) anzuführen: Divymus felbft wird noch 
auf den Namen Oloros, den der Vater des Thucydides führte, 
und auf das Thueydideiſche Grab unter den Cimoniſchen Denkmä— 
lern Gewicht gelegt haben. Daß es ihm aber ganz und gar an 
Nachrichten über diefe Verwandtfchaft gebrach, iſt am entſchieden— 
ften aus der Aeußerung, mit welcher Didymus feine Aporie und 
deren Löfung befchlieft, zu erfehen ($. 15): "Er felbft hat ung 
ohne Abficht zu einer Unterfuchung (Lyryow) genöthigt, weil ex 
feiner Herfunft nicht gedenft. Das Ganze ift alfo weiter. nichts 
als ein Broblema und eine Lyfis, d. h. ein Verſuch, durch 
Vermuthungen eine Thatfache feftzuftellen, für welche gefchichtliche 
Zeugniffe fehlten. Denn von diefer Art waren gar viele Probleme 
(auch Aporien oder Zetefen genannt), womit es von den les 
randrinifchen Grammatifern mehr darauf abgefehen war, Scharffinn 
und Belefenheit zu zeigen, als im Dienfte der Wahrheit zu arbei= 
ten. Wie Olorus, der Thraciſche Fürft eine Tochter Namens He— 
geſipyle hatte und an Miltiades, den Sieger von Marathon, 
verheirathete (Herodot. VI 39), fo muß die Mutter des Thucy- 
dides, die Gemahlin eines Olorus, ebenfalls einen aus Thracien 
ffammenden Namen haben, und da bot fih Fein paffenderer dar 
als Hegeſipyle. Daß der Name der Mutter, deren wirffichen 
nicht zu Fennen, wir ung befcheiden müffen, auf diefe Weiſe von 
Didymus erfunden fer, ergiebt fich aus feinem Geſtändniß, feine 
zetefis fei nöthig geworden, weil Thueydides felbft feiner Her— 
funft nicht erwähne, d. h. weil er ſelbſt fich nur furzweg als Sohn 
des Olorus bezeichne. Nun hat ung aber Divyinus alle bei feiner 
Zetefis noch fonft benusten Quellen namhaft gemacht ($. 3.4.12), 
den Herodotus, Pherecydes and Hellanifus, allein bei 


344 Das Leben des Thucydides 


ihnen fand er nichts über Thueydides und deſſen Vater, ſondern 
nur genealogiſche Angaben und ie: über die Vorfahren des 
Miltiades. 

Weiter erzählt Divymus ($:. is), nach Hermippus ſtamme 
Thucydides auch von den Piſiſtratiden ab, und darum ſei er auch 
neidiſch geſinnt gegen Harmodius und Ariſtogeiton und erzähle, daß 
ſie den Gewaltherrſcher (den Hippias) nicht ermordet hätten, ſon⸗ 
‚bern nur deſſen Bruder Hipparchus. Daß. Did ymus dieſe Behaup⸗ 
tung des Hermippus für wahr annahnt und zu ſeiner eigenen machte, 
ſehen wir aus einer ſpäteren Stelle der Biographie ($. 32), wo 
Didymus eine Meinung ausſpricht, die ſich auf dieſe Abſtammung 
ſtützt. Da wir alſo zwei Gewährsmänner für dieſe Anſicht haben, 
ſo könnten wir geneigt ſein, ſie als wahr hinzunehmen, wenn uns 
nicht ihre einzige Stütze mitangegeben wäre: denn daß die wieder⸗ 
holte Erzählung der Ermordung des Hipparchus und der weiteren 
Schickſale feines Bruders Hippias bei Thucydides d 20, VI 54— 
59) die einzige Stüße jener Meinung geweſen, erhellet ſchon dar— 
aus, daß unſere Grammatiker nichts. weiter dafür angegeben haben, 
was fie bei einer fo unbefannten und merkwürdigen Sache nicht 
— haben würden, wenn ſie wirklich etwas gewußt hätten. 

tum iſt aber die doppelte Erzählung. jenes Greigniffes bei Thucydi⸗ 
des an beiden Stellen wohl motisirt und kann bei nüchterner Be⸗ 
trachtung nicht im entfernteſten die Vorausſetzung begründen, Thu— 
eydides müſſe mit dem Hauſe der Piſiſtratiden verwandt und darum 
für dieſelben etwas eingenommen geweſen ſein. Dieſe neue ganz in 
der Luft ſchwebende Verwandtſchaft iſt vielmehr ein neues Wahr- 
zeichen, wie mißlich es auch mit den N achrichten über die Abſtam⸗ 
mung des Thuecydides aus dem Gefchlechte des Miltiades ftche. 
- Neuere Gelehrte Tonnen ſich demnach in Zufunft der Mühe über- 
heben, dieſe Berwandtichaft des Gefhichtfehreibers mit dem einen. 
oder andern Haufe vermuthungsweiſe zu beſtimmen. 

Nachdem die unnütze Unterſuchung über die Abſtammung des 
Thuecydides beinah De Hälfte desjenigen, was in dem Stücke des 
Didymus von biographiſchen Mittheilungen vorkommt, weggenom— 
men, hätte der Verfaſſer zur Erzählung eines Ereigniſſes übergeben 


von Marecellinus, 5 345 


können, wofür.er bei Thucydives ſelbſt eine fichere Gewähr vorfand, 
zu dem Berfufte von Amphipolis und deffen Folgen für Thucybides: 
allein da dieſes eintrat, hatte der Geſchichtſchreiber bereits ein Alter 
von ahtundvierzig Jahren erreicht. Um dieſen enormen leeren 
Raum einigermaßen auszufüllen, ſuchte Didymus über die Bildungs- 
geſchichte des Thucydides feinen Leſern Einiges mitzutheilen ($. 22. 
Wenn es nun beißt, son Philoſophen habe er. die Borlefungen des 
Anaragoras gehört, und daher fer er- auch allmählig für einen Athei- 
ſten gehalten, wie Antyllus ſage, fo benimmt der Zuſatz über den 
Atheismus des. Thucydides dieſer Nachricht allen Glauben. Da 
die Meinung davon allmählig aufgekommen ſein ſoll, ſo ſcheint der 
Urheber dieſer Behauptung ſich vorgeſtellt zu haben, das Geſchichts— 
werk des Thucydides habe ihn in dieſen Verruf gebracht, eine fal— 
ſche Vorausſetzung, da dieſes Werk vor dem Tode feines Verfaſſers 
nicht herausgegeben iſt. Ueberdies bat Anaxagoras einen ſchulmä— 
ßigen Unterricht niemals gegeben, und gerade ein ſolcher wird hier 
gemeint. Weil aber Thucydides in ſeiner Darftellung des Pelo— 
ponneſi ſchen Krieges-faſt Alles und ſelbſt ſolche Naturerſcheinungen, 
die damals beinah allgemein einer unmittelbaren göttlichen Einwir⸗ 
kung zugeſchrieben wurden (z. B. H. 28, III 80), auf natürliche 
Urſachen zurückführt, fo glaubte man den Grund davon in einer 
von Anaragoras empfangenen Belehrung gefunden zu haben. Wie 
diefer aber der does angeflagt worden war, fo fol auch der 
Schüler, angefiect durch die Theorie ſeines Lehrers (155 Exeidev 
Jewgias E77, 9979813), in den VBerruf des Atheismus‘ gekommen 
fein. ‚Sn der. Beredtſamkeit ſoll er die Vorträge des Antiphon 
gehört haben. Allein fo wenig Zuverläſſiges über das Leben und 
die Schickſale * Antiphon wir wiſſen, fo ſteht wenigſtens ſoviel 
durch Die Darſtellung, welche Thucydides (VIII 68) uns von der. 
Wirkſamkeit dieſes Mannes hinterlaſſen hat, feſt, daß er keinen 
Schulunterricht gegeben hat: von ſolchem iſt aber wieder in unſrer 
Biographie die Rede. Werl Thucydides am angezeigten Orte den 
großen Geiſteszaben des Ant'pyhon feine volle Anerkennung ertheilt 
und weil er ebendaſelbſt von den Testen Schickſalen deffelben ſchweigt, 
da er ſich in der Zeit nicht über Gebühr vorgreifen will, was 


346 Das Leben des Thucydides 


jedoh Dioymus überfehen hat, fo hat Diefer oder ſchon Andere vor 
ihm daraus gefchloffen, Thucydides müffe fern Schüfer gewefen ſein. 
Es iſt wahrſcheinlich Die Schuld des Scholienfammfers, wenn er, 
was Divymus ald Begründung feiner Ausfage beibrachte, 
nur beiläufig als etwas Wiffenswerthes mitanführt, ich 
meine die Worte od zul weuryrar &v ın oydon — os dida- 
oxahım zagılöuevos. Die Meinung des Didvymus theilte ein jün- 
gerer Zeitgenoß deſſelben, ein jüdiſcher Grammatifer aus Kalakte 
im Zeitalter des Auguſtus, wie wir im Leben des Antiphon beim 
trüglichen Plutarchus Iefen: Karzihıos dE Ev To neol avıov 
(Avripgavrog) ovvrayuarı Oovavdidov TOD ovyyVap&ns u@- 
Iyımv *) Texualoerur yeyoverar E5 @v Enulverar nag’ avım 
o Arrıpov. Diefes Zeugnig, mit den Worten unfrer Biographie 
zufammengehaften, zeigt uns erft deutlich, worauf die Behauptung 
des Divymus geftust war. 

Divymus hatte ber Thucydides (IV 105) ferner gelefen, daß 
ihm Goldminen an der Küfte Thraciens Thaſus gegenüber gehör- 
ten. Daraus ergab fih das Problema, wie er dazu wohl ge- 
fommen fein möge. Das wußte der Grammatifer zu Löfen und 
folgenden Auffchluß zu geben ($. 19): Er heirathete eine Frau 
aus Scapteſyle in Thracien, eine gar reiche, und Eigenthümerin 
von Goldminen in Thrasien, Den Namen Scaptefyle, welcher. bei 
Thucydides nicht vorfommt, entnahm er aus Herodotus (VI 46), 
eine Stelle die ihm um fo befannter war, als er die dort unmit— 
telbar vorhergehenden Nachrichten fihon früher benust hatte, Was 
er über das reiche Thraciſche Mädchen fagt, ift reine Vermuthung, 
wie befonders die weitere Erzählung und die daran gefnüpfte Aporie 
und Lyſis beweist ($. 2021), eine Stelfe die fo beſtimmt den 
Alexandriniſchen Aporien-Jäger und einen Grammatiker geringerem 
Ranges verräth, daß es nicht unzweckmäßig feheint, fie hier mitzu— 
theilen: 


) Der Verfaſſer wollte dudeozedov ſagen, durch ein Verſehen ent— 
wiſchte ihm wedneyv. Dieſen Schnitzer hat Photius cod. 259 getreu 
wiederholt, und darum kann ich Grauert's Vermuthung zadnynın» 
(S. 182) nicht für richtig Halten. 


von Marcellinus. 347 


Da er diefen Neichtbum befam, verwandte ev ihn micht auf 
Wolleben, fondern weil er vor dem Peloponnefifchen Kriege merkte, 
daß der Krieg ausbrechen werde, gab er in der Abſicht ihn zu 
befchreiben Manches den Soldaten der Athenäer und Lakedämo— 
nier und vielen Anderen, damit fie ihm für die Befchreibung die 
Vorgänge zeitig meldeten und die im Kriege felbft gefprocdhenen 
Reden. Es ift aber zu unterfuchen, warum er auch Lafedamo- 
niern Geld gab und Anderen, da er nur Athendern fchenfen und 
von ihnen Auskunft erhalten fonnte. Darauf fage ich, daß er 
nicht abfichtstos auch den Uebrigen gab: denn es war ferne Ab- 
ficht, die Wahrheit der Thatfachen zu befihreiben, und da Tieß fich 
erwarten, daß die Athenäer auf eine ihnen vortheilhafte Weiſe 
Nachricht geben und Fügen, und daß fie oftmals fagen würden 
Wir haben gefiegt, wenn fie auch nicht gefiegt hatten. 
Darum gab er allen Geld und bemühete fih, aus der Heberein- 
ſtimmung der Meiften der Wahrheit habhaft zu werden: denn 
was unklar ift, wird ermittelt durch zufammentreffende Ueberein-⸗ 
ſtimmung der Mehrzahl.” 
Mit folhen Sahen fuht Divymus den Mangel wahrhafter Nach⸗ 
richten über die Lebensverhältniſſe des Thucydives zu erſetzen: denn 
bier hat fiher weder der alte Scholien-Sammler noch der ſpät le— 
bende Marcellinus an feinen Worten etwas zu ändern oder abzu- 
fürzen fich erlaubt, weil Divymus feinen Bericht unmöglich noch) 
breiter faſſen konnte. Uebrigens muß er ganz übertriebene Vorftel- 
lungen von dem Vermögen der Thraciſchen Erbin und den Geld— 
mitteln des Thucydides gehabt haben, da er dem Iesteren einen fo 
feltfamen Gebrauch feines Geldes zuſchreibt. Denn nicht etwa 
einzelne Führer Coroarnyor’) der Athenienfer und Lacedämonier 
fondern die heiverfeitigen Heere (DL orgarınrar) und viele Andere 
befommen davon einen guten Theil (ToAra), um nur Nachrichten 
son den Ereigniffen und Abfchriften von den gehaltenen Neven an 
den Thucydives einzufchiefen; auch hat er ihnen gefagt, daß ex diefe 
Mittheilungen für die Befchreibung des Krieges benußen wolle. 
Bergleihen wir mit dieſer Stelle die wertläufige Behandlung der 
erſten Zetefis, ferner die Verbindung Aefchyleifcher Stellen mit 


348 Das Leben des Thucydives. 


den eigenen Worten (8:5, und andere Reflexionen (SS. 32. 35. 
44), fo ſehen wir, daß in dem Werke des Didymus nicht allein die 
Beleſenheit ſeines Verfaſſers zur Schau getragen wurde, fondern. 
‚daß es damit noch mehr auf Unterhaltung Der. Lefer abge- 
ſehen war, In einem. ſolchen Werke konnte der gelehrte Gramma⸗ 
tiker Manches wagen, wofür, je bt zehn ——— einem unreiſen 
Vehreher auf die Finger klopfen würden. 


An der Staatsverwaltung nahm der. a — — 


Theil, als er das Alter dazu erreicht Hatte, noch beftieg er die Ned- 
nerbühne, erzählt Didymus weiter -($..23). Woher hat er aber 
vernommen, daß Thucydides bis zu ſeinem achtundvierzigſten Le⸗ 
bensjahre, worin er den Oberbefehl eines Theiles der Athenienſi— 
ſchen Flotte erhielt, ſich ‚jeden Antheils an Der Staatsverwaltung 
begeben und nun plötzlich eine Feldherrnſtelle befommen habe? Gr 
folgerte diefes aus dem Stillſchweigen des Thucydides und andrer 
Autoren über eine frühere politiſche Wirkſamkeit des Gefchichtfehrei- 
bers, ex ſchrieb Dies nieder, weil der leere Raum. zwifchen ber 
Nachricht, daß Thucydides ein. Sohn des Olorus gewefen, und 
feinem Feldzuge an der Thracifchen Küfte, ein leerer Zwiſchenraum 
von 48 Jahren, ihm dazu ein Recht zu geben ſchien. Die Sache 
ſelbſt aber iſt durchaus unglaublich: nur müſſen wir darauf verzich— 

ten, etwas ee darüber ——— „ weil ung — Nachricht 
abgeht. 

Didymus fährt. — und zwar, wie früher Aeſchyleiſche Spri- 
che, fo jest. eine Drten ne Nedensart (Il. v6, wo vnag dg- 
78202005) einmifchend: "Einen Feldherrnpoſten aber hat er beklei⸗ 
det und unheilbeginnendes Amt übernommen: denn dieſes 
führte ihm die Verbannung zu'. Darauf erwähnt er die aus Thu— 
cydides (IV 104 fgg· bekannte Einnahme der Stadt Amphipolis 
durch den Lacedämoniſchen Feldherrn Braſidas, deſſen Unternehmen 
auf dieſe Stadt Thueydides nicht zu verhindern im Stande war, 
obgleich er Eion, was Braſidas ebenfalls bedrohete, noch-zeitig er— 
reichte und den Athenienſern zu Par wußte. Didymus beſchließt 

feinen Bericht mit den Worten: Deſſenungeachtet, in, dem erſten 
Mißgeſchicke ein Verbrechen ſehend, verbannen ſie (die Athenienſer) 


von Nareeflinne. 349 


* A Dee kebenobeſchreber auf feſtem Seh fen bald 
Wenigſtens ſleht es mit der 


ih. 
entglitt derfelbe wieder feinen Füßen. 


Behauptung einer unfreiwilligen Verbannung mehr als mißlich, 


wenn man die eigene Aeußerung des Thucydives darüber vergleicht 
und an ihr als dem- einzigen. subertäffi igen Anfer feſthält. Sie lau— 
tet (V 26): za. Svreßn wor pevyeıv vv Euavrov En Elxo0t . 
uiero. 'Tov 85 "Auipinokiv orgarnylar, zal yevousın nu0” du- 
gporeooıg roig ngayuaoı; zal. 0Uy 7000v rolg Ilelonovrnolwv 
dın zyv poyiv, xag’ Hovylav TI alvıwv ualhov wlogEodau. 
Diefe Worte find fo befhaffen, daß an -eine durch Richt er— 
ſpruch erfolgte Berbannung: nicht gedacht werben kann: fie zei— 

‚gen vielmehr, daß Thucydides nach Beendigung ſeines Heerbefehles 
dem Jahzorne feiner Mitbürger fi entzog, fein Baterland, worin 
„er faum etwas Gufes zu. erwarten hatte, freiwilfig mied, und 
zwanzig Jahre bei den Pefoponnefiern verweilte, 
Daher lauten die Nachrichten über fein Exil auch unbeſtimmt und 
widerſprechend. Didymus erwähnt ſchlechtweg einer Verbannung, 
womit die Athenienſer den Thucydides wegen des Verluſtes von 
Amphipolis beſtraft hätten; ähnlich der Verfaſſer des zweiten Stückes 
($. 46), jedoch mit dem Zuſatze, daß— dieſes auf Betreiben des 
Kleon geſchehen ſei. Dagegen weiß der Urheber des dritten Stückes, 

daß ihm Verrath zur Laſt gelegt wurde, allein die Quelle dieſes 
Berichtes iſt nur leichtſinnige Uebertragung einer Nachricht, welche 
Thuehdides über Themiſtokles mittheilt. Damit der Leſer ſi ch da— 
von überzeuge,. — Bette Bi hier neben einander — 


Der dritte bei Mar- Wigdides 1 138. 


ellinus $. 55. 


Erelevrnoe dE &v.ın Ooaxnt. 
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zal ol Ev Akyovoıv Örı -Exel' 
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MViTod 0i NO00MZOVTEG oikade 

zehEVoavTog EzElvov xal. TE- 

Invaı zovpa 19nvalov ev ım 
——— — 

0v Yau9 ESnv Yanteiv 


@g Enl ng0000ia Wpevyovrog. 


350 Das Leben des Thucydides 


&v A9yvaıg TOV êni moodooıe - 
pevyovra. 
Allerdings mochte Thucydives das Meußerfte beforgen, und daher 
wagte er auch nicht den Boden feines Vaterlandes eher wieder zu 
betreten, bis er durch ein Pfephisma, welches Oenobius Durchfegte 
(Pausan. I 25 11), zurückberufen wurde, was erft mehrere Mo— 
nate nach Beendigung des Krieges gefchehen fein kann ). Das 
eigene Zeugmß des Thucydides, daß er während der Zeit, worin 
er fein Vaterland floh, bei den Peloponnefiern gelebt habe, bewerit, 
daß Alles auf Fiction berubet, was uns Didymus über den weite- 
ven Hergang der vorgeblichen Verbannung erzählt ($. 24—25): 
Nach feiner Verbannung in Aegina verweilend lieh er, ein rei- 
her Mann, das Meifte feines Geldes gegen Zinfen aus. Aber 
auch diefen Wohnort wechfelte ex, und in Scapteſyle ſich aufhal- 
tend fihrieb er unter einer Platane.' 
Didymus denft an eine milde Verbannung nur über. die Gränzen 
von Attifa hinaus, und fo Laßt er ihn zuerft nach, dem nächftge- 
legenen Aegina, und zwar nicht mit leeren Tafchen, Fommen, 
Was ſoll ein reicher Mann dort auch anders anfangen, als feine 
bedeutende Baarfchaft auf Zinfen **) austhuen! Bon bier geht er 
zu feinen Goldminen in Thracien, und um es fich recht behaglich 
zu machen, fihreibt er feine Gefchichte unter freiem Himmel, jedoch) 
im Schatten einer Platane, Beides iſt Erdichtung. Sowol Aegina 
als das Thafus gegenüber ftegende Scapteſyle ftanden unter Athe- 
nienfifcher Botmäßigkeit; erſt zwölf Jahre fpäter fiel die Inſel 
Thaſus (Thucyd. VII 64) von den Athenienfern ab, und erft da- 


*) Die Angabe des Thucydides (V 26), daß er nach dem Veldzuge 
gegen Amphipolis zwanzig Jahre fein Vaterland, gemieden habe, ift um 
fo mehr wörtlih und genau zu nehmen, weil fie in einer Umgebung vor- 
fommt, wo es gerade auf genaue Zeitbeftimmung abgejehen iſt. Amphipo— 
lis wurde aber gegen Ende des achten Jahres des Peloponneſiſchen Krie— 
ges von Braſidas genommen. 


**) Abfichtlich wird auf den überall unzuserläßigen und fpäten namen- 
loſen DVerfafler einer zweiten Biographie des Thueydides in der vorliegen- 
den Unterfuchung feine Niückjicht genommen. Ausnahmsweife mag bier je= 
doch erwähnt werden, daß Thucydives nach ihm fümmtliche Megineten durch 
Wucher übervortheilt und zu vuinirten Leuten gemacht hat! 


von Marcellinus. 351 


mals konnten die Lacedämonier ſich des gegenüber liegenden Feft- 
landes bemächtigen. Selbft jetzt blieben fie nicht lange Im unge- 
ftörten Beſitze dieſer Gebietstheile. Vgl. Krüger im Leben des 
Thucydives S. 45 fo. | 
Nicht beffer. fteht es mit der Glanbwürdigfeit deſſen, was 
Divymus feinen Lefern über das Lebensende. des Thucydides zu 
melden wußte. Um uns davon zu überzeugen, müffen wir wiffen, 
daß aus dem Werfe des Thueydides mit voller Sicherheit hervor— 
geht, daß die Vorarbeiten zu demfelben fchon beim Beginne des 
Peloponneſiſchen Krieges (vgl. Thuc. I 1) son dem Gefchichtichrei= 
ber unternommen wurden, Dagegen die Funftmäßige Ausarbeitung 
alfer Bücher erft nach der Heimkehr des DVerfaffers, d. i. einige 
Zeit nach) Beendigung des Krieges, begann und mit dem achten 
Buche nur bis zum einundzwanzigften Jahre diefes Kampfes fortge- 
führt wurde, weil der Tod die Vollendung des Ganzen unmöglich 
machte. Vgl. Krüger a. a. D. &.70—74. Bernehmen wir jeßt 
die Darftellung des Divymus ($. 3 
Didymos aber meldet, er fer zu Athen, aus der Verbannung 
zurückgekehrt, eines gewaltfamen Todes geftorben (dieſes, fagt 
er, erzähle Zopyros *)). Die Athenäer nämlich hätten ven 
Verbannten mit Ausnahme der Pififtratiden nach der Niederlage 
in Sicilien die Rückkehr geftattet. Da er nun von felbft gefom- 
men, fo fer er eines gewaltfamen Todes geftorben, und feine 
Gebeine feien beigefest unter den Kimoniſchen Denkmälern. 


*Ji Der überjeßte Griechiſche Context ift To abzutheilen: Aidvuos 8 
dv Adyvaıs ano Ts yuyns ldorıc, Pıeio Iavaım (ToüTo de yn0%0 
Zunvooy borogeiv). ToUs yao zra, fo daß die Ausfage des Zopyrus 
nur einen qewaltfamen Tod des Thucydides, jedoch nicht in Athen, berichtete. 
Auf Diefe Weiſe hebt fich der Widerſpruch, worin jonft die bald nachher fol: 
genden Worte des Didymus ($. 33) mit den vorigen ſtehen würden: ey 
de Zwrnvoov Amosiv voullo AEyovıa 10UT0v Ey Goran TETELEUTNZETEL, 
zUV Ahndeveıw vouin "Eomnos (fo it Statt der Vulgata Kodınımos 
zu fchreiben, was bei einer andern Gelegenheit gezeigt werden toll) autor. 
Diefe Worte haben viele Unruhe gemacht und unnüge Vermuthungen her— 
vorgerufen, nern indeffen nur die Hälfte des Befremdlichen, was fie ent- 
halten, nothdürftig bejeitigt werden konnte. Poppo wollte Arreixg ftatt 
Oozen leſen, was Grauert S. 184 mit Recht verwirft: allein ſeine eigene 
Bernruthung , ob Aeyovıe für Aeyovre, iſt nicht minder bedenklich, Bal, 
Krüger im Leben des Thukyd. ©. 56 Anm. 3. 


352 Das Leben des Thueydides | 


In dieſen Worten iſt Mehreres höchſt auffalfend. Zuerſt wird der 
Tod des Th Thucydides um eine gute- Anzahl von Jahren zu früh an— 
gefebt, zweitens ſoll nach der Niederfage in Sicilien den Athenien- 
ſiſchen Flüchtlingen mit Ausnahme ver Piſiſtratiden die Rückkehr in 
ihr Vaterland geftattet fein ‚ ein Vorgang den Thucydides erzäbfen 
müßte, wenn er Statt gefunden hatte... Eine Aenderung der Worte 
era tiv hırav e Fixeria ift durchaus unftatthaftz auch 
nach der Niederlage der Athenienfer bei Aegospotamos iſt nichts 
der Art gefchehen, fondern die Rückkehr der Verbannten iſt erſt 
nach der Capitufation Athens eingeräumt worden. Die ganze Etelfe 
iſt noch nicht genügend erllärt: folgender Verſuch, ſie zu deuten, 
wird wenigſtens dem Geiſte des Didymus entſprechen. Dieſer hatte 
vernommen, Daß Thucydides eines gewaltſamen Todes geſtorben, 
und daß ſein Grab unter den Cimoniſchen Grabmälern gezeigt 
werde. Damit verband er die Thatſache, daß die Geſchichte des 
Thueydides nicht bis zum Ende des Krieges reicht, ſondern ſechs 
Jahre früher mit dem achten Buche unvollendet abbricht. Daraus 
ſetzte er ſich eine Aporie zuſammen und löſte ſie folgendermaßen. 
Nach der Niederlage der Athenienſer in Sicilien haben ſie ihren 
Verbannten die Rückkeéhr geſtattet' (dieſes ſuchte Didymus mit Stel- 
len aus Philochorus und einem Buche des Demetrius über die Ar— 
chonten, deren Worte er entweder verdrehete *) oder unrichtig 
deutete, zu beweifen) „die Piſiſtratiden aber von der Wohlthat 
dieſes Beſchluſſes ausgenommen. Da nun Thueydides der Pifi- 
firatide -ungerufen kam (Hxovre avrov) , mußte er eines un- 
freiwilligen Todes fterben und Konnte feine Geſchichte nicht bis 
zum vorgefteften Ziele führen‘. So erklärt. fih die Stelle ganz. 
befriedigend, ſowol die Erwähnung der Pıfiftrativen und des ihnen 
ungünftigen Pfephisma’s als die feltfame Angabe , daß ein der— 
artiger Beſchluß nach der Niederlage in Sicilien gefaßt 


*) Mie wer ig die A ferandrinifcheh Grammatifer bei, ihren Aporien eine 
Verdrehung oder Verfälſchung ſcheueten, wird immer AR klar werden, je 
genauer diefe Lieblingsbeichäftigung jener Zeit ans Tages Licht gezogen 
wird. Siehe De Aristarchi studiis Homerieis von K.Lehrs ©. 200— 
229. Vgl. meinen Gommentar zur Poetik des Ariſtoteles c. 25. $. 9—15. 


son Marcellinus. 353 


fer. Die Niederlage fällt in das Jahr vor Chr. Geb. 413, und 
die Gefchichte des Thueydides reicht nur noch zwei Jahre weiter : 
allein (ſo mag Didymus gedacht haben) der Befchluß iſt erſt einige 
Zeit nad) der Niederlage gefaßt, Thucydives auch erſt einige 
zeit nach Abfaffung defjelben heimgekehrt, und, fobald ev bier als 
Piſiſtratide erfannt war, als vogelfrei ums Leben gefommen. Was 
diefer Darftellung Des Divymus an innerer Wahrheit gebrach, fuchte 
er Dar a Polemik gegen abweichende Anfichten zu erfesen 
(Sr .02. 
“Und er em, fagte er (Divymus), die Dummheit. derer 
welche glaubten, er fer zwar auswärts geftorben, aber auf Atti- 
ſchem Boden begraben: denn entweder würde er nicht beigefeßt 
worden fein unter don Denfmälern feiner Bäter, oder heimlich 
beigefegt würde er weder eine Säule erhalten haben noch eine 
Inſchrift, die auf dem Grabe des Gefchichtfchreibevs ftehend ſei— 
nen Namen anzeigt‘. *) 

Eines gewaltfamen Todes durch Meuchelmord gevdenft auch 
Paufanias J 23 11: zur 05 doropornderzı, wg zaryeı, urnua 
gortıv 0V nogow nv)wv Meirridov. Allein da Pauſanias den 
Thueydides auf feiner Rückkehr aus dem Exil fterben läßt, 
was entſchieden unvichtig iſt, fo verliert Die ganze Nachricht über 


*) In Verbindung mit diefer Anſicht vom Lebensende des Thueydides 
ſteht Die. feltfame Angabe des Divymus, Thucydides ſei in einem Alter 
Ki mehr als fünfzig Jahren geftorben, da derfelbe nach andern 

Nachrichten mehr als ftebenzig gelebt hat. Die Worte des Didymus 
lauten ($. 34): naboaoduı de (Akyeıaı) ı0v Piov Ünto T« Evınxorte 
&n yeyovöta (mit diefem Worte ift eine Lücke im überlieferten Texte 
auszufüllen), u7 nAnowoevrıa Tjs ovyydayns ımv nposEouier , und 
denjelben liegt folgende Nechnung zu Grunde. Divymus dachte fich den 
Thucydides beim Ausbruche des Peloponneſiſchen Krieges in einem Alter 
von dreißig Jahren, eine Annahme wozu ihn Aeußerungen des Thucydi—⸗ 
des (J1, V 20) veranlaßten. Von einer Ueberlieferung, nach welcher Pam— 
phila bei Gellius XV 23 dem Thucydides ein Alter von vierzig Jahren 
beim Beginne jenes Krieges zufchreibt, hatte Didymus entweder nichts ver— 
nommen oder er glaubte fie gerſczmahen zu müſſen. Zu der runden Zahl 
you 30 Jahren rechnete dieſer die 20% Jahre des Krieges, welche Thu— 
eydides beſchrieben hat, und nach deren Verlauf er, jener falſchen Vermu— 
thung des Didymus gemäß, zn Athen ermordet wurde. Auf diefe Weife 
fommt eine Lebensdauer von. mehr als fünfzig Sahren heraus, ine 
andere Erklärung diefer Worte, welche ich in der Neuen Jen. Literaturzeis 
tung im Jahre 1842 vorgetragen habe, nehme ich hierdurch zurück. 


Muf. f. Philolog. N. J. TU. 23 


354 Das Leben des Thucydides 


den Meuchelmord feine Stüge: denn von dieſem Zeugniffe einen 
Theil aufgeben und den andern fefthaften, möchte mit Necht für 
eine halbe und fehr mifliche Kritik gehalten werden. Nicht weni— 
ger falſch iſt die Angabe des Plutarchus, Thucydides fer in Sca— 
ptefole, was auch er als den Ort feiner Verbannung fih dachte 
vgl. f. Abhandlg de Exsilio p. 605. C.), ums Leben gefommen: 
f. Cim. c. 4: zul zeAevrpoaı utv &v a7 Iranın vn... AE- 
yeral povevdeig Exel‘ wırua d’ avrov tw Aeıyarmv sig ımv 
’Artıznv zowoderrwv Öeizvvraı nuga rov Einiviang ung Ki- 
uovog aderpns rayor. Gleichfam um das Maß wiverfprechen- 
der Nachrichten voll zu machen, fol Thucydives nah Stephanus 
aus Byzanz zu Parparoı, einer Stadt in der Mfiatifchen Aeo— 
lis, geendet haben («unodaveev), und Timäus ließ ihn während 
feiner Verbannung nach Italien fommen und dort fterben. Giehe 
Stephan. unter d. W. Ilaonaowv und unfere Biographie $. 25. 
33. Wie mögen alſo wohl diefe vielen fo weit auseinandergehenden 
Nachrichten über das Lebensende des Thucydides entftanden fein, 
Nachrichten welche fih aus dem Inhalte des Thueydiveifchen Ge- 
fchichtswerfes bis auf Die ganz iſolirt fiehende des Stephanus aus 
Byzanz insgefammt als rein erfonnen und unbegründet erwerfen? 
Das mag Gott wiffen, doch würde folgender Hergang der Sache, 
welchen ih als Vermuthung mittheile, Alles Mar machen. 
Thueydides war nach ſeiner Rückkehr aus der Verbannung, welche 
einige Zeit nach Beendigung des Peloponnefifchen Krieges ftatt fand, 
mit Abfaffung feiner Gefchichte befchäftigt gewefen und hatte fi 
den Staatsgefchäften völlig entzogen. Als er nun vor der Vollen- 
dung feines Wertes als hochbetagter Greis zu Athen ftarb, wurde 
er dort ohne Auffehen begraben und bald nebft fo vielen Anderen 
vergeffen. Alfein etwas fpäter wurde fein unvergleichlihes Werk 
befannt und richtete die Aufmerffamfeit auf die Manen feines gro- 
fen Urhebers hin. Jetzt fand man es angemeffen ihm ein Dent- 
mal zu fegen. Da die Stelle, wo er begraben lag, nicht mehr zu 
ermitteln war, wurde ihm unter den Cimonifchen Denfmälern neben 
dem Grabe der Schwefter des Cimon ein Kenoiaphium gefest, ein 
Säulenſchaft mit der Inſchrift Oovxvdidns ORogov “Aktuovorog, 


von Mareellinus. BR.‘ 355 


ſei es daß man ihn als Sohn eines Olorus in der That für einen 


Abkömmling aus dem Geſchlechte des Miltiades hielt, oder daß 


dieſe Stelle nur der Auszeichnung wegen gewählt wurde. Dieſes 
Kenotaphium wurde fpäter von Vielen als folches erfannt, von An— 


‚deren auch als das wahre Grab des Thucydives hingenommen, 
Die Einen wie die Anderen brachten dieſes Denkmal in Verbindung _ 


mit der zwanzigjährigen Verbannung des Thucydides und fuchten 


beides durch verkehrte Vorausſetzungen fih zu erklären. Soviel 
bfeibt bei diefem Allen ausgemaht, daß die Schriftfieller,, deren 
Meinungen über die Lebensſchickſale des Thucydides uns in der | 
Sammlung des Mareellinus überliefert werden, aus feiner andern 
zuverläßigen Duelle fchöpfen Fonnten als aus einem Paar Aeuße⸗ 
rungen des Thucydives über fich felbft und aus dem Denfmale, : 
welches ihm in der Nähe des Melitiſchen Thores errichtet war, daß 
fie aber diefe dürftigen Mittel ebenfo verkehrt als leichtſinnig benußt - 
haben, um mehr über den berühmten Gefchichtfihreiber mitzutheilen, 


als bei einer nüchternen Forſchung möglich gewefen wäre, 


Didymus beſchließt den biographiichen Theil feiner Abhand⸗ 
lung mit einer Beſchreibung der äußeren Geſtalt des Thucydides 


(G. 39. Darüber hatte er ſelbſt ſo wenig als wir etwas Eiche: 


res vernommen, allein cin Mann von diefer Geiftesgröße, Dachte :er, 


muß ein entiprechendes Ausſehen gehabt haben, und daher weiß er 


uns zu fagen, daß fein Geficht Nachdenken, Haupt und Haare 
Scharffinn angedeutet hätten, daß die fonftige Haltung deſſelben 


feinem Gefchichtswerfe ganz angemeffen gewefen fer. 


In dem zweiten Theil feiner Darftellung (A b= 9.35 —44) 


hatte Didymus an der Gefchichte des Thucydides einen fefteren 
Anhaltspunkt, und darum zeigen die darüber mitgetheilten Bemer- 


fungen bei weitem nicht Die grundverkehrte Nichtung zu feltfamen . 


und luftigen Einfällen. Einiges zeugt fogar für eine gediegene vhe- 
toriſche Bildung, namentlich was über die Verwendung der rheto— 
vifchen Mittel bei Thuceydides und über fein Verhältniß zu den 


früheren Gefchichtfchveibern, befonders zu Herodotus, bemerft iſt 


($. 39). Nicht minder fein und wahr iſt die Bemerkung, welche 
Divymus aus Antyllus wiederhoft, daß Thuchdides bier und da 


356 Das Leben des Thucydides 


(En’ oAtyov) ‚die Entſprechung gleichlautender Satzglieder und vie 
Gegenfäse der Benennungen nach der Manier des Gorgias (raus 
Jooyrov rov Asortivov na0LowWoeg zal Tas avııdEosıs rov 
oronuarwv), ferner die Sorgfalt in Unterſcheidung verwandter 
Worte nach der Werfe des Prodifus angeftrebt babe, wogegen der 
Berfaffer des zweiten Stückes unfrer Lebensbeſchreibung mit fichtki- 
cher Uebertreibung behauptet ($. DI), Thucydives habe das Meifte 
son Gorgias nachgeahmt (ra noAra za rov Togylov tod Asov- 
zivov giuovuevog). Auch was Divymus über den verfihiedenen 
Charakter der Thucydideiſchen Neden ($. 41—42) bemerkt, ift der 
Wahrheit angemeffen, obgleich diefes fo vorgetragen wird, als wenn 
die Neden in der Gefchichte Die Hauptfache und alles Uebrige nur 
ihretwegen da wäre. Grundfalſch Dagegen ift die Behauptung ($. 
35), daß Thueydides abfichtlih unklar gefchrieben habe, um nicht 
Allen zugänglich zu fein, noch dadurch gewöhnlich zu erfcheinen, daß 
ihn jeder der Luft babe Leicht verſtehen könne, fondern damit er. nur 
von den Einfichtssollen gewürdigt und bewundert werde. Sowol 
der Gedanfe als Ausdruck des Didymus — woapwg de Adymv 
avno Enttmöss, iva un naoıv ein Bartog, unds evreAng 
palvnraı navri 10 PovAouevm voovuevog EÜyYEIWG, aha TOLG 
Mlav ocpoLs doxıualöusvog naoa Tovromg Favualntar — 
ftimmt hier auf eine merkwürdige Werfe mit dent Epigramm über- 
ein, welches Baudini aus einer Handſchrift des Thucydiveifchen 
Werkes auf der Yaurentiana zu Florenz (II. p. 622. vol. Brund 
Analect. III. p. 265. Jakobs Anthol. IV. p. 251) befannt ges 
macht bat: 

@ pirog, el 0opog El, Außs w 25 yegag, ei dE nepvxag 

vnis Movouwv,.olyov @ un vogag“ 
slui yao oOV navrsooı Paurog, navooı d’ ayaoavro 
Oovavdidnv ’ORogov, Kexzgonidnv TO yevoc. 

Auf die Uebereinſtimmung zwifchen iva un naoıy ein Parog und 
&lul yao ov navreooı Barog bat auch Grauert (S, 190) auf- 
merffam gemacht und behauptet, Mareellinus habe feinen Ausdruck 
aus dem Epigramm entnommen. Allein da wir den Divymus als 
Verfaffer des Hauptſtückes der Biographie Fennen gelernt haben, 


von Marcellinus, 357 


fo müßte fehon dieſer jenen poetifhen Verſuch in irgend einem 
Winkel gelefen und fo viel darauf gegeben haben, daß er feinen 
Gedanken und Ausdruck danach einrichtete, was allerdings möglich 
ift. Mir drängt fih aber die Vermuthung auf, daß Divymus ſelbſt 
ein Epigramm verfaßt habe, was feinen eigenen Gedanten in poeti⸗ 
ſcher Form wiederholt. Denn da er ſeine Leſer nicht nur belehren, 
ſondern auch unterhalten wollte, ſo mochte es ihm ganz zweckmäßig 
ſcheinen, die Erörterung über Thueydides mit einem poetiſchen Ver— 
fuche zu beſchließen „wie ja auch Diogenes der Laertier zur Ab— 
wechſelung und zur Ergötzung ſeiner Leſer, ſo ſchlecht es ihm gelun— 
gen iſt, mitunter durch Verſe die trockene Erzählung zu beleben 
ſucht. Iſt dieſe Vermuthung richtig, ſo hat der alte Scholien— 
Sammler das Epigramm, ſo wie Manches andere, weggelaſſen 

Die nur bei oberflächlicher Betrachtung der Geſchichte des 
Thueydides auffallende, von Niebuhr und Krüger ”) genügend er- 
Härte Erfcheinung, daß dem achten Buche die Demegorien fehlen 
bat die Nufmerffamfeit des Divymus noch befonders in Anfpruch 
genommen ($. 43—49). Sein gefichter Styl iſt befonders deut— 
lich in den Worten orı dE odE Eevoywrrog Eortıv, 6 yaoa- 
x779 uovov ovyı Boa, zu erkennen. Die Vermuthung Einiger, daß 
eine Tochter des Thucydides das achte Buch verfaßt habe, ebenfo 
die, Meinung Anderer, welche den Lenophon oder den Theopompus 
für den Urheber deffelben hiekten, wird mit Necht verworfen. Da- 
gegen ift die Behauptung, daß Spuren von Altersſchwäche in die— 
ſem Buche bemerkbar feien, daß Thucydides damit nur einen. Ent- 
wurf gegeben habe, um venfelben demnächſt auszuführen und mit 
Reden zu fehmücfen, weiter nichts als der verunglücdte Verſuch, ein 
Problem zu löſen, wofür der Scharffinn des Didymus nicht aus- 
reichte, 

Sp hat fih und von vielen Seiten her gezeigt, daß die be- 
ſprochene Lebensbefchreibung die Prüfung der Kritik nicht beftehen 
kann, daß ihre Nachrichten, ausgenommen wo fie auf eigenen Mit 
theilungen des Thucydides beruhen, in nichts aufgehen, daß fie zwar 


*) Deigl. Rhein. Mufenm u. f. w. Jahrg. ©. 198, — Unterfu: 
Hungen über das Leben des Thukydides & 74-80. 


358 Das Leben des Thucydides 


an die Ausfagen des Gefchichtichreibers anfnüpfen, aber, ohne den 
rechten Gebrauch davon zu machen, den zuverläßigen Führer bafo 
serlaffen und dann zu Yuftigen Einfälfen einer zügellofen Phantafie 
oder zu nichtigen Schlüffen einer dürren Neflerion herabfinfen. 
Wenn wir demnach dieſe Duelle für die Erforfhung der Lebens- 
verhältniſſe des Thucydides und der Umſtände, unter welchen feine 
Geſchichte abgefaßt ift, ein für allemal aufgeben müſſen, fo brau- 
chen wir ung darüber um fo weniger zu betrüben, je deutlicher das 
unfterblihe und ganz. unvergleichliche Geſchichtswerk deffelben nicht 
allein die feltenen Geiftesgaben feines großen Urhebers beurkundet, 
fondern auch über feine gefchichtlichen Forſchungen, über fein Ver⸗ 
hältniß zu den früheren Geſchichtſchreibern, zuletzt auch über die 
wichtigſten äußeren ihn betreffenden Ereigniſſe genügenden Aufſchluß 
giebt. Um ſolche Ausſagen und Andeutungen aber in ihrem ganzen 
Umfange benutzen zu können, iſt vor allem erfoderlich, daß wir uns 
durch Behauptungen ſchlecht unterrichteter oder willkürlich erfindender 
Erzähler niemals irre führen laſſen. 

Wenn aber Die vorliegende Unterſuchung einiges Verdienſt in 
Anſpruch nehmen darf, ſo beſteht dieſes nach meiner Meinung vor— 
züglich darin, daß uns jetzt von Didymus, dem viel genannten aber 
wenig bekannten, ein längeres und zuſammenhangendes Stück vor— 
liegt, woraus wir Die Art dieſes ſchnell- und vielſchreibenden Gram— 
matikers beſſer kennen lernen, als aus den unzähligen Anführungen 
deſſelben in den Scholien zum Homer, Pindar, Sophokles, Euripi— 
des, Ariſtophanes, Apollonius Rhodius: denn dieſe Citate find mei— 
ſtens ſo beſchaffen, daß aus ihnen nicht mit Sicherheit zu erſehen 
iſt, was ihm ſelbſt gehört und was er von Anderen entlehnt hat; 
andere ſind von geringem Umfange, daß es bedenklich iſt, einen 
Schluß über den Geiſt ihres Urhebers daraus zu ziehen. An der 
Abhandlung über Thueydides Leben und Geſchichte haben wir ein 
fo umfangreiches Bruchftüch, daß wir einen Maßſtab für ven Geift 
des Divymus und feine Methode daraus entnehmen Fünnen. Ein 
anderes Werk dieſes Mannes ift das Griechiſche Leben des So— 
phokles, veffen Verfaffer bis jest als Anonymus bezeichnet wird. 
Daß ver Ton diefer Biographie von der Thuevodideiſchen einiger 


von Marcellinus. 359 


maßen abweicht, Laßt fich genügend erflären: ihrem: Geiſte nad) 
flimmen beide ganz überein. . Auszüge aus Abhandlungen des Di- 
dymus enthalten die Griechifchen Biographien des Aefchylus und 
Euripides. Ueber Alles diefes hofft der Unterzeichnete nächftens in 
einer befonderen Schrift und in dem gehörigen Zufammenhange, Re— 
chenfchaft zu geben. 

| 3. Ritter. 





Ueber die ſchwaͤchen Verba der lateinischen 
Sprache. 


Schluß.) 





Wir gehen nunmehr zu der zweiten Klaſſe weiter. 

I. Wie eben bemerft wurde, fo gehören unter diefe alle 
Cauſative, welche das Hervorbringen einer Thätigkeit außer dem 
Subjeet bezeichnen. Es laſſen fich bier die von Subftantiven und 
die von Adjectiven abgeleiteten Denominative genau unterfcheiden. 

Die von Subftantiven abgeleiteten drüden im Befonderen das 
Hervorbringen einer Thätigfeit an dem durch das Subſtantiv be- 
zeichneten Gegenftande over das In- Bewegungfesen dieſes Gegen- 
flandes aus. Je nachdem aber diefer Gegenftand befchaffen ift, und 
je nachdem der Gegenftand, in Bewegung gefest, geeignet ift, eine 
Wirkung auf einen andern Gegenftand auszuüben ift over nicht, fo 
erfahren wiefe Caufative die verfchiedenartigften Beziehungen und 
Umwandlungen, deren Unterfiheidung noch das befondere Intereffe 
gewährt, daß wir daran ein vecht deutliches Beiſpiel erhalten, wie 
die Sprache, indem fie ein beftimmtes Gefes feſthält (hier die cau— 
fative Geltung), doch zugleich innerhalb dieſer Schranfen mit ver 
größten Freiheit und Mannigfaltigkeit verführt. 

Wir theilen Die Denominativa dieſer Klaffe in vier Unterklaſ— 
fen. Entweder nämlich a) bezeichnen fie ganz im Allgemeinen vie 
Beſchäftiguug mit einem Gegenftande, wo wir im Deutfchen den 
Gegenftand felbft mit Verben wie machen, treiben, bringen, 
führen, fallen, geben, hervorbringen, haben u. a. ver- 
binden, oder b) fie drücken eine Anwendung auf einen andern im 
Aceuſativ hinzuzuſetzenden Gegenftand aus, wo der Gegenftand ſelbſt, 
welder in Thätigkeit gefest wird, in der Negel als Werkzeug der 


Ueber d. ſchwachen Verba d lateinifhen Sprache. 361 


Einwirkung auf den andern dient, oder c) es wird nur cine Ver— 
bindung des Gegenftandes mit einem andern, zuweilen auch die Lö— 
fung einer beftehenden Verbindung bezeichnet, wo wir theils auch 
Denominative anwenden, theils mit etwas verfehen oder etwas 
dgl. fagen, oder. endlich d) fie find eigentliche Factitiva, d. h. es 
wird ein Gegenftand zu einem andern gemacht, welche Teste Kaffe 
indeß meiſt von Adjeetiven abgeleitete Caufativa enthält, weil es 
öfter vorfommen wird, daß ein Gegenftand diefe oder jene Eigen- 
fhaft annimmt als daß er in einen andern Gegenftand verwandelt 
wird. *) 

a) [acontizare, ven Wurffpieß werfen (azcrrov, axor- 
rise), Veget., wo es vom Blut gefagt ift, welches wie ein Wurf- 
ſpieß berausgefchleudert wird], aestuare, Wallung haben oder 
wallen, brennen, von aestus, ampullari, Redeprunk an- 
wenden, von ampullae, fangariare, Frohndienſt verlangen, 
von angaria, Ulp., anmonari, Getreide holen, Capitol, an- 
nare, das Jahr zubringen (wgl. perannare, Macr. vder Per- 
ennare, Ovid. Col, Suet.), yon annus, apothecare, im Spei— 
her aufbewahren, Venant.], aquari, Waffer holen, von 
aqua, [arborator, der fi mit Bäumen abgiebt, d.h, der 
Baumgärtner, von arbor, Cofum.], argumentari, Gründe 
gebraudhen, von argumentum, arare, fih mitdem Ader 
befchäftigen d. h. ackern, pflügen, flatt agrare von ager (vgl. 
arborator), auctionori, Auction halten, von auclio , [au- 
clumnare, den He 9. bringen, Plin. (vom caurus gefagt)], 
auscullare, hören, das Frequentatisum von ausculare ftatt au- 
riculare von auricula (vgl. audire, orare), auziliari und auxi- 
liare (lesteres Gracch. b. Diom. p. 365 und auxiliari paſſiviſch 
Lucil.), Hülfe bringen von auxilium, badizare, gehen, von 
Bados (Badılem), Maut, basiare, Ruß geben, füffen, von 
basium, bellare (und bellari, Birg.), Krieg führen, von bel- 


*) Die Subjtantiva, Adjective und Növerbien, welche von einen nicht 
gebräuchlichen (meit nie ‚gebräuchlich gewefenen) Verbum abzuleiten find, 
wollen wir, wenn das Verbum weniaitens vorausgefeßt werden muß und 
wenn es hierher gehören würde, fogleich mit aufnehmen. 


362 Ueber die ſchwachen Verba 


lum, buceinare, (oder bucinare), vie Trompete blafen, von 

buceina, bullare, Blaſen werfen, wallen, von bulla, ‚Tca- 

ballatio, eig. das Bemühen um die Pferde, d. h. das 
Futterholen für die Pferde, von caballus, Cod. Theod.], 
eachinnare, Gelächter aufſchlagen, laden, von cachin- 
nus, [eaesuratim, einſchnitt weiſſe, von caesura, Givon.], 
calumniari, Shmähungen machen, ſchmähen, son calu- 
mnia , [discapedinare, (die Hände) auseinander thun, 
von capedo, Appul.], capulare, 1) den Griff des Gefäßes 
ccapulus) gebrauchen d.h. abgießen, Cat., [I den Fang 
ſtrick (capulum) gebrauchen d. h. fangen, Plin.], Tearbun- 
eulare, an einem Geſchwüre leiden von carbunculus, 
Pin, carcerare, einferfern, von carcer (fieilifh zugxagov), 
Sulvian.], carminare [DD Gedicht machen, von carmen, das 
Gedicht], 2) främpeln, von carmen, die Krämpel, ca- 
stellatim,. kaſtellweiſe, von castellum, feaienare, zufammen- 
fetten, Suet. Cofum.], catervatim , baufenweife, von ca- 
ierva, catillare, Teller ablecken, von calillus, caussari (da- 
neben das Activum accussare), ſich mit Proceffen abgeben, 
daher Rechtsanwalt fein (Pacuv.), auch vorfhügen (Liv. 
von caussa, die Ur ſache) von caussa, cavillare, ſcherzen, 
von cavillum, centesimare,, ven hHundertften nehmen, von 
centesimus, cenluriare; Centurien bilden, von cenluria, [ei-' 
 catricare „eicalricem inducere*, Feſt. s. v.], eirculari [u. cir- 
culare „ Appul.], Rreife bilden d.h. im Kreifen zufam- 
mentreten, von circulus, cistellatrix, die Bewahr erin des 
Geldkäſtchens, von cistella, eitharizare,, xı$ag(Leıv, von 
cithara oder zıdaoa, elavator, der Knüppelträger, von 
clava, [elysterizare, Eiyftieren, von »Avorno , Veget.], coe- 

nare , Speifen, von coena ,‚ comiliare , Comitien halten, 

von. comitium (Varr. 1. 1. VL $. 31), comare, (comans), lan- 

928 Haar tragen, von coma, concikare, eig. ein concilium 

machen, dann tranfitive zufammenbringen, concionani , 

eine Coneion halten oder vor einer Concion rede, 

von concio, consiliari, R ath halten, yon consilium, conti- 


der laternifhen Sprache. 365 


eiari, ſchimpfen, von convicium, copiari, fih reichlich 
(eig. mit Fülle) verfehen, von copia, [corniculare , (cor- 
niculans), Hörner habend, corniculum, Amm,], crimindri, 
befchuldigen, von erimen (vgl. discriminare, fondern, von 
discrimen , Barr. Cie), eulpare, befchuldigen, von culpa, 
curialus von CUBIARE, Curien bilden, von curia (vogl. 
cenluriare), curare, Sorge tragen, von cura, cyathissare, 
den Becher füllen, d. 6. Mundfhent fein, von zUadog, 
cymbalissare, die Cymbel fohlagen, von eymbalum (zug- 
Parov) und danach au) comissari von x&nog, nicht von xw- 
ul). 
Die meiften der unter diefer Nummer aufgeführten Berba find 
intranſitiv, indeß wird man nach der obigen Bemerfung über Die 
tranfitiven und intranfitiven Verba nicht anders erwarten, als daß 
nicht wenige derfelben auch, oft mit einer Modification der Bedeu— 
tung, einen Objeetsaeeufativ zu fih nehmen. So: [angariare], 
arare, [auclionare , erftehen, Ascon.), auscultare , basiare, 
calumniari,, [discapedinare (mit dem Dbj. manus), carminare], 
cavillari, centesimare, cenluriare, [elysterizare], eriminarı, 
culpare, curiatus, curare. Wir wollen aus den noch übrigen 
Buchftaben einige Verba hinzufügen, an denen die Freiheit, mit 
welcher die Sprache Hierbei zu verfahren pflegt; vecht augenfcheinlich 
hersortritt. Plautus (Truc. 1, 2,21) hat hamaszari in der Bed. 
an den Wagen gefpannt werden, wo alſo hamaware, eig. 
fih mitdem Wagen zu thun maden, ihn anfhirren 
die tranfitive Bed. an den Wagen fpannen angenommen hat 
(vgl. das mhdeutfche foumen im Niebelungenficde für auf das 
Saumthier laden); lapidare eig. Steine bewegen, be- 
deutet 1) mit Steinen werfen, mit Steinen zudeden, 
3) Steine vegnenz pilare, eig. den Speer gebrauden, 
bat in der Verb. hastam pilare die Bed. die Lanze fhwingen 
(ſ. Hoftius- b. Servo. Aen. XI, 121), außerdem iſt aber wohl faum 
zu bezweifeln, daß es eben diefes Verbum iſt, welches, beſonders 
in der Zuſammenſetzung mit com und de, rauben bedeutet. Man 
vergleiche Das homeriſche Jogrzenrog und dooiAnnrog, Der Begriff 


364 Leber die ſchwachen Verba 


des Anufarsıy und des zraoder ift im Lateinifchen zu ergänzen, 
man mußte fih hier wegen der. Ungeeignetheit der Spracde zu Zu- 
fanmenfegungen begnügen, nur im Allgemeinen das in Bewegung 
feßen der Hauptkriegswaffe auszudrüden. 

Man wird nicht irren, wenn man unter diefe Nummer auch 
Diejenigen Onomatopoetica bringt, welche nicht unter I. aufgeführt 
worden find, aljo balare eig. bala mahen, blöden, vom 
Schafe, baubari, hellen, [cacabare (zaxzalsır), gackern, 
Auct. Carm. Philom., cacare (ſ. Benfey a. a. D. 11. ©. 159), 
coaxare, quafen, [und wahrſch. auch blacterare, mödern, 
Auct. ‚Carm. Phil.]. Eine große Anzahl folcher Onomapoetieca fin— 
det fich in der vierten Conjugation, wo man von Naturlauten auf i 
auszugeben hat; pipire 3. B. heißt eigentfih Pipi machen. *) 

b) Die zweite Klaffe ft mit der erften nahe verwandt, und 
unterfchetvet ſich von ihr hauptſächlich Dadurch, Daß die zu ihr gehö— 
rigen Berba die Anwendung eines Gegenftandes (meift eines Werk 
zeugs) auf einen andern ausdrücken, und daher in der Regel tranfi= 
tiv gebraucht werden. Zwar find die Verben der erfien Elaffe auch 
nicht felten tranfitio gebraucht worden, indeß iſt es Doch etwas An— 
deres, wenn z. B. arare yon ager und aralrare yon aralrum in 
derfelben Bedeutung gefest werden, oder wenn basiare tranſitiv 
gefett wird und wenn asciare. Es liegt nämlich in der Befchaffen- 
heit des Verbums, daß, fo wie der Gegenftand, den dag Nomen 
primitivum bezeichnet, als Mittel erfiheint, jo nun auch auf Das 
Dbjeet eine Einwirkung, eine Fortbewegung ausgeübt werde. Die 
hierher gehörigen Verba find: 


*) Des Raumes wegen find hier, wie in den übrigen Unterabtheiluns 
gen von I, die Verben der übrigen Anfangsbuchitaben außer den drei erſten 
weggelafen. Yon den Verben unter A, B, C wird man aber nicht leicht 
eins vermiſſen. Daß wie es aber, vorgezogen haben, dieſe Buchjtaben des 
Alphabets vollitindig zu geben, ftatt etwa aus dem ganzen Alphabet einen 
Auszug zu machen, wird man gewiß billigen, da es uns Darauf ankommt, 
Giefege der Sprache aufzuitellen, ımd den Grad ihrer Anwendbarkeit auf die 
vorhandene Sprache nachzuweiſen. Dieß würde in fehr geringem Maße der 
Full fein, wenn wir ung die Beifpiele hätten ausjuchen wollen. Dagegen 
wird ein Theil derſelben, wenn er nur in ſich vollitindig, zu dieſem Zweite 
vollkommen hinreichen, 


der lateinifben Syrade. 365 


aralrare oder artrare, pflügen, von aralrum, asciare, 
mit der Kelle bearbeiten, von ascia, caelare, meißeln, 
yon caelum (ft. caedulum) der Meifel, cwiare, prügeln, von 
caia, [excaldare, warmes Waffer bei einem anwenden 
d. h. warm wafhen, Apic], calcare, treten, von calx, bie 
Ferfe, [ealeulare (Steinhen anwenden), berechnen, von 
caleulus , Sivon., „ealicala aedificia calce polita*, Feſt. s. v., 
son calx (oder vielmehr einer Nebenform calix), vgl, decalicatum, 
Feſt. u. decalco, albo, zovıo, Gloss. Vet.], capulare und car- 
minare in der zweiten Bed. (f. oben unter a), [ecauleriare und 
cauterizare, brennen, von caulerium, das Brenneifen, Ve— 
get. und Kirchenlat., coagulare, eig. Lab anwenden, d. h. ge- 
rinnen machen, von coagulum], colare, feihen, von colum, 
das Seihgefäß, eribrare, fieben, von eribrum, das Sieb, 
[suceulirare , mit vem Meffer zerſchneiden, von culter], 
(perjeontari, probiren, prüfen, von contus, die Stange 
(als Sciffsgeräth). 79 


e) Unter der Klaffe von Verben, wo das Cauſativum fich als 
ein Hinzubringen des Gegenftandes, welchen das Nomen primiti- 
vum bezeichnet, over als em Derfehen damit ausfpricht, iſt eine 
große Anzahl von Participiis Perfecti Pass. , die als folche allein 
ſtehen, bei denen man aber doch der zahlreichen Fälle wegen, wo 
das Verbum vollſtändig erhalten it, ebenfalls ein vollſtändiges Ver— 
bum vorausſetzen muß. Uebrigens find gerade Diefe Partieipia am 
geeignetften, unfere Anficht von der Entftehung der fhwachen Verba 
zu beftätigen, da bei ihnen die Herleitung von Nominalſtämmen auf 


74) Diefe Etymologie von percontari, welches in guten Handfchr. ſich 
uteiſt jo —— findet, ſcheint die einfachſte zu fein, obgleich Pott (I. 
183) und Benfey (1. 374) anderer Anficht find. Man muß freilih nun 
eigentlich weiter fragen, woher contus ftanıme, und dieß würde uns vielleicht 
auf Potts Anficht zurückführen. Indeß lehnen wir unferm Zwecke gemäß 
diefe Frage jest ab. Auch contari (welches auch handſchriftliche Autorität 
für ſich hat) ftatt cunctari, fcheint gleichen Urſprungs zu fein. Wenigſtens 
iſt Die Bedeutung ſehr paffend. Es würde nämlich eigentlich heißen: mit 
der Stange fühlen, unterfuhen (den Boden des Fluſſes), daher 
zaudernd und vorfidhtig handeln. 


366 ‚Ueber die ſchwachen Verba 


u ganz evident iſt und den in dieſe Deelination gehörigen Particı- 
pien eine nicht geringe Zahl von Participien nach der Aten Decli— 
nation entgegengeftelft ‚werben kann, die eben ſo evident von Nomi— 
nalſtämmen auf i abzufeiten find, | 

Wir unterfeheiden bier zwei Unterabtheilungen (unter @ u. P). 

a) [absidatus, mit einer Wölbung verfehen, von ab- 
sis oder absida (Iſid. Drigg. 15, 18, 7 u. Paulin. Ep. 12 find 
zweifelhaft, welches die richtige Form fer), Paul. Viet., absinthia- 
tus, mit Wermuth gemiſcht Cvinum), yon absinthium, Ge- 
nee: Lamprid., aceratus, mit Spreu vermifcht, von acus 
(gr. ayvoor), Feft. Non.], adipatus, mit Fett verſehen, 
fett, von adeps (Lucil. Cie), aeratus , mit Erz verſehen, 
yon des, (aerare, Prisc), [aluminatus, alaundhaltig, von 
alumen, Plin.J, amentare , mit einem Niemen verfehben, 
yon amentum, animare, beleben, von animus oder anima, 75) 
ansalus, mit einem Griff verfehen, von ansa, [anulatus 
oder annulatus, mit einem Ning verfehen, von anulus, 
Pin], apicalus, mit einer Prieſtermütze geſchmückt, von 
apex, Ovid. , [aqualus, gewäffert, wäfferig, von aqua, 
Sen., arbustare, mit Bäumen befegen, von arbustum, Plin., 
arcatura, das Verſehen mit einem vieredigen Örenz 
zeichen, von arca, Gaffiod.], arenatus, mit Sand vermischt, 
von arena (Cat.), argentatus, verſil bert, von argentum, 
[aristatus‘, mit Aehren verſehen, von arista, Feft.], ar- 
mare, waffnen, von arma, [assiratum , Bluttranf, von 
assir, das Blut, Feſt. s. v.],. auratus, vergoldet, von 
aurum, baccatus , mit Perlen gefhmüdt, von bacca, 
[baeticatus, in bätiſche Wolle gekleid a von bae- 
ticus pder baelica (sc. lana), Mart., balanatus , einbal 
famirt, von balanus, Bealfamfeugt, Perf., balteatus , 
mit einem Gürtel verfehen —— Iſidor), Mart. Ca— 
yelf.], barbatus, bärtig, von barba, beluatus, mit (geſtick— 
ten) Thieren verfehen, von belua (Plaut. Pſeud. I, 2, 14), 


75) animans, Leben habend, belebt, gehört unter a. 


der lateiniſchen Sprade. 367 


bigatus , mit dem Zweigefpann verfehen won Münzen) 
von bigae, braccatus, behoft, von braccae , [brachiatus,, mit. 
Aeſten Caleich Armen) verfehen, von brachium, Cof. Plin., 
bracieatus, mit Goldblech verfehen, von braclea , Gen.], 
bullatus, mit einem Buckel verſehen, von bulla 76) (Varr.), 
cacuminare, zufpigen, von cacumen, [caduceatus, mit einem 
Heroldſtab verſehen, von caduceus, Inscr. ap. Grut. 927, 
6.], caesariatus, behaart, von caesaries, calceare, mit Schu— 
ben verfeben, von calceus, [caligatus, Spldatenftiefeln 
tragend, von caliga, Suct., incallare, Yornig machen, mit 
Horn verfehen, von callum, Veget., vgl. obcallatus , Sen., 
camerare, wölben, yon camera, Plin.], capülatus, behaart, 
von capillus (auch capillare, mit Haaren verfehen werden, 
zoıyıav, Pin), capilatus, mit einem Kopfe verfehen, von 
‚ caput, [caprificare eig. die wilde Feige (d. h. einen Zweig 
derfelben) Heranbringen Can die Feige, um fie durch den Stich 
der Gallwespe zu reifen), Plin., cardinatus , serzapft, von 
cardo, Vitruv., carinare , fich mit Schalen verfeben, von 
carina 77) Plin., carnatus , die, von caro, Cod. Nur. Tard.], 
ceratus, mit Wachs überzogen, von cera (auch cerare, 
Col.), ceiratus, mit einem Schild verfehen, von cetra, 
chlamydatus, mit einem Mantel befleidet, von chlamys 
(wofür auch chlamyda , Appul. u. viell. Varr. b, Non. p. 539), 
feibare, füttern, Col. Suet. und] cibatus (Ben. us), die Jüt 
terung, von eibus, cincinnatus, gelockt, von eineinnus, [cir- 
ralus, daffelbe von cirrus, Mart., eitratus, mit Citrusblät— 
tern bedeckt, von cilrus], elathrare, mit einem Gitter 
verfehen, von clathri, [elavare, mit vem latus clavus. 9 er- 
fehen, Lampriv., oder benageln, Plin., von clavus],. elöipeatus, 
mit einem Schild verfehen, von clipeus (auch clipeare, 


76) Bei Perfins kommt das Wort auch in der Bed. leicht vergäng- 
lich vor, wo es dann von bulla, in der Bed. Die Sr Ps abzus 
leiten und unter d zu feßen ift. 


77) Dei Plin. heißt carinatus auch „kielförmig“, und achte dann uns 
ter d. 


368 Ueber die fhwahen Berka 


Pacuv. b. Non. p. 87), colorare, färben, von color, columna- 
tus, auf Pfeiler geftüsßt, von columna, [comatus, behaart, 
son coma, Pin, corniculalus, gehörnt, von corniculum, Ay- 
pul.], coronare, frönen, von corona, [corlicatus, mit Rinde 
verſehen, von corlex, Epl,], cothurnatus, mit einem Co— 
thurn angetban, von colhurnus, erepidatus, befhuht, von 
erepida, crelatus, mit Kreide beftrihen, von crela, crista- 
tus, mit einem Federbüſchel verſehen, von crista, ineru- 
stare [und erustare, Plin.), mit Rinde überziehen, von 
erusla, [euminatus, mit Kummel verfehen, von cuminum, 
Palfad., cuneare, serfeilen, von cuneus, Sener., cuspidare, 
zufpigen, von cuspis, Plin., cycladalus, mit einer Cyelas 
angethan, Sueton.]. 

A) Wir bringen unter diefe Kaffe noch eine Anzahl won Ver: 
ben, welche, obwohl ſcheinbar von gerade entgegengefeßter Bedeutung, 
dennoch dieſelbe Erklärung verlangen. So wie wir nämlich bei den 
unter a aufgezählten Berben davon ausgeben müffen, daß der Ge— 
genftand, den das Nomen primitivum bezeichnet, in Bewegung ge— 
fest wird, und fo wie es dort der Zuſammenhang ergiebt, daß. der 
Gegenftand mit dem andern, welcher als Dbject hinzugefegt iſt, in 
Berbindung tritt: fo giebt es auch einige. Verben, wo der Gegen— 
ftand in der Negel mit. dem als Object binzugefegten andern Ge— 
genftande als verbunden vorausgefest wird, und wo demnach Die 
Bewegung jenes Gegenftandeg nur in einer Entfernung deffelben 
beftehen kann.  Meiftentheils wird zur genauern Bezeichnung dieſes 
befondern Berbältniffes noch) ein © oder ex hinzugefegt : wir werden 
indeß fehen, daß dieß Feineswegs immer der Fall iſt und daß es 
alfo auch nicht eigentlich als nothwendig angefehen werden kann: 

fexalburnatus , des Sylintes beraubt, son alburnum, 
Pin, examurcare, trocknen, von amurca, der Saft, Appul., 
exarenare, son Sand reinigen, von arena, Plin.], deurgentare, 
des Silbers berauben, son argenlum (Lucil. b. Non. 97), 
decalanticare, der Kopfbedeckung berauben, von calanlica 
(Lucil. a. a. O., jedoch zweifeld.), Texcaudicare, aus jäten, von 


caudex, Lex ap. Frontin. Aquaed. 129, cimicare, son Wanzen 


der lateiniſchen Sprache. 369 


reinigen, von eimex, Gloſſ., decollare (etwas vom Halſe 
wegnehmen, Cäcil. b. Non. 97), enthaupten, von collum, Suet. 
Sen.], corporare |mit einem Körper verfehben, Pin], 
entleiben, von corpus, Enn. u. Att. b. Non. 20., 78) [exco- 
riare, abhäuten, von corium, Appul., decorticare, abſchälen, 
von cortex, Plin.]. 

Wir wollen, um diefe Anwendung der Caufative fejter zu 
ftellen, noch einige Beifpiele aus den übrigen Buchftaben hinzufit- 
gen, wobei wir ung auf diejenigen Verba befchränfen, die nicht mit 
de oder ex zufammengefegt find: Zugulare (wie decollare), töd— 
ten, von jugulum, wo das Gaufativum wenigftens durch Durch 
bohren zu erflären und zu ergänzen iſt (vgl. das deutſche köpfen), 
manticulari, den Schnappſack abfihneiden, von manticula 
(Baruv. b. Feft.), subnervare, entfräften, von nervus (wie 
fonft enervare), Appul.], pampinare, die Nanfen abbreden, 
von pampinus (Cato), peculatus (u. peculari), der Unter- 
ſchleif, von PECULUM (gleich peculium), popular, verhee— 
ven, von populus, 79) [pulico, „wvilo“*, Gloss. Gr. lat., von 
pulex, wie eimico , von Forcellini falfch Durch pulices progigno 
erffärt, redimiculat „arakvsı deouara*, Gloss. Philox. son re- 
dimiculum , sentinare, Schiffsjaube ausfhöpfen, von 
sentina , Auguſtin., stercorare (nicht nur dungen, Varr. Cie., 


78) Die Stelle des Nonius lautet folgendermaßen : Corporare est in- 
terficere et quasi corpus solum sine anima relinquere. Ennius Andro- 
meda: „Corpus contemplatur, unde corporaret vulnere.‘“ Attius Stasia- 
stis vel Tropaeo lib. I: „„Corpvrare abs tergo est ausus.‘ 


79) Man wird kaum Bedenken tragen dürfen, dieſe Grflärung von 
populari anzuerfennen. Bei Plünderung eines Landes war das Megführen 
der Bevölferung das Uebliche, daher auch im Griechischen &yeır und yepsır 
dafür gejagt zu werden pflegte. Wenn man nun feithält, was durch ſämmt— 
liche Beifpiele der Denominativa bewiefen wird, daß dadurch zwar das Be- 
wegen des Gegenftandes, dieſes aber nach den verfchiedeniten aus dem Ge— 
brauch fich ergebenden Modiftcationen ausgedrüdt wird, jo wird man aud) 
populari für das Wegführen des Bolfes nehmen dürfen. Hierzu aber wird 
der Mecufativ des Landes gerade jo hinzugefügt, wie zu runcinare (den 
Hobel gebrauchen) der Aceuſativ des Gegenftandes, welcher won diefer 
Handlung betroffen wird, oder wie zu pabulari (in der Bed. abw eiden) 
der Accufativ des Weidelandes, vgl. limare, pilare, samiare, pumicare 
u. f. w. Für den Accuſativ des Landes bietet das ahdeutjche heren (ft. ver— 
heeren) die nächſte Analogie. 


Muf. f. Philolog. N. 3. III. 24 


370 lleber die ſchwachen Verba 


fondern auch) ausmiften, Col. Ulp., sureulare, beſchneiden, 
son sureulus, Col. J. 

d. Sehr zahlreich und Leicht zu erfennen find die noch übri— 
gen Factitiva. Die Erklärung diefer Verba iſt im Allgemeinen die- 
felbe wie bei den vorhergehenden Klaffen. Auch wenn ih z. B. 
fage: hanc rem meliorem reddidi, fo hat man nicht, um ven 
doppelten Necufativ zu erklären, mit F. Berker einen befondern Ca— 
fus, den Factitivus anzunehmen, fondern, wie wir vorher gefehen ba- 
ben, daß limare (die Feile anwenden), obgleich fein Object 
in ſich enthaltend, doc noch einen Accufativ des Gegenftandes, 
welcher fich dabei leidend verhält, zuläßt, oder tvie man zu animum 
advertere oder zu illieium vocare (Barr. 1. 1. V,9. M.) noch 
einen zweiten Accuſativ hinzufügt, gerade fo wird zu melius facere 
auch noch der Accuſativ rem hinzugefest, wo dann, um Die Bezie- 
bung zwifchen rem und melius auszudrücden, welche nunmehr eine 
prädieative iſt, das Adjeetivum den gewöhnlichen Negeln über die 
Uebereinftimmung zwiſchen Subject und Prädicat folgt. 

Wir wollen die Berfpiele in zwei Nlaffen fondern, je nachdem 
das Primitivum ein Adjectivum oder Sudftantivum iſt; es wird in- 
deß wenigftens bei den von Adjectiven abgeleiteten nicht nöthig 
fein, wie bisher, immer das Primitivum anzugeben, da fich dieß 
von felbft ergiebt. 

a. acerbare , [acutare] , aequare, aelernare (verewi- 
den, DArr.), albicare, [albare over] dealbare , *altercare und 
altercari, *alternare, [altare, amicare,, amoenare] , ampliare 
(son amplius ftatt amplus, etwa wie promiscus neben promis- 
cuus, pascalis neben pascualis vorkommt), amplare, [angustare], 
antiquare, [anxıare), apertare (Plaut.), apologare (von einem 
zu fubflitwirenden anoroyos, verfhmäht, von anoltyav, ab- 
fügen, zurückweiſen, Sen.)], aptare, arlare, asperare, 


*) Die mit einen * bezeichneten Verba werden neutral gebraucht, und 
e3 it bemerfenswerth, daß mehrere von ihnen dem oben beiprochenen Grund— 
ſatze gemäß Deponentia geworden find oder wechjelnd als folhe gebraucht 
werden. Auch hier wurde der Uebergang dadurch bewirft, daß man, den 
Urfprung der Verba vergejfend, Durch das Medium die neutrale Bedeutung 
ausdrücken wollte. 


der lateiniſchen Sprade. 371 


jassare], atratus (gefhwärzt), Taugustare], beare auch * (von 
BEUS, als Nomen agenlis von der Wurzel be oder dive, ſ. Pott 
Et. F. l. ©. 101, woson bene und bonus, gebifvet), [bifidatus], 
biformaltus (von biformis), [breviare (von brevius ft. brevis), 
combinare son bini], caecare , [eaeruleatus , decalvare , kahl 
machen,] campsare (son CAMPSUS, dem Part. Perf. P. son 
der W, camp, gr. zaunıev, vgl. lapsus), umfegeln (Leuca- 
tem campsanl, Enn. b. Prise), candidatus, [cassare] , cavare, 
celebrare (Gell. XIX, 4. hat die Femininalform celebra) , ce- 
lare 8), incestare, [centuplicatus , certiorare (Uly.)], cerlare 
(eig. gewiß madhen), cicurare (Pacuv. b. Barr. 1. 1. VIL, 5, 
95), eitare, clamare eig. zu einem Gerufenen maden 
(son CLAMUS von calare , vgl. fama son fari, daher elamare 
ianitorem, PL. Afın. 1, 3, 10 u. Aehnliches ö.), elarare (Luer,, 
öfter declarare), elinare (von CLINUS, son derſelben Wurzel wie 
elivus, nur dur das Suffix nus ftatt vus gebifdet, Daher auch) 
declinis neben und gleichbed. mit deelivis und declivus, Lucr., 
häufiger deelinare son deelinis), commodare (hat auch die Bed. 
paffend machen, Plaut.), communicare son COMMUNICUS 
(gleih communis), fowohl mit Jem. Theil haben (Plaut.) 
als Theil nehmen Laffen (Cie.), concinnare, continuare, aud) 
*controversari (Lie. b. Prise. p. 803), ftreiten, (won contro- 
versus, worüber geftritten wird, daher eig. etwas zu 
einem controversum machen), copulare (von COPULUS v. 
co-apere, vgl. copia, copis), [procraslinare, crassare , cris- 
pare, auch *], eruentare, curlare, curvare. 

ß. acervare 9. acervus, häufen, aggerare yon agger 
(it. aggerum) , aufbäufen, [alumnare von alumnus, erzie- 
ben], alveatus von alveus, eig. zu einer Mulde gemadt 
dv. h. ausgehöhlt, [alveolatus von alveolus, vaffelbe, angulare 
son angulus, efig mahen, arculata yon arculus, (Kreis, 
Feſt. S. v.), Brezeln, f. Feſt. s. v.], arcuare son arcus, b 9- 
genförmig machen, wrqualus son arquus (andere Schreibart 


80) Die Etymologie diefes Mortes wird unten bei den Frequentativen 
in Verbindung mit occultare beſprochen werden. 


Ueber die ſchwachen Verba 


ee) 
[507 


für areus, der Negenbogen), gelbfühtig, articulare von 
artieulus, gliedern d. b. deutlich ausfpreden, [arluatus 
von arlus, zertbeilt], assulalim son assula, fplitterweife, 
*caligare yon caligo, es dunftet over finftert d. b. es wird 
finfter, [eaminare son caminus, etwas wie einen Dfen 
bauen, cancellare son cancelli, gitterfürmig machen, ca- 
rinatus yon carina, kielfö rmig (vgl. oben: carinare unter c), 
cavernare yon caverna, hohl (eig. zu einer caverna) mar 
hen, cenlralus son cenlrum, in der Mitte befindlichl, 
charmidare und recharmidare yon Charmides (Plaut. Trin. IV, 
2, 137: Proinde tu ilidem ut charmidalus, rursus te rechar- 
-mida), zum Charmides machen und wieder in die alte 
Geſtalt verwandeln, [ewcinare yon eiremus, rund ma- 
chen], cochleatus son cochlea, ſchneckenförmig (Pompon. b. 
Non. 105. 152), coleatus von colis (glei caulis), zum männl. 
Gliede gebörig (Pomp. b. Non. 470), conchyliatus son 
conchylium,, pyurpurfarbig 8'!), [concorporare von corpus, 
vereinigen], incorare son coxa (Pomp. u. Pacuv. b. Non. : 
incoxare nales), niederfauern, [erocalus von crocus, fa- 
frangelb 5'), cultellare son cultellus, mefferförmig ma- 
chen, vol. daſſ. W. unter b, cultratus yon culter, meſſer för— 
mig], eumulare yon cumulus, häufen, [cuneare yon cuneus, 
bineinfeilen, bineinpreffen, eig zu einem Keil 
machen]. 

Endlich laſſen ſich 

y. unter dieſe Rubrik auch noch die Frequentativa bringen. 
Den richtigen Weg zu ihrer Erflärung fcheinen nämlich Beifpiele 
an tie Hand zu geben, wie die folgenden find: altare, apertare, 
aplare, cerlare, cilare, occultare. s2) Man fann dieſe Verben 


S1) Diefe beiden Worte Ffönnen, wenn man fie duch mit Burpur 
oder mit Safran gefärbt erklärt, auch zu © gezogen werden. 

82) Die Wurzel von oceulere, oceultus und celare ift cal, welche 
am deutlichſten in calim oder calam (ftatt elam, f. Feſt. p- 47. M) und 
in ealigo zu erfennen ift. Das a pflegt fich in den Compoſitis in u zu 
verwandeln, f. Bett, Et. F. J. ©. 57, daher oceulere und hiervon occultus; 
celare aber unterſcheidet fid) nen calere beſenders durch die Länge des 


der Iateinifhen Sprade. 373 


neben den Primitivis alere, aperire, apere (Feft. P- 19. L.), cer- 
nere (in der Ber. son decernere), ciere, oceulere nicht wohl 
anders als eben fo wie die übrigen Frequentativa betrachten, und 
wiederum haben wir die Adjectiven allus, apertus, aplus, cerlus, 
eitus, oceultus, und in Nücficht auf diefe haben wir nicht umbin 
gekonnt, fie, fo weit unfer Verzeichniß reicht, oben unter « mit 
aufzuzählen, denn altare heißt etwas hoch Caltum) machen, 
aperlare etwas vffen Capertum) maden, aplare etwas 
paffend (aplum) machen u. |. w. 

Wie es aber in dieſen Fällen ift, fo auch in alfen übrigen. 
Ueberall muß man nicht unmittelbar von dem Verbum primitivum, 
fondern vom Part. Perf. Paſſ. ausgehen, wie das auch Pott, Et. 
F. I. 550 im Allgemeinen bereits richtig bemerkt bat, und wenn 
man 3. DB. von agere das Freq. actare (Luer.: coaclare , gew, 
mit einer nochmaligen Anwendung derfelben Bildung ackitare) bil- 
det, fo iſt dieß nichts anderes, als wenn man von demfelben Verbum 
coagmenlum und von dieſem coagmentare macht. Kine fehein- 
bare Schwierigfeit machen nur die von Verbis neulris, 5. B. von 
ire, venire gebildeten Frequentativa. Allein wenn man fagen 
fann itum est und venlum est, d. h. es findet ein dum (ein 
Gegangenfein) oder ein ventum (ein Gefommenfein) 
ftatt, jo muß man auch fagen Fünnen ilum facere und venlum 
facere ein Gegangenfein over ein Öefommenfein ma: 
chen und hierfür itare und. ventare. 8) 

Indeß bietet die Form noch ein mit einem Worte zu erwäh- 
nendes Dedenfen. Wenn nämlich von VBerbis der erften Conjuga- 
tion Frequentativa gebildet werben, fo follte man erwarten, daß 
diefe nicht auf ĩtare, wie es wirklich (dalare ausgenommen) der 


Wurzelvocals (7 ftätt @), und infofern läßt es ſich mit sedare neben s6— 
dere, legare neben legere, vielleicht auch mit indagare neben agere ver- 
gleichen, ſ. „ben. 

83) Bei diefer Erflärung wird es auch begreiflich, wie, die Frequenta— 
tiva zuweilen fich der Bedeutung nach den Inchvafivis nähern fönnen. So 
3. B. dormitare, fhlafen gehen, f. Plaut. Amph. I, 2, 175; Te 
dormitare aiebas: mensa ablata est, cubitum hine abiimus. Es heißt 
eigentlich: das Schlafen hervorbringen. 


374 Leber vie ſchwachen Verba 


Fall iſt, fondern auf älare ausgingen. Dieſes Bedenken dürfte fich 
aber doch vielleicht son unferm Standpunfte aus heben laſſen. 
Vorausgeſetzt namlich, was nach dem Obigen nicht mehr zweifelhaft 
fein dürfte, Daß die abweichende Bildung der Perfeeta und Supina 
in den Verben erepo, cubo, domo, frico , lavo, mico , seco, 
sono, lono, velo als Nefte von Perfecten und Supinen der Stamm- 
verba crepere, cubere u. ſ. w., welche bei-sono und lavo noch 
wirklich nachzuweifen find, zu erflären wären, und daß in fehr vie- 
Ion Fällen Die Berba der erften Conjugation, auf demfelben Wege 
durch Ableitung von Nom. agent. entftanden, die Stammverba nad) 
der Zten Konjugation ursprünglich neben fih gehabt hätten: fo 
wirde man Die Frequentativa jener Art fo zu erflären ha— 
ben, daß fie nicht vom Supinum des abgeleiteten Verbums ver 
1ſten, fondern des Stammverbums der Z3ten Conjugation zu bilden 
waren. 59) 

Da die Frequentativa als folhe Leicht zu erfennen find, fo 
halten wir es nicht für nothwendig, ein Verzeichniß derfelben auf- 
zunehmen, Wir geben alfo fogleih zu den Verben der Aten Con- 
jugation weiter, bei denen es nun nicht mehr nöthig fein wird, fie 
nach ihrer Bedeutung zu elaffifieiren, da die Claſſification dieſelbe 
it und da ihre Durchführung von einer Conjugation ſonach hoffent— 
lich als hinreichend befunden werden wird. 


DB. Vierte Deelimation. 
a) Berba, son Subftantiven und Adjeetiven abgeleitet, welche 


84) Es find in den obigen Verzeichniffen von den drei eriten Buchſta— 
ben nur folgende Verba (außer den Frequentativen) ausgelaffen: axare, 
bubinare, imbulbitare , imbrumari,, conari , erissare , weil die Grklärung 
derjelben zu ungewiß ausgefallen fein würde. Axare würde, wenn die Bed. 
es zuliche, mit agere (vgl. axis) als Frequentativum zufammenzubringen 
jein, conari iſt von Bopp fehr feharfiinnig aus dem Sanskrit erklärt wor 
den, ſ. Bott, a. a. O. J. ©. 232, indeß fehlt es doch noch für das Yateı 
nische an der nöthigen Vermittelung; imbrumari (von Iſidor angeführt) 
Icheint mit Pooue zufammenzubängen; bei den übrigen auch) nur von 
Grammatikern angeführten Verben ſteht chen die Bed. zu wenig feſt, als 
daß man eine einigermaßen fichere Bermuthung wagen dürfte. 


der Iateinifhen Sprache. 375 


noch vorhanden find und den Auslaut des Stammes I deutlich zei- 
gen, wozu außer denen, welche im Nominativ und Genitiv Singu— 
laris i haben, auch noch einige zu rechnen find, welche das I ım 
Nominativ verloren haben, es aber im Ablativ Singularis vder 
Genitiv Wfuralis (auf ium) noch deutlich erfennen laſſen, wie ars, 
dens, pars (wo das i fich noch deutlicher in dent Accuſ. parlim 
zeigt, |. Pott, a. a. D. 1. ©. 91) lens, wovon lentim b. Cato, 
moene, rete, animal (ft. animale). 

arlitus son ars, funftvreich, 86) audire ft, aurire, hören, 
und auritus, mit Ohren verfehen, von auris, blandiri won 
BLANDIS ft. blandus (daher blanditer, Plaut), ſchmeicheln, 
corbita (sc. navis) son corbis, mit Körben verfehenes 
Transportfiiff, [eratire son crates (Nee. eralim, Plaut, 
Pen. V, 2, 65), eggen, Plin., erinire, behanren und] eri- 
nitus, behaart, von crinis, dentire, zahnen, ſchmerzen (ne- 
ben dentatus, mit Zähnen verfehen) von dens, erudire, von 
rudis, unterrichten, [febrire, von febris, das Fieber ha— 
ben, Celſ., fellitus von fel, mit Galle getränft (vgl. unten 
zu mellitus)], finire son finis, endigen, follitim yon follis, fa cd: 
weife (Plant. Epid. III, 2, 14), [forire von foris, heraus: 
drücken, Schol. Iuven. vgl. Non. p. 114], grandire son gran- 
dis, groß machen (Maut. Pac.) und groß fein (Cat. R. R. 
141), hostire von hostis (vgl. evrinarog der Gleiche und der 
Gegner), gleich machen, [ignire und] ignitus von ignis, mit 
Teuer verfehen, inanire yon inanis, leer machen, insignire 
von insignis, auszeichnen, lapire yon lapis (alter Genitiv la- 


85) Ars ijt aus artis im Nominativ zufammengezogen, wie seps aus 
sepes, trabs aus trabes, plebs aus plebes, scobs aus scobis, scrobs aus 
scrobis, Ops aus Opis, mens aus mentis u. f. w., wo Die nicht zuſam— 
mengezogenen Formen noch) nachweisbar find, ſ. Schneider, Formenl. ©. 469. 
Ein zweites artire in der Bed. Hineinfügen (b. Gato), wird gew. von 
artus, eng, abgeleitet, nach) dem Vorgang von Monins (p- 505), fo daß 
e3 ſtatt artare fände; indes ift dieß wenigitens fehr ungenau. Artus iſt 
eben jo wie ars von der W. ar, fügen, abzuleiten, und warum follte fo- 
nach arlire nicht eben jo vom Stamm arti (eig. die Fügung), wie von 
arla abgeleitet werden können? Wir haben dann auch den Vortheil, daß 
Wir artire und artitus nicht, wie gewöhnlich geſchieht, als zwei von einanz 
der verfchiedene Berba zu trennen brauchen. 


376 Leber die ſchwachen Verba 


pis, Enn. b. Priscian. ©. 708), in Stein verwandeln, 
largiri von LARGIS cft. largus, Daher Maut. largiter), ſich 
freigebig beweifen, ſchenken, lenire yon lenis, lindern, 
mellitus son mel, mit Honig verfehben, 80) mentiri (auch 
menlire, Maut. Mil. II, 2, 101 vgl. Yindem. 3. d. St.) von men- 
lis (alte Form ft. mens, f. Anm. 85), fügen 87), moliri (und 
molire , in einem alten SC. bei Front.) von molis (alte Form ft. 
moles, f. Schneider, Formen. S. 465), bewegen, mollire von 
mollis, weich machen, moenire oder munire yon moene, be- 
feftigen (vgl. admoenire, belagern, Maut.), partire und 
partiri son PARTIS ft. pars (f. Anm. 85), theilen, pellitus 
son pellis, mit einem Fell verfehen, penitus yon penis, 
gefhwänzt, potiri won polis, fi) bemächtigen, 3%) ralitus 
von ralis, mit dem Schiff (w. b. dem Zeichen des Schiffes) 
verfehben (von Münzen gefagt), Lucil. b. Varr. 1.1. V, 44. Feſt. 
8. v., ravire yon Travis, fih beifer reden, örrelire yon rele, 
verftriefen, saevire son SAEVIS ft. saevus (Enn. Att, Afr. 
b. Non. 511, u. Plaut. saeviler), graufam fein, salire (Nav. 
bei Prise. p. 909. Cat. R. R. 1, vaneben sallere, yon sal (Me- 
benform : sale, Enn. Varr. b. Non. p. 225), einfalzen, sepire 
von Sepes, umzäumen, silire yon silis, dür ſt en, sorüri (und 
sorlire) yon sors (Nebenform: sorlis, MM. Caſin. II, 6, 28, Ab- 
lativ: sorli, ebend. 7, 5, vgl. Anm. 85), loſen, stabilire von 
stabilis, befeftigen, Zurritus yon turris, gethürmt, lussire 
von lussis, huften, vestire von vestis, Fleiden. 

b) Einige andere laſſen fih nur durch Vermittelung und durch 


86) Pl. Truc. II, 4, 20 fommt der Abl. melli wor, und der Nomina- 
tiv dürfte alfo urjprünglich melle (Stamm: melli) gelautet haben. Daß 
die Neutra auf e zum Auslaut des Stammes i haben, ift bereits von Tei- 
pel (Zeit. für AW. 1842. ©. 77) bemerft worden, vgl. moenire, irretire. 

87) Wie dementire (Luer.) von demens, fo dürfte auch mentire oder 
menliri ohne Zweifel von mens abzuleiten fein und eigentlich erdenfen 
bedeuten, wie audire von auris, hören, orare von 08, |prechen u. vergl. 

55) Bemerfenswerth ift der plautinifche Gebrauch von potire in ver 
Bed. in die Gewalt bringen, 3. B. Amphitr. I, 23: Eum nunc 
potivit pater servitulis , Capt. I, 1, 24: meus rex est potitus hostium 
d.h. ift in die Gewalt der Feinde gerathen. 


der lateinifhen Sprade. 377 


Analogie auf diefe Weife erklären. Es fcheint namlich aus ber 
Vergleihung der Nominalſtämme auf i bervorzugehen, daß fie meift 
Abſtracta beveuten, was fehr mohl damit übereinftimmt, daß im 
Sanffrit die Feminina meift auf i auslauten. Wenn man alfo die 
Wurzel Fennt, und man findet Denominativa der vierten Decli- 
nation, fo wird man nicht ganz unberechtigt fein, zur Erklärung und 
Bermittelung der letztern Nomina abstracta auf i anzunehmen, 
welche meift die durch die Wurzel bezeichnete Thätigfeit als Hand— 
Yung oder Eigenfchaft in abstracto ausgevrüct haben mögen, Es 
erffärt fi hieraus, daß folhe Verba meift im Gebrauch aus flar- 
fen und ſchwachen Formen gemifcht erfcheinen, von denen ſonach die 
erftern als Refte des Wurzelwerks anzufehen find. Im einigen 
Fälfen exiftirt neben dem anzunehmenven Nomen auf i ein Femini— 
num auf a, welches letztere Das erftere nach und nad verbrängt 
baben mag; bura und buris find beide noch nachzuweiſen und kön— 
nen als Analogie dienen. 

Wie neben den Adjectiven mit dem Suffir a, welche wir oben 
als Nomina agentis bezeichnet haben, auch ſolche auf ta und zwar 
ebenfalls in activer Bedeutung vorhanden find (wie diserlus, ac- 
euratus, scitus), fo giebt es auch Nomina abstracta auf ti oder 
si mit der oben befchriebenen Bedeutung. Sp veclis, sensim (von 
SENSIS), singultim (von SINGULTIS ftatt singulalis, vgl. sin- 
gultus). Und auch folhe Nomine werben wir in einzelnen Bei— 
fielen vorausfegen müffen. 

Endlich wollen wir unter diefem Buchftaben auch noch diejeni- 
gen Berba aufnehmen, deren: Herleitung ſich auf eine unter a vor— 
gefommene Analogie ftüst. 

APIO , 8) wovon apisci, erlangen, von W. ap, ar- 
cessere (0, ivi, itum) und arcessire (f. Struve, lat. Deel. u. 
Eonj. S. 198) son CESSIS, herbeihohen, ®) [bullire (ne- 


89) Daß apio und nicht apo die vorauszufeßende Präfensform ift, geht 
aus dem Gompofitum coepio (Gate) hervor. Davon it ops (Stamm: opi), 
die Hülfe, abgeleitet, mif demfelben Mechjel von a und 0, der ſich in 
scobs yon scabo, und in adolesco neben coalesco findet. Vgl. Anm. 95. 

90) Mit arcesso find incesso, lacesso, facesso , capesso ala Ana— 
loga zufammenzufaffen, unter denen auch von lacesso die Form lacessivi 


378 Leber die ſchwachen Verba 


ben bullare) von BULLIS ft. bulla, fprudeln, Vitr., calvire 
neben calvi, Pacuv. u. XII tabb.) von CALVIS, Kabalen 
fhmieden, Serv. Men. I, 720], capere (io), von CAPIS und 
W. cap, nehmen, [cassila von cassis (zwar Genitiv cassidis, 
aber vgl. lapire unter a), die Haubenlerchel], cerritus ft. 
cerebrilus yon cerebrum, welches auf dieſelbe Weiſe, wie salu- 
ber, luguber, celeber, gebifvet auch i zum Stamm haben kann (f. 
Pott, Et. 3. 1, ©. 556), die Gehirnwuth habend, condire 
von CONDIS und condere, würzen (eig. mit Gewürz ein- 
legen), cupere (is, ivi, itum, cupiret, Lucret. 1, 72.) von 
CUPIS u. W. cup, f. Pott a a. D. J. S. 256, dormire yon 
DORMIS von W. dor (Sfr. drai, griech. dag, f. Pott a. a. O. 
1. ©. 230), fhlafen, FATIRE, wovon faliscere und falisci, 
von FATIS (wovon adfatim oder affatim, 91)) zerfecdhzen, fo- 
dere (i0) und fodire (laut. u, Cat.) von FODIS u. W. fod, 
welhe auch in fodare erfihtlih, f. oben unter fodare, graben, 
fugere (io) son FUGIS ft. fuga, fliehen, fulgurire (Näv. b. 
on. 100, ft. ulgurare) von fulgur, [furire ft. furere, (Sivon. 
Up. 9 von FURIS u. W. fur], effutire [auch futire, Brise. p. 631] 
von futis, 92) gestire von GESTIS u. W. ger, gradi (ior) von 


vorkömmt, f. Struve a. a. DO. u. Döderlein, Syn. II. ©. 281. Incesso 
würde es wahrfcheinlich machen, daß auch arcesso , wie Döderlein u. N. 
thuen, auf cedo zurüczuführen wäre: dieſe Grflärung paßt aber nicht auf 
die übrigen Berba, und man wird daher beiler thun, fie alle als Inchoativa 
zu betrachten, von denen unter C weiter gehandelt werden wird. Dort wird 
auch bemerkt werden, daß dieſe in der Regel Fein Berf. u. Sup. bilden. 
Ber — Verben bildete man daher durch) Vermittelung von ARUCESSIS 
u. ſ. w. Denominativa, um von ihnen Perf. u. Sup. ableiten zu fünnen. 
Was Döderlein jagt, daß arceo ftatt arcieo eine unerhörte Form fei, dürfte 
ſich nicht bejtätigen, |. DO. Müller z. Felt. ©. 320. Wie arcesso aber von 
einen arcieo, ma jo Fonute auch incesso von einem imeieo gebildet 
werden. 

91) Auch fatim allein wurde dafür gefagt, ſ. Serv. Aen. I, 127. 

92) futis , gebildet wie vectis von u I it bisher in den Wörter— 
Büchern übergangen, kommt aber Barr. 1.1. V. $. 119 M. Mi der Ber. 
Waffergefäß (eig. Gießer) vor. al Supinum von W. fud lautet 
zwar in der gem. Sprache fusum. Indeß ift die Form mit t ausdrüdlich 
dezeugt, ſ. Felt. s. v. exfuti, wie fie fich denn auch aus andern abgeleiteten 
Formen ergiebt, z. B. refutare. Andere Beifyiele des t ftatt s find: ad- 
gretus, egretus, ſ. Felt. s. vv., terla ft. tersa, Mon. P. 179, pultare ft. 


der lateiniſchen Sprade, 379 


GRADIS u. W. grad, ſ. Pott a. a. O. J. ©. 205, haurire son 
HAURIS und W. haur, f. Pott a. a. D. 1. S. 226, lacere (Auer. ; 
daß die Form des Ind, Praf. lacio war, geht aus den Compofitis 
hervor, vgl. Feſt. pP. 23. 86. 87) von LACIS u. W. lac, linire 
— linere, ſ. Ramshorn, ©. 119) von LINIS u. W. li, ſ. Pott 
aa. D.1. ©. 208),9%) metiri (neben metari) von METIS ne— 
ben mela 9%), [„praedopiunt, praeoptant*, Feſt. s. v. von OPIS %)] 
parere und parire (Enn, u. Plaut., f. Namshorn. ©. 112, vgl: 
aperire, operire, opperiri) von PARIS dem Abftractum zu dem 
Adj. parus, f. Anm. 37 u. 15, pali (ior) und paltere (Ci. 
de legg. u. Näv. b. Divmed. p. 395), von W. pat, ſ. Pott aa, 
9.1. ©. Bl. vgl. Benfey, Wurzel. L ©. 254., pawire von 
PAVIS u. W. pu 9%). impedire yon PEDIS und W. ped (Sanffr. 


pulsare b. Plaut., mertat ft. mersat, Seit. s. v. exfuti. Die Grundbed. 
von effutire ergiebt fich recht deutlih aus Gell. XIV, 1, 52: quod vide- 
rentur quaedam interdum vera eflulire aut spargere. 


93) linere ift von W. li eben fo gebildet, wie prodinere von prod- 
ft. prodire, wie danere ft. dare, ſ. Feſt. p- 229. u. 68. M., vgl. exple- 
nunt, nequinont, Feſt. s. vv., inserinuntur, Müll. 3. Feſt. p- 397, sinere, 
Bott aa. O. J. S. 53 u a. Unfer Verbum bietet alfo dreierlei Arten 
von Formen: 1) yon der Wurzel livi (oder levi), litum, 2) lino und li- 
nere vom Wurzelverbum mit Hinzufügung des Nafals, des Charakteriſtikums 
der ‚Ien Sanferitconjugation, 3) linire vom Denominativum eines von 
linire gebildeten LINIS. 


94) Düverlein (Syn- I. Vorr. u. II, 168) Hat bereits auf ein Ver— 
bältniß zwifchen Nebenformen nach der eriten und zweiten oder vierten Con— 
jugafion aufmerffam gemacht, auf das wir unten bei der zweiten Declinas 
tion zurüdfommen werden, um es weiter zu begründen, Die Wurzel von 
metiri ijt im Sanjfrit mä, und wir fragen Fein Bedenfen Hinfichtlich des 
Particips mensus der Anfiht Potts (a. a. O. I. ©. 194) beizutreten, wel- 
cher es von einem eben jo wie in linere (f. Anm, 95) erweiterten Stamme 
men ableitet. 


95) Ih möchte diefes opio, das Primitivum von oplare, nicht mit 
den Anm. 92 erwähnten ops, die Hülfe, zufammenbringen, wie Pott 
(1. ©. 256) zu thun geneigt it, jondern lieber in opio, opto, opinor, 
omen (ft. ocmen, oculus, Oyouer u. ſ. w. eine gemeinfame Wurzel finden, 
jo daß in diefem Falle p und © nicht dialectiſch zwifchen dem Lateinischen 
und Dfeifchen, fondern innerhalb des Lateinifchen jelbit wechjelten. Ueber 
dieſe Murzel ſ. Bott I. 267 u. Benfey, Wurzeller., J. ©. 228, welcher leb- 
tere unfere eben ausgejprochene Anficht weiter begründet, ohne jedoch opio 
und opto zu erwähnen, welche für diefelbe jehr wichtig find. 

96) Diefe Wurzel it häufiger mit der Erweiterung Durch angeſetztes 
d, wo fie in repudium, tripudium, propudianus (f. Veit. s. v. propudia- 


380 Ueber die ſchwachen Verba 


pad, f. Pott a. a. D. ©. 244) 97), sepelire (Sup. : sepultum) 
von PELIS u. W. pel 98), petere (ivi, itum), die fhwachen For— 
men son PETIS, W. pet (Sanffr. pat, f. Pott a. a.D. ©. 240), 
pinsire ftatt pinsere, Enn. b. Varr. J. 1. V, 23., poenire oder 
punire (aucy puniri) von POENIS ft. poena, prurire von dem 
zufammengefegten prur und W, ur, ſ. Bott a. a. O. J. ©. 269 
und 162, quaerere oder quaesere (ivi, itum), die fchwachen For- 
men von QUAESIS, über die W. f. Benfey II. ©. 152., quatere 
(i0) , über deffen W. f. Pott I, 161., rapere (i0) von W. rap, 
redimire von einem aus redimere gebildeten REDIMIS (vgl. amicire 
neben iacere), sagire (häufiger praesagire) von SAGIS ft. saga u. W. 
sag 99), sancire yon derſelben W. 100), salire (Verf. ui) 101) [sapere 


nus porcus, ©. 238 M.) ınd in pudere zu erfennen it. Vgl. Anm. 61- 
Die Grundbed. it jhlagen, und pudet me ijt ähnlich zu erflären wie 
percellit me und Achnliches. Von pu ift das angenommene pavis durd) 
das Suffir i umd duch Wriddhi entitanden, ſ. Bopp, Fl. Sanffr. Gramm. 
$. 575, 19, vgl. navis von snu, ravis yon ru, |. Pott a. a. O. J. ©. 199. 
215. Auch elavis neben cludere dürfte eben fo wie pavis zu erflären fein. 
Neben pavire wird noch puvire erwähnt, |. Felt. s. v. puls, ©. 244 u. 
245 M. 

97) Ich ziehe es vor, bei impedire ſtatt pes, der Fuß, welches aus 
pedus (Stanım: peda) verkürzt fein dürfte, weil es eig. der Gehende 
heißt, ein Abftractum pedis anzunehmen. 


98) Sepelire giebt fih Durch das Supinum sepultum (j. Annı. 92) 
al3 ein Gompofitum zu pellere fund. Bon der obigen W. (griech. zer in 
achheiv) iſt nämlich auszugehen. Hiervon gab es das ftarfe Verbum pelo, 
wovon pepuli und pulsum oder pultum. Daneben wurde aber auf die 
mehrfach erwähnte Art auch das Denominativum pelio gebildet. Diejes 
ging aber durch Ajfimilation des I im pello über, wie @AAos neben alius, 
pilkov neben folium, j. Anm. 33. Eben fo ift auch varus (jt. varrus) 
neben varius. Much parret (ji. paret in der Formel si paret), welches 
Feſtus s. v. (S. 253 M) erwähnt, dürfte aus pariet zu erklären fein, jo 
daß pariet in diefer Formel neutrale Bedeutung gehabt hätte. ine jehr 
Ichlagende Analogie zu unferer Grflärung von pellere bietet sallere (fal- 
zen), neben salire vom Stamm ; sali, ſ. Varr. 1. 1.V. $.110 u, Müller 
z. d. St, Diemed. p. 372, wo man das ftarfe Verbum salere (f. Freund 
s v.) und das Denominativum fowohl in feiner urfprünglichen als in der 
affimilirten Form neben einander hat. Vielleicht ift das in Formen von 
sario häufig vorfommende doppelter (f. die Ausl. zu Cat. R. R. 162) auch 
auf dieſe Art zu erklären, und ift diefe Erklärung aud) auf cello, vello, 
tollo, mello (Anm. 32), verro auszudehnen. 


99) Diefe W., welche ſich aus dem archaiftifchen insece (= indice) 
ergiebt und in dem griechifchen rw (ft. o670, f. Neimnitz, Syſt. der qr. 


der Sateinifhen Sprache. 381 


(io, ivi) son W. sap, wovon Sapor 102), sarcire (sarsi, sarlum) von 
W. sarc, wovon fih das ſtarke B. außer im Perf. u, Sup. auch 
noch in sarcına zeigt, sarire (Perf. sarui und sarivi), senlire 
(sensi, sensum) yon SENTIS u. W. sen '0%), servire son SER- 
VIS :09), [singultire son SINGULTIS ?05)], söpire yon SOPIS 
und MW, sop, wovon Söpor, [unire yon UNIS ft. unio, Sen. u. 
Tert.], venire (veni, venlum und evenat, Enn. b. Non. p. 507), 
wo man (nah Benfey Il. S. 64 von W. va (fl. ga) auszugehen 
haben dürfte, ſo daß ven eine durch n verftärfte oder erweiterte 
W. wäre, von der theils das ftarfe Verbum, theils das Denomi— 
natisum von VENIS in den Gebrauch übergegangen wäre. 

Es find in dem obigen Verzeichniß einige unter diefelbe Nu- 
brik zu ftellende Verben übergangen, um fie jest, als in einer ge— 
wiffen Beziehung zufammengehörig, zufammenftellen zu können. So 
facere (lacio), iacere (10), in denen Pott (I. S. 165) das c 
durch das p des Sanffrit, welches hier häufig zur Bildung von 
Cauffativen gebraucht wird, erklärt. 100) Eben fo ift wahrfcheinfich 


Del. ©. 47) ebenfalls zu erfennen it, Fann dazu dienen, außer sagus, 
sagio, praesagio, sagax aud) sacer, welches wie liber gebildet ift, und die 
davon abgeleiteten sacrare, consecrare, obsecrare, exsecrari (welches Enn. 
b. Cic. N: D. I. $. 65 no) in der urfprünglichen Bed. zufy vehen, 
heiligen gebraucht) u. a., vielleicht auch sagmen zu erflären. Die Be— 
deufung heilig ijt gerade fo zu erflären, wie bei fanum, fas von fari, 
und ähnlich auch bei dedicare. 


100) Mit der Einfchiebung des n, worüber ſ. Pott I. ©. 54 u. oben 
Anm. 93. 

101) Die Sſkr. W. ift sri, f. Bott I. ©. 225, mit dem Nebergang 
von r in 1, vgl. Anm. 16. Davon salere, wovon salui, u. das Denomi- 
nativum salire von SALIS. 

102) Bon derfelben Wurzel gr. 0oyos und sibus (— sapiens) und 
persibus, f. %eft. s. vv. 

103) Bon W. sen ift nämlich sensi und sensum und sensis, wovon 
sensim, f. Bott I, 91 abzuleiten. Statt s aber im Sup. auch t, ſ. Anm. 
9, u. davon SENTIS, wovon sentio u. sentire DBgl. Pott II. ©. .678. 


104) Da u nah v gern im i übergeht, fo könnte man servire aud) 
von servis ft. servus ableiten. ©. Pott 1. ©. 277. 

105) Das obige singultis , welches aus singulatis aufammengegogen, 
ift noch in singultim erhalten, f. Pott I. ©. 91. 


106) Diefe —— von Pott ſcheint uns wahrſcheinlicher als die 
von Bopp (Bergl. Gr. ©. 16), welcher wenigftens facio aus bhävayami, 


382 Leber die ſchwachen Verba 


raueire zu deuten. Darauf führt ravis, mit denen es wohl jeden- 
falls zufammenhängt, und das Part, rausurus ber Lucilius (ſ. Pris- 
cian. p- 907). Ferner vincire, welches von derfelben W. wie 
viere abzuleiten fein möchte, fo daß noch ein n eingefchoben wäre, 
f. Anm. 100, und fareire, wenn es nach Varro (I. 1. V, 106 M.) 
mit far zufammenhängt. Ob auch fuleire und nanecire (welches 
Priscian p. 888 aus Grachus anführt, vgl. Feſt. s. v. nancitor) 
eben fo zu erflären ferien, muß wegen der Ungewißheit der Ablei- 
tung zweifelhaft bleiben. Daß fie unter unfere Nubrif gehören, 
ergiebt fich aus fulsi, fultum und nactus sum. Andere Verba 
find von ftarfen Verben auf -dere gebildet, von denen nach Bopp 
H. Sffr. Gr. $. 575, 19) im Eanffrit vorzugsweife Abftracta 
mit dem Stamme di gebildet werden. So das ſchon erwähnte 
condire (son condere) eig. einlegen (näml. mit Gewürz), or- 
diri son ORDERE und diefes von der W. des V. oriri, worüber 
unten, und vielleicht auch fastidire, wenn es nicht mit Pott (I. 
©. 109) von W. ad (fat. ed, effen) abzuleiten iſt. Endlich 
läßt das adgretus des Feftus (f. Ann. 92) auch auf eine W, gra 
ohne d mit einigem Scheine fchließen, wo dann auch dies Verb 
hierher zu ziehen wäre, Uebrigens wird Die Annahme eines Nomens 
ORDI und FASTIDI einigermaßen durch exordium und faslidium 
erleichtert. 

c) Einige Verben haben nur Subftantiva oder Adjectiva auf 
us zur Seite, wie avilus, calulire, jequire, gnarire (Keft. S. v. 
gnarivisse), hirquitallire yon hisquilallus, f. Feft. S. 101 und 
Müller 5. d. St.], lippire, bei denen man daher eine Nebenform 
auf is vorausfegen muß, wie hilarus u. hilaris u. v. a. 

d) Dieß würde auch bei ineptire , insanire, lascivire, su- 
perbire gefchehen fünnen, und wenigſtens bei Tegterem würde man 
fih auf dag superbiter des Afranius und Nävius (f. Non. p- 515) 
berufen können. Indeß foheint es bier näher zu liegen, von den 


duch PVerhärtung des v in ©, erklärt. Dieß würde die zehnte Conj, von 
bhü fein. Es bleibt aber dabei namentlich unerflärt, daß das € auch im Per— 
fectum bei den Umlaut bleibt, während die durch € oder d oder p oder t 
erweiterten Wurzeln im Lateinifchen ganz gewöhnliche ftarfe Verba geben. 


der lateinifhen Sprade. 385 


Nomen ineptia, insania, lascivia, superbia auszugehen, bei Denen 
die Femininalendung ja durch Zufag eines a zu I, welches Testere 
demnach als das urfprünglichere angefehen werden kann, entjtanden 
fein dürfte, f. Bopp, Vergl. Gr. $. 119. Bergl. Pott IL. S. 440. 
Diefe Erklärung empfiehlt fi) auch dadurch, daß nunmehr custodire 
mit unter diefe Kategorie gezogen werben fan. Ferner rechne ich 
feroeire ebenfalls Kieser hierzu, als daß ich es won lerox ableiten 
möchte, und da wir in der Einleitung bemerft haben, daß die Wör— 
ter der dten Deel. eigentlich mit denen der erften iventifch find, fo 
läßt fih auch specio auf species (= specia) und facio auf facies 
= faeia) zurückführen. Endlih wird man wegen balbutire ein 
BALBUTIA und wegen caeculire ein CAECUTIA vorausfegen 
dürfen. 

e) Es folgt nun eine Klaffe Denominativis der Aten Deel., 
welche mir in der doppelten Beziehung befonders intereffant Scheint, 
einmal weil fie unfere Anficht, daß die Verba der 4ten Deel. Des 
nominativa von Nomen mit dem Stammauslaut I ſeien, vorzugs- 
weiſe -unterftüßt, und dann, weil fie die zahlreichen Belege für den 
großen Nutzen, den das Sanffrit auf dem Gebiete der Tateinifchen 
Etymologie gewährt, wieder um einen vermehrt. Dieß iſt Die 
Klaffe der fog. Defiverativa. 

Es giebt namlich im Sanſkrit ein Suffixum, weldes dazu 
ttent, um Nomina agenlis zu bilden, ri oder in der älteren 
Form tär. Diefes Suffirum wird in beiden Formen im Eanffrit 
fehr haufig angewendet und auch im Sanffrit muß man zur Erklä— 
rung verfchiedener Formen fowohl tri afs tar und lär als Stanım 
gelten Taffen, f. Bopp, X. Sffr. Gramm. $. 124, 422. Im La— 
teinifchen find aus der Tetteren Form das Part. Tut. auf turus 
und die Subftantiva auf tor (Gen. toris; eig. auch torus, wie 
auctorare beweift, f. oben sub A, I) entftanden. Für unfere De- 
fiverativa ft aber vorher noch zu bemerfen, daß, wenn vor dem 
Sanffritvocal ri ein Confonant vorausgeht, das Griechifche und 
Pateinifche in der Negel einen Vokal einfchiebt. So ift aus ver 
Sanffritw. mri fat. morior, aus mrid fat. mordeo entftanvden. 
Noch andere Beifpiele hat Johannſen (Die Lehre ver lat. Wortbild. 


354 Leber die ſchwachen Verba 


©. 118) gefammelt. Im einigen Fallen iſt indeß, wie wir fogleich 
fehen werden, diefer Vocal auch weggebfieben. 

Demnach wurde z. B. aus W. ed (Sffr. ad), effen, zu- 
nächft das Nomen gebildet, deſſen Stamm edtri oder, nach ven 
Yautgefeßen des Yateinifchen (wonach auch esum aus edtum ent- 
ftanden iſt) esri lautete. Hieraus aber entftand durch Einfchiebung 
jenes Vocals und durch Anhängungen der Verbalendungen esurire, 
und es erklärt ſich auf diefe Art vollfommen, warum das u in 
diefen Verben kurz iſt. Die Beveutung iſt eben fo zu erflären, 
wie bei den A, I aufgeführten Verben. Esurire heißt eig. einen 
esor darftellen, und wie wir damals gelegentlich bemerft haben 
(was fih ja auch Leicht von felbft ergiebt), daß viefe Verba leicht 
die Bed. der Inchoativa annehmen, fo iſt es noch natürlicher, daß 
fie als Defiverativa erfcheinen, Dasjenige, was wir fein oder 
werden wollen, ftelt fihb ja von felbit in unfern Mienen 
u. f. w. dar. 

Die unter diefe Klaffe gehörigen Berba, zu deren Erffärung 
wir nach dent Oefagten nichts mehr hinzuzufügen brauchen, find 
folgende : adolescenturio (Xaber., deſſen Kühnheit in neuen Wort- 
bildungen aus Gellius befannt ift, b. Non. 74), Jamaturio , ca- 
caturio, centurio, coenalurio, dielurio], empturio, esurio, figu- 
laturio,, fimbriaturio (Iettere beide Afın. b. Quint. VII, 3), 
[gesturio], habiturio, |[lecturio,] nixurio (Nigiv. b. Non. p. 144), 
[nupturio], parturio, petiturio , scalpturio., [seripturio,] sulla- 
lturio , [taciturio]. 

Die Weglaffung des in den bisherigen Verben eingefchobenen 
ü findet fih am veutlichften in nutrire, wo fich ein nutor, alfo 
auch ein Stamm nulri aus dem Femininum nulrix ergiebt. In 
gleicher Weiſe erfläre ich ligurrio oder ligurio ftatt ligulrio von 
W. lig (ſ. Pott I. ©. 253), wovon lingua, welches ein linguo 
anzunehmen erlaubt, deſſen n (ſ. Anm. 100) in ligurrio wieder 
ausgefallen wäre, und [minurrio oder minurio, zwitfhern], 
von minutor. Es bleiben ſodann nur noch scatzrio [„vagurri 
per otium vagatur“, Iſid.) und [„flagurrit, pegsı*, fivor.] zu 
erflären übrig, von denen das erſte und zweite freilich keinen nähe— 


der lateiniſchen Sprache. 385 


ren Weg zur Erklärung des u, das dritte aber überhaupt keine 
etymologiſche Deutung erkennen läßt, die aber ihr langes u doch 
auch duch Aſſimilation und nachherigen Ausfall eines herhalten 
haben mögen: fo daß man nicht nöthig hat, wegen aller dieſer 
Formen mit Döderlein (Syn. V. ©. 152) eine befondere Ausnahme 
zu machen, 

f) Wegen der Onomatopoetica erinnern wir im Allgemeinen 
an das, was oben A, Il, a bemerkt worden iſt. Wir dürfen uns 
nicht dadurch irre machen laffen, daß viele derfelben fih uns fehr 
ſchwer als ſchallnachahmend kund thun. Es ſind meiſt Bezeichnun— 
gen von Stimmen der Thiere, bei denen ſich eine große Verſchie— 
denheit in der Auffaſſung des Charakteriſtiſchen denken läßt. Außer— 
dem iſt auch noch zu merken, daß die meiſten der ſogleich aufzufüh— 
renden Verben aus dem Gedicht de Philomela, son deſſen Zeit ſich 
nur fo viel fagen laßt, daß es jedenfalls erft im Mittelalter ent- 
ftanden ift, entnommen find. Es find aber fulgende: [barrire, von 
Elephanten, Feft., caurire, vom Vanther, Philom.]), erocire, som 
Raben, Blaut., Jeucurire, vom Hahn, Bhilom., drindire, vom 
Wiefel, ebend., felire (was indeß viel. von felis abzuleiten) vom 
Panther, ebend.], friguüire oder fringuüire od. frigultire od. fringul- 
lire od. fringuttire yon der fringilla, Maut. Varr., fritinnire zwit- 
fern, Barr., von der Cicade, Philom. gannire, vom Hund, garrire, 
urfprüngli von Vögeln, [gingrire , son Gänſen, Zeft., glocire, 
gluden, Feft. (wo aber D. Müller gluttire lieſt) Col., gluttire 
oder glutire, verfhlingen, Juven. Blin. (vgl. Burmann An- 
thol. U. 405: — glut glut murmurit unda sonans)], grunnire 
und grundire, vom Schwein, himnire, som Pferd, [hirrire oder 
irrire, vom Hund, Sidon. Feſt., lipire, vom milvus, Philom.), 
mugire, multire, Pl. [im eig. Sinne vom Bock, Philom.], pipire, 
Eolum. Philom., rugere, vom Löwen, Spartian. Philom.], linnire 
u. lintinnire, vagire (Naturlaut, |. Varr. b. Gell. XVI, 17.), vi- 
sire (Lucil. b. Non. 515). 

7) Es bleiben nun noch folgende Verba der Aten Con;. übrig: 
[eambire, Appul., fabrire , Venant.], cire, dolire, fieri, [hittio, 
imevw, Gloſſar.], ire, quire, venire, linere (wegen livi), sinere 

Muf. f., Philol. N. F. IM. 25 


386 Leber die ſchwachen Verba 


(wegen sivi), Zerere (wegen Irivt, trilum), mori, oriri, impe- 
irire, polire, scire. Voñ viefen find cire, fieri (hi ftatt Sfer. 
bhü), ire, quire, venire, livi, sivi, trivi, mori, Scire wohl un- 
zweifelhaft auf Wurzeln mit dem Auslaut i zurüczuführen, die fich 
wenigitens bei den meiſten mit Hülfe von Potts öfters citirtem 
Werk leicht aufiinden Iaffer. Von mori ıft fhon oben unter d 
gehandelt worden; der gleiche Fall findet bet tero ftatt, wo im 
Perfectum die Wurzel wieder rein hevportritt, während fie im Prä— 
fens einem Sanffritgefes gemäß, wonach ri vor Vokalen ın ar 
übergeht, ein wenig umgewandelt erfcheint, und auch orior (wovon 
auch oreretur im Gebrauch) feheint mir nach der Analogie von 
morior auf W. ri zurücgeführt werden zu müffen, wie auch Ben- 
fey Ca. a. O. J. ©. 53. I. ©. 336) gethan hat. Linere und 
sinere find durch Einfehtebung des n, worüber Anm. 100, entftan- 
den. Cambire und hittire find fpäte und dunkle Verben, zu deren 
Deutung ich nichts hinzuzufügen verntag. Dolire und impelrire 
find einzeln vorfommende Nebenformen zu den gebräuchlicheren Ber- 
ben der erften Conj.; fabrire iſt an einer Stelle des Venantius 
ft. fabricare gefest. Zur Erffärung von polire weiß ich nichts 
biizubringen, als daß es vielleicht mit linere (jt. lire) zufammen- 
hängt. Die erfte Silbe ift viell. das Sanſkritpräf. pi (ft. api, 
über). 


C. Zweite Declination. 


Man pflegt bei Erklärung der Verbalformen einen Bindevofal 
anzunehmen. Im Sanffrit iſt derfelbe a, im Grtechifchen und Ya- 
teimfchen, dem Lautwechſel zwischen dieſen Sprachen und dem Sans 
ffrit gemäß, ©, zuweilen 6 und i, obwohl diefe lesteren, wo fie 
fih vorfinden, nur als Wechfelsofale für € anzufehen find. Wir 
können hier nicht auf eine Unterfuhung des Bindevokals eingeben. 
Wir wollen daher nur mit Berufung auf Pott (a. a. O. 1. ©. 
697 ff.) bemerlen, daß derfelbe nicht bloß phonetifher Natur fein 
fann, da er fih auch nach Vofalen und zwifchen Confonanten findet, 
die, wie muta und liquida, vecht gut zufammengefprochen werden 


der lateinifhen Sprache. 337 


können, und daß auch wir ung zu der Anficht befennen, nach wel- 
her er die Stelle der Ingifchen Copula vertritt und ſonach, an die 
Wurzel angehängt, diefe erft zum Verbum macht. Auf dieſe Art 
erklären fich die Bildungen, wie arclacio, calefacio am leichteften, 
und auch der Imperativ, der feine Perfonalbezeichnung anzunehmen, 
und, was am deutlichften im Hebräiſchen der Fall iſt, den bloßen 
Berbalftamm zu enthalten pflegt, wird auf dieſe Art vollfommen 
far. Man könnte vielleicht annehmen, daß der Bindevokal ein 
Neft des Verbums, welches in der Regel als logiſche Copula dient, 
des Verbums mit der W. as wäre, was wir jedoch, als zu unfe- 
rem Zwecke unnötig, bier nur im Vorübergehen als VBermuthung 
bemerken wollen. 

Sonach fann man für das Yateinifihe die Wurzel mit hinzuge- 
fügtem € als den Verbalſtamm betrachten, und wie wir bisher ge- 
ſehen haben, daß abgelcitete Verba entftehen, indem mit Nominal- 
ftämmen gerade fo verfahren wird, wie bei don ftarfen Verben mit 
den Wurzeln: fo wird man es wenigftens als möglich gelten Taffen, 
daß auch mit dem Verbalſtamm eben fo verfahren werden könne, 
indem verfelbe, obgleich im Kern das Merkmal des Verbs, alfo, 
wenn man will, den Ausdruck der Bewegung pder der Flüffigfeit 
fhon enthaltend, wieder als ftarr geworden behandelt wird und 
deßhalb die charafteriftifchen Verbalzeichen noch einmal annimmt. 

Die Hauptgründe für eine folhe Erklärung der zweiten Con- 
jugation find: 

1) daß Die Form derfelben ſich auf diefe Art vollkommen und 
wie von felbft ergiebt, nämlich mone-o, mon&-is zſgz. mones, 
mone-it 3fg3. monet, mone-imus zſgz. monémus, mone-ilis 
zſgz. monelis, mone-unt (eig. mit dem Sfr, Vocal mone-ant) 
zſgz. monent u. ſ. w. 

2) daß die Verbalwurzel in den meiften Fallen noch vollfom- 
men nachweisbar ijt, indem entweder fehon im Präſens und in ven 
davon abgeleiteten Formen das ftarfe Verbum neben dem fhwachen 
vorhanden iſt (fo cluo, connivo, fervo, fulgo, olo, rido, scalo, 
strido, tergo, tondo, vigo, tuo und luor, cäno, indulgo, re- 
spondo, sorbo, turgo, liquo neben clueo u. f, w., und wiederum 


388 Ueber die ſchwachen Verba 


abnueo, claudeo, congrueo, excelleo, frendeo neben abnuo 
u. ſ. w., f. Ramshorn S. 208) oder das ftarfe Verbum im Perf, 
und Supinum ftatt des ſchwachen eintritt. Namentlich das Teßtere 
iſt ſehr hervorzuheben, und es ift dieß fogar als Negel für vie 
zweite Deelination anzufeben, da evi und elum nur bei vieo, de- 
leo, fleo, oleo, pleo, neo, sueo und fonft nirgends (felbft bei 
den genannten zum Theil nur das eine oder das andere) vorkom— 
men, bei denen man eine W. mit dem Auslaut e oder fonit eine 
Urfache der Ausnahme erkennen fann. ch erinnere dabei an die 
vierte Sanffriteon]., deren Charakteriſtieum fih auch nur auf die 
fog. Spertaltempora d. h. auf Die etwa den fat. DVerbalformen, 
außer Denen vom Perf. u. Sup. abgeleiteten, entfprechenden Bilduns 
gen befchränft. 

Nur einige wenige Beifpiele werden fich finden, wo man von 
einem Adj. auszugehen hat, welches aber alsdann durch Anfesung 
eines e ftatt des adjectivifchen Auslauts fih den Berbalftämmen, 
freilich auf eine unorganifche Art, analog gemacht bat, wie 3. DB. 
clarere. Endlich iſt 

3) auch nicht unerwähnt zu laſſen, daß bei dieſer Annahme 
die Bedeutung der Verben ver 2ten Com. ſich leicht und paſſend 
erffärt. Mean bat fehr oft gefagt (auch Grimm, D. Gr. Il. S. 969 
ſagt es, freilich nur ſehr gelegentiih), daß die lat. Zte Conj. ım 
Segenfas der übrigen Conjugationen intranfitise Bedeutung habe. 
Wir haben uns nun zwar ſchon ım Eingang über die Ungeeignetheit 
nad Unzulänglichfeit einer Unterſcheidung zwiſchen tranfitiven und 
intranf. Verben vom Standpunft der etymologiſchen Forfchung aus— 
geſprochen. Um jedoch eine folche Anficht ganz und gar zurüdzu- 
werfen, wollen wir bier eine Reihe von Verben der 2ten Conj. 
aufzählen, die Jedermann als tranfitiv wird gelten laffen, und de— 
ven Zahl gewiß groß genug ıft, um jene Negel umzufioßen: ar- 
cere., avere (begebren), censere (woneben freilich succen- 
sere), ciere, decere, docere, fateri, [overe, habere, iubere, 
(d»)lere, merere, miscere, miserere, misereri, monere, Mor- 
dere, movere, mulcere, mulgere, nere, (con)nivere, Oportere, 
pigere, (com)plere, poenitere, polliceri, pudere, sorbere, sua- 


der lateiniſchen Spradie. 384 


dere, taedere, tenere, (abs)tergere, terrere, tondere, torquere, 
torrere, tueri, urgere, vegere, videre, viere, vovere. Nimmt 
man bierzu noch die Verben, wie dolere, horrere, lugere, moe- 
rere, pallere, pavere, timere, vereri, welche auch als Tranfitive 
gebraucht werden können, und callere, carere, gaudere , lactere, 
latere, mederi, nocere, pollere, reri, ridere, silere, solere, 
tacere, valere, welche wenigſtens cinen Accuſativ zu fich nehmen 
können: fo werden wenige Verba übrig bleiben, die jener vermeint- 
lichen Regel entiprechen. 

Gewöhnlich ftüst man ſich daber auf die Vergleichung von 
albere, candere,, clarere, liquere, nigrere mit albare, (ac)- 
cendere, clarare, liquare, nigrare. Allein abgefehen tavon, daft 
diefe Beifpiele nicht hinreichen, eine Regel zu begründen, fo bat 
erftens nigrare felbft vorberrfihend intranfitive Bedeutung, und 
zweitens laffen ſich jenen Beiſpielen densere and densare, welche 
beide tranfitive Bed., und misereri und miserari, welche beide in— 
tranfitise Bedeutung haben, entgegenſlellen, vgl. auch dolere und 
dolare, mulcere und mulcare, auf welche jene Unterſcheidung auch 
feine Anwendung fintet. 

Dagegen bewährt fich unfere Erklärung felbft an den Verben, 
welche fait die einzigen find, die nur intranfitiv gebraucht werten, 
namlich an den Verben, welche Farbenbezeichnungen enthalten. 
Wenn nämlich die Wurzel oder das Wurzelverbum , welches wir 
vorausſetzen, einen Zuſtand ausdrückt, fo bezeichnet dann unfer Cau— 
ſativum das zur Erſcheinung bringen dieſes Zuſtandes, und es iſt 
nur eine verſchiedene Darſtellungsweiſe, daß man im Lateiniſchen 
z. B. ſagte: das Weißſein darſtellen oder zur Erſchei— 
nung bringen, ſtatt weiß ſein, obwohl wir ſelbſt im Deutſchen 
dafür auch ſagen können: eine weiße Farbe zeigen. Im He— 
bräiſchen ſagt man ebenfalls 1787, j227 in der Bedeutung 
ESEh sein, werk fein, T. Gefenius, Gramm. $. 52, 2. Anm. 

Eben fo it die cauſative Bedeutang auch in andern Fällen zu 
falfen, obgleich es nicht an Beiſpielen fehlt, wo fie fih auch als 
fastitiv zeigt, z. B. ciere (neben c.re, von W. ci). Beſonders 
bemerienswerth iſt aber, daß ſich nunmehr vie Falle, wo Die zweite 


300 Leber vie fhwarnhen Verba 


Conf. neben einer andern als Nebenform erfcheint, fi) aus ver 
Sache felbft erklären laſſen. Was zunächft die oben angeführten 
Verba albere, clarere, liquere anbetrifft, fo beruht ver Unterfchied 
der Bedeutung darauf, daß bei den entfprechenden Verben der er- 
ften Eon. das Caufativum als Factitivum auftritt, oder mit andern 
Worten zu reden, daß bei ihnen die Wirkung an etwas Anderem 
hervorgebracht wird, während jene fie an dem Subject felbft hervor— 
gebracht bezeichnen, und wir finden, daß das infofern ganz in dem 
Weſen der Sache liegt, als der Verbalſtamm, von welchem vie 
Yestern abgeleitet find, fchon an fich eine Neigung hat, als Prädicat 
zu dem Subiect zu treten, und einen Zuſtand oder eine Handlung 
deffelben zu bezeichnen, während das Adj., von welchem die Verba 
der Iften Con. abgeleitet find, als Attributio fowohl zu dem Sub- 
jert als zu dem Object gefett werden kann. Obwohl wir bier 
noch einmal erinnern müffen, daß das Cine und das Andere ber 
beiden Confugationen nur vorherrſchend, nicht durchgreifende Negel 
it. Was candere und candere anbetrifft, fo ift zu berückſichti— 
aen, daß erfteres nur mit Präpofitionen zuſammengeſetzt erſcheint, 
welche die tranſitive Bedeutung fördern konnten, und daß gerade in 
ſolchen Verben wie leuchten, riechen, wehen, ſchmecken die 
tranf. und intranf. Bedeutung fih fehr nabe liegen. Aber auch der 
Anm. 94 erwähnte Unterfchted zwischen Werben ver 2ten und Iften 
Conj. läßt fih nunmehr tiefer beyrunden. Wenn namlich Döder— 
fein fehr vichtig gefühlt bat, daß z. B. miserert einen innern Zu— 
ftand, miserari eine Aeußerung deffelben (oder genauer: nur das 
Henßere davon) bezeichne: fo bat dieß feinen Grund darin, daß 
miseret eig. heißt: es macht (mich) trauern, miserat aber: 
es maht (mich) zu einem miser, daß alfo erfteres, wenn der 
Stamm das Empfinden ausdrückt, das Hervorbringen der Empfin— 
dung, letzteres aber das Herftellen eines miser. welches etwas rei 
Aeußerliches fein fann, ausdrückt, und da wir unter B gefeben ba- 
ben, daß die vierte Conj. von Abftractis gebildet wird, welche oft 
auch nur ftatt eines Infinitivs des Verbs ftehen, fo Teuchtet ein, 
daß dieſe Erklärung fih auch auf Beiſpiele wie assenliri und 
assenlari, meliri und melari ausdehnen läßt, und einſeitig (d. 6. 


der lateiniſchen Sprache. 391 


ſo daß hier nur die erſte Conj. einwirkt, welche von Nom. ag. 
abgeleitet, gern das äußere Darſtellen, ſofern es nur im Handeln, 
nicht in der Empfindung beſteht, ausdrücken) auch auf aspernari 
und spernere, despicari und despicere. Spermere heißt ver- 
ſchmähen, aspernari fih verfhmähend bemweifen, despi- 
cere, verachten, despicari, ſich verachtend (despicus) be- 
weifen. 

Wenn wir endlich, wie Pott (1. S. 229) mit Necht thut, 
dolere und dolare auf eine W., welche ſchneiden bedeutet, 107) 
zurücführen, fo beißt das, feßtere, ven DOLUS (von dri, d. h. 
das Schneidewerfzeug, vgl. dolo) anwenden, erftsveg 
eig.: Das Schneiden (d. h., wie wir fagen, das Zerſchneiden 
des Herzens) an ſich bervorbringen. Mulcere und mulcare 
beide eig. weich machen (vgl. Anm. 31) find nur durch den Ge— 
brauch aus einander gegangen. 

Nach diefen Bemerkungen werden wir uns bei diefer Conj. 
darauf befchränfen können, die Verba felbft aufzuführen. Nur das 
Perfectum wollen wir der leichtern Ueberſicht wegen bezeichnen, und 
bier und da gelegentlich noch eine Bemerkung hinzufügen: 

acere (acuit, Ulp.), aegrere (unf. Pef. Lucr. IN, 836, ohne 
Perf.), albere (o. P.), algere (alsi), arcere (areui), '08) ar- 
dere (arsi), '09) arere (exarui), [axcere (= aucupare, o. P.d, 
Marc, Cap.], avere (begehren, o. 9), avere (grüßen, nur 
noch ave, aveto, avete), calere (calui), callere (callui), |cal- 


197) Megen dolere vol. Varr. 1. 1. VII, 60: Dividia (oft Bei Plaut.) 
ab dividendo dieta, quod divisio est distractio doloris. » Wlaut. Bacch. ], 
1, 30: animum fodicant, u 0. Wegen dolus, die Liſt, vgl. laut, 
Asin. II, 2, 43: opus est exasciatum, Mil. HI, 5, 64: dolum dolavimus. 


108) Vergl. Anm: 90. DBemerfenswerth it, daß Gato (R. R 134) 
coercere in der Ber. vellbringen gebraucht, welche erflärlich wird, 
wenn arceo ft arcieo fteht. Die gew. Bed. it Daun aus anzichen, zu— 
fammenzieben entitanden, jene aus Herkeibringen. Wie arcco aus 
arcieo, jo jcheint mir auch deleo aus delieo entſtanden zu fein. 


109) Obgleich ardus jt. aridus im Carm. Fr. Arv. wirklich vorkommt, 
fo braucht man Doch nicht von dieſem Adi. auszugeben, da, wie Anm. 106 
bemerkt ift, die Wurzeln felbit jehr häufig Durch ‚ein angehängtes d ermei: 
tert werden. 


399 leber die Shwahen Verba 


vere, o. 9. Plin. @. A], [eandere (candui), canere (canui), 
carere (carui), 1109 cavere (cavi). censere (censui, val. auch 
censor, census, censio, censilus), cevere (NY laut. b. Non. 84, 
cevi, Prob. P. 1482 ohne Bel.), ciere (civi), clarere (elarui), 
claudere (v. ®.), eluere (v9. 9.), excellere (Lie. Mac. b. Diom. 
p. 371, Cie. b. Prise, 833. 806), decere (decuit), densere 
(0. P.), docere (docui) , dolere (dolui),*egere (egui), fateri 
(lassus sum), favere (favi), 1!) fervere (fervi u. ferbui), 
flaccere (Nlaccui), flavere (Virg., v. P.), florere (florui), foe- 
tere (9. 9.), fevere (lovi), fracere (fracui), frendere (frendi), 
frigere Grixi)y, frondere (Brise. p. 768: frondui), fulgere 
(fulsi), gaudere (gavisus sum, u. gavisi, Liv. u. Caſſ. Hem. b. 
Prise. 869), kabere (habui), haerere (haesi), hebere (v. 9.), 
horrere (horrui), humere (v. %.), dacere (iacui), indulgere 
(indulsi), iubere (iussi), lactere (v. 9.), languere (langui), 
latere (latui), lentere (Lucil. b. Brise. p. 800, o. P.), delere 
(delevi), Zibere (libuit), licere (licuit), [allicere u. pollicere, 
Chariſ. p. 217. Diom. pP. 369), liceri Chäufiger polliceri, polli- 
eitus sum), liquere (liqui, licui, liquivi), vere (v. P.), lucere 
(uxi), Zugere (luxi), macere (v. B.), madere (madui), manere 
(mansi, auch minere, Luer. VI, 561), marcere (mareui), meder; 
fv. 9), merere (merui) und mereri (merilus sum), miscere 
(miscui), miserere (miseruit), misereri (miseritus u. miserlus 
sum), moerere (v. W.), monere (monui), mordere (momordi), 
movere (movi), macere (mucui) , mulcere (mulsi), mulgere 
(mulsi, mulxi), zere (mevi), »idere (häufiger renidere, das 
Perf. im Gloſſ. Philox.), nigrere (Bar. Att. b. Non, p. 144, ni- 
grui, Cof.), nitere (milui), connivere (connixi), abnuere (Enn., 
f. Ramshorn, S. 210), nocere (nocui), olere (olui), oportere 


110) Plautus (Cure. I, 2, 46. Poen IV, 1, 4 val. Non. 466) ge 
braucht es mit Acc., und Priscian p. 797) führt aus Caper careor an. 
Ferner gebraucht Plaut. (Most IV, 1, 2) carint, vgl. monerint, Felt. s. v. 
verruncent u. Müller z. d. St, Non. p- 507. Barr. 1. 4. VII, 102. 

111) favere dürfte von bhü, wehen, hauchen, abzuleiten fein, da— 
her auch favilla, favonius. Ennius (b. Eerv. Georg. I, 18) gebraucht es 
in der Bed. wünſchen. Fovere iſt wohl daſſelbe Wort, 


der lateinifben Sprache. 393 


(oportuit), pallere (pallui), parere (parui), pavere (pavi, 
Diom. p. 306), patere (patui), pendere (pependi), pigere (Pi- 
guit), pigrere (Enn, Att. b. Non. p. 219, indeß zw., f. Bothe, 
poett. scen. V. 194), placere (placui), plere (Feſt., häufiger 
complere u. f. w., plevi), poenitere (poenituit), pollere (pol- 
lui), prandere (prandi), [pubere, Claud. Aufon., pubuerit, Ulp.] 
pudere (puduit),, »utere (putui), putrere (Paec. Att. b. Non, 
p. 159. Plaut. Most. I, 2, 67, jedoch zw.), reri (ralus sum), 
ridere (risi), rigere (v. P.), rubere (rubui), salvere (v. $.), 
scatere (o. P.), sedere (sedi), senere (Pac. b. Prise. p. 897 
u. Non. p. 157, senui), sdere (silu), solere (solitus sum), 
sorbere (sorbui , sorpsi), sordere (sordui), splendere (splen- 
dui), spondere (spopondi ı. arch. spepondi), siridere (stridi), 
studere (studui u. b, Fronto Studivi), siupere (stupui), suadere 
(suasi), suere (suevi), labere (labui), facere (tacui), laedere 
(laeduit vd. taesum est), fenere (tenui, auch telinerim, Pac. b. 
Ron, p. 178, tenivi, Chariſ. pP. 220, Divm. p. 363. 364), tepere 
(lepui), Zergere (tersi), terrere (terrui), limere (timui), lon- 
dere (totondi), torpere (torpui), torquere (torsi), tueri (tuitus 
sum), fumere (tumui), turgere (lursi), urgere (ursi), [uvens, 
Stat.,] valere (valui), vegere (v. P.), vereri (veritus sum), 
videre (vidi), viere (o. P., aber vietum), vigere (vigui), virere 
(9. 9), vovere (vovi). 

Bemerfenswerth iſt, daß zu diefer Conjugation die mit facio 
gebilveten Zuſammenſetzungen, über deren Bildung durch Anhängung 
von facio an den Verbalftamm oben gefprochen worden ift, fich 
fehr zahfreich vorfinden. 

Noch zahlreicher find die fog. Inchoativa auf esco, die, wie 
man fiebt, mit großer Freiheit neu gebifvet werden, daher fich un— 
ter ihnen fehr viele befinden, die erft in fpäter Zeit entftanden find. 
Gerade bei ihnen ift der oben erwähnte Fall fehr haufig, daß Ad— 
jeetiven als Verbalſtämme behandelt werden, indeß bilden fie, wenn 
das Primitivum nicht vorhanden ft, Fein Perfeetum, und es iſt 
dieß ein Grund mehr, die in den Yericis bei ihnen gewöhnlich auf- 
geführten Perfecta, welche der Korn nach zu dem Primitivum ge- 


394 lleber die ſchwachen Berba 


hören, in jeder Beziehung zu diefem zu rechnen. Es geht dieß um 
fo mehr an, da, wie ſchon mehrfach bemerft worden ift, die Cau— 
fativa ohnehin zu der inchoativen Bedeutung hinneigen, Wir haben 
deßhalb in dem obigen Verzeichniß fchon in einigen Fällen beim 
Primitivum das Perfeetum aufgeführt, wo es in den Lexicis mur 
beim Inchoativum genannt wird. 

Mit Anwendung diefes Grundfates können wir nun aber das 
obige Verzeichniß noch um einige Verba vermehren, von denen fich 
das Präfens nur als Inchoativum findet, während das Perfectum 
vom Primitivum noch erhalten iſt. Diefe find: alere und olere, 
wacfen (wegen coalui u. exolevi, auch führt Prise, p. 872 
exoleo an; über die andern Compoſita, bei denen man theilweife 
zweifelhaft ſein ann, ob fie zu unferm oleo oder zu oleo, riechen, 
gehören, ſ. Struve, a. a, D. ©. 269), crebere (wegen. erebui, 
Stamm: erebe, wovon creber und hiervon crebresco, wozu 
erebui gew. gerechnet wird, vgl. pulresco u. puleo, putui), crere 
(wegen crevi von cresco), durere (wegen durui von duresco, 
moneben Prise. pP. 800 u. 837 dureo, freilich ohne Beleg, wirk- 
lich anführt), maturere (wegen maturui), mutere (wegen obmu- 
tui und immului), notere (wegen nolui und innolui), quiere 
(wegen quievi), sanere (wegen consanuisse), vanere (wegen 
evanut). 

Dieß find die einzigen Beifpiele, wo das Primitivum nicht 
vorhanden tft, und wo gleichwohl das Perfectum des Inchoativums 
fich zu finden fcheint. Da ihre Zahl aber verhältnißmäßig To ge- 
ring tft, fo wird man es angemeffener finden, bei ihnen das Pri— 
mitivum worauszufesen, und fonft die oben angeführte Negel über 
die Inchoativen gelten zu laſſen. 

In einigen Beifpielen find die Inchoativa auf Iscere gebildet. 
Die ſcheint derſelbe Fall zu fein, wie wenn fich neben den ſchwa— 
hen Formen die ftarfen finden. Sp Naceiscere, luciscere, pu- 
tiscere, welches letztere jedoch zweifelhaft ıft. 

Sch fchließe hiermit diefe Abhandlung und erlaube mir nur 
noch eine Bemerkung hinzuzufügen. 

Der geneigte Leſer wird im Einzelnen obne Zweifel Manches 


der lateiniſchen Syrade. 305 


gefunden haben, was er nicht billigen kann. Hierbei möge er abır 
bevenfen, daß dadurch die Grundanficht, um deren Durchführung 
es mir zu thun gewefen tft, nicht erfchüttert werden fan, Die 
Sprachgefeße werden fich bei einer Sprache, deren Denkmäler meift 
aus einer Zeit ftammen, die von den Urfprüngen der Sprache durch 
einen ſehr weiten Zwifchenraum getrennt ıft, nie ohne Ausnahme 
geltend machen laſſen, da die Analogie fehr oft über die Grenzen 
der urfprünglichen Negel hinausgreift, und obgleich in Nom das 
Sprachgefühl zur Zeit des Cicero noch nicht erlofchen war, fo war 
es doc) feineswegs fo ficher, daß es folhe Mißgriffe hätte verhüten 
fönnen. 

Sieben aber die Hauptrefultate feft, fo werben dieſe noch 
manche weitere Schlüffe erlauben, die wir jest zurückhalten Nas 
mentlic werden dadurch auch die wichtigen Sätze, die wir in der 
Einfeitung vorausgefchieft haben, eine weitere Beftätigung erhalten. 


E. Peter. 


Ueber die Kritif im Theognis. 
(Schluß.) 


ee —————— 


Welcher Zeit die Sammlung in ihrer gegenwärtigen Geſtalt 
ihre Entſtehung verdankt, wer möchte dies mit Sicherheit beſtim— 
men? Auf keinen Fall aber kann ich Welcker beipflichten, obwohl 
ihm Schneidewin und Andere gefolgt ſind, wenn er S. CX behaup— 
tet, Stobäus habe den Theognis vollſtändiger und in urſprüngliche— 
ver Geftalt vor fich gehabt, als wir ihn befigen; ich glaube im 
Gegentheil, daß Stobius nichts anders, als eben unfere Sammlung 
benußt bat. Die Abweichungen der Pesart, wie wir fie bei Sto- 
bäus finden, find durchaus nicht von Belang; fie find nicht eben 
häufiger und beveutender als bei den meiſten andern Schriftitellern, 
welche Stobaus benust hat; dazu Fommt noch, daß die Varianten 
ber Stobaus im Allgemeinen feineswegs beffer find, als die Les— 
arten unſrer Handfchriften. Stobäus citirt allerdings einige Diſti— 
cha, die fich in unfern Handichriften nicht finden ; allein’ wie nabe 
lag es, daß bei dem Mangel alles Zufammenhanges in unferer 
Sammlung, wo eine Lücke kaum bemerflih wird, einzelne Difticha 
ausfallen konnten; find Doch auch die noch jest erhaltenen Hand— 
fohriften nicht ohne Lücken. Dies gilt befonders von Venetus 2 (N); 
fo fehlt das Diſtichon v. 1081. 1082 in CG, 1155. 1156 in 
CL u ſ. f. Warum wollen wir uns alſo wundern, daß v. 1157. 
1158 in allen Handfchriften fehlen, und nur bei Stobäus ſtehen, 
zumal da unfere Codiees felbjt Lücken haben, die allen Gedanken» 
zuſammenhang ftören, wie ich weiter unten nachweifen werde. End— 
lich, was die verſchiedene Aufeinanderfolge der Diſticha bei Stobäus 
betrifft, fo it diefe won gar feinem Belang, da ja in dieſer Bezie— 
bung unfere Handfchriften fo bedeutend von einander abweichen; 


Ueber die Kritik im Theognis. 397 


auch werde ich gleich nachher auf diefen Punft zurückkommen. Alfe 
diefe Abweichungen alfo, welche Welder für feine Anficht geltend 
macht, beweifen nur, daß die Handfchrift, welche Stobäus benugte, 
wie fich leicht erwarten läßt, eine andere war, als die, deren Ab- 
fehriften ung gegenwärtig vorliegen. Daß aber Stobäus die Samm— 
lung des Theognis im Ganzen in derfelben Verfaſſung fannte, wie 
wir fie befisen, gebt ganz Mar aus dem Umftande hervor, welchen 
Welcker nicht beachtet hat, daß Stobäus die Bruchftüce anderer 
Elegifer, die in unferer Sammlung unter dem Namen des Theognis 
erfcheinen, ebenfalls als Verſe des Theognis anführt, und zwar ganz 
in der Ueberarbeitung, die fie von dem Epitomator des Theognis 
erlitten haben. So führt er z. B. I. 16 unter dem Lemma Oeo- 
yvıdoz v. 315— 318 unfrer Sammlung an, ganz fo wie fie in un- 
feren Handfchriften fich finden, nur daß er v. 915 ft. zo uEv 
bat, eine ganz unerheblihe Variante. Diefe Berfe gehören aber 
den Solon, f. Fr. XVI, und zwar finden wir dort folgende Va— 
vianten, v. I yao nAovrevor ft. zo nAovroVot — V. 2 avroig 
ft. rovrors. — v. 3 Eorıv ft. are. — Kerner OXI. 16 führt Sto- 
baus an Osoyvedog- naolv znı zivdvvog zrA. v. 585—590 un- 
ferer Sammlung, Berfe, die dem Solon angehören All. v..65— 
70, ganz in der Faſſung, die fie vom Bearbeiter des Theognis er= 
hielten, nur hat Stobäus v. 586 no2 wie die fihlechtern Hdſchr. 
des Theognis, nicht an; ferner v. 589 zarov ft. zaAas, morovrıs 
fi. noıvrrı , zara ft. neoe und v. 590 ayadorv ft. ayasın, 
was eben feine Verbefferungen fondern offenbare Verfchlechterungen 
find, aber treulih hat er alle Veränderungen, die der Epitomator 
sornahm, ebenfalls wiederholt, wie v. 587 zvdozıueiv fl. ed &o- 
dev und anderes, worüber ich oben gefprochen habe, ja felbft die 
Fehler der vulgären Sammlung bat er getveulich aufgenommen, 
wie v. 589 das widerfinnige zaAog ft. xazas, was bei Solon 
fteht, nur daß im Stobäus nicht zaAog fondern zarov zu leſen ift, 
offenbar nur eine Variante der Abfchreiber. Und doch bat nur 
Stobäus felbft IX. 25 die vollftändige Elegie des Solon, aus der 
jenes Bruchſtück unter die Theognidea gelangte, in feiner urfprüng- 
lihen Reinheit erhalten. Stobäus fehrich alſo offenbar Die voll— 


398 Ueber die Ariıtil 


ftändige Clegie des Solon aus irgend einer älteren Duelle ab 
(denn eine Sammlung der Soloniſchen Gedichte hatte er gewiß 
nicht), die Theognidea aber befaß er ganz in derfelben Form, wie 
wir fie Tefen. — Kerner ACVI. 7 führt er aus Thengnis an 
v. 719 — 724 unferer Sammlung, die aber ebenfalls dem Solon 
ugehören Fr. XV., zwar mit einigen Abweichungen vom Terte un- 
ferer Handfchriften, fo v. 719 80016, Theognis orw, v. 721 ade 
navra, Thevgnis ra deovra, 722 rov 0’, Theognis zw. Aber 
dieß find unwefentliche Varianten, im Wefentlichen ſtimmt er mit 
ver Tertesrerenfion des Epitomators, nicht mit Solon überein, fo 
eben v. 721 ade narra (TIheognis za deovra), Solon richtig 
uva Tavıa, v. 122 nkevgais mit Theognis, dagegen nAevon 
Solon, v. 723 Orav de xe rwr Ö’ (Theognis or) apiznrat 
wor ovv Ö’ HPn yıyveraı aouodıia (Th. aguodıoz oder Kyuo=- 
dto9), dagegen Solon Eanv zal Tavı’ ayırnraı 707, our d’ won 
yiveraı aouovia. — Ferner CHI. 8 leſen wir Oeoyrıdos Kar- 
kıorov TO Ödızudrarov, daorov Ö’ vyınırev, ndıorov dE Tuy£Elv 
a» rıs Exaorog 29. Diefe Verfe ftehen in unferer Sammlung 255. 
256 freifih in etwas veränderter Faſſung: 2. zo d. Aorov Ö' 
y. nonyua d& TEonVoTatov 100 Tıg Ego Tuyeiv. So habe 
ich Die ſchwankende Lesart der Hdfchr. Eoazo (A) und E04 To, was 
beides unrichtig iſt, verbeſſert. Nun gehört aber dieß Diſtichon kei— 
neswegs dem Theognis, fondern war eine alte Tempelinſchrift, wie 
das yrodı oavrov und Aehnliches, unbefannten Urfprungs, die als 
Gnome den Weg in unfere Sammlung fand; man ſehe Ariſtot. 
Eth. Nicom. I. 8: @010T0ov Goa xal Hdıorov 7 EVdasuovia‘ 
za ov Jıwororar Tavra zara ro Ankıaxov Eniyoauna Kak- 
kıorov zü dıxauorarov, Aworov d’ Öyıalveıv , ndıorov ÖdE nE- 
poy', ob tig &0&, To zuyeiv, was fih mehr der Faffung nähert, 
die wir in unferer Sammlung finden. Pur haben auch dort viele 
Hdſchr. Fouraı oder Egaraı Tuyeir, andere Egdı Tuzeiv, dage- 
gen einige 7Jdıorov dE zuyeiv ov rı5 Exaorog &oR, was wieder 
faft ganz mit der Lesart des Stobäus übereinftimmt In Ariftote- 
(es ſelbſt Eth. Eudem. 1. 1: O wer ev Anm naga zw Je rıv 


wbroV Yyrounv dnopnvausvos OvvEypuwyer Ei TO ngonVhaıov 


im Theognis. 399 


100 Antwov, dıelov Ody ündoyorra navın TO avıW, To TE 
dyasov za zo zaA0v zu To ndv, normoag: x. 70 d. A. d’ vy. 
narıov ö' Hdıorov, od Tıg &0@ Tuyelv vder Eoaraı (Eoüraı), 
zuyeiv. In folchen Sprüchen, die im Munde des Bolfes lebten, 
iſt die Form eine wandelbare, und auf die Varianten bei Stobäus 
iſt kein Gewicht zu legen, aber wohl darauf, daß er dieſe Gnome 
aus Theognis citirt, 

Aber nicht nur diefer Umftand, daß Stobius aus Theognis 
eitivt was ihm gehört und nicht gehört, zeugt dafür, daß er micht 
den vollftändigen, echten Theognis, fondern nur cine Compilation 
ganz beterogener Bruchſtücke befaß, fondern vor Allen auch die Rei— 
henfolge, in welcher Stobäus diefe Stellen aus Theognis anführt, 
beweift, daß jene Compilation ganz fo georduet oder vielmehr un- 
geordnet war, wie die unſrige. Sp führt Stobäus AV. 14. 15. 
16. 17 sier längere Bruchftücfe aus Theognis an, die in unferer 
Sammlung ganz in derfelben Ordnung, obwohl fie fehr verſchiede— 
nen Urfprungs find, auf einander folgen. Nr. 14 enthält v. 480 
—486. Hier briht Stobäus ab, und läßt v. 487—496 weg, 
weil diefe Berfe nicht fowohl Gnomen enthalten, fondern zum Theil 
deferiptiven Inhalts find, dabei exrcerpirt Stobaus fo unverjtändig, 
daß er mit einem in ver Luft ſchwebenden 7 fihließt, worauf fich 
v. 487 7 nagsov un nive bezieht, was Stobäus wegließ. Nr. 15 
enthält dann weiter 497. 498. Nr. 16. 499-502. Nr. 17. 503 
—508. — So citirt ferner Stobäus Eentenzen, die in gar kei— 
nem engern Zufammenhange ftehen, und im echten Theognis gewiß 
in ganz anderer Verbindung ſich fanden, als ein zufammenhängen- 
des Ganze, offenbar nur deshalb, weil fie in feiner Sammlung, 
gerade wie in unferer neben einander ftanden, 3. B. XCVIL 15: 
Osoyvıdog 

nohA” Ev auınyavinoı zuAlvdouaı ayvvusvog #70, 

"axonv yao nevinv 0UX ünegedouuouer. 
nüs Tıs nAoVotov Avdoa tie, arızsı dE nevız000, 
nüoıw Öd’ avdownoıg avrog Eveorı v00g. *) 


*) Stobäus citirt diefe Verſe auch ganz in der fehlerhaften Faffung, 
tie fie in unjern Hdſchr. ſtehen. Das erſte Diſtichon wiederholen unfere 


400 Ueber die Rritit 


Ebenſo ftehen diefe beiden Gnomen hintereinander v. 619— 622 
unferer Sammlung. Ferner CH, 14: Oeoyrıdoz- 

Ein woı nAovrevvri zuxov anutegsE eguuvov 

Coeıv aßrkapewg yumdEv Eyoyrı zuxov, 
0Ux Egaumı nAhovrelv 0V0’ euyouaı, alka uoı &in 
Inv dno av Oklywv umdev Eyoyrı zaxov. 
Zwei Sentenzen, die wahrhaftig im echten Theognis fo nicht wer: 
bunden fein konnten; aber in unferer Comptlation ftehen fie aus 
leicht begreiflihen Gründen neben einander, v. 1153-1156, — 
Ferner XCVII, 10: Oeoyvıdos- 
Ov TE ye un nevins IvuopI6ow od uekedarvn, 
ovd’ urdowv EyI0WV, 08 uE A&yovoı zaxr@g. 
arh HBnv Eoatnv Okopvgonat, zu Enıkeinet, 
zhalo 0 woyakkov y79aG Eneoyouevov. 

Huch Diefe beiden Gnomen ftehen in unferer Sammlung neben 
einander B, 1129—1150, nur der erfte Vers in den Bulgär— 
Handfchriften richtiger: zi ntouat, neving — usredarvo, in den 
befferen Handfchr. noch beffer: euntoun, — usredarvov. tor 
bäus aber, der wahrfcheinfich den Anfang, der auch im End. K ver- 
ſchrieben iſt, nicht leſen Fonnte, fubftiturt nun aus Conjeetur dag 
nichtswürdige 0v TE ye um», wodurch der Hauptgedanfe ganz ver- 
wicht ward. 

Zwer Stellen find es, wo allerdings bei Stobäus eine andere 
Anordnung der Verſe ftatt findet, wenn diefe Anprdnung nur um 
irgend etwas vernünftiger wäre. Stob. ACH. 2 führt den Anfang 
eines längeren Bruchſtücks v. 699—702 an, läßt aber die ganze 
weitere poetische Explication, als für feinen Zweck ungehörig, weg, 
v. 7053—717, ebenſo den Schluß ver Elegie v. 718. 719, fügt 
dagegen v. 525. 526 und zwar folgendermaßen corrumpirt; 


Hofchr., wenige, die befferen (AKO) mit noch drei anderen nah v. 1114, 
und hier hat jich, wie häufig am Ende der Compilation, wenn eine Stelle 
nochmals mitgetheilt wird, Das Urjprünglichere erhalten: MOMd Ö duy- 
zevinoı zukivdoucı, dyviusvos 270, doyyv yaog nevins oly 
viregedgeuouer, letzteres habe ich mit geringer Aenderung in «zen» 
yag zeyins verbeſſert. 


im Theognis. 401 


Kat yao roı nAnvrov uiv Eysıv ayadoioıw Edwrer, 
n nern dE 00PW OUVUL@Y000» avrdgı peozır: 
ft. 2oızev — zaxı) ovupogos, hinzu, die auch nicht im geringften 
zu dem vorigen Thema paffen, am wenigften fo, wie es verkürzt 
bei Stobäus vorliegt. Dieß Diftichon erfcheint aber in unfrer Syl- 
loge verbunden mit V. 523. 524: 
O 08 uaryv, @ nAoüre, Booror riuwoı Malıore * 
n yao önldiwg Tiv zaxdınra pEgzıc. 
Dies iſi wohl der Anfang einer Eleyie, zu der unter andern auch 
V. 1117. 1118 gehören may, fo wie vielleicht noch Anderes; dieſe 
Elegie fohloß nun der Dichter mit den Worten, daß wegen biefer 
Macht des Reichthums nur der Gute eigentlich veich fein folle, 
xal yag Toı mAo0Tov uiv Eye ayadoloıy Eoıxev zu. fo daß 
alſo in unfrer Sammlung beide Diftiha mit Recht verbunden find. 
Und fo hatte fie auch Stobäus abgefchrieben. Denn unmittelbar 
sorher Nr. 1 eitirt er eben V. 523. 5245 es find alfo offenbar 
nur durch Irrthum der Abfchreiber V. 525. 596 zu Nr. 2, D. 4. 
zu 3. 699— 702 gerathen. ine ähnliche Verwirrung ift vorge 
gangen XCVI, 14: Osoyrıdos: (V. 649—652. 177. 178.) 
A dein nevin, vi Ewois Enızsiusvn wuoıg 
OOu@ xurmloyvveig zal v00V Nuftegov; 
aloyou dE u oVx EIElovra Pin zaxa nolra didaozeıg 
EIG ner’ IOWnWwV zul zuA’ Entotausvor 
näs yao avno nevin dedumusvog orte Tı &ineiv 
07 Eokaı Övvaraı, yAvooa dE ol dederaı. 
15: Ozoyvıdos‘ (B. 155-158. 179. 180.) 
Mn note yoı nevinv IuuogYdogov avdoı yaleydeig 
und’ ayonuoovvnv, Kvove, xaxıv noögege. 
Zeug yao Toı TO Talavrov Enıboenziı aAhote alkog, 
ahlore uiv nAovreiv, ahAhore undev Eyeıv. 
197 $ dei zara yıjv re zal eVoeu vora Ialucong 
dıleodaı yarenyg, Kovore, Avoıv nern. 
16: Osoyrıdos (B. 175. 176.) 
Xon nevinv gevyorra zul EG EyaxıTEew nüvrov 
dinzeiv zul neroeor, Kugve, zur’ nlıßarwr. 


Muſ. f. Philolog. N, F. IL. 26 


402 Ueber die Rritit 


Hier erfcheinen allevvings die drei Diſticha 8. 175. 176, 177.178, 
179. 150, die in unfern Ausgaben auf einander folgen, ganz anders 
vertheiltz aber ich glaube, wir haben auch bier nur wieder es mit 
einer Confuſion der Abfchreiber zu thun, welche die allerdings nicht 
eben ſehr eng zuſammenhängenden Gnomen durch andere Vertheilung 
beſſer zu ordnen ſuchten; Stobäus ließ gewiß in Nr. 16 auch die 
beiden andern Diſticha, die jest Nr. 14 und; 15 ganz unpaſſend 
angehängt find, folgen: zon neviny pevyoyra — nas yag avno 
nevin — 204 0’ ası zara ypr —. Im Uebrigen fcheint allerdings 
die Yesart des Stobäus yo7 nevinv pevyorra die richtige zu 
fein, wie auch Plutarch adv. stoic. 22, de stoic. rep. ec. 19, 
Schol. Thueyd. 1. 43 u. a. den Vers eitiren; in unfrer Sylloge 
ft nr dn zon geſchrirben, um dieß Diftichon einigermaßen mit 
dem vorhergehenden zu verbinden; auh mas yap avyo kei 
Stobius ziehe ich der Lesart unfrer Hofchr. zw! yao avyo vor, 
und es wird dieß durch Lucian de merc. cond. c. 5 beftätigt. 
Daß Stobäus das Beſſere bietet, iſt übrigens im Allgemeinen ein 
ſehr jeltener Fall. 

Denn mit der vermeintlichen Trefflichfeit der Pesarten ber 
Stobäus ſieht es gar bedenklich aus, z. B. V. 409: 

Ovdeva Iyoavgov zarasyjon narsiv aueivo 

aldovg, nr «yaYols avdgaoı, Kvov’, Enerar. 

Stobius XXXI. 16 hat zurasyosaı Erdov ausiıvo aldoüg, nv 
ayuadols dvdgaoı, Kvove, didwz, Theognis ſpricht von der Ach— 
tung, die dem Guten ſelbſt nach dem Tode bleibt, und dieß ſei der 
beſte Schatz, den ein Vater ſeinen Kindern hinterläßt. Dieß iſt 
bei Stobäus ganz verkehrt, und in die Achtung verwandelt, die 
einer den Guten erweiſt, die dann als Schatz bezeichnet wird; wo 
mir «do dıdovar ein ſehr problematiſcher Ausdruck zu fein ſcheint. 
Der Theognis findet fih noch ein ganz verſchiedener Gedanfe, aber 
wie öfter zu gefiheben pflegt in ähnlicher Form, V. 1161: ovder« 
Inoavgov zaradnosır namoiv wusıvov* altovow d’ ayadolz 
avdgası, Kvovs, didov, wo alſo Theognis empfiehlt, feine Schätze 
zu ſammeln, ſondern ſein Gut den Armen und Hülfeſuchenden zu 
geben; das hat ſcheinbar mehr Aehnlichkeit mit den Lesarten bei 


im Theognis. 403 


Stobaus, wo jedoch ardovg ſchon deshalb das Richtige fein muß, 
weil er die Stelle im Capitel, was von der «dns handelt, citirt. 
In der Lesart bei Theognis iſt freilich das Medium zuradyon 
(AKO xurasyosı) naiv ausdvo anſtößig, dennoch möchte ich 
dag übrigens tadellofe zaradnosuı Erdor nicht vorziehen, fondern 
ich eorrigire zarasnoeıg natoıv ausıro, wie V. 1161, wo 
AO naıoıv zaradnosır ausırov Iefen, wie aus Erinnerung an 
diefe Stelle ; außerdem vergl. B. 276: yonuara d’ el zaradng 
nol) avınoa nudwv. — V. 639: 
Tloihuzı nuo duSa» te zul Ehnida yiveraı ev gelv 
Eoy’ ardom», Boving d’ oVx En£yerto TEing. 

Stobäus CXI. 15. Boviaiz Ö’ or“ Eneoev TO Terog, was auf 
feinen Fall vorzuziehen it, denn fchon der Artikel bei rerog iſt 
anftößig, vol. V. 164: 1&%0g Ö’ Euyuaoıy o0y Enerur, B. 136: 
oVdE Tıg ardoanwv Eoyuleraı Ev gosoiv dag Es Teing eilt’ 
ayadov ylrsaı eiıe zazov, Solon Al. v. 58: arr0ı Jlarvog 
noAvpaguuzov Eoyo» Eyoıres Intyol" zul Tolg oVdiv Eneorı 
tehog, und ſo öfter in ähnlichen Wendungen, daher offenbar die 
Lesart unferer Hdoſchr. den Vorzug verdient. Den offenbaren Feh— 
ler eugelv hat übrigens auch Etobäus ganz getreulich abgefchrieben, 
ich habe ev 6elv werbeffert, wie bei Aeſchylus Pers. v. 607: örav 
0’ 6 darum» zvoo7 und Salluſt. Jugurtha c. 4: „Rebus su- 
pra volum fluentibus.“ Uebrigens enthielt vielleicht der zweite 
Theil des Diftichons nicht einen entgegengefesten Gedanken, fondern 
die Fortſetzung des früheren, fo daß man vermuthen fünnte: Bov- 
Ans 0’ oz Eneysvro tekog. — 3. 183—186 führt Stobäus 
LXX. 9 aus feiner Handfehrift an: Kurug uv dn vor dılzus- 
9a, Kiove, zul Innovs ei yer&ag — yv ol yoruara noAlc 
pEon für zoıwug uv zul vr0ug — 7v vi yoruara nolla di- 
do. Das find Verfe, die faft um nichts beffer find, als die des 
Pſeudophocylides in einer ganz ähnlichen, dem Theognis nachgebif- 
neten Stelle V. 187 ver gewöhnlichen Ausgaben (B. 199 m. A): 
Mn: yvvalza xzarıv orzoıcıv ooloıy aysodar, Aaroeicıv d’ 
akoyw Avyons zyagıy elrezm PEovns. Innovg zuyengag dile- 
a1 udv zara 0l%on, Taigovg d’ dıyırevortas, aray oxvhuzav 


404 Ueber die Kritik 


navayolovg, ynumı d’ oVx aya9nv Eoıdaryousv apooveorres‘ 
oVdE yvon #axov avdo' anavalveraı apveov Ovı@, die großen- 
theils durch Hülfe meiner Handfhriften eine ganz andere Geftalt 
gewonnen haben: 
Mnd: yvvalza zarnv noAvyonuarov 0olz2a0’ ayzodaı 
Aarosvosız d’ aköym Avyong yagıy zivexza peovnS. 
innovg zuyev&ag dılnusda yeınoürag TE 
TaVEOVG Üyırevovrag, drug OxVAuxWv TAVYKOLOTOV 
a 
wo die Conjeetur yeıaooras für yeınponas im Cod. Vind. I wohl 
vollkommen ficher ift, vgl. Tibull I. 10. 46: „Duxit aratores sub 
inga panda boves.* Wert richtiger dagegen führt derjelbe Sto- 
baus diefe Stelle an LAXXVIN. 14, wo er aus Kenophon V. 183 
— 190 mittheilt, wo Die Pesarten mehr mit unfern beffern Hdſchr. 
übereinftimmen, fo V. 186 dıdo, DB. 187 ovdE yvrn, wie AO, 
während fonft ovdeur« ganz falſch gelefen ward, B. 140 nAovzog, 
wie A, während fonft nAovrov daftand. Außerdem bat freilich 
Xenophon V. 185 zrjoaodaı ft. Brosodar, V. 186 7» rıs ft. 
7» 01, wielleicht richtig, jedenfalls aber iſt B. 180. die Lesart des 
Kenophon yao für wer vorzuziehen. Wir fehen nun auch aus diefer 
Stelle des Kenophon, daß V. 189. 190 im echten Theognis unmit- 
telbar mit dem Vorhergehenden zufammenhiengen, (während unfere 
Ausgaben und Handichriften, ſoweit fie überhaupt die einzelnen 
Gnomen fondern, dieß Diftihon mit dem folgenden verbinden) und 
den Anfang der erften Clegie bildeten: 
Kovg usv zal ovovs dılmusde, Kiove, zal Innovs 
suyeväug, zal Tıg Povkeroı &5 ayadov 
Bn0809aı, yyuaı ÖE zurnv zurod 0V uehedalver 
E0IA0G dvng, nv vi yoruara nolka dıdw. 
oVdE yvv7 xaxov avdoog aralverar elvar axorıg 
nkovolov, @AA apreov Bovksraı avı ayasoV, 
Y9Hjuara yao Tıu@oı, zul Ex 204200 EoFAog Eynuev 
zal xar0og &5 ayadod* nAovrog &uuse yErog. 
Dann mag der Dichter einen fpeciellen Fall dieſer Art ausführlicher 
beiprochen haben, worauf fih noch V. 193—196 bezieht: 


im Thevgnis. 405 


AvTog roı ravınv &ilwg zaxunargtr Eovour 
eig 0iXovg ayeraı yonuaoı neıFowerog 
sudoSov xax000£0» , Enel x0aTE0n wıv avayıan 
&rrvst, nr’ avdoög rAnuova Inze voor. 
und fehloß dann mit den Worten V. 191. 192: 
oSto un Iavuabe yevog, Ilorvnaidn, dorwr 
umvoovodut‘ ovv yao wioyerar EOIkam xar08g. 
Dagegen gehört B. 1109 ff. zu einer ganz andern Elegie, wo die— 
fer Gedanfe nur im Vorbeigehen berührt war; wir haben nämlich 
wiederum wie fo oft die Trümmer einer Elegie an ganz verfchiede- 
nen Orten zerftreut, V. 53—60 und V. 1109-1114, gleichſam 
in doppelter Necenfion, und zwar fo, daß uns Anfang und Ende 
erhalten ift, etwa folgendermaßen : 
Kvove, nolıg uiv &9° nde nörıg, Aaoı de dn ahkor 
ol n0008° ovre dixus nleouv OUTE vouovg, 
EN aupi nAevonoı dogag alyav zarsrgıfov, 
Em d’ wor’ Ehapoı ygd’ Ev&uovro nolevg — 
Hier fehlt nun der Nachfas, denn das Nelativum or gehört nicht 
etwa zu dem vorausgegangenen Aaol, wie dieß in unfern Ausga- 
ben gefchiebt und gefchehen muß; darauf der Schluß: 
zal vov &10’ ayayor, IloAvnaidn: ol de nolv E0910L 
vov deıhol- Tig zEv Tavr wreyoıı’ £000WV, 
1005 ayadovg uEv arıuoırEgovg, xaxloug ÖdE Auyorıaz 
Tıung; urnotsveı Ü’ Ex xuxo0 EOIL0G avro, 
ahhnkovg Ü’ unarwvreg En’ akknkorwı yerhwoıy 
oVT' ayadwv yvitumv eidoreg vV1E zuxwr. 
Wie gewöhnlich fo hat auch bier ein zweiter Bearbeiter am Ende der 
Compilation Einiges eingefügt, was der erfte Diaffenaft fchon im 
Anfange der Sammlung, aber nur im Auszuge, mitgetheilt hatte. 
Ein Bruchſtück diefer Elegie iſt vielleicht auch V. 289 ff. Dieje 
Elegie ſteht übrigens offenbar in einer gewiſſen Wechſelbeziehung 
zu einer andern, V. 39: 
Kvove, zusı nökıg de, dedoıza de un ıean avdon 
EU —— 


’ \ x x v er ’ c ’ * 
0101 Ev yag EI olds VMOWgoVsG, nysuoveg de 


406 Neber die Rritit 


Tergaparaı noAlnv ES zax0Tnta neoelv. AT). 
Sp dirjte demnach bei der Wievderherftellung des Textes im Gans 
zen auf Stobäus eben Fein großes Gewicht zu legen fein, und ich 
möchte felbft in Stellen, wo ich ihm gefolgt bin, wieder zur ge— 
wöhnlichen Lesart zurückehren: fo habe ih ®. 131 mit Stobäus 
geſchrieben: 

Order Er ardgmnoıoı naTodg zul untoög ausıyov 

enred, bonus öorn, Kigve, ueun)e dir. 
Unfere Hdſchr. alle leſen o15; ich glaube ganz richtig haben vie äl— 
teren Auszaben, wenn fhon aus Conjectur, Enkero, rolg. — 
B.605, wo unfere Sammlung Left: 

mohhı Tor nhEovag kıuod 20005 wAeoev ndn 

ardous, 6001 wolons nhelov Eysıy EIehon, 
mit Stobäus XVIII. 10 nAerovg um) nAeDV’ &IEhovow &yew; da 
nun auch Cod. A zrEor hat, fo vermuthete ih, da nAelv &98E- 
Aovorv Eye zu fchreiben fer, indeß ich will eben fein fonderliches 
Gewicht darauf Legen. Nur V. 651 ift allerdings aus Stobäus 
ACVI. 14 ayoa zaxa nolka ft. wlozoa zul nol)la zu 
fihreiben, wie fchon der folgende Vers zeigt: E0IAa wer’ aıdoa- 
nov zul zah” Eniotausvor. 

Stobäus alſo, dieß glaube ich Deutlich bewieſen zu haben, fennt 
nur unſere Compilation, nicht etwa den vollftäandigen, echten Theo— 
gnis; das Alter der vorliegenden Sammlung iſt alfo viel weiter 
hinauf zu rücken, als Welcker annimmt; freifich dürfte es ſchwer 
fein, mit Sicherheit die Zeit der Entftehung anzugeben: Sch glaube 
etwa im erften Jahrhundert nach Chriſti Geburt oder im Anfange 
des zweiten iſt unfere Sylloge entftanden: Athenäus wenigfteng 
fiheint nur unfere Sammlung zu fennen, was ich ein andermal ge- 
nauer zu beweifen gedenfe. Neben diefer Epitome mag fih immerhin 
der vollftändige Theognis noch eine Zeit fang erhalten haben, ja er 
iſt Sogar ſehr wahrfcheinfih son fpäteren Diaffeuaften zur Vervoll- 
ftändigung der Gnomenſammlung benutzt worden, gerietb aber na— 
türlich im Laufe der Zeit ganz in Vergeffenheit. Ich babe übrigens 
in dieſem Aufſatze die äußerſt fehwierige Unterfuchung über die 
Theognidea Feineswegs zum Abſchluß zu bringen vermeint, vielmebr 


im Theognis. 407 


wollte ich nur einige Fragen, die man vielleicht Schon für genügend 
beantwortet hielt, wieder anregen, einige Bedenken und Zweifel 
geltend machen, hie und da einen Heinen Beitrag zur Löſung diefes 
Problemes beifteuern. 

Doch verfaffen wir diefe unficheren Bermuthungen, und lenken 
wir auf das befcheidene Gebiet der diplomatischen Aritif wieder ein. 
Denn die Gedichte in ihrer urfprünglichen Geftaft wieder herzuftel- 
fen, die einzelnen Elegieen auf die wahren Verfaſſer zurüdzuführen, 
das erfcheint bei der unglaublichen Zerftörung, in der ung Diele 
Bruchftücfe überliefert find, wie ich fo eben an einigen Beripielen 
nachgeroiefen habe, als ein eiteles Beginnen; wir müſſen uns alfo 
darauf befehränfen diefe Ueberrefte wenigftens von denjenigen Feh— 
lern zu ſäubern, welche eine ſpätere Zeit über diefelben gebracht 
bat. Zu diefen Fehlern aber rechne ich auch viele von den Ver— 
befferungeu, welche im Codex Mutinensis fih finden. Sch babe 
fihon oben den Werth diefer Handſchrift gebührend hervorgehoben 
und namentlich bemerkt, daß in ihr im Allgemeinen das Urfprüng- 
fiche fich finde und fie ın fofern unbedingt den Vorzug fowohl vor 
den durch Schreibfehler entftellten als auch vor den jüngeren inter— 
polirten Handſchriften verdiene ; das Urfprüngfiche ıft aber nur refa- 
tiv zu verftehen, indem es den Tert brzeichnet, wie er aus der 
Hand ver Epitomatsren und Diuffenaften hervorgegangen. Nun 
aber entftanden natürlich bei dom Verfahren diefer Diaffeuaften eine 
Menge Unebenheiten; durch das Ausscheiden alfes deſſen, was indi— 
vidueller Natur war, mußten vielerlei Widerfprüce fich einftellen, 
die wohl nicht fofort alle von den eigentlichen Epitomatoren bemerft 
und bejeitigt wurden, und fo ift es ganz natürlich, daß in ſpä— 
terer Zeit ein Grammatiker fich diefer Arbeit unterzog: auf einer 
jolchen Recenfion eines Grammatifers berubt aber ganz ficher der 
Text, welchen der Codex A darbietet, während die beiden anderen 
Hofchr. K und O und mit diefen gewöhnlich auch Die davon abhän— 
gigen jüngeren Codices, wo nicht etwa bier die Interpolatoren auf 
denfelben Gedanken gefommen find, meift von ſolchen Umänderungen 
frei geblieben find, und eben deshalb gewinnen diefe beiden Hofer. 
eine bisher nicht brachtete Beveutung. Ein recht fchlagendes Beiſpiel 


408 Ueber die Kritik 


findet ſich V. 429, wo ebenfowohl ver Werth des Cod. A einer- 
ſeits, als der anderen beiden Hdſchr. klar vorliegt: 
Diouı zul Iolyur daov Bgorav 7 Poevag EoFlag 
Eerdeuev‘ ovVdeis no ToVıo y’ Enıpoaoaro, 
ÖoTIS OW@pO0V EFnzE Tov ayoova #0x xarod EodAör. 
ei ö' "Aorknnıadars rovıo y’ Edwxs Jedg, 
(soFuı zazuınıa zal dınoas Pokvag ardgwr, 
nokkovg ar odoug zul weyakovg &peoor. 
Her iſt zunächft die Verbindung mit vorıs höchft unbequem, went 
gleich nicht ohne Berjpiel, der Codex aber lieſt 8 zus, offenbar nur 
Schreibfehler, es ift alfo m zes owmgpoor’ EInze berzuftellen. 
Nicht unähnlich Habe ich V. 300 odd’ m « Ex yaorgog, Kugre, 
uns yeyövn hergeftellt, da der Cod. A 0Ud’ wx’ &x lieſt, gewöhn- 
lich oWd’ zu &x *) und V. 919 zur gun döwer, o x £IEm ig. 
wo AK ws #’ &dein, die übrigen &g 2’ &IEkoı. CEbenſo hat der 
Cod. A hier zuzoD, offenbar nur Schreibfehler für zax zazov, wie 
IK hat, wihrend die meiften interpolirten zad xaz0v barbieten. **) 


*) In dem vorhergehenden Verfe ift auf ähnliche Weife nur unter einem 
Schreibfehler das Nichtige im Bod. A verborgen: oudsis dy yikos eiraı, 
Enyv zazor avdoi yEryreı , was völlig finnlog it, während die übrigen 
Hdichr. od’ EHElcı yikos eivaı darbieten, wo man wiederum das Sub— 
jeet vermißt. Es ift gewiß zu fchreiben oudeis Ay gilos &lvar, wie id} 
feit vielen Jahren die Stelle verbeffert und dieſe Verbeſſerung auch Andern, 
wie Ahrens, mitgetheilt habe: dafjelbe hat and Drelli nad Eauppes Ver— 
muthung bergeftellt; An aber ift ein fo gewöhnliches dorifches Wort, das 
es im Munde des Megarischen Dichters Niemanden befremden wird. Wenn 
dagegen Sauppe in feiner trefflichen Epistola eritica S. 77 im Theognis 
N. 261 Yowo’ Edgyepsi ft. yown« gEosı nach der ganz unftchern Gloſſe 
des Heſychius Eyegesi- door (udosveı?), erıudreı vder ©. 99 im B. 805 
z07 'orıy nach der Analogie des problematifchen xo7 "or«ı heritellen will, 
fo fann ich dieſe Verbefferungen ſchon deshalb nicht für wahrfcheinlich hal— 
ten, weil füch dergleichen yAoscaı mit der Einfachheit der Theognibeifchen 
Elegie nicht recht vertragen. 

**) In der Miederholung deſſelben Buchitabens in «x zezou ift fein 
Anſtoß zu nehmen, vergl. ®.577 zazov 7 'z zazov, Homer Ob. IV. 754 
zdzov aszezwurror, Il. V. 698 zes zexapnöse, außerdem Mützell 
de emend. Theog. p. 151. Aber zmweifelbaft it mir die Craſis zz, viel- 
feicht ift eher 272 u fehreiben, wie ich B. 355 270Moivıw für zeo#loi- 
oıw (AKO 2209491019) gefchrieben habe; ® 711 hat Bekker richtig ze» 
zeider für »azeiter hergeftellt und V. 610 hat God. A richtig zei fix 
das fihen aus metriſchem Grunde verwerfliche zer. Dagegen babe ih U, 
1349 xy nicht gewagt zu ändern. 


im Theognis. 409 


Aber dieſelbe Stelle zeigt auch wieder, wie jene Handſchrift einen 
im Allgemeinen lesbaren und verftändlihen Text reprafentirt, wäh- 
vend oft die anderen Handfchriften, indem fie etwas Falfches oder 
Widerſinniges darbieten, gleihwohl puren des urfprünglichen und 
echten Theognis enthalten. , Sp lieſt hier der A mit der Mehrzahl 
der übrigen Hofehr. eu 0’ ’Aorımnıandarg, und dieß verlangt auch der 
Gedanfenzufammenhung, weshalb denn auch ein neuerer Herausge- 
ber, da es unmöglich iſt, den urfprünglichen Text in feiner Reinheit 
wieder herzuftellen,, ſich Damit begnügen muf. Allein Codd. KO 
haben ou d’ Aozınnıadarg, und diefe Lesart wird beftätigt 
durch Plutarch. Quaest. Platon. I. c. 4: oW yao yuxgov 7v 
Vperog, ahkı yeylorov TOV xuxwv, Unurng zul 2EVv0py00D0VNg, 
onukkarıwv koyos. OvVd’ Aoxınnıadag rovıo y' Edwxe FEog. 
Das aber nicht etwa Plutarch oud' feste, um den Vers feinen 
Morten anzupaffen, geht deutlich hervor aus Div Chryfoftom. 1. p.?: 
"Aka yao 0oV naoav laoıv oVdE wpelsınv Ököxkngov dor 
izavı) naoaoyelv 5 uovorzng Zmiorzunte zal &kıg or’ yag or, 
os Ynow 6 nomıng, OvVd’ "Aorimnındaug zoüro y’ £&dwze 
Jedg, und worauf bei weitem das meifte Gewicht zu legen iſt, der 
Schüler des Ariftoteles Klearchus ber Athenäus VI. p. 256 C: 
TOVTOV Ja9 ©@g Eoize TOD 0TO)Ov TIvEg anoonaodevreg Ev ıM 
Kvuare zareoyov, &x Koungov TO yevog onVrsg ul our Ex 
175 Osırakınng Toinxng xadunso tıvig Eloyzaoır, @v largev- 
ou ınv ayrorav ovd’ Aozınnıcdaug rorro yes voulw dedo- 
0301. Durch dieſe dreifache Autorität von drei verfchiedenen Schrift- 
ſtellern, die nicht etwa einer aus dem andern, fondern aus einer 
gemeinfamen Duelle, dem Theognis felbft, ſchöpften, mag nun auch 
der eine den vollftändigen Theognis, der andere die Epitome benukt 
haben, wird jenes oud’ gegen allen Zweifel ficher geftellt. Daraus 
folgt aber auch, Daß der Teste Vers nicht in Verbindung ftehen 
fann mit dent vorausgegangenen. Nun aber wird eben jener Vers: 
molkoVg av wiodoug zul weyahovg &peoov in einem ganz andern 
Zufammenhange von Plato angeführt im Meno p- 95 D, wo zuerft 
V. 33— 56 der jegigen Sammlung erwähnt find, darauf fährt 
Plato fort: Ev arroıg dE ya dAryov weraßag: (hier hat Beffer 


410 Ueber die Kritik 


gewiß richtig zaraßas verbeffert, und daraus folgt, daß diefe Ele— 
gie im Theognis bald auf jene folgte, zu der V. 33 ff. und andere 
Bruchſtücke gebören:) el 0’ 7v noıntov (Ynoiv) zul Ev$erov av- 
dor vonua, Akysı nwg Örı nolkovg av wıioPoVg zul ueyarovg 
Epevov ol Övvauevor TOTTO noLev, zul ov nor’ av EE aya- 
Jod natoog EyEevıo zar0g neıFouevos — ayayov. Nun folgt 
aber auf den Vers noAlovug av miodoVg zul weyahovg Epegov 
in unfern Ausgaben jener Vers, den Mato zuerſt anführt: Erd’ yv 
nomtöv TE zul Evderov avdol vonua, und an diefen fihließen fich 
unmittelbar als Nachfas die Verfe an, Ov nor’ av &£ zr2., wel 
che Plato erft fpäter folgen läßt. Daraus geht deutlich hervor, 
daß ım Thengnis jene Verfe in ganz anderem Zuſammenhange ftan> 
den, und daß man fpäter fie in eine willführfiche Verbindung ges 
bracht hat: wir haben offenbar nur dürftige Reſte einer umfangrei— 
chen Elegie, etwa Anfang und Ende: 
Dooar zal Ioeyar oGov Bgorov n polvas 2oIlag 
evdeuev oVdelg nm TOVTO y’ Enspouoaro, 
5 TIS 08P90V’ LINKE TÜV apgova zax zar0d νν 
ovd’ Aozımnıadaıg roiro y’ Edwxre eos. 
ei 0’ Zw nommov Te zul Erderov avdgl voruu 
* * * * * 
1GoIaı Kax0TnTa zul aTnoag PoEVaS avdowr, 
noAhoVg av wioPoVg zul ueyakovg &pegov. 
* * * * * * * * 
zov nor’ av ES ayadoo naroog EyEvTo xax0g ‘ 
neıdousvog uidoroı ouopoooım* alka dıdaozwv 
oö note nomostę 10V zurov dvdo' ayador. 
Den Vers laoFaı zurornta zrA. konnte man allenfalls auch mit 
ovd’ Aoxrınnıadarg zrı. verbinden, auf feinen Fall aber waren 
& 0’ 97V noımzov zuh. und noAlovg av wıiodovg, obwohl als 
Nachfab und Borderfag zuſammenhängend, unmittelbar mit einander 
verbunden, wie die Platoniſche Stelle deutlich zeigt. Natürlich 
müffen wir hier dem Cod. A folgen, der, wie es num einmal der 
gegenwärtige Zufammenhang des Gedankens erfordert, El JE dar 
bietet, aber die urfprüngliche Lesart hat fih in den minder quien 


im Theognis. 411 


Handfhriften erbalten. Sch will nur ganz kurz noch einige Stellen 
aus den beiden Handſchriften (KO) herausheben, wo fie allein das 
Nichtige erhalten haben. So z.B. B. 71: arka ner’ EodA0v 
iov BovAsvso nolAk uoynoag zul uuromv nooolv, Kuvov’, öduv 
ezrer£oag. Hier haben KO woyzoaı und K grrerkoaı, diefels 
ben haben Powrswe. Aber der Begriff des Berathens ift gar nicht 
nöthig, indem er in dem Vorausgegangenen liegt, es iſt offenbar zu 
fihreiben: Bodiev zal noAlu noynpoaı zul — Extele- 
a1. und Bovrev za bietet auch wirklich Cod. A dar. — V. 169 
0» dE Henr Tuuwoıv, 6 zul uwusvuevog aivei. Eine ſolche Meta- 
thefis der Partifel zur it bei Pindar nicht uugebräuchlich, wie DI. 
2. 28 Ev zul Yuruoon, 7, 24 Ev xal 1Erevid, häufiger bei 
den Merandrinern, dagegen dem Theognis und überhaupt der Altes 
ven einfachen Poeſie fremd; ganz richtig hat Cod. K: 0v d5 Hear 
Tıun©o’, 0v zul umusvgevog alvei. cv ald Demonftrativum, wie 
bei Homer Il. Z. 59 und’ Ovrıva yaoregı uitng z0V00v Eovra 
pevoı, und’ 05 yoyoı. — B.330 ovv eVdern Fewv dizn ada- 
suıov. K beffer i9ern, wie Homer Sl. Y, 580 &ywv murog di. 
zuoo — idela yag Eorau. 5, 508: ög uera zoloı dizmv iNvr- 
Tara einoı, Hefivd. Op. v. 36. 222. 224. Theog. v. 86. er: 
ner in dem Verfe: ei ze nadoı a x’ &08Se diem #’ lIela yEvoıco 
bet Ariftot, Eth. Nicom. V, 5. nach Michael Apoftolius dem Hefivd 
gehörend. *) Ebenfo ift bei Aefchylus Eumenid. V. 212 ftatt ev- 
Ivdrzaı zu fehreiben IIvdrzaı oder IHvdızanı Ö’ nloued Eelvar, 
vergl. Sefivd. Op. v. 228: oddE nor’ WWudiznoı wer’ avydoaoı 
kıuog Onnder — V. 898: yırwozwv wg voov 0lov Exaotog Eye 
wvrog Evi 017,38001. Hier haben alle Hofch. mit Ausnahme des 
K urrog, was durchaus unpaffend und überflüffig tft, dagegen K 


*) Beiläufig bemerfe ich, daß vielleicht dem Theognis ein Vers gehört, 

den Ariſtot. Eth. Eudem. zweimal anführt, VI. 2 und VII. 10: 
Orzen yıyyWaorovow "Adyvaioı Meyaonas. 

und zwar an der erſten Stelle ald naooıuia bezeichnet, gerade wie er Eth. 
Nicom. V, 1 jagt: zei nepoımıalöusvoi pausv: Ev de dizauoouyn ovi- 
Anßdnv nao’ aosın Evı (£ori) aus Theognis V. 147, wo das Evi an fich 
gar nicht zu verwerfen wäre, vergl. B. 66 zei opır En’ Foyoısıy niorıs 
En” oddeuie (auch hier haben einige Hdſch. Lot.) V. 530 ovd“ Ev Eun 
wugn dyukıoy ouder Erı. 


412 Leber die Kritik 


Evrög Evi orndeoor, wo Errog gerade fo gebraucht ift, wie bei 
Homer Sl. K, 10: rooue&ovro dE oi poeveg Evros. — B, 995; 
Ovrs yag av noozaumv all zanarov usradorng, 

ovr’ dv nrwyEiwv JovAoovrnv- teh£orc. 
aber Cod. K richtiger zuuarov, wie oben V. 105 ovdE zev &09- 
Aov Eywv TOD ustadoovy EIELoL oder Art. Acharn. V. 961: is 
ToVg ydag avıw usradavvaı row zıykov. — V. 1013: 

A uaxao evdarumv Te zul OAßLOG, Vorig aneıgog 

a9.wv Eis Allen daun uchav zareßn. 

Ganz richtig haben hier KO zazap7, wie B. 707: ovrıva dy 
Yavaroıo wekav vepog aupızakvym, &9n Ö' Eis oxı800v Zw- 
009 anopdusov. V. 737: naldag Ö’, oiT’ adızov nuroug 
za Öizama vosvvıeg noıwow. DB. 744: Eoywv dorıg ano €Ex- 
Tüg Ewv adızov — un ra dizua nad; und fo öfter. — V. 
1035: ov T’ av noggvoäng zaradug &s nvdusra AMıwng, hat 
Cod. K wohl richtiger zaddvg. 

Nicht jelten aber bieten ſelbſt die fchlechten Handichriften, öfter 
mit Zuftimmung des K vder O, das Nichtige dar. Ich will dabei 
gerade fein allzu großes Gewicht auf jene Handichriften legen; gar 
oft würde das, was fie Gutes bieten, auch ohne Weiteres aus Con— 
jeetur hergeftellt werden müſſen; aber das Richtige verfchmähen, 
weil es aus einer fonjt meift getrübten Duelle herftammt, erſcheint 
eben fo unangemeffen. So fihreiben 3. B. die neuern Herausgeber 
mit A O und einigen andern Hdſchr. V. 5: 

Doide avas, orte uev oe Heu 1ere norvıa Ahr, 

polvızog dadırng zE00IW Epawausvn. 
was man durch das äußerlich ganz ähnliche evsudng gadırns yegos 
Aazawva x00n fehüsen Fünnte. Dagegen bat die überwiegende 
Mehrzahl der Codd. porvızos oadıvy!s, und dieß verlangt der 
Gedanfe, denn der Dichter meint jene ſchlanke Palme, mit der 
Odyſſeus die Naufifan vergleicht, Od. VI. 162: Ayıo dr nore 
zotov 'Ano)iwvog nuoa Boum polvızog vEov Eovog dVegyous- 
vov Evonoa — ws d’ wvıws Au zeivo ldwv Eredynea uvm 
Inv, Enel o0Un@ 10lov «vnhvdev &z Ö0ov yalns. Man verglei- 
he noch die Schilderung von der Geburt des Apollo im Homer 


im Theognis. 415 


fhen Hymnus V. 116: 77» Türe dN TOxog Eike, gevolvnoev de 
Tex&odaı, erıpl ÖE golvızı Bahe nnyese, yoüva Öd’ Eosioev Ası- 
uovı uorhaxı. Callim. in Del. v. 210. Eurip. Ion. v. 920. Iph. 
Taur. 1069. Plutarch. vit. Nie. ec. 3. Dagegen gadıns zu 
z:00iv gezogen ift mindeftens entbehrlich... Und nicht viel Gewicht 
möchte ich auf den dadurch hergeftellten Parallelismus Iegen, wo» 
nad) die erfte Hälfte des Pentameters mit dem Adjectivum fchlieft, 
die andere mit dem entfprechenden Subſtantivum beginnt, da jenes 
Streben nad) Funftreicher Wortfügung und Verfchlingung zwar auch 
in den Theognideiſchen Elegieen ſchon in feinen Anfängen überall 
fihtbar wird, ellein im Ganzen ift jener Parallelismus doch ein 
ungeſuchter, mit fiherm Bewußtſein und mit funftgerechter Fertig- 
feit wird er erft von den Mlerandrinern ausgebilvet, von den Rö— 
mern mit entichiedener Merfterfchaft durchgeführt. Ber Theognis 
nun findet fich hauptfächlich eine dreifache Art die beiden Theile des 
Pentameters zu organifcher Einheit zu verbinden, einmal indem das 
Adjectiv Die erfte Hälfte ſchließt, das correfpondirende Gubftantiv 
die andere beginnt, oder umgefehrt, dann indem das Adjectivum die 
eine, das Subftantivum Die andere Hälfte endigt, vder umgefehrt, 
endfich indem verwandte oder entgegengefeßte Begriffe an das Ende 
der beiden Versreihen treten. Sch begnüge mich von allen drei 
Methoden nur einige Beifviele anzuführen, die ich größtentheils dem 
Anfange entnehme. Von der erften: 

yn9nosv dE Ba$ug novrog akög norıng V. 10. 

sudvrrno® zuarng vBoLog yusıreons DB. 40. 

eur’ av onovdalov nonyw edEhns rehkoaı V. 70. 

nıorovg Ev yakznolg nonyyaoı ywouvovs B. 80. 

ev dE onovdalm nonyuarı navoorego: V. 116. 

arh @onE9 0uız90v nalda köyors u anaras V. 254. 
Durch Präpoſitionen oder andere Worte, die feine felbftändige Gel— 
tung haben, fondern an das folgende Wort ſich anfchließen, zu dem 
Begriffe gehören, wird dieſe Symmetrie nicht aufgehoben, fo: 

1Er0aparaı nohAnv Es zaxornra neoeiv B, 49, 

xEoden dmuoo!m aUVV zaxw Eoyousva V. 50, 


Die umgefehrte Stellung tft, wie dieß in der Natur der griechi— 


414 Ueber die Rritif 


ſchen Sprache liegt (und die poetiiche Wortfolge iſt ja im Allge— 
meinen bei den Griechen diefelbe, wie in der Profa, bat fih nie 
eine folhe Freiheit und Negellofigfeit erlaubt, wie im Lateinifchen,) 
die ungleich ſeltnere: 

Tioal vıv n00pwoıv undeulav Ieuevog DB. 364. 

dvggWnovVg, oVg vnüg un uia navrag ayoı V. 84. 

alh avrög yvoungouxz ayadng Ervyes V. 408. 
Als Beiſpiel der zweiten Methode führe ich nur a: 

1007’ Enog ayavarmv nide dia orounarwv ®. 18. 

und & viv norlın zera ev novyin V. 4. 

um nor’ avyxsorov, Kvove, kußns avınv V. 76. 

agıos &v garen, Kupe, dıyoorac!n V. 78. 

Enhe9’, booıs Holm, Kugre, ueunre din V. 132. 

dlönosaı yakenng, Koove, Avow neving V. 180, 

n Cweıw yahenn reivouevovr nevin V. 182. 

Pis noAvxwxvrovg eis Aidao dowovg V. 244, 

neıdouevog yahenn, Kogve,dıaıBokın V. 324. 
Auch hier ift die umgefehrte Wortftellung die feltnere: 

&r YJuuod, yosing eiveza undeulng V. 62. 

ovrws wg avdosg unzerı owlouevo. V. 68. 

Kvov’, ouö’ euVAaßimg Eoti negie nkEovog®. 118. 

ah wg nayyv nohsı, Kuov, ev aAwoouEevn DB. 236. 
Als Beifpiele der dritten Methode vergleiche man: 

Anooumı ao YOUEVOG OVÜ’ anonavouevogB. 2. 

Tıuas und’ agerag &xeo und’ apevos V. 30. 

oizEslwv KEOJEMV Eiveru zul xouTEog V. 46. 

oi 10008 ovre dixag ndeoav ovre vouovg V. 54. 

&s 1Ekog EiT’ ayaF0ov yivaeraz eite aar0v DB, 136. 

0ovF Eofaı duvaraı, yAoooa dE.0ı dederaı ®. 178. 
Dagegen find die Beifpiele von jenem vollftändigen Parallelismus 
der Glieder, den wir bei den römischen Elegifern wahrnehmen, wo 
zwei Subftantiva mit ebenfoviel Adjeetiven fyinmetrifch vertheilt find, 
ziemlich vereinzelt, wohl fchon darum, weil überhaupt die Einfach- 
heit der älteren griechiichen Dichterfprache nicht fo häufigen Gebrauch 
von der Ausſchmückung des Subftantivbegriffes durch Beiworte zu 


im Theognis. 415 


machen pflegt, als dieß bei den Nömern der Fall iſt. Man ver- 
gleiche: 

ayıaa Movouwv daoa loorepyarwv 9, 250, 

avIow@nwv ddıroıg Euyunoı nedoucvov V. 380. 
Dagegen ift die einfachere Wortftellung viel häufiger, wo ohne 
fünftliche Verfohfingung die Eubftantiva unmittelbar mit den zuge- 
börigen Adjectiven verbunden neben einander ftehen, wie 

au)» pIeyyoucvwv iusoosooav ona B, 532. 

owxong Ogvı90g zodyov &yovoa voov V. 580. 

Mpkiov &x norrov vuxra dia Övopsonv B, 672%. 

gavIng aupi xormg mogpvo£ovg orepavovg V. 828. 
feltner mit nachgeftelltem Genitivus, wie: 

yAoooav Eywv oyasınv N&orogog avrıJEov B, 714. 
Jene künſtlich verichlungene Wortjtellung babe ich hergeftellt mit ger 
ringer Veränderung V. 1357: 

aleı nadogiinoıw Eni Lvyov avyerı zeiraı , 

ÖVouogov aeyaheng urnuo Yıkoseving. — 

ftatt der gewöhnlichen Lesart zeiraı dusuogov, ayareoy, wo Ah— 
vens neulich dusAog@on» vermuthet hat, wie B. 848: LevyAnv 
Övckopov augırde, und V. 1023: ov note zoig &yYooloıy uno 
Coyöv ardzera 9700 Ödusiopor. Allen diefen verſchiedenen Wei- 
fen der Wortſtellung ift übrigens das Beftreben gemeinfam, das 
Zeitwort möglihft an das Ende des DVerfes zu verwelfen, damit 
bier erjt der Gedanfe zu einem völligen Abſchluß gelangt und die 
Einheit des Pentameters, die bei der regelmäßig in derfelben Stelle 
eintretenden Cäfur, ſehr Leicht verloren geht, bewahrt werde; man 
vergl. nur unter den eben angeführten Gtelfen V. 70. 80. 254. 
364. 84. 468. 18. 48. 76. 132. 118 ze. während weit feltener 
das Verbum im erſten Gliede fich findet, und zwar alsdann am 
tiebiten gleich zu Anfange des Pentameters, nicht ohne einen gewiſ— 
fen Nachdruck, wie V. 10. 180. 182. 244. 324 und öfter, Das 
Beftreben übrigens, durch die Stellung des Zeitworts in der letzten 
Hälfte des Verſes die gefonderten Elemente des Pentameters zu 
größerer Cinheit zu verfchmelzen, ift ein durchgehendes, ift im Or— 
ganismus des Versmaßes felbft begründet, was überall auch va 


416 Ueber die Rritif 


erfiheint, wo jener Parallefismus nicht angewendet ift: denn jener 
Parallelismus ift nur eben ein Schritt weiter zur künſtleriſchen Ab— 
rundung und Vollendung des Pentameterd. Das über Theognis 
Bemerkte findet natürlich auch auf alfe die Efegifer, welche zu den 
Theognideis beifteuerten, Anwendung, wofür wenige Beifpiele genü- 
gen mögen, | 
l. wonso ovor weyakoıg aygsoı reivöuevor Tyrt. 4. V. 1. 
Zutov nav, 606009 zagn0v wonvga peger. Ib. V. 3. 
site tiv’ oVAousvn woloa xziyoı Savarov Tyrt.5. 8.2. 
ovıwg aoymAEov ynoag EInxe Ieos Mimn. 1. V. 10. 
iusoıng yahkenöov ı’aloyog anwoouero Sol. 2. V. 6. 
I. ov dıa Meoonvnv eihousv evgovyooov Tyrt. 3. V. 2. 
yeiyov IIwualov &x ueyalov 009Ewv ib. V. 8. 
ntwooovres weyahoıs Parlere geouadioız Tyrt. 5. 
RB. 36. 
yn005, Od za Iavarov Glyıov agyakEov Mimn. 4.8.2. 
Jewv BovAn Zuvovnv ellousv Alokıda Mimn. 9. V. 6. 
og nollov Eournv wAEoEv HAızınv Sol. 5. B. 20. 
II. ovre nodav dgETNS,oVre nakAaıouoovvng Tyrt. 9.8. 2. 
oVdE narno naıalv ring ovre plAoıs Mimn 3.8.3. 
ruuns ove’ apEAwv ovı Enogsäauevog Solon 4. V. 2. 
unte kw avsdeig unte nıelouesvog Solon 5. V. 2. 
ovte ts olwvog dvosta ov$° ieoa Solon 12. V. 56. 
Keineswegs aber, um von diefer Beobachtung, die hier nur angeben 
tet werden fonnte, wieder einzulenfen, iſt dieß Streben nach Sym— 
metrie und Parallelismus der Glieder fo vorherrſchend und zum 
unumftößlichen Gefeg erhoben, daß ſchon deshalb die Wulgata: 
polvınog gadıyng zE00Wv Eyawyaueın 
zu verwerfen wäre. 
Ebenfo iſt Schneidewin und mit ihm Dreli dem Cover A V. 
45 gefolgt, und hat die Indicative pIEigovoı und dıdovoı 
hergeftellt, während K und O mit allen übrigen Handfihriften ohne 
Ausnahme Tefen : 
Ovdsulav no, Kvov', ayasol nölıy wisoav andosg* 
dhh Örav vBoilsıw roloı zaroloıv adn, 


im Theognis. 417 


dyuov Te pIEiowoı, dixaz T’ adızoıoı dıdoorv 

oumnetor zE00EwV Elvex@ zul 200TENG, 

Ehneo um Ön00v xelvnv nölıy arosussodat, 

und’ £i voy zeitaı noAın Ev Hovyin, 
sur! dv roioı xuzoloı piR dvöoaoı ravıan yeımrar, 
x20dea Önyuoolo oVv zarı E0y701EVvo. 
Alfein eine Parenthefe von dyuov Te — zoureos, wie Orelli und 
Schneidewin annehmen, iſt durchaus unftatthaft: auch war dieß wohl 
nicht die Anficht des Grammatıfors, der den Codex A verbefferte 
(denn die nachhelfende Hand eines Kritifers glaube ih hier wie an 
viefen andern Stellen des Cod. A zu erfennen), fondern, weil er 
die etwas verwickelte Satzbildung nicht begriff, ſubſtituirte er V. 45 
die Indicative gIergovor und dıdovov, und hatte fo einen Nach— 
fas für V. 44 gewonnen, freilich nicht ohne Nachtheil für die Rich— 
tigkeit des Gedankens: alsdann begann ihm mit B. 47 em ganz 
neuer Sat, der nur eine Variation des vorigen Gedanfens enthielt, 
Ehneo un Öm90v zelvnv nokıv arosuscoduı — EVr' av xıh. 
Die ſyntactiſche Correetheit hatte der Grammatiker allerdings er- 
reicht, aber den Gedanfen durch dieſe Zerfpfitterung völlig entftellt. 
Es iſt aber nicht die mindefte Veränderung vorzunehmen, da fich 
eine gar nicht ungewöhnliche Satzbildung findet, nämlich ein dop— 
pelter Nebenſatz, welcher den Hauptfas einſchließt: 1) AAN örTav 
— üdn — pY9Elowoı — dıdaoıw 2) — un Önoöv zeilvnv 
mokıw orosuzeodnı (wozu noch der parenthetiſch eingefchobene 
Sab und’ ed vöv — zeirai — Fonmt) 3) dr’ av — yeınrar 
—: was überall geſchieht, wo irgend ein Gedanke nachdrücklich ber- 
vorgehoben werden fol. Umgefehrt findet fih auch ver Hauptſatz 
verdoppelt und fchließt dann in ganz ähnlicher Verfchränfung den 
Nebenfaß ein, 3. B. bei Sophocles Oed. Tyr. v. 163: 1) roıo- 
00l @hzSiuog0ı mgOPavnTE uoı, %) zlnote zul ng0T&oug arag 
UnEO 0QVUuEraG nokeı mVaoearT &xroniav PL.oya ninuarog, 5) 
MIere zul vor. Ueberhaupt ift, was man bisher nicht ‚genug be— 
achtet hat, vorzüglich die Elegie der Griechen veich an freieren, oft 
fogar ſchwerfälligen und complicirten Structuren : auch Theognis, ob— 
gleich er eine größere Gewandtheit und künſtlichere Technik, als z. B. 
Muf. f. Philolog. N. 3. IM. 27 


418 Ueber die Kritik 


Solon oder Mimnermus beſitzt, nähert ſich gar oft der breiteren, 
— Ausdrucksweiſe der Umgangsſprache. Dahin gehören 
beſonders V Vergleichungen, wie bei Solon XII. V. 17: 
Arha Zeus navıov Epooa TElog, ESanlvng dE 
Bor wveung vepikag alıya dısoreduoev , 
NgWwog, 05 noProvV noLvzULLOVOg EATOVYETOLO 
nvgueva zırı)oug ynv Zara nVO0P000V 
Önwoas zala Eoya, Jemv Eos, alnvv Ixaveı 
oV9avoV, audoınv Ö’ avııg EInzev Weiv: 
kaumsı Ö' nehloıo uEvog zur’ anel'oova Yyulav 
xul0v, aTag vepeov oUdEV Er’ Eotiv Wein. 
toravrn Zmvog n£herer Tlorg. 
Welche Unbehülflichkeit der Darftellung berrjcht nicht bei — 
V. 731 ff. (oder Solon), wo ich geſchrieben habe: 
Zeü nareo, Eye yEvoıro Jeols plha, Tois utv akırools 
vßow adelv, zul opıv ToVrO yEroıro pikov 
vum, oyErkım E0ya uera PoEoIV Öorıg among 
goyaloıro Yemv umdEv’ onılouevog, 
avrov Ensıra nakıy Tivaı zara, unde& T dnioom 
natooös araodaklaı nuıol yEvoıwro Zax0V* 
naldag Ö', ol T’ adızov nargog Ta drama vosuvıeg 
noıworw, Koovidn, 00V yoAov alouevor, 
ES aoyns Ta öko wer’ GoToloıy YıREovreg, 
m zıv’ vnEoßaoınv arrırivsıy nateowr. 
Ta0T Ezin UazagEooL FEols re 
Ich habe V. 731 mit Bamberger eu yeyevorro flaut der handſchrift⸗ 
lichen Lesart ide yEvoızo geſchrieben, wo dann der Nachſatz mit 
za opıv zrA. beginnen würde, alfeın ich halte jest die überlieferte 
Lesart IE für vollfommen richtig: der Dichter wollte fagen: use 
yevoıro Ieodg plha (der Plural iſt nicht bedeutungslos, fteht nicht für 
den Singular) Toig uev arırgoig ÜBgıv adeiv, aurovg de Tioaı 
020. Aber der Dichter in feiner trüben Weltanfchauung wahrneh— 
mend, daß die Uebermüthigen freveln dürfen, ohne von den Göttern 
irgend wie gehindert zu werden, bezeichnet nun fofort fhärfer den 
zweiten Punkt, daß die Frevler wenigftens ſelbſt, wenn auch fpät, 


im Theognis. 419 


ihren Uebermuth büßen möchten, nicht etwa erft ihre Kinder und 
Kindestinder, als die Hauptfache, hebt ihn daher befonders hervor 
durch: za open Tovto yEvoızo pihov Ivum, und nun hebt er 
noch einmal den Begriff des Frevelns vecht nachdrücklich hervor : 
oz7£rkıa Eoya zur. Hier bat Bekker ganz richtig wert posoı ge- 
fprieben, die Cord, uer« gPosoı d' (K uera posoı 9, A dia- 
Tupgsor Ö’); die Wartifel de rührt offenbar von den Grammatifern 
ber, welche die Beziehung diefer Worte zu dem vorausgegangenen 
Tois ev alırgois Üpgıv adeiv deutlich machen wollten. Auf kei— 
nen Fall iſt vie Partikel dE zu dulden, ihre Stelle vertritt eben 
z@l opw TooTo yiroızo gikov Ivan, und auferdem it die 
Stellung eine völlig unzuläffige, da wohl kaum bei einem Schrift- 
fteller vor Menander fich ein ähnliches Berfpiel mit Sicherheit wird 
nachweifen laſſen; cbenfowenig zuläffig ift Sauppes Borfchlag (Epist. 
Grit. p. 74) daß nach der Lesart des Cod. A: Euya d’ aoa poe- 
oc» zu fchreiben fer. 7) Im folgenden Verſe follte man erwarten 
avTov Tioaı — unde T’ unt00@ naroog draodtuklag nat 
yzveodaı zarov. Aber der Dichter macht den abhängigen Cab 
gleich zu einem felbftändigen, indem er in die Form des Wunfches 
als die herrſchende in der ganzen Periode einlenkt.  Diefer Ueber: 
ganz von der abhängigen Rede in die unabhängige iſt auch fonft 
noch öfter bei Theognis zu finden, 3. B. V. 749 Gabe ich berge- 
ftellt: onnör’ Kuno adızog zul araoda)og, vVrE Tev ardoov 
DUTE TEVv adararwv ujvır ahevöusvog, ÜPBolly nAourm Ze= 


’ J x ’ ’ = ’ 
xogmuevog, ol dE dixamı Tgvyovraı yakeını) TELHOUEVOL 


*) Dagegen glaube ich mit Recht V. 733 dInonS verbeffert zu haben, 
die Hoſchr. Ednvys, was die Herausgeber in dayvns geändert haben; aber 
damvys it nicht angemefjen, da es nicht ſowohl übermüthig, frech, 
als vielmehr Hart, unfreundlich bedeutet: hier aber muß ver Begriff 
der Gottvergeſſenheit hervorgehoben werden, vergl. Gramm. Bekk. T. 1. 
p. 353: @a#nons: lows usv 6 dimons 7 6 Avreouourös — nö 
arEoiiwr. Dagegen Ffünnte es zweifelhaft erfcheinen, ob B. 734 mit 
Hermann HEoy und&£v orıLöuevos für under zu ſchreiben it, was ich 
aufgenommen und in verfelben Meife B. 1148: 0% Hewv ddavdıwv 0 Ü- 
EV Onılöuevor für ovder verbefjert habe, wobei ich jedech gleich be— 
merfte: „nisi forte hie et v. 754 hanc tanguam singularem structuram 
defendas < Man-vergleihe das ähnlihe Eerdvusiodeı bei Hermippus 
Meigcı Fr. IV: 'O Zeus d& 10U0TWy oder Zvdvuolusros. 


420 Ueber die Kritik 


ever. Durch dieſe Umgeſtaltung tritt beſonders der Gegenſatz ſtär— 
ker hervor: aber auch hier hat man dieſe Structurweiſe völlig ver— 
kannt, indem man in den gewöhnlichen Hdſchrr. dem Indicativ zov- 
zorrar zu Liebe auch oben vPorler ſchrieb, Bekker aber und 
Schneidewin, welche aus AK vßoiln aufnahmen, Anderten nun 
rovyovzar gleiher Weife in rovywrraı. Dergleichen Wandel ver 
Structur iſt auch bei ven Epikern nicht felten, befonders in Ver- 
gleichungen, 3. B. Heſiod. Scut. V. 374: og d’ oT’ dp’ öymang 
x00UPNS 00805 ueyahoıo netoaı anoPoWoRwow, En’ ahırhaug 
de neomow, nolkal dE doVg vıyizouoı, noAkal ÖdE TE neVxar 
alysıgol Te tavvogıLlor önyvvrrar vn’ arıor. Ind ebend. B. 402: 
sg de Akovre bbw aupi zrautvng Ehapoıo ahkmkoıg zoT&ovre 
Eni OpEag Ögumowoı, dewn ÖdE 0%’ layn Goadog F au yı- 
yver’ odövrov. Eben diefe Structur ift herzuftellen V. 437: @s 
Ö’ oT’ ano weyalov nergn non@vog 000v0n, uaxga d’ &mı- 
I0ow0ox0von zuilvderaı‘ 7 de TE nyn Eoyergı Euusuavia zT). 
für das barbarifche Partieipium ogovoa. Nicht unähnlich iſt bei 
den Profaifern, namentlich ven attifchen Nednern, der Uebergang 
aus der relativen zur demonftrativen Etruetur, 3. B. Demosth. 
Olynth. IH. 24: &zeioı todvvv, vis oV% Eyugılmd oi Akyor- 
TEG 0v0” Epikovv avrovg, @onEü vuäg orro vor. — Hatte 
nun Theognis den abhängigen Sat zum unabhängigen gemacht, fo 
kehrt er im Folgenden V. 737 ſofort wieder zu der begonnenen 
Structur zurüd: naddag Ö’, oT’ adızov — un tiv vneoßaoınv 
avrırvaıv nategor. Denn nzuaddag habe ich ftatt der Wulgata 
noddes geichrieben; daß auch eine der fihlechteren Handfch. CC) fo 
lieſt, ft natürlich ohne Bedeutung; indeß Tiefe fih auch maideg 
sertheidigen, inden der Dichter anfangs noch die unabhängige Stru— 
etur in der Form des Wunfches fortfegend dann auf einmal umlenft 
und in den Infinitiv übergeht; alsdann würde auch die Lesart der 
drei befferen Hoſchr. zaddes 9, (KO 9, A TV’) ft. naideg Ö' ber- 
zuftellen fein. Ich denke fehon aus der Zergliederung diefer einen 
Periode geht deutlich hervor, wie läßig und bequem der Eatbau bei 
den Efegifern ift, und welche Vorficht in diefer Beziehung dem Kri— 
tiker auferlegt wird. — Diefe Läßigkeit dev Darftellung zeigt fich 


im Theovgnis. 421 


namentlich auch in den Wiederholungen, an denen die Theognidea 
fo reich find, daß es gar nicht nöthig iſt, Beiſpiele einzeln aufzu- 
zählen. Nur eine Stelle will ich hier erwähnen, wo Hermann an 
einer folchen fcheinbaren Wiederholung Anſtoß nahm, in der ſchönen 
Elegie V. 237— 254. Hermann will diefe Elegie in zwei Theile 
zerlegen, V. 237-246 und B. 246—252 (V. 253 und 254 
betrachtet Hermanr ganz mit Necht als ein abgefondertes Diftichon) ; 
wo denn freilich die zweite Elegie ganz fragmentarifch daftehn würde, 
indem das verbum finitum alsdann fehlte. Aber jene Wiederho— 
lung iſt durchaus feine müßige, fondern vielmehr nothiwendig, von 
echt oratoriſcher Wirkung. Denn der Anfang des Gedichtes: 
Sol utv &yw nreg’ E&dwra, oUV oig En’ uneloova növrov 
nornon zal ynv naoav aeıgöusvog xt). 
bezieht fih auf den Ruhm, den der Dichter dent lebenden Kyrnos 
durch feine Gedichte verheißt, aber gleicher Genuß wird ihm auch 
nad) den Tode zu Theil werden: 
zal örav dvogeong und zevdeoı yalng 
Pns noAvzwavrovg &ıs ’Aldao donovg, 
ovdE ror’ oVdE Javav dnokeis xAEog, ala uehnosıg 
apyırov dvdgwnoıg alev Eywv Ovoum, 
Kvove, zu 9 Erriada yzv orgwpwuevog 70’ uva 
vnoovg 
lyFvosvra neo@v novrovV En’ arovyzro». 
Wir erfennen vielmehr in der finnigen Art, wie der Dichter den 
Gedanken variirt, die fünftlerifche Vollendung, die in dem ganzen 
Gedichte überall fichtbar iſt. In dem Folgenden, was Hermann 
von einem Berftorbenen abfurd gefagt findet, 
03% innwv vWroıoıy Epnusvog, ahka 08 neuer 
ay)aa Movoawv dwga looreparor. 
finde ich nur jenes Streben nach wißiger antithetifcher Wendung, 
die alfen griechifchen Dichtern mehr oder minder eigen iſt, ich ver- 
gleiche nur V. 1229: 
’Hdn yao us #Enımre Iahaooıog olzade vergog . 
Tedvno@g Loi PIEYYOusvog oTouarı, ! 
wo die Antithefe noch durch die metriſche Compofition gehoben wird. 


429 Ueber die Rritif 


Das Gedicht ſchließt vollfonmen abgerundet, wenn man mit Her- 
mann V. 253 und 254 fondert, mit den Worten, wie ich fie ſchon 
früher hergeſtellt habe: 
naoı yao, oloı ulunke zal 2oonuevoroıy Moıdn, 
aon ÖuWg, oo’ av n yn Te zul nEhuog. 

- An der VBerfürzung des opos nehme ich nicht "den ‚geringften An- 
ftoß, vergl. V. 1143: aM’ opo@ TıG Imeu ai vor paog nE- 
kroro, wie denn überhaupt die Berfürzung vor mula- cum liquida 
bei Theognis gar häufig iſt. Ebenſowenig nehme. ich an der ganzen 
Vorſtellung Anftoß 5 Hermann wollte Opg’ a» yyv pkeyn nehıog 
leſen, was aber im Wefentlichen auf denfelben Gedanfen hinaus 
fommt, fo lange Himmel und Erde fteht. Ich entfinne 
mich allerdings augenblicklich Feiner ähnlichen Stelfe aus einem grie- 
chiſchen Dichter, aber wozu bedarf es auch bei einer fo ganz natür- 
lichen Vorſtellungsweiſe einer Parallelſtelle? warum foll nicht 
Theognis feinen Gedichten ewige Dauer beilegen, d. h. fo Tange 
die Welt fteht? wie dieß Anaftafius Grün der Poeſie überhaupt 
prophezeit: „So fang’ der Sonnenwagen Im Azurgleis noch zicht, 
Und nur cin Menfchenantkig Zu ihm empor noch ſieht; — So 
fang’ die Nacht den Aether Mit Sternenfaat befüt, Und noch ein 
Menfch Die Züge Der goldnen Schrift verſteht; Sp lang’ der Mond 
noch leuchtet, Ein Herz noch fehnt und fühlt — So lange wallt 
auf Erden Die Göttin Poeſie.“ Schließlich aber muß ich noch an 
Bernhardy's Urtheil erinnern, (Gr. Pitterat. Geſch. T. I. p. 112) 
wo er fich gegen Herders Anficht ausfpricht, daß die Alten ein glü— 
bendes Verlangen nach Unfterbiichkeit genährt hätten: „Alles was 
wir in folchem Lichte feheinbar annehmen, befteht in Aeußerungen 
der älteften Werfen, Die fi) ein höheres Maß von Einficht aneignen 
durften, der jüngften Lyriker Simonides und Pindar, (denn 
Theognis V. 237 ff. gehört zu den handgreiflichen 
Emblemen des Gedichtes) und der Alerandriner, denen die 
römiſchen Dichter fich bereitwillig anfchließen.“  Zunächft kann man 
es nicht billigen, wenn Bernhardy jenen Gedanken, der fi aller- 
dings gar häufig bei den römiſchen Diehtern befonders der Auguſtei— 
hen Zeit ausgefprochen findet, etwa wie eine Nachahmung der 


sim Theognis. 423 
Alexandriniſchen Schule betrachtet wiffen will. Es ift diefer Gedanke 
fo wenig von den Griechen entlehnt, oder etwa blos eine poetische 
Phantaſie, daß er vielmehr allen edleren Geiftern des römischen 
Volkes eigen ift, fich bei Nednern und Hiftorifern fo gut wie bei 
Dichtern und Philofophen wiederholt auf das ausprüdtichfte ausge: 
fprochen findet ; und ganz natürlich: da der Verfall und die ganz 
liche Zerrüttung effer Verhältniſſe in Nom die Troſtloſigkeit der 
- Gegenwart mit gebieterifcher Confequenz auf die Zukunft hinwies, 
und ſo alle die, welche im flüchtigen Sinnengenuſſe keine Befriedi— 
gung fanden, wenigſtens in dem Thatenruhm und der Anerkennung 
der ſpäten Nachwelt Erſatz zu gewinnen hofften: denn dieß eben, 
nicht gerade ein glühendes Verlangen nach Unſterblichkeit, die viel— 
mehr nur als dunkele Ahnung und beſcheidener Wunſch für das 
Fortbeſtehen der Perſönlichkeit erſcheint, iſt es, was wir namentlich 
im 8. Jahrhunderte von Erbauung der Stadt ſo häufig ausgeſpro— 
chen oder doch angedeutet ſehen: und wie unter ähnlichen Verhält— 
niſſen ſich dieſelbe Erſcheinung wiederholen muß, ſo begegnen wir 
ähnlichen Aeußerungen ſchon früher bei den Alexandrinern. Den 
Hellenen ſelbſt iſt in ihrer Blüthezeit ein ſolcher Gedanke fremd, da 
ſie im Vollgenuß der ſchönen Gegenwart ſich aller trüben und ſtö— 
renden Gedanken an die Zukunft entſchlagen, und dem Grundſatze 
Yonınv dE QVow yon Synıa goovelv auch hier treu bleiben. 
Wenn nun aber auch dem helleniſchen Bolfe im Ganzen ein folcher 
Gedanfe fremd geblieben ft, fo folgt Doch daraus noch nicht, daß er 
überhaupt in feinem Individuum je rege geworden fer, vielmehr 
finden ſich Einzelne wohl zu allen Zeiten, die im Mißbehagen mit 
ihren Verhältniſſen fih durch einen ſolchen Troſt über alles Unge- 
nügende hinwegzufesen fuchen: und wenn Pindar und Eimpnides 
in dieſem Sinne das Gefühl des Unbefriedigtfeins im Irdiſchen be— 
fhwichtigten, warum foll Theognis „der Dichter der Elegie, der 
Heimathloſe, nicht in gleichem Sinne ſich äußern dürfen? Ja ſelbſt 
Tyrtäus ſchon, dem doch dieß Gefühl des Unbefriedigtſeins ziemlich 
fern liegt, ſpricht ſich in ganz ähnlicher Weiſe aus IX. V. 31: 

Ovde more x)8og E09A0v anökkvıaı 010’ Ovou wvrTos, 


Ak c x — * BR 9 ’ = 
vb vno yns Neu Ewy YllETUL Wa GlaTOg, 


424 lleber vie Rrit 


Ovriv’ GOLOTEVOYTa UEVOVT« TE UMOVauErov TE 

yns nor zul neldov Fovgog Aons ÜLEON. 

Und diefe Verſe wird doc Bernhardy nicht etwa auch für ein Em- 
blem erffären wollen? 

Sch füge noch einige Beiſpiele meiſt aus dem Testen Theile 
des Gedichts hinzu, wo die Ichlechten Handfchriften entweder allein 
oder in Verbindung mit KO das Nichtigere bewahrt haben. Sp ift 
man B. 491 mit Unrecht dem Cod. A gefolgt: 

H uiv yag yegerar gıloryarog, 7 JE noözerun; 

zıv ÖdE Ieulg onevdaıg, tnv Ö’ Eni yeıpog Eyeis! 

alveisdaı Ö’ oVz oldag* anıznrog dE Tou oVTog, 

Og moAkas nivov urtı uaraıov Eoel. 

Schneidewin überfest alwedodaı durch contenlum esse, das ift 
aber ungriechifch, es müßte arvedv heißen; ganz vichtig haben KO 
und alle übrigen Hoſchr. dovsloduı 0’ ovx ordag, du Fannft 
es nie abfchlagen, wie bei Homer Dvd. «, 249: ouun“ wonel- 
Taı OTVyEgov Yyauoy ovre Te)evr;V noınoaı duvaruı und p, 345: 
M 2’ £IELW ÖDusval TE zal auvyoaoduL. 

Wichtig iſt V. 208: 

AR 6 usv avrög Etioe zarıy yoLog, oudE gikoroıw 
arnv ESonlow nuıoiv Ensxzgeuaoev f 
ühkov Od’ oV zareuaowe dia‘ Yavarog yao avaudng 
n0009€Ev Eni Brepagoız ELero 2700 yEgwr. 
Hier baben ADK ovdE paoııry, was der Sinn zu verlangen 
fiheint, die übrigen Hofer. dagegen 05 JE yrromır. Aber ich 
halte gerade dieß für richtig, der Fehler Liegt nicht in og de, wo 
ihn jene Grammatifer, welche den Theognis corrigirten, fanden, 
fondern im Folgenden, wo flatt @AAov zu ſchreiben ift: euro d 
od zureuagwe din, wo avıov im Gegenfage zu dem Vorigen 
ganz richtig am Anfange des Verfes ſteht; ich balte aber dieſe Ver- 
befferung für richtiger, weil der Dichter den Tall, wo des Frevlers 
Kinder von der Strafe heimgefucht werden, befonders hervorbeben 
will, ex alſo dies gewiß auch mit größerer Ausführkickeit behandelt 
bat, als den erften Fall, wo den Frevler felbft die Strafe erreicht. 
An dem 05 dE iſt wohl Fein Anftoß zu nehmen, fagt Doch fihon 


im Thevgnis. 425 


Homer SL. XXL. 353: reioor’ Eyyekveg TE zul iyPüsg, 08 zarı 
divas, ol zark zura 088 99a zußlorwov EvIa zul EvYa. 

V. 320: Torud 0 Ev TE zmxoig zeiuevog Ev 7 ayagolc. 
Allein die Mehrzahl der fchlechten Hdfehr. hat mit Stobäus XXXVII. 
3 richtig: &v 7’ ayadols zeinevog Ev re zaz0lc, was bei Thevgnis, 
fo V. 136 40 r&dog sit’ ayadov yiveraı eite xax0v, ferner V. 
443: deikög Ö’ ovr’ dyadoloıv Enloraraı oVrE xaxoloı Fvuov 
Öuwg woysıv nach überwiegender Autorität, indem Cod. A dieſe 
MWortftellung hat, die übrigen oVTE xaxoloır — ovVrT” ayadoioır, 
aber weiter unten nah V. 1162, wo diefer Vers vepetirt wird, 
haben alle Handfihriften jene Ordnung. Aehnlich V. 60: owze 
zar@v yroıag sidörsg ovr’ eya9ov, aber V. 1106 iſt uns wie 
gewöhnlich im letzten Theile des Gedichtes die beffere Lesart erhal- 
ton: our ayadav urnumv eiöoreg ovre zarov. Und fo ift wohl 
auch ohne Weiteres V. 397 zu fihreiben: ovr’ ayadoig Enerau 
v00g ovre zaxroloıv, für ovrE xuzois (eine Handſchr. L.zaxovoır) 
Ensrau voog oVr’ ayadoioıv. 

B. 413 haben alfe interpofirten Handfchriften oddE ge olvog 
2Saysı, die befferen fuchen den Hiatus zu vermeiden, daher KO 
ne y olvog, A wer’ olvog fehreiben. — V. 853; ndea iv zul 
ng009EV, drao nohv Awtov ydn, fo wird gewöhnlich gelefen, und 
fo Haben nach Bekkers Bemerkung in der Iften Ausg. alle Hdſchr. 
unten nad) V. 1038, wo diefer Vers wiederholt wird. Hier da- 
gegen haben alle fehlechteren Awova 7 vor, A Awia dy vür, KO 
Asia n vor, wo Awora gewiß richtig ft, nur muß man außer 
dem dn vor aus Cover A aufnehmen. — Ebenfp muß V. 955 
aus allen Hofchr, derovg d’ ed Eodovrı diw zuaxa hergeftellt 
werden, im Coder A iſt wie öfter im Anfange eines neuen Bruch— 
ſtücks die Partikel abgeftreift, und ebenſo iſt V. 105 zu fihreiben 
deıhodg Öd’ Eu Eodovrı uarmıoraın yagız Eoriv, wo A ebenfalls 
dE ausläßt. Aehnlich ſteht V. 367 oV Jivauaı yvoraı voov 
«orov, aber AOK haben bei der Wiederholung diefes Verfes vich- 
tig: dorev Ö' 0v duvauaı yvavaı v0oV. Auch DB. 969 möchte 
ich wiederherftellen: EpIw d’ alvjoag, nolv 00V zara nurıa 
damvar 479en, wo Cod. A gleichfalls dE abgeworfen hat. Auch 


496 Ueber die Kritik 


die Herausgeber ſind dadurch oft verleitet worden Sentenzen mit— 
einander zu verbinden, die eigentlich in gar keinem Zuſammenhange 
ſtehen, z. B. V. 531: 
Alel wor pikov NTo9 lalverar, Onnor” d2000W 
avAoV pPIEYYoOuEVWv lUE00E00uV 0na@* 
Auarow 0 &U nıvwv zul Un’ auknıngos Ur0VWv , 
Xaron Ö’ eupdoyyov yegol Avon oyewv. 
Dieſem Princip zu Wiebe hat man hier d' av gefehrichen und dei- 
dwv für «xoiwv ſubſtituirt, eine ziemlich willkührliche und gewalt- 
ſame Aenderung; es iſt vielmehr dieß Diftichon von dem vorigen zu 
trennen und yarow d’ Eunivov zul On’ avintigog drovwv 
zu fchreiben, in dem wie fo haufig Sentenzen verwandten Inhalts 
neben einander geftelft wurden. Uebrigens will ich nicht leugnen, 
daß allerdings zuweilen Worte, die unmittelbar vorausgingen, fich 
an unrechter Stelle einfchlichen und fo nicht gerade ähnliche ver- 
drängten, 3. B. V. 630: 
2 zıvı un IvuoV 20E00wV voog, altv Ev araıg, 
Kvov’, öy& zal usyarlaıg xelruı &v dunkarlaıs. 
Aber Oye ift nichts als fchlechte Interpolation, die Hdſchr. haben 
alle Kvove zur oder Kvgvak zul, 08 iſt zu fihreiben Kuove, 
zul Ev ueyakaıs zeiraı aunyavlaıs, wie V. 646 zerwevog &v 
ueyahn Fvuov aunyarın. und ähnlich der Plural B. 619 norr« 
Ö’ aunyavinoı zuAlvdoueı, dunkazlaug entftand Durch den Schluß 
des vorigen Diftichons ESarloeı Ivuov &s daunkoxrinv. Defter find 
auf diefe Weiſe namentlich die Endungen eorrumpirt, z. B. V. 1143: 
AN 099 rıg Tweı zal 600 paog nehloıo, 
evoeßewv neol Yeovg Einida no00uEVErw, 
evyE0Iw dE Yeoloı zaT’ aykua unola zulwv, 
Einıdı Te nowrn zal nvuaen Ivito, 
poaleoIw Ö’ adızwv avdowv 0z0A10v Aoyov alel. 
Das 5376090 verdankt nur den benachbarten moooueverw, Yvirm, 
poaLEoIw fein Entftehen, der Schreiber des Coder G merkte auch 
das Unpaſſende, und fehrieb deshalb "Ernidı dE, und aus demſel— 
ben Grunde haben alle Herausgeber mit Schäfer zur’ «yıua 
ungla zulwv gefhrieben. Aber die Hoſchr. haben alle zul, es iſt 


im Theognis. 497 


zu leſen, wie 08 nothwendig der Sinn erfordert: eVyouevog re 
Jeoloı x al ayhaa unola zulov ’Einıdı te ngwın zul nuuarn 
Yvirw. Das Simplex zarsıv iſt vollfommen richtig, wie one 
Il. 4A. 772: y&owv Ö’ innnkara Ilmkevg niova uni’ Exwıe 
Boos Fü TEUNIXEDaUVD. — 8 1019 wid ent nAeov @peher 
eivar, was ich für nee nAEov hergeftelft: hatte, durch eine Hofchr. 
(6) beftätigt. — V. 1201 haben die interpolirten Hdſchr. ganz 
richtig: oVdE wor nulovor zUpwv' Eizovoıw @00T90V, dagegen 
AKO zupov Eixovow agorgov, A fogar noch Avroyoı. 

Wenn nun gleich Sowohl die interpolirten Handfehriften, als 
auch der Venetus 2 und Baticanus Q mehr Beachtung verdienen, 
als ihnen bisher zu Theil geworden ift, fo will ich doch Damit den 
Werth des Codex A nicht im mindeften berabfegen, fondern ich werde 
ſchließlich noch an einigen Beifpielen zeigen, wie derfelbe noch kei— 
neswegs vollftändig benußt worden iſt, vielfach entweder das Belfere 
enthält oder den Weg zur DVerbefferung andeutet. Auch bier be— 
fohränfe ich mich auf den legten Theil der Sammlung, indem ich 
noch befonders hervorhebe, Daß der Codex A vorzüglich auch in 
Dialeetformen und Orthographie das Nichtige bewahrt hat: fo hat 
er 3. B. ſtets yrvouoı, yırwozw und Anderes der Art, was ich 
zuerft überall hergeſtellt habe, nicht blos im Thevgnis, fondern auch 
anderwärts. Denn die Form yıyrouaı, die jeßt gewöhnlich den 
Eingang in unfere Torte gefunden hat, ift auf die alten Epiker und 
die attifchen Schriftfteller der beften Periode zu befchränfen ; Aeolier, 
Dorier, Sonier fowie Die fpäteren griechiichen Autoren insgefammt, 
kennen nur die Form yevouaı. Doch die weitere Begründung muß 
ich einem andern Drte vorbehalten. 

B. 494: "Yusig 0’ eo uv9elode — zontnot Renee: 
alıykov Euıdag Inv anzovrouevon. 
Sp alle Hoſchr., aber ganz richtig Cod. A dgcdog, wie V. 1210: 
natomas YnS @nEovx0LLEVoR. 
B. 529: Ovrs rıva nooVdwx« pihov zul nıorov raioon, 
outꝰ Ev Eu Yuyn dovAıov oVdLV Ent. 
aber ft. oVrE rıva hat Cod. A ovdera, KO ovdE zı, es iſt alſo 
oVdEra nw noovdwza yirov zu ſchreiben, und aus denfelben 


498 Ueber die Kritik 


Hdſchr. im folgenden Berfe odd’ Ev herzuftellen. Aehnlicher Weiſe 
ift V. 557 zu einendiren: poaleo dy' zivdvvog Eni Evoov 
toraraı azuns, wo man gewöhnlich lieſt PowLso: zirdvvog 1oı, 
der Cod. A aber pouleo d’ 6 zirdvrog darbietet. 
B. 571: AoSa uEv dvdgammıoı zaxov ueya, neloa Öd' @gıorov 
nokhoı unelonror duSav &y0v0’ dyado». 
Hier dat man aneıomror für aneionrov aus Cod. A aufgenom- 
men, aber auferdem it für ayadav Cich habe in meiner Auszabe 
«yadıv corrigirt) aus derfelben Hoſchr., welche ganz ebenfo dieſen 
Bers nach. B. 1104 wiederholt, «yaFoL zu fehreiben, doSar Eyeıv 
ift ſoviel als dozeiv, vergl. Solon X. V. 34 zUdyweiv aurög 
doSav Exugrog Eye. Ganz ähnlich arrlav Eysır mit gleicher 
Eonftruetion, wie bei Phrynihus Zoaymdozz Fr. VI. ed. Meineke: 
altlav Eysı novno0og Eivar nv reyvnv. So alfo auch hier dosev 
&yovo' uyadol (eivar). — B. 584 ra d’ ESoniow ı7 pvAaxf 
uerEro ift, wie auch Schneivewin bemerkt, nach Cod. A in za 0’ 
ESonioo, TOP pvAaxn us)kıw zu verbeffern, wie denn über 
haupt die Auslaffung des Hülfszeitworts bei Theognis gar häu— 
fig iſt. 
3.634: Bovievov dig zul tor, 6 Tor #’ Enl ToV voov EIN 
«rn00g yao wel Aaßoogs avno Ter£de. 
Hier hat man für oe mit Unrecht «wer aus dem Cod. A aufs 
genommen, denn die Elegiker gebrauchen immer ale, nie dei, 
Simonides Epigr. 179, V. 9 zur uıv gel Teyyoı voreon 000008 
it auch aus andern Gründen verdächtig. Jedoch ift die Lesart des 
A wohl nur ein Verſehen des Abſchreibers, ich verbeffere @ryoog 
yao dn. 
V. 668: E} udv yoruar Eyouu, Sıuwvidn, olanco nei, 
00x av Avımuny Tolg ayadoloı ovvwr. 
Dies, die überlieferte Lesart, tft durchaus finnfos, aber auch bier 
Yeitet Cod. A auf das Nichtige hin, indem er 707 und dvorum ft. 
ndeıw und avımunv darbietet, ich verbeffere daher: olansg old a, 
oV’z av avaıvolınv Der Gedanke ift, Armuth bindert am 
Nevden, wie der Dichter ſelbſt ganz Har fagt V. 177: zul yag 
dvno nevin Öedunusvog ovre tı Einelv 009 Eofaı Övvaras, 


ım Theognis. 429 


yAoooa dE oi dederan. Auch Tiegt ja-tieß in den folgenden Wor- 
ten viv dE we yiıraazoıra RECHNEN et 0’ apwvog 299- 
uoovvn, OMMGV yvovg 7LE0 Gusıvov Ert, womit man vergl. V V. 419: 
no. UE zul OVVIEVTR NRQEOYETGL, Oh Um wvayzıns O1) 
yWwmor@v Üusregnv Övvauır. Denn das yırwoxorra entfpricht 
völlig dem oiunzo oda, wo das Perfectum durchaus nothwendig ift. 
00x av avamvorım iſt gleich od2 av pIovornv. Hierbei verbeffere ich 
die auch in meiner Ausgabe fehlerhafte Interpunction V. 709: 
zvaveag TE nvAag nagausiverat, alte Favovıwv Wvyag &loyov- 
cv zaineg avamnusvas. Es ift nach eioyovow zu interpungt- 
ven, denn avamousvag gehört nicht zu wozas, ſondern zu nvAuc. 
uebrigens deutet der Dieter, obwohl er fein Wiſſen verbergen will, 
doch auf allegoriſche Weiſe feine Anficht im Folgenden an, daher 
jhließt er mit ven Worten: ravra woı yrlyIw zergvuusva toig 
ayayoloıy: yıraozoı Ü’ av TIG xal zuX0g, yv o0Wog 7, woran 
Schäfer unnöthiger Weife Anftoß nahm. Im diefer ganzen Efegie 
bat der Dichter die Form der Parafiopefis angewendet, Die Nuti- 
lius II. 11 fo definivt: „Hoc est, cum aliquid nos reticere di- 
cimus, et tamen tacitum intelligitur.“ vergl. Quinet. IX. 3. 99; 
diefelbe Figur, welche Herodian zeoı oyyu. p. 57 ed. Dind. als 
dorelouos betrachtet: aorslouog JE EZorı noosnornoıs nıdavn 
TOD un Akysıy 7 urnuovevsıv nuas a Aeyouev, @g naoa No- 
pozhel sionzrar AEywv 0 Odvooevg zw Juouydeı: 2yo Ö’ 20w 
ooı dewov oVdEv, 008 Önwg xTA, 
V. 765: @O’ zivar: zal ausıvov Eupoova Ivuov Eyorrag 
voopt uEoLuvawv EVPI00VvwG dıayeır. 
Hier hat man ausıvov Eiponra ftatt ausivova EVPOOVa aus 
Cod. A mit Recht aufgenommen, aber der Anfang ift ganz unver: 
ſtändlich; indeß führt auch hier diefelbe Handfchrift auf das Nichtige, 
indem fie zu» ftatt eivar lieſt, es ift alfo &d’ ein zEv ausırov 
zu verbeſſern. 
V. 877: Hfwors, pihe Foul, taz av Tıvig aAkoı Eoovrau 
ardosg, &ya dE Yarwv yala uchawm’ Eovouaı. 
Sp vie gewöhnlichen Ausgaben, was auch ich beibehalten habe; vie 
meiften Hdoſchr. 7Baoıs, K 7Pßwns, O npßaoı, A nPavor ; hierin 
<o 


450 Ueber die Kritik 


liegt das Richtige: 7Pa@ woı, pie Ivus, wo Bßar in der Be— 
deutung [herzen, luſtig fein zu nehmen iſt, wie bei Anacreon 
XV: warıo Ö' &izo0u Avdov yoodzoıy rear Eyov, ® 
levzaonı, 00 Ö' nRgS- XXIII. V. 2 oV yao Euol mals 2IEzı 
ovvnßav. XLV. egauaı dE Tor ovvnBäav- yaoırsuv Eyeıg 
yao 790g. Endlich in einem Scolion XII. V. 4: zul To TEruo- 
zov ypav usa Tov pılov,. Dbwohl das Wort in diefer Bedeu— 
tung hauptfächlih bei Anacreon nachweisbar iſt, möchte ich darum 
doch nicht eben jenes Diftihon für ein Fragment einer Anacreonti— 
fhen Efeyie halten, Daß übrigens 7 « — das Wahre iſt, geht 
daraus hervor, daß nach V. 1070, wo dieß Diſtichon in den Hdſchr. 
wiederholt wird, I6CASõ wor pihe Hure geleſen wird, was offen- 
bar ein Gloſſem ift. 

V. 079: Mn woı dvno ein yAwoon YiLos, alka zur Eoym‘ 

yE001v TE ongidor Yonuao! T auporeog@‘ 
undE nao@ #9nrmg1 Aoyotoıw Eumv pPoEva JEhyor, 
dir Egdov parvorr’, ei rı Övvaıı' ayasor. 

Hier hat aber Cod. A onevdov, und das Medium omsvdeodaı 
fennt Homer Il. O. 402: Eyoys onevoouaı eis Ayıkya. Ae— 
ſchyſus Agam. V. 147: onsvdoueva Yvolav eregav. Eumenid. 
V. 363: onsvdouevar Ö' apehelv tıva rasde ueoluvas. Left 
man onsvdov, alsdann ift auch mit derfelben Hdſchr. im folgenden 
Verſe FEryoıg zu fohreiben, denn 952500 iſt aus Bekkers Conjectur ; 
alsdann wäre weiter zu verbeffern: «Ar Eodwv palvor, eırı 
dvvaı dyador, auch haben mehrere Höfchr. darunter K durar”. 
Der Uebergang von der unbeftimmten dritten Perfon zu der diree— 
ten Anrede ift den Griechen ganz geläufig. Außerdem ift noch zo7- 
waocı in oyuaoı zu verbeffern, denn mit Nath und That foll der 
Freund helfen, dieß it der Gedanke des Dichters; aber auch ſprach— 
lich läßt ſich zonuaoı nicht vechtfertigen, da es in diefer Verbin— 
dung nur eine nähere Erklärung des vorausgegangenen zegolv ent- 
halten würde ; allein «uprreoa wird überall da gebraucht, wo von 
der Verbindung mfprünglih gefonderter Begriffe die Nede it, wie 
bei Homer: 


’Aioo -Aaoıkeve T’ EyaFor ; o0c 7’ alyunıng' 
Luporeoov, paoıkevs T UyaJ05z ZORTEONS T zuntns 
⸗ 


im Theognis, 431 


Aupstegov, z0ou0g F innw, &arngi Te zudog. 
oder bei Pindar Olymp. I. 104 wie ich verbeffere: 
nenoıda è E£vov 
un Tiv’ dupörega zalwv TE uahhov ldgıw m Övvauıv zVOLW- 
TEooV xT). 
ebenfp DI. VI. 17: Zugoregov, uarrıv 7’ ayadov za dovol 
uigvaodaı. In gleicher Weife wie bei Theognis iſt auch bei So— 
Ion ein Fehler unberichtigt geblieben, III. V. 6: 
Avtoi dE pIelosıw usyaknv nor apgadinow 
"Aoroi Bovkovıaı yoruaoı neıIousvor. 
aber von einer Beftehung der Bürger Athens kann hier unmöglich 
die Nede fein, ich ſchreibe Onuaoı neıdöueror ; fagt doch derſelbe 
Dichter von den Athenern X. V. 7: 
Eis yao yAoooa» Öours zul eig Enn aiuikov dvdgog, 
‚Eig Eoyov d’ oVdEv yırousvov Ahenere. 
V. 884: IwonyYeis d’ Eosaı noAhöv EAapogoTEgoc. 
Hier fehreibe ich jetzt aus Cor. A EAngpgor&owg, denn der Gedanke 
ift, es wird bir viel leichter fein, du wirft dich wohler befinden, 
Daher zivaı ganz richtig mit dem Adverbium verbunden ift, vergl. 
Herod. II, 152: demas av Ev gu%axnoı 0 Baßvıorıoı. 
Cbenſo babe ich ſchon früher aus derſelben Hoſchr. VB. 911 dv’ eiot 
To noogYHev dor wor für Eroıv mog0ogdEev hergeftellt. — V. 
1038 habe ich mit Cod. A geſchrieben: wg Ev Euol yroun, 
Kvore, naraı xexgıroı ftatt Ev Eun yraun, wobei ich bemerke, 
daß V. 717 yroumv tavryv zaradEodaı entwerer mit Stobäus 
Taıııy yvoumv oder wohl beffer yroumv Taurn zuradeodaı 
zu fchreiben ift, wie Plato Timäus p. 29: de zyv y’ Eumv ti- 
Feuaı wopov., Bei Parmenides (Simplie. Phys. 9 a) iſt zu ver- 
beffern: uoopag yag zaredevro Övo yraumv ovoualev fir 
yrouns. — V. 1085 hat Schon Welcker richtig in der Lesart des 
Cover A Inuwv dsıor dE noAra gegeıv Paogd den Namen An- 
uovaS erfannt, denn die Nulgata dnuov Ö’ aSıod noAlu pEosıv 
Bagvs ift offenbare Interpolation; aber Anuwvas, vol noA)a @e- 
osıv Pagv iſt Fein vecht paffender und correcter Gedanke, weicht 
auch son der Lesart der Hdſchr. zu weit ab; ich habe naher verbeffert: 


439 Weber die Sritit 


Anuovas, ov ÖE nokia pEgEıS Puov* oV yao Entory 
1003” Eodsıv, 6 Tı 001 un zaradvwov 7. 
Ebenfowenig, glaube ich, bat Welcker das Nichtige getroffen, wenn 
er V. 1957 © nal, ixtivomı noAvnkayzıoıoı Owolog Aoynv 
für die Lesart des A zudvvoroı fchreibt, wo man ungern ein 
Berbum vermißt, ich verbeffere: 
nal, alyzAoıg el 00 nolvnkayzromıv Öuolog 
doymv, ahkore Tolg, aAhore Toloı plimn. 
Denn plhnv hat Hermann richtig" ft. pireZv emendirt. Man fann 
übrigens vergleichen B. 304: oV yon zıyralsıv ayadov Piov, 
ah arosulev. In dem letzten Theile unferer Sammlung, die 
uns allein im Cod. A erhalten ıjt, find die meiſten Irrthümer auf 
Rechnung des Abfchreibers zu ſetzen, und laſſen ſich leicht heben; ſo 
iſt V. 1310 unde 08 vıznon naıdaldn zurdıns wohl ganz ein- 
fah in nadd’ «dan zu verwandeln, V. 1311 fehreibe ich ftatt 
diounı dıwouaı von dindeiodar, und interpungive 
Ovxz &rades aAewas, © nal, zal yao 08 dıwouat* 
TovTorg, oisneo vo» agdwuog ydE piLog 
Enhev, Eumy ÖE usdnzag ariumrov pıhörnra, 
oV Ev dn Tovrorg y’ n09a pihoG no0TEoon. 
wo das im zweiten Verſe vorausgefchiete zovzors im vierten Verſe 
wieder aufgenommen wird. — Mit Verfegung eines Wortes iſt V. 
1329 zu fehreiben oo Te dıdovv zauA0» Eorıvy (für dudovr’ 
&tı zaA0v) Euol T' 00% GLOY00V Eowvrı altelv. dıdovv, wie 
bei Theveritt XAIX, 9: nwg zovr' KouEva ToV pıkeovr’ oVlarg 
dıdov ; Dagegen, glaube ich, iſt nichts zu andern V. 1349 in der 
Lesart der Hdſchr. 
Ovw un Yavuale, Sıuovidn, ovvera zayo 
ESsdaumv zahov nardog Eoworı dausıs. 
wo ich mit Baiter u. A. ESeparıv verbeffert habe, wie V. 1344: 
0V yao En’ alzehip nad Öuueis Eparıv. Aber man vergleis 
che Ariitoph. Nut. V. 167: H dadiws pyeiyoy av anopiyou 
dizw. Acharn. 178: TEE yag us peuyorı’ &2 guyeiv Ayao- 
vias und Achnliches. Schuld des Abfchreibers ıft gewiß auch die 
Vermischung von zwei Bruchfiüden V. 1381 ff., welche Bekker 


im Theognis. 433 


entdeckt hat; ebenfo ıft offenbar eine Lücke von einigen Werfen, die 
man bisher gar nicht beachtet hat, V. 1250: | 
Ilat, ou uiv avıwg Innos, Enei z0ıJoV ER00E0ING , 
avdıg Eni oraduoog Yhvgeg Yustloovg, 
nvioyov TE n0I0V ayadov Akeıuova TE zuAov 
zoyvnv TE Woyonv alosk TE 01:00. 
Der Sinn muß fein. wie ein Noß, wenn es gefättigt ıft, voll Ue— 
bermuth die Feſſeln zerreißt und herumſchweift, bald aber wieder zu 
dem frühern Herrn zurücfehrt. Es find alfo nad) &xo0&oIyg min- 
deftens ein Pentameter und Dexameter ausgefallen. 
Marburg. 


Theodor Bergk. 


Muf. f. Philol. R. F. IM. 98 


e@ 


Die Vormundſchaftsrechnung Des Demo- 
fihenes. } 


In allen Commentaren über die Reden des Demofthenes liegt 
nichts fo im Argen, als die Erflärung über die Neden gegen die 
Vormünder. Die Zahlen, auf Die es am meiften anfommt, druckte 
man den geringen Handfihriften und frühern Ausgaben getroft nach); 
mochte auch der Cod. I, dem man doch fonft folgte, noch fo deut- 
lich gerade in einer Hauptſtelle (Aphob. II $. 13) zod« raların 
ftatt nevre takavra geben, man behielt die Wulgata bei; Capital und 
Zins zu 12%, fammt noch anderen 3 Talenten und 10 Minen 
betrug in 10 Jahren doch nicht viel mehr als 10 Talente, wie? 
das ließ man dahin geftellt fein. Da verfuhr doch Neisfe anders, 
wenigftens offen geftehend; Aus diefer Nechnung kann ich mic) 
‚nicht vecht finden. Es wird öfter fo fommmen. Nach meiner Nech- 
‚mung fommen mehr nicht als 4 Talente 18 Minen heraus. Sch 
‚will e8 einmal zufammenrechnen u. f. w. Ja aber, nun fehe ich 
„erſtens, das Haus rechnet er hernachmals befonders. Wie gefagt, 
rich kann das nicht recht ſpitz kriegen.“ Deutſche Ueberf. B. IV 
©. 167. zu Aphob. I $. 10: zerraga Talavra zal nevrazıg- 
zihrag. „Es macht weit mehr“ u. f. w. ibid. p. 189. „Ja 
aber Demofthenes vergißt ja die 77 Minas.“ p. 186. Bald 
mußte uuktora mehr, bald weniger als die angegebene Sumnte be- 
deuten, bald rechnete Neisfe, um herauszufommen, 120/, jährliche 
Zinfen, bald 18%. „Usura haec est sesquidrachmalis. Sed 
vel sic quoque non satis constat ratio. Nam“ etc. Id. ad p. 
825, 25. Auch verwechfelt er das Stener - Capital mit den Ein— 
fünften. Ueberf. S. 200. Ganz ausgemacht ſchien der Wider: 
ſpruch in der Nechnung der erften und der zweiten Nede gegen 


Die Bormundfhaftsrehnung des Demofthenes. 435 


Aphobus, ohne an ihrer Aechtbeit zu zweifeln. „Sed quid labo- 
ramus, meinte 9. Wolf ad p. 824, 16 fehr naiv, ubi nobis 
neque serilur neque metitur? Fides istarum ralionum sit pe- 
nes Demosthenem et iudices huius coniroversiae. Nostrum 
est verba aucloris interprelari ul quimus (corrupla si sunl), 
quando ut volumus non licet.“ Wie kann man aber diefe Re— 
den auslegen, ohne ihre Nechnungen zu verftehen? Ob aber die 
Zahlen in den Poſten und Summen, welche Demoſthenes aufſtellt 
und ſich oft wiederholen, verſchrieben ſind, wird ſich weiter unten 
zeigen. Dankbar muß ich aber einzelne Berichtigungen erwähnen, 
welche Seager (im Classical Journal LVIII p. 365 f.) und Schä— 
fer gegen Neisfe erinnert haben, 

Ein Hauptwiveripruch hebt fich von felbſt, wenn man die 
Rechnung des Demoſthenes von der der Vormünder unterſcheidet. 
Sp klar dies der Redner thut (Aphob. I g. 342-39 "Erı. zoryvv 
— 7006 70V Aoyov 0v anopegovo, ES wv autol Aaßelv Öno- 
koyavow, Enıdeisw etc.); fo wenig hat man dies beachtet, fo 
daß man p. S16 $. 9 ylovr d. i. vfie (die Vormünder) ‚glaubten 
fo viel Steuer anfegen zu müſſen/ noch neuerlich überfegt hat wich 
glaubte», Endlich Hat man den Terminus a quo bei der Zinsrech- 
nung dev einzelnen Poſten nicht bedacht, fondern alle für gleich 
zehnjährig genommen. Wenn man aber das Verfchiedene fcheidet, 
und das Zurücerftattete von dem noch Schulvigen EN wie es 
natürlich ift und Demofthenes deutlich abzieht G. B. Aphob. 1 $. 
6 f. $. 36 f.), fo ergeben fi) folgende ganz klare Rechnungen, 


Tabelle 1. 


Die Zinfen find berechnet Emi doayur, da h. 
1 Dr. den Monat auf 1 Mine = 100 Dr.), 


1%, den Monat = 12%, das Jahr. 
Sn 10 Sahren vermehrt fi das Kapital um 14. 


436 Die Vormundfhaftsrehnung 


1 Talent = 60 Min.) trägt 720 Dr. = 7/5 Min. jährlich, 
und in 10 Jahren 72 Minen. Bergl. Aph. Tg. 9 extr. 


1 Tal, trägt 72 Min. = 1V; Tal.) in 10 Jahren. 


Anmerfung 1. Eninevr 0Boroös (monatlich, d. 1. 10%, jähr— 
lich) ließ Dnetor den Timokrates De Mitgift der Schwefter 
verzinfen aus befonderer Freundfchaft. Adv. Onelor. $. 7. 
Dies findet aber Feine Anwendung auf die Zinsrechnung des 
Demofthenifhen Vermögens, welches der Nedner ed dowzun 
berechnet, wie er auch öfter noch ausdrücklich fagt, obgleich ex 
die Mitgift feiner Mutter En’ Eure’ Oßororz (d. i. 18Yo jährl.) 
berechnen Könnte, wie er Aph. I $. 17 verfihert. 


Anmerfung 2. Verwaltung. Schmeißer De re tutelari p. 
12 behauptet, der Vater Demoftbenes babe die Verwaltung 
des Vermögens von den 3 Vormündern wollen gemeinjchaft- 
fich geführt haben, weit Aph. II g. 15 fteht: Zus de naoı 
zo LET« TOP Yonuarwvr nagaxararıdeuevog. - Allein 
daraus geht wenigftens nicht hervor, daß fie es auch gethan 
haben. Hätten fie das Gut (70» 0x0») verpachtet, wie der 
Bater gewollt, fo war ohnehin die Mühe ver Verwaltung nicht 
groß. ine getrennte Verwaltung ergiebt ſich aber aus Aph. 
Is. 36 ff. Sp hatte Aphobus die Meſſerfabrik 2 Jahre ın 
feinev Verwaltung, Therippides 7 Jahre lang. *) Auch müßte 
Aphobus, da er außer dem Andern für fih allein die Mitgift 
(mit den faft zehnjährigen Zinfen davon beinahe 3 Talente be- 
tragend) zu erjeben bat, fo viel mehr als 10 Talente, wel- 
ches das Drittel von der ganzen Forderung an alle Vormün— 
der ıft, alfo beinahe 13 Tal. evftatten follen. Es werden 
aber immer nur etwas mehr als 10 Talente von ihm ver- 
langt. Aph. I $. 67 werden 100 Minen als Epobelie ange- 
geben, folglich war die Forderung an ihn ſechsmal fo viel, 
alfo 10 Talente. S. Aph. II G. 13. $. 18, I fin. 


*) Gin Jahr muß die Sabrif nicht im Gang gewefen fein. 


des Dempfthenes. 437 


Zabelle II. 
Größe des Vermögens nach dem von den Vormündern gemach- 


ten Steueranfaß. 


Aph. 
Aph. 


Aph. 


1.7. ce. U g. 4 Die Vormünder fegen an 

von je 25 Minen: 500 Dr. = 5 Min. Aph. III $. 59) 
er BE NZ 

—iasoo = 


1 $.9. Da fie nun 3 Talente als Timema angeſetzt, dich 
aber Y; son 15 ift, fo muß das Vermögen (ovora) 15 Tal, 
groß gewefen feyn. 
I $. 37. Bon diefem Steueranfag zahlten fie 18 Minen Ab- 
gabe leispoga) d. i. Yıo des Anſatzes oder /so des Ver— 
mögens, 

Bol. Böckh Staatsh. Bo. II ©. 53. 


Tabelle II. 


Snventar. 
a. Arbeitendes Bermögen. 


1) Aph. I gs. 9. Meſſerſchmiede 32 bis 33 


trugen jährlich 30 Minen, 


Sie repräfentiren ein Capital von . ? .. 190 Dünen, 
Denn 33x 5% Min.=189 a, runde Summe 190 M. 

Daß Demofthenes 1 Mefferfchmied zu 5% Min. 

Werth anfıhlug, geht aus der von ihm angegebenen 
Gefammtiumme 4 Tal, 50 Min. hervor; denn 

von B : ! . 4 Tal. 50 Min, 

die Summe für die Stuhlma- 


BE...» { . 40M. 


und die der Baarſchaft 1T. 
abgezogen . s en 


bleibt 3» 10 m 


= 190 v 





2) Aph. I g. 9 vergl. MI $. 35. Stuhlmacher 20 


trugen jährlich 12 Minen. vgl. Aph. HU g. 12. 
verpfandet für . h { > i 40 Minen. 


230 Minen. 





458 Die Bormundfhaftsrehnung 


Transport 230 Minen. 
3) Aph. Lg. 9. Baares Geld gegen . i —6 
trug jährlich mehr als 7 Minen (das iſt gegen 75, 
welches der geringe Zins von I Talent war). 
Anmerkung. Diefen 3ten Poften rechnet Demo— 
jthenes hierher, unter a, und nicht zusder Rus 
brik C, nicht zu der &xdooıs, weil Diefes baare 
Geo beim Tode tes Waters nicht angelegt war. 6 
Aph. 18.10. Summe des arbeitenden Capitals. 4 Tal. 50 Min. 
Ueberſicht der jährlihen Einkünfte von a. 
NB. Es fommt hier nicht in Betracht, wie viel durch die Schuld 
der Vormünder weniger einging. 


ar 


1) 30 Minen. 





DaF Er 
3), Ass © 
49E » = (Aph. I $. 10) beinahe : . 50 Minen. 


Aph. 1,8: 3, nRkeibeigewendixb eitiers 
1) Meſſerſchmiede 32 bis 33 
2%) Stublmader . » » 20 
über . 50 Arbeiter. 
b. Todtes Vermögen. 
1) Aph. I g. 10. Elphenbein, Eifen, Holz gegen . 80 Min. 
$.30—33, wo das Holz nicht genannt wird, über 
1 Talente. vgl. UI 6. 35. $. 38. 
3) Aph. I $. 10. Gafläpfel und Kupfer . ß 70 
3) Aph. I g. 10. Haus RR — 
4) Aph. I $. 10. Geräthe (wozu die Sklavinnen $.46 ! 
II $. 25 zu rechnen) gegen . ; : 100 
5) Apk.1/g70. Siege nen. W. 
6 Talente. 
NB. @oyvorov $. 9 muß Geld, und $. 10 Silberzeug bedeuten, 
denn fonft ſieht man nicht ein, warum jenes $. 9 unter den 
&vegyois, Diefes $. 10 unter den woyois ſtehe; zgvolu 
aber und zovordew $. 10 u. 15 iſt Schmur der Mutter. 


des Demofthenes. 439 


c. Angelegte Capitalten. 
(&zdooıs Aph. III $. 35.) 
1) Aph.I g. 11. Bei Zuthus auf Seezins (III s.36) . 70 Din, 


2) Aph. I g. 11. Bei Pafion dem Wechsler . DA, 
3) Aph. I g. 11. Ber Pylades ⸗ " J — — 
4) Aph. I g. 11, Bei Demomeles Z 16 


5) Aph. l g. 11. Kleine Capitalien zu 200 bis 300 Dr. 60 
$. 11°) Summe 8 8 Tal. 56 Min. 

dauad „ 50 
genau 13 Tal. 46 Min. 

Gefammtfumme Aph. I $. 11 u. $.59 faft 14 Tal. 
d. Mitgift der Mutter . 1» 20 » 
Gefammtvermögen 5 v» 6 
Vgl. Aph. I g. 15 lg. 11 vüber 15 Tal.“ 
Zinfen von 10 Jahren angefchlagen zu 15» —, 


. 





Gefammtforderung 30 Talente. 
Vgl. I6. 50. $. 52. 6. 59. 
Aph. Is. 60 ff. Jährlicher Ertrag 150 Minen. In 10 
Sahren 1500 Min. = 25 Tal. Davon ab weniger als Yz für 
Unterhalt der Mündel, fo daß eigentlich mehr als 17 Tal. Zinfen 
zu vechnen wären. Es werden nur 15 Tal. gerechnet. 


e) Die Vormünder erhielten nah dem Teftament: 
1) Aph. 18.5. Therippides (vergl. $. 42. III 6. 43) die 
Nusnießung während der Bormundfchaft von . . 70 Min. 
2) Aph. 19.5. Demophon Heirathsgut ver Schwefter 120 
Bol. SH. 42. 43. 45.65. I 8. III SS. 35. 43. 48. 
3) Aph. 18.5. Aphobus Mitgift der Mutter . 80 ⸗ 
Bol. I SS. 42. 56. 11 $. 8. III SS. 33 f. 48: 
Nebft Nutznießung des Haufes und Geräthes. 
Bol, I $. 44,1 Ss. 4.8.1 F. 44, 4 Sal, 30 





) Schon Reiske bemerkt, daß $. 1 nevızzovie ſtatt Toıuzovre 
gelefen werden müfle, was man aus der Addition vorftehender 5 Poſten fteht. 


440 Die Vormundſchaftsrechnung 


Tabelle IV. 
Zurückerſtattet von den Vormündern. 
a. In Natura. 
1) Aph. 18.6. Haus, welches früher 50 Minen werth 
"war . beinabe 
‘ 40 Min. 
9) Aph.1$.6. 14 Sflaven a 
Diefe 2 Poſten rechnet Demofthenes für 40 Minen, 
denn der Zte Poften beträgt 30 Minen, und die 
Gefammtfumme ıft 70 Minen. 
3) Aph. 18.6. Baar von Aphobus und Therippides 
$. 57. genau 31 Minen, angenommen zu  . Sl 





Bor. IS. 6. II SS. 8. 11. beinahe 200.7 
b. Ausgegeben. 
4) Aph. 1 $. 36. Kür Unterhalt der Mündel . hr N, 
5) Aph. I $. 37. Apbobus und Therippives an Staats- 
abgabe genau 13 Minen, angenommen zu — PULON N: 





Geht an der Geſammtſchuld ab MIET 7 
Davon fommt dem Aphobus gut: 
Vom Voften 1 u. 2 (vgl. Aph. II fin) . \ .. 20 Min. 


„ „ 8 die Hälfte . * + + + 152 „ 
Pr „A 4 ein Drittel b k ; A DISBE 
“ „ 5 die Hälfte k h : { +1 





1:80.20! „, 


Tabelle V. 


Rechnung gegen Aphobus mit eingeichalteten 
Binspoften. 
Nach Or. in Aphob. 1. 
a. Aphobus hat empfangen (die: 
I) $. 13 und 18 für die Mitgift der Mutter 


des Demofthenes.. 441 


$. 13. Schmuck und Pokale  . A t . 50 Min. 
ib. Rerfaufte Sklaven } 5 t — 
Denn von der Geſammtſumme SO — 50 = 80. 


sl, 
Zins von dieſen SO Minen für beinahe 10 Jahre 
Cereı dexaro Aph. 1 fin.), vunde Summe für 10 
Fahre —— 
NB. Die Zinſen von 80 Minen für volle 10 
Jahre = 96 Minen. Man kann etwa 90 Minen 
annehmen, *) RN 
Aph. 1 $.17 beinabe . 3 Talente. 
2) $.18 ff. Die Hälfte von 50 Minen jährlicher Ein- 
fünfte aus der Mefferfabrif während 2 Jahren . 30 Min. 
Zins davon für 8 Jahre (genau 2880 Dr.) . 30 
Aphobus hat die 3 Tal. 50 Min. 
8. 23 beinahe . 4 Talente, 
b. Apbobus hat empfangen zo: 
1) $. 24 ff. Antheil an dem Bolten Stuhlmacher 
. Bol. III 6. 37. 
Sie waren verpfändet für 4 . 40 Min. 
Erwarben jährlih 12 Minen, alfo in 
10 Fahren . x A A SSHODE,. 4, 


2 Tal. 40 „ 


a 

*) Aphebus Hat die SO Minen Mitgift nicht gleich nach dem Tode 
des Vaters Demofthenes auf einmal empfangen, fondern, wie es aus Aph. 1 
$. 13 vgl. $. 35 jcheint, exit die Becher, welche zu 50 Minen tarirt wor— 
den, ımd dann den Erlös von Sklaven, bis die SO Minen voll waren. 
Obgleich nun für die Zinfen davon meilt in runder Zahl 10 Jahre genannt 
werden (III $. 34 I $. 17, wo man indeß rwv der’ !tTay udkıora ver- 
binden fann. Vgl. Anm. zu Tab. VII, b) jo waren diefe doch nicht voll, 
daher es I fin. heißt: “4y:oßor dE und? dv haße nooiz’ &HElorı ano- 
doüreı zei aedı” Freı dexzaro. Damit muß man nicht verwechjeln 
die vollen 10 Jahre der Vormundfchaft, während welcher die Vormünder 
des Demofthenes übriges Vermögen in Händen hatten, und Onet. II $.14 
heißt es ganz eigentlich öAoıs Lısoı — deza eur kapwv Eiyev Exeivos 
(Aphobus). Weil man dies nicht unterfchieden hat, fand man einen chro— 
nelogifchen Widerſpruch. Val. Seebeck in Zeitfehr. f. Alterth. 1835 Nr 39 f. 


442 Die Bormundfhaftsrehnung 


$. 29. Bon diefen faft 3 Talenten kommt auf Apho— 
bus faft 1 Talent, genau . ; 555 Min, 
2) 8.30 ff. Elphenbein u. ſ. w. im Ganzen gegen 
1 Tal. 20 Min. Davon '/; auf Aphobus, gegen . 263 „ 


App. IE S. 13 bemahe . 1Tal.20 „ 


3) Aph. 118. 13. Capitalien (nad) Cod. re, 
Zins davon für 10 Jahre Ä Ä . ae, 
aa 


aD an 50, 
Summe 11. ,, 46), 
Hat erftattet (Tabelle IV) . 1 „ 29 
Schuldet noch . 10 n 17 7 
Vgl. I $. 67. Is$. 13. 18. US$. 59. 60. 


Tabelle VI. 


Rechnung gegen Aphobus mit hinten angehängten 
Zinspoſten. 


Nach Or. in Aphob. II. 


Aphobus hat: 
—— . 80 Min. 
27 S. 12. "Mesferfaurit 2 Jahre — 0 
3) 8. 12. Am Poſten Stuhlmacher 50ſ. Tab. V. b. 

F. 13. Am Poſten Elphenbein3*) beinahe l Tal. 20 , 


$. 13. Summe 8Tal 10 „ 








4) $. 13. An Capital (nad Eod. >). N 
5) $. 13. Zins fir 3 Talente in 10 Jahren 3 „ 86 


9,4 „ 


) Daß Aph. II 8.13 zei diszuAies (oder mit Zahlen geſchrieben XX) 
vor or ‚s inter udlıore Tekorrov ausgefallen fei, ergiebt ſich aus der 
Addition dev vorher F. 12 aufgeführten Poſten und aus der darauf 8. 15 
folgenden Summe. 


des Dempfthenes. 443 


Transport 9 Tal. 46 Min. 





Dazu Zins für die Mitgift etwa } 1 
„ „ Mr EM Mefferfabrit * “fe A „0 
11 „ 46 W 


Ab das Zurückerſtattete und Ausgegebene 1 „ 29 „ 


Schuldet noh 10 „ 17 ,„ 

Bol. Tabelle V. 
Die Richter erfennen nur auf die Summe von 10 Kal, wah- 
end Demofthenes unbeftimmt immer „mehr als 10 Tat.” anfprigt. 


Tabelle VII. 
2. Rechnung der Vormünder. 
Nach Aphob. I $. 34—39. 


Einnahme, 


$. 35. Aphobus hat erhalten. g R . 105 Pin. 
r Therippides RE : i 2412.08, 
h. Demophon Ha. ö 5 URS, 


SS a. 15, 
„ Davon ab als nicht gleich nach 
dem Tode des Vaters erhalten. 1 „ 17 ,„ 


A Gleich nach dem Tode erhalten 3 „ 58 
Zins für 3 Tal. 58 Min.n 10%.4 „ 3 „ 60Dr. 
$. 35.7) Schub 8 „ 43 „ 60 „ 
Ausgabe, 


$. 36. Unterhalt ver Mündel . h Sal, 17 Min. 

Diefe Ausgabe deckt ſich durch die fiebenjährige Einnahme des 
Therippides aus der Mefferfabrit zu je 11 Minen, wobei er den 
Demofthenes jedesmal um 4 Minen verkürzte. Denn feitvem bie 





*) Aph.1$. 35 am Ende ficht durch einen offenbaren Schreibfehler 
(denn man darf nur Die dort angegebenen Boften addiren) gılias ftatt TE- 
. Wazısyıkias. Was ich auch von Hrn. Sauppe verbeffert fehe. 


444 Die VBormundfhaftsrehnung 


Fabrik anf die Hälfte reducirt war, trug fie doch immer noch 15 

Minen jährl. $. 18 ff. S. 36. 

$. 37. Baar erftattet von Aphobus und Therippides . 31 Min. 
„Staatslaſten. —36 


» 


»  Angefchlagen zu . ß h i k 1 Talent. 
Bleibt als Schuld engen” 7 Talente. 


b. Eigene Kechnung des Apbobus. 


8. 39. Gefteht zu fchulden an Capital (vgl. $.35) . 105 Min. 
» Dazu müffen an Zinfen angefchlagen fein we), 


Sud 30 3 a1, 
Anmerkung. 108 Minen Capital machen in 10 Sabren: 
129 ,„ 60 Dr. Zinfen 


I al BZ pr 60 Dr. Capital und Zins. 

Allen $. 34 fteht als Gefammtfumme nur rola rakarıu 
zat yıhlas. Die volle Summe von Capital und Zins habe ich 
am Nande meiner Pariſer ul angedeutet mit T. nevrazızzı- 
Jras? Nun fteht aber $. 39 20 Lodge Toi® ruharın al 
zıhlas, wofür man jedenfalls cher nAdo» 7 Tola rakavyre, oder, 
wenn die Zinfen vom ganzen Capital während der vollen 10 Jahre 
gemeint fein follen, uarkıora reregra takavra ohne zur yıhlas 
erwarten müßte. Dies aber zu eonjecturiven, wäre fehr kühn, zu- 
mal da die Handfohriften in den Zahlen beider Stellen alle über- 
einfiimmen. Beſſer iſt es mit einem Florentiner (59, 17) und 
wahrfcheinfich noch andern genau interpungirten Handfchriften Durch 
ein Comma hinter ualıoru dies Wort ” dem vorhergehenden de’ 
Erov zu ziehen. Sp Herodot VII, 9%: 82 Towv Erewv xov 
uuhıora. Bol. VI, 30. Aph. 18. 17 könnte man aalıora auf 
die beiden Zahlen beziehen, zwifchen welchen es fteht, zunächſt frei 
fich auf die Geldfumme. Dann fann man aud) za zıkras in bei- 
den Steffen gelten laffen, muß aber annehmen, daß Demofthenes 
darum bier fo wenige Zinſen vechnet, entweder weil unter den 108 
Minen Capital Poften som todten Vermögen waren, was ich nicht 





des Demofthenes. 445 


glaube, weil diefer Unterfchied auch bei ven andern Vormündern 
nicht gemacht wird, oder, was mir aus $. 35 das Wahrfcheinfiche 
ift, wo ausdrücklich zwifchen dem gleich Empfangenen und dem 
Späteren unterfchieden wird, daß auch Aphobus einen Theil der’ 
son ihm felbft als empfangen eingeftandenen 105 Minen fpäter er 
balten bat, nämlich einen Theil der Mitgift (30 Min. f. Tab. V) 
und den zweijährigen Srwerb der Mefferfabrif (30 Min. f. ebend.). 
Franjurt a M. März 1849, 


Vömel. 


Ueber die Schlußparthie dev Schrift des 
Apollonius Dyscolus Tee Eniponuarov. 


In der Schrift des Apollonius Dyscolus zeoe Eniponuarwv 
wird auch wohl ein minder aufmerfjamer Lefer an Citationen An- 
ftoß nehmen, wie fie p. 616, 30 (neo? ov Evreiog einouev &v Ti 
n sol Enıggnuarov) und P. 622,27 (eigyrar — &v tm negi Enıgon- 
uaroov) vorkommen: in folcher Art auf Stellen eines Buches ſich zu- 
rücveriwiefen zu feben, das man noch unter Handen hat, muß auc) 
dent befremdlich erfeheinen, der mit der beſonderen Citationswerfe 
des Apollonius nicht vertraut iſt. Gleich befremdlich find zwei an- 
dere Citate, p. 621, 9 (von der Anhängfilbe Yer): Jedeserau 
yao ımv 8% Tonov 0yEoıw Öykovv TO avıo (|. To Te wvre) 
tois ap’ wv Eoynuariodn, — und p. 622, 4: nagolzul de 
nomtızal EEoVgavodev, into wv zura 10 Eng Elomoetan, 
— womit wir auf p. 625, 11 600. verwiefen werden; allein die 
ganze Materie wurde ſchon früher p. 598, 13 sqq. und p. 608, 
16 sog. abgehandelt: eine Hinweiſung auf diefe vorangegan- 
gene Behandlung wäre alſo wenigftens natürlicher gewefen. 

Ein ſorgſamer Leſer des Buches merkt aber bald, daß bier 
mehr als eine Corruption oder als eine bloße Sonderbarfeit des 
Citirens vorliege: er wird in dieſem letzten Theile der Schrift eine 
Reihe von Bemerkungen, die im Vorhergehenden längſt gemacht 
find, bier aufs neue vorgetragen finden, mit denfelben Berfpielen, 
denselben Argumenten, oft faft mit denſelben Ausdrücken, kurz in 
einer Art, die vorausfegt, der vorangehende Theil des Buches fer 
necht mehr in den Händen des Pefers oder er habe ibn überhaupt 
nicht gefefen. Ich werde zunächft das Auffallendfte dieſer Art auf- 


Ueber vie Schlufvarthie der Shrift w. 


447 


führen und die fih am meiften entforechenden Stellen einander ge- 


genüber fegen. 
p. 590, 24 sqq. 


"Eyaı d’ av Eniorooıw zal To 
DdEe, ovvndws ev ımv Eis 
Tonov oyEoıw ÖmAovv, Ev de 
roig "Oumoıxois, os Agıorag- 
79 (ef. Lehrs de Arist. p. 84 
seq.) doxel &v ro zad0okov un 
tonızng Eysodaı 0yE0EWS, TS 
Ö3 xara noloıyra. ul oapeg 
&otıv, ÖTL 7 ev nagayoyn 
ın dıa tovV de 03% amıdarog 
To ovvn9eg Tonızov EsedeSaro 
eniooyua (l. TO Eniognun). 
RR ep 
Pig ohy ürı &yoıro av Adyov 
Tov, zara nayaywynv Tv de 
ovAAaßnv ngosAaßov zura To 
RVTO omummousvor, wg Eyal 
naga T0 nnog tnuögde 
Io A 9 


p. 609, 17 sqq. 


Jlola odv dhoyla ev ım al el. 
ow doonov Ezoouesı (yonv 
yag, paoiv, Evdov), nyouno- 
dedeıyusvov*) Tod OTı dvo To- 


p. 616, 26 sqq. 


xal 10 @dE anmveyzaro mv 
Eis TOnoV OyEOw nee 
2” SLrP3 le x 
Iows dogs To "Opımgızov &I0g 
avrızeiodaır N nOOEEMNUEIM 
Hım - — 28 
OVVTUSEL TOV TONLZOV ENLION- 
uaros, wg (zadwg?) nay’ av- 
4 > ’ > ’ 
Ti) OB TonızÖV EoTi, MOLWTNTOG 
ÖE nagaoTarız0V zal loodvva- 
Er - a 
HODVED ONE of Adsig ir: 
c \ ’ x ’ 
n de nooZe1uEvn noAln naoa- 
Feoıg Ent ToV vonızav Enigon- 
KOTWV AnnVvEyzato xal TO n00- 
HEluEvov 10gLOV ES Tmv Tont- 
h) D Ye r ” 
znv 0YE0w. 1Ö0n ugvror Erım 
$) He x 5— 
— uavedesaro Tnv eig de na- 
00ywynV, 0V4 0Voav TonızmV, 
\ R BZ — 
zoıvnv ÖdE zal ullmy ueowv. 
‘ — 
Aoyov, oVdEv nAEov onual- 
vovoav TOv ap’ 0v naonysn 
ee TAGEN de 
x. T. A 


P. 619, 12 sgg. 


nm 3 a” Y \ 72 

nwg 00V aloyov zal To Elow 

ÖognoV 2Ex00weı, zeıugvov 
n ” c 0 6 

ToV EIOW Ouoiwg Toic arkoıg 

zara Tnvde ryv 0yEoıv (l. zara 


13 


) Bekker interpungirt: 2xdausı; gonv ydo. paoiv, &vdor- Ng0R- 


modsdaıyuevov x. T. 4. 


Wo fonit der eitirte Tert vom Bekkerſchen abs 


weicht, find Lesarten der Handfchrift oder Bekkers Conjecturen ohne Weite- 


res von mir aufgenommen. 
lich mit einem 1. 


Eigene Bermuthungen erwähne ich ausdrück— 


448 


mzag 0j7E0&G Omualveı Ta 
TIIaUTa TWV ENLWONULATWV. 
&y0 yE unv Unokaudaro, @g 
ua,kov To Evdov akoywregov 
zadeornzev. 0VdE yao @kho 
tı mv eig dov Anyorrov Enıg- 
Gnuatov Tonızöv Eotı, nold- 
Tntog ÖE naguotatızUv. aueı- 
n0rE00v OVv dvaotosporrsg 
nEOl TOV TOLOUTWV OMUAOLWV 
zal Entueupovraı TO El0w 
.Öoonov Ex0ousı. wg n00- 
einousv , Ta Eis dov Anyovra 
ETIOGHURTE WEI NOLOTNTOG Eotı 
na0uoTartıza, ayeAmdov. 
2... nv 00» 70 Evdov 


KUTa TODTO ONUELOVUEVOV. aha 


x I ’ cı 
zal 0OSUVETaL OUNTOVTUR » . 0...» 
zul EVEr@ TOVUTOV ONUEWTEOV 


nakıy TO Evdor. 
p. 608, 16. sqq. 


Sapes de otı zal Nekevxog 
zal oi n)Eloroı Vyıog EWiorwv 
1m 0d9avosı noo. m yug 
eis Yı naoaywyn To Ev Ton 
onualveı. Oneg Tivig were- 
yoayav To (vb uereyoawavro?) 
ouoavuserv, Iva TO &x To- 
nov Ön.wIH. ahıa nakıy El0- 
ze. zul 10 n00 avrızeiodar 
Enel yao TO oVoavoyeEev 70 
&E 0Vo@VOD onuaiveı, ov OvVI- 
oraraı Ö8 Tö no0 EE ovVoc- 


m nel \ r 
VOV,OWRpPES OTL NAVATEULNTEOV 


Ueber die Schlußparthie der Schrift 


ınv Jioonv 0480), zul ınv 
Ev TOnW zal ımv Es Tonor, 
di 
eiow woAElv (aus den Phö— 
niſſ. des Euripides V. 262). 


"1% ’ c > w ‚ 
Aha paoıv, WS Eyonv parat 


evnersiag Telyewv 


„ . cr 3 = > 
Eevdov. *OnEo &* TWV Evav- 
, „ u \ ⸗ 
Tiwv L1OWG akoyov, xad0 nav 
eis dov Anyov Enioonum noLo- 
TNTOG Eoti nageuparızov, oV 
’ ' — 
Tunov, BoTOVÜOV......n0g 
OVP OV yErloldov TO ev &yov 
’ Fr x wer ’/ 
koyov naoaıreiodaı, To de al0- 
yov zul xarau pavynv, Orı An 
en 9 x x ’ 
oSuveraı, xal Zara To dnkov- 

ec * x x en 
uevov, OTL un TO @vıo Toig 
er 5 D 
anaoı Omualveı , avah0yWTE- 


oov Einelv; 


p: 02151. sg. 


xal aeg ori deuvıwg Ev Toig 
nkslotoig Mn Tolavrn yıivsıar 
anagadextog mv 
0V0uVvosı nQ0. WW yau 
vüv 17V Ev 10nW 0y&oıw O A0- 
yos anaıtel, aka nv Ev yenı- 
x ovvrasıw, n00 oVoavor, 
— 0V2 Ev oVoavo 7 nung 
nv. xonv ovv odgavoyın y 
0UEuVosEV, 00 ToVrO mov 
anopamwousvov, @g Ta die ToV 
Iev Expegdueva ıyv &x Tonov 


r , » ’ 
oyEoıw omualvei, 7 xaF0)ov 


des Apollonins Dyscolus mzol &nıoonuurwr. 449 


\ x N ——— ’ 
zal ıyv din Tov dev yoagynr 
zwois El um £xelvo Tıg Einor, 
c v a er h - [4 
wg E08 0TE Tuls yevızalz uo- 
vov 7 navayoyn loodvvauel, 

> > ’ De „ vl 
ou Önkovuerng tg Ex noosE- 

x u y 
oo, ws ro Töndev us 

— 2 ‚ 

VEwv, wg n Euldev avıw- 

’ c x 2 ’ > ‘ 
yvula, ag to Alag d Eyyv- 
FEevnAte, 


vogEv noosikaußaveı ıyv ES 


zal 10 oVoa- 


0 — 

noodsoıw, E5 0Voavoser, 
€ 3 BT » ⸗ 
WS av TOV Yev OV AEXTIZWOG 

5 > F r 

NOOGEANAUFOTOG, Ev ÖdE unvov 
nR00YWyN, zaIwg —— 
In. 


oavosı (l. oVoavoder) no0. 


- 3 Ci x J > 
ınde ou» ESsı zal to oV- 


EVURGEOTEOOV uErıoı nv dia 
Tod pı nagaywynv nagade- 

a . * 
7E09aı, n TıS vxα. 
ent yerızng naoalaußaverar 
RT. AR. 


p. 598, 20 sqq. 


— oV7W yao zul Ta Oumorr«k 
enıhvdjosten, 70 0yEdo EV 
dEoinAdev AInvn, w 
Ontalrov 10 Ex Tonov, TO Ö& 
AUTO TW noWroTUnMm, Ti) 0 yE- 


dov nAdenr. 


oð yao Ex TOD 


— Lorıv &v rn ovvraseı Enıg- 
onue, n Ev yevın Felsı na- 
omraußaveodaı *). dedeiserar 
yao ınv &x Tonov oy£ow Ön- 
kovdv 16 (I. To TE) wvıo Toig 
ap or Eoynueriodn* Ta ye 
iv eis gu Anyorıa auto 1o- 
vov naoayoyng duSav EoyeEv 
EIOONMATIZNG, 0 unv Eotiv 


Enioonuara ın QVoeı 2. Th, 


p. 624, 1 sqq. 
— zul ES £xsivwr dE OVupa- 
ves Alag Ö’ &yyuderv. w 
yao vov Tyv &x TUnDv OyEow 
Povierur Ömkovv, 17V ÖE eis 
tunov.  OVIwg Eye xal TÜ 


oyedodev dE oi YAyEV 


*) Ev fiheinen beide Sätze umgeftellt werden zu müffen; im Bekker— 
ſchen Texte fteht: onueiver, 5 &v yerızy Iası nagakaußdveoder, M 


zad6lov — Enioonue. 


Es iſt 7 Ielcı auf, ovvrafeı zu beziehen. Oper 


wäre zugleich ftatt z vielmehr «AA 7 zu fehreiben (wie p- 579, 16)? — 
Mebrigens ift die ganze Trage über die Homerifche Stelle (Sliad. 3,3) jetzt 
erledigt durch die "Bemerfungen von Ahrens im Nhein. Muf. 1842, 11, 2 


p- 164 seq. 


Mus. f. Philolog. N. F. IM. 


29 


450 Ueber die Schlußpartie der Schrift 


’ ’ ’ J 2 — ’ > x ’ > 
ovrEyyvg TunoV, endet av&gız- Aymvn. 0ov yao € ToV 
x - ca x ’ ’ ca - Pr 
109 TO TOLDVTOV. OVTWS YaQg Owvveyyvg TOnOV, UnEQ yEkolor. 
” J x A »„ ö’ ’ ‚ \ x Dr In. - >) 
syesı »al ro Arag Eyyv- TO yao weyıorov ESaklua OV- 
I 32 96 > „ fa 7 ’ > * * x - > ” 5 
ev mAFEV. Ev IomyagEoTtı gavos zal yn. &v low ovv 
tw Eyyücs nAIer.  ovrwg Lotı m oyEdon. ; 2 
W Eyyvo nm . cs ET og A. 
„ J ” > 
eye za To Idnyer us- ‘ 


— x. Tv. A. 


Aehnliche Wiederholungen Taffen ſich aber auch bei faft allen 
übrigen Erörterungen in dieſem legten Theile der Schrift nachwer- 
fen, wenn gleich die Mebereinftimmung nicht überall fo auffällig iſt, 
und hie und da an der zweiten Stelle auch wohl eine Bemerkung 
gemacht wird, die in der erften Hälfte nicht vorfam. Ich werde 
diefen Wiederholungen Schritt für Schritt nachgehen, und wo etwas 
den devregaız poorrioew Eigenthümliches fich vorfindet, dies aus- 
drüclich bemerken oder durch ein Sternchen andeuten. 

1. Adverbia in de Bedeutung und Bildung p- 616, 19 


bis 23 = p. 589, p. 592, 16 sq. u. 594 init. — Ueber wde 
p. 616, 26 sq. = p. 590, 24 sqq. — Ueber die Paragoge de 


ohne Pofalbeveutung in zyvızade, truosde p. 617 sqq. = 501, 
8 sqg. (coll. p. 589 extr.,. p. 591, 10, 9.590,97 p- 391 exir), 
p. 697, 16 sq. = p. 501, 17 his p. 592, 15. — Leber &v9ade 
und Erdevde p. 617 exir. = p. 589, 6 u. p. 5090, 17... Eigen- 
thümlich iſt bier P. 6185, 5 die Bemerfung über den Unterfchied 
zwifchen Evdude und Eevda de. 

2. Adverbia in Le p. 618, 16 sq. = p. 608 init. 

3. Adverbia in » p. 618, 20 sqq. Die erfte Art ver- 
felben enthalt einen Nominalſtamm und hat nicht Iofale Bedeutung, 
p. 618, 22 sqq. = 578, 17 und p. 576, 12 sqq. Die zweite 
Klaffe ſtammt von Präpofitionen und bezeichnet fowohl 779 Ev zonw 
oz8£ow als auch ıyv eis Tonov oy&oıv: p. *618, 32 = p. 609, 
7 sqq. — Ueber eioo p. 619, 12 = p. 609, 18 sqq. Eigen— 
thümlich ift hier die Bemerkung p. 619, 24 bis 620, 5. Die Be- 
merfungen über &vdov p. 620, 7 wiederholen ſich P- 610, 13 sqgq. 


4. Ucber die avrıragazeiweva in o& (denn fo 


des Apollonius Dyscolus near Enıdonuerwr. Al 


muß pP. 620, 17 gefchrieben werben), Y9sv und Dr. Ueber or 
und Ye» p. 60, 17 — p. 607, 23 sqq. ; über 9: p. 620, 25 = p. 
605, 32 80q. u. p. 575, 14. — Greurs über ovoavodı 700 pP. 621, 
1 = 608, 16 899.  Bemerfungen über gi p.ı621, 10, sqgs=up! 
57413.525,185,608,5;:599, 9 sqg: 

5. Adverbia in 0» und ihre arrınagaxsiusva in Jer. 
Grundbereutung und Accentuation p. 622, 9 — p. 587, 29 u. 607, 
1 sqgq. Eigenthümlich ift p. 622, 15 die Bemerfung über mov; 
die Bemerfung über die’ doriſchen Formen in ca p. 622, 17 wieder: 
boft ſich p. 542, 30; desgfeichen vie über Onov p. 622, 19 auf p. 
588, 12 u. 607, 9 9. — Ueber die Adverbia auf 38 3ev p. 622, 21 — 
5096, 33 bis 605, 31: über die Adeerbia in oder p. 692, 238 — 
p. 601, 17, und die Dorismen in o p. 622,31 = p. 604, 3 sqq. 
Eigenthümlich sit hier die Bemerkung p. 623,3. — Ueber die En— 
dung Yev ohne Lokale en p. 693, 11 = p. 597, 1 bis p. 
599, 23. — Ueber ezeidev p. *624, 8 —=p. 579, 21 u. p. 601 init. 
Eigenthümlich ift auch die Bemerfung über 771 und die Adverbia 
auf 7 p- 624, 24 bis zum Schluß. 

Aus‘ diefen Anführungen wird num jeder Unbefangene die 
Ueberzeugung gewinnen, daß die letzte Hälfte der ung vorlie- 
genden Schrift, wenigfiens von p. 616, 19 abwarts, unmöglich 
von Apollonius ſelbſt mit der anderen Halfte kann verbunden 
worden fein. Denn fo befannt es auch fein mag, wie gerne Apol- 
fonius wichtige grammatiihe Fragen immer von neuem anvegt und 
in aller Ausführlichfeit zum zweiten und dritten Male beantwortet *), 


*) Auf diefe Gigenthümlichfeit des Apollonius und der alten Sramma- 
tifer überhaupt hat vor Kurzen auch Lehrs im Nhein. Muf. 1842, I, 1 p. 
119 sq. aufmerkſam aemacht. Ginzelne Beilpiele bier anzuführen wird 
nicht unpaffend fein. So wird über us und dei, die Ginige (wahrfchein- 
lich jeit Heraclides; ch. Etymol. Mag. 284, 52; mit* feinen on bat 
es Apollonius wenigitens oft zu thun: ie Syat. pP. 332, 6 
de Adverb. p. 585, 21) zu den Noverbien rechnen wollten, de Syak, p- 
255 sqq und de Adverb. p. 558 sqq. in gleicher Ausführlichfeit gehan— 
delt; jo über den Mangel eines jelbititindigen Neflerivpronomens im Plural 
der erften und zweiten Perſon: de Pron. p 90 sqq. und de Synt. p. 180 
sqgq- (wo p- 186, 13, damit Apollonius ſich Fonfequent bleibe, ſtatt Edeiy- 
Inoav vielmehr ZAEYYInOev zu jehreiben fen wind); fo über die Bedeu— 
tung der ouvdrouoı nao«nANowuaTıxzoi gegen Tryphon: de Synt. p. 


452 Ucber die Schlußpartie der Schrift 


fo har doch das feine Entfhuldigung überall darin, daß er nicht 
jedesmal vorausfesen darf, dem Lefer fer Die erſte und urfprüngliche 
Darftellung zur Hand, d. h. er wiederholt im einer fpäteren Schrift 
felbftftändigen Inhalts was in einer früheren von verwandten In— 
halte hatte vorgetragen werden müffen; innerhalb einer und derſel— 
ben Schrift aber hat er, fo weit wir urtbeilen Fünnen, zwar ein- 
zelne Grundwahrbeiten, die immer wieder zur Anwendung fonmen, 
wiederholt vorgetragen, mie aber wie hier einen grammatifchen locus 
durch alle Einzelnheiten hindurch aufs neue‘ abgehandelt. 


Wir müffen indeß in unferem Verbannungsurtheil noch über 
p. 616, 19 hinausgehen. Alle jene einzelnen Bemerfungen näm- 
ch, deren Wiedervorfommen wir nachgewiefen, finden ihre Einheit 
in dem Satze, der von p. 614, 26 ab vorgetragen wird und der 
mit der Schlußparthie des Buches fteht und fallt, in dem Sabe, 
daß die Errroonuara Tonıza drei dıaoraoeıs oder oy£osıs haben, 
entweder 75» Ev Tonm vder Tv € Tonov oder mv EIS TUnor, 
und daß mitunter in einem und demfelben Iofalen Adverb zwei, ja 
alle drei ozEasız vereinigt find, eine Pehre, die auch in der erften 
Hälfte des Buches, p. 564, berührt wird, aber Fury, fomweit es 
der Zweck des Enıoonuarızoav überbaupt erlaubte. 
Indem ich diefen mit wenigen Worten auseinanderfege und auf den 
Plan näher eingebe, nach dem Apollonius in diefer Abhandlung 
fchrieb, glaube ich ein neues Argument für De Behauptung zu lie— 
fern, daß die Schlußparthie des vorliegenden Buches, von p. 614, 
26 abwärts, vom Apollonius unmöglich als ein Theil der Schrift 
negl Eenıggyucror Fann edirt worden fein. — Welche Fragen 
Apollonius in dem Buche neo! Enıgomuarwv beantworten, und in 
in welcher Ordnung er fie behandeln wolle, ſpricht er felbft zu An- 
fang der Schrift aus: naon Aszeı nagenovrar Övo Aöyoı, 0 TE 
negl TnS Evvoiag zal 0 nEQl TOV Oynuarog Tas pwvig. Oder 


zal 7 Twov Enıoonuarwv dıESodos Eis ToVg no0zEıuEvovg A0- 


266 seqq. und de Coni. p. 515 seq. Vor Allem aber beachte man die 
übereinftimmende Behandlung der Frage über die Inelinationsfähigfeit der 
Pronemina in der Syntax und in dem Buche über das Pronomen, 


des Apollonius Dyscolus negi enıgomuarwr. 45) 


yovg Vnoozarrosrar. Daher redet er denn zunächit vom Begriff 
des Adverbiums bis p. 556, 23, woran ſich fehr paſſend Unterfu- 
chungen über einige Wörter ſchließen, son denen es zweifelhaft 
ſchien, ob fie zu den Adverbien gehören oder nicht, über wuoı oder 
oiwor p. 536, zon und dei p. 538, Exyre p. 545, vnodßed p. 
548, nvS und Aus p. 551, indeclinable Zahlwörter p. 551 seq., 
Ogerov p. 552, devgo p. 553, «zlov p. 553 Seq., avem p. 554. 
— Sept beginnt die zweite Hälfte der Schrift, p- 556, 3: &yo- 
uEvog Oxenı&ov zul nel ıwv Ev Tals Ywwulis oynuaror *), 
d. h. über Endungen und Profodie (dieſe im weiteften Sinne des 
Wortes genommen, fo daß vor allen auch die Tonofis mit darun- 
ter begriffen iſt); mehr ift in dem Ausdruck nicht enthalten. Geht 
alfo nun Apollonius nad einigen einleitenden Bemerkungen uber 
die Ableitung der Adverbia zu den mehr einzeln ftehenden x966 (P. 
556 bis 558) und eure (p. 558 bis 560), dann durch dnunor« 
und Ldie zu den Adverbien auf = über (p. 560—568); behandelt 
er dann die Adverbia auf av (p. 568 sg.) , auf as (p. 570), auf 
ı cp. 571-576), auf © (p. 576—550), auf ws und n (p- 550 
— 587), auf ov (p. 587 sq.), auf 0. (p. 588), auf de (p- 559 
— 5095), auf os (p. 595 sq.), auf Yev, wobei ſogleich ganz paf- 
fend auch die avrırayazeiusra (nach der heutigen Terminologie 
Eorrelativa) auf Yı vder or, auf ov, auf oe und Le, auf ® und 
wegen der Lofaladverbien Erdov und Evdor zugleich die Adverbia 
auf dov und dyv erſt hier, und die auf 02 von neuem befprochen 
werden (P. 596—612)5 fchließt er an diefe zum Theil von Prä— 
pofitionen abgeleitete Lofaladverbia eine Unterfuchung über &iso und 
xa30 und geht dann auf die Adverbia auf vs und vo über, — ſo 


> *) Die befondere Ueberſchrift, die dieſer Theil in der Handſchrift und 
bei Beffer im Terte führt, rührt doch wohl nicht vom Apollonius felbit 
her, jo wenig wie die Ueberjchriften im Buche zeoi ourdeouwr. Hätte 
Apollonius geglaubt, daß er der Ueberficht auf ſolche Weife zu Hülfe kom— 
men müſſe und daß feine eignen Furzen Hindeutungen auf einen nen begin— 
nenden Abjchnitt nicht genügten, jo würde vor allen wohl die fehon fehwerer 
zu überſehende Syntar folche Ucberjchriften tragen; nur in einzelnen Hand— 
jchriften oder gar erſt Ausgaben finden fie fich dort, wie p. 303, 3. Auch 
verwirft Bekker mit Grund die Ueberjchriften im Buche de Pronomine; ſiehe 
P. 196 seq. des kritiſchen Commentars. 


454 Ueber die Shlufyartie der Schrift 


bat er nad einem vernünftigen Plane und in relativer *) Vollſtän— 
Digfeit die Yehre vom oyzua der Adverbia abſolvirt; planlos aber 
und verworren hätte er gefchrieben, wenn er Die Unterfuchung über 
die Localadverbia hier wider aufgenommen hätte, um an ihnen 
etwas nachzuweiſen, was mit dem oyzum , Das allem zu behandeln 
er ſich vorgenommen, zunächft nichts zu Schaffen bat. 

Es wird demnach diefe Schlußparthie vom eigentlichen erıoon- 
worızov des Apollonius zu trennen fein; und das wird um fo we- 
niger Anftoß erregen, da fie wahrfheinlih auch in der 
Handfchrift mit vemfelben nicht verbunden war. Sch 
fage wahrfcheinkich, weil ich nur aus einigen Andeutungen bei Beifer 
ſchließen kann; die Wahrheit werden die Teicht feitftellen, Denen 
Cinficht in den codex Parisinus n. 2548 verftattet iſt. In ihm 
ftehen ale 4 erhaltenen Schriften des Apollonius in folgender 
Ordnung beifammen: de Synlaxi, de Coniunctionibus, de Ad- 
verbiis, de Pronomine; cf. Bekker ad Pronom. p. 149 sq. 
Nun bemerkt aber Belfer im kritiſchen Commentare ad Pronom. 
p. 112, C, 6 cp. 197): hine fol. 155 r., ubi ne quis mirelur 
interruptum foliorum ordinem, factum est incuria compacloris, 
ut extrema libri de Adverbiis pars cum primo folio huius 
qui de Pronomine est, h. J. insererelur; — ver vorangehende 
Abfchnitt Des Buches über das Pronomen ſchloß aber mit fol. 176 
vers. (ef. Bekker ad p. 111 A, 7), und ver erfte Abfchnitt def 
felben Buches beginnt mit fol. 154 rect. (ef. Bekk. init.), der 
aus feiner Stellung verſchobene Theil des Enıgpnuazızov füllt alfo 


*) Daß fih wohl manche das Adverbium betreffende Bemerfungen hier 
nachtragen ließen, kann nicht geläugnet werden. Doch darf deshalb noch 
nicht aefolgert werden, daß die Schrift uns nicht mehr vollſtändig vorliege. 
Auch find mir feine Hinweifungen anderer Grammatiker auf das Ezıooy- 
wuerızov des Apollonius befannt, die eine Umvollitändigfeit bewiefen. Denn 
wenn im Etym Orion. p 151, 50 bei Gelegenheit des Wortes zayos und 
feines Gtymons Iyao auf "Anolklrıos &v 1 neEoi Enıoonudiwv ver— 
wiefen wird, fo ift offenbar nach einer fehr gewöhnlichen Corruption 67- 
udıov in Fnıoonudıwy verdorben. Mur über Schol. V ad Iliad. o, 158: 
"Anoklarıös pnow ev 10 neoi Eniponudtov NÜs zei yerızy NEOS zwi 
Uneotkotı TOO E &705, — weiß ich noch feinen Math; es wird aber auch 
wohl bier gelten, was Lehrs de Aristarch. p 38 sq. über den Coder V 
allgemein nachweilt, „nullum unum verbum ei eredendum esse.“ 


des Avollonius Dyscolug negol Enıogmuarov 455 


fol. 177—183, — d. h. nad) ungefährer Schägung des Umfangs 
(leider nämlich giebt Bekker beim Enıgonuarızov nit die Sciten- 
zahlen des Coder an) iſt grade Das vom Enıgomumtıxov durch 
Beffer umgeftellt und in die gegenwärtige Stellung erft gebracht 
worden, was wir aus dem Buche entfernen wollen. Mag nun 
auch wirffih der compactor mehr verſchuldet haben, als ich ein— 
räumen möchte (wenigſtens den Anfanz der Schrift über das Pro— 
nomen hat er faljch geſtellt), fo iſt doch durch diefe Argumentation 
den hartnäckigen Köpfen, die von nichts abzugeben wagen, was 
Handſchriften darbieten, wenigftens die nicht allzugroße Splivität 
ihrer Baſis nad;gewiefen. 

Wenn nun aber jener Abfchnitt Feinen Theil des enıgonuarı- 
»ov bildet, für welche Schrift des Apollonius war er denn be- 
ftimmt? Daß er nämlich wirklich vom Apollonius herrühre, dage— 
gen laßt vie Ueberlieferung, laſſen Inhalt, Sprache und Darftel- 
lungsweiſe nicht den leiſeſten Zweifel aufkommen. — Um es furz 
zu fagen: nach meiner Ueberzeugung gehört diefe Parthie zur Schrift 
über die Syntar. Won diefer Fennt zwar auch Suidas nur vier 
Bücher; doch war die Schriit vom Apollonius felbft auf einen grö- 
Beren Umfang berechnet und wenigftens das vierte Buch einft flär- 
fer als es ung jebt vorliegt. Darauf deutet zuerft die Oekonomie 
der Schrift, die Apollonius felbft p. 2%, 5 angiebt: nel ovv zu 
Önokoına TWv EOWv 10V Aöyov avyayeraı ngög nv Tod Öy- 
warog zal Tod Oröuarog ovyrasıy, — deov dıakaßeiv neol 
EXK0TOV TOD TE nugarhuußarousvov zul Tod avydunayouevov 1 
zul ovunagulauparouevov, W5 al aryrwvvulaı dvri ıWv Ovo- 
HUTWV zal EIG TOV Orouaıwv, xal Ei al ueroyal avıl Tav 
Önuurov xal LETG TOv Onuaıwv, xal Eni Tav Eng usowv 
tod Aöyov. Daher ſpricht er zunächſt im erften Buche über ven 
Artifel, weil ihn 7 zwv ovouuzwv ovvrafıs nugaraupavor zul 
ru 7 Tov Önuarwv (p. 22, 15). Dann folgt im zweiten Buche 
die Syntax des Prongmens, von dem diefelbe Bemerkung gift wie 
som Artikel (P. 95), und zwar werden zunächft die Eigenthümlich— 
feiten anfgezähft, welche ESurg&rwg nagenovıuı 1uls uvrwvoniaıg 
(p. 194 init); dann im dritten Buche gehandelt negı zw» zown 


456 Ueber die Schlußpartie der Schrift 


avruis napenousvov jıera 10V ahkov Tod Aöyov uEoov (P. 
194), wobei ganz natürlich fi das Ihema erweitert und die Syn— 
tar des Verbums in den Vordergrund tritt. Hier wird zwar auch 
das vroua vielfach berührt; allein mit dem darüber Gefagten darf 
die eigentliche Syntar des Hroua noch nicht als abgefchloffen be- 
trachtet werden; daß Apollonius es nur eben mit der Syntar des 
eyuw bier zu thun habe, zeizt auch der Alfang des vierten Bu- 
ches, P. 302, inil.: wer@ zug TOP Önuaıwr ovvrasag, ag &v 
1m 190 TOVIov aven,ngwWoauer, Orti 1olım ıyg Ohng nowuyua- 
TElug, uetıuev zal Enl Tag TwP noo9Eoswr ovvıussıg, d. h. 28 
wird Die Lehre eol Twv uera 10V Onuarwov ovVunagarluudu- 
rouerov vervollftändigt. Nur vorbereitend alfo iſt dabei der erſte 
Abſchnitt neod Tav nagarıdeucrıwv n90EoEwv zara tag ovouu- 
Tırag ovvruseıg zal Tor ovrrıdeusıor (P. 921,17); der wefent- 
lichſte Abfchmitt ıft der, welcher an die Bemerfung (321, 19) ans 
gefnüpft wird: 70V yE un» Omuaoı ovrruooorıuı (al ng0N8E- 
vg) navrore zara nv ovvFeoıw; und wiederum als unwefent- 
lich, feiner Stellung nad, und nur als «vanıyowoıg der einmal 
berübrten Lehre von der ovvdeoıs und naoadeoıs der Präpofitio- 
nen find die Bemerkungen anzufehen, die von p. 591, 5 bis zum 
Schluſſe des Buches folgen, über die nugudeoıs oder aundeoıg 
der Präpofitionen mit Pronominibus und Adverbis. Es dürfen 
demnach auch nicht P. 332, 10 die Worte: Eing Omreov zal negi 
ovvrasewg 175 T@Ov Erigonuarov zu dem Mißverftändniffe ver- 
anlaffen, als beginne bier Die eigentliche Syntar des Adverbiums; 
nur von der Verbindung der Präpofitionen mit Adverbien iſt 
dort die Rede; die wirkliche ouvzasıs Twv enigonuazwv dagegen, 
Die num zunächft folgen follte, weil auch die Adverbia era wv 
Önucıwv ovunaguraußavovrar, ift wie die ovvrafıg Tav dvo- 
narwv und die ovvrafıg av ovrdcouw» nicht vorhanden. — 
Auf diefe nicht vorhandenen Parthien beziehen fih denn num auch 
Citate, wie de Synt. p. 309 init. , wo die Anaftrophe der Präpo- 
fitionen berüßrt wird, öndo wv 75 diapopas zura ro deov Ex- 
Ino0usda, — vder p. 123, 3: derSonuer, Orı 6 de (ovvdeouos) 


#al nwhıv 01 Tovrm lo0duyauodvreg nagaLToVyIat TAGS KOLVO- 


des Ayollonius Dyscolus nepil Enıgonuarwv. 457 


anros ». T. A., womit offenbar auf die ovrıasıs zwv ovıdE- 
ouov verwiefen wird; oder endlich de Synt. p. 204, 10, wo von 
einer Eigenthümtichfeit der Adverbia die Rede ift, auf welche ich 
zurüdfommen werde, — @g dxgıdoregov Ev ro negl Enıigonua- 
zov £5e9Eusdu (ef. de Adverb. p. 533 sq.) nei As zul 
zara TO d&ov nakın eionostar, und de Adv. p. 535, 25 
Cüber die Stellung der Adverbia): 70 ToLovzov ev m negl ovV- 
Taseng urgıpEoreoov elonosreı, womit zu vergleichen de Adv. 
p. 532, 31: 9 uairn ovvrasıg dia noAlov nayudloswv Ev 
zip negl ovvrasewg anodidoraı. Auch hier vrrweiſet Apollonius 
auf Abfchnitte der Syntar, die nicht vorhanden find, und zwar of— 
fenbar auf die ouvzasız 1wv Enigonuurwr. 

Daß alſo Apollonius auch eine ovvrusızg Tor Eniggnuuwv 
ſchrieb, wenigftens fehreiben wollte, die dem, was und von der 
Syntax erhalten iſt, zumächft folgte, ift aus dem Bisherigen Har. 
Es wäre demnach nur noch zu erweifen, daß die Schlußparthie un- 
feres Epirrhematifon feinem Inhalte nach zu jener avvraßıg 
Tov Enıoomuaırwv gehören fünne. Und das ijt nicht ſchwer. 

Sch fagte fhon oben, daß die Bemerkungen über die Local- 
adverbia, welche eben ven Schluß des heutigen Epirrhematifon bil- 
den, ihre Einheit fänvden in dem Gase, daß jedes Enigonum Tonı- 
#0» zunächft nur eine der drei oyeosıs bezeichne, entweder zyv Ev 
Tonm oder 179 &x Tonov oder zmv eis onov, ein Satz, der nur 
für die zaraAAnkorng Too Aoyov von Wichtigkeit ift, d. h. für 
das Hauptprineip der Syntax. Ich laſſe über dies Prineip den 
Apollonius felber reden, p. 201, 16: 705 ueg@v Tov Aöyov « 
uiv ueraoynuurilerar ig apıduovg zal ntworg, ..... & 
de Eis noogwna zul agıduor, ..... 0 dE EIS yEm =...» 
zıva dE 0VdE &v ToıoV0roV Enidfyeran, @g Ta ad Era Oynua- 
TIouoV Erwegöueva, OgnEg OL OUVdeouol zul ul ng0FEosız nal 
07:ldbv ünavra ra Enıgurjuara. oVvV ngoxElueva Eon, 
ustalnpFevra EI iıwv yeraoynuarıoumv Eis Tag deovoag 
wxokovdlug ıWv nyoxereikeyusvov agıduav N ng0oGWonwv m 
yevov, 17) ou Aoyov ovvSFtoeı avansusoiorar Eis Enınkoxmv 


- * 9 * a) 4 x b 
zuV no0g 0 duvazuı pegeodar, El Twyor nAmdvvTıxov no0g 


458 Ueber die Schlußpartie der Schrift 


aAnsvvrızov ara nv 100 QaVIOD NO0SWNOV nao&untwolv 
x. T. der nen... (P. 202 exit.) eineg 00» un Entovußarn 
zwi AeSsı To Tyv diazgıoıw Övvausvov noOPUaVOG n0Lnoaodaı, 
adıupoonosı 10 Enınkdzeodaı ————— 
yEvsoı dIapogorg, nTWosoım, Agıdunls, Ng0gWnOLG, ahhoıg Toig 
Övrausvorg Toüro Tı avadesaoduı. Od yag dm ys Eheyyon, 
&ysı rov 1010» ueraozmucriouov. Damit verbinde man noch: 
P. 208, 15: öuoAoyov d’ örı zal Ta ovvsunsoovra 7 zura yE- 
v0 m nıwow m no6swnov 7 rı zWv Övvaudıwy Tnv Tavıo- 
Inte unsveyraodul zura pwvynv, GnOOTNOETUL TNS TOV dZa- 
Tuhhmhov zuxlag. 809° üTE Yao Ev oV dsoVon ovrıufsı zu- 
Tayıröusva weresioıw &p’ ErEgav Ovrrasıy Ev Aöyw Övrauernv 
nugalaußaveodaı dın TO ovyzeyvuevov ıng porns. — Wie 
weit num dies auf die Adserbia Bezug habe, lehrt Apollonius de 
Synt. p. 203: 5 too Entooruarog ovvodog, 09 Jezzizn 0Vow 
zwv dgıdusv 7 10V ngoSwnwv 7 TaV nıwoswv xal Er rw» 
790109 @v To onu@ nagadeyerar, azwAvrov doye tiv Enı- 
nhozmv, oVx Eheyyousvov &2 TOD Öuosıdoös. Doch nimmt er 
ebendort (DB. 24) von diefer allgemeinen Bemerkung aus diejenigen 
Adverbia, weldye rerunusra eis diapogovg yoovovg wären und 
(p. 204 init.) die, welche onuamouerov Eyrkloewg Enideyeruu, 
wie &iIe und aye, wozu drittend im echten Buche mEor Enigor- 
uorov P. 534 noch hinzugefügt werden: ovV, un, var, mit der 
Schlußbemerfung (p- 535 init): &is ıyv avınv Evvomav Tod ng0- 
yeınevov Aöyov nısiora Eorı nagudeodaı, anoyon uevror &ig 
apoounv 1a nooxzareıkeyusva TOD dıazpivar zal Ta vnokoına. 
Zu diefen unoroına gehören nun offenbar auch Diejenigen Adver- 
bia, welche ronızn» oyE£oev bezeichnen; denn, um ein Beifpiel zu 
geben, da mod wo? rau Ev ron oy&oıw bezeichnet, fo kann es 
nicht mit Verbis verbunden werden, die zav zig Tonov oyEoıv be- 
zeichnen; frägt alfo jemand nach dem Ziele einer Bewegung und 
fagt 200 Eoyerar, fo wird diefe Verbindung widerlegt (eAdyzeraı) 
durch das topifche Adverbium 702, welches feiner Bedeutung nad) 
eintreten muß, wo cine oyeoıg E15 Tonov vorliegt, und fo die 
axurakhrköıng einer ſolchen Verbindung beweiſet. Doch es mö- 


des Ayollonius Dyscolus nepi Enıggnmuurorv. 450 


gen die eignen Worte des Apollenius lehren, daß er nach diefem 
ſyntaktiſchen Principe die in unferer Schlußparthie berührten Er- 
feheinungen beurtheilt wiffen will, de Adv. p. 019, 98: 10 elow, 
Eyor 10 Evdov drzinagareinevor, Edirsı akoywg dideoduı 07- 
Hulvov ınv Tod Erdov oyEoıw. Ünep navıl uigeı Aoyov na- 
0ux0R0vVIER 10 dıskeyyesdur EIS axaralinkörnta, Orav Erigw 
Tıs yonoıs 7 zur ıdlav uovov onuaolu, 10 yoapsı ovx 
av more Eni nowrav moogwnov 7 devregov tıdein, Enel uno- 
geu£gioruı TO YOoayo xal Yyoayeızg Eis noögwna. TO 
yoagsıs de ovıs Emi ngwıov ovrs Eni TOlTOvV:...2 2.2». 
Ta yE unv anugeupara, Eis noösona 0v uegtoderra, oVdE 
Eis MuıduoVg , Ovxerı ararulınka naoa Tv 10ıTmv arwla- 
klav gorır. 

Es zeigt nun aber tie Erfahrung, daß allerdings ein und daſ— 
felbe Localadverbium aud für zwei verfehiedene oder gar für alle 
drei oyEosıg gebraucht werde, ohne daß die Verbindung der Vor— 
wurf der axarardnkorng trifft. Dies im Allgemeinen zu vechtfer- 
tigen und im Einzelnen nachzuweiſen, dürfte, wie es bei den ent» 
fprechenden Erfcheinungen in der ung vorliegenden Syntar gefche- 
ben, fo auch in der Syntax des Adverbiums nicht unterlaffen werden ; 
und unfer Abſchnitt enthält nun grade Die Stelle, wo daffelbe für 
die Syntax des Entoonum geſchah; und zwar ift es in einer Weiſe 
geſchehen, die vielfach an fchon früher eben in der Syntax behan- 
delte Erfcheinungen anfnüpft, wie wenn jene drei topifchen oy&osız 
mit dem dreifachen grammatifchen Genus (p. 615, 3 sq.), und das 
Zufammenfallen zweier topifchen oy£osıs in einem Worte mit dem 
Uebereinftimmen der Form zweisr Caſus (p. 615, 25 sq.) vergli- 
chen werden, wober das in der Syntax p. 213 extr. wegen der 
ovreunzoorg behandelte homeriſche Beispiel 7ERıog 05 nuvı’ &po- 
oRs auch hier angezogen wird. 

Gotha, im Juni 1849. 

Otto Schneider. 


Miseellben. 


Archäologiſches. 


1. 


Wihrend in unferer Zeit durch mehrere Entdeckungen neuer 
Monumente, fo wie an früher ſchon befannten, immer deutlicher 
geworden iſt, wie weit im Griechiſchen und Römiſchen Alterthum 
die Anwendung und Nachbildung des alten hieratiſchen Styls ſich 
erſtreckt hat, und wie ſehr demnach die Zahl der alten Kunſtdenk— 
mäler theils zu beſchränken, theils wenigſtens unbeſtimmt und un— 
entſchieden zu laſſen ſey, um ſo höher ſind diejenigen zu halten, 
welche unverkennbar der älteſten Periode, aus welcher Marmorwerke 
ſich erhalten haben, wirklich und nicht bloß ſcheinbar angehören. 
Unter dieſe iſt ein wunderbarer Weiſe unbeachtet gebliebener ſehr 
wohl erhaltener Kopf in der Villa Ludoviſi in Rom zu zählen, 
der Kopf einer Göttin, koloſſaler als aus ſolchen Zeiten etwas auf 
uns gekommen ſeyn dürfte, man müßte denn die Bruchſtücke des 
Apollo in Delos anführen, die freylich nach einem noch ganz andern 
Maßſtab ſind. Fünf Reihen Löckchen bilden einen ſchönen Bogen 
um die Stirne, hinter welchem ein dünnes, auf das auf dem Kopf 
dicht anliegende, fein gekämmte Haar ſich anſchmiegendes Band läuft; 
große Maſſen Haars fallen zu beyden Seiten herab und geben ein 
Anſehn ungefähr wie von einer Kalantika. Das Geſicht ſtellt auf 
merkwürdige Art das Allgemeine des alten Typus dar und enthält 
zugleich einen beſondern Charakter. Vielleicht wird man in dem 
Werk ein Seitenſtück des alten Mileſiſchen Apollon erkennen, eher 
wenigſtens als eine Juno. Würde bey dem Abformen etwas mehr 


Archäologiſches. 461 


Nückficht auf die Gefchichte der Kunft genommen, fo dürfte diefer 
Kopf, nächft der figenden Pallas der Akropolis von Athen und dem 
viel Heineren Apollon im Theferon, hinſichtlich der Alterthümlichkeit 
vieleicht dem beachtenswertheften aller Kunſtdenkmäler, feiner grö- 
ßeren Eammlung von Gypsabgüſſen fehlen. 


2. 


Daß die Farnefifhe Flora, die zulest im Museo Borbonico 
II, 26 abgebildet wurde, diefen von der Ergänzung des Kopfs, der 
Arme und Beine dur zwey Staltänifche Künftler abhängigen Na- 
men nicht mit Recht führe, kann als entſchieden gelten: auch find 
die andern verfuchten Erklärungen dieſer vielbewunderten Statue als 
Mufe, als Hore, als Spes, ald Tänzerin hinlänglich gewürdigt 
durch das, was darüber Gerhard Neapels Ant. Bildw. ©. 63 f. 
bemerft hat. Er felbft vermuthet eine wbefleivete Venus, bey der 
eine Aehnlichkeit mit den Spesfiguren fehr natürlich und der freyere 
(nicht hieratiſche, dieſen eigene) Styl gerechtfertigt“ fey. Cine ganz 
neue und einzeln ftehende Geftaltung der Venus, für die fich ver- 
fihiedene mehr oder weniger verhüllte und nackte Formen allgemein 
feftgeftellt und verbreitet hatten, die aber ftets neue Um- und Ausbil- 
dungen zuließen, dürfte auch nicht fehr wahrſcheinlich feyn, zumal 
nach diefem Foloffalen Maßftab nicht. Die Statue ift zugleich mit 
dem Hercules Farnefe in den Bädern des Caracalla gefunden wor- 
den, und wenn ich fie für eine Hebe halte, fo verknüpft fich da- 
mit die Vermuthung, daß beyde Koloffe in einem und demſelben 
Raum, etwa in gegeneinanderüberliegenden großen Nifchen oder 
Tribunen aufgeftellt gewefen find. Ich wußte nicht, daß über die 
Stelle, wo die eine und die andere Statue in den Thermen ent- 
deckt worden iſt, Nachricht aufgezeichnet worden wäre. Herafles, 
der in Vafengemälden und Reliefen nach) langen Wanderungen bey 
einer Warmquelle ankommt, ift auch in den Antoninianen zu diefem 
Ziel gelangt: er fteht vubend, die Hände auf dem Rücken haltend. 
Wenn nun Hebe in ihrer Iinfen Hand ftatt ver Blumen, die man 


462 Miscellen. 


ihr gegeben hat, eine Kanne oder eine Trinkſchale hielt, fo war fie, 
indem fie zugleich mit der Rechten ihr Unterkleid nach Art tanzen- 
der Mädchen etwas ın die Höhe zieht, hinlänglich bezeichnet. Man 
wird zugeben, daß in foloffaler Geftalt und danach) fir zwey von 
einander vielleicht weit entjernte Punkte beſtimmt vie Statuen nicht 
zur Gruppe durch den Act des Einfchenfens ſelbſt verbunden zu 
feon brauchten. Selbſt in dem feinen Borgiaſchen Marmorrelief 
bey Guattani 1787 p. 47, einer fchönen Griechiſchen Compofition, 
wo Herakles in jugendlicher Geftalt, figend , feinen Skyphos hin— 
reicht, läßt Hebe die Phiale in der Linken herabhängen ohne noch 
zum Eingiefen Anftalt zu machen. Uebrigens ſieht man im ber 
jungfräulich befcheidnen Bekleidung und Haltung diefer Hebe, die 
mit ver Pinfen ven Peplos gegen ihr Geficht zieht, und in dem 
freyen, auffodernden Anzug und Wefen der Koloſſalfigur einen gro- 
ßen Abftand ver Zeiten. Zoega, der Viscontis Vermuthung einer 
Spes widerlegt, fand, wie er in den Abhandlungen S. 10 Not. 25 
fagt, feinen angemeffenern Namen als Flora, und bemerkt, daß fie 
den Charakter einer Tänzerin von nicht gar firengen Sitten babe. 
War fie aber wirklich Hebe, fo giedt*diefer von dem Bildhauer einer 
Hebe beigelegte Charakter ein Merkmal für Geſchmack und Sinnes- 
art des Zeitalters ab. ine mündliche Aeußerung Zoegas, deren 
ich mich erinnere, war ftrenger: diefe Flora ſey d’una leggierezza 
affetlala assieme con un pesantore reale. Aber auch in feine 
Kritif des Farnefifchen Hercules floß etwas vom Facchin ein. Ge— 
vade entgegengefett diefer it die Anficht Viseontis von der Flora 
Pioclem. 1, 8 p. 10 (65), und wie erfi die der Herausgeber des 
Burboniſchen Muſeums. 


3. 


Im 2. Bande des Rheiniſchen Muſeums S. 354 f. macht R. 
Lehrs eine Anwendung des Künftlernamens auf dem Bruchſtück 
einer tabula Iliaca zu Verona auf das Epigramm unter der be- 
rühmten des Capitoliniſchen Muſeums. Auf jener nämlich findet 


Archäologiſches. 463 


ſich auf der Rückſeite nach Montfaucon Supplem. T. 4 pl. 38 eine 
feltfame Spielerey. *) Eine Tänglichte Fläche, deren Verhältniß ſich 
einigermaßen nach den von einer überher Taufenden Inſchrift erhal- 
tenen Buchftaben NEOYIIOTEBOYAEL ſchätzen Laßt, ift fchach- 
brettartig gewürfelt und die Buchftaben OEOAQPHOSHTEXNH, 
mit dem Zufag eines Strihs wie I nad dem Artifel, in den Wür- 
feln dergeftalt wiederholt, daß in allen Linien horizontal und Dia- 
gonal die Worte Oeodwgnns % teyvn in die Augen fpringen. 
Wenn dieß ſich auf die Borderfeite bezieht, fo kann entweder Theo— 
doros der Gypsformer ſeyn, der der Verfertigung dieſes Schultä- 
felchens ſich rühmte, oder auch der Erfinder der ganzen Art, der 
folhe Bilderreihen des Troifchen und andrer epifchen Kreiſe im 
Heinften Raum, und zur wohlfeilften Vervielfältigung zuſammenzu— 
drangen zuerft aufgebracht hatte, ine entferntere Möglichkeit iſt 
auch, daß der ältere Maler Theodoros gemeynt ift, von dem nad) 
Plinius der Troiſche Krieg in vielen Tafelgemälden die Halle des 
Philippus in Nom fohmücte, indem der Gypsarbeiter aus diefen 
zur Zeit aller Welt befannten Bildern viel entlehnt und feine ab- 
gefürzten und ins Engfte gezogenen Darftellungen durch Anknüpfung 
an einen gefhästen Namen zu empfehlen die Abficht gehabt hätte, 
Die ungewöhnliche Form der Inſchrift würde dann weniger unbe: 
fcheiven feyn. Nicht gar felten findet fi Eoyov, wie an der alten 
Stefe des Ariftion in Athen EPTONAPISTOKAEOF, Asw- 
y#0qvs E£oyov, Avolnnov Eoyov, Mntgodwgov, Diadumeni, opus 
Alticiani; felten wohl zreyvn. Im Mufenm zu Turin fah ich ein 
von Drovetti aus Oberägypten mitgebrachtes eigenthümliches Werf- 
chen allegorifch monumentaler Art, vier weibliche Figuren in Hoch- 
relief an einem vierecften Schaft mit der Unterfchrift: 


) Monfignor Bianhini in Verona, aus deſſen Sammlung das Werf- 
hen nahmals in die Bibliothek des dortigen Domeapitels übergegangen 
iſt, hatte es einzeln in Nom ftechen lafien. Died Blatt giebt Montfaucon 
wieder, der ein Fragment der Slifchen Tafel des Gapitols darin zu fehn 
meynte, was ſchon Maffei Mus. Veron p. 468 und Foggini im Mus. Ca- 
pitol. T. 4 p. 364 berichtigen. Diefe jagen von der Nückjeite des Frag— 
ments nichts. Die vordere ließ Choifeul Gouffter in feiner Reife T.2 p. 364 
ftechen, da das Bruchftüc nach) Paris gebracht worden war. 


464 Miscellen. 


I1P®OTYTOCTEXNH 
EPTACTHPIAPXOY 
wovon au R. Nochette in den Mon. ined. p. 326 foricht. Aber 
was auch immer für das Rragment in Verona die anfpruchsvolfe 
Spielerey bedeuten mochte, wenn wir num, das Epigramm danach 
fihreiben: : 
.Q pire nat Osod]wonov uade tasıy "Oungov, 
opow dasis nuong ueroov dyns oopias, 

inden allerdings die Nömifche Aussprache oder Orthographie auf 
diefen Tafeln in INH AS, IENOESIAUZ, APISTHA (eoı- 
oreia), wie auch auf Öemmen AADHOE (wonach ich auch ſelbſt 
ſchon @o7ov für gerov verworfen hatte) auf ein Adjectiv in zuo» 
leitet, fo bleibt Doch die raSıs Ounoov noch dunkel genug. Was 
Heſychius fagt: zasıg, 7 azoroudıa zur ziguög, ift aus dem 
rhetorifchen Sprachgebrauch genommen. Paufanias aber fehreibt 3, 
18, 7: Eni de tovroıg “Hoaxkeovg nenolnraı Tasıg Twv Euyov 
Tov &s zmv "Ygav zul Ws arnyaye Tov Üdov 70V zUra, wo 
Korais noasız fegen wollte. Siebelis, der dieß billigt, verfteht 
raSıs nicht richtig: inter haec est Hereulis in hydram, quo 
ordine gesium est, facinus: idem etiam Hercules Plultonis ca- 
nem raplat. Der Zufammenhang der paarwerje geftellten Gruppen 
am Amykläiſchen Thron zeigt, daß zasıs auf beyde Thaten des 
Heraffes fich bezieht und in Bezug auf die Hydra allein Eoyov 
ſtehn müßte, Eoyov auf das andre mit geht. Demnach ift zasız 
eine Aufitellung , Zufammenftellung,, was eben fo gut von vielen 
als von zwey Thaten oder Gruppen gebraucht werden kann; und 
“Ounoov tasız müßte demnach ein Kunſtausdruck feyn für die Nei- 
henfolge Homerifcher Gefchichten, Osodwgeıog nah dem Vorbilde 
des Malers Theodor oder aus der Gppswerfftätte eines Theodoros. 
(Foggini überfest Vordin di Omero). 


F. G. Welder. 


Epigraphiſches. 
F 

Unter den elf Bänden aus dem großen Werk des Pirro Li— 
gorio über Die Alterthümer, die in der Vaticanbibliothek in der 
durch Die Königin Chriſtine veranftalteten Abfchrift aufbewahrt wer: 
den, *) gebt einer die Ikonographie an, unter dem Titel: Libro 
XLIIII dell’ antichita, nel quale si contiene dell’ effigie d’ al- 
euni anlichi Heroi et huomini illustri, di philosophi, d’ ora- 
tori, de poeti, di historici, de geographi et delli gran capi- 
tani et delli primi inventori dell’ arti che giovane a mortali. 
Hier findet fih P. 27 vie aus Gruter befannte Unterfihrift einer 
Statue mit Geburts und Todesjahbr des Menander, wovon 
teinefe Menandri et Phil. rel. p. XXV fpricht, Gruter giebt 
die Infchrift zweymal, p- MNXXVII, 2 und DCCCCXVIII, 12, mit 
dem einzigen Unterfehied, daß in ver 6. Zeile dort Eni aoyovros 
DIAITTOY, bier DPALILAOC ſteht, um nicht zu vechnen, 
daß hier auch vor En agyorrog im Anfang der Zeile ftatt KAI 
B falſch gefehrieben iſt BMAI2, wozu dann aufer der Zeile noch 
KAT vorgefegt iſt. An beiden Stellen ift bemerkt: a Bocchig- 
nano und Bochignani. Ueber diefen Ort fihreibt der alte Samms 
fer: Fü tanto amala la virtü di costui (di Menandro) , che 
per molti luoghi di famose ville et nelle eittä gli furono falte 
memorie et in forma di termini, come anche stalue intiere 
come fü fatto nella villa Cornelia che era nei Sabini, dove 
hoggidi si chiama il luogo Bocchignano nell’ Abbalia di Far- 
sache : anlicamente si chiamava Foro Decio, da Decio Cen- 
sore,, che lastucö la villa falaria (I. lastrico la via Salaria), 
ove in esso Boechignano si leggono queste parole che accu- 
sano come Menandro fü ı. f. w. Die Infehrift ſelbſt ift genau 
diefelbe; ın Anfehung des Archon aber ſtimmt fie nicht mit der 


*) Baftellan über Pirro Ligorio in der Biographie universelle giebt 
zwölf Bände in Nom an, dreyßig des Originals in Turin, und mehrere 
andere, die anderwärts hingefonmten find, 


Muf. f Philolog. N. F. IM. 50 


= 


466 Miscellen. 


Gruterfhen Abſchrift überein, die man vorgezsgen bat, fonvern mit 
der andern, und zwar fo, daß fie den falfch gefefenen Namen vich- 
tig bat OAIANOC. Da Bhilivpos DI. 122, 1 Archon war, die 
beigefügte Zeitbeftimmung aber: zara zo ß za «Eros rag Ilıo- 
kzualov ToV 0Wr7005 Paoılerag, wie Meurſius de Arch. Att. 
(Gronov. Thes. T. 4 p. 1256) bemerkt, auf,Ol. 192, 3 trifft; 
da überdem in Anfehung des Geburtsjahrs unter Archon Soſigenes 
Dr. 109, 3 und des Alters von 52 Jahren mit der Infehrift Apol— 
lodor bey Gellius 17, 4 und der Grammatifer neo zwumdiaz 
übereinftimmen, fo ift Phädon der bisher nicht befannte Archon des 
dritten Jahrs gewofen und diefer Name der richtige. Es ıft zu 
vermutben, daß Gudius oder Fulvius Urfinus, von denen die Ab— 
Schrift mit Philippus herrührt, Diefen, da er ihnen aus Dionyfius 
befannt feyn Fonnte, aus Vermuthung gefest haben um einen 
Schreibfehler, wie er in der einen Gruterſchen Abſchrift vorliegt, zu 
emendiren. Uebrigens giebt Gruter p. MXXVII, 1 auch drey Epi— 
gramme auf Menander von einer Herme (lacobs. Append. 185. 
256. 377), Ligorio aber auch ein Bild deffelben dag mit dem der 
Vaticaniſchen Statue übereinftimmt, nach einer Herme, die mit Ho— 
mer und andern Dichtern und andern anlichi virtuosi gezogen 
worden fey aus der antifen Villa des Claudius Balerianus Aelia— 
nus, Priefters und Sophiften in Nom, gebürtig aus Pränefte, ora 
Casale di Valeriano. Wer nach Visconti künftig das Ganze der 
alten Ikonographie behandelt, wird das Werk des P. Ligorio nicht 
ganz unberüsffichtigt laffen dürfen, wie von ihm gefchehn iſt. 

In demfelben Bande p. 155 und wiederholt p. 195 findet fich 
das Epigramm auf den Oppian, das wir aus dem Leben dieſes 
Dichters in den Handſchriften kannten, nach einer aus Griechenland 
eingeführten Marmorplatte bey M. Sebastiano Erizo gentiluomo 
Venetiano. Darin find folgende Lesarten zu bemerken: V. 1 
EZXON, AÖIAIEON ». i. aoıdav, ANA ME (eıirıa uE), 
%. 2 ESHPILASE, 3. 4 ZQON, 3.5 EIAZEN. 33 ift 
KATEIXETO und V. 5 MOISON faljch in den beiden Ab— 
ſchriften: im Uebrigen ftimmen fie überein mit dem Jacobfifchen 
Text Append. n. 271. 


Epigraphiſches. 47 


S. 255 ıft das Theofritifhe Epigramm auf ein Bild des 
Anafreon Anthol. Pal. IX, 599, hey demſelben Erizo in Venedig, 
auch aus Griechenland, Warton bemerft: Hoc epigramma veleri 
marmori lileris uncialibus inscriplum in area nobilis cuiusdam 
viri tradit ex aulore nescio quo Barnesius in Anacreonte p. 
318 et 1034. P Ligoriv ſchreibt B. 2 SITOYAAIE (w Eeve 
onovdaie, dem Einne nach gut) und EAOHF, und noch zwey 
Worte falſch V. 5. NEOIF, V. 6 ATPEKERN. 


9 


mr 


Der Engliſche Gefandte in Neapel, Sir Temple, ift durch W. 
Gell in Befis eines bey Pozzuoli oder Baja gefundenen Fragments 
einer Marmorplatte mit der Anfchrift: 

TIPRVVEO 
poliONIARCH 
IVSCLASSIC 
1.1.G, PB.M 
F. ©. WVelder, 


3. 


Becker de Romae ueleris muris alque portis p. 96 sq. 
röm. Alterthümer I p. 159 sqq. coll. p. 629 Hat vie naualia im 
Wivderfpruche mit der gewöhnlichen Meinung, die ihre Stelle unter 
dem Auenlinus findet, mit fehlagenden Gründen in das Marsfeld 
geſetzt. Preller (N. Zen. Allg. % 3. 1844 Nr. 123 p. 489 sq.) 
mußte die Nichtigfeit feiner Beweiſe einfehen, glaubte aber auch 
‚ jene naualia unter dem Auentinus nicht aufgeben zu dürfen. Doc 
auch diefer Mittelweg ſcheint uns nunmehr durch Berfers Antifritif 
(die röm. Topographie in Nom p. 19 sqq.) befeitigt, Als einzi- 
ger, nicht vollfommen hinweggeräumter Anſtoß bfeibt nur das Frag— 
ment des capitolin. Planes mit der Inſchrift NAVALEMFER übrig, 
Hr, Preller Tieft fie Nawale inferum (Gunter dem Auenlinus) und 


408 Miscellen. 


nimmt im Glegenfas dazu ein N. superum im Marsfelde an. B. 
p. 21 *) bemerft, das Stück felbft gehöre zu den nicht mehr in 
dem Driginale vorhandenen, es laſſe fich alſo nicht ficher auf die 
Infchrift bauen; feine eigene Vermutbung nauale mercatorum pder 
mercalorium bat er mit Necht aufgegeben, weil mit Ausnahme von 
Dichterftelfen nauale fi nie im Cingular firde, wo eine Schiffs— 
werfte bezeichnet werden folle und auch bei Dichtern nur der ein— 
zelne vewoorzog zu verftehen ſei. Auch dieſer Anftoß aber wird 
befeitigt, wenn man mit einer bei der Unficherheit der Ueberkteferung 
gewiß leichten Aenderung nauale emporium lieſt und font fällt 
auch der Teste feheinbare Gegengrund gegen Beckers Anficht. 
Berlin. M. Hertz. 


Zitterarifches. 


ıR 

In der Univerfitäts-Bibliothef zu Athen befindet fi) ein Cod. 
bombye. der Hefabe und Elektra des Euripides, der von einem 
dort ſtudirenden Kypriotiſchen Priefter gefchenft wurde. In dem 
zwey Seiten einnehmenden yevog Evgınddov findet fih vie Fabel 
über den Tod des Dichters, die aus einer Handfchrift der Hefabe 
und des Oreſtes in der Pariſer Bibliothek bekannt geworden iſt in 
dem von Hrn. Roſſignol im Journal des Savans bekannt gemach— 
ten und ım Rhein. Mufeum 1833 Th. 1 ©. 297 wiederholten 
Leben. Die Erzählung feheint zur Erklärung des fonft nicht befann- 
ten Sprichworts zurog Orzmv nach der Sage, daß Euripides durch 
Hunde feinen Tod gefunden, erdichtet und lautet in der Atheniſchen 
Handfehrift fo: ’Ereleurnoe de TooVrorgonwg‘ &v 17 Miazedo- 
vn zaun Eorl Enizahovusın Ogazn, dia To xzarwanzevaı note 
aurodı Ooaxas. Ev ravın nor: Tod Aoyshaov avrouokog m 
ziov 119EV unonkarndeioa: tTavımv de Ooaxes, ws &I0og, 
voavrss Eipayov. al dn 6 Aoyehaog Inulav Ennyayev a- 


Tois Tahavıov. Enel 009 Odx Elyov doüyaı, Evgınidov £der- 


Pitterarifches. 460 


Inoav ruyeiv uUnohvoswg, dendEvrog too Panıkemg. y_00v0v 
de voregov Evgınidng &v akosı Tıvi no0 Tg nokewmg nogueı 
Aoyskaov d8 Emil xuVny&oıov EAY0VTog , Twv OxVAUzWV EnITV- 
yorzwv Evgınıdov, Eonagay9n zuraßowdeis 6 noımens. 00V 
dE 0L OxVAaxeg Tng Uno Ooaxav avugedeions zuvoc‘ 08V 
xai nagoıa £ori roig Maxedooı, zuvog Ölrnv. Etwas eigen- 
thümliches kommt fonft nicht vor und es geht vorher: O Evgınt- 
Uns viog utv EyE&vsro Mynoagyov zZunnkov, untoog de Kası- 
ToVg, Auyavonwlıdog: to dE yevog mv Adnvalog , Eyevvndn de 
&v Iaranlvı Eni Kakklov aoypvrog, zara tv eixoornv (SIC) 


ıo ' > ’ Pr ’ c Im 
olvunında, Ors Evavuaynoa» rois Ileoouıs ol "Erinveg. 





a 


In der Bibliothek der Jeſuiten in Nom befindet fh ein Erem— 
plar des Plutarch in der Aldina, worin Muretus viele Lesarten 
aus Handfchriiten beygefihrieben hat. Dre Yaurentiana in Florenz 
befist eine Handfchrijt der eben des Plutarch, äußerſt forgfältig 
und gleichmäßig gefchrieben, aus dem neunten Jahrhundert oder 
noch älter, welches dahin mit vielen andern Hendſchriften verſetzt 
wurde bey der Aufhebung der Badia dei Benedeltini im Jahr 
1783 (f. Inghirami Guida di Fiesele p. 75). Don diefen Hand- 
fihriften, fo wie von denen, die unter der franzöfiichen Herrfchaft 
aus den Klöftern zur Bibliothek gebracht worden find, einen Kata— 
log anzufertigen iſt lange die Abficht gewefen und wäre in der That 
der Mühe werth, 

% © Velden 


Horatiana. 





1. Wann liebte Horatius feine Cinara? 


Cinara iſt die einzige Geliebte dos Horatius, von welcher er 
nicht bloß einmal feherzend, wie von der angeblich legten Geliebten 


470 Miscellen. 


Phyllis C. IV, 11, 31 f. vgl. I, 4, 14. , ſondern wieverhoft 
C. IV, 1,.4. 13, 21 f. Epist. 1, 7, 28. 14, 33. in vollem Ernfte 
ſpricht. Wir erfahren aber aus den angeführten Stellen bloß, daß 
der Tod fie ihm ſchon früh entriß, ebe ibn feine Kränflichfeit Die 
Falten Bäder in Clufium und Gabii Epist. I, 15, 19. zu gebrau- 
chen zwang; daß er fie Schon Tiebte, als feine Stirn noch von 
fchwarzem Haare gefhmälert ward, Epist. I, 7, 26. IL, 3, 37. 
vgl. C. 1, 31, 11 f. iſt fehr zu bezweifeln, wenn wir annehmen 
dürfen, daß er fie bei dem Beginne der Liebe Glycera nannte, 
twofür nicht nur der gleiche Rhythmus des Namens, fondern auch 
die gleiche Schalkhaftigkeit C.1, 19, 7. Epist. 1, 7, 28. und hin- 
reißende Schönheit Epist. I, 14, 35. foricht. Denn in dieſe ent— 
brannte er erft, als der parthiſche König Phraates C. I, 2, 17. 
dem Teridates C. I, 26, 25. mit Hülfe der Seythen C. 1, 19, 10. 
die Krone raubte, und der früh ergrauende Dichter Epist. I, 20, 24. 
ſchon won ſchwindender Munterfeit €. I, 11, 5 ff. I, 14, 25 ff. 
träumte, und mit feinem vierzigften Lebensjahre C. II, 4, 25 ff. 
der Liebe entfagt zu haben wähnte, C. 1, 19,4. Daß die Glycera 
eine wirfliche Geliebte des Dichters in fpätern Jahren war, erbel- 
Yet nicht nur aus dem Hymnus an die Venus C. 1, 30. und dem 
gelegentlichen Geftänpniffe C. II, 19, 28., ſondern auch daraus, 
daß er denfelben Namen der Geliebten des Albius Tibullus gibt, 
C. I, 33, 2., während er feine eigene Geliebte mit dem ihm felbit 
vorgeworfenen Charakter C. I, 33, 14 ff. II, 9, 22 f. vgl. Epist. 
I, 20, 25. S. 1,3, 29. Moyrtale nennt. Bon wie kurzer Dauer 
jedoch dieſe Liebe war, ergibt fich Daraus, weil Horatius in ſeinem 
funfzigſten Lebensjahre C. IV, 1, 6. ſchon lange die gute Cinara 
verloren zu haben verſichert, welche er, weil ſie eben ſo ſüß ſprach 
und ſüß lachte, wie er ſelbſt, Epist. 1,7, 27., nicht mr Glyeera, 
ſondern auch Lalage nannte C. I, 22, 10 u. 23 f. Gleichwohl 
ward auch dieſe kurze Liebe durch ein Mißverſtändniß unterbrochen, 
wenn wir annehmen dürfen, daß Die Lydia, welche durch ihre Liebe 
zu Calais, des Thuriners Ornytus Sohne C. II, 9, 14., nad 
feiner Vaterſtadt auch Sybaris ©. 1,8, 2. md Telephus C. 
1, 13, 1 f. genannt, des Dichters Eiferfucht erregte, einerlei Perfon 


Horatiana. 471 


mit der Lautenfpielerin Lyde war, auf deren Vaterland in Vorber- 
afien, wo fie, nach den Fefte des Neptunus und dem Weine aus 
dem Confulate des Bibulus C. III, 28, 1 u. 8. zu urtheilen, am 
28. Julius des 3. 645 geboren war, der Toaft anf Yatona umd 
Cynthia noch vor dem Toafte auf die Venus und Nacht C. II, 
98, 12 ff. deutet, Daß übrigens eine früher befungene Lydia C. 
1, 25, 8. eben fo wenig des Horatius Geliebte war, als Lyde 
C. II, 1,7 u. 2. und Lalage C. II, 5, 16, und daß die vor- 
gefhüste Liebe zur Phryne Epod. 14, 16. und vielen anderen 
Griechinnen Epod. 11, 4. eben fowohl bloße Dichtung war, als 
die Liebe zu taufend Mädchen und taufend Knaben, welche ihm ein 
Narr vorwarf, S. U, 3, 325., braucht nicht befonders erwieſen zu 
werden. 


2, Wann erbielt Horatius fein Sabinifhestlandgut? 


Nie Horatius in einem auffalfenden Beifpiele S. IT, 1, 34. 
zeigt, daß er dem Lucius auch darin folge, die merfwirdigfien 
Umftände feines Lebens gelegentlich anzuführen; fo bat er uns auch 
nicht verfchwiegen, wann ihm Mäcenas fein Sabinifches Landgut 
ſchenkte. Denn er erwähnt fein noch nicht völlig ausgebauetes Yand- 
bäuschen zuerft in der ausführlichften feiner Eativen 8. II, 3, 10 
u. 308., welche er nad) langem Schweigen 8. II, 3, 4. im J. 83 
v. Chr. ©. ſchrieb, als ſich Agrippa als Aedil den glänzendften 
Ruhm erwarb, S. 1, 3, 185. Chen damals war L. Bolcatius 
Tullus zum zweiten Male Conſul, unter welchem Horatius C. II, 
8, 12. ven Wein, womit er am erften März des J. 20. die Net- 
tung feines Lebens beim vorjäbrigen Baumſturze in der Nähe feines 
Landhaufes C. I, 13. vgl. UI, 22, 5. feiern wollte, auf Krüge 
gefüllt hatte, um geräuchert zu werden. Offenbar bezeichnete Ho— 
rating hiermit den älteften im eigenen Befisthume gewonnenen Wem, 
fowie er umgefehrt bei einer andern Gelegenheit, C. I, 20., feinen 
Sabinerwein dem Mäcenas aus demfelben Jahre vorfekte, in wel— 
chem viefer, dem Horatius gleich C. II, 17, 22 ff., einer drohenden 
Lebensgefahr glüslich entronnen war. Denn wenn auch Horatius 


472 Miscellen. 


einmal Epist. 1, 5, 4. feinem Freunde Manlius Torquatus ſieben— 
jährigen Falernerwein aus der fumpfigen Gegend zwifchen Minturnae 
und Sinueſſa, und dem Mäcenas an feinem Geburtstage neunjäh- 
rigen Albanerwein C. IV, 11. vorſetzte, weil diefe beiden von Mä— 
cenas vorgezogenen Weine S. I, 5, 16. fo alt fein mußten, um 
gut genannt zu werden; fo bewerfet doch der Umſtand, daß er an 
feinem Geburtstage ſowohl früher Epod. 13, 6. als fpäter C. III, 
21. Wein aus dem Confulate des Manlius Torguatus trank, unter 
welchen er geboren war, daß er bit der Wahl des Wernes weniger 
auf deffen Alter, als auf beſondere Verhältniſſe Rückſicht nahm. 
Sp verlangte er bei des Auguſtus Rückkehr aus Hiſpanien im J. 
24. zur Bezeichnung der glücklich beemdizten Bürgerkriege, an wels 
chen er in feiner Jugendhitze C. II, 14, 28. ſelbſt Theil genommen 
batte, Wein aus dem 67 Jahre früher geführten Marferkriege oder 
wenigſtens aus der Zeit des Spartacus, der 52 Jahre früher Epod. 
16, 5. die Sclaven bewaffnete. Sowie er daher bei der Feier des 
Geburtstages feiner Geliebten an den Neptunalien am 28. Julius 
C. IH, 28. aus dem Weinlager, welches bei den Sufpteiern C. IV, 
12, 18. von vorzüglicher Güte war, Wein aus dem Confulate des 
Bibulus im 3. 59 ©. Chr. ©. C. II, 8, 25. herbeizuholen rieth, 
um damit anzudeuten, daß feine Geliebte nur fechs Jahre junger 
als er felbft, gewefen fer; fo empfahl er bei einer ungewöhnlich 
ftarfen Winterkälte C. I, 9, 7., welcher nach einem angenehmen 
Frühlinge C. I, 4. eine gleich ungewöhnliche Sommerhige C. 1, 17. 
gefolgt zu fein fcheint, feinen erit vier Jahre zahlenden Sabinerwein 
nur deshalb, weil er damals noch feinen altern Wein beſaß. Er . 
hielt hiernach Horatius fein Sabinifihes Landgut Fury vor dem J— 
>33, als ihm Mäcenas Epod. 14., wie Pedius Epod. 11., feine 
Yalfigfeit im Dichten worwarf, und darum, wohl wiſſend, daß Die 
hindernde Lebe nur vorgeſchützt ward, um nicht geftehen zu müffen, 
daß die erfte Einrichtung des gejchenften Gutes, die mit den vorge 
fihüsten taufend Liebſchaften Epod. 11, 4 8. I, 5, 325. in einer 
lei Zeit fallt, die wahre Urfache der dichterifchen Unthätigkeit fei, 
den verbauerten Dichter Epist. I, 7, 85 f. mit einer Schnitter- 
mährte vegalirte Epod. 3.; fo dürfen wir auch wohl annehmen, 


Horatiana. 473 


daß Horatius eben damals das Lob des Landlebens in der zweiten 
Epode gefchrieben hatte, worauf er in der Anekdote von Vultejus 
Mena Epist. I, 7, 77. auf verblümte Weiſe anfpieft, und daß 
Mäcenas, da diefe Epode in der Anführung der verfchiedenen Stände 
zu Anfange mit der Widmungsfatire S. 1, 1. und in der Aufzäh— 
fung der Lerfereien gegen das Ende mit der erften Satire des zwei- 
ten Buches S. II, 2. zufammenftimmend, durch Die damalige Schen- 
fung des Pandgutes ihm die Widmung der erften Oefammtausgabe 
feiner Dichtungen Epist. I, 1. vergalt. Ser dieſem, wie ihm wolle, 
fo ftehet das J. 34 vor Chr. ©. als das Schenfungsjahr des 
Landgutes für Horatius feſt. 
©, 5 Grotefend, 


— —— — 


3. Ueber die horaziſchen Scholiaſten. 


In neueſter Zeit geht Jeder, der nicht geradezu einen Köhler— 
glauben hat, an die Scholiaſten des Horaz mit der Ueberzeugung, 
daß er zur Aufhellung des Schriftſtellers daraus ſo gut als Nichts 
ſchöpfen kann, daß Alles, was nicht ausdrücklich mit der Bemerkung 
eingeführt wird: Qui de personis horatianis scripserunt elc. elc. 
ebenfogut und beffer von uns felbft aus dem Dichter herausexegeti— 
ſirt werden kann. Jede Kritik der einzelnen Nachrichten der Scho— 
liaſten, wie ſie z. B. der Unterzeichnete für die Epoden in ſeiner 
Abhandlung über die Abfaſſungszeit derſelben (Zeitſchr. f. d. Altth. 
Wiſſ. 1844) angeſtellt hat, muß zu dieſem Reſultate führen. Da— 
ber hat M. Haupt in dieſer Zeitſchrift J. 1843, ©. 146— 150 
mit Recht als Aufzabe aufgeſtellt, nachzuweiſen, auf welchem Wege, 
Durch welche Art der Exegeſe, fie zu ihren Behauptungen gefommen 
find. Wonn einmal Hr. Hauthal ſich vom beit, Chriſtoph tren- 
nen fann und feinen Fleiß einer (wo möglich ganz objectiv gebaltes 
nen, nur das Material liefernden) Auszabe diefer Scholiaſten zu— 
wendet, jo muß ſich erſt Alles mit rechter Luft unterfuchen laſſen. 
Inzwiſchen will ich vorläufig nur auf einige Punkte aufmerffam ma- 
chen, — Unter den drei Scholiaften gebe ich ganz entſchieden dem 


474 Miscellen. 


Porphyrio den Vorzug, ſchon deswegen weil er allein die Schrift 
de personis Horalianis benust und daher auch werthvolle, den 
Sinn wefentlih aufhellende Nachrichten (wie zu Sat. I, 1, 105) 
allein gibt. Sp iſt auch er es, der eine Schrift de vita Horatii 
verfaßt hat (f. ad Sat. I, 6, 41). Namentlich gibt er beſonders 
viele wichtige Citate, z. B. aus Lucilius Sat. I, 5, 87. 9, 78. 
1, 1, 17), Calous Licinius (Sat. 1, 3, 3), den XI Tafeln (Sat. 
I, 9, 76) und fonftige genauere litterarhiſtoriſche Angaben (Sat. J, 
10, 53. 62.). Sodann tft ein Hauptvorzug von ihm, daß er mit 
wett größerer Sorgfalt und Kritik verfährt und erweislich falfche 
Angaben der übrigen nicht hat, z. B. ad Sat. I, 2, in. find die 
Nachrichten über Tigellius ber ihm weit richtiger als bei den ans 
dern, und die einzige falfche, die einfältige Notiz, Horaz babe den 
Tigellius gehaßt weil diefer feine Gedichte für unmuſikaliſch erflärt 
babe (was auf Verwechslung des älteren und Jüngeren Tigellius 
beruht und ſchon deßwegen nicht mögfich iſt, weil zur Zeit des Als 
teren Horaz noch gar feine für die Muſik beitimmte Gedichte vers 
fertigt hatte), fteht bet ihm ſo zuſammenhangslos da, daß der Ges 
danfe an eine Interpolation nahe liegt; vgl. meinen Artiiel Her- 
mogenes in Pauly's Real-Encykl. Bd. 3. Weiter vgl. Sat. I, 3, 
29 f. I, 1, 17. 50. 48. 5, 36 und fonft. Auch gibt er alfe feine 
Angaben in wert anfpruchsloferer Form, laßt oft durchblicken, daß 
er fie eben auch nur auf exegetiſchem Wege erhalten habe, z. B. 
Sat. If, 1, 47: hunc Cervium vult videri accusatorem, wo 
Aero geradezu fagt: Cervius aceusator quidam fuit et colu- 
mnialor, als hätte er dafür ganz eizentbumfihe Quellen, und 
Schol. Cruq. noch eine bejtimmtere hiſtoriſche Kenntniß von ihm 
haben will, Ebenſo gibt ſich bei Sat. I, 3, 40 Aero das Anfehen, 
als wüßte er Genaueres, während er dach nur das auf der Hand 
Liegende, in den Worten des Horaz felbft (veluti Balbinum poly- 
pus Hagnae) Enthaltene geſchmacklos breit Schlägt wenn er anmerft: 
Agna nomen meretrieis pulidis naribus. Polypus aulem vitium 
narium, quod adolescentem nobilem delectabat. Porphyrio da- 
gegen begnügt fich, die anſpruchsloſe, aber feingegriffene Bemerkung 
zu machen: Luciliana urbanilate usus in lransilu amariludinem 


gu Plinius Kunſtgeſchichte. 475 


adspersit. Ueberhaupt iſt Aero regelmäßig viel weitſchweifiger als 
Porphyrio, was ſchon ein ſchlimmes Zeichen für ſein angebliches 
höheres Alter iſt. Denn der Gang pflegt nicht der zu ſein, daß 
der folgende Commentator blos Auszüge aus ſeinem Vorgänger gibt, 
vielmehr findet er, je mehr ſchon erklärt iſt, deſto mehr der Erklä— 
rung Bedürftiges (wie es ja noch heutzutage geht) und bemüht ſich 
eigens recht viel Neues und Eizenthümliches zu liefern; der Erſte 
dagegen ift noch mehr von dem unmittelbaren Eindruck hingenom— 
men und erklärt nur was wirffich Erklärung verlangt und wird 
wohl auch manche Schwierigkeit überfehen. Es käme nun darauf 
an, ım Einzelnen nachzuweisen, wie Acrv’s Erklärungen meiſtens nur 
eine Auffehwellung, ein neuer Aufguß von denen des Porphyrio find, 
Dazu aber muß vorher das Material vollſtändig gefammelt fein, — 
Was aber endlich den Scholiaften des Cruquius betrifft, fo ver= 
liert ex fchon durch die Art feiner Entſtehung allen hiſtoriſchen 
Werth und es it wirflich unbegrerflich, Daß man gewöhnlich diefen 
vorzugsweife anführt. Man läßt fich dadurch blenden, daß er das 
anfcheinend BVBollftändigfte, in Wahrheit aber das Aufgeblähtefte, 
Wäſſerigſte, Inhaltlofefte darbietet. 
Tübingen. Dr. W. Teuffel. 


Zu Plinius Kunſtgeſchichte. 


Nachdem Plinius N. H. XXXV, 9, $. 36. vom Maler Apol— 
lodorus gefprochen, geht er auf Zeuxis über mit diefen Worten: 
Ab hoc arlis fores apertas Zeuxis Heracleotes intravit olym- 
piadis nonagesimae quinlae anno quarto audenlemque iam 
aliquid penicillum . . . . ad magnam gloriam perduxit, a qui- 
busdam falso in LXXXIX olympiade posilus, quum fuisse ne- 
cesse est Demophilum Himeraeum et Neseam Thasium, quo- 
niam, ulrius eorum discipulus fuerit, ambigitur. Hier nimmt 
nun Sillig im Calal. artif. ©. 459. ff. und ſeitdem auch in 
feiner Ausgabe die Zahl LXAIX für LXXXIX aus Handfihriften 


476 Miscellen. 


auf, und vechtfertigt dieß am erſten Orte mit den Worten: Ex 
vulgari scriptura duodetriginla tantum anni prodeunt, quibus 
sane Zeuxis floruerit oporlet, ut reliqua de praeceptoribus 
verba inepte tanlum addita videri possent; nosira vero leclione 
opinio chronologorum vere refutalur, quoniam ab hac ol. us- 
que ad XCV sexaginla septem (warum nicht octo?) anni ori- 
renlur, quod temporis spatium illa quidem aetale, qua et inter 
Graecos wwx00ßı0ı rarescebant, Zeuxis arte sua vix explere 
poluit. Huc accedit quod Zeuxis non ol. XCV, 4. primum 
artem exercuil, ut verba Plinii indicare possent, sed iam ante 
nobilis factus est, quod ex piclura, quam Archelao *) dona- 
vit, colligere licet, ut proinde ol. LXAXXIX omnino non apla 
sit. Eo melius contra omnia procedunt, quum Demophilum et 
Nesecam ol. LXXIX floruisse statuimus. Man fieht, Sillig 
nimmt den Sas mit quoniam als Beweis für das in also fiegende 
Urtheil, oder mit anderen Worten, er findet in dem ganzen Zuſatze 
die von Plinius gegebene Widerlegung derjenigen, die den Zeuris 
nicht in DL. 95 festen. Dieß it aber forachlich und fachlich gleich 
unmöglich. Erſtlich muß Sillig offenbar das quum in dem Sinne 
son »in welcher Zeit“ gefaßt haben; aber in dieſer vefativen 
Anwendung, daß das Objekt, welches beftimmt werden foll, ſchon 
vorher gegeben fe, jagt man ja im Lateinischen nicht quum, wel 
ches zwar das Demonftrativum in ſich einfchließen und ſo für eo 
lempore, quo (namlich in der prolasis), aber nicht für quo. lem- 
pore gefegt werden fann. Wer wird, wo es auf wirffiche Zeitbes 
ftimmung anfommt, fagen eo anno, quum? Dem wäre nun, 
wenn es Noth thäte, Leicht abzuhelfen durch die Veränderung in 
qua. Allen welche unbündige und darum unflare Folge der Ge- 
danfen hätte dann Plinius gewählt, wo man vielmehr erwartete: 
quoniam, qui hac ipsa aelate (oder olympiade) fuerunt Demo- 
philus et Neseas, eorum utrius discipulus fuerit, ambigitur, 
Denn auch das bier übergangene necesse est begreift man nicht 
recht, da es mit feinem Worte motivirt ift, und doc Die Zeit der 
) Bon DL. 91, 3. bis 95, 1., nicht wie Sillig will, von 91, 4. bie 


95 


* 


Zu Plinius Kunſtgeſchichte. 477 


beiden wenig namhaften Kinftler nicht als etwas fo Befanntes, als 
ein fo fefter Anhaltpunkt vorausgefest werden kann, daß daran das 
Schlagende der Wiverlegung fogleich einfeuchtete. Nicht beffer fteht 
es mit dem Inhalte diefer vermeintlichen Widerlegung. Sillig ver- 
langt einen fehr langen Awifchenraum, um den Plinius fo fehließen 
zu laffen: wenn Zeuris Ol. 95 (oder in Wahrheit, wegen deg 
Verhältniſſes zu Archelaus , auch immerhin ſchon etwas früher) ges 
blüht hat, fo kann er nicht auch fehon Ol. 79 geblüht haben, weil 
dazwiichen 64 Jahre (oder etwas weniger) Tiegen; wohl aber, 
meint er, hätte Plinius felbft einfehen müffen, daß 25 Jahre (oder 
gar noch weniger) die Blüthezeit eines Künftlers füglih dauern 
könne. Wir wollen uns nicht dabei aufhalten, daß es ja die Mei— 
nung der Gegner gewiß nicht war, den Zeuris fowohl in DL. 79 
als auch in DL 95 anzunehmen, fondern nur in DL. 79, fo 
daß der zur Wiverlegung diefer Annahme gebildete Schluß, der 
von DI. 95 als feftem Punkte ausgeht, eine pelitio principii ent— 
halten würde; auch das fer nur flüchtig berührt, daß ja nach den 
Worten des Plinius die Zeit von DL. 79 mit nichten als die 
Blüthezeit des Malers gedacht wird; was aber bei der obigen 
Erklärung auf die befremdlichſte Weiſe außer Acht gelaffen iſt, das 
ift das ganz undenfbare chronologiſche Verhältniß zwifchen Lehrer 
und Schüler, welches dem Plinius als eigene Meinung aufgebürdet 
wird. Mit einem mecesse est wird der Lehrer in DI. 79 gefett, 
und erſt 64 Jahre fpäter foll der Schüler geblüht haben? Sillig 
hatte ganz vergeffen, daß ja mit der, durch das angebliche Raiſon— 
nement des Plinius zurückgewieſenen, Gleichzeitigfeit der beiden 
Künftler und des Zeuxis in DL. 79 nicht auch das Schülerverhält- 
niß des Tegtern zu einem der erftern überhaupt aufgehoben wird. 
Weit unanftößiger wäre in Silligs Sinne wenigſtens diefe einfache 
Schlußfolge anzunehmen gewefen: einer der beiden Künftler Demo- 
philus und Neſeas war des Zeuxis Lehrer; diefe lebten um DI. 89; 
folglich fann des Schülers Blütezeit nicht auch in dieſe Zeit ge- 
fest werden, fondern muß fpäter fallen. Denn fo viel ift klar, daß 
nad dem individuellen Zufammenhange, je nachdem Lehrzeit und 
Blüthezeit unterfchieden werden ober nicht, je nachdem die Zeitab- 


478 Miscellen. 


ftänte kleiner oder größer find, je nachdem e8 auf genaue Beftim- 
mungen oder nur allgemeine Schätungen ankömmt, die Lebenszeit 
des Lehrers fowohl zum Beweiſe als zur Widerlegung der Gleich— 
zeitigfeit des Schülers angewendet werden fan. Ein Zwifchenraum 
von einigen zwanzig Jahren Fünnte nun feinesweges als fchlechthin 
unvalfend gelten, um ein natürliches Verhältnig zwiſchen Lehrzeit 
und Meiſterſchaft zu geben; einer von etwa 60 %., (wenn man 
LXAIX aufnähme) müßte es unbedingt. Allein die übrizen, oben 
vorangeftellten Bedenken haben fo nichts son ihrem Gewicht verlo— 
ven. Auch daran darf num nicht gedacht werden, daß in dem frag» 
lichen Satze etwa der Beweisgrund derjenigen enthalten ſei, die den 
Zeuxis, fer es m DI. 79 oder 59 anfesten. Einmal müßte dieß 
ftatt quum fuisse necesse est doch heißen qua fuisse necesse sil; 
fodann dürfte eine anfcheinend fo gutbegründete Meinung nicht ohne 
ein wiverlegendes Wort des Plinius, nicht ohne eine, wenn auch 
nur andeutende Rechtfertigung des fategorifchen lalso bleiben. Nichts 
iſt übrig, als die, auch ganz unverfängfiche Annahme, Plimus habe 
die widerfprechende Memung der quidam nur einfach) angeführt, 
ohne ihre Gründe, und eben fo einfach für falfch erklärt, ohne feine 
Gründe hinzuzufügen. Schon dag necesse est [eitet darauf, m 
diefem Sage nicht fowohl ein Axiom, als eins Folgerung zu fuchen, 
die in dem quoniam ihre Begründung finde. Weil entwerer 
Demophilus oder Nefeas für den Lehrer des Zeuxis gilt, fo ergibt 
fih dem Plinius hieraus im Vorbeigeben zugleich eine allgemeine 
geitbeftimmung diefer beiden, fonft ficherlich durch keinerlei chrono— 
logiſche Ueberlieferung firivten, Künſtler. Plinius ſchrieb höchſt 
wahrſcheinlich: a quibusdam falso in ol. LAXXIX positus. 
Quocum fuisse necesse est Demophilum Himeraeum et Ne— 
scam Thasium, quoniam, ulrius eorum diseipulus fuerit, ambi- 
gitur. Der Gebrauch des esse für vivere ift dem PM inius ganz 
geläufig, z. B. XXXVI, 5. $. 4. Cum ii essent, iam fuerant in 
Chio insula Malas sculplor, dein filius eius Micciades e. q. S., 
Hipponactis poclae aelate, quem certum est LX olympiade 
fwisse. Hier hat man auch an dem certum est ein Beifpiel, wie 
unfer Schriftfieller ſich ausdrückt, wo er eine Angabe als unzweifel 


zu Plinius Runfgefhidte. 479 


bafte Thatfache bezeichnen will. Daß nun die Lesart LXXIX nicht 
mehr nothwendig iſt, ift von felbft Harz fie hat aber auch nicht 
einmal an fich die geringfte Wahrfcheinlichfeit, und zwar gauz ein- 
fach wegen der allzugroßen Handgreiflichfeit des Irrthums. Dage- 
gen wie man auf DI. SO (die durch die Bamberger, fo wie die 
erite Ambroftanifche Handfchrift Beftätigung erhält) fallen fonnte, 
liegt fo nahe, daß wir in flarfe Verſuchung geratben, das mit lalso 
ausgefprochene VBerwerfungsurtheil des Plinius für ein nicht hin- 
Yänglich erwogenes zu halten. Daß die Zeitbeftimmung des Plinius 
ungenau ſei, lag jedenfalls zu Tage; denn ſchon mehrere Jahre vor 
DI. 95, 4. ftarb Archelaus von Macedonien, dem Zeuris nad 
Aelians (V. H. XIV, 7.) und des Plinius eigener Angabe feinen 
Palaft malte und cin Gemälde des Pan zum Gefchenf machte. 
Dazu fümmt, daß doch mit den Worten arlis fores intravit nicht 
wohl kann die Zeit bezeichnet fein, da der Künſtler in der Blüthe 
feiner Meifterfchaft fand, fondern da er zu malen anfing; wodurch 
denn die Ungenauigfeit der Zeitbefiimmung ſchon vecht groß wird, 
und wir unvermerft der 89ſten Olympiade immer näher rüden, 
Um fo wahrfcheinlicher, weil in feinen Urſachen einleuchtend, wird 
es alſo, daß eine Meinung, die den Zeuxis in Ol. 89. die Künſt— 
lerbahn betreten (artis ſores intrare) licß, wirklich exiſtirte, und 
nicht nur dieß, ſondern ſelbſt die richtigere war, trotz des Plinius — 
wir wiſſen nicht wie begründetem — Widerſpruch. Ich weiß nicht, 
ob es ähnliche Betrachtungen gewejen find, die Müller im Hanob, 
der Arhäol, ©. 133 f. zu dem Anfabe son DI. 90 bewogen; 
denn das Verhältniß zu Archelaus allein, worauf ſich Mülfer beruft, 
berechtigt noch nicht gerade, fo weit zurüdzugeben. Den Namen 
„Demophilus“ und „Neseas“ wird hiernach in einer neuen Ausgabe 
des Calalogus artificum (S. 182. 292.) ftatt „Ol. 79° vielmehr 
c. Ol. 95. nad der Meinung des Plinius, und daneben Ol. 89 
als anderweitige, und wohl glaubwürdigere Ueberlieferung beizu- 
fügen fein. 
X. 


” 


480 Miscellem 


Fragment eines KRomifers, 


Apulei. apoloe. p. 329 Elm. 574 s. Oud. 


Man hatte dem Apuleius zum Vorwurf gemacht, daß er ferne 
Vermählung mit Pudentilla auf dem Lande gefeiert habe. Am Schluffe 
feiner Nechtfertigung fügt er hinzu: Immo si verum. velis, uxor 
ad prolem multo auspicatius in villa quam in oppido ducilur, 
— maler futura in ipso malerno sinu nubat in segete adulta 
super fecundam glebam, vel enim sub ulmo marita cubet in 
ipso gremio lerrae malris inter suboles herbarum et propagi- 
nes vilium et arborum germina. Ibi et ille celeberrimus. in 
comoediis versus de proximo congruit. Diefer Vers fehlt nun 
in mehreren Hdſchrr. und tft deshalb früher ganz willführkich ergänzt 
worden, in andern find die eorrupten Spuren erhalten, und zwar 
im Flor. I, nach Lindenbrogs Angabe: 

1®94®NEIJIAPOTOHLIHICIONENICNÖPEIL, 
nach Elmenhorfts Angabe: 

118 49NCHAPOTOHIHICIONEHIEHOPEIL, 

nach Boschas Mittheilung: 

10 A8NEI®POTONINISIONENISNOPOI 
und im Flor. U: 

naıdwNenaPolowwCIONenıCnoPa 

Danach) hat man verſchiedene Heriiellungsverfuche gemacht, Boscha: 
m Een’ ayowv yunolov eat ONOYOL oder evıondgot, ein une 
derer Gelehrter: nuidov na0' upon yvnoiwv Elol ‚onogor, Hil⸗ 
debrand: nardwv enuowv Cim I Text enayywv) yv nolwv Enlonoga, 
mit der Anmerfung: ’Enaoov ab musitalo vecabulo est enaoiw 
el Enronoge« hie pro Enionogot dielum puto. Locum tamen 
in medio relinquo. Aus jenen Zügen iſt leicht herzuftellen IL AI- 
AQNEIAPOTOITNHCION vd. h. naıdwv En’ ugoıw yon- 
oo», die bei den Attifern fo gebräuchliche Formel von der recht» 
mäßigen Ehe; ob dann Evi onogoı yder Eentonoo« richtig fei, will 
ich nicht entſcheiden, doch ſcheint das Erſtere be ſer, und ſchon das 
Lateiniſche a in Flor. II zeigt wohl, daß im Original etwas ande— 
res war, und ol und a find ſich ja ahnlich genug. Man bat mit 
Unrecht gemeint, es müffe in dem Vers ausdrücklich von der Zeu« 
gung auf dem Yande die Rede fein; es genügt dem Apuleius in 
vem Zufammenbange das bei den Attifern ſo häufige Gleichniß des 
Siens und Pflügens von der Zeugung (Preller Dem. u. Perf. 
p- 354 ff). Ich babe den Bers ber Meinefe nicht gefunden. 

DO. Jabn, 


— — —— — — —— 


Bm, gedrudt bei Carl Georgi. 


Die Marmoriverfe von Xanthos in Lyeien. 


Die Reſte alter Sculptur, welche Herr Fellows aus den Rui— 
nen des alten Kanthos ans Licht gezogen und mit der feltenften 
Uneigennügigfeit, ja mit bedeutenden Opfern von Zeit und Mitteln 
der brittifchen Nation und fomit dem gebildeten Europa überantiwor= 
tet hat, gehören nicht blos, wie allgemein anerfannt wird, zu den 
merfwürdigften und Foftbarften Neften griechifcher Vorzeit, fondern 
haben auch, was bis dahin nur wenige zu ahnden feheinen, unfern 
Kunftfchag auf eine fo überrafchende Weife bereichert, daß es wohl 
geeignet erfcheinen darf Durch folgende Mittheilungen die Aufmerf- 
famfeit der Künftler und Kunftfreunde auf tiefe Denfmäler zu Ien- 
fen. Diefes wird um fo eher Entſchuldigung verdienen, als von 
Seiten der brittifchen Gelehrten Berichte in dieſem Sinne nicht fo 
leicht und nicht fo bald zu erwarten ftehen. Denn von diefen wird 
faſt ausnahmslos der Kunftwerth diefer Werfe faum beachtet, jeden= 
falls viel zu gering angefchlagen. An eine Analyfis des Schönen, 
welches fie darbieten, an eine ruhige Vergleichung mit anderen ver- 
wandten Erfcheinungen hat bisher kaum irgend Jemand gedacht und 
doch ift diefe nirgends leichter als gerade in dem brittifchen Mus 
feum, wo die Werke des Phidias, Gypsabgüſſe von den Sculpturen 
des Thefeums und die Neliefs von Phigalia die ficherften Verglei— 
chungspunfte ungefucht darbieten. Der wahrhaft blendende Glanz, 
welchen die Nefte des Parthenons um fich verbreiten, mag aber 
gerade es einigermaßen entfchuldigen, wenn diejenigen welche num 
ſchon feit mehr als einem Vierteljahrhundert in diefer Sonnengluth 
verweilen, fich der Herrſchaft diefes gewaltigen Elements nicht zu 
entziehen vermögen und in die Sphäre einer neuen Runfiwelt, die 
fich unferen Blicken von fern darbietet, einzutreten wagen. Denn 

Muf. f. Philolog. N. 3. III. 31 


482 Die Marmorwerfe 


fo wie mit den Strahlen der Sonne fein Licht des Univerſums fich 
zu meffen vermag, fo wird es wohl fein Kunftwerf alter und neuer 
Zeit geben, das ſich den Giebelftatuen des Parthenon zu verglei- 
chen wagen darf. Aber die Werfe des Genies find wie das Genie 
ſelbſt Teutfeliger Natur. Die Betrachtung dieſer erbabenften An— 
muth ftumpft keineswegs gegen den Genuß anderer Kunftäußerungen 
ab, ſondern fowie Homer jever Zeit als die Vorſchule aller Poeſie 
betrachtet worden tft, fo fann auch das Studium der plaftifchen 
Schöpfungen am fiherften und [eichteften mit den Werfen des Phi— 
Dias begonnen werden, ohne daß zu fürdten ſtände, cs könne die 
Anſchauung der veinften Schönheit gegen andere Kunftwerfe gleich- 
gültig oder ungerecht machen. 

Es kann unfere Abficht nicht fern von den mannigfaltigen Denf- 
mälern, welche Herr Fellows theils dem Schooße der Erde entrif- 
fen, theils fogar den Felswänden jener ftaunenerregenden Gräbers 
ftädte abgenommen bat, eine Aufzählung zu Kiefern. Wir werden 
ung ganz im Gegentheil nur auf die Erwähnung von zwei Grab- 
mälern befchränfen, die aber von einer folchen Bedeutung find, daß 
ich ihnen aus dem ganzen Altertbum nichts zu vergleichen wüßte, 
was in diefer Art auf uns gekommen wäre. Sie gehören zwei 
ganz verfihiedenen Epochen an und treten einander wie zwer Felſen— 
ufer gegenüber, welche der Strom der Gefchichte mit gewaltigem 
Arm auseinandergeriffen hat. Das eine iſt aus der Zeit der Un— 
abhängigfeit von Kanthos, während das andere gerade cin redendes 
Zeugniß feines traurigen Schiefals, feiner Unterjochung und De- 
müthigung durch Harpagos ft. Beide find daber in fo völlig glei- 
chem Maake wichtig für De Kunftgefchichte, daß es faft unmöglich 
feheint Die Frage zu entfcheiven, welchem von beiden der Vorzug 
größeren Intereffes zuzufprechen fer. 

Das fogenannte Harpyiengrabmal, welches bereits durch die 
von Heren Fellows felbft veröffentlichte Umrißzeichnung feinen Vor— 
ftellungen nach befannt iſt, Tiefert uns eine Neihe von fo trefflich 
durchgeführten Compofitionen, daß es ſchon in dieſer Beziehung als 
ein Werk fehr alter Zeit große Aufmerffamkeit verdient. Nun ift 
es aber auch yon einer fo zarten, durchweg edlen und fleigigen 


von Xanthos in Lyeien. 483 


Durchführung, daß fih in dieſem Styl nichts ähnliches nambaft 
machen läßt. Der Styl iſt jener archaifche, von dem wir in der 
Seulptur meift nur dur Werke, welche ihn in fpäterer Zeit nach— 
ahmten, Kunde haben, und welcher, wo er in urfprünglicher Anwen» 
dung und feiner Durchführung vorfommt, von den Freunden des 
reinen Kunftjtyfs, con don fogenannten Puriften, fo hoch geftellt zu 
werden pflegt. Hier haben wir ihm micht blos in der anmuthigften 
Bewußtlofigfeit, jondern auch ın einer Zartbeit und Eleganz ver 
Durchführung, wie fie uns bis jest nur wenige auserlefene Bron- 
zen und gefehnittene Steine des Scarabäenſtyls zur Anſchauung ge> 
bracht haben. Hiervon fann man fich am beften überzeugen, wenn 
man nicht ſowohl bei der Betrachtung unferes Denkmals jelbft fte- 
bin bfeibt, ſondern eine Sphinx in Vergleichung zieht, Die von einem 
Monument derfelben Epoche herrührt, aber eine fo wortreffliche Er— 
haltung zeigt, daß man meint fie fer eben erft aus der Werfftatt 
des Künftlers hervorgegangen. Ber den Reliefs des Harpyiengrabs 
it dieſes Kider nicht der Fall. Sie find Yahrhunderte Tang den 
Wintrftirmen und der frein Luft ausgefett gewefen und zeigen 
durchweg eine verwitterte Oberfläche, unter deren Schleier der Kun- 
dige indeß jene zarten Linienfchwingungen erfennt, welche in ven 
Eontouren der erwähnten Sphinx felbft den Paien Bewunderung 
abnöthigen. Sämmtliche Reliefs waren bemalt und die Farbendecke 
hat an einigen Stellen dem Clement, welches den Stein verzehrte, 
eine fo fefte Echußdere dargeboten, daß die bemalten Stellen re— 
ftefartig hervorragen, während der umberftehende Steingrund nie 
dergeakt iſt. Diefes ift am deutlichften an den Neliefs der Border: 
feite, welche zwei einander gegenüber thronende Frauen darftellt, 
deren einer drei andere Frauengeftalten entgegenfchreiten. Der 
Thron diefer letzteren iſt mit ſehr geſchmackvollen, zartgegfiederten 
Ornamenten gefehmückt gewefen, welche in Folge des angedeuteten 
Prozeffes erhaben ſtehen geblieben find. Auch die Leiſte, auf wel- 
cher die erwähnten Frauen fußen, zeigt die Nefte eines gleichen 
Schmucks. 

Ich nehme dieſe Seite für die Vorderſeite, hauptſächlich weil 
bier die Spuren der Grabesthüre wahrzunehmen find. Die eine 


484 Die Marmorwerfe 


Matte, welche Herr Fellows am Fuße des thurmartigen Monuments 
ausgegraben hat, zeigt eine fo regelmäßig im rechten Winkel ausge- 
brochene Deffnung, Daß an eine zufällige Beſchädigung des Steins 
nicht gedacht werden kann. Links von derfelden thront die eine je- 
ner Göttinnen, deren Namen uns völlig unbekannt iſt und deren 
Bedeutung ſich aus dem Zuſammenhang mit der ganzen Darſtellung 
eher exrathen als feſtſtellen läßt. Ihr Thron iſt mit einer Sphinx 
geſchmückt, auf welcher dVie Armlehne ruht. In der rechten Hand 
hält fie eine Schale, das Attribut der linken iſt leider verloren 
gegangen. Ihre Füße ruhen auf einem Schemel, hinter welchem 
der lange feingefältelte Chiton weit herabwallt. Vor ihr, über der 
erwähnten Thüröffnung, erjcheint eine Kuh mit einem fäugenden 
Kalbe. Hiermit ſchließt dieſer Theil der Compofition ; die drei 
rauen welche fich daran reihen, find der gegenüberthronenden Göt— 
tin zugewandt, welche in allem übrigen der vorigen gleich ıft, nur 
daß die Armlehne ihres Thrones ftatt der Sphinx mit einem Wid— 
derfopf geſchmückt iſt und daß fie flatt der Schale einen Granat— 
apfel und in der andern erhobenen Hand eine Granatblüthe halt. 
Die erfte der drei vor ihr erfiheinenden Frauen hält den Schleier 
und das Gewand mit conventionellem Anftand gelüftet, die zweite 
halt ganz wie die Göttin felbft in der einen Hand die Frucht, in 
der andern nach dem Antlitz geführten Hand die Blüthe des Gra- 
natbaumes, und Die dritte Lüftet ihr Gewand wie die erfte mit der 
rechten Hand, hält aber mit der andern ein Ei empor. Dafür muß 
ich dieſen Gegenftand halten, welchen wir als ein Symbol der Auf- 
erftehung in alten Gräbern fo oft angetroffen haben und welcen 
Frucht und Blüthe als Schluß und Beginn des Jahreslebens fo 
treffend entfpriht. Im Allgemeinen darf man daher den Sinn die- 
fer Borftellung wohl fo faffen, daß eine Göttin des Lebens mit 
Schafe, Kuh und Kalb einer Beherrfcherin der Todten gegenübers 
thront, welche mit dem Dreiverein der erwähnten Frauen Symbole 
des Wiederauflebens und der Unfterblichkeit austaufcht, Tröftungen, 
welche den Alten das tiefe Naturgefühl von dem fie befeelt waren, 
gewährte, 

Sp wie diefe Darftellung von der Linfen nad der Nechten 


von Xanthos in Pycien, 485 


bin fortfäuft, fo reihe ich auch Die Compofitionen der übrigen vier 
Seiten in gleicher Richtung daran; was für die Auffafjung der fo 
räthſelhaften Bilder von Wichtigkeit ift, indem diefelben in einer 
andern Folge betrachtet zuſammenhangslos daftchen und namentlic) 
der Steigerung verluftig geben, welche fie zu veranfchaufichen be> 
ftimmt zu fein feinen, Die nächte Vorftellung, welche fich fo 
anreiht, zeigt einen mit Aermelchiton und Mantelumwurf befferveten 
Mann, welcher zwei Granatäpfel emporhält und feinen Scepter 
zwifchen dem Arme an tie Schulter gefehnt hat. Er iſt bartlos 
und vor ihm erfcheint eine Frau welche eine Taube an der Hand 
trägt und die Nechte wie in Iebhafter Anrede begriffen gegen ihn 
erhebt. Zu beiden Seiten viefer Gruppe nun erfcheinen jene menſch— 
lichen Vogelgeſtalten, welche man, da fie Kinder in den Armen hin— 
wegtragen, für Die Harpyien erflärt hat, die die Töchter des Pan— 
daros entführen. Sie tragen ein Diadem auf dem Haupte gleich 
dem mit welchem die Frauen der Hauptfeite geſchmückt find. Die 
Bildung diefer Doppelgeftalten iſt naturgemäßer und vrganifcher als 
die der geflügelten Menfchenwefen der fpüteren Kunft. Denn wäh- 
vend dort die Flügel dem Leibe mehr ſymboliſch, zwar mit geſchmack— 
solfer inienfügung aber ohne innere natürliche Nothwendigkeit an- 
gepaßt find, entwicelt fi hier der Flügel fehr confequent und 
finngemäß zugleich mit dem Menfchenarm aus dem Flügelbein des 
Bogelfeibes heraus. Es entftcht dadurch eine jener harmonifchen 
Bildungen, welche der Menfch nicht fowohl der Natur abgelaufcht, 
als vielmehr aus ihrer Hand empfangen zu haben feheint. 

Die folgende Seitenfläche, welche in ihrer Länge der Haupt- 
façade entforicht, ftellt eine analoge Scene dar. Auch hier thront 
ein Mann mit feingefälteltem Untergewand und Scepter, welcher 
diesmal bärtig erfcheint. Die Armlehne feines Thrones iſt von 
einem Triton geftüst und in der Nechten hält er eine Granatblüthe, 
die er mit zierlicher Fingerbewegung gegen das Antlig führt. Ihm 
naht ein Fleiner Knabe, welcher mit beiden Handen eine Granat— 
feucht und einen Hahn als Gaben darzubieten feheint. Dieſem 
folgt eine Figur, welche bekleidet ift wie alle anderen, ohne daß 
die Gewandung einen Unterfchied des Geſchlechts wahrnehmen ließe. 


486 Die Marmorwerfe 


Sie halt in der Linken einen Stab und hatte in der Rechten ein 
Symbol das verloren gegangen iſt. Ein Hund erfcheint neben ihr. 
Zwei ähnliche Figuren hinter dem thronenden Manne haben eben- 
falls durch die Zeit gelitten; nur der Öranatapfel in der einen 
Hand der vorderen iſt deutlich erfennbar. Was die vortrefflich an— 
geordnete Compoſition befage, läßt fih nur ganz alfgemein ahnden. 
Daß lyciſche Gebräuche der Darftellung zu Grunde Tiegen, 
wird durch die Vergleichung anderer Denfmäler, welche Herr Fel- 
lows zeichnen laſſen, Har. Wer aber möchte vernünftiger Weiſe es 
wagen weiter zu gehen und den Kormen einer Monumentenwelt, die 
wir eben erft fennen lernen, Die wir faum noch mit wilfenfchaftiicher 
Beftimmtheit zu unterfcheiden im Stande find, mythologiſche Be- 
griffsbeftimmungen beizulegen? Sind wir doch bei der Deutung 
einer großen Anzahl von Grabesftelen des griechifchen Mutterlands, 
die unferen Blicken feit einer Neihe von Jahren vorliegen und die 
fih auf einen Ideenkreis beziehen, ın dem wir durch eine veiche 
Lıtteratur heimiſch find, in fichtbarer Verlegenheit. So viel allein 
iſt Har, daß fich fammtliche VBorftellungen diefes Grabvenfmals auf 
Zodtengebräuche, auf die Gegenfäge, in welche diefe Welt mit der 
des Jenſeits tritt und auf die Tröftungen bezieht, welche die My— 
thologie des Alterthums der Naturſymbolik mit tieffinniger und fo 
wahrhaftiger Beziehung entnommen bat. 

Dem Tauben- und Hahnopfer der beiden fo eben betrachteten 
Borftellungen entfpricht nun auf der legten eine Waffenweihe, die 
in irgend einem micht eben ficher beftimmbaren Sinn zwifchen einem 
jungen Krieger und einem jener thronenden Männer vorgenommen 
wird, denen wir num fihon zweimal begegnet find. Hier findet der 
Unterfchied ftatt, daß er nicht wie die beiden anderen dem Beſchauen— 
den zur Linken erfcheint, fondern links gewandt fißt und unter ſei— 
nem Seffel ein Thier hat, welches einem Schwein auf den evften 
Anblick gleicht, aber Bürentagen und einen langen dien Schwan; 
bat. Die Zoologen haben es nicht definiven Fünnen. Der Jüng- 
fing, welcher vor ihm erfcheint, it mit einem Harniſch bewaffnet, 
unter welchem ev ein feingefäfteltes Aermelhemd trägt. Er iſt mit 
einem Schwert umgürtet, ift mit Beinfchienen und Sandalen ver 


von Xanthos ın Lyeien. 487 


fehen, halt mit der Yinfen fein an den Boden gefeßtes Schild und 
faßt zugleich mit dem thronenden feepterführenden Mann den Helm, 
jo daß es nicht Flar ift ob er venfelben von diefem empfängt oder 
ihn überreicht. Da das Ganze an eine Hoplothefie oder Waffen- 
weihe erinnert, diefe auch bier einen fehr paffenden Schlußpunft 
bilden würde, fo bin ich geneigt mich für letzteres zu entſcheiden, 
diefes um fo eher als auch diefe Scene durch die zu beiden Seiten 
erfcheinenden Harpyiengeftalten einen fehr entfchiedenen Grabescha— 
racter erhält. 

Daß diefes die Bedeutung der Harpyien fer, daß fie nemlich 
ganz einfach an das plögliche Hingerafftfein geliebter, in der Blüthe 
der Jugend ftehender VPerfonen erinnern follen, geht deutlich aus 
der Vergleihung eines anderen Reliefs hervor, welches H. Fellows 
ebenfalls nach England gebracht hat. Auf einer Säule fist eine 
Harpyie ganz gebildet wie die unfrigen und zu beiden Eeiten der— 
felben thronen Männer mit Seeptern wie die auf unferem Monu- 
ment, auch in der Bekleidung und Haltung ihnen vollfommen ver— 
gleihbar. Man fieht daraus daß der Begriff eines Raubvogels 
mit Menfchenkopf und Armen binreichend war um den alles dahin 
raffenden Tod zu vergegenwärtigen. Was konnte daher für den 
Schmuck emer Orabesftele paſſender fein als dieſes Phantaſiegebilde, 
welches jedenfalls eher vorhanden war als der Mythos von des 
Pandaros Töchtern? Daß bei unferem Denkmal an diefe gar nicht 
gedacht werden könne, geht übrigens auch aus der Darftellungsweife 
ſelbſt deutlich genug hervor. ES find Feine erwachfenen Töchter, die 
von den Harpyien hinweggetragen werden, fondern Mädchen Kindern 
ahnlich und wie Kinder ſich gebährdend. Niemand wird beim An- 
blick diefer Heinen Wefen au des Pandaros mannbare Töchter den- 
fen, die in dem Augenblick hinweggerafft werden, in welchem Aphro— 
dite den Gemahl für fie von Zeus erfleht. Man venfe fich ferner 
das Bizarre einer Darftellungsweife, welcher zufolge das mythifche 
Bild in vier Stüde zerfekt und an die vier Eden des Denkmals 
auseinandergefchleudert worden wäre. Es iſt dies gegen allen an- 
tifen Brauch. Ueberall wo fonft mythifche Bilder mit Darftellun- 
gen der Wirklichkeit auf Monumenten verbunden erfcheinen, finden 


488 Die Marmorwerfe 


wir daß dieſe jenen eher geopfert worden find. Sollte eine Nation, 
die in dem ganzen Werf einen in fo früher Zeit zu ftaunenswertber 
Reife gelangten Kunftfinn offenbart, nicht den Vortheil eingefehen 
haben, den eine zufammenbängende mit gebörtger Klarheit vorgetra- 
gene Darftellung vor einem epifodifchen Stückwerk hat? 

Den Schlußpunkt ſämmtlicher Vorfiellungen der ganzen Reihe 
bildet eine ebenfalls in kleinen Verhältniſſen dargeſtellte und den 
geraubten Mädchen ganz ähnliche Figur welche am Boden ſitzt und 
durch ihre Gebährden den Schmerz der Trennung veranſchaulicht, 
von welchem ſie ergriffen iſ. So wie uns die Grabesthüre der 
anſtoßenden Ecke den Beginn der Bilderfolge kennen lehrte, ſo giebt 
uns dieſe Figur die Gewißheit, daß wir den richtigen Weg einge— 
ſchlagen haben und am Schlußpunkt derſelben angelangt ſind. Viel 
mehr darf für den Augenblick auch nicht wohl verlangt werden. 
Wir müſſen uns begnügen die Maſſen der Compoſition aufzufaſſen 
und uns wohl hüten mit dem Detail in einer Weiſe zu ſpielen, die 
alles Verſtändniß an und für ſich unmöglich macht, ja es auch für 
andere auf lange Zeit hinaus trübt, Wir dürfen ung aber an 
einem fo ganz allgemeinen Verſtändniß um fo eher genügen laſſen, 
als daffelbe ausreicht um uns des hohen Kunſtwerths diefer Scul- 
puren und der feltenen Eigenfchaften eines fo alten Werks hinrei- 
chend zu erfreuen. 

Was uns nun aber an diefen koſtbaren Neften erbalten iſt, 
kann ein vergleichender Bli auf das berühmte Yeufothearelief der 
Billa Albani Ichren, von dem Hr. Fellows einen Gypsabguß beige> 
bracht und in der Nähe diefes Denkmals zu paffender VBergleichung 
aufgeftellt hat. Windelmann zahlte es mit Necht zu den älteſten 
Neften der Sculptur, die zu feiner Zeit befannt waren. An und 
für fich betrachtet zeigt 68 eine faubere und für eine fo frübe Epo— 
che feine Behandlung. Da es mit den figenden Frauen der Vor— 
derfeite unferes Denkmals eine wahrhaft auffallende Aehnlichkeit bat, 
fo dürfen wir uns einen directen Vergleich erlauben. Welchen Ab- 
ftand bieten da aber die Falten des dünnen Untergewands und noch 
mehr die des Uebermantels dar! Sie find in der Art derber und 
empfindungstofer behandelt, daß fie zu den lyeiſchen Reliefs in cin 


von Kanthos in Pycien. 489 


Verhältniß wie das der Copie zum Original treten. Gleichwol ift 
der xanthiſche Marmor eines großen Theils feiner urfprünglichen 
Schärfe verluftig gegangen durch die Unbilden der Zeit. Um fi 
einen Begriff von dem zu verfchaffen, was er vordem gewefen, darf 
man einige Vögel betrachten, welche aus demfelben Material und 
offenbar von gleicher Epoche find. Sie zeigen eine fo feine, feharfe 
und geiftvofle Ausführung, daß wohl heutzutage fein Bildhauer mit 
ihnen zu wetteifern wagen wird. Ein biefiger berühmter Thierma— 
ler foll feine Bewunderung über diefelben auf das Ichhaftefte an 
den Tay gelegt haben. Daß die Thiere des eben betrachteten Re— 
liefs gleich trefflich ausgeführt waren, Ichrt die nähere Betrachtung 
der Taube in der Hand der Frau, des Hahns welchen der Knabe 
darbringt, des bärenartigen Thieres unter dem Thron des Mannes 
welcher die Waffen empfängt, und vor allem die Kuh mit dem ſäu— 
genden Kalb über der Grabesthür. Man kann über die Freiheit 
der Behandlung in der Darftellung diefer Wefen bei Denfmälern, 
Die doch wohl nicht fpäter angefegt werden dürfen als die Einnahme 
von Xanthos (c. 540. a. Chr.) durch Harpagos, leicht aber in eine 
weit frühere Epoche Hinaufreichen, nicht genug ftaunen. Aber zu 
welcher Vollendung fie auch in der Darftellung menfchliher For— 
men innerhalb der Grenzen eines gewilfen firengen Styls gelangt 
war, zeigt die oben erwähnte kauernde Sphinr, welde Hr. Fellows 
mit mehreren anderen in eine römifche Mauer cingefügt fand. Man 
vermag fich feinen Begriff von der Schärfe und zarten Anmuth Die 
fer Contoure zu machen; man glaubt einen gefchnittenen Stein, eine 
Münze der feinften Vollendung vor fich zu haben. Und doch ſchei— 
nen dieſe Formen noch gar nicht auf den Testen Effect berechnet 
gewefen zu fein. Daß die Malerei cinigermaßen zu Hülfe genom— 
men wurde, geht aus der Vergleichung einer andern Sphinx hervor, 
an welcher Hr. Fellows deutliche Farbenfpuren entdeckt und durch 
Facfimile veranfhauliht hat. Sowie die Berfe des Homer im 
Munde eines begeifterten Nhapfoden eine ganz andere Wirfung her- 
vorgebracht haben mögen als bei unferer lautloſen Lectüre, fo haben 
gewiß auch diefe Steinbilder durch weiſe vertheilte, gehörig ins 
Gleichgewicht geſetzten Farbenſchmuck eine ganz verfchiedene, viel 


490 Die Marmorwerfe 


glänzendere und lebhaftere Wirkung hervorgebracht, als jest wo fie 
diefer Zierde verluftig gegangen find. 

Ein Monument der archaifchen Kunft von einem Umfang und 
son einer Bedeutung wie das fogenannte Harpyiengrabmal ijt bis 
dahin nicht zu unferer Kunde gelangt. Bon welcher Bedeutung 
dergleichen Runftwerfe waren, mit welcher "Gewalt fie auf die 
Phantafie und auf das religiöfe Gefühl der Alten wirkten, läßt fich 
aus den zahlreichen archatfchen Arbeiten ermeffen, welde uns die 
freieven Bildungen der Natur unter den masfenartigen Formen 
diefes Styls vorführen. Welcher Geiſt aber in diefen Werfen nie- 
dergelegt war, welche Klarheit des Fünftlerifhen Gedanfens aus 
ihnen fpricht, von welcher Kunftfertigfeit fie Zeugniß geben, Ternen 
wir erft aus diefem fchönen Denfmal fennen. Bieten diefe Erul- 
pturen uns zwar nur balbverlofchene Züge dar, ift ihr Verſtändniß 
durch Unfenntnig der monumentalen Sprache die fie reden auch gar 
fehr erfchwert, fo zeigen fie ung doch durch die erhabene Einfachheit 
der Compofition eine Klarheit und Tüchtigkeit des Sinns und ein 
Talent für die Kunft, welches in den Zeiten der vollfommneren 
Entwieelung und der Reife die nur die Erfahrung giebt, fo große 
Productionen hervorzubringen im Stande fein mußte, wie diejem- 
gen welchen wir an dem Denkmal einer viel fpäteren Epoche be> 
gegnen. Daß wir aber aus einer folchen Zeit von der Kunft die 
in den Thälern Pyeiens geübt wurde Proben, ja fo berrfiche Ueber— 
refte haben, gehört zu den glüclichften Fügungen des Schickſals zu 
Gunften der Kunftgefchichte. 

Das Monument welches wir meinen ift das mit Wahrfchern- 
lichkeit dafür gehaltene Maufoleum des Harpagos, deffen Necon- 
ftruetion Hr. Fellows mit eben fo viel Scharffinn als Glück ver- 
fucht bat. Da es uns nicht zufteht die Früchte anhaltenden Fleißes 
und raftlofen Eifers zu entwenden, da wir auch gar nicht im Stande 
fein würden, den künſtlichen Wiederaufbau eines vielgegliederten 
Denkmals ohne Zeichnungen zu veranfchaufichen, fo möge im All— 
gemeinen die Angabe genügen daß von demfelben zwei Frieſe, die 
Fragmente zweier Frontons und 16 alferdings zum Theil ftarf befchädigte 
Statuen aufgefunden und ins Britiſh Muſeum gebracht worden find. 


von Kanthos in Lycien. 401 


Der größere der beiden Ariefe ftellt eine Neibe von Schlacht: 
feenen dar, die an Lebendigkeit, Freiheit der Behandlung und Fri— 
fche des Sinnes alles übertreffen, was wir in dieſer Art übrig 
haben. Es ift nicht jener fererliche Styl der Werfe des Partbenon, 
den fie zeigen, fondern eine ganz andere Sinnesart. Während dort 
alle Geftalten eine wahre Götterſtille Geberrfcht und ſelbſt das was 
anderwärts naiv erfcheinen würde den Character der, erhabenen 
Grazie annimmt, offenbart fich hier cin leichteres, flüchtigeres Yes 
ben. Selbft die Scenen des Schredens machen in Vergleich mit 
den Feftzügen des Parthenon einen heiteren Eindruck. Ueberall 
tritt das ioniſche Element hervor und da dies zum Theil auch dem 
Umftand verdankt zu werden feheint, daß dieſe Seulpturen zu einem 
Gebäude ioniſchen Styls gehören, fo werden fie uns dadurch dop— 
pelt werth, indem wir daraus die innige Beziebung ahnden lernen 
welche zwifchen den Bildwerken und dem Bauftyl, dem fie fi un— 
terordnen mußten, ftatt fand. Wir fangen an zu begreifen, daß 
ber erbabene Ernft des Partbenonsmarmors zum Theil auch in dem 
Character des Gebäudes mit dem fie entftanden waren, feinen 
Grund hat. 

Es würde nutzlos und langweilig fein die einzelnen Kampffee- 
nen bier zu befchreiben, indem fi) Das Schöne nur dann andenten 
läßt, wenn es auf irgend eine Weife dem äußeren Sinn veranfchau- 
licht werden fanı. Durh Worte allein iſt dieß nicht möglich. 
Wir fünnen daher nur darauf himweifen, daß der Fries von Phiga- 
ha mit unferen Sculpturen verglichen trotz größerer Durchbildung 
in mebr als einer Beziehung dagegen zurüczutreten feheint. Na— 
mentlich zeigen die Gewänder eine weit veinere Behandlungsweiſe. 
Sie find mehr noch ein integrivender Theil der menfchlidien Geftalt 
und mit ihr gleichfam zu einem Ganzen verwachfen, während fie 
dort auch um und neben dran viel Wefens treiben und hie und da 
bei aller Meifterhaftigfeit der Arbeit an das Schwülftige ftreifen. 
Leider find nur wenige Köpfe unverfehrt erhalten, wo dieß aber 
nicht der Fall ift, zeigen fie einen herrlichen, wahrhaft ergretienden 
Ausdruf. In die des Frieſes von Phigalia iſt mehrfach etwas gar 
Patbetifches eingedrungen, welches mit der alterthünlichen Reinheit 


492 Die Marmorwerfe 


und Unbefangenheit unferer Seulpturen einen fehr empfindbaren Ge— 
genfag bildet. Die Motive der verfchiedenen Gruppen bieten die 
überrafchendfte Mannigfaltigfeit dar. Kämpfer zu Fuß und zu 
Roß, Hopliten die mit ihren großen Schildern gegen einander an- 
dringen, Bogenfchüsen, Ueberwinder und Ueberwundene reiben ſich 
zum bunteften Spiel der Gegenfäge an einander. Es ift begreiflich daß 
Seulpturen welche für eine ziemlich hohe Aufftellung gearbeitet wa- 
ven, in der gegenwärtigen proviſoriſchen, wo fie faft zu unferen Fü— 
Ben erfcheinen, nicht blos alle ihre Wirfung einbüßen, fondern auch 
bin und wieder eine falfche hervorbringen müffen. Wird einem 
durh Zufall das Glück zu Theil Steine dieſes Friefes in einer 
bedeutenden Entfernung betrachten zu können, fo lernt man ihre 
gewaltige Wirkung erft fennen und ihre hohe Schönheit bewundern. 

Die Figuren diefes Friefes find der Mehrzahl nach Tangbeffer- 
det, aber die Behandlung der Gewänder ift fo lebensvoll und mei— 
fterbaft, daß man überall den Umriß der nackten Geftalt vor fich 
zu fehen meint. Die Falten felbft zeigen die größte Manntgfaltig- 
feit, die großen Maſſen unterfcheiven fih auf das Beftimmtefte von 
jenen flüchtigen Brüchen, die mit der Bewegung artieulirter Theile 
entftehen und augenblicklich wiederum vergeben. Neben diefer feinen 
Schattirung herrſcht in allen Umviffen die größte Entfchiedenheit und 
Beftimmtheit. Der Contour der nadten Theile namentlich iſt faft 
überall rechtwinfelig abgeftoßen, meiſt fchärfer noch als an dem Fries 
des Parthenons. Ueberhaupt haben diefe Seulpturen mehr als an- 
dere des Alterthums eine fehr deutlich ausgefprochene Verwandtſchaft 
mit dem Cilhouettenftyl der Vafen. Die Motive jeder einzelnen 
Figur find fo ſcharf ins Auge fpringend, daß man die Handlung in 
welcher fie begriffen iſt fofort begreift, auch ohne auf Details zu— 
rüchzufommen, die entfcheidend find. So find nicht blos bei einem, 
fondern fat bei allen Kampfern die Waffen, deren Handhabung für 
jeden Einzelnen das charakteriftifche Motiv abgiebt, aus der Dar- 
ſtellung ganz weggelaffen. Weder Schwerter noch Panzen, ja nicht 
einmal die Bogen, viel weniger die Pfeile finden ſich angegeben. 
Ste fonnten auch nicht aus Metall beigefügt fein, da die Löcher 
zur Aufnahme derfelben bis auf einige wenige Fülle gänzlich man— 


von Xanthos in Lyeien. 495 


gen. Diefer Umftand macht es wahrſcheinlich daß der ganze Fries 
in einer für den Beſchauenden beträchtlichen Höhe angebracht gewe- 
fen fei, indem ohne diefe eine fo abftracte Behandlungsweife etwas 
Auffallendes haben würde. Freilich läßt fih auch noch ein anderer 
Grund für diefelbe auffinden. Sp angenehm die Hülfe iſt welche 
fich bei einzelnen Figuren dem componirenden Künftfer in Lanzen, 
Schwertern, Bogen u. dgl. darbietet, indem tiefe den Naum nicht 
blos fchieflich ausfüllen, fondern auch dem Auge Ruhepunkte verlei— 
ben, fo ftörend treten diefe Details bei Gruppen ein, welde in 
einander übergehen und fich theifweife einander decken. Sp wäre ed 
bei den Darftellungen diefer Rampffeenen mehr als einmal unver- 
meidiich gewefen, daß das Schwert des einen Kriegers über die 
Figur des nächften zu einer ganz anderen Gruppe gehörigen hinge- 
Yaufen wäre, was nicht blos Unruhe fondern auch hier und da Ver— 
wirrung in die Darftellung hätte bringen müffen. Die Weglaffung 
folder Details ift daher in antifen Bildwerfen, felbft bei Statuen 
nicht felten, aber für eine fo Fühne, fo confequente Durchführung 
des Princips dürfte diefer Fried das erfte Beifpiel Kiefern. In 
dem Zuftand der gegenwärtigen Aufftellung haben die meiften Krie- 
ger ihre Köpfe verloren, ein Uebelftand dem fpäter abgeholfen wer- 
den wird. Herrn Fellows iſt es nemlich gelungen einen großen 
Theil der zu dieſem Frieſe gehörigen Fragmente bei einem aber= 
maligen Befuch jener klaſſiſchen Gegend aufzufinden und wenn biefe 
einmal mit dem Ganzen wiedervereinigt fein werden, muß der An— 
blik eben fp Staunen erregend fein als er für den Augenblie dur) 
die Verlegung der fhönften Theile einer fo reichen Compofition be— 
trübend ift. Auch dadurch daß man die urfprüngliche Ordnung der 
einzelnen Marmorplatten wiederherzuftellen im Stande fein wird, 
muß der Gefammteindrudf unendlich gewinnen. Jetzt find noch nicht 
einmal alle aufzefundenen Stücke zu einer einzigen Aufftellung ver- 
einigt, fondern mehrere Liegen noch in den Hofräumen des Muſeums 
umber. 

Auf welches Ereigniß fih die dargeftellten Kampffcenen bezie- 
ben, läßt fich mit Beftimmtheit wohl nicht ermitteln. Es fcheint 
aber daß in demfelben bie Unterjochung Lyeiens durch die Karier 


494 Die Marmorwerfe 


gefchifvert fer. Die ftreitenden Parteien find von einander kaum zu 
unterfcheiden. Sie zeigen felbft bei den einzelnen einander geyen- 
überftehenden NKämpfern ganz gleiche Bewaffnung. Die einzige 
Verſchiedenheit, welche durchgeführt zu fein fiheint, Tiegt darın daß 
die Lycier Helme mit Gerfon tragen, wahrend die der angreifenden 
Partei ohne diefe Nafendede, aber mit auf: und niederffappenden 
Backenſchienen verfehen find. Auch das Yaifeion, jene vom Schilde 
langherabhängende Fußdecke, die auf Vaſen fo häufig vorkommt, 
fiheint beiden Theilen gemein zu fein. So find auch die Bo— 
genfchügen des einen wie des anderen Stammes mit Helmen ver— 
feben. 

Wenn nun diefer Fries, deffen Platten etwa die Höhe des 
VPartbenonfriefes Haben, durch Kunſtſchönheit und durch einzelne 
wahrhaft ergreiiende Motive, auf deren Schilderung wir verzichtet 
haben, vor einem zweiten etwas mehr als halb fo hoben kleineren 
Fries fih auszeichnet, fo bietet dieſer dagegen einen hiſtoriſch fo 
faßbaren Stoff dar, daß er dadurch und als die älteſte Darftellung 
des Hafifhen Altertfums von einem geſchichtlichen Ereigniß die 
größte Aufmerffamfeit erregt. Den Mittelpunft der Darftellung 
bildet Die Demüthigung der Geronten von Xanthos vor Harpagos, 
jenem mediſchen Heerführer, dem die Unterjochung Lyciens durch 
Cyrus befaffen worden war. Einſtimmig glaubt man diefen im 
einem Mann mit Phrygermüse und Mantelumwurf zu erkennen, 
welcher auf einem Seffel mit Yöwenfüßen tbront, die Rechte erho— 
ben als ſtütze er fie auf fein Scepter, welches nach dem oben an- 
gebeuteten Prinzip nicht zur Darftellung gekommen st. Vor ihm 
erfcheinen zwei xanthiſche Greiſe in lange Mäntel gekleidet und die 
Rechte mit dem Ausdruck des Flehens vorgeſtreckt haltend. Hinter 
dem ſtolzen Sieger fteht ein Jüngling welcher einen Sonnenſchirm 
über dag Haupt deſſelben ausgebreitet Halt. Er fchaut nach einem 
mit Schild und Helm bewaffneten jüngeren Krieger und zwei an- 
dern die unter fih im Geſpräch zu fein fiheinen zurüd. Eben fo 
folgen den Aeltermännern von Kanthos auf einer daran gereibten 
Platte fünf Krieger von verfchiedenartiger Bewaffnung, welde ven 
Triumph des Harpagos vergegenwärtigen. Die Hand des Vorder— 


von Kanthos in Lyeien. 495 


ften iſt dießmal durchbohrt und es ıft feinem Zweifel unterworfen, 
daß die Waffe von Erz eingefügt gewefen. 

Sehr zu beflagen ift die ftarfe Beſchädigung des Exffteines, 
auf deffen längerer Seitenfläche die ranthifchen Gefangenen abgeführt 
werden. Sie haben die Hände auf den Rücken gebunden. Nur 
von dem Vorderfter ift der Kopf erhalten, er zeigt den Ausdruck 
edfer Faffung in großem Unglück. Voran und bintennad) fchreiten 
Krieger, welche fie in Aufficht halten. Bon alfen Figuren fehlen 
die Beine von den Knieen abwärts. 

Dieſem Triumph des Harpayos entfpricht andrerfeits die Ein- 
nahme der Stadt Zanthos. Die Sturmleitern find an die Mauern 
angelegt und werden von zweien am Boden Fauernden bewaffneten 
Männern mit großer Anftrengung durch nicht eben dargeſtellte aber 
vorauszuſetzende Stricke feftgebalten, damit die Belagerten fie nicht 
abwerfen fünnen. Die Leiter iſt bereits von dreien erſtiegen. Sie 
decken ſich mit ihren großen runden Schildern und halten ſich mit 
der Rechten vorfichtig an der Leiter felbft feft. Nur der vorberfte, 
deffen Obertheil fehlt, fcheint den rechten Arm zum Gefecht erhoben 
zu haben. Die Füße der Stürmenden ſchauen auf der Rückſeite 
der Leiter durch. Es folgt ein Führer, welder feinen Leuten ven 
Weg zur Sturmleiter unter anfeuerndem Zuruf zeigt, indem er nad) 
ihnen zurückſchaut. Diefe fauern von ihren Schilden beverft fchlag- 
fertig am Boden. Hinter derfelben ragt die Geftalt eines anderen 
Nottenführers hervor. Er fteht von der Feftung abgewandt und 
befehligt mit erhobener Nechten den Sturmangriff. Diefer ft auf 
drei nachfolgenden Platten meifterlih und mit bewunderungswürdi⸗ 
ger Lebendigkeit dargeftellt. Voran fchreiten drei Bogenfhügen mit 
Povderharnifchen, von weichen lange Schurze herabhängen, und den 
Köcher an der linfen Seite tragend. Hierauf folgen zwei mit Schil- 
den bewaffnete Krieger, dann abermals ein Bogenfhüse mit Leder— 
harnifch und ein anderer mit einfachem Gewand und Mantel. Den 
Beſchluß diefer Platte machen vier Hopliten. 

Auf der zweiten Platte ſtürmen fünf Krieger voran, drei mit 
Schilden, zwei mit Harnifhen an denen Fimbrien herabhängen. 
Dann fommt wieder einer nur mit Gewand und Mantel beflsivet, 


496 - Die Marmormwerfe 


welcher mit überrafchender Lebendigkeit die Schaaren ins Treffen 
führt. Er bat den rechten Arm erhoben, weıft aufs Ziel bin und 
fchaut fih nach jenen um. Ihm folgt ein einziger mit Schild, 
welcher die Lanze, die fonft nirgends angedeutet iſt, auf der Schul: 
ter und mit der vechten Hand gegen den Boden geführt trägt. 
Den Beſchluß macht wiederum ein Häuptling, welcher abgewandt 
ftehend die nachfolgenden Truppen anfeuert und zum Kampfe aufruft. 

Die dritte Matte veranfhaulicht das Gedränge der aufbrechen- 
den Schaaren. Die einander in mannigfaltigen Linien ſich decken— 
den Schilde bieten artige Variationen dar. Den Befchluß machen 
zwei mit Gewand und Chlamys befleidete Krieger. Zwei der fchild- 
tragenden Hopliten ſchauen nach dieſem Nachtrab zurück und fcheinen 
fie mit erbobener Rechten zur Eile zu ermahnen. — Dieſe Platte 
bildet eines der Eckſtücke, auf deſſen ſchmälerer Seite das Stadt— 
thor mit den Mauern und Zinnen ſichtbar iſt, über welche die 
Köpfe der Belagerten hinwegſchauen. 

Auf einer anderen Abtheilung dieſes Frieſes iſt in entgegenge— 
ſetzter Richtung ein Ausfall der Belagerten dargeſtellt. Die dreifach 
über einander aufſteigenden Mauerzinnen ſind ſtark bemannt. Mit 
Schild und Helm bewaffnet ſchauen ſie über dieſelben hinweg und 
halten ohne Ausnahme große Steine zum Wurf bereit in der Rech— 
ten empor. Auf gleiche Weiſe ſind auch zwei der aus den Thoren 
hervordringenden Krieger bewaffnet. Sie ſind im Begriff dieſelben 
auf die heranſtürmenden Belagerer abzuſchleudern. Mitten unter 
den Vertheidigern erſcheint eine Frau bis unter die Bruſt hervor— 
ragend, welche unendliche Wehklagen anzuſtimmen das Ausſehn bat. 
Sie hat die Rechte auf den Kopf gelegt und hält die Linke hoch 
empor. Als einzige Nepräfentantin des Notbzuftandes der weibli- 
chen Bevölferung könnte man fie für die Perfonification der Stadt 
Kanthos felbft nehmen. Da fie indeß nichts als folche befonders 
fenntlich macht, fo dürfen wir fie den vereinzelten Frauenfiguren 
vergleichen welche auf Vaſenbildern unmittelbar hinter den Streitern 
zur Vergegenwärtigung gleichen Seelenzuftandes angebracht zu fein 
pflegen. 

Die zunächft aufgeftellte Platte zeigt eine im Verhältniß zu 


von Kanthos in Lyeien, 497 


den übrigen vortrefflihe Erhaltung. Der Marmor bat hier einen 
honiggelben, warmen Ton angenommen, der fehr wohl thut. Die 
Figuren find viel größer als auf der vorherbejchriebenen Matte, 
wo fie auffallend klein gebildet find. Die Darftellung fcheint fi) 
auf einen Vorfall von Bedeutung zu beziehen. in bärtiger mit 
Harnifh, Schild usd Helm bewafneter Krieger wird von einem 
jüngeren, der feinen rechten Arm voll ver fchmerzlichften Theilnahme 
unterftüßt, wie es ſcheint, ſchwerverwundet abgeführt. Zwei feiner 
Gefährten ftürmen, als gälte es ihn zu rächen, mit neuer Wuth in 
den Kampf hinein, Linker Hand ſteht ein Bogenfchüse im Begriff 
feinen Pfeil auf den Feind zu fenden, Ein anderer mit Harnifch, 
Schild und Helm bewaffneter Krieger ſcheint mit erhobener Nechten 
Verftärfung herbeizurufen. i 

Auf der nächſtfolgenden Platte erfcheint vechts znerft eine 
Gruppe zweier mit ihren Schilden gegen einander andringender ge— 
barnifchter Krieger. Ein jugendlicher Kämpfer feheint in vollem 
Lauf begriffen den Bogen abzuſchießen. Zwei Hopliten eifen zur 
Hülfe Herber und den Beſchluß macht die Gruppe eines Kriegers, 
welcher von feinem Schilde gedeckt, miedergeworfen ſich mit ver 
Nechten auf den Boten ſtützt. ein Gegner ift wie es feheint 
ebenſowohl im Begriff ihm den Todesſtoß zu verfeken als davon zu 
eifen. Das Dbertheil fehlt. 

Auf ver folgenden Platte ift abermals eine Schaar in Stur— 
mesfchritt vorgeſtellt. Rechts ragt Die Figur eines Flöten- oder 
Tubabläfers über die Vordermänner hinweg. Er ift den Stürmen— 
den zugekehrt; nur der Arm und das Dlasinftrument find erhalten, 
Im Uebrigen iſt diefe Platte ſtark verlekt, läßt aber die große Yes 
bendigfeit der Darftellung in jedem Keinen Nefte durchblicken. 

Huf der fürzeren Seite des einen Eckſteins find drei Männer 
in eiligem Schritt dargeftellt, von denen der vordere ftarf beſchädigt 
ift, der mittlere Sonnenſchirm und Stuhl und der Iekte einen nicht 
ganz deutlichen Gegenjtand auf der Iinfen Schulter trägt: offenbar 
die Borbereitung zum Enthronismos des Harpagos, in welcher 
Weife wir oben feinen Triumph dargeftellt gefehen haben, Auf ver 
längeren Seite find die Mauern, Thürme und Thore von Xanthos 

Muſ. f. Philolog. N, F. IL! 32 


“- 


498 Die Marmorwerfe 


abgebildet. Der Felfen der Akropolis auf welchem diefe fich erbe- 
ben, ift angegeben. Zwiſchen den Zinnen des einen Thurms ſchaut 
der Kopf eines Kriegers hervor. 

Das nächfte Stück zeigt eine ähnliche architeetonifche Anficht. 
Ueber die Mauern vagt ein Grabmal hervor, auf welchem eine ges 
flügelte Herme zwiſchen zwei Löwen aufgeſtellt iſt. Zwei Menfchen> 
köpfe ſchauen an den beiden Enden dieſer landſchaftlich architectoni— 
ſchen Anſicht über die Zinnen der Burg hinweg, wodurch dieſelbe 
belebt wird, 

Von den beiden letzten hier aufgeſtellten Platten zeigt die eine 
ein lebhaftes Gefecht. Links dringen zwei mit raſcher Bewegung 
vor; rechts wird ein auf die Kniee geſunkener Krieger von einem 
Geharniſchten zuſammengehauen. Von zwei Kriegern die herbeieilen, 
iſt es nicht klar, ob ſie jenem zu Hülfe kommen oder ſich mit er— 
ſterem zu dem Untergange des Gefallenen vereinigen. Letzteres iſt 
jedoch weniger währſcheinlich. Die andere Platte iſt ſtark verſtoßen. 
Im Mittelpunkt dringen zwei Geharnifchte- mit ihren Schildern ge— 
gen einander an. Links ijt einer auf die Kniee gefunfen und vechts 
wird einer von einem Hopliten zufammengebauen, 

Um von der Neichhaltigfeit und der naturgetreuen Weiſe die- 
fer Darftellung des Untergangs von Kanthos unfern Lefern einen 
wenn auch nur fehr fhwachen Begriff zu verfchaffen, war es unver- 
meidlich in die Aufzählung ſolcher vielleicht allzu trocknen Einzelhei— 
ten einzugehn. Man wird daraus Teicht abnehmen Fünnen, daß ed 
dem Kunftler nicht blos um ein Phantaſiegemälde zu thun geweſen 
ift. Wenn dereinft genaue Abbildungen von dieſen koſtbaren Fries— 
ftürcfen vorliegen werden, wird man jo manche Gtelle der Cyropä— 
die und anderer die Taktik der Alten behandelnden Schriftwerfe 
deutlicher verftehen als es bis dahin möglich gewejen. Aber auch 
davon ganz abgefehen, fo ift ſchon in rein Fünftlexifcher Rückſicht 
diefe Darftellung als die umfangreichite Compofition des griechifchen 
Altertbums, welche einen Stoff behandelt, von ver allergrößten 
Wichtigkeit. Was wir an den Werfen, die ähnliche Schlachtſee— 
nen fhilderten, verloren haben, wird ung jest erjt einigermaßen 
deutlich. 


von Kanthos in Pyciem 499 


Es iſt aber dieß nicht der alleinige Borzug, welcher Dielen 
Bilvwerfen fo hohes Intereſſe verleipt, Einen ganz befondern 
Werth erhalten fie noch dadurch, daß beide Friefe zu einem und 
demfelben Gebäude gehören, was nicht blos Durch den gleichen Styl, 
die gleiche Beichaffenheit des Steins und durch gleichen Fundort, 
fondern ganz befonders durch die ganz gleiche Lange ihres Umfangs 
gefichert ift, wie aus Herren Fellows genauen und umſichtigen Uns 
terfuchungen zur Genüge hervorgeht. Nach einem allgemeinen ars 
hiteetonifchen Gefes mußte der. niedere Fries an einer höheren 
Stelle des Gebäudes angebracht fein als der größere, welchen wir 
zuerft befprochen haben. Das Denkmal zu welchem beide gehören 
und in deffen Umgebung fie wild verſtreut umberlagen und zum 
Theil son der Erde in Schutz genommen waren, zeigt einen vier— 
erfigen Unterbau aus Duadern, wie Herr Felluws dergleichen in 
Karien angetroffen bat. Er weift fehr fcharffinnig auf das Chara- 
eterifiiiche diefes Umftandes hin, indem Harpagos mit Hülfe der 
Karier Lycien unterjohte. Daß mau fih daher Farifcher Bauweiſe 
bei Errichtung feines Denkmals bediente, iſt fehr uatürlich. 

Wäre von dieſem merkwürdigen Denfmal auch nichts weiter 
übrig als diefe beiden Friefe, fo würde es für uns auch fo fihon 
einer der bedeutendften Nefte des Alterthums fein. Nun gehören 
aber zu demfelben noch eine Reihe von fechzehn Statuen, Die an 
Lebendi,jfeit, Anmuth und Eigenthümlichkeit der Behandlung alles 
übertreffen was wir in dDiefer Art aus dent Bereich alter Kunſt 
übrig haben, Die Mehrzahl diefer Figuren ftellen Frauen dar, 
welche man, da Fifhe, eine Mufchel, eine Krabbe und ein Vogel 
zu ihren Füßen angebracht find, für Nereiden nimmt. Sie find 
alfe in der rafıheften Bewegung dargeftellt und auf den erften An— 
blick möchte man fie für Niobiven halten. Auch fann die Statue 
der einen Tochter der Niobe, welche in dem Muſeo Chiaramonti 
des Vatican aufgeftellt iſt, allein einen Begriff von der Lebendigkeit 
der Behandlung, von dem Feuer und dem Geiſtvollen diefer Mar- 
morbilder verfchaffen. Während aber diefe der Epoche der Vollen— 
dung angehört, ſchimmert in unferen Statuen überall noch dag Al— 
terthümliche, eine gewilfe Härte und Strenge der Behandlung durch. 


500 Die Marmorwerfe 


Was ioniſche Kunft in fo früber Zeit vermochte, welchen Gegen» 
ſatz fie zur dorifchen bildete, ja worin fie diefer von allem Anfang 
an überlegen war, lernen wir aus dieſen ſtaunenerregenden Reſten 
zuerſt kennen. Wenn man auf die in dem anſtoßenden Raum auf— 
geſtellten Bildwerke des Parthenons einen Blick wirft, ſo werden 
dieſe Gebilde ioniſchen Meißels zwar von der Wucht des Geiſtes, 
von der erhabenen Schöne und von dem gewaltigen Ernſt, der in 
den Schöpfungen des Phidias herrſcht, weit zurückgeworfen, man 
wagt kaum beide in irgend einer Weiſe mit einander zu vergleichen, 
man lernt erſt kennen daß auch Kunſtwerke ein ſpecifiſches Gewicht 
haben, und nirgends wird einem der Vergleich der ariſtophaniſchen 
Wage, deren Schalen unter den Verſen des Aeſchylus tief nieder— 
ſinken und welche die euripideiſchen Dichtungen hoch emporſchnellen, 
klarer als hier. Sowie es aber in dieſer Welt der Erſcheinung 
nichts ausſchließlich Höchſtes giebt, ſo macht ſich das Weltgeſetz der 
gleichmäßigen Vertheilung auch hier geltend. Auch die Marmor— 
werke des Parthenons unterliegen dieſem Geſetz. Während die Dar— 
ſtellung der ruhenden Figuren die höchſte Lebendigkeit athmen, das 
Marimum geiſtigen Gehaltes zeigen, welches Kunſtwerke aufzuneh— 
men überhaupt fähig ſind, müſſen dagegen diejenigen Geſtalten des 
öſtlichen Giebels, welche eine raſche Bewegung zeigen, wie die ſo— 
genannte Iris und der Torſo der Nike, den Statuen des Harpagos— 
denkmals an Ausdruck deſſen was in beiden veranſchaulicht werden 
ſoll, nemlich die Thätigkeit aller Muskeln des menſchlichen Leibes in 
demſelben Augenblick und bei der Blitzesſchnelle mit welcher die 
Willenskraft in alle Faſern des Organismus eindringt, höchſte Gra— 
zie, entſchieden weichen. 

Es iſt Herrn Fellows Meinung daß ein Theil dieſer Statuen 
zwiſchen den Säulen, welche die Vorder- und Rückſeite eines auf 
dem erwähnten Baſament erbauten Tempels ſchmückten, aufgeſtellt 
waren, während andere von kleineren Verhältniſſen auf den Akrote— 
rien angebracht waren. Zu letzteren gehören namentlich zwei nackte 
Jünglingsgeſtalten, welche ein kleines Mädchen, das dem einen 
in die Haare greift, davon tragen. Dieſe Darſtellung erin— 
nert an die von den Harpyien davon geführten Kinder, und 


von Kanthos in Lycien. 501 


dürfte vieleicht nichts anders als eine Modification deſſelben Ge- 
danfens fein. 

Was dem Ganzen nun endlich einen wahrhaft überrafchenden 
Abſchluß leiht, find die Nefte zweier Giebel mit Reliefdarſtellungen, 
welche offenbar die Stirn und die Rückſeite dieſes Baues, welcher 
uns einigermaßen das weltberühmte Denkmal des Mauſolus veran— 
ſchaulichen kann, krönten. Von dem einen iſt nur die eine linke 
Hälfte vorhanden: dieſe zeigt uus eine Schlachtſeene, in deren Mitte 
ein Reiter gebildet war, von deſſen Roß nur der eine Vorderhuf 
übrig iſt. Er forengt auf einen auf das rechte Anie gefunfenen 
Krieger herein, welcher fih mit Hoch emporgehaltenem Schild zu 
ſchützen fucht und die Rechte fehlagfertig in die Seite eingefest hat. 
Diefe ift mit dem Vorderarm abgeftoßen. Er ift mit Sturmhaube 
bewaffnet, font nackt; an der Stelle der Bruftwarzen find tiefe 
Löcher eingebohrt, ein Ahnfiches auf der Iinfen Schulter zur Auf 
nahme von Metallſchmuck. Zwei Gefährten eifen zu ferner Hülfe 
herbei, der vordere ift mit einer Chlamys angethan, welche eine 
Agraffe über ver Bruft zufammengeheftet hält. Dev zweite trägt 
einen Harniſch, welcher die Musfelpartien des Thorar ausdrückt. 
Unter demfelben fchaut das Gewand hervor und über vemfelben iſt 
die Chlamys über der Bruft zufammengefnüpft. Beide tragen 
Schilde, ein dritter der ohne daſſelbe herbeeilt fiheint ein Bogen— 
fhüge zu fein. Hinter diefem kniet dann ein nackter nur mit Chla— 
mys befleiveter Krieger mit Schild und Schwert fchlagfertig am 
Boden. Zur Einfügung des lesteren ift die Hand mit einem Loch 
durchbohrt, In der Ecke endlich kniet ein geharnifchter Kämpfer 
son auffallend Heineren Verhältniffen, welcher in der Linken entwe- 
der einen Bogen oder einen Speer gehalten zu haben fcheint. Die 
Arbeit iſt überall soll Leben und Ausdruck, aber von geringerer 
Feinheit als an den beiden Friefen. 

Von dem anderen Giebelfelde ıft ein Stück der Iinfen Seite 
und die ganze rechte bis zum Schluß erhalten. Jene zeigt eine auf 
einem Lehnfeffel thronende weibliche Figur, welche mit der Linken 
ihren Schleier vorzieht. Vor ihr ſteht eine Kleinere Frauengeftalt, 
weiche ihre Linfe auf das Knie von jener zu legen feheint. Bon 


502 Die Marmorwerfe 


ihrem Haupte fallen Flechten auf die Bruft herab und es feheint 
mit einer Art von Krone gefchmückt zu fein. Hinter der thronen- 
den Frau fteht eine männliche Figur mit aufgefcehürztem Gewand; 
fie ift ftarf verftümmelt. Auch ift diefes ganze Stück verwafchen, 
fo daß man nur einen Gefammteindrudf gewinnen kann. 

In der anderen Hälfte des Frontons thront auf einem ähnli— 
chen Lehnfeffel der erwähnten Frau fommetrifch gegenüber ein bär- 
tiger zeusartiger Herrfcher mit"Seepter in der Rechten. Inter dem 
Thron liegt ein fehlafender Hund, vor und neben jenem fteht eine 
männliche Figur mit Mantelumwurf, der Hleineren weiblichen der 
gegenüber befindfichen Gruppe auch in ihren Verbältniffen entſpre— 
chend. Der Obertheil ift weggeftoßen. Hinter dem Throne ftehen 
drei Paare männlicher, fo viel aus den drei erhaltenen Köpfen hers 
vorgeht, unbärtiger Figuren, welche einen Mantel umgefchlagen ha— 
ben, der die Bruft wie beim Zeus felbft blos läßt und über die 
Yinfe Schulter geworfen tft. Jedes folgende Paar zeigt Kleinere 
Verhältniſſe als das vorhergehende. Den Beſchluß macht ein lies 
gender mit ausgeftreften Taten ruhig vor fih hin ſchauender Hund, 
welcher die Ecke des Giebelfeldes ſchicklich ausfüllt. 

Der Vortheil, welchen die alte Kunſtgeſchichte aus der Be— 
Fanntichaft mit dieſen Neften ziehen wird, ıft für den Augenblick 
kaum berechenbar. Nicht blos daß ihr für die Behandlung eines 
bis dahin ganz und gar unbebauten Gebiets Stoff zugeführt wor— 
den tft, fondern weit höher noch möchte man das Lıcht anfchlagen, 
welches diefe Erfcheinung auf alle bisher befannten Werke echtgries 
chiſcher Kunſt zurückwirft. Selbſt die Arbeiten des Phidias gewin— 
nen durch dieſe Vergleichung an Werth ſowohl als an Verſtändniß. 
Da wo der Blick bisher wie auf öder Meeresfläche unſicher umher— 
ſchweifte, findet er jetzt an den Ufern eines obwohl fernen Eilands 
feſten Halt. Wir haben einen Punkt gewonnen, an welchen wir 
unſere Meßinſtrumente anlegen können und es ſteht zu hoffen daß 
unſere Gelehrten ſich dieſes Vortheils fürder verſehn und vorziehn 
werden die Kunſtgeſchichte vor den Denkmälern und nicht vor chro— 
nologiſchen Tabellen, die meiſt auf abſtracten Berechnungen beruhen, 
zu ſtudiren. Faſt jede neue Entdeckung hat bisher die Unſicherheit 


von Tanthos in Lycien. 503 


diefer Caleüle hinreichend an den Tag gelegt, dennoch aber wird 
man nicht müde mit Daten zu fpielen, deren Werth man meift 
nicht fennt. Die Gefchichte handelt von Lebendigem und todt ift 
der Buchftabe. Leben erhalt er erft dann, wenn ein von dem Licht 
der Facla genährtes Auge ihn anfchaut *). \ 


London, im September 1544, Emil Braun. 


*) Diefer dem Rh. Muf. auf den Wunſch der Medaction vergönnte 
Auffag war für einen weitern Kreis des gebildeten Publikums niederge- 
ſchrieben, indem ſich der Verf. die wiflenjchaftliche Ausführung verfchiedener 
bier nur angedeuteter Punkte vorbehielt, wird aber darum nicht minder auf 
den Dank unferer Leſer rechnen dürfen. D. Red. 


Ueber den religiöfen Standpunkt Pindars. 


In dem religiöſen Glauben des helleniſchen Volkes ſind ſchon 
zur Zeit, wo die Sage ſich zur Geſchichte aufhellte, zwei weſentli— 
che Elemente zu unterſcheiden. Denn einmal hatte dieſer Glaube 
feine urſprüngliche Grundfage in den örtlichen Culten, durch welche 
die veligiöfe Denkweiſe der befondern Stämme und Gefchlechter in 
beifigen Handlungen und Gebräuchen und in den daran haftenden 
traditionellen Sagen fih in fehr verſchiedner Weiſe Ausdruck und 
Geſtalt gab; und dann wieder ftelfen ung die Geſänge der älteften 
evifhen Dichter einen umfaffenden, in fich zufammenhängenden Na— 
tionalmythus vor Augen, in welchem das Streben offenbar iſt, jene 
befonderen Mythen von ihrer anfänglichen Beſchränktheit zu befreien, 
ihre Widerſprüche zu verfühnen und fo den reichen aber verworres 
nen Stoff von allgemeineren Gefichtspunften aus zu ordnen und 
zu verbinden. 

Daß diefe Umbifdung der mannichfachen Stammfagen zu einer 
allgemeinen Volfsreligton nicht nach einem willführlichen Ermeffen 
der alten Sänger vor fih ging, leuchtet ein. Ste find vielmehr 
nur das Organ, durch welches eben in diefer Richtung das helleni— 
Ihe Volk ım Erwachen eines gemeinfamen Nationalbewußtſeins fich 
ausfprah. Um fo, wie fie wirffich ftattfand, möglich zu fein, 
mußte jene Umbildung fich mit innerer Notbwendigfeit entwickeln. ') 
Erſtlich mußte fie zu einer Zeit gefcheben, wo die Fähigkeit, My— 
then zu Schaffen, noch im gefammten Wolf fich thätig zeigte, wo alfo 


t) Die befannte Aeußerung bei Serod. II. 52 über des Homer und 
Heſtod Verhältniß aur griechiſchen Götterlehre it dem micht entgegen, läßt 
aber anderſeits durch ihren übertreibenden Ausdruck erkennen, eine wie allge— 
meine Geltung der von jenen Dichtern gelehrte National-Mythus und Cul 
tus ſchon zu des Geſchichtſchreibers Zeit erlangt hatte. 


Ueber den religiöfen Standpunft Pindars. 505 


auch die Mythenbildung noch wirklich in Gang war. ?) Ferner 
mußte zuvor die äußere Gefchichte des helleniſchen Volkes die erft 
fcharfe Sonderung der Stämme einigermaßen überwunden und mit 
der Entwicelung einer umfaffenden Nationafeinheit, wie fie ſchon 
in der Sage des trofanifchen Krieges fich kundgiebt, das Bedürfniß, 
dem innerlichen Volksbewußtfein auch in der Form des veligiöfen 
Glaubens Einheit zu geben, hervorgerufen haben. Endlich mußte 
auch in der Manntgfaltigfeit der Drts- und Stamm- Mythen felbft 
die Anlage zur Einigung uranfänglih Tiegenz denn nicht gewaltfam 
und fünftlih, fondern nur natürlich und wie von felbft fonnte die 
Bildung eines übereinftimmenden Volksglaubens aus den älteren 
Stammeulten und Stammfagen zu Stande kommen. Diefe urs 
fprüngliche Anlage zur veligiöfen Einigung fand aber auch in der 
That fo nothwendig ftatt, als die Anlage zu dem im Pauf der Zeit 
fih immer mehr entwicelnden Bewußtfein einer gemeinfamen Volfs- 
thümlichfeit in Hinficht auf Politik und Sitte, Kunft, Wiffenfchaft 
und Sprade. Sie lag in der wirklichen Verwandtſchaft der ver 
ſchiedenen Stämme, die als eine wahrhaft innerliche ebenfo im Ge— 
biete des Idealen, wie in dem des Realen zur Erfihernung kommen 
mußte. 

Je häufiger und beziehungsreicher die gegenfeitigen Berührun- 
gen der Stämme unter einander wurden, deſto freier und zugleich 
deſto beftimmter mußte fi) das Bewußtfein der geiftigen Verwandt 
haft in jeder Hinficht entwiceln, und defto mehr mußte alfo auch 
aus der verworrenen Menge der mannichlachen, oft. im Einzelnen 
widerftreitenden Sagen das Verſtändniß der wefentfichen Ueberein— 
ſtimmung der in denfelben ausgedrückten rveligiöfen Denkweiſe zur 
Klarheit Fommen und in Bildung entfprechender Gfaubensformen ſich 
als wahr und lebensvoll erweifen. 

Die Ausgleihung der Verſchiedenheiten und Widerſprüche im 
Detail der Sagen konnte natürlich auf fehr mannichfache Werfe 
gefchehen und man kann nicht wohl läugnen, daß auch die geiflige 


2) D. Müller bearänzt die Mythen bildende Thätigfeit des helleniſchen 
Bolfsgeiftes mit der 50. Olympiade. Prolegg- 3. e. will. Myth. Cap. IX. 


306 Ueber den religiöfen 


Eigenthümlichfeit der alten Dichter, wie fehr fie nur das Organ 
des allgemeinen Volfsgeiftes fein mochten, dabei mitbeftimmenden 
Einfluß hatte. Doc ohne Zweifel haben im Anfang gefchichtliche 
Thatſachen und daraus erwachlene objectise Zuftände mehr gewirkt, 
als die fubjective Anſchauungsweiſe der alten Sänger. Die Ueber- 
legenheit eines durch Macht und Ruhm hervorragenden Stammes 
oder Gefchlechtes mußte den von demfelben vorzugsweiſe verehrten 
Göttern und Herven eine höhere Bedeutung und deren Cultus eine 
weitere Verbreitung geben, und zwar in der Weife, daß dagegen 
andere Culte und andere Gottheiten in den Hintergrund traten oder 
mit jenen, falls eine innere Verwandtfchaft ftattfand, vereint und 
ihnen als ein neuer, mehr oder minder beftimmender Beftandtheil 
einverleibt wurden. Haben wir aber eingeräumt, daß demnächit die 
alten Bolisfänger "auf dem in folder Weiſe gefchichtlich angebahnten 
Wege auch felbftändig fortfehritten, fo it doch ganz und gar zu 
läugnen, daß fie dabei nach einem nur ſubjectiven und fomit zufäl- 
ligen Belieben verfahren wären. Niemals hätten fie es dann er- 
veicht, mit ihrer Götterlehre eine fo allgemeine und fichere Autori— 
tät in der Maffe des Volks zu gewinnen, als es thatfächlich der 
Fall war. Diefe Geltung konnten fie vielmehr nur erlangen, wenn 
fie einerfeits in wefentlicher Uebereinftiimmung mit der im Wolfe 
ſelbſt noch fich entwickelnden Mythenbildung von dem Wefen und 
Wirken der Götter Werteres Tehrten, und wenn fie anderfeits daber 
ſelbſt nicht mit der nüchternen Reflexion eines nur Flüglich berech— 
nenden DVerftandes verfuhren, fondern aus dem Drange wahrbafter 
Begeifterung ihre Lehren als ernfte Wahrheit mit der Zuverläffigfeit 
eigener Meberzeugung gaben, Was wir bei Homer und Hefivd von 
der Götterwelt leſen, iſt daher weder fpielende Dichtung, noch 
felbftbewußte Speculation, fundern es iſt wirklicher Mythus d. 6. 
ſinnbildliche Dffenbarung der in jener Zeit allgemein wirkfamen 
Religrofität, mit der dabei nothiwendigen Bedingung, daß die ob— 
jective Wahrheit des Symbols von deffen Bildnern felbft geglaubt 
ward. 

Ehe jedoch auf diefem allein naturgemähen Wege die Verar- 
beitung ver mannichfachen Localmythen zu einem in fich zufammen- 


Standpunkt Pindars. 507 


ſtimmenden und allgemeingültigen Nationalglauben vollendet war, 
hatte ſich die Mythen bildende Kraft des helleniſchen Volksgeiſtes 
erſchöpft; beſonnene Reflexion war im Verlauf ſeiner geſchichtlichen 
Entwicklung mehr und mehr zu Kraft gelangt und bewirkte, daß 
die unbefangene Gläubigkeit des Gemüthes zugleich mit der dichte— 
riſchen Schöpfungskraft der Phantaſie in der Maſſe des Volks all— 
mählich abſtarb. Die religiöſe Entwicklung der Griechen blieb da— 
mit freilich nicht ſtehen, dieſe mußte fortgehen, ſo lange die Nation 
überhaupt noch eine Geſchichte hatte; aber ein anderer Geiſt gab 
ſich darin kund, ein Geiſt, der nicht mehr Mythen ſchuf, ſondern 
im Gegentheil die früher gebildeter mehr und mehr zerſtörte. War 
num alſo die Bildung eines Nationalmythus, ehe fie ihr Ziel ers 
reicht hatte, unterbrochen worden, war diefer Mythus in folder 
Weife nur Fragment geblieben, fo ergieng es damit dem heffenifchen 
Bolfe in der Geſchichte feiner Neligion, wie in feiner gefammten 
Geſchichte. Ueberall offenbarte fih das Streben, aus der cinfeiti- 
gen Befonderheit feiner Stämme, Staaten, Stände und Geſchlech— 
ter eine allumfaffende Nationaleinheit zu entwiceln und überall wis 
derſtand Die Sprödigkeit dieſer vielen oft gegenſätzlichen Beſonder— 
heiten ſo kräftig, daß kein Verſuch jenes Strebens nach Einigung 
ganz zu ſeinem Ziel gelangte, ſondern Alles, was in dieſer Richtung 
irgend wo gewonnen ward, mit vielleicht alleiniger Ausnahme der 
Kunſt nur als Stückwerk ſtehen blieb. Eben der Gegenkampf die— 
ſes zwiefachen Dranges nach Einigung und Sonderung, der dem 
helleniſchen Volke in ziemlich ähnlicher Weiſe wie dem deutſchen 
eigenthümlich war, iſt das hauptſächlich bewegende Princip ſeiner 
geſammten Geſchichte geweſen. In dieſem Kampfe hat es ebenſo 
ſeine Größe gewonnen, als auch nothwendig ſeinen Untergang ge— 
funden. Denn es iſt ein allgemeines Geſetz der geiſtigen wie der 
natürlichen Welt, daß dieſelben Kräfte, die einem organiſchen Gebilde 
Grund des Lebens ſind, ihm auch endlich ſeinen Tod bereiten. 
Hinſichtlich des Mythus des helleniſchen Volks iſt nun aber 
weiter zu bemerken, daß deſſen Mangel an Vollendung ſich haupt— 
fählich in zwiefacher Hinſicht Fund giebt. Einmal hatten viele Lo— 
calſagen neben dem Univerſalmythus, in welchen fie ohne Umbil⸗ 


508 Ueber den religiöfen 


dung nicht paßten, eine felbftändige Geltung behalten und fogar bier 
und da duch die Bedeutfamfert des damit verbundenen Cultus ein 
hohes Anfehn gewonnen; anderfeits zeigte aber auch der von den 
alten Sängern überlieferte Mythus in fich ſelbſt noch manche Un- 
ordnung und felbft Widerſprüche. Anders in manchem wefentlichen 
Betracht ift der Mythus in der Ilias, als in der Odyſſee, und 
anders wieder in Hefiod’s Theogonie und in deffen Werfen und 
Tagen. Nicht aber fo, daß fich darin eine vegellofe Willkühr ver 
alten Sänger zu erfennen gäbe, im Gegentheil eine aufmerffame 
Bergleihung der genannten Dichtungen wird bemerfen Taffen, daß 
in denfelben ein Tebendiges Werden des Mythus in auffterzendem 
Fortſchritt ftatthat; und fo war es auch nothwendig, da jene Sän— 
ger zu einer Zeit lebten, wo die Mythenbildung überall noch in 
regem Fluß war, und fie eben nur das religiöfe Bewußtfein, das 
in ihren Zeitgenoffen wirkte, freier offenbaren und in der einmal 
eingefchlagenen Nichtung weiter fortbilden halfen. Da nun diefe 
Fortbildung nicht zu einem eigentlichen Schluß gedieh, fo geſchah 
es natürlich, Daß die Hauptvertreter der bedeutfamften Entwickelungs— 
ftufen fih in faft gfeihem Anfehn erhielten und Dies um fo mehr 
in einer Zeit, die in der vergleichenden Keitif noch durchaus ſchwach 
war. Wie nämlich allemal, wenn eine geiftige Kraft in einem 
Volke aufhört fchaffend zu wirken, dieſe Kraft nicht plötzlich abftirbt, 
um ſofort einer neu ertvachenden Kraft unbeengten Raum zu geben, 
fondern vielmehr in paffiver Werfe noch weiter fortfebt, indem das 
Volk für das, worin es vorher produetiv gewefen, noch geraume 
zeit einen empfänglihen Sinn zeigt und demgemäß auch das früs 
her mit Schaffungsluft Erzeugte liebt und wahrt, fo geſchah es 
nothwendig auch in der Neligionsgefchichte des helleniſchen Volkes. 
Als die Fähigkeit Mythen zu bilden fih im Laufe der Zeit evfchöpft 
hatte und mit dem alfmäligen Vortreten des reflectirenden DVerftan- 
des eine neue Gerftesrichtung fih Bahn brach, da leiſtete dem 
Drang diefer Bewegung, die erft nur von einzelnen hervorragenden 
Verfönfichkeiten ausgieng, die religiöſe Gefinnung der Maffe einen 
ftarfen Widerſtand und hehütete den angefammelten Mythenſchatz 
mit forglicher Liebe. 


Standvunft Pindars 509 


Diefe Neligivfität ermattete jedoch und ſchwand allmälig in 
demfelben Grade, als im Verlaufe der gefchichtlichen Entwidelung 
des Volks der neu erwachte Zeitgeift mehr und mehr erftarfte und 
auch in die niedern Lebensfreife immer weiter eindrang. Hatte man 
in der früheren Unbefangenheit des Glaubens tie bunte Maffe der 
befonvdern Local- und der allgemeinen Nationalmythen mit gleicher 
Anerkennung ihrer Gültigfeit hingenommen, und hatte man, weil 
das Bedürfniß eines ganz geregelten Eyftems nicht eben dringend 
und ausfchlieflich empfunden wurde, felbft offenbar Tiegende Uneben— 
beiten und Widersprüche Leicht überfchen, fo mußte nun mit immer 
belferer Beflimmung des vefleetivenden Verftandes jene Mangelhaf- 
tigfeit des durch Dichter und Localſagen überlieferten Mythus immer 
deutlicher erfannt werden; und die Verſuche von Logographen und 
Mythologen, mittelft einiger Kritif in die Miythenmaffe Dronung zu 
bringen, müßten durch die Unzulänglichfeit ihres Nefultats den 
wirklich vorhandenen Mangel an Einheit nur um fo offenbarer ma- 
hen. Dazu fam nun aber noch, daß, während die geiftige Bildung 
fortfchritt, der in feiner Entwicelung gehemmte Mythus je länger 
je mehr feine urfprüngliche Bedeutung verlieren mußte. Je ſicht— 
barer der MWiderfpruch der in ihm ausgedrücten Denfwerfe gegen 
die neue Gefinnung wurde, defto äußerlicher, defto finnfofer mußte 
er dem Volk erfiheinen. Wie nun aber diefer doppelte Mangel des 
Mythus an innerer Einheit und an Uebereinftimmung mit dem neuen 
Zeitgeifte immer lebhafter gefühlt und immer klarer begriffen wurde, 
in demfelben Maße mußte das Volk in feinem religiöfen Glauben 
fälter werden. Unglaube und Aberglaube, Die immer Hand in Hand 
gehn, traten endlich an die Stelle des alten Glaubens und bewirk- 
ten, daß entweder mit der ungenügenden Form auch der wefentliche 
Gehalt gänzlich preisgegeben, oder aud daß eben diefe Form, wo 
fie nur noch eine ausgefernte Schale war, dennoch als etwas We— 
fentliches ängftlich behalten wurde, 

Zu diefem Ausgang gelangte der religiöſe Volksglaube der 
Griechen durch die ſtets nur Löfende Schärfe des veflectivenden Ver- 
ſtandes; Doch mit der Zerftörung, welde durch diefe gewaltige Kraft 
in dem gejammten Volfsleben bewirkt ward, begann auch wieder 


510 Ueber den teligiöfen 


die Entwielung einer nenen Aera, in welcher der Geift der Gries 
hen noch einmal fern ſchöpferiſches Vermögen glänzend bewährte, 
Deun da alles Pofitive, woran das Gemüth mit Pietät gehalten 
hatte, feine fonft heilig gehaltene Geltung verloren hatte, da ward 
eben in Folge deſſen die Kraft des ſpeculativen Denkens entfeſſelt; 
die freie Wiſſenſchaft trat ins Leben und baute dag Zerftörte, ſo— 
weit es ihr von wefentlihenm Gehalte fihien, in neuen, reineren. 
Formen wieder zuſammen. Diefe Wiedergeburt gefhah nun auch 
im Gebiste der Nelizionz der alte Glaube in feiner tieiften, inner- 
lichſten Bedeutung gewann als wiſſenſchaftliche Ueberzeugung neues 
Licht und neue Wärme. Doch das nur kurze Zeit; die Wiſſenſchaft 
blieb dem Volksleben ferne, und ſo kam die neue Bewegung, die 
nach außen nicht umbildend zu wirken vermochte, auch in ſich ſelbſt 
zum Stillſtand. Die freie Entwickelung des wiſſenſchaftlichen Den— 
kens machte Halt in einem ſtarren Dogmatismus. Damit war 
aber auch das neue Leben entwichen und der todte Körper mußte 
ſich zerſetzen. Wie der alte Glaube in Unglauben und Aberglauben 
erſtorben war, ſo erſtarb nun auch die Wiſſenſchaft auf entſprechende 
Weiſe in Skepſis und Myſtik. In dieſe Gegenſätze verfallen blieb 
das claſſiſche Heidenthum, bis das Chriſtenthum als eine neue von 
Grund aus umbildende Kraft in daffelbe eintrat, und die Ueberwin- 
dung eben jener Gegenfäse, welche auch der neuen Lehre ſich zu 
bemeiftern fuchten, war Die erſte große Aufgabe, an welcher dieſe 
ihre höhere Kraft zu bewähren hatte und in Wahrheit bewährte. — 

Nach dieſem kurzen Ueberblick über den hauptfächlichen Verlauf 
der helleniſchen Neligionsgefchichte wenden wir und zu der Frage, 
welche Stelle Pindar in deren Entwidelungsgang einnimmt. 

In der Zeit ver Perferkriege, wo der Glaube an die wirkliche 
Exiſtenz und an das mächtige Walten der nationalen Gottheiten 
in der Maffe des Volks noch mit Unbefangenheit gebegt ward 
und lebenskräflig wirkte, )) gelangte Pindar zur männlichen 


3) Bollgültigen Beleg für diefe Behauptung giebt Herodot's Gefhichts- 
erzählung. im reichlichſten Maße. Ic verweije hier nur auf Die naive Zus 
verſicht, mit weldyer man die Selbfivertheidigung des delphiſchen Gottes 
für unzweifelbaft gewiß hielt (VAL, 35— 839) uud auf die Innigfeit und 


Standpunft Pindars. 511 


Reife.) Beachtet man dies und erwägt die ernſte Nichtung feines Ges 
müthes, welche Grund war, daß er vornehmlich die zu göttlicher Chre 
gefeierten Spiele und die darin gewonnenen Eiege durch feine Dich— 
tung verberrlichen mochte und in folchen weſentlich veligiöfen Ge- 
fängen feine dichteriſche Gabe am glänzendften bewährte, fo wird 
man leicht anzunehmen geneigt fein, daß derſelbe tie Religioſität 
feiner Zeit aufrichtig theilte und an eine überirdifche Götterwelt 
mit wahrhaften Ernte glaubte. Und dafür geben auch feine noch 
vorhandenen Gefänge in ihrer gefammten Tendenz ein unzweifelhaf— 
te8 Zeugniß. Leben und Sterben der Menfchen, Beftehen und 
Vergehen der Staaten, Alles was das Wohl und Wehe der Ein- 
zelnen wie der Gefammtheiten fchafft und aufhebt, ihre Freuden 
und Leiden, ihr Gewinnen und Berlieren, ihr Hoffen und Jagen, 
ihr Sollen und Wollen, ihr Können und Thun — alles dies wird 
von unferem Dichter auf die Götter bezugen. Sie find es ihm 
allewwege, die int Großen wie im Kleinen geben und nehmen, für- 
dern und hemmen, die Alles fügen, wodurch das Loos der Sterb— 
lichen im Guten und Schlimmen irgendwie bedingt ift. Diefen 
Zufammenhang des menfchlichen Pebens auf Erden mit einem un 
fihtbaren göttlihen Jenſeits bald von dieſer, bald von jener Seite 
; zu deuten, ihn als wejentlich und gewiß zum Verſtändniß zu brins 
gen, und damit zugleich die Geſinnung der Menfchen zu läutern 
und in befonnerer Maßhaltung und in frommer Zucht alles Den» 
tens, Wollens und Thuns ihnen den Weg zu ihrem Wohlergehn 
zu werfen, das ift die überall fichtbare Aufgabe, die Pindar in den 
uns vorliegenden Oden fich zur Löſung geftellt Hat. 

Dürfen wir nun aber aus diefer religiös » ethifchen Richtung 
und Beftrebung des Dichters zunächſt den allgemeimen Schluß mit 
Gewißheit folgern, daß wir in deſſen Neußerungen über das Wefen 
und Wirfen der Götter nicht eine poetifche Fiction, fondern den 
Ausdrud einer wahrhaften Ueberzeugung zu eriennen haben, fo ift 
es dennoch eine andere Trage, ob diefe Heberzeugung des Alaters 


Veitigfeit des Glaubens, mit welcher die Athener den Troft und Math ders 
felben Gottheit fuchten, An befolgten (VII, 140-144). 
4) Er ward geboren_DI. 64, 3, (522 v. Chr) 


512 Ueber den religisfen 


mit den von Alters her überlieferten Volksglauben feiner Zeit ganz 
überein war, oder vb fihon derſelbe nach feiner vehigiöfen Denkart 
einen andern, vielleicht böhern Standyunft einnimmt. 

Die Antwort auf dieſe Frage giebt uns der Dichter felbft, wo 
er unverholen zeigt, daß er die Autoritäten des gememen Glaubens 
nicht ohne Weiteres anerfannte und darum auch den lestern bier 
und da als irrtbümlih anſah. Sp verdächtigt er die urſprüngliche 
Quelle einer gangbaren Localſage 5), indem er, behauptet, daß Die- 
felbe eben da, wo fie heimisch war, in ihrem thatſächlichen Inhalte 
durch jehlechte Gefinnung gleich anfänglich entjtellt worden fer; 
und an einer andern Stelle 9) wird Homer, der dem religiöfen 
Nationalglauben in ſo hoher Geltung ftand, wegen der Character 
zeichnung des Odyſſeus geradezu der Täuſchung beſchuldigt, mit dem 
Zuſatz, daß dieß nur darum überjehen werde, weil der Zauber der 
Poeſie Leicht befange und weil die große Menge der Menfchen blind 
fer. Ebenfo ſagt er aber auch binfichtlich des erft erwähnten örtli— 
chen Mythus, daß manchmal der bunte Lügenfhmuf ter Sagen 
den Glauben der Menfchen irre leite, und daß allein die Zeit die 
durch anmuthige Täuſchung entitellte Wahrheit wieder zu ihrem 
Rechte bringe, I) Dieſe Aeuferungen genügen, um erfennen zu 
laſſen, daß der religiöfe Standyunft des Dichters nicht mehr der , 
eines unbedingten amd unmittelbaren Glaubens gewefen; denn er 
prüft und fondert, um eine durch befonnenes Urtheil gerechtfertigte 
Ueberzeugung zu gewinnen und geltend zu machen. Diefelben Aeu— 
ferungen machen aber auch offenbar, daß dieß kritiſche Element fei- 
ner religiöfen Gefinnung feineswegs ſchon eine zerftörende Tendenz 
bat. Er will nur den thatfächlichen Beftand einer allgemein gülti- 
gen Sage von willführlicher Entftellung läutern und eben damit 
zur beffern und feftern Geltung bringen. Nicht alfo der leere, halt— 
(ofe Zweifel, fondern im Gegentheil der zuverfichtiiche Glaube an 
die objeetive Wahrheit der Sage ift die Grundlage feiner Kritik, 9) 


5) O1. I 46—54. 

6) Nem. VII, 20—24, 

7) O1. 1 28-34. 

8) Vgl. O. Müller Prolegg. ©. —V — 


Standpunkt Pındars. 513 


Kommt es weiter darauf an, zu beftimmen, von welchen Grund- 
ſätzen diefe Kritif geleitet wurde, d. h. die Entjcheidungsgründe zu 
ermitteln, nach welchen der Dichter das Eine als falfch verwarf, 
und das Andere als wahr behielt, fo werden uns auch hierüber die 
angeführten Stellen die gewünfchte Auskunft geben, 

Wird nämlich die Charafterzeichnung des Ddyffeus verdächtigt, 
weil fie nicht mit der Handlungswerfe diefes Heros, welde vie 
Sage anderweitig überliefert, zufammenftimme, ſo ſpricht ſich darın 
die Ueberzeugung aus, daß zur Gültigkeit einer mythiſchen Erzäh— 
fung auch ein Harer innerer Zufammenhang gehöre. Golden Zu- 
ſammenhang herzuftellen, war auch ſchon, wie oben erwähnt wurde, 
das Beftreben der alten Sänger, die in der Mythenbildung felbft 
noch fchöpferifch waren, aber daber ift dennoch ein wefentlicher Un— 
terfchied unverkennbar; denn Letztere verbinden die verfchiedenen 
Mythen nur durch die Kraft ihrer Teichtbildenden Phantaſie wie aus 
unmittelbarer Intuition und laſſen fo die Naivität eines unvermits 
telten Glaubens, der fich feiner bildenden Kraft als einer felbftän- 
digen nicht bewußt ift, überall erkennen. Was der Dichter fingt, 
it ihm ftets nur empfangene Kunde von einem objectiv MWahren; 
ihn lehrt es die Mufe, und auch diefe wieder ift des Gedächtniſ— 
fes Tochter. Pindar dagegen Fritifirt nach Gründen des Verftan- 
des, er verfährt ber Umbildung der Sage mit einer durchaus nüch- 
ternen, ihrer felbitbewußtten Ueberlegung, und ficht dieſe daber für 
fo wefentlih an, daß er fie als folhe ohne Weiteres in feine Dich— 
tung felbft mit aufnimmt. Darum weiß er auch, daß, was er 
fingt, fein eigen Werk ift, und wendet er fih an die Mufe alg 
Göttin der Dichtung, fo foll fie feinem Geifte die Fülle des Ge— 
fangs entnehmen 9), denn es ift ja feine Kunft, die Den Geſang 
beflügelt. '0) 


9) Nem. II Eingang. 
105 aydoriey Onule unTıos Ends uno 
10) Pyth. VII. 32. Es ift fein Grund zu zweifeln, daß Pindar an 
die reale Eriftenz der Mufen, wie an Die der andern Götter glaubte, und 
fie galten ihm auch gewiß als der Urquell aller Dichtung. Gedenkt er ihrer 
aber dann und wann, als ob fie ihn bei feinem Dichten auch im Befon- 
dern anregten und führten, jo iſt das dennoch nur als eine der alten glau- 


Muf. f. Philol. N. F. II. 33 


514 Ueber den religiöfen 


Anders motivirt iſt Die Kritik des Dichters Hinfichtfich der 
oben erwähnten örtlihen Sage. Hier entnimmt derfelbe feinen 
Einwurf aus dem veränderten veligiöfen Bewußtfein, das ihm und 
feiner Zeit eigenthiimlich geworden. Dieſes innerliche Bewußtfein 
bat ihm höhere Geltung als die Außerlihe Thatjache einer alten 
Tradition, und da beide in Wiverftreit gerathen, fo giebt er diefe 
auf, um jenes zu retten. Die Acnderung des veligiöfen Bewußt- 
feing, vie dem Dichter fo viel bedeutet, befteht Aber darin, daß daf- 
felbe ein ftarkes ethiſches Element, wie es älteren Zeiten noch 
fremd war, in ſich aufgenommen und danach die früheren Vorftel- 
fingen von dem Weſen und Wirfen der Götter wefentlich verändert 
hatte, Diefe Umwandfung der Gottesidee beginnt zwar ſchon ges 
raume Zeit vor unferem Dichter, und ein Fortſchritt derjelben von 
der Ilias durch die Ddyffee zu der befivdiichen Dichtung ıft Leicht 
zu erkennen; aber daß dieſe fittliche Tendenz ihrer felbft bewußt 
ward und in der Umbildung des gefammten Lebens der Hellenen 
ſich mächtig zeigte, und demgemäß auch in der Entwicfelung des re— 
ligiöſen Bewußtſeins mit einem ganz entjchiedenen Uebergewichte fich 
geltend machte, das gefchah dennoch erft in ven folgenden Zeiten. 
Auch das Leben unferes Dichters fällt in eine Veriode, die noch in 
der gedachten fittlichen Tendenz ihren wefentlihen Gehalt hatte, 
und fo eng fein Wefen und Streben mit diefer Tendenz verwebt 
war, fo notbwendig war es ihm auch, die etbifche Bedeutung 
feiner veligiöfen Vorftellungen als deren wefentlichen Kern und als 
das hauptfächliche Ariterium für die Wahrhaftigkeit alles Glaubens 
zu betrachten. Der fpäteren wiflenfchaftlichen Periode des helleui— 
hen Volkes wurden jene alten Mythen, welche die auffälligften 
Berhältniffe und Thatfachen der natürlichen und geiftigen Welt 
eben fo ausdrucksvoll als roh ſymboliſirten, wieder vorzugswerfe be— 
deutfam, und die Wilfenfchaft unſrer Tage weiß deren verhüllten 


bensvollen Zeit entlehnte Form der Rede zu nehmen; denn erinnert er feine 
rufe, um ein begonnenes Thema zu verlaffen, für welchen Zwed ihre er= 
faufte Stimme gedingt fei, jo it es offenbar, daß ihm in dieſem Verhält- 
md die. Mufe überall nur die Bedeutung einer poetifchen Allegorie hat. 
Pyth. XI. 38 fag. 


Standpunft Pindars. 515 


Sinn mit Hülfe tieferer Speculation und veiferer Kritik, fo ver— 
dunfelt und fragmentarifch fie ihr auch vorliegen, beffer zu enträth- 
fein, als irgend je die Alten es vermochten. Aber die Zeit unferes 
Dichters, die einer folhen Wiffenfchaft ganz und gar entbehrte, er— 
mangelte auch des Vermögens, den urfprünglichen Einn jener My— 
then zu faffen und fo widerftrebte nothwendig das vorwaltend ethifche 
Berwußtfein diefer Zeit gegen die Tradition jeter alten Sage, wele 
che das fittlihe Gefühl auffällig verlegte. Schlemmerei und ans 
thropophagiſches Gelüſte ift unferem Dichter mit feiner Borftellung 
von der Natur der Götter unvereinbar; deshalb bezeichnet er auch 
unbedeuffich dieſen Beftandtheil des alten Mythus geradezu als 
falfh und fucht die Möglichkeit feiner Entftehung nur in’ der 
Schlechtigkeit der Menfchen. 

Wollen wir nach dem Allen den religiöſen Standpunkt unſe— 
res Dichters in ſeinem Verhältniß zum gemeinen Volksglauben kurz 
bezeichnen, fo dürfen wir fagen, daß auch er ſchon an dem Ratio— 
nalismus Theil hat, der nicht lange nad) feiner Zeit in dem 
oefammten Volfsfeben der Hellenen fich fo raſch entwickelte; müffen 
aber auch zufügen, daß dieſer Nationafismus unferes Dichters im— 
mer noch einen pofitiven Grund und eine affirmirende 
Tendenz bat. Seine fubjective Ueberzeugung von dem, was ver- 
nünftig und gut fei, gilt ihm bereits mehr, als Die objective That» 
fahe der Tradition, aber er geht bes feinem Fritifchen Verfahren 
nicht von einem abftraeten Principe aus, welches die gefchichtliche 
und begrifflihe Geltung des Mythus von vornherein negirt, um 
mit Hülfe einer ſchon durchweg freien und nur fich felbft vertrauen- 
ven Neflerion die alte Form des Glaubens zu brechen und dem 
etwa ſchon mündig erllärten Verſtande gegen die bisher heilig ges 
haltene Tradition ein unbefchranftes Necht zu gewähren, Diefe 
Art des Nationalismus ift dem Dichter und feiner Zeit noch fremd; 
Phantafie und Gemüth erweifen fih noch zu vorwiegend wirffam, 
um ein fo conſequentes und radieales Verfahren des Berftandes nur 
als möglich zu denfen. Er gebt vielmehr davon aus, daß der von 
Alters her überlieferte Mythus objectiv wahr ift und wendet gegen 
denfelben nur in fo weit Kritik an, als er hier und da wahrzuneh- 


516 Leber den religiöfen 


men glaubt, daß deffen Tradition durch Schuld der Menfchen eini- 
germaßen entftellt je. Den Mythus von diefer Entftellung zu be— 
freien und fo ihn nicht zu zerftören, fondern zu vetten, nicht zu 
Iocfern, fondern fefter zu begründen — das ift das Ziel feiner 
Kritif, bei welcher er demnach der Tradition ein heiliges Recht 
läßt. Nur fofern ihm fein fubiectives Verlangen nach innerer Ein- 
beit des Mythus und nah Zuſammenſtimmung deffelben mit feinem 
und feiner Zeitgenoffen ethiſchen Bewußtfein® doch ſchon mehr be— 
deutet, als die objective Autorität der im Volfsglauben gültigen 
Sage, und fofern er daber durch Geltendmachung eines rein ver- 
ftindigen Näfonnements die Unbefangenbeit und Unmittelbarkeit die— 
jes Glaubens im Prineipe angreitt, tft feine religiöfe Denkweiſe als 
ein fehon entfchiedener, wenn auch noch unentwicelter Nationalismus 
zu bezeichnen. 

Iſt dieß richtig, jo muß es aber nicht nur aus einzelnen Aeu— 
ferungen des. Dichters folgen, fondern auch in ver wefentlichen 
Gigenthümlichfeit feiner gefammten Dichtung Beftätigung finden. 
Und das iſt auch der Fall. 

Die Ilias und Odyſſee erzählen menſchliche Schidfale und 
Thaten in folcher Weiſe, daß fie zwar durch beftändige Einführung 
der Götter als mithandelnder und mitduidender Perfonen den be— 
fohriebenen Begebenheiten durchweg den Character des Uebernatürli— 
chen geben, zugleich ſchildern fie aber dieß göttliche und menfchliche 
Wirken in feiner wunderbaren Verbindung wie ein thatjüchliches 
Ereigmß in dem natürlichen Tone einer wahrbaften Erzählung. 
Dadurch bewähren diefe Gedichte ihren echt mythiſchen Character 5 
Ideales und Neales find hier eins, und das nicht in Gebilden der 
Phantafie, die durch die Bedeutung ihres Sinnes eine nur ibeelle 
Mahrheit haben, fondern in der Form thatfächlicher Gefchichte, die 
dem umbefangen gläubigen Gemüthe auch als äußerlich wahr gilt 
und ihm fo wirklich ift, wie ein erlebtes Factum. Der Mythus 
iſt bier nicht bloß der bildliche Ausdruck einer darin verfihloffenen 
Idee, fondern er ift diefe Idee felbft ohne allen Rückhalt. Solche 
Mythen Schafft nur der Glaube, der ſich feiner Wahrheit ohne Ver- 
mittelung der Reflexion gewiß fühlt, und eben dieſes Schaffen 


N 


Standpunft Pindars. 517 


wieder ift e8, wodurch er dieß Gefühl gewinnt umd feſthält. Wie 
er aber darin fich ſelbſt genug thut, fo verlangt er auch nichts mehr 
als den Mythus, in welchem er ſein Wefen offenbart ſieht, rein 
und treu zur Darftellung zu bringen. Bon einer dahinter fiegen- 
den Ideenwelt, die mehr bedeute und zu welcher der Mythus fich 
nur wie das Mittel zum Zwecke verhafte, ift dabei Feine Ahnung. 
Der Mythus fpricht fich aus und damit iſt er fertig; was er foll 
und will, it damit vollſtändig geleiftet. Ganz anders bei Pindar. 
Ihm iſt die mythiſche Erzählung, obfchon fie oft den hauptſächlichen 
Inhalt feiner Siegsgefänge bildet, und obſchon auch in ihr Die Be— 
geifterung des Dichters den erhabenften Flug nimmt, dennoch nicht 
mehr als Mittel zum Zwede. 1) Denn mit der Verherrlichung 
des jedesmal befungenen Sieges irgend eine religiöſe oder ethiiche 
Lehre zu geben und durch viele feiner Dichtung eine höhere Bedeu— 
tung zu verleihen, das iſt das eigentliche Ziel, welches er fich überall 
- gefeßt bat, und der mythiſche Stoff, den er aufnimmt, dient ihm 
nur dazu, die Wahrheit cines folchen allgemeinen Gedankens durch 
Beranfehaulihung fahliher und durch vie höhere Weihe, welche ihr 
der altgültige Mythus giebt, auch eimdringkicher zu machen. Hier 
mit hat der Mythus fein urfprüngliches Wefen verloren ; das Ideale 
bat fi von dem Nealen als etwas Beſonderes und daber Weſent— 
fiches gefchieden; es erfcheint als bilpfofer, reiner Gedanke und 
giebt fich als folcher die Bedeutung einer von Gefchichte unabhän— 
gigen ewigen Wahrheit. Dadurch tritt der Mythus, ver fih nur 
in der Weiſe thatfächlicher Gefchichte giebt, auf einen tieferen 
Standpunkt. Seine hiftorifche Glaubwürdigkeit bleibt ihm zunächft 
wohl behalten ; denn die Anficht, daß er nur ein Gebilde der Phan⸗ 
tafie fet, das im beften Falle eine wahre Idee in ſymboliſcher Dar- 
ftellung mehr verhülle, als vffenbare, dieſe Anficht konnte erft ent— 
fiehn und gelten, nachdem der reflectivende Verftand fich vollkommen 
emaneipirt hatte. Aber was er urfprünglich war, fonnte der My— 
thus num auch nicht mehr bleiben. Sp wie er feinen geiftigen Ge— 
halt in der Form des veinen Denkens aus fi; heraustreten ließ, 


41) Siche Pyih. III. 80. 


518 Ueber den religiöfen 


fonnte er nur noch als eine andere und unvollfommnere Form die- 
fes ihm einwohnenden Gedankens betrachtet werden. Er ift, indem 
er noch als gefchichtlich wahr gilt, nur die thatfächliche Bewährung 
einer ewiggültigen Idee, und in diefem Sinne bat er wohl auch 
eine höhere Wahrheit, die ihn heilige, aber er ift nicht diefe Idee, 
diefe Wahrheit felbft vollftändig und ganz, wie es früher der Fall 
war. 

Nachdem es nun einmal dahın gefommenr war, mußte mit dem 
allmäligen Erſtarken der Neflerion das Beſtreben des religiöfen 
Bewußtfeins, ſich vorzugsweiſe in der Form des abftracten Denkens 
zu äußern, immer vafchere Fortichritte machen, und wie damit vie 
neu gewonnenen fittlichen Begriffe fich immer weiter mehrten, rei- 
cher entwickelten, klarer oröneten und tiefer bezründeten, mußten fie 
auch immer allgemeiner und entfchiedener als der wefentliche Inhalt 
aller Religion anerfannt werden, und hiermit gewannen fie dag 
echt als der hauptſächliche Maßſtab zu gelten, nach weldem zu 
entfcherven, vb und inwieweit eine Tradition innern Werth und ob— 
jective Wahrheit habe. 

Dieß rationaliftifche Princip iſt alfo in der pindarifchen Dich— 
tung nicht bloß zufällig bier und da, fondern,- wie aus dem Erör— 
terten folgt, durchweg und mit Nothwendigfeit wirkſam. Iſt dies 
aber der Fall, fo läßt fich erwarten, Daß unfer Dichter dieſem 
Prineive gemäß fi die freie Behandlung der überlieferten Sagen 
mehrfach erlaubte, ohne Darum immer, wie in den oben citirten 
Stellen, die Gründe die ihn dazu vermochten, ausdrücklich zu nen— 
nen. Wie weit er dieß in jedem einzelnen Kalle getban bat, iſt 
freilich nicht mehr nachzuwerfen ; aber darum fehlt es doch auch nicht 
an Beifpielen, welche die Nichtigkeit jener Behauptung unzweifelhaft 
erhärten. Hier fer es genug, nur eines zu erwähnen. In ver 
vierten pythiſchrn Ode zeichnet Pindar die mythiſche Figur des Ja— 
fon in einer Werfe, die der Tendenz des ganzen Gedichtes wohl 
gemäß, aber dem urforünglihen Mythus dennoch fremd iſt. Denn 
gebraucht Pindar das Bild jenes Heros, um die befonnene, milde 
und würdige Gefinnung, die er auch bei ernſter und entjchloffener 
Wahrung eines Nechts gegen Berlegung fordert, zur vollen Aln- 


Standpunft Pindars, 519 


fhauung zu bringen, fo kann man wohl fagen, daß die dahin zie- 
lende Characteriſtik des Heros in einigen Zügen der alten Cage 
einen objeetiven Anhalt findet, muß aber auch einräumen, daß dieſe 
ethiſche Auffaffung des Mythus mit der urfprünglichen theils ideel— 
len, theils Hiftorifchen Bedeutung deſſelben nichts gemein hat, und 
ihm daher auch eine wefentlih andere Geftalt giebt. 7) In ähn— 
licher Weiſe verfährt Pındar auch mit andern Mythen, und ich 
glaube, daß er diefe freie Behandlung der Tradition mehr geübt 
bat, als man gemeinhin anzunehmengeneigt fiheint. Dabei iſt aber 
freilich nicht an die Willkühr zu denfen, die ſchon bei Euripides 
ftatthat, wo das Anfehn der Tradition gar nichts mehr bedeutet 
und wo darum unbedenklich Die alten Eagen nach nur fubjectivem 
Belieben, wie e8 eben dem poetiſchen Zwerfe gemäß tft, von Grund 
aus umgebildet werden. Pindars Verhalten gegen die traditionelle 
Sage ift immer fo, daß er cinerfeits fie gläubig auf einmal und 
anderfeits wieder mit Bewußtfern an ihr bilder. Sein Standpunkt 
liegt zwijchen dem der alten Sänger und dem des vorhin genannten 
Dichters in der Mitte und gewährt eben als eine folche Ueber: 
gangsitufe ein bejonderes Intereſſe. 

So viel von dem Stanpunft, welchen Pindar in der Neligiong- 
gefchichte der Hellenen einnimmt. Was nun aber die religifen und 
ethischen Vorftellungen,, die dem Dichter von diefem Standpunfte 
aus eigenthümlich find, insbefondere anlangt, fo behalte ich mir vor, 
davon zu anderer Zeit des Weiteren zu reden, 


M. Seebeck. 


12) Siehe O. Müller Orchomenus Bay. 12 u. 13. 


Einleitungen und Anmerkungen zu Plautini— 
ſchen Luſtſpielen. 


2. Zur Eiftellaria. 


Sowol über die Zeit der Aufführung der Ciſtellaria, als auch 
über die Art, wie fie einem griechifchen Driginale nachgebilet 
wurde, Vermuthungen auszufprechen, ıft ein höchft mißliches Unter— 
nehmen, da das Stück fo außerft arm an biftorifchen Anfpielungen 
ift und fih auch nur ungefähr zur Hälfte erhalten hat. In Be— 
treff des erften Punktes hat Peterſen 1. 1. p. 614. aus I, 3, 49— 
54. den Schluß gezogen, das Stück müffe zuerft im Jahre 215 
gegeben fein; doch theils beruhen feine Argumente auf nicht ganz 
fefter Grundlage, theils feheint mir die ganze Defchaffenheit des 
Stückes eine etwas fpätere Abfaffungszeit zu verrathen, fo daß es 
wohl ficherer ift, mit Windifchmann Nhein. Muf. I, 1. p. 121. ſich 
bei der allgemeinen Beftimmung zu begnügen, es fer vor dem Ende 
des zweiten puniſchen Krieges zuerft aufgeführt. Denn betrachtet 
man das Stüf, wie es fih in unfern Ausgaben findet, genauer, 
jo muß man geftehen, daß das Ganze weit mehr den Charafter 
einer fahula stataria, afs einer fabula motoria trägt, und darum 
fih nicht füglich zur Aufführung in den erften Jahren des zweiten 
puniſchen Krieges eignete; freilich fünnen gerade die belebteren Sce— 
nen ausgefallen fein, doch — das führt zu Hypotheſen, die doch 
fein ficheres Reſultat erzielen fünnen. Was das griechiiche Drigi- 
nal betrifft, fo hat Meinefe darauf aufmerffam gemacht, daß, da 
die Stelle I, 1, 90—92. offenbar aus Menand. fr. inc. 32. über- 
feßt fer, das ganze Stück wahrfcheinfih Nachbiſdung eines Menan- 
driichen Drama fei, eine Vermuthung, die auch dadurch an Wahr- 
fcheinfichkeit gewinnt, daß der Gedanfe IL, 1, 65—66: Postremo, 


Zu Plautiniſchen Luftfpielen. 521 


quando aequa lege pauperi cum divite Non licet: perdam 
operam potius, quam carebo filla aus Men. fr. ine. 68: sus 
d’ adızeirw nAovowog zal un nevns‘ | 6@ov pEosır yag xget- 
zorov zvgavvida entlehnt zu fein fiheint. Hierdurch erhalten wir 
nun allerdings eine etwas feftere Örundlage, denn da ver Kunſt— 
charafter des Menander fo ziemlich beftimmt it, fo läßt fih nun 
auch Teichter herausfühlen, welche Partien Plautus bedeutend ge— 
ändert babe, Gehen wir hierbei von dem Grundgedanken aus, 
daß der Charafter der Dramen des Menander mehr ernft iſt und 
daß er feine Perfonen nie aus der Rolle fallen läßt, auch ſich nicht, 
um einen Scherz anzubringen, Unwahrfiheinlichkeiten oder Inſulſitä— 
ten zu Schulden kommen läßt, Plautus dagegen darauf bedacht 
fein mußte, feine Stücke belebter und reicher an Aftion zu machen, 
und nicht fo ängftlih die Charafterijtif und die Oekonomie des 
Stückes im Auge zu behalten brauchte, als nur darauf zu fehen 
hatte, feine römiſchen Zuſchauer ftets bei guter Laune und zum La— 
chen aufgelegt zu erhalten, fo möchte fich zuvörderſt wohl ergeben, 
daß die Stelfe II, 1, 44—60. ftarf geändert ift, fodann daß ftatt 
der Scene ll, 3. bei Menander die Unterredung zwiſchen dem Lam— 
padio und der lena, von der im Plautus nur berichtet wird, wirk 
lich vorkam; denn ſchwerlich ließ fih Menander diefe Gelegenheit 
entgehen, feine Meifterfchaft in der Darftellung der nad zu be- 
währen: von Seiten des Lampadio ein Aufwand von Liſt und Schel- 
merei, von der lena der größte Wechfel der Gerhüthsbewegungen, 
Furcht, Verlegenheit, Trog, Verftellung, endlich die alle Rückſichten 
überwiegende Liebe zum Weine, die ihr denn auch das. verlangte 
Geſtändniß entloct. Wenn Plautus diefe Scene überging, fo that 
er das, weil feine Römer noch nicht gebildet genug waren, um 
‚ bier die Kunſt des Menander zu verftchen und zu bewundern; für 
feinen Zwed war es paſſender, den Lampadio ber unbemerkter An— 
weſenheit der Melänis den Inhalt feiner Unterredung der Phano— 
firata berichten zu laffen, wodurd es möglich gemacht wurde, nach 
der Entfernung der Phanpjtrata die höchſt ergösliche Unterredung 
zwifchen ver Melinis und dem Lampadio zu bringen, während bei 
Menander die Melänis- durch eine Unterredung mit der lena von 


522 Einleitungen und Anmerfungen 


dem Vorgefallenen Kunde erhalten mußte. Zweiielgaft bin ich hin— 
fihtlich des dritten und vierten Aftes, denn wenn auch fo viel feit- 
fteht, daß bei Menander ficherlich nicht Alceſimarchus in feiner Ver— 
zweiflung mit dem Schwerte in der Hand vor der Thüre ftand und 
unterfuchte, ob er fih das Schwert in die rechte oder linke Seite 
ftoßen follte, auch die Haliſca nicht, da fie ihr Käftchen verloren 
bat, fih wie bei Plautus IV, 2., an die Zuſchauer mit der Bitte 
wendet, ihr zu fagen, wo ihr Käftchen geblieben fer, jo fragt ſich 
doch, ob Plautus blos in diefen Einzelheiten von feinem Originale 
abwich, oder nicht vielmehr, was mir wahrfcheinlicher ift, Diefe ganze 
Paſſage felbft hinzufügte; denn da die Halifca nur vor Schreden 
über die beabfichtigte That des Alcefimarchus und uber feine gewalt- 
fame Entführung der Silenium, die auch eher dem Plautus, als dom 
Menander anzugehören feheint, ihr Kaftchen verliert, und fo die 
allerliebſte Scene IV, 2. herbeigeführt wird, fo fiheint mir diefe 
legte Scene erſt Folge der Veränderung zu fein, die Plautus mit 
dem dritten Akte vornahm, und alfo auch ihm allein anzugehören. 
Hierüber, fowie über manches andere Hergehörige würde fih un- 
ftreitig beffer urtheilen laffen, wenn wir mit Bejtimmtheit wüßten, 
was ausgefallen wäre und wo wir die Lücken zu fuchen hätten, 
Diefer Vorfrage möge eine etwas ausführlichere Erörterung zum 
etwaigen Erſatz für die dürftigen Bemerfungen, die fich uber die 
Anlage des ganzen Stückes geben laſſen, geftattet fein. 
Unbegrerflicher Weiſe lebte man früher getroft des Glaubens, 
in den Vulgat-Texten des Plautus die erhaltenen Luftfpiele des rö— 
miſchen Dichters mit alleiniger Ausnahme des Amphitruo und der 
Aulularia lückenfrei zu befigen, obgleich doch der Zufammenhang und 
die von den Grammatifern aus den erhaltenen Stücken citirten, 
aber fich darin nicht findenden Verfe von felbft zu der Ueberzeugung 
hätten führen müffen, daß wir vielleicht kaum zwei Drittel der 
Mautinifhen Stücke vollftändig haben, indem von dem andern Drit- 
theife manche Scenen, ja ganze Afte verloren gegangen fein müſſen. 
Doch um den innern Zufammenbang fümmerte man ſich wenig; 
binfichtlich der von den Grammatifern eitirten Verſe begnügte man 
ſich theils mit der Thatlache ſelbſt, daß fie fich in unfern Texten 


zu Plautinifhen Luftfpielen. 523 


nicht fänden; ohne weiter auf die Gründe diefer Erfcheinung einzu— 
geben, fuchte man dieſe Verſe in unferem Texte, fo gut es geben 
wollte, unterzubringen; theils beſchuldigte man die Grammatifer eines 
Verſehens, indem die von ihnen beigebrachten Verſe einem von 
Plautus nur revidirten Stücke eines andern Dichters anyehörten, 
theils endlich geftand man wirffich ein, e8 möchten die Verſe dem 
bezeichneten Stüde des Plautus angehören, blieb aber auf halben 
Wege ftehen, indem man meinte, nur die fihlechte Beſchaffenheit 
unferes Tertes mache es unmöglich, dieſen Verſen ihren Pas an- 
zuweiſen. 

Noch wunderlicher aber ging Oſann zu Werke, der, um nur 
nicht das auf der Hand Liegende einzuräumen, ein ganzes Kapitel 
ſeiner Anal. (das 10te) zuſammengeſchrieben hat, um eine, ſchon in 
den früheſten Zeiten entſtandene mehrfache Recenſion der Plautini— 
ſchen Stücke nachzuweiſen. Es würde mich hier zu weit führen, 
wollte ich an allen einzelnen, von ihm zum Beweiſe feiner Behaup— 
tung berbeigezogenen Beifpiefen nachweiſen, wie grundverkehrt dieſe 
Anficht iſt; es gemüge in aller Kürze feine Gründe und einige der 


zu Diefem Zwede von ihm behandelten Stellen zu betrachten, 


Dfann’s erfter Grund find die eben befprochenen, von alten Gram— 
matifern aus erhaltenen Stücken eitirten Verfe, denen fih in unfe- 
vem Terte fein Pas anwerfen läßt. Diefer Grund kann ubergan- 
gen werden, da fein ganzes Gewicht durch die Annahme größerer 
Lüden in den Plautinifhen Siücken fchwindet. Als zweiten Grund 
führt Dfann die von Grammatikern aus erhaltenen Stücken citirten 
Verſe an, die ſich in unferem Texte finden, doch im Einzelnen ab» 
weichen. Als erftes Beifpiel davon bringt er Epid. V, 2, 45., 
wo in unfern Ausgaben ſteht: Quae haec malum ferocia est? 
während Donat ad Ter. Eun. IV, 7, 10. aus dem Epid. citire: 
Quae malum haec impudentia est? was, nur ungeftellt: quae 
haec, malum, impud. est? ein deutliches Zeichen einer verfchiede- 
nen Textrecenſion ſei. Gleich dieß erite Beiſpiel iſt fehr unglücklich 
gewählt; allerdings ſteht der betreffende Vers ſo wie ihn Oſann 
eitirt, in unſern Ausgaben, doch hätte Oſann nachſehen ſollen, ob 
denn auch dieſe Schresbart handſchriftlich beglaubigt fer. Hätte er 


524 Cinleitungen und Anmerfungen 


das gethan, ſo würde er gefunden haben, daß in den Handfchriften 
fi hinter malum eine Lücke finde, die erft Lambinus, dem Sinne 
angemeffen, durch lerocia est ausfüllte. Von den übrigen vier 
Beiſpielen find zwei offenbar ungenau von den Grammatikern ange 
führt, da es ja befannt genug ift, daß die Grammatifer, namentlic) 
Priscran, die Stellen der Alten nach dem Gedächtniſſe eitiren, weß— 
wegen ihnen nur in dem zu frauen iſt, was fie zu dem Citate be— 
wogen hat. Da nun Most. I, 3, 61. nur wiegen des Ausdrucks 
angina von Servius und Feſtus, Pseud. I, 2, 45. nur wegen 
penus von Priseian eitirt wird, fo kann die ungenaue Anführung 
der übrigen Worte Feineswegs zu der Annahme verfchiedener Re— 
eenfionen berechtigen. Anders verhält es ſich mit den beiden andern 
Stellen Men. V, 2, 101. und Poenul. II, 1, 27. Hier ıft der 
Tert nach den Citaten der Grammatifer zu ändern, da in der er— 
fion Stelle fi das prognatum Teicht als Gloſſem des ungewöhn— 
Yicheren qui cluet zeigt, in der zweiten aber clavatorem der hand- 
fchriftfichen Begründung faft ganz entbehrt. Den dritten Grund 
bieten diejenigen Verſe, die in demfelben Stufe an verſchiedenen 
Stellen wörtlich wiederholt find, und DVerfe, die nur dem Ausdrucke 
nach verfehieden, dem Sinne nach ganz gleichbedeutend, neben ein— 
ander ſtehen. Dergleichen Verſe finden fich allerdings viele im 
Plautus, doch aus ihnen auf eine Doppelte Necenfion des Stücks zu 
ſchließen, iſt mehr als gewagt. Iſt es doch an fi) auch ganz uns 
glaublih, daß fehon zu des Plautus Zeiten Berfe geändert ſeien 
nur der Berichtigung des Ausdruds wegen, und läßt fih doch 
auch Feineswegs annehmen, daß nach den Tode des Plautus andere 
Dichter oder gar die Schaufpieler verfucht haben follen, feine Verfe 
und feine Dietion zu verbeffern. Doch welche Bewandtnif cs mit 
allen jenen Verſen habe, kann jest wohl nur Ritſchl wiſſen; wahr— 
fcheinfich find viele davon unecht, wie Nitfihl das bereits von Bacch. 
II, 4, 21—23. und einigen anderen Verſen nachgewiefen hat. An 
andern Stellen jedoch ift, wenn nicht die Handfchriften auf etwas 
Anderes führen, fehwerlih an eine Tilgung der Verſe und noch 
viel weniger an eine mehrfache Necenfion zu denfen: fo möchte ich 
den Bacch. I, 1, 22. und 40. ftehenden Vers an feiner von bei— 


zu Plautinifchen Puftfpielen. 525 


den Stellen miffen, da mir hier tie Wiederholung derſelben Worte 
den Grundton der ganzen Unterhaltung und gewiffermaßen den Re— 
fra'n zu bilden fcheint; über Cas. II, 5, 26—27. aber ift das Ur» 
theil Dfann’s völlig unbegreiflich: ev meint, es liege auf der Hand, 
daß nur einer der beiden Berfe dem Plautus angehören fünne, ver 
andere fer aus einer anderen Necenfion dazu gefommen; ich dage— 
gen vermag gar nicht einzufehen, wie einer der beiden DVerfe, unbe- 
fehadet des Zufammenhanges, weggelaffen werden könne. 

Erft die von A. Mai aus dem Mail. Valimpfeft befannt gemach- 
ten längeren Abfehnitte aus Plautiniſchen Stücken, namentlich aus 
der Ciftelfaria, führten zu der Ueberzeugung, daß fih im Plautus 
größere Türen fünden, als man früher hatte annehmen wollen, 
Aber dennoch halten gerade die neueften Herausgeber des Plautus, 
Bothe und Werfe, an den Irrthümern feft, die aus dem alten Glau— 
ben hervorgegangen find, wie unfere Ciftelfaria vecht fonnenflar zei— 
gen fol, Aufer jenen größeren Wartien der Ciftellaria nämlich, 
die Ang. Mai aus dem Mail. Pal. befannt gemacht hat, werden 
von den Grammatifern noch manche Verſe aus dieſem Stücke ceitirt, 
die aber, wie bie früheren Herausgeber, fo auch noch Bothe und 
Weiſe, unter den Fragmenten der verlornen Clitellaria des Plautus 
aufführen. Mit vdiefer Clitellaria hat es folgende Bewandtnif. 
Plautus ſoll ein Stüf, Namens Aftraba, gefchrieben haben, aus 
dem die Grammatifer noch einige DVerfe anführen; doch fprechen 
Gelf. XI, 7. und Non. p. 70. ihre Zweifel daran aus, daß Plau- 
tus der Verfaſſer defjelben fe. Da nun mande Verſe von den 
Grammatifern aus der Ciftellaria des Plautus citirt werden, die 
fich in unferm Stücke nicht finden, und man nicht auf die Doch fo 
nahe liegende Vermuthung fam, es fünne ein größerer Theil diefes 
Luftipiels verloren fein, fo ftellte Scaliger Coniectan. ad Varr. die 
Behauptung auf, alfe diefe Stellen feien aus der Aftraba genommen, 
die auch den Namen Clitellaria geführt habe, wie mande Stücke 
der römischen Komifer zwei Namen hätten, einen griechifchen und 
einen lateiniſchen; Eiftellaria fer alfo bei diefen Citaten nur Schreib- 
fehler für Elitellaria. Bon diefer Conjectur hätte Scaliger zurück— 
gehalten werden müffen durch die Notiz des Probus Comm. in Virg., 


526 Einleitungen und Anmerfungen 


wo es bei ion I. p. 347. heißt: Sunt astraba vehicula, dieta 
ao“ TO un org&peodeuı, quo titulo et Plautus fabulam in- 
scripsit, in qua mulieres in etiusmodi vehiculis induciae. ') 
In der Aftrabe wurden alfo, Frauen wegen ihres Luxus verfpottet, 
und die Ueberſetzung diefes griechifchen Stückes mochte in Rom bald 
nach Abrogirung der lex Oppia, als es auch den römischen Frauen 
wieder geftattet war, fih der Wagen zu bedienen, oder bald nad 
der Beſiegung des Antiochus, als man fih in Rom feldft häufiger 
der Wagen zu bedienen anfing, ſ. Becker, Gall. I. p. 220., zuerſt 
aufgeführt worden fein. Hieraus ergiebt fih nun von felbft, daß 
Clitellaria nicht Heberfegung von aorgann fein fann. Dennoch hat 
diefe Vermuthung Scaliger's unverdientes Glück gemacht; denn nicht 
nur daß alle früheren Herausgeber und Erklärer ?) von der Clitel— 
Yarta als von einen allgemein befannten Stüde des Plautus ſpre— 
chen, fo führen auch noch Bothe und Weiſe diefen Titel auf, ob— 
gleich ihnen die Entdeckung Mars längſt die Augen hätte öffnen 
müffen,; aber in ihrer Blindheit gehen fie fo weit, daß fie fogar 
Verſe, die von den Grammatikern aus der Eiftellaria eitirt werden 
und die fich wörtlich ebenfo unter den von Mat entzifferten Frag— 
menten der Ciftelfaria befinden, dennoch unter die Fragmente der 
Astraba sive Qlitellaria bringen, nämlich Tr. 14. und 23. bei 
Weiſe ), ja Bothe geht im feiner Flüchtigfeit und Nachläffigfeit 


1) Ueber die Bedeutungen von @oroczy vgl. den interefjanten Ercurs 
Buttmann's zur Midiania, auch Becker, Charifles II. p. 76. 

2) Sp auch Noft, Opuse. Plaut. p. 299., der in der Glitellaria eine 
Laſtträgerin, eine clitellatrix, fieht. Auch die Irrthümer Wolff's Prolegg. 
ad Aulul. laſſen fih nun leicht erfennen, wie er irrt: 1) wenn er p. 8. 
berichtet, von den Grammatifern fei falt fein einziger Vers aus der Ciſtel— 
laria angeführt, der fich nicht in unferem Stücke finte, woraus folge, daß 
die Gittellaria weniger oft aufgeführt fein müffe, als die anderen Etüde des 
Plautus, 2) indem er p. 9. fagt: quo nomine (Clitell.) plures, etiam 
Pl., fabulas seripsisse feruntur, zugleic) bemerfend, es werde auch eine 
GSlitellaria des Nävius angeführt, und doch habe ich weder von einer Cli— 
tellaria des Nävius noch überhaupt irgend eines andern Dichters das Ger 
ringſte finden fönnen; 3) wenn ev p 15. fagt: E deperditis Pl. fabulis 
Astraba plus semel memoratur, quam eiusdem Clitell. fuisse facile tibi 
persuadeas. 


3) Hieraus fann man fih fo ungefähr eine Norftellung machen von 
ber wirklich allen Glauben überfteigenden Nachläjfigfeit, mit der Sr. Weile 


zu Plautinifchen Luftfpielen, 527 


noch weiter. Nach den fünf erften Fragmenten der Astraba seu 
Clitellariae fagte er nämlich: haec hactenus titulo Astrabae lau- 
dala sunt ab auctoribus (was alferdings feine Nichtigkeit hat); 
nunc deinceps quae sequuntur, Clitellariae nomine cilantur, 
eine Behauptung, die eine ziwiefache Unrichtigfeit enthält, indem 1) 
fein Schriftfteller von einer Clitelfaria des Plautus Ipricht, Q) aber 
auch gleich das zunächftftehende Fr. 6. von Gellius und Nonius, 
und Fr. 9. von Feſtus nicht aus der Ciftellaria, fondern wieder aus 
der Aftraba eitirt wird. Dazu könnte man noch hinzufügen, daß 
V. 3. des Fr. 7. von Feſtus s. v. Succrotilla und Todi nicht aus 
der Eiftellaria, fondern aus dem Syrus des Plautus angeführt wird; 
da wir indeffen von einem Plautinifchen Stüde d. N. weiter nichts 
wiffen ), derfelbe Vers auch von Priseran aus der Ciftellaria eitirt 
wird, fo ift e8 wahrfcheinlich, daß der Vers der Eiftelfarta entnom- 
men ift, von Feftus aber unter dem Namen Syrus angeführt wird, 
weil der Sklave des Alcefimarchus, der vielleicht Syrus hieß, die 
Worte fpricht, wovon fogleich mehr. 

Bei dem Verſuche, den ich nun machen will, den Inhalt der 
verlornen Scenen der Eiftellaria zu beſtimmen, wende ich mich zus 
erft an das von Mat entvecfte größere Bruchſtück, dann an die 
einzelnen, von den Grammatifern aufbewahrten Verſe. Die Mar- 
ſchen Fragmente fcheinen zwei Scenen anzugehören, und zwar V. 1 
— 37. . (nach der Abtheilung bei Dfann) einer Unterredung zwifchen 
Alcefimarhus, feinem Sklaven und Gymnafium, und V. 38. bis zu 
Ende einem Gefpräche zwifchen dem Vater des Alcefimarchus, dem 
Syrus (jo nenne ich wegen jenes Citates des Feftus den Sklaven 


die Fragmente des Plautus behandelt hat. Wenn er auch im ten Bande 
f. Blaut. praef. p. X. feine Fahrläjfigfeit mit den Morten eingefteht: Fra- 
gmenta neque auxi curiose neque ex libris variis multisque emendavi, 
jo erräfh man Daraus Doch noch nicht, Daß er fogar die fleine Mühe ges 
{heut hat, im Inder zu den einzelnen Grammatitern der Lindemannfchen 
Ausgaben nachzujehen, ob von jeinen Bergängern bereits alle Fragmente 
gefammelt feien; dann würde er gefunden haben, daB aus dem einen 
Iſidorus noch fieben Verſe nachzutragen feien. 


4) Deshalb Fann ic) auch der Vermuthung D. Müller's zum Feſt. 
p- 53. nicht beitreten, der Vers habe im Syrus des Plautus und in der 
Eiftellaria geitanden. 


528 Einleitungen und Anmerfungen 


des Aleeſimarchus) und der Gymnaſium. Aus V. 19, läßt fich nichts 
entnehmen; V. 10—13. dagegen feheinen, obwohl die Worte fehr 
verdorben find, dem Alceſimarchus anzugehören, der fich gegen Gymna— 
ſium darüber befchwert, dag Melänis die Silenium aus feinem Haufe 
genommen habe, Aus V. 14—16. feheint hervorzugehen, daß auch 
Eyrus an der Unterhaltung Theil nahm und feinen verliebten Herrn 
verſpottete; B. 17. fragt Alceſimarchus mit den Worten: sed quid 
auctor nunc mihi es (fo ift wohl für est zu Iefen) ven Syrus, 
was er nun thun ſolle? Im folgenden Verfe giebt ihm diefer ferne 
Antwort: suspendas (te). Nachdem Alcefimarchus mit fiet darin ein— 
gewilligt hat, fängt er an irre zu reden, bis V. 30. V. 30—32. 
gehört darauf der Gymnaſium, mit Ausnahme des mone zu Ende 
des Testen Verfes, was Alceſimarchus ſpricht; VB. 33. ertheilt die 
Gymnaſium dem Alceſimarchus eine Warnung, diefer fragt nun V. 34, 
quid faciam ?, worauf ihm diefe B. 3436. ihren Rath giebt, 
und Alceſimarchus B. 37. ihn zu befolgen und zur Melänis zu geben 
verspricht. In der zweiten Scene feheint der Vater des Alceſimarchus 
anfangs nicht von der Gymnaſium bemerkt zu werden. Jeder fpricht 
für ſich bis B.54. Der Alte hält die Gymnaſium für die Silenium, 
wie aus V. 49—59, hervorgeht. Die erften drei Berfe, 39—4H. 
gehören wohl dem Vater des Alcefimarchus, dem die Gymnaſium gefällt 
und ihn auf geile Gedanken bringt, Uebrigens irren Bothe und 
Were, wenn fie auf ®. 41. den von Nonius aus der Ciftellaria 
eitivten Vers folgen laſſen: nam ila mustulentus aestus naris ob- 
tigit, Worte, die offenbar der vinosa lena angehören. Uebrigeng 
vermuthe ich, daß Syrus mit dem Vater des Alcefimarchus auftritt; 
denn die vier Verſe von Fr. 7. der Giftelfaria Taffen fih pafjend 
hierher ziehen, fo daß Syrus, als er bemerkt, daß dem Alten die 
Gymnaſium gefällt, eine Vergleichung zwifchen ihr und den andern 
jungen Mädchen Athens anftelit, die ſehr zum Nachtheife der letz— 
tern ausfällt. Wahrſcheinlich verband er damit cine Liſt, fowie er 
auch aus dem fpäteren Irrthume des Alten, der die Gymnaſium für 
die Silenium hält, Vortheil zu ziehen fücht. Die einzelnen Verfe der 
Scene vertheile ich fo, das V. 39—41., wie ſchon bemerkt, vom 
Vater des Alcefimarchus gefprochen werden; B. 42—46. gehört der 


zu Plautiniſchen Puftfpielen. 529 


Gymnaſium, die fich über die Nückfehr des Alceſimarchus freut z der Alte 
fchließt aus dieſen Worten, die Gymnaſium fer die Geliebte feines 
Sohnes, eine Vermuthung, die er V. 47—53. ausfprichtz darauf 
befchließt er B. 54. fie anzureden, doch über den Inhalt des nun 
folgenden Gefpräches läßt fich nichts Sicheres ermitteln, da hier alle 
Berfe zu verftünmelt find. 

Iſt diefe Vermuthung über den Inhalt der Marfchen Frag— 
mente richtig, fo frzgt fich, wo kamen diefe Scenen vor, und wo 
findet fich demnach die Hauptlücke in unferer Ciſtellaria? Wahrz 
fcheinfich nach I, 1, 24; denn daß II, 1. aus verfchiedenen Scenen 
zufammengeworfen ift, gebt theils daraus hervor, daß fich nicht be— 
greifen läßt, was die Melänis beim Haufe des Alceſimarchus will, 
theils daraus, daß Alcefimarchus Schon weiß, die Silenium fer nicht mehr 
bei ihm, obgleich er doh, wie aus V. 20—21. hervorgeht, eben 
erft von der Villa in die Stadt zurückkehrt; theils endlich daraus, 
daß man fih mit B. 25. mitten in eine Unterredung verfegt ſieht, 
ohne daß Melänis und Alcefimarchus fich vorher einander begrüßt 
hätten, oder daß die Melanis ſich über die verfrühete Ankunft des 
Alcefimarchus wunderte. 

Doch ehe ich den Gang des Stückes weiter zu erforfchen fuche, 
wende ich mich zu den von den Grammatikern aus der Ciftelfaria 
angeführten Verſen. Fr. 10; und 11. feheinen zufammenzuhängen. 
In Fr. 10., in deffen erftem Verſe ih turd für iturus leſe, for: 
dert die lena die Gymnaſium zur Eile auf, diefe antwortet Fr. 11. 
Welcher Scene kann diefe Stelle angehören? Da die lena folche 
Eife hat, fo muß fie in heftiger Gemiüthsbewegung fein. Das war 
fie nach der erften Umterredung mit Lampadio, zu deren Schluffe 
fie dem Lampadio gefagt hatte, fie müffe erſt mit einer Freundin 
forehen, ef. I, 3, 42—44. Zur Melänis, denn das war jene 
Freundin, eifte alfo die lena mit ver Gymnaſium und traf diefe, alg 
fie vom Haufe des Demipho nach ihrem Haufe eilte, um der Sife- 
nium alles zu entdecken. Auch Fr. 12. gehört diefer Scene an; die 
lena fpricht diefe Worte zu ihrer Tochter, indem fie entweder deren 
Langſamkeit auf pumpe Weiſe der Furcht zufchreibt, oder eine Aeu— 
Berung derfelben mißverſteht. Fr, 15. 18. 23, 2. und 24. beziehe 

Mur. f. Philolog. N. 3. IM. 34 


530 Einleitungen und Anmerfungen 


ich auf die zweite Unterredung zwifchen dem Lampadio und ber 
lena, eine Scene, die im dritten Afte vorfommen mußte. Fr. 23, 2. 
ſpricht die lena bet Seite, indem fie bei fi) überlegt, ob fie dem 
Lampadio weitere Geftändniffe machen folle, Fr. 16. nebme ic 
als Worte der Gymnaſium, doc wage ich es nicht zu befiinmen, 
welcher Scene fie angehören. Fr. 19. können Worte der Gymnaſium 
oder der Silenium fein. Gehörten fie legterer, jo wäre eine Erfen- 
nungsfsene zwifchen ihr und ihren Eltern vorgefommen; da Das je- 
doch dem Ende unferes Stüdes nah zu ſchließen unwahrſcheinlich 
it, fo gehören fie wohl eher der Gymnaſium, die ihrer Mutter 
vielleicht Vorwürfe darüber macht, daß fie ihr Geheimniß verrathen 
hat. Fr. 20. lege ich der Silenium zu, doch fo, daß fie diefe Worte 
nicht zu ihrer Schwefter ſpricht, der ſchwerlich eine Rolle im Stüde 
gegeben werden fonnte, fondern zu der Melänis, als dieſe ihr bes - 
richtet, wer ihre Eltern feien, wo fie ſich alsdann wundert, Daß 
Alcefimarchus ihre Schwefter heirathen ſolle. Fr. 22. nehme ich 
als Worte des Syrus, De er in der freude über eine ihm gelungene 
Lift in einem Monologe fpricht. Der plur. senices fann entweder 
auf den Vater des Alcefimardus und den Demipho bezogen wer— 
den, oder auch andeuten, daß der Ausfpruch allgeme zu nehmen 
ſei. Ueber Fr. 13. 17. und 21. weiß ich nichts zu fagen. Fr. 8. 
foheint von den Herausgebern bereits richtig IV, 2, 41. untergebracht 
zu fein, und von Sr. 7. iſt ſchon oben geſprochen. 

Hiernach möchte fich über den Gang des Stückes Folgendes 
vermutben laſſen. Nach II, 1, 24. folgte die Unterredung des Al 
ceſimarchus mit der Gymnaſium. Diefe macht ihm erft Vorwürfe 
über feine vermeinte Treuloſigkeit und erzählt ihm den Beſchluß der 
Melänis. Alceſimarchus geräth darüber außer fich, verfichert der 
Gymnaſium feine vedlichen Abfichten, wird von feinem Selaven ver- 
fpottet und fängt nun an zu raſen. Jetzt fucht ihn die Gymnaſium 
zu befänftigen und giebt ihm den Nath, zur Melänis zu gehen und 
fih zu rechtfertigen. Alcefimarchus verfpricht das und entfernt fi. 
Gleich darauf erfcheint fein Water, fieht die Gymnaſium, bewundert 
fie wegen ifrer Schönheit und belaufcht ihr Selbſtgeſpräch; als er 
hört, daß fie von feinem Sohne redet, kommt er auf die Vermu— 


zu Mautinifhen Yuftfpielen. —531 


thung, in welcher ihn Syrus zu beſtärken ſcheint. Vielleicht folgte 

jetzt noch eine Scene, in welcher ſich Aleeſimarchus mut feinem Va— 
ter unterhielt. Dann fam I, 1, 25. bis zu Ende des zweiten 
Aftes, Den dritten Aft begann ein Monolog der Jena oder cin 
Gefpräch zwiſchen ihr und der Gymnaſium; beide gehen zur Melänis. 
Diefe machte der lena wahrfcheinfih Vorwürfe über ihre Geſchwät— 
zigfeit und werlangte von ihr, daß fie jest wenigftens nichts weiter 
geftehe, damit fie felbft doch einigen Danf vom Demipho erndte, 
daß fie ihm freiwillig feine Tochter zurückgebe, wie fie das andeu— 
tet II, 3, 82 sq. Vielleicht war bei diefem Geſpräche auch Sile— 
nium zugegen, wo nicht, fo folgte noch eine Unterredung zwiſchen 
ihr und der Melänis. Am Scluffe diefer Scene befahl die Me- 
länis ihrer Halisen, das Käftchen mit den crepundis zu bringen, 
denn Ir. ine. 69: cistellam effer cum erepundiüs beziehe ich auf 
unfere Giftellaria. Dann kam das Geſpräch zwifchen der lena und 
dem Lampadio und damit fchloß wohl der dritte Akt. Nun folgte 
unfer dritter und vierter Aft. Vom fetten Akte fehlt wohl auch Ei— 
niges, doch laſſen uns hier die Fragmente ganz im Stiche. 

Zu fo vielen Vermuthungen möge es fehließlich geftattet fein 
noch eine das ganze Stück betreffende hinzuzufügen. Entkleiden wir 
die Ciſtellaria alles Beiwerfes, fo behalten wir folgendes einfache 
Sujet übrig: Ein junger Athener, der in eine Hetäre verliebt ift, 
wird von den Eltern mit der Tochter eines reichen Atheners verlobt. 
Nachdem alle Mittel vergebens angewandt find, die son den Eltern 
gewünfchte Verbindung aufzulöfen, wird Die Hetäre endlich als die 
Tochter eben jenes veichen Atheners, deſſen Tochter dem jungen 
Wildfang zur Ehe beftimmt war, erfannt und von den Eltern jetzt 
ihrem alten Anbeter verlobt, während die andere Tochter Teer aus» 
geht. Ganz daffelbe Süjet hatte Menander in feiner Andria und 
Perinthia behandelt. Da es ferner wahrſcheinlich ft, Daß in der 
Ciſtellaria Demipho öfter vorfam, als nur in der Schlußfcene, und 
es höchſt auffallend wäre, wenn er nichts von der Liebe des Alce- 
fimarchus zur Silenium erfahren hätte, oder wenn er deſſenungeach— 
tet feine Tochter dem Alcefimarchus geben wollte, fo kam, wenn 
auch vielleicht nicht im Stücke des Plautus, doc ficherlich in dem 


T 


532 Sinleitungen und Anmerfungen 


des Menander eine Scene vor, in welcher Demipho dem Water 
des Alcefimarchus erklärte, er könne feine Tochter dem Aleefimar- 
chus nicht geben, Eine ſolche Scene aber würde auf ein Haar Ter. 
Andr. V, 1. entiprechen. Dieß Alles fcheint zu der Annahme be- 
rechtigen zu können, in der Perinthia des Menander die Quelle 
der Plautiniſchen Eiftellaria zu fuchen. Freilich hatte fich Plautus 
vielfache Aenderungen erlaubt, hätte namentlich den erſten Aft aus 
einen andern Drama des Menander genommen und vom dritten 
Akte unferes Tertes an fein Original ganz verlaffen; doch Tiefe 
fih einigen Aragmenten der Perinthia hiernac eine Stelle in der 
Gijtellaria anweiſen. Fr. 1. nämlich fünnten Worte des Syrus fein 
nach der Scene, in welcher er den Vater des Alceſimarchus, wie 
vorhin bemerft wurde, überliitete. Fr. 3. Könnte der vorhin -be- 
fprochenen Unterredung zwifchen Alcefimarchus, Cyrus und Gymna- 
fium II, 1. angehören, oder auch einem Monologe des Syrus. 
Fr. 5. wäre nicht von der Hebanıme, fondern von der trunkſüchtigen 
lena gefagt. Endlich, um Nichts zu übergehen, was für diefe Ver— 
muthung ſprechen kann, fo haben die Schlußworte der Terenzifchen 
Andria auffallende Aehnlichkeit mit denen der Plautiniſchen Ciſtel— 
laria; dort heißt es: 
Ne exspectetis dum exeant huc: intus despondebitur: 
Intus transigetur, si quid est quod restet 
und bier: ; 
Ne exspectelis, speclalores, dum illi huc ad vos exeant: 
Nemo exibit: omnes intus conficient negolium. 

Doch müßte man, um diefe Bermuthung gehörig zu begründen, 
noch außer der Kontamination eine überaus freie Behandlung des 
Driginald annehmen, wozu die erhaltenen Theile des Stücks und 
die wenigen Fragmente doch noch nicht berechtigen. 


Nur fehr wenige Anmerfungen habe ich hinzuzufügen; die Er- 
klärung hängt bei der Ciftellaria zu eng mit der Kritik zuſammen, 
und diefe läßt fih ber der troftlofen Geftalt unferes Bulgattertes 


zu Plautiniſchen Luſtſpielen. 533 


und den völlig unzureichenden Hülfsmitteln, welche die Palatini bie— 
ten, nicht ohne große Gefahr üben. 
I, 1, 14—15: 
Quod ille dixit, qui secundo vento vectust, 
Tranquillo mari, ventum gaudeo ad te. 


In den Worten ventum gaudeo ad te finden die Heransgeber 
eine Zweiveutigfeit, Weife verweift auf Cure. II, 3, 35—37., wo 
derfelbe Scherz wiederfehre. Indeſſen dort fteht: facite, venlum 
ut gaudeam, was allerdings zu einer Zweidentigfeit Anlaß geben 
konnte, woran bier aber nicht im Geringften zu denfen ıft. Sodann 
fteht in den Codd. hinter gaudeo noch ecastor, was Weiſe aus— 
geftoßen hat, weil es, wie er fagt, inepte Hinzugefügt fei, sive 
sensum sive melrum spectes. Allerdings paßt es nicht recht zu 
dem, was die lena fagt, aber eben deßhalb möchte es beizubehalten 
fein; denn fo macht Plautus durch den unpaffenden Gebraud) die— 
fes Wortes die Zufchauer gleich auf dieß ihr Stichwort aufmerf- 
fam. Betrachtet man nämlich die Worte der lena, die fie in die— 
fer Scene fpricht, fo wird man finden, daß fie ihre Nede gern mut 
einer Verficherungspartifel anfängt, meift mit ecastor, vgl. V. 22. 
44. 48. 87. Daber und weil die lena überall, wo fie nur kann, 
ihre Erfahrungen ausframt und Vorſchriften giebt, ſtimme ich Werfe 
bei, wenn er die Worte V. 69: amat haec mulier und 3. 70 
— 71: Namque ecastor amor et melle et felle est fecundissi- 
mus; Gustu qui dat dulce; amarum ad salietatem usque og- 
gerit der lena geben will. Auch ihre Tochter, die Gymnaſium, 
hat ſchon etwas von dieſer Gewohnheit ihrer Mutter angenommen, 
doch} gebraucht fie meift noch fehwächere Formeln, wie pol und her- 
cle, vgl. 8. 53. ecastor nur ®. 118., als ſich Silenium fchon 
entfernt hat. Silenium dagegen enthält ſich aller diefer Formeln; 
denn V. 12. möchte ich das handſchriftliche edepol nicht mit Kamp— 
mann de praep. as p. 18. in pol ändern, fondern es mit Weife 
ganz ftreichen, dann aber durch Umfesung folgenden bacchius her— 
ftellen : 


Lubentique faclum est animo el fiel a me. 


534 Einleitungen und Anmerkungen 


1.,1,162#; 
Nee nisi disciplina, apud te fuit quidquam , 
Ibi, quin mihi placeret. Si. Quid ita, amabo? Le. Raro 
Nimium dabat, quod libereim, alque id (merum) infuscabat. 
Gy. Amabo, hieeine istuc decet? Le. Iusque fasque est: 
Nemo alienus hie est. Si. Merito vestro amo vos. 
Weiſe meint, die Bemerkungen, die bier die lena mache, tbeile fie, 
abgewendet von ter Silenium, ihrer Tochter mit. Dann aber hätte 
Werfe auch das: quid ita, amabo? nicht der Silenium, fundern 
der Gymnaſium geben müffen. Indeſſen das Norhergehende apud 
te zeigt deutlich, daß die lena ihre Bemerkung der Silenium ſelbſt 
mittheile; auch nur dann traf fie der ihr von Gymnaſium in V. 20. 
gemachte Vorwurf, fowie ihre Antwort: nemo alienus hie est für 
die Nichtigkeit diefer Auffaffung zeugt. Die lena hält es für ihre 
Pflicht, der Silenium dieß zu fagen, damit dieſe künftig ihre disci- 
plina ändere. Wenn aber Silemum auf die Benterfung der lena 
nicht weiter eingeht, fo verrät fie darin einen fehr richtigen Taft. 
Il, 1, 49—50: 
Nam si quidem ita eris, ut volo: nunquam aetate He- 
cata fies, 
Semperque istanc, quam nunc habes, aetalulam oblinebis. 
Sp Weiſe nach dem Vorgange des Camerarius; Bothe und Noft: 
non Hecala fies unquam. Doc) an die Hecala ift hier auch nicht 
ım Entfernteften zu denken; wie hätte Plautus auch fo ohne Weis 
teres vorausjesen dürfen, dri feinen Zufchauern die Hecala befannt 
fei! Der Einn kann zweierler erfordern, entweder den Gedanken, 
du wirft nie alt, oder den, du wirft nie am werden. Die Her— 
auszeber erflären fich faſt alle für jenen Gedanken; doch wie paßt 
dann die Erinnerung an die Hecate? Da der zweite Vers vom 
Alter handelt, fo Scheint der erfte richtiger von der Armutb ver— 
ftanden werden zu müffen. Daber fonnte paffend von der Herate 
geſprochen werden, wenn man ſich nur daran erinnert, daß der He— 
cate die Färglichften Opfer gebracht wurden, |. Meinefe Fr. com. 
T. II. p. 5839. Aetate, was handſchriftlich nicht ganz beglaubigt 
tft, muß entweder gejtrichen werden oder iſt mit nunquam zu ver 


zu Plautiniſchen Luftipielen. 535 


binden. Der Sinn alfo ift: dann haft du nicht zu beforgen, daß 
dir je von deinen Anbetern fo Heine Opfer gebracht werden, als 
der Hecate. — Beiläufig fer her noch bemerkt, daß eine Erweite- 
rung des V. 52. ausgefprochenen Gedanfens: Gy. Di faxint. Le. 
Sine opera tua nil di horunc facere possunt. Gy. Equidem 
herele addam operam sedulo zu finden ift in Philemons Jlay- 
»oatıaorng, fr. 1: zaurov Tı nourıeıv, 00 uovov zag Ehni- 
das | Emi 75 zuyn yon, naıdıiov, navıwg &ysw | wv Bovrsrar 
TıG° ahıa zul To Ty zUyn | ovihaußavsodgu gGov N zum 
notel, | Ewv ed” E&r&oov Tovıo, un wörn, nom. 
II, 1, 41—44: 
Al. Non remittes? Me. Scis iamdudum omnem meam sen- 
tenliam. 
Al. Satin’ tibi istuc in corde certum est? Me. Quin ego 
commentor quidem; 
Non edepol istaec tua dieta nunc in aures recipio. 
Al. Non? hem! Quid agis? Me. Igitur anımum advorte 
| iam, ut, quid agas, scias. 

Roft hat von diefer ſchwierigen, wahrfcheinlic) verdorbenen Stelle 
nach und nach drei Erklärungen gegeben. Die legte, die hier allein 
zu berücfichtigen ıft, giebt er in den Opusc. p. 102—3., wo er 
lefen wilf: quid agis igitur? Me. Animum advorte iam, ut 
quid agam, scias. Erklärend fagt er dazu, Melänis wolle ven 
fhon erzürnten Alceſimarchus nicht noch mehr reizen und wage es 
darum nicht, ihm feine Bitte geradezu abzufchlagen, ſondern gebe: 
ihm nur per ambages ihre Abficht zu erkennen. Deßhalb ſtelle 
fie fich nachdenkend über feinen Borfihlag und fage, daß fie deßhalb 
die festen Worte des Alcefimarchus nicht beachte. Ueber diefe Ver— 
achtung noch mehr aufgebracht, frage Alceſimarchus heftig, was fie 
denn zu thun befchloffen habe, Aber auch da antworte Melänis 
nicht offen, fondern fpottend: animum adv. cet. Uebrigens zeige auch 
V. 51: anne eliam quid consultura sis sciam? veutlich, daß 
bier agas in agam zu ändern ſei. Demnach überſetzt Roſt: 

Iſt das feſt ber dir beſchloſſen? Mel. Sch denfe vielmehr darü— 

ber nach, 


556 Einleitungen und Anmerkungen 


Und laß, was du da fagft, wahrhaftig mir jest nicht zu Obren 
gehen. 
Alec. Nicht? Was wird draus? Mel. Ueberlege zu wiffen, was 
draus werden foll, 
Allein auch diefe Erflärung hält nicht Stich. Wenn wirklich Furcht 
die Melänis abbielte, ihren Entichluß Far und deutlich dem Alcefi- 
marchus zu verfünden, wie kann fie dieß denn V. 52: non remil- 
tam: definitum est fo unumwunden thun? wie fann fie es dann 
überhaupt wagen, den Alcefimarchus fo zu verfpotten und feinen 
Zorn dadurch nur noch mehr anzufachen? — Sch halte commentor 
für verdorben, entftanden ıft es vielleicht Durch Das nunc im fol— 
genden Verfe und durch das quid consultura es in ®, 51. Biel: 
leicht Tiegt cum mente darinz doch da alsdann auch das Folgende 
noch zu ändern wäre, fo ſchlage ich einftweifen dafür vor: Quin 
ego sum socors quidem. Wie das quin ego, womit Melänis 
beginnt, will fie das vom Alceſimarchus Oefagte berichtigen, oder 
etwas Stürferes dafür feßen. Left man nun, wie vorgefchlagen, 
fo bat man ein Wortfpiel, indem socors einmal in feiner eigentl- 
chen Bedeutung herzlos, azagdıos, fteht und die Melänis fih das 
Herz, was Alcefimarchus ihr zugefprochen hat, nach I, 1, 66—67. 
nicht zugefteben will, dann aber auch eine ablehnende Antwort, in— 
dem Melänis fagt, fie brauche die Sache weiter nicht mehr zu 
überlegen, ihr Entfchluß fer unwiderruflich gefaßt, daher Fünne fie 
in diefer Beziehung unthätiz fein und beachte darum auch weiter 
acht Das, was Alcefimarchus noch fage. Der folgende Vers paßt 
hierzu ganz gut, indem Alcefimarchus die Melänis mit den Worten 
quid agis igitur? fragt, was fie denn thue, wenn fie über feinen 
Vorſchlag nicht nachdenfe und auf feine Worte überhaupt nicht achte. 
In der Antwort der Melänis iſt agam zu Iefen, und die Melänis 
macht bei diefen Worten Anftalt, fich zu entfernen, worauf ihr 
Alcefimarhus mit den nun folgenden Schwüren nachläuft. — Mit 
diefer Stelle hängt dem Sinne nach eng zufanmen V. 50—52: 
Me. Perge dicere. 
Al. Anne, ul eliam, quid consultura sis, sciam? Me. Perge 
eloqui. 


zu Plautinifhen Luſtſpielen. 537 


Non remillam : definitum est. 
Weiſe ändert sciam in scias und verfteht den ganzen Vers nicht. 
Alcefimarchus fol namlich mit diefen Worten die Melänis auf die 
folgenden Drohungen vorbereiten. Der Sinn müßte dann fen: 
Etwa damit du wiffeft, was du anrichten wirft? Noch Tächerlicher 
ift es, wenn Weife meint, das bandfchriftliche sciam Yaffe ſich aber 
auch. fo vertheitigen, daß Alcefimarchus in feiner Verwirrung und 
Wuth sciam für scias fagel Vielmehr glaubt Alceſimarchus jest 
durch feine Schwüre ſchon den Sinn der Melänis umgeftimmt zu 
haben und fragt auf ihre Aufforderung perge dicere: Etwa damit 
ich wilfe, was du befchließen willft? d. h. wenn ich fortfahre, fol 
ich dann auch deinen Befchluß erfahren? Die Melanis wiederhoft 
ihre Aufforderung, ſchneidet ihm aber durch ihre num folgende be— 
ſtimmte Erklärung alle Hoffnung auf einen günftigeren Beſcheid ab. 


Neuſtrelitz. Th. Ladewig. 


Nachtrag 
zu Heft 2, ©. 179—203. 


sh habe ein Argument für die frühe Abfaffung der Cafina 

aus den erften Worten des Prologs genommen; Wiffering , deffen 
Quaestiones Plaulinae mir erſt nad Vollendung obiger Abhandlung 
zugefommen find, fehfießt p. 100. aus venfelben Worten, daß die 
Gafina a Plauto sam sene gefchrieben fei. Diefe der meinigen dia- 
metral entgegengefegte Anficht hat mich zu einer neuen Prüfung 
der fraglichen Gtelfe des Prologs veranlaßt, deren Nefultate ich 
nachträglich Hier mittheile. Die bezüglihe Stelle des Prologs 
lautet fo: 

Antiqua opera et verba quum vobis placent, 7 

Aequom placere est ante veteres fabulas: 

Nam nune novae quae prodeunt comoediae 

Multo sunt nequiores quam numi novi. 10 

Nos posiquam populi rumorem intelleximus, 


538 Einleitungen und Anmerkungen 


Studiose expetere vos Plautinas fabulas: 

Antiquam eius edimus comoediam, 

Quam vos probastis,, qui estis in senioribus : 

Nam iuniorum qui sunt, non norunt scio; 15 

Verum ut cognoscant, dabimus operam sedulo. 

Haec quom primum acta est, vieit omnes fabulas. 
Hierzu bemerft nun Biffering: In hoc (prologo) perhibelur, fa- 
bulam , quo tempore iferum dabatur, auctore iamdiu mortuo, 
senioribus spectatoribus esse nolam, iunioribus non item: illi 
aulem senes non eam vidisse poluerunt, si Plautus adolescens 
eam proposuerat. Allerdings nicht, aber woher weiß Hr. Viſſe— 
ving, daß diefer Prolog zur zweiten Aufführung der Cafına ges 
ferieben wurde? Im Prologe ſelbſt fteht fein Wort davon, viel» 
mehr laſſen fih aus ihm mehrere Gründe gegen diefe Anficht 
entnehmen. Zuerft würde es dann wohl nicht B. 17. geheißen 
baben: haec quom primum acta est; beißt es doch im erften 
Prologe zur Hecyra des Terentius von der erften Aufführung dieſes 
Stüdfes: haec quom data est nova, im zweiten von der erften 
Aufführung V. 25: quum primum eam agere coepi, danı V. 
30. von der zweiten: refero denuo. Sodann aber muß man 
fragen, war denn die römiſche Sprache etwa 40 Jahre nach dem 
Tode des Plautus wirklich ſchon fo wefentlic verändert, und zeigte 
fich fchon damals beim Publikum eine fo entfchiedene Vorliebe für 
das Antike, wie man aus B. 7. fliegen müßte? Bon römiſchen 
Dramatifern beberrfchten damals Titinius, Trabea, Pacuvius und 
Turpilius die Bühne; eine Vergleihung der Fragmente diefer Dich- 
ter mit der Sprache des Plautus und Terentius möchte fehwerlidh 
ein zu Gunften des Hrn. Viſſering ausfallendes Nefultat ergeben. 
Und wenn auch die Palliatendichter Traben und Turpilius an ko— 
mifcher Kraft dem Plautus weit nachftanden, verdienten fie darum 
fogleih das ganz wegwerfende Urtheil in V. 10% Endlich, wie 
verträgt fih die Anficht des Hrn. Viffering mit den ebendafelbft V. 
10. erwähnten numi novi? Die beiden Verfe 9—10. find ent— 
weder, wie Oſann Anal. p. 169. generzt ift zu glauben, aus dem 
Plautiniſchen Prologe entlehnt, oder fie gehören demfelben Berfalfer 


zu Plautiniſchen Luftipielen. 539 


an, der den übrigen Prolog gedichtet hat. Hat Dfann Recht, fo 
ſprechen die Verfe für meine Behauptung, dag Stück ſei in der er- 
ften Hälfte des zweiten puniſchen Krieges geichrieben; denn fie müß— 
ten dann auf die im Jabre Roms 537. erfolgte Reduction des 
Sertantar = Afes auf einen Uncial-As bezogen werden. Allein ich 
glaube nicht, daß Plautus dieſe Verſe gefchrieben hat, er müßte fonft 
feine Prologe ähnlich wie Terentius zur Vertheidigung feiner eige- 
nen Stücke und zu Angriffen auf feine Kunftgenofien benust haben, 
was abgefehen davon, daß ſich in den erhaltenen Plautiniſchen Pros 
fogen auch nicht die geringfte Spur hiervon findet, auch an fich 
ganz unmwahrfcheinfich ft; denn mit dem Nävius fcheint Plautus 
auf einem vertrauten Rufe geftanden zu haben, Enmus war ihm 
als Komödientichter Fein gefährlicher Nebenbuhler, die übrigen klei— 
neren Geifter aber erkannten feine Ueberlegenheit febr wohl an, 
wie aus dem was Gel. IH, 3, 13. berichtet, deutlich hervorgeht. 
Eind V. 9— 10. aber nit von Plautus verfaßt, fo muß der Pro» 
log entweder zur Zeit Des Sulla oder in der Kaiferzeit gefchrieben 
fein, denn zwifchen 670—80. n. Noms Erbauung trat die Redu— 
etion des As auf eine halbe Unze ein und unter den Kaiſern wurde 
der Münzfuß befanntfich fehr oft verindert. In die Katferzeit nun 
möchte ich den Prolog nicht feßen, fo fehr au VB. 7—S. und II 
— 12. für das Zeitalter des Auguſtus zu ſprechen fcheinen, weil zu 
jener Zeit nicht mehr Palliaten gerichtet wurden, wenigſtens nicht 
zum Zweck öffentlicher Aufführungen. Sp gehört denn der Prolog 
wahrscheinlich dem marianiſchen Zeitalter an; damals wandten fid) 
die bevdeutendften römischen Komiker der Togata zu, doch erhielten 
fih befanntlih die Stüce des Plautus, Nävius, Terentius daneben 
fortwährend auf der Bühne. Wenn es num in unferm Prologe V. 
13. heißt: antiquam eius edimus comoediam, fo kann das anti- 
quam nad) dem, was V. 5—8. gefagt ift, unmöglich ein ganz 
müßiges Epitheton fein, wie es das nach der Erklärung des Hrn. 
Rıffering fein würde, fondern kann nur ein recht altes Stud des 
Plautus, d. h. eins feiner frübften, bezeichnen. Dies Stüd nun 
war, wie wir aus V. 14—15. erſehen, in den Testen 30 bis 40 
Jahren nicht aufgeführt, hatte aber ber ferner erften Aufführung 


540 Einleit. u. Anmerf. zu Plautin. Puftfpielen. 


fich des allgemeinften Beifalls erfreut, V. 17. Beides konnte der 
Dichter des Prologs fehr gut wilfen, da in Nom über die in jedem 
Sahre aufgeführten Stücke genaue Verzeichniffe angefertigt wurden, 
el. Ritſchl, Rhein. Muf. I, 1, p. 74 - 75.) 


Th. Ladewig. 


*) Im möglihem Mißverftändnig vorzubeugen, bemerfe ich, daß Diefer 
‚Nachtrag‘ noch nicht in den Händen der Medaction war, als meinerjeits 
in nachträglichen Zuſätzen zu der fertig gefchriebenen Abhandlung „über die 
fabulae Varronianae“ in den Parerg. Plaut. I, S 192 Aum. **), ©. 199 
Anm. *) und ©. 208 f. Anm. **) auf die Shen abgedruckte erſte Abtheilung 
der gegenwärtigen „inleitungen und Anmerfungen‘, fowie ©. 162 Ann. *), 
und ©. 169 noch durch eine Einjchaltung im Texte felbit, auf die mir 
gleichzeitig handjchriftlich vorliegende zweite Abtheilung Nückjicht genommen 
wurde, GN. 


x 


De fontibus et ordine Anthologiae 
Cephalanae. 


Part. 11. 


2. Philippi Thessalonicensis Corona. 


Lege de hac Corona saeeulo post Christum faela dispu- 
tationem lacobsii in Proll. p. XLIII sqq. Fragmenta Anthologiae 
Philippeae indubitata tredecim agnovit Passovius: V, 104— 
133. VI, 8S7—108. 227—261. VII, 364—405. 622—645. IX, 
81—89. 215—312. 405—423. 541—562. X, 18—25. 100 — 
103. XI, 23—46. 49 et 50. 318—327 exceplo uno 323 Pal- 
ladae Alexandrini. Quod ita probavit, ut poetas parlim eos 
esse, quos Philippus in prooemio nuncupat, demonstraret, 
partim eos, quos idem nomine ro» neoıoowv complexus sit, 
quum vitae temporibus inter Meleagrum et Philippum mediis 
aut necessario sint assignandi, aut, ubi diserta aetalis indi- 
cia desiderentur, cerle non repugnent. „Vnum obstat Antipa- 
tri Sidonii nomen, tribus epp. praefixum, VI, 93. VII, 625. 
IX, 251. At quum reliqua omnia in nostram sententiam 
amice conspirent, tria haec carmina ad Thessalonicensem An- 
tipatrum referre eo minus dubilandum videtur, quo arctiore 
vinculo per ordinem litterarum celeris epp. adstricla sunt, 
quibus in Cor: Phil. locum datum fuisse aut certis argumenlis 
scimus aut probabili facilique coniectura ducti suspicamur.“ 
Etiam ordinis litterarum non fugientia vestigia his locis hic 
illic leviter sunt impressa, sed ita regnant, ut duplex indicium 
ubique coniunctum reperialur, et ut vix dubium esse possil, 
quin Const. Cephalas ipsam adhuc Philippi Coronam oculis 


549 De fontibus et ordine 


usurpaverit et manibus triverit, et ila in ea exseribenda sit 
versalus, ut, quae ad singula novae Anthologiae capp. perti- 
nerent, eodem prorsus repeliverit ordine, quo apud Philippum 
invenissel epp. (Vltima verba „et ita — epp.“ non omni ex 
parte vera suntl.) Locus enim XI, 23—45 videtur tantum 
repugnare, quia non turbalus ibi est litterarum ordo, sed in- 
versus. Duo praeterea loci, in quibus littera S inter E et H 
inserta est (VI, 239. IX, 410), ita facillime cum sententia 
nostra consociantur, ut Philippi orthographiam Zumveng et 
Zuuiv9og sive a Constanlino sive ab eius Jibrario temere mu- 
talam esse credamus. Hactenus Passovius. — VI, 87 ane- 
nymum in cod. Plan. Agathiae tribuit, Dubium igitur, utrum 
propter litteram , quae prima est, agmen epp. Philippicorum 
ducere eredendum sit, an propter lemma Anth. Plan. fra- 
gmento Cyeli Agathiae annumerandum: quanguam illud multo 
verisimilius. In cap. X ordo iam ab ep. 17 ineipit, non a 
18, ut Passovius dicit. In cap. XI primum ep. Cor. Phil. for- 
tasse non 25 est, sed 24: quod exposui in diss. mea p. 87. 
Epp. Antipatri Sidonii falso inseriptis accedat IX, 407, quod 
ad Antipatrum Carystium demonstrabo. IX, 547 etiam ordi- 
nem elemenlarium interrumpere CT inter X et X posilum est), 
Passovius non nolavit: quamobrem aliunde illatum esse vide- 
tur. Jam fragmenta quaedam minora Cor. Phil. adiungo, in 
quibus etiam lilterarum ordinis vestigia deprehenduntur: V, 
30—34. VI, 348—350. VII, 383—40, fortasse —42. 174—176. 
183—187. 233—240. 691—694. 699—703, fortasse — 705. 
741. 742. IX, 108-110 fortasse, 438. 439. 705-709. XI, 
65-67. 346-348, forlasse 344—348. Non mirum tibi vi- 
debitur, in fragmenlis Cor. Phil. compositionem secundum 





argumenlum plerumque non praeberi. In singulis poelis enu- 
merandis eundem ordinem sequor atque in Cor. Mel. 


Poetae, quos Philippus ipse in prooemio nuncupat. 
Antipater Thessalonicensis: de quo vide Ant. Sid. in 
Mel. Cor. Crinagoras VII, 744, quod in Anth. Pal. Tom. 1. 


Anthologiae Cephalanae. 545 


Kotvayöoov inscriptum est, Diogenes Laertius sibi vindicat. 
Neque , quod lac. putat, scholiastes cod. Crinagorae tribuere 
voluit. Seribens enim: ss evdogor zyıyayooov Tov xvidıov 
ovyyoay&a etc. palrem Eudoxi, non poetam indicare voluit, 
quod collocatio verborum extra dubilationem ponit. Eximen- 
dum igitur in Ind. poet. hoc ep. e nomine Crinagorae. JA. i. 
IX, 65.] Antiphilus Byzantius. In Ind. poet. IX, 46 Antipatri 
est, non Antiphili. [A. i. IX, 13. 123. 439.] Tullius. In A. 
P. inveniuntur epp. Tullii Flacci, non diversi a Statyllio Flacco, 
YTullii Gemini, Tullii Laureae, Tullii Sabini. Tullii Gemini vel 
Gemini epp. in partibus Cor. Phil. collocata sunt, itaque hie 
is Tullius est, quem Philippus nominat. Eius sunt a) haec 
epp. Tullii Gemini nomine insignita: IX, 707. Plan, 205. b) 
Gemini VI, 260. VII, 73. IX, 188. 414 (yarwıvov). 740. Plan, 
30. 103. Eiusdem procul dubio est IX, 410 in parte Anth. 
Philipp. Tullii Sabini, quod Plan. recte Tullii Gemini inseri- 
psit. Tullii Laureae duo inscribuntur VII, 17. 294 (Tarvikrov 
}avgea, ut lac. in Cat. poet. dicit), unum Laureae XII, 24. — 
VII, 17 ineipit a littera «, 18 Antip. Thess. ab eadem; VII, 
293 est Isidori Aegeatae, qui ad Phil. Cor. probabiliter per- 
tinuit; XII, 25 est Statyllii Flacei, non minus poetae Philippici, 
ut videtur. Quae vestigia si iure tuo non salis cerla exislimes, 
aetas tamen, si suspieionem Fabricii, hunc Tullium Lauream 
libertum esse M. T. Ciceronas, quem carmen latinum in ther- 
mas Ciceronianas scripsisse novimus ex Plin. hist. nat. XXXI, 
2, amplectaris cum Reiskio, probabilitatem coniecturae meae 
auget, hunc quoque receptum fuisse in Phil. Cor. Quod nescio 
quomodo sine haesitalione aflirmare poluerit lac. in Cat. poet. 
p. 907 sibi ipse repugnans, qui p. 897 de Gemino agens, 
utrum hunc an Lauream intexuerit Philippus Coronae suae, 
non constare fatealur. [A. i. IX, 741.] Philodemus. In Ind. 
poet. pro XII, 137 lege 173 et adde XI, 34. 35. [A.i. V, 8. 
80. 101. 113. 115.] Parmenio Macedo. XII, 18 Parmenon- 
tis inscriptum, quod fortasse dedicanlis nomen, non poelae. 
[A. i. VII, 240. XI, 5. 65.] Antiphanes. VI, SS gentile Ma- 


544 De fontibus et ordine 


xsdovog habet, IX, 255 Meyakonokilrov, ambo in partibus Cor. 
Phil. Duo igitur fuerunt Antiphanes: alter Macedo, alter 
Megalopolita in Cor. Phil. Quomodo caetera epp. inter hos 
dispertiantur, inquirere nune meum non est. Jacobsius nihil de di- 
versis nominibus gentilibus dicens de uno tanlum poeta agit, 
Passovius recte duos fuisse statnit. Automedon. XI, 46 in 
parte Cor. Phil. in cod. Pal. inseribitur Antimedonlis Cyzi- 
ceni, in Plan. Automedontis Cyziceni. Credendum haud du- 
bie, quia Philippus ipse Automedontem, non Antimedontem 
appellat, Anth. Plan. et Automedon Cyzicenus habendus est. 
Huic igitur omnia Automedontis epp. tribuenda: at VII, 534, 
quod non in parte Cor. Phil. legitur, inscriptum est AltwAov 
Avrousdovrog. 'Num alterum statuamus exslitisse Automedon- 
tem Aectolum incertae aclalis? Non puto: gentile nomini 
praepositum corruptelam redolet. Fortasse Alexandri Aetoli 
est, fortasse nostri Automedonlis. Zonam et Diodorum Phi- 
lippus se Coronae suae intexuisse dieit. Iam opp. ita inseri- 
pta in partibus Cor. Phil. inveniuntur: praeterea VII, 365 
Zwva Saodıavov tod zal Zhodwoov in parte Cor. Phil., unde 
Zonae nomen accuralius diseimus: Diodorus Zonas Sardianus. 
Sardianum fuisse haec quoque epp. docent: VII, 404. IX, 226. 
312 Zonae Sardiani; IX, 219 Diodori Sardiani. Huic ila- 
que ea, quibus solum Zonae nomen praefixum est, tribuas: 
VI, 22. 98. 106. IX, 556. XI, 43. Alter Diodorus Gramma- 
ticus appellatus esi VII, 700. 701 et Tarsensis VII, 255. Ad 
hunc referenda,, quae Diodori nudi nomen prae se l[erunt, 
V, 122. VI, 243. 348. VII, 38. 40. 74. 624. 632. IX, 60. 405. 
776. lam vide quantopere ab hac argumentalione abhorreant 
lacobsius et Passovius, qui illum haud cunctanter seculus est. 
lac. loco Strabonis, quo duo clari Sardiani laudantur, quorum 
alter Zonas appellatur, commotus est, ut Diodori et Zonae 
nomine a Philippo hos duos significari crederet , Tarsensem 
Grammaticum , eliam e-Strabone notum, terlium esse epp. 
poetam. Jam antequam aceuratius vesligia Cor. Phil. indagavi, 
sententiae illi diffidebam , quum ZJıodwgov vewregov , quo 


Anthologiae Cephalanae. 545 


nomine -Strabo alterum Diodorum Sardianum a Zona dislinxit, 
nomen in codice non reperialur. Nunc res planissima est: 
Diodorum Grammalicum Tarsensem Diodori nomine nolavit, 
non enim poterat aliter: Diodorum Zonam Sardianum Zonae 
nomine: qua ralione prudenlissime eum et ab illo et a Dio- 
doro Juniore Sardiano separavit. Hic igitur, Diodorus lunior 
Sardianus, quem Strabo sane wein zal alla noimuara scri- 
psisse teslatur, quanquam non e poelarum ordine, cerle e 
poelis epigrammalieis Anthologiae Cephalanae expungalur. Bia- 
nor Bilhynus Grammaticus. [A. i. IX, 252.] Antigonus. IX, 
406 ’Avrıyovov Kaoarıov, lege Kaovoriov: Plan.: ’Enıyovov 
Jerrar)ov. Evenus. Lemmaia variant in nomine gentili. Gram- 
maticus fuit in Cor. Phil., quod testatur IX, 251; XI, 49 ei 
tribuendum est Pass. sententia, qui 49 et 50 partem Cor. Phil. 
nominat: eliam IX, 602 Atheniensis , lac. sentenlia eiusdem 
hominis. De ceteris epp. nihil certi habeo, quod proferam: 
singularem de Evenis poelis scripsit disserlalionem Dr. Wag- 
ner, Vratislaviae 1858, quam nosse nondum mihi lieuit. Phi- 
lippus Thessalonicensis, conditor Coronae. Ad Ind. poet. 
adscribe VI, 107, exslingue XI, 34. 55, quae Philodemi sunt. 
FA..i. IX, 150. 266. 269. 562. 563. 742] 


Poetae, quos Passovius Coronae Philippicae vindicavit. 


Addaeorum vel Adaeorum (sic enim cod. Pal. variat) 
nomen haud infrequens est. Epp. XI, quae Anth. Ceph. prae- 
bet, duobus nomen genlile adiuncetum est: VI, 223 Macedonis 
in parte Cor. Phil., VII, 305 Mitylenaei, non in parte Cor. 
Phil. collocatum. Jam quum Addaeus Macedo in Cor. Phil. 
receplus sit, ei tribuenda epp. Addaei in parlibus eiusdem 
Cor.: VI, 228. 258. VII, 238. 694. IX, 300. 303. 544. X, 20 
el propter argumenlum, quod bene congruit cum eius origine, 
VII, 51. 240. Quo pacto undeeim epp. unum tanlum reslat, 
ipsum illud VIl, 305 Addaei Mitylenaei. Ideirco suspicio lac. 
in Cat. poet., Mitylenaei forlasse nonnisi unum esse demon- 


Muſ. f. Philolog. N. 3. IM. 35 


546 De fontibus et ordine 


stratione mea confirmata est. Aetas tamen Addaei Macedo- 
nis, quem lac. vixisse vult Alexandri Magni temporibus, nunc 
rectius deliniri poltest: quippe poeta Philippicus inter annum 
centesimum a. Chr. et annum centesimum p. Chr. floruit, ita 
ut cum Passovio bene is, quem inter rhetores sui aevi recen- 
set M. Seneca in Controv., haberi possit. Addaeus Mityle- 
naeus contra poetis incerlis adseribatur, nisi forlasse cum 
Pisandro Rhodio VII, 304, quem tamen secundum lemma Ni- 
colao Damasceno debere potest Ceph., receptus fuit in Mel. 
Cor., quod 295 -303 poetarum Meleagricorum probabile red- 
dunt. Aemilianus Nicaeensis. Antipater Carystius: sic in 
Anth. Pal. T. II. p. 144. Cod.: Antipater Sidonius Carystiü 
nomen perperam ex ep, antecedente repelitum est. Passo- 
vius, si Comment. crit. inspexisset, non opus habuisset haec 
scribere: „nomen aperte mendosum, sive ex ep. praecedente 
Antigoni Carystii idem huc transierit gentile ad Antipatrum 
Thessalonicensem, sive Antigoni nomen Antipatro substituen- 
dum.“ Antiphanes Megalopolita: iam tractatus est cum Anti- 
phane Macedone. Antistius. lac. „Antistium quendam So- 
sianum novimus, quem factitatis in Neronem probrosis carmi- 
nibus exilio multatum esse narrat Tacitus Ann. XVI, 14. — — 
Sed huiusne fuerint Anlistii nostri reliquiae, an alius, nemo 
facile dixerit.* Nune recte cum Passovio staluas, forsitan 
illum esse poetam nostrum. Apollonidas. XXXII epp. in Ind. 
poet. notala sunt, de quibus demas IX, 400, quod Antipatri 
est, et Plan. 235 "AnoAAwv/ov Suvovarov. Nulla causa huius 
nominis cum Apollonida multandi nostrique poelae Smyrnaei 
appellandi: reiiciatur Apollonius Smyrnaeus aliunde ignotus 
ad Anthologiam Planudeam. In Cor. Phil. est Apollonidas, 
cuius palriam ignoramus, sub Augusto et Tiberio florens. 
M. Argentarius. Pass.: „vixit sub Tiberio, idem haud dubie 
Argentarius, ex quo passim profeeit M. Seneca in Controv.* 
Corrige verba in Pass. quaest. male locata: „dubiae aelatis“ 
ad Lollium Bassum, „id. — Controv.“ ad M. Argenlarium per- 
linent. In Ind. poet. pro VI, 20 lege VI, 201. Lollius Bassus, 


Anthologiae CGephalanae. 547 


qui modo sic, modo Bassus Lollius, modo Bassus nominalur. 
Ep., quo Smyrnaeus dictus est, non legitur in parte Cor. Phil., 
XI, 72, et a Plan. Nicarcho adseribitur. In Ind. poet. pro 
IX, 55 lege ‘53, et pro X, 101 lege X, 102. Ceterum IX, 53 
Nieodemi etiam inscriptum, huius est, quippe ' «vaorosgor. 
Boethus elegiographus. Pass.: „fortasse Tarsensis, Augusto 
concedente ex urbe patria, quam impune expilaverat, eieclus, 
xaxog ev moımıng, zaxog dE noldns, teste Strab. XIV, 4, 14.* 
Dioeles: VII, 393 Dioclis Carystii in parte Cor. Phil.: VI, 156. 
IX, 109 Iulii Dioclis: XI, 35 Dioclis. Non diversum esse 
Iulium Dioclem a Diocle Carystio lac. credidit, quamquam 
hoc non salis certum sit. Aliquid roboris nunc accrescit 
puto huic opinioni. Nomen lulii, quod Graecum hominem 
indicat Romana civitate donatum, ad poetas Cor. Phil. bene 
quadrat. Alterum sane ep. VI, 186 inter epp. Zosimi Thasii 
et Alcaei positum nihil nos iuvat, sed alterum IX, 109 inter 
@deonorov et ep. Alphei Mitylenaei iniectum est, quem pro- 
babiliter in Cor. Phil. fuisse demonstrabo. Insuper haec tria 
epp. a littera O incipiunt. Dioclis vero -ep. in Musa Stratonis 
Automedonlis ep. praecedit, Totum igitur hominis nomen est 
Iulius Diocles Carystius. Diotimus Milesius: quem traclavi 
in Cor. Mel. cum Diotimo, poeta Meleagrico. Epigonus Thes- 
salonicensis. [A. i. IX, 260. 406, quae tamen eius non sunt.] 
Erycius. (Vll, 36 ’Eoxcov, IX, 824 Evovzxrov inscriptum.) 
Thessalus fuit in Phil. Cor., quod testatur unum ep. sic in- 
scriptum VII, 397: Cyzicenus Augustei saeculi ad eam per- 
linuisse videlur. VII, 250 sic inseriptum a littera 4 incipit, 
(sequuntur proxime 231. 252 Damagelae a littera 2 et An. 
tipatri a liltera 7 incipiens), 235—2409 poelarum Philippico- 
rum sunt, quorum primum ei secundum eliam inilialem habent 
4A. Utrius cetera sint, dubium est. Quorum haec in partibus 
Cor. Phil. offeruntur: VI, 96. 234. 255. VIl, 174. 568. (quod 
lac. procul dubio Cyziceni esse dicit) , 377. IX, 255. Haec 
videntur in Phil. Cor. fuisse: VII, 36. Plan. 242: unum in 
fine cap. apparet IX, 824. — Pass. Thessalum , non Cyzice- 


548 De fontibus et ordine 


num nominare debebat in quaeslione sua. Etruscus Messenius. 
Pass.: „incertae aetatis, quamquam nihil obstat, quo minus 
eundem eum Etruscum pulemus, quem cum filio a Domitiano 
in exilium missos esse novimus ex Marliale, VI, 83. VII, 39. 
Heraclides Sinopensis, quem tractavi cum Heracleto, poeta 
Meleagrico , „incertae aetalis, Diogene Laerlio tamen anli- 
quior.* Macedonius Thessalonicensis. lac. unum tantum no- 
vit Macedonium poetam, Consulem. Sed certissimis indieiis 
cum Passovio duo huius nominis poelae distinguendi sunt. 
Longe enim maxima Macedonii epp. pars in fragmentis Cycli 
Agathiae legitur aut propter cognomen Consulis additum ad 
hune, qui sub Iustiniano floruit,, pertinet: ila ut tria tantum, 
quorum unum gentile habet Thessalonicensis, in parlibus Cor. 
Phil. supersint. Huius, qui ideo inter Mel. et Phil. tempora 
vixisse censendus est, sunt: IX, 275. XI, 27. 39. Quintus 
Maeeius, sic semel, semel Quintus, semel Baccius, praelerea 
tum Maecius, tum Maccius scribitur in cod. Mucius Scaevola. 
Myrinus. Onestis epp. semel Byzantii, semel Corinthii gen- 
tile additum est. Jam hi poetae accurate dislingui possunt. 
IX, 216 Corinthü est in parte Cor. Phil.: itaque ad hunc 
omnia pertinent in partibus huius Cor. IX, 216. 225. 250. 250. 
292. X1, 32. 45. Alter quo pertinuerit, infra dicetur. Pro- 
ximo loco Pass. nominat Philippum Carystium: ita sane ep. 
in Anth. Pal. Tom. I, VII, 394, inseriptum est, sed in Comm. 
erit. error notalus: nomen enim gentile ep. VII, 395 repelti- 
tum est et cod. habet: Jeooakovızewg. Itaque Philippus Ca- 
rystius nullus est, ep. Philippi Thessalonicensis. Polemo Rex, 
etiam Ponticus appellatus, qui sub Augusto floruit: V, 68. IX, 
746. Xl, 33; quorum primum probabiliter est Lueillii, cuius 
nomen una cum Polemone in fronte gerit. (Vid. infr. Lucill. 
in Diog. Anth.) Secundus Tarentinus. Serapio Alexandrinus. 
Antonius Thallus Milesius. Unum ep. VI, 235 Thallo , tria 
Vi, 91. VII, 373. IX, 220 Thallo Milesio adseripla in parlibus 
Cor. Phil. leguntur. Th. Mil. itague ad eam pertinuit, neque 
diversus ab co videlur Antonius Thallus VII, 155. Antece- 


Anthologiae Gephalanae. 549 


dunt ibi 183—187 e Cor. Phil. Tullius Sabinus. Hoc nomen 
cum Pass. pro corrupto habeo atque reluli IX, 410 ad Tul- 
lium Geminum. 


Poetae, quos ipse Coronae Philippicae addo. 


Sunt quidam poetae, qui fere nusquam in parlibus Cor. 
Phil. a nobis designatis, sed tamen ubique fere in vieinitale 
poetarum huius Cor. apparent: quos hanc ob caussam ad eam 
perlinuisse suspicor: aelas eorum incerla est praeter unum, 
Alpheum Mitylenaeum, quem Augusti lemporibus vixisse indi- 
cia clara sunt in eius epp.: Julius Polyaenus Sardianus is esse 
videtur, qui sub C. Caesare vixit: in qualuor poelis eliam 
nomen Romanum coniecturam confirmat: vel litterarum ordi- 
nis vesligia quibusdam locis, quanquam tenuia, impressa 
vides. 

Alpheus Mitylenaeus. . Eius epp.: VII, 237 in ipsa parte 
Cor. Phil. a me addita 255—240. Lemma tamen inter hunc 
et Phil. Thess. variat. Plan.: Alphei. IX, 90. 95. 97. 100. 101. 
104. 110. Haec sunt epp. proxima et interiecla: 

81—89 pars Cor. Phil. 
90 Alph. Mit. 
91 Arch. iun. 
92 Ant. Thess. 
95 Eiusdem vel Sidonii. (Thess. procul dubio est 
propter argumenlum.) 
94 Isid. Aeg. 
95 Alph. Mit. 
96 Antip. Gentile Thess. Plan. addit. 
97 Alph. Mit. 
98 Stat. Flacc. 
99 Leon. Par. 
100 Alph. Mit. 
101 Eiusdem. Plan.: Ant, Thess. 
102 Anton. Arg. 


550 De fontibus et ordine 


105 Mundi Munatii, incipiens a liltera H. 

104 Alph. Mit., incipiens ab eadem. 

105 Anonymi, incipiens ab eadem. 

106 Leon. Tar. 

107 Eiusdem. Plan. St.: Anth. Thess. 

105 Anonymi | 

109 Iul. Dioel. incipientia a littera O. 

110 Alph. Mit. \ 

Reliqua epp. Alphei sunt IX, 526. All, 15, eirca quae 
Cor. Phil. nulla deprehendo vestigia. — Plan. 212. In hoc 
solo nomen gentile omissum est: anteit ep. Stat. Flacci, se- 
quuntur post Mel. vel Stratonis ep. tria epp. poelarum Philip- 
picorum. Antonius Argivus, IX, 102: cuius ep. locum iam 
adseripsi. [A.i. IX, 103, quod tamen eius non est.] Archias 
iunior, IX, 91 eodem loco: Archias in extrema disserlatione 
mea traclabo. Archimedes, VII, 50 inter Bianoris et Addaei 
ep. Jac. in Comm. erit. hoc ep. Archimelo dare mavult, quem 
epigrammatarium poetam novimus ex Athenaeo, in App. epp. 
15, librariumque nomen clarius ignoto substituisse exislimat. 
lam Archimelus si reapse composuit VII, 50, non videtur ad 
Phil. Cor. pertinuisse propter argumentum ep. in App. 15: ast, 
ut depravalum nomen Archimedis statuamus, quum causa sa- 
tis gravis desit, poetam tenemus, qui propter epp. eircumdan- 
ia in Phil. Cor. receptus fuisse videlur. Cyllenius: IX, 4. 
Cod.: Kviinviov. Plan.: Karkıviov. IX, 3 incipiens a littera 
E Antipatri vel Platonis est. Hoc ep. si Antipalri est, Thess. 
esse videlur: ef. diss. meam p. 89. IX, 33. Cod.: Kviinrov. 
Plan.: K. Ilerı@vov (quod nomen ad hominem Romanum al- 
legal). Praecurrit ep. Antiphili, Zeloti vel Bassi, Anonymi; 
sequuntur duo epp.. Antiphili Byzantii, unum Secundi, unum 
Tullii Flacei. [A. i. IX, 35.] Isidorus Aegeates, quem anli- 
quiorem esse poetam epp. indoles docet. Brunckius Antiphilo 
priorem eum censet, neque confundendus est cum Isidoro 
Scholastico. Sex eius epp., quorum VII, 156. 295 nihil nos 
iuvanl, sed qualuor quae restant: 


Anthologiae Cephalanae. 551 


VII, 280, 281 est Heraclidis. 
532, 530. 531 sunt Anth. Thess. 
18,45 9 Jul. Polyaeni 
10 Ant. Thess. incipiunt a liltera Il. 
11 Philippi vel Isidori 
94, eius locum iam adscripsi. . 
Mundus Munatius, IX, 103: cuius ep. locus iam adscriptus 
est. Julius Polyaenus : si tanti est locus modo exscriptus, IX, 
7—9, 7 et 8a littera E ineipiunt. IX, 1 Polyaeni Sardianti 
inseriptum est. Statyllius Flaccus. Phalaecum, qui perperam 
Flaccus aliquoties nominatus est, in Mel. Cor. receptum fuisse 
vidimus. Statyllio Flacco cetera epp. diserte tributa sunt, 
unum, VI, 196 Statyllo Flacco, in IX, 44 et 45 lemma va- 
riat. Eius epp. sunt: 
V, 5, anteeunt epp. Ant. Thess. et Philodemi. 
VI, 196, incipiens a littera P; sequitur ep. Simonidis, tum 
Ant, Thess., incipiens a littera 2 et Antiph. Byz. 
VII, 290, praecedunt haec quatuor epp.: unum Ant. Thess., 
tria Antip., unum Ant. Mac. 
IX, 44 et 45, in quibus lemmata inter Statyll. et Platonem 
variant, inclusa sunt epp. Parm. Mac. et Ant. Mac. 
98, iam adscripsi eius locum in disput. de Alph. Mit. 
117, 112 Ant. Thess. incipiens a litiera T, 113 Parm, 
inc. a litt. O, 114 eiusdem inc. a litt. II, 115. 
116 Anonymi, 117 Stat. Fl. inc. a litt. 11. 
Plan. 211, sequitur ep. Alph. 
XU, 25—27, praecedit ep. Laureae. 
IX, 37 Tullii Flacei inscriptum est, antecedentibus epp. An- 
liph. Byz. et Secundi. Idem haud dubie est ac 
Statyllius. [A. i. VII, 650.] 

Carmina anonyma, quae inter Meleagrum et Philippum 
scripta sint necesse est, nominat Pass. haec: VI, 57. VII, 626. 
IX, 252. 547, 553. Demenda de his: VI, 87 et IX, 547, 
quae iam tractavi, IX, 553 Ant. Thess. esse videlur. Addenda 
e parlibus Cor. Phil. per me invesligalis: VII, 691. 699. IX, 


552 De fontibus et ordine 


705. (706, quod Anonymi est in Anth. Pal. Tom. II, Antipa- 
Iro tribui comm. crit. docet,) forlasse VI, 41.42. IX, 704, XI, 
344. 32. 


3. Diogeniani Heracleotae Anthologium. 


Praeter partes Coronae Philippicae, quas enumeravi, res 
loci ad ordinem elemenlarium compositi in Anth. Ceph. repe- 
riunlur: maiores quam quarum ralionem casui tribuere liceat: 
poetarum, quorum nullum in partibus Cor. Phil. deprehendi- 
mus, qui contra parlim ad eam perlinuisse non possunt. Eo- 
rum, quorum aelatem habemus comperlam, anliquissimus, Lu- 
cillius, sub Nerone floruit , »recentissimus, Lucianus, vitam 
usque ad annum CC post Chr. produxit. Sunt hi loci in cap. 
Al fine 355—308. 399—413. 417—436. Passovius p. Öl in: 
„Ueber die neusten Bearbeitungen der griechischen Antholo- 
gie.“ (Annal. phil. et paed ed. M. Chr. Jahn 1827. I p. 58 
— 76.) se Anthologii epp. a Diogeniano Heracleota facli ve- 
stigia deprehendisse ce, XI, 399-413 et 417—436 strietim 
dieit: quam suspicionem verissimam censeo et in ipsa hac 
diss. parte persequi studebo. Audiamus ante omnia Suidam, 
quo solo notitia nostra Diogeniani nilitur: royeveıavog, "Hoa- 
x).Elas &TE00G, OU Tng Ilovrov, yoaumuarızdg, yEyovws zul av- 
zog Eni Adgıarov Paoıkewg* Enıoryreov dE, unnore Eoriv Ö 
&x ıns Alßaxns "Hoaxkeiag ing Ev Kaoia laroös. 7 yao nv 
0070S navıodoıg Aöyoıs: (deest nenaıdevuevog vel tale quid 
Kust. navzorog Aoyıos Toup. navrorog Aoyoıg Gaisl. navrorus 
2öyovg Bernhardio refingendum videlur.) ou yag zvoov o7- 
zog ro ES Hoazxkeıag avrov elvar ung £v Tlovım. arıa ovıw 
na0a rı0ı Öedoguorar‘: 20Tı ÖE avrov Pıßkla ravım Akseıg 
navrodanal zara oroıyelov, &v Pıßklorg &* Enıroun dE Eotı 
zov Tlaugpikov Asseov Pıßklov E xal TETERX00IWwv al 10V 
Zonvolwvog* Enıyoauuarov ’Avdoröyıov. (ila enim cum Bernh. 
interpungendum.) 20 norauwv, Auvov, xomvov, 09W», 


> — \ - - ’ > 
UWXIWIELWV. TIEOL nOTaUWV xUTa OToLyElov, Enitouov Kvayga- 


Anthologiae Cephalanae. 555 


pn.  ovvaywynv zul nivara 100 Ev naon ın yn nolewv zul 
t« koına. lac. in Proll. p. XLVI nihil fere profert, nisi 
quae e Suida sumsit, nam quid Diogenianus in illa Anthologia 
seculus sit, quos in eam poelas admiserit, quo ordine cos 
disposuerit, penilus nos ignorare ait. Jam nunc igitur hanc 
colleetionem aliquanto melius cognoscere licet. Diogenianus 
enim Philippi, ut hie Meleagri, operam usque ad tempora sua 
videlur esse proseculus, quod poelae a se recepli, quorum 
aelatem supra signilicavi, demonstrant. Quum Lucianus quo- 
que inter illos fuerit, nota aelatis, quam Suidas Diogeniano 
addidit, non premenda videtur. Contra litterarum ordinem 
eum secutum esse oplime cum lexicographo conspirat, quı 
multa opera Diogeniani zur« oroıyslov composila esse narret. 
Quod autem A4vJoAoyıov formam pro Ardoroyig usitaliore 
aseilam eliam ab loanne Stobaeo Passovius in notitia de An- 
thologio Orionis Thebani praemissa libello academico Vrat. 
aest. a. 1851 p. 4 salis subliliter disputavit ad mixtam cum 
poelica prosam orationem speclare, id non video, quomodo 
in Enıyoauuaıov avdoroyıov accommodelur Diogeniani. Vid. 
Fr. Ritschel. de Oro et Orione Vratisl. 1854 p. 9 his fere 
verbis cum Passovio disceptantem. 

Poelae hi sunt: a) quorum tempora novimus: Ammianus 
sub Traiano et Hadriano vixit. Ad Ind. poet. adde XI, 13— 
16. Quae si addideris, habes XXXVI eius epp., quorum XXV 
asservantur in cap. XI. [A. i. IX, 574. XI, 3. 16. 05. 142. 
149. 155. 268. 376. 435. 436.] Lucianus Samosatensis. Ind. 
poet. XXVI. epp. in Anth. Ceph. praebet, quorum V tantum 
extra cap. XI leguntur. [A. i. VI, 18. IX, 74. X, 30. 107. 
122. XI, 10. 17. 80. 81. 129. 239. 420.] Lucillius. V, 68 
Lueillii esse, non Polemonis Pontici probant epp. 66—77 poc- 
tarum ex Anthologio Diogeniani. XI, 173 cod. Philippo, Plan. 
Lucillio assignat, Stob. Palladae. Plan. credendum, quia 169 
— 156 ex eodem Anth. depromta sunt. CXIV epp. in Anth, Ceph. 
esse discimus ex Ind.: rursus V lanlum non in cap. XI sunt. 
[A. i. IX, 573. 574, X, 109. 111—116. 126. 173. 186. 244. 


554 De fontibus et ordine 


281. 232. 293. 316. 330. 372. 394. 408. 433.] Nicarchus 
primo p. Chr. saeculo vixit. In Ind. poet. adde XI, 118— 
122, quorum 115 et 119 bis exhibentur: hoc ipso loco 118 
cum ep. Stratonis cohaerens in cod. lemmate caret: sequen- 
tibus 700 avrov additum est. Plan. Nicarchi. Altero loco 
115 et 119 Callicteris inscripta sunt. Cuius omnia illa 
115—122 habenda sunt procul dubio, etiam poelae, quem 
assumsit Diogenianus. Duo epp. Nicarchi partibus Cor. Mel. 
immissa sunt, VI, 285 et IX, 330, quod supra nolatum est. 
XI, 169. 170, quod Plan. et Stob. aliter inseribunt, 186, quod 
vett. edd. Plan. Leonidae, reliquae Lucillio dant, quia 169 — 
186 pars Anth. Diog. sunt, Nicarchum auctorem habent, de- 
inde XI, 415 Antip. vel Nicarch. inscriptum, in Plan. «d, 398 
Niciae inscriptum; denique XI, 7, quum 5—6 Callicteris Man- 
tisii sint, Nicarcho, cuius ingenio etiam melius convenit, cum 
Plan. rectius tribuas, quam Nicandro cum cod. Pal. Ceterum 
in Ind. poet. pro X, 1. XI scribe XI, 1. XLVI epp. in Anth. 
Ceph. sunt seeundum Ind. poet. a me correetum: XXXVIIL in 
cap. Al. SA. i. VII, 570.0 XL, :7.,72:01095,118:4244,7398] 
Philo, fortasse Byblius Grammaticus, qui inde a Nerone usque 
ad Hadrianum vixit. Unum superest eius distichon XI, 419. 
Traianus XI, 418. [A. i. IX, 388, 389.] 

b) Poetae, quorum tempora non constant, qui tamen 
ex ipsa mea dissertatione iisdem temporibus vixisse censendi 
sunt: Antiochus. Iac. Fabriecium suspicari dieit Antiochum 
esse Aegeum sophistam, qui sub Severo et Caracalla vixit. 
Neque Fabricius, qui ad Antiochum „nescio quem“ epp. re- 
fert, hanc suspiciouem movit, neque illius aetas salis conve- 
nit cum Diogeniani tempore. [A. i. IX, 424, quod tamen Pi- 
sonis est.] Apollinarius. Fabrie. duos exeitat, quibus temporis 
ratione habita hacc epp. tribui possint: A. episcopus Raven- 
nae, qui sub Vespasiano marlyrium subiit. Claud. A. epis- 
copus Hierapolilanus circa a, Chr. 171. Iac., qui Libanii ami- 
cum forlasse hunc A. fuisse dieit, nunc nequeo assenliri. 
IX1, 346.]. Gaetulicus. Argumenta a lac. contra Cn. Lentulum 


[eb 


Anthologiae Cephalanae. 55 ., 


Gactulicum, qui a Caligula oceisus est, auctorem horum epp. 
habendum prolata tam gravia existimo , ut ne nunc quidem, 
aclate eius a Diogeniani Anthologio non plane abhorrente, 
de eo cogitem. X epp. Ind. poet. habet. Helladius. lam 
duorum a lac. commemoratorum, quorum alter sec. IV ineunte, 
alter sub Theodosio iuniore vixit, neuter illud ep. composuisse 
potest. Piso. 

Praeter tres locos, quos supra dixi, tenuia tantum in his 
poetis ordinis litterarum vestigia conspiciuntur, fere omnia in 
cap. XI. Haec sunt: V, 17—22. 38—41. 43—45. Al, 68— 
69. 80—S3. 174— 177. 214— 218. 309—312. 313—316. 329 
— 332 (sequitur 332 a litlera O incipiens in cod. ep. Cilla- 
ctoris, alio loco a lac. exhibitum non minus a litt. O inci- 
piens.) Ex his locis tres poetas assumo, qui eliam in Diog. 
Anth. fuisse videntur, omnes aetatis incertlae. Callicter XI, 
2. 118—122 (quae cur Callicteri addam, dixi ad Nicarchum) 
333. — XI, 5. 6 Callicteris Mantisi, Cillactoris V, 29 et 45. 
lam ex hoc indice Ind. poet., qui mendis scatet, corrigalur. 
Onestes. 

Praeter ea epp., quae Onesti Corinthio, poetae Philippico 
supra dedimus, Onestis nomine tria epp. insignita sunt: V, 20 
in fragmento illo, quod adscripsi : VII, 66 (71 Gaetulici est): 
VII, 274 Byzantiü gentili addito (sequente ep. eiusdem Gae- 
tulici). Alter igitur Onestes Byzantio oriundus erat, in Diog. 
Anth, receptus, eique haec tria epp. adscribenda puto. Quod 
tamen si de duobus concesseris, de VII, 66 vero ambigas, 
haud alta voce obstrepam. Rufinus- Ex Ind. poet. exime V, 
284, quod Rufini Domestici inscribitur, quem diversum ab hoc 
Rufino ad Agathiae Cyclum pertinuisse infra demonstrabo. 
lac. eius epp. oralione et indole non multum diversa esse 
videntur ab iis, quae Agathias, Paulus , Macedonius aliique 
saeculo VI luserunt. Quae ut vera sint, nunc nullo pacto 
adduci possum, ut aequalem iis habeam Rufinum , qui quippe 
probabiliter in Diog. Anth. receplus secundo potius saeculo 
vixisse videlur. [A. i. V, 23. 26. 73. 89.] 


556 De fontibus et ordine 


lam incredulus fortasse quaeris, qui factum sit, ut Cor. 
Phil. tot et in omnibus capp. indubitata litterarum ordinis ve- 
sligia appareant, in Anth. Diog. parlibus tam pauca et maxi- 
mam partem non admodum luculenta. Cuius rei caussam, ut 
puto, salis idoneam tibi indicare possum. In universum illud 
Anthologium parvum erat, quia exiguum tantum temporis 
spalium complexum est: tum plerique, qui ad illud videntur 
contulisse, poelae satyriei erant, quod genus poesis epigram- 
malicae tunc maxime florebat:: itaque in cap. AI vestligia illa, 
quae anquiris, maxime exstant: in celeris non multa deinceps 
promenda reperit C. Cephalas. Vide enim, totum fere cap. 
Al, si 23—46, 65—67 , 318—527 partes Cor. Phil. , 57—64 
fragmentum Cyeli Agalbiae, 457—442 extrema epp. et Palla- 
dae lusus exceperis, Luciani, Lucillii, Ammiani, Nicarchi epp. 
conslat, paucis tanlum singulis epp. ex aliis Anthologiis im- 
mixlis. lam iterum quaeras fortasse: cur huic ipsi cap, non 
plura ordinis elemenlarii vestigia impressa sunt? Respondeo: 
Quia C. Cephalas in eo argumentorum similitudinem, ad ex- 
emplar fortasse Agathiae, quam maxime sectans litterarum ordi- 
nem fere ubique relinquere coactus est. In fine cap. autem spi- 
eilegium quasi faciens, totum Diogeniani opus a littera 4 ad 
2 ter perquisivit: unde hie tantummodo clara huius ordinis 
videmus vesligia. Quae cum ita sint, nosque ordinem ipsum 
ad fragmenta Anth. Diog. cognoscenda anxie desiderare non 
possimus, coniectura quosdam poetas addo, quorum epp. sem- 
per in vicinia poetarum laudatorum leguntur. In duobus ae- 
talis certa indicia nobis favent: Dionysius Sophista. Tria epp. 
Dionysii inscripla in quaestione de Dionysio Rhodio poela 
Meleagrico supererant, de quibus nondum statui poterat, haec: 
V, 81 Dion. Soph. 66—77 poetarum sunt ex Anth. Diog. X, 
33 Dion. 26—29, 31. 35—37. 41. 42. Luciani sunt. XI, 182 
Dion. 174—-181 Lucill. et Ammian. 183—186 Lucill. et Ni- 
carchi sunt. Jam Dionysium Sophistam sub Hadriano vixisse 
seimus: qui quin tria illa epp. composuerit, non ‚dubilo. [A. i. 
V, 52. 83.] Hadrianus. Quem a Diogen. non omissum fuisse, 


Anthologiae Cephalanae. 557 


per se maxime probabile est. VI, 332. (331 est Gaetul.) VII, 
674. IX, 137. 387. 402. IX, 17. Extremum in Ind. pt. omis- 
sum. Duo, qui coniecturis tempori Hadriani adscribi possunt, 
accedunt: Cerealis Xl, 129. 144. Epp. 194—157 e Diog. Anth. 
quaesila sunt. Fortasse est Julius Cerealis Gigantomachiae 
auclor, ad quem Martialis quaedam epp. scripsit. Pollianus. 
XI, 127. 128. 130. 167. Epp. 124—-157. 159—167 pars Anth. 
Dieg. Iac.: „Ep. Il est in Florum poetam, quem Fabricius 
eum esse suspicatur, qui sub Hadriano floruit. Cf. Fabr. bibl. 
Lat. T. II p. 439.“ Confirmatur disputatione mea haec suspi- 
cio, quam tamen a Fabr. 1. J. factam esse non invenio, qui 
Polliani ne verbo quidem meminerit. { 

Praeterea tres poelae incerli addendi: Callias Argivus. 
XI, 232. Epp. 226—247 pars Anth. Diog. Capito. V, 67. Epp. 
66—77 pars Anth. Diog. Cornelius Longus, Plan. Longinus, 
VI, 191 post ep. Gaetul. Cornelius, Plan. 117. 

Carmina anonyma, quae ad Diogeniani Anthologium per- 
tinuisse videntur, haec sunt: IX, 137, 1 et 2 (Grammalici 
enim sunt ad Hadr.) (572) propter 573 et 574 sumla ex Anth. Diog. 

XI, 86. 108. 109 » 736 


” 

125.196:145.149.1515 1 MET, y y 
166 are 
193 REBEL Zaren .g, 
244 eg rege 
250 IRNILIU TU BR.) 17 VENRRELVE EL BET 
(260-262) One, 
(267—273) gg 
316 ge er 


4. Stratonis Sardiani Musa puerilis. 


Quam cur e quaestione mea excludam, supra dixi. Cete- 
rum nonnulla epp. ex ca, si argumenltum salis cerlum est 
indicium, in cetera capp. Anthologiae Cephalanae translata 
sunt, sicuti ipsius Stralonis epp. XI, 19. 21. 22. 117. 225, 


558 De fontibus et ordine 


quae omnia ad puerorum amorem spectant praeler XI, 117, 
Poelis Anthologii Diogeniani haec epp. immixta, neque lamen 
propterea Strato ad hoc pertinuisse videlur, qui, quamquam 
altero p. Chr. saeculo tamen post Diogenianum probabiliter 
vixerit. IX, 492—494 in cod. oroar. Huschke Stratonis in- 
scribit, Jac. orgatıwrov legere malit. [A. i. IX, 3.] 


£ 
5. Diogenis Laertii Pammetrus. 


Diogenis Laertii, qui primis III p. Chr. saeculi annis vi- 
xisse videtur, Pammetrum et Vitas Philosophorum Anthologiae 
suae adhibuisse C. Cephalam , lemmata duo testanlur, unum 
VII, 89 praefixum, alterum super. marg. p. 222 aflıxum : zovro 
hoyevns 6 Auasorlov Aeysı Ev Tolg Tov Qıhooogywv Ploıg wg 
idıov, ninv navıa Jıoyevovg Eloi Tod Twv Qırkoooygwv Plovg 
avaygayausvov. — Tuvra ra Entyoauuura EZ Tyg nauue- 
Toov ESehkynouv Aasgriov Aroyevovg E42 ıng Pißkov ıng Enı- 
yoagouevns Biwv ptikooopwv. De illo Pammetro dixit Iac. in 
praef. ad del. epp. p. XIII: „Honestius consilium secutus Dio- 
genes Laerlius, Vitarum Philosophorum auctor, ea potissimum 
epp., quae ad philosophos spectarent, collegit et in peculiari 
libro condidit. De qua collectione si iudicare licet ex iis, 
quae Diogenes inde in Vitis excilavit, longe maxima pars 
eius conlinebatur ineptis et jeiunis ipsius compilatoris poema- 
liis, vario meltrorum genere conscriplis, unde totum illud syn- 
tagma Jlauueroov litulo inscriptum fuit.* 

Nobis nulla alia epp. a Diog. La. sumta videri posse, 
nisi quae ipse in Vilis citet, per se intelligitur: nam num quae 
praeterea illi debeat Constanlinus, nulla fere indicia sunt 
cognoscendi. Haec vero epp. in duas partes dividuntur fa- 
cillime , epp. Divgenis ipsius ei aliorum poetarum. 


Epp. Diogenis Laertü. 


VII, 57. 85. 87. 88. 89. 91. 92. 95. 96—98. 101. 102. 
104 — 116. 118. 121 — 124. 126. 127. 129. 130. 133. 620. 
706. 744, Praeter lemma ad VII, 89 cod. Pal. tanlum epp. 


Anthologiae CGephalanae. 559 


VI, 95. 620. 706 diserte Diogeni tribuit: omnia vero ipse 
Diogenes in Vitis sibi vindicat. Quum plura eius epp. sese 
excipiant cap. VII, auctorem semel bisve indicasse salis ha- 
bebat Constantinus. De VII, 744 iam dixi ad Crinagoram. 
E coniectura addenda III epp., quae licet in Vitis non legan- 
tur, lac. ingenium Diogenis sapere videntur: VII, 48. 56. IX, 
358. Eximendum vero VII, 39, quod in cod. quidem Diogeni, 
in Diogene ipso Callimacho tribuilur et alteri classi tribuen- 
dum est. 


Epp. aliorum auctorum. 


Haec magnam partem anonyma sunt: VI, 61. 62. 64. 83. 
84. 86. 90. 93. 94. 119. 125 ‚Gin Anth. Pal. cum lemmate 
tov avrov i. e. Diog. La.: neque tamen eius est. Diogenes 
enim hoc ep, Epicharmi staluae inscriptum fuisse tradit.) 128, 
615—619. IX, 596. X, 106. Ceterum non semper in lemma- 
tis conspirant cod. et Diog. La.: qua de caussa quaedam 
aliunde hausisse videtur C. Cephalas: 

VIl, 60 D. L.: sine auctoris nomine, Cod. : Simmiae. 
217 D. L. cum Athen.: Platon., Cod.: Asclepiad, 
508 D. L.: Empedoel., Cod.: Simonid. minus recte. 
IX, 39 D. L.: Plat., Cod.: Music. vel Plat. Stob. «d. 
44 D. L.: Plat., Cod.: Statyll. Flacc. 
Horum VII, 217. 508 haud dubie Mel. Cor. debet C. Cephalas; 
VII, 326 e Plutarcho habere videtur; IX, 106 quum plurimi 
eitent, nescio ex quo derivaverit. 

Poetae vero, in quibus concinunt Diog. et Const., parlim 
sunt Cor. Mel.: Callimachus, VII, 80. (89.) Plato V,79. VII, 
99. 100. 259. 669, quibus addendus Antagoras VII, 103, quo 
Const. auctoris nomen omisit. Horum epp. VII, 259. 669. e 
Cor. Mel., cetera e Diogene depromta esse videntur, — Par- 
tim poetarum nomina in Anthologiis iam tractalis non repe- 
riunlur: Cleobulus Lindius VII, 153. Huic soli Diog. hoc ep. 
adscribit, quod Const. cum mullis aliis etiam ad Homerum 
refert. Quam sententiam Diogenes impugnat, quum lliadis 


560 De fontibus ei ordine 


auctor Midae multos annos praecesserit. In Cat. poet. lac. 
Homeri ep. non relatum esse in Anthologiam dieit. Adde 
Cleobuli XIV, 101, quod ad nostram quaestionem non perli- 
net. Crates IX, 497. Empedocles IX, 569: quod cp. iam 
tractavi in Cor. Mel. Timon. lac. eum falso poetis annume- 
rari dieit in Cat, poet., quia in Anal. tantum VI, 315 ei tri- 
buatur, in cod. auctoris nomine carens. Jam habes ep. cod. 
et Diog. auctorilate Timonis inscriptum, quibus accedat in- 
certum X, 38 Dionysii, ab Athenaeo Timoni datum. Xeno- 
phanes VII, 120. Omisit’lac. hune in Cat. poet. Addendi 
duo poetae, quorum ep. in A. P. anonyma sunt. Athenaeus 
IX, 496. Zenodotus Stoteus VII, 117. Addenda denique epp., 
quae e Diogene depromta sunt, e coniectura lac.: VII, 131. 
132, e mea VII, 63. 134. 135. 621. 


6. Agathiae Myrinaei Cyclus. 


Vide lac. proll. p. L sqq. Si numerum speclas epp. ex 
diversis Anlthologiis derivalorum, Agathiae Cyclus comparalio- 
nem habet cum Meleagri et Philippi Coronis: hae tres colle- 
cliones quasi fontes primarii habendae sunt Anthologiae Ce- 
phalanae. Testis vero luculenlissimus de Cyclo a Constanlino 
usurpalo est Agalhiae prooemium in cap. IV Anth. Pal. cum 
prooemiis Mel. et Phil. servatum : unde, ex Agalhiae historia 
et e Suida scimus , Agalhiam v&w»v poelarum (vewv Enıyoau- 
uarov schol. cod. vdov jdvouarov Agalh. prooem. r@ worı- 
yvn zul veoreya Tov Entygoauuarov Ag. hist. Jac. poelarum 
„sui acvi“ dieit, quod nimis arclam temporis esse nolam, mox 
intelligemus) epigrammalta collegisse camque colleetionem 
Kvz)ov vocasse : Agalhıam cum Paulo Silentiario, Macedonio 
Consule, Triboniano temporibus Iustiniani vixisse: Anthologiam 
suam in VII capp. secundum argumenlum deseripsisse. Qua 
in re eius exemplum scecutus est Constanlinus, in epp. aulem 
singulis cum plerumque ordinem servavit Agalhias, ul poelae 
quasi in orbem contexli sint, raro duobus eiusdem aucloris 


epp. sese excipienlibus. 


Anthologiae Cephalanae. 561 


lam nos fragmenta huius Cyeli in Anth. Ceph. quaeren- 

tes nullus ordo lilterarum iuvat, veluti in Philippi et Dioge- 
niani collectionibus: restant lantum parles maiores invesligare, 
in quibus Agalhiae et aequalium epp. invenianlur el eorum, 
qui facili coniectura illi tempori adscribantur, denique epp. 
quoque anonymorum, quae ob aliquam caussam sat gravem 
eiusdem aetatis esse videantur. Inveni has: V, 216—502. 
VI, 18—20. 25—30. 54—86 (87). VII, 204—206. 551—614. 
IX, 442447. 619—681 (fortasse 606 699, si addere pla- 
cet 606—613. 615—618. 632—699 anonyma propter argu- 
menti similitudinem). 762—772. forlasse 795—822 (in quibus 
795—798 Jul. Aeg., 808—809 Cyr. Cons., cetera anonyma 
sunt. Argumenltorum similitudo et epp. indoles ad hanc sen- 
tentiam invitant) X, 14—16. 64—-76. XI, 57—64. 350 —554. 
365—982. Epp., quae nequaquam in Cyclum Agalhiae re- 
lata fuisse possunt, tria tantum his partibus immissa sunt: 
VI, 62. VII, 554 Philippi Thessalonicensis, V, 265 Cometae 
Chartularii, quem lac. Conslantino aequalem fuisse haud male 
suspicaltur. Dubilationem vero plurima Palladae epp. Agathiae 
Cycli parlibus iniecta movent, ut V, 257. VI, 60. 61. 85. VII, 
60726107 %,.65. 72. XI, 62.. 351, 353..371. 379.,377..378. 
381. Adde alia Palladae epp. partibus Cycli praemissa, IX, 
441. XI, 54—56. 349, alia subiecta IX, 773. X, 77—49. 355. 
383—337.  Palladam ut Cycli poelis annumerarem , animus 
valde inclinaret; nisi aelas poelae huic sentenliae non ad- 
modum faceret: vixit enim ineunte saeculo V, lortasse iam 
sub Valente et Valentiniano scripsit. Neque tamen haec ratio 
satis valida est ad Palladam e Cyclo eximendum, quoniam 
saeculi V poetae nonnulli in Cyclum procul dubio sunt recepti. 
Rem autem conficere videtur lemma cod. Pal. ad VII, 339: 
aönhov Eni zivı ToVTo yeyoanraı, nknv OTı &v zols tov Jlar- 
kada Enıyoauuooıw evg&dn, quod ad colleclionem Palladae 
epp. singularem nos adducit. Multa eius carmina sese exci- 
pientia hanc opinionem confirmant, VII, 681—658, IX, 165— 
176. 180—183. 377— 379, 393—395. 399—401. X, 44—63. 
Muf. f. Philolog. N, 8. IM. % 


k 


— 
—— 


562 De fontibus et ordine 


77—99. Al, 233 —293. 299—304. 383—387. Denique ma- 
gna pars epp. eius ne in propinquitate quidem poetarum Cyeli 
iegitur. Quibus caussis admolus Palladam non ad eum perti- 
nuisse pulo, quanquam hoc sane, ut et Palladae epp. in Cyclo 
invenerit et singulari eorum collectione usus sit Ceph., fieri 
potuit. Composilionis secundum argumentorum similitudinem 
in parlibus Cycli capp. VI et IX praecipue vestligia conspici- 
mus, quae composilio utrum Constantino soli an Agathiae 
quoque debeatur, seire non possumus. Singulos hunc poelas 
enumero, quos in quinque classes distribuo, 

A. Qualuor, qui ad seculum V pertinent. Cuius priore 
dimidio vixerunt probabiliter Ablabius Illustrius. Eutolmius 
Scholasticus Illustrius. Theosebia. Medio saeculo vixit Cy- 
rus excpraefectus, magnus poela. 

B. Vnus, quem ineunte saeculo VI vixisse verisimile est: 
Marianus Scholasticus. 

C. Quinque, quos lustinianeo aevo floruisse scimus a) 
e Suida: Agathias Scholasticus Hyrinaeus. XCVII epp. in Ind. 
poet., ubi'pro IX, -652 lege IX, 653. TA.i. V, 241. 242. VI, 
872472. "VILNS1TE IX, 37556972 XL, 897..977.401 AU AL] 
Damaseius philosophus. Macedonius. lam dixi ad Macedo- 
nium Thessalonicensem, cur omnia Mac. epp. praeter Iria ad 
Consulem referenda sint. Hoc enim epitheton omnibus addi- 
tum est praeter V, 223—225. XLII epp. supersunt, omnia in 
partibus Cyeli praeter VI, 175. 176. Plan. 5l. Paulus. Silen- 
tiarius. LXXVIN epp. Ind. praebet, quorum X, 60 Palladae 
est. [A. i. VII, 221. 600. IX, 444.] b) e lemmate : Damo- 
charis Grammaticus; ibi enim Agalhiae discipulus vocalur. 
Plan. 310 non nominavit lac. in Ind. poet, 

D. Quos faeili coniectura lustiniani tempori adscribimus, 
oclo: a) propter argumentum et indolem epp., Arabius Scho- 
lasticus. IX, 762 in Ind. poet. est Ablabii. Eratosthenes 
Scholasticus. Ep. in App. 25 non huic adscribendum eral a 

se. in Ind. poet., est enim Eratosihenis Cyrenaei. Joannes 
Barbocallus VI, 55 vel Barbucallus IX, 425—427. Plan. 38. 


Anthologiae Cephalanae. _ 563 


327, addito eliam poetae nomine Plan. 218. 210, poela VII, 55, 
Grammaticus IX, 628. Ne Barbucallum poetam et Grammaticum 
diversos esse statuamus, vetat IX, 629, altero loco loanni Gram- 
matico, altero loco Barbucallo additum. [A. i. IX, 427. 594.] Iu- 
lianus Aegyplius vel expraefectus Aegyptius. LXXIII epp. laudan- 
tur in Ind. poet. [A. i. VI, 21. 186. VII, 592. IX,9.737.] Leontius 
V, 295.8, 650, L Scholastieus VII, 139. 571. 573. 875. 579. 
IX, 624. 630. Plan. 32. 33. 245. 272. 2853—258, L. Sch. Mi- 
nolaurus IX, 614. 681. Plan. 37. Licel plures fuerint Leonti 
Scholastici, nihil est quod nos impediat, quominus uni auclori 
haee epp. Iribuamus, quem tempore luslinianeo vixisse argu- 
inenla epp. probabile reddunt. Theaetetus Scholasticus. Eius 
a Theaeteto Meleagrico distinguendi nomen prae se ferunt Hl 
epp.: VI, 27. IX, 659. X, 16 in parlibus Cycli. Theaeteli 
Meleagrici epp. simplicia sunt et eleganlia, Scholastiei virtute 
poelica non valde commendanlur, sed tumore et pompa ver- 
borum, ut Horatiano illo utar, sesquipedalium sese iactant. 
Inde recte huic Brunckius Plan. 221 et 235 Theaeteli inseri- 
pla dedit. Restat unum, in Anth. Pal. omissum, quod Anth. 
Plan. servavit, Anal. Br. II, 516, VI, quia in lulianum Ante- 
cessorem, poelam Cyeli scriptum est, non minus Scholastico 
iribuendum. lam in Ind. poet. diversorum hominum epp. di- 
stinguere licet confusa. b) Ex ipso illo Theaeteli ep. VI in 
Anth. Lips. eoniicias lusliniani tempus prolulisse eliam Julia- 
num Anlecessorem XI, 367—569, eundem , ut videlur,, qui 
Scholasticus 6 uerewoog appellalus est, IX, 451. JA. i. VI, 
186.] c) Theodorus Proconsul. Is esse videlur, cui Aga- 
Ihias Cyclum suum dicavit. 'Theodorum Meleagrieum iam 
diximus. 

E. Incerli quinque, quorum unus tamen tilule Scholastiei 
sec. V et VI adscribitur, (vid. lac. in cat. poet. Eratosth.) 
Isidorus Scholasticus Bolbythiota. (Isidorum Aegeatem iam 
novimus.) Diogenes Episcopus Amisenus. Irenaeus Referen- 
darius. Phocas Diaconus. Rufinus Domesticus (in Plan. Ru- 
fus), distinguendus a Rufino, poela Anthologii, 


564 De fontibus et ordine 


Carmina anonyma e Cyclo Agathiae depromla sunt: VI, 
558. 564. 570. IX, 621. 622. 632. 634—640. 646. 647. 655. 
656 660. 666. 670-676. 678 - 680, fortasse eliam VI, 87. 
IX, 606 —613. 615—618. 682. 609. 799—807. S10 —822. 

7. Gregorü collectio. 

Tribus codieis locis Gregorii cuiusdäm mentio fit, zov 
uoxaglrov dıdaoxzulov vel Too uaxaglov T'onyoglov ToV un- 
yiotogog ad VII, 327. 534. 429, a quo quaedam descripserit 
Constantinus. De illo viro audias lac. in proll. p. LXXII: 
„An hinc colligi debet, Gregorium, Constantini forte magi- 
strum, collectionem Epigrammatum feeisse, unde eius disci- 
pulus nonnulla desceripserit? Non puto. Gregorius hie illic 
Epigrammala ex cippis et monimentis descripserat; quae Con- 
stanlinus, cum Anthologiam conderet, ab eo accipiens in suum 
opus relulit, magistri nomen commemorans, ut pium gralum- 
que erga eum animum significaret.* VII, 334 adscriptum esse 
inventum Cyzici. Haud scio itaque an debeat Constantinus 
Gregorio epp. ca, quibus nomen urbis, ubi repertum est, 
adscriptum : VII, 330 Dorylaei, 352 Armoniae, 333. 334 Cy- 
zici, 340 Thessalonicae, 346 Corinthi, 558 Prusae, 672 Co- 
rinthi inventum esse dieitur. VII, 327 diserte dieitur Gregorio 
deberi. In duobus praeterea epp. urbium nomina apparent: 
VIE, 657 vowlo de örı Ev ’Eyeom zeiraı ravıra, Leonidae in 
parte Cor. Mel.; IX, 434 Theocriti, zaür« ra Enıyoauuara 
&y Nvgazovoaıg &y9apnoav: quae utrum a Gregorio habeat 
Constanlinus annon, haud dixerim. Quatuor epp. sunt, quae 
nobis eliam in marmore exstant, quorum tria e Cor. Mel. de- 
promta esse videntur: VII, 6 Antip. Sidon. 15 Antip. IX, 599, 
quartum est XI, 8. | 


I. Collectiones epigrammatum unius aucloris 
sive ab ipso sive ab aliis factae. 


1. Leonidae Alexandrini epigrammala. 


Huic diserto codieis tesliimonio haec tribuenda sunt: VI, 


Anthologiae Cephalanae. 565 


321—329 toownpa, quorum tamen 323 dvaorgspov fortasse 
Nicodemi est, qui his ineptiis sese exercuerit. VII, 547 —550 
toownpa, IX, 344—356 et lulii Leonidae, qui diversus homo 
ab illo non videtur esse, IX, 42. XII, 20. Accedunt ex iis, 
quibus nudum Leonidae nomen praelixum est, propter lemma 
tooıyngpov e lac. sententia VII, 668. 675; deinde XI, 70 pro- 
pter idem lemma, in Ind. poet. falso Leon. Tar. adscriptum, 
IX, 125 alt. 1. «deon., alt. I. Leon. Al. Primo p. Uhr. saec. 
vixit, nec tamen in Phil. Cor., neque in Diog. Anth. receptus 
fuit. Quamobrem et quod eius epp. plerumque plura se ex- 
eipiunt, singularem eorum collectionem habuisse videlur Con— 
stanlinus. lam Leonidarum epp., quoad fieri poluit, separalis 
haec supersunt, incerta, utrius sint: VI, 4. 13. 35. 200. 334. 
Ve 07 23:190, 083, 316.)..1X, 19 719 744..X 1 
2129. 2187.199. 200. .213.5%@Elan., 171. 190.,.206,..230., 236; 
261. 307, pauca sane, si in Ind. poet. „Leonidas“ compares. 
Quum Leon. Alex. non nisi ioowypa videalur concoxisse, iS, 
quem numeros compulare non taedeat, vel haee inter utrum- 
que Leonidam fortasse dividere polerit: elegantia certe epp. 
Tarentini esse videntur. Jac. Ind. poet. in: „Leonidas“ ad- 
dere debebat' VII, 452. 726. X1, 70. [A. i. VI, 130. VII, 187. 
415. 715. IX, 123. 358. 435. XI, 186. 214. 334. App. 106.] 


2. Palladae Alexandrini epigrammate. 


Jam cur Palladae singularem colleclionem habuisse Con- 
stanlinum existimem, ad Agathiae Cyclum explieavi. CLV epp. 
in Ind. poet. indicantur, quorum V, 71 Rufini vel Palladae 
inscriptum maiore cum veri specie illi tribuas; IX, 119 Be- 
santini (Palladae). Palladae nomen a cod. abesse docuit 
Paulssen. in suppl. X, 32 et 95 Palladae esse nequeunt, lau- 
dantur enim a seriptoribus Pallada multo vetustioribus. [A. i. 
29, 57.197. 50T. 503.8, 31.4471, 118.191. X1,3. Ts 
2297— 229. 273. 279. 294. 295, 310. 343—345. 354. 410. 430. 


or 
© 
(or) 


De fontibus et ordine 


3. Nicodemi Heracleotae epigrammata. 


VI, 314—320 araorg&porra. IX, 53. Hoc licet Bassi 
quoque inscriptum sit, quia avaorgspov est, Nicodemo adden- 
dum. Quo tempore vixerit, non constat. IA. i. VI, 323.] 

His tribus epp. collectionibus, quos ante oculos fuisse 
Const. Ceph. censeo, addo 4, IX, 432—437 Theoeriti sunt 
bucoliei, quorum 435 lemma habet iam laudatum de epp. hisce 
Syracusis scriptis. Jam nescio an haec epp. Thevcriti non e 
Mel. Cor. repelita sint, veluti caelera , sed forlasse cum Mo- 
schi ep. IX, 440 (cf. lemma), e cod. quodam Theocriti vel 
poelarum bucolicorum derivata. 5. Aristotelis Peplus. VII, 143. 
144 «dyıa lac. pars eius esse videntur. VII, 145, quod cod. 
Asclepiadae tribuit, Eustathius se in illo Peplo legisse ait. 
Lemmata non conspiranlia haud suadent , ut Conslanlinum 
Peplo usum esse credamus. 6. VI, 45 praeter cod. a pluri- 
bus Thucydidi tribuitur, quorum e nullo C. Ceph. derivasse 
videtur: fortasse e cod. suo Thucydidis sumsit. XI, 292 cod. 
Palladae tribuit, quod ed. Ald. Themistii et Th. Hyrtacenus 
Themistio addunt. Ex Themistii cod. hoc ep. sumsisse non 
videlur Constantinus. 


II. Scriptores, qui epigrammala citant. 
Scriptores Graeci. 


Locos scriptorum Iac. in Anim. et Comm. crit. laudavit, 
quamobrem epp. tantum Anth. Pal. adscribam. Ex Herodoto 
sunt VI, 6—8. 341. 343. VII, 248. 249..677. IX, 509. 527, 
703. Scholiastes cod. passim addit, haec ex Herodolo de- 
promta esse. .IX, 703 non ep. est ab Herodoto laudatum, 
sed pars eius oralionis. VII, 248 et 249 cod. Simonidis esse 
ait, Her, sine auctoris nomine profert, haec igitur e Mel. 
Cor. habet Constanlinus. Contra VII, 677 Const. s. a. n., 
Herod. tanguam Simonideum exhibet. — Fortasse e Thucydi- 
dis cod. aliquo sumsit IX, 583-in Thucydidem. VI, 197, quod 


Anthologiae Cephalanae. 567 


apud Thuc. Anonymi est, cod. Simonidi tribuit, et Mel. Cor. 
deberi videtur. — Fortasse e Demosthene habet IX, 7586; — 
e Diodoro Siculo VI, 322 (VII, 248. 249 in Diod. s. a. n., 
in Anth. Pal. Simonidis inscripta e Mel. Cor. sumsit, item VII, 
296; — VII, 325 e Plutarcho, ut videlur); — e Nicolao Da- 
masceno VII, 304 Pisandri Rhodii; lemma enim in illo scri- 
ptore hoc ep. legi affırmat aut cerle commemorari. Supra 
Pisandrum Cor, Mei. addidi. — E Plutarcho quaedam epp. 
Multa quidem hic scriptor variis locis laudat, quae eliam in 
Anthologia exstant, decem tamen eorum poetarum sunt e Cor. 
Mel. VI, 51. 197. 215. VII, 54. 229. 247. 250. 347. 433. 709, 
unum Anonymi est in parte Cor. Mel. VI, 150, duo e Diog. 
La. potius habere videtur Const., VII, 119. 153, unum in Plu- 
tarcho mutilum est, X, 110, in uno lemmala non concinunt. 
VII, 313 (cod. «d7%ov Plut. Timonis). lam haec, quae c 
Plutarcho possunt esse derivala, restant: VI, 3. 306. 325. 
326. IX, 448. Inter ea VII, 326 Cratelis Thebam est. — 
Fortasse ex Athenaeo haustum VI, 306 «deonorov. Cetera 
enim, quae hie scriplor laudat, aliunde nosse videlur Const.: 
VI, 49. VII, 217. 348. 454. 647. 708 e Meleagro, VII, 119 e 
Pammetro, VII, 325 e Plutarcho, in VII, 345 et X, 32 lem- 
mala non concinunt. — Fortasse ex Iuliano imperalore X, 
104 Cratetis philosophi, e Marino VII, 341, «deonozov in cod., 
quod Procli esse Marinus in eius vita docet (app. 69 etiam 
Procli est), — e Stephano Byzantio XI, 457 Arati. — Multa 
epp. lac. in florilegio Stobaei legi dieit, quorum lamen tria 
tanlum in ed. eius Gaisford. purgata apparent, celera Gesner, 
ex Anth. Plan., cuius cum lemmalis eltiam plerumgue eius 
Stobaeus conspirat,, desumtos huic inspersit. Illi tres loei 
sunt: IX,359 Posidippi vel Platonis Comiei Plan. Cratet. Cyn., 
Stob. Posidippi, X, 32 Palladae Stob. Hom. ex Odyss., X, 
107 Euripidis, Plan. Luciani, Stob. Euripidis e Scyriis. Vide 
in ep. primo et secundo lemmala non salis congruunt, in 
tertio Stob. v. 1. caret, contra duos adıdit in Anth. deside- 
ralos. Valde dubium ieitur est, num Stob. consuluerit 


568 De fontibus et ordine 


Cephalas. — Forlasse ex Hesychio Milesio depromsit VII, 169 
(VII, 123 e Pammelro derivalum est), — e Constanlino Por- 


phyrogenneto VII, 169 «dsonorov. Xl, 257. 255 Demodoci. 
Dubium autem est, num illi haec tria epp. debeat Const., nam 
VII, 169 etiam Hes. Mil. praebet et ante 258 alia quoque duo 
Demodoci epp. in cod. praecedunt, quae non in Const, Porph. 
exstant. z 

Ex omnibus his scriptorihus certo affirmari tanltum de 
Heroaoto potest usus Conslanlini: addo alios scriplores,, qui 
epp. Anthologiae exhibent, e quibus tamen non profecisse 
videtur Anthologiae coneinnator 1) quia epp. laudata poela- 
rum sunt ex Anthologiis tractatis, ut Aristides VI, 296 Simon. 
(VI, 343 Herodoto debet Const., — Schol. ad Arist. VI, 77. 
248.250, 251. 253.957 Simon.) — auch. 'vit.Arat IX,907 
Callim. 2) quia epp. laudata ab aliis quoque scriptoribus ci- 
tantar, a quibus polius derivasse videtur Cephalas, Plato VI, 
153, X, 106 e Diog. habet Const. X, 103 cum diversilate qua- 
dam exstat in Platone. — Scholia ad Hom. Od. X, 106, e Diog. 


La. derivatum. — Strabo VII, 325 e Plutarcho, VII, 249 Si- 
mon. Strab. s. a. n. — Sextus Empiricus VII, 153 e Diog. La. 


— Dio Chrysostomus VII, 155 ex eodem, 325 e Plutarcho, 
804 prius tantum distichon laudatur, 347 Simon. est. — 
Aelianus VII, 94. e Diog. La. est. — Zenobius X, 106 


ex eodem, X, 32. 95 cod. Pall. tribuit. — Longinus 
VII, 153 e Diogene. — Synesius X, 106 ex eodem. — 


Pseudo - Herodotus in vit. Hom. VII, 153 ex eodem. VI, 
3 et IX, 445 e Plutarcho. — Schol. Aristophanis VII, 615 e 
Diog. La., VII, 325 e Plut. 3) quia lemmata non consen- 
liunt: Lycurgus VII, 249 s. a. n., cod. Simon. — Pausanias 
VIl, 54 Chersiae Orchom., cod. Mnasale. VI, 130 «deororor, 
197 Simon. e Mel. Cor. novit Const. — Philostratus VII, 256 
s. a. n. cod. Platonis. — Zosimus VII, 747. s. a. n., cod. 
Libanii. — Auct. vit. Plat. VII, 313 Timonis, cod. «dnAor. 

Schol. Soph. VII, 311 Agath., cod. «deonorov. 4) quia par- 
tem tantum epp. scriptores laudant: Pollux VII, 304 prius tan- 


Anthologiae Cephalanae. 560 


tum distichon. — Clem. Alex. IX, 569 v. 1 et 2. — Schol. 
Find. VL '214 v. 1.12.75. 16. 


Scriptores Romani. 


Vel per se non verisimile est, hos quoque ad augendam 
collectionem suam pervolulasse Constantinum. Fieri tamen 
potest, ut e Gellio vel Macrobio habeat VII, 676. (X, 106 e 
Gellio non habere videlur.) Alias quoque ob caussas usus 
esse non videtur Cicerone VII, 249, quia Simon. ep. est, XI, 
176, nbi v. 5 tantum Cicero laudat, — Suetonio VII, 704, 
euius v. 1 tantum effert, — Apuleio VII, 669, quod e Diog. 
La. nosse videtur Constantinus. Addo huic disputationi quos- 
dam locos, quos Const. e scriptoribus non epigrammalicis 
descripsit. Huc refero IX, 703 ex Herodoto, Comici senarios, 
ut videnltur X, 116, Philemonis senarios IX, 450, Nicandri 
post IX, 505 e Theriacis v. 741, quem tamen iam Mel. in 
Coronam suam adscivisse videtur, Nestoris Larandensis non- 
nullos versus e Metamorphosibus, ut videtur, IX, 129. 364. 
536: epp. enim haec vocari nequeunt, atque sunt puris he- 
xametris scripta. IX, 557 Nestoris Nicaeensis inscriptum for- 
tasse librarii errore et Larandensis habendum. Heliodori 
Aethiopieis debentur hymnus IX, 485 (epigramma 490). X, 
120 in cod. anonymum in Nonmi Dionysiaeis legitur. 

Non tamen videtur usus esse Anacreonte, nam AI, 47 
et 48, in edd. An. 15 et 17 e Mel. Cor. depromsisse videtur 
Constantinus, neque Eınpedocle, nam IX, 569 e Diog. La., ut 
videtur, descripsit, neque Theognide, nam 

IX, 50 in Theognideis 775 in cod. Mimnermi est. 


1185 2 5Bgy ig  Besanlini‘ .; 
X, 40 „ 5 1147 zn gl /Anonymi)., 
113% 5 DINO 5%, x: Plan, Theogn. ; 


neque Aristophane, nam X, 110, in ran. Ar. v. 1478 cod. Ae- 
schylo tribuit. 


570 De fontibus et ordine 


IV. Poetae, quos unde sumserit Constantinus, 
demonstrari nequit. - 


Ut disputalio mea plane sit absoluta et integra, poe— 
tas, quos unde sumserit Constantinus,, dici nequit, ad- 
dam: si quis postea in hos quoque inquirere velit. Ini- 
tium facio ab iis, quorum tempora novimus. Ante Melea- 
grum vixerunt: (primum eos nomino, qui tantum in fine 
capp. leguntur, ubi Constant. ex diversissimis locis epp. 
conquisivisse videtur) Pythagoras, quem lac. non no- 
minavit in Cat. pt. Phocylides. Aesopus. X, 123. Ce- 
terum, ne quid dissimulem, ibi quaedam litterarum ordinis 
vestigia apparent, e quibus tamen nihil elicere possum, quod 
ad fontes Anthologiae cognoscendos prosit. Menander. Di- 
philus. Pittacus (ef. Paulss. suppl. ad XI, 440. Ilıirra5 poeta 
a librario appellatus fuisse videtur.) Hunc et Diphilum Iac. 
non habet in Cat. pt. Philiscus. (In mediis capp. hi inve- 
niunlur:) Mimnermus. VII, 405 adde Ind. poet. Nullam eius 
mentionem lac. in Cal. pt. iniicit. Ion. Demodocus. Aeschi- 
nes rhetor. (Menander.) Duris Elaites. Zenodotus. Apollo- 
nius Grammalicus, qui Rhodius clarissimus esse videtur. In 
Ind. poet. lege XI, 275. Crates XI, 218. Quo ep. quum Eu- 
phorio Antiochi Magni bibliolhecae praefectus commemorelur, 
non idem auctor esse polest et Crates Thebanus, qui Ol. 113 
vixit, sed fortasse Mallotes vel Pergamenus est. Ceterum 
Cratetis Thebani est VII, 326 e Plutarcho, IX, 497 Cratetis e 
Diog. La., Cratelis philosophi X, 104, quod nescio inde de- 
rivaverit Const. — Nominandi sunt praeterea tres poelae, 
quibus tamen epp. in Anth. Ceph. non tribuuntur. Aristoteles, 
qui iam supra dietus est. Choerilus, cui Alhenaeus VII, 335, 
in cod. Anon. adseribit: cf. App. 97. Chrysippus, cui VII, 
326, in cod. Cratetis, Alhenaeus Iribuit. Non nominavit eum 
lac. in Cat. pt. 

Inter Meleagrum et Philippum vixerunt aut vixisse viden- 
tur: Asinius Quadralus. Pompeius iunior. [A. i. IX, 647.] 


Anthologiae CGephalanae. 571 


Caesar Germanicus. [A. i. VII, 73. 74] Ad Tiberium Impe- 
ratorem IX, 387 ab Hesychio referri schol. cod. ait VI, 704 
in Anth. Pal. et Plan. «d7%ov. In hac tamen addilur: or ds 
Negwvog: quod non teligit lac. in Cat. pt. Prior tamen ho- 
rum versuum iam ante Neronem proverbii vim obtinuit. 

Inter Philippum et Agathiam vixerunt aut videnlur cerle 
vixisse: Libanius in fine cap. VII, 747. In mediis capp. Iu- 
lianus Caesar apostata. Theo Alexandrinus IX, 41. VII, 292. 
IX, 491 App. 39. 40. Corrige ex hoc loco Ind. pt. in vocibus 
Theo et Theon. Andronicus. Ammonius. Ammonidas. Dele 
in Ind. pt. XI, 15—16, quae ad Ammianum pertlinent. Clau- 
dianus. Leo philosophus [A. i. IX,581.] Christodorus. Prae- 
terea IX, 353 Plan. Demarato Spartano tribuit, qui ibi cum 
Hadriano confabulatur. 

Inter Agathiam et Constantinum Cephalam vixerunt: 
Sanclus Sophronius Palriarcha. Sophron Patricius. Photius 
Patriarcha. Comelas Chartularius Scholasticus. — Constanlini 
Cephalae ipsius forlasse est V, 1 prooemium epp. erolicorum. 


Poetae incertae aetatis. 


In. fine capp.: Diophanes Myrinaeus. Glyco X, 124. Sic 
corrige Ind. poet. Rharus, cuius oblitus est lac. in Cat. pt. 
In mediis capp.: Aceratus Grammalicus. Archias Macedo VI, 
140 Byzantius 278 Mitylenaeus 696. IX, 19. 111. 339 (Junior 
IX, 91 in Phil. Cor.) Cetera Archiae sine nomine gentili, 
quibus adde in Ind. pt. VI, 192. TA. i. VII, 139. IX, 345— 
348. 351. 354. 357. X, 9.] Artemidorus Grammaticus. Be- 
sanlinus Rhodius. Cyrillus. Demiurgus, Dioscorides Nico- 
polita. Evenus. In Phil. Cor. fuit Evenus Grammalicus IX, 
251. XI, 49, fortasse idem atque Atheniensis IX, 602. Reslant 
haec Evenorum epp.: Siceliotae IX, 62, Ascalonitae IX, 75, 
Eveni IX, 122. 717. 718. XII, 172. Plan. 165. 166. App. 22 
—24. Eunomianus , nomen forlasse hominem sectae Euno- 
mianae significans. Nihil de eo dixit Iac. in Cat. pt. Eupithius 
Atheniensis. Gallus. Glaucus. Hecalaeus Thasius. Laco. 


— 


572 De fontibus et ordine Anthologiae Cephal. 


Musicius. Hos tres lac. non tetigit in Cat. pt. Nestor Ni- 
cacensis. Oenomaus. Pinytus. Ptolemaeus. Sabinus Gram- 
maticus VI, 158 in parte Cor. Mel, Tullius Sabinus IX, 410 
in parte Cor. Phil. Hoc ep. Pass. cum Plan. Tullii Gemini 
legit neque dissensi supra. Nihil tamen impedit , quo minus 
statuatur,, Tullium Sabinum et Sabinum Grammalicum eundem 
esse hominem, poelam Cor. Phil. Satyrus ’vel Satyrius VI, 11. 
X, 6. 11. 13. Plan. 153. 195. Thyillus vel Thyilus VI, 170. 
VII, 123. X, 5. Corrige ex hoc ind. Ind. poet. Incertum est, quum 
X,5 Plan. Satyro Thyillo adscribat, utrum unum an duos poe- 
tas hic habeamus. Stephanus Grammaticus, non estin Cat. poet. 
In Ind. poet. pro IV, 385 scribe IX, 385. Tiberius Nlustrius. [IX, 
371.] Tryphon. Xenocritus Rhodius. Zelotus. [A.i. IX, 31.] 
Zenobius Grammaticus. Zosimus Thasius. In Anth. Ceph. quan- 
quam epp., tamen nomina poelarum non legunlur horum: Aec- 
schrionis VII, 315, in cod. &d. ot d& Sıuov., Theophanis VII, 
537. 539, quod cod. Persae tribuit, et XV, 14. 35, quod 
cod. Phaniae dat. Iam vides, non permultos poetas non de- 
monstrari potuisse, unde sumserit C. Ceph., eorumque, si 
Archias et Evenos exceperis, plerumque unum tantum ep. 
exsiare, quod ipsum rem reddit inexplicabilem. Accedunt 
epp. anonyma, circiter CCCL. 
Scr. Berolini, m. Sept. MDCCCXLII. 


G. Weigand Dr. 


lieber die Lage Trojas. 


— 


Piräus, d. 27. Zul. 1843. — So eben fomme ich von einer 
Reife nach Troja zurück, und da die Quarantainegefege mich zwin— 
gen, noch einige Tage an Bord zu bleiben, fo benutze ich dieſe 
Zeit, um die Refultate meiner dortigen Unterfuchungen furz zuſam— 
menzuftellen. Der Schauplatz der Iliade war ſchon im Alterthum 
ein Lieblingspunkt der Neifenden und ein Gegenftand gelchrter For— 
ſchungen und ift diefes in neuefter Zeit wiererum geworben. Die 
Alten hatten zu Strabos Zeit über die Lage der Homeriſchen Stadt 
zwei verfehiedene Anfichten, eine wiffenfchaftlide, welde das foge- 
nannte Dorf der Slienfer (zwum ’Dewv) im Hintergrunde des 
Scamandrifchen Thals talür erflärte, und eine populäre, nach wel— 
her Tas fpäter gegrintete Aeoliſche Iron in der Näbe des Zuſam— 
menfluffes des Scamander und Simois auf ver alten Stelle ftand. 
Herr Lechevalier hat zu dieſen Meinungen eine dritte hinzugefügt, 
welche ſich immer mehr befeftigen zu wollen fcheint und noch fürz- 
lich in der Allg. Zeit. 7. Febr. 1843 Beilag. 38 ff.) einen geift- 
reichen Vertheidiger gefunden hat. Lechevalier verwirft beide An— 
fihten des Alterthums und verlegt die berühmte Stadt auf die 
felfige Anhöhe Baalih über tem jegigen Dorfe Bunärbaſchi. Herr 
Dr. von Edenbrecher hat fich Fürzlich in einer Abhandlung über die 
Lage des Homerifchen Ilion der Neuerung Lechevaliers entgegen- 
gefetst und mit Scharffinn die Behauptung der Ilienſer vertberdigt, 
Lechevalier und feine Anhänger mußten, um ihre Annahme mit eini- 
ger Confequenz durchführen zu Finnen, die Namen der Flüſſe Scea- 
mander und Simois, den Grabhügel des Aefyetes und viele ans 
dere Dinge gemaltfant verfegen und erffären, Demetrius und Etrabo 
feien hierüber in den größten Irrthümern befangen gewefen. Herr 


Y 


574 Ueber die Tage Trojas. 


von E. hat das Verdienft, den beiden erwähnten Hauptflüffen des 
Trofanifchen Gebiets die ihnen ein Altertbum allgemein beigelegten 
Namen wiedergegeben und diefe fo beftimmt zu haben, wie fie fchon 
D'Anville auf feiner Karte von Troas nach den Zeugniffn der 
Alten angefebt hatte. Was aber die von Herrn E. behauptete 
Identität des Aeoliſchen Ilion mit der Trojanſſchen Stadt betrifft, 
hoffe ich, theils mit den Gründen die Strabo anführt, theils mit 
einigen andern, die von ihm übergangen find, hinlänglich bewerjen 
zu fünnen, daß fie unhaltbar iſt. Sp oft ich mich mit der Topo— 
graphie jener Gegenden befchäftigte, ſchien es mir vor allem wichtig 
zu fein, die Lage des Dorfs der Jlienfer genauer zu beftim- 
men, als es bisher geſchehen ift, und dann zu unterfuchen, ob fic) 
Homers Erzählung, wie Strabo behauptet, mit dieſem Punkte ver- 
einigen laſſe, und ich vichtete deshalb ber meiner Anweſenheit an 
Drt und Etelle hierauf mein befonderes Augenmerk. 

Am Tten dieſes Monats ftieg ich mit meinem fehr verehrten 
Freunde, Herrn Dr. P. Colquhoun, in Beſchika-bay, einer großen, 
son Kriegsſchiffen viel befuchten Nhede, ans Land. Wir hatten 
durch die befondere Gnade Sr. Maj. des Königs von Griechenland 
den Königlichen Kutter für die Neife nach Troja und Rhodos zu 
unferer Dispofition erhalten, und waren über Syra und Tenedos 
sefahren, von wo aus wir nach kurzem Aufenthalte zu der genann- 
ten Bucht hinüberfohifften und dort Anfer warfen. Die Rhede it 
offen, aber im Sommer, wo feine ftarfen Süd- oder Weſtwinde zu 
fürchten find, hinlänglich ſicher. Der Strand der Bucht iſt fehr 
feiht und fandig, fo daß man nirgends, nicht einmal mit e.ner 
Barfe, ans trocfene Ufer ftoßen fann. Ein weiter Sumpf, den ein 
von Bunörbaſchi hergeleiteter großer Mühlbach nährt, dehnt fich 
längs der Küfte aus und fließt gegen das Nordende der Bucht ins 
Meer ab. In dem Sumpfe haufen unzählige Fröfche, deren Ges 
quäck über Nacht dermaßen die Luft erfüllte, Daß wir kaum auf 
dem Schiffe davor einfchlafen Fonnten, obgleich wir wegen Seichtig— 
feit ver Bucht fohr weit vom Wer vor Anker lagen. Jenſeits der 
Mündung des Baches tritt ein Hügel mit Spuren alter Befeſti— 
gung und felfigen Abhängen insg Meer vor, der den undeftimmten 


Ueber die Lage Trojas. 575 


Namen Paläokaſtro hat, und das alte Achaion oder Agamia fein 
möchte. Daneben Tiegt ein kegelförmiger Erdhügel, der Beſchik-tepé, 
von dem es ungewißl, oh er natürlich oder Fünftlih gebildet ift. 

Wir umgingen den mit | Binfen und Rohr dicht bewachfenen 
Sumpf son der Südfeite und gelangten in einer halben Stunde zu 
der Waffermühle, welche der Bach treibt. Nach einftimmiger Aus- 
füge der türkischen und griechifchen Bauern diefer Gegend wurde 
das Dett des Mühlenbahs von einem Capudan-Paſcha, nach der 
Einnahme des Peloponnefes durch Moraitiiche Kriegsgefangene ge- 
graben und eingedämmt und das veihe Waſſer ver Quellen bei 
Binärbafcht hieher geleitet, um tie Mühle zu treiben, die jest tem 
Sultan gehört und ein nicht unbeträchtliches Einkommen Tie’ert, da 
fie ſieben Mühlſteine treibt und unablaffıg arbeitet. Werl cs we- 
nige andere Waffermühlen in der Umgegend giebt und die Wind- 
mühlen oft unterbrechen müffen, fo bringt man aus der ganzen Um— 
gegend 613 hinauf zu den inneren Dardanellen und feibft con Te- 
nedos hicher viel Korn zum Mahlen. Nach Lechevaliers Vorgang 
nennt man diefen Bad Seamander und hält feinen Damm für ein 
uraltes Werk, obgleich er ſich durch nichts von unzähligen anderen 
aus ihrem urſprünglichen Bette abgeleiteten Mühlbächen in und 
außerhalb Griechenlands unterſcheidet. Das immer, ſowohl im 
Sommer als im Winter, gleichmäßiz fließende Waffer wird durch 
den bejagten am rechten Ufer binlaufenden Damm in einem bori- 
zontalen Bette fortgeleitet, um bei ver Mühle ftärferen Fall zu er- 
halten. Die Waffermaffe iſt nicht größer, als die des auf ähnliche 
Weiſe abgeleiteten Ismenus. 

Während ich bei den türkiſchen Müllern einige weitere Erkun— 
digungen einzog, wobei mir die Kenntniß der türkiſchen Sprache 
meines Reiſegefährten weſentliche Dienſte leiſtete, fanden ſich grie— 
chiſche Bauern aus dem benachbarten Dorfe Jeni-kioi (Neugr. 
Neoywgı) ein, von denen wir Pferde für unſere weite Reiſe mie— 
theten. Nach den nöthigen Vorbereitungen machten wir ung auf 
den Weg nah Bunärbafcht und erreichten bald, etwas rechts vom 
Wege ausweichend, den hoben vom Meer und der ganzen Ebene 
weit fichtbaren Ijef-tepe, den größten und höchften unter den 


576 Ueber die Lage Trojas. 


Grabhügeln der Gegend. Cr Tiegt auf der Hügelreihe, welche ſich 
von den Vorbergen der Ida bis Jeniſchehr oder Sigeum erſtreckt, 
und wird von den Griechen Hagios Elias genannt. Er hat ohn— 
gefähr eine Höhe von 70 —80 Fuß und an der Bafıs einen Durd- 
meffer von 260 Fuß, und oben eine Heine Fläche, von der aus 
man eine ſchöne Nundficht hat. Im Südweſten ſieht man über 
dem Kara -dagh und den übrigen fugefig abgerundeten, von Wald 
und Gebüfch dunfelen Vorbergen die fteilen und fchärfer gelchnitte= 
nen fteilen Gipfel der Ida, Kas-dag, emporragen, die noch eben fo 
reich an Quellen, Waldung und Wild ft, wie zu den Zeiten Ho— 
mers, und in ihren höchſten Schluchten nie fihmelzenden Schnee 
birgt. Man behauptet häufig, wie ſchon Plato dies von den Ber— 
gen Atticas thut, die Ida hatte einſt mehr Wald und deshalb noch 
reichere Quellen gebabt, und die häufigen Waldbrände fern Schuld 
an der Verringerung beider. Aber hatten etwa die Alten ein ge- 
vegeltes Forfiwefen, um Waldbrände zu verhindern, deren zerftö- 
vende Wuth ſchon Homer zu einem poetischen Bilde benugt? Wo 
der Boden geeignet iſt, Wald zu tragen, wächſt diefer von feldft 
wieder auf, wie man im nördlichen Eubda ſieht. Nah Plinius 
Meinung fehlürfen gerade Waldungen die Duellen ein und ihre 
Lichtung bringt fie wieder zum Vorfhein. Was die Ida betrifft, 
fo find ihre Höhen noch immer fo walrreih, daß faſt alfe Schiffe 
der umliegenden Küften und Inſeln bis nach Samos hinab aus dor— 
tigem Material gebaut werden. 

Gegen Norvoften fieht man vom Ujék-tepé abwärts auf das 
weite, frifchgrüne Thal, welches fih, von einer zweiten ebenfalls 
von den Vorbergen der Ida ausgehenden Hügelreihe begrenzt, bis 
an den Hellespont ausdehnt und feiner ganzen Länge nach vom 
Scamander, dem jesigen Mendere, durchfloffen wird, deſſen Waſſer 
eine dichte ununterbrochene Neihe von Weiden und Platanen be» 
fchattet und verdeckt, zwifchen denen einzelne hohe Ulmen emporra— 
gen. Wie ein dunkelgrünes Band liegt der Fluß mit feinen Win- 
dungen auf dem helleren Grunde der ihn umgebenden Felder und 
Auen. Bo fih das Thal gegen den Hellespont hin öffnet, tritt von 
Dften her jenfeits der zweiten Hügelreihe eine dritte vor, auf 


Ueber die Yage Trojas. 577 


deren Weftende hart am Meere das Grabmal des Aar fichtbar ıft, 
wie diefen gegenüber dieffeits des Mendere das Grab des Adıl- 
leus bei Jeniſchehr und hinter demfelben die türfifche Feftung Kum— 
fale. Das äußerſte Ende der zweiten oder mittleren Hügelreihe 
gegen den Hellespont hin, ift der Pas, wo einft das äoliſche Ilion 
ftand. Wendet man von diefem Punfte das Auge rechts bis dahin, 
wo diefe Hügelreihe an die höheren idäiſchen Vorberge ftößt, fo er— 
fennt man hart am Fuße derfelben und unmittelbar an die Thal- 
ebene ftoßend, den fanften beackerten Hügel von Atzik-kioi zwiſchen 
Gebüſch und Eichbäumen, wo in ältefter Zeit das Trojaniſche Ilion 
und fpäter das Dorf der Ilienſer Tag, wie ich weiter unten zu be— 
werfen hoffe. Dieffeits von Asckkiopt und dem Menderé, der hier 
zuerft in die TIhalebene tritt, fieht man auf Bunärbaſchi und den 
dortigen Dichtbewachfenen Teich hinab, aus deſſen Gebüſch einige 
fihlanfe Pappeln hervorragen. Der Character der Landfchaft bildet 
gegen Griechifhe Gegenden einen fiharfen Contraſt; alles ift grün, 
sol von Bächen, Wiefen und Kornfeldern, in denen zerftreute 
Bäume und namentlich viele ftattlihe Valona-Eichen ftehen, die hie 
und da Wäldchen bilden. Der Griechiſche Delbaum fehlt gänzlich. 
Die Hügel umher erfcheinen niedrig und fanft gerundet und find 
von Fahrwegen durchzogen. Große Heerden von Pferden und 
Rindern weiden in den feuchten Niederungen, Schaafe und Ziegen 
auf den bufchigen Anhöhen. 

Der Menvdere hat ein breites Bett mit fandigem Grunde, 
welches er im Sommer nicht zur Halfte ausfüllt. Im Winter da- 
gegen tritt er regelmäßig über feine Ufer hinaus und überſchwemmt 
die niedrigeren Theile der Ebene; nicht felten fest er auch Die ganze 
Thalebene unter Waffer und dies mag der Grund fein, daß das 
Grabmal des Ilus, welches Homer in der Mitte der Ebene angiebt, 
jeßt nicht mehr zu finden iſt. Auch die fünsftlih von Bunärbaſchi— 
und dem Karasdag gelegene Hochebene von Bairamitſch, Das alte 
Cebrenia, wird noch manchmal im Winter zum See, da die enge 
Felfenfchlucht bei Bunärbafcht, durch welche der Menderé fich zur 
Trojaniſchen Ebene hinausdrängen muß, die ganze Waffermaffe nicht 
ſchnell genug abführen kann. Hieraus entftand vielleicht die alte 

Muf. f. Philol. N. F. III. 37 


578 Ueber die Lage Trojas. 


Sage, Heracles habe dem Scamander feinen Ausweg gegraben, 
und er heiße davon der Graben des Mannes, ozauum andoog, 
wie ähnliches vom Durchfluß des Peneus im Thal Tempe erzählt 
wurde, 

Sch nannte den Menderé Scamander, denn nach allen Zeug- 
niffen der Alten kommt ihm Fein anderer Name zu. Niemand wird 
zweifefn, daß Strabo in feiner Befchreibung der Trojanifchen Ge- 
gend diefen Fluß meint, noch ıft anzunehmen, obgleich Lechevalier 
und nach ihm viele andere es gethan haben, daß fich der Geograph 
in dem größten und berühmteften der Idäiſchen Flüffe irrte, wenn 
man ihm nicht andere ähnliche Irrthümer nachweifen fann. Noch 
weniger ift denfbar, daß Demetrius, der Vorgänger Strabos in der 
Trojanifchen Topographie, der aus dem an der Ida gelegenen Ske— 
pfis gebürtig war, den richtigen Namen eines Fluffes nicht ſollte 
gefannt haben, der an der Grenze feines Vaterlandes floß. Beide 
laffen den Scamander vom äufßerften Gipfel der Ida, wie jegt der 
Mendere, berabfliefen und fich durch die Trojaniiche Ebene bei 
Sigeum münden. Auch Hellanicus aus Mitylene, einer der älte- 
ften Erffärer Homers und Zeitgenoffe Herodots, laßt ihn eben fo, 
wie fein fonftiger Gegner Strabo, aus der Ida durch Negengüffe 
angefchwellt in die Ebene ftrömen und diefe überfchwenmen (Schol, 
Ji. XXI, 242). Ohne Zweifel entlehnte der Dichter felbft von 
diefem häufig wiederfehrenden Naturereigniffe die Idee des Kampfes 
des Flußgottes gegen den Helden Achilleus. Was außerdem Homer 
zur näheren Bezeichnung des Aluffes angiebt, der wirbeinde Strom, 
das fandige Bett, die hohen Ufer und die men und Werden längs 
demfelben, und befonders der Umftand, daß er ihn durch vie Ebene 
zwifchen der Stadt des Priamus und dem Lager der Achäer hin 
in den weiten Bufen des Meeres CI. XXI, 124) fließen läßt, 
paßt nur auf den Menderé. So dachte fih die Gegend auch der 
alte Maler, deffen Kunfiwerk der jüngere Philoftrat (lmagg. X) 
lebendig und ausführlich befchrieben hat. Man fab auf der einen 
Seite des Bildes die hohen Mauern von Troja, auf der anderen 
die Schiffe der Achäer am Hellespont und zwifchen beiden eine 
Ebene vom Scamander durchfloffen, jenfeits die Trojaner mit ihren 


Ueber die Lage Trojas. 579 


Bundesgenoffen, dieffeits Die Hellenen. Daß der größte vom Ida 
berabfließende und bei Sigeum in den Hellespont ſich mündende 
Fluß der Scamander ift, ftimmt ferner mit den Angaben des Sey- 
lar, Herodot, Dionyſius des Periegeten, Ptolemäus, Melas und 
Catulls und den verfchtedenen Erflärern des Homer (Schol. JI. I, 
467, VII, 86, XXI, 147) überein. Gegen alle diefe Auctoritäs 
ten hat Herr Lechevalier eine Stelle der Sliade OXXII, 147) für 
feine Behauptung geltend zu machen gefucht, worin es heißt, daß 
bei der Stadt zwei Quellen des Scamander entfprängen, eine heiße 
und eine eisfalte, an denen zur Zeit des Friedens die Trojanerin- 
nen ihre Gewänder wufchen. Da er nun annahm, der Berg über 
Bunarbafchi nehme die Stelle der Priamiſchen Stadt ein, fo hielt 
er die am Fuße defjelben bervorfprudelnden fogenannten vierzig 
Duellen (dies bedeutet das Wort Bunärbaſchi) für die von Homer 
bezeichnete Wafchftätte und den daraus entftehenden Bach für den 
Seamander. Die alten Erffärer des Homer hatten, fo viel aus 
Strabo und den Scholiaften der Iliade, welche den befannten Gram— 
matifer Porphyrios hiebei namentlich anführen, hervorgeht, einftin- 
mig die Anfiht, daß Homer mit den Worten »Duellen des Sca— 
mander“ Feineswegs den wirklichen Urſprung des Fluffes am Gipfel 
der Joa, dreihundert Stadien von der Stadt entfernt meine, fon- 
dern Waſſer, welches fich entweder in den Scamander ergiefe, 
oder auf unterirdijchem Wege aus ihm abflöffe und bei der Stadt 
wieder zum Borfchein käme, etwa wie die Caftalia vom Ovid Ce— 
phiſſiſche Wellen genannt wird, weil nach der Ortsfage ein Theil 
der Cephiſſusquelle bei Liläa unterirdisch nah Delphi floh. Wie 
fann, fragen die alten Erklärer, hier der Dichter die wirklichen 
Quellen des Scamander meinen, da er diefen ja felbft (I. XIT, 
19) unter den Flüffen aufzählt, die von der Joa herab dem Meere 
zufließen? 

Kehren wir wieder zum Ujék-tepé zurück. Man hält ihn ge- 
wöhnlich feiner werten Ausficht wegen für das Grab des Aefyetes, 
auf deſſen Gipfel der Trojaniſche Späher Polites zu ſitzen pflegte, 
um Acht zu geben, fo oft die Achäer von ihren Schiffen aus einen 
Auszug gegen die Stadt unternahmen und dann eilig davon ben 


580 Ueber die Lage Trojas. 


Trojanern Kunde zu bringen, damit auch diefe fich rüften, den Fein— 
den in der Ebene begegnen und den Kampf von den Mauern ver 
Stadt fern halten fonnten (1. II, 775). Zu Strabos Zeit zeigte 
man aber dies Grabmal im Scamandrifhen Thale fünf Stadien 
son Neu⸗-Ilion unfern des Weges nach Alerandria Troas, alfv eine 
Biertelftunvde ſüdlich oder ſüdweſtlich vom jetzigen Hiſſarlik, wo ein 
Grabhügel liegt, von dem ſpäter die Rede ſein wird, und es iſt 
auch hier kein Grund vorhanden, von Strabos Angabe abzuweichen, 
wenn man nicht überhaupt dieſen gelehrten und völlig vorurtheils— 
freien Mann, den das Alterthum ſchlechthin mit dem Namen des 
Geographen ehrt und der gerade in den Homeriſchen Gedichten mit 
allem ſie betreffenden als Schüler des Grammatikers Tyrannion 
gründlich bewandert war, für einen unwiſſenden und oberflächlichen 
Scribler erklären will. Seit Entſtehung der Homeriſchen Gevichte 
haben Griechiſche Coloniſten ununterbrochen jene Gegenden bewohnt 
und Piſiſtratus, der mit’ feiner Umgebung die unfterblichen Gefänge 
pronete, war felbft im Befis Sigeums. Es iſt alfo fein Grund 
da, um anzunehmen, daß die Punkte, welche zu Strabos Zeit Ho— 
merifche Namen führten, nicht die von Homer bezeichneten feien, 
oder gar, daß die Flüſſe ſeit Homer ihre Namen unter einander 
vertaufcht hätten. Wer Bunärbafiht für Troja halt, wird mir zu— 
geben, wenn er an Drt und Stelle war, da man von dort aus 
noch beffer in die Ebene bis zu den Schiffen hinabſpähen kann, als 
vom Ujék-tepék. Letzterer liegt überhaupt zu fern vom Schlacht: 
felde, als daß man annehmen fünnte, er gehöre einem der dort er- 
wähnten an. Eher möchte ich glauben, e8 fer das Monument eines 
alten Trojaniſchen Königs oder Heros, etwa des Lykos oder Chi— 
märeus, deren Gräber ſchon vor dem Trojanifchen Kriege in Grie- 
chenland felbjt berühmt waren, fo daß Menelaus bei einer Hun— 
gersnoth in Lacedämon auf Befehl des Pythiſchen Drafels dahın 
wallfahrtete (Lycophr. 132, Schol. M. V, 64). 

Vom Ujék-tepé festen wir unferen Weg fort, der über niedrige 
Hügel, die theils Fahl, theils mit Balona-Eichen und Eichengebüfch 
bewachfen find, in etwa anderthalb Stunden zu den Quellen son 
Bunarbaſchi führt. Der Name vierzig Quellen tft nicht genau 


Ueber die Yage Trojas. 581 


zu nehmen; es iſt vielmehr eine Neihe ftarker Quellen, die am 
Fuße eines aus Conglomerat bejtehenden Hügels neben einander 
beroorfprudeln und unmittelbar einen großen länglichen Teich bilven, 
der forgfältig eingedämmt und deffen Damm, um mehr Feftigfeit zu 
erhalten, mit dichtem Gebüfch und Bäumen umpflanzt iſt, an die 
ein verwilderter Garten granzt. Der Wärmegrad der verfchiedenen 
Quellen, die Lechevalter für die beiven Homerifchen Duellen des 
Scamander hält, wovon die eine warn, die andere Falt flog, ıft 
oft von Neifenden unterfucht worden, und es hat fich gefunden, daß 
fie ſämmtlich diefelbe Temperatur haben. Sie find im Sommer 
fühl und angenehm zu trinfen, obgleich fie nicht fo Falt find, als 
die meiften Duellen an ihrem Urſprunge. Im Winter follen fie 
bei fehr Falten Tagen dampfen, weil dann ihr Kältegrad geringer 
ift, als der der Luft. Aus dem großen Teiche wird das Waffer, 
wie ich bereits erwähnt habe, durch die Fortfegung des Teichdammes 
längs dem nördlichen Abhange der Hügel horizontal fortgeführt. 
Weiter nordweftlich, wo ein niedriger Hügelrücen zu überwinden 
war, ift der Canal eine feine Strecke durch den felfigen Boden 
gehauen und treibt dann weiter abwärts die erwähnte Mühle, zu 
deren Zweck er angelegt wurde. Bor der Anlegung des Canals 
bildete das Waſſer einen Bach, der fich eine halbe Stunde nördlich 
vom Dorfe Bunärbaſchi in den Scamander ergoß und die Waffer- 
maſſe des letzteren wohl um das doppelte vermehrte, fo daß Pli- 
nius ihn einen fehiffbaren Fluß (Scamander, amnis navigabilis) 
nennen konnte; aber dem Mühlbache darf dieſer Name nicht gege- 
ben werden, wie Here Dr. Forchhammer in einem Aufſatze des 
London erfcheinenden gevgraphifchen Journals gethan hat. 

Sch glaube, man Fann den alten in den Scamander ſich mün- 
denden Bach ohne Gefahr Thymbrius nennen. Homer erwähnt 
ihn nicht, weder unter den Flüffen, die nach verſchiedenen Nichtun- 
gen von der Ida herabfließen und auf Pofeivons Befehl ihre Strö- 
mungen vereinigten, wie die Schanze der Achäer zu zerjtören, worauf 
ſich jeder wieder in fein altes Bett zurüczog, nod da wo Seaman- 
der feinen Bruder Simois zu Hülfe ruft, um vereint mit ihm die 
Trojaniſche Ebene zu überfchweunmen, um den Achill vom Kampf— 


592 Ueber die Lage Trojas. 


plage zu treiben. Nur in ver zehnten, nicht ohne triftige Gründe 
für unecht gehaltenen Nhapfodie kommt einmal der Name Thymbra 
vor. Der gefangene Dolon verrath dem Ddyffeus und Divmeves, 
die Pyeier und andere Trojaniſche Hülfsoölfer feien gegen Thymbra 
bin, die Carer und andere gegen das Meer hin gelagert, während 
die Troer unter Hector am Throsmos in der Nähe des Achäifchen 
Lagers ftänden. Hier fiheint das Meer und Thymbra einen Ge- 
genfag zu bilden, und wenn man annimmt, was das einfachfte fcheint, 
die Carer hätten in der Gegend der Meerbucht zwifchen Rhoeteum 
und Sigeum geftanden, fo wäre Thymbra im Süden des Thals zu 
fuchen. Nach Strabo war es eine Ebene in der Nähe des Dorfs 
der Ilienſer, an 50 Stadien von Neutlion entfernt, und bei der 
Bereimgung des durch fie Hinfließenden Thymbrius mit dem Sca— 
mander lag das Heiligthbum des Thymbräiſchen Apollo. Euripides 
(Rhes. 507) giebt Ießteres in der Nähe der Stadt an und läßt 
dort den Odyſſeus fih im Hinterhalt lagern, der auch, wie aus 
der Odyſſee befannt ift (Odyss. XIV, 469), auch fonft zu demiel- 
ben Zwecke fern von den Schiffen in fumpfiger Gegend in der Näbe 
der Stadt fich verbarg. Im Heiligtum des Thymbräiſchen Apollo 
follte nach einem Fragment des Sophoeles (Schol. JI. XXIV, 257) 
Achill den Troilus überfallen und getödet haben, als er dort fich 
mit Pferden übte. Diefe Angaben paffen hinlänglich auf die Aecker, 
Duellen und Sümpfe von Bunärbafcht. Die Gegend fol ihren 
Namen von dem dort wachfenden Kraute Thymbra erhalten haben, 
welches von den Birnen geliebt wurde. Ob aber das von den 
Alten gemeinte Kraut wirklich dort wacht, überlaffe ih einem Bo— 
tanifer zu unterfuchen; Bienenzucht wird wenigftens in Bunarbafchi 
verhältnißmäßig viel getrieben. 

Wenige Schritte öſtlich von den Quellen Liegt das Fleine 
gleichnamige Türkische Dorf, welches mehr von Störden, als von 
Menfchen bewohnt iſt. Sch zählte auf dem Dache eines der grö— 
feren Häufer zehn Nefter. Bon diefen Thieren, die von den Tür- 
fon ſehr in Ehren gehalten werden, und daher äußerſt dreift find, 
haben fich einige auf fo miedrigen Hütten angefievelt, daß man ihre 
Nefter mit der Hand erreichen kann. Froſchgequäck und unzählige 


Ueber die Lage Trojas, 583 


Mücen und dazu der feuchte Nebel machen für den Neifenden hier, 
wie überall in den niedriger gelegenen Theilen des Thales den 
Nachtaufenthalt unerträglich, und man thut beffer, feine Route fo 
einzurichten, daß man die Nacht in einem der höher gelegenen 
Dörfer zubringt, aber auch hier aus leicht zu errathenden Gründen 
lieber unter freiem Himmel, wenn es die Jahrszeit erlaubt. Der 
große Begräbnißplatz in der Nähe von Bunärbafcht zeigt, daß dies 
Dorf einft fehr groß und wohlhabend war. Zu den Örabmonumen- 
ten find viele alte Säulen aus Granit und Marmor und andere 
Architeeturftüce verwandt, die zum großen Theil nad) Styl und 
Dimenfionen zu urtheilen von Neuilion hieber gefchleppt find. 

Wir ritten von bier auf Die Anhöhe Baalih, an derem nord» 
weftfichen Fuße das Dorf liegt, und erreichten in etwa einer halben 
Stunde den Gipfel, ver ſich zu einer Höhe von 400 Fuß über die 
Meeresfläche und nicht viel weniger über das Bett des Scamander 
erhebt. Baalih hat feine große Berühmtheit dadurch erhalten, daß 
Lechevalier und feine Anhänger: ihm den Namen des Piramifchen 
Pergamon geben. Sollte es auch in Zukunft dies Intereffe verlieren, 
fo wird es doch wegen der ſchönen Ausficht dem Neifenden immer 
die Mühe des Weges belohnen. 

Auf der Höhe angekommen trifft man zur Linfen zwifchen Ge— 
büſch und Heinen Eichen drei Grabhügel, von denen der füdliche 
größere eine Höhe von 30 und einen Durchmeffer von 130 Fuß 
bat, und in einiger Entfernung von da nach Südweſten einen vier 
ten, fümmtlih aus Heinen Steinen und Erde aufgefchüttet. Bon 
den zuerft erwähnten Grabhügeln weiter vorwärts nah Oſten ge— 
hend ftößt man auf den Schutt einer Mauer, die ebenfalls, nad) 
den Neften zu urtheilen, größtentheils aus Schutt und Fleinen Stei— 
nen gebaut war und die gegen den Mendersé vorfpringende Ede des 
Berges in gerader Linie abſchnitt. Sowohl vor diefer Mauer, als 
innerhalb verfelben ſieht man zahlreiche Häuferfubftructionen und 
Schutthaufen, die beweifen, daß bier eine alte Ortfchaft lag; aber 
Nefte eines bedeutenderen Gebäudes konnte ich nirgends entdecken. 
Innerhalb der geraden Mauer find zwer tiefe Gruben im Felfen, 
die aus einem natürlichen Einſturz entftanden zu fein fcheinen, aber 


584 Ueber die Lage Trojas. 


vieffeicht einft als Eifternen gedient haben. Gegen ven Fluß bin 
ift der Berg ſehr fteil und an manchen Stellen die Felfen ſenkrecht 
abſchüſſig bis hinab an das Bett des Fluſſes, der fich bier in Krüm- 
mungen durch Die enge Schlucht windet. Nach dieſer Seite hin 
entdeckte zuerft der franzöfifche Architect Mauduit einige Nefte alter 
Hellenifcher Befeftigungsmauern, die er für Heberbleibfel des Pria- 
mischen Pergamon hielt, Ich fuchte darnach und fand fie bafd, aber 
zu meinem Erftaunen von fo kleinen, faft winzigen Dimenfionen, 
daß ich begreife, weshalb Herr Mauduit, der in feinem Werfe eine 
verfchönerte Zeichnung davon Tiefert, feinen Maaßſtab hinzugefügt 
bat. An einer Stelle, wo allerdings noch drei Lagen roh behauener 
Steine von theils vieredfiger, theils polygoner Form über einander 
liegen, mißt der größte Stein nur zwei Fuß Lange und einen Fuß 
Breite. Etwas weiter abwärts iſt ein zweiter 15 Fuß langer Reſt 
einer ähnlichen Mauer, welche die Nündung des Segments eines 
großen Kreifes hat, in der unteren Lage erhalten. Hier mißt der 
größte Stein zwei und einen halben Fuß. Ganz in ver Nähe fand 
ich noch zwei Iofe Mauerfteine, jeden von drei Fuß Lange und an 
fünf Seiten roh behauen, an der fechften keilförmig zugelpist. 
Solcher Steine bediente man ſich in Griechenland in den verfchies 
denften Zeiten zu DBefeftigungen geringerer Art, indem man damıt 
zwei paralfele Wände aufführte und die Mitte mit Schutt und Erde 
ausfüllte. Sch babe alles, was Herr M. angiebt, genau unterfucht, 
gemeffen und gezeichnet und kann verfichern, daß es nicht Die ge— 
ringfte Aehnlichkeit mit den eyelopifchen Mauern der Argolifchen 
Städte und anderer aus beroifcher Zeit ſtammenden Nefte hat, und 
fo hat man ſich das von Göttern gebaute unüberwindlihe Troja zu 
venfen. Tirynths gewaltige Mauern und feine iſolirte Lage auf 
einem niedrigen Hügel in der Ebene möchte vielleicht das befte Bild 
von Troja geben, nur daß leßteres weit größer und geräumiger 
war. Dem Löwenthor von Mycen mag das Skäiſche Thor nicht 
unähnlich gewejen fein. Demetrius von Skepſis dachte fi) Troja 
jo und wiverlegte daraus den Timäus, der behauptet batte, Das 
Achilleum ſei mit dem Trojanifchen Baumaterial befeftigt worden, 
Die Eyelopen, welche Tirynth bauten, folen aus Lyeien gekommen 


Ueber die Lage Trojas. 585 


fein (Strab. 373), und in cyelopifcher Werfe ummauert muß man 
fich jedenfalls die Stadt venfen, die Homer mit den Beiwörtern 
Heoduntog, Evreiyeos, EUnVOYOS, Öyinvrog, aineıyy, OPOVOEROR 
u. f. w. bezeichnet. Wenn Hoffnung da wäre, irgend einen alten 
Stein davon an Drt und Stelle zu entdecken, fo wäre dies wohl 
ſchon feit Pififtratus gefchehen, da die Gegend fortwährend be- 
wohnt und von Alterthumsforihern genau unterfucht wurde. Homer 
legt vielleicht deshalb, weil ſchon zu feiner Zeit Feine Spur der 
Mauern mehr vorhanden war, dem Poſeidon das prophetifche Wort 
in den Mund, dag man das Werf vergeffen werde, welches er und 
Apollo dem Heros Laomedon erbaut babe (Il. VII, 452), und Ae- 
fchylos Täßt den Agamemnon Troja fo zerftören, daß der Nachwelt 
die Stätte feiner Altäre und Tempel nicht mehr befannt war 
(Agam. 525). Der Redner Lyeurg, auch von Strabo angeführt, 
frägt in feiner Nebe gegen Yeverates (155) die Athenienfifchen 
Richter: „wer hat nicht gehört, daß Troja, die größte und mäch— 
»tigfte der damaligen Städte Afiens, feit fie einmal von den Grie— 
chen zerftört und ihre Bevölkerung aufgehoben wurde, fortwährend 
„unbewohnt iſt?“ und zeigt mit Diefer Frage deutlich, daß noch in 
der Zeit Aleranders des Großen niemand in Athen glaubte, die 
Aeoliſchen Bewohner von Sion ferien Nachkommen der Trojaner 
und ihre Stadt nehme die Stelle der Homerifchen ein. Die Atti— 
fhen Schriftitefler, Zenophon, Demofthenes und andere pflegen die 
beiven Städte fo zu unterfcheiven, daß fie die Homeriihe Troja 
(Toora), die Aeoliſche Sion (70 IAıov) nennen und jene von 
Troern (10660), diefe von Ilienſern CIrıeis) bewohnen Taffen. 
Ebenſo unterfcheivet Herodot des Priamus Pergamon (ra Ilgızuov 
Jleoyaue) von dem Ilion am angeſchwemmten Meeresufer. Außer 
Diefen und den von Strabo angeführten, dem Gefchichtiehreiber Ti— 
utäus, dem Demetrius aus Skepſis und der Heſtiäa aus Alerandria 
Troas, gehören noch zu denen, die ein völliges Verſchwinden der 
Mauern von Troja annehmen, namentlich Lucan und Lucian, einige 
Epigrammatiften und Euftathius. Nah Strabo vermuthete man, 
Troja fei darum nicht wieder aufgebaut, weil die fpäteren Einwan— 
derer den Platz wegen des verhängnißvollen Schiefals, was daran 


586 Ueber die Lage Trojas. 


bafte, oder wegen des Fluches, den Agamemnon nad) alter Sitte 
darüber ausgefprochen, nicht zu bewohnen wagten, und das Bauma- 
terial der niedergebrannten Stadt ſei dadurd bis auf die [este 
Spur verfhwunden, daß die Bewohner der umliegenden Städte daf- 
felbe zum Aufbau ihrer eigenen Wohnfise verbrauchten. Namentlich 
follte Sigeum auf diefe Weife ummauert fein. In der That findet 
fih in allen Hügeln, welche weſtlich und nordweftlih won Atzik-kioi 
das Thal des Simvis und Scamander umgeben, Fein dauerhafter 
Bauſtein. Noch vor kurzem gruben die Bauern son Jeniſchehr, 
um eine Kirche zu bauen, deshalb das Material dazu in den Rui— 
nen von Neu-Ilion aus. 

Wenn man fragt, welchem Helfenifchen Drte denn die Nuinen 
son Bunärbafcht angehören, fo antworte ich: dem Städtchen Eca- 
mandria, welches von Plinius in der Gegend von Neu-Ilion er- 
wähnt wind und auch fonft noch aus einer Inſchrift und Furzen 
Angaben Byzantinifcher Schriftfteller befannt und diefen Nachrichten 
zu Folge anfwärts am Ufer des Scamander zu fuchen if. Im 
höheren Alterthum hieß der Ort vielleicht Thymbra, gleichnamig 
mit der unter ihm liegenden Ebene; doch kommt dieſer Stadtname 
nur bei Stephanus vor. Die Ausficht von Lechevalters Pergamon 
eritrecft fih über die ganze Scamandrifhe Ebene bis ans Meer 
und bis zum Feſtlande jenfeits des Hellespont; aber gerade dies 
entfpricht Feineswegs der Homerifihen Erzählung, die hinlängliche 
Andeutungen enthält, daß man von der Stadt aus nur einen Theil 
des Schlachtfeldes, Feineswegs aber das Lager und tie Schiffe der 
Achäer fehen fonnte. Ferner liegt Lechevaliers Troja am rechten 
Ufer des Scamandee, wo auch das Lager der Achaer ber Sigeum 
ftand. Es wäre alfo fowohl ber den Schlachten als bei der Reife 
des Priamus der Scamander entweder gar nicht, oder zweimal zu 
überfchreiten, was der ganzen Stade widerſpricht. Auch ift bei 
Homers genauer Drtsbefchreibung nicht wohl anzunehmen, daß er 
zwei characteriftifhe Merkmale der Anhöhe von Bunarbaſchi, Die 
fteifen Felfen und ihre unmittelbare Page am Seamander follte 
übergangen haben. Nirgends nennt er die Stadt eine felfige, mE- 
107000, wie andere Städte von ähnlicher Lage, und daß es in 


Ueber die Lage Trojas. 587 


Odyſſee (VIII, 508) Heißt, es hätten einige der Trojaner vorge- 
fihlagen, das hölzerne Pferd von den Felfen hinabzuftürzen, bezieht 
fi) feineswegs auf Felfen über denen die Burg ftand, fondern auf 
irgend eine andere felfige Anhöhe, auf die man das Pferd fchleppen 
und — wie einen Verbrecher — binabftürzen wollte. So feheint 
wenigflens Birgit (Aen. I, 189) den Sinn der Homeriſchen Stelle 
anzufehen. Und, was den Scamander betrifft, fo gebt aus dem 
Schluſſe der einundzwanzigiten Nhapfodie Har hervor, daß er in 
beträchtlicher Entfernung von der Stadt floß, denn Apoll verloct 
in Agenors Geftalt ven Achill von der Eiche am Skäiſchen Thore 
durch die waizentragende Ebene abwärts bis an das Ufer des Sca- 
mander, wodurch die fliehenden Trojaner Zeit gewinnen, ſich inner— 
halb der Mauern der Stadt zurückzuziehen. 

Endlich iſt Bunärbafcht wegen der Höhe und des großen Um— 
fangs des Berges und der Felfenfchlucht am Scamander durchaus 
unumlaufbar. Da Lechevalier dies zugeftehen mußte, fo nabm er 
zu einer gezwungenen und der Anficht des Alterthums widerfprechen- 
den Erilärung der einfahen Worte Homers, die Helden Adillens 
und Hector feien dreimal um die Stadt des Priamus gelaufen (Jl. 
XXI, 165), ‚feine Züfluht. Sein deutfcher Herausgeber, der be- 
rühmte Heyne, bemerkt hiebei fehr richtig (p. 205), wenn bebaup- 
tet werden folle, Homers Stelle von dem Herumjagen der Käm— 
pfenden fei anders zu verftehen und fünne nicht um die Stadt herum 
gegangen fein, fo müffe der Hauptbewers vom Loeal hergenommen 
werden. Aber ich denfe, man foll ein Local fuchen, das zu Homers 
Beſchreibung paßt, nicht aber den Dichter zu Gunften eines doch 
immer problematifchen Locals willkürlich erklären. Lechewalier läßt 
alfo die beiden Helden in der Ebene vor dem Skäiſchen Thore drei- 
mal im Kreife umberlaufen und führt zur Unterſtützung diefer Er- 
Härung den Nachahmer des Homer, den Virgil, an, der auf ſolche 
Weife den Aeneas und Turnus fünf Kreife vor den Mauern Lau- 
ventums befchreiben laſſe. Ich beftreite nicht, daß Virgil auch hier 
den Homer abfihtlih nachahmt und felbft Kleinere Züge aus ihm 
entlehnt, denn er wußte fehr wohl, daß eine gelungene, wenn auch 
nachahmende Wettsiferung mit dem größeften griechiichen Epifer 


588 Ueber die Lage Trojas. 


fernen Römiſchen Leſer mehr entzücken würde, als eine originelle 
Behandlung feines Gegenftandes, und es iſt möglich, daß er 
wünſchte, auch in dieſer Cataftrophe noch genauer nachahmen zu 
können; aber das dem Römer befannte Local des nahen Laurentum, 
welches mit dem Fuße feines Hügels an einen großen Sumpf ftief 
(Aen. X, 706. XI, 744 vgf, Canina, Topograf. d. Campagna 
di Roma etc. p. 74), zwang ihn abzuweichen. "ES blieb ihm nichts 
übrig, als einen Kreislauf vor den Mauern Yaurentums zu erdich- 
ten und um diefem Die nöthige Wahrfcheinfichleit zu geben, ven 
verfolgenden Aeneas verwundet darzuftellen und zugleich, um das 
Entfliehen des Turnus nah außen zu verhindern, den Kampfplatz 
mit den hohen Mauern von Laurentum, dem angrenzenden Sumpfe 
und dem dichtgefchloffenen Heere der Teuerer zu umgeben, wie um- 
gefehrt Homer den Achill vorfpringen läßt, fo oft Hector fih in 
die Thore Trojas zurüczuziehen verfucht. 

Schließlich füge ich nocd) einen Grund gegen Lechevaliers An— 
nahme hinzu. Es liegen nehmlich die vier oben angegebenen Grab— 
hügel innerhalb der von ihm und feinen Anhängern gezogenen Um— 
fangsiinie der Stadt. Dies widerfpricht der befannten Sitte des 
Alterthums, und wenn auch einzelne Ausnahmen vorkommen, fo darf 
man doch nicht annehmen, daß zu Homers Zeit Dies gewöhnlich 
war, da der Dichter die gefallenen Achaer außerhalb des Lagers 
und den Hector außerhalb der Stadt verbrennen und auf der 
Brandftätte ihre Grabhügel errichten läßt. Wen aber von den 
zahlreichen Griechifchen und Trojaniſchen Helden, deren Gräber nach 
den Angaben und namentlich nach den Epigrammen fpäterer Schrift- 
ftelfer in der Gegend von Troja gezeigt wurden, Die vier Hügel 
auf Baalih angehören, wird bei dem Mangel näherer Bezeichnung 
unbejtimmt bleiben müffen. 

Bon Bunärbafcht wandte ich mich nach Atzik-kioi, wörtlich da 8 
vffene Dorf, weldes eine Stunde von Bunirbafıht und eine 
halbe Stunde von dem zwifchen beiden fließenden Scamander ent- 
fernt iſt. Es Liegt auf einem flachen ifolirten Hügel, der mit fei- 
nem noröweftlichen Abhange an eine niedrige vom Kara-ghün (Cal— 
lieolone) herabfteigende Verzweigung Des großen Hügelrückens ftößt, 


Ueber die Lage Trojas. 589 


den ich oben als den zweiten oder mittleren bezeichnete und an fei- 
nem nordweftlihen Ente die Ruinen von Neu-Ilion angab. Die 
Karten bei Choiſeul-Gouffier und Mauduit geben Die tolirte Lage 
von Atzik-kioi fehr Deutlich anz weniger genau die Englische Karte 
zu Forchhammers topographifcher Heberficht von Troja. Nach Strabo 
befchrieb Demetrius die Gegend folgendermaaken: „von der Idäi— 
„ſchen Gebirgsgegend erſtrecken fi) zwei Hügelreihen gegen das 
„Meer, der eine gegen Nhoeteum, Der andere gegen Sigeum, und 
„bilden. zufammen eine halbzirfeiförmige Linie. Zwifchen den End- 
„punkten diefer Hitgelreihen liegt Neu-Ilion, die alte Stadt aber 
zwischen ihren Ausgangspunkten. Ste umfchließen innerhalb die 
„Simuntiſche Ebene, durch die der Simois, und die Scamandrifche, 
„durch die der Scamander fließt. Dieſe letztere iſt die eigentliche 
„Troiſche Ebene, und dahın verlegt der Dichter die merjten Käm— 
„pfe, denn fie ift breiter und man zeigt uns hier die namhaften 
„Plätze, den Erineos, das Grab des Aefyetes, die Batiea, das 
„Grab des los. Bon den Flüffen nähert fic) der Scamander dem 
»Sigeum, der Simois dem Rhoeteum und fließen in geringer Ent- 
»fernung vor Neu-lion zufammen, worauf fie bei Sigeum münden 
„und dort einen Sumpf, die fogenannte Stomalimne bilden. Beide 
„genannte Ebenen trennt ein großer in fich zufammenhängender Hü— 
„gelrücken, der in gerader Richtung von Neu-Ilion beginnt und 
vfih bis zum Cebrenifchen Gebiete erſtreckt. Dieſer Hügelrüden 
»bildet zu den Hügelreihen auf beiden Seiten den Buchftaben E. *) 
„Etwas oberhalb der Scamandriſchen Ebene liegt das Dorf der 
„Ilienſer, wo man glaubt, daß das alte Sion gelegen habe, drei= 
‚big Stadien von der jetzigen Stadt.“ Diefe Befchreibung des 
Demetrius tft Far und einfach, und der wirklichen Dertlichfeit noch 
weit entfprechender, als eine Karte es wiederzugeben vermag. Ho— 
mer feßt in einer befannten Stelle 1. XX, 215) Sion in vie 
Ebene, und Plato (de legg. 682) fagt in Beziehung hierauf, Ilion 


*) Die Form E& ift die in Strabos Zeit gewöhnliche für den Buchſta— 
ben Buchſtaben E. Coraés jtellte dies Zeichen in feiner Ausgabe des 
Strabo aus Handichriften her, da die gewöhnliche Lesart Y der übrigen 
Beichreibung nicht entfpricht. 


590 Ueber die Lage Trojas. 


jet aus den höhern Gegenden in eine große und fchöne Ebene auf 
einen nicht hohen Hügel (En! Aopov oVy vıynAow) verlegt worden, 
gleichſam als wolle ev ung ım Voraus vor Bunärbafhi warnen. 
Auf einem ſolchen niedrigen, an die Scamandrifche Ebene fto- 
enden und, wie Strabo es mit Fug nach Homers Erzählung ver- 
langt, vings umlaufbaren Hügel liegt Atzik-kioi, welches noch vor 
wenigen Jahren ein gut bewöffertes Türfifches Dorf war. Jetzt iſt 
es zum größten Theil bis auf die Grundmauern zerftört und der 
Doden beadert. Doch erkennt man hie und da, aufer dem Schutte 
des Türkiſchen Dorfes einige Nefte älterer Subftructionen, die dem 
Dorfe der Ilienfer angehören, und einige zerftrente alte Ouadern 
und Granitſäulen. Letztere, und ein dort befindliches Säulencavitäl 
find indeg wohl von Hiffarlif hergeführt. Beim Aufgange zum 
Hügel von Werten ber fteht jest ein großer Meierhof, ein foge- 
nanntes Tſchiflik. Hier findet man ein gutes Unterfommen und ein 
ausnahmsweiſe erträgliches Nachtlager. Das Hauptgebäude iſt auf 
ähnliche Werfe, wie die Häufer in Lycien nach Fellows Zeichnun- 
gen mit großen rings vorfpringenden Baumftämmen bedeckt, worü— 
ber eine Schicht feftgetretener Erde Tiegt. Es fteht auf felfigem 
Boden, der an einigen Stellen gegen die Ebene hin in großen ab- 
fhüffigen Maſſen von fechs bis acht Fuß Höhe hervortritt und dort 
einiges Gebüſch von wilden Feigenbaumen trägt. Mean hat von 
bier aus die Ausfiht über die größere und breitere Hälfte ver 
Scamandrifhen Ebene, die fich bei Neu-Ilion durch den vortreten> 
den Hügelrücken verengt und dann jenfeits deſſelben fich wieder er- 
weitert und mit der Simuntischen Ebene vereinigt. Die Hügel bei 
Neu - Jlion verdeefen die Ausficht nach Sigeum und dem Hellespont, 
und aus diefem Umftande erflärt fi, wenn wir Atzik-kioi für das 
alte Jlion nehmen, weshalb die Trojaner einen Späher auf dem 
Grabmale des Aeſyetes aufftellten, denn auf dem Wege von Asik 
fioi nach Sigeum wird man dort zuerft die Kufte und das Meer 
anfichtig. ES erklärt ſich hieraus ebenfalls, weshalb nie bei Homer 
vorkommt, daß man von der Stadt aus das Layer der Achäer oder 
vom Lager aus Die Stadt oder die dort brennenden Wachtfeuer ge— 
jehen habe, Wenn Andromahe dem Priamus vom Thurme am 


Ueber die Lage Trojas. 51 


Skäiſchen Thore die Achäiſchen Heerführer zeigt, fo iſt Die Schlacht 
ſchon weit in der Ebene gegen die Stadt vorgerüct, und wenn Apoll 
son Pergamon aus die Troer anfenert, fo iſt ebenfalls der Kampf 
unfern der Thore. So erblickt auch, Priamus (Il. XXI, 25) deu 
durch die Ebene anftürmenden Achill, und Caffandra den mit der 
Leiche des Hector zurückkehrenden Vater, ald beide ſich fchon den 
Thoren nähern. Tenedos wird von Atzik-kioi aus durch die Anhö— 
ben des Ujektepe verdect, aber gegen Werften fieht man das Meer 
bei Imbros und die zwifchen diefem und dem Feftlande liegenden 
Infeln, die alten Calydnae. Don der Ida fieht man nur die Vor- 
berge, dagegen ausgezeichnet ſchön den Gipfel der Callicolone im 
Nordoften. Die Ebene unterhalb Atzik-kioi iſt theils mit Warzen 
bebaut, theils wegen eines dort im Winter fich bildenden Sumpfes 
unbebaut. Der Sumpf, Judaen genannt, Tiegt nördlich von Agik 
Hot, und fein Boden wird ım Sommer, wie faft alle übrigen 
Sumpftheife der Ebene, troden und hart, fo daß fih die ganze 
Thalebene des Scamander vortrefflih zum QTummelplag von Wa- 
genfampfen eignet, wie fie in den Homerifchen Gedichten ſo man- 
nichfaltig und lebendig gefchilvert werden. in Yangs dem Fuße der 
Hügel fortlaufender Canal, der Kalafaätli-asmäk, führt im Winter 
das Waſſer des Judacn und einiger Negenbäche zwifchen Kalafätlı 
und Hiffarlif Hin dem Dümrék zu. Im Sommer hat der Asmäf 
ftehendes Waffer und eine Brüde aus Byzantinifcher Zeit mit tie 
fen Wagengleifen führt nördlich von Atzik-kioi hinüber. 

In der Cbene von Atzik-kioi ftchen bie und da ftattliche Eich- 
bäume, die fih gegen Südweſten zu einem fchattigen Wäldchen ver- 
dichten, worin, etwa eine Viertelftunde vom Meierhofe entjernt ein 
Grabbügel, der Chanal-tepé, liegt, der der größte nach dem Ujék— 
tepe iſt und eine Höhe von 60 Fuß und einen Durchmeffer von 250 
Fuß dat. Auf feinem abgeflachten Gipfel fteht die Laubhütte des 
Alurfchüsen, der von hier aus die umliegenden Meder und Wein- 
gärten bewacht. Dies wird die Batiea, der Grabhiigel der Amazone 
Myrina fein, wo die Trojaner und ihre Bundesgenoffen ihr Heer 
vor der erften Schlacht der Iliade ordneten. Homer giebt ihn als 
einen hohen ifolirten Hügel abwärts ım Felde vor der Stadt an, 


592 Ueber die Lage Trojas. 


und er muß nicht fern von derfelben im Hintergrunde der Scaman— 
drifchen Ebene gejucht werden, da die Achaer fich ihrerfeits an ven 
anderen Endpunkte der Ebene in der blumigen Au des Scamander 
CN. U, 467) aufftellen, womit ohne Zweifel die Stomalimne ge- 
meint ıft, worauf beide Heere mit dem Anfange der dritten Rha— 
pjodie eilig gegen einander durch die Ebene vorrüden, So bezeich— 
net auch Lycophron (243) das große Schtachtfeld durch ſeine beiden 
Endpunkte Myrina und das Meeresufer. Noch zu Strabos Zeit 
zeigte man die Batiea in der Scamandriſchen Ebene und ihre Lage 
gehörte zu den Gründen gegen die Behauptung der Ilienſer, daß 
ihre Stadt die Stelle der alten einnähme. Noch damals hieß ein 
ſteiniger mit wilden Feigenbäumen bewachſener Platz unterhalb des 
Dorfs der Ilienſer Erineos, deſſen Stelle ohngefähr die der Felſen 
unter dem Tſchiflik fein wird. 

Die alte Stadt wird die faft flache Höhe des ovalen Hügels 
eingenommen haben, die fih vom Tſchiflik uber das verfallene Tür- 
kiſche Dorf *) hinaus, etwa taufend Schritt oder vier Stadien nad 
Nordoften ausdehnt und nach allen Seiten hin fanft abrallt, jo daß 
bequeme Fahrwege den Hügel nach verjchiedenen Richtungen über- 
kreuzen. Es iſt natürlich völlig unbeftimmbar, wie weit ſich die 
Stadtmauer über die Abhänge des Hügels ausdehntz doch, wie man 
auch ihre Linie ziehen mag, immer wird der von Homer erwähnte, 
rings um die Mauern gehende Fahrweg (JI. XXII, 146), auf wel- 
chem die beiden Helden dreimal um die Stadt liefen, felbft für be— 
waffnete Krieger ohne Schwierigkeit zu umlaufen fein. Die Burg 
Pergamon, welche ohne Zwerfel noch befonders befeftigt war, mag 
den Mittelpunkt des Hügels eingenommen haben, denn ver Weg 
von dort bis zum Skärfchen Thore führte nach Homer wenigftens 
durch einen Theil der Straßen der Stadt. Das Skäiſche Thor 
dagegen mag in der Gegend des Tiehiflifs anzufegen fein, da es 
nach Homer wahrfcheinlich ift, daß unfern dieſes Thors der Erineos 
an die Stadtmauer ſtieß, die hier am leichteften zu erfteigen war. 


*) Das Türfifhe Dorf Atzik-kioi, welches, weil verfallen, auch Alt-Atzik-kioi, 
Böft-Agif-fioi, genannt werden kann, ftößt unmittelbar an das gleichnamige 
Tichiflif und es ift ein Irrthum, wenn die Karten zwei verfchiedene eine 
Stunde von einander entfernte Orte Abi-fioi und Eski-Atzik-kioi angeben. 


Ueber die Lage Troja. | 595 


Die von Homer oft erwähnte ſchöne und hohe dem Zeus ge- 
heiligte Eiche, *) die man noch zu Strabos Zeit zeigte, lag nad 
fegterem unterhalb des Erineos und nach Homer am Wege aus 
dem Schlachtfelde am Skäiſchen Thore. Jetzt ftehen dort viele 
Balona- Eichen, von denen der Neifende die größte und ältefte die 
Eiche Des Zeus nennen möge. Wenn auch der Homerifche Baum 
langft verwelft it, ſo genügt doch diefer der lebendigen Erinnerung, 
und wie Cicero von der Marianiſchen Eiche fagt: 

manel vero et semper manebit, sala est enim ingenio. 

Am nördlichen Abhange der Hügel uon Atzik-kioi fließt ein 
Heiner Bach, der Kimér-tzai oder Kimer-fu, der von einem großen, 
einer Römiſchen Wafferleitung angehörigen Bogen (NGriech. za- 
«ag9a) feinen Namen erhalten hat. Der Bogen Tiegt anderthalb 
Stunden aufwärts von Atzik-kioi in einer wilden mit dichten Fich— 
tengehölz bewachfenen Gegend. Jenſeits deſſelben hat der Bach un- 
fern des Kara-ghün ſtarke Quellen, die eine halbe Stunde abwärts 
vom Bogen eine Mühle treiben. Von da weiter abwärts gegen 
Asif-fivi Hin wird das Waffer im Sommer geringer, und das Bett 
erfcheint an manchen Stellen trocken, weil das Waffer fih unter 
dem Geröll verliert obgleich au mehreren Stellen perennivende 
Duellen find. Eine son diefen mit gutem und falten Waffer ent- 
fpringt ganz in der Nähe des Tſchifliks hart am rechten Ufer des 
Baches und dient den Bewohnern deffelben als Trinkwaſſer. Wer- 
ter abwärts fließt der Bach in ſüdlicher Nichtung durch eine ſum— 
pfige mit wilden Gebüfh und Bäumen bewachfene Gegend, die 
Batäfıa genannt wird, dem Scamander zu. Nahm Homers Sion 
wirklich den Hügel von Aril-Koi ein, fo füllte das Waffer des Ki— 
mor⸗tzai den be rühmten Brunnen, an welhem die Trojanerinnen 
wufchen und Hector dur die Hand des Achilles fiel. Eine warme 
Duelle iſt bier jest eben jo wenig zu finden, als zu Strabos Zeit, 


*) Daß Homer mit dem Morte yyyos nicht eine Buche, fondern die 
hier einbeimifche Walona= Eiche mit eßbarer Frucht meint, behaupten die 
alten Erflärer,ausprücflich. Die Nömifchen Schriftiteliev ſetzen dafür durch— 
gehends, wie die Vergleichung von Stellen bei Dionyſius und Living, Theos 

phrajt und Plinius zeigt, dag Wort quercus. 


Muf. f. Philolog. N. 3. TIL. 38 


504 Leber die Lage Trojas. 


und möchte eine Erfindung des Dichters fein. Doch erwähnt Herr 
Forchhammer in feiner Topographie (P. 33), daß die Felfen in 
der Gegend der Mühle vulfanifcher Natur ferien, und fomit wäre 
es denkbar, daß hier einft auch eine beige Duelle floß. Der Bo— 
gen der Wafferleitung ift mit einer Weite von 55 Fuß über bie 
wilde Felfenfchlucht geſpannt, durch die der Kimér-tzai hinrauſcht. 
Auf dem Schlußfteine ficht man einen Porträttfopf in Hautrelief, 
wahrfcheinfich des Katjers, der ihn bauen ließ. Die Quelle, deren 
Waſſer über den Bogen geleitet wurde, fließt jest höher im Gebirge 
nach anderer Nichtung ab. Die Müller der nahen Mühle verfi- 
cherten nich, daß tie Wafferleitung nach den Neften großer thöner- 
ner Röhren zu urteilen, einft das Waffer nach Hiffarlif oder Neu- 
Son gebracht habe. Ich fand mehrere Bruchſtücke folder Röhren 
und zweifle nicht, daß tie Behauptung der Müller ihre Nichtigfeit 
bat. Die Bauern der Umgegend graben deren häufig aus und be— 
nusen fie als Schornfteine auf den flahen Dächern ihrer Häufer. 
Auf dem Wege von Asık- Kor zur Waſſerleitung findet fih wenig 
beachtenswerthes. Zwanzig Minuten hinter Atzik-kioi fieht man links 
am Wege, unweit eines Türfifchen Begräbnißplatzes einen Fleinen 
Tumulus und eine Stunde weiter trifft man links vom Wege fich 
abwendend auf einem Vase, der Mal-tepe heißt und mit hohen 
Pinien befchattet if, De Trümmer eines Tempels aus weißem Mar— 
mor, welcher nach der Architeetur und dem Bruchſtück einer Infchrift 
nit dem Namen TovAAllov) zu urtheilen, aus Nömifcher Zeit 
ſtammt. 

Eine Stunde weiter von hier aufwärts erhebt ſich da, wo der 
die Ebenen des Seamander und Simois trennende Hügelrücken die 
Idäiſchen Vorberge verläßt, ein hoher, weit ſichtbarer, kegelförmiger 
Gipfel, der Karäsghün, den ſchon frühere Reiſende mit Recht für 
die Homerifche Callicolone erkannt haben. Strabo fagt, fie läge 
am Simoils umd fer 40 Stadien von Neu-Ilion entfernt, zwei An— 
gaben, welche verglichen mit Homers Erzählung (JS. XX, 151), 
wonac die Trojaniſchen Schußgötter, Phöbos und Ares, von Cal- 
fieofone aus der größten und enticheivendften ber" Homerifchen 


Schlachten zufehen, nur auf den von der ganzen Ebene aus fichtba- 


Ueber die Lage Trojas. 595 


ven Karasghün paft, Ebenſo paßt alles, was Strabo über die 
lage des Dorfs der Ilienſer fagt, daß es ein wenig oberhalb der 
Seamandriſchen Ebene dreißig Stadien weit von Neu-Ilion entfernt 
fiege und umlaufbar fer, vollfommen auf Atzik-kioi. Nur in ver 
Angabe, daß die Tallicolone zehn Stadien vom Dorfe der Ilienſer 
entfernt fei, was die meiften bisherigen Topographen veranlaßt hat, 
daffelbe auf dem Hügelrücken zwifchen Neu-Ilion und Caflicolone 
anzufesen, ift ein offenbarer Irrthum enthalten, der entweder dem 
Strabo felbft, der die Gegend nicht aus eigener Anſchauung Fannte, 
oder feinen Abfchreibern zur Laft fällt, wenn man nicht etwa anneh— 
men will, daß er fagen wolle, das Dorf der Ilienſer fer zehn Sta- 
dien weit vom äußerſten fünweftlichen Fuße der Callicolone entfernt, 
der alferdings fich bis in die Nähe von Atzi-kioi erſtreckt. Strabo 
felbft nennt die Hügelreihe, auf deren äußerſtem Ende Neu » Slion 
Liegt, einen zufammenhängenden Nücen (avynv ovupvng Eavro) 
und erflärt, daß eben deswegen (dır zyv ovreyn gayır) Neu- 
Son unumlaufbar fer, was fich wirklich fo verhält. Wenn nun von 
Neu⸗-Ilion zum Dorfe der Ilienſer dreißig Stadien, von dort nad) 
Callieolone zehn, und im Ganzen von Neu-Ilion nach Callicolone 
vierzig find, fo folgt bieraus einfach, daß die drei Punkte in gerader 
Linie hegen und das Dorf der Ilienſer mithin ebenfo unumlaufbar 
wäre, als Neu-Ilion. Außerdem würde es in diefem Falle fo gut 
wie Neu-Ilion und Callicolone in der Nähe des Simois Liegen 
und nicht an das Scamandriſche Thal ftoßen, am allerwenigften 
aber nach dem auch von Strabo eitirten Verfe (II. XX, 215) in 
oder an der Ebene liegen. Ferner giebt Strabo felbft den Erineos 
einmal in der Seamandriichen Chene an und cin anderes Mal fagt 
er, ex länge am Fuße der alten Stadt und in geringer Entfernung 
unterhalb defjelben zeige man ven Eichbaum, den Homer beim Skäi— 
fchen Thore angäbe. Wie kann alfo Strabp meinen, daß die Ho— 
merische Stadt und ihre ſpätere Stellvertreterin, die Come ver 
Ilienſer, nur zehn Stadien von Callicolone und zwar in gerader 
Richtung nach Neu - ion läge? In diefem Falle würde fie ja 
nicht an der Ebene des Scamander liegen, fondern wenigftens vier- 
zig Stadien von ihm entfernt und nur zchn Stadien som Simois. 


596 Ueber die Lage Trojas. 


Die Lage von Neu-Jlion bei Hiſſarlik (NGriech. ta Saoirzır) 
ift von Reiſenden oft befihrieben und meines Wiffens doch won nie- 
manden bezweifelt worden. Nur Herr von Eckenbrecher giest ver 
Stadt, um einige feiner Behauptungen in Betreff Pergamons und 
des Throsmos unterftügen zu fünnen, eine über viermal fo große 
Ausdehnung nah Dften und Süden, als fie wirklich hatte. Strabo 
beftimmt ihre Lage vollfommen genau auf dem Ende des großen 
Hügelrücens, der von den Idäiſchen VBorbergen beginnend die beiden 
Ebenen trennt. Sie erhielt ihren Türkischen Namen Hiſſarlik, d. h. 
die Vallafte, von den Trümmern alter Prachtgebäude und Tempel, 
deren leberrefte die Bewohner der ganzen Umgenend zur Aus— 
ſchmückung ihrer Gräberftätten, zum Bau ihrer Mofchern und ähn— 
fichen Zweden verwandt haben, weshalb man überall, fowohl im 
nahen Tſchiblak und dem diefem Dorfe gehörigen Begräbnifplage 
Halilaena, Bunsrbaſchi, Kalafatli, Kumkale und anderen Plätzen 
Säulen und andere Architecturſtücke von einerlei Styl und Dimen— 
ſionen und demfelden Marmor findet, fo daß ſich nicht zweifeln läßt, 
da fie die membra disiecta derfelben Gebäude find, womit Ma- 
cedoniſche und Römiſche Gunft Neu-Ilion geſchmückt hatte. Die 
beträchtlichſte Maſſe dieſer verſchleppten Trümmer findet ſich auf 
dem großen mit hohen Eichen geſchmückter Begräbnißplatze, der eine 
Viertel Stunde füdlich von Tſchiblak auf einem niedrigeren Hügel- 
zweige Liegt. Das Heine Tſchiblak ſelbſt Legt eine halbe Stunde 
öftich von Hiſſarlik. Die Mauerkinie von Neu-Ilion läßt ſich 
überall Leicht erkennen und verfolgen. Sie zog fid) fo über den 
Hügelrücken hin, daß fie den höchften Gipfel, wo die Acropolis mit 
einem alten Tempel und Holzbilde der Athene fand, umfaßte und 
von da zur beiden Seiten der Abhänge bis in die Ebene nad We- 
ften hinablief und von dieſer noch ein Feines Stück mit umfchloß, 
wie man an dem ſcharf gegen die niedrigen Felder ſich abſetzenden 
Boden fieht. Im Innern der Mauerlinie iſt das Erdreich voll 
Schutt, und es finden fi) dort noch einige Subftructionen, die aber 
immer mehr verichwinden, da man die Duaderfteine anderswo ver- 
braucht. Nach Norden ift der Hügelrüden gegen die Ebene des 
Dümrek ſtark abſchüſſig. 


Ueber die Lage Trojas. 597 


Daß der Dümref der Simois ift, geht klar aus Strabos Be— 
fehreibung hervor. Er ift Heiner und waſſerarmer, als der Sca- 
mander, überfchwenmt auf ähnliche Weife wie diefer feine Thal— 
ebene und läßt nördlich von Neu-Ilion noch weitläuftigere und ties 
fere Sümpfe zurück, die mit Weiden, Keuſchlamm und Bromber— 
gebüfch bewachfen find. Schon der Umftand, daß außer dem Mendere 
nur der Dümrék fein eigenes Thal und beide gemeinſchaftlich ven 
nördlichen Theil der Trojaniſchen Schlachtebene überſchwemmen, 
wäre hinreichend, um anzunehmen, daß der Simyis, den der Seas 
mander zu Hülfe ruft, um mit ihm die Ebene zu überſchwemmen, 
wo Achill beim Ucbergange der Furth gegen die Troer tobt A. 
XXI, 307), ter Dümrék fer. Weder von dem immer gleichmäßigen 
Bunirbafhi-Waffer, noch son dem Heinen, von der Furth des Sca- 
mander weit entfernten Kimér-tzai ließe fich etwas ähnliches Tagen 
oder dichten, und einen fünften Bach mut fließenden Waſſer giebt 
es nicht. Der Dümref ergießt fih jegt hart beim Grabmale des 
Ajar an dem Nhveteifchen Hügelgeftade ins Meer, und hatte fon 
zu Ptolemäus Zeit, wie man nach deffen Angabe ſchließen muß, 
diefen getrennten Lauf. Zu Homers Zeit vereinigte ev fich mit dem 
Scamander (I. V, 774) und fo auch zu Strabos Zeit, der den 
Zufammenfluß beider in der Ebene vor Neu-Ilion angiebt, Noch 
jeet zieht ſich ein tiefes, mit ftehendem Waffer gefülltes Bett des 
Dümrék bis dicht an den Ausfluß des Scamander bin, wo es in 
einem von Dünen umgebenen großen Teiche endigt. Strabo fagt 
ausdrücklich, Simois fließe, fih dem Nhoeteum nähernd, in den 
Scamander, umd an einer anderen Stelle heißt es, daß die Aſty— 
yaläenfer, welche das Rhoeteum in Befis nahmen, am Ufer des 
Simois das Städtchen Polton gründeten. Hält man dies zufammen 
mit der Bemerkung deſſelben Geographen, daß die Ebene des Sca- 
mander breiter fer, als die des Simois und DaF beide der mittlere 
Hügelrüden trenne, fo ift vollfommen Kar, daß er mit dem Simois 
den jegigen Dümref meint. Ihn wegen dev bloßen Namensähn— 
lichkeit für den Thymbrius zu haften, iſt um ſo grundfofer, weil fich 
bier überhaupt Fein alter Name erhalten hat. Der Lauf und Zus 
fammenfluß der beiden Bäche geht auch aus Homers Erzählung 


508 Ueber tie Lage Trojas. 


som erften Schlachttage am Ende der fünften und zu Antange ver 
fechften Rhapſodie Hinlänglich Har hervor. Es heißt dort, daß Hera 
und Athene, als fie die Achäer weichen faben, und die Schlacht 
fchon fern von der Stadt und nahe bei den Schiffen war, ihnen 
zu Hülfe eilten und die Roſſe, die fie bergeführt, in der Werde 
zurückließen, wo Scamander und Simois ihre Strömungen verei- 
nigten (Jl. V, 774), worauf fie dann in Geftalt von Tauben hin— 
eifen, um die Achäer zu erneuertem Kampfe anzufpornen. Hier 
hat man fich offenbar den Punkt, wo die Göttinnen ihre Roſſe zus 
rücklaſſen, im Rücken der Achäiſchen Schlachtreihe zu denfen, welche 
diefen Augenblick von den fliegenden Troern zuridgedrängt war, 
Zu Anfang der fechften Rhapſodie heißt es darauf, Die Schlacht 
habe in der Ebene zwifchen den beiden Flüffen bin und ber ge- 
ſchwankt. Der Mendere weicht ſüdlich von Kalafätli ſo von Dften 
nach Weften aus, daß er faft parallel mit dem Dümrék-tzai läuft. 
Die Schlaht bewegte fih alfo in der Ebene zwifchen dem Scaman— 
der bei Kalafätli und dem Simois bei Kum-kioi auf und ab, und 
das Schlachtfeld kann nicht klarer und einfacher bezeichnet werden, 
als ver Dichter es thut. 

Südlich von Hıffarlif und Tſchiblak erſtreckt fih von Oſten 
nach Weſten ein kleines Thal, durch welches im Winter ein Regen— 
bach fließt. Südlich von dieſem läuft parallel mit dem großen 
Hügelrücken von Neu-Ilion eine niedrigere Verzweigung deſſelben, 
auf welcher ſüdlich von Tſchiblak der oben erwähnte große Begräb— 
nißplatz mit den Marmorreſten und Eichbäumen, und von da zwan— 
zig Minuten weiter weſtlich, und ſüdlich von Hiſſarlik, auf dem 
äußerſten Ende ein Tumulus liegt, von deſſen Höhe man die Aus— 
ſicht ſüdöſtlich nach Atzik-kioi, nordweſtlich nach Kum-kalé und Je— 
niſchehr hat. Er iſt an 30 Fuß hoch mit einem Durchmeſſer von 
120. Einer der Wege von Atzik-kioi nach Kum-kalé führt durch 
einen kleinen Hohlweg unmittelbar unter dem Grabhügel vorbei und 
er iſt der erſte Punkt, von wo man das Meer und Jeniſchehr ge— 
wahrt, weshalb ich nicht zweifle, daß er das Grabmal des Aeſyetes 
iſt, wo der Trojaniſche Späher ſaß. Nach Strabo lag es im Sca- 
maudriſchen Thale fünf Stadien ſüdlich von Neu-Ilion in der 


Ueber die Lage Trojas. 599 


Richtung gegen Alerandria Troas hin, was vollkommen mit meiner 
Annahme übereinſtimmt. 

Sehr richtig bemerkt Strabo gegen die Behauptung der Neu— 
Ilienſer von der Identität ihrer Stadt mit der alten, daß es bei 
dieſer Annahme unſtatthaft ſei, einen Späher auf das Grab des 
Aeſyetes zu ſetzen, da die Acropolis von Neu-Ilion ja weit höher 
ſei und die Entfernung vom Achäiſchen Lager ungefähr gleich. 
Er hätte alſo keine Schnellfußigkeit ſeiner Sicherheit wegen nöthig 
gohabt, wenn er von der Acropolis geſpäht hätte. Xenophon erzählt 
Hell. I, 1, 2), daß Mindaros vom Tempel der Athene in Neu— 
Sion eine Seefchlacht fah, welte hart am Ufer des Rhoeteum, 
theils zu Lande, theils vom Strande aus geführt wurde, woraus 
Har hervorgeht, was auch der Angenfchein Iehrt, wenn man auf 
den höchſten Punkt von Hiffarliö fleigt, DaB von der Acropolis 
Neu-Ilions die ganze Ebene ſammt dem Lager der Achäer und die 
Meeresküſte fichtbar war. Herr von Edenbrecher nennt die Höhe, 
wo offenbar die Aeropolis lag, Throsmos, ganz gegen Homer, der 
diefen Platz unfern des Achäiſchen Lagers am jenfeitigen Ufer des 
Scamanders angiebt, worauf ich weiter unten zurückfommen werde, 

Ale weiteren Gründe, welde Strabo theils als Anficht derer, 
die aus Homer die Zeugniffe für die Lage der Stadt des Priamus 
nehmen (das heißt, die alten Erflärer des Homer, die fie entfernt 
vom Meere fuchten, Euftath. M. XVI, 734), theils als eigene An- 
fiht, oder als entlehnt aus Demetrius und der Heſtiäa, ciner ge— 
lehrten Frau aus dem nahen Alexandria Troas, anführt, um die 
eitle Behauptung der Neu-Ilienſer und ihres Sachführers Hellani- 
cus zu widerlegen, find ſcharfſinnig und vollkommen richtig, und es 
laffen fi noch einige andere hinzufügen. 

Erftens behauptet Strabo, die Entfernung von Neu = ion zu 
den Schiffen der Achäer fer zu Kein und widerfpreche mehreren 
ausdrücklichen Aenßerungen des Dichters, man möge annehmen, die 
Schiffe hätten im fogenannten Nauſtathmos bei Sigeum oder in 
der Bucht zwifchen Rhoeteum und Sigeum im fogenannten Hafen 
der Achäer CAyaıwv Aıyımv) gelegen. Auch ſei der größte Theil 
der Ebene zwiſchen diefen Vorgebirgen angeſchwemmtes Land und 


600 Leber die Tage Trojas. 


erft nach dem Trojaniſchen Kriege entſtanden. Diefe letztere Mer- 
nung begünftigt auch Herodots Behauptung über die Landanſchwem— 
mung“ ber Ilion dA, 10) und der Vergleich mit dem Vorrüden der 
Ufer des Mäander, Kayftros, Sperchios und vieler anderer Flüffe, 
die erft im der hiſtoriſchen Zeit ihr Borland am Meeresufer ange- 
fest haben. Wollte man dagegen einwenden „daß Atzik-kioi an fie- 
benzig_ Stadien, faft zwei deutſche Meilen, vom Achäiſchen Lager 
entfernt und dieſer Raum zn groß fer, da ihn die Kämpfenden in 
der dritten Schlacht an einem Tage (Il. AI—XVIN) viermal ab- 
wechjelnd flegend und fliehend durchmeſſen, fo erinnere man fich, 
was Neftor (Jl. XL, 755) won einem Kampfe erzählt, an welchem 
er in feiner Sugend Theil genommen. Die Pylier befiegen Die 
Epeer bei Thryoeſſa am Alpheos und jagen fie von da in ununter- 
brochenem Laufe ber Buprafion, welches vhngefähr ein Weg von 
300 Stadien, über viermal fo wert ıft, als die Entfernung von 
Atzik-kioi zum Meere. Euryſtheus legte nach ferner Niederlage bei 
Pallene auf fenem Wagen noch einen Weg von ebenfalls 300 
Stadien zurück, bevor er von Hyllus und Jolaus ber den Sci— 
roniſchen Felfen ergriffen wurde. Das fchnefle Durchmeffen großer 
Räume ſowohl zu Fuß als zu Wagen ift, wie andere übergewöhn- 
liche Kraftäußerung, den Helden des Epos eigen. 

Zweitens behaupter Strabo, Neu-Ilion fer ununlaufbar, Der 
ganze lange Hügelrücken bat in der That vou Hıflarlif an gegen 
den Simois hin fo abſchüſſige Seiten, daß man wohl auf den klei— 
nen an Bergſteigen gewöhnten Pferden der Gegend hinüberreiten, 
aber unmöglich zu Fuß hinüberlaufen kann. Nie wiirde eg einem 
Dichter einfallen, im Anblick von Hiſſarlik einen dreimaligen Umlauf 
zweier fchwerbewaffneter Krieger zu erfinden. Nur die tfolirte Lage 
des Hügels von Atzik-kioi erlaubt eine folche Dichtung, vder macht 
die Entftehung einer folchen Lage möglich. 

Drittens meint Strabo, alle Hauptkämpfe der Stade feien in 
De Scamandrifche Ebene verlegt und hier fer alfo die Homerifche 
Stadt zu ſuchen. Auch dies iſt vollfommen vichtig, denn wenn 
Neu - Zion die alte Statt wäre, fo wäre fein Grund vorhanden, 
der Seamandriſchen Ebene dieſen Vorzug zu geben. Ueber die weite: 


Ueber die Lage Troja. 601 


ven Beweisgründe, die von der Page der Gegend Thymbra, des 
Erineos und der Eiche hergenommen find, ift oben die Rede gewe- 
fen. Ih füge zu alfen dieſen noch hinzu, daß die von Diodor und 
Apollodor umftändfich erzählte Sage der Einnahme Trojas durch 
Heracles, die auch Homer furz erwähnt, nur auf Atzik-kioi oder 
einen ähnlich gelegenen Punkt paßt. Heraffes landete mit fernen 
Schiffen bei Sigeum, ließ dort den Dieles zur Bewachung derfel- 
ben zurück und zog felbft mit feinem Heere zu den Schiffen herab, 
erfchlug den Dieles und zwang die übrigen, ihre Schiffe eilends ing 
Meer zu ziehen. Als er darauf wieder zur Stadt zurückkehrte, 
fand er dort an den Thoren den Heracles mit feiner auserlefenen 
Schaar und ließ fich mit ihm in einen Kampf ein, in welchen er 
felbft umfam, worauf die Stadt eingenommen wurde, Heracles 
mußte alfo auf einem anderen Wege nad) Troja hinaufgezogen fein, 
als auf welchen Laomedon herabkam. Ein Blick auf die Karte 
zeigt, daß diefe Erklärung weder zu Bunarbaſchi, noch zu Neu-Ilion 
fiimmt. Dagegen konnte Heracles, während Laomedon von Atzik— 
fivi auf dem gewöhnlichen Wege durch das Thal des Scamander 
nad) Sigeum hinabzog, unbemerkt im Thal des Simois hinaufzie- 
ben, und während Laomedon bei den Schiffen Fämpfte, von der Ge- 
gend von Callicolone her die Stadt überfallen. 

Herr von Eckenbrecher hat zu Ounften Neu-Ilions zwei Gründe 
geltend zu machen gefucht: erftens, daß fich eine weitere Entfernung 
als Neu-Ilion vom Meere nicht mit der Erzählung des Homer von 
der Botfchaft des Idäos zu den Achäern in der fiebenten Rhapfodie 
vereinigen laffe, zweitens, daß man von der Stadt des Priamos 
den Gipfel der Ida fehen müffe, was weder von Bunärbafcht, noch 
von Asifsfiot möglich iſt. Was die Botfchaft des Idäos betrifft 
und die Behauptung des Herrn E., er fer mit Anbruch der Mor- 
genröthe (7wIev bei Homer) von der Stadt zum Achäiſchen Lager 
abgegangen, habe dort ven Waffenftillftand zur Beftattung der Ge— 
fallenen erwirkt und fer noch fo früh mit der Antwort der Stadt 
zurückgekehrt, daß erft Die Sonne aufgegangen fer, als Trojaner 
und Achaer fich von beiden Seiten auf dem Schlachtielde begegne- 
ten um ihre Todten aufzufuchen. Die ganze Beweisführung beruht 


602 Ueber die Rage Trojas. 


auf einer falfhen Erflärung des Worts 7aIer, welches fehr häufig 
bei Honter nicht die wirffiche Morgenröthe, fondern gerade wie im 
Deutfchen ganz unbeftimmt morgen beveutet und von den Scho- 
liaſten an mehreren Stellen fo erflärt und von Voß jo überfegt 
wird. Der Umfang diefer Abhandlung erlaubt mir nicht, dies hier 
näher zu erörtern. Idäos erhielt am Abend nach der Schlacht ganz 
einfach den Befehl, morgen, d. h. am andern Tage, zu ven 
Schiffen hinab zu gehen, und er hatte Zeit genug noch vor Son- 
nenaufgang feine Botſchaft auszurichten. 

Dagegen finden fih in der Iliade hinlängliche Bewerfe, daß 
der Dichter fi) die Stadt in einer bedeutenden Entfernung vom 
Lager und von dort aus nicht fihtbar dachte, denn nur fo erffärt 
fih, weshalb Hector und die Seinigen nad) dem glüdlichen Erfolg 
ihrer Waffen zwei Nächte jenfeits des Scamander am Throsmos 
unfern der Achäiſchen Verſchanzung, und fern son der Stadt, wie 
Homer fagt, lagern um am folgenden Morgen gleich ihren Angriff 
zu machen, 1m aber einen Ueberfall auf anderem Wege zu ver- 
hindern, befiehlt Hector Feuer in der Stadt anzuzünden, und läßt 
die Mauern von den Greifen und den erwachfenen Knaben bewachen. 
Wegen diefer weiten Entfernung fürchten die Troer nächtlichen Ue— 
berfall, ihre Frauen wagen nicht vor den Thoren der Stadt zu 
wafchen, und die Achäer fenden ihrerfeits ihre tapferften Helden in 
den Hinterhalt, in die Nähe der Stadt, um fi in dieſelbe einzu— 
fihfeichen, oder die fich forglos von ihr Entfernenden zu überfallen. 
Agamemnon hält es für großen Nachtheil, wenn der Kampf bis an 
die Verſchanzung der Schiffe vorrüden follte, und ebenfo Hector, 
wenn die Achier bi3 zur Stadt vordringen. Alle diefe Umſtände 
yaffen Feineswegs auf die Lage von Neu-Ilion, wohl aber auf Asif- 
kioi, welches in der Nähe dichtes Gebüfh, Sümpfe und Hügel bat, 
die Gelegenheit zum Verſteck und unerwartetem Ueberfall geben, 
während Neu-Ilion den Schiffen der Achäer um das doppelte näher 
liegt, und eine ungehinderte Ausficht dahin gewährt. Man muß fich 
überhaupt die Ebene zwifchen der Stadt und den Schiffen fo groß als 
möglich denken, denn fie muß, wie der ältere Philoſtratus fagt (magg. 
1, 1) groß genug fein, um Afien gegen Europa in den Kampf zu ſtellen. 


Ueber die Lage Trojas. 603 


Was den zweiten Grund des Harn v. E. für die Lage Neu- 
Ilions betrifft, fo fagt Homer freilich, Zeus ſähe vom Ida Etadt 
und Schiffe (Jl. VII, 47): aber diefer Ausdruck ift allgemein zu faf- 
fen, wie an vielen andern Stellen, und bezieht ſich nicht auf Bor- 
gänge innerhalb der Stadt, fondern auf die Schlachten in der Ebene, 
denen Zeus zufchaut, wie die Scholiaften dies fehr richtig bemerken, 
und geſetzt auch, es ftände irgendwo, Zeus habe von der Ida herab 
etwas gefehen, was innerhalb der Stadtmauern vorging, fo würde 
Dies für die Page der letzteren immer nichts beweifen, Denn Zeus 
fieht mit feinen klaren Götteraugen, wohin fein menfchliches Auge 
reicht, von der Jda zum Olymp, und vom Olymp auf das Schlacht- 
feld, Und wer will von Homer, oder den Dichtern der Iliade bei 
ihren Dichtungen, oder von Pıififtratus und feiner Umgebung, die 
son Sigeum aus, wo die Gipfel der Ida fih am höchften und 
fhönften über dem Schauplag der Jliade zeigen, ber ihrer Ordnung 
und Leberarbeitung der Gefänge verlangen, daß fie fich daran fehr- 
ten, oder auch nur wußten, von welchem Puncte der Ebene jene 
Gipfel fichtbar feien, Zeus fteigt nur dann vom Olymp zur Ida 
berab, auf deren wolfenumbüllter Spige er fein Heiligthum hat 
(J1. VII, 48), wenn er am Kampfe Theil nehmen und namentlich, 
wenn er gegen die Achäer feine Furcht und Flucht erregende Aegide 
fchütteln, Blige fehleudern und Donner rollen laſſen will, Hermes 
fagt zum Priamus, als er ihn vor Adhills Zelte verläßt, es ſchicke 
fich nicht für einen Unfterblichen, fich zu nahe in den Verfehr der 
Menfchen zu mifchen (Il. XXIV, 463). Wenn dennoch der Dich- 
ter die übrigen Götter in mannigfache Berührung mit den Sterb- 
lichen bringt, fo wagt er doch nicht, den Vater der Götter und 
Menſchen weiter als bis zu dem äußerſten Gipfel der Ida herabzu- 
ziehen, unbefümmert, ob ex von da, wie Herr von E. es fordert, 
jeden Gegenftand, den er fehen will, in gerader Gehlinie bemer- 
fen fann. 

Hellanteus aus Mitylene, der, fo viel wir wiſſen, zuerft Der 
Eiteffeit feiner Aeoliſchen Stammgenoſſen von Neu-Ilion ſchmei— 
chelnd ſich für die Einerleiheit ihrer Stadt mit der alten erllärte, 
ging noch weiter und behauptete, ſie ſeien wirkliche Nachkommen 


604 Ueber die Lage Trojas. 


der alten Trojaner, und dieſe feien urſprünglich aus Griechenland 
nah Troja gewvandert, fo dag der Trojaniſche Krieg ein Kampf von 
Griechen gegen Griechen wurde, während Homer die Trojaner hin- 
länglich als verfihieden vedende und Fremde (wikodanor, M. Ti, 4. 
XAIV, 352) bezeichnet, und Perfer und Päonier fie zu den ihrigen 
zählten. Nach Herodot waren die Gergitben die einzigen Nachkom— 
men der alten Troer und Ephoros zählte Diefe gleichfalls zu den 
Nichtgriechen. Sp die Attifshen Redner, namentlich Iſocrates, und 
unter den Dichteru Pindar, Aeſchylus, Euripides. Hellanicus Ans 
ſicht ſcheint vor Alexander dem Großen keine namhaften Anhänger 
gefunden zu haben. Nachdem aber dieſe und ſeine Nachfolger die 
Anſprüche der Ilienſer anerkannten und ihre Stadt zu heben ſuch— 
ten, und noch mehr, ſeit die Seipionen, Sulla, Caeſar, Auguſt und 
die folgenden Kaiſer nach einander die Ilienſer mit Begünſtigungen 
und Vorrechten ehrten, wurde der Glaube, Neu-Jlion fer das alte, 
zum populären, dem fich auch Schriftiteller, wie Dionys von Halt: 
carnaß, Plutarch, der Nhetor Ariftives, Dionys der Verieget, 
Quintus Smyrnäus und einige Epigrammatiker, und unter den Rö— 
mern Virgil, Ovid, Plinius, Mela und andere anfhloffen. Es iſt 
bier nicht Raum, dies weiter auszuführen. 

Daß die Marmortrümmer ber dem Dörfihen Sg eine 
Stunde nördlich von Tſchiblak, die man gewöhnfich für Nefte des 
Thymbräiſchen Apollotempels hält, ſämmtlich yon Hiſſarlik dort 
hin geſchleppt ſind, um Türkiſche Gräber zu ſchmücken, habe ich be— 
reits erwähnt. Strabos einfache Angabe, das Thymbräiſche Heilig— 
thum läge beim Einfluß des Thymbrius in den Scamander zeigt, 
wie willkürlich hier wiederum von den Reiſenden verfahren iſt. 
Denn geſetzt auch, der Dümrék-tzai wäre der Thymbrius, ſo ſind 
doch dieſe Ruinen an anderthalb Stunden von dem Punkte entfernt, 
wo der Dümref ſich mit dem Mendere vereinigen konnte. 

Nördlich von Hffarlif liegt auf der Hügelreihe jenfeits des Simois, 
welche wir oben die dritte nannten und welche das Nhoeteum der 
Alten iſt, wo fie fich gegen Weften und Sigeum hin endigt, ein 
Grabhügel, an deſſen ſüdlichem Fuße ein Gewölbe einige Schritte 
bineinführt, woher der Name In-tepé, d. h. Gewölbehügel. Seine 


Ncher die Lage Trojas. 605 


Höhe ift etwa 30 Fuß und der Durdmeffer der Baſis 130 Fuß ; 
da aber die nach Weften gefchrte Eeite ſich unmittelbar an die 
Wand des Hügels anfchlieft, auf deſſen Nande er ſteht, jo erfcheint 
er, von dorther gefeben, viel höher. Oberhalb des Gewölbes iſt 
von dem Dbertbeil des Grabhügels ein Viertheil ſenkrecht ausge— 
ſchnitten und die beiden Erdwande werden durch zwei rechtwinkelig 
an einander ftoßerde Mauern geftüst. Ueber das Alter und den 
Zweck diefer offenbar fpäteren Zuthaten laßt fih nichts ficheres ſa— 
gen. Vielleicht ftand hier einmal ein Wartthurm. Daß der ur- 
fprüngliche Hügel der von den Alten als Grabmaldes Aar bezeich» 
nete ift, nimmt man mit Necht an, weil es einftimmig auf dem 
Rhoeteum dem Grabe des Achill gegenüber angrgeben wid. Im 
der Nähe Ing auch Catulls Bruder begraben. 

Der Weg von bier nach Kum-kalé, d. h. Sandſchloß, führt 
über eine angeſchwemmte flache Ebene, deren Boden ſalzig und fan- 
dig und deshalb unfruchtbar iſt. Man überfchreitet zuerft den jest 
hart am Fuße des Rhoeteum ſich mündenden Simpis, der auch im 
Sommer einen nie verfiegenden Bach bildet. Wo er ing Meer 
fiießt, bildet das flache Ufer mit dem, Rhoeteum eine Feine Bucht, 
welche Karanlik-limaͤn, d. h. der dunkele Hafen, genannt wird, ob- 
gleich fie jett wegen ihrer Seichtigfeit nicht als Hafen gebraucht 
werden fan. Von da erreicht man in drei Viertelftunden den oben 
erwähnten Arm des Simois, der fehendes Waffer hat und am 
Meer neben dem Ausfluffe des Scamander eine Lache bildet, und 
dann den Scamander, der hier im Mittſommer in der Mitte feines 
250 Fuß breiten fandigen Bettes fortfließt. ine lange holperige 
Holzbrücke führt hinüber, der man in der trockenen Jahreszeit die 
anfioßende nur anderthalb Fuß tiefe Furth vorzieht. 

Das Türkische Fort Kumkalé und das angrenzende Heine Stäbt- 
chen ftehen am nördlichen Ende der gemeinfchaftlich vom Scaman— 
der und vom Meer angefhwenmten Sandflähe. Wo dieſe nach 
Süden an den urfprünglichen feften Boden ftößt, deffen einfliges 
Hohes und ſchräg abfallendes Meeresgeftade unverfennbar tft, Tiegen 
auf der Höhe zwer Grabhügel, von denen der größere, unmittelbar 
am Nande des alten Geftades gelegene,F ver Paſchä-tepé, mit Recht 


606 Leber die Lage Trojas. 


für das Grab des Achill gehalten wird. Er hat eine Höhe von 
35, einen Ducchmeffer von 120 Fuß, und liegt fo hoch und frei, 
daß er nicht allein von denen gejehen wird, Die durch den Helles» 
pont ſchiffen, ſondern auch, wie Philoftrat es angıcht, von der gegen» 
überliegenden Europärfchen Küfte. Wenn Homer ihn (Od. XXIV, 
75) auf dem vorragenden Geftade am Hellespont angiebt, fo muß 
man bevenfen, daß damals die angrenzende Sandfläche zum größten 
Theil noch nicht da war. Darin ftinmen die Alten überein, daß 
Achill am Vorgebivge Sigeum begraben lag, v5 aber der zweite 
etwas kleinere und niedriger gelegene Tumulus in ter Nähe ın 
einem Weingarten füdöftlich von jenem, das Grab des Patroclos 
oder das des Antilochos fer, wurde ſchon im Alterthum bezweifelt. 
Nah Homer zu fchliefen (1. XXIII, 255. Od. XXIV, 75. Schol. 
JI. VII, 86) erhielt Patroclos anfangs nur einen vorläufigen nie— 
drigen Grabhügel über feinem Scheiterhaufen. Seine Afche wurde 
aufbewahrt und fpäter, als auch Achill gefallen und auf derfelben 
Stelle verbrannt war, dort gemeinfchaftlich mit der Afche feines 
Freundes beigefeßt und über beide der hohe Hügel aufgefchüttet. 
Getrennt von ihnen lag Antilochos, dem alfo wohl der zweite klei— 
nere Tumulus gehört, | 

Wenige Schritte vom Paſchä-tepé nach Weften liegt hoch am 
Geftade ein Türfifcher Brunnen, der an die Duelle erinnern mag, 
die dort entfprang, wo Achill zuerft mit einem Sprunge vom Schiffe 
aug das Ufer mit dem Fuße berührte. 

Der eine Stunde fünlih som Griechifchen Dorfe Jeniſchéhr 
. gelegene, einem Tumulus ähnliche Hügel iſt nicht zu den gewöhn- 
fihen Gräbern zu zählen, da auf feinem Gipfel der natürliche Fel— 
fen ang Picht tritt, doch hat es ganz den Anfchein, als fer er Fünft- 
lich abgerundet, und könnte möglicher Weiſe am Fuße eine im Fel— 
fen gehauene jest verdeckte Grabfammer enthalten. Er heißt bei 
den Griechen Hagios Athanafivs, bei den Türken Keſik-tepé oder 
Chendék-tepé wegen eines nahen tiefen Grabens (NGriech. zav- 
dezı) ; welcher quer durch den am Meeresufer hinlaufenden Hü— 
gelrücken gegraben iſt und beilimmt war, bei Ueberſchwemmungen 
des Scamander einen Theil des Waſſers auf fehnellerem Wege ins 


Ueber die Lage Trojas. 607 


Meer zu leiten und den jeßt in der Nähe fiehenden Sumpf zu entz 
wäſſern. Set, da fein Bett fich allmählich erhöht hat und feit 
Sahrhunderten Feine Neinigung mehr unternommen iſt, erfüllt er 
feinen Zweck nicht mehr. Ohne Zweifel ft er ein uraltes Werk, 
und die Bauern der Umgegend erzählen davon eine Eage, wonach 
ein Niefe ihn grub, um eine Königstochter zu gewinnen, 

Eine halbe Stunde ſüdlich von, SJenifchehr etwa in der Mitte 
von da zum Chendék-tepé find an der Küfte Nefte alter Duader- 
Subftructionen von unbeftimmter Bedeutung. Von hier erftrectt fich 
nah Dften bis an das linke Ufer des Eramander ein erhöhter 
Boden, auf deffen Ende nahe beim Fluſſe im Salbzirfel große un— 
behauene Blöcke aus hartem Sanditeine liegen, Die einer uralten 
Befeftigung anzugehören fiheinen. Einige derfelben find ſechs Fuß 
lang. Die beackerte, nie überſchwemmte Bodenerhöhung wird der 
Throsmos (Howouog nedroıo) fein, wo Hector ſich Nachts Tagerte, 
wenn er früh am anderen Morgen die Verfchanzung der Achäer 
angreifen wollte. In der Nähe iſt cine Furth des Scamander. 
Die tiefer gelegene Ebene vom Throsmos bis zu den Grabhügeln 
des Achilleus und Antilochos iſt das Schlachtfeld zu Anfang der 
elften, in der erften Hälfte der fechzehnten und in der zwanzigften 
Nhapfodie. Frühere Reifende wollen am Ufer des Scamander un- 
fern der erwähnten Furth Reſte einer Helfenifchen Brücke gefehen 
haben, die ich nicht wiederfinden fonnte. Doch ſtimmt Strabog 
Angabe, der Scamander fer 20 Stadien von Neu-Ilion entfernt, 


mit der Entfernung diefes Punktes von Hiffarlif überein, und vie 
Brücke lag offenbar im Wege von Neu-Ilion nah Sigeum. 
Auch die von Homer haufig erwähnte Kurth des Scamander findet 
hier ihre natürlichfte Stelle, wenn man Atzik-kioi für die Hcmerifche 
Stadt nimmt. 

Nicht fehr fern vom Throsmos, aber am rechten Ufer des 
Scamander gegen Neu-Ilion bin, lag in der Ebene der noch zu 
Plinius Zeit mit uralten Eichen befchattete Grabhügel des Ilos, 
woran der Meg vom Lager der Achäer zur Stadt des Priamos 
vorbeiführte. Die Ueberfäwenmungen des Scamander haben ihn 
wahrfcheinlich zerftört. 

Es bleibt nun noch eine wichtige Frage zu erörtern übrig: wo 
lagen die Schiffe der Achäer? Auch hierüber waren ſchon Die Alten 
uneinig und hatten nicht weniger als drei verſchiedene Anfichten, 


608 Ueber die Tage Trojas. 


Strabs entfcheidet fich für das Ufer bei Sigeum, den fogenannten 
Nauſtathmos, andere für den fogenannten Hafen der Achäer in der 
innerften Bucht zwiſchen Sigeum und Rhoeteum, und eine dritte 
Meinung war, die Flotte babe Die ganze große Bucht zwifchen bei- 
den Vorgebirgen eingenommen, jo daß Achills und Mar Schiffe, 
nach Homer an den Außerften Enden gelegen, bei Sigeum und 
Rhoeteum ftanden, wo man auch die beiven Grabhügel diefer Hel- 
den zeige. Wie unftattyaft und unhomeriſch, diefe legte Meinung 
it, fallt in die Augen. Nach Homer lagen die Schiffe auf einem 
verhältnißmäßig engen Naume, weshalb fie in Reiben hintereinander 
ftanden (Jſ. XIV, 31), während die Entfernung zwifchen beien 
Grabhügeln, wenn man fie nur in gerader Linie mißt, über eine 
Stunde Wegs tft. Der mit dem Simois verwandte Scamander 
würde mitten durch das Pager gefloffen fein und die Sumpfe und 
alljährliche Ueberſchwemmung diefer Niederung einen Aufenthalt im 
Winter unmöglich machen. Vom Hafen der Achäer fcheint fih trotz 
der Vorrüfung der Ufer des Meerbufens noch ein Ueberbleibſel im 
Karanlik-limän am Rhoeteum erhalten zu haben, wo jest der Si— 
mois fich mündet. Daß dort ein Anferpfas war, geht aus Xeno> 
phon (Hell. I, 1, 2) hervor, und nad) einer Erzählung bei Sozo— 
menus zu urtheilen, fiheint dort noch in Byzantiniſcher Zeit ein 
guter Hafen gewefen zu fein, der jetzt aber völlig verfandet iſt. 
Homers Erzählung erlaubt indeß nicht, bier das Lager der Achäer 
anzufesen, denn es wäre auf dem Wege von Ilion zu den Schiffen 
wohl der Simois, aber nie der Scamander zu überfchreiten. Ho— 
mer bedient fich in Betreff der Achäiſchen Schiffsjtation nur der 
Ausdrücke: Nliav, dzrn, alyıarog, Hs, wauados, Onyuv, fagt 
aber nie, die Schiffe hätten in einem Hafen, Arurv, gelegen, wäh- 
vend er doch fonft oft Häfen anführt. Htezu fommt, daß man nad) 
der Erzählung von Patroclos Begräbniß fein und des Achilleus 
Grab unfern des Lagers und des Schiffs zu fuchen hat. Das hohe 
Ufer, an welchem die Schiffe wegen der Enge des Naumes in Rei— 
hen hinter einander fanden, der Sand und die Dünen an der 
Brandung des Meeres, befonders aber, daß man nach dem Zuſam— 
menhang der ganzen Iliade nothwendig das Lager der Achäer am 
Iinfen Ufer des Scamander fuchen muß, ſcheinen hinlänglich zu be- 
werfen, daß Strabos Annahme die allein vichtige iſt. Noch jet 
finden Schiffe unterhalb des Paſchä-tepé am ganzen Ufer guten 
Anfergrund. Die Lage des Dorfes Jeniſchehr (RGriech. verftum- 
melt Zavrlaoı genannt) rechtfertigt vollfommen vie allgemeine 
Annahme, daß bier das Vorgebivge und die Stadt Sigeum gelegen 


babe, und es fanden fich noch vor wenigen Jahren dort alte Fun— 
damente, die aber jeht verbraucht oder uberbaut find. 
9.N. Ulrids, Dr. Ph. 


ordentl. Prof. an der Otto + Hniyerjität. 


HuUscelLl.e u. 


Grammatifches. 


lIugeribus, nit iugere. 


Ueber die Declination von jugerum find die Angaben in un- 
feren neueften Grammatifen fo ungenau daß fie felbft den gemeinen 
Gebrauch nicht richtig lehren *). 

Nachdem endlich huius iugeris hinweg geräumt iſt, wird doch 
noch ab hoc iugere als poetiſch oder als zugleich üblich angefebt. 
Wir willen aber von diefer Form nichts als daß nach Plinius bei 
Chartjius p. 108 quidam grammaliei ila dicendum putant ; wo— 
mit ohne Zweifel Grammatifer im fehlechten Sinne gemeint find, 
Sprachmacher. Donat zeigt fih unwiffend, wenn er iugere 
den Alten zufchrerbt und das unerhörte Iugerorum als landesüblich 
fest, artis lib. 2, p. 15 Lindem. Haaſe Gu Neifig S. 129) be- 
ſchränkt die Unterfuhung des Gebrauhs mit Necht auf die zwer 
Stellen des Plautus in Menaechm. 5, 5, 15 und des Tibullus 
2, 5, 42 (2, 6, 24 Broukh.). Im der erften haben die beiden 
alten Handichriiten nach Pareus 

non potest haec res ellebori iungere optinerier, 
und der velus codex hut, extrilis lilteris gere, über ver Zeile 
uine. Pareus hat die Verbeſſerung nicht verftanden: offenbar ift 
gemeint eilebori unguine oplinerier. Dies ıft einleuchtend rich- 
tig, dag iugere der erften Ausgabe hingegen nichts als ein verfehl- 
ter Belferungsverfuh. Ber Tibull geben die vollftändigen Hand- 

*) Was ich darüber in der halliihen allgemeinen Litteratnrzeitung 
1836 2, ©. 253 gejagt habe, iſt hier gemehrt und berichtiget. 

Mus. f. Philolog. N. F. III. 3 


610 Miscellen. 


ſchriften ſowohl als die vor kurzem aufgefundenen Parifer excerpta 
ut multa innumera iugera pascat ove. 
Kritifer des fünfzehnten Jahrhunderts verbefferten ut multo innu- 
meras iugere pascat oves, pder auch innumeram ovem. Daß 
dies die Yorfer Handfhrift gebe, habe ich aus N. Heinfius Still 
fchweigen mit Umvecht gejchloffen. Allerdings aber war hier Grund 
zu ändern: denn pasco in der Bedeutung von depasco iſt auffal- 
[end genug, noch mehr aber pasco vom Hirten mit dem Accuſati— 
vus, wie freilich depasco gebraucht wird. Indeſſen Tibull ſelbſt 
und Virgil rechtfertigen beide Sprechweifen. Tibull 2, 5, 25 
sed tunc pascebant herbosa Palatia vaccae. 
Birgit Aen. I, 319 
est anliquus ager — 
Aurunci, Rutulique serunt, et vomere duros 
exercent collis, atque horum asperrima pascunt. 
Wenn nun, wie es fcheint, iugere niemals in einen römiſchen 
Mund gefommen ift, fondern von müßigen Sprachfantaften erfun> 
den, fo ift dagegen his iugeris eine veraltete Form, die in Schul- 
grammatifen eher ganz fehlen könnte als empfohlen werden. Cha— 
riſius fchreibt fie am angeführten Orte dem Cato und dem Attejus 
Philologus zu: von den ung erhaltenen Schriftſtellern hat fie mei- 
nes Wilfens ein einziges Mahl, de re rustica 1, 10, 1, Varro, 
der fonft in beiden Werfen, wie alle andern, iugeribus fagt. 
In einigen Wörterbüchern findet mun die von Orammatifern 
um des Dativg iugeribus wilfen erfundenen Tormen hoc iuger 
oder hoc iugus orientlich in der Reihe. Möglich daß felbft dem 
Varro bei einem andern Worte aus Unfunde der Ländlichen Sprache 
‚etwas Aehnliches begegnet iſt. Wenigftens haben die Gromatifer 
gewiß eben fo häufig lerminibus als terminis: aber fie haben ſonſt 
feine Form die zu dem von Varro angenommenen termen ſtimmte. 
Die varrdniſchen Worte (de lingua Lat. 5, p. 31 Sp.) hat Mül- 
fer nicht genügend swerbeffert: gut ift nur daß er aus iterum itu 
macht. Wenn man erkannt hat, daß Varro bei Gelegenheit von 
serra, nach ihm a terendo Betretenes, nicht bloß eben daher ab- 
zuleitende Wörter angiebt, fondern auch andre Arten des betretenen 


Grammatifches. 611 


Bodens, und daß die Etymologie aus dem Griechiichen und die 
Anführung eines Dichters nur fpäterer Nachtrag ift, fo ergiebt fich 
das Richtige aus der lagomarfinifchen Vergleichung der Florentiner 
Handfhrift, von der doch alle andern nur Abfchriften find, ganz 
von ſelbſt. hinc fines agrorum termini, quod eae parlis pro- 
pter limitare iter maxime teruntur ; [itaque horum (hoccum 
Flor.) is in Latio aliquot loeis dieitur, ut apud Accium, non 
terminus, sed termen. hoc, Graeci quod reouova (termona 
FL), pote vel illine: Euander enim, qui venit in Palalium, e 
Graecia Arcas.] via similiter (vias quidem iler Fl.), quod 
ea vehendo teritur ; iter ita (iterum %1.) ; aclus, quod agendo 
teritur. Ob Barro würflih Formen wie termen termine ter- 
mina gehört und bei Acecius gelefen hat, wiffen wir nicht: ung die 
Form terminibus zu entziehen haben die Herausgeber der Groma— 
tifer, von Turnebus an, das Mögliche gethan, obgfeih W. van der 
Goes im Inder unter termen doch befennen muß daß fie in den 
Handſchriften Häufig iſt. Im den Ausgaben der Vulgata ift Phi- 
lipp. 1, 1 diaconibus geduldet, aber 1 Timoth. 3, 8. 12 der Ae— 
eufativus und Nominativus diacones mit verfehrter Gelehrfamfeit 
verworfen: es find die dem ganzen hriftlichen Alterthum geläufigen 
Formen, aber der Eingularis diacon wird wohl nur in den Wörter- 
büchern vorfommen. Wenn fie doch dafür lieber das würklich Heberlie- 
ferte gaben! So verfihweigen fie daß bei Varro de lingua Lat. 9, 
p- 495 ausdrücklich flieht hoc limum. Müller hat geſetzt hoc libum: 
aber Frontin braucht das Neutrum ebenfalls, quod hic forte cul- 
tum et pingue solum amiserit, aput illum autem harenae la- 
pides et limum abluvio *) invectum remanserit: bei Goes p. 69 
gegen Handfchriften und Grammatif limus abluvio invectum, wel- 


*) Dieſes Wort ift wie alluvium aus Iſidor (Mai seript. 6, 503) 
in die Lerica eingetragen, mit diluvinm subluvium, desgleichen aus Feitus 
eircumluvium malluvium und reluvium: es fehlt aber obluvium aug Ae— 
eins. Varro de 1. Lat. 6, p. 256 et Atti “cum illud oblivio lavet, qui 
‚ ineidit invidendum’ (vd. b, pudendum). Die adjectivifche Form alluvius ijt 

aus Iſidor orig. 15, 13, 20 augemerft: aber oblivia verba, hei Barry de 
l. Lat. 5, p. 22, wird unrichtig erklärt: es find überfpühlte, verwafchene, 
derien man nicht anfehen Fann ob fie fremd ode Alkali find. 






612 Miscellen. 


ches die Lexicographen mag getäufcht haben. Daß aber, vesper als 
Neutrum fehlt, ii nicht zu enijnulbigen? denn es fteht ber Varro 
de ling. Lat. 9, p. 510 unan;efochten, "magis mané' significat 
primum mane, “magis vespere’ novissimum vesper. Und ein 
zweites Beiſpiel ergiebt fih im ficbenten Buche P. 396 bet richtiger 
Interpunction, ilaque dieitur “allerum , vesper adest’; quem 
Graeei dieunt dıeonegov. ZJıeonegoc iſt fo richtig wie dıyusoog 
ver zwei Tage da if): dag JIECHIEPION der a zu 
Florenz ward. mit Recht verworfen. 
RT: 


Venditur und perditur. 


Divmedes p. 365 bei Putſch. Vendo vendidi. participium 
autem fulurum venditurus. passivum autem eius veneo venii. 
est lamen apud veteres veneor et vendilus sum. ut apud 
Plautum “egone illi venear?’ Titianus eliam de agri cultura 
primo Patrem familias vendacem magis quam emacem expedit 
esse: nam id melius emitur quam venditur.” Es folgen Bei— 
ſpiele von venditus: mithin kann bier die Form venditur nicht 
richtig fein, und auch das eliam fie nicht etwa als noch auffallender 
bezeichnen folfen. Dies geht vielmehr darauf daß Julius Titianus, 
wie er vollſtändiger bi Sivomius heizt, nicht unter Die veteres 
gehört, als cin Schrütiteller aus dem Anfange des dritten Jahr— 
hunderts. Afeenfus hat für Titianus gedrudt Cato: er bat alfo 
fon, ob zuerft weiß ich nicht, gefehen, daß ein Theil der Worte aus 
Cat» 2, 7 genommen ift, patrem familias vendasem non ema- 
cem esse oportel. Kein Wunder, daß Titianus feine fonft unbe 
kannte Belehrung über den Aderbau wie Plinius nat. hist. 15,4, 
6 mit Orakeln des Cato anfieng. Daß in den zweiten unverſtänd— 
fihen Satz nicht venditur paßt, habe ich ſchon gelagt: es muß ve- 
nitur heiGen, oder allenfalls wie in den Ausgaben vor Putſch ve- 
neatur. Wenn aber dabei ein Nommativus wie Id ftand, warum 
führte dann Diomedes den erften Sat unnöthiger Weife mit an? 
Und iſt es wohl wahrf ei aß ein fo ſpäter Nacherferer Ciceros 





Grammatifches. 613 


und aller Beten (meinstwegen auch Catos) das nur von Diomedes 
b ‚eugte venear des Plautus fo ohne Noth in einer andern Form 
nachäffte? Denn im gewöhnfigen Gebrauch war mm der nicht 
allzu feltene Infinitious veniri: eine andere paſſiviſche Form ift 
felbft bei Bischof Hilarius von Pictavi nicht angemerft, der venire 
für vendere braucht, und im Paſſivum veniri und venditur. In 
Maithaeum 9, 18 Hi igilur passeres duos asse veneunt. et 
quidem quae sub peccato vendita sunt, redemit ex lege Chri- 
stus: ergo quod vendilur, eoıpus alque auima esi, el eui 
venditur, peccalum est. — qui igitur duos passeres asse ve- 
neunt, se ipsos peccato minimo veneunt. 21, 4 Sed neque 
emere Iudaeos in synagoga neque vendere spirilum sanclum 
posse existimandum est: non enim habebanl, ut venire pos- 
Sent, neque erat quod emere quis posset. 27, 4 Vendenles 
sunt hi qui miseriecordia fidelium ind’gentes reddunt ex se 
petila commercia, indigentiae suae scilicet satietate boni ope- 
ris nostri conscientiam veneuntes. Titianus kann venitur wohl 
nur imperfonal gebraucht haben, und feine Worte find etwa fo her— 
zuftellen, nam ita vilius emitur quam venitur. Bon Struve über 
die lateiniſche Declination und Conjugation S. 85 f. find fie nicht 
genügend behandelt: aber er hat mit großem Recht die Negel des 
Divmedes fo erweitert, im altrömiſchen Sprachgebrauch fer veneo 
venii Paffivum zu vendo, son pafiven Formen aber nur venditus 
und vendendus üblih. Wenn er von andern paſſiviſchen Formen 
feine Berjpiefe anzugeben wußte, fo habe ich in der Zeitſchrift für 
geſchichtliche Rechtswiſſenſchaft IX, S. 198 deren ungefähr dreißig 
aufgezählt, das Altefte in einer Anführung Ulpians aus dem Ediet, 
de übrigen noch beftimmter erft aus dem dritten Jahrhundert. oder 
jünger. Ohne danach zu fuchen habe ich ſeitdem gelegenktlich noch 
einige geiunden, und fogar, wenn es echt iſt, ein bedeutend älteres. 
Nämlich bei Seneca eontrov. 1, 2 (p.C6 der Ausgabe von 1672) 
Yieft man, ohne dag eine Verfchiedenheit angemerft wird, Ita raptae 
pepercere piralae, ut lenoni venderetur: sie emit leno, ws 
prostituerit (ſ. proslitueret). Daß Seneca fo, und nicht venum 
darelur oder venderenl, gefiprieben babe, iſt nicht zw glauben; eben 


— 





— 


614 Miscellen. 


fo wenig daß Juftin 11, 4, 7. 34, 2, 6 fein sub corona ven- 


duntur und venditur von Trogus entlehnt habe. Wohl aber be- 
ftätigen dieſe Formen daß Juſtin nicht in das zweite Jahrhundert 
gehören Fann, und daf in der Vorrede Anloninus imperator Ca— 
racallus fein würde, falls der Name überhaupt echt wäre. Dies 
fheint indeß nicht der Fall zu fein, fondern,die allerdings nothwen— 
dige Anrede ftecft wohl in magis und ift magister; quod ad te 
non lam cognoscendi, magister, quam emendandi causa trans- 
misi. Die übrigen Beifpiele folcher Paſſivformen haben nichts 
Merfwürdiges. In einer Conftitution Conftanting, Valic. fragm. 
$. 35 und 1. 2 Theod. cod. de contrah. empt. 3, 1, fteht 
scamna vendantur. Bei Servius zu Aen. 8,183 carnes carius 
vendebantur. Claudian fagt in Eutropium 1, 38 venumque 
redıbat, dum vendi poluit. In den Nov. Theodosii II, tit. 20 
$. 2. 3 (auch in den Gromatikern p. 42. 43 Turneb. und I. 3 
lust. cod. de alluvion. 7, 41) neque ab aerario vendi und vel 
vendi vel peli. In den nolis des Valerius Probus p. 1524 
Putſch (P. 65 Ernſt) m. v. N. D. N. P. o. neque vendetur neque 
donabitur neque pignori obligabitur. In den Scholien zu Ju— 
venal 3, 33 qui petunt a fisco vendi. Im weftgothifchen Gaius 
2, 3, 6 pro debitis venditur: ver echte Gaius hat 2, 154 bona 
veneant. In der Bibelüberfegung 1 Korinth. 10, 25 giebt die 
Handfihrift zu Fulda vom Sahr 546 quod in macello venditur, 
die börnerifche venit nnd venditur, die übrigen venit. Manche 
Ausgaben des juftinianifchen Cover haben 4, 40 quae res vendi 
non possunl. " 

Unfere neueften Grammatiken geben über vendo und veneo 
ſchon das Nichtige : aber im Schreiben folgt ihnen niemand. Ja 
man findet überall perditur und perderetur, obgleich Madvig bie 
vortreffliche Bemerkung Struvens in feine Grammatik aufgenommen 
bat, daß zu perdo das Vaffivum ſei pereo perditus perdendus. 
Ich habe feit langer Zeit auf paſſiviſche Formen zu perdo geachtet: 


es ift mir aber Feine begegnet, perditur bei Horaz serm. 2, 6,59 


ausgenommen, welches ſchon Struve ald Ausnahme giebt. Sch 
glaube nicht an die Ausnahme, fondern wie bei Horaz auch fonft 


Zur Kritik und Erflärung. 615 


Unlateinifches allgemein oder faft allgemein überliefert ift, sterilis- 

que diu palus, aut aeneus ut stes, fo wird er hier gefchrieben 

haben porgitur haec inter misero lux, der Tag wird mir zu lang. 
N 


en 


Zur Keitif und Erfläarung. 





Berbefferungen zu Horazens Dden. 


Soll die Kritif endlich zur befonnenen Kunftübung reifen, fo 
muß überall zuerft der Grad der Eicherheit des überlieferten zur 
Anfhauung gebracht werden. Die Herausgeber des Horaz hegen 
noch immer unbewußt den Aberglauben, daß fo gut als nirgend 
Vermutungen nöthig feien, wenn man nur den älteſten Handſchrif— 
ten folge. Aber manche der äfteften Handſchriften eines Schul— 
ſchriſtſtellers, wie hier die oreffifchen, . haben nur das gewöhnliche, 
und wenig von dem auserlefenen das uns in einzelnen erhalten tft, 
freilich ebenfalls nur in alten, wie in den vier beten Bentleys, 
denen jest eben fo wenig als dem Blandinius antiquissimus. ihr 
Recht gefchieht. Und wie viel man in jedem Theile der borazi- 
fchen Werke ungefähr für echt halten dürfe, wird fich erft ergeben 
aus einem Verzeichniß der ficher verderbten Stellen: das Maß der 
möglichen Herftellung wird uns ein Verzeichniß der ſichern Vermu— 
tungen zeigen. 

Ich will Hier nur Verbefferungen zu einigen Stellen der Oden 
geben, in denen mir Verderbniß und Befferung gleich einleuchtend 
ſcheint. Daß die Prüfenvden fich felbft nach der Heberlieferung er— 
fundigen, darf ich vorausfegen. Sollten fie mid etwa einmahl auf 
eines andern Fährte finden, ſo wird mich Die Uebereinftimmung 
freuen: daß ich mir wiffent/ich fremdes anmaße, glaubt wohl niemand. 

Die zwei erften überzeugen auf den erften Blick: aber fie wi— 
derſtehn auch den Fleintichen Einwänden die fich der Ueberjeugung 
etwa nachdrangen. 

%. „IE 374,22: te lovis inpio 

tulela Salurno refulgens. 


616 Miscellen. 


eripuit volucrisque fati 
Tardavit alas; cui populus frequens 
laetum theatris ter crepuit sonum: 
me truncus — 
2.112829. 
Nos cantabimus in vices 5 
Neptunum et viridis Nereidum comas : 
tum curva recines Iyra 
Latonam et celeris spieula Cynthiae; 
Summo carmine — 
Die dritte zwingt ſich auf, weil nichts näheres, nichts dem 
Berderbniß eher ausgefestes, nichts mehr zum Sinne des ganzen 
Gedichts paſſendes zu finden ft. 
AV, A, 18. 
Qualemve laetis caprea pascuis 
intenta fulvae matris ab ubere 
iam (macte!) depulsum leonem 
dente novo peritura vidit. 
Die drei folgenden erfordern ein unbefangenes Eindringen in 
den Zufammenhang. Zu den zwer erften gaben Porphyrio uud Nie. 
Hardinge Veranlaffung. 
ze L. 050 9% 
Quor pinus ingens albaque populus 
umbram hospitalem consociare amant 
ramis? quid obliquo laborat 
Iympha fugax irepidare rivo? 
Huc vina et unguenta — 

5. UII, 20, 4. 
pressa tuis balanus capillis 
landudum apud me est. eripe te morae, 
hic semper udum Tibur et Aesulae 
declive contempleris arvum et 
Telegoni iuga parricidae. 
Fastidiosam desere copiam el 
molem propinquam nubibus arduis: 


Zur Kritik und Erklärung. 617 


omitte mirari beatae 

fumum et opes strepitumque Romae. 
Bein, or AR. 

Concinet maiore poeta plectro 

Caesarem — 

concinet laetosque dies ei urbis 

publicum Judum — 

Die letzte ergiebt fich bei genauer Auslegung von ſelbſt, aber 
nur bei genauer. 

7. UI, 3, 18 Gidtig 2, 50). 

llion Ilion 
fatalis incestusque iudex 
et mulier peregrina verlit 
In pulverem, ex qua destituit deos 
mercede pacla Laomedon, mihi 
castaeque damnatam Minervae 
cum populo et duce fraudulento. 

Ilios ift den Göttinnen, die über Paris ungerechtes Urtheil 
und den Raub der Griechin geklagt hatten, famt dem Volk und 
dem zwiefach treufofen Könige eondemniert, weil fie auch die Grün⸗ 
der um den aus ihr bevungenen Lohn betrogen hatte. EX quo, 
ſchon ſeitdem, giebt eine Condemnation vor der Klage. Die Noth- 
wendigfeit des andern Femininums damnaltam hat ſchon Bentley 
erfannt. llios iſt zwei Mahl bei Horaz überfiefert, einmahl fiher 
IV, 9, 18, einmahl fo daß auch das Neutrum ftehn könnte, ep. 14, 
14: zwei Mahl hat es fich hier als verdrängt ergeben: es wird aljo 
wohl auch an den vier übrigen gleihgüftigen Stellen, carm. I, 10, 
14. Ul, 19, 4. IV, 4, 53. ep. 10, 15, von Liebhabern des vir⸗ 
giliſchen Gebrauchs verdrängt worden fein. es 


Zu Catull LXVI, 57 ff. * 


Ipsa suum Zephyritis eo famulum legarat, 
Graia Canopis incola liltoribus. 


618 Miscellen. 


Hi dii uen ibi vario ne solum in lumine caeli 
Ex Ariadneis aurea temporibus 
Fixa corona foret, sed nos quoque fulgeremus 
Devotae flavi verticis exuviae, 
Uvidulum a fluctu cedentem ad templa deum me 
Sidus in antiquis diva novum posuit. 
Weder mit Haupt’s Arduei ibir, noch mit Hermann’s Nigri enim 
uli dürfte das Nichtige für Hi (oder Ni) dii uen ibi getroffen fein. 
Mit Unrecht foheint mir Hermann ebenfowohl das von Haupt 
ſchön feftgeftellte ibi zu verwerfen, als mit ihm ein Epitheton zu 
caeli zu verlangen, wodurd die Nerbindung vario in lumine caeli 
nach meinem Gefühl nicht nur nichts gewinnen, fondern an gefchmack- 
voller Einfachheit verlieren würde. Was zu nackt dafteht, ift nicht 
caeli, fondern solum. Ich zweifle nicht, daß der Dichter ſchrieb: 
Numen ibi vario ne solum in lumine caeli —. 


ER. 


Zu Probus. 


Die Stelfe des Probus z. Virg. Georg. II, 20 ift nicht 
nichtig, da fie uns im Wefentlichen die Erzählung des Kalli— 
nachos vom Molorchos aufbewahrt zu haben feheint, Zwar iſt 
ie arg verftümmelt, doch Fann man, wie ich glaube, den Zuſam— 
ienhang noch ziemlich ficher errathen; da diefer mir von Näfe 
Rhein. Muf. II p. 532 f.) nicht richtig aufgefaßt zu fein fcheint, 
oill ich verfuchen, ihn nachzuweiſen. Wir leſen jest Folgendes: 
lolorchus fuit Herculis hospes, apud quem is diversalus est, 
um profieiscerelur ad leonem Nemaeum necandum. Qui cum 
mmolaturus esset unicum arietem, quem habebat, ut Hercu- 
em liberalius aceiperet, impetravit ab co Hercules, ut eum 
‚ervaret, immolalurus vel victori tanquam deo, vel viclo el 
nterfecto leone: cum solutus esset vel odio Iunonis, ne ei 
‚oelestes honores conlingerent , vel faligatus: experrectus 
nira celeritate damnum correxit, sumplaque picea corona, 


Zur Kritik und Erflärung. 619 


qua honorantur, qui in Nemeaea vincunt, supervenit. Itaque 
et Molorcho paranti sacrificium Manibus, ubi et arietem im- 
molaturus erat. Inde Nemaea instituta sunt, postea Arche- 
mori Manibus sunt renovata a septem viris, qui Thebas pete- 
bant. Sed Molorchi menlio est apud Callimachum in Aelion 
libris. Die erften Zeilen find ohne Anſtoß; dann ift offenbar eine 
Luce bei den Worten vel victo et interfecto leone.. Denn wie 
aus dem Folgenden erhellt, war die Verabredung, daß Molorchos 
dem Herafles, wenn er fiegte, als cinem Gott, wenn er unterliegen 
würde, feinen Manen ein Opfer bringen follte; diefes mußte alfo 
bier angegeben werden. Ferner mußte eine Friſt beftimmt werden, 
. nah deren Verlauf er die Rückkehr des Heraffes nicht mehr ab- 
warten, fondern annehmen follte, ev ſei getödtet, wie dies bei Apol— 
lodoros (A, 5, 1) geſchieht: zur Husıv Leuedov YEekorrı eis nus- 
ouV Epn 1n08lv roıaxooınv, zal av usv dnd eng Ingas 0Wog 
Enave)dn, Au Sorngı Yvsıv, av ÖdE anodarn, Tore @g NowL 
&vayılsır. Db viefelbe auffallend Yange Zeit auch hier angegeben 
ſei, Laßt ſich natürlich nicht beftimmen. Es mußte dann aber, wenn 
auch in der Kürze, berichtet werden, daß Herakles fortzog und den 
Löwen tödtetez und hier können wir noch die wahrfcheiniiche Urfache 
der Lücke erkennen. Wahrfcheinlich fing der Sa an mit den Wor- 
ten Victo et interfecto leone, während oben ftand victo et in- 
terfecto a leone; dieſe Aehnlichkeit wurde, wie fo häufig, Veran- 
laſſung auszufaffen, was dazwifhen ftand. Was nun folgte, läßt 
fi bejtimmen, wenn man auf die Worte experrectus mira cele- 
rilate damnum correxit achtet. Nämlich nad vwollbrachter That 
fiel Herafles in Schlaf, der fo lange anhielt, daß es unmöglich 
ſchien, noch in der verabredeten Friſt wieder beim Molorchos ein— 
zutreffen, und nur durch unerhörte, wunderartige Schnelligkeit ge— 
lang es ihm, ſo zeitig anzulangen, daß er den Molorchos noch mit 
den Vorbereitungen zum Sühnopfer für die Manen des vermeintlich 
Getödteten beſchäftigt antraf, das dann in ein Siegsopfer verwandelt 
wurde. Dieſer tiefe Schlaf nun wurde entweder natürlich erklärt 
durch die übergroße Anſtrengung des Helden, oder auch, und fo war 
natürlich die Erzählung des Dichters, Here hatte son gefandt, welche, 


620 Misccellen 


da fie ihm den Sieg nicht hatte entziehen Fünnen, ihn doch ver 
Ehre berauben wollte, daß ihm Molorchos als einem Gotte opfern 
folfte. Uebrigens ift diefer Zug gewiß alt und ächt fagenhaft, und 
findet ſich ähnlich in Mährchen und Eagen häufig. Ber solutus 
esset iſt aljo etwa somno einzufchieben. Statt picea Yieft Näfe 
richtig apiacea; der Eppichkranz bei den Nemeen iſt ja befannt. 
Sm Folgenden find die Worte wieder verwirrt, aber der Zufam- 
menhang deutlich. Man könnte die Worte itaque et mit Näke 
ftreihen, allein wahrſcheinlicher tft mir, daß vor dem Worte super- 
venit etwas ausgefallen iſt, worin berichtet war, warum Herakles 
fih mit Eppich befrinzte, was dann nachher Gebrauch blieb. Nach 
der zweiten Stftungsfage wählte man diefen Kranz, weil Archemo— 
ros auf Eppich Tiegend von der Schlange gebiffen war, auch ber 
jener Wendung der Sage wird man einen beftimmten Grund an- 
zugeben gewußt haben. Auch bei dem Wettlauf, welchen Danaos 
bei der zweiten Vermählung feiner Töchter veranftaltete, kommt der 
Eppichfranz vor (Etym. M. Ss. v. oradıor), deſſen fepulerafe Be- 
ziedung übrigens ja befannt genug iſt. Ein Wettlauf fiheint aber 
nach diefer Sage den erften und hauptlächlichften Theil der Nemei— 
ſchen Spiele ausgemacht zu ‚haben, wie Herafles auch in Olympia 
zuerft den Wettlauf einrichtete. Die fragliche Stelle wäre alſo 
etwa fo zu faffen: immolaturus vel vietori tanquam dee, vel 
victo et interfecto a leone Manibus .. .... Victo et in- 
terfecto leone cum somno solutus esset, vel odio lunonis, ne 
ei coelestes honores eonlingerent, vel fatigalus, . . . exper- 
rectus mira celeritate damnum eorrexil, sumptaque apiaceq 
corona, qua honoranlur, qui [in] Nemeaea vincewnl..... 
Supervenit ilaque et Molorcho paranti sacrificium Manibus eelt. 
Es iſt wahrſcheinlich, daß diefe ganze Erzählung von Kallimachos 
entlehnt war; nur die Nachricht von der zweiten Stiftung zu Eh— 
ven des Archemoros wird der Scholiaſt felbft hinzugefügt baben, 
weshalb er auch gleich bemerkt: Sed Molorchi mentio est apud 
Callimachum in Aetion libris. Man darf vermuthen, daß dieſe 
Erwähnung im dritten Buch der ara vorkam, nad Steph. Byz. 
s. v. Aneoag 0005 ıns Neulag, os Illvdaoog zul Kakkına- 


Zur Sritif und Erflärung. 621 


295 &v zoirn (roiro Bentl.), dno Ankoavrog yewog, BaoıkEv- 
Onvrog tag ywoag, 7 dId ımv uyeoıw av douarwv, 7 T0Ö 
MEovrog, Exei yao Er ing osAnvng apeIn (vgl. Meinef. anall. 
Alex.). D. Jahn. 


Zu Feftus. 

Bei Feftus s. v. Petulantes p. 206 M. finden wir Afranius 
in Ida eitirt: der Titel Ida fcheint für eine fabula togata nicht 
zu dulden; “fabulae nomen incerlissimum’ bemerft Müller, Bothe 
Poet. scen. Lat. V. 2 p. 176 conjieirt Tctla h. e. Ebria, Neu— 
fir de fab. Rom. togata p. 220 Ira. Auch ich vermuthe ICla, 
glaube aber nicht, daß Herrn Bothes Erklärung ftatthaft iſt. Biel» 
mehr ift ICta = lureconsulta zu faffer, analog der Turisperita 
des Titinius bei Char. p. 177. P. 116 Lind., Intpp. ad Verg. 
Aen. II. 670, und diefer Titel entfpricht ganz wohl dem erhaltenen 
Berfe 

nostrum in conventum aut consessum ludum lapsumque 

petulcum. 


M. Hers. 


Zu Aeſchylus. 
Prometheus V. 1014 f. heißt es: 


avdadia yao tw pyorovvrı um zaAwg 
avın #08 avrnv ovdevog uellov odEvaı. 

Schon Stanley ftieß fih an den legten Worten und wollte 
welov leſen, ©. Hermann (Schulzeitung 1835, ©. 1115) fagt, 
die Bedeutung fer valdior est nemine (nulla re), wahrend der 
Sinn doch verlange: infirmior est nihilo, und Fr. Wiefeler 
glaubt neueftens (Adversaria zum Seonietfeus ©. 26), der Sinn 
gebiete, ein Fragzeichen zu fesen. Aber dem ift nicht fo. Die bis 
jegt immer überfehene grammatifche Eigenthümlichfeit bedarf einer 
näheren du enden Erläuterung. Beiſpiele davon find Hero. 







(I ” 
I . * 


629 Miscellen. 


VII, 104 (ovdsußv zaxloves avdowv), Xenoph. Mem. I, 5, 6 
(dovisıa ovdewag nrrov aloyoa), 1, 5, 18 (oVderov zara- 
deeoteoov Unnoerovor), Sfofr, de pace c. 15. (dvvauız ovde- 
was nokewg Ekarrwv), Demofth. Olynth. I, c. 3 (ovdevos Elar- 
zwv) c.8 Schluß (ovdeuas Eiarrwv), 1, c. 6 extr. (ovdevwv 
lol Berrlovg), de coron. p. 228 (umdevos Twv uerolwv yel- 
ewv), Ihufyd. VI, 89 (ovderog yeloov), Wlato Phaedr. p. 237, 
B. (ovdevög nrrov &owv), Meno p. 94, B. (zweimal inneis ov- 
devog yergovs): eine Beifpielfammlung, welche ich der Güte mei— 
nes verehrten Lehrers, Herrn Ephorus Krauf in Urach, ver- 
danfe. Unter diefen Stellen find zwei Claffen zu unterfcheiven. 
Die Mehrzahl bilden diejenigen Fälle, wo das im Comparativ fte> 
hende Wort felbft einen negativen Sinn enthält und wo dann die 
Neyation des Comparstivs (ovderds) eigentlich zum Verbum ge- 
hört: ordevog &arrwv = ovx Eharımv EvOg, Tıwös. Auf ver 
andern Seite ſteht Demoſth. Olynth. II, c. 6 cp. 23) und die 
obige Stelle aus Aeſchyſus, wo das im Comparativ ftchende Ad— 
jectiv einen pofitiven Sinn hat und oVdevog als Ein Begriff zu 
nehmen ift. Diefer Fall ift eine Art Oxymoron: beffer, größer zu 
feyn als irgend ein Menfch, ertheilt einen Vorzug vor dieſem Je— 
mand; wer dagegen beifer iſt als Niemand, hat auch einen Vorzug 
— aber vor Niemand, ſteht alſo vielmehr pofitiv Jedermann nach 
an Güte und Größe, Diefer Iegtere Fall iſt zu intereffant, als 
daß er nicht weitere Beobachtung verdiente. 
Dr. ®. Teuffel. 


— 





Zu Sophokles. 


Oedip. Col. 172: zizoyrug & del, xo0x arovrac. Die 
Aldina lieſt jtatt wzovrag fehlerhaft wie Brund fagt azovovrag, 
woraus jedoch Wunder zazovorrag gebildet und in den Tert auf 
genommen bat. Die Erklärung des ganzen Verſes iſt allerdings in 
den Worten «zovorrag & dei enthalten, doch Hat die Lesart der 
Aldina nur das Ausfehn einer Erklärung, nicht aber des Sopho— 





Zur Kritik und Erflärung. 623 


Fleifchen Textes, denn wohl mochte oux axzwv durch axoveov erflärt 
werden, nicht umgekehrt axovmv dur) ovx axwv; wonach man 
annehmen müßte, «xovovrag fei durch Verſehen in &xovrag verderbt 
worden und ovz zur Ausfüllung des Verfes und Wiederherftellung 
des Sinnes eingefchoben, die Aldina aber habe beide Lesarten fälfch- 
lich verſchmolzen. "Daß dieß der Fall fer, iſt nicht wahrſcheinlich, 
denn oux axovzas ift an und für fich wahrfcheinficher als axov- 
ovzas, weil es eine gewöhnliche Formel iſt, ein Wort dur Ver— 
neinung der entgegengefeßten Bedeutung zu verftärfen. Entweder 
ift das verneinende Wort ganz unabhängig von dem bejahenden, 
wie in dem Hymnus auf den Delifchen Apollon urzoounı ovdi 
Le Iwuaı, oder trifft genau mit -diefem überein, wie Oedip. T. 58. 
yıoTa z0Üx ayvora, oder dag verneinende Wort fteht dem beja- 
henden fehr nahe, wie hier &izwv dem axwv, da Elxw» und &xwv 
von gleichem Stamme entfprungen in der Bedeutung ebenfalls fehr 
nahe zufammentreffen. Ganz ähnlich dem zıizwv xovx axwv ift 
das Verhältniß von EReiv und «Aovg unten B. 764. 
zaus devregov JEihcıg 
&leiv, Ev 0lg ualtor' av alyolnv dkovg; 

Oedip. Col. 420. Auf des Devdipus Frage, ob feine Söhne 
die Herrfchaft ihm vorziehen, wie Ismene gemeldet hatte, erwie— 
dert fie: 

alyo xAVOVOR Tavı' Ey0* PEow Ö’ Onwg. 
und Brund überfest ganz richtig fero tamen, womit aber Wunder 
nicht zufrieden ift, fondern meint es bedeute nunlio tamen. Diefe 
Erklärung widerfpricht der Ausdrucksweiſe, welche in folchen Erwie- 
derungen ſich vorzufinden pflegt, denn wer etwas Unangenehmes 
meldet, pflegt bei Sophokles nicht zu wiederholen, daß er es melde, 
ſondern antwortet Direct oder drüct fih aus wie Ismene aAyw 
xkvovoa vder wie die Amme in den Trachinierinnen 876. 
A. ov dy n09 wg Iavovou. T. nut’ dxnzoag. 
X. 1£9nxev Ü tulaıwa; T. devregoV zAvcıc. “ 
Ein Beifpiel aber für PEow d’ öuws in dem Sinne, wie es Wun- 
der erklärt, ijt nicht vorhanden. Außerdem wäre ‚auch das Ende 
des Verſes nicht wohl im Zufammenhang mit dem Anfang, denn 


694 Miscellen 


auf die Worte: Es thut mir Leid dies zu hören — würde fehr unpaſ— 
fend folgen: Dennoch melde ich fie. Dagegen paßt es zu fagen: 
Es tbut mir leid dies zu hören, ich laſſe mir es Jedoch gefallen, 
(denn ich kann nicht wideriprechen). 

Philoet. 728. In ven Worten iv’ 6 yalzaonıs avno 
Feniz n)adeı naoıw, Heim nvol noupang, Oltas Uno 6y- 
Iov, ändert Hermann des Versmaafes und" Sinnes wegen maoıv 
in naraı, Wunder aber zaraı mit Necht verwerfend, hält manıy 
für recht, und erklärt ad deorum coelum. Daß Yeois mAayEı 
raoıv ganz gleich fir dem Ausdruck: Er naht der Götterverfamm- 
fung — bat Wunder nicht durch Beiſpiele bewiefen, und dürfte wohl 
auch nicht im Stande fein dieß zu thun. Bedeuten aber diefe 
Morte nichts weiter als: Er naht den Göttern ſämmtlich, jo iſt 
raoıv allerdings fchleppend, weil es nicht darauf anfommt, daß er 
allen Göttern nahe, fondern bloß darauf, daß er auf dem Deta 
durch Keuer verbrannt in den Olymp oder zn den Göttern einge— 
gangen fei. Für feine Anotheofe iſt es von Feiner Bedeutung, daß 
‚er zu allen Göttern ohne Ausnahme gekommen Yet, und hätte ver 
Dichter fagen wollen, daß fich die Götter alle verlammelt hätten 
um den neuen Gott zu empfangen, fo würde er fih anders haben 
ausdrücen müffen, weil dieß Verhältniß durch zaoıw allzu räthſel— 
haft angedeutet worden wäre. Darım balte ich mit Hermann zu- 
or für falfch und glaube daß e8 cin Mort von der Meſſung — - 
verdrängt babe, weites jedoch nicht gerade mit der Sylbe na- be- 
ginnen mußte, denn nicht durch einen Schreibfehler mußte nothwen— 
dig aaoıv entitehen, fondern fonnte aus einer Gloſſe in den Text 
gefchoben werden, Als eme ſolche Gloſſe Fonnte eine Erklärung 
von nwuapays beſtehen, nämlich) naupens, naoı Feols Auungög 
enupatverar, denn d.e mit as zufammengefegten Wörter wurden 
nicht immer von den Grammatikern ganz wichtig gefaßt, wie 5. B. 
Soph. El. 541 nuauwvyos faͤlſchlich erklärt ward nano» wuya» 
avaoosı. In der Strophe eine Corruptel zu vermuthen, wie 
Wunder fie annimmt, it nicht der geringfie Grund, fo daß fehon 
das Versmaaß ftarfen Verdacht gegen naoı» erregt. 

Philoct. 1461. „Aözıor noıor erklärt Suidas mit andern 


Zur Kritif und Erflarung. 625 


als Tranf einer Apollinifchen Duelle von Wein und Honig, und 
Hermann hält einen kykliſchen Dichter, vielleicht den Lesches in der 
Heinen Ilias für den Ueberlieferer diefer Sage, daß Apollo dem 
Philoftet Wein und Honig gewährt habe. Da Sophokles aus der 
feinen Ilias den Stoff des Philoftetes nahm, fo hätte er, wenn 
Lesches Avzıov norov als Duelle von Wein und Honig gehabt 
hätte, davon ſchweigen müffen, weil er den Philoftetes nur von 
mühfam errungener Nahrung und dürftiger Erfrifchung durch Waſſer 
reden laßt. Dieß ift Elar, denn wenn er am Ende, nachdem Phi— 
Ioftetes nur von feinem elenden Leben Erwähnung gethan, denfelben 
auf einmal Abfchied nehmen Tiefe von einer Duelle welche ihm Wein 
und Honig gefpendet hatte, fo wäre das fehr lächerlich und abges 
ſchmackt. Wäre aber diefe Duelle aus der Heinen Ilias befannt 
gewefen, fo durfte er ihrer nicht erwähnen. Stammte demnach die 
Grammatifernachricht wirklich aus Lesches, fo hätten dieſe eine 
Wundergabe des Apollo mit dem Lykiſchen Trank verwechfelt, und 
Sophofles hätte nur von diefem, nicht aber von der Wundergabe 
geſprochen. Solche Abweichung von einer erweiterten Sage fann 
Sophokles zugetraut werden, welcher zum Zwecke der Kunft auch in 
der Elektra den Dreftes nicht von den Erinnyen erſchreckt werden 
laßt wie bei Aefchylus. Aber nichts berechtigt ung dem Lesches die 
Apolliniſche Wundergabe zuzufchreiben, welche fpäter um das Av- 
xeiov norov zu erklären erfunden worden fein kann und zwar my— 
thologifch unpaffend, da Apollo feinen Wein gewährt, natürlich jes 
Doch wegen des Ausdruds Avzeiov der Geber deffelben fein mußte, 
fobald man Wein und Honig als Avzeiov oder Avzıov z0rov fin- 
giet hatte. Da yAvzıov unmöglich beibehalten werden Tann, eine 
Aenderung in yAvzcev zu den mißlichften und gewaltfamften ge— 
hört, fo muß man Avxıov Yefen, welches die Grammatifer dadurch, 
daß fie e8 zu erflären verfuchen, verbürgen, aber es kann bei So— 
phokles nur Waffer beveuten, und es muß ein lemniſcher Quell den 
Namen des Lykiſchen gehabt haben. Auf der benachbarten Chryfe 
war ein Avxadov laut Grammatifernachrichten. 

Trachin. 981 sqqg. Die Worte TPODOS. avryv duni- 
orwos. XOP. ris Ivuog, n tives voooı, TPO®. ravd’ alyus 

Muf. f. Philol. N. F. IM. AD 


ah e 


626 Miscellen. 


Berzos zaxov Svveite, wie fie bei Brund lauten, lieſt Hermann: 

TP. aurnv diniorwoe. XOP. (1) Ivuos XOP. (ll) n zives 

voooı XOP. (1) zavd’ alyud 
Pekeog xaxov Evveike; 

(er vertheilt nämlich das Gefpräch mit der Amme unter die 15 
Perfonen des Chors). Bothe, welcher Hermanns Anficht über die 
Bertheilung unter den Chor zu fühn findet, möchte die alte Yesart 
alzuav B. x. von der Dejanira verftchen, was unmöglich angeht, 
denn es wäre dieß eine Aeußerung des Chors gegen Dejantra, 
welche er nach feinen im ganzen Stücke gethanen Aeußerungen nicht 
vorbringen fünnte, und überhaupt fo heftiger und fchimpfender Art, 
daß fein Sophoffeifcher Chor über eine Perſon, welder er Wohl- 
wollen und Mitleid im Leben gezeigt, etwas Achnliches im Tode 
fagen würde. Ja diefe Auslegung ıft fo monftrös, daß man fich 
wundern möchte, wie ein fo geichmadfvofler Mann, wie Bothe, fie 
vorbringen Fonnte, welcher fich vergeblich auch nur nach dem Schein 
eines Beifpiels folcher Nevdeweife eines Chors bei diefem Dichter 
umfehen würde, Die Nenderung von aryunv in arzur gehört 
aber befanntlich unter die unbedenflichften, welche e8 irgend giebt. 
Dagegen kann ich mich nicht überzeugen, daß Hermann zis vor 
Yvuos mit Recht ausgelaffen babe, metro pariter ac sensu iu- 
bente, wie er fagt. Das Metrum erheifcht dieß nur dann, wenn 
man die Stelle für antiftrophifch hält, wozu aber fein genügender 
Grund vorhanden iſt. Wie aber der Sinn es erfordere, weil Yv- 
wög ira heiße, und die Arage lauten müffe, nicht welcher Zorn, 
fondern ob Zorn fie dahingerafft, iſt nicht einfeuchtend, denn erſtens 
ftebt ja auch zives vcooı, und vieß iſt ja nicht Kranfheit, fondern 
Feivenfchaftlichkeit, weil nach der Angabe auryv dınlorwoe die 
Frage nad) einer Krankheit nicht möglich if. Da nun Fvuog fo= 
wohl als v0001 den leivenfchaftlich erregten Gemüthszuſtand bezeich- 
nen, fo erfordert in der Frage ſchon die Symmetrie, daß wenn 
tizes vor vooor ftehe, auch zis vor Ivuös ftehe, denn fonft müßte 
auf Svurs Zorn bloß 7 v5001 oder Leidenfchaftlichfeit folgen, denn 
entweder muß nach der Gattung der Gemüthszuftände oder nach 
ven Gemüthszuſtänden felbft gefragt werden, eine Vermiſchung der 


zur Rritifund Erflärung 627 


Fragarten unmittelbar hintereinander ift aber nicht wahrſcheinlich. 
Die Frage aber iſt nicht, ob Zorn oder Leivenfchaftlichfeit fie zum 
Selbftmord getrieben, fondern welche Art von Erzürnung oder Lei— 
denfchaftlichfeit, was ganz recht ift, da man bei einem Selbſtmord 
vorausſetzt, daß er nicht aus Gleichmuth ftatt finde, fondern aus 
heftiger Gemüthsbewegung, und wenn man nach den näheren Um— 
ftänden fragt, auch die Art der Gemüthsbewegung und Aufregung 
zu erfahren begehren Tann, denn es fommt gerade dabei auf den 
Ausbruch und Verlauf ganz befonders an. Die Stelle dürfte daher 
durch die Menderung arzur allein zur Genüge bergeftellt fein, fo 
daß fie lautet: fie hat fich vernichtet. Chor 1) Welcher Zornaus— 
bruch (welche Gemütbsbewegung) oder welche Leivenfchaftlichkeit . . 
2) vaffte fie mit Schärfe arger Waffe dahın? 
Electr. 610. 
XOP. 008 uevog nv&ovoav* ei dE ovv dien 
Evvsortı, rovde poor)’ oVx Er’ Eigogo. 

Hermann erffärt video eam (Electram) furorem spirare: sed 
an iure se ei dederit, hoc non amplius (a Clytaemnestra) cu- 
rari video. Als die wevos nveovow wird auch von dem Scholia— 
ften die Eleftra genannt. Dies aber ift bedenflih, denn da diefe 
eine Rede vorgebracht hat, welche die Klytämneſtra berb verlegen 
mußte, fo ift es natürlich, daß der Chor den in diefer auffteigenden 
Groll bemerke, welcher fich deutlich genug in den Mienen ausdrückt, 
fo daß der Chor fah wie fie nun demfelben Worte leihen würde, 
und deshalb fagt zoüde pgorrd’ ovx €’ &15000. Don jemand, 
welcher eine herbe Rede völlig beendigt und durch dieſelbe feinem 
Zorne Luft gemacht hat, paßt gar nicht hinter drein der Ausdruck 
008 uevog nveovoar, und fommt auch nirgends in ähnlichem Ver- 
hältniß angewendet vor, fondern nur von folchen, deren Wefen zeigt, 
daß fie in Zorn gerathen find, ehe fie noch denfelben ausgefchüttet 
haben. Darum möchte die richtige Auslegung fein: ich fehe Klytä— 
mneftra durch Elektra's Nede in Zorn verfest, ob aber mit Necht, 
dag bevenft fie nicht mehr; worauf Klytämneftra fagt: was brauche 
ich das noch zu bedenken. Mit jenen Worten möchte der Chor den 
von Klytämneſtra drohenden Zornausbruch mäßigen Durch Die ver- 


* LA 
—* 


2 


623 Miscellen. 


fteefte Hinweifung, fie möge bevenfen, ob fie mit Recht in Zorn 
ausbreche, oder Eleftra’s Rede milder aufnehmen könne und ihr, Statt 
zornig, ruhig zu fagen vermöge, was fie auf die Anklagen zu ant- 
worten habe. Man wird auch bei Sophofles den Chor ım Neven 
zwifchen zwei auf der Bühne anmwefenden Perfonen nie fich ähnlich 
äußern finden, daß er den herben Reden der +einen Perfon gegen 
Die andere grade zu Necht gäbe, und dieß wäre hier und zwar 
in ganz unfanfter Korm der Fall, denn wenn der Chor fagt, 
ich fehe Eleftra im Zorn, aber Klytämneſtra fieht aus als bevdenfe 
fie nicht, ob Eleftra mit Recht in diefem Zorn iſt und ihre Rede 
mit Necht vorgebracht hat, fo ermahnt fie jene auf das Necht, wel- 
ches Elektra ihr zu zurnen haben fünne, wohl zu achten, und dag 
ift für dan Chor zu bedenklich. Vom Zorn und zwar vom werog 
nveiv fann der Chor immer abmahnen, denn wenn Herbes gejagt 
wird, kann es und wird es am beften zurücdweifen und feine Ge— 
gengründe am beften vorbringen, wer das Unrecht, was er fih ans 
gethan glaubt, widerlegt ohne Zorn zu ſchnauben. 
Antigon. 130: zul opus Esıdwv 
nokhe gevuarı 11005VL000UEVOVG 
/9v000 zavayıg Unegontiag 

Die Schofien erflären: za zyV ToV yovoov pavracızy vneo- 
Beßnzoras 7 ldie Unegowyig. vneonparov yag yuvooc. 
01 dE paoı heıinsıy nv uera, iv’ N 0V1W0:. zul dw ar'rovg 
TOOGVIOOOLLEVOUG HET« Z0VOOV zal zavayns zul UnEgowWias, 0 
Eotıy Uneonpavlag, 00% nvEoyero. Martini meinte nach dem 
Anfange diefer Erflärung zu urtheilen, der Scholtaft habe ein von 
Uneoonteodat abgeleitetes Adjeetivum im Comparativ vor fi ge- 
habt, was Hermann fiharffinnig gefolgert fcheint, welchem Wunder 
in dieſer Anficht beiftimmt. Diefer Comparativ foll etwa Uneoo- 
nroregovg gelautet haben. Die ganze Erklärung zeigt daß Mar- 
tinis Vermuthung nicht nur grundlos, fondern falſch ıft, denn ein 
Comparativ konnte die Erflärung uera yo. 2. zar. x. uno. nicht 
zulaffen, und doch iſt nur die Rede von Erklärung, nicht von einer 
andern Lesart, welche der Scholiaft anzugeben nicht hätte verabſäu— 
men fünnen. Die Scholiaften erklärten den Datip eines Wortes 


Zur Rritif und Erflärung. 629 


son der Bedeutung der Wörter vnegowia, vunsgnparia, und 
zwar die einen in dem Sinne: kommend in prahlender Uebertreffung 
des prahlenden oder glänzenden Goldes, die andern in dem Sinne: 
fommend in Prahlerei der goldgeſchmückten Waffen und ihres Ge- 
vaffels oder des Getöfes, Hermann Tieft jedoch vnegontag und 
verbindet deunarı yovoov zurayns, vbne welche Verbindung 
jenes vnegöntag ſich nicht anbringen läßt. Da jedoch die Tragi- 
fer nur das Heer in feinen Bewegungen mit einem Strom vergleis 
chen, das feltfame Bild jedoch von einem Strome goldener Waffen 
oder von einem Strome des Halles des Goldes ftatt gewaffneter 
Männer bei ihnen ganz unerhört ift, fo darf es dem Sophokles 
nicht untergefhoben werden, bei welchem wir aber als vollfonmen 
in der tragifchen Sprache gegründet den bildlichen Ausdruck anneh» 
men fünnen: die in gewaltigem Strome in der übermüthigen Prah— 
Ierei hallenden Goldes fommenden (wie Aeſchylus fagt: Unegxou- 
noıs oayals). Da nun Inevowiaıs, woraug die Lesart vnego- 
nrias verderbt fiheint, nicht recht fein Tann, und eben fo wenig 
das von Brund verfuchte 20000õ zarayr, yünsoonkiaus, fo läßt 
fi) nur an ein Wort denken, welches die Erklärung deſſelben, 
Unsgowiaıs, aus dem Tert verdrängt hat, und es läßt fih an 
vnsynpariaıs als dem Sinn und Versmaaß genügend denken, 
Mag es auch bedenklich fein dieß Wort in ven Tert aufzunehmen, 
fo dürfen wir wenigſtens aus Unegontiag nicht vnegontag als 
richtig folgern, und eben fo wenig an einen Comparativ dmegonro- 
tEoovg denfen, da der Sinn der Stelle nur dem dunfel fein kann, 
welcher die Sprache der Tragifer nicht genug fennt, oder diefe 
Stelle nicht unbefangen betrachtet. 
8. Schwend. 


630 Miscellen. 


In Bucolicos Graecos conieclurarum pentas. 


Th eo.eril.,5,,28. 

OgTIg vızaosiv tov nAariov wg Tu nenoidn, 

opus Poußewv TErrıyog Evavrlov. 
Jta editiones habent novissimae ; in prioribys eral nenondeıg, 
id quod codicum aliquot non vilium consensu firmatur haud 
mediocriter. Scribamus ergo nenol$ng, quod verbum 
quum ad enunlialionem primariam et secundariam aeque per- 
tineat, non tamen utrique aut certe primariae, sed uni ac- 
commodatum est secundariae; neque hoc ab poetarum usu 
plane abhorret ut patebit Theognidem conferenli v. 541 seq. 
Bekk. deruavo un zyvde nökıw, TloAvnuidn, Üßgıs 

nneg Kevravgovg wuopuyovg 0h80EV. 

vide ibi Schaeferum p. 42. 

Bion. 2, 7 et 31. Multifariam corruplum est Bionis car- 
men secundum müllisque coniecluris a viris doclis tenlatum, 
novissime ab Hermanno, cuius tamen raliones non ubique 
salisfaciunt. Velut quum v. 7 

nwg nalg E00070 Paoos, Onwsg Ö’ Ewevoaro uogpav 
illud p&@oos nude positum vix possit vestem muliebrem deno- 
tare, sed plerumque significet virilem , seribi ille iussit: ng, 
»oFov Eooaro pagos. Ego facilius ei ad rem accommodalius 
corrigi posse pulo: nw@g nols EooatT apyaynszı.r. A. 
„quomodo vestilus erat ia ut sine himalio essel“, quo pro- 
lepseos genere nihil est frequentius. Servavit vocem Hesy- 
chius p. 636 Alb.: ayagoı . aviuaroı (?), dvevdvroı. 

Ultimum eiusdem carminis frustulum tale est: 

& de novno@ 
vvoou yag bolla us zarws ano 080 ueoloder, 
ubi Hermannus auctor est ut scribatur: vvoo@ yooog doAr« 
x. r.%. Verum tamelsi in novanda verborum significatione 
multum sibi licere Bion et Moschus putabant, vehementer ta- 
men dubito num parietem ille idque eo quo putant vocabulo 
dicere voluerit. Imo scripsisse Bion videtur: 


Zur Rritif und Erflärung. 631 


& ÖdE novno@ 
voEapuo «a doll uE zux@g ano 0Elo ueoioda. 
"Agpao significat continuo ut Nliad. 23, 375, et dorr« vug est 
etiam apud Tryphiodor. 29, sed paulo ibi aptius positum quam 
nostro in loco, ubi praestare videtur @ doAı ya, ut Odyss. 
23, 243. 
Mosch. 3, 38 seq. 
oVdE Toonv nox' weıoev &rl Oxon&koioıw andwr, 
oVdE Toon» Yorvnosv ur WOER uaroa yelıdwr. 
Miraturos mecum arbitror historiae naluralis peritos lusciniam 
canlantem er. oxoneioroıv, quae, ut est apud Sophoclem, wuı- 
yuoerar Yaullovou ualıor’ andav yAwgulg uno Puo- 
o@ıg. Errasse autem ea ralione bucolicum poetam quum 
parum verisimile sit, librarios mihi videor, non poetam casli- 
gare, dum ita scribendum dico duabus transpositis vocibus: 
oVdE TOOOV nox’ KEIoEV Eri 0x0n&koıcı yekıdar, 
ovdE T000v Ionvnosv dv woran uarga n 0x ddwr, 
nam «dw» est in eodem carmine eliam vv. 9 et 46. 
Mosch. 5, 3. ovd’ Erı wo ya 
Evri pie, nogEsı dE noti n\0ov a ue ye)ava. 
Haec, quae legi commode et intelligi possunt, Hermanni ma- 
xime sagacilas invenit pro eis quae in codicibus leguntur 
corruptissima et sensu cassa. Verumtamen no9esı vix arbi- 
tror recte posilum, nec respondet satis codicum nonnullorum 
lectioni non vel zosern, in quo latere puto zoyıE i. e. 
ng0S(nom. 
Gothae. Otto Schneider. 


Zu Plato. 
Leg. V. p. 747. D. zul yao,  Meyılde re xal Kisıvda, 
x -0o> c * ‚ x ’ c > 2 3) BZ 
undè ToVF’ nung Aavdarerw neyl Tonwv, WG 00% Elolv aAk0L 
tıvig diap£govres ahkwv Tonwv no05 TO yermav avdownovg 
dusivovg zul yeilgovg, 0lg odx Evarıla vouodernteor. Sn dem 


RN 


632 Miscellen. 


anſtößigen @g ovx zuarv ftreicht Aft des Gedanfens wegen die Ne- 
gation: wie mich dünkt, zum Nachtheil des guten Stils. Mir 


ſcheint @s Eorzaoıy arkoı das Urfprüngliche: ®COY KEICIN 
@CEOIK A CIN 


dr. Dübner. 


— ——— — ⸗ 


Kritiſche Nachleſe in KLenophons Feldzug des Kyros. 
Non fumum ex fulgore, sed ex fumo dare lucem Cogito. 


Erftes Buch, achtes Kapitel, $. 3. Kal Köoog re — 
zöv Iugaxa evedv. Nach einer Ausfage über Alle (zul navres 
de —) paßt hieher nicht TE, fondern das unterfcheidende ye. 

Zwertes Buch, erftes Kap., $. 19. In guten Handfchrif- 
ten fteht eu de Tu, oder er dE ToL, umdewa owrnolag Eotiv Eh- 
nis. Wir finden hierin ec d’ Erı (fortan), was wir der weniger 
fräftigen Wulgata eu uevror vorziehen, 

Diertes Kap., $. 22. Tore Oh zal &yvwosn, örı elc. Da 
nur von Einer Sache, nämlich von der Beftochenheit des Boten, 
die Rede ift, fo fteht za, auch, müßig, und das Wahre fcheint 
zaTEyvwoFn. 

Drittes Bud, drittes Kap, $. 19. "Oow de zul Innovg 
Ev TO) oTgartevuarı Ovras, TOVGg uEv Tıvag mag’ Euol, tovg de 
m Kieapyw zuraherleıuuevovus —. Klearch war todt: aljo 
fann von etwas ihm Uebriggebliebenen feine Rede mehr fein; zovg 
de twv Kisaoyov entfpricht dem Sinne. 

Viertes Kap., $. 15. ’Enei de diaraydevres oi “Podıoı 
Eopevdovnoav, zal ol rosoraı Eroßsvoav — zal ö Tiooapeo- 
vns uaha tay&ms Em Behwv dnsywosı, zal al akkar Tafeıg 
ene/wonoav, Eney,, nicht die Bulgata aneyworoer, paßt in den 
Zufammenhang, denn der Einn der Stelle ift, daß Tiffafernes fich 
aus der Schußweite zurüczog, und das bisherige ($. 14.) Hinter: 
treffen vorrüden Tief. FIxvdaı vor roSozaı iſt anerfanntes Glof 
fem eines Kopiften, der vermuthlich von Ariftophanes herfam. 

Zweites Bud, zweites Kapitel, $. 9. Teure d’ mmo- 


vav opasarres xanpov xal Tavvor zul Avxov xal XxOLov, 


Zur Kritik und Erklärung. 635 


sis donida Banrovres oi utv "Erknveg Eipos, or de Baoßayoı 
Aöyynv. Dieb Bundesopfer der Griechen und Perfer wäre einzig 
in feiner Art, wenn man annehmen fünnte, daß der Wolf hier an 
feiner Stelle fei. Aber nirgend, wo Bündniffe, feierliche Eidſchwüre, 
Luftrationen, wie Die Suovelaurilia der Römer, befchrieben werven, 
erfcheint das Naubthier neben jenen Hausthieren, deren Fleifch, 
nachdem die Götter ihren Theil empfangen, zum Opferfchmaufe ver» 
wendet ward. Auch bei Feftmahlen überhaupt, 3. B. dem des Als 
finoos in der Odyſſee, 8. B. V. 59 f., werden nur fie erwähnt. 
Sonach ift die Fchlerhaftigfeit ver Worte zur Avzov nicht zu bes 
zweifeln. Wir vermuthen, daß Kenophon nalkevzov ſchrieb, und 
daß bier, wie an manchen andern Stellen, z und rn mit einander 
verwechfelt wurden, worauf aus zaAksvzov bald zaı Aevzov, und 
durch unbedachtſame Correetur zul Avzov entftand. Die weiße 
Farbe war vor Alters, fogar bei Barbaren (m. f. Anab. I, 8, 9., 
V, 4, 12., VII, 3, 26.), befiebt, auch glücbedeutend, und weiße 
Dpferftiere find nichts Seltenes. 3. H. Voß in der Anmerfung 
zu Birgils 6. Idyll V. 45 f.: „Dem Stiere hatte die heilige 
weiße Farbe, die er, wie bier, bei Properz II, 23, 113 und in 
Philoſtrats Gemälde I, 16 bat, fein Schöpfer Nepfunus verliehn. 
Denn auch diefem wurden nicht immer fohwarze Stiere (Odyſſ. III, 
6), fondern zum fröhlichen Danfopfer, wie Men. V, 236, aud) 
weiße dargebracht: 

„Di, quibus imperium est pelagi, quorum aequora curro, 

Vobis laetus ego hoc candentem littore taurum 

Constituam ante aras.* 

Viertes Buch, fünftes Kapitel, $. 5. ErIa din ueredido- 
o@v dlknkoıg wv Eiyov Exaoroı. EvIu de TO mio Exuisro —. 
Ev9a iſt verdächtig, da ſogleich 2294 dE folgt; auch hebt dr 
die fchlichte Erzählung zu nachdrüdfich hervor. evdade, tum, ge- 
nügt dem Sinne, und wir fegen es nicht allein hier, fondern auch 
Kap. 8, 28 diefes Buchs, und VII, 6,9. So wird au zvruvda 
gebraucht: m. f. 3. B. IV, 5, 21, 36; 7, 4. Daß de und dn 
Häufig vermengt werben, it befannt. 

Ebenda, fiebentes Kap., $. 16., wo die Bewaffnung ver Cha- 


634 Miscellen. 


Iyber befchrieben wird, müfjen des Zufammenhangs wegen die Worte 
&iyov JE — Eyov hinter Enogevorro gefekt werden, und zad 7dov 
— £uerrov muß folgen. Durch folhe Verfegungen ift Xenophons 
Tert auch anderswo entftellt worden, 3. B. VI, 1, 22, md VI, 
8, 22. 

Fünftes Buch, viertes Kap., $. 22. zeug ToSorug us- 
Tasv av Adywv Hgdrwy orımv Eyorzes. Mir fchreiben döovzor, 
und ebenfo V, 5, 1. mit Löwenklau ovror OAiyoı lorres now, 
wo orzeg, die Lesart der Handſchriften, abfurd iſt. oAryoı löureg 
noav verftehn wir fo, Daß nur wenize Chafyber zum Kampf mit 
den Griechen hervorkamen; die übrigen arbeiteten in den Eiſenſchmie— 
den, wie bier bemerkt wird, oder dienten den Perfern als Mieths— 
truppen, nach IV, 4, 18. 

Ebenda, $. 26. O de Baoıheug — oUx yIehev ESerdelr, 
ovdE 01 Ev TW no0TEgov Elgederrı ywoim. Dieß iſt Xenophons 
Hand, nicht aigedevrı gegen die Geſchichte. Die frühere Erwäh- 
nung des Ortes gefchieht im 14. und 23. $. Herodot 4, 77: 
WOnEg nE0TEREV EloEdn: 

Fünftes Kapitel, $. 3. Kal norla zaradvourrwv TER0S 
unsdeiSavyro 0i uavreıg navrsg yyounv, Ötı oVdaum nooo1oLyro 
01 3eol rov nöhlsuor. Karl genügt dem Sinne nicht, fondern 
Karroı. Tor wurde leicht vor 70% überjehen. 

Sechftes Kap., 8.15. Ev dE rovrm zw yoorm Zevopyortı, 
— xuhöv avım £dosev eivar elc. Würde der Gedanfe nicht 
ohne Unterbrechung fortgefegt, fondern mit zar0v von Neuem auf- 
gefaßt, fo wäre de ober ovv nöthig. So aber ift adzo, d. h. 
Tovro, wahrfcheiulicher. 

Ebenda, $. 20. TO de Asyaıs, Bin naoe)Jovrag Oxnvovv, 
nusls nSıovusv ToVg zauvovrag Eis Tas ortyag deSaodar Enel 
dE 00x dvemyov tag muhag, 1 Nuüg oUx Edeyovro, aurtol To 
zwolov tavın Eioeldovres alko uev oldEv Blarov Enoınoauev 
Unverftändfih. Wir ſchreiben oxmvoov nuas, n&. — n Nuas 
ovv EöEyovro avrol, ravım elc. TO zwglov, im inne von 
zwoa, ift Gloſſem son avzor, welches Wort die Landleute bezeich- 
net, die freiwillig, auzor, den Griechen ihre Häufer öffneten. 





Zur Kritik und Erflärung. 635 


Schftes Kapitel, $.2. — Stownt, "Erimvas ovrag "Ekinor 
TovrWw nowrov zakog deikeodue, Ti) Evvovg Te eivar elc. Jdei- 
Seodar leſen wir für deyeosar, einen offenbaren Schreibfehler. 

Siebentes Kapitel, $. 19. To» JE anopvyovrwp Tıveg 
Eiınvov Ervyov (vder Tuyeiv) tr or1eg Ev Keoooovvm — 
avrol ze Erolumoay —. In dem handfchrijtlichen Ervyorv oder 
Tvyesiv glauben wir zuyov, forte, erfannt zu haben. 

Ebenda, $. 33. Ei de ur, noog Zuög, nos 7 Feois Yv- 
vousv mö&ws, nnioüyres duya aoeß7 —; ndEwg ſcheint verſchrie— 
ben für @edewg: jenes iſt ein zu ſchwacher Ausdruck neben m. Eoya 
aosPßr. 

Achtes Kay., $. 22. Toryavovv 2Eovoray Enoınours toig 
zax0ls avıov ıBorLeıw. Anſtatt des matten avımv rathen wir 
zu leſen avroc, wihr ſelbſt“. 

Ebenda,$. 25. Ei de zw n yeıuova EnEXoVgno«, n no- 
kEurov annoväa —. Krüger meint yeıuwva Enex. durch jene 
Worte in ver Kyropädie, VI, 2, 30., Eodng — updorwrega — 
nolla zul vyıalvoyrı zal zuuvoyrı Enızovged zu erklären und 
zu beftätigen. Allein dieſe Stelle hat Feine Aebnlichfeit mit ver 
vorliegenden, zeıu. Enex. iſt und bleibt ein jchielender Ausdrud, 
und unferer Meinung nach hat man bier nicht zu erklären, fondern 
zu emendiren. Schreiben wir & de zw n y. En. m nokduov 
anegvsag elc. 

Sehftes Bud, erfies Kap., $. 5. Kar rewz usv Eua- 
yovro aa nogevousvor oL Elimves‘ Eni de diaßaoesı yaoa- 
doas rgenovrar avrovg —. Das Eubjeft von reenorraı fünnte 
fprachgemäß nur “Eiinveg fein, und dem Zufammendange nad) ift 
es doch Ooazes. Dieſe Zweideutigkeit zu befeitigen, fehlagen wis 
odzoL wurovg vor. Das Ähnliche avrovg mag ovror verdrängt 
haben. 

Ebenda, $. 22. muß yoadın — zurokerleıuuevovg hinter 
no4&uıor geftellt werden, und za Tuura — TO orgarevuu folgen. 

Zweites Kap., $. 22. Kar Zevogav Kieavogo; edendn 
— noosvueloder etc. noosvusiodear fagt zu wenig: fehrei- 
ben wir mooundeiodun. Wie öfters, mögen Abfchreiber Die An- 


636 Miscellen. 


fangsbuchitaben der Sylben mit einander verwechfelt haben, fo daß 
man Anfangs ngodnzuslicdae, ein Corrector aber bald noosvuer- 
o9aı fchrieb. 

Drittes Kay., $. 2%. ’Evrevder 01 Aoyayol zyelodaı Eri- 
kevov, Der Sinn verlangt exekevovzo. 

Ebenda, $. 31. vanos yao wvrorg unedeyern, 0 oVx 
ndsıoav oi "Eiknwes. Krüger begnügt ſich, Handichriften zufolge 
ndeoav zu fehen, was er auf den ganzen Sat bezieht, nicht auf 
vanos allein. Die Griechen follen nicht gewußt, nicht gefehn ha— 
ben, daß die Neiter in das Waldthal flüchteten. „Nam si seivis- 
sent,“ fagt er, „facile eos assequi et contrucidare potuissent.“ 
Wem eine fo gezwungene Deutung nicht zufagt, der wird vielleicht 
mit ung ndeoav oder ydeıoav für verderbt balten. Wir vermur- 
then 0 (70 vanog) ovx &lonsoav ol 'E. 

Viertes Kap., $. 23. Karl rovg re Toanelovvriovg uns- 
GTEONXUUEV TV nEVINzOVTOHoV, zul zaz0L dozoVuev &lvar dur 
zovrov. Das erfte Kar ift läſtig; wir fchreiben ‘25, sic, da be- 
fanntlih cos und za von den Abfchreibern Hfters verwechfelt wurden. 

Siebentes Bucch, drittes Kap., $. 3. oürog dE 6 arrag 
eis NE0g0v7009 xereveı Pia dıa Tod iE000 O90vG nousveodut. 
Vielmehr oVTwg. 

$. 32. oaknıySır wuoßolvars oaınılorres. in ungenauer 
Ausdruck für avioig wu. avkovuvres. M. f. Schneiders Wörter: 
buch in dozavins. 

Ebenda, viertes Kap., $. 16. Erredwouzıouevor. Da diefes 
Wort fonft nicht vorzukommen fcheint, fo ift vieffeiht ev Tedwoa- 
zıouevor zu leſen. 
©  Ebenva, $. 19. Eneineg 709Ero, 000» neo youvov &Bon- 
HEL, TO000T09 zal TO xE00G EpIeyysro avıy. Krüger hat wohl 
gefühlt, daß 70Iero fchwerlich hierher gehöre, aber vielleicht fcheute 
er fih, an den Buchſtab der Handfchriften zu rühren, die doch dem 
Kritiker nicht immer ein Material Tiefern, das Feiner Bearbeitung 
bedarf. Daher bemüht er fich, das Wort zu erflären. Man höre: 
„Cum rem (Graecos a barbaris oppressos esse) sensissel (for- 
lasse ex incendio et clamore), per totum iempus, quo opem 


Zur Kritik und Erklärung. 637 


laturus accurri- Damit könnte man ſich beruhigen, wenn wirklich 
bier von der erften, zu Seuthes gelangten, Runde die Nede wäre; 
allein im Borigen iſt ſchon berichtet, daß er belfend mit den erften 
7 Neitern und dem thrafiihen Trompeter berbeigeeilt war, alfo bie 
Nachricht vorher befommen hatte. Sonach ift J09670 nicht zu ver 
theidigen. Wir Schreiben eneineo n79ero, wweil er entrüftet war,“ 
daß die Thyner folchen Ueberfall gewagt, den er hätte vorausſehn 
fönnen, befonders da Xenophon ihn auf die Unficherheit des Stand» 
quartiers der- Öriechen aufmerffam gemacht hatte (VII, 4, 12, 13). 

Sechſtes Kap., $. 10. Mera roürov aAkog aveorn Öundos, 
zul arhos. Öuodog fteyt müßig; nicht aber Ouorog, wein Aehn— 
licher, Gleichgeſinnter/. Dieß ſetzen wir. 

$. 21. Nur ua Jia Koyvvounv uevroı, el uno noksılov 
yE 0705 Eönnarydnv. wevror verdreht den Sinn; nur dag vers 
fihernde zod ift hier an feiner Stelle: daher ftreichen wir wer, 
das wahrfcheinlih aus dem vorangehenden zumv entftand. Die Aus- 
laſſung von ar ift nicht ungewöhntih: m. ſ. Matthiä's Ausführl. 
gr. Gr. $. 508, 1. Anm. 

$. 30. Jı@ rovın ovdaun olLeodE yonvar Lovra Eu: av 
sivar. Lorra iſt ein Läftiges Gloſſem; überdies verwirrend, als 
ob hier von Nichtleben an dieſem oder jenem Drte die Rede fei, 
und nicht vielmehr davon, daß Kenophon fchlechthin fterben müſſe. 
Dieß Hat unfer Gefhichtfchreiber durch ovdaun sivar ausgedrückt, 
wie der gräcifierende Horaz Sat. 2, 5, 101. fagt: Ergo nunc 
Dama sodalis Nusquam est (vd. h. morluus est)? wo man Pam- 
bin, Wagner und Andre nachfehe. Dieß hat poetiſche Farbe, wie 
man fie bei Xenophon öfters findet: denn der Grundcharafter feines 
Stils ift natürliche Einfalt, die auch in der Poefie vorwaltet, im 
Gegenſatz der fünftlichern Proſa. 

$. 44. Eneorterhov dE Taüra zul arkoı moAkor Eevor — 
Eevoyarzı —. Krüger: „gevor omittunt Eton. H. I. O., quod 
unde ortum sit non facile dixeris.* Wahrfcheinlich entftand &e- 
vor aus Servo, den Anfangsbuchftaben von Sevopar. Ein Abfchrei- 
ber wollte fo fehreiben, als er bei nochmaligem Hinblick in fein 
Driginal den Artikel fah. Demnach Tieß er Sevo fo ftehn, ohne es 


22: ARE 


638 Miscellen. 


zu tigen oder zu durchſtreichen, was diefes Völkchen aus bekannten 
Grinden ſcheuete, und fügte bloß rm Zevoyovrı hinzu; cin Cor— 
reetor aber verwandelte („quasi re bene gesta „“ wie ver Paläo⸗ 
graph Kopp zu fagen pflegte) Sevo in Sevou. Daß nicht alle Ab— 
fehreiber fo irrten, verſteht fih von felbft. 

Achtes Ray., $. 1. Krsayogov vios, ToV 1a Eranıa & 
Avrsiw yerygaporog. Evanır, Toup's Aenderung, feheint unbe- 
ftreitbar richtig; Die Erklärungen von ervnven, die man verfucht 
bat, find alle bart. 

$. 22. zul oÜrTw Ta ngoreva 1800 anedn. Diefe Worte 
unterbrechen da, wo fie in den Büchern ftehn, den natürlichen Zu— 
fammenhang der Erzählung ; fie gehören hinter Ileoyauor. 

$. 25. »al Moovvorzoı, zul Koiroı. So die Ausgaben. 
Ale Herausgeber ftusen über Kodroı, was fie für den Namen 
eines nirgends erwähnten Volks halten, Buttmann ftrich das Wort, 
als fer es aus den vorhergehenden Sylben -z0: zur entitanden ; 
eine unwahrfcheiniihe Vermuthung. Wir leſen Moovvoızoı, zal 
zoo, „Moſynoiker, und zwar verſchiedene.“ Bekanntlich führt 
Kenophon zwei Völferfihaften diefes Namens auf, die fogar fort 
während fich bekriegten. Die Buchftaben o und o find auch an- 
derswo von den Abfchreibern verwechfelt worden, 3. B. bei Span- 
hem. ad Callim. h. in lov. 87., wo 707 für 790 verfchrieben ift. 
Der manchmal undeutliche, oder verwifchte, untere Strich des o 
fann folches mendum veranlaffen. 

Leipzig im Chriftmonathb 1843. D. 8. 9. Bothe. 


33... 9ef 9 8,1208 

"Ayakua. Eouvor. dgouoiwus &idw.wv, Eixuıwv, m 
avdgıuvrwv, Das ayarkıa ift wohl ein dyouorwun, aber nicht 
der Dinge, welche in diefer Gloſſe angegeben werden, und dieſe iſt 
faljch, denn apouorwur iſt für fi) oder mit dem Zuſatz der Göt- 
ter oder Menfchen, eine Erklärung des ayarııa. Das handfhriftliche 

s F— — ra — 
Utrechter Etymologikum zeigt, daß es ſich ſo mi ⸗ verhielt, 


* 


Zur Kritik und Erklärung. 639 


denn in demfelben heißt es: ayarunra: Eoava. apousiwuuru. 
&lxöveg. avdgıavres. #E0uyBCwoı* #0%00001. (Alſo die ayak- 
uara vnegueyedn, 00 20.0000, in dem nämlichen Artifel abge— 
handelt, denn in dem verderbten Worte dürfte wohl dies ftefen). 
Es ift demnach hinter apouoroua eine Lücke anzunehmen. 

Bhınalsır. 0 ındoraßeiv. Kür das verderbte 779o- 
Außelv Schlägt Salmafius Tırdoiaßeiv vor, wie dag Elymolog. 
magnum PArualeıv erklärt; Sopingius und Heinfius wollen orn- 
Jolaßelv gelefen wien, und dieß mit Necht, wie Das eben ge— 
nannte Etymologifum zeigt, wo es heißt: Prmalo, To uno- 
talsıy rov uehirog' zal To ormdohaßelv: myoVv 10 Ynkapav 
Ta 07n97, zul ToVG uaorovg zurahaußaveıv 7 dgyn. N TO 
Ynkapav rag ogvag dıa ta wa. 

Aayayei. Die Angabe Aayayel, aporleı ift mit Recht 
verdächtig, doch die Herftellungsverfuche Aarayei, Auyugot, kayvevei 
u. |. w. können nicht wohl als annehmbar gelten und wir haben 
fihwerlich ein ung unbefanntes griechiſches Wort vor ung, welches 
‚wir aus diefer Gloſſe kennen zu lernen vermöchten. Zuerft ift Au- 
yoysö auf Aayel zurücdzuführen und die zweite Silbe ay ift falfcher 
Wiederholung zuzuſchreiben; dieſes Auyed aber kann aus 4A.TEI 
entftanden fein wie ZATEINA aus AATEINA. Das ange- 
nommene «@A.yeÖ möchte akoyed, und apoorzıorel in apgıorei 
verderbt und dann fcheinbar in apgıleı gedankenlos verbeffert fein, 
wie auch «poss in der Gloſſe apoos, upowv, uwgös, avovg, 
gedankenlos gefeßt ift. Daß ahnyedv durch apgovrıoreiv erklärt 
ward, zeigt die Gloſſe: @Aoyyosı, dapgovrıornası, Aüyov 00% Eier. 

Magalveraı. waiverar fann nicht für richtig gelten, und 
uogalverau iſt al3 verderbtes Wort anzufehen. Es ift aus ual- 
verar aller Wahrfcheinlichkeit nach verderbt, fo daß wir in den bei- 
den Wörtern nicht mehr ald den Anfang eines Artifels haben, wels 
her uarveru erklärte. Die Beftätigung der Verwechfelung oder 
vielmehr der Corrumpirung von uarveru in waoalverar bietet 
das angeführte Etymologifum dar, denn in demſelben leſen wir: 
Bovzerar, uagalverar, wofür bei Heſychius richtig ſteht Sovzeru, 
uaveral. 


640 Miscellen. 


N&xes. rvexoor, aviar. aozyuloı. veoı, Daß für drrau 
vearıcı zu leſen fer, bemerken die Ausleger ganz vichtiy, aber 
damit allein iſt nicht geholfen, denn nur durch eine Verwechslung 
der Wörter vexgol und veagor ift die Entftehung diefer Gloſſe 
zu erklären, fo daß zu leſen vexvsg, vexgoi- und dann abgefondert 
zu einem eigenen Artifel veayor, vearraı, veoı. Das Wort do- 
zedoı fann nur mit einer Berneinung Pla& gefunden haben. 

Tıumdes. eukußes. Da Heſychius die Gloſſe ruuadia. 
wı290 tun, hat, fo wird bei Tuundes darauf verwieſen, womit 
aber nicht das Mindefte gewonnen ıft. Es läßt fih an ein Wort 
Tıumdes gar nicht in der durch zuraßes angegebenen Bereutung 
denfen, und wir müffen uns nach einem andern umfehen, woraus es 
verderbt worden. Bedenken wir die häufige Verwechslung der 
Buchftaben II und T, fo find wir berechtigt mit muundes ven 
Verſuch zur Herftellung zu machen, und dieß führt ganz Leicht auf 
entumdes hin, welches richtig durch eviußes erklärt wird. Diefe 
Gloſſe gehörte wahrfcheinlich zu Theokit XXYu v9 

Onasos...; je je wg Eenıundes! 
Sp wie aber hier das € am Anfanz weggefallen, fo in zırıa 
für emıtiuia, welches verderbte Wort jedoch in die alphabetifche 
Neibe eingerüct worden, gleich dem verderbten zuumdes, und wie 
niyeıgov ftatt eniyeıgor, 

Dorıov. nooopıles, ndv. Das Wort Porıov Fann 
nicht Durch die in diefer Gloſſe Hinzugefügten Wörter erklärt wer- 
den, und muß daher die Stelle des Wortes, wozu jene Erklärun— 
gen gehören, verdrängt haben. Das verbrangte Wort kann aber, 
wenn es unter den Buchftaben 9 gehörte, Fein anderes fein als 
pi)ov oder Yikıov, denn nur dazu paffen die erffärenden Wörter. 
Sp Hefyhius pikov, nooopıles — pika, ngoopLL£otura — 
pıklov, noo0gYL).EOTEIOg — PlAOS, ng00@YLÄAng und giAoı, ng00@L- 
Agoraroı, ferner Yihıa, nooogıleorare und dann pliwc, Hdewg. 


8. Shwend. 





Bonn, gebrudt bei Carl Georgi. 











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Philologie 


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